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German Pages x+464 [475] Year 2021
Gelübde im antiken Judentum und frühesten Christentum
Ancient Judaism and Early Christianity Arbeiten zur Geschichte des Antiken Judentums und des Urchristentums
Founding Editor Martin Hengel † (Tubingen) Executive Editors Cilliers Breytenbach (Berlin) Martin Goodman (Oxford) Editorial Board Lutz Doering (Münster) – Tal Ilan (Berlin) – AnneMarie Luijendijk (Princeton) Judith Lieu (Cambridge) – Tessa Rajak (Reading/Oxford) Daniel R. Schwartz ( Jerusalem) – Sacha Stern (London) Amram Tropper (Beersheba) – Christiane Zimmermann (Kiel)
volume 111
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Gelübde im antiken Judentum und frühesten Christentum von
Daniel Schumann
LEIDEN | BOSTON
The Library of Congress Cataloging-in-Publication Data is available online at http://catalog.loc.gov LC record available at http://lccn.loc.gov/2020037706
Typeface for the Latin, Greek, and Cyrillic scripts: “Brill”. See and download: brill.com/brill-typeface. ISSN 1871-6636 ISBN 978-90-04-44184-2 (hardback) ISBN 978-90-04-44183-5 (e-book) Copyright 2021 by Koninklijke Brill NV, Leiden, The Netherlands. Koninklijke Brill NV incorporates the imprints Brill, Brill Hes & De Graaf, Brill Nijhoff, Brill Rodopi, Brill Sense, Hotei Publishing, mentis Verlag, Verlag Ferdinand Schöningh and Wilhelm Fink Verlag. All rights reserved. No part of this publication may be reproduced, translated, stored in a retrieval system, or transmitted in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, recording or otherwise, without prior written permission from the publisher. Requests for re-use and/or translations must be addressed to Koninklijke Brill NV via brill.com or copyright.com. This book is printed on acid-free paper and produced in a sustainable manner.
Inhalt Vorwort ix 1 Einführung 1 0 Gegenstand der Arbeit 1 1 Forschungsstand und Zielsetzung der Arbeit 3 2 Methodische Überlegung zum Gebrauch rabbinischer Texte für die Erhellung der im Judentum des Zweiten Tempels geführten Diskurse zur Gelübdepraxis 7 2.1 Forschungsgeschichte und Problemstellung 7 2.2 Das Vergleichsmaterial 13 2.3 Das Sichten von Parallelen 19 2.4 Datierung des Vergleichsmaterials 22 2.5 Rekonstruktion der traditionsgeschichtlichen Entwicklungslinien 26 2.6 Anstöße zur Traditionstransformation durch „evolutionary factors“ 30 2.7 Der Vergleich 33 2 Das Gelübdewesen und seine theologischen, religionsgesetzlichen, soziologischen und anthropologischen Zusammenhänge 35 1 Das Inaugurationsformular nach dem Zeugnis der Hebräischen Bibel 35 2 Gelübde und Schwur: Ein ungleiches Zwillingspaar 37 2.1 Gelübde und Schwur bei Philo von Alexandria 37 2.2 Gelübde und Schwur nach dem Zeugnis der rabbinischen Traditionsliteratur 41 2.3 Zusammenfassung 43 3 Mahnende Stimmen zum bedachten Umgang mit Gelübden 44 3.1 Ermahnung zur Einhaltung und zum bedachten Umgang mit Gelübden nach Dtn 23,22–24 44 3.2 Ermahnung zur Einhaltung und zum bedachten Umgang mit Gelübden nach Koh 5,3–5 47 3.3 Ermahnung zum bedachten Umgang mit Gelübden nach Spr 20,25 48 3.4 Zusammenfassung 49
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Inhalt
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Die Annullierung von Gelübden 50 4.1 Gelübde und Schwüre von Schutzbefohlenen und ihre Annullierung nach Num 30 50 4.2 Bestätigung und Annullierung von Gelübden und Schwüren in den Texten von Qumran 55 4.3 Bestätigung und Annullierung von Gelübden nach dem Zeugnis der rabbinischen Traditionsliteratur 72 4.4 Zusammenfassung 73
3 Gelübde als bedingte Votivgabenweihe 75 1 Gelübde als bedingte Votivgabenweihe nach dem Zeugnis der Hebräischen Bibel 75 1.1 Das Bittgelübde Jakobs in Gen 28,20–22 75 1.2 Jiftachs Gelübde und die Brandopferweihe seiner Tochter in Ri 11,30–40 79 1.3 Votivgaben und Opfermaterie 81 1.4 Zusammenfassung 89 2 Gelübde als bedingte Votivgabenweihe nach dem Zeugnis jüdischer Texte aus hellenistisch-römischer Zeit 90 2.1 Gelübdediskurse zur bedingten Votivgabenweihe in den Texten vom Toten Meer 90 2.2 Gelübdediskurse zur bedingten Votivgabenweihe in jüdisch-hellenistischen Texten 104 2.3 Der epigraphische Befund zur Gelübdepraxis 117 3 Gelübde als bedingte Votivgabenweihe nach dem Zeugnis nichtjüdischer Quellen 123 3.1 Gelübde als bedingte Votivgabenweihe nach dem Zeugnis paganer Quellen 123 3.2 Gelübde als bedingte Votivgabenweihe nach dem Zeugnis samaritanischer Quellen 125 4 Gelübde als bedingte Votivgabenweihe nach dem Zeugnis der Rabbinen 128 4.1 Zwischen Wertschätzung und Verdammung – Der ambivalente Umgang der Rabbinen mit dem biblischen Erbe der Gelübdeinstitution 128 4.2 Zusammenfassung 129 5 Gelübde als bedingte Votivgabenweihe nach dem Zeugnis des Neuen Testaments 130
Inhalt
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4 Gelübde als bedingte Personenweihe: Der Naziräat und andere Formen der Selbst- und Personenweihe 132 1 Problemanzeige 132 1.1 Der Naziräat nach dem Zeugnis der Hebräischen Bibel 133 1.2 Der Naziräat in jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit 170 1.3 Naziräatsähnliche Bräuche in paganen Kulten des antiken Mittelmeerraums 222 1.4 Der Naziräat in den Texten der rabbinischen Traditionsliteratur 225 1.5 Der Naziräat im Neuen Testament 256 2 Die Korban- bzw. Schätzungsweihe und andere Formen der Personenweihe 301 2.1 Die Schätzungsweihe nach 2. Kön 12,5–17 und Lev 27,2–8 301 2.2 Die Schätzungsweihe nach der Darstellung Philos in SpecLeg 2,32–34 305 2.3 Die Schätzungsweihe als Korban-Personenweihe in Josephus, Ant 4,73 307 2.4 Die Schätzungsweihe nach dem Zeugnis der rabbinischen Traditionsliteratur 309 2.5 Sklavenfreilassung oder -weihe in jüdischen Inschriften aus dem bosporanischen Königreich 310 2.6 Die paulinische Rede vom Darbringen des eigenen Leibes als ein Gott wohlgefälliges Opfer in Römer 12,1 317 2.7 Zusammenfassung 320 5 Verbotsgelübde 322 1 Jüdische Zeugnisse zur Verbotsgelübdepraxis in hellenistisch-römischer Zeit 322 1.1 Das Verbotsgelübde nach dem Zeugnis Philos in SpecLeg 2,16 322 1.2 Der Korban-Schwur in Ap 1,166–167 323 1.3 Das pharisäische Fasten- bzw. Verbotsgelübde nach dem Zeugnis der Fastenrolle 325 1.4 Zusammenfassung 330 2 Der epigraphische Befund zur Verbotsgelübdepraxis 331 2.1 Das Gelübdeformular der Jebel Khallet et-Turi Inschrift 331 3 Das Verbotsgelübde nach den Zeugnissen der rabbinischen Traditionsliteratur 335 3.1 Die Neologismen קונם, קונסund קונח336 3.2 Das Gelübdeformular nach dem Zeugnis der Tannaiten 339
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Inhalt
3.3 Die Dispensation von Torasatzungen durch die Obligationen eines Gelübdes nach mNed 2,2 343 3.4 Die Gebrauchssituation des Verbotsgelübdes 345 3.5 Zusammenfassung 348 Neutestamentliche Diskurse zur Verbotsgelübdepraxis 349 4.1 Die „Überlieferung der Ältesten“ und das Verbotsgelübde in Mk 7,9–12 349 4.2 Das Verbotsgelübde beim Gold des Tempels und bei den Opfergaben des Altars in Mt 23,16–22 353 4.3 Zusammenfassung 356
6 Das Banngelübde im antiken Judentum und frühen Christentum 357 1 Der Bann und das Banngelübde nach dem Zeugnis der Hebräischen Bibel 357 2 Der Bann und das Banngelübde in jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit 360 2.1 Der Bannvollzug auf der Grundlage heidnischer Gesetze nach CD A 9,1 360 2.2 Die Bannweihe im äthiopischen Henochbuch (1. Hen) 363 3 Der Bann und das Banngelübde nach dem Zeugnis der Rabbinen 366 4 Der Bann im Neuen Testament 367 4.1 Bannandrohung und Banngelübde in den Briefen des Apostels Paulus 368 4.2 Die Bannweihe der Verfolger des Paulus in Apg 23,12–14.21 374 5 Zusammenfassung 375 7 Ergebnis 377 1 Zur Anwendung der Methodik 377 2 Zum Gelübdewesen und seinen theologischen, religionsgesetzlichen, soziologischen und anthropologischen Zusammenhängen 379 3 Zum Gelübde als bedingte Votivgabenweihe 380 4 Zum Gelübde als bedingte Personenweihe 381 5 Zum Verbotsgelübde 382 6 Zu Bannweihe und Banngelübde 383 Literaturverzeichnis 385 Namen- und Sachregister in Auswahl 425 Autorenregister 432 Stellenregister 438
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete Fassung meiner Untersuchung „Gelübde im antiken Judentum und frühesten Christentum“, die im Sommersemester 2018 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Fach Neues Testament angenommen wurde. Erste Anstöße zur intensiven Beschäftigung mit dem Gelübdewesen des antiken Judentums verdanke ich Herrn Dr. Michael Krupp, der mich 2008 nach einem einjährigen Studienaufenthalt in Jerusalem mit der Bearbeitung des Mischnatraktats Nedarim beauftragte, und Herrn Prof. Dr. Michael Tilly, der mir die Übersetzung und Kommentierung von Tosefta Nedarim und Nezirut anvertraute. Dank gebührt in besonderem Maße meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Lutz Doering, für sein anhaltendes Engagement, mich bei der weiterführenden Vertiefung des Themas zu begleiten und zu fördern. Seine fachliche Weitsicht und Begeisterung für die Vielgestaltigkeit des antiken Judentums haben meine Forschung zu tiefst bereichert. Herrn apl. Prof. Dr. Jacobus Cornelis de Vos bin ich für seine gewissenhafte Erstellung des Zweitgutachtens zu Dank verpflichtet. Seine durch sein breites bibelwissenschaftliches Interessenspektrum motivierten kritischen Fragen und Denkanstöße haben an so mancher Stelle zur Schärfung meiner Argumentation beigetragen. Meinen tiefen Dank möchte ich außerdem gegenüber den Herausgebern der Reihe „Ancient Judaism and Early Christianity“, Herrn Prof. Dr. Cilliers Breytenbach und Herrn Prof. Dr. Martin Goodman, für ihre wichtigen Anregungen im Prozess der Manuskriptfertigstellung und für ihre Bereitschaft, meine Arbeit in die Reihe aufzunehmen, ausdrücken. Ganz besonderer Dank gilt außerdem dem Verlag Brill, namentlich Frau Marjolein van Zuylen und Peter Buschman, für ihre kompetente Unterstützung und Begleitung bei der Drucklegung des Buches. In die Reihe der Danksagungen seien auch all die akademischen Wegbegleiterinnen und Wegbegleiter aufgenommen, die mir in vielen Gesprächen und kritischen Rückmeldungen über die Jahre meines Dissertationsprojekts zur Seite standen, namentlich Herrn Prof. Dr. Folker Siegert für die gemeinsame Philo- und Josephus-Lektüre, Herrn Prof. Dr. Raik Heckl und Herrn M.A., M.Ed. John Dik für die kritische Durchsicht bei der Endkorrektur des Manuskripts, Frau Dipl.-Theol. Laura von Bartenwerffer für den fruchtbaren Austausch über Reinheitskonzepte im antiken Judentum und Herrn Dr. Luke Neubert für das gemeinsame Nachdenken über religions- und traditionsgeschichtliche
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Vorwort
Fragestellungen. Zu guter Letzt möchte ich Irina und unseren Kindern, Calvin, Milan und Milena, für ihr Interesse an meiner Arbeit danken, die nun durch ihre beständige Ermutigung in diesem Buch Gestalt gewinnen kann. Daniel Schumann Mülsen, im Juni 2020
kapitel 1
Einführung 0
Gegenstand der Arbeit
Judentum wie Christentum haben von der Spätantike bis in die Gegenwart in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität an Formen des antiken Gelübdewesens angeknüpft und diese auch weiterentwickelt. In der Wahrnehmung der Literati reihen sich dabei auf jüdischer wie auch christlicher Seite durch die Jahrhunderte hindurch Stimmen der Wertschätzung aber auch der Reserviertheit. So zeigt sich auf jüdischer Seite das Renommee des Naziräatsgelübdes bei einer Reihe amoräischer Gelehrten dadurch, dass diese sich den Beinamen „( נזיראNaziräer“)1 möglicherweise durch einen an Num 6 angelehnten asketischen Lebensstil verdient hatten.2 Der Amoräer Abaje in bNed 10a führt dagegen eine ganze Reihe namhafter Gelehrter auf, die geweihte Naziräer angeblich für Sünder gehalten haben.3 Aus gaonäischer Zeit hören wir dann in einem Rav Natronai Gaon zugeschriebenen Responsum vom Niedergang des Gelübdewesens,4 wenn dieser Rav Jehudai Gaon zitierend davon berichtet, dass das Studium des Traktates „( נדריםGelübde“) in Babylon bereits seit geraumer Zeit ausgesetzt worden sei und kein Urteil mehr zur Bestätigung oder Annullierung von Gelübden von den dortigen Gelehrten getroffen werde. Auf christlicher Seite gehören die altkirchlichen Theologen Origenes, Gregor von Nyssa und Ambrosius von Mailand wohl zu den prominentesten Stimmen, die sich mit der Gelübdethematik befassen. Für Ambrosius (Cain 1,7,25) behält das Gelübde mit seinen uns aus der Hebräischen Bibel bekannten Regularien uneingeschränkte Gültigkeit. Nach Origenes (Hom. Num. 24,2) kann ein Gelübde nur dann als ein Zeichen der Hingabe und der Dankbarkeit geleistet werden, wenn der innere Mensch5 erneuert und wieder in seine schöpfungsgemäße Form gebracht worden ist. Davon, die Hingabe zur Bedingung für eine von Gott zuvor geleistete heilvolle Zuwendung zu machen, ist bei Origenes nichts zu hören. Vielmehr kehrt er die Dynamik der bedingten Gelübdeweihe um und macht die Hingabe des Menschen zur Voraussetzung für die Gewährung 1 Vgl. bSchab 54b; yBer 2,1 4b,44–45. 2 Zur spätantiken und frühmittelalterlichen Deutung der Naziräatsweihe als asketische Frömmigkeitsübung siehe 4 1.2.1.2 und 4 1.4.2. 3 Siehe dazu unten 4 1.4.2. 4 Vgl. Lewin 1942: 22–23. 5 Vgl. Röm 7,22 und 2. Kor 4,16.
© Koninklijke Brill NV, Leiden, 2021 | doi:10.1163/9789004441835_002
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kapitel 1
göttlicher Gaben. Nach Gregor v. Nyssa (Orat. Dom. 1 [PG 44, 1121D]) ist die Auffassung, Hingabe und Dankbarkeit an Bedingungen zu knüpfen, aufgrund der schon zuvor in vollkommenem Maße von Gott geleisteten heilvollen Zuwendung in Christus als unwürdig zurückzuweisen.6 Ganz ähnlich wie Origenes vor ihm stellt auch Gregor v. Nyssa (Orat. Dom. 2 [PG 44, 1137D–1140A]) die Form des antiken Gelübdes auf den Kopf und macht das Einlösen der im Gelübde geäußerten Versprechung zur Voraussetzung dafür, vor Gott treten und ihm ein Bittgebet vortragen zu dürfen. Diese in prägnanter Form zusammengetragenen Stimmen jüdischer und christlicher Gelehrter aus Spätantike und Frühmittelalter dokumentieren in eindrücklicher Weise den ambivalenten und spannungsreichen, schon in biblischen Quellen bezeugten Umgang mit einer kultpraktischen Übung,7 bei der Heil und Unheil so nah beieinander zu liegen scheinen wie wohl sonst bei kaum einer anderen frömmigkeitlichen Handlung. Die vorliegende Arbeit geht den Anfängen dieser zum „Gelübdewesen“ geführten Diskurse,8 wie sie sich in antik-jüdischen und frühchristlichen Quellen aus der Zeit des Zweiten Tempels schriftlich niedergeschlagen haben, nach und stellt sie auf breiter Quellenbasis dar. Dabei werden in fünf Kapiteln das antik-jüdische Gelübdewesen mit seinen religionsgesetzlichen, soziologischen und anthropologischen Implikationen, sowie seine verschiedenen Ausformungen, die bedingte Votivgabenweihe, der Naziräat, die Korban- bzw. Schätzungsweihe, das Verbotsgelübde und die Bannweihe, behandelt. Wie im methodischen Teil der Arbeit9 ausführlich dargelegt werden soll, werden die Quellen in der Reihenfolge Hebräische Bibel bzw. Septuaginta, jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, pagane Schriften des antiken Mittelmeerraums und der Levante, rabbinische Traditionsliteratur und Neues Testament diskutiert. Dass die erst in der Spätantike endredigierten rabbinischen Quellen den ihnen chronologisch vorausgehenden neutestamentlichen Texten vorgeordnet sind, ist durch Zweierlei gerechtfertigt: Zum einen wird durch die Anwendung des in Kapitel 1 2 dargebotenen methodische Instrumentariums allein das rabbinische Traditionsgut identifiziert und behandelt, bei dem eine Bewahrung bzw. direkte Anknüpfung an 6 Vgl. dazu auch Kötting 1976: 1092. 7 Vgl. Dtn 23,22–24, Koh 5,3–5 und Spr 20,25. 8 Wenn hier und im Fortgang der Arbeit der Begriff „Diskurs“ Verwendung findet, dann wird damit nicht in vereinfachter Weise auf eine literarisch ausgefochtene Lehrdiskussion verwiesen. Vor dem Hintergrund der Diskurstheorie von Foucault 1981: 74 verstehe ich die antiken Texte zum Gelübdewesen als Diskurse in der Gestalt, dass diese das Gelübde als ihren Gegenstand nicht darstellend repräsentieren, sondern dass diese ihn systematisch-ordnend bilden und die Möglichkeiten, über ihn zu sprechen, bestimmen. 9 Siehe 1 2.
Einführung
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Gelübdediskurse aus der Zeit des Zweiten Tempels wahrscheinlich gemacht werden kann, weshalb die Traditionen aus rabbinischen und neutestamentlichen Quellen chronologisch aufs Engste zusammengehören. Zum anderen spielen die in der vorliegenden Studie diskutierten neutestamentlichen Belege nur auf antik-jüdische Gelübdediskurse an, ohne die Bedeutung der sich darin abbildenden Gelübde genauer zu erläutern. Aus diesem Grund ist die Erschließung der kulturellen Enzyklopädie zum Gelübdewesen, die die neutestamentlichen Autoren mit ihren Adressaten teilt, zwingend auf die Ergebnisse des traditionsgeschichtlichen Vergleichs mit anderen, zeitgenössischen Texten zum jüdischen Gelübdewesen angewiesen. Um bei der Analyse der neutestamentlichen Textbelege nicht ständig Beobachtungen und Ergebnissen aus nachfolgenden Kapiteln vorgreifen zu müssen, wurde die Besprechung der neutestamentlichen Quellen der der rabbinischen nachgeordnet. 1
Forschungsstand und Zielsetzung der Arbeit
Die vorgelegte Studie reiht sich in die folgenden, hier kurz zu beschreibenden Untersuchungen zu Diskursen jüdischer Gelübdepraxis zur Zeit des Zweiten Tempels ein. Moshe Benovitz legt in seinem Buch Kol Nidre, das Teilen seiner Dissertation und verschiedenen anderen Publikationen10 entsprungen ist, den thematischen Fixpunkt auf die gleichnamige, zum Versöhnungstag gesprochene Bußerklärung כל נדרי. Dabei ist er dem Ursprung und der Bedeutung der im Bußformular aufgezählten Selbstverpflichtungen נדרי ואסרי ושבועי וחרמי וקונמי וקנוסי וכנוייnachgegangen. Ausgehend von der ersten Bezeugung der Begriffe שבועה, אסר, נדרund חרםim Kanon der Hebräischen Bibel sowie קנוס, קונםund כנויim tannaitischen Schriftencorpus zeichnet er den Diskurs zu besagten Selbstverpflichtungsformen über das jüdische Schrifttum aus hellenistischrömischer Zeit, der tannaitischen und amoräischen Epoche bis in die gaonische Zeit nach. Hierbei hat Benovitz mit dem Versuch einer etymologischen Bestimmung der Umschreibungen קונם, קונחund קונסeinen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Verbotsgelübdeformulars in frühtannaitischer Zeit vorgelegt.11 Ferner hat Benovitz S. Liebermans These vom langsamen Verdrängen der Schwurinstitution durch das restriktive Verbotsgelübde in den literarischen und nichtliterarischen Quellen des antiken Judentums weiter verfolgt und weitere wichtige Zeugen dieser Entwicklung ausfindig gemacht
10 Vgl. Benovitz 1995; 1996. 11 Vgl. Benovitz 1998: 111–126.
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kapitel 1
und analysiert.12 So hat Benovitz zu Recht auf die Relevanz der Jebel Khallet et-Turi Inschrift,13 von Philos Hypothetica 7,3–514 und Mk 7,1115 für die Beurteilung der antik-jüdischen Diskurse zur Verbotsgelübdepraxis hingewiesen.16 Unter welchen methodischen Gesichtspunkten er den Vergleich der zum Teil weit über 500 Jahre auseinanderliegenden Zeugnisse für möglich gehalten hat, verrät Benovitz jedoch nicht. Allein lexembezogene und phänomenologische Übereinstimmungen in den ausgewählten Quellen schienen Benovitz ausreichend für die Aufnahme in die Studie gewesen zu sein. Eine weitere, sich mit dem Thema Gelübde im antiken Judentum befassende Arbeit ist das von Stuart Chepey vorgelegte Buch Nazirites in Late Second Temple Judaism.17 Sein Hauptaugenmerk liegt auf dem Naziräatsbrauchtum, wie es vornehmlich zur Spätzeit des Zweiten Tempels im Judentum geübt wurde. In großem Umfang lässt er dabei auch rabbinische Stimmen zum Naziräat zu Wort kommen, wie sie in rabbinischen Quellen wie der Mischna, der Tosefta, den Midraschim aber auch dem Jerusalemer Talmud laut werden.18 Zwar erwähnt Chepey wiederholt, dass diese Zeugen aufgrund der zeitlichen Distanz zur Epoche des Zweiten Tempels nur mit Vorsicht für eine Rekonstruktion von Traditionen aus dieser Zeit herangezogen werden können, doch entsteht bei der Durchsicht seiner Untersuchungen dennoch ein methodisch nicht fundiertes, positivistisches Bild vom historischen Wert der rabbinischen Quellen. Die Diskrepanzen und Widersprüche, die im rabbinischen Diskurs zum Naziräat zum Teil hervortreten, begründet Chepey pauschal mit einer Vielzahl praktizierter Bräuche, die von den Rabbinen aufgegriffen wurden und nach ihrer Vereinbarkeit mit dem biblischen Zeugnis befragt wurden. Inwieweit gewisse rabbinische Traditionen allein dem Lehrhausdiskurs entsprungen sind, beantwortet Chepey nicht. Eine weitere, sich ebenfalls mit dem Naziräat befassende Arbeit ist das 2019 erschienene Buch נזירים ונזירותvon Aharon Shemesh, der bedauerlicher Weise die Drucklegung seines Buches nach langer schwerer Krankheit nicht mehr erleben durfte. Shemesh hat mit großem Sachverstand den Naziräat im tannaitischen und amoräischen Schriftencorpus untersucht und dabei auch flankierend Texte neutestamentlicher und jüdisch-hellenistischer Autoren herangezogen. In neun Kapiteln hat er dabei die verschiedenen Formen des 12 Vgl. Lieberman 1994: 126–139. 13 Vgl. unten 5 2.1. 14 Vgl. unten 3 2.2.1.1. 15 Vgl. unten 5 4.1. 16 Vgl. Benovitz 1998: 16–35. 17 Zum bis dato erzielten Forschungsstand vgl. Chepey 2005: 7–15. 18 Vgl. Chepey 2005: 72–146.
Einführung
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Naziräats, die mit dem Naziräatsgelübde verbundenen Reinheitsvorschriften, das Ausweihungsritual von geweihten Naziräern und den Naziräat von Frauen, Sklaven und Kindern untersucht. Eine methodisch-kritische Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen, die sich aus dem Gebrauch rabbinischer Texte für die Rekonstruktion antik-jüdischer Traditionen zum Gelübdewesen des Zweiten Tempels ergeben, fehlt leider auch in Shemeshs Arbeit, sodass der Eindruck entsteht, die besprochenen rabbinischen Texte spiegeln in authentischer Weise die Diskurse zur Naziräatspraxis aus der Zeit des Zweiten Tempels wider. Eine dritte Arbeit wurde 2007 von Hyung Dae Park mit dem Titel Finding Herem? veröffentlicht. Diese geht der Bannkonzeption nach und unterscheidet dabei zwischen einem verpflichtenden, von Gott aufgetragenen Bann an Menschen und Tieren, sowie einem freiwilligen Bann, der in der Form eines Gelübdes das Versprechen einer unauslösbaren Opfergabe beinhaltet. Zum vornehmlichen Ziel hat sich Park gesetzt, „to explore intertextual allusions and echoes in order to examine whether the law of חרםfound in the OT is also [present] in Luke-Acts“.19 Als relevante Textbasis für die Erhebung rechtstheoretischer und -praktischer Vorstellungen zum Bannkonzept bespricht er allein Texte der Hebräischen Bibel bzw. der Septuaginta, der Schriftrollen aus Qumran und der hellenistisch-jüdischen Literatur. Das rabbinische Schrifttum spart er dagegen komplett aus. Zur Auffindung von Allusionen auf jüdische Bannkonzepte im lukanischen Doppelwerk nutzt Park die Methodik von R. B. Hays, die diese im Zusammenhang der Identifizierung von Schriftbezügen im paulinischen Briefcorpus entwickelt hat.20 Dazu gehört beim Vergleich der Quellen die Frage nach „availability, volume, recurence, thematic coherence, historical plausability, history of interpretation and satisfaction“.21 Martin Vahrenhorst hat in der Arbeit »Ihr sollt überhaupt nicht schwören« zwar den Schwur im halachischen Diskurs des antiken Judentums im Blick, doch kommt er auch hier und dort auf die in jüdischen Quellen dokumentierte Gelübdepraxis zu sprechen, wenn diese den Diskurs zum Schwurwesen tangiert. Die gegenseitige Beeinflussung der Schwur- und Gelübdepraxis in halachischen Diskursen liegt nach Vahrenhorst zum einen im Umstand begründet, dass in den Quellen des antiken Judentums „zwischen Gelübden und Eiden kaum oder gar nicht unterschieden“22 wurde,23 und zum anderen 19 Park 2007: 4. 20 Vgl. Hays 1989: 29–32; 2002: 53–62. 21 Park 2007: 4. 22 Vahrenhorst 2002: 46. 23 Vgl. dazu die Ausführungen in 2 2.2.1.1 zu Philo, SpecLeg 2,2–38 und 5 1.2 zu Josephus, Ap 1,166–167.
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kapitel 1
in der Tendenz, dass Gelübde aufgrund ihres promissorischen Charakters als Ersatz für Schwüre, vor deren Gebrauch man aus Angst der Entweihung des Gottesnamens zurückscheute, akzeptiert wurden.24 Besonders erfreulich ist das methodische Problembewusstsein, dass Vahrenhorst in seinem Methodenkapitel in Bezug auf den traditionsgeschichtlichen Vergleich zwischen in Schriften aus der Zeit des Zweiten Tempels überlieferten Traditionen und in rabbinischen Texten überkommenen Traditionen erkennen lässt.25 Mit Verweis auf P. S. Alexander macht er vor allem auf den offenen Textcharakter, d.h. die fortlaufenden Überarbeitungsprozesse, denen rabbinischer Schriften über die Jahrhunderte ausgesetzt waren, die damit einhergehende Unsicherheit bei der zeitlichen Einordnung von Traditionen und das Problem der adäquaten Zuweisung von Aussprüchen an Rabbinen aufmerksam.26 Er bezieht so in umfassender Weise die tannaitischen Rechtsdiskurse zu Schwur und Gelübde in seine Untersuchung zum matthäischen Schwurverbot in Mt 5,33–37 ein.27 Problematisch ist an Vahrenhorsts Studie allerdings, dass er das Verbotsgelübde im Sprachgebrauch des griechischsprachigen Judentums nicht vom Schwur unterscheidet und ihm dabei Missverständnisse bei der Beurteilung von SpecLeg 2,2–3828 und Mt 23,16–2229 unterlaufen. Gerade anhand dieser beiden wichtigen Zeugen des antik-jüdischen Verbotsgelübdediskurses werden in der vorgelegten Arbeit zentrale und über die Studie von Vahrenhorst hinausgehende Beobachtungen zu Bedeutung, Gebrauch und sozialer Tragweite dieser Gelübdesonderform erörtert. Die im Sprachgebrauch des griechischsprachigen Judentums offenbar werdende gegenseitige Tangierung der Schwur- und Gelübdepraxis im halachischen Diskurs wurde bereits von Lieberman beobachtet und ist als nichts anderes als eine Amalgamierung von verwandten Vorstellungen und Konzepten anzusprechen.30 Diese Erkenntnis hat bei der grundlegenden Ausrichtung der vorliegenden Arbeit auch zu dem Schluss geführt, dass eine adäquate und dem Phänomen nach angemessene Behandlung der einzelnen Gelübdeformen, wie sie vorher nur in Einzelstudien betrachtet wurden, nur geleistet werden kann, wenn diese in umfassender Weise zusammen besprochen und dann
24 Vgl. Vahrenhorst 2002: 171–172. 25 Vgl. Vahrenhorst 2002: 35–37. 26 Vgl. Alexander 1983. 27 Vgl. Vahrenhorst 2002: 145–207. 28 Vgl. Vahrenhorst 2002: 126–129; sowie dazu im Detail unten 2 2.2.1.1. 29 Vgl. Vahrenhorst 2002: 351–366; sowie dazu im Detail unten 5 3.2. 30 Vgl. Lieberman 1994: 125–141.
Einführung
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auch miteinander ins Verhältnis gesetzt werden. Dies bedeutet auch, dass die Schwurthematik, wenn auch nur exkursartig, behandelt werden muss. Da Gelübde auf das Engste mit dem Opferkult und im Fall des Naziräats auch mit der Reinheitsgesetzgebung verbunden sind, wird man diese kultischen Institutionen jeweils mit im Blick behalten müssen.31 Eine wesentliche Innovation dieser Arbeit ist die im Methodenkapitel beschriebene Umsicht, mit der die untersuchten Quellen unter einem vornehmlich traditionsgeschichtlichen Aspekt miteinander verglichen werden. Grundlage der Untersuchung zum Gelübde im antiken Judentum und frühen Christentum sollen dabei Quellen und die in ihnen abgebildeten Diskurse sein, die zeitlich in die Zeit des Zweiten Tempels einzuordnen sind, da diese wohl noch am ehesten von der Beobachtung und Auseinandersetzung einer lebendigen Praxis des Gelübdebrauchtums herrühren dürften. Da die antiken Diskurse zum Gelübdebrauchtum am umfangreichsten und detailliertesten in die Schriften der rabbinischen Traditionsliteratur eingegangen sind, können diese nicht übergangen werden, auch wenn deren Endredaktion zeitlich erst nach der Tempelzerstörung einzuordnen ist. Da die Frage nach der Verlässlichkeit und Adäquatheit rabbinischer Schriften für die Erhellung der zur Zeit des Zweiten Tempels geführten Rechtsdiskurse in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer wieder kontrovers diskutiert worden ist, soll die vorliegenden Arbeit auch einen Beitrag zum traditions- und religionsgeschichtlichen Vergleich leisten, der die Möglichkeiten und die Chancen einer Nutzung rabbinischer Texte anhand differenzierter und methodisch reflektierter Kriterien ausloten soll. Dabei wird vornehmlich zu klären sein, in welcher Weise die Rabbinen die Diskurse aufgenommen, weiterdiskutiert oder vielleicht gar neu angestoßen haben. Dazu werden flankierend in der Form von kurzen Exkursen Beispiele für Paralleltraditionen diskutiert, die die zusammengetragenen methodischen Kriterien veranschaulichen sollen. 2
Methodische Überlegung zum Gebrauch rabbinischer Texte für die Erhellung der im Judentum des Zweiten Tempels geführten Diskurse zur Gelübdepraxis
2.1 Forschungsgeschichte und Problemstellung Die Kommentierung neutestamentlicher Passagen unter Zuhilfenahme jüdischer und besonders auch rabbinischer Traditionen reicht zurück bis 31 Vgl. Levine 1993: 235.
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in die Antike und verbindet sich mit illustren Namen wie Origenes32 und Hieronymus.33 Eine direkte Bezugnahme auf Texte der rabbinischen Traditionsliteratur ist dagegen erst ab dem Spätmittelalter erkennbar, wo von christlicher Seite aus im Zuge wachsender Hebräischkenntnisse und auf Denunziationen hin die jüdische Positionen zur Messiasfrage in den Fokus kritischer Auseinandersetzungen rückte. Diese eingehende Beschäftigung mit rabbinischen Quellen ging einher mit christlich forcierte Talmuddisputationen, allen voran die Pariser von 1240 und die von Barcelona 1263,34 die von einem mehr als unrühmlichen Interesse christlicher Theologen geprägt war, die rabbinischen Texte gegen ihre eigentliche Aussageabsicht für den Erweis der Wahrheit kirchlicher Lehre zu vereinnahmen. Durch die Disputationen angestoßen entwickelte sich in den folgenden Jahrhunderten eine christliche Hebraistik. Sie brachte namhafte Persönlichkeiten wie Nikolaus von Lyra, den Verfasser der „Postilla litteralis“, und Johannes Reuchlin hervor.35 Das Studium der hebräischen Sprache und der talmudischen Schriften sollten sich dabei auch bis in die Neuzeit hinein als fruchtbarer Stimulus für die exegetische Arbeit am Neuen Testament erweisen und die „Horae Hebraicae et Talmudicae“ eines John B. Lightfoot und den von ihm beeinflussten „Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch“36 von Paul Billerbeck hervorbringen.37 Vor allem das Billerbeck‘sche Kommentarwerk ist von dem Anspruch geprägt, alles vergleichbare Material für die Erhellung antik-jüdischer Lebenswelt, Realien und Theologie aus den rabbinischen Schriften zu sammeln und auszuwerten.38 Basierend auf der Annahme eines „normativen Judentums“, dessen Gestalt und Ausformung auf die prägende Epoche des Zweiten Tempels zurückging, im rabbinischen Schrifttum konserviert wurde und damit für die eingehende Erforschung zugänglich schien, durchforstete Billerbeck tannaitische wie amoräische Traditionen, palästinischer wie babylonischer Provenienz gleichermaßen. So beeindruckend und verdienstreich die Arbeiten von „Jägern und Sammlern“ wie Lightfoot und Billerbeck auch einzuschätzen sind, so mussten ihre religionsgeschichtlichen Voraussetzungen39 und ihre die 32 Vgl. CommMatt 11,9; darüber hinaus CommCant Prologus (vgl. dazu Schäfer 2011: 183); sowie de Lange 1976. 33 Vgl. Avemarie 2013b: 834–837. 34 Vgl. Stemberger 2010a: 483–494. 35 Vgl. Stemberger 2008: 17–18. 36 Zur kritischen Wertung und Würdigung der Arbeit Billerbecks vgl. Schaller: 2008. 37 Einen Überblick über die Billerbeck vorausgehenden neutestamentlich-judaistischen Arbeiten gibt Schaller 2008: 62–63. 38 Vgl. Strack-Billerbeck I: V. 39 Dies betrifft vor allem die Annahme einer ausschließlichen Konstituierung des rabbinischen Judentums aus dem pharisäischem (vgl. Cohen 1984: 36–39; Schäfer 1991: 131–132).
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Datierung40 und die Textauswahl betreffenden methodischen Schwächen im Umgang mit der rabbinischen Traditionsliteratur Widerspruch hervorrufen, der von der Schaffung eines methodischen Problembewusstseins bis hin zur Forderung einer völligen Aufgabe traditionsgeschichtlicher Vergleichsarbeit an neutestamentlichen und rabbinischen Texten reichen konnte.41 Besonders einflussreich in dem kritischen Stimmenkanon war S. Sandmel mit seinem 1962 veröffentlichten Aufsatz „Parallelomania“. Aus der Perspektive eines jüdischen Forschers geschrieben, deckt er schonungslos den Missstand der Forschung und den methodisch unreflektierten Umgang der Neutestamentlichen Forschung mit jüdischen Quellen auf, den P. Schäfer auch als „exploitativeapologetic“42 bezeichnet. Sandmel fordert in seinen Ausführungen: „Detailed study is the criterion, and the detailed study ought to respect the context and not be limited to juxtaposing mere excerpts“.43 Er hält es zudem für ein fruchtloses Unterfangen, „to continue to try to find elusive rabbinic sources for everything which Paul wrote“.44 Er befürchtet zudem, dass man dem Verständnis der paulinischen Verkündigung nicht gerecht wird, „if we make him mean only what the parallels mean, we are using the parallels in a way that can lead us to misunderstand Paul.“45 Stutzig wird man allerdings im Fortgang der Sandmel’schen Evaluation über den Gebrauch des Begriffs „parallel“, wenn er anmerkt: „What is the use that Paul makes of those parallels which he allegedly has borrowed?“46 Wollten Billerbeck und seine Vorgänger wirklich dahingehend verstanden werden, dass sich die Vergleichsarbeit an rabbinischen Texten allein dem Umstand eines rezeptiven Traditionsgebrauchs neutestamentlicher Autoren verdanke und christliche Theologen wie Paulus sich zur Die in den letzten Jahrzehnten vorgelegten Studien zum pharisäischen und rabbinischen Judentum haben gezeigt, dass es sich bei der entstehenden rabbinischen Bewegung um ein corpus permixtum aus vormals pharisäischen (vgl. Schäfer 1991: 173), priesterlichen (vgl. Schwartz 1990: 96–104), essenischen und anderen uns nicht namentlich bekannten jüdischen Gruppen (vgl. Hezser 1997: 72–75) handelt. Die Annahme, die rabbinische Bewegung speise sich auch aus Mitgliedern der Priesterschaft, scheint vor dem Hintergrund der detaillierten Beschreibungen der Ordnung Kodaschim einiges für sich zu haben, wenngleich auch hier der Tempelkult aus späterer Perspektive optimiert und idealisiert worden sein dürfte (vgl. Schwartz: 1990: 104–105). 40 Billerbeck geht von der uneingeschränkten Verlässligkeit der Traditionszuweisungen aus und gebraucht sogar mittelalterliche Midraschwerke wie PRE, Lekach Tov und Jalkut Schimʾoni. 41 Vgl. Schaller 2008: 77 Anm. 56–57. 42 Schäfer 1986: 140. 43 Sandmel 1962: 2. 44 Sandmel 1962: 4. 45 Sandmel 1962: 5. 46 Sandmel 1962: 5.
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Versprachlichung ihrer Theologie protorabbinischer Ideen, Vorstellungen und Quellen bedient hätten, die sich dann im späteren rabbinischen Schrifttum wieder auffinden und für die Deutung neutestamentlicher Schriften fruchtbar machen ließen? Ob eine solche Einschätzung besagter Exegeten gerechtfertigt scheint, sei dahingestellt, den Quellen, und damit sei Sandmel Recht gegeben, wird man damit nicht gerecht. Dass aber sowohl dem rabbinischen als auch dem neutestamentlichen Schriftencorpus gewisse Traditionen gemein sind bzw. beide sich auf diese beziehen, ist unbestritten. Dieser Sachverhalt ist allerdings nicht mit literarischer Abhängigkeit zu erklären, sondern mit dem Partizipieren beider Autorengruppen an den gleichen jüdischen Traditionen, auf die sie zurückgehen.47 Bei der Beschreibung, auf welche Weise beide an diesen gemeinsamen Traditionen partizipieren, ist dem phänomenologischen, theologischen und sachlogischen Befund Beachtung zu schenken. L. Doering48 hat außerdem für den Nachweis der Partizipation an gemeinsamen mündlichen Traditionen die Feststellung von – wie er es nennt – „turntables“ gefordert, d.h. von festgeprägten Institutionen,49 von denen ausgehend die Tradition ihren jeweiligen Weg zu den beiden Autoren der parallelen Traditionsstücke gefunden haben könnte.50 Mit den von Sandmel zurecht aufgezeigten Missständen eines methodisch unreflektierten traditions- und religionsgeschichtlichen Vergleichs kann jedoch nicht das letzte Wort gesprochen sein, und als Konsequenz einer solchen Aporie sollte nicht generell auf den Vergleich von Texten aus der Zeit des Zweiten Tempels mit rabbinischen Quellen verzichtet werden.51 Der 47 Vgl. Vermes 1982: 372–373. Kloppenborg 2017: 394 hat den Verzicht des Nachweises einer genealogischen Abhängigkeit zwischen zwei parallelen Traditionen als maßgebliche Voraussetzung für traditionsgeschichtliches Arbeiten auch im Fall des Vergleichs zwischen paganen und jüdischen bzw. frühchristlichen Texten gefordert. 48 Vgl. Doering 2006: 23–24. 49 Doering 2006 führt nicht weiter aus, was seiner Meinung nach in der Antike genau als „turntable“ zur Streuung von Traditionen gedient haben könnte. Man wird hierbei sicherlich – nur um ein paar Beispiele zu nennen – an Bildungseinrichtungen, die Partizipation an einem gemeinsamen, identitätsstiftende Festkalender, die auf einen gemeinsamen autoritativen Text basierende Ausrichtung von Handlungsgrundlagen, sowie Verbindungen zu religiösen oder nichtreligiösen Vereinigungen denken dürfen. 50 Lassen sich mögliche Kanäle der Traditionsübermittlung nicht wahrscheinlich machen, dann könne allenfalls von Analogien die Rede sein. 51 So aber neben Sandmel auch Alexander 1983: 237–246; Cohen 1996: 85–89; Neusner 1993; 1994; 1998. Gegen den Vorbehalt Neusners 1994: 8–9, dass rabbinische Literatur nur dann zur Erhellung der halachischen Diskurse der Zeit des Zweiten Tempels herangezogen werden kann, wenn bewiesen werden kann, dass das Judentum der mündlichen und der schriftlichen Tora bereits in den ersten Jahrzehnten des ersten Jahrhunderts in Blüte
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Vergleich bestimmter neutestamentlicher Textstellen mit rabbinischen drängt sich mitunter geradezu auf. So bezeugt das Neue Testament mit der lukanischen Geburtsgeschichte,52 der bei Paulus überlieferten Synagogalstrafe der „vierzig Hiebe weniger einem“,53 oder der in Joh 9,14–16 bezeugten Ablehnung einer Heilmittelzubereitung bei einer nicht lebensgefährlichen Krankheit am Schabbat54 die frühesten Belege für jüdische Bräuche, die in der rabbinischen Traditionsliteratur erst zu einem viel späteren Zeitpunkt überliefert sind.55 Aus gattungsgeschichtlicher Perspektive stellen die in den neutestamentlichen Evangelien überlieferten Gleichnisse gegenüber den uns in den homiletischen Midrasch-Sammlungen der Rabbinen überkommenen Gleichnissen die ältesten jüdischen Zeugnisse dieser Gattung dar.56 Ferner zeigen Übereinstimmungen in Vokabular und „Sitz im Leben“, dass die rechtspraktischen Diskurse der Rabbinen in vielen Fällen nahtlos an jene aus der Zeit des Zweiten Tempels anschließen57 und damit für den traditionsgeschichtlichen Vergleich bisweilen geeigneter sind als Texte aus der Hebräischen Bibel. Es wäre also völlig verfehlt anzunehmen, dass die sich nach 70 in Jabne konstituierende rabbinische Bewegung allein im Zeichen umfänglicher Um- und Weiterbildung von Tradition(en) stehen würde. Vielmehr muss den Rabbinen neben den Bestrebungen zur Praktikabilisierung der das religiöse Leben bestimmenden Halacha vom Übergang einer Tempelreligion zum kultfreien Judentum auch ein aktives Moment der Traditionssicherung attestiert werden. Ein Faktum, das stand, entgegnet Lowe 2000: 711, dass „the demand to compare the New Testament only with ‚contemporary sources‘ diverges from normal historiographic method“. Im Sinne von Lowe kann es daher weder angehen, den Versuch der Datierung und die Bevorzugung frühester Traditionen zu unterlassen, noch spätere Überlieferungen aus dem 2. oder 3. Jh. aufgrund ihres zeitlichen Abstandes zum Zeitgeschehen des Zweiten Tempels a priori außer Betracht zu ziehen. 52 Vgl. Lk 1,59–60; sowie Strack-Billerbeck II: 107. 53 Vgl. Josephus, Ant 4,248; mMakk 3,10. 54 Vgl. jSchab 14d,39–41. 55 Vgl. Bieringer 2010: viii. 56 Vgl. Hezser 2008: 217. 57 Man beachte z.B., dass 4Q271 4 ii 12–16 und mNed 3,1 die einzigen beiden antik-jüdischen Zeugnisse zum Zwangsgelübdediskurs sind (vgl. dazu unten 3 2.1.2). Dabei ist das für die Bezeichnung der nötigenden und zwanghaften Natur des Gelübdes gebrauchte Lemma אנסerst in den jüngsten Schichten der Hebräischen Bibel und dort auch nur in Zusammenhängen belegt, die thematisch keine Verknüpfung mit der Gelübdethematik haben (vgl. Est 1,8 und Dan 4,6). Gleiches gilt für den Gebrauch der semantisch kongruenten Begriffe הנאהbzw. הנייהin mNed 4,1 und ὠφέλεια in SpecLeg 2,16 (vgl. dazu unten 5 1.1), die weder in den Gelübdediskursen der Hebräischen Bibel noch der Septuaginta vorfindlich sind.
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sich neben der Überlieferungsabsicht des gesamten Seder Kodaschim58 auch an den vielen [„( משחרב בית המקדשerst] nach der Zerstörung des Tempels“) – Passagen ablesen lässt und möglicherweise die anfänglich gehegte Hoffnung eines in Zukunft erwarteten dritten Tempels widerspiegelt.59 Doch wie kann ein methodisch verantworteter Umgang mit rabbinischen Quellen für die Erhellung jüdischer Diskurse zur Zeit des Zweiten Tempels aussehen? Grundsätzlich, wie von Stemberger60 und vielen anderen zu Recht gefordert, muss ein auf Augenhöhe geführter Dialog zwischen Rabbinikern und Forschern der Literatur aus der Zeit des Zweiten Tempels und das generelle Bewusstsein des Aufeinanderangewiesenseins das Klima beherrschen, in dem die gemeinsame Arbeit an den Texten auch zu tragfähigen Forschungsergebnissen führen kann. Ein Gespür für die Logik jüdischer Halachabildung und das Wissen um die Pluriformität jüdischer Tradition und Halacha61 können zudem beim Umgang mit jüdischen Texten vor Fehleinschätzungen und Missinterpretationen bewahren. Ein zusätzlicher Vergleich mit literarischen wie nichtliterarischen Zeugnissen der hellenistisch-römischen Umwelt kann helfen, das Bild noch weiter zu schärfen und zu komplettieren.62 Schließlich muss die Arbeit vom methodischen Interesse geleitet sein, die rabbinischen Quellen in ihrem historischen, literarischen63 und religionsgeschichtlichen Kontext wahrzunehmen sowie die Intention ihrer Verfasser als einer um den Führungsanspruch im Judentum der ersten Jahrhunderte nach der Tempelzerstörung ringenden Gruppe einzuordnen. Die Folgende Zusammenstellung methodischer Überlegungen wurde daher speziell für den Vergleich halachischer Traditionen in der jüdischen Literatur des Zweiten Tempels, dem Neuen Testament und der rabbinischen Literatur
58 Der Seder Kodaschim befasst sich vornehmlich mit kultpraktischen Belangen der Opfergesetzgebung und enthält vor diesem Hintergrund mit großer Wahrscheinlichkeit priesterliche Traditionen. 59 Stemberger 2002: 209 hält die Formel für eine reine Zeitangabe, die die Umstellung der Halacha terminiert. 60 Vgl. Stemberger 2008: 18. 61 Vgl. Brooke 2013: 26–27. 62 Vgl. Hezser 2010: 98. 63 Abgesehen von den Gleichniserzählungen, die sowohl den Evangelien als auch den rabbinischen Homilien-Midraschim gemein sind, ist auf die Unterschiedlichkeit der in beiden Korpora verwendeten Gattungen aufmerksam zu machen. Evangelientexte haben, anders als die Texte der rabbinischen Traditionsliteratur, nicht die Absicht, die geltende Halacha, soweit sie denn dem Evangelienautor bekannt ist, in ihrer Gesamtheit aufzuführen und zu kommentieren.
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entwickelt.64 Im Einzelfall muss aufgrund der Gattungsspezifika der für den Vergleich zugrundeliegenden Texte jeweils geprüft werden, welcher Methodenkanon bei der Vergleichsarbeit Primär eine Rolle spielen soll, wie dies z.B. speziell im Falle von rabbinischen und neutestamentlichen Gleichnissen C. Hezser (2008) vorgeführt hat. 2.2 Das Vergleichsmaterial 2.2.1 Das rabbinische Vergleichsmaterial Im Fall der rabbinischen Traditionsliteratur gehört eine auf die Entstehungszeit65 der Epoche der Tannaiten und den Abfassungsort Palästina bezogene Eingrenzung des Vergleichsmaterials zu den grundlegenden Voraussetzungen für die Auffindung und Verwendung von Parallelstellen, um eine sachgerechte Analyse der Diskurse zu Traditionen und Ausformungen antik-jüdischen Gelübdewesens aus der Zeit des Zweiten Tempels zu gewehrleisten. Dies hat zur Folge, dass eine Vergleichstextanalyse mit Traditionen aus dem Palästinischen bzw. Jerusalemer Talmud (pT) und dem Babylonischen Talmud (bT) ausgeschlossen werden muss, wenngleich an verschiedenen Stellen exkursartig Passagen aus beiden Talmudim diskutiert werden, um Weiterentwicklungen und Neuakzentuierungen in den Gelübdediskursen der Amoräer in Abgrenzung zu denen der Tannaiten deutlich zu machen. Beim bT ist eher anzuzweifeln, dass er in seiner mehrheitlich aus amoräischen Gelehrtendiskussionen bestehenden Zusammensetzung einen Beitrag zur Erhellung der Lebenswelt und des Lokalkolorits Palästinas im 1. Jh. u.Z. leisten kann. Das Urteil, auf rabbinische Erzählungen aus amoräischen Quellen zu verzichten, die über Palästina zur Entstehungszeit der neutestamentlichen Schriften berichten, ist darin begründet, dass die Texte über die Jahrhunderte hinweg einerseits der Sagen- und Legendenbildungen66 und andererseits der Weiterentwicklung der Halacha67 unterworfen waren und daher schwerlich für historische Rekonstruktionen auswertbar sind. Diese Zweifel werden auch durch neuere, von R. Nikolsky und T. Ilan zusammengetragenen Untersuchungen68 bestätigt, die die Veränderungen, die die palästinisch-jüdischen Traditionen im Zuge ihrer Übermittlung an 64 Hierzu hat bereits Doering 2006 wichtige Vorarbeiten geleistet, auf die im Fortgang immer wieder verwiesen werden wird. 65 Hier ist freilich nicht die Zeit der Endredaktion gemeint. Abgesehen von der Mischna dürfte wohl das Gros der tannaitischen Schriften ihre redaktionelle Endbearbeitung am Anfang der amoräischen Epoche erhalten haben (Stemberger 2011: 276–277). 66 Vgl. Schäfer 1978: 119–121; 1979: 98. 67 So bei Albeck 2013: 114–115; sowie am Beispiel des Fremden bei Spann 2010; und im Fall von Wundertätern bei Becker 2002: 10–11.409–414 dargestellt. 68 Vgl. Nikolsky und Ilan 2014.
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die Lehrhäuser in Babylonien und ihrer dortigen Adaptierung durchlaufen haben, aufzeigen. So ist auch die Verwendung von in den beiden Talmudim überlieferten Baraitot fallen gelassen worden, da eine Vielzahl von Baraitot dem Duktus der Sugia, der talmudischen Diskussionseinheit, angeglichen und der Argumentationsstruktur entsprechend verändert worden ist, und man sogar mit fiktiven Baraitot rechnen muss.69 Beim Rückblick auf das anfangs gestellte Kriterium der zeitlichen Eingrenzung auf rabbinische Schriften aus der Epoche der Tannaiten wird offenkundig, dass allein im Fall der Mischna Konsens einer an den Anfang des 3. Jh. u.Z. zu datierenden und mit dem Namen Rabbi Jehuda ha-Nasi zu verbindenden Endredaktion herrscht. Bezüglich der übrigen, dem corpus tannaiticum zuzurechnenden Schriften, wurden im Laufe der älteren und neueren Forschungsgeschichte immer wieder Zweifel laut, die deren Ursprung im frühen rabbinischen Judentum bestritten. So setzt I. H. Weiss, um das schwierige Verhältnis von Tosefta und talmudischen Baraitot zu erklären, gar für die Tosefta eine nachtalmudische Entstehungszeit an,70 wobei er das Werk als eine sich aus tannaitischen wie amoräischen Quellen speisende Kompilation ansieht.71 Für einen offenen Text der Tosefta, der noch bis in gaonische Zeit hinein substanziellen Zuwachs erhalten hat, plädiert Y. Elman in Anlehnung an S. Lieberman.72 Als Paradebeispiel für die Einarbeitung babylonischer Baraitot in die palästinische Tosefta wählt Elman einen Vergleich von tSuk 2,8– 3,173 mit den in bSuk 31a–43b verstreuten parallelen Baraitot. Im Verlauf seiner Untersuchung wird dem Autor schnell klar, dass sich diese These weder aus
69 Vgl. Jacobs 1971; Stemberger, 2011: 219–220; 2010b: 272–273; 2010c: 240–242. 70 Vgl. Weiss 1904: 193–200. So ähnlich auch Albeck 1969: 51–78, der die Endredaktion der Tosefta am Ende der amoräischen Epoche für das Wahrscheinlichste hält. 71 Eine solche Annahme lässt sich allein schon vor dem sprachlichen Hintergrund als unwahrscheinlich zurückweisen. Es ist schwerlich vorstellbar, dass der Kompilator bei der Aufnahme der prägnanten und stilistisch geschliffenen Baraitot den Stil in zum Teil kruder Weise abgeändert hat. Zudem hat Moreshet 1972; 1974a; 1974b gezeigt, dass das Hebräisch der babylonischen Baraitot (mhe2) im Vergleich zu ihren Parallelen in der Tosefta (mhe1) eine weiterentwickelte Sprachstufe darstellt. Schließlich stellt sich die Frage, welcher plausibel zu machende Abfassungszweck mit der Tosefta verfolgt wurde, die mit ihren bisweilen der Mischna widersprechenden Traditionen in nachtalmudischer Zeit nur schwerlich Relevanz noch Akzeptanz gefunden haben dürfte. 72 Vgl. Elman 1991. 73 So ist nach Elman 1991: 28 der Block tSuk 2,8–3,1 erst im späten 4. Jh. in die Tosefta eingearbeitet worden.
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kompositorischen,74 stilistischen75 noch sprachlichen76 Gründen erhärten lässt und als ausschlaggebendes Argument für den babylonischen Ursprung der Tradition das Fehlen derselben in pT übrigbleibt. Vor dem Hintergrund der zum Teil großen Abweichungen der Baraitot des pT von ihren Paralleltraditionen in T und dem Fehlen nicht weniger T-Traditionen in pT kann man allenfalls auf eine Unkenntnis der T bei manchen palästinischen Amoräern77 oder eine generelle Unkenntnis der T in ihrer jetzigen Form schließen. Dass man ohne sprachliche und stilistische Indizien eine für die Genese der T so weitreichende These allein aufgrund eines argumentum e silentio aufstellt, greift angesichts der komplexen Entstehungs- und Abhängigkeitsverhältnisse rabbinischer Schriften zu kurz. Die traditionelle Sicht, wonach die Endredaktion der T stärker in die zeitliche Nähe des Abschlusses der M zu rücken sei, demnach an den Anfang der amoräischen Epoche,78 scheint mir plausibler zu sein. Einen weiteren kritisch zu behandelnden Fall stellt die Mekhilta de Rabbi Jischmael (MekJ) in den Augen von B. Z. Wacholder dar.79 Ihm zufolge stammt der Midrasch zu Exodus nicht aus der Epoche der Tannaiten, sondern gehört, was seine Entstehungszeit anbelangt, ins 8. Jh. u.Z.80 Als Grundlage für die so spät veranschlagte Datierung dienen ihm die Ersterwähnung des Werkes im 9. Jh. u.Z. in Simon Kajaras Halachot Gedolot und synoptische Textbeobachtungen von Paralleltraditionen in den verschiedenen rabbinischen 74 Die Tatsache, dass die T-Passage als „a composition unto itself, not originally formulated to serve in any direct manner as a commentary to mSuk“ (Elman 1991: 13) zu klassifizieren ist, muss zum speziellen und vielfach beobachtbaren Charakteristikum der Tosefta gezählt werden und kann die Argumentation von Elman wenig stichhaltig unterfüttern. Dass solche Blöcke typisch für tSuk sind, deutet Elman 1991: 13–14 selbst mit der BaraitaSammlung tSuk 2,3, der astrologischen Themeneinheit in tSuk 2,5–6 und dem Kommentar zu Ez 47 in tSuk 3,3–13 an. 75 Der im Vergleich zur Baraita aus bSuk 41b eher detailarme Stil von tSuk 2,11 verwundert auch Elman 1991: 24–25, der festhält, dass „the story at [tSuk 2,11] about Rabban Gamliel and the ‚Elders‘ was shortened on or before its inclusion into the Tosefta“. Eine solche Umarbeitung ist vielleicht denkbar, aber deshalb noch nicht plausibel. Am naheliegendsten scheint diesbezüglich wohl eher ein generelles Phänomen rabbinischer Traditionsweiterentwicklung zu sein, nach dem Erzählungen ausgeschmückt und anonyme Protagonisten namentlich identifiziert werden. D.h. tSuk 2,11 stellt nach einigem Dafürhalten ein älteres und die Baraita in bSuk 41b ein jüngeres Stadium dieser Tradition dar. 76 Vokabular, das allein den babylonischen Baraitot eigen ist und sich nicht oder auch nur kaum in der Tosefta finden lässt, enthält tSuk 2,8–3,1 nicht. Elman 1991: 27 notiert: „nothing in the linguistic texture of these baraitot as they appear in the Tosefta indicates that they are of Babylonian origin“. 77 Vgl. Weis 1958. 78 Vgl. Stemberger 2011: 176. 79 Vgl. Wacholder 1968. 80 Vgl. Stemberger 2011: 143.
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Traditionswerken. Problematisch an der Arbeit Wacholders ist, dass sie zu einseitig die M sowie bT als über alle Zweifel erhabene Referenzwerke ansieht. So ist die Feststellung Wacholders hinsichtlich der Tradentennamen, dass „the lack of any discernible pattern respecting the names […] raises the great possibility that the names cited in the Mekilta have no historical basis“,81 was für die Arbeit mit rabbinischen Texten eher ein generelles Problem darstellt. Gleiches gilt für seine Beobachtung, der Stil der Spruchsammlungen ließe keinen Rückschluss auf die Autoritäten zu, sondern spiegle allein die Formalisierung der Redaktoren wider.82 Auch das Argument, die MekJ enthielte in der Mischna nicht bezeugte und damit womöglich erfundene Gelehrtenamen,83 kann angesichts epigraphisch nachgewiesener Rabbinen,84 deren Lehren nicht Eingang in die rabbinische Literatur gefunden haben, nur schwerlich von Gewicht sein. Die von Wacholder vielfach bemühten Vergleiche zu parallelen Traditionen in anderen rabbinischen Werken wie Sifre, MekS und bT, an denen sich die Redaktoren der MekJ bedient haben sollen, zeigen nach Stemberger bei näherer Betrachtung eigentlich ein älteres Überlieferungsstadium von Seiten der MekJ. Stemberger kommt letztendlich auch unter Bezugnahme der in der MekJ angedeuteten historischen Ereignisse zu dem Schluss, dass mit einer Endredaktion in der zweiten Hälfte des 3. Jh. zu rechnen ist.85 Eine ähnliche Datierung trifft wohl auch für SifreNum86 und SifreDeut87 zu, deren tannaitischer Traditionsgehalt ebenso wie der von Sifre Zutta zu Num (Anfang 3. Jh.)88 in der Forschung mehrheitlich nicht angezweifelt wird. Berechtigte Anfragen werden schließlich an die beiden Midraschim Sifra und die Mekhilta de Rabbi Schimon ben Jochai (MekS) gestellt. Für Sifra haben J. Neusner89 und Stemberger90 mehrere Textmaterialarten und die dahinter stehenden Bearbeitungsstufen feststellen können, die ausgehend von einer Grundschicht (2. Jh.) über die Erweiterung durch einen dialektischen Kommentar (3./4. Jh.), bis hin zur Ergänzung von Überlieferungen aus der Mischna (bis ins 8. Jh.) reichen. Mit Bezug auf MekS hat die Arbeit von J. N. Epstein die
81 Vgl. Stemberger 2011: 129. 82 Vgl. Stemberger 2011: 136. 83 Vgl. Stemberger 2011: 132. 84 Vgl. Hezser 1997: 119–123. 85 Vgl. Stemberger 2011: 282. 86 Vgl. Stemberger 2011: 296. 87 Vgl. Fraade 2005: 54; Stemberger 2011: 302. 88 Vgl. Lieberman 1968: 99–124. 89 Vgl. Neusner 1988: 19–24. 90 Vgl. Stemberger 2010f.
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Aufnahme von Traditionen aus T und den Midraschim Sifra, Sifre und MekJ gezeigt,91 weshalb die MekS diesen zeitlich nachgeordnet sein muss. Den frühen palästinischen Targumim kommt allerdings eine Sonderstellung zu.92 Da trotz der in das 3. bis 4. Jh. u.Z. zu datierenden aramäischen Sprachstufe eines Großteils der palästinischen Targumimtradition93 auch viele jüngere Traditionen in den Targumim enthalten sind,94 kann ihr Befund allenfalls zur Flankierung der Forschungsergebnisse herangezogen werden und nicht die Hauptlast der Argumentation tragen.95 M. McNamara will die Datierung einzelner jüdischer Traditionen in den palästinischen Targumim anhand eines Vergleichs mit Texten vornehmen, über deren zeitliche Entstehung in der Forschung weitestgehend Konsens besteht.96 Für McNamara kommen dabei literarische und nichtliterarische Zeugnisse in Frage, zu denen er die Schriften
91 Vgl. Epstein 1957: 725–740. 92 Aufgrund von sprachlichen und theologischen Parallelen zwischen den Targumim und den Schriften des Neuen Testaments, die am ehesten vor dem Hintergrund eines „continuum of tradition“ zu verstehen sind, stellt McNamara 2011a: 279 die Forderung einer ausgewogenen und nüchternen Betrachtung der Quellen auf, wobei er mit Bezug auf den bereits erwähnten Beitrag von Sandmel 1962 darlegt, dass „the points made by Sandmel were well taken when first made, and are still timely. They do not, however, take from the need of pursuing parallels between a Jewish writing and a New Testament text in the interest of seeing how genuine they are, and, if genuine, seeking an explanation for the parallels, without in any way implying direct influence and without denying due differences between the two bodies of literature“. 93 Vgl. McNamara 2010: 130; Flesher und Chilton 2011: 151–166. Zur Datierung des Targums Neofiti ins 3./4. Jh. u.Z. vgl. Alexander 1992: 323. Obwohl der Targum Pseudo-Jonathan spätantike und frühmittelalterliche Zusätze erfahren hat (vgl. dazu die folgende Fußnote), lassen sich im Targum auch Traditionen aus der Zeit des Zweiten Tempels ausmachen, wie dies Hayward 2010: 259–278 im Fall der Übersetzung des aaronitischen Segens in Num 6,24–26 nachgewiesen hat. Trotz späterer Zusätze hält Hayward 2010: 258 eine Entstehung des Targums Pseudo-Jonathan im späten 4. oder frühen 5. Jh. u.Z. für wahrscheinlich. Alexander 1990: 245 meint sogar überall dort in den Targumim ältere halachische Traditionen aus der Zeit des Zweiten Tempels ausmachen zu können, wo diese in ihrer Auslegung des Gesetzes der Mischna widersprächen. Man beachte aber, dass selbst tannaitische Werke wie die Tosefta oder Sifre Zutta bisweilen im Widerspruch zur Halacha der Mischna stehen und daraus nicht zwangsläufig auf eine ältere Stufe der halachischen Tradition geschlossen werden kann. 94 Vgl. z.B. im Fall des Targum Pseudo-Jonathan die Verweise auf Frau und Tochter des Propheten Mohammed in Gen 21,21; auf die 6 Ordnungen der Mischna Ex 26,9 und auf Konstantinopel in Num 24,19–24; sowie dazu Alexander 1990: 219; McNamara 2010: 264. 95 Zu den wichtigen Arbeiten, die sich mit einer möglichen Relevanz der Targumim für das Erhellen jüdischer Traditionen im 1. Jh. u.Z. befassen, zählen McNamara 2010; 2011a: 269– 291; 2011b; Legrand und Joosten 2014; Becker 2004: 242. 96 Vgl. McNamara 2010: 136–138.
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der Kirchenväter, allen voran Hieronymus97 und Origenes, die antik-jüdische Kunst und Liturgie, Bibelübersetzungen wie die Septuaginta und die Peschita, jüdische Schriften aus der Zeit des Zweiten Tempels und das Neue Testament gehören. Die Targumim sind jedenfalls kein ausschließliches Produkt des Toravortrags der hebräisch-aramäischen Synagogen. Aufgrund der Einheitlichkeit ihrer theologischen Konzepte und ihrer aramäischen Übertragung von Wörtern und Phrasen sind sie das Werk von (rabbinischen) Gelehrtenschulen.98 Daher wird man das Maß rabbinischen Einflusses auf die in ihnen überkommenen halachischen Traditionen im Auge behalten müssen.99 Aus diesem Grund muss man bei der Vergleichsarbeit ein steigendes Problembewusstsein von Mischna und Tosefta über die tannaitischen Midraschim bis hin zu den palästinischen Targumim bei der Auswertbarkeit der Quellen entwickeln. 2.2.2 Jüdisch-hellenistisches Vergleichsmaterial aus der Diaspora Eine besondere Rolle für die Analyse der Gelübdediskurse zur Zeit des Zweiten Tempels nehmen jüdisch-hellenistische Texte der Diaspora ein. Da der Jerusalemer Tempel zu den drei großen jährlichen Wallfahrtsfesten auch eine große Anzahl an Festpilgern aus dem gesamten Mittelmeerraum anzog, haben sich im Raum der Diaspora aufgrund der räumlichen Trennung hinsichtlich der Frage nach der zeitlichen Terminierung von Gelübden und nach der Wahrung kultischer Reinheit spezifische Gelübdediskurse herausgebildet, die von jenen in Palästina verschieden sind. Im Fall von Autoren wie Philo von Alexandria aber auch im Fall der in der Diaspora entstandenen Septuaginta wird man daher fragen müssen, inwieweit die enthaltenen Hinweise zur jüdischen Rechtspraxis genaue Auskunft über rechtspraktische Traditionen in Palästina liefern,100 oder ob davon auszugehen ist, dass ähnlich wie im Fall der jüdischen Diaspora in Babylonien auch das ägyptische bzw. alexandrinische Judentum spezielle kontextabhängige Ausformungen der Halacha und Auslegungstraditionen zur Tora entwickelt hat. Diese in der Diaspora literarisch
97 Vgl. dazu auch Hayward 2010: 281–338. 98 Vgl. McNamara 2010: 107.130. 99 Vgl. dazu die zusammengetragenen „evolutionary factors“ in 1 2.6. 100 Zu den Studien, die sich mit der Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen des Gebrauchs philonischer Schriften für traditionsgeschichtliches Arbeiten befassen, zählen Runia 1993: 63–86; Deines und Niebuhr 2004; Seland 2013; Holtz 2014; vgl. dazu ferner die von Goodhart und Goodenough 1938: 290–297 zusammengestellte Bibliographie zu älteren Arbeiten.
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dokumentierten Traditionen müssen daher auch auf ihre Verbindung zum Diasporakontext hin untersucht werden.101 2.3 Das Sichten von Parallelen Es wäre gewiss das Nächstliegende, das Billerbeck‘sche Standardwerk zum traditionsgeschichtlichen Vergleich, als das wohl letzte und für die deutschsprachige neutestamentliche Wissenschaft einflussreichste seiner Art, zu Rate zu ziehen, um einen ersten Überblick über den die Realie oder das Phänomen betreffenden Sachverhalt im rabbinischen Schrifttum zu erhalten. Doch muss man sich des Eindrucks erwehren,102 den der Autor selbst mit verursacht hat, mit besagtem Sammelwerk das gesamte der Auslegung des Neuen Testaments dienende Quellenmaterial zur Verfügung zu haben.103 Das Ausfindigmachen von Parallelen gehört daher zum ersten Arbeitsschritt, mit dem Exeget/inn/en konfrontiert sind. Bevor dies geschehen kann, muss mit Hilfe einer Konkordanz und einschlägiger Wörterbücher eine Bestandsaufnahme des zu einer Realie oder zu einem Phänomen gehörenden Vokabulars gemacht werden. Auf Grundlage dieser Vorarbeit kann wiederum der Versuch unternommen werden, vergleichbares Vokabular in den rabbinischen Schriften ausfindig zu machen. Zu den großen Schwierigkeiten, mit denen sich die neutestamentliche Exegese beim Sichten rabbinischer Parallelen konfrontiert sieht, zählt die Sprachdifferenz zwischen den im Mittelhebräisch überlieferten tannaitischen und den in der Koine verfassten neutestamentlichen Vergleichstexten. Es ist fast eine glückliche Fügung, wenn die für die Untersuchung wichtigen Lexeme als hebräische oder griechische Lehnwörter im Neuen Testament bzw. der hellenistisch-jüdischen Literatur oder im rabbinischen Schriftencorpus vorfindlich sind. Eine Identifikation entsprechender Übersetzungslexeme durch einen Vergleich der Septuaginta als dem autoritativen und theologischen Basistext der neutestamentlichen Autoren mit der Hebräischen Bibel als der der tannaitischen Literatur in Denk-, Sprach- und Lebenswelt am nächsten stehenden Schrift kann für sich genommen nur unzureichende und unbefriedigende Ergebnissen erbringen. Dieser bedauerliche Umstand ist dem Übersetzungscharakter der 101 Wichtige Arbeit in diesem Bereich wurden bereits von Regev 2010 und Doering 2017c geleistet. 102 Vgl. Strack-Billerbeck I: v. 103 Wie Schaller 2005: 77–78 feststellt, fehlt im Billerbeck‘schen Kommentar zu Mt 5,22 jeglicher Hinweis auf sprachliche Parallelen wie in tSot 6,6; tPes 8,18, in denen im halachischen Disput die zur Mehrheitsmeinung oder zu der eines Einzelnen gegensätzliche Ansicht eines Gelehrten mit einem pointierten „ ואני אומרich aber sage“ eingeleitet wird. Vgl. dazu auch Luz 2002: 327–328.
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Septuaginta und der sprachgeschichtlichen Weiterentwicklung des tannaitischen Hebräisch gegenüber dem Bibelhebräischen geschuldet. Da die Septuaginta keine einheitliche und konkordante Übersetzung ihres hebräischen Ausgangstextes darstellt und eine Vielzahl tannaitisch-hebräischer Lexeme semantische Verschiebungen oder Erweiterungen durchlaufen haben,104 muss eine Auffindung von Übersetzungslexemen immer auch durch semantische Untersuchungen gestützt werden. Die semantische Analyse, die den synchronen Kontext eines Lexems wahrnimmt, ist nur ein Schritt, der im Zuge einer umfassenden Kontextanalyse gegangen werden muss. Die Wahrnehmung der verschiedenen Kontexte, zu denen Doering auch „non-verbal, situational, and socio-cultural ones“105 zählt, können zusätzlich helfen, unsachgemäßen Rückschlüssen beim Vergleich von Parallelen vorzubeugen. Hinsichtlich der Auffindung von Übersetzungs- bzw. Entsprechungslexemen sei schließlich noch darauf hingewiesen, dass vergleichbare theologische Vorstellungen mit ganz unterschiedlichen sprachlichen Bildern kommuniziert werden können. Auf sicherem Boden steht man nur durch einen phänomenologischen Vergleich, auf dessen Grundlage eine umfassendere lexembezogene Bestandsaufnahme erreicht werden kann, die zumindest Entsprechungslexeme zu Tage fördern kann. Um die so erarbeiteten Ergebnisse noch weiter abzusichern, sollte überprüft werden, welchem rechtspraktischen bzw. rechtsgeschichtlichen Kontext die Lexeme zuzuordnen sind, woraus sich eine gemeinsame Gebrauchssituation ergeben kann.106 Das so eingeleitete Sichten rabbinischer Parallelen wird durch den Umstand begünstigt, dass die Quellen im Fall von Mischna und Tosefta thematisch geordnet sind und sich im Fall der tannaitischen Midraschim an der Abfolge der Bibeltexte orientieren. Aufgrund eines den Quellen inhärenten assoziativen Ordnungssystems kann allerdings auch relevantes Vergleichsmaterial über andere Traktate verstreut und in anderen Textzusammenhängen eingebettet sein, weshalb ein Konkordanzabgleich nötig ist. Der direkte literarische Kontext, in dem diese zusammengetragenen Lexeme eingebettet sind, ist sodann formanalytisch zu bestimmen. Handelt es sich um einen Midrasch zu einem Bibelvers, um aggadische Textstücke, um die Einzelbestimmungen eines Toragebots, um die Bestimmung ihrer rechtlichen Tragweite, die mit Hilfe fiktiver Situationsbeschreibungen abgesteckt wird, 104 Vgl. Albeck 1971: 291–364. 105 Doering 2006: 39. 106 Bei der Untersuchung von Mk 7,11 mit der Korban-Inschrift aus dem Jebel Khallet et-Turi wird im Zusammenhang der Arbeit zu klären sein, inwieweit eine Grabinschrift mit einem gegenüber den Eltern ausgedrückten Verbotsgelübde vergleichbar ist.
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oder um rabbinische Streitgespräche und dergleichen.107 Die Gattungsbestimmung der Texte dient zum einen der besseren Bestimmbarkeit der Textpragmatik und zum anderen der leichteren Datierbarkeit der Traditionsstücke bei der Einordnung derselben in eine relative Chronologie der Traditionsentwicklung. Zum Arbeitsschritt der Sichtung von Parallelen gehört schließlich noch die Klassifizierung der Parallelen. Handelt es sich also bei dem gesichteten Textmaterial um direkte, indirekte oder unabhängige Parallelen? Von (1) einer direkten Parallele wäre dann zu sprechen, wenn eine literarische Abhängigkeit zwischen zwei Texten als z.B. Text und Prätext in expliziter oder impliziter Form nachgewiesen werden kann. Um einen Überblick über die verschiedenen Kategorien intertextueller Bezüge zu bekommen,108 sei an dieser Stelle beispielhaft auf Wilk (2013: 482–487) verwiesen, der anhand der authentischen Paulusbriefe die verschiedenen Formen von Schriftbezügen auf die Hebräische Bibel bzw. die Septuaginta herausgearbeitet hat.109 Bei den expliziten Schriftbezügen unterscheidet er zwischen Paraphrasen (1. Kor 15,38–41), mit Zitationsformel eingeleiteten Schriftworten (häufig in Gal 3–4), Kombinationen aus Schriftworten (2. Kor 4,6), textorientierten Kommentaren (Röm 4) und Aussagen mit Verweischarakter (1. Kor 6,2). Bei den impliziten Schriftbezügen nimmt er dann eine Unterscheidung zwischen Anspielungen (1. Kor 2,16), Reminiszenzen (1. Thess 2,10), motivischen Entsprechungen (2. Kor 5,14–21) und Echos (2. Kor 4,6) vor.110 Für den Vergleich zwischen neutestamentlichen und tannaitischen Texten hat man keine solchen direkten literarischen Bezüge zu erwarten. Dies trifft auch auf die von H. Zellentin postulierte Reaktion der Rabbinen auf Mk 7,10–12 par. in mNed 9,1 zu.111 Eine direkte Reflexion neutestamentlicher Texte in der rabbinischen Literature wird, wenn überhaupt, erst für die
107 Einen Formenkatalog auf der Grundlage von Neusner 1972: 354–390 bietet Stemberger 2011: 64–68. 108 Es wäre sicherlich an dieser Stelle auch denkbar gewesen, die verschiedenen Termini der Transtextualität, wie sie z.B. Genette 1993 zusammengetragen hat, zu verwenden. Da aber auf den vorangegangen und den noch folgenden Seiten immer wieder vom Umgang mit parallelen Traditionen und Bezügen die Rede ist, wird hier vereinfacht weiter am Begriff „Parallele“ festgehalten. 109 Vgl. auch die vier von Müller 1985: 191 aufgestellten Kategorien zur Beschreibung genealogischer Abhängigkeit zwischen zwei Texten. 110 Bei der Beurteilung intertextueller Bezüge muss freilich die Pragmatik des hergestellten Bezugs erläutert werden. In manchen Fällen kann es durchaus vorkommen, dass alttestamentliche Phraseologie adaptiert wird, ohne dass dabei ein direkter Link zum dahinterstehenden literarischen Kontext beabsichtigt ist. Die Aufnahme biblischer Sprache könnte z.B. dem Ziel der Verleihung einer normativen Sprachgestalt dienen. 111 Vgl. Zellentin 2013: 392 Anm. 22.
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amoräische Periode wirklich denkbar und auch nachweislich.112 (2) Indirekte Parallelen sind wiederum in traditionsgeschichtlich oder gattungsgeschichtlich bedingte Parallelen einzuordnen. (2a) Gattungsbedingte Parallelen ergeben sich aufgrund von Konventionen mündlicher wie schriftlicher Gattungen. Gattungsschemata müssen erstellt, die Funktion einzelner Gattungselemente erhellt oder gattungsgeschichtliche Entwicklungen nachgezeichnet werden. Als (2b) traditionsgeschichtlich bedingte Parallele kann eingestuft werden, was als Rückgriff auf geprägte Topoi, Motive, Bräuche und Praktiken oder als Bezug auf Diskurse zu identifizieren ist. Ferner zählen dazu vergleichbare Themenkomplexe, die auf die Wirkungsgeschichte der Hebräischen Bibel bzw. der Septuaginta zurückzuführen sind. Von (3) einer unabhängigen Parallele oder „pure analogy“,113 wie Doering sie bezeichnen würde, wäre schließlich zu sprechen, wenn die Übereinstimmungen zufälliger Natur sind, d.h. sich gemeinsamer anthropologischer Wurzeln verdanken.114 2.4 Datierung des Vergleichsmaterials Neben der Bevorzugung der frühen rabbinischen Quellensammlungen als Grundlage für den Vergleich mit neutestamentlichen Texten müssen auch einzelne Traditionsstücke innerhalb dieser tannaitischen Halacha-Sammlungen datiert werden, um sicherzustellen, dass auch ein annähernd gemeinsamer zeitlicher Rahmen vorliegt. Dies bedeutet für den Vergleich mit paulinischem Traditionsgut und Logien, die wahrscheinlich dem historischen Jesus zugeordnet werden können, eine Bevorzugung von in rabbinischen Quellen dokumentierten Aussprüchen, deren Traditionsgehalt der Spätzeit des Zweiten Tempels entspringt. Der Traditionsgehalt eines Gelehrtenspruchs bezieht sich auf die in ihm ausgedrückte Rechtspraxis, die durchaus älter sein kann als die zeitliche Schaffensperiode des mit dem Spruch verbundenen Rabbinen. Die Zuweisung zu einem Gelehrten sagt allenfalls etwas darüber aus, dass der besagte Gelehrte die Rechtspraxis zum ersten Mal problematisiert. Hinter den durch den Rabbinennamen angenommenen terminus a quo einer Rechtspraxis zurückzufragen, ist ohne Frage ein sehr hypothetisches Unterfangen, das sich vor allem auf die Rekonstruktion der weiter unten beschriebenen relativen Chronologie und die Einzeichnung der Halacha in ein rechtsgeschichtliches Entwicklungsschema stützen muss. Für den Stoff der Evangelien, soweit er als 112 Vgl. Cohen 2013, der im Fall von bEr 21b–22a und Mk 7,1–23 zurückhaltend von zwei „antipodal texts“ spricht. Zu den Gründen für die Auseinandersetzung der babylonischen Amoräer mit neutestamentlichen Traditionen vgl. Schäfer 2007: 231–260. 113 Doering 2006: 23. 114 Vgl. Ebner und Heininger 2015: 251.
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Gemeinde- bzw. Redaktionsbildung anzusprechen ist, und den anderen nichtpaulinischen Schriften des NT muss der Blick auch auf Traditionsgehalte ausgeweitet werden, die zeitlich später und zwar bis zum ersten Drittel des 2. Jh. u.Z. datierbar sind. Diese Ausweitung trägt dem historischen Tatbestand Rechnung, dass der Autor des lukanischen Doppelwerkes, der Verfasser des Matthäusevangeliums, die hinter der Endgestalt des vierten Evangeliums stehende Johannesschule und die Urheber der Deuteropaulinen, der katholischen Briefe und der Johannesoffenbarung bereits auf die Zerstörung Jerusalems und des Zweiten Tempels zurückblicken, also jüdische Traditionen aus der Wende vom 1. zum 2. Jh. u.Z. reflektieren könnten, die bereits den Tempelkult substituieren oder auch unabhängig vom Abbruch des Tempelkults eine Weiterentwicklung der Rechtspraxis darstellen. Bis hinein in neueste Untersuchungen115 basierte die Datierung der Traditionen auf den aus den rabbinischen Quellen116 erhobenen relativen biographischen Eckdaten der mit den halachischen Lehrsätzen verbundenen Tradentennamen, die man verschiedenen Gelehrtengenerationen zuzuordnen pflegt. D. Instone-Brewer hat diesen Ansatz bis hinein in seine letzten Forschungsarbeiten zu „Traditions of the Rabbis from the Era of the New Testament“ mit Nachdruck vertreten.117 Obwohl sich Instone-Brewer der vielfach in den rabbinischen Schriften nachweisbaren Unzuverlässigkeit der Tradentenzuweisungen bewusst ist, hält er an der Annahme fest, dass „even when the attribution is suspect, the saying can usually be assumed to date from the same time period as the person to whom it has been attributed“.118 Diese für die Datierungsfrage so entscheidende Annahme, die InstoneBrewer – ohne weitere flankierende Verweise auf Ergebnisse anderweitiger Forschungsarbeiten – als durch „extensive historico-critical work“119 gesichert sieht, ist schon vor dem Hintergrund eines eingehenden Variantenvergleichs verschiedener Handschriften120 und eines synoptischen Vergleichs von Parallelüberlieferungen121 im Hinblick auf die Tradentennamen in Zweifel zu 115 Vgl. vor allem Instone-Brewer 2004: 30–34. 116 In der Vergangenheit stützte man sich dabei auch auf den Brief des Rav Scherira Gaon (Lewin 1972) und Seder Tannaim we-Amoraim (Kahana 1935). Vgl. auch Seder Olam Rabba (Milikowsky 2013); sowie Bacher 1914. 117 Vgl. Instone-Brewer 2004; 2011. 118 Instone-Brewer 2004: 31. 119 Instone-Brewer 2004: 31. 120 Vgl. וחכמיםin Ms Kaufmann und ( רבי יהודהTannait der vierten Generation) im Druck zu mNed 2,4; ( רבי מאירTannait der dritten Generation) in Ms Kaufmann und רבי יהודהin den Mss Parma, Cambridge, München und dem Druck zu mNed 11,10. 121 Vgl. רביin tNed 2,5 mit רבי מאירin der Parallele mNed 3,11. Lerner 1987: 272 hat im Fall von mAv und ARN folgende Unterschiede der Tradentenzuweisung in den
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ziehen. Eine weitere bei der Datierungsfrage kaum vollständig lösbare Schwierigkeit ergibt sich aus den Verwechslungsmöglichkeiten bei Rabbinennamen ohne Patronym.122 Als Paradebeispiel können hier Lehrtraditionen von רבן גמליאלgelten, bei denen nicht ersichtlich wird, ob es sich um den jüngeren Gamliel der zweiten Generation Tannaiten oder um den gleichnamigen Großvater der ersten Generation handelt, der in der Spätzeit des Zweiten Tempels lebte und wirkte. Nun ließe sich vielleicht im Fall von Großvater und Enkel argumentieren, dass halachische Lehrsätze innerhalb familiärer Traditionssukzession eine besondere Überlieferungsstabilität aufweisen, doch ist nicht zu unterschätzen, dass sich die Traditionen im Zusammenhang der Kultsubstitution bei den Tannaiten, die auf die letzte Tempelgeneration folgten, stark verändert haben. Selbst die oft auf der Grundlage thematischer Kohärenz geführte Tradentenidentifikation ist nicht über jeden Zweifel erhaben,123 denn die biographischen Untersuchungen Neusners124 und seiner Schüler haben die Unmöglichkeit der Erfassung einer systematischen Ausrichtung der in der
Parallelüberlieferungen feststellen können: „Some examples: Hillel (M. Avot 2:5) = R. Akiva (A.R.N., b 33 [36b]; cf. however Sifrei Z. p. 307); R.Tarfon (M. Avot 2:16) = R. Yishmael (A.R.N., a 27 [42b]); Hillel (M. Avot 2:6) = R. Yoshua (A.R.N., b 27 [28b]); R. Hanina ben Dosa (M. Avot 3:10) = R. Akiva (T. Ber. 3:3); R. Akiva (M. Avot 3:14) = R. Meir (A.R.N., a 39 [59b]) = R. Eliezer son of R. Yose ha-Galili (A.R.N., b 44 [62b]).“ Vgl. dazu auch Stemberger 2010d: 322–323; 2010e. Nun sind die Entstehungs- und Entwicklungsprozesse von Avot nicht mit denen der übrigen Traktate der Mischna gleichzusetzen, doch zeigt der Fall von Avot, mit welcher Freiheit Traditionszuweisungen über die Jahrhunderte hinweg vollzogen worden sind. 122 Vgl. ( רבן שמעון בן גמליאלder Name ist für zwei Tannaiten belegt, einem der 1. und einem der 3. Generation) in WA und ( ר׳ שמעוןmöglicherweise שמעון בן יוחיTannait der 3. Generation) in EG1 zu tNed 1,1. Vgl. auch die Parallelüberlieferung vom Naziräat des Abschalom in Mek Ex Beschalach 2 zu 15,1 (p. 123,9–15 Horovitz-Rabin) und tSot 3,16, wo Abschalom in Mek von R. Jehuda und in tSot von R. Jehuda ha-Nasi (Tannait der 4. Generation) als lebenslänglicher Naziräer identifiziert wird. Dass es sich aber in Mek nicht auch um R. Jehuda ha-Nasi handelt, wird daran ersichtlich, dass dessen Lehrmeinung im selben Abschnitt mit ר׳ או׳eingeführt wird und es sich bei R. Jehuda in Mek dann wohl um R. Jehuda ben Ilai (Tannait der 3. Generation) handeln dürfte. 123 Identifikation von Tradenten kann sekundär sein, da man mit bestimmten Traditionen und Rabbinenkonstelationen auch bestimmte Autoritäten verband, wie dies oft in der Gemara des babylonischen Talmuds bei der Identifikation anonymer Traditionen ersichtlich wird. 124 Neusner 1962 zeichnet in seinem Buch A Life of Rabban Yohanan Ben Zakkai, obwohl er auf Widersprüche in den Quellen hinweist, ein kohärentes Bild Yohanan Ben Zakkais, das er erst acht Jahre später in seiner Arbeit Development of a Legend: Studies on the Traditions Concerning Yohanan ben Zakkai reevaluiert und zu dem Ergebnis kommt, dass sich aus den Quellen kein kohärentes Bild zeichnen lässt (1970: 15).
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Traditionsliteratur dargestellten Rabbinen ans Licht gebracht, sodass auch Schäfer mit Ernüchterung feststellen muss: The rabbis hand down the Halakhah, but beyond this purely formal function they are of no historical importance. It is an overstatement, but one might say that the only overall taxonomy reflected by a rabbi’s name in rabbinic literature is the name itself, whose meaning is thus reduced to nothing.125 Formkritische Untersuchungen, die bei der Identifizierung und Zuweisung von Spruchtraditionen zu rabbinischen Autoritäten Hilfestellung leisten könnten, führen vor allem im Fall der Mischna zu keinen verlässlichen Ergebnissen, da die überlieferten Lehrmeinungen gänzlich dem mnemotechnischen Interesse des Werkes untergeordnet sind. Das Spruchgut ist in hohem Maße formalisiert und erlaubt keine Rückschlüsse auf Stil und Form des Vortrags rabbinischer Gelehrter. Ebenso schwierig lässt sich bei anonym überlieferten Traditionen entscheiden, ob sie vor allem ältere Traditionen widerspiegeln oder aber zu den jüngeren Schichten eines rabbinischen Werkes gehören. Quellenkritische Untersuchungen können unter Umständen bei Datierungsfragen hilfreich sein, wenngleich im Text erkennbare Wachstumsspuren nichts über das Alter der eingefügten Traditionen aussagen müssen. Aus den Schwierigkeiten der Datierung rabbinischer Gelehrtensprüche und dem Mangel absoluter Daten muss aber nicht zwangsläufig eine ernüchternde Schlussfolgerung gezogen werden, rabbinische Traditionen und Texte seien generell undatierbar und daher als Vergleichsmaterial mit Texten aus der Zeit des Zweiten Tempels ausgeschlossen. Vielmehr ist man beim Vergleich mit rabbinischen Quellen dazu angehalten, eine relative Chronologie der rabbinischen Traditionsstücke zu erarbeiten. Hierbei muss die Aufmerksamkeit vor allem auf dem logischen Vorrang einer Tradition liegen, auf der andere Traditionen aufbauen und aus der sich andere Traditionen entwickelt haben. Wenn diese Beobachtungen zusammen mit der Datierung der Tradenten und ihrer Lehrentscheidungen eine stimmige chronologische Abfolge ergeben, so kann eine wahrscheinliche zeitliche Einordnung und Eingrenzung des Spruchguts vorgenommen werden. Dabei kann es freilich nicht darum gehen, kleine und kleinste Spruchtraditionen zeitlich einzuordnen. Dies würde den Rahmen jeder Arbeit sprengen. Vielmehr soll die Entstehung einzelner Rechtskonzepte zeitlich eingeordnet werden, sodass die sich daraus weiterentfaltende Halacha zeitlich fassbar wird. Unterstützend 125 Schäfer 1986: 143. Vgl darüber hinaus auch Towner 1973: 33–48.
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für die Erstellung einer relativen Chronologie bzw. für die Datierung praktizierter Halacha können zudem archäologische und epigraphische126 Funde sein, wenngleich solche ergänzenden Befunde eher die Ausnahme sind. Auf die Feststellung der relativen Chronologie folgt zuletzt ein dem Charakter der Quellen geschuldeter Arbeitsschritt, der die Einzeichnung des tannaitischen Traditionsguts in ein quellenübergreifendes Entwicklungsschema vorsieht. 2.5 Rekonstruktion der traditionsgeschichtlichen Entwicklungslinien Um zu klären, ob und inwieweit die in den Vergleichstexten überlieferten Diskurse von einer gemeinsamen textlichen Basis ausgegangen sind, muss den Ursprüngen gemeinsamer Tradition auch bis hin zu ihren möglichen Wurzeln in den Schriften nachgegangen werden, die als älteste literarische Zeugnisse des antiken Judentums im späteren Kanon der Hebräischen Bibel bzw. in ihrer griechischen Übersetzung im Kanon der Septuaginta127 zusammengewachsen sind. Deshalb wird mit Textbelegen aus den Schriften der Hebräischen Bibel begonnen; es folgt die Analyse jüdischer Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, paganer Schriften des antiken Mittelmeerraums und der Levante, rabbinischen Traditionsliteratur und schließt mit Beobachtungen zu Diskursen aus dem Neuen Testament. Die Untersuchung von Diskursen in hebräischer, griechischer und aramäischer Sprache, von literarischen wie nichtliterarischen Zeugnissen und von Texten aus Judäa oder der Diaspora ist möglich, da Traditionen und ihre Verbreitung weder Kanon-, Landes-, Kultur- noch Religionsgrenzen kennen.128 Dieser Arbeitsschritt trägt der in den tannaitischen Texten wahrnehmbaren Tendenz Rechnung, normativ gewordene mündliche Traditionen an die schriftliche Tora zurückzubinden.129 Die Rückbindung an die schriftliche Tora lässt sich mit einer innerjüdischen Kritik an der Legitimität der mündlichen Tora und ihrer als Konkurrenz zur schriftlichen Tora wahrgenommenen Bedeutung innerhalb des rabbinischen Judentums erklären. Sie ist vor allem an Stellen offensichtlich, wo ein hoher argumentativer Aufwand zur Herleitung der Tradition betrieben wird. Es muss angenommen werden, dass Traditionen an solchen Stellen sekundär an biblische Überlieferungen angeglichen bzw. infolge der Bekundung der Schriftgemäßheit durch das Heranziehen von 126 Vgl. dazu die wichtigen Beiträge aus Baumgarten et al. 2011. 127 Dort, wo die Septuaginta eine signifikant abweichende Vorlage vermuten lässt oder aber auch durch die Übersetzung eine aktualisierende Interpretation ihres Ausgangstextes aufweist, werden in den jeweiligen Abschnitten masoretischer Text und Septuaginta gemeinsam geboten, übersetzt und interpretiert. 128 Zu Glokalisierungsprozessen im antiken Mittelmeerraum vgl. Hartog 2017: 16–26. 129 Zum Zusammenhang von Toraexegese und Traditionsbildung vgl. auch mBer 1,5.
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Belegversen aus der schriftlichen Tora130 so abgeändert wurden, dass andere Traditionsausformungen verdrängt wurden oder verlorengingen. Solche Stellen mit Traditionsangleichungen sind im Grunde genommen nur feststellbar, wenn sich davon abweichende oder widersprechende Überlieferungen im Corpus der tannaitischen Schriften erhalten haben. Die Harmonisierung von schriftlicher und mündlicher Tora, die entsprechend rabbinischer Hermeneutik die Texte der Hebräischen Bibel auch durch die halachische Brille der ersten beiden Jh. u.Z. liest,131 soll den Eindruck einer ungebrochenen Traditionsweitergabe von Mose bis zu den Gelehrten der tannaitischen Literatur erwecken, was dann später konsequent in der Tradentenkette von mAv 1 zu Ende gedacht wurde. Für die Frage nach der in der Spätzeit des Zweiten Tempels praktizierten Halacha kann mit betonter Vorsicht im Sinne eines Differenzkriteriums in tannaitischen Texten dort von einem vortannaitischen Ursprung der Tradition gesprochen werden, wo eine Diskontinuität zur biblischen Überlieferung wahrnehmbar ist und wo für die Begründung einer Tradition Schriftzitate herangezogen werden, die diesen Zweck nur unzureichend erfüllen.132 Das 130 Vgl. Stemberger 2011: 26. 131 So erwecken die Rabbinen z.B. den Eindruck, als gäbe es grundsätzlich keinen Unterschied zwischen נדרals eine in der Hebräischen Bibel bezeugte Form der bedingten Selbstverpflichtung auf der einen Seite und den ebenfalls נדריםgenannten Verbotsgelübden der tannaitischen Literatur auf der anderen Seite. 132 Die Annahme einer vortannaitischen Tradition ließe sich beispielsweise im Fall der Mitgliederzahl des סנהדרין קטנהwahrscheinlich machen. Die Begründung für die Anzahl dieses als „kleinen Sanhedrins“ betitelten Gremiums von 23 Mitgliedern, verlangt dem Tradenten von mSan 1,6 die Kombination von gleich drei Bibelstellen (Num 35,24–25; 14,27; Ex 23,2) ab. Wenn die Ratsversammlung von 23 Mitgliedern eine rein rabbinische Erfindung zur Etablierung lokaler Gerichtsbarkeit in Städten mit einer Mindesteinwohnerzahl von 120 gewesen wäre, zu deren Notwendigkeit man genötigt schien, eine biblische Fundierung bzw. Berechtigung zu erbringen, so stellt sich natürlich die Frage, warum man bei einer Neuinstituierung nicht gleich auf ein biblisches Vorbild wie den in Esra 2,2 und Neh 7,7 angedeuteten Zwölferkreis der Stammesführer zurückgriff und dementsprechend ein Zwölferkollegium einsetzte (bzw. eines von 13, damit das Gericht nicht von gerader Zahl ist, wie in mSan 1,6 gefordert; zum Zwölfergremium vgl. VermesMillar-Black II: 201; sowie 1QS 8,1–4; 1QSa 1,27–29; 1QM 2,2–3). Vielleicht hat es sich bei der 23-köpfigen Versammlung um ein den Rabbinen bekanntes, ἐκκλησία (τῶν συνέδρων) bzw. βουλή-ähnliches (vgl. Josephus, Ant 11,117; Vita 64) Gremium lokaler Gerichtsbarkeit in Palästina gehandelt, dessen Vereinnahmung im Zuge der auf halachischer Ebene durchdachten verwaltungsrechtlichen Neukonstituierung jüdischer Administration und Jurisdiktion nach 70 bzw. 135 u.Z. in den Augen der Rabbinen lohnenswert erschien und dem man mit der Bezeichnung סנהדרין קטנהeine höhere Bedeutung beimessen wollte. Wenn Bezeichnung und Zuständigkeit (mSan 1,4) einer solchen rechtsprechenden Verwaltungseinheit nach einigem Dafürhalten eine rabbinische Traditionsneubildung darstellen, so ist mit der Annahme eines bereits etablierten Gremiums von 23 Ratsmitgliedern in einigen Städten Palästinas für eine historische Rekonstruktion vorrabinischer
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Differenzkriterium darf allerdings nicht ausschließlich im Vergleich von rabbinischen mit biblischen Texten Anwendung finden, sondern kann nur zusammen mit den dargestellten methodischen Leitlinien eingesetzt werden. Aus den bereits dargelegten Gründen muss der traditionsgeschichtliche Befund von der Hebräischen Bibel bzw. der Septuaginta über die jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit bis hin zur tannaitischen Literatur nachgezeichnet werden. Dazu wird das jeweilige Corpus erst für sich untersucht133 und dann von diesem Befund ausgehend der Einfluss der rabbinischen Exegese auf die spätere Halacha geprüft. Die Analyse der in der Hebräischen Bibel bzw. der Septuaginta überlieferten Gelübdediskurse wird dabei vor allem von synchronen Methodenschritten geleitet, da sie für die Beurteilung der Diskurse aus der Spätzeit des Zweiten Tempels vor allem von rezeptionsgeschichtlichem Interesse sind. Die literar- und redaktionskritische Analyse der Texte ist für den Gegenstand dieser Untersuchung auch nicht erforderlich, da die für diese Untersuchung relevanten Texte spätestens am Beginn des 4. Jh. v.u.Z. abgeschlossen waren. Die so nachgezeichnete rechts- und traditionsgeschichtliche Entwicklung kann durchaus verzweigt und vielstrangig sein. Von einer geradlinigen und einheitlichen Ausprägung rechtspraktischer und theologischer Traditionen angefangen von ihren frühesten Bezeugungen in den Texten, die später zum Kanon der Hebräischen Bibel bzw. der Septuaginta zusammengewachsen sind, bis hin zum tannaitischen Rechtscorpus wird man genauso wenig ausgehen dürfen wie von einer zwangsläufig genealogischen Abhängigkeit der zum Diskurs gehörenden Texte. Zudem ist es auch fraglich, ob man alle in den Quellen gefundenen Zeugnisse zu einer spezifischen rechtspraktischen oder theologischen Tradition zweifelsfrei in eine Verbindung einbringen kann, oder ob die Bezüge und die Gründe für gewisse Traditionsausformungen im Dunkeln bleiben müssen. Im Fall der tannaitischen Schriften und der dort dokumentierten Lehrstreitigkeiten, die nicht allein auf die Ergebnisse differierender Textauslegung zurückzuführen sind, sondern durchaus auch andere lokal gewachsene Traditionen oder besondere Ausprägungen religiöser Gemeinschaften widerspiegeln, wird deutlich werden, wie versucht wird, die verschiedenen Ausprägungen rechtsgeschichtlicher Diskurse entweder harmonisierend in einem
Jurisdiktionstraditionen sicherlich wenig ausgesagt, für eine rechtsgeschichtliche Rekonstruktion des rabbinischen Umgangs mit überkommenen Traditionen dafür viel. 133 Vgl. Vahrenhorst 2002: 36.
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System zu verknüpfen oder gar durch Mehrheitsentscheid der Rabbinen auf eine spezifische Rechtspraxis engzuführen.134 Die hier zu erörternde Fragestellung sieht sich zudem in einem dritten Arbeitsschritt mit der Tatsache konfrontiert, dass gewisse rabbinische Texte durch die Jahrhunderte hindurch keine gemeinhin anerkannte Endredaktion erfahren haben, sondern einen bisweilen offenen und beweglichen Text besaßen.135 Das Problem einer sich scheinbar verschleppenden Endredaktion wird schon am Beispiel von Rabbi Jehuda ha-Nasi und die sowohl in der Tradition als auch in der modernen Forschung auf seine Redaktionsbestrebungen zurückgeführte Gestalt der Mischna deutlich.136 Zwar wird man anders als z.B. bei Midrasch-Rabba und dem palästinischen Talmud den Text der Mischna als weitestgehend fest einstufen dürfen, doch muss damit gerechnet werden, dass die Weiterentwicklung der halachischen Diskussion in den Talmudim 134 Für die Rekonstruktion der rechtgeschichtlichen Entwicklung ist mit der in Mt 23,23 und mMaas 4,5; mDem 2,1 belegten Praxis des Verzehntens ein besonders anschauliches Beispiel gegeben. Während Dtn 14,22–23 allein das Verzehnten von Korn-, Most- und Ölerträgen vorsieht, haben die Rabbinen wohl unter Einfluss von Lev 27,30–33 Gleiches auch für Grünkräuter und Hülsenfrüchte gefordert (vgl. Strack-Billerbeck I: 932). Mt 23,23, R. Eliezer (zum Tannaiten der zweiten Generation vgl. Krupp 2002: 86–87; Stemberger 2011: 85–86) nach der Überlieferung von mMaas 4,5 und das anonyme Diktum zur Verzehntung von Kümmel in mDem 2,1 sind in der Evolutionsverzweigung der zu verzehntenden „Grünkräuter“ die ältesten Zeugen. Wenn die tannaitischen Quellen nichts über das Verzehnten von Minze zu berichten wissen, bedeutet dies nicht unweigerlich, dass der Autor hinter Mt 23,23 dieses Logion ohne Anhaltspunkte an einer damals von ihm bei seinen Gegnern beobachteten Praxis aus rein polemischen Gründen gebildet hat. Natürlich wäre es auch vorstellbar, dass die Trias der drei zu verzehntenden Kräuter eine matthäische Bildung sind, um diese der Unterlassung der drei für den matthäischen Jesus viel gewichtigeren Werke κρίσις „Recht“, ἔλεος „Barmherzigkeit“ und πίστις „Glauben“ gegenüberzustellen. Vor dem Hintergrund der Schlusssentenz ταῦτα [δὲ] ἔδει ποιῆσαι κἀκεῖνα μὴ ἀφιέναι „Dies aber hätte man tun und jenes nicht lassen sollen!“ wird aber deutlich, dass auch der Autor hinter Mt 23,23 dem Verzehnten von Kräutern seinen rechten Platz grundsätzlich nicht abspricht, es aber in der Wertigkeit einer sich in Recht, Barmherzigkeit und Glauben ausdrückenden besseren Gerechtigkeit unterordnet. Damit kann angenommen werden, dass Matthäus Gruppen mit einer sehr konservativen Auslegung von Dtn 14,22–23 und Lev 27,30–33 kannte, die sich auch zum Verzehnten von Minze verpflichtet sahen (ähnlich urteilt auch Newport 1995: 103), einer Tradition, für deren Relevanz und Existenz es in tannaitischen Kreisen später keine Zeugen mehr gibt. Zum sich darin widerspiegelnden Phänomen lokal-divergierender Rechtspraxis, für das sich die fachwissenschaftliche Wendung „legal pluralism“ gefunden hat, wird später im Abschnitt „evolutionary factors“ (1 2.6) im Zusammenhang der Beobachtungen zum religiösen und kulturellen Fremdeinfluss auf die jüdische Rechtspraxis noch einmal die Rede sein. 135 Vgl. Becker 1999: 150; sowie dazu kommentierend Stemberger 2010d: 329–330. 136 Die Mischna enthält auch Rechtsbestimmungen jüngerer Rabbinen, die nach R. Jehuda ha-Nasi gelehrt haben (vgl. Stemberger 2011: 151 und die Beispiele dort).
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gewisse Spuren in der Textüberlieferung der tannaitischen Literatur hinterlassen hat. Da die ältesten Handschriften tannaitischer Werke aus dem Mittelalter stammen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie vereinzelt von jüngerer Halacha beeinflusst sind.137 Deutlich wird dies darin, dass die palästinische Rezension der Mischna keine eigene von der babylonischen Rezension zu unterscheidende Textform darstellt, sondern einen Mischtext bietet, der von der babylonischen Rezension beeinflusst ist.138 Neben der anzunehmenden Angleichung der tannaitischen Traditionen an jüngere Rechtsdiskurse und -entscheide muss ebenso mit Texterweiterungen gerechnet werden. Um so weit wie möglich auszuschließen, dass jüngere amoräische Traditionen die Auswertungen verzerren, ist die Weiterentwicklung der Halacha in den Talmudim und amoräischen Midraschim in groben Zügen zu vergleichen. Anstöße zur Traditionstransformation durch „evolutionary factors“ 139 2.6 Dass die Autoritäten der rabbinischen Bewegung vor dem Hintergrund einschneidender politisch, militärisch und ökonomisch Ereignisse die geltende Halacha modifizierten oder gar außer Kraft setzten, ist unumstritten und wird sogar von den rabbinischen Quellen selbst bezeugt.140 Problematisch ist dies allerdings in Fällen, wo eine direkte Nennung halachischer Metamorphosen nicht erfolgt, sondern wo sie in den Mantel fiktiver Traditionskontinuität eingehüllt werden. Solche Umformungen müssen aus den Quellen erschlossen werden. Aus diesem Grund ist es nötig, solche als „evolutionary factors“ bezeichnete Ereignisse und Umstände bei der Untersuchung paralleler Traditionen im Auge zu behalten. Das für die Umformung der Halacha folgenschwerste Ereignis der jüdischen Geschichte war ohne Frage die Zerstörung des Jerusalemer Tempels durch die von Titus befehligten römischen Belagerungstruppen im Jahre 70 u.Z. Anzunehmen ist, dass viele Regelungen vor dem Hintergrund der Tempelzerstörung zum Zweck der Fortführung religiöser Fest- und Kultpraktiken umgedeutet 137 Im Fall der von pT diskutierten Mischna stellt dies Stemberger 2011: 196 anhand der Schwierigkeiten, den Mischna-Text aus der Gemera des pT zu rekonstruieren, dar. 138 Vgl. Krupp 2002: 42–43.51. 139 Die Wendung „evolutionary factors“ wurde von Vermes 1992: 370 in seinem Beitrag Jewish Literature and New Testament Exegesis: Reflections on Methodology geprägt und meint politische, wirtschaftliche und geistesgeschichtliche Entwicklungen, die in so umfassenden Maße auf das soziale und religiöse Leben des antiken Judentum eingewirkt haben, dass die Rabbinen sich zur Anpassung der Halacha vor dem Hintergrund der neuen Herausforderungen der Zeit genötigt sahen. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Arbeiten in Lange et al. 2011 sowie die Beiträge in Schwartz und Weiss 2011. 140 Vgl. mBer 9,5; mGit 4,3; sowie Greene 1976: 152–176.
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und modifiziert wurden.141 Es ist nicht auszuschließen, dass die Katastrophe von 70 u.Z. auch die Aufgabe verschiedener religiöser Praktiken und deren Vergessen nach sich gezogen hat. Zeugnisse für eine durch die Tempelzerstörung angestoßene Traditionsumformung stellen die später in bRH 31b als תקנותbezeichneten Verordnungen dar, die Jochanan ben Zakkai nach mRH 4,1–4 als Reaktion auf das Ende des Tempelkults erlassen haben soll.142 Diese Umformung, die G. Stroumsa geradezu als Neuerfindung ansieht,143 bewahrte nach seinen Worten das zuvor auf dem Tempelkult basierende religiöse System des antiken Judentums vor dem Zusammenbruch – ein Umstand, den er auf ein dem monotheistischen Judentum in besonderem Maße inhärenten „Medium der Veränderung“ zurückführt, das er als „Triebfeder der Innerlichkeit“ bezeichnet. Diesem Medium sei nach Stroumsa zum einen die Privatisierung und Verinnerlichung des Gottesdienstes144 und zum anderen die Vergeistigung der Liturgie zu verdanken.145 Wollte man dieser sich in den Texten manifestierenden Triebfeder nachspüren, so ließen sich mit Beispielen für tempelsubstituierende Traditionsumformungen viele Seiten füllen.146 Was im Folgenden aber deutlich gemacht werden soll, ist die für traditions- und religionsgeschichtliches Arbeiten mit rabbinischen Texten wichtige Klärung der Abhängigkeit der zu vergleichenden halachischen Tradition zum Tempelkult.147 Neben den zu bewältigenden Folgen der Tempelzerstörung dürften auch politische und militärische Auseinandersetzungen ihren Niederschlag in den theologischen Vorstellungen und halachischen Konventionen gefunden haben. So lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit das Aufkommen der Akzeptanz für Angriffskriege am Schabbat rechtsgeschichtlich während der makkabäischen Erhebung verorten.148 Für die Zeit des Bar-Kochba-Aufstands sind 141 Vgl. Bokser 1984, der Kontinuität und Diskontinuität von Festtagsbräuchen nach der Tempelzerstörung am Beispiel des Seder-Abends darstellt. 142 Vgl. darüber hinaus die Belegstellensammlung in Stemberger 2002: 207–215. 143 Vgl. Stroumsa 2011: 24. 144 Vgl. Stroumsa 2011: 93. 145 Vgl. Stroumsa 2011: 95. Vgl. dazu auch Avery-Peck 1992: 422. 146 Vgl. z.B. die exponierte Stellung des Torastudiums im rabbinischen Judentum, das auch als Mittel der Kultsubstitution angesehen wurde (vgl. Satlow 2003; Bokser 1983: 37–61). 147 Bezüglich des Wertes, den tempelbezogene Lehrsätze für die Datierung von Traditionen haben, hält Stemberger 2010c: 237 fest: Although there is some evidence of priestly traditions being incorporated into the Mishnah and later rabbinic texts […], the majority of these texts seem to be based on exegesis of biblical texts and general principals regarding the cult. Unless there is evidence to the contrary, we should regard such texts as later reconstructions of an ideal cult to be put in practice once the Temple would be rebuilt, with memories of old being inserted only rarely. 148 Vgl. 1. Makk 2,39–41 und dazu erläuternd Doering 1999: 535–565.
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es vor allem Fragen nach der Heiligkeit und der Bewahrung des menschlichen Lebens auf der einen Seite und die Forderung nach strikter Toraobservanz bis hin zum Martyrium auf der anderen Seite, die Spuren im theologischen Denken und im halachischen Urteil der Rabbinen hinterlassen haben.149 Auf die militärischen Auseinandersetzungen im Zusammenhang des ersten jüdischen Krieges sind weiterhin als „evolutionary factor“ die machtpolitischen Veränderungen in Palästina-Syrien in den Blick zu nehmen. In mehreren Etappen beginnend mit dem Verlust der Eigenstaatlichkeit 63 v.u.Z. und bis zur Umwandlung Judäas in eine selbständige römische Provinz unter der Führung eines Statthalters150 hatte sich der Verlust der Autonomie in Fragen der Außen- und Innenpolitik, der Kapitalgerichtsbarkeit und schließlich auch sämtlicher administrativer Autorität vollzogen. Für die Rabbinen und ihre Zeit spielt die Bedeutung und Funktion des Sanhedrins nur noch im Diskurs des Lehrhauses eine Rolle. Die Quellen lassen keinen Zweifel daran, dass entgegen der historischen Zusammensetzung des Jerusalemer Führungsgremiums aus Mitgliedern der Tempelaristokratie und Pharisäern die Rabbinen sich im späteren Diskurs selbst als bestimmende Autorität im neu zu etablierenden Sanhedrin verstanden. Über die Einforderung weitreichender judikativer Befugnisse in mSanh 1,5 sprachen sich die Rabbinen das Recht zu, über falsche Propheten, Hohepriester, die Stämme und verführte Städte in Israel das Urteil zu fällen. Außerdem sahen sich die Rabbinen über die beanspruchte Legislative und Judikative hinaus – wohl auch unter dem Eindruck zweier schrecklicher Aufstandskriege – zur Übernahme des Exekutivrechts berechtigt, im großen Sanhedrin über Krieg und Frieden zu entscheiden und dem König damit die Heeresgewalt zu entziehen.151 Dass es in mJom 1,6 Rabbinenschüler sein sollen, die dem Hohenpriester gegebenenfalls einen Vortrag halten oder ihm aus biblischen Büchern vorlesen, wenn dieser nicht im Stande ist zu lesen, spricht ebenfalls für ein gesteigertes Selbstbewusstsein der rabbinischen Bewegung gegenüber der Priesterschaft. Für die Beurteilung rabbinischer Quellen ist daher der Zusammenhang zwischen Halacha und rabbinischem Führungsanspruch zu prüfen.152 Als letzter wichtiger mit den machtpolitischen Veränderungen einhergehender „evolutionary factor“ ist der kulturelle wie religiöse Fremdeinfluss auf die Ausbildung und Entwicklung der Halacha zu beachten. Da Palästina 149 Vgl. Oppenheimer 2005. 150 Vgl. Schäfer 2010: 94–96.155–159. 151 Vgl. Fraade 2011: 325–326. 152 Zur bisweilen ausgedrückten Superiorität der Rabbinen über die Gruppe der Priester vgl. Hezser 1997: 480–489.
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seit den Alexanderzügen (332 v.d.Z.) einem direktem hellenistischen Einfluss153 und seit der Eroberung Jerusalems (63 v.d.Z.) durch Pompeius zusätzlich der römischen Kultur ausgesetzt war,154 kann man vom Zeitpunkt der Endredaktion der Mischna um 200 u.Z. von einem fast annähernd 533 Jahre andauernden Kulturdruck ausgehen, der sich durch Sprache, Bildung, Wirtschaft, Verwaltung und Kunst prägend auf jüdische Lebensformen und -normen ausgewirkt hat. Das Auftauchen von gesetzlichen Fiktionen in rabbinischen Rechtsdiskursen kann somit auf den Einfluss römischer Jurisprudenz zurückgehen, in der dieses Phänomen bereits schon zur Zeit der römischen Republik zu beobachten ist.155 Einflüsse sind ebenfalls im Eherecht,156 in der juristischen Sprache,157 im Urkundenwesen158 und bei den Trauerriten159 nachweisbar. 2.7 Der Vergleich Nach der Sichtung von parallelen Traditionen, der Klärung, inwieweit diese „evolutionary factors“ unterworfen gewesen sind, der Bewertung ihrer kontextuellen Einbettung und dem Urteil über eine relative Datierung derselben kann die Vergleichsarbeit der parallelen Traditionen beginnen. Nach J. Kloppenborg erlaubt es die Vergleichsarbeit ihrem heuristischen Wesen entsprechend, „to see in a field of difference certain similarities that are of intellectual interest, and which point to a common model or theory or cultural strategy“.160 Mit Verweis auf J. Z. Smith161 hält er ferner fest, dass dieser Zugang nicht dem Ziel dienen darf, entweder – in apologetischem Sinne – die Einzigartigkeit (uniqueness) oder die Deckungsgleichheit religiöser Phänomene zu postulieren.162 Ferner muss man, wie Doering völlig zurecht angemerkt hat,163 sich bei der komparativistischen Analyse vor einer Gleichstellung der in den Parallelen begegnenden Problemhorizonte in Acht nehmen. Ist man sich dieser für die traditionsgeschichtliche Vergleichsarbeit so elementaren Voraussetzungen bewusst, so ist erstens beim Textvergleich das 153 Vgl. dazu in Einzelstudien und in übergreifender Darstellung Alkier und Witte 2004 sowie Hengel 1988. 154 Indirekt dürfte sich griechischer Kultureinfluss bereits Jahrhunderte zuvor über Phönizien und Ägypten auf die Levante ausgewirkt haben. 155 Vgl. Moscovitz 2003: 117 Anm. 59. 156 Vgl. Morgenstern 2014: 33–38. 157 Vgl. Lieberman 1944; Sperber 1984; 2012: 163–168. 158 Vgl. Gulak 1935. 159 Vgl. Tilly 2015a: 193. 160 Kloppenborg 2017: 407. 161 Vgl. Smith 1990: 36–42. 162 Vgl. Kloppenborg 2017: 393 und mit ähnlicher Würdigung Doering 2006: 20.28. 163 Vgl. Doering 2006: 28.
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Erstellen eines Fragekatalogs erforderlich. Zu fragen wäre in erster Linie natürlich nach gemeinsamen Mustern: Benutzen die parallelen Traditionen gemeinsame sprachliche Bilder oder gar einander entsprechendes Vokabular, versuchen sie auf ein ihnen gemeinsames Problem zu reagieren und bieten sie dafür ähnliche Lösungen an? Aber, und dies ist neben der Hervorhebung von Gemeinsamkeiten noch fast wichtiger, worin bestehen signifikante Unterschiede zwischen zwei zu vergleichenden Traditionen. Will man nicht der von Sandmel angeprangerten Parallelomania verfallen, muss man den Unterschieden in gleicher Weise wie den Gemeinsamkeiten Beachtung schenken. Schließlich ist zu beschreiben, inwieweit die parallelen Traditionen zur gegenseitigen Erhellung ihres Verständnisses beitragen können. Kann der Vergleich Verständnislücken füllen, lassen sich damit auch weiterführende Querverbindungen zu anderen Traditionen herstellen, kann in der Zusammenschau der parallelen Traditionen vielleicht sogar eine präzisere Datierung der Tradition vorgenommen werden? Der letzte Arbeitsschritt der Vergleichsarbeit hat sich sodann mit der Deutung der Tradition im literarischen Kontext zu befassen. Für welche Aussageabsicht hat der Autor die aufgegriffene Tradition fruchtbar machen wollen? Fügt sich die Tradition und ihre Deutung gut in ihren literarischen Gesamtkontext ein, oder wirkt sie eher sperrig und der generellen Aussageabsicht des Autors entgegen? Sollte sich am Ende der Vergleichsarbeit allerdings herausstellen, dass die beiden parallelen Texte nicht auf eine gemeinsame Tradition zurückzuführen sind, dann darf dies als ein ebenso wichtiges Ergebnis gelten.
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Das Gelübdewesen und seine theologischen, religionsgesetzlichen, soziologischen und anthropologischen Zusammenhänge 1
Das Inaugurationsformular nach dem Zeugnis der Hebräischen Bibel
Nach der Darstellung der Hebräischen Bibel ist ein Gelübde (נדר, εὐχή) ein kommissiver Sprechakt, bei dem sich ein Sprecher gedrängt durch das Eintreten einer prekären Situation zu einer zukünftigen Opferhandlung verpflichtet, um für die Bewältigung der Notsituation von der im Gebet adressierten Gottheit Zuwendung zu erbitten. Während die Protasis die erbetene Bedingung formuliert (Einführung mit konditionaler Konjunktion אםbzw. ἐάν „wenn“), benennt die Apodosis die Votivgabe, zu deren Opferung sich der Votant verpflichtet. Der Protasis kann eine invocatio der Gottheit vorausgehen. Dazu können des Weiteren Niedrigkeitsbezeichnungen des Votanten treten, die diesen als frommen und schutzbedürftigen Bittsteller ausweisen. In der Mehrzahl der Fälle beinhaltet die Apodosis eine Versprechung zur Wallfahrt und zur Opferung von tierischen oder vegetabilischen Votivgaben. Ferner bezeugen die Quellen Stiftungen von Kultbauten oder gar die Opferung von Menschen, wie dies beim Kriegsbann der Fall ist. Jüdische Quellen aus hellenistisch-römischer Zeit kennen zudem Votivgaben aus Edelmetall oder anderen Baustoffen, die zur Ausschmückung des Tempels oder zu dessen Instandhaltung dargebracht wurden. Gelübde sind damit ein Teil der antiken Votivpraxis, zu der auch die „ נדבהfreiwillige Gabe“ zählt, die ein Votant aus reiner Dankbarkeit schenkt, ohne dass er die Gottheit zuvor um ein Eingreifen gebeten hat.1 Da den Quellen nicht immer klar zu entnehmen ist, ob die Votivgabe als Einlösung eines Gelübdeversprechens oder als freiwillige Opfergabe anzusprechen ist, müssen beide Formen der Votivpraxis im Blick behalten werden.2 1 Die Übertragung von נדבהmit „freiwillige Gabe“ (vgl. Gesenius 2013: 783) soll nicht den Eindruck erwecken, dass andere Formen des Votivwesens nicht auch auf freiwilliger Basis beruht hätten. Der Ausdruck „freiwillig“ drückt im Fall der נדבהanders als z.B. bei den von der Tora in Num 6,13–15 festgeschriebenen Ausweihungsopfern des Naziräers das vom Votanten selbstbestimmte Maß seiner Votivgabe aus. 2 Hinzu kommt, dass die rabbinische Traditionsliteratur die freiwillige Gabe mit unter das Hyperonym נדרsubsumiert, was sicherlich damit zu tun hat, dass freiwillige Gaben in gleicher
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kapitel 2
Gelübde werden von den Autoren der Hebräischen Bibel nicht gefordert.3 Sie gehören vor allem in nachexilischer Zeit zur Formensprache und Ausdrucksweise der persönlichen Frömmigkeit.4 Gelübde dienen dazu, eine an die Gottheit gerichtete Bitte zu unterstreichen und diese durch die angebotene Versprechung zur Zuwendung zu bewegen und damit eine Wechselwirkung zwischen Bittsteller und Bittgewährer zu provozieren. Während der Votant sich mit der Selbstverpflichtung für eine zukünftige Gabe bindet, wird die Gottheit in ihrem Handeln als völlig souverän und autonom gedacht.5 Deshalb darf das Gelübde unter gar keinen Umständen als eine Art Schacher zwischen Mensch und Gott angesehen werden. Dennoch wurde das Gelübde, wenn der Gelobende denn auch seine Schuld beglichen hatte, als eine an der Gottheit gewirkte Wohltätigkeit wahrgenommen. Dies wird an der Praxis ersichtlich, figürliche oder schmuckartige Votivgaben mit Inschriften zu versehen, die Zeugnis vom heilvollen Eingreifen der Gottheit ablegen und damit auch zur Verbreitung ihres Ansehens und zur Mehrung ihrer Verehrer beitragen sollten. Im Unterschied zum Schwur kennt das Gelübde keine Selbstverfluchung und keine Anrufung der Gottheit zum Zeugen. Was die Identifizierung von Gelübden in literarischen Zeugnissen des antiken Judentums und frühen Christentums anbelangt, so kann im hebräischbzw. aramäischsprachigen Judentum bei Derivaten der Wurzel נדרzweifelsfrei auf ein Gelübde geschlossen werden. Eine solche Identifizierung ist in griechischen Quellen dagegen mit der Schwierigkeit behaftet, dass der Begriff εὐχή neben „Gelübde“ auch „Gebet“ im Allgemeinen bezeichnen kann. Dieser Umstand verlangt eine eingehende Untersuchung des jeweiligen literarischen Kontexts und der syntagmatischen und paradigmatischen Zusammenhänge des Begriffs. So muss z.B. die Beiordnung von θυσίαι zu εὐχαί nicht zwangsläufig ein Indiz für die bei der Erfüllung eines Gelübdes zu erwartenden Opfer sein, wie dies Ant 3,189–191 nahelegt, wo die Vorordnung von θυσίαι als ein Hinweis darauf gelten darf, dass die Opferung von anschließenden Gebeten begleitet wurden und nicht, dass auf die Opferung folgend weitere Gelübde gesprochen wurden. Im Sprachgebrauch von Ant 3,189 verbirgt sich ein weiteres Indiz für die Unterscheidung beider Bedeutungsmöglichkeiten. Hier werden die εὐχαί Weise versprochen wurden wie auch Opfergaben von Gelübden, die im Zusammenhang einer bedingten Votivgabenweihe abgesondert wurden (vgl. mMeg 1,6; mKin 1,1 und tAr 3,11–13; sowie dazu Krupp 1971: 78–79 mit Anm. 1 zu V 5b und 115 mit Anm. 1 zu VIII 7a). 3 Die Aufforderung aus Ps 76,12 נדרו ושלמו ליהוה, dem Herrn Gelübde abzulegen und zu erfüllen, steht symbolisch für dessen Anerkennung und Huldigung. 4 Vgl. Kaiser 1993: 135. 5 Gegen Tita 2001: 204, der von einer wechselseitigen Bindung zwischen Votanten und Gottheit spricht.
Das Gelübdewesen
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als eine in Stellvertretung (ὑπὲρ ἡμῶν „für uns“) durch den Hohenpriester zu besorgende Handlung ausgewiesen, was sicherlich keine stellvertretende Erfüllung von Gelübden meint.6 Diese ist vielmehr von jedem Votanten selbst in persona am Tempel zu vollziehen. Finden die εὐχαί im Erzählzusammenhang einer Wallfahrt Erwähnung, so kann angenommen werden, dass hier das Fest und die Reise nach Jerusalem zu seinen Tempelfeierlichkeiten u.a. der Erfüllung von Gelübden dienen. 2
Gelübde und Schwur: Ein ungleiches Zwillingspaar
2.1 Gelübde und Schwur bei Philo von Alexandria 2.1.1 ὅρκος als Hyperonym für Schwüre und Gelübde in SpecLeg 2,2–38 Was die Darstellung von Gelübden in hellenistisch-jüdischer Literatur anbelangt, so ergibt sich eine überraschende Tendenz, die das Gelübde in auffällige Nähe zum Schwur rückt und somit die Beantwortung der Frage nach beiderseitigem Verhältnis und gegenseitiger Beeinflussung erforderlich macht. Wie noch zu zeigen sein wird, verdankt sich diese Nähe einem Amalgamierungsprozess, der durch die Tabuisierung des Schwurs angestoßen wurde. Zeugen dieser Amalgamierung im hellenistisch-jüdischen Schrifttum sind die beiden Autoren Flavius Josephus und Philo von Alexandrien. Philo, der in seiner Abhandlung über die Einzelgesetze in SpecLeg 2,2–38 das zweite Dekaloggebot gegen den ungebührlichen Gebrauch des Gottesnamens (Ex 20,7; Dtn 5,11) vor allem vor dem Hintergrund des Eidmissbrauchs bespricht, begreift den Gelübdebegriff εὐχή allem Anschein nach als eine dem Schwur ὅρκος beizuordnende Form der Selbstverpflichtung und beendet in diesem Sinne seine Abhandlung mit den Worten ὅρκων μὲν δὴ πέρι καὶ εὐχῶν ἅλις („nun aber genug von Schwüren und Gelübden“). In seiner umfassenden Darstellung der Schwurund Gelübdeinstitution thematisiert er die Möglichkeit der Substitution des Gottesnamens im Schwurformular (SpecLeg 2,2–5) sowie den ungebührlichen Gebrauch des Schwurs und damit auch die ungebührliche Anrufung des Gottesnamens (SpecLeg 2,6–8). Er bringt sodann die Bedeutung und Konsequenz der in Schwur und Gelübde getätigten Anrufung des Gottesnamens zur Sprache (SpecLeg 2,9–12), um sogleich die missbräuchliche Verwendung von Schwüren erneut zu beklagen, bei der manche ihr gesetzloses Verhalten noch dadurch untermauern, dass sie ihre Absicht, Tempelraub, Ehebruch oder Mord zu begehen, durch Schwur bekräftigen (SpecLeg 2,13–15). Ebenso die, die mit Verbotsgelübden das friedliche Zusammenleben in Familie und dem 6 Vgl. auch Philo, Som 1,215; Mos 2,133; Imm 132; SpecLeg 1,113; 3,131–132.
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erweiterten sozialen Umfeld unmöglich machen (SpecLeg 2,16; vgl. dazu auch unten 5 1.2), ermahnt Philo, durch Gebet und Opfer die Gnade Gottes zu erflehen, um sich damit von der Ausführung ihrer unüberlegt geäußerten Verpflichtungen zu entbinden (SpecLeg 2,15.17). Im Anschluss daran greift Philo erneut das Problem des missbräuchlichen Gebrauchs von Schwüren auf. Er verbindet dabei den von ihm häufig wahrgenommenen Schwurmissbrauch exkursartig mit den Verfehlungen eines üppigen Lebensstils und kontrastiert ihn mit den Segnungen rechter Erziehung und Anspruchslosigkeit (SpecLeg 2,18–23). Den Grund für die Notwendigkeit des Exkurses liefert Philo mit (SpecLeg 2,23): Jene, die mit ihrem üppigen und ausschweifenden Lebensstil ihr Vertrauen auf Reichtum setzen und daher mit Blindheit geschlagen den Weg der Tugenden nicht sehen und auch nicht begehen können, haben keine Möglichkeit, sich von ihren aus einer Gesinnung der Tugendlosigkeit heraus gewählten Schwüren durch Gebet und Opfer zu entbinden. Mit SpecLeg 2,24–25 spricht Philo in Anlehnung an Num 30 und das dort verhandelte Annullierungs- und Bestätigungsrecht von Selbstverpflichtungen wieder explizit vom Gelübde, um dann in SpecLeg 2,29–31 das Verhältnis zwischen männlichen Vormündern und weiblichen Mündeln allegorisch zu deuten. Dazwischen eingeklammert sind in SpecLeg 2,26–28 Warnungen und Konsequenzen des Meineids. Verbunden mit der Warnung vor Meineid betont Philo auch die Verantwortung von denjenigen, die Zeugen eines Meineids geworden sind. Sie seien verpflichtet, die Meineidigen anzuzeigen (καταμηνύω) und zu überführen (ἀπελέγχω). Andernfalls würde ihnen die gleiche Strafe wie den Meineidigen drohen.7 Zu guter Letzt folgt in SpecLeg 2,32–37 eine Behandlung der Richtlinien zur Weihe von Personen, Opfertieren und Häusern aus Lev 27,2–15 (vgl. dazu 3 1.3.2) und in SpecLeg 2,38 eine Entfaltung der in Dtn 23,22 ausgedrückten Mahnung zur fristgerechten Einhaltung abgelegter Gelübde. Grob lässt sich festhalten, dass Philo in SpecLeg 2,2–23 zur Schwurinstitution Stellung nimmt, zu der er auch das Verbotsgelübde in SpecLeg 2,16 zählt. Als thematische Scharnierstelle zwischen Schwur- und Gelübdeinstitution greift Philo in SpecLeg 2,24–25 das von männlichen Vormündern ausgeübte Annullierungsrecht mit Bezug auf Schwüre und Gelübde von weiblichen Mündeln auf. SpecLeg 2,26–38 ist dann wiederum allein der Gelübdeinstitution gewidmet.8 Bei Philos Erläuterungen zu den Torasatzungen über Schwur und Gelübde fällt auf, dass Philo
7 Zu dieser Einsicht kommt Philo wohl vor dem Hintergrund von Lev 5,1. Vgl. dazu Cohn 1962: 114 Anm. 4 zu SpecLeg 2,26. 8 Für eine detaillierte Analyse der einzelnen Passagen vgl. Vahrenhorst 2002: 120–129.
Das Gelübdewesen
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die Thematisierung ihres gebührlichen und ungebührlichen Gebrauchs und der daraus zu erwartenden Strafe immer wieder aufeinander folgen lässt, als wolle er andeuten, dass beides nicht weit auseinander läge und sich jeder der Gefahr des Meineids und des ungebührlichen Gebrauchs des Gottesnamens bewusst sein müsse. Untersucht man die Nomenklatur, die von Philo für Schwur- und Gelübdeinstitution gebraucht wird, stellt sich der Begriff ὅρκος als Hyperonym für sämtliche Selbstverpflichtungskategorien heraus. Dies wird am Beispiel von SpecLeg 2,24–25 erkenntlich, wo Philo bei der Darstellung von Num 30, dem Toraabschnitt über die Voraussetzungen zur Annullierung von Gelübden und Schwüren, vom Gesetzgeber spricht, der τῶν μὲν παρθένων τοὺς πατέρας κυρίους, τῶν δὲ γυναικῶν τοὺς ἄνδρας ἐπιγνώμονας ἀποφήνας εἴς τε βεβαίωσιν τῶν ὅρκων καὶ λύσιν· („bei Mädchen die Väter zu Herren, bei Frauen aber die Männer zu Richtern bezüglich der Bestätigung und Annullierung der Schwüre macht“).9 Noch offensichtlicher wird Philos Argumentation in SpecLeg 2,12. 12 πάντας μὲν οὖν ὅρκους, ὡς ἔφην, βεβαιωτέον, ὅσοι περὶ καλῶν καὶ συμφερόντων γίνονται πρὸς ἐπανόρθωσιν ἰδίων ἢ κοινῶν πραγμάτων, φρονήσεως καὶ δικαιοσύνης καὶ ὁσιότητος ἡγουμένων τούτοις ἐμφέρονται καὶ τῶν εὐχῶν αἱ νομιμώταται διὰ περιουσίαν ἀγαθῶν ἢ παρόντων ἢ προσδοκωμένων γινόμεναι, τοὺς δ᾽ ἕνεκα τῶν ἐναντίων ἐπικυροῦν οὐκ εὐαγές. 12 Derjenige muss nun, wie ich sagte, alle Schwüre erfüllen, die man geleitet durch vernünftige Einsicht, Gerechtigkeit und Frömmigkeit zu nützlichen und vorteilhaften Dingen, zum Zweck der Besserung der eigenen und allgemeinen Aufgaben hervorbringt. Darunter rechnet man auch die dem Gesetz am meisten entsprechenden unter den Gelübden, die wegen der Fülle an erfahrenen oder erhofften guten Dingen abgelegt worden sind. Hält man sich vor Augen, wie Philo Schwur und Gelübde miteinander in Beziehung setzt, zeigt sich, dass er entgegen einer häufig in der Forschungsliteratur anzutreffenden Auffassung10 sehr wohl zwischen beiden trennscharf unterscheiden kann. Gelübde werden nach Philo als bedingte Selbstverpflichtung abgelegt, wenn Gutes erhofft und mit einer Bereitschaft zur Gegenleistung erbeten wird. In der Form einer freiwillig versprochenen Gabe werden sie 9 Diese Deutung scheint auch durch den Wortlaut in Num 30,4 𝔊 καὶ τοὺς ὁρισμοὺς αὐτῆς οὓς ὡρίσατο κατὰ τῆς ψυχῆς αὐτῆς bedingt zu sein. 10 So z.B. Belkin 1940: 157; Benovitz 1998: 39 und Vahrenhorst 2002: 46.126–129.
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gesprochen, wenn sie als Erwiderung für erfahrenen Segen den Dank des Votanten ausdrücken sollen. Damit entsprechen sie nach Philo in gewisser Weise dem Schwur, denn auch die Gelübde müssen durch Gerechtigkeit und Frömmigkeit motiviert und sowohl dem eigenen als auch dem Wohl der Gemeinschaft dienstlich sein. 2.1.2 Philo als Zeuge einer sich wandelnden Schwur- und Gelübdepraxis Die langsame Abkehr vom Schwur, die durch die Tabuisierung der Nennung des Gottesnamens forciert und durch das Aufkommen der restriktiv gebrauchten Verbotsgelübde begünstigt wurde (vgl. dazu unten 5), zeichnet sich bei Philo in SpecLeg 2,2.4–5 ab. 2 πρῶτον δ᾽ ἐστὶ τῶν τριῶν τὸ μὴ θεοῦ ὄνομα λαμβάνειν ἐπὶ ματαίῳ. […] κἂν εἰ ὀμνύναι μέντοι βιάζοιντο αἱ χρεῖαι, πατρὸς ἢ μητρὸς ζώντων μὲν ὑγείαν καὶ εὐετηρίαν, τετελευτηκότων δὲ τὴν μνήμην ὅρκον ποιητέον· ἀπεικονίσματα γὰρ οὗτοί γε καὶ μιμήματα θείας δυνάμεώς εἰσι, τοὺς μὴ ὄντας εἰς τὸ εἶναι παραγαγόντες. 4 ἄξιον ἐπαινεῖν καὶ τούς, εἴ ποτε βιασθεῖεν ὀμνύναι, τῷ μέλλειν καὶ βραδύνειν καὶ ἀποκνεῖν ἐμποιοῦντας δέος οὐ μόνον τοῖς ὁρῶσιν ἀλλὰ καὶ τοῖς προκαλουμένοις εἰς τὸν ὅρκον· εἰώθασι γὰρ ἀναφθεγξάμενοι τοσοῦτον μόνον „νὴ τόν“ ἢ „μὰ τόν“, μηδὲν προσπαραλαβόντοι ἐμφάσει τῆς ἀποκοπῆς τρανοῦν ὅρκον οὐ γενόμενον. 5 ἀλλὰ καὶ προσπαραλαβέτω τις, εἰ βούλεται, μὴ μέντοι τὸ ἀνωτάτω καὶ πρεσβύτατον εὐθὺς αἴτιον, ἀλλὰ γῆν, ἥλιον, ἀστέρας, οὐρανόν, τὸν σύμπαντα κόσμον· 2 Das erste der drei (Gebote verbietet), den Namen Gottes zu Nichtigem zu gebrauchen. […] Sollten ihn besondere Umstände dennoch nötigen, zu schwören, dann soll er bei der Gesundheit oder beim hohen Alter (seines) Vaters oder (seiner) Mutter (schwören), wenn diese noch am Leben sind. Sind sie tot, dann schwöre er (bei) ihrem Andenken; da sie eine Nachformung und Abbildung der göttlichen Macht sind, (weil) sie jene, die nicht waren, ins Dasein gebracht haben. 4 Würdig des Lobes sind auch die, welche, wenn sie gezwungen werden einen Schwur abzulegen, durch Zögern, Zagen und Zaudern Ehrfurcht nicht nur bei den Zuschauern, sondern auch bei denen, die sie zum Schwur provoziert haben, hervorrufen. Denn sie sind gewohnt, allein nur so viel (wie) „Ja, bei …“ oder „Nein, bei …“ laut auszusprechen, wobei sie nichts darüber hinaus verlauten lassen. Durch die Hervorhebung des Abbruchs stellen sie deutlich heraus, dass kein Schwur abgelegt wurde. 5 Dennoch, es mag auch einer (schwören und) einen Zusatz
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beifügen, wenn er (dazu) geneigt ist, jedoch nicht den höchsten (aller Namen) und die letzte11 Ursache (aller Dinge), aber die Erde, die Sonne, die Sterne, den Himmel, den ganzen Kosmos. Philos Warnung vor dem Gebrauch von Schwüren, die den Gottesnamen als integralen Bestandteil ihrer Inaugurationsformel enthalten, ist eindrücklich. Er kann sogar sagen, dass das Schönste und Nützlichste für ein Menschenleben das Nichtschwören sei (vgl. Decal 84). Wie voll des Lobes er für jene ist, die selbst unter äußerem Druck widerstehen und sich nicht zum Schwur hinreißen lassen, drückt er in SpecLeg 2,4 aus. Jene würden gegenüber ihren Bedrängern, die sie zum Schwur nötigen würden, sogar den Eindruck erwecken, dem äußeren Drang nachzugeben und den Schwur zu sprechen. Zum Schwur angesetzt würden diese dann aber ohne Nennung des Gottesnamens innehalten und verstummen. Vahrenhorst (2002: 122) hat hierin eine Nähe zum elliptischen Eid der Griechen wahrgenommen, wie er z.B. bei Aristophanes, Ranae 1374 und Pindar, Epinikia N. 11,24 begegnet.12 Solche elliptische Rede deutet Philo in SpecLeg 2,14 aber dahingehend – und dies könnte an seiner jüdischen Prägung liegen –, dass diese ohne eine direkte Benennung oder einen indirekten Verweis auf die göttliche Berufungsinstanz nicht wirkmächtig ist und damit auch nicht zustande kommt (ὅρκον οὐ γενόμενον). Sollte allerdings jemand nicht umhinkommen und dennoch schwören müssen, was Philo nach Decal 93–94 nur in der Form eines Eides vor Gericht zum Schutz des Rechts und zur Verhinderung von Unrecht als legitim erachtet,13 dann soll er allen Eifer daran legen und prüfen, ob sich das zu bezeugende Ereignis, für dessen Richtigkeit der Schwur abgelegt wird, auch wirklich so zugetragen hat. Für das Schwurformular, das eine Anrufung Gottes beinhalten muss, könne als Substitution für den Gottesnamen die Gesundheit oder das Andenken der Eltern gewählt werden (vgl. SpecLeg 2,2), da diese ein Abbild der göttlichen Schöpfermacht seien. Gelübde und Schwur nach dem Zeugnis der rabbinischen Traditionsliteratur 2.2.1 נדרals Hyperonym der verschiedenen Gelübde- und Eidformen Das nominale Lemma נדרsteht im tannaitischen Schriftencorpus als Oberbegriff für jeden Akt der bedingten sowie der freiwilligen, ohne Bedingungen geäußerten Selbstverpflichtung. Dies wird in Fällen augenscheinlich, in denen
2.2
11 Wörtlich „die älteste“. 12 Vgl. dazu auch Heinemann 1973: 85. 13 Vgl. Vahrenhorst 2002: 117.
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kapitel 2
das verbale Lemma נדרals Synonym für „( נשבעschwören“) im Gebrauch steht. Die dabei hinzutretende und vom Verb geforderte Präposition בfindet entweder als bet instrumenti, communicationis oder zur Einführung des direkten Objekts Verwendung. Um diesen Sachverhalt klarer herausstellen zu können, soll im Folgenden am Beispiel der Auslegung zweier Textvarianten zu mNed 1,2 und der beiden Mischnajot Ned 1,1 und 2,5 der unterschiedliche Gebrauch der Phrase נדר ב erläutert werden. editio princeps Neapel 1492
Mss. Parma und München
Wer sagt: „[…] Sch’wuta, Sch’wuka, Sch’kuka“, [oder] gelobte er be‘Mota, siehe, so sind dies Umschreibungen für einen Schwur.
Wer sagt: „[…] Sch’wuta, Sch’wuka, Sch’kuka“, [oder] gelobte er be’Mohi siehe, so sind dies Umschreibungen für einen Schwur.
האומר […] שבותא שבוקא שקוקה נדר .במותא הרי אלו כנויין לשבועה
האומר […] שבותא שבוקא שקוקה נדר .במוהי הרי אלו כנויין לשבועה
Die Umschreibungen שבוקא, שבותאund שקוקהsind Neologismen, die durch die aramäische Wurzel „( שבקaussetzen“), die hebräisch aramäische Wurzel „( שבתaufhören“) und die hebräische Wurzel „( שקקbegehren“) nach dem Muster des Hauptworts שבועהgebildet wurden.14 Während die beiden Wurzeln שבקund שבתaufgrund ihrer „eine Unterbrechung“ ausdrückenden Bedeutung gewählt wurden und einen Schwur zur Untersagung einer Handlung erahnen lassen, dürfte die Wurzel שקקdagegen einen Schwur zum Vollzug einer Handlung ausdrücken.15 In der Schwurpraxis wird die Wurzeletymologie für den intendierten Zweck des Schwurs sicherlich wenig bis gar keine Rolle gespielt haben. Die drei Umschreibungen, so sie denn keine reine rabbinische Erfindung sind, wurden daher sowohl zur Untersagung als auch zur Bekräftigung einer durchzuführenden Handlung gebraucht. Die darauf folgende Umschreibung ist dagegen schwieriger zu identifizieren. Alle Handschriften, sowohl jene der Mischna als auch die der Tosefta, überliefern verschiedene Lesarten. Die Variante der editio princeps מותאist als lectio facilior anzusprechen, da sie in der Reihe der Schwurumschreibungen eine Verballhornung der aramäischen Worte מומתאbzw. „ מומיאSchwur“ darstellt.16 Angesichts dieses Befundes ist 14 Vgl. Benovitz 1998: 114. 15 Gegen Benovitz 1998: 114, der vermutet, dass das durch die Wurzel שקקausgedrückte Begehren die Auswirkung des Verzichts markiert. 16 Vgl. Benovitz 1996: 6 Anm. 3.
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die dem Wort מותאvorgeschaltete Präposition als בinstrumenti anzusprechen und die oben noch in Transkription gesetzte Entsprechung zu נדר במותאmit „gelobte er mit [dem Wort] Mota“ wiederzugeben. Der Befund der Handschriften Parma und München ist dagegen anders zu deuten. Als בcommunicationis in der Satzung „( האומר […] בשם הרי זו שבועWer sagt: ‚Beim Namen‘, siehe, so ist dies ein Schwur“; tNed 1,117) dürfte die Präposition auf ein Nomen proprium verweisen. Der mittelalterliche Talmudist Ran (Nissim v. Gerona) nimmt bei seiner Kommentierung von bNed 10a an, dass מוהיein כנוי למשהalso eine „Substitution für Mose“ sei. Und tatsächlich lässt sich ein Schwur „bei Mose“ an verschiedenen Stellen des babylonischen Talmuds ausmachen.18 Dieses Argument gewinnt nach M. Benovitz19 dann an Plausibilität, wenn man erwägt, dass ( מוהיW) und ( מוההAlfasi) Formen des suffigierten aramäischen Nomens „ מויWasser“ sein könnten, die mit „sein Wasser“ bzw. „ihr Wasser“ zu übersetzen wären. Diese Lesarten könnten dann in Anlehnung an die volksetymologische Tradition von Ex 2,10 gebildet worden sein, wie dies auch Philo in VitMos 1,17 oder Josephus in Ant 2,228 bezeugen, die den Namen des Mose vom koptischen Wort ⲙⲟⲟⲩ („Wasser“) ableiten. Da מוהיmit einigem Dafürhalten eine Namenssubstitution ist, wäre נדר במוהי durch „gelobte er bei Mohi, (d.h. beim Namen des Mose)“ wiederzugeben. Die Anzeige eines direkten Objekts liegt in den Fällen vor, wo von der Inauguration eines Gelübdes die Rede ist, wie dies an den Beispielen der mit „( נדר בנזירer gelobte den Naziräat“)20 ausgedrückten Naziräatsweihe oder mit „( נדר בחרםhat er eine Bannung gelobt“)21 im Fall des Banngelübdes ersichtlich wird. 2.3 Zusammenfassung Das bisweilen anzutreffende Urteil, Philo habe wie auch andere jüdische Schriftsteller in hellenistisch-römischer Zeit nicht mehr trennscharf zwischen Gelübde und Schwur unterschieden, konnte zurückgewiesen werden. Philo weiß wohl, dass eine Gelübdeversprechung an eine Gottheit gerichtet ist und in einem Schwur Gott als Zeuge angerufen wird. Der Eindruck der Unschärfe kommt dadurch zustande, dass Philo das Verbotsgelübde mit zum Schwur 17 Hier und im Folgenden entspricht der hebräische Text der Tosefta, wenn nicht anders ausgewiesen, der Texttradition der Ms. Erfurt. 18 Vgl. dazu bSchevu 101b und bSuk 39a. 19 Vgl. Benovitz 1998: 115 sowie Feldman 2000: 196 Anm. 639. 20 Vgl. mNed 1,1; mNaz 5,3f; tNed 1,1; 5,3f; tNaz 3,12.14f.19; tGit 4,3. 21 Vgl. mNed 2,5. Gegen die von Lieberman 1994: 128 und Benovitz 1998: 70 geäußerte Vermutung handelt es sich dabei daher nicht um einen bei חרםgeleisteten Schwur, sondern um ein Gelübde zur Darbringung eines Bannopfers.
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zählt, was sicherlich auch im griechischen Sprachraum gar nicht anders zu vermitteln gewesen wäre. Keiner der griechischen Adressaten des Philo hätte sonst verstanden, wieso man sich mit einem Gelübde eine Handlungsrestriktion auferlegt. Philo gehört damit zusammen mit Josephus (vgl. unten 5 1.2 zu Ap 1,166–167) und dem Autor des Matthäusevangeliums (vgl. unten zu Mt 23,16–22) zu den Zeugen des Griechischsprachigen Judentums, die das Verbotsgelübde als ὅρκος qualifizieren. Dennoch lässt Philo auch in seiner gemeinsamen Behandlung von Gelübde und Schwur in SpecLeg 2,2–38 erkennen, dass – sicherlich aufgrund ihres promissorischen bzw. kommissiven Charakters und ihrer grundsätzlichen Ausrichtung auf Gott als interagierende Instanz – beide Formen der feierlichen Selbstverpflichtung aufs engste zusammengehören. Wenn Philo Gelübde und Schwur im Zusammenhang des zweiten Gebots thematisiert, das den ungebührlichen Gebrauch des Gottesnamens untersagt, dann dürfte er den Meineid als ebenso verwerflich und strafwürdig erachten wie die Weigerung, die Gelübdeversprechung nach erfahrener Wohltat nicht zu leisten. Im hebräischen Sprachgebrauch des rabbinischen Judentums zeigt sich eine ähnliche Entwicklung. Hier ist es jedoch der Schwur, der dem Gelübde kategoriell beigeordnet wird. Dies wird man wohl auf die Bedeutung des restriktiven Verbotsgelübdes zurückführen müssen, das vorrabbinisch der Form nach ein bedingtes Weihegelübde war (vgl. unten 5 3) und selbst nach seiner Umdeutung in tannaitischer Zeit noch als ein nach Torarecht geltendes Gelübde begriffen wurde. 3
Mahnende Stimmen zum bedachten Umgang mit Gelübden
Ermahnung zur Einhaltung und zum bedachten Umgang mit Gelübden nach Dtn 23,22–24 Dass Gelübde nicht immer mit Bedacht, ihre Formulierung nicht immer mit Sorgfalt und ihre Erfüllung nicht immer mit Entschlossenheit umgesetzt wurden, bezeugen drei mahnende Stimmen der Hebräischen Bibel. Im ersten Fall, Dtn 23,22–24,22 wird die Laxheit und Nachlässigkeit derer angeprangert, die sich zwar in ihrem Gelübde einer Votivgabe verpflichtet haben, jedoch nicht gewillt sind, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen. 3.1
22 Otto 2017: 1785 rechnet den Abschnitt zutreffend zur nachexilischen Fortschreibung des Deuteronomiums. Dies wird schon daran ersichtlich, dass Dtn 23,22–24 den wiederaufgenommenen Kult am Tempel in Jerusalem und eine dort geübte Votivpraxis voraussetzt.
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Das Gelübdewesen
Dtn 23,22–24 𝔐
Dtn 23,22–24 𝔊 22 ἐὰν δὲ εὔξῃ εὐχὴν κυρίῳ τῷ θεῷ σου, οὐ χρονιεῖς ἀποδοῦναι αὐτήν, ὅτι ἐκζητῶν ἐκζητήσει κύριος ὁ θεός σου παρὰ σοῦ, καὶ ἔσται ἐν σοὶ ἁμαρτία· 23 ἐὰν δὲ μὴ θέλῃς εὔξασθαι, οὐκ ἔστιν σοὶ ἁμαρτία. 24 τὰ ἐκπορευόμενα διὰ τῶν χειλέων σου φυλάξῃ καὶ ποιήσεις ὃν τρόπον ηὔξω κυρίῳ τῷ θεῷ σου δόμα, ὃ ἐλάλησας τῷ στόματί σου.
22 Wenn du dem Herrn, deinem Gott, ein Gelübde gelobst, dann sollst du nicht zögern, es einzulösen, denn der Herr, dein Gott, wird es gewiss von dir fordern und es wird Sünde an dir haften. 23 Wenn du es aber unterlässt zu geloben, so wird keine Sünde an dir haften. 24 (Das von) deinen Lippen Hervorgegangene sollst du bewahren und tun. (Ganz) wie du dem Herrn, deinem Gott, als freiwillige Gabe gelobt hast, so du es mit deinem Mund gesprochen hast.
22 Wenn du aber dem Herrn, deinem Gott, ein Gelübde gelobst, dann sollst du nicht zögern, es einzulösen, denn der Herr, dein Gott, wird es gewiss von dir fordern. (Andernfalls) wird es dir als Sünde angerechnet. 23 Wenn du aber nicht geloben willst, wird es dir nicht als Sünde angerechnet. 24 Die durch deinen Mund hervorgegangenen (Worte) sollst du bewahren und du sollst ein Geschenk machen, das du mit deinem Mund bestimmt hast, (und zwar) auf die Weise, wie du (es) dem Herrn, deinem Gott, gelobt hast.
ֹלהיָך ֥ל ֹא ְת ַא ֵ ֖חר ֶ֔ יהו֣ה ֱא ָ י־ת ּ֥ד ֹר נֶ֙ ֶד ֙ר ַל ִ ִ ּֽכ22 ֹלה ֙יָך ֵ ֽמ ִע ָּ֔מְך ֶ֙ הו֤ה ֱא ָ ְי־ּד ֙ר ֹׁש יִ ְד ְר ֶׁ֜שּנּו י ָ ְל ַׁש ְּל ֑מֹו ִ ּֽכ וְ ִ ֥כי ֶת ְח ַ ּ֖דל ִלנְ ּ֑ד ֹר ֽל ֹא־יִ ְה ֶי֥ה23 וְ ָהָי֥ה ְבָך֖ ֵ ֽח ְטא׃ ית ָ מר וְ ָע ִ ׂ֑ש ֹ ֣ מֹוצא ְׂש ָפ ֶ ֖תיָך ִּת ְׁש ֥ ָ 24 ְבָך֖ ֵ ֽח ְטא׃ ֹלה ֙יָך נְ ָד ָ֔בה ֲא ֶ ׁ֥שר ִּד ַ ּ֖ב ְר ָּת ֶ֙ יהו֤ה ֱא ָ ַּכ ֲא ֶׁ֙שר נָ ַ ֜ד ְר ָּת ַל ְּב ִ ֽפיָך׃ ס
Der Nachtrag von Dtn 23,23, der assoziativ an das vorherige והיה בך חטאangehängt zu sein scheint, wirft einige Fragen auf. Warum fühlt sich der Autor von Dtn 23,23 zu dieser Klarstellung verpflichtet? Wer sollte denn annehmen, dass eine Unterlassung, ein Gelübde zu inaugurieren, als Sünde anzurechnen wäre? Sollte der kurze Vers auf Dtn 23,22b und die dort formulierte Einforderung Gottes, Gelübde umgehend einzulösen, Bezug nehmen? Dann wäre aber anzunehmen, dass die Hand hinter Dtn 23,23 den Zusammenhang, in dem es nicht um die Frage der Inauguration, sondern um die Einlösung bereits bestehender Gelübde geht, völlig verkannt hat und dass diese Hand auch nicht identisch mit dem Verfasser von Dtn 23,22.24 ist.23 Dtn 23,22bα hält grundsätzlich den Umstand fest, dass Gott die Einlösung des Gelübdes gewiss erwartet und 23 Levinson 2013: 50.65–79 hält Dtn 23,23 für eine spätere Interpolation.
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einfordert. Der Votant steht nach der Erfüllung der Bitte in unbedingter Bringschuld. Der Teilvers Dtn 23,22bβ könnte als Ellipse zu verstehen sein. Dann würde er die Folge für diejenigen benennen, die die Einlösung ihres Gelübdes verzögern und ihre Versprechung nicht einlösen. Für diese wird ihre nicht beglichene Bringschuld zur Sündenschuld vor Gott. Wenn sich Dtn 23,22bβ konsekutiv auf den Teilvers 22bα bezieht, dann steht grundsätzlich jeder Gelobende in Sündenschuld, solange er nach der Erhörung der Bitte seine Versprechung nicht erfüllt hat. In diesem Verständnis liegt wohl auch der Nachtrag von Dtn 23,23 begründet. Jede Bringschuld wird vor Gott als Sündenschuld angesehen. Wer sich den Gelübdebräuchen entzieht, an dem haftet auch keine Schuld.24 Löst nun der Votant seine Bringschuld nicht ein oder verzögert er die Erfüllung mutwillig, dann beginnt die Sündenschuld ihre verderbliche Wirkung solange auf den Votanten auszuüben, bis er seiner Schuldigkeit nachgekommen ist. Dass Gelübde völlig freiwillig sind und dass das Ausgesetztsein an eine solche Bringschuld allein selbstverschuldet ist, drückt 𝔊 nochmals pointierter mit ἐὰν δὲ μὴ θέλῃς εὔξασθαι aus. Im Anschluss schärft Dtn 23,24 die unbedingte Bewahrung der Worte des Gelübdes ein, um dann diesen Worten entsprechend handeln zu können. Der zweifache Verweis auf das mit den Lippen bzw. dem Mund gesprochene Wort מוצא שפתיך תשמרin 24a und דברת בפיךin 24bβ erweckt den Eindruck, der Wortlaut habe festgeschriebenen Vertragscharakter, der bis ins letzte Detail zu erfüllen ist. Dass Dtn 23,24bα nur unbedingte Gelübde, die die Versprechung zur Darbringung einer freiwilligen Gabe beinhalten, meint, ist problematisch. Was wäre mit bedingten Bittgelübden? Würde Gott ihre Einlösung etwa nicht einfordern? Es wird wohl eher gemeint sein, dass die Gabe zwar unter der Bedingung einer von Gott zu erfüllenden Bitte, aber aus freiwilligen Stücken versprochen wurde und niemand den Votanten dazu genötigt hat. Aus diesem Grund wird man wohl נדבהin einem erweiterten Sinne als „(in) Freigebigkeit“ verstehen müssen.
24 Vor diesem Hintergrund ließe sich darüber spekulieren, ob die Verpflichtung des Naziräers, bei seiner Ausweihung neben Brand- und Abschlussopfer auch ein Sündopfer darzubringen, nicht einer priesterlichen Deutung entspringt, die Dtn 23,22 nahesteht. Die Ausweihungsopfer, mit denen der Naziräer seiner Schuldigkeit gegenüber Gott Genüge tut, sind zusammen mit den Tagen der Naziräatsweihe die Antwort auf eine zuvor erfahrene Erhörung einer Bitte. Der Naziräer tut damit seiner Bringschuld, die Sündenschuld ist, Genüge.
Das Gelübdewesen
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Ermahnung zur Einhaltung und zum bedachten Umgang mit Gelübden nach Koh 5,3–5 Die zweite mahnende Stimme erklingt aus dem Mund des Weisheitslehrers Kohelet,25 der in Koh 5,3–5 unter fast wörtlicher Aufnahme von Dtn 23,22 die Verzögerung einer Gelübdeerfüllung als Torheit anprangert. 3.2
Koh 5,3–5 𝔐
Koh 5,3–5 𝔊 3 καθὼς ἂν εὔξῃ εὐχὴν τῷ θεῷ μὴ χρονίσῃς τοῦ ἀποδοῦναι αὐτήν ὅτι οὐκ ἔστιν θέλημα ἐν ἄφροσιν σὺν ὅσα ἐὰν εὔξῃ ἀπόδος 4 ἀγαθὸν τὸ μὴ εὔξασθαί σε ἢ τὸ εὔξασθαί σε καὶ μὴ ἀποδοῦναι 5 μὴ δῷς τὸ στόμα σου τοῦ ἐξαμαρτῆσαι τὴν σάρκα σου καὶ μὴ εἴπῃς πρὸ προσώπου τοῦ θεοῦ ὅτι ἄγνοιά ἐστιν ἵνα μὴ ὀργισθῇ ὁ θεὸς ἐπὶ φωνῇ σου καὶ διαφθείρῃ τὰ ποιήματα χειρῶν σου
3 Wenn du Gott ein Gelübde gelobst, dann sollst du nicht zögern, es zu erfüllen, denn es gibt kein Wohlgefallen an den Toren. Was du gelobst, das erfülle. 4 Es ist besser, dass du nicht gelobst, als dass du gelobst und es dann nicht erfüllst. 5 Du sollst deinen Mund nicht hergeben, (gegen) dein Fleisch zur Sünde, und sag nicht vor dem Boten, dass es ein Versehen war. Warum soll Gott über deine Stimme zürnen und das Werk deiner Hände zugrunde richten.
3 Wenn du Gott ein Gelübde gelobst, zögere nicht, es zu erfüllen, denn man hat kein Gefallen an Toren. Jedes Mal, wenn du gelobst, erfülle es. 4 Besser ist es für dich, nicht zu geloben, als es für dich ist, zu geloben und es nicht zu erfüllen. 5 Gib deinen Mund nicht her, dein Fleisch in Sünde zu führen, und sage nicht vor dem Angesicht Gottes, dass es Unwissenheit ist, damit Gott nicht zornig wird über deine Stimme und er die Werke deiner Hände verdirbt.
ְ�ל־ּת ַא ֵח ֙ר ְל ַׁשּל ְ אֹלהים ַא ִ֗ ַּכ ֲא ֶׁשר֩ ִּת ּ֙ד ֹר ֶ֜נ ֶדר ֵ ֽל3 ר־ּת ּ֖ד ֹר ַׁש ֵ ּֽלם׃ ִ ילים ֵ ֥את ֲא ֶׁש ֑ ִ ֔מֹו ִ ּ֛כי ֵ ֥אין ֵ ֖ח ֶפץ ַּב ְּכ ִס א־ת ּ֑ד ֹר ִמ ֶׁש ִּת ּ֖דֹור וְ ֥ל ֹא ְת ַׁש ֵ ּֽלם׃ ִ ֹ ׁשר ֽל ֣ ֶ ֖טֹוב ֲא4 ת־ּב ָׂש ֶ ֔רָך וְ ַאל־ ְ ת־ּפ ֙יָך ַל ֲח ִ ֣טיא ֶא ִ ֙ ל־ּת ֵ ּ֤תן ֶא ִ ַא5 אמ ֙ר ִל ְפ ֵנ֣י ַה ַּמ ְל ָ֔אְך ִ ּ֥כי ְׁשגָ ָג֖ה ִ ֑היא ָל ָּ֣מה יִ ְק ֤צֹף ַ ֹ ּת ַ ל־קֹולָך וְ ִח ֵ ּ֖בל ֶא ֶ֔ ֹלה ֙ים ַע ִ ָ ֽה ֱא ת־מ ֲע ֵ ׂ֥שה יָ ֶ ֽדיָך׃
Kohelet spricht sich nicht gegen das Geloben im Allgemeinen aus. Soweit reicht sein kultkritischer Ton nicht. Vielmehr hofft er bei seinen Adressaten die
25 Die Entstehung des Buches wird mehrheitlich in die Zeit vor der makkabäischen Erhebung zwischen 250 und 190 v.u.Z. datiert. Vgl. z.B. Lauha 1978: 3; SchwienhorstSchönberger 2004: 103; Witte 2010: 473.
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Einsicht zu wecken, dass die Unterlassung einer Gelübdeversprechung doch einer unbeglichenen Schuldigkeit vorzuziehen wäre. Worin die schädigende Wirkung der anhaftenden Sündenschuld liegt, expliziert Koh 5,5: Was der Mund mit seinen Worten im Gelübde angestoßen hat, bekommt der Mensch in seiner Ganzheit zu spüren. Gott entzieht dem Menschen seinen Segen, ja mehr noch, er richtet seiner Hände Werk aktiv zugrunde. Reue, einen Fehler begangen zu haben, als könnte Gott davon überzeugt werden, die Schuldigkeit des Votanten nicht mehr einzufordern, ist vergeblich. Nachdem der Menschen Gottes heilvolles Handeln in der Erfüllung seiner Bitte erfahren hat, muss er im Gegenzug seiner Schuldigkeit Genüge tun, wenn er nicht will, dass sich der Segen wieder in Fluch wandelt. 3.3 Ermahnung zum bedachten Umgang mit Gelübden nach Spr 20,25 Die dritte und letzte mahnende Stimme erklingt ebenfalls aus dem Mund eines Weisheitslehrers. Der im zweiten Teil des Sprüchebuches26 zu verortende Weisheitsspruch Spr 20,25 warnt vor unbedachter Rede, Gott etwas vorschnell zu weihen oder zu versprechen und erst in Anschluss an die Äußerung des Gelübdes den Sachverhalt genau zu prüfen. Spr 20,25 𝔐27
מ� ֵ ֹ֣וקׁש ָ ֭א ָדם ָי ַ֣לע ֑קֹ ֶדׁש וְ ַא ַ ֖חר נְ ָד ִ ֣רים ְל ַב ֵ ּֽקר׃ 25
Spr 20,25 𝔊28 25 παγὶς ἀνδρὶ ταχύ τι τῶν ἰδίων ἁγιάσαι μετὰ γὰρ τὸ εὔξασθαι μετανοεῖν γίνεται
25 Eine Falle (für) den Menschen ist (es), wenn er unbedacht sagt: „Heiliges“ – und (dann erst) nach den Gelübden Überlegungen anstellt.
25 Eine Schlinge für einen Mann, schnell etwas von den eigenen Dingen zu weihen, denn nach dem Geloben kommt das Bereuen.
Dem bedenkenlos Gelobenden, so schlussfolgert der Weisheitslehrer hinter Spr 20,25, werden die eigenen Worte zu einer Verderben bringenden Falle.29 Die Verknüpfung von schuldig machender Rede mit dem Bild der Falle hatte 26 Zur Gliederung des Buches vgl. Witte 2010: 454; Schwienhorst-Schönberger 2012: 458–459. 27 Der Abschnitt Spr 10,1–22,16 gehört nach Schwienhorst-Schönberger 2012: 459 zum Grundstock des Werkes und damit in vorexilische Zeit. 28 Während Hengel 1988: 294 die Übertragung des Sprüchebuches ins Griechische um 170 v.u.Z. ansetzt, fasst Tov 1999: 431 den Zeitraum des gesamten 2. Jh. v.u.Z. für die Anfertigung der Übertragung ins Auge. 29 Über die genaue Bedeutung des Begriffs מוקשherrscht kein Konsens. Die sachliche Nähe zum Begriff פחin Jos 23,13; Jes 8,14 und Ps 69,23, der nach Am 3,5 explizit als Vogelfalle
Das Gelübdewesen
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das Sprüchebuch bereits in Spr 12,13 hergestellt. Dort wird in der Gegenüberstellung des aus Bedrängnis entkommenden Gerechten und dem sich in seiner Rede verstrickenden Menschen letzterer zum Tor bzw. Frevler stilisiert. Man wird hier kaum nur annehmen dürfen, dass der Weisheitsspruch Spr 20,25 mit מוקשallein den „bindenden“ Charakter der Rede eines Menschen hervorheben will. Der Autor ermahnt mit der Verwendung des Begriffs מוקשseine Leserschaft zu einem bedachten Umgang mit Gelübden. Hierbei spielt er warnend auf die lebensschädigende Dimension des Gelübdewesens an. Neben der assoziativen Wirkung, die der Begriff als Jagdinstrument entfaltet, wird dies auch anhand der syntagmatischen Verknüpfungen des Begriffs mit „ נפשSeele, Leben“ in Spr 18,7 deutlich. Der sich durch ein Gelübde bindende Mensch ist nicht nur mit einer materiellen Bringschuld konfrontiert, sondern gleichzeitig auch mit einer dem Gelübde innewohnenden Gefahr um das eigene Leben. Auf einer Linie mit Koh 5,3–5 dürfte die Verwendung von מוקשausdrücken, dass sich die im Gelübde erbetene Segnung, wenn sie nicht durch die Darbringung der im Gelübde versprochenen Gabe beantwortet wird, in einen lebensbedrohlichen Fluch verkehrt. Die Wiedergabe von אדםmit ἀνήρ anstelle von ἄνθρωπος durch 𝔊 lässt auf Seiten des Übersetzers die Kenntnis von Num 30 erkennen. Mit der ausweglosen Verstrickung in die eigene Rede sind allein mündige Männer konfrontiert. Anders als minderjährige bzw. verheiratete Frauen, deren Gelübde durch männliche Vormünder annulliert werden können, müssen mündige Männer für ihre Rede unweigerlich einstehen. 3.4 Zusammenfassung Neben Dtn 23,22–24 sind es nach Koh 5,3–5 und Spr 20,25 vor allem die Weisheitslehrer Israels, die vor den negativen Auswirkungen des unbedachten Redens und vor allem des unbedachten Gelobens warnend ihre Stimme erheben. Ähnlich wie Philo, der in seiner Auslegung des zweiten Dekaloggebots (vgl. oben 2 2.1.1) immer wieder warnend vor missbräuchlichem Schwur- und Gelübdegebrauch warnt, indem er das strafende Eingreifen Gottes für jene in Aussicht stellt, die ihrem Gelübdeversprechen nicht nachkommen, machen die Autoren von Koh 5,3–5 und Spr 20,25 deutlich, dass Gott die Bringschuld der gelobenden Person unweigerlich einfordern wird. Die ausstehende Schuld, das nicht erfüllte Wort, wird dem Gelobenden zur Falle. Von ihr kann sich jene Person nicht trennen, ohne Schaden am eigenen Leben zu nehmen. ausgewiesen wird, legt die Vermutung nahe, dass es sich hierbei um eine Gerätschaft für den Tierfang handelt. Vgl. dazu die Diskussion bei Ringgren 1982: 866.
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kapitel 2
Die Annullierung von Gelübden
Gelübde und Schwüre von Schutzbefohlenen und ihre Annullierung nach Num 30 Num 30,3 führt allgemein in die Gelübde- und Schwurthematik ein, indem es die Verpflichtung zur unbedingten Einhaltung geäußerter Selbstverpflichtungen benennt. Da im Anschluss daran ausführlich die Gelübde und Schwüre schutzbefohlener Frauen im Mittelpunkt stehen, wird Num 30,3 wohl auf rechtsmündige Männer engzuführen sein. Um welche Formen von Selbstverpflichtungen es sich dabei handeln kann, wird in 𝔊 und 𝔐 mit kleinen, aber signifikanten Abweichungen dargelegt. 4.1
Num 30,3 𝔐30
Num 30,3 𝔊 3 ἄνθρωπος ἄνθρωπος, ὃς ἂν εὔξηται εὐχὴν κυρίῳ ἢ ὀμόσῃ ὅρκον ἢ ὁρίσηται ὁρισμῷ περὶ τῆς ψυχῆς αὐτοῦ, οὐ βεβηλώσει τὸ ῥῆμα αὐτοῦ· πάντα, ὅσα ἐὰν ἐξέλθῃ ἐκ τοῦ στόματος αὐτοῦ, ποιήσει.
3 Wenn einer dem Herrn ein Gelübde ablegt, oder einen Schwur schwört, um sich selbst (durch) eine Entsagungspflicht zu binden, dann soll er sein Wort nicht entweihen. Nach allem, was aus seinem Mund hervorgeht, soll er handeln.
3 Jeder Mensch, der dem Herrn ein Gelübde gelobt, oder einen Schwur schwört, oder für sich eine Begrenzung bestimmt, der soll sein Wort nicht entweihen. Alles, was aus seinem Mund hervorgegangen ist, soll er tun.
ֹו־ה ָ ּׁ֤ש ַבע ְׁש ֻב ָע ֙ה ִ יהוה ֽא ֗ ָ ִאיׁש֩ ִ ּֽכי־יִ ּ֙ד ֹר ֶ֜נ ֶדר ַ ֽל3 ל־הּי ֵ ֹ֥צא ַ ֶל ְא ֤סֹר ִא ָּס ֙ר ַעל־נַ ְפ ׁ֔שֹו ֥ל ֹא יַ ֵ ֖חל ְּד ָב ֑רֹו ְּכ ָכ ִמ ִ ּ֖פיו יַ ֲע ֶ ֽׂשה׃
𝔐 kennt als Formen der bindenden Selbstverpflichtung allein Gelübde und Schwur, der in Abgrenzung zum gerichtlichen Eid mit 31 אסרausgewiesen sicherlich als eine bindende Handlungsrestriktion zu verstehen ist. Demgegenüber benennt 𝔊 mit ὁρισμός gar eine dritte Form. Mit ὁρίζω und ὁρισμός drückt der Übersetzer eine Verpflichtung zur eigenen Begrenzung aus, die er – so wird man aus der bildsprachlichen Übertragung entnehmen dürfen – selbst nicht übertreten will. Da Num 30,3b eine Handlungsanweisung gibt, alles das 30 Num 30,3 dürfte hier in literarischer Abhängigkeit zu Dtn 23,24 formuliert sein (vgl. Otto 2017: 1785). Überhaupt, so schlussfolgert Achenbach 2003: 612–614, scheint der gesamte Abschnitt Num 30,2–17 zu den jüngsten Gesetzespartien der Tora zu gehören. 31 Aramäisch ist אסראin den Sklavenverkaufsurkunden WDSP 1; 2; 3; 6 und 7 aus dem Wadi Daliyeh belegt. Dort meint es aber eine verbindliche Vereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer. Vgl. dazu Levine 1999: 86.
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auszuführen, was in der Selbstverpflichtung ausgedrückt wurde, wird unter ὅρκος wohl nicht der assertorische „Eid“ gemeint sein. Dann wäre zu überlegen, ob mit ὁρισμός ein Schwur oder ein Gelübde zur Unterbindung einer Handlung und mit ὅρκος eine Verpflichtung zur Ausführung einer Handlung ausgedrückt ist. Doch warum musste der Übersetzer dies mit zwei verschiedenen Begriffen ausdrücken, wenn beide Bedeutungsnuancen mit ὅρκος ausgedrückt werden konnten. Wäre dann ὁρισμός vielleicht ein Indiz für die Kenntnis des Verbotsgelübdes, wie es auch bei den späteren Pharisäern und Rabbinen geübt wurde? Diese Fragen lassen sich bedauerlicher Weise nicht abschließend beantworten. Auffällig ist aber, dass sich der Übersetzer zur Erweiterung bzw. Differenzierung der Selbstverpflichtungsformen verpflichtet sah. Wenn ab Num 30,4 allein die Selbstverpflichtungen von mündigen und unmündigen Frauen Gegenstand der Diskussion sind, wird man annehmen müssen, dass mit איש כי ידור נדרnicht nur mündige Männer, sondern auch unmündige Knaben, die bereits im Kindesalter einen selbstverantworteten Umgang mit Selbstverpflichtungen erlernen müssen, gemeint sind?32 Num 30,4–6 𝔐
יהו֑ה וְ ָא ְס ָ ֥רה ִא ָ ּ֛סר ָ י־ת ּ֥ד ֹר ֶנ ֶ�֖דר ַל ִ וְ ִא ָּׁ֕שה ִ ּֽכ4 יה ֶאת־ ָ וְ ָׁש ַ֙מע ָא ִ֜ב5 יה׃ ָ יה ִּבנְ ֻע ֶ ֽר ָ ְּב ֵ ֥בית ָא ִ ֖ב ֣ ֶ נִ ְד ָ ּה֗רּה ֶו ֱֽא ָס ָר ּ֙ה ֲא ֱ�ׁשר ָ ֽא ְס ָ ֣רה ַעל־נַ ְפ ָׁ֔שּה וְ ֶהח ל־א ָ ּ֛סר ִ יה וְ ָכ ָ מּו ָּכל־נְ ָד ֶ ֔ר ֙ יה וְ ָ ֙ק ָ ִ ֥ריׁש ָלּ֖ה ָא ִ ֑ב ם־הנִ֙ יא ֵ וְ ִא6 ר־א ְס ָ ֥רה ַעל־נַ ְפ ָ ׁ֖שּה יָ ֽקּום׃ ָ ֲא ֶׁש יה ָ יה ֶו ֱֽא ָס ֶ ֛ר ָ יה א ָֹת ּ֮ה ְּבי֣ ֹום ָׁש ְמעֹו֒ ָּכל־נְ ָד ֶ ֗ר ָ ָא ִ ֣ב ָ ֲא ֶׁש ר־א ְס ָ ֥רה ַעל־נַ ְפ ָ ׁ֖שּה ֣ל ֹא יָ ֑קּום ַ ֽויהוָ ֙ה יִ ְֽס ַלח־ ָ י־ה ִנ֥יא ָא ִ ֖ב ֵ ֔ ָלּה ִּכ יה א ָ ֹֽתּה׃
Num 30,4–6 𝔊 4 ἐὰν δὲ γυνὴ εὔξηται εὐχὴν κυρίῳ ἢ ὁρίσηται ὁρισμὸν ἐν τῷ οἴκῳ τοῦ πατρὸς αὐτῆς ἐν τῇ νεότητι αὐτῆς, 5 καὶ ἀκούσῃ ὁ πατὴρ αὐτῆς τὰς εὐχὰς αὐτῆς καὶ τοὺς ὁρισμοὺς αὐτῆς, οὓς ὡρίσατο κατὰ τῆς ψυχῆς αὐτῆς, καὶ παρασιωπήσῃ αὐτῆς ὁ πατήρ, καὶ στήσονται πᾶσαι αἱ εὐχαὶ αὐτῆς καὶ πάντες οἱ ὁρισμοί, οὓς ὡρίσατο κατὰ τῆς ψυχῆς αὐτῆς, μενοῦσιν αὐτῇ. 6 ἐὰν δὲ ἀνανεύων ἀνανεύσῃ ὁ πατὴρ αὐτῆς, ᾗ ἂν ἡμέρᾳ ἀκούσῃ πάσας τὰς εὐχὰς αὐτῆς καὶ τοὺς ὁρισμούς, οὓς ὡρίσατο κατὰ τῆς ψυχῆς αὐτῆς, οὐ στήσονται· καὶ κύριος καθαριεῖ αὐτήν, ὅτι ἀνένευσεν ὁ πατὴρ αὐτῆς.
32 Sif Num § 153 zu 30,3 (p. 199,3 Horovitz) entnimmt dem Wortlaut איש כי ידר נדר, dass religionsunmündige Jungen davon ausgeschlossen sind.
52 4 Und wenn eine Frau dem Herrn ein Gelübde gelobt, oder sich durch eine Entsagungspflicht bindet im Haus ihres Vaters in ihrer Jugend, 5 und ihr Vater hört ihre Gelübde oder ihre Entsagungspflicht, mit der sie sich gebunden hat, und ihr Vater ihr gegenüber schweigt, dann sind alle ihre Gelübde gültig und jede Entsagungspflicht, mit der sie sich gebunden hat, ist gültig. 6 Wenn ihr Vater ihr (es) aber verwehrt, am Tag da er davon hörte, dann sind alle Gelübde und alle Entsagungspflichten, mit denen sie sich gebunden hat, nicht gültig und der Herr wird ihr vergeben, da ihr Vater (es) ihr verwehrt hat.
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4 Wenn aber eine Frau dem Herrn ein Gelübde gelobt oder eine Begrenzung bestimmt im Haus ihres Vaters in ihrer Jugend, 5 und ihr Vater hört ihre Gelübde oder ihre Begrenzungen, mit denen sie sich selbst begrenzt hat, und ihr Vater schweigt dazu, dann sollen alle ihre Gelübde Bestand haben und alle Begrenzungen, mit denen sie sich selbst begrenzt hat, sollen für sie bleiben. 6 Wenn aber ihr Vater (es) ausdrücklich ablehnt an dem Tag, an dem er alle ihre Gelübde und alle Begrenzungen, mit denen sie sich selbst begrenzt hat, gehört hat, dann sollen sie nicht Bestand haben. Und der Herr wird sie rein machen, weil ihr Vater (es) abgelehnt hat.
Das Augenmerk richtet sich ab Num 30,4 auf unmündige Mädchen, die noch im Haus ihrer Väter wohnen, also noch nicht verheiratet wurden.33 Diese dürfen Gelübde oder Schwüre nicht eigenverantwortlich ablegen und sind der patria potestas unterworfen. Für sie legt Num 30,4–6 fest, dass die Väter an dem Tag, an dem sie von der Selbstverpflichtung in Kenntnis gesetzt wurden,34 entweder schweigend Zustimmung ausdrücken, oder dies ausdrücklich verwehren. Mit einer Verweigerung ist das Gelübde allerdings nicht aufgehoben. Das Gesagte kann nicht ungeschehen gemacht werden und die Bringschuld muss, weil sie Sündenschuld ist, von Gott vergeben werden. Als Wiedergabe für סלחhat der 𝔊-Übersetzer überraschenderweise das Verb καθαρίζω gewählt. G. Dorival (et al.) sieht hierin einen intertextuellen Bezug zu Ex 20,7, wo nach alexandrinischer Auslegungstradition Gott demjenigen, der seinen Namen zu Nichtigem im Munde führt, eine Reinigung von Sündenschuld versagt.35 Eine 33 Man wird also generell jede Frau unter die Bezeichnung אישה בנעריהsubsumieren dürfen, die noch im Haus ihres Vaters ihren Lebensmittelpunkt hat und damit noch unter der Vormundschaft ihres Vaters und noch nicht unter der eines Ehemanns steht. Frauen, die bereits verheiratet oder verwitwet waren und ins Haus ihrer Väter zurückgekehrt sind, gelten als rechtsmündig und sind für die Einhaltung ihrer Schwüre und Gelübde selbst verantwortlich. 34 Dieser Tag muss freilich nicht der Tag der Inauguration der Selbstverpflichtung sein. Auch wird die Tochter nicht ausdrücklich dazu angewiesen, dem Vater die Selbstverpflichtung mitzuteilen (vgl. dazu Berlinerblau 1996: 138). 35 Vgl. Dorival 1994: 71.
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solche Deutung würde auch dem Kontext von Num 30,6 entsprechen. Der Gottesname, der in Schwur und Gelübde angerufen wurde, ist durch die Verweigerung, die Selbstverpflichtung auch ausführen zu dürfen, zu Nichtigem genannt worden. Dafür, dass diese Sündenstrafe nicht an der Tochter haften bleibt, spricht Num 30,6 ihr die Reinigung von dieser Schuld zu. Num 30,7–9 𝔐
Num 30,7–9 𝔊 7 ἐὰν δὲ γενομένη γένηται ἀνδρὶ, καὶ αἱ εὐχαὶ αὐτῆς ἐπ᾽ αὐτῇ κατὰ τὴν διαστολὴν τῶν χειλέων αὐτῆς, οὓς ὡρίσατο κατὰ τῆς ψυχῆς αὐτῆς, 8 καὶ ἀκούσῃ ὁ ἀνὴρ αὐτῆς, καὶ παρασιωπήσῃ αὐτῇ, ᾗ ἂν ἡμέρᾳ ἀκούσῃ, καὶ οὕτως στήσονται πᾶσαι αἱ εὐχαὶ αὐτῆς, καὶ οἱ ὁρισμοὶ αὐτῆς, οὓς ὡρίσατο κατὰ τῆς ψυχῆς αὐτῆς, στήσονται. 9 ἐὰν δὲ ἀνανεύων ἀνανεύσῃ ὁ ἀνὴρ αὐτῆς, ᾗ ἂν ἡμέρᾳ ἀκούσῃ, πᾶσαι αἱ εὐχαὶ αὐτῆς καὶ οἱ ὁρισμοὶ αὐτῆς, οὓς ὡρίσατο κατὰ τῆς ψυχῆς αὐτῆς, οὐ μενοῦσιν, ὅτι ὁ ἀνὴρ ἀνένευσεν ἀπ᾽ αὐτῆς, καὶ κύριος καθαριεῖ αὐτήν.
7 Wenn sie aber ganz einem Mann zu eigen wird und ihre Gelübde sind auf ihr oder ein unbedachter Ausspruch ihrer Lippen, mit dem sie sich gebunden hat, 8 und ihr Mann hört es und schweigt ihr gegenüber ,36 dann sind alle ihre Gelübde gültig und alle ihre Entsagungspflichten, mit denen sie sich gebunden hat, sind gültig. 9 Wenn ihr Mann ihr (es) aber verwehrt, am Tag da er davon hörte, dann bricht er ihr Gelübde, das auf ihr ist, und den unbedachten Ausspruch ihrer Lippen, mit dem sie sich gebunden hat. Und der Herr wird ihr vergeben.
7 Wenn sie aber ganz einem Mann zu eigen wird und ihre Gelübde, mit denen sie sich selbst begrenzt hat, sind auf ihr gemäß der ausdrücklichen Anordnung ihrer Lippen, 8 und ihr Mann hört (es) und schweigt ihr gegenüber, am Tag da er (es) gehört hat, so sind alle ihre Gelübde gültig und ihre Begrenzungen, mit denen sie sich begrenzt hat, sind gültig. 9 Wenn aber ihr Mann (es) ausdrücklich ablehnt an dem Tag, an dem er alle ihre Gelübde und alle Begrenzungen, mit denen sie sich selbst begrenzt hat, gehört hat, dann sollen sie nicht bleiben, weil der Mann (sie) ihr verwehrt hat. Und der Herr wird sie rein machen.
֑יה ֚אֹו ִמ ְב ָ ֣טא ָ יה ָע ֶל ָ ם־הי֤ ֹו ִ ֽת ְהיֶ ֙ה ְל ִ֔איׁש ּונְ ָד ֶ ֖ר ָ וְ ִא7 וְ ָׁש ַ ֥מע8 יה ֲא ֶ ׁ֥שר ָא ְס ָ ֖רה ַעל־נַ ְפ ָ ֽׁשּה׃ ָ ְׂש ָפ ֶ֔ת יה ָ יׁשּה ְּבי֥ ֹום ָׁש ְמ ֖עֹו וְ ֶה ֱח ִ ֣ריׁש ָלּ֑ה ו ָ ֣�ְקמּו נְ ָד ֶ ֗ר ֛ ָ ִא ְו ִ֠אם9 ר־א ְס ָ ֥רה ַעל־נַ ְפ ָ ׁ֖שּה י ֻ ֽ�ָקמּו׃ ָ ֶו ֱֽא ָס ֶ ֛ר ָה ֲא ֶׁש ּה וְ ֵה ֗ ֵפר ֶאת־נִ ְד ָר ּ֙ה ֒ אֹות ָ יׁש ּ֮ה יָ ִנ֣יא ָ מ ַע ִא ֹ ֣ ְ ּ֙ביֹום ְׁש יה ֲא ֶ ׁ֥שר ָא ְס ָ ֖רה ָ יה וְ ֵא ֙ת ִמ ְב ָ ֣טא ְׂש ָפ ֶ֔ת ָ ׁשר ָע ֔ ֶל ֣ ֶ ֲא ָ ַַעל־נַ ְפ ָ ׁ֑שּה ו ח־לּה׃ ֽ ָ יהו֖ה יִ ְֽס ַ ֽל
36 𝔐 ist verderbt und die Wortreihenfolge nach 𝔊 zu berichtigen.
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Num 30,7–9 schildert den Übergang der Tochter von der Verfügungsgewalt des Vaters zu der ihres Ehemannes. Die figura etymologica היו תהיהkönnte den Moment der Heimführung meinen, bei dem die Tochter von ihrem vormaligen Stand als eine dem Gatten Versprochene nun ganz in die Abhängigkeit von ihrem Mann übergeht. Bis zu diesem Moment hatte der Vater alle ihre Verpflichtungen entweder bestätigt oder ihr verwehrt. Mit der Heirat obliegt diese Aufgabe nun dem Ehemann. Alle Selbstverpflichtungen, durch die die Frau noch gebunden ist und die ihr Vater ihr zuvor noch nicht verwehrt hat, kann ihr Ehemann nun bestätigen oder verwehren. Auch im Fall der Aneignung durch den Ehemann wird die Frau nicht aufgefordert, dem Mann ihre Selbstverpflichtungen mitzuteilen. Der Ehemann kann nur dann reagieren, wenn er davon Kenntnis bekommt. Num 30,11–13 führt nun in fast identischer Abfolge ein drittes Mal die Regelungen zur Bestätigung bzw. Verwehrung von denjenigen Selbstverpflichtungen auf, die die Ehefrau jetzt im Haus ihres Mannes abgelegt hat. Num 30,14–15 wirkt redundant. Nachdem Num 30,11–13 bereits festgestellt hatte, dass alle Gelübde und alle Entsagungspflichten durch den Mann bestätigt bzw. verwehrt werden können, setzt Num 30,14 erneut ein und führt aus, dass der Ehemann auch jede „( שבועת אסר לענת נפשEntsagungspflicht, sich selbst zu demütigen“) bestätigen und verwehren kann. Wofür dieser Nachtrag? Sind ( אסרNum 30,11) und ( שבועת אסרNum 30,14) etwa nicht identisch? Ein weiterer besonderer Unterschied zwischen Num 30,12–13 und 30,15–16 liegt in der genauen zeitlichen Bestimmung der möglichen Dauer der Verwehrung bzw. ausdrücklichen Bestätigung am יום שמעו. Nach Num 30,15 muss dies „ מיום אל יוםvon einem auf den anderen Tag“ geschehen. Aufgrund der Seltenheit der Wendung ist die genaue Bedeutung nur schwer auszumachen. Ist damit ein 24-Stunden-Zeitfenster,37 die Zeit bis zum Tageswechsel38 oder vielleicht die Zeit bis Mitternacht39 gemeint? Ist dieser so definierte יום שמעוabgelaufen ( )אחרי שמעוund der Ehemann verwehrt ihr ihre Selbstverpflichtungen dennoch, trägt er die Sündenschuld für die Nichterfüllung des Gelübdes seiner Frau.40 Diese Beobach37 Vgl. Sif Num § 156 zu 30,15 (p. 208,7–8 Horovitz). 38 Vgl. „( הפר נדרים כל היוםdas Brechen eines Gelübdes kann (während des) ganzen Tages ausgeführt werden“) aus mNed 10,8. 39 Eine solche Deutung würde sich von 4Q494 Frag. 3–7 col. i 13 und 11QTa 20,12–13 her nahelegen, wo über das Speiseopfer bestimmt wird, es noch vor Sonnenuntergang zu verzehren und nicht bis nach Sonnenuntergang zu warten (vgl. dazu Qimron und Strugnell 1994: 150–152). 40 Seebass 2007: 280 nimmt an, dass solche Sündenschuld durch die Auslösungsbeträge in Lev 27,13.15.19.27.31 beglichen werden konnte. Doch haben die Auslösungsbeträge in
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tungen legen die Vermutung nahe, dass Num 30,14–16 als späterer Nachtrag anzusprechen ist, der sowohl die Frage nach der eigentlichen Dauer des יום שמעוals auch nach dem Umgang mit dem Sonderfall, da ein Ehemann den Tag verstreichen lässt und danach die Selbstverpflichtung dennoch verwehrt, beantwortet. Thematisch an den Schluss gehört die Frage nach der Gültigkeit von Gelübden einer Witwe oder einer Verstoßenen. Diese, so darf man Num 30,10 entnehmen,41 sind frei von jedem männlichen Vormund und müssen die Einlösung ihrer Selbstverpflichtungen selbstverantwortet umsetzen. Bestätigung und Annullierung von Gelübden und Schwüren in den Texten von Qumran Bestätigung und Annullierung von Gelübden und Schwüren in der 4.2.1 Damaskusschrift (CD A 16,6–12) Mit dem Thema der Gelübde- bzw. Schwurannullierung unter teils wörtlicher, teils paraphrasierender Aufnahme von Num 30 befassen sich drei Texte aus der Damaskusschrift (fortan D),42 der Tempelrolle und 4QInstruction. Der hier voranzustellende erste Text, CD A 16,6–12, ist in Teilen eine Auslegung zu Dtn 23,24. Er ist mit verschiedenen Aspekten aus Num 30 verknüpft, sodass er in Teilen als halachische Explikation bzw. Ausdifferenzierung seiner Vorschriften anzusprechen ist.
4.2
Lev 27 gar nichts mit der Begleichung von Sündenschuld zu tun. Bei der Auslösung geht es darum, geweihte Tiere, Häuser oder Felder durch einen finanziellen Betrag wieder zurückzuerwerben, nachdem diese im Gelübde versprochen und daraufhin geweiht wurden. 41 Dass die Gelübde der Witwen und Verstoßenen bereits in Num 30,10 thematisiert werden, obwohl in Num 30,11–16 noch immer die Selbstverpflichtungen einer Ehefrau im Haus ihres Mannes Gegenstand der Erörterung sind, könnte ein Indiz für das literarische Anwachsen des Textes sein. Während mit Num 30,7–9 im Grunde genommen zum Umgang eines Ehemannes mit den Selbstverpflichtungen seiner Frau schon alles gesagt war, verspürt man in den Versen Num 30,11–16 einen Drang zur Komplementierung. 42 Von der Damaskusschrift wurden eine Abschrift in der Kairoer Geniza und viele Fragmente in den Höhlen von Qumran gefunden. Es handelt sich dabei um 4Q266–273, 5Q12 und 6Q15 (vgl. dazu Hempel 2000). Das möglicherweise zwischen 130 und 90 v.u.Z. (vgl. Baumgarten 2000: 169; Stökl Ben Ezra 2016: 242) entstandene Werk kann im Fall der in der Kairoer Geniza gefundenen Handschrift CD A grob in eine Mahnschrift, CD A 1–8, und in eine Gesetzessammlung, CD A 9–16, unterteilt werden (für eine quellenkundliche Erschließung der Damaskusschrift vgl. Stökl Ben Ezra 2016: 240–243).
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ואשר אמר מוצא שפתיך ]…[ 6 46 איש על נפשו45 כל שבועת אסר אשר יקוםvac 44 להקים43 תשמור7 אשר47 כלvac לעשות דבר מן התורה עד מחיר מות אל יפדהו 8 התו]רה עד מחיר מות אל יקימהו49 איש על נפשו לסור [את48יקים 9 על שבועת האשה אשר אמ[ר לאיש]ה להניא את שבועתה אל10 ואם להניאvac אם להקים היא50 יניא איש שבועה אשר לא [י]דענה11 וכן המשפט לאביהvac היא יניאה ואל יקימנה51 אם לעבור ברית12 43 Dass der Kompilator dieser Rechtssammlung Dtn 23,24 anstelle der beinahe sinngleichen Formulierung לא יחל דברו ככל היצא מפיו יעשהaus Num 30,3 auserkoren hat, wird wohl am Verb תשמורliegen, das in der hebräischen Bibel an den Stellen gebraucht wird, wo von der Einhaltung und Bewahrung des Bundes (Gen 17,9–10), der Gebote (1. Sam 13,13) und des Schabbat (Dtn 5,12) im Besonderen die Rede ist. Für die Rechtstradition hinter CD A 16 dürfte also das im Schwur gesprochene Wort einen Stellenwert besitzen, der die Verbindlichkeit der geschworenen Handlung auf eine Stufe mit den Verpflichtungen des Bundes und seiner Gebote stellt. 44 Vgl. die feierliche Erklärung des Psalmbeters in Ps 119,106. 45 Zu erwarten wäre eigentlich der Piel יקים על נפשוwie er auch im Folgesatz gebraucht wird. Möglicherweise konnte der Abschreiber nicht zwischen dem langgezogenen יseiner Vorlage und einem וunterscheiden (vgl. auch CD A 16,1.4; 4Q271 4 ii 6; 4QSb 9,6). Die Form ist daher, wie auch von García Martínez und Tigchelaar 1999: 564 vorgeschlagen, zu יקיםzu emendieren. 46 על נפשוist Synonym für ( עליוvgl. dazu Est 9,31; CD A 15,12). 47 Der neue Rechtsfall ist eliptisch eingeführt und wird ebenso auf שבועת אסרBezug nehmen (vgl. Schiffman 2008b: 561). 48 יקיםist als Piel Imperfektform zu lesen (vgl. Est 9,21). Lohse 1986: 98 punktiert die Konsonanten dagegen als Hifil Imperfektform. 49 Lohse 1986: 98 liest מן התורה. Die Rekonstruktion את התורהwird durch 4Q271 gestützt. Allerdings könnten die noch sichtbaren Spuren des ersten Buchstabens wirklich die Reste eines מgewesen sein. 50 Schiffman 2008b: 562 zieht die Möglichkeit in Betracht, ידענהals defektiv geschriebenes, suffigiertes Hifil-Imperfekt der Wurzel ידעim Sinne von „er setzt sie in Kenntnis“ zu deuten. Dies scheint mir aber eher unwahrscheinlich zu sein, da der Autor der Damaskusschrift, wie CD A 2,12; 9,22 und 4Q266 8 i 5 bezeugen, beim primae Jod-Verb ידעim Hifil sonst die Plene-Schreibung bevorzugt. Sachlich ist diese Deutung auch fraglich, da nach dieser Logik der Ehemann im Stande gewesen wäre, den Schwur zu verwehren, auch wenn er seiner Frau vorher mitgeteilt hat, dass dieser bestätigt ist. Die Tatsache, dass der Relativsatz als eine Näherbestimmung von שבועהanzusprechen ist und das unselbstständige Personalpronomen im Fall von יניאהund יקימנהjeweils שבועהaus dem vorausgehenden Hauptsatz als Objekt der Verbalhandlungen anzeigt, macht m.E. einen Bezug von ידענהzur Ehefrau unwahrscheinlich. Ferner wäre dann wohl eher der Wortlaut יודיע bzw. bei Defektivschreibung ידע לאשתוzu erwarten gewesen. 51 לעבור בריתist eine aus Dtn 17,2 entlehnte Wendung. Zum Fall einer möglichen Bundesübertretung wird im dortigen Zusammenhang dezidiert auf das Problem der Fremdgötterverehrung verwiesen, die die Steinigung des Götzendieners bzw. der Götzendienerin nach sich ziehen muss. 2. Kön 18,12 zählt zur Übertretung des Bundes eine völlige Abwendung von den Geboten, die Mose dem Volk geboten hatte.
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[…] Und (bezüglich dessen), was er sagte: „Was (von) deinen Lippen hervorgegangen ist, 7 darauf sollst du achten“ (Dtn 23,24), (gilt, es) aufrechtzuerhalten. vac Jeden Enthaltungsschwur, den sich jemand zur Pflicht gemacht hat, 8 (etwas) aus der Tora zu vollbringen, soll er selbst um den Preis des Todes nicht auslösen. vac Jeden (Enthaltungsschwur), den 9 sich jemand zur Pflicht gemacht hat, [die To]ra zu verlassen, soll er selbst um den Preis des Todes nicht aufrechterhalten. 10 Bezüglich des Schwurs einer Frau, bei dem er ihren Mann anwies (Num 30,9–10), (ihr) ihren Schwur zu verwehren, (gilt): 11 Ein Mann soll keinen Schwur verwehren, von dem er nicht [w]eiß, ob er zu bestätigen ist, vac oder ob er verwehrt werden muss. 12 Wenn er (dazu führt), den Bund zu übertreten, so soll er (ihn ihr) verwehren und ihn nicht bestätigen. vac Und ebenso (gilt) der Rechtssatz für ihren Vater. Ein großes Problem für die Deutung des Abschnitts stellt die gelübde- und annullierungsspezifische Terminologie dar. Paraphrasiert der Autor des Abschnitts relativ unspezifisch Num 30 oder nutzt er die Terminologie in enger Anlehnung an besagtes Kapitel? Dieses Problem wird besonders im Fall der Wurzel קוםund ihrer Derivate deutlich. So gebraucht Num 30 das Hifil der Wurzel קוםzur Bestätigung von Schwüren oder Gelübden schutzbefohlener Familienmitglieder durch den Vater im Fall der Töchter und durch den Ehemann im Fall der Ehefrau. Es kann aber auch wie in Gen 26,3 im Sinne eines göttlichen Bekenntnisses zum Aufrechterhalten eines vormals geleisteten Schwurs52 oder wie in Jer 44,25 in polemischer Weise als göttliche Bestätigung des Bestands von Gelübden im Zusammenhang der Fremdgötterverehrung gebraucht werden. Das verbindende Moment der drei Gebrauchssituationen ist der affirmative Charakter, der mit dem Hifil-Stamm der Wurzel קוםseinen Ausdruck findet. Gleichzeitig wird damit auch das autoritative Gefälle zwischen Eidleister bzw. Votant und Weisungsbefugten bzw. der Gottheit, die die Bestätigung aussprechen kann, offenkundig. Der Qal-Stamm der Wurzel קום drückt in Num 30 wiederum die Geltung und das Bestehen von Schwüren oder Gelübden nach der Bestätigung oder Gewährung durch Weisungsbefugte aus. Darüber hinaus ist auch der Piel-Stamm belegt, der in Ps 119,106 das Eigenbekenntnis des Eidleisters zur Erfüllung der im Schwur ausgedrückten Handlung verbalisiert. 52 Vgl. auch Jer 11,5.
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Bei der Auslegung von CD A 16,6–12 wird zu fragen sein, ob die Reformulierung von Teilen von Num 30 in enger Anlehnung an den biblischen Sprachgebrauch getroffen wurde, oder ob sich bereits eine Bedeutungsverschiebung oder ein freierer Umgang im Gebrauch der Stammesmodifikationen auf der jüngeren Sprachstufe des Hebräischen der Damaskusschrift nachweisen lässt. An den Beginn des Blocks zu Rechtssatzungen über die Einhaltung und Aufhebung von Schwüren stellt die Damaskusschrift das Zitat מוצא שפתיך תשמורaus Dtn 23,24, dessen Geltung und unbedingte Einhaltung sie durch den Abbruch des Zitats nach תשמורund durch die mit dem Hifil-Infinitiv להקיםausgedrückte Konkludierung unterstreicht.53 Vor dem Hintergrund des biblischen Sprachgebrauchs gedeutet, wäre der Infinitiv eine an Weisungsberechtigte gerichtete Bestimmung, das gesprochene Wort in Form von Schwüren und Gelübden von Schutzbefohlenen zu achten und grundsätzlich zu bestätigen. Dem Brauch, die Annullierung von Schwüren und Gelübden durch Weisungsberechtigte unhinterfragt zu gestatten, wäre damit ein Riegel vorgeschoben. Sollten damit jedoch auch die Gelübde und Schwüre von in Eigenverantwortlichkeit stehenden Personen – gemeint sind volljährige Männer und volljährige unverheiratete, verwitwete oder geschiedene Frauen – angesprochen sein, dann wird durch להקיםähnlich wie in Gen 26,3 die unbedingte Aufrechterhaltung der vormals geäußerten Selbstverpflichtung ausgedrückt sein. Im so verstandenen Zusammenhang wäre Gott als der Zeuge der Selbstverpflichtung auch derjenige, der das Versprechen bestätigt. Der daran anschließende Rechtssatz ist in Anlehnung an Num 30,8bβ formuliert. Allerdings wird der Relativsatzanschluss nicht mit אשר אסרsondern mit אשר יקיםvorgenommen, womit die ausgedrückte, selbstverpflichtende Absicht verstärkt wird. Wie rigoros CD A 16,8 den dem Abschnitt vorangestellten Vers aus Dtn 23,24 auslegt, wird erkennbar an den in Kauf zu nehmenden Konsequenzen, selbst unter dem Vorzeichen des zu erwartenden Todes, den Schwur nicht brechen54 zu dürfen. Man wird weiterführend fragen dürfen, ob der Gesetzgeber hinter CD A 16,8 dies auf Schwüre im Allgemeinen bezieht, oder speziell auf jene, die sich auf die Einhaltung eines 53 Dass nach להקיםdie erste Sinneinheit zum Abschluss gekommen ist, legt die folgende Zäsur (vacat) nahe. Heger 2015: 206 versteht dagegen die folgende Phrase כל שבועת אסר als Akkusativobjekt des in dem Fall als bivalent verstandenen Verbs להקים. 54 Die Wortwahl יפדהוdürfte nicht zufällig sein. In 1. Sam 14,45 wird Jonathan, der den von Saul dem Kriegsvolk auferlegten Schwur unwissentlich übertreten hat, durch das Volk ausgelöst, sodass er nicht sterben muss. In welcher Form diese Auslösung vorgenommen wurde, wird nicht berichtet. Man wird vermuten dürfen, dass die Auslösung mit Opfern oder einer Bezahlung von Lösegeld an den Tempel beglichen werden konnte. Vgl. z.B. die Auslösungsrichtlinien im Opferkult in Ex 34,19–20; Num 18,15–17; Lev 27,27. Anders Heger 2015: 214, der 1. Sam 14,45 übersehen hat und meint, eine Möglichkeit zur Auslösung von Schwüren hätte es nicht gegeben.
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Toragebots erstrecken, sodass die Annullierung von Schwüren ohne Torabezug möglich gewesen sein könnte.55 Hat es aus der Perspektive des Autors überhaupt andere Handlungen gegeben, für deren Verpflichtung er die Notwendigkeit einer Schwurinauguration in Betracht zog? Die strikte Einhaltung eines Schwurs wird allerdings in den Fällen aufgehoben, wo der Schwur die Einhaltung eines Toragebots verhindert.56 In solchen Fällen soll selbst im Angesicht des Todes die Durchführung der im Schwur ausgedrückten Handlung nicht vollzogen werden. Der drastische Sprachgebrauch, der für die Einhaltung des Schwurs sogar die Aufgabe des Lebens fordert, wird wohl dahingehend seinen Zweck erfüllen, einen laxen Umgang im Ausdruck von Schwüren zu verhindern und generell die Häufigkeit des Schwurgebrauchs zu minimieren. Die anschließenden Rechtssätze in CD A 16,10–12 treffen eine Einschränkung für die Möglichkeit der Verwehrung von Schwüren. Der Bezug der in den Zeilen 11–12 ausgedrückten Voraussetzungen für die Möglichkeit, einen Schwur zu verwehren, ist allerdings nicht eindeutig. Haben wir es hier mit elliptischer Rede zu tun und müssen wir vor אם לעבור בריתin Z. 12 ein weiteres Mal אם לא ידענהlesen? Wäre dies der Fall, dann wäre der Schwur im Fall des Zweifels, er könnte zur Übertretung der Bundessatzungen führen, auf jeden Fall zu verwehren. Dies erscheint mir allerdings eher unwahrscheinlich, da für die Annahme einer elliptischen Formulierung wohl kaum nur ein Teil des untergeordneten Nebensatzes als zu ergänzende Sinneinheit vorzustellen ist, sondern auch der übergeordnete Hauptsatz אל יניא איש שבועה. Eine weitere Deutungsmöglichkeit wäre, Z. 12 als Auflösung des in Z. 11 ausgedrückten Zweifels zu verstehen. Demnach wären Zweifel, ob der Schwur zu bestätigen oder zu verwehren sei, dahingehend zu prüfen, ob die Einhaltung desselben nicht eine Übertretung des Bundes nach sich ziehen könnte. Eine solche Verschränkung der Sinneinheiten ist zumindest auch wegen der Stichwortwiederholung der beiden möglichen Verbalhandlungen am Ende von Z. 12, über deren Ausführung nach Z. 11 Zweifel besteht, und wegen des direkten Anschlusses von אםohne vorangestelltem ו-copulativum denkbar. Wäre hier an zwei getrennte Voraussetzungen gedacht, also das Verbot der Verwehrung bei Zweifel und die Erlaubnis der Verwehrung bei einem zu erwartenden Bruch der Bundesbestimmungen, dann hätte sicherlich ein konkludierendes יניאהausgereicht. Damit verbietet CD A 16,11 das Verwehren eines Schwurs grundsätzlich bei bestehendem 55 So Schiffmans 2008b: 561 Annahme. 56 Vgl. dazu mNed 2,2; Philo, SpecLeg 2,14–17. Für einen polemisch literarischen Niederschlag solcher Fälle vgl. Ps Sal 8,10 und Philo, SpecLeg 2,13. Nicht als explizite Übertretung eines Toragebots formuliert aber als Schwur zur Durchführung einer sündhaften Handlung beschrieben ist die Vereinbarung der Engel in 1. Hen 6, sich Frauen aus dem Geschlecht der Menschen zu nehmen, anzusprechen.
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Zweifel. Wenn der Zweifel durch eine Prüfung der sich aus dem Schwur ergebenden Konsequenzen für die Einhaltung der Bundesbestimmungen57 zerstreut werden konnte, dann kann der Ehemann oder Vater auch wieder die Verwehrung in Betracht ziehen. Dies besagt freilich vordergründig noch nicht, dass ein Vater oder Ehemann einen Schwur nur verwehren darf, wenn dieser die Übertretung des Bundes nach sich zieht.58 Die beiden Zeilen geben allerdings zu verstehen, dass Vater und Ehemann eine Verwehrung oder Bestätigung mit Bedacht vornehmen sollen und dass bei begründetem Verdacht auf die Möglichkeit einer Bundesübertretung der Ehefrau oder Tochter eine Verwehrung unbedingt zu vollziehen ist.59 Liest man die Anordnungen allerdings in Verbindung mit Z. 6 und 7, die die Beachtung ausgedrückter Selbstverpflichtungen aus Dtn 23,24 als Forderung zur unbedingten Einhaltung bzw. Bestätigung interpretieren, wird offensichtlich, dass CD A 16 auch dem Schwur von Unmündigen einen unverbrüchlichen Stellenwert einräumt. Warum, so ließe sich abschließend noch fragen, sollte der Ehemann oder Vater einen Schwur, der in letzter Konsequenz die Übertretung des Bundes zur Folge hat, verwehren, wenn nach Z. 9 solche gegen die Einhaltung eines Toragebots gerichteten Schwüre auch um den Preis des eigenen Lebens nicht einzuhalten und daher nichtig sind?60 Bei der Beantwortung dieser Frage müssen einige Unterscheidungen festgehalten werden, die der Text zwischen den in den Zeilen 7–9 behandelten Schwüren eines Mannes und zwischen den in den Zeilen 10–12 behandelten Schwüren rechtsunmündiger Frauen macht. 1) Es geht im Fall der Verwehrung von Schwüren einer Ehefrau oder Tochter nicht um die Übertretung eines Toragebots, sondern um die Übertretung des Bundes der Gruppe.61 Interessant ist der Wechsel vom zuvor gebrauchten 57 Zur Pflicht der Priester und Männer der Gemeinschaft, den Bund zu wahren und an ihm festzuhalten vgl. 1QS 5,1–3a. 58 So aber von Wassen 2005: 92–93 angenommen. 59 Eine Einschränkung der Möglichkeit, die Einhaltung von Selbstverpflichtungen durch den Ehemann – Sif Num § 155 zu 30,14 (p. 207,14–16 Horovitz) zählt den Vater gleichermaßen dazu – zu verwehren, kennt auch die rabbinische Tradition. Es muss sich entweder um eine Form der Selbstkasteiung (vgl. mNed 11,1 auf der Grundlage von Num 30,14) oder um eine vom Ehemann zu erwartende Hinderung der Frau, ihren ehelichen Pflichten nachzukommen (vgl. Sif Num § 155 zu 30,14 [p. 206,7–207,16 Horovitz]), handeln. 60 So sicherlich zu Recht von Heger 2015: 219 gefragt. Er deutet die Anweisung der Verwehrung dahingehend, dass Ehemänner oder Väter Sorge darum tragen müssen, dass ihre Frauen oder Töchter unter gar keinen Umständen den Schwur aufrechterhalten dürfen. 61 Vgl. Heger 2015: 220. Der Verweis auf den Bund mag aber gleichzeitig auch eine Erinnerung an den mit Gott geschlossenen Bund zur Zeit der Wüstenwanderung sein (Ex 24,3–7; 34,10–27; Dtn 7,11–12; 17,2–5 und 26,16–19), der nach späterer rabbinischer Vorstellung vom Volk durch einen Schwur, die im Zusammenhang mit dem Bund von Gott vorgelegten Satzungen einzuhalten, besiegelt wurde.
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Bezug auf die תורהund ihrer Gebote hin zur בריתder Gruppe. Durch die rabbinische Brille gelesen, möchte man annehmen, dass der Schwur nicht zur Übertretung des Bundes führen darf, da der Eintritt in den Bund nach CD A 15,662 selbst mit einem Schwur getätigt wurde.63 Mir scheint diese Interpretation plausibel, weil sonst jeder Schwur durch einen gegensätzlich gelagerten Schwur außer Kraft gesetzt werden kann. Eine solche Praxis würde die gesamte Schwurinstitution ad absurdum führen. Welche Handlungen genau zur Übertretung des Bundes führen können, wird vom Text nicht expliziert. Indizien dafür sind aber über die jachadische Literatur verstreut. So stellt 1QpHab 2,3–464 jene als Verräter des Bundes dar, die nicht an den neuen Bund geglaubt und Gottes heiligen Namen nicht geehrt haben. 1QS 1,8–965 nennt als Ordnungen des Bundes der Gnade das untadelige Wandeln nach allem, was für die Festsetzung der Zeiten geoffenbart wurde,66 und die Liebe gegenüber allen Söhnen des Lichts. Ferner wird die Absonderung von den Männern des Frevels (1QS 5,10), die Abkehr von den Werken der Eitelkeit (1QS 5,18–19) und – hält man den Bericht des Josephus in Bell 2,143 für eine akkurate Wiedergabe der jachadischen Speisehalacha – der durch (den Bundes-?)Schwur verbürgte Verzicht auf von Außenseitern zubereitete Speise für alle Glieder der Gemeinschaft gefordert. Eine übergreifende Ordnung mit allen Satzungen des Bundes wurde nach 1QSa 1,4–5 bei der Ankunft von Aspiranten verlesen. Jugendliche, die mit in die Gruppe eingeführt wurden oder in der Gruppe aufwuchsen, wurden in diesen Ordnungen aus einem Buch Hago bzw. Hagi67 unterrichtet 62 Zum Bund der Jachad-Gruppe vgl. z.B. CD A 2,2–3; 6,11–12.19; 14,2; 1QS 5,10. 63 So z.B. als Deutung von Schiffman 2008b: 560 vertreten. Ein zuvor geäußerter Schwur kann nach rabbinischem Rechtsverständnis nicht durch einen ihm entgegengesetzten Schwur außer Kraft gesetzt werden. Vgl. mSchevu 3,6; tSchevu 4,2; Sif Num § 153 zu 30,3 (p. 200,2–4 Horovitz). Die späteren Amoraim haben dies in dem Grundsatz מושבע ועומד „ עליו מהר סיניer ist mit einem Schwur belegt und steht darauf vom Berg Sinai her“ zusammengefasst (vgl. bNaz 4a; bSoṭ 37a/b; bSchevu 39a). Philo, um noch einen Zeugen aus der Zeit des Zweiten Tempels zu Wort kommen zu lassen, hält nach SpecLeg 2,13–14 die Gesetze und väterlichen Sitten für φύσεως ἱεροὶ λόγοι „heilige Wörter der Natur“, die aus sich selbst Bestand und Autorität haben und darin den Schwüren ganz und gar entsprechen. Demnach wäre jede Ausführung einer in einem Schwur feierlich versprochenen Handlung, eines der Gebote der Tora zu übertreten, in Wirklichkeit der Bruch eines Schwurs. 64 Der Kommentar zum Propheten Habakuk ist nach Stegemann 1994: 184 in die Mitte des 1. Jh. v.u.Z. zu datieren. 65 Zur schwierigen Frage nach dem Verhältnis von D und S vgl. Stökl Ben Ezra 2016: 245–248. 66 Vgl. auch 1QS 3,9b–12. 67 Die Identifizierung des als ספר ההגוbetitelten Werkes ist unter Qumranforschern ein viel diskutiertes Problem. Ein so betiteltes Buch konnte weder unter den Schriftrollen vom Toten Meer noch in irgendeiner anderen Schriftensammlung ausfindig gemacht werden. Eine Lesung mit finalem Jod statt Waw, also ספר ההגי, ist ebenfalls Gegenstand
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(1QSa 1,6b–7a). Vor dem Bruch mit diesen den Bund konstituierenden Satzungen hat ein Vater bzw. Ehemann seine Tochter bzw. Ehefrau zu bewahren. 2) Schwüre sind grundsätzlich unter allen Umständen einzuhalten und können nicht ohne weiteres missachtet und übertreten werden. Wenn es sich herausstellt, dass der Schwur einer Ehefrau bzw. Tochter die Übertretung des des gegenwärtigen Wissenschaftsdiskurses, da sich über die Herleitung des Wortes entweder von der Wurzel הגיoder הגהauch die Bedeutung des Titels und bis zu einem gewissen Punkt auch der Inhalt desselben erschließen lassen könnte. Ben-Dov 2017: 433 hat zuletzt mit einem Versuch der Herleitung des Buchtitels von der Wurzel ( הגיbzw. הגה1; vgl. Gesenius 2013: 266) und seiner Nähe zur in Koh 12,12 gebrauchten Wurzel להג vorgeschlagen, den Titel ספר ההגיnicht auf ein spezifisches Buch zu beziehen, sondern die Wendung eher als die Art und Weise des Studiums zu begreifen. Demnach hätte man sich unter dem Titel kein spezifisches Buch vorgestellt, sondern durchaus verschiedene Bücher, mit denen man eine besondere Form des Studiums in Verbindung brachte. Er gewinnt diese Einsicht vor dem Hintergrund der rabbinischen Verwendung der Wurzel הגי, wie sie in den einige hundert Jahre jüngeren amoräischen Texten jSan 28a,17–20 und bSan 96a Verwendung gefunden hat. Speziell in Bezug auf jSan 28a,20 versteht BenDov 2017: 431 הגיals einen Ausdruck für das oberflächliche Lesen bzw. Studieren von nichtbiblischen Schriften, dass nicht mit dem Studium der Tora vergleichbar wäre. Daraus schließt Ben-Dov 2017: 433–434 für den Gebrauch der Wendung ספר ההגיin 1QSa 1,6b–7a, dass es sich hierbei um einen pädagogischen Prozess der Unterweisung von jugendlichen gehandelt haben mag. Dass die Rede vom ספר ההגיin jachadischen Schriften nicht auf 1QSa 1,6b–7a beschränkt ist, sondern auch in CD A 10,6; 13,2–4 und 14,7–8 mit Bezug auf das Unterwiesensein von Richtern und Priestern in eben diesem Buch Erwähnung findet, lässt diese Deutung selbst nach Ben-Dovs 2017: 433–434 eigenen Worten als zweifelhaft dastehen. Steinmetz 2001: 40 hat dagegen mit Verweis auf Spr 25,4–5 eine Herleitung des Titels von der Wurzel הגה2 „absondern, entnehmen, entfernen“ (vgl. Gesenius 2013: 267) versucht wahrscheinlich zu machen. Ähnlich wie Ben-Dov verweist auch Steinmetz auf den amoräisch bezeugten Gebrauch der Wurzel, wobei sie (2001: 45) im speziellen ihr Augenmerk auf jMeg 72b,43 und die dort über Noah getroffene Aussage הנה נח תורת מתוך „( תורהNoah entnahm Tora aus der Tora“) legt. Vor dem Hintergrund von Spr 25,4–5 und jMeg 72b,43 kann angenommen werden, dass die Doppelbedeutung des Absonderns von Schlechtem und des Entnehmens von Gutem zur Betitelung des Buches mit ספר ההגו motiviert hat. Diese Deutung gewinnt an Plausibilität, wenn man sich den Kontext, in dem sowohl in 1QSa als auch in CD A vom ספר ההגוdie Rede ist, genauer betrachtet. Während in 1QSa das Unterwiesenwerden im ספר ההגוund in den Satzungen des Bundes den Eintritt in die heilige Gemeinschaft vorbereitet, ist das Ausgewiesensein von Richtern und Priestern im ספר ההגוund in den Fundamenten des Bundes die Voraussetzung für die Konstituierung eines Richtergremiums und einer Lagergruppe. Im ספר ההגוdürften daher nach meinem Dafürhalten für den Jachad gruppenspezifische Verhaltensnormen enthalten gewesen sein (vgl. z.B. 1QS 6,24–7,25; der Grund, warum keine Rolle des scheinbar so wichtigen Werkes ספר ההגוin den Höhlen von Qumran gefunden wurde, könnte darin liegen, dass das Buch mit seinen Bestimmungen in anderen Werken wie z.B. der Gemeinschaftsregel aufgegangen ist), die aus dem Torastudium abgeleitet das Leben in der Gemeinschaft detailliert regelten und die Absonderung von den Frevlern Israels garantieren sollten.
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Bundes nach sich zieht, kann sie nicht eigenmächtig gegen ihr im Schwur ausgedrücktes Versprechen handeln. Die verpflichtende Durchführung ihres Schwurs muss ihr verwehrt werden, worauf ihr nach Num 30,9 auch die Vergebung Gottes für die Nichteinhaltung ihres Schwurversprechens zuteilwerden kann. Bei einem männlichen Schwurleister wird man wohl in gleicher Weise annehmen dürfen, dass dieser die Schwurversprechung, wenn sie die Abwendung von der Tora zur Folge hat, nicht einfach außer Acht lassen und brechen kann. Z. 8 spricht ja gerade in der Weise von einem Sonderfall, nach dem die Unverbrüchlichkeit und die Unauslösbarkeit einer Schwurversprechung auch um den Preis des Todes ausgedrückt ist. Daraus kann man schließen, dass in anders gelagerten Versprechungen durchaus eine Auslösung möglich ist. Ein wiederholter Verweis auf die in Num 30,17 gewährte Weisungsberechtigung des Ehemanns gegenüber seiner Frau bzw. des Vaters gegenüber seinen Kindern findet sich – jedoch ohne direkten Bezug auf das Recht zur Annullierung von Gelübden und Schwüren durch eben diese männlichen Rechtsvormünder – in CD A 7,6–9a (par. CD B 19,2b–5a).68 68 Anders als Num 30,17 liest D nicht בין אב לבתו, sondern בין אב לבנו, was einige Ausleger (Cothenet 1963: 171; Schiffman 2008b: 564) dazu veranlasst hat, den Text in Entsprechung zu Num 30,17 zu emendieren. Die Umstellung des Wortlauts wird allerdings nicht unbedacht gewählt sein. Man wird darin eine Stichwortaufnahme aus der Wendung ואם מחנות ישבו כסרך הארץ ולקחו נשים והולידו בניםin CD A 7,6b–7 sehen dürfen. Wir haben es hier mit einer Sammlung von Belehrungen für die Zeit der Gottlosigkeit innerhalb der Mahnschrift zu tun, die von CD A 6,11b–7,9a reicht. Stökl Ben Ezra 2016: 240 möchte nach CD A 7,6 bereits eine Zäsur sehen, die in den zweiten Teil der Mahnschrift übergeht, aber ich denke, man wird diesen erst nach dem Abschluss der aus Num 30,17 entlehnten Phrase nach CD A 7,9a einsetzen dürfen. Am Beginn dieser Belehrungssammlung werden jene angesprochen, die in den Bund eingetreten sind und sich für ein Leben mit den Brüdern der Gemeinschaft entschieden haben. Es folgt ab CD A 7,6b eine allgemeine Unterweisung für jene, die den Entschluss getroffen haben, in Lagern zu wohnen, sich Frauen zu nehmen und eine Familie zu gründen. Diese Gruppe von Angehörigen der Gemeinschaft, soll sich an die Ordnungen des Gesetzes, die das Zusammenleben zwischen Ehepartnern und anderen Familienangehörigen regeln, halten. Bereits aus dem Makrokontext der Mahnschrift ist zu entnehmen, dass dabei an das Polygamieverbot (CD A 4,20b–5,2a), das Verbot des Beischlafs mit einer Menstruierenden (CD A 5,7; Lev 15,19) und das Verbot, die eigenen Kinder an die Kinder seines Bruders oder seiner Schwester zu verheiraten (CD A 5,7b–11a; Lev 18,13), zu denken ist. Dazu gehört freilich auch Num 30 und seine Unterweisungen zur Annullierung von Schwüren, aber eben nicht ausschließlich. Den zuvor gesammelten Indizien wird man also entnehmen dürfen, dass CD A 7,8–9a nicht als ein direkter Verweis auf das Annullierungsrecht von Vätern und Ehemännern gegenüber rechtsunmündigen weiblichen Familienmitgliedern anzusprechen ist. D entkontextualisiert vielmehr biblische Rechtssprache wie im Fall von Dtn 23,24 in CD A 16,6b–7a oben gezeigt und benutzt diese biblische Phraseologie, um der Schrift auch formell einen autoritativen Charakter zu verleihen.
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Auffällig ist, dass trotz des Bezugs zu Dtn 23,22–24 und Num 30 in CD A 16,6–12 kein Wort über Gelübde ( )נדרverloren wird. Zwar könnte die Phrase מוצא שפתיך תשמורauch auf ein Gelübde Bezug nehmen, doch scheint dem Autor der D-Passage mit der Zitation שבועת אסרaus Num 30,14 eher an einer Engführung statt einer Öffnung der Deutungsmöglichkeiten gelegen zu sein.69 Es dürfte eher nicht an die Verbotsgelübde der rabbinischen Literatur gedacht sein, da die Damaskusschrift eine solche Art von Gelübden erst im Folgeabschnitt ab CD A 16,13 diskutiert. Bezüglich der anfänglich aufgeworfenen Frage, inwieweit CD A 16,6–12 in enger Anlehnung an die Terminologie von Num 30 formuliert, ist folgendes zusammenzufassend festzuhalten. Der Hifil-Stamm der Wurzel קוםwird mit zwei unterschiedlichen Intentionen gebraucht. Bezüglich der Schwüre von rechtsmündigen Personen gilt eine unbedingte, auch unter Erwartung des Todes zu vollziehende Einhaltung der durch den Schwur festgeschriebenen Handlung, soweit sie nicht der Ausführung von Torageboten entgegensteht. Um der Ernsthaftigkeit der Verpflichtung Nachdruck zu verleihen, verwendet der Autor abweichend von Num 30 statt des Verbs אסרden Piel der Wurzel קוםmit folgendem על נפשbzw. עלmit Personal-Suffix und folgendem Infinitiv mit ל, um eine für den Eidleister unumstößliche Ordnung auszudrücken. Mit Bezug auf rechtsunmündige Personen wird der Hifil-Stamm der Wurzel קוםwie in Num 30 als Ausdruck der Bestätigung durch rechtliche Vormünder verwendet. 4.2.2
Bestätigung und Annullierung von Gelübden und Schwüren in der Tempelrolle (11QTa 53,9–54,7a) Ein weiterer Abschnitt aus den Textfunden vom Toten Meer, diesmal eine Partie aus der Tempelrolle (11QTa 53,9–54,7a70), stellt in gleicher Weise wie CD A 16 69 Dass die Gemeinschaft hinter D Gelübde im Allgemeinen abgelehnt hat, wie dies Schiffman 2008b: 570 und Levinson 2013: 54 als Vermutung geäußert haben, wird man daraus nicht schließen dürfen. Dies wird durch den Folgeabschnitt CD A 16,13–19 ersichtlich, der den Missbrauch von Gelübden zwar verurteilt und verbietet, die Gelübdeinstitution an sich aber nicht grundlegend in Frage stellt. Priester sollen keine durch Zwang oder Nötigung erlangten Opfergaben annehmen, freiwillig erworbene bzw. geweihte Gaben – so wird man im Umkehrschluss sagen dürfen – freilich schon. Aus dem Schweigen über Gelübde wie Baumgarten 1996: 66 (Levinson 2013: 53 ebenso) schließen zu wollen, dass „Schwur“ und „Gelübde“ in D nicht trennscharf unterschieden wurden, hält m.E. einer genauen Betrachtung des Textbefundes nicht stand. In gleicher Weise wie schon die Hebräische Bibel spricht CD A 16,6–12 vom Schwur als von einer selbst auferlegten Handlungsverpflichtung und CD A 6,15 und 16,13–18 vom Gelübde als von einer Weihehandlung an Sachgütern. 70 Die Tempelrolle hat nach Maier 1997: 47–51 ihre Endredaktion wohl im 2. Jh. v.u.Z. erfahren. Sie ist als eine (gleichwertige) Torafassung, aber nicht als eine Alternative zur
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einen Zusammenhang zwischen Dtn 23 und Num 30 her. Darüber hinaus werden thematisch passend noch Paraphrasen aus Dtn 12,6.11.26 über das Bringen von Votivgaben an den von Gott erwählten Ort mit eingebunden.71 Anstelle des im Pentateuch zwischengeschalteten Mittlers Mose spricht Gott in 11QTa 53,9–54,7a, wie es auch sonst dem Stil der Tempelrolle entspricht, Israel als direktes Gegenüber an.72 Bei der kompendiumsartigen Zusammenstellung der Verse scheint der 11QTa-Kompilator seine Quellen allerdings nicht einfach nur kopiert zu haben, was im Fall von Dtn 23,23 besonders anschaulich wird. 11QTa 53,12 gibt den Vers mit ואם תחדל ולוא תדור לוא יהיה בכה חטאהwieder. Neben einer stilistischen Anpassung, der Bevorzugung von 73 אםüber כי, nimmt der Autor mit תחדל ולוא תדורanstelle von תחדל לדורeine textliche Umgestaltung vor, die der Präzisierung der Rechtszusammenhänge dienen soll.74 Weitere Tora anzusprechen. Als Offenbarung an Mose ausgewiesen stellt sie eine systematisch strukturierte und komplementierend ausgerichtete Anordnung von verwandten Texten aus dem Pentateuch und der übrigen Tora dar (vgl. Maier 1997: 43–47, bes. 46–47). Stökl Ben Ezra 2016: 219 rechnet die Tempelroll zur Gattung „Rewritten Scripture“ und hält sie für eine „nach Themen geordnete Neufassung der Tora“. Was den Ursprung der Tempelrolle anbelangt, wurden in den letzten Jahrzehnten Zweifel an Yadins Zuordnung der Schrift zum Jachad laut (vgl. Yadin I: 398). Wenn überhaupt, urteilt García Martínez 2000: 174, würde die Schrift in die formative Phase des Jachad und nicht in die Zeit seiner Vollgestalt passen. 71 Da es sich im Fall von 11QTa 53,9–54,7a um die Zusammenstellung biblischer Passagen handelt, die bereits an anderer Stelle übersetzt worden sind, wird hier auf die Darstellung des gesamten Textes und seiner Übersetzung verzichtet. Abweichende Passagen werden dagegen präsentiert und diskutiert. Für Faksimiles beider Kolumnen mit beigefügter diplomatischer Transkription siehe Yadin III Plate 68 und 69. 72 Vgl. Schiffman 2008b: 565 und Stökl Ben Ezra 2016: 219. 73 Schiffman 2008a: 455 charakterisiert die stilistische Anpassung als „modernizing linguistic variation“. Nach Levinson 2013: 3–43 versuchte der Gesetzesausleger von 11QTa den Mangel eines einheitlichen sprachlichen Systems im Pentateuch zu lösen, wobei er u.a. vom inkonsistenten Gebrauch der Konjunktion כיzur Vereinheitlichung animiert wurde. Dabei dürfte auch der Wunsch nach sprachlicher Eindeutigkeit, die sich im Austausch von polysemen mit sinnentsprechenden monosemen Satzbausteinen bemerkbar macht, leitend gewesen sein. Vgl. dafür z.B. auch die Reformulierung von ושמע אביה את נדרה ואסרהin ושמע אביה את נדרה או את האסרin 11QTa 53,17–18. 74 Nach Schiffman 2008b: 566 ist die Textumstellung als „halachic variation“ anzusprechen. Demnach präsentiere der 11QTa-Kompilator eine Ansicht ähnlich der des R. Meir in Sifre Dtn 265 (p. 286 Finkelstein) (vgl. auch bNed 22a; bNed 77b), die das Geloben eines Gelübdes an sich schon für eine Übertretung hält. Er geht sogar so weit, der Textumstellung die Funktion zuzusprechen, Dtn 23,23 dahingehend als ein „negative commandment“ auszuweisen, als wolle der Prätext eigentlich „abstain from vowing“ sagen. Schiffman sieht den Trend, sich von der allgemeinen Gelübdepraxis zu distanzieren bzw. nicht mehr an ihr zu partizipieren, auch durch die Absage vom Schwören, wie sie in Texten wie Bell 2,135, Ant 15,371 und Mt 5,34 dokumentiert ist, bestätigt. Eine solche Rekonstruktion der Sinnzusammenhänge ist allerdings mit einigen Schwierigkeiten behaftet. Zum einen geht es
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Präzisierungen lassen sich in 11QTa 53,17 ausmachen, wo das zum Trennen zweier Alternativen gebrauchte וvon ואסרהaus Num 30,4 als „ אוoder“ gedeutet und אסרה אסרaus eben diesem Vers durch die Präzisierung לעל נפשה … ב�ש „( בועהauf sich … durch einen Schwur“) aus Num 30,11 ergänzt wurde.75 Die Tatsache, dass der Autor von 11QTa 53,16–17 hier die Notwendigkeit einer Präzisierung sah, lässt vermuten, dass die Bezeichnung אסרweder ausschließlich der Kategorie נדרnoch der Kategorie שבועהzugewiesen wurde. Um also auszudrücken, dass mit der Wendung ואסרה אסרnicht einfach nur eine Subkategorie eines Gelübdes angesprochen wird, präzisiert bzw. identifiziert der Autor die Wendung mit der Hinzufügung בשבועה. Wenn אסרals bindende Selbstverpflichtung der Form nach auch als ein Gelübde wahrgenommen werden konnte, dann würde dies die Annahme zulassen, dass der 11QTa-Kompilator um die Praxis der Verbotsgelübde wusste und diese als bereits in der Phrase תדור נדר inbegriffen sah. Darüber hinaus gibt er damit Antwort auf die strittige Frage, ob Schwüre Gegenstand der Annullierung durch einen Vater sein können, oder ob dies nur im Fall von Gelübden möglich ist.76 Neben sprachlichen Präzisierungen tritt die kompilatorische Hand des 11QTa-Autors außerdem durch Textumstellungen hervor. Eine thematisch orientierte Umstrukturierung von Num 30 nimmt er z.B. in 11QTa 53,16–54,3 vor, wenn er das Annullierungsrecht von Vätern und Ehemännern aus Num 30,4–9.11–16 geschlossen abhandelt und erst danach die unbedingte Gültigkeit von durch Witwen oder Geschiedenen geäußerten Gelübden und Schwüren aus Num 30,10 in 11QTa 54,4–5a folgen lässt. Eine weitere Umstellung könnte in den stark zerstörten ersten beiden Zeilen von 11QTa 54 vorgelegen haben. In Anlehnung an Yadin II: 242 könnten die beiden Zeilen wie folgt rekonstruiert werden:77 in Dtn 23,23 nicht um Schwüre, sondern explizit um Gelübde, weshalb die von ihm genannten Texte zur Schwurtabuisierung für die Problembeurteilung wenig aussagekräftig sind. Zum anderen missachtet Schiffman m.E. den eindeutig durch אםausgewiesenen Konditionalcharakter des Rechtssatzes. Was Dtn und 11QTa in etwas präzisierterer Form eigentlich zu verstehen geben, ist, dass die Gelübdeinstitution kein positives Gebot ist. Das Geloben und Darbringen von Votivgaben ist keine von der Tora geforderte Pflicht. Ergo bedeutet eine Enthaltung von der Gelübdepraxis auch nicht, sich mit Schuld zu beladen. Daraus zu schließen, die Partizipation an jeglicher Form der Gelübdepraxis würde bedeuten, sich zu versündigen, ist kein zwingender Rückschluss, den man aus dem Wortlaut der Satzung ziehen kann. 75 Zur Identifizierung von אסרals Schwurkategorie vgl. auch Sif Num § 153 zu 30, (p. 201,2 Horovitz). 76 Eine Baraita in bNed 28b berichtet vom Disput der beiden Lehrhäuser Hillel und Schammai über die Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit einer Schwurannullierung. 77 S teudel 2001: 114 und García Martínez und Tigchelaar 1999: 1274 nehmen Yadins Rekonstruktionsversuche nicht auf und zeigen an dieser Stelle den Textverlust der beschädigten Handschrift an.
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] יו[ם] שו[מעו ונשא את78] ש[מע אישה והפר אותמה אחרי1 ] כול נדר] או כל שבועת א[סר לענות נפש79 עונה א[ם הפר אותמה2 1 H[örte es ihr Ehemann und annulliert sie nach Ablauf des] Ta[ges, an dem er davon] geh[ört hatte, dann trägt er] 2 ihre Schuld, w[enn er sie annulliert hat. Jedes Gelübde] und jeder Enthaltungsschwur, sich selbst zu demütigen Hier zeigt sich, dass er die Verschuldung des Ehemanns aus Num 30,1680 in seiner Wiedergabe noch vor die Verknüpfung von 30,14b mit 30,13bβ אישה „( יקימנו ואישה יפרנו ביום שומעו ואנוכי אסלח להihr Ehemann bestätigt es und ihr Ehemann annulliert es am Tag, da er es hört, und ich werde ihr vergeben“) angesiedelt hat, um womöglich abschließend festzuhalten, dass die Schuld aufgrund der Nichteinhaltung der Selbstverpflichtung nur dann nicht zum Tragen kommt, wenn der Ehemann diese noch am יום שומעוund nicht später annulliert. Eine weitere Besonderheit der kompilatorischen Arbeit des 11QTaAutors ist sein selektives Vorgehen bei der Übernahme des Quellenmaterials. So wiederholt er die in Num 30 dargelegten Rechte des Ehemanns gegenüber seiner Ehefrau, die er mit den Rechten eines Vaters gegenüber seiner Tochter gemeinsam hat, nicht eigens und adaptiert allein Num 30, 13bβ.14 und 16, wobei er sicherlich davon ausgeht, dass sich die Rechte des jeweiligen Vormundes nicht grundsätzlich unterscheiden. Als Abschluss dieses Gelübde- und Schwurkompendiums hat der Autor der Tempelrolle anstelle von Num 30,17 und seiner thematisch orientierten Zusammenfassung über das Annullierungsrecht von männlichen Vormündern gegenüber weiblichen Mündeln die 78 Yadin II: 242 rekonstruiert שומעו ואם הפר אותמה אחרי יום שומעו ונשא את, wobei er שומעוnoch zur vorausgehenden Sinneinheit כי הניאהzählen möchte. In dieser Form ist der syntaktische Zusammenhang von הניאה שומעו, was Yadin mit „(her father) opposed her [that he] hea[rd (of them)“ wiedergibt, allerdings äußerst erklärungsbedürftig. Allenfalls wäre „ הניאה בשומעוer wies sie ab, als er es hörte“ denkbar, aber dafür fehlen Hinweise auf ein dem שvorgeschaltetes בam Anfang von 11QTa 54,1. Qimron 1996: 78 (so auch in 2010: 193) rekonstruiert am Anfang von 11QTa 54,1 ebenfalls שומעו, fährt aber dann in Anlehnung an Num 30,16 mit „ ואם הפר יפרמה אישה אחריund wenn ihr Mann sie ausdrücklich annulliert nach Ablauf“ fort. Es ist aber eher denkbar, dass bereits mit dem Beginn von 11QTa 54,1 die Bestätigungs- und Annullierungsrechte des Ehemanns einsetzten. 79 Yadin II: 242 und Qimron 1996: 78 (so auch in 2010: 193) rekonstruieren [א[ישה הפרמה. Yadin gibt die Phrase dabei mit „[for her] hus[band has made them void …]“ wieder. Auch hier halte ich die Rekonstruktion aufgrund des Mangels eines syntaktischen Verbinders für unwahrscheinlich. Der 11QTa-Kompilator ist in seiner argumentativen Struktur äußerst präzise und hätte in dem Fall כי אישה הפרמהgeboten. 80 Dies legt zumindest das am Anfang von 11QTa 54,2 eindeutig zu lesende עונהnahe.
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Textsicherungsformel aus Dtn 13,1, nichts zu den Ordnungen hinzuzufügen oder wegzulassen, gewählt. Über die soeben beschriebenen textlichen Anpassungen und stilistischen Verbesserungen hinaus werden jedoch keine weiteren interpretierenden Glossen in den Text eingefügt. Eine präzise Altersbestimmung bzw. Altersbegrenzung für weibliche Mündel oder eine Einschränkung, gewisse Fälle von der Möglichkeit der Verwehrung eines Gelübdes oder Schwurs auszunehmen, wie sie in D oder in der rabbinischen Literatur dokumentiert sind, trifft der Text nicht. Er orientiert sich strikt an seiner Vorlage und beschränkt sich auf sprachliche Glättungen und Präzisierungen. 4.2.3
Bestätigung und Annullierung von Gelübden und Schwüren in 4QInstructionb (4Q416 2 iv 6–11) Die dritte Passage aus dem Textcorpus der am Toten Meer gefunden Schriftrollen, die die Annullierung von Gelübden zum Thema macht, lässt sich in der Weisheitsschrift 4QInstructionb, genauer in 4Q416 2 iv 6–11, ausmachen.81 ]ב[רוחה ]…[ 6 ] המשילך להתהלך ברצונכה ולא להוסיף נדר ונדב[ה7 ] השב רוחכה לרצונכה וכל שבועת אסרה לנדר נד[ר8 ] הפר על מוצא פיכה וברצונכה הניא[ה מב]ל[י עשות מוצא9 82] [ שפתיכה סלח לה[ ]למענכה אל תרב10 ] [ כבודכה בנחלתכה11 81 Ob 4QInstr zu den Schriften des Jachad gezählt werden kann, ist in den vergangen Jahren kontrovers diskutiert worden. Dimant 2009: 79–81 hat versucht, anhand eines Vergleichs geprägter Begriffe und Wendungen, die sowohl in 4QInstr als auch in eindeutig der Jachad-Gruppe zuzurechnenden Schriften vorfindlich sind, einen Ursprung der Weisheitsschrift in selbiger wahrscheinlich zu machen. Die Frage nach einer möglichen Herkunft des 4QInstr-Autors aus dem Kreis des Jachad haben außerdem Kister 2009: 304–307 und Jefferies 2002: 59–61 positiv beantwortet. Gegen eine Herkunft aus dem Jachad haben sich Lange 1995: 48–49, Frey 1999: 60 und Goff 2013: 27 ausgesprochen. Das Fehlen jachadischer Gemeindeterminologie (z.B. )מבקרund fehlende Hinweise auf eine in Opposition zum Tempelbetrieb stehende Gruppe würden eine Abfassung im Jachad äußerst unwahrscheinlich machen. Nach Frey 1999: 60–61 wird 4QInstr allenfalls als vorjachadisch anzusprechen und ungefähr zeitgleich mit Ben Sira am Ende des 3. bzw. am Anfang des 2. Jh. v.u.Z. entstanden sein. Tigchelaar 2001: 247 rechnet 4QInstr zur selben Gruppe, die auch hinter den Passagen 1QS 3,13–18 und 4,15–26 der Zwei-Geister-Lehre steht. Da 1QHa, im Speziellen 1QHa 5, nach Tigchelaars Ansicht von 4QInstr abhängig ist, wird man, ganz ähnlich wie Frey vor ihm vorgeschlagen hat, mit einer Entstehung im 2. Jh. v.u.Z. rechnen müssen. Es kann auf jeden Fall angenommen werden, dass die Schrift hohes Ansehen im Jachad genoss, was an der Aufnahme anthropologischer und eschatologischer Vorstellungen in späteren jachadischen Schriften offenkundig wird (vgl. dazu Frey 1999: 61–66). 82 Heger 2015: 2018 sieht hinter dem Wortlaut eine klare Anspielung auf Gottes Anklage כי „( שמעת לקול אשתךweil du auf die Stimme deiner Frau gehört hast“) im Zusammenhang
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6 […] Über [ihren Geist] 7 hat er dich verfügen lassen, um zu wandeln nach deinem Wohlgefallen und nicht hinzuzufügen Gelübde und freiwillige Gab[e].83 8 Wende deinen Geist zu deinem Wohlgefallen.84 Und jeder Schwur ihrer Bindung, zu geloben ein Gelübd[e], 9 sollst du annullieren durch das, was aus deinem Mund hervorgeht. Und nach deinem Wohlgefallen weise sie ab, ohne etwas über 10 deine Lippen gehen zu lassen. Er vergibt85 ihr um deinetwillen. Vermehre nicht[] 11 deine Ehre in deinem Erbteil [] Anders als CD A 16,6–12 begrenzt 4Q416 das Aufhebungs- und Bestätigungsrecht eines Ehemanns im Umgang mit den Gelübden und Schwüren seiner der Sündenfallgeschichte in Gen 3,17, den ich aber bei bestem Willen nicht erkennen kann. 83 In Z. 7 schließen García Martínez und Tigchelaar 1999: 853 die Sinneinheit des ersten Satzgefüges nach לא להוסיףab und weisen נדר ונדבהdem Imperativ השבaus Z. 8 zu. Problematisch dabei ist, dass dem bivalenten Verb להוסיףdamit das Objekt fehlt, das benennen würde, welches „hinzufügen“ genau untersagt wird. Will man hinter להוסיף keinen abrupten Abbruch des Gedankengangs vermuten, dann wird man להוסיףdie beiden Nomen נדר ונדבהals direkte Objekte zuordnen müssen. Diese Rekonstruktion hätte auch im Vergleich mit 4QSd (4Q258) 1,12, wo den Gegnern der Gemeinschaft der leichtfertige Gebrauch von Schwüren und Gelübden zur Last gelegt wird, ein gewisses Maß an Kontextplausibilität. 84 Strugnell, Elgvin und Harrington 1999: 125 geben השבmit „turn“ wieder und emendieren רוחכהzu „ רוחהihren Geist“. Dabei wäre ausgedrückt, dass die Ehefrau dahingehend zu beeinflussen ist, sich von ihrer Absicht zu distanzieren und auf die Durchführung ihrer Selbstverpflichtung zu verzichten. Maier 1995: 434 gibt die Phrase השב רוחכהmit „halte zurück deinen Geist“ wieder, was zur Warnung in 4Q416 2 ii 6–7 passen würde, den Geist nicht zu schädigen. Wodurch aber die Zurückhaltung begründet wäre und vor wem oder was sich der Ehemann hier in Acht nehmen soll, bleibt unklar. Die oben gewählte Übersetzung gründet sich auf Beobachtungen zur vergleichbaren Formulierung רצון רוחו „Wohlgefallen seines Geistes“ aus CD A 3,3. Die Phrase drückt dort ein der Einhaltung der Gesetze zuwiderlaufendes Verhalten aus, was sich auf der Durchsetzung des eigenen Willens gründet. Den „Geist nach seinem Wohlgefallen auszurichten“, meint dann in 4Q416 2 iv 8, sein Handeln – in dem Fall die Annullierung oder Bestätigung der Selbstverpflichtung der Ehefrau – frei nach seinem Willen zu bestimmen. Zur Bestimmung des רוחim Menschen vgl. Tigchelaar 2016: 628–629. 85 סלח להdürfte als Allusion auf Num 30,13 zu verstehen sein und das Vergeben ihrer Schuld durch Gott meinen, weil sie ihr Gelübde nun nicht mehr ausführen kann. Als Aufforderung an den Ehemann, seiner Frau den Umstand zu vergeben, dass sie ein Gelübde ausgesprochen hat, wird man die Wendung nicht verstehen dürfen. Worin sollte denn auch die Schuld bestehen, die ihr ihr Mann vergeben müsste? Ausleger wie Strugnell, Elgvin und Harrington 1999: 125, Goff 2013: 120 und Heger 2015: 206 lesen סלחdagegen als eine auf den Ehemann gerichtete Imperativform.
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Ehefrau nicht. M. Goff meint eine Reihe von Unterschieden zwischen 4Q416 und Num 30 ausmachen zu können, die zusammengenommen im Vergleich mit Num 30 die Rechte des Ehemanns gegenüber seiner Frau stärken und erweitern.86 Dazu zählt er, dass 4Q416 das Annullierungsrecht nicht vom Inhalt der Selbstverpflichtung abhängig macht87 und die Annullierungsmöglichkeit am ( יום שמעוNum 30,9.15) nicht zeitlich begrenzt. Wie diese Unterschiede zu bewerten sind, hängt davon ab, welche Verwendungssituation und welche Pragmatik wir 4Q416 2 iv 6–11 beimessen. Die weitreichenden Schlussfolgerungen, die Goff aus dem Schweigen über spezifische Richtlinien aus Num 30 in 4Q416 zieht, könnten die Vermutung nahelegen, dass die in Num 30 festgelegten Annullierungsrechte des Ehemanns durch die Richtlinien in 4Q416 2 iv 6–11 neu bewertet oder sogar ersetzt werden sollten. Allerdings deutet nichts in 4QInstr darauf hin, dass ein solcher Anspruch gegenüber der Tora geltend gemacht werden soll.88 4Q416 2 iv 6–11 wird eher als Präzisierung und Konkretisierung89 von Num 30 vor dem Hintergrund der Adressatensituation anzusprechen sein, die der Autor wiederholt als ein Leben in Armut90 oder zumindest am Rande 86 Vgl. Goff 2013: 133. 87 Wie dies z.B. Num 30,14 im Fall des demütigenden Charakters der Selbstverpflichtung oder CD A 16,12 bei zu befürchtender Übertretung des Bundes vorsieht. 88 Ganz grundsätzlich lässt sich festhalten, dass im Vergleich mit anderen nichtbiblischen Schriften aus Qumran eine Seltenheit an Rechtsterminologie auszumachen ist, was eine Beurteilung der Stellung von 4QInstr zur Mosetora schwierig macht. Der Tora-Begriff fehlt gänzlich. מצוהlässt sich nur dreimal, משפטdagegen 30- und חוק12-mal ausmachen (vgl. Strugnell, Elgvin und Harrington 1999: 27). Es finden sich mit der Verwendung der Begriffe „( מביןein Verständiger“; vgl. 4Q416 4 3 und Spr 28,7), ( אוילvgl. 4Q418 69 ii 4–5 und Spr 10,21), „( עצלfaul, träge“; vgl. 4Q418 55 11 und Spr 6,6–9; 10,26 u.ö.), den Wendungen „( הוסף לקחmehre Wissen“; vgl. 4Q418 81 17 und Spr 1,5) und „( חכם לבweisen Herzens“; vgl. 4Q418 81 20 und Spr 16,21) vermehrt Anlehnungen an das Buch der Sprüche. Gerade im Fall des מביןhält Spr 28,7 fest, dass diesen Titel all jene verdienen, die die Tora behüten. 4QInstr fußt also auf den Weisheitstraditionen der hebräischen Bibel, die sich selbst als Wegweiser zu einem toratreuen Leben verstehen. Außerdem lassen sich neben der Adaption von Num 30 in 4Q416 2 iv 6–11 auch Bezüge zur Genesis ausmachen. So verarbeitet 4Q416 2 iv 1 höchst wahrscheinlich Gen 2,24 und 4Q416 2 iii 21 mit עזר בשרכה sicherlich Gen 2,18, um die alleinige Vormundschaft des Ehemanns über seine Frau zu begründen. In diesem Zusammenhang hält Harrington 1997: 249 fest: „Since wisdom is Torah, then Torah can be used in formulating wisdom instructions“. Vor dem Hintergrund der soeben versammelten Indizien und Überlegungen halte ich Goffs Deutung einer Ausweitung bzw. Neudefinierung der Rechte des Ehemanns aus Num 30 in 4Q416 2 iv 6–11 eher für unwahrscheinlich. Zum Verhältnis von Tora und Weisheit in jüdischen Schriften aus der Zeit des Zweiten Tempels vgl. auch 4Q525 2 ii 3 sowie zum Ganzen der Schrift Uusimäki 2016: 178–180; Schipper und Teeter 2013; sowie Collins 2017: 80–97. 89 Jefferies 2008: 87 spricht z.B. von „extension of biblical ideals“. 90 Vgl. z.B. 4Q415 6 2; 4Q416 2 ii 20 und 4Q416 2 iii 2.
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der Mittellosigkeit ausweist.91 Um die angespannte ökonomische Situation nicht durch innerfamiliäres Verschulden zu verschlimmern, ist der Adressat angehalten, seiner Vormundschaft gegenüber den Mitgliedern seiner Familie, besonders gegenüber seiner Frau, in wirtschaftlichen und monetären Belangen gerecht zu werden. Die Weisheitsschrift konkretisiert diesen an den männlichen Vormund gerichteten Anspruch, indem sie ihn freistellt, die Gelübde seiner Frau nach Belieben zu annullieren. Dem Weisheitslehrer zufolge gehören dazu sowohl bedingte Selbstverpflichtungen ( )נדרals auch freiwillige Gaben ()נדבה, aber auch jeder durch Gelübde geäußerte Enthaltungsschwur ()כל שבועת אסרה לנדר נדר. Die Wendung, die zur Bezeichnung dieser speziellen Form des Enthaltungsschwurs gebraucht wird, dürfte eine Reformulierung von „( השבע שבעה לאסר אסרeinen Schwur schwört, sich durch eine Bindung zu binden“) aus Num 30,3 sein. In 11QTa 53,17 konnte die Intention nachgewiesen werden, mit der dort getroffenen Präzisierung ואסרה אסר … בשבועה, die Wendung שבועת אסרהnäher zu qualifizieren. Dass es sich hierbei im Grunde genommen nicht um einen promissorischen Schwur handelt, geht von der Näherbestimmung לנדר נדרaus. Anders als z.B. in CD A 16, wo ausschließlich die rechtlichen Implikationen der Schwurannullierung ins Auge gefasst werden und das Recht dazu unter bestimmten Umständen begrenzt wird, geht es in 4QInstr in erster Linie um die Annullierung von Gelübden.92 Ob es sich hierbei um die Verbotsgelübde der rabbinischen Literatur handelt, mit denen Mischna und Tosefta Nedarim fast ausschließlich befasst sind, lässt sich schwer beurteilen. Entspricht die Annahme, es handele sich in 4Q416 2 iv 6–11 um eine Präzisierung der verschiedenen Gelübdeformate, die unter Umständen eine ökonomische Belastung für die Familien darstellen, wirklich der Aussageabsicht des 4QInstr-Autors, dann kann bei so bezeichneten Enthaltungsgelübden vielleicht an ähnliche Szenarien wie in mNed 11,4.11 oder in tNed 7,193 gedacht sein. Dort wird das Annullierungsrecht des Ehemanns auf der Grundlage einer Selbstkasteiung der Ehefrau ( )עינוי נפשoder einer sich zwischen beiden Partnern abspielenden Angelegenheit ()בינו לבינה 91 4Q416 2 iv 6–11 spricht das Thema der Armut nicht explizit an, doch wird das Thema „Familie und Ehe“, zu dem auch der Abschnitt über das Annullierungsrecht des Ehemanns gehört, in 4Q416 2 iii 20b mit den Worten [„( אשה לקחתה ברישכהWenn] du eine Frau in deiner Armut nimmst“) eingeführt. Zum Phänomen der Armenfrömmigkeit in den Weisheitstexten aus Qumran vgl. Fabry 2003. 92 Welchen Standpunkt der Weisheitslehrer bezüglich der Annullierung von Schwüren vertritt, wird nicht ausgesagt und muss unklar bleiben. Heger 2015: 219 sieht 4QInstr dagegen in einer Linie mit Num 30, wo dem Ehemann keine Einschränkungen seines Annullierungsrechts in Bezug auf Gelübde und Schwüre auferlegt werden. 93 Eine Auflistung ehelich verpflichteter Arbeitsleistungen einer Ehefrau bieten mKet 4,5.9; 6,1.
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in Fällen ausgelotet, in denen die Ehefrauen versuchen, gewissen, zum familiären Auskommen beitragenden Handarbeiten durch Gelübde zu entsagen. So gelesen dürfte also auch bei dieser Form von Gelübden mit der Gefahr von wirtschaftlichen Einbußen gerechnet worden sein. Das Recht, diese zu annullieren, wird dem Ehemann in 4Q416 2 iv 6–11 ausdrücklich zugesagt. Bestätigung und Annullierung von Gelübden nach dem Zeugnis der rabbinischen Traditionsliteratur Die tannaitische Literatur führt neben dem Recht der Väter und Ehemänner, die Gelübde ihrer Töchtern und Ehefrauen zu verwehren und zu annullieren (Num 30; mNed 10), mit der Möglichkeit des „ פתחAuswegs“ aus einem bestehenden Gelübde ein Novum im Bereich der Gelübdeannullierung ein,94 das so weder in den Schriften der Hebräischen Bibel noch in der jüdischen Literatur aus römisch-hellenistischer Zeit bezeugt ist. Die Auflösung wird auf der Grundlage einer von einem Weisen95 durchgeführten Befragung vollzogen, die als חקירת חכםbezeichnet wird. Die Befragung selbst wird nach einem festgesetzten Muster vollzogen, bei dem ein Gelehrter in der durch אילו היית יודע („wenn du gewusst hättest“) eingeleiteten Protasis den Votanten fragt, ob er sich zum Zeitpunkt, da er das Gelübde ablegte, der nun aufgetretenen Konsequenzen bewusst war. War er sich dieser nicht bewusst, so antwortete er wie im Fall eines Mannes in mNed 9,9, dessen nicht näher beschriebenes Gelübde zur Auflösung der Ehe hätte führen müssen, mit אילו הייתי יודע שהוא כן לא הייתי „( נודרWenn ich gewusst hätte, dass es sich so verhält, dann hätte ich nicht gelobt“). Die so geartete Befragung durch einen Gelehrten trägt dem Umstand Rechnung, dass die Intention des Gelobenden für den bindenden Charakter des Gelübdes entscheidend war. Wenn sich herausstellt, dass die Obligationen des Gelübdes den Gelobenden zu einem Zuwiderhandeln gegen seine eigentliche Intention verpflichten, steht es ihm frei, eine Entbindung von diesen Gelübdeobligationen bei einem Gelehrten zu ersuchen. Die Möglichkeiten, auf deren Grundlage ein Ausweg aus einem Gelübde eröffnet werden konnte, 4.3
94 Selbst die Tannaiten sind sich nach mHag 1,8 darüber im Klaren, dass die Entbindung von Gelübden durch einen Gelehrten keine rechtliche Grundlage in der Tora besitzt. Die späteren Amoraim in bNed 21b erörtern die Frage, inwieweit das Recht der Gelehrten, einen Ausweg aus einem Gelübde zu eröffnen, allein mit Bezug auf die in mNed 3,1 beschriebenen Gelübde zur Anspornung, der Übertreibung, des Irrtums und des Zwangs besteht. 95 Die Selbstbezeichnung חכםbzw. חכמיםkönnte Zeugnis dafür sein, dass sich die Rabbinen als Tora-Gelehrte in einer Linie mit Weisheitslehrern Israels wie z.B. Ben Sira, der Weisheit mit dem Tun der Tora gleichsetzt (vgl. Ben Sira 19,20 𝔊) bzw. Tora und Weisheit miteinander identifiziert (vgl. Ben Sira 24,23 𝔊), verstanden wissen wollten. Vgl. zur rabbinischen Selbstwahrnehmung als Weise Israels auch Hezser 1997: 130–137.
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wurden allerdings von den Rabbinen begrenzt und klar definiert. So benennt mNed 9,9 die Möglichkeit ein Gelübde aufgrund der Gefahr einer Schmähung des Gelobenden und seiner Kinder aufzulösen. Ferner besteht die Möglichkeit des Auswegs aus einem Gelübde in Fällen, in denen die Fest- und Feiertagsfreude in Gefahr ist (mNed 9,6), oder der Gelobende am Erfüllen eines der Gebote der Tora gehindert wird (mNed 9,4). mNed 9,1 verhandelt darüber hinaus noch die Frage nach der Möglichkeit, bei Gefahr der Entehrung der Eltern einen Ausweg aus einem Gelübde zu eröffnen. Wenn der Gelobende um einen Ausweg bei einem Gelehrten ersucht und beide darüber übereinkommen, entbindet ( ;להתירvgl. mNed 9,4) dieser in von seiner Verpflichtung. Mit Blick auf Philo, Hyp 7,596 lässt sich aus diesem Befund entnehmen, dass die Rabbinen mit ihrem Führungsanspruch über Israel hier in priesterlicher Autorität auftretend das Recht zur ἔκλυσις bzw. „( התרהEntbindung“) von Gelübden für sich beanspruchten. Anders als Benovitz meint,97 taten sie dies allerdings nicht, indem sie Gott als besänftigt erklärten. Vielmehr behalfen sie sich dabei mit dem juristischen Kunstgriff einer gesetzlichen Fiktion, wobei sie mit hypothetischen Fragen das Gelübde retroaktiv für nichtig erklärten. Beantwortete der die Rabbinen um Hilfe Ersuchende die Frage, ob er sein Gelübde unter den ihm nun ersichtlichen Konsequenzen überhaupt abgelegt hätte, mit „nein“, wurde das Gelübde so angesehen, als ob es nie abgelegt worden wäre. Im Unterschied zur Verwehrung der Ausführung einer Gelübdeversprechung durch einen Vater ( )הניאin Num 30,5 bedarf es deswegen auch im Fall einer Entbindung durch einen Gelehrten nicht der Vergebung Gottes, weil das Gelübde für nichtig angesehen wird. Dabei war nach manchen Rabbinen die Entbindung von Gelübden selbst in Fällen möglich, in denen sich die Intention des Gelobenden nach der Inauguration des Gelübdes gewandelt hatte (tNed 5,1). 4.4 Zusammenfassung Bezüglich des in Num 30 männlichen Vormündern gewährten Rechts, Schwüre und Gelübde ihrer weiblichen Mündel zu annullieren, hat die Untersuchung von CD A 16,6–12, 11QTa 53,9–54,7a und 4Q416 2 iv 6–11 gezeigt, dass trotz der Ausführlichkeit, mit der Num 30 die rechtlichen Kompetenzen auslotet, bei späteren Rezipienten ein Bedürfnis nach Präzisierung und Konkretisierung entstand. Besonders offenkundig wurde, dass bezüglich des Begriffs אסרdie Frage erörtert wurde, inwieweit es sich hierbei um ein Gelübde oder vielmehr um einen Schwur gehandelt haben soll. Diese Frage musste gelöst werden, weil 96 Vgl. oben 3 2.2.1.1. 97 Vgl. Benovitz 1998: 162.
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das Schwur- und Gelübdewesen Formen ausbildete, die אסרsowohl mit dem einen als auch mit dem anderen identifizierbar machen konnten. Somit verwundert es nicht, dass 11QTa 53,17 das mit אסרbezeichnete Verbot dem Schwur zurechnet und 4Q416 2 iv 8 es dem Gelübdewesen zuordnet. Ähnlicher Klärungsbedarf dürfte in der Frage der Beschränkung des Annullierungsrechts bei speziellen die Gebote der Tora oder den Bund der Jachad-Gruppe betreffenden Schwüren bestanden haben. Während sich 11QTa 53,9–54,7a und 4Q416 2 iv 6–11 allein auf Num 30 fokussieren und darüber hinaus keine weiteren Einschränkungen erlassen, geht CD A 16,6–12 vor dem Hintergrund von Dtn 23,24 von der grundsätzlichen Unverbrüchlichkeit eines Schwurs aus. Für den Gesetzesausleger hinter CD A 16 tritt das Gesetz in der kanonisch gewordenen Gestalt des Pentateuchs hervor und muss deswegen auch vor dem Hintergrund dieser Einheit gelesen und interpretiert werden, weshalb sich Num 30 auch am Grundsatz von Dtn 23,24 messen lassen muss. Die rabbinische Traditionsliteratur bezeugt gegenüber der Tempelrolle als Toraneufassung und den Auslegungsversuchen von Num 30 in CD A 16,6–12 und 4Q416 2 iv 6–11 ein Novum im Umgang mit Gelübden rechtsmündiger Männer. Mit dem Kunstgriff einer gesetzlichen Fiktion wird der gelobenden Person nach der Befragung durch einen Weisen ein Ausweg aus ihrem Gelübde eröffnet, wodurch das Gelübde angesehen wird, als ob es nie gesprochen worden wäre. Hierbei lässt sich eine gewisse sachliche Nähe zu Philos Zeugnis vom Annahmeverzicht von Votivgaben durch Priester in Hyp 7,3–5 (vgl. unten 3 2.2.1.1) sehen, weshalb man in der Gelübdelösungsgewalt der Rabbinen sicherlich auch eine Übernahme von priesterlichen Kompetenzen sehen darf.
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Gelübde als bedingte Votivgabenweihe 1
Gelübde als bedingte Votivgabenweihe nach dem Zeugnis der Hebräischen Bibel
Das Bittgelübde Jakobs in Gen 28,20–221 1.1 Die Geschichte von Jakobs Traum von der Himmelsleiter in Gen 28 und die daraus resultierende Auffindung der heiligen Stätte ist die „Kultätiologie des Heiligtums von Bet-El“.2 Von der Epiphanie JHWHs überwältigt, legt Jakob an der Stelle, auf der er sein Nachtlager aufgeschlagen hat, ein feierliches Gelübde ab. הֹולְך ֵ ֔ ׁשר ָאנ ִ ֹ֣כי ֣ ֶ ּוׁש ָמ ַ֙רנִ ֙י ַּב ֶ ּ֤ד ֶרְך ַהּזֶ ֙ה ֲא ְ ֹלהים ִע ָּמ ִ ֗די ִ֜ ה ה ֱא ֶ֙מר ִאם־יִ ְ י ֹ ֑ וַ ּיִ ַ ּ֥דר יַ ֲע ֖קֹב ֶנ ֶ�֣דר ֵלא20 22 אֹלהים׃ ֽ ִ הו֛ה ִ ֖לי ֵל ָ ְל־ּב֣ית ָא ִ ֑בי וְ ָהָי֧ה י ֵ וְ ַׁש ְב ִ ּ֥תי ְב ָׁש ֖לֹום ֶא21 ּובגֶ ד ִל ְל ּֽבֹׁש׃ ֥ ֶ ן־לי ֶל ֶ֛חם ֶל ֱא ֖כֹל ֥ ִ וְ ָנ ַֽת ִ ֔ ׁשר ִּת ֶּת ֣ ֶ ֹלהים וְ כֹל֙ ֲא ֑ ִ ּתי ַמ ֵּצ ָ֔בה יִ ְהֶי֖ה ֵּב֣ית ֱא ֙ ִ ר־ׂש ְמ ַ֙ וְ ָה ֶ ֣א ֶבן ַה ּ֗ז ֹאת ֲא ֶׁש ן־לי ַע ֵ ּׂ֖שר ֲא ַע ְּׂש ֶ ֥רּנּו ָ ֽלְך׃
20 Und Jakob gelobte ein Gelübde: Wenn Elohim mit mir sein wird und mich auf diesem Weg bewahren wird, auf dem ich gehe, und mir Brot zu essen gibt und Kleidung anzuziehen 21 und ich unversehrt zum Haus meines Vaters zurückkehren werde, dann wird JHWH mir zu Elohim 22 und dieser Stein, den ich als Steinmal aufgestellt habe, wird Elohims Haus sein. Alles aber, was du mir geben wirst, werde ich dir gewiss verzehnten. Das mit Abstand längste Gelübde der Hebräischen Bibel weist in seiner Textgestalt einige sprachliche und kontextuelle Spannungen auf. Diese gelten als Indizien dafür, dass die bedingte Selbstverpflichtung Jakobs der Form nach kein konventionalisiertes Formular eines Reisebittgelübdes darstellt bzw. einem solchen entlehnt wurde, sondern als ein literarisches Konstrukt anzusehen ist.3 Dabei legt das Fehlen einer narrativen Exposition die Vermutung nahe,
1 Blum 1984: 97 hält für die Datierung der Überlieferungsschicht des Gelübdes einen terminus ad quem im zweiten Drittel des 7. Jh. v.u.Z. für wahrscheinlich. Da die Diskurse zum Gelübde aus der Zeit des Zweiten Tempels das Gelübdeformular nicht mehr narrativ verarbeiten, soll hier das Jakobsgelübde, auch wenn es nicht mehr in die für diese Arbeit zeitlich relevanten Grenzen fällt, als anschauliches Beispiel eines bedingten Bittgelübdes vorgestellt werden. Zur Stellung des Gelübdes in der Jakobüberlieferung vgl. Blum 1984: 88–98. 2 Keel u.a. 1984: 299. 3 Vgl. Richter 1967: 43 und Westermann 1981: 558.
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dass das Gelübde als Ganzes eine nachträgliche Ergänzung ist.4 Die Funktion dieser Ergänzung besteht in der Legitimation zentraler Kultvorgänge wie das Ablegen von Gelübden und das Verzehnten des Ernteertrages am Heiligtum des Nordreiches.5 Darüber hinaus wird die Uneinheitlichkeit des Gelübdetextes in Vers 22b, dem Nachtrag des so schon überladenen Gelübdes, ersichtlich, wo plötzlich ein Wechsel von der zuvor gebrauchten dritten Person Singular in die direkte Anrede an JHWH vorgenommen wird. Weitere Probleme bereitet die Aussage in 28,17 „( המקום הזה אין זה כי אם בית אלהיםdieser Ort ist nichts anderes als das Haus Gottes“) und die spätere Formulierung des Gelübdes in 28,22a, dass das aufgestellte Steinmal ein Haus Gottes sein wird. Aus religionsgeschichtlicher Perspektive ist zudem zu fragen, ob ein Gelübde im Kontext der Nomadenreligion des Jakob, zu der sicher das Aufrichten heiliger Steine,6 jedoch nicht das Errichten von Tempeln passt, eine so geartete Versprechung zum Inhalt haben kann. Bei der Frage nach der Abgrenzung von Gelübdeeinleitung, -bedingung und -versprechung wird in der Fachliteratur besonders der Übergang von der Protasis zur Apodosis kontrovers diskutiert. Während Forscher wie B. Jacob7 und C. Westermann8 dafür plädieren, den Trenner nach 28,21a zu setzen, grenzen J. Fokkelman9 und H. Tita10 die Protasis von der Apodosis nach 28,21 ab. Wie E. Blum richtig feststellt, ermangelt das Gelübde hinsichtlich seiner Abgrenzung formaler und sprachlicher Kennzeichnung.11 Ferner kann es nur bedingt hilfreich sein, angesichts der schon angedeuteten sprachlichen Uneinheitlichkeit des Gelübdes, Tempusgebrauch und Wortstellung für eine mögliche Einteilung des Gelübdeformulars geltend zu machen.12 Aus diesem Grund soll nach inhaltlichen Anhaltspunkten gefragt werden, die den Übergang zur Apodosis anzeigen. Die Annahme, Vers 28,21b sei als Zusammenfassung und Abschluss der zuvor genannten Bedingungen zu interpretieren und somit durch „und (wenn also) JHWH mir Gott sein wird“13 wiederzugeben, scheitert am parataktischen Stil der Sätze, weshalb Tita eine weitere Bedingung „und JHWH mir Gott sein wird“ folgen lässt.14 Im Vergleich mit den zuvor genannten 4 Vgl. Richter, 1967: 44–45. 5 Vgl. Am 4,4. 6 Vgl. Blum 1984: 96. 7 Jacob 2000: 584. 8 Westermann 1981: 550.559. 9 Fokkelman 1975: 74–76. 10 Tita 2001: 57–58. 11 Vgl. Blum 1984: 89. 12 So aber Fokkelman 1975: 74–76, dem Blum 1984: 89 Anm. 3 zu Recht widerspricht. 13 So Volz und Rudolph 1933: 75 Anm. 1. 14 Vgl. Tita 2001: 50.
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Konditionen stellt sich zudem die Frage, was diese Bedingung austragen soll. Um das Problem einer möglichen Erweiterung der Bedingungssätze erhellen zu können, sei nochmals auf den Beginn der Protasis hingewiesen. Die erste durch אםeingeleitete Bedingung, Gottes Beistand zu erfahren, wird für Jakob erst durch die Erfahrung von Schutz, materieller Versorgung und körperlicher Unversehrtheit greifbar, sodass man eigentlich mit Westermann von einer einzigen, aber erweiterten Bedingung sprechen kann.15 Als sperrig würde dann 28,21b im Raum stehen bleiben. Da Tita im Fortgang seiner Untersuchung um diese Feststellung nicht herumkommt, ist er gezwungen, den Vers entgegen seiner parataktischen Angliederung wieder als theologisches Resümee und Rahmenelement zu verstehen, das eine stilistische Inklusion ergeben soll.16 Versteht man aber 28,21b als Beginn der Apodosis, so korreliert der Teilvers mit 28,20bα und erfährt seine Entfaltung in der Zusage der Tempelgründung und der Versicherung der Opferkultinstallation. Der einen erweiterten Bedingung steht also eine erweiterte Versprechung gegenüber. Diese Deutung wird durch das Gelübde in 2. Sam 15,7–9 „Wenn JHWH mich wahrhaftig nach Jerusalem zurückbringt, dann werde ich JHWH dienen“ gestützt. ועבדתי את יהוהwird dann in 2. Sam 15,12 durch den Kultakt „( בזבחו את הזבחיםals er die Opfer schlachtete“) in ähnlicher Weise entfaltet wie והיה יהוה לי לאלהיםdurch das Versprechen des Tempelbaus und der Opferung am Tempel in den daran anschließenden Versen. Schließlich ist hervorzuheben, dass 21b als geprägte Wendung ein Bestandteil der Bundesformel ist,17 womit Fokkelmans Vorwurf der Hybris18 gegenstandslos wird. Wenn man zudem an die schwer miteinander zu vereinbarenden Verse 28,17 und 22a denkt und an die Tatsache, dass die Verse 28,20–21 ohne Weiteres ein eigenständiges Gelübde darstellen, das seinen „Sitz im Leben“ beim Aufbruch von Reisenden gehabt haben könnte, erhärtet sich der Eindruck, 28,21b als Beginn der Apodosis des Gelübdes in seiner Endtextgestalt anzusehen. Dass der Inhalt der an Jakob ergangenen Verheißung (28,15) und der Inhalt des Gelübdes (28,20.21a) einander gleichen, ist dagegen kein Indiz für Inkohärenz, sondern dient als Stilmittel der Wiederholung der Verknüpfung des Gelübdes mit seinem Kontext. Die mit אםeingeleitete Protasis expliziert Bedingungen, die Jakob in 28,15 bereits als Verheißungen von JHWH zugesprochen wurden. „( אנכי עמךich will mit dir sein“) wird dort als Beistand JHWHs auf dem Weg und als die von ihm gewährte Garantie der Rückführung 15 Vgl. Westerman 1981: 559. 16 Vgl. Tita 2001: 58. 17 Vgl. Blum 1984: 89–90. 18 So aber von Fokkelman 1975: 75–76 konstatiert.
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entfaltet. Im Munde Jakobs wird diese Zusicherung erneut aufgegriffen und durch zusätzliche Konditionen wie die Versorgung mit Nahrung und Kleidung ergänzt. Durch die Offenbarung des heiligen Ortes und die Epiphanie Gottes gerät Jakob in Bringschuld, an eben dieser Stelle Gott zu opfern. Er muss in 28,17 bekennen: „Dies ist nichts anderes als Gottes Haus und dies die Himmelspforte“. Jakob sieht sich aber in seiner unsteten Lage außer Stande, Gott einen Altar zu bauen und zu opfern, weshalb er die Errichtung einer Kultstätte an die Erfüllung der im Traum ergangenen Verheißung knüpft. Die Erscheinung JHWHs und seine Beistandserklärung müssen sich für Jakob durch die geforderten Bedingungen erst realisieren, womit die Protasis des Gelübdes als Zeichenforderung verstanden werden kann. Das bisweilen von einer kritischen Leserschaft geforderte unbedingte Vertrauen19 wird vom Redaktor, der das Gelübde an die Traumepisode Jakobs anschließen ließ, zu Recht nicht gefordert. Dass trotz göttlicher Offenbarung und Erwählung ein Zerrissensein im Menschen, zwischen menschlicher Hingabe und Zweifel, herrschen kann, schildern Gen 15,8 und Ri 6,11–21.36–40 eindrücklich. Das von Jakob inaugurierte Gelübde soll in gleicher Weise wie die von JHWH gewehrte Vision der Himmelsleiter eine wechselseitige Wirkung provozieren. Jakob, der durch das Auffinden der heiligen Stätte in zweifelhafte Bringschuld geraten ist und aus Angst vor der Rache seines Bruders Esau als Flüchtling ein unstetes Leben führen muss, befindet sich in einer doppelten Notsituation und richtet dieses Bittgelübde an JHWH mit dem Versprechen, ihm nach Erfüllung der gestellten Bedingungen kultisch zu dienen.20
19 So z.B. bei Cartledge 1992: 174, der Jakob vorwirft, er sei „distrustful (even of God), he is selfish, and he is determined to gain the upper hand in every transaction“, ist entschieden zurückzuweisen. 20 Wenn Gen 35,1–7 dann von der erneuten Reise Jakobs nach Bet-El berichtet, möchte man eigentlich meinen, dass es sich hierbei um die Erfüllung seines Gelübdes handelt. Dass Gen 35,1–7 als Weiterführung und Erfüllung der Gelübdeversprechung aus 28,20–22 anzusprechen ist, ist aus mehreren Gründen fraglich: 1. Gott schickt Jakob nach Bet-El, um dort einen Altar zu errichten. Jakob kommt also der Erfüllung seines Gelübdes nicht selber nach. 2. Jakob hat Gott nicht nur einen Altar, sondern ein Heiligtum versprochen. Dass Jakobs Familie ihm vor ihrem Aufbruch nach Bet-El sämtliche Götterbilder überreicht, die dann von ihm vergraben werden, kann zumindest als Anklang an die Versprechung in Gen 28,21, JHWH allein zu verehren, angesehen werden. Blum 1984: 61–65 hält den Abschnitt für „ein Element dtr Überlieferungsbildung“ und sieht es für ausgeschlossen an, dass der deuteronomistische Bearbeiter hier die Gründung des Heiligtums von Bet-El bezeugt. In der späteren Rezeption des aramäischen Levi-Dokuments (ALD 5,1–5) werden Gen 28,20–22 und 35,1–7 freilich miteinander verknüpft. Dort wird Jakob zum Stifter des JHWH-Kultes von Bet-El stilisiert, indem Jakob seinen Sohn Levi zum Priester weiht und seine verzehnteten Gaben die ersten Opfer sind, die am dort errichteten Altar dargebracht werden. Vgl. dazu auch die Ausführungen unter 3 2.1.3.
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Jiftachs Gelübde und die Brandopferweihe seiner Tochter in Ri 11,30–40 Zu den dunkleren Kapiteln alttestamentlicher Gelübdediskurse zählt die Brandopferweihe der Tochter des Jiftach in Ri 11,30–40.21 Als Auslöser des Familiendramas gilt Jiftachs Gelübde in Ri 11,30–31, dessen präzise Formulierung keinen Deutungsspielraum zulässt. 1.2
ּיֹוצא ֲא ֶׁ֙שר ֵ֗ וְ ָהָי֣ה ַה31 ת־ּב ֵנ֥י ַע ּ֖מֹון ְּביָ ִ ֽדי׃ ְ אמר ִאם־נָ ֥תֹון ִּת ֵ ּ֛תן ֶא ֑ ַ ֹ יהו֖ה וַ ּי ָ וַ ּיִ ַ ּ֙דר יִ ְפ ָ ּ֥תח ֶנ ֶ�֛דר ַל30 עֹולה׃ ֽ ָ יתהּו ֖ ִ יהוה וְ ַה ֲע ִל ֔ ָ ׁשּובי ְב ָׁש ֖לֹום ִמ ְּב ֵנ֣י ַע ּ֑מֹון וְ ָהיָ ֙ה ַ ֽל ֥ ִ אתי ְּב ִ֔ יתי ִל ְק ָר ֙ ִ יֵ ֵ֜צא ִמ ַּד ְל ֵ ֤תי ֵב
30 Und Jiftach gelobte dem Herrn ein Gelübde und sprach: „Wenn du die Ammoniter wirklich in meine Hand gibst, 31 dann soll geschehen: Der heraustritt, nämlich der zur Tür meines Hauses heraustritt, mir entgegen, zum Zeitpunkt, da ich unversehrt von den Ammonitern zurückkehre, soll JHWH gehören und ich werde ihn als Brandopfer opfern!“ Der Bericht über Jiftachs Gelübde im Vorfeld der Schlacht gegen die Ammoniter in 11,30–40 ist durch die Überleitung in 11,29 mit der Wortgruppenwiederholung בני עמוןfest mit dem Kontext verbunden, sticht aber thematisch und durch die Stichwortwiederholung נדרin 11,30 und 39, die die Episode rahmt, aus diesem heraus. Das Gelübde und seine Verarbeitung in der JiftachErzählung werfen einige Fragen auf. יצא מדלתי ביתי לקראתיlegt ein gezieltes Entgegenkommen nahe und setzt wie in 1. Sam 18,6, wo in ähnlicher Weise das Heraustreten der die Kriegshelden begrüßenden Frauen beschrieben wird, das Begrüßen durch einen Menschen voraus, weshalb der Wortlaut des Gelübdes das Kommen der Tochter Jiftachs entweder vorauszusetzen scheint, oder von vornherein ein Menschenopfer im Blick hat.22 Dass die Episode vom deuteronomistischen Bearbeiter nicht entschärft oder gar gestrichen wurde, mag mehrere Gründe gehabt haben. Hier ist zum einen an die Mischung aus Schrecken und Faszination zu denken, die die Hörer beim Wortlaut des Gelübdes, der die Tragödie geradezu erzwingt, überkommen 21 Groß 2009: 567 hält das Gelübde in seinem Grundbestand 11,30–32.33a.34–40 für vordeuteronomistisch. Zu Aspekten der Rezeptionsgeschichte und zur neueren Auslegungsgeschichte der Jiftach-Erzählung vgl. Neef 1999: 206–211 und Groß 2009: 624–632. 22 Vgl. dazu Groß 2009: 599. Kann man dann noch wie Tita 2001: 101–103 davon sprechen, dass Jiftach die Wahl des Opfers JHWH überlassen hat? Dem östlichen Mittelmeerraum ist eine solche Erzählung nicht unbekannt. Hier könnte die in verschiedenen Varianten erzählte Geschichte in Not geratener Helden Pate gestanden haben, die zur Weihe das bestimmt haben, was ihnen nach überstandener Bedrängnis als erstes begegnete. Vgl. dazu die Geschichte der Iphigenie wie sie bei Euripides in Iph aul 1540–1613 und Iph taur 16–36 überliefert ist.
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haben mag. So hätte sich Jiftach, wie schon Pseudo-Philo in der Aufnahme der Jiftach-Erzählung feststellt,23 auch dazu verpflichtet sehen müssen, unreine Tiere wie z.B. einen Hund zu opfern, wenn dieser ihm zur Begrüßung entgegengekommen wäre. Faszination strahlt die Erzählung wiederum mit der Reaktion der Tochter des Jiftach aus, die ihr Los auf souveräne Art und Weise aus Ehrfurcht vor Gott und ihrem Vater anzunehmen weiß. Verfolgt man den Plot der Erzählung aufmerksam, wird offenkundig, dass Jiftach, der durch seine vage Formulierung auch ein Menschenopfer riskiert hat, seit dem Sieg über die Ammoniter allein und isoliert dasteht. Neben seiner Tochter, die sich von Jiftach räumlich absondern will, wird auch JHWH aus den folgenden Ereignissen gänzlich herausgehalten,24 so als ob der Erzähler jede Verbindung zwischen ihm und dem Vollzug des Gelübdes vermeiden will. In Ri 11,35 entsteht der Eindruck, dass Jiftach jegliche Schuld von sich fernhalten will, wenn er seiner Tochter mit „( הכרע הכרעתניtief darnieder hast du mich gezwungen“) und „( את היית בעכריdu bist bei meinen Schädigern“) vorwirft, sie habe ihn tief ins Unglück gestürzt. Gegen jede Erwartung reagiert diese aber selbstbeherrscht und erinnert ihren Vater an das Erbetene und das Versprochene. Nicht JHWH hat seine Opfergabe bestimmt, sondern Jiftach hat seinen Mund aufgerissen ( )ואנכי פציתי פי אל יהוהund das Unglück über sich selbst und seine Familie gebracht. Die Schuld liegt also ganz bei ihm.25 Seine Tochter bestätigt ihm dies nochmals, indem sie ihn zur Einhaltung seiner Worte („ אבי פציתה את פיך אל יהוה עשה לי כאשר יצא מפיךMein Vater, du hast deinen Mund zu JHWH aufgerissen. Handle nun an mir, wie es aus deinem Mund hervorgegangen ist!“) ermahnt. In dieser Darstellung dürfte zum anderen ein weiterer Grund für den deuteronomistischen Bearbeiter liegen, Jiftachs Gelübde nicht zu streichen oder zu entschärfen. Konnte doch die Erzählung auf narrative Weise drastisch vor Augen führen, was Dtn 23,22–24 mit seinem Pochen auf eine entschiedene und getreue Ausführung von Gelübdeversprechungen seiner Hörerschaft einzuschärfen versuchte. Für die Zeit der deuteronomistischen Bearbeitung ist das Menschenopfer natürlich völlig undenkbar,26 weshalb mit Blick auf 23 Vgl. LAB 39,11. 24 Wenngleich die Gewährung der Bitte Jiftachs durch JHWH ihn nicht gänzlich von seiner Beteiligung im Geschehen entbindet (vgl. Groß 2003: 616). 25 Nach Neef 1999: 216–217 ist das Jiftach-Gelübde das Produkt eines spätdeuteronomistischen Bearbeiters, der hier die Forderung zur unbedingten Gelübdeerfüllung aus Dtn 23,22–24 narrativ verarbeitet haben soll. Neef zufolge bleibt Jiftach aufgrund der Erfüllung seines Gelübdes ohne Schuld. Wenn es sich wirklich um eine spätdeuteronomistische Ergänzung handelt, dann kann man aber vor dem Hintergrund von Dtn 12,31 auf keinen Fall sagen, dass Jiftach schuldfrei ausgeht. Jiftach löst eine Schuld ein, nur um sich dafür an einem anderen Gebot zu vergehen. 26 Vgl. Dtn 12,31.
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Dtn 23,22–24 ein weiterer Umstand entscheidende Bedeutung gewinnt: Im schlimmsten Fall sind töricht gewählte Gelübdeversprechungen überhaupt nicht einlösbar. Es gibt keine Rückkehr vom Versprochenen (Ri 11,35 לא אוכל )לשוב. Sei es nun durch Erfüllung oder Nichterfüllung, ein Gelübde kann unter Umständen unabwendbare Schuld nach sich ziehen. Dessen muss sich jeder Gelobende im Klaren sein.27 1.3 Votivgaben und Opfermaterie 1.3.1 Das Dankgelübde in Psalm 116 Unter den verschiedenen Psalmen, die von der Erfüllung eines Gelübdes handeln, ist an dieser Stelle beispielhaft Psalm 116 aufgrund seiner Schilderung der mit dem Gelübde verbundenen Kultfeierlichkeiten herausgegriffen.28 Der Psalm lässt nach dem Bericht über eine überstandene Notsituation (1–1129) im zweiten Teil (12–19) Elemente eines Dankopfermahles erkennen. Die sich darin abbildende Begehung der Dankopferfeier ist jedoch nicht mehr nach ihrem ursprünglichen, rituellen Ablauf dargestellt.30 Das wird schon daran deutlich, dass der Ort der Festivität, dessen Nennung man zu Beginn der Darstellung erwarten würde, erst am Ende in Vers 19 genannt wird. Ps 116,13–19 𝔐
הו֣ה ֶא ְק ָ ֽרא׃ ָ ְּוב ֵ ׁ֖שם י ְ ׁשּועֹות ֶא ָ ּׂ֑שא ֥ ְ ּכֹוס־י13 ל־ע ּֽמֹו׃ ַ יהו֣ה ֲא ַׁש ֵּל֑ם נֶ גְ ָדה־ּנָ֗ ֜א ְל ָכ ָ ְנ ָ֭ד ַרי ַל14 ָ ֽא ָּנ֣ה16 ידיו׃ ֽ ָ הו֑ה ַ֜ה ָּ֗מוְ ָתה ַל ֲח ִס ָ ְ ָי ָ֭קר ְּב ֵע ֵינ֣י י15 ן־א ָמ ֶ ֑תָך ֲ י־ע ְב ְּדָך ֶּב ֭ ַ ִי־א ִנ֪י ֫ ַע ְב ֶ ּ֥דָך ֲ ֽאנ ֲ יְ הוָ ֘ה ִ ּֽכ ּוב ֵ ׁ֖שם ְ ּתֹודה ֑ ָ ָך־אזְ ַּבח ֶז ַ֣בח ֶ֭ ְ ֽל17 מֹוס ָ ֽרי׃ ֵ ֜ ִּפ ַּ֗ת ְח ָּת ְל יהו֣ה ֲא ַׁש ֵּל֑ם נֶ גְ ָדה־ּנָ֗ ֜א ָ ְנ ָ֭ד ַרי ַל18 הו֣ה ֶא ְק ָ ֽרא׃ ָ ְי ֗ ָ ְ ְּב ַח ְצ ֤רֹות׀ ֵּב֤ית י19 ל־ע ּֽמ׃ֹו׃ ַ ְל ָכ ּהוה ְ ּֽב ֘ת ֵֹוכ ִ֤כי יְ ֽרו לּו־יּֽה׃ ָ ָׁש ֗ ָלםִ ַ ֽה ְל
Ps 115,4.6–10 𝔊 4 ποτήριον σωτηρίου λήμψομαι καὶ τὸ ὄνομα κυρίου ἐπικαλέσομαι 6 τίμιος ἐναντίον κυρίου ὁ θάνατος τῶν ὁσίων αὐτοῦ 7 ὦ κύριε ἐγὼ δοῦλος σός ἐγὼ δοῦλος σὸς καὶ υἱὸς τῆς παιδίσκης σου διέρρηξας τοὺς δεσμούς μου 8 σοὶ θύσω θυσίαν αἰνέσεως 9 τὰς εὐχάς μου τῷ κυρίῳ ἀποδώσω ἐναντίον παντὸς τοῦ λαοῦ αὐτοῦ 10 ἐν αὐλαῖς οἴκου κυρίου ἐν μέσῳ σου Ιερουσαλημ
27 Bauks 2006: 90 sieht dagegen in der Erzählung von Jiftachs Gelübde eine antideuteronomistische Polemik. Die von Dtn 23,22–24 eingeforderte unbedingte Einlösung von Gelübden könne nur zum Unglück führen. 28 Nach Hossfeld und Zenger 2008: 300 zeigt der Psalm mit seiner Bezeichnung des Beters als Knecht JHWHs und mit seinem Bekenntnis über seine Schwachheit und Armut eine große Nähe zu Ps 113. Beide sind demnach Zeugnisse der nachexilischen Armenredaktion des Psalters. Zur Psalmengruppe Ps 113–118 vgl. Hossfeld und Zenger 2008: 19 und ferner zur Armenredaktion Hossfeld und Zenger 1992. 29 Die zu 116,1–9 𝔐 entsprechenden Verse des griechischen Psalters werden als Ps 114,1–9 𝔊 gezählt. 30 Vgl. Hossfeld und Zenger 2008: 293.
82 13 Den Becher der Rettungstaten will ich erheben und den Namen JHWHs anrufen! 14 Meine Gelübde will ich JHWH erfüllen gegenüber seinem ganzen Volk! 15 Kostbar ist in den Augen des Herrn der Tod seiner Frommen. 16 Ach JHWH, ich bin doch dein Knecht. Ich bin dein Knecht, der Sohn deiner Magd. Du hast meine Fesseln gelöst. 17 Dir will ich ein Dankopfer schlachten und den Namen JHWHs will ich anrufen! 18 Meine Gelübde will ich JHWH erfüllen gegenüber seinem ganzen Volk, 19 in den Vorhöfen des Hauses JHWHs, in deiner Mitte Jerusalem! Halleluja!
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4 Einen Kelch des Heils werde ich nehmen und den Namen des Herrn anrufen. 6 Kostbar ist vor dem Herrn der Tod seiner Frommen. 7 Ach Herr, ich bin dein Knecht. Ich bin dein Knecht und der Sohn deiner Magd. Du hast meine Fesseln zerissen. 9 Meine Gelübde werde ich dem Herrn einlösen vor all seinem Volk, 10 in den Vorhöfen des Hauses des Herrn, in deiner Mitte, Jerusalem.
Die Verse 14 und 18 sind in 𝔐 als Dublette anzusprechen, die entweder vom Autor als poetisches Stilmittel intendiert war oder versehentlich beim Abschreiben nach der durch ( אקרא13.17) ausgedrückten zweimaligen Anrufung JHWHs eingetragen wurde. Man beachte, dass 𝔊 die Erfüllung der Gelübde nur einmal und zwar in Entsprechung mit 116,18 𝔐 erwähnt. Für eine gezielte Wiederholung der Gelübdeerfüllung würde die parallele Struktur von 13–14 und 17–18 sprechen.31 Dann wäre sowohl das Erheben des Bechers als auch das Schlachten der Dankopfer als eine Erfüllung der zuvor abgelegten Gelübde ausgewiesen. Die Verse 116,14 und 18 deuten an, dass die Versprechung des Gelübdes die Ausrichtung eines Dankopfermahles enthalten hat. Dies wird in 116,13a und 17a 𝔐 durch das Erheben eines Bechers, verknüpft mit einer Verkündigung der erfahrenen Rettung32 und dem Schlachten eines Opfertieres, manifest. Die beiden kultischen Riten könnten dann in einer Anrufung des Namens JHWH kulminiert sein. Die erfüllte Bedingung, auf die hin der Beter mit der Ausrichtung des Dankopfermahls antwortet, wird nach der Zusammensetzung der 𝔐-Version mit der Errettung vor Todesgefahr (116,3.6.8.15–16 𝔐) angezeigt. Beim Dankopfermahl stehen der Bekenntnisakt und die Vermehrung 31 Dann wäre aber anzunehmen, dass die Dublette vom 𝔊-Übersetzer als Störend empfunden und weggelassen wurde. 32 Das Erheben des Bechers wird man als Dankesgestus interpretieren dürfen. Vgl. dazu auch Kraus 1989: 972, der auf die Votivstele des Jechawmelek verweist, auf der der König von Byblos mit einer Libationsschale vor seiner Herrin Baʽalat von Byblos abgebildet ist und vor ihr seinen Dank äußert.
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des Dankes durch die Mahlteilnehmer im Vordergrund. Die Mahlteilnehmer sollen aus dieser Erfahrung Hoffnung schöpfen und in der Gemeinschaft mit Gott am erfahrenen Frieden des Dankopfermahlspenders partizipieren.33 Gelübde besitzen daher im Zusammenhang ihrer Einlösung einen besonderen Dank-, Lob-, Bekenntnis- und Zeugnischarakter, der im kultischen Raum wahrgenommen werden kann.34 1.3.2 Die Nutztier-, Haus- und Feldweihe nach Lev 27,9–2435 Der längere Abschnitt Lev 27,9–24 zur Weihe von Votivgaben an den Tempel setzt im ersten Abschnitt Lev 27,9–13 mit dem Thema der Nutztierweihe ein.36 יהו֖ה יִ ְֽהיֶ ה־ ּֽקֹ ֶדׁש׃ ָ יִּתן ִמ ֶ ּ֛מּנּו ַל ֥ ֵ יהו֑ה ּכֹ ֩ל ֲא ֶׁ֙שר ָ ם־ּב ֵה ָ֔מה ֲא ֶׁ֙שר יַ ְק ִ ֧ריבּו ִמ ֶ ּ֛מּנָ ה ָק ְר ָ ּ֖בן ַ ֽל ְ וְ ִא9 יָמיר ְּב ֵה ָמ ֙ה ִּב ְב ֵה ָ֔מה ֤ ִ ם־ה ֵ֙מר ָ אֹו־רע ְּב ֑טֹוב וְ ִא ַ֣ א־יָמיר א ֹ֛תֹו ֥טֹוב ְּב ָ ֖רע ֥ ִ ֹ יפּנּו וְ ֽל ֶ ֗ ֣ל ֹא יַ ֲח ִל10 ל־ּב ֵה ָ ֣מה ְט ֵמ ָ֔אה ֠ ֲא ֶׁשר לֹא־יַ ְק ִ ֧ריבּו ִמ ֶ ּ֛מּנָ ה ָק ְר ָ ּ֖בן ְ וְ ִא ֙ם ָּכ11 מּור ֖תֹו יִ ְֽהיֶ ה־ ּֽקֹ ֶדׁש׃ ָ ּות ְ ה־הּוא ֥ ָוְ ָ ֽהי ֹ֥הן א ָֹ֔תּה ֵ ּ֥בין ֖טֹוב ֵּוב֣ין ָ ֑רע ְּכ ֶע ְר ְּכָך ֙ ֵ וְ ֶה ֱע ִ ֤ריְך ַהּכ12 ת־ה ְּב ֵה ָ ֖מה ִל ְפ ֵנ֥י ַהּכ ֵ ֹֽהן׃ ַ יהו֑ה וְ ֶ ֽה ֱע ִ ֥מיד ֶא ָ ַ ֽל ִ אל יִ גְ ָא ֶלּ֑נָ ה וְ יָ ַ ֥סף ֲח ִמ ֹ ֖ ָ וְ ִאם־ּג13 ַהּכ ֵ ֹ֖הן ֵ ּ֥כן יִ ְהֶיֽה׃ ל־ע ְר ֶ ּֽכָך׃ ֶ יׁש ֖תֹו ַע
9 Und wenn es Vieh ist, von dem man eine Opfergabe für den Herrn darbringt, (gilt): Alles, von dem man dem Herrn geben wird, wird heilig sein. 10 Man soll es nicht auswechseln und ein gutes nicht für ein schlechtes und ein schlechtes nicht für ein gutes austauschen. Hat man aber dennoch Vieh gegen Vieh ausgetauscht, dann soll es und sein Ersatz heilig sein. 11 Und wenn (es) irgendein unreines Vieh ist, von dem man keine Opfergabe für den Herrn darbringen soll, dann soll man das Vieh vor den Priester stellen 12 und der Priester soll es schätzen entsprechend der Schätzung37 des Priesters in der Preisspanne38 (von Vieh), so soll es sein.
33 Vgl. Tita 2001: 125–126. 34 Vgl. Albertz 1978: 24. Prophetische Texte wie Jes 19,21 und Nah 2,1 zeugen vom besonderen Stellenwert der Gelübde im liturgischen Kontext des Kultes, wenn sie das Ablegen und Einlösen von Gelübden als Bestandteil des Gotteslobes der Heilszeit begreifen (vgl. Kaiser 1986: 263). 35 Lev 27 ist nach Achenbach 2003: 612 ein postpentateuchredaktioneller Zusatz. 36 Die Variationen zwischen 𝔐 und 𝔊 sind so gering, dass auf eine gesonderte Übersetzung von 𝔊 verzichtet werden kann. 37 Die ins Deutsche nur schwer übertragbare priesterliche Fachsprache spricht hier mit der Phrase ( ערכךwörtlich „dein Schätzwert“) vom üblichen Schätzwert, wobei das Suffix der zweiten Person Maskulinum funktionslos geworden ist (vgl. dazu Krupp 1971: 1; sowie die Anmerkungen zu ערךin Gesenius 2013: 1014). 38 טובund רעsind hier nicht adjektivisch, sondern als Merismus zu deuten (vgl. die Anmerkungen zu רעbei Gesenius 1251: 1251; sowie Milgrom 2001: 2378).
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13 Wenn man es aber unbedingt wieder auslösen möchte, dann soll man zu deiner Schätzung (noch) ein Fünftel (Aufpreis) hinzutun. Handelt es sich um kultisch reine Tiere, so gelten diese mit der Weihe als heilig und dürfen nicht vor ihrer Übergabe an einen Priester oder ihrer Überführung an den Tempel gegen ein besseres oder ein schlechteres Tier ausgetauscht werden.39 Tut man es doch, gelten beide Tiere als heilig. Handelt es sich bei dem Tier aber um ein kultisch unreines, das nicht auf dem Altar geopfert werden kann, muss dieses vom Priester geschätzt werden. Ein Auslösungstarif von 120 Prozent des Wertes der Opfermaterie soll womöglich potenzielle Votanten davon abhalten, Gelübde übereilt zu äußern. Auf der anderen Seite soll es die Priesterschaft für den administrativen Mehraufwand bei der Schätzung und Verwaltung der Votivgaben sicherlich gehörig entlohnen.40 M. Noth hat angenommen, dass auch das Begleichen des Wertes von Tier, Haus und Feld als Möglichkeit der Erfüllung des Gelübdes anerkannt gewesen sein kann, ohne dass dabei die versprochene Votivgabe an die Priesterschaft übergeben werden muss.41 Nur wenn der Votant seine Gaben wirklich an den Tempel überantwortet und sich zu einem späteren Zeitpunkt zu deren Auslösung entschieden hat, hätte die Priesterschaft dafür einen Aufschlag erwartet. Auf die Nutztierweihe folgt in Lev 27,14–24 die Weihe von Häusern und Feldern. Der Vorzug einer Weihe von Feldern und Häusern und die Möglichkeit diese zu einem späteren Zeitpunkt wieder auszulösen, liegt womöglich darin, bei einer Gelübdeinauguration augenblicklich eine Votivgabe bereitstellen zu können, ohne dass dafür die Kosten für das Aufbringen eben dieser Gelübdeversprechung im selben Moment bereits beglichen werden müssen. Hat der Votant Haus oder Feld geweiht, wird es vom Priester auf einen festen Betrag geschätzt. Eine zeitliche Begrenzung für die Auslösung des Hauses nennt Lev 27 anders als im Fall des Feldes nicht.42 Im Fall des Feldes ist die Schätzung an die Menge der für die Größe des Feldes nötigen Aussaat43 und die zeitliche Nähe zum Jobeljahr gebunden. Will der Votant Haus oder Feld wieder auslösen, 39 Wenn diese kultisch reinen Tiere für den Altar bestimmt sind, dann bezieht sich hier die Unterscheidung zwischen besser und schlechter sicher nicht auf ein bestehendes Makel oder die Makellosigkeit des Opfertiers. Nach Lev 1–7 muss Opfermaterie ohne Fehler sein. Wenn allerdings angenommen wird, dass die Priester die Tiere nach ihrer Weihung verkaufen, dann spielt die Fehlerhaftigkeit des Tieres freilich keine Rolle. 40 Vgl. Houston 1999: 416. 41 Vgl. Noth 1966: 179–180. 42 Die Rabbinen haben später in mAr 9,7 und tAr 5,11 angenommen, dass geweihte Häuser im Jobeljahr wieder an ihre Besitzer zurückgehen. 43 Vgl. Milgrom 2001: 2382.
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muss er den Schätzwert mit einem Aufschlag von einem Fünftel der Schätzwerthöhe aufbringen. Die Voraussetzungen für eine endgültige Übereignung des Feldes an die Priesterschaft im Jobeljahr wird ab Lev 27,20 diskutiert. הה ָ֙ וְ ָ י21 ת־ה ָּׂש ֶ ֖דה ְל ִ ֣איׁש ַא ֵ ֑חר ֥ל ֹא יִ ּגָ ֵ ֖אל ֽעֹוד׃ ַ ם־מ ַ ֥כר ֶא ָ ת־ה ָּׂש ֶ ֔דה וְ ִא ַ ם־ל ֹא יִ גְ ַאל֙ ֶא ֤ וְ ִא20 ת־ׂש ֵ ֣דה ְ וְ ִא ֙ם ֶא22 יהו֖ה ִּכ ְׂש ֵ ֣דה ַה ֵ ֑ח ֶרם ַלּכ ֵ ֹ֖הן ִּת ְה ֶי֥ה ֲא ֻחּזָ ֽתֹו׃ ָ אתֹו ַבּי ֵֹ֗בל ֛קֹ ֶדׁש ַ ֽל ֣ ַה ָּׂש ֶ ֜דה ְּב ֵצ ב־לֹו ַהּכ ֵֹ֗הן ֵ ֚את ִמ ְכ ַ ֣סת ָ ֽה ֶע ְר ְּכ ָ֔ך ֣ וְ ִח ַּׁש23 יהוה׃ ֽ ָ ִמ ְקנָ ֔תֹו ֲא ֶׁ֕שר ֖ל ֹא ִמ ְּׂש ֵ ֣דה ֲא ֻחּזָ ֑תֹו יַ ְק ִ ּ֖דיׁש ַ ֽל ּיֹובל֙ יָ ׁ֣שּוב ַה ָּׂש ֶ ֔דה ֵ ִּב ְׁש ַנ֤ת ַה24 יהוה׃ ֽ ָ ת־ה ֶע ְר ְּכ ָ֙ך ַּבּי֣ ֹום ַה ֔הּוא ֖קֹ ֶדׁש ַל ָ ַ ֖עד ְׁש ַנ֣ת ַהּי ֵֹב֑ל וְ נָ ַ ֤תן ֶא ֖ ַל ֲא ֶ ׁ֥שר ָק ָנ֖הּו ֵמ ִא ּ֑תֹו ַל ֲא ֶׁש ר־לֹו ֲא ֻח ַּז֥ת ָה ָ ֽא ֶרץ׃
20 Und wenn er das Feld nicht auslöst, oder er es an einen anderen verkauft, so kann man es nicht mehr auslösen. 21 Das Feld aber wird, wenn es im Jobeljahr frei wird, heilig für den Herrn sein wie ein gebanntes Feld. Es wird für den Priester ein Erbbesitz werden. 22 Und wenn (ein)er ein von ihm gekauftes Feld, das nicht vom Feld seines Erbbesitzes ist, dem Herrn heiligt, 23 dann soll der Priester ihm die Summe deiner Schätzung bis zum Jobeljahr berechnen und er soll deine Schätzung an jenem Tag geben als Heiliges für den Herrn. 24 Im Jobeljahr soll dann das Feld wieder an den gehen, von dem er es gekauft hat, an den, dem das Land als Erbbesitz gehört. Die Weihe des Feldes und der anschließende Verkauf desselben machen eine Auslösung des Feldes unmöglich. Die genaue Deutung der beschriebenen Umstände wird allerdings durch die Mehrdeutigkeit der syntaktischen Verknüpfung der beiden mit וverbundenen Konditionen erschwert. Sollen die beiden mit אםeingeleiteten Teile der Protasis durch וals disjunktives „oder“ zwei Alternativen benennen, oder konsekutiv aufeinander bezogen sein? Ausschlaggebend für die Beantwortung dieser Frage ist die Lesung der Verbform der Apodosis יגאל. Liest man den Satz mit dem Verb im Nifal-Imperfekt wie 𝔐 „so kann man es nicht mehr auslösen“, wird man auch vor dem Hintergrund des wiederholten אםin 27,20αb von einem disjunktiven Gebrauch der Phrase ואם ausgehen müssen. Liest man das Verb hingegen als ein Qal-Imperfekt „so kann er [sc. der Votant] es nicht mehr auslösen“, dann wird man den Satzanschluss von 27,20αb konsekutiv lesen müssen. So hat auch der 𝔊-Übersetzer seine Vorlage verstanden, die am Anfang von 27,20αb auch kein weiteres Mal אםliest. Die 𝔊-Vorlage wird dann den Wortlaut ואם לא יגאל את השדה ומכר את השדה לאיש אחר לא יגאל עודbesessen haben. 𝔐 und 𝔊-Vorlage überliefern damit zwei unterschiedliche Richtlinien für den Umgang mit geweihten Feldern im Zusammenhang eines bevorstehenden Jobeljahrs. Im Folgenden werden beide
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Gesetzestexte und die sich daraus ergebenden Besitz- und Nutzungsrichtlinien für einen Votanten und sein Feld diskutiert. 1) Liest man bei יגאלdas masoretische Nifal-Imperfekt, so wird nach dem Eintreffen der in der Protasis ausgedrückten Bedingungen die Möglichkeit, das Feld auszulösen, grundsätzlich und damit auch für den Käufer des Feldes explizit ausgeräumt. Die beiden möglichen Bedingungen dieser Leseweise wären dann wie folgt zu verstehen: Entweder hat der Votant das Feld geweiht und später auf die Auslösung verzichtet, und hier wird man „bis zum Jobeljahr verzichtet hat“ deuten müssen, oder der Votant hat das Feld geweiht und es anschließend an einen Dritten verkauft, ohne es bis zum Beginn des Jobeljahrs wieder zurückgekauft und ausgelöst zu haben. Das Feld wird dann mit Beginn des Jobeljahrs wie eine Bannvotivgabe angesehen und geht in den Besitz der Priesterschaft über.44 Es ist anzunehmen, dass das Recht der Auslösung durch den Votanten an den Besitzstatus des veräußerten Feldes gekoppelt ist. Der über das Erbrecht definierte eigentliche Besitzer ist damit angehalten, zuerst den Rückkauf vorzunehmen und dem freigebigen Käufer, dem die Nutzung des Feldes durch die Weihe untersagt war, den erhaltenen Kaufpreis zurückzuerstatten.45 Aus Lev 25 wird ersichtlich, dass der Verkauf von Grundbesitz in vielen Fällen dann unternommen wird, wenn sein Besitzer verarmt. Im Szenario von Lev 27,17–21 ist dann anzunehmen, dass der Besitzer nach der Weihe verarmte und einen Käufer für sein Feld fand. Doch welcher Kaufpreis, der unter normalen Umständen an der zu erwartenden Profitabilität des Feldes festgemacht wird, oder welcher mögliche symbolische Preis soll angesetzt werden, wenn Nutzung und Auslösung ausgeschlossen sind? Der Kauf des Feldes bedeutet unter diesen Umständen de facto die Gewährung eines 44 Soll man annehmen, der Votant habe den Käufer nicht über die Weihe in Kenntnis gesetzt und diesen mit dem Verkauf hinters Licht führen wollen, da mit dem Nutzungsverbot keine attraktiven Voraussetzungen für einen Kauf gegeben gewesen wären? Nach dieser Lesung wäre das Auslösungsverbot nach einem Verkauf eine Strafe, die den skrupellosen Votanten, der sein geweihtes Feld ohne Mitteilung darüber verkauft, treffen sollte. Ein solches Szenario ist allerdings schwer vorstellbar, da ein solcher Betrug aufgrund des konfligierenden Nutzungsanspruchs zweier unterschiedlicher Parteien – der Priesterschaft einerseits und des Käufers andererseits – unmittelbar aufgedeckt worden wäre und das Strafmaß für ein solches Vergehen bereits in Lev 5,21–24 mit einer Strafzahlung von 120 Prozent des daraus entstanden Schadens an den Käufer definiert worden ist. Wenn der Gesetzgeber von Lev 27,20 ein Betrugsszenario hätte entwerfen wollen, warum hätte er dies in so knapper Form tun sollen und warum verbietet er dann nicht explizit den Verkauf von geweihten Votivgaben wie er es auch in Lev 27,28 im Fall von gebannten Votivgaben getan hat? 45 Wollte man mit der Verpflichtung, das Feld vor seiner Auslösung erst zurückkaufen zu müssen, vielleicht auch verhindern, dass der Votant über die Auslösung und die Rückgewinnung des Nutzungsrechts den Käufer unter Druck setzen konnte?
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Darlehens, wobei das Feld als eine Absicherung für den Darlehensgeber angesprochen werden muss. Kann der Votant den Rückkauf bis zum Beginn des Jobeljahrs nicht tätigen, geht das Feld an die Priesterschaft und der Käufer geht wie im Siebentjahr46 leer aus. Es drängt sich bei dieser so verstandenen Weihe- und Besitzrichtlinie die Frage auf, wie man sich den Verkauf von geweihtem Land generell vorstellen muss. Da das Feld, wenn es noch nicht ausgelöst ist, erst im Jobeljahr gänzlich in den Besitz der Priesterschaft übergeht und das Recht zur Auslösung allein beim Votanten verbleibt, ist das Verkaufsrecht bei selbigem trotz der Weihe nicht erloschen. Man wird hier wohl zwischen Besitzrecht und Nutzrecht unterscheiden47 und fragen müssen, ob der Verkauf eine unrechtmäßige Nutzung von Tempeleigentum (Lev 5,15) darstellt. Die wie auch immer geartete Nutzung des Feldes ist dem Votanten ohne Frage mit der Weihe genommen, da das Nutzungsrecht sicherlich an die Priesterschaft übergegangen sein wird. Da der Votant nicht widerrechtlich Gebrauch vom Nutzungsrecht, das er abgetreten hat, gemacht hat, wird man diese Frage mit „nein“ beantworten können. Im Fall des Besitzrechts scheint eine Veräußerbarkeit nach dieser Lesart also möglich gewesen zu sein.48 Dass die Möglichkeit bestand, geweihtes Land zu verkaufen, lässt sich womöglich auch aus Lev 27,28 ableiten. Dort ist im Fall von gebannten Votivgaben davon die Rede, dass diese nicht ausgelöst und nicht verkauft werden dürfen. Dabei entsteht der Eindruck, dass es sich um einen Spezialfall handelt, der sich von geweihten Votivgaben unterscheidet, die demgegenüber auslösbar und verkäuflich sind.49 46 Vgl. Dtn 15. 47 Was verkauft wird, ist die אחזה, also das Recht, auf das Feld zuzugreifen, es zu bestellen und den Ertrag einzuholen. Was geweiht wird, ist die Nutzung der אחזה. Alles was an Tieren, Früchten und Baumaterial geweiht wird, gehört augenblicklich Gott, mit Ausnahme der אחזה. Der Besitzer hat Zeit bis zum Jobeljahr, um seine אחזהauszulösen. Tut er dies nicht, dann wird die אחזהzu einem חרם. Die אחזהbleibt nicht brach liegen, sondern sie wird an Priester gegeben. 48 Dass in Lev 27,20 innerhalb desselben Verses ein unmarkierter Subjektwechsel stattgefunden hat und mit dem Verkäufer nicht der Votant, sondern Tempelpriester gemeint seien, wie dies Levine 1989: 196 und bereits der Tora- und Talmudkommentator Raschi zur Stelle vorgeschlagen hatten, hat Houston 1999: 417 zu Recht zurückgewiesen. Warum sollte das Tempelpersonal das Auslösungsrecht des Votanten übergehen und das Feld noch vor Beginn des Jobeljahrs verkaufen dürfen? Dass das Besitzrecht noch nicht an den Tempel bzw. an sein Kultpersonal übertragen war, scheinen zumindest die späteren Tannaiten vermutet zu haben, wenn sie ausdrücklich in mAr 7,4 vermerken, dass die Priester für die Übernahme des Feldes im Jobeljahr dieses erst betreten mussten. 49 So gelesen muss man dann auch nicht wie Houston 1999: 419–420 und später auch Milgrom 2001: 2385 den Zeitbezug des Konditionalsatzes ואם מכרnoch vor die Weihe des Feldes verlegen. Wie sollte man sich auch die Weihe eines bereits verkauften Feldes
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2) Setzt man wie die 𝔊-Vorlage hingegen das Qal-Imperfekt der Wurzel גאל für die Apodosis in 27,20β voraus, bezieht sich das Verbot der Auslösung allein auf den Votanten, der die Möglichkeit dazu nicht wahrnehmen will und das Feld daraufhin veräußert. Ist daraus zu entnehmen, dass der neue Besitzer die Auslösung vornehmen kann, womit ihm das Feld gänzlich – zumindest bis zum Jobeljahr – gehört?50 Aus der Sicht der Priester ändert sich damit nur der momentane Halter der אחזה, von dem die Auslösungssumme zu erwarten ist. Wenn der Käufer die Auslösung vornehmen kann,51 dann geht das Feld im Jobeljahr wieder an seinen ursprünglichen Besitzer zurück. Dies bedeutet aber für den Käufer einen finanziellen Schaden, den er sicher ohne Kompensation durch den früheren Halter der אחזהnicht ohne Weiteres auf sich nimmt. Freilich besteht für den Votanten immer noch die Möglichkeit, das Feld vom neuen Halter zurückzukaufen,52 womit ihm auch wieder das Recht zur Auslösung des Feldes zusteht. Löst weder Votant noch Käufer das Feld aus, geht es unwiderruflich in den Besitz der Priesterschaft über. Will ein Käufer ein von ihm erworbenes Feld weihen, muss er nach Lev 27,23 die Auslösungssumme sofort aufbringen. Die Pflicht zur sofortigen Begleichung der Auslösungskosten soll möglicherweise verhindern, dass der Käufer aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse in finanzielle Not gerät, in der ihm die Auslösung bis zum Jobeljahr nicht mehr möglich ist und das Feld für den vorherigen Besitzer verloren geht.
vorstellen, bei dem das Nutzungs- und das Besitzrecht bis zum kommenden Jobeljahr befristet auf den neuen Käufer übertragen wurde? Welche Konsequenzen hätte dies für den neuen Besitzer gehabt? Soll man annehmen, dass er das Feld trotz der Weihe bewirtschaften und von seinen Früchten leben konnte? Houston 1999: 419 bezeichnet den so rekonstruierten Vorgang als „actually perfectly legal“, ohne diese Möglichkeit auch anhand von weiteren sachbezogenen Rechtssätzen zu untermauern. Houston und Milgrom gehen davon aus, dass der Votant das Feld als eine permanente Schenkung an die Priesterschaft übergeben wollte. Dann stellt sich aber die Frage, warum er es dann nicht gleich als Bannvotivgabe konsekrierte. M.E. wird man den Bedeutungsgehalt hinter dem Gebrauch der Perfektform מכרnicht überstrapazieren dürfen. Wenngleich eher das Imperfekt ימכר zu erwarten gewesen wäre, ist der Gebrauch des Perfekts im Konditionalsatz nicht unbelegt. Dies bezeugen Lev 13,37.56 und 25,28. 50 Der Möglichkeit der Auslösung durch Dritte wird in mAr 7,3 nicht widersprochen. Will der ursprüngliche Besitzer das Nutzrecht seines Feldes wiedererlangen, so muss er dieses aus der Hand des Dritten auslösen. Die Mischna gebraucht für diesen Akt der Übertragung ebenfalls den Begriff גאל. 51 Wenn man nach Lev 27,22 ein gekauftes Feld weihen darf, dann scheint es mir durchaus denkbar, dass ein vom vorherigen Besitzer geweihtes Feld vom späteren Käufer ausgelöst werden kann. 52 Vgl. Lev 25,27.
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Lev 27,23 bezeugt dabei außerdem, dass die Möglichkeit der Weihe und Auslösung an den veräußerbaren Besitzstatus gebunden ist.53 1.4 Zusammenfassung Die Hebräische Bibel zeichnet das Gelübde als kraftvolles Instrument, Gottes heilvolles Eingreifen in Zeiten der Not und Bedrängnis zu provozieren. Wie im Fall von Jakobs Gelübde offenkundig wird, gibt die Gelübdeinstitution dem Beter die Hoffnung und die Zuversicht, nicht willkürlich den Umständen seiner bedrohlichen Umwelt ausgesetzt zu sein. Jakob greift Gottes Verheißung im Gelübde auf, erfährt Gottes rettendes Eingreifen und wird damit sogar zum Entdecker der heiligen Stätte von Bet-El stilisiert. Als zentraler Aspekt der Gottesverehrung war das Gelübde auf das engste mit dem Tempelkult und seinen Priestern verknüpft. Die Hebräische Bibel bezeugt in diesem Sinne in großer Bandbreite die vielen verschiedenen Ausformungen der Votivpraxis. Vor allem priesterliche Autoren haben die Votivgabenpraxis entscheidend mitgestaltet und minutiös festgehalten, in welcher Form und unter welchen Voraussetzungen Votivgaben im Gelübde versprochen, geweiht oder auch wieder ausgelöst werden konnten. So boten Gelübde Gelegenheiten zur Versprechung tierischer Altaropfer, von Grundbesitz oder gar der eigenen Person in der Form einer Schätzungsweihe (Lev 27), ferner von ganzen Dankopfermahlzeiten am Tempel, die mit der ganzen Familie oder dem erweiterten Gemeinschaftsverband (Ps 116) gefeiert werden konnten. Neben diesem durchweg positiven Tenor werden allerdings auch mahnende Stimmen im Chor der Hebräischen Bibel laut. Der Autor der JiftachGeschichte deckt wie Dtn 23,22–24, Spr 20,25 und Koh 5,3–5 die Schwäche der menschlichen Natur auf und warnt im Angesicht von Torheit und Bedenkenlosigkeit vor unüberlegtem Gelübdegebrauch und der daraus resultierenden Schädigung der eigenen Person.54 Die ausgesprochenen Worte des Gelübdes gleichen einem Vertragstext, zu dessen Einhaltung man sich feierlich verpflichtet hat. Von einer einmal verlautbarten Versprechung abzurücken, ist unmöglich, weshalb ihr Wortlaut zu bewahren und ihre Erfüllung unbedingt zu bewerkstelligen ist. Das Wort eines Gelübdes hat Bestand, dafür ist JHWH Zeuge. Er vergisst weder die Bringschuld eines Votanten, noch verzeiht er ein uneingelöstes Versprechen.
53 Unter dieser Voraussetzung wäre das Qal-Imperfekt יגאלim Kontext von Lev 27,14–24 plausibler. 54 Vgl. Lux 1992: 126.
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Gelübde als bedingte Votivgabenweihe nach dem Zeugnis jüdischer Texte aus hellenistisch-römischer Zeit
Gelübdediskurse zur bedingten Votivgabenweihe in den Texten vom Toten Meer 2.1.1 Verunreinigung durch Gelübde, Bann und Tempelschatz in CD A 6,11b–17a Zwei Passagen aus der Damaskusschrift geben Grund zu der Annahme, dass die Praxis, Gelübde zu inaugurieren und am Tempel in Jerusalem einzulösen, von ihrem Autor abgelehnt bzw. auf sein Anraten hin sogar unterbunden werden sollte. Bei dem ersten hier zu besprechenden Text, CD A 6,11b–17a, wird offenkundig, dass der von der Tora autorisierten Gelübdepraxis zwar nicht grundsätzlich widersprochen wurde, doch dass man unter den Voraussetzungen religionspolitischer Veränderungen und kultkalendarischer Divergenzen eine Partizipation am vom priesterlichen Tempelestablishment geleiteten Festkult für ausgeschlossen hielt. 2.1
וכל אשר הובוא בבריתvacat ]…[ 11 לבלתי בוא אל המקדש להאיר מזבחי חנם ויהיו מסגירי12 ולא תאירו מזבחיvacat הדלת אשר אמר אל מי בכם יסגור דלתי13 אם לא ישמרו לעשות כפרוש התורה לקץ הרשע ולהבדל55 חנם14 הטמא בנדר ובחרם56 מבני השחת ולהנזר מהון הרשעה15 ובהון המקדש ולגזול את עניי עמו להיות אלמנ[ו]ת שללם16 57 ואת יתומים ירצחו17
55 Wörtliche Aufnahme von Mal 1,10aβ. 56 Die Wendung findet sich ein weiteres Mal in CD B 19,17, wo mit einem Zitat aus Hos 5,10 den Fürsten Judas das Gericht angekündigt wird, weil יתגוללו בדרכי זנות ובהון הרשעה („sie sich auf den Wegen der Hurerei und im Besitz der Frevelhaftigkeit gewälzt haben“). Expliziert wird dieses Verhalten im Folgenden dann mit dem Verweis auf ihr Streben nach Besitz und Gewinn sowie auf Rache und Groll, die sie gegen ihren Nächsten üben. 57 Den Schluss des Abschnitts bildet ein Zitat aus Jes 10,2, wobei auch an diesem Veränderungen vorgenommen wurden. So ließ man das direkte Objekt משפטaus der Wendung „( ולגזל משפט עניי עמיum den Armen meines Volkes [ihren] Rechtsanspruch zu rauben“) des Prätextes entfallen, um dem Ganzen noch stärker den Charakter einer materiellen Beraubung zu geben. Ferner wurde das Possesivsuffix von עמיvon der 1. zur 3. Pers. Sing. abgeändert. Schließlich wurde „( יבזוsie plündern“) mit ירצחוersetzt, was entweder im Prätext vorgegeben war, oder als Mittel der Steigerung bei der Darstellung der Frevelhaftigkeit der „Söhne der Grube“ als angemessen erschien.
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11 […] vacat Und alle, die in den Bund gebracht worden sind, 12 sollen nicht ins Heiligtum kommen, um auf meinem Altar vergeblich Feuer zu entzünden. Sie sollen die Verriegler 13 der Tür sein, von denen Gott gesagt hat: Wer unter euch wird meine Tür verschließen? vacat Und ihr sollt auf meinem Altar nicht vergeblich Feuer entzünden. 14 Wahrlich sie sollen darauf achten, zu handeln gemäß der Auslegung des Gesetzes zur Zeit der Gottlosigkeit, und sich abzusondern 15 von den Söhnen der Grube und fern zu halten vom Besitz der Frevelhaftigkeit, der unrein ist durch Gelübde und Bann 16 und durch den Tempelschatz;58 „und zu berauben die Elenden seines Volkes, sodass die Witwen ihre Beute werden 17 und sie Waisen ermorden“. Der Abschnitt weist durch mehrere unmarkierte Subjektwechsel einen inkohärenten Stil auf. Dies liegt unter anderem daran, dass der Kompilator den Text mit biblischen Zitaten und Phrasen durchsetzt hat, wobei er teils durch wörtliche Aufnahme teils durch kontextbedingte Anpassung59 ein schwer entflechtbares Textkonstrukt hinterlassen hat. Die zuvor in Z. 12 an alle, die in den Bund geführt worden sind, gerichtete Anweisung, den Tempel nicht zu betreten und auf dem Altar nicht vergeblich Feuer zu entzünden, wird mit dem Zitat aus Mal 1,10 in Z. 13b–14a als Schriftbeweis fundiert. Die Passage eröffnet damit seiner Leser- und Hörerschaft, dass das Wort des Propheten im Moment der Abfassung eingetroffen ist, was sie im Fortgang mit der Deutung der angebrochenen Epoche als „Zeit der Gottlosigkeit“ und dem fehlgeleiteten Opferkult begründet. Aus dem näheren Kontext von Mal 1,10 wird deutlich, dass für den Propheten das vergebliche Opfern darin bestand, dass die Opfernden mit Makeln behaftete Opfermaterie zum Altar brachten und diese von den Priestern anscheinend auch angenommen wurde. Die Frage, ob damit auch der Tatbestand der Zeitgenossen des D-Autors in gleicher Weise angesprochen ist, oder ob der Schriftvers entkontextualisiert und für den neuen Kontext fruchtbar gemacht wurde, muss vorerst offen bleiben. 58 García Martínez und Tigchelaar 1999: 559 haben, ohne den hebräischen Text zu emendieren, in ihrer Übersetzung vorgeschlagen, בהון המקדשals von ולהנזרabhängiges indirektes Objekt anzusprechen und das Satzglied mit „and from the wealth of the temple“ wiederzugeben. Dagegen spricht allerdings das präponierte ב, das הון המקדשzum dritten Glied der Aufzählung von Dingen ausweist, durch die die „Besitztümer der Frevelhaftigkeit“ unrein geworden sind. 59 Bis zu welchem Maß die Abweichungen auf Kontextanpassung oder auf eine möglicherweise von 𝔐 abweichende Texttradition basieren, lässt sich nicht sagen.
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Die sich anschließende Sinneinheit schwört die Adressaten darauf ein, genau „( לעשות כפרוש התורהnach der Auslegung des Gesetzes“) zu handeln. Im Ganzen wird damit ein von 6,14b bis 7,4a reichender Katalog an Richtlinien eingeführt, der die Adressaten mit der Schwurbeteuerungsformel „( אם לאwahrlich“)60 verpflichtet. Wie in den meisten biblischen Zeugnissen für Schwurformeln ist auch hier auf die Nennung der Selbstverfluchung verzichtet worden.61 Der Wortlaut erinnert stark an Dtn 28,58–59 und die dort angekündigten „( מכות גדולות ונאמנות וחלים רעים ונאמניםgroßen und anhaltenden Plagen und schlimme und andauernde Krankheiten“), die eintreten sollen, wenn Israel nicht nach den Worten der Tora handelt. Dass der Wortlaut von CD A keine zufällige Entsprechung mit der Fluchandrohung der Bundesschlussepisode in Dtn 28–29 hat, wird im Fortgang der Passage deutlich, wenn in CD A 7,5 auf die Bedingung hin, in Gottes Weisungen untadelig und heilig zu wandeln, die Verheißung der Bundestreue und des ewigen Lebens zugesichert werden. Zu den Weisungen des Bundes zählen neben der Absonderung von den „Söhnen der Grube“ und dem unreinen „Besitz der Frevelhaftigkeit“ auch Verpflichtungen zur genauen Unterscheidung von rein und unrein (Z. 17b), heilig und profan (17b–18a) sowie zur genauen Einhaltung und Begehung der Festzeiten.62 Daraus lässt sich schließen, dass die Vergeblichkeit des Opferns in CD A 6,12a–14a nicht wie in Mal 1,8–10 von der physischen Makelhaftigkeit der Opfermaterie, sondern von ihrer Unreinheit und ihrer falsch terminierten Darbringung63 herrührt. Besondere Aufmerksamkeit verdient CD A 6,15b–17 und die dort in der Phrase בנדר ובחרם ובהון המקדשlokalisierbare Gelübdeterminologie. Der Abschnitt, in den die Phrase eingebettet ist, fordert die Adressaten auf, sich sowohl von den „Söhnen der Grube“ fernzuhalten als auch sich von deren הון הרשעה הטמא („Besitztümern der Frevelhaftigkeit, die unrein sind“), abzusondern. Mit dem präfigierten Artikel ist הטמאam ehesten als Attribut zum Nomen regens הרשעה zu deuten, wobei der „Besitz der Frevelhaftigkeit“ als durch Gelübde, Bann und Tempelschatz verunreinigt ausgewiesen wird.64 Verbal, als verunreinigten die 60 Vgl. z.B. Gen 24,37–38 und Num 14,28. 61 Nicht auf die Selbstverfluchung verzichten z.B. 2. Sam 3,35 und Ps 7,4.6. 62 Die Bundesweisungen betreffen die Erhaltung ritueller und moralischer Reinheit, die die Kultfähigkeit der Adressaten und der Kultstätte (vgl. dazu auch CD A 11,18b–20a) garantieren soll. 63 Daraus wird ersichtlich, dass die Gruppe nicht am Festopferkult teilgenommen hat. 64 Dass der Besitz der Gegner der Gemeinschaft als verunreinigt angesehen wird, ist eine wiederkehrende Problemanzeige in den Schriftfunden vom Toten Meer. Vergleichbares wird z.B. in 4QSd (4Q258) 1,1–12 offenkundig. Hier stehen die „( אנשי העולMänner des Frevels“) (1,2) gegen die „( אנשי התורהMännern der Tora“) (1,1). Gegen die „Männer des Frevels“ bilden die „Männer der Tora“ eine „( י[ח]ד בתור[ה] ובהוןGemeinschaft in der Tora
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Besitztümer ihre vormaligen Besitzer, wenn sie diese durch Gelübde, Bann und Abgabe an den Tempelschatz weihten, kann man הטמאallerdings nicht verstehen,65 da das Zustandsadjektiv טמאden Besitz als unrein ausweist und die Quelle, von der die Verunreinigung ausgeht, mit den zuvor genannten Formen der Votivpraxis identifiziert.66 Während נדרsicherlich für die Praxis bedingter Selbstverpflichtungen steht und חרםStiftungen an den Tempel bzw. an die Priester meint,67 ist die Identifizierung von הון המקדשaufgrund des Mangels einer biblischen Erwähnung der Wendung etwas schwieriger. S. Lieberman möchte die Wendung als Synonym für קרבןverstehen,68 was allerdings, wenn man von den von der Tora geforderten Tages-, Sabbat- und Festopfern absieht, durchaus schon mit im Begriff נדרund חרםimpliziert sein kann. Unter הון המקדשsind vielleicht Depositen, Geldspenden oder aber auch Tempelsteuern zusammenzufassen. Schließlich vertrat man auch in der Beurteilung des Besteuerungsrechts, was den zu entrichtenden Halb-Schekel betraf, eine unterschiedliche Meinung. Gegen die vom Tempel propagierte Einforderung einer jährlichen Abgabe, war die Jachad-Gruppe auf der Basis von Ex 30,11–16 nur zu einer einmalig zu Lebzeiten zu leistenden Entrichtung der Tempelsteuer bereit.69 Eine jährliche Tempelsteuer wurde von der Gruppe sicherlich als ein weiteres Beispiel des Raubs an den Armen des Volkes verstanden. Sah man vielleicht auch die Praxis kritisch, die Schatzkammer des Tempels als Bank „zweckzuentfremden“, da man auch den ärmeren Bevölkerungsteilen, den Witwen und Waisen, eine Sicherung der Einlagen im Haus Gottes vorgaukelte, ohne diese aber dann auch wirklich gewährleisten zu können?70 Implizit ist und im Besitz“) (1,2). Ähnliches lässt sich auch über ihre Widersacher sagen. Auch sie bilden, wenngleich dies nicht expliziert wird, eine Gemeinschaft. Ihnen ist gemein, dass sie Gottes Bund nicht kennen, sein Wort verachten (1,10–11) und ]„( [וטמא בכ]ל [הונםin all ihren Besitztümern Unreinheit ist“) (1,11; Par. 1QS 5,20). Ferner werden sie dadurch ausgezeichnet, dass sie „( ושבועות וחרם ונדרים בפיהםSchwüre, Bann[gelübde] und Gelübde in ihrem Mund haben“). Dies erinnert an mNed 1,1, wo den Frevlern mit כנדרי רשעים נדר [„( בנזיר בקרבן ובשבועהWer sagt]: ‚Wie die Gelübde der Frevler‘, hat den Naziräat, ein Weihegelübde oder einen Schwur gelobt“) unterstellt wird, sie würden häufig und unbedacht alle Formen von Schwüren und Gelübden auf sich nehmen. 65 So aber von García Martínez und Tigchelaar 1999: 559 gedeutet, die „which defiles“ übersetzen. 66 Vgl. CD A 4,15–19a, wo Besitztümer und die Verunreinigung des Tempels zu den Netzen Belials gehören, mit denen er Israel gefangen setzen will. 67 Nach Lev 27,21; Num 18,14 und Ez 44,29 ist Gebanntes für die Priester bestimmt. 68 Vgl. Lieberman 1994: 135. 69 V gl. 4Q159 1 ii 6–7; 11QTa 39,7–8 und dazu Stegemann 1994: 244 und Magness 2002: 188–193. 70 Vgl. z.B. die in 2. Makk 3 erzählte Geschichte von Heliodors gescheitertem Versuch, den Tempelschatz mit den Depositen von Witwen und Waisen an sich zu reißen. Zwar wird
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den Adressaten mit diesem Urteil natürlich auch kundgetan, dass der Tempel selbst, zumindest was seinen Schatz betrifft, Quelle der Unreinheit ist. Die daran anschließende mit ולגזולeingeführte Satzeinheit in Z. 16b ist keine auf ( ישמרוZ. 14) zu beziehende Aufforderung, zu deren sachlogischer Einbindung die Negation לאzu ergänzen wäre.71 Ein Rückbezug auf ולהנזרaus Z. 15 im Sinne von „sich fernzuhalten vom Reichtum … und vom Rauben“72 liegt auch nicht vor. Für diesen Fall wäre vielleicht ומלגזולoder ומגזלzu erwarten gewesen. Das dem Kontext angepasste Zitat aus Jes 10,2 in 6,16b ist vielmehr mit dem kopulativen וals Kausalsatz anzusehen, der mit seinen beiden Infinitiven לגזולund להיותausdrückt, warum Gelübde, Bann und Tempelschatz eine Quelle der Verunreinigung geworden sind. Der Grund dafür liegt in den ausbeuterischen Machenschaften der „Söhne der Grube“, denen die Armen, Witwen und Waisen zum Opfer gefallen sind.73 4Q271 4 ii 12b–14a (par. CD A 16,13) gibt eine Ahnung von einer solchen ausbeuterischen Praxis, wenn dort angemahnt wird, dass Erzwungenes weder gelobt noch von den Tempelpriestern angenommen werden soll. Dies alles legt die Vermutung nahe, dass es sich bei den בני השחתin Z. 15a um Tempelpriester und beim הון הרשעהum ihren Besitz handelt. Moralische Unreinheit74 haftet ihnen an, weil die Tempelpriesterschaft eine Gelübde- und Abgabenpraxis forciert und legitimiert hat, die man als nichts anderes als einen Raub bezeichnen kann, dem vor allem die Ärmsten des Volkes zum Opfer gefallen sind, was der CD-Autor motivisch mit der Nennung der personae miserae ausdrückt. Mit dem Aufruf zur Boykottierung der vom Tempelpriestertum durch Gier fehlgeleiteten Votivpraxis macht sich die Jachad-Gruppe zum Fürsprecher der Armen, zu denen sich die Gruppenmitglieder selbst auch dies Vorhaben durch göttliches Eingreifen vereitelt, doch zeigt die Geschichte, wie real die Befürchtung des Zugriffs auf die Finanzeinlagen des Tempels durch Besatzungsmächte war. Vgl. dazu ferner die kritische Sicht auf die Finanzgeschäfte des Tempels in Mk 11,15–17 und die Rede vom Verschlingen der Häuser der Witwen durch die Schriftgelehrten in Mk 12,40, was sicherlich auch ein aktives Einwerben von Spenden gemeint haben könnte, worauf die dortige Folgeerzählung von der armen Witwe und ihrer Spendenbereitschaft verweist. 71 So bei Lohse 1986: 79. 72 So aber von Broshi 1992: 21 Anm. 10 und García Martínez und Tigchelaar 1999: 559 vermutet. 73 Man beachte, dass im unmittelbaren Kontext des Prätextes, genauer in Jes 10,1, den Gesetzgebern und Schriftkundigen – Gruppenbezeichnungen, mit denen man sicherlich zur Zeit der Abfassung von D auch Priester identifiziert konnte – mit „ הויwehe“ göttliches Gericht angedroht wird. 74 Zur Verbindung kultischer und moralischer Unreinheit im jachadischen Reinheitsverständnis vgl. die Studien von Haber 2008: 47–71 und Stökl Ben Ezra 2016: 300–302.
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zählen und zu deren Schutz sich Gott selbst verpflichtet hat.75 Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Selbstverständnis, „ עניי הצאןdie Armen der Schafherde“ (CD B 19,9) zu repräsentieren, kein rein bildsprachlicher Ausdruck für eine von der herrschenden Klasse unterdrückte Gruppe ist, sondern die Erfahrung der Jachad-Gruppe widerspiegelt, von außen in eine wirtschaftliche Notsituation gedrängt worden zu sein.76 Bedenkt man, dass ein nicht unbedeutender Teil der Gruppe und auch der Lehrer der Gerechtigkeit, jene Lichtgestalt, um die sich die Gründergeneration der Bewegung einst scharte, priesterlicher Abstammung war,77 dann wird nachvollziehbar, dass mit seiner Verdrängung aus dem Kultdienst und derer, die ihm die Treue hielten, auch der Entzug der wirtschaftlichen Grundlage, die ihnen der Tempel bereitete, einherging. Wenn die Adressaten aufgefordert werden, sich von diesen Besitztümern abzusondern, dann werden damit sicherlich vor allem Priester in der Jachad-Gruppe angesprochen sein, die nach Torarecht vom Kult und den dort dargebrachten Opfern ihren Lebensunterhalt hätten bestreiten sollen. Eine solche Absonderung bedeutete sicherlich auch einen Bruch mit eigenen Familienmitgliedern, die den führenden Tempelpriestern weiterhin die Treue hielten. Der Boykott der durch die Tempelpriester beworbenen Votivpraxis78 und die Aufforderung, durch Gelübde nicht den ausbeuterischen Machenschaften der Priester in die Hände zu spielen, könnte auch Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Naziräatspraxis unter den Mitgliedern der Jachad-Gruppe gehabt haben. Da die Ausweihung des Naziräatsgelübdes nur von diensthabenden Priesterfamilien,79 von denen man sich aber absondern sollte, vorgenommen werden konnte, dürfte der Naziräat für den Jachad unpraktizierbar gewesen sein. Dies mag vielleicht auch erklären, warum der Naziräat unter den 75 Vgl. z.B. Sach 11,11 und seine Aufnahme in CD B 19,5–11. 76 Vgl. Murphy 2002: 36. 77 Vgl. CD A 4,1–12a; 1QpHab 2,1–8; 4Q471 3,15–17; ferner Gärtner 1965: 4–5; Boccaccini 1998: 150; Doering 2017b: 208–209. Der früher z.B. von Stegemann 1994: 205–212 vertretenen These, der Lehrer der Gerechtigkeit hätte in den als Intersacerdotium (159–152 v.u.Z.) bezeichneten Jahren zwischen Alkimos und Jonathan das Hohepriesteramt innegehabt, steht man heute eher zurückhaltender gegenüber (vgl. dazu den forschungsgeschichtlichen Überblick bei Brutti 2006: 98–107). 78 Damit ist freilich noch nicht gesagt, dass die Mitglieder des Jachad den Opferkult gänzlich boykottierten. Sowohl aus Josephus, Ant 18,19 als auch aus CD A 11,18b–20a wird offensichtlich, dass die Gemeinde freiwillige Gaben zum Tempel entsandt hat. Baumgarten 1977: 68–69 hat die Vermutung geäußert, dass Priester aus dem Jachad in irgendeiner Form und bis zu einem gewissen Maß mit separaten Opfern am Tempel opfern konnten. Ob die diensthabenden Priester einen solchen Sonderweg wirklich zuließen, scheint mir äußerst fraglich. 79 Vgl. 1. Chron 24,17–19; 4Q320–4Q324a; 4Q324c–4Q325; 4Q328–4Q330; Lk 1,8–9; tTaan 4,3; Josephus, Ap 2,108.
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Schriftrollen vom Toten Meer außer in 4QSama (siehe 4 1.1.3.2) in keinem einzigen weiteren Textstück aufgegriffen und thematisiert worden ist. 2.1.2
Gelübde als Mittel zur Nötigung in 4Q271 4 ii 12–16 (par. CD A 16,13–18) Der oben bereits angesprochene Abschnitt 4Q271 4 ii 12–16 (par. CD A 16,13– 18) über den nötigenden und daher als missbräuchlich einzustufenden Gebrauch von Gelübden ist ein weiteres Beispiel für die Vorbehalte der JachadGemeinschaft gegenüber der Gelübdepraxis. Interessanterweise geht es in dem Abschnitt um eine vierte und fünfte Form des Gelübdewesens, von dem in CD A 6,14–17a noch nicht die Rede war. Es handelt sich zum einen um die freiwillige Opfergabe und zum anderen um die Weihung zubereiteter Speise als Spezialformen eines Gelübdes. Die Bestimmungen zur freiwilligen Gabe werden wie folgt dargelegt: על ]…[ 12 אל ידור איש למ]זבח מאום אנוס וגם[הכהנים אל יקחו מידvac משפט הנדבות 13 ] אל יקדש איש את מא[כל פיהו לאל כי הוא] אשר אמר איש א[תvac ישראל14 רעיהו ] [ ואם משvac ]ס ואל יקדש איש[מכלvac יצ[ודו]חרם15 ] ]הנודר א[ת [ [ ]גם המשפט16
12 […] Was 13 (nun) die Bestimmung(en) der freiwilligen Gaben betrifft, vac so soll niemand dem A[ltar etwas Erzwungenes geloben. Und auch] die Priester sollen (so etwas) nicht annehmen aus der Hand 14 eines Israeliten. vac Niemand soll weihen die Spei[se seines Mundes an Gott, denn das ist es], was er sagt (Mi 7,2): Jeder (ist dabei,) seinen Nächsten 15 (mit dem) Bann (zu) jagen. vac Niemand soll weihen [von allem ]s vac und wenn [ ] 16 [ ]auch die Bestimmung[ ] Jemand, der gelobt [ ] Die Einschränkung des Umfangs möglicher Votivgaben gründet sich auf der Frage nach der Eignung der Opfermaterie für den Altar. Das dafür maßgebliche Kriterium der Nichteignung wird mit der Wendung „( מאום אנוסetwas Erzwungenes“) ausgedrückt. Eine Frage, die sich sogleich im Anschluss an den zuvor thematisierten Abschnitt CD A 6,11b–13 stellt, ist, wie sich das Verbot der Tempelbegehung und des vergeblichen Opferns auf seinem Altar mit der Möglichkeit der Opferung von freiwilligen Gaben verträgt. Man wird vielleicht
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annehmen müssen, dass der direkte Verweis ידור … למזבחein Indiz dafür ist, dass die freiwillige Gabe allein für den Altar und damit für Gott bestimmt ist, ohne dass die Tempelpriester an dieser einen Anteil haben, wodurch eine Selbstbereicherung ausgeschlossen wird. Möglicherweise wurden diese Gaben über Boten an den Tempel überführt80 oder auch von den Priestern der Gemeinschaft dargebracht.81 Unter dieser Voraussetzung und unter der Bestimmung, dass die freiwillige Gabe auch wirklich auf Freiwilligkeit beruht, darf eine Weihung für den Altar vorgenommen und vollzogen werden. Vielleicht wird man aber auch annehmen müssen, dass die hier angesprochenen Bestimmungen zum rechten Umgang mit Gelübden losgelöst von CD A 6,11b–13 zu behandeln sind und einen ideal geführten Kultbetrieb vor Augen haben. Dafür spricht zumindest die direkte Unterweisung der Priester in gelübdebezogene Kulthandlungen in Z. 13–14. Die besondere Ausrichtung, gerade im Zusammenhang freiwilliger Opfergaben den Schwerpunkt auf den nötigenden Aspekt dieser Votivinstitution zu legen, kann durch den unmittelbaren Kontext des Prätexts Dtn 23,24 motiviert sein. Dort wird gegen die wirtschaftliche Ausbeutung des Nächsten zum einen das Zinsverbot in Dtn 23,20–21 und zum anderen das Verbot der unverhältnismäßigen, den eigenen Bedarf übersteigenden Inbesitznahme von Agrarfrüchten auf fremden Agrarflächen in Dtn 23,25–26 thematisiert. An welche Szenarien des Zwangs bzw. der Nötigung der Autor der Damaskusschrift hier denkt, bleibt weitestgehend offen. Dass das Thema der Nötigung noch im Fortgang der Behandlung von Gelübden eine Rolle gespielt hat, wird an der Stichwortwiederholung אנוסin 4Q266 8 ii 4–5 deutlich.82 Leider ist der Text so fragmentarisch, dass der Sachzusammenhang nicht mehr recht ersichtlich wird. Einzelne rekonstruierbare Phrasen lassen allerdings einen Zusammenhang zwischen einer missbräuchlichen Gelübdepraxis und den Bestimmungen aus Lev 5,21–24 erkennen,83 die die Ahndung und die Leistung von Reparationszahlungen bei Raub, Erpressung, Veruntreuung und Verlust von Sachgütern eines Dritten einfordern. Mit Blick auf die Wendung …[„( ]… ונענש הנודר חמי]שית כסף ערכוund der Gelobende wird mit einer Geldstrafe (in Höhe von) einem Fünf]tel des 80 Vgl. Josephus, Ant 18,19; CD A 11,18c–20a. 81 Vgl. Baumgarten 1977: 68–69. 82 Man wird hier sicherlich hinter 4Q271 4 ii 12–16 eine ähnliche Thematisierung wie der bei den Rabbinen unter נדרי אנסיםzusammengefasste Diskurs zu „Nötigungs- bzw. Zwangsgelübde“ (vgl. mNed 3,1) vermuten dürfen. 83 So auch von Baumgarten 1996: 65–66 favorisiert, der außerdem eine Aufnahme von Bestimmungen über das Vergehen an Heiligem aus Lev 5,16 bzw. 22,14, über die Auslösung ungeeigneter Opfermaterie aus Lev 27,13 oder über die Auslösung eines Feldes aus Lev 27,19 für denkbar hält.
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Geldes seiner Schätzung bestraft“) aus 8 ii 2–3 kann man zu dem Schluss kommen, dass hier eine Anwendung von Lev 5,21–24 auf Lev 27,15.20 ins Auge gefasst wird. Genauer geht es um eine Falschaussage in Sach- oder Vermögensangelegenheiten zwischen zwei Personen, bei der eine der beiden Personen darüber hinaus durch die Inauguration eines Gelübdes sein Gegenüber hintergangen und benachteiligt hat. Dass es sich um veräußerten Grundbesitz, also um ein Haus oder ein Feld gehandelt hat, das zum Stein des Anstoßes geworden ist, wird man dem Umstand entnehmen dürfen, dass der veräußerte Besitz einer Schätzung ( )כסף ערכוdurch Priester unterzogen werden soll.84 Wäre ein Aufschlag auf den Kaufpreis gemeint gewesen, dann wäre wohl eher von כסף ( ממכרLev 25,50) oder מחירdie Rede gewesen. Weiterhin erscheint die Entschlüsselung der an die Priester gerichteten Bestimmung im Übergang von Z. 13 zu 14, nichts aus der Hand eines Israeliten zu nehmen, unklar. Für die Interpretation der Priesterbestimmung wird entscheidend sein, welches Gewicht und welche Bedeutung man dem syntaktischen Anschluss mit der Konjunktion וגםbeimisst. Soll man die Priesterbestimmung durch den Anschluss parallelisierend lesen, sodass, wie M. Benovitz85 annimmt, die Priester in die Pflicht genommen werden sollen, nichts durch Zwang der Hand eines Israeliten zu entreißen? Für diese Deutung verweist Benovitz auf 1. Sam 2,12–17 und die dort geschilderten ruchlosen Taten der Söhne Elis am Tempel von Schilo, wie sie sich unrechtmäßig an der Opfermaterie der Israeliten bedienten. Die Frage stellt sich freilich, ob die Ruchlosigkeit der Söhne Elis nicht für sich ausreichendes Zeugnis ihrer Gottlosigkeit war und Gottes strafendes Gericht an ihnen nicht in dem Maße eine abschreckende Wirkung für kommende Priestergenerationen erzeugt hat,86 dass die Damaskusschrift ein solches Handeln nicht hätte explizit untersagen müssen. Außerdem ist die von ihm vorgelegte Textrekonstruktion des auf ישראלfolgenden אnicht so eindeutig, wie er zu glauben scheint.87 Nach ישראלund noch vor der ausgebrochenen Handschriftenlücke, die den Text bis יקדשunterbricht, ist ein Tintenfleck zu erkennen, der vom oberen an der Diagonale eines Alephs angesetzten und nach rechts auslaufenden Strichs stammen könnte. Würde dieses אzum אלdes neu beginnenden Rechtssatzes אל יקדשgehören, dann wäre der Zwischenraum zwischen beiden Wörtern zu groß. Aus diesem Grund haben auch
84 Vgl. die Diskussion zu Lev 27,17–24 unten 3 2.1. 85 Vgl. Benovitz 1998: 30 Anm. 50; sowie Rengstorf 1957: 864. 86 Vgl. 1. Sam 2,34; 4,11.17. 87 Wie Benovitz nehmen auch García Martínez und Tigchelaar 1999: 564 ein vacat zwischen ישראלund אלan.
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D. Dimant und D. Parry88 sowie E. Lohse89 die Rekonstruktion ישראל אנוס אל יקדשvorgeschlagen, ohne ein vacat zwischen ישראלund אלanzunehmen. Auf-
grund dieser Sachlage und der zuvor genannten inhaltlichen Punkte scheint mir ein kausaler Anschluss der zweiten Satzhälfte schlüssiger. Niemand soll von Dritten Erzwungenes dem Tempel als Votivgabe weihen, woraus sich auch für die Priester ergibt, dass diese solche, durch Zwang erlangte Opfermaterie nicht aus der Hand eines Israeliten entgegennehmen sollen.90 Dies setzt freilich voraus, dass die Priester von den Begleitumständen der Beschaffung der Opfermaterie in Kenntnis gesetzt wurden. Es lässt sich aus dieser an die Priesterschaft gerichteten Bestimmung möglicherweise auch ableiten, dass damit das den Dienst verrichtende Kultpersonal angehalten wird, neben dem Anlass der Opferbereitschaft auch die Umstände der Beschaffung der Opfermaterie vom Votanten in Erfahrung zu bringen. Im direkten Anschluss an die Rechtsverordnung, erzwungene bzw. durch Nötigung erworbene Opfermaterie nicht zu geloben und am Tempel durch die Priesterschaft nicht entgegenzunehmen, wird ein weiteres im Jussiv ausgedrücktes Verbot zur Weihe von Speisen angehängt. Die oben vorgestellte und teilweise durch CD A 16,14–15 gedeckte Rekonstruktion von Z. 14 מאכל פיהו ist allerdings nicht zweifelsfrei gesichert. Andere vorgebrachte Rekonstruktionsvorschläge haben z.B. „ מאכל פעלוSpeise seines Arbeiters“91 und im Zitat aus Mi 7,2 statt des רעיהוein עבדוin Erwägung gezogen. Unter Verweis auf die Auslegung von Dtn 23,25–26 in mBM 7,2–7 wird dabei angenommen, dass sich das Speiseinaugurationsverbot auf die Feldfrüchte bezieht, deren Verzehr den Erntearbeitern damit untersagt werden soll.92 Nimmt man jedoch die erhaltenen Textfragmente genauer unter die Lupe,93 werden schnell Zweifel an dieser Form der Rekonstruktion laut. Was im Zitat aus Mi 7,2 als עבדוidentifiziert wird, erklärt sich durch eine Verlesung von עיzu ב. Das יwird dabei als nach oben hin auslaufende Linie des בund das עmit seinem unteren Bogen als sein Fuß interpretiert. Missachtet wird dabei, dass nach אתeindeutig der vertikale Strich eines Buchstabens sichtbar ist, der in dieser Lesung überhaupt keine Zuweisung erhält. Außerdem ist zwischen dem erhaltenen לdes vermuteten פ[ע]לund dem folgenden כיkein Raum und auch kein sichtbarer Hinweis für
88 Vgl. Dimant und Parry 2014: 971. 89 Vgl. Lohse 1986: 100. 90 Eine solche Deutung legt auch Lohse 1986: 101 mit seiner Übersetzung „[die Pr]iester sollen von Israel nichts [Erzwungenes] annehmen“ nahe. 91 Vgl. Rost 1933: 28; Rengstorf 1957: 864. 92 Vgl. Staerk 1922: 84; Ginzberg 1976: 100. 93 Vgl. Broshi 1992: 40.
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das angehängte Suffix ו. Auch erscheint mir der Abstand zwischen פund לals zu groß, als dass dort nur ein עfehlen würde. Das Weihen der Speise des Mundes erinnert stark an die vielen mischnischen Rechtssätze und Fallbeispiele, die sich mit dem Weihen von zum Verzehr bereitgestellten Speisen und Getränken befassen.94 Speziell sei hier mNed 7,6 und der Wortlaut „( קונם פירות … לפיKonam seien die Früchte … für meinen Mund“) bzw. „( על פיauf meinem Mund“) der Gelübdeformel in Erinnerung gerufen. Das besondere an der Formulierung ist das nomen rectum פיder Constructus-Verbindung מאכל פיהו. Wäre mit der Richtlinie in 4Q271 4 ii 14 die Konsekration und Überführung von Speise an den Tempel angedacht gewesen, so hätte die Nennung von מאכלgänzlich ausgereicht. Die Tatsache, dass speziell an die Speise des Mundes angeknüpft wird, legt die Vermutung nahe, dass die so inaugurierten Gelübde Verzichtserklärungen darstellen, die den Genuss der Speise unterbinden sollen.95 Benovitz hat dagegen vermutet, dass es sich nicht um eine Selbstverzichtserklärung handelt und das Subjekt hinter dem unselbstständigen Personalpronomen von פיהוnicht das Indefinitpronomen אישsondern das Genitivobjekt ישראלaus dem vorausgehenden Rechtssatz ist.96 Ein solcher unvermittelter Bezug des unselbstständigen Personalpronomens über die abgeschlossene Satzeinheit hinaus ist im Hebräischen allerdings nicht üblich. Für eine so geartete Deutung des Sachverhalts hätte die Näherbestimmung des Akkusativobjekts מאכל פיentweder 97 מאכל פי ישראלoder מאכל פי רעיהוlauten müssen. Benovitz geht in seiner Deutung noch so weit, dass es sich dabei um einen Israeliten handeln müsse, der von der Versorgung des Votanten abhängig gewesen sei. Ein solches Szenario ist freilich denkbar, aber vom Wortlaut der Rechtssatzung mitnichten unmittelbar ableitbar.98 94 Vgl. die Gelübdeformeln zum Speiseverzicht in mNed 6–8. 95 Vgl. Benovitz 1998: 31. 96 Vgl. Benovitz 1998: 32 Anm. 55. 97 Eine solche Textrekonstruktion hat Benovitz 1998: 32 Anm. 55 sogar vorgeschlagen, jedoch im selben Satz wieder verworfen, da das וvon פי[ה]וzweifelsfrei erkennbar ist und nach Benovitz auch Ansätze für ein הvorhanden sind. 98 Shemesh 2000: 172–173 versteht die Passage in ganz gegensätzlicher Weise und nimmt vor dem Hintergrund von Sifra be-Chukkotai 12 (114d Weiss) an, das Verbot untersage dem Votanten die Weihe seiner gesamten Versorgungsgrundlage, sodass ihm zu guter Letzt selbst nichts mehr für seinen eigenen Unterhalt bleibt. Shemesh geht davon aus, dass sich der Schriftverweis auf Mi 7,2 nicht allein auf das Verbot der Speisekonsekration bezieht, sondern vielmehr auf alle gelübdebezogenen Vorschriften des Absatzes. Für eine solche Interpretation scheint mir allerdings die Positionierung des mit כי הוא אשר אמרeingeleiteten Schriftbeweises zwischen den beiden Bestimmungen אל יקדש איש את מאכל פיהוund ואל יקדש איש מכלin 4Q271 4 ii 14–15 eher unpassend. Ähnlich kritisch dazu auch Jassen 2014: 220. Doch angenommen, der Schriftbeweis beziehe sich nicht allein auf das Speisekonsekrationsverbot, sondern auf sämtliche gelübdebezogenen Verbote, dann
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Dass die Annahme, der Effekt der Selbstverzichtserklärung könne sich auch auf außenstehende Personen auswirken, dennoch nicht aus der Luft gegriffen ist, wird durch das angeschlossene Schriftzitat aus Mi 7,2 ersichtlich. Mit Hilfe des polysemen Begriffs חרם, der neben Bann auch Schleppnetz bedeuten kann,99 kann der Autor der Damaskusschrift einen Bezug zur missbräuchlichen Gelübdepraxis herstellen, indem er im Bild des Prophetenwortes gesprochen diese Praxis als Menschenjagd anprangert.100 Welche weitreichenden und auch einer Nötigung gleichkommenden Effekte eine Selbstverzichtserklärung haben konnte, machen die halachischen Fallbeispiele der rabbinischen Traditionsliteratur deutlich. So legt mNed 4,1 den Fall eines Gelobenden, der dem Genuss von Speise in Verbindung mit seinem Nächsten entsagt, dahingehend aus, dass dieser von seinem Nächsten weder Speise noch Utensilien zur Speisezubereitung für den Eigengebrauch nutzen kann. Dies kann je nach Form der sozialen Bindung zwischen beiden – sei es die des Familienverbands, der Nachbarschaft oder die einer religiösen Gemeinschaft – von einer Störung der familiären bzw. nachbarschaftlichen Versorgungs- oder gar Festgemeinschaft bis hin zum Abbruch von gruppenbasierter Gütergemeinschaft reichen.101 Man beachte dabei, dass andere Formen des Speiseverzichts meist im Kontext gemeinschaftlichen Fastens wie z.B. das Fasten am Versöhnungstag (Lev 16,29.31; 23,27–32; CD A 6,18–19; 11QTa 25,10–11; mJom 8,1–6), landesweit ausgerufenes Fasten in Zeiten der Not (Joel 2,15–27; mTaan 1,4–7) und des gemeinschaftlichen regelmäßigen Fastens der Pharisäer, der Johannesjünger und von Teilen frühchristlicher Gemeinschaften (Mk 2,18–22; Lk 18,12; Did 8,1) stattfanden. Natürlich sind auch Formen des individuellen Fastens dokumentiert und auch akzeptiert worden, doch wird man diese aus der Perspektive einer Gemeinschaft nur unter absehbarer zeitlicher Begrenzung befürwortet haben. Das Besondere im Fall eines auf einer Weihe von Speise basierenden Fastens ist, dass dieses nicht vorzeitig abgebrochen werden konnte. Die höchstwahrscheinlich wäre auch in diesem Fall Shemeshs Interpretation des Verbots אל יקדש איש את מאכל פיהו, das er als allein auf den Votanten bezogen verstanden wissen möchte, fragwürdig. Mi 7,2 wird eindeutig zum Zweck herangezogen, den missbräuchlichen Gebrauch von Gelübden gegenüber dritten zum Ausdruck zu bringen. 99 In mNed 2,5 wird die Polysemie des Begriffs gerade in umgekehrter Weise brauchbar gemacht. Dort versichert ein zur Rede gestellter Votant, er habe nicht den Bann gemeint, sondern ein Schleppnetz. 100 Durch wiederholten Gebrauch von Derivaten der Wurzel חרםist die Passage auch mit CD A 9,1 verbunden, wo vor dem Hintergrund der Banngesetzgebung aus Lev 27,28 mit der Androhung der Todesstrafe vor der Einschaltung heidnischer Gerichte gewarnt wird. Vgl. dazu unten 6 2. 101 Vgl. dazu auch mNed 4,7–8; 7,8–9; ferner Philo, SpecLeg 2,16 und die Ausführungen unten 2 2.2.1.
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gemeinsam mit der Verzichtserklärung abgegebene Befristung des Verzichts musste unbedingt eingehalten werden, da die Missachtung der Befristung und die Einnahme der Speise sonst ein Sakrileg bedeutet hätten.102 Man muss sich hier klarmachen, welchen Stellenwert der gemeinsame Verzehr von Speisen in der antiken Welt im Allgemeinen und in der Gruppe des Jachad im Besonderen hatte. Gemeinschaftsmähler stifteten Identität und hatten wie im Fall des Jachad auch sakrale Bedeutung. In 1QS 6,2–8 wird das Gemeinschaftsmahl auf einer Stufe mit gemeinschaftlichem Gebet und gemeinschaftlichen Ratssitzungen genannt. Den Mählern musste ein Priester vorsitzen, der vor dem Mahl den Segen über Brot und Traubensaft sprach.103 4Q274 2 i 9–ii 1 spricht gar davon, dass als Voraussetzung für die Teilnahme am Mahl und für den Verzehr von heiligem Essen die Waschung des Körpers im Reinigungsbad erwartet wurde. Josephus untermauert diese literarischen Zeugnisse in gewisser Weise, wenn er in Bell 2,129–133 seiner Leserschaft unterbreitet, dass es Sitte war unter den Essenern, sich vor dem vormittäglichen und abendlichen Gemeinschaftsmahl in weißen Leinen zu kleiden und sich zu reinigen. Die so getroffenen Vorbereitungen ließen Josephus zufolge den zu betretenden Speiseraum wie ein Heiligtum erscheinen.104 Darüber hinaus war die Teilnahme an den Mählern für Aspiranten erst nach einer gewissen Zeit der Prüfung und nach dem Ablegen eines feierlichen Schwurs möglich.105 Für die Teile der Jachad-Bewegung, die wie die Gruppen hinter 1QS in Gütergemeinschaft lebten, konnte die Weihung von Speisen ein zweifaches Problem darstellen. Zum einen stand der Besitz der Gemeinschaft unter der Kontrolle eines „ מבקרAufsehers“106 und konnte nicht beliebig von jedem Gruppenangehörigen verteilt werden.107 Die Weihe von gemeinsam beanspruchten Sachgütern könnte möglicherweise auch ein Verbot derselben für andere Gruppenmitglieder bedeutet haben. Dann wäre das Verbot dahingehend zu 102 Vgl. dazu die Ausführungen unter 4 2.2. 103 Vgl. auch 1QSa 2,11–22, wo das Mahl als ein endzeitlich messianisches Gemeinschaftsmahl gefeiert wird. 104 Zum literarischen Befund und zur Frage nach der Stellung der Mähler als Substitution kultischer Tempelfestmähler oder als messianisches Mahl vgl. Schiffman 1979; Magnes 2002: 113–126; Eckhardt 2010 und Stökl Ben Ezra 2016: 295–298. 105 Vgl. Josephus, Bell 2,137–139; sowie dazu Vahrenhorst 2002: 92–94.142. Der Zugang zur Speise der Gruppe ist hier gleichbedeutend mit der vollwertigen Aufnahme in die Gemeinschaft. 106 V gl. 1QS 6,19–20. 107 Dass auch die Gruppen hinter D in irgendeiner Form des gemeinschaftlich überwachten Güteraustauschs zusammenlebten, legt CD A 14,20 mit ואש]ר [יש]קר בממון והוא „( יודעund wer bezüglich [seines] Besitzstandes lügt und er [tut dies] wissentlich“) (vgl. Baumgarten 1996: 8; García Martínez und Tigchelaar 1999: 574; Dimant 2014: 970) nahe.
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deuten, dass niemand eigenmächtig die allen Vollmitgliedern zustehende Speise konsekrieren durfte.108 Zum anderen wollte man wohl auch vermeiden, dass Mitglieder sich den für den Tagesablauf der Gemeinschaft so zentralen Mählern eigenmächtig entzogen. In kleineren Gemeinschaften konnte dies bereits bedeuten, dass mit dem Wegfall einer Person die Mindestanforderung der in 1QS 6,2–8 geforderten Teilnehmerzahl nicht erreicht und das Gemeinschaftsmahl in dieser speziellen Form nicht gehalten werden konnte. Ein Umstand, der die gewissenhaften Mitglieder einer Gruppe sicherlich auch erpressbar machen konnte.109 Sich der Speise einseitig zu entziehen, bedeutete auch, sich der Gemeinschaft mit seinem Nächsten und der gesamten Gruppe einseitig zu entziehen. Das Verbot der Weihung von מאכל פיהוrichtet sich daher auch gegen die gemeinschaftshinderliche Praxis solcher Gelübde. 2.1.3 Zusammenfassung Die Schriftrollen aus Qumran sind die frühesten Zeugen für eine als missbräuchlich wahrgenommene Gelübdepraxis. Die Damaskusschrift ist für diese Entwicklung der Hauptzeuge, der sowohl eine von den Tempelpriestern durch Gier geleitete Forcierung der Votivpraxis (CD A 6,11b–17a) als auch eine das soziale Zusammenleben störende Verbotsgelübdepraxis (4Q271 4 ii 12–16) bezeugt und anprangert. Für die Existenz einer solchen Verbotsgelübdepraxis könnte auch der Text 4Q416 2 iv 8 (vgl. oben 2 4.2.3) ein Zeuge sein, der die Verbreitung derselben bereits am Ende des 3. bzw. Anfang des 2. Jh. v.u.Z. belegt. Die Durchsicht von 4Q271 4 ii 12–16 (par. CD A 16,13–18) hat offengelegt, dass grundsätzliche Themen wie die Sanktionierung von Zwangs- bzw. Nötigungsgelübden und das Verbot von Speiseentsagungsgelübden, die später einen großen Raum in der halachischen Diskussion von Mischna und Tosefta Nedarim einnehmen, zur Abfassungszeit der Damaskusschrift, also im Übergang vom 2. zum 1. Jh. v.u.Z., bereits eine wichtige Rolle im halachischen Diskurs einnahmen. Besonders eindrücklich ist dabei, dass die Auseinandersetzung mit Verbotsgelübden fast ausschließlich vor dem Hintergrund ihres Missbrauchs geführt wird. Dies ist auch im Fall der Speiseentsagungsgelübde anzunehmen. Zwar wird der Grund für das Verbot so gearteter Gelübde nicht genannt, doch wird man erwägen können, dass dies als eine Art Profanierung des Weihekonzepts, als unautorisierte Konsekration von gemeinschaftlich beanspruchten 108 Von der Überwachung des Besitzes der Gütergemeinschaft berichtet Josephus in Bell 2,134. Zu Fragen nach den Auswirkungen des Verbotes für die Nutzung von gemeinsam beanspruchtem Besitz geben die Rabbinen in mNed 5,1–5 Auskunft. 109 Vgl. die unten unter 5 3.4 aus der Mischna vorgetragenen Fälle von Gelübden in unterschiedlichen sozialen Zusammenhängen und das Moment von Zwang und Nötigung, das diese entfalten konnten.
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Sachgütern, als einseitiger Entzug von Gemeinschaftsmählern und damit als Mittel der Erpressung gedeutet wurde. Man wird recht daran tun, das Spektrum an missbräuchlichem Verhalten im Zusammenhang von Verbotsgelübden nicht auf eine der oben referierten Möglichkeiten engzuführen. Vielmehr kann der Verweis auf מאכל פיהוals eine von der Gemeinschaft verstandene Chiffre für einen nötigenden und gemeinschaftsschädigenden Umgang mit Selbstentsagungsgelübden verstanden werden. Gelübdediskurse zur bedingten Votivgabenweihe in jüdisch-hellenistischen Texten Gelübdediskurse bei Philo von Alexandrien 2.2.1 Weihe und Annahmeverzicht von Votivgaben in Hyp 7,3–5 2.2.1.1 Dass, wie oben unter 2 2.2 bereits gezeigt wurde, Gelübde und Schwüre im Judentum zur Zeit des Zweiten Tempels als beinahe identische Formen der Selbstverpflichtung angesehen wurden, lag an den restriktiven Bedingungen im Umgang mit Votivgaben. Klar ersichtlich wird dies in Philos Schrift Hypothetica (fortan Hyp), die allein in Auszügen in Eusebs Praeparatio evangelica 8,6,1–9; 8,7,1–20 und 8,11,1–18 überliefert ist.110 In Hyp 7,3–5 schildert der Alexandriner, wie rigoros sich ein Votant vom vormals eigenen Besitz absondern muss, wenn er diesen Gott durch Weihe verspricht, und wie verwerflich die Reue über die Weihe einer Votivgabe ist. 2.2
3 ἄλλα δ᾽ αὖ πάλιν ὁποῖά τινα· γυναῖκας ἀνδράσι δουλεύειν, πρὸς ὕβρεως μὲν οὐδεμιᾶς, πρὸς εὐπείθειαν δ᾽ ἐν ἅπασι· γονεῖς παίδων ἄρχειν ἐπὶ σωτηρίᾳ καὶ πολυωρίᾳ· τῶν ἑαυτοῦ κτημάτων ἕνα ἕκαστον κύριον εἶναι, μὴ θεόν γε ἐπιφημίσαντα αὐτοῖς μηδ᾽ ὡς τῷ θεῷ ταῦτα ἀνίησιν· εἰ δὲ λόγῳ μόνον ὑποσχέσθαι προσπέσοι, ψαῦσαι καὶ θιγεῖν αὐτῶν οὐκ ἔστιν, ἀλλ᾽ εὐθὺς ἁπάντων ἀποκεκλεῖσθαι. 4 μή μοι τὰ τῶν θεῶν ἁρπάζειν μηδ᾽ ἀποσυλᾶν ἑτέρων ἀναθέντων· ἀλλὰ καὶ τῶν οἰκείων, ὥσπερ ἔφην, προσπεσόν τι καὶ λαθὸν αὐτὸν ῥῆμα ἐπ᾽ ἀναθέσει, εἰπόντα δὲ πάντων στέρεσθαι· μεταγινώσκοντι δὲ ἢ ἀπαρνουμένῳ τὰ λελεγμένα καὶ τὴν ψυχὴν προσαφαιρεῖσθαι. 5 καὶ ἐπὶ τῶν ἄλλων ὧν κυριεύει ὁ αὐτὸς λόγος. ἐὰν ἐπιφημίσῃ τροφὴν γυναικὸς ἀνὴρ ἱερὰν εἶναι, τροφῆς ἀνέχειν· ἐὰν πατὴρ υἱοῦ, ἐὰν ἄρχων τοῦ ὑπηκόου, ταὐτόν. καὶ ἔκλυσις δὲ ἐπιφημισθέντων ἡ 110 Kaiser 2015: 33–35 hat die Schrift zusammen mit In Flaccum und Legatio ad Gaium in die Zwischenperiode der schriftstellerischen Wirksamkeit des Alexandriners verortet, die durch eine Verschlechterung der Situation der alexandrinischen Juden gekennzeichnet war. Das Werk trägt apologetischen Charakter und war für eine nichtjüdische Leserschaft bestimmt (vgl. Schürer III/2: 866–868). Vor diesem Hintergrund hält Niehoff 2018: 246 eine Abfassung der Schrift in den Jahren nach 38 u.Z. für wahrscheinlich. Die Authentie der Auszüge wird in der neueren Forschung nicht angezweifelt.
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μὲν τελειοτάτη καὶ μεγίστη τοῦ ἱερέως ἀποφήσαντος· ὑπὸ γὰρ τοῦ θεοῦ κύριος οὗτος δέξασθαι· καὶ μετὰ ταύτην δὲ ἡ παρὰ τῶν μᾶλλον ἀεὶ κυρίων ὁσία ἵλεω τὸν θεὸν ἀποφαίνειν, ὡς μηδὲ ἐπάναγκες τὴν ἀνάθεσιν δέχεσθαι. 3 Es gibt aber wiederum einige (Satzungen) von verschiedener Art: (Nämlich) dass Frauen (ihren) Männern dienen, wohl keineswegs zur Schmach, aber zum Gehorsam in allen (Dingen). Dass Eltern über (ihre) Kinder herrschen mit dem Ziel (ihrer) Erhaltung und Versorgung. Dass jeder Herr über seine eigenen Besitztümer ist, es sei denn er hat Gott(es Namen) über ihnen ausgerufen, oder solange er diese nicht Gott überlässt. Wenn es ihn aber plötzlich überkommt, (sie) mit einem Wort zu versprechen, dann ist es ihm nicht erlaubt, an sie Hand anzulegen oder sie zu berühren. Vielmehr muss er sich augenblicklich vor ihnen allen verschließen. 4 Ich brauche nicht (den Fall zu ergänzen, da sich einer anschickt), die den Göttern zugeeigneten Dinge zu rauben, oder zu stehlen, was von anderen geweiht wurde. Selbst das Eigene, wie ich gesagt hatte, (wenn) etwas (ihn) überkommt und es entgeht ihm unbedacht ein Wort der Weihe, so entzieht er sich, indem er aber (so) spricht, aller Dinge. Empfindet er aber Reue oder leugnet die gesagten Dinge, dann wird ihm auch sein Leben genommen. 5 Dasselbe Prinzip gilt auch für andere, über die er Gewalt hat. Wenn ein Mann den Lebensunterhalt111 (seiner) Frau geweiht hat, dass er heilig sei, (so ist) vom Lebensunterhalt abzulassen; gleiches (gilt), wenn ein Vater (den Lebensunterhalt) des Sohnes, (oder) wenn ein Herrscher (den Lebensunterhalt) des Untergebenen (geweiht hat). Die vollkommenste und größte (Weise) aber ist die Entbindung von den Weihungen, wenn der Priester (sie) ausspricht,112 denn dieser ist von Gott berechtigt, (sie) anzunehmen.113 Nach dieser114 aber besteht das göttliche Recht von den jeweils höher Berechtigten darin, Gott als gnädig zu erklären, sodass keine Notwendigkeit besteht, die Weihegabe anzunehmen. Wenn Philo in Hyp 7,3 von der Ausrufung des Gottesnamens über den eigenen Besitztümern spricht, die der Gottheit als Votivgaben dargebracht werden sollen, dann nimmt er damit auf ein Weiheformular Bezug, bei dem wie im Fall von Lev 1,2; 2,1 und 7,14 mit „( ליהוהfür JHWH“) die Adressierung der 111 Wörtl. Nahrung. 112 Vielleicht ist auch gemeint, wenn der Priester die Annahme „verneint“. 113 Ergo auch abzulehnen. 114 Gemeint ist das Recht der ἔκλυσις durch die Priester.
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Gabenzuwendung an JHWH ausgedrückt wird. Ferner lassen Philos Ausführungen erahnen, warum die späteren Rabbinen ähnlich wie beim Schwur auch im Fall von Gelübden die Notwendigkeit verspürten, das traditionell überkommene Weiheformular zu substituieren, um damit die Nennung des Gottesnamens zu vermeiden.115 Das strikte Verbot, Votivgaben nach ihrer Weihe auch nur zu berühren, könnte in Teilen auf die aus Lev 5,14–16 und 27,9–10116 stammenden Opfergesetze basieren. Demnach ist alles, was Gott als Opfergabe übergeben wird, dem profanen Gebrauch entzogen und fortan als heilig und gottzugehörig anzusprechen. Das Verbot der Berührung zielt sicherlich darauf ab, eine profane Nutzung durch den vormaligen Besitzer nach der Konsekration zu verhindern. Wie sich Philo unter diesen Voraussetzungen jedoch die Überführung der Votivgabe an den Tempel vorstellt, wird in Hyp nicht dargelegt. Bei der Weihung von Feldern oder Häusern entfällt freilich eine Überführung, sodass man allein bei tierischen und vegetabilischen Opfergaben sowie bei Nutzgegenständen entweder annehmen muss, dass Philo von der Konsekration bei der Übergabe an die Priester spricht, oder gar an eine Überführung durch Priester denkt. Er betont darüber hinaus, dass selbst eine zufällige Äußerung ausreicht, um eine Weihe und damit einen Besitzverzicht auszudrücken. Anders als beim Schwur, bei dem Philo in SpecLeg 2,14–15 noch Reue als einen legitimen und wünschenswerten Grund zur Rücknahme ungebührlicher Schwüre anerkennt, ist eine Weihe, und sei sie auch versehentlich geschehen, nicht mit einem nachträglichen Gefühl der Reue vereinbar.117 Genauso frevelhaft empfindet Philo die Leugnung der Weihe, die seiner Meinung nach als Konsequenz das Verwirken des eigenen Lebens nach sich zieht.118 Wie schändlich Reue über oder Leugnung von Gelübden auch in nichtjüdischen Kultgemeinschaften angesehen wurden, lassen lateinische Votivinschriften mit der Formel votum solvit laetus libens merito („Gelübde erfüllt, fröhlich, willig, verdient“)119 erkennen. Hier wird mit der standardisierten Votivinschrift ausgedrückt, welche innere Herzenshaltung vom Votanten bei der Einlösung seiner Gelübdeversprechung erwartet wird.
115 Vgl. mNed 1,1–2. 116 Vgl. Avemarie 2013b: 782 mit Anm. 47. 117 So ähnlich auch 2. Hen 62,2, wo das Zurücknehmen einer Gelübdeversprechung die Unmöglichkeit, für ein solches Vergehen Buße zu tun, nach sich zieht. Nach 2. Hen 61,4–5 sind durch Gelübde versprochene Opfergaben ohne ein murrendes Herz darzubringen, da der Votant sonst keine gnädige Zuwendung Gottes erhoffen kann. 118 Vielleicht wird man hier an eine der rabbinischen Ausrottungsstrafe ( ;כרתvgl. dazu Tetzner 1968: 39–40) ähnelnde Vorstellung denken müssen. 119 Siehe dazu auch unten die Anmerkungen unter 3 3.1.
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In Hyp 7,5 verlagert er die Betrachtungsebene dann auf den zwischenmenschlichen Bereich und stellt fest, dass sich die Vorenthaltung bzw. der Nutznießungsverzicht ebenfalls zwischen Ehemann und -frau, Vater und Sohn sowie Herrscher und Untergebenem auswirkt, wenn eine der Parteien gemeinsam beanspruchtes Gut für heilig erklärt. Bei den Votivgaben in Hyp 7,5, an die Philo hier im Bericht über das Weihegelübde denken könnte, wird es sich um Sachgüter handeln, auf die die genannten Personen durch familiäre oder gesellschaftshierarchische Bindung einen Anspruch haben. Die Möglichkeiten der Sachgutweihe werden dabei einer hierarchisch konzeptualisierten Beschränkung unterworfen. Die Weihe kann nur unidirektional von einem Schutzherrn an solchen Gütern vollzogen werden, an denen er gemeinsam mit einem ihm untergeordneten Schutzbefohlenen Anteil hat. Die Weihe eines mit einem Schutzherrn gemeinsamen Anteils durch einen Schutzbefohlenen wird wohl dann nur unter der Voraussetzung möglich sein, dass der Schutzbefohlene sein Einverständnis dazu gibt. Besonders auffällig ist dabei, dass Philo weniger über den Zueignungscharakter des an Gott gerichteten Gelübdes reflektiert, als vielmehr über den Verzichtscharakter, der sich aus der Weihe ergibt.120 In diesem Zusammenhang nennt Philo zudem zwei weder in biblischer noch in tannaitischer Literatur überlieferte Möglichkeiten, Gelübde außer Kraft zu setzen. So kann ein Priester – möglicherweise auf Grundlage einer vorher durchgeführten Besprechung mit dem Votanten – die Annahme der Votivgabe verweigern und die ἔκλυσις von der Pflicht zur Darbringung der Weihegüter bekanntgeben.121 Wenn der Priester autorisiert bzw. sogar verpflichtet ist, Opfergaben anzunehmen und dies, nicht ohne sie vorher geprüft zu haben, dann wird man auch annehmen müssen, dass er diese, wenn die Opfermaterie nicht makellos war, auch ablehnen konnte.122 Hieraus hat sich scheinbar im Selbstverständnis der Priesterschaft das Bewusstsein herausgebildet, auch von Gelübdeverpflichtungen zu entbinden, wenn deren Ausführung als der Ehrerweisung Gottes gegenüber unwürdig eingestuft wurde.
120 Vgl. Vahrenhorst 2002: 128. 121 Dies setzt freilich voraus, dass der Votant vorher mit dem Priester in einen Dialog getreten ist und der Votant den Priester über die Beweggründe und die Umstände, die zur Inauguration des Gelübdes geführt haben, in Kenntnis gesetzt hat. An einen ähnlichen Dialog zwischen Votanten und Priester wird man wohl auch in CD A 16,13–14 (vgl. oben 3 2.1.2) denken dürfen, wenn es dort heißt, dass Priester keine durch Zwang abgesonderte Votivgabe annehmen sollen. Für eine solche Gewährleistung scheint der D-Autor von der Priesterschaft zu erwarten, dass diese sich mit den zum Tempel kommenden Votanten und ihren Gaben intensiv auseinandersetzen. 122 Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Benovitz 1998: 155.
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Der Zusammenhang der zweiten von Philo vorgelegten Möglichkeit zur Aufhebung der Opferverpflichtung ist dagegen etwas schwerer zu bestimmen. Philo spricht hier eine nicht näher spezifizierte Gruppe von Personen an, die jeweils mit einem höheren Maß an Autorität ausgestattet sind. Diese seien im Stande, Gott als gnädig zu erklären und somit das Weihegeschenk als unnötig einzustufen. Dies begreift Philo als ἡ ὁσία, womit er sicherlich den Ursprung dieser Entbindungspraxis auf die Tora selbst zurückführt.123 Er stellt diese Form der Entbindung jedoch der vorherigen, die er noch als vollkommenste und größte angepriesen hatte, nach. Dass hier vor dem Hintergrund von Num 30 an Vater oder Ehemann und ihr Verwehrungsrecht zu denken ist, halte ich für problematisch, da damit ausgedrückt wäre, dass diese ihre eigenen gegenüber den Kindern und Ehefrauen geäußerten Weiheversprechen rückgängig machen können. Man müsste allenfalls annehmen, dass Philo, ohne dies thematisch eingeführt zu haben, hier auf die Gelübde der Schutzbefohlenen anspielt, die dann von ihren Schutzherren, sei es Vater, Ehemann oder ein Herrscher, annulliert werden. Über die Schwierigkeit eines nicht eingeführten Perspektivwechsels hin zu den Gelübden der Schutzbefohlenen hinaus ist außerdem auf zwei sprachliche Indizien zu verweisen, die eine solche Deutung fraglich erscheinen lassen. So entsteht mit der Stichwortwiederholung von δέχομαι der Eindruck, dass sich der Votant wie im vorausgehenden Satz immer noch im Raum des Kultes befindet und auch dort über die Annahme bzw. Ablehnung seiner Gabe entschieden wird. Zum anderen wird die Erwirkung göttlicher Gnade nach dem Zeugnis der Hebräischen Bibel nur einem eingeschränkten Kreis an Personen zugestanden. So ist es Mose in Num 14,19–20, der in seiner priesterlichen Funktion im Stande ist, durch Fürbitte Gottes gnädige Zuwendung zu erbitten (ἵλεως αὐτοῖς εἰμι). Im Fall eines Erschlagenen in Dtn 21,8 sind es Priester und Leviten, die durch die Rituelle Tötung eines Kalbs und durch Fürbitte (ἵλεως γενοῦ τῷ λαῷ σου Ισραηλ) Blutschuld abwehren und Gott gnädig stimmen. E. P. Sanders nimmt an, dass hierbei neben dem Hohepriester auch an den König zu denken ist, der die Besänftigung Gottes und damit den Verzicht auf die Annahme der Weihegabe erklären kann,124 was allerdings aufgrund der aus der Tora zu erschließenden kulttheoretischen Voraussetzungen125 und 123 Die Bezeichnung der Tora mit ἡ ὁσία ist für jüdischen Sprachgebrauch eigentlich untypisch. Vor dem Hintergrund des Abfassungszwecks der Schrift als Apologie ließe sich vielleicht argumentieren, dass Philo die Bezeichnung in Anlehnung an pagan-hellenistische Sprachkonvention gewählt hat. 124 Vgl. Sanders 1990: 54. 125 Nach biblischer Darstellung kann der König wie in 2. Kön 23,4–20 über die Reorganisation des Tempelkultes wachen. Hierunter fällt auch der Tempelumbau des Herodes, der 20 v.u.Z. begann (vgl. dazu Vogel 2002: 195–202). Dass der König über seine Funktion als
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der zeitgeschichtlichen Hintergründe in Judäa fraglich ist. Für die Zeit von der zweiten Hälfte der Perserherrschaft an126 bis zum Niedergang der HasmonäerDynastie, die mit der Niederlage des Antigonos 37 v.u.Z. besiegelt wurde, stellt sich diese Frage freilich nicht, da die Hohepriester in prämakkabäischer Zeit127 und dann erst recht die Hasmonäer seit Jonathans128 Einsetzung zum Hohepriester im Jahre 153 oder 152 v.u.Z. die Hohepriesterwürde und die politische Macht über Judäa und die angrenzenden Gebiete in sich vereinigten. Als unwahrscheinlich darf dies auch für den Fall gelten, dass Philo hier das idealisierte Bild einer Theokratie, in der der Hohepriester an der Spitze der Gemeinschaft steht, bzw. ein idealisiertes Königtum,129 das Philo geschichtlich allein in der Person des Mose verwirklicht sah,130 vor Augen hatte. Da Philo aber mit der Abfassung des Werkes eine Apologie des Judentums anstrebte, wird man annehmen dürfen, dass er die jüdische Glaubensgemeinschaft und ihre Kultpraxis in Hypothetica nicht rein idealisiert bzw. „utopisch“, sondern für seine Leserschaft bis zu einem gewissen Maß nachprüfbar darstellte. Was Philos zeitgenössische Klientelfürsten in Judäa anbelangt, und hier ist allen voran an die beiden Herodianer Archelaus und Agrippa I zu denken, ist freilich aus den Antiquitates Iudaicae des Flavius Josephus bekannt, dass diese Kandidaten aus der Priesteraristokratie in das Hohepriesteramt einsetzten. Darin unterschieden sie sich aber nicht von den römischen Statthaltern Quirinius und Lucius Vitellius und dem Präfekten Valerius Gratus.131 Über dieses Investiturrecht hinaus haben sich die Herodianer nicht in kultrechtliche Belange eingemischt und sich auch schon wegen ihrer nichtpriesterlichen Herkunft strikt an eine Trennung von „geistlicher“ und „weltlicher“ Macht gehalten.132 Benovitz hat ferner angenommen, es handele sich bei jener mit höherer Autorität Schutzpatron des Kultes in die Belange des täglichen Opferbetriebs eingreifen kann, wird ihm nirgends in der Tora zugebilligt. Demgegenüber kommt den Priestern das alleinige Recht zum Opfern zu. Als allein durch Abstammung bestimmte und abgegrenzte Gruppe ist es ihnen erlaubt, Opfergaben vor Gott zu bringen und diese sicherlich auch in gebotenen Fällen abzulehnen. 126 Vgl. Schürer II: 239. 127 Vgl. Schürer II: 227. 128 Vgl. Tilly 2015c: 212–215; Regev 2013: 101–128. 129 Vgl. Calabi 1998: 7–10. 130 Vgl. Martens 2003: 93. 131 Eine Investiturliste mit allen Hohenpriestern, beginnend mit dem durch Herodes den Großen investierten Ananel bis hin zum vom Volk berufenen Phanni bietet Schürer II: 229–232. Das den politischen Führern zuerkannte Investiturrecht ist womöglich der Grund, warum dem König auch noch nach rabbinischer Tradition in tHor 2,9 der Vorrang gegenüber dem Hohenpriester gebührt. 132 Vogel 2002: 198 konstatiert dies freilich nur in Bezug auf Herodes den Großen, aber es gibt keinen Grund, diese Haltung gegenüber der Priesterschaft nicht auch bei seinen Sukzessoren vorauszusetzen.
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ausgestatteten Gruppe um Gelehrte.133 Doch ist auch hier zu fragen, welchen Einfluss diese auf die Kult- und Opferpraxis gehabt haben sollen, sodass Philo von diesen sogar sagen kann, sie seien mit göttlichem Recht dazu befugt gewesen. Mit Philos Hinweis auf eine höher angesiedelte Autorität wird man daher vielleicht eher an abgestufte Dienstgrade innerhalb der Priesterschaft134 und an den unterschiedlich großen Einfluss der priesterlichen Dienstabteilungen135 und der darin zusammengefassten Familien136 denken müssen. Letztlich bleibt aber an Philos kurzer Notiz vieles unklar, weshalb man über die wenigen hier dargelegten Vermutungen hinaus keine weitreichenderen Schlüsse ziehen kann. 2.2.2 Gelübdediskurse bei Flavius Josephus Der zwischen 71 und den letzten Jahren des 1. Jh. u.Z.137 literarisch wirkende Flavius Josephus ist dank seiner priesterlichen Abstammung138 für den Gegenstand dieser Arbeit von großem Interesse. Er ist entweder direkt durch die Teilnahme am priesterlichen Dienst im Jerusalemer Tempel oder zumindest vermittelt durch priesterliche Bildung139 mit dem Gelübdewesen des antiken Judentums in Kontakt gekommen und ist damit kein bloßer Rezipient seiner biblischen Quellen. Seine Darstellungen zu kultpraktischen Belangen sind daher neben den aus priesterlicher Hand stammenden Texten Lev 27 (3 1.3.2); Num 6 (4 1.1.2) und 30 (2 4.1) für die Erhellung der Gelübde- und Opferpraxis zur Zeit des Zweiten Tempels von unschätzbarem Wert. Diese Feststellung entbindet jedoch nicht von der Pflicht, den sich selbst zur Akkuratesse und 133 Vgl. Benovitz 1998: 155. 134 Die Chronikbücher und Esra bezeichnen die Häupter der Dienstabteilungen als שרי הכה־ ( ניםEsr 8,24; 10,5) bzw. als ( ראשים לבית אבות1. Chron 24,4). Die rabbinische Traditionsliteratur kennt darüber hinaus noch die Unterscheidung zwischen „( ראש המשמרHaupt der Dienstabteilung“) und „( ראש בית אבHaupt des Tagesdienstes“) (vgl. die Klassifizierungen in tHor 2,10 und die dort aufgezeigte Rangordnung unter den Priestern) sowie die Ehrenbetitelung „( זקני כהניםÄlteste der Priesterschaft“) (vgl. mJom 1,5) und זקני בית אב („Älteste des Tagesdienstes“) (vgl. mTam 1,1). Philo spricht in SpecLeg 1,166 selbst davon, dass den Edelsten und Angesehensten unter den Priestern die Begutachtung der Opfertiere und gegebenenfalls deren Ablehnung als ungeeignete Opfermaterie anvertraut wurden. Benovitz 1998: 156 hat zudem eine Identifizierung der nicht näher spezifizierten Gruppe mit den Schatzmeistern des Jerusalemer Tempels, die die Annahme von Gaben für den Tempelschatz nach jSchab 2b,48–51 verwehren konnten, vorgeschlagen. 135 Vgl. 1. Chron 24,1–6; Josephus, Ant 7,365–367; Lk 1,5.8; 4Q320–330; sowie dazu Gußmann 2008: 94–97. 136 Vgl. Josephus, Vita 2; ferner Gußmann 2008: 97–105. 137 Vgl. Mason 2000: 87–144; Cohen 2002 und Siegert 2008: 14–15. 138 Vgl. Vit 1–8; Bell 1,1; 3,352. 139 Vgl. Rajak 2002: 11–45; Gußmann 2008: 198–265 und McLaren 2016: 273–275.
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Wahrheitsliebe verpflichteten Josephus,140 ebenso wie auch andere antike Historiker, als einen tendenziösen Autor und Vermittler der ihn überkommenen Traditionen wahrzunehmen, der seine Quellen selektiv und mit der Freiheit zur Anpassung und Abwandlungen gebrauchte.141 Es wird uns daher bei der Lektüre seiner Werke immer dort, wo er sich in seiner Selbstdarstellung rhetorischer Motive und bei der Apologie seines Volkes und seiner Traditionen griechisch-römischer Konventionen und Ideale bedient, auch ein gesundes Maß an Skepsis abverlangt.142 2.2.2.1 Die Gelübde der Hebräischen Bibel in der Darstellung des Josephus Als Verarbeitung biblischen Stoffs nimmt Josephus das Bittgelübde des Jakob aus Gen 28,18–22 in Ant 1,284 auf. Entgegen der biblischen Darstellung, in der Jakob den Stein, auf dem er des Nachts sein Haupt gebettet hatte, als Gedenkstein aufrichtet, spricht Josephus von mehreren Steinen, die Jakob für sein Nachtlager gesammelt haben soll (Ant 1,279). Diese reinigt Jakob nach dem Erwachen vom Traumgesicht und legt ein Gelübde ab, auf eben diesen ein Zehntel von alledem zu opfern, was Gott ihm geben wird. Die Umwandlung des Gedenksteins in einen Steinhaufen, vielmehr in einen Altar, verdankt sich sicherlich dem Gelübdeversprechen in Gen 28,22, bei der Rückkehr ein Gotteshaus zu errichten und dort alles treu zu verzehnten. Auf diese Weise wird Jakob von Josephus nicht nur als Entdecker des heiligen Ortes, sondern auch als in priesterlicher Funktion auftretend vorgestellt, der dann in Ant 1,341–342 die Opferung seiner Votivgaben vornimmt.143 Mit der Einführung Νόμος δὲ ταῖς ἰδιωτικαῖς („[das] Gesetz für private Opfer“) nimmt Josephus in Ant 3,233–235 die Opfergesetze für freiwillige Gaben und Gelübde aus Num 15,3–13 auf. Als Zusatz zu den dort verhandelten tierischen Opfergaben gibt Josephus in Ant 3,235 auch Aufschluss über die Möglichkeit, ein vegetabilisches Opfer, vornehmlich Weizenmehl, zur Erfüllung eines Gelübdes darzubringen, wobei von diesem eine Hand voll seiner ἀπαρχή („Erstlingsgabe“) auf den Altar geworfen werden soll. Der Rest ist dagegen dem Priester als Speise zu überlassen. In der Darstellung der Antiquitates kann Josephus freilich nicht auf die Erzählung des Jiftach und seiner Tochter aus Ri 11,30–40 verzichten. Inspiriert durch die unerschütterte Annahme ihres Schicksals stellt Josephus Jiftachs 140 Vgl. Bell 1,1 und Ant 1,24. 141 Vgl. dazu Feldman 1998: 37–46; Cohen 2002: 24–66. 142 Vgl. Feldman 1998: 46–50. 143 Nach ALD 5,1–4 (= CTLevi ar Bodleian Col. a 15–21) setzt Jakob seinen Sohn Levi erst ins Priesteramt ein und lässt die Opfergaben dann von ihm darbringen. Vgl. ferner auch Jub 31,11–17 und 32,1–9.
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Tochter in Ant 5,265–266 mit den Worten τῇ δὲ τὸ συμβησόμενον οὐκ ἀηδῶς („dem aber, was geschehen würde, [stand sie] nicht unwillentlich gegenüber“) geradezu in stoischer Manier144 als eine freiwillig den eigenen Tod in Kauf nehmende Heldin dar,145 die zum Wohle ihres den Sieg davontragenden Volkes ihren selbstaufopfernden Beitrag unbestürzt146 zu leisten vermag. Für wichtig erachtet Josephus die Erwähnung, – und hier geht er weit über das hinaus, was in seiner biblischen Vorlage vorfindlich ist – dass Jiftach die Brandopferung seiner Tochter vollzogen, diese aber weder dem jüdischen Kultrecht entsprochen habe, noch dieses von Gott als wohlgefällig angenommen worden sei. In der Aufnahme der in 1. Sam 7,5–9 geschilderten Bußfeier in Mizpa hat Josephus die dort von Samuel vollzogenen kultischen Dienste in Ant 6,24 unter der Näherbestimmung ἐπ᾽ εὐχὰς καὶ θυσίας καὶ ὅρκους („für Gebete,147 Opfer und Schwüre“) zusammengefasst. Mit Bezug auf die kultischen Handlungen der Versammlung behauptet M. Vahrenhorst, dass der Verweis auf inaugurierte ὅρκοι für einen kultischen Kontext völlig unüblich erscheint und deshalb mit ὅρκοι auf Gelübde Bezug genommen wird.148 Damit sei nach Vahrenhorst Ant 6,24 als ein weiteres Beispiel anzusprechen, das von der mangelnden Trennschärfte von Eiden und Gelübden im antiken Judentum zeugt.149 Nimmt man aber die Nacherzählung der Episode aus 1. Sam 7,5–9 etwas genauer unter die Lupe, so fällt auf, dass der Charakter einer Bußfeier in der Version des Josephus als solches nicht mehr recht zum Vorschein kommt. Zwar findet das Fasten des Volkes in Ant 6,22 noch Erwähnung, doch fehlt ein Hinweis auf die Sündhaftigkeit des Volkes, die sich nach 1. Sam 7,3–4 in Abgötterei geäußert haben soll. Für Josephus steht die Versammlung in Mizpa unter dem Vorzeichen der Befreiung von Fremdherrschaft und Sklaverei und der Stilisierung des Samuel zum idealen Feldherrn, bei dem das Volk Zuflucht vor dem Ansturm des Feindes sucht.150 Die Umgestaltung der Nacherzählung legt die Vermutung nahe, dass Josephus die sich anbahnende kriegerische Auseinandersetzung 144 Vgl. z.B. Seneca, Ep. 58,30–37; 77; Diogenes Laertius 7,130; sowie zur Rolle des römischen Stoizismus in den Werken des Josephus Niehoff 2016: 141–144. 145 Zur Heldenstilisierung und Anpreisung eines edlen, weil freiwillig gewählten Todes bei Josephus vgl. auch Bell 6,57 und 7,326. 146 Begg 2005: 66 Anm. 728 hat hierbei unter Verweis auf LAB 40,2 zu Recht auf die ähnlich stilisierte Nacherzählung der Opferung des Isaak in Ant 1,232 hingewiesen. 147 Freilich spricht vom Kontext her auch nichts dagegen, εὐχή hier mit Gelübde wiederzugeben. 148 Vgl. Vahrenhorst 2002: 138–139. 149 Gleiches gilt nach Vahrenhorst 2002: 139 auch für Ap 1,167. 150 Begg 2005: 102 Anm. 91 hat in diesem Zusammenhang ganz richtig auf die sonderbare Darstellung des Josephus hingewiesen, nach der Samuel als heilwirkende Instanz Gott erzählerisch vorgeordnet ist.
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für seine römische Leserschaft bewusst so stilisiert hat, dass diese für sie in Anlehnung an römische Militärpraxis verständlich wurde. So gelesen können die Versammlung in Mizpa der Vorbereitung und Aushebung des Heeres und die ὅρκοι, die keine Entsprechung im biblischen Prätext haben, nicht der Versprechung von Votivgaben, sondern der Leistung des Treueeids (sacramentum militiae)151 im Angesicht der bevorstehenden Schlacht dienen. Nach den Worten Salomos in Ant 8,108 besteht die vornehmliche Kultpraxis des errichteten Jerusalemer Tempels in der Darbringung von Opfern und Gebeten, um sich der Gegenwart und des Beistands Gottes zu versichern. Welches Verständnis von εὐχή in dieser Versicherung zu Grunde liegt, ist aus dem Kontext nur schwer zu erheben. So kann τὰς εὐχὰς θύοντες kultmetaphorische Sprache sein, die das Gebet dem Opferdienst gleichsetzt. Zwei im Tempelweihgebet verwendete Motive legen den Schluss nahe, dass es sich hier nicht um die Begleichung einer Gelübdeversprechung, sondern um Bittgebete handelt. Zum einen ist das Hinaufsteigen von Gebeten (ἀναπέμπωμεν εἰς τὸν ἀέρα) ein bekanntes Bild, das häufig in biblischen Texten begegnet.152 Zum anderen ist die von Salomo benannte Hinwendung zu Gott bei Tag und bei Nacht ein in den Psalmen immer wiederkehrendes Motiv. Dabei wird ein in Not geratener Beter beschrieben, wie er durch Klage und Bitte zu der Erkenntnis gelangt, dass er sich Gottes gnädiger Zuwendung gewiss sein kann.153 Außerdem wird die Anrufung Gottes im Gebet im Prätext 1. Kön 8,22–53 immer wieder thematisiert und die Schlachtung und Darbringung von Opfergaben erst in Ant 8,122–123 explizit benannt. In der Aufnahme der Erzählung vom fliehenden Propheten Jona in Ant 9,209 stellt Josephus die Ereignisabfolge der Episode Jona 1,7–16 so um, dass das Ablegen der Gelübde der Seefahrer nicht wie in 𝔐 nach Stillung des Sturms, sondern sachlogisch am Anfang der Bedrängnis geschieht. Unwichtig erscheint ihm dabei, die einzelnen Szenenwechsel in Entsprechung zum Prätext, nach dem sich Jona frei zwischen Deck und Rumpf des Schiffes bewegt und sich die Seeleute bei Anbruch des Sturms der Schiffsladung entledigt haben sollen, getreu zu berichten.154 Wie im Fall der Aufnahme der Isaak-Erzählung in Ant 1,232 und der Jiftach-Erzählung in Ant 5,265–266 dürfte auch hier Jonas
151 Vgl. Polybius 6,21,2; Livius 3,20,3–6; sowie dazu Mommsen I: 622–624.631 und Rüpke 1990: 76–91. Bei Eidbruch sacer („fluchwürdig“) zu werden, rückt das sacramentum sachlich in die Nähe des Anspornungsschwurs des Saul in 1. Sam 14,24 und der Bannselbstweihe (vgl. dazu unten 6 4.2). 152 Vgl. 2. Chr 30,27; Apg 10,4; Apk 5,8; 8,3. 153 Vgl. z.B. Ps 22,3; 119,55. 154 Vgl. Begg und Spilsbury 2005: 178 Anm. 778 und 779.
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freiwillige Inkaufnahme des Todes (Jona 1,12) für die literarische Verarbeitung in den Antiquitates für Josephus von besonderem Interesse gewesen sein. Im Zusammenhang der Darstellung des Kyrus-Edikts aus Esr 1 weist Josephus in Ant 11,9 Gelübde und ihre Einlösung durch die Darbringung von Opfern als den zentralen Aspekt der Kultwiederbelebung nach der Rückkehr der Juden aus der babylonischen Gefangenschaft aus. Für die Kultwiederbelebung bedarf es allerdings noch der Kultgeräte, die nach der Zerstörung des ersten Tempels von Nebukadnezar nach Babylon gebracht worden. Unter Aufnahme von 1. Esdr 3–4 in Ant 11,31.58 soll diese Rückführung einem von Darius abgelegten Gelübde zu verdanken gewesen sein, in dem dieser die Thronbesteigung zur Bedingung für den Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels und die Rückführung seiner Geräte an selbigen gemacht haben soll. In der Darstellung von 1. Esdr 4 und seiner Aufnahme in Ant 11,58 soll die Rückführung und die Erlaubnis zur Wiederaufnahme des Tempelbaus allerdings erst von Darius ergangen sein, als dieser von Serubbabel an sein Gelübde erinnert worden ist. Von gleicher Gottesfurcht weiß Josephus auch über Xerxes, dem Sohn des Darius, zu berichten, der nach Ant 11,125 dem Esra Votivgaben und andere, früher im Tempel zu Jerusalem vorfindliche Gold- und Silberschätze überreicht.155 2.2.2.2 Die Gelübde- und Votivgabenpraxis zur Spätzeit des Zweiten Tempels in der Darstellung des Josephus Ein interessanter Hinweis auf die Gelübde- und Votivgabenpraxis des Diasporajudentums könnte hinter dem Dekret des Stadtrates von Sardes verborgen sein. Dieses ist innerhalb eines „Dossiers“ von römischen acta pro Iudaies mit τιμαί („Ehrungen“), συμμαχίαι („Bündnissen“) und δόγματα („Beschlüssen“) in Ant 14,190–264 aufgelistet und dient dem apologetischen Interesse, der Leserschaft der Antiquitates einen Beweis für die freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem römischen und dem jüdischen Volk vorzutragen. Das Dekret bezeugt in Ant 14,259–261 die Bitte der jüdischen Gemeinde, die Durchführung von εὐχαὶ καὶ θυσίαι156 zu gestatten. 155 Die Idee vom Bekenntnis der fremden Herrscher Darius, Xerxes und Alexander der Große (Ant 11,329–339) zum Gott Israels dürfte durch Dan 2,47 und 4,34 motiviert sein. Vgl. dazu Merrill Willis 2010: 54–57; Cohen 1982–1983; sowie zur Stellung und Bedeutung des Danielbuches in den Antiquitates des Josephus Tilly 2015b: 247–251. 156 In der jüngeren Forschung, vertreten durch Pucci Ben Zeev 1998: 223 und Leonhardt 2001a: 198, wird die Authentie des Dekrets anders als noch bei Moehring 1975, der die acta pro Iudaies für eine Fälschung hält, nicht mehr bestritten. Vgl. zur Diskussion auch Krause 2017: 55–60. Nach Heinemann 1973: 518 entspricht die Wendung pagan-hellenistischem Sprachgebrauch und drückt in umfänglicher Weise religiöse Handlungen aus. Kraabel 1978: 17–18 nimmt diesbezüglich an, das Dekret erlaube heidnischen Sympathisanten, dem Gott der Juden Opfer darzubringen. Dagegen erhebt aber Leonhardt 2001a: 191 zurecht Einspruch
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Ant 14,259 hält zunächst den formalen Antrag der jüdischen Gemeinde fest, mit dem diese vor den Stadtrat getreten ist. Daran anschließend wird in 14,260 der Inhalt des Antrags mit der Bitte, sich nach den eigenen Gesetzen versammeln, innerhalb der Gemeinschaft Rechtsstreitigkeiten verhandeln und Gott die väterlichen Gebete und Opfer entrichten zu dürfen, wiedergegeben. Den Abschluss des Dekrets bildet dann in 14,261 eine Zusage des Stadtrates, alle, für die Begehungen von Festen notwendigen Speisen zugänglich zu machen, einen Versammlungsort zu bestimmen und diesen auch mit einem Versammlungsgebäude zu bebauen. Wenn die Synagogengemeinde durch den Stadtrat von Sardes zu umfänglichen kultischen Handlungen berechtigt wird, dann lässt sich fragen, wie die jüdische Gemeinde diese ausgefüllt hat. Was die Erlaubnis von „Gebeten und Opfern“ anbelangt, so nimmt Sanders unter Bezugnahme auf Philo, SpecLeg 2,145–148; Quaest in Ex 1,10 und VitMos 2,222–233 an, dass das Passalamm auch in der Diaspora geopfert und in der Passanacht von den Familien verzehrt wurde.157 C. Leonhardt wendet dagegen ein, dass die gemeinsame Nennung von θυσίαι und εὐχαί bei Josephus und Philo sonst nie im Zusammenhang von Berichten über die Synagoge, sondern allein in jenen über den Jerusalemer Tempelkult geschieht, wobei das Begriffspaar meist dazu dient, den Kult und seinen Dienst schlagwortartig zu umschreiben.158 Will man Philos Bericht als ein Zeugnis zeitgenössischer Praxis deuten, so muss man doch aus den Worten über den Wandel der Privathäuser in Heiligtümer in SpecLeg 2,148 dann auch schließen, dass das Passalamm in den Privathäusern geschlachtet wurde und nicht etwa in der Synagoge, wie Sanders vor dem Hintergrund von Josephus, Ant 14,260 annimmt.159 Dagegen verwehrt sich jedoch Philo selbst explizit, wenn er in SpecLeg 1,68 schreibt: τοῖς βουλομένοις ἐν ταῖς οἰκίαις αὐτῶν ἱερουργεῖν οὐκ ἐφίησιν, ἀλλ᾽ ἀνισταμένους ἀπὸ περάτων γῆς εἰς τοῦτ᾽ ἀφικνεῖσθαι κελεύει („denen, die in ihren Häusern einen priesterlichen Dienst verrichten wollen, erlaubt er es nicht, sondern er bestimmt, sich aufzumachen von den Enden der Erde und dies [Heiligtum] aufzusuchen“). Selbst wenn die Stadtverwaltung von Sardes der Gemeinde die kultische Schlachtung von tierischen Opfern wirklich genehmigt haben sollte, dann bedeutet dies freilich noch nicht, dass die Gemeinde dieses Recht auch wahrgenommen hat. Vielleicht und verweist auf die explizit in Ant 14,259 mit Ἰουδαῖοι πολῖται („jüdische Mitbürger“) angesprochene Zielgruppe, der im Familienverband mit Frauen und Kindern die Ausübung ihrer religiösen Verpflichtungen erlaubt wird. 157 Vgl. Sanders 1992: 133–134. 158 Vgl. Leonhardt 2001a: 194. 159 Vgl. Sanders 1992: 134.
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handelt es sich um einen rechtlichen Passus, der formell jeder anerkannten Kultgemeinschaft zugestanden wurde.160 F. Millar versteht den Verweis auf die Opfer vor dem Hintergrund des Paralleldekrets aus Ant 14,216 als die Erlaubnis, die Feste im jüdischen Kalender mit Festmahlzeiten zu begehen.161 Dafür würden zumindest auch die der Gemeinde erteilten Genehmigungen in Ant 14,261 sprechen, die dieser das Versammlungsrecht für spezielle Tage und die für ihre Belange notwendigen Nahrungsmittel vom Markt und ihre Lieferung von dort zugestehen. Was die Gestattung zur Durchführung der εὐχαί anbelangt – und hier wird man den Begriff sicherlich nicht auf die Bedeutung „Gebete“ engführen dürfen – so ist darauf zu verweisen, dass Gelübde einen Platz im Raum des öffentlichen Rechts hatten. Hier ist beispielsweise an die manumissio eines Sklaven zu denken, wie dies im Fall der bosporanischen Freilassungsinschriften ersichtlich wird.162 Es legt sich ferner die Vermutung nahe, dass mit der Erlaubnis zur Durchführung von εὐχαὶ καὶ θυσίαι umfassende kultische Rechte von Seiten des Stadtrates zugestanden wurden, die als Resultat das Geloben von Opfergaben und ihre Schlachtung gewiss einschlossen. In welchem Umfang solche Rechte wahrgenommen wurden, oblag dann freilich der die Rechte zugestandenen Kultgemeinschaft. Da archäologisch keine Freilassungsinschriften in der Synagoge von Sardes gefunden worden, ist nicht klar, ob dieses Recht von der Synagogengemeinde wahrgenommen wurde. Was die Darbringung von Votivgaben im Raum der Synagoge anbelangt, so ist aus der Zeit nach der Tempelzerstörung, genauer zwischen dem 3. und 6. Jh. u.Z., durch Grabungsfunde belegt, dass das Synagogengebäude der jüdischen Gemeinde in Sardes in großem Maße durch Gelübdevotivgaben auf- und ausgebaut worden ist.163 2.2.3 Zusammenfassung Mit Philos Hyp 7,3–5 wird deutlich, dass sich im Anschluss an Num 6 (siehe unten 4 1.1.2) und 30 die Diskurse zum Gelübdewesen zur Spätzeit des Zweiten Tempels stärker an rechtstheoretischen Fragen orientieren. Unter Einfluss von Dtn 23,22–24, Koh 5,3–5 und Spr 20,25 offenbart Philo seiner Leserschaft mit Nachdruck Tragweite und Konsequenzen, die sich aus der Weihe von Votivgaben ergeben. So schließt die Ausrufung des Namens Gottes über einer Gabe diese augenblicklich für den profanen Gebrauch aus. Philo ist damit der erste 160 Vgl. Pucci Ben Zeev 1998: 223. Krause 2017: 87 schlägt den Gedanken einer geübten Opferpraxis in Diasporasynagogen nicht von vornherein aus und hält fest, dass „multiple attestations of some form of sacrifice in synagogue institutions open the door for considering the possibility of sacrifices outside Jerusalem“. 161 Vgl. 1986: 144–145. 162 Vgl. unten 4 2.4. 163 Vgl. unten 3 2.3.1.
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literarische Zeuge, der die Bedeutung der pentateuchischen Opfergesetzgebung für eine kultrechtlich akkurate Durchführung der Gelübdepraxis hervorhebt. In ähnlich drastischen Worten wie 2. Hen 61,4–5 (J) legt er offen dar, dass ein Votant sein Leben verwirkt hat, wenn er nach der Inauguration seines Gelübdes darüber Gefühle der Reue zeigt, oder dieses gar später leugnet. Allein – und hier geht Philo über das hinaus, was wir aus den Zeugnissen der Hebräischen Bibel zum Gelübdewesen wissen – priesterliche Vermittlung vermag es, für einen rechtsmündigen Mann einen Ausweg aus seinem Gelübde zu erwirken. Philo darf damit als ein wichtiger Zeuge für den Umgang der Priesterschaft mit der Votivgabenpraxis am zweiten Jerusalemer Tempel gelten. Mit den Schriften des der priesterlichen Aristokratie entstammenden Flavius Josephus sind uns antike Zeugnisse überkommen, die aus der Feder eines in kultpraktischen Traditionen ausgewiesenen Kenners stammen. Bei der Aufnahme und Aufbereitung biblischen Stoffs für die Antiquitates Judaicae hat Josephus das für die Auffindung des heiligen Ortes in Bet-El so wichtige Gelübde des Jakob und das Kennern der Erzählung von Agamemnon und seiner Tochter Iphigenie (Iph aul 1540–1613; Iph taur 16–36) vertraut vorkommende Gelübde des Jiftach aufgegriffen und für seine Leserschaft angepasst. In seiner Darstellung der Jakobsgeschichte stilisiert er den Stammvater der Zwölfstämmegemeinschaft Israel nicht nur zum Gründer und Erbauer des Tempels von Bet-El, sondern auch in priesterlicher Funktion zum Initiator des dortigen Kultes, womit Josephus in gewisser Weise auch Israels Nachkommenschaft zu einem Volk von Priestern erhebt. In der durch das Danielbuch (2,47; 4,34) und 1. Esdras (3–4) motivierten gottesfürchtigen Darstellung der fremden Herrscher Darius und Xerxes sind es gerade Gelübde, durch die sich deren Gottesfurcht auszeichnet und durch die der Kult am Jerusalemer Tempel letztlich wiederbelebt werden kann. Auffällig ist dagegen, dass Josephus in seiner Darbietung der nachbiblischen Geschichte seines Volkes keine expliziten Verweise auf oder Episoden zur bedingten Votivgabenpraxis überliefert.164 2.3 Der epigraphische Befund zur Gelübdepraxis Die Bittgelübde- und Votivgabenpraxis ist ein weit verbreitetes Phänomen antiker Religionsausübung. Sie ist vor allem in den antiken Kulturen verbreitet, in denen die verehrte Gottheit als ein ansprechbares und das eigene Geschick mitgestaltendes Gegenüber verstanden wird. Die Schwierigkeit bei der Bewertung von archäologischen Artefakten besteht zum einen in der Identifizierung des Objekts als Votivgabe und der Klärung der ursprünglichen Donationsabsicht: Handelt es sich um eine freiwillige Gabe in der Form eines Dankopfers 164 Anders Verhält es sich mit Verweisen auf den Naziräat wie unten noch unter 4 1.2.4 zu zeigen sein wird.
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oder um die Einlösung einer Votivversprechung? Inschriften, die einer Nennung der Donationsabsicht ermangeln, können weder der einen noch der anderen Form der Votivpraxis zweifelsfrei zugeordnet werden, weshalb hier nur inschriftliche Zeugnisse Erwähnung finden sollen, in denen die Erhörung des im Gelübde geäußerten Bittgesuchs explizit dokumentiert wird. 2.3.1 Zeugnisse jüdischer Votivpraxis in Synagogen Inschriftliche Zeugnisse jüdischer Diasporagemeinden im antiken Mittelmeerraum in hebräischer Sprache sind eher eine Seltenheit. Allenfalls einzelne hebräische Wörter lassen sich in Einleitungs- und Schlussformeln finden, worunter der Heilsgruß שלוםbesonders heraussticht.165 Umso überraschender ist es, wenn unter den Funden auch die Nennung des hebräischen Begriffs für Gelübde auftaucht. In einer hebräischen Inschrift in der kleinasiatischen Synagoge von Sardes aus dem 3. oder 4. Jh. ist in der marmornen Wandverkleidung zweimal der Begriff נדרerkennbar.166 F. Avemarie ist in seiner Deutung der beiden נדר-Inschriften zuzustimmen, wenn er vermerkt, dass diese nicht so sehr für ihren Informationsgehalt angebracht worden sind, sondern vielmehr in der Sprache der Tora das Bewusstsein für die sowohl geschichtliche als auch spirituelle Herkunft der Synagogengemeinde wecken und auf diese Weise jüdische Identität vermitteln sollen.167 Damit gehören die beiden Inschriften ganz ähnlich wie ornamentale und mosaikalische Abbildungen in Synagogen, die Bundeslade,168 Etrog, Lulav, Schofar169 und Menora170 abbilden, zum Repertoire spät-antiker Synagogen, die eine „symbolische Bezugnahme auf den Tempel und seinen Kult“171 in Jerusalem, an dem schließlich auch Gelübde einzulösen waren, zum Zweck haben. Dafür, dass mit den נדר-Inschriften kein rein symbolischer Bezug zum historischen Tempel in Jerusalem gegeben ist, sondern auch die Synagoge von Sardes selbst als Destinatär von Votivgaben angesprochen ist, wird an den vielen Stifterinschriften an den Gebäudestrukturen der Synagoge und an dort gefundenen Votivgaben ersichtlich.172 Zu den von betuchten Gemeindemit165 Vgl. CIJ 644 (nach JIGRE: 235 aus dem 5. Jh. u.Z.); 934 (nach JIGRE: 241 aus dem 2.–4. Jh. u.Z.); 1437 (nach JIGRE: 25 aus römischer Zeit); 1438 (nach JIGRE: 22 aus spätrömischer Zeit) u.ö. 166 I JO II Nr. 108 und 109. 167 Vgl. Avemarie 2013a: 75–76. 168 Vgl. Hachlili 2013: 200–206. 169 Vgl. Hachlili 2013: 269–271.274.286–287–291.325–327. 170 Vgl. Hachlili 2013: 213.230.234.255–260.267.274.292–325. 171 Avemarie 2013a: 74. 172 Vgl. IJO II Nr. 60–145.
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gliedern gespendeten Votivgaben und Stiftungen, die eine zentrale Rolle für die Existenz jüdischer Gebetsstätten in der Diaspora innehatten, gehören unter anderem Pforten,173 Marmorsäulen,174 Stelen,175 Säulenfüße,176 Mosaiken,177 Räuchergefäße,178 Marmorverkleidungen,179 Fundamente für Baldachine,180
173 C IJ 1437 (nach JIGRE: 25 aus römischer Zeit; θ[εὸς] β[οηθός] „G[ott] ist H[elfer]“); IJO II Nr. 20 (dort 124 wird das Jahr 212 u.Z. als terminus post quem bestimmt; ὑπὲρ […] σωτηρίας „für […] Rettung“); 138 (dort 293 ins 4.–6. Jh. u.Z. datiert; εὐχήν). 174 C IJ 756 (nach IJO II: 134 aus dem 4.–6. Jh. u.Z.; εὐχή); 1446 (Datierung nach JIGRE: 30 unbestimmbar; εὐχή). 175 C IJ 1436 (nach JIGRE: 23 spätrömisch; εὐχή); 1532 (explizit auf 29 v.u.Z. datiert; jüdische Herkunft ist nicht gesichert κατ᾽ εὐχήν). 176 C IJ 1438 (nach JIGRE: 22 in spätrömische Zeit zu datieren; ὑπὲρ σωτηρίας). 177 C IJ 739 (nach IJO II: 181 aus dem 4.–6. Jh. u.Z.; ὑπὲρ εὐχῆς ἑαυτοῦ κὲ τῆς συνβίου μου κὲ τοῦ γνισίου μου τέκνου „wegen seines [scil. meines] eigenen Gelübdes und dem meiner Frau und dem meines lieben Kindes“). Interessanter Weise fasst die Stiftung gleich die Erfüllung einer ganzen Reihe von durch Familienmitglieder geleisteten Gelübde zusammen. Ob es sich um ein gemeinsames Gelübde gleichen Inhalts gehandelt hat oder ob die vom Votanten erfahrene göttliche Zuwendung als für die gesamte Familie heilvolles Ereignis wahrgenommen wurde, sind Fragen, über die sich leider nur noch spekulieren lässt. CIJ 663 (nach JIWE I: 244 aus dem 4. Jh. u.Z.; [εὐ]χή); IJO II Nr. 60 (dort 233 in den Übergang vom 4. zum 5. Jh. u.Z. datiert; ὑπὲρ εὐχῆς); 61 (dort 234 aufgrund eines Münzfundes auf die Zeit zwischen 337–341 u.Z. datiert; rekonstruiertes ὑπὲρ εὐχῆς); 64 (dort 240 in die Zeit zwischen 341–438 u.Z. datiert; εὐχή); 66 (dort 231–232 ins 4. Jh. u.Z. datiert; εὐχή) und 67 (dort 242 aufgrund von Münzfunden in die Zeit zwischen 351–361 datiert; εὐξάμενος ἐπλήρωσα „ich erfüllte das von mir abgelegte Gelübde“). Die Mosaikinschriften IJO III Nr. Syr56.58.59.61.–68.71. aus der Synagoge von Apamea stammen allesamt aus dem Jahr 392 u.Z. und geben mit dem Partizip εὐξάμενος bzw. εὐξαμένη ein abgelegtes Gelübde als Motiv der Stiftung an. 178 J IGRE Nr. 134 (dort 225 in das 4.–5. Jh. u.Z. geschätzt; ὑπὲρ εὐχῆς). 179 I JO II Nr. 27 (dort 140 in die Mitte des 3. Jh. u.Z. datiert; ὑπὲρ εὐχῆς ἑαυτῆς καὶ πεδίων τε καὶ ἐγγόνων „wegen ihres eigenen Gelübdes, dem ihrer Kinder und dem der Enkel“); 79 (dort 248 mit den Nr. 80; 81; 86; 87; 90–93; 95; 97; 98 in das letzte Viertel des 4. Jh. u.Z. datiert; ὑπὲρ εὐχῆς); 80 (εὐξάμενος ἐτέλεσα „ich vollendete das von mir abgelegte Gelübde“); 81 (εὐξάμενος ἐσκούτλωσεν „nach Ablegung eines Gelübdes ließ ich verkleiden“); 83 (dort 257 ins 5./6. Jh. u.Z. datiert; ὑπὲρ εὐχῆς); 86 (μετὰ τῆς συνβείου εὐχὴν ἀπέδωκα „mit meiner Frau erfüllte ich das Gelübde“); 87 (ἐπλήρωσα τὴν εὐχήν „ich erfüllte das Gelübde“); 90 (μετὰ τῆς συνβίου μου […] καὶ τῶν τέκνων ἡμῶν ὑπὲρ εὐχῆς ἀπέδωκα „ich gab mit meiner Frau und unseren Kinder wegen eines Gelübdes“); 91 (μετὰ τῶν υἱῶν μου […] ἐποίησα τὴν εὐχήν „ich erfüllte mit meinen Kindern das Gelübde“); 92 (ἐπλήρωσα τὴν εὐχήν ὑπὲρ τοῦ ἐκγόνου μου „ich erfüllte das Gelübde wegen meines Enkels“); 93 (ὑπὲρ τῶν ἰδίων […] εὐχὴν ἀπέδωκα „wegen der Meinen […] erfüllte ich das Gelübde“); 94 (dort 265 in die zweite Hälfte des 5. Jh. u.Z. datiert; ὑπὲρ εὐχῆς); 95 ([… ὑπ]ὲρ εὐ[χῆ]ς [… ἐπ]οίησα); 97 (τ]ὴν εὐχ[ή]ν [ἀπέ] δω[κ]α); 98 ([ἐπλήρ]ωσα τ[ὴν εὐχ]ήν); 147 (dort 309 in die Mitte des 5. Jh. u.Z. datiert; ὑπὲρ σωτηρίας). 180 I JO II Nr. 63 (dort 236 um 500 u.Z. datiert; εὐχή).
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Balustraden,181 Toraschreine,182 Wandgestaltungen183 und Menorot.184 Selbst die Stiftung eines ganzen Gebäudes oder Teile davon zur Nutzung als Gebetshaus185 sind inschriftlich belegt. Nicht bei allen Stiftungsinschriften wird klar, ob sie Zeugnisse erfüllter Gelübdeversprechungen oder aber Ausdruck einfacher Dankbarkeit bzw. geübter Freigebigkeit sind, da das Fehlen eindeutig zuweisbarer Gelübdeterminologie eine eindeutige Bewertung nicht mehr möglich macht. In bestimmten Fällen erlaubt zumindest die Funktion der Votivgabe, einen Rückschluss auf das Motiv hinter der Darbringung derselben zu ziehen. So dürften z.B. die altarförmigen Marmorsockel mit ihren Inschriften IJO I Nr. Ach60.–63. und 65.186 als Ausstellungssockel gedient haben, auf die Votivgaben in der Form von Nachbildungen geheilter Körperteile187 angebracht werden konnten.188 Einem detaillierteren Urteil entziehen sich auch Inschriften, die an keinem baulichen Votivobjekt angebracht sind und allein eine Gelübdeerfüllung, eine Rettung aus Gefahr oder eine heilvolle Zuwendung der Gottheit
181 I JO II Nr. 120 (dort 280 zusammen mit Nr. 123; 127 und 128 als zur späteren Bauphase der Synagoge von Sardes gezählt und deswegen ins 4./5. Jh. u.Z. datiert; εὐχή); 123 (εὐχὴ […] θεο[σεβοῦς] „Gelübdes [… des] Go[ttesfürchtigen]“); 127 (εὐχ[ή); 128 (εὐχ[ή). 182 I JO II Nr. 129 (dort 285 ins 5./6. Jh. u.Z. datiert; [ὑ]πὲρ ὑγίας „wegen Gesundheit“). 183 I JO I Nr. Mac3. (dort 73 in das 2.–3. Jh. u.Z. datiert; εὐχή); Mac4. (wie Mac3.; εὐχή). 184 I JO II Nr. 132 (dort 288 ins 4.–6. Jh. u.Z. datiert; εὐξάμενος τὸ ἑπτάμυξιον ἐποίησα „nach Ablegung eines Gelübdes ließ ich die Menora machen“) und 135 (von einem Gemeindemitglied mit Namen Sokrates gestiftete Marmormenora, die dort 291 ins 4./5. Jh. u.Z. datiert wird). 185 I JO I Nr. Mac1. (die dort vorgestellten Datierungsversuche reichen von 79 bis 279 u.Z.; εὐχῆς ἕνεκεν „wegen eines Gelübdes“) und IJO I Nr. BS4. (inschriftlich explizit ins Jahr 306 u.Z. datiert; εὐχή). IJO I Nr. Ach66. (dort 232 wird auf der Grundlage paläographischer Indizien für die Datierung eine zeitliche Spanne von 250–175 v.u.Z. angegeben; ἐπὶ προσευχῇ [= ευχῇ?] τοῦ θε[οῦ] „in Erfüllung eines an G[ott] geleisteten Gebets [= Gelübdes?]“) weist einen Stifter mit Namen Menippus aus, der ein Gebetshaus für die samaritanische Gemeinde auf Delos errichten ließ. 186 I JO I Nr. Ach60.; Ach61. (dort 221 wird als Datierung das 1./2. Jh. u.Z. angegeben; εὐχή); Ach62. (σωθεῖσα ταῖς ὑφ᾽ αὐτοῦ θαραπήαις εὐχήν „gerettet durch Behandlung von ihm, [machte ich] ein Gelübde“); Ach63. (beide Inschriften werden dort 222–223 auf der Grundlage paläographischer Beobachtung in das 1. Jh. v.u.Z. datiert; χαριστήριον „Dankopfer“); Ach65. (dort 228 in das 1. Jh. v.u.Z. datiert; wie in Ach66. ἐπὶ προσευχῇ und daher vielleicht auch samaritanisch[?]). 187 Die Herausgeber von IJO I (220) verweisen dabei auf die bei Mitchell 1999 unter den Nummern 2–12.22.79.158.159.176.190. 191.256.257 dokumentierten Körperteilnachbildungen. 188 I JO I Nr. Ach60.–63. sind dem Theos Hypsistos geweiht. Binder 1999: 306 hält die Rosette auf einer im selben Gebäude gefundenen Marmorstele, die wahrscheinlich von einem freigelassenen Sklaven gestiftet wurde, für ein auf den Jerusalemer Tempel verweisendes Symbol. Die Herausgeber von IJO I (225) weisen allerdings darauf hin, dass solche Rosetten auch auf nichtjüdischen Artefakten zu finden sind.
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dokumentieren.189 Muss hier angenommen werden, dass die Beauftragung des Steinmetz und das für alle vorbeikommenden einsehbare Zeugnis der Rettung bereits die Erfüllung des Gelübdes darstellt, oder muss man vermuten, dass der Stifter der Inschrift noch zusätzliche Votivgaben entrichtete? Ob die Zeugnisse jüdischer Votivpraxis in Synagogen der Diaspora auch vor die Zeit der Tempelzerstörung im Jahr 70 u.Z. zurückreichen, ist aufgrund der nicht zweifelsfrei datier- und als jüdisch identifizierbaren Artefakte schwierig zu beurteilen. So sieht sich die Bewertung der beiden Sockelinschriften IJO I Nr. Ach62. und Ach63. aus der Synagoge von Delos mit drei Problemen konfrontiert. Zum einen ist nicht zweifelsfrei nachweisbar, ob das Gebäude (GD 80) als Versammlungsort einer sich am JHWH-Kult von Jerusalem190 oder vom Garizim191 orientierenden Gemeinschaft diente. Zum anderen hängt die Identifizierung der Synagoge an den vier Votiv-Inschriften IJO I Nr. Ach60., Ach61., Ach62. und Ach63., die als Empfänger des Weihegeschenks den θεὸς ὕψιστος „höchsten Gott“192 benennen, womit, sollte das Gebäude in einen pagan-hellenistischen Kontext gehören, auch Zeus angesprochen sein kann.193 189 C IJ 1435 (spätrömisch); 1537; 1538; IJO I Pan3. (Inschrift legt eine Entstehung zwischen 222 und 235 u.Z. nahe; vot[um] red[dit] l[ibens] „Gelübde willig beglichen“); Thr5. (dort 53 ins 2. Jh.u.Z. oder später datiert; ἀνέθηκεν […] εὐχήν „weihte […] ein Gelübde“). Vgl. auch die auf einer Silberplakette angebrachte Inschrift IJO II Nr. 1 (dort 38 in die Kaiserzeit datiert; εὐχὴν ἀνέθηκεν „wegen eines Gelübdes geweiht“). Die Silberplakette selbst dürfte nicht die Votivgabe gewesen sein, sondern war wohl eher an der Votivgabe angebracht. Gleiches gilt wohl auch für IJO II Nr. 2 (dort 41 ins 4./5. Jh. u.Z. datiert; ὑπὲρ εὐχῆς). 190 Dass es eine jüdische Gemeinde auf Delos gab, wird durch 1. Makk 15,23 und Josephus, Ant 14,213–216 nahegelegt. 191 Die Möglichkeit der Identifizierung des Gebäudes als Versammlungsort einer samaritanischen Gemeinde wird vor dem Hintergrund zweier Stelen-Inschriften, IJO I Nr. Ach66. und Ach67. aus der Zeit zwischen 250 und 175 bzw. 150 und 50 v.u.Z., die gut 90m entfernt von GD 80 entdeckt wurden und auf denen mit οἱ ἀπαρχόμενοι εἰς ἱερὸν ἅγιον Ἀργαριζεὶν „die dem geweihten (und) heiligen Garizim opfernden“ und οἱ ἀπαρχόμενοι εἰς ἱερὸν Ἀργαριζεὶν „die dem heiligen Garizim Opfernden“ ein direkter Bezug zum JHWH-Heiligtum auf dem Garizim erkennbar wird, in Betracht gezogen. Man beachte, dass die Inschriften ihre Stifter explizit als solche ausweisen, die ihre Opfergaben dem JHWH-Tempel auf dem Garizim weihen. Sollte damit dem Eindruck gewehrt werden, die Stiftung für ein Gebetshaus auf Delos widerspräche dem Opfergesetz von Dtn 12,6? 192 Vgl. dazu auch unten die Ausführungen zu den jüdischen Inschriften vom bosporanischen Königreichen im Kapitel 4 2.4 sowie zum Problem der Identifizierung von θεὸς ὕψιστος als Gott Israels Trebilco 2006: 127–144 und Levinskaja 1996: 83–87. 193 Die in GD 80 gefundenen Lampen tragen keine jüdischen Symbole. Dagegen finden sich aber darauf u.a. Abbildungen von einem Boxer, einem Paar in erotischer Pose, von Nike, Athena und einer Mänade (vgl. die Abbildungen 4590, 4591,4576 4600–4601 und 4598 in Bruneau 1965: XXVI [pl. 29]; sowie dazu Noy et al. 2004: 217–218 in IJO I). Ähnliche Probleme der Zuweisung ergeben sich auch für CIJ 1532 (θεῶι μεγάλῳ μεγάλῳ ὑψίστῳ „für den größten, größten [und] höchsten Gott“). Zur Diskussion vgl. JIGRE: 120–121. Die Identifizierung der in Haus GD 79 auf Delos gefunden Inschrift IJO I Nr. Ach65. des Agathokles
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Als drittes Problem benennt M. Trümper den Umstand, dass die beiden ältesten Votivgaben mit ihren Inschriften IJO I Nr. Ach62. und Ach63. aufgrund ihrer Größe und Beweglichkeit nicht ursprünglich zu GB 80 gehört haben müssen, sondern dorthin nur zum Zweck sekundärer Nutzung hingebracht worden sein könnten.194 Einer zweifelsfreien Datierung entziehen sich auch die beiden Inschriften CIJ 1537 und 1538, die am östlich von Apollinopolis Magna gelegenen Pan-Tempel entdeckt wurden und die von A. Bernand anhand der Schrift in ptolemäische,195 von P. Fraser jedoch in römische Zeit datiert werden.196 Einigermaßen zweifelsfrei in die Zeit vor 70 u.Z. zu datieren und dem JHWH-Kult (auf dem Garizim) zuzuordnen ist die Ehreninschrift IJO I Nr. Ach66., die zur Ehrerweisung des Menippus aufgestellt wurde, der mit großer Wahrscheinlichkeit einen Versammlungsort197 für die samaritanische Gemeinde auf Delos aus eigenen Mitteln errichten ließ. Der Grund, den Menippus zum Anlass für die Stiftung genommen hat, wird mit der Wendung ἐπὶ προσευχῇ („in [Erfüllung] eines Gebets/Gelübdes“)198 in Z. 4 der Ehreninschrift angegeben. Menippus wird in Z. 2 mit Ἀρτεμιδώρου Ἡράκλειον („[Sohn] des Artemidorus, aus Heraklion“) betitelt, was eine samaritanische Herkunft eher unwahrscheinlich macht. Vielleicht wird man ihn als gottesfürchtigen Sympathisanten oder gar Proselyten ansprechen müssen, der in Erfüllung einer in einem Gebet geäußerten Versprechung den Versammlungsort für die samaritanische Gemeinschaft errichten ließ und wofür er von selbiger mit einer öffentlichen Krönung geehrt wurde. Inwieweit die samaritanische Gemeinschaft eine Votivgabendarbringung fern ab vom JHWH-Tempel auf dem Garizim vor Ort auf Delos vor dem Hintergrund von Dtn 12,6 rechtfertigen konnte, ist schwierig zu beurteilen. Sollte Menippus wirklich ein gottesfürchtiger Sympathisant gewesen sein, dann wurde die Annahme seiner Donation vielleicht als unbedenklich betrachtet, da er sich selbst – anders wie im Fall eines vollwertigen und Lysimachus als jüdisch, samaritanisch oder pagan wird bisweilen von der Deutung des nahegelegenen Gebäudes GD 80 und dem dort ebenfalls von einem Stifter namens Lysimachus stammenden Marmorsockels mit der Inschrift IJO I Nr. Ach63. abhängig gemacht (vgl. z.B. Plassart 1914: 530). Die Nähe der beiden Gebäude und die Übereinstimmung des Namens machen jedoch eine Rückführung beider Votivgaben auf ein und denselben Votant noch nicht zwingend notwendig. Man müsste dann erklären, warum die beiden Votivgaben an unterschiedlichen Orten und nicht an ein und derselben Versammlungsstätte gefunden wurden. 194 Vgl. Trümper 2004: 570. 195 Vgl. Bernand 1972: 106. 196 Vgl. Fraser 1984: 302, Anm. 353. 197 Vgl. White 1987: 143. 198 Vgl. IJO I: 226.229. Die Bedeutung „für (die) Synagoge“, wie dies White 1987: 141–144 vorgeschlagen hat, wird von IJO I: 226–231 mit Verweis auf Mazur 1935: 21 aufgrund des Fehlens eines bestimmten Artikels zurückgewiesen.
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Mitglieds – nicht in der Weise zur Einhaltung der pentateuchischen Opfergesetze verpflichtet sehen musste. Oder wurde vielleicht Dtn 12,6 gar nur auf tierische und vegetabilische Opfer- und Votivgaben gedeutet,199 sodass bauliche Stiftungen, die im Zusammenhang eines Gelübdes versprochen wurden, auch außerhalb des zentralen Kultortes realisiert und errichtet werden konnten? 2.3.2 Zusammenfassung Die Durchsicht der in Synagogen auf baulichen und plastischen Artefakten entdeckten Stifterinschriften hat einen ganzen Katalog an Votivgabenmöglichkeiten offengelegt, die von einem intensiven, die Zerstörung des Jerusalemer Tempelkultes überdauernden und für die Existenz der Gebetshäuser entscheidenden Gelübdewesen zeugen. Ob die Synagogen der Judäer als Destinatär von Votivgaben den Jerusalemer Tempel nach 70 u.Z. beerbt haben, oder ob die Votivpraxis vom Aufkommen der Gebetshäuser in der Diaspora an bereits dort verankert war, ist durch den Mangel an inschriftlicher Bezeugung nicht mehr zweifelsfrei zu erheben. Allein für das Gebetshaus der Kultgemeinde der Samaritaner auf Delos ist mit der Inschrift IJO I Nr. Ach66. ein Zeugnis dafür gegeben, dass bereits vor der Zerstörung des Tempels auf dem Garizim um 129 v.u.Z. durch den Hasmonäer Johannes Hyrkan200 samaritanische Versammlungsorte in der Diaspora als Empfänger von Votivgaben gegolten haben können. Die zusammengetragenen und analysierten jüdischen Inschriften haben außerdem gezeigt, dass die Forderungen aus Dtn 12,6, Opfer, freiwillige Gaben und Gelübde allein am Jerusalemer Tempel darzubringen und zu begleichen, in der Zeit nach dem Abbruch des dortigen Kultbetriebs nicht mehr als absolut gesetzt galt. 3
Gelübde als bedingte Votivgabenweihe nach dem Zeugnis nichtjüdischer Quellen
Gelübde als bedingte Votivgabenweihe nach dem Zeugnis paganer Quellen Die paganen Zeugnisse zur Votiv- und Gelübdepraxis sind sowohl im hellenistisch-römischen als auch im orientalischen Kulturkreis201 so zahlreich, dass diese hier nur in Auszügen und überblicksartig vorgestellt werden können. 3.1
199 Dafür könnte sprechen, dass neben der unspezifischen Nennung von נדרund נדבהnur Opfermaterie genannt wird, die für Altar und Kultpersonal bestimmt war. 200 Vgl. Berlejung 2010: 187 sowie Tilly und Zwickel 2011: 115–116. 201 Man beachte freilich, dass eine trennscharfe Abgrenzung antiker Kulturräume nicht zu leisten ist. Dies gilt umso mehr für die Zeit nach den Alexanderzügen, in der es einen fruchtbaren kulturellen Austausch zwischen Orient und Okzident gegeben hat.
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kapitel 3
Um den Befund in einigermaßen geordneten Bahnen darstellen zu können, soll hier vor allem nach Opfermaterie, Anlass und Funktion der Votivgabe gefragt werden. Zum inschriftlich gebrauchten Wortschatz in griechischen Inschriften, der die Erfüllung einer Votivversprechung bezeugt, gehören die für „Gelübde“ gebrauchten Begriffe εὐχή und εὐχωλή sowie das den Votanten bezeichnende Partizip εὐξάμενος.202 Im lateinischsprachigen Raum findet sich die standardisierte Formel votum solvit laetus libens merito („Gelübde erfüllt, fröhlich, willig, verdient“), die bisweilen selbst noch zum Akronym VSLM verkürzt wurde.203 Während in der großen Mehrzahl der Fälle die inschriftlichen Zeugnisse die Erhörung des im Gelübde ausgedrückten Bittgesuchs und die Erfüllung der Votivversprechung dokumentieren, liegen uns auch Zeugnisse vor, die den Wortlaut des Bittgelübdes selbst festhalten.204 Die vom Votanten herrührende Absicht hinter der Dokumentation des Gelübdes lag sicherlich in der Unterstreichung der Ernsthaftigkeit seines Anliegens, die er vor der Gottheit ausdrücken wollte. Mit der Dokumentierung der Versprechung verpflichtete sich der Votant auch öffentlich, womit das Tempelpersonal und auch die am Kult teilnehmende Gemeinschaft zu Zeugen der Versprechung werden. Daneben scheint es auch Fälle gegeben zu haben, in denen der Votant bereits schon im Vornherein eine Votivgabe mit einer darauf versehenen Inschrift entrichtet hat, ohne dass die an die Gottheit gerichtete Bitte bereits erhört worden wäre.205 Diese Form der Votivgabenpraxis hat eine zweifache Zielsetzung. Zum einen legt der Votant ein öffentliches Zeugnis darüber ab, dass er sich durch eine Gelübdeversprechung zur späteren Darbringung von Opfergaben verpflichtet hat und davon, ohne in den Augen der religiösen Gemeinschaft Schaden zu nehmen, auch nicht mehr abrücken kann. Zum anderen steht die Gottheit mit dieser bereits im Voraus geleisteten Opfergabe unter der besonderen Beobachtung der Kultteilnehmer, die die Inschrift lesen. Mit der Vorausleistung ist eine an die Gottheit gerichtete Erwartungshaltung verbunden, sich für den Bittsteller wirkmächtig und von allen wahrnehmbar einzusetzen. Mit der Votivgabe kann außerdem die Hoffnung verbunden sein, dass die Gottheit auch über die Einlösung der Gelübdeversprechung hinaus weiterhin heilvoll am Votanten wirken soll.206 Damit ist die Verbindung zwischen dem Votanten als Bittsteller und der Gottheit als Bittgewährer keineswegs mit der 202 Vgl. van Straten 1981: 70. 203 Vgl. Keppie 1991: 93–94. 204 Vgl. Sadek 1987: 234. 205 Vgl. Kötting 1976: 1078; Sadek 1987: 234. 206 Vgl. van Straten 1981: 73 und de Hemmer Gudme 2013: 11.
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Einlösung der Versprechung abgebrochen. Vielmehr wird man die Votivpraxis auch als eine Etablierung und Aufrechterhaltung einer sich gegenseitig immer wieder bedingenden Gemeinschaft zwischen einem Gottesverehrer und einem göttlichen Patron verstehen dürfen.207 F. van Straten nennt eine Reihe von Opfergaben abbildende Artefakte, von denen er annimmt, dass diese im Zusammenhang des Kults infolge der Einlösung eines Gelübdes gemeinsam mit einem Altaropfer dargebracht wurden.208 Um den Moment der Opferung und Einlösung zu kommemorieren, dienen die Opferhandlungen darstellenden Reliefs und Stelen zum Zeiten überdauernden Zeugnis der Güte der Gottheit und der Frömmigkeit des Votanten.209 In wiederum anderen Fällen scheinen Votivartefakte dem Zweck der Substitution von tierischen Opfergaben gedient zu haben.210 Diese Praxis ist dem Umstand geschuldet, dass man von einer an eine Gottheit gerichteten Opferversprechung nicht einfach dispensiert werden kann. Es bedarf einer Ersatzleistung, die vom Priester bestimmt wird und als Einlösung der Verpflichtung der Schuldigkeit des Votanten Genüge tut. Gründe für die Notwendigkeit einer Ersatzleistung können in einer veränderten wirtschaftlichen Situation des Votanten liegen, der zum Zeitpunkt, da seine Bitte erfüllt wurde, nicht mehr im Stande war, seine zuvor geleistete Versprechung umzusetzen. Ersatzleistungen konnten aber auch dort von Priestern akzeptiert worden sein, wo ärmeren Bevölkerungsschichten, die traditionelle Opferformen nicht bedienen konnten, die Möglichkeit zum Opfer geboten werden sollte.211 Ferner ist die Darbringung von Figurinen archäologisch belegt, die als Repräsentation im Tempel für die beständige Gegenwart des Beters im Angesicht der Gottheit stehen sollten.212 Gelübde als bedingte Votivgabenweihe nach dem Zeugnis samaritanischer Quellen Eine Sonderstellung nehmen die Votivinschriften vom Garizim ein. Hinsichtlich der Kultpraxis im Allgemeinen und der Votivpraxis im Speziellen kommt die samaritanische Gemeinde um den JHWH-Tempel auf dem Garizim aufgrund gemeinsamer, auf dem Pentateuch gründender Kulttraditionen der 3.2
207 Vgl. Beard 1991: 48; de Hemmer Gudme 2013: 13. 208 Vgl. van Straten 1981: 87. 209 Vgl. dazu de Hemmer Gudme 2013: 13. 210 Vgl. die bei van Straten 1981: 87 vorgestellte Marmorstele aus Lydia, die von diesem in die erste Hälfte des 3. Jh. u.Z. datiert wird; sowie dazu de Hemmer Gudme 2013: 13. Vgl. ferner für den mesopotamischen Raum Postgate 1994: 176–180. 211 Vgl. entsprechend dazu Lev 5,7 und 14,21. 212 Vgl. z.B. die südlich von Arad in einem edomitischen Heiligtum vom Ende des 7. Jh.s v.u.Z. gefundenen anthropomorphen Votivgaben (vgl. dazu Beit-Arieh 1993: 1230–1233).
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kapitel 3
judäischen Kultgemeinde um den Jerusalemer Tempel wohl am nächsten. A. de Hemmer Gudme kommt zu dem Schluss: It is my contention however, that there is nothing distinctly ‘Samaritan’ about the sanctuary or the worship on Mount Gerizim in the 2nd century BCE and therefore the votive inscriptions from Gerizim offer us a rather unique window to Yahwistic votive practice in Hellenistic period Palestine.213 Nach Y. Magen (et al.) stammen die Inschriften aus persischer und hellenistischer Zeit und bezeugen damit eine fast vier Jahrhunderte gepflegte und lebendige Votiv- und Gelübdepraxis.214 Die Inschriften, die an den das Heiligtum umgebenden Wänden angebracht wurden, waren im Raum des Heiligen ein wichtiger Bestandteil materieller Erinnerungskultur.215 Für die Inschriften mit den Nrn. 147 und 148 wird dies mit der Stifterinschrift deutlich, die als Gabe direkt auf den Stein verweist.216 Als besonders gut erhaltenes Zeugnis der Votivpraxis am JHWH-Heiligtum auf dem Garizim sei hier die mit der Erinnerungsformel217 לדכרנ טב קדמ אלהאausgestattete Inschrift Nr. 147 vorgestellt.218 די הקרב דליה בר שמעון עלוהי ועל בנוהי אבנא [דה ל]דכרנ טב קדמ אלהא באתרא דנה
Delaja, Sohn des Schimon, opferte für sich und für seine Söhne diesen Stein zum wohlwollenden Gedächtnis vor Gott an diesem Ort. In der Mehrzahl der Fälle, wird bis auf die Namen der Votanten und dem Hinweis der Darbringung der Votivgabe kein Hinweis für Anlass oder Form des Gelübdes gegeben. Dies erweckt den Eindruck, dass in allererster Linie die Namen erinnert und damit die Votanten selbst im Raum des Heiligen präsent 213 de Hemmer Gudme 2013: 2–3. 214 Vgl. Magen et al. 2004: 14. 215 Vgl. de Hemmer Gudme 2013: 2–3. 216 Vgl. Magen et al. 2004: 137–139. 217 Zur selben Kategorie zählen Magen et al. 2004: 139–171 auch die Inschriften mit den Nummern 148–198. 218 Der Stein wurde auf dem monumentalen Treppenaufgaben im Areal S (vgl. die Abbildung des Areals bei Magen et al. 2004: 273) gefunden. Er hat eine Höhe von 36,5 cm, eine Breite von 202 cm und eine Tiefe von 55 cm.
Gelübde als bedingte Votivgabenweihe
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sein sollen.219 Damit verbindet sich auch die Hoffnung, dass durch die beständige Verbindung zwischen Votant und Gottheit eine fortdauernde Interaktion zwischen beiden etabliert wird, die sich durch den Gottesverehrer in der Form seiner Anbetung und durch die Gottheit in der Form ihrer segnenden Zuwendung weiter realisiert.220 Dass sich ein vergleichbarer Brauch archäologisch (noch) nicht für den JHWH-Tempel in Jerusalem nachweisen lässt, mag verwundern. Hatte die besonders zentrale Rolle der Wallfahrtsfeste am Jerusalemer Heiligtum, auf denen die Festpilger jährlich ihre Gelübde einlösten, die Entwicklung einer dem Garizim entsprechenden Erinnerungskultur verhindert? Für eine solche Annahme müsste dann aber erklärt werden, warum der JHWH-Kult auf dem Garizim, der fußend auf dem Kultrecht des Pentateuch die Wallfahrten zum Heiligtum in gleicher Weise als verpflichtend vorsieht, eine solche Erinnerungskultur zusätzlich zu den Wallfahrtsfesten entwickelt hat. Muss vielleicht angenommen werden, dass die in Judäa stärker verbreitete Vorstellung vom Aufgeschriebensein des eigenen Namens in himmlischen Büchern, wie dies neben Ex 32,32 auch prominent in der Psalmen- (Ps 69,29) und Prophetenliteratur (Dan 7,10; 12,1; Mal 3,16) bezeugt ist, eine mit dem Garizim vergleichbare Erinnerungskultur gar nicht notwendig gemacht hat? Wenn der momentane Mangel an archäologisch nachgewiesenen Artefakten im Kontext des Jerusalemer JHWH-Kultes, die eine Vergleichbarkeit mit der Erinnerungskultur des Garizim möglich machen würden, kein Zufall ist, dann wäre die zu Beginn zitierte Aussage von de Hemmer Gudme, „that there is nothing distinctly ‘Samaritan’ about the sanctuary or the worship on Mount Gerizim“,221 an dieser Stelle zu relativieren.
219 Vgl. die bei Magen et al. 2004: 137–171 versammelten Inschriften, die die Hoffnung auf das Erinnertbleiben des Votanten bei JHWH ausdrücken. Vgl. dazu ferner die vielen inschriftlich festgehaltenen Erinnerungsformeln, die de Hemmer Gudme 2013: 91–134 aus dem Raum des östlichen Mittelmeers zusammengetragen hat. Beard 1991: 46 hält in ihrer Studie zur Funktion des geschriebenen Wortes in der römischen Religion mit Bezug auf religiöse Privatinschriften fest: „Presence is fully defined only by naming“ (Hervorhebung im Original). 220 Zur Funktion des Kultes zur gegenseitigen Erinnerung JHWHs und seines erwählten Volkes vgl. de Hemmer Gudme 2013: 135–150. 221 de Hemmer Gudme 2013: 2–3.
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kapitel 3
Gelübde als bedingte Votivgabenweihe nach dem Zeugnis der Rabbinen
Zwischen Wertschätzung und Verdammung – Der ambivalente Umgang der Rabbinen mit dem biblischen Erbe der Gelübdeinstitution „Sages do not treat respectfully the person who takes vows“, urteilt J. Neusner in seinem Beitrag Vow-Taking, the Nazirites, and the Law mit Verweis auf die beiden Amoräer Samuel (bNed 22a) und R. Dimi (bNed 77b), die das Ablegen eines Gelübdes für eine Sünde erachteten.222 Nicht annähernd so kritisch aber doch mit einem unmissverständlichen Plädoyer auf den Lippen äußert sich der Tannait R. Meir in Sifre Dtn 265 (p. 286,2–3 Finkelstein), gänzlich auf die Inauguration von Gelübden zu verzichten. R. Meir greift dabei auf den Wortlaut der abwägenden Argumentation Kohelets aus Koh 5,4 zurück. Er kommt zu dem Schluss, dass es besser sei, statt zu geloben und das Gelübde zu erfüllen, oder zu geloben und das Gelübde nicht zu erfüllen, überhaupt gänzlich auf das Ablegen von Gelübden zu verzichten. Dass dies nicht die Mehrheitsmeinung der Rabbinen widerspiegelt, sondern Ausdruck eines ambivalenten Verhältnisses zur Gelübdepraxis ist, zeigt der auf R. Meir reagierende R. Jehuda, der ebenfalls im abwägenden Stil Kohelets sprechend zum gegenteiligen Schluss kommt. Für R. Jehuda hat jener sich zum Besseren entschieden, der sich, statt auf Gelübde zu verzichten, oder ihre Einhaltung zu versäumen, für eine frömmigkeitliche Praxis entschieden hat, die Gott mit dem Versprechen eines Gelübdes und seiner Erfüllung zu ehren gedenkt. Mit diesem unaufgelösten argumentativen Patt gibt der Redaktor des Midraschs zu verstehen, dass es ein Verbot der durch die Tora gestatteten Gelübdepraxis nicht geben kann und dass dem Gelübdewilligen von drei möglichen Alternativen allein Verzicht oder Erfüllung zur Wahl steht. In ähnlich kritischer Weise wie R. Meir kommt auch die anonyme Mischna in mNed 1,1223 mit כנדרי רשעים נדר בנזיר ובקרבן ובשבועה כנדרי כשרים לא אמר כלום („[Wer sagt]: ‚Wie die Gelübde der Frevler‘, der hat entweder den Naziräat, ein Opfer[versprechung] oder einen Schwur abgelegt. ‚Wie die Gelübde der Frommen‘, der hat nichts [Bindendes] gesagt“) implizit zu dem Schluss, dass es einer frommen Natur eigentlich widerstrebt, überhaupt ein Gelübde abzulegen. Allein die Frevler, so gibt es die anonyme rabbinische Stimme zu verstehen, sind dafür bekannt, den Naziräat, Votivversprechen und Schwüre abzulegen. Diese 4.1
222 Vgl. Neusner 1999: 76. 223 Hier und im Folgenden entspricht der hebräische Text der Mischna, wenn nicht anders ausgewiesen, der Texttradition der Ms. Kaufmann.
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generalisierende Erkenntnis bringt die Rabbinen dennoch nicht davon ab, in Mischna und Tosefta Nedarim in umfassendem Maße zum bindenden Charakter von Inaugurationsformeln, zu den Obligationen bestehender Gelübde und zu den Möglichkeiten einer Gelübdeannullierung Stellung zu nehmen.224 Vielleicht wird man das Diktum „( יפתחו לו בכבוד מקום אם כן אין נדריםMan solle ihm [einen Ausweg aus seinem Gelübde] mit Rücksicht auf die Ehre des Ortes [sc. Gottes] eröffnen. Wenn dies [möglich] wäre, dann gäbe es keine Gelübde“) aus mNed 9,1 ebenfalls als eine kritische Stimme gegen die zeitgenössische Gelübdepraxis werten dürfen. Wenn man mit der Frage, ob man gewusst hätte, dass das abgelegte Gelübde eine Entehrung Gottes darstellt, eine Entbindung von einem Gelübde erzielen kann, dann – so möchte man ergänzen – darf jeder mit einer solchen Rückfrage von seinem Gelübde entbunden werden, da jedes Gelübde einer Entehrung Gottes gleichkommt.225 4.2 Zusammenfassung Die tannaitische Traditionsliteratur betrachtet die Gelübdepraxis in Mischna und Tosefta Nedarim nicht mehr als Teil frömmigkeitlicher Votivpraxis. Dass diese ein Fortleben im Raum der Synagoge feiert, wie dies epigraphisch durch Stifterinschriften (vgl. oben 3 2.3.1) bezeugt ist, scheint für die Rabbinen keinen Grund zur inhaltlichen und rechtlichen Auseinandersetzung geliefert zu haben. Für die Tannaiten ist nach der Tempelzerstörung allein das noch praktizierbare Verbotsgelübde Gegenstand der Lehrdiskussion in Mischna und Tosefta Nedarim, zu dessen Reglementierung sich die Rabbinen in vielfältiger Weise verpflichtet sahen. Vom Missbrauch der Verbotsgelübdepraxis aus gesehen, erfährt jede Gelübdeform, sei es der Naziräat, das Weihegelübde oder das bedingte Bittgelübde eine negative Färbung. Gelübde sind der Zeitvertreib der Frevler. Mit einer Ehrerweisung Gottes haben Gelübde daher nichts mehr zu tun. Ganz im Gegenteil, will man Gott die Ehre erweisen, sollte man nach Meinung mancher Tannaiten ganz auf sie verzichten. Dennoch scheint es so, als ob die Rabbinen das durch die Tora gegebene Recht, Gelübde nach eigenem Ermessen und Belieben zu inaugurieren, nicht gänzlich unterbinden konnten oder wollten. Dies mag an der hohen Bedeutung, die dem Gelübde im einfachen Volk beigemessen wurde, aber auch an der Wertschätzung gelegen haben, die die Gelübdeinstitution unter manchen Rabbinen noch hatte. Die rabbinischen Diskurse zur Gelübdepraxis knüpfen zwar an die Diskurse zur Zeit des Zweiten Tempels in gewisser Weise an, doch müssen sie in nicht wenigen Fällen als Weiterentwicklung und Neuausrichtung angesprochen 224 Vgl. Vahrenhorst 2002: 365–366. 225 Vgl. unten 4 3.2.
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kapitel 3
werden. Dies wird vor allem im Fall der Entbindung von Gelübden durch Gelehrte ersichtlich. Hier wenden die Rabbinen mit Hilfe einer gesetzlichen Fiktion einen juristischen Kunstgriff an, der es erlaubt, das Gelübde ganz außer Kraft zu setzen, geradezu als ob es nie gesprochen worden wäre. 5
Gelübde als bedingte Votivgabenweihe nach dem Zeugnis des Neuen Testaments
Zeugnisse zur jüdischen Votiv- und Gelübdepraxis sucht man im Neuen Testament so gut wie vergebens. Gerade einmal Lk 21,5 mit dem dort dokumentierten Erstaunen über die schönen Steine des Tempels und die Weihegeschenke, mit denen der Tempel ausgeschmückt wurde,226 gibt einen kleinen Eindruck von den für das antike Judentum so zentralen Kultpraktiken des Gelobens und Votivgabenschenkens. Nicht ganz so offensichtlich, aber dennoch zentral für die Bedeutung der Gelübde- und Votivpraxis im antiken Judentum ist die Rede vom zeitlichen Vorrang der Versöhnung gegenüber der Darbringung von Opfergaben in der Antithese vom Töten in Mt 5,21–26. 23 ἐὰν οὖν προσφέρῃς τὸ δῶρόν σου ἐπὶ τὸ θυσιαστήριον κἀκεῖ μνησθῇς ὅτι ὁ ἀδελφός σου ἔχει τι κατὰ σοῦ, 24 ἄφες ἐκεῖ τὸ δῶρόν σου ἔμπροσθεν τοῦ θυσιαστηρίου καὶ ὕπαγε πρῶτον διαλλάγηθι τῷ ἀδελφῷ σου, καὶ τότε ἐλθὼν πρόσφερε τὸ δῶρόν σου. 23 Wenn du nun deine Gabe zum Altar bringst, und dort wird dir bewusst, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, 24 dann lass dort deine Gabe vor dem Altar und gehe zuerst, versöhne dich mit deinem Bruder, und dann komm und bringe deine Gabe dar. Das Besondere des Abschnitts liegt nicht darin, dass Jesus in gewisser Weise einen positiven Bezug zur Votivgabenpraxis herstellt,227 sondern dass er, um die Wichtigkeit der Versöhnung hervorzuheben, die Aussöhnung mit dem Nächsten ins Verhältnis zur Votivpraxis setzt. Für antike jüdische Hörer, die nicht aus der näheren Umgebung Jerusalems stammten, bedeutete diese Forderung 226 Hier wäre z.B. auch an die Goldkette des Agrippa I. zu denken, die er nach Josephus, Ant 19,294 als Gott ehrerbietendes Andenken an seine Befreiung aus der Gefangenschaft im Tempel aufhängen ließ. 227 Dem muss nicht widersprechen, dass Jesus im Tempel vordergründig ein Haus des Gebets sieht (Mt 21,13). Für Luz 2002: 259 sind die beiden Verse authentisch und auf den historischen Jesus zurückzuführen.
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freilich eine Unmöglichkeit. Erst an seinen Heimatort, sei er in Galiläa oder vielleicht sogar in der Diaspora, zurückzukehren, um dann in einem zweiten Anlauf seine Opfergabe darzubringen, ist für Nichtjudäer kaum zu praktizieren. Die hyperbolisch zugespitzte Forderung soll die Bedeutung des πρῶτον hervorheben.228 Erst muss sich versöhnt werden, dafür ist das Zurücklassen der Opfergabe und auch ein langer Rück- und Anreiseweg in Kauf zu nehmen. Das Kultgesetz ist damit für den Menschen natürlich nicht außer Kraft sondern ins Verhältnis gesetzt und zwar ins Verhältnis mit seinem Nächsten und seinem inwendigen Menschen, den es von moralischer Unreinheit zu reinigen gilt (Mt 23,26).229 Diesen zu reinigen kann der Tempelkult nicht leisten, das macht den Tempelkult aber nicht obsolet. Die Opfergabe kann beim Tempel warten. Die Versöhnung mit dem Bruder kann es nicht. Der Abschnitt will in erster Linie nicht dazu aufrufen, vor jedem kultischen Dienst die eigenen mitmenschlichen Beziehungen auf ihre Intaktheit zu prüfen. Vielmehr geht es darum, dass selbst so etwas Bedeutendes wie die Darbringung und Opferung einer Weihegabe an Gott warten kann, wenn menschliche Verhältnisse unversöhnlich im Argen liegen. So hat U. Luz sicherlich Recht, wenn er hinter Mt 5,23–24 auch eine Anspielung auf Kultkritik sieht, wie sie im Prophetenwort von Hos 6,6 offenkundig wird,230 doch ist der Bezugstext, von dem sich Mt 5,23–24 abheben soll, nicht in den Schriften der Propheten, sondern in der Tora, in Dtn 23,22–24, zu suchen. Die Dringlichkeit der Einlösung von Gelübdeversprechungen, die nach Dtn 23,22 keine Verzögerung duldet, wird hier ins Verhältnis zur Dringlichkeit der Versöhnung gesetzt. Damit ist ausgedrückt, dass die Schuld, Versöhnung zu verzögern, weit größer wiegt als die Verzögerung einer Gelübdeerfüllung. Will man das Logion zum Aufschub einer Votivgabendarbringung gar in einer Linie mit der Aussageabsicht des Gleichnisses vom Schalksknecht (Mt 18,23–35) sehen, dann könnte Jesus von dem Gedanken geleitet gewesen sein, dass die enorme Schuldenlast eines Menschen vor Gott auch nicht mit der Darbringung einer Opfergabe aufgewogen werden kann, weshalb der Mensch unweigerlich auf die Versöhnung Gottes angewiesen ist. Der Mensch kann darauf nur mit einer Imitatio Dei antworten und selbst Versöhnlichkeit üben und anstreben. 228 Vgl. Luz 2002: 259. 229 Vgl. in sachlicher Nähe dazu mJom 8,9. 230 Vgl. Luz 2002: 259.
kapitel 4
Gelübde als bedingte Personenweihe: Der Naziräat und andere Formen der Selbst- und Personenweihe 1
Problemanzeige
Die Schriften des Neuen Testaments warten mit einer Reihe von Erzählungen auf, die entweder explizit oder andeutungsweise von den Auswirkungen eines Naziräatsgelübdes ihrer Protagonisten zeugen. Dazu gehören in erster Linie Berichte aus der Evangelienüberlieferung, allen voran über Jesus, dessen Weinverzichtserklärung im Zusammenhang des letzten Mahles mit seinen Jüngern in Mk 14,25 und seiner Kreuzigung in 15,23 dokumentiert ist. Dazuzurechnen ist ferner auch das Zeugnis von der Rückkehr der Familie Jesu nach Nazareth, die in Mt 2,23 mit einem auf Ri 13,5.7 oder 16,17 bezogenen Erfüllungszitat mit den Worten begründet wird ὅπως πληρωθῇ τὸ ῥηθὲν διὰ τῶν προφητῶν ὅτι Ναζωραῖος κληθήσεται („damit erfüllt würde, was gesagt ist durch die Propheten: Er wird Nazoraios genannt werden“). Ein weiterer Akteur im Umkreis der frühen Jesusbewegung, dessen Wirksamkeit und Auftreten man möglicherweise unter dem Vorzeichen der Weihe eines Naziräers wahrnehmen kann, ist Johannes der Täufer. Ein Indiz für die Wahrnehmung des Täufers als geweihter Naziräer gibt die Offenbarung des Engels in Lk 1,15, der den asketischen, vom Wein entsagenden Lebensstil des Täufers schon vor seiner Geburt kundtut. Hier wird man die Bedeutung des Weinverzichts klären müssen und ob dieser zwangsläufig immer auf ein bestehendes Naziräat zurückzuführen ist, oder ob dieser auch andere Formen asketischer Praxis und Frömmigkeit widerspiegeln kann. In der Apostelgeschichte des Lukas wird gleich von mehreren Personen berichtet, die den Naziräat auf sich genommen haben sollen. In Apg 18,18 wird darauf mit einem Bericht über die Durchführung eines Haarscherritus im Zusammenhang eines bestehenden Gelübdes verwiesen. Hier wird zu klären sein, wem der beiden Akteure, Paulus oder Aquila, die Notiz über das Scheren der Haare gegolten haben soll, und unter welcher Voraussetzung die in Num 6,18 geforderte Ortsbindung des Haarscherritus an das Heiligtum gelockert und auch in die Diaspora verlagert werden konnte. Dafür sollen hier zu Beginn neben Num 6,1–21 auch Ri 13,2–7.14; 1. Sam 1,11 und Am 2,11–12 näher in den Blick genommen werden, wobei vor allem die einzelnen Regelungen zur Naziräatspraxis und der Sprachgebrauch der Naziräatsbestimmungen in 𝔐 und 𝔊 im Mittelpunkt stehen sollen. © Koninklijke Brill NV, Leiden, 2021 | doi:10.1163/9789004441835_005
Gelübde als bedingte Personenweihe
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1.1 Der Naziräat nach dem Zeugnis der Hebräischen Bibel Mit den Derivaten der Wurzel נזרbezeichnet die Hebräische Bibel eine besondere Form der Absonderung. Sowohl im Hifil- als auch im Piel-Stamm der Wurzel werden zwei zentrale Aspekte des Bedeutungsspektrums deutlich, nämlich das „Abgesondertsein für etwas“ und das „Abgesondertsein von etwas“.1 Das Wort נזירbezeichnet dann den Abgesonderten selbst, wobei das Nomen schlicht eine Person in herausragender Stellung benennt (so Josef in Gen 49,26; Dtn 33,16), aber auch als terminus technicus den zum langen Haarwuchs, zum Alkoholverzicht und zur unbedingten Bewahrung vor Verunreinigung an Toten (Num 6) verpflichteten Geweihten meinen kann, für dessen Bezeichnung sich im bibelwissenschaftlichen Sprachgebrauch das hebräische Lehnwort Naziräer eingebürgert hat. Eine dritte Gebrauchssituation für den Begriff נזירfindet sich zudem in Lev 25,5.11 mit Bezug auf die Weinpflanze, die nicht beschnitten werden soll. Das Segolatum נזרwird wiederum für das sichtbare Zeichen der Weihe verwendet, was im Fall des Naziräers sein Haar und im Fall des Königs und Hohepriesters die Krone bzw. das Diadem ist. 1.1.2
Die Restriktionen und Obligationen eines Naziräers nach Num 6,1–21 Der priesterliche Text Num 6,1–21 bezeugt die ausführlichste Darstellung der Naziräatspraxis in den Schriften der Hebräischen Bibel.2 Da für die Untersuchung der rabbinischen Naziräats-Bestimmungen der Wortlaut der Hebräischen Bibel von Num 6 und für die neutestamentlichen Naziräats-Texte jener der Septuaginta maßgeblich ist, sollen hier beide gemeinsam übersetzt und untersucht werden. Num 6,1–4 𝔐 ל־ּב ֵנ֣י ְ ַּד ֵּב ֙ר ֶא2 מר׃ ֹ ֽ הו֖ה ֶאל־מ ֶ ֹׁ֥שה ֵּלא ָ ְ וַ יְ ַד ֵ ּ֥בר י1
ֹו־א ָּׁ֗שה ִ ּ֤כי יַ ְפ ִל ֙א ִ יִ ְׂש ָר ֵ֔אל וְ ָא ַמ ְר ָ ּ֖ת ֲא ֵל ֶ ֑הם ִ ֣איׁש ֽא ִמ ַּי�֤יִ ן וְ ֵׁש ָכ ֙ר יַ ִּ֔זיר3 יהוה׃ ֽ ָ ִלנְ ּד ֹ֙ר ֶנ ֶ�֣דר נָ ִ֔זיר ְל ַה ִ ּ֖זיר ַ ֽל ל־מ ְׁש ַ ֤רת ִ ֥חֹ ֶמץ ַי�֛יִ ן וְ ֥חֹ ֶמץ ֵׁש ָ ֖כר ֣ל ֹא יִ ְׁש ֶ ּ֑תה וְ ָכ ֲענָ ִב ֙ים ֣ל ֹא יִ ְׁש ֶּ֔תה וַ ֲענָ ִ ֛בים ַל ִ ֥חים וִ ֵיב ִ ׁ֖שים ֥ל ֹא יְמי נִ זְ ֑רֹו ִמּכֹ ֩ל ֲא ֶׁ֙שר יֵ ָע ֶׂ֜שה ִמ ֶּג ֶ֣פן ֣ ֵ ּ֖כֹל4 אכל׃ ֵֽ ֹי ָ ַה ַּ֗ייִ ן ֵמ ַח ְר ַצ ִּנ֛ים וְ ַע אכל׃ ֽ ֵ ֹ ד־ז֖ג ֥ל ֹא י
Num 6,1–4 𝔊 1 Καὶ ἐλάλησεν κύριος πρὸς Μωυσῆν λέγων 2 Λάλησον τοῖς υἱοῖς Ισραηλ καὶ ἐρεῖς πρὸς αὐτούς Ἀνὴρ ἢ γυνή, ὃς ἂν μεγάλως εὔξηται εὐχὴν ἀφαγνίσασθαι ἁγνείαν κυρίῳ 3 ἀπὸ οἴνου καὶ σίκερα, ἁγνισθήσεται ἀπὸ οἴνου,3 καὶ ὄξος ἐξ οἴνου καὶ ὄξος ἐκ σίκερα οὐ πίεται, καὶ
1 Vgl. Kamlah 2008: 229. 2 Kamlah 2008: 232 geht aufgrund der Platzierung der Naziräergesetze in den Textzusammenhang von Num 1,1–10,10, der bereits von den Aufbruchsvorbereitungen des Volkes vom Berg Sinai berichtet, davon aus, dass Num 6,1–21 als später Zusatz zur Priesterschrift anzusprechen und womöglich nach der Errichtung des Zweiten Tempels um 515 v.u.Z. entstanden ist. 3 ἀπὸ οἴνου wirkt an dieser Stelle redundant und bereitet, wenn man dann wie Wevers 1998: 95 ἁγνισθήσεται ἀπὸ οἴνου als erläuternde Bestimmung zur Sinneinheit ἀφαγνίσασθαι ἁγνείαν
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ὅσα κατεργάζεται ἐκ σταφυλῆς οὐ πίεται, καὶ σταφυλὴν πρόσφατον καὶ σταφίδα οὐ φάγεται. 4 πάσας τὰς ἡμέρας τῆς εὐχῆς4 αὐτοῦ ἀπὸ πάντων, ὅσα γίνεται ἐξ ἀμπέλου, οἶνον ἀπὸ στεμφύλων ἕως γιγάρτου οὐ φάγεται. 1 Und der Herr sprach zu Mose wie folgt: 2 Sprich zu den Israeliten und sage ihnen: Wenn (jemand), (sei es) Mann oder Frau, sich zu etwas außerordentlichem entscheidet, (nämlich) ein Naziräatsgelübde abzulegen, um sich für den Herrn zu weihen, 3 dann soll sich (jene Person zur Enthaltung) von Wein und Rauschtrank weihen. Weinessig und Rauschtrankessig soll er nicht trinken. Jegliche (Form von) Traubenextrakt soll er auch nicht trinken und frische und getrocknete Trauben nicht essen. 4 Alle Tage seines Naziräats soll er von allem, was vom Weinstock verarbeitet wird, von den Charzanim bis hin zum Zag, nicht essen.
1 Und der Herr sprach zu Mose, indem er sagte: 2 Sprich zu den Israeliten und sage ihnen: Jeder, Mann oder Frau, wenn er auf großartige Weise ein Gelübde ablegt, sich dem Herrn zur Reinheit zu reinigen 3 von Wein und Rauschtrank, soll sich von Wein reinigen. Von Essig aus Wein und von Essig aus Rauschtrank soll er nicht trinken und was auch immer aus der Traube gemacht ist, soll er nicht trinken. Auch eine frische oder getrocknete Weinbeere soll er nicht essen. 4 Alle Tage seines Gelübdes soll er von allem, was vom Weinstock ist, von Maische bis zum Traubenkern, nichts essen.
Num 6,2 weist den Naziräat der Form nach als ein Gelübde ( )נדרund damit als eine bedingte Selbstverpflichtung aus.5 In welchen speziellen Fällen der κυρίῳ ἀπὸ οἴνου καὶ σικερα verstehen will, sachlogische Probleme. Wenn der Naziräer sich dem Herrn weiht, um sich von Wein und Rauschtrank zu enthalten, warum soll er dann allein auf Wein verzichten? ἀπὸ οἴνου wird wohl hier am ehesten zu streichen sein und ἀπὸ οἴνου καὶ σικερα ἁγνισθήσεται als erste Forderung zur Reinerhaltung des Naziräers anzusprechen sein. 4 Entweder hat der 𝔊-Übersetzer נזרוzu נדרוverlesen, oder – und dies scheint mir vor dem Hintergrund der Übersetzung von יזירmit ηὔξατο in 6,5 wahrscheinlich – er hat, um auf eine Transkription von נזרoder um auf den Gebrauch einer Umschreibung verzichten zu können, in sachlogischer Entsprechung das Hyperonym εὐχή gewählt. 5 Dass der Naziräat als bedingte Selbstverpflichtung inauguriert wurde, bezeugt 4QSama. Dort verspricht Hanna zwar nicht ihre eigene Weihe, doch sie gelobt, sie ihrem Sohn anzugedeihen, wenn Gott ihr ihre Bitte um einen Nachkommen erfüllt. Für eine freiwillige und unbedingte Selbstverpflichtung kennt die Hebräische Bibel den Begriff נדבה. Zur positiven Bewertung des Naziräats als bedingte Selbstverpflichtung vgl. auch Cartledge 1989.
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Naziräat als ein mit einer Bitte verbundenes Versprechen zur Aufnahme der in 6,2–21 beschriebenen Verpflichtungen inauguriert wurde, scheint für den priesterlichen Autor nicht von Bedeutung gewesen zu sein.6 In seinem Fokus stehen allein die mit dem Gelübde einhergehenden Restriktionen und jene kultrechtlichen Belange, die für den Naziräer bei Befleckung mit Totenunreinheit und bei der Durchführung der Ausweihungszeremonie zum Tragen kommen. An erster Stelle der dem Naziräer aufgetragenen Verhaltensrestriktionen steht die unbedingte Alkoholaskese, die neben dem Verzicht von Wein und Rauschtrank in 6,3aα auch als Zusatzforderungen in 6,3aβ–6,4 die Enthaltung von Essig aus Wein und Rauschtrank, von Traubensaft sowie von frischen und getrockneten Trauben beinhaltet.7 Ohne nähere Begründung für das umfassende Verbot zum Verzehr von Erzeugnissen des Weinstocks muss der Ursprung dieser Speiserestriktion im Dunkeln bleiben. Mit Blick auf den priesterlichen Ursprung der Komposition von Num 6 wird der gebotene Alkoholverzicht sicher den priesterlichen Anspruch zur Wahrung der Reinheit und Heiligkeit des geweihten Naziräers widerspiegeln.8 Der Naziräer wird durch die so gearteten Reinheitsvorschriften für eine begrenzte Zeit heilig vor Gott sein (6,8) und damit in gewisser Weise auf eine Stufe mit den diensthabenden Tempelpriestern gestellt. Dass unter das Gebot der Alkoholaskese auch 6 Seebass 2007: 159 geht aufgrund der Formulierung יפלא לנדר נדרdavon aus, dass Männer wie Frauen den Naziräat auf freiwilliger Basis inaugurierten und es ihnen „nicht um die Erfüllung einer Bitte ging“. Dann stellt sich aber die Frage, warum 6,2 den Naziräat explizit als ein נדרidentifiziert. Die mit יפלאausgedrückte außerordentliche Handlung wird wohl eher in der besonderen Last der damit einhergehenden Restriktionen und Obligationen sowie in den besonders hohen Ausweihungskosten liegen. Gleiches gilt für Lev 27,2. Dass Gelübde ( )נדריםauch konditionslos inauguriert wurden, wie dies auch Görg 2000: 606 behauptet hat, ist freilich denkbar, aber in keiner einzigen Schrift der Hebräischen Bibel explizit bezeugt. 7 Durch die talmudische Brille gelesen vergleicht Jastrow 1914: 267 Num 6,3aα mit der einfachen Form einer Mischna, die anschließend durch eine „Biblical Gemara“ erläutert wird. 8 Vgl. dazu Lev 10,8–11 und Ez 44,21. Seebass 2007: 159 hält, jedoch ohne dafür eine Begründung zu nennen, den Vergleich mit dem Weinverbot der dienstverrichtenden Priester für unzulässig. Dass hier die für die Liste an Restriktionen verantwortliche, priesterliche Hand nicht auch an das Weinverbot der Priester gedacht haben könnte, erscheint mir wenig plausibel, wird doch gerade die Begründung des Weinverzichts für Priester in Lev 10,10 mit deren Verantwortung, zwischen heilig und profan und zwischen rein und unrein zu unterscheiden, begründet. Eine solche Verantwortung wird in gewisser Weise auch dem Naziräer auferlegt, wenn er sich vor der Verunreinigung mit Toten in Acht nehmen soll. Auch 1. Sam 1,13–14 lässt erkennen, dass das Gebet bzw. die Präsenz am gottgeweihten Ort in berauschtem Zustand als ungebührlich empfunden wurde. Der Naziräat als eine Form kultischen Dienstes wird sich sicherlich an diesem kultischen Tabu orientiert haben. Eine weitere kultrechtliche Analogie, die den Naziräer in die Nähe des Priestertums rückt, ist die unbedingte Inachtnahme vor Verunreinigung mit Totenunreinheit, die so auch dem Hohepriester in Lev 21,10–11 geboten ist. Vgl. dazu auch Achenbach 2003: 106–108.
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sämtliche vom Weinstock zum Verzehr genutzten Bestandteile mit einbegriffen werden,9 mag aber dann verwundern. Vielleicht wird man die in 6,3aβ–4 formulierten Genussverbote als Ausdifferenzierung der ersten an den Naziräer gerichteten Restriktion מיין ושכר יזירlesen dürfen. Demnach hat man ייןnicht allein auf Alkohol bezogen, sondern als pars pro toto in der Weise verstanden, dass damit eben auch der גפן הייןund seine verzehrbaren Bestandteile gemeint gewesen waren. Dass der Weinverzicht auch als eine Form der Reinerhaltung des Naziräers interpretiert werden kann, wird durch die deutende Übersetzung der 𝔊 bezeugt, wenn sie den Reinheitsaspekt des Gelübdes in den Vordergrund stellt und נזיר להזירmit ἀφαγνίσασθαι ἁγνείαν bzw. מיין ושכר יזירmit ἀπὸ οἴνου καὶ σικερα ἁγνισθήσεται übersetzt.10 ἀφαγνίσασθαι ἁγνείαν macht sogar deutlich, 9 Die Liste an Bestandteilen des Weinstocks, die für die Lebensmittelweiterverarbeitung gebraucht werden und für den Naziräer verboten sind, erweckt den Eindruck, dass nicht der Alkoholgenuss als problematisch angesehen wurde, sondern überhaupt der Weinstock mit allen seinen üblicherweise verzehrbaren Bestandteilen. Dass dennoch der Alkoholverzicht ursprünglich im Vordergrund stand, wird man aus dem Verbot von שכר entnehmen dürfen, das im allgemeinen berauschendes Getränk meint, aber auch im Speziellen Bier aus Gerste bezeichnet (vgl. Kellermann 1970: 87–88). Was speziell mit den Bestandteilen חרצניםund זגgemeint war, ist umstritten. Die genaue Zuweisung der Weinstock- bzw. Weinbeerenbestandteile war bereits in tannaitischer Zeit Gegenstand der Diskussion geworden (vgl. mNaz 6,2). Für Identifizierungsvorschläge vgl. Gesenius 2013: 294.401 und die dort aufgelistete Literatur. Für den Gegenstand dieser Untersuchung mag die Erkenntnis genügen, dass der Naziräatsgesetzgebung an einem umfänglichen Speiseund Genussverbot von Erzeugnissen des Weinstocks gelegen war. 10 𝔊 gibt mit ἀφαγνίζω neben להזירin zwei Fällen„( טהרreinigen“; Num 8,6.21), in vier Fällen „( התחטאsich entsündigen“; Num 19,12–13.20; 31,20) und in drei Fällen „( חטאjemanden entsündigen, reinigen“; Lev 14,49.52; Num 19,19) wieder. Vor allem Num 19,19 und 31,19–20 zeigen im Vergleich mit Num 6,6–12 einen gewissen sachlogischen Zusammenhang, da in beiden Textstellen vom Reinigungsritual bei Totenunreinheit die Rede ist. Als synonym zu ἀφαγνίζω scheint der 𝔊-Übersetzer von Num den Begriff ἁγνίζω zu verstehen, den er ebenfalls zur Übersetzung von התחטאgebraucht. ἁγνεία ist dagegen in Num allein an dieser Stelle für die Wiedergabe von נזירund נזרin Gebrauch. Weitere Belege lassen sich in 2. Chr 30,19 und 1. Makk 14,36 ausmachen, wo sie auf die Heiligkeit und Reinheit des Tempels Bezug nehmen. Man wird daher hinter den Wendungen ἀφαγνίσασθαι ἁγνείαν und ἀπὸ … ἁγνισθήσεται einen Deutungsversuch des 𝔊-Übersetzers sehen dürfen, den Naziräat als ein Gelübde verständlich zu machen, das der unbedingten Erhaltung der Kultfähigkeit des Geweihten verpflichtet ist. Die Ansicht Wevers 1998: 94, der Text vermittle eine äußerst negative Vorstellung von ἁγνεία, mag angesichts der Funktion von Num 6, den Weg zur Erlangung einer mit dem Kultstatus der Priester vergleichbaren Kultfähigkeit zu beschreiben, und antiker Heiligkeitsvorstellungen sehr verwundern. Teilnahme und Dienst am Kult sind an vielen Heiligtümern der antiken Welt durch Reinheitsbestimmungen (vgl. Parker 1996) und die Einhaltung asketischer Selbstverpflichtungen reglementiert (vgl. Finn 2009: 9–33). Tritt der Kultteilnehmer mit entsprechender Vorbereitung in die Sphäre des Heiligen, so wird das Verweilen im heiligen Raum generell
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dass der ganze Zweck des Gelübdes in der Reinigung und Erhaltung der Kultfähigkeit der geweihten Person liegt.11 6,5 expliziert dies noch einmal mit der Wendung εὐχὴ τοῦ ἁγνισμοῦ. Die wiederholt auftretende Wendung כל ימי נזרו u. dgl. (vgl. 6,4–6.8), die die Dauer der Einhaltung der für den Naziräer geltenden Liste an Restriktionen und ihr zeitliches Verhältnis zum Moment der Ausweihung bestimmt, ist in Num 6 nicht präzise definiert. Allein 6,5 mit עד מלאת הימם אשר יזירund 6,13 mit ביום מלאת ימי נזרוerwecken den Eindruck, der später in mNaz 1,3–7 und tNaz 1,2–4 belegte Brauch, die Menge der Tage der Naziräatsweihe im Moment der Gelübdeinauguration zu bestimmen, sei schon zur Abfassungszeit von Num 6 gängige Praxis gewesen. Der Text reflektiert nicht darüber, was in einem Fall geschehen muss, bei dem die Tage eines Naziräats abgelaufen sind, doch der Naziräer – aus welchen Gründen auch immer – noch nicht in der Lage war, die Ausweihung zu vollziehen. In einem solchen Fall wird man vielleicht annehmen müssen, dass die mit der Weihe verbundenen Restriktionen weiterhin Bestand hatten.12 Num 6,5 𝔐
אׁשֹו ֑ ֹ ל־יְמי ֶנ ֶ�֣דר נִ זְ ֔רֹו ַ ּ֖ת ַער לֹא־יַ ֲע ֣בֹר ַעל־ר ֙ ֵ ָּכ5 ד־מ ֙ל ֹאת ַהּיָ ִ֜מם ֲא ֶׁשר־יַ ִּז֤יר ַליהוָ ֙ה ָק ֣ד ֹׁש יִ ְה ֶ֔יה ְ ַע אׁשֹו׃ ֽ ֹ ּגַ ֵ ּ֥דל ֶ ּ֖פ ַרע ְׂש ַ ֥ער ר
Num 6,5 𝔊 5 πάσας τὰς ἡμέρας τῆς εὐχῆς τοῦ ἁγνισμοῦ ξυρὸν οὐκ ἐπελεύσεται ἐπὶ τὴν κεφαλὴν αὐτοῦ· ἕως ἂν πληρωθῶσιν αἱ ἡμέραι, ὅσας ηὔξατο κυρίῳ, ἅγιος ἔσται τρέφων κόμην τρίχα κεφαλῆς.
als eine heilvolle Erfahrung wahrgenommen (vgl. Ps 65,5; 84,2–3.11). Die Inkaufnahme der Regularien zur Erlangung verschiedener Grade von Kultfähigkeit wird dann von antiken Kultteilnehmern wohl kaum in negativer Weise wahrgenommen worden sein. Ganz im Gegenteil wäre wohl eher anzunehmen, dass vielmehr all jene Dinge in ein negatives Licht gerückt wurden, die zum Verlust der Kultfähigkeit führen konnten. 11 Philo deutet die Wendung ἀφαγνίσασθαι ἁγνείαν in Som 2,25 in der Weise, dass τὴν κάθαρσιν τῆς ψυχῆς αὐτὴν καθαίρεσθαι („die Reinigung der Seele selbst zu reinigen ist“), was nach Philo bedeutet, dass man Gott selbst die Reinigung der Seele überlässt, wozu die Naziräatsweihe die Voraussetzung bildet. 12 Vielleicht wollte das Jerusalemer Priestertum den Naziräat als Frömmigkeitsübung auch geographisch im näheren Einflussbereich des Jerusalemer Tempels ansiedeln, um mit der Möglichkeit einer erleichternden zeitlichen Koordinierung das Ende der Naziräatstage und den Moment der Ausweihung koinzidieren lassen zu können. Überhaupt machen die Regelungen zur Reinigung nach Verunreinigung an einem Toten und die Ausweihung deutlich, wie stark der Naziräat vom Tempelkult abhängig war. Ob die später bezeugte Praxis (vgl. Bell 2,313–314; mNaz 1,3), den Naziräat vornehmlich für 30 Tage zu inaugurieren, schon zur Zeit der Abfassung von Num 6 geläufig war, wird aus den kurzen, die zeitliche Dauer des Naziräats betreffenden Notizen nicht ersichtlich.
138 5 Alle Tage seines Naziräatsgelübdes soll kein Schermesser über sein Haupt kommen. Bis zur Erfüllung der Tage, die er sich dem Herrn geweiht hat, soll er heilig sein. Groß machen soll er die Haarfülle des Haares seines Hauptes.
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5 Alle Tage des Gelübdes der Reinigung soll kein Rasiermesser auf sein Haupt kommen. Bis die Tage erfüllt sind, die er dem Herrn gelobt hat, soll er heilig sein, indem er das Haar wachsen lässt, die Haare des Hauptes.
Das Wachsenlassen der Haare als Symbol des Lebens13 und die unbedingte räumliche Abgrenzung von Toten in 6,7, die für die Entfernung von der Sphäre des Todes als „Ort der JHWH-Ferne“14 steht, markieren die Zugehörigkeit des Naziräers zur Sphäre der Gottesnähe. Mit εὐχὴ τοῦ ἁγνισμοῦ macht der 𝔊-Übersetzer noch einmal deutlich, dass das Ziel des Gelübdes in der besonderen Achtung und Erhaltung der Reinheit und damit auch der Kultfähigkeit des Naziräers liegt. Auffällig ist dabei, dass die Näherbestimmung τοῦ ἁγνισμοῦ als Wiedergabe für נזרוdirekt auf 6,4 folgt, wo vom Verzicht des Geweihten auf die Erzeugnisse des Weinstocks die Rede war. Die Wahl des Übersetzungslexems ἁγνισμός kann von einer auch im pagan-hellenistischen Umfeld verbreiteten Überzeugung mitbeeinflusst sein, nach der der fastenähnliche Verzicht auf Wein und alle von der Weinpflanze stammenden Produkte der Erhaltung kultischer Reinheit gedient hat. Eine solche Überzeugung wird in Inschriften deutlich, wo der Gebrauch von Derivaten des Wortstamms ἁγ- ein Fasten zur Herstellung von Kultfähigkeit ausdrückt.15 Als äußeres Zeichen seiner Weihe soll der geweihte Naziräer seine Haare für die im Gelübde festgesetzte Zeit wachsen lassen (6,5) und sie erst bei der Ausweihung wieder scheren, um sie anschließend ins Feuer seines Heilsopfers zu werfen (6,18). Am Haar des Naziräers scheint sich seine gesamte Weihe festzumachen. Das Haar wächst zur Opfergabe auf dem Haupt des Naziräers heran. Wenn das Haar geopfert wird, ist der Weihestatus wieder aufgehoben und das Gelübde erfüllt.
13 Aufgrund des beständigen Wachsens der Haare, wurde in ihm der Sitz der Lebenskraft lokalisiert. Vgl. Henninger 1981: 297. 14 Vgl. Gönke 2007: 173. 15 Vgl. z.B. die Wendung ἁγνὸν εἶναι ἀπό „sich enthalten (wörtl. heilig bzw. rein sein) von“, wie sie in der delischen Inschrift LGS II/1 92,5–6 begegnet. Siehe ferner die Ausführungen dazu und weitere Beispiele bei Arbesmann 1929: 7–10.
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Num 6,6–8 𝔐
Num 6,6–8 𝔊 6 πάσας τὰς ἡμέρας τῆς εὐχῆς κυρίῳ ἐπὶ πάσῃ ψυχῇ τετελευτηκυίᾳ οὐκ εἰσελεύσεται· 7 ἐπὶ πατρὶ καὶ ἐπὶ μητρὶ καὶ ἐπ᾽ ἀδελφῷ καὶ ἐπ᾽ ἀδελφῇ, οὐ μιανθήσεται ἐπ᾽ αὐτοῖς ἀποθανόντων αὐτῶν, ὅτι εὐχὴ θεοῦ αὐτοῦ ἐπ᾽ αὐτῷ ἐπὶ κεφαλῆς αὐτοῦ· 8 πάσας τὰς ἡμέρας τῆς εὐχῆς αὐτοῦ ἅγιος ἔσται κυρίῳ.
6 Alle Tage, da er sich für den Herrn geweiht hat, soll er nicht auf eine Totenseele treffen. 7 An seinem Vater und seiner Mutter und seinem Bruder und seiner Schwester, an ihnen (allen), darf er sich nicht verunreinigen, wenn sie sterben, denn die Weihe seines Gottes ist auf seinem Haupt. 8 Alle Tage seines Naziräats ist er für den Herrn heilig.
6 Alle Tage des Gelübdes16 für den Herrn soll er nicht auf irgendeine verstorbene Seele treffen. 7 Am Vater und an der Mutter und am Bruder und an der Schwester, an ihnen (allen), soll er sich nicht verunreinigen, wenn sie gestorben sind, denn ein Gelübde seines Gottes ist auf ihm, auf seinem Haupt. 8 Alle Tage seines Gelübdes ist er für den Herrn heilig.
ל־נ ֶ֥פׁש ֵ ֖מת ֥ל ֹא ֽיָב ֹא׃ ֶ יהו֑ה ַע ָ ל־יְמי ַהּזִ ֖ירֹו ַל ֥ ֵ ָּכ6 ּול ַ ֣אח ֹ֔תֹו לֹא־יִ ַּט ָ ּ֥מא ָל ֶ ֖הם ְ ּול ִא ּ֗מֹו ְל ָא ִח ֙יו ְ ְל ָא ִ ֣ביו7 יְמי נִ זְ ֑רֹו ֣ ֵ ּ֖כֹל8 אׁשֹו׃ ֽ ֹ ֹלהיו ַעל־ר ֖ ָ ְּבמ ָ ֹ֑תם ִ ּ֛כי ֵנ�֥זֶ ר ֱא יהוה׃ ֽ ָ ָק ֥ד ֹׁש ֖הּוא ַ ֽל
Eine Verunreinigung an Toten, selbst an verstorbenen Verwandten, ist dem Naziräer in gleicher Weise untersagt wie dem Hohepriester,17 woraus der hohe kultische Stellenwert des Geweihten abgelesen werden kann. Mit εἰσέρχομαι erinnert der 𝔊-Übersetzer an Num 19,14. Damit wird klar, dass nach Ansicht des Übersetzers für den Naziräer nicht allein die Berührung eines Toten ein Tabu darstellt, sondern auch das Verweilen mit ihm in einem geschlossenen Raum, sei es ein Haus oder ein Zelt. Die Begründung für die unbedingte Bewahrung des Naziräers vor der Verunreinigung mit Totenunreinheit liefert Num 6,7 mit כי נזר אלהיו על ראשו. J. Wevers ist Recht zu geben, dass die auf dem Haupt befindliche Weihe ( )נזר … על ראשוals eine Anspielung auf die zur Ausweihung zu opfernden Haare anzusprechen ist.18 Die Haare werden damit zu jenen Opfergaben19 gezählt, die durch Totenunreinheit verunreinigt werden 16 Die Übertragung mit τῆς εὐχῆς αὐτοῦ legt nahe, dass in der 𝔊-Vorlage die Lesart נדרו vorfindlich war. 17 Vgl. Lev 21,10–11. 18 Vgl. Wevers 1998: 96–97. 19 Noth 1966: 52; Achenbach 2003: 510 mit Anm. 55 und ihnen zustimmend Kamlah 2008: 235 möchten hier nicht von einem „Haaropfer“, sondern von einem „Desakralisationsritus“ sprechen und beim Verbrennen nicht von einer Opferung, sondern von einem
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können und für die eine Reinigung ausgeschlossen wird,20 weshalb ein Ersatzopfer bestimmt werden muss. Für den Naziräer bedeutet dies, dass er seine Haare scheren muss und durch die erneuerte Weihe der Naziräatstage und durch das erneute Wachsenlassen seiner Haare ein Ersatzopfer bereitet.21 Die Verpflichtung, sich unbedingt vor Verunreinigung mit Totenunreinheit in Acht nehmen zu müssen, wird man in einer Linie mit Lev 21,1–12 sehen dürfen.22 Für den Naziräer gilt dabei nicht die mildere Rechtssatzung für Priester, denen allein die Verunreinigung an Toten aus dem Volk untersagt wird ()לא יטמא בעמיו, sondern das strengere Reinheitsgesetz für Hohepriester, denen sogar eine Verunreinigung an verstorbenen Familienmitgliedern untersagt wird.23 Die so rigoros an den Naziräer gestellten Reinheitsbestimmungen lassen die Frage aufkommen, welche Funktion dem Geweihten nach priesterlichem Verständnis zukam. Sollte er nach priesterlicher Erwartung die Zeit seiner Weihe im Tempel verbringen24 und dort an kultischen Handlungen teilnehmen, die nicht direkt mit dem Opferkult Entzug, der nachträgliche Profanierung vermeiden soll. Nun ist ihnen freilich zuzustimmen, dass es sich bei allen in 6,13–20 beschriebenen rituellen Handlungen um einen Akt der Desakralisation des vormals geweihten Naziräers handelt, doch wird man von der Darbringung des Haares, auch wenn es nicht ins Altarfeuer, sondern ins Feuer unter dem Abschlussopfer geworfen wird, nicht einfach als einer beiläufigen Entsorgung sprechen können. Auch wenn man wie Wright 1992: 245 das Verbrennen der Haare in einer Linie mit Opferresten sieht (vgl. Lev 7,17; 10,16–20 und 19,6), die nach Ablauf einer festgesetzten Zeit im Feuer verbrannt werden müssen, dann handelt es sich dabei dennoch um Opfermaterie. Das geweihte Haar besitzt ähnliche Eigenschaften wie andere Opfermaterie auch. Seine Tauglichkeit unterliegt kultischen Reinheitsstandards. Es kann nirgendwo anders als im Tempel dargebracht werden und seine Darbringung vollzieht sich im Zusammenhang einer kultischen Zeremonie. Dass es sich um eine geweihte Opfergabe handelt, kann man auch den Bestimmungen bei Verunreinigung des Naziräers entnehmen. Bei Verunreinigung an einem Toten muss der Naziräer sein geweihtes Haar scheren und ein einjähriges Lamm als Schuldopfer darbringen, das nach Lev 5,15 auch für die versehentliche Veruntreuung von heiligen Gaben zu opfern ist. Josephus als antiker Autor, der dank seiner priesterlichen Abstammung mit kultrechtlichen Belangen vertraut war, deutet das Haar als Opfer und berichtet in Ant 4,70–72 von der Darbringung der Haare in einem Atemzug mit den Erstlingsabgaben. Er spricht explizit von der Weihe der Haare zum Zweck ihrer Darbringung als Opfer. Im erweiterten Sinne scheint mir daher die Bezeichnung „Haaropfer“ nicht unangemessen. Vgl. dazu auch Gray 1956: 68, Milgrom 1990: 356–357, Levine 1993: 233–234, die eine Nähe zu anderen antiken Haaropfern sehen. 20 Vgl. mit Bezug auf Opferfleisch Lev 7,19 und Mal 1,6–14; sowie mTem 7,4–6. 21 So auch Diamond 1997: 7. 22 Vgl. Kellermann 1970: 85–86. 23 In Lev 21,12 gibt es dafür sogar mit נזר … אלהיו עליוeine sprachliche Parallele zu נזר אלהיו על ראשוaus 6,7 (vgl. Seebass 2007: 158). 24 Vgl. dazu in Analogie Lev 21,12 die Verpflichtung des Hohepriesters, den Tempel nicht verlassen zu dürfen.
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zusammenhingen? Sollte er sich vielleicht zu den levitischen Tempelsängern halten,25 oder gar seine Zeit betend26 im Heiligtum verbringen? Num 6,9–12 𝔐
Num 6,9–12 𝔊 9 Ἐὰν δέ τις ἀποθάνῃ ἐξάπινα ἐπ᾽ αὐτῷ, παραχρῆμα μιανθήσεται ἡ κεφαλὴ εὐχῆς αὐτοῦ, καὶ ξυρήσεται τὴν κεφαλὴν αὐτοῦ ᾗ ἂν ἡμέρᾳ καθαρισθῇ· τῇ ἡμέρᾳ τῇ ἑβδόμῃ ξυρηθήσεται. 10 καὶ τῇ ἡμέρᾳ τῇ ὀγδόῃ οἴσει δύο τρυγόνας ἢ δύο νεοσσοὺς περιστερῶν πρὸς τὸν ἱερέα ἐπὶ τὰς θύρας τῆς σκηνῆς τοῦ μαρτυρίου, 11 καὶ ποιήσει ὁ ἱερεὺς μίαν περὶ ἁμαρτίας καὶ μίαν εἰς ὁλοκαύτωμα, καὶ ἐξιλάσεται περὶ αὐτοῦ ὁ ἱερεὺς περὶ ὧν ἥμαρτεν περὶ τῆς ψυχῆς, καὶ ἁγιάσει τὴν κεφαλὴν αὐτοῦ ἐν ἐκείνῃ τῇ ἡμέρᾳ, 12 ᾗ ἡγιάσθη κυρίῳ τὰς ἡμέρας τῆς εὐχῆς, καὶ προσάξει ἀμνὸν ἐνιαύσιον εἰς πλημμέλειαν, καὶ αἱ ἡμέραι αἱ πρότεραι ἄλογοι ἔσονται, ὅτι ἐμιάνθη κεφαλὴ εὐχῆς αὐτοῦ.
9 Wenn aber einer plötzlich (und) unversehens bei ihm stirbt und er das Haupt seiner Weihe unrein macht, dann soll er sein Haupt am Tag seiner Reinigung scheren, am siebten Tag soll er es scheren. 10 Und am achten Tag soll er zwei Turteltauben oder zwei junge Tauben zum Priester bringen an den Eingang des Zeltes der Begegnung. 11 Und
9 Wenn aber plötzlich jemand an Ort und Stelle bei ihm stirbt, dann ist das Haupt seines Gelübdes augenblicklich verunreinigt und er soll sein Haupt an dem Tag scheren, an dem er gereinigt wird, am siebten Tag soll er sich scheren lassen. 10 Und am achten Tag soll er zwei Turteltauben oder zwei junge Tauben zum Priester an den Eingang des Zeltes der Begegnung bringen.
אם וְ ִט ֵ ּ֖מא ֹ ֔ י־יָמּות ֵ ֤מת ָע ָל ֙יו ְּב ֶפ ַ֣תע ִּפ ְת ֙ וְ ִ ֽכ9 אׁשֹו ְּבי֣ ֹום ָט ֳה ָר ֔תֹו ַּבּי֥ ֹום ֙ ֹ ֣ר ֹאׁש נִ זְ ֑רֹו וְ גִ ַּל֤ח ר ּובּי֣ ֹום ַה ְּׁש ִמ ִ֗יני ִיָב ֙א ְׁש ֵ ּ֣תי ַ 10 יעי יְ גַ ְּל ֶ ֽחּנּו׃ ֖ ִ ַה ְּׁש ִב ל־ּפ ַתח ֖ ֶ ל־הּכ ֵֹ֔הן ֶא ַ יֹונ֑ה ֶא ָ ת ִ ֹ֔רים ֥אֹו ְׁש ֵנ֖י ְּב ֵנ֣י את ֙ וְ ָע ָ ׂ֣שה ַהּכ ֵֹ֗הן ֶא ָ ֤חד ְל ַח ָּט11 מֹועד׃ ֽ ֵ א ֶהל ֹ֥ וְ ֶא ָ ֣חד ְלע ֔ ָֹלה וְ ִכ ֶּפ֣ר ָע ֔ ָליו ֵמ ֲא ֶ ׁ֥שר ָח ָ ֖טא אׁשֹו ַּבּי֥ ֹום ַה ֽהּוא׃ ֖ ֹ ל־ה ָּנ ֶ֑פׁש וְ ִק ַ ּ֥דׁש ֶאת־ר ַ ַע ת־יְמי נִ זְ ֔רֹו וְ ֵה ִ ֛ביא ֶ ּ֥כ ֶבׂש ֣ ֵ וְ ִה ִּז֤יר ַ ֽליהוָ ֙ה ֶא12 ן־ׁשנָ ֖תֹו ְל ָא ָ ׁ֑שם וְ ַהּיָ ִ ֤מים ָה ִראׁש ֹנִ ֙ים יִ ְּפ ֔לּו ִ ּ֥כי ְ ֶּב ָט ֵ ֖מא נִ זְ ֽרֹו׃
25 Vgl. 1. Chr 16,4. 26 Diesen Hinweis verdanke ich Prof. Dr. Raik Heckl, der mich in diesem Zusammenhang auch auf die im mesopotamischen Bereich geübte Praxis aufmerksam gemacht hat, betende Figurinen zum Tempel zu bringen, die dort die Gegenwart des Beters im Angesicht der Gottheit repräsentieren sollen (vgl. hierzu Postgate 1994: 179–180). Man beachte auch die Rolle des geweihten Samuel in 4QSama, der als Naziräer seinen Dienst am Tempel tat.
142 der Priester soll eine zum Entsündigungsopfer zubereiten und eine zum Brandopfer und Sühne für ihn erwirken, weil er sich an einer (toten) Seele versündigt hat. Und er soll sein Haupt an jenem Tag heiligen. 12 Und er soll dem Herrn die Tage seiner Weihe (erneut) weihen. Und er soll ein einjähriges Lamm als Schuldopfer darbringen. Die ersten Tage (seiner Weihe) sind aber verfallen, weil seine Weihe unrein geworden ist.
kapitel 4
11 Und der Priester soll eine zum Entsündigungsopfer und eine zum Ganzbrandopfer machen. Und der Priester soll für ihn Sühne wirken, bezüglich der (Dinge), an denen er gesündigt hat, wegen der (toten) Seele. Und er soll sein Haupt an jenem Tag heiligen, 12 an dem er für den Herrn für die Tage des Gelübdes gereinigt wurde. Und er soll ein einjähriges Lamm für die Übertretung darbringen. Die ersten Tage aber werden nicht gezählt, weil das Haupt seines Gelübdes verunreinigt wurde.
Durch die Verunreinigung an einem Toten ist die erste Zählung der Naziräatstage hinfällig geworden. Der Naziräer kann nur ausgeweiht werden, wenn die gesamte bei der Inauguration versprochene Zeit im Status der Reinheit abgeleistet worden ist. 6,9–12 regelt die Wiederherstellung der Kultfähigkeit des Naziräers in einem Fall, da er sich versehentlich an einer Totenseele verunreinigt hat. Dafür muss der verunreinigte Naziräer sich einem siebentägigen Reinigungsprozess unterziehen, an dessen Ende er seine langgewachsenen Haare abscheren muss. Am darauffolgenden achten Tag nach der versehentlichen Verunreinigung muss er mit einem Taubenpaar am Eingang des Heiligtums erscheinen und sich dort von einem Priester entsühnen und heiligen lassen. Das Taubenpaar ist nach Lev 5,7; 12,8; 14,22 eigentlich Ersatzopfer für Arme bzw. das zur Reinigung von an Ausfluss leidenden Personen bereitzustellende Brand- und Entsündigungsopfer. Zusätzlich zum Taubenpaar obliegt ihm die Darbringung eines Schuldopfers. Dies einjährige Lamm ist als das in Lev 5,15 geforderte Opfer für die versehentliche Veruntreuung von heiligen Dingen anzusprechen.27 Gegenüber Num 19 und dem dort verhandelten Reinigungsritus zur Herstellung kultischer Reinheit nach einer Verunreinigung an einem Toten fehlen hier jedoch einige wichtige Komponenten. Sowohl das Reinigungsritual am dritten Tag als auch die Reinigungsform mit dem mit der Asche der roten Kuh vermischten Reinigungswasser werden nicht explizit genannt. Dennoch müssen sie allein schon wegen der in Num 19,20 formulierten 27 Vgl. Wevers 1998: 99. Seebass 2007: 163 sieht hinter der Pflicht zur Darbringung des אשם eine Reparationsleistung verborgen, mit der der Geweihte die Erfüllung seiner ersten Weihe in Ordnung gebracht haben soll. Kellermann 1973: 469 begreift אשםhier als „Schadensersatz“ für die „Verletzung von Jahweeigentum, nämlich der ihm gelobten Zeit“. Eine solche eher abstrakte Deutung, als ob der Naziräer seine Zeit geweiht hätte, liegt Num 6 eher fern. Vielmehr ist es der Naziräer selbst, der dem Herrn als heilig gilt.
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Ausrottungsstrafe für diejenigen, die sich nicht dem Ritual unterziehen, auch für den Naziräer mit vorausgesetzt werden.28 Nachdem der Naziräer am siebten Tag bereits als rein angesprochen wurde, nimmt der Priester in 6,11 seine Sühne vor und heiligt sein Haupt. Da 6,12 davon berichtet, dass der Naziräer sich erneut dem Herrn weiht und er aufgrund seiner Selbstweihe als heilig vor Gott erachtet wird, mag die Heiligung hier durch den Priester verwundern. Vielleicht soll damit ausgedrückt werden, dass der Naziräer wieder in den Zustand seiner Heiligkeit, die er vor der Verunreinigung besessen hat, zurückgebracht wurde. Mit הזיר ליהוה את ימי נזרוin 6,12 wäre dann im Grunde genommen nicht eine erneute Weihe zum Naziräer ausgedrückt, sondern nur die Festsetzung der neuen Weiheperiode. Num 6,13–17 𝔐29
יְמי נִ זְ ֔רֹו ֣ ֵ את ֙ ֹ ּתֹורת ַהּנָ ִז֑יר ְּבי֗ ֹום ְמל ֖ ַ וְ ֥ז ֹאת13 וְ ִה ְק ִ ֣ריב14 מֹועד׃ ֽ ֵ א ֶהל ֹ ֥ ל־ּפ ַתח ֖ ֶ יָביא א ֹ֔תֹו ֶא ִ֣ ן־ׁשנָ ֙תֹו ָת ִ ֤מים ֶא ָח ֙ד ְ יהוה ֶּכ ֶבׂש֩ ֶּב ֡ ָ ת־ק ְר ָּבנ֣ ֹו ַל ָ ֶא ימה ֖ ָ ת־ׁשנָ ָ ֛תּה ְּת ִמ ְ ְלע ֔ ָֹלה וְ ַכ ְב ָ ׂ֙שה ַא ַ ֧חת ַּב 15 ל־א ָ ֥חד ָּת ִ ֖מים ִל ְׁש ָל ִ ֽמים׃ ֶ ְִל ַח ָ ּ֑טאת וְ ַ ֽאי לּוֹלת ַּב ֶּׁ֔ש ֶמן ְּור ִק� ֵ ֥יקי ֣ ֹּלת ְּב ֙ וְ ַ ֣סל ַמ ּ֗צֹות ֤סֹ ֶלת ַח 16 יהם׃ ֽ ֶ ּומנְ ָח ָ ֖תם וְ נִ ְס ֵּכ ִ ַמ ּ֖צֹות ְמ ֻׁש ִ ֣חים ַּב ָ ּׁ֑ש ֶמן אתֹו ֖ ת־ח ָּט ַ הו֑ה וְ ָע ָ ׂ֥שה ֶא ָ ְוְ ִה ְק ִ ֥ריב ַהּכ ֵ ֹ֖הן ִל ְפ ֵנ֣י י ת־ה ַ֜איִ ל יַ ֲע ֶ ׂ֙שה ֶז ַ֤בח ְׁש ָל ִמ ֙ים ָ וְ ֶא17 וְ ֶאת־ע ָֹל ֽתֹו׃ ֔ ָ ַ ֽל יהוה ַ ֖על ַ ֣סל ַה ַּמ ּ֑צֹות וְ ָע ָׂש ֙ה ַהּכ ֵֹ֔הן ֶאת־ ִמנְ ָח ֖תֹו וְ ֶאת־נִ ְס ּֽכֹו׃
Num 6,13–17 𝔊 13 Καὶ οὗτος ὁ νόμος τοῦ εὐξαμένου· ᾗ ἂν ἡμέρᾳ πληρώσῃ ἡμέρας εὐχῆς αὐτοῦ, προσοίσει αὐτὸς παρὰ τὰς θύρας τῆς σκηνῆς τοῦ μαρτυρίου, 14 καὶ προσάξει τὸ δῶρον αὐτοῦ κυρίῳ ἀμνὸν ἐνιαύσιον ἄμωμον ἕνα εἰς ὁλοκαύτωσιν καὶ ἀμνάδα ἐνιαυσίαν ἄμωμον μίαν εἰς ἁμαρτίαν καὶ κριὸν ἕνα ἄμωμον εἰς σωτήριον 15 καὶ κανοῦν ἀζύμων σεμιδάλεως ἄρτους ἀναπεποιημένους ἐν ἐλαίῳ καὶ λάγανα ἄζυμα κεχρισμένα ἐν ἐλαίῳ καὶ θυσία αὐτῶν καὶ σπονδὴ αὐτῶν. 16 καὶ προσοίσει ὁ ἱερεὺς ἔναντι κυρίου, καὶ ποιήσει τὸ περὶ ἁμαρτίας αὐτοῦ καὶ τὸ ὁλοκαύτωμα αὐτοῦ, 17 καὶ τὸν κριὸν ποιήσει θυσίαν σωτηρίου κυρίῳ ἐπὶ τῷ κανῷ τῶν ἀζύμων, καὶ ποιήσει ὁ ἱερεὺς τὴν θυσίαν αὐτοῦ καὶ τὴν σπονδὴν αὐτοῦ.
28 Seebass 2007: 158 schließt daraus, dass Num 19 gegenüber Num 6 jünger sein muss. Man wird aber fragen dürfen, ob sich die priesterliche Hand hinter Num 6 nicht auch mit den wenigen intertextuellen Bezügen zu Num 19 zufriedengegeben hat, um dabei das Hauptaugenmerk auf die Sonderbestimmungen für Naziräer legen zu können. Welchen zeitlichen Vorrang man auch geben mag, für die Endtextgestalt ist klar, dass der mit Totenunreinheit verunreinigte Naziräer sich am dritten und am siebten Tag mit dem mit der Asche der roten Kuh vermischten Reinigungswasser besprengen lassen muss. Num 19,20 hält eindeutig fest, dass eine Wiederherstellung der Kultfähigkeit ohne das Besprengen mit Reinigungswasser unmöglich ist. 29 Nach Kellermann 1970: 90–93 erinnert hier vieles an Lev 6–8.
144 13 Und dies ist die Weisung für den Naziräer: Am Tag der Erfüllung der Tage seiner Weihe soll er ihn an den Eingang des Zeltes der Begegnung bringen. 14 Und er soll sein Opfer dem Herrn darbringen: ein fehlerloses einjähriges Lamm zum Brandopfer und ein fehlerloses einjähriges weibliches Lamm zum Entsündigungsopfer und einen fehlerlosen Widder zum Abschlussopfer. 15 Und (er soll) einen Korb Mazzen (darbringen): mit Öl angerührte Feinmehlringbrote und mit Öl bestrichene Mazzenfladen und ihre Speiseopfer und ihre Trankopfer. 16 Und der Priester soll (sc. die Opfer30) vor dem Herrn darbringen und er soll sein Entsündigungsopfer und sein Brandopfer zubereiten. 17 Und den Widder soll er dem Herrn als Abschlussschlachtopfer zubereiten, zusammen mit dem Korb Mazzen. Und der Priester soll sein Speiseopfer und sein Trankopfer zubereiten.
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13 Und dies ist die Weisung für den, der ein (Naziräats)gelübde abgelegt hat: Am Tag, an dem er die Tage seines Gelübdes erfüllt hat, soll er selbst am Eingang des Zeltes der Begegnung opfern. 14 Und er soll seine Gabe dem Herrn darbringen: ein fehlerloses einjähriges Lamm zum Ganzbrandopfer und ein fehlerloses einjähriges weibliches Lamm zum Sünd(opfer) und einen fehlerlosen Widder zum Rettungsopfer 15 und einen Korb mit ungesäuerten Broten, mit Öl vermengte Brote und ungesäuerte, mit Öl bestrichene Kuchen und ihre (Speise) opfer und ihre Trankopfer. 16 Und der Priester soll (es) vor den Herrn bringen und er bereite zu, was zur (Sühnung) seiner Sünde (dient) und was sein Ganzbrandopfer (betrifft). 17 Und er bereite den Widder mit dem Korb der ungesäuerten Brote dem Herrn zu einem Rettungsopfer und der Priester bereite sein (Speise)opfer und sein Trankopfer zu.
Mit der Einführungsformel וזאת תורת הנזירwird der Abschnitt für die Weisungen zum Ausweihungsritual des Naziräers eingeführt. Bereits mit der ersten Bestimmung der Ausweihung ist erklärungsbedürftig, wer handelndes Subjekt hinter יביא אותוist. Bei einer unpersönlichen Wiedergabe mit „man soll ihn bringen (scil. den Naziräer)“31 wäre wohl eher יביאו אתוzu erwarten gewesen und außerdem muss man sich bei einer solchen Deutung fragen, warum der Naziräer ausgerechnet zum Eingang gebracht werden musste. Der diensthabende
30 Diamond 1997: 14 meint, hier sei der Naziräer gemeint, der vom Priester vor Gott geführt wird, doch der nähere Kontext (6,14–15.16b), in dem es um den Umfang der Opfer und ihren Zweck geht, legt eher die Annahme nahe, dass hier auf die Ausweihungsopfer angespielt wird. 31 So Seebass 2007: 152.
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Priester wird für die Identifikation ausscheiden,32 da auf seine Kulthandlungen jeweils explizit mit Verb + הכוהןverwiesen wird. Da der Naziräer in den vorausgehenden Versen das Subjekt der Handlungen war und auch die Wendung תורת הנזירin 6,13aα direkt auf ihn Bezug nimmt, wird man als Subjekt hinter יביאwohl den Naziräer selbst vermuten müssen. 𝔊 versteht ihre Vorlage, so sie denn 𝔐 entsprochen hat, mit der Wiedergabe προσοίσει αὐτός in der Weise, dass der Naziräer die Opfergabe(n) selbst zum Eingang des Heiligtums bringen muss bzw. selbst dort opfern soll. Der absolute Gebrauch von Verben, die eine Opferhandlung ausdrücken, ist nicht unbelegt.33 In rabbinischer Auslegung zur Stelle hat man versucht, die Wendung reflexiv zu fassen.34 Dass im Objektsuffix ein Verweis auf eines der Ausweihungsopfer gegeben wäre, wird man ebenfalls ausschließen dürfen, da diese noch nicht explizit eingeführt worden sind. Soll mit אתוvielleicht auf das einjährige Lamm Bezug genommen sein, von dem im vorausgehenden Vers 6,12 nach der Wiederaufnahme des Gelübdes die Rede war? Dann müsste man annehmen, dass die Überschrift זאת תורת הנזירsekundär in die Abfolge der Naziräervorschriften eingetragen wurde35 und damit die gebotene Ereignisfolge in der Weise unterbrach, dass der Eindruck entstehen konnte, dass das Schuldopfer noch am achten Tag der Reinigung von Totenunreinheit darzubringen war. Sachlich ist der Eintrag aber sicherlich richtig, fährt der Vers doch mit ביום מלאת ימי נזרוfort. Ist diese Rekonstruktion der geforderten Opferabfolge richtig, dann war die Darbringung des Schuldopfers nicht am achten Tag des Reinigungsrituals zu verrichten, sondern musste bei erfolgreicher Vollendung der von neuem geweihten Tage an den Tempel gebracht werden. Abgegrenzt davon ist die Darbringung der Ausweihungsopfer, die statt mit הביאin 6,14 mit הקריבeingeführt wird. Dazu werden die Opfer, später als Brandopfer, Entsündigungsopfer und Abschlussopfer identifiziert, auch im Sammelbegriff קרבןzusammengeführt. Die Menge der in 6,14–17 aufgezählten Opfergaben, deren Besorgung dem Naziräer bei seiner Ausweihung aufgetragen ist, zeigt, welchen hohen Wert dem Gelübde beigemessen wurde. Ersichtlich wird dies neben dem Umfang der Opfer auch am Geschlecht der Opfertiere, denn für das Entsündigungsopfer ist ein einjähriges weibliches 32 Diamond 1997: 10 hält dagegen eine Identifizierung der handelnden Person mit dem diensthabenden Priester für möglich. 33 Rösel 2011: 453 verweist auf Lev 12,6–7 und Num 7,2–18. 34 Vgl. Sif Num § 32 zu 6,13 (p. 38,25–39,3 Horovitz). 35 Seebass 2007: 158 vermutet mit Verweis auf Noth 1966: 52–53, dass der ebenfalls mit זאת תורת הנזירeingeführte Vers 6,21 möglicherweise als nachgetragene Unterschrift anzusprechen ist. Dann wäre zu überlegen, ob nicht die Überschrift 6,13a von der gleichen Hand stammt und als Klammer um den Abschnitt gedacht war.
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kapitel 4
Lamm darzubringen, das für die Mehrung des Viehbestandes von noch höherem Wert war als ein männliches Tier.36 Die zusätzlich darzubringenden Speise- und Trankopfer bestehen nach Num 15,1–16 aus Mehl, Öl und Wein. Der Text eröffnet keine Möglichkeit der Substitution der Opfer für Personen, die aufgrund einer wirtschaftlich prekären Situation nicht im Stande sind, die kostspieligen Opfer aufzutreiben. In späteren Zeugnissen ist dafür die verdienstvolle Praxis belegt, für die Ausweihung solcher Naziräer aufzukommen.37 Für die besondere Zusammensetzung der Ausweihungsopfer gibt der Text keine Begründung. Abschlussopfer und Speiseopfer könnten ein Indiz dafür sein, dass die Ausweihung mit einer freudigen Kultmahlzeit verbunden war, an der auch der Priester, der die Ausweihung vornahm und für den die Vorderkeule des Abschlussopfers explizit bestimmt war, teilnehmen konnte. Dies würde wiederum zu der in Ps 116 beschriebenen Kultmahlfeier passen, die aus dem freudigen Anlass der Einlösung einer Gelübdeversprechung begangen wurde. Ferner könnte das Begehen einer kultischen Freudenfeier auch vor dem Hintergrund von Dtn 16,9–11 den Umstand erklären, warum die Ausweihung einer Naziräatsweihe in hellenistisch-jüdischen Schriften häufig mit dem Wochenfest verbunden wurde.38 Die Notwendigkeit für die Darbringung eines Entsündigungsopfers leuchtet dagegen nicht augenblicklich ein. Für welche Schuld soll hier vom Priester eine Entsündigung erwirkt werden? Haben wir es hier vielleicht mit einer priesterlichen Deutung von Dtn 23,22–24 zu tun? Hat dann die priesterliche Tradition hinter Num 6,14 die Ausführungen zur Sündenschuld in Dtn 23,22–23, mit der sich ein Votant bei der Verzögerung der Einlösung seines Gelübdes belädt, so gedeutet, dass ganz gleich ob eine Verzögerung eingetreten ist oder nicht, die Bringschuld zur Einlösung eines Gelübdes immer auch schon Sündenschuld ist? Num 6,18–21 𝔐
ת־ר ֹאׁש ֣ מֹועד ֶא ֖ ֵ א ֶהל ֹ ֥ וְ גִ ַּל֣ח ַהּנָ ִ֗זיר ֶ ּ֛פ ַתח18 ל־ה ֵ֔אׁש ָ תן ַע ֙ ַ ָת־ׂש ַע ֙ר ֣ר ֹאׁש נִ זְ ֔רֹו וְ נ ְ נִ זְ ֑רֹו וְ ָל ַ ֗קח ֶא וְ ָל ַ ֙קח ַהּכ ֵֹ֜הן19 ר־ּת ַחת ֶז ַ֥בח ַה ְּׁש ָל ִ ֽמים׃ ֖ ַ ֲא ֶׁש ן־ה ַאיִ ל ֒ ְ ֽו ַח ַ ּ֙לת ַמ ָ ּ֤צה ַא ַח ֙ת ָ ת־הּזְ ֣ר ֹ ַע ְּב ֵׁש ָל ֮ה ִמ ַ ֶא ל־ּכ ֵּפ֣י ַהּנָ ִ֔זיר ַ תן ַע ֙ ַ ָ�ְקיק ַמ ָ ּ֖צה ֶא ָ ֑חד וְ נ ֥ ִ ן־ה ַּ֔סל ּור ַ ִמ אֹותם ָ֙ וְ ֵהנִ ֩יף20 ַא ַ ֖חר ִ ֽה ְתּגַ ְּל ֥חֹו ֶאת־נִ זְ ֽרֹו׃ הּוא ַלּכ ֵֹ֔הן ֙ ה ֤קֹ ֶדׁש ֒ ָנּופ ֮ה ִל ְפ ֵנ֣י יְ הו ָ ַהּכ ֵ ֹ֥הן׀ ְּת ֑ ָ נּופה וְ ַ ֖על ׁ֣שֹוק ַה ְּת ָ ֔ ַ ֚על ֲח ֵז֣ה ַה ְּת רּומה וְ ַא ַ ֛חר 36 Vgl. Seebass 2007: 158. 37 Vgl. Apg 21,23–24; Ant 19,294; tNaz 2,4–7. 38 Vgl. unten 4 1.2.2.1 und 4 1.2.3.1.
Num 6,18–21 𝔊 18 καὶ ξυρήσεται ὁ ηὐγμένος παρὰ τὰς θύρας τῆς σκηνῆς τοῦ μαρτυρίου τὴν κεφαλὴν τῆς εὐχῆς αὐτοῦ, καὶ ἐπιθήσει τὰς τρίχας ἐπὶ τὸ πῦρ, ὅ ἐστιν ὑπὸ τὴν θυσίαν τοῦ σωτηρίου. 19 καὶ λήμψεται ὁ ἱερεὺς τὸν βραχίονα ἑφθὸν ἀπὸ τοῦ κριοῦ καὶ ἄρτον ἕνα ἄζυμον ἀπὸ τοῦ κανοῦ καὶ λάγανον ἄζυμον ἓν, καὶ ἐπιθήσει ἐπὶ τὰς
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ׁשר ֣ ֶ ּתֹורת ַהּנָ זִ ֮יר ֲא ֣ ַ ֣ז ֹאת21 יִ ְׁש ֶ ּ֥תה ַהּנָ ִז֖יר ָי�ֽיִ ן׃ ר־ּת ִ ּׂ֣שיג ַ יִ ּדֹר֒ ָק ְר ָּבנ֤ ֹו ַ ֽליהוָ ֙ה ַעל־נִ זְ ֔רֹו ִמ ְּל ַ ֖בד ֲא ֶׁש ּתֹורת ֥ ַ ׁשר יִ ּ֔ד ֹר ֵּכ֣ן יַ ֲע ֶׂ֔שה ַ ֖על ֣ ֶ יָ ֑דֹו ְּכ ִ ֤פי נִ ְד ֙רֹו ֲא נִ זְ ֽרֹו׃ פ
χεῖρας τοῦ ηὐγμένου μετὰ τὸ ξυρήσασθαι αὐτὸν τὴν εὐχὴν αὐτοῦ· 20 καὶ προσοίσει αὐτὰ ὁ ἱερεὺς ἐπίθεμα ἔναντι κυρίου· ἅγιον ἔσται τῷ ἱερεῖ ἐπὶ τοῦ στηθυνίου τοῦ ἐπιθέματος καὶ ἐπὶ τοῦ βραχίονος τοῦ ἀφαιρέματος· καὶ μετὰ ταῦτα πίεται ὁ ηὐγμένος οἶνον. 21 οὗτος ὁ νόμος τοῦ εὐξαμένου, ὃς ἂν εὔξηται κυρίῳ δῶρον αὐτοῦ κυρίῳ περὶ τῆς εὐχῆς, χωρὶς ὧν ἂν εὕρῃ ἡ χεὶρ αὐτοῦ κατὰ δύναμιν τῆς εὐχῆς αὐτοῦ, ἣν ἂν εὔξηται κατὰ τὸν νόμον ἁγνείας.
18 Und der Naziräer soll das Haupt seiner Weihe am Eingang des Zeltes der Begegnung scheren und das Haupthaar seiner Weihe nehmen und (es) in das Feuer unter das Abschlussschlachtopfer geben. 19 Und der Priester soll die gekochte Vorderkeule vom Widder und ein Mazzenringbrot und einen Mazzenfladen aus dem Korb nehmen und (sie) auf die Hände des Naziräers legen, nachdem er sich seine Weihe hat scheren lassen. 20 Und der Priester soll sie als Elevationsopfer vor dem Herrn schwingen. Heilig ist sie für den Priester über die Brust des Elevationsopfers und den Schenkel des Hebeopfers hinaus. Und danach soll der Naziräer Wein trinken. 21 Dies ist die Weisung des Naziräers, der sein Opfer dem Herrn gelobt wegen seiner Weihe abgesehen von dem, was seine Hand aufbringen kann. Entsprechend seinem Gelübde, das er gelobte, soll er handeln gemäß der Weisung seiner Weihe.
18 Und der, der das Gelübde abgelegt hat, soll am Eingang des Zeltes der Begegnung das Haupt seines Gelübdes scheren und die Haare in das Feuer werfen, das unter dem Rettungsopfer ist. 19 Und der Priester soll das gekochte Schulterstück vom Widder nehmen und ein ungesäuertes Brot aus dem Korb und einen ungesäuerten Kuchen und er soll sie in die Hände von dem legen, der das Gelübde abgelegt hat, nachdem er selbst sein Gelübde geschoren hat. 20 Und der Priester soll sie als Abgabe vor den Herrn bringen. Heilig sei es dem Priester zusammen mit der Brust der Abgabe und zusammen mit dem Schulterstück der Absonderung. Und danach soll der, der das Gelübde abgelegt hat, Wein trinken. 21 Dies ist die Weisung für den, der ein Gelübde abgelegt hat, wer auch immer dem Herrn seine Gabe für den Herrn wegen des Gelübdes gelobt hat, abgesehen von dem, was seine Hand aufbringen kann, gemäß der Kraft seines Gelübdes, das er gemäß der Weisung der Reinigung gelobt hat.
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Nach 𝔐 beginnt der Ausweihungsritus am Naziräer selbst nach der Opferung des Brand-, Entsündigungs- und Abschlussopfers mit dem Scheren der Haare am Eingang des Heiligtums. Nach dem Scheren der Haare muss der Naziräer das geschorene Haar in das Feuer unter dem Kessel, in dem das Abschlussopfer gekocht wird, werfen.39 In späterer Zeit hat man dagegen die Wendung גלח … את ראש נזרוwohl auch vor dem Hintergrund der Wendung נזר אלהיו על ראשוaus 6,7 metonymisch verstanden40 und mit גלחden gesamten Vorgang der Ausweihung verbunden. So gelesen war man nicht verpflichtet, solange mit dem Schneiden der langgewachsenen Haare zu warten, bis man den Eingang des Tempels erreicht hatte. Mit dem Ablauf der Tage des Naziräats ist es dem Naziräer nach der Deutung von 6,18 auch wieder erlaubt, sich die Haare zu scheren, ist doch das Scherverbot in 6,5 allein auf die vorher festgesetzte Zeit der Weihe bezogen. Der Naziräer darf die geschorenen Haare allerdings nicht verlieren oder entsorgen. Er muss sie mit sich führen, um sie dann zur Ausweihung in das Feuer unter dem Abschlussopfer zu werfen. Nach dem Verbrennen der Haare legt der Priester die Widdervorderkeule41 des Abschlussopfers zusammen mit dem Mazzenringbrot und dem Mazzen fladen in die Hand des Naziräers und bringt sie als Elevationsopfer dar. Mit der Elevation gelten sowohl die Brote als auch die Vorderkeule als heilig und damit zusammen mit Brust und Schenkel (6,20aβ) für den Priester abgesondert. Mit dem so abgeschlossenen Ausweihungsritual ist es dem Entweihten42 beim anschließenden, festlichen Opfermahl auch wieder erlaubt, Wein zu trinken (6,20b). 6,21 markiert sodann mit der bereits in 6,13 gesetzten Phrase זאת תורת הנזירden Abschluss der Naziräatsbestimmungen. Mit מלבד אשר תשיג ידוwird ausgedrückt, dass der Naziräer neben den in 6,14–20 beschriebenen Abgaben für die Ausweihung seines Naziräats auch noch weitere Opfergaben bestimmen kann. Dies setzt voraus, dass der Naziräer bei der Inauguration seines Gelübdes noch mehr Opfertiere versprochen hat. Unter dieser Voraussetzung muss er die zusätzlichen Opfer ebenfalls aufbringen und am Tempel opfern ()כפי נדרו אשר ידר כן יעשה.43 Aber warum muss dies der priesterliche Autor 39 Diamond 1997: 5 nennt den Naziräer deswegen auch „offering and officiant“. 40 Zeugen dafür sind z.B. Ant 19,294 und tNaz 2,4–6. 41 Die Vorderkeule ist dem Priester durch den in Dtn 18,3 gegebenen Rechtsanspruch (משפט )הכהניםzugeschrieben. Sie ist dem Priester in der Weise heilig, dass sie allein für ihn abzusondern ist und auch nur allein ihm zur Verfügung steht (vgl. dazu Wevers 1998: 104). 42 Dass 6,20b den Entweihten immer noch als נזירanspricht, wird wohl damit zu begründen sein, dass 6,20 zweifelsfrei dem vormals Geweihten und nicht etwa dem Priester den Weinkonsum wieder gestatten will. 43 Gerade mit dem Verweis auf den Inhalt des Gelübdes, mit dem der Naziräat inauguriert wurde und in dem der Naziräer seine Gaben versprochen hat, wird noch einmal deutlich,
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hinter Num 6,21 noch einmal eigens hervorheben? Von welchen kultischen, oder liturgischen Voraussetzen geht der Autor an dieser Stelle aus, wenn er ausschließen will, dass die dargebrachten Gaben des Ausweihungsrituals kein Ersatz für das darstellen können, was sonst noch von seiner Hand aufzubringen ist? Könnte für diese eigentümliche Formulierung etwa die in späteren Quellen noch häufig begegnende Verknüpfung der Naziräatsweihe mit dem Wochenfest eine Rolle gespielt haben?44 Wenn diese Verknüpfung bereits für die Zeit der Abfassung von Num 6 vorauszusetzen ist, dann drückt 6,21aβ aus, dass die Ausweihungsopfer des Naziräers und das damit gefeierte kultische Freudenmahl im Anschluss an die Ausweihung nicht die zum Wochenfest geforderten freiwilligen Gaben ersetzen können, die für sich genommen eine separate, zum Wochenfest zu erfüllende Obligation darstellen? In 𝔊 fehlt eine direkte Entsprechung zu כן יעשה. Dafür findet sich aber die etwas rätselhafte Wendung κατὰ δύναμιν τῆς εὐχῆς αὐτοῦ. Wenn der Naziräer nach der δύναμις seines Gelübdes handeln soll, dann könnte der Übersetzer damit ausdrücken, dass sich der Geweihte seiner im Gelübde geäußerten Versprechung nicht entziehen kann, wenn dies keine unheilvollen Konsequenzen nach sich ziehen soll. 1.1.3 Die lebenslange Weihe Simsons und Samuels Neben dem zeitlich befristeten Naziräat aus Num 6 kennen das Richterbuch und das erste Samuelbuch auch eine auf Lebenszeit währende Personenweihe des Simson und des Samuel. Während die Weihe des Samuel als eine von seiner Mutter inaugurierte bedingte Personenweihe dargestellt wird, die ihre Empfängnis mit einem männlichen Nachkommen als Voraussetzung hat, wird der Naziräat des Simson nicht von seiner Mutter inauguriert, sondern von einem Engel vorherbestimmt. Da Umfang und Inhalt des uns überkommenen Textbestands beider Erzählungen das Produkt einer gemeinsamen redaktionellen Überarbeitung ist und da die spätere Septuagintaübersetzung der dass die Weihe zum Naziräer in der Form einer bedingten Selbstverpflichtung vollzogen wurde. 44 Ein Indiz für die Verknüpfung von Wochenfest und Naziräat kann auch in der thematischen Abfolge von Naziräat und Priestersegen in Num 6 liegen. Will man annehmen, dass die in 1QS 2,2–4 dokumentierte Rezitation des aaronitischen Priestersegens zum Wochenfest, dort freilich in einer für die Bundesfeier des Jachad angepassten Version, kein jachadisches Spezifikum ist, sondern generell eine besondere Stellung in der Liturgie des Festtags besitzt, dann kann die thematische Abfolge in Num 6 durch ein kultbzw. festliturgisches Ordnungsprinzip bestimmt sein. Diese Annahme muss freilich mit einer gewissen Stabilität liturgischer Praxis zur Zeit des Zweiten Tempels rechnen. Zur Verknüpfung von Wochenfest und Bundesfeier des Jachad vgl. Abegg 2001: 161 und Leonhard 2017: 319–327.
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Samuelgeschichte wörtliche Anleihen von der Simson-Erzählung gemacht hat, sollen hier beide zusammen in einem Kapitel behandelt werden. 1.1.3.1 Die Vorherbestimmung Simsons zum Naziräer in Ri 13,2–7.14 Ein ähnliches Schicksal wie die kinderlose Hanna in 1. Sam 1,1–8 muss in der Hebräischen Bibel auch die Mutter Simsons erleiden. Zwar ist sie nicht der Schmähung und Demütigung durch die Zweitfrau ihres Mannes ausgesetzt, doch muss auch sie mit dem Makel der Unfruchtbarkeit leben und kann ihrem Mann keine Nachkommen schenken. Anders als im Fall der Hanna erfahren wir in der Geschichte um Manoachs Frau, die übrigens mit Namen kein einziges Mal angesprochen wird, nichts von den Begleitumständen, die ihr schließlich ganz unverhofft zum Mutterglück verhelfen. Ohne große Umschweife wird nach der Vorstellung Manoachs und seiner Familienumstände gleich von der Erscheinung eines Engels berichtet, der seiner Frau die glückliche Wendung ihres Geschicks kundtut und ihr die Geburt eines Sohnes ankündigt, der als ein geweihter Naziräer des Herrn Israel aus der Hand der Philister befreien wird.45 וַ ּיֵ ָ ֥רא3 ּוׁש ֣מֹו ָמנ֑ ַֹוח וְ ִא ְׁש ּ֥תֹו ֲע ָק ָ ֖רה וְ ֥ל ֹא יָ ָ ֽל ָדה׃ ְ וַ יְ ִהי֩ ִ֙איׁש ֶא ָ ֧חד ִמ ָּצ ְר ָ ֛עה ִמ ִּמ ְׁש ַ ּ֥פ ַחת ַה ָּד ִנ֖י2 ־ע ָק ָר ֙ה וְ ֣ל ֹא יָ ֔ ַל ְד ְּת וְ ָה ִ ֖רית וְ יָ ַ ֥ל ְד ְּת ֵ ּֽבן׃ ֲ ה־נ֤א ַא ְּת ָ ֵיה ִהּנ ָ אמר ֵא ֗ ֶל ֶ ֹ ל־ה ִא ָ ּׁ֑שה וַ ּ֣י ָ הו֖ה ֶא ָ ְַמ ְל ַאְך־י ִּכי֩ ִהּנָ֙ ְך ָה ָ ֜רה וְ י ַֹל ְ֣ד ְּת5 ל־ט ֵ ֽמא׃ ָ אכ ִ ֖לי ָּכ ְ ֹ ל־ּת ְׁש ִ ּ֖תי ַי�֣יִ ן וְ ֵׁש ָ ֑כר וְ ַאל־ּת ִ וְ ַע ָּת ֙ה ִה ָ ּׁ֣ש ְמ ִרי ָ֔נא וְ ַא4 הֹוׁש ַיע ֥ ִ ן־ה ָ ּ֑ב ֶטן וְ ֗הּוא יָ ֵ ֛חל ְל ַ ֹלהים יִ ְהֶי֥ה ַה ַּנ ַ֖ער ִמ ֛ ִ אׁשֹו ִ ּֽכי־נְ ִז֧יר ֱא ֔ ֹ ּומֹור ֙ה לֹא־יַ ֲע ֶל֣ה ַעל־ר ָ ֵּ֗בן ֹלה ֙ים ָ ּ֣בא ִ מר֒ ִ ֤איׁש ָה ֱא ֹ יׁש ּ֮ה ֵלא ָ אמר ְל ִא ֶ ֹ וַ ָּת ֣ב ֹא ָה ִא ָּׁ֗שה וַ ּ֣ת6 ֶאת־יִ ְׂש ָר ֵ ֖אל ִמ ַּי֥ד ְּפ ִל ְׁש ִ ּֽתים׃ ת־ׁש ֖מֹו ְ י־מ ֶּז֣ה ֔הּוא וְ ֶא ִ יהּו ֵ ֽא ֙ אד וְ ֤ל ֹא ְׁש ִא ְל ִּ֙ת ֹ ֑ נֹורא ְמ ֣ ָ ֹלהים ֖ ִ ּומ ְר ֵ֕אהּו ְּכ ַמ ְר ֵ ֛אה ַמ ְל ַ ֥אְך ָה ֱא ַ ֵא ֔ ַלי אכ ִ ֙לי ְ ֹ ל־ּת ֽ ל־ּת ְׁש ִ ּ֣תי׀ ַי�֣יִ ן וְ ֵׁש ָ֗כר וְ ַא ִ אמר ֔ ִלי ִה ָּנ�ְ֥ך ָה ָ ֖רה וְ י ַֹל ְ֣ד ְּת ֵ ּ֑בן וְ ַע ָּ֞תה ַא ֶ ֹ וַ ּ֣י7 א־ה ִּג֥יד ִ ֽלי׃ ִ ֹ ֽל ֽ ן־ה ֶ ּ֖ב ֶטן ַעד־י֥ ֹום ַ ֹלה ֙ים יִ ְהֶי ֣ה ַה ַּ֔נ ַער ִמ ִ ל־ט ְמ ָ֔אה ִ ּֽכי־נְ ִז֤יר ֱא ֻ ָּכ מֹותֹו׃ פ
2 Und da war ein Mann aus Zora, vom Clan der Daniter und sein Name war Manoach. Seine Frau aber war unfruchtbar und brachte kein Kind zur Welt. 3 Und der Engel des Herrn erschien der Frau und sprach zu ihr: Sieh doch, du bist unfruchtbar und bringst keine Kinder zur Welt. Aber (siehe doch), du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. 4 Und nun, hüte dich doch und trinke weder Wein noch Rauschtrank und iss keine unreine (Speise)! 5 Denn siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Ein Schermesser soll nicht auf 45 Die Textformen A (aus Codex Alexandrinus und anderen Handschriften rekonstruiert) und B (identisch mit Codex Vaticanus; vgl. Kreuzer 2011: 658–659) zu Ri 13,2–7 𝔊 weisen gegenüber 𝔐 keine Besonderheiten in Bezug auf die vom Engel verkündeten Naziräatsbestimmungen des Simson auf, weshalb hier auf eine parallele Übersetzung und Kommentierung von Ri 13 𝔊 verzichtet werden kann.
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sein Haupt kommen, denn der Knabe wird von Mutterleib an ein Naziräer Gottes sein. Er aber wird anfangen, Israel aus der Hand der Philister zu retten. 6 Und die Frau kam und sprach zu ihrem Mann wie folgt: Ein Mann Gottes kam zu mir, und seine Gestalt war wie die Gestalt des Engels Gottes, sehr furchtbar. Ich habe ihn aber nicht gefragt, woher er (gekommen) ist, und seinen Namen hat er mir nicht gesagt. 7 Aber er sagte zu mir: Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Und nun, trinke weder Wein noch Rauschtrank und nimm keine Unreinheit über die Speise auf, denn ein Nasiräer Gottes wird der Knabe sein vom Mutterleib an bis zum Tag seines Todes. W. Eichrodt,46 M. Noth47 und G. von Rad48 haben hinter Simsons Bestimmung zum Geweihten eine alte Institution von Geistbegabten aus der Vorkönigszeit vermutet,49 die vornehmlich für den JHWH-Krieg abgesondert wurden. Demgegenüber sei die Naziräatsregel aus Num 6 eine priesterliche Erfindung, die den Naziräat für jeden Israeliten öffnen soll, wobei der Naziräat seinen allgemeinen Wert für die Gemeinschaft verloren und nur noch für die Einzelperson eine Verdienstlichkeit bedeutet haben soll. J. Kamlah hat die so geartete Rekonstruktion der historischen Entwicklung des Naziräats pointiert mit der Wendung „vom Charisma zum Gesetz“ zusammengefasst und daran berechtigterweise seine Kritik geäußert.50 Hinter dieser Rekonstruktion stehen nach Kamlah zwei voreingenommene Werturteile, die in der priesterlichen Spätform ein sich durch gesetzliche Ausdifferenzierungen auszeichnendes Verfallsstadium und in der Öffnung für die Allgemeinheit ein Streben des Einzelnen nach „verdienstlichen Werken“ sehen.51 Dazu ist grundsätzlich kritisch zu hinterfragen, ob man im Fall der Simson-Erzählung die Privatfehden52 des ungestümen Jünglings wirklich als Paradebeispiel für den Erweis der Existenz eines am Gemeinwohl ausgerichteten charismatischen Amtes sehen darf. Gleiches gilt für die Samuel-Erzählung und die Annahme einer dort repräsentierten Vorform 46 Vgl. Eichrodt 1962: 200–202. 47 Vgl. Noth 1966: 50. 48 Vgl. von Rad 1987: 76–77. 49 So zuletzt auch wieder von Shemesh 2019: 15 vertreten. 50 Kamlah 2008. 51 Vgl. Kamlah 2008: 228. Ein Grund, warum die zuvor genannten Ausleger außerdem von einem konzeptionellen Wandel des Gelübdes ausgehen, liegt in der Dauer und in der Form der Weihe begründet. Während die Weihe Simsons und Samuels bereits von Mutterleib an geschieht und auf Lebenszeit bis zum Tod ihrer Träger andauert, ist der Naziräat der Priesterschrift eine Form der Selbstweihe, die zudem vom Inaugurator des Gelübdes zeitlich begrenzt werden kann. 52 Vgl. z.B. Ri 15,1–5.
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des Naziräats. Dort weiht Hanna den Knaben nicht aus Uneigennützigkeit zum Gemeinwohl Israels und zum Kriegsdienst für Israel, sondern aufgrund ihrer in Erfüllung gegangen Bitte nach einem männlichen Nachkommen. Zweifel an dieser älteren Darstellung eines charismatischen, sich auf die gesamte Lebensdauer eines Menschen erstreckenden Naziräats werden außerdem durch eigentümliche Dopplungen und Spannungen in Ri 13–16 geweckt, die vermuten lassen, dass der Text in seiner jetzigen Form nicht aus einer Hand stammt. So wird der vom Gottesboten gebotene Umgang mit dem versprochenen Kind gleich dreimal mit zum Teil signifikanten Änderungen erzählerisch verarbeitet: Einmal ergeht die Weisung vom Gottesboten direkt an die werdende Mutter (13,3–5), ein weiteres Mal wird sie von der werdenden Mutter an ihren Mann vermittelt (13,6–7) und ein drittes Mal verkündigt sie der zurückgekehrte Gottesbote direkt an Manoach (13,14). Hatte 13,13 noch einmal wiederholt, dass sich die Frau Manoachs von allem enthalten soll, was er ihr zuvor aufgetragen hatte, fügt der Engel in 13,14 eine erweiterte Form des Weinverbots hinzu. אכ֑ל ּ֥כֹל ַ ֹ ל־ט ְמ ָ ֖אה ַאל־ּת ֻ ל־ּת ְׁש ְּת וְ ָכ ֵ֔ אכל וְ ַי�֤יִ ן וְ ֵׁש ָכ ֙ר ַא ַ֗ ֹ מ ּ֣כֹל ֲא ֶׁשר־יֵ ֵצ ֩א ִמּגֶ֙ ֶפן ַה ַּ֜ייִ ן ֣ל ֹא ת14 מר׃ ֹ ֽ יה ִּת ְׁש ָ ית ֖ ִ ִר־צּו ִ ֲא ֶׁש
14 Von allem, was vom Weinstock kommt, soll sie nicht essen und weder Wein noch Rauschtrank trinken und keine Unreinheit über die Speise aufnehmen. Alles, was ich ihr geboten habe, soll sie bewahren. Die hier vom Engel gebrauchte Wortwahl geht mit dem Verweis auf die Früchte des Weinstocks weit über die erste Weisung hinaus. Aufmerksame Leserinnen und Leser werden sogleich an Num 6,4 und das dortige Gebot מכל אשר יעשה מגפן היין … לא יאכלerinnert. Ob hier von literarischer Abhängigkeit in die eine oder anderen Richtung zu sprechen ist, oder ob man gar von einer unabhängigen Partizipation an mündlichen Traditionen ausgehen muss, lässt sich wegen der unsicheren Datierung der Textzuwächse kaum mehr sagen.53 53 Zuckschwerdt 1976: 199 nimmt an, dass sich der priesterliche Autor von Num 6 aus den Naziräatsbestimmungen in Ri 13 bedient hat. Römheld 1992: 41–42 Anm. 32 verneint eine Abhängigkeit der in Ri 13 dargelegten Naziräerbestimmungen von Num 6 und begründet dies mit der zeitlichen Begrenzung des Naziräats und seiner Unterstellung unter das Priestertum. Kamlah 2008: 236 geht davon aus, dass Ri 13 und Num 6 gemeinsam aus einer mündlichen Tradition um den Naziräat schöpfen. Nach Groß 2009: 666 gleichen sich die Bestimmungen für Naziräer in Ri 13 und Num 6 so sehr, dass dies die Vermutung nahelegen würde, Ri 13 setze die Kenntnis der in Num 6 verarbeiteten Naziräerregeln voraus. Für ihn ist der Simson-Komplex in Ri 13–16 jünger als das deuteronomistische
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Auffällig ist außerdem, dass die Naziräergesetze, wie sie aus Num 6 bekannt sind, hier nicht allein auf den Geweihten übertragen wurden, sondern auch auf seine Mutter. Während dem Knaben Simson auf den ersten Blick nur das Haarscherverbot gilt,54 ist der Mutter Alkoholgenuss ebenso verboten wie der Verzehr von unreiner Speise. Der Genuss von unreiner Speise scheint hierbei als Entsprechung zum Verbot der Verunreinigung an Toten hinzugekommen zu sein. Ansonsten wäre das Gebot belanglos, da es grundsätzlich jedem Israeliten verboten ist, unreine Speise zu sich zu nehmen. Da es möglicherweise widersinnig schien, das Verbot der Verunreinigung an Toten auf die Mutter zu beziehen, da sie schließlich keine Naziräerin war und eine Totenverunreinigung wohl in der Sicht des Autors auch keinen Einfluss auf den ungeborenen Fötus genommen hätte, entschied sich der hier am Werk befindliche Überarbeiter für eine erzählerische Anpassung der Naziräatsbestimmung. In welchem Maße man hier beim Bearbeiter rudimentäre Kenntnisse über die biologischen Zusammenhänge embryonaler Versorgung und Entwicklung55 voraussetzen darf, ist fraglich. Was man aber zumindest ins Auge fassen kann, ist, dass der Verzicht auf Alkohol und unreine Speise zum Schutz des Kindes geschehen soll,56 was durch die Begründung des Genussverbots in 13,7bγ mit כי נזיר אלהים יהיה הנערoffensichtlich wird. Ein solches Gebot für die Mutter ergibt auch nur Sinn, solange sie direkt mit dem Sohn verbunden ist. Von einer „Aufteilung“ und getrennten Befolgung der Naziräatsbestimmungen durch Mutter und Sohn wird man daher nicht sprechen dürfen.57 Freilich treten die Richterbuch (659). Dafür sprechen nach seiner Meinung u.a. die umfangreichen Parallelen zur Gideon-Erzählung in Ri 6, aus der sich der Autor von Ri 13 bei der Abfassung der Geburtsgeschichte Simsons bedient haben soll. Aufgrund der in Ri 14,1–3 thematisierten Mischehenproblematik hält er die Einbindung der Simson-Erzählung ins Richterbuch für nachexilisch. Den von Groß zusammengetragenen Beobachtungen zur Textgenese ist weitestgehend zuzustimmen. Ob man jedoch vor dem Hintergrund von Ri 13,14aα die Geburtsgeschichte Ri 13,2–25 noch für einen einheitlichen Text halten kann, halte ich für fraglich. 54 Die Begründung dafür liefert Ri 13,5 mit כי נזיר אלהים יהיה הנער. Die wohl um 200 v.u.Z. entstandene Textform 𝔊 (A) zum Richterbuch gibt dies mit ὅτι ἡγιασμένον ναζιραῖον ἔσται τῷ θεῷ τὸ παιδάριον („denn ein geheiligter Naziräer wird der Knabe dem Herrn sein“) wieder und scheint dabei wohl an den Wortlaut von Num 6,11–12 zu denken. 55 Zu den verschiedenen antiken Vorstellelungen der embryonalen Ernährung vgl. Lesky 1959: 1235–1236. 56 Vgl. Parente 1990: 69. 57 Diamond 1997: 8 hat vorgeschlagen, in der angeblichen „Aufteilung“ der Naziräatsverpflichtungen auf Mutter und Sohn eine Teilung zwischen Opfernden und Opfer zu sehen. Wenn Simson und sein Naziräat aber für das Opfer stehen sollen, warum scheint es ihm dann erlaubt zu sein, sich an Toten zu verunreinigen. Dies würde ihn als Opfer disqualifizieren. Desgleichen stellt sich die Frage, warum sich die Mutter als Opfernde gänzlich von
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Bestimmungen des Naziräats erst mit der Geburt Simsons ein, was er in seiner Selbsterklärung zum Haarscherverbot durch die Wendung „( מבטן אמיvom Leib meiner Mutter“) in 16,17 auch ausdrückt, doch scheinen sie hier für die Mutter nach der Bestimmung des Engels in 13,4 ( )ועתה השמרי נאbereits ab der Zeit der Empfängnis zu gelten. Da der Genussverzicht an die Weihe des Knaben gekoppelt ist, wird die Dauer des Verzichts für die Mutter vielleicht auch nur bis zur Entwöhnung des Knaben begrenzt sein. Daraus muss aber dann geschlussfolgert werden, dass Simson der Genuss von Alkohol und die Inachtnahme vor Unreinheit58 nach seiner Geburt auch aufgetragen ist. Allein, und dies macht die Einbindung des Naziräats in die Simson-Erzählung so spannungsreich, der Knabe ist im Fortgang der Geschichte nicht imstande auch nur eines der Gebote zu bewahren. Das Geheimnis um die Quelle seiner Unbesiegbarkeit verrät er Delila und büßt mit ihrem Verrat und mit jeder abgeschnittenen Haarsträhne mehr und mehr seine Kraft ein (16,19). Auf Wein und Rauschtrank wird er nicht verzichtet haben, wenn er nach 14,10 ein Festgelage veranstaltet, wie es junge Männer zu tun pflegten ()כי כן יעשו הבחורים. Vor dem Verzehr von unreiner Speise und vor Verunreinigung mit Totenunreinheit scheint er sich außerdem nicht in Acht zu nehmen, wenn es heißt, dass er nach 14,9 Honig aus dem Kadaver eines Löwen zum Verzehr zu sich nimmt und bei seinen privaten Rachefeldzügen (14,19; 15,1–5) unzählige Philister erschlägt. Ein letztes spannungsvolles Nebeneinander liegt bei der unterschiedlichen Identifizierung der Kraftquelle des Simson vor. Einerseits wird sie in märchenhafterweise seinen Haaren zugeschrieben (16,17b) und zum anderen dem Geist Gottes (13,25; 14,6.19; 15,14). Die erzählerische Verarbeitung der in den Haaren liegenden Kraftquelle bringt zudem in 16,17a eine weitere Spannung hervor. Die Weihe zum Naziräer steht hier spannungsreich zu den kraftverleihenden Haaren, wie das Wiedererstarken Simsons mit dem erneuten Wachsen seiner Haare in 16,22 zeigt. Während „( מורה לא עלה על ראשיkein Schermesser ist auf meinen Kopf gekommen“) zur älteren Simson-Überlieferung gehören dürfte, wird man „( כי נזיר אלהים אני מבטן אמיdenn ich bin ein Naziräer Gottes vom Leib meiner Mutter an“) in 16,17aγ als einen durch 13,5 motivierten Nachtrag ansprechen müssen.59
Wein und Rauschtrank enthalten soll. An keiner Stelle in der Hebräischen Bibel wird ein Opferwilliger dazu angehalten, sich bei der Besorgung der Opfermaterie und beim Gang zum Tempel in asketischer Weise vom Wein zu enthalten. 58 A minori ad maius wird man aus dem Verbot, unreine Speise essen zu dürfen, auch schließen können, dass der Knabe sich als Naziräer auch vor schwereren Unreinheitsgraden in Acht nehmen musste, also auch vor der Verunreinigung an Toten. 59 Vgl. Römheld 1992: 44–47.
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Die soeben beschriebenen Spannungen lassen sich am ehesten damit erklären, dass die Identifizierung Simsons als Naziräer das Produkt einer späteren Überarbeitung ist, die, inspiriert durch Simsons märchenhafte Haare, dem Engel die Bestimmung des Knaben zum Naziräer in den Mund legt.60 Da die ursprüngliche Geschichte außer der Haarpracht Simsons kein weiteres Indiz für den Bestand einer Naziräatsweihe bereithält, übertrug der Autor von Ri 13 aus Verlegenheit einen Teil der Naziräatsbestimmungen auf die werdende Mutter, die diese zum Schutz der Weihe ihres Sohnes bereits mit der Empfängnis bewahren sollte. Gesetzt den Fall, das Genussverbot von unreiner Speise stellt wirklich eine erzählerische Verarbeitung des Verbots der Verunreinigung mit Totenunreinheit dar, dann setzt der Überarbeiter der Simson-Erzählung bereits den vollen Bestand der Naziräatsbestimmungen von Num 6 voraus.61 Daraus muss aber geschlossen werden, dass die Simson-Erzählung kein Zeuge für die Praxis und Existenz eines lebenslänglichen Naziräats darstellt, sondern eine literarische Fiktion ist, die, wenn überhaupt, erst in ihrer Rezeption eine nach der Art des Simson gestaltete Form des Naziräats hervorgebracht hat.62 Das Gelübde der Hanna und die Weihe Samuels in 1. Sam 1,11 1.1.3.2 Einen besonderen Einblick in die Gefühls- und Lebenswelt einer Frau und in die Frömmigkeit einer Familie, wie sie antike Autoren vielleicht durch Anschauung wahrgenommen oder durch Vorstellungskraft ersonnen haben, gewährt uns die Geschichte über Elkana und seine unfruchtbare Frau Hanna in 1. Sam 1. Die Erzählung spielt in vorstaatlicher Zeit am Heiligtum zu Schilo, das bereits zur Eisenzeit I über das Stammesgebiet Efraim hinaus eine besondere Bedeutung gespielt hat63 und an dem nach biblischem Bericht die Priestersöhne Hofni und Pinhas mit ihrem Vater Eli den priesterlichen Dienst verrichteten. Hanna, die Protagonistin der Geschichte, beschließt, um die große Not über ihren unerfüllten Kinderwunsch zu wenden, Gottes helfendes Eingreifen durch ein bedingtes Gelübde zu provozieren. Unter der Voraussetzung, dass 60 Vgl. Groß 2009: 668 mit ausführlicher Darlegung und weiterer Sekundärliteratur. 61 Dabei muss freilich keine direkte literarische Abhängigkeit von Num 6 vorliegen, aber man wird wohl den wiedereingeführten Kultdienst des Zweiten Tempels voraussetzen müssen (vgl. dazu oben 4 1.1.2). 62 Dafür könnte zumindest tNaz 1,5 ein Hinweis sein. Vielleicht wird man außerdem den in einer Grabhöhle auf dem Mount Skopus in Jerusalem beigesetzten Jonathan, der den Beinamen „( הנזירder Naziräer“) trägt (vgl. unten 4 1.2.5.1), als einen Naziräer nach der Art des Simson ansprechen müssen. Dies könnte auch für jene zutreffen, die spätantik belegt den Beinamen נזיראtragen (vgl. z.B. שמעון נזיראin bSchab 54b oder ר׳ לוי בר נזיראin yBer 2,1 4b,44–45). 63 Nach 1. Sam 4,3–4 soll dort die Lade eine Zeit lang untergebracht gewesen sein. Vgl. Donner 1992: 127; Tilly und Zwickel 2011: 65.
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Gott ihr den Kinderwunsch gewährt, verspricht sie, ihm den erbetenen männlichen Nachkommen anzugedeihen und ihn ihm zu weihen. Hanna spricht die bedingte Personenweihe in 1,11 im Anschluss an das gemeinsame Opfermahl der Familie, von dem sie sich betrübt absondert, nachdem sie wegen ihrer Unfruchtbarkeit von der zweiten Ehefrau des Elkana bedrängt und erniedrigt wurde (1,7). א־ת ְׁש ַּכ֣ח ִ ֹ אה ִת ְר ֶ ֣אה׀ ָּב ֳע ִנ֣י ֲא ָמ ֶ֗תָך ּוזְ ַכ ְר ַּ֙תנִ ֙י וְ ֽל ֹ ֥ ם־ר ָ הוה ְצ ָב ֜אֹות ִא ָ ֙ ְאמר י ַ֗ ֹ וַ ִּת ּ֙ד ֹר ֶ֜נ ֶדר וַ ּת11 ּומֹורה לֹא־יַ ֲע ֶ ֥לה ָ֖ ל־יְמי ַח ָּ֔ייו ֣ ֵ ת־א ָמ ֶ֔תָך וְ נָ ַת ָ ּ֥תה ַל ֲא ָמ ְתָך֖ ֶז ַ�֣רע ֲאנָ ִ ׁ֑שים ּונְ ַת ִ ּ֤תיו ַ ֽליהוָ ֙ה ָּכ ֲ ֶא אׁשֹו׃ ֽ ֹ ַעל־ר
11 Sie legte aber ein Gelübde ab und sprach: Herr der Heerscharen, wenn du das Elend deiner Magd gewiss ansehen und meiner gedenken und deine Magd nicht vergessen wirst und deiner Magd einen männlichen Nachkommen geben wirst, so werde ich ihn an JHWH64 alle Tage seines Lebens übergeben. Und ein Schermesser soll nicht auf sein Haupt kommen. Neben der masoretischen Texttradition der Erzählung gibt es außerdem unter den Schriftrollen von Qumran eine textlich stark abweichende aber nur noch fragmentarisch erhaltene Handschrift des 1. Samuelbuches, die eine große Nähe zur durch Rückübersetzung rekonstruierbaren Vorlage der 𝔊-Version des Buches hat.65 Die Handschrift66 4QSama und 1. Sam 1,11.22 𝔊 zeichnen sich 64 In dem sonst in persönlicher Anrede (תראה, אמתך, )לא תשכחgehaltenen Gelübde ist statt ליהוהeigentlich לךzu erwarten. 65 4QSama und 1. Sam 𝔊 überliefern z.B. beide den Namen der Hanna in 1,13 nicht. Das in der 𝔊-Vorlage dem καὶ ἀνέβη μετ᾽ αὐτοῦ („und ging mit ihm hinauf“) entsprechende ותעל אתוin 1,24 gehört textgeschichtlich in die Nähe von ותעל אותוin 4QSama ii a 6. Auch das Mitführen eines dreijährigen Stiers anstelle der drei Stiere in 𝔐 und das darbringen von Brot in 1,24 𝔊 korrespondiert mit dem erhaltenen בקר משלש ולחםin 4QSama ii a 7. Für einen detaillierten Überblick über die von 𝔐 abweichenden Lesarten in 4QSama und 1. Sam 𝔊 vgl. Cross 1953; ferner Ulrich 1978. Die Möglichkeiten der Rückübersetzung und Rekonstruktion der Vorlage haben allerdings auch ihre Grenzen. So muss man davon ausgehen, dass der Übersetzer Probleme beim Verständnis seiner Vorlage hatte und aus diesem Grund bei der Übertragung ins Griechische Übersetzungsdubletten erzeugt hat. Offenkundig wird dies in 1,6, wo κατὰ τὴν θλῖψιν αὐτῆς („gemäß ihrer Trübsal“) gegenüber καὶ κατὰ τὴν ἀθυμίαν τῆς θλίψεως αὐτῆς καὶ ἠθύμει διὰ τοῦτο („und gemäß der Verzweiflung ihrer Trübsal und sie war deswegen verzweifelt“) als redundant erscheint (vgl. Aejmelaeus 2015: 11). Andererseits scheint er auch Textpartien ausgelassen zu haben, was z.B. an der Wendung בעבור הרעמהersichtlich wird, die kein Pendant in der griechischen Übersetzung hat. 66 Cross 2003: 9 nimmt eine Entstehung der Handschrift in späthasmonäischer oder frühherodianischer Zeit an, also zwischen 50 und 25 v.u.Z. Ulrich 1978: 10 spricht sich dagegen
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dadurch aus, dass sie über das Haarscherverbot des Samuel hinaus zusätzlich noch das Genussverbot von Wein und anderem berauschendem Getränk überliefern. Außerdem weist 4QSama ii a–d 3 Samuel explizit als Naziräer aus; ein Umstand, der so aus 𝔐 nicht ohne weiteres geschlossen werden kann.67 4QSama Col. I: Fragment b68
[יהוה צבאות אם ראה תראה בעני1 ]אמת]ך [וזכרתני ולוא תשכח את אמתך ונתתה לאמתך זרע אנשי]ם2 ]ונתתיהו ל[פניך נזיר [עד יום מותו ויין ושכר לוא ישתה ו]מורה3 ]לא יעבור ע[ל ראשו
1. Sam 1,11.22 𝔊 11 καὶ ηὔξατο εὐχὴν κυρίῳ λέγουσα Αδωναι κύριε ελωαι σαβαωθ ἐὰν ἐπι βλέπων ἐπιβλέψῃς ἐπὶ τὴν ταπείνωσιν τῆς δούλης σου καὶ μνησθῇς μου καὶ δῷς τῇ δούλῃ σου σπέρμα ἀνδρῶν καὶ δώσω αὐτὸν ἐνώπιόν σου δοτὸν ἕως ἡμέρας θανάτου αὐτοῦ καὶ οἶνον καὶ μέθυσμα οὐ πίεται καὶ σίδηρος οὐκ ἀναβήσεται ἐπὶ τὴν κεφαλὴν αὐτοῦ
1 [Herr der Heerscharen, wenn du das Elend] deiner [Magd gewiss ansehen und meiner gedenken und nicht vergessen wirst] 2 [deine Magd und deiner Magd einen männlich]en [Nachkommen gibst], dann werde ich ihn v[or dich geben (als) einen Naziräer] 3 [bis zum Tag seines Todes. Und Wein und Rauschtrank wird er nicht trinken und] kein Schermesser soll ü[ber sein Haupt kommen].
11 Und sie gelobte dem Herrn ein Gelübde, indem sie sagte: Adonai, Herr, Gott der Heerscharen, wenn du das Elend deiner Magd gewiss ansehen und meiner gedenkst und deiner Magd einen männlichen Nachkommen gibst, dann werde ich ihn vor dir als Gabe geben bis an den Tag seines Todes. Und Wein und Rauschtrank wird er nicht trinken und ein Schermesser wird nicht auf sein Haupt kommen.
für eine Datierung in die 1. Hälfte des 1. Jh. v.u.Z. aus. Die Datierung der Handschrift anhand paläographischer Besonderheiten der Schriftzeichen sagt freilich noch nichts über das Alter der Texttradition aus, aber sie gibt immerhin den Nachweis für die am frühesten greifbare Dokumentation einer Tradition. 67 Die 𝔐-Texttradition erweckt – vor allem mit Blick auf das weitere Leben und Geschick Samuels – den Eindruck, dass das Spezifikum seiner Personenweihe im Haarscherverbot, in der Überantwortung an den Tempel in Schilo und in seiner späteren Berufung zum Propheten liegt. Da die Hebräische Bibel noch andere Formen der Personenweihe kennt, wie dies Lev 27,1–8 und die dort zusammengetragenen Bestimmungen zur Ausweihung geweihter Personen nahelegen, wäre für 1. Sam 1 ebenso eine unspezifische bzw. uninstitutionalisierte Weihe und Überantwortung denkbar. Dass die bloße Restriktion des Haarscherverbots nicht zwangsläufig als ein Indiz auf einen lebenslänglichen Naziräat wahrgenommen werden muss, verrät die Diskussion des R. Nehorai und R. Jose in mNaz 9,5. 68 Cross, Parry und Saley 2005: 29.31.
158 Col. II: Fragment a וחנה לוא עלתה עמו כי אמ]רה לאישה עד1
אשר ונראה] את69 [יעלה הנער בגמלי אתו2 פנ[י] יהוה הישב לפני [יהוה וישב שם עד עולם ונת]תיהו נזיר עד3 עולם כל ימי … [חייו4
1 Und Hanna ging nicht mit ihm hinauf, denn sie sagte zu ihrem Mann: Bis 2 das Kind (eines Tages) hinaufgehen wird, sobald ich ihn entwöhnt habe und dann wird er vor dem Angesicht des Herrn erscheinen und bleiben vor 3 dem Herrn und dort ein Leben lang bleiben und ich [werde] ihn (als) Naziräer ein Leben lang [übergeben], alle Tage 4 [seines Lebens …
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22 καὶ Αννα οὐκ ἀνέβη μετ᾽ αὐτοῦ ὅτι εἶπεν τῷ ἀνδρὶ αὐτῆς ἕως τοῦ ἀναβῆναι τὸ παιδάριον ἐὰν ἀπογαλακτίσω αὐτό καὶ ὀφθήσεται τῷ προσώπῳ κυρίου καὶ καθήσεται ἐκεῖ ἕως αἰῶνος
22 Und Anna ging nicht mit ihm hinauf, denn sie sagte zu ihrem Mann: Bis das Kind hinaufgehen wird, wenn ich ihn entwöhnt habe und dann wird er vor dem Angesicht des Herrn erscheinen und dort ein Leben lang bleiben.
Obwohl nach S. Walters die beiden durch 𝔐 und durch 4QSama und 𝔊 repräsentierten Texttraditionen zu Recht je für sich zu würdigen sind70 und er sich deshalb gegen textkritische Verbesserungen am jeweiligen anderen Text verwehren möchte,71 sollen hier dennoch ein paar Gedanken zur Textgeschichte
69 Die Textrekonstruktion mit עד אשר … עדbei Cross, Parry und Saley 2005: 31 ist syntaktisch etwas holprig, weshalb hier mit Aejmelaeus 2018 בגמלי אתוzu lesen ist. 70 Vgl. Walters 1988: 408. Aus rezeptionsgeschichtlicher Perspektive gesprochen ist dies auf jeden Fall richtig. Hat doch jede der beiden Textversionen je ihre eigene Wirkung entfaltet. Im halachischen Diskurs der Rabbinen gilt die 𝔐-Version in ihrer Wahrnehmung gegenüber den anderen Textversionen von 1. Sam 1 womöglich als Basis dafür, Müttern das Recht zur Naziräatsweihe ihrer Kinder abzuerkennen (vgl. mNaz 4,6; mSot 3,8). Die Vorlage der 𝔊 (A) hat ihre große Bedeutung allein schon in dem Moment entfaltet, in dem sie zur Vorlage für die griechische Übersetzung erkoren wurde. Zudem könnte sie die in Sir 46,13 (hebr.), Ebr 143, Som 1,252–254 und Ant 5,347 dokumentierte Wahrnehmung über Samuels Weihestatus entscheidend beeinflusst haben. Für textgeschichtlich interessierte Leserinnen und Leser kann eine solche Würdigung jedoch nicht die Dispensation textkritischer Fragestellungen bedeuten. 71 Walters 1988: 408 gibt zu bedenken, dass „modifications of either under the pattern of the other can only produce a hybrid text with no distinctive character at all“.
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zusammengetragen werden, da nicht davon auszugehen ist, dass beide Versionen auf der Grundlage von unabhängigen mündlichen Überlieferungen verschriftlicht wurden. Die Protasis des Gelübdes in Vers 11a erscheint durch die dreifach ausgedrückte Bedingung zur Wahrnehmung der Hanna zu überladen72 und wird wohl schwerlich konventionalisierter Sprachgebrauch bei der Inauguration von Gelübden gewesen sein. Man wird die epiphorisch stilisierte Protasis אם ראה תראה בעני אמתך וזכרתני ולא תשכח את אמתך ונתתה לאמתךmit ihrer dreifachen Nennung Hannas als אמהdahingehend deuten dürfen, dass damit ihre Selbsterniedrigung vor JHWH in besonderer Weise hervorgehoben werden soll. Demgegenüber adressiert die 𝔊-Vorlage das Gelübde mit einem aus καὶ ηὔξατο εὐχὴν κυρίῳ zu rekonstruierenden ותדר נדר ליהוהan JHWH, was aufmerksame Leserinnen und Leser an Num 30,4 und Ri 11,30 erinnern dürfte.73 Darüber hinaus fehlt der Vorlage der Halbvers ולא תשכח את אמתך.74 Die Phrase עד יום מותוbzw. ἕως ἡμέρας θανάτου αὐτοῦ hält F. M. Cross gegenüber der von 𝔐 gebotenen Variante כל ימי חייוfür eine an Ri 13,7 orientierte Textangleichung, die ausdrücken soll, dass in gleicher Weise wie Simson auch Samuel vom Mutterleib an bis zum Tag seines Todes ein Geweihter Gottes sein soll.75 Das außerdem in 1. Sam 1,11 𝔊 über den Wortlaut von 𝔐 hinausgehende καὶ οἶνον καὶ μέθυσμα οὐ πίεται dürfte dann ebenfalls von der Angleichungsbestrebung an Ri 13,7 her zu begreifen sein.76 1. Sam 1,11 𝔊 lässt den Weihestatus Samuels weitestgehend offen und beschreibt ihn nicht mit dem hebräischen Lehnwort ναζιρ θεοῦ („Nasiräer Gottes“; Ri 13,5) oder mit ἅγιον θεοῦ ἔσται („er soll heilig sein für Gott“; Ri 13,7), sondern als δοτός („angediehen, überantwortet“). In der auf 1. Sam 1,11 𝔊 basierenden Textrekonstruktion von 4QSama i b 2 und vor dem Hintergrund der ausdrücklichen Identifizierung von Samuel als נזירin 4QSama ii a 3 haben sich F. M. Cross, D. W. Parry und R. J. Saley in DJD XVII darauf verständigt, hinter ἐνώπιόν σου δοτόν in der 𝔊-Vorlage und in der Lacuna nach ונתתיהו לein ursprüngliches לפניך נזירzu vermuten.77 Eine interessante 72 In der 𝔊-Vorlage dürfte ולא תשכח את אמתךgefehlt haben. 73 Vgl. Heckl 2013: 327. 74 Heckl 2013: 327 Anm. 14 nimmt an, dass die Protasis zu Gunsten einer ausführlicheren Apodosis gekürzt wurde. 75 Vgl. Cross 1953: 18 Anm. 5. 76 Vgl. Dietrich 2010: 19. 77 Vgl. Cross, Parry und Saley 2005: 29. Rofé 1989/90: 251; Hutzli 2007: 49–50.64 und Dietrich 2010: 19 vermuten dagegen hinter δοτός ein zugrundeliegendes נתון, was auch in Num 3,9; 8,16.19; 18,6; 1. Chr 6,33 für die an Gott überantworteten Leviten gebraucht wird und möglicherweise auf einen Einfluss der Chronik zurückgehen könnte, die die Familie des Samuel zu den Leviten rechnet (vgl. 1. Chr 6,1–18). Für 𝔐 nimmt Hutzli 2007: 65 an, dass נזירhier und in 1,22 aus dem Text gestrichen wurde, weil dies der Halacha, wie sie auch
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Abweichung bietet außerdem 4QSama i b 3 mit der Variante יעבור על ראשו, die als Anpassung an den Wortlaut des Naziräerhaarscherverbots aus Num 6,5 anzusprechen ist.78
später in mNaz 4,6 (vgl. auch mNaz 9,5) vertreten wurde, nicht mehr entsprochen habe. Will man allerdings eine Streichung annehmen, dann müsste diese bereits in vortannaitischer Zeit vorgenommen worden sein. Im Fall einer Diskrepanz zwischen mündlicher und schriftlicher Tora wählten die Tannaiten eher den Weg argumentativer Harmonisierung oder der Anpassung der mündlichen Tora an die schriftliche. Wenn die Rabbinen als ultima ratio Textstreichungen bzw. auch -ergänzungen vorgenommen hätten, dann müsste man erklären, warum sie dies an so manch anderer Stelle, wie im Fall von Anthropomorphismen bei der Rede über Gott oder bei Textverderbnissen wie dem ( לםרבהsic) in Jes 9,6 nicht getan haben. Größere Freiheit beim Umgang mit dem Bibeltext erlaubte man sich hingegen bei der Übertragung desselben ins Aramäische. Dafür sind die Targumim mit ihren bisweilen midraschartigen Erweiterungen ein anschauliches Beispiel. Zum Zweck der Harmonisierung entwickelte die rabbinische Schultradition außerdem eine Vielzahl exegetischer Methoden (vgl. Stemberger 2011: 26–42) und benutze Leseanweisungen nach der Formel „Man lese nicht X, sondern Y“ wie z.B. in bRH 13a (Ende) und bMeg 28b (vgl. dazu Heger 2007: 149). Die Auslegungsform der Leseanweisung findet sich bereits bei Philo, Pot 47. Ferner behalf man sich mit dem Verweis auf die Mehrdeutigkeit der Begriffe, wie dies schön im Fall von Samuel in mNaz 9,5 ersichtlich wird, wo die Nennung von מורהkein Verweis auf das Scherverbot eines Naziräers andeuten soll, sondern nach R. Jose die Furcht vor Fleisch und Blut meint (vgl. dazu auch T zu 1,11 mit ומרות אנש „ לא תהי עלוהיund die Herrschaft eines Menschen wird nicht auf ihn sein“; Aquila kennt dieselbe Auslegungstradition und übersetzt מורהmit φόβος „Angst“). Was allerdings angenommen werden darf, ist, dass die Rabbinen sehr wohl selektiv bei der Auswahl von Bibelhandschriften vorgegangen sind, d.h. eben nur solche Handschriften als autoritativ akzeptierten, die auch ihrer besonderen Ausprägung der Halacha entsprachen. Auf jeden Fall sind sich die Tannaiten über den Weihestatus Samuels nicht mehr recht im Klaren und dokumentieren dies mit dem Streitgespräch des R. Nehorai und R. Jose in mNaz 9,5. 78 Vgl. Heckl 2013: 328. Allem Anschein nach kannten die Tradenten hinter mNaz 9,5 ebenfalls nur die 𝔐-Version der Weiheerzählung Samuels und schlossen den Naziräatsstatus Samuels allein mit einem Analogieschluss (vgl. Stemberger 2011: 30) aus der Wendung ומורה לא יעלה על ראשו, die sie so identisch auch mit Bezug auf die Weihe Simsons in Ri 13,5 vorfanden. Dieser Umstand sagt jedoch weniger etwas über die Ursprünglichkeit der Lesart als vielmehr über die Verbreitung derselben aus. Die tannaitischen Rabbinen, die vor den Textfixierungsbestrebungen der späteren Masoreten sicherlich in Schulbetrieb und Synagoge mit abweichenden Lesarten konfrontiert waren, scheinen die Lesart ונתתיהו נזיר עד עולם כל ימי חייוaus 4QSama ii a 3 und die Vorlage zur Texttradition καὶ οἶνον καὶ μέθυσμα οὐ πίεται entweder nicht gekannt oder aufgrund der sich wandelnden Halacha nur 𝔐 als autoritativ akzeptiert zu haben. Interessanter Weise suggerieren die rabbinischen Quellen einen einheitlichen biblischen Text. Diskussionen werden allenfalls über die unterschiedliche Ausdeutung des konsonantischen Textes geführt, nicht jedoch über unterschiedliche Lesarten in Bibelhandschriften.
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Von Hanna und ihrem Gelübde, das sie nach 1,13a79 in ihrem Herzen gesprochen und wozu sie allein ihre Lippen bewegt hat, schwenkt der Fokus der Szene ab 1,12b zum Priester Eli, der Hanna bei ihrem Gebet beobachtet hatte. Dass Hanna auf die Aufforderung Elis in 14b „( הסירי את יינך מעליךtue deinen Wein von dir“) in pleonastischer Weise mit „( יין ושכר לא שתיתיWein und berauschendes Getränk habe ich nicht getrunken“) antwortet, erinnert wieder an das Naziräergesetz vom unbedingten Alkoholverzicht aus Num 6,3 und an das vom Engel an die Mutter Simsons gerichtete Gebot in Ri 13,4, sich von Wein und Rauschtrank zu enthalten, da das Kind ein Naziräer Gottes sein wird.80 Dass der Inhalt des Gelübdes bzw. des Gebetes Teil der Unterredung zwischen Hanna und Eli war, wird vom Text nicht ausgesagt und auch nicht angedeutet, sodass der Eindruck entsteht, und hierin ist H. Seebass recht zu geben, dass Gelübde dem Bereich der offiziellen Religion solange verborgen blieben, bis die Erfüllung derselben in Form einer Stiftung an das Heiligtum oder eines Opfers erfolgte.81 Von der Erfüllung des Gelübdes der Hanna erfahren wir dann in zeitlich stark geraffter Form in 1,24. Dabei wird die Übergabe Samuels an den Tempel bereits in 1,21 mit der Erwähnung von Elkanas alljährlicher Wallfahrt, die die Gelegenheit zur Begleichung aller über das Jahr hinweg geleisteten Gelübde bot,82 vorbereitet. Dafür, dass 𝔐 mit der Absichtserklärung Elkanas in 1,21, „( לזבח ליהוה את זבח הימים ואת נדרוdem Herrn das jährliche Schlachtopfer zu opfern und sein Gelübde [zu erfüllen83]“), das Gelübde der Hanna nun als das des Elkana ausweisen möchte,84 spricht auf textlicher Ebene nichts, wie zuletzt R. Heckl85 im Gefolge von W. Dietrich86 ganz richtig herausgestellt hat. Dass Hanna ihrerseits die Versprechung nicht vergessen oder verzögern soll, 79 4QSama liegt für 1,13 nur noch stark fragmentarisch vor und bricht danach sogar bis 1,17 völlig ab. 80 Im Alkoholverzicht der Hanna wird man einen weiteren Grund dafür sehen dürfen, warum es sich für den 4QSama-Revisor anbot, die beiden Erzählungen von Samuel und Simson noch stärker zu parallelisieren. 81 Vgl. Seebass 2007: 272. 82 Die über 𝔐 hinausgehende Notiz in 1. Sam 1,21 𝔊, er habe auch πάσας τὰς δεκάτας τῆς γῆς αὐτοῦ („alle Zehntfrüchte seines Landes“) darbringen wollen, könnten durch Gen 28,22 oder Dtn 12,11 motiviert gewesen sein, wo die Erfüllung von Gelübden und Zehntfruchtabgabe gemeinsam als zentrale Kulthandlungen am Heiligtum aufgeführt werden. Vgl. dazu Rofé 1989/90: 251; Fidler 2006: 376; Heckl 2013: 331. 83 Heckl 2013: 328 nimmt an, dass vor את נדרוder Infinitiv „( לשלםum zu erfüllen“) ausgefallen ist. 84 Vgl. aber Hertzberg 1956: 17; Mommer 1991: 20. Fidler 2006: 382–383 hat ואת נדרוauf einen Interpolator zurückführen wollen, der wie mNaz 4,6 die Weihe von Kindern zum Naziräat durch Mütter für unzulässig hielt. 85 Vgl. Heckl 2013: 325 Anm. 7. 86 Vgl. Dietrich 2010: 52.
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da sich die Möglichkeit der Erfüllung in Elkanas Augen bereits ergeben hat, legt er ihr in 1,23 mit den Worten „( אך יקם יהוה את דברוaber der Herr lasse sein Wort in Erfüllung gehen“)87 nahe. Hanna, deren Bitte nach einem männlichen Nachkommen nach Schwangerschaft und Geburt Samuels in Erfüllung gegangen ist, bleibt der von der Familie gemeinsam jährlich begangenen Wallfahrt fern und begründet dies mit dem Wunsch, das Kind erst entwöhnen zu wollen.88 Erst danach soll Samuel zum Haus Gottes nach Schilo gebracht werden und auch dort vor Gott sein Leben lang dienen. Für Hannas Absichtserklärung, den Jungen für den Rest seines Lebens nach Schilo an den Tempel zu überantworten, gibt es in 4QSama ii a 3 mit ]… ונת]תיהו נזיר עד עולםeine besonders interessante Lesart zum Weihestatus des Samuel.89 Nach dieser Lesart sei es die Absicht der Hanna gewesen, ihren Sohn als Naziräer an den Tempel zu geben. Die Frage nach der 87 Aus dem Teilvers ergeben sich einige Verständnisprobleme. An welches Wort des Herrn will Elkana hier erinnern? 4QSama ii a 5 hat das Problem anscheinend mit einer Anlehnung an die in Num 30,3 formulierte unbedingte Einhaltung des im Gelübde ausgedrückten Versprechens aufgelöst und den Wortlaut in [„( ]אך יקם יהו]ה היוצא מפיךaber es lasse in Erfüllung gehen der Her]r, was aus deinem Mund hervorgegangen ist“) abgeändert. Heckl 2013: 332 nimmt an, dass der von den Bearbeitern der 𝔊-Vorlage und 4QSama hergestellte Bezug zu Num 30,3 möglicherweise auf Elkanas Worten עשי הטוב בעיניך („Tue, was gut ist in deinen Augen“) aus 1,23aα beruht, da diese den Teilvers als Bestätigung des Gelübdes der Hanna durch Elkana aufgegriffen hätten. Dann wird man die Textanpassung an Num 30,3 aber wohl kaum dahingehend interpretieren dürfen, dass Gott an seiner statt die Bestätigung des Gelübdes vollziehen soll. Dies ist schon von daher abwegig, weil vor Gott ausgesprochene Gelübde unweigerlich bindend sind. Das Recht des Vaters bzw. Ehemanns, Gelübde zu annullieren, ist als Konzession zur Sicherung des familiären Friedens und der ökonomischen Stabilität der Familie gedacht. Will man aber die lectio difficilior aus 𝔐 nicht nach 4QSama emendieren und versuchen, das „Wort des Herrn“ im erzählerischen Kontext der Geschichte zu verorten, dann wäre vielleicht an den Teilvers 1,17b und das dortige Orakel Elis, der Gott Israels werde die Bitte Hannas erfüllen, zu denken. So gesehen wäre aber dann der Ausspruch Elkanas an dieser Stelle deplatziert, weil Hannas Bitte nach einem männlichen Nachkommen bereits in 1,20 in Erfüllung gegangen war. Muss man die Worte Elkanas vielleicht als Bitte verstehen, dass das Orakel in der Weise in Erfüllung gehen soll, dass Hanna noch genug Zeit bleibt und das Kind nicht vorher verstirbt, womit Hanna nicht im Stande gewesen wäre, nach der Gewährung der im Gelübde ausgedrückten Bitte ihrerseits die Versprechung einzulösen? In beiden Fällen wäre aber dann auf erzählerischer Ebene angedeutet, dass Elkana vom Gelübde seiner Frau in Kenntnis gesetzt war. 88 Damit wird wohl auch ausgedrückt sein, dass man den Zeitpunkt, den man für die Einlösung der Versprechung als geeignet ansah, in begründeten Fällen dem Ermessen des Votanten anheimgestellt hat. 89 Die Wendung נזיר עד עולםerinnert stark an den rabbinischen Sprachgebrauch vom נזיר עולםbzw. ( נזיר לעולםvgl. mNaz 1,2; ferner Boertien 1971: 47–49) und hat diesen vielleicht sogar beeinflusst.
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Ursprünglichkeit der längeren Lesart aus 4QSama wurde seit der Entdeckung der Samuelhandschrift in Qumran kontrovers diskutiert. Cross, Parry und Saley halten ונתתיהו נזיר עד עולם כל ימי חייוfür die ursprüngliche Lesart,90 die nach וישב שם עד עולםam Ende von 1,22 aufgrund einer Haplographie sowohl aus 𝔐 als auch aus der 𝔊-Vorlage ausgefallen ist.91 Sollte aber ונתתיהו נזיר עד עולםwirklich wegen Haplographie ausgefallen sein, weil der Blick des Abschreibers nach וישב שם עד עולםzum עד עולםdes nächsten Teilverses abgeirrt ist, dann müsste man doch in 𝔐 zumindest in 1,22 bβ noch den Fortgang כל ימי חייוbzw. in 𝔊 πάσας τὰς ἡμέρας τῆς ζωῆς αὐτοῦ erwarten. Vielleicht hat aber auch der sich für ונתתיהו נזיר עד עולםverantwortlich zeichnende Revisor gerade hier den geeigneten Ort für seine Ergänzung gesehen und die lebenslängliche Präsenz Samuels vor Gott mit der Wiederaufnahme von עד עולםund der genauen Bestimmung seines Weihestatus präzisieren wollen. J. Hutzli92 und A. Aejmelaeus93 nehmen dagegen an, dass die Auslassung in 𝔐 auf keinen Fehler in der Texttransmission zurückgeht, sondern absichtlich aus dem Text entfernt wurde, da man Hanna als Frau – wie auch in mNaz 4,6 dokumentiert – das Recht zur Naziräatsweihe ihres Kindes absprechen wollte. Aus mehreren Gründen ist diese Deutung allerdings problematisch. Zum einen ist mit dem angeblichen Versuch der Verschleierung keineswegs das grundsätzliche Problem der Weihe des Kindes durch die Mutter beseitigt. Nach 𝔐 weiht Hanna zwar das Kind nicht explizit zum Naziräer, aber dennoch für sein ganzes Leben zum Dienst vor dem Herrn in Schilo. Außerdem muss man sich fragen, warum sich der vermutete Urheber der 𝔐-Tradition anstelle von ומורה לא יעלה על ראשוeher für die Auslassung von יין ושכרentschied. Ist doch das markanteste äußerliche Erkennungsmerkmal des geweihten Naziräers sein gewachsenes Haar. Das Wein- und Rauschtrankverbot ist hingegen auch diensthabenden Priestern in Lev 10,9 auferlegt, was ohne Weiteres sachlogisch zur Weihe des Samuel an den Tempel von Schilo passt, ohne dass dabei der Anschein erweckt wird, es handele sich bei der Weihe des Samuel dennoch um den Naziräat aus Num 6. Ferner ist das Phänomen intertextueller Bezüge zwischen 1. Sam und Gesetzestexten des Pentateuch, die in 4QSama, jedoch
90 Vgl. Cross, Parry und Saley 2005: 33. 91 Das Phänomen der Textauslassung durch Homoioteleuton scheint auch an einigen anderen Stellen der Grund für kürzere Lesarten in 𝔐 gegenüber 4QSama zu sein. Vgl. z.B. die textkritischen Anmerkungen zu 1,24–25; 2,25 in Cross, Parry und Saley 2005: 33–34.43. 92 Vgl. Hutzli 2007: 65. 93 Aejmelaeus 2018 geht ferner davon aus, dass die sprachlichen Anlehnungen an Ri 13, Num 6 und 30 in 4QSama ursprünglich sind und in 𝔐 geändert oder ausgelassen wurden, um den Umstand zu verschleiern, dass Hanna ihren Sohn zum Naziräer geweiht hat.
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nicht in 𝔐 auszumachen sind, nicht auf die Weihe Samuels begrenzt.94 Zum anderen entsteht das „Problem“ der Weihe des Kindes durch die Mutter nur in der Zusammenschau mit mNaz 4,6. Vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Lektüre von 1. Sam 1 und Num 30 ergibt sich diese Problemstellung nicht. Da der Ehemann das Gelübde bestätigen muss bzw. annullieren kann, trägt der Ehemann auch letztlich die volle Last der Verantwortung, was die Annahme einer „Verschleierung“ in 𝔐 völlig gegenstandslos macht. Das erst in tannaitischer Zeit gewachsene Problembewusstsein von mNaz 4,6, einer Mutter die Weihe ihres Kindes zum Naziräer zu untersagen, wird sicherlich durch die Kenntnis der beiden verschiedenen Lesarten der 𝔐- und der 4QSamaTradition, sowie durch die vergleichende Lektüre mit Ri 13, wo nicht die Mutter Simsons sondern der Engel das Kind zum Naziräer bestimmt, entstanden sein. Die Rabbinen werden hierbei der Textüberlieferung von 𝔐 den Vorrang eingeräumt und mit dieser Entscheidung auch das Ausschlusskriterium der Tradition hinter 4QSama in mNaz 4,6 festgehalten haben. Im Zusammenhang der auch schon zuvor in 4QSama zu beobachtenden textlichen Anpassungen an die Naziräatsgesetzte aus Num 6 und 30 sowie an die Simson-Erzählung aus Ri 13 halte ich es eher für wahrscheinlich, auch hinter ונתתיהו נזיר עד עולםeine Textergänzung zu vermuten.95 Die Übereignung Samuels an den Tempel wird dann in 1,24 mit dem Hifilverb der Wurzel „( בואdarbringen“) beschrieben. Die Übergabe selbst wird nach 1,24 mit der Opferung eines Stiers,96 der Darbringung von Mehl und Wein vollzogen, womit Samuel in einem rituellen Akt vom profanen Lebensbereich in den kultischen Raum des Tempels von Schilo gebracht wird, um dort beständig vor JHWH erscheinen zu können ()נראה את פני יהוה.97 Als Opfergabe ergänzt 4QSama ii a 7 {○○○○} „ לחםBrot“ bzw. 𝔊 ἄρτοι „Brote“.
94 So fehlt z.B. in 𝔐 auch ein Verweis auf die sicherlich an Gen 28,22 oder Dtn 12,11 angelehnte Praxis, πάσας τὰς δεκάτας τῆς γῆς αὐτοῦ („alle Zehntfrüchte seines Landes“) darzubringen (vgl. dazu Rofé 1989/90: 251; Heckl 2013: 331) und auf das in Entsprechung zu Lev 3,16; 7,31 und 17,6 nur den Priestern zugestandene und in 4QSama iii a 1 mit יקטר הכוהןangedeutete Recht, das Fett des Opfers in Rauch aufgehen zu lassen (vgl. Hutzli 2007: 104). 95 So auch das abschließende Urteil von Pisano 1984: 21–22; Rofé 1989/90: 254 und Heckl 2013: 339. 96 Da 1,25 allein von der Opferung eines Stiers spricht, wird man „( בפרים שלשהdazu drei Stiere“) in 𝔐 als Verschreibung und das zu erwartende בפר משלשder 𝔊-Vorlage als ursprüngliche Variante ansprechen müssen (Rofé 1989/90: 252; Hutzli 2007: 81). 97 4QSama ii a 10–11 scheint nach Heckl 2013: 334 bei der Darstellung der Opferung in Schilo der „Geschlechterspezifik des Opfer[n]s“ Rechnung zu tragen und lässt Elkana das Opfer schlachten und Hanna das Kind zu Eli bringen.
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Hutzli98 und Heckl99 erkennen darin eine Ergänzung, die die Wallfahrt, zu der Samuel an den Tempel überantwortet wird, als das Wochenfest identifizieren soll.100 Nach Lev 23,17 steht Brot als Erstlingsgabe an erster Stelle der zum Wochenfest darzubringenden Opferabgaben. Mit der Ergänzung des Brots in der Aufzählung der in Schilo dargebrachten Opfergaben und der damit nahegelegten Identifizierung der Wallfahrt mit dem Wochenfest ist noch eine weitere Anspielung an die Naziräatspraxis gegeben. 1. Makk 3,46–53, SpecLeg 1,248.252 und Ant 4,70–72 stellen übereinstimmend den Naziräat und seine Ausweihungsopfer bzw. sein Haaropfer in den Zusammenhang des Wochenfestes. Samuel wird zwar als Naziräer auf Lebenszeit keine Ausweihung vollziehen und damit auch die dafür notwendigen Opfer nicht darbringen, doch ist er selbst durch seine Weihe als eine ans Heiligtum gegebene Opfergabe anzusprechen, weshalb die Weihe Samuels mit diesen Parallenstellen in Beziehung gesetzt werden kann. Trotz der in 𝔐 enthaltenen Andeutung an das Naziräatsscherverbot, der in 𝔊 zusätzlich erwähnten Forderung nach Entsagung vom Wein und der in 4QSama explizit gemachten Identifizierung Samuels als Naziräer wird der Weihestatus des Samuel kein weiteres Mal bis zu seinem Tod in 1. Sam 25,1 thematisiert. Der Fortgang der Geschichte sowohl im Fall Samuels als auch Simsons erweckt sogar den Eindruck, als würden sich beide gar nicht an den nach Num 6 geltenden Vorschriften eines Naziräers orientieren. Ganz ähnlich wie auch Simson, der durch das Erschlagen von Philistern sicherlich der Totenunreinheit ausgesetzt war, wird sich auch Samuel in 1. Sam 15,33 am Leichnam des Agag verunreinigt haben.101 1. Sam 1 𝔐 hat gegenüber der 𝔊-Vorlage und 4QSama in den meisten Fällen ältere Lesarten bewahrt.102 Demnach war Samuel in der ältesten fassbaren Version der Erzählung noch kein Naziräer nach der in Num 6 dargestellten Weise. An das Motiv der unfruchtbaren Mutter, ihren Verzicht auf Wein und Rauschtrank und an das Haarscherverbot des Sohnes anknüpfend wurde die Erzählung sukzessiv an Num 6; 30 und Ri 13 angepasst und sogar bis hin zur 98 Vgl. Hutzli 2007: 82. 99 Vgl. Heckl 2013: 335. 100 Da nach Lev 23,17 zwei Brote gefordert sind, ist die Einzahl לחםin 4QSama Col. ii a 7 für eine solche Deutung eher schwierig. Am Ende von a 7 ist nach לחםallerdings ein Wort so verblasst, dass die Lesung nicht mehr zweifelsfrei erschlossen und damit die genaue Identifizierung des Brotopfers auch nicht mehr vorgenommen werden kann. Für die 𝔊-Version und ihren Plural ἄρτοι ist die Deutung dagegen unproblematisch. 101 Die spätere rabbinische Tradition hat aus diesem Grund in tNez 1,5 den lebenslangen Naziräer nach der Art und Weise des Simson von der Obligation, sich vor der Verunreinigung an Toten zu hüten, dispensiert. Vgl. Boertien 1971: 202. 102 Vgl. Heckl 2013: 335.
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expliziten Identifizierung Samuels als Naziräer erweitert. Die in 4QSama und in der 𝔊-Vorlage zu beobachtende Revision der Samuel-Erzählung wird der stärkeren Verknüpfung von 1. Sam mit dem Pentateuch aber auch mit dem Richterbuch gedient haben.103 1.1.4 Am 2,11–12 und die Bedrängung der Propheten und Naziräer Eine letzte Belegstelle für die Existenz und Verbreitung der Naziräerbewegung findet sich im Prophetenbuch des Amos in einer Israel anklagenden Gottesrede.104 Am 2,11–12 𝔐
Am 2,11–12 𝔊 11 καὶ ἔλαβον ἐκ τῶν υἱῶν ὑμῶν εἰς προφήτας καὶ ἐκ τῶν νεανίσκων ὑμῶν εἰς ἁγιασμόν μὴ οὐκ ἔστιν ταῦτα υἱοὶ Ισραηλ λέγει κύριος 12 καὶ ἐποτίζετε τοὺς ἡγιασμένους οἶνον καὶ τοῖς προφήταις ἐνετέλλεσθε λέγοντες οὐ μὴ προφητεύσητε
11 Und ich habe von euren Söhnen (einige) zu Propheten und von euren Jünglingen (einige) zu Naziräern aufstehen lassen. Ist dem etwa nicht so, (ihr) Israeliten? – Spruch des Herrn. 12 Ihr aber habt den Naziräern Wein zu trinken gegeben und den Propheten habt ihr geboten: Ihr sollt nicht prophezeien.
11 Ich habe von euren Söhnen (einige) zu Propheten und von euren Jünglingen (einige) zur Heiligung erwählt. Ist dem etwa nicht so, (ihr) Israeliten? – Spricht der Herr. 12 Ihr aber habt den Geheiligten Wein trinken lassen und habt den Propheten geboten: Ihr dürft nicht (mehr) prophezeien!
חּור ֶיכ֖ם ֵ ּומ ַּב ִ יאים ִ֔ יכ ֙ם ִלנְ ִב ֶ ֵ�ָקים ִמ ְּבנ ֤ ִ וָ א11 הוה׃ ֽ ָ ְין־ז ֹאת ְּב ֵנ֥י יִ ְׂש ָר ֵ ֖אל נְ ֻאם־י ֛ ִלנְ זִ ִ ֑רים ַה ַ ֥אף ֵ ֽא יתם ֣ ֶ ִיא ֙ים ִצּו ִ ל־הּנְ ִב ַ ת־הּנְ זִ ִ ֖רים ָי�֑יִ ן וְ ַע ַ וַ ַּת ְׁש ֥קּו ֶא12 מר ֖ל ֹא ִּתּנָ ְב ֽאּו׃ ֹ ֔ ֵלא
Die Naziräer, die Israel zum Bruch ihres Gelübdes zu verführen versucht hat, werden hier gemeinsam mit Propheten genannt, die in ähnlicher Weise daran gehindert werden, ihrer Bestimmung nachzukommen. Israel hat sie zum Schweigen verdammt und damit auch Gottes Reden verhindern wollen. Als besonders markantes Merkmal der Naziräer wird ihr Weinverzicht hervorgehoben, an den anknüpfend Israel sie in Versuchung bringt. Die Rede von Gottes Berufung zum Naziräat hat einige Exegeten dazu angehalten, die Naziräatsweihe – auch vor dem Hintergrund ihrer hier vorgestellten Parallelität
103 Vgl. Heckl 2013: 336. 104 Zum Völkerspruchzyklus im Ganzen siehe Schmid 2010: 385–386.
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zum Prophetentum – als ein charismatisches Amt zu begreifen.105 Wenn nicht einige Exegeten aufgrund von Wortwahl, Stil und Thema der beiden Verse die Ursprünglichkeit des Prophetenworts in Zweifel ziehen würden, wäre uns mit diesem Amos-Wort eigentlich die älteste Notiz zum Naziräat aus dem 8. Jh. v.u.Z. überkommen. So haben W. Schmidt106 und in seinem Gefolge eine Reihe anderer Exegeten107 die Verse 2,11–12 einer exilisch-deuteronomistischen Redaktion zugewiesen, die die Schuld des Volkes am Verlust der Staatlichkeit und am Exil stärker hervorheben soll. Schmidt stellt dabei die Überlegung an, ob der Redaktor beim Verweis auf die Naziräer die Richtergestalt Simson vor Augen hatte und unter die Propheten „die späten Unheilsboten als Warner zusammenfasst“, wobei er zu diesen auch den Propheten Amos selbst rechnet.108 Nun ist wahrlich Simson nach der jetzigen Textgestalt von Ri 13–16 der einzige Naziräer in der Hebräischen Bibel, der von Gott zu seinem Amt berufen wurde, doch dürfte der Naziräer Simson, wie oben dargestellt, eher ein nachexilisches Produkt und daher hier für den „exilisch“-deuteronomistischen Bearbeiter noch nicht im Blick gewesen sein. Auch passt der Zwang zum Wein nicht zur Darstellung Simsons im Richterbuch, der, wenn überhaupt, selbst verantwortet zum Hochzeitsfestgelage in Ri 14,10 geladen hat. Vielleicht hat der deuteronomistische Bearbeiter inspiriert vom kult- und gesellschaftskritischen Amos, der die Verwerfung von Israels Festversammlungen und Opfern verkündet (4,4–5; 5,21–27; 7,9) und das dekadente Schwelgen im Wein anprangert (2,8; 5,11; 6,6), stattdessen mit Naziräern und Propheten an zwei Gruppen gedacht, die sich durch ihre Absonderung von der Gesellschaft und ihrer Unabhängigkeit vom Kult in besonderer Weise auszeichnen. Den Geweihten aus beiden Gruppen wird man noch am ehesten nachsagen dürften, dass sie sich nicht an mit dem Tempelkult verbundenen Rechtsbrüchen (5,21–24), noch an der Unterdrückung der Armen schuldig gemacht haben (5,10–12). In seinen Augen waren die Naziräer und Propheten als einzige Garanten für Recht und Gerechtigkeit übriggeblieben. 105 Zu einer solchen Wahrnehmung des Naziräats hat sicherlich auch die Darstellung des Simson in Ri 13–16 beigetragen, in der der märchenhafte Simson (allerdings erst sekundär) die mit dem Richteramt verbundene Geistbegabung und die Naziräatsweihe erhielt. Vgl. dazu oben 4 1.1.3.1. 106 Vgl. Schmidt 1965: 178–183. 107 Vgl. auch Wolff 2004: 172.207; Römheld 1992: 46 Anm. 40; Jeremias 1995: 24. Sollte die exilische Zuweisung von Am 2,11–12 zutreffend sein, dann wäre 2,12 das älteste Zeugnis für die Tabuisierung von Alkoholkonsum bei observanten Naziräern. Mayer 1986: 330 hält dagegen 2,11 für ein ursprüngliches Prophetenwort des Amos und 2,12 als den Nachtrag einer späteren Hand. 108 Vgl. Schmidt 1965: 182.
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In der griechischen Übertragung von Amos, die mit großer Wahrscheinlichkeit in Ägypten entstanden ist,109 wird umgehend deutlich, dass nicht wie bei Simson in Ri 13,5 oder 16,17 (A) auf eines der beiden hebräischen Lehnwörter ναζιρ oder ναζιραῖος zurückgegriffen wurde. Dagegen behilft sich die Übertragung in 2,11 metonymisch umschreibend mit dem aus ἁγιάζειν gebildeten Verbalsubstantiv ἁγιασμός110 und in 2,12 mit dem Partizip Perfekt Passiv ἡγιασμένοι des Verbs ἁγιάζω. Die Wahl zweier verschiedener Begriffe der Wortfamilie αγ- für die Bezeichnung der Naziräer ist nicht willkürlich, sondern entspricht ganz dem Duktus des Textes. Während 2,11 Gott als denjenigen vorstellt, der als Subjekt die Erwählung und Weihe der Naziräer vollzogen hat, sind die Naziräer in 2,12 mit der Partizipialform von ἁγιάζω, das vor allem in kultischen Texten des Pentateuch Verwendung findet,111 als die angesprochen, die durch die erfahrene Weihe als Geheiligte dem Profanen entzogen sind. Damit werden die im Gerichtswort angesprochenen Übeltäter als solche identifiziert, die mit der Verführung der Naziräer zum Weingenuss ein Sakrileg an Gottes heiligem Eigentum begangen haben. Im Gebrauch der beiden Begriffe ἁγιασμός und ἡγιασμένοι als Bezeichnung für Naziräer wird deutlich, welche große Nähe zwischen Naziräatsweihe und Kult in der Wahrnehmung der Übersetzer des Amosbuches bestand. Von der Deutung der Naziräer als geheiligtes Eigentum Gottes ist es dann nicht mehr weit zum Opferverständnis der geweihten Haare bei Josephus112 und der Interpretation derselben bei Philo als eine lebendige Opfergabe.113 1.1.5 Zusammenfassung Die Untersuchung der einschlägigen Texte zum Naziräat in der Hebräischen Bibel hat gezeigt, dass die Naziräatspraxis, wenngleich sie sicherlich ältere Vorformen besessen hat, erst in exilisch (Am 2) und später vermehrt in nachexilischer Zeit (Num 6; Ri 13.16) schriftlich nachweisbar ist. Dabei wurde offenkundig, dass sich die früher postulierte These einer Entwicklung des Naziräats „vom Charisma zum Gesetz“ mit Kamlah114 zu Recht als falsch erwiesen hat. 109 Vgl. Schart 2011: 2282–2283. 110 Vgl. Blass-Debrunner-Rehkopf § 109. Der Begriff ἁγιασμός lässt sich nur neun weitere Male in 𝔊 ausmachen, wo es zur Übersetzung von Begriffen und Phrasen gebraucht wird, die Opfergaben bzw. die Weihe derselben (Ri 17,3 [A]; Ez 22,8), den Status bzw. die Erlangung von Heiligkeit (2. Makk 2,17; 14,36; Ez 45,4; Sir 17,10; Jer 6,16; Sir 7,31) und den Tempel selbst (3. Makk 2,18) ausdrücken. 111 Vgl. die zusammengetragenen Belege bei Procksch 1957: 112–113. 112 Vgl. Ant 4,70–72; sowie die Ausführungen dazu unter 4 1.2.4.2. 113 Vgl. SpecLeg 1,247; sowie die Ausführungen dazu unter 4 1.2.3.1. 114 K amlah 2008.
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Das frühe charismatisch geprägte Naziräertum ist eine literarische Fiktion, die ihren Ursprung in der Simson-Gestalt von Ri 13.16 hat, in dem geistbegabtes Richteramt und Naziräat in einer Person miteinander verschmolzen sind. Dies betrifft außerdem die Vorstellung von einem ursprünglich existierenden Naziräat auf Lebenszeit. Diese Vorstellung ist aus den märchenhaften Strähnen des Simson entstanden, die bis kurz vor seinem Tode nicht ein einziges Mal während seines Lebens abgeschnitten wurden und die daraufhin den späteren Autor von Ri 13 dazu inspiriert haben, Simson als einen auf Lebenszeit geweihten Naziräer Gottes theologisch zu deuten. Der wohl umfangreichste Bericht zum Naziräat in der Hebräischen Bibel liegt in Num 6 vor, wo die Weihe zum Naziräer als Inauguration einer bedingten Selbstverpflichtung ( )נדרvorgestellt wird. Die durch priesterliche Hand zusammengetragenen Bestimmungen zur Weihe und Ausweihung eines Naziräers setzen in ihrer jetzigen Form den bestehenden Tempelkult in nachexilischer Zeit voraus. Aus den Naziräatsbestimmungen, die der priesterliche Autor aus einem Kanon bereits bestehender Reinigungs- und Opferriten entnommen hat, stechen als ursprünglich zur vorpriesterlichen Naziräatspraxis gehörig die Alkoholaskese – auch durch Am 2,11–12 bezeugt – und das Haarscherverbot, was sonst im priesterlichen Gesetz keine Parallele (vgl. aber Ez 44,20) und wohl eine Vorstufe in der Personenweihe des Samuel hat, heraus. Hinter der besonderen Akzentuierung auf die Wahrung der Kultfähigkeit des Naziräers, die ihm sogar in gleicher Weise wie dem Hohepriester das Berühren eines verstorbenen Familienangehörigen untersagt, wird man vielleicht eine intendierte Einbindung des Geweihten in kultische Dienste vermuten dürfen. Die Konzentration und strikte Einforderung der kultischen Reinerhaltung des Naziräers könnte auf ältere Tempelweihformen zurückgehen, wie sie im Fall der Weihe des Samuel in 1. Sam 1 (𝔐)115 in narrativer Verarbeitung noch durchscheinen. Das besondere Augenmerk auf die Kultfähigkeit des Naziräers wird dann in der 𝔊-Version von Num 6 noch einmal gesteigert, indem dort als Ziel und Zweck des Naziräats die Reinigung der weihewilligen Person angegeben wird. Die untersuchte Weihe Simsons in Ri 13–16 und Samuels in 1. Sam 1 (𝔐) und die Texterweiterungen in 4QSama und 1. Sam 1 (𝔊) lassen erahnen, warum der Naziräat gerade in den letzten Jahrhunderten vor der Tempelzerstörung ein so hohes Ansehen genoss. Die beiden Helden der Vergangenheit, Samuel und Simson, die in der Auseinandersetzung mit expansionsorientierten fremden Völkern in einer Linie als gottgeweihte Freiheitskämpfer – Simson 115 Vgl. 4 1.1.3.2.
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als einsamer Held gegen die drückende Macht der Philister und Samuel als der nach den Wirren der Richterzeit das Königtum in Israel instituierende Prophet – gezeichnet werden, sind ein Symbol für Gottes Wirkmächtigkeit in der Geschichte Israels, die er unter Zuhilfenahme auserwählter Persönlichkeiten aus der Mitte seines Volkes bewiesen hat. Nach einer solchen Wirkmächtigkeit wird man sich im Palästina der hellenistischen und der beginnenden römischen Epoche116 gesehnt haben, war man doch wieder, wie schon zur Richter- und zur frühen Königszeit, ein Spielball fremder Völker geworden. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Inauguration des Naziräats auch als eine Art Bereitschaftserklärung gegenüber Gott verstehen, mit der der Geweihte seine Bereitwilligkeit erklärte, an der Verwirklichung des göttlichen Willens und Heilsplans mitzuwirken. Der Naziräat in jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit 1.2 1.2.1 Der Naziräat in jüdischen Weisheitsschriften 1.2.1.1 Der Prophet Samuel im „Lob der Väter“ des Ben Sira (Sir 46,13) Der Weisheitslehrer Ben Sira117 kommt in einem großen von Sir 44,1–50,26 reichenden geschichtlichen Abriss über die Gnadenerweise Gottes und über das Wirken seiner auserwählten Diener auch auf das Leben des Propheten Samuel zu sprechen. Der Siracide und sein Werk sind an dieser Stelle deswegen von besonderem Interesse, weil in der mittelalterlichen Handschrift B XVIr 12 aus der Kairoer Geniza Samuel wie schon in 4QSama ii a 3 (1. Sam 1,22) als נזירbezeichnet wird.118
116 Vgl. Donner 1986: 439–465; Berlejung 2010: 178–192; Tilly und Zwickel 2011: 113–137. 117 Die Weisheitsschrift Ben Sira ist am Beginn des 2. Jh. v.u.Z. verfasst und im Jahr 132 v.u.Z. von seinem Enkel ins Griechische übersetzt worden. Die Schrift ist eine Sammlung aus traditionellen Weisheitssprüchen, Mahnreden, Gedichten über die Weisheit (z.B. 14,20– 15,8 und 24,1–34), Hymnen über Gottes Schöpfungstaten (42,15–43,33), einem Lob über die Väter (44,1–50,26) sowie Gebeten und Bekenntnissen (51,1–30). Eine Behandlung der Einleitungsfragen, eine Übersicht über relevante Forschungsliteratur zum Werk und eine Besprechung zentraler Themen des Buches bieten Skehan 1987: 3–127; Sauer 2000: 7–35; 2013 und Siegert 2016: 141–156. 118 Ob der Verweis auf Samuel als נזירauch im antiken Ben Sira zu finden war, ist damit freilich noch nicht gesagt. Unter den in Masada und Qumran gefundenen Fragmenten zur Weisheitsschrift ist der entsprechende Vers 46,13 nicht erhalten geblieben. Die PeschittaVersion könnte mit ܢܙܝܪܐein Zeuge dafür sein, dass die Bezeichnung Samuels als נזיר bereits in antiken hebräischen Handschriften vorhanden war.
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B XVIr 11–13
Sir 46,13 𝔊 13 ἠγαπημένος ὑπὸ κυρίου αὐτοῦ Σαμου ηλ προφήτης κυρίου κατέστησεν βασι λείαν καὶ ἔχρισεν ἄρ χοντας ἐπὶ τὸν λαὸν αὐτοῦ
Ms 7a1 236r. b119
11 Er liebte sein Volk und (war) wohlgefällig (vor) seinem Schöpfer, der vom Leib seiner Mutter Erbetene. 12 Dem Herrn abgesondert im prophetischen Dienst (נזיר ייי )בנבואה121 war Samuel ein Richter und einer, der den Priesterdienst verrichtete. 13 Auf Geheiß Gottes hin setzte er (die) Königsherrschaft ein und er salbte (Thronanwärter zu) Fürsten über (das) Volk.
13 Geliebt von seinem Herrn setzte Samuel, der Prophet des Herrn, das Königtum ein und salbte Herrscher über sein Volk.
Und geliebt von seinem Schöpfer, der vom Leib seiner Mutter erbeten wurde, ein Geweihter durch Prophezeiung, war Samuel ein Richter und Priester. Durch sein Wort wurde das Königtum gegründet und er salbte Herrscher und Könige für das Volk.
אוהב עמו ורצוי עושהו11 נזיר ייי12 המשואל מבטן אמו בנבואה שמואל שופט ומכהן אל הכין ממלכת120 בדבר13 וימשח נגידים על עם
ܘܪܚܝܡ ܠܒܪܝܗ ܡܢ236r. b ܕܐܫܬܐܠ ܡܢ ܟܪܣܗ ܕܐܡܗ܂ ܢܙܝܪܐ ܒܢܒܝܘܬܐ ܿ ܫܡܘܐܠ ܕܝܢܐ ܘܟܗܢܐ܂ ܕܒܡܠܬܗ ܬܩܢܬ ܡܠܟܘܬܐ ̈ ̈ ܘܡܠܟܐ ܫܠܝܛܢܐ ܘܡܫܚ ܠܥܡܐ܂
Das Summarium zur Vita Samuelis nimmt Bezug auf verschiedene Etappen des Wirkens und Waltens Samuels. Die durch einzelne Stichworte hergestellten Allusionen erinnern an das Gelübde der Hanna in 1. Sam 1,20 ()המשואל מבטן, an Samuels Prophetenamt in 1. Sam 19,20 ()נזיר ייי בנבואה, an sein Richteramt in 1. Sam 7,6.15 ()שופט, an seine priesterlichen Funktionen in 1. Sam 7,7–10 ()מכהן, 119 Da die syrische Übertragung der Weisheit des Ben Sira an bestimmten Stellen den hebräischen Handschriften und der griechischen Übertragung des Buches gegenüber zu bevorzugen ist, wird diese hier ebenfalls geboten (vgl. dazu Calduch-Benages, Ferrer und Liesen 2003: 38 und Rizzi 2008: 280–282). 120 Abegg URL: http://www.bensira.org/navigator.php?Manuscript=B&PageNum=31 (30.08. 2019) transkribiert „( נביא אל הכין ממלכתals Prophet Gottes setzte er die Königsherrschaft ein“). 121 Eine ähnliche Formulierung über Josua findet sich in Sir 46,1 mit משרת משה בנבואה („Diener des Mose im Prophetendienst“).
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an die Inauguration des Königtums in 1. Sam 9,14–10,16 ()הכין ממלכת, an die Salbung Sauls in 1. Sam 10,1 und die Salbung Davids in 1. Sam 16,12–13 (וימשח נגידים )על עם. Im Verweis auf seine Ausführung des prophetischen Amtes wird Samuel nicht einfach als נביאvorgestellt, sondern geradezu in herausragender Weise als ein נזיר ייי. Wie Ben Sira den Begriff inhaltlich gefüllt wissen will, ist aufgrund der Kürze der Notiz unklar, sodass man auch nicht ohne Weiteres davon ausgehen kann, dass es sich hier um die zum terminus technicus gewordene Bezeichnung für einen durch das Naziräatsgelübde geweihten Mann handeln soll. In der uns in MS 7a1 überkommenen syrischen Übersetzung des Weisheitsܿ ܒܢܒܝܘܬܐ ܫܡܘܐܠ122 ܢܙܝܪܐeine zu buches des Ben Sira ist mit ܕܝܢܐ ܘܟܗܢܐ B XVIr 12 äußerst nahe Übertragung bezeugt. In der Vorlage der griechischen Übersetzung fehlt entweder die Phrase נזיר יייoder der Übersetzer hat gänzlich auf die Übertragung derselben verzichtet und damit den Weihe- bzw. Erwählungsstatus unbestimmt gelassen. Dass Samuel dem Übersetzer zufolge zum Naziräat ܒܢܒܝܘܬܐbestimmt wurde, ist ein Novum, dass so in expliziter Weise in keiner anderen Überlieferung über Samuel bezeugt ist. War dem Übersetzer נבואהallein in der Bedeutung „Prophezeiung“ geläufig, wie der Begriff nach Neh 6,12 auch ohne weiteres verstanden werden konnte, oder spiegelt sich in der Übersetzung etwa Traditionsgut aus der Zeit des Zweiten Tempels wider, nach dem Hanna selbst wie in Philos, Somn 1,254 zur Prophetin erhoben wurde und in dieser Kapazität auch ihren noch ungeborenen Sohn zum Naziräer bestimmte? Vielleicht aber – und dies scheint mir wahrscheinlicher – spielt ܒܢܒܝܘܬܐauch auf Elis Ausspruch ואלהי ישראל יתן את שלתך אשר שאלת מעמו („und der Gott Israel möge/wird dir deine Bitte erfülle, die du von ihm erbeten hast“) in 1. Sam 1,17 an, der entweder als Segenswort oder Orakel interpretiert werden kann. Ähnlich wie Samuel der נזיר יייwird auch Simson in Ri 13,5.7 und 16,17 als נזיר אלהיםbezeichnet. Die Constructus-Verbindung weist ihn als Gott zugehörig aus. Anders als Simson ist Samuel jedoch nicht schon vor seiner Geburt von Gott auserwählt und berufen, sondern erst nach seiner Geburt erbeten und Gott übergeben ()משואל, weil er von seiner Mutter im Gelübde Gott versprochen wurde. Denkbar wäre, dass die Näherbestimmung seines נזיר-Status mit בנבואהweniger ein Indiz für einen lebenslänglichen Naziräat ist,123 als 122 Wie der wohl irgendwann im 3. Jh. u.Z. wirkende Übersetzer (vgl. Weitzman 1999: 258) das נזירseiner Vorlage verstanden hat, ist schwierig zu beurteilen. Neben ܢܙܝܪܐals terminus technicus für den geweihten Naziräer kann der Begriff im Syrischen auch die Bedeutung „heilig“ oder „angelobt“ tragen (vgl. Sokoloff 2009: 905). 123 Wenn die Rede vom נזיר יייwirklich von 1. Sam 1,11 her motiviert ist, wie verschiedentlich angenommen wurde (vgl. z.B. Skehan 1987: 518), warum hat der Siracide dann anstelle vom המשואל מבטן אמוnicht gleich vom נזיר מבטן אמוgesprochen?
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vielmehr für die besondere Erwählung124 des Samuel zum Propheten in einer Zeit steht, in der die Stimme Gottes fast erloschen war und Visionen kaum geschaut wurden (1. Sam 3,1).125 In dieser Zeit, so berichtet 1. Sam 3,2–10.20, wird Samuel im Knabenalter zum Propheten für den Herrn ( )לנביא ליהוהvor ganz Israel bestellt.126 Vielleicht wäre aber dann für ein solches Verständnis eher die Bezeichnung „( נזיר עמוein Abgesonderter [aus] seinem Volk“) zu erwarten gewesen. Zusammenfassend bleibt nur zu sagen, dass die Wortwahl der Handschrift B XVIr 12 keine eindeutige Entscheidung für oder gegen eine Deutung von נזירals terminus technicus einer das Naziräat begleitenden Person zulässt. Der Spott des Toren über das Fasten des Naziräers in der Weisheitsschrift aus der Kairoer Geniza (WKG) Eine weitere weisheitliche Stimme, die in ihren Sentenzen den נזירzur Sprache bringt, ist die 1896 entdeckte „Weisheitsschrift aus der Kairoer Geniza“ (fortan WKG). Die Datierung von WKG ist seit der ersten Auflage der Edition von K. Berger127 und der von ihm dort vorgeschlagenen zeitlichen Einordung an den Anfang des 2. Jh. u.Z. ein vieldiskutiertes Problem. H. P. Rüger hatte als erster Bergers Datierung in Frage gestellt128 und aufgrund gedanklicher Nähen zum spanischen Gelehrten Bahya b. Joseph b. Paquda eine Abhängigkeit WKGs von selbigem und damit eine Abfasssungszeit im 12. Jh. postuliert.129 Aufgrund sprachgeschichtlicher Indizien hatte wiederum G. W. Nebe, der WKG 1.2.1.2
124 So auch Tsevat 1992: 200. 125 Eine vergleichbare Anwendung der Bezeichnung נזירwird in Gen 49,26 und Dtn 33,16 mit Bezug auf Josef gebraucht, wobei dessen besondere Erwählung und das Herausgehobensein aus dem Kreis seiner Brüder mit der Wendung נזיר אחיוausgedrückt wird. 126 Ähnlich zurückhaltend ist Tsevat 1992: 199–200. Eher positiv, Ben Sira hätte Samuel als einen Naziräer ausweisen wollen, äußern sich Segal 1958: 321; Pisano 1984: 21; Skehan 1987: 518; Chepey 2005: 40–42 und Shemesh 2019: 17. 127 B erger 1989; 2. Aufl. 1996. 128 Vgl. Rüger 1991: 1–19. 129 Die Parallelen zwischen WKG und der rabbinischen Literatur, die Rüger 1991: 7–9 versammelt hat, um eine literarische Abhängigkeit der WKG vom rabbinischen Schrifttum und damit eine Entstehung der Weisheitsschrift in gaonäischer Zeit zu begründen, sind keineswegs zwingend nur in eine Richtung zu deuten. Da es sich um kurze weisheitliche Sentenzen und Sprichwörter handelt, könnte ein Teil der Parallelen auch auf mündliche Formen weisheitlicher Spruchüberlieferung zurückgehen. Es entsteht der Eindruck, dass Rüger sein Urteil zur Richtung der literarischen Abhängigkeit allein vor dem Hintergrund der großen rezeptionsgeschichtlichen Bedeutung des rabbinischen Schrifttums im Mittelalter gefällt hat. Dass das weisheitliche Spruchgut eines Werkes wie WKG, das nur in einer Handschrift vorliegt und das sonst bei keinem weiteren antiken oder mittelalterlichen Autor explizit Erwähnung gefunden hat, auch umgedreht seine Spuren im rabbinischen Schriftencorpus hinterlassen haben könnte, scheint für Rüger ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.
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als piyyut-ähnliche Dichtung verstanden wissen wollte,130 die Weisheitsschrift in die Zeit zwischen 553 und 636 u.Z. datiert.131 Zu einem ähnlichen Urteil kommt auch A. Hayman, der WKG in die zweite Hälfte des 1. Jahrtausends u.Z. datiert.132 Er macht aber zu Recht darauf aufmerksam, dass die Datierung einer Schrift auf der Grundlage nur einer Handschrift nichts weiter als die Datierung einer Momentaufnahme sein kann.133 So gesehen könnte die WKG in ihrer jetzigen Form die überarbeitete Fassung eines älteren Werkes sein und die sprachlichen Eigenheiten, die Rüger und Nebe als Anhaltspunkte für die Datierung der Schrift ins Auge gefassten haben, nur als Schreibergewohnheiten eines mittelalterlichen Kopisten anzusprechen sein. Da die Lösung der schwierigen Datierungsfrage hier freilich nicht geleistet werden kann, soll an dieser Stelle nur gefragt werden, inwieweit sich die weisheitliche Stimme zum Naziräer in WKG 5,1–3 in den Chor antik-jüdischer Stimmen zum Naziräat einfügen lassen könnte. WKG 5,1–3 ist eingebettet in einen von WKG 4,1 bis 7,10 reichenden Abschnitt über den Weg des Toren voller Spott und Genusssucht und den Weg des Gerechten voller Entbehrung, der Freude an der Tora und der Liebe zu Gott. Die Situation, mit der sich der WKGAutor und mit ihm die Gerechten Israels konfrontiert sehen, ist geprägt vom Schmerz über die Zerstörung des Tempels und von der Trauer über den in Vergessenheit geratenen Zion (6,11). Anstatt sich nach Jerusalem zu richten und dort den Wiederaufbau des Tempels zu erhoffen, haben die Toren ihre eigenen Tempel erbaut (6,10).134 Anstatt sich mit einem demütigen, gebrochenen und traurigen Herzen dieser Not (4,6) bewusst zu werden, gehen sie den Geschäften der Welt nach und geben sich der Begierde, der Unzucht sowie Speise und Trank hin (4,11–12). Für den Naziräer, der sich nach 5,3 dieser Begehrlichkeiten entledigt hat, haben sie nur Spott übrig. ]
צדיק עיניו יזהר מעשות און ויכבש [יצרו1 ] כנזר מתאוה וחמה ואויל יחרף וי[גדף2 135] אויל יליץ צום נזיר וישבח תאבת [עולם3
130 Berger 1992: 415 Anm. 14 lehnt eine Identifizierung von WKG als Piyyut aufgrund des Mangels formaler Piyyut-Charakteristika wie Alphabetismus, Reimen und Stichwortdopplungen ab. 131 Vgl. Nebe 1993: 406. 132 Vgl. Hayman 1993: 155. 133 Vgl. Hayman 1993: 155. 134 Darf man hierin vielleicht eine Kritik an der Substitution des Tempels durch die Synagoge sehen? Wie Votivinschriften in Synagogen zeigen (vgl. dazu oben 3 2.3.1), wurde Dtn 12,6, Opfer, freiwillige Gaben und Gelübde allein am Jerusalemer Tempel darzubringen, nicht mehr rigide befolgt, sondern auch auf die Gebetshäuser der Diaspora ausgeweitet. 135 Statt ] תאבת [עולםrekonstruiert Berger ]„( חמודות [הגויםdie Begehrlichkeiten [der Heiden]“).
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1 Die Augen eines Gerechten136 lassen sich vor dem Tun (von) Frevel warnen und er unterwirft seinen (Trieb ]. 2 wie einer, der sich von Lust und Zorn enthält. Doch der Tor schmäht und höhnt. 3 Der Tor verspottet das Fasten des Naziräers und lobt das Verlangen (der Welt). Im Gegenüber von Toren und Gerechten wird der Naziräer als Sinnbild für den gegen den Gerechten gerichteten Spott vorgestellt. Sein Genussverzicht ist angesichts der Annehmlichkeiten, die die Völker der Welt zu bieten haben, für den Toren ein Grund des Spotts.137 Vorbildhaft ist er dagegen für den Gerechten in seinem Verzicht auf Wein und Rauschtrank,138 die nur dazu führen, Sünde zu mehren, Erkenntnis und Erziehung zu verabscheuen und Gottesfurcht zu verachten (5,7–9). Ihr Lohn sind Torheit, Tod und Feindschaft gegen die Weisheit (5,7.11–12).139 Sich wie ein Naziräer den Begehrlichkeiten zu entziehen und zu fasten, bedeutet auch, der Sünde zu entkommen und seinen Trieb zu bezwingen.140 Dass der eigentlich nach Num 6,3 allein vom Naziräer geforderte Alkoholbzw. Speiseverzicht hinsichtlich der Erzeugnisse des Weinstocks in WKG 5,3, in dessen Kontext zur Absage an Genuss und Begierde und zum demütigen und trauernden Nachsinnen über den Untergang „Josephs“141 aufgerufen wird, 136 ק צדיsteht über עיניו. Berger 1996: 239 hält צדיקfür eine Ergänzung, die in den Text eingetragen wurde, um עיניוzu ersetzen. Bergers Einschätzung ist allerdings von dem Urteil geleitet, dass das „Warnen der Augen“ keinen Sinn ergeben würde. In diesem Zusammenhang ist allerdings auf „das Auge als Sitz personaler Wahrnehmung und Erkenntnis“ (Stendebach 1989: 35) aufmerksam zu machen. In Spr 4,25 warnt die weisheitliche Stimme vor dem Abirren des Blickes, und in Ps 119,37 bittet der Psalmdichter darum, dass Gott seinen Blick von der Betrachtung eitler Dinge abwende. Da weisheitliche Diskurse zu Fragen der Erkenntnis im antiken Israel auf die Unterweisung gerechten und gottesfürchtigen Handelns ausgerichtet sind, wird man in WKG 5,1 eine Nachahmung weisheitlicher Motivik sehen dürfen. 137 Vgl. dazu den Spott gegen den fastenden Beter in Ps 109,24–25. 138 So wird man die wiederholte Nennung von יין ושכרsowie ייו ושכרותin WKG 5,10–12, die an die Alkoholverzichtsbestimmung der Naziräer aus Num 6,3 erinnert, deuten dürfen. 139 Eine ganze Liste an traditionsgeschichtlichen Parallelen zur jüdischen Polemik gegen den Weingenuss bietet Berger 1996: 250. 140 Die Wirksamkeit des Naziräats gegen den menschlichen Trieb kennt auch tNaz 4,7. 141 Die Wendung שבר יוסףdürfte in Anlehnung an Am 6,6 gewählt sein. Dort beklagt der Prophet, wie die reiche Oberschicht lieber im Luxus von Wein, Öl, fetten Speisen und Musik schwelgend ihre Gedanken zerstreut als ihren Sinn darauf zu richten, den Untergang des Nordreiches zu verhindern. Als Strafe müssen sie an der Spitze der Deportierten ihr Heimatland verlassen (Am 6,7). Zum geschichtlichen Hintergrund des Amosbuches vgl. Schmid 2010: 388–389. Berger 1996: 209 vermutet, der WKG-Autor gebrauche „den
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als ein Fasten ( )צוםverstanden wird, mag überraschen. Weder die biblischen Naziräer-Texte noch irgendein anderer in diesem Kapitel behandelter jüdischer Text aus hellenistisch-römischer Zeit drücken dies so in expliziter Weise aus. Biblisch belegt meint צוםeigentlich die durch Notsituationen motivierte Entsagung von Speise und Trank für eine begrenzte Zeit von Tagen,142 in denen der Verzicht verbunden mit selbsterniedrigenden Handlungen und Gebet als eine Buß- und Trauerpraxis angesehen wurde.143 Ein solches Verständnis des Begriffs würde gut zur in WKG 4,1–7,10 geschilderten Notsituation und zum dortigen Aufruf, seine Liebe nicht an Essen und Trinken zu hängen, passen (6,17).144 Sollte Bergers Rekonstruktion ]„( חמודות [הגויםBegehrlichkeiten [der Heiden]“) in WKG 5,3, zu denen sich die Toren eher hingezogen fühlen und deswegen die Naziräer für ihr Fasten mit Spott belegen, der Richtigkeit entsprechen, mag man vielleicht an „( לחם חמדותleckere Speise“) aus Dan 10,3 denken dürfen, von der sich der Prophet Daniel zusammen mit Wein, Fleisch und Öl während seines Fastens enthält. Mit Bezug auf den fastenden Naziräer stellt sich die Frage, ob der WKG-Autor hier bei seinen Adressaten wirklich die Kenntnis des biblischen Bedeutungsspektrums von צוםabrufen wollte und Namen Joseph als Identifikationssymbol“ für die jüdische Diaspora in Ägypten, da diese in der Gestalt des bis in oberste Würden der ägyptischen Verwaltung aufgestiegenen Joseph (Gen 37–50) den Prototyp eines frommen und gottesfürchtigen Lebenswandels in der Diaspora sahen. So gesehen wäre dann auch der Autor der Weisheitsschrift in der ägyptischen Diaspora beheimatet gewesen. Müsste man aber dann nicht auch annehmen, dass mit der Trauer über den Untergang Josephs ( )שבר יוסףder Untergang der jüdischen Diaspora in Ägypten angesprochen wäre. Wenn man aber in שבר יוסףeinen Rückblick auf den Aufstand des nordafrikanischen Diasporajudentums um 115–117 u.Z. sehen würde, dann würde der Autor aber WKG sicher nicht in Ägypten verfasst haben. Dass sich mit dem Verweis auf den „Untergang Josephs“ gerade das ägyptische Diasporajudentum angesprochen fühlen sollte, ist für meine Begriffe eher fraglich. Es scheint mir eher wahrscheinlich, dass der Weisheitslehrer hinter WKG im Angesicht der Katastrophe der Tempelzerstörung in gleicher Weise wie auch Amos denselben verschwenderischen und maßlosen Lebensstil anprangern möchte, der nicht nur zur Katastrophe geführt hat, sondern auch noch mit seiner Fortsetzung eine Besserung der Umstände verhindert. Den historischen Bezug von שבר יוסףwill der Weisheitslehrer freilich aktualisiert auf Jerusalem und seinen Tempel und nicht mehr auf das Nordreich verstanden wissen. Mit dem Gebrauch biblisch-prophetischer Phraseologie will der WKG-Autor die Aktualität und Verlässlichkeit seiner Worte und die des Propheten untermauern. 142 Vgl. Est 4,16. 143 Vgl. 2. Sam 12,16; 2. Chron 20,3; Esra 8,21; Neh 9,1–3; Est 4,3; Ps 35,13; 109,22–24; Jes 58,5; Dan 9,3; ferner Test Rub 1,10. 144 Dass der Naziräat als eine Form asketischer Fastenpraxis angesprochen werden kann, bezeugt die rabbinische Literatur erst in talmudischer Zeit. Paradebeispiel dafür ist bNed 10a, wo der freiwillige Entzug von Wein als ein sündigen gegen die eigene Seele des Naziräers gedeutet wird.
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den Naziräat als einen mit Speise- und Alkoholverzicht verbundenen Bußakt ausweisen, oder ob er mit der Nennung des weithin hochgeschätzten Naziräats in etwas unsachgemäß historisierender Weise die Kontrastierung zum sich durch Liebe zum Essen und Trinken auszeichnenden Lebenswandel der Toren verstärken wollte. K. Berger hat die Weisheitsschrift aus der Kairoer Geniza nach der ersten Deutungsvariante verstanden und dafür flankierend eine Reihe von Texten aufgeführt, in denen Asketen anscheinend mit einer vom Begriff נזירabgeleiteten Gruppenbezeichnung benannt wurden.145 Zuerst führt er die Gestalt des Jeremia in der arabischen Version146 der Geschichte der babylonischen Gefangenschaft auf, in der der mit Nazaräer angesprochene Prophet Jeremia als asketischer Bußprediger auftritt.147 Des Weiteren nennt er die bei Epiphanius in seinem zwischen 374 und 377 u.Z.148 verfassten Panarion genannten Νασαραῖοι,149 die als jüdische Sekte die Beschneidung pflegten, sich an Sabbate und alle Feste hielten (18,1,1–2) und auf den Verzehr von Fleisch verzichteten (18,1,4). Die Gruppe habe angeblich schon vor dem Auftreten Jesu existiert (29,6,1).150 Zu nennen wäre an dieser Stelle auch der nach Berger als bußfertiger Naziräer gezeichnete Herrenbruder Jakobus,151 der nach der Darstellung des Hegesipp152 (Eusebius, Historia ecclesiastica II 23,4–18) neben dem Alkoholverzicht auch auf Fleisch verzichtete und zum Zeugnis der Buße für sich und das Volk als Zeichen der Selbstminderung auf Salböl und Bad verzichtete. Ferner berichtet Hegesipp, dass Jakobus seine Zeit so häufig im Tempel betend auf Knien zugebracht habe, dass diese so hart wie Kamelknie geworden waren.153
145 Vgl. Berger 1996: 242. 146 Berger hat versehentlich angenommen, die von Amélineau 1888 besorgte Übersetzung hätte die koptische Version der Erzählung als Grundlage gehabt. 147 Vgl. Amélineau 1888: 101.132–133. 148 Vgl. Weisser 2016: 140. 149 In der auf das Proömium des Panarions folgendenen Anacephalaeosis (19,1), die als Zusammenfassung wohl nicht von Epiphanius stammt (vgl. Williams 2009: xxii), wird Νασαραῖοι mit ἀφηνιασταί („Rebellen“) übersetzt. 150 Gärtner 1957: 20–36 möchte sie als Essenergruppe identifizieren. 151 Vgl. Berger 1996: 326. 152 Die Hypomnemata des Hegesipp, aus denen sich Eusebius hier bedient hat, stammen aus den letzten Lebensjahren des Hegesipp und dürften wie meist angenommen um 180 verfasst worden sein. 153 Die Wein- und Rauschtrankaskese des Täufers in Lk 1,15, die nach Berger 1996: 242 einem naziräischen Ideal entspräche, muss hier als ein möglicher weiterer Zeuge entfallen, da, wie unten noch zu zeigen sein wird, der Alkoholverzicht des Johannes nicht durch einen lebenslänglichen Naziräat, sondern nach der Darstellung des Lukas eher durch seine priesterlich-prophetische Mission begründet ist.
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Allen von Berger zusätzlich zu WKG genannten Texten haftet das Manko ihrer späten Abfassung, ihrer christlichen Herkunft und der vor allem am Beispiel des Herrenbruders Jakobus deutlich werdenden Legendenbildung an. Inwieweit die Auskunft des Epiphanius am Ende des 4. Jh. über die Νασαραῖοι wirklich einer verlässlichen Tradition aus der Spätzeit des Zweiten Tempels entspringt, ist äußerst fraglich. Sollte der Naziräat wirklich nach der Tempelzerstörung sowohl in jüdischen Gruppen als auch im Raum der Kirche fortbestanden haben, dann muss man unweigerlich schon vor dem Hintergrund der Unmöglichkeit seiner Auslösung von einer Umdeutung und Umwandlung desselben ausgehen bzw. als einzig praktizierbare Form den lebenslänglichen Naziräat annehmen. Dass sich mit der Alkoholaskese der Naziräer auch später biblisch begründend eine Speiseaskese verbinden konnte, wird vielleicht vor dem Hintergrund des in Ri 13,4 an die Mutter Simsons ergangenen Verzehrverbots von unreinen Speisen, dessen Gültigkeit man sicher auch auf den Naziräer Simson übertragen sah, verständlich. Im Fall der jüdischen Rezeption des Naziräats nach 70 u.Z. wird aus der Not dreier verlorener Aufstände und dem Verlust des Tempels heraus dann auch nachvollziehbar, wie der mit zeitlich befristeten Askese- und Heiligkeitskonzeptionen verbundene Naziräat seine Anziehungskraft behalten konnte und wie er vor dem Hintergrund bestehender Fastenvorstellungen für die Bußpraxis neu fruchtbar gemacht wurde. Der Umstand, dass das Wachsenlassen der Haare ein in der Antike bekannter Ausdruck des Trauerns war,154 könnte ebenfalls als ein positiver Impuls zur Rezeption des Naziräats als Buß- und Trauerpraxis angesprochen werden. Für christliche Asketen155 dürfte eine Inbeziehungsetzung der eigenen Gruppe zu den heiligen Naziräern des Alten Testaments und ihrer Alkoholaskese in gewisser Weise eine Legitimierung bedeutet haben, auf der man das eigene Ideal der Enthaltsamkeit begründen konnte, was sicher mit Bezug auf die Identifizierung mit neutestamentlichen Vorbildern, die wie Jesus156 oder Paulus157 der dauerhaften Speiseaske eher abgeneigt waren, schwerlich möglich war. Ferner wird man auch davon ausgehen dürfen, dass sich diese Gruppen bei der Rezeption der biblischen Naziräer auch gegenseitig beeinflusst haben. Der Wandel vom Naziräat als Reinheitsgelübde zur Zeit des Zweiten Tempels,158 hin zu
154 Vgl. z.B. kopt. Jeremia-Apokryphon 30 und tMQ 2,2.8. 155 Zum Ursprung frühchristlicher Askese vgl. Heussi 1936: 13–15; Gribomont 1979: 204–225. 156 Vgl. Mt 11,19. 157 Für Paulus ist der Verzehr von Fleisch und Wein grundsätzlich unbedenklich. Allein mit Rücksicht auf die Schwachen in der Gemeinde kann er bei gemeinsamer Mahlgemeinschaft zum Verzicht auf beides aufrufen (vgl. Röm 14,2.20–21). 158 Vgl. oben 4 1.1.2.
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einer Buß- und Fasteninstitution ist ein Phänomen der nachneutestamentlichen Zeit, das sich bis in die Spätantike hinein weiterentwickelt hat. 1.2.2 1.2.2.1
Der Naziräat in jüdischen Geschichtswerken Das Problem der Naziräatsausweihung angesichts der Entweihung des Jerusalemer Tempels in 1. Makk 3,46–53 Das 1. Makkabäerbuch als „propagandistische Heldengeschichte“, wie es von M. Tilly159 unter Verweis auf G. O. Neuhaus160 genannt wird, berichtet vom missglückten Versuch eines prohellenistischen Teils der Priesteraristokratie, Jerusalem mit Unterstützung des Antiochus IV. Epiphanes in eine griechische Polis zu verwandeln, und vom geglückten Aufstieg der Makkabäerbrüder von Führern einer Antihellenisierungsbewegung zur Erlangung der Königs- und Hohenpriesterwürde.161 In den im Buch berichteten Kriegswirren wird zu Beginn der Auseinandersetzungen mit der Erhebung des Judas Makkabäus zum Heerführer und seinen ersten militärischen Erfolgen in 1. Makk 3,45 ein Blick auf die zur Polis umzugestaltende Stadt Jerusalem und ihren Tempel geworfen. In den Augen des Buchautors wird der Tempel als niedergetreten und die Stadt als leer, von allen Judäern beraubt und als eine Behausung für Heiden beschrieben, in der weder Freude noch Flötenspiel zu hören war. Der rechtmäßige von der Tora geforderte Opferkult am Tempel war zum Erliegen gekommen. Über die Auswirkungen, die die Abrogation der Kultvorschriften der Tora für jene toratreuen Judäer, die sich nicht mit den Hellenisierungsbestrebungen arrangieren wollten, hatte, erfahren wir im anschließenden Abschnitt 1. Makk 3,46–53 Folgendes: 46 καὶ συνήχθησαν καὶ ἤλθοσαν εἰς Μασσηφα κατέναντι Ιερουσαλημ ὅτι τόπος προσευχῆς ἦν ἐν Μασσηφα τὸ πρότερον τῷ Ισραηλ 47 καὶ ἐνήστευσαν τῇ ἡμέρᾳ ἐκείνῃ καὶ περιεβάλοντο σάκκους καὶ σποδὸν ἐπὶ τὴν κεφαλὴν αὐτῶν καὶ διέρρηξαν τὰ ἱμάτια αὐτῶν 48 καὶ ἐξεπέτασαν τὸ βιβλίον τοῦ νόμου περὶ ὧν ἐξηρεύνων τὰ ἔθνη τὰ ὁμοιώματα τῶν εἰδώλων αὐτῶν 49 καὶ ἤνεγκαν τὰ ἱμάτια τῆς ἱερωσύνης καὶ τὰ πρωτογενήματα καὶ τὰς δεκάτας καὶ ἤγειραν162 τοὺς 159 Vgl. Tilly 2015c: 43. 160 Neuhaus 1974: 116. 161 Zur Rekonstruktion und Darstellung der geschichtlichen Ereignisse vgl. Schäfer 2010: 31–96. 162 Zur Szene der Darstellung der vor Gott bereitstehenden Opfer und Opferwilligen enthält die Minuskelhandschrift 55 eine interessante Textabweichung. Statt die Naziräer der Menge und Gott vorzuführen, werden ihnen dort die Haare ἔκειραν („abgeschoren“). Dies muss freilich noch nicht bedeuten, dass damit auch der vollständige Ausweihungsritus mit der Darbringung der Ausweihungsopfer gemeint gewesen war, da das Scheren
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ναζιραίους οἳ ἐπλήρωσαν τὰς ἡμέρας163 50 καὶ ἐβόησαν φωνῇ εἰς τὸν οὐρανὸν λέγοντες τί ποιήσωμεν τούτοις καὶ ποῦ αὐτοὺς ἀπαγάγωμεν 51 καὶ τὰ ἅγιά σου καταπεπάτηνται καὶ βεβήλωνται καὶ οἱ ἱερεῖς σου ἐν πένθει καὶ ταπεινώσει 52 καὶ ἰδοὺ τὰ ἔθνη συνῆκται ἐφ᾽ ἡμᾶς τοῦ ἐξᾶραι ἡμᾶς σὺ οἶδας ἃ λογίζονται ἐφ᾽ ἡμᾶς 53 πῶς δυνησόμεθα ὑποστῆναι κατὰ πρόσωπον αὐτῶν ἐὰν μὴ σὺ βοηθήσῃς ἡμῖν 46 Und sie versammelten sich und kamen nach Massepha gegenüber von Jerusalem, denn Israel hatte in Massepha vormals einen Ort des Gebets. 47 Und sie fasteten an jenem Tag und warfen Sacktuch über und auf ihr Haupt Asche und zerrissen ihre Kleider. 48 Und sie breiteten die Buchrolle des Gesetzes aus, so wie die Völker die Bilder ihrer Götzen zu befragen versuchen. 49 Und sie brachten die Gewänder der Priesterschaft, die Erstlingsfrüchte und die Zehnten herbei und sie ließen die Naziräer aufstehen, die ihre Tage erfüllt hatten. 50 Und sie schrien mit lauter Stimme zum Himmel: Was sollen wir mit diesen tun und wohin sollen wir sie bringen? 51 Denn dein Heiligtum ist unter Füßen zertrampelt und entweiht und deine Priester sind in Trauer und Erniedrigung. 52 Und siehe, die Völker haben sich gegen uns versammelt, uns zu vertreiben. Du weißt, welche Pläne sie gegen uns hegen. 53 Wie soll es uns möglich sein, vor ihrem Angesicht zu widerstehen, wenn du uns nicht hilfst. Die Stätte für den Bittgottesdienst in Massepha gegenüber Jerusalem und seinem Heiligtum scheint weise gewählt. Der Text weiß selbst davon zu berichten, dass sich Israel hier vor Zeiten zu Gebet und Gottesdienst zu versammeln pflegte.164 Fastend, in Sack und Asche gekleidet kommt die Menge zusammen und führt Gott vor, wie bereitwillig sie ist, ihm mit Opfern zu dienen, sich dazu aber aufgrund der Entweihung des Tempels außerstande sieht. Neben der Haare auch losgelöst von den Opfern am Tempel außerhalb Jerusalems zulässig war. Sachlogisch stellt die Variante damit kein Problem dar. Metonymisch, als stehe κείρω wie z.B. גלחin tNaz 2,4–6 oder ξυράομαι in Ant 19,294 für das gesamte Ausweihungsritual, wird man die Lesart nicht deuten dürfen. Es ist ja eben die Klage der zum Gottesdienst Versammelten, dass man im Fall der vorgeführten Gaben und der Naziräer nicht weiß, wie mit ihnen verfahren werden soll. Zu mehr, als Gott ihre Opferbereitschaft vorzuführen, sehen sich die Versammelten nicht im Stande. Die Lesart ἔκειραν dürfte dennoch wegen ihrer Singularität und wegen des Verdachts auf einen zugrundeliegenden Hörfehler im Diktat, bei dem der Schreiber einerseits die Vokale η und ε und andererseits die Plosive γ und κ verwechselte, nicht ursprünglich sein. 163 Die Formulierung steht in Entsprechung zur Wendung πληρώσῃ ἡμέρας aus Num 6,13. 164 Vgl. 1. Sam 7,5–9 und 10,17–25; sowie die literarische Verarbeitung der Erzählung bei Josephus in Ant 6,24 (siehe oben 3 2.2.2.1).
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Erstlings-165 und Zehntgaben werden Gott auch Naziräer vorgeführt, die die Tage ihres Gelübdes erfüllt und auf ihre Ausweihung am Tempel gehofft hatten. Die Nennung der Erstlingsfrüchte lässt erahnen, dass das Ereignis in Massepha zeitlich zum oder nahe am Wochenfest stattfand. Für die Naziräaer bedeutete die Unmöglichkeit der Ausweihung der Fortbestand der Naziratsverpflichtungen auf unbestimmte Zeit. Das Ergehen einer göttlichen Antwort auf die Zeichensuche in der Tora und auf das Schreien der in Massepha versammelten Gemeinschaft wird nicht berichtet, weshalb auch nicht klar wird, was aus den Erstlingsgaben, den Zehntabgaben und den Naziräern166 wurde. Anstelle eines geduldigen Wartens auf einen Fingerzeig Gottes nimmt Judas die Musterung des Volkes vor (1. Makk 3,55–60), erobert in zwei siegreichen Kampagnen gegen Gorgias und Lysias schließlich das Jerusalemer Heiligtum zurück und weiht das Innere des Tempels von neuem (1. Makk 4). In ähnlicher Weise wie die Erzählung über den grausamen Tod der am Sabbat kampfunwilligen Judäer in 1. Makk 2,29–38, die die Verteidigungsbereitschaft der Makkabäer am Sabbat legitimieren sollte, dient auch die Erzählung vom Bittgottesdienst in Massepha der Legitimierung der von den Aufständischen durchgeführten Reinigungs- und Weihehandlungen am Tempel. Ohne Frage war der Jerusalemer Opferkult in viel umfänglicherem Maße mit kultpraktischen Angelegenheiten befasst, als hier mit der alleinigen Nennung von Erstlings- und Zehntabgaben sowie von ausweihungsbereiten Naziräern zu erahnen wäre. Es ist aber gerade die Auswahl, die der Autor hier trifft, ein besonderes Indiz dafür, welche Rolle die Abgaben und das Naziräatsgelübde in der allgemeinen Wahrnehmung der Adressaten gespielt haben könnten. Im 165 Für Philo sind nach SpecLeg 1,248 die Erstlingsabgabe und der Naziräat Zeichen der Gottesfurcht. Auch Josephus nennt in Ant 4,70–72 die Erstlingsfrüchte im Zusammenhang des Naziräats. Wir haben mit 1. Makk 3,46–53, Philo und Josephus drei Zeugen für eine Tradition, die das Wochenfest und ihre Opfer mit dem Naziräat zu verknüpfen scheint. Im Text deutet allerdings nichts darauf hin, dass die Ernteabgaben von den Naziräern mitgeführt worden waren. 166 Chepey 2005: 45 sieht im Vergleich zwischen der Simson-Geschichte in Ri 13–16 und 1. Makk 3,49 einen „ironic twist to the history of Nazirite behaviour, particularly in relation to the field of battle. […] Like Simson, Nazirites in the Maccabaean era aided Israel in battle, however, in an entirely different manner: not with their selves but with their various gifts.“ Ein solches Urteil widerspricht allerdings gänzlich der Darstellung des 1. Makkabäerbuches. In 1. Makk 3,49 besteht ja gerade die Not darin, dass die Naziräer überhaupt keine Gaben zur Ausweihung darbringen können. Es ist nicht das verdienstliche Handeln der Naziräer, was den Makkabäern zugutekommt, sondern im Gegenteil der Einsatz der Makkabäer, der den Kult in Israel wieder in seiner von der Tora gebotenen Gestalt möglich macht. Auch kommen die Naziräer mit ihren Gelübden nicht den Aufständischen zu Hilfe, sondern die Aufständischen fühlen sich durch die Opfer im Volk und die Kultkrise zum Einschreiten verpflichtet.
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Fall der von Num 18,21–28 geforderten Zehntabgabe entwickelte sich zur Spätzeit des Zweiten Tempels ein ganzes Versorgungssystem, das neben Leviten167 und Priestern168 auch Arme169 an der Zuwendung mit Ernteerzeugnissen beteiligte. Bei den Erstlingsgaben wird man wohl an eine Art Priestersteuer denken dürfen, die ebenfalls für deren Grundauskommen gedacht war.170 Anders als im Fall von Zehnt- und Erstlingsabgaben war der Naziräat keine durch die Tora verpflichtende Satzung, sondern eine freiwillige und selbstauferlegte Frömmigkeitsübung. Gemeinsam mit beiden Agrarabgaben war ihm allerdings der Aspekt der Priesterversorgung, da die Ausweihungsopfer anteilig den Priestern zustanden.171 Während mit der Unzugänglichkeit zum Tempel für die ländlich bzw. landwirtschaftlich geprägten Aufstandsanhänger ein besonderer Teil ihrer Kultfrömmigkeit weggebrochen war, bedeutete diese Kultkrise für vormals Weihewillige eine Undurchführbarkeit des Naziräats. Für Laien war damit die Möglichkeit, für eine begrenzte Zeit in einen dem Priesterstand ähnlichen Heiligkeitsstatus zu treten und Gott darin zu dienen, vorerst erschwert oder unmöglich gemacht. Der Autor des 1. Makkabäerbuches drückt damit indirekt aus, dass den Aufständischen alles am Fortgang des kultischen Dienstes – sei es in Form von Opfern oder Gelübden – und an der Versorgung des Kultpersonals gelegen war. Mit der so angezeigten Bereitschaft, für Gottes Haus und seinen Kult zu streiten, schien sicher die Hoffnung verbunden, Gottes Eingreifen in den Verlauf der Auseinandersetzung provoziert zu haben.172 1.2.3 Der Naziräat nach der Darstellung des Philo von Alexandrien 1.2.3.1 Das „große Gelübde“ in SpecLeg 1,247–254 Philo zeigt in seinen Schriften ein großes Interesse am Naziräat, den er mit besonderer Wertschätzung bedacht als das εὐχὴ μεγάλη („große Gelübde“) bezeichnet. Bei der Analyse der philonischen Reden zum Naziräat muss danach gefragt werden, welche Ausführungen seiner philosophisch orientierten Reflexion zur Tora, der ihm überlieferten Tradition oder der beobachteten Praxis zuzuordnen sind. Eine erste umfangreiche Abhandlung zum Naziräat stellt Philo seiner interessierten Leserschaft in SpecLeg 1,247–254 vor. Da seine Darstellung sehr umfangreich ausfällt, soll diese hier in aufeinander folgende Sinneinheiten gegliedert behandelt werden. 167 Vgl. Neh 10,38; Tobit G I und II 1,7. 168 Vgl. Tobit G I und II 1,7; Judit 11,13; Josephus, Ant 20,181. 169 Vgl. Tobit G I und II 1,8. 170 Vgl. Dtn 18,4; Neh 10,38. 171 Vgl. Num 6,19–20. 172 Vgl. Chepey 2005: 44–45.
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Nach einer ausführlichen Abhandlung über Brand-, Heils- und Sündopfer in SpecLeg 1,194–246 geht Philo zum Naziräat über, das nach seinen Worten eine Zusammenfassung der drei zuvor behandelten Opferarten darstellt. 247 ταῦτα διαταξάμενος περὶ ἑκάστης ἰδέας τῶν θυσιῶν ἐν μέρει, τῆς τε ὁλοκαύτου καὶ σωτηρίου καὶ περὶ ἁμαρτίας, ἄλλην προσνομοθετεῖ κοινὴν τῶν τριῶν, ἵνα ταύτας ἐπιδείξῃ φίλας καὶ συγγενεῖς οὔσας· ἡ δὲ συναγωγὸς αὐτῶν εὐχὴ μεγάλη καλεῖται. 248 διὰ τί δὲ ταύτης ἔτυχε τῆς προσρήσεως, λεκτέον· ὅταν ἀπάρξωνταί τινες ἀπὸ παντὸς μέρους κτήσεως, πυρούς, κριθάς, ἔλαιον, οἶνον, τὰ κάλλιστα τῶν ἀκροδρύων, ἔπειτα τῶν ζῴων τὰ πρωτότοκα ἀρρενικά, τὰ μὲν ἐκ τῶν καθαρῶν καθιερώσαντες, τὰ δ᾽ ἐκ τῶν μὴ καθαρῶν κατ᾽ ἀξίαν τιμησάμενοι, μηκέτ᾽ ἔχοντες ὕλας, ἐν αἷς διαθήσονται τὴν εὐσέβειαν, αὑτοὺς ἀνατιθέασι καὶ καθιεροῦσιν, ἄλεκτον ἐπιδεικνύμενοι ὁσιότητα καὶ ὑπερβολήν τινα γνώμης φιλοθέου. διὸ καὶ μεγάλη προσηκόντως εὐχὴ καλεῖται· κτημάτων γὰρ τὸ μέγιστον αὐτός τίς ἐστιν αὑτῷ· οὗ παραχωρεῖ καὶ ἐξίσταται. 247 Nachdem er diese Bestimmungen über jede Form von Opfer der Reihe nach – bezüglich des Brand-, des Heils- und des Sündopfers – vorgelegt hat, bestimmt er außerdem durch Gesetz ein anderes, (an dem alle) von den dreien teilhaben, damit er diese ausgebe, als seien sie befreundet und verwandt; „das große Gelübde“ wird aber ihre Zusammenfassung genannt. 248 Warum es aber dieser Bezeichnung teilhaftig wurde, muss (nun) gesagt werden: Wenn jene, die Erstlingsfrüchte vom gesamten Teil ihres Besitzes darbringen, indem sie Weizen, Gerste, Öl, Wein (oder) das Beste der Baumfrüchte, alsdann die männliche Erstgeburt des Viehs, was davon rein ist, weihen, was aber davon unrein ist, nach (ihrem) Wert schätzen, (und) keine materiellen Ressourcen (mehr) haben, durch die sie (sonst noch ihre) Gottesfurcht darstellen könnten, (dann) weihen und heiligen sie sich selbst und zeigen eine unbeschreibliche Frömmigkeit und ein Übermaß an einer Gott liebenden Gesinnung. Daher wird (es) auch treffend als „großes Gelübde“ bezeichnet. Denn das größte der Besitztümer eines jeden ist er selbst, das er (nun) abgibt und (dessen) er sich entäußert. Für Philo stellt der Naziräat die höchste vom Menschen leistbare Opfergabe dar, da für die Dauer des Gelübdes die Opfermaterie der sich selbst weihende Mensch ist, wobei an die Ausweihungsopfer hier im Speziellen nicht gedacht ist. Als Urteil über die Wertung der Opferleistung trifft er einen Vergleich mit den Agrargesetzen der Erstlingsfrüchte, da diese sich auf die im Land Israel
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wichtigsten Bereiche der landwirtschaftlichen Produktion erstrecken173 und ihre Darbringung für den Besitzer einen nicht unbeträchtlichen Verzicht der Erträge und des Nachwuchses darstellen. Ähnlich wie Philo erklärt auch Josephus den Naziräat in Ant 4,70–72 in Verbindung mit der Gabe der Erstlingsfrüchte. Will man nicht von einer auslegungsgeschichtlichen Abhängigkeit des Josephus von Philo ausgehen, dann wird man beiden Autoren eine unabhängige Partizipation an ähnlichen Auslegungstradition zu Num 6 nachsagen müssen. Möglicherweise ist der Vergleich mit der Erstlingsabgabe auch einem beiden Autoren bekannten Brauch geschuldet, vornehmlich den Naziräat als Vorbereitung auf die Pilgerfahrt zum Wochenfest, bei dem die Erstlingsabgaben nach Jerusalem gebracht wurden, abzulegen und bei der Ankunft in Jerusalem auszuweihen.174 Es kann angenommen werden, dass sich eine solche Verknüpfung von Wochenfest und Naziräat aus einem rein pragmatischen Umgang mit den zum Fest darzubringenden Opfern ergeben hat. Da die landwirtschaftlich geprägte Landbevölkerung die ganze Menge ihrer Opfergaben auch über längere, die Dauer einer Tagesreise überschreitende Strecken mit sich führen musste,175 konnte der Naziräat als eine Form der besonderen Heiligung ein Ausdruck dafür sein, sich auf der nicht gefahrenfreien Reise unter ein göttliches Patronat gestellt zu wissen. Dadurch, dass sich der Opferwillige um die logistische Überführung seiner agrarischen und tierischen Erstlingsgaben kümmern musste, schien womöglich der zusätzliche Aufwand, die Naziräatsausweihungsopfer zur Erntezeit aufzubringen und sie ebenfalls mit sich zu führen, nicht sonderlich ins Gewicht zu fallen. Sollte der Naziräat wirklich vermehrt im Zusammenhang des Wochenfestes inauguriert worden sein, dann wird eine Verbindung der beiden Opferanlässe sicher der reinen Pragmatik entsprungen sein. Noch höherstehend als das Aufbringen und Überführen von Opfergaben an den Jerusalemer Tempel bewertet Philo die Darbringung der eigenen Person. 173 Der Umfang abgabepflichtiger Fruchtarten wird in der Hebräischen Bibel nicht definiert. Allein die Rabbinen haben mit den sieben für die Landwirtschaft in Palästina wichtigsten Fruchtarten eine Eingrenzung der Erstlingsfruchtabgaben vorgenommen (vgl. Dtn 8,8 und S Dtn § 297 zu 26,2 [p. 316,5–14 Finkelstein]). 174 Dass der Naziräat im Zusammenhang einer Wallfahrt abgelegt wurde, bezeugt neben 1. Makk 3,46–53 auch Apg 18,21. Dort lesen die Handschriften D*.2, L, Ψ, 323, 614, 1175, 1241, 1505, dem Mehrheitstext, gig, w und sy die Ergänzung Δεῖ δὲ πάντως τὴν ἑορτὴν ἡμέραν ἐρχομένην ποιῆσαι εἰς Ἱεροσόλυμα („Ich muss aber unter allen Umständen das kommende Fest in Jerusalem feiern“). Vgl. dazu auch Chepey 2005: 51. Man beachte allerdings, dass die Textergänzung nicht expliziert, um welches Fest es sich handelt. 175 Anders als z.B. beim zweiten Zehnt, konnten die Erstlingsfrüchte nicht in eine Geldsumme umgewandelt werden, sondern mussten nach Jerusalem an den Tempel überführt werden. Vgl. dazu Lisowsky und Mayer 2001: 3 und 138 zu tBik I 7.
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Dabei deutet er die Weihe als eine besondere Form des Strebens nach Heiligung und Absonderung und bezeichnet sie in ganz überschwänglicher Weise als eine nicht mit Worten beschreibbare Frömmigkeitsübung, die in besonderem Maße die Liebe zu Gott offenkundig macht. Aus diesem Grund darf es auch das „große Gelübde“ genannt werden. Die Wortwahl wird unter Einfluss der Wendung ἐὰν μεγάλως εὔξηται εὐχὴν („wenn jemand großartig ein Gelübde gelobt“) aus Num 6,2 𝔊 zustande gekommen sein. Für den Naziräer bedeutet die Weihe „sich selbst aufzugeben“ (παραχωρέω)176 und „zu entäußern“ (ἐξίστημι).177 Das Begriffspaar erinnert stark an Philos zweifachen Weg der Gotteserkenntnis, bei der in einer katabatischen Bewegung Gottes Kraft die menschliche Seele berührt, was wiederum ihre Entäußerung in einer anabatischen Bewegung zu Gott ermöglicht.178 So gesehen ist der Naziräat als eine asketische Übung der Selbstaufgabe eine an Gott gerichtete Bereitschaftserklärung, sich von ihm beseelen und aufheben zu lassen. Sollte Philo hier ganz bewusst Vokabular in Anlehnung an ekstatisches Erleben gewählt haben, das die Voraussetzung für prophetische Inspiration ist,179 dann könnte diese Interpretation des Naziräats möglicherweise neben der asketischen Wahrnehmung des Gelübdes auch auf einer Rezeption der beiden geweihten und mit Geist erfüllten biblischen Gestalten Simson und Samuel basieren, die den Naziräat in enger Verknüpfung mit dem Prophetenamt sieht.180 Die von Philos philosophischem Interesse geleitete Interpretation von Num 6 wird ohne Frage nicht der allgemeinen Wahrnehmung des Naziräats entsprochen haben. Dennoch wird es aber Philos Wunsch entsprochen haben, 176 Der Begriff beschreibt an anderer Stelle das „Aufgeben“ der eigenen Gedanken eines göttlich inspirierten Propheten, dessen Worte nicht seinem eigenen Verstand, sondern dem eingezogenen Heiligen Geist entspringen (SpecLeg 4,49). Außerdem kann damit das „Nachgehen“ Gottes auf dem Weg von der physischen zur intelligiblen Welt (All 1,82), das „Überantworten“ von Dingen in Gottes (All 3,209; Sacr 136; Som 2,25) oder eines anderen Menschen Hand (Jos 85; VitCont 13), das „Abtreten“ von Macht (Jos 129) und das „Verzichten“ des Stärkeren auf sein Recht ausgedrückt werden (Abr 216). 177 Nach All 2,31 ist der aus sich Herausgetretene in einem Zustand, in dem er sich wie schlafend nicht mehr mit geistigen Dingen beschäftigt und von Gottes Kraft verändert wird. Als „außer sich geraten“ in einem Hochgefühl von Freude wird auch die Bewegung der Seele genannt, wenn sie von Gottes Gnade erfüllt ist (Ebr 146). Aus sich herauszugehen und stattdessen von Gott erfüllt zu werden, legt Philo all jenen nahe, die Erben der göttlichen Güter werden wollen (vgl. Her 68–69; sowie Nasrallah 2003: 36–44). 178 Zur philonischen Rezeption von Platos 7. Brief über die Möglichkeiten der Gotteserkenntnis vgl. Migr 35–36 sowie Pol 508c–509b mit Praem 45–46. Siehe ferner All 1,32.36–38 sowie die Ausführungen dazu bei Holtz 2017: 105–125. 179 Vgl. Her 69. 180 Josephus sieht Simson in Ant 5,285 als eine mit dem Prophetenamt betraute Person an. 4QSama ii a 3 identifiziert Samuel wiederum eindeutig als Naziräer.
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dass jeder Naziräer die Tage seines Gelübdes im Bewusstsein körperlicher Entäußerung und seelischer Hinwendung zu Gott verbringen möge. 249 ποιησαμένῳ δὲ τὴν εὐχὴν τάδε διαγορεύει· πρῶτον μὲν ἄκρατον μὴ προσφέρεσθαι μηδ᾽ „ὅσα ἐκ σταφυλῆς κατεργάζεται“ μηδ᾽ ἄλλο τι μέθυσμα πίνειν ἐπὶ καθαιρέσει λογισμοῦ, νομίζοντα τὸν χρόνον ἐκεῖνον ἱερᾶσθαι· καὶ γὰρ τοῖς λειτουργοῖς τῶν ἱερέων δίψαν ἀκουμένοις ὕδατι τὰ περὶ μέθην ἀπείρηται· 250 δεύτερον δὲ τὰς τρίχας τῆς κεφαλῆς μὴ ἀποκείρεσθαι, σύμβολον ἐναργὲς τοῖς ὁρῶσι παρέχοντα τοῦ μὴ παρακόπτειν τὸ νόμισμα τῆς εὐχῆς· τρίτον δὲ τὸ σῶμα φυλάττειν καθαρὸν καὶ ἀμίαντον, ὡς μὴ γονεῦσιν ἐπεισιέναι τετελευτηκόσι μηδ᾽ ἀδελφοῖς, τὴν φυσικὴν εὔνοιαν καὶ συμπάθειαν πρὸς τὰ οἰκεῖα καὶ φίλτατα νικώσης εὐσεβείας, ἣν ἀεὶ νικᾶν καλὸν ὁμοῦ καὶ συμφέρον. 249 Dem aber, der dies Gelübde abgelegt hat, befiehlt (das Gesetz): erstens darf er keinen unverdünnten Wein zu sich nehmen, noch „alles, was sonst aus Weinbeeren gemacht wird“,181 noch darf er irgendetwas Berauschendes trinken bis hin zur Zerstörung (seines) Urteilsvermögens, wobei er zu jener Zeit annehmen soll, Priester zu sein; denn auch den diensttuenden unter den Priestern (ist nur gestattet, ihren) Durst mit Wasser (zu) stillen, da (ihnen) mit Bezug auf Trunkenheit (verleihende Getränke alles) verboten ist. 250 Zweitens (ist es ihm verboten) die Haare (seines) Hauptes abzuscheren, indem er als sichtbares Zeichen (allen), die (es) sehen, zeigt, dass er nicht das volle rechtliche Maß des Gelübdes verfälscht.182 Drittens (ist ihm) aber (geboten, seinen) Körper rein und unbefleckt zu halten, sodass er sich weder (seinen) verstorbenen Eltern noch (seinen) Geschwistern nähern darf; weil Frömmigkeit natürliche Zuneigung und Sympathie gegenüber den Mitgliedern des Haushalts und den Liebsten überwindet. Dass (Frömmigkeit) immer überwindet, ist gut und nützlich. Die dem Naziräer aufgetragenen Restriktionen und Obligationen deutet Philo im Sinne übergeordneter Vernunftannahmen. D.h. der Weinverzicht gelte zum Schutz des Urteilsvermögens, der Haarscherverzicht diene der symbolischen Darstellung der Gelübdeobservanz und die Vermeidung vor Verunreinigung mit Totenunreinheit bezeuge frömmigkeitliche Ergebenheit gegenüber Gott. Philo erweckt in der Darstellung der dem Naziräer auferlegten Restriktionen fast den Eindruck, als wäre das Weinverbot allein auf unverdünnten Wein 181 Num 6,3. 182 Wörtl. „nicht die Münze des Gelübdes falsch zu prägen“.
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bezogen183 und das Verbot von berauschendem Getränk nur dann untersagt, wenn die Menge des Konsums zur Minderung oder gar zum Verlust des Urteilsvermögens führt. Der Eindruck der Relativierung wird jedoch in dem Moment aufgehoben, da Philo einen direkten Bezug zur Tora herstellt. So nimmt er mit ὅσα ἐκ σταφυλῆς κατεργάζεται Num 6,3 wörtlich auf und deutet mit dem Verweis auf die Anweisung für Priester, während ihres Dienstes ihren Durst nur mit Wasser zu stillen, auf Ez 44,21 hin. Der Bezug auf beide Verse lässt keinen Zweifel daran, dass auch in den Augen Philos der Genuss von berauschendem Getränk und der Verzehr von Früchten des Weinstocks – in welcher Form auch immer – ohne Ausnahme verboten sind. Aus welchem Grund Philo diese eigenartige Spannung in der Darstellung des Naziräats erzeugt und warum er sie nicht auflöst, ist rätselhaft. Möglicherweise schien ihm die Nennung von unvermischtem Wein nicht notwendig, weil dieser ohne Frage zur Minimierung des Urteilsvermögens führt. Den Urteilsverlust wiederum als Bedingung der Menge des Konsums auszuweisen, schien dann vielleicht geboten, um seinen Adressaten das Rauschtrankverbot überhaupt vernunftbegründet verständlich zu machen. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang Philos Vergleich des Naziräats mit dem Priesteramt, den er so explizit nur im Zusammenhang des Alkoholverzichts macht.184 Im Fall des Haarscherverbotes kann man fast zu dem Schluss kommen, Philo argumentiere nach dem Prinzip argumentum a maiori ad minus. Wenn der Naziräer schon den freien Haarwuchs als ein äußerliches Zeichen der Unverfälschtheit der Gelübdeausübung hinnimmt (maior), um wieviel mehr, so möchte man vielleicht nach dem Duktus der philonischen Argumentation ergänzen, hält er sich auch an das Verbot des Weinkonsums und der Totenverunreinigung (minus). Als Zeugnis, dass der Naziräat eine ungeheuchelte Frömmigkeitsübung ist, gehört das Verbot der Totenverunreinigung zu den zu beachtenden Restriktionen eines Geweihten. Dieses hat auch Bestand in dem Fall, da die nächsten Angehörigen des Geweihten verstorben sind. Jeder der bereit ist, sich unter diesen Voraussetzungen zum Naziräer zu weihen, besitzt entweder bereits diese ungeheuchelte Frömmigkeit185 oder stellt sie im Extremfall trotz eines familiären Todesfalls mit der unverzögerten Ausweihung seines Gelübdes unter Beweis.186 Die durch den Naziräat unter Beweis gestellte 183 Vielleicht hat Philo aber auch ἄκρατος als Hyperonym für alle alkoholischen Getränke verstanden wissen wollen. 184 Zum Alkoholverzicht der Priester vgl. Cont 73–74. 185 Für Philo stellt die Frömmigkeit (εὐσέβεια) nach VitMos 2,108 die wirklich wahre Opferhandlung (ἱερουργία) dar. 186 D.h. der Naziräer meidet jeden Kontakt mit den Verstorbenen und entfernt sich auch vom Haus des verstorbenen Verwandten. Die Partizipation an der Durchführung der
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Frömmigkeit ist auch die Voraussetzung für Gottes Hinwendung und die wohlwollende und wertschätzende Annahme der Ausweihungsopfer des Naziräers durch eben diesen.187 251 ἡκούσης δὲ τῆς προθεσμίας, τρία ζῷα κελεύει προσάγειν ἐπὶ λύσει τῆς εὐχῆς, ἄρνα καὶ ἀμνάδα καὶ κριόν, τὸν μὲν εἰς ὁλοκαύτωσιν, τὴν δὲ περὶ ἁμαρτίας, τὸν δὲ κριὸν εἰς θυσίαν τοῦ σωτηρίου. 252 πᾶσι γὰρ τούτοις ἐμφέρεταί πως ὁ εὐξάμενος, τῇ μὲν ὁλοκαύτῳ θυσίᾳ διὰ τὸ μὴ τῶν ἄλλων μόνον ἀπαρχῶν ἀλλὰ καὶ ἑαυτοῦ παραχωρεῖν, τῇ δὲ περὶ ἁμαρτίας διὰ τὸ ἄνθρωπος εἶναι καὶ γὰρ ὁ τέλειος ᾗ γενητὸς οὐκ ἐκφεύγει τὸ διαμαρτάνειν, τῇ δὲ τοῦ σωτηρίου, διότι τὸν σωτῆρα ὄντως θεὸν ἐπιγέγραπται τῆς σωτηρίας αἴτιον, ἀλλ᾽ οὐκ ἰατροὺς καὶ τὰς παρ᾽ αὐτοῖς δυνάμεις· οἱ μὲν γὰρ ἐπίκηροι καὶ θνητοὶ μηδ᾽ αὑτοῖς ὑγείαν ἱκανοὶ παρασχεῖν, αἱ δ᾽ οὔτε πάντας οὔτ᾽ ἀεὶ τοὺς αὐτοὺς ὠφελοῦσιν, ἀλλ᾽ ἔστιν ὅτε καὶ μέγα βλάπτουσιν, ἐπειδὴ τὸ κῦρος ἕτερος ἀνῆπται καὶ τῶν δυνάμεων καὶ τῶν χρωμένων αὐταῖς. 253 ἐκπλήττει δέ με τὸ τῶν τριῶν ζῴων προσαγομένων εἰς διαφερούσας θυσίας μηδὲν εἶναι ἑτερογενές, ἀλλὰ ταὐτοῦ γένους τὰ πάντα, κριὸν καὶ ἄρνα καὶ ἀμνάδα· βούλεται γάρ, ὅπερ ἔφην μικρῷ πρότερον, διὰ τούτου παραστῆσαι, ὅτι ἀδελφαὶ καὶ συγγενεῖς εἰσιν αἱ τρεῖς ἰδέαι τῶν θυσιῶν, τῷ καὶ τὸν μετανοοῦντα σῴζεσθαι καὶ τὸν σῳζόμενον ἐκ τῶν ψυχικῶν ἀρρωστημάτων μετανοεῖν καὶ ἑκάτερον σπεύδειν πρὸς ὁλόκληρον καὶ παντελῆ διάθεσιν, ἧς ἡ ὁλόκαυτος θυσία σύμβολον. 254 ἐπεὶ δ᾽ αὑτὸν ηὔξατο προσαγαγεῖν, τὸν δ᾽ ἱερὸν βωμὸν οὐ θέμις αἵματι ἀνθρωπίνῳ μιαίνεσθαι, ἔδει δέ τι πάντως μέρος ἱερουργηθῆναι μέρος ἐσπούδασε λαβεῖν, ὅπερ ἀφαιρεθὲν οὔτ᾽ ἀλγηδόνας οὔτε λώβην ἀπεργάζεται· τοῦ γὰρ κατὰ τὸ σῶμα φυτικοῦ καθάπερ δένδρου περιττοὺς κλάδους τὰς τῆς κεφαλῆς τρίχας ἀπέκειρε καὶ παρέδωκε πυρί, ᾧ τὰ κρέα τῆς τοῦ σωτηρίου θυσίας ἕψεται· προσηκόντως, ἵνα τι τῶν τοῦ εὐξαμένου μέρος, ὃ μὴ ἐπιφέρειν ἔξεστι τῷ βωμῷ, θυσίας γοῦν εἴδει συνανακραθῇ, γενόμενον ὕλη φλογὸς ἱερᾶς. 251 Wenn aber der festgesetzte Tag gekommen ist, befielt (das Gesetz) drei Tiere zur Lösung des Gelübdes darzubringen:188 ein männliches Lamm, ein weibliches Lamm und einen Widder; das (männliche) zum Brandopfer, das (weibliche) aber für ein Sünd(opfer), den Widder aber zum Heilsopfer. 252 Denn in gewisser Weise ist der Gelobende all diesen traditionellen Funeralpraktiken, mit denen die engsten Hinterbliebenen betraut sind und die man dem Verstorbenen bis zur Grablegung angedeihen lässt, verweigert er ebenfalls, womit er den Zustand seiner kultischen Reinheit bewahrt. Vgl. dazu oben 4 1.1.2. 187 Vgl. SpecLeg 1,271. 188 Vgl. Num 6,14.
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gleichförmig: dem Brandopfer, weil er nicht nur andere Erstlingsfrüchte sondern auch sich selbst entäußert, dem Sündopfer aber, weil er ein Mensch ist – denn auch der Vollkommene kann als kreatürliches Wesen nicht der Rechtsübertretung entfliehen –, dem Heilsopfer, weil er dem wahren Retter, Gott, den Grund der Rettung zuschreibt und nicht den Ärzten und den ihnen zur Verfügung stehenden Fähigkeiten.189 Denn die Vergänglichen und Sterblichen sind nicht einmal im Stande, Gesundheit für sich selbst herbeizuführen. Die (Fähigkeiten) helfen aber weder allen noch denselben immerfort. Es gibt (aber Fälle), da sie großen Schaden zufügen, da die Macht über die Fähigkeiten und die sie Anwendenden einem anderen zuzurechnen sind. 253 Es erstaunt mich aber, dass die drei Tiere, die zu verschiedenen Opfern dargebracht werden, keines von einer anderen Art ist, sondern Schafbock, männliches und weibliches Lamm alle von dergleichen Art sind. Denn (das Gesetz) will, wie ich es ein klein wenig früher sagte, damit darstellen, dass die drei Opferformen verschwistert und verwandt sind. Denn sowohl der Bußfertige wird gerettet als auch der aus seelischer Krankheit Errettete ist bußfertig und beide streben eine ganzheitliche und vollkommene Gesinnung eifrig an, deren Symbol das Ganzbrandopfer ist. 254 Da er aber gelobte, sich selbst darzubringen, es aber nicht sittlich ist, dass der heilige Altar mit Menschenblut befleckt wird, es aber unter allen Umständen notwendig ist, an irgend einem Teil (von ihm) das priesterliche Ritual zu vollziehen, hat (der Gesetzgeber) die Anstrengung darauf verwandt, (etwas) zu nehmen, dessen Entfernung weder Schmerz noch Verstümmelung verursacht. (Vielmehr) schneidet er der Weise des natürlichen Körpers entsprechend, die Haare des Hauptes wie die überschüssigen Zweige des Baumes ab190 und gibt sie ins Feuer, in dem das Fleisch des Heilsopfers gekocht wird, wie es sich geziemt, sodass ein Teil vom (Ganzen) des Gelobenden, das nicht dem Altar näher gebracht werden darf, sich wenigstens mit der Beschaffenheit des Opfers verbinde, indem er der heiligen Flamme Nahrung zuführt. Philo sieht in den jeweils vom Naziräer geforderten Opfern eine Entsprechung zur geweihten Person an sich. Das Brandopfer, das in seiner Gesamtheit auf dem Altar in Flammen aufgehen muss, entspricht symbolisch dem Naziräer in dem Maße, dass der Naziräat als Darbringung der eigenen Person191 zusammen 189 Sicher meint Philo dabei neben Behandlungsmethoden auch Medikamente. 190 Vgl. Num 6,18. 191 So SpecLeg 1,248. Nach All 3,141; Sacr 51 und Fug 80 sind für Philo der sich entäußerbare Teil einer Person – also die Seele – die einzig wahre Opfermaterie.
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mit den Erstlingsgaben, die er nach SpecLeg 1,248 von all seinem agrarischen und tierischen Gütern entrichtet, auch die Gesamtheit der Besitztümer des Geweihten darstellt. Dieses Brandopfer ist in seiner Gesamtheit ganz der Ehre Gottes geschuldet und gehört ihm aus diesem Grund auch ganz allein.192 Von seiner physischen Person gibt der Naziräer allerdings nur einen Teil als Opfer her, nämlich als ein blutloses Opfer sein Haar, das er ins Feuer wirft. Den Bezug zur physischen Gestalt des Naziräers und seinem Anteil am Opfergeschehen stellt Philo dann nochmals in SpecLeg 1,254 her. Er vergleicht auf diesem Gedanken aufbauend das Schneiden und Darbringen der Haare mit einem Holzopfer, dass dem zu kochenden Heilsopfer im Kessel seine Flamme gibt. Mit einem Analogieschluss von den Haaren des Naziräers zu den überschüssigen Zweigen eines Baumes unterstreicht Philo nochmals den gewaltlosen und blutlosen Charakter des Haaropfers. Durch dieses Nähren der Flamme unter dem Kessel des Heilsopfers nimmt der Naziräer Einfluss auf die Gestalt bzw. Beschaffenheit (εἶδος) des zu kochenden Opfers, was man nach Philo als eine Art Verbindung von Opferndem und Opfer und damit als Identifizierung des Opfernden im Opfer verstehen kann. Das Sündopfer wiederum entspricht dem Naziräer und muss von ihm dargebracht werden, nicht weil der Naziräat an sich eine sündhafte Übertretung darstellt,193 sondern weil der Naziräer aufgrund seiner Kreatürlichkeit nicht im Stande ist, dem Gesetz in allen seinen Rechtsforderungen zu entsprechen.194 Angesichts der speziellen Form des Naziräats und des besonderen Standes des Naziräers hier einen allgemeinen Rückschluss auf die menschliche Natur zu ziehen, scheint eher eine Verlegenheitslösung des Alexandriners zu sein. Für Philo stellt das Sündopfer zudem eine Gabe dar, die der Opfernde zu seinen Gunsten, nämlich zur Heilung von Sünden darbringt, die durch die Seele verursacht wurden.195 Das dritte Opfer, ursprünglich als Abschlussopfer gedacht,196 verknüpft Philo infolge der Übersetzungstradition von 𝔊, שלמיםmit σωτήριον wiederzugeben, mit der Gesundheit des Naziräers und mit der Anerkennung, dass Gott als der verlässliche Garant seiner körperlichen Unversehrtheit anzusprechen ist. Hinter dem Verweis könnte eine Verwendungssituation des 192 Vgl. SpecLeg 1,196. 193 Anders deutet dies die spätere rabbinische Tradition, die den Naziräer aufgrund seiner Weinaskese für einen Sünder hält (vgl. bNed 10a). 194 In Opif 74–75 führt Philo dies auf die gemischte Natur des Menschen zurück, die das Ergebnis eines zweifachen Schöpfungshandelns war, bei dem ein rationaler Teil göttlicher Initiative entsprang und ein irrationaler Teil seinen im Schöpfungswerk beteiligten Gehilfen (vgl. Gen 1,26; sowie Kaiser 2015: 205). 195 Vgl. SpecLeg 1,197. 196 Vgl. dazu die Ausführungen oben 3 1.1.2.
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Naziräats stehen, bei dem, wie auch Josephus zu berichten weiß,197 das Gelübde im Fall von Krankheit inauguriert wurde.198 Hoher Wertschätzung ist der Naziräat aus diesem Grund auch würdig, denn er gibt dem Geweihten die Möglichkeit zum öffentlichen Bekenntnis, nicht auf Ärzte und ihre Heilpraktiken zu setzten, sondern mit der Absonderung zum Geweihten sich zuversichtlich Gott, dem wahren Retter, anzubefehlen. Das Heilsopfer wäre in diesem Sinne wohl als eine Art Dankopfer zu verstehen, wenn der Naziräer noch während der Zeit seines Gelübdes eine Linderung oder gar Heilung von seiner Krankheit erfahren hat. Sollte hingegen noch keine Linderung eingetreten sein, dann wird man die Ausweihungsopfer und darunter das Heilsopfer im Besonderen wohl in der Hoffnung dargebracht haben, das heilvolle Eingreifen Gottes unmittelbar provoziert zu haben. Speziell im Sinne dieser letzten Deutung hat Philo zumindest das Heilsopfer in SpecLeg 1,195–197 verstanden, wenn er dort festhält, dass Sündopfer und Heilsopfer zum Vorteil (ὠφέλεια), zur Besserung (βελτίωσις) und zur Heilung (θεραπεία) der opfernden Person dargebracht werden.199 Die allegorische Deutung der Naziräatsweihe in Imm 86–90 und Agr 174–176 Eine erneute Bezugnahme auf das „große Gelübde“ unternimmt Philo in Imm 86–90. In seiner allegorischen Auslegung der Sintflutankündigung aus Gen 6,4–12 lässt sich Philo inspiriert von Gen 6,8 und der dortigen mit Νῶε εὗρε χάριν ἐναντίον κυρίου τοῦ θεοῦ ausgedrückten Gnadenbekundung gegenüber Noah zu einer allegorischen Deutung des Begriffs εὑρίσκω hinreißen: 1.2.3.2
86 τί δέ ἐστι τὸ „Νῶε εὗρε χάριν ἐναντίον κυρίου τοῦ θεοῦ“, συνεπισκεψώμεθα· τῶν εὑρισκόντων οἱ μὲν ἃ πρότερον ἔχοντες ἀπέβαλον αὖθις εὑρίσκουσιν, οἱ δὲ ἃ μὴ πάλαι νῦν δὲ πρῶτον περιεποιήσαντο. τουτὶ μὲν οὖν τὸ ἔργον εὕρεσιν, ἐκεῖνο δὲ ἀνεύρεσιν οἱ ζητητικοὶ τῶν κυρίων ὀνομάτων καλεῖν εἰώθασι. 87 τοῦ μὲν οὖν προτέρου παράδειγμα ἐναργέστατον τὰ περὶ τῆς μεγάλης εὐχῆς διατεταγμένα. ἔστι δὲ εὐχὴ μὲν αἴτησις ἀγαθῶν παρὰ θεοῦ, μεγάλη δὲ εὐχὴ τὸν
197 Vgl. Josephus, Bell 2,313. 198 So auch von Chepey 2005: 51 angenommen. 199 Vgl. dazu Leonhardt 2001b: 242–248. Dass Philo den Opfern in diesem Abschnitt vor allem eine symbolische Bedeutung mit Hinblick auf Wesen und Charakter des Naziräats und des Naziräers selbst beimisst und die Weihung der eigenen Person als weitaus bedeutender einschätzt, könnte seiner generellen Geringachtung tierischer und vegetabilischer Opfergaben entsprungen sein (vgl. SpecLeg 1,271; ferner Jdt 16,16; 2. Hen 45; sowie Heinemann 1973: 66–70).
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θεὸν αἴτιον ἀγαθῶν αὐτὸν ἀφ᾽ ἑαυτοῦ νομίζειν μηδενὸς ἑτέρου τῶν εἰς τὸ δοκεῖν ὠφελεῖν συνεργοῦντος, μὴ γῆς ὡς καρποτόκου, μὴ ὑετῶν ὡς σπέρματα καὶ φυτὰ συναυξόντων, μὴ ἀέρος ὡς τρέφειν ἱκανοῦ, μὴ γεωργίας ὡς φορᾶς αἰτίας, μὴ ἰατρικῆς ὡς ὑγείας, μὴ γάμου ὡς γενέσεως παίδων. 88 πάντα γὰρ ταῦτα δυνάμει θεοῦ μεταβολὰς δέχεται καὶ τροπάς, ὡς τἀναντία πολλάκις τοῖς ἐξ ἔθους ἀποτελεῖν. τοῦτον οὖν φησι Μωυσῆς „ἅγιον“ εἶναι, „τρέφοντα κόμην τρίχα κεφαλῆς“, ὅπερ ἦν τὰς ἐν τῷ ἡγεμονικῷ τῶν ἀρετῆς δογμάτων κεφαλαιώδεις ἀνατολὰς συναύξοντα καὶ τρόπον τινὰ κομῶντα καὶ σεμνυνόμενον ἐπ᾽ αὐταῖς. 89 ἀλλ᾽ ἔστιν ὅτε ἀπέβαλεν αὐτὰς αἰφνίδιον κατασκήψαντος οἷά τινος τυφῶνος εἰς τὴν ψυχὴν καὶ τὰ καλὰ πάντα αὐτῆς ἐξαρπάσαντος· ὁ δὲ τυφὼν οὗτος τροπή τίς ἐστιν ἀκούσιος παραχρῆμα τὸν νοῦν μιαίνουσα, ἣν καλεῖ θάνατον. 90 ἀλλ᾽ ὅμως ἀποβαλὼν αὖθις καὶ καθαρθεὶς ἀναλαμβάνει καὶ ἀναμιμνῄσκεται ὧν τέως ἐπελέληστο, καὶ ἅπερ ἀπέβαλεν εὑρίσκει, ὡς τὰς προτέρας τῆς τροπῆς ἡμέρας ἀλόγους ἐξετάζεσθαι, ἢ διότι παράλογον ἡ τροπὴ πρᾶγμα, ἀπᾷδον ὀρθοῦ λόγου καὶ φρονήσεως ἀμέτοχον, ἢ παρόσον οὐκ ἔστιν ἀξία καταριθμεῖσθαι „τῶν γὰρ τοιούτων“ ἔφη τις „οὐ λόγος οὐδ᾽ ἀριθμός“. 86 Was aber ist die (Bedeutung des Verses) „Noah fand Gnade vor Gott dem Herrn“? Lasst uns dies zusammen untersuchen! Von den Findern finden (manche) wieder, was sie einst besaßen, (aber) verloren hatten, (andere) aber (finden), was sie zuvor nicht (besaßen), jetzt aber sich zum ersten Mal aneignen. Dementsprechend pflegen die Erforscher von angemessenen Bezeichnungen diese eine Handlung als „Finden“, jene (andere) aber als „Wiederfinden“ zu bezeichnen. 87 Für das Vorausgehende nun sind die Gesetze über das „große Gelübde“ das offensichtlichste Beispiel. Ein Gelübde aber ist ein Erbeten guter Dinge von Gott. Ein „großes Gelübde“ aber ist, anzunehmen, dass Gott aus sich selbst heraus die Ursache der guten Dinge ist, ohne dass etwas anderes mitwirkt von den Dingen, die (nur) dem Anschein nach Nutzen bringen: nicht Erde als brächte sie Früchte hervor, nicht Regen als vermehre er Samen und Pflanzen, nicht Luft als sei sie im Stande zu nähren, nicht Landwirtschaft als sei sie die Ursache für Fruchtertrag, nicht Medizin als (brächte sie) Gesundheit, nicht Ehe als sei sie der Ursprung der Kinder, 88 denn alle diese Dinge erfahren Veränderung und Variation durch die Kraft Gottes, sodass sie oft Gegensätzliches zu dem vollbringen, was (sie sonst) aus Gewohnheit (tun). Dieser nun, sagt Mose, ist „heilig“ (und) „lässt die Haare des Hauptes langwachsen“, was (bedeutet): er vermehrt gleichsam Seite an Seite die hauptsächlichen Quellen der Tugendlehren im leitenden Teil der Seele und auf gewisse Weise das lange Haar und wird wegen ihnen
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gepriesen. 89 Es gibt jedoch Zeiten, da er sie200 verliert, so als ob ein Wirbelsturm plötzlich seine Seele träfe und alles Gute aus ihr weggerissen hätte. Dieser Wirbelsturm ist ein unfreiwilliger Wandel, der den Verstand augenblicklich befleckt (und) den er (scil. Mose) Tod nennt.201 90 Obwohl er (sie) verloren hat, wird er auch wieder rein, nimmt (sie) auf und erinnert sich bis zu dem Moment, da er (es) vergessen hatte. Und was er verloren hat, findet er wieder, sodass die vorherigen Tage der Wandlung als sinnentleert eingeschätzt werden, entweder weil der Wandel ein unkalkulierbarer Vorgang ist, der der rechten Vernunft widerspricht und keinen Anteil am Verstand hat, oder dahingehend, dass sie (scil. Wandlung) nicht wert ist, gezählt zu werden. „Denn von dergleichen Dingen“, heißt es, „(haben) weder Verstand noch Zahl“.202 Über die Differenzierung, εὑρίσκω könne sowohl das „Finden“ von zuvor nicht besessenen Dingen als auch das „Wiederfinden“ von vorher besessenen und verloren gegangenen Dingen bedeuten, kommt Philo zu dem Schluss, dass das wohl zutreffendste Beispiel für den Akt des „Wiederfindens“ das „große Gelübde“ mit seinen Bestimmungen ist. Dass aber gerade diese nuancierte Auslegung bereits vom Bibeltext her nahegelegt wäre, wird man nicht in dem Sinne folgern dürfen, als habe Noah einst seine Gnade vor Gott verloren und diese im Angesicht der bevorstehenden Flut wiedergefunden.203 So gesehen stellt Imm 86–90 auch keine allegorische Auslegung zu Gen 6,8, sondern zu den Gesetzesbestimmungen über den verunreinigten Naziräer in Num 6,9–12 dar. Die einzige thematische Verbindung zwischen Noah und dem großen Gelübde ist der Gedanke des „Gnadefindens“, das dem Noah durch seinen frommen und tadellosen Lebenswandel beschieden war (Gen 6,9) und das man für den Naziräer wohl in seinem Bitten um Gutes und in seinem Vertrauen, die Ursache aller guten Dinge in Gott gefunden zu haben, veranschlagen muss. Auf lexematischer Ebene funktioniert die Entsprechung zwischen der NoahErzählung und dem Naziräat nur, weil Philo das Reinigungsritual des Naziräers 200 Am ehesten dürfte sich αὐτάς auf κεφαλαιώδεις ἀνατολάς aus Imm 88 beziehen. Auf der Ebene des Literalsinns wird man aber auch einen Bezug zu κόμη τρίξ κεφαλῆς sehen dürfen, da aufgrund ihres Verlusts durch die Verunreinigung an Toten ja erst die Deutung des Verlusts der „hauptsächlichen Quellen der Tugendlehren“ möglich wird. 201 Vgl. Num 6,9. 202 Theokrit 14,48. 203 Dies unterstellt Chepey 2005: 52 jedoch Philo. Weder vom biblischen Text noch aus außerbiblischen Traditionen (vgl. Jub 5,19; 1 QGenApoc 6,2; Jes 65,8 𝔗) lässt sich ein solcher vormaliger Verlust der Gnade ablesen.
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allegorisch als ein Wiederfinden der Tugend und der guten Dinge deutet. Man möchte also fast meinen, Philo hatte bereits die Naziräer-Gesetze allegorisch ausgelegt und hier die Verbindung zur Noah-Erzählung nur per Stichwortassoziation als passend ermessen und eingefügt.204 Die hier vorgebrachte grundlegende Deutung eines Gelübdes als eine Form, Gutes von Gott zu erbitten (87), könnte für Philo auch im Naziräat eine Entsprechung besitzen. Als Unterschied trete beim „großen Gelübde“ im Grunde genommen allein das Bekenntnis und die innere geistige Einstellung des Geweihten hinzu, das Gute und von Gott Erbetene sei bei seiner Erlangung auch allein auf ihn zurückzuführen. Eine nähere Erläuterung, inwieweit Philo Gott als den Ursprung „aller“ guten Dinge verstanden wissen will, folgt sogleich in einer Aufzählung von Beispielen, bei denen nur vermeintlich zusätzliche äußere Faktoren beim Ablauf einer Ereignisfolge für ein letztlich als positiv einzuschätzendes Ergebnis eine Rolle gespielt haben. Zu diesen vermeintlichen äußeren Faktoren zählt Philo beispielhaft Erde, Regen, Luft und den landwirtschaftlichen Beitrag des Menschen bei der Erhöhung der Fruchterträge, die nur für Ignorante Grund und Voraussetzung fruchtreicher Ernten sind. Ähnlich verhalte es sich auch mit Ehe und Medizin in Bezug auf Fortpflanzung und die Therapierung von Krankheiten. Alle diese Dinge wirken nicht aus sich selbst heraus, sondern sind beseelt mit der Kraft Gottes und allein aus diesem Grund auch wirkmächtig, der Landwirtschaft hohe Fruchterträge zu bescheren, Krankheiten mit der Hilfe von Medizin zu heilen und die Nachkommenschaft einer Familie zu sichern. Will man nicht annehmen, dass Philo hier wahllos über vermeintliche Kausalzusammenhänge alltäglich erfahrbarer Handlungsabläufe und Sachzusammenhänge aufklären möchte, dann ließe sich annehmen, dass es bei diesen Beispielen eben gerade um solche geht, deren glücklicher Ausgang besonders häufig mit der Selbstweihe zum Naziräer erbeten wurde. Gerade im Fall von Krankheit205 und Kinderwunsch206 ist der Naziräat als angewandtes Mittel, Gottes heilvolles Einwirken zu erbeten, in anderen jüdischen Quellen belegt. So gedeutet könnte das von Philo erstgenannte Beispiel aus der Erfahrungswelt der Landwirtschaft ein Zeugnis dafür sein, dass der Naziräat auch von Bauern inauguriert wurde, um von Gott die Fruchtbarkeit der Äcker und einen hohen Fruchtertrag zu erbeten.207 Inwieweit Philo 204 Vgl. dazu unten die allegorische Deutung der Verunreinigung des Naziräers in Agr 174–180. 205 Vgl. z.B. Josephus, Bell 2,313. 206 Vgl. tNaz 2,8. 207 Dies würde auch zu Philos Verknüpfung von Naziräat und Erstlingsfruchtabgabe in SpecLeg 1,248 passen. Der für den Erntesegen betende Bauer hätte dann im Zuge der Wallfahrt nach Jerusalem sein Gelübde zusammen mit der Überführung der Erstlingsfrüchte am Tempel ausgelöst. Vor diesem Hintergrund halte ich die von Geljon und Runia 2013:
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den Naziräat als eine bedingte Selbstverpflichtung verstanden haben wollte, geht aus seiner Darstellung nicht explizit hervor.208 Da das Gelübde mit seinen Ausweihungsopfern ein doch kostspieliges Unterfangen war, ließe sich vielleicht argumentieren, dass Weihewillige mehrheitlich die Erfüllung ihrer Bitte, sei es Genesung von schwerer Krankheit, Kinderwunsch oder reicher Ernteertrag, zur Vorbedingung für ihre Inauguration des Naziräats machten.209 An das durch das Gelübde ausgedrückte Bekenntnis zur alleinigen Wirkmächtigkeit Gottes in allen guten Dingen schließt Philo eine allegorische Auslegung von τρέφοντα κόμην τρίχα κεφαλῆς aus Num 6,5 an. Über den bloßen Literalsinn der Textstelle hinaus sei die aus dem Scherverbot des Naziräers folgende Vermehrung des Haars als eine Vermehrung der „Quellen der Tugendlehren“ zu deuten. Hierbei lässt sich eine große Nähe zu Philos Tugendund Seelenlehre aus All 1,63–73 beobachten, wo Philo die vier in Gen 2,10–14 erwähnten Paradiesströme allegorisch als die vier Einzeltugenden, die vernünftige Einsicht, Besonnenheit, Tapferkeit und Gerechtigkeit, verstanden wissen will. So gesehen wird Philo wohl mit dem leitenden Teil der Seele (τὸ ἡγεμονικόν) in Imm 88 auf den ersten von drei Teilen der Seele Bezug nehmen, den er als denkenden Teil im Kopf verortet und dem die Tugend der vernünftigen Einsicht beigeordnet ist. Wenn Philo das Wachsen der Haare allegorisch als das Mehren der die vernünftige Einsicht speisenden Quellen deutet, dann beschreibt er damit den Idealzustand einer erquickten Seele, in der die vernünftige Einsicht als die beste unter den vier Tugenden gleichsam als Wagenlenker die beiden untergeordneten Tugenden Besonnenheit und Tapferkeit im Zaum hält und somit erst Gerechtigkeit als die vierte Tugend ermöglicht.210 Der Zustand einer erquickten Seele kann aber ein jähes Ende nehmen, wenn die Seele durch einen unfreiwilligen Wandel gleich einem Wirbelsturm (τυφῶν) getroffen wird und alles Gute aus ihr fortgerissen wird. Was auf der allegorischen Sinnebene hier als unfreiwilliger bzw. plötzlicher Wandel und als Befleckung des Verstandes begriffen wird, stellt auf der Ebene des Literalsinns die plötzliche Befleckung des Naziräers mit Totenunreinheit und die sich damit an den Naziräer gerichtete Forderung der Aufnahme eines siebentägigen 260 geäußerte Annahme, Philo treffe in Imm 87 eine generelle Unterscheidung zwischen εὐχή und εὐχὴ μεγάλη, wobei es sich bei der εὐχή um ein Bitten um gute Dinge handele und die εὐχὴ μεγάλη eine Art Bekenntnishandlung sei, für unsachgemäß. 208 Vgl. z.B. Chepey 2005: 53, der Philos Ausführungen zum Bittcharakter des Gelübdes als „conditional petition“ deutet. 209 Nach SpecLeg 2,12 zumindest kann sowohl erlangter als auch erhoffter Reichtum Grund zur Aufnahme eines Gelübdes sein. 210 Vgl. All 1,70–72. Zur Aufnahme von Platos Timaeus in Philos Tugend- und Seelenlehre vgl. Runia 1986: 302–303.
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Reinigungsrituals und der Neuaufnahme des Gelübdes dar. Worum es sich bei diesem plötzlichen und unfreiwilligen Wandel handelt, erläutert Philo in Imm 86–90 nicht.211 Nach All 1,105–106 ist dieser zweite Tod, der nicht als biologischer zu verstehen sei, die Verbindung der Seele mit dem Leib, bei der die Seele von den Leidenschaften des Körpers wie bei einer Beisetzung zugeschüttet wird. Näheres weiß Philo jedoch in All 1,73 zu berichten, wenn er über die Folgen aufklärt, die das Abschütteln des Wagenlenkers durch den leidenschaftlich mutvollen Seelenteil in der Brust und den begehrenden Seelenteil im Bauch nach sich zieht. Diesen beiden Seelenteilen ist nämlich auch θυμός („leidenschaftlicher Zorn“) in der Brust und ἐπιθυμία („Begierde“) im Bauch zugeordnet,212 die, so denn sie die Zügel übernehmen, den ganzen Wagen in den Abgrund stürzen und Ungerechtigkeit nach sich ziehen.213 Die siebentägige Phase der Reinigung und die Wiederaufnahme des Naziräatsgelübdes sind schließlich nach Philo allegorisch als Reinigung des Verstands und als erneute Ausrichtung des Handelns nach der rechten Weise der Vernunft anzusprechen. Nach den Worten von Imm 70–72 wird man mit dem Moment der Wiederaufnahme des Naziräatsgelübdes die erneute Übernahme der Leitung menschlicher Handlungen durch den denkenden Seelenteil im Kopf entdecken müssen. Dass der Mensch sein gesamtes Leben ohne einen solchen Seelenwandel bzw. eine Befleckung des Verstandes zu führen im Stande ist, hält Philo nach dem im Folgenden zu besprechenden Agr 174–180 für ausgeschlossen, es sei denn, dass Gott diesem dazu das Gelingen schenkt. Eine weitere, aber eher indirekte Verknüpfung zwischen Noah und dem Naziräat stellt Philo in Agr 174–180 her. Im Zusammenhang der Auslegung ausgewählter Partien der Genesis unternimmt Philo in De agricultura eine Deutung des wörtlichen und des allegorischen Sinns von Noahs Bezeichnung als Ackerbauer in Gen 9,20. In der zweiten Hälfte der Schrift (ab Agr 124), wendet sich Philo ausgehend von der Wendung ἤρξατο Νωε („Noah begann“) der Thematisierung des Beginns der Tugendhaftigkeit zu.
211 Von vornherein auszuschließen ist, anders als Chepey 2005: 52 dies annimmt, dass Gott die Ursache dieses Wandels sein kann. Wie Philo in Imm 87–88 bereits erwähnt hat, wirkt Gottes Kraft in allen Dingen nur zum Guten. Die Anfälligkeit zum Bösen schreibt Philo hingegen den Helfern Gottes zu, die ihn bei der Schöpfung assistiert haben (vgl. Opif 75 in Anlehnung an Platos Tim 42 d5–c3; sowie dazu Kaiser 2015: 174). 212 Zum Gebrauch der Begriffe „Welle“ und „Sturm“ als Metaphern für die Leidenschaften des Menschen siehe Agr 89; sowie dazu Geljon und Runia 2013: 61. 213 An anderer Stelle kann Philo das Überwinden des rationalen Teils der Seele durch den irrationalen Teil der Seele als einen Tod der Seele selbst ausdrücken. Vgl. dazu All 2,77–78 und Zeller 1995.
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174 εἰσὶ δ᾽ οἳ πάντα κάλων εὐσεβείας ἀνασείσαντες ἐνορμίσασθαι τοῖς λιμέσιν αὐτῆς ταχυναυτοῦντες ἐσπούδασαν, κἄπειτ᾽ οὐ μακρὰν ἀφεστηκότων, ἀλλ᾽ ἤδη μελλόντων προσέχειν, αἰφνίδιον ἐξ ἐναντίας καταρραγὲν πνεῦμα πλησίστιον εὐθυδρομοῦν τὸ σκάφος ἀνέωσεν, ὡς ὑποκεῖραι πολλὰ τῶν πρὸς εὔπλοιαν συνεργούντων. 175 τούτους οὐκ ἄν τις ἔτι θαλαττεύοντας αἰτιάσαιτο· ἀκούσιος γὰρ αὐτοῖς ἐπειγομένοις γέγονεν ἡ βραδυτής. τίς οὖν ἀπεικάζεται τούτοις ἢ ὁ τὴν μεγάλην λεγομένην εὐξάμενος εὐχήν; „ἐὰν γάρ τις“ φησίν ἀποθάνῃ ἐπ᾽ αὐτῷ αἰφνίδιον, παραχρῆμα μιανθήσεται ἡ κεφαλὴ εὐχῆς αὐτοῦ, καὶ ξυρήσεται· εἶτα ὀλίγα προσειπὼν ἐπιφέρει· „αἱ δ᾽ ἡμέραι αἱ πρότεραι ἄλογοι ἔσονται, ὅτι ἐμιάνθη κεφαλὴ εὐχῆς αὐτοῦ“· 176 δι᾽ ἀμφοτέρων τοίνυν, τοῦ τε αἰφνίδιον καὶ τοῦ παραχρῆμα εἰπεῖν, ἡ ἀκούσιος παρίσταται τῆς ψυχῆς τροπή· πρὸς μὲν γὰρ τὰ ἑκούσια τῶν ἁμαρτημάτων εἰς τὸ βουλεύσασθαι ποῦ καὶ πότε καὶ πῶς πρακτέον χρόνου δεῖ, τὰ δὲ ἀκούσια ἐξαίφνης, ἀπερισκέπτως καί, εἰ οἷόν τε τοῦτ᾽ εἰπεῖν, ἀχρόνως κατασκήπτει. 177 χαλεπὸν γὰρ ὥσπερ τοὺς δρομεῖς ἀρξαμένους ὁδοῦ τῆς πρὸς εὐσέβειαν ἀπταίστως καὶ ἀπνευστὶ διευθῦναι τὸν δρόμον, ἐπειδὴ μυρία ἐμποδὼν παντὶ τῷ γενομένῳ. 178 πρότερον μὲν οὖν, ὃ ἓν καὶ μόνον εὐεργεσία, μηδενὸς τῶν κατὰ γνώμην ἀδικημάτων ἐφάψασθαι πᾶσάν τε τὴν ἀμήχανον τῶν ἑκουσίων πληθὺν ἰσχῦσαι διώσασθαι· δεύτερον δὲ τὸ μήτε πολλοῖς τῶν ἀκουσίων μήτ᾽ ἐπὶ μήκιστον χρόνον ἐνδιατρῖψαι. 179 παγκάλως δὲ τὰς τῆς ἀκουσίου τροπῆς ἡμέρας εἶπεν ἀλόγους, οὐ μόνον ἐπειδὴ τὸ ἁμαρτάνειν ἄλογον, ἀλλ᾽ ὅτι καὶ τῶν ἀκουσίων λόγον οὐκ ἔστιν ἀποδοῦναι. παρὸ καὶ πυνθανομένων πολλάκις τὰς τῶν πραγμάτων αἰτίας φαμὲν μήτ᾽ εἰδέναι μήτ᾽ εἰπεῖν δύνασθαι· μήτε γὰρ γιγνομένων συμπαραληφθῆναι, ἀλλὰ καὶ τὴν ἄφιξιν αὐτῶν ἀγνοῆσαι. 180 σπάνιον οὖν εἴ τῳ δωρήσεται ὁ θεὸς ἀπ᾽ ἀρχῆς ἄχρι τέλους σταδιεῦσαι τὸν βίον μήτ᾽ ὀκλάσαντι μήτ᾽ ὀλισθόντι, ἀλλ᾽ ἑκατέραν φύσιν ἀδικημάτων, ἑκουσίων τε καὶ ἀκουσίων, ῥύμῃ καὶ φορᾷ τάχους ὠκυδρομωτάτου ὑπερπτῆναι. 174 Es gibt aber (auch solche), die alle Segel der Frömmigkeit setzten (und) sich beeilten, in schneller Fahrt (ihr Schiff) in ihre214 Häfen zu bringen, und dann, als sie sich nicht weit entfernt vom Festland befanden, sondern gerade dabei waren, in den Hafen einzulaufen, brach aus der Gegenrichtung plötzlich ein segelfüllender Sturm herrein und das mit geradem Kurs einlaufende Schiff wurde wieder vom Festland weggedrückt, sodass viele der für eine gute Reise zusammenwirkenden Dinge zerstört wurden. 175 Diesen würde (doch) niemand vorwerfen, (selbstverschuldet) noch draußen auf See zu sein, denn gegen (ihren) Willen geschah Langsamkeit, als sie (Richtung Festland) drängten. Wer anderes wäre 214 Gemeint ist die Frömmigkeit.
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nun mit diesen zu vergleichen als der, der das so genannte große Gelübde abgelegt hat? (Mose) sagt (in Num 6,9): „Denn wenn jemand plötzlich neben ihm stirbt, dann ist das Haupt seines Gelübdes augenblicklich verunreinigt und er soll (es) scheren“. Und dann, nachdem er ein paar Dinge hinzugefügt hat, fährt er fort: „die ersten Tage aber werden nicht gezählt, weil das Haupt seines Gelübdes verunreinigt wurde“. 176 Nun durch die beiden Ausdrücke „plötzlich“ und „augenblicklich“, wird der unfreiwillige Wandel der Seele ausgedrückt. Denn hinsichtlich der freiwillig begangenen Sünden bedarf es zur Ausführung Zeit, um das Wo, Wann und Wie zu erwägen. Doch unfreiwillige (Sünden) brechen plötzlich (und) unbedacht herein, und, wenn man so etwas sagen kann, (auch) ohne das Verstreichen von Zeit. 177 Denn es ist schwierig wie (im Fall) von Sprintern, den Kurs gradlinig ohne Straucheln und Atemlosigkeit zu halten, wenn man auf dem Weg zur Frömmigkeit beginnt (zu wandeln), da jedem Sterblichen zahllose Dinge in den Weg gelegt sind. 178 Als erstes daher nun – (und darin liegt) einzig und allein das rechte Handeln – (gilt), sich nicht auf absichtliche Vergehen einzulassen und ebenfalls die Stärke zu haben, die unbeschreiblich große Menge der freiwilligen Vergehen abzuwehren. Zweitens aber (gilt), weder bei den vielen unfreiwilligen Vergehen zu verweilen noch (sich mit ihnen) für eine lange Zeit (zu befassen). 179 Sehr schön hat er aber die Tage der unfreiwilligen Wandlung „grundlos“ genannt, nicht allein, weil das Sündigen grundlos ist, sondern auch weil man für unfreiwillige Vergehen keine Anklage vorbringen kann. Aus diesem Grund sagen wir auch bei häufigen Befragungen, dass wir die Gründe für (gewisse) Dinge weder kennen noch mitteilen können, denn wir waren nicht mit anwesend, als sie geschahen, sondern waren über ihre Ankunft nicht in Kenntnis gesetzt. 180 Es ist nun gar selten, wenn Gott einem gibt, das Leben von Anfang bis Ende wie in einem Stadion zu laufen, ohne niederzugehen, noch zu fallen, sondern beide Arten von Vergehen, freiwillige und unfreiwillige, mit dem Schwung und der Ungestümtheit eiligster Bewegung zu überfliegen. Im Bild eines am sicheren Anlegen gehinderten Schiffes ausgedrückt, das durch ungünstige Winde wieder auf das offene Meer hinausgetrieben wird, beschreibt Philo das unfreiwillige und unverschuldete Scheitern eines an den Tugenden ausgerichteten Lebens. Gleichwie den Matrosen unter solchen widrigen Voraussetzungen niemand die Verantwortung für ihr misslungenes Einfahren in den sicheren Hafen215 zuschreiben würde, so seien auch jene von 215 Zum Gebrauch der Hafenmetapher bei Philo vgl. Sacr 90; Somn 2,225; Her 305; sowie dazu Geljon und Runia 2013: 260.
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Schuld freizusprechen, die unfreiwillig und unverschuldet sündhaft gehandelt hätten. Schuldig zu sprechen wären dagegen diejenigen, die ihre sündhafte Handlung unter zeitlichem Aufwand und unter Berücksichtigung von Ort, Zeitpunkt und Durchführung geplant hätten.216 Um seiner Leserschaft die Unfreiwilligkeit und das Unverschuldetsein an einer sich plötzlich ereignenden, auf das Individuum von außen einwirkenden und von diesem nicht steuerbaren Einflussnahme zu veranschaulichen, wählt Philo den Vergleich mit einem sich plötzlich an einem Toten vernunreinigenden Naziräer.217 Die nach Num 6,9 ausgedrückte Plötzlichkeit seiner Übertretung, die nach dem biblischen Zeugnis die Ungültigkeit seiner bereits abgeleisteten Naziräatstage zur Folge hat, wird von Philo zur Veranschaulichung unfreiwilliger Vergehen gebraucht. Dem Naziräer, der seine Frömmigkeit durch die Selbstweihe mit dem „großen Gelübde“ (εὐχὴ μεγάλη) unter Beweis gestellt hat und ganz plötzlich und unvorhersehbar mit einem Toten in Kontakt gekommen ist, wird man – so ließe sich aus Philo’s Worten schließen – wohl am wenigsten nachsagen dürfen, dass dieser seine Situation selbst verschuldet hätte. Das in Num 6,12 mit ἄλογος ausgedrückte Verwirktsein der bereits abgeleisteten Tage der Naziräatsweihe deutet Philo nach seinem dreifachen Wortsinn218 neben „nicht anrechenbar“219 außerdem noch als „vernunftwidrig“, denn nichts anderes sei Sünde ja im Grunde genommen, sowie als „grundlos“, da wegen der Plötzlichkeit der Verfehlung keine zuvor ermittelbare Intention und damit auch keine Anklage erhoben werden kann.220 Sich solcher unfreiwilliger Vergehen gänzlich zu erwehren, ist nach Philo überhaupt nur ein Geschenk, das Gott den wenigsten zuerkennt. Diese gegenüber Imm 89 ersichtlich werdende Neuakzentuierung hin zur Frage nach Schuld und Schuldlosigkeit bei unfreiwilligen, sich plötzlich ereignenden Verfehlungen ist bemerkenswert. Ob sich diese Neuakzentuierung allein aus dem im Kontext von Agr 174–180 behandelten Gegenstand für Philo sachlogisch ergibt, oder ob sich dahinter gar ein apologetisches Interesse verbirgt, Stimmen zu entkräften, die Naziräer für Sünder halten,221 lässt sich leider nicht mehr beantworten.
216 Zur häufig bei Philo thematisierten Unterscheidung freiwilliger und unfreiwilliger Verfehlungen vgl. auch Sacr 48; Post 48 und Fug 65. 217 Das Bild des die Seele erfassenden Sturms hatte Philo schon in Imm 89 bemüht und dort ebenfalls die Verbindung zur Plötzlichkeit des sich verunreinigenden Naziräers hergestellt. 218 Vgl. zur Stelle Cohn et al. 1962: 147 Anm. 1. 219 Dergestalt ist die Deutung von ἄλογος nach Imm 90, wenn Philo das Verweilen bei und das Zählen der Tage des Seelenwandels als unwürdig erachtet. 220 Vgl. dazu auch Pseudo-Phok 51–52; Xenophon, Mem 4,2,19; sowie Wilson 2005: 111. 221 Vgl. dazu bNed 10a.
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1.2.3.3 Die Heiligkeit des Naziräers nach Somn 1,252–254 Keinen direkten Verweis auf den Naziräat aber dennoch eine Verbindung der Weihe des Samuel mit den Ausführungen zum Heiligkeitsstatus eines Naziräers in Num 6,5 bietet Philo in Som 1,252–254. Der Grund für Philos Exkurs zum Gelübde in seiner Abhandlung über Träume dürfte in der Thematisierung der Engelserscheinung in Jakobs Traum in Gen 31,11–13 begründet liegen. Dort wird Jakob im Traum zusammen mit der Engelserscheinung auch eine Selbstoffenbarung Gottes zuteil, in der sich Gott als der Jakob vormals in Bethel Erschienene vorstellt und für den Jakob an jener Stelle auch eine Säule errichtet hatte. 252 διὸ καὶ μετὰ τὴν τῆς στήλης ἀνάθεσίν φησιν, ὅτι ηὔξω μοι εὐχήν. εὐχὴ δέ ἐστι κυρίως εἰπεῖν ἀνάθεσις, ὁπότε μὴ μόνον τὰ ἑαυτοῦ κτήματα, ἀλλὰ καὶ τὸν κεκτημένον ἑαυτὸν ἀποδιδοὺς διδόναι λέγεται θεῷ δῶρον. 253 ἅγιος γάρ φησιν ἐστὶν ὁ τρέφων κόμην τρίχα κεφαλῆς εὐξάμενος· εἰ δὲ ἅγιος, ἀνάθημα πάντως, μηδενὸς ἔτ᾽ ἀνιέρου καὶ βεβήλου προσαπτόμενος. 254 ἐγγυᾶται δέ μου τὸν λόγον ἡ προφῆτις καὶ προφητοτόκος Ἄννα, ἧς μεταληφθὲν τοὔνομα καλεῖται χάρις. τὸν γὰρ υἱόν διδόναι φησὶ τῷ ἁγίῳ δῶρον Σαμουήλ, οὐκ ἄνθρωπον μᾶλλον, ἀλλὰ τρόπον ἐνθουσιῶντα καὶ κατεχόμενον ἐκ μανίας θεοφορήτου. Σαμουὴλ δὲ ἑρμηνεύεται τεταγμένος θεῷ. 252 Deshalb heißt es auch nach Errichtung der Säule (Gen 31,13): „Du hast mir ein Gelübde abgelegt.“ Ein Gelübde aber ist – genauer gesagt – eine Weihegabe, sobald gesagt wird, dass einer Gott ein Geschenk gibt, wenn er nicht nur seine eigenen Besitztümer, sondern sich selbst als Besitzer (Gott) zurückgegeben hat; 253 denn es heißt (Num 6,5): „Heilig ist, wer wachsen lässt das Haar – das Haar des Hauptes“, wenn er ein Gelübde ablegt. Wenn er aber heilig ist, (dann) ist (er) ganz ein Weihegeschenk, wobei er nichts Unheiliges und Profanes mehr berührt. 254 Die Prophetin und Prophetengebärerin, Hanna, deren Name übersetzt „Gnade“ meint, bürgt aber für mein Wort, denn es heißt (1. Sam 1,28), dass sie (ihren Sohn), Samuel, dem Heiligen als Geschenk gegeben hat; weniger den Menschen, als vielmehr den enthusiastischen und auf inspirierten Gotteswahn ausgerichteten Charakter. Samuel aber wird als „bestimmt für Gott“ interpretiert. Dass Gott in Gen 31,13 Jakob an das von ihm abgelegte Gelübde zur Errichtung eines Gotteshauses in Bethel erinnert, nimmt Philo zum Anlass, seine Leserschaft näher über Bedeutung und Sinn eines Gelübdes ins Bild zu setzen. Dabei definiert Philo bereits die Willensbekundung zur Darbringung einer Weihegabe an Gott als ein Gelübde. Eine solche versprochene Weihe kann sich sowohl
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auf die Besitztümer einer Person als auch auf die Person selbst beziehen. Das äußere Anzeichen einer Selbstweihe, die für Philo Selbstaufgabe und Rückgabe (ἀποδίδωμι) der eigenen Person an seinen Schöpfer bedeutet,222 ist das in Num 6,5 benannte Wachsenlassen der Haare, das für den Geweihten Ausdruck seiner Heiligkeit ist. Den Hinweis auf den Verzicht einer geweihten Person, Unheiliges und Profanes zu berühren, wird man vielleicht auf den ersten Blick auf die vom Naziräer in Num 6,6 geäußerte Beachtung, sich nicht mit Totenunreinheit zu beflecken, beziehen können. Als Bürge für seine Darlegungen zum Weihegelübde zieht er Hanna, die Mutter Samuels, heran, die er nicht nur ehrenvoll als Phrophetengebärerin bezeichnet, sondern sie gleich noch mit in den Stand einer Prophetin erhebt. Sie hat ihren Sohn als δῶρον Gott geweiht und dabei auch versprochen – und hier wird man die Verbindung zu Philos Zitat aus Num 6,5 sehen müssen – ihm die Haare nicht zu scheren. Wird man aus dieser Verknüpfung auch in einem Atemzug schließen dürfen, dass Philo den Propheten Samuel als einen geweihten Naziräer verstanden wissen wollte?223 Was aus der Darstellung Philos zuerst einmal deutlich wird, ist, dass Philo vordergründig über die konzeptionellen Eigenheiten einer Weihe an sich und nicht über die kategoriellen Besonderheiten des Naziräats referiert. Ein solcher Rückschluss legt sich aus einer Reihe von Gründen nahe: 1) Philo spricht anders als in SpecLeg 1,247–248 und Imm 87 nicht von einer εὐχὴ μεγάλη,224 einem „großen Gelübde“, sondern von einer ἀνάθεσις. 2) Die Begriffe ἀνίερος225 und βέβηλος226 aus Somn 1,253 erinnern vielleicht auf den ersten Blick an die Verpflichtung eines Naziräers aus Num 6,6–12, sich unbedingt vor 222 So ähnlich auch schon in SpecLeg 1,248. 223 Dies wird von Cacciari 2003: 152–153; Chepey 2005: 53–54 und Friesen 2016: 465 Anm. 33 mit Verweis auf Philos Anknüpfung an Num 6,5 in Somn 1,253 bejaht. 224 Leonhardt 2001b: 118 und Chepey 2005: 53 lesen dies jedoch in Somn 1,252–254 hinein und identifizieren demgemäß Samuel auch als Naziräer. 225 Philo kann auch von θυσίαι ἀνίεροι („unheiligen Opfern“; Cher 94) und bei ἀνίερος allgemein von Dingen sprechen, die vom Altar fernzuhalten (Sacr 138) sind. Ferner qualifiziert er Totschläger (Sacr 128), Vergnügungssüchtige und ihre Lasterhaftigkeit (Sacr 32; Agr 112–113; SpecLeg 1,281), allgemein Menschen mit schuldiger Gesinnung (Plant 108; Conf 160–161; Fug 83), freiwillige Vergehen (Imm 128) und böse Engel (Gig 16) als ἀνίερος. 226 Während ἀκάθαρτος die physische Unreinheit ausdrückt, wie sie von Toten, Ausfluss, Aussatz und unreinen Tieren ausgeht, versteht Philo unter βέβηλος seelische Unreinheit, die durch irrige Meinungen und Lasterhaftigkeit in unserer Seele auftritt (Migr 69; Congr 169; Fug 18–19; 114). Zu den mit βέβηλος qualifizierten Dingen, die für den Kult und sein Personal unzugänglich zu machen sind, zählt Philo die Dirne, die durch ihre Unzucht Körper und Seele verunreinigt hat und damit von der Ehe mit Priestern auszuschließen ist (SpecLeg 1,102), und ihren Lohn (SpecLeg 1,104). βέβηλος, in den folgenden Beispielen „entweiht“, werden heilige Gaben, wenn sie zweckentfremdet werden (SpecLeg 1,123), und die Ruhe des Sabbats, wenn sie durch Arbeit gebrochen wird (SpecLeg 2,249). Außerdem
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der Verunreinigung mit Totenunreinheit in Acht zu nehmen, doch ließe sich der Gebrauch des Begriffspaars auch vor dem Hintergrund von Philos Vergleich zwischen der Weihe von Votivgaben und der Selbstweihe von Personen erklären. Geht es Philo doch gerade an dieser Stelle darum, auszudrücken, was einen Geweihten im wahrsten Sinne des Wortes zu einem ἀνάθημα („Weihegeschenk“) macht. Philo gebraucht das Begriffspaar ἀνίερος und βέβηλος ein weiteres Mal in Congr 169. Dort allegorisiert er das Verbot aus Lev 2,11, Sauerteig und Honig auf dem Altar in Rauch aufgehen zu lassen, dahingehend, dass es eine Schwierigkeit darstellt, die Süße der Vergnügungen des Leibes und das vernunftlose Erheben der Seele, die von Natur aus ἀνίερος und βέβηλος sind, als etwas Heiliges zu weihen. Außerdem bezeichnet er in SpecLeg 1,150 die Begierde als ἀνίερος und βέβηλος. Ferner qualifiziert Philo in SpecLeg 1,223 die Reste des Heilsopfers (θυσία σωτηρίου), die bis zum dritten Tag nicht verzehrt worden sind und dann nach Lev 19,6 auch nicht mehr verzehrt werden dürfen, mit dem Begriffspaar. Zu erinnern wäre in diesem Zusammenhang auch an Philos Verständnis vom gewalt- und blutlosen Kult in SpecLeg 1,270, bei dem er den Kultteilnehmer auch als ἱερεῖον („Opfer“) versteht, der sich nur dann der allerheiligsten Stätte nähern darf, wenn er nicht wie die Unheiligen von Habgier und Ungerechtigkeit getrieben ist. Der spezifische Gebrauch des Begriffspaars legt für die in Somn 1,253 von Philo getroffene Gleichsetzung von Votivgabe und Geweihtem nahe, dass gleich wie die Votivgabe vor Zweckentfremdung und vor physischer Verunreinigung zu bewahren ist, der Geweihte in Entsprechung seine Seele vor seelischer Verunreinigung durch Lasterhaftigkeit und irriger Überzeugung zu schützen hat. 3) Der Verweis auf Hanna und die Weihe ihres Sohnes Samuel zum δῶρον („Weihegeschenk“) für Gott im Anschluss an das Zitat aus Num 6,5, in dem die Heiligkeit des Naziräers sinnbildlich durch das Wachsenlassen der Haare Ausdruck findet, muss nicht zwangsläufig als Identifikation von Samuels Weihestatus als Naziräer interpretiert werden. Der Konnex zwischen der durch den Haarwuchs ausgedrückten Heiligkeit des Geweihten und der Weihe Samuels liegt ohne Frage im Versprechen Hannas in 1. Sam 1,11, ihrem Sohn nicht die Haare zu schneiden. Ob Philo aus diesem Haarscherverbot bereits schon geschlossen hat, dass Samuel ein Naziräer war, bringt er in nicht einem einzigen seiner Werke zur Sprache. Gleich der Errichtung und Salbung des Gedenksteins in Gen 31,13, die für Philo als ein materielles Zeugnis für das von Jakob abgelegte und noch einzulösende Gelübde stehen, könnte das Wachsenlassen der Haare ein physisches Zeugnis für die Darbringung der eigenen Person als Opfer sein. Für Philo ist die kann Philo βέβηλος als Antonym zu ἱερός bzw. ἅγιος („heilig“) im Sinne von „profan“ gebrauchen (SpecLeg 3,130.183; 4,84; Sacr 101; 138; Post 96; 110; Plant 53; 61; Ebr 127; 143).
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Samuelerzählung ein Beweis dafür, dass die Weihe eines Menschen genauso wie die Weihe einer Votivgabe die Heiligung derselben bedeutet und dass diese Heiligung im Fall einer Personenweihe äußerlich durch den Verzicht der Haarrasur in Erscheinung tritt. Ganz losgelöst davon ist freilich die Frage, an welche Form der Personenweihe Philo hier im Speziellen gedacht haben mag, dürfte er doch als Toraausleger neben dem Naziräat auch die in Lev 27 beschriebene Form einer Personenselbstweihe gekannt haben.227 Vielleicht verstand Philo die Weihe des Samuel in 1. Sam 1,11 neben Num 6 und Lev 27 gar als eine dritte Form der Personenweihe. Da Philo in erster Linie eine Gegenüberstellung von Sach- und Personenweihe unternimmt und zu dem Schluss kommt, dass beiden schutzbedürftige Heiligkeit zukommt, scheint mir eine Engführung der Deutung auf den Naziräat unsachgemäß. Was Philo schließlich mit der Übergabe Samuels durch Hanna, die sie nicht an seinem menschlichen Körper sondern an seinem auf „inspirierten Gotteswahn ausgerichteten Charakter“ vollzieht, meint, wird am ehesten in der Zusammenschau mit Ebr 143–144 im folgenden Abschnitt deutlich. Der Weinverzicht des Naziräers als Mittel zur Befreiung von Leidenschaften in Ebr 143–144 Ein weiteres Mal rückt Philo Samuel in den Mittelpunkt seiner Erörterungen im Traktat über die Trunkenheit in Ebr 143–144. 1.2.3.4
143 νόμου δὲ καὶ παιδείας ἴδιον βέβηλα ἁγίων καὶ ἀκάθαρτα καθαρῶν διαστέλλειν, ὡς ἔμπαλιν ἀνομίας καὶ ἀπαιδευσίας εἰς ταὐτὸν ἄγειν τὰ μαχόμενα βιάζεσθαι φυρούσης τὰ πάντα καὶ συγχεούσης. διὰ τοῦτο ὁ καὶ βασιλέων καὶ προφητῶν μέγιστος Σαμουὴλ „οἶνον καὶ μέθυσμα“, ὡς ὁ ἱερὸς λόγος φησίν, „ἄχρι τελευτῆς οὐ πίεται“· τέτακται γὰρ ἐν τῇ τοῦ θείου στρατοπέδου τάξει, ἣν οὐδέποτε λείψει προμηθείᾳ τοῦ σοφοῦ ταξιάρχου. 144 Σαμουὴλ δὲ γέγονε μὲν ἴσως ἄνθρωπος, παρείληπται δ᾽ οὐχ ὡς σύνθετον ζῷον, ἀλλ᾽ ὡς νοῦς λατρείᾳ καὶ θεραπείᾳ θεοῦ μόνῃ χαίρων· ἑρμηνεύεται γὰρ τεταγμένος θεῷ διὰ τὸ τὰς πράξεις ὅσαι κατὰ κενὰς δόξας συνίστανται χαλεπὴν ἀταξίαν εἶναι νομίζειν. 143 Die Eigentümlichkeit des Gesetzes und der Unterweisung ist (es), das Profane vom Heiligen und das Unreine vom Reinen zu trennen, so wie (es) umgekehrt (die Eigentümlichkeit) der Gesetzlosigkeit und des Fehlens an Unterweisung ist, gewaltsam das zusammenzuführen, was im Widerstreit miteinander steht, indem sie alles vermischt und verwirrt. Deshalb wird auch der größte der Könige und Propheten, Samuel, 227 Vgl. dazu unten 3 2.1.
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„Wein und starkes Getränk“, wie die Schrift sagt, „bis zu (seinem) Ende nicht trinken“,228 denn er ist eingegliedert in der Ordnung der göttlichen Armee, die er aus Acht vor dem weisen Befehlshaber niemals verlassen wird. 144 Samuel ist wahrscheinlich nur ein Mensch gewesen, aber er wird nicht als ein zusammengefügtes Lebewesen verstanden, sondern als Verstand, der sich allein über Verehrung und den Dienst an Gott freut. (Der Name Samuel) bedeutet „Eingesetzter für Gott“, denn er meint, dass die Handlungen, sofern sie gemäß eitler Ehre entstehen, eine gefährliche Unordnung sind. Gleich wie im Fall von Somn 1,252–254 kommt auch hier S. Chepey zu dem Schluss, dass Philo den Propheten Samuel für einen Naziräer gehalten haben muss.229 Ausschlaggebend für diese Einschätzung ist Philos Verweis auf den in 1. Sam 1,11 𝔊 vermerkten Weinverzicht Samuels. Nun hält es Philo aber nicht für erwähnenswert, dass Samuel dies unter den Konditionen des Gelübdes seiner Mutter getan hat, noch bringt er das „große Gelübde“ – wie Philo den Naziräat zu nennen pflegt230 – sonst in irgendeiner Weise zur Sprache. Überhaupt identifiziert Philo den Propheten Samuel nicht an einer einzigen Stelle im gesamten Corpus seiner Schriften explizit als Naziräer, weshalb ein Naziräat allein auf der Grundlage der Notiz zum Weinverzicht des Samuel hier nicht in den Text hineingelesen werden sollte. Was aus Philos eigenen Worten dagegen offenkundig wird, ist die mit der kausalen Konjunktion γάρ angeschlossene Begründung für den Weinverzicht, die nach seinen Worten nämlich in dem Umstand begründet liegt, dass Samuel durch seine Weihe dem göttlichen Heerlager hinzugefügt wurde. Philo räumt zwar ein, dass der historische Samuel ein menschliches und damit wohl auch in Anlehnung an Platos Phaedr 246c ein gemischtes Wesen aus Leib und Seele gewesen sein muss, doch sei speziell der Textstelle zu entnehmen, dass er mit seinem Weinverzicht als νοῦς und damit als ungemischt begriffen werden sollte. Wie Philo mit der Gestalt Samuels beides, ein gemischtes und ungemischtes Geschöpf, zusammendenken kann, wird am ehesten deutlich, wenn wir an Philos letzte Äußerung über die Art der Weihe des Samuel in Somn 1,254 zurückdenken. Dort ist es nicht der Leib des Samuel, der Gott als Opfergabe überreicht werden soll, sondern sein auf inspirierten Gotteswahn ausgerichteter τρόπος („Neigung, Charakter“). Wenn Samuel mit unter das göttliche Heerlager gerechnet wird, dann identifiziert
228 1 . Sam 1,11. 229 Vgl. Chepey 2005: 55. 230 Vgl. SpecLeg 1,247.
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ihn Philo mit den Himmelskörpern,231 die von göttlicher und unwandelbarer Natur sind. Diese sind lebendige und intelligente Wesen – so weiß Philo in Opif 73 zu berichten – die allein einen Anteil an der Tugendhaftigkeit besitzen und ganz Verstand (νοῦς) sind.232 Wenn Philo Samuel mit zu diesen himmlischen Wesen zählt, dann attestiert er ihm damit die Freiheit von allen Lastern und spricht ihm die durch göttliche Gnade erlangte Befähigung zu, das Irdische und Sterbliche zu verlassen und in der Sphäre der himmlischen Lebewesen zu verharren. Für das bleibende Verharren Samuels im himmlischen Heereslager stellen die an ihm wirksame göttliche Gnade233 und der lebenslängliche Weinverzicht die grundlegenden Voraussetzungen dar. Denn diese Nüchternheit, so fährt Philo in Ebr 151 fort, gewährt ein reines, von Leidenschaften und irdischen Werken befreites Denken.234 Einen solchen durch reine Gedanken ausgezeichneten Verstand vergleicht Philo anhand einer Allegorisierung der Worte Hannas ἐκχεῶ τὴν ψυχήν μου ἐναντίον κυρίου („ich schütte meine Seele vor dem Herrn aus“) aus 1. Sam 1,15 mit einem Trankopfer, das sich Gott ganz hingibt (152). Ein Trankopfer der Seele also, bei dem sie sich ergießt und hinauf bis zur Gottesschau aufsteigt. Dass Philo zu diesem νηφόντων […] ὁ χορός („Chor der Nüchternen“) (153) neben Samuel auch seine Mutter Hanna rechnet, wird man zum Anlass nehmen dürfen, einen Bezug zum Naziräat anzuzweifeln. 1.2.4 Der Naziräat nach der Darstellung des Flavius Josephus 1.2.4.1 Der Naziräat der Berenike in Bell 2,313–314 Da Josephus als Historiker und Apologet seinem Umfeld eine möglichst umfassende Sicht über die Geschichte seines Volkes und eine Momentaufnahme über das jüdische Leben seiner Zeit verschaffen möchte, kommt er auch nicht umhin, vom zur Zeit des Zweiten Tempels hoch geachteten Naziräat zu berichten. Anders als im noch zu behandelnden Abschnitt Ant 4,72 benennt er diesen in Bell 2,313–314 jedoch nicht explizit, sondern spricht unspezifisch von einem εὐχή der Berenike. Mit dem Verweis auf Weinverzicht und Haarscherritual, zwei der drei markanten Spezifika des Gelübdes aus Num 6, wird man jedoch hier ohne große Zweifel annehmen dürfen, dass Berenike die Restriktionen und Obligationen des Naziräats befolgt hat. Die Szene, in der Berenike vor dem römischen Prokurator Florus auftritt, spielt in Jerusalem im Jahr 66 u.Z. 231 Vgl. Decal 104. 232 Vgl. dazu Runia 2001: 239–241. 233 Zu dieser Überzeugung kommt Philo in Ebr 145 auf der Grundlage einer allegorischen Deutung des Namens der Anna, der χάρις („Gnade“) bedeutet. 234 Vgl. Cont 74.
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während der Aufheizung des Konflikts zwischen der judäischen Bevölkerung Palästinas auf der einen Seite und der römischen Besatzungsmacht und der nicht-judäischen Bevölkerung Palästinas auf der anderen Seite.235 Florus, dem das nötige Fingerspitzengefühl zur Entschärfung der aufgeheizten Lage fehlt und der nach Josephus den Aufstand fast im Alleingang provozierte,236 lässt seine raubenden Soldaten wahllos Männer, Frauen und Kinder in Jerusalem hinrichten,237 wobei er sich auch nicht von den Vermittlungsversuchen der Berenike in seiner fehlgeleiteten Amtsführung umstimmen lässt. Dass Berenike nicht mit Agrippa in Alexandria war, um dort mit ihm Glückwünsche zur Ernennung ihres Schwagers, Tiberius Julius Alexander, zum Präfekten von Ägypten zu übermitteln, mag an den zu befolgenden Obligationen ihres Gelübdes gelegen haben, zu deren Befolgung sie nach Jerusalem gekommen war.238 313 ἐπεδήμει δ᾽ ἐν τοῖς Ἱεροσολύμοις εὐχὴν ἐκτελοῦσα τῷ θεῷ τοὺς γὰρ ἢ νόσῳ καταπονουμένους ἤ τισιν ἄλλαις ἀνάγκαις ἔθος εὔχεσθαι πρὸ τριάκοντα ἡμερῶν ἧς ἀποδώσειν μέλλοιεν θυσίας οἴνου τε ἀφέξεσθαι καὶ ξυρήσεσθαι τὰς κόμας 314 ἃ δὴ καὶ τότε τελοῦσα Βερνίκη γυμνόπους τε πρὸ τοῦ βήματος ἱκέτευε τὸν Φλῶρον καὶ πρὸς τῷ μὴ τυχεῖν αἰδοῦς αὐτὴν τὸν περὶ τοῦ ζῆν κίνδυνον ἐπείρασεν 313 Sie hielt sich aber in Jerusalem wegen der Vollendung eines Gott gegenüber (abgelegten) Gelübdes auf, denn es ist üblich für jene, die unter einer Krankheit oder unter einer anderen Not leiden, Gelübde abzulegen, innerhalb von 30 Tagen, bevor sie Opfer darbringen müssen, dem Wein zu entsagen und sich (dann) das lange Haar abzuscheren. 314 Dies beendete nun zu diesem Zeitpunkt Berenike und machte barfüßig Aufwartung vor dem Gericht des Florus, ohne dass sie (dabei) den (nötigen) Anstand erfuhr, und wagte (dies) unter Lebensgefahr. Der Bericht des Josephus bereichert seine Leserinnen und Leser mit den schon so lange erwarteten Hinweisen auf die Gebrauchssituation des Naziräats. So weiß er von der Sitte zu berichten, bei der sich gottesfürchtige Juden vor allem unter Krankheit und anderen Notständen dazu veranlasst sahen, den Naziräat zu inaugurieren. Mit der Konsekration der eigenen Person wollte man seine 235 Vgl. Schürer I: 485–491. 236 Vgl. Bell 2,293–296.305–308.318–319. Zur Rolle der römischen Repräsentanten am Vorabend des Ausbruchs des ersten jüdischen Krieges vgl. Eck 2011. 237 Vgl. Bell 2,307. 238 Vgl. Chepey 2005: 58.
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gesamte Existenz aus dem Bereich von Krankheit und lebensbedrohlicher Suppression herausheben und sich als Geheiligter Gottes unter göttliche Patronage gestellt wissen. Als äußerst außergewöhnlich mutet der Bericht über das barfüßige Auftreten der Berenike an. W. Whiston239 und Chepey240 fragen, ob der Brauch, die festgesetzte Zeit barfüßig zu absolvieren, nur für Frauen als äußeres Zeichen geboten ist, da man ihren Haarwuchs schlechterdings als Zeichen des Naziräats nicht wahrnehmen kann, oder ob sich dahinter auch ein gewisser Akt der Erniedrigung verbirgt, der die Dringlichkeit der mit dem Gelübde einhergehenden Bitte noch weiter hervorheben soll. Höchst wahrscheinlich verbirgt sich dahinter jedoch ein der mit römischen Sitten vertrauten Leserschaft bekanntes Ritual eines Bittgesuchs,241 mit dessen Befolgung Berenike bei Florus das Ende der feindseligen Auseinandersetzung ersuchen wollte. Es wird ja überhaupt nur berichtet, dass Berenike vor Florus barfüßig erschienen ist, und nicht, dass sie die gesamte Zeit ihres Naziräats auf diese Weise verbracht hat. Alles dies unternimmt sie unter Lebensgefahr, wobei sie Florus, der beim Vorgehen gegen die Judäer nicht mehr zwischen Freund und Feind zu unterscheiden vermochte, um sein Einlenken ersucht. Josephus schafft es damit, Berenike sowohl vor seinen judäischen als auch römischen Adressaten in Schutz zu nehmen, indem er sie als den römischen und judäischen Sitten unterwürfige Herrscherin zeichnet, die auch unter Lebensgefahr nichts unversucht lässt, um den drohenden Krieg noch abzuwenden.242 Mit Bezug auf das Scheren der Haare in 2,313 nimmt S. Mason an, dass die Negation bei der Handschriftenvervielfältigung versehentlich entfallen ist, oder dass Josephus hier einen komprimierenden Stil über Akkuratesse gestellt hat.243 Jedoch drückt der mit μέλλω verknüpfte Inf. Fut ξυρήσεσθαι zu erst einmal aus, dass sich die im Verb ausgedrückte Handlung unweigerlich ereignen wird. Damit wäre auch die Annahme zulässig, dass mit der Phrase ξυρήσεσθαι τὰς κόμας nicht auf die Restriktionen des Naziräats aus Num 6,5 Bezug genommen wird, sondern dass Josephus hier auf das Scheren der Haare im Zusammenhang der Ausweihung anspielt. Damit scheint ihm der Sachverhalt, dass sich das Schneiden der Haare als Konsequenz aus der Naziräatsweihe ergibt, bedeutender gewesen zu sein, als der Verweis auf das Scherverbot während der Tage der Weihe. Das gebotene Wachsenlassen der Haare hätte auch, ganz anders als das Schergebot im Zusammenhang der Ausweihung, äußerlich 239 Vgl. Whiston 1987: 618. 240 Vgl. Chepey 2005: 60. 241 Vgl. Petronius, Sat 44,18, sowie dazu Schwartz 1990: 136. 242 Vgl. Schwartz 1990: 136. 243 Vgl. Mason 2008: 250 Anm. 2004.
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bei einer Naziräerin gar nicht wahrgenommen werden können. Auffällig ist ferner, dass Josephus anders als in der Ritualreihenfolge von Num 6,13–18 das Scheren der Haare zeitlich vor das Darbringen der Opfer verortet. Dies könnte die Vermutung nahelegen, dass ähnlich wie die Rabbinen (siehe 4 1.4.4) auch Josephus in der Ritualanweisung ξυρήσεται ὁ ηὐγμένος παρὰ τὰς θύρας τῆς σκηνῆς τοῦ μαρτυρίου τὴν κεφαλὴν τῆς εὐχῆς αὐτοῦ aus Num 6,18 nicht mehr die Verpflichtung zum Scheren der Haare am Eingang des Zeltes der Begegnung erkennt, sondern damit den Beginn der Ausweihung verbindet. Dies würde erklären, warum das Schneiden der Haare schon vor der Darbringung der Opfer zulässig ist. Was die Darstellung des Josephus seiner Leserschaft ebenso bereithält, ist die gemeinhin anerkannte Dauer des Naziräats von 30 Tagen, von deren Kenntnis wir erst wieder in frühen rabbinischen Quellen erfahren.244 Da Josephus das Bellum zwischen 75 und 81 u.Z. verfasst haben dürfte,245 wird diese Tradition bereits zur Spätzeit des Zweiten Tempels akzeptierte Praxis gewesen sein. Dass man aus den Zeilen des Bellum ebenfalls den Brauch ablesen könne, dass der Naziräat nach der Ankunft aus der Diaspora wie in mNaz 3,6 durch die Schule Schammais geboten noch mindestens weitere 30 Tage zu absolvieren gewesen sei, wie dies R. Tomes vorgeschlagen hat,246 scheint mir fraglich. Josephus spricht ganz allgemein vom ἔθος („Brauch“), der den Naziräat mit seinen Bestimmungen auszeichnet. Der Hinweis auf die dreißigtägige Dauer des Gelübdes ist also eher allgemein für die Belehrung der nichtjüdischen Leserschaft als speziell für die Darstellung des Naziräats der Berenike gedacht. 1.2.4.2
Die Naziräatsobligationen nach der Darstellung des Josephus in Ant 4,70–72 Eine weitere Erwähnung findet der Naziräat in Ant 4,70–72, wo er zusammen mit einer Reihe von Opfergaben, die an die Priester zu entrichten sind, genannt wird. 70 ἔτι δὲ ἀπαρχὰς τὸν λαὸν δίκαιον τῷ θεῷ πάντων τῶν ἐκ τῆς γῆς φυομένων καρπῶν ἐπιφέρειν καὶ τῶν τετραπόδων δὲ τῶν εἰς τὰς θυσίας νενομισμένων τὸ γεννηθὲν πρῶτον ἂν ἄρσεν ᾖ καταθῦσαι παρασχεῖν τοῖς ἱερεῦσιν ὥστε αὐτοὺς πανοικὶ σιτεῖσθαι ἐν τῇ ἱερᾷ πόλει 71 τῶν δ᾽ οὐ νενομισμένων ἐσθίειν παρ᾽ αὐτοῖς κατὰ τοὺς πατρίους νόμους τοὺς δεσπότας σίκλον καὶ ἥμισυ αὐτοῖς ἀναφέρειν 244 Vgl. mNaz 1,3; S Num § 25 zu 6,5 (p. 32, 18–21 Horovitz); SifZ zu Num 6,5 (p. 241, 24 Horovitz). 245 Vgl. Attridge 1984: 192–193. 246 Vgl. Tomes 1995: 190.
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ἀνθρώπου δὲ πρωτοτόκου πέντε σίκλους εἶναι δὲ ἀπαρχὰς αὐτοῖς καὶ τῆς τῶν προβάτων κουρᾶς τούς τε πέττοντας τὸν σῖτον καὶ ἀρτοποιουμένους τῶν πεμμάτων αὐτοῖς τινα χορηγεῖν 72 ὅσοι δ᾽ ἂν αὑτοὺς καθιερῶσιν εὐχὴν πεποιημένοι ναζιραῖοι δὲ οὗτοι καλοῦνται κομῶντες καὶ οἶνον οὐ προσφερόμενοι τούτους δὲ ὅταν τὰς τρίχας ἀφιερῶσιν ἐπὶ θυσίᾳ τε δρῶσι τὰς κουρὰς νέμεσθαι πρὸς τοὺς ἱερέας 70 Außerdem ist es für das Volk recht, Gott die Erstlingsfrüchte von allen aus der Erde hervorgehenden Früchten darzubringen und von den vierbeinigen Tieren aber, die zum Opfer bestimmt sind, die männliche Erstgeburt den Priestern auszuhändigen, um (sie) zu schlachten, sodass sie selbst es mit (ihrer) ganzen Familie in der heiligen Stadt essen. 71 Für die (vierbeinigen Tiere) aber, die nach den väterlichen Gesetzen nicht dazu bestimmt sind, bei ihnen gegessen zu werden, sollen die Besitzer ihnen (scil. den Priestern) anderthalb Schekel überreichen; für die (männliche) Erstgeburt des Menschen fünf Schekel. Ihnen sollen aber auch die Erstlinge der Schafschur sein. Und wenn sowohl Weizen als auch Brot gebacken wurde, so erhielten sie etwas von den Kuchen. 72 So viele aber sich weihen, indem sie ein Gelübde ausüben – diese werden Naziräer genannt – tragen langes Haar und führen sich keinen Wein zu. Wenn ebendiese aber die Haare zum Zweck eines Opfers weihen, verrichten sie das Abscheren der Haupthaare, um es den Priestern zu überantworten. Interessanterweise wird der Initialakt, auf den das Scheren und das Übergeben der Haare an den Priester folgt, als eine zusätzlich zum Weihestatus der Person zu erfolgende Weihung der Haare bezeichnet. Josephus deutet dies terminologisch mit dem Gebrauch von καθιερόω für die Gelübdeweihe und ἀφιερόω für die Haarweihe an. Die Übergabe an den Priester muss man nicht unbedingt als einen eklatanten Widerspruch zu Num 6,18 deuten, wie dies Chepey tut.247 Dennoch bedarf die Thematisierung der Übergabe des Haaropfers zusammen mit den Erstlingsabgaben einer Erklärung.248 Man wird wohl nicht davon ausgehen dürfen, Josephus impliziere damit, dass den Priestern das Haaropfer der Naziräer zum eigenen Gebrauch überantwortet worden sei.249 Möglicherweise haben wir hier aber auch einen ersten Beleg für den 247 Vgl. Chepey 2005: 62. 248 Der Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass Josephus zur Bezeichnung der abgeschorenen Haare des Naziräers den Begriff κουρά („Schur“) verwendet, den auch Dtn 18,4 𝔊 für die Erstlingsschur der Schafe gebraucht. 249 Man möchte hier vielleicht spontan an den Verkauf und die Weiterverarbeitung zu Perücken denken, die sich in der Antike bei Griechen und Römern großer Beliebtheit erfreuten.
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später im tannaitischen Hebräisch zu beobachtenden Sprachgebrauch, das Ausweihungsritual mit seinen darzubringenden Opfern metonymisch mit גלח („scheren“) zu bezeichnen.250 Demnach wäre mit dem Weihen der Haare und ihrer Übergabe an die Priester auch die gesamte Menge der in Num 6,19–20 geforderten und für die Priester bestimmten Speiseopfer ausgedrückt.251 Vielleicht versteht Josephus das Haar auch als Opfergabe, die vor der Verbrennung ausdrücklich wie jede andere zum Opfer bestimmte Gabe geweiht werden muss. Der Umstand, dass Josephus sich hier für eine gemeinsame Besprechung der Opfer entscheidet, scheint auf einem assoziativen Ordnungsprinzip zu basieren. Josephus könnte entweder durch die zuvor genannte Schafschur an das Haaropfer der Naziräer erinnert worden sein, oder im Zusammenhang der Erstlingsgaben, die im Fall jener Tiere, die durch das Gesetz zum Verzehr ausgeschlossen sind und ausgeweiht werden müssen, an den Naziräer gedacht haben, der sich nach seiner befristeten Überantwortung an Gott wieder entweiht. Eine weitere assoziative Verbindung könnte zwischen der vom Naziräer bei der Ausweihung in Num 6,19 geforderten Darbringung eines ungesäuerten Brotfladens und der in Num 15,20 angewiesenen Gabe der Erstlinge des Schrotmehls in der Form eines gebackenen Brotfladens, auf den sich Josephus in Ant 4,71 auch explizit bezieht, gegeben sein.252 Eine assoziative Verbindung zur Erstlingsabgabe scheint mir auch im Wachsenlassen der Haare an sich und in der Pflicht, diese wie auch die Erstlingsfrüchte nach Jerusalem bringen zu müssen, zu bestehen. Hier sei bereits auch schon einmal auf die unten (vgl. 4 1.2.3.2) im Zusammenhang von Philos Imm 87 noch zu besprechende Annahme verwiesen, dass die Verbindung von Erstlingsgabe und Naziräat ein Hinweis auf die In diesem Zusammenhang verweist Chepey 2005: 63 Anm. 74 auf mOrl 3,3 und die dortige Anweisung, Sacktuch, in das die geschorenen Haare eines Naziräers eingewebt worden sind, zu verbrennen. Es ist allerdings problematisch davon auszugehen, dass es sich hier um die sekundäre Verwendung von an Priester überantwortete Naziräerhaare handelt. Sowohl Apg 18,18 als auch tNaz 4,6 gehen davon aus, dass sich Naziräer auch außerhalb von Jerusalem die Haare geschoren haben. Nach tannaitischem Verständnis ist dieses Haar allerdings von einer sekundären Verwendung ausgeschlossen und muss, wenn es nicht unter den Kessel des Abschlussopfers geworfen wird, vergraben werden. Sollte jedoch bekannt werden, dass das Haar dennoch weiterverwendet wurde, dann sind die daraus hergestellten Produkte zu verbrennen. 250 Vgl. z.B. tNaz 2,4–6; sowie Kahana II: 283 mit Anm. 4. 251 Metonymisch gelesen wäre dann ἀφιέρουν τὰς τρίχας priesterlicher Sprachgebrauch, der sicher so vom nichtjüdischen Adressatenkreis des Josephus nicht gänzlich verstanden werden konnte. Eindeutiger metonymischer Sprachgebrauch liegt dagegen in Ant 19,294 vor. 252 Außerdem gelten der Brotfladen aus den Erstlingen des Schrotmehls und die Vorderkeule des Abschlussopfers ebenfalls als Hebeopfer.
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Anwendungssituation des Naziräats sein könnte, der von Bauern als bedingte Selbstverpflichtung mit der Bitte um ein ertragreiches Jahr inauguriert wurde. Zum Problem des Vergleichs zwischen der Schurerstlingsgabe der Schafe und dem Haaropfer des Naziräers gehört aber, dass Erstlingsopfer nach Lev 2,12 eigentlich nicht als Brandopfer in Flammen aufgehen sollen. Möglicherweise ist das auch der Grund, warum Josephus den Umstand der Haarverbrennung mit dem Hinweis auf deren Übergabe an die Priester eher verschleiert.253 Für einen Analogieschluss schien ihm sicher das Verbrennungsverbot ein Dorn im Auge zu sein. Nun stellt sich aber die Frage, was Josephus mit der Verknüpfung beider Opferformen im Sinn hatte. Vielleicht hat sich zur Zeit des Josephus auch der Brauch innerhalb der Priesterschaft durchgesetzt, bei dem die Haare vom Naziräer nicht mehr selbst in das Feuer unter dem Abschlussopfer geworfen werden, sondern dies vom Priester vorgenommen wird, um den geordneten Ablauf der Zeremonie zu gewährleisten. Um die Abweichung von Num 6,18 zu begründen, zählt Josephus hier nebenbei noch eine ganze Reihe von Opfer- und Abgaben auf, die allesamt an die Priester zu übergeben sind.254 So gesehen scheint der Priester in den Augen des Josephus an der Darbringung des Naziräatshaaropfers in der Weise zu partizipieren, dass auch er in irgendeiner Form durch den Opferdienst im Zusammenhang der Ausweihung Wohlgefallen bei Gott erlangt.255 1.2.4.3 Die Geweihten Simson und Samuel nach Ant 5 In seiner Nacherzählung der Richterzeit in Ant 5,120–6,85 kommt Josephus natürlich nicht umhin, seinen Leserinnen und Lesern in Ant 5,275–317 auch die Simson-Geschichte aus Ri 13,2–16,31 vorzutragen. Dabei nimmt sich Josephus die Freiheit, entscheidende Details auszulassen, abzuändern oder gar andere, so aus dem biblischen Bericht nicht zwingend abzuleitende Informationen, hinzuzufügen. 253 Gallant 1988: 160 hat die abweichende Darstellung von der Übergabe des Haaropfers an die Priester in Ant 4,72 und die Gabe der Haare in das Feuer unter dem Abschlussopfer in Num 6,18 durch die Annahme zu harmonisieren versucht, die Gabe der geschorenen Haare hätte das Feuer zum Kochen des Abschlussopfers gespeist und wäre damit den Priestern, für die das gekochte Abschlussopfer bestimmt war, zu Gute gekommen. 254 Dass für Josephus hier allein der Opfercharakter des Naziräats von Bedeutung ist, wird auch daran ersichtlich, dass er kein Wort über das Verbot der Verunreinigung an Toten verliert. Andererseits ist es dann aber wiederum merkwürdig, dass die zusätzlichen in Num 6,19–20 aufgetragenen Ausweihungsopfer, die für den Priester bestimmt sind, keine Erwähnung finden. 255 Vielleicht hat Josephus hier auch pagane Haaropfer und die Rolle, die dabei Priester an paganen Kultstätten spielen, vor Augen, sodass er hier für seine nichtjüdische Leserschaft einen Anknüpfungspunkt schaffen will.
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277 ἦν δὲ καὶ μανιώδης ὑπ᾽ ἔρωτος ἐπὶ τῇ γυναικὶ καὶ διὰ τοῦτο ζηλότυπος ἀκρατῶς μονωθείσῃ δὲ τῇ γυναικὶ φάντασμα ἐπιφαίνεται τοῦ θεοῦ νεανίᾳ καλῷ παραπλήσιον μεγάλῳ καὶ εὐαγγελιζόμενον αὐτῇ παιδὸς γονὴν κατὰ θεοῦ πρόνοιαν καλοῦ τε καὶ ῥώμην ἐπιφανοῦς ὑφ᾽ ᾧ πονήσειν Παλαιστίνους ἀνδρουμένῳ 278 παρῄνει τε τὰς κόμας αὐτῷ μὴ ἀποκείρειν ἔσται δ᾽ αὐτῷ πρὸς ἄλλο μὲν ποτὸν ἀποστροφὴ τοῦ θεοῦ τοῦτο προστάσσοντος πρὸς ὕδωρ δὲ μόνον οἰκειότης καὶ ὁ μὲν ταῦτ᾽ εἰπὼν ᾤχετο κατὰ βούλησιν ἐλθὼν τοῦ θεοῦ … 285 Καὶ κύει τε ἐκείνη καὶ φυλακὴν εἶχε τῶν ἐντολῶν καὶ γενόμενον τὸ παιδίον Σαμψῶνα καλοῦσιν ἰσχυρὸν δ᾽ ἀποσημαίνει τὸ ὄνομα ηὔξετο δ᾽ ὁ παῖς ῥᾳδίως καὶ δῆλος ἦν προφητεύσων ὑπὸ τῆς περὶ τὴν δίαιταν σωφροσύνης καὶ τῆς τῶν τριχῶν ἀνέσεως 277 Er war aber auch verrückt vor Liebe zu (seiner) Frau und deshalb in vollem Maße eifersüchtig. (Zu Hause) allein gelassen erschien aber der Frau eine Erscheinung Gottes gleich einem schönen und großen jungen Mann. Und er brachte ihr die frohe Botschaft, dass ihr nach Gottes Fürsorge ein schönes Kind von großer Stärke geboren werde, an dem sich, sobald er das Mannesalter erreicht haben würde, die Philister abmühen würden. 278 Er drängte (sie auch), ihm das Haar nicht zu schneiden. Ihm sei (ebenfalls) Enthaltung von anderem Getränk (und) Zuwendung allein zum Wasser (aufgetragen), da dies Gott befohlen habe. Und nachdem er diese Worte gesprochen hatte, ging er, (wie) er (auch) nach dem Willen Gottes gekommen war. […] 285 Und sie wurde schwanger und sie hielt Acht auf die Anweisung (des Engels). Und als das Kind geboren wurde, nannten sie (ihn) Simson. Der Name aber deutet auf (seine) Stärke (hin). Das Kind aber wuchs rasch und (es war) ersichtlich, dass er von der Selbstbeherrschung hinsichtlich seiner Lebensweise und von der Freiheit des Haar(wuchses) her ein Prophet sein würde. Mehrere Änderungen bzw. Uminterpretationen der biblischen Darstellung der Simson-Geschichte fallen aufmerksamen Leserinnen und Lesern sofort ins Auge. So schmückt Josephus die Protagonisten seiner Erzählung stärker aus und macht Manoach, den Vater Simsons, zu einem unsterblich verliebten und eifersüchtigen Ehemann. Mit diesen „erotic features“, wie sie Begg bezeichnet,256 dürfte Josephus sicher eine Anreicherung der Geschichte mit spannungsgeladenen Details beabsichtigt haben, die sowohl der Steigerung der Aufmerksamkeit als auch der Unterhaltung seiner Leserschaft gegolten haben dürften. Ferner fallen zwei gewichtige Auslassungen in der Nacherzählung 256 Vgl. Begg 2005: Anm. 766.
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auf, die in direktem Zusammenhang mit dem Status der Weihe des Simson in Verbindung stehen. So verzichtet Josephus auf eine explizite Erwähnung der in Ri 13,24–25 beschriebenen Geistbegabung des Simson,257 spricht ihm dafür aber die Bekleidung des Prophetenamts zu, was als eine Besonderheit der antiken Simson-Rezeption anzusprechen ist.258 Wiederum erwähnt Josephus bei seiner Nacherzählung der Geburtsgeschichte des Simson mit keinem Wort, dass Simson durch die Offenbarung des Engels zum Naziräer bestimmt worden war und aus diesem Grund auf das Schneiden der Haare verzichten musste.259 Dafür ergänzt Josephus aber eine dem Simson auferlegte Anordnung zum Verzicht auf berauschenden Trank, die in Ri 13,4.7 nur der Mutter des Simson aufgetragen ist. Diese Umstellung wird sich, wie im Fortgang noch zu zeigen ist, der Parallelisierung der Darstellung des Simson mit der des Samuel verdanken. Das für die biblische Erzählung nicht unwichtige Detail des dem Simson auferlegten Naziräats verschweigt Josephus darüber hinaus auch in Ant 5,309–312 im Gespräch des Simson mit Delila. 309 ἡ δὲ τότε μὲν ἡσύχασεν ἀποσημήνασα δὲ τοῖς ἄρχουσι τῶν Παλαιστίνων ἐνίδρυσε τῶν στρατιωτῶν ἔνδον τινὰς καὶ μεθύοντα κατέδει τοῖς κλήμασι κατὰ τὸ ἰσχυρότατον ἔπειτ᾽ ἀνεγείρασα ἐδήλου παρεῖναί τινας ἐπ᾽ αὐτόν … 312 ὡς δ᾽ οὐδὲ τούτου γενομένου ἀληθὲς ηὑρίσκετο δεομένης τελευταῖον ὁ Σαμψών ἔδει γὰρ αὐτὸν συμφορᾷ περιπεσεῖν χαρίζεσθαι βουλόμενος τῇ Δαλάλῃ ἐμοῦ φησίν ὁ θεὸς κήδεται καὶ κατὰ τὴν ἐκείνου πρόνοιαν γεννηθεὶς κόμην ταύτην τρέφω παρεγγυήσαντος μὴ ἀποκείρειν τοῦ θεοῦ τὴν γὰρ ἰσχὺν εἶναί μοι κατὰ τὴν ταύτης αὔξησιν καὶ παραμονήν 309 Von da an aber schwieg sie (scil. Delila). Nachdem sie aber den Führern der Philister ein Zeichen gegeben hatte, positionierte sie einige von 257 Best 1959 hat das Phänomen der Auslassung des Heiligen Geistes in den Nacherzählungen biblischer Geschichten bei Josephus untersucht und ist zu dem Schluss gekommen, dass Josephus auf die Nennung des Geistes Gottes vor allem an den Stellen verzichtet, wo von übernatürlichen Befähigungen biblischer Gestalten die Rede ist. Dies lässt sich z.B. im Fall des Simson bei der Nacherzählung von Ri 14,6 in Ant 5,287 beobachten, wo Josephus das Kommen des Geistes auf Simson, der darauf den Junglöwen mit bloßen Händen zerreißt, entfallen lässt. Ferner gebrauche Josephus θεῖον πνεῦμα fast ausschließlich in Fällen, in denen von Prophezeiungen und Orakelsprüchen die Rede sei, was nach Best 1959: 225 sowohl der Tendenz jüdischer Autoren in nachbiblischer Zeit als auch dem Gebrauch bei Plutarch entsprechen würde. 258 Vgl. Feldman 1998: 483. 259 Möglicherweise schien dem Josephus die Ausweisung des Simson als Propheten wichtiger, weshalb er auf den Hinweis verzichtete, Simson habe auch den Naziräat, dessen Kenntnis er bei seinen Lesern sicher nicht voraussetzen konnte, bekleidet.
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den Soldaten drinnen (im Haus). Und als er (scil. Simson) betrunken (und eingeschlafen) war, fesselte sie ihn mit Weinranken so fest wie möglich. Als sie ihn daraufhin weckte, offenbarte sie ihm, dass einige gegen ihn zugegen waren…. 312 Als aber, nachdem sich dies zutrug,260 (auch dies) sich nicht als wahr erwiesen hatte, ersuchte sie (ihn) aufs Äußerste, (ihr den Grund für seine Kraft zu verraten). Simson – denn es war notwendig (für) ihn, ins Unglück zu fallen – sagte, da er sich der Delila gefällig zeigen wollte, (ihr schließlich folgendes): „Gott hat sich um mich gekümmert und seit der Geburt (bin ich) unter seiner Fürsorge. Ich lasse dieses lange Haar wachsen, da Gott (mir) befohlen hat, (es) nicht zu schneiden. Denn dass die Kraft bei mir ist, liegt an deren Wachstum und Erhalt.“ Allein das von Simson abgelegte Zeugnis, seit der Geburt unter der Fürsorge Gottes zu stehen, erinnert vielleicht im Entferntesten an die Weihe Simsons, ein ἅγιος θεοῦ („Heiliger Gottes“)261 zu sein.262 Stattdessen lässt Josephus Simson von Gottes fürsorglicher Zuwendung berichten, die er seit der Geburt genießen durfte. Dass diese göttliche Fürsorge jedoch ihr baldiges Ende haben wird, ist bereits in Ant 5,309 zu erahnen, wenn von Simson, dem eigentlich durch göttliche Weisung die Abstinenz von berauschendem Getränk geboten ist, berichtet wird, er sei durch Delila trunken gemacht worden. Der Umstand, dass Josephus seiner nichtjüdischen Leserschaft den so gearteten Lebenswandel eher als ein Anzeichen für die Erwählung zum Prophetenamt als zum Naziräat verständlich machen will, dürfte mehrere Gründe gehabt haben. Zum einen konnte er, anders als im Fall des Naziräats, mit der Identifizierung Simsons als Propheten bei seinen Adressaten an das Wissen um eine wohl in der gesamten antiken Welt bekannten und weithin geschätzten Profession anknüpfen.263 Zum anderen erweckt er mit der Erhöhung Simsons zum 260 Gemeint ist der in Ri 16,13–14 berichtete Versuch, Simson durch das Flechten der Haare seiner Kraft zu berauben. 261 Ri 16,17 𝔊. Die Entscheidung des Übersetzers נזיר אלהיםmit ἅγιος θεοῦ wiederzugeben, könnte durch Num 6,5 motiviert gewesen sein. Vgl. dazu ausführlicher oben 4 1.1.2. 262 Chepey 2005: 65 hält ὁ θεὸς κήδεται καὶ κατὰ τὴν ἐκείνου πρόνοιαν γεννηθείς für eine „translation of the very word נזיר/ ναζιρ when narrating Simson᾿s revelation of the secret of his power“. Für Feldman 1998: 489 passt dies eher zum Ansinnen des Josephus, die SimsonGeschichte zu einer griechischen Tragödie zu stilisieren, in der das Geschick des Simson stärker vom göttlichen Schicksal denn von seinen Handlungen abhängig ist. 263 Feldman 1990: 411–412 spricht sogar von einer Hellenisierung der biblischen Nacherzählung und verweist im Fall von Simson auf den paganen Philosophen und Heiligen Apollonius von Tyana, der nach Philostratus 1,8 nur getrocknetes Obst und Gemüse zu sich nahm, Wein als eine Gefahr für den Verstand ansah und seine Haare lang wachsen ließ. In welchem Umfang die legendenhaften Berichte über das Leben des Apollonius von Tyana,
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Propheten den Eindruck, das jüdische Volk habe sich in seinen Ursprüngen fast ausnahmslos von gottgeschenkten Sehern leiten und führen lassen. Überhaupt passt die Ernennung des Simson zum Propheten zur auch an anderen Stellen zu beobachtenden Gewohnheit des Josephus, Prophetengestalten und Prophetie so in seine Nacherzählung der biblischen Geschichte einzuführen,264 dass sie stärker auf Empfinden und Erwartung seiner römisch-hellenistischen Leserschaft einzugehen scheint.265 Dass die Ausführungen in Ant 5,278 zum Scher- und Alkoholverbot des Simson als Beweis dafür gelten dürfen, dass Josephus sich trotz seiner Bestimmung des Simson als Propheten dennoch über die Naziräatsweihe desselben im Klaren war, wie dies Chepey ohne Vorbehalte behauptet hat,266 ist allein mit Blick auf besagte Stelle aufgrund der folgenden Überlegungen problematisch. Wenn überhaupt kann eine solche Behauptung ohne Weiteres nur vor dem Hintergrund der von Josephus verarbeiteten Quelle, Ri 13,5 𝔊, behauptet werden und auch nur dann, wenn die von Josephus gebrauchte Textvorlage die Lesart ναζιραῖον (Codex Alexandrinus) bzw. ναζιρ (Codex Vaticanus) als Übersetzung für נזירenthalten hat.267 Ein weiterer Grund, warum basierend auf dem Alkohol- und Scherverzicht nicht grundsätzlich ein bestehendes Naziräat vorausgesetzt werden kann, liegt in der zu Samuel parallelisierten Darstellung des Simson in den Jüdischen Altertümern des Josephus. Wie sich die wundersame Empfängnis der unfruchtbaren Hanna und die Geburt des Samuel zugetragen haben, berichtet Josephus in Ant 5,344–347 mit folgenden Worten: 344 καὶ τῆς τἀνδρὸς παραμυθίας τῇ λύπῃ κρατήσασα εἰς τὴν σκηνὴν ᾤχετο τὸν θεὸν ἱκετεύουσα δοῦναι γονὴν αὐτῇ καὶ ποιῆσαι μητέρα ἐπαγγελλομένη die Philostratus mehr als 100 Jahre nach der Entstehung der Jüdischen Altertümer des Josephus sammelte und niederschrieb, bereits im 1. Jahrhundert weite Verbreitung fanden, ist schwierig zu sagen. 264 Feldman 1990: 389–391 hat insgesamt 169 Fälle gezählt, in denen Josephus die Bezeichnung „Prophet“ oder das Verb „prophezeien“ der biblischen Nacherzählung hinzugefügt hat, ohne dass es dafür eine Entsprechung im biblischen Text geben würde. 265 Vgl. Feldman 1990: 411–419. Dass nach Ant 7,72 David nichts unternahm, sei es Kriegszug (vgl. Ant 6,271) oder jegliches andere Unterfangen, wenn er nicht vorher durch Prophezeiung einen göttlichen Ratschluss ersucht hatte, erinnert stark an das Einholen von Orakeln durch Griechen wie Römer im Vorfeld eines Krieges (vgl. Thukydides 1,118; Herodot 6,77,2; 7,140–141). 266 Vgl. Chepey 2005: 65. 267 Da wir vor dem Hintergrund der gegenüber dem Bibeltext mal freier und mal treuer gestalteten Paraphrase keinen gesicherten Rückschluss auf den genauen Wortlaut der Septuaginta-Vorlage des Flaviers ziehen können, lässt sich die Frage nach der Kenntnis des Josephus über den Naziräat des Simson nicht mit Verweis auf die Lesarten des Codex Alexandrinus bzw. des Codex Vaticanus positiv beantworten.
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τὸ πρῶτον αὐτῇ γενησόμενον καθιερώσειν ἐπὶ διακονίᾳ τοῦ θεοῦ δίαιταν οὐχ ὁμοίαν τοῖς ἰδιώταις ποιησόμενον … 346 Παραγενομένη δ᾽ εὔελπις πρὸς τὸν ἄνδρα τροφὴν χαίρουσα προσηνέγκατο καὶ ἀναστρεψάντων εἰς τὴν πατρίδα κύειν ἤρξατο καὶ γίνεται παιδίον αὐτοῖς ὃν Σαμουῆλον προσαγορεύουσι θεαίτητον ἄν τις εἴποι παρῆσαν οὖν ὑπὲρ τῆς τοῦ παιδὸς θύσοντες γενέσεως δεκάτας τ᾽ ἔφερον 347 ἀναμνησθεῖσα δ᾽ ἡ γυνὴ τῆς εὐχῆς τῆς ἐπὶ τῷ παιδὶ γεγενημένης παρεδίδου τῷ Ἠλὶ ἀνατιθεῖσα τῷ θεῷ προφήτην γενησόμενον κόμη τε οὖν αὐτῷ ἀνεῖτο καὶ ποτὸν ἦν ὕδωρ καὶ Σαμουῆλος μὲν ἐν τῷ ἱερῷ διῆγε τρεφόμενος Ἀλκάνῃ δ᾽ ἐκ τῆς Ἄννας υἱεῖς τε γίνονται καὶ τρεῖς θυγατέρες 344 Und dem Schmerz Überhand gegenüber dem Trost (ihres) Mannes gebend ging sie zum Heiligtum (und) flehte Gott an, ihr einen Nachkommen zu geben und (sie) zur Mutter zu machen, wobei sie versprach, den ersten ihr geborenen Sohn für den Dienst an Gott zu weihen und dass er (nach seiner) Lebensweise nicht dem einfachen Volk gleichförmig handle. 346 Sie kam aber voll guten Mutes zu ihrem Mann und nahm (ihr) Mahl fröhlich zu sich. Als sie aber an (ihren) Heimatort zurückgekehrt waren, wurde sie schwanger und ihnen wurde ein Kind geboren, das sie Samuel nannten, als möchte er ausdrücken „von Gott erhalten“. Sie kamen nun, um für die Geburt des Kindes zu opfern und brachten (auch) den Zehnten. 347 Als sich die Frau aber des Gelübdes, das sie wegen des Jungen abgelegt hatte, erinnerte, übergab sie (ihn) dem Eli, damit er Gott einst als Prophet geweiht sein würde. Er ließ nun nicht nur sein Haar lang wachsen, sondern hatte (auch als) Trank (allein) Wasser. Samuel lebte im Tempel (und) wurde (dort) aufgezogen. Elkana aber bekam (noch andere) Söhne von Hanna und drei Töchter. Beim Vergleich der beiden Geburts- und Kindheitsgeschichten des Simson und des Samuel fällt auf, dass Josephus die Simson-Erzählung gegenüber ihrem biblischen Pendant noch weiter an die Samuel-Erzählung angeglichen hat. Auf den besonderen Lebenswandel beider nimmt er mit dem Begriff δίαιτα Bezug268 und bezeugt neben Samuel auch für Simson einen wohl auf 1. Sam 1,11 𝔊 zurückzuführenden diätetischen Ernährungsstil, der als Trunk allein Wasser zulässt,269 und ein äußeres Erscheinungsbild, das sich durch eine langgewachsene Haartracht auszeichnet.270 Für Josephus lässt der so geartete Lebenswandel und 268 Vgl. Begg 2005: 87 Anm. 999. 269 Dass Josephus das im biblischen Bericht der Mutter Simsons auferlegte Alkoholverbot auf Simson überträgt, ist bereits oben festgestellt worden. 270 Vgl. Ant 5,278.285 mit 5,347.
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das Maß an Selbstbeherrschung, das sich darin ausdrückt, nur den Schluss zu,271 dass damit Simson (δῆλος ἦν προφητεύσων) in gleicher Weise wie auch Samuel272 zu den Propheten zu rechnen ist. Bei Samuel expliziert dies Josephus in Ant 5,347 ferner noch dadurch, dass er als Ziel der Weihe des Jungen durch seine Mutter Hanna die Absonderung des Samuel zum Propheten angibt (ἀνατιθεῖσα τῷ θεῷ προφήτην γενησόμενον). Auch wenn man dem Josephus mit der Darstellung des Simson als Propheten und dem Verschweigen seines Naziräatsstatus vielleicht Verschleierung oder unsachgemäße Darstellung des biblischen Befundes vorwerfen möchte, wird doch eines deutlich: Wenn Josephus den für Samuel in 1. Sam 1,11 𝔊 bestimmten Alkoholverzicht auch auf Simson überträgt und ihn damit neben Samuel auch schlussfolgernd zum Propheten erhebt, dann sind beide Restriktionen, Haarscher- und Rauschtrankverbot, noch kein zwingendes Indiz für den Bestand eines Naziräatsgelübdes.273 Josephus ist damit neben R. Jose in mNaz 9,5 ein weiterer Zeuge für die schon zuvor geäußerte Annahme, dass der Verzicht auf berauschenden Trank und das Wachsenlassen der Haare nicht zwangsläufig als Aufnahme eines Naziräatsgelübdes interpretiert werden muss. 1.2.4.4
Die generöse Übernahme der Ausweihungskosten einer Gruppe von Naziräern durch Agrippa I. in Ant 19,293–294 Ein letztes Mal findet der Naziräat bei Josephus in Ant 19,293–294 und zwar bei der Erwähnung der Rückkehr Agrippas I. nach Judäa zur Übernahme der Königsherrschaft Erwähnung. Nach der Darstellung des Josephus muss es sich um die Rückkehr Agrippas nach Judaea im Jahre 41 u.Z. gehandelt haben, nachdem Tiberius Claudius Caesar den Thron bestiegen hatte und gegenüber Agrippa nicht nur die Königswürde bestätigt, sondern ihm auch Judaea und Samaria zugesprochen hatte.274 D. Schwartz vermutet dagegen, dass sich die in Ant 19,292–299 berichteten Ereignisse in Wirklichkeit im Jahr 38 u.Z. zugetragen haben und Josephus hier seine Quelle missverstanden hat.275 Demnach 271 Dass sich für Josephus der spezifische Lebenswandel (δίαιτα) des Simson und Samuel aus der Begleitung des Prophetenamtes ableitet, wird daran ersichtlich, dass Josephus die Verhaltensnormen des Haarscher- und Alkoholverbots in Ant 5,285 mit der kausalen Präposition ὑπό mit Gen. und in Ant 5,347 mit dem Gebrauch der schlussfolgernden Konjunktion οὖν an die Aussagen zur Prophetenberufung anschließen lässt. 272 Samuel scheint bei Josephus eine besonders exponierte Stellung unter den Propheten genossen zu haben. Bei keinem anderen Propheten fügt er in seiner biblischen Paraphrase über den Wortlaut des Bibeltextes hinausgehend häufiger die Begriffe προφητεύω oder προφήτης hinzu als bei Samuel. Vgl. dazu mit Belegstellen Feldman 1999: 389. 273 Vgl. mNaz 9,5. 274 Vgl. Ant 19,274–292. 275 Vgl. Schwartz 1990: 11–14.
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hätte die Episode in Ant 19,293–294 eigentlich im Anschluss an Ant 18,238– 239 unter Gaius Caligula stattgefunden. In diesem Fall wäre Agrippa nach Palästina aufgebrochen, um die Übernahme der Tetrarchien des Phillip und des Lysanias276 zu regeln. Auf einer der beiden Reisen muss es dann zum in Ant 19,293–294 beschriebenen Besuch des Agrippa in Jerusalem gekommen sein, bei dessen Gelegenheit er seiner Dankbarkeit über den Wandel seines Geschicks Ausdruck verliehen und am Tempel geopfert hatte. 293 ὁ δ᾽ ὡς εἰκὸς ἦν τὸν ἐπὶ κρείττοσιν τύχαις ἀνερχόμενον μετὰ τάχους ὑπέστρεψεν εἰς Ἱεροσόλυμα δ᾽ ἐλθὼν χαριστηρίους ἐξεπλήρωσε θυσίας οὐδὲν τῶν κατὰ νόμον παραλιπών 294 διὸ καὶ ναζιραίων ξυρᾶσθαι διέταξε μάλα συχνούς τὴν δὲ χρυσῆν ἅλυσιν τὴν δοθεῖσαν αὐτῷ ὑπὸ Γαΐου ἰσόσταθμον τῇ σιδηρᾷ ᾗ τὰς ἡγεμονίδας χεῖρας ἐδέθη τῆς στυγνῆς εἶναι τύχης ὑπόμνημα καὶ τῆς ἐπὶ τὰ κρείττω μαρτυρίαν μεταβολῆς τῶν ἱερῶν ἐντὸς ἀνεκρέμασεν περιβόλων ὑπὲρ τὸ γαζοφυλάκιον ἵν᾽ ᾖ δεῖγμα καὶ τοῦ τὰ μεγάλα δύνασθαί ποτε πεσεῖν καὶ τοῦ τὸν θεὸν ἐγείρειν τὰ πεπτωκότα 293 Wie es scheint, kehrte er, da er im Stande war, aufgrund besseren Geschicks hinaufzugehen, schnell zurück. Nachdem er aber nach Jerusalem kam, verrichtete er Dankopfer, wobei er nichts überging, was nach dem Gesetz (gefordert wird). 294 Daher ordnete er auch an, eine beträchtliche Anzahl an Naziräern zu scheren. Die goldene Kette aber, die ihm von Gaius gegeben wurde, von gleichem Gewicht wie die eiserne, mit der die königlichen Hände gebunden waren, hängte er innerhalb des Tempelbezirks über der Schatzkammer auf, dass es ein Andenken des bitteren Geschicks und ein Zeugnis des Wandels zum Besseren sei, damit es ein Beweis sei, dass auch Großes manchmal fallen kann und dass Gott aufrichtet, was gefallen ist. Was Josephus unter einer „beträchtlichen Anzahl“ an Naziräern, die Agrippa scheren ließ, genau versteht, bleibt der Imagination der Leserinnen und Leser überlassen. Wir erfahren auch nicht, ob diese Naziräer allesamt nicht im Stande waren, die nötige Menge der Ausweihungsopfer selbst aufzubringen, und aus diesem Grund auf bereitwillige Spender wartend ihre Zeit am Tempel fristeten, oder ob Agrippa hier gegenüber allen zu diesem Moment anwesenden Naziräern Wohltätigkeit walten ließ. Agrippas Großzügigkeit bei der Ausweihung der Naziräer ist nach Josephus der erste Vorgeschmack auf einen Herrschaftsstil, den er unter gewissenhafter Beachtung der väterlichen Traditionen 276 Vgl. Ant 18,237.
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seines Volkes ausüben wird.277 Dass Agrippa die wohltätige Übernahme der Ausweihungskosten am Beginn seiner Amtszeit vornimmt, kann als pietätvolles Signal an gesetzeseifrige Kreise gewertet werden, von deren Seite er dafür die Akzeptanz seiner Person auf dem Königsthron erhofft haben dürfte.278 Dass die Ausübung seiner Herrschaft wegen der idumäischen Abstammung seiner Familie nicht ohne Widerspruch abzulaufen schien, bezeugt Josephus in Ant 19,332 mit dem Bericht über einen Jerusalemer namens Simon, der öffentlich Agrippas Reinheitsstatus in Frage stellte und seinen Ausschluss von der Teilhabe am Tempelkult forderte. Was die Erwähnung des Naziräats in Ant 19,293–294 anbelangt, so ist Josephus ein wichtiger Zeuge für Sprachgebrauch und Praxis des Gelübdes zur Spätzeit des Zweiten Tempels. Zum einen bezeugt er, dass die Übernahme der Ausweihungskosten durch dritte als bekannter und pietätvoller Brauch wahrgenommen wurde. Zum anderen wird ersichtlich, dass Josephus ebenso wie die frühen Rabbinen279 vom Scheren der Haare (ξυράομαι) in metonymischer Weise spricht, also damit nicht allein auf das in Num 6,18 gebotene Abscheren der Haare am Eingang des Heiligtums Bezug nimmt, sondern das gesamte Ausweihungsritual mit der Darbringung der Ausweihungsopfer im Blick hat. Die Entstehung des metonymischen Sprachgebrauchs von ξυράομαι bzw. לגלח dürfte durch Num 6,19 motiviert gewesen sein. Dort setzen 𝔊 und 𝔐 den Beginn des abschließenden Schwingrituals mit μετὰ τὸ ξυρήσασθαι αὐτὸν τὴν εὐχὴν αὐτοῦ („nachdem er sein Gelübde abgeschoren hat“) bzw. אחר התגלחו את נזרו („nachdem er seine Weihe abgeschoren hat“) an. Moderne Übersetzungen versuchen diese eigentümliche Wortwahl mit erklärenden Zusätzen in der Weise verständlich zu machen, dass sie als direktes Objekt des Scherens „Zeichen“280 oder „hair“281 einsetzen und dafür das direkte Objekt des ausgangsprachlichen Textes zu einem Genitivattribut machen. Mit dem durch Josephus und den Rabbinen bezeugten metonymischen Sprachgebrauch wird deutlich, dass die mit אחרund μετά gegebene Zäsur in der Abfolge der Opferrituale im Zusammenhang der Ausweihung in der Antike so gedeutet wurde, dass die mit dem Aufstellen des Naziräers vor dem Eingang des Heiligtums beginnende (Num 6,13), mit der Darbringung des Brand-, Sünd-, Abschluss-, Speis- und 277 Vgl. Ant 19,331. 278 Einen ähnlichen Effekt erhoffte sich zumindest Jakobus, wenn er in Apg 21,23–24 dem Paulus anrät, seine Gesetzestreue mit der Ausweihung von vier Naziräern unter Beweis zu stellen. 279 Vgl. z.B. mNaz 2,5–6. 280 So die revidierte Elberfelder Bibelübersetzung in ihrer vierten bearbeiteten Auflage von 1992. 281 So in der Übersetzung der King James Version.
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Trankopfers fortgeführte (Num 6,14–16) und in die Haarrasur des Geweihten kulminierende Ausweihung (Num 6,18) zusammengenommen als das „Scheren der Weihe“ (𝔐), „des Gelübdes“ (𝔊) bzw. „des Naziräers“ (Josephus; Rabbinen) bezeichnet wurde. 1.2.5 Der epigraphische Befund 1.2.5.1 Die Grabhöhle des Naziräers Jonathan 1967 wurde zufällig auf dem Gelände der Hebräischen Universität eine Grabhöhle entdeckt, die von ihrem Erforscher, N. Avigad, den Namen „Burial-Vault of a Nazirite Family“282 erhielt. Zu den Besonderheiten der Grabhöhle gehören neben dem inschriftlichen Verweis auf ein sonst nicht weiter bekanntes Familienoberhaupt mit Namen Jonathan, dessen Beiname „der Naziräer“ lautet, die meisterhafte Auskleidung der Grabhöhle mit Quaderwerk, wie sie vergleichbar sonst nur noch im Familiengrab des Herodes zu beobachten ist. Zur Ausstattung des Grabes zählt Avigad zwei Sarkophage, 14 Ossuarien und zwei Ossuariendeckel.283 Die Ossuarien Nr. 7 und 8 enthalten die Inschriften CIIP I 70 „( חנניה בר יהונתן הנזרChananja, Sohn des Jonathan des Naziräers“)284 und CIIP I 72 „( שלום אנתת חנניה בר הנזירSalome, Frau des Chananja, Sohn des Naziräers“), die Avigad zur Namensgebung der Grabhöhle inspirierten. Die aramäische Kursivschrift ist Avigad zufolge typisch für die Spätzeit des Zweiten Tempels.285 Dass Jonathan statt der aramäischen Form נזיראdie hebräische הנזירals Beinamen erhalten hat, könnte an der zu dieser Zeit noch praktizierten Institution des biblischen Naziräats an sich bzw. an der Stellung des Hebräischen als Kultsprache286 gelegen haben. Spätere talmudische Quellen bezeugen dagegen die Existenz des scheinbar weiterhin gebrauchten Beinamens in seiner aramäischen Form.287 Als Bestattungsort des Familienoberhaupts Jonathan vermutet Avigad Sarkophag Nr. 2, der anders als der reich mit Weinreben verzierte Sarkophag Nr. 1 völlig schmucklos ist, was nach Avigad am ehesten zu einem vormalig als weithin bekannten Naziräer passen würde.288 Was die Erlangung des Beinamens „der Naziräer“ anbelangt, so wird man mutmaßen können, dass sich dieser einer besonderen Ausführung des 282 Avigad 1971: 185. 283 Für Lageskizzen und Zustand der Sarkophage und Ossuarien vgl. Avigad 1971: 188.190. 284 Avigad 1971: 196 nimmt vor dem Hintergrund der Inschrift des Ossuariums Nr. 8 zu Recht an, dass es sich bei הנזרum die defektive Form von הנזירhandelt. 285 Vgl. Avigad 1971: 196. 286 Zur schwierigen Beurteilung von Bedeutung und Gebrauch des Hebräischen in persischer und hellenistisch-römischer Zeit vgl. Kottsieper 2007; sowie Joosten 2012a und 2012b. 287 Vgl. z.B. שמעון נזיראin bSchab 54b oder ר׳ לוי בר נזיראin yBer 2,1 4b,44–45. 288 Vgl. Avigad 1971: 198.
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Naziräats durch den besagten Jonathan verdankt haben dürfte. Zur möglichen Besonderheit der Ausführung könnte die Häufigkeit der Naziräatsgelübde zählen, die Jonathan während seines Lebens auf sich genommen hatte und deren Auslösung ihm als wohlbetuchtem Mitglied der Jerusalemer Oberschicht sicher keine Schwierigkeiten bereitet haben dürfte. Chepey nimmt mit der Deutung des Beinamens als Appellativum an, dass sich nur jene mit dem ehrvollen Beinamen schmücken durften, die ein lebenslängliches Naziräat auf sich genommen hatten.289 Die Tatsache, dass der einzige Bezug auf den Naziräat des Jonathan anhand der Inschriften der Ossuarien Nr. 7 und 8 über seinen Sohn Chananja ( )חנניה בר הנזירhergestellt wird, ließe vielleicht noch die Spekulation zu, dass Jonathan seinen Sohn mit dem Versprechen der Übernahme des Naziräats als bedingte Selbstverpflichtung erbeten hatte und sich daraus die Verleihung des Beinamens ergeben hatte.290 1.2.6 Zusammenfassung Die jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit zeigen, welchen hohen Stellenwert der Naziräat als Gelübde – auch abgesehen vom hohen materiellen Wert der aufzubringenden Ausweihungsopfer – besessen haben musste. Für Philo stellt die darin bezeugte Frömmigkeit und die Darbringung der eigenen Person das besondere des Gelübdes dar, weswegen er auch vom Naziräat als vom „großen Gelübde“ spricht. Zwar stellt er die Notwendigkeit der Ausweihungsopfer prinzipiell nicht in Frage, doch sind diese für ihn nur symbolischer Ausdruck für das Wesen und den Charakter des Gelübdes und des Gelobenden selbst. Der hohe Eigenwert des Gelübdes wird auch im Bericht des Josephus über Agrippa I. in Ant 19,293–294 offenkundig. Die Beteiligung an den Ausweihungskosten des Naziräatsgelübdes bzw. die gesamte Übernahme derselben wurde scheinbar als mehr als nur ein Akt der Wohltätigkeit aufgefasst, sonst hätte Agrippa auch für andere Privatopfer aufkommen können. Dass das Scheren der Naziräer für Josephus besonders erwähnenswert erschien, wird dem Umstand geschuldet sein, dass dieses als Zeichen besonderer Gesetzestreue interpretiert wurde. 1. Makk 3,49 legt zudem die Vermutung nahe, dass der Naziräat keine marginale Randerscheinung war, sondern in Bedeutung und Häufigkeit ein für die Allgemeinheit wahrnehmbares Phänomen darstellte. Zudem ist 1. Makk 3,49 auch der früheste Beleg für die Praxis, den Naziräat mit der Wallfahrt zum Wochenfest in der Ernte- und Ernteabgabenzeit zu begehen. Nun heißt es zwar nicht, dass die Naziräer diejenigen sind, die die Erstlingsabgaben mit sich führten, doch kann man zumindest 289 Vgl. Chepey 2005: 71–72. 290 Vgl. tNaz 2,8.
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festhalten, dass zur Gruppe der Wochenfestpilger auch eine Gruppe von Naziräern gehörte. Da Philo und Josephus den Naziräat und seine Bestimmungen in SpecLeg 1,248.252 und Ant 4,70–72 mit der Erstlingsfruchtabgabe in Beziehung setzen, ließe sich vielleicht über eine zur Spätzeit des Zweiten Tempels existierende Praxis spekulieren, den Naziräat vornehmlich mit der Wallfahrt zum Wochenfest zu verbinden. Diese könnte durch den Umstand motiviert gewesen sein, den Naziräat, wie dies Philo in Imm 87 andeutet, vor der Erntezeit als bedingte Selbstverpflichtung unter der Voraussetzung auf sich zu nehmen, dass das Jahr für den weihewilligen Bauern bzw. Landbesitzer reichen Ernteertrag hervorbringen wird. Dass sich im Zusammenhang des Wochenfestes auch der Brauch entwickelt haben könnte, die Kosten für Naziräer, denen die Mittel für die Ausweihung fehlten, zu übernehmen, halte ich mit Blick auf Dtn 16,9–11 und die dort beschriebene Opferung freiwilliger Gaben sowie die geforderte Fürsorge, an der Festfreude auch die personae miserae zu beteiligen (vgl. Tob 2,2), für sehr wahrscheinlich. Ebenfalls durch Philo in Imm 87 vermittelt, scheint der Naziräat bei der Bitte um Kindersegen und Heilung von Krankheit – so auch von Josephus in Bell 2,313 bezeugt – Anwendung gefunden zu haben. Von Josephus erfahren wir darüber hinaus in Bell 2,313–314, dass der Naziräat auch von Frauen inauguriert und gemeinhin für eine zeitliche Dauer von 30 Tagen abgeleistet wurde. Zusammen mit den epigraphischen Funden im Grab des Jerusalemer Aristokraten Jonathan, der den Beinamen „der Naziräer“ trug, bezeugen die jüdischen Quellen aus hellenistisch-römischer Zeit, dass die Bereitschaft zur Übernahme des Naziräats in allen gesellschaftlichen Schichten gegenwärtig war. Zeugnisse zum Naziräat aus den Schriftrollen vom Toten Meer sind uns bis auf 4QSama (siehe oben 4 1.1.3.2) nicht überkommen, was beim von Z. Safrai beobachteten generellen Mangel an Hinweisen zur Wallfahrtspraxis in den Schriftrollen sicher nicht verwundern mag.291 Naziräatsähnliche Bräuche in paganen Kulten des antiken Mittelmeerraums292 Die Darbringung und Opferung geschorener menschlicher Haare ist in den antiken Kulten und Kulturen des Mittelmeerraums ein weit verbreitetes Phänomen. Die in antiken Texten beschriebenen Haarrituale geben dabei Aufschluss darüber, dass Rasur und Übergabe der Haare an den Tempel in unterschiedlichsten religiösen und sozialen Zusammenhängen geübt wurden. Eine ganze
1.3
291 Vgl. Safrai 2018:31–32. 292 Die hier versammelten Berichte zu kultischen Haarscherriten in paganen Kulten des antiken Mittelmeerraums sind als repräsentative Auswahl und auf keinen Fall als erschöpfende Sammlung gedacht.
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Reihe solcher Rituale sind uns im Lukian von Samosata (120–180 u.Z.) zugeschriebenen Werk De dea syria293 überkommen, der in seinem Werk über den Kult der syrischen Atar-Ateh, die im römischen Reich auch schlechthin als Dea Syria bekannt war, von Wallfahrern der Göttin berichtete, die vor dem Beginn ihrer Reise zum Tempel in Hierapolis sowohl ihr Haupthaar als auch ihre Augenbrauen abrasierten und ein Schaf zu opfern pflegten, auf dessen abgezogenem Fell kniend sie Opfer versprachen (55). Mit bekränztem Haupt machten diese sich dann auf zu einer kultischen Reise nach Hierapolis, wo sie bei einem Gastgeber solange verweilten, bis sie nach der Darbringung eines Trankopfers am Altar der Dea Syria zusammen mit einem Opfertier wieder die Heimreise antraten, um dieses dann bei ihrer Rückkehr zu schlachten und ein Opfermahl zu halten (57). Interessanterweise erfahren wir auch durch Lukian, dass der Geweihte an strenge Vorschriften gebunden war, bei denen ihm vergleichbar mit Selbstminderungsriten das Schlafen auf dem Erdboden und allein der Gebrauch von kaltem Wasser zum Waschen und Trinken aufgetragen waren. Zu welchem Zweck die von Lukian beschriebene kultische Reise über die pure Teilnahme am Tempelfest in Hierapolis hinaus noch gedient haben soll, berichtet Lukian nicht. Doch wird man durch die Erwähnung des durch den Festpilger versprochenen größeren Opfers und durch die Selbstminderungsriten während der Zeit der kultischen Reise (55) davon ausgehen dürfen, dass der Festpilger damit ein Eingreifen der Göttin zu Gunsten einer von ihm im Gebet geäußerten Änderung seiner Situation, sei sie die Gesundheit, die Familie oder gar den Wohlstand betreffend, provozieren wollte.294 Diodorus Siculus (1. Hälfte des 1. Jh. v.u.Z.) berichtet in Bib hist 1,18,3 von Osiris, auf den berufend sich alle Ägypter, wenn sie sich auf Reisen außerhalb von Ägypten bewegen, den Göttern ein Gelübde ablegen, die Haare bis zu ihrer Rückkehr nach Ägypten wachsen zu lassen. Wenn Diodorus diesen Brauch explizit mit einem Gelübde verbunden sieht, dann wird man annehmen dürfen, dass damit die Bitte um eine wohlbehaltene Rückkehr aus der 293 Zur Authentizitätsfrage und zur historischen Verlässlichkeit der Darstellung vgl. Lightfoot 2003: 184–208. 294 Dies dürfte aber nicht das einzige Haarscherritual sein, das sich mit dem Kult der Dea Syria verband. Lukian weiß außerdem in De dea syria 60 von einem Passageritual zu berichten, das Ähnlichkeiten im Brauchtum der Troizenier aufwies, bei dem junge heiratswillige Männer und Frauen nicht eher in die Ehe eintreten konnten, bevor sie nicht dem Hippolytos ihre abgeschorenen Locken gebracht hatten. Im Kult der Dea Syria wäre ein ähnliches Ritual zu beobachten, das jedoch allein auf junge Männer abgezielt hätte, die ihre erste Bartrasur in einem mit ihrem Namen versehenen Kästchen im Tempel verstauten. Ähnliche Berichte zu vorhochzeitlichen Haarscherritualen und Haaropfern im Zusammenhang mit Passageritualen sind bei Lightfoot 2003: 531–536 mit Anm. 1–20 versammelt.
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Ferne verbunden war und dass jene, die diesen Brauch befolgten, dann das abgeschnittene Haar den Göttern opferten. In diesem Zusammenhang ist auch das Gelübde des Peleus, des Vaters des Achilles, das er dem Fluss Spercheios unter der Voraussetzung der unversehrten Rückkehr seines Sohnes in Homer, Ilias 23,144–152 gelobte, zu nennen. Achilles jedoch, in Trauer um den Tod des Patroklos versetzt und um die Hoffnung, seine väterliche Heimat jemals wiederzusehen, gebracht, schneidet sein seit dem Gelübde angewachsenes Haar ab und legt es in die Hände des Patroklos, der es mit in den Hades nehmen soll. Ebenfalls in Verbindung mit einer Reise, aber wohl eher als Mittel der Besänftigung der Meeresgötter bei Seenot wird man das Scheren der Haare von Seeleuten bei Petronius (14–66 u.Z.) in Satyr 104–105 und Juvenal (1. und 2. Jh. u.Z.) in Sat 12,81 deuten müssen.295 1.3.1 Zusammenfassung Der größte Berührungspunkt zwischen den hier versammelten paganen und den jüdischen Zeugnissen zu kultischen Haarscherritualen besteht in deren zugrundeliegender Anwendungssituation, nämlich der Begleichung einer im Gelübde geäußerten Versprechung. Für den Wunsch nach einer wohlbehüteten Reisebegleitung durch die Götter bzw. nach einem Eingreifen derselben bei akuten Gefahren wird das Haar bisweilen auch in Verbindung mit anderen Votivgaben der angerufenen Gottheit versprochen. Mit Bezug auf die Darstellung des Lukas in Apg 18,18 wird zu klären sein, ob in der Episode eine stärkere Entsprechung zu paganen Praktiken besteht, die vielleicht dann auch vom jüdischen Diasporajudentum adaptiert wurden, oder ob es sich dabei um das jüdische Spezifikum der Naziräatsweihe gehandelt haben kann. Für diese Beurteilung wird zu bestimmen sein, wie sich der Moment der Inauguration des Gelübdes zum vorgenommenen Haarscherritual verhält und welche Rolle das Ritual für die Erfüllung des Gelübdes gespielt haben könnte. Mit Blick auf das besondere Interesse am Naziräat in den literarischen Schichten der Hebräischen Bibel, die in spätexilische bzw. nachexilische Zeit zu datieren sind, ist zu überlegen, ob diese besondere Form der Weihe und ihre Ausweihung am Heiligtum nicht in besonderer Weise der Diasporasituation, in der Pilger die Reise nach Jerusalem und den dortigen Ort der Kultstätte Gottes auf sich nahmen, geschuldet war. Das Scheren der Haare im Zusammenhang eines Übergangsritus vom Kindes- zum Erwachsenenalter oder als Voraussetzung für den 295 Vielleicht wird man Ovids (43 v.u.Z.–17 n.u.Z.) Rede vom Bezahlen der Gelübde an die Wassergötter in einem Brief an Macer (Ep Pont 2,10,40) und Ciceros (106–43 v.u.Z.) Verweis in De natura deorum 3,89 auf die Votivgaben derer, die nach Seenot wieder unbeschadet den Hafen angelaufen haben, auch dahingehend deuten dürfen.
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Eintritt in die Ehegemeinschaft hat dagegen keine Parallele in antik-jüdischen und frühchristlichen Zeugnissen. 1.4 Der Naziräat in den Texten der rabbinischen Traditionsliteratur Die vorausgegangen Untersuchungen zum Naziräat in der Hebräischen Bibel und in jüdischer Literatur aus hellenistisch-römischer Zeit haben bis jetzt ergeben, dass der 30-tägige Naziräat,296 der metonymische Gebrauch des Begriffs „scheren“ zur Bezeichnung des Ausweihungsrituals und die Möglichkeit der Übernahme der Ausweihungsopfer eines Naziräers durch einen dritten297 bereits Teil des Diskurses zur Naziräatspraxis während Spätzeit des Zweiten Tempels waren. Inwieweit die rabbinische Diskussion dazu als Fortsetzung älterer Kontroversen oder als Neuansatz anzusprechen ist, wird im Folgenden Gegenstand der Untersuchung sein. Mit Bezug auf die rabbinischen Berichte und Regulierungen zum Naziräatsgelübde stoßen wir auf ein besonders großes Problem, was deren Wert für die historische Rekonstruktion der Naziräatsdiskurse zur Spätzeit des Zweiten Tempels anbelangt. Während das Verbotsgelübde mit seiner Entkoppelung vom Opferkult und mit der Möglichkeit der Annullierung die Zerstörung des Tempels und den Abbruch des dortigen Kultes unbeschadet überdauert hat, hat der Naziräat mit der Katastrophe des Jahres 70 sein jähes Ende gefunden. Da die Rabbinen das Naziräatsgelübde nicht mehr aus der aktiven Praxis des Brauchs heraus beobachten und beurteilen, sondern die Halacha auf der Grundlage von Erinnerungen, Toraexegese und des Analogieschlusses zum „rabbinischen“ Verbotsgelübde formulieren, sind die Ausführungen zum Naziräat in Mischna, Tosefta, Sifre Numeri, Sifre Zutta und Mekhilta deRabbi Yischmaʾel mit äußerster Zurückhaltung zu gebrauchen. Gegenüber der breit in den Quellen bezeugten Wertschätzung des Naziräats zur Spätzeit des Zweiten Tempels lässt sich unter den tannaitischen und dann vermehrt unter amoräischen Gelehrten eine langsam beginnende Zurückhaltung und sogar Geringschätzung des Naziräats wahrnehmen. Dieser in den rabbinischen Quellen beobachtbare Wandel kann möglicherweise dem Umstand geschuldet gewesen sein, dass von dieser speziellen Form der Selbstweihe trotz ihrer Unauslösbarkeit immer noch große Faszination ausging, die vereinzelt Menschen Anlass bot, sich unbedacht zum Naziräer zu weihen. 296 Vgl. Josephus, Bell 2,313 und mNaz 1,3–7. Die rabbinischen Versuche, den Ursprung der dreißigtägigen Frist für die Dauer eines Naziräats aus der Schrift mit Hilfe gematrischer Auslegung (bNaz 5a; jNaz 51c,3; SifZ zu Num 6,5 [241,23–24 Horovitz]) abzuleiten oder dies auf die dreißigmalige Nennung von Derivaten der Wurzel נזרin Num 6 (bNaz 5a; jNaz 51c,4–5) zurückzuführen, wird man allenfalls als Verlegenheit, sich nicht über den Ursprung einer gemeinhin akzeptierten Praxis im Klaren zu sein, ansprechen müssen. 297 Vgl. Josephus, Ant 19,293–294; so auch tNaz 2,4–7.
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Um einer Mehrung solcher Fälle entgegenzuwirken, haben manche Rabbinen wohl eher einen Ton der Missbilligung eingeschlagen. Die rabbinische Traditionsliteratur bestätigt die Naziräatsrestriktionen aus Num 6 in ihrem vollen Umfang. Darüber hinaus sind die Rabbinen daran interessiert, die den Naziräern aufgetragenen Restriktionen noch weiter auszudifferenzieren, um auch mit Hilfe von konstruierten Fallbeispielen alle mit Num 6 gegebenen rechtlichen Implikationen bis ins Detail zu erfassen. Ein zentraler Punkt der rabbinischen Diskussion ist der formal zulässige Wortlaut, der zur gültigen Inauguration eines Naziräats zu wählen ist (mNaz 1,1–7; tNaz 1,1–5; 2,1–2.5–6.8–11). Ferner wird die zulässige Menge des Verzehrs von Erzeugnissen des Weinstocks mit der rabbinischen Mengeneinheit „( כזיתentsprechend [der Größe] einer Olive“) angegeben (mNaz 6,1). Darüber hinaus reflektieren die Rabbinen über die mögliche Pflege der geweihten Haare, wobei jegliches Prozedere, das zum Verlust von Haaren führen könnte, untersagt wird (mNaz 6,3). Außerdem bestimmen die Rabbinen, dass ein Naziräer, der absichtlich gegen die Restriktionen seines Naziräats handelt, sich der „40 weniger 1“ Hiebe schuldig macht.298 Mit Bezug auf die Berichte vom Schneiden der geweihten Haare des Paulus (bzw. Aquila) in Apg 18,18 und von der Reinigung der Naziräer in Apg 21,23– 27, die signifikante Unterschiede zur Naziräatspraxis von Num 6 aufweisen, soll hier im rabbinischen Schrifttum nach den Möglichkeiten des Haarscherens nach Ablauf der festgesetzten Naziräatsfrist, nach den Möglichkeiten der Durchführung des Naziräats in der Diaspora und nach der Zählung der Naziräatstage bei Verunreinigung mit Totenunreinheit gefragt werden. Darüber hinaus soll erörtert werden, mit welcher Intention der Naziräat nach rabbinischer Darstellung auferlegt wurde. Schließlich soll die in den Texten zum Naziräat aus der Zeit des Zweiten Tempels gemachte Beobachtung, dass Menschen sich mit dem Naziräat vor allem im Zusammenhang des Wochenfestes weihten, weiterverfolgt werden. Dass an die Texte der rabbinischen Traditionsliteratur kein sich aus ihnen selbst ergebender Fragekatalog angelegt wird, was für eine Würdigung der rabbinischen Lehrdiskussion zum Naziräat eigentlich geboten wäre, liegt zum einen an der enormen Menge des rabbinischen Materials zur Naziräatsweihe, die den Rahmen dieser Publikation ohne Frage sprengen würde, aber zum anderen auch an der methodisch vorgegebenen Eingrenzung dieser Untersuchung auf Diskurse zum Naziräat, die ihren Ursprung in der Zeit des Zweiten Tempels haben. Aus diesem Grund reißt auch der hier aufgestellte Fragekatalog nur solche Themenkomplexe an, die nachweislich bereits Gegenstand der Diskurse zum Naziräat in der Zeit des Zweiten Tempels waren. 298 Vgl. mNaz 4,3; 6,4.
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1.4.1 Naziräatsinauguration Unter den wenigen und spärlich beschriebenen Erzählungen über naziräatsobservante Personen in jüdischen Schriften aus der Zeit des Zweiten Tempels und im Neuen Testament ist auf den ersten Blick keine einzige Begebenheit, in der der Wortlaut einer feierlich ausgerufenen Selbstweihe bezeugt ist, weshalb sich eine Einbeziehung und Thematisierung der Naziräatsinaugurationsformeln in tannaitischen Quellen hiermit eigentlich erübrigt. Allerdings hat S. Chepey versucht, die in der markinischen Abendmahlsszene ausgedrückte Verzichtserklärung Jesu οὐκέτι οὐ μὴ πίω ἐκ τοῦ γενήματος τῆς ἀμπέλου („Wahrlich, ich werde nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken“) aus Mk 14,25 als eine Form der Naziräatsinauguration zu deuten.299 Ferner hat J. Neusner die Untersagung des Schwörens beim Haupte in Mt 5,34.36 als ein Verbot zur Aufnahme des Naziräats durch Jesus verstanden,300 weshalb hier doch die rabbinischen Stimmen zur Gültigkeit der Selbstweihformeln als Vergleichstexte zu Gehör gebracht werden sollen. Erwartungsgemäß lässt sich die Thematisierung der Inaugurationsformeln bereits am Anfang des Mischnatraktats über den Naziräat in mNaz 1,1–2 ausmachen. כל כינויי נזירות כנזירות האומר אהא הרי זה נזיר או אהא נווה נזיר נזיק נזיח פזיח1 הרי זה נזיר הרי אני כזה הרי אני מסלסל הרי אני מכלכל הרי עליי לשלח פרע הרי .זה נזיר הרי עליי ציפורים רבי מאיר אומר נזיר וחכמים אומרין אינו נזיר הריני נזיר מן החרצנים מן הזוגין מן התגלחת מן הטומאה הרי זה נזיר וכל דקדוקי2 .נזירות עליו
1 Jede Umschreibung für den Naziräat ist (gültig) wie (die) Nazi räats(weihe selbst). Wer sagt: „Ich werde sein“, siehe, dieser ist ein Naziräer; (oder) „Ich werde ansehnlich sein“, (siehe, dieser ist) ein Naziräer. (Wer die Umschreibungen): „Nazik“, „Naziach“ (oder) „Paziach“ (wählt,) siehe, dieser ist ein Naziräer. (Wer sagt): „Siehe, ich sei wie dieser“, „Siehe, ich kringel (meine Haare)“, „Siehe, ich will (mein Haar) pflegen“ (oder) „Siehe, es obliegt mir, (mein Haar) ungepflegt hängen zu lassen“, siehe, dieser ist ein Naziräer. (Bei jemandem, der sagt) „Siehe, es obliegt mir, Vögel (darzubringen), sagt R. Meir: „Er ist ein Naziräer“; die Weisen aber sagen: „Er ist kein Naziräer“. 2 (Sagte einer): „Siehe, ich sei ein von den Weinbeerhäuten (abgesonderter) Naziräer“, „(…) von den Weinbeerkernen (abgesonderter Naziräer)“, „(…) von der Haarrasur (abgesonderter Naziräer)“, (oder) „(…) 299 Vgl. Chepey 2005: 147–151. Vgl. dazu die Ausführungen unten unter 4 1.5.5. 300 Vgl. Neusner 1999: 60. Vgl. dazu die Ausführungen unten unter 4 1.5.3.
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von Unreinheit (abgesonderter Naziräer)“, siehe, dieser ist ein Naziräer und es obliegt ihm, alle Gelübdebestimmungen zu erfüllen. Die Mischna erweckt den Eindruck, als handele es sich bei allen auf כל כינויי נזירות כנזירותfolgenden Inaugurationsformeln um „( כינוייםUmschreibungen“).
Die spätere amoräische Auslegung hat diesbezüglich nochmal differenziert und allein נזיק, נזיחund פזיחals Umschreibungen verstanden, während alle anderen aufgeführten Inaugurationsformeln als „( ידות נדריםGelübdeandeutungen“) kategorisiert werden.301 Besondere Aufmerksamkeit verdienen die drei Inaugurationsformeln הרי אני מסלסל הרי אני מכלכל הרי עליי לשלח פרע. Das einzige was hier im Entferntesten an eine feierliche Selbstverpflichtungserklärung erinnert, ist die Aufmerksamkeitspartikel הרי. Dass es sich ferner um die Inauguration eines Naziräatsgelübdes handeln soll, wird man nur den Anspielungen auf das Wachsenlassen der Haare entnehmen dürfen. Grundlage für die Akzeptanz solcher Formulierungen dürfte die sich hinter dem Diktum „( הכל לפי הנדרalles ist in Entsprechung zum Gelobenden [zu beurteilen]“) des R. Jehuda in mNed 7,3 verbergende Ansicht sein, die Intention des Gelobenden über formale, den Wortlaut des Gelübdes betreffende Kriterien zu stellen. Wie mNed 2,5 außerdem erkennen lässt, überließ man die Deutungshoheit der zur Inauguration gesprochenen Worte weitestgehend dem Gelobenden selbst. Die Praxis, den Wortlaut einer feierlichen Selbstverpflichtungserklärung aufgrund religiösen Skrupels durch Umschreibungen und Andeutungen zu substituieren, um dabei nicht versehentlich in der Weiheformel den Namen Gottes auszusprechen, ist ein bereits zur Zeit des Zweiten Tempels beim Schwur beobachtbares Phänomen, von dem aus es sich sicherlich auch auf andere Selbstverpflichtungsformen übertragen hat. Man denke hier z.B. an die Wendungen ( יזיר ליהוהNum 6,5) und ( נדר נזיר להזיר ליהוהNum 6,2), in denen die Absonderung des Naziräers für JHWH ausgedrückt wird. Womöglich befürchteten die Rabbinen, dass die Naziräatsweihe mit Hilfe dieser biblischen Phrasen vollzogen werden könnte, woraus der Gedanke zur Substitution des terminus נזירentsprang. Da von den Umschreibungen נזיק, נזיחund פזיח allerdings – anders als die Umschreibung קונםim Traktat Nedarim – kein einziges Mal wieder im gesamten Traktat als Ersatz für נזירdie Rede ist, werden wir es hier mit einer von mNed 1,1 abhängigen Ergänzung zu tun haben, die zu den jüngsten Tradition im Trakat zählen dürfte.
301 Vgl. jNaz 36d,20–21.
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1.4.2 Der Naziräat und seine Anwendungsbereiche Gemessen an der Fülle des uns aus tannaitischer Zeit überkommenen Schrifttums ist die Menge der Belege, die uns Auskunft über das Motiv hinter der Naziräatsweihe geben könnten, zwar eher bescheiden, aber dafür in ihrer Eindrücklichkeit um so schillernder. Dazu zählt ein „( מעשהGeschehnis“) in tNaz 4,7,302 der sich zwischen dem Hohepriester Simeon dem Gerechten und einem Hirtenjungen aus dem Süden zutrug, der, um seinen „( יצר הרעbösen Trieb“)303 zu bezwingen, den Naziräat auf sich nahm.304 אמ׳ שמעון הצדיק מימיי לא אכלתי אשם נזיר חוץ מאחד בלבד מעשה באחד שבא אלי מן הדרום וראיתיו יפה עינים וטוב רואי וקווצותיו תלתלים נמתי לו בני מה ראית לשחת שער זה נאה נם לי רועה הייתי בעירי ובאתי למלאות מן הנהר מים ונסתכלתי בבבואה שלי ופחז יצרי עלי וביקש להעבירני מן העולם נמתי ליצרי רשע לא היה לך להתגאות אלא בדבר שאינו שלך ובדבר שעתיד להיות עפר רימה ותוליעה הרי עלי לגלחך לשמים הימכתי את ראשי ונשקתיו על ראשו נמתי לו בני כמותך ירבון עושי .רצון המקום בישראל ועליך נתקיים איש או אשה כי יפליא לנדור וגו׳
Simeon der Gerechte305 sagte: Niemals aß ich in meinen Tagen das Schuldopfer eines (verunreinigten) Naziräers, ausgenommen dies eine Mal: (Da war) ein Geschehnis mit einem, der kam zu mir aus dem Süden und ich sah ihn, (seine) schönen Augen und (seine) anmutige Gestalt und seine krausen Locken. Ich sagte zu ihm: Mein Sohn, weshalb (willst du dein) schönes Haar ruinieren? Er sagte zu mir: Ich war ein Hirte in meiner Stadt und ich kam, um aus dem Fluß Wasser (in Schöpfeimer) zu füllen, und ich betrachtete mein Spiegelbild und mein (böser) Trieb stieg in mir auf und trachtete danach, mich aus dieser Welt zu schaffen. Ich sprach zu meinem (bösen) Trieb: Frevler! Solltest du dich denn einzig wegen einer Sache stolz gebärden, die dir nicht einmal gehört, und wegen 302 Der rabbinische מעשהkann, abhängig vom Kontext in dem er gebraucht wird, ganz unterschiedliche Funktionen besitzen. Zum einen kann er halachische Präzedenzfälle einführen, aus denen dann Lehrsätze abgeleitet oder bestätigt werden. Zum anderen kann er aber auch in der Form einer Anekdote allgemeingültige Verhaltensnormen ausdrücken. Im näheren Kontext von tNaz 4,7 dient der מעשהder Veranschaulichung der bei einem verunreinigten Naziräer anzuwendenden Ritualgesetze. 303 Vgl. Rosen-Zvi 2006; 2007; 2008; 2009a; 2009b; 2010; 2011. 304 Parallelüberlieferungen lassen sich zudem in Sif Num § 22 zu 6,2 (p. 59,24–60,30 Kahana); bNaz 4b; bNed 9b; jNaz 51c,40–50 und jNed 36d,51–60 finden. 305 Gemeint sein dürfte Simeon II., der das Amt des Hohenpriesters gegen Ende des 3. Jh. v.u.Z. ausfüllte (vgl. dazu Sir 50,1–21; Josephus, Ant 12,43; ferner Vermes et al. 1979: 359–360 und die dort unter Anm. 10 versammelte Forschungsliteratur zur Person). Zur Legendenbildung um seine Person vgl. Tropper 2013.
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einer Sache, die zukünftig Staub, Made und Wurm sein wird? Siehe, es obliegt mir, dich (als Weihe) für den Himmel zu scheren! Ich beugte mein Haupt und küsste ihn auf sein Haupt. Ich sagte zu ihm: Mein Sohn, mögen zahlreich werden (jene, die) gleich dir den Willen Gottes in Israel tun. Und durch dich bewahrheitet sich (das, was gesagt ist): Wenn ein Mann oder eine Frau trachtet, etwas Besonderes zu geloben usw. Die Nähe zur populären Narkissos-Erzählung ist unverkennbar. Die sicherlich in vielen verschiedenen Varianten mündlich überlieferte Erzählung hat ihren literarischen Niederschlag bei Hyginus, Fabulae 271, Ovid, Metamorphosae 3,370–510 und bei Pausanias, Graeciae descriptio 9,31,7 gefunden. Der Jüngling, und dies ist allen Versionen der Erzählung gleich, verliebt sich beim Anblick seines Spiegelbilds in sich selbst. Ganz ähnlich wie tNaz 4,7 berichtet auch Ovid, Metamorphosae 3,420–421 von seinen glänzenden Augen und seinen göttergleichen Locken. Anders als dem Hirtenjungen aus dem Süden ist es dem Narkissos allerdings nicht beschieden, sich aus der Umklammerung seiner Selbstverliebtheit zu retten, weshalb er an Ort und Stelle jämmerlich zu Grunde geht (Ovid, Metamorphosae 3,502–503).306 In seiner rabbinischen Adaption kann der schöne Jüngling sein Schicksal allein durch eine apotropäische Handlung abwenden. Sich besinnend weiht er sein prachtvolles Haar dem Himmel ()הרי עלי לגלחך לשמים, wobei ihm der Naziräat zur Bekämpfung seines aus Hochmut und Arroganz schöpfenden verwerflichen Triebes ( )יצרdient. Indem er im Gelübde sein Haar anspricht – als sitze sein böser Trieb darin – und weiht, nimmt er in Erwartung des Ausweihungsrituals, bei dem seine Haare abgeschnitten und verbrannt werden, selbstdemütigend den Naziräat auf sich. Auf eben diesen Moment der Haarrasur, sei es zur Ausweihung oder im Zusammenhang des Reinigungsrituals,307 wird wohl auch das Bedauern Simeons des Gerechten über das Ruinieren der Haare bezogen sein.308 Dafür, dass der Hirtenjunge aus dem Süden das 306 Nach Bremmer 2000: 712 ist der „aitiologische Mythos des Narkissos“, auf dem die Erzählung vom Hirtenjungen aus dem Süden basiert, bereits ein Produkt der hellenistischen Epoche. 307 Vgl. Num 9,6. 308 Kuhn 1959: 72 Anm. 33 hat diesbezüglich festgehalten, dass „das Auffällige und Unangenehme bei der Erfüllung des Naziraätsgelübdes nicht das Freiwachsenlassen des Haares (Num 6,5), sondern das völlige Abschneiden desselben nach Abschluss des Naziraäts (Num 6,18) oder im Falle der Verunreinigung an einem Toten (Num 6, 9)“ war. Dies war dem Umstand geschuldet, dass das Scheren der Haare in der äußerlichen Wahrnehmung einer Form der Selbstminderung gleichkam, wie dies z.B. im Fall von Trauerriten bekannt ist (vgl. z.B. Homer, Ilias 23,135–152, Lev 19,27; Dtn 14,1). Das Haupt und sein Haar waren
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Naziräatsgelübde bereits vor dem Vorfall am Fluss abgelegt hat,309 spricht meines Erachtens nichts. Hat doch der Hirtenjunge den Naziräat am Fluss erst mit הרי עלי לגלחך לשמיםinauguriert. M. Kahana geht in ähnlicher Weise davon aus, dass die Naziräatsweihe bereits bestanden und der Hirtenjunge sich durch seine lustvollen Gedanken verunreinigt hat.310 Die Geschichte erwähnt aber nicht, wo und wann sich der junge Naziräer verunreinigte. Es ist für die Aussageabsicht der Erzählung nicht von Bedeutung und auch nicht im Fokus derselben. D. Halivni nimmt an, hinter dem Verzicht steht eine allgemeine Ablehnung Simeons gegenüber der Naziräatsinstitution, die sich durch missbräuchliche Entwicklungen und eine sich breitmachende Ernstlosigkeit der Votanten erklären lässt.311 Halivni verweist in diesem Zusammenhang auf den Lehrsatz mNaz 5,7, der für ihn ein Beispiel des Niedergangs einer vormals aufrichtigen Form der Selbstweihe darstellt. ראה את הכוי ואמר הריני נזיר שזה חיה הריני נזיר שאין זה חיה הריני נזיר שזה7 בהמה הריני נזיר שאין זה בהמה הריני נזיר שזה חיה ובהמה הריני נזיר שאין זה לא חיה ולא בהמה הריני נזיר שאחד מכם נזיר ששניכם נזירים שכלכם נזירים הרי כלם .נזירים
7 Sah (ein)er ein Säugetier von umstrittener Gattung und sagte: Siehe, ich sei ein Naziräer, wenn das ein wildes Tier ist. (Ein zweiter sagte): Siehe, ich sei ein Naziräer, wenn dies kein wildes Tier ist. (Ein dritter sagte): Siehe, ich sei ein Naziräer, wenn dies domestiziertes Vieh ist. (Ein vierter sagte): Siehe, ich sei ein Naziräer, wenn dies kein domestiziertes Vieh ist. ein Symbol von Stärke und Schönheit und die grauen Haare des Alters ein Zeichen der Ehre (vgl. 2. Makk 6,23). 309 Dies vermutet jedoch Neusner 1999: 79, der den aufschwellenden Stolz im Hirtenjungen und den aufbrausenden bösen Trieb auf die Haarpracht des Jungen zurückführt, die diesem infolge des Naziräatsgelübdes gewachsen war. 310 Vgl. Kahana II: 201 mit Anm. 104. Man beachte, dass ein Naziräer allein dann zum Schuldopfer verpflichtet ist, wenn er sich an einer Leiche verunreinigt hat. Lustvolle Gedanken erzeugen keine Totenunreinheit. Will man doch annehmen, dass der Hirtenjunge den Naziräat bereits vor dem Vorfall am Fluss abgelegt hatte und sich durch den bösen Trieb verunreinigte, dann müsste man erklären, warum sich Simeon gerade bei diesem Hirtenjunge bereit erklärte, sein Schuldopfer zu sich zu nehmen, bzw. was genau am Verhalten des Jungen so lobenswert war, dass Simeon hoffte, dass jene sich in Israel mehren sollten, die wie er den Willen Gottes täten. Nimmt man aber an, dass der Vorfall am Fluss der Auslöser für die Naziräatsweihe war, mit der der Hirtenjunge den bösen Trieb bekämpfen wollte, dann erklärt sich auch der an den Jungen gerichtete Lobpreis des Simeon, da dieser gegen den bösen Trieb handelnd die Selbstminderung der Kahlrasur freiwillig in Kauf nahm. 311 Vgl. Halivni 1968: 248–249.
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(Ein fünfter sagte): Siehe, ich sei Naziräer, wenn das ein wildes Tier oder domestiziertes Vieh ist. (Ein sechster sagte): Siehe, ich sei ein Naziräer, wenn das weder ein wildes noch domestiziertes Vieh ist. (Ein siebter sagte): Siehe, ich sei ein Naziräer, wenn einer von euch ein Naziräer ist. (Ein achter sagte: Siehe, ich sei ein Naziräer), wenn ihr beide Naziräer seid. (Ein neunter sagte: Siehe, ich sei ein Naziräer), wenn ihr alle Naziräer seid. So sind sie alle Naziräer. Halivnis These eines sittlichen Verfalls der Naziräatspraxis ist aus mehreren Gründen problematisch: Die Fiktion einer Aneinanderreihung von Naziräatsgelübden beginnt bereits in mNaz 5,5 mit der Wendung היו מהלכין בדרך („[einige] waren unterwegs“). Die Mischna diskutiert dabei, inwieweit eine Aneinanderkettung von Naziräatsgelübden für die Beteiligten bindend ist, wobei sie dieses Gedankenspiel völlig wertungsfrei vorträgt. Was diesbezüglich den Rückverweis auf den Verzicht Simeons des Gerechten anbelangt, so erweckt dieser mitnichten den Eindruck, dass es sich um eine Form des Protests gegen Naziräer handelt.312 Man muss doch vielmehr zu dem Schluss kommen, dass sich Simeon der Gerechte sogar eine Mehrung der Naziräer nach dem Vorbild des Hirtenjungen wünscht. Ferner scheint es ein fruchtloses Unterfangen, sowohl mNaz 5,7 als auch die Erzählung über den Verzicht Simeons des Gerechten als historisch verifizierbare Ereignisse deuten zu wollen und dies allein schon aus dem Grund, weil die Geschichte über Simeon den Gerechten eine Nacherzählung des Narkissos-Mythos ist.313 In eine Tempelkulterzählung314 umgestaltet ist sie in archaisierendem Bibelhebräisch verfasst,315 womit suggeriert wird, dass die Erzählung wirklich aus der Zeit Simeons des Gerechten 312 Fraade 1986: 273 spricht sogar von einer „general reluctance to accept the offerings of a Nazirite“. Es wäre zu fragen, ob ein Hohepriester sich überhaupt mit den einfachen Belangen des täglichen Opferbetriebs befasste, zumal wenn es sich auch noch um das Opfer eines Hirtenjungen handelt. 313 In ihren jetzigen literarischen Zusammenhängen dient die Geschichte einem literarischen Zweck und besitzt daher vornehmlich einen „Sitz in der Literatur“. Im Makrokontext der Tosefta, in dem u.a. der Wortlaut von Inaugurationsformeln und ihre Gültigkeit eine zentrale Rolle einnehmen, ist die Selbstweihe des Hirtenjungen mit den Worten הרי עלי לגלחך לשמיםein weiteres Beispiel für die bindende Inauguration eines Naziräatsgelübdes. Im Mikrokontext ist die Passage in assoziativer Weise eine aggadische Fortsetzung zur Bestimmung über die Zubereitung des wegen Verunreinigung darzubringenden Schuldopfers in tNaz 4,6. Das der Priesterschaft anzugedeihende Schuldopfer wird im Fall von tNaz 4,7 von Simeon dem Gerechten in Anspruch genommen. 314 Vgl. Neusner 2010: 43–44. 315 Die Frage Simeons des Gerechten nach den Beweggründen für die Inauguration des Gelübdes ist der Frage Abimelechs an Abraham in Gen 20,10 mit מה ראיתnachstilisiert. Darüberhinaus wird statt des üblichen אמרfür „sagen“ die wörtliche Rede jeweils mit
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stammen könnte. Die Erzählung vom Hohenpriester Simeon dem Gerechten und vom Hirtenjungen aus dem Süden ist sicherlich älter als ihre erste Bezeugung im tannaitischen Schriftenkorpus.316 Eine genaue Datierung einer mündlichen Vorstufe ist allerdings wie in den meisten aggadischen Erzählungen aus rabbinischen Quellen schwierig bis nahezu unmöglich, weshalb hier bloß der Versuch einer groben Eingrenzung unternommen werden kann. Der terminus ante quem dürfte mit der Tempelzerstörung gegeben sein. Dafür spricht die Pragmatik der Erzählung, die im Text selbst als Aufforderung zur Nachahmung offenkundig ist und die nur ihr Ziel erreichen kann, wenn der Tempelkult noch intakt und damit die Möglichkeit des Nacheiferns in der Form der Naziräatsweihe besteht. Ferner wird man für die Adaption eines Mythos aus dem hellenistischen Kulturkreis317 ein ungezwungenes und offenes assimilatorisches Klima voraussetzen müssen, wie es in Judäa bis zu den hellenistischen Reform- und Umsturzversuchen durch Teile des Jerusalemer Priesteradels und den darauffolgenden Ereignissen, die zur makkabäischen Erhebung führten,318 vorgeherrscht haben dürfte. Dazu passt, dass mit dem Beginn des 2. Jh. v.u.Z. (terminus post quem) in jüdischen Schriften über die Vorstellung und das Problem einer widergöttlichen und bösen Neigung im Menschen reflektiert wird.319 Versteht man die Geschichte allerdings in gewissem Sinne als eine Art Parodie, die die Selbstverliebheit als Auswuchs griechischer Sexualnormen anprangert und deren Unterworfensein unter die „böse menschliche Neigung“ entlarft, dann könnte sie auch in einer Zeit entstanden sein, in der Ressentiments gegen die hellenistische Kultur verbreiteter waren und in der man sich gegen den Akkulturationsdruck des Hellenismus zu behaupten versuchte.320 Ein weiteres Motiv, das die Aufnahme eines Naziräatsgelübdes begründet haben könnte, wird bisweilen in der Ausrichtung auf einen asketischen
Verbformen der Wurzel נוםeingeleitet, das ein Derivat der biblisch-hebräischen Verbwurzel נאםist. Vgl. u.a. Jer 2,22; Am 6,8; ferner CD B 19,8; 4Q175 9–10. 316 Dafür spricht ihre vielfache Bezeugung in rabbinischen Quellen und die darin erkennbare Beliebtheit der Geschichte. 317 Vorausgesetzt natürlich, dass man sich der Herkunft der Erzählung bewusst war. 318 Vgl. Hengel 1988: 503–564. 319 Der יצר-Begriff in der speziellen Bedeutung einer „(bösen menschlichen) Neigung“ ist frühestens am Ende des 3. oder Anfang des 2. Jh. v.u.Z. (vgl. Lange 1995: 47) in der Weisheitsschrift 4Q417 2 ii 12 belegt, und dann ein weiteres Mal in einem hebräischen Fragment des Jubiläenbuches, in 1Q18 3–4, das in die Mitte des 2. Jh. v.u.Z. zu datieren ist (vgl. Doering 2017a: 73–74 und die dort versammelte Sekundärliteratur). 320 Eine solche kritische Auseinandersetzung mit dem Hellenismus ist sowohl in den Jahren vor der makkabäischen Erhebung als auch in frühtannaitischer Zeit denkbar.
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Lebensstil gesehen.321 Als locus classicus wird dabei Sif Num § 30 zu 6,11 (p. 86,6–87,8 Kahana) und das dort überlieferte Diktum des R. Elazar haKappar angeführt. אלא שציער נפשו מן,ר׳ אלעזר הקפר או׳ וכי על אי זו נפש חטא זה שצריך כפרה ומה אם המצער נפשו מן היין צריך כפרה קל וחומ׳ למצער, והל׳ דב׳ קל וחו׳.היין .נפשו על כל דבר
R. Elazar ha-Kappar sagt: An welcher Seele hat er sich denn versündigt, dass er der Sühne bedarf? (Antwort: Er hat sich an keiner Seele versündigt322), außer er hat seine Seele dem Wein entzogen. Und lassen (diese) Worte nicht einen Schluss vom Leichteren auf das Schwerere zu? Denn wenn derjenige, der seine Seele dem Wein entzieht, der Sühne bedarf, (dann schließe) vom Leichteren auf das Schwerere für (denjenigen), der seine Seele allem entzieht. A. Shemesh hat sich in überzeugender Weise dafür ausgesprochen, dass R. Elazar ha-Kappar beim Sündigen gegen die eigene נפשan ein Sündigen gegen die eigene „Kehle“ gedacht hat.323 Sich dem Genuss des Weines zu entziehen, meine dann, „that the Nazirite has deprived his throat from the pleasure of drinking wine“. Shemesh geht weiterhin davon aus, dass R. Elazar ha-Kappar nicht alle Naziräer für Sünder gehalten hat, sondern nur jene, die die Tage ihres Naziräats durch Verunreinigung an einem Toten ungültig gemacht haben, was die Zeit ihrer Entsagung vom Wein als unnütz erscheinen lässt.324 Der babylonische Gelehrte Abbaje expliziert325 in der Parallele von bNed 10a, was R. Elazar ha-Kappar freilich hier mit dem Sündigen des Naziräers an sich selbst bzw. an seiner Kehle und der Notwendigkeit der Sühnung seiner Sünde nur implizit ausdrückt, nämlich dass jeder Naziräer als Sünder anzusprechen ist.326 R. Simeon, auf den sich Abaje in seiner Einschätzung bezieht, verweist 321 Vgl. dazu Urbach 1960, sowie die Diskussionen bei Halivni 1968 und Fraade 1986: 273–274. 322 Gemeint ist freilich, dass er gegen sich selbst sündigt. 323 Vgl. Shemesh 2017: 121. 324 Vgl. Shemesh 2017: 121. 325 Der Gelehrte bringt dies mit שמעון הצדיק ורבי שמעון ורבי אלעזר הקפר כולן שיטה אחת „( הן דנזיר חוטא הויSimeon der Gerechte und R. Simeon und R. Elazar ha-Kappar stimmen alle darin überein, dass ein Naziräer ein Sünder ist“) auf den Punkt. 326 Dass hier eine generelle antiasketische Tendenz unter den Amoräern des Babylonischen Talmuds zu Gehör kommt, wird man vor dem Hintergrund von bTaan 11a–b auf keinen Fall sagen dürfen. Dort ist es R. Elazar, der mit Verweis auf Num 6,5b den Worten R. Elazar ha-Kappars mit Hilfe der hermeneutischen Regel a minori ad maius mit נקרא קדוש שנאמר קדוש יהיה גדל פרע שער ראשו ומה זה שלא ציער עצמו אלא מדבר אחד נקרא
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in bNed 10b auf die Praxis der „( חסידים ראשוניםfrühen Frommen“),327 die sich weigerten, den Naziräat auf sich zu nehmen, um nicht Sünder genannt zu werden.328 Grundlage für das Urteil, den Entzug von Wein als eine sündhafte Handlung gegen den eigenen Leib wahrzunehmen, wird das Fastenverbot an Feiertagen und speziell am Schabbat sein, bei dem man sich auf das Gebot zur Festfreude „( וקראת לשבת ענגund du den Schabbat eine Wonne nennst“) aus Jes 58,13bα zu stützen pflegte.329 Nimmt man aber die tannaitische Parallele zum Diktum des R. Simeon in tNed 1,1 unter die Lupe, wird offensichtlich, dass die argumentative Begründung zum Verzicht der „frühen Frommen“ aufgrund einer Entsagung von Wein dort nicht angelegt ist und daher wohl als eine spätere Deutung anzusprechen ist. R. Simeon drückt in tNed 1,1 mit לא [„( מתנדבין נזירות מפני שצריכין כפרה שנ׳ וכפר עליו מאשר חטא על הנפשdie frühen Frommen] pflegten sich nicht durch ein freiwilliges Naziräat zu binden, da sie dann der Sühne bedürfen, denn es heißt [Num 6,11]: Und er soll für ihn Sühne erwirken, weil er sich an einer [Toten]seele versündigt hat“) zu allererst einmal den Verzicht der „frühen Frommen“ auf die Inauguration eines freiwilligen Naziräats aus. Dies heißt freilich nicht, dass sie in anderen, vielleicht durch Not ausgelösten Situationen nicht auch den Naziräat in der Form einer bedingten Selbstverpflichtung hätten auf sich nehmen können.330 Mit der Begründung מפני שצריכין כפרהwird dann geschlussfolgert,331 dass sie sich nicht in Gefahr begeben wollen, sich an einer Totenseele zu verunreinigen und dadurch der
[„( קדוש המצער עצמו מכל דבר על אחת כמה וכמהder Naziräer] wird ‚heilig‘ genannt, denn es heißt [Num 6,5]: Er soll heilig sein! Groß machen soll er die Haarfülle des Haares seines Hauptes! Denn wenn derjenige, der sich allein von einer Sache entzieht, ‚heilig‘ heißt, umwieviel mehr [ist der heilig], der sich jeglicher Sachen entzieht?“) widerspricht. 327 Zur Darstellung der frühen Frommen in der rabbinischen Literatur vgl. Morgenstern 1967 und Safrai 1985. 328 Nach der Parallele in jNed 36d,48–50 ist auch R. Simeon der Meinung, dass jeder Naziräer aufgrund des Weinverzichts gegen sich selbst sündigt. 329 Vgl. Jub 2,21.31; 50,9–10; Jdt 8,6; mSchab 16,2; mNed 9,6; sowie Doering 1999: 105–107. 330 Der aufgrund einer bedingten Selbstverpflichtung auferlegte Naziräat wird im rabbinischen Sprachgebrauch als „( נזיר חובהverpflichteter Naziräer“) bezeichnet (vgl. mNaz 2,8). 331 Die Erklärung לא היו מתנדבין נזירות מפני שצריכין כפרהdrückt mit der Kausalkonjunktion מפני שdie unweigerlich zustandekommende Bedürftigkeit eines Naziräers nach Sühne aus. Hätte man artikulieren wollen, dass mit der Weihe die Befürchtung einhergeht, am Tempel Sühnung ersuchen zu müssen, dann hätte man „( שמא יצטרכו כפרהda sie der Sühne bedürftig werden könnten“) formulieren können. Anscheinend wird hier allein schon der Umstand, dass sich jemand freiwillig der „Gefahr“ aussetzt, durch Verunreinigug an einem Toten der Sühne zu bedürfen, so verstanden, als bräuchte er sie unweigerlich. In eine solche Beurteilung spielt auch sicherlich der Umstand hinein, dass zu den Ausweihungsopfern des Naziräats auch ein Sündopfer gehört.
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Sühne zu bedürfen.332 Man wird daraus schließen dürfen, dass die Deutung des Naziräats als asketisch-selbsterniedrigende Übung und damit als sündhafte Handlung erst eine amoräische ist und weder für die tannaitische Periode noch für die Zeit des Zweiten Tempels vorauszusetzen ist. Ein letztes hier vorzustellendes Motiv hinter der Inauguration des Naziräats ist Gegenstand der rabbinischen Lehrdiskussion in mNaz 2,7–10 und tNaz 2,8 und betrifft im Zusammenhang einer bedingten Selbstverpflichtung den an Gott gerichteten Wunsch nach männlicher Nachkommenschaft. Die in den Lehrdiskurs einführende Mischna zur Naziräatsinauguration bei erfülltem Kinderwunsch lautet wie folgt: הריני נזיר כשיהיא לי בן נולד לו בן הרי זה נזיר בת טומטום ואנדרוגינוס אינו נזיר7 .ואם אמר כשאראה לי ולד אפילו נולד לו בת טומטום ואנדרוגינוס הרי זה נזיר
7 (Sagte einer): „Siehe, ich sei ein Naziräer, sobald ich einen Sohn haben werde“, (und) ihm ein Sohn geboren wurde, siehe, dieser ist ein Naziräer. (Wurde ihm) eine Tochter, ein Kind, bei dem man das Geschlecht nicht feststellen kann, oder ein Zwitter (geboren, siehe, so) ist er kein Naziräer. Wenn er aber sagte: „(Siehe, ich sei ein Naziräer), sobald ich sehen werde, (dass) ich ein Kind habe“, siehe, (so) ist dieser, selbst wenn ihm eine Tochter, ein Kind, bei dem man das Geschlecht nicht feststellen kann, oder ein Zwitter geboren wurde, ein Naziräer. Der Kinderwunsch als Motiv der Inauguration des Naziräats erinnert in gewisser Weise an 1. Sam 1 und das Gelübde der Hanna, das dort allerdings in der Form einer Weihe dem Sohn und nicht der Mutter galt. Dies muss allerdings nicht heißen, dass dieses Motiv allein aus der Hanna-Samuel-Erzählung herausgelesen wurde und im Grunde genommen keine Wurzeln im eigentlichen Naziräatsbrauchtum zur Zeit des Zweiten Tempels besessen hat. Nimmt man 332 Ein weiterer Lehrsatz zu Num 6,11 aus dem Mund des R. Simeon findet sich in SifZ zu 6,11 (p. 243,11–12 Horovitz). In gedanklicher Nähe zu R. Elazar ha-Kappars Diktum aus S Num § 30 zu 6,11 (p. 86,6–87,8 Kahana) formuliert auch SifZ משום שחטא על נפשו („denn er hat gegen seine eigene Seele gesündigt“). Nach Shemesh 2017: 120 hat sich die Frage nach der Identifizierung der Seele, an der sich der Naziräer versündigt hat, aus dem Umstand ergeben, dass eine versehentliche Verunreinigung nirgends sonst als ein Akt des Sündigens bezeichnet wird. Mit Verweis auf Num 30,3 und der dort beschriebenen Bindung eines Menschen an sein Gelübde bzw. an seinen Schwur durch לאסר אסר על „( נפשוseine Seele durch ein Verbot zu binden“) besteht für Shemesh die Sünde gegen die eigene Seele in der Übertretung des Gelübdes. Mit einer Versündigung an der eigenen Person aufgrund der Abstinenz von Wein hat dies freilich nichts zu tun.
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dazu noch die beiden Naziräatsgelübde der Königin Helena von Adiabene333 in mNaz 3,6, die den Naziräat unter der Bedingung der wohlbehaltenen Heimkehr ihres in den Krieg gezogenen Sohnes versprach,334 und der Mirjam aus Palmyra in mNaz 6,11, die womöglich den Naziräat für die Genesung ihrer Tochter zusicherte,335 in den Blick, so wird deutlich, dass der Naziräat vor allem durch die Bitte um Lebenserhaltung bzw. Lebensschenkung motiviert war. Ob man darin eine Verbindung zwischen dem durch Gelübde geweihtem Haar, in dem man den Sitz der Lebenskraft vermutete, und der Bitte um eine lebensspendende Zuwendung Gottes sehen darf, oder aber das Gelübde durch seine besondere Zusammensetzung aus Opfergaben und den zur Absonderung dienenden Restriktionen als angemessenstes Mittel zum Erbeten eines heilvollen Eingreifens Gottes begriff, ist den Quellen nicht zu entnehmen. Naziräatsformen und ihr Bezug zum Haarscherritual 1.4.3 Der 30-tägige, wohl als „Standardform“ der Naziräatsweihe anzusprechende Naziräat tritt nach der anonym geäußerten Lehrmeinung von mNaz 1,3 dann in Kraft, wenn der Geweihte in seiner Weiheformel keine nähere Spezifikation für die Dauer des Gelübdes getroffen hat. S Num § 25 zu 6,5 (p. 75,51–54 Kahana) begründet die Mindestdauer von 30 Tagen mit der in Num 6,5 festgehaltenen Bestimmung, „( גדל פרע שער ראשוgroß machen soll er die Haarfülle des Haares seines Hauptes“).336 Diese Zeitspanne ist dem Ausleger der Numeri333 Vgl. Josephus, Ant 20,17–95. Zur Vorgeschichte der Bekehrung des adiabenischen Königshauses vgl. Frenschkowski 1990. 334 Als historisch zuverlässige Notiz über die Dauer des Naziräats der Königin Helena wird man die Episode freilich nicht werten dürfen. Die Rabbinen sind sich über die Dauer ihres Naziräats uneinig, wobei die Halacha nicht auf der Praxis der Königin basiert, sondern die verschiedenen Lehrmeinungen einfach in die Erzählung eingetragen werden. Was dennoch der Episode entnommen werden kann, ist die Vorstellung vom Motiv, die eine weihewillige Person zur Inauguration des Naziräats anhält. 335 Vgl. Boertien 1971: 75. 336 Siehe dazu oben im Detail 4 1.1.2. Die Sifre-Passage hält außerdem fest, dass das Erreichen der geforderten „Haarfülle“ nicht länger als einen Monat und einen Tag bzw. einen Monat und zwei Tage dauern dürfte. Kahana II: 242 nimmt dagegen auf der Grundlage von S Num § 25 zu 6,5 (p. 70,7–8 Kahana; par. mNaz 3,1) an, dass hierbei ein 30-tägiger und ein 29-tägiger Monat angesprochen wären, mit deren Ablauf auch das Scheren der Haare zu vollziehen sei. Shemesh 2019: 36 hat dagegen zu Recht eingewandt, dass mit S Num § 25 zu 6,5 (p. 75,53–54 Kahana) die Frage des Haarscherens gar nicht tangiert und allein die Mindest- und Höchstdauer für das Erreichen der nach Num 6,5 vorgeschriebenen Haarfülle thematisiert sei. Ferner ist auch zu beachten, dass in S Num § 25 zu 6,5 (p. 70,7–8 Kahana) und mNaz 3,1 nur der frühstmögliche Moment für die Ausweihung angesprochen wird. Damit ist nicht ausgedrückt, dass der Geweihte die Ausweihung nicht auch an einem späteren Zeitpunkt vornehmen kann.
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Passage zufolge als Mindestdauer notwendig, um entsprechende Haarfülle zu erreichen. Dies heißt aber nicht, dass nach dieser Mindestdauer der Naziräat augenblicklich zu Ende gegangen ist und der Naziräer seine Ausweihungsopfer darbringen muss. Der Zeitpunkt für das Schneiden der Haare schien dem Naziräer nach Ablauf der dreißigtägigen Frist selbst überlassen worden zu sein.337 Daneben hat die rabbinische Traditionsliteratur auch auf der Grundlage überkommener Traditionen und midraschartiger Bibelauslegung eine Unterscheidung verschiedener Naziräatsformen getroffen, die das Scheren der Haare in diversen Intervallen während des Naziräatsgelübdes zulassen. Zum einen wäre hier an den 30-tägigen Naziräat in mNaz 3,2 zu denken, der, wenn wiederholt nacheinander befolgt, das Schneiden der Haare vom Übergang der ersten zur zweiten usw. dreißigtägigen Weiheperiode erlaubt. Bei genauerer Betrachtung ist dabei aber nicht einfach nur vom nach Ablauf der ersten Naziräatsfrist wieder erlaubten Schneiden der Haare die Rede, sondern von der Ausweihung,338 die entweder am dreißigsten oder einunddreißigsten Tag für den ersten Naziräat und am sechzigsten oder einundsechzigsten Tag für den zweiten Naziräat vorgesehen ist. Eine weitere gesonderte Naziräatsform, die uns im rabbinischen Schrifttum überkommen ist, ist der Nazriäat nach Art und Weise des Simson in mNaz 1,2. Diese Spezialform ist in tannaitischer Zeit die einzig noch durchführbare Naziräatsform, da sie für den Gelobenden eine Weihe auf Lebenszeit bedeutet und deshalb keine Ausweihung am Tempel vorgesehen ist.339 Dies könnte womöglich auch der Grund für die verstärkte Reflexion der Tannaiten über das Weiheformat des Simson sein.340 הריני כשמשון כבן מנוח כבעל דלילה כמי שעקר דלתות עזה כמי שניקרו פלשתים2 את עיניו הרי זה נזיר שמשון מה בין נזיר עולם לנזיר שמשון נזיר עולם הכביד שיערו מקל בתער ומביא שלוש בהמות ואם נטמא מביא קרבן טומאה נזיר שמשון הכביד .שיערו אינו מקל ואם נטמא אינו מביא קרבן טומאה 337 Vgl. Shemesh 2019: 35–36. 338 „( מגליח הראשונהer schert den ersten“) bzw. „( מגליח את השנייהer schert den zweiten“) in mNaz 3,2 ist metonymisch zu verstehen und meint die erste und die zweite Ausweihung der beiden Naziräatsgelübde. 339 Neusner 1999: 70 geht davon aus, dass die anderen Naziräatsformen auch ohne den Fortbestand des Tempels noch abgelegt werden konnten, was sicherlich richtig ist, aber sicherlich de facto nicht mehr praktiziert wurde, da die Ausweihung des Gelübdes nicht mehr vollzogen werden konnte. 340 Die Deutung der Personenweihe des Samuel als Naziräatsgelübde dürfte im antiken Judentum nicht umfänglich bekannt bzw. anerkannt gewesen sein, wofür mNaz 9,5 als Beleg herangezogen werden kann.
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2 (Wer sagt): „Siehe, ich bin wie Simson“, „… wie der Sohn Manoachs“, „… wie der Mann der Delilah“, „… wie derjenige, der die Tore von Gaza ausgehoben hat“, (oder) „… wie derjenige, dem die Philister die Augen ausstachen“, siehe, der ist ein Naziräer nach der Art und Weise des Simson. Worin besteht der Unterschied zwischen einem lebenslänglichem Naziräer und einem Naziräer nach der Art und Weise des Simson? Der lebenslängliche Naziräer erleichtert (sein Haupt) mit einem Schermesser, (wenn) sein Haar (zu) schwer geworden ist und bringt die drei (für eine Ausweihung vorgesehenen341 Opfer)tiere. Wenn er sich (an einem Toten) verunreinigt, dann soll er das Opfer (wegen) Verunreinigung darbringen.342 Ein Naziräer nach der Art und Weise des Simson erleichtert (sein Haupt) nicht, (wenn) sein Haar (zu) schwer geworden ist. Und wenn er sich (an einem Toten) verunreinigt hat, dann bringt er kein Opfer (wegen) Verunreinigung dar. Es ist ohne Frage bezeichnend, dass man die Gestalt und Bezeichnung dieser Form des Naziräats auf die etwas unrühmliche Gestalt des Simson zurückführt. Hätten die Rabbinen den Rauschtrank-343 und Haarscherverzicht des Samuel auch als eine Folge des Naziräats gedeutet, dann hätte man wohl eher diese Sonderform des Naziräats nach dem Propheten und Königsmacher Samuel benannt. Was die Obligationen des Naziräers nach Art und Weise des Simson betrifft, so sind diese allesamt von der biblischen Simson-Erzählung abgeleitet. Das Verbot, sich nicht einmal das Haar zu erleichtern, wenn dieses dem Geweihten zu schwer geworden ist, basiert auf Ri 13,5 und 16,17. Dass ein Naziräer nach Art und Weise des Simson das Taubenpaar wegen Totenunreinheit nicht darbringen muss, wird ebenfalls auf Ri 16,17 zurückzuführen sein. Da Simson Delila offenbart, dass von seiner Geburt an niemals ein Schermesser über sein Haupt gegangen ist, kann daraus entnommen werden, dass Simson sich im Kampf gegen die Philister zwar mit Totenunreinheit befleckte, doch ohne dass dies Auswirkungen auf seine Weihe gehabt hätte und er zum Scheren seiner Haare am siebten Tag des nach Num 6,9–12 geforderten Reinigungsrituals verpflichtet gewesen wäre. Im Vergleich dazu ist es dem lebenslänglichen Naziräer, einer Naziräatsform die biblisch nicht belegt ist,344 gestattet, sich das Haar 341 Vgl. Num 6,14. 342 Vgl. Num 6,10–11. 343 So nach 1. Sam 1 𝔊 und 4QSama. 344 Vielleicht ist der Sprachgebrauch vom נזיר עולםtraditionsgeschichtlich abhängig von der in 4QSama ii a 3 bewahrten Texttradition, nach der Hanna die Zusicherung ונתתיהו נזיר ( עד עולםsiehen oben 4 1.1.3.2) geäußert haben soll.
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zu erleichtern.345 Dafür muss er jedoch, ohne dass damit die Ausweihung vollzogen wäre, die drei in Num 6,14 vorgeschriebenen Opfer darbringen.346 Anders als dem Naziräer nach Art und Weise des Simson, obliegt es jedoch dem lebenslänglichen Naziräer bei Kontakt mit einem Verstorbenen das Taubenpaar wegen Verunreinigung darzubringen. Nach tannaitischer Überlieferung war das Gelübde des Absalom in 2. Sam 15,7–8 ein lebenslänglicher Naziräat. Die Tradition über den Naziräer Absalom ist in zwei Versionen, in tSot 3,16 und in Mek Ex Beschalach 2 zu 15,1 (p. 123,9–15 Horovitz-Rabin), bewahrt worden. Die Entstehung der Tradition dürfte wohl durch die mehrmalige Nennung des Haars des Absalom und seiner Schönheit motiviert gewesen sein. 345 Nach Shemesh 2019: 32 rührt die Erlaubnis zur Erleichterung des Hauptes des lebenslänglichen Naziräers von der rabbinischen Auslegung der Absalom-Erzählung in 2. Sam 14,26 und 15,7–8 her, nach der sich Absalom trotz seines Naziräatsgelübdes von Zeit zu Zeit das Haupt erleichterte (siehe dazu unten die Ausführungen zu tSot 3,16 und Mek Ex Beschalach 2 zu 15,1 [p. 123,9–15 Horovitz-Rabin]). Scheinbar im Kontrast dazu ist die anonyme Halacha von mNaz 1,4 formuliert. Hier wird ausgesagt, dass sich der lebenslängliche Naziräer einmal in 30 Tagen scheren kann. SifZ zu Num 6,21 (p. 247,4–5 Horovitz) scheint mit der Inauguration „( הרי אני נזיר כחול היםSiehe, ich sei ein Naziräer wie der Sand am Meer“) und der Feststellung, dass der Naziräer בכל שעה שרוצה להקל מראשו „( יקלzu jeder Stunde, da er sein Haupt [von der Last der Haare] erleichtern möchte, sich [auch] erleichtern darf“), der Meinung des R. Jehuda in mNaz 1,4 zu entsprechen. Demnach wäre durch den Singular נזירkeine Aneinanderreihung abgegrenzter, dreißigtägiger Naziräatsperioden, sondern entsprechend dem lebenslänglichen Naziräat ein einziges die gesamte noch andauernde Lebenszeit umfassendes Gelübde ausgedrückt. Nach der Deutung der anonymen Sifre Zutta-Tradition wäre es dem Naziräer zu jeder Zeit möglich, nach rein subjektiver Einschätzung sich der Last seiner Haare zu entledigen. R. Jose haGelili qualifiziert dagegen in Mek Ex Beschalach 2 zu 15,1 (p. 123,13–14 Horovitz-Rabin) vor dem Hintergrund der Absalom-Erzählung aus 2. Sam 15,7–8 einen sich einmal in dreißig Tagen scherenden Naziräer als einen נזיר ימים. Shemesh 2019: 35–36.47–48 hält vor dem Hintergrund von S Num § 25 zu 6,5 (p. 75,51–54 Kahana) das Traditionsgut zum lebenslänglichen Naziräer in mNaz 1,2 für ein Zeugnis der zur Spätzeit des Zweiten Tempels geübten Naziräatspraxis und mNaz 1,4 für eine spätere Entwicklung, nach der die dreißigtägige Naziräatsperiode als feste Größe für sämtliche in Intervallen strukturierte Naziräatsgelübde festgelegt wurde. 346 Die Halacha zur Quasi-Ausweihung trägt ähnliche Züge wie die Bestimmung zur Reinigung eines aus der Diaspora kommenden Naziräers in mNaz 7,3. Nach mNaz 7,3 musste sich dieser zwar dem siebentägigen Reinigungsritual aus Num 19,19 unterziehen, doch ohne dass dies seine Weihe aufgehoben hätte. Die Datierung dieser beiden anonym überlieferten Traditionen ist schwierig. Da der lebenslängliche Naziräat nicht biblisch belegt ist und mNaz 7,3 als Zugeständnis an eine vitale Naziräatspraxis in der Diaspora anzusprechen ist, halte ich es für denkbar, beide Traditionen in der Spätzeit des Zweiten Tempels zu verorten. Sollte aber mNaz 1,2 von der Absalom-Tradition, wie sie uns in Mek Ex Beschalach 2 zu 15,1 (p. 123,9–15 Horovitz-Rabin) und tSot 3,16 überliefert ist, abhängig sein, dann könnte diese Naziräatsform auch rabbinischer Schriftauslegung entsprungen und damit nie wirklich praktiziert worden sein.
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Mek Ex Beschalach 2 zu 15,1 (p. 123,9– 15 Horovitz-Rabin)
tSot 3,16 (Erfurt)
וכן אתה מוצא באבשלום במה שנתגאה בו נפרע ממנו שנ׳ וכאבשלום לא היה איש יפה וגו׳ ובגלחו את ראשו וגו׳ ר׳ יהודה אומר נזיר עולם היה והיה מגלח לשנים עשר חדש שנא׳ ויהי מקץ ארבעים שנה ויאמר אבשלום אל המלך אלכה נא וגו׳ ואמר כי נדר נדר עבדך בשבתי בג׳ וגו׳ ר׳ יוסי הגלילי אומר נזיר ימים היה והיה מגלח אחת לשלשים יום שנ׳ מקץ ימים לימים וגו׳ ר׳ או׳ כל ערב שבת היה מגלח שכן דרך בני מלכים לגלח בכל ערב שבת מה היה בסופו ויקרא אבשלום לפני עבדי דוד ואבשלום רוכב על הפרד וגו׳
אבשלום מרד בשערו שנ׳ וכאבשלום לא היה איש יפה וגו׳ ובגלחו את שער ראשו וג׳ לפיכך נתלה בשערו שנ׳ ויחזק ראשו באלה ר׳ יהודה.ויתן בין השמים ובין הארץ וג׳ הנשיא אומ׳ אבשלום נזיר עולם היה שנ׳ ויהי מקץ ארבעים שנה ויאמר אבשלום אל המלך אלכה נא ואשלמה את נדרי אשר נדרתי ליי בחברון כי נדר נדר עבדך בשבתי בגשור בארם לא׳ וג׳ והיה מגלח כל שנים עשר אומ׳ אחת לשלשים יום שנ׳347חודש ר׳ יוסי מקץ ימים לימים ר׳ נהוראי או׳ פעם348והיה אחת בשבת שכן הוא או׳ וראשם לא יגלחו וג׳ ושקל את שער ראשו מאתים שקל מה שאין בני טבריא ובני ציפורי עושין כן
Und so findest du (es auch) bei Absalom. Worin er sich ihm gegenüber erhöht, davon erfährt er (auch) Strafe, denn es heißt (2. Sam 14,25–26): Und so schön wie Absalom war keiner usw., und wenn er sein Haupt scheren ließ usw. R. Jehuda sagt: Er war ein lebenslänglicher Naziräer und er pflegte sich einmal in 12 Monaten zu scheren, denn es heißt (2. Sam 15,7): Und es geschah am Ende der vierzig Jahre und Absalom sprach zum König: Lass mich doch gehen usw. Und er sagte: Denn dein Knecht hat ein Gelübde abgelegt, als ich in Ge(schur) wohnte usw. R. Jose ha-Gelili sagt: Er war ein permanenter Naziräer und er pflegte sich einmal in 30 Tagen zu scheren, denn es heißt (2. Sam 14,26): (Und es
Absalom empörte sich mit seinem Haar, denn es heißt (2. Sam 14,25–26): Und so schön wie Absalom war keiner usw., und wenn er sein Haupt scheren ließ usw. Daher wurde er an seinem Haar aufgehängt, denn es heißt (2. Sam 18,9): Und sein Haupt blieb an der Terebinthe hängen und er schwebte zwischen Himmel und Erde usw. R. Jehuda ha-Nasi sagt: Absalom war ein lebenslänglicher Naziräer, denn es heisst (2. Sam 15,7–8): Und es geschah am Ende der vierzig Jahre und Absalom sprach zum König: Lass mich doch gehen und mein Gelübde erfüllen, das ich dem Herrn in Hebron gelobt habe, denn dein Knecht hat ein Gelübde abgelegt, als ich in Geschur in Aram wohnte und sa(gte) usw. Und er pflegte sich einmal in
347 W identifiziert die Tradenten des dreißigtägigen und des wöchentlichen Intervalls jeweils umgekehrt mit Nehorai und Jose. 348 In E hat ein Abschreiber והיהzu והנהverlesen.
242 geschah) von Zeit zu Zeit usw. Rabbi (Jehuda ha-Nasi) sagt: Er pflegte sich an jedem Vorabend des Schabbat zu scheren, denn es ist die Gepflogenheit der Königssöhne, sich an jedem Vorabend des Schabbat zu scheren. Was geschah an seinem Ende? Und Absalom traf auf die Knechte Davids. Er aber ritt auf einem Maultier usw. (2. Sam 18,9).
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12 Monaten zu scheren. R. Jose sagt: (Er schert sich) einmal in 30 Tagen, denn es heißt: Und es geschah von Zeit zu Zeit. R. Nehorai sagt: (Er kürzt sein Haar) einmal in der Woche, denn so heißt es (Ez 44,20): Ihr Haupt sollen sie nicht (kahl) scheren usw. (Außerdem heißt es [2. Sam 14,26]): Und das Haar seines Hauptes wog 200 Schekel,349 was die Bewohner von Tiberias und die Bewohner von Sepphoris nicht so machen.
Der Version der Handschrift Erfurt zu tSot 3,16 zufolge dient der erste Schriftbeweis aus 2. Sam 15,7 dazu, die Art des Naziräatsgelübdes zu identifizieren. Demnach war der Naziräat des Absalom eine lebenslänglich angelegte Weihe, da er anstrebte, dieses am Ende von 40 Jahren auszulösen.350 In Mek Ex Beschalach 2 zu 15,1 (p. 123,11 Horovitz-Rabin) könnte man hingegen den Eindruck gewinnen, dass durch den Einschub והיה מגלח אחת לשנים עשר חודשder Schriftvers aus 2. Sam die Terminierung des Intervalls begründen soll,351 wie dies auch im Fall der anderen differierenden Intervallvorschläge anzunehmen ist. Welche Reihenfolge der Traditionssegmente zu Beginn ihrer Kompilation von ihrem Tradenten vorgesehen war, ist schwierig zu beantworten. Für eine sekundäre Verschiebung des Segments והיה מגלח אחת לשנים עשר חודשin die eine oder andere Richtung ließen sich jeweils gute Gründe anführen. In der Linie der Erfurter Handschriftentradition könnte ein Abschreiber das Segment direkt nach den Ausspruch אבשלום נזיר עולם היה שנ׳des Rabbi Jehuda ha-Nasi352 gesetzt haben, da ihm die Begründung für die Identifizierung seiner Naziräatsform fehlte. Auf der anderen Seite könnte die Lesart der Mek und W auf Schreiber zurückgehen, die 2. Sam 15,7 ähnlich wie im Fall von 2. Sam 14,26 und zusätzlich Ez 44,20 in W und E als Schriftfbeweis für die Intervallterminierung verstanden haben wollten. Sachlogisch erscheint die Ursprünglichkeit der in der Erfurter Handschrift überlieferten Lesart am wahrscheinlichsten, da mit 349 Der Nachtrag bezieht sich auf die von R. Nehorai überlieferte Tradition zum wöchentlichen Scheren. 350 Demnach wurden die 40 Jahre als durchschnittliche Lebensspanne angesehen. 351 Darin stimmt W zu tSot 3,16 mit Mek Ex Beschalach 2 zu 15,1 (p. 123,11 Horovitz-Rabin) überein. 352 Die Identifizierung Absaloms als lebenslänglichen Naziräer wird in tSot R. Jehuda ha-Nasi zugeschrieben und in Mek R. Jehuda b. Ilai.
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der Stellung des Schriftverses auf die Dauer des Gelübdes und seine Auslösung am Ende der 40 Jahre hingedeutet wird, wobei auf der anderen Seite kein direkter Hinweis auf eine Begründung des zwölfmonatigen Intervalls erkennbar wird. Allein die Nennung der „Jahre“, nach denen Absalom die Vollendung seines Gelübdes vornehmen will, ließe im Entferntesten einen Bezug zur „jährlichen“ Haarrasur erahnen. R. Nehorai zieht zum Nachweis der zeitlichen Intervallbestimmung Ez 44,20 und die dort verhandelten Priestergesetze353 heran, nach denen es den Priestern nicht erlaubt ist, ihr Haar kahl zu scheren, sondern es nur zu kürzen. Der Verweis auf Ez 44,20 ist allerdings aus mehreren Gründen problematisch. Zum einen enthält der Vers keinen zeitlichen Hinweis auf die Befristung der Haarscherrituale der Priester und zum anderen widerspricht eine wöchentliche Frist der Mindestdauer von 30 Tagen, die von den Rabbinen üblicherweise für das Nachwachsenlassen der Haare veranschlagt wird. Allein die in Ez 44,20 getroffene Unterscheidung zwischen verschiedenen Formen der Haarrasur, גלח für das Kahlscheren des Hauptes und כסםfür das Kürzen der Haare, könnte die Wochenfrist erklären. So ist dem Priester und dem Naziräer in gleicher Weise das Kahlscheren verboten,354 doch könnte R. Nehorai im Umkehrschluss355 aus der Priestergesetzgebung geschlossen haben, dass dem Naziräer in gleicher Weise das Kürzen der Haare erlaubt war. Eine solche Kürzung, um das den Priestern verbotene Freiwachsenlassen der Haare zu vermeiden, könnte dann in der Deutung des R. Nehorai jeweils in einem wöchentlichen Intervall vonnöten gewesen sein.356 Worauf sich die Schlusssentenz in tSot 3,16 bezieht, ist schwer zu sagen. Soll sie nur auf den Ausspruch R. Nehorais Bezug nehmen, oder konstatiert sie eine generell abweichende Praxis in Bezug auf den lebenslänglichen Naziräat?
353 Man beachte auch hier die sicherlich empfunde Nähe der Priester- und Naziräatsinstitution. Allerdings, und hier besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen beiden Institutionen, ist es den Priestern, anders als dem Naziräer, der dazu verpflichtet ist, nicht erlaubt, ihr Haupthaar lang wachsen zu lassen. 354 Num 6,5 bezeichnet den Gebrauch des Schermessers zwar nicht explizit als גלח, doch wird man unter Bezugnahme auf Num 6,18 annehmen dürfen, dass mit der Vollendung der Tage und der vorzunehmenden Ausweihung der תערzum Einsatz kommen kann. 355 So besagt die fünfte Regel Hillels, genannt „( כלל ופרט ופרט וכללAllgemeines und Besonderes, Besonderes und Allgemeines“; vgl. dazu Stemberger 2011: 31), dass eine allgemeine Regel durch eine Spezifizierung begrenzt wird. 356 Zwar nicht mit einem direkten Bezug zum Naziräat doch mit verblüffender Nähe zur märchenhaften Vorstellung von der Haarpracht des Absalom berichtet auch Josephus in Ant 7,189, dass die Dichte seiner Haare es kaum zuließ, es innerhalb einer Woche zu schneiden.
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kapitel 4
Als „( נזיר ימיםLangzeit-Naziräer“) ist Absalom nach der Ansicht des R. Jose ha-Gelili in Mek Ex Beschalach 2 zu 15,1 (p. 123,11 Horovitz-Rabin) zu betiteln, was dieser wohl von der Wendung מקץ ימים לימיםin 2. Sam 14,26 ableitet. R. Jehuda ha-Nasi teilt zwar die Einschätzung des R. Jose ha-Gelili, was die Identifizierung des Absalom als einen Langzeit-Naziräer anbelangt, doch nimmt er ein wöchentliches Scheren der Haare am Vorabend des Schabbat an, was er auf die bei Prinzen herrschende Sitte zurückführt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die hier besprochenen Lehrsätze allesamt und ausschließlich aus halachischer Midraschexegese entsprungen sind und sich nicht aus Erinnerungen geübter Naziräatspraxis speisen, ist aus mehreren Gründen sehr hoch: 1) Absaloms Identifizierung als Naziräer ist sekundär und basiert auf der märchenhaften Erzählung über sein volles Haar in 2. Sam 14,26 und auf der Erwähnung seines in Geschur abgelegten Gelübdes in 2. Sam 15,8; 2) die Unsicherheit bei der Zuweisung der Naziräatskategorie ist dieser sekundären Zuweisung geschuldet; 3) die Unsicherheit der Terminierung des zeitlichen Intervalls, in dem das Scheren der Haare gestattet ist, basiert nicht auf unterschiedlichen und differgierenden Traditionen zum lebenslänglichen Naziräat, sondern auf der mehrdeutigen Wendung מקץ ימים לימיםin 2. Sam 14,26. Was den Naziräer nach Art und Weise des Simson, den lebenslänglichen Naziräer oder den Langzeit-Naziräer anbelangt, so wird man nicht gänzlich ausschließen können, dass diesen Systematisierungsversuchen nicht Erinnerungen an die Naziräatspraxis aus der Spätzeit des Zweiten Tempels zugrunde liegen, die man mit Hilfe der Schriftexegese versucht hat zu ordnen. Demnach könnte es – vielleicht auch bedingt durch das Leben in der Diaspora und die durch die Distanz zum Jerusalemer Tempel gegebene Schwierigkeit der Auslösung – Langzeit-Naziräer gegeben haben, die aufgrund der Dauer ihres Gelübdes und ihrer damit ausgedrückten Hingabe zu Gott weithin Prominenz erlangt hatten und damit bei den späteren Rabbinen halachische Grundsatzdiskusionen über Status und Umfang ihres Gelübdes auslösten. Dabei wäre anzunehmen, dass sich im Volksmund verschiedene Bezeichnungen für solche Langzeit-Naziräer herausgebildet hatten, wobei damit allerdings noch keine klar umrissene Festlegung der Halacha einhergegangen war. Dass Paulus (bzw. Aquila) in Apg 18,18 ein mehrmaliges oder längerfristiges Naziräat auf sich genommen hatte und dass mit dem Scheren der Haare der Abschluss eines von mehreren auferlegten Naziräatsgelübden oder das Erleichtern der Haare ausgedrückt werden soll, scheint nicht unbedingt zwingend, aber immerhin denkbar. Dies erklärt jedoch nicht den Umstand, warum Paulus (bzw. Aquila) das Scheren der Haare in der Diaspora und nicht am Tempel vornehmen durfte. Wenn es sich aber nur um eine wie in SifZ zu Num 6,21 (p. 247,4–5 Horovitz) ausgedrückte Erleichterung der Haare gehandelt haben soll, dann wird zu klären sein, warum dies für Lukas als erwähnenswert eingestuft wurde.
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1.4.4 Mögliche Orte für das Scheren der Haare Das Scheren im Tempel und im Land Israel 1.4.4.1 Man mag vor dem Hintergrund der Bestimmung וגלח הנזיר פתח אהל מועד aus Num 6,18 eigentlich meinen, dass ein Kapitel über mögliche Orte der ersten Haarrasur nach Ablauf der Naziräatsfrist unnötig ist. In tNaz 4,6,357 Sif Num § 35 zu 6,18 und SifZ zu Num 6,18 wird man dagegen eines Besseren belehrt, wenn dort die Möglichkeit ins Auge gefasst wird, das Haar nach Abschluss der bei der Inauguration des Naziräats festgesetzten Zeit auch fern ab vom Tempel scheren zu dürfen.358 tNaz 4,6 E
Sif Num § 35 zu 6,18 SifZ zu Num 6,18 (Ms. (p. 98,10–12 Kahana) Oxford Bodleiana 2637)359
הכל משלחין תחת הדוד6 חוץ מן הטמא שבמדינה מפני שנקבר הטמא שבמקדש משלח תחת הדוד של חטאת ושל אשם דברי ר׳ מאיר ר׳ יהודה אומ׳ הטמא כאן וכאן משלח תחת הדוד360אינו הטהור כאן וכאן משלח תחת הדוד וחכמ׳ אומ׳ הטמא כאן וכאן והטהור בגבולין אין משלחין תחת הדוד אין לך שמשלח תחת הדוד אלא נזיר שגילח בטהרה ובפתח אהל מועד שנ׳ וגלח הנזיר פתח אהל מועד
ולקח את שער ראש נזרו ונת׳ על האש אש׳ תחת זבח השלמ׳ – אין לי אל׳ תחת,תחת זבח השלמ׳ .חטאת תחת אשם מנ׳ . מכל מקום,ת״ל תחת זבח ב�ג,אין לי אל א במקדש ת״ל ונתן על.בולין מנין . מכל מקום,האש
מה בין. וגלח אף במדינה.וגלח גלח פתח אהל מועד למגלח מגלח פתח אהל.במדינה מועד משלח שערו תחת הדוד והמגלח במדינה אינו משלח . וחכמ׳ אומ׳.שערו תחת הדוד אחד זה ואחד זה שולחין שער מגלח. ר׳ יהוד׳ או׳.תחת הדוד פתח אהל מועד משלח שער תחת הדוד והמגלח במדינה .בטומאה קוברו במקומו פתח אהל מועד את ראש . יכול בזמן שלא נטמא.נזרו ת״ל.מנין אף בזמן שנטמא }שער ראש{ו
357 Vgl. ferner mNaz 6,8. 358 Hier sei auch auf mMen 13,10 verwiesen, wo sogar die Möglichkeit einer Ausweihung am Onias-Tempel in Leontopolis, Ägypten, diskutiert wird und dies auch dann gestattet wird, wenn der Naziräer bei der Inauguration die Ausweihung am Onias-Tempel zur Voraussetzung für seine Bereitschaft zur Aufnahme des Naziräats gemacht hat. Boertien 1971: 93 hält dies für einen Beleg dafür, dass Juden der ägyptischen Diaspora die Naziräatspraxis pflegten und sich zur Ausweihung nach Leontopolis statt nach Jerusalem wandten. 359 Entspricht Sif Z zu Num 6,18 (p. 245,15–19; p. 246,1–2 Horovitz). 360 Nach A korrigert. Vgl. Lieberman 2007: 549.
246 Alle (Naziräer) werfen (ihre Haare) unter den Kessel (des Abschlussopfers), ausgenommen ist nur der (mit Toten) unrein(heit befleckte Naziräer, der sich) außerhalb Jerusalems (am siebten Tag seiner Reinigung schert), da (seine Haare) vergraben werden (müssen). Der (mit Toten)unrein(heit befleckte Naziräer), der (sich) im Heiligtum (schert), wirft (sein Haar) unter den Kessel des Entsündigungsopfers oder des Schuldopfers. (Das sind) die Worte R. Meirs. R. Jehuda sagt: Der (mit Toten)unrein(heit befleckte Naziräer) – hier wie dort – wirft (es) nicht unter den Kessel. Der reine (Naziräer) – hier wie dort – wirft (es zur Ausweihung) unter den Kessel. Die Weisen aber sagen: Der (mit Toten)unrein(heit befleckte Naziräer) – hier wie dort – und der reine (Naziräer, der sich) in(nerhalb) der (halachischen) Grenzen (Israels die Haare geschoren hat,) werfen (es) nicht unter den Kessel. Du
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Und er soll das Haupthaar seiner Weihe nehmen und (es) in das Feuer unter das Abschlussschlachtopfer geben. Ich habe nur: Unter das Abschlussopfer. Woher (ist zu belegen, dass man es auch ins Feuer) unter dem Entsündigungsopfer (und) unter dem Schuldopfer (geben kann)? Die Schrift sagt (Num 6,18): Unter das Schlachtopfer. In jedem Fall. Ich habe nur: Im Tempel. Woher (ist zu belegen, dass das Scheren der Haare auch) innerhalb der Grenzen (erlaubt ist)? Die Schrift sagt (Num 6,18): Und er soll (es) in das Feuer geben. In jedem Fall.
Und er soll scheren (Num 6,18). Soll er auch außerhalb Jerusalems scheren? Welcher Unterschied besteht zwischen dem, der sich am Eingang des Zeltes der Begegnung schert, und dem, der sich außerhalb Jerusalems schert? Wer sich am Eingang des Zeltes der Begegnung schert, gibt sein Haar unter den Kessel, wer sein Haar außerhalb Jerusalems schert, gibt sein Haar nicht unter den Kessel. Die Weisen aber sagen: Der eine wie der andere geben (ihr) Haar unter den Kessel. R. Jehuda sagt: Wer sein Haar am Eingang des Zeltes der Begegnung schert, gibt sein Haar unter den Kessel, und wer sich außerhalb Jerusalems in Unreinheit schert, vergräbt es an seinem Ort. (Am) Eingang des Zeltes der Begegnung das Haupthaar seiner Weihe (Num 6,18). (Man) könnte (meinen, dies gilt) dann, wenn er nicht verunreinigt ist. Woher (ist zu belegen, dass es) auch dann (gilt), wenn er sich verunreinigt hat? Die Schrift sagt (Num 6,18): Sein Haupthaar.
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hast allein einen Nazir, der (es) unter den Kessel wirft, der sich in Reinheit (zur Ausweihung) geschoren hat und (dies) am Eingang des Zeltes der Begegnung, denn es heißt (Num 6,18): Und der Naziräer soll sich (am) Eingang des Zeltes der Begegnung scheren. tNaz 4,6 hat vier verschiedene Naziräer und ihre Haargabe im Blick: 1) den reinen Naziräer, der seine Naziräatsfrist ohne Unterbrechung abgeleistet hat und sich im Tempel die Haare schert; 2) den reinen Naziräer, der seine Naziräatsfrist ohne Unterbrechung abgeleistet hat und sich außerhalb Jerusalems361 nach Ablauf der festgesetzten Frist seines Naziräatsgelübdes schert; 3) der mit Totenunreinheit behaftete Naziräer, der sich nach einem siebentägigen Reinigungsritus (Num 6,9) die Haare im Heiligtum schert; und 4) der mit Totenunreinheit behaftete Naziräer, der sich nach einem siebentägigen Reinigungsritus (Num 6,9) die Haare außerhalb von Jerusalem schert. Für die Naziräer 1–2) in tNaz 4,6 hält R. Meir fest, dass ihre Haargabe unter den Kessel des Abschlussopfers zu werfen ist. Für Naziräer 2) bedeutet dies, dass er sein geschorenes Haar auf dem Weg nach Jerusalem mit sich führen und dies dann zur Ausweihung am Heiligtum unter den Kessel des Abschlussopfers werfen müssen. Naziräer 3) soll seine Haare in das Feuer unter dem Topf mit dem Fleisch seines Schuldopfers oder Entsündigungsopfers werfen.362 Sif Num § 35 zu 6,18 (p. 98,11 Kahana) stimmt hierin mit R. Meir überein und begründet dies mit der sonst als „überflüssig anzusehenden“ Ergänzung von זבחin der Bezeichnung des Abschlussopfers. Demnach ist das Verbrennen der Haare auch unter anderen Opfern möglich, was im Fall des verunreinigten Naziräers das Schuldopfer und das Entsündigungsopfer miteinschließt.363 Anders soll dagegen Naziräer 4) mit seinen abgeschnittenen Haaren verfahren. Er soll diese nicht mit sich führen, sondern sogleich vergraben. Während 361 ה מדינist hier Ortsbezeichnung für einen Bereich außerhalb Jerusalems (vgl. Albeck 1971: 328). 362 Vgl. Shemesh 2019: 84. 363 Vgl. bNaz 45b; sowie Kahana II: 286–287.
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R. Jehuda nach SifZ zu Num 6,18 (p. 245,18–19 Horovitz) ihm in dieser Einschätzung zustimmt, widerspricht Sif Num § 35 zu 6,18 (p. 98,11–12 Kahana) beiden und leitet die Notwendigkeit des Verbrennens der Haare aus der nur „scheinbar überflüssigen“ Phrase ונתן על האשaus Num 6,18 ab. Da Num 6,18 nicht einfach nur ונתן תחת זבח השלמיםliest, folgert der Midrasch aus על האש, dass das Haar eines Naziräers grundsätzlich immer verbrannt werden muss.364,365 R. Jehuda hält gegen R. Meir fest, dass es außer Frage steht, ob die Naziräer 3–4) ihre Haare in eines der Feuer geben. Sie werden beide ihr Haar vergraben müssen. Die Weisen aber, und hier wird die spätere rabbinische Mehrheitsentscheidung mitgeteilt, erlauben es nur Naziräer 1), sein Haar in das Feuer des Abschlussopfers zu werfen. Die Naziräer 2–4) müssen ihre Haare dagegen vergraben. Während für Naziräer 3–4) gilt, die Zeit der Weiheperiode neu zu bestimmen, um dann bei der Ausweihung in Reinheit ihr Haar in das Feuer des Abschlussopfers zu werfen, wird nicht ganz deutlich, inwieweit Naziräer 2) zur Ausweihung zu verfahren hat. Wird er von der Haargabe am Heiligtum gänzlich dispensiert, oder muss er sein Haar neu wachsen lassen, um Num 6,18 Genüge tun zu können? Das Entscheidende, und hier wird man ältere halachische Traditionen aus der Spätzeit des Zweiten Tempels vermuten dürfen, ist das hier erkennbare Wissen um Naziräer, die sich sowohl im Status der Reinheit als auch im Status der Unreinheit außerhalb von Jerusalem das geweihte Haar abrasierten. Ohne direkten Schriftbezug versuchen R. Meir und R. Jehuda das Wissen um diese alte Praxis zu systematisieren. R. Meir überliefert dabei interessanterweise eine Tradition, nach der ein Naziräer 3) sein am siebten Tag des Reinigungsrituals geschorenes Haar entweder in das Feuer unter dem Kessel des nach Num 6,14 zu den Ausweihungsopfern zu rechnenden Entsündigungsopfers oder des von Num 6,12 geforderten Schuldopfers werfen soll. Mit der möglichen Auswahl suggeriert er, dass beide Opfer in zeitlicher Nähe dargebracht werden und damit יביא אתוin Num 6,13 vielleicht auch nach seiner Ansicht auf das Schuldopfer am Tag der Ausweihung verweist.366 R. Jehuda scheint dagegen die Haargabe der Naziräer 3–4) durch ihre Verunreinigung als für die Darbringung 364 Vgl. mOrl 3,3. 365 Lieberman 2007: 549 ist sich nicht schlüssig darüber, ob das Verbrennen der Haare auch für den verunreinigten Naziräer zutrifft, der seine Haare außerhalb Jerusalems geschoren hat. Vom Duktus der Auslegung scheint mir dies aber das Naheliegenste zu sein. Shemesh 2019:85 versteht die Auslegung von Num 6,18 in Sif Num sogar dahingehend, dass jeder Naziräer – sei er nun rein, oder unrein, sei es, dass er sein Haar in Jerusalem, oder außerhalb Jerusalems geschoren hat – sein Haar in das Feuer eines seiner Opfer geben muss. 366 Vgl. oben 4 1.1.2.
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im Tempel untauglich anzusehen. Der spätere Mehrheitsentscheid der Rabbinen scheint mit dem expliziten Verweis auf Num 6,18 die älteren von R. Meir und R. Jehuda überkommenen Traditionen wieder an die schriftliche Tora zurückbinden zu wollen, wobei die Praxis von Naziräer 2) weder explizit untersagt, noch von ihm ein Ersatz für die Haargabe am Tempel gefordert wird.367 tNaz 2,14 macht aber dafür – vielleicht um diese alte als fehlgeleitet interpretierte Praxis zu korrigieren – deutlich, dass der Naziräer sich nach Ablauf der festgesetzten Naziräatszeit keineswegs scheren, an Toten verunreinigen oder Alkohol trinken kann, wenn er nicht zuvor eines seiner Ausweihungsopfer dargebracht hat.368 Die Änderung der Wortwahl vom Scheren „( במדינהin der Provinz“) nach den Worten R. Meirs hin zu „( בגבוליןinnerhalb der Grenzen“) nach den Worten der Weisen wird man wohl als Präzisierung der Bestimmung begreifen dürfen,369 die – wenn überhaupt – das Scheren in den halachischen Grenzen des jüdischen Kernlandes für denkbar hält. Die Lehrsätze in ihrer Abfolge von R. Meir bis hin zur Mehrheit der Gelehrten in tNaz 4,6 erwecken den Eindruck einer aufeinander aufbauenden Entwicklung. Die hier dokumentierte Praxis, die Haare des reinen Naziräers 2) außerhalb von Jerusalem scheren zu dürfen, wird wohl mit dem bereits schon erwähnten metonymischen Verständnis des Begriffs גלחzusammenhängen.370 Die Weisung וגלח הנזיר … את ראש נזרוin Num 6,18 wurde nicht mehr so verstanden, als dürfe der Naziräer sich erst mit der Ausweihung am Tempel das Haar scheren, sondern so, als sei damit der Beginn der Ausweihung angesprochen.371 So gedeutet darf der Naziräer mit dem Ablauf der „( ימי נדר נזרוTage des 367 bNaz 45b wird hier noch eindeutiger und formuliert וחכמים אומרים הכל לא היו משלחין „( תחת הדוד חוץ מן טהור שבמקדש מפני שנעשה כמצותוDie Weisen aber sagen: Es pflegten nicht alle [Naziräer ihre Haare] unter den Kessel [Abschlussopfers zu werfen, sondern] nur der reine [Naziräer, der sich] im Tempel [das Haar abscherte], denn [nur so] war es vollzogen gemäß seiner Weisung“). 368 Vgl. tNaz 1,6. 369 מדינהkann jeden städtischen und ländlichen Bereich außerhalb von Jerusalem benennen und kann auch zur Bezeichnung von Gebieten außerhalb des Landes Israel verwendet werden (vgl. z.B. die Wendung מדינת היםin mGit 1,1). בגבוליןbezieht sich dagegen auf halachischen Grenzen des Landes Israel (vgl. tSchebi 4,7–8), womit die jüdische Diaspora von vornherein ausgeschlossen ist. 370 Vgl. oben 4 1.2.4.4. 371 S Num § 35 zu 6,18 (p. 97,1–2 Kahana) versucht das Scheren außerhalb Jerusalems mit dem Zeugnis der Tora in Einklang zu bringen und deutet וגלח הנזיר פתח אהל מועדaus Num 6,18a vor dem Hintergrund der in Lev 3,2 beschriebenen Schlachtung von Opfertieren am Eingang des Heiligtums. Demnach identifiziert der Midrasch den Ort פתח אהל מועדmit dem Opferaltar vor dem Eingang des Tempelhauses und גלחmit der Schlachtung des Abschlussopfers. Aus diesem Grund kann auch Num 6,18a nicht wörtlich zu verstehen sein. Sich am Altar das Haar abzuschneiden wäre nach S Num § 35 zu 6,18
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Naziräatsgelübdes“; Num 6,5) seine Haare auch wieder schneiden.372 Die Entwicklung dieser Praxis wird wohl am ehesten durch die Diasporasituation und den damit verbundenen Umstand angestoßen worden sein, dass zwischen dem Ende der Naziräatstage und der Zeit der Ausweihung in Jerusalem ein durchaus großer zeitlicher Abstand bestehen konnte.373 Dann wäre aber auch zu fragen, ob der Naziräer nach Ablauf seiner festgesetzten Tage374 und nach dem ersten Scheren seiner geweihten Haare auch wieder Wein trinken durfte und sich auch an Toten verunreinigen konnte, ohne dass dies die zuvor abgeleisteten Naziräatstage ungültig macht. Mit Blick auf Num 6,20b und die dort explizit formulierte Erlaubnis, der Naziräer könne fortan wieder Wein trinken, wird man die zuvor gestellte Frage bezüglich des Weinkonsums wohl mit „nein“ beantworten müssen. Interessanterweise diskutiert ein Teil der Rabbinen die Möglichkeit des Haarscherens (tNaz 4,6) und die Folgen der Verunreinigung an Toten (mNaz 3,3) auch in solchen Fällen, in denen bereits sämtliche Naziräatstage abgeleistet wurden. Eine Erlaubnis zum Weinkonsum wird an keiner Stelle gegeben. Der Naziräat in der Diaspora 1.4.4.2 Zeugnisse über die Praxis der Naziräatsweihe außerhalb des jüdischen Kernlandes sind in halachischen wie auch aggadischen Traditionen des rabbinischen Schrifttums belegt. Von der generellen Gültigkeit des Naziräats im Ausland berichtet tNaz 1,5. In mNaz 5,4 wird vom Gelehrten Nahum dem Meder berichtet, er habe nach der Tempelzerstörung einer Reihe von Naziräern, die aus der Diaspora kamen, um ihren Naziräat auszuweihen, einen Ausweg aus ihrem Gelübde eröffnet. Dafür unternahm er eine Befragung der Naziräer, ob diese sich auch der Weihe unterzogen hätten, wenn sie vorher von der Zerstörung des Tempels gewusst hätten.375 Wie sich die Weihe im Ausland (p. 97,2–3 Kahana) nichts anderes als sich in „( דרך בזיוןverächtlicher Weise“) am heiligen Ort zu gebärden. 372 Zum selben Urteil kommt auch Boertien 1971: 93–94. 373 Zu einem ganz ähnlichen Schluss kommt auch Shemesh 2019: 88. 374 Man beachte, dass die Formulierungen ( כל ימי נדר נזרוNum 6,5), כל ימי הזירו ליהוה (Num 6,6) und ( כל ימי נזרוNum 6,4.8), die die Gültigkeit der dem Naziräer auferlegten Restriktionen zeitlich terminieren, zur Zeit des Zweiten Tempels, in der man den Naziräat wohl mehrheitlich für eine Dauer von 30 Tagen inaugurierte, dahingehend gedeutet werden konnten, dass die Restriktionen nach Ablauf der 30 Tage keine Gültigkeit mehr besessen haben. Gegen eine solche Deutung der Naziräatspraxis richtet sich dann tNaz 2,4. 375 Die Erzählung dürfte aus mehreren Gründen eine Traditionsbildung aus der Zeit nach der Zerstörung des Tempels sein. Zum einen setzt sie voraus, dass nicht mehr die Tempelpriesterschaft das Urteil über die Verpflichtung bzw. die Befreiung einer Opfergabe fällt, sondern nichtpriesterliche Gelehrte. Zum anderen setzt sie die Reflektion über diese
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zur Weihe im Land Israel verhält, diskutieren die beiden Gelehrtenschulen Schammai und Hillel in mNaz 3,6. מי שנזר נזירות מרבה השלים את נזירותו ואחר כך בא לארץ בית שמי אומרים נזיר .שלשים יום ובית הלל אומרים נזיר כתחילה
Wer (im Ausland) ein langes Naziräat ablegte, sein Naziräat vollendete und danach ins Land (Israel) kam, (über den) urteilt die Schule Schammai: Er ist ein dreißigtägiger Naziräer. Die Schule Hillel aber urteilt: Er ist (wieder) ein Naziräer wie von Anfang an. mNaz 3,6 bezeugt mit dem Urteil der Schammaiten in erster Linie, dass der Naziräat in der Diaspora praktizierbar und dass eine Vollendung der Naziräatstage ( )השליםohne Unterbrechung der Weihe möglich war. Nach der Rückkehr sollte der Naziräer jedoch zumindest nochmals für eine dreißigtägige Frist geweiht bleiben, um sich dann am Heiligtum ausweihen zu können. Für die Hilleliten sind jedoch die Tage des in der Diaspora absolvierten Naziräats in Gänze ungültig und müssen daher im Land Israel für die gesamte zuvor beabsichtige Dauer erneut abgeleistet werden. Dass hierbei die Frage nach dem Reinheitsstatus des Naziräers im Hintergrund steht, darf man dem Kontext der Mischna entnehmen, in dem ab mNaz 3,3 die Verunreinigung des Naziräers mit Totenunreinheit im Mittelpunkt der Diskussion steht. Nach mNaz 7,3 wird die Unreinheit der Länder der Diaspora als ein gegenüber Totenunreinheit minderer Grad an Verunreinigung eingestuft, wegen der ein Naziräer nicht die vorher abgeleisteten Tage seines Naziräats ungültig macht, sich nicht das Haar scheren und auch das von Num 6,10 geforderte Taubenpaar als Reinigungsopfer nicht darbringen muss. Die Reinigung, der er sich dennoch unterziehen muss, entspricht nur insoweit der Reinigung von Totenunreinheit, als dass er sich am dritten und am siebten Tag mit dem mit der Asche der roten Kuh vermengten Reinigungswasser besprengen lassen muss. Der Grund, die Länder der Völker – und damit sind vor allem Überlandstraßen und nichtstädtische Gebiete gemeint – für unrein zu erklären, basierte auf der Erkenntnis, dass Gräber in der Diaspora unter Umständen nicht gekennzeichnet waren und damit die Gefahr des unbewussten Betretens eines Praxis voraus, bei der Auflösung eines Gelübdes durch die Befragung des Gelobenden erzielt wird, wobei jeweils mit „( אלו הייתה יודעwenn du gewusst hättest“) nach der Kenntnis der sich aus dem Gelübde ergebenden Konsequenzen gefragt wird. Wenn dies mit „nein“ beantwortet wurde, pflegten die Rabbinen durch die Befragung einen Ausweg aus dem Gelübde zu eröffnen. Ausgenommen davon waren aber Fälle, die auf neugeschaffenen Tatsachen beruhten (vgl. mNed 9,2).
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Friedhofs bestand. Nach tAhilot 18,3 wurden die aus der Diaspora nach Palästina führenden Wallfahrtsstraßen jedoch im Vorfeld eines anstehenden Festes für rein erklärt und Pilger damit auf der Reise nach Jerusalem vom Verdacht einer unwissentlichen Verunreinigung an Toten befreit.376 tAhilot 18,3 macht damit außerdem deutlich, dass das Verweilen in Städten der Diaspora nicht als problematisch angesehen wurde. In diesem Sinne ist es nach mOhal 18,6 auch unbedenklich, am Strand oder auf dem Meer zu reisen, ohne sich zu verunreinigen. R. Simeon hält es in tAhilot 18,2 sogar für möglich, in Städten der Diaspora, die am Meer oder an einem Fluss liegen, die besonderen für Priester geltenden Reinheitsvorschriften einzuhalten. Nach tHal 2,11 deutet R. Jehuda Num 34,6 dahingehend, dass die der Küste Israels gegenüberliegenden Küstengebiete des Mittelmeerraums der westlichen Grenze des Landes Israel und damit dem Land selbst entsprechen.377 Der Verweis auf die Wallfahrt zum Passafest in Joh 11,55, dass selbst die Wallfahrer aus der χώρα („Ebene“)378 bereits Tage vor dem Fest nach Jerusalem kamen, um sich zu reinigen, lässt sich damit freilich auf den ersten Blick schwer in Einklang bringen. M. Bachmann schließt a minori ad maius, dass die Bestimmung zur Reinerklärung des Wallfahrtsweges von Babylonien nach Jerusalem in tAhil 18,3 nur sehr beschränkt Geltung besessen hat, wenn selbst Wallfahrer aus Judäa bereits mehrere Tage vor Festbeginn Jerusalem erreichten und sich um die Erlangung levitischer Reinheit sorgten.379 So einfach wird man aber nicht ein generalisierendes Verständnis von tAhil 18,3 mit dem johanneischen Bericht über die Praxis der Festpilger aus dem jüdischen Kernland in Frage stellen können. Warum berichtet Johannes nicht ganz allgemein von Pilgerströmen, die bereits mehrere Tage vor Beginn des Festes in Jerusalem Einzug hielten, um sich für die bevorstehenden Feierlichkeiten zu reinigen? Für Festpilger aus Judäa oder Galiläa, sofern diese nicht die Abkürzung durch Samaria nahmen,380 bestand ja nicht einmal die Gefahr oder Befürchtung, sich auf der Reise unwissentlich durch Totenunreinheit zu verunreinigen. Die pragmatische Lösung, die Wallfahrtswege für die Pilgerströme aus der Diaspora für rein zu erklären, hatte auch den Zweck, die Dauer der Wallfahrt nicht übermäßig zu verlängern und damit auch Jerusalem und seine Bürger von der 376 Vgl. dazu Safrai 1981: 68. 377 Vgl. auch die Parallele in tTer 2,12. 378 Gemeint sein könnte die Schefela bzw. im Gegenüber zur Stadt Jerusalem das gesamte jüdische Kernland. 379 Vgl. Bachmann 1980: 318 Anm. 421. 380 Um Samaria zu umgehen, wählte man den Weg durch den Jordangraben oder durch Peräa; vgl. εἰς τὰ ὅρια τῆς Ἰουδαίας διὰ τοῦ πέραν τοῦ Ἰορδάνου („in das Gebiet von Judäa durch die gegenüberliegende Seite des Jordans“) im Koine-Text zu Mk 10,1.
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Last der Beherbergung der Pilgermassen zu befreien. Außerdem wird ja gerade nicht berichtet, dass Festpilger aus der Diaspora in großer Menge bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Stadt erreichten, um sich den entsprechenden Reinigungsriten zu unterziehen. Im Fall von Joh 11,55 kommt noch hinzu, dass sich mit dem Passafest bereits nach biblischer Überlieferung besondere Reinheitsbestimmungen verbanden, die bei Unreinheit zur Zeit des Festes einen Wiederholungstermin verlangten. Es heißt zudem nicht, dass alle, sondern viele Wallfahrer aus der Ebene bereits schon einige Tage zuvor eintrafen. Man wird also hier im näheren Ausstrahlungsgebiet Jerusalems, in dem auch das Haupteinflussgebiet der Pharisäer zu suchen ist, ein besonderes Bewusstsein für die Erlangung und Erhaltung kultischer Reinheit vermuten dürfen, das den Zustrom der Festpilger aus der χώρα zu erklären vermag. Man wird aus diesen verschiedenen Lehrtraditionen entnehmen dürfen, dass die religiösen Gruppen des antiken Judentums eigene Ritualvorschriften für die Erlangung kultischer Reinheit im Zusammenhang der Wallfahrtsfeste herausbildeten und es kein übergeordnetes Kontrollorgan am Tempel gab, das den Reinigungsstatus eines jeden Festpilgers minutiös kontrollierte. Was die Lehrmeinung der Hilleliten in mNaz 3,6 betrifft, so wird man urteilen müssen, dass für diese die durch das Leben in der Diaspora erzeugte Unreinheit dem direkten Ausgesetztsein mit einem Toten gleichkam und deswegen die gesamte Zeit des dort abgeleisteten Naziräats als ungültig angesehen wurde. Wie sich dazu das Urteil der Schammaiten einordnen lässt, ist schwierig zu sagen.381 Man wird hier wie in mNaz 7,3 von einer Minimalforderung sprechen müssen, die als Zugeständnis sowohl an die Naziräer der Diaspora als auch an jene Gelehrten, die mit Bezug auf das Verweilen in der Diaspora strengere Reinheitsanforderungen ansetzten, zu werten ist.382 1.4.5 Das Ungültigmachen der Naziräatstage bei Verunreinigung Eine besonders interessante Ausnahmeregelung zur Ungültigkeit bereits abgeleisteter Naziräatstage nach Verunreinigung an einem Toten hält mNaz 3,3–4 bereit. Hier ist es R. Eliezer, der erleichternd zugunsten des Naziräers die Lehrentscheidung trifft, dass nach Ablauf der Weihefrist nicht die gesamten abgeleisteten Naziräatstage hinfällig geworden sind.
381 Man wird hier nicht mit Boertien 1971: 92 einfach sagen können, dass die Schammaiten dem Naziräer die zusätzlichen 30 Tage auferlegten, damit dieser die Gelegenheit hat, die Ausweihungsopfer darzubringen. נזיר שלשים יוםdrückt aus, dass er erneut ein Naziräat, aber diesmal für die Mindestdauer von 30 Tagen, ableisten muss. 382 Nach dem Urteil der Hilleliten ist der Naziräat in der Diaspora unpraktizierbar.
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מי שאמר הריני נזיר נטמא יום שלושים סתר את הכול ורבי אליעזר אומר לא סתר3 .אלא שבעה הריני נזיר שלושים יום נטמא יום שלושים סתר את הכול
3 (Jemand), der sagte: „Siehe, ich sei ein Naziräer“, (und) er verunreinigte sich (am) dreißigsten Tag (an einer Totenseele, so) hat er alle (bereits abgeleisteten Naziräatstage) ungültig gemacht. R. Eliezer aber sagt: „Er hat allein sieben Tage ungültig gemacht“. (Sagte einer): „Siehe, ich sei ein Naziräer (für) dreißig Tage“, (und) er verunreinigte sich (am) dreißigsten Tag (an einer Totenseele, so) hat er alle (bereits abgeleisteten Naziräatstage) ungültig gemacht. Für R. Eliezer ist in seiner Beurteilung über Gültigkeit und Ungültigkeit bereits abgeleisteter Naziräatstage ausschlaggebend, ob die Fülle der geweihten Tage bereits abgeleistet wurde. Wenn dies der Fall ist, dann werden dem Naziräer allein sieben Tage als ungültig erklärt.383 Dies bedeutet allerdings nicht, dass er nach dem Reinigungsritual von sieben Tagen (Num 6,9–10) noch weitere sieben Tage seines Naziräats abzuleisten hat. Vielmehr meint der Verlust der sieben Tage die Dauer, die noch verstreichen muss, bis der Naziräer seine Ausweihung am Tempel vornehmen darf. Sif Num § 31 zu Num 6,12 (p. 88,4–8 Kahana) begründet mit dem biblischen Wortlaut „( הימים הראשונים יפלוdie ersten Tage seiner Weihe sind verfallen“), dass nur dann Tage ungültig werden, wenn es auch noch abzuleistende Tage gibt.384 Muss dann aber angenommen werden, dass R. Eliezer die unverzügliche Haarrasur nach Ablauf der Naziräatstage voraussetzt, da sonst mit der Verunreinigung auch seine geweihten Haare verunreinigt worden wären?385 A. und Y. Furstenberg386 vertreten diesbezüglich die Ansicht, dass R. Eliezer zwischen den Tagen der Naziräatsweihe und den 383 In Spannung dazu steht R. Eliezers Ansicht in mNaz 6,11 über einen Naziräer, der sich verunreinigte, nachdem schon das Blut eines seiner Ausweihungsopfer an den Altar gesprengt wurde. Dieser hätte nach R. Eliezer die gesamten Tage seiner Naziräatsweihe ungültig gemacht. Diese Mischna ist freilich rein spekulativ und setzt ein konstruiertes Ereignis voraus, dass so im Zusammenhang der Ausweihung eigentlich schwerlich vorstellbar ist. Wenn sich der Naziräer zur Ausweihung am Tempel befindet, wie soll er sich dann vor Ort und Stelle an einem Toten verunreinigen? Man müsste dann annehmen, dass die Ausweihung mit Darbringung der Opfer auch in seiner Abwesenheit geschehen konnte. 384 Dort heißt es „( מי שיש לו אחרונים סותרwer [nach der Verunreinigung] spätere, [noch abzuleistende] Tage hat, der macht [die vorher abgeleisteten Tage] ungültig“). Vgl. auch SifZ zu Num 6,12 (p. 241,23–242,1 Horovitz). 385 Vgl. Num 6,12. 386 Vgl. Furstenberg und Furstenberg 2007: 61–62. Ich danke Dr. Hallel Baitner, der mich kurz vor Abschluss des Manuskripts noch auf diesen Beitrag aufmerksam gemacht hat.
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Tagen der Ausweihung unterschieden hat. Demnach werden die Haare des Naziräers nach Ablauf der geweihten Tage nicht mehr in der Weise verunreinigt, dass sie abgeschnitten werden müssen und der Naziräer sein Haupt erneut weihen muss. Der Naziräer durchläuft damit die siebentägige Reinigung nach Verunreinigung an einem Toten, wie sie nach Num 19,14–22 gefordert wird, nicht aber das Reinigungsritual, wie es in Num 6,9–12 von verunreinigten Naziräern abzuleisten ist. 1.4.6 Zusammenfassung Die Durchsicht ausgewählter Texte zum Naziräat aus dem Corpus tannaitischer Schriften hat eine Reihe von Traditionen identifizieren können, die mit großer Wahrscheinlichkeit zum Naziräerbrauchtum der Spätzeit des Zweiten Tempels gehören. Darunter sind vor allem solche Traditionen zu rechnen, denen an der Praktikabilität des Naziräats in der Diaspora gelegen ist und die sich von solchen Lehrentscheidungen abheben, die in erschwerender Weise die Naziräatsweisungen aus Num 6 auslegen. Dazu gehört der Lehrentscheid des R. Meir in tNaz 4,6, der als Zeichen der Vollendung der Naziräatstage das Scheren der Haare außerhalb des Jerusalemer Tempels gestattete. Das Scheren der geweihten Haare wurde im Naziräatsbrauchtum neben der allgemeinen Anzeige der Vollendung der Naziräatstage vielleicht auch aus Vorsicht vorgenommen, um der Gefahr zu entgehen, sein geweihtes Haar nach bereits abgeschlossener Naziräatsfrist an einem Toten zu verunreinigen. Nach der Lehrmeinung des R. Eliezer in mNaz 3,3 wird die Weihe der Haare allerdings nicht ungültig gemacht. In einem Fall, da die Frist der Naziräatstage bereits verstrichen ist, hat die Verunreinigung an einem Toten keine direkten Auswirkungen mehr auf die abzuleistenden Tage des Naziräats. Man muss schließlich festhalten, dass der Naziräat auch während der Zeit des Zweiten Tempels unterschiedlich praktiziert wurde. Mit Blick auf die Ausweihung am Tempel wird man annehmen dürfen, dass die Priester einem mehr oder weniger klar definierten Ablauf folgten, um den reibungslosen Ablauf des Kultbetriebs gewährleisten zu können.387 Was allerdings den zu bestreitenden Weg des Geweihten von der Inauguration des Gelübdes bis hin zur Ausweihung am Tempel anbelangt, wird sich in den verschiedenen jüdischen Gruppen zur Spätzeit des Zweiten Tempels auch durchaus verschiedenes Brauchtum herauskristallisiert haben, was ansatzweise am Beispiel der 387 Allerdings wird man auch bei den verschiedenen Priesternfamilien abweichende Traditionen im Zusammenhang der Opferpraxis annehmen dürfen, die sich dann wiederum später auch unterschiedlich in den halachischen Diskursen der rabbinischen Gelehrten niedergeschlagen haben könnten.
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Königin Helena von Adiabene in mNaz 3,6 ersichtlich wird. Dort sind es die Hilleliten, an die sich Helena vertrauensvoll zur rechtlichen Unterweisung richtet.388 Nach welcher besonderen Ausprägung des Naziräatsbrauchtums der Geweihte sich richtete, war ihm – gemessen an seiner frömmigkeitlichen Ausrichtung und dem Grad seiner Ausrichtung auf eine jüdische Gruppe und ihre Lehrtradition – selbst überlassen. Die Spannungen und Widersprüche zur Naziräatspraxis in rabbinischen Quellen sind u.a. diesem Nebeneinander von verschiedenen Ausprägungen jüdischer Gruppen und ihrer Naziräatspraxis zur Spätzeit des Zweiten Tempels geschuldet. 1.5 Der Naziräat im Neuen Testament 1.5.1 Johannes der Täufer – ein Naziräer? Verschiedentlich haben Forscher versucht, das asketische Leben des Täufers Johannes vor dem Hintergrund einer Naziräatsweihe zu erklären. Darunter lassen sich z.B. ältere Arbeiten von F. Meyer389 sowie von F. Foaks Jackson und K. Lake390 rechnen, die für Johannes ein lebenslanges Naziräat nach der Weise Simsons vermuteten.391 Die neutestamentliche Grundlage für eine solche Bewertung liefert Lk 1,15 mit folgendem Wortlaut:392 15 ἔσται γὰρ μέγας ἐνώπιον [τοῦ] κυρίου, καὶ οἶνον καὶ σίκερα οὐ μὴ πίῃ, καὶ πνεύματος ἁγίου πλησθήσεται ἔτι ἐκ κοιλίας μητρὸς αὐτοῦ, 388 Damit sei natürlich nicht gesagt, dass der nach mNaz 3,6 insgesamt 14 bzw. 21 Jahre währende Naziräat der Helena auch eine historisch akkurate Erinnerung wiedergibt. 389 Vgl. Meyer 1900: 39–42. 390 Vgl. Foaks Jackson und Lake 1933: 230. 391 Vgl. auch Zahn 1921: 662; Brown 1977: 274 und Böcher 1988: 173. 392 Berger 1996: 327 sieht weiterhin in der in Lk 11,1 bezeugten Gebetspraxis des Täufers ein Indiz für dessen Begleitung des Naziräatsgelübdes. Er entnimmt dies dem polysemen griechischen Begriff εὐχή, mit dem der Naziräat klassifiziert wird und der neben „Gelübde“ eben auch das „Gebet“ bezeichnen kann. Er sieht sich dabei auch durch Philos Sprachgebrauch in SpecLeg 1,247–254 bestätigt, der vom Naziräat als vom εὐχὴ μεγάλη („großen Gelübde/Gebet“) spricht. Berger vergisst dabei aber, dass neben dem Naziräat auch das bedingte Selbstverpflichtungsgelübde (vgl. Gen 28,20), Personenweihegelübde (vgl. Lev 27,2) und das Banngelübde (vgl. Num 21,2) als εὐχή klassifiziert werden und dass diese an keiner Stelle mit einer Verpflichtung zum beständigen Gebet verbunden werden. Dass der in der Pagangräzität bereits mit der spezifischen Bedeutung „Gelübde“ bedachte Begriff εὐχή ganz allgemein auch das Beten und Bitten ausdrückt, wird wohl dem Umstand geschuldet sein, dass die Inauguration und Lösung von Gelübden mit verschiedenen Gebetsformen wie Bitten (precatio; vgl. ThesCRA III: 153–154) oder Danksagungen (gratulatio; vgl. Livius 5,23,3; sowie dazu ThesCRA III: 157) begleitet werden konnten bzw. Forderung und Opferversprechung des Gelübdes (votum suscipere; vgl. ThesCRA III: 168) als Anrufung der Gottheit de facto ja als Gebet anzusprechen ist.
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15 Denn er wird groß sein vor dem Herrn. Und Wein und starkes Getränk wird er nicht trinken und mit Heiligem Geist wird er schon vom Leib seiner Mutter an erfüllt werden. Die für diese Bewertung ausschlaggebende Wendung οἶνον καὶ σίκερα οὐ μὴ πίῃ lässt sich so in ähnlicher Form auch in den 𝔊-Versionen von Num 6,3; Ri 13,4 und 1. Sam 1,11.15393 ausmachen, wo sie die asketische Anforderung zum Alkoholverzicht für geweihte Personen wie Samuel und Simson formuliert. Darüber hinaus ist ein umfänglicher Alkoholverzicht auch den diensthabenden Priestern in Lev 10,9 aufgetragen,394 was nach Lev 10,10–11 begründet wird mit der Sicherstellung eines ungetrübten Urteilsvermögens, zwischen rein und unrein, heilig und unheilig zu unterscheiden sowie den Söhnen Israels alle Ordnungen des Gesetzes zu lehren.395 Wenn Johannes in Lk 1,5–15 explizit als Sohn eines Priesters aus der Dienstabteilung des Abija (ἐξ ἐφημερίας Ἀβιά) und einer Mutter von den Töchtern Aarons (ἐκ τῶν θυγατέρων Ἀαρών) angesprochen wird, dann wird man die Engelankündigung in Lk 1,15 als Bestätigung seiner sich durch priesterliche Qualitäten auszeichnenden Mission lesen dürfen.396 Damit haben sich jedoch noch nicht alle Allusionen auf Motive aus der Hebräischen Bibel erschöpft. M. Wolter hat vermutet, dass es sich im Fall von Lk 1,15a auch um eine relecture von Dtn 29,5 𝔊 handeln könnte.397 Demnach wäre die Vorankündigung des Engels über das asketisch zugebrachte Leben des Johannes, das er in Teilen auch in der Abgeschiedenheit der Wüste verbrachte,398 als eine Parallelisierung mit dem in der Wüste wandernden und darbenden Gottesvolk zu verstehen, dem Brot, Wein und Rauschtrank vergönnt war und dem dies zur Erkenntnis Gottes gedient haben soll. Wenn dem 393 Man beachte jedoch, dass 1. Sam 1,11.15 𝔊 statt σίκερα den synonymen Begriff μέθυσμα gebraucht. 394 Bovon 1989: 55. 395 Da das Begriffspaar οἶνος καὶ σίκερα bzw. יין ושכרin Dtn 14,26; 29,5; Jes 5,11.22; 24,9; 28,7 und 29,9 auch ohne Verbindung zu den an Priester und andere geweihte Personen gestellten asketischen Anforderungen begegnet, darf man annehmen, dass es sich hierbei um eine fest geprägte Wendung handelt, die im umfassenden Sinne zur Bezeichnung von alkoholischen Getränken Verwendung fand. 396 Die priesterliche Funktion des Johannes wird in seiner sündenvergebenden Buß- und Reinigungstaufe, die dem bußbereiten Täufling das Bestehen im Gericht ermöglichen soll, offensichtlich (vgl. dazu Lk 3,3–9). Damit ist freilich auch eine Kritik an der am Kult partizipierenden Priesterschaft impliziert, die durch ihren kultischen Dienst nicht dazu im Stande ist, das Volk für das drohende Gericht vorzubereiten. Auch Bovon 1989: 55–56 sieht im gebotenen Alkoholverzicht eher eine Verbindung zur priesterlichen Askesenorm aus Lev 10,9 als zu den naziräischen Weiheobligationen aus Num 6,3. 397 Vgl. Wolter 2008: 287. 398 Vgl. Lk 7,24.
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Täufer in ähnlicher Weise asketische Verpflichtungen auferlegt sind und dieser darüber hinaus sein Leben in der Wildnis verbringt, dann sei damit impliziert, dass dieser dies ebenfalls zur Erlangung göttlicher Erkenntnis getan haben soll. Als Allusion darf man weiterhin auch das Erfülltsein mit dem Heiligen Geist von Mutterleib an in 1,15b verstehen, das ein Pendant zu den von Mutterleib an geweihten Simson399 und Samuel darstellt.400 Analogien lassen sich ebenfalls zwischen der Unfruchtbarkeit der drei Mütter401 und den Angelophanien402 ausmachen. Schließlich wird man als interessante Analogie zwischen Johannes und Samuel noch beider Stellung zum Kult und zum Priesteramt benennen dürfen, die Samuel durch seine Weihe und seinen Dienst am Tempel von Schilo ausfüllt403 und Johannes durch seine Abstammung aus priesterlichem Geschlecht.404 Ebenfalls in Engelerscheinung und -wort redaktionell verarbeitet findet sich eine Aufnahme von Mal 3,1.23–24, die Johannes mit dem Eliamotiv als Vorläufer Gottes ausweist.405 Zwar ist nach Lukas ohne weiteres in der Person des Johannes die Erwartung an die Wiederkunft des Elia erfüllt,406 doch verzichtet er, anders als die beiden anderen Synoptiker, Markus407 und Matthäus,408 auf eine explizite Auszeichnung des Täufers als Elia409 redivivus und lässt diesen in Lk 1,17 „nur“ im Geist und in der Kraft des Elia auftreten.410 Damit gibt Lukas eine Engführung auf die Identifikation des Johannes mit Elia 399 Vgl. Ri 13,25; 14,6.19. Man beachte, dass die Simson-Gestalt in der Antike nicht allein als Naziräer, sondern auch als Prophet wahrgenommen werden konnte, wofür die SimsonRezeption des Josephus in Ant 5,285 als Zeugnis gelten darf. Diese Wahrnehmung wird vor allem auf die parallele Darstellung seiner Geburt mit der des Propheten Samuel, aber auch durch Zugehörigkeit des Richterbuchs zum Kanonteil der Propheten zurückzuführen sein. 400 Vgl. Brown 1977: 275. 401 Vgl. Ri 13,2; 1. Sam 1,2 und Lk 1,7. 402 Vgl. Ri 13,3 und Lk 1,11–13; sowie dazu Green 1997: 75. 403 Vgl. 1. Sam 2,18; 7,9. 404 Vgl. Lk 1,5–11. Dazu kommt außerdem, dass der Vater des Täufers den Namen des aus der Hebräischen Bibel bekannten Propheten Sacharja trägt. 405 Vgl. Mal 3,1 und Lk 3,4. Das Besondere dabei ist, dass mit der Angelophanie vor Zacharias am Tempel das Prophetenwort Maleachis sowohl über das Kommen des Herrn als auch über das Kommen seines Bundesengels in Mal 3,1 in Erfüllung geht. Da Johannes nicht explizit auf den Messias ausgerichtet ist, hält Öhler 1997: 84 es für wahrscheinlich, dass die Traditionen hinter Lk 1,15–17 täuferischen Kreisen entsprungen sind. 406 Vgl. Öhler 1997: 82. 407 Vgl. Mk 9,11–13. 408 Vgl. Mt 11,7–14; 17,10–13. 409 Zum erwarteten Kommen des Elia im antiken Judentum vgl. die beiden Texte 4Q558 1 ii 4 und 4Q521 2 iii 2; sowie die Darstellung bei Öhler 1997: 1–30. 410 Vgl. Bovon 1989: 57; Wasserberg 1998: 127 Anm. 30; Kelhoffer 2005: 130–131.
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auf und weitet die Projektionsfläche, auf der der Täufer wahrgenommen werden soll, auf weitere prominente Prophetengestalten aus.411 Die Menge der in den Geburtserzählungen über Johannes und Jesus in Lk 1–2 eingewobenen Anspielungen auf Figuren und Texte der Hebräischen Bibel412 soll nach D. Rusam die in der Hebräischen Bibel begonnene Heilsgeschichte Gottes mit seinem Volk weitererzählen.413 Mit dieser Weitererzählung vermag es Lukas, seine heilsgeschichtliche Zeitkonzeption von der Epoche des Gesetzes und der Propheten einerseits sowie der Heilsepoche Jesu und der Kirche andererseits und die Stellung des Täufers darin zu verdeutlichen. Angerissen ist damit natürlich auch die viel diskutierte Frage, wie die Person des Johannes mit der mit dem Kommen Jesu und seiner Evangeliumsverkündigung neu angebrochenen Epoche exklusiv oder inklusiv ins Verhältnis zu setzen ist.414 Gehört Johannes zur alten oder zur neuen Epoche? Zieht man das lukanische Gesamtzeugnis zum Täufer in Betracht, dann ist der Wegbereiter und Evangeliumsverkündiger415 Johannes ein Bindeglied zwischen der Epoche des Gesetzes und der Propheten auf der einen Seite und der Epoche der neu angebrochenen Heilszeit auf der anderen Seite, ohne dass Johannes dabei ganz in der einen oder anderen Epoche aufzugehen scheint. Mit Bezug auf die diätetische Praxis des Johannes lässt sich aus dem eben zusammengetragenen Befund schließen, dass Lukas über Johannes in erster Linie keine historischen Aussagen treffen wollte, um ihn seinen Adressaten als Naziräer vorzustellen,416 sondern vielmehr beabsichtigte, seine Person theologisch zu deuten. Damit ist natürlich nicht in Frage gestellt, das der Täufer aus historischer Sicht als Asket anzusprechen ist.417 Darüber besteht aufgrund 411 So ist es auch nicht verwunderlich, wenn der lukanische Jesus in Lk 7,26–28 Johannes eben für mehr als nur einen Propheten hält und ihm auch, verglichen mit allen anderen Menschen, den höchsten irdischen Rang zuerkennt. 412 Vgl. Rusam 2003: 40–89. 413 Vgl. Rusam 2003: 88.492. 414 Vgl. dazu den klassisch gewordenen Ansatz von Conzelmann 1977: 16–21, der sich für eine exklusive Deutung ausspricht, und die positive Aufnahme davon bei Wolter 2008: 554 bzw. seine kritische Infragestellung bei Schnelle 2013a: 325. 415 Vgl. Lk 3,18. 416 Kelhoffer 2005: 10 spricht sich gegen eine Deutung des Täufers als Naziräer aus und möchte Lk 1,15 im Zusammenhang mit 7,33 lesen, wo vom Täufer berichtet wird, er habe sogar auf den Verzehr von Brot verzichtet. Über die Identifizierung des Täufers mit einem geweihten Naziräer äußert sich Meier 1994 2:48 ebenfalls kritisch. 417 Berger 1996: 326 versucht über den lukanischen Bericht vom diätetischen Ernährungsstil des Johannes hinaus seine These vom Naziräat des Johannes noch mit der Notiz von dessen Fleischverzicht aus Mk 1,6 und Mt 3,4 zu untermauern. Demnach erkläre sich der Fleischverzicht des Täufers aus dem dem Naziräer nach Num 6,6 auferlegten Verbot, keine „toten Lebewesen“ zu berühren. Berger übersieht hier aber, dass mit נפש מתexplizit
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der vielfältigen, unabhängigen Aussagen zum diätetischen Lebenswandel des Johannes kein Zweifel.418 Entscheidend ist vielmehr, wie Lukas die Erinnerung an den Asketen Johannes aufgreift und durch sprachliche Allusionen an die Propheten- und Heldengestalten der Hebräischen Bibel für seinen theologischen Entwurf fruchtbar macht. Lk 1,15 gehört damit zur Vielzahl der lukanischen Stimmen, die Johannes als zum priesterlichen Dienst Befugten und als zum Propheten des Höchsten Berufenen auszeichnet, wobei der ausnahmslose Alkoholverzicht zum einen seine Befugnis zum Priesterdienst legitimieren und zum anderen die Wahrhaftigkeit seiner Verkündigung verbürgen soll.419 1.5.2
Die Frage nach der Naziräatsweihe als Deutungshorizont des Geschicks Jesu Ein weiterer Text aus den Kindheitsgeschichten der Evangelien, nun ein Erfüllungszitat420 aus dem Evangelium des Matthäus, wartet, wie W. Davies ein verstorbener Mensch und keine Lebewesen im Allgemeinen angesprochen sind. Das in Num 6,6 ausgedrückte Verbot der Totenverunreinigung wird nicht durch die Berührung von Aas ( )נבלהund schon gar nicht durch den Kontakt von zum Verzehr geeigneten und geschächteten Tieren verletzt. 418 Die Notiz in Mk 1,6, Johannes habe sich vornehmlich von Honig und Heuschrecken ernährt, wird von vielen Exegeten als historisch glaubwürdig eingestuft (vgl. z.B. Tilly 1994: 176; Theißen und Merz 2001: 195; Müller 2013: 23; Schnelle 2014: 60). Zum asketischen Lebensstil vgl. weiterhin Mt 11,18–19 sowie die Parallele in Lk 7,33–34. Mit Bezug auf den historischen Johannes und seine Jünger nimmt Tilly 1994: 176 an, der Wein- und Fleischverzicht sei „die Grundlage ihres Bußfastens als Aufrechterhaltung des in der Taufe vermittelten Charakters“ gewesen. Zur Askese als Form der Trauer und Buße vgl. z.B. MartJes 2,8–11; Dan 4,33–34 𝔊 und tNed 1,4. Berger 1996: 326 geht einen Schritt weiter als Tilly und deutet den diätetischen Lebenswandel des Johannes als eine Weiterentwicklung des Naziräats im „Judentum zur Zeit des Neuen Testaments“. Demnach hätte sich die Institution des Naziräats zu einer „an relativ feste Merkmale gebundenen Bußübung“ ausgeweitet. Da der Naziräat und seine Obligationen jedoch an keiner weiteren Stelle als Ausdruck eines bußhaften Lebenswandels ausgewiesen werden und auch die praktische Umsetzung eines bußfertigen Lebens nach der Bußpredigt des Täufers in Lk 3,10–14 keine diätetischen Merkmale aufweist, muss die Annahme einer „Weiterentwicklung des Naziräats“ reine Spekulation bleiben. Hahn 2005: 49 hat die Aussagen über den diätetischen Lebenswandel des Täufers als einen Verweis auf das asketische Ideal der Prophetentraditionen um die Rechabiten verstanden. Von diesen wird in Jer 35,1–19 berichtet, sie hätten keinen Wein getrunken und keine Weinberge und Äcker angelegt. Stattdessen lebten sie möglicherweise ein beduinenähnliches Leben in Zelten. Eine weitere Erzählung über die Familie Rechabs wird in 2. Kön 10,23 berichtet. Hier ist es der Sohn Rechabs mit Namen Jonadab, der Jehu bei der Säuberung Israels von den Baalspriestern behilflich war. 419 Für Bovon 1989: 56 besitzt der Täufer und seine Bewegung nach der Darstellung des Lukas eine eschatologische Prägung, die wie die Jachad-Gruppe eine Annäherung von Propheten- und Priestertum erkennen lasse. 420 Zu Theologie und Wortlaut der Erfüllungszitaten vgl den Exkurs „Die Erfüllungszitate“ bei Luz 2002: 189–199.
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und D. Allison annehmen,421 mit einer möglichen Allusion auf den Naziräat auf.422 Im Fall von Mt 2,22–23 ist es diesmal Jesus, dem der Wohnort Nazareth, den Jesu Eltern aus Furcht vor dem Ethnarchen Archelaus als neue Wohnstätte auserkoren hatten, den Beinamen Ναζωραῖος eintrug. 22 Ἀκούσας δὲ ὅτι Ἀρχέλαος βασιλεύει τῆς Ἰουδαίας ἀντὶ τοῦ πατρὸς αὐτοῦ Ἡρῴδου ἐφοβήθη ἐκεῖ ἀπελθεῖν· χρηματισθεὶς δὲ κατ᾽ ὄναρ ἀνεχώρησεν εἰς τὰ μέρη τῆς Γαλιλαίας, 23 καὶ ἐλθὼν κατῴκησεν εἰς πόλιν λεγομένην Ναζαρέτ· ὅπως πληρωθῇ τὸ ῥηθὲν διὰ τῶν προφητῶν ὅτι Ναζωραῖος κληθήσεται. 22 Als er aber hörte, dass Archelaus über Judäa anstelle seines Vaters Herodes herrschte, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Als er aber im Traum (von Gott) Weisung erteilt bekommen hatte, zog er ins Gebiet von Galiläa. 23 Und er kam und wohnte in einer Stadt, die Nazareth genannt wird, damit erfüllt würde, was durch die Propheten gesagt ist: „Er wird Nazoräer genannt werden.“ Als Allusion auf den Naziräat wird dabei das als nomen gentilicium gebrauchte Ναζωραῖος in 2,23b angesprochen, das Matthäus gegenüber dem markinischen Ναζαρηνός bevorzugt hat. Dass der Evangelist Matthäus beide Begriffe als Synonym verstanden hat, wird daran deutlich, dass er Ναζωραῖος direkt mit Jesu Heimatstadt Nazareth assoziiert. Interessant ist, dass Matthäus nur eine von vier markinischen Stellen (Mk 1,24; 10,47; 14,67; 16,6), in denen Jesus mit dem nomen gentilicium Ναζαρηνός betitelt wird, mit einer redaktionellen Anpassung des Beinamens auf seine Schreibform übernimmt. Es handelt sich um die Erzählung von der Verleugnung des Petrus in Mt 26,69–75, in der Petrus in 26,71 als ein zum Jüngerkreis des Nazoräers Jesus Dazugehöriger entlarvt wird. Die Form Ναζωραῖος ist kein matthäisches Unikum. Es gehört ebenso zum Wortschatz der Evangelisten Lukas (Lk 18,37; Apg 2,22; 3,6; 4,10; 6,14; 22,8; 24,5; 26,9) und Johannes (18,5.7; 19,19).423 Vergleichbar mit Matthäus, in dessen Evangelium abgesehen vom eigenen Verfasserkommentar in Mt 2,32 Ναζωραῖος nur von einer Nebenfigur verwendet wird, lässt auch Johannes das nomen gentilicium nur als Fremdbezeichnung im Mund von solchen erklingen, die nicht zu Jüngern oder Anhängern der Jesusbewegung zu rechnen sind.424 Möglicherweise 421 Vgl. W. Davies und D. Allison 2000: 276. 422 Vgl. auch Brown 1977: 212. 423 Interessanterweise spürt man weder bei Lukas noch bei Johannes eine dem Matthäus vergleichbare Verlegenheit beim Gebrauch des Begriffs, die er durch die Rückführung von Ναζωραῖος auf ein Schriftzitat aufzulösen versucht hat. 424 Ausgenommen natürlich Mt 2,23, wo der Evangelienautor den Ursprung der Bezeichnung für seine Leserschaft mit Hilfe eines Erfüllungszitats erklärt.
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beabsichtigten die beiden Evangelienautoren, die wohl stärker als Markus und Lukas mit dem palästinischen und syrischen Judentum in Konflikt standen, mit ihrer zurückhaltenden Nutzung des Beinamens, kritischen Stimmen, die die Messianität Jesu wegen seiner Herkunft aus Nazareth in Frage stellten,425 keinen weiteren Zündstoff zu liefern.426 Dies könnte auch der Grund sein, warum Matthäus bei der Aufnahme von Mk 10,47 in Mt 9,27 und 20,30 die Spannung, die sich aus der markinischen Betitelung Jesu mit υἱὸς Δαυίδ („Sohn Davids“) einerseits – der freilich Bethlehemit und nicht Nazarener sein musste – und mit Ναζωραῖος andererseits ergeben hat, in der Weise auflöst, dass er das nomen gentilicium schlicht und ergreifend ausfallen lässt. Anders verhält es sich allerdings mit dem lukanischen Gebrauch des nomen gentilicium, das sowohl in der markinischen Form Ναζαρηνός427 als auch in der schon von Matthäus und Johannes her bekannten Schreibweise Ναζωραῖος Verwendung gefunden hat. Entgegen der matthäischen und johanneischen Gebrauchskonvention erklingt bei Lukas Ναζωραῖος geradezu wertungsfrei im Mund nicht näher bestimmter Randfiguren (Lk 18,37), der Jünger (Apg 2,22; 3,6; 4,10) und Gegner Jesu (Apg 6,14; 24,5) sowie in der Selbstvorstellung des Auferstandenen (Apg 22,8). Unter sämtlichen Belegstellen fällt besonders Apg 24,5 mit seiner Notiz αἵρεσις τῶν Ναζωραίων ins Auge, wo offenkundig wird, dass die Bezeichnung Ναζωραῖος spätestens zur Abfassungszeit der Apostelgeschichte bereits eine Bedeutungserweiterung vom nomen gentilicium zur Gruppenbezeichnung der ersten Jesusnachfolger durchlaufen hat. Wenn Matthäus oder die Tradition, von der er die Sonderform des nomen gentilicium übernommen hat, Ναζαρηνός mit einer geringfügigen Anpassung zu dem lautähnlichen Ναζωραῖος abgeändert hat und die Fremdbezeichnung in 2,23 als Schrifterfüllung ausweist, dann nimmt er damit denen, die den Messiasanspruch Jesu in Frage stellen, den Wind aus den Segeln und erklärt, wie es eigentlich dazu kommen konnte, dass alle den Davidssohn als „Nazarener“ ansprechen. Dabei ergeben sich jedoch zwei wichtige Fragen. Auf welches Prophetenwort spielt Matthäus mit dem in der 𝔊 nicht bezeugten Wortlaut
425 Vgl. Joh 1,46; 7,42; ferner Mt 21,11. 426 Denkbar wäre ebenso, dass die Fremdbezeichnung Ναζωραῖός im palästinischen Judentum einen abwertenden Ton besaß (vgl. Joh 1,46; ferner Schaeder 1942: 879) und deswegen von Matthäus und Johannes nicht auch als Selbstbezeichnung übernommen wurde. 427 So wenn es ihm seine Quelle wie im Fall von Lk 4,34 par Mk 1,24 – vielleicht wegen des Vokativs Ναζαρηνέ, den er so von Ναζωραῖος nicht erst bilden wollte – vorgibt. Da Lukas aus eigener Sprachkonvention eigentlich Ναζωραῖος bevorzugt (Jeremias 1980: 315), ist es verwunderlich, dass er in der Sonderguterzählung von den Emmausjüngern in Lk 24,19 Ναζαρηνός gebraucht.
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Ναζωραῖος κληθήσεται an und welche theologische Botschaft war mit der Begriffsanpassung Ναζωραῖος ursprünglich intendiert. Zur Frage der Identifikation des Prophetenwortes sind in der Forschung mehrere Referenzstellen vorgeschlagen worden. So wurde zum einen Jes 11,1 mit seinem Verweis auf einen „( נצרSpross“),428 d.h. Nachkommen, aus der Linie Isais, des Vaters Davids, vorgeschlagen.429 Jes 11,1 wurde bereits schon von jüdischer Seite her auf einen messianischen Hoffnungsträger hin gedeutet.430 Hinzu kämen dabei noch Stellen mit dem synonymen Begriff „( צמחSpross“) wie in Jer 23,5; 33,15; Sach 3,8; 6,12; Jes 4,2,431 die ebenfalls in ihrer targumischen Übersetzung mit „( משיחאGesalbter; Messias“) wiedergegeben werden. Damit ist vielleicht auch erklärt, warum Matthäus an keinen spezifischen Propheten zu denken scheint, sondern mit διὰ τῶν προφητῶν432 von einer im Chor der Propheten gemeinsamen Stimme ausgeht, die die Benennung des erwarteten Christus mit Ναζωραῖος bezeugt.433 Vielleicht wird man hierin auch den Hinweis auf ein Werk sehen dürfen, das keinem spezifischen Propheten, sondern einer Sammlung von Prophetenschriften zuzurechnen ist, die für die matthäische Gemeinde autoritativen Charakter besaß. In eine solche Richtung verweist K. Berger, wenn er annimmt, dass sich dahinter eine Allusion auf die geweihte Gestalt des Simson aus dem Buch der Richter verbirgt und es sich im Fall von Ναζωραῖος um ein Wortspiel mit dem Begriff ναζιραῖος aus Ri 13,5.7 und 16,17 𝔊 (A) bzw. ναζιρ aus Ri 13,5 𝔊 (B) handeln kann.434 Um das ω in Ναζωραῖος zu erklären, das keine Entsprechung in einem der drei überlieferten Schreibweisen Ναζαρά, Ναζαρέτ oder Ναζαρέθ des Städtenamens Nazareth und auch keine Übereinstimmung mit dem im Richterbuch für יtranskribierten ι hat, führt Berger eine ganze Reihe von in der 𝔊 transkribierten Städtenamen auf, in denen ein Plene geschriebenes י 428 Bergers 1996: 323 Argument, dass eine Herleitung aus dem jesajanischen ( נצרJes 11,1) daran krankt, dass „Wurzel/Spross“ nie ein Name des Messias war, ist wenig aussagekräftig, weil Gleiches eben auch für die Herleitung von Ναζωραῖος aus נזירgilt. Der Messias wird an keiner einzigen Stelle in der jüdischen Tradition „Naziräer“ genannt. 429 Vgl. Médebielle 1951: 320–321; Gärtner 1957: 10–13; Hengel und Merkel 1973: 163–164. 430 Vgl. Jes 11,1 𝔗; sowie dazu Hengel und Merkel 1973: 163. 431 Vgl. auch die Wendung „( צמח דוידSpross Davids“) in den Qumranschriften 4QFlor Frg. 1,21,2 i 11 und 4Q285 5 3. 432 Matthäus führt Prophetenworte normalerweise anonym mit διὰ τοῦ προφήτου („durch den Propheten“; vgl. z.B. Mt 1,22; 2,15; 13,35 oder 21,4) oder durch explizite Angabe der Prophetengestalt wie z.B. διὰ Ἠσαΐου τοῦ προφήτου („durch den Propheten Jesaja“; vgl. Mt 3,3; 4,14; 8,17; 12,17; sowie Mt 2,17; 24,15; 27,9) ein. 433 Vgl. Konradt 2015: 46. Konradt erklärt den Plural διὰ τῶν προφητῶν ferner damit, dass es Matthäus hier nicht um den genauen Wortlaut, sondern um den Sachverhalt gegangen ist. 434 Vgl. Berger 1996: 324.
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der hebräischen Städtenamen im Griechischen mit einem ω wiedergegeben wurde.435 Dass Bergers Beispiele allerdings allesamt Städtenamen sind und die verschiedenen Übersetzer der 𝔊 im Fall von Klgl 4,7; Ri 13,5.7; 16,17 und 1. Makk 3,49 allesamt als Transkription ναζιραῖος436 gewählt haben, mag schon verwundern und kann auch nicht einfach als „vereinzeltes Unternehmen“437 abgetan werden. Wenn sich also schon eine konventionalisierte Form der Transkription durchgesetzt hatte, worin wird man dann den Grund für die Abweichung von dieser Form sehen dürfen? Wenn der Gründerkreis um die Namentradition Ναζωραῖος mit der Wiedergabe von יmit ω der Transkriptionskonvention bei Städtenamen entsprechen wollte, dann wird man doch nur davon ausgehen dürfen, dass zum einen die Verknüpfung mit dem ähnlich lautenden Städtenamen Nazareth bereits ursprünglich mit intendiert war, Matthäus also die Verbindung folgerichtig hergestellt hat, und dass zum anderen das nomen gentilicium theologisch vor dem Hintergrund des Naziräatsbegriffs נזירgedeutet werden sollte. Dann wäre zu überlegen, ob sich hinter dem Wortspiel eine der frühesten Deutungen des Geschicks Jesu vor dem Hintergrund der Simson-Gestalt, die im Grunde genommen auch aus den eigenen Reihen heraus verraten wurde und dessen tragisches Ende schließlich als ein Sterben „für die Seinen“ bewertet wurde, verbirgt. Dieser Deutungshorizont scheint aber, wenn überhaupt, nur verblasst durch und wurde von keinem der Evangelisten in dieser spezifischen Weise weiter fruchtbar gemacht. 435 Vgl. Berger 1996: 324. 436 So im Fall des Codex Alexandrinus. Der Codex Vaticanus bezeugt dagegen im Fall von Ri 13,5 die Transkription ναζιρ. 437 Berger 1996: 325. Berger kommt ferner zu dem Schluss, dass sich diese Form der Transkription nicht bzw. nicht allein durchgesetzt haben dürfte, was wegen der zahlenmäßig wenigen Stellen „gut“ zu erklären wäre. Hier muss allerdings der Einwand vorgebracht werden, dass dort, wo die Übersetzer anstelle einer Umschreibung für das hebräische נזיר eine Transkription wählten, diese einheitlich in der Form ναζιρ- vornahmen. Vgl. dazu Klgl 4,7 𝔊 (A; B); Ri 13,5.7; 16,17 𝔊; 1. Makk 3,49 𝔊; ferner α′, θ′ und σ′ zu Amos 2,12. Gänzlich auf eine Transkription von נזירverzichteten dagegen die 𝔊-Übersetzer von Num 6, wo נזירmit Partizipialformen des Verbs εὔχομαι wiedergegeben wird, und von Amos 2,11–12, wo der Naziräat mit ἁγιασμός („Heiligung“) und die Naziräer selbst mit einem Partizip Perfekt Passiv von ἁγιάζω („heiligen“) umschrieben werden. Berger geht davon aus, dass neben ναζιραῖος auch von jeher die Transkriptionsform ναζωραῖος gepflegt wurde, wofür er aber keinen einzigen Beleg in jüdisch-hellenistischen Quellen aufzählen kann, was sein Argument im Grunde genommen zirkulär werden lässt. Der Verweis auf ναζιραῖος und ναζωραῖος in der ins 11. Jh. zu datierenden griechischen Palaea historica (zum Werk vgl. Siegert 2016: 710), sowie Ναζωραῖος und Ναζηραῖος in den Onomastica Vaticana aus dem 4. Jh. trägt dagegen nichts aus, weil diese nicht nur viel später sind, sondern auch weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese schon zur kirchlichen Auslegungsgeschichte von Mt 2,23 zu rechnen sind.
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Eine weitere Allusion auf die Simson-Erzählung sehen W. D. Davies und D. C. Allison in der Konfrontation Jesu mit einem unreinen Geist438 in Mk 1,24.439 In der Synagoge von Kapernaum, dem ersten Ort seiner öffentlichen Wirksamkeit, wird Jesus von einem mit besagtem unreinen Geist besessenen Synagogenbesucher als ὁ ἅγιος τοῦ θεοῦ („der Heilige Gottes“) identifiziert. Die Anrede hätte Davies und Allison zufolge einen Verweischarakter auf den Heiligkeitsstatus des geweihten Simson in Ri 13,7 𝔊 (B), der dort vermittelt durch die Worte der Mutter des Simson als ἅγιον θεοῦ angesprochen wird.440 Auch im Mund des Simson selbst findet sich die Wendung in Ri 16,17 𝔊 (B), wenn er Delila offenbart: ἅγιος θεοῦ ἐγώ εἰμι ἀπὸ κοιλίας μητρός μου („ich bin ein Heiliger Gottes vom Schoß meiner Mutter an“). Wenn mit der Prädikation eine Andeutung an die Simson-Gestalt in Mk 1,24 wirklich intendiert war, dann wäre zu begründen, welchem Zweck diese im Zusammenhang des Exorzismus gedient haben soll. Das Motiv der Erwählung von Mutterleib an spielt in der markinischen Vorgeschichte keine Rolle (Mk 1,1–20) und bietet auch im Zusammenhang der Dämonenaustreibung keine Anknüpfungspunkte. Auch das, was Simson durch den Geist Gottes im Kampf gegen die Philister bewirkt (vgl. Ri 14,6.19; 15,14), wird man nur schwerlich mit der Sendung Jesu und seinen geistgewirkten Machttaten in einen Zusammenhang bringen können. Eine andere Gestalt der Hebräischen Bibel bzw. der Septuaginta, auf deren Projektionsfläche eine theologische Deutung der Sendung Jesu plausibler als im Fall des Simson erscheint, ist die des Propheten Elia. Für Mk 1,24 hält die Elia-Erzählung in 3. Kön 17,18 𝔊 mit τί ἐμοὶ καὶ σοί ἄνθρωπε τοῦ θεοῦ („was habe ich mit dir zu tun Mann Gottes“) sogar eine fast wörtliche Parallele bereit. In gleicher Weise wie im Fall des besessenen Synagogenbesuchers wird Elia von der Mutter des erkrankten Jungen gefragt, ob dieser gekommen ist, um Verderben zu bringen. Statt aber verderblich zu handeln, bringen Jesus und Elia Heil und Rettung. Zu dieser Beobachtung passt, dass M. Goulder in Mk 1–8 noch eine ganze Reihe weiterer Parallelen aufgespürt hat,441 die in erzählerischer wie auch motivischer Hinsicht parallel zu den Wundererzählungen Elias und
438 Mit der kollektiven Aussage des Besessenen τί ἡμῖν καὶ σοί („was haben wir mit dir zu schaffen“) ist entweder auf die dort gegenwärtige Synagogenversammlung verwiesen, oder eine Vielzahl von Geistern gemeint, die sich durch den Besessenen zu erkennen gibt. 439 Vgl. Davies und Allison 2000: 276; sowie Hahn 1974: 235–236 mit Anm. 4; 296 Anm. 1; Chepey 2005: 149; Gnilka 2015: 81. 440 Man beachte, dass Aharon in Ps 105,16 𝔊 in ähnlicher Weise mit ἅγιον κυρίου angesprochen wird. 441 Vgl. Goulder 2000: 194–199.
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Elisas gestaltet sind.442 Man wird aus diesen Beobachtungen schließen dürfen, dass die Hoffnung auf den eschatologischen Propheten bereits früh mit der Person Jesu443 und wie in Mk 1,24 mit seinem exorzistischen Wirken verbunden wurde.444 1.5.3
Das Schwören beim Haupte in Mt 5,34.36 als mögliche Form der Naziräatsinauguration? Die Auseinandersetzung der nachösterlichen Gemeinde mit der Frage nach Stellung und Bedeutung der Tora hat in der Form der Bergpredigt des Matthäus (5,1–7,29) in Mt 5,34.36 auch eine Antithese zur Rolle des Schwurs hervorgebracht. J. Neusner hält dabei die Antithese mit ihrer Interdiktion, beim eigenen Haupt zu schwören, für ein Verbot zur Aufnahme eines Naziraätsgelübdes.445 33 Πάλιν ἠκούσατε ὅτι ἐρρέθη τοῖς ἀρχαίοις· οὐκ ἐπιορκήσεις, ἀποδώσεις δὲ τῷ κυρίῳ τοὺς ὅρκους σου 34 ἐγὼ δὲ λέγω ὑμῖν μὴ ὀμόσαι ὅλως· μήτε ἐν τῷ οὐρανῷ, ὅτι θρόνος ἐστὶν τοῦ θεοῦ, 35 μήτε ἐν τῇ γῇ, ὅτι ὑποπόδιόν ἐστιν τῶν 442 Vgl. z.B. 2. Kön 4,42–44 mit Mk 6,30–44; 2. Kön 4,8–37 mit Mk 5,21–43 und 2. Kön 17 mit Mk 7,24–31. 443 Vgl. Hahn 1974: 238. 444 In die traditionsgeschichtliche Nähe von Mk 1,24 gehört auch TestLev 18,12; TestDan 5,10– 11 und äthHen 55,4. In TestLev 18 wird die Verheißung eines neuen Priesters, mit dem geradezu messianische Hoffnungen verbunden werden, angekündigt. Auf ihm ruht der Geist der Heiligkeit (TestLev 18,11), er bindet Beliar und er gewährt seinen Kindern die Vollmacht, böse Geister zu zertrampeln (TestLev 18,12; Mk 3,14–15). TestDan 5,10 fügt dem die Hoffnung hinzu, dass der Retter aus Juda die von Beliar in Gefangenschaft Gehaltenen befreien wird. Sollten TestLev 18,12 und TestDan 5,10–11 keine christlichen Interpolationen oder Überarbeitungen sein und zum jüdischen Grundbestand beider Testamente gehören, dann spräche freilich einiges dafür, dass die markinische Christologie auch aus den Traditionen der Testamentenliteratur geschöpft hat. In äthHen 55,4 ist es der Erwählte Gottes der zum Gericht Azazel und seine Geister richtet. Hahn 1974: 236 sieht in beiden Zeugnissen aus TestLev und TestDan allerdings keine „wirklichen Parallelen“. Während TestLev und TestDan vom eschatologischen Endzeitkampf und damit vom qumranischen Dualismus zeugen würden, repräsentiere Mk 1,24 „den allgemeinen Dämonenglauben des Spätjudentums“. Gegen Hahn wäre jedoch einzuwenden, dass Gottes festgesetzte Zeit mit dem Auftreten Jesu erfüllt ist und das Reich Gottes naht (Mk 1,15). Im Bild vom Hausherrn und Räuber in Mk 3,27 ist der Dualismus zwischen Gottesreich und Satansreich freilich vorausgesetzt. Was die Testamentenliteratur in der Form eines Krieges in der Geisterwelt beschreibt, geschieht im markinischen Evangelium in der irdischen Sphäre. Den Unterschied beider Perspektiven wird man vor dem Hintergrund der im antiken Judentum wahrgenommenen Relation zwischen irdischer und überirdischer Welt nicht gegeneinander ausspielen dürfen. Außerdem bedeutet das gemeinsame Schöpfen aus apokalyptischen Traditionen noch lange keine genealogische Abhängigkeit. 445 Vgl. Neusner 1999: 60.
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ποδῶν αὐτοῦ, μήτε εἰς Ἱεροσόλυμα, ὅτι πόλις ἐστὶν τοῦ μεγάλου βασιλέως, 36 μήτε ἐν τῇ κεφαλῇ σου ὀμόσῃς, ὅτι οὐ δύνασαι μίαν τρίχα λευκὴν ποιῆσαι ἢ μέλαιναν. 33 Wiederum habt ihr gehört, dass den Alten gesagt wurde: Du sollst nicht falsch schwören, aber du sollst dem Herrn deine Schwüre erfüllen. 34 Ich aber sage euch, überhaupt nicht zu schwören! Weder beim Himmel, denn er ist Gottes Thron 35 noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße,446 noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs,447 36 noch sollst du bei deinem Haupt schwören, denn du kannst nicht ein Haar schwarz oder weiß machen. Ein Grund für die Annahme Neusners, und damit hat er, was die rabbinischen Voraussetzungen anbelangt, wohl recht, liegt darin begründet, dass „any sort of language that resembles the language of a vow takes effect“.448 Das halachische Fallbeispiel, das Neusner hierbei vorschweben wird, dürfte in tNaz 1,4 zu finden sein. Mit der Formulierung „( הריני נזיר כשער ראשיSiehe, ich sei [so oft] Naziräer wie [die Anzahl] der Haare [auf] meinem Kopf“) bindet sich eine naziräatswillige Person auf Lebenszeit. Ferner wäre auch auf mNed 1,1 zu verweisen, wo der Ausspruch „( כנדרי רשעיםwie die Gelübde der Frevler“) schon allein auszureichen scheint, mit entsprechender Absicht den Naziräat, eine Verpflichtung zum Opfer oder einen Schwur abzulegen (נדר בנזיר ובקרבן )ובשבועה. Der Grund, warum eine solche Wortwahl aus rabbinischer Sicht als rechtlich verpflichtend akzeptiert wird, liegt an der Beurteilung der Intention des Schwur- bzw. Gelübdewilligen. Ist der Naziräat bei der Inauguration intendiert, ohne dass dabei im Weiheformular explizit die Wunschbekundung הריני נזירlaut geworden wäre, so wird der Naziräat dennoch als bindend anerkannt.449 Möglicherweise hätten die Rabbinen den Schwur beim eigenen Haupt als Inauguration eines Naziräats anerkannt, wenn dies denn auch intendiert gewesen wäre.450 Ob für Matthäus dieser rabbinische Grundsatz bei der Antithese vom Schwören auch eine Rolle gespielt hat, wird Gegenstand der Untersuchung sein.
446 Vgl. Jes 66,1. 447 Vgl. Ps 47,3 𝔊. 448 Neusner 1999: 64. 449 Vgl. mNed 7,3; mNaz 2,1–3; 4,1–2. 450 Zu den rechtlichen Grundlagen der Naziräatsinauguration bei den Rabbinen vgl. oben 4 1.4.1.
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Wenn man annimmt, dass die vormatthäische Abfolge der Antithesen der Dekalogstruktur entsprach, dann wird man hinter dem Meineidverbot von Mt 5,33 entweder Ex 20,16 bzw. Dtn 5,20 mit seinem Verbot zur Falschaussage als Zeuge vor Gericht oder aber auch Ex 20,7 mit der Untersagung, den Namen Gottes zu Nichtigem im Munde zu führen, vermuten dürfen.451 Während οὐκ ἐπιορκήσεις an den Meineid vor Gericht denken lässt, wird man dagegen mit ἀποδώσεις δὲ τῷ κυρίῳ τοὺς ὅρκους σου an durch Schwur ausgedrückte Selbstverpflichtungen erinnert. ἀποδίδωμι lässt eigentlich an das Erfüllen von Gelübden denken, wie es 𝔊 in Dtn 23,22; Ps 49,14; 60,9; 64,2 und Spr 7,14 zu formulieren pflegt, allerdings ist die Wendung im Sinne einer Schwurerfüllung auch in der Pagangräzität belegt.452 Es wäre zu überlegen, ob Matthäus hierbei nicht die in Mk 7,11–12 und in Mischna und Tosefta Nedarim belegte Praxis des Verbotsgelübdes voraussetzt, die durch ihren restriktiven auf Handlungen abzielenden Charakter zumindest im Raum griechischsprachiger jüdischer Gemeinden zur Austauschbarkeit der Begriffe ὅρκος und εὐχή geführt hat. Das umfängliche Verbot des Schwörens, mit dem eigentlich schon alles gesagt wäre, wird dann in 5,34 nochmal differenziert, indem auch die Nennung von Himmel, Erde und Jerusalem zur Schwurbekräftigung untersagt wird. Während man hinter Himmel, Erde und Jerusalem Substitutionen vermuten darf, die die explizite Nennung des Gottesnamens ersetzen sollen,453 handelt es sich beim Schwur, der beim eigenen Haupt geleistet wird, wohl um eine mit Selbstverfluchung verbundene Absicherung.454 Eine solche bei Schwüren geübte Praxis ist vielfach in jüdisch-hellenistischen455 Schriften belegt, was eine Identifizierung der Schwurformel als eine Form der Naziräatsinauguration ausschließt. Dass der Naziräat als Form der Selbstweihe nicht im Blickfeld steht, kommt auch durch die Konklusion Ἔστω δὲ ὁ λόγος ὑμῶν, ναὶ ναί, οὒ οὔ· τὸ δὲ περισσὸν τούτων ἐκ τοῦ πονηροῦ ἐστιν („Eure Rede aber sei: Ja, ja, [oder] nein, nein. Was dies aber übersteigt, ist vom Bösen“) zum Ausdruck, die erkennen lässt, dass der 451 Vgl. Strecker 1985: 81. 452 Vgl. z.B. POxy VII 1026,6; Vahrenhorst 2002: 262 Anm. 260 verweist hier ferner auf Demosthenes, Fals leg 318 und Aischines, Fals leg 129. 453 Vgl. Vahrenhorst 2002: 264–266. 454 Vahrenhorst 2002: 267–277 benennt diese Form des Eides „Kautions-Eid“, bei dem das Wohlergehen einer in Kaution angelegten Sache an die Richtigkeit einer Aussage bzw. die Einhaltung einer zu leistenden Handlung geknüpft wird. Stellt sich die Aussage als falsch heraus, oder kommt der Schwurleister seiner versprochenen Handlung nicht nach, ist die Kautionsleistung verwirkt. 455 Zur Substitution des Gottesnamens im Schwur vgl. Philo, SpecLeg 2,2–5. Für das Schwören beim Leben des eigenen Kopfes vgl. mSan 3,2; tSan 5,1; sowie dazu Benovitz 1998: 135–139.
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matthäische Jesus auf eine ungeteilte und wahrhaftige Rede insistiert,456 der es keiner weiteren Bekräftigung bedarf. Da der Schwur beim eigenen Haupt oder bei allem, was einem lieb war, breit in jüdischen wie paganen457 Quellen belegt ist und der Naziräat sonst nie als Bekräftigung bzw. als Versicherung der Wahrhaftigkeit der eigenen Rede belegt ist, wird der matthäische Jesus ein Verbot zur Naziräatsinauguration nicht mit im Blick gehabt haben. 1.5.4
Die Frage nach dem Naziräatsmotif als Hintergrund der Nachfolgesprüche in Mt 8,21–22 und par Lk 9,57–62 Die Nachfolgesprüche in Mt 8,21–22 und par Lk 9,57–62 gehören zu den loci classici, die vom freien Umgang mit allgemein anerkannten, familiären Verpflichtungen durch Jesu Ruf in die Nachfolge zeugen. In synoptischer Gegenüberstellung präsentiert, tragen die beiden Parallelen folgenden Wortlaut: Mt 8,19–22 19 καὶ προσελθὼν εἷς γραμματεὺς εἶπεν αὐτῷ· διδάσκαλε, ἀκολουθήσω σοι ὅπου ἐὰν ἀπέρχῃ. 20 καὶ λέγει αὐτῷ ὁ Ἰησοῦς· αἱ ἀλώπεκες φωλεοὺς ἔχουσιν καὶ τὰ πετεινὰ τοῦ οὐρανοῦ κατασκηνώσεις, ὁ δὲ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου οὐκ ἔχει ποῦ τὴν κεφαλὴν κλίνῃ. 21 ἕτερος δὲ τῶν μαθητῶν [αὐτοῦ] εἶπεν αὐτῷ· κύριε, ἐπίτρεψόν μοι πρῶτον ἀπελθεῖν καὶ θάψαι τὸν πατέρα μου. 22 ὁ δὲ Ἰησοῦς λέγει αὐτῷ· ἀκολούθει μοι καὶ ἄφες τοὺς νεκροὺς θάψαι τοὺς ἑαυτῶν νεκρούς.
Lk 9,57–62 57 Καὶ πορευομένων αὐτῶν ἐν τῇ ὁδῷ εἶπέν τις πρὸς αὐτόν· ἀκολουθήσω σοι ὅπου ἐὰν ἀπέρχῃ. 58 καὶ εἶπεν αὐτῷ ὁ Ἰησοῦς· αἱ ἀλώπεκες φωλεοὺς ἔχουσιν καὶ τὰ πετεινὰ τοῦ οὐρανοῦ κατασκηνώσεις, ὁ δὲ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου οὐκ ἔχει ποῦ τὴν κεφαλὴν κλίνῃ. 59 Εἶπεν δὲ πρὸς ἕτερον· ἀκολούθει μοι. ὁ δὲ εἶπεν· [κύριε,] ἐπίτρεψόν μοι ἀπελθόντι πρῶτον θάψαι τὸν πατέρα μου. 60 εἶπεν δὲ αὐτῷ· ἄφες τοὺς νεκροὺς θάψαι τοὺς ἑαυτῶν νεκρούς, σὺ δὲ ἀπελθὼν διάγγελλε τὴν βασιλείαν τοῦ θεοῦ. 61 Εἶπεν δὲ καὶ ἕτερος· ἀκολουθήσω σοι, κύριε· πρῶτον δὲ ἐπίτρεψόν μοι ἀποτάξασθαι τοῖς εἰς τὸν οἶκόν μου. 62 εἶπεν δὲ [πρὸς αὐτὸν] ὁ Ἰησοῦς· οὐδεὶς ἐπιβαλὼν τὴν χεῖρα ἐπ᾽ ἄροτρον καὶ βλέπων εἰς τὰ ὀπίσω εὔθετός ἐστιν τῇ βασιλείᾳ τοῦ θεοῦ.
456 Vgl. Vahrenhorst 2002: 273–274. 457 Vgl. die Belege bei Vahrenhorst 2002: 267 mit Anm. 287; Benovitz 1998: 137–143.
270 19 Und es trat ein Schriftgelehrter heran und sagte zu ihm: Lehrer, ich will dir folgen, wohin du auch gehst! 20 Und Jesus sagte zu ihm: Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester, aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlegen (kann)! 21 Ein anderer seiner Jünger sagte aber zu ihm: Herr, erlaube mir, zuerst hinzugehen und meinen Vater zu begraben. 22 Jesus aber sagte zu ihm: Folge mir nach und lass die Toten ihre Toten begraben.
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57 Und als sie auf dem Weg waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du auch gehst! 58 Und Jesus sagte zu ihm: Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester, aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlegen (kann)! 59 Zu einem anderen sagte er: Folge mir! Der aber sagte: Herr, erlaube mir, vorher hinzugehen und meinen Vater zu begraben! 60 Er aber sagte: Lass die Toten ihre Toten begraben, du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes! 61 Ein anderer aber sagte: Ich will dir nachfolgen, Herr! Vorher aber erlaube mir, Abschied zu nehmen von denen, die in meinem Haus sind! 62 Jesus aber sagte zu ihm: Niemand, der zurückschaut, nachdem er seine Hand an den Pflug gelegt hat, ist für das Reich Gottes geeignet.
Eine gewisse religionsgeschichtliche Nähe wurde in der Vergangenheit bisweilen zur kynischen Kritik458 an gängigen Formen der Funeralpraxis verspürt, wenngleich dagegen einzuwenden ist, dass bei Jesu Ruf in die Nachfolge die Dringlichkeit und die Aufgabebereitschaft und weniger die Kritik am Bestattungs- bzw. Trauerbrauchtum im Vordergrund steht. Wenn überhaupt ist eine Kritik in Mt 8,22 an die ersten νεκροί gegeben, die man als jene identifizieren darf, die sich nicht durch den Ruf Jesu in die Nachfolge haben ansprechen lassen.459 Ohne die Schroffheit des Nachfolgerufs, der sicher in den Ohren antiker Hörer als in äußerstem Maße pietätlos wahrgenommen werden
458 Vgl. Dion Chrysostomos, Or. 28–29; Plutarch, Cons. Apoll. 12,107 e-f; Lukian, Demonax 65 und Lukians kynischer Umgang mit Trauerriten in De luctu; sowie Praechter 1898; Gerhard 1909: 82–83; Porod 2015. Vgl. ferner das Zeugnis über den Kyrenaiker Theodoros bei Seneca, De tranquillitate animi 14,3. Crossan 1992 rückt den galiläischen Wanderprediger Jesus zwar in die Nähe kynischer Philosophen, diskutiert dabei allerdings die beiden hier zu behandelnden Passagen Mt 8,22 und Lk 9,60 nicht. Zur Kritik an Crossans interpretatio Cynica des Lebens und Wirkens Jesu vgl. Witherington 1995: 58–92. 459 Vgl. Lk 15,24; sowie Hengel 1968: 8; Konradt 2015: 141.
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konnte,460 zu mildern, muss festgehalten werden, dass Jesus den Jünger nicht dazu anhält, den Vater unbestattet zu lassen. Die Berufungserzählung setzt voraus, dass es andere gibt, die dem Verstorbenen die letzte Ehre erweisen können und die Dringlichkeit der Evangeliumsverkündigung seine Abkömmlichkeit rechtfertigt. Um zu klären, durch welchen Impuls die Schroffheit des Nachfolgewortes motiviert und welche Wirkung mit selbigem intendiert war, versucht M. Bockmuehl im Sammelband Jewish Law in Gentile Churches, das Augenmerk auf die beiden in der Hebräischen Bibel dokumentierten Ausnahmeregelungen aus Lev 21,11 und Num 6,6 zu legen, unter deren Voraussetzung die Bestattung der Eltern untersagt ist.461 Dem auf die Erhaltung der kultischen Reinheit des Hohenpriesters und die Ermöglichung des sukzessiven Fortgangs seiner Amtsausführung bedachten Verbot aus Lev schenkt er jedoch im Fortgang keine Beachtung mehr, da für ihn ein Bezug zum hohenpriesterlichen Amt weder beim historischen Jesus noch auf der Stufe der redaktionellen Bearbeitung auszumachen ist.462 Das nach Bockmuehl der ursprünglichen Aussageabsicht des Logions am nächsten stehende Motiv, das die Unterbindung der Beerdigung des Vaters zu erklären vermag, sieht er in der Beachtung der Naziräatsrestriktion aus Num 6,6. Obwohl in den Evangelienerzählungen weder für Jesus noch für die Jünger in irgendeiner Weise die Inauguration, das Unterworfensein unter die Obligationen und Restriktionen des Naziräats noch die Ausweihung eines solchen angedeutet werden, halte die Spruchsammlung zur radikalen Nachfolge aus Mt 8,19–22 und Lk 9,57–62, in die das Logion eingebettet ist, einige Indizien für eine solche Annahme bereit. Bockmuehl geht allerdings, nachdem er den Naziräat in altestamentlichen Texten, bei Philo und den Tannaiten bespricht und dessen herausragende Stellung betont, nicht wieder auf den näheren Kontext des Logions ein. Er kommt zu dem Ergebnis, dass „a broadly Nazirite symbolism may turn out to make acceptable sense of the saying’s first-century Jewish setting. That setting may make it mean little more than, ‘Come and follow me: those who are truly consecrated to God have even more important things to do.’“463 Eine solche symbolische Inbeziehungsetzung wirft allerdings mehr Probleme auf, als sie im Stande ist zu lösen. Nirgendwo in den Evangelien ist ein weiteres Mal davon die Rede, dass Jesus und seine Jünger sich ihrem Selbstverständnis nach 460 Zur Sitte der Bestattung der Eltern durch den Sohn, die als Entfaltung des Elternehrgebots des Dekalogs (Ex 20,12 und Dtn 5,16) wahrgenommen wurde, vgl. z.B. Gen 49,29–33; Tob 4,3–4; 6,15. Zur Bestattung als Liebesdienst vgl. Strack-Billerbeck I: 487–489. 461 Vgl. Bockmuehl 2003: 23–48. 462 Vgl. Bockmuehl 2003: 36. 463 Bockmuehl 2003: 48.
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Geweihten Gottes gleichgestellt sahen. In der Wahrnehmung des antiken Judentums ist der Naziräat ganz auf den Kult, auf die Erhaltung der Kultfähigkeit und das Kultmahl nach der Darbringung der Ausweihungsopfer ausgerichtet. Um eine solche symbolische Deutung wahrscheinlich zu machen, hätte man sicherlich auch noch andere Affinitäten zum Kult und den Reinheitsgesetzen der Tora in der Verkündigung Jesu erwarten müssen. Texte wie Mk 5,22–43 oder 7,15464 werfen dagegen eine ganz gegenteiliges Selbstverständnis Jesu zur Reinheitstora auf. K. Berger und in seinem Gefolge auch G. Theißen und A. Merz können für den historischen Jesus gar festhalten, dass dieser ein offensives Reinheits- und Heiligkeitsverständnis besessen hat, nach dem Reinheit und Heiligkeit nichts ist, das befleckbar und deswegen zu beschützen ist.465 Auch wenn Bockmuehl nur den Symbolgehalt des Naziräats für die Deutung der Nachfolge fruchtbar machen will, so stellt sich doch weiterhin die Frage, was denn ein Geweihter, mit dem ein Jünger in der Nachfolge Jesu ins Verhältnis gesetzt wird, Wichtigeres zu tun gehabt hätte, als den verstorbenen Vater zu beerdigen. Sicher hat die Dringlichkeit und der Stellenwert der Nachfolge mit dem Ziel der Realisierung des Gotteswillens, der Verkündigung der Gottesherrschaft und des Rufs zur Umkehr466 in Jesu Augen größeres Gewicht gehabt als die Beachtung sozialer Normen und Gepflogenheiten. Was allerdings ein Naziräer in vergleichbarer Weise hätte Wichtigeres zu tun gehabt, um einen solchen Vergleich zu rechtfertigen, ist fraglich. Das Verbot, sich an Toten zu verunreinigen, ist dem für Gott abgesonderten Naziräer ja aufgrund der Erhaltung kultischer Reinheit aufgetragen und nicht, weil er als Abgesonderter dem Dienst an Gott und seinem Bundesvolk andere Prioritäten einräumen muss. Die antiken Texte zum Naziräatsgelübde wissen bis auf die Sorge um die Einhaltung der durch das Gelübde auferlegten Restriktionen und Obligationen nichts von allgemein anerkannten zusätzlichen Verhaltensnormen eines Naziräers zu berichten. Die Annahme, dass Jesus seiner Hörerschaft die rigorose und augenblickliche Absonderung von Familie und angestammtem sozialen Umfeld in Analogie zum Naziräat verständlich machen wollte, muss sich mit den eben zusammengetragenen Anfragen und Anmerkungen kritisch konfrontiert sehen. M. Hengel, der wohl die bislang einflussreichste Studie zum Logion vorgelegt hat,467 vermutet eine besondere Nähe des Nachfolgespruchs Jesu zum Nachfolgeruf des Elia an Elisa in 1. Kön 19,19–21. Mit Lk 9,61 und dem Wunsch 464 Vgl. Theißen und Merz 2001: 326–327. 465 Vgl. Berger 1988: 240; sowie Theißen und Merz 2001: 380. 466 Vgl. Hengel 1968: 53. 467 Hengel 1968.
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eines zur Nachfolge gerufenen Jüngers, sich noch von den Mitgliedern seines Hauses zu verabschieden, liegt sogar eine direkte erzählerische Entsprechung zum Abschied des Elisa vor. Man wird vielleicht sogar spekulieren dürfen, ob das Pflugsprichwort in Lk 9,62 nicht auf assoziative Weise durch den auf dem Acker pflügenden Elisa inspiriert wurde. Die Gestaltung des Nachfolgerufs ist durch zwei Motive beeinflusst. Zum einen wird sich die Nachempfindung nach der Jüngerberufung des Elisa durch Elia der Verknüpfung Jesu mit der Vorstellung vom Elia redivivus als eschatologischem Propheten verdanken. Zum anderen wird man hinter der Untersagung, dem Vater selbst die letzte Ehre zu gewähren, die Überbietung der Person und Mission Jesu gegenüber allen anderen in der Geschichte Israels aufgetretenen Propheten Gottes sehen dürfen.468 Sowohl Jesu Anspruch als auch die Dringlichkeit seines Aufrufs zur Nachfolge im Dienst der anbrechenden Gottesherrschaft lässt anders als beim Prophetengespann Elia und Elisa keine Verzögerung zu. Selbst die Bestattung des eigenen Vaters, die sonst von allen weltlichen Verpflichtungen dispensiert, bietet keinen Grund für eine Verzögerung der Erfüllung des Sendungsauftrags. Zu fragen wäre hierbei, ob sich dahinter noch eine der ältesten mit der Person Jesu selbst verbindenden Vorstellungskomplexe über den eschatologischen Propheten verbirgt,469 oder ob damit eben gerade schon ausgedrückt werden soll, dass Jesus mehr ist als der eschatologische Prophet. Für Matthäus, der Johannes den Täufer in Mt 11,14 mit Elia identifiziert, wird man letzteres bejahen müssen.470 1.5.5
Zur Frage nach der Deutung des Weinverzichts Jesu in Mk 14,25 (15,23) und Lk 22,16–18 als Inauguration einer Naziräatsweihe Der Bericht vom letzten Mahl Jesu mit seinen Jüngern in Mk 14,17–26 wird in der einschlägigen Kommentarliteratur zur Perikope nicht mit irgendeiner Form von Gelübde assoziiert. Der auffällige Vers Mk 14,25 über die Verzichtserklärung Jesu, die in der paulinischen Form der Mahlworte Jesu in 1. Kor 11,23– 25 keine Aufnahme gefunden hat, wird dann eher als Prophetenspruch über den Anfang der Leiden Jesu bzw. als Ausblick auf die Vollendung gedeutet.471 25 ἀμὴν λέγω ὑμῖν ὅτι οὐκέτι οὐ μὴ πίω ἐκ τοῦ γενήματος τῆς ἀμπέλου ἕως τῆς ἡμέρας ἐκείνης ὅταν αὐτὸ πίνω καινὸν ἐν τῇ βασιλείᾳ τοῦ θεοῦ. 468 Vgl. Mt 11,9; 12,40–41; 13,16–17; Lk 10,23–24. 469 Vgl. die oben zu Mk 1,24 gemachten Anmerkungen und Hahn 1974: 238. 470 Gleiches dürfte auch für Lukas anzunehmen sein, der Johannes zwar nicht direkt als Elia redivivus anspricht, sein Wirken aber in Lk 1,17 als ein sich im Geist des Elia verwirklichendes ankündigt. 471 Vgl. Schweizer 1998: 166; Berger 2005: 350; Dschulnigg 2007: 366; Gnilka 2015: 246.
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25 Wahrlich ich sage euch, dass ich gewiss nicht vom Gewächs des Weinstocks trinken werde bis zu jenem Tag, wenn ich es von neuem trinken werde im Königreich Gottes. Aufgegriffen wird Jesu Verzichtserklärung dann nochmals in Mk 15,23 innerhalb der Kreuzigungsszene, wo er am Kreuz hängend ein ihm dargereichtes Myrrhe-Wein-Gemisch ausschlägt. 23 καὶ ἐδίδουν αὐτῷ ἐσμυρνισμένον οἶνον· ὃς δὲ οὐκ ἔλαβεν. 23 Und sie gaben ihm Wein, der mit Myrrhe vermischt war. Er aber nahm ihn nicht. Taucht man tiefer in die Fachdiskussion zum Herrenmahl ein, finden sich doch einzelne Stimmen, die in der Ankündigung des Weinverzichts ein Weihebzw. Verzichtsgelübde sehen wollen. So hat J. Jeremias in der sprachlichen Besonderheit der Formulierung ἀμὴν … οὐκέτι οὐ μή eine Schwurformel erkennen wollen, durch die Jesus sich bis zur Durchsetzung der Gottesherrschaft und dem dann von Gott bereiteten eschatologischen Freudenmahl fastend binden wollte.472 Dabei hätte der historische Jesus nicht nur wie in Mk 14,25 allein eine Weinaskese angestrebt, sondern wie in Lk 22,16 ausgedrückt, vor dem Mahl beginnend in einem umfassenden Fasten auch auf den Verzehr des Passalamms verzichtet.473 Das Problem an der von Jeremias vorgelegten Deutung ist, dass er Wortlaut und Intention zur Inauguration der Verzichtserklärung aus einer Zusammenschau von Mk 14,25 und Lk 22,18 entnehmen muss, um seine These vom Fasten und Fürbittehalten Jesu für seine Verfolger und das verblendete Volk zu konstruieren. Auch ist die Deutung von ἀμὴν … οὐ μὴ als Schwurformel keineswegs über allen Zweifel erhaben. Bis auf Mk 14,25 in Mt 26,29474 werden alle anderen von Jeremias im Markusevangelium 472 Vgl. Jeremias 1967: 199–210. 473 Vgl. Jeremias 1967: 202–203. Dass später die Quartodezimaner ebenfalls zur Passafeier fasteten, wird sich vielleicht der Rezeption der lukanischen Mahldarstellung und weniger einer ungebrochenen, von Jesus über die ersten Christen vermittelten Tradition verdanken. Leonhard 2006: 305 hat zur Passafeier der Quartodezimaner festgehalten, dass diese strukturell gegen die Feier des jüdischen Passa aufgebaut war, weshalb man ihr Fasten zur Zeit der jüdischen Mahlfeier möglicherweise als eine anti-jüdische Spitze verstehen muss. 474 Matthäus, der sich ohne Frage mehr der halachischen Implikationen von Gelübdeformeln bewusst war als Markus, hat bei der Aufnahme von Mk 14,25 in Mt 26,29 die Partikel ἀμήν ausgelassen, um sicher gerade nicht den Eindruck zu erwecken, dass Jesus hier tatsächlich einen Schwur zum Verzicht von Wein auf sich nahm.
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identifizierten Schwurformeln475 in gleicher Form auch vom den Schwur gänzlich ablehnenden Evangelisten Matthäus übernommen,476 was zumindest anzeigt, dass dieser selbige nicht unweigerlich als Schwur begreifen musste und daher auch bedenkenlos übernahm. Man wird vielleicht recht daran tun, das markinische ἀμήν als eine Beteuerungspartikel zu bestimmen, wobei für den Evangelisten das in prophetischer Autorität gesprochene Wort Jesu keineswegs der Absicherung durch einen Schwur bedurfte.477 Dabei verkennt Jeremias auch den Umstand, dass Lukas die Herrenmahlsworte höchstwahrscheinlich auf markinischer Grundlage redaktionell überarbeitet und mit einer 1. Kor 11 nahestehenden Version der Einsetzungsworte verbunden hat.478 Dass er dabei noch von Mk und 1. Kor unabhängige Traditionen eingebunden hat, die auf den historischen Jesus zurückgehen könnten, ist sehr schwierig zu beweisen. Stärker als Mk stilisiert Lukas in Lk 22,24–38 die Abendmahlszene zu einer testamentarischen Rede über Dienst, Herrschen und Richten im Reich Gottes und die Verleugnung des Petrus. Das Begehren Jesu, mit seinen Jüngern das letzte Passamahl zu feiern, und die Erkenntnis, es bis zur Erfüllung der mit dem Passa verbundenen Heilshoffnung in der Gottesherrschaft nicht mehr zu sich zu nehmen (Lk 22,15–16), sind keine Anzeichen für Jesu Fastenabsicht. Das letzte Passamahl Jesu vor seiner Passion und das zukünftig zu feiernde, eschatologische Freudenpassamahl sind heilsgeschichtliche Fixpunkte zwischen denen der lukanische Jesus das Mahl der Gemeinde eingesetzt hat.479 In der Zwischenzeit soll die nachösterliche Mahlgemeinschaft mit dem Herrn nicht in der Form eines jährlich wiederkehrenden Passafestes stattfinden, sondern im beständigen Beieinandersein und im gemeinsamen Brotbrechen.480 Die lukanische Abendmahlserzählung wird man daher zusammen mit Lk 24,13 als Kultätiologie für die Mahlgemeinschaften der lukanischen Gemeinden begreifen dürfen, die erklärt, wie für die Gemeinde aus dem letzten Passamahl Jesu die regelmäßige Gemeinschaft des Brotbrechens entstand. Wenn man im Fall von Lk 22,16–18 nicht von einem umfassenden Fasten gelübde ausgehen darf, wie wird man dann wiederum die alleinige Weinverzichtserklärung in Mk 14,25 beurteilen müssen? Wäre es wirklich vorstellbar,
475 Jeremias 1967: 201 Anm. 5 zählt dazu Mk 9,1.41; 10,15; 13,30 und 14,25. 476 Vgl. Mt 5,33–37. 477 Zur Funktion von Prolepsen im Markusevangelium vgl. du Toit 2001. 478 Vgl. den Vergegenwärtigungsauftrag in Lk 22,19 und 1. Kor 11,24–25; sowie dazu Schröter 2006: 50. 479 Vgl. Schröter 2006: 50–51. 480 Vgl. Lk 24,30; Apg 2,46; 20,7.11.
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wie zuletzt wieder von R. Aus481 oder vor ihm von M. Wojciechowski,482 Bockmuehl483 und S. Chepey484 mit Bezug auf Mk 14,25 vorgeschlagen wurde, dass Jesus im Angesicht der bevorstehenden Gefangennahme und der sicher zu erwartenden Hinrichtung ein Naziräatsgelübde ablegte, zu dessen Ausweihung er nicht mehr im Stande gewesen wäre? Sicher stellt ein Naziräatsgelübde angesichts lebensbedrohlicher Krankheit und Verfolgung, zumindest aus rechtstheoretischer Perspektive gesprochen, kein Problem dar, da mit dem Tod das Gelübde erlischt und die damit verbundenen Obligationen wie z.B. die Kosten der Ausweihung nicht auf die Hinterbliebenen übertragen werden. Dennoch muss über die Plausibilität einer solchen Annahme gesprochen und das Motiv der angenommenen Weihe im Zusammenhang der Passion geklärt werden. Dass Mk 15,23 (par Mt 27,34) von der Realisierung des Weinverzichts berichtet, wird man kaum als untermauerndes Argument für ein Naziräatsgelübde ins Feld führen können. Allenfalls spricht die Rekurrenz des Weinverzichts für eine kohäsive Erzählung und für eine tiefere Verankerung des Themas im Kontext der Passionserzählung. Dabei wird man kaum für die Deutung des Weinverzichts Jesu Mk 1,24 und die dort bisweilen wahrgenommene Allusion auf den als heiligen Gottes bezeichneten Naziräer Simson heranziehen dürfen.485 Der Vorwurf, Jesus sei ein Fresser und Säufer gewesen (Mt 11,19 und par Lk 7,34), wird zwar nicht beim Evangelisten Markus laut, doch weiß auch er (Mk 2,18), dass, anders als die Johannesjünger und Pharisäer, Jesus und seine Jünger kein Fasten praktizierten. Dies deutet der markinische Jesus mit dem Anbruch der Heilszeit und der Gegenwart des Bräutigams, in dessen Gemeinschaft sich bereits die eschatologische Festfreude begonnen hat zu realisieren, weshalb Fasten für den Moment der Gegenwart Jesu auch keinen Platz hat.486 Hochzeit, Festfreude und Wein sind demnach Symbole der Heilszeit.487 So gesehen markieren die Verzichtserklärung in Mk 14,25 und der aktive Verzichtsvollzug in Mk 15,23 das Ende der irdischen Wirksamkeit Jesu und mit der beginnenden Passion eine Unterbrechung der Festfreude. Die Mähler, die Jesus mit τελῶναι καὶ ἁμαρτωλοί („Zöllnern und Sündern“; Mk 2,15) zu sich nahm, waren Ausdruck seines Sendungs- und Selbstverständnisses, nämlich als Arzt 481 Vgl. Aus 2015. 482 Vgl. Wojciechowski 1984. 483 Vgl. Bockmuehl 2003: 41–42. 484 Vgl. Chepey 2005: 147–151. 485 Vgl. dazu oben 3 1.5.2. 486 Zum Verhältnis der asketischen Bewegung um Johannes den Täufer und der das eschatologische Freudenmahl antizipierenden Gruppe um Jesus vgl. Tilly 1994: 102–103. 487 Vgl. Mk 2,22; Joh 2,11; sowie dazu Jeremias 1958: 100–101.
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zu den Kranken und Sündern gesandt zu sein. Dass inhaltlich die Gemeinschaft der Jünger mit ihrem Herrn in der Form gemeinsamer Mähler im Fokus der Rede Jesu steht und nicht die Inauguration eines Naziräatsgelübdes, wird schon durch die externe Prolepse mit ihrem Hinweis auf die zukünftige Wiedervereinigung mit Jesus beim eschatologischen Freudenmahl im Königreich Gottes deutlich. 1.5.6 1.5.6.1
1.5.6.1.1
Das Zeugnis der Apostelgeschichte zur Naziräatspraxis Der Naziräat des Paulus Paulus in Korinth
Die Apostelgeschichte des Lukas hält zwei Erzählungen bereit, die von einer den frühchristlichen Missionaren zugeschriebenen Gelübdepraxis zeugen. Der erste explizite Hinweis auf eine solche Praxis ist in Apg 18,18 mit dem Verweis auf ein bestehendes Gelübde des Aquila oder des Paulus488 und einem damit verbundenen Haarscherritual gegeben. Eine Reihe von Exegeten, die Paulus als jenen identifizieren, der sich dem Gelübde unterworfen hat, sehen in den Umständen der paulinischen Mission in Korinth die Motivation zur Inauguration desselben. Ursprung und Moment der Inauguration dieses Gelübdes wurden dann bisweilen mit einer Vision des Paulus in Troas verbunden,489 der durchs galatische Land und Mysien ziehend immer wieder vom Geist Gottes an der Verkündigung des Evangeliums gehindert wurde. Über den Inhalt der Vision ist Folgendes aus Apg 16,9 bekannt: 9 Καὶ ὅραμα διὰ [τῆς] νυκτὸς τῷ Παύλῳ ὤφθη, ἀνὴρ Μακεδών τις ἦν ἑστὼς καὶ παρακαλῶν αὐτὸν καὶ λέγων· διαβὰς εἰς Μακεδονίαν βοήθησον ἡμῖν. 9 Und ein Gesicht erschien dem Paulus des Nachts: Ein mazedonischer Mann stand da und rief ihn zu Hilfe und sprach: Komm herüber nach Mazedonien und komm uns zu Hilfe! Demgegenüber sieht R. Strelan im Bruch des Paulus mit der Synagogengemeinde in Korinth den Auslöser des Gelübdes.490 Über das wechselhafte Geschick des Paulus in Korinth berichtet Lukas in Apg 18,5–11. 488 Zum Problem der Zuweisung des Haarscherrituals zu Aquila oder Paulus siehe unten 4 1.5.6.1.2. 489 Vgl. Marshall 1980: 300; Barrett 1998: 2.877; Witherington 1998: 557. 490 Vgl. Strelan 2004: 227. Pesch 2014: 155 fixiert sich nicht so sehr auf den Bruch mit der Synagogengemeinde als initialen Moment der Gelübdeinauguration, glaubt aber ebenfalls, dass Paulus das Gelübde in Korinth abgelegt hat.
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5 Ὡς δὲ κατῆλθον ἀπὸ τῆς Μακεδονίας ὅ τε Σιλᾶς καὶ ὁ Τιμόθεος, συνείχετο τῷ λόγῳ ὁ Παῦλος διαμαρτυρόμενος τοῖς Ἰουδαίοις εἶναι τὸν χριστὸν Ἰησοῦν. 6 ἀντιτασσομένων δὲ αὐτῶν καὶ βλασφημούντων ἐκτιναξάμενος τὰ ἱμάτια εἶπεν πρὸς αὐτούς· τὸ αἷμα ὑμῶν ἐπὶ τὴν κεφαλὴν ὑμῶν· καθαρός ἐγὼ ἀπὸ τοῦ νῦν εἰς τὰ ἔθνη πορεύσομαι. 7 καὶ μεταβὰς ἐκεῖθεν εἰσῆλθεν εἰς οἰκίαν τινὸς ὀνόματι Τιτίου Ἰούστου σεβομένου τὸν θεόν, οὗ ἡ οἰκία ἦν συνομοροῦσα τῇ συναγωγῇ. 8 Κρίσπος δὲ ὁ ἀρχισυνάγωγος ἐπίστευσεν τῷ κυρίῳ σὺν ὅλῳ τῷ οἴκῳ αὐτοῦ, καὶ πολλοὶ τῶν Κορινθίων ἀκούοντες ἐπίστευον καὶ ἐβαπτίζοντο. 9 Εἶπεν δὲ ὁ κύριος ἐν νυκτὶ δι᾽ ὁράματος τῷ Παύλῳ· μὴ φοβοῦ, ἀλλὰ λάλει καὶ μὴ σιωπήσῃς, 10 διότι ἐγώ εἰμι μετὰ σοῦ καὶ οὐδεὶς ἐπιθήσεταί σοι τοῦ κακῶσαί σε, διότι λαός ἐστί μοι πολὺς ἐν τῇ πόλει ταύτῃ. 11 Ἐκάθισεν δὲ ἐνιαυτὸν καὶ μῆνας ἓξ διδάσκων ἐν αὐτοῖς τὸν λόγον τοῦ θεοῦ. 5 Als aber sowohl Silas als auch Timotheus aus Mazedonien herabkamen, wurde Paulus ganz vom Wort hingenommen und legte den Juden Zeugnis ab, dass Jesus der Christus sei. 6 Als sie sich aber auflehnten und lästerten, schüttelte er die Kleider aus und sprach zu ihnen: Euer Blut (sei) auf eurem Haupt! Ich bin rein. Von nun an werde ich zu den Völkern gehen. 7 Und er ging von dort weg und kam in das Haus eines Gottesfürchtigen namens Titius Justus, dessen Haus an die Synagoge angrenzte. 8 Krispus aber, der Vorsteher der Synagoge, glaubte mit seinem ganzen Haus an den Herrn; und viele Korinther, die (die Missionspredigt des Paulus) hörten, wurden gläubig und ließen sich taufen. 9 Der Herr aber sprach durch ein Gesicht in der Nacht zu Paulus: Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nur nicht still! 10 Denn ich bin mit dir, und niemand wird dir nachstellen, dich zu schädigen; denn ich habe viel Volk in dieser Stadt. 11 Und er blieb ein Jahr und sechs Monate und lehrte unter ihnen das Wort Gottes. Nach Strelan ist die Abkehr des Paulus von der Verkündigung der Christusbotschaft gegenüber den Mitgliedern der Synagoge hin zu den Nichtjuden in Korinth in Apg 18,6 Hand in Hand mit der Aufnahme eines Naziräatsgelübdes gegangen. Das Ausschütteln seines Mantels sei dann ein Zeichen für die strikte Einhaltung seines Gelübdes gewesen. Um diese Deutung noch weiter zu stützen, referiert er auf die Rede des Lysias (Contra Andocidem 51–53), in der Andokides des Sakrilegs beschuldigt wird, er habe Mysterien des Kultes an Nichteingeweihte verraten und am Tempel geopfert, obwohl er bereits vom Kult ausgeschlossen und verworfen war. Als Reaktion der Priesterschaft auf seinen Verrat hatte diese ihn bereits verstoßen, indem sie ihn gen Westen gewandt verflucht und den Staub von ihren Gewändern geschüttelt hatten (51).
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Bei seiner Verurteilung rät Lysias an, man solle sich des Andokides entledigen und damit die Stadt reinigen, was Strelan in einer Linie mit der Deklaration des Paulus über seine Reinheit sieht.491 In diesem Sinne wäre dann das Staubausschütteln der Form nach ein Akt der Reinigung. Die Inauguration des Gelübdes selbst vermutet Strelan schließlich hinter der Unschuldsbekundung des Paulus, bei der er in Apg 18,6 auf das Ausschütteln seiner Kleider hin mit der Formel τὸ αἷμα ὑμῶν ἐπὶ τὴν κεφαλὴν ὑμῶν die Eigenverantwortlichkeit der korinthischen Synagogenmitglieder für die Zurückweisung der Evangeliumsbotschaft hervorhebt. Strelan meint sodann eine Parallele zum paulinischen Gestus des Kleiderausschüttelns und der Aufnahme eines Gelübdes in Neh 5,12–13 ausmachen zu können.492 12 καὶ εἶπαν ἀποδώσομεν καὶ παρ᾽ αὐτῶν οὐ ζητήσομεν οὕτως ποιήσομεν καθὼς σὺ λέγεις καὶ ἐκάλεσα τοὺς ἱερεῖς καὶ ὥρκισα αὐτοὺς ποιῆσαι ὡς τὸ ῥῆμα τοῦτο 13 καὶ τὴν ἀναβολήν μου ἐξετίναξα καὶ εἶπα οὕτως ἐκτινάξαι ὁ θεὸς πάντα ἄνδρα ὃς οὐ στήσει τὸν λόγον τοῦτον ἐκ τοῦ οἴκου αὐτοῦ καὶ ἐκ κόπου αὐτοῦ καὶ ἔσται οὕτως ἐκτετιναγμένος καὶ κενός καὶ εἶπεν πᾶσα ἡ ἐκκλησία αμην καὶ ᾔνεσαν τὸν κύριον καὶ ἐποίησεν ὁ λαὸς τὸ ῥῆμα τοῦτο 12 Und sie sagten: Wir wollen es geben und nichts von ihnen zurückersuchen. Wir wollen so handeln, wie du sagst. Und ich rief die Priester und ließ sie schwören, nach diesem Wort zu tun. 13 Auch schüttelte ich mein Gewand aus und sprach: So möge Gott jeden Mann, der dieses Wort nicht hält, aus seinem Haus und aus seinem Besitz hinausschütteln! Und so soll er ausgeschüttelt und leer sein! Und die ganze Versammlung sprach: Amen! Und sie lobten den Herrn. Und das Volk handelte nach diesem Wort. Die Szene ist Teil einer einem Bundesschluss ähnelnden Schwurabnahme, bei der die Aristokraten, Priester und Vorsteher des Volkes darauf eingeschworen werden, die verarmte Bevölkerung des Landes nicht weiter zu drangsalieren und auszubeuten. Um den Schwur zu bekräftigen und seine Einhaltung zu garantieren, unternimmt Nehemia eine Zeichenhandlung, bei der die angeschlossene Selbstverfluchung mit Hilfe einer demonstratio ad oculos den Schwurleistern vor Augen gemalt wird.493 Wie diese Zeichenhandlung und die Art der Selbstverfluchung zu deuten ist, wird in Vers 13 expliziert. Es soll 491 Vgl. Strelan 2004: 228. 492 Vgl. Strelan 2004: 227. 493 Vgl. Koch 2008: 291 mit Anm. 125.
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denjenigen, die die Befolgung ihres Schwurs missachten, ergehen wie dem Staub auf dem Mantel des Nehemia. Sie sollen ihr Haus und ihren Besitz verlieren, hinausgetrieben werden und leer ausgehen. Die Zeichenhandlung soll damit das Schicksal derjenigen versinnbildlichen, die sich des Schwurbruchs schuldig machen, indem sie fortfahren, Bevölkerungsteile aus wirtschaftlich und sozial schwächeren Schichten zu knechten. Dabei ist aber entscheidend, dass die Verfluchung nicht Teil des Gestus ist, der so sicher bereits im damaligen kulturellen Gestikrepertoire vorhandengewesen sein dürfte und dessen Einbindung auch für die Hörer ein Mehr an Eindringlichkeit und Nachvollziehbarkeit erreichen konnte. Die bedingte Selbstverfluchung ist vielmehr integraler Bestandteil des Schwurs selbst494 und dient einerseits der Hervorhebung der Ernsthaftigkeit des Schwurleisters und andererseits dem Ansporn, das im Schwur Versprochene auch einzuhalten. Für die Vergleichbarkeit mit Apg 18,6 müsste ein gemeinsamer „Sitz im Leben“, d.h. eine analoge Gebrauchssituation der beiden Zeichenhandlungen wahrscheinlich gemacht werden. Vor welchem Hintergrund die paulinische Zeichenhandlung zu deuten ist, wird, anders als im Fall des Nehemia, nicht klar artikuliert und muss aus dem näheren Kontext erschlossen werden. Ein erstes Indiz ist im direkten linguistischen Kontext mit der Wendung ἀντιτασσομένων δὲ αὐτῶν καὶ βλασφημούντων gegeben, die als Auslöser für den Gestus den Widerspruch und die Lästerung495 gegen die Verkündigung des Paulus benennt.496 Als typische Gebrauchssituation, so legt es zumindest die ähnlich beschriebene Geste des Staubabschüttelns vom Fuß im Kontext von Mk 6,11–12 und Lk 9,5–6 nahe, ließe sich noch das Ausschlagen einer Warnung bzw. die Verweigerung zur bußfertigen Umkehr wahrscheinlich machen. An den Ausschluss von der kultischen Gemeinschaft mit Priestern wird man bei Lysias (Contra Andocidem 51) denken dürfen. Aus dem jeweiligen situativen Kontext, in dem der Gestus Anwendung findet, lässt sich schließen, dass der symbolische Gehalt der Geste nach zuvor erfahrener Ablehnung sowohl den Wunsch nach örtlicher Trennung und Abgrenzung als auch Schmähung und Verachtung ausdrücken soll. Weiterer Klärungsbedarf besteht zudem bezüglich der zusätzlich zum Gestus geäußerten Worte des Paulus τὸ αἷμα ὑμῶν ἐπὶ τὴν κεφαλὴν ὑμῶν· καθαρός ἐγώ. Man denke hier z.B. an die Gerichtswarnung des Ezechiel in 3,17–21 und 33,2–9, die die Mitschuld am Untergang des Gottlosen und des Gerechten für 494 Vgl. z.B. 1. Sam 20,12–13; 25,22 und 2. Sam 3,8–9. 495 Bisweilen hat dies Forscher dazu veranlasst, hier von einer apotropäischen Handlung gegen Blasphemie zu sprechen. Vgl. z.B. Cadbury 1955: 274–275. 496 So bereits schon in Apg 13,45.51.
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diejenigen verkündet, die jene nicht vor ihren Irrungen gewarnt haben. Das Urteil über die Mitverantwortung und die Einforderung der Schuld durch Gott als Richter drückt Ez 3,18 mit τὸ αἷμα αὐτοῦ ἐκ χειρός σου ἐκζητήσω („sein Blut werde ich von deiner Hand fordern“) aus.497 Sich mit am Tod eines Dritten schuldig gemacht zu haben, bedeutet unter Verwendung drastischer Bildsprache,498 dessen Blut an den Händen kleben zu haben und unrein zu sein.499 Wenn Gott dieses Blut zurückfordert, dann übt er an dieser Person Blutrache, sie soll damit in gleicher Weise der Tod treffen. Wenn es allerdings ganz ähnlich wie in Apg 18,6 in Ez 33,4 heißt τὸ αἷμα αὐτοῦ ἐπὶ τῆς κεφαλῆς αὐτοῦ ἔσται („sein Blut wird auf seinem Haupt sein“), dann wird damit ausgedrückt, dass der Untergang jener Person selbstverschuldet ist,500 da sie sich nicht warnen und zur Umkehr rufen lassen hat. Da Paulus seinem Sendungsbefehl gerecht geworden ist, indem er zur Umkehr gerufen und Jesus als den Christus verkündigt hat, kann er auch mit gutem Gewissen sagen, dass er rein von aller Blutschuld ist. An seinen Händen klebt nicht das Blut seiner widerspenstigen Hörerschaft. Er hat seiner Schuldigkeit Genüge getan. Dies bezeugt er auch ein weiteres Mal in Apg 20,26, wenn er verkündet: καθαρός ἐγὼ ἀπὸ τοῦ αἵματος πάντων („ich bin rein vom Blut aller“).501 Er begründet dies mit der umfänglichen Verkündigung des Ratschlusses Gottes und versichert, nichts zurückgehalten zu haben. Abschließend muss festgehalten werden, dass die Geste des Staubabschüttelns für sich genommen kein zielgerichteter Akt der Verfluchung gegenüber abweisenden und widerspenstigen Personen ist.502 Gleiches gilt auch für den Ausspruch des lukanischen Paulus „euer Blut sei auf euren Köpfen“. Gleichwohl können zum Gestus je nach Kontext verschiedene Absichtserklärungen, Schwüre oder Verfluchungen hinzutreten. Die Zeichenhandlung soll im Grunde genommen nur das Aufkünden der Gemeinschaft mit einer sich abweisend artikulierenden Gruppe durch den Gestikulierenden verbildlichen. Ferner ist zu resümieren, dass Lukas kein Interesse daran hat, vor der Erwähnung des Gelübdes in Apg 18,18 explizit darzulegen, wann und wo genau 497 Zur Anrechnung von Blut vgl. Lev 17,4. Hos 1,4 spricht sogar von der Heimsuchung blutschuldig Gewordener durch Gott, an denen er dann sein Gericht vollzieht. 498 Koch 1962: 410 spricht gar bei dieser altisraelitischen Vorstellung von einer unsichtbaren Blutsphäre, in die Mörder kommen und von denen das Blut genommen und zur eigenen Gemeinschaft wieder zurückgebracht werden muss. Inwieweit diese Vorstellungen im Fall der lukanischen Verwendung des Motivs en détail im 1. Jh.u.Z. noch so präsent sind, oder ob hier schon vieles vergessen und nur noch rudimentär aus dem sprichwörtlichen Gebrauch heraus gedeutet wird, lässt sich nicht mehr sagen. 499 Zur Entweihung und Verunreinigung durch Blut vgl. Num 35,33 und Dtn 19,10. 500 Vgl. auch Ez 18,12–13. 501 Vgl. Keener 2014: 2744. 502 So aber z.B. von Haenchen 1977: 513 Anm. 4 und Schille 1989: 364; Pesch 2014: 148 vertreten.
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Paulus besagtes Gelübde abgelegt hat. Ohne die genaue zeitliche Begrenzung der Selbstweihe zum Naziräer zu definieren, wird das gesamte, Apg 18,18 vorausgehende Wirken des Paulus unter dem Vorzeichen seiner Weihe anzusehen sein. 1.5.6.1.2
Das Haarscherritual des Paulus in Apg 18,18
Die Missionstätigkeiten und -reisen des Paulus in Kleinasien und auf der griechischen Halbinsel waren, so kann man den Peristasenkatalogen in 2. Kor 4,8– 12 und 11,21–33 entnehmen, von vielen Entbehrungen und Gefahren begleitet. Und so mag es nicht verwundern, dass die Apostelgeschichte des Lukas, die ausführlich von drei größeren Missionsreisen des Paulus im östlichen Mittelmeerraum zu berichten weiß (Apg 13–14; 15,36–18,22; 18,23–21,26), auch von einem oder vielleicht auch mehreren Gelübden erzählt, die Paulus während seiner missionarischen Unternehmungen auf sich genommen haben soll, um sich auf seinen Reisen göttlichen Beistandes zu versichern. Ein erstes Indiz für ein solches Gelübde begegnet am Ende der zweiten Missionsreise in Apg 18,18–23. 18 Ὁ δὲ Παῦλος ἔτι προσμείνας ἡμέρας ἱκανὰς τοῖς ἀδελφοῖς ἀποταξάμενος ἐξέπλει εἰς τὴν Συρίαν, καὶ σὺν αὐτῷ Πρίσκιλλα καὶ Ἀκύλας, κειράμενος ἐν Κεγχρεαῖς τὴν κεφαλήν, εἶχεν γὰρ εὐχήν. 19 κατήντησαν δὲ εἰς Ἔφεσον, κἀκείνους κατέλιπεν αὐτοῦ, αὐτὸς δὲ εἰσελθὼν εἰς τὴν συναγωγὴν διελέξατο τοῖς Ἰουδαίοις. 20 ἐρωτώντων δὲ αὐτῶν ἐπὶ πλείονα χρόνον μεῖναι οὐκ ἐπένευσεν, 21 ἀλλὰ ἀποταξάμενος καὶ εἰπών· πάλιν ἀνακάμψω πρὸς ὑμᾶς τοῦ θεοῦ θέλοντος, ἀνήχθη ἀπὸ τῆς Ἐφέσου, 22 καὶ κατελθὼν εἰς Καισάρειαν, ἀναβὰς καὶ ἀσπασάμενος τὴν ἐκκλησίαν κατέβη εἰς Ἀντιόχειαν. 23 Καὶ ποιήσας χρόνον τινὰ ἐξῆλθεν διερχόμενος καθεξῆς τὴν Γαλατικὴν χώραν καὶ Φρυγίαν, ἐπιστηρίζων πάντας τοὺς μαθητάς. 18 Nachdem Paulus aber noch viele Tage lang geblieben war, nahm er Abschied von den Brüdern und segelte nach Syrien und mit ihm Priszilla und Aquila. Er hatte sich aber in Kenchreä das Haupt scheren lassen, denn er hatte ein Gelübde (auf sich genommen). 19 Sie gelangten aber nach Ephesus und jene ließ er dort zurück. Er selbst aber ging in die Synagoge hinein und unterredete sich mit den Juden. 20 Als sie ihn aber gebeten hatten, eine längere Zeit zu bleiben, gab er keine Einwilligung, 21 sondern verabschiedete sich und sprach: Wenn Gott es will, werde ich wieder zu euch kommen! Er aber fuhr von Ephesus ab 22 und nachdem er in Caesarea gelandet war, stieg er hinauf und grüßte die Gemeinde, stieg hinab nach Antiochia 23 und machte sich, nachdem er (dort) einige Zeit
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verweilte, auf, durchzog nacheinander das galatische Land und Phrygien (und) stärkte alle Jünger. Der 18-monatige Missionsaufenthalt des Paulus ist, so erfahren wir in Apg 18,18, zu seinem Ende gekommen. Paulus verlässt bis auf Weiteres die korinthische Gemeinde, zu der er ein letztes Mal erst wieder auf der dritten Missionsreise für drei Monate zurückkehren wird (vgl. Apg 20,3), und geht in Kenchreä mit dem Ziel der Überfahrt nach Syrien an Bord eines Schiffes. In Kenchreä erhalten wir dann auch den ersten Hinweis auf ein Gelübde, mit dem verbunden sich Paulus bzw. sein Begleiter Aquila einem Scherritual unterzieht, über dessen Inhalt oder Intention jedoch keine weiteren Angaben gemacht werden. Nach der uns vorliegenden Endtextgestalt ist mit dem Nachtrag der Reisebegleiter καὶ σὺν αὐτῷ Πρίσκιλλα καὶ Ἀκύλας und der Wortstellung Ἀκύλας, κειράμενος auf den ersten Blick Aquila als der Initiator des Gelübdes ausgewiesen. Hätte Lukas den Völkerapostel als Initiator des Gelübdes im Blick gehabt, dann hätte er nach T. Zahn anstelle der umständlichen Formulierung καὶ σὺν αὐτῷ eher vor ἀποταξάμενος oder vor ἐξέπλει den Verweis σὺν Πρίσκιλλῃ καὶ Ἀκύλᾳ eingefügt.503 Dafür spräche angeblich auch die sonst unübliche Nennung des Aquila nach seiner Frau Priszilla.504 Dass die Wortstellung antike Leser keinesfalls unweigerlich dazu angehalten hat, die Aussage über das Gelübde und das Scheren der Haare auf Aquila zu beziehen, bekunden mehrere Textzeugen in 18,21. Dort ergänzen eine Anzahl von Handschriften505 mit Δεῖ δὲ πάντως τὴν ἑορτὴν ἡμέραν ἐρχομένην ποιῆσαι εἰς Ἱεροσόλυμα („Ich muss aber unter allen Umständen das kommende Fest506 in Jerusalem feiern“) die Begründung, warum Paulus Ephesus so schnell wieder verlassen will. Der Autor dieser kurzen Notiz scheint den Grund für die schnelle Abreise einerseits nach hinten blickend aus der Nennung des Gelübdes in 18,18 und nach vorne blickend aus dem Hinweis über den Gruß an die Gemeinde in 18,22 herausgelesen und in 18,21 503 Vgl. Zahn 1921: 661. Für Paulus als Gelübdeinitiator sprechen sich trotz der Wortstellung dennoch Conzelmann 1972: 116; Tomes 1995: 188; Witherington 1998: 556–557; Chepey 2005: 159; Bock 2007: 585 und Keener 2014: 2780 aus. Eine ganze Reihe antiker Autoren, die für ein in 18,18 ausgedrücktes paulinisches Gelübde plädieren, versammelt Overbeck 1870: 296. 504 Dieses Argument ist allerdings zu relativieren, wie Horn 1997: 120 ganz richtig festgestellt hat, da die Reihenfolge beider Namen an anderer Stelle völlig beliebig ist, wie dies die Stellung von Aquila vor Priszilla in Apg 18,2 und 1. Kor 16,19 und von Priszilla vor Aquila in Apg 18,26 und 2. Tim 4,19 bezeugen. 505 Dazu zählen D*.2, L, Ψ, 323, 614, 1175, 1241, 1505, der Mehrheitstext, gig, w und sy. 506 Zahn 1921: 663; Bruce 1990: 399 und Bock 2007: 587 vermuten, Paulus habe versucht, rechtzeitig zum Passafest Jerusalem zu erreichen. Chepey 2005: 162 rechnet mit der Ankunft in Jerusalem zum Wochenfest.
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versprachlicht zu haben. Die Festwallfahrt nach Jerusalem zum dortigen Tempel wurde, wie dies an anderer Stelle schon mehrfach herausgestellt wurde,507 stets auch mit dem Einlösen von Gelübden verbunden, sodass der Urheber dieses Teilverses bei der Lektüre von 18,18 zu dem Schluss kommen musste, dass es Paulus war, der das Gelübde auf sich genommen hatte und dieses im Zusammenhang seiner Reise nach Syrien, genauer nach Jerusalem, während der Wallfahrt auslösen wollte. Geht man freilich davon aus, dass die Nennung von Priszilla und Aquila die Zufügung einer späteren Hand ist,508 wie dies auch die unvermittelte Begleiternotiz in 18,19 nahelegt, wo gleich nach der Ankunft vom Zurücklassen beider in Ephesus berichtet wird, obwohl Paulus erst zwei Verse später in 18,21 Abschied von der ephesinischen Gemeinde nimmt, dann wäre unzweifelhaft Paulus vormals der Initiator des Gelübdes gewesen.509 Dass Paulus vormals ohne Reisebegleiter unterwegs war, wird womöglich von einer Reihe von Handschriften angedeutet, die in Vers 19 κατήντησεν510 statt κατήντησαν511 und statt κατήντησαντες das Aorist Partizip κατήντησας512 im Nominativ Singular lesen. Wenn die Reisebegleiternotiz allem Anschein nach eine spätere Hinzufügung und Paulus auf einer früheren Textentwicklungsstufe derjenige war, der hier die mit seinem Gelübde verbundenen Obligationen zum Scheren der Haare ausführt, dann ist noch zu klären, warum Paulus nach der Darstellung von Apg 18,18 bereits in Kenchreä das Scheren der Haare unternimmt und sich
507 Vgl. 1. Sam 1,21.24; 1. Makk 3,46–53; Apg 21,23–24. 508 Der Nachtrag über die Reisebegleitung des Ehepaars Priszilla und Aquila wird bisweilen der Redaktionsarbeit des Lukas zugewiesen (vgl. Haenchen 1977: 520), um möglicherweise den Grund für den Reisezwischenstopp in Ephesus zu erklären. Wellhausen 1914: 37 hat die Notiz über die Begleiter als Zusatz zum lukanischen Text verstanden, um beide in Apg 18,24–28 nicht unvorbereitet in der Geschichte erscheinen zu lassen. Womöglich wollte der Interpolator auch vom lukanischen Paulus, der sich jüdische oder pagan wirkende Gelübde auferlegt, ablenken und dafür auf Aquila verweisen. 509 Gegen Aquila und für Paulus als Initiator des Gelübdes spricht im Zusammenhang von Apg 18,19–21 außerdem, dass Aquila gerade nicht mit nach Jerusalem weiterreißt, um dort sein Gelübde auszuweihen, sondern in Ephesus zurückbleibt. Dann müsste man allenfalls annehmen, dass der Jude Aquila (vgl. Apg 18,2) nicht den Naziräat, sondern ein sonst in jüdischen Quellen nicht bezeugtes Gelübde, für das es keinen relevanten Bezug zum Jerusalemer Tempelkult gab, befolgte. 510 Von 𝔓74 (Kategorie I), L, Ψ, 323, 614, 945, 1175, 1241, 1505, 1739, 𝔐, lat, syh bezeugt. 511 Die äußere Bezeugung spricht mit den Hss א, A, B, E, 33, d, vgmss, syp und sa für κατήντησαν als ursprüngliche Lesart. Allerdings ließe sich auch für den Singular die lectio dificillior veranschlagen. 512 Die Lesart, die durch die Hss D und h bezeugt wird, dürfte aus κατήντησεν entstanden sein.
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dies nicht für die Ausweihung am Jerusalemer Tempel aufspart.513 Auf welche Weise das Scheren der Haare im Zusammenhang der Ankunft in Kenchreä zu deuten ist, ist ein vieldiskutiertes Problem. Basiert der Bericht auf bekannten jüdischen Naziräatsbräuchen,514 oder ist der Brauch aus dem Zusammenhang pagan-hellenistischer Praktiken zu erklären,515 oder muss man schließlich die Erzählung gar als eine bewusste oder unbewusste Verknüpfung von jüdischen und paganen Gelübdetraditionen ansprechen? Die Mehrzahl der Forscher spricht sich für die Deutung des Haarscherrituals als Teil eines Naziräatsgelübdes aus. Mit diesem Urteil gehen jedoch auch Bedenken einher, Lukas habe den Brauch und seine Handhabung nicht mehr gänzlich gekannt und daher das Ritual in falscher Reihenfolge und damit ohne rechten Bezug zur eigentlich Praxis wiedergegeben.516 Zu einer solchen Sicht auf die lukanische Darstellung 513 In der älteren Forschung wurde auch aufgrund der wahrgenommenen Abweichungen zu den aus anderen jüdischen Quellen bekannten Naziräatsbestimmungen die Möglichkeit diskutiert, ob Paulus hier nur ein Privatgelübde, votum civile, auf sich genommen habe. Vgl. dazu z.B. Spitta 1891: 245 und Baljon 1903: 206. Haenchen 1977: 521 Anm. 2 hält den Verweis auf ein Privatgelübde für eine Verlegenheitslösung, die nicht mehr ist als bloße Erfindung. Wendt 1899: 305 hat diese Annahme noch weiter elaboriert und angenommen, es handle sich um ein Gelübde, „wie es unter den Juden der Diaspora wohl als Surrogat für das eigentliche Nasiräat üblich war“. Bruce 1990: 398 und Witherington 1998: 557 haben mit Verweis auf Apg 18,10 das Schneiden der Haare als einen Akt der Danksagung gedeutet, den Paulus aufgrund des von Gott verheißenen und gewährten Beistands in Korinth vollzogen haben soll. Es handle sich hierbei um kein Naziräatsgelübde, sondern um „a private religious exercise“ für dessen Erklärung man aber keinen hellenistischen Hintergrund veranschlagen müsse. 514 Eine Vielzahl von Forschern will den Haarscherritus als ein Indiz für das biblische Naziräatsgelübde begreifen. Vgl. z.B. Haenchen 1977: 521 Anm. 2; Jervell 1998: 465; Horn 1997: 120; Witherington 1998: 557; Fitzmyer 1998: 634; Pesch 2014: 155. 515 Vgl. oben 4 1.3. 516 In diesem Sinne urteilt Haenchen 1977: 521 Anm. 2 gar, dass Lukas „von dem Nasiräatsgelübde keine genaue Vorstellung besessen zu haben“ scheint. Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Schille 1989: 368, wenn er feststellt, dass das Scheren der Haare am Anfang eines Naziräatsgelübdes unüblich und als Form der Gelübdeunterbrechung in der Diaspora auch widersinnig war. Conzelmann 1972: 131 urteilt: „Der folgende Bericht macht Schwierigkeiten, wenn man die jüdischen Vorschriften über Gelübde vergleicht; doch rührt das daher, dass Lk. von diesen keine genaue Kenntnis hat“. Weiser 1985: 498 folgert: „Lukas schien Kenntnis vom Gelübdegebrauch nicht aber von dessen genauer Durchführung zu haben“. Barrett 1998: 2.1011 nennt Lukas „imperfectly informed“. Horn 1997: 117 hat ferner zu bedenken gegeben, ob vom Paulus des Galaterbriefs, der so vehement gegen die neue „Gesetzesfrömmigkeit“ von Teilen der galatischen Gemeinde polemisiert, überhaupt eine solche, durch ein Gelübde ausgedrückte Frömmigkeit zu erwarten gewesen wäre? Chepey 2005: 160 äußert in ganz ähnlicher Weise seine Zweifel an der historischen Glaubwürdigkeit der Darstellung des Lukas, indem er zu bedenken gibt, ob sich Paulus wirklich durch das „legalistic regime“ der Naziräatsrestriktionen gebunden hätte. Bruce 1990: 398 hat der Möglichkeit eines vorliegenden Naziräats des Paulus mit Verweis
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des Naziräats gesellt sich zumeist noch die Feststellung, dass das Gelübde allein aus dem Grund eingeführt wurde, um den Völkerapostel als einen frommen Juden zu stilisieren.517 Dem müsste man dann aber entgegnen, dass eine solche Pragmatik, die durchaus im Sinne des Lukas gewesen sein kann, doch nur ihr Ziel erreicht hätte, wenn er auch die Gelübdetraditionen adäquat und in einer für seine Leserschaft auch nachvollziehbaren Weise wiedergegeben hätte. Wäre die Darstellung auch nicht annähernd mit einem in der Antike bekannten Naziräatsscherritual in Übereinstimmung gewesen, dann hätte auch die intendierte Wirkung nicht ihr Ziel erreichen können. Dies wird umso offensichtlicher, wenn man überlegt, für welchen Adressatenkreis die Stilisierung zu einem frommen Juden intendiert war. In erster Linie wird man hier wohl an Gottesfürchtige,518 christusgläubige Juden und judaisierende Christen aus den Völkern519 denken dürfen, denen man ohne weiteres eine größere Vertrautheit mit jüdischen Bräuchen unterstellen kann. Und auch wenn Lukas in einer Zeit schreibt, in der der Naziräat aufgrund des Endes des Jerusalemer Tempelkults bei ihm selbst und bei seinen Adressaten nur noch als erinnerte Tradition präsent ist, wird man dem bei der Wiedergabe von jüdischen Traditionen auf Genauigkeit und Zuverlässigkeit520 bedachten Autor der Apostelgeschichte doch ein Mehr an Traditionsbewahrung nachsagen dürfen, als dies gemeinhin getan wird.521 Wenn ähnliche Einsichten in die lukanischen Darauf mNaz 3,6 und 7,3 grundsätzlich widersprochen, da ein solches durch „the constant exposure to defilement in a Gentile environment“ nicht durchführbar gewesen wäre. Dass dies aber aus rechtstheoretischer und -praktischer Sicht möglich war und auch durchgeführt wurde, steht aufgrund einer Vielzahl rabbinischer Zeugnisse über naziräatsgebundene Diasporajuden außer Frage. Vgl. z.B. m Naz 3,6; t Naz 1,5. Conzelmann 1972: 117 nimmt an, Paulus habe vor der Inauguration des Gelübdes nochmals die Haare geschnitten, wobei Lukas dies dann schon als Teil des Gelübdes angesehen habe. So auch Foaks Jackson und Lake 1933: 230 und in Anlehnung an Conzelmann Tomes 1995: 190–191 und Dunn 1996: 246. 517 Vgl. Haenchen 1977: 520–521; Conzelmann 1972: 117; Fitzmyer 1998: 633. Da Gelübde mit Haaropfern und Scherritualen auch in paganen Kulten des Mittelmeerraums weit verbreitet waren (vgl. oben 4 1.3), dürfte der Verweis auf den observanten Paulus auch für die nichtjüdische Leserschaft der Apostelgeschichte ein klares Indiz dafür gewesen sein, dass über die fromme Natur des Paulus kein Zweifel bestand (vgl. Tomes 1995: 193). 518 Gottesfürchtige in dem Maße als das auch diese in der Apostelgeschichte oft als Adressaten für missionarische Bestrebungen des Apostels Paulus angesprochen werden. Diese sich zum Judentum hingezogen fühlende Gruppe könnte auch im Ausstrahlungsbereich der ersten christlichen Gemeinden liegen und von Lukas in besonderer Weise bedacht sein. Vgl. dazu Davila 2005: 23–37. 519 Vgl. Davila 2005: 38–47. 520 So zumindest nach der Selbstdarstellung des Lukas in Lk 1,3–4. 521 Zur Frage nach Rezeption und Stellung jüdischer Vorstellungen und Traditionen im lukanischen Doppelwerk vgl. Jervell 1972 und Schaefer 2012. Die Heilige Schrift Israels in
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stellungen Zahn zum Urteil veranlassen, dass Lukas „ein besserer Zeuge als die ganze rabbinische Tradition“522 sei, dann ist dieser leider wiederum von der anderen Seite vom Pferd gefallen. Man wird sicher gut daran tun, den Autor des lukanischen Doppelwerks und die Traditionen der Rabbinen nicht gegeneinander auszuspielen, da die rabbinische Literatur selbst bloß selektiv einen Ausschnitt aus dem mannigfaltigen Bild antik-jüdischer Naziräatstraditionen bietet und daher auch mit Vorsicht zu gebrauchen ist. Mit der Verankerung von Apg 18,18 im Kontext der letzten missionarischen Bestrebungen des Paulus liegt es nahe, dass die Notiz über das Scheren der Haare die Erzählung von der Ausweihung in Apg 21,21–27 vorbereiten soll.523 Ohne die Erwähnung des zeitlich begrenzten Naziräats hätte die spätere Erzählung vom Besuch des Tempels in Apg 21, bei dem Paulus den Naziräat schließlich ausweihen konnte, unvermittelt geschehen müssen. Anders als in Apg 21,24, wo Lukas das Scheren der Haare am Tempel mit dem Verb ξυράομαι wiedergibt und dort sicher metonymisch auf die gesamte Ausweihung Bezug nimmt,524 wählt er in Apg 18,18 κείρομαι, das im Neuen Testament für das Schneiden menschlicher Haare nur noch einmal in 1. Kor 11,6 zum Ausdruck eines profanen Akts herangezogen wird. ξυράομαι hingegen kann sowohl das Scheren der Haare in profanen525 als auch in sakralen Vollzügen beschreiben, wenn es z.B. in 𝔊 als Übersetzung für das hebräische גלחin Num 6,9 die Haarrasur beim Purifikationsritual nach Verunreinigung an einem Toten und in Num 6,18–19 das Scheren der Haare zur Ausweihung beschreibt.526 Durch die Verbindung mit εὐχή werden beide Formen des Haarscherritus als eine religiösrituelle Handlung ausgewiesen.527 Vor dem Hintergrund des unterschiedlichen Gebrauchs der Verben κείρομαι und ξυράομαι ließe sich vielleicht mit Vorbehalt argumentieren, dass Lukas die Darstellung der Ereignisse in Apg 18,18 noch der Form der 𝔊 spricht Theobald 2006: 178 sogar als den Prätext des lukanischen Doppelwerks an. Dies wird zum einen am sprachlichen Stil des Lukas ersichtlich, der sich in Vokabular und Idiomatik an die 𝔊 anlehnt, und zum anderen an den vielen Zitaten, die er derselben mal wörtlich mal paraphrasierend entnommen hat (vgl. dazu Klein 2006: 47; ferner Steyn 1995). Dass Lukas vor diesem Hintergrund die jüdischen Traditionen, wie sie ihm im Itinerar zum Gelübde in 18,18 und 21,21–27 nur abbreviaturartig überkommen sind, nicht den gesetzlichen Bestimmungen aus Num 6 habe zuordnen können, wie dies von Conzelmann 1972: 131, Haenchen 1977: 521 Anm. 2 und Schille 1989: 368 suggeriert wird, erscheint mir abwegig. 522 Zahn 1921: 741. 523 Ähnlich Stolle 1973: 76–77. 524 Vgl. z.B. auch oben 4 1.2.3.4. 525 Es wir zusammen mit κείρομαι in 1. Kor 11,6 erwähnt. Vgl. auch Gen 41,14; Dtn 21,12. 526 Vgl. auch Josephus, Ant 19,294 und Bell 2,313. 527 Vgl. Horn 1997: 119.
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nicht als Teil der Ausweihung des Gelübdes verstanden wissen wollte, sondern als den Abschluss der Zählung seiner Naziräatstage. Diese Annahme wird auch durch das Imperfekt εἶχεν gestützt, dessen durativer Aspekt in dem Fall den Fortbestand bzw. das noch nicht Abgeschlossensein des Gelübdes ausdrücken würde. Das Aorist-Partizip κειράμενος würde schließlich den effektiven Aspekt der Verbalhandlung ausdrückend den vorläufigen Endpunkt der Naziräatsobligationen beschreiben.528 Die bisweilen referierte Meinung, das Scheren der Haare hätte nur im Jerusalemer Tempel und nicht außerhalb desselben geschehen dürfen, ist eine Sicht, die bereits in rabbinischen Quellen nicht widerspruchsfrei diskutiert wird. So wird man auf der Grundlage von tNaz 4,6 ()אין האשה משלחת תחת הדוד schon einmal speziell im Fall von Frauen, die den Naziräat auf sich genommen haben, annehmen dürfen, dass diese sich nicht die Haare im Tempel geschoren haben, sondern das Scheren außerhalb, möglicherweise zuhause vor dem Gang bzw. vor dem Reiseantritt zum Tempel verrichtet haben, um kein Ärgernis für die diensthabenden Priester darzustellen.529 Ein weiteres Zeugnis, dass die Möglichkeit der Rasur außerhalb des Tempels bezeugt, ist mNaz 6,8 ()ואם גילח במדינה היה משליח תחת הדוד. Dort wird unter Verweis auf einen Fall, bei dem ein Naziräer die Rasur außerhalb von Jerusalem, in einem mit מדינהnäher spezifizierten Bereich vorgenommen hat, die Notwendigkeit betont, dass dieser das geschorene Haar mit sich führen muss, um es dann am Tempel unter den dort vorgesehen Kessel des Abschlussopfers ins Feuer zu werfen. In einer weiteren Parallelstelle zu mNaz 6,8 in Sif Num § 35 zu 6,18 (p. 98,11–12 Kahana) wird diese Unsicherheit umgangen und anstelle von במדינהder Begriff „( בגבוליןin[nerhalb der halachischen] Grenzen [Israels]“) gebraucht. Weitaus überraschender als die Möglichkeit, den Ort der Haarrasur auch außerhalb Jerusalems zu wählen, dürfte allerdings das Zugeständnis der Rabbinen in mMen 13,10 sein, in dem sie den Diasporajuden Ägyptens die Rasur und Ausweihung des Gelübdes sogar am Tempel des Onias in Leontopolis unter der Voraussetzung gestatten, dass dies im Wortlaut der Naziräatsinaugurationsformel zur Bedingung gemacht wird. Folglich bezeugt auch dieser Fall, selbst wenn die gesamte kultische Ausweihung an einen anderen Tempel verlegt wird, die prinzipielle Möglichkeit, das Haar auch außerhalb des Landes Israel zu scheren. Zudem wird offenkundig, dass man der gelobenden Person große Freiheit bei der Formulierung der Gelübdeversprechung zugestand.530 Dies war sicher dem Umstand geschuldet, dass Num 30,3 keine Bedingungen 528 Vgl. Horn 1997: 120. 529 So zumindest die spätere talmudische Deutung in bNaz 45b. 530 Vgl. Chepey 2005: 163.
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an den Wortlaut des Gelübdes stellt, sondern die Einhaltung des im Wortlaut geäußerten Versprechens zur Bedingung für die erfolgreiche Umsetzung des Gelübdes macht. Vor dem Hintergrund der Ausweihungsbestimmungen aus Num 6,18, die den Geweihten das Scheren der Haare explizit am Eingang der Stiftshütte auftragen, was im Zweiten Tempel nach mMidd 2,5 im südöstlichen Vorhof der Frauen verortet war, ist bereits die in rabbinischen Quellen dokumentierte Möglichkeit, das Haupt außerhalb Jerusalems zu scheren, ein Novum, das der Erklärung bedurfte. Vorschub für die Ablösung der geographischen Bindung weg vom Jerusalemer Tempel leistete auch die semantische Verschiebung des Begriffs לגלח. Damit brachte man in späterer Zeit nicht mehr nur wie in Num 6,18 ausschließlich das Scheren der Haare in Verbindung, sondern pars pro toto das Ausweihungsritual mit der Darbringung der Opfer insgesamt, sodass das Scheren auch schon zeitlich im Voraus erlaubt wurde.531 D.h. abweichende Sondertraditionen hatten sich bereits zur Zeit des Zweiten Tempels als Anpassung an die Entwicklungen der Bevölkerungszusammensetzung in Palästina und die Herausforderungen der Juden in der Diaspora herauskristallisiert. Die Kenntnis dieser alten Traditionen macht sich an den Stellen in der rabbinischen Traditionsliteratur bemerkbar, wo sie dokumentiert und durch Kunstgriffe rabbinischer Auslegungsmethodik mit der Aussageabsicht der biblischen Texte harmonisiert werden.532 Was nun das Scheren der Haare in der am Saronischen Golf gelegenen Hafenstadt Kenchreä, die sich an der Judäa zugewandten Küste der Peloponnes befindet, anbelangt, so lässt sich vor dem Hintergrund von tHal 2,11 und tTer 2,12 argumentieren, dass Paulus dies בגבולין („in[nerhalb] der halachischen Grenzen [des Landes Israel]“) vollzogen hat.533 Was den Aufbruch des Paulus nach Syrien betrifft, so hatte dieser wohl Caesarea Maritima, Antiochia und vielleicht auch Jerusalem534 zum Ziel, wo das Gelübde eigentlich ausgeweiht werden musste. Die Tatsache, dass der vorläufige Endpunkt der dritten Missionsreise in Apg 20,3 und 21,3 eher unspezifisch mit Syrien wiedergegeben wird und der Endpunkt der Reise tatsächlich Jerusalem darstellt, würde es nahelegen, auch mit dem Verweis auf Syrien in Apg 18,18 Palästina und Jerusalem als mögliche Teile der Reiseroute zu verstehen. Hinzu kommt, dass Paulus und seine Begleiter die Reiseroute nach Jerusalem in Apg 21,8–15 auch über Caesarea nehmen.535 Der Hinweis auf das Hinaufsteigen 531 Vgl. oben 3 1.4.4.1. 532 Vgl. Sif Num § 35 zu 6,18 (p. 98,10–12 Kahana); sowie die Ausführungen dazu unter 4 1.4.4.1. 533 Vgl. dazu die Ausführungen unter 4 1.4.4.2. 534 Vgl. Löhr 2015: 1172. 535 Horn 1997: 118 hat auf die Diskrepanz verwiesen, dass Caesarea zur Zeit des Paulus zum prokuratorisch-verwalteten Judäa und nicht zur Provinz Syrien zählte. Ferner wäre nicht
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und das Grüßen der Gemeinde in Apg 18,22b könnte dann als Verweis auf die Jerusalemer Gemeinde gedeutet werden,536 aber auch schlicht den Aufgang vom Hafen zur Stadt und damit die Gemeinde in Caesarea meinen.537 Für die letzte Möglichkeit wäre aber dann erklärungsbedürftig, warum Lukas vom Hinabgang nach Antiochia sprechen musste, das von Caesarea aus gesehen eigentlich um einiges höher gelegen war.538 F. Overbeck hat diesbezüglich noch versucht geltend zu machen, dass das lukanische Reiseschema die Missionsreisen immer in Antiochia starten (Apg 13,1; 15,35; 18,22b) und dann mit einem Besuch in Jerusalem (Apg 15,4; 18,22b; 21,8–15) abschließen lässt.539 Von einer Ausweihung des Gelübdes vor der dritten Missionsreise, von der im Abschnitt Apg 18,23–21,26 berichtet wird, erfahren wir allerdings nichts. Verzichtet Lukas vielleicht auf die explizite Nennung und beschreibt das Ziel nur andeutungsweise, um nicht den Eindruck zu erwecken, Paulus hätte schon die Möglichkeit zur Ausweihung wahrnehmen können?540 Spekulieren ließe sich über die Auslassung des genauen Reiseziels sicher viel. Lässt man die Reisebegleiternotiz in Apg 18,18 einmal wegen der Befürchtung ihrer sekundären Einfügung außer Acht, so ergibt sich, dass mit der Einführung des Gelübdes in Apg 18,18 und seiner angestrebten Ausweihung in Apg 21,21–27 eine Rahmung intendiert ist, die die letzte Missionsreise des Paulus bis zu seiner tumultartigen Ergreifung in ein besonderes Licht stellt. Das missionarische Wirken des Paulus auf seiner letzten Reise hätte damit unter dem besonderen Vorzeichen
klar, ob Lukas hier versucht, den Sprachgebrauch zur Zeit des Paulus oder seiner eigenen Zeit zu treffen. Es erscheint mir allerdings fraglich, ob beim ausgewiesenen Reiseziel, Syrien, zwingend vom direktesten Weg, also einer Landung in der Hafenstadt Seleuzia, Berytus oder Tyrus ausgegangen werden muss. Dass Caesarea und möglicherweise auch Jerusalem als Zwischenstationen auf der Reise nach Syrien, genauer Antiochien, lagen, muss m.E. nicht über die Maßen problematisiert werden. 536 Zum absoluten Gebrauch von ἡ ἐκκλησία vgl. Apg 5,11; 8,3; 12,1.5; 14,27; sowie Roloff 1980: 1005. Stolle 1973: 78–79 Anm. 94 hat die Spannungen in 18,18–22 und im Abschnitt 21,18– 26 mit seinem näheren Kontext dadurch zu erklären versucht, dass 21,23–24a.26–27a vormals eigentlich an 18,22 anschloss. Die Abtrennung der Ausweihung von 18,18–22 hätte nach Stolle den Zweck gehabt, den letzten Jerusalembesuch des Paulus als Zeichen des „demonstrativen Erweises seiner bleibenden Gesetzestreue“ zu gestalten. 537 Vgl. Schille 1989: 368. 538 So auch Horn 1997: 120–121. 539 Vgl. Overbeck 1870: 189–190. Ein möglicher Besuch in Jerusalem passt allerdings nicht so recht mit den Aussagen der Verteidigungsrede des Paulus vor Felix in Apg 24,17 zusammen, in der er davon spricht, dass zwischen dem letzten in Apg 21,21–27 geschilderten Besuch in Jerusalem und dem vorausgehenden bereits viele Jahre vergangen waren. 540 Witherington 1998: 559 geht dennoch von der Ausweihung des Gelübdes im Zusammenhang des möglichen Besuchs in Jerusalem in 18,22 aus.
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des Abgesondertseins für Gott gestanden. So gelesen wäre Paulus sogar bis an sein Lebensende ein Naziräer geblieben. 1.5.6.2
Die Übernahme der Ausweihungsopfer für vier Naziräer durch Paulus in Apg 21,21–27 Eine weitere Erwähnung des Naziräats lässt sich in Apg 21,21–27 ausmachen, wo gleich von vier geweihten Naziräern die Rede ist, die kurz vor ihrer Ausweihung stehen und denen Paulus bei dieser Unternehmung durch das Aufbringen der Ausweihungsopfer unter die Arme greifen soll. Der Völkerapostel ist während der dritten Missionsreise in Jerusalem mit dem Ziel angekommen, die Kollektensammlung an die Bedürftigen der Jerusalemer Gemeinde zu übergeben. Die Stimmung ihm gegenüber scheint unter jüdischen Gruppen in Jerusalem an einem Tiefpunkt angelangt zu sein. Der noch in Apg 15 wegen seiner Gemeindegründungen und Missionserfolge in Kleinasien gefeierte Apostel hat Jahre später wegen seiner beschneidungsfreien Völkermission und seiner angeblichen Verkündigung unter den Diasporajuden,541 dass es in Gottes Heilsplan der Beschneidung ihrer Söhne nicht mehr bedarf, den Unmut jüdischer Gesetzeseiferer auf sich gezogen. Die Nachrichten über den Inhalt der paulinischen Missionspredigt unter den Juden in der Diaspora sind dem reisenden Apostel sprichwörtlich vorausgeeilt und haben in Jerusalem für reichlich Unverständnis gesorgt. Wohlwollen scheint Paulus allein noch unter den Jerusalemer Ältesten zu genießen, die ihm einen öffentlichen Beweis seiner Gesetzestreue wie folgt anraten: 21 κατηχήθησαν δὲ περὶ σοῦ ὅτι ἀποστασίαν διδάσκεις ἀπὸ Μωϋσέως τοὺς κατὰ τὰ ἔθνη πάντας Ἰουδαίους λέγων μὴ περιτέμνειν αὐτοὺς τὰ τέκνα μηδὲ τοῖς ἔθεσιν περιπατεῖν. 22 τί οὖν ἐστιν; πάντως ἀκούσονται ὅτι ἐλήλυθας. 23 τοῦτο οὖν ποίησον ὅ σοι λέγομεν· εἰσὶν ἡμῖν ἄνδρες τέσσαρες εὐχὴν ἔχοντες ἐφ᾽ ἑαυτῶν.542 24 τούτους παραλαβὼν ἁγνίσθητι σὺν αὐτοῖς καὶ δαπάνησον ἐπ᾽ αὐτοῖς ἵνα ξυρήσονται τὴν κεφαλήν, καὶ γνώσονται πάντες ὅτι ὧν κατήχηνται περὶ σοῦ οὐδέν ἐστιν ἀλλὰ στοιχεῖς καὶ αὐτὸς φυλάσσων τὸν νόμον. 25 περὶ δὲ τῶν πεπιστευκότων ἐθνῶν ἡμεῖς ἐπεστείλαμεν κρίναντες φυλάσσεσθαι αὐτοὺς τό τε εἰδωλόθυτον καὶ αἷμα καὶ πνικτὸν καὶ πορνείαν. 26 Τότε ὁ Παῦλος παραλαβὼν τοὺς ἄνδρας τῇ ἐχομένῃ ἡμέρᾳ σὺν αὐτοῖς ἁγνισθείς, εἰσῄει εἰς τὸ ἱερὸν 541 Dies wird zumindest textimmanent auch durch Passagen wie Apg 13,14–41 und 14,1 bestätigt. 542 א, B, bo und Or lesen ἀφ᾽ ἑαυτῶν („aus freien Stücken“), was Haenchen 1977: 583 Anm. 3 für eine griechische Deutung der für den Korrektor als eigentümlich wahrgenommenen 𝔊-Formel hält. Vielleicht wird man hinter der Deutung auch die Kenntnis des נזיר נדבה („freiwilligen Naziräer“; vgl. mNaz 2,8) vermuten dürfen.
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διαγγέλλων τὴν ἐκπλήρωσιν τῶν ἡμερῶν τοῦ ἁγνισμοῦ ἕως οὗ προσηνέχθη ὑπὲρ ἑνὸς ἑκάστου αὐτῶν ἡ προσφορά. 27 Ὡς δὲ ἔμελλον αἱ ἑπτὰ ἡμέραι συντελεῖσθαι, οἱ ἀπὸ τῆς Ἀσίας Ἰουδαῖοι θεασάμενοι αὐτὸν ἐν τῷ ἱερῷ συνέχεον πάντα τὸν ὄχλον καὶ ἐπέβαλον ἐπ᾽ αὐτὸν τὰς χεῖρας 21 Man hat ihnen aber über dich kundgetan, dass du alle Juden, die unter den Nationen sind, die Abkehr von Moses lehrst, indem du sagst, dass sie die Kinder nicht mehr beschneiden und nicht nach den Sitten leben sollen. 22 Was ist nun (zu tun)? Sie werden auf jeden Fall hören, dass du gekommen bist. 23 Tue nun dies, was wir dir sagen: Wir haben vier Männer, die haben ein Gelübde auf sich (genommen). 24 Diese nimm und reinige dich mit ihnen und wende (die Ausweihungskosten) für sie auf, damit sie das Haupt scheren lassen. Und alle werden erkennen, dass nichts an dem ist, was ihnen über dich berichtet worden ist, sondern dass du im Einklang mit dem Gesetz wandelst und es befolgst. 25 Bezüglich aber der Gläubigen (aus den) Nationen haben wir geschrieben und entschlossen, dass sie sich sowohl vor Götzenopfer als auch vor Blut und Ersticktem und Unzucht in Acht nehmen sollen. 26 Darauf nahm Paulus die Männer zu sich und nachdem er am folgenden Tag die Reinigung mit ihnen begonnen hatte, ging er in den Tempel hinein. Er kündigte die Erfüllung der Tage der Reinigung an, bis für jeden von ihnen das Opfer dargebracht wurde. 27 Als aber die sieben Tage im Begriff waren, zu Ende zu gehen, sahen ihn die Juden aus Asien im Tempel und versetzten das ganze Volk in Verwirrung und legten Hand an ihn. Das von den Ältesten der Jerusalemer Gemeinde angeratene Vorgehen scheint Paulus überzeugt zu haben. Durch die Übernahme der Ausweihungskosten der vier Naziräer soll Paulus seine Toratreue unter Beweis stellen. Da das Wochenfest unmittelbar bevorzustehen scheint (Apg 20,16)543 soll Paulus damit sicher zur in Dtn 16,9–11 gebotenen Festfreude beitragen, indem er für alle vier Naziräer die Besorgung der kostspieligen Opfer übernimmt.544 Die Initiative der Ältesten in Apg 21,25, Paulus wohl öffentlich als einen Missionar unter den Völkern auszuweisen, der sich an die Richtlinien des Aposteldekrets hält, soll im Unterschied zur Evangeliumsverkündigung an den Juden die gesetzlichen Minimalforderung gegenüber den an Jesus gläubig gewordenen Nichtjuden 543 Nach 1. Makk 3,49; Philo, SpecLeg 1,248.252 und Josephus, Ant 4,70–72 ist Apg 21,21–27 der vierte Zeuge für die besondere Verbindung des Naziräats mit dem Wochenfest. 544 Zur Armenfürsorge am Wochenfest vgl. auch Tob 2,2; sowie zur Festfreude im rabbinischen Schrifttum Strack-Billerbeck II: 143–144.
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bezeugen. Wenn Paulus also von den Bestimmungen des mosaischen Gesetzes in seiner Verkündigung abweicht, dann betrifft dies allein den Inhalt der Missionspredigt gegenüber den Völkern, der aber von den Aposteln während des Konvents in Apg 15 einmütig in Jerusalem bestätigt worden ist.545 Was die lukanischen Anspielungen auf das Reinigungs- und Ausweihungsritual anbelangt, so haben diese in den Kommentarwerken zur Apostelgeschichte rege Diskussionen ausgelöst, inwieweit Paulus 1) erst in den Naziräat eintreten und sich dann nach Ablauf von sieben Tagen mit den vier anderen Naziräern ausweihen soll, ob er 2) gar selbst noch unter den Naziraätsverpflichtungen seiner zweiten Missionsreise steht (vgl. Apg 18,18), oder 3) auf seiner dritten Missionsreise den Naziräat erneut auf sich genommen hat und daher im Zusammenhang von Apg 21,21–27 ein Reinigungsritual am Tempel vollziehen muss, da er kurz zuvor erst aus der Diaspora nach Palästina zurückgekehrt ist. Im Mittelpunkt unserer Untersuchung werden daher die Anweisungen der Ältesten der Jerusalemer Gemeinde an Paulus in Apg 21,24 und der Vollzug der Anweisungen in 21,26–27 stehen. Als erste Anweisung raten die Ältesten Paulus an, τούτους παραλαβών („diese [, d.h. die vier Männer, zu sich zu] nehmen“). Nach rabbinischer Vorstellung war es dabei auch nötig, dies als separate Selbstverpflichtung anzuzeigen,546 weshalb man vielleicht auch hier annehmen darf, dass Paulus die Verpflichtung zur Übernahme der Ausweihungskosten in Gegenwart von Zeugen, allen voran vor den vier Männern, bekundet hat. Fortzufahren sei sodann mit einem gemeinsamen Reinigungs- oder Weiheritual547 (ἁγνίσθητι σὺν αὐτοῖς).548 545 Die Erwähnung der gesetzlichen Minimalforderungen des Aposteldekrets scheint an dieser Stelle dennoch etwas unplatziert. Es geht eben gerade nicht um die beschneidungsfreie Völkermission, sondern um den gegen Paulus gerichteten Vorwurf, er habe auch den Juden der Diaspora die Abkehr vom Gesetz des Mose in der Form gepredigt, dass auch sie ihre Kinder nicht mehr zu beschneiden bräuchten oder vielleicht auch sollten. 546 Vgl. tNaz 2,4–7. 547 1QS 3,4.9 bezeichnet die Reinigung mit Reinigungswasser als Heiligung. 548 Bachmann 1980: 317 hat angenommen, dass allein Paulus ein Reinigungsritual vollziehen müsse und die vier Naziräer im Zustand der Reinheit noch solange auf ihre Ausweihung warten müssten, bis Paulus die Purifikation an sich vollendet hätte. Dass sich die vier Naziräer nicht im Stand der Totenunreinheit befänden, schließt Bachmann u.a. daraus, dass für ein siebentägiges Reinigungsritual nach Num 6,9 und 19,11–12 das Besprengen mit Reinigungswasser am dritten Tag hätte Erwähnung finden müssen. Ferner gibt er mit Verweis auf Grundmann 1964: 767–798 zu bedenken, dass die Präposition σύν in der Koine häufig an die Stelle eines μετά getreten sei, das als casus obliquus den Genitiv nach sich ziehe und eine Wiedergabe der Phrase σὺν αὐτοῖς mit „ihnen bei“ im Sinne von „ihnen gleich“ möglich mache. Die Belegstellen Lk 2,13 und Apg 8,31, auf die Bachmann mit dem Hinweis auf eben diese spezielle Art der lukanischen Verwendung der Präposition verweist, gebrauchen σύν aber im lokalen Sinne, und dann wäre freilich zu fragen, wie ein
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Soll Paulus sich zum Naziräer weihen, wobei er sich aus der Diaspora kommend erst reinigen muss? Dass ἁγνισμός den Naziräat selbst beschreiben soll, in den Paulus erst zusammen mit den anderen vier Naziräern eintritt, wäre mehr als erklärungsbedürftig. Von einem siebentägigen Naziräat ist sonst nirgends die Rede.549 Allerdings dürfte die Festlegung auf die dreißigtägige Mindestdauer des Naziräats in rabbinischen Quellen ein Hinweis dafür sein,550 dass es auch als unbefriedigend wahrgenommene Abweichungen von dieser Regel gab, für die dann eine Mindestdauer festgelegt wurde. Da aber Josephus in Bell 2,313 bereits die dreißigtägige Befristung des Naziräats als etablierten Brauch bezeugt, dürfte sich dieser schon zur Spätzeit des Zweiten Tempels durchgesetzt haben. Wenn es sich also nicht um ein Weiheritual des Paulus handelt, dann ist zu klären, welches Reinigungsritual Lukas hier vor Augen hat und welcher Art von Verunreinigung Paulus und die vier Naziräer ausgesetzt waren. Warum Lukas nicht einfach ἁγνίσθητε („reinigt euch“) formuliert, mag vielleicht verwundern. Doch wird man dem σὺν αὐτοῖς entnehmen dürfen, dass der Rat auf das gemeinsame Auftreten und Sich-sehen-lassen abzielen soll, um im gemeinschaftlichen Handeln ein Zeugnis der Gesetzestreue ablegen zu können. Paulus ist demnach angehalten, nicht allein die Ausweihungsopfer zu besorgen, sondern sich auch mit den vier gesetzestreuen Naziräern, die sich zu diesem Moment an die Jerusalemer Urgemeinde halten, sehen zu lassen. Als gemeindlichen Herkunftsort der vier Naziräer, denen sich Paulus auf Ratschluss der Ältesten hin anschließen soll, wird man sicher die Jerusalemer Gemeinde selbst oder eine Hausgemeinde in ihrem näheren judäischen Ausstrahlungsgebiet identifizieren können. Dafür spricht zumindest der dativus possessoris der Wendung εἰσὶν ἡμῖν ἄνδρες τέσσαρες, der die vier Geweihten als
solches „reinige dich bei ihnen“ zu verstehen ist. Will Bachmann, wie Horn 1997: 131 ihn anscheinend versteht, die Phrase modal begreifen, d.h. im Sinne von „reinige dich ihnen gleich“? Einen solchen modalen Bedeutungsgehalt der Präposition μετά verzeichnet der von Bachmann aufgeführte Zeuge Grundmann aber gerade nicht. Nach Grundmann 1964: 771–772 lässt sich in der Koine für μετά mit der Bedeutung „in Gemeinschaft mit jmd. sein bzw. handeln“ ein soziativer und mit „vermittels, verbunden mit“ ein instrumentaler Gebrauch ausmachen. Unter Punkt B. II. 4. versammelt er außerdem Fälle, in denen μετά mit einem Sachbegriff im Genitiv eine adjektivische oder adverbielle Wiedergabe nahelegt. Aus diesen Gründen wird man annehmen dürften, dass die Konstruktion aus σύν und soziativem Dativ das gemeinsame Handeln der vier Naziräer und Paulus ausdrücken soll. 549 Haenchen 1977: 585 möchte aufgrund der Deutungsschwierigkeiten des Begriffs ἁγνίζεσθαι den Text „ohne Rücksicht auf die wirklichen jüdischen Bestimmungen“ erklären und dahingehend interpretieren, dass Paulus durch einen „Weihungs- und Heiligungsakt in das Nasiräat der 4“ eingetreten ist. 550 Vgl. mNaz 1,3.
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dem Wirkungskreis der Jerusalemer Urgemeinde zugehörig ausgibt.551 Nun wird man aus diesem angedeuteten Zugehörigkeitsstatus sicher nicht schließen dürfen, dass die vier Naziräer nicht zuvor auch im Ausland hätten verweilen können,552 aus dem sie zur Feier des anstehenden Wochenfestes nach Jerusalem zurückgekehrt waren. Als ungewöhnlichen Zufall wird man dann auch den Umstand, dass zur gleichen Zeit vier Naziräer das Reinigungsritual und die Ausweihung553 durchlaufen müssen, nicht ansehen dürfen. Zum einen ist der Naziräat vor allem im Zusammenhang des Wochenfestes von Pilgern abgeleistet worden, die sich sicherlich gemeinsam in Gruppen organisierten,554 und zum anderen wissen auch die Briefe des Paulus selbst davon zu berichten, dass die Jerusalemer Gemeinde bisweilen Boten555 zu den Gemeindeneugründungen in der Diaspora entsandten.556 Der letzte Ratschlag der Ältesten, ἵνα ξυρήσονται τὴν κεφαλήν („damit sie das Haupt scheren lassen [können]“), betrifft die letztendliche Ausweihung der Naziräer selbst. Dass Paulus die Reinigung allein aus Solidaritätsbekundung mit über sich hat ergehen lassen, wird man daraus nicht entnehmen können.557 Paulus soll für die Kosten der 551 Vgl. Horn 1997: 129; Rius-Camps und Read-Heimerdinger 2009: 196. 552 Dies wird allerdings von Horn 1997: 130 in Frage gestellt, der stattdessen auf Bachmann 1980: 319–321 und seine Wiedergabe von σὺν αὐτοῖς mit „ihnen bei“ verweist. 553 Shemesh 2019: 100 hat zurecht darauf hingewiesen, dass nicht vorausgesetzt werden muss, dass die vier Naziräer ihr Gelübde zur gleichen Zeit und auch nicht mit der gleichen abzuleistenden Dauer inauguriert haben. Wenn die Tage der Naziräatsweihe abgelaufen sind, obliegt es dem Geweihten selbst, sich auf den Weg nach Jerusalem zu begeben, um sich dort auszuweihen. 554 Vgl. z.B. Lk 2,44. 555 Vgl. Gal 2,11–13. 556 Wenn die vier Naziräer gemeinsam zum Wochenfest nach Jerusalem gepilgert sind, dann wäre es durchaus vorstellbar, dass in einer auf dem Wallfahrtsweg liegenden Unterkunft unversehens ein Todesfall zu beklagen war und die vier Naziräer dadurch verunreinigt wurden. Diese Vermutung gewinnt an Plausibilität, wenn man bedenkt, dass der Naziräat bei Krankheit (vgl. hierzu oben unter 4 1.2.4.1 die Angaben des Josephus zum Naziräat der Berenike in Bell 2,313–314) inauguriert wurde, wobei je nach Schwere der überstandenen oder auch noch abklingenden Krankheit die Strapazen der Wallfahrt auch zum Tod des Wallfahrers führen konnten. Eine weitere Kontaktmöglichkeit mit Totenunreinheit dürfte im Brauch liegen, die Gebeine von in der Diaspora verstorbenen Judäern zur Beisetzung nach Judäa bzw. Jerusalem zu überführen (so Aristobulos II nach Josephus, Bell 1,184; Helena von Adiabene nach Ant 20,95; Matatai bar Jehud nach CIIp I/1 Nr. 55; oder Amka [?] nach CIIp I/1 Nr. 225; vgl. dazu Shenkar 2014; Safrai 2018: 217–219; dagegen eher kritisch Gafni 1997: 79–95), was sicher logistisch auch mit einer Wallfahrt nach Jerusalem verbunden werden konnte. 557 Dass Paulus das Reinigungsritual aus Solidarität mitgemacht hat und für sich ein Sündopfer und ein Brandopfer hat schlachten lassen (vgl. Num 6,9–12), wie dies Tomes 1995: 196 andeutet, ist abwegig. Die Schlachtung von profanen Tieren, d.h. von Tieren ohne
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Opfer aufkommen, wofür er sich zumindest nach rabbinischem Verständnis selbst erneut mit einem Gelübde hätte bindend verpflichten müssen.558 Für jeden von ihnen ist das in Num 6,14–15 festgesetzte Brandopfer, Sündopfer, Abschlussopfer, die ungesäuerten Fladen und Kuchen sowie die dazugehörigen Trank- und Speiseopfer zu besorgen und darzubringen. In 21,26 wird sodann von der wortgetreuen Durchführung des an Paulus ergangenen Ratschlags berichtet. Wichtig für die genaue Rekonstruktion der Ereignisfolge im Plot der Erzählung wird es sein, die Zeitadverbien den verschiedenen Verbalhandlungen des Verses zuzuweisen. Paulus nimmt die Männer auf Anraten der Ältesten daraufhin (τότε)559 zu sich und beginnt den Reinigungsprozess am darauffolgenden Tag (τῇ ἐχομένῃ ἡμέρᾳ).560 Als problematisch, so merkt Horn in diesem Zusammenhang an, erscheint allerdings der Gebrauch des Partizip Aorist ἁγνισθείς, der angeblich voraussetze, dass Paulus „am folgenden Tag vor dem Tempelgang gemeinsam mit den Naziräern eine einmalige Reinigung vollzogen habe“.561 Will man allerdings die Reinigung nicht als ein in einem Moment vollzogenes Ereignis verstehen, was für den Ablauf jüdischer Reinheitsriten auch nicht angemessen ist,562 dann wird ἁγνισθείς ingressiv als Beginn des Reinigungsrituals zu deuten sein, dass dann in 21,27 kurz vor seiner Vollendung steht.563 Dann wäre aber immer noch erklärungsbedürftig, warum Paulus bereits den Tempel betreten darf, obwohl er das Reinigungsritual noch nicht vollendet hat,564 bzw. warum er später in Apg 24,18, sagen kann, dass er schon vor Ablauf sakralen Verwendungszweck, ist im Tempel zumindest aus rabbinischer Sicht verboten (mAZ 5,9; mTem 7,4; bKid 57b/58a). 558 Vgl. die Wendung הרי עלי לגלח נזירin tNaz 2,4–7. 559 Vgl. Blass-Debrunner-Rehkopf § 459 Nr. 2. 560 Vgl. Blass-Debrunner-Rehkopf § 241 Nr. 2 mit Anm. 3. 561 H orn 1997: 131. 562 Man denke hier nur einmal an den bis zum Abend andauernden Reinigungsprozess bei an Ausfluss Leidenden (vgl. Lev 15) oder an das sich über sieben Tage hinziehende Reinigungsritual bei Verunreinigung an Toten (vgl. Num 19). 563 Zu einem ähnlichen Schluss kommt Bruce 1990: 448, wenn er schreibt, dass ἁγνισθείς den „first step in the week-long purificatory process“ andeute. Dass Paulus ähnlich wie die vier Naziräer eine einwöchige Reinigung aufgrund der Rückkehr aus der Diaspora vollziehen muss, meint Dunn 1996: 287. 564 Diese Beobachtung veranlasst Shemesh 2019: 99–100 mit Anm. 10 zu der Annahme, dass Paulus und die vier Naziräer kein siebentägiges Reinigungsritual, sondern nur eine einmalige Reinigung im Tauchbad vollziehen. In diesem Zusammenhang ist auf Regev 2005 zu verweisen, der in seiner Untersuchung zur Bedeutung der am Tempel gelegenen Tauchbäder die These vertritt, dass diese dem Zweck einer „extra-purification of an already ritually pure person“ (Regev 2005: 194) gedient haben. Nach Shemesh ist der Vermerk des baldigen Ablaufs von sieben Tagen dann auch nicht als Hinweis auf die siebentägige
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der sieben Tage gereinigt war.565 Aus der Wendung εἰσῄει εἰς τὸ ἱερόν wird man wohl auch nicht entnehmen dürfen, dass Paulus bloß „zum“ Tempel gegangen ist, ohne ihn zu betreten. Dass Lukas über die Voraussetzung kultischer Reinheit für den Eintritt ins Heiligtum nicht im Detail in Kenntnis gesetzt war, wird man auch nicht so einfach sagen können, da er in 21,28–29 vom Aufruhr berichtet, der aufgrund der falschen Beschuldigung losbrach, Paulus habe einen Nichtjuden mit in die inneren Vorhöfe des Tempels geführt und diese damit verunreinigt.566 Der Vorschlag, den Begriff ἱερόν nicht zu eng fassen zu dürfen, also darin den gesamten Tempelbezirk mit dem Vorhof der Heiden inbegriffen zu sehen, in den auch mit Totenunreinheit Behaftete eintreten durften, löst diese Schwierigkeit ebensowenig, da aus 21,28 ersichtlich wird, dass ἱερόν den Teil des Tempels mit seinen inneren Vorhöfen meint, in die Nichtjuden nicht eintreten dürfen.567 Aus dem zuvor Gesagten ist zu schließen, dass Paulus und die vier Männer unterschiedliche Unreinheitsgrade und damit auch Reinigungsrituale zu absolvieren hatten.568 Für Paulus ist damit ein eintägiges und Reinigungsphase von Totenunreinheit zu deuten. Der Vermerk der sieben Tage zeigt nur die Dauer an, die vom ersten Gang zum Tempel bis zur angestrebten Ausweihung verstrichen ist. Mit dieser Deutung erklärt Shemesh freilich nur den Umstand, warum Paulus der Eintritt in den Tempel vor Ablauf der sieben Tage schon wieder gestattet war. 565 Nach mKel 1,8 dürfen mit Totenunreinheit behaftete den Rundgang um den Tempel nicht betreten. Den Vorhof der Frauen dürfen wiederum jene nicht betreten, die das eintägige Reinigungsritual noch nicht abgeschlossen haben. Die spätere rabbinische Tradition in bPes 67a und bNaz 45a diskutiert, ob es dagegen dem mit Totenunreinheit Verunreinigten auch erlaubt war, in den Vorhof der Israeliten einzutreten, da im Lager der Leviten, das dem Vorhof der Israeliten im späteren Tempel entsprechen soll, Mose wohnte, der nach Ex 13,19 die Knochen Josefs mit sich führte. 566 Zu Begrenzung und Gliederung des Tempelbezirks vgl. Josephus, Bell 5,193–194; Ant 15,417; Philo, LegGai 212. 567 Man müsste sonst annehmen, dass Lukas den Begriff in 21,26 im erweiterten Sinne, also auf den gesamten Tempelbezirk ausgedehnt, verstanden wissen wollte und in 21,28 im engeren Sinne, also nur auf die inneren Vorhöfe bezogen, in die nur als durch die Tora als kultfähig ausgewiesene Personen eintreten durften. 568 Dr. Hallel Baitner argumentiert in seinem noch unveröffentlichten Beitrag הזאת מי חטאת לפני כניסה למקדש – עיון מחודש, den er mir dankenswerterweise zur Lektüre bereitgestellt hat, dass Paulus und die vier Naziräer hier ein siebentägiges Reinigungsritual durchlaufen mussten, das, wie Philo in SpecLeg 1,257–262 und 3,205 feststellt, für jeden obligatorisch war, der im Heiligtum opfern wollte. Für ein solches siebentägiges Reinigungsritual, dem sich auch kultisch reine Personen (οὐδὲ τοῖς σφόδρα καθαροῖς ἐφῆκεν εἰσιέναι ἐντὸς ἡμερῶν ἑπτά „er erlaubt auch den ganz Reinen nicht innerhalb der siebentägigen [Reinigung] ins [Heiligtum] einzutreten“) unterziehen mussten, wäre indes auch auf Joh 11,55–12,1 zu verweisen, wo von Festpilgern aus Judäa berichtet wird, dass sie mehr als sechs Tage vor Beginn des Festes nach Jerusalem kamen, um sich zu reinigen (vgl. Bachmann 1980: 318 Anm. 421). Für Paulus, der den Tempel bereits nach Beginn des Reinigungsrituals wieder betreten durfte, muss dann freilich angenommen werden, dass er
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für die vier Männer ein siebentägiges Reinigungsritual verpflichtend gewesen,569 dessen Vollendung Paulus nach Apg 21,26 im Tempel anzeigen musste. Nach rabbinischem Sprachgebrauch wäre demnach Paulus am Tag der gemeinsam einsetzenden Reinigung und dem Gang durchs Tauchbad als ein „( טבול יוםam selben Tag Untergetauchter“) anzusprechen, der dann nach Sonnenuntergang wieder in den Status der Reinheit zurückgekehrt ist.570 Hierbei scheint vorausgesetzt zu sein, dass sich Paulus im Status abgeleiteter Unreinheit ersten Grades befand,571 die entweder vom Kontakt mit den vier Naziräern (Apg 21,26: Τότε ὁ Παῦλος παραλαβὼν τοὺς ἄνδρας)572 oder aber – so ließe sich vielleicht im Zusammenhang der „gemeinsamen“ Reinigung spekulieren – von seiner Teilnahme am Ritual der Verbrennung der roten Kuh zur Bereitstellung des Reinigungswassers herrührte.573 Dies setzt aber voraus, dass Paulus, der kurze Zeit zuvor aus der Diaspora zurückgekehrt war, nicht der siebentägigen Reinigung bedurfte, wie sie in mNaz 7,3 wegen der Unreinheit der Länder der Völker von den Rabbinen gefordert wurde.574 Dagegen wird man aus der expliziten Nennung des Ablaufs der sieben Tage in Apg 21,27 schließen müssen, dass sich die vier Naziräer mit Totenunreinheit befleckten und sich am dritten und am siebten Tag mit Reinigungswasser besprengen lassen mussten. Die Deutung, dass sich Paulus und die vier Naziräer jeweils unterschiedlichen Reinigungsritualen unterziehen mussten, wird auch zwar als Spender der Opfer, aber nicht als Opfernder selbst galt und damit anders als die opfernden Naziräer den Tempel schon vor Vollendung der sieben Tage betreten durfte. 569 Vgl. Apg 21,27. 570 Vgl. Lev 22,7; m und tTeb. 571 Vgl. dazu FIG. 2 bei Harrington 1993: 33–34. 572 Vgl. Num 19,22. 573 Zum Ritual vgl. Num 19,1–10; 4Q277 1 ii 2; 4Q395 1 8–10; Barn 8,1; mPar 3,1–4,4; 6,1–5; tPar 3,1–4,11; SifZ zu Num 19,2–10 (p. 300,1–305,12 Horovitz); sowie zu den Unterschieden sadduzäischer und pharisäischer Praxis Stökl Ben Ezra 2016: 389–390 und Dubrau 2017: 230–456. Leider verraten die aufgeführten Passagen nichts über die Häufigkeit, mit der das Ritual durchgeführt wurde, und über die Menge an roten Kühen, die für das Reinigungsritual geopfert wurden. Blau 1967: 72 und Safrai 1958: 206–207 haben die Annahme geäußert, dass die gesammelte Menge an Asche aus der Zeit des Zweiten Tempels so umfänglich war, dass das Reinigungsritual noch mehrere hundert Jahre nach der Tempelzerstörung fortgeführt werden konnte. Dubrau 2017: 242 Anm. 40 hält diese Annahme für glaubwürdig, da das Reinigungsritual mit der Asche der roten Kuh in rabbinischer Literatur – anders als das Sota-Ritual – niemals explizit abgeschafft worden ist. Das bedeutet freilich nicht, dass nicht auch Paulus an einem solchen Ritual hätte teilnehmen können, weil der Bedarf an Asche zu jeder Zeit gedeckt gewesen wäre. Vielmehr macht dies deutlich, dass die Asche bei der Reinigung eines mit Totenunreinheit Verunreinigten nicht jedes Mal neu hergestellt werden musste, sondern zum Zweck eines reibungslosen Vollzugs immer auf Lager gehalten wurde. 574 Zum Urteil der Reinerklärung der Wallfahrtswege nach tAhilot 18,3 und der Unbedenklichkeit, die Wallfahrt nach Palästina auf dem Seeweg anzutreten, vgl. oben 4 1.4.4.2.
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durch den Rückblick des Paulus bei der Verteidigungsrede vor Felix in Apg 24,18 gestützt. Das dort gebrauchte Partizip Perfekt ἡγνισμένον legt mit seiner resultativen Aspektbedeutung nahe, dass Paulus vor Ablauf der sieben Tage bereits wieder rein war. Die Tatsache, dass Paulus allein in den Tempel geht, um die Vollendung und Darbringung der Opfer anzumelden, könnte ein Hinweis darauf sein, dass es den anderen vier Naziräern wegen ihrer Verunreinigung noch nicht gestattet war. Wenn die vier Männer nicht für ihre Ausweihungskosten aufkommen konnten, dann darf man vielleicht auch daraus schließen, dass Paulus auch für die Reinigungsopfer aufkommen musste, selbst wenn diese bei weitem nicht so kostspielig waren.575 Mit dem Gang zum Heiligtum zeigt Paulus bei der diensthabenden Priesterschaft auch den Tag an, an dem die Reinigung abgeschlossen sein soll. Da die Reinigung schließlich auf die Ausweihung der vier Naziräer hinlaufen soll und nichts darauf hindeutet, dass die vier nach der siebentägigen Reinigung ihre Naziräatstage wegen der Verunreinigung von neuem beginnen müssen, wird mit ἡ ἐκπλήρωσις τῶν ἡμερῶν τοῦ ἁγνισμοῦ sowohl die Vollendung der Tage der „Reinigung“ als auch der Tage der „Naziräatsweihe“ angesprochen sein. Apg 21,24.26–27 bezeugt damit die im Namen des R. Eliezer in mNaz 3,3 dokumentierte Praxis, wonach die Tage der Naziräatsweihe nach Ablauf der festgesetzten Frist durch eine versehentliche Verunreinigung an einem Toten nicht für ungültig erklärt werden.576 Vielmehr müssen die sieben Tage der Reinigung erst abgewartet werden, bis die Ausweihung vollzogen werden kann. Mit ἕως οὗ προσηνέχθη ὑπὲρ ἑνὸς ἑκάστου αὐτῶν ἡ προσφορά wird dann die Kundgabe der zeitlichen Terminierung für die Ausweihung eines jeden der vier Naziräer angezeigt.577 575 Gemeinhin wird angenommen, dass Paulus die Kosten für die Ausweihung der Naziräer mit Hilfe der von ihm gegründeten Gemeinden und der dort gesammelten Kollekte (vgl. Gal 2,9–10; 2. Kor 8–9) bestritten haben könnte. Dunn 1996: 288 bezweifelt dies, jedoch ohne Gründe dafür zu nennen. Man beachte, dass Lukas über die in den paulinischen Briefen berichtete Kollekte nichts zu berichten weiß. Allein Apg 11,28–30 kennt eine Kollektensammlung für die Gemeinden in Judäa, aber dort scheint nur die antiochenische Gemeinde an der Sammlung beteiligt zu sein. Wenn in der Verteidigungsrede des Paulus vor Felix in Caesarea die Rede von ἐλεημοσύνη („Almosen“; Apg 24,17) ist und dies nicht allein auf die Übernahme der Ausweihungskosten bezogen wäre, dann könnte darin ein Verweis auf die Kollekte liegen, von der Lukas in Apg 21 geschwiegen hatte. 576 Vgl. dazu oben 4 1.4.5. In diesem Zusammenhang gilt mein Dank Dr. Hallel Baitner, der mich kurz vor Abschluss des Manuskripts noch auf den Beitrag תקופת הנזירות והטקס שבסופהvon A. und Y. Furstenberg aufmerksam gemacht hat. Furstenberg und Furstenberg 2007: 64–65 verweisen dort in ihrer Untersuchung von R. Eliezers Diktum in mNaz 3,3 auf Paulus und die vier Naziräer in Apg 21,24.26–27 und kommen zu einem ganz ähnlichen Ergebnis. 577 Vgl. Horn 1997: 132.
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Die Vollendung des Purifikationsprozesses der vier Naziräer und die Ausweihung derselben wird Paulus in der lukanischen Darstellung allerdings nicht mehr miterleben. Auch von der Ausweihung seines eigenen Gelübdes, von dem in Apg 18,18 das Scheren seiner Haare gekündet hatte, wird nichts berichtet. Nach zwölftägigem Aufenthalt (Apg 24,11) wird er von einem aufgebrachten Mob von Juden aus der Asia im Tempel ergriffen und weggeführt (Apg 21,27). Der Lynchjustiz entkommt Paulus nur durch Eingreifen des χιλίαρχος („Befehlshaber der Kohorte“). Den Beweis seiner Toratreue kann Paulus nach der Darstellung des Lukas nicht mehr erbringen. Mit Apg 21,27 beginnt die lange Odyssee des Paulus von Prozessrede zu Prozessrede bis hin zur Überstellung nach Rom. 1.5.7 Zusammenfassung Die verschiedentlich von Forschern vertretene These einer lebenslänglichen Weihe des Täufers Johannes zum Naziräer oder gar einer Naziräatsweihe Jesu konnte bei näherer Betrachtung entkräftet werden. Allein die Möglichkeit der Deutung des Geschicks Jesu vor dem Hintergrund des schicksalhaften Untergangs des Naziräers Simson, wie sie möglicherweise durch das Wortspiel von Ναζωραῖος und ναζιραῖος in Mt 2,22–23 angedeutet wird, könnte als frühchristliche Auseinandersetzung mit dem Naziräertum gewertet werden. Sollte die Deutung von Ναζωραῖος als Wortspiel wirklich den Kern der Sache treffen, dann wäre allerdings das tertium comparationis nicht die Naziräatsweihe, die Jesus mit Simson verbinden würde, sondern das geteilte Todesgeschick als ein Sterben zugunsten der eigenen Gruppe. Im Fall der Apostelgeschichte ist die Sachlage eine völlig andere. Hier haben wir mit Apg 18,18 und 21,21–27 die zwei einzigen Texte, die als Zeugen um das Wissen der Naziräatspraxis im frühen Christentum gelten dürfen. Die im Zusammenhang beider Texte des Öfteren gestellte Frage, ob die Notiz über den Naziräat des Paulus wirklich historisch zutreffend ist, erscheint zumindest vor dem Hintergrund von 1. Kor 9,19–23 als „denkbar“.578 Es lässt sich aber kaum bestreiten, dass Lukas in seinem Werk zur frühen Ausbreitung des Christentums im Mittelmeerraum das Ansinnen verfolgt, Paulus als observanten Juden darzustellen. Augenscheinlich wird dies neben seinem Naziräatsgelübde außerdem in der Notiz der Toraausbildung des Paulus zu Füßen des Gamaliel in Apg 22,3, der Anerkennung der gesetzlichen Mindestanforderungen für konvertierte Nichtjuden in Apg 15,19–20579 und der Beschneidung des Timo578 Für die Authentie der Erzählung sprechen sich Marshall 1980: 300 und Chepey 2005: 164 aus. 579 Vgl. dazu ausführlicher Avemarie 2013c.
Gelübde als bedingte Personenweihe
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theus in Apg 16,3.580 Es entsteht damit geradezu der Eindruck, Lukas habe eine Rehabilitierung des Paulus in judenchristlichen Kreisen angestrebt, ja ihn geradezu „heim ins Judentum“ holen wollen. Dass Lukas dabei neben Toraausbildung und Beschneidung auch den Naziräat für die Darstellung seines Paulusbildes fruchtbar macht, zeigt, welch hohes Ansehen dem Gelübde noch zur Abfassungszeit der Apostelgeschichte beigemessen wurde. Durch die Art und Weise, wie Lukas den Naziräat des Paulus in der Darstellung des Apostels einbindet, entsteht der Eindruck, dass das Gelübde keinen Anfang und kein Ende hat.581 Auf erzählerischer Ebene verstreicht auch die letzte Möglichkeit, von der Ausweihung in Apg 21,27 berichten zu können, durch die Gefangennahme des Paulus. Lukas entlarvt damit den blinden Gesetzeseifer der Gegner des Paulus, die das Werk des Frommen zunichtemachen und selbst die angestrebte Ausweihung zur Mehrung der Festfreude beim Wochenfest unterbinden. 2
Die Korban- bzw. Schätzungsweihe und andere Formen der Personenweihe
2.1 Die Schätzungsweihe nach 2. Kön 12,5–17 und Lev 27,2–8 Mit der Weihe zum Naziräat (Num 6) oder zum Tempeldiener (1. Sam 1) hat sich die in den Schriften der Hebräischen Bibel bezeugte Bandbreite an Formen der Personenweihe allerdings noch nicht erschöpft. 2. Kön 12,5–17 und Lev 27,2–8 kennen eine dritte Form der Personenweihe, die, wie es scheint, vornehmlich am monetären Wert einer Person bemessen wurde.582 וְ ָהָי֤ה3 יהוה׃ ֽ ָ ל־ּב ֵנ֤י יִ ְׂש ָר ֵאל֙ וְ ָא ַמ ְר ָ ּ֣ת ֲא ֵל ֶ֔הם ִ֕איׁש ִ ּ֥כי יַ ְפ ִ ֖לא ֶנ ֶ�֑דר ְּב ֶע ְר ְּכָך֥ נְ ָפ ׁ֖ש ֹת ַ ֽל ְ ַּד ֵּ֞בר ֶא2 ן־ׁש ִ ּׁ֣שים ָׁש ָנ֑ה וְ ָהָי֣ה ֶע ְר ְּכ ָ֗ך ֲח ִמ ִ ּׁ֛שים ֶ ׁ֥ש ֶקל ֶּכ ֶ֖סף ְּב ֶ ׁ֥ש ֶקל ִ ֶע ְר ְּכ ָ֙ך ַהּזָ ָ֔כר ִמ ֶ ּ֙בן ֶע ְׂש ִ ֣רים ָׁש ָ֔נה וְ ַ ֖עד ֶּב ָ וְ ִ֙אם ִמ ֶּב5 ֹלׁשים ָ ֽׁש ֶקל׃ ֥ ִ וְ ִאם־נְ ֵק ָ ֖בה ִ ֑הוא וְ ָהָי֥ה ֶע ְר ְּכָך֖ ְׁש4 ַה ּֽקֹ ֶדׁש׃ ן־ח ֵ֜מׁש ָׁש ִ֗נים וְ ַע ֙ד ֶּבן־ וְ ִ ֣אם ִמ ֶּבן־ ֗חֹ ֶדׁש6 ֶע ְׂש ִ ֣רים ָׁש ָ֔נה וְ ָהָי֧ה ֶע ְר ְּכָך֛ ַהּזָ ָ ֖כר ֶע ְׂש ִ ֣רים ְׁש ָק ִ ֑לים וְ ַלּנְ ֵק ָ ֖בה ֲע ֶ ׂ֥ש ֶרת ְׁש ָק ִ ֽלים׃ ן־ח ֵ ֣מׁש ָׁש ִ֔נים וְ ָהָי֤ה ֶע ְר ְּכ ָ֙ך ַהּזָ ָ֔כר ֲח ִמ ָ ּׁ֥שה ְׁש ָק ִ ֖לים ָּכ ֶ֑סף וְ ַלּנְ ֵק ָ ֣בה ֶע ְר ְּכ ָ֔ך ְׁש ֹ֥ל ֶׁשת ְׁש ָק ִ ֖לים ָ וְ ַע ֙ד ֶּב ן־ׁש ִּׁ֙שים ָׁש ָנ֤ה וָ ַ֙מ ְע ָל ֙ה ִאם־זָ ָ֔כר וְ ָהָי֣ה ֶע ְר ְּכ ָ֔ך ֲח ִמ ָ ּׁ֥שה ָע ָ ׂ֖שר ָ ׁ֑ש ֶקל וְ ַלּנְ ֵק ָ ֖בה ִ ְו ִ֠אם ִמ ֶּב7 ָ ּֽכ ֶסף׃ 580 Sei es auch nur den jüdischen Gemeinden zuliebe, die im Missionsgebiet nach der Darstellung der Apostelgeschichte zahlreich gewesen sein sollen, ein die Beschneidung vollziehender Paulus ist erklärungsbedürftig. Bedenken werden auch von Roloff 1965: 240 und Ollrog 1979: 21 geäußert. Einen eher vermittelnden Standpunkt vertritt Pesch 2014: 97. 581 Will man eine Mindestdauer von 30 Tagen für den Naziräat anberaumen, dann wird man diese zeitlich vom Moment in Apg 18,18 zurückrechnen müssen. Die Tatsache, dass Lukas den Moment der Inauguration aber verschweigt, dürfte nicht willkürlich geschehen sein. 582 Die textlichen Variationen zwischen 𝔐 und 𝔊 sind so gering, dass auf eine gesonderte Übersetzung von 𝔊 verzichtet werden kann.
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ל־ּפי ִ ֗ ידֹו ִל ְפ ֵנ֣י ַהּכ ֵֹ֔הן וְ ֶה ֱע ִ ֥ריְך א ֹ֖תֹו ַהּכ ֵ ֹ֑הן ַע ֙ הּוא ֵ ֽמ ֶע ְר ֶּ֔כָך וְ ֶ ֽה ֱע ִמ ֙ ם־מְך ֥ ָ וְ ִא8 ֲע ָׂש ָ ֥רה ְׁש ָק ִ ֽלים׃ ֖ ֶ ֲא ֶ ׁ֤שר ַּת ִּׂש ֙יג ַי֣ד ַהּנ ֵ ֹ֔דר יַ ֲע ִר יכּנּו ַהּכ ֵ ֹֽהן׃ ס
2 Sprich zu den Söhnen Israels und sage ihnen: Wenn, (sei es) ein Mann (oder eine Frau), sich (jemand) für die Außerordentlichkeit eines Gelübdes für JHWH nach deinem Menschenschätzwert entschieden hat, 3 dann soll deine Schätzung für einen männlichen 20- bis 60-Jährigen gelten; und deine Schätzung soll 50 Schekel Silber nach dem Gewicht des Heiligtums sein. 4 Und wenn die Person weiblich ist, dann soll deine Schätzung 30 Schekel Silber betragen. 5 Und wenn es ein 5- bis 20-Jähriger ist, dann soll deine Schätzung bei einer männlichen Person 20 Schekel Silber betragen und für eine weibliche Person 10 Schekel. 6 Und wenn es ein einmonatiges bis 5-jähriges Kind ist, dann soll deine Schätzung bei einer männlichen Person 5 Schekel Silber betragen und für eine weibliche Person (soll) deine Schätzung 3 Schekel Silber (betragen). 7 Und wenn es ein 60-Jähriger oder darüber ist, dann soll, wenn es eine männliche Person ist, deine Schätzung 15 Schekel und für eine weibliche Person 10 Schekel betragen. 8 Und wenn er ärmer ist als dass (er) deine Schätzung (aufbringen kann), dann soll er vor dem Priester hingestellt werden und der Priester soll ihn schätzen. Gemäß dem, was die Hand des Gelobenden aufbringen kann, soll der Priester ihn schätzen. Lev 27,2b führt den Abschnitt über die Schätzung geweihter Personen in fast identischer Weise wie die Einführung zur kultpraktischen Unterweisung über den Naziräat in Num 6,2 ein. Mit der Ausweisung der Schätzungsweihe als Gelübde haben wir es wie beim Naziräat mit einer Spezialform des bedingten Bittgelübdes zutun, das zusammen mit einer Versprechung für die erhoffte Erhörung der Bitte inauguriert wurde.583 Hinter der Schätzungsweihe aus Lev 27,2–8 wird man sicherlich eine Aufnahme von Bräuchen sehen dürfen, die im Zusammenhang mit den Schätzungsbeträgen von 2. Kön 12,5–17 stehen und die als Fortwirken alter Personenweihformen anzusprechen sind. Nach der Darstellung von 2. Kön 12,5 sollten diese Schätzungsbeträge584 zusammen 583 E hrlich 1968: 103 sieht ähnlich wie Seebass 2007: 159 im Fall von Num 6,2 die Besonderheit des Gelübdes in seiner Bedingungslosigkeit. Aber auch hier wird, genauso wie im Fall von Num 6, die Besonderheit in der Höhe der abzurichtenden Schätzwerte liegen. Wenham 1979: 338 bemisst einen Monatslohn auf einen Schekel Silber. 584 כסף עובר אישscheint verderbt zu sein, wobei עוברwohl als verlesenes ערךanzusprechen ist und damit die Phrase ursprünglich „Silber der Schätzung eines Einzelnen“ ausdrücken wollte. So legt es 𝔊 zumindest mit ἀργύριον συντιμήσεως ἀνήρ nahe. Dann wäre „ כסף נפשות ערכוSilber für Menschen (entsprechend) seiner Schätzung“ als erklärender
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mit dem Silber der heiligen Gaben und dem der freiwilligen Gaben585 von den Priestern gesammelt und für die Ausbesserung der Schäden am Tempel eingesetzt werden. Besagtes Silber, so fährt 2. Kön 12,6 fort, schien ursprünglich für das Auskommen der Priester und für die selbstverantwortete Ausbesserung des Tempels durch die Priester gedacht gewesen zu sein. 2. Kön 12,8 bezeugt sodann die Abkehr von dieser Versorgungspraxis, wobei besagtes Silber nur noch für die Ausgaben der Tempelinstandhaltung aufgewendet werden soll. Lev 27,2–8 deutet darauf hin, dass die Votivpraxis der Schätzungsweihe zur Zeit des Zweiten Tempels fortgeführt wurde. Zwar gibt der priesterliche Text gegenüber 2. Kön 12,5–17 eine detaillierte Auflistung der Schätzwerte, doch fehlen Hinweise über Abgabefristen und Verwendungszweck der Schätzbeträge. Leider schweigt Lev 27 auch gänzlich darüber, ob mit der Schätzungsweihe bis auf die Entrichtung des Schätzwertes noch weitere Obligationen verbunden waren. Vielleicht kann vor dem Hintergrund der Aussparung festgesetzter Regelungen damit argumentiert werden, dass der Inhalt und die zeitliche Dauer der Verpflichtung vom Votanten individuell bestimmt werden konnten. Dass die Personen- bzw. Selbstweihe mit einer wie auch immer gearteten, religiösen Dienstverpflichtung verbunden gewesen sein könnte, legt zumindest Josephus, Ant 4,73 nahe, wenn er in Aufnahme von Lev 27,2–8 beim Votanten von der Ausführung einer λειτουργία spricht. Die einzelnen Altersstufen der Schätzwertliste586 in Lev 27,3–8 implizieren, dass der Autor sowohl die Weihung von Schutzbefohlenen durch vormundschaftsberechtigte Personen als auch die Selbstweihe von mündigen Personen im Blick hatte. Die Geschlechterunterscheidung und Altersabgrenzung könnten möglicherweise der Abschätzung der Wirtschaftskraft, des Ansehens, das sie in ihrer Altersgruppe und ihrer Position innerhalb der Gesellschaft bereits erreicht haben, oder der religionsgesetzlichen Stellung einer Person gedient haben. Im späteren halachischen Diskurs der Rabbinen wird der Schätzwert in einem gewissen Verhältnis zum Sklavenmarktwert einer Person gesehen, sodass man vor diesem Hintergrund beim Schätzwert von einem Nachtrag anzusprechen (vgl. dazu Kittel 1900: 253; Gray 1977: 584). Hobbs 1985: 152 und Cogan und Tadmor 1988: 137 sehen dagegen darin einen Hinweis auf Ex 30,13–14 und die Abgabe der Gemusterten in Höhe eines halben Schekels. Gray 1977: 585 hat dagegen auf den nachexilischen Ursprung von Ex 30,12–30 hingewiesen, sodass die Darstellung von 2. Kön 12,5 entweder durch spätere Tempelweihpraxis beeinflusst ist, oder aber der Halbschekel eine ältere Institution ist. 585 Hier anstelle des späteren ( נדבהvgl. Lev 7,16) in der Umschreibung כסף אשר יעלה על לב „ אישSilber aus freien Stücken“. 586 Dass es sich bei den Schätzungswerten, wie von Elliger 1966: 387 angenommen, um eine laufende jährliche Zahlung handelt, wird aus dem Text nicht ersichtlich.
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marktwertunabhängigen Mittelwert sprechen kann.587 Sollte dagegen eine Person nicht im Stande gewesen sein, den Betrag ihrer altersbedingten Schätzung aufzubringen, so sollte nach Lev 27,8 vor einem Priester eine individuelle Schätzung vorgenommen werden. Die Substitution des Schätzwertes durch einen beliebigen Wert, zu dessen Aufbringung der Arme im Stande war, steht dabei wiederum in seiner Wertigkeit als Votivgabe dem eigentlichen Schätzwert für Alter und Geschlecht in nichts nach. Der Schätzwert könnte dabei vielleicht in ähnlicher Weise wie die Opfer im Fall des Naziräats eine Ausweihungsleistung darstellen. Der Ursprung der Schätzungsweihe könnte entweder in der Substitution alter Personenweihbräuche liegen588 oder auf eine Form der Darstellung des Votanten im Tempel zurückgehen.589 In beiden Fällen dient der Schätzwert der Repräsentation des Votanten am Tempel. Der Schuldigkeit seiner durch sein Gelübde versprochenen Präsenz vor Gott wird durch den Schätzwert Genüge getan. Der Schätzwert dient damit entweder als eine Art Ersatzleistung, die repräsentativ für die abgeleistete Arbeit stand, die der Gelobende für Gott am Tempel hätte verrichten müssen, oder als Präsenzsubstitution, die der Votant eigentlich betend vor der Gottheit hätte verbringen müssen. K. Elliger fragt berechtigterweise nach dem Grund, warum solche Bräuche durch Schätzungswerte aufgegriffen worden sein sollen, wenn man auch einfach eine Geldzahlung hätte geloben können.590 Der Grund liegt darin, dass eine im Gelübde ausgedrückte Versprechung, eine monetäre Opfergabe an den Tempel zu leisten, im Vergleich zum kultischen Dienst bzw. zur Präsenz des Beters am Heiligtum als nicht gleichwertig angesehen wurde. Indem die Absonderung und Weihe zum Tempeldienst oder zur anbetenden Präsenz im Tempel durch einen Geldwert substituiert wurde,591 wurde die Leistung dennoch so gewertet, als hätte der Votant den Dienst am Heiligtum abgeleistet, was in weit höherem 587 Nach Ex 21,32 sind 30 Schekel Silber der geschätzte Wert für einen Sklaven. Vgl. dazu Milgrom 2001: 2371. In dem Fall, da es sich um eine Weihung von Schutzbefohlenen durch vormundschaftsberechtigte Personen handelt, wobei hier u.a. auch an Sklaven zu denken wäre, ist ein solcher Bezug zum Sklavenmarktwert sicherlich berechtigt. Wenn es allerdings um die Selbstweihe einer mündigen Person geht, dann erscheint der Bezug zum Sklavenmarktwert vor dem Hintergrund der eigentlich in Lev 27,8 als „Außerordentlichkeit eines Gelübdes“ ausgewiesenen Gelübdeform eher als ein unwürdiger Vergleich. Aus diesem Grund unterscheidet mAr 1,1 wohl auch zwischen נודריםund נדריםauf der einen Seite und מעריכיםund נערכיןauf der anderen Seite. Dazu mehr unten 4 2.4. 588 Vgl. z.B. 1. Sam 1; sowie Milgrom 2001: 2369. 589 Ähnlich dazu dürfte auch das Gewichtsgelübde in mAr 5,1 sein, das ugaritische Parallelen besitzt. Vgl. dazu den Keret-Epos KTU 1.14. 590 Vgl. Elliger 1966: 387. 591 Zur Substitution von Opfergaben vgl. auch oben 3 1.3.2.
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Maße verdienstlich erschien, als einfach nur eine Geldsumme für den Tempelschatz zu spenden. 2.2 Die Schätzungsweihe nach der Darstellung Philos in SpecLeg 2,32–34 Philo kommt in seiner Darlegung des zweiten Dekaloggebots, den Namen Gottes nicht zu Nichtigem im Munde zu tragen, auch auf die Satzungen der Schätzungsweihe aus Lev 27,2–8 zu sprechen. Für Philo wird jegliche Gelübdeform mit der Nennung des Gottesnamens inauguriert, weshalb ihm eine gemeinsame Behandlung von Gelübden und Schwüren, die unter Anrufung des Gottesnamens Gott zum Zeugen machen, geboten scheint. Mit der Einführung in die Schätzungsweihe in SpecLeg 2,32 legt er seiner Leserschaft die Beweggründe für diese spezielle Gelübdeform dar. 32 τῶν δὲ μὴ μόνον τὰς οὐσίας ἢ μέρη τούτων ἀλλὰ καὶ αὑτοὺς ἀνάθημα ποιησαμένων ἐν εὐχαῖς ὥρισε τιμάς, οὐ πρὸς κάλλος ἢ μέγεθος ἤ τι τῶν ὁμοιοτρόπων ἀπιδών, ἀλλὰ πρὸς ἀριθμὸν ἴσον, διακρίνας ἄνδρας αὐτὸ μόνον γυναικῶν καὶ νηπίους τελείων. 32 Für die aber, die nicht nur (ihre) Besitztümer oder einen Teil von diesen, sondern auch sich selbst durch Gelübde zum Weihegeschenk gemacht haben, hat (die Tora) Werte festgelegt, wobei sie (aber) nicht der Schönheit, Größe oder sonst dergleichen Rechnung trägt, sondern der gleichen Zahl. Allein zwischen Männern und Frauen und zwischen Kindern und Erwachsenen hat sie einen Unterschied gemacht. Philo sieht die Schätzungsweihe in einer Linie mit dem Naziräat,592 wenn er für beide konstatiert, dass diese gelobt werden, wenn Menschen nicht allein ihren Besitz, sondern auch sich selbst als Weihegeschenk darbieten möchten. Da sich der Mensch nicht als ein blutiges Opfer darbringen kann, bestimmt die Tora einen Gegenwert, den sie allerdings nicht am äußeren Erscheinungsbild des Menschen, als sei er eine Ware auf dem Sklavenmarkt, und auch nicht unter Ansehung seines Standes bemisst, sondern in Wertschätzung aller Menschen mit einem gleichen Zahlenwert angibt. Als die einzigen beiden Unterscheidungskriterien, auf deren Grundlage die Tora die Höhe der Werte trifft, und hier hört die Wertgleichheit aller Menschen auf, werden Geschlecht und Alter angegeben. Diese gibt Philo in Entsprechung zu Lev 27,3–7 getreu in SpecLeg 2,33 wieder. Die Gründe für die Bemessung der Schätzwerte gibt Philo sodann in SpecLeg 2,34 wieder. 592 Vgl. Philo, Som 1,252; sowie dazu oben 4 1.2.3.3.
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34 τὰ δ᾽ ἴσα καὶ ἐπ᾽ ἀρρένων καθ᾽ ἡλικίαν ἑκάστην καὶ ἐπὶ θηλειῶν ὁμοίως διετάξατο, τριῶν ἕνεκα τῶν ἀναγκαιοτάτων ἑνὸς μὲν ὅτι ἴσον ἐστὶ καὶ ὅμοιον τὸ ἀξίωμα τῆς εὐχῆς, ἐάν τε ὑπὸ μεγάλου τινὸς ἐάν τε καὶ ὑπ᾽ εὐτελοῦς γίνηται· δευτέρου δ᾽ ὅτι τοὺς εὐξαμένους ἁρμόττον οὐκ ἦν ταῖς τῶν ἄνδραπόδων ὑποβάλλεσθαι τύχαις ἐκεῖνα γὰρ πρὸς τὰς τῶν σωμάτων εὐεξίας καὶ εὐμορφίας τιμᾶται ἢ τοὐναντίον ἐπευωνίζεται· τρίτου δ᾽ ὃ καὶ ἀναγκαιότατον ὅτι παρὰ μὲν ἡμῖν ἀνισότης, ἰσότης δὲ παρὰ θεῷ τίμιον. 34 (Das Gesetz) hat aber gleiche (Schätzwerte) bei Männern für jeden Lebensabschnitt und bei Frauen ebenso aufgrund von drei der notwendigsten (Grundvoraussetzungen bei Gelübden) festgesetzt: Erstens weil der bemessene Wert eines (jeden) Gelübdes gleichwertig und gleichartig ist, sei es, dass es von einem Großen (im Ansehen), oder sei es, dass es von einem Geringen (im Ansehen) abgelegt wurde; zweitens aber weil es nicht angemessen wäre, die Gelobenden dem schicksalhaften Ergehen der Sklaven beizuordnen, da jene bei guter Beschaffenheit der Körper und Schönheit mit einem hohen oder bei Gegenteiligem mit einem geringerem Preis eingeschätzt werden; drittens aber, (und das) ist auch die notwendigste (Grundvoraussetzung für die Einheitlichkeit der Schätzwerte), weil bei uns zwar Ungleichheit (herrscht), bei Gott aber die Gleichheit in Ehren gehalten wird. Die Gründe für eine einheitliche Bewertung gleichgeschlechtlicher Altersgenossen liegen für Philo in einer dreifachen Notwendigkeit begründet. Zunächst ist eine Weihe für den Herrn, egal von wem oder für wen sie inauguriert wurde, der Sache nach von gleicher Gestalt. Ein zweiter Grund liegt darin, dass die Schätzungsweihe nicht dafür gedacht war, die Votanten als Marktware einem Sklaven gleichzustellen, dessen Wert gemessen am Bedarf und der äußeren Beschaffenheit getroffen wurde. Ein dritter und letzter Grund, der nach Philo auch als der entscheidendste anzusprechen ist, basiert auf dem göttlichen Grundsatz, nach dem es im Rechtsentscheid keine Bevorzugung und kein Ansehen der Person gibt.593 Mit der einheitlichen, von der gesellschaftlichen Ständeordnung unabhängigen Schätzung – so ließe sich diesbezüglich weiter schlussfolgern – entgehe man außerdem kultkritischen Stimmen, der Reiche könnte sich einen Vorteil bei Gott erkaufen. Warum dennoch zwischen Geschlecht und Altersgruppe unterschieden wird, führt Philo auf die irdischen Ordnungsverhältnisse zurück, nach denen es gesellschaftliche und anthropologische Unterschiede gibt. 593 Vgl. Dtn 10,17; Hi 34,19.
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2.3 Die Schätzungsweihe als Korban-Personenweihe in Josephus, Ant 4,73 Neben Bitt- und Weihegelübden, die das antike Israel mit den ihm umgebenden Völkern teilte, schildert Josephus auch eine ganze Reihe von Gelübdeformen, die als antik-jüdisches Spezifikum anzusprechen sind und im Folgenden einer Darstellung und Analyse unterzogen werden sollen. Josephus berichtet in Ant 4,73 über eine Gruppe von Menschen, die sich selbst als κορβᾶν „Opfer“ bezeichnen und sich damit Gott weihen. 73 καὶ οἱ κορβᾶν αὑτοὺς ὀνομάσαντες τῷ θεῷ δῶρον δὲ τοῦτο σημαίνει κατὰ Ἑλλήνων γλῶτταν βουλομένους ἀφίεσθαι τῆς λειτουργίας τοῖς ἱερεῦσι καταβάλλειν ἀργύριον γυναῖκα μὲν τριάκοντα σίκλους ἄνδρα δὲ πεντήκοντα ὅσοι δὲ ἂν ἐνδεέστερα τῶν ὡρισμένων ἔχωσι χρήματα τοῖς ἱερεῦσιν ἐξεῖναι περὶ τούτων ὡς βούλονται δοκιμάσαι. 73 Auch sollen die, die sich selbst „Korban für Gott“ nennen – was aber in der griechischen Sprache „ein Geschenk (für Gott)“ bedeutet – wenn sie von dem Dienst entbunden werden wollen, Geld für die Priester niederlegen: und zwar 30 Schekel (für) eine Frau, (für) einen Mann aber 50. (Bei) allen, die weniger Geld besitzen als (diese) festgesetzte (Summe), ist es den Priestern mit Rücksicht auf diese erlaubt, (so viel anzunehmen,) wie sie nach Prüfung beschließen wollen. E. P. Sanders594 hat angenommen, dass sich hinter den Korban-Geweihten Naziräer verbergen, die Josephus hier in Erweiterung zu Ant 4,72 für nichtkundige Leserinnen und Leser als eine Art Geschenk an Gott vorstellt. Die Ausweihungsbestimmungen, die unverkennbar eine Allusion zu Lev 27,4.8 darstellen, lassen eine solche Deutung allerdings nicht zu. Josephus wird sich ohne Frage darüber im Klaren gewesen sein, dass die Ausweihung eines Naziräers unter keinen anderen Voraussetzungen geschehen konnte als unter denen, die in Num 6 beschriebenen sind. Dies wird anhand von Aussagen zu einzelnen Bestimmungen aus Num 6 deutlich, die er zwar nicht wortwörtlich zitiert, aber paraphrasierend mit korrespondierenden Wendungen oder mit Synonymen wiedergibt, wobei er in Ant 4,72 mit κομῶντες („die das Haar lang tragen“) auf τρέφων κόμην τρίχα κεφαλῆς („indem er sich lange Haare wachsen lässt, [und zwar] das Haar des Hauptes“) aus Num 6,5, mit οἶνον οὐ προσφερόμενοι („die Wein nicht zu sich nehmen“) auf ἀπὸ οἴνου καὶ σικερα ἁγνισθήσεται („er soll sich von Wein und starkem Getränk rein halten“) aus Num 6,3 und in Bell 2,313 mit ἧς ἀποδώσειν μέλλοιεν θυσίας („bevor sie Opfer darbringen“) auf 594 Vgl. Sanders 1990: 53; sowie Zeitlin 1962: 161.
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die Opferbestimmungen in Num 6,14–15 verweist. Dass Josephus Num 6 und Lev 27 in gewisser Weise als komplementär zueinander gelesen haben soll, d.h. die Ausweihungsbestimmungen in beiden Kapiteln als mögliche Alternativen verstanden hat, erscheint abwegig. Weder in jüdischen Schriften aus der Zeit des Zweiten Tempels noch in rabbinischen Quellen aus den Jahrhunderten nach der Tempelzerstörung wird die Möglichkeit eröffnet, einem mittellosen Naziräer nach dem Maß des Gutdünkens eines Priesters die Aufwendung der vollen Höhe an Opferleistungen zu ersparen, indem ihm eine für seine Verhältnisse tragbare Ersatzleistung auferlegt wird. Ganz im Gegenteil, wenn die Opfer nicht aufgebracht werden konnten, musste eine Person solange im Stand eines geweihten Naziräers verweilen, bis jene die Kosten für die Ausweihungsopfer entweder zusammengetragen oder eine dritte Person diese aus einem frommen Akt der Freigebigkeit heraus übernommen hatte. Über den Umstand der Unumgänglichkeit, die volle Höhe der festgelegten Ausweihungsopfer aufbringen zu müssen, hat auch Josephus Kenntnis, wenn er von Agrippa I. in Ant 19,294 berichtet, er habe bei seiner Ankunft in Jerusalem neben der Darbringung von Dankopfern sich auch darin generös gezeigt, dass er für eine größere Anzahl von Naziräern die Ausweihungsopfer übernommen habe. Aufgrund der gerade vorgelegten Einzelbeobachtungen wird man damit rechnen dürfen, dass Josephus, nachdem er im vorausgehenden Vers explizit den Naziräat thematisiert hat, nun ein weiteres Format der Personenweihe anspricht. Dies legt auch der Gebrauch der zwei unterschiedlichen hebräischen Lehnwörter ναζιραῖος und κορβᾶν für beide Formen der Personenweihe nahe. Mit der Selbstweihe zum κορβᾶν verbindet Josephus eine Verpflichtung zur λειτουργία, jedoch ohne – ebenso wenig wie sein Prätext Lev 27,1–8 – darüber nähere Ausführungen zu machen. In der Pagangräzität verbindet man mit dem Begriff einen am öffentlichen Gemeinwohl orientierten Dienst, bei dem durch Aufwendung eigener finanzieller Mittel die Durchführung von Festen und Kriegszügen ermöglicht wurde.595 Josephus dürfte den Begriff jedoch auch aus der 𝔊 kennen, wo er in Num 4,24–33 den Dienst der Söhne Gerschons und Meraris – beides Sippen aus dem Stamm Levi – am Zelt der Begegnung benennt.596 Unter den Begriff wird außerdem in 2. Chr 31,4 und 35,10.16 der gesamte kultische Dienst der Leviten am Gotteshaus subsumiert.597 Darüber hinaus drücken Verbderivate des Wortstamms λειτουργ- den kultischen 595 Vgl. Rhodes 2003: 358. 596 Beide Priestersippen sind vornehmlich mit dem Transport und wohl auch der Instandhaltung der baulichen Strukturen des Zeltes der Begegnung befasst. 597 Zum Dienst der Leviten vgl. Num 3,6–9; 8,19; 18,6–7; 1. Chr 23,24–32; Josephus, Ant 7,305.367; 8,176; 9,269; Philo, SpecLeg 1,156.
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Dienst der Priester im Heiligtum aus.598 Dass hier nicht an einen profangesellschaftlichen, sondern einen kultischen Dienst zu denken ist, wird schon an der sakralen Selbstbezeichnung κορβᾶν deutlich. Vielleicht wird man – ähnlich wie oben beim Naziräat vermutet599 – bei der κορβᾶν-Selbstweihe an eine Bereitschaftserklärung zur Übernahme niederer Dienste am Tempel denken dürfen. Vielleicht wird man die besondere Ausgestaltung des Dienstes der κορβᾶν-Selbstweihe aus dem Kontext von Lev 27, in dem auch die kultrechtlichen Bestimmungen für die Weihe von Privatbesitztümern wie Häuser und Felder zusammengetragen werden, herauslesen müssen. Dabei könnte wie bei Haus und Feld, aus denen sicherlich wirtschaftlicher Gewinn für den Tempel herausgeschlagen wurde, auch beim Geweihten an eine wirtschaftliche Dienstleistung gedacht gewesen sein, die dem Tempel in der Bereitstellung seiner Arbeitskraft zugutekam.600 Die Schätzungsweihe nach dem Zeugnis der rabbinischen Traditionsliteratur Der rabbinische Diskurs zur Schätzungsweihe in Mischna Arakin ist für die Erhellung der Diskurse der Schätzungsgelübdepraxis zur Zeit des Zweiten Tempels schwierig zu beurteilen. Die erste im Traktat behandelte Frage befasst sich mit den Menschengruppen, denen das Geloben einer Schätzung gestattet ist (mAr 1). Dabei wird nach mAr 1,1 auch ersichtlich, dass neben dem Schätzwert auch der eigentliche Geldwert einer Person, der sich anscheinend am Sklavenmarktwert orientierte, gelobt werden konnte.601 Außerdem befasst man sich mit den für eine Schätzung bestimmenden Voraussetzungen, wenn diese von einem Votanten für eine dritte Person vorgenommen wird (mAr 4). Ferner ist für die Rabbinen von Belang, wie beim Gewichts-,602 Schätzungs-603 2.4
598 Vgl. z.B. Ex 25,38; 28,43; Dtn 12,17; Ez 42,14. Vgl. ferner Arist 90.92.96; Philo SpecLeg 1,82; VitMos 2,152; Fug 93; schließlich Josephus selbst, wenn er über den Tempeldienst in Bell 1,26.39; 2,321; 5,229.562; 6,299 und Ant 3,107; 12,61 spricht. 599 Vgl. oben 4 1.1.2. 600 Man beachte, dass Josephus hier nur die Auslösesumme für 20- bis 60-jährige Männer und Frauen aufführt. Die Auslösesumme für Greise und Kinder gibt Josephus dagegen nicht an. 601 Vgl. Krupp 1971: 22 Anm. I 1a 3; sowie dazu jNaz 51d,55–56. Nach mAr 3,2 werden Wertgelübde mit „( הרי דמיו עליSiehe, ich bin zu seinem Geldwert verpflichtet“), nach mAr 4,2 Schätzungsgelübde mit [„( ערכי עליSiehe], ich bin zu meinem Schätzwert verpflichtet“) und nach mAr 5,1 Gewichtsgelübde mit [„( משקלי עליSiehe], ich bin zu meinem Gewicht verpflichtet“) inauguriert. 602 Dabei wurde das Gewicht der eigenen Person in Silber oder Gold an den Tempel gespendet. 603 Nach den Schätzungen von Lev 27,2–8.
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und Wertgelübde604 zu verfahren ist, wenn diese mit Bezug auf Körperteile, Organe, Nutztiere oder Gebäude versprochen werden (mAr 5). Schließlich werden Fragen nach der Pfändung von Besitz in solchen Fällen verhandelt, in denen der Votant den Schätzungswert schuldig bleibt (mAr 6). Dies konnte geschehen, wenn der Wert nach Ablauf eines Jahres nicht beglichen wurde, was zumindest der Zahlfrist in tRH 1,2 zu entnehmen ist. Damit ist freilich auch ausgedrückt, dass den Rabbinen zufolge die Schätzungsweihe überwacht und auch eingefordert werden musste. Sollte dies von den Rabbinen nicht einfach nur aus Lev 27,8 herausgelesen worden sein, wo von der individuellen Schätzung eines mittellosen Votanten die Rede ist, der sich vor der Darbringung seiner Gelübdeversprechung noch schätzen lassen musste, dann wäre hier ein Hinweis auf den praktizierten Ablauf der Schätzungsweihe gegeben. Für Zahlungsfähige scheint eine solche Frist nicht notwendig gewesen zu sein, da für sie auch keine individuelle Schätzung vorgenommen werden musste. M. Krupp hat in seiner Kommentierung des Traktats in den verschiedenen Themenkomplexen von Mischna Arakin eine Reihe von Traditionen aus der Zeit des Zweiten Tempels ausgemacht. Dazu rechnet er z.B. das halachische Fallbeispiel der Mutter der Domitia in mAr 5,1, die das Gewicht ihrer Tochter als Opfergabe an den Tempel spendet.605 Da man aus dem Umstand der darin beschriebenen Wallfahrt nicht einfach historisierend schließen kann, dass das im Fallbeispiel beschriebene Ereignis auch wirklich aus der Zeit vor der Tempelzerstörung stammt und keine Fiktion ist, muss Krupps pauschales Urteil problematisiert werden. Man kann aber Krupp in der generellen zeitlichen Einordnung des Instituts des Gewichtsgelübdes zustimmen. Da dieses keine Anhaltspunkte in der Hebräischen Bibel besitzt und nicht davon auszugehen ist, dass die Rabbinen damit Traditionen aus fremden Kulten des antiken Mittelmeerraums und der Levante aufgreifen, haben die bei den Tannaiten überlieferten Traditionen sicherlich ihren Ursprung in der Kultpraxis des Zweiten Tempels. 2.5 Sklavenfreilassung oder -weihe in jüdischen Inschriften aus dem bosporanischen Königreich Eine Reihe von Inschriften aus dem bosporanischen Königreich606 erwähnt im Zusammenhang einer Sklavenfreilassung die Erfüllung eines Gelübdes. Im Fall 604 Nach dem zu diesem Zeitpunkt gängigem Sklavenwert einer Person. 605 Vgl. Krupp 1971: 3. 606 Zur Geschichte des bosporanischen Königreichs vgl. Gibson 1999: 14–29. Die Datierung der im Folgenden zu besprechenden Inschriften ist teilweise durch die Nennung der bosporanischen Herrscher im Eingang der Freilassungsinschriften genau bestimmbar. Die unterschiedlich dokumentierten Freilassungen erstreckten sich über einen Zeitraum von annähernd 100 Jahren, mit CIRB 985 als ältester im Jahr 16 u.Z. und CIRB 1125 als jüngster
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zweier dieser Inschriften, CIRB 1123 und 1125, aus der Stadt Gorgippia ist mit letzter Sicherheit noch nicht geklärt, inwieweit sie Bestandteil eines jüdischen Gebetshauses607 oder einer nichtjüdischen Kultstätte waren. Hinweise, die für die Lokalisierung der Inschriften in einem jüdischen Kultkontext sprechen, sind die Anrufung des θεὸς ὕψιστος („höchsten Gottes“)608 in der Invokation der Inschriften, die ebenfalls beigefügten göttlichen Epitheta παντοκράτωρ („allmächtiger“)609 und εὐλογητός („gepriesener“)610 und im Fall von CIRB 1123 die Erwähnung einer προσευχή („Gebetshaus“)611 in Zeile 9.612
aus der Regierungszeit des Herrschers Sauromates I zwischen 93/94 und 123/124 u.Z. (vgl. Gibson 1999: 112–113.124–125). Im Fall von CIRB 71; 72; 73; 1124; 1127 und 1128, wo der Beginn der Inschriften nicht mehr erhalten ist, konnten paleographische Untersuchengen eine zeitliche Festsetzung in eben diese Periode bestätigen (vgl. Gibson 1999: 124–125). 607 Die Steine, auf denen die Inschriften angebracht worden sind, wurden nicht in ausgegrabenen Gebäudekomplexen gefunden, die zweifelsfrei als Synagogen identifiziert worden sind. Sie fanden vielmehr in anderen Bauten sekundäre Wiederverwendung oder lagen als vermeintliches Geröll an der Erdoberfläche (vgl. Gibson 1999: 124). Dass die mit Inschriften versehenen Steine dennoch vormals Teil eines jüdischen Gebetshauses gewesen sein können, legt die archäologisch nachgewiesene Praxis im Fall nichtjüdischer Tempel wie dem Heiligtum des Apollo in Delphi, in dessen baulichen Strukturen annähernd Tausend Freilassungen inschriftlich dokumentiert sind, und die in den Inschriften zum Teil explizit verzeichnete Nennung des Gebetshauses als Freilassungsort bzw. die Dienstverpflichtung des Freigelassenen gegenüber dem Gebetshaus nahe. Die Tempel und Gebetshäuser dienten damit als Hüter über die Freiheit der vormaligen Sklaven, indem sie den Akt der Freilassung öffentlich dokumentiert ausstellten und damit die Ansprüche auf den Freigelassenen von Seiten der Familie des einstigen Besitzers zurückweisen konnten (vgl. dazu Gibson 1999: 50). 608 Für sich genommen ist die Erwähnung des θεὸς ὕψιστος sicherlich noch kein Beweis für einen jüdischen Ursprung der Inschrift. Für eine Liste griechisch-hellenistischer Autoren, die auf den θεὸς ὕψιστος, mit dem in den meisten Fällen Zeus gemeint ist, verweisen, vgl. Schürer 1897: 209–214. Zum Problem der Identifizierung von θεὸς ὕψιστος als Gott Israels vgl. Trebilco 2006: 127–144 und Levinskaja 1996: 83–87. 609 𝔊 gebraucht παντοκράτωρ für die Wiedergabe der Epitheta צבאותund gelegentlich auch שדי. Vgl. Schürer 1897: 205; Hengel 1996: 186 Anm. 75. 610 Vgl. Ustinova 1991: 159 und Trebilco 2006: 136. 611 Zur Bezeichnung vgl. Hengel 1996. 612 Zweifel an der jüdischen Identität der Inschrift CIRB 1123 wurde durch Zeile 14 und die dortige Freilassungsformel ὑπὸ Δία, Γῆν, Ἥλιον („unter dem Schutz von Zeus, Ge und Helios“) laut (so z.B. bei Schürer 1897: 204). Goodenough 1956 und Gibson 1999: 119–121 in seinem Gefolge haben dagegen auf die Formelhaftigkeit der Wendung hingewiesen und mit einer Reihe von weiteren jüdischen Inschriften aus dem antiken Mittelmeerraum, die ebenfalls eine Nennung fremder Gottheiten enthalten, gezeigt, dass die Freilassungsformel weniger synkretistischen Tendenzen geschuldet sein muss und eher auf die Partizipation an griechisch-hellenistischen Rechtspraktiken und der Nutzung ihrer Rechtsformulare zurückzuführen ist (vgl. dazu auch Millar 1986: 37). Zum Gebrauch der Formel in Freilassungstexten vgl. POxy 48,6; 49,8; 722,6.
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Der Akt der Freilassung von Sklaven (θρεπτοί oder σώματα) aus dem Besitz einer Privatperson wurde nach CIRB 70; 71; 73; 985 und 1123613 in der Synagoge vollzogen.614 Inschriftlich konnte diese manumissio auf zweierlei Weise ihren Ausdruck finden. Zum einen lassen sich Derivate des Verbs ἀφίημι („entlassen, freilassen; vgl. CIRB 1124; 1125; 1126; NE 9.3; SEG 43.510) und zum anderen ἀνατίθημι („überantworten, zueignen; vgl. CIRB 74; 985; 1021;615 1123) ausmachen, wobei beide Lemmata durchaus einen kultischen Charakter besitzen, der an eine Weihe oder Votivgabenübergabe erinnert.616 Auf die Freilassungserklärung kann eine Bekundung zur Rechtsanspruchslosigkeit der ehemaligen Besitzer bzw. der hinterbliebenen Erbengemeinschaft über den freigelassen Sklaven folgen, die darin ihren Ausdruck findet, dass die freigelassenen Sklaven ihnen gegenüber als ἀνέπαφος καὶ ἀνεπηρέαστος („unantastbar und unbehelligt; vgl. CIRB 74; 1123; 1126; 1127) oder als ἀνεπίληπτος καὶ ἀπαρενόχλητος („unangreifbar und ungestört; vgl. CIRB 70; 71; 73) gelten müssen. Gelegentlich findet sich auch der Vermerk, dass es den Freigelassenen gestattet ist, sich frei nach Wunsch an jeden beliebigen Ort zu begeben.617 Neben dem Besitz- und Rechtsverzicht über den Sklaven können in den Freilassungsinschriften außerdem Verpflichtungen – bekannt als παραμονή-Klauseln – für den Sklaven zum Stehen kommen, die einen zeitlich befristeten Dienst für den ehemaligen Besitzer oder einen unbefristeten für das Gebetshaus festsetzen.618 Eine Ver613 Zur Diskussion, ob τῇ προσευχῆι in CIRB 1123 als Ortsangabe oder als Benennung des Destinatärs anzusprechen ist, siehe unten. 614 Andere antike Zeugnisse kennen ebenso Gerichtshäuser, Theater oder Tempel (vgl. SGDI 2010; sowie Thalheim 1910: 96–97; Hopkins und Roscoe 1978: 145) als Freilassungsort. 615 C IRB 74 und 1021 enthalten zwar keine Merkmale, die einen jüdischen Ursprung der Inschrift vermuten lassen, doch sollen die Inschriften hier dennoch Erwähnung finden, um der Veranschaulichung von Lokaltraditionen im bosporanischen Königreich zu dienen. 616 Während dies im Fall von ἀνατίθημι breit belegt ist (vgl. z.B. 𝔊 Lev 27,28; Mi 4,13; 2. Makk 5,16; Herodot 1,53; 2,159.182; 7,54), sind die Belege von ἀφίημι mit kultischer Konnotation eher schmaler bezeugt. Hier sei allerdings speziell auf das in SEG 43.510 gebrauchte Adjektiv ἄφετος verwiesen, das z.B. in Plutarch, Lucullus 24,4 „frei“ herumlaufende heilige Herden bezeichnet, in Plutarch, Moralia 768b einen freien Menschen direkt mit einem Tempelsklaven gleichsetzt, in Athenaeos, Deipnosophistae 12,11 ein „Ausgeliefertsein gegenüber jmd. (mit Dat.)“ beschreibt, in Josephus, Contra Ap 2,229 und Julius Pollux, Onomasticon 1,36 das „Befreitsein“ von irdischen Diensten und Belastungen meint und in Euripides, Ion 822 im Sinne von „geweiht“ gebraucht wird. 617 Vgl. CIRB 70; 73 und 1126. 618 Bisweilen wurde argumentiert, dass die παραμονή-Klauseln im Grunde genommen den Fortbestand der Sklaverei (vgl. Bloch 1914: 30) bzw. aus soziologischer Perspektive das Verweilen in einem Zwischenstadium zwischen Sklaverei und Freiheit bedeutet hätten (vgl. Hopkins und Roscoe 1978: 142 Anm. 19). Für den rechtlichen Status bedeutete die Freilassung, auch wenn sie an Bedingungen geknüpft war, allerdings eine Aufwertung. So konnte der Freigelassene zum Miterben eingesetzt werden (vgl. z.B. Hirt Hermas Sim V 2,7–8; sowie Leutsch 1989: 148) und unter besonderen Umständen sogar das römische Bürgerrecht
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letzung dieser παραμονή-Klauseln kann bedeuten, dass der Freilassungsvertrag aufgehoben und der Freigelassene wieder in den Sklavenstand zurückkehren muss.619 Solche Klauseln können aber auch wie in NE 9.3 und möglicherweise auch CIRB 1126620 gänzlich fehlen. Form und Inhalt der in den Inschriften dokumentierten Gelübde werden nicht ersichtlich. Eine Reihe von antiken Quellen weiß davon zu berichten, dass die Freilassung eines Sklaven durch seine Treue, seinen Gehorsam und seinen Dienst für seinen Herrn motiviert sein kann.621 Die kultische Sprache, wie sie mit der Darbringung des Sklaven bzw. mit seiner Weihung für das Bethaus622 offenkundig wird, kann erklären, warum die Freilassung als Erfüllung eines zuvor ergangenen Gelübdes angesprochen wird. Dies kann bedeuten, dass der Freilassung kein Gelübde in der Form einer bedingten Selbstverpflichtung vorausgegangen sein muss, die die Weihe bzw. die Freilassung des Sklaven an die Erfüllung einer zuvor an Gott gerichteten Bitte knüpfte. So gedacht kann das Gelübde als ein reiner Formakt und damit als ein Versprechen zur Darbringung einer freiwilligen Gabe angesehen worden sein.623 Diese Form der Freilassung ist dann ebenso wie der belegte Verkauf von Sklaven an eine Gottheit624 eine Form der sakralen Freilassung von Sklaven und ebenso „fiktiv“ bzw. „symbolisch“625 wie dieser. Anders als in jenen nichtjüdischen Inschriften aus hellenistischer Zeit, in denen der Sklave einer verliehen bekommen (vgl. Heinrichs 1998: 646–648). Das Verbleiben im Dienst des vormaligen Herrn bedeutete schließlich auch die ökonomische Absicherung, weshalb eine nicht geringe Zahl an Freigelassenen den Verbleib auch begrüßt oder sogar gewünscht haben (vgl. Duff 1958: 89–128). Zur rechtlichen Stellung zwischen Freilasser und Freigelassenem vgl. Plato, Nomoi 11,915 a–c; Plinius d. J., Epistulae 9,21; sowie Duff 1958: 36–49. 619 Vgl. z.B. SGDI 1721. 620 Die Zeilen 8–9 der Inschrift CIRB 1126 sind nicht mehr zu rekonstruieren. Ob sich nicht vielleicht gerade dort eine παραμονή-Klausel befand, muss offen bleiben. 621 Vgl. z.B. Hirt Hermas Sim V 2,2–11. 622 Vgl. vor allem die Wendung ἀνέθηκεν τῇ προσευχῆι κατ᾿ εὐχήν („dem Gebetshaus zugeeignet gemäß einem Gelübde“) in CIRB 1123. 623 Wenn nicht genau inschriftlich verzeichnet, ist die Unterscheidung zwischen einer freiwilligen Gabe und einer von einer bedingten Selbstverpflichtung herrührenden Votivgabe freilich nicht leistbar. 624 Vgl. z.B. SGDI 1721; 1738; 1752. 625 Es wird bisweilen angenommen, dass sich die Freilassung von Sklaven durch Verkauf oder Weihe an eine Gottheit aus einer ursprünglich praktizierten Übergabe von Sklaven zum Tempeldienst heraus entwickelt hat, die später aber nur noch der Form nach vollzogen wurde und für den vormaligen Haussklaven keinen Statuswechsel hin zum Tempelsklaven bedeutete (vgl. dazu Thalheim 1910: 98). Dies wird vor allem an Inschriften ersichtlich, die die Freilassung in kultischer Sprache ausdrücken, jedoch in ihren παραμονή-Klauseln den Verbleib und den andauernden Dienst für den vormaligen Besitzer festsetzen (so z.B. im Fall von IG VII 2872).
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Gottheit geweiht wird,626 wird in der jüdischen Inschrift CIRB 1123 der Sklave nicht dem θεὸς ὕψιστος, sondern dem Gebetshaus geweiht (ἀνέθηκεν τῇ προσευχῆι).627 F. Bömer hat den anscheinend über einen symbolischen Gestus hinausreichenden Weihevollzug eines Sklaven in Frage gestellt und argumentiert, dass der Steinmetz nach der Endung -εν von ἀνέθηκεν versehentlich die Präposition ἐν überlesen und vergessen hat, woraus eine Haplographie entstanden sei.628 Dass eine solche Textrekonstruktion allerdings nicht zwingend ist, zeigt SEG 43.510. Man beachte, dass dort beim beschriebenen Freilassungsakt in Zeile 9–10 mit ἄφετοι τῇ προσευχῆι in ähnlicher Weise das indirekte Objekt markiert wird. Dass hier ebenfalls vor τῇ προσευχῆι ein ἐν ausgefallen ist, ist schon deswegen unwahrscheinlich, weil mit der Endung des vorausgehenden ἄφετοι kein haplographiertes ἐν wahrscheinlich zu machen ist. Man wird daher recht daran tun, ἄφετοι τῇ προσευχῆι und ἀνέθηκεν τῇ προσευχῆι nicht vorschnell mit „Freigelassene im Gebetshaus“629 wiederzugeben. Wie oben dargestellt, kann dem Adjektiv ἄφετος eine kultische Konnotation eigen sein. Die in SEG 43.510 freigelassenen Sklaven Karsandanos, Karagos und Metroteimos können daher auch „dem Gebetshaus Geweihte“ sein. Inwieweit wir es hier ebenso mit symbolischer Kultsprache zu tun haben, oder ob sich dahinter wirklich eine Weihe mit dem Gebetshaus als Destinatär verbirgt, wird noch zu klären sein. Dass die Sklaven nicht explizit der Gottheit, sondern dem Gebetshaus geweiht werden, kann am biblischen Sprachgebrauch von Lev 27,29 liegen, wo bestimmt wird, dass alles vom Menschen Geweihte, getötet werden muss (πᾶν ὃ ἐὰν ἀνατεθῇ ἀπὸ τῶν ἀνθρώπων … θανάτῳ θανατωθήσεται). Sicherlich wollte man vermeiden, dass der Sprachgebrauch der biblischen Tradition mit dem Wortlaut der inschriftlichen Beglaubigungen konfligierte. Möglicherweise empfanden es die vormaligen jüdischen Besitzer auch als ein Tabu, ihrem Gott Sklaven anzugedeihen, die noch nicht vollwertig zum Judentum übergetreten waren oder es vielleicht auch gar nicht wollten,630 weshalb man das Gebetshaus als Destinatär verzeichnete. Wie sich 626 Vgl. IG V/1 1228; VII 2872; 3083; 3080–3081; 3198–3199; 3301–3406. 627 Gleiches gilt auch für SEG 43.510. 628 Vgl. Bömer 1960: 102. 629 So aber Gibson 1999: 132.172, die vorschlägt, τῇ προσευχῆι entweder als dativus locativus zu interpretieren oder das Fehlen der Präposition auf den kompakten sprachlichen Stil der Inschrift zurückzuführen. 630 Es wird verschiedentlich angenommen, dass die Freilassung der Höhepunkt der Konversion des Sklaven zum Judentum darstellte (vgl. dazu die bei Gibson 1999: 137 Anm. 28 versammelte Literatur). Bellen 1965/66: 175 schließt sogar daraus, dass das Bestreben, die Freigelassenen an das Gebetshaus zu binden, als ein Ringen um die Sicherung der Mitgliederzahlen des Gebetshauses anzusehen ist. Solche historischen Rekonstruktionen gehen allerdings weit über das hinaus, was man auf der Grundlage der konzis gehaltenen
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der Sklavenbesitzer aus SEG 43.510 die Assoziation der geweihten Freigelassenen mit dem Gebetshaus vorstellt, eröffnet die Inschrift in den Zeilen 12–14. Während ihnen auf der einen Seite ihre Unangreifbarkeit und Unhinderbarkeit zugesichert wird, wird ihnen auf der anderen Seite die Pflicht aufgetragen, sich dem Gebetshaus gegenüber in προσκαρτέρησις („Beharrlichkeit“) und θωπεία („Ehrfurcht“) zu verhalten. In welcher Form – kultisch631 Inschriften als gesichert für die Erhellung der soziologischen und religiösen Zusammensetzung jüdischer Diasporagemeinden annehmen darf. Dabei ist kritisch zurückzufragen, warum bei der im Freilassungsdokument bestimmten Assoziation der Freigelassenen mit der Synagoge gleich von einer Beschneidung und vollwertigen Konversion ausgegangen werden muss. Wenn antike Synagogengemeinden in Teilen eine wie auch immer geartete Partizipation von Gottesfürchtigen, d.h. nicht voll zum Judentum Übergetretenen, tolerierten, dann stellt sich die Frage, warum sich die Freigelassenen nicht auch zu dieser Gruppe hätten zählen können. Es kann daher nicht angehen, die Freilassungsinschriften des bosporanischen Königreichs und ihre Assoziationsbestimmungen zum Gebetshaus als Zeugnisse von Zwangskonversionen zum Judentum zu werten. 631 Die Verpflichtung zur Beharrlichkeit und Ehrfurcht gegen das Gebetshaus meint nach Schürer 1897: 202 den regelmäßigen Besuch der Synagoge. Westermann 1955: 126 und Bömer 1960: 103 verstehen die Klausel als eine Forderung, im Zusammenhang der Freilassung eine Weile betend im Gebetshaus zu verbringen. Da die mit χωρίς eingeleitete Klausel die grundsätzlich gefasste Einschränkung der zuvor versicherten Unantastbarkeit und Unhinderbarkeit darstellt, die die soziologischen und ökonomischen Beziehungen der Freigelassenen im Allgemeinen neu definiert, halte ich die von Westermann und Bömer vorgelegte Deutung einer einmalig ableistbaren Voraussetzung zur Erlangung umfänglicher Freiheit für unzulässig. Im Fall von CIRB 1123 und der dort dokumentierten Freilassung der Sklavin Chrysa schließt Levy 1861: 299 aus, dass es sich hierbei um eine Weihe mit religiösen Verpflichtungen gegenüber dem Gebetshaus handelt, da die Partizipation von Frauen am kultischen Leben antiker Synagogen nicht möglich war. Ein solcher, sicherlich auch anachronistischer Blick auf die Stellung der Frau im antiken Judentum und speziell im kultischen Kontext antiker Synagogen, hat sich auf der Grundlage eines gewachsenen Forschungsinteresses und neuer archäologischer Funde grundlegend geändert. So versammelt Brooten 1982 all jene inschriftlich bezeugten Ämter, die von weiblichen Mitgliedern antiker Synagogengemeinden gehalten wurden, und legt überzeugend dar, dass nicht alle Inschriften reine Ehrentitel sind und auch nicht in jedem Fall davon ausgegangen werden kann, dass die mit Ämtern betitelten Frauen allein die Ehefrauen von männlichen Amtsträgern gewesen seien, die aus Wertschätzung gegenüber dem männlichen Amtsträger ebenfalls den Titel trugen. Er nimmt dabei an, dass wohlhabende Frauen Gebetshäuser gründeten und im Ältestengremium mit der Verwaltung der finanziellen Ressourcen der Gemeinde sowie mit administrativen Aufgaben betraut gewesen sein können (vgl. Brooten 1982: 38–39.55.64–72). Nach Brooten wäre generell auch zu fragen, ob Frauen je nach Bildungsstand und Alphabetisierung nicht auch im Stande gewesen sein konnten, als Toravorleserinnen zu agieren (demgegenüber eher skeptisch Horbury 1999: 375–383.389). Entsprechend geltender Lokaltradition könnten sie auch gemeinsam mit den Männern oder vielleicht auch von ihnen getrennt am Gebet in der Synagoge teilgenommen haben (vgl. dazu die verschiedenen Ansätze und Deutungen des archäologischen Befundes bei Hachlili 2013: 579–580). Im Fall freigelassener
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oder ökonomisch632 – sich die Assoziation mit dem Gebetshaus manifestieren soll, wird nicht inschriftlich festgelegt. Man wird sicherlich annehmen dürfen, dass die genaue Ausformung dieser Verpflichtungen von der Gemeinde, und hier wird man speziell an die Vorsteher des Gebetshauses denken müssen, genauso beaufsichtigt wurde wie auch die Wahrung der Unangreifbarkeit und Unhinderbarkeit gegenüber den vormaligen Besitzern.633 Versteht man die Assoziation also in irgendeiner Form als Dienstbarkeit gegenüber dem Gebetshaus, dann kann man eine so geartete Freilassung auch als eine Gabe an die Gottheit begreifen, die wiederum als Versprechung würdig im Bittgelübde angeboten werden kann. Will man allerdings annehmen, dass die Freilassung eines Sklaven für sich genommen schon als eine Ehrerweisung gegenüber der Gottheit verstanden werden kann,634 dann lässt sich allein schon dieser Akt als eine im Bittgelübde der Gottheit versprochene Handlung verstehen, auf welche die Gottheit dann ihrerseits in wohlwollender Vorleistung eingehen kann. Was die bosporanischen Freilassungsinschriften anbelangt, so scheinen diese nach meinem Dafürhalten die Praxis zur Weihung von Sklaven zum Dienst an Gebetshäusern zu belegen. Demnach scheint diese Form der Personenweihe den Untergang des Jerusalemer Tempels zumindest im bosporanischen Königreich überdauert zu haben, wobei die Weihe zum Tempelsklaven von der Synagoge als Tempelersatz übernommen und fortgeführt wurde.
Sklavinnen, die dem Gebetshaus geweiht wurden, wird man zumindest mit Zurückhaltung sagen dürfen, dass ihre Teilnahme an jüdischen Festversammlungen und am Gebet der Synagoge eine religiöse Verpflichtung war, zu der sie in Folge eines Gelübdes und ihrer damit einhergehenden Freilassung angehalten werden konnten. 632 Darunter können auch Botendienste gefallen sein (vgl. z.B. die Tempeldiener in der Negativwahrnehmung der Rabbinen in tMen 13,21). 633 So bestimmt es SEG 43.510 Zeile 16–19 mit συνεπιτροπευούσῃς τῆς συναγωγῆς τῶν ᾽Ιουδαίων („die Gemeinde der Juden führt mit die Aufsicht“). Sind die Freigelassenen das zweite Kontrollgremium? 634 Wird man die Freilassung eines Sklaven im Judentum generell als eine Art Wiederherstellung seiner durch die Schöpfungsordnung zugestandenen Dignität verstehen dürfen? Lev 25,39–42 zumindest begründet die Freilassung nicht über die Dignität, sondern über den Status Israels vor Gott, dem es Knecht und er ihm Patron ist. Gott selbst wird darüber hinaus wiederholt als Befreier seines Volkes aus der Sklaverei Ägyptens betitelt (vgl. Ex 13,13–14; 20,2 u.ö.). Vgl. dazu auch Hezsers Untersuchung der Exodusrezeption im antiken Judentum in Hezser 2005: 363–379. Als Ehrerweisung wird man vor diesem Hintergrund sicherlich nur die Freilassung von konversionswilligen Sklaven ansehen dürfen. Ob eine solche Sicht auch mit Bezug auf Gottesfürchtige oder gar Konversionsunwillige zulässig ist, muss fraglich bleiben.
Gelübde als bedingte Personenweihe
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Die paulinische Rede vom Darbringen des eigenen Leibes als ein Gott wohlgefälliges Opfer in Römer 12,1 Die Rede von der Darbringung der eigenen Person als Opfer für Gott ist auch dem paulinischen Sprachgebrauch nicht fremd. Im Eingang zur Paränese des Römerbriefes635 in 12,1 beschreibt Paulus in kultmetaphorischer Sprache636 die Art und Weise des vernünftigen Gottesdienstes der Gemeinde vor der Welt. 2.6
1 Παρακαλῶ οὖν ὑμᾶς, ἀδελφοί, διὰ τῶν οἰκτιρμῶν τοῦ θεοῦ παραστῆσαι τὰ σώματα ὑμῶν θυσίαν ζῶσαν ἁγίαν εὐάρεστον τῷ θεῷ, τὴν λογικὴν λατρείαν ὑμῶν· 1 Also ermahne ich euch, Brüder, kraft der Barmherzigkeit Gottes, eure Leiber als ein lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer darzubringen, als euren vernunftgemäßen Gottesdienst. Paulus leitet vom Lobpreis über Gottes Barmherzigkeit und Wundermacht in Röm 11,25–36, mit der er die Mitglieder der römischen Gemeinde in Barmherzigkeit angenommen hat und Israel zukünftig annehmen wird, über zum paränetischen Teil des Briefes. Da Gott bei seiner Erwählung der Gemeinde Barmherzigkeit hat walten lassen, ermahnt Paulus seine Adressaten, darauf mit der Darbringung der eigenen Leiber als Opfergabe für Gott zu antworten.637 Die kultisch konnotierte Sprache, mit der Paulus in Röm 12,1 einsetzt, findet darüber hinaus eine Entsprechung in Röm 15,16, wo Paulus von der Arbeit am Evangelium als einer Verrichtung priesterlicher Dienste spricht.638 Beide Verse können als Rahmung der Paränese angesprochen werden, womit die eingeklammerten Verse Röm 12,2–15,13 als Ausgestaltung der Art und Weise 635 Über die Abfassungszeit des Römerbriefs herrscht in der Forschung weitestgehend Konsens. Der Brief wird wohl im Frühjahr des Jahres 56 u.Z. in Korinth entstanden sein (vgl. Schnelle 2013a: 129; Pokorný und Heckel 2007: 302–303). Der Brief scheint aus Anlass einer geplanten Spanienmission des Paulus, zu der er die Unterstützung der römischen Gemeinde erhofft, entstanden zu sein (Röm 15,23–24.28). Neben diesen missionspraktischen Zielen scheint sich Paulus aber auch aufgrund interner Gemeindeprobleme zur Abfassung des Briefes veranlasst gesehen zu haben. So nimmt Paulus u.a. zu Fragen der Bedeutung der Tora (Röm 7) und zu den Starken und Schwachen in der Gemeinde (Röm 14–15) Stellung. 636 Die Wortwahl des Römerbriefs ist an besonderen Schaltstellen des Briefes von kultischer Sprache durchsetzt. Zum Phänomen vgl. Vahrenhorst 2008: 261–321. 637 Vgl. Lohse 2003: 334. 638 Dass Paulus dies hier in Anlehnung an die Traditionen philosophischer Kultkritik formuliert, wie dies Schnelle 2003: 640 behauptet, kann und wird man auch vor dem Hintergrund der positiven Anklänge an den Kult in Röm 9,4 freilich nicht sagen können.
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kapitel 4
gelten dürfen, wie die eigene Darbringung vor Gott heilig und wohlgefällig zu verwirklichen ist.639 Zu dieser Verwirklichung gehört nach Paulus die Entfaltung der Gnadengaben im Raum der Gemeinde (Röm 12,3–8), ungeheuchelte Bruder- und Nächstenliebe (Röm 12,9–21; 13,8–14), die Unterordnung unter die Obrigkeit (Röm 13,1–7) und die Sorge um die Schwachen im Glauben (Röm 14,1–15,7). Wenn Paulus die Darbietung und Hingabe der eigenen Person mit dem Begriff παρίστημι umschreibt, dann scheint er damit eine zweifache Strategie zu verfolgen. Zum einen gelingt es ihm, einen Bogen zurück zu Röm 6,13.16.19 und seiner dort wiederholt geäußerten Warnung vor der Hingabe der Glieder des Leibes an die Sünde zu schlagen,640 wobei auch in der Zusammenschau von Röm 6,1–19 und 12,1 deutlich wird, dass nur die Person als für Gott heilige und würdige Opfergabe gelten kann, die auch zuvor in der Taufe mit Tod und Auferstehung Christi verbunden und daraus resultierend von der Sünde getrennt wurde.641 Zum anderen kann er durch die verschiedenen Bedeutungsnuancen des Begriffs παρίστημι, der in der Diktion der Septuaginta im Zusammenhang des Kultes das Bereitstehen der Priester und Leviten zum Dienst am Heiligtum642 und in nichtjüdischer Kultsprache das Darbringen von Opfern643 ausdrücken kann, bei seiner Leserschaft das Verständnis wecken, sowohl zum Dienst für Gottes Sache als auch zur opferbereiten Hingabe an Gott bereitzustehen. Dass παρίστημι keinesfalls auf die Bedeutungsnuance des Opferns engzuführen ist,644 kann aus Röm 12,1, dem Kontext von Röm 12–15645 und aus der Metaphorisierung des Opferbegriffs im antik-jüdischen Sprachgebrauch und der damit
639 Zum Gebrauch von ähnlichem kultsprachlichen Vokabular bei Paulus vgl. Phil 4,18; sowie die Ausführungen bei Vahrenhorst 2008: 242–245. 640 Anders als auf kultmetaphorische Sprache wie in Röm 12,1 setzt Paulus in Röm 6,13–19 auf die Verwendung von Waffen- und Herr-Sklaven-Metaphorik (vgl. dazu Röhser 1987: 111–113) und erzeugt damit den Eindruck einer kriegerischen Auseinandersetzung, die von Paulus geradezu zum Freiheitskampf stilisiert wird. Zum Gebrauch der Waffenmetaphorik bei Paulus vgl. auch 2. Kor 6,7 und 10,3–6; sowie zu ihrem motivgeschichtlichen Hintergrund Malherbe 1989: 91–119 und Lohse 1990. 641 Vgl. Wilckens 2014: 11–12; Lohse 2003: 187; Schnelle 2013b: 332–333. 642 Vgl. Num 16,9; Dtn 10,8; 17,12. 643 Vgl. LSAM 15,48–49 und LSCG 3,5; sowie Reicke und Bertram 1954 und Vahrenhorst 2008: 298 mit weiteren Belegen aus biblischen und außerbiblischen Quellen. 644 Anhaltspunkte für eine Gewichtung, nach der Vahrenhorst 2008: 298 zufolge Paulus den Begriff eher im Sinne pagan-kultsprachlicher Konvention verstanden haben wollte, sehe ich daher nicht. 645 Der Dienst am Evangelium ist nach den Worten des Paulus in Röm 15,16 ein priesterlicher Dienst. Bereitzustehen für das Evangelium bzw. sich darzubringen als ein lebendiges Opfer, heißt an diesem Priesterdienst zu partizipieren.
Gelübde als bedingte Personenweihe
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zusammenhängenden Praxis der Personenweihe646 geschlossen werden. Als eine θυσία ζῶσα647 wird der Mensch ja, anders als bei der Weihe zum Bann,648 nicht zur Tötung bestimmt. Die nächste Entsprechung für die paulinische Rede vom „lebendigen Opfer“ wird man daher wohl in Personenweihekonzepten wie dem Naziräat649 und der Korban-Personenweihe650 suchen müssen, bei denen die Ausweihung, also die Rückführung vom Status der Heiligkeit in den Status der Profanität, durch die Darbringung von Opfern bzw. Substitutionsleistungen erreicht wird. Dass Paulus mit dem Gebrauch von παρίστημι die Bereitstellung zum Dienst mitgedacht hat, lässt sich auch am Begriff der λατρεία festmachen, der für Paulus das Ziel der Hingabe ist und der im Römerbrief nach Röm 1,9 den Dienst am Evangelium und nach 9,4 den kultischen Dienst Israels in seiner ganzen Bandbreite651 meint.652 Dieser Dienst ist λογικός in der Gestalt, dass er dem Wesen Gottes entspricht. M. Wolter hat diesbezüglich überzeugend gezeigt, dass die paulinische Metaphorisierung des Opferbegriffs und die Rede von der λογικὴ λατρεία ganz in einer Linie mit zeitgenössischer stoischer Vorstellung ist,653 nach der Gott als Logos als einzig und vernünftig (λογικός) begriffen wird.654 Der Mensch als vernünftiges Wesen (ζῷον
646 Vgl. oben 4 2.3. In diesem Zusammenhang ist auch an Lk 2,22 und die dort beschriebene Erfüllung der nach Ex 13,2 gebotenen Heiligung der Erstgeburt durch Jesu Eltern am Tempel zu denken. Darstellung und Heiligung Jesu wird dort ebenfalls durch das Verb παρίστημι ausgedrückt. Vgl. hierzu Wolter 2008: 135–136. 647 Das Syntagma ist ebenfalls im zweiten Teil des achten Buches der Sibyllinischen Orakel, genauer in Sib 8,408, belegt. Collins 2011: 415–417 hält den gesamten zweiten Teil, also Sib 8,217–500, Siegert 2016: 510–512 sogar das gesamte achte Buch, für eine christliche Fortschreibung und damit im Fall von Sib 8,408 von Röm 12,1 beeinflusst. Vgl. auch die πνευματικαὶ θυσίαι in 1. Petr 2,5. 648 Vgl. unten Kapitel 6. 649 Vgl. Num 6,5 und Philos Rede über den sich selbst als Opfer darbringenden Naziräer in SpecLeg 1,247–248 (siehe dazu auch oben die Ausführungen unter 4 1.2.3.1). Vgl. auch SpecLeg 1,272, wo Philo Heiligkeit und Gottesliebe als zwei Wege der Selbstopferung beschreibt, an den Gott Freude und Wohlgefallen hat (siehe hierzu auch die Anmerkungen von Vahrenhorst 2008: 301). 650 Siehe oben 4 2.3. 651 Nach Wolter 2019: 35 erschöpft sich dieser keineswegs im Opferkult. Vielmehr sei dazu auch das Begehen der Festtage und der Ausdruck von Frömmigkeit in Gebet und Fasten zu rechnen. Vgl. auch Lohse 2003: 268 und Wilckens 2014: 188. 652 In 𝔊 wird mit Derivaten des Wortstamms λατρ- wie in Ex 3,12.18; 17,16 und 10,26 der kultische Dienst mit Opfergaben ausgedrückt. 653 Vgl. Wolter 2019: 253–255. 654 Vgl. Diogenes Laertius 7,134.147. Verwandte Vorstellungen wird man wohl auch hinter Aussagen zum Logos- bzw. Geistcharakter Gottes in 2. Kor 3,17; Joh 1,1 und 4,24 sehen dürfen.
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kapitel 4
λογικόν)655 ist aus diesem Grund auch angehalten, Gott auf vernünftige Weise zu verehren, was nach Seneca nur durch einen blutlosen Gottesdienst, mit reinem Verstand und Gotteserkenntnis geschehen kann.656 Nun lässt Paulus nicht erkennen, dass er, anders als Josephus in Ant 4,73, über die kultmetaphorische Sprache hinaus auch in irgendeiner Weise einen Zusammenhang zum Gelübdewesen sieht. Vielleicht wäre zumindest anzunehmen, dass sich Paulus hier sprachlich an bekannte Formen der Personenweihe und -hingabe, von deren Kenntnis er bei seiner Leserschaft ausgeht, anlehnt. Im Unterschied zu diesen Formen der Selbstweihe kennt Paulus jedoch keine zeitliche Befristung und auch keine anschließende Entbindung oder Ausweihung von diesen Verpflichtungen. Für Paulus erfährt der Glaubende seine Heiligung durch die Erfüllung und Wirkung des Geistes (Röm 15,16) und nicht durch einen Akt der Selbstweihe. Nachfolge ist für Paulus kein befristeter Akt der Hingabe, sie nimmt das ganze Leben ein. Trotz dieser ganz grundsätzlichen Unterschiede ist dennoch bemerkenswert, dass sich sowohl bei Paulus als auch bei Josephus am kultischen Sprachgebrauch, der die eigene Person als ein an Gott geweihtes Opfer ausweist, eine Verpflichtung zum Dienst an Gott festmacht. 2.7 Zusammenfassung Neben der Naziräatsweihe hat das antike Judentum eine ganze Reihe anderer Formen der Personen- und Selbstweihe ausgebildet. Hierzu sind unter den literarisch dokumentierten die Schätzungs- und Gewichtweihe (2. Kön 12,5–17; Lev 27,2–8; SpecLeg 2,32–34; Ant 4,73; mAr passim) sowie die Weihe zum Kultdiener (bosporanische Freilassungsinschriften) zu zählen. Was die Diskurse zur Schätzungsweihe zur Spätzeit des Zweiten Tempels anbelangt, so basieren diese bei den hellenistisch-jüdischen Autoren Philo und Josephus ausnahmslos auf Lev 27,2–8, wobei die dortige Darstellung nur paraphrasierend aufgenommen und mit wenigen erklärenden Zusätzen ausgeschmückt wird. Allein Josephus weiß über den priesterlichen Text hinausgehend vom Brauch zu berichten, dass sich die mit der Schätzungsweihe Gelobenden selbst als Opfer bezeichneten und mit der Weihe kultische Pflichten verbanden. Mit dem Untergang des Tempels und dem Abbruch des dortigen Kultes ist auch 655 Vgl. Epiktet, Diss 2,9,2; sowie Philo, Opif 77. 656 Vgl. die uns bei Laktanz, Div Inst 6,25,3 überkommene Rede Senecas vom rechtmäßigen Gottesdienst; ferner Seneca, Ep Mor 95,47–48; 115,5 und Philo, SpecLeg 1,290; sowie dazu Wolter 2019: 253–255 und weitere dort versammelte Belegstellen. Dass Paulus an Diskursen stoischer Popularphilosophie partizipierte, ist nicht von der Hand zu weisen. Hier wäre z.B. an den Gebrauch der Waffenmetaphorik in 2. Kor 6,7 und 10,3–6, oder die Nähe zur stoischen Affektenlehre in 1. Thess 4,3–8 zu denken. Vgl. hierzu Malherbe 1989.
Gelübde als bedingte Personenweihe
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die Schätzungs- und Gewichtsweihe zu ihrem Ende gekommen. Dass Philo die Schätzungsweihe aus eigener Anschauung kannte, ist aufgrund der spärlichen Informationen, die er seiner Leserschaft hinterlassen hat, nur schwer vorstellbar. Es mag nicht verwundern, dass die zentrale Stellung der verschiedenen Formen der Personenweihe im Raum der Privatfrömmigkeit, die sich im antiken Judentum zur Zeit des Zweiten Tempels herauskristallisiert haben, einen Autor wie Paulus von Tarsus dazu animiert haben, seinen Aufruf zum Dienst in Röm 12,1 unter Anwendung kultmetaphorischer Sprache und unter Partizipation an stoisch-popularphilosophischen Diskursen zur Gottesverehrung als eine Ermahnung zur absoluten Hingaben und Aufopferung für Gottes Sache zu formulieren. Der Römerbrief des Paulus ist damit ein Zeugnis für die immense Strahlkraft des Gelübde- und Weihewesens, die für die paulinische Rede vom vernunftgemäßen Gottesdienst amplifiziert und fruchtbar gemacht werden konnten.
kapitel 5
Verbotsgelübde 1
Jüdische Zeugnisse zur Verbotsgelübdepraxis in hellenistisch-römischer Zeit
Das Verbotsgelübde nach dem Zeugnis Philos in SpecLeg 2,16 1.1 Nach SpecLeg 2,12 sieht Philo in rechter Einsicht, Gerechtigkeit und Frömmigkeit die maßgeblichen Voraussetzungen, die zum Gelübde- und Schwurgebrauch motivieren dürfen. Wenn diese im Gelübde- bzw. Schwurleister gegenwärtig sind, dann können Selbstverpflichtungen sowohl zum eigenen als auch zum Wohl der Gemeinschaft dienlich sein. Gründen diese dagegen auf übersteigerndem Menschenhass, so wird, wie dies Philo in SpecLeg 2,16 erläutert, allein der eigenen Person und dem Allgemeinwohl Schaden zugefügt. 16 εἰσὶ δ᾽ οἳ τὴν φύσιν ἄμικτοι καὶ ἀκοινώνητοι δι᾽ ὑπερβολὴν μισανθρωπίας γεγονότες ἢ καὶ ὑπ᾽ ὀργῆς οἷα χαλεπῆς δεσποίνης ἐκβιασθέντες ὅρκῳ τὴν ἀγριότητα πιστοῦνται τῶν ἠθῶν, οἵτινες οὔ φασιν ὁμοτράπεζον ἢ ὁμωρόφιον ἕξειν τὸν δεῖνα ἢ τὸν δεῖνα ἢ πάλιν τῷ δεῖνι μὴ παρέξειν ὠφέλειάν τινα ἢ παρ᾽ ἐκείνου τι λήψεσθαι μέχρι τελευτῆς· ἔστι δ᾽ ὅτε καὶ μετὰ τὴν τελευτὴν τὸ ἀσύμβατον διαφυλάττουσιν οὐδὲ νεκροῖς τοῖς σώμασιν ἐπιτρέποντες ἐν διαθήκαις τὰ νομιζόμενα παρασχεῖν. 16 Da sind aber (einige), die mit Blick auf (ihre) Natur durch eine Übersteigerung des Menschenhasses ungesellig und unmenschlich geworden sind, oder auch wegen Wut als einer bösen Hausherrin hinweggerissen wurden (und) die Wildheit (ihrer) Angewohnheiten mit einem Schwur bestätigen. Diese bestimmen, mit diesem oder jenem nicht am selben Tisch zu essen oder (ihn nicht) unter einem gemeinsamen Dach zu haben, oder wiederum einem solchen keine Nutznießung zu gewähren, oder von jenem (nichts) zu nehmen solange er noch (nicht) gestorben ist. (Manche) aber bewahren die Unversöhnlichkeit auch noch bis nach dem Tod und erlauben selbst im Testament nicht, dass den toten Leibern die üblichen (Trauer)bräuche angediehen werden. Philo, der bereits mit SpecLeg 2,14–15 beginnend seine Argumentation über das Anhäufen von Schuld bei ungebührlichem Umgang mit Schwüren vorbereitet, prangert hier in 2,16 spezifische Fälle an, in denen unbeherrschtes
© Koninklijke Brill NV, Leiden, 2021 | doi:10.1163/9789004441835_006
Verbotsgelübde
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Schwören das Miteinander in Familie und erweitertem sozialen Umfeld nicht nur beeinträchtigen, sondern sogar zum Erliegen bringen kann. Was Philo hier im Einzelnen an Missbräuchlichem benennt, weist eine große Nähe zu den Verbotsgelübdediskursen der Rabbinen in den Traktaten zum Gelübde aus Mischna und Tosefta auf. So deutet mNed 9,4 mit Verweis auf Lev 19,17–18 in ähnlicher Weise wie Philo an, dass Gelübde aus Rache, Groll, Hass und aus Mangel an geübter Nächstenliebe unbedacht geäußert werden. Ein durch Gelübde gewirktes Aufkünden der Tischgemeinschaft ist bei den Rabbinen ebenfalls ein häufig diskutiertes Thema, mit dem sich diese als Ordner des Rechts in mNed 5,6; 7,8 und 8,7 beschäftigen müssen. Philos Verweis auf die Unterbindung der ὠφέλεια an gemeinsam genutzten Gütern oder gar an Personen hat eine direkte Entsprechung im Diskurs der Rabbinen über das durch Gelübde erwirkte Verbot der „( הנייהNutznießung“) in mNed 4,2; 5,1–3 und 8,7. Selbst die Frage, in welchem Maße sich die Auswirkungen eines Gelübdes noch nach dem Tod entfalten, wird eigens in tNed 2,7 beantwortet. Wenn Philo und die Rabbinen unabhängig voneinander in großer Übereinstimmung über Motiv, Gebrauchssituation und Missbrauch von inaugurierten Selbstverpflichtungen berichten, dann beweist dies, wie virulent und verbreitet diese Praxis in den beiden Jahrhunderten vor und nach der Tempelzerstörung war. Dies kann auch als Beleg dafür gelten, dass die in Mischna und Tosefta Nedarim diskutierten Rechtsfälle in großem Maße realen familiären Rechtsstreitigkeiten entlehnt wurden, wobei die Rabbinen als Richter und Rechtsbeistand fungierend in vielen Fällen um die Wahrung des familiären Friedens bestrebt waren. Aus der Tatsache, dass Philo das in SpecLeg 2,16 Dargelegte der Schwur- und nicht wie im hebräischsprachigen Judentum der Gelübdepraxis zurechnet, wird man auch mit Blick auf Josephus, Ap 1,166–167 und Mt 23,16–22 daraus schließen dürfen, dass die so gearteten, mit dem Ziel einer Handlungsrestriktion abgelegten Selbstverpflichtungen für eine griechische Leserschaft nur als ὅρκοι verständlich gemacht werden konnten. Dass Philo Gelübde im Zusammenhang des zweiten Dekaloggebotes den Schwüren beiordnet, wird dem Umstand geschuldet sein, dass beiden eine Anrufung Gottes mit seinem Namen zugrunde liegt und der missbräuchliche Gebrauch beider einem Bruch des zweiten Dekaloggebots gleichkommt. 1.2 Der Korban-Schwur in Ap 1,166–167 Von einer weiteren, mit der Bezeichnung κορβᾶν betitelten Form der Selbstverpflichtung weiß Josephus in Ap 1,166–167 zu berichten. In einer Paraphrase zur Darstellung der Tyrier im Werk De legibus des Aristoteles-Schülers Theophrast (370–287 v.u.Z.) schildert Josephus, wie diese den Einfluss und den Gebrauch fremder Eide zu unterbinden versuchten.
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kapitel 5
166 […] δηλοῖ δὲ ὁ Θεόφραστος ἐν τοῖς περὶ νόμων 167 λέγει γάρ ὅτι κωλύουσιν οἱ Τυρίων νόμοι ξενικοὺς ὅρκους ὀμνύειν ἐν οἷς μετά τινων ἄλλων καὶ τὸν καλούμενον ὅρκον κορβὰν καταριθμεῖ παρ᾽ οὐδενὶ δ᾽ ἂν οὗτος εὑρεθείη πλὴν μόνοις Ἰουδαίοις δηλοῖ δ᾽ ὡς ἂν εἴποι τις ἐκ τῆς Ἑβραίων μεθερμηνευόμενος διαλέκτου δῶρον θεοῦ. 166 […] dies zeigt aber Theophrastos 167 in den [Schriften] Über das Gesetz. Er sagt nämlich, dass die Gesetze der Tyrier einem verbieten, fremde Eide zu schwören. Unter welchen er außer einigen anderen auch den so genannten Korban-Eid aufzählt. Nirgends als bei den Juden allein kann er gefunden werden. Er macht aber klar, dass jemand, der es aus dem Hebräischen übersetzt, es „Geschenk an Gott“ nennt. Ap 1,166–167 gehört zu einem größeren, von 1,60–218 reichenden Abschnitt über die Zeugnisse griechischer, ägyptischer, phönizischer und babylonischer Autoren (Ap 1,69–72), die das hohe Alter des jüdischen Volkes bezeugen können. Mit der in Ap 1,166–167 überlieferten Paraphrase zur Passage über die Tyrier in Theophrasts Werk De legibus hat Josephus wohl das älteste Zeugnis eines griechischen Schriftstellers über das antike Judentum für seine Nachwelt bewahrt.1 Was nun den den Tyriern bekannten κορβᾶν-Eid der Judäer anbelangt, so wird man keine Nähe zum griechischen Eidopferbrauch2 annehmen dürfen, da Josephus betont, er sei nirgends anders als bei den Juden zu finden. Was genau Josephus hier bei Theophrast zu paraphrasieren versucht, wird durch die Kürze der Notiz nicht ganz deutlich. Zumindest wird man aber sagen dürfen, dass das, was Josephus hier als einen κορβᾶν-Eid benennt, ihm auch als solcher sicherlich bekannt war. Neben Ap 1,167 bezeugt auch Mt 23,18 den Schwur beim δῶρον („Gabe, Geschenk“). Ohne einen direkten Bezug zwischen Schwur und Opferkult, aber mit einer vergleichbaren Gebrauchssituation zum rabbinischen Verbotsgelübde wäre hier noch SpecLeg 2,16 zu nennen. Alle drei Fälle werden die im antiken Judentum mit κορβᾶν3 bzw. קרבןinaugurierte Selbstverpflichtung zur Unterbindung gewisser Handlungen zum Gegenstand haben.4 Wir haben es hier mit einer großen terminologischen Einheitlichkeit bei Griechisch schreibenden, jüdischen Autoren zu tun, die die bei den 1 Vgl. Siegert 2008: 39. 2 Vgl. Nilsson 1992: 140–141. 3 Vgl. auch Mk 7,11. 4 Eine Verbindung vom Korban-Eid in Josephus, Ap 1,166–167 zum Verbotsgelübde hat bereits Hommel 1954: 137–149 vermutet. Lieberman 1994: 130 vermutet dagegen, dass es sich um den Verweis auf einen Schwur handelt, der anstelle der Anrufung des Gottesnamens die Substitution קרבןgebrauche.
Verbotsgelübde
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Rabbinen bezeugte Verbotsgelübdepraxis der Form nach als einen ὅρκος ausweisen. Dies mag aber nicht verwundern und sollte auch nicht so hingestellt werden, als würden zuvor genannte Autoren nicht mehr trennscharf zwischen Gelübde und Schwur unterscheiden können. Was sich da im hebräisch- bzw. aramäischsprachigen Judentum aus der Gelübdepraxis heraus entwickelt hat, konnte schwerlich einer griechischen Leser- und Hörerschaft als εὐχή („Gebet, bedingtes Weihegelübde“) vorgestellt werden. Da, wie die Verbotsgelübde der späteren rabbinischen Literatur zeigen, solche Gelübde mit dem Ziel der Auferlegung von Handlungsrestriktionen inauguriert wurden, konnte dies für griechischen Sprachgebrauch nur als ὅρκος vorgestellt werden. Gesetzt den Fall, Josephus paraphrasiert hier wirklich aus einem auf Theophrast zurückzuführenden Werk und nicht aus einer pseudepigraphen Schrift und er deutet nicht nur das, was er aus De legibus entnommen hat, vor dem Hintergrund seiner zeitgenössischen Gelübde- bzw. Schwurpraxis, dann könnte der Brauch, Gelübde zum Zweck der Auferlegung von Handlungsrestriktionen zu verwenden, bis ins 3. bzw. 4. Jh. v.u.Z. zurückreichen. Das pharisäische Fasten- bzw. Verbotsgelübde nach dem Zeugnis der Fastenrolle Die Fastenrolle ( )מגלת תעניתist ein aus der Spätzeit des zweiten Tempels stammender Kalender, der – wohl als Gedächtnisstütze gedacht – 35 Tage im Jahreszyklus benennt, an denen es nicht gestattet ist, zu fasten oder zu trauern. Da die jüngsten geschichtlichen Ereignisse, zu deren Erinnerung die Fastenrolle den Verzicht zum Fasten aufgibt, im Zusammenhang der Auseinandersetzung mit der römischen Besatzung am Beginn des ersten jüdischen Aufstandes stehen, wird man mit dem Abschluss der Fastenrolle zwischen 67 und 70 u.Z. rechnen müssen.5 Der Tradentenkreis der Fastenrolle wird dabei von einem Teil der Forscher im pharisäischen Judentum gesucht,6 was mit der Freude über Niederlagen der Sadduzäer7 und über Alexander Jannai8 begründet wird. Die Fastenrolle zählt neben den Verboten zum Fasten und Trauern an den in ihr enthaltenen Halbfeiertagen auch eine Ausnahme auf, die die Verwirklichung einer Fastenabsicht gestattet.9 1.3
5 Vgl. Dalman 1896: 32; Beyer 1984: 354; Deines 2001: 486. Lichtenstein 1931–1932: 264 nimmt eine Endredaktion in der Mitte des 1. Jh. u.Z. an. 6 Vgl. Mantel 1983: 60–61; Beyer 1984: 354; Noam 2006: 339. Correns 1989: 13 hält die Fastenrolle dagegen für ein tannaitisches Werk. 7 Vgl. die Halbfeiertag Nr. 10; 19 und 24. 8 Vgl. den Halbfeiertag Nr. 33. 9 Der hier abgedruckte Text der Fastenrolle basiert auf der von Noam 2003 erstellen Transkription der Handschrift Parma de Rossi 117.
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להן אנש דאיתי38 … אלין יומיא דלא לאתענאה בהון ומקצתהון דלא למספד בהון2 בצלו11 אסיר10עלוהי
Dies sind die Tage, an denen es verboten ist, zu fasten, und an einigen von ihnen sogar zu trauern: … davon ausgenommen ist der, der [ein Fasten] auf sich genommen hat. [Er ist] gebunden durch [s]ein Gebet.12 Die Varianten zum abschließenden Satz der Fastenrolle sind zahlreich;13 so auch im Fall von אסיר. Das Geniza-Fragment Oxford (Cowley 2860.12) zu jTaan 2,13 66a,7–8 und jMeg 1,6 70c,45–46 lesen אסר, was als Nomen und damit als Objekt des Verbs איתיinterpretiert werden kann. In diesem Fall wird das Fastengelübde durch אסר בצלוexpliziert. Die Ergänzung בצלוkann dann entweder dazu dienen, die erlaubte Sonderfastenform von einem öffentlich ausgerufenen Fasten14 zu unterscheiden, oder aber die feierliche Selbstverpflichtung zum Fasten zu umschreiben,15 für die es scheinbar noch keinen terminus technicus gab. Verschiedene Textzeugen der Fastenrolle bieten wie die Hs. Oxford (Neubauer 2421.10) mit ייסרoder die Hss. Cambridge (Add. 648.9) und New York (JTS 10484) mit יאסרeine zweite Verbform im Schlusssatz. Die Gemara von bTaan 12a kennt beide Lesarten und deutet sie auf ganz unterschiedliche Weise. Im Fall von ייסרist die in Z. 38 dokumentierte Ausnahmefallerklärung der Fastenrolle in einen Disput der Amoräer Rav, Samuel und Josef integriert, der sich um die Frage nach der genauen zeitlichen Determinierung für eine bindende Fastenabsicht dreht. Als für die Inauguration der
10 Die Handschriften Oxford (Neubauer 2421.10), Cambridge (Add. 648.9) und New York (JTS 10484) ergänzen „( מן קדמת דנאder bereits im Vorfeld“). 11 Wenn es sich nicht um eine Metathese der Konsonanten סund יhandelt, d.h. der Abschreiber an dieser Stelle nicht ( איסרvgl. 𝔗Onk Num 30,3) zu אסירverlesen hat, dann drückt das Adjektiv אסירin der Konklusion den bindenden Charakter der Selbstverpflichtung zum Fasten aus. 12 Die Ausnahmeregelung der Fastenrolle steht in direktem Widerspruch zu tTaan 2,4. 13 Vgl. Noam 2003: 48. 14 Vgl. Correns 1989: 13–14. 15 Der targumische Gebrauch von בצלוzeigt einen auffälligen Befund. Das Kompositum aus dem Nomen צלוund der modal gebrauchten Präposition בdrückt aus, wie gewisse Handlungsträger bzw. Beter im Fall der Psalmen vor Gott treten. Auffällig ist dabei, dass בצלו in der Mehrzahl der Fälle keine Übersetzungsphrase ist, sondern vom Targumisten meist als erklärende Glosse für ein im hebräischen Text ausgedrücktes liturgisches Erheben der Hände bzw. der Seele gebraucht wird (vgl. z.B. 𝔗Onk Gen 14,22 und Ex 9,29). Der Gebrauch der Phrase in der Fastenrolle ist freilich nicht vom targumischen Befund rezeptionsgeschichtlich abhängig. Der Vergleich legt aber die Vermutung nahe, dass der ausdrückliche Verweis auf einen liturgischen Kontext eine feierliche Fastenerklärung im Blick hat.
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Verbotsgelübde
Fastenverpflichtung letztmögliche Zeitspanne kommt nach Rav die Zeit des Mincha-Gebets16 in Frage. Nach Samuel muss die Fastenverpflichtung im Mincha-Gebet selbst artikuliert werden. ייסר בצלוwäre damit als Aufforderung zu verstehen, nach der sich eine Person mit Fastenabsicht „im [Mincha-]Gebet verpflichten soll“. Zur Erhellung von יאסרwird eine Baraita zitiert, die auch aus dem Scholion (P)17 zur Fastenrolle bekannt ist und dort der Erläuterung der Ausnahmeregelung in Z. 38 dient. bTaan 12a (München 95)
Scholion P (Parma de Rossi 117)
יחיד שקיבל עליו תענית כל18כדתניא השנה כולה ופגע ו בו ימים הכתובים ב�מ גילת תענית אם נדרו קודם גזרתינו תדחה גזירתינו מפני נדרו ואם גזירתינו קודמת לנדרו תדחה נדרו מפני גזירתינו
יחיד שקבל עליו להיות מתענה אירע יום טוב הכתו׳ במגלת תענית הרי זה מפסיק זה הכלל כל שנדרו קודם לגזרתנו תבטל גזרתנו מפני נדרו וכל שגזירתנו קודמת לנדרו יבטל נדרו מפני גזרתנו
Wie es in einer Baraita gelehrt wurde: [Bezüglich] eines Einzelnen, der für das gesamte Jahr ein Fasten auf sich genommen hat und einer der Tag, die in der Fastenrolle verzeichnet sind,
[Bezüglich] eines Einzelnen, der [es] auf sich genommen hat, zu fasten, [gilt]: Fällt [einer seiner Fastentage auf] einen Feiertag, der in der Fastenrolle niedergeschrieben ist, siehe, so unterbricht
16 Das Nachmittagsgebet wird während der Zeit der Darbringung des Tamid-Opfers gesprochen. Vgl. Apg 3,1; 10,9–10; tBer 3,6 und bBer 26b. 17 Das Scholion zur Fastenrolle ist ein Kommentarwerk, das uns in zwei unabhängigen Versionen und in einer Hybridversion überliefert ist (vgl. Noam 2006: 351–356). Während uns die beiden verschiedenen Versionen in den Handschriften Oxford (Neubauer 2421.10; nach Noam 2006 Scholion O) und Ms. Parma de Rossi 117 (Scholion P) überkommen sind, stellt die Hybridversion eine aus dem Mittelalter stammende Verknüpfung dieser beiden Versionen dar. Brann 1876: 410–418 hält das Scholion für ein nachtalmudisches Konstrukt, da es neben den beiden Talmudim auch den Midrasch Genesis Rabba vorauszusetzen scheint. Beyer 1984: 354; Correns 1989: 66–67 mit Anm. 102 zu II 8 und Stemberger 2011: 47 kommen zu einem ähnlichen Schluss. Dagegen macht Noam 2006: 350–351 darauf aufmerksam, dass frühere Studien zum Scholion auf der Textfassung des Drucks zur Fastenrolle beruhten. Diese sei aber auf der Grundlage der Hybridversion aus dem Mittelalter zusammengestellt und deshalb für Fragen der Textgeschichte völlig ungeeignet. Sie hält es für denkbar, „that Scholion O, Scholion P, and the version of the Scholion that is partially adduced in the Bavli, are only three coincidental representatives out of a larger group of aggadic anthologies that were appended to Meg-Taan during the talmudic period“ (354). 18 In den Talmudhandschriften München 140, London 400, Jerusalem Jad R. Herzog und den Drucken Venedig und Wilna ist Absatz 38 der Fastenrolle Bestandteil der Baraita. In beiden Drucken wird mit „( דתניא במגילת תעניתdenn es wurde in einer Baraita in der Fastenrolle gelehrt“) sogar suggeriert, dass das Scholion in talmudischer Zeit bereits fester Bestandteil der Fastenrolle war.
328 koinzidiert mit einem [dieser Fastentage, gilt]: Wenn [er] sein Gelübde vor unserer Anordnung19 [abgelegt hat], wird unsere Anordnung aufgrund seines Gelübdes verdrängt;20 wenn aber unsere Anordnung seinem Gelübde [vorausgegangen ist], wird sein Gelübde aufgrund unserer Anordnung verdrängt.21
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dieser [das Fasten]. Das ist die Regel: [In] allen [Fällen], da sein Gelübde unserer Anordnung voraus[gegangen ist, gilt]: Unsere Anordnung wird aufgrund seines Gelübdes annulliert. Und [in] allen [Fällen], da unsere Anordnung seinem Gelübde voraus[gegangen ist, gilt]: Sein Gelübde wird wegen unserer Anordnung annulliert.
Bei genauer Betrachtung der beiden parallelen Textstücke fallen zwei erläuternde Erweiterungen ins Auge. Es handelt sich dabei zum einen um die Präzisierung der Dauer des privaten Fastens in bTaan 12a, die mit der zeitlichen Begrenzung von einem Jahr angegeben wird, und zum anderen um eine Konkretisierung der fastenfreien Tage in Scholion P, die ein Fasten an Feiertagen ausschließt. Beide Erweiterungen werfen mit Blick auf Z. 38 der Fastenrolle Fragen auf. Welche in der Fastenrolle niedergeschriebenen Feiertage (יום טוב bzw. )יומא טבאhat Scholion P genau im Blick? Soll es sich hierbei um den 7. Kislew in Z. 23 und den 2. Schebat in Z. 27 handeln, die explizit als Feiertage ausgewiesen werden? Beide Kalendertage haben aber weder eine Entsprechung zu Festtagen der Hebräischen Bibel, noch gibt die Fastenrolle irgendeinen Hinweis darauf, was an diesen beiden Tagen geschehen ist.22 Warum sollte also gerade an diesen beiden Tagen das Fasten unterbrochen werden? Will man 19 Gemeint sind die Anordnungen zu den Fasten- und Trauerverboten der Fastenrolle. Mit גזירתינוsuggerieren Baraita und Scholion P, dass die Autoren der Fastenrolle aus dem Kreis der Rabbinen stammen. 20 D.h. das Fasten bleibt durch das Gelübde rechtlich bindend. 21 D.h. das Fastenverbot der Fastenrolle bleibt in Kraft. 22 Beyer 1984: 354 argumentiert in überzeugender Weise, dass die mit den beiden Tagen zusammenhängenden Ereignisse in zeitlicher Nähe zur Endredaktion der Fastenrolle standen und die Allgemeinheit von den historischen Begebenheiten noch Kenntnis besaß, sodass man auf nähere Erläuterungen verzichtete. Scholion O und P verbinden mit dem 7. Kislew aber den Tod des Herodes und mit dem 2. Schebat den Tod des Hasmonäers Alexander Jannai und damit Daten, die weit hinter die Zeit der Endredaktion zurückgehen. Scholion O verknüpft dabei irrtümlich den Mord an den Pharisäern mit Herodes und nicht mit Alexander Jannai (vgl. Josephus, Ant 13,372–380; bBer 48a; sowie Schäfer 2010: 90–92). Dazu kommt die Eigentümlichkeit, dass beide „Festtage“ keine Erwähnung in den beiden Talmudim finden (vgl. dazu die Übersicht der Paralleltraditionen in den beiden Talmudim bei Noam 2003: 49–54). Diese Beobachtungen legen die Vermutung nahe, dass Kenntnisse über die historischen Begebenheiten beider Feiertage früh verlorengingen. Dass nach Scholion P ausgerechnet an diesen beiden Tagen eine bereits bestehende Fastenverpflichtung unterbrochen werden muss, ist schwer vorstellbar.
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annehmen, dass mit der Fastenunterbrechung am „Feiertag“ jedes in der Fastenrolle verzeichnete Datum gemeint sein soll, dann stünde dies in direktem Widerspruch zu Z. 38 der Fastenrolle, aber auch zur Textversion von Scholion P selbst, die mit זה הכללdie Voraussetzung für die Weiterführung einer auferlegten Fastenzeit darlegt. Verglichen dazu ist die Textversion der Baraita in bTaan 12a eindeutiger und weit weniger spannungsreich. Mit der zeitlichen Präzisierung der Fastenzeit auf ein ganzes Jahr macht die Baraita deutlich, dass Z. 38 der Fastenrolle nur eine zeitlich begrenzte Bedeutung besitzt. Wenn eine Fastenabsicht am Tag vor dem Inkrafttreten der Fasten- und Trauerverbote der Fastenrolle erklärt wurde, dann endet diese letztmögliche Fastenperiode spätestens einen Tag, bevor sich das Inkrafttreten der Bestimmungen der Fastenrolle zum ersten Mal jährt. Neben den Unterschieden beider Versionen sticht die gemeinsame zeitliche Orientierung an der גזירהsofort ins Auge. Die fast wörtliche Übereinstimmung der im Scholion P als כללausgewiesenen Grundsatzentscheidung zur Aufrechterhaltung oder Aussetzung einer Fastenverpflichtung zeigt, dass beide Texte hier auf eine geprägte Tradition zurückgreifen. Mit Hilfe der Baraita erklärt die Gemara von bTaan 12a die Lesart יאסר בצלוals Bestätigung für die Fortsetzung der Fastenzeit auch während der Freudentage der Fastenrolle,23 d.h. der Fastende „wird durch [sein] Gebet gebunden sein“. Besonders aufschlussreich ist, dass Scholion P und die Baraita aus bTaan 12a die Fastenverpflichtung als נדרeinstuft. Vom restriktiven Charakter einer Fasterklärung kann man schließen, dass hierbei nicht an eine bedingte Votivgabenweihe gedacht wurde.24 Vielmehr verorten die Baraita des Bavli und Scholion P die Ausnahmeregelung in Z. 38 der Fastenrolle im Diskurs zur Verbotsgelübdepraxis. Als Fastenerklärung, die selbst vom Gebot der Festfreude zur Wallfahrt und am Schabbat dispensieren kann, kennt auch die tannaitische Literatur nur das Verbotsgelübde,25 was für die Angemessenheit dieser Einordnung spricht. Dass eine solche Verzichtserklärung das Fasten an den 35 Freudentagen der Fastenrolle ermöglichen kann, liegt am Verbot der Profanierung des eigenen Wortes aus Num 30,3. Anders als beim Schwur erfährt die Fastenverpflichtung des Verbotsgelübdes zudem ihre bindende Wirkung durch eine bedingte Weihe der Speise, der der Fastenwillige während seiner Fastenzeit entsagen möchte. Diese bedingte Weihe führt beim Bruch des Gelübdes nicht nur zur
23 Vgl. Jastrow 1950: 98 zum Eintrag אסרch. 24 Vgl. dazu oben 3. 25 Vgl. mNed 2,2; 8,1–5; 9,6 und tNed 1,5.
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Profanierung des eigenen Wortes, sondern auch zur Profanierung der geweihten Speise und damit zum Sakrileg.26 Vor dem Hintergrund dieser Beobachtungen ergibt sich folgendes Urteil über die verschiedenen Versionen der Ausnahmeerklärung in Z. 38 der Fastenrolle: Die Verbformen יאסרund ייסרund das Adjektiv אסירsuggerieren, dass das Fastenverbot an den Freudentagen der Fastenrolle ohne weiteres durch ein vorausgehendes Gebet ( )בצלוübergangen werden kann, womit der Zweck der Fastenrolle grundsätzlich in Frage gestellt wäre. Hinzu kommt, dass der Phrase דאיתי עלוהיin Z. 38 kein Objekt zugewiesen ist, auf das sich die Verbalhandlung איתיbeziehen könnte. Deutet man אסרbzw. איסרdagegen als Nomen und damit als Objekt der in איתיausgedrückten Verbalhandlung, so könnten die Autoren der Fastenrolle – möglicherweise auch in Anspielung auf Num 30,3 – auf eine Fastensonderform verweisen, die im rabbinischen Gelübdediskurs zum Verbotsgelübde gehört. Sollte die Zuweisung der Fastenrolle zum pharisäischen Judentum wirklich den historischen Tatsachen entsprechen, dann wäre das bei den Tannaiten dokumentierte Verbotsgelübde den Pharisäern als אסר bekannt gewesen. 1.4 Zusammenfassung Das Verbotsgelübde ist eine Sonderform der bedingten Votivgabenweihe, die sich erst zur Zeit des Zweiten Tempels und möglicherweise als Substitution zum Schwur herausgebildet hat. Die beiden Autoren Philo und Josephus sind die frühesten griechischsprachigen Zeugen, die von dieser Praxis zu berichten wissen. Bedingt durch ihre griechische Leserschaft zählen beide das Verbotsgelübde zu den ὅρκοι. Durch den restriktiven auf die Untersagung einer Handlung abzielenden Charakter dieser Selbstverpflichtungen ist der Aspekt der Votivgabenweihe fast völlig in den Hintergrund getreten, was bei einer Identifizierung derselben als εὐχή zu Missverständnissen auf Seiten der griechischsprachigen Adressaten geführt hätte. Philo hebt bei seiner Behandlung des Verbotsgelübdes in SpecLeg 2,16 vor allem die sozialschädlichen Auswirkungen desselben hervor und macht deutlich, dass diese ein Zeichen gesteigerten Menschenhasses sind, der zwischenmenschliche Fehden sogar über den Tod hinaus befeuert. In einem Auszug aus Theophrasts Werk De legibus, auf den Josephus in Ap 1,166–167 Bezug nimmt, scheint Josephus einen Verweis auf einen Korban-Eid bei den Judäern ausgemacht zu haben. Es wird aus der kurzen Notiz nicht klar, ob Theophrast diesen judäischen Brauch wirklich mit dem hebräischen Lehnwort κορβᾶν beschrieben hat, oder ob Josephus das von Theophrast beschriebene nur als κορβᾶν-Eid deutet. Aus der Deutung 26 Vgl. dazu unten 4 3 und 4.
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dieser κορβᾶν-Selbstverpflichtung als ὅρκος wurde oben geschlossen, dass es sich hierbei nach einigem Dafürhalten um das in SpecLeg 2,16; Mk 7,9–12 und bei den Rabbinen in Mischna und Tosefta Nedarim verhandelte Verbotsgelübde handelt. Ein drittes Zeugnis zur Verbotsgelübdepraxis aus der Spätzeit des Zweiten Tempels stellt die Fastenrolle dar. Mit ihrer Sonderregelung zur Fastenweiterführung an den in ihr verzeichneten Freudentagen partizipiert die Fastenrolle am Verbotsgelübdediskurs in ähnlicher Weise wie Mk 7,9–12 und mNed 2,2, wo das Verbotsgelübde die Dispensation von Torasatzungen erwirkt. 2
Der epigraphische Befund zur Verbotsgelübdepraxis
2.1 Das Gelübdeformular der Jebel Khallet et-Turi Inschrift Eine an den Anfang der Zeitenwende zu datierende und von J. T. Milik im Jebel Khallet et-Turi, einem Ort am Ausläufer des Kidrontals, entdeckte KorbanOssuar-Inschrift hat seit ihrer Entdeckung vor annähernd 60 Jahren aufgrund ihrer inhaltlichen Nähe zu Mk 7,11 (Mt 15,5) das Interesse von Forscherinnen und Forschern geweckt, die das epigraphische Zeugnis für die Deutung der Gelübdepraxis im antiken Judentum fruchtbar machen wollen. In dem aus Stein gehauenen Zweikammergrab fand Milik noch weitere 31 Ossuarien, die zum Teil ornamentiert und zum Teil mit Inschriften versehen waren.27 Obwohl in den letzten Jahrzehnten noch mehrere andere Ossuar-Inschriften mit ähnlichem Wortlaut entdeckt worden sind,28 soll hier in erster Linie auf die bei Cotton et al. unter der Nummer 287 (fortan CIIP I/1 287) verzeichnete Inschrift eingegangen werden, da diese vom Wortlaut die umfangreichste und am besten erhaltene ist. .כל די אנש מתהנה בחלתה דה קרבן אלה מן דבגוה Alles, was irgendjemand (von den Dingen) in diesem Ossuar zu (seinem) Nutzen gebraucht, sei ein Opfer (für) Gott von dem, der darin ist. כלsteht im status constructus vor dem indefiniten Relativum די.29 Das Indefinitpronomen אנשist Subjekt des folgenden Ithpeel Partizips מתהנה. Für die Inschrift strittig ist die syntaktische Deutung des dem Wort חלתהpräponierten ב. 27 Vgl. Milik 1956–1957; sowie CIIP I/1 274–287. 28 Vgl. CIIP I/1 466; 528; 605. Ferner lassen sich ähnliche Warnungen auf den Inschriften CIIP I/1 359; 375; 460; 564; 602; 604 und 610 ausmachen. 29 Vgl. Leander 1928: 18j.
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Handelt es sich, wie von Milik angenommen,30 um den vom Ithpeel der Verbwurzel הניvalenzmäßig geforderten Objektmarkers, der ausdrücken soll, was vom Subjekt אנשzum eigenen Gebrauch genutzt wird, oder eignet dem ב, wie von J. A. Fitzmyer vorgeschlagen, ein präpositionaler Charakter an, der dem Subjekt כלdes übergeordneten Nominalsatzes eine lokale Näherbestimmung beiordnet? Gegen den Vorschlag Miliks spricht, dass seine Deutung nicht ohne die Emendierung des Textes auskommt, dessen vom Schreiber vormals beabsichtigter Wortlaut כל די יתהנהgelautet haben soll, jedoch nach dem bereits begonnenen כל דיmit der Wahl des Indefinitpronomens אנשund des Partizips מתהנהdie Betonung auf einen eher generellen Sachverhalt der Formel legen sollte, wobei דיim neuen Textzusammenhang seine Funktion verlor. Ähnlich wie Millik haben auch Misgav und Price in CIIP I/1 287 das präponierte בals Objektmarker verstanden und mit Verweis auf andere Grabinschriften mit einem ähnlichen Gelübdeformular31 bzw. mit einer Fluchformel32 darauf hingewiesen, dass die größte Sorge der Hinterbliebenen bzw. der vormals Lebenden darin bestand, dass die Gebeine aus dem Ossuar entnommen und an deren Stelle die sterblichen Überreste anderer Personen hineingelegt wurden.33 Dabei nehmen Misgav und Price in CIIP I/1 287 an, dass die Inschrift weniger dem Schutz der Grabbeigaben gegolten haben soll.34 So gelesen, wird freilich nicht mehr recht klar, was eigentlich zum Opfer für Gott bestimmt sein soll. Welche sekundäre Nutznießung könnte eine Weihe nach sich ziehen und welches Sachgut könnte damit impliziert sein? Es ist schwer vorzustellen, dass eine sekundäre Befüllung mit anderen Knochen eine Weihung derselben bedeutet haben soll.35 Wird man annehmen dürfen, dass im Verkauf des Ossuars ein 30 Vgl. Milik 1956–1957: 235. 31 Vgl. CIIP I/1 466; 528; 605. 32 Vgl. CIIP I/1 451. 33 So auch Baumgarten 1984–1985: 7. Wie real solche Sorgen der Hinterbliebenen waren, bezeugen die Inschriften CIJ 760; 763; 768; 769 und CIG III Add. 3882i aus Kleinasien. 34 Misgav und Price halte mit Verweis auf CIIP I/1 287 fest: „Jews of this period did not have many, or any, objects of value buried with them“. Wie problematisch eine solche Verallgemeinerung ist, wird an der Zusammenstellung und Beurteilung von Grabbeigaben in jüdischen Gräbern zur Zeit des Zweiten Tempels deutlich, die Hachlili 2005: 375–446 zusammengestellt hat. Wie man den Wert der Grabbeigaben jeweils bemessen mag, sei dahingestellt. Die Überreste des Verstorbenen und die Grabbeigaben hatten für die Hinterbliebenen einen ideellen Wert, den es in ihren Augen zu schützen galt. 35 So könnten aber Misgav und Price in ihren Ausführungen zu CIIP I/1 287 verstanden werden. Baumgarten 1984–1985: 7 Anm. 18 hat mit einem Hinweis auf eine Unterredung mit J. Greenfield den Gedanken geäußert, dass מן דבגוהnicht den Spender der angeblichen Votivgabe bezeichnen soll, sondern zusammen mit בחלתה דהjene Dinge, d.h. auch die Knochen von dem, der im Sarg liegt, beschreibt. Diese seien dann durch das Gelübde der
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Nutzen lag,36 der den monetären Erlös durch das Weiheformular automatisch zur konsekrierten Votivgabe hat werden lassen? Möglicherweise wird man den mit der Weiheformel angedeuteten Opfercharakter nicht überbetonen dürfen. Im Vordergrund steht der Ausdruck der Strafbarkeit bei unrechtmäßiger Nutzung des Grabes und seiner Beigaben, die bei Missachtung die Begehung eines Sakrilegs bedeutetet.37 Da man nicht voraussetzen kann, dass der Grabräuber bzw. -schänder gefasst und auch zur Rechenschaft gezogen wird, dient die inschriftlich dokumentierte Warnung der abschreckenden Wirkung, da der Grabschänder mit dem unrechtmäßigen Gebrauch letztlich nicht in der Schuld des Tempels steht, sondern sich an der Gottheit versündigt hat.38 Man wird sich der meisten vorher geäußerten Probleme und Fragen entledigen können, wenn man dem דיdie Funktion der Markierung des direkten Objekts im Nebensatz und dem בals Präposition eine lokale Bedeutung beimisst.39 Nicht weniger unproblematisch ist Miliks Interpretation der ConstructusVerbindung קרבן אלהals „malédiction de Dieu“, eine Bedeutung, für die es keinen einzigen weiteren Beleg in antiken jüdischen Quellen gibt und die Milik eher vom funktionalen Aspekt der Inschrift als Abschreckung zur Grabräuberabwehr ableitet. Aus traditionsgeschichtlicher Perspektive ist hier eher von einem der Gottheit im Weihevollzug zugeeigneten Opfer auszugehen.40 Die Wendung קרבן אלהspiegelt nach Milik bereits den zur Zeit des zweiten Tempels aufkommenden religiösen Skrupel wider, das Tetragramm in geschriebener oder gesprochener Form zu gebrauchen und dieses stattdessen zu substituieren.41 Ganz in dieser Linie könnte dann die Gelübdeformel in Mk 7,11 Ossuar-Inschrift vom Wiedergebrauch ausgeschlossen. Warum formuliert die Inschrift dann aber nicht parallel ?מן חלתה דה 36 Vgl. z.B. CIJ 765 und die dort mit Fluch bedachte Androhung, das Grab nicht zu verkaufen. 37 Für ein versehentliches Sakrileg muss nach Lev 5,14–16 ein Schuldopfer dargebracht werden und der Wert des veruntreuten Sachgutes mit einem Aufschlag von einem Fünftel als Strafe an den Tempel gezahlt werden. Ein absichtlich vollbrachtes Sakrileg, wie dies hier bei Grabraub bzw. -schändung der Fall wäre, wird in Lev nicht verhandelt. Muss daraus geschlossen werden, dass ein absichtlich begangenes Sakrileg als unsühnbar gilt? 38 Vgl. in diesem Zusammenhang die in der Grabinschrift CIG III Add. 3882i (217–219 u.Z.) geforderte exorbitante Strafzahlung von 2500 Denaren, die an die heiligste Schatzkammer zu entrichten ist. Vgl. dazu auch CIJ 556 (70–95 u.Z.); 640 (Übergang vom 4. zum 5. Jh.); 650 (explizit datiert auf 383 u.Z.) und Codex Theodosianus IX 17.1. 39 Vgl. Fitzmyer 1959: 62. 40 Vgl. Lev 17,4; 23,14; Num 9,13; 31,50. 41 Vgl. Milik 1956–1957: 238. Fitzmyer 1959: 63 warnt vor einer Überbewertung dieses Befundes und verweist dabei auf Lev 23,14 und das dort gebrauchte קרבן אלהיכם, was nahelegen würde, dass bereits im biblischen Sprachgebrauch das Tetragramm nicht zwangsläufig für die Artikulierung der Zuweisung der Votivgabe gebraucht wurde. Was Fitzmyer allerdings verschweigt, ist, dass die Wendung קרבן אלהיכםin Lev 23,14 die Ausnahme darstellt und
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gedeutet werden, die bereits ganz ohne Theonym auskommt. Schließlich ist in diesem Zusammenhang auch auf die Parallele in Mt 15,5 zu verweisen, die im Schulterschluss mit den späteren Rabbinen der Mischna selbst den KorbanBegriff zu vermeiden versucht und anstelle dessen das Gelübde mit δῶρον inauguriert. Fitzmyer geht davon aus, dass es sich bei der Inschrift um ein Weihegelübde handelt, welches die Grabbeilagen bereits geweiht und damit für den privaten Gebrauch unmöglich gemacht hat.42 Diese Interpretation wirft allerdings diverse Fragen auf. Wenn der letzte Wille des Verstorbenen die Opferung persönlicher Gegenstände war, warum wurden diese dann nicht an den Tempel überführt, sondern in seinem Grab verwahrt. Zudem ist die Beilage von Opfern in Gräbern nirgendwo sonst in literarischen wie nichtliterarischen jüdischen Quellen belegt.43 Vielmehr sollten die Grabbeilagen den Verstorbenen ehren oder ihm in der kommenden Welt von Nutzen sein.44 Ferner dürften die Beigaben auch durch ihren Kontakt mit den Gebeinen des Verstorbenen unrein und damit als Gabe an Gott, wenn man von einer Reinigung derselben nach der Entnahme aus dem Ossuar absieht, nicht mehr in Frage gekommen sein. Am ehesten ist die Funktion und Wirkweise der Kidrontal-Ossuar-Inschrift vor dem Hintergrund des pharisäischen bzw. rabbinischen Verbotsgelübdes, welches in Kapitel 5 3 im Detail beleuchtet wird, zu verstehen. Demnach wird eine Weihe an Gott erst in dem Moment vollzogen, da das im Gelübde versprochen Sachgut von Dritten genutzt wird. Mit der Nutzung macht sich der Grabräuber augenblicklich eines Sakrilegs schuldig.45 Fitzmyer hat den Wert der Ossuar-Inschrift für die Exegese von Mk 7,11 als „far more greater […] than the somewhat cryptic formulae that we find in the casuistic passages in Nedarim“46 eingestuft. Was Fitzmyer dabei allerdings die Wendungen ( קרבן יהוהNum 9,7.13) und ( קרבן ליהוהLev 1,2; 2,1; 2,12; 17,4; 27,11) den für die Priesterschrift üblichen Sprachgebrauch darstellen. Qimron 1994: 271 hat dagegen bei אלהnicht an den Adressaten des Gelübdes gedacht, sondern an das aus אן לאzusammengesetzte Kompositum „ אלאnur, sondern, aber“, womit niemand anderem der Gebrauch des Sarginhalts gestattet gewesen wäre, als dem, der darin ist. Hier wäre allerdings zu fragen, ob man wirklich von einer so freien Wortstellung – אלה מן דבגוהmüsste ja dann Teil des Nebensatzes sein und seine Position zwischen כל … קרבןeinnehmen – ausgehen darf und ob man dann nicht eher לבר מן דבגוהoder אלה דבגוהhätte vermuten müssen. 42 Fitzmyer 1959: 63 spricht von „mortuary offerings“. 43 Vgl. Benovitz 1998: 28–29. 44 Vgl. Ilan 1997: 433–434. Benovitz 1998: 28 Anm. 44 verweist zudem auf den in Dtn 26,14; Tob 4,17 und Sir 30,18 überlieferten Brauch, den Verstorbenen neben Gebrauchsgütern auch Nahrungsmittel zu überlassen. 45 Vgl. Benovitz 1998: 29. 46 Fitzmyer 1959: 65.
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nicht für relevant erachtet, ist der unterschiedliche „Sitz im Leben“ beider Gelübdeformulare. Während die Grabinschrift aus dem Jebel Khallat et-Turi in den Bereich des Funeralwesens gehört und dort die Funktion der Grabräuberabwehr und die Verhinderung einer sekundären Nutzung des Ossuars und seines Inhalts durch Dritte, die nicht der Familie des Verstorbenen angehören, hat, zeugt Mk 7,11 zusammen mit mNed 5,6 und 9,1 von der Anwendung des Verbotsgelübdes im sozialen Raum der Kernfamilie. Es scheint mir aus diesem Grund geboten, die Bedeutung des mischnischen Befundes nicht vorschnell herunterzuspielen. Die Vergleichbarkeit von Mk 7,11–12 und der Jebel Khallet et-Turi Inschrift soll mit dem Verweis der abweichenden Gebrauchssituation natürlich auch nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden. Beiden Quellen ist ja der Schutz von Sachgütern gegenüber einer dritten Anspruch anmeldenden Gruppe gemeinsam. Was wiederum alle drei Quellen miteinander verbindet, ist der restriktive Charakter, den die Gelübde im Zusammenhang der Weihe entfalten. Diese Weihung vollzieht sich allerdings erst im Moment der Nutznießung durch eine dritte speziell im Gelübdeformular identifizierte Partei. 3
Das Verbotsgelübde nach den Zeugnissen der rabbinischen Traditionsliteratur
Die rabbinische Traditionsliteratur verhandelt unter dem Begriff נדרvornehmlich das Verbotsgelübde. Der gesamte Traktat Nedarim in Mischna und Tosefta ist im Grunde genommen dieser speziellen Gelübdesonderform, die sich zur Spätzeit des Zweiten Tempels herausgebildet hat, gewidmet. Das Bitt- bzw. Weihegelübde als Teil jüdischer Votivpraxis findet dagegen nur vereinzelt in den Traktaten ʿArakhin,47 Temura und Meʾila Erwähnung. Was die halachischen Grundsatzentscheidungen in Mischna und Tosefta Nedarim anbelangt, so stehen Fragen nach dem rechtlich bindenden Gelübdeformular (mNed 1–3; tNed 1,1–6; 5,3), nach den sich für den Gelobenden und sein soziales Umfeld ergebenden Konsequenzen des Verbotsgelübdes (mNed 4–8; tNed 2–4), den rechtlichen Grundlagen für eine Entbindung vom Gelübde durch einen Gelehrten (mNed 9; tNed 5) und schließlich die Gelübdeannullierung bei Töchtern und Ehefrauen durch Väter bzw. Ehemänner (mNed 10–11; tNed 6–7) im Mittelpunkt der Lehrdiskussionen. Für die hier zu bietende Darstellung ist vor dem Hintergrund der Diskurse über das Verbotsgelübde aus der Spätzeit des Zweiten Tempels vor allem zu fragen, inwieweit die tannaitische Überlieferung einen Beitrag zur Klärung der Bedeutung des Verbotsgelübdeformulars, der 47 Vgl. dazu oben 3 2.5.
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dispensatorischen Wirkung des Verbotsgelübdes auf Torasatzungen und der Motivation hinter ihrer Anwendung leisten kann. 3.1 Die Neologismen קונם, קונסund קונח Während mNed 1,1–2 den Gebrauch der „Umschreibungen für Opfer, […] Schwur, […] Bannung […] Naziräat“ unkommentiert feststellt und über die Gründe für die Substitutionspraxis schweigt, entbrennt darüber in amoräischer Zeit eine rege Diskussion. Nach bNed 10a sind die palästinischen Amoräer R. Jochanan und R. Schimon ben Laqisch die Wortführer dieser Debatte. R. Jochanan führte die Herkunft der Umschreibungen auf fremdsprachlichen Einfluss, d.h. auf die „( לשון אומותSprache der Völker“), zurück. Demgegenüber sieht R. Schimon ben Lakisch in ihnen Wortbildungen, שבדו להם חכמים להיות „( נודר בוwelche die Weisen ersannen, um damit zu geloben“). Die Gemara in bNed 10a–b analysiert das Diktum R. Schimon ben Lakischs dahingehend, dass die Intention hinter den Wortneubildungen der Gelübdeumschreibungen darin besteht, die Aussprache des Gottesnamens im Weiheformular, wie man es aus der biblischen Weiheformel „( קרבן ליהוהein Opfer für JHWH“)48 kennt, zu vermeiden.49 M. Benovitz hat mit einem Verweis auf den Matthäuskommentar des Origenes,50 speziell mit Hinblick auf die Kommentierung von Mt 15,3–5 versucht, eine griechische Herkunft von קונםwahrscheinlich zu machen.51 Seiner Meinung nach wurde die Weihung von Opfern an den Tempel nach dessen Zerstörung obsolet und wie Origenes dies bezeugt durch Wohltätigkeitsgaben ersetzt. Das Adjektiv κοινόν verweist dabei auf Eigentum, das zu wohltätigen Zwecken abgesondert wurde.52 κορβᾶν wurde im Laufe der Zeit aus der Verbotsgelübdeformel des griechischsprachigen Judentums verdrängt und durch κοινός, κοινή und κοινόν ersetzt. Das Adjektiv wurde dann jeweils in GenusKongruenz passend zur zu weihenden Votivgabe gewählt. Bei der Übernahme des Adjektivs in maskuliner, femininer und neutrischer Form in das hebräische Gelübdeformular wurde es durch קינוס, קיניund קינוןtransliteriert und auf der
48 Vgl. Lev 1,2; 17,4; 27,9. 49 Wenn Philo in SpecLeg 2,1–38 die Gelübde mit im Zusammenhang des Dekaloggebotes, den Namen Gottes nicht leichtfertig im Munde zu führen, verhandelt, dann bezeugt er den Umstand, dass ein Gelübde eine Anrufung Gottes darstellt und dass ein Gelübdebruch auch ein Bruch des besagten Dekaloggebots darstellt. 50 Vgl. CommMatt 11,9. 51 Vgl. Benovitz 1998: 122–124. 52 Vgl. Hauck 1957: 796–797.
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nächsten Entwicklungsstufe gemäß des Vokalbestandes des zu substituierenden Wortes קרבןdurch קונס, קונחund קונםangepasst.53 Die von Benovitz vorgelegte Darstellung kann jedoch nicht in allen Details überzeugen. Dass nach dem Zeugnis der Mischna und der Tosefta zum Traktat Nedarim allein die Substitution קונםin den halachischen Fallbeispielen gebraucht wird, lässt sich auf den mnemotechnischen Stil der Werke zurückführen. Dass jedoch die Traktate Nazir54 und Schevuot in den Inaugurationsformeln für Schwur und Naziräat ohne die in mNed 1,2 genannten Umschreibungen auskommen und weiterhin ihre Hauptwörter נזירund שבועהgebrauchen, lässt den generellen bzw. weitverbreiteten Gebrauch der Naziräats- und Schwursubstitutionen anzweifeln. Es stellt sich daher die Frage, welchen Zweck die Auflistung sämtlicher Selbstverpflichtungsumschreibungen in mNed 1,2 hatte. Sollte damit kritischen Stimmen, die die Gültigkeit der Substitution קונםin Abrede stellten,55 entgegnet werden, dass das Phänomen der Substituierung bekannt bzw. anerkannt und dass darüber hinaus קונםnur eine Umschreibung unter vielen war? Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass alle Umschreibungen, ausgenommen die anscheinend als einzig wirklich im Gebrauch gewesene Substitution קונם, aus hebräischen bzw. aramäischen Wurzeln gebildet sind.56 So ist z.B. die Wurzel קנסals eine Ableitung vom griechischen κῆνσος („Steuer, Geldstrafe“) im rabbinischen Schrifttum belegt.57 Da jährlich geforderte Opfergaben als eine Art Tempelsteuer und die für Übertretungen zu leistenden „( אשמותSchuldopfer“) und „( חטאותSündopfer“) im entferntesten Sinne als eine Art Strafzahlung wahrgenommen werden konnten,58 wird man mit der Äquivokation des Begriffs in קנסeine passende Wurzel zur Substitution von קרבןgesehen haben. קונחdürfte wiederum auf die erst im mischnischen Hebräisch bezeugte Wurzel „( קנחabreiben, reinigen“) zurückzuführen sein. Die Wahl der Wurzel zur Substitution für קרבןbasiert wohl auf der Vorstellung vom Opfer als Mittel der Reinigung und Abwaschung von Sündenschuld. Entscheidend für die
53 Für eine ausführliche Darstellung vgl. Benovitz 1998: 122–126. 54 Die Umschreibungen werden zwar zugegebenermaßen in mNaz 1,1 aufgezählt, doch spielen sie, was ihren Gebrauch betrifft, im weiteren Verlauf des Traktats keine Rolle. 55 Vgl. SifZ zu Num 30,3 (p. 325,13–14 Horovitz). 56 Benovitz 1998: 111–116 hat diesen Umstand bei den Umschreibungen für חרם, נזירund שבועהrichtig erkannt, jedoch im Fall von קונסund קונחnicht weiter verfolgt. 57 Vgl. Krauss 1964: 554–555. 58 So deutet SifZ zu Num 6,12 (p. 243, 14–15 Horovitz) die Phrase לאשםdahingehend, dass das Schuldopfer des verunreinigten Naziräers einer Geldstrafe gleichkommt ()הרי זה קנס. Vgl. 2. Kön 12,17; sowie im Entferntesten auch Lev 27,2–8.
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Aufnahme der Wurzel קנחwaren dabei mit großer Wahrscheinlichkeit Texte wie Jes 43,25 und Ps 51,3–4.11, die eben diese Vorstellung bildlich durch die feste Wendung „( מחה פשעSchuld abwischen, tilgen“) ausdrückten.59 Ein Akt kultischer Reinigung wird mit der Wurzel „( כבסwaschen“) ebenfalls in Jer 4,14 und Ps 51,4 impliziert. Da in der Wurzel קנחsowohl der Reinigungsaspekt des durch Opfer gewährleisteten Sühneritus als auch der mit den Radikalen קנgeforderte Konsonantenbestand koinzidierten, wählten die Rabbinen die Wurzel und glichen sie wie zuvor auch schon קונסdurch Pleneschreibung an das vierkonsonantige קרבןan. Wird man vor diesem Hintergrund auch im Fall von קונםeine semitische Wurzel oder ein ins Hebräische eingedrungene Lehnwort vermuten dürfen? Zieht man auf der Suche nach der Wurzel קנםdie einschlägigen Wörterbücher zu den antiken semitischen Sprachen zu Rate, so wird man im Syrischen, Äthiopischen sowie im galiläischen und samaritanischen Aramäisch fünܽ ; ቅኑም, )קנוםder Wurzel für ܳ ܩܢ dig. Dort steht die nominale Derivation (ܘܡܐ „Person, Substanz, eine Sache selbst“, was dem hebräischen עצםentsprechen würde. Fragt man nach einer möglichen Verbindung zwischen dem Lemma קרבןund der in anderen semitischen Sprachen bekannten Wurzel קנם, die zum Gebrauch der Wurzel als Substitution angehalten haben könnte, so wäre vielleicht an die Korban-Selbstweihformel „( הרי עצמי קרבןsiehe, ich selbst sei ein Opfer“) aus mNed 2,5 zu denken. Wenn die Übermittlung der semitischen Wurzel קנםüber diese Selbstweiheformel geschah, so muss angenommen werden, dass sie in der aramäischsprachigen jüdischen Gemeinde von Palästina und Syrien mit der Phrase הא קנומי קרבןinauguriert wurde. Josephus, der nach dem Zeugnis von Ant 4,73 ebenfalls Kenntnis von der Korban-Selbstweihe besessen hat, berichtet vom Brauch mancher, sich selbst mit κορβᾶν zu betiteln und sich damit gewissen religiösen Verpflichtungen zu unterwerfen.60 Sollte der Übermittelungsweg wirklich durch die Korban-SelbstweiheFormel motiviert gewesen sein, dann wäre weiterhin anzunehmen, dass diese, ähnlich wie die Inaugurationsformel „( הרי עלי קרבןsiehe, ich sei [zum] Opfer verpflichtet“),61 auch verkürzt gebraucht wurde. Auf einer späteren Entwicklungsstufe wurden diese verkürzten Phrasen dann ebenfalls als vollwertige 59 Nach Stamm 1940: 75 ist die Wendung „Schuld abwischen, tilgen“ aus zwei verschiedenen Vorstellungskreisen entsprungen. So sei zum einen an einen rechtlichen Vorgang gedacht, bei dem das Vergehen aus dem Schuldbuch JHWHs ausgestrichen wird, und zum anderen an den am Heiligtum verorteten Lustrationsakt. 60 Vgl. oben 3 2.3. 61 Vgl.„( אם אמ׳ הרי הוא עלי אף על פי שלא הזכיר קרבן הרי הוא נדרwenn er sagte: ‚Siehe, es sei mir‘, siehe, so ist es, obwohl er das [Wort] Opfer nicht erwähnt hat, ein Gelübde“) in tNed 1,3 (Wien). So in ähnlicher Weise auch mNaz 1,1.
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Weiheformeln akzeptiert, wobei הרי עצמיund הרי עליrepräsentativ für das jeweilige Korban-Weihekonzept standen. Mit dem Anliegen, die Nennung von קרבןin Gelübdeformeln ganz zu vermeiden und das Wort selbst zu ersetzen, besann man sich auf den repräsentativen Charakter der verkürzten Gelübdeformulare, übernahm das aus der aramäischen Weiheformel stammende קנומי und formte dieses durch die Angleichung des Vokalbestandes zur lautlich und schriftbildlich passenden Substitution קונם. Das Gelübdeformular nach dem Zeugnis der Tannaiten Das Gelübdeformular zwischen bedingter Weihe und schwurähnlicher Handlungsrestriktion Die rabbinische Tradition weiß die Form des Gelübdeformulars auf dreierlei Weise zu unterscheiden und spricht von der „( עיקר הנדרGrundform des Gelübdes“),62 den „( כינויי נדריםGelübdeumschreibungen“) und den ידות נדרים („Gelübdeandeutungen“).63 Während כינויי נדריםexpressis verbis schon in mNed 1,1 genannt werden, sind die Klassifizierungen עיקר הנדרund ידות נדרים erst in amoräischer Zeit greifbar.64 Die Formel des Verbotsgelübdes, wie sie in der Mehrzahl der Fälle im Traktat Nedarim vorfindlich ist, kann auf der Grundlage der sich in der babylonischen und der palästinischen Version der Mischna jeweils unterscheidenden Varianten auf zweierlei Weise gedeutet werden, was am Beispiel von mNed 6,7 verdeutlicht werden kann. 3.2 3.2.1
Ms. Kaufmann
אמר קונם יין זה שני טועם
Sagte (ein)er: „Konam dieser Wein, den ich koste“.
Ms. München
אמר קונם יין זה שאיני טועם
Sagte (ein)er: „Konam dieser Wein, dass ich [ihn] nicht koste“.
Während der Relativsatzanschluss der palästinischen Version durch שני, eine Verschmelzung des Relativpronomens שund des durch Elidierung des אverkürzten Personalpronomens )א(ני, vorgenommen wird,65 leistet dies in der
62 Dazu zählen Gelübdeformulare, die mit einem der verschiedenen Opfertermini der Hebräischen Bibel (mNed 1,4), mit Altargeräten (mNed 1,3) oder anderen Votivgaben (mNed 1,3; Mt 23,16–22) inauguriert wurden. Entscheidend ist, dass es sich dabei um eine Opfergabe für den Altar oder den Tempelschatz handelt. 63 Vgl. Ran zu bNed 2a. 64 Vgl. jNed 36d,20–21; sowie dazu Epstein 1957: 379. 65 Vgl. Bar-Asher 2014: 306.
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babylonischen Version die negierte Variante „( שאיניdass ich nicht“).66 שניist jedoch keine Kontraktion aus dem Relativpronomen ש, dem Negationspartikel איןund dem Personalpronomen אני.67 Dass שניkeine negierte Form darstellt, wird am Gebrauch des Kompositums in anderen Traktaten der Ms. Kaufmann deutlich, wo zweifelsfrei keine Negation ausgedrückt werden soll.68 Als Kompositum in negierender Funktion ist eher die in mNed 3,11 der Handschrift Kaufmann überlieferte Lesart שיניanzusprechen.69 Ferner wird dies im Fall der Punktierung von ֵֶשנִ יin Ms. Kaufmann deutlich, bei der der Punktator dem שgleich zwei Vokale zuordnen muss. Hier wird offenkundig, dass dieser die Lesung des Konsonantentexts der palästinischen Rezension nach der Texttradition der babylonischen Rezension korrigieren wollte.70 Die Variantenentstehung ist entweder ein Produkt korrupter Texttransmission, ein Beispiel für eine strukturelle Weiterentwicklung innerhalb des Gelübdeformulars, oder basiert auf der Nähe des Verbotsgelübdes zum Schwur. In der palästinischen Lesart שניfungiert das Präfix שals ein Relativpronomen, womit der Relativsatz in direkter Weise auf das im vorgeordneten Nominalsatz enthaltene und zu verbietende Objekt hindeutet. Das Erwirken des Verbots geschieht dabei mit einem im Wortlaut des Gelübdes intendierten Konsekrationsmechanismus. Benovitz hat bezüglich der Verbotsgelübde der rabbinischen Literatur versucht nachzuzeichnen, wie diese Dynamik des 66 Es muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass die Lesarten שניund שאיניsowohl in der palästinischen als auch der babylonischen Textrezension der Mischna vorhanden sind und die Zuweisung der jeweiligen Variante zu einer der beiden Rezensionen aufgrund numerischer Verhältnisse getroffen wurde. Während die Ms. Kaufmann zu Mischna Nedarim an die 12 Belege von שניund 5 Belege von שאיניzählt, weist die durch Albecks Mischnadruck vertretene babylonische Version ein Verhältnis von 6 zu 18 Belegen auf. Die von Benovitz 1998: 14 Anm. 19, getroffene Wertung, die sich auf die Variantenbeurteilung von Epstein 1964: 496–505 stützt und שאיניals „poorly-attested reading“ bezeichnet, muss auf der Grundlage des erhobenen Befundes zurückgewiesen werden. Die konstatierte Uneinheitlichkeit beruht entweder auf gegenseitiger Beeinflussung der beiden Traditionsstränge oder auf inkonsequente Revidierungsarbeiten an den Texten. 67 So aber Lieberman 1942: 130 Anm. 113 und Correns 1991: 82 Anm. 66. 68 Vgl. z.B. mTer 8,11; mMSch 5,9 und mTaan 3,8. Ein vergleichbares Phänomen ist im Fall von Partizipialkonstruktionen ersichtlich, bei denen das verkürzte Personalpronomen ניam Ende des Partizips angehängt wurde, wie dies in mNed 1,1 der babylonischen MischnaRezension ersichtlich wird. 69 Die Passage [„( שיני נכנס לבית הזה ואמר לזה שני נהנה לזה ואמר לזהSagte einer: ‚Ein Schwur], dass ich nicht in dieses Haus eintrete‘, nennt aber ein anderes, [oder sagte einer: ‚Konam], dass ich von diesem profitiere‘, nennt aber einen anderen“) aus mTer 3,8 ist diesbezüglich besonders anschaulich, weil hier Schwur- und Verbotsgelübdeformular nebeneinander gestellt werden. 70 Zum Ursprung der Vokalisationstradition in Kaufmann aus einer anderen mischnischen Rezension vgl. Krupp 1987: 253.
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Verbotsgelübdes vorzustellen ist.71 Im Fall von mNed 6,7 stellt er die berechtigte Frage, inwieweit eine Weihe von Wein und seine Überführung an den Tempel möglich sind, wenn dieser durch seinen Verzehr bereits nicht mehr zur Verfügung steht. Der Befund lässt sich daher nur dahingehend deuten, dass anhand des rabbinischen Verbotsgelübdeformulars ein selbstauferlegtes Verbot durchgesetzt werden soll. Die so inaugurierten Gelübde waren ihrer Form nach Weihegelübde, erfüllten aber de facto den Zweck einer selbst auferlegten Handlungsrestriktion. Bei dem zuvor geschilderten Gelübde aus mNed 6,7 tritt die Weihung des Weines simultan mit dem Genuss desselben ein. Dies hat eine unverzügliche Übertretung des Nutznießungsverbots von Tempeleigentum zur Folge.72 Die Intention des rabbinischen Gelübdeformulars zielt also nicht auf eine Übergabe des Objekts an den Tempel, sondern auf ein Verbot zum Genuss desselben ab.73 Als nicht minder schlüssig scheint mir jedoch auch der Ansatz von S. Lieberman zu sein.74 Er hat in seinem leider nicht zu Ende geführten Kommentar zur Tosefta im Fall von tNed 1,2 vorgeschlagen, die Wendung ככר „( זה קרבן אם טועמו אניDieser Brotlaib sei ein Opfer, wenn ich ihn koste“) vor allem in Hinblick auf טועמוzu beleuchten.75 Demnach würde es erst zur Weihe des Brotlaibs kommen, nachdem der Gelobende davon gekostet hat. Der Rest des Brotlaibs wäre somit geweiht worden, ohne dass der Votant durch seinen Bissen ein Sakrileg begangen hätte.76 In der babylonischen Lesart שאיניist das Präfix שhingegen als konsekutive Subjunktion anzusehen, die konkludierend auf das sich aus dem übergeordneten Nominalsatz abzuleitende Handeln hinweist. Diese Variante der Gelübdeformel besitzt eine stärkere Schwurcharakteristik und einen stärkeren Fokus auf die durch die Selbstverpflichtung gebotene Handlungsebene. Welche der beiden Varianten jedoch als die ursprüngliche anzusehen ist, kann beim besten Willen nicht mehr gesagt werden. Man könnte bei der Argumentation für die Version der babylonischen Rezension den Umstand geltend machen, dass Gelübde in der Spätzeit des zweiten Tempels als Schwurersatz 71 Vgl. Benovitz 1998: 13–16. 72 Vgl. Lev 5,14–16. Der beabsichtigte Gebrauch von Tempeleigentum wird zudem mit der Geißelungsstrafe geahndet. 73 Indizien für den im Gelübde enthaltenen Konsekrationsmechanismus lassen sich in tNed 2,9 ausmachen. Die Tosefta überliefert an besagter Stelle einen Disput zwischen R. Meir (WA) bzw. R. Jehuda (E) und R. Simeon, der die Frage zum Inhalt hat, inwieweit die Übertretung eines Verbotsgelübdes einem Sakrileg gleichkommt. Während R. Meir bzw. R. Jehuda dies zu bejahen weiß, wird diese Sicht von R. Schimon verworfen. 74 Vgl. Lieberman 1967: 397. 75 Das Verb טעםbeschreibt im Gegensatz zu „( אכלessen“) das nur geringfügige Zuführen von Speise zum Zweck der Verkostung und nicht der Sättigung. 76 Vgl. Lieberman 1967: 397 Anm. 17.
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dienten, ergo formell auch stärker dem Schwur entsprachen. Auf der anderen Seite ließe sich für eine Ursprünglichkeit der palästinischen Fassung der Umstand geltend machen, dass das Verbotsgelübde seinen Ursprung im Weihegelübde hat, das auf die Konsekration und damit auf den Entzug der profanen Nutzung eines Objekts abzielt. 3.2.2 Das Gelübdeformular als gesetzliche Fiktion Neben den Gelübdeumschreibungen scheint sich, möglicherweise forciert durch die Rabbinen selbst, eine spezielle Form des Gelübdeformulars herausgebildet zu haben, die als gesetzliche Fiktion77 das von der Nutzung Auszuschließende mit einem vorgeschalteten כcomparationis in eine Entsprechung zum Opfer setzt. Zeugnis für eine solche Umgestaltung des Gelübdeformulars bietet mNed 1,3: כאימרה כדיריים כעצים כאישים כמזבח כהיכל כירושלים נדר באחד מכל משמשי המזבח אף על פי שלא היזכיר קרבן הרי זה נדר בקרבן
(Sagte einer): ‚Wie das (Opfer)lamm, wie die Stallungen, wie die Hölzer, wie die Flammen (des Altars), wie der Altar, wie der Tempel, wie Jerusalem‘, oder hat er bei einem der Altargeräte gelobt, siehe so ist dies, obwohl er (das Wort) Opfer nicht erwähnt hat, ein Gelübde beim Opfer. Dabei wird nicht wie zuvor bei der bedingten Weihe eine mögliche Konsekration des zu Verbietenden in Kauf genommen, weshalb bei einer Zuwiderhandlung gegen die im Gelübde ausgedrückte Obligation auch kein Sakrileg begangen wird.78 Durch die Fiktion, es handele sich bei dem zu Verbietenden um etwas, das der Heiligkeit eines Opfers entspricht, muss nach dem Verständnis von mNed 1,3 und von R. Simeon in tNed 2,9 in gleicher Weise wie beim bedingten Weihegelübde eine sofortige Enthaltung vom im Gelübde genannten Sachgut geschehen.79 Möglicherweise ist es auch diesem kultrechtlichen Kunstgriff zu verdanken, dass die Rabbinen die Autorität zur Auflösung solcher Verbotsgelübde auf sich übertragen konnten. Da weder eine Weihe mit intendiert war noch ein Bruch des Verbotsgelübdes ein Sakrileg darstellte, 77 Moscovitz 2015: 327 definiert „gesetzliche Fiktion“ im rabbinischen Rechtsdiskurs als „the assertion for legal purposes of ‚facts‘ which are clearly untrue“. Nach Moscovitz sind davon das „gesetzliche Schlupfloch“ und die „Rechtsvermutung“ zu unterscheiden (vgl. dazu Schauer 2015). 78 Vgl. dazu den bereits oben erwähnten Lehrstreit zwischen R. Meir bzw. R. Jehuda und R. Simeon in tNed 2,9. 79 Vgl. Benovitz 1998: 37–38.
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bedurfte es weder des intakten Tempelkults noch der Priesterschaft, die für kultrechtliche Belange wie diese zuständig war. Gegen eine solche Entwicklung meldet sich der Midrasch SifZ Matot zu Num 30,3 (p. 325,13–14 Horovitz) kritisch zu Wort.80 איש כי ידור נדר יכול שנדר שיש בו הקדש לשם או נדר שאין בו הקדש לשם ת״ל לה׳ נדר שיש בו הקדש לשם
Wenn ein Mann ein Gelübde gelobt – kann es sein, dass es ein Gelübde ist, bei dem eine Weihung für den Herrn vollzogen wird, oder ist es ein Gelübde, bei dem keine Weihung für den Herrn vollzogen wird? Die Tora lehrt: Für den Herrn – es ist (also) ein Gelübde, bei dem eine Weihung für den Herrn vollzogen wird. Die im Midrasch vertretene Sicht möchte man geradezu, auch wenn das natürlich ein Anachronismus ist, als karäische Position identifizieren. Das pharisäische Erbe des Verbotsgelübdes, das in weiten Teilen der rabbinischen Bewegung akzeptiert und sogar zu einer gesetzlichen Fiktion weiterentwickelt wurde, kann dem Midrasch zu Num 30,3 zufolge unmöglich noch als Gelübde angesprochen werden. Der Midrasch ist diesbezüglich unmissverständlich. Was als Selbstverpflichtung nicht mit einer Weihe für den Herrn verbunden ist, kann unmöglich noch als Gelübde gelten. Die wirkungsgeschichtlich einflussreichere Mischna hat die kritische Position des Midrasch zum Verbotsgelübde jedoch verdrängt und mit ihren halachischen Grundsatzentscheidungen die spätere Lehrhausdiskussion in den palästinischen und babylonischen Schulen bestimmt. Wie die Stimme des R. Jehuda bzw. des R. Meir in tNed 2,9 ist auch die Stimme des Midraschauslegers aus Sifre Zutta, rezeptionsgeschichtlich ohne Gehör geblieben. Die Dispensation von Torasatzungen durch die Obligationen eines Gelübdes nach mNed 2,2 Wie im Fall des in der Fastenrolle bezeugten אסר-Gelübdes (siehe oben 5 1.3) oder des Korban-Gelübdes der Pharisäer in Mk 7,11 (siehe unten 5 4.1) weiß auch die rabbinische Traditionsliteratur um den Umstand, dass die mit der Durchführung und Einhaltung eines Gelübdes verbundenen Obligationen von der Befolgung von Toravorschriften dispensieren können. Anhand einer Gegenüberstellung der Auswirkungen einer Weihung von Kultgegenständen 3.3
80 Vgl. dazu Benovitz 1998: 12–13.
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bzw. eines Abschwörens vom Gebrauch derselben diskutiert mNed 2,2, worauf dieser Umstand zurückzuführen ist. […] זה חומר בשבועות מבנדרים וחומר בנדרים מבשבועות כיצד אמר קונם סוכה2 שני עושה לולב שני נוטל תפילין שני נותן בנדרים אסור ובשבועות מותר שאין נשבעין לעבור על המצוות
2 […] Dies (liegt daran, dass es) im Vergleich zu Gelübden bei Schwüren (Fälle mit) einer Erschwerung (gibt) und (umgedreht) im Vergleich zu Schwüren bei Gelübden (Fälle mit) einer Erschwerung gibt. Wie ist (dies zu verstehen)? Sagte (ein)er: „Konam (sei die) Hütte (zu Sukkot), die ich baue“, (oder) „(Konam sei der) Feststrauß, den ich aufnehme“, oder „(Konam seien die) Gebetsriemen, die ich anlege“, so (ist ihm deren Nutzung) bei Gelübden verboten, bei Schwüren aber erlaubt, da man nicht schwört, die Gebote zu übertreten. Die Mischna führt in den Sachverhalt der Dispensation von Toravorschriften81 als Folge eines inaugurierten Gelübdes mit der Feststellung ein, dass im Fall von Gelübden und Schwüren sowohl erleichternde als auch erschwerende Bestimmungen zum Tragen kommen. Was die Mischna hier als Erschwerung oder striktere Ausführung ( )חומרbezeichnet, bezieht sich auf den rechtlich bindenden Charakter, der im Fall eines Gelübdes ein Verbot der Nutzung der Laubhütte, des Feststraußes und der Gebetsriemen nach sich zieht. Sollte dagegen eine Absichtserklärung zur Unterbindung des Baus einer Laubhütte, des Aufnehmens eines Feststraußes oder des Anlegens der Gebetsriemen in der Form eines Schwurs ausgedrückt werden, so wird diese nicht als rechtlich bindend akzeptiert. Die Mischna begründet dies mit der Unmöglichkeit, sich durch einen Schwur zur Übertretung eines Gebots zu verpflichten, was die Tora als das den Bund zwischen Israel und Gott konstituierende Gesetzeswerk ad absurdum führen würde.82 Demgegenüber scheinen Gelübde jedoch als Konsequenz einer bedingten Weihe eine Dispensation von Torasatzungen nach sich ziehen zu können. Dies liegt vordergründig daran, dass Gelübde nicht auf die Aufhebung der Toraobservanz abzielen. Die Dispensation tritt allein als 81 Es handelt sich hierbei um die Verpflichtung zum Errichten einer Hütte zum Laubhüttenfest (Lev 23,42), das Aufnehmen eines Feststraußes (Lev 23,40) und das Anlegen der Gebetsriemen (Ex 13,16; Dtn 6,8). 82 Vgl. dazu mSchevu 3,6; tSchevu 4,2; Sif Num § 153 zu Num 30,3 (p. 200,2–4 Horovitz). Die späteren babylonischen Gelehrten (vgl. bNaz 4a; bSoṭ 37a/b; bSchevu 39a) haben die Zustimmung zum Bundesschluss am Sinai (Ex 24,3–8) als ein Einschwören Israels auf die Einhaltung und Bewahrung der dem Bundesschluss zugrundeliegenden Tora verstanden.
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Folge der bedingten Weihe von zur Toraobservanz notwendigen Kultobjekten ein. Weil man dem Gelobenden nicht schon im Voraus unterstellt, dass er das Gelübde mutwillig mit dem Ziel einer Dispensation von religionsgesetzlichen Verpflichtungen inauguriert hat, wird das Gelübde in der Form einer bedingten Weihe akzeptiert. Dass einem Gelobenden keine eigenmächtige und mutwillige Entbindung von Torasatzungen vorgeworfen wird, bezeugt mNed 9,1.4. In beiden Mischnajot wird Personen ein Ausweg aus ihrem Gelübde gewährt, wenn diese im Nachgang realisieren, dass ihnen eine Observanz gewisser Torasatzungen aufgrund ihres Verbotsgelübdes nicht mehr möglich ist. In mNed 9,1 ist es die Ehre der Eltern, die gewahrt werden muss und die zum Anlass für einen Ausweg aus einem Gelübde genommen werden kann, sollte diese durch das Gelübde des eigenen Sohnes nicht mehr gebührlich erwiesen werden können.83 In mNed 9,4 sind es ferner die Gebote der Nächsten- und Bruderliebe aus Lev 19,17 und 19,18, für deren Wahrung nach Wunsch des Gelobenden von den Rabbinen ein Ausweg aus dem Gelübde zugestanden werden kann. Sowohl im Fall der Ehrerweisung gegenüber den Eltern als auch im Fall der Nächsten- und Bruderliebe ist die Erfüllung der Gebote mit einer Versorgung und Gewährleistung des Lebensunterhalts verknüpft. 3.4 Die Gebrauchssituation des Verbotsgelübdes Das Verbotsgelübde scheint zur Spätzeit des Zweiten Tempels und in tannaitischer Zeit ein Ersatz für Schwüre mit ausgedrückter Handlungsrestriktion gewesen zu sein.84 Die Bevorzugung gegenüber Schwüren lag in der milderen Sanktionierung bei Gelübdebruch begründet, da das Falschschwören durch die mitgedachte Selbstverfluchung und die Entehrung des Gottesnamens eine weitaus drastischere Bestrafung nach sich zog.85 Auf der anderen Seite wurde der Bruch eines bedingten Weihegelübdes anscheinend nur mit der Strafe für ein begangenes Sakrileg geahndet, für das nach Lev 5,15–16 ein Schuldopfer und die Begleichung des Wertes des veruntreuten Gutes mit einem Aufschlag 83 Zellentin 2013: 392 Anm. 22 hält mNed 9,1 für einen Reflex auf Mk 7,9–12 par. Die Annahme einer tannaitischen Reaktion auf neutestamentliche Texte ist schwierig zu beweisen. Ich halte es eher für wahrscheinlich, dass Mk 7,9–12 im antiken Judentum keine isolierte Kritik an der Verbotsgelübdepraxis darstellt. Wie Philos, SpecLeg 2,16 zeigt, ist die durch Verbotsgelübde erzeugte Verschärfung familiärer Zerwürfnisse selbst ein in der ägyptischen Diaspora diskutiertes Problem. 84 Vgl. Benovitz 1998: 11–12. 85 Nach Sif Dtn § 328 zu Dtn 32,38 (p. 379,5 Finkelstein) verzeiht Gott die Entweihung seines Namens nicht, sondern sucht sie strafend umgehend heim. Zur Verwerflichkeit der Entweihung des göttlichen Namens vgl. Vahrenhorst 2002: 111–113 und Avemarie 2008: 262–268.
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eines Fünftels fällig war. Für das rabbinische Verbotsgelübde, das in der Form einer gesetzlichen Fiktion das zu verbietende Objekt mit der Heiligkeit eines Opfers in Beziehung setzt, war nach der Meinung des R. Schimon in tNed 2,9 bei Gelübdebruch nicht einmal eine Sanktionierung für ein begangenes Sakrileg zu veranschlagen.86 Wie unter dieser Voraussetzung jedoch ein versehentlicher oder willentlicher Gelübdebruch geahndet wurde, wird in Mischna und Tosefta Nedarim nicht konkretisiert. Vielleicht wird man wie in tNaz 3,15 mit einer Sanktionierung mit „ מכות מרדותHiebe wegen Widerspenstigkeit“ rechnen müssen. Ein weiterer „praktischer“ Vorteil der Verbotsgelübde, der sicherlich als Anreiz die Abwendung vom Schwur befördert hat, liegt in dem Umstand begründet, dass deren restriktive Wirkung anders als beim Schwur auch auf Dritte übertragen werden konnte. Dies war in Fällen möglich, in denen das zu verbietende Sachgut von beiden Parteien beansprucht wurde. So erfahren wir aus mNed 3,1, wie ein Händler mit einem Käufer unter Zuhilfenahme von Verbotsgelübden um den Preis der Ware feilscht, aus mNed 7,9, dass ein Ehemann seine Frau durch ein Gelübde bindet, um sich bei ihr Gehör zu verschaffen, und in mNed 11,8, wie ein Vater seinem ungeliebten Schwiegersohn die finanzielle Zuwendung durch ein Gelübde verwehrt. Überhaupt werden viele Gelübde überliefert, die im familiären Kontext zu verorten sind und aus hochgekochten Emotionen heraus unbedacht formuliert wurden.87 Die rabbinische Traditionsliteratur definiert die Erfüllung von Torasatzungen, die das Miteinander in Familie und im erweiterten sozialen Umfeld regeln, auf der Grundlage klar definierter Formen der Nutznießung. So ist ein Ehemann zur Versorgung seiner Frau mit Nahrungsmitteln und Kleidung und zur Gewährung von Beischlaf verpflichtet,88 während auf der anderen Seite eine Ehefrau dazu angehalten ist, zum Lebensunterhalt der Familie durch Handarbeit beizutragen.89 Das Elternehrgebot des Dekalogs aus Ex 20,12 bzw. Dtn 5,16 wird durch die Rabbinen nicht auf ein Schmähverbot enggeführt, sondern auch mit der Verpflichtung, für das Auskommen der Eltern mit Speise, Trank und Kleidung Sorge zu tragen, verbunden.90 Gleiches gilt auch für das Gebot der Nächsten- und Bruderliebe aus Lev 19,17–18. Nach mNed 9,4 obliegt einem die Erfüllung dieser Gebote in Fällen, in denen die Lebensumstände 86 Nach bNed 35a ist das Diktum des R. Simeon schon zur mehrheitlich unter den Rabbinen anerkannten Lehrmeinung geworden. Vgl. dazu Benovitz 1998: 37–38. 87 Dies wird ebenso an den in mNed 9,5.9–10 gegebenen Möglichkeiten der Gelübdeannullierung ersichtlich. 88 Vgl. die beiden auf Ex 21,10 basierenden Mischnajot mKet 5,2 und mNed 10,5. 89 Vgl. mKet 5,9. 90 Vgl. Mek zu Ex 20,12 (p. 231,6–7 Horovitz-Rabin). Für eine umfassendere Darstellung des Elternehrgebots in der rabbinischen Literatur vgl. Jungbauer 2002: 238–250.
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seinen Nächsten oder seinen Bruder in die Armut haben absinken lassen. Diese Sicht auf diverse Formen des gemeinschaftlichen Zusammenlebens basiert auf der Erkenntnis, dass diese Sozialformen Wirtschafts- und Überlebensgemeinschaften sind. Dabei wird die Erfüllung dieser gegenseitigen Verpflichtungen, die als Grundordnungen des gemeinsamen Lebens das Gelingen und Gedeihen sozialer Beziehungen garantieren sollen, als Nutznießung ()הנייה erfahren. Ferner wird auch jede andere Interaktion im entfernteren sozialen Umfeld, sofern sie eine Leistung mit einem finanziellen Gegenwert darstellt, als eine Form der Nutznießung verstanden. Diese Nutznießung kann auch durch eine bedingte Weihe gelobt und damit im zwischenmenschlichen Miteinander untersagt werden, da ihr ein monetärer bzw. wirtschaftlicher Wert beigemessen werden kann.91 Dass die Rabbinen mit ihren halachischen Fallbeispielen in mNed 4,1–8 und 11,3.8.11 zur Untersagung besagter Formen der Nutznießung an ältere Diskurse aus der Zeit des Zweiten Tempels anknüpfen, zeigt der Vergleich mit Mk 7,11 und Philo, SpecLeg 2,16, wo in Entsprechung zu den hebräischen Derivaten der Wurzel הניder Diskurs über die Begriffe ὠφέλεια („Nutzen“) und ὠφελέω („nützen“) geführt wird. Dieser Nutznießungsverzicht erstreckt sich allerdings nicht allein auf das Verhältnis mit Dritten in der Form einer Aufkündung sozialer Beziehungen. In vielen Fällen, und hier scheint ein weit größeres Anwendungsfeld des Verbotsgelübdes zu liegen, wird dieser Nutznießungsverzicht mit Bezug auf die eigenen Bedürfnisse auferlegt, was sich u.a. in einer Genussentsagung spezifischer Speisen oder noch allgemeiner im Verzicht von Annehmlichkeiten äußert, was im Diktum des R. Akiva in mAv 3,13 „Gelübde sind ein Zaun für die Enthaltsamkeit“ prägnant auf den Punkt gebracht ist.92 Da halachische Grundsatzentscheidungen zum persönlichen Fasten eine eher marginale Rolle in Mischna und Tosefta Taanit93 spielen und das Hauptaugenmerk auf dem öffentlichen Fasten liegt, kann angenommen werden, dass die Rabbinen diesen Teilbereich der persönlichen Frömmigkeit dem Gelübdewesen zuordneten. Dieser Eindruck lässt sich auf der Grundlage einer näheren Betrachtung der verschiedenen Speiseverzichtserklärungen in Mischna und Tosefta Nedarim erhärten. Das Paradebeispiel zum Genussverzicht, an dem die Rabbinen die verschiedenen damit einhergehenden Obligationen erläutern, ist die Verzichtserklärung von Wein.94 Zusammen mit dem Verzicht auf Fleisch ist der Verzicht auf Wein
91 Vgl. mNed 4,1–8. 92 Vgl. mNed 6–8; tNed 1,2–3; 2,9; 3,1–7 und 4,1–5. 93 Vgl. tTaan 2,6. 94 Vgl. mNed 6,7.9; 8,1.5 und 9,8.
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als ein klares Indiz für eine bestehende Fastenverpflichtung zu bewerten,95 die aus Gründen der Trauer, der Buße oder der Hervorhebung eines im Gebet geäußerten Anliegens auferlegt wird.96 Ferner ist eine durch Verbotsgelübde hervorgerufene sexuelle Abstinenz ein im Traktat thematisiertes Problem zwischen Eheleuten,97 das ebenso den asketischen Charakter der Verbotsgelübde offenkundig macht.98 Gegenüber einem תענית-Fasten,99 das als Vollverzicht von Speise und Trank für mindestens einen vollen Tag aufrechterhalten werden muss, kann die Dauer und der Inhalt einer durch ein Verbotsgelübde inaugurierten Verzichtserklärung individuell festgelegt werden. Durch seine asketische Ausrichtung kommt dem Verbotsgelübde wieder der ursprüngliche Verwendungszweck eines Gelübdes zu, nämlich das heilvolle Eingreifen Gottes durch die im Fasten ausgedrückte Ernsthaftigkeit und Demut zu provozieren. 3.5 Zusammenfassung Die Tannaiten teilen mit der pharisäischen Bewegung100 die Überzeugung, dass das Verbotsgelübde als Spezialform des Weihegelübdes nicht in Widerspruch zu den Geboten der Tora steht und damit als durch die Tora gewehrtes Recht auch nicht verboten werden kann. Das von den Tannaiten in Mischna und Tosefta Nedarim überlieferte קונם-Gelübdeformular entspricht bis auf die קרבן-Umschreibung ganz dem Gelübdeformular von Mk 7,11. Beide sind als bedingte Weiheformulare anzusprechen, bei denen sich erst in dem Moment eine Weihe ereignet, in dem die mit dem Gelübde bedachte Handlung, sei sie mit Bezug auf den Genuss von Speisen, oder die Nutznießung von anderen Personen, vollzogen wird. Davon zu unterscheiden ist die Weiterentwicklung des Gelübdeformulars, das in der Form einer gesetzlichen Fiktion das zu Verbietende in Beziehung zum heiligen Opfer setzt und in dieser Entsprechung eine Handlungsrestriktion zur Folge hat. Die Tannaiten bezeugen und akzeptieren zudem den Sachverhalt, dass das Beachten und Einhalten der durch die Verbotsgelübde gewirkten Handlungsrestriktionen eine Dispensation von 95 Vgl. Dan 10,3; TestRub 1,10; TestJud 15,4; 4. Esr 9,24; sowie darüber hinaus Benovitz 1998: 41 Anm. 2. 96 Das Fasten wird als Zeichen der Demut und Gottesfurcht (vgl. TestSim 3; TestBenj 1,4; TestJos 3,4; TestJud 15) angesehen, womit es als angemessene Haltung gilt, ein Bittgesuch an Gott zu richten. 97 Vgl. mNed 8,7; 11,12; tNed 7,1. 98 Vgl. Ex 19,15; 1. Sam 21,6 und 2. Sam 11,11–12. 99 So der Bezeichnung des Traktats Taʾanit in Mischna und Tosefta zu entnehmen, in dem mehrheitlich das öffentliche Fasten diskutiert wird. 100 Dies gilt freilich nur unter der Bedingung, dass die Tolerierung der Verbotsgelübdepraxis im antiken Judentum, wie dies zumindest von Mk 7,6–13 angedeutet wird, wirklich ein Unikum der Pharisäer war.
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Torapflichten nach sich ziehen kann. Dies gründet auf dem Profanierungsverbot gottgeweihter Dinge und dem damit einhergehenden Umstand, dass den Satzungen der kultischen Tora ein höheres Gewicht als denen der sozialen Tora beigemessen wurde. Diese Gewichtung wurde selbst dann noch vertreten, als die Tannaiten das Gelübdeformular durch eine gesetzliche Fiktion in der Weise abänderten, dass das zu Verbietende nur noch mit der Heiligkeit des Opfers in Beziehung gesetzt wurde und damit weder eine Weihe intendiert noch ein Sakrileg bei Gelübdebruch zu befürchten war. Mit Mk 7,6–13 und Philo, SpecLeg 2,16 teilen die rabbinischen Verbotsgelübde einen identischen Anwendungsbereich. Sie scheinen, und hierin gründet die Kritik des markinischen Jesus und des Alexandriners Philo, als Druckmittel und als Bestrafung gegenüber unliebsamen Mitmenschen im familiären und im erweiterten sozialen Umfeld gedient zu haben. Der Brauch, Verbotsgelübde auch in der Form eines persönlichen Fastens zu inaugurieren, ist neben der tannaitischen Literatur auch in der Fastenrolle bezeugt. 4
Neutestamentliche Diskurse zur Verbotsgelübdepraxis
4.1 Die „Überlieferung der Ältesten“ und das Verbotsgelübde in Mk 7,9–12 Die Diskurse zur Verbotsgelübdepraxis, wie sie in 4Q271 4 ii 12–16; SpecLeg 2,16; Ap 1,167 und in Mischna und Tosefta Nedarim als Zeugen einer Auseinandersetzung mit einem virulenten, den Gemeinschaftsfrieden gefährdenden Problem zu Tage treten, sind nicht spurlos an den neutestamentlichen Autoren vorübergegangen. Mit der Frage nach Stellung und Bedeutung der παράδοσις τῶν πρεσβυτέρων („Überlieferung der Ältesten“; Mk 7,3.5)101 in den frühchristlichen 101 Auf das sachlich gleiche Phänomen verweist Josephus in Ant 13,297 mit τὰ δ᾽ ἐκ παραδόσεως τῶν πατέρων („was aber aus der Überlieferung der Väter ist“) und in 13,408 mit κατὰ τὴν πατρῴαν παράδοσιν („gemäß der väterlichen Überlieferung“). Auch Paulus wird man hier als Zeugen für eine besonders bei den Pharisäern ausgeprägte und als autoritativ erachtete Form der Gesetzesobservanz hinnehmen dürfen, wenn er sich selbst als einen ζηλωτὴς […] τῶν πατρικῶν μου παραδόσεων („Eiferer […] für meine väterlichen Überlieferungen“) bezeichnet. Vgl. ferner Sir 8,9; 2. Makk 6,1; sowie Cohen 2002: 36–40 für eine Diskussion weiterer einschlägiger Stellen bei Philo. Baumgarten 1987: 66 hält mit Blick auf die Verwendung des Begriffs in voneinander unabhängigen Quellen fest, dass „we are dealing with a technical term that refers to the regulations observed by the Pharisees but not written in the law of Moses“. Cohen 2002: 36 hat allerdings mit Verweis auf Schiffman 1991: 139 und Sanders 1992: 48.450–451.465 zu Recht darauf hingewiesen, dass Baumgartens Definition des Begriffs παράδοσις zu eng gegriffen ist und dass man von einem „broad area of consensus among the people respecting the ‚ancestral traditions‘“ ausgehen muss. Die παράδοσις τῶν πρεσβυτέρων ist sicherlich nicht eins zu eins deckungsgleich mit der
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Gemeinden hat Mk 7,9–12 auch die Frage nach der Vereinbarkeit der Verbotsgelübde mit den Rechtssatzungen der Tora angerissen. Der Diskurs zum Verbotsgelübde, den Jesus mit den als „halakhic inspectors“102 aus Jerusalem auftretenden Pharisäern und Schriftgelehrten führt, ist in einen zweiten Disput über Reinheitsfragen, genauer über das Essen von Speisen mit ungewaschenen Händen, eingebettet. Dabei dient das Aufgreifen der Verbotsgelübdepraxis im Disput über Reinheitsfragen als Gegenanklage. Wenn sich die Jünger durch ihre Aufnahme von Speisen mit ungewaschenen Händen der Übertretung der „Überlieferung der Ältesten“ schuldig gemacht haben, dann haben sich die Pharisäer mit der Einhaltung der „Überlieferung der Ältesten“ der Übertretung der Tora in weit größerem Maße schuldig gemacht. Genauer gesagt liegt der Vorwurf Jesu darin, dass die Pharisäer in Kauf nehmen, dass das Elternehrgebot des Dekalogs aus Ex 20,12 bzw. Dtn 5,16 und das Schmähverbot gegen die Eltern aus Lev 20,9103 durch einen von der παράδοσις τῶν πρεσβυτέρων gedeckten Vorrang der Kult-Tora gegenüber der Sozial-Tora umgangen werden kann. Der Tatbestand wird in Mk 7,11–13 wie folgt geschildert: 11 ὑμεῖς δὲ λέγετε· ἐὰν εἴπῃ ἄνθρωπος τῷ πατρὶ ἢ τῇ μητρί· κορβᾶν, ὅ ἐστιν δῶρον, ὃ ἐὰν ἐξ ἐμοῦ ὠφεληθῇς, 12 οὐκέτι ἀφίετε αὐτὸν οὐδὲν ποιῆσαι τῷ πατρὶ ἢ τῇ μητρί, 13 ἀκυροῦντες τὸν λόγον τοῦ θεοῦ τῇ παραδόσει ὑμῶν ᾗ παρεδώκατε· καὶ παρόμοια τοιαῦτα πολλὰ ποιεῖτε.
rabbinischen Vorstellung von der „( תורה שבעל פהmündlichen Tora“), wie sie in späteren rabbinischen Texten mit den Halacha-Kompendien Mischna, Tosefta, den Talmudim und den Midraschwerken zur hebräischen Bibel identifiziert wurden. Während die παράδοσις τῶν πρεσβυτέρων ihre autoritative Stellung durch ihre Zuweisung und Herkunft von den Ältesten her erfährt, wird die mündliche Tora im rabbinischen Kontext als Teil der Offenbarung Gottes am Sinai verstanden, die neben der schriftlichen Tora ebenfalls an Mose ergangen ist. Die Koppelung an die Sinaioffenbarung muss wohl als Versuch der Legitimierung der mündlichen Tora verstanden werden, deren Normativität wahrscheinlich sowohl von Seiten toraobservanter Juden als auch von christusgläubigen Nichtjuden in Frage gestellt wurde. Interessanterweise taucht die Wendung nicht überall dort in Mk auf, wo man sie durch die rabbinische Brille gelesen erwarten würde. Mk verwendet die traditionell gewordene Bezeichnung nur für die Vorschrift des Händewaschens und für die in Mk 7,8–13 beschriebene Verbotsgelübdepraxis, die beide keine direkte Entsprechung in der schriftlichen Tora haben. Dabei wäre eigentlich die Verknüpfung der Vorschrift zur Versorgung der Eltern mit dem Elternehrgebot des Dekalogs auch als halachische Präzisierung und damit sicherlich als „Überlieferung der Ältesten“ anzusprechen. 102 K rause 2015: 345. 103 Man beachte, dass das Schmähverbot gegen die Eltern bei Nichtbefolgung sogar mit der Todesstrafe geahndet wird.
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11 Ihr aber sagt: Wenn einer zu Vater oder Mutter sagt: „Korban – das ist eine Opfergabe – sei, was auch immer du als Nutzen von mir hast!“, 12 so lasst ihr ihn nichts mehr für Vater und Mutter tun, 13 indem ihr durch eure Überlieferung, die ihr überliefert habt, Gottes Wort ungültig macht; und ähnliches wie dieses tut ihr viel. Wer vom Evangelisten Markus hierauf eine Klärung der Sachlage erwartet, wird enttäuscht. Nach der markinischen Darstellung des Disputs wird der Fokus sogleich von den Pharisäern weggenommen und die Hinwendung zum versammelten Volk, das sich anscheinend von der Szenerie entfernt hatte,104 eingeleitet. Die Bühne gehört wieder Jesus und dem sich um ihn versammelten Volk, dem Jesus jetzt den wahren Grund für die Verunreinigung des Menschen eröffnet. Dieser liegt nicht in dem, was in den Menschen eingeht, also in der Aufnahme von Speisen mit ungewaschenen Händen,105 sondern in dem, was vom Menschen ausgeht, seien es des Menschen Worte oder Taten.106 Was aber dem in 7,11–12 vorgestellten Sohn im Detail vorgeworfen wird, bleibt unausgesprochen. Nähere Angaben zur rechtlichen Grundlage der Aufhebung des elterlichen Rechtsanspruchs zur Versorgung durch die eigenen Kinder spart Markus aus? Er scheint vorauszusetzen, dass seine Adressaten um den Umstand wissen, dass pharisäische Gruppen eine Gelübdepraxis tolerieren, die Kinder von der Verpflichtung zur Elternversorgung entbindet.107 Die Tatsache, dass der markinische Jesus die von den Pharisäern geduldete Praxis als zur παράδοσις τῶν πρεσβυτέρων108 gehörig ausweist und nicht als eine durch die Tora bezeugte Form der Gelübdepraxis identifiziert, macht deutlich, dass hier keinesfalls an ein einfaches Weihegelübde zu denken ist.109 Jesus gibt 104 So deutet es zumindest die Wendung Καὶ προσκαλεσάμενος πάλιν τὸν ὄχλον („Und als der die Volksmenge wieder zusammengerufen hatte“) aus 7,15 an. 105 Nach Mk 7,19 hätte Jesus damit sogar alle Speisen für rein erklärt. 106 Vgl. Gnilka 2015: 284. 107 Zur Entwicklung und Rezeption des Elternehrgebots im antiken Judentum vgl. Jungbauer 2002. 108 Matthäus verzichtet in 15,3 bei der Antwort Jesu auf die ehrenvolle und das hohe Alter der Überlieferung ausweisende Bezeichnung „τῶν πρεσβυτέρων“ und hebt den Kontrast zum Gebot Gottes noch weiter hervor, indem er allein von τὴν παράδοσιν ὑμῶν („euren Überlieferungen“) spricht. Dieser Eindruck wird noch weiter durch den Umstand verstärkt, dass Matthäus das markinische Μωσῆς γὰρ εἶπεν (Mk 7,10) durch Ὁ γὰρ θεὸς ἐνετείλατο, λέγων in Vers 4 abwandelt. 109 So deutet jedoch Gnilka 2015: 283 den Sachverhalt, wenn er annimmt, dass die den Eltern geschuldeten Besitztümer des Sohnes bereits von diesem geweiht und als gottgehörig und damit heilig anzusprechen sind. Gnilka geht, ohne dies zu begründen, davon aus, dass der Sohn die geweihten Besitztümer jedoch nicht an den Tempel bringen muss.
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in Mk 7 wie auch an anderen Stellen der ethischen Tora den Vorrang gegenüber der kultischen.110 Demgegenüber scheinen die Pharisäer, so zumindest in der Darstellung von Mk 7,11–13, der kultischen Tora den Vorrang einzuräumen.111 Denkt man in diesem Zusammenhang an die hierarchisch konzeptualisierte Beschränkung bei der Weihe von gemeinsam beanspruchten Sachgütern in Philos Hyp 7,5,112 so scheint diese auf den ersten Blick im Widerspruch zur pharisäischen Praxis von Mk 7,11–12 zu stehen. Dort war es jeweils der Ehemann, Vater oder Herrscher, dem es allein zustand, den gemeinsam mit Ehefrau, Sohn oder Untergebenen beanspruchten Besitz zu weihen. Das Szenario, das Mk 7 entwirft, setzt damit die Mündigkeit des Sohnes und die Schutzbedürftigkeit der Eltern, die sich selbst nicht mehr versorgen können und daher von der Fürsorge des Sohnes abhängig sind, voraus. Die Gelübdeformel in 7,11 drückt einen prospektiven Fall aus, bei dem die die Bedingung ausdrückende Protasis der Weiheformel nachgestellt ist.113 Die Weiheformel ist zudem elliptisch formuliert und als κορβᾶν ἔστω („ein Korban sei“) zu begreifen.114 Demnach werden diejenigen Besitztümer des Votanten 110 Vgl. dazu auch τὰ βαρύτερα τοῦ νόμου („die gewichtigeren Dinge des Gesetzes“) in Mt 23,23, wo der matthäische Jesus ein Zeuge dafür ist, dass die Befolgung der Toragebote einer Gewichtung unterzogen wird. 111 Vgl. oben 4 2.3. 112 Vgl. oben 2 2.2.3. 113 Auch wenn man Vorsicht wegen der Fremdwahrnehmung des Evangelienautors und wegen des möglichen tendenziösen Charakters der Darstellung walten lassen muss, so scheinen doch die integralen Bestandteile des Gelübdeformulars zuverlässig wiedergegeben zu sein. Im matthäischen δῶρον ὃ ἐὰν ἐξ ἐμοῦ ὠφεληθῇς sticht der Wandel der Terminologie im Gelübdeformular ins Auge. Der Umstand, dass Matthäus δῶρον aus der erklärenden Glosse des Mk übernimmt und an die Stelle des markinischen κορβᾶν ins Gelübdeformular einsetzt, kann mehrere Gründe haben. Wie im Zusammenhang der tannaitischen Verbotsgelübde näher erläutert wurde, hat sich nachweislich ein Trend zur Verkürzung des Gelübdeformulars und sogar zur Substitution der קרבן-Inaugurationsformel gezeigt. Grund für die Substitution dürfte die Tabuisierung der Aussprache des Gottesnamens im Weiheformular קרבן ליהוהgewesen sein. Mt, der sein Evangelium in größerer zeitlicher Entfernung zur Tempelzerstörung als Mk verfasste, könnte dieser innerjüdischen Entwicklung Rechnung tragen. Nach dem Ende des Tempelkultes ist im rabbinischen Schrifttum eine Sensibilisierung hinsichtlich solcher religiösen Praktiken zu beobachten, die aufgrund ihrer Verknüpfung mit dem Opferdienst des Tempels kultpraktisch nicht mehr bedient werden konnten. Andererseits könnte er die Kenntnis über die Entsprechung von κορβᾶν und δῶρον, das in der Septuaginta mehrheitlich Übersetzungslexem für קרבןist, in seiner mehrheitlich aus jüdischen Jesusnachfolgern bestehenden Gemeinde vorausgesetzt und deshalb auf die Übernahme der erklärenden Glosse verzichtet haben. Überhaupt verzichtet Matthäus häufig auf aramäische Worte und Wendungen, die er bei Markus vorgefunden hat (vgl. dazu vgl. Hengel und Schwemer 2007: 382). 114 Die Formel entspricht dem rabbinischen „( קונם שאתה נהנה ליKonam sei, was du von mir genießt“; tNed 4,8).
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erst zum Opfer geweiht sein, wenn die Eltern eine Nutznießung durch eben diese Besitztümer erfahren haben. Damit ist freilich ausgedrückt, dass der Sohn seinen Besitz ohne Weiteres weiter nutzen kann. Die Weihe wird, wie bereits oben im Zusammenhang der rabbinischen Verbotsgelübde festgestellt, allein durch die Eltern als Folge der Nutznießung ausgelöst. Dies macht es für die Eltern unmöglich, vom Besitz des Sohnes versorgt zu werden. Im Fall der Versorgung mit Lebensmitteln würden sich die Eltern mit dem Verzehr augenblicklich des Sakrilegs schuldig machen. Das Verbotsgelübde beim Gold des Tempels und bei den Opfergaben des Altars in Mt 23,16–22 Wie bereits weiter oben im Fall des Korban-Schwurs in Josephus, Ap 1,166–167 und in Philo, SpecLeg 2,16 festgestellt wurde, rechnet das griechischsprachige Judentum das Verbotsgelübde zum Schwur (ὅρκος). Wenn in Mt 23,16–22 vom Schwur beim Gold des Tempels und bei den Gaben des Altars die Rede ist, dann haben wir es, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, nicht mit Schwursubstitutionen,115 sondern mit Gelübdeformeln zu tun.116 4.2
16 Οὐαὶ ὑμῖν, ὁδηγοὶ τυφλοὶ οἱ λέγοντες· ὃς ἂν ὀμόσῃ ἐν τῷ ναῷ, οὐδέν ἐστιν· ὃς δ᾽ ἂν ὀμόσῃ ἐν τῷ χρυσῷ τοῦ ναοῦ, ὀφείλει. 17 μωροὶ καὶ τυφλοί, τίς γὰρ μείζων ἐστίν, ὁ χρυσὸς ἢ ὁ ναὸς ὁ ἁγιάσας τὸν χρυσόν; 18 καί· ὃς ἂν ὀμόσῃ ἐν τῷ θυσιαστηρίῳ, οὐδέν ἐστιν· ὃς δ᾽ ἂν ὀμόσῃ ἐν τῷ δώρῳ τῷ ἐπάνω αὐτοῦ, ὀφείλει. 19 τυφλοί, τί γὰρ μεῖζον, τὸ δῶρον ἢ τὸ θυσιαστήριον τὸ ἁγιάζον τὸ δῶρον; 20 ὁ οὖν ὀμόσας ἐν τῷ θυσιαστηρίῳ ὀμνύει ἐν αὐτῷ καὶ ἐν πᾶσι τοῖς ἐπάνω αὐτοῦ· 21 καὶ ὁ ὀμόσας ἐν τῷ ναῷ ὀμνύει ἐν αὐτῷ καὶ ἐν τῷ κατοικοῦντι αὐτόν, 22 καὶ ὁ ὀμόσας ἐν τῷ οὐρανῷ ὀμνύει ἐν τῷ θρόνῳ τοῦ θεοῦ καὶ ἐν τῷ καθημένῳ ἐπάνω αὐτοῦ. 16 Wehe euch, ihr Blindenführer, die (ihr) sagt: Wer beim Tempel gelobt,117 (so) ist (es) nicht bindend. Wer aber beim Gold des Tempels gelobt, ist gebunden. 17 Toren und Blinde, was ist denn größer, das Gold oder der Tempel, der das Gold heiligt? 18 Und (ihr sagt): Wer beim Altar gelobt, (so) ist (es) nicht bindend. Wer aber bei der Gabe, die auf ihm liegt, gelobt, ist gebunden. 19 Blinde, was ist denn größer, die Gabe oder der Altar, 115 Vahrenhorst 2002: 360–367 und Luz 2016: 325–329 nehmen dagegen für Mt 23,16–22 eine Auseinandersetzung mit Fragen der Gültigkeit von Schwursubstitutionsformeln an. 116 So schon von Mann 1917: 265 vertreten. 117 Hier und in den folgenden Versen wird ὀμνύω mit „geloben“ wiedergegeben, da, wie noch zu zeigen sein wird, Matthäus hier keinen promissorischen oder assertorischen Schwur, sondern das Verbotsgelübde zum Gegenstand der Diskussion macht.
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der die Gabe heiligt? 20 Wer nun beim Altar gelobt, der gelobt bei ihm und bei allem, was auf ihm ist. 21 Und wer beim Tempel gelobt, der gelobt bei ihm und bei dem, der ihn bewohnt. 22 Und wer beim Himmel gelobt, der gelobt beim Thron Gottes und bei dem, der darauf sitzt. Nach der matthäischen Darstellung steht für die pharisäischen Gelehrten die Frage des rechtlich verpflichtenden Wortlauts von Inaugurationsformeln im Mittelpunkt des Interesses. Nach deren Ansicht sind diese allein von bindendem Charakter, wenn die Selbstverpflichtung mit Verweis auf die Weihegaben des Tempels inauguriert wurde. Hierin wird bereits deutlich, dass die in Mt 23,16–21 angesprochenen Selbstverpflichtungen mit ihrem Bezug zu den Opfergaben des Tempels einen direkten kultischen Bezug besitzen, wie dies eigentlich nur bei Gelübden der Fall ist. Für die pharisäische Position ist dabei der Heiligkeitsstatus der Opfergaben, bei denen die Gelübde abgelegt werden, das ausschlaggebende Kriterium für deren Gültigkeit. Damit ist ein rechts- bzw. kulttheoretisches Problem angesprochen, dessen Behandlung im rabbinischen Diskurs zum Verbotsgelübde in mNed 1,3–4 und tNed 1,2–3 einen großen Raum einnimmt. Das Gold des Tempels und die verschiedenen Opfergaben des Altars gelten dabei als möglicher Ersatz für das im Gelübde sonst gebrauchte קרבן.118 Nach dem Verständnis des rabbinischen Verbotsgelübdes wird der Bezug zum Opfer hergestellt, um im Gelübdeformular eine bedingte Weihe auszudrücken. Sollte sich die im Verbotsgelübde ausgedrückte Bedingung erfüllen, dann tritt simultan die Weihe zur im Gelübde festgelegten Opfergabe ein.119 Gleiches wäre auch hier im Fall des pharisäischen Gelübdes anzunehmen, was auch den Grund erklären würde, warum das Gelübde beim Tempel und beim Altar nicht bindend ist. Durch die bedingte Weihe kann eine Sache zu einer Opfergabe bestimmt werden, zu einem Altar oder zu einem Tempel kann sie freilich nicht geweiht werden.120 Für die pharisäische Position sind nach Mt 23,16–20 daher allein Gelübde gültig, die bei üblicherweise auf dem Altar dargebrachten Opfern oder beim Tempelschatz gelobt wurden. Dass der Tempelschatz und seine Reichtümer ebenfalls als Weihegaben 118 Vgl. Mk 7,11. 119 Genaueres dazu oben 4 2.2. 120 Die späten Traditionsschichten in mNed 1,3 und tNed 1,3 haben dagegen das Gelübde beim Altar und beim Tempel ebenfalls als verbindlich zugelassen. Dies liegt aber, wie vor allem in mNed 1,3 ersichtlich wird, daran, dass beim Verbotsgelübde anscheinend nicht mehr an eine bedingte Weihe gedacht wurde, sondern das Gelübde in der Form einer gesetzlichen Fiktion inauguriert wurde. Auf diese Weise soll das Gelübdeformular ausdrücken, dass eine gewisse Sache genauso für den profanen Gebrauch verboten ist „wie“ der Tempel und seine Opfergaben.
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angesehen wurden, darf man seiner Bezeichnung als κορβανᾶς121 (aram. )קרבנא entnehmen.122 Wenn der matthäische Jesus ausdrückt, dass die Opfergaben wie auch der Tempelschatz ihre Heiligkeit eigentlich erst durch den Altar bzw. durch den Tempel erfahren, dann führt er damit die Absurdität der pharisäischen Unterscheidung vor Augen. Die Tatsache, dass Matthäus diese Art einer kultisch konnotierten Selbstverpflichtung als ὅρκος bezeichnet, legt die Vermutung nahe, dass es sich hierbei um die pharisäischen (Mk 7,11; Mt 15,5) und rabbinischen Verbotsgelübde handelt. Während das beim Tempel bzw. beim Tempelschatz inaugurierte Gelübde mit Mt 23,16–17 und 21 eine Rahmung für die beim Altar bzw. bei den Gaben des Altars getroffene Selbstverpflichtung bildet, fällt Mt 23,22 aus dem Schema heraus. Auch aus inhaltlichen Gründen passt Mt 23,22 nicht zum vorausgehenden Absatz. Orientierte sich dieser noch thematisch am Problem der Übertragbarkeit von Heiligkeit, so ist mit Vers 22 die Frage beantwortet, wofür der Himmel im Inaugurationsformular als Substitution gelten darf. Der Antwort des matthäischen Jesus zufolge ist damit ganz in Entsprechung zu Mt 5,34 der Thron Gottes und Gott selbst angesprochen, weshalb im Fall von Mt 23,22 und der „beim Himmel“ getroffenen Inauguration in seiner ursprünglichen Form von einer Schwursubstitution zu sprechen ist. Wenn Mt 23,22 als Nachtrag eigentlich auf einen Schwur „beim Himmel“ hindeutet und die vorausgehenden Verse das Geloben „bei den Gaben des Tempels“ benennen, dann muss nicht zwangsläufig davon ausgegangen werden, dass der matthäische Redaktor hier in gleicher Art und Weise formuliert und verbindet, was aus sachlogischen Gründen eigentlich getrennt zu behandeln wäre. Vielmehr könnte er assoziativ über die beiden triadischen Strukturen Mt 23,16–17.21 und 23,18–20 hinaus, die in dieser Form wohl auch das Werk der matthäischen Redaktion sind,123 nochmals den Bezug zu Gott hergestellt haben, der im Grunde genommen weder von den Opfern, dem Alter, dem Tempel und damit natürlich auch nicht vom Himmel und dem Thron darin zu trennen ist. Demnach wäre also wie im Fall der Schwursubstitutionen in Mt 5,33–37 mit den Gelübdeformeln in Mt 23,16– 20 letztlich Gott selbst angesprochen, was – zumindest im Zusammenhang des Evangeliums gelesen – bedeutet, dass auch von Gelübden und ganz besonders von der pharisäischen Sonderform der Verbotsgelübde abzusehen ist,
121 Vgl. Mt 27,6 und Josephus, Bell 2,175. 122 Vgl. dazu auch Vahrenhorst 2002: 361. 123 Vgl. Luz 1992: 20. Zum Grundbestand, den Matthäus der Tradition entnommen hat und der sogar aus authentischen Jesusworten bestehen könnte, zählt Bultmann 1995: 158 Mt 23,16–19.
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da auch mit ihnen Gott angesprochen und sein Name bei missbräuchlichem Gebrauch entehrt wird.124 4.3 Zusammenfassung Mk 7,9–13 und Mt 23,16–22 sind zwei neutestamentliche Zeugnisse für die virulente Auseinandersetzung mit dem Verbotsgelübde, wie sie zwischen verschiedenen Gruppen des antiken Judentums ausgefochten wurde. Während sich der markinische Jesus vor allem mit der zerstörerischen Wirkung des Verbotsgelübdes auseinandersetzt, das sogar hilfsbedürftige Familienangehörige in Versorgungs- und Überlebensnot stürzt, hinterfragt der matthäische Jesus die kulttheoretischen Zusammenhänge des Verbotsgelübdes und prangert dabei die sich für ihn offenkundige Widersinnigkeit der pharisäischen Logik an. Für Matthäus hängt am Verbotsgelübde ebenso wie am Schwur die Ehre Gottes, die ihm durch den Missbrauch von Schwur und Gelübde nicht erwiesen wird. Der Grund für die Popularität des Verbotsgelübdes im einfachen Volk und seine Bevorzugung gegenüber dem Schwur,125 dürfte, wie Mk 7,9–13 dies bezeugt, in dem Umstand begründet sein, dass der Gelobende mit dieser Sonderform nicht nur sich selbst, sondern auch Dritte mit Handlungsrestriktionen belegen konnte. 124 Anhand der Übertragungsfunktion von Mt 23,22 kann man auf keinen Fall wie Luz 1997: 326 von der Überflüssigkeit des Verses sprechen. Aus Mt 23,16–22 darf man auch nicht wie Gnilka 1988: 288 einen Widerspruch zur vierten Antithese der Bergpredigt herauslesen. Der Abschnitt der Pharisäerrede in Mt 23 ist nicht so zu verstehen, als ob hier ein kleiner „judenchristlicher“ Teil der Gemeinde, der das Schwören noch pflegt, positiv zu Wort gekommen ist. Vielmehr geht es darum, dass nicht nur der Schwur, sondern auch das Gelübde eine Anrufung Gottes darstellt, die ihm in der von den Pharisäern praktizierten oder geduldeten Form nicht die ihm gebührende Ehre erweist und seine Heiligkeit verletzt. 125 Vgl. oben 4 2.4.
kapitel 6
Das Banngelübde im antiken Judentum und frühen Christentum 1
Der Bann und das Banngelübde nach dem Zeugnis der Hebräischen Bibel
Num 21,2–3 ist der einzige, in der Hebräischen Bibel narrativ entfaltete Bericht, in dem ein „( חרםBann“) im Kontext eines Gelübdes durchgeführt wird.1 יהם׃ ֽ ֶ ת־ע ֵר ָ ת־ה ָ ֤עם ַהּזֶ ֙ה ְּביָ ִ ֔די וְ ַ ֽה ֲח ַר ְמ ִ ּ֖תי ֶא ָ אמר ִאם־נָ ֙ת ֹן ִּת ֵּ֜תן ֶא ֑ ַ ֹ יהו֖ה וַ ּי ָ וַ ּיִ ַ ּ֙דר יִ ְׂש ָר ֵ ֥אל ֶנ ֶ�֛דר ַ ֽל2 יהם וַ ּיִ ְק ָ ֥רא ֑ ֶ ת־ע ֵר ָ ת־ה ְּכנַ ֲע ִ֔ני וַ ּיַ ֲח ֵ ֥רם ֶא ְת ֶ ֖הם וְ ֶא ֽ ַ ּתן ֶא ֙ ֵ ִהוה ְּב ֣קֹול יִ ְׂש ָר ֵ֗אל וַ ּי ֜ ָ ְ וַ ּיִ ְׁש ַ֙מע י3 ם־ה ָּמ ֖קֹום ָח ְר ָ ֽמה׃ פ ַ ֵׁש
2 Und Israel gelobte dem Herrn ein Gelübde und sprach: Wenn du dies Volk gewiss in meine Hand gibst, dann werde ich an seinen Städten den Bann vollziehen. 3 Und der Herr hörte auf die Stimme Israels und er gab (die) Kanaanäer (in seine Hand) und es vollzog an ihnen und an ihren Städten den Bann. Und man gab dem Ort den Namen „Horma“. Israel reagiert mit dem Gelübde auf eine erste kriegerische Interaktion mit den kanaanäischen Bewohnern des Negevs, die Niederlage und Kriegsgefangenschaft für einen Teil des Volkes bedeutete (Num 21,1–3). Von der Bitte um kriegerischen Beistand, für den Israel im Gelübde den Kriegsbann verspricht, wird ausdrücklich gesagt, dass JHWH diese erhört. In Aufnahme deuteronomistischer Landnahmetheologie wird an den Kanaanäern von Horma2 vollzogen, was dann nach der Darstellung des Deuteronomiums (Dtn 3,6; 7,2)3 und des Buches Josua (Jos 8,26; 10,28.35–40; 11,11–21) alle Städte und Völker bei der Landnahme treffen wird. Nach einhelligem Urteil der Forschung sind diese 1 Nach Achenbach 2003: 346 ist Num 21,1–3 eine hexateuch-orientierte Redaktionsschicht, die seiner Meinung nach aus der 1. Hälfte des 5. Jh. v.u.Z. stammt. Im Bannvollzug als Gelübdeversprechung dürfte eine der frühesten Anwendungsbereiche des Banns liegen. Vgl. dazu Ja 575 und die von Jamme 1962: 65–67 dazu gemachten Notizen. 2 Der Ort חרמהim Negev wird volksetymologisch mit dem Begriff חרםin Verbindung gebracht (vgl. Achenbach 2003: 346), was sicherlich, wenn der Ort keine literarische Fiktion ist, die Erzählung mit inspiriert hat. 3 Vgl. Achenbach 2003: 346.
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kapitel 6
Texte aber allesamt literarische Fiktion.4 Die Berichte speisen sich aus der Erinnerung des Kriegsbanns, wie er möglicherweise in der Levante in staatlicher und vorstaatlicher Zeit geübt wurde.5 Grundlage der Kriegsbanntexte der Hebräischen Bibel ist das Verständnis von der Heiligkeit des Landes und des Volkes, die es gegenüber den Fremdvölkern zu beschützen gilt. So bestimmt das Deuteronomium, dass der Götzendiener einer apostatischen Stadt mit samt seinem Besitz zu vernichten (Dtn 13,13–18)6 ist, der Kult nur an dem von JHWH auserkorenen Ort zu vollziehen sei (Dtn 12,8–27), die Fest- und Wallfahrtsordnungen, die das Land mit dem Zentralheiligtum verbinden, einzuhalten (Dtn 14,22–16,17; 26,2–13) und die Rechtsordnungen zu befolgen sind (16,18–25,19), damit die Heiligkeit des Landes gewahrt bleiben kann.7 Im Fall von Dtn 13,13–18, das mit Jos 6,17–21 und 7,12 die Forderung nach der Zerstörung des Beuteguts einer gebannten Stadt teilt und damit über die Forderungen des deuteronomistischen Kriegsgesetzes in Dtn 20,10–168 hinausgeht, nimmt E. Otto an, dass die Verschärfung des Kriegsbanns bei einer apostatischen Stadt auf der Erfahrung der Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier beruht.9 Der Zerstörung Jerusalems, das nach 2. Kön 25,9 von den Babyloniern in Brand gesteckt wurde, sei damit „ein theologischer Sinn abgerungen“ worden. Den Vollzug des Banns an Apostaten kennt darüber hinaus auch das Bundesbuch in Ex 22,19.10 Angaben, was mit dem Besitz der Apostaten geschehen muss, fehlen jedoch in der kurzen Notiz. In prophetischen Texten aus nachexilischer Zeit ist es sogar JHWH, der den Bann gegen die Völker der Welt (Jes 34,511), oder gegen Israel (Mal 3,2412) vollzieht. Der hinter dem Kriegsbann stehende Gedanke verbindet die Absonderung von Profanem und Unreinem und seine Zerstörung mit der Durchführung 4 Vgl. Otto 2016: 1265. Zu den neueren Landnahmemodellen und zum Entstehen des Königtums in Israel vgl. Berlejung 2010: 96–104 und Frevel 2016: 65–84. 5 Dass der Kriegsbann eine in der Levante geübte Sonderform kriegerischer Auseinandersetzungen war, bezeugt die ins 9. Jh. v.u.Z. zu datierende Mescha-Stele (vgl. dazu auch KTU 1.119). Eine Diskussion älterer Forschungsbeiträge zum „Heiligen Krieg“ und religionsgeschichtlicher Parallelen aus Mesopotamien und dem Mittelmeerraum liefert Huwyler 1997: 285–299. 6 Vgl. auch Ex 22,19. 7 Vgl. Otto 1999: 233. 8 Vgl. auch Dtn 3,6–7. 9 Vgl. Otto 2016: 1265. 10 Achenbach 2018: 74 hält Ex 22,19 für eine priesterliche Fortschreibung aus der Zeit des Zweiten Tempels, die nicht zum ursprünglichen Bestand des Bundesbuches gehört haben soll. 11 Vgl. Wildberger 1982: 1339–1341. 12 Vgl. Kessler 2011: 307–315.
Das Banngelübde im antiken Judentum
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einer Gerichtshandlung, die die Heiligkeit Gottes anerkennt und die Heiligkeit seines Volkes bewahrt. Kulttheoretisch ist dieser Gedanke in Lev 27,28–29 aufgegriffen, wenn es neben Bannopfern wie Vieh und Grundbesitz vom gebannten Menschen heißt, dass dieser hingerichtet werden soll.13 Mit Lev 27,29 ist dagegen eine Bannweihe in Kriegszeiten gemeint, wie sie dem Autor im Gottesurteil von Dtn 7,2 vorlag. Die Bannweihe eines Menschen in Friedenszeiten ist schon von Dtn 18,9–10 her ausgeschlossen.14 Man beachte, dass die Zerstörung von gebanntem Grundbesitz und Vieh nicht ausdrücklich erwähnt wird. Nun könnte man meinen, dass sich dies daraus ableiten lässt, doch wird in Lev 27,21 gerade festgelegt, dass ein Feld, das nicht bis zum Jobeljahr ausgelöst wird, wie ein gebanntes Feld anzusehen und in den Besitz eines Priesters übergehen muss. Wird man dann Gleiches auch von einem gebannten Haus, oder von gebanntem Vieh annehmen müssen?15 Die Bannweihe von Vieh und Grundbesitz, so denn sie nicht als Kriegsbann geschah, dürfte also im Unterschied zur einfachen Weihe (Lev 27,9–25) endgültig und unauslösbar gewesen sein. Dass die rituelle Hinrichtung von gebannten Menschen in nachexilischer Zeit nicht am eigenen Volk praktiziert wurde, legt außerdem Esr 10,8 nahe, wo die Tötung der Person durch deren Ausschluss aus der Gemeinschaft ersetzt wird. Ihr Besitz wurde möglicherweise konfisziert und dem Tempel überantwortet.16
13 Benovitz 1998: 83 nimmt an, dass Lev 27,28a eine spätere Erweiterung ist, die den wenig spezifisch und ebenfalls mit כל חרםbeginnenden Halbvers 27,28b näher erläutern sollte. Die Verse 27,28b und 29 sollten dann als eine Rekapitulation der Kriegsbanngesetze des Deuteronomiums verstanden werden. 14 Lohfink 1982: 213 sieht im unterschiedlichen Gebrauch der Stammesmodifikationen – in Lev 27,28 ist es der Hifil יחרםund in 29 der Hofal – יחרםeinen Hinweis darauf, dass in Lev 27,28 eine Bannweihe von Sklaven gemeint sein könnte, die nicht getötet werden, sondern am Tempel ihren Sklavendienst verrichten müssen. Am Konsonantenbestand unterscheiden sich die Formen freilich nicht, sodass man für eine solche Deutung entweder darauf hoffen muss, dass die Masoreten alte Lesetraditionen bewahrt haben, oder aber sich hierin schon rabbinische Auslegungsmethodik widerspiegelt, die durch unterschiedliche Vokalisation vor dem Hintergrund von tAr 4,34 eine unterschiedliche Deutung der Teilverse anstrebte. 15 Man beachte, dass Gebanntes wie auch die in Lev 6,10.18.22; 7,1.6 und 10,12.17 beschriebenen Opfer in die Kategorie höchster Heiligkeit gehört und deshalb auch nicht ausgelöst werden kann. 16 Vgl. Lohfink 1982: 213.
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kapitel 6
Der Bann und das Banngelübde in jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit
Der Bannvollzug auf der Grundlage heidnischer Gesetze nach CD A 9,1 Ähnlich wie die spätere rabbinische Deutung zu Lev 27,29 in tAr 4,34 versteht auch CD A 9,1 den Bann am Menschen nicht mehr im Sinne eines kultischen Opfers. Statt einer durch Gelübde motivierten Opferung eines Menschen wird hier an die Aburteilung eines Straftäters durch die Gesetze der staatlichen Ordnungsmacht gedacht.
2.1
אשר יחרים אדם מאדם בחוקי הגוים להמית הוא17 כל אדם1
1 Jeder Mensch, der durch die Gesetze der Völker Mensch von Mensch separiert, soll sterben. Die sprachliche Nähe der Rechtssatzung zu Lev 27,28–29 ist kaum zu bestreiten. Dies hat F. García Martínez und E. J. C. Tigchelaar dazu veranlasst,18 den Teilvers כל אדם אשר יחרים אדם מאדםin der Übersetzung ihrer Studienausgabe als Zitat aus Lev 27,28 auszuweisen.19 Einige sprachliche Besonderheiten der D-Passage erwecken allerdings den Eindruck, dass es sich hier nicht einfach nur um eine Paraphrase des biblischen Ausgangstextes handelt. Ferner stellt die Bestimmung des Umfangs, was im Textbestand von CD A 9,1 als Paraphrase oder zumindest Allusion auf Lev 27,28 gelten darf, eine Schwierigkeit dar. Will man hier eine scharfe Abgrenzung zwischen identifiziertem Zitat und der redaktionell angefügten Rechtsfolgeentscheidung ziehen, dann hat dies auch Auswirkungen auf die Deutung der einzelnen Textpartien. Folgt man der von García Martínez und Tigchelaar vorgeschlagenen Trennung der Sinneinheiten, dann soll die Person, die die Bannung eines Menschen im Gelübde verfügt 17 Q imron 1992: 27 Anm. 1 will כל אדםwohl vor dem Hintergrund der in den beiden Paralleltexten 4Q266 8 ii 8 und 4Q270 6 iii 16 vorfindlichen Einleitungsphrase אשר אמר und in Entsprechung zu Lev 27,29 zu כל חרםemendieren. Nun muss aber אשר אמרin der Damaskusschrift kein wörtliches Zitat einführen. CD A 4,20; 6,13; 7,8–9.11–12.14–15; 14,14–15; 16,6–7 und 16,15 zeigen, dass damit genauso Bibelparaphrasen eingeleitet werden können. Ferner wird durch das Fehlen von אשר אמרin CD aber gerade ausgedrückt, dass der Autor von CD A 9,1 den Rechtssatz gerade nicht als Zitat verstanden wissen wollte. 18 Vgl. García Martínez und Tigchelaar 1999: 565. 19 Dies wird auch durch die Zitationsformel „( ואשר אמרund was [Mose] sagte“), wie sie in der Parallelhandschrift 4Q266 8 ii 8 vor die Rechtssatzung gestellt wurde (vgl. dazu auch Hogeterp 2012: 224), nahegelegt.
Das Banngelübde im antiken Judentum
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hat, nach den Gesetzen der Völker hingerichtet werden.20 G. Vermes hat ebenfalls angenommen, dass CD A 9,1 vor dem Hintergrund von Lev 27,28 über das Banngelübde reflektiert. Im Unterschied zu García Martínez und Tigchelaar hat Vermes argumentiert, dass die Abstrafung der in CD A 9,1 angesprochenen Person nicht nach den Gesetzen der Völker geschehen soll, sondern dass die Todesstrafe als Rechtsfolgeentscheidung nur dann verhängt wird, wenn der Votant die Bannung auf der Grundlage heidnischer Gesetze vollzogen hat.21 Die von Vermes vorgenommene Trennung der Sinneinheiten hat gegenüber der von García Martínez und Tigchelaar einiges an Plausibilität für sich. Zum einen ist es schwer vorstellbar, dass CD A 9,1 die Anwendung der Kapitalgerichtsbarkeit auf der Grundlage heidnischer Gesetze vorsieht, werden doch die Gesetze der Völker in 2. Kön 17,7–8 ( )חקות הגויםund Ez 11,12 als ein Grund für den Abfall Israels von seinem Gott benannt. Des Weiteren verbietet Lev 18,3 das Wandeln in den Gesetzen ( )ובחקתיהם לא תלכוder Ägypter und Kanaanäer,22 was in späterer Rezeption der Stelle sicherlich auch als Verbot zur Übernahme von Geboten anderer Völker interpretiert werden konnte.23 Außerdem ist zu fragen, ob mit der von García Martínez und Tigchelaar vorgelegten Übersetzung nicht eigentlich die Wortstellung להמית הוא בחוקי הגויםvorausgesetzt werden müsste. Ein weiteres Problem stellt die von García Martínez und Tigchelaar, aber auch von Vermes vorausgesetzte kultische Dimension des Rechtsfalls dar, nach dem es sich hier um die Einlösung eines Banngelübdes handeln soll. Der Verweis auf die חוקי הגוים, die Erwähnung des Rechtsstreits vor Richtern im vorausgehenden Abschnitt CD A 16,1924 sowie die Aufnahme von Lev 19,18 in CD A 9,225 legen nahe, dass CD A 9,1 keinen kultischen, sondern einen juristischen Problemfall zwischen Menschen behandelt.26 Misst man der Präposition 20 Eine ganze Reihe anderer Exegeten, die bereits vor García Martínez und Tigchelaar eine solche Deutung vorgeschlagen haben, werden von Winter 1967: 132–133 mit Anm. 6 aufgezählt. 21 Vgl. Vermes 1999: 106. 22 Vgl. auch Lev 20,23, wo der Grund für Gottes Überdruss an den Völkern in ihren Gesetzen und Taten gesehen wird. 23 Vgl. mSan 7,3; sowie dazu Falk 1969: 569. 24 Der ursprüngliche Anschluss von CD A 9,1ff. an CD A 16,13–19 wird durch die Parallelhandschriften 4Q266 8 ii 1–10 und 4Q270 6 iii 13–21 nahegelegt. 25 Lev 19,18 verfügt, keinen Groll und keine Rache zu üben, sondern noch bevor es zur Einschaltung von Ältesten im Rechtsstreit kommt, den Mitmenschen vor Zeugen zu ermahnen. 26 Die zwischenmenschliche Dimension des in CD A 9,1 beschriebenen Rechtsfalls wird nach Hogeterp 2012: 224 ferner durch die Betonung auf den Begriff אדםoffenkundig, der in der kurzen Passage gleich dreimal Verwendung findet.
362
kapitel 6
מןin der Phrase אדם מאדםeine partitive Funktion bei,27 dann wird der Wurzel חרםin ihrer Hifil-Stammesmodifiktaion wohl die Bedeutung „absondern, trennen“28 zukommen. Die Phrase ist sonst weder in der Hebräischen Bibel noch in einem anderen Text aus den Schriftrollen vom Toten Meer belegt. Es könnte sich um einen Euphemismus handeln, der die Hinrichtung eines Menschen mit dem Bild der Absonderung zu umschreiben versucht. Dies wird angebracht gewesen sein, da man repressive Konsequenzen einer den Gesetzen der Völker zugewandten Ordnungsmacht befürchten musste, wenn man die Befolgung ihrer Gesetze als todeswürdig brandmarkte. Könnte dann der Rechtssatz vielleicht auch gegen Richter gewandt gewesen sein, die ihren Richterspruch nicht auf der Grundlage der Gesetze der Tora in Angelegenheiten der Kapitalgerichtsbarkeit gefällt, sondern sich dabei auf die Gesetze der Völker berufen hatten? Will man die Stelle stärker von ihrem biblischen Prätext her deuten,29 dann wäre der Rechtssatz etwas freier wiederzugeben mit „Jeder Mensch, der durch die Gesetze der Völker einen Menschen seines Hausstandes zum Tod bestimmt, der soll selbst dafür hingerichtet werden“. Hier wäre vielleicht an solche zu denken, die sich auf das Recht römischer Sklavenhalter beriefen, über Leben und Tod ihres Sklaven zu entscheiden.30 Dann wären in CD A 9,1 nur solche angesprochen, die andere in ihrer Verfügungsgewalt stehende Menschen vor heidnischen Gerichten anklagten und dabei ihre Hinrichtung nicht auf Rechtsgrundlage der Tora, sondern auf der Grundlage von heidnischen Gesetzen in Kauf nahmen. Nach E. Lohse könnte sich CD A 9,1 gegen Denunzianten richten, die als Folge ihrer Anschuldigung wissentlich die Tötung des Denunzierten in Kauf nahmen und damit mitverantworteten.31 Nicht als Übergabe an die Gerichte der staatlichen Ordnungsmacht32 aber als Ausschluss aus der Gemeinschaft des Jachad wird CD B 20,1–3 zu verstehen sein, wenn derjenige, der sich weigert, die Vorschriften der Rechtschaffenen zu erfüllen, als einer identifiziert wird, der im Gerichtswort von Ez 22,19–22 im 27 Rabinowitz 1968: 433 hält מאדםfür eine appositionelle Glosse und übersetzt „any man who devotes-and-destroys a man – ‚of mankind‘ [Lev. 27, 28–29] – because of ‚the customs of nations‘ [Lev. 20, 23] is himself to be put to death“. Die Deutung von מאדםals Apposition ist allerdings wenig überzeugend. Welchem Zweck sollte denn die Näherbestimmung „der Menschheit“ gedient haben? Vermes 2004: 139 hält die Phrase für eine Umschreibung für „another (man)“. 28 Vgl. Jes 11,15 und den Eintrag חרםII in Clines 1996: 318. 29 Vgl. oben 6 1. 30 Vgl. die bei Knoch 2018: 95–105 behandelten Fälle der durch Sklavenbesitzer verfügten Bestrafung von Sklaven durch Kreuzigung. 31 Vgl. Lohse 1986: 289 Anm. 55. 32 So deutet jedoch Benovitz 1998: 99–100 CD B 20,1–3 vor dem Hintergrund von 4QpPsa 2,18–20.
Das Banngelübde im antiken Judentum
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Schmelztiegel der Zornesglut JHWHs seine Bestrafung erfährt. Das Bild vom Schmelztiegel hat dabei seine sachliche Entsprechung zum Bannkonzept in der Absonderung von Menschen, die die Heiligkeit und Reinheit der Gemeinschaft in Gefahr bringen. 2.2 Die Bannweihe im äthiopischen Henochbuch (1. Hen) 2.2.1 Die Bannweihe der Wächterengel in 1. Hen 6,1–6 Als bedingte Selbstweihe kann der Bann im Munde der Engel in 1. Hen 6,1–633 verstanden werden. Die Engel, nach 1. Hen 6,6 200 an der Zahl, begehren beim Anblick der Töchter der Menschen, hinab auf die Erde zu steigen und mit ihnen Kinder zu zeugen. Auf die Befürchtung des Obersten der Engelschaar, Semjaza, seine ihm untergebenen Engel könnten nicht Willens sein, seinen Plan in Gänze umzusetzen, versichern sie ihm mit einem Banngelübde, das Vorhaben auch wirklich auszuführen. 4 ወአውሥኡ ፡ ሎቱ ፡ ኲሎሙ ፡ ወይቤሉ ፡ መሐላ ፡ ንምሐል ፡ ኲልነ ፡ ወንትዋገዝ34 ፡ በበይናቲነ ፡ ከመ ፡ ኢንሚጣ ፡ ለዛቲ ፡ ምክር ፡ ወንግበራ ፡ ለዛቲ ፡ ምክር ፡ ግብረ35 ። 5 አሜሃ ፡ መሐሉ ፡ ኲሎሙ ፡ ኅቡረ ፡ ወአውገዙ ፡ ኲሎሙ ፡ በበይናቲሆሙ ፡ ቦቱ ። 6 ወኮኑ ፡ ኲሎሙ ፡ ፪፻ ። ወወረዱ36 ፡ ውስተ ፡ አርዲስ37 ፡ ዝውእቱ ፡ ድማሁ ፡ ለደብረ ፡
አርሞን ፡ ወጸውዕዎ ፡ ለደብረ ፡ አርሞን ፡ እስመ ፡ መሐሉ ፡ ቦቱ ፡ ወአውገዙ ፡ በበይናቲ ሆሙ ።
4 Und sie alle antworteten ihm und sagten: Lasst uns alle einen Schwur schwören und lasst uns uns gegenseitig binden durch einen Bann, dass wir diesen Ratschluss nicht abwenden und wir wollen diesen Ratschluss (in die) Tat umsetzen. 5 Da schworen sie alle zusammen und
33 1 . Hen 6 gehört zum ursprünglich eigenständig überlieferten Buch der Wächter, das vom Umfang her den Kapiteln 1–36 im äthiopischen Henochbuch entspricht. Das Buch der Wächter wird von der Mehrheit der Forscher in das 3. Jh. v.u.Z. datiert (vgl. Milik 1976: 141; Nickelsburg 2001: 7 und Stuckenbruck 2014: 13). 34 G und Sync.1 gebrauchen mit ἀναθεματίσωμεν die in den vom Bannvollzug handelnden Texten von 𝔊 gebrauchte Vokabel ἀναθεματίζω. 35 Der Versschluss ist verderbt. G liest μέχρις οὗ ἂν τελέσωμεν αὐτὴν καὶ ποιήσωμεν τὸ πρᾶγμα τοῦτο („bis wir ihn erfüllt haben und die Tat vollbracht haben“). 36 In Entsprechung zur Lesung οἱ καταβάντες aus Sync.1 schlägt Uhlig 1984: 517 vor, ዘወረዱ zu lesen. 37 Sync.1 liest οἱ καταβάντες ἐν ταῖς ἡμέραις Ἰάρεδ εἰς τὴν κορυφὴν τοῦ Ἑρμονιεὶμ ὄρους („diese stiegen herab in den Tagen Jareds auf den Gipfel des Berges Hermon“). Dillmann 1853: 93 nimmt an, dass der äthiopische Übersetzer Ἰάρεδ εἰς zusammengezogen und als Namen „Ardis“ gedeutet hat.
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kapitel 6
alle verpflichteten sich darauf gegenseitig mit einem Bann.38 6 Und sie alle waren 200. Und sie kamen herab auf den Ardis. Dies ist der Gipfel des Berges Hermon. Und man nannte ihn, den Berg, „Hermon“, denn sie schworen auf ihm und verpflichteten sich gegenseitig mit einem Bann. Die Bannversprechung ist sicherlich als bedingte Selbstverpflichtung zu verstehen. In dieser speziellen Form wird die Weihe der eigenen Person zum Bann nur dann vollzogen, wenn das versprochene Vorhaben nicht ausgeführt wird. Während die kommissive Form der Selbstverpflichtung und die im Verpflichtungsformular enthaltene Selbstweihe an ein Gelübde erinnern, wird anhand der im Text gegebenen Näherbestimmung der Selbstverpflichtung mit መሐላ ፡ ንምሐል bzw. ὀμόσωμεν ὅρκῳ deutlich, dass der Autor bzw. die Übersetzer von 1. Hen 6,4 die Selbstverpflichtung als Schwur verstanden haben wollen. Dies wird ferner durch zwei inhaltliche Besonderheiten der Selbstversprechung offenkundig. Zum einen wird Gott durch die Versprechung weder als Empfänger der Banngabe angesprochen, noch wird sein Eingreifen erbeten. Will man einmal die Bannweihe gegen Apostaten und die daraus folgende Verpflichtung zur Tötung derselben in diesem Zusammenhang außer Acht lassen, dann lässt sich allein vor dem Hintergrund von Lev 27,28 eine positive Deutung der Banngabe ablesen. Die stellt als Hochheiliges ( )קדש קדשיםeine gottgefällige Gabe dar und kann eine heilvolle Zuwendung Gottes provozieren. Doch mit welchen Auswirkungen einer Bannweihe bei Engelwesen rechnet der Autor des Wächterbuches? Soll für sie gleiches gelten wie für die Bannweihe eines Menschen nach Lev 27,29? Haben die Engel bei Nichterfüllung ihrer Selbstverpflichtung etwa ihr eigenes Todesurteil ausgesprochen? Dann hätte die bedingte Bannweihe der Engel in gleicher Weise wie auch die Bannversprechung der Verfolger des Paulus in Apg 23,12–14.21 (siehe unten 6 4.2) die Anspornung zur Ausführung der Tat zum Ziel. Die Ironie der Erzählung ist, dass die Engel nicht für die Nichtbefolgung ihrer Handlung, sondern für die Befolgung derselben gebannt werden. So ist es nach 1. Hen 10,11–13 dem Engel Michael aufgetragen, Semjaza und seine Engel für 70 Jahre zu binden, um sie dort für das Endgericht und ihre endgültige Bestrafung festzuhalten. Dann wäre hierin die zweite inhaltliche Besonderheit der Selbstverpflichtung zu sehen, nämlich eine Art anspornende Selbstverfluchung, die der bedingten Bannweihe einen Schwurcharakter verleiht. An der bedingten Bannweihe der Engel werden die Voraussetzungen für den bei Josephus (vgl. 5 1.2) und Philo (vgl. 5 1.1) zu beobachtenden Amalgamierungprozess der Schwur- und Gelübdeinstitution gut erkennbar. Eine grundlegende Voraussetzung für die 38 4Q201 iii 3 liest den Aphel ואחרמו.
Das Banngelübde im antiken Judentum
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Amalgamierung liegt in der sprachlichen Form beider Selbstverpflichtungen. Sowohl Gelübde als auch Schwur sind kommissive Sprechakte. Während das Gelübde für ein vorausgehendes Eingreifen Gottes eine spätere Handlung verspricht, legt der Schwurleister im Schwur sein Handeln fest, worauf Gott bei Nichteinhaltung sanktionierend eingreifen soll. Diese Sanktionierung wird im Fall von 1. Hen 6,4–6 mit der Heiligkeit der Kultsphäre verbunden. Mit der bedingten Selbstweihe zur Banngabe wird der Schwur kultisch konnotiert und in die Nähe von Weihegelübden gerückt. In gleicher Weise wie die versprochene Opfergabe im Gelübde wird auch die durch die bedingte Selbstweihe versprochene Banngabe von Gott eingefordert. 2.2.2
Warnung vor den Konsequenzen unauflösbarer Bannweihen in 1. Hen 95,4 Eine erneute Thematisierung der Bannweihe im äthiopischen Henochbuch findet sich in Henochs Epistel39 in 1. Hen 95,4. Im zweiten Wehe-Orakel,40 das sich gegen falsche Zeugen und Verfolger von Gerechten richtet, wird auch ein Weheruf gegen solche laut, die unauflösbare Bannweihen aussprechen. 4 አሌ ፡ ለክሙ ፡ እለ ፡ ታወግዙ ፡ ግዘታተ ፡ ከመ ፡ ኢትፍትሑ ፡ ወፈውስ ፡ ርሑቅ ፡ እም
ኔክሙ ፡ በእንተ ፡ ኃጢአተ ፡ ዚአክሙ ።
4 Wehe euch, die ihr die Bannweihen weiht, damit du (sie) nicht auflösen kannst. Heilung (wird) fern von euch (sein) wegen eurer Sünden. Der Vers expliziert nicht, ob es sich um eine in einem Gelübde oder in einem Schwur ausgesprochene Bannweihe41 handelt. Die Rede von der Unauflösbarkeit der Bannweihe wird sicherlich auf Lev 27,29 fußen. Allerdings verwendet der Autor der Wehe-Orakeln nicht das Verb ቤዘወ („auslösen“), das der Übersetzer von Lev 27,29 E als Übertragung für פדהgewählt hat. Stattdessen gebraucht er mit ፈትሐ eine gemeinsemitische Wurzel, die auch von den späteren Rabbinen 39 Die ursprünglich eigenständig tradierte Epistel Henochs ist nach Stuckenbruck 2007: 214–215 zwischen der Entstehung des Buches der Wächter im 3. Jh. v.u.Z., aus dem es Traditionen entlehnt hat, und der des Jubiläenbuches aus der Mitte des 2. Jh. v.u.Z., das Kenntnisse über die Epistel Henochs verrät, entstanden. 40 Zur Einteilung der Wehe-Orakel vgl. Stuckenbruck 2007: 193. 41 Nickelsburg 2001: 464 und Struckenbuck 2007: 276–277 halten eine Verbindung zu 1. Hen 6,4–5 für möglich. Aufgrund der Erwähnung der Sündenschuld und der daraus resultierenden Ermanglung an Heilung halten es Nickelsburg und Stuckenbruck für möglich, dass sich das Wehe-Orakel gegen magische Heilpraktiken richtet, deren Wirkungslosigkeit der Autor von 1. Hen 95,4 offenlegt.
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zur Beschreibung ihrer speziellen Art der Gelübdeauflösung verwendet wird (vgl. 2 4.4). Der mit ከመ eingeleitete Nebensatz mit folgender Jussivform wird wohl final42 zu deuten sein. Damit richtet sich das Wehe-Orakel speziell gegen solche, die die Bannweihe als Selbstverpflichtung mit dem Wissen gewählt haben, dass eine Auflösung der Weihe anders als bei anderen Schwüren und Gelübden im Nachhinein nicht mehr möglich ist. Will man die Bannweihe in 1. Hen 95,4 vor dem Hintergrund von Lev 27,29 begreifen,43 dann wird man die Ferne von Heilung im zweiten Teil von Vers 4 vielleicht in die Nähe der Tötungsbestimmung des Bannguts von Mensch und Tier rücken müssen. Ähnlich wie die Bannweihe der Verfolger des Paulus in Apg 23,12–14 (siehe unten 6 4), die als Konsequenz aus ihrer Weihe durch den Verzicht von Speise und Trank selbst für ihre Tötung sorgen wollen, wäre hier vielleicht in einer unbestimmteren Form des Selbstweiheformulars der Moment der Lebenshingabe Gott überlassen. Dann wäre unter Umständen mit ወፈውስ ፡ ርሑቅ ፡ እምኔክሙ eine Erwartung ausgedrückt, die mit dem späteren rabbinischen Verständnis44 vom durch Gott vorzeitig herbeigeführten Tod vergleichbar ist. Demnach obliegt es Gott, die Lebensspanne einer sich durch den Bann geweihten Person zu verkürzen. Da der Weihende durch den unauslösbaren Bann seine Tötung in Kauf nimmt, wird die Weihe wie in 1. Hen 6,1–6 der Anspornung zur Durchführung einer beabsichtigten Handlung dienen. 3
Der Bann und das Banngelübde nach dem Zeugnis der Rabbinen
Die rabbinischen Zeugnisse zur Banninstitution sind spärlich gesät und gehen nicht über die biblisch belegte Bedeutung und Gebrauchssituation der Bannweihe hinaus. Verwandt mit der Bannweihe ist die rabbinische נידוי-Praxis, die auf Esr 10,8 zurückgehen dürfte. Nach mEd 5,6 trifft diese Exkommunikationsstrafe jene, die sich den Mehrheitsentscheiden der Rabbinen widersetzen. Dass mit dieser Form der Verbannung auch ein Ausschluss aus der Kult- und Heilsgemeinschaft verbunden ist,45 kann man dem Diktum שאין העזרה נינעלת 42 V gl. Weninger 2001: 173–176. 43 Stuckenbruck 2017 sieht hierin eher eine Allusion auf Ps 119,155 und die dort ausgedrückte Verwehrung jeglichen Heils für Frevler. Dagegen wäre allerdings zu bemerken, dass ፈውስ nicht unbedingt semantisch deckungsgleich mit σωτηρία ist und lexikalisch eher in die Nähe von ἴασις, ἴαμα bzw. ἰατρεία gehört. Der Übersetzer von Ps 119,155 E hat mit ርሑቅ ፡ ሕይወት ፡ እምኃጥኣን („fern von Sündern ist Leben“) offen gelassen, ob er dies in einem physischen oder heilsgeschichtlichen Sinne verstanden wissen wollte. 44 Vgl. mKer 1,1; Sif Num § 160 zu 35,20 (p. 218,21 Horovitz); bMQ 28a; sowie Hezser 2014: 212–214. 45 Falk 1978: 161 stellt dazu den Vergleich mit der römischen capitis deminutio her.
Das Banngelübde im antiken Judentum
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„( על אדן מישראל בחכמה וביראות חטא כעקביה בן מהללאלder Tempelvorhof wurde [noch] nie für einen Mann aus Israel geschlossen, der so [voll] Weisheit und Furcht vor Sünde war wie Akavja ben Mahalalel“) aus mEd 5,6 entnehmen.46 Dass mit dem Ausschluss in Anlehnung an Lev 27,29 auch eine symbolische Tötung Einzug in diese Form der Bannung genommen hat, bezeugt mEd 5,6, wenn es nach dem Tod des Gebannten, die Steinigung seines Sarges verfügt.47 Als Gelübdeversprechung können Bannweihegaben nach tAr 4,34 in zweierlei Form dem Tempel geweiht werden. So schließt die Tosefta aus Lev 27,28a und der dort ausgedrückten Unmöglichkeit einer Auslösung von Bannweihegaben, dass es „( חרמי כהניםPriesterbannungen“) gibt, die allein für die Versorgung der Priesterfamilien gedacht sind.48 Aus der Ausweisung der Hochheiligkeit der Bannungen in Lev 27,28b entnimmt die Tosefta wiederum eine zweite Opferbestimmung, die diesmal als „( חרמי גבוהBannungen des Höchsten“) allein Gott zustehen.49 Die Ausführung des Banns an Menschen nach Lev 27,29 wird dagegen als Verurteilung und Todesstrafe im Rahmen der Kapitalgerichtsbarkeit gesehen.50
4
Der Bann im Neuen Testament
Was das Auffinden von Traditionen anbelangt, die in den Schriften des Neuen Testaments an Vorstellungen des Banngelübdes und der Bannweihe partizipieren, so wird man sich in erster Linie auf die Suche nach den Lexemen ἀνάθεμα und ἀναθεματίζω machen müssen. Diese werden in 𝔊 zur Übertragung 46 V gl. auch die Bannandrohung gegen Choni den Kreiszieher in mTaan 3,8. 47 Obwohl in der Erzählung vom vierten Gelehrtenpaar aus mAv 1,10–11 die Rede ist (vgl. Stemberger 2011: 80), muss die Überlieferung nicht zwangsläufig ein hohes Alter besitzen. Da der Bann als Ausschlussform aus der Gemeinschaft jedoch nicht an kultrechtliche Belange geknüpft ist und Ächtungsbräuche durchaus wandlungsresistent sein können, halte ich eine Datierung der Spruchtraditionen um Akavja ben Mahalalel in die Zeit des Zweiten Tempels für nicht unwahrscheinlich. Vgl. auch die spätere talmudische Erzählung zur Bannung von R. Eliezer b. Hyrkanos in jMQ 81c,73–81d,13 und bBM 59b. 48 Die Existenz der חרמי כהניםwird nach Lev 27,21 auf die Zueignung von Feldern an Priester im Jobeljahr zurückgehen. 49 mNed 2,4 kennt diese Form der Bannung unter dem Namen „( חרם שלשמיםBannung des Himmels“). 50 O b das Zeugnis von tAr als erinnerte Kultpraxis angesprochen werden kann, ist schwer zu sagen. Die Halacha scheint dem Umstand, dass Felder, die im Jobeljahr nicht an ihren Besitzer zurückgehen, sondern an einen Priester fallen, da sie wie gebannte Votivgaben gelten (Lev 27,21), und dass Gebanntes dem Herrn gleichzeitig als Hochheiligstes gilt (Lev 27,28), einen Sinn entlocken zu wollen. Die Tatsache, dass CD A 9,1 in Lev 27,29 ebenfalls einen Verweis auf die gerichtlich angeordnete Todesstrafe sieht, könnte aber für ein hohes Alter der Auslegungstradition von Lev 27,28–29 in tAr 4,34 sprechen.
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der Wurzel חרםin ihrer verbalen und nominalen Derivation gebraucht. Ferner wird man auch auf Aussagen achten müssen, die eine radikale Abgrenzung und Aufkündung bestehender Gemeinschaftsformen ausdrücken. Bannandrohung und Banngelübde in den Briefen des Apostels Paulus 4.1.1 Die Bannandrohung gegen die Verkündiger eines anderen Evangeliums in Gal 1,8–9 Eine erste Begriffslokalisierung von ἀνάθεμα lässt sich im Brief des Paulus an die Galater51 im Briefeingang in Gal 1,8–9 ausmachen. Dem Fehlen des Briefproömiums, das nach paulinischer Briefkonvention Danksagungen enthält,52 kann man entnehmen, mit welcher Dringlichkeit und mit welchem Unmut Paulus den Brief an die Galater verfasst hat. Als Anlass für die Abfassung benennt Paulus das Abirren der Galater von der Evangeliumsverkündigung des Paulus. Mit Verwunderung muss er feststellen, dass die Galater im Begriff sind, sich einem anderen Evangelium zuzuwenden, obwohl, so muss er doch voller Polemik feststellen, es gar kein anderes Evangelium gibt.53 Die Verkünder dieses neuen Pseudo-Evangeliums, seien es Engel oder gar Paulus und seine Mitarbeiter selbst, sollen dem Bann verfallen. 4.1
8 ἀλλὰ καὶ ἐὰν ἡμεῖς ἢ ἄγγελος ἐξ οὐρανοῦ εὐαγγελίζηται [ὑμῖν] παρ᾽ ὃ εὐηγγελισάμεθα ὑμῖν, ἀνάθεμα ἔστω. 9 ὡς προειρήκαμεν καὶ ἄρτι πάλιν λέγω· εἴ τις ὑμᾶς εὐαγγελίζεται παρ᾽ ὃ παρελάβετε, ἀνάθεμα ἔστω.
51 Aufgrund der verblüffenden Übereinstimmungen zwischen dem Römer- und dem Galaterbrief in strukturellen und theologischen Zusammenhängen nimmt Schnelle 2013: 111–113 eine Abfassung des Briefs nach der der beiden Korintherbriefe und vor der des Römerbriefes an. Anhand dieser Einordnung hält Schnelle eine Datierung des Briefs in den Herbst des Jahres 55 u.Z. für möglich. Pokorný and Heckel 2007: 228–229 entnehmen dagegen der Notiz aus 1. Kor 16,1, dass der Konflikt zwischen ihm und der galatischen Gemeinde bereits gelöst war. Sie halten deshalb eine Abfassung des Briefes vor der des 1. Korintherbriefes im Jahr 54 u.Z. für wahrscheinlicher. 52 Vgl. z.B. Röm 1,8 und 1. Kor 1,4–5. 53 Der Konflikt mit den Galatern hat sich wohl an der Frage der Beschneidung entzündet (Gal 5,7; 4,13–15), die manche Galater nach dem Eindringen von gesetzeseifernden Missionaren aus Jerusalem in die Gemeinde entweder an sich vollzogen oder dies zumindest beabsichtigt hatten. Für Paulus haben diese die gesamte Evangeliumsverkündigung unwirksam gemacht. Einige Galater, so schlussfolgert Paulus, seien wohl bereit, ihre neue Existenz im Geist, durch ein Wandeln im Fleisch, also im Vertrauen auf ihr eigenes Vermögen, auszutauschen.
Das Banngelübde im antiken Judentum
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8 Aber auch wenn wir oder ein Engel aus dem Himmel euch ein Evangelium verkündet entgegen dem, was wir euch verkündigt haben, der sei ein Bann. 9 Wie wir es früher gesagt haben und ich sage es noch einmal: Wenn jemand euch ein Evangelium verkündigt entgegen dem, was ihr empfangen habt, der sei ein Bann. Paulus ruft energisch und wiederholt den Bann als Strafe für jene aus, die seine Evangeliumsbotschaft verkehrt haben. Er tut dies kraft seiner durch Christus verliehenen apostolischen Autorität. Gal 1,9 suggeriert, dass Paulus den Galatern in der Vergangenheit bereits die Bannung der Pseudo-Evangelisten angedroht hat. Soll hier ein früherer Brief gemeint sein, oder hat Paulus gar seine eigene Evangeliumsverkündigung jeweils mit dieser Schlussformel abgesichert? Oder haben wir es hier mit einer repetitio zu tun, die die Eindringlichkeit der Rede steigern soll? Mit dem Wechsel zum pluralis auctoris ὡς προειρήκαμεν ringt Paulus in Gal 1,9 seinen Adressaten die Zustimmung seiner Aussage ab und macht sie zu Mitzeugen gegen die Pseudo-Evangelisten. Dass Paulus sich selbst oder einen Engel mit zu potenziellen Gefährdern zählt, die selbst als Pseudo-Evangelisten auftreten könnten, steht für die absolute und unwiderrufliche Wahrheit der ersten Evangeliumsverkündigung. Paulus hat den Galatern kein halbes oder fehlerhaftes Evangelium verkündigt. Auch von ihm oder einem Engel ist kein spätere Ergänzung oder Änderung zu erwarten. Allen, die das paulinische Evangelium in seiner Erstverkündigung unter den Galatern in Frage stellen oder es verkehren, gilt die Bannandrohung. Die häufig anzutreffende Deutung der ἀνάθεμα-Formel als ein Fluch54 trifft nicht unbedingt den Kern der Sache. Paulus spricht nicht einfach einen Fluch aus und hofft darauf, dass dieser sein unheilvolles Potential von selbst entfaltet. Die paulinische Verwendung wird im Anschluss an Esr 10,8 das Aufkünden der Gemeinschaft und den Ausschluss aus der Heilsgemeinschaft des Leibes Christi meinen. Paulus kennt darüber hinaus in 1. Kor 5,555 auch die Überantwortung an den Teufel, die dem Verderben des Fleisches und der Rettung des Geistes dienen soll. Dass hier nicht zwei identische Vorstellungen begegnen, die in beiden Briefen verschiedentlich ausgedrückt werden, kann man aus der separaten Verwendung der ἀνάθεμα-Formel in 1. Kor 12,356 und 16,22 schließen. 54 So z.B. bei Schlier 1989: 40; Vouga 1998: 23; Lindemann 2000: 262.264–265; Lohse 2003: 264–267; Berger 2005: 240. 55 Der 1. Korintherbrief dürfte in Ephesus im Frühjahr des Jahres 55 u.Z. geschrieben worden sein (vgl. Schnelle 2013: 74). 56 Da ἀνάθεμα bzw. ἀνάθημα und die dazugehörigen Verbderivate in der Gräzität, die nicht direkt durch die 𝔊 oder vermittelt durch das griechischsprachige Juden- und Christentum beeinflusst ist, keine negative auf den Menschen bezogene Bedeutung haben (vgl. z.B.
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Wer in der korinthischen Gemeinde im Angesicht der baldigen Wiederkunft Christi nicht seine Liebe zu diesem bekennt, der sei gebannt, sowohl aus dem irdischen Leib Christi, der Gemeinde, als auch aus der eschatologischen Heilsgemeinschaft mit Christus und seiner heimgeführten Gemeinde. 4.1.2 Der Wunsch des Paulus zur Bannweihe in Röm 9,3 Dass die ἀνάθεμα-Bannung neben einer räumlichen Trennung im physischen Sinne auch eine Trennung im geistlichen Sinne bedeuten kann, wird man aus der ἀνάθεμα-Selbstweihe in Röm 9,3 schließen dürfen. 3 ηὐχόμην γὰρ ἀνάθεμα εἶναι αὐτὸς ἐγὼ ἀπὸ τοῦ Χριστοῦ ὑπὲρ τῶν ἀδελφῶν μου τῶν συγγενῶν μου κατὰ σάρκα, 3 Denn ich möchte geloben, selbst ein Bann zu sein, von Christus geschieden, um meiner Brüder willen, meiner Verwandten nach dem Fleisch. Der Imperfekt ηὐχόμην drückt den unerfüllbaren Wunsch aus,57 mit der Selbstweihe zum Bann die Verwandten des Paulus, das Israel nach dem Fleisch, für Christus zu gewinnen. Es mag nicht verwundern, dass Paulus, der seinen Brief an die römische Gemeinde mit kultischer Sprache durchsetzt hat,58 hier seinen Wunsch zur Bannung nicht mit ἐγὼ ἐβουλόμην59 oder ἤθελον,60 sondern mit ηὐχόμην ausdrückt. Der Begriff εὔχομαι kann freilich „wünschen“ bedeuten,61 aber in einem kultischen Kontext, in den der Begriff durch ἀνάθεμα unzweifelhaft gestellt ist, meint er „das Ablegen eines Gelübdes“. Wenn Gott das Gelübde Thukydides 1,132,3; Pausanias 5,24,7; ferner auch Lk 21,5; sowie Vahrenhorst 2008: 287 und die Angaben zum Wörterbucheintrag ἀνάθημα bei Powell 1938: 21 und Liddell-ScottJones 1968: 104 und 105), wird es sich hier um jüdisch-hellenistischen Sprachgebrauch handeln. Ἀνάθεμα Ἰησοῦς könnte in diesem Sinne ein dem Paulus bekannter jüdischer Ausruf sein, den er als Antwort auf seine Evangeliumsverkündigung unter den Juden der Diaspora in polemischer Weise entgegengeschmettert bekommen hatte. Mit dem ἀνάθεμα-Wort könnte die Verbannung Jesu als Jude und die Verdammung seines Andenkens ausgedrückt sein. Vielleicht wurden sich zu Jesus bekennende Juden auch unter dieser Formel aus den Synagogen geworfen (vgl. die ἀποσυνάγωγος-Stellen in Joh 9,22; 12,42; 16,2). Auf diese Verbannung kann Paulus nur mit einer Gegenverbannung antworten εἴ τις οὐ φιλεῖ τὸν κύριον, ἤτω ἀνάθεμα („Wenn jemand den Herrn nicht liebt, der sei ein Bann!“). 57 Vgl. Räisänen 1987: 2896 und Moo 1996: 558. Das klassische Griechisch fügt dem Imperfekt noch ein ἄν bei (vgl. Hoffmann und v. Siebenthal 2011: 325). 58 Vgl. oben unter 4 2.6 die Ausführungen zu Röm 12,1. 59 Siehe Phm 13. 60 Siehe Gal 4,20. 61 Vgl. 3. Joh 2; Josephus, Bell 2,179 und 6,123.
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des Paulus erhören und der Missionspredigt unter Israel zum Erfolg verhelfen würde, dann wäre dies für Paulus Lohn genug, sich selbst im Gegenzug zum Bann zu weihen; als Bann von Christus weg, weg aus seiner heilschaffenden Gemeinschaft und hin zum Verderben. Die Spannung zwischen der von Paulus in Röm 8,34–39 geäußerten Gewissheit, dass ihn weder irdisches noch himmlisches ἀπὸ τῆς ἀγάπης τοῦ θεοῦ τῆς ἐν Χριστῷ Ἰησοῦ („von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist“) trennen kann, und dem unerfüllbaren Wunsch ηὐχόμην … ἀπὸ τοῦ Χριστοῦ ὑπὲρ τῶν ἀδελφῶν, löst Paulus erst in Röm 11,11–26 mit dem μυστήριον („Geheimnis“) von der Verstockung und der Errettung ganz Israels (11,26) auf.62 Dass der paulinische Gebrauch der Vokabel ἀνάθεμα hier in der Tradition der 𝔊 steht, die damit das hebräische חרםins Griechische überträgt, darf als Forschungskonsens gelten.63 Dies wird man aus der Konstruktion mit ἀπό schließen dürfen. Dies ist entweder sprachlich an Lev 27,28–29 (ἐὰν ἀναθῇ ἄνθρωπος τῷ κυρίῳ ἀπὸ πάντων ὅσα αὐτῷ ἐστιν) angelehnt, wo mit ἀπό in partitiver Funktion benannt wird, wovon die Banngabe entnommen wird,64 oder in Entsprechung zu Esr 10,8 gebildet, wo die Präposition in disjunktiver Funktion die Gruppe markiert, aus der der Gebannte ausgewiesen wird.65 Zum anderen wird man dies der negativen Konnotation entnehmen dürfen, die ἀνάθεμα im paulinischen Gebrauch innehat66 und der nichtjüdischen Verwendung des Wortes fremd ist. Dazu passt die Interpretation M. Wolters, nach der die nach dem Satzanschluss mit γάρ zu erwartende Begründung für den von Paulus in Röm 9,2 offengelegten Kummer verschleiert wird.67 Nach Wolter hat sich Paulus dem rhetorischen Stilmittel der emphasis bedient, um aus Respekt vor seiner 62 Zur genaueren Analyse des paulinischen Argumentationsgangs in Röm 9–11 vgl. Räisänen 1987 und Hofius 1994. Betz 2009 verkennt das Zusammenspiel zwischen Röm 9,1–5 und 11,11–26 und nimmt an, Paulus habe sich tatsächlich zum Bannopfer geweiht. 63 Vgl. Michel 1978: 293; Moo 1996: 557 Anm. 14; Lohse 2003: 266; Vahrenhorst 2008: 287; Wolter 2019: 29. Der Gebrauch des Begriffs auf einer „Fluchtafel“ (IG III/3: XIII; vgl. dazu die Analyse bei Wünsch 1907: 4–7) aus dem 1./2. Jh. u.Z. ist nach Deissmann 1923: 74 auf jüdischen bzw. frühchristlichen Einfluss zurückzuführen. 64 Belege für eine solche Verwendung in nichtjüdischen Quellen liefert Vahrenhorst 2008: 287–288. 65 Es kann freilich nicht ausgeschlossen werden, dass die Bann-Formel aus Röm 9,3, die nach BDR § 211.2 als eine aus dem klassischen Griechisch nicht unmittelbar belegbare Formulierung anzusprechen ist, auch eine vom Sprachgebrauch der 𝔊 unabhängige und vom Hebräisch bzw. Aramäisch sprachigen Judentum abhängige Entlehnung darstellen kann. 66 Vgl. 1. Kor 12,3; 16,22; Gal 1,8 und 9. 67 Vgl. Wolter 2019: 28.
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Hörerschaft nicht zu explizieren, was in seinem Wunsch nur implizit anklingt, nämlich dass der nichtchristusgläubige Teil Israels ἀνάθεμα … ἀπὸ τοῦ χριστοῦ sei und dass er Willens wäre, dieses Schicksal stellvertretend zu tragen.68 Was hier mit Bezug auf den Heilszustand des nichtchristusgläubigen Teils von Israel nur angedeutet wird, expliziert Paulus an anderer Stelle durch Begriffe wie πταῖσαι („gestrauchelt“) (11,11), παράπτωμα („Fehltritt“) (11,11), ἥττημα („Niederlage“) (11,12), ἀποβολή („Verwerfung“) (11,15) und ἐκκλασθῆναι („abgebrochen sein“) (11,17.20).69 Das Israel nach dem Fleisch ist also – wie H. Räisänen vor Wolter schon argumentiert hat70 – ἀνάθεμα, solange es Christus nicht angenommen hat. Der Teil Israels, für den diese Christusferne zutrifft, wurde gewiss nicht von Paulus oder irgendeiner anderen Figur des frühen Christentums mit dem Bann belegt. Es ist seiner ἀπιστία („Unglauben“; vgl. 11,20) geschuldet, die ihn in einen bannähnlichen Zustand versetzt hat. Paulus bleibt hier ganz in seiner kultmetaphorischen Deutung der Heilsgeschichte verhaftet. Wenn er die Mitglieder der römischen Hausgemeinden in 12,1 aufruft, sich selbst als ein Gott wohlgefälliges Opfer darzubringen, und sich in 15,16 selbst als Priester stilisiert, der die Völker zum Opfer für Gott bereitet, dann mag es nicht verwundern, wenn auch diejenigen, die sich nicht vom Ruf des Apostels ansprechen lassen, in dieses kultmetaphorische Schema eingeordnet werden. Bis auf Nichtchristusgläubige aus den Völkern werden in diesem paulinischen Schema alle Menschen Gott zum Opfer dargebracht, sei es nun als eine θυσία ζῶσα („lebendiges Opfer“) zum Heil, oder sei es als ein ἀνάθεμα zum Verderben.71 Dass Paulus ausgerechnet den nichtchristusgläubigen Teil Israels und nicht auch die aus den Völkern, die der Evangeliumsbotschaft kein Gehör geschenkt haben, als ein ἀνάθεμα anspricht, ist der verheißungs- und heilsgeschichtlichen Perspektive des Paulus geschuldet. Aus Israel, dem nach 9,4 die Sohnschaft, Herrlichkeit, die Bundesschlüsse, die Gesetzgebung, der Gottesdienst und die Verheißungen gegeben sind und zu dem nach 9,5 Christus nach dem Fleisch gehört, ist ein Teil aufgrund seiner zuvor schon erwähnten ἀπιστία herausgefallen und in einen dem Bann vergleichbaren Zustand geraten.72 Für 68 Eine solche Scheu würde gut zu der bereits zuvor geäußerten Annahme passen, dass die römischen Hausgemeinden aus einem nicht zu verachtenden Anteil an christusgläubigen Juden bestanden, die sich möglicherweise solidarisch zu den nichtchristusgläubigen Juden und zur Synagoge hielten und die Paulus mit seinen Ausführungen nicht verprellen wollte. 69 Vgl. Wolter 2019: 29. 70 Vgl. Räisänen 1987: 2896. 71 Zu diesem Schema wird man wohl auch die Rede von Jesus als ἱλαστήριον („Ort der Gottesbegegnung und -präsenz“) in Röm 3,25–26 theologisch ins Verhältnis setzen müssen. Zur begrifflichen Problematik von ἱλαστήριον vgl. Kraus 2008. 72 Damit steht die paulinische ἀνάθεμα-Rede in einer Linie mit der Ölbaum-Metapher.
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die die Christusbotschaft nicht annehmenden Völker gilt dieses Bannverständnis nicht, da sie zuvor nicht zur Heilsgemeinschaft des erwählten Gottesvolkes gehört haben. Im „klassischen Sinne“ als Weihegabe, wie dies M. Vahrenhorst73 mit Verweis auf K. Haacker74 vorgeschlagen hat, wird man die paulinische Aussage vom ἀνάθεμα vor dem Hintergrund der eben zusammengetragenen Beobachtungen nicht mehr verstehen können. Was den Wunsch des Paulus nach der bereitwilligen Aufnahme des Banns betrifft, so hat E. Lohse und eine ganze Reihe namhafter Forscher auf die Vorstellung von der sühnenden Wirkung eines gerechten und leidenden Märtyrers hingewiesen.75 Im Zentrum dieser Deutung steht Ex 32,30–32 und die dort dokumentierte Bereitschaft des Mose, für die Sühnung seines Volkes die Auslöschung seines Namens aus dem Buch des Lebens76 in Kauf zu nehmen.77 H. D. Betz verweist hierbei außerdem auf das Angebot zur Selbstopferung des Josephus in seiner Rede an die Bevölkerung von Jerusalem in Bell 5,419.78 Dass Paulus vor diesem Hintergrund auch aktiv das Martyrium in Jerusalem gesucht haben könnte, wie Haacker dies zumindest als Vermutung geäußert hat,79 halte ich angesichts der Missionspläne des Paulus auf der iberischen Halbinsel, zu deren Zweck er u.a. auch den Brief an die römischen Hausgemeinden geschrieben hat, für unwahrscheinlich. Der Kontrast, den Paulus hier wirkungsvoll mit 73 Vgl. Vahrenhorst 2008: 288. Vahrenhorst scheint in der Wahl seiner Interpretation zu sehr von dem Gedanken geleitet gewesen zu sein, dass das von Paulus Gesagte für nichtjüdische Leserinnen und Leser gar nicht verständlich gewesen sein konnte. Nun scheint Vahrenhorst 2008: 263 bei der Auslegung des Präskripts und des Proömiums noch von jüdischen wie christlichen Rezipienten und Rezipientinnen auszugehen, weshalb die Engführung auf eine nichtjüdische Hörerschaft im Fall von Röm 9,3 etwas verwundern mag. Die Selbststilisierung des Paulus zum Priester (15,16), die Thematisierung der Reinheitshalacha (1,24; 14,14), die sühnetheologische Deutung des Todes Jesu (3,25–26) sowie die Wertschätzung der Tora (7,7.12) legen es nahe, dass ein nicht unbedeutender Teil der römischen Hausgemeinden jüdische Christusgläubige waren, die von der Tradition der 𝔊 herkommend die paulinische Rede von der Bannweihe sicherlich verstanden haben dürften. 74 Vgl. Haacker 1999: 179. 75 Vgl. Lohse 2003: 267. 76 Vgl. Ps 69,29; 84,4–6 und Dan 12,1; sowie zur Unterredung des Mose mit Gott Seebass 2013: 316–318. 77 Vgl. Michel 1978: 293, Zeller 1984: 172, Moo 1996: 558, Lohse 2003: 266 und Betz 2009: 80. Inwieweit sich Paulus der Allusion auf die Gestalt des Mose und seine Vermittlertätigkeit in Ex 32,30–32 bewusst war, wird unterschiedlich in der Forschung beurteilt. Während Lohse 2003: 266 dies für unwahrscheinlich hält, fasst Moo 1996: 559 vor dem Hintergrund einer ganzen Reihe an direkten und indirekten Anspielungen auf Mose die Möglichkeit ins Auge, dass Paulus „Moses as […] his own model“ begriffen haben könnte. 78 Vgl. Betz 2009: 80. 79 Vgl. Haacker 1999: 182.
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dem Wunsch der Selbstweihe zum Bann herstellt, ist vielmehr als eine bis ans äußerste reichende Opferbereitschaft zu deuten, die sich selbst, das eigene Heil, im Tausch für die anderen hergibt. Dies geht weit über jüdische und frühchristliche Märtyrervorstellungen hinaus. Die Märtyrer, die zum Zeugnis ihrer Gottesfurcht und Hingabe sterben, werden für ihr Ausharren im Leiden und Sterben im Eschaton belohnt.80 Selbst auf den Empfang eschatologischen Heils würde Paulus verzichten. 4.2 Die Bannweihe der Verfolger des Paulus in Apg 23,12–14.21 Nicht als selbstgewählte Absonderung von der eigenen Gruppe bzw. der Heilsgemeinschaft, sondern als Anspornung und Ernsthaftigkeitserklärung ist die Bannselbstweihe der Gegner des Paulus in Apg 23,12–14 zu verstehen.81 12 Γενομένης δὲ ἡμέρας ποιήσαντες συστροφὴν οἱ Ἰουδαῖοι ἀνεθεμάτισαν ἑαυτοὺς λέγοντες μήτε φαγεῖν μήτε πιεῖν ἕως οὗ ἀποκτείνωσιν τὸν Παῦλον. 13 ἦσαν δὲ πλείους τεσσεράκοντα οἱ ταύτην τὴν συνωμοσίαν ποιησάμενοι, 14 οἵτινες προσελθόντες τοῖς ἀρχιερεῦσιν καὶ τοῖς πρεσβυτέροις εἶπαν· ἀναθέματι ἀνεθεματίσαμεν ἑαυτοὺς μηδενὸς γεύσασθαι ἕως οὗ ἀποκτείνωμεν τὸν Παῦλον. 12 Als es aber Tag geworden war, rotteten sich die Juden zu einer Verschwörung zusammen und belegten sich selbst mit dem Bann, indem sie versprachen, weder zu essen noch zu trinken, bis sie Paulus getötet hätten. 13 Es waren aber mehr als vierzig, die sich zu dieser Verschwörung zusammentaten. 14 Als sie zu den Hohepriestern und Ältesten gekommen waren, sprachen sie: Wir haben uns selbst mit dem Bann belegt, nichts zu kosten, bis wir Paulus getötet haben. Die von den mehr als 40 Männern82 inaugurierte Bannweihe ist keine selbstgewählte Strafe im Sinne des Verbannungsberichts von Esr 10,8, sich selbst von der Heilsgemeinschaft mit Israel zu trennen.83 Das Gelübde, bei dem sich 80 Vgl. z.B. Apk 6,9–11; 20,4; sowie van Henten und Avemarie 2002. 81 Eine sachliche Parallele besitzt die Erzählung in der Speiseverzichtserklärung Sauls in 1. Sam 14,24, die er unter Androhung eines Fluches für das gesamte Kriegsvolk ausruft. Vgl. auch mTaan 3,8. 82 Roloff 1988: 331 möchte die Männer mit den Sikariern, „Dolchmännern“, identifizieren, die dann zum Schutz der Reinheit und Heiligkeit des Tempels und Israels Attentate ausführten, wenn die öffentliche Strafverfolgung versagte. 83 V gl. dagegen den Schwur des Petrus in Mk 14,71, der, sicherlich um seinen assertorischen Schwur noch weiter zu bekräftigen, über sich die Bannung ausspricht, falls sein Wort nicht der Wahrheit entspricht.
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die Männer solange zum Bannopfer erklären, bis die von ihnen versprochene Handlung ausgeführt ist, gehört in die Nähe von Lev 27,29. Der Bann und die damit einhergehende physische Vernichtung des Gebannten tritt mit der Verfehlung des Ziels, im Fall von Apg 23,12 der Tötung des Paulus, in Kraft. Sollte es den 40 Männern nicht gelingen, Paulus zu töten, müssen sie einen schmachund leidvollen Hungertod sterben. Die Präzisierung des Speiseverzichts mit γεύομαι könnte eine Parallele in den Formularen der rabbinischen Verbotsgelübde haben. Auch dort wird bisweilen selbst das Kosten von Speise oder Trank mit einem Gelübde untersagt.84 Im Hintergrund könnte die halachische Differenzierung zwischen verschiedenen Mengen der Nahrungsaufnahme stehen, wie sie z.B. für die Rabbinen beim Fasten am Versöhnungstag eine Rolle gespielt haben.85 Demnach hätten die 40 Männer selbst der geringsten Aufnahme von Speise und Trank entsagt. Das Gelübde hatte den Zweck, sich selbst im Angesicht eines zu erwartenden Hungertodes anzuspornen und alles Menschenmögliche zu unternehmen, um die versprochene Handlung auszuführen. Um sich dabei der göttlichen Hilfe gewiss sein zu können, weiht man sich im Vertrauen darauf, als Opfergabe ein heiliges Werk zur Ehre Gottes zu verrichten. Für den Fall, dass das Attentat auf Paulus misslingt und die Männer ihre Versprechung nicht erfüllen können, müssen diese todbringende Auswirkungen erwarten.86 5
Zusammenfassung
Der Kriegsbann oder Gelübdebann als Aussetzung zur Vernichtung wird nach dem Zeugnis der Hebräischen Bibel am eigenen Bundesvolk, solange es nicht wegen Götzendienst abfällt, nicht vollzogen. Nach CD A 9,1 und tAr 4,34 wurde der in Lev 27,29 geforderte Bann am Menschen in der Spätzeit des Zweiten Tempels nicht als kultisches Opfer, sondern als richterlich angeordnete Todesstrafe verstanden. Allein als Strafe der Verbannung, mit der eine Vernichtungsweihe des Eigentums des Gebannten einhergeht, wird der Bann nach Esr 10,8 als eine Form der Bestrafung bei Widerspenstigkeit gefällt. Der Fluchaspekt, den manche Exegeten mit dem Bann verbinden, lässt sich nur aus den zerstörerischen 84 Vgl. mNed 1,1; 6,1–2 u.ö. 85 Vgl. mJom 8,2. 86 Hierin wird man auch die meist mit dem Bannkonzept verbundene Dimension des Fluchs erkennen dürfen. Nach Speyer 1969: 1161 ist es die „Hauptaufgabe des F. in der magischsakralen Kultur […], das gestörte Gleichgewicht zwischen den Menschen u. der hl. Macht sowie zwischen den Menschen untereinander wiederherzustellen. Vgl. dazu die Deutung von ἀνάθεμα als Fluch bei Wilckens 2014: 186 zu Röm 9,3 und Schrage 1999: 114.123–125 zu 1. Kor 12,3.
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kapitel 6
Folgen des Banns ableiten. Mit dem Ausschluss aus der Heilsgemeinschaft ist der Gebannte von allen sozialen Interaktionen und Segnungen der Gemeinschaft, der er vormalig zugehört hatte, ausgeschlossen. Als Gelübde erscheint die Bannweihe nur, wenn sie entweder mit der Darbringung von Votivgaben in Verbindung gebracht (Lev 27,28; tAr 4,34), oder aber als Selbstweihe inauguriert wird (1. Hen 6,1–6; Röm 9,3; Apg 23,12–14.21). Als Selbstweihe kann sie bei Nichteinhaltung der im Gelübde versprochenen Handlung die selbst auferlegte Verbannung aus der Heilsgemeinschaft oder aber auch die physische Vernichtung der eigenen Person bedeuten. Mit der ἀνάθεμα-Drohformel haben wir es nicht mehr mit einem Gelübde im eigentlichen Sinne zu tun. Das Konzept adaptiert die Vorstellung von der zerstörerischen Auswirkung des Banns. Die der Gottheit mit dem Opfer zu erweisende Ehre spiegelt sich allein im Schutz der Heiligkeit der Gemeinde wider. Möglicherweise wird für Paulus auf der Ebene einer geistlichen Wirklichkeit durch die ἀνάθεμα-Formel auch alles das aus dem Heilsraum der Gemeinde ausgeschlossen, was diesen und die darin Befindlichen gefährdet. Als Konsequenzen für den Gebannten ergibt sich nicht allein eine physische Trennung von der Gemeinde, sondern auch eine geistliche. Der Gebannte ist mit der Trennung von der Gemeinde auch getrennt von Christus, der in der Gemeinde präsent ist. Die negativen Folgen für die Gemeinde sollen dadurch ebenfalls abgewendet werden, wie dies Paulus mit dem Bild vom Sauerteig in 1. Kor 5,6–8 verdeutlicht. Was den Wunsch zur Bannselbstweihe des Paulus in Röm 9,3 anbelangt, so schafft es Paulus am Eingang des thematischen Blocks von Röm 9–11 geschickt, mit der Bereitschaft zur absoluten Selbstaufopferung die schwierige Frage nach dem Grund für den Unglauben des nichtchristusgläubigen Teils Israels zu beantworten.
kapitel 7
Ergebnis 1
Zur Anwendung der Methodik
Obwohl die Ergebnisse der Einzeluntersuchungen am Ende eines jeden Kapitels bereits in einer Zusammenfassung zusammengetragen worden sind, soll hier zu guter Letzt dennoch in einem kurzen Abriss über die Anwendbarkeit der zu Beginn vorgestellten Methodik reflektiert und eine Zusammenschau der verschiedenen Ausformungen des antik-jüdischen Gelübdewesens dargeboten werden. Mit dem in Kapitel 1 2 vorgestellten Methodeninstrumentarium ist es gelungen, die rabbinischen Traditionen zum Gelübdewesen für die Erhellung jüdischer Gelübdediskurse aus der Zeit des Zweiten Tempels fruchtbar zu machen. Dabei wurden rabbinische Lehrsätze identifiziert, in denen sich ältere Traditionen aus der Zeit des Zweiten Tempels konserviert haben. Dazu zählt vor allem tannaitisches Material, das wie im Fall von mMen 13,10 und dem dort anonym überlieferten Rechtsentscheid eine Perspektive auf rechtspraktische Belange in der Diaspora aufweist, die für die sonst in den Rechtsdiskursen der Tannaiten vorherrschende Israelzentriertheit eher untypisch ist. Beim traditionsgeschichtlichen Vergleich tannaitischer und jüdischer Traditionen aus der Zeit des Zweiten Tempels ist außerdem offenkundig geworden, dass viele rechts- und kultpraktische Traditionen im 2. bzw. 3. Jh. u.Z. bereits in Vergessenheit geraten oder für die halachischen Diskurse im rabbinischen Lehrhaus nicht mehr vordergründig von Interesse waren. Hier sei als Beispiel die Verbindung von Naziräat und Wochenfest herausgegriffen, die in einer ganzen Reihe von unabhängigen Texten aus der Spätzeit des Zweiten Tempels dokumentiert ist (4 1.2.2.1; 4 1.2.3.1; 4 1.2.4.2) und die im halachischen Diskurs der Tannaiten keinen direkten Anhaltspunkt besitzt. Im Fall des rabbinischen Diskurses zum Verbotsgelübde wurden dagegen Traditionsumbildungen festgestellt, die die Anwendbarkeit desselben unter den Voraussetzungen des zusammengebrochenen Tempelkults ermöglichen sollten. Die Weiterentwicklung des Verbotsgelübdes bei den Rabbinen, das seine spezifischen Charakteristika im nichtkultischen Anwendungsbereich (siehe 5 1.1 und 5 1.2) bereits zur Zeit des Zweiten Tempels herausgebildet hat, dürft durch seine „Popularität“ beim einfachen Volk motiviert gewesen sein. Die Rabbinen werden die Anwendung des Verbotsgelübdes nicht völlig
© Koninklijke Brill NV, Leiden, 2021 | doi:10.1163/9789004441835_008
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kapitel 7
unterbunden haben, da dieses als Sonderform eines Gelübdes auch bei den Rabbinen als durch Num 30 gestütztes Torarecht angesehen wurde. Mit der Anwendung des rechtlichen Instruments einer gesetzlichen Fiktion ist es den Tannaiten im Fall von Gelübdeannullierungen (siehe 2 4.3) und im Fall der Umdeutung des Verbotsgelübdeformulars gelungen, dieses von Priestertum und Kult zu entkoppeln und seine Praktikabilität für die Zeit nach der Tempelzerstörung zu garantieren. Die Analyse von neutestamentlichen Texten, die an Diskursen zur antikjüdischen Gelübdepraxis partizipieren, hat gezeigt, welche enorme Wichtigkeit der traditionsgeschichtliche Vergleich für eine sachgerechte Einordnung und Deutung dieser Diskurse hat. Eine aktive Partizipation des frühesten Christentums am jüdischen Gelübdewesen wird allein durch Apg 18,18 und Apg 21,21–27 nahegelegt. Gerade an diesen beiden Passagen zeigt sich, welche zentrale Bedeutung das Gelübdewesen für jüdische Frömmigkeit auch in der Außenwahrnehmung hatte. Zur Darstellung des lukanischen Paulus als frommer Jude gehört neben einem Torastudium bei einem prominenten Gesetzeslehrer (Apg 22,3) und der Durchführung der Beschneidung (Apg 16,3) eben auch das Ablegen und Einlösen von Gelübden. Es wurde die These vertreten, dass der Naziräat des Paulus, wie er von Lukas in all seinen Details dargestellt wird, allem Anschein nach als literarisches Konstrukt anzusprechen ist, das den Völkerapostel und damit das paulinisch geprägte Christentum zur Zeit des Lukas wieder mit dem Teil des christusgläubigen Judentums versöhnen sollte. In der Darstellung des Lukas zeigt sich ferner die selbstverständliche Wahrnehmung, dass das christusgläubige Judentum zur Spätzeit des Zweiten Tempels aktiv im Kultgeschehen des Jerusalemer Tempels involviert war und damit auch die verschiedenen Ausformungen des jüdischen Gelübdewesens praktizierte. Neben diesen beiden Passagen, die eine aktive Partizipation zumindest vermuten lassen, nehmen die Autoren des frühen Christentums an antik-jüdischen Gelübdediskursen vor allem in kritischer Auseinandersetzung Anteil. Hier sticht aus allen analysierten Belegen das Institut des Verbotsgelübdes heraus, das in der Überlieferung des Markusevangeliums (Mk 7,9–12) als dem vierten Dekaloggebot widersprechend und dem familiären Zusammenhalt in katastrophaler Weise schädigend gebrandmarkt wird. Für den matthäischen Jesus ist das Verbotsgelübde als eine von pharisäischen Gruppen geduldete Sonderform des Weihegelübdes nach Mt 23,16–22 eine den Namen Gottes entehrende und daher mit allem Nachdruck abzulehnende Praxis.
Ergebnis
2
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Zum Gelübdewesen und seinen theologischen, religionsgesetzlichen, soziologischen und anthropologischen Zusammenhängen
Im Kapitel zu den theologischen, religionsgesetzlichen, soziologischen und anthropologischen Zusammenhängen des Gelübdewesens wurden all jene Texte versammelt, die sich nicht explizit mit Votivgaben und Weiheformularen, sondern mit Fragen nach dem kultischen, familiären und privatfrömmigkeitlichen Kontext von Gelübden befassen. Überraschenderweise zeugt die Mehrheit der untersuchten Texte von einer spannungsreichen Auseinandersetzung seiner Autoren mit den Ausformungen und Auswucherungen, die das Gelübdewesen im jeweiligen zeitlichen Rahmen ihrer literarischen Schaffenskraft angenommen hatte. Neben bedeutenden Stimmen aus der Weisheitsliteratur wie Spr 20,25, Koh 5,3–5 oder Dtn 23,22–24 ist es Philo von Alexandria in hellenistisch-römischer Zeit, der mit seiner Auslegung des zweiten Dekaloggebotes in SpecLeg 2,2–38 nicht müde wird, seine warnende Stimme gegen einen laxen Umgang mit Gelübden und Schwüren zu erheben. Als narrative Ausgestaltung einer solchen Mahnung darf die Jiftach-Erzählung in Ri 11,30–40 (vgl. 3 1.2) gelten, in der der Leserschaft mit nicht zu überbietender Drastik die Opferung eines Menschen als Konsequenz für eine unbedachte Gelübdeversprechung vor Augen gemalt wird. Nicht minder spannungsreiches Potenzial besitzen die Bestimmungen zur Annullierung von Gelübden weiblicher Mündel durch ihre männlichen Vormünder in Num 30 und in den sich mit Num 30 auseinandersetzenden Texten CD A 16,6–12; 11QTa 53,9–54,7a und 4Q416 2 iv 6–11. Num 30 steht damit am Anfang eines sich zur Zeit des Zweiten Tempels (Hyp 7,3–5) bis hin in tannaitische Zeit (mNed 9–10) weiterentwickelnden Diskurses zum Umgang mit Gelübden in Familie und Kultgemeinschaft, der die Möglichkeiten der Entbindung von feierlich vor Gott in Gelübden ausgesprochenen Weiheverpflichtungen auszuloten versuchte. Dieser Diskurs war durch das Anliegen motiviert, die zerstörerischen Auswirkungen eines laxen Umgangs des weithin geübten, aber kultgesetzlich nur wenig reglementierten Gelübdewesens einzudämmen und abzuwenden. In einem gleichen sich die Stimmen der untersuchten Diskurspartner fast unterschiedslos; in wohl keiner anderen privatfrömmigkeitlichen Übung liegen Segen und Fluch so eng beieinander wie im Gelübdewesen. Bleibt die segensreiche Hinwendung Gottes von Votantin oder Votant unbeantwortet, dann sucht Gott die in Bringschuld geratene Person heim und verkehrt in einem ausgleichenden Akt Segen in Fluch.
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kapitel 7
Zum Gelübde als bedingte Votivgabenweihe
Die hohe Bedeutung des Gelübdewesens für das antike Judentum lässt sich an den vielen verschiedenen Formen der bedingten Votivgabenweihe ablesen, die in den literarischen wie nichtliterarischen Zeugnissen des antiken Judentums dokumentiert sind. Neben frei wählbaren Votivgaben bezeugt die Hebräische Bibel auch regulierte Formen der Votivgabenpraxis, wie dies etwa im Fall der Schätzungsweihe oder der Naziräatsweihe ersichtlich wird. Beide Gelübdeformen wurden als besonders verdienstlich angesehen, da Einlösung und Ausweihung dieser Gelübde äußerst kostspielig waren. Mit dem Gelübdewesen scheint auch eine enge Verknüpfung mit dem Kultpersonal einhergegangen zu sein. So war den Priestern Begutachtung, Schätzung und Auslösung von Votivgaben (Lev 27) anvertraut. Sie konnten auch in begründeten Fällen die Annahme von Opfergaben verwehren (Hyp 7,3–5) oder auch Ersatzleistungen bestimmen. Die sich mit Gelübden verbindende Erinnerungskultur, die in den Weiheinschriften vom JHWH-Heiligtum auf dem Garizim sehr ausgeprägt ist, ist in den jüdischen Diskursen zur Gelübdepraxis wenig bis gar nicht entfaltet. Allein in Jdt 16,18–20; Ant 19,219 und Lk 21,5 wird im Vorbeigang angedeutet, dass der Jerusalemer JHWH-Tempel mit Weihegeschenken ausgeschmückt war, die in der Gegenwart der Gottheit aufgestellt sicherlich eine vergleichbare Funktion innehaben konnten. Welche zentrale Stellung das Gelübdewesen im Bereich des Kults und der Privatfrömmigkeit besaß, wird in besonderer Weise in der Kultätiologie des Heiligtums von Bet-El in Gen 28,20–22 deutlich, wo beide Bereiche aufs Engste miteinander verschmelzen. Im Gelübdeversprechen des Jakob, in dem er die auch für den späteren Jerusalemer Tempel und sein Kultpersonal so wichtigen Zehntabgaben von tierischen und landwirtschaftlichen Erzeugnissen als Gabe bestimmt (vgl. Lev 27,30–32; Num 18,21–32; Neh 10,38–39; Mal 3,6–12), wird das Gelübde zum Mittel der Kultkonstitution stilisiert. Wie sich das für die Fortexistenz der jüdischen Kultgemeinschaft so wichtige Gelübdewesen auch noch nach der Tempelzerstörung von 70 u.Z. weiterentwickelt hat, kann an den vielen Stifterinschriften in den Synagogen der Diaspora abgelesen werden. Diese zeugen von dem unvermindert fortgeführten Brauch, Gott gegenüber Gelübde abzulegen und diese nun zwar nicht mehr in Jerusalem am Tempel aber dafür in den Synagogen am Heimatort der Kultgemeindemitglieder einzulösen. Neben den schon zuvor erwähnten Mahnungen gegen einen laxen Umgang bei der Erfüllung von Gelübdeversprechungen fehlt es den jüdischen Diskursen zum Gelübdewesen auch nicht an scharfer Kritik. Hier sind es gerade zwei Zeugnisse aus der Gruppe des Jachad, die in CD A 6,11b–17a und CD A 16,13–18
Ergebnis
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den missbräuchlichen und nötigenden Gebrauch von Gelübden anprangern und die Einmischung des Tempelpersonals für diese Fehlentwicklung des Gelübdewesens verantwortlich machen. Hinter der in CD A 6,11b–17a angeprangerten Fehlentwicklung könnte sich der Vorwurf verbergen, dass diensthabende Priester ihre Stellung im Kult ausgenutzt haben, um sich an der Votivgabenpraxis in irgendeiner Form zu bereichern. 4
Zum Gelübde als bedingte Personenweihe
Die Untersuchungen zu antik-jüdischen Diskursen der Selbst- und Personenweihe konnten eine ganze Reihe an Überschneidungen aber auch Unterschieden zu anderen im Mittelmeerraum und in der Levante bekannten Personenweihekonzepten offenlegen. Als prominentestes unter den Personenweihegelübden ist dabei der in der literarischen Auseinandersetzung der Hebräischen Bibel, des hellenistisch-jüdischen Schrifttums und der rabbinischen Literatur großen Raum einnehmende Naziräat hervorgetreten. In der detaillierten Analyse des für die rechts- und kultpraktischen Belange der Naziräatsweihe so wichtigen Texts Num 6 wurde der These Nachdruck verliehen, dass die besonders strengen Reinheitsregularien möglicherweise ein Indiz dafür darstellen, dass der Naziräer während seiner geweihten Tage in eine gewisse kultische Funktion am Tempel eintritt. Neben dem besonderen Reinheitsstatus der geweihten Naziräer, der diese mit Hinblick auf kultische Reinheitsstandards auf eine Stufe mit Priestern stellt, darf als Anzeichen für sein großes Ansehen die hohe Menge an Opfergaben gelten, die der bzw. die Geweihte im Zusammenhang der Ausweihung am Tempel entrichten muss. Die Befristung der Tage des Naziräats war bei außerhalb von Judäa lebenden Geweihten durch die Verknüpfung des Gelübdes mit den Wallfahrtsfesten zeitlich so abgestimmt, dass der Naziräat meist schon mit Blick auf die Wallfahrt geweiht und damit auch zeitlich strukturiert wurde. Das der Naziräat zur Zeit des Zweiten Tempels mit dem Agrarzyklus verbunden war und hier speziell mit dem Wochenfest, konnte durch Texte wie 4QSama; 1. Makk 3,46–53; Ant 4,70–72; Ant 19,293–294 und Apg 21,21–27 wahrscheinlich gemacht werden. Mit Blick auf die lukanische Darstellung des Naziräers Paulus in Apg 18,18 und 21,21–27 wurde die These vertreten, dass Lukas eine speziell im Diasporajudentum gepflegte Praxis des Naziräats bewahrt hat. Wie tief sich das Gelübdewesen auch in der religiösen Sprache des antiken Judentums eingeprägt hat, lässt sich am Gebrauch kultmetaphorischer Sprache ablesen, wie sie z.B. im Fall der Korban-Selbstweihe in Ant 4,73 oder der Rede vom „lebendigen, heiligen und Gott wohlgefälligen Opfer“ in Röm 12,1
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kapitel 7
gebraucht wird. In der Rede vom Menschen als Opfergabe bzw. Geschenk für Gott wird der hingabevolle Dienst für Gottes Sache in besonderer Weise ausgedrückt. Es ist diese, schon zur Spätzeit des Zweiten Tempels zu beobachtende Metaphorisierung des Opferbegriffs, in der auch die Wurzeln für den Fortbestand des Gelübdewesens nach der Tempelzerstörung und für die Übernahme desselben durch die entstehenden christlichen Kirchen und ihre Mönchsbewegungen liegen. Als für das Überleben und die Weiterentwicklung von antikjüdischen Gelübdeformen im Raum der entstehenden christlichen Kirchen ausschlaggebend dürfte auch die manchen Weihekonzepten inhärente Askese anzusehen sein. Solche mit einem Gelübde gekoppelten Askeseformen waren wie im Fall des Naziräats schon in seinen frühesten literarischen Bezeugungen belegt und scheinen sich im Fall des Verbotsgelübdes zur Spätzeit des Zweiten Tempels (Fastenrolle) herauskristallisiert zu haben. 5
Zum Verbotsgelübde
Ein Spezifikum des Gelübdewesens im antiken Judentum ist das Verbotsgelübde, das in der Form einer bedingten Weihe den Zweck einer Handlungsrestriktion erfüllt. Während das Verbotsgelübde im hebräischsprachigen Judentum als ein נדרbegriffen wurde, ordnete das griechischsprachige Judentum das Verbotsgelübde zu den ὅρκοι. Der Anwendungsbereich des Verbotsgelübdes reicht von Grabinschriften zum Schutz des Bestatteten und der Grabbeigaben (siehe die Jebel Khallet et-Turi Inschrift), über Fastenerklärungen (Fastenrolle; mNed 6,7.9; 8,1.5 und 9,8) bis hin zur Bestrafung unliebsamer Verwandter (mNed 7,9 und 11,8). Gerade dieser letzte Anwendungsbereich muss aber besonders sozialschädliche Auswüchse angenommen haben, wofür Mk 7,9–12 und SpecLeg 2,16 als Zeugen dienen dürfen. Dass das Verbotsgelübde trotz dieser schädigenden Auswirkungen und trotz der sich im Verbotsgelübdediskurs kritisch meldenden Stimmen keine stärkere Reglementierung erfahren hat, mag an dem Umstand liegen, dass dieses zum einen als auf Num 30 basierendes Torarecht wahrgenommen wurde und zum anderen durch seine restriktiv wirkende Funktion Schwüre substituieren sollte. Um das Verbotsgelübde, zu dem ursprünglich auch die bedingte Weihe von Sachgütern gehörte, auch in eine Zeit ohne Tempelkult zu überführen, passten die Rabbinen das Gelübde an die neue Realität einer tempellosen Kultgemeinschaft an und deuteten es um.
Ergebnis
6
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Zu Bannweihe und Banngelübde
Von allen hier genannten Ausformungen des antik-jüdischen Gelübdewesens dürfte das Banngelübde und die Bannweihe von ihren frühesten Bezeugungen in den Schriften der Hebräischen Bibel bis hin zur rabbinischen Traditionsliteratur aus tannaitischer Zeit die meisten Veränderungen erfahren haben. In der in Num 21,1–3 überlieferten Form des Kriegsbanns ist einer der frühesten Anwendungsbereiche der Bannweihe überliefert, wobei Gott in der Form eines Gelübdes angerufen die Überantwortung der gesamten Kriegsbeute an Menschen wie auch Sachgütern versprochen wurde. Als Weiterentwicklung der Bannweihe darf die Vollstreckung des Banns an Apostaten in der Form der Hinrichtung (Dtn 13,13–18) und an Widerspenstigen in der Form des Ausschlusses aus der Gemeinschaft und der Konfiszierung ihrer Besitztümer (Esr 10,8) gelten. In einer Linie mit Esr 10,8 – wenn auch nicht in vergleichbarer den Privatbesitz in die Bannung einschließender Rigorosität – wird man die paulinischen Bannungen gegen Verfälscher seiner Evangeliumsbotschaft sehen dürfen (Gal 1,8–9). Als weitere literarisch erst zur Spätzeit des Zweiten Tempels bezeugte Ausformung des Bannkonzepts – und hier tritt die Bannweihe wieder in den Kontext einer feierlichen Gott gegenüber versprochenen Selbstverpflichtung – wäre hier schließlich auf die Bannselbstweihe zu verweisen, die entweder in der Form eines Schwurs zu einer Handlung anspornen (1. Hen 6,1–6; Apg 23,12–14.21) oder in der Form eines bedingten Gelübdes Gottes Zuwendung provozieren sollte (Röm 9,3).
Literaturverzeichnis 1
Quellen und Übersetzungen
0
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Namen- und Sachregister in Auswahl Abgötterei 112 Alexander d. Große Alexanderzug 33 Amalgamierungsprozess 37 Ambrosius von Mailand 1 Amoräer 1, 13 Abbaje 234 Abaje 1 Dimi 128 Jochanan 336 Josef 326 palästinisch 15 Rav 326–327 Samuel 128, 326 Schimon ben Laqisch 336 Analyse semantisch 20 Antiochus IV. Epiphanes 179 Apostat 364 argumentum e silentio 15 Auslösung Feld 85–89 Summe 88 Bann Gelübde 43, 357–359, 363–365, 383 freiwilliger 5 Konzepte 5 Krieg 357–359 Straftäter 360–363 Votivgabe 86–87, 366–367, 374–375 Baraita fiktive 14 talmudisch 14 Bar-Kochba Aufstand 31 Beschneidung 300 Bekenntnis 57, 191–193 Akt 82 Bibelübersetzung 18 Bildung 33 Buch Hago bzw. Hagi 61 Bund 56–57, 59 Bruch 62 Eintritt 61
Formel 77 Ordnung 61 Satzung 59, 61 Schluss 92 Treue 92 Übertretung 59–61 Verräter 61 Buße Akt 176–177 Praxis 178, 347–348 Prediger 177 Chronologie relativ 21–22, 25–26, 33 Darlehen 86 Dekalog 37, 49 Diaspora 18, 117–123, 131–132, 174n134, 176n141, 208, 224, 226, 240n346, 244, 245n358, 249n369, 250–253, 255, 282–291 Differenzkriterium 27–28 Diskurs halachisch 5 rabbinisches Lehrhaus 4 Schwur 5 Ehe Bruch 37 Eid assertorisch 51 elliptisch 41 Leister 57 Missbrauch 37 Treue 113 Elternehrgebot 350 Endredaktion 7, 14–16, 29 Engel Semjaza 363–365 Wächter 363–365 Erinnerungskultur 127 Erstlingsfrucht 180–181, 183–184, 189–190, 208–211 Erziehung 38 „evolutionary factors“ 30, 32, 33
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Namen- und Sachregister in Auswahl
Fasten 112, 175–176, 180 Halbfeiertage 325–330 Praxis 178, 347–348 Rolle 325–330 Festpilger 18 Fiktion gesetzlich 33, 73–74, 378 Flavius Josephus 37, 43 Frau Ehe 54 geschieden 58, 66 minderjährig 49 mündig 51, 58 schutzbefohlen 50 unmündig 51–52, 60, 303 unverheiratet 58 verheiratet 49, 52n33 verwitwet 52n33, 58 Frieden 32
Weihe 1, 44 Wertgelübde 310 Wesen 49, 96 Gott/Götter Anrufung 37 Atar-Ateh (Dea Syria) 223 Eingreifen 49 Entehrung 129 Gnade 38 Lob 83n34 Name 6, 37, 39–41, 44, 52, 61, 353–356 Osiris 223 Vergebung 63 Gottesdienst 31 Götze Diener 56n51, 358 Dienerin 56n51 Dienst 375 Gregor von Nyssa 1
Garizim 121–123, 125–127 Gebet 36, 38, 113 Gebetsriemen 344 Geburtsgeschichte lukanisch 11 Gelübde Annullierung 1, 39, 70–72, 327–328, 378–379 Äußerung 48 Ausweg 72–74, 250, 345, 365–366 Befragung 72 Bestätigung 1, 54, 57–58 Bitte 78 Brauchtum 7 Diskurs 79 Erfüllung 37, 131, 161 Formular 76, 331–335, 350–353 Gewichtsgelübde 309 Institution 37–39, 64n69, 66n74 Inauguration 78, 98, 200 missbräuchlich 96, 101 Obligation 72 Praxis 90, 96, 126 Schätzungsgelübde 309–310, 320, 380 Stiftung 35, 93, 117–123, 161 Terminierung 18 Versprechen 44, 49, 81 Verwehrung 54, 58, 66, 68, 72
Hasmonäer Alexander Jannai 328n22 Antigonos 109 Jonathan 109 Judas 179 Hebräisch biblisch 20 Mittelhebräisch (mhe1; mhe2) 19 tannaitisch 20 Hebraistik 8 Heilmittel Zubereitung 11 Herodianer Agrippa I. 109, 206, 217–220, 308 Archelaus 109, 261 Berenike 205–207 Herodes d. Große 261, 328n22 Phillip 218 Hieronymus 8, 18 Hyperonym 35n2, 37, 39, 41 intertextueller Bezug 21 invocatio 35 Jachad Gruppe 61n62, 68n81, 74, 93–96, 102 Literatur 61–62, 68n81 Speisehalacha 61
Namen- und Sachregister in Auswahl Jabne 11 Jehuda ha-Nasi 14, 29 Jerusalem Reise 37 Zerstörung 23, 358 Jobeljahr 85–88, 359 Jochanan ben Zakkai 31 Johannes Reuchlin 8 Judentum ägyptisch 18 alexandrinisch 18 aramäischsprachig 36 essenisch 9n39, 177n150 hebräischsprachig 36 kultfrei 11 monotheistisch 31 normativ 8 pharisäisch 8–9n39 rabbinisch 8, 9n39, 44 Jünger Jesusbewegung 261, 269–273, 282–283 Johannes 101 Nachfolge 269–273 Koine 19 Kol Nidre 3 König/Königin 32, 133, 170 Absalom 240–244 bosporanisch 310–316 David 242 Helena von Adiabene 237, 256 Herrschaft 171, 217–219 Korban Inschrift 20n106, 331–335 Krankheit 11 Krieg 32 Kult Abbruch 225 Bau 35 Dienst 95 Fähigkeit 136–138, 272 Feier 81 Gemeinschaft 116 Kalender 90 metaphorisch 113, 382 Opfer 77, 114–116 Sprache 220
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Stätte 78 Substitution 31n146 Kunst 18, 33 Legendenbildung 13 Lehnwort 19 Lehrer der Gerechtigkeit 95 Lehrhaus Diskurs 4, 32 Liturgie 18, 31 Kult 83n34 Mahl Dankopfer 81–82 eschatologisch 274 Fest 116, 146, 148–149 Gemeinschaft 102 Herrenmahl 273–277 Opfermahl 148, 156, 223, 272 Mann Ehe 54 mündig 49, 51 rechtsmündig 50, 74, 117 unmündig 51, 303 Märtyrer/Märtyrerin Martyrium 32, 373–374 Mekhilta de Rabbi Jischmael 15–16 Mekhilta de Rabbi Schimon ben Jochai 16–17 Mennaiden Lysanias 218 Midrasch 20 amoräisch 30 tannaitisch 15–18 Mord 37 Mosaikabbildung Bundeslade 118 Etrog 118 Lulav 118 Menora 118 Schofar 118 Moses 109 Mündel weiblich 38, 67–68, 73, 379 mündliche Tradition „turntables“ 10
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Namen- und Sachregister in Auswahl
Naziräat Absonderung 191 Alkoholaskese 132–136, 152–154, 157, 161, 165–166, 168–169, 175–178, 186–187, 190, 204–209, 212, 215–217, 239, 257, 273–277 allegorische Deutung 193–194 asketische Übung 185 Ausweihung 135, 137, 142, 145–149, 169, 179–181, 184, 188–189, 207, 218, 221, 225, 230, 235n331, 237–238, 245–250, 255, 271–272, 285–289, 292–301, 308 Beiname 1 charismatisches Amt 151–152, 168–169 Gelübde 95, 128, 172, 196 Haarscherritus 132, 147, 205–209, 213, 215–217, 220, 223–224, 226, 230, 237–250, 284–285, 292–301 Haarwuchs 137–138, 150–153, 186, 195, 240–244 Heiligkeit 135 Langzeit 244 lebenslänglich 155, 157n67, 169, 172, 177–178, 239–244 nach Simson 238–240, 244, 256 Speiseaskese 178, 226, 274 Tage 140, 142, 251, 253–255, 381 Verunreinigung 133–141, 151–154, 226, 253, 292–301 Weihe 43, 133–137, 140, 149n43, 150, 162–168, 193–195, 201–202, 206, 222, 226–230, 232–233, 236, 267–269, 271, 273–277, 380–381 Nikolaus von Lyra 8 Nissim von Gerona 43 Noah 193 Nordreich 76 Opfer Abschlussopfer 143–148, 190, 211n253, 219, 245–247, 288, 296 Ausweihungsopfer 144n30, 145–146, 165, 189, 191, 218, 245–248 blutlos 190 Brandopfer 79, 142–145, 148, 183, 188–189, 211, 219, 295n557, 296 Dankopfer 191, 218, 308 Elevationsopfer 146–148
Entsündigung 142–146, 148, 183, 188–190, 219, 245–248, 295n557, 296 Ersatz 140 freiwillig 25, 39, 96–97, 303 Haaropfer 138–139, 165, 190, 210–211, 222–224 Hebeopfer 146–147 Heilsopfer 138, 183, 188–191, 202 Holzopfer 190 Kultmetapher 317–320 lebendig 168 Materie 81, 84, 91, 96, 98–99, 107 Rettungsopfer 147 Schlachtopfer 161 Schuldopfer 142, 145, 229, 231n310, 232, 245–248, 345 Speiseopfer 143–146, 219, 296 Substitution 146 Sühne 143, 235, 338 Trankopfer 143–146, 205, 220, 223, 296 Opferung 35–36 Origenes 1, 8, 18 Palästina Lebenswelt 13 Lokalkolorit 13 Parallele direkt 21–22 indirekt 21–22 unabhängig 21–22 Parallelomania 9, 34 Passa Seder-Abend 31n141 Paulus Brief 21 Verkündigung 9 Peschita 18 Pharisäer 32, 51, 101 Pluriformität 12 Pompeius 33 Präfekt Tiberius Julius Alexander 206 Valerius Gratus 109 Priester Abstammung 110 Adel 233 Amt 111n143, 171, 187, 258 Autor 135
Namen- und Sachregister in Auswahl Bestimmung 98 Bildung 110 Dienst 110, 155 Dienstabteilung 110 Eli 155 Familie 110 Gesetze 243 Hofni 155 Hohepriester 32, 37, 109, 133, 135n8, 139–140, 179, 271 Kompetenz 74 Pinhas 155 Priesterschaft 32, 87–88, 110 Simeon der Gerechte 229–233 Vermittler 117 Weinverzicht 135 Prokurator Florus 205–207 Prophet 32, 91, 113, 131–132, 166–167, 170 Amt 171–172, 185, 213–214, 217n271 Daniel 176 Dienstag 171 Elia 265, 272 Eliamotiv 258, 273 Elisa 266, 272 eschatologisch 273 Johannes der Täufer 256–260, 273 Kommentar 61n64 Literatur 127 Rechabiten 260n418 Samuel 155–166, 170–173 Text 83n34 Wort 101, 176, 213n257 Rabbi Name 16, 22–25 Schüler 32 Rav Jehudai Gaon 1 Rav Natronai Gaon 1 Rav Scherira Gaon 23n116 Recht Annullierung 38, 74 Besitz 87 Bestätigung 38 Besteuerung 93 Corpus 28 Diskurs 6–7, 30 Ehe 33
429
Erbe 86 Exekutive 32 Konzept 25 Kult 112 Praxis 18, 22–23, 29n134 Redaktor 16 Reichtum 38 Reinheit Reinigungsbad 102 Reinigungswasser 142–143 Gesetzgebung 7, 252 kultisch 18 levitisch 252 Ritual 142, 196, 245–248, 251, 292–301 Verständnis 94n74 Vorschriften 5 Republik römisch 33 Ritus kultisch 82 Trauer 33 römische Herrscher Gaius 218 Sakrileg 102, 168, 342, 345 Sanhedrin 27n132, 32 Schabbat 11, 31, 329 Schätzung 84–85 Weihe 301–310 Schuld Blutschuld 280–281 Bringschuld 46, 49, 52, 78, 89, 146 Schule rabbinisch 18 Schwur Annullierung 39, 71 Anspornung 113n151 Bestätigung 56n50, 57–58, 60, 64 Formular 37, 41 Inauguration 59, 267–269 Institution 3, 37–39, 61 Kautions-Eid 268n454 Meineid 38–39, 44, 268 Missbrauch 38 Praxis 6, 128, 344 Selbstverfluchung 36 Sprachgebrauch 6 Verwehrung 56n50, 57–60, 63, 66, 68
430 Segen, Segnung 38–39, 102 Siebentjahr 87 Sifra 16 Sifre Deuteronomium 16 Sifre Numeri 16 Sifre Zutta 16 Simon Kajara 15 Sklave/Sklavin Halter 309–316, 362 Sklavenfreilassung 309–316 Sklaverei 112 „Sohn der Grube“ 92, 94 „Sohn des Lichts“ 61 Spätmittelalter 8 Sprechakt kommissiv 35, 44 promissorisch 44 Statthalter Lucius Vitellius 109 Quirinius 109 Strafe 38 Substitution Gottesname 37, 41, 268 Kult 24 Sugia 14 Sünde 46, 52, 54 Synagoge 118–121, 311 hebräisch-aramäische 18 Strafe 11 Tabuisierung 37, 40 Talmud Disputation 8 Tannait Akiva 347 Elazar ha-Kappar 234, 236n332 Eliezer 253–255 Eliezer b. Hyrkanos 367n47 Gamaliel 300 Hillel 243n355, 251, 253, 256 Jehuda 128, 240n345, 245–248, 252, 341n73, 342n78, 343 Jehuda ben Ilai 242n352 Jehuda ha-Nasi 241–244 Jose 157n67, 160n77, 242 Jose ha-Gelili 240n345, 241, 244 Meir 65n74, 128, 245–248, 255, 341n73, 342n78, 343
Namen- und Sachregister in Auswahl Nehorai 157n67, 160n77, 241n347, 242–243 Schammai 251, 253 Simeon 234–235, 236n332, 252, 341n73, 342n78 Targum Pseudo-Jonathan 17n93–93 Neofiti 17n93 palästinisch 17–18 Tempel Aristokratie 32 Ausschmückung 35 Eingang 141–148, 219, 245–250 Entweihung 179–180 Establishment 90 Gründung 77 Heiligtum 73, 76, 78n20, 91, 102, 111, 142 Instandhaltung 35 Kult 23, 31, 115, 137n12, 169, 233, 382 Raub 37 Schatz 93–94, 114 Schilo 258 Steuer 93 Substitution 174n134 Weihe 181 Wiederaufbau 114 Zerstörung 7, 30–31, 121, 123, 174, 178, 225, 250, 380, 382 Tora mündlich 26–27 Observanz 32 Satzung 38 schriftlich 26–27 Studium 31n146 Vortrag 18 Traditionsgehalt 22 Trieb böse 229–231 menschlich 175n140 Tugend 38 Tugendlosigkeit 38 „Überlieferung der Ältesten“ 349–353 Umwelt hellenistisch-römisch 12, 233 Unreinheit 92 moralisch 94 Quelle 93–94
431
Namen- und Sachregister in Auswahl Totenunreinheit 135, 136n10, 139–140, 143n28, 145, 153, 155, 165, 186–188, 192– 195, 199, 202, 211n254, 235, 236n332, 239, 245–247, 251–254, 29 unreine Speise 151–155 Urkunde Wesen 33 Verbotsgelübde 37–38, 43, 51, 66, 103–104, 225, 322–356, 377–378, 382 asketisch 347–348 Diskurs 6 Formular 3, 339–342, 349–356 Nutznießung 347 Praxis 4, 103 restriktiv 40, 44 Sprachgebrauch 6 Verehrung Fremdgötter 57 Verheißung 78 Versöhnung Mitmensch 131 Versöhnungstag 101 Verstoßene 55 Verzehntung 29n134, 76, 111, 180–181, 216 Vormund männlich 38, 49, 55, 67–68, 73, 303, 379 Votivgabe 66n74, 104, 114, 116, 118 erzwungen 94, 96, 99 figürlich 36 Inschrift 106, 125 Körperteilnachbildung 120 Marmorsockel 120 Marmorverkleidung 119 Menora 120
Mosaik 119 Pforte 119 Praxis 129–130, 380 Räuchergefäß 119 Säulenfuß 119 schmuckartig 36 Stele 119 tierisch 35, 106, 111, 123 Toraschrein 120 vegetabilisch 35, 106, 111, 123 Votivpraxis 35, 93–95, 117–123, 128 Weihe 36n2, 104 Wadi Deliyeh 50n31 Waise 93–94 Wallfahrt 35, 283–291, 329 alljährlich 161 Fest 18, 37, 358, 381 Feststrauß 344 Laubhüttenfest 344 Passafest 252–253 Wochenfest 165, 184, 221–222, 292–301, 377, 381 Weihe Feld 84–88, 106, 359 Formular 106 Haus 38, 55, 84–85, 106 Person 38, 55, 183, 317–320 Speise 99–100 Tier 38, 55, 84 Witwe 55, 66, 93–94 Zeus 121 Zwangsgelübde 11n57, 103
Autorenregister Abegg Jr., M. G. 149, 171 Achenbach, R. 50, 83, 135, 139, 357–358 Aejmelaeus, A. 156, 158, 163 Albeck, Ch. 14, 20, 247 Albeck, S. 13 Albertz, R. 83 Alexander, P. S. 6, 10, 17 Alkier, S. 33 Allison, D. C. Jr. 261, 265 Amélineau, E. 177 Arbesmann, P. R. 138 Attridge, H. W. 208 Aus, R. D. 276 Avemarie, F. 8, 106, 118, 300, 345, 374 Avery-Peck, A. J. 31 Avigad, N. 220 Bacher, W. 23 Bachmann, M. 252, 293–295, 297 Baitner, H. 254, 297, 299 Baljon, J. M. S. 285 Bar-Asher, M. 339n65 Barrett, C. K. 277, 285 Bauks, M. 81 Baumgarten, A. I. 26, 332, 349 Baumgarten, J. M. 55, 64, 97, 102 Beard, M. 125, 127 Becker, H.-J. 29 Becker, M. 13, 17 Begg, C. T. 112–113, 212, 216 Beit-Arieh, I. 125 Belkin, S. 39 Bellen, H. 314 Ben-Dov, J. 62 Benovitz, M. 3–4, 39, 42–43, 73, 98, 100, 107, 109–110, 268–269, 334, 336–337, 340–343, 346, 348, 359, 362 Berger, K. 173–175, 177, 256, 259–260, 263–264, 272–273, 369 Berlejung, A. 123, 170, 358 Berlinerblau, J. 52 Bernand, A. 122 Bertram, G. 318n643 Best, E. 213 Betz, H. D. 371, 373 Beyer, K. 325, 327–328
Bieringer, R. 11 Billerbeck, P. 8 Binder, D. B. 120 Blau, J. L. 298 Bloch, M. 312 Blum, E. 75–78 Böcher, O. 256 Bock, D. L. 283 Bockmuehl, M. 271, 276 Boertien, M. 162, 165, 237, 245, 250, 253 Bokser, B. M. 31 Bömer, F. 314–315 Bovon. F. 257–258, 260 Brann, M. 327 Bremmer, J. 230 Brooten, B. J. 315 Broshi, M. 94, 99 Brown, R. E. 256, 258, 261 Bruce, F. F. 283, 285, 296 Bruneau, Ph. 121 Brutti, M. 95 Bultmann, R. 355 Cacciari, A. 201 Cadbury, H. J. 280 Calabi, F. 109 Calduch-Benages, N. 171 Cartledge, T. W. 78, 134 Chepey, S. 4, 173, 181–182, 184, 191, 193, 195– 196, 201, 204, 206–207, 209, 214–215, 221, 227, 265, 276, 283, 285, 288, 300 Chilton, B. 17 Cogan, M. 303 Cohen, N. G. 349 Cohen, S. J. D. 8, 10, 22, 110–111, 114 Cohn, L. 38, 199 Collins, J. J. 70, 319 Conzelmann, H. 259, 283, 285–287 Correns, D. 325–327, 340 Cothenet, E. 63 Cross, F. M. 156–159, 163 Crossan, J. D. 270 Dalman, G. 325 Davies, W. D. 260–261, 265 Davila, J. R. 286
Autorenregister Deines, R. 18, 325 de Hemmer Gudme, A. K. 124–127 de Lange, N. R. M. 8 Diamond, D. 140, 144–145, 148, 153 Dietrich, W. 159, 161 Dillmann, A. 363 Dimant, D. 68, 99, 102 Doering, L. 10, 19–20, 22, 31, 33, 233, 235 Donner, H. 155, 170 Dorival, G. 52 Dschulnigg, P. 273 Dubrau, A. A. 298 Duff, A. M. 313 du Toit, D. S. 275 Dunn, J. D. G. 286, 296, 299 Eck, W. 206 Eckhardt, B. 102 Ebner, M. 22 Ehrlich, A. B. 302 Eichrodt, W. 151 Elgvin, T. 69–70 Elliger, K. 303–304 Elman, Y. 14–15 Epstein, J. N. 16–17, 339–340 Fabry, H.-J. 71 Falk, Z. W. 361, 366 Feldman, L. H. 43, 111, 213–215, 217 Ferrer, J. 171 Fidler, R. 161 Finn, R. 136 Fitzmyer, J. A. 285–286, 332–334 Flesher, V. M. P. 17 Foakes Jackson, F. J. 256, 286 Fokkelman, J. P. 76–77 Foucault, M. 2 Fraade, S. D. 16, 32, 232, 234 Fraser, P. M. 122 Frenschkowski, M. 237 Frevel, C. 358 Frey, J. 68 Friesen, C. J. P. 201 Furstenberg, A. 254, 299 Furstenberg, Y. 254, 299 Gafni, I. M. 295 Gallant, R. P. 211
433 Garcia Martinez, F. 56, 65, 69, 91, 93–94, 98, 102, 360 Gärtner, B. 177, 263 Geljon, A. C. 194, 196, 198 Genette, G. 21 Gerhard, G. A. 270 Gibson, E. L. 310–311, 314 Ginzberg, L. 99 Gnilka, J. 265, 273, 351, 356 Goff, J. M. 68–70 Gönke, E. 138 Goodenough, E. R. 18, 311 Goodhart, H. L. 18 Görg, M. 135 Goulder, M. 265 Gray, G. B. 140 Gray, J. 303 Green, J. B. 258 Greene, W. 30 Gribomont, J. 178 Groß, W. 79–80, 152–153, 155 Grundmann, W. 293–294 Gulak, A. 33 Gußmann, O. 110 Haacker, K. 373 Haber, S. 94 Hachlili, R. 118, 315, 332 Haenchen, E. 281, 284–287, 291, 294 Hahn, F. 260, 265–266, 273 Halivni, D. 231–232, 234 Harrington, D. J. 69–70 Harrington, H. K. 298 Hartog, P. B. 26 Hauck, F. 336 Hays, R. B. 5 Hayman, A. P. 174 Hayward, C. T. R. 17–18 Heckel, U. 317, 368 Heckl, R. 141, 159, 161–162, 164–166 Heger, P. 58, 60, 68–69, 160 Heinemann, I. 41, 191 Heininger, B. 22 Heinrichs, J. 313 Hempel, C. 55 Hengel, M. 33, 48, 233, 263, 270, 272, 311, 352 Henninger, J. 138 Hertzberg, H. W. 161
434 Heussi, K. 178 Hezser, C. 9, 11, 13, 16, 32, 72, 316, 366 Hobbs, T. R. 303 Hofius, O. 371 Hogeterp, A. L. A. 360–361 Holtz, G. 18, 185 Hommel, H. 324 Hopkins, K. 312 Horbury, W. 315 Horn, F. W. 283, 285, 287–290, 294–296, 299 Hossfeld, F.-L. 81 Houston, W. 84, 87–88 Hutzli, J. 159, 163–165 Huwyler, B. 358 Ilan, D. 334 Ilan, T. 13 Instone-Brewer, D. 23 Jacob, B. 76 Jacobs, L. 14 Jamme, A. 357 Jassen, A. P. 100 Jastrow, M. 135, 329 Jefferies, D. F. 68, 70 Jeremias, Joachim 262, 274, 276 Jeremias, Jörg 167 Jervell, J. 285–286 Joosten, J. 17, 220 Jungbauer, H. 346, 351 Kahana, K. 23 Kahana, M. I. 210, 231, 247 Kaiser, O. 36, 83, 104, 190, 196 Kamlah, J. 133, 139, 151–152, 168 Keel, O. 75 Keener, C. S. 281, 283 Kelhoffer, J. A. 258 Kellermann, D. 136, 140, 142–143 Keppie, L. 124 Kessler, R. 358 Kister, M. 68 Kittel, R. 303 Klein, H. 287 Kloppenborg, J. 10, 33 Knoch, S. 362 Koch, C. 279 Koch, K. 281
Autorenregister Konradt, M. 263, 270 Kötting, B. 2, 124 Kottsieper, I. 220 Kraabel, A. T. 114 Kraus, H.-J. 82 Kraus, W. 372 Krause, A. R. 114, 116, 350 Krauss, S. 337 Kreuzer, S. 150 Krupp, M. 29–30, 36, 83, 309–310, 340 Küchler, M. 75 Kuhn, K. G. 230 Lake, K. 256, 286 Lange, A. 30, 68, 233 Lauha, A. 47 Leander, P. 331 Legrand, T. 17 Leonhard, C. 149, 274 Leonhardt, J. 114–115, 191, 201 Lerner, M. 23 Lesky, E. 153 Leutsch, M. 312 Levine, B. A. 50, 87, 140 Levinskaja, I. A. 121, 311 Levinson, B. M. 45, 64–65 Levy, M. A. 315 Lewin, B. M. 1, 23 Lichtenstein, H. 325 Lieberman, S. 3–4, 6, 14, 16, 33, 43, 93, 245, 248, 324, 340–341 Liesen, J. 171 Lightfoot, J. B. 8 Lightfoot, J. L. 223 Lindemann, A. 369 Lisowsky, G. 184 Lohfink, N. 359 Löhr, W. 289 Lohse, E. 56, 94, 99, 317–319, 362, 369, 371, 373 Lowe, M. 11 Lux, R. 89 Luz, U. 19, 130–131, 260, 353, 355–356 Magen, Y. 126–127 Magnes, J. 93, 102 Maier, J. 64–65 Malherbe, A. J. 318, 320
435
Autorenregister Mann, J. 353 Mantel, H. 325 Marshall, I. H. 277, 300 Martens, J. W. 109 Mason, S. 110, 207 Mayer, G. 167, 184 Mazur, B. D. 122 McLaren, J. S. 110 McNamara, M. 17–18 Médebielle, A. 263 Meier, J. P. 259 Merkel, H. 263 Merrill Willis, A. C. 114 Merz, A. 260, 272 Meyer, F. B. 256 Michel, O. 371, 373 Milgrom, J. 83–84, 87–88, 304 Milik, J. T. 331–333, 363 Milikowsky, C. 23 Millar, F. 116, 311 Misgav, H. 332 Mitchell, S. 120 Moehring, H. R. 114 Mommer, P. 161 Mommsen, T. 113 Moo, D. J. 370–371, 373 Moreshet, M. 14 Morgenstern, J. 235 Morgenstern, M. 33 Moscovitz, L. 33, 342 Müller, K. 21 Müller, U. B. 260 Murphy, C. M. 95 Nasrallah, L. 185 Nebe, G. W. 173–174 Neef, H.-D. 79–80 Neuhaus, G. O. 179 Neusner, J. 10, 16, 21, 24, 128, 227, 231–232, 238, 266–267 Newport, K. G. C. 29 Nickelsburg, G. W. E. 363, 365 Niebuhr, K.-W. 18 Niehoff, M. 104, 112 Nikolsky, R. 13 Nilsson, M. P. 324 Noam, V. 325–328 Noth, M. 84, 139, 145, 151 Noy, D. 121n193
Öhler, M. 258 Ollrog, W.-H. 301 Oppenheimer, A. 32 Otto, E. 44, 50, 358 Overbeck, F. 283, 290 Parente, F. 153 Park, H. D. 5 Parker, R. 136 Parry, D. W. 99, 157–159, 163 Pesch, R. 277, 281, 285, 301 Pisano, S. 164, 173 Plassart, A. 122 Pokorný, P. 317, 368 Porod, R. 270 Postgate, J. N. 125, 141 Praechter, K. 270 Price, J. 332 Proksch, O. 168 Pucci Ben Zeev, M. 114, 116 Qimron, E. 54, 67, 334, 360 Rabinowitz, I. 362 Räisänen, H. 370, 372 Raja, T. 110 Read-Heimerdinger, J. 295 Regev, E. 19, 109, 296 Reicke, B. 318 Rengstorf, K. H. 98–99 Rhodes, P. J. 308 Richter, W. 75–76 Ringgren, H. 49 Rius-Camps, J. 295 Rizzi, G. 171 Rofé, A. 159, 161, 164 Röhser, G. 318 Roloff, J. 290, 301, 374 Römheld, K. F. D. 152, 154, 167 Roscoe, P. J. 312 Rösel, M. 145 Rosen-Zvi, I. 229 Rost, L. 99 Rudolph, W. 76 Rüger, H. P. 173 Runia, D. T. 18, 194–196, 198, 205 Rüpke, J. 113 Rusam, D. 259
436 Sadek, A. I. 124 Safrai, S. 235, 252, 298 Safrai, Z. 222, 295 Saley, R. J. 157–159, 163 Sanders, E. P. 108, 115, 307, 349 Sandmel, S. 9, 17, 34 Satlow, M. L. 31 Sauer, G. 170 Schaeder, H. 262 Schaefer, C. 286 Schäfer, P. 8–9, 13, 22, 25, 32, 328 Schaller, B. 8–9, 19 Schart, A. 168 Schauer, F. 342 Schiffman, L. H. 56, 61, 63–65, 102, 349 Schille, G. 281, 285, 287, 290 Schipper, B. U. 70 Schlier, H. 369 Schmid, K. 166, 175 Schmidt, W. H. 167 Schnelle, U. 259–260, 317–318, 368–369 Schrage, W. 375 Schröter, J. 275 Schürer, E. 311, 315 Schwartz, D. 30 Schwartz, S. 9, 207, 217 Schweizer, E. 273 Schwemer, A. M. 352 Schwienhorst-Schönberger 47–48 Seebass, H. 135, 140, 142–146, 161, 302 Segal, M. H. 173 Seland, T. 18 Shemesh, A. 4–5, 100–101, 151, 173, 234, 236–238, 247–248, 250, 295–297 Shenkar, M. 295 Siegert, F. 110, 170, 319, 324 Skehan, P. W. 170, 172–173 Smith, J. Z. 33 Sokoloff, M. 172 Spann, K. 13 Sperber, D. 33 Speyer, W. 375 Spilsbury, P. 113 Spitta, F. 285 Staerk, W. 99 Stamm, J. J. 338 Stegemann, H. 61, 93 Steinmetz, D. 62
Autorenregister Stemberger, G. 8, 12–16, 21, 24, 27, 29–31, 160, 243, 327, 367 Stendebach, F. J. 175 Steyn, G. J. 287 Stökl Ben Ezra, D. 55, 61, 65, 94, 102, 298 Stolle, V. 287, 290 Strelan, R. 277, 279 Stroumsa, G.G 31 Strugnell, J. 54, 69–70 Stuckenbruck, L. 363, 365–366 Tadmor, H. 303 Teeter, D. A. 70 Tetzner, L. 106 Thalheim, T. 312–313 Theißen, G. 260, 272 Theobald, M. 287 Tigchelaar, E. J. C. 56, 68–69, 91, 93–94, 98, 102, 360 Tilly, M. 33, 109, 114, 123, 155, 170, 179, 260, 276 Tita, H. 36, 76–77, 79, 83 Tomes, R. 208, 283, 286, 295 Tov, E. 48 Towner, W. S. 25 Trebilco, T. 121, 311 Tropper, A. 229 Trümper, M. 122 Tsevat, M. 173 Uehlinger, C. 75 Uhlig, S. 363 Ulrich, E. 156 Urbach, E. E. 234 Ustinova, J. 311 Uusimaki, E. 70 Vahrenhorst, M. 5–6, 28, 38–39, 41, 102, 107, 112, 268–269, 317–319, 345, 353, 355, 370–371, 373 van Henten, J. W. 374 van Straten, F. T. 124–125 Vermes, G. 10, 30, 229, 361–362 Vogel, M. 108–109 Volz, P. 76 von Rad, G. 151 Vouga, F. 369
437
Autorenregister Wacholder, B. Z. 15–16 Walters, S. D. 158 Wassen, C. 60 Wasserberg, G. 258 Weis, P. R. 15 Weiser, A. 285 Weiss, I. H. 14 Weiss, Z. 30 Weisser, D. 177 Weitzman, M. P. 172 Wellhausen, J. 284 Wendt, H. H. 285 Wenham, G. J. 302 Weninger, S. 366 Westerman, C. 75–77 Westermann, W. L. 315 Wevers, J. W. 133, 136, 139, 142, 148 Whiston, W. 207 White, L. M. 122 Wilckens, U. 318–319, 375 Wildberger, H. 358
Wilk, F. 21 Williams, F. 177 Wilson, W. T. 199 Winter, P. 361 Witherington, B. 270, 277, 283, 285, 290 Witte, M. 33, 47–48 Wojciechowski, M. 276 Wolff, H. W. 167 Wolter, M. 257, 259, 319–320, 371–372 Wright, D. P. 140 Wünsch, R. 371 Yadin, Y. 65, 67 Zahn, T. 256, 283, 287 Zeitlin, S. 307 Zellentin, H. M. 21, 345 Zeller, D. 196, 373 Zenger, D. 81 Zuckschwerdt, E. 152 Zwickel, W. 123, 155, 170
Stellenregister 1 Altorientalische Texte Keilschrifttexte aus Ugarit KTU 1.14 304n589 KTU 1.119 358n5 2 Hebräische Bibel / Altes Testament Genesis 1,26 190n194 2,10–14 195 2,18 70n88 2,24 70n88 3,17 69n82 6,4–12 191 6,8 191, 193 6,9 193 9,20 196 14,22 𝔗 326n15 15,8 78 17,9–10 56n43 20,10 232n315 21,21 𝔗 17n94 24,37–38 92n60 26,3 57–58 28,15 77 28,17 76–78 28,18–22 111 28,20 256n392 28,20–22 75, 78, 380 28,21a 75, 77 28,21b 75, 77 28,22 161n82, 164n94 31,11–13 200 31,13 202 35,1–7 78 41,14 287n525 49,26 133 49,29–33 271n460 Exodus 2,10 43 3,12.18 319n652 9,29 𝔗 326 10,26 319n652
13,2 319n646 13,13–14 316n634 13,16 344n81 13,19 297n565 17,16 319n652 19,15 348n98 20,2 316n634 20,7 37, 268 20,7 𝔊 52 20,12 271n460, 346, 350 20,16 268 21,10 346n88 21,32 304 22,19 358 23,2 27n132 24,3–7 60n61 24,3–8 344n82 25,38 309n598 26,9 𝔗 17n94 28,43 309n598 30,12–30 303n584 32,30–32 373 32,32 127 34,10–27 60n61 34,19–20 58n54 Leviticus 1,2 105, 334n41, 336n48 1–7 84n39 2,1 105, 334n41 2,11 202 2,12 211, 334n41 3,2 249n371 3,16 164n94 5,1 38n7 5,7 125n211, 142 5,14–16 106, 333n37, 341n72 5,15 87, 140n19, 142 5,15–16 345 5,16 97n83 5,21–24 86, 97–98 6–8 143 6,10.18.22 359n15 7,1.6 359n15 7,14 105
Stellenregister 7,16 303n585 7,17 140n19 7,19 140n20 7,31 164n94 10,8–11 135n8 10,9 163, 257 10,10–11 257 10,12.17 359n15 10,16–20 140n19 12,6–7 145n33 12,8 142 13,37.56 88n49 14,21 125n211 14,22 142 14,49.52 136n10 15 296n562 15,19 63n68 16,29.31 101 17,4 281n497, 333n40, 334n41, 336n48 17,6 164n94 18,3 361 18,13 63n68 19,6 140n19, 202 19,17–18 345–346 19,18 361 19,27 230n308, 323 20,9 350 20,23 361n22 21,1–12 140 21,10–11 139n17 21,11 271 22,7 298n570 22,14 97n83 23,14 333n40–41 23,17 165 23,27–32 101 23,40 344n81 23,42 344n81 25 86 25,5.11 133 25,27 88n52 25,28 88n49 25,39–42 316n634 25,50 98 27 55n40, 89, 110, 203, 380 27,1–8 157n67, 308 27,2 135n6, 256n392
439 27,2–8 301–305, 309n603, 320, 337n58 27,2–15 38 27,4.8 307 27,8 310 27,9 336n48 27,9–10 106 27,9–24 83 27,9–25 359 27,11 334n41 27,13 97n83 27,14–24 84, 89 27,15.20 98 27,17–21 86 27,17–24 98 27,19 97n83 27,20 85 27,21 93n67, 359, 367n48.50 27,22 88n51 27,23 88 27,27 58n54 27,28 86–87, 361, 364, 367, 376 27,28 𝔊 312n616 27,28–29 359–360, 371 27,29 314, 364, 365–367, 375 27,30–33 29n134 Numeri 1,1–10,10 133n2 3,6–9 308n597 3,9 159n77 4,24–33 308 6 1, 110, 116, 163–165, 169, 203, 205, 225n296, 226, 255 6,1–21 132–149 6,2 228 6,2 𝔊 185 6,3 161, 175, 186n181, 187, 257, 307 6,4 152 6,4.8 250n374 6,5 160, 195, 200–202, 214n261, 228, 230n308, 234n326, 235n326, 243n354, 250, 307, 319n649
440 Numeri (cont.) 6,6 201, 250n374, 259– 260n417, 271 6,6–12 201 6,9 193n201, 199, 230n308, 246–247, 287, 293n548 6,9–10 254 6,9–12 193, 239, 255, 295n557 6,10 251 6,10–11 239n342 6,11 235, 236n332 6,12 199, 248, 254n385 6,13 180n163, 219, 248 6,13–15 35n1 6,13–18 207 6,14 188n188, 239n341, 240 6,14–15 308 6,14–16 220 6,18 132, 189n190, 208–209, 211, 219–220, 230n308, 243n354, 245–249, 289 6,18–19 287 6,19 219 6,19–20 182n171, 210, 211n254 6,20 250 6,24–26 17n93 7,2–18 145n33 8,6.21 136n10 8,16.19 159n77 8,19 308n597 9,6 230n307 9,7.13 334n41 9,13 333n40 14,19–20 108 14,27 27n132 14,28 92n60 15,1–16 146 15,3–13 111 15,20 210 16,9 318n642 18,6 159n77 18,6–7 308n597 18,14 93n67 18,15–17 58n54 18,21–28 182 18,21–32 380 19 142–143, 296n562 19,1–10 298n573
Stellenregister 19,11–12 293n548 19,12–13.20 136n10 19,14 139 19,14–22 255 19,19 136n10, 240n346 19,20 142–143 21,1–3 357–359, 383 21,2 256n392 24,19–24 𝔗 17n94 30 38–39, 49–50, 55, 57–58, 63n68, 64, 108, 110, 116, 163–165, 378–379, 382 30,2–17 50n30 30,3 50, 56n43, 71, 162n87, 236n332, 288, 329–330, 343 30,3 𝔗 326n11 30,3b 50 30,4 51–52, 66, 159 30,4 𝔊 39n9 30,4–6 52 30,5 73 30,6 53 30,7–9 53–54, 55n41 30,8bβ 58 30,9 63 30,9.15 70 30,9–10 57 30,10 55n41, 66 30,11 54, 66 30,11–13 54 30,12–13 54 30,11–16 55n41 30,14 54, 60n59, 64, 70n87 30,14–15 54 30,15 54 30,16 67 30,15–16 54 30,17 63, 67 31,19–20 136n10 31,50 333n40 34,6 252 35,24–25 27n132 35,33 281n499 Deuteronomium 3,6 357 3,6–7 358n8
441
Stellenregister 5,11 37 5,12 56n43 5,16 271n460, 346, 350 5,20 268 6,8 344n81 7,2 357, 359 7,11–12 60n61 8,8 184n173 10,8 318n642 10,17 306n593 12,6 121n191, 122–123, 174 12,6.11.26 65 12,8–27 358 12,11 161n82, 164n94 12,17 309n598 12,31 80n26 13,1 68 13,13–18 358, 383 14,1 230n308 14,22–23 29n134 14,22–16,17 358 14,26 257n395 15 87 16,9–11 146, 222, 292 16,18–25,19 358 17,2–5 60n61 17,12 318n642 18,3 148n41 18,4 182n170 18,4 𝔊 209n248 18,9–10 359 19,10 281n499 20,10–16 358 21,8 108 21,12 287n525 23,20–21 97 23,22 38, 45–46 23,22 𝔊 268 23,22.24 45 23,22–24 2n7, 44–45, 49, 64,80–81, 89, 116, 131, 146, 379 23,23 45–46, 65, 66n74 23,24 46, 50n30, 55, 56n43, 57–58, 60, 63n68, 74, 80 23,24a 46 23,24bα 46 23,24bβ 46 23,25–26 97, 99 26,2–13 358
26,14 334n44 26,16–19 60n61 28–29 92 28,58–59 92 29,5 𝔊 257 33,16 133 Josua 6,17–21 358 7,12 358 8,26 357 10,28.35–40 357 11,11–21 357 23,13 48n29 Richter 6,11–21.36–40 78 11,29 79 11,30 159 11,30–40 79, 111, 379 11,30–31 79 11,35 80–81 13 163n93, 164, 168 13–16 152–154, 167, 169, 181n166, 211 13,2 258n402 13,3 258n403 13,2–7.14 132, 150–155 13,4 161, 178, 257 13,4.7 213 13,5 159, 160n78, 168 13,5 𝔊 215, 263 13,5.7 132, 172 13,5.7 𝔊 263–264 13,7 159 13,7 𝔊 265 13,24–25 213 13,25 258n399 14,6 213n257 14,6.19 258n399, 265 14,10 167 15,1–5 151n52 15,14 265 16 168 16,13–14 214n260 16,17 132, 168, 172 16,17 𝔊 214n261, 263–265 17,3 168n110
442 1. Samuel 1 236, 304n588 1,2 258n401 1,11 172n123, 202–204 1,11 𝔊 204, 216–217 1,11 .15 257 1,11 –24 132, 155–166 1,13–14 135n8 1,15 205 1,17 172 1,20 171 1,21.24 284n507 1,24–25 163n91 1,28 200 2,12–17 98 2,18 258n403 2,25 163n91 2,34 98n86 3,1 173 3,2–10.20 173 4,3–4 155n63 4,11.17 98n86 7,3–4 112 7,5–9 112, 180n164 7,6.15 171 7,7–10 171 7,9 258n403 9,14–10,16 172 10,1 172 10,17–25 180n164 13,13 56n43 14,24 113n151, 374n81 14,25–26 241 14,26 240n345, 242–244 14,45 58n54 15,7 242 15,7–8 240–242 15,8 244 15,33 165 16,12–13 172 18,6 79 18,9 241–242 19,20 171 20,12–13 280n494 21,6 348n98 25,1 165 25,22 280n494
Stellenregister 2. Samuel 3,8–9 280n494 3,35 92n61 11,11–12 348n98 12,16 176n143 15,7–9 77 15,12 77 1. Könige 8,22–53 113 17,18 𝔊 265 19,19–21 272 2. Könige 4,8–37 266n442 4,42–44 266n442 10,23 260n418 12,5–17 301–305, 320 12,17 337n58 17 266n442 17,7–8 361 23,4–20 108 25,9 358 Jesaja 4,2 263 5,11.22 257n395 8,14 48n29 9,6 160n77 10,1 94n73 10,2 90n57, 94 11,1 263 11,15 362n28 19,21 83n34 24,9 257n395 28,7 257n395 29,9 257n395 34,5 358 43,25 338 58,5 176n143 58,13 235 65,8 𝔗 193n203 66,1 267n446 Jeremia 2,22 233n315 4,14 338 6,16 168n110
443
Stellenregister 11,5 57n52 23,5 263 33,15 263 35,1–19 260n418 44,25 57 Ezechiel 3,17–21 280–281 11,12 361 18,12–13 281n500 22,8 168n110 22,19–22 362 33,2–9 280–281 42,14 309n598 44,20 169, 242–243 44,21 135n8, 187 44,29 93n67 45,4 168n110 47 15n74 Hosea 1,4 281n497 6,6 131 Joel 2,15–27 101 Amos 2,8 167 2,11–12 132, 166–169 2,11–12 𝔊 264n437 3,5 48n29 4,4 76n5 4,4–5 167 5,10–12 167 5,11 167 5,21–27 167 6,6 167 6,6–7 175n141 6,8 233n315 7,9 167 Jona 1,7–16 113 1,12 114 Micha 4,13 𝔊 312n616 7,2 96, 99–101
Nahum 2,1 83n34 Sacharja 3,8 263 6,12 263 11,11 95n75 Maliachi 1,6–14 140n20 1,8–10 92 1,10 91 1,10aβ 90n55 3,1.23–24 258 3,6–12 380 3,16 127 3,24 358 Psalmen 7,4.6 92n61 22,3 113n153 35,13 176n143 47,3 𝔊 267n447 49,14 𝔊 268 51,3–4.11 338 60,9 𝔊 268 64,2 𝔊 268 65,5 137n10 69,23 48n29 69,29 127, 373n76 76,12 36n3 84,2–3.11 137n10 84,4–6 373n76 105,16 𝔊 265n440 109,22–24 176n143 109,24–25 175n137 113 81n28 114,1–9 𝔊 81n29 115,4.6–10 𝔊 81 116 89, 146 116,13–19 81–82 119,37 175n136 119,55 113n153 119,106 56n44, 57 119,155 366n43 Hiob 34,19 306n593
444 Sprüche Salomos 1,5 70n88 4,25 175n136 6,6–9 70n88 7,14 𝔊 268 10,1–22,16 48n27 10,21 70n88 10,26 70n88 12,13 49 16,21 70n88 18,7 49 20,25 2n7, 48–49, 89, 116, 379 25,4–5 62n67 28,7 70n88 Kohelet 5,3–5 2n7, 47, 49, 89, 116, 379 5,4 128 5,5 48 12,12 62n67 Klagelieder 4,7𝔊 264 Esther 1,8 11n57 4,3 176n143 4,16 176n142 9,21 56n48 9,31 56n46 Daniel 2,47 114n155, 117 4,6 11n57 4,33–34𝔊 260n418 4,34 114n155, 117 7,10 127 9,3 176n143 10,3 348n95 12,1 373n76 Esra 1 114 2,2 27n132 8,21 176n143 8,24 110n134 10,5 110n134 10,8 359, 366, 369, 371, 374–375, 383
Stellenregister Nehemia 5,12–13 279 6,12 172 7,7 27n132 9,1–3 176n143 10,38 182 10,38–39 380 1. Chronik 6,1–18 159n77 6,33 159n77 16,4 141n25 23,24–32 308n597 24,1–6 110n135 24,4 110n134 24,17–19 95n79 2. Chronik 20,3 176n143 30,19 136n10 30,27 113n152 31,4 308 35,10.16 308 3 Neues Testament Matthäus 1,22 263n432 2,15 263n432 2,17 263n432 2,22–23 260–266, 300 2,23 132 2,32 261 3,3 263n432 3,4 259n417 4,14 263n432 5,1–7,29 266 5,21–26 130 5,23–24 131 5,33–37 6, 275n476, 355 5,34.36 227, 266–269 8,17 263n432 8,21–22 269–273 9,27 262 11,7–14 258n408 11,9 273n468 11,14 273 11,18–19 260n418 11,19 178n156, 276 12,17 263n432
445
Stellenregister 12,40–41 273n468 13,16–17 273n468 13,35 263n432 15,3 351n108 15,3–5 336 15,5 331, 334, 355 17,10–13 258n408 18,23–35 131 20,30 262 21,4 263n432 21,11 262n425 21,13 130n227 23,16–22 6, 44, 323, 339n62, 353n115, 378 23,23 29, 352n110 23,26 131 24,15 263n432 26,29 274 26,69–75 261 27,6 355 27,9 263n432 27,34 276 Markus 1–8 265 1,1–20 265 1,6 259n417, 260n418 1,15 266n444 1,24 261, 262n427, 265–266, 273n469, 276 2,18 276 2,18–22 101 2,15 276 2,22 276n487 3,27 266n444 5,21–43 266 5,22–43 272 6,11–12 280 6,30–44 266 7,1–23 22n112 7,3.5 349 7,6–13 348n100, 349 7,9–12 331, 345n83, 349–353, 378, 382 7,9–13 356 7,10–12 21 7,11 4, 20n106, 324, 333–334, 343, 347–348, 354n118, 355
7,11–12 268, 335 7,15 272, 351n104 7,19 351n105 7,24–31 266n442 9,1.41 275n475 9,11–13 258n407 10,1 252n380 10,15 275n475 10,47 261–262 11,15–17 94n70 12,40 94n70 13,30 275n475 14,17–26 132, 227, 273–277 14,25 275n475 14,67 261 14,71 374n83 15,23 132, 273–277 16,6 261 Lukas 1–2 259 1,3–4 286n520 1,5.8 110n135 1,5–11 258n404 1,5–15 257 1,7 258n401 1,8–9 95n79 1,11 –13 258n402 1,15 132, 177n153, 256–259 1,15 –17 258n405 1,17 258, 273n470 1,59–60 11n52 2,13 293n548 2,22 319n646 2,44 295n554 3,3–9 257 3,4 258n405 3,10–14 260n418 3,18 259n415 4,34 262n426 7,24 257 7,26–28 259n411 7,33 259n416 7,33–34 260n418 7,34 276 9,5–6 280 9,57–62 269–273 10,23–24 273n468
446 Lukas (cont.) 11,1 256n392 15,24 270n459 18,12 101 18,37 261–262 21,5 130, 370n56, 380 22,15–16 275 22,16–18 273–277 22,19 275n478 22,24–38 275 24,13 275 24,19 262n427 24,30 275n480 Johannes 1,1 319n654 1,46 262 2,11 276n487 4,24 319n654 7,42 262n425 9,14–16 11 9,22 370n56 11,55 252–253 11,55–21,1 297n568 12,42 370n56 16,2 370n56 18,5.7 261 19,19 261 Apostelgeschichte 2,22 261–262 2,46 275n480 3,1 327n16 3,6 261–262 4,10 261–262 5,11 290n536 6,14 261–262 8,3 290n536 8,31 293n548 10,4 113n152 10,9–10 327n16 11,28–30 299n575 12,1.5 290n536 13–14 282 13,1 290 13,14–41 291n541 13,45.51 280n496 14,1 291n541
Stellenregister 14,27 290n536 15 291, 293 15,4 290 15,19–20 300 15,35 290 15,36–18,22 282 16,3 301, 378 16,9 277 18,2 283n504 18,5–11 277–281 18,18 132, 210n249, 224, 226, 244, 277, 293, 300, 378, 381 18,18–23 282–291 18,21 184n174 18,23–21,26 282, 290 18,24–28 284n508 18,26 283n504 20,3 283, 289 20,7.11 275n480 20,16 292 20,26 281 21,3 289 21,8–15 289–290 21,18–26 290n536 21,21–27 287, 290–301, 378, 381 21,23–24 146n37, 219n278, 284n507 21,23–27 226 22,3 300, 378 22,8 261–262 23,12–14 366 23,12–14.21 364, 374–376, 383 24,5 261–262 24,11 300 24,17 290n539, 299n575 24,18 296, 299 26,9 261 Römer 1,8 368n52 1,9 319 1,24 373n73 3,25–26 372n71, 373n73 4 21 6,1–19 318 7 317n635 7,7.12 373n73 7,22 1n5
447
Stellenregister 8,34–39 371 9–11 371n62, 376 9,1–5 371n62 9,3 370–376, 383 9,4 317n638, 319, 372 9,5 372 11,11–26 371–372 11,25–36 317 12–15 318 12,1 317–320, 370n58, 372, 381 12,2–15,13 317 12,3–8 318 12,9–21 318 13,1–7 318 13,8–14 318 14–15 317n635 14,1–15,7 318 14,2.20–21 178n157 14,14 373n73 15,16 317, 318n645, 320, 372, 373n73 15,23–24.28 317n635 1. Korinther 1,4–5 368n52 2,16 21 4,8–12 282 4,20 370n60 5,5 369 5,6–8 376 6,2 21 9,19–23 300 11 275 11,6 287 11,21–33 282 11,23–25 273 11,24–25 275n478 12,3 369, 371n66, 375n86 15,38–41 21 16,1 368n51 16,19 283n504 16,22 369, 371n66 2. Korinther 3,17 319n654 4,6 21 4,16 1n5 5,14–21 21 6,7 318n640, 320n656 8–9 299 10,3–6 318n640, 320n656
Galater 1,8–9 368–370, 371n66, 383 2,9–10 299n575 2,11–13 295n555 3–4 21 4,13–15 368n53 5,7 368n53 Philipper 4,18 318n639 1. Thessalonicher 2,10 21 4,3–8 320n656 2. Timotheus 4,19 283n504 Philemon 13 370n59 1. Petrus 2,5 319n647 3. Johannesbrief 370n61 Apokalypse (Offenbarung des Johannes) 5,8 113n152 6,9–11 374n80 8,3 113n152 20,4 374n80 4 Apokryphen und Pseudepigraphen Aramäisches Levi-Dokument 5,1–4 111n143 5,1–5 78n20 Aristeasbrief 90.92.96 309n598 Ben Sira 7,31 𝔊 168n110 8,9 𝔊 349n101 14,20–15,8 170n117 17,10 𝔊 168n110 19,20 𝔊 72n95 24,1–34 170n117 24,23 𝔊 72n95 30,18 𝔊 334 42,15–43,33 170n117
448 Ben Sira (cont.) 44,1–50,26 170 46,13 158n70 50,1–21 229n305 51,1–30 170n117 3. Esra (1. Esdras) 3–4 114, 117 4. Esra 9,24 348n95 Fastenrolle 2.38 326–330 1. Henoch 1–36 363n33 6 59n56, 363n33 6,1–6 363–366, 376, 383 10,11–13 364 55,4 266n444 95,4 365–366 2. Henoch 45 191n199 61,4–5 106n117, 117 62,2 106n117 Jeremia-Apokryphon 30 178n154 Jubiläenbuch 2,21.31 235n329 5,19 193n203 31,11–17 111n143 32,1–9 111n143 50,9–10 235n329 Judith 8,6 235n329 11,13 182n168 16,16 191n199 16,18–20 380 1. Makkabäer 2,29–38 181 2,39–41 31n148 3,45 179 3,46–53 165, 179–182, 284n507, 381 3,49 221, 264
Stellenregister 3,55–60 181 4 181 14,36 136n10 15,23 121n190 2. Makkabäer 2,17 168n110 3 93n70 5,16 312n616 6,1 349n101 6,23 231n308 14,36 168n110 3. Makkabäer 2,18 168n110 Martyrium Jesajas 2,8–11 260n418 Psalmen Salomos 8,10 59n56 Pseudo-Philon, Liber Antiquitatum Biblicarum 39,11 80 40,2 112n146 Pseudo-Phokylides 51–52 199 Sibyllinische Orakel 8,217–500 319n647 Testamente der Zwölf Patriarchen Ruben 1,10 176n143, 348n95 Simeon 3 348n96 Levi 18 266n444 Juda 15 348n96 15,4 348n95 Dan 5,10–11 266n444
449
Stellenregister Josef 3,4 348n96 Benjamin 1,4 348n96 Tobit 1,7 182 1,8 182n169 2,2 222, 292n543 4,3–4 271n460 4,17 334n44 6,15 271n460 WKG (Weisheitsschrift aus der Kairoer Geniza) 4,1–7,10 173, 176 5,1–3 173–179 5,7.11–12 175 5,7–9 175n 5,10–12 175n138 5 Qumran CD A (Damaskusschrift) 1–8 55n42 2,2–3 61n62 2,12 56n50 3,3 69n84 4,1–12a 95n77 4,15–19a 93n66 4,20 360n17 4,20b–5,2a 63n68 5,7 63n68 5,7b–11a 63n68 6,11–12.19 61n62 6,11b–13 96–97 6,11b–17a 90, 103, 380–381 6,11b–7,9a 63n68 6,12a–14a 92 6,13 360n17 6,14b–7,4a 92 6,15b–17 92 6,18–19 101 7,5 92 7,6 63n68 7,6–9a 63 7,8–9.11–12.14–15 360n17 9–16 55n42 9,1 101n100, 360–363, 367n50, 375
9,2 361 9,22 56n50 10,6 62n67 11,18b–20a 95n78, 97n80 13,2–4 62n67 14,2 61n62 14,7–8 62n67 14,14–15 360n17 14,20 102n107 15,6 61 15,12 56n46 16 56n43, 71 16,1.4 56n45 16,6–7 63n68, 360n17 16,6–12 55, 64, 73–74, 379 16,7–9 60 16,8 58 16,10–12 59–60 16,11 59 16,12 70n87 16,13 64, 94 16,13–14 107n121 16,13–18 96, 103, 380 16,13–19 64n69, 361n24 16,15 360n17 16,19 361 CD B 19,2b–5a 63 19,9 95 19,5–11 95n75 19,8 233n315 19,17 90n56 20,1–3 362 1QGenesis Apocryphon (1QapGen) 6,2 193n203 1QpHab (1QPesher to Habakkuk) 2,1–8 95n77 1Q18 (1QJubb; 1QJubileesb) 3–4 233n319 1QS (1QRule of the Community) 1,8–9 61 2,2–4 149n44 2,11–22 102n103 3,4.9 293n547 3,9b–12 61n66
450 1QS (1QRule of the Community) (cont.) 3,13–18 68n81 4,15–26 68n81 5,1–3a 60n57 5,10 61 5,18–19 61 5,20 93n64 6,2–8 102–103 6,19–20 102n106 6,24–7,25 62n67 8,1–4 27n132 1Q28a (1QSa; 1QRule of the Congregation) 1,4–5 61 1,6b–7a 62 1,27–29 27n132 1Q33 (1QM; 1QWar Scroll) 2,2–3 27n132 1QHa (1QHodayota) 5 68n81 4Q51 (4QSamuela) i b 1–3 157 i b 2 159 i b 3 160 ii a–d 3 157 ii a 1–4 158 ii a 3 159, 160n78, 162, 170, 239n344 ii a 5 162n87 ii a 6 156n65 ii a 7 156n65, 164 ii a 10–11 164n97 iii a 1 164n94 4Q159 (4QOrda; 4QOrdinances) 1 ii 6–7 93n69 4Q171 (4QpPsa; 4QPsalms Peshera) 2,18–20 362n32 4Q174 (4QFlorilegium) 1,21,2 i 11 263n431 4Q175 (4QTest; 4QTestimonia) 9–10 233n315
Stellenregister 4Q201 (4QEna ar; 4QEnocha ar) iii 3 364n38 4Q256 (4QSb; 4QRule of the Communityb) 9,6 56n45 4Q258 (4QSd; 4QRule of the Communityd) 1,1–12 92n64 4Q266 (4QDa; 4QDamascus Documenta) 8 i 5 56n50 8 ii 1–10 361n24 8 ii 2–3 98 8 ii 4–5 97 8 ii 8 360n17.19 4Q270 (4QDe; 4QDamascus Documente) 6 iii 13–21 361n24 6 iii 16 360n17 4Q271 (4QDf; 4QDamascus Documentf) 4 ii 12–16 11n57, 96, 97n82, 103, 349 4 ii 12b–14a 94 4 ii 14 100 4 ii 14–15 100n98 4 ii 6 56n45 4Q274 (4QTohorot A; 4QPurification Rules A) 2 i 9 – ii 1 102 4Q277 (4QTohorot Ba; 4QPurification Rules Ba) 1 ii 2 298n573 4Q285 (4QSefer ha-Milhamah) 5 3 263n431 4QCalendrical Documents (A–H) 4Q320 95n79 4Q324 95n79 4Q325 95n79 4Q328 95n79 4Q329 95n79 4Q330 95n79
451
Stellenregister 4Q395 (4QMMTb; 4QHalakhic Letterb) 1 8–10 298n573 4Q415 (4QInstructiona) 6 2 70n90 4Q416 (4QInstructionb) 2 ii 6–7 69n84 2 ii 20 70n90 2 iii 2 70n90 2 iii 20b 71n91 2 iv 6–11 68, 70–74, 379 2 iv 8 69n84, 103 4 3 70n88
53,17–18 65n73 54,1 67n78 54,2 67n80 54,4–5a 66 6 Philo von Alexandria De Abrahamo 216 185n176 De agricultura 89 196n212 112–113 201n225 124 196 174–180 194, 196–199
4Q417 (4QInstructionc) 2 ii 12 233n319
De cherubim 94 201n225
4Q418 (4QInstructiond) 55 11 70n88 69 ii 4–5 70n88 81 17 70n88 81 20 70n88
De confusione linguarum 160–161 201n225
4Q471 3,15–17 95n77
De decalogo 84 41 93–94 41 104 204n231
4Q494 (4QMd; 4QWar Scrolld) 3–7 i 13 54n39 4Q521 (4QMessianic Apocalypse) 2 iii 2 258n409 4Q525 (4QBeatitudes) 2 ii 3 70n88 4Q558 (4QVisionb ar) 1 ii 4 258n409 11Q19 (11QTa; 11QTemple Scrolla) 20,12–13 54n39 25,10–11 101 39,7–8 93n69 53,9–54,7a 64–65, 73–74, 379 53,12 65 53,16–17 66 53,16–54,3 66 53,17 66, 71
De congressu Quaerendae Eruditionis Gratia 169 201n226, 202
De ebrietate 127 202n226 143 158n70, 202n226 143–144 203–205 145 205n233 146 185n177 151 205 De fuga et inventione 18–19 201n226 65 199n216 80 189n191 83 201n225 93 309n598 114 201n226 De gigantibus 16 201n225
452 Hypothetica 7,3–5 4, 74, 104–110, 116, 379–380 7,5 73, 352 De Iosepho 85 185n176 129 185n176 Legatio ad Gaium 212 297n566 Legum allegoriae 1,32.36–38 185n178 1,63–73 195 1,70–72 195n210 1,73 196 1,82 185n176 1,105–106 196 2,31 185n177 2,77–78 196 3,141 189n191 3,209 185n176 De migratione Abrahami 35–36 185n178 69 201n226 De opificio mundi 73 205 74–75 190n194 75 196n211 77 320n655 De plantatione 53 202n226 61 202n226 108 201n225 De posteritate Caini 48 199n216 96 202n226 110 202n226 De praemiis et poenis 45–46 185n178 De sacrificiis Abelis et Cain 32 201n225 48 199n216
Stellenregister 51 189n191 90 198n215 101 202n226 128 201n225 136 185n176 138 201n225, 202n226 De somniis 1,215 37n6 1,252–254 158n70, 200–204 1,254 172 2,25 137n11, 185n176 2,225 198n215 De specialibus legibus 1,68 115 1,82 309n598 1,102 201n226 1,104 201n226 1,113 37n6 1,123 201n226 1,150 202 1,156 308n597 1,166 110n134 1,194–246 183 1,195–197 191 1,196 190n192 1,197 190n195 1,223 202 1,247 168n113, 204n230 1,247–248 201, 319n649 1,247–254 182–191, 256n392 1,248 181n165, 194n207, 201n222 1,248.252 165, 222, 292n543 1,257–262 297n568 1,270 202 1,271 188n187, 191n199 1,272 319n649 1,281 201n225 1,290 320n656 2,1–38 336n49 2,2 41 2,2.4–5 40 2,2–5 37, 268n455 2,2–23 38 2,2–38 5n23, 6, 37, 44, 379 2,4 41 2,6–8 37 2,9–12 37 2,12 39, 195n209, 322
453
Stellenregister 2,13 59n56 2,13–14 61n63 2,13–15 37 2,14 41 2,14–15 106, 322 2,14–17 59n56 2,15.17 38 2,16 11n57, 38, 101n101, 322–324, 330–331, 345n83, 347, 349, 353, 382 2,18–23 38 2,23 38 2,24–25 38–39 2,26 38n7 2,26–28 38 2,26–38 38 2,29–31 38 2,32–34 305–306, 320 2,32–37 38 2,145–148 115 2,249 201n226 3,130.183 202n226 3,205 297n568 4,49 185 4,84 202n226 De vita contemplativa 13 185n176 73–74 186n184 74 205n234 De vita Mosis 1,17 43 2,108 187n185 2,133 37n6 2,152 309n598 2,222–233 115 Questiones in Exodum 1,10 115 Quis rerum divinarum heres 68–69 185 305 198n215 Quod deterius potiori insidiari 47 160n77
Quod Deus immutabilis sit 132 37n6 70–72 196 86–90 191–196 87 201, 210, 222 89 199 90 199n219 128 201n225 7 Josephus Bellum 1,1 110n138, 111n140 1,26.39 309n598 1,184 295n556 2,129–133 102 2,134 103n108 2,135 65n74 2,137–139 102n105 2,143 61 2,175 355 2,179 370n61 2,293–296. 305–308. 318–319 206n236 2,307 206n237 2,313 191n197, 194n205, 225n296, 287n526, 294, 307 2,313–314 137n12, 205–208, 222, 295n556 2,321 309n598 3,352 110n138 5,193–194 297n566 5,229.562 309n598 5,419 373 6,57 112n145 6,123 370n61 6,229 309n598 7,326 112n145 Antiquitates 1,24 111n140 1,232 112n146, 113 1,284 111 1,279 111 1,341–342 111 2,228 43
454 Antiquitates (cont.) 3,107 309n598 3,233–235 111 3,189 36 3,189–191 36 4,70–72 140n19, 165, 168, 181n165, 184, 208–211, 222, 292n543, 381 4,72 205, 307 4,73 303, 307–309, 320, 338, 381 4,248 11n53 5,120–6,85 211 5,265–266 113 5,275–317 211 5,278 215 5,278.285 216n270 5,285 217n271, 258n399 5,287 213n257 5,309–312 213 5,344–347 215–217 5,347 158n70, 216n270 6,22 112 6,24 112, 180n164 6,271 215n265 7,72 215n265 7,189 243n356 7,305.367 308n597 7,365–367 110n135 8,108 113 8,122–123 113 8,176 308n597 9,209 113 9,269 308n597 11,9 114 11,31.58 114 11,117 27n132 11,125 114 11,329–339 114n155 12,43 229n305 12,61 309n598 13,297 349n101 13,372–380 328n22 13,408 349n101 14,190–264 114 14,213–216 121 14,216 116 14,259–261 114–115 14,261 116
Stellenregister 15,371 65n74 15,417 297n566 18,19 95n78, 97n80 18,237–239 218 19,219 380 19,274–292 217n274 19,293–294 217–221, 225n 297, 381 19,294 130n226, 146n37, 148n39, 180n162, 210n251, 287n526, 308 19,331 219n277 19,332 219 20,17–95 237n333 20,95 295n556 20,181 182n168 Vita 1–8 110n138 2 110n136 64 27n132 Contra Apionem 1,166–167 5n23, 44, 323–325, 330, 353 1,167 112n149, 349 2,108 95n79 2,229 312n616 8 Rabbinische Literatur Mischna Ber 1,5 26n129 9,5 30n140 Dem 2,1 29n134 Ter
3,8 340n69 8,11 340n68
Maas 4,5 29n134 MSch 5,9 340n68 Orl
3,3 209n249, 248n364
455
Stellenregister Schab 16,2 235n329 Jom 1,5 110n134 1,6 32 8,1–6 101 8,2 375n85 8,9 131n229 RH
4,1–4 31
Taan 1,4–7 101 3,8 340n68, 367n46, 374n81 Meg 1,6 36n2 Hag 1,8 72n94 Ket
4,5.9 71n93 5,2 346n88 5,9 346n89 6,1 71n93
Ned 1–3 335 1,1 42, 43n20, 93n64, 128, 267, 339, 340n68, 375n84 1,1–2 106n115, 336–339 1,2 42 1,3 339n62, 342–343 1,3–4 354 1,4 339n62 2,2 59n56, 329n25, 331, 343–345 2,4 23n120, 367n49 2,5 42, 43n21, 101n99, 338 3,1 11n57, 72n94, 97n82, 346 3,11 23n121, 340 4–8 335 4,1 11n57, 101 4,1–8 347 4,2 323 4,7–8 101n101
5,1–3 323 5,1–5 103n108 5,3f 43n20 5,6 323, 335 6–8 100n94, 347n92 6,1–2 375n84 6,7 339–342 6,7.9 347n94, 382 7,3 267n449 7,6 100 7,8 323 7,8–9 101n101 7,9 346, 382 8,1.5 347n94, 382 8,1–5 329n25 8,7 323, 348n97 9 335 9–10 379 9,1 21, 73, 129, 335 9,1.4 345 9,2 251n375 9,4 73, 323, 346 9,5.9–10 346n86 9,6 73, 235n329, 329n25 9,8 347n94, 382 9,9 72–73 10–11 335 10,5 346n88 10,8 54n38 11,1 60n59 11,3.8.11 347 11,4.11 71 11,8 346, 382 11,10 23n120 11,12 348n97 Naz 1,1 228, 337n54, 338 1,1–2 227 1,1–7 226 1,2 162n89, 238, 240n345 1,3 208n244, 237, 294 1,3–7 137, 225n296 1,4 240n345 2,1–3 267n449 2,5 228 2,5–6 219n279 2,7–10 236 2,8 235n330, 291n542
456 Naz (cont.) 3,1 237n336 3,2 238 3,3 250, 251, 254–255, 299 3,3–4 253 3,6 208, 237, 251, 253, 256, 286n516 4,1–2 267n449 4,3 226n298 4,6 158n70, 160n77, 161n84, 163–164 5,4 250 5,5 232 5,7 231–232 6,1 226 6,2 136n9 6,3 226 6,4 226n298 6,8 245n357, 288 6,11 237, 254n383 7,3 228, 240n346, 253, 286n516, 298 9,5 157n67, 160n77, 217, 238n340 Git
Sot BM
Stellenregister Ed AZ Av
7,2–7 99
San 1,4 27n132 1,5 32 1,6 27n132 3,2 268n455 7,3 361n23 Makk 3,10 11n53 3,49 292n543 Schevu 3,6 61n63, 344n82
5,9 296n557 27 1,10–11 367n47 2,5 24n121 2,6 24n121 2,16 24n121 3,13 347 3,14 24n121
Men 13,10 245n358, 288, 377 Ar
1,1 249n369 4,3 30n140 3,8 158n70
5,6 366–367
1 309 1,1 304n587 3,2 309n601 4 309 4,2 309n601 5 310 5,1 304n589, 309n601, 310 6 310 7,3 88n50 7,4 87n48 9,7 84n42
Tem 7,4 296n557 7,4–6 140n20 Ker 1,1 366n44 Tam 1,1 110n134 Midd 2,5 289 Kin 1,1 36n2 Kel
1,8 297n565
457
Stellenregister 2,5 23n121 2,7 323 2,9 341n73, 342–343, 346, 347n92 3,1–7 347n92 4,1–5 347n92 4,8 352n114 5 335 5,1 73 5,3f 43n20 6–7 335 7,1 71, 348n97
Ohal 18,6 252 Par 3,1–4,4 298n573 6,1–5 298n573 Tosefta Ber 3,3 24n121 3,6 327n16 Schevi 4,7–8 249n369 Ter
2,12 252n377, 289
Hal 2,11 252, 289 Pes
8,18 19n103
Suk 2,3 15n74 2,5–6 15n74 2,8–3,1 14, 15n76 2,11 15n75 3,3–13 15n74 RH
Naz 1,1–5 226 1,2–4 137 1,4 267 1,5 155n62, 165n101, 250, 286n516 1,6 249n368 2,1–2.5–6.8–11 226 2,4–6 148n40, 180n162, 210n250 2,4–7 146n37, 225n296, 293n546, 296n558 2,8 194n206, 221n290, 236 2,14 249 3,12.14f.19 43n20 3,15 346 4,6 210n249, 232n313, 245–250, 255, 288 4,7 175n140, 229
1,2 310
Git
Taan 2,6 347n93
Sot
MQ 2,2.8 177n154 Ned 1,1 24n122, 43, 235 1,1–6 335 1,2 341 1,2–3 347n92, 354 1,3 338n61 1,4 260n418 1,5 329n25 2–4 335
4,3 43n20 3,16 24n122, 240–242 6,6 19n103
San 5,1 268n455 Schevu 4,2 61n63, 344n82 Hor 2,9 109n131 2,10 110n134
458 Men 13,21 316n632 Ar
3,11–13 36n2 4,34 359n14, 360, 367, 375–376 5,11 84n42
Ahil 18,2 252 18,3 252, 298n574 Par 3,1–4,11 298n573 Talmud Jeruschalmi Ber 4b,44–45 1n1, 155n62, 220n287
Stellenregister Talmud Bavli Ber 26b 327n16 48a 328n22 Schab 54b 1n1, 155n62, 220n287 Er Pes
21b–22a 22n112 67a 297n565
Suk 31a–43b 14 39a 43n18 41b 15n75
Schab 2b,48–51 110n134 14d, 39–41 11n54
RH
Taan 66a,7–8 326
Taan 11a–b 234n326 12a 326–329
Meg 70c,45–46 326 72b,43 62n67
13a 160n77 31b 31
Meg 28b 160n77
MQ 81c,73–81d,13 367n47
MQ 28a 366n44
Ned 36d,48–50 235n328 36d,51–60 229n304
Ned 2a 339n63 9b 229n304 10a 1, 43, 176n143, 190n193, 199n221, 234 10a–b 336 10b 235 21b 72n94 22a 65n74, 128 28b 66n76 35a 346n86 77b 65n74, 128
Naz 36d,20–21 228n301, 339n64 51c,3 225n296 51c,4–5 225n296 51c,40–50 229n304 51d,55–56 309n601 San 28a,17–20 62n67 28a,20 62n67
Naz 4a 61n63, 344n82 4b 229n304
Stellenregister 5a 225n296 45a 297n565 45b 247n363, 249n367, 288n529 Sot
37a 344n82 37a–b 61n63
Kid 57b–58a 296n557 BM 59b 367n47 San 96a Schevu 39a 61n63, 344n82 101b 43n18 Midraschim Mekilta 15,1 (p. 123,9–15 Horovitz-Rabin) 24n122, 240–242 20,12 (p. 231,6–7 Horovitz-Rabin) 346n90 Sifre Numeri § 22 zu 6,2 (p. 59, 24–60,30 Kahana) 229n304 § 25 zu 6,5 (p. 32, 18–21 Horovitz) 208n244 § 25 zu 6,5 (p. 70, 7–8 Kahana) 237n336 § 25 zu 6,5 (p. 75, 51–54 Kahana) 237, 240n345 § 30 zu 6,11 (p.86, 6–87,8 Kahana) 234, 236n332 § 31 zu 6,12 (p. 88, 4–8 Kahana) 254 § 32 zu 6,13 (p. 38, 25–39,3 Horovitz) 145n34
459 § 35 zu 6,18 (p. 97, 2–3 Kahana) 249n371 § 35 zu 6,18 (p. 98, 10–12 Kahana) 245–248, 289n532 § 35 zu 6,18 (p. 98, 11–12 Kahana) 288 § 153 zu 30,3 (p. 199, 3 Horovitz) 51n32 § 153 zu 30,3 (p. 200, 2–4 Horovitz) 61n63, 344n82 § 153 zu 30,4 (p. 201, 2 Horovitz) 66n75 § 155 zu 30,14 (p. 207, 14–16 Horovitz) 60n59 § 155 zu 30,14 (p. 206, 7–207,16 Horovitz) 60n59 § 156 zu 30,15 (p. 208, 7–8 Horovitz) 54n37 § 160 zu 35,20 (p. 218, 21 Horovitz) 366n44 Sifre Deuteronomium § 265 (p. 286 Finkelstein) 65n74 § 265 (p. 286,2–3 Finkelstein) 128 § 297 (p. 316,5–14 Finkelstein) 184n173 § 328 (p. 379,5 Finkelstein) 345n85 Sifre Zutta 6,5 (p. 241,23–24 Horovitz) 225n296 6,5 (p. 241,24 Horovitz) 208n244 6,11 (p. 243,11–12 Horovitz) 236n332 6,12 (p. 243,14–15 Horovitz) 337n58 6,18 (p. 245,15–19; 246,1–2 Horovitz) 245–248 6,21 (p. 247,4–5 Horovitz) 240n345 19,2–10 (p. 300,1–305,12 Horovitz) 298n573 30,3 (p. 325,13–14 Horovitz) 337n55, 343
460 Sonstige rabbinische Werke ARN A 27 24n121 39 24n121 ARN B 27 24n121 33 24n121 44 24n121 9 Griechisch-römische Schriftsteller Aischines Fals leg 129 268n452
Stellenregister Iph aul 1540–1613 79n22, 117 Iph taur 16–36 79n22, 117 Herodot 1,53 312n616 2,159.182 312n616 6,77 215n265 7,54 312n616 7,140–141 215n265
Aristophanes Ranae 1374 41
Homer Ilias 23,144–152 224 23,135–152 230n308
Athenaeos Deipnosophistae 12,11 312n616
Hyginus Fabulae 271 230
Cicero De natura deorum 3,89 224n295
Julius Pollux Onomasticon 1,36 312n616
Demosthenes Fals leg 318 268n452
Juvenal Saturae 12,81 224
Diodorus Siculus Bibliotheca historica 1,18,3 223
Laktanz Divinae institutiones 6,25,3 320n656
Diogenes Laertius 7,130 112n144 7,134.147 319n654
Lukian De dea syria 55–57 223 60 223n294
Dion Chrysostomos Orationes 28–29 Epiktet Dissertationes 2,9,2 320n655 Euripides Ion 822 312n616
Livius 3,20,3–6 113n151 5,23,3 256n392 Lukian Demonax 65 270n458
461
Stellenregister Lysias Contra Andocidem 51 280 51–53 278 Ovid Epistulae ex Ponto 2,10,40 224n295 Metamorphosae 3,370–510 230 Pausanias Graeciae descriptio 5,24,7 370n56 9,31,7 230 Petronius Satyrikon 44,18 207n241 104–105 224 Pindar Epinikia N. 11,24 41
Plutarch Consolatio ad Apollonium 12,107 e–f 270n458 Lucullus 24,4 312n616 Moralia 768b 312n616 Polybius 6,21,2 113n151 Seneca Epistulae morales 58,30–37 112n144 95,47–48 320n656 115,5 320n656 De tranquillitate animi 14,3 270n458 Theokrit 14,48 193n202
Philostratus 1,8 214n263
Thukydides 1,118 215n265 1,132,3 370n56
Plato Epistolae 7 185n178
Xenophon Memorabilia 4,2,19 199n220
Nomoi 11,915 a–c 313n618
10 Inschriften, Papyri und Ostraka CIG III Add. 3882i 332n33, 333n38
Phaedrus 246c 204 Politeia 508c–509b 185n178 Timaeus 42 d5–c3 196n211 Plinius d. Jüngere Epistulae 9,21 313n618
CIIP I 55 295n556 I 70 220 I 72 220 I 225 295n556 I 274–287 331n27 I 287 331–335 I 359 331n28 I 375 331n28 I 451 332n32 I 460 331n28
462 CIIP (cont.) I 466 331n28, 332n31 I 528 331n28, 332n31 I 564 331n28 I 602 331n28 I 604 331n28 I 605 331n28, 332n31 I 610 331n28 CIJ
VII 2872 313n625, 314n626 VII 3083 314n626 VII 3080–3081 314n626 VII 3301–3406 314n626 IJO
556 333n38 640 333n38 644 118n165 650 333n38 663 119n177 739 119n177 756 119n174 760 332n33 763 332n33 765 333n36 768 332n33 769 332n33 934 118n165 1435 121n189 1436 119n175 1437 118n165, 119n173 1438 118n165, 119n176 1446 119n174 1532 119n175, 121n193, 122 1537–1538 121n189
CIRB 70–71 312 71–73 311n606 73 312 74 312 985 310n606, 312 1021 312 1123 311–315 1124 311–312 1125 310–312 1126 312–313 1127 312 1127–1128 311n606 IG
Stellenregister
III/3 XIII 371n63 V/1 1228 314n626
I Nr. Ach60.–63. 121 I Nr. Ach60.–63.65. 120 I Nr. Ach62. 122 I Nr. Ach63. 122n193, 122 I Nr. Ach65. 121n193 I Nr. Ach66. 120n185, 122–123 I Nr. BS4. 120n185 I Nr. Mac1. 120n185 I Nr. Mac3.–4. 120n183 I Nr. Pan3. 121n189 I Nr. Thr5. 121n189 II Nr. 1–2 121n189 II Nr. 20 119n173 II Nr. 27 119n179 II Nr. 60–61.64.66–67 119n177 II Nr. 60–145 118n172 II Nr. 63 119n180 II Nr. 79–81.83 119n179 II Nr. 86–87 119n179 II Nr. 90–95.98 119n179 II Nr. 108–109 118n166 II Nr. 120.127–128 120n181 II Nr. 129 120n182 II Nr. 132.135 120n184 II Nr. 138 119n173 II Nr. 147 119n179 III Nr. Syr 56. 58–59.61.–68.71. 119n177
Jewish Inscriptions of Graeco-Roman Egypt Nr. 134 119n178 LGS II/1 92,5–6 138n15 LSAM 15,48–49 318n643 LSCG 3,5 318n643 NE
9.3 312–313
463
Stellenregister POxy 48,6 311n612 49,8 311n612 722,6 311n612 1026,6 268n452
Epiphanius Panarion 18,1,1–2 177 18,1,4 177 29,6,1 177
Sabäische Inschriften Ja 575 357n1
Euseb Historia ecclesiastica II 23,4–18 177
Samaritanische Inschriften vom JHWHHeiligtum auf dem Garizim Nr. 147 126 Nr. 148 126 SEG 43.510 312, 314–316 SGDI 1721 313 1738 313n624 1752 313n624 2010 312n614 11 Frühchristliches, altkirchliches und mittelalterliches christliches Schrifttum Ambrosius Cain 1,7,25 1 Barnabasbrief 8,1 298n573 Didache 8,1 101
Preaparatio evangelica 8,6,1–9 104 8,7,1–20 104 8,11,1–18 104 Gregor von Nyssa Orat. Dom. 1 2 2 2 Hirte des Hermas Sim V 2,2–11 313n621 Sim V 2,7–8 312n618 Origenes Commentarius in Canticum Canticorum Prolog 8n32 Commentarius in Matthaeum 11,9 8n32, 336n50 Homiliae in Numeros 24,2 1 Philostratus 1,8 214n263