246 69 4MB
German Pages 477 [479] Year 2013
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament Herausgeber / Editor Jörg Frey (Zürich) Mitherausgeber / Associate Editors Markus Bockmuehl (Oxford) James A. Kelhoffer (Uppsala) Hans-Josef Klauck (Chicago, IL) Tobias Nicklas (Regensburg)
302
Doing Gender – Doing Religion Fallstudien zur Intersektionalität im frühen Judentum, Christentum und Islam herausgegeben von
Ute E. Eisen, Christine Gerber und Angela Standhartinger
Mohr Siebeck
Ute E. Eisen: geboren 1961; Studium der Ev. Theologie; Promotion an der Universität Hamburg; Habilitation an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg; seit 2004 Professorin für Altes Testament und Neues Testament an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Christine Gerber: geboren 1963; Studium der Ev. Theologie; 1996 Promotion an der Ludwig-Maximilians-Universität München; 2005 Habilitation an der Humboldt-Universität zu Berlin; seit 2007 Professorin für Neues Testament am Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Hamburg. Angela Standhartinger: geboren 1964; Studium der Ev. Theologie; Promotion und Habilitation an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt; seit 2000 Professorin für Neues Testament an der Philipps-Universität Marburg.
e-ISBN PDF 978-3-16-152368-7 ISBN 978-3-16-152226-0 ISSN 0512-1604 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio nalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb. de abrufbar. © 2013 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Sys temen. Das Buch wurde von Michael Schlierbach in Neubeuern (schriftbildwort.de) gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Vorwort Der vorliegende Sammelband veröffentlicht die überarbeiteten Beiträge einer Tagung, die unter dem gleichen Titel vom 30. Juni bis 2. Juli 2011 in Rauischholzhausen (Hessen) stattfand. Die Tagung wurde in einem interdisziplinären Kollegium vorbereitet, zu dem neben den Herausgeberinnen auch Prof. Dr. Bärbel Beinhauer-Köhler, Dr. Christiane Krause und Prof. Dr. Silke Petersen gehörten. Für die Herausgeberinnen ist die Publikation ein Anlass für vielfältige Danksagung. Zunächst danken wir den drei Genannten für die großartige Zusammenarbeit. Allen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gilt unser Dank dafür, dass sie sich der Aufgabe gestellt haben, die Frage nach der Intersektionalität für ihr Themenfeld aufzugreifen, und die Tagung durch Vorträge und Diskussion bereichert haben. Dass sie für die Publikation noch einmal Mühe und Zeit aufgewendet haben, ist weiterer Grund zu danken. Dem Verlag Mohr Siebeck und Herrn Kollegen Prof. Dr. Jörg Frey danken wir für die Aufnahme der Publikation in die Erste Reihe der „Wissenschaftlichen Untersuchungen zum Neuen Testament“. Für große Unterstützung beim Lektorat sind wir unseren Wissenschaft lichen Mitarbeiterinnen dankbar, Frau Dr. Ursula Kaiser, Frau Dr. des. Friederike Oertelt (beide Hamburg), Frau Aliyah El Mansy (Marburg), Frau Verena Grunewald und Frau Gunna Lampe-Thielmann (beide Gießen). Schließlich ist Herrn Michael Schlierbach (Rosenheim) Dank zu sagen für die kompetente Erstellung der Druckvorlage und der Register. Möge der Band mit seiner Frage nach dem Wechselspiel von ‚Gender‘ und ‚Religion‘ sowie anderen sozialen Aspekten und den differenzierten Detailstudien die Perspektive auf frühjüdische, frühchristliche und frühislamische Texte und die sich darin widerspiegelnden Weltdeutungen befördern. Gießen, Hamburg und Marburg, im September 2012
Die Herausgeberinnen
Inhaltsverzeichnis Vorwort................................................................................................................ V Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger Doing Gender – Doing Religion. Zur Frage nach der Intersektionalität in den Bibelwissenschaften. Eine Einleitung.................................................................................................... 1
(De)konstruktion und Applikation Ulrike Auga Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens. Intersektionalitätsdebatte, Dekonstruktion, Diskursanalyse und die Kritik antiker Texte............................................................................. 37 Karen L. King Gender Contestation as Political Critique. Four Cases from Ancient Christianity............................................................. 75 Silke Petersen „Jede Häresie ist eine wertlose Frau“ (Epiphanius von Salamis). Zur Konstruktion der Geschlechterdifferenz im Religionsstreit................. 99
Interkulturelle Ehen und Geschlechtermoral im f rühen Judentum, Christentum und Islam Christl M. Maier Der Diskurs um interkulturelle Ehen in Jehud als antikes Beispiel von Intersektionalität.................................................... 129
VIII
Inhaltsverzeichnis
Aliyah El Mansy Interreligiöse Ehen im literarischen Diskurs des 1./2. Jahrhunderts. Plutarch und der Erste Petrusbrief im Vergleich......................................... 155 Bärbel Beinhauer-Köhler „Untreue“ im entstehenden Islam. Eine koranische Norm der Paarbeziehung im Wechselspiel mit der neuen Religion........................................................179 Doris Decker Frauen zwischen Selbst- und Fremdbestimmung. Wandel weiblicher Geschlechterkonstruktionen in religiösen Veränderungsprozessen am Beispiel frühislamischer Überlieferungen... 193
‚Gender‘ in Religionspolitik und Moral Friederike Oertelt Gender, Religion und Politik bei Philo von Alexandria................................................................................ 227 Christiane Krause Patria Potestas – Honour–Shame ? Tote Töchter im Kapitel „De pudicitia“ des Valerius Maximus................. 251 Brigitte Kahl Krieg, Maskulinität und der imperiale Gottvater. Das Augustusforum und die messianische Re-Imagination von „Hagar“ im Galaterbrief......................................................................... 273
Sklavinnen in Zeiten der religiösen Rechtsbildung Catherine Hezser Part Whore, Part Wife. Slave Women in the Palestinian Rabbinic Tradition.................................... 303 Bernadette J. Brooten Enslaved Women in Basil of Caesarea’s Canonical Letters. An Intersectional Analysis............................................................................. 325
Inhaltsverzeichnis
IX
Männerfragen zum Neuen Testament Moisés Mayordomo Jesu Männlichkeit im Markusevangelium. Eine Spurensuche............................................................................................ 359 Shelly Matthews The Weeping Jesus and the Daughters of Jerusalem. Gender and Conquest in Lukan Lament...................................................... 381 Martin Leutzsch Eunuch und Intersektionalität. Ein multiperspektivischer Versuch zu Apg 8,26–40.................................... 405 Stellenregister.................................................................................................. 431 Personenregister.............................................................................................. 451 Sachregister...................................................................................................... 459 Autorinnen und Autoren................................................................................ 467
Doing Gender – Doing Religion Zur Frage nach der Intersektionalität in den Bibelwissenschaften. Eine Einleitung Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger
Die Beiträge dieses Sammelbandes beziehen sich in unterschiedlicher Weise auf die Analyse von „Intersektionalitäten“, so wie sie sich in Texten der Antike und Spätantike ablesen lassen. Im Zentrum steht dabei die Wechselwirkung von ‚Geschlecht‘ und ‚Religion‘ in Zeiten religiöser Umbrüche. Texte des Alten Testaments, Frühjudentums, Neuen Testaments, der ältesten christlichen Gemeinschaften sowie des frühen Islam stellen den Referenzhorizont dar, in dem Interdependenzen von Geschlechterrollenvorstellungen und religiösen Konzepten bedacht werden. Die Grundfrage, die in den Aufsätzen des Sammelbandes an diversen Fallbeispielen Anwendung findet, nimmt einen Diskurs auf, der vor allem unter der Metapher der „Intersektionalität“ (Überkreuzung) in den Sozial-, Politik- und daraufhin auch Geschichtswissenschaften verstärkt seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts geführt wird. Die Titelformulierung „Doing Gender – Doing Religion“ spielt auf den gegenüber essentialistischen Ansätzen kritischen Ausgangspunkt an : Geschlecht „ist“ nicht, sondern wird im Feld „gemacht“. Und analog wird hier auch Religion als dynamisch-sozialer Prozess analysiert. Um diesen zentralen Aspekt des nicht-essentialistischen Verständnisses der Kategorien ‚Gender‘ und ‚Religion‘ abzubilden, setzen wir diese – wie auch alle anderen Kategorien der Intersektionalitätsdebatte – in Abhebung von anderen Begriffen in einfache Anführungszeichen. Aufgabe dieser Einleitung ist es, in die Fragestellung der Intersektionalitätsforschung und deren Aufnahme in diesem Band einzuführen (I.). Ein forschungsgeschichtlicher Überblick zeigt bisherige Applikationen der Fragestellung und deren theoretische Reflexion in der feministischen Theologie und neutestamentlichen Wissenschaft (II.). Aus diesen beiden Abschnitten er gibt sich die Frage, inwiefern ‚Religion‘ in der Antike als Kategorie der intersektionalen Analyse gelten kann (III.). Nach einem Überblick über die Beiträge des Sammelbandes (IV.) schließt ein kurzes Fazit die Einleitung ab (V.).
2
Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger
I. Die Debatte um Intersektionalitäten und ihre Aufnahme in der Erforschung von antiken Texten1 Während die Datierung von Konzepten und Texten der Antike, die im Mittelpunkt dieses Sammelbandes stehen, immer fraglich ist, ist die Geburtsstunde der Metapher „Intersektionalität“ genau zu bestimmen. Die US-amerikanische Rechtswissenschaftlerin Kimberlé Crenshaw prägte sie 1989, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Theorien und Politiken, die gesellschaftliche Ungleichbehandlung kritisieren, zu einseitig nur eine Diskriminierungsform beachten. Konkret wies sie darauf hin, dass die Situation von „women of color“ weder in der Sexismus- noch der Rassismuskritik wirklich wahrgenommen wird.2 Mit der zunächst auf das Bild einer Straßenkreuzung bezogenen Metapher „Intersektionalität“ fand Crenshaw einen seither vielfach rezipierten Begriff für eine Problemstellung, die schon mehr als zehn Jahre zuvor in der Schwarzen Frauenbewegung aufgeworfen wurde.3 „Herkunftsort“ des Intersektionalitätsdiskurses ist also die feministische Kritik an der Marginalisierung und Benachteiligung von Menschengruppen wie auch ihren Erfahrungen an der mehrfachen Diskriminierung aufgrund von ‚Rasse‘, ‚Klasse‘ und ‚Geschlecht‘. Die Metapher „Intersektionalität“ und die mit ihr benannte Problemstellung wurden in den folgenden Jahren vielfältig aufgegriffen. Denn der Diskussionsbedarf lag und liegt auf der Hand, und dass die Mehrfachdiskrimi1 Die Literatur zur Fragestellung ist immens. Da es hier nicht Anliegen ist, die Diskussion abzubilden, sind die Literaturhinweise auf wenige Titel beschränkt. Einen guten Einblick gibt Gabriele Winker / Nina Degele (Hg.), Intersektionalität. Vgl. weiter die Sammelbände von Helma Lutz u.a. (Hg.), Fokus Intersektionalität ; Cornelia Klinger u.a. (Hg.), Achsen der Ungleichheit : Zum Verhältnis von Klasse, Geschlecht und Ethnizität ; Sabine Hess u.a. (Hg.), Intersektionalität revisited. Instruktive Einführungen in die Geschichte der Diskussion geben Katharina Walgenbach, Gender als interdependente Kategorie, 23– 64 ; Gudrun-Axeli Knapp, „Intersectionality“, 68–81 sowie Leslie MacCall, Complexity of Intersectionality, 1771–1800. 2 Ihr Initiativaufsatz erschien 1989 unter dem Titel : Demarginalizing the Intersection of Race and Sex : A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory, and Antiracist Politics. Crenshaw bezog sich konkret auf die juristisch unterkomplexe Behandlung sozialer Ungerechtigkeiten in der Entlohnung farbiger Frauen ; vgl. weiter dies., Mapping the Margins, 1241–1299, als Analyse von Gewalterfahrungen von „women of color“ unter intersektionaler Perspektive. 3 So formuliert das aus Schwarzen feministischen lesbisch lebenden Frauen bestehende Autorinnenkollektiv im Combahee River Collective Statement bereits 1977: „The major source of difficulty in our political work is that we are not just trying to fight oppression on one front or even two, but instead to address a whole range of oppressions. We do not have racial, sexual, heterosexual, or class privilege to rely upon, nor do we have even the minimal access to resources and power that groups who possess anyone of these types of privilege have.“ http ://historyisaweapon.com/defcon1/combrivercoll.html (17. August 2012).
Einleitung
3
nierung von Frauen theoretisch ausgeblendet wird, war bereits oft moniert worden, namentlich im Black Feminism. Insbesondere in der Zweiten Frauenbewegung wurde offen gelegt, dass man einen großen Teil von Frauen erneut marginalisiert, wenn die Frage nach Selbstbestimmung und dem Zugang zu Macht und Ressourcen die Differenzen unter den Menschen, die als weiblich subsumiert werden, nicht wahrnimmt.4 Dieser Diskurs vernetzte sich nun mit weiteren wie der Rassismus- oder Sozialkritik, um Wechselwirkungen auch theoretisch zu analysieren. „Statt die Wirkungen von zwei, drei oder mehr Unterdrückungen lediglich zu addieren (was schon schwer genug ist), betonen die Protagonistinnen des Konzepts (sc. der Intersektionalitätsanalyse), dass die Kategorien in verwobener Weise auftreten und sich wechselseitig verstärken, abschwächen oder auch verändern können […]. Ziel ist dabei die umfassende theoretische und vor allem empirische Analyse, welche Bedeutungen verschiedene Differenzkategorien bei Phänomenen und Prozessen unterschiedlicher Art haben.“5 So wurde prägnant auf den Begriff gebracht, was dringend der Analyse bedurfte, und nun in den USA, bald auch in anderen Erdteilen, diskutiert wurde. Man kann die heutige Diskussion über „diversity management“, die inzwischen auch in der Personalpolitik von Großkonzernen geführt wird, als späte, zahnlose Mutation verstehen.6 Freilich gibt es jenseits der allgemein geteilten Überzeugung, dass verschiedene Formen der Unterdrückung in Gesellschaften zusammenwirken und es daher nicht sachgerecht ist, sich theoretisch nur auf einen Aspekt zu konzentrieren oder Unterdrückungsformen nur additiv zu betrachten, keinen Konsens darüber, wonach auf welche Weise zu fragen ist. Die Diskussion zeigt, dass der Schritt von der Analyse der „Mikroebene“ zur „Makroebene“ nicht leicht ist.7 Während auf der „Mikroebene“, in den Prozessen individueller Identitätsbildung, soziale Differenzen situativ hervorgebracht und zugleich auch verändert werden, beruht die soziale Konstruktion von Identität auf der Zugehörigkeit oder Abweichung zu den jeweiligen Kategorisierungen. Mag es augenfällig sein, dass etwa das Leben einer „schwarzen“ Frau der „Unterschicht“ aus der Bronx anders bestimmt ist als das einer „weißen“ Akademikerin aus Marburg oder Cambridge, so stellt sich 4
Zu „Stimulatoren und Genealogien der Interdependenzdebatte“ vgl. Walgenbach, Gender als interdependente Kategorie, 25ff, hier 25 ; vgl. weiter Kathy Davis, Intersektionalität als „Buzzword“, in : Lutz u.a. (Hg.), Fokus Intersektionalität, 55–68, zu wissenschaftstheoretischen Erklärungen der Erfolgsgeschichte des Paradigmas „Intersektionalität“. Die Frage wurde gerade aufgrund der Offenheit und Diffusität der Theorie so lebhaft aufgenommen. 5 Winker / Degele, Intersektionalität, 10f. 6 Vgl. Knapp, „Intersectionality“. 7 Vgl. zu dieser Differenzierung als Ansatz, die unübersichtliche Diskussion zu strukturieren, Klinger, Über-kreuzende Identitäten, in : Dies. u.a. (Hg.), Über-Kreuzungen, 38–67.
4
Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger
die Frage, mit welchen theoretischen Prämissen und Instrumenten die „Intersektionalität“ zu analysieren ist. Wie bereits dargelegt, erwuchs die Intersektionalitätsdebatte aus politischen und sozialwissenschaftlichen Diskursen und ist somit auf gegenwärtige Gesellschaften ausgerichtet. Im Zentrum des vorliegenden Sammelbandes stehen hingegen „Fallstudien“ zu religiösen Texten aus Antike und Spätantike, bearbeitet vornehmlich aus theologischer und religionswissenschaftlicher Perspektive. So muss zunächst gefragt werden, ob und wie die Frage nach Intersektionalität als Methode der historischen Aufklärung und Analyse geeignet ist. Zu dieser Frage und insbesondere der Frage nach dem heuristischen Mehrwert des Intersektionalitätsdiskurses in der historischen, religionswissenschaftlichen und theologischen Forschung will dieser Sammelband einen Beitrag leisten. Die Komplexität der Diskussion und die Vielfalt von Lösungsvorschlägen dafür, wie eine Analyse des als „Intersektionalität“ nur vordergründig auf den Begriff Gebrachten vorzugehen hat, kann hier nicht dargestellt werden. Es sei aber in vier Fragen von wachsendem Abstraktionsgrad angedeutet, was zu bedenken ist. 1. Die Frage nach den einzelnen Kategorien Aufgrund ihrer Herkunft aus den zentralen Antidiskriminierungsdiskursen wurden die Kategorien „gender, class und race“ zum „klassischen Tripel“. Aber es stellt sich die Frage, ob diese Trias tatsächlich hinreicht, um die in einer spezifischen Gesellschaft intersektional verwobenen Unterdrückungsstrukturen zu analysieren. Werden damit nicht andere Unterdrückungsmechanismen ausgeblendet ? Die Frage ist auch von ethischer Relevanz, weil die Ignoranz gegenüber einer Unterdrückungsform als ihrerseits diskriminierend verstanden werden kann. So wird immer wieder gefordert, ‚Körper‘, ‚Alter‘, ,sexuelle Orientierung‘ etc. einzubeziehen. Damit stellt sich aber auch die Frage, ob die „Kategorien“ eigentlich analog zu erfassen sind. Prägt das nach unserer Kultur als feststehend geltende ‚Geschlecht‘ wirklich auf gleiche Weise die Identität wie der ‚Status‘, der nach den Idealen gesellschaftlicher Durchlässigkeit eher verändert werden kann ?8 Und wie verhält sich dies in Gesellschaften, die sich durch Raum und Zeit von der unseren unterscheiden ? Auch „gender, class and race“ sind natürlich keine „natürlichen“ Kategorien, und sie verändern bereits auf ihrer „transatlantischen Reise“ ihr Gesicht, wie schon die geschichtsbedingte Vermeidung des Begriffs ‚Rasse‘ im Deutschen signalisiert.9 Insofern die Kate8 Vgl. Barbara Rendtorff, Warum Geschlecht doch etwas „Besonderes“ ist, in : Klinger u.a. (Hg.), Über-kreuzungen, 68–86. 9 Vgl. genauer Knapp, „Intersectionality“, 68. Zum Problem der Rede von ‚Rasse‘ vgl. auch Winker / Degele, Intersektionalität, 15–18 sowie unten II.1.
Einleitung
5
gorien zunächst historisch die Folgen des modernen Nationalismus und der Industrialisierung reflektieren,10 verwendet die Analyse antiker Texte diese Begriffe ohnehin nur äquivok. 2. Die Frage nach dem Status der Kategorien Kategorien wie ‚Klasse‘, ‚Rasse‘ und ‚Geschlecht‘ entstammen also einem historischen Ort, einer spezifischen Gesellschaftsstruktur. Dies ist beim Begriff ‚Klasse‘ augenfällig, der in der heute gebrauchten Form der industrialisierten Gesellschaft entstammt. Wie sich dieser Begriff auf andere Epochen übertragen lässt, wäre erst zu fragen. Es wäre freilich eine grobe Vereinfachung, die „Kategorien“ nur in ihrer geschichtlichen Gewordenheit zu kontextualisieren. Poststrukturalismus und Dekonstruktion haben die Selbstreflexion perpetuiert, indem sie aufzeigten, dass Strukturkategorien wie ‚Rasse‘ / ‚Ethnie‘, ‚Klasse‘ / ‚Status‘ oder ‚Geschlecht‘ / ‚Körper‘ / ‚Sexualität‘ keineswegs essentielle Gegebenheiten sind. Sie werden in performativen und diskursiven Interaktionen (re)produziert. Die titelgebende Formulierung „Doing Gender – Doing Religion“ nimmt Bezug auf diesen konstruktivistischen Ansatz : Das ‚Geschlechtliche‘ wird nicht als Essenz verstanden, sondern die Klassifizierung von Menschen in weiblich und männlich als Produkt „performativer Handlungen“11. D.h. „geschlechtliche Identität und Rolle wird […] durch ein situationsgerechtes Verhalten und Handeln erworben und ausgeübt – und zwar nicht ein für alle Mal, sondern sie wird in jeder Situation, in der Menschen zum Handeln gezwungen sind, aufs Neue aktualisiert.“12 Als Muttertheorien der Intersektionalitätsanalyse haben die Genderdiskurse diese Perspektive eingebracht und für die Fragen nach rassischer Diskriminierung oder sozialer Stratifikation fruchtbar gemacht. Allerdings fragt der „Doing Gender“-Ansatz, wie sich konkrete Individuen in sozialen Interaktionen und Prozessen vergeschlechtlichen. Auf der Ebene von Interviews kann mit den Methoden der Intersektionalitätsanalyse (re)konstruiert werden, wie sich Prozesse sozialer Identitätsbildung vollziehen. Die besondere Schwierigkeit historischen Forschens in älteren Epochen besteht darin, dass sich nicht beobachten lässt, wie Individuen als je bestimmtes Geschlecht situativ handeln. Vielmehr kann (nur) untersucht werden, wie ‚Geschlechter‘ in Texten und gegebenenfalls auch archäologischen Zeugnissen konstruiert werden. Die der eingespielten Rede vom „Doing Gender“ nachgebildete Formulierung „Doing Religion“ soll andeuten, dass auch die 10 Vgl. Klinger, Über-kreuzende
Identitäten, 50–55. Claudia Opitz-Belekahal, Geschlechtergeschichte, 27, mit Verweis auf die Ethnologen Candace West und Don Zimmerman. 12 Ebd. 11
6
Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger
Ausdifferenzierung und Wesensbestimmungen im Feld des Religiösen nichtessentialistisch aufgefasst werden sollten, wenn auch hier die performative Herstellung von Identitäten anders verläuft (s.u. III.). 3. Die Frage nach der angemessenen Fragestellung Wenn folglich die Frage gestellt wird, wie Differenzen in je konkreten antiken Gesellschaften erzeugt und zum Ausdruck gebracht wurden, so betrifft der kritische Impetus des Dekonstruktivismus doch auch die Fragestellenden selbst : Nicht nur der Gegenstand, sondern auch die Kategorien, mit denen der Gegenstand betrachtet wird, sind keine objektiven Gegebenheiten, sondern werden diskursiv erzeugt. Soll die Diskurstheorie nicht nur als ethischer Impuls der perpetuierten Selbstrelativierung aufgegriffen werden, so stellt ihre Berücksichtigung für die Intersektionalitätsanalyse antiker Texte und Artefakte eine besondere Herausforderung dar. Wie wird diese erkenntniskritische Einsicht in den intersektionalen Analysen angemessen berücksichtigt ? Crenshaws Metapher der „intersections“ war geeignet, dem „elephant in the room“13 endlich die nötige Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen. Aber ist sie in der Lage, den Blick für die komplexe Vernetzung von Gegenstand und erkennendem Subjekt zu öffnen ? Das Bild von „Kreuzungen“ erweckt die Vorstellung, dass sich verschiedene Kategorien wie Straßen oder Geraden im Raum an einer Stelle kreuzen, aber sonst getrennt existieren.14 Es erfasst das Zusammenwirken von ‚Geschlecht‘ und ethnischer Zugehörigkeit oder sozialem Status nur punktuell. Das kann zwar den politischen Impuls freisetzen, wie im Falle der geringeren Entlohnung Schwarzer Frauen, wird aber der Interaktion verschiedener Identitätspolitiken nicht gerecht. Auf der „Makroebene“ der Gesellschaftsanalyse wird nicht kommunizierbar, dass die betrachteten Kategorien sich stets gegenseitig beeinflussen. Andere Metaphern werden ins Spiel gebracht, um den Blick zu schärfen. Bilder wie das gleichfalls geometrische von den „Achsen der Ungleichheit“15 oder die auch von Crenshaw verwendete kartographische Vorstellung vom „mapping the margins“16 machen Aspekte sichtbar, verdunkeln aber andere. Die Rede von „Wechselwirkungen“ oder „Interdependenzen“ mag geeigneter sein, um zu verdeutlichen, dass keine der jeweils herangezogenen „Kategorien“ als unbewegt angesehen werden sollte. Aber auch in dieser Formulierung wird die Beteiligung des fragenden Subjekts an der Generierung der Differenzen nicht sichtbar. Walgenbach etwa schlägt deshalb die 13 Vgl. Mayordomo
unten im Sammelband zu dieser Metapher. als interdependente Kategorie, 49. 15 Vgl. den gleichnamigen Aufsatz von Klinger und Knapp, in : Dies. u.a. (Hg.), Achsen der Ungleichheit, 19–41. 16 Vgl. Crenshaw, Mapping the Margins. 14 Vgl. Walgenbach, Gender
Einleitung
7
Formel von den „interdependenten Kategorien“ vor,17 um die latent noch vorhandene Vorstellung genuiner Kerne zu unterlaufen. Die im Anschluss an die Rede vom „Doing Gender“ geprägte Formulierung „Doing Difference“ rückt hingegen die Hervorbringung der Kategorien selbst in den Mittelpunkt,18 muss sich aber dem Vorwurf stellen, Ungleichheiten nur als Problem der Herstellung anzusehen und damit deren Wurzeln in sozialen Strukturen zu übergehen.19 Winker und Degele schlagen daher die Methode der „intersektionalen Mehrebenenanalyse“20 vor : Es geht nicht nur um Wechselwirkungen im Bereich der gesellschaftlichen Praxis, sondern die „Ebenen“ der sozialen Praxen, der symbolischen Repräsentation und der Identitätskonstruktion selbst interagieren bei der Herstellung der Ungleichheiten. Das Problem der angemessenen Bezeichnung spiegelt letztlich nur die Grenzen der Möglichkeit, das gelebte Leben, Gesellschaftsstrukturen und die kollektive Herstellung von Differenzstrukturen in ihrer Komplexität zu erfassen, und überdies eingedenk zu sein, dass das jeweilige Konzept die Wahrnehmung des Gegenstandes bestimmt. Ulrike Auga weist in diesem Sammelband mit der Rede von „epistemischer Gewalt“ auf die problematischen Folgen der Operationalisierung von Kategorien hin. Sie plädiert deshalb unter Aufnahme des Queer-Diskurses dafür, die Frage der Intersektionalität als eine Kritik der Wissenssysteme mit dem Mittel der „Disidentifizierung“ aufzunehmen, um Essentialisierungen zu überwinden. Ist „epistemische Gewalt“ zu vermeiden, ohne sprachlos zu werden ? Während „Doing Intersectionality“ als Programmatik plausibel und – wie dieser Sammelband zeigen möchte – heuristisch produktiv ist, bleibt die Praxis der Analyse auf die selbstkritische Reflexion angewiesen. 4. Die Frage nach der Frage nach Religion Die diesem Band versammelten Fachwissenschaften stellen sich besonders der Aufgabe, ‚Religion‘ als eine Kategorie intersektionaler Analyse in den Blick zu nehmen. Der Begriff Religion sei hier zunächst pragmatisch als Arbeitsbegriff herangezogen ; seine Bedeutung in der Antike und insbesondere die Verhältnisbestimmung zur Kategorie des ‚Ethnos‘ ist eigens zu diskutieren (s.u. III.). In den sozialwissenschaftlichen Intersektionalitätsanalysen wird Religion selten thematisiert. Das erklärt sich zunächst aus dem Untersuchungsinteresse an (post-)modernen, als säkularisiert geltenden Gesellschaften. 17 Vgl. Walgenbach, Gender
als interdependente Kategorie. Sarah Fenstermaker / Candace West (ed.), Doing Gender, und insgesamt West / Fenstermaker, Doing Difference, 357–384. 19 Vgl. Walgenbach, Gender als interdependente Kategorie, 49–52. 20 Winker / Degele, Intersektionalität. 18 Vgl.
8
Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger
Nach den verheerenden Religionskriegen der frühen Neuzeit in Europa und der Aufklärung wird Religion nicht mehr als Funktion einer Gesellschaft, sondern als Privatsache verstanden, die sich als persönliche (Glaubens-)Überzeugung äußert oder eben nicht. Somit scheint Religion keine gesellschaftliche Bedeutung zu haben. Wenn religiöse Zugehörigkeit in Intersektionalitätsanalysen doch als Aspekt der Differenzierung und Diskriminierung einbezogen wird, dann wird sie überdies unterschiedlich verortet. Winker und Degele ordnen ‚Religion‘ der Strukturkategorie ‚Rasse‘ zu, da sie als naturhaft geltende Differenzen symbolisiere, die zur Kennzeichnung von Gruppen herangezogen werden.21 Lutz und Wenning berücksichtigen ‚Religion‘ in ihren 13 hierarchischen Differenzlinien zunächst gar nicht, ordnen sie dann aber neben Sprachkenntnissen dem Kulturbegriff zu, und zwar in den Oppositionen gläubig – nicht gläubig, zugehörig – nicht zugehörig.22 Dies signalisiert einen weiteren Grund für die bisher kaum erfolgte Thematisierung von Religion in der Intersektionalitätsdebatte : Der Parameter religiöser Identität steht quer zu den Kategorisierungen, die von asymmetrischen Dualen ausgehen,23 denn es geht in religiösen Kontexten kaum um nur binäre Differenzierungen. Und die Bewertung der Alternativen – wer ist on top ? – ist in diesem Fall nicht global ausgehandelt, sondern gerade ein Streitpunkt : Welche religiöse Weltdeutung die „wahre“ ist, beurteilt jedes Subsystem anders,24 und innerhalb der Subsysteme setzt sich dieser Streit um „Wahrheit“ fort. In den religiösen Umbruchsprozessen sogenannter monotheistischer Religionen, welche die hier versammelten Beiträge betrachten, wird der Streit um Wahrheit heftig geführt. So sind auch in diesen oft apologetischen Religionsdiskursen Abgrenzungen und Differenzsetzungen üblich, werden die eigene Praxis und der eigene Glaube als Wahrheit symbolisch essentialisiert. Insofern kann die Analogisierung etwa von ‚Gender‘- oder ‚Rasse‘-Diskursen und Religionsdiskursen den Blick für die Herstellung von Differenz und Hierarchien in letzteren schärfen. Im Sinne der These permanenter Wechselbeziehungen von Diskursen sind auch im vorliegenden Sammelband die Aspekte von ‚Gender‘ und ‚Religion‘ stets unter Einbeziehung weiterer Kategorien diskutiert. So wird die Verwobenheit der Dimensionen etwa besonders deutlich in der Frage, wie Sklavinnen aufgefasst werden : Primär nach ‚Status‘, ‚Geschlecht‘ oder
21 Vgl. Winker
/ Degele, Intersektionalität, 47–49, 55. Helma Lutz / Norbert Wenning, Differenzen über Differenz, 11–24, hier 20. 23 Vgl. die Liste von 13 „bipolaren Differenzlinien“ , ebd. 24 Vgl. Leutzsch unten in diesem Sammelband. 22
Einleitung
9
als „Mensch vor Gott“ entsprechend der jeweiligen theologischen Anthropologie ?25 Hier wie in anderen Fällen legt der Blick auf die Wechselwirkungen offen, dass Weiblichkeitskonstrukte nicht konsistent sind. In analoger Weise werden im Übrigen auch Männlichkeitsdiskurse einbezogen.26 Die Analyse von Wertungen, ihrer inneren Kohärenz, Legitimierung und Funktionalisierung ist erhellend für die Logiken religiöser Artikulation wie für die Genderdiskurse. Anderseits können – auch gleichzeitig – Geschlechterrollenvorstellungen strategisch eingebracht werden zur religiösen Selbstvergewisserung bzw., zur Verteidigung des eigenen Glaubens und zur Kritik anderer Religionssysteme.27 Hier ist von besonderem Interesse, welche Art der Geschlechterdifferenzierung der Apologie dient, und wiederum, wie sich, soweit erkennbar, diese Legitimationsstrategien zum gelebten Leben und sonstigen Symbolpolitiken verhalten. Wechselseitige Beeinflussungen dieser Diskurse zeigen sich insbesondere in den in diesem Sammelband untersuchten Phasen im Übergang von der Antike zur Spätantike, und diese eignen sich daher besonders für die „Feldforschung“.
II. Zur Frage nach Intersektionalität in der feministisch-theologischen Diskussion Auch in der feministisch-theologischen Diskussion wurde das Triple „gender, race, and class“ zur Analyse aufgenommen, weiter differenziert und methodologisch reflektiert. Der folgende Überblick möchte Meilensteine der Erforschung solcher interdependenter Kategorisierungen rekonstruieren. Zunächst werden die Anfänge der Diskussion in der feministischen Theologie im deutschsprachigen Raum dargestellt. Anschließend wird umrissen, was unter Aufnahme der Intersektionalitätsanalyse in der exegetischen Debatte zum Neuen Testament methodisch wie inhaltlich erarbeitet wurde. Der forschungsgeschichtliche Überblick zeigt, dass Interdependenzen von Unterdrückungsstrukturen bereits seit Ende der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts wahrgenommen und diskutiert wurden, und zwar vor allem, weil dies von denen, die sich von Marginalisierungen auch der feministischen Diskurse besonders betroffen sahen, eingefordert wurde.
25 Vgl. Hezser
und Brooten unten in diesem Band. und Matthews unten in diesem Band. 27 Vgl. Petersen unten in diesem Band. 26 Vgl. Mayordomo, Leutzsch
10
Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger
1. Anfänge der Erforschung von interdependenten Unterdrückungs strukturen in der deutschsprachigen feministischen Theologie und Exegese Impulse, die Verquickungen verschiedenster Unterdrückungsstrukturen wahrzunehmen, kamen vor allem aus den USA. Anstoß war im deutschsprachigen Raum die Debatte um Antijudaismus in feministischer Theologie. Sie begann mit der Analyse der US-amerikanischen jüdischen Theologin Judith Plaskow Ende der 70er Jahre. In ihrem Beitrag Blaming the Jews for the Birth of Patriarchy28 kritisierte sie, dass aufgrund wissenschaftlich unredlicher Quellenbenutzung in feministischer Theologie die Idee entstehen konnte, dass dem vermeintlich „zornigen Gott“ des Alten Testaments der „Göttinnenmord“ anzulasten sei. Diesem Gott werde in Aufnahme eines christlich-antijüdischen Stereotyps Jesus Christus als die alles überbietende Liebe gegenübergestellt. Zugleich werde Jesus als „Feminist“ deklariert und ahistorisch als leuchtendes Gegenbild zu einem finster gezeichneten jüdisch-rabbinischen Patriarchat konstruiert.29 Plaskows Kritik setzte Mitte der 80er Jahre den Impuls zum christlich-jüdischen Gespräch innerhalb der deutschsprachigen feministischen Theologie, das bis in die Gegenwart intensiv gepflegt wird.30 Zunächst nur vereinzelt, seit ca. zehn Jahren aber verstärkt, wird auch ein Dialog von christlichen und islamischen Feministinnen geführt.31 Ende der 70er Jahre entwickelte sich in Europa die sog. materialistische Exegese, die nach den konkreten Lebensbedingungen der Menschen des 1. Jahrhunderts fragte, um die Bibel einem idealistischen Missverstehen zu entheben, indem Arme und Unterdrückte ins Zentrum gerückt wurden.32 In dem für die bundesrepublikanische Debatte initialen Sammelband Der 28 Vgl. Judith
Plaskow, Blaming the Jews, 250–254.
29 Vgl. Plaskow, Feministischer Antijudaismus, 9–25. 30
Impulse für die deutschsprachige Auseinandersetzung setzte eine Werkstatt feministischer Theologie im November 1986 in Arnoldshain sowie die Diskussion in der Zeitschrift Schlangenbrut 5 (1987) 16. Einen Überblick über die Diskussion gibt Leonore Siegele-Wenschkewitz (Hg.), Verdrängte Vergangenheit, die uns bedrängt. Vgl. auch Eveline Valtink, Feministisch-christliche Identität und Antijudaismus, 1–28. 31 In der Schlangenbrut 12 (1986) erschien zwar ein Literaturbericht : „Wir sind Fremde. Türkinnen in der BRD“, feministische Impulse aus dem Islam wurden zunächst jedoch nur vereinzelt rezipiert. Vgl. aber Rosie Abul-Fadl, Die Frau in Religion und Gesellschaft nach dem Koran und der islamischen Tradition, 155–172. Mit dem Heft der Zeitschrift Schlangenbrut 77 (2002) sowie verschiedenen Beiträgen bei den ESWTR-Konferenzen hat sich das Thema aber inzwischen etabliert. Vgl. z.B. Saʿdiyya Shaikh, Islam, Feminisms and the Politics of Representation, 93–110 ; Haifaa Jawad, An Islamic Response to the Conference „Holy Texts : Authority and Language“, 129–132. Vgl. auch Annette Esser u.a. (Hg.), Feministische Zugänge zum interreligiösen Dialog. 32 Zur Geschichte der materialistischen Exegese einschließlich feministischer Kritik vgl. Brigitte Kahl, Toward a Materialist-Feminist Reading. Vgl. auch Kuno Füssel, Materialistische Lektüre der Bibel.
Einleitung
11
Gott der kleinen Leute wirft Dorothee Sölle bereits 1979 die Frage nach Herrschaftsdiskursen auf. „In einem sterblichen Leib wohnen, richtiger Leib-sein, bedeutet, abhängig zu sein. […] Abhängig sind wir nicht nur von der Biologie, sondern abhängig von den jeweils Herrschenden, von ihrer Kultur, ihren Ideen und Gesetzen. Meine Unfähigkeit mich als Frau anzunehmen [...] zeigt mir, wie beherrscht, wie gebunden, wie unfrei ich bin.“33
„Materialistisch“ zu fragen bedeutet für sie nicht nur, die sozio-ökonomischen Bedingungen und Machtverhältnisse einzubeziehen, sondern in diesem Kontext auch die eigene Körperlichkeit und das Geschlecht. Damit setzt sie mindestens implizit den Impuls für die Erforschung von Überkreuzungen und Vernetzungen verschiedener Unterdrückungsstrukturen. Luise Schottroff hat diesen Faden seit 1980 in vielen Untersuchungen zu Frauen in der Jesusbewegung, in den paulinischen Gemeinden und durch Patriarchatsanalysen aufgenommen und weitergesponnen.34 In dem von ihr entwickelten Ansatz einer feministischen Befreiungshermeneutik werden die Unterdrückungserfahrungen der Marginalisierten des römischen Imperiums für die Erfahrungen der Gegenwart fruchtbar gemacht. Zugleich wird die Verschleierung der Option für die Armen in der Auslegungsgeschichte sowie die Geschichte des christlichen Antijudaismus kritisiert.35 Mit der systematischen Analyse von Geschlechterhierarchien, ökonomischen Ausbeutungsverhältnissen und religiösen Vorurteilsstrukturen entwickelt Schottroff bereits in dieser Phase Ansätze eines intersektionalen Analysemodells. Anders als Schottroff knüpft Brigitte Kahl stärker an Fernando Belos strukturalistischen Impuls an. Sie interpretiert Lk 1 als ein Armenevangelium, das die umfassende egalitäre Neu-Ordnung der Geschlechter-, Ökonomie- und Machtverhältnisse verkündet. Dieses werde zwar vom Lukasevangelium mit Blick auf die römischen Väter im Verlauf der Erzählung zurückgedrängt, aber immerhin dokumentiert. Es gelte daher, das Lukasevangelium gegen das Lukasevangelium zu lesen.36 Einflussreich für die deutsche Bibelwissenschaft waren die Arbeiten der 1970 aus Deutschland in die USA ausgewanderten römisch-katholischen Theologin Elisabeth Schüssler Fiorenza. In ihrer feministischen Befreiungs33 Dorothee Sölle, Der Mensch zwischen Geist und Materie, 16–36, hier 32 (kursiv im Original). Ein Jahr später erschienen zwei weitere von Willy Schottroff und Wolfgang Stegemann herausgegebenen Bände zur materialistischen und sozialgeschichtlichen Auslegung unter dem Titel : Traditionen der Befreiung, Bd. 1: Methodische Zugänge und Bd. 2: Frauen in der Bibel. 34 Vgl. Luise Schottroff, Frauen in der Nachfolge Jesu, in : Schottroff / Stegemann, Traditionen der Befreiung, Bd. II, 91–133 ; dies., Maria Magdalena und die Frauen am Grabe Jesu, 3–25. Diese und weitere Beiträge sind in dem Sammelband Schottroff, Befreiungserfahrungen, zusammengestellt. 35 Vgl. Schottroff, Lydias ungeduldige Schwestern. 36 Brigitte Kahl, Armenevangelium und Heidenevangelium.
12
Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger
hermeneutik prägt sie den Neologismus „Kyriarchat“, der Herrschaftsstrukturen komplexer erfasst als die eingespielte Rede vom Patriarchat, nämlich als Begriff, der „Herrschaft des Kaisers/Herren/Meisters/Vater/Mannes über seine Untergebenen ausdrückt.“37 Damit möchte Schüssler Fiorenza darauf aufmerksam machen, dass Ausbeutung und Unterdrückung keineswegs allein entlang der Geschlechtergrenzen verlaufen muss und das Konzept „Patriarchat“ Gefahr läuft, unterdrückte Männer und unterdrückende Frauen zu übersehen. Als heuristisches Konzept kann die Kyriarchatsanalyse dazu dienen, die in antiken Texten diskursiv eingeschriebenen Machtverhältnisse und gesellschaftlichen Stratifikationen und ihre ideologischen Reproduktionen in der Auslegungsgeschichte aufzudecken. In ihren neuesten Arbeiten verweist Schüssler Fiorenza explizit auf den Zusammenhang zwischen Kyriarchatsanalyse und Intersektionalität : „A kyriarchal status model of social analysis is able to examine the institutionalized structures and value patterns of domination for their effects on the relative status of social actors in a given society, even if these are inscribed in literary texts. If such status inscriptions constitute persons as peers, capable of participating on a par with each other, then we can speak of status equality or grassroots democracy ; if they do not do so, then we speak of domination.“38
Die Überkreuzung von Rassismus und Sexismus wurde seit den 80ern in der Womanistischen Theologie thematisiert. Das Adjektiv womanist wurde von Alice Walker geprägt, um die Perspektive und Erfahrungen von Schwarzen Frauen zu beschreiben.39 Dabei spielte die Auseinandersetzung mit der Bibel als Unterdrückungsinstrument wie als Quelle befreiender Erfahrung eine zentrale Rolle.40 In Deutschland begann die kritische Aufarbeitung von Rassismus vergleichsweise spät, was wohl auch daran lag, dass der Begriff der ‚Rasse‘ nach Shoah und rassistisch motivierter Ermordung von angeblich „nicht-arischen“, behinderten, homosexuellen und Schwarzen Menschen im Nationalsozialismus nach 1945 verständlicherweise zunächst nur noch mit höchster Vorsicht gebraucht wurde. Die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts dokumentiert damit zugleich, dass und wie die Katego37 Elisabeth Schüssler Fiorenza, Jesus – Miriams Kind, Sophias Prophet, 34 ; vgl. auch dies., But She Said, 7–9. 38 Schüssler Fiorenza, Introduction : Exploring the Intersections of Race, Gender, Status, and Ethnicity in Early Christian Studies, in : Nasrallah / dies. (ed.), Prejudice and Christian Beginnings, 1–23, hier 16f. sowie ihre ausführliche Begründung und weitere Differenzierung der Metapher Kyriarchat, ebd., 9–15. 39 Vgl. Alice Walker, In Search of Our Mothers’ Gardens. 40 Vgl. Delores S. Williams, Sisters in the Wilderness. Die einflussreiche Anthologie von Cain H. Felder (ed.), Stony the Road We Trod, enthält weitere Reflexionen der Interdependenz von Geschlecht und Rassismus ; vgl. auch Renita J. Weems, Reading Her Way through the Struggle, in : ebd., 57–77, und Clarice J. Martin, The Haustafeln (Household Codes) in African American Biblical Interpretation, in : ebd., 206–231.
Einleitung
13
rien ‚Rasse‘, ‚Gesundheit‘ und ‚Sexualität‘ als politische Instrumente sogar zur Begründung der Ermordung von Millionen Menschen benutzt werden konnten und können. Eine Ausweitung der Aufarbeitung von Rassismus erfolgte in der deutschsprachigen Diskussion erst 1998 durch das Schlangenbrutheft Stimmen Schwarzer Frauen41. Als Antwort auf die Womanistische Theologie von Dolores Williams entwirft Eske Wollrad ihre feministische Theologie als kritische Reflexion des „Weißseins“.42 Dabei macht sie auf die Verwobenheit der Kategorien „race, class, gender“ aufmerksam und hält das Postulat eines Genderverständnisses, das ‚Rasse‘ und ‚Klasse‘ nicht in den Blick nimmt, für ein Privileg weißer Mittelschichtfeministinnen :43 „[D]ie Übernahme des Paradigmas ‚Rasse‘ / Geschlecht / Klasse bewirkt, dass sich weiße feministische Theologinnen aus fixierten Positionen von Eigenem und Fremdem herausbewegen. Wenden sie das Paradigma konsequent auf sich selbst an, gelten ‚Rasse‘ und ‚Klasse‘ nicht mehr als das Andere, das Schwarze Frauen zusätzlich haben, sondern als Bestandteile der eigenen Identität und Theologie.“44
Als vierte Strukturkategorie neben ‚Rasse‘, ‚Klasse‘ und ‚Gender‘ wurde in der feministischen Intersektionalitätsdebatte die Kategorie ‚Körper‘ eingeführt. In die deutschsprachige feministische Theologie wurde sie durch Dorothee Wilhelm eingebracht :45 Aus der Perspektive behinderter Frauen erhebt sie Einspruch gegen eine Entgeschlechtlichung der Menschen und verwahrt sich dagegen, dass Behinderte nur als Objekt von guten Werken vorkommen (vgl. z.B. in Lk 14,12–14). So deckt sie in der klassischen Auslegungsmatrix neutestamentlicher Wundererzählungen einen Normalisierungs- und Anpassungsdruck auf. Heterosexismusnormen wurden in der deutschsprachigen Diskussion schon 1987 durch den kirchenpolitisch stark umkämpften Sammelband Hättest Du gedacht, dass wir so viele sind 46 sichtbar gemacht. Neben bis dahin unbekannt offenen Erfahrungsberichten kirchlich engagierter Frauen, die Frau41
Schlangenbrut 16 (1998) 63. Eske Wollrad, Wildniserfahrungen ; Dies., Beyond the Pale, 169–183 ; Dies., Weißsein im Widerspruch. 43 Vgl. Wollrad, Wildniserfahrungen, 203–213. 44 Ebd., 210. 45 Dorothee Wilhelm, Fremdkörper – Produktive Irritationen in der Begegnung mit Behinderten, 51–59 ; Dies., Wer heilt hier wen und vor allem von was ?, 10–12. 1995 wurde das Seminar „Religion and Disability Studies“ bei der Jahreskonferenz der American Academy of Religion und der Society of Biblical Literature in den USA gegründet. Seit 2004 gibt es ein spezielles Seminar „Biblical Scholarship and Disabilities“ bei der SBL. Vgl. Hector Avalos / Sarah J. Melcher / Jeremy Schipper (ed.), This Abled Body. 46 Monika Barz / Herta Leistner / Ute Wild (Hg.), Hättest du gedacht, dass wir so viele sind ? 42
14
Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger
en lieben, enthält der Band auch einen Beitrag von Bernadette J. Brooten zur Bewertung von Homoerotik bei Paulus und in der griechisch-römischen Welt.47 Inzwischen etabliert sich eine Infragestellung von Kategorisierungen überhaupt auch in der Theologie, wie sie etwa programmatisch durch die sog. Queer-Theorie gefordert wird.48 Wie bereits oben dargestellt, steht die Intersektionalitätsdebatte in der schwierig aufzulösenden Spannung, Kategorien zu benennen, um Überkreuzungen von Unterdrückung aufzuzeigen, ohne dadurch Menschen oder Menschengruppen auf eben diese festzulegen. Queer-Theorie stellt die Kategorisierungen grundsätzlicher infrage, da mit jeder noch so differenzierten Kategorienbildung auch Festschreibungen erfolgen. Diese gehen vielfach mit Essentialisierungen einher, die es zu vermeiden gilt, wie es Ulrike Auga in diesem Band pointiert herausarbeitet.49 2. Intersektionalitätsanalyse in der internationalen exegetischen Debatte Die Interventionen jüdischer, islamischer, rassismuskritischer, materialistisch arbeitender, homosexueller, behinderter feministischer Theologinnen und Theologen zeigten, dass ‚Geschlecht‘ weder auf der Ebene antiker Texte und Zeugnisse noch auf der Ebene des Auslegungs- und Deutungsprozesses von anderen Kategorien isoliert werden kann. Die systematische Erforschung der Interdependenzen und Überkreuzungen der verschiedenen Unter- und Überordnungsmerkmale und Kategorien begann u.W. mit besonderem Nachdruck aus rassismuskritischer und postkolonialer Perspektive. In dem 2005 erschienenen Sammelband Postcolonial Bible Criticism. Interdisciplinary Intersections macht beispielsweise Laura E. Donaldson darauf aufmerksam, dass auch in feministischen Auslegungen von Mt 15,21–28 der Charakter der stummen und somit vermutlich behinderten Tochter der Kanaanäerin übersehen wird. Zugleich fragt sie, ob deren Stummheit nicht auch auf „schamanische“ und mantische Fähigkeiten hindeuten könnte, die Frauen vieler indigener Völker einschließlich der sogenannten Hexe von Endor (1 Sam 28,3–25) teilten.50 Bereits im Jahr 2000 stellte die in Botswana lehrende afrikanische Exegetin Musa Dube Grundfragen einer postkolo47 Bernadette J. Brooten, Darum lieferte Gott sie entehrenden Leidenschaften aus, in : ebd., 113–138. Vgl. auch Brooten, Love between Women ; Matti Nissinen, Homoeroticism in the Biblical World. 48 Seit 1994 erscheint die Zeitschrift „Werkstatt Schule Theologie“, die sich regelmäßig mit biblischen Themen auseinandersetzt und in der zunehmend die Themen Queer und Intersektionalitäten Raum gewinnen. Ein impulsgebender Sammelband zu den Interdependenzen zwischen Geschlechter- und Körperkonstruktionen ist Heike Walz / David Plüss (Hg.), Theologie und Geschlecht. 49 Vgl. Auga unten in diesem Sammelband. 50 Vgl. Laura E. Donaldson, Gospel Hauntings, in : Moore / Segovia (ed.), Postcolonial Biblical Criticism, 97–113 ; Tat-siong Benny Liew, Margins and (Cutting-)Edges, in : ebd., 114–165.
Einleitung
15
nialen feministischen Bibelinterpretation :51 Stellt sich der Text gegen den politischen Imperialismus seiner Zeit oder rechtfertigt er, bewohntes Land anderer zu okkupieren ? Werden in einem Text Differenzen dialogisch und befreiend oder als Verdammung alles Fremden konstruiert ? Und nutzt der Text ‚Geschlecht‘, um Beziehungen von Unterordnung und Unterwerfung zu konstruieren ? Auch aus postkolonialer Perspektive und dem Minority Biblical Criticism, einer Bibelexegese aus der selbstreflexiven Minderheitenperspektive, sind inzwischen einige Beiträge erschienen. Sie beleuchten die Intersektionalitäten verschiedener identitärer Zuschreibungen und Unterdrückungssysteme in biblischen Texten und ihren Auslegungsprozessen. Beispielsweise vergleicht Dora Rudo Mbuwayesango die (fehlenden) Subjektpositionen von Israelitinnen und Kanaanäerinnen in den Ehe- und Sexualgesetzen des Deuteronomiums. Kah-Jin Jeffrey Kuan und Mai-Anh Le Tran machen darauf aufmerksam, dass der Status des „in-betweenness“ der Hure Rahab in Israel mit dem asiatischer Amerikanerinnen und Amerikaner vergleichbar ist.52 Randall C. Bailey arbeitet eine heterosexuelle Matrix im Buch Esther heraus und Demetrius Williams mahnt an, in afrikanisch-amerikanischen Bibelauslegungen des pentekostalen Basistextes Apg 2,16–21 Klassen-, Status- und Geschlechteranalysen einzubringen.53 Besonders häufig aber wird die Erzählung von der Bekehrung des äthiopischen Eunuchen in Apg 8,26–40 untersucht, dessen Charakterisierung in ‚Ethnie‘, ‚Hautfarbe‘, ‚Körper‘, ‚Status‘ und ‚Religion‘ ihn geradezu zum Paradefall intersektionaler Existenz machen.54 Bei der Analyse geht es nicht allein um Beschreibung. Auslegungen aus Minderheitenperspektiven zielen auch darauf, dass sich in der Wahrnehmung der Überkreuzungen von Unterdrückungsstrukturen handlungsmächtige Allianzen Marginalisierter ergeben. So schreiben die Herausgeber des 2009 publizierten Sammelbandes Toward Minority Biblical Criticism : „Intersections between race-ethnicity and other identity factors such as class, gender, and sexuality mean that there may be many unexpected twists and turns when it comes to relations among racial-ethnic minority groups across color lines. If the dominant society uses 51 Vgl. Musa
Dube, Postcolonial Feminist Interpretation of the Bible, 57. Dora Rudo Mbuwayesango, Canaanite Women and Israelite Women in Deuteronomy, in : Liew (ed.), Postcolonial Interventions, 44-57 ; Kah-Jin Jeffry Kuan / Mai-Anah Le Tran, Reading Race, Reading Rahab : A ‘Broad’ Asian American Reading of a ‘Broad’ Other, in : ebd., 27–43. 53 Randall C. Bailey, “That’s Why They Didn’t Call the Book Hadassah !”, in : Dies. / Liew / Segovia (ed.), They Were All Together in One Place, 227–250 ; Demetrius K. Williams, “Upon All Flesh”, in : ebd., 289–310. 54 Vgl. auch Leutzsch unten in diesem Sammelband sowie neben der dort genannten Literatur : Gay L. Byron, Ancient Ethiopia and the New Testament, in : ebd., 161–190 ; Manuel Villalobos, Bodies Del Orto Lado, 191–221. 52 Vgl.
16
Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger
the intersections to generate conflicts (such as Blacks as sexual predators against Asians as asexual), these same intersections may also turn out to be basis of alliance (since both Asians and Blacks are radicalized as sexually ‘deviant’, though in opposing terms or directions). […] In other words, the relations of these intersections across racial-ethnic minority lines are precarious, unstable, and can be used as fertile ground for building allying as well as agnostic relations.“55
Diese Studien machen deutlich, wie sehr die Intersektionalitätsdebatte mit den untersuchten Interdependenzen die Relevanz der Wahrnehmung und Reflexion in den Fokus rückt.56 Und auch die zwischen den Texten und den heutigen Auslegerinnen und Auslegern stehende Rezeption spielt eine große Rolle. Bei der Arbeit an religiösen Dokumenten aus der Antike steht deshalb nicht nur zu Debatte, wie der Text jeweils Strukturen einschreibt, sondern auch, wie diese in der Auslegungsgeschichte erzeugt oder verfestigt werden. Intersektionalität erscheint dabei als heuristisch geeignete Frage, um die in Wechselwirkung zwischen Text und hegemonialen Auslegungsdiskursen entstandenen Machtstrukturen kritisch zu analysieren.57 Dies wird nicht zuletzt in zwei kürzlich erschienenen Sammelwerken deutlich, die Intersektionalitätsanalyse auf das entstehende Christentum anwenden : Der von Laura Nasrallah und Elisabeth Schüssler Fiorenza herausgegebene Band Prejudice and Christian Beginnings. Investigating Race, Gender, and Ethnicity in Early Christian Studies fragt vor allem nach den Überkreuzungen von ‚Rasse‘, ‚Gender‘, ‚Ethnizität‘ und ‚Imperium‘ in antiken Texten und moderner Auslegungsgeschichte.58 Das Themenheft Cultural Complexity and Intersectionality in the Study of the Jesus Movement der Zeitschrift Biblical Interpretation möchte einerseits eine Methodologie für intersektionale Analysen entwickeln und andererseits bestimmen, wie Bilder des historischen Jesus zur Konstruktion von Identitäten in kulturell komplexen Gesellschaften beitrugen oder beitragen können.59 Zwei Beispiele mögen dies exemplarisch veranschaulichen : Für Marianne Bjelland Kartzow lassen sich die Verquickungen und Überkreuzungen
55 Randall C. Bailey / Tat-siong Benny Liew / Fernando F. Segovia, Toward Minority Biblical Criticism, in : Dies. (ed.), They Were All Together in One Place, 3–43, hier 18. 56 Dies zeigt sich insbesondere auch in den archäologischen Fallstudien, die in dem Band Douglas R. Edwards / Thomas McCollough (ed.), The Archaeology of Difference, versammelt sind. 57 Vgl. Caroline Vander Stichele / Todd Penner (ed.), Contextualizing Gender in Early Christian Discourse. Das Buch soll Studierende in die kulturwissenschaftliche Theorien und ihre Anwendung auf das frühe Christentum einführen. 58 Laura Nasrallah / Elisabeth Schüssler Fiorenza (ed.), Prejudice and Christian Beginnings. 59 Denise Kimber Buell et al., Introduction. Cultural Complexity and Intersectionality in the Study of Jesus Movement, 309–310, hier 309.
Einleitung
17
verschiedener Kategorien am besten mit den heuristischen Fragen analysieren, welche die asiatisch-amerikanische Rechtsprofessorin Mari Matsuda formuliert :60 „The way I try to understand the interconnection of all forms of subordination is through a method I call ‘ask the other question.’ When I see something that looks racist, I ask, ‘Where is the patriarchy in this ?’ When I see something that looks sexist, I ask, ‘Where is the heterosexism in this ?’ When I see something that looks homophobic, I ask, ‘Where are the class interests in this ?’ “61
Mit der intersektionalen Analyse ist somit etwa zu fragen, welche Bedeutung das Taufbekenntnis aus Gal 3,28 für jüdische Sklavinnen und Sklaven im Unterschied zu griechischen Sklaven und Sklavinnen hatte oder welche Wirkungen die Haustafel aus Kol 3,18–4,1 auf Sklavinnen mit Kindern ausübte. Halvor Moxnes entwirft eine an den lokalen Gegebenheiten orientierte Intersektionalitätsanalyse, die zentral nach ‚Ökonomie‘, ‚Geschlecht‘ und ‚Gesundheit‘ in Galiläa fragt.62 In den Evangelien werde nicht die Frage nach der religiösen Identität und dem Hellenisierungsgrad der politischen Elite, sondern die ökonomische Ausbeutung, krankheitsbedingte Entwurzelung und eine Neukonzeption von Geschlechterrollen thematisiert. Die Mehrheit der hier besprochenen Beiträge analysiert Texte aus jüdischer und christlicher Tradition, also solche, die bis in die Gegenwart hinein als religiöse Texte wirken.63 Daher soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, ob und inwiefern Religion selbst Gegenstand intersektionaler Analyse werden muss. 64
III. Religion in der Antike und die Frage der Intersektionalität Wie die religionswissenschaftlichen, religionsphilosophischen und theologischen Debatten der letzten Jahrzehnte gezeigt haben, konnte sich ein einheitliches Verständnis von Religion nicht durchsetzen. Definitionen bleiben zudem oftmals „einer eurozentristischen, implizit theologischen Innen60 Vgl. Marianne Bjelland Kartzow, „Asking the Other Question“, 364–389, hier 370: „Instead of examining gender, race, class, age, and sexuality as separate categories of oppression, intersectionality explores how these categories mutually construct one another.“ 61 Mari J. Matusda, Beside My Sister, Facing the Enemy, 1183–1192, hier 1189 ; vgl. Kartzow, „Asking the Other Question“, 371. 62 Halvor Moxnes, Identity in Jesus’ Galilee, 390–416. 63 Zum Beispiel untersuchen die Beiträge in Todd Penner / Caroline Vander Stichele (ed.), Mapping Gender in Ancient Religious Discourses, wie „constructions of gender can be understood to intersect with religious discourses in antiquity“ (ebd. IX). 64 Vgl. Moxnes, Identity in Jesus’ Galilee, 400: „[T]he new studies represent a broadening of perspectives that does not privilege religion as a separate factor, but sees it in interaction with other factors“.
18
Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger
perspektive auf Fremdkulturen verhaftet“.65 Daneben stehen Definitionen vielfach in der Gefahr, eine transkulturelle oder überzeitliche Essenz von Religion, meist der eigenen, zu postulieren. Am ehesten erscheint aktuell die in Anschluss an Clifford Geertz’ formale Bestimmung von Religion als „Symbolsystem“66 oder als „kulturelles Zeichensystem“67 weiterführend. Die komplexen Ausdrucksformen von Religion in der Antike können mit Gerd Theißen in drei wesentliche Aspekte kondensiert werden, „Ritus“ als den sich wiederholenden Handlungsmustern, „Ethos“ als den Normen und Werten sowie „Mythos“ als dem narrativen Moment.68 ‚Religion‘ wird somit zu einer heuristischen Kategorie, mit der kulturelle „Praktiken, Vorstellungen, Normen und theologische Konstrukte historisch untersucht werden“.69 Gerade auch auf dem Hintergrund der skizzierten Intersektionalitätsdebatte ist es weiterführend, mit ‚Religion‘ als heuristischer Kategorie zu arbeiten. Indem ‚Religion‘ im Folgenden in das Bündel heuristischer Kategorien zur Intersektionalität eingereiht wird, sei nochmals ausdrücklich betont, dass alle ‚Kategorien‘ dieser Debatte hier als vorgängige Konstruktionen und somit nicht-essentialistisch aufgefasst werden. ‚Religion‘ in der Antike zeigt sich der heutigen Analyse vor allem als ein Handeln. Menschen agierten durch Gebete, Gelübde, feierliche Umzüge, Feste, Opferhandlungen, das Erzählen von Mythen und anderem auf vielfältige Weise religiös, und dieses Handeln war kulturell eingebettet. Es war viel weniger individuell ausgerichtet als in der Moderne, vielmehr war es zutiefst sozial in Familie, Gemeinschaft und Gesellschaft verankert.70 Insofern ist ‚Religion‘ in der Antike von interdependenten Kategorien wie ‚Gender‘, ‚Status‘, ‚Körper‘, ‚Sexualität‘ u.v.a. prominent geprägt, womit sich die Valenz dieser Kategorie für die Intersektionalitätsdebatte ergibt. Das hat im Umkehrschluss zur Folge, ‚Religion‘ intersektional zu kontextualisieren, d.h. die Interdependenz fluider heuristischer Konzepte und Kategorien innerhalb solcher Zeichensysteme zu analysieren. Mit der Feststellung der kulturellen Einbettung von ‚Religion‘ ist für die Antike zugleich auch die Frage nach der Zuschreibung von ‚Ethnos‘ aufgeworfen. Dieses verdient mehr Aufmerksamkeit im Hinblick auf die Konstruktion kulturell-religiöser und gesellschaftlich-religiöser Diskurse. Denn 65
Gregor Ahn, Art. Religion I, 513–522, hier 518 ; vgl. auch Falk Wagner, Art. Religion II, 522–546 ; Ernst Feil, Art. Religion I, 263–267. 66 Clifford Geertz, Dichte Beschreibung, 48. 67 Vgl. Gerd Theißen, Die Religion der ersten Christen, 28, definiert in Anschluss an Geertz „Religion als kulturelles Zeichensystem, das Lebensgewinn durch Entsprechung zu einer letzten Wirklichkeit verheißt“ (kursiv im Original). 68 Ebd., 20–28. 69 Andreas Bendlin, Art. Religion, 888f. 70 Jörg Rüpke, Religion der Römer, 13 passim, betont die Präsenz und Einbettung insbesondere der Religion der Römerinnen und Römer in Politik und Gesellschaft.
Einleitung
19
die Zugehörigkeit zu einem Ethnos (λαός, ἔθνος, γένος, natio, genus) bestimmt vielfältig religiöse Praxis, ebenso wie umgekehrt religiöses Handeln die Zugehörigkeit zu einer Ethnie realisieren kann. Im komplexen kulturellen Diskursumfeld des römischen Reiches mussten sich die verschiedenen Anhängerinnen und Anhänger des frühen Judentums und des entstehenden Christentums selbst verstehen, ihre Identität(en) finden, verhandeln und verteidigen.71 Diesem Selbstverständnis schlossen sich auch frühe Christinnen und Christen an, obgleich die Taufformel aus Gal 3,28 u.a. ethnische Grenzen transzendiert.72 Seit dem 2. Jahrhundert begegnen in christlichen Texten vermehrt Selbstbezeichnungen wie „neues Geschlecht“ (καινὸν γένος),73 „drittes Geschlecht“ (τρίτον γένος)74, „heiliges Volk“ (λαὸς ἅγιος / ἔθνος ἅγιον)75 oder „das eine Geschlecht der Geretteten“ (τὸ ἓν γένος τοῦ σῳζομένου),76 in das man durch Taufe, Erwählung oder Erkenntnis „hineingelangen“ kann.77 Während im Konzept gemäß Gal 3,28 aus dem 1. Jahrhundert eine gewisse Ausweitung vorgegebener Grenzziehungen erkennbar wird, haben sich im 2. Jahrhundert distinktere Gruppen stärker etabliert. Neue Grenzen werden markiert und man bedient sich dabei des Deutungsmusters ‚Ethnie‘. Dieses Beispiel zeigt, wie different, ja teilweise widersprüchlich die Argumentationen innerhalb von Symbolsystemen verlaufen können. Und es zeigt, dass ‚Ethnos‘ in den Texten selbst bereits als hinterfragbare Größe erscheint. Deutlich wird dies auch in einer Kontroverse in Bezug auf die Frage, wann sich das ‚Judentum‘ von einem ‚Volk‘ der Judäerinnen und Judäer zu einer ‚Religion‘ transformierte. So verortet Shaye D. Cohen die Transformation des ‚Judentums‘ von einem Volk zu einer ‚Religion‘ in der hasmonäischen Zeit (1. Jh. v. Chr.). Sie sei bedingt durch die sich etablierende Möglichkeit der Konversion.78 Zugleich beschreibt er die bestehende Fluidität
71 Vgl. exemplarisch
John M. G. Barclay, Jews in the Mediterranean Diaspora, 405–410. Röm 1,13–17 ; Mk 13,10 par ; Mt 28,19 ; Lk 24,47 ; Apk 14,6 u.ö. Zur Diskussion ethnischer Identitätsbildung bei Paulus vgl. auch Denise Kimber Buell / Caroline Johnson Hodge, The Politics of Interpretation, 235–251 ; Sze-kar Wan, „To the Jew First and Also to the Greek“ : Reading Romans as Ethnic Construction, in : Nasrallah / Schüssler Fiorenza (ed.), Prejudice and Christian Beginnings, 129–155 ; Kahl unten in diesem Sammelband. 73 Z.B. Diog. 1,1 ; vgl. 5,1–9. 74 Z.B. Clemens von Alexandria, Strom. 6.5.39,4 ; Aristides, apol. 2 ; Tertullian, scorp. 10 hält die These für eine Außenzuschreibung. 75 Z.B. 1 Petr 2,9 ; Justin der Märtyrer, Dial. 119,3 ; Clemens von Alexandria, Paid. 1.6.32,4. 76 Clemens von Alexandrien, Strom. 6.5.42,2. Vgl. auch MartPol 3,2. 77 Denise Kimber Buell, Why this New Race, 116–165. Vgl. auch J.M. Lieu, The Race of the God-Fearer, 483–501 ; David G. Horrell, ‘Race’, ‘Nation’, ‘People’, 123–143. 78 Shaye D. Cohen, The Beginnings of Jewishness, 109–139. 72 Vgl.
20
Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger
der zwischen Jüdinnen und Nichtjuden behaupteten Grenzen.79 Dagegen vertritt Steve Mason die These, dass man bis zum 3. Jh. n. Chr. sowohl im Selbst- als auch im Fremdverständnis vom ‚Ethnos‘ der Judäer und Judäerinnen sprechen müsse.80 Zu einer ‚Religion‘ habe sich das ‚Judentum‘ erst durch die auf Abgrenzung zielenden Zuschreibungen christlicher Autoren des 3. Jahrhunderts transformiert. Dabei ist jedoch zur Kenntnis zu nehmen, dass ‚jüdische‘ oder ‚judäische Charakteristika‘ sowohl inter- als auch innerethnisch kontrovers diskutiert wurden.81 In diesem Prozess seit Mitte des 2. Jahrhunderts wurde von christlicher Seite schließlich der Begriff „Häresie“ umgeprägt. Nunmehr diente er nicht nur als Bezeichnung für eine Schule oder Wahl (αἵρεσις), wie noch in neutestamentlicher Zeit, womit er damit Ausdruck eines Bewusstseins von Pluralität war, sondern er wurde zur Bezeichnung für „Ketzer“ und „Ketzerinnen“ schlechthin geformt, von denen das „wahre Christentum“ abgegrenzt werden sollte.82 Im 7. Jahrhundert entsteht der Islam, und ähnlich wie etwa die Trägergruppen des frühen Judentums und des frühen Christentums bedienen sich deren Trägergruppen bereits bestehender Zeichensysteme. Spätere Selbstbilder des Islam verdecken, wie auch im Judentum und Christentum, zumeist diese prozesshafte Entstehung. In der wachsenden Gemeinde spielten mit zeitlicher Eigendynamik variierende Bezugsgrößen eine Rolle : der Monotheismus in jüdisch-christlicher Tradition ebenso wie die lokale alt arabische Kultur und Religion sowie konkrete städtische Zentren wie Mekka und Medina.83 Im Islam traten später mit den Eroberungen Konstruktionen von „Ethnizität“ hinzu. Demgemäß wurde der zuvor bereits bekannte Monotheismus als Novum einer bestimmten Ethnie, nämlich der Bewohner und Bewohnerinnen der arabischen Halbinsel verkündet.84 Religiöse Praxis, Ethos und symbolische Ordnungen der Antike und Spätantike sind folglich komplex mit im weitesten Sinne kulturellen Selbstund Fremdkonstruktionen interdependent verwoben, wobei diese als plural und fluide vorgestellt werden sollten. Bezogen auf die Fragestellungen dieses Bandes positionieren sich analog auch Geschlechterkonstruktionen im 79 Zur Kritik an Cohen, vgl. Naomi Janowitz, Rethinking Jewish Identity in Late Antiquity, in : Stephen Mitchell / Geoffrey Greatrex (Hg.), Ethnicity and Culture in Late Antiquity, 205–210 ; Buell, Why this Race ?, 44–45, 162–163. 80 Steve Mason, Jews, Judaeans, Judaizing, Judaism, 457–512. 81 Vgl. die Kritik von Lee I. Levine, Jewish Identities in Antiquity : An Introductory Essay, 30–32. 82 Vgl. Justin der Märtyrer, 1. apol. 26,8 ; dial. 80, 4 u.ö. Vgl. A. Le Boulluec, La notion d’héresie dans la littérature grecque IIe–IIIe siècles ; Daniel Boyarin, Abgrenzungen, 42– 107. 83 Vgl. Angelika Neuwirth, Der Koran als Text der Spätantike, 44. 104. 542–548. 84 Zu dieser Passage danken wir Bärbel Beinhauer-Köhler für wertvolle Hinweise zum Islam.
Einleitung
21
Diskurs um kulturelle Hierarchien im Allgemeinen und religiös begründeten Hierarchien im Besonderen.85 Die skizzierten Beobachtungen zu ‚Religion‘ in Antike und Spätantike lassen sich mit den Worten von Karen L. King treffend bündeln : „For the purposes here, I suggest what are frequently referred to as ‘religions’ in antiquity can be thought of as multiform, plurivocal, unstable bundles of diverse and shifting practices, variously formed and formulated, that shape and are shaped by individuals and groups, with varying intersections of social, political, and economic life forms (such that at times a ‘religion’ may appear as distinct, while in other times and places it is indistinguishable as a separate/able field), changing and varied over time and place (e.g., historically and locally specific), always contested and fluctuating both internally and with regard to outside groups and ideological borders.“86
IV. Intersektionalitätsanalyse in der Theorie und in Fallbeispielen. Zu den Beiträgen des Bandes Am Anfang des Bandes stehen unter der Überschrift (De)konstruktion und Applikation Aufsätze, welche die Frage nach der „Intersektionalität“ grundsätzlich stellen und zugleich problematisieren. Sie führen die in der Einleitung an Sekundärliteratur komprimiert gesammelten Fragen und Anfragen fort : Die Fragestellung nach Intersektionalität ist komplex aufgrund des diskursiven Charakters der Kategorien und ist mit Bedacht auf die Texte der Antike zu übertragen. Gleichwohl zeigt sich in den Analysen ihr heuristischer Wert. Dies wird insbesondere in den drei ersten Beiträgen deutlich. Ulrike Auga setzt in ihrem Beitrag Geschlecht und Religion als inter dependente Kategorien des Wissens ein mit einer kritischen Revision der Intersektionalitätsdebatte selbst, und zwar aus postkolonialer, postsäkularer und queertheoretischer Perspektive. Hier wird kritisiert, dass intersektionale Analysen dazu neigen, die von ihnen monierten Kategorien, wie z.B. ‚Zweigeschlechtlichkeit‘, ‚Rasse‘ bzw. ‚Ethnie‘, ‚Körperverhältnisse‘ und ‚Sexualitäten‘, durch Thematisierung ihrerseits zu naturalisieren. Der Widerstand kontextueller Kritiken bleibt so in den Strukturen epistemischer Gewalt verhaftet, weil diese die Marginalisierung der Gruppen, für die sie eigentlich eintreten, durch Festschreibung der Kategorien verstetigen. Eine mit queertheoretischen Überlegungen erweiterte Intersektionalitätsanalyse kann nach Auga dagegen mit einer kritischen Haltung gegenüber identitären Festschreibungen die simultane Wirkungsweise komplexer Diskriminierung aufzeigen. Auch die bislang wenig bedachte Kategorie ‚Religion‘ dürfe nicht unkritisch einen essentialistischen Religionsbegriff zugrunde legen, 85 Vgl. Oertelt, Matthews 86
und Krause unten in diesem Sammelband. Zitiert aus King unten in diesem Sammelband S. 79–80.
22
Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger
der den hegemonialen Diskurs konservativer Theologie universalisiert. Am konkreten Beispiel der dritten Vision im Hirten des Hermas zeigt Auga, wie der Performanzcharakter von Religion und multidimensionale Assemblagen von Identitätsfacetten in metaphorisch aufgeladenen Bildern der Kirche fluide, d. h. nicht identitär und voressentialistisch symbolisiert werden. Karen L. King vergleicht in dem Beitrag Gender Contestation as Political Critique die Geschlechter-, Körper- und religiösen Identitätskonstruktionen in vier frühchristlichen Texten des 2. Jahrhundert, dem Evangelium nach Maria, dem Martyrium der Perpetua, dem Apokryphon des Johannes und dem Testimonium Veritatis. Die Bestimmung von Sexualität und Rollenentwürfen für Frauen als Teil des religiösen Ethos fällt in den Texten sehr unterschiedlich aus. Die Analyse der Verschränkung von Geschlechter-, Körper- und religiöser Identitätskonstruktionen macht zum einen deutlich, dass die Kritik an politischer und sozialer Ungerechtigkeit nicht zwangsläufig mit Konzepten von Geschlechtergerechtigkeit verbunden ist. Zum anderen macht King auf Brüche und Leerstellen aufmerksam, die Ansatzpunkte einer gegen die Texte selbst gerichteten kritischen Gesellschaftsanalyse sein können. Werden die Texte unter der Frage analysiert, welche Handlungsmöglichkeiten sich Frauen etwa im frühen Christentum boten, wird erkennbar, wie eingeschriebene Geschlechterstereotypen diskutiert, durchbrochen und rekonzeptualisiert wurden. Vor allem aber zeige sich, dass religiöse Texte bei aller geschlechterpolitischen Rhetorik niemals ein geschlossenes Set an Geschlechternormen liefern, sondern dieses ständig zu verhandeln bleibt. Die Funktionalisierung von Geschlechteridealen in antiken und modernen Häresiediskursen untersucht Silke Petersen unter dem Motto „Jede Häresie ist eine wertlose Frau“. Dabei beobachtet sie erstaunliche Übereinstimmungen in den Argumentationsstrukturen antiker Häresiediskurse und in aktuellen Debatten um theologische Fragen. Die verbreitete Annahme, dass Frauen in den ersten christlichen Jahrhunderten eine besondere Affinität zu als Häresie bekämpften Gruppen gehabt hätten, lässt sich statistisch nicht belegen. Die These von der Verführbarkeit von Frauen erweist sich damit als stereotypes Vorurteil zur Abwertung von sog. Häresien bei den Kirchenvätern wie in der modernen Kirchengeschichtsschreibung. Die „Frauenfrage“ werde in einem „religiösen Kulturkampf “ instrumentalisiert, in dem es keineswegs um Frauen gehe. Vielmehr werde das Gender-Argument eingesetzt, weil es sich in der Argumentation „zum Lobpreis der eigenen und zur Abwertung der fremden Religion benutzen lässt.“ (S. 123). Als besonders ertragreicher Testfall intersektionaler Analysen erweist sich der Diskurs um Ehen zwischen religiös, ethnisch oder kulturell verschiedenen Menschen. Dies wird in den nächsten vier Beiträgen deutlich, die Diskurse um Interkulturelle Ehen und Geschlechtermoral im frühen Judentum, Christentum und Islam aufdecken und sozialhistorisch kontrastieren.
Einleitung
23
In dem Beitrag Der Diskurs um interkulturelle Ehen in Jehud als antikes Beispiel von Intersektionalität gleicht Christl M. Maier das Bild der Bücher Esra und Nehemia vom nachexilischen Juda mit sozialgeschichtlichen und archäologischen Daten der Bevölkerungsstruktur ab. Das Verbot der Ehelichung einer ‚fremden Frau‘ wird so erkennbar als ursprünglich sozialökonomisch motiviertes, später aber vor allem mit symbolischen Stereotypisierungen arbeitendes Konzept. ‚Fremdheit‘ und ‚kultische Reinheit’ dienen als Konstrukte, um eine (fiktive) männliche Genealogie zu kreieren und auf diese Weise Land und Erbe zu sichern. Im Vergleich zeigen sich jedoch andere Texte als Gegendiskurse, die eine ethnisch-inklusive Konzeption vortragen (1 Chron 1–9 ; Rut ; Jes 56). Das interdependente Zusammenspiel der Kategorien ‚Ethnos‘, ‚Gender‘, ‚Status‘ und ‚Religion‘ führt in diesen Texten zu je eigenen Konstruktionen gesellschaftlich-religiöser Selbstdefinition. Aliyah El Mansy vergleicht unter dem Thema Interreligiöse Ehen im literarischen Diskurs des 1./2. Jahrhunderts Plutarch und den Ersten Petrusbrief. Plutarch rät der frisch vermählten Ehefrau Eurydike, allein die Götter des Mannes zu verehren und „übertriebene Gottesverehrung“ und „fremden Aberglauben“ zu meiden. Denn was daraus folgt, werde anhand von Marc Antons Ehe mit der ägyptischen Königin Kleopatra sichtbar. Plutarch will so belegen, dass die Ehe mit einer kulturfremden Frau zu Verweiblichung des Mannes und damit Pflichtvergessenheit gegenüber den römischen kulturellen Werten führen kann. Während der Erste Petrusbrief die meisten der von Plutarch präferierten Frauen- und Männertugenden unterschreibt, entdeckt er in interreligiösen Ehen eine effektive Chance zur Werbung für den christlichen Glauben. Zwei weitere Beiträge nehmen auf den frühen Islam Bezug. Bärbel Beinhauer-Köhlers Beitrag über „Untreue“ im entstehenden Islam untersucht das Konzept der Untreue von Frauen. Sie stellt die Beobachtung ins Zentrum, dass sich mit der Einführung des Islam eine patrilokale, die männliche Erblinie privilegierende monogame Eheform durchsetzt. Diese löst vielfältige, zum Teil auch matrilokale und polyandrische Eheformen der vorislamischen Stämme ab. Die Vorstellungen von erlaubter Eheform und richtiger Religiosität werden vernetzt, die Bestimmung von verbotener Unzucht [zināʾ] wird ein Mittel zur Abgrenzung von Andersgläubigen. So werde etwa in der einschlägigen Koransure 24,3 Unzucht und Polytheismus gleichgestellt und in den später in Hadithen gesammelten Erzähltraditionen dann Unzucht mit vorislamischen matrilokalen Eheformen assoziiert. Indem die Ehe einen formalisierten und öffentlichen Charakter erhält, wird nach Beinhauer-Köhler durch den Kontrast mit dem gegenteiligen Habitus von altarabischen Islamgegnerinnen ein spezifisch weiblicher islamischer Habitus entworfen. Doris Decker führt die diachrone Analyse der Hadith-Traditionen weiter unter dem Titel Frauen zwischen Selbst- und Fremdbestimmung. Ana-
24
Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger
lysekriterium ist zum einen die Frage nach Handlungsfähigkeiten, zum anderen die Frage nach Selbst- und Fremdbestimmung von Frauen. Analysiert werden unter anderem die zwölf unterschiedlichen Erzählungen über die Jüdin Ray½Ána bint Zayd, die als Kriegsgefangene eine Geliebte und nach manchen Darstellungen auch Ehefrau Mu½ammads wurde. Die Überlieferung divergiert in der Frage, ob sich Ray½Ána dem Islam anschloss und Mu½ammads Ehefrau wurde oder ob sie Jüdin blieb und auf die Heirat verzichtete. Zwar werde die Figur Ray½Ánas in den jüngeren Quellen passiver dargestellt, doch wenn erzählt wird, dass sie sich dem Islam angeschlossen habe, dann gilt dies als ihre selbstbestimmte Entscheidung. Weitere Beispiele aus der älteren und jüngeren Erzählüberlieferung zeigen nach Decker, dass sich – gemessen an Selbst- und Fremdbestimmung von Frauen in der Überlieferungsgeschichte – nicht die Geschlechterkonstruktion verändert, sondern das auf sie bezogene Norm- und Wertesystem im Hinblick auf den Islam. Auch die jüngeren Überlieferungstraditionen verzichten keineswegs auf Erzählungen von selbstbestimmt handelnden Frauen. Die nächsten Beiträge beleuchten den Zusammenhang von Gender, Religionspolitik und Moral und zeigen, wie vermeintliche oder tatsächliche Überschreitungen von Geschlechtsrollenzuschreibungen dazu dienen, die eigene Gruppenidentität in politischen Diskursen zu positionieren. Friederike Oertelts Beitrag untersucht unter der Frage nach Gender, Religion und Politik bei Philo von Alexandria dessen historische Schriften. Entsprechend konservativer griechischer Ethik behauptet Philo, jüdische Frauen würden von öffentlichem Handeln ferngehalten. Im religiösen Bereich hätten sie sich jedoch mit der öffentlichen Teilnahme an einer Prozession zum römischen Statthalter an der Verteidigung des Jerusalemer Tempels beteiligt. Selbst die römische Kaiserin Livia könne als „Mann an Verstand“ bezeichnet werden, insofern sie den Jerusalemer Tempel unterstützte. Diese auffällige Spannung entspricht der Geschlechtersymbolik in den allegorischen Schriften, in denen die Transformation des Weiblichen ins Männliche durch Hingabe an die Philosophie gepriesen wird. Philo konstruiert nach Oertelts Analyse somit unterschiedliche Frauenbilder, je nach dem, wie sie seinem apologetischen Argumentationsziel, der Darstellung des Judentums als Vertreterin höchster griechisch-hellenistischer Standards, am besten dienen. Den römischen Wertehorizont, so wie er sich im Werk des frühkaiserzeitlichen Autors Valerius Maximus widerspiegelt, untersucht Christiane Krause in ihrem Beitrag Patria Potestas – Honour–Shame ? Tote Töchter im Kapitel „De pudicitia“ des Valerius Maximus. Die Beispielerzählungen von Frauen und jungen Männern, die von ihrem Vater, etwa nach Erleiden einer Vergewaltigung, getötet wurden, folgen nicht einem Konzept von ‚Ehre und Schande‘, von dem behauptet worden war, dass es die Antike universell geprägt habe, das aber die ethnografische Forschung längst infrage gestellt
Einleitung
25
hat. In den meisten antiken Erzählungen und Komödien müssen vergewaltigte Töchter und Frauen keineswegs sterben, sondern den Vergewaltiger heiraten. So erweist sich die von Valerius Maximus als Göttin angerufene Keuschheit (pudicitia) als das zentrale Raum und ‚Status‘ strukturierende Konzept. Eine intersektionale Analyse zeigt, dass die narrative Bewertung einer Vergewaltigung nicht nur das ‚Geschlecht‘, sondern auch ‚Status‘ und damit verknüpft die jeweilige narrative Rolle als Opfer oder Täter berücksichtigt. Brigitte Kahl stellt unter der Überschrift Krieg, Maskulinität und der imperiale Gottvater die imperiale Ideologie als Schlüssel zu einer intersektionalen Lektüre des Galaterbriefs vor. Die hier entwickelte messianische Genealogie begründet für Kahl eine nicht mehr biologische Abstammung und entwirft damit ein Gegenmodell zur römisch-imperialen Genealogie, wie sie etwa im Programm des Augustusforums in Rom versinnbildlicht ist. Dort wird sieghafte Maskulinität mittels der Unterwerfungspose von Frauenfiguren dargestellt, welche die besiegten Völker einschließlich des Volkes der Judäer versinnbildlichen. Die im Galaterbrief angeschriebene Gemeinde wird mit dem Brief aufgefordert, in der Figur der Hagar, die ebenfalls einen Ort der Ausgeschlossenen symbolisiert, die Selbstunterwerfung unter diese römische Ideologie kritisch zu reflektieren (Gal 4,21–31). Die in den paulinischen Gemeinden experimentell gelebte Gemeinschaft aus allen Völkern einschließlich des Judentums sei „als Lernfeld der Selbsttransformation“ konzipiert, in der nicht Identität oder Differenz abgeschafft wird, „sondern die hierarchisch-binäre Konfiguration des je Einen oder Anderen auf allen Ebenen des Völker-, Geschlechter-, Klassen- und Religionsgegensatzes (Gal 3,28)“ (S. 296–297). Zwei Beiträge nehmen besonderen Bezug auf die Situation von Sklavinnen in Zeiten der religiösen Rechtsbildung und damit auf die Wechselwirkung von ‚Geschlecht‘ und ‚Status‘ in religiösen Texten aus den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung. Bernadette J. Brooten untersucht in ihrem Beitrag Enslaved Women in Basil of Caesarea’s Canonical Letters drei Briefe des Basilius von Caesarea (330–379), eine der wenigen christlichen Quellen der Zeit, die die Situation von Sklavinnen thematisieren. Christliche Sklavinnen werden darin einerseits den gleichen Pflichten und Moralkodizes wie andere Christinnen und Christen unterworfen und gelten als gleichermaßen göttlich begnadet. Als Frauen sind sie jedoch Männern untergeordnet und als Sklavinnen nach römischem Recht Sache und Besitz ihrer Herrinnen und Herren. In dieser durch sich überkreuzende Strukturen geprägten Existenz konkurrieren Erwartungen von Keuschheit und ehelicher Treue mit den gesellschaftlichen und rechtlichen Konventionen, die sexuelle Gewalt gegen Ehefrauen und Sklavinnen nicht verbieten. Basilius’ Briefe zeigen, wie sich Unterdrückungsstrukturen verstärken, aber auch durchkreuzen lassen können durch Widerstandsstrategien.
26
Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger
Catherine Hezser untersucht die Positionierung von Sklavinnen in der palästinisch-rabbinischen Tradition unter dem Motto Part Whore, Part Wife : Slave Women in the Palestinian Rabbinic Tradition. Die Rabbinen diskutieren, welche Pflichten der Ehefrauen Sklavinnen ihren Herrinnen abnehmen dürfen, wie das Säugen und die Erziehung der Kinder sowie Sexualität mit dem Sklavenhalter. Entspricht das Bild der Rolle von ‚Status‘ und ‚Geschlecht‘ zunächst der Rechtspraxis in der übrigen Spätantike, so zeigen sich unter dem Aspekt von ‚Religion‘ Differenzierungen : Sofern religiöse Rituale und Reinheit berührt werden, scheinen Geschlechterdifferenzen wichtiger zu sein als jüdische Herkunft. Innerhalb des Sklavenstatus hingegen wird das ‚Geschlecht‘ irrelevant. Die auffälligste Überschneidung ergibt sich aber in der Liste der Hausarbeiten, die Ehefrauen ebenso wie Sklavinnen zu erledigen hatten. So wird die Sklavin zu einer Art Ersatzehefrau, die Pflichten der Ehefrau in Haushalt, Kinderpflege und sexueller Befriedigung des Ehemanns erfüllt. Die Beiträge der letzten Rubrik, Männerfragen zum Neuen Testament, nehmen die Impulse der Intersektionalitätsforschung für den Männlichkeitsdiskurs auf. Der analytische Blick auf die Diskriminierung von Frauen läuft Gefahr, dem typischen Diskurs entsprechend das Männliche als Maß und Norm anzusetzen. Dass und wie ‚Männlichkeit‘ diskursiv erzeugt wird, zeigt gerade die Rekonstruktion des Konzepts in antiken Schriften. Moisés Mayordomo nimmt diese Ergebnisse auf, um Jesu Männlichkeit im Markusevangelium zu analysieren : Inwiefern folgt der Jesus des Markusevangeliums dem Männlichkeitsdiskurs ? Jesu Vollmacht, Autonomie, Stärke gegenüber Dämonen entsprechen dem Männlichkeitsideal. Seine Auslieferung an die römische Besatzungsmacht, die Erniedrigung und Hinrichtung laufen dem Ideal aber zuwider. In der Kriteriologie der Intersektionalität gesprochen, kreuzen sich hier Geschlechtsideal und ‚Status‘, fehlt doch Jesus in der Perspektive der römischen Macht der souveräne Status, welcher Aspekt der ‚Männlichkeit‘ ist. Insofern Niedrigkeit und Dienstbereitschaft aber von Jesus als religiöses Ideal entwickelt werden, wird der Männlichkeitsdiskurs selbst infrage gestellt. Auch Tränen können geschlechtsspezifisch Figuren und Ethnien in einer Erzählung konstruieren. Dies zeigt Shelly Matthews in ihrem Beitrag The Weeping Jesus and the Daughters of Jerusalem an zwei lukanischen Erzählungen, welche die Passionserzählung rahmen. Wenn Jesus nach seinem Einzug in Jerusalem angesichts der Stadt weint, dann nimmt er die Rolle des siegreichen Feldherren ein, der beim Anblick der besiegten Stadt ‚männliche‘ Tränen angesichts des Anbruchs einer von ihm eingeleiteten neuen geschichtlichen Epoche vergießt. Auch die Forderung an die Frauen Jerusalems, nicht das Geschick Jesu, sondern das zukünftige Untergehen der eigenen Stadt zu beweinen, ist Zeichen männlichen Heldentums. Das Lukasevangelium konstruiert nach Matthews so das Judentum als ein von
Einleitung
27
der eigenen Gruppe differentes Ethnos, das der Unterwerfung geweiht ist. Zugleich grenzt es Klagetraditionen von Frauen aus, die in anderen Evangelienüberlieferungen positiv aufgegriffen werden. Die Frage nach den Interdependenzen von ‚Geschlecht‘ und ‚Ethnos‘ bietet damit ein Analysewerkzeug zur Aufdeckung von Identitäts- und Unterdrückungsstrukturen. Der Eunuch, der sich nach der Erzählung von Apg 8 kurz entschlossen durch Philippus taufen lässt, ist Gegenstand einer differenzierten Fallstudie von Martin Leutzsch über Eunuch und Intersektionalität. Ein multiperspektivischer Versuch über zu Apg 8,26–40. Er ist Schatzmeister einer ausländischen Königin, Schwarz, möglicherweise versklavt und als Eunuch ein Mensch mit einem unklaren Geschlechterstatus, sowie Jude oder Sympathisant des Judentums, als er Philippus begegnet. Im Rahmen heutiger Intersektionalitätsanalysen wären bei ihm also Mehrfachdiskriminierungen zu konstatieren. Allerdings demonstriert der Eunuch im Reisewagen zugleich ‚Wohlstand‘ und ‚Status‘ sowie ‚Bildung‘. Leutzsch kritisiert einfache Zuordnungen aber auch, indem er herausarbeitet, dass diese Bewertung nur die ‚etische‘ Außensicht berücksichtigt. Verschiedene denkbare ‚emische‘ Perspektiven ergeben andere Bewertungen einzelner Aspekte, etwa im Horizont des lukanischen Doppelwerks oder einer meroitisch-äthiopischen oder römischen Sichtweise und einer aus der Jesusbewegung in der 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts. Wahrnehmungen und Wertungen von Hautfarbe, Geschlechtsstatus, Religionsfähigkeit, Religionszugehörigkeit und sozialem Prestige können hier je anders ausfallen. Damit wird zugleich deutlich, dass Intersektionalität ein kontextspezifisches Konzept ist, in dem je nach Wertesystem einzelne Merkmale dieser Figur als Ausgrenzungs- oder Eingrenzungsmerkmale gelesen werden können.
V. Doing und Undoing. Zur Leistung intersektionaler Analysen Das Konzept der „Intersektionalität“ hat sich als „eye opener“ auch für die Analyse von Texten der Antike erwiesen. Das zeigen die Beiträge des Sammelbandes als „Fallstudien“. Können diese nicht inhaltlich auf eine Summe gebracht werden, so sei zum Schluss der Einleitung doch unterstrichen, worin die Einzelbeiträge konvergieren und was somit als – im Sinne des dekonstruierenden Ansatzes – stets vorläufiger Schluss aus dem Projekt „Doing Gender – Doing Religion“ zu ziehen ist. Zunächst ist prinzipiell festzuhalten, dass die Frage nach divergenten und interdependenten „Kategorien des Wissens“, neben ‚Gender‘ auch ‚Klasse‘, ‚Rasse‘, ‚Körper‘, ‚Sexualität‘‚ ‚Ethnos‘ u.v.m., einen hohen heuristischen Wert hat, um soziale Ungleichheit und daraus erwachsende Herrschaftsstrukturen zu erfassen. So ließe sich das zur Formel gewordene „Doing Gender“ ergänzen etwa durch Programme wie „Doing Class“, „Doing Race“ oder „Doing Nation“. Diese Formeln
28
Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger
erfassen, dass ‚Gender‘, ‚Class‘ oder ‚Nation‘ hier als Kategorien aufgefasst werden, die nicht per se existieren, sondern erzeugt oder hergestellt werden. Denn dies ist eine zentrale Einsicht : Wenn von Kategorien der Intersektionalität gesprochen wird, dann ist nicht von naturalistischen oder essentialistischen Parametern die Rede, sondern von diskursiv erzeugten. Dabei impliziert das Konzept der „Intersektionalität“ vor allem die Wahrnehmung der Überkreuzung und Interdependenz von Analysekategorien, die miteinander verwoben sind, zusammenwirken und sich bei einer Häufung je nach Kontext zu einer Mehrfachdiskriminierung verdichten können. Die Ausdifferenzierung der Kategorien von anfangs ‚Gender‘ hin zu ‚Race‘, ‚Class‘ und schließlich zu ‚Körper‘, ‚Sexualität‘ u.a. ist damit konstitutiv, um das Gewebe von Diskriminierungspraktiken sichtbar zu machen. Dieser Band zu Texten der Antike, die bis in die Gegenwart hinein als „religiöse“ Texte rezipiert werden, arbeitet heraus, dass auch ‚Religion‘ als heuristische Kategorie bestimmt werden kann und einzubeziehen ist. Dies kann jedoch angemessen nur geschehen, wenn nicht solche modernen Konzepte von Religion auf Texte der Antike angewendet werden, die ausgeprägt abstrahierend verfahren und vielfach die Trennung von Religion und Politik implizieren. Denn Religion bedeutete in der Antike eine konkrete rituell-gesellschaftliche Praxis mit mehr oder weniger offenen Grenzen. Wird hingegen ‚Religion‘ als heuristische Kategorie ins Spiel gebracht, die in Wechselwirkung mit anderen Kategorien steht, wie etwa ‚Ethnos‘, ‚Status‘ oder ‚Körper‘, lässt sich deutlicher erkennen, wie divergent und fluide sich religiöse Praxis, Ethos und symbolische Ordnungen in antiken Texten konzeptionalisierten. Diese Einsicht bekräftigt u.a., dass die vielfach ungebrochene Rede von „dem Judentum“ und „dem Christentum“, aber auch Etiketten wie „Gnosis“ den Blick verstellen können. Denn die Präferierung spezifischer Binnen- und Herrschaftsdiskurse, die sich am Beispiel des Christentums erst in den Jahrhunderten der Herausbildung desselben als „Staatsreligion“ verdichteten, verschleiert, wie vielfältig und permeabel sich religiöses Selbstverständnis insbesondere in den ersten beiden Jahrhunderten, aber auch später noch artikulierte. Diese Einsicht erweist sich als besonders evident, wenn die ganze Breite frühjüdischer und -christlicher Literatur einbezogen wird, auch solche Texte, die im Rahmen späterer dogmatischer Lehrbildung „aus dem Rahmen fallen“. Für uns folgt daraus, die Rede von „den Religionen“ der Antike zum Zwecke der präziseren Wahrnehmung insgesamt einer Disidentifikation zu unterziehen. ‚Religion‘ wird gemacht und verändert sich stetig unter wechselnden sozio-ökonomischen, politischen und kulturellen Einflüssen bis in die Gegenwart hinein. Nur unter dieser Voraussetzung kann es gelingen, die einer sich modernen Identitäts- und Religionskonzepten entziehende Polyphonie und Pluriformität der Texte der Antike zu erfassen. Ein wichtiges Ergebnis, das auch für die Diskussion der Gegenwarts-
Einleitung
29
phänomene von Interesse sein kann, ist damit aber auch allgemeiner zu formulieren : Es ist die Beobachtung, dass die Frage binärer Wertigkeiten und Zuordnungen sogar innerhalb eines Wertesystems, etwa bei Philo oder den Rabbinen, divergiert. In bestimmten Hinsichten kann ‚Geschlecht‘ die Zuordnung von Menschen dominieren, aber in anderer Hinsicht können weitere Parameter wie religiöse Praxis oder ‚Status‘ Dominanz gewinnen. Der Komplex von Werten, Normen und Idealen einzelner Texte ist offenbar vielfach wenig fixiert und nicht in sich konsistent. Immer wieder machen die Beiträge dieses Bandes darauf aufmerksam, dass in den Texten die Kategorien je unterschiedlich herangezogen werden können und sehr unterschiedliche Konstellationen von Ungleichheit erzeugen. Gerade unter dem vergrößernden Okular der „Intersektionalität“ wird das Bild oft unscharf, ja widersprüchlich. Der Niederschlag gelebten Lebens und die Konstruktion von Welt in den Texten lassen sich aufgrund der Gleichzeitigkeit des Widersprüchlichen oft nicht kartographieren. Aber gerade diese Widersprüche innerhalb der Zuschreibungen wahrzunehmen, ist erhellend. So gewinnt man Ansatzpunkte, um die Anliegen hinter der Herstellung von gesellschaftlichreligiösen Rangordnungen aufzudecken. Eine intersektionale Hermeneutik stellt somit Analyseinstrumentarien bereit, die Marginalisierungen, Privilegierungen und Hierarchisierungen und die sie hervorbringenden Diskurse entschleiern. Die Analyse kann ein Doppeltes leisten : Zum einen geht es um Erfassung und Beschreibung von Diskriminierungspraktiken in ihren komplexen Vernetzungen, zum anderen aber auch darum, das „Doing“ derselben in ein „Undoing“ zu überführen. Denn intersektionale Analyse deckt nicht nur komplexe Diskriminierungspraktiken auf, sondern zielt auch auf Auswege daraus. Sie lädt überdies dazu ein, methodisch unterschiedliche Sichtweisen einzunehmen. Es geht dabei sowohl um die Wahrnehmung der in den Texten oder Artefakten der Antike selbst aufgeworfenen Perspektiven als auch um die Übernahme der von den Texten selbst marginalisierten Perspektiven. Mehr mit Sichtweisen zu spielen bedeutet, etwa die Perspektive derer einzunehmen, die als „Gegner“ gekennzeichnet werden, oder die Reaktion einer Sklavin zu imaginieren, welche die paulinischen Einlassungen zur Sklaverei und zur Ehe in 1 Kor 7 hört. Noch immer wird zu wenig berücksichtigt, dass die Perspektive und der Kontext der Betrachterinnen und Betrachter eine maßgebliche Rolle spielen hinsichtlich der Lektüre, Wahrnehmung und Rezeption von Texten. Diese sind ebenfalls durch das Zusammenspiel verschiedenster Kategorien wie ‚Gender‘, ‚Status‘, ‚Nation‘, ‚Bildung‘ etc. bestimmt. Wie erhellend andere als die eingeübten Lektüren sind, zeigen etwa die „Minority“-Lesarten. Denn die je aktuelle Betrachtungsperspektive verstärkt Diskurse oder schwächt sie ab. Wenn man, so zeigt der Sammelband, in der Betrachtung der Antike die Geschlechterdifferenz ungeachtet ihrer Wechselwirkung mit anderen Diffe-
30
Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger
renzen verabsolutiert, verstellt dies Zusammenhänge von Ungleichheit, die über andere Kategorien oder vielmehr durch das Zusammenwirken mehrerer Kategorien besser erfasst werden können. Dieser hermeneutische Vorgang muss aber auch selbstreflektiv von denjenigen vollzogen werden, die Texte und Artefakte auslegen. Und so unterstreicht die Intersektionalitätsdebatte endlich in aller Nachdrücklichkeit, dass es „die Frauen der Antike“ ebenso wenig gibt wie „die Frau der Antike“, die schon länger verabschiedet war, dass es aber auch „die Frauen im Christentum“, „im Judentum“, „im Paganismus“ oder „im Islam“ nicht gibt. Wie die Konzeptionalisierung der so Bezeichneten für uns zu rekonstruieren ist, muss von Text zu Text neu erkundet werden.
Literatur Abul-Fadl, Rosie, Die Frau in Religion und Gesellschaft nach dem Koran und der islamischen Tradition, in : Renate Jost / Ursula Kubera (Hg.), Befreiung hat viele Farben. Feministische Theologie als kontextuelle Theologie, Gütersloh 1991, 155–172. Ahn, Gregor, Art. Religion I : Religionsgeschichtlich, TRE 28 (1997), 513–522. Avalos, Hector / Melcher, Sarah J. / Schipper, Jeremy (ed.), This Abled Body. Rethinking Disabilities in Biblical Studies, Atlanta, Ga. 2007. Bailey, Randall, C. / Liew, Tat-siong Benny / Segovia, Fernando F. (ed.), They Were All Together in One Place ? Toward Minority Biblical Criticism, Atlanta 2009. Barclay, John M. G., Jews in the Mediterranean Diaspora. From Alexander to Trajan (323 BCE–117 CE), Berkley, Calif. 1998. Barz, Monika / Leistner, Herta / Wild, Ute (Hg.), Hättest du gedacht, dass wir so viele sind ? Lesbische Frauen in der Kirche, Stuttgart 1987. Bendlin, Andreas, Art. Religion, in : DNP 10 (2001), 888–891. Boyarin, Daniel, Abgrenzungen. Die Aufspaltung des Judäo-Christentums (ANTZ 10), Berlin / Dortmund 2009. Brooten, Bernadette J., Love Between Women. Early Christian Response to Female Homoerotism, Chicago 1996. Buell, Denise Kimber, Why this New Race. Ethnic Reasoning in Early Christianity, New York 2005. Buell, Denise Kimber et al., Introduction. Cultural Complexity and Intersectionality in the Study of Jesus Movement, in : Bibl. Interp. 18 (2010), 309–310. Buell, Denise Kimber / Hodge, Caroline Johnson, The Politics of Interpretation. The Rhetoric of Race and Ethnicity in Paul, in : JBL 123 (2004), 235–251. Cohen, Shaye D., The Beginnings of Jewishness. Boundaries, Varieties, Uncertainties, Berkeley, Calif. 2000. Crenshaw, Kimberlé, Demarginalizing the Intersection of Race and Sex : A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory, and Antiracist Politics, in : University of Chicago Legal Forum (1989), 139–167 (deutsche Übersetzung : Die Intersektion von “Rasse” und Geschlecht demarginalisieren : Eine Schwarze feministische Kritik an Antidiskriminierungsrecht, der feministischen Theorie und der antirassischen Politik, in : Helma Lutz u.a. (Hg.), Fokus Intersektionalität. Bewegungen und Verortungen eines vielschichtigen Konzepts, Wiesbaden 2010, 33–54).
Einleitung
31
–, Mapping the Margins : Intersectionality, Identity Politics, and Violence Against Women of Color, in : Stanford Law Review 43 (1991) 1241–1299. Dube, Musa, Postcolonial Feminist Interpretation of the Bible, St. Louis, MO 2000. Edwards, Douglas R. / McCollough, Thomas (ed.), The Archaeology of Difference. Gender, Ethnicity, Class and the “Other” in Antiquity. Studies in Honor of Eric M. Meyers, Boston, Mass. 2007. Esser, Annette u.a. (Hg.), Feministische Zugänge zum interreligiösen Dialog (Jahrbuch der Europäischen Gesellschaft für theologische Forschung von Frauen 17), Leuven 2009. Feil, Ernst, Art. Religion I : Zum Begriff., RGG4 7 (2004), 263–267. Felder, Cain H. (Hg.), Stony the Road We Trod. African American Biblical Interpretation, Minneapolis, Maine 1991. Fenstermaker, Sarah / West, Candace (ed.), Doing Gender, Doing Difference. Inequality, Power, and Institutional Change, New York 2002. Füssel, Kuno, Materialistische Lektüre der Bibel. Bericht über einen alternativen Zugang zu biblischen Texten, in : Willy Schottroff / Wolfgang Stegemann (Hg.), Der Gott der kleinen Leute. Sozialgeschichtliche Bibelauslegungen I : Altes Testament, München 1979, 20–36. Geertz, Clifford, Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt am Main 1987. Hess, Sabine u.a. (Hg.), Intersektionalität revisited. Empirische, theoretische und methodische Erkundungen, Bielefeld 2011. Horrell, David G., ‘Race’, ‘Nation,’ ‘People’ : Ethnic Identity-Construction in 1 Peter 2,9, in : NTS 58 (2012), 123–143. Janowitz, Naomi, Rethinking Jewish Identity in Late Antiquity, in : Stephen Mitchell / Geoffrey Greatrex (Hg.), Ethnicity and Culture in Late Antiquity, London 2000, 205–219. Jawad, Haifaa, An Islamic Response to the Conference “Holy Texts : Authority and Language”, in : Jahrbuch der Europäischen Gesellschaft für theologische Forschung von Frauen 12 (2004), 129–132. Kahl, Brigitte, Toward a Materialist-Feminist Reading, in : Elisabeth Schüssler Fiorenza (Hg.), Searching the Scriptures I. A Feminist Introduction, New York 1993, 225–240. –, Armenevangelium und Heidenevangelium. „Sola scriptura“ und die ökumenische Traditionsproblematik im Lichte von Väterkonflikt und Väterkonsens bei Lukas, Berlin 1987. Kartzow, Marianne Bjelland, „Asking the Other Question“. An Intersectional Approach to Galatians 3:28 and the Colossian Household Codes, in : Bibl. Interp. 18 (2010), 364–389. Klinger, Cornelia / Knapp, Gudrun-Axeli / Sauer, Birgit (Hg.), Achsen der Ungleichheit : Zum Verhältnis von Klasse, Geschlecht und Ethnizität (Politik der Geschlechterverhältnisse 36), Frankfurt / New York 2007. Klinger, Cornelia u.a. (Hg.), Über-kreuzungen : Fremdheit, Ungleichheit, Differenz (Forum Frauen- und Geschlechterforschung 23), Münster 2008. Knapp, Gudrun-Axeli, „Intersectionality“ – ein neues Paradigma feministischer Theorie ? Zur transatlantischen Reise von „Race, Class, Gender“, in : Feministische Studien 1 (2005), 68–81. LeBoulluec, Alain, La notion d’héresie dans la littérature grecque IIe–IIIe siècles, Paris 1985. Levine, Lee I., Jewish Identities in Antiquity : An Introductory Essay, in : Lee I. Levine / Daniel R. Schwartz (ed.), Jewish Identities in Antiquity. Studies in Memory of Menahem Stern (TSAJ 130), Tübingen 2009, 12–29. Lieu, J.M., The Race of the God-Fearer, in : JThS 46 (1995), 483–501.
32
Ute E. Eisen / Christine Gerber / Angela Standhartinger
Liew, Tat-siong Benny (ed.), Postcolonial Interventions. Essays in Honor of R.S. Sugirtharaja, Sheffield 2009. Lutz, Helma / Wenning, Norbert, Differenzen über Differenz – Einführung in die Debatten. in : Dies. (Hg.), Unterschiedlich verschieden. Differenz in der Erziehungswissenschaft, Opladen 2001, 11–24. Lutz, Helma u.a. (Hg.), Fokus Intersektionalität. Bewegungen und Verortungen eines vielschichtigen Konzepts, Wiesbaden 2010. MacCall, Leslie, The Complexity of Intersectionality, in : Signs 30 (2005) 3, 1771–1800. Mason, Steve, Jews, Judaeans, Judaizing, Judaism. Problems of Categorization in Ancient History, in : JSJ 38 (2007), 457–512. Matusda, Mari J., Beside My Sister. Facing the Enemy. Legal Theory out of Coalition, in : Stanford Law Review 43 (1990), 1183–1192. Moore, Stephen D. / Segovia, Fernando F. (ed.), Postcolonial Biblical Criticism. Interdisciplinary Intersections, London / New York 2005. Moxnes, Halvor, Identity in Jesus’ Galilee. From Ethnicity to Locative Intersectionality, in : Bibl. Interpr. 18 (2010), 390–416. Nasrallah, Laura / Schüssler Fiorenza, Elisabeth (ed.), Prejudice and Christian Beginnings. Investigating Race, Gender and Ethnicity in Early Christian Studies, Minneapolis, Maine 2009. Neuwirth, Angelika, Der Koran als Text der Spätantike. Ein europäischer Zugang, Berlin 2010. Nissinen, Matti, Homoerotism in the Biblical World. A Historical Perspective, Minneapolis 1998. Opitz-Belekahal, Claudia, Geschlechtergeschichte, Frankfurt 2010. Penner, Todd / Stichele, Caroline Vander (ed.), Mapping Gender in Ancient Religious Discourses (Bibl. Interpr. S. 84), Leiden 2007. Plaskow, Judith, Blaming the Jews for the Birth of Patriarchy, in : Evelyn Torton Beck (ed.), Nice Jewish Girls. A Lesbian Anthology, New York 1982, 250–254. –, Feministischer Antijudaismus und der christliche Gott, in : KuI 5 (1990), 9–25. Rüpke, Jörg, Die Religion der Römer. Eine Einführung, 2., überarb. Aufl. München 2006. Shaikh, Saʿdiyya, Islam, Feminisms and the Politics of Representation, in : Jahrbuch der Europäischen Gesellschaft für theologische Forschung von Frauen 10 (2002), 93–110. Siegele-Wenschkewitz, Leonore (Hg.), Verdrängte Vergangenheit, die uns bedrängt. Feministische Theologie in der Verantwortung für die Geschichte, München 1988. Sölle, Dorothee, Der Mensch zwischen Geist und Materie. Warum und in welchem Sinne muss die Theologie materialistisch sein ?, in : Willy Schottroff / Wolfgang Stegemann (Hg.), Der Gott der kleinen Leute. Sozialgeschichtliche Bibelauslegung II : Neues Testament, 16–36. Schottroff, Luise, Maria Magdalena und die Frauen am Grabe Jesu, in : EvTh 42 (1982), 3–25. –, Befreiungserfahrungen. Studien zur Sozialgeschichte des Neuen Testaments, München 1990. –, Lydias ungeduldige Schwestern. Feministische Sozialgeschichte des frühen Christentums, Gütersloh 1994. Schottroff, Willy / Stegemann, Wolfgang, Traditionen der Befreiung, Bd. 1: Methodische Zugänge ; Bd. 2: Frauen in der Bibel, München 1980. Schüssler Fiorenza, Elisabeth, Jesus – Miriams Kind, Sophias Prophet. Kritische Anfragen feministischer Christologie, Gütersloh 1997. –, But She Said. Feminist Practices of Biblical Interpretation, Boston, Mass. 1992.
Einleitung
33
Stichele, Caroline Vander / Penner, Todd (ed.), Contextualizing Gender in Early Christianity Discourse. Thinking Beyond Thecla, London 2009. Theißen, Gerd, Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums, Gütersloh 2000. Valtink, Eveline, Feministisch-christliche Identität und Antijudaismus, in : Luise Schottroff / Marie-Theres Wacker (Hg.), Von der Wurzel getragen. Christlich-feministische Exegese in Auseinandersetzung mit Antijudaismus (Bibl. Interp. S. 17), Leiden 1996, 1–28. Villalobos, Manuel, Bodies Del Orto Lado. Finding Life and Hope in the Borderland : Gloria Anzaldúa, the Ethiopian Eunuch of Acts 8,26–40, y. Yo., in : Teresa J. Hornsby / Ken Stone (ed.), Bible Trouble. Queer Reading of the Boundaries of Biblical Scholarship (SBL Seminar Studies 67), Atlanta, Ga. 2011, 191–221. Wagner, Falk, Art. Religion II. Theologiegeschichtlich und systematisch-theologisch, TRE 28 (1997), 522–546. Walgenbach, Katharina, Gender als interdependente Kategorie, in : Dies. u.a., Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität, Opladen 2007, 23–64. Walker, Alice, In Search of Our Mothers‘ Gardens : Womanist Prose, New York 1983. Walz, Heike / Plüss, David (Hg.), Theologie und Geschlecht. Dialoge querbeet (Theologie und Geschlecht 1), Zürich 2008. West, Candace / Fenstermaker, Sarah, Doing Difference, in : E. Ngang Ling Chow ed al. (ed.), Race, Class, and Gender : Common Bonds, Different Voices, London 1996, 357– 384. Wilhelm, Dorothee, Fremdkörper – Produktive Irritationen in der Begegnung mit Behinderten, in : Gottfried Adam u.a. (Hg.), „Normal ist, verschieden zu sein“. Das Menschenbild in seiner Bedeutung für religionspädagogisches und sonderpädagogisches Handeln. Dokumentationsband des Vierten Würzburger Religionspädagogischen Symposiums, Münster 1994, 51–59. –, Wer heilt hier wen und vor allem von was ?, in : Schlangenbrut 62 (1998), 10–12. Williams, Delores S., Sisters in the Wilderness. The Challenge of Womanist God-Talk, New York 1993. Winker, Gabriele / Degele, Nina, Intersektionalität. Analysen zur sozialen Ungleichheit, Bielefeld 2009. Wollrad, Eske, Wildniserfahrungen. Womanistische Herausforderung und eine Antwort aus Weißer feministischer Perspektive, Gütersloh 1999. –, Beyond the Pale : Towards a Critical White Feminist Theology, in : Jahrbuch der Europäischen Gesellschaft für theologische Forschung von Frauen 8 (2000), 169–183. –, Weißsein im Widerspruch. Feministische Perspektiven auf Rassismus, Kultur und Religion, Königstein 2005.
(De)konstruktion und Applikation
Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens Intersektionalitätsdebatte, Dekonstruktion, Diskursanalyse und die Kritik antiker Texte Ulrike Auga Ausgangspunkt ist ein Gewaltverständnis, das auch epistemische Gewalt einschließt, d.h. die gewaltförmige Bestimmung der möglichen Voraussetzungen für Erkenntnis und Denken. Diese wird insbesondere über identitäre, ausschließende Vorstellungen von Geschlecht, Sexualität, Rasse, Klasse, Nation, Religion, Behinderung etc. hergestellt. Solche Vorstellungen lassen sich sowohl in den modernen hegemonialen als auch, besonders deutlich, bei widerständigen Interpretationen in religiösen Texten der Antike finden. Dieser Artikel sucht dementsprechend nach Verfahren zum Abbau epistemischer Gewalt. Das Intersektionalitätkonzept wird postkolonial, postsäkular und queer analysiert. Es zeigt sich, dass verschiedene Ansätze der Gleichstellungsintersektionalität Essentialisierungen nicht überwinden können, da das Paradox des Rechts nicht beachtet wird, wie deutlich werden wird. Die Untersuchung wirbt für eine epistemologiekritische Intersektionalität, deren Methode der Disidentifizierung vorgestellt und an einem Textausschnitt aus dem Hirten des Hermas vorgeführt wird. Darüber hinaus wird kritisiert, dass in intersektionalen Ansätzen Religion als Kategorie vernachlässigt oder essentialisiert wird. Es wird vorgeschlagen, Religion und Geschlecht als deessentialisierte, interdependente Kategorien des Wissens zu verstehen. Außerdem wird angeboten, nicht nur gegenwärtige Diskurse zu analysieren, sondern ebenso einen Gang durch die apriorischen Wissenssysteme zu unternehmen. Damit könnte gezeigt werden, dass sich antike christliche Texte oder frühe islamische Texte – ganz anders als ihre fundamentalistischen Interpretationen des anthropologischen Epistems des 19. und 20. Jahrhunderts suggerieren – (noch) nicht in essentiell-identitär operierenden Epistemen befinden.
I. Einleitung. Dominante und widerständige Diskurse und die Kritik antiker Texte Die vorgegebene Arbeitsfrage lautet : Wie lassen sich Geschlechterdebatten in Bezug auf Texte der Antike verbessern ? Ich möchte diese erweitern und argumentieren, dass der epistemologische Kontext antiker Texte nachdrücklich dazu beitragen kann, Geschlechterkritik sowie queere inter-
38
Ulrike Auga
sektionale Kritik zu schärfen, für welche die Kategorie ‚Religion‘ bisher die ‚große Unbekannte‘ scheint. Ich möchte meine Fragestellung zu Beginn mit einem Wissensstreit um einen spätantiken Text – den Hirten des Hermas – illustrieren. Im letzten Teil werde ich meinen Theorieertrag an meiner Auslegung des Textes ausführen. Zwei anerkannte Wissenschaftler bewerten den Text des Hirten des Hermas folgendermaßen : Martin Dibelius bescheinigt, der Hirt des Hermas besitze „keine Theologie“1 und Norbert Brox, er sei „banal“ und „unliterarisch“.2 Obgleich die diskreditierenden Aussagen dieser zwei Theologen vom Anfang und Ende des 20. Jahrhunderts stammen, bestimmen sie den hegemonialen Diskurs der Rezeption dieses Textes bis in die Gegenwart. Was ist das für ein Text ? Hermas will die bedrohte Kirche des 2. Jahrhunderts durch eine Re/Vision retten. Der Text ist ca. in der Mitte des besagten Jahrhunderts in Rom entstanden und ist eine Spielart des Frühchristentums, in der Frauenfiguren, weibliche Personifikationen und bizarre Bilder einen breiten Raum einnehmen. Ein interessanter Punkt ist, dass er im 2. und 3. Jahrhundert weithin als zum neutestamentlichen Kanon gehörig akzeptiert und in der frühen Kirche als Lehrtext rezipiert wurde, bis in das Mittelalter sehr beliebt war und aus ungeklärten Gründen aus dem Kanon ausgesondert wurde. In jüngerer Gegenwart gab es bestimmte Gegendiskurse gegen die oben genannten, die unterstrichen, dass die Sozialkritik des Hermas bemerkenswert sei.3 Darüber hinaus bin ich der Ansicht, dass Hermas ein kommunikatives, pädagogisches Programm einer Ver/führung der Gemeindeglieder zum radikalen Umdenken (metanoia) und zum dynamischen Mitbauen am changierenden Kollektiv/körper bietet. Der Text ist von besonderem Interesse, weil seine Interpretation das etablierte Repräsentations-, Wissens- und Wissenschaftsverständnis des 19./20. Jahrhunderts in Frage stellt und Gegendiskurse marginalisierter performativer Geschlechter- und Religionsvorstellungen ermöglicht, in deren Emergieren individuelle und kollektive Subjektformationen und Handlungsfähigkeit entstehen, wie ich später zu zeigen versuche.4 Ich möchte die Auseinandersetzung um den Hirten des Hermas zum Anlass nehmen, um zu ermutigen, alte Wissenschaftsverständnisse mit Einlassungen zur ‚richtigen Theologie‘ oder ‚vernünftigen Sprache‘, der ‚wirklichen Identität‘ und der ‚wahren Repräsentantin‘ in hegemonialen wie in widerständischen Diskursen zu hinterfragen. Wissens- und wissenschaftskritische Theorie, oft in Verbindung mit postkolonialen, Gender- und queeren Ansätzen, haben diese Universalismen und Ausschlussproduktionen im Kontext Foucaultscher Macht- und Wis1
Martin Dibelius, Hirt des Hermas, 415–640, hier 423. Norbert Brox, Hirt des Hermas, 5, 21 u. ö. 3 Vgl. Martin Leutzsch, Soziale Wirklichkeit im Hirten des Hermas. 4 Vgl. Ulrike Ernst (Auga), Hirt des Hermas, 778–788. 2
Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens
39
senskritik als ‚epistemische Gewalt‘ angeprangert.5 Foucault stellt einen Zusammenhang zwischen Macht und der Wahrheitsproduktion in spezifischen Diskursformationen her. Ein ‚Diskurs‘ ist eine regulierte Formation von Aussagen, die ein bestimmtes Wissen über eine Sache bereitstellen. Foucault unterscheidet dominante Diskurse und unterdrückte, jedoch widerständische Diskurse. In der Produktion der Realität schafft sich jede Gesellschaft in dem Moment ihr eigenes „Regime der Wahrheit“, in dem ein Diskurs erfolgreich die Machtverhältnisse in der Gesellschaft organisiert.6 Gewalt und Disziplinierungsmechanismen müssen in diesem Zusammenhang im Kontext einer für die Moderne typischen „Normalisierungsmacht“ verstanden werden.7 Es zeigt sich, dass ein nur auf personale, physische, intentionale und ideologiekritische Gewalt ausgerichteter Gewaltbegriff nicht ausreicht, um institutionalisierte Geschlechtergewalt und ihre Intersektionen zu erfassen. Ein geschlechtersensibler Fokus erfordert einen diskursbezogenen epistemischen Gewaltbegriff, denn Geschlecht ist eines der verschwiegenen epistemologischen Fundamente des Wissens. Der Begriff der epistemischen Gewalt, d.h. die Herrschaft über mögliche Denkformen und Voraussetzungen der Erkenntnis (Epistemologie : Wissenschaft vom Zustandekommen von Wissen), wird prominent mit Edward Saids Buch Orientalism, in welchem er Neo-Kolonialismus-, Kapitalismusund Wissenskritik vereint.8 Vereinfacht gesagt lautet seine These, dass die Menschen in der arabischen Gesellschaft erst durch den westlichen Blick als ‚Orientalinnen‘ und ‚Orientalen‘ als das ganz ‚Andere‘ konstruiert, essentialisiert und hierarchisch nachgeordnet werden. Für die feministische Theorie wurde der Begriff mit Gayatri Spivaks Studie Können die Subalternen sprechen ? einflussreich. Sie zeigt die epistemische Gewalt des Westens am Beispiel der hinduistischen Witwenselbstverbrennung in Indien. Sie unterstreicht die Generierung von hegemonialen Diskursen, wo im Zusammenhang von Macht und Wissen durch das Patriarchat vor Ort und die koloniale Rechtsprechung etc. eine Geschlechterasymmetrie stets reproduziert wird und die ‚subalterne Frau‘ so keine ‚Stimme‘ habe. Spivak zieht 5 Vgl. Edward
Said, Orientalism. Die Regeln des Diskurses definieren, was für einen bestimmten Zusammenhang oder ein bestimmtes Wissensgebiet sagbar ist und was nicht. Ein Diskurs ist ein System, in dem sich diskursive und nicht-diskursive Aspekte und Praktiken beeinflussen, z.B. Texte und Gefängnisse, Krankenhäuser und Universitäten. Vgl. Michel Foucault, Ordnung der Dinge. 7 Michel Foucault, Überwachen und Strafen. 8 Said arbeitet die zerstörenden Effekte der Projektion des westlichen Imperialismus auf die arabische Gesellschaft heraus : „The relationship between Orient and Occident is a relationship of power, of domination, of varying degrees of a complex hegemony […]. In quite a constant way, Orientalism depends for its strategy on this flexible positional superiority, which puts the Westerner in a whole series of possible relationships with the Orient without ever losing him the relative upper hand.“ (Said, Orientalism, 5 [Hervorhebung im Original]). 6
40
Ulrike Auga
daraus zunächst die Konsequenz, einen ‚strategischen Essentialismus‘ einer Gruppe im politischen Kampf in Kauf nehmen zu müssen.9 Dekonstruktivistische Kritik plädiert darüber hinaus dafür, Konzepte zu entwickeln, die die kulturell konstruierten und essentialisierten Kategorien von Geschlecht sowie Rasse, Klasse, Nation etc. nicht wiederholen, denn diese basieren auf Gruppenvorstellungen, die den gewaltsamen Ausschluss der konstruierten ‚Anderen‘ implizieren. Es sei folglich nicht nur zu überlegen, wie die jeweils herrschende hierarchische Geschlechterordnung aufgebrochen werden kann, sondern wie ein Undoing der Essentialisierungen der Kategorien möglich sein würde.10 Das Deessentialisieren und Disidentifizieren der Kategorien sehe ich gegenwärtig als eine zentrale Aufgabe dominanter wie widerständiger theologischer Ansätze an.11 Dieses Denaturalisieren der Kategorien gilt jedoch nicht nur für die theologische Geschlechterkritik, sondern auch für die Geschlechter- und Queerforschung in Bezug auf die Kategorie ‚Religion‘. Neben der innertheologischen Auseinandersetzung zwischen hegemonialem und marginalisiertem Wissen bestehen auch Desiderate zwischen aktueller Theoriebildung der Geschlechterforschung und geschlechterkritischer Theologie. Geschlechterkritische Ansätze fragen angesichts der Gewalt zahlreicher Texte und Traditionsstränge, z.B. in den Schriften der ‚Buchreligionen‘, warum man überhaupt noch solche Texte lesen soll. Große Teile der Geschlechterforschung unterstellen, dass die (Re)-produktion essentialisierter hierarchischer Geschlechterordnungen der Gegenwart zentral dem patriarchalen Charakter der Religionen geschuldet sei.12 Das ist zunächst richtig, es wird jedoch kaum in Betracht gezogen, inwiefern Religion – gleichfalls – ein Ort von Widerstand und Subjektformation ist. Theologie wird in der Außenperspektive häufig als der hegemoniale Diskurs konservativer Theologien universalisiert, während Gegendiskurse befreiungstheologischer, postkolonialer, geschlechterkritischer oder queerer Theologien kaum wahrgenommen werden.13 Zahlreichen (Geschlechter)forschungs9 Vgl. Gayatri
Chakravorty Spivak, Can the Subaltern speak ?, 271–316. Butler, Undoing Gender (dt. : Die Macht der Geschlechternomen). 11 Geschlechteransätze in der Religionswissenschaft besitzen ähnliche Probleme wie geschlechterbewusste theologische Ansätze, indem sie sich vielfach mit der Sperre gegen postmodernes Wissenschaftsverständnis und einem Missverständnis der Kategorie Geschlecht in der eigenen Wissenschaft auseinandersetzen müssen. Vgl. Susanne Lanwerd / Marcía Moser (Hg.), Frau-Gender-Queer, 11–20. 12 Verständlich dargestellt ist das Verhältnis von symbolischer Geschlechterordnung und Religion in Judentum, Christentum und Islam in Christina von Braun / Bettina Mathes, Verschleierte Wirklichkeit. 13 Schwierig ist z.B. der Beitrag von Katharina Walgenbach, Gender als interdependente Kategorie, 23–64, hier 35–37. Sie bezieht sich in ihrer Kritik auf in der feministischen Theologie überholte Debatten, wie die angebliche Marginalisierung von nichtchristlichen Ansätzen. Tatsächlich existiert eine lange Geschichte der Selbstkritik in Bezug auf 10 Vgl. Judith
Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens
41
und queeren Ansätzen liegt ein Verständnis von Religion zu Grunde, das ‚Vernunft‘ und ‚Glauben‘ im Zuge der Aufklärung unhinterfragt strikt trennt. So wird der eigene Säkularismus nicht wahrgenommen, der Religion als das ganz ‚Andere‘ konstruiert und ausschließt. Meine Suchrichtung bringt vor allem eine Frage mit sich : Wie lässt sich dieses System epistemischer Gewalt auch im Kontext antiker Textexegese und Hermeneutik nachhaltig dekonstruieren ? Ich möchte folgendermaßen vorgehen : Nach einer Bestandsaufnahme zentraler Geschlechterdebatten in der (deutschsprachigen) Theologie soll zunächst untersucht werden, welchen Beitrag der Ansatz der Intersektionalität für die Hermeneutik leisten könnte. Dabei geraten einige Annahmen der Intersektionalität selbst in die Kritik. Dann möchte ich zeigen, dass, um epistemische Gewalt zu vermindern, es darum gehen muss, die intersektionalen Kategorien selbst zu deessentialisieren und aufzuzeigen, wie die antiken Texte dabei hilfreich sein könnten. Schließlich möchte ich argumentieren, dass dies Erfolg haben kann, wenn ‚Geschlecht‘ und ‚Religion‘ als interdependente Kategorien des Wissens im Kontext der Veränderung ihrer apriorischen Wissensbedingungen verstanden würden.
II. Bestandsaufnahme (befreiungs-)theologischer Gegendiskurse 1. Quasi-Intersektionalität in Befreiungstheologien des 20. Jahrhunderts Die Sorge um Benachteiligung von einzelnen Gruppen in der Theologie, in der kirchlichen Praxis, aber auch in der Gesellschaft, hatte im 20. Jahrhundert verschiedene befreiungstheologische oder kontextuelle Ansätze als Gegendiskurse zur hegemonialen Theologie und Kirchenlehre hervorgerufen. Bekanntlich wurden unter dem Motto ‚Option für die Armen‘ zunächst in Lateinamerika Klassendifferenzen in der kirchlichen Arbeit thematisiert. Aus der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung speiste sich die Black Theology in den USA und dann weltweit. Die feministische Theologie entstand im Kontext der Frauenbewegungen, welche die gleichen Rechte wie für MänAntisemitismus in der feministischen Theologie. In der Gegenwart besteht ein forcierter Austausch zwischen muslimischen, christlichen und jüdischen feministisch-theologischen Ansätzen. Der Vorwurf der Essentialisierung von Geschlecht in hegemonialen wie feministisch-theologischen Ansätzen ist teilweise gerechtfertigt. Er sollte jedoch nicht davon ablenken, dass auch in der Geschlechterforschung selbst eine große Diskrepanz zwischen dekonstruktiver Geschlechterkritik und queerer Kritik sowie nach Rollen von ‚Frauen‘ oder ‚Männern‘ und ‚Identitäten‘ suchender essentialisierender Geschlechterforschung besteht. Die Intersektionalitätsdebatte ist ein exzellenter Ort, um diese verschiedenen Zugänge und Forschungsstände zu studieren.
42
Ulrike Auga
ner forderten. Schon bald zeigte sich, dass Marginalisierungen mehrdimensional sein können und innerhalb der Bewegungen keine ‚Gleichheit‘ basierend auf Erfahrungen vorliegt und daher scheinbar auch die vermeintlich gemeinsamen Anliegen des Widerstandes verschieden wären. So entstanden die Schwarz identifizierte Womanist Theology und die Mujerista-Theologie, die Diskriminierungen lateinamerikanischer Frauen angeht. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von indigenen Befreiungstheologien, die Fragen bestimmter ‚Ethnien‘ oder ‚first nations‘ thematisieren.14 Diese Ansätze argumentieren quasi bereits intersektional, haben jedoch meist eine, wenn auch erweiterte, so doch immer noch begrenzte Auswahl an Diskriminierungen im Blick. Die widerständischen Bewegungen beziehen sich zunächst auf konstruierte Gruppenidentitäten und fordern Rechte in Bezug auf diese Identität, üben Ideologiekritik und betonen ein Primat der Praxis. 2. Theologie und Geschlechterkritik Die Aufnahme des Begriffs ‚Gender‘ in die deutsche feministisch-theologische Forschung wird deutlich an den Veränderungen des Wörterbuches der Feministischen Theologie. Ab der zweiten erweiterten Auflage des Wörterbuchs der Feministischen Theologie erscheint der Begriff ‚Gender‘ als Stichwort. Uta Pohl-Patalong fasst zusammen : Theologische Gender-Forschung bedeutet […] mit einem doppelten methodologischen Blickwinkel das soziale Geschlecht als grundlegende Kategorie in allen theologischen Forschungsgebieten zu verstehen und anzuwenden. Damit kann untersucht werden, wie in Bibel, Theologie und Kirche die dualistische Gegenüberstellung von Frauen und Männern permanent produziert und stabilisiert wird und wie die auf dem Dualismus aufbauende Hierarchie zu Stande kommt. Gegenüber einer Bestimmung und Festlegung weiblicher Erfahrungen und Rollen wird entsprechend Vorsicht geübt und ein wichtiger Akzent auf die Möglichkeit zu Neuentwürfen gelegt.15
Der Artikel ist jedoch von Verkürzungen begleitet. Sie argumentiert auf der Ebene der „Erfahrung der Geschlechterungerechtigkeit“.16 Mit der Rede von „Geschlechtergerechtigkeit“ bleibt essentialisierte Binarität erhalten. Weiterhin geht es nicht darum, mit „Geschlechterrollen subversiv zu spielen“, 17 sondern um die Frage, wie mit dem Erdenken von (binärem) 14 Vgl. Doris
Strahm, Befreiungstheologie(n), 56– 60. Uta Pohl-Patalong, Gender, 216–221, hier 220. 16 Ebd. 17 Folgender Satz birgt selber Gewalt, wenn es heißt : „Als problematisch wird jedoch die Erfahrungsferne dieses Ansatzes [des Butlerschen, U.A.] gesehen – denn wir ordnen uns und andere in der Regel eindeutig einem Geschlecht zu – ebenso die Infragestellung des identitätspolitischen Fundaments des Feminismus“ (Pohl-Patalong, Gender, 218). Dieses „wir“ produziert ein hegemoniales Wissen und schließt Gegendiskurse aus. Dass vom hegemonialen Diskurs beeinflusste Menschen versuchen, andere in Bezug auf Geschlecht eindeutig zuzuordnen, ist doch gerade Teil der epistemischen Gewalt der Normalisierung 15
Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens
43
‚Geschlecht‘ und dessen Essentialisierung Gewalt entsteht. Somit wird bei ihr epistemologische queere Kritik missverstanden. Isolde Karle moniert zu Recht, dass diese dekonstruktivistischen Untersuchungen in der deutschsprachigen feministischen Theologie kaum vorkommen und möchte eine Theologie jenseits der Geschlechterdifferenz gestalten. Sie trägt sehr interessante Forschungsansätze zusammen und interpretiert diese für Theologie und Kirche gegen deren bipolare Konstruktion von Geschlechtlichkeit und repressive Gendernormen. Theologisch argumentiert sie, dass „[n]icht zuletzt die Taufformel von Galater 3,28 […] vor Augen [führe], dass in Christus die Unterscheidung ‚männlich-weiblich‘ keine tragende Relevanz mehr hat, dass Christus vielmehr eine neue Identität jenseits kulturell etablierter dichotomer Klassifikationsschemata verleiht und von allen kulturell auferlegten Identitätszwängen und Hierarchisierungen befreit“.18 Es ist jedoch fraglich, ob Karles Anliegen, die feministische Theologie von bürgerlich-bipolarer Geschlechtstypik zu befreien, gelingen kann. Ich sehe verschiedene, miteinander verbundene Probleme. Karle will ‚sex‘ und ‚gender‘ nicht trennen und eine biologistische Vorstellung von Zweigeschlechtlichkeit vermeiden. Allerdings kann sie die Zweigeschlechtlichkeit nicht nachhaltig dekonstruieren, wenn sie selbst eine naturalisierte Vorstellung von ‚Körper‘ nicht völlig überwindet. Sie nimmt an, es gäbe einen natürlichen, außerkulturellen Körper, der jedoch nur in sozialer Vermittlung existieren würde.19 Karle wagt sich hier nicht weit genug vor, weil sie letztlich nur mit der ‚sozialen Kategorie‘ Gender arbeitet. Es müsste folglich zum Abbau epistemischer Gewalt tatsächlich um ein ‚Undoing von Geschlecht‘ gehen, das zweierlei bedeutet : a) Es wäre also Geschlecht und nicht nur Gender diskursiv zu verstehen. b) Es geht um ein Aufsprengen, Deessentialisieren und Disidentifizieren (s. u.) der Kategorie Geschlecht. Ähnliches gilt für Karles Identitätsbegriff, denn Jesus Christus ermöglicht mehr als nur eine ‚neue Identität‘. Das Christusereignis überwindet meines Erachtens durch komplexe Grenzenauflösung die gewaltförmige Vorstellung von Identität, die solange bestehen bleibt, wie Einzelkörper und Kollektivkörper als exklusive, eindeutige und abgeschlossene Entitäten verstanden werden, denn solche Kollektivkörper homogenisieren nach innen die Einzelkörper durch biomächtige Regulierungen und entwerfen sich selbst durch Ausschluss der ‚anderen‘.20 und Disziplinierung. Leider setzt sich auch der Artikel von 2011 nicht mit der neueren Literatur auseinander, die Geschlecht als philosophische Kategorie des Wissens versteht, vgl. Pohl-Patalong, Gender, 11–30. 18 Isolde Karle, Theologie jenseits der Geschlechterdifferenz, 12–13. Vgl. Kuhlmanns Kritik an Gal 3,28, mit dem Hinweis auf Gal 3,28 : „alle seid ihr einer in Jesus Christus“ [also männlich, U.A.], Helga Kuhlmann, Wird Gott in Jesus Christus zum Mann ?, 51–76. 19 Vgl. Karle, Theologie jenseits der Geschlechterdifferenz, 15, 81, u. ö. 20 Darauf macht z.B. der Begriff der Assemblage aufmerksam, wie ich unten zeige.
44
Ulrike Auga
Ein wichtiges Plädoyer für das Zusammendenken von Theologie und Geschlecht ist der gleichnamige Band von Heike Walz und David Plüss.21 Es werden verschiedene deutschsprachige theologische Geschlechteransätze in einen Dialog gebracht und auch die sonst häufig vernachlässigte theologische Männlichkeitsforschung und queere theologische Arbeiten aufgenommen. Die Einleitung weist darauf hin, dass es sich zunächst um eine freundliche Sammlung und die Suche nach Allianzen und keine kritische Auseinandersetzung mit komplexen Machtmechanismen handele. So bleibt die Entscheidung, welche der neueren Ansätze Gewalt in der Theologie nachhaltig abbauen oder (re)produzieren, den Lesenden überlassen.22 Eine Umsetzung der neueren Debatten in die deutschsprachige Exegese ist die Bibel in gerechter Sprache (BigS). Es gab eine große Resonanz der Unterstützung und Ablehnung. BigS-Kritiker und Kritikerinnen sprechen von einem Ideologieansatz, von mangelnder Qualität und fehlender Textgerechtigkeit.23 Verteidigerinnen und Verteidiger der BigS beanstanden in traditionellen Übersetzungen eine patriarchale Perspektive, mangelnde Geschlechtergerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit und Gerechtigkeit gegenüber der jüdischen Religion. Eines ihrer Hauptargumente lautet, jede Übersetzung sei eine Interpretation.24 Meines Erachtens ist das BigS-Projekt als das eines ständigen Aushandlungsprozesses ein angemessener Versuch, der konform mit neueren wissenstheoretischen wie übersetzungswissenschaftlichen Ansätzen verläuft. Die Vorläufigkeit, die Mehrdeutigkeit, die Vielheit der Stimmen sind große Chancen.25 Wissenstheoretisch befinden sich folglich bestimmte Übersetzungsäquivalenzansätze unter fragwürdigen überholten Repräsentationsvorannahmen.26 Allerdings möchte ich bemerken, dass die BigS noch Reserven für den nachhaltigen Abbau von epistemischer Gewalt besitzt. Dieses resultiert aus dem Umgang mit dem Begriff Gerechtigkeit. Die Übersetzerinnen und Übersetzer der BigS setzten sich explizit und interdisziplinär mit Konzepten von Gerechtigkeit auseinander.27 Meines Erachtens wird in der BigS ein „Befähigungs-Gerechtigkeitsansatz […] der Schwachen und Armen zugute 21 Vgl. Heike Walz / David Plüss (Hg.), Theologie und Geschlecht. Dialoge querbeet, Zürich / Berlin 2008. 22 Für die Männlichkeitsforschung zeigt sich an den Stellen, wo sie identitär argumentiert, die gleiche Gefahr der Essentialisierung von Geschlecht, wie in identitären theologischen differenzfeministischen Ansätzen. 23 Vgl. Ingolf U. Dalferth / Jens Schröter (Hg.), Bibel in gerechter Sprache ? 24 Vgl. Christine Gerber / Benita Joswig / Silke Petersen (Hg.), Gott heißt nicht nur Vater. 25 Darüber hinaus lässt sich sagen, dass die Translation selbst zu einer Struktur der Wissenskultur des Epistems der Postmoderne geworden ist (vgl. unten IV). 26 Vgl. Ulrike Auga, Gewalt und die politisch-performative Kraft der Sprache. 27 Vgl. Helga Kuhlmann (Hg.), Bibel – übersetzt in gerechte Sprache ?
Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens
45
[kommen soll]“28 unterstellt. An anderer Stelle zeige ich, wie dieses auf Martha Nussbaum basierende, und hier auch von Kuhlmann referierte Gerechtigkeitsverständnis, das an die Vorstellung von Gleichstellung eben über das Recht gebunden ist, unbeabsichtigt identitäre, binäre, essentialisierte und universalisierende Vorstellungen von ‚Frau‘ und ‚Mann‘ generiert. Ich komme unten darauf zurück.29 Meines Erachtens bleibt ein Großteil der deutschen feministisch-theologischen Forschung, wenn sie sich auf ‚Gender‘ bezieht, auf Geschlecht als identitäre soziale Kategorie fokussiert. Geschlecht wird dann letztlich meistens (auch ungewollt) als binär und heteronormalisierend essentialisiert. Intersektionale und queere Kritiken kommen bisher zu kurz. Als Argument, warum diese Vorstellungen in der Theologie scheinbar resistenter sind als anderswo, wird angeführt : Dekonstruktivismus sei der feministischen Basis und Frauenbewegung nicht zu erklären. Es besteht der Vorbehalt, Dekonstruktion und Deessentialisierung zerstörten religiösen Glauben. Eine starke Nachwirkung einer biologistischen Konzeption von Natürlichkeit und Binarität von Geschlecht ist deutlich spürbar. Das hat auch mit der kontingenten Rezeption verschiedener feministischer Denktraditionen zu tun.30 Kann das Konzept der Intersektionalität dazu beitragen, die Interpretation von antiken Texten zu verbessern ? Wie kann Gewalt in Bezug auf Vorstellungen von Geschlecht und Religion nachhaltig gemindert werden ? Wichtige Punkte sind dabei, die Gewaltförmigkeit von bestimmten modernen Identitäts- und Rechtsvorstellungen zu unterstreichen und nach alternativen Vorstellungen zu suchen.
28
Helga Kuhlmann, Sprache einer Bibelübersetzung, 77–98, hier 96. und die politisch-performative Kraft der Sprache. 30 Während die etablierten Geschlechterforschungsansätze in Deutschland sich häufig auf einen dekonstruktivistischen Ansatz, der Geschlecht performativ versteht, beziehen, verwenden feministisch-theologische Ansätze mitunter einen Geschlechterbegriff nach Luce Irigaray u.a., der in seiner Verwendung dazu beiträgt, das Geschlecht binär zu essentialisieren. 29 Vgl. auch Auga, Gewalt
46
Ulrike Auga
III. Geschichte und Revision des Konzeptes der Intersektionalität 1. Intersektionale Analyse – identitär oder wissenskritisch ? Für die Diskussion der Intersektionalität – ein sich auf geschlechterverbundene Formen der Ungerechtigkeit beziehender Begriff – muss zunächst eingeräumt werden, dass eine große zeitliche Diskrepanz zwischen dem Prominent-Werden des Begriffes in Nordamerika und Europa besteht. In Nordamerika werden „multiple intersecting differences“ bereits seit den 1990er Jahren einflussreich. Die Debatte erreichte den europäischen feministischen Mainstream erst fünfzehn Jahre später.31 Der Begriff der ‚Intersektionalität‘ wurde bekanntlich 1989 durch Kimberlé Crenshaws berühmten Artikel Demarginalizing the Intersection of Race and Sex : A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory, and Antiracist Politics geprägt. Crenshaw vergleicht die Diskriminierung von Afro-Amerikanischen Frauen mit einem Verkehrsunfall an einer Kreuzung : Nehmen wir das Beispiel einer Straßenkreuzung, an der der Verkehr aus allen vier Richtungen kommt. Wie dieser Verkehr kann auch Diskriminierung in mehrere Richtungen verlaufen. Wenn es an einer Kreuzung zu einem Unfall kommt, kann dieser von Verkehr aus jeder Richtung verursacht worden sein – manchmal gar von Verkehr aus allen Richtungen gleichzeitig. Ähnliches gilt auch für eine Schwarze Frau, die an einer ‚Kreuzung‘ verletzt wird.32
Die US-amerikanische Rechtswissenschaftlerin stellt fest, dass das US-Antidiskriminierungsgesetz Mechanismen besitze, um gegen Diskriminierungen aufgrund von ‚sex‘ oder ‚race‘ vorzugehen.33 Die spezifische Diskriminierung von Schwarzen Frauen fehle jedoch. Als Fallbeispiel führt sie eine Klage Schwarzer Frauen an, die gegen die Einstellungspolitik von General 31 Es soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass auch im europäischen Kontext, insbesondere in Forschungsfeldern, die sich mit Fragen der Migration beschäftigen, der heutigen Intersektionalitätsproblematik verwandte Themen bereits viel früher diskutiert wurden, vgl. z. B. Hazel V. Carby, White Woman Listen ! ; Philomena Essed, Everyday Racism ; Nira Yuval-Davis, Gender and Nation. 32 Kimberlé W. Crenshaw, Die Intersektion von „Rasse“ und Geschlecht demarginalisieren, 33–54, hier 38 (übers. v. Thorsten Möllenbeck). Original : „Discrimination, like traffic through an intersection, may flow in one direction, and it may flow in another. If an accident happens in an intersection, it can be caused by cars travelling from a number of directions and, sometimes, from all of them. Similarly, if a Black woman is harmed because she is in the intersection, her injury could result from sex discrimination or race discrimination.“ (Kimberlé Crenshaw, Demarginalizing the Intersection of Race and Sex, 139–167, hier 149). 33 Vorläuferinnen von Crenshaws Intersektionalitätsbegriff sind die Studien von Gloria T. Hull u.a. (Hg.), All the Women ; Gloria Anzaldúa, Borderlands.
Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens
47
Motors vorgingen, die Schwarze Frauen systematisch nicht berücksichtigten. General Motors wies die Klage gegen Sexismus mit dem Argument zurück, sie würden Weiße Frauen einstellen. Dem Vorwurf von Rassismus begegneten sie mit dem Verweis auf die Einstellung Schwarzer Männer. Sie stellt mit weiteren Beispielen von Diskriminierungen Schwarzer Frauen am Arbeitsmarkt fest, dass sich die Diskriminierungen in spezifischer Weise kreuzten und ohne entscheidende Veränderungen Schwarze Frauen durch das Antidiskriminierungsgesetz nicht geschützt würden. Als ‚Gruppe‘ besäßen sie intersektionale Bedürfnisse. Sie spricht sich gleichzeitig für eine intersektionale Kritik von Sexismus und Rassismus in feministischer Theorie und Schwarzer Widerstandsbewegung aus. Weitere Kategorien bezieht Crenshaw nicht in ihre Analyse ein. Später wurden unter dem Terminus ‚triple oppression‘ ‚gender‘, ‚race‘ und ‚class‘ untersucht. In den USA ging es dann um die Analyse mehrfach marginalisierter Menschen, „black women writers, Asian-American female elected officials, or Latin-American women’s movements“, einen Ansatz, den Ange-Marie Hancock „content specialization“34 nennt. Es handelte sich häufig um Gleichstellungs- und Rechtsfragen. Heute gehe es hingegen darum, eine spezifische Problemstellung unter der Frage der Intersektionalität zu beleuchten und zu untersuchen, d.h. inwiefern Gender, Rasse, Klasse, Nation, Religion, Sexualität, Behinderung etc. einen bestimmten Forschungsgegenstand prägten.35 Darüber hinaus werden die Kategorien auch in früheren historischen Zusammenhängen untersucht. Zum Beispiel werden ‚race‘ und ‚christianity‘ in den ersten christlichen Jahrhunderten von Denise Kimber Buell untersucht.36 Die weitere Rezeption des Intersektionalitätskonzeptes im englischsprachigen und im deutschsprachigen Kontext wurde von Theoriedebatten poststrukturalistischer Lesart beeinflusst. Insbesondere unter dem Einfluss der Machtanalytik Foucaults wurden Normalisierungen und Essentialisierungen kritisiert. Hierbei wird auch jenseits von Rasse, Klasse, Geschlecht doch zugleich auch intersektional argumentiert, wie zum Beispiel in der Queer Theory. Der Fokus liegt jedoch nicht auf der Frage nach Identität und rechtlichen Gleichstellungen. Ich komme später darauf zurück. Beispielsweise unterstützt Katharina Walgenbach die Kritik an universalistischen Vorstellungen von Weiblichkeit, die die Perspektive der Weißen, national zugehörigen, heterosexuellen, christlichen oder säkularen Mittelschichtsfrau einnähmen, und unterstreicht, dass „Gender nicht isoliert von
34 Ange-Marie
Hancock, Intersectionality, 248–254, hier 249. Ebd., 251–252. 36 Kimber Buell, Denise, Rethinking the Relevance of Race for Early Christian SelfDefinition, 449–476. 35
48
Ulrike Auga
anderen Kategorien konzeptionalisiert werden“37 könne. Sie schlägt jedoch vor, präziser gefasst „von interdependenten Kategorien“38 auszugehen, also ein prozessuales Voneinander-Abhängig-Sein zu beschreiben. Sie wirft Crenshaw vor, deren Kategorien würden tendenziell einen ‚genuinen Kern‘ besitzen. Problematisch bei Walgenbach ist jedoch, dass dieser Ansatz keine Alternativen zu den Kategorien anbietet und diese nicht nachhaltig zu dekonstruieren vermag. Bei Walgenbach geht es dann letztlich doch um soziale Diskriminierungen, in deren Konsequenz epistemische Fragen zu kurz kommen.39 Ein weiterer Mangel in Walgenbachs Analyse ist, dass Religion als Kategorie nicht vorkommt. Religion wird verkürzt unter der Frage von Antisemitismus verhandelt und dann unter das Problem von Rassismus subsumiert. Ina Kerner entwirft einen sinnvollen multidimensionalen Begriff von Intersektionalität.40 Sie analysiert die epistemischen, institutionellen und personalen Dimensionen von Rassismus und Sexismus und deren Intersektionen.41 Kerner weist daraufhin, dass es nicht genug sei, in gewalt-kritischen Analysen nur empirisch zu arbeiten und lediglich kategoriale Differenzen, Identitätsfragen, Diskriminierungsmuster und soziale Strukturen zu befragen. Vielmehr soll herausgearbeitet werden, wie Intersektionalität funktioniert. Die Stärken in Kerners Vorschlag liegen in ihrem Verweis darauf, epistemische Fragen in das Zentrum der Analyse zu rücken, sowie die intersektionale Gewalteinschreibung in den drei genannten Dimensionen zu untersuchen. Allerdings schränkt sie ihre epistemische Kritik selbst wieder ein. Sie sucht einen Kompromiss mit den marginalisierten, diskriminierten, jedoch identitär arbeitenden Widerständen. So zeigt sie deren eigene durch Essentialisierung produzierte Gewalt nicht ausreichend an.
37 Walgenbach, Gender
als interdependente Theorie, 40. Ebd., 61. 39 Hier wird ein Problem des Gesamtansatzes ‚soziale Kategorie‘ deutlich, der verkennt, dass es im Kontext der Kategorien auch um Widerstand, Subjektformation und das Entstehen neuen Wissens geht. 40 Vgl. Ina Kerner, Differenzen und Macht. 41 Sie nimmt an, dass diese drei Dimensionen verbunden sind, sich gegenseitig verstärken und einander reproduzieren. Die epistemische Dimension bezieht sich auf Diskurse und Wissen, jedoch auch auf Bilder und Symbole. Die institutionelle Dimension bezieht sich auf etablierte Institutionen, die strukturelle Formen der Stratifizierung, Diskriminierung und Ausschluss hervorrufen und die Verteilung von ‚strukturellen Privilegien‘ beeinflussen. Die personale Dimension bezieht sich auf die Person oder die Identität und/oder Subjektivität der Menschen, die zu dominanten oder marginalisierten sozialen Gruppen in Bezug auf Gender, Sexualität, Rasse, Ethnizität, Nationalität und Religion gehören. 38
Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens
49
2. Intersektionalität, Identität und das Paradox des Rechts Die Frage lautet also : Produziert Crenshaw Essentialismen ? Essentialismen – auch durch widerständige Diskurse geformt – sind gewaltförmig, wenn sie Individuen unter vermeintlichen Gruppeninteressen subsumieren und homogenisieren und der Zugang oder Ausschluss aus der Gruppe gleichfalls gewaltförmig ist. Lese ich Crenshaw im Lichte dieser Debatte, fällt Folgendes auf. Crenshaw beginnt mit den Erfahrungen Schwarzer Frauen und stellt ihr Anliegen dar : Mein Argument lautet, dass Schwarze Frauen sowohl in der feministischen Theorie als auch im antirassistischen politischen Diskurs außen vor bleiben, weil beide jeweils auf einer Reihe separater Erfahrungen basieren, die das Zusammenspiel von ‚Rasse‘ und Geschlecht nicht ausreichend widerspiegeln. Diese Probleme lassen sich nicht einfach dadurch lösen, dass Schwarze Frauen in eine bereits etablierte analytische Struktur einbezogen werden : Da die Erfahrung von intersektionaler Diskriminierung mehr ist als die Summe von Rassismus und Sexismus, kann nur eine Analyse, die diese Intersektionalität in den Blick nimmt, die spezifische Unterdrückung Schwarzer Frauen in ausreichender Weise thematisieren.42
Es liegt mir fern, die individuelle Erfahrung von Gewalt zu kommentieren. Ich möchte jedoch einige Punkte unterstreichen, die helfen könnten, Gewalteinschreibungen nachhaltiger anzugehen. Ist Crenshaw essentialisierend, wenn sie von Diskriminierung von „Black women as Black women“43 spricht ? Auf den ersten Blick könnte man wie Kerner sagen, Crenshaw kritisiert doch gerade, dass Personen diskriminiert werden, weil ihnen ein genuiner Kern in Bezug auf Rasse oder Geschlecht unterstellt wird.44 Crenshaw, Walgenbach (und Kerner) übersehen Folgendes : Der Wert des liberalen Rechts ist von etlichen in Frage gestellt worden. Rechte mögen der Verletzung von Marginalisierten in einem patriarchalen kapitalistischen System zwar zur oberflächlichen Linderung dienen, schaffen aber das Regime, seine Reproduktionsmechanismen und epistemische Gewalt nicht ab und können sogar dazu dienen, das System zu legitimieren. Bereits Walter Benjamin bezweifelte, dass mittels des Rechts Gerechtigkeit für alle
42 Crenshaw, Die Intersektion von „Rasse“ und Geschlecht demarginalisieren, 34 (übers. v. Thorsten Möllenbeck). Original : „I argue that Black women are sometimes excluded from feminist theory and antiracist policy because both are predicated on a discrete set of experience that often does not accurately reflect the interaction of race and gender. These problems of exclusion cannot be solved simply by including Black women within an already established analytical structure. Because the intersectional experience is greater than the sum of racism and sexism, any analysis that does not take intersectionality into account cannot sufficiently address the particular manner in which Black women are subordinated.“ (Crenshaw, Demarginalizing the Intersection of Race and Sex, 140). 43 Crenshaw, Demarginalizing the Intersection of Race and Sex, 142 u. ö. 44 Kerner, Differenzen und Macht, 372, Fußnote 222.
50
Ulrike Auga
Rechtssubjekte geschaffen werden könnte.45 Prominent und vielfach aufgenommen ist Wendy Browns Darstellung des Paradoxes des Rechts, nachdem auch im linken, feministischen, Schwarzen, LGBTIQ46, postkolonialen etc. Widerstand und den theologischen Befreiungsansätzen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Rechtsdiskurs an Fahrt aufgenommen hatte. Das Paradox ist nach Brown, dass um so spezifischer Rechte als Rechte für Frauen gekennzeichnet sind, diese umso deutlicher auch eine essentialisierte Definition von Frauen installieren, die Subordination festschreibt. Je stärker „gender-neutral“ ein spezifisches Recht erscheint, umso stärker befördert es das Privileg der Männer, denn die universale Position ist nicht neutral, sondern männlich. Die Anrede als Rechtssubjekt verfestigt letztlich die Essentialisierung einer Marginalisierung.47 Daher sind die Identitätskämpfe, die sich auf das liberale Recht berufen, um Gerechtigkeit herzustellen, in einer traurigen Position. Verlange ich die rechtliche Gleichstellung als Frau gegenüber dem Mann kommt es zu einer naturalisierenden, binären und heteronormalisierenden Verfestigung der Kategorie Geschlecht. Diese Gefahr besteht auch, wenn ich intersektional Recht einfordere als ‚Schwarze Frau‘. In unseren nationalen Gefügen mit rechtsstaatlicher Ordnung werde ich nur zum Rechtssubjekt und vom liberalen Recht geschützt, wenn ich mich mit der Geburt ‚Identitätskategorien‘ wie Nation, Geschlecht, in einigen Staaten Rasse und Religion zuordnen lasse, weshalb auch die Menschenrechte paradoxerweise zu kurz greifen, weil sie nicht auch Staatenlose und epistemisch Ausgeschlossene umgreifen.48 Jedoch nicht nur die hegemonialen Diskurse, sondern auch einige kontextuelle Ansätze (etwa Theologien, die sich auf Kontextualität als Grundmoment ausrichten) basieren, wie schon erwähnt, auf einem Widerstandsverständnis, das selbst gewaltförmig bleibt. Schwierig ist dabei insbesondere, dass sich sowohl die Diskriminierung als auch die Bewegungen dagegen häufig auf vermeintliche „Gruppenidentitäten“ bezogen. Noch einmal, ich möchte nicht die verschiedenen subjektiven Erfahrungen bestreiten. Vielmehr sollen wissenschaftliches Wissen, aktivistisches Wissen, Erfahrungswissen und Körperwissen (auch theologisch) zusammen gedacht werden.49 Es wurden jedoch historisch und kulturell konstruierte Größen (Rasse, Klasse, Geschlecht, Nation, Religion) als naturalisierte und essentialisierte Kategorien etabliert. Das Problem besteht darin, dass sogenannte „Gruppenidentitäten“ für kontextuelle Bewegungen eintreten, welche die Marginalisierung letztlich verfestigen, gegen die sie angetreten waren. Sie bringen 45 Vgl. Walter
Benjamin, Kritik der Gewalt, 179–202. für Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual, Intersexual, Queer. 47 Vgl. Wendy Brown, States of Injury, 420–434. 48 Vgl. die Kritik von Hannah Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, 559–625 sowie auch Ulrike Auga, Sexuelle Rechte und Menschenrechte, 357–369. 49 Vgl. Marcella Althaus-Reid / Lisa Isherwood (Hg.), Body Theology. 46 Abkürzung
Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens
51
gleichzeitig Gewalt hervor, weil Subjekte auf die jeweilige Marginalisierung reduziert werden und eine homogene Gruppenidentität unterstellt wird, die Abweichungen ahndet und die sich durch die Konstruktion und den Ausschluss der ‚Anderen‘ selbst konstituiert.50 Ich möchte meinen Fokus also darauf legen, zu schauen, wie es möglich ist, die intersektional entstehende Gewalt nachhaltig abzubauen. Fokussiere ich den epistemischen Charakter dieser Gewalt, sind es die Essentialisierungen, die dekonstruiert werden müssten. Andererseits schlage ich vor, den historischen und geographischen Wechsel der epistemischen Ordnungen genauer anzusehen und schließlich Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens zu untersuchen.
IV. Von der Ideologiekritik zur Wissenskritik 1. Vom Kommen und Gehen der ‚Identität‘ – Zur Bedeutung der a-priorischen Wissensbedingungen von Perioden Für meine Analyse ist ein Rückgriff auf das Denken Michel Foucaults unerlässlich. Dieser nennt das epistemische Unbewusstsein eines Zeitalters Episteme und schreibt : „In einer Kultur, und in einem bestimmten Augenblick gibt es immer nur eine Episteme, die die Bedingungen definiert, unter denen jegliches Wissen möglich ist“.51 Der Begriff der ‚Episteme‘ ist wichtig, weil mit ihm deutlich wird, warum eine ganze historische Periode bestimmte Vorannahmen für wahr hält – zum Beispiel die Vorstellung der Identität im 19.–20. Jahrhundert – und epistemische Gewalt durch den damit einhergehenden Ausschluss anderer Annahmen generiert. Foucault möchte den Wandel der Denksysteme beschreiben und zunächst auf den willkürlichen Charakter von Ordnungssystemen aufmerksam machen.52 Foucault beginnt mit dem 16. Jahrhundert, das er als Renaissance und unterlegt mit dem Wissensmodell der Ähnlichkeit beschreibt. Soll neues wissenschaftliches Wissen entstehen, sind Formen der Ähnlichkeit der Din50 Bei Crenshaw wird das deutlich im ‚Rechtsstreit Moore‘. Die ‚Schwarzen Frauen‘ sind von der Beförderung ausgenommen. Sie können sich nicht wehren, weil sie so wenige sind, dass sie statistisch nicht einmal eine Gruppe bilden, die man berücksichtigen müsste. Würden sie eine Gruppe bilden, würde ihnen aufgrund dieser Gruppenzuschreibung Gewalt zuteil. Essentialisierungen entstehen häufig auf der Basis von statistischen bzw. weiteren empirischen Erhebungen, weshalb Vorsicht bei diesen an sich wichtigen Zugängen geboten ist. 51 Vgl. Foucault, Ordnung der Dinge, 213. 52 Er selbst unterstreicht, dass er zunächst nur Aussagen für das ‚westliche Wissen‘ treffe. Allerdings wird sein Begriff der epistemischen Gewalt grundlegend in der postkolonialen Kritik.
52
Ulrike Auga
ge und Zeichen wichtig, so wird z. B. der menschliche Körper mit Flüssen und Meeren verglichen. Das 17. und 18. Jahrhundert bezeichnet Foucault als Klassik, die auf dem Wissensmodell der Repräsentation basierte. Neues Wissen soll durch die Disziplinierung des Denkens in Tabellen, Skizzen und Übersichten entstehen, z.B. werden Tiere und Menschen durch Eintragen in Tableaus klassifiziert. Mit der Klassik befinden wir uns noch im Bereich eines subjektlosen Wissensmodells. Mit Kant erleben wir die Kopernikanische Wende der Philosophie : der Mensch gerät als Subjekt in den Mittelpunkt. Im 19. Jahrhundert wird in den Wissenschaften angenommen, dass der Mensch selbst Begründer aller objektiven Wertschöpfung sei. Diese Epoche der Moderne zeichne sich durch das Wissensmodell der Anthropologie aus und reiche bis in das 20. Jahrhundert hinein. In den Wissenschaften wird nun unterhalb der Repräsentationen nach Bedeutung gesucht und Begehren, Sexualität, Gewalt, Leben und Tod kommen in den Blick. Das Subjekt wird in den Kontext liberaler humanistischer Setzungen gestellt mit Begriffen wie Autonomie, Transzendenz, Sicherheit, Autorität, Einheit, Universalismus, Zentrum, Kontinuität, Teleologie, Hierarchie, Homogenität, Einmaligkeit und Ursprünglichkeit.53 Nun ist der Gang von der ‚Ordnung‘ im 18. Jahrhundert zur ‚Tiefe‘ im 19. Jahrhundert verbunden mit der Suche nach Prozessen, die das Dasein der Menschen bestimmen. Vom Blick auf Klassifikationen kommen nun Kausalität und Geschichte in den Fokus. Mechanismen wie Homogenisierung, Hierarchisierung und Essentialisierung sollen neues Wissen hervorbringen. In den Geisteswissenschaften lassen sich verschiedene Probleme beobachten, die durch die Übertragung naturwissenschaftlicher Gesetze auf soziale, kulturelle Phänomene herbeigeführt werden. Auf diese Weise entstanden aus Kategorien des Wissens von Klasse, Nation, Rasse, Geschlecht und Religion naturalisierte, wesenhafte, identitäre Größen. Mit der ‚Subjektwerdung‘ des Menschen geht so eine neue Form epistemischer Gewalt einher, die durch das Wissensmodell selbst begründet ist.54
Im 20. Jahrhundert entfalten sich aus diesen epistemischen Grundlagen gewaltvolle Ideologien. Die Totalitarismen zeigen eine neue Form und Qualität der Gewalt, nämlich das Auslöschen jeglicher Kommunikation und den totalen Ausschluss des ‚naturalisierten Anderen‘. Zu diesem Schluss kommen auf unterschiedlichen Wegen Foucaults Archäologie der Wissensordnungen und Hannah Arendts Analyse des Totalitarismus.55 Jedoch ge53 Der Sprachwissenschaft kommt eine eminente Bedeutung bei der Übertragung der individuellen Subjektivität auf eine kollektive zu, die ihren gewaltförmigen Ausdruck im Nationalismus findet. Es wurde angenommen, dass die Sprache in einem tiefen Ursprung wurzelte und von der Kultur gesetzt sei. Sie sei Ausdruck des Volksgeistes, denn ein Volk handelte durch seine Sprache und gäbe sich so seine Subjektivität. 54 Foucault, Ordnung der Dinge, 396. 55 Vgl. Arendt, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft.
Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens
53
nerieren bekanntlich auch in Demokratien unter dem Wissensmodell der Anthropologie – insbesondere über Rassismus, Nationalismus, Fundamentalismus, Sexismus und Homophobie und in Kopplung an kapitalistische Logiken und biomächtige Regulierungen – die hegemonialen Diskurse wie ein Teil der widerständigen Diskurse epistemische Gewalt, die jedoch immer stärker in die Kritik gerät.56 Das dritte Drittel des 20. und der Beginn des 21. Jahrhunderts lassen sich als Episteme der Postmoderne bezeichnen, das von einem Wissensmodell des Lebens bestimmt scheint. Nach der tödlichen Gewalt des 19. und 20. Jahrhunderts wird „Leben“ zu einem apriorischen Unterbewussten. Stichworte sind „Überleben“ – angesichts von politischem, ökonomischem und epistemischem Ausschluss der biomächtigen Regulierungen –, „gutes Leben“, die Suche nach neuem solidarischen Leben, Reproduktion des Menschen und die Suche nach dem eigenen Code.57 Im postmodernen Wissensmodell der Gegenwart wird das Subjekt verstärkt als fragil, offen widersprüchlich und in ständiger Konstruktion beschrieben. Subjekte werden vornehmlich durch die Diskurse der jeweiligen Gesellschaft und in einer Reihe vorgegebener Subjektpositionen konstituiert. Subjekte befinden sich in der permanenten Auseinandersetzung mit den dominierenden Diskursen über Klasse, Rasse, Nation, Geschlecht, Religion etc. und formen ihre Subjektposition in diesen Konfrontationen. Das heißt nun aber gerade nicht, dass diese Personen durch eine dieser philosophischen Kategorien – als natürlicherweise – zu denotieren wären. Daher ist die Vorstellung von identitären Kategorien, wie ‚Mann‘ oder ‚Frau‘, oder ‚Jüdisch‘, ‚Christlich‘, ‚Muslimisch‘, ‚Säkular‘ problematisch, weil sie die Tendenz besitzt, einen Menschen zu stereotypisieren, zu homogenisieren oder zumindest zu reduzieren und das mögliche Wissen über ihn/sie zu kanalisieren. Wir können diese Kategorien inszenieren, parodieren, subvertieren, aber wir sind sie nicht. 2. Geschlecht als Kategorie des Wissens Bereits Carol Hageman-White zeigte, dass die Klassifizierung von Menschen in Männer und Frauen schwierig sei, da sie unterstelle, es gäbe (nur) zwei Geschlechter und Geschlecht als etwas Außersoziales, Naturgegebenes und Statisches repräsentiere.58 Durch einen Beitrag von Joan W. Scott tritt Gender prominent als Kategorie historischer Analyse in den Vordergrund.59
56 Foucault spricht von der modernen panoptischen Gesellschaft mit Überwachung, Disziplinierung und Normalisierung. 57 Zu dem Verhältnis von Leben, Biomacht und Geschlecht vgl. Astrid Deuber-Mankowsky u.a. (Hg.), Lebenswissen. 58 Vgl. Carol Hagemann-White, Sozialisation. Weiblich–männlich ? 59 Vgl. Joan W. Scott, Gender, 1053–1075.
54
Ulrike Auga
Mit Judith Butlers Theorie verschiebt sich die Debatte von der ‚Frau‘ und von Kritik an der Konstruktion von ‚sozialem Geschlecht‘ (gender) zu einer Kritik an ‚substanzhafter‘ Annahme von ‚Geschlecht‘. In ihren frühen Schriften zeigte sie, dass es keine Deckungsgleichheit von sozialem (gender), biologischem (sex) Geschlecht und Begehren (desire) gäbe. Gleichwohl denkt sie diese zusammen und versteht soziales und biologisches Geschlecht als kulturell determiniert.60 Butler wendet die Theorie der Performativität von John L. Austin auf die Herstellung von Geschlecht an. Sie argumentiert, dass Geschlecht eine kulturelle Bedeutung habe, die dem menschlichen Körper zugeschrieben würde und kein inhärentes Attribut der Person oder Subjektivität sei.61 Die Bedeutung von Geschlecht sei untrennbar von den kulturellen und politischen Konstrukten, in welchen es produziert und erhalten werde. Es ist nicht „natürlicher Weise“ von einem „biologischen Geschlecht“ ableitbar. Sie argumentiert mit Austin, dass „gendering“ ein reiterativer performativer Prozess einer Geschlechtszuschreibung ist. Die Performativität von Geschlecht beziehe sich nicht auf einen einzelnen Akt, sondern auf einen langen, sich wiederholenden Prozess, durch welchen der Diskurs den Geschlechtereffekt produziert, von dem er vorgibt, diesen nur zu bezeichnen : There is no gender identity behind the expressions of gender ; […] identity is performatively constituted by the very expressions that are said to be its results.62
Schließlich ist das Ziel ihres dekonstruktivistischen Vorgehens nicht das Erreichen irgendeiner Identität, sondern „Undoing Gender“, das Entbinden des essentialisiert vorgestellten ‚biologischen‘ Geschlechts. In der Konsequenz werden damit z.B. auch Verwandtschaftsvorstellungen denaturalisiert und ‚Sorge‘ tritt in den Vordergrund.63 Spätestens seit Thomas Laqueurs Untersuchung der Geschlechtergeschichte von der Antike bis Freud wird darüber hinaus klar gestellt, dass die Behauptung eines biologischen Gegensatzes zwischen Mann und Frau sich erst mit der Aufklärung durchsetzte. Davor ging man im entstehenden ‚westlichen‘ Denken von einem Geschlecht in zwei Ausformungen aus.64 Weltweit existieren historisch und gegenwärtig zahlreiche empirische Bei60 Vgl.
Judith Butler, Das Unbehagen der Geschlechter ; dies., Körper von Gewicht. In Butlers Schaffen finden sich interessante Verschiebungen, vgl. dazu die sehr gute Einführung von Hannelore Bublitz, Judith Butler. 61 Vgl. John L. Austin, How to do Things with Words. Als Beispiele dienen das Ja-Wort bei der Heirat oder die biblischen Schöpfungsakte der Genesis. 62 Judith Butler, Gender Trouble, 25. 63 Vgl. zu ‚Undoing Gender‘ (im Deutschen etwa „Ungeschehen machen von Geschlechterdifferenzierungen …“), Judith Butler, Macht der Geschlechternormen (zuerst engl. Undoing Gender 2004). 64 Vgl. Thomas Laqueur, Geschlechter von der Antike bis Freud.
Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens
55
spiele fluider Vorstellungen von Geschlecht. Der heutige Stand der Biologie erklärt, dass Körper von Menschen in Bezug auf Geschlechtlichkeit nicht binär, sondern in ‚fließenden Übergängen‘ vorgestellt werden können.65 Mit diesem Blick auf die Veränderung der epistemischen Ordnungen soll daran erinnert werden, wie die Vorstellung der Identität von Kategorien epistemische Gewalt generiert. Gleichzeitig wurde gezeigt, wie diese Vorstellung entstehen konnte und dass sie wieder von anderen Perspektiven abgelöst wird, was ich theoretisch und am Beispiel ‚Geschlecht‘ erläuterte. Damit soll deutlich werden, wie notwendig es ist, dass emanzipatorische Gegendiskurse epistemologische Fragen berücksichtigen. Anderseits scheint es lohnend, auch die Kategorie ‚Religion‘ durch die verschiedenen epistemischen Ordnungen hindurch zu deklinieren und sie so ihrer essentialisierten Vorstellung zu entbinden. In diesem Zusammenhang möchte ich mich nun der queeren Kritik zuwenden, da dort die epistemologische Kritik und die Deessentialisierung der Kategorien besonders vorangetrieben werden.
V. Critical Queer Theory, die Disidentifizierung der Kategorien 1. Kritische Intersektionalität und Queer Theory Vor dem Hintergrund der Umkehrung negativer Anrufung als ‚queer folks‘ hatten sich queere Kritiken in Verbindung mit postcolonial, Critical Race, Whiteness und Transnational Feminist Theories entwickelt, weil Sexualitätsund Heteronormativitätskritik in zahlreichen rollen- und identitätsfokussierten Genderansätzen nicht vorkamen. Andererseits sind mit der queeren Kritik auch bestimmte Schwul-Lesbische Ansätze weiterzuentwickeln, die die Normalisierung von Sexualität als einen Hauptwiderspruch kritisieren, jedoch andere Formen der Gewalt vernachlässigen. Als Definition früher queerer Kritik kann die Selbstbeschreibung aus dem Jahre 1997 dienen, wo es heißt, queere Analyse sei zu verstehen as a point of departure for a broad critique that is calibrated to account for the social antagonism of nationality, race, gender, and class as well as sexuality.66
Unter queerer Kritik firmiert ein breites Spektrum an Zugängen. Mir erscheinen diejenigen weiterführend, die Critical Queer Theory als epistemologische (nicht-identitäre) Kritik verstehen und mit Intersektionalitäts-/ Interdependenzansätzen verbinden.
65 Vgl.
Margarete Maurer, Sexualdimorphismus, Geschlechterkonstruktion und Hirnforschung, 65–108, hier 87–88. 66 Philip Brian Harper / Anne McClintock u.a., Queer Transexions, 1–4, hier 3.
56
Ulrike Auga
Hauptanliegen sind, die Einseitigkeit und den essentialisierenden Charakter von Identitätspolitik zu überarbeiten. Dieses soll durch Wissenskritik möglich werden. ‚Kritik‘ bedeutet vereinfacht gesagt beides – Kritik an hegemonialen Diskursen und deren Machtwissen, das Aufzeigen der Bedingungen der Kategorisierungen sowie das Schaffen von Möglichkeiten, neue Konzepte entstehen zu lassen und Gegendiskurse durchzusetzen. Foucault formuliert : Wenn es sich bei der Regierungsintensivierung darum handelt, in einer sozialen Praxis die Individuen zu unterwerfen – und zwar durch Machtmechanismen, die sich auf Wahrheit berufen, dann […] ist die Kritik die Bewegung, in welcher das Subjekt sich das Recht herausnimmt, die Wahrheit auf ihre Machteffekte hin zu befragen und die Macht auf diese Wahrheitsdiskurse hin.67
Jose Esteban Muñoz schaut, wie diejenigen außerhalb des Mainstreams in Bezug auf ‚Rasse‘ oder Sexualität mit den hegemonialen Diskursen umgehen und entwickelt daraus, in Anlehnung an Louis Althusser und Michel Pêcheux, die Strategie der ‚Disidentifizierung‘. Disidentification is meant to be descriptive of the survival strategies the minority subject practices in order to negotiate a phobic majoritarian public sphere that continuously elides or punishes the existence of subjects who do not conform to the phantasm of normative citizenship.68
(Gegen)diskurse der Minority Subjects positionieren sich nicht einfach mit den dominanten Diskursen oder dagegen, sondern transformieren dieses Wissen für ihre eigenen Anliegen. Muñoz nennt diesen Prozess ‚disidentification‘ und entwickelt auf der Grundlage seiner Beobachtungen eine neue Perspektive auf minority performance, Überleben und Aktivismus.69 Ziel dieser Verhandlungsstrategie des Widerstandes ist „[t]he remaking and rewriting of a dominant script and the public sphere in ways that minoritarian subject’s eyes are no longer marginal“.70 Muñoz beobachtet drei Phasen, die marginalisierte Subjekte in ihrer Auseinandersetzung mit den hegemonialen Diskursen durchlaufen würden : In der „snow phase“ wird die eigene ‚Anderswahrnehmung‘ unterdrückt, in der „militant phase“ erfolgt eine starke Ablehnung und Identifizierung mit der vermeintlich ‚eigenen Kultur‘. Schließlich ist die dritte Phase die „disidentification“, in der die Herstellung der Norm selber dekonstruiert wird.71 67
Michel Foucault, Was ist Kritik ?, 15. José Esteban Muñoz, Disidentifications, 4. 69 Ebd., 19. 70 Ebd., 23. Muñoz ist auch interessant, weil er individuelle Subjektformation mit ‚queer collectivity‘ verbindet, die er real und als solidarische, Gewalt entbundene, gesellschaftliche Imagination beschreibt. Politische Potenz besitzt auch seine Vorstellung einer ‚queeren Utopie‘, die er im Anschluss an Ernst Blochs Prinzip der Hoffnung formuliert. 71 „Disidentification is a performative mode of tactical recognition that various mino68
Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens
57
Roderick A. Ferguson bezieht sich in Aberrations in Black. Towards a Queer of Color Critique auf frühe Ansätze des Schwarzen lesbischen Feminismus und die Afroamerikanische Intersektionalitätsdebatte, deren mehrdimensionale Bearbeitung der ‚interlocking systems of oppressions‘ er würdigt. 72 Mit Muñoz geht es ihm jedoch auch darum, einen nicht-identitären Ansatz zu etablieren : „Intersections are necessarily messy, chaotic, and heteredox. Why necessarily so ? Because intersections are not about identity“.73 Er etabliert den Begriff Queer of Color Critique, mit dem er Identitätszuschreibungen auseinander nehmen möchte : [Q]ueer of color analysis presumes that liberal ideology occludes the intersecting saliency of race, gender, sexuality, and class in forming social practices. Approaching ideologies of transparency as formations that have worked to conceal those intersections means that queer of color analysis has to debunk the idea that race, class, gender, and sexuality are discrete formations, apparently insulated from another.74
Ferguson fordert also nicht Rechte für ‚marginalisierte Identitäten‘, sondern erteilt einer Identifikation mit diesen Kategorien eine Absage, denn „[t]o assume that categories conform to reality is to think with, instead of against hegemony”.75 Gabriele Dietze, Elahe Haschemi Yekani und Beatrice Michaelis untersuchen das Verhältnis von Intersektionalität und Queer Theory im Überblick und kommen zu dem Schluss, dass „eine der wichtigsten Momente von queeren Analysen […] die Potenz zur Dekonstruktion und Destabilisierung von Kategorien“76 sei. Queere Analysen weisen darauf hin, dass Intersektionalität als disidentifizierende, transdisziplinäre „Perspektiven auf ein spezifisches Material“ verstanden werden müsse, wobei es darum gehe „komplexe Diskriminierungspraktiken in simultaner Wirkungsweise zu analysieren und Wege des Widerstands aufzuzeigen“.77 Diese sind jedoch nicht identitär, sondern in disidentifizierender Subjektformation und Handlungsfähigkeit zu suchen. Es kommt also auf diese kritisch-kategoriale Position an, die mit dem Begriff der Interdependenz besser beschrieben wäre, da dem alten Begriff der Intersektionalität teilweise ein identitäres Verständnis anhaftet. Da sich die Perspektiven jedoch überschneiden und sich in der englischen Literatur
ritarian subjects employ in an effort to resist the oppressive and normalizing discourse of dominant ideology. Disidentification resists the interpellating call of ideology that fixes a subject within the state power apparatus” (Muñoz, Disidentifications, 97). 72 Roderick A. Ferguson, Aberrations in Black. 73 Ebd., 66. 74 Ebd., 4. 75 Ebd., 5. 76 Gabriele Dietze u.a., Checks and Balances, 107–139, hier 109. 77 Ebd., 113.
58
Ulrike Auga
‚Intersektionalität‘ etablierte, würde ich den Begriff ‚kritische Intersektionalität‘ erwägen.78 In ihrem exzellenten Artikel untersuchen die Autorinnen Queer Intersectionality, darüber hinaus Queer Diaspora Critique, Queer Disability Studies, Transgender Studies, Queer Class und als letztes Queer Jewish Studies. Sie erachten es als produktiv, Jewishness und queer zusammenzudenken und schließen sich in ihrer Argumentation Daniel Boyarin an.79 Während der Fokus bei Boyarin darauf liegt, einen dekonstruierten, quasi eröffnenden Charakter von jüdischer und christlicher Religion per se zu bewahren, der erst durch spätere Grenzziehungen essentialisiert wurde, wird bei Dietze, Haschemi und Michaelis Religion unter ‚Race‘-kritik subsumiert, wenn es heißt : „Mit einer queeren Methodologie, die die Interdependenz von Kategorien berücksichtigt, lassen sich neue Perspektiven auf die Genese von Antijudaismus und Antisemitismus eröffnen.“80 Nun muss meines Erachtens darauf hingewiesen werden, dass die Kategorie ‚Religion‘auch bei Crenshaw, Walgenbach, Kerner, Muñoz und Ferguson nicht als Kategorie des Wissens vorkommt. Diese Ausblendung oder der Sonderweg, der keine epistemologische Kritik an der Kategorie ‚Religion‘ vollzieht, scheint der Unterstellung eines essentialistischen Religionsbegriffes geschuldet zu sein. Diese verkürzte identitäre Vorannahme ist nicht verwunderlich, wird sie doch in der anthropologischen Episteme von den hegemonialen Diskursen der ‚Religionen‘, wie von etlichen Gegendiskursen, inklusive einiger feministischer, Schwarzer oder schwul-lesbischer vertreten. Ich halte Queere Epistemologien für geeignet, epistemische Gewalt abzubauen, jedoch müsste die Kategorie ‚Religion‘ auch als Kategorie des Wissens beschrieben werden. Andererseits bedarf es einer vertikalen Beschreibung durch die Denksysteme und einer horizontalen Beschreibung durch die lokal differierenden Wissensordnungen. 2. Religion als Kategorie des Wissens Religion als Kategorie des Wissens zu betrachten, besagt, den Diskurscharakter von religiösem Wissen zu unterstreichen und das Verhältnis von dominanten versus widerständigen Diskursen aufzuzeigen. Das bedeutet, deutlich zu machen, wie Subjektformation und Handlungsfähigkeit in Auseinandersetzung mit dominanten religiösen Diskursen entstehen, was einflussreich von Saba Mahmood in Politics of Piety. The Islamic Revival and
78 Auch Gabriele Dietze optiert 2012 – so in einem Gespräch mit mir – aus Erwägungen der Praktikabilität für den Begriff Intersektionalität, versteht ihn aber weiterhin als strikt Kategorien dekonstruierend. 79 Vgl. Daniel Boyarin, Border Lines. 80 Dietze u.a., Checks and Balances, 131.
Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens
59
the Feminist Subject vorgetragen wurde.81 Es lohnt sich, den Performanzcharakter von Religion anstelle von kollektiver Identität zu betonen. Es bedeutet ausdrücklich nicht, Glaubensinhalte wegzuwerfen, sondern vielmehr, sie von ihrer ideologischen Verzerrung und ihrem universalistischen Anspruch der Vorrangigkeit nachhaltig zu befreien.82 Andererseits ist es mir wichtig, Religion, beziehungsweise Erfahrung, in Bezug auf ‚umfassende Konzeptionen‘ (‚comprehensive conceptions‘ [John Rawls], ‚Weltanschauung‘ im weitesten Sinne) als Ort der Entstehung von neuem Wissen und gesellschaftlicher Imagination ernst zu nehmen.83 Schließlich bin ich der Ansicht, dass ein deessentialisierter und disidentifizierter Religionsbegriff einen projektorientierten ‚transreligiösen Overlap‘ ermöglicht. Statt auf retrospektiven, (neo)traditionalisierten Identitäten läge der Fokus besser auf geteiltem gesellschaftlichem Imaginären.84 In den neueren feministischen, postkolonialen und postsäkularen Debatten verschiebt sich der Fokus, das Ziel der Befreiung mit ‚westlichen Werten‘ wie Freiheit, Emanzipation und Individualismus zu beschreiben zu einer Vorstellung von „Human Flourishing“. Mit diesem performativen guten Leben als ‚menschlichem Blühen‘ soll ausgesagt werden, dass die Widerstände und Visionen vielfältiger sind sowie individueller in Bezug auf Subjektformation und das Entstehen von Handlungsfähigkeit betrachtet werden sollten. In Bezug auf religiöse widerständige Diskurse als Ermöglichungsort von Subjektformation und Handlungsfähigkeit schlage ich an anderem Ort ein von epistemischer Gewalt befreites transreligiöses Projekt des „Human Flourishing“ zwischen den „Religionen“, den einzelnen Strömungen der Religionen und zwischen a-religiös und religiös vor. 85 ‚Religion‘ ist noch kaum konsequent als Kategorie des Wissens beschrieben worden. Was für Geschlecht gilt, gilt aber auch für ‚Religion‘. Die epistemische Ordnung heute ist beeinflusst von Essentialisierungen des Wissens seit dem 18./19. Jahrhundert. Dekonstruktivistische Ansätze des späten 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts versuchen, dieses dominante Wissen in Bezug auf Religion zu deessentialisieren, wie ich oben beschrieb. Meines Erachtens ist das Selbstverständnis des Christentums, des Christen Hermas in seiner Zeit kein essentialistisch-identitär gefasstes. Vielmehr sind die Beschreibungen (und die Gattungsmixtur) ständig wechselnd, bleiben bewusst mehrdeutig und sogar widersprüchlich. Dieses performative Verständnis 81 Vgl. Saba
Mahmood, Politics of Piety. Masuzawa beispielsweise zeigte, wie die Selbstimagination von religiösen Bewegungen als „Weltreligionen“ diese als „kollektive Identitäten“ essentialisierte und andere ausschloss. Vgl. Tomoku Masuzawa, Invention of World Religions, 2005. 83 Vgl. Talal Asad /Wendy Brown u.a., Is Critique Secular ? ; vgl. auch Judith Butler / Jürgen Habermas u.a., Power of Religion. 84 Vgl. Cornelius Castoriadis, Imaginary Institution. 85 Vgl. Ulrike Auga, Religion, Biomacht und Human Flourishing. 82 Tomoku
60
Ulrike Auga
möchte ich in Bezug auf heutige Perspektiven prä-essentialistisch nennen (das besagt nicht, dass die Epoche oder der Text frei von [epistemischer] Gewalt seien. Gleichfalls sind die Wechsel epistemischer Ordnungen nicht evolutionistisch zu verstehen). Aber im Ringen um ein post-essentialistisches Religionsverständnis in der Gegenwart, könnten wir uns in bestimmten Fällen auf solch ein prä-essentialistisches Verständnis der Texte in ihrer Abfassungszeit beziehen. Es finden sich meines Erachtens viele Chancen für eine disidentifikatorische Herangehensweise in theologischen und religionskritischen Diskursen, denn religiöses Wissen sprengt die Dichotomie in ‚westliches‘ und ‚nichtwestliches‘ Wissen. Religiöses Wissen und deren Praktiken und Bewegungen brechen die falsche Dichotomie zwischen ‚wissenschaftlichem Wissen‘ versus ‚Erfahrungswissen‘ und ‚aktivistischem Wissen‘ bzw. ‚vernünftigem‘ versus ‚Körperwissen‘ auf. Als christlich-theologisches Beispiel queerer Kritik ist Marcella AlthausReids Queeren von theologischen Topoi interessant. Ihre Persiflagen und Perversionen produzieren – und das ist zentral – Bedingungen für neues Wissen, neue Perspektiven, nicht neue universale bzw. theologische ‚Wahrheiten‘.86 Der emanzipatorische Effekt liegt in der Performanz der Subjektwerdung und dem Gewinnen von Handlungsfähigkeit. Über Althaus-Reid hinaus müsste der Fokus aus den Widerständen heraus noch stärker auf die Verbindung des offenen gesellschaftlichen Projektes und der Beziehungshaftigkeit der Solidarität gerichtet werden, um zu zeigen, wie transreligiös Erfahrungen von religiösem Wissen und Praxen als heilend und öffnend in die Imagination des Selbst und ihrer Gemeinschaft eingehen .87 3. Assemblage, Affekte und Verbindungen zu religiösen (Gegen)diskursen Der Begriff der Identität ist heute an seine Grenzen gestoßen. Auf der Suche nach Vorstellungen von Subjektbeschreibungen jenseits epistemischer Gewalt, ist der Begriff der Assemblage als „affektive Anhäufung“ vorgeschlagen worden. Im Original von Gilles Deleuze und Félix Guattari wird das Wort ‚agencement‘ verwendet, das Design, Organisation, Arrangement und Beziehung verbindet. Der Fokus liegt auf den Beziehungen zwischen den Mustern.88 Sinnvoll ist diese Begrifflichkeit, wenn auch eindimensionale Intersektionalitätsmodelle von Rasse, Klasse, Nation, Geschlecht, Sexualität und Religion einzelne Identitätsaspekte stabilisieren und sich für staatliche Disziplinarapparate missbrauchen lassen, z.B. im Kontext von Gender Mainstreaming. Multidimensionale Assemblagen hingegen verstehen intersektionale Modelle komplexer und thematisieren Kategorisierungen nicht als Identitäten oder festgeschriebene Eigenschaften von Körpern, sondern 86 Vgl. z. B. Althaus-Reid, Queer
God, 2003. Das versuche ich mit meinem Ansatz kritischer Biotheologie. 88 Vgl. Gilles Deleuze / Félix Guattari, Tausend Plateaus. 87
Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens
61
als Ereignisse, Tätigkeiten oder Intra-Aktionen. Assemblagen betonen nicht die Konstanten, sondern die ‚Variationen von Variationen‘ und folglich die Ereignishaftigkeit von ‚Identität‘. Jasbir Puar beschreibt ihr „Unbehagen in der Intersektionalität“ und schlägt stattdessen im Anschluss an Deleuze und Guatari eine queere Assemblage als ein Feld vor, in dem eine diskursive Formation auf eine materielle Praxis trifft.89 Es handelt sich um „dispersed but mutually implicated networks, drawing together enunciation and dissolution, causality and effect“, wobei es nicht um Identitäten von Individuen gehe, sondern um „intensities, emotions, energies, affectivities, textures as they inhabit events, spatiality, and corporealities“. 90 Der Vorteil besteht darin, dass es nicht Akteure und Akteurinnen und deren ‚Identitäten‘ thematisiert und so regeneriert, sondern plurale Modi des Seins und Handelns.91 An anderer Stelle verwies ich darauf, dass Puars Kritik an sich hilfreich ist, um jenseits von Gewalt in Bezug auf disziplinierende, normalisierende und exkludierende Körperkonzeptionen aufmerksam zu machen, die sich jüngst in Form von Homonationalismus neu aufstellen.92 Die Konzepte von Assemblagen als affektive Anhäufungen lassen sich darüber hinaus auch verwenden, um ‚religiöses Wissen‘ im Kontext dekonstruktivistischer Theorie, die über den epistemischen ‚westlichen Tellerand‘ hinausblicken und sich durch die Zeiten der Episteme bewegen möchte, in diskursive und materiale Betrachtungen einzubeziehen. So lassen sich Phänomene wie Solidarität jenseits von begrenzten Körpervorstellungen, das öffnende von Religion und die Veränderung der öffentlichen Sphäre durch eine ‚Verdichtung‘ religiöser Affekte und Formationen angemessen diskutieren. Neuere Phänomene, die ihre ‚beziehungshafte Masse‘ im Widerstand einsetzen, wie die Zelte der Occupy-Wallstreet-Bewegung oder Mengen von Muslimen und Muslimas, die in Moskau auf den Straßen beten, weil sie keine Moscheen besitzen, lassen sich so für ein neues Widerstandsverständnis theoretisieren.93
89
Jasbir Puar, Intersektionalität, Assemblage und Affektpolitik, 253–270, hier 254. Jasbir Puar, Queer Times, 121–139, hier 127–128. 91 Somit eignen sich Assemblage-Modelle, um Widerstand gegen kontrollgesellschaftliche Körperkonzepte (Körper als Materie, Datenkörper etc.) und bestimmte Formen von Überwachung zu leisten. 92 Vgl. Jasbir Puar, Terrorist Assemblages ; Ulrike Auga, Fundamentalisms’ grip on Religion. 93 Jason Lim beispielsweise versucht ‚Rasse‘ und ‚Ethnizität‘ mit Deleuze und Guattaris Konzept von ‚affect‘ und ‚machinism‘ neu zu denken. Affekt könnte verstanden werden als etwas, das nicht nur Differenz und Zufall unterliegt, sondern auch als ein Potential für die Organisation der Beziehungen zwischen Körpern (vgl. Jason Lim, Immanent Politics, 2393–2409). Arun Saldanha argumentiert, dass Körper ‚nie an sich‘ existieren und stellt die Konstruktion von Differenz in einen komplexeren Zusammenhang (vgl. Arun Saldanha, Skin, 2410–2427). 90
62
Ulrike Auga
4. Episteme, Undoing Religion und der nicht-essentialistische Charakter antiker Texte Zu den Aufgaben der Gegenwart und Zukunft wird es gehören, herauszuarbeiten, dass und wie neben gesellschaftlich anerkanntem Wissen (im ‚Westen‘) auch Erfahrungswissen, Bewegungswissen, fließendes Körperwissen und diverse Zeit- und Raumverständnisse etc. Kontexte von Subjektformation und Handlungsfähigkeitermächtigung des Individuums und der Gemeinschaft zugleich sein können. Wie sind diverse Kontexte an der Herstellung neuen emanzipatorischen Wissens beteiligt ? Hier liegt ein Schatz, der sich nicht nur in gegenwärtigen Mobilisierungen, sondern auch in religiösen Texten der Antike findet. Im postmodernen Wissensmodell des Lebens entsteht meines Erachtens neues Wissen durch Dekonstruktionen, Translationen und Performanzen. Kollektive, aber auch individuelle Identitätsvorstellungen werden als epistemisch gewaltförmig in Frage gestellt. Essentialisierungen werden disidentifiziert und Mehrdeutigkeit als eröffnend akzeptiert. Der alte westliche Universalismusbegriff wird hinterfragt. Der aufgemachte angeblich diametrale Widerspruch zwischen Vernunft und Glauben wird wieder zurückgenommen. Das Aufzeigen von verschiedenen Wissensmodellen in verschiedenen Kontexten zu verschiedenen historischen Zeitabschnitten könnte weltweite Wissenswanderungen und Befruchtungen weltweiter Diskurse zeigen. Für kritische theologische und religionswissenschaftliche Zugänge bedeutet dieses einerseits, die gewaltförmigen Essentialisierungen der hegemonialen wie der widerständigen Diskurse des 19. und 20. Jahrhunderts zu überwinden. Andererseits wäre es spannend, die epistemische Ordnung des 1. und 2. Jahrhunderts bzw. die Jahrhunderte und Wissenskontexte derjenigen (religiösen) ‚Texte‘, die jeweils bearbeitet werden, zu erforschen. Mir scheint, dass ein Beitrag für gegenwärtige Debatten um die Verminderung von epistemischer Gewalt in der Theoriebildung der Verweis auf das voressentialistischen Potential früher religiöser Texte mit Gattungen wie Visionen, Allegorien etc. und einer Würdigung sowohl von Ambiguität, Polysemie und Widersprüchlichkeit als auch Weisheit sein könnte. Darüber hinaus wäre es lohnenswert zu beobachten, wie sich die Textinterpretationen unter der Prämisse verschiedener Wissensmodelle verändern.
Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens
63
VI. Eine epistemologische, queere, intersektionale Lektüre des Hirten des Hermas 1. Inhaltlicher Kontext des Hirten des Hermas – Vision III Den Theorieertrag möchte ich nun für eine kritische intersektionale Analyse an einem spätantiken Text anwenden. Ich werde kurz den Kontext der Hermasfigur skizzieren, um dann in Herm. Vis. III zu zeigen, dass im Hirten des Hermas ein nicht-essentialistisches Verständnis von Geschlecht und Religion vorliegt. Anderseits möchte ich mit seiner Auseinandersetzung zwischen idealer und empirischer Kirche unterstreichen, dass Hermas ein fluides Subjekt- und Kollektivkörperkonzept besitzt. In diesem Zusammenhang möchte ich argumentieren, dass vorkommende – später als intersektional bezeichnete – Kategorien nicht identifizierend benutzt werden.94 Die umfangreiche Schrift ist aus der Perspektive des Hermas verfasst, in der sich Dialogteile, autobiografische Notizen und Fiktion überschneiden. Äußerlich wird der Text eingeteilt in fünf Visionen (Vis.), zwölf Mandata (Man.) und zehn Similitudines (Sim.). Der Text enthält Inkonsequenzen, die in der Absicht des Verfassers liegen. Die ersten Kapitel sind eine Reihe von Visionen. In der Vorgeschichte Vis. I wurde geschildert, wie Hermas als Sklave nach Rom an eine Frau namens Rhode verkauft worden war. Diese trifft er später als Freigelassener wieder und verliebt sich in sie auf verschiedene Weisen. Dann erscheint eine würdevolle Greisin, die den Dinkelbauern Hermas und seine Familie zum Umdenken auffordert. In Vis. II sieht er die alte Dame wieder, die ihn beauftragt, den Inhalt eines Büchleins weiterzugeben, den er zuerst nicht verstehen kann. Der Christenheit wird eine allerletzte Umdenkmöglichkeit und Verfolgung angekündigt. Ein Mann erklärt, dass die alte Dame die Kirche sei. Hermas soll ihre Worte in Rom und auswärts bekannt machen. In Vis. III trifft Hermas die würdevolle Greisin, die später eine schöne junge Frau ist, wieder. Es wird klar, dass alle diese Frauen die Kirche repräsentieren. Hermas erhält eine Botschaft von ihnen, die er an die Kirchenleitenden weitergeben soll. In Vis. IV begegnet Hermas einem Meerungeheuer, das durch seinen Glauben gebändigt wird. Die Frau, jetzt Jungfrau im Hochzeitsgewand, deutet dieses auf Verfolgungen. In Vis. V erscheint ein Hirte als neue Offenbarungsfigur. Dieser Engel des Umdenkens ist vom heiligsten Engel (Jesus Christus) gesandt und befiehlt Hermas, seine Gebote und Gleichnisse aufzuschreiben, die dann im Rest des Buches folgen. 94 Beispielsweise ändert sich die Vorstellung von einer Männlichkeit des Hermas beständig und unterstreicht deren diskursiven Charakter. Er ist marginalisiert als Sklave (Vis. I) und versagender ‚pater familias‘ (Sim. VII), jedoch ermächtigt als Prophet (Vis. V) und Gegenüber der zwölf allegorischen weiblichen Personifikationen (Sim. IX).
64
Ulrike Auga
Vis. III stellt eine Gegenüberstellung der Vorstellung von der idealen Kirche gegenüber der empirischen dar. In Vis. III erzählt Hermas, wie ihm nachdem er darum gebeten hatte, dass ihm die Vision enthüllt würde, die alte Dame wieder erscheint. Sie weist ihn auf den Bau eines großen Turmes auf Wassern hin. Dann offenbart sie die zentrale allegorische Vision : ὁ μὲν πύργος ὃν βλέπεις οἰκοδομούμενον, ἐγώ εἰμι ἡ Ἐκκλησία („Der Turm, den Du im Bau siehst, der bin ich, die Kirche.“ Vis. III, 3,3), (vgl. Sim. IX, 13,1). Die einzelnen Steine für den Bau müssen bearbeitet und sortiert werden. Die Dame erklärt die einzelnen Steine. Sie stehen für lebende und verstorbene Christinnen und Christen. Die Gemeindeleitung liegt in den Händen von Presbyterium, Episkopat und Diakonat, deren Aufgaben noch nicht fest abgegrenzt sind. Außerdem gibt es Lehrende und Prophetie. Hermas mahnt zur Umkehr der Verfehlten und möchte ihre Re-Integration in die Gemeinde, auch gegen die Meinung einiger Lehrender. Da der Text nicht so leicht zugänglich und der Duktus des Hermas ungewöhnlich ist, stelle ich hier einen längeren Ausschnitt zur Verfügung.95 95 Vgl. Hirt des Hermas, Vis. III, 1,1–2, (2,4b–9 ; 3,1–3 ;) 5,1–6,7 : Die Textausgabe für alle griechischen Texte des Hirt des Hermas und ihre deutschen Übersetzungen sind aus Martin Leutzsch, Hirt des Hermas, in : Ulrich H.J. Körtner / Martin Leutzsch, Papiasfragmente ; Hirt des Hermas (SUC 3), Darmstadt 2004, 146–359. – 1,1 Die dritte Version, die ich sah, Brüder, war von dieser Art. 1,2 Nachdem ich oft gefastet und den Herrn gebeten hatte, dass er mir die Offenbarung enthülle, die er mir durch die Greisin zu zeigen verhieß, erschien mir die Greisin in derselben Nacht und sagte zu mir : „Da du so verlangend und eifrig darauf aus bist, alles zu erkennen, gehe zum Acker, wo du dich aufhältst, und um die fünfte Stunde werde ich dir erscheinen und dir zeigen, was du sehen musst.“ […] 1,4 Ich kam nun, Brüder, auf den Acker, schätzte die Stunden ab und ging zu der Stelle, die ich ihr zum Kommen festgesetzt hatte […] – 2,4b Und sie […] sagt zu mir : „Siehst du eine große Sache ?“ Ich sage ihr : „Herrin, nichts sehe ich.“ Sie sagt mir : „Du erblickst, siehst du nicht, vor dir einen großen Turm, auf Wassern erbaut, mit viereckigen, glänzenden Steinen ?“ 2,5 Im Verdeck wurde der Turm erbaut von den sechs Jünglingen, die mit ihr gekommen waren. Weitere Tausende von Männern trugen Steine herbei, teils aus der Tiefe, teils von der Erde und übergaben sie den sechs Jünglingen. Jene nahmen sie und bauten. 2,6 Die aus der Tiefe heraufgezogenen Steine setzten sie alle so in den Bau ein ; sie waren nämlich passend und fügten sich fugenlos zu den anderen Steinen und hafteten derart aneinander, dass ihre Fuge nicht in Erscheinung trat. Es erschien der Bau des Turms wie aus einem Stein erbaut. 2,7 Die anderen Steine, die vom Trockenen gebracht wurden, warfen sie teils weg, teils setzten sie sie in den Bau ein. Andere zerschlugen sie und schleuderten sie weit weg vom Turm. […] – 3,1 Nachdem sie mir das gezeigt hatte, wollte sie forteilen. Ich sage ihr : „Herrin, was nützt es mir, diese Dinge gesehen und nicht erkannt zu haben, was sie bedeuten“ ? Sie antwortet mir : „Verschlagen bist du, Mensch, mit deinem Wunsch, das zu erkennen, was den Turm betrifft.“ „Ja, Herrin“ sage ich, „damit ich es auch den Brüdern verkündige und sie, wenn sie gehört haben, den Herrn in großer Herrlichkeit erkennen.“ 3,2 Sie sagte : „Hören werden zwar viele ; wenn sie es aber gehört haben, werden einige von ihnen sich freuen, andere aber weinen.“ Höre also die sinnbildlichen Bedeutungen des Turmes. Ich werde dir nämlich alles offenbaren. Und mache mir keine Scherereien mehr wegen der Offenbarung ! Denn diese Offenbarungen haben ein Ende ; sie sind nämlich vollendet. Aber
Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens
65
2. Hermas’ Subjektwerdung und Lehre als widerständiges und entwerfendes Wissen Ein früher Streit rankte sich um die Umkehrbotschaft und die Legitimation bzw. Apostolizität des Hermas.96 Hermas selbst ist Teil der Gegendiskurse, denn es geht ihm zuerst um seine Kirche und nicht um das Erfüllen formaler Vorgaben. In der römischen Christengemeinde nimmt er eine ungewöhnliche Rolle ein, denn er ist eine Art Prophet, aber erfüllt nicht die gängigen Kriterien der Zeit für wahre Prophetie. ‚Richtig‘ wäre es, die Visionen vor der Gemeinde zu schauen. Hermas jedoch schaut die Visionen allein. Ein ‚richtiger‘ Prophet käme ohne Schriftlichkeit aus. Hermas hingegen berichtet von der Aufforderung das Gehörte niederzuschreiben (vgl. Vis. V). Theologisch ist Hermas’ Verkündigung der zweiten Umkehr ein Kompromiss zwischen den verschiedenen Positionen innerhalb der römischen Gemeinden. Vergebung nach der Taufe ist möglich, aber nur einmal und nur innerhalb einer begrenzten Zeit. Für Hermas ist das keine einschränkende, sondern eher erleichternde Botschaft. Die Umkehrfrist verschiebt sich jedoch immer weiter in die Ferne (vgl. zur Umkehr, Sim. VI–IX). Der Begriff der ‚Buße‘ trifft nicht die Intention des Hermas.97 Hermas selbst ist Teil des Umdenkprozesses und der Veränderung : Durch einen Zirkel von Motivation, Kritik und Anerkennung führt die Dame Hermas vor die Entscheidung zum Umdenken : εὔχρηστοι γίνεσθε τῷ Θεῷ· καὶ γὰρ σὺ αὐτὸς χρᾶσαι ἐκ τῶν αὐτῶν λίθων („Werdet brauchbar für Gott. Auch du selbst nämlich wirst Verwendung finden als einer von diesen Steinen“ Vis. III, 6,7). Hermas führt den Hörenden vor, wie er eine Chance
du wirst nicht aufhören um Offenbarungen zu bitten, du bist nämlich unverschämt. Der Turm, den du im Bau siehst, bin ich, die Kirche, die dir erschienen ist sowohl jetzt als auch früher. Was du nun willst, frage betreffs des Turmes, und ich will es dir offenbaren damit du dich freust mit den Heiligen.“ […] – 6,5 „Die weißen und runden und nicht in den Bau passenden, wer sind die, Herrin ?“ Sie antwortete mir : „Wie lange bist du töricht und unverständig, fragst alles und verstehst nichts ? Diese sind die, die zwar Glauben haben, aber auch Reichtum dieser Welt haben. Wenn aber die Bedrängnis kommt, verleugnen sie ihren Herren, um ihres Reichtums und ihrer Geschäfte willen.“ 6,6 Und ich antwortete ihr : „Herrin wann werden sie brauchbar sein zum Bau ?“ „Wenn“, sagt sie, „ihr Reichtum abgehauen wird, der sie an sich fesselt, dann werden sie brauchbar sein für Gott. Wie nämlich der runde Stein, wenn er nicht behauen und etwas von ihm weggeworfen wird, nicht viereckig werden kann, so können auch die in dieser Welt Reichen, wenn ihr Reichtum nicht abgehauen wird, nicht für den Herrn brauchbar werden. 6,7 Erkenne es zuerst an dir selbst. Als du reich warst, warst du unbrauchbar, jetzt aber bist du brauchbar und nützlich zum Leben. Werdet brauchbar für Gott ! Auch du selbst nämlich wirst Verwendung finden als einer von diesen Steinen.“ (Zitiert nach Ulrich H.J. Körtner / Martin Leutzsch, Papiasfragmente ; Hirt des Hermas, 165–166). 96 Der in Röm 16,14 Genannte ist nicht Hermas. 97 Vgl. Ernst (Auga), Hirt des Hermas, 778.
66
Ulrike Auga
ergreift, versagt, sich einem Problem stellt und sich wieder versucht. Auch wenn scheinbar nicht viel gelingt : der Prozess ist seine Subjektwerdung. 3. Nicht-identitäre Geschlechtervorstellungen In Bezug auf die Kategorie Geschlecht lassen sich im Hirten des Hermas eine Anzahl von interdependenten, changierenden Geschlechterkonstruktionen beobachten, die real oder fiktional vorgestellt sind. Es treten eine Reihe von ‚realen‘ Figuren auf, die einen Beitrag zur Vorstellung der Gemeindesituation liefern. Carolyn Osiek zeigt, dass der Hirt des Hermas für die feministische Kritik bedeutsam sei, weil dort etliche Frauen Ämter inne hätten und weibliche Bildwelt und weibliches Imaginäres in diesem Text zentral seien.98 Hermas wendet sich gegen Streitigkeiten um eine Rangfolge unter Amtsträgern und Amtsträgerinnen. Entscheidend ist für ihn nicht die Frage, ob diese männlich oder weiblich sind, sondern entscheidend ist ihr ethisches Verhalten. Rhode ist eine aktive, wohlhabende Christin, deren Veränderung in der Beziehung zu Hermas selbst liegt, den sie als Sklaven entlässt und deren zwischenmenschliches, wechselndes Verhältnis in den Blick gerät. Geschlechtlichkeit wird hier zuerst in Bezug auf Integritätsverletzung betrachtet und befindet sich in einem nicht-sexualisierten Modus (vgl. Vis. I).99 Ähnlich ist die Situation mit den allegorischen (weiblichen) Figuren in der Schlüsselszene Sim. IX, in der Hermas sein geschwisterliches Schlafen und die ‚Fröhlichkeit‘ – die häufig als Kategorie vorkommt – im Umgang mit den zwölf Jungfrauen versichert, das einer gewissen Erotik nicht entbehrt, aber auch durch die Polysemie der Figuren und der Form kein Denotieren oder Disziplinieren von ‚richtiger‘ oder ‚falscher‘ Sexualität im Sinne des Sexualitätsbegriffes der Wissensordnung ab dem 18./19. Jahrhundert darstellt.100 Auch in der Beziehung zwischen Hermas und seiner Frau geht es um ein komplexes Liebesverhältnis, das sich darüber hinaus stark verändert. Außerdem beschreibt Hermas sich als versagender ‚pater familias‘, der sich jedoch in Bezug auf seine Verantwortungsübernahme entwickelt (vgl. Sim. VII).101 Hermas stellt damalige und gegenwärtige hegemoniale Männlichkeitsund Weiblichkeitsvorstellungen in Frage. Von zentraler Bedeutung für den Text sind die beiden Offenbarungsfiguren, die Dame Kirche und der Hirt.
98 Vgl. Carolyn
Osiek, Rich and Poor. Dies., Female Imagery, 55–74. (Auga), Hirt des Hermas, 781–782. 100 Vgl. ebd., 785–787. 101 Vgl. ebd., 782. 99 Vgl. Ernst
Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens
67
Die alte würdige Dame Kirche durchläuft eine Transformation von alt zu jung und sie macht deutlich, dass sie auf etwas anderes verweist. Bei ihr, wie bei der Figur des Hirten, finden sich Verbindungen zu Vorstellungen von Weisheitsfiguren, wobei dem Hirten eine gewisse Androgynität eignet. Inszenierte Polysemie, Ambiguität, Formenwahl etc. tragen dazu bei, dass die Vorstellung von Geschlecht weder identitär noch essentialistisch ist.102 4. Nicht-identitäre Religionsvorstellung Hermas setzt für Christinnen und Christen ein der Gemeinschaft förderliches Verhalten voraus. Im Mittelpunkt seines Kirchenverständnisses stehen Fragen nach Einlass und Bleibebedingungen der Gemeinschaft, wie die Taufe und die Lebensordnung. Die Hauptträgerin der Offenbarungen an Hermas im Visionenbuch ist die präexistente Heilige Kirche. Als solche ist sie, die ideale Kirche, besorgt um die empirische Kirche. Das zeigt sich aufgrund ihrer Ermahnungen an die Heiligen und die Vorsteherinnen und Vorsteher sowie aufgrund der Turm-Allegorie und ihrer Interpretation durch die Offenbarungsträgerin. Hermas verlangt ein Umdenken, das die Förderung der Gemeinschaft im Blick hat, quasi das ich im wir. Diese Gemeinschaft ist größer als die Familie oder die Einzelgemeinde. Solidarität ist gefragt mit der Gemeinschaft der Glaubenden in einem offenen Sinn, mit allen, denen Gott seine Ebenbildlichkeit zugesprochen hat, also mit allen Menschen. Dieses bedeutet jedoch nicht, dass alle Glaubenden, mitnichten alle Menschen, in einem identitären Sinne gleich werden sollten. Mit der Verwendung des Bildes von der Kirche als Bau bei Hermas ist ein Interesse an der Einheit der Kirche verbunden. In Herm. Vis. III, 2,6 heißt es : τοὺς μὲν ἐκ τοῦ βυθοῦ λίθους ἑλκομένους πάντας οὕτως ἐτίθεσαν εἰς τὴν οἰκοδομήν· ἡρμοσμένοι γὰρ ἦσαν καὶ συνεφώνουν τῇ ἁρμογῇ μετὰ τῶν ἑτέρων λίθων· καὶ οὕτως ἐκολλῶντο ἀλλήλοις, ὥστε τὴν ἁρμογὴν αὐτῶν μὴ φαίνεσθαι. („Die aus der Tiefe herauf gezogenen Steine setzten sie alle so in den Bau ein ; sie waren nämlich passend und fügten sich fugenlos zu den anderen Steinen und hafteten derart aneinander, dass ihre Fuge nicht in Erscheinung trat.“). Bekanntlich sichert bei Trockenmauern im Mittelmeerraum jedes kleine eingeschobene Steinchen den Halt des ganzen Baus. Die Steine haften aneinander, sie fügen sich fugenlos zusammen, ohne dass von ihnen ausgesagt würde, dass sie alle gleich sein müssten. Das Zusammenpassen und -gehören, muss nicht bedeuten, gleich zu sein. Brauchbar zu sein, füreinander zu sorgen, bedeutet nicht, einer vermeintlichen Gruppenidentität unterliegen zu müssen. Die Zugehörigkeit zu der religiösen Gemeinschaft, hier der christlichen Kirche, ist fluide und performativ und nicht identitär bzw. nicht oder aus heutiger Perspektive vor-essentialistisch. 102 Vgl. ebd., 783–785.
68
Ulrike Auga
Weder Religions- noch Gemeinschaftsvorstellung sind an eine feste Körpervorstellung gebunden. 5. Arm–Reich Ein wichtiger Grund für die Probleme der Gemeinde war die Diskrepanz zwischen den Reichen und den Armen.103 Das betrifft nicht nur die ökonomische Situation der Armen, sondern auch die Moral der besitzenden Christen und Christinnen. Unter Bedrängnis entscheiden sie sich für das Falsche. Die weißen runden Steine müssen behauen werden (Vis. III, 6,5– 6). Wie es bei den Bildern der Kirche um eine Transformation der religiösen Dimension ging, geht es nun – damit verbunden – um eine Transformation der sozialen Situation. Mit einem Intersektionalitätsansatz appelliert Hermas an die besitzenden Gemeindeglieder, die Bedürftigen zu unterstützen. Sim. II enthält ein Bild von einem Weinstock, der sich an einer Ulme emporrankt. Hier vermittelt Hermas eine originelle relationale soziale Botschaft. Zwar benötigen die armen Gemeindeglieder die materielle Unterstützung der reicheren. Doch letztere sind auf die ideellen Gaben der ersteren angewiesen (vgl. Sim. II). Hermas selbst erlebt und lebt flüssige Zugehörigkeiten als ein armer Sklave und wird Freier, Lehrer und Prophet und versteht sich zugleich als arm und reich. Es lässt sich konstatieren, dass Hermas keine Vorstellung einer identitären ‚Schichtenzugehörigkeit‘ birgt. Werden die intersektionalen Kategorien der Gegenwart mit dem Text des Hirten des Hermas konfrontiert, zeigt sich, dass Geschlecht, Religion und Klasse nicht identitär vorgestellt werden. Vielmehr besteht eine Mobilität für die Angehörigen einer Gruppe in der Gruppe und über die Grenzen der Gruppe hinaus und eine Relationalität zwischen den Individuen der Gruppen und über deren Gruppe hinaus. Die Grenze der kollektiven Zugehörigkeiten werden durchlässig vorgestellt und nicht als abgeschlossene Kollektivkörper. 6. Hermas’ postkoloniale Pädagogik Wie kann ein Disidentifizieren der intersektionalen, epistemisch-gewaltvollen Kategorien der Gegenwart gelingen ? Gayatri Spivak unterstreicht aus postkolonialer Perspektive, dass es nicht genug sei, die Kategorien zu dekonstruieren. Da diese sich stark in das Denken und Handeln eingeschrieben hätten, gelte : Wir hätten ‚to unlearn‘ die Kategorien und Normen.104 Hermas zeigt in einer gleichsam postkolonialen Pädagogik, wie er seine Zuhörenden zum Umdenken führt und verführt.105 Er überfordert sie nicht 103 Vgl. Leutzsch, Soziale Wirklichkeit
im ‚Hirten des Hermas‘, 113–155. Chakravorty Spivak, Righting Wrongs. 105 Vgl. Ernst (Auga), Hirt des Hermas, 778–788. 104 Vgl. Gayatri
Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens
69
und wendet verschiedene Überzeugungsstrategien an. Dafür verwendet er auch verschiedene Textsorten, neben fünf Visionen stehen zwölf Gebote und zehn Gleichnisse. Für den ethischen Teil des Taufunterrichts finden sich Gebote. Die Mandata dienen als Lehrbuch. Auch die Verfahrensweise ist interessant, denn das bereits Geschriebene wird zurechtgerückt, interpretiert und weitergeschrieben. In der Antike sind Inkonsequenzen – die heute als postmoderne Formen (wieder) entdeckt werden – nicht unüblich. Es wird bewusst eine Mehrdeutigkeit des Textes erzeugt und in der Interpretation erhalten. Das Weiterschreiben der Texte nimmt die jeweils neue Situation der Hörenden auf, die folglich so im Text und nicht erst in der Rezeption vorkommen. Hermas’ Strategie scheint zu seiner Zeit und darüber hinaus erfolgreich gewesen zu sein. Im 2. und 3. Jahrhundert wurde er weithin als zum neutestamentlichen Kanon gehörend angesehen. In der frühen Kirche diente er als Lehrtext und war bis in das Mittelalter hinein gerade für pädagogische Zwecke sehr beliebt. Später wurde er aus dem Kanon ausgesondert. Es scheint, dass es in den nicht essentialistischen Epistemen weniger problematisch war, den Kanon changierender aufzufassen, als das später der Fall war. Es wäre interessant, detaillierter zu untersuchen, wie sich die Rezeption des Hirten des Hermas unter verschiedenen apriorischen Wissensbedingungen verändert.
VII. Schluss. Postkoloniale, postsäkulare und queere Perspektiven und die Kritik frühchristlicher und -islamischer Texte Mein Ausgangspunkt war ein Befund, der Gewalt in Bezug auf Geschlechterkonstruktionen vielfältig als ökonomische, soziale, rechtliche und mit weiteren materialen und symbolischen Einschreibungen wahrnimmt. Komplexe epistemische Gewalt besteht jedoch nicht nur in Bezug auf die hierarchische Geschlechterordnung, sondern überschneidet sich mit Konstruktionen, Essentialisierungen und Hierarchisierungen anderer Kategorien wie Rasse, Klasse, Nation, Behinderung, Religion etc. Aufgabe war es, Strategien zu finden, die diese epistemische Gewalt nachhaltig abbauen und ein angemessenes ‚Verstehen‘ nicht nur gegenwärtiger inter- und transdisziplinärer Diskurse, sondern auch von Texten der Antike zu ermöglichen. Zu Beginn der Untersuchung nahm ich die Intersektionalitätsdebatte in den Fokus, analysierte sie postkolonial, postsäkular und queer für die Kritik antiker Texte. Ich wies darauf hin, dass es zunächst hilfreich sei, Gewalt mehrdimensional zu untersuchen. Allerdings kritisierte ich, dass in der Intersektionalitätsdebatte das Problem des Paradoxes des Rechts nicht genügend
70
Ulrike Auga
beachtet und so übersehen wird, dass Gerechtigkeit, nicht über das Recht allein hergestellt werden kann. Außerdem essentialisieren einige Ansätze die Kategorien, gegen deren epistemische Gewalt sie antreten durch die Anrufung eines identitären Subjektes. Dementsprechend optiere ich für eine ‚kritische Intersektionalität‘, die nicht ideologisch, sondern wissenskritisch argumentiert. Hilfreich sind hier Ansätze ‚queerer Intersektionalität‘. Analysiere ich diese avancierten queeren intersektionalen Ansätze, so zeigt sich, dass dort ein Ausblenden oder Essentialisieren der Kategorie Religion vorliegt. Daher zeige ich, dass Religion auch als ‚Kategorie des Wissens‘ zu verstehen ist. Darüber hinaus weise ich darauf hin, dass die epistemische Kritik der Kategorien zu kurz greift, wenn sie sich nur auf ein Epistem, also ein Zeitalter einer Wissensordnung bezieht. Interessant erscheint mir ein Gang durch die Episteme. So wäre das Ziel nicht nur post-essentialistisch bzw. post-identitär zu argumentieren, sondern es könnte darauf verwiesen werden, dass sich frühchristliche oder frühislamische Texte – anders als ihre fundamentalistischen Interpretationen des anthropologischen Epistems des 19. und 20. Jahrhunderts suggerieren – in nicht essentialistisch-identitären Epistemen befinden. Für hermeneutische Herangehensweisen scheint es bedeutend, mit dem Begriff der ‚Identität‘ kritisch zu verfahren. Die Konstruktion von imaginierten, identitären Gemeinschaftsvorstellungen von Geschlecht, Rasse, Klasse, Nation, Religion führt zu Essentialisierung oder Naturalisierung dieser Kategorien, wobei naturalisierte Geschlechterkonstruktionen als ein grundlegender Mechanismus zur Konstruktion von Einschluss und Ausschluss fungieren. Soll epistemische Gewalt vermindert werden, wäre es sinnvoll, den Fokus statt auf homogenisierende Identität und Repräsentation vielmehr darauf zu richten, wie in der Auseinandersetzung von hegemonialen und widerständigen Gegendiskursen Subjektformation und Handlungsfähigkeit oder Beziehungen zwischen den Formationen entstehen. Es zeigt sich, dass im Kontext von Neoliberalismus und biomächtigen Regulierungen nicht mehr nur Sexualität und Geschlecht diszipliniert werden, sondern das ganze Leben zur Ware verkommt. Nicht nur die kritische Analyse, sondern eben auch der Blick auf das reiche Potential vor-essentialisierter antiker religiöser Bilder und Texte, hier am Beispiel des Hirten des Hermas, haben Folgendes gezeigt : Es wird darauf ankommen, Widerstand und Solidarität komplexer, offener, entwerfend und mit überraschenden Allianzen und Pointen vorzustellen. In diesem Moment benötigen wir interventionistische und inventionistische Perspektiven, also eine politisch-epistemologische Kritik, die gemeinsames Leben ermöglicht.
Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens
71
Literatur Textgrundlage Körtner, Ulrich H.J. / Leutzsch, Martin, Papiasfragmente ; Hirt des Hermas (SUC 3), Darmstadt 2004.
Sekundärliteratur Althaus-Reid, Marcella / Isherwood, Lisa (Hg.), Controversies in Body Theology, London 2008. Althaus-Reid, Marcella, The Queer God, London / New York 2003. Anzaldúa, Gloria, Borderlands/La Frontera. The New Mestiza, San Francisco, Calif. 1987. Arendt, Hannah, Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, totale Herrschaft, München 92003 (1951). Asad, Talal / Brown, Wendy u. a., Is Critique Secular ? Blasphemy, Injury and Free Speech, Berkeley, Calif. 2009. Auga, Ulrike, Gewalt und die politisch-performative Kraft der Sprache. Wissen, Translationskulturen und die ‚Bibel in gerechter Sprache‘, in : Werner Röcke (Hg.), Gewalt – Faszination und Ordnung, Villigst 2012 (im Druck). –, Religion, Biomacht und Human Flourishing. Formen der Solidarität und die Dringlichkeit einer transreligiösen kritischen Biotheologie, in : Uta Blohm u. a. (Hg.), Feminist Theology : Listening to, Understanding, and Responding to a Secular and Plural World (Yearbook of the ESWTR), Leuwen 2012 (im Druck). –, Fundamentalisms‘ Grip on Religion, Life and Survival, in : Dies. u.a. (Hg.), Fundamentalism and Gender : Scripture – Body – Community, Eugene, Oreg. 2012 (im Druck). –, Sexuelle Rechte und Menschenrechte. Probleme der interkulturellen Debatte, in : Zeitschrift für Germanistik 18 (2008) 2, 357–369. Ernst (Auga), Ulrike, Der Hirt des Hermas. Ver-führung zum Umdenken in der erotischen Sophiakirche, in : Luise Schottroff / Marie-Theres Wacker (Hg.), Kompendium Feministische Bibelauslegung, Gütersloh 1999, 778–788. Auga, Ulrike / Schirr, Bertram, Paulus gegen Paulus. Eine postkoloniale und diskursanalytische Lektüre von Römer 12, in : Cilliers Breytenbach (Hg.), Der Römerbrief als Vermächtnis an die Kirche, Neukirchen-Vluyn 2012 (im Druck). Austin, John L., How to do Things with Words, Oxford 1962. Benjamin, Walter, Zur Kritik der Gewalt (1921), in : Ders., Gesammelte Schriften. Band 2.1, Frankfurt a. M. 1999, 179–202. Boyarin, Daniel, Border Lines, The Partition of Judaeo-Christianity, Philadelphia, PA 2004. Braun, Christina von / Mathes, Bettina, Verschleierte Wirklichkeit. Die Frau der Islam und der Westen, Berlin 2007. Brown, Wendy, States of Injury. Power and Freedom in Late Modernity, Princeton, N.J. 1995. Brox, Norbert, Der Hirt des Hermas (KAV 7), Göttingen 1991. Bublitz, Hannelore, Judith Butler, Hamburg 2002. Butler, Judith / Habermas, Jürgen u.a., The Power of Religion in the Public Sphere, New York 2011. Butler, Judith, Die Macht der Geschlechternormen, Frankfurt a.M. 2009 (zuerst engl. Undoing Gender, New York / London 2004). –, Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts, Berlin 1995 (zuerst engl. Bodies that Matter. On the Discoursive Limits of Sex, New York 1993)
72
Ulrike Auga
–, Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt a.M. 1991 (zuerst engl. Gender Trouble : Feminism and the Subversion of Identity, New York 1990). Carby, Hazel V., White Woman Listen ! Black Feminism and the Boundaries of Sisterhood, in : Heidi Safia Mirza (Hg.), Black British Feminism : A Reader, London / New York 1982, 54–54. Castoriadis, Cornelius, The Imaginary Institution of Society, Polity, Cambridge, Mass. 1987 (1972). Crenshaw, Kimberlé, Die Intersektion von „Rasse“ und Geschlecht demarginalisieren : Eine Schwarze feministische Kritik an Antidiskriminierungsrecht, der feministischen Theorie und der antirassistischen Politik, in : Helma Lutz / Maria Teresa Herrera Vivar / Linda Supik (Hg.), Fokus Intersektionalität. Bewegungen und Verortungen eines vielschichtigen Konzepts, Wiesbaden 2010, 33–54 (übers. v. Thorsten Möllenbeck) (zuerst engl. Crenshaw, Kimberlé, Demarginalizing the Intersection of Race and Sex : A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, in : The University of Chicago Legal Forum (1989), 139–167). Dalferth, Ingolf U. / Schröter, Jens (Hg.), Bibel in gerechter Sprache ? Kritik eines misslungenen Versuchs, Tübingen 2007. Deleuze, Gilles / Guattari, Félix, Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie II, übers. v. Gabriele Ricke u. Ronald Voullié, Berlin 1992. Derrida, Jacques, Writing and Difference, übers. v. Alan Bass, London 1978 (zuerst franz. L‘écriture et la différence, Paris 1967). Deuber-Mankowsky, Astrid u. a. (Hg.), Der Einsatz des Lebens. Lebenswissen, Medialisierung, Geschlecht, Berlin 2009. Dibelius, Martin, Der Hirt des Hermas (HNT ErgBd. 4), Tübingen 1923. Dietze, Gabriele u.a., ‚Checks and Balances‘. Zum Verhältnis von Intersektionalität und Queer Theory, in : Katharina Walgenbach et al., Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität, Opladen 2007, 107–139. Essed, Philomena, Understanding Everyday Racism. An Interdisciplinary Theory, London / New Dehli 1991. Ferguson, Roderick A., Aberrations in Black. Towards a Queer of Color Critique, Minneapolis, Maine 2004. Foucault, Michel, Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, Frankfurt a. M. 1974. –, Überwachen und Strafen, Frankfurt a. M. 1994. –, Was ist Kritik ?, Berlin 1982. Gerber, Christine / Joswig, Benita / Petersen, Silke (Hg.), Gott heißt nicht nur Vater. Zur Rede über Gott in den Übersetzungen der ‚Bibel in gerechter Sprache‘, Göttingen 2008. Christine Gerber u.a. (Hg.), Unbeschreiblich weiblich, Neue Fragestellungen zur Geschlechterdifferenz in den Religionen, Berlin 2011. Hagemann-White, Carol, Sozialisation. Weiblich-männlich ?, Opladen 1984. Hancock, Ange-Marie, Intersectionality as a Normative and Empirical Paradigm, in : Politics and Gender 3 (2007), 248–254. Harper, Philip Brian / McClintock, Anne u.a., Queer Transexions of Race, Nation, and Gender. An Introduction, in : Social Text 15 (1997) 52/53, 1–4. Hull, Gloria T. / Bell Scott, Patricia u.a. (Hg.), All the Women are White, all the Blacks are Men, But some of us are Brave, New York 1982. Jakobsen, Janet R. / Pellegrini, Ann, Times like these, in : Dies. (Hg.), Secularisms, Durham 2008, 1–31.
Geschlecht und Religion als interdependente Kategorien des Wissens
73
Karle, Isolde, ‚Da ist nicht mehr Mann noch Frau …‘ Theologie jenseits der Geschlechterdifferenz, Gütersloh 2006. Kerner, Ina, Differenzen und Macht. Zur Anatomie von Rassismus und Sexismus, Frankfurt a.M. / New York 2009. Kimber Buell, Denise, Rethinking the Relevance of Race for Early Christian Self-Definition, in : HTR 94 (2001) 4, 449–476. Körtner, Ulrich H.J. / Leutzsch, Martin, Papiasfragmente ; Hirt des Hermas (SUC 3), Darmstadt 2004. Kuhlmann, Helga (Hg.), Die Bibel – übersetzt in gerechte Sprache ? Grundlagen einer neuen Übersetzung, Gütersloh 32006. Kuhlmann, Helga, In welcher Weise kann die Sprache einer Bibelübersetzung „gerecht“ sein ?, in : Dies. (Hg.), Die Bibel – übersetzt in gerechte Sprache ? Grundlagen einer neuen Übersetzung, Gütersloh ³2006, 77–98. –, Wird Gott in Jesus Christus zum Mann ?, in : Christine Gerber u.a. (Hg.), Unbeschreiblich weiblich. Neue Fragestellungen zur Geschlechterdifferenz in den Religionen, Berlin 2011, 51–76. Lanwerd, Susanne / Moser, Marcía (Hg.), Frau-Gender-Queer. Gendertheoretische Ansätze in der Religionswissenschaft, Würzburg 2010. Laqueur, Thomas, Auf den Leib geschrieben. Die Inszenierung der Geschlechter von der Antike bis Freud, Frankfurt a.M. / New York 1992. Leutzsch, Martin, Die Wahrnehmung sozialer Wirklichkeit im Hirten des Hermas, Göttingen 1989. Lim, Jason, Immanent Politics. Thinking Race and Ethnicity through Affect and Machinism, in : Environment and Planning A 42 (2010), 2393–2409. Mahmood, Saba, Politics of Piety. The Islamic Revival and the Feminist Subject, Princeton, N.J. 2005. Masuzawa, Tomoku, The Invention of World Religions, or, how European Universalism was preserved in the Language of Pluralism, Chicago, Ill. 2005. Maurer, Margarete, Sexualdimorphismus, Geschlechterkonstruktion und Hirnforschung, in : Ursula Pasero / Anja Gottburgsen (Hg.), Wie natürlich ist Geschlecht ? Gender und die Konstruktion von Natur und Technik, Wiesbaden 2002, 65–108. Muñoz, José Esteban, Disidentifications : Queers of Color and the Performance of Politics, Minnesota, Maine 2008 (1999). Osiek, Carolyn, Rich and Poor in the Shephard of Hermas. An Exegetical-Social Investigation, Washington 1983. –, The Social Function of Female Imagery in Second Century Prophecy, in : VetChr 29 (1992), 55–74. Pohl-Patalong, Uta, Gender, in : Christine Gerber u. a. (Hg.), Unbeschreiblich weiblich ? Neue Fragestellungen zur Geschlechterdifferenz in den Religionen, Berlin 2011, 11–30. –, Gender, in : Wörterbuch der Feministischen Theologie, Gütersloh ²2002, 216–221. Puar, Jasbir, „Ich wäre lieber eine Cyborg als seine Göttin.“ Intersektionalität, Assemblage und Affektpolitik, (übers. v. Monika Mokre), in : Isabell Lorey u.a. (Hg.), Inventionen 1. Gemeinsam. Prekär. Potentia. Kon-/Disjunktion. Ereignis. Transversalität. Queere Assemblagen, Zürich 2011, 253–270. –, Terrorist Assemblages. Homonationalism in Queer Times, Durham / London 2007. –, Queer Times, Queer Assemblages, in : Social Text 23 (2005) 3/4, 121–139. Said, Edward, Orientalism, New York, 1978. Saldanha, Arun, Skin, Affect, Aggregation. Guattarian Variations on Fanon, in : Environment and Planning A 42 (2010), 2410–2427.
74
Ulrike Auga
Scott, Joan W., Gender. A Useful Category of Historical Analysis, in : American Historical Review 91 (1986), 1053–1075. Spivak , Gayatri Chakravorty, Righting Wrongs – Unrecht richten, Zürich 2008. –, Can the Subaltern speak ?, in : Cary Nelson / Lawrence Grossberg (Hg.), Marxism and the Interpretation of Culture, Urbana 1988, 271–316. Strahm, Doris, Befreiungstheologie(n), in : Wörterbuch der Feministischen Theologie, Gütersloh 22002, 56–60. Walgenbach, Katharina, Gender als interdependente Kategorie, in : Katharina Walgenbach / Gabriele Dietze u.a. (Hg.), Gender als interdependente Kategorie. Neue Perspektiven auf Intersektionalität, Diversität und Heterogenität, Opladen 2007, 23–64. Walz, Heike / Plüss, David (Hg.), Theologie und Geschlecht. Dialoge querbeet. Zürich / Berlin 2008. Yuval-Davis, Nira, Gender and Nation, London 1997.
Gender Contestation as Political Critique Four Cases from Ancient Christianity Karen L. King How did gender and religious identity intersect in ancient Christian literature ? One answer is that in the process of forming specifically Christian identity/ies, sex/gender discourses and practices were widely employed to effect potentially wide-ranging social-political critiques. This essay analyzes four second to third century texts (The Gospel of Mary, The Martyrdom of Perpetua, The Apocryphon of John and The Testimony of Truth) to illustrate some of the varied strategies, goals, and (unwitting ?) excesses of Christians engaged in imagining spiritual perfection and human flourishing. The conclusion will consider some general implications of this analysis.
I. Religions, Genders, and Political Critiques The topic posed by the conference conveners is the intersectional relation of gender conceptualities and processes of religious identity formation. This formulation recognizes that any one field, however helpful, lacks the analytic complexity to address the problems that social inequalities pose to democracies.1 Frameworks that address the intersection of religious identity discourses2 with gendered social orders may therefore offer new insights. Feminist studies have long since shown that sex/gender roles are basic to the construction of social orders cross-culturally,3 implying that contesta1 For a discussion of the advantages and limits of intersectional approaches, see Ann Phoenix and Pamela Pattynama, “Intersectionality” and Nira Yuval-Davis, “Intersectionality and Feminist Politics.” 2 As noted in the conference discussion, approaches focusing upon group identity can be unhelpfully essentialized in ways that undermine their usefulness in destabilizing other essentializing categories of analysis (such as sexual or religious identity). Here, however, identity is understood in terms of its discursive character, e.g., as a social construct subject to (re)formation. As will become clear below, historically considered, Christian identity (or better, identities) has always been multiform and subject to continued contestation and reformation. 3 See e.g. the collected essays of Sherry B. Ortner, Making Gender, which at once illustrate the history of the field and offer a productive practice theory approach (esp. 1–20).
76
Karen L. King
tions of sex/gender differentiation can potentially be deeply implicated in challenges to norms of social organization, and thus potentially constitute a basis for foundational political critique of social norms and perhaps inequalities as well. Religions, like other fields of human activity,4 have been variously implicated in intersections of sex/gender and social order. In various modes, religious discourses and practices both have lent moral authority and theological legitimacy to establishing and maintaining certain sex/gender roles, and have relied upon habituated bodies5 to naturalize (contested) theological positions.6 4 It is widely recognized that discourses in fields such as biology and medicine, as well as religion, have often worked conservatively to naturalize such constructions. What is becoming increasingly clear, however, are the ways in which biology, medicine, and religion inter alia are themselves “naturalized” through culturally habituated bodies and their institutionalized structures (e.g., through differentiated dress codes, styles of sexual intercourse or marriage laws). Nancy Scheper-Hughes and Margaret M. Lock (“The Mindful Body”), for example, have demonstrated how anatomy books and medical research – rhetorically styled as objective, scientific information – are biased toward figuration of the mature male body as the norm, and due to this work, changes are now slowly appearing, for example in illustrating anatomy books with figures of women, children, and older people (see Alan Petersen, “Sexing the Body,” and William J. Larsen, Anatomy). 5 In Pierre Bourdieu’s sense of habitus (The Logic of Practice ; see also the discussion of Jennifer Glancy, Corporal Knowledge). 6 A well-documented example concerns the so-called “household codes” in New Testament literature, which simultaneously reinscribe and “Christianize” the organization of the ancient domestic sphere based on status, gender, and age (see Clarice J. Martin, “The Haustafeln”). Scholars have pointed to so-called “household codes” in New Testament literature as examples of Christianizing ancient moral discourses of household order. Such codes largely reinscribed the surrounding cultural values, but gave them religious authority by placing them within the larger household of God, by representing positions of household members as analogous to God/Christ, and by imbuing them with distinctive Christian moral language, for example, “love.” Arguably, they also aimed at offering a limited critique of authoritarian excesses, for example, by cautioning slave masters that they are slaves of the Master in heaven, who will judge without partiality (Col 4:1, and also raising the unjustly beaten slave to a position of honor as Christ, thus implicitly putting the master in the position of those who tortured Jesus (1 Pet 2:18–21). And even such a pervasively patriarchal text as 1 Peter is not entirely systematic in its masculinizing imagery of God, offering also passing images of the Lord as giving new-born babes a taste of “the pure spiritual milk” (1 Pet 2:2–3). Yet such codes not only left the household largely intact and largely reproduced the social hierarchies of the ancient household, but they simultaneously differentiated salvation according to age, class, and gender insofar as the moral virtues required of a Christian depended upon their age, status (free or slave), and gender. Deviation from such norms would imperil salvation. The most notable case with regard to women is 1 Tim 2:8–15, which concludes that “woman will be saved through bearing children, if she continues in faith and love and holiness, with modesty.” Moreover Christians frequently represent God not only as father, but as a slave-holding master, while believers are called God’s “children” and his “slaves” (1 Cor 7:22–23). It is not surprising to find that Paul ad-
Gender Contestation as Political Critique
77
Processes of early Christian self-definition required setting boundaries between themselves and others, as well as establishing internal markers of distinct identity. In doing so, early Christians used gender imagery in a wide variety of ways, experimented with a variety of gendered social organization, and proffered diverse attitudes toward sexuality, reproduction, and gender roles. For example, negative stereotyping was used to vilify opponents (whether outsiders or heretics) by challenging their masculinity, overtly feminizing (and thus degrading) them, or charging them with sexual immorality.7 Christians at times reinscribed patriarchal, hierarchical norms of social organization, including family, civic, and imperial orders both defensively (i.e., apologetically) to defend themselves from charges of immorality, and offensively to gain/maintain converts by insisting upon conformity to behavmonishes Christians to be subject to the governing authorities, since they have been appointed by God (Rom 13:1–7. 1 Timothy not only naturalizes the Christian community as a “household” headed by a paternal male bishop, who must himself fulfill the proper duties of father and husband in his own house (3:1–7) but also insists that believers “make supplications, prayers, intercessions, and thanksgivings for all men, for kings and all who are in high positions, that we may lead a quiet and peaceable life, godly and respectful in every way” ; this, the author justifies, is “good and acceptable in the sight of God our Savior” (2:1–3). Here the intersection of religion, gender, and political authority is clearly set out, such that religion lends divine sanction to patriarchal order of household, church, and empire. In the field of ancient Christianity, Denise Buell has detailed how Clement of Alexandria naturalizes contested Christian theological positions through the use of habituated and biologized family language (see Denise K. Buell, Making Christians). And in the contemporary United States public politics over same-sex marriage, some contemporary Christian theologians have argued that authoritative canonical scripture transparently asserts that the moral necessity of the sex/gender roles required for heterosexual relations (in marriage) and patriarchal/kyriarchal order is based upon God the Father’s plan in creating and ruling the world and establishing proper church order – thus linking a particular political position with the “created” natural order, as well as moral correctness and ecclesiastical practice (see e.g., Richard Hays, “Awaiting the Redemption of Our Bodies.”) Historical analysis, however, shows that this interpretation of scripture is not only hotly contested today, but was far from transparent or univocal to Christians of the first centuries (see e.g., Dale Martin, Sex and the Single Savior ; Stephen Moore, God’s Beauty Parlor ; Benjamin Dunning, Specters of Paul). 7 For an exemplary study, see Jennifer Wright Knust, Abandoned to Lust. Consider also examples in Paul’s characterization of idolaters as engaging in “unnatural” same-sex acts in Rom 1:18–32 ; The Apokryphon of John’s feminizing the arrogant and impotent gods of this world as bestial, fatherless bastards (below) ; the martyr literature’s challenges to the hyper-masculinity of Roman persecutors by showing Jewish and Christian men and women, whom they are attempting to humiliate through feminization and reduction to the status of slaves or other non persons, besting them with superior performances of manly endurance and reasoned speech (see Stephen Moore and Janice Capel Anderson, “Taking it like a Man”) ; the Pastoral Epistles challenging women’s public speech by characterizing them as fickle gossips who are easily deceived (see Marianne Bjelland Kartzow, Gossip and Gender). Numerous additional examples could be given.
78
Karen L. King
iors recognized as respectable8 and indeed by asserting their superiority in living up to moral standards shared by all.9 We see, too, cases where Christians attempted to distinguish themselves by offering more or less radical reimaginations of sex(uality) or gender roles. These challenges sometimes had significant social-political implications ; for example, the elevation of virginity and celibacy over married life had the potential to threaten the position of the reproductive and slave-holding family as the foundation of social organization.10 A substantial body of published research has accumulated over the last decades elucidating these positions. The results open up sites to explore possibilities within Christian tradition for alternatives aimed at 21st century goals of promoting democratic equality, economic equity, opposition to violence against women and other abject persons, and the promotion of human flourishing more broadly and inclusively. I want to build on this scholarship here, examining how many of the strategies Christians used to distinguish themselves in antiquity as a distinct – and indeed superior – group in terms of beliefs, piety, and moral practices were implicitly or explicitly critical of the dominant sex/gender system. Given the fundamental part that sex/gender roles play in social-political organization,11 Christian alternatives were almost by definition socially critical, with greater or lesser implications for critique of ancient norms and structures of power relations. There are of course limits to such critique, no matter how radical they may appear. Practice theorists, such as Pierre Bourdieu, have long since demonstrated the embodied character of social habitus, demonstrating how social8
For example, 1 Tim 2:2 and 3:7. For example, see such apologetic literature as the Letter to Diogenes ; Justin, 1. Apol. ; Athenagoras, Legatio pro Christianis. 10 An extensive literature exists on the family in antiquity ; for a recent overview, see Beryl Rawson (ed.), A Companion to Families, esp. Sabine R. Heubner, “Household Composition.” For an excellent study arguing that Christian re-invention of the Roman household was a central Roman survival strategy in the fifth and sixth c. c.e., see Kate Cooper, The Fall of the Roman Household. She concludes : “[T]he older vision of Roman family life based on the legal powers of the paterfamilias gave way to a new ideal, in which the paterfamilias had essentially ceded to the Christian bishop his role of arbiter in matters of piety and justice. But this development did not occur in a vacuum. Rather, it had roots reaching back into the third century, to an erosion of the powers of Roman heads of households that had more to do with tax-collecting than with religious ideas” (ix). She notes, however, the significance of changing religious notions of marriage, for example in “understanding sexually active marriage as a second-tier form of asceticism” (x). Here again we see that changes in social-political order intersect various fields, in this case law and economics as well as religion. [See also Catherine Hezser, “Part Whore ##, and Bernadette Brooten, ##, in this volume.]. 11 See e.g. Aristotle, Politica I.3–13 (1253b–1260b). 9
Gender Contestation as Political Critique
79
ly scripted relations defining social and political boundaries reside in human bodies that both (re)produce such scripts and are (re)produced by them.12 Given that such operations function largely without conscious notice or overtly rationalized articulations, they appear to be “natural” – and hence exert enormous inertia against reform. Christians, too, even in attempting to articulate a distinctive identity, are rarely challenging such embodied knowledge but rather are uncritically reproducing deeply entrenched discourses and practices, consciously oblivious to the habitualized embodiments they are reinscribing (including the embodied “logics” that support them), even as they attempt to deploy them for their own ends.13 Yet totalization is never possible ; there are always cracks, leaks, and fissu res where other potentialities can be realized, possibilities explored, and critiques enabled, as well as excesses that defy or evade systematizing control. No text or tradition is fully conservative or fully liberative, and indeed we will see materials whose potential seems to have surprised early Christians themselves and may sometimes unwittingly have led to more radical possibilities than some wished or were comfortable with. That discourses often operate unconsciously is significant not only with regard to our analysis of the potential, as well as the limitations of ancient Christian thinking, but also of our own unexamined assumption of various logics of embodiment in the 21st century. Might examining the very different embodied and storied thinking of ancient Christians help expose to us the basically non-conscious workings and assumptions of our own (diversely) embodied social-political worlds ? Might such learning aid in reflective self-critique and reform ? How ?
II. Doing Religion – Doing Gender Despite the apparent ease with which I have talked above of “religion” and “sex/gender,” such categories are hardly simple or lucid. Both terms have been the subject of rigorous analysis and debate. Both will need further specification with regard to how they are used here. I regard categories to be both positional and provisional, tools formulated to do particular, limited kinds of analytic work.14 For the purposes here, I suggest what are frequently referred to as “religions” in antiquity can be thought of as multiform, plurivocal, unstable bundles of diverse and shift12 Pierre Bourdieu, “Programme for a Sociology of Sport” ; “Description and Prescription” ; “Marriage Strategies.” 13 For a recent volume that brilliantly articulates and substantiates these points, see Glancy, Corporal Knowledge, esp. 3–23. 14 See further discussion in Karen L. King, What is Gnosticism ?, 15–19.
80
Karen L. King
ing practices, variously formed and formulated, that shape and are shaped by individuals and groups, with varying intersections of social, political, and economic life forms (such that at times a “religion” may appear as distinct, while in other times and places it is indistinguishable as a separate/able field), changing and varied over time and place (e.g., historically and locally specific), always contested and fluctuating both internally and with regard to outside groups and ideological borders. With regard to sex/gender, the analysis below assumes the now widespread understanding that antiquity has its own genealogical history of gender.15 While the distinction between sex and gender has been a primary analytic tool, it has been appropriately criticized for its essentializing of sex as something belonging ahistorically to the physical makeup of bodies, while gender is ascribed to social construction.16 Judith Butler has formulated an alternative approach : “If gender is performative, then it follows that the reality of gender is itself produced as an effect of the performance. Although there are norms that govern what will and will not be real, and what will and will not be intelligible, they are called into question and reiterated at the moment in which performativity begins its citational practice. One surely cites norms that already exist, but these norms can be significantly deterritorialized through the citation. They can also be exposed as non-natural and non-necessary when they take place in a context and through a form of embodying that defies normative expectation. What this means is that through the practice of gender performativity, we not only see how the norms that govern reality are cited but grasp one of the mechanisms by which reality is reproduced and altered in the course of that reproduction.”17
In the analysis of early Christian literature below, I draw in particular on two of her points. First, given that “the organization of gender comes to function as a presupposition about how the world is structured,” analysis needs not only “to understand how the terms of gender are instituted, naturalized, and established as presuppositional but to trace the moments where the binary system of gender is disputed and challenged, where the coherence of the categories are put into question, and where the very social life of gender turns out to be malleable and transformable.”18 In other words, how was gender organized and performed in early Christian literature in ways that show us how Christians were both presupposing wide-spread ancient notions of gender and challenging them ? Second, I suggest it is helpful to analyze the texts we will be examining below in terms of Butler’s understanding of fantasy : “It is important to see that the struggle to survive is not really separable from the cultural life of fantasy. It is part of it. Fantasy is what allows us to imagine ourselves and others otherwise. Fantasy is what 15
See the discussion of Jorunn Økland, Women in Their Place, esp. 40–57. See e.g., Judith Butler, Gender Trouble and Bodies that Matter. 17 Butler, “The Question of Social Transformation,” 218. 18 Butler, “The Question of Social Transformation,” 215, 216. 16
Gender Contestation as Political Critique
81
establishes the possible in excess of the real ; it points, it points elsewhere, and when it is embodied, it brings the elsewhere home”19. How might this notion of fantasy help in clarifying the political dimensions of a literature that is frankly mythic ? Religious people tell stories and form imaginaries – alternative worlds – that have the potential to rearrange social relations in practice. Whether one agrees as to the existence of God, gods, or other unseen forces, belief in them can have real effects. These re-imaginations of God, sex/gender, and (human) identity – for example, representing Christian identity as the true human identity – resulted in a variety of social experiments – some perhaps never put in practice (like Epiphanes’ egalitarian communalism20), others largely failed (like celibate marriage), but others relatively successful (notably the rise of monasticism – a kind of Acts-style economic communalism, as with Epiphanes, but with hierarchical structures intact and without sexual intercourse). Despite their limited success in wide-spread restructuring, the impact of such re-imaginings were significant in the areas of sexual ethics, spiritual self-formation, and structures of authority. Even more possibilities remained unexplored or unrealized. In the limited scope of this paper, I want to explore four examples in which the intersection of religion and sex/gender in Christian imagination offered social-political critiques of ancient power relations – with mixed implications for gender justice.
III. Gender Contestation as Political Critique : Four Cases from Ancient Christianity 1. The Gospel of Mary21 The second century Gospel of Mary offers a strong critique of the kind of law and judgment that is used to keep people in thrall to powers that seek only their own domination through violence and deceit.22 Such powers are portrayed as cosmic entities against which the soul must battle in its ascent 19
Butler, “The Question of Social Transformation,” 216–217. See Kathy L. Gaca, The Making of Fornication, esp. 221–291. 21 Only three fragmentary manuscripts are known to have survived into the modern period, two third century Greek fragments (P. Oxyrhynchus 3525 and P. Rylands 463), published in 1938 and 1983, and a longer fifth century Coptic translation (Berolinensis Gnosticus 8052, , first published in 1955 ; for texts and translations, see Robert McL. Wilson and George W. MacRae, “The Gospel of Mary” ; Walter Till and Hans-Martin Schenke, Die gnostischen Schriften ; C. H. Roberts, “463. The Gospel of Mary” ; P. J. Parsons, “3525. Gospel of Mary.” 22 See Karen L. King,The Gospel of Mary of Magdala, 54–55 ;“Why All the Controversy ?” 20
82
Karen L. King
to God. They attempt wrongfully to seduce the soul into believing that it is sinful and corrupt, tied forever to a mortal body that suffers and dies. But in this gospel, the Savior teaches that there is no such thing as sin ; people are subject to disease and death only because they love what deceives them. His teaching leads people to discover the truth about themselves – that they are spiritual beings made in the divine Image – and this knowledge allows them to overcome the worldly attachments and bodily passions that lead to suffering and death. The final goal of salvation is not the resurrection of the body at the end of the age, but the ascent of the soul to God – not only after death, but in this life by following the Savior’s teaching to reject worldly attachments and deceptive powers. In realizing that one’s true nature is spiritual not material, a person becomes fully human by renouncing false judgments and all violence, embracing joy and divine peace beyond time and eternity.23 The only one who seems to understand this teaching fully is Mary ; she alone is not frightened when the Savior departs. She consoles the other disciples and, when requested, offers them special teaching about the rise of the soul to God. Although Peter and Andrew question her teaching and imply she is lying, insisting that the Savior would never have given a woman such favored treatment, the gospel affirms that the Savior did indeed love her more than them. The male disciples’ contentious envy shows that they have not understood the Savior’s teaching : it is understanding the gospel that grants authority to teach, not distinctions (of sex/gender) written on bodies that are destined to pass away.24 Indeed, in this gospel, God is spoken of only in non-gendered language, as the Good.25 The divine is not conceived in masculinized roles of judge, 23
See King, “Rise of the Soul.” See King, The Gospel of Mary of Magdala, 55–56, 88–90. 25 As Øklund has argued, language that may appear to be non-gendered to modern perspectives cannot be taken as such insofar as the male was the human norm in antiquity (Women in their Place, 15–22, 50–51), but here, I would argue, the text is struggling against this phallogocentrism by presenting Mary as the disciple who best models what it means to be fully Human at the same time that the text attempts to define a place (beyond time and eternity) in which distinctions of sex/gender have no role “in making sense of spaces and legitimizing their structures” (ibid, 61). That the Gospel of Mary does not – indeed cannot – succeed fully in displacing the sex/gender discourse it must use to articulate its own position, does not lessen our appreciation of what it is trying to achieve. The Coptic term translated here as “Human” is not the distinctly male (ϩⲟⲟⲩⲧ) but rather the generic male (ⲣⲱⲙⲉ), which I would usually assume to carry discursively the notion that the “default” human is male/masculine. I believe, however, that the Gospel of Mary is attempting against great linguistic constraint to articulate a notion of the “non-gendered” which indeed runs against the grain of sex/gender discourse in antiquity generally. One sees this straining at several places : in the choice of a woman, Mary, to carry the marker of the ideal disciple ; in Andrew and Peter’s unsuccessful attempt to disparage her and her teaching as contrary to 24
Gender Contestation as Political Critique
83
king, or father, for gender, sexuality, and the social roles ascribed to them belong only to the lower material realm. Even the true spiritual nature of human beings is non-gendered, such that people are truly neither male nor female, but simply Human in accordance with the divine image of the transcendent Good.26 Indeed, the disciple who models being truly Human is not a male, but Mary. The Savior had admonished them, as Levi repeats, not to lay down any other laws than those he has given, lest they be enslaved by them – and it would seem here that the admonition to silence women found in other Christian literature of the period (e.g., 1 Tim 2:8–15) is one of those laws to be rejected. The implication is startling : sex/gender and other social-bodily distinctions have no place in the eternal economy, and thus they provide no naturalizing basis for just social relations.27 Moreover, given the condemnation of the unjust Powers for falsely judging and condemning the soul and subjecting it to the suffering and mortal violence of the flesh, the Savior’s injunction not to lay down laws that enslave, including the silencing of spiritually advanced women teachers, links a critique of gender injustice to a broader critique of power relations based on false Desire, Ignorance, and Wrath (the names of the Powers the soul must overcome in its ascent). What can be communicated by saying the body is not the self ? The naturalization of specific embodiments are put in question : not only disease and suffering, but sex/gender roles, mortality, vulnerability to shaming, violence, and injustice.28 Would the ancient readers of this text have consciously and explicitly grasped the full socially-critical impact of this position as a foundational critique of the violence of ancient social relations ? The genre of the text as story makes that a difficult question to answer, but we can nonetheless ask : Why does the Gospel of Mary use the figure of Mary of Magdala to carry its message ? What does this choice signal ? It would seem that the Gospel of Mary is elaborating a narrative possibility produced when the Gospel of John portrayed her as the first disciple to encounter the risen Lord (John 20:1–18). She received teaching from him about his ascension, and was sent as the first “apostle to the apostles” to proclaim the good news : “I have seen the Lord” (John 20:18). The Gospel the Savior’s teaching ; and in the use of “the Good” rather than more explicitly male designations for God. 26 See King, The Gospel of Mary of Magdala, 59– 62. 27 That advocacy of virginity/celibacy also has the potential to neutralize inequalities based on sex/gender has been discussed. What is distinctive about the Gospel of Mary is that this potential does not reside in an ethics of sexual asceticism but in a disavowal that sex/gender is essential to what it means to be human – itself a more radical claim and one which raises problems of its own for contemporary reflection. 28 See, for example, King, “Prophetic Power and Women’s Authority,” 24–27, 32.
84
Karen L. King
of Mary exploits this scene to portray Mary as the disciple most favored by the Savior, as the one who received special teaching about the ascension – not only that of Jesus (as in the Gospel of John), but that of the spiritually informed soul as well. As we know from Origen, outsiders later disparaged Christian belief as based on the witness of an hysterical woman (Contra Celsum 2.55). Earlier, Luke’s gospel, too, had claimed that even the other apostles did not believe the women, calling their words “an idle tale” (Luke 24:11–12). The Gospel of Mary, however, reads Mary’s weeping in the Gospel of John not as grief over the death of Jesus, but as a reaction to the slander of her fellow disciples. It appears that in defending their beliefs, some Christians necessarily felt they also had to defend the witness of Mary (and the other women witnesses). In doing so, the Gospel of Mary offers not only a distinctive interpretation of Jesus’s teachings, but also deploys gender imagery to undergird its argument for accepting not only Mary’s teaching, but also Mary herself as a teacher, based on her superior character and understanding of the Savior’s teaching. Thus wittingly or unwittingly, the Gospel of Mary intersects discourses of gender with theological imagination to produce a potentially powerful critique of social injustice and its violence. 2. The Martyrdom of Perpetua29 Another woman whose Christian witness required defense was a young Roman matron named Perpetua, who was martyred in Carthage in the early third century.30 She is not alone of course in requiring defense, since she and the other Christians with her were all legally condemned as criminals, especially for refusing to offer sacrifice that would have affirmed their loyalty to Roman imperial rule. In this context, sex/gender discourse, religion, and political power intersect dynamically in powerful and explicit interrelationship.31 Christians come into direct conflict with established legal and political authority, a conflict of decidedly unequal power relations. According to Gunderson, Romans carefully scripted the proceedings of law courts 29 The Martyrdom of Perpetua and Felicitas survives in three different versions : a shorter and a longer Latin version, and a Greek version (see Cecil M. Robeck, Prophecy in Carthage, 12). It is generally agreed that the work contains two writings, one by Perpetua (3.1–10.15) and one by Saturus (11.1–13.7), within the framework of an unknown redactor (1.1–2.3, 14.1–21.11). This fact makes the work by Perpetua the earliest surviving Christian text by a known woman. There is considerable discussion about the identity of the author/ redactor of the encompassing work (especially in identifying him with Tertullian on the basis of location in Carthage, dating, language, and theological similarities), but the issue is currently unresolved. For a brief introduction, Latin text, and English translation, see Herbert Musurillo, Acts of the Christian Martyrs, pp. xxv–xxvii, 106–131. 30 For a development of the points below, see King, “Willing to Die for God.” 31 See e.g., Shannon Dunn, “The Female Martyr” and Brent D. Shaw, “Body/Power/ Identity.”
Gender Contestation as Political Critique
85
and arenas to produce and display not only their justice and power, but to produce and reproduce the Roman social order through its public display.32 The space of the arena in particular mapped an idealized imperial order by seating the Roman audience (according to rank, status, and profession) around the sand below where all condemned non-Romans (defeated enemies, slaves, and criminals) would be humiliated, tortured, and destroyed. In this public performance, the condemned were to appear as cowardly criminals who upset proper law and order. In a society where masculinity was associated with the virtues of honor, courage, strength, and self-mastery, the reduction of the condemned to fearful and grieving victims, passively subject to every humiliation and cruelty, signaled their thorough emasculinization. To resist this treatment and defend their beliefs, Christians rescripted the drama of the arena, portraying the martyrs as victors who gained eternal life, fearless in the face of pain and death, willingly and joyfully accepting worldly condemnation in order to win a place of great esteem in God’s kingdom. The author of the Martyrdom of Perpetua portrays her and her fellows not as victims, but as athletes and gladiators. Women, as well as men, were expected by Christians to display masculine virtues through their courage, endurance, and willing assent. Indeed, in a dream Perpetua imagines herself transformed into a male gladiator, besting her opponent and winning the crown of victory. Perpetua’s gender transformation is, however, ambiguous at best.33 On the one hand, she gives up her roles as daughter, mother, and Roman matron, and is transformed into a male fighter (5.1– 6, 6.7–8, 10.4–13). On the other hand, she is called “daughter” by the Christ figure who crowns her, and “sister” by her fellow Christians (10.13, 4,1). And the author emphasizes her female modesty in the arena, as she takes care to pull down her dress and arrange her hair (20.5). It would seem that Perpetua’s own scripting of her Christian identity, as well as her defense by the narrator of her execution, shows a tension between two gender discourses, one which seeks to overcome the effeminizing humiliation of the Roman scripting by making her male, and the other by defending her character in showing her to be a chaste matron and mother. The tension between these two discourses does not, arguably, undermine the ideological power of Perpetua’s selfrepresentation by “refeminizing” her, but instead lays bare the cracks and contradictions in ancient gender discourses and exposes how they are used (even simultaneously) for a variety of ends. In the Martyrdom of Perpetua, the deployment of divergent strategies introduces contradictions into the 32 See Erik Gunderson, “Ideology of the Roman Arena” and David Potter, “Martyrdom as Spectacle.” 33 See here especially, Elizabeth Castelli, “‘I Will Make Mary Male’” ; Visions and Voyeurism ; Judith Perkins, “The Rhetoric of the Maternal Body.”
86
Karen L. King
gender portrait, but the aim is nonetheless clear and consistent – to show that Perpetua embodies Christian virtue and truth. For this message, a theology which affirms the body as the self is required, very much in contrast to the theological anthropology of the Gospel of Mary. In the Martyrdom of Perpetua, the question at stake is who gets to say what these tortured and violated bodies mean – Romans or Christians ? Human bodies – male and female – are the sites where God’s truth is displayed, and where the battle against the forces of Satanic idolatry are played out with Christians as the winners. While the political resistance to Roman authority is clear, we can still ask what specifically is being critiqued ? Does Perpetua’s rejection of her roles as daughter and mother signal a rejection of family and sexual reproduction per se, that is, of roles basic to ancient social order and hierarchical relations ? I would say no. Rather what we see is that Perpetua is disembedded from Roman social institutions of family and citizenship and re-embedded into a Christian family and heavenly citizenship. By winning the contest in the arena, Christians claim that their social order is superior to that of the corrupt Romans – and on religious grounds, namely the true God is known and worshipped properly only by Christians, including spirit-filled women of courage and conviction like Perpetua. By accepting Perpetua as a witness to the true faith, Christians in Carthage and beyond would be affirming the capacity of spirit-filled, chaste women to attain masculine virtue and divine power. 3. The Apocryphon of John (Ap. John)34 One of the most consistent early Christian critiques of unjust social-political relations can be found in the second century Apocryphon of John.35 Dated to the mid-second century, it is the first Christian writing to offer a comprehensive narrative of the nature of God, the origin of the world, and human salvation. It figures the lower cosmos as an inferior and parodic imitation of the divine world above, and offers a utopian sensibility in which dualism functions primarily in the service of a broad-ranging social critique. Its oppositional logic takes on full narrative force in figuring the transcendent realm above as the ideal ; the lower world, as a parodic imitation. The ide34 Four fourth–fifth c. c.e. Coptic copies of the Apocryphon of John have survived to the modern period : Berlin Codex (19.6–77.7), and three from Nag Hammadi : Codex II (1.1–32.10) ; Codex III (1.1–40.11) ; and Codex IV (1.1–49.28). They represent two versions, a longer (II/IV) and shorter (BG/III) ; and three translations from Greek into Coptic. For the Coptic texts, see Michael M. Waldstein and Frederick Wisse, The Apocryphon of John ; for translation (and numbering system), see King, The Secret Revelation of John, 25–81 . 35 What follows is a summary of a position developed more fully in King, “Sex and Gender in the Secret Revelation of John.”
Gender Contestation as Political Critique
87
al of justice is represented by the transcendent Deity’s rule of the Divine Realm ; the measure of injustice, by the inferior gods’ attempts to exert illegitimate domination over a spiritually superior humanity. At the heart of this deeply spiritual story lies a powerful social critique of injustice and a radical affirmation of God’s compassion for suffering humanity. In contrast to Roman rulers who declared themselves the authors and enforcers of universal justice and peace, the story describes the world as a shadowed place ruled by ignorant and malevolent beings. It exposes their lies and violence as violations of the true God’s purpose, and offers sure knowledge of one’s true spiritual identity and destiny. Lodged within this narrative is a deployment of gender imagery that at first glance appears to present a thoroughgoing critique of androcentric theology and patriarchal social structures : God is described in feminine as well as masculine imagery ; alongside the Son-Christ, the divine female saviors Pronoia and Epinoia play central roles in salvation ; Eve is not the source of sin and death, but the illuminator of Adam ; and the Berlin Codex version of the text explicitly states that the subordination of woman to man was contrary to the will of the true God. Such elements stand out sharply in a Christian literary landscape noted for exclusively male imagery of God, as well as calls to silence and subordinate women, to blame them for the “fall” of humanity, and to exclude them from positions of leadership. A closer analysis, however, offers as much to challenge this reading as to confirm it. Ideal social order is figured in the portrayal of the divine realm as a patriarchal household : God the Father, Mother, and Son, with numerous generations following from them in harmonious, hierarchical order.36 So, too, in the lower world, the mimesis of this ideal is represented by the household of Adam and Eve, whose sexual intercourse without desire produces Seth, an image of the True Man above.37 Thus, the sexual intercourse of Adam and Eve marks not original sin, but a step toward salvation. In contrast, the perverted parody of this proper order is portrayed by the dominion of Yaldabaoth, himself a fatherless bastard of a “fallen” mother. His reproductive activities are characterized by lust, violence, and the desire to dominate those superior to him.38 While he, too, produces numerous beings under his rule,
36 See the important discussion of Michael A. Williams, Rethinking “Gnosticism,” 154– 60, who notes that the transcendent realm in Apocryphon of John is portrayed as a patriarchal family, including members of the divine realm as “other members of the divine familia, such as relatives, slaves, or associates. It is a portrait of a complete and perfectly ordered household, with total harmony and properly oriented respect” (155). He also understands Sophia’s actions as a “violation of household protocol” (155). 37 Ap. John 27.3–5 (trans. King, The Secret Revelation of John, 80–81). 38 For discussion of this incomplete birthing in the terms of ancient medical discourse, see Richard Smith, “Sex Education” ; Elizabeth Castelli, “Response.”
88
Karen L. King
parodically modeled according to the likeness of the divine realm above,39 the result is a far cry from the harmonious order of the divine realm, for they are produced out of ignorance and arrogance.40 Their impotence is repeatedly mocked, frequently by showing them as bested by females, including Eve. The contrast between the two realms thus serves to affirm proper patriarchal order, and critique departures from it.41 The story of the origin of evil only confirms this model as an ideal : disorder arises through the bold and independent action of Sophia, a female out of male control. In this portrayal of the ideal order of the divine realm, the story confirms the ancient discursive ideal that elite male rule assures goodness, order, and justice. Yet the Apocryphon of John does not offer a single, logically consistent or monolithic perspective on sex/gender, perhaps because gender imagery is used to make so many different points. In fact, it is possible to map a number of strategies that complexify – and perhaps even contradict or undermine – the oppositions set up in different parts of the story. One contradiction appears in portraying Sophia’s independent boldness toward the true God negatively, while portraying that of Eve toward the lower God positively. The first works to illustrate the dire consequences of opposing patriarchal authority, while the second is used to ridicule male impotence. The result is that a shrewd reader might see how the higher God, too, could be implicated in the critique of male attempts to control powerful females. The hermeneutical excess of the Apocryphon of John’s gender imagery, nestled in a story that operates so fundamentally with oppositional strategies and parody, ensures that no single monolithic perspective on sex/gender will rule – and indeed this excess opens up a crack where it is possible that the wise-fool Sophia is more completely the hero of the story than one might think. Let’s look closer. Eve not only reverses Sophia’s deviance in producing a child without male complicity (by following the model of divine hetero-reproduction as Sophia had not), but she also reenacts Sophia’s boldness against the true Father by disobeying her (Eve’s) supposed father, Yaldabaoth. Christ gives his approval to Eve’s disobedience, explaining that she did not obey Yaldabaoth “because she is wiser than he.” Even more striking is Christ’s proclamation to John that the world creator’s attempt to punish Eve by subordinating her to Adam was contrary to the decree of the holy height – that is, it was contrary to the true God’s plan.42 To my knowledge, this is the strongest
39
Ap. John 13.21–22 (trans. King, The Secret Revelation of John, 48–49). Ap. John 14.15–19 (trans. King, The Secret Revelation of John, 50–51). 41 See also the discussion of Michael A. Williams, “Varieties in Gnostic Perspectives,” 17 ; Rethinking “Gnosticism,” 157. 42 Ap. John BG.22.4–5 (trans. King, The Secret Revelation of John, 66). 40
Gender Contestation as Political Critique
89
condemnation of women’s subordination to men to be found in all of the surviving ancient literature. This rather radical statement should be read, however, in terms of the story’s narrative logic, which aims to lampoon the lower world rulers by humiliating them at the hands of disobedient and disruptive females like Epinoia and Eve. Indeed, every attempt by the world rulers to dominate humanity is thwarted by Pronoia and her agents (Epinoia, Christ, and Eve). The whole point of the Genesis retelling is to underscore the impotence of these unholy demigods.43 It is true that the impact of this humiliation only works by assuming that being bested by women is emasculating – that is, the social logic relies on a normative gendered reading of honor and shame, in which honor is stratified by gender as well as by status (slave or free, ruler or subject, and so on).44 Yet this norm is cited precisely in order to critique the violence of “masculinized” domination.45 The hermeneutical excess may thus extend further than any “authorial intent.” Such a move potentially does more than perform a destabilizing citation of gender norms46 – it enables a thorough critique of the Apocryphon of John’s own implicitly positive citation of gender hierarchy in its representation of the restoration of the patriarchal household as the goal of salvation. Given the oppositional logic of the work, this critique could potentially be extended into a reconsideration of Sophia’s act of insubordination to the Father above. It may be that the Sophia story was told as a cautionary tale designed to put limits on human will and action outside of or apart from patriarchal structures of authority, but any such telling is undone – or at least unsettled – by heroizing Eve’s disobedience as an act of superior wisdom. Might readers not ask : If Eve’s disobedience to Yaldabaoth is a good thing, why is Sophia’s boldness toward the Father wrong ? If the subordination of Eve to Adam was against
43 At Ap. John 22.22–28 (trans. King, The Secret Revelation of John, 66–69), for example, the Chief Ruler institutes sexual intercourse in order to produce likenesses of the counterfeit spirit over which he and his powers could rule, but this ploy fails when intercourse between Adam and Eve instead produces Seth in the likeness of the true Human above. 44 Virginia Burrus offers an extended and insightful discussion of shame in the Apocryphon of John, arguing, among other points, that not only are the “shamers shamed” by humiliating Yaldabaoth and his henchmen, but “[i]t is also, however, through shame that repentance is made possible and salvation is effected” as shown by the figure of Sophia (see Saving Shame, 57–64, esp. 58). 45 While gender no doubt works here in conjunction with other discursive constructions of hierarchy, not least those in which subjects or especially “barbarians” are regularly portrayed as less than fully masculine or even human and as bestialized and emasculated, the gender element is no less fully imbricated in the story’s logic. 46 I draw here on Butler’s notions of performative subversion, citation, and fantasy, especially in Gender Trouble, 128–41 ; “The Question of Social Transformation,” 204–31.
90
Karen L. King
God’s design, how can the subordination of Sophia to Him be recommended ? If the arrogant lower creator god acted in such a way out of malice, what does that say about the all-too-similar acts of the Father above ? Evidence that some readers appear to have been aware of these interpretive possibilities and attempted to eliminate them by changing the story is apparent in two variant passages (BG versus II at 20.22–25 and 22.15). Such “emendations” signal to me that the tellers of this tale did not intend their social critique to extend to hierarchical and kyriarchal sex/gender relations, or even to sexual reproduction per se. But that critique is there to be explored by discerning readers who are able to perceive the contradictions, the cracks, and thus the possibilities in this complex comedy of bold females overcoming the arrogant males who would unjustly dominate them through violence, deceit, and trickery. 4. The Testimony of Truth47 Unlike the other three texts we have examined, the late second/early third century Testimony of Truth forcefully rejects sexual intercourse under any conditions – indeed it argues that the entire mission of Jesus’s descent into the world was to end the kingdom or rule of carnal procreation (30.28–30). Although Jesus takes on flesh, his generation is virginal : “Christ was begotten by the Word through a virgin, Mary … . (He) passed by a virgin’s womb” and even after his birth, his mother remained a virgin (Testim. Truth 45.9–11, 14–18). So, too, believers are said to be born (or born again) in a virginal state, conceived by the Word (40.2–7). This ideal virginal state is described as “male,” but this spiritual condition is apparently not tied to physical bodily distinctions between men and women. Rather the gender binary of “male/ female” is used to mark the ideal virginal state as “male,” and to mark carnal procreation as “female.” All references to sexual intercourse and reproduction are confined to the term “woman/female.” For example, the author contrasts the woman Elizabeth who gives birth through her aged womb to John, with the virgin Mary whose womb is by-passed in Jesus’s birth – in this case only Elizabeth is identified specifically as a “woman” ; while unspecified, Mary’s virginity would seem to mark her as “male.” The word “woman” (sg. or pl.) appears in the text in other cases as well, but always in conjunction with intercourse and reproduction (cf. 30.1–5 ; 58.2–4 ; of Eve 47.2–3). We see here a gender discourse which identifies femaleness with sex and reproduction. Rejecting them and attaining to virginity is what makes one 47 The only surviving, fragmentary copy is a translation into Coptic (from Greek) found in the fourth century manuscript, Nag Hammadi Codex IX, 3 ; for introduction, text, and English translation, see Birger A. Pearson, Nag Hammadi Codices IX and X, 101–203. English translations below are from this edition.
Gender Contestation as Political Critique
91
male. In another badly damaged passage (40.24–29), the Testimony of Truth appears to interpret Jesus’s cross as that which separates males (associated with day, light and incorruptibility) from females (associated with night, darkness, and corruptibility). Where, if anywhere, in this diatribe against sex does political critique appear ? As in the Apocryphon of John, the true God and his Christ are contrasted with wicked and illegitimate rulers of the lower world. Notably, the Testimony of Truth says that Christ’s coming ended not activities of intercourse and reproduction, but the “kingdom” or “rule” of carnal procreation, which includes not merely sexual intercourse but every kind of human suffering and injustice. Readers are told that Jesus descended into the world (Hades) to perform mighty works : raising the dead and healing the lame, the blind, the paralytic, the dumb, and the demon-possessed ; he walked on the waters of the sea, and destroyed the flesh (32.2–33.11) – all in order to free people from the power of world and the forces that rule it. His invective seems directed particularly at denouncing fellow Christians who teach that sexual reproduction is ordained by God. The author also singles out criticism of Christians who seek martyrdom.48 It is not enough, the author claims, to confess oneself a Christian and be put to death ; such thinking only shows ignorance, which leads people to hand themselves over to the clutches of “the principalities and the authorities” so as to destroy themselves in a “mortal death” (Testim. Truth 31.22–32.21 ; 44.30–45.6). According to the Testimony of Truth, were the true God to desire human sacrifice in this way, he would be vainglorious – which he is not (32.19–22). This position against martyrdom is quite radical in its implications, since it may be that in refusing to enter on either side of the conflict between Christians and Romans, the author is attempting to define a space outside the entire system of power relations that defines honor and virtue in terms of violence, suffering, and death – and even outside economics, for money, too, he calls “unrighteous Mammon” and ties it to sexual intercourse, probably alluding to the need to reproduce in order to have heirs to inherit wealth. The quietist ethic of the text tells us something about how the author imagines this space : The believer is to cleanse his soul of transgressions (43.1–3), condemn those who formed this whole place (43.18–20), and converse instead with his mind, “the father of truth, concerning the unbegotten aeons and concerning the virgin who brought forth the light” (43.23–29). In this way, the true Christian “is a disciple of his mind, which is male. He began to keep silent within himself until the day when he should become worthy to be received above. He rejects for himself loquacity and disputations, and endures the whole place ; and he bears up under them, and he endures all of the evil things. And he is patient with every one ; he makes himself equal to every one, 48
See the discussion of Klaus Koschorke, Die Polemik der Gnostiker.
92
Karen L. King
and he also separates himself from them. And that which anyone [wants, he brings] to him, [in order that] he might become perfect [(and) holy]” (Testim. Truth 44.2–19).
Through this manner of life, remarkably akin to the ideals of developing Christian asceticism, the true believer “bore witness to the truth … having left the world” (Testim. Truth 44.23, 26–27). For the Testimony of Truth, then, the reality of God’s kingdom is demonstrated not in martyrdom, but in the teaching and deeds of Jesus, especially healing. It is interesting that the author sees diseases and disabilities not as accidents of nature, but as signs that the ruler-creator of this world is unjust, as well as envious, vindictive, malicious, and ignorant (47.14–48.15). If we ask here about the intersection of religion and sex/gender with political critique, it is apparent that its critique of unjust suffering and ruling power draws heavily upon an imagination of perfection as a divine economy in which the “female” (if not necessarily virginal women) is excluded. The “male” is idealized as normative, pure, and the site of spiritual truth, while the “female” appears discursively only as the chaos which must be guarded against and dispelled. It eschews entirely ancient gender discourse in which the female and women are lauded as the ground of (reproductive) life. For the Testimony of Truth, to give witness to the true God requires ridding the world of female procreation, thereby nullifying all the injustices of poverty, disease, and death. My main point in including consideration of the Testimony of Truth in this essay is to demonstrate that a positive critique of injustice and human suffering did not always include gender justice, but indeed could draw upon misogynist discourse to articulate its vision of human well-being and perfection. Although Christianity would come to reject the notion that the creator of the world was a lower, wicked god entirely different from the true heavenly Father of Christ, much of the quietist ethic of Testimony of Truth would prevail, especially in its call for a life of patient, celibate poverty, separate from the corrupting world.
IV. Conclusion The four early Christian works we have considered above illustrate ways in which gender and religion intersected in social-political critiques of unjust power relations in antiquity. And yet, we have seen that sex/gender imagery has quite diverse implications for the imagination of human flourishing and gender justice. The Gospel of Mary is struggling to represent the true spiritual nature of humanity – and God – as non-gendered, in order to critique the suffering and injustices that were written onto differences among human bodies, not least the “law” that women should not speak or carry out
Gender Contestation as Political Critique
93
the Christian mission because they were women. It imagined the goal of human flourishing as an ascent to God that left behind a world of inferior rulers, whose maliciousness and wrath were aimed at keeping humanity tied to suffering bodies through powers of ignorance, misdirected desire, condemnation, and wrath. In defending the resurrection witness of Mary of Magdala, the Gospel of Mary offered a far-reaching articulation of gender critique. The Martyrdom of Perpetua also defended a woman, Perpetua, but for this text, the reality of her physical body and its suffering was essential to convey the text’s theological message. Here the condemnation of the injustice of the Roman legal system and its use of power to brutally torture and execute Christians is embodied by a young matron and chaste mother, who imagines herself transformed into a male gladiator in order to defeat the powers ranged against Christians. Her display of masculine courage, selfcontrol, audacity, and endurance does not, however, function to undermine the institutions of heterosexual reproduction, family, or imperial rule per se, but rather re-embeds their values in a superior social order – the Christian community of the kingdom of God. That Perpetua is represented not only as a chaste matron and mother, but also as a naked gladiator battling successfully in the public arena, certainly destabilizes fixed gender roles, but it also illustrates certain tensions inherent in ancient gender discourse and the diverse strategies and goals which such discourse can further. The Apocryphon of John explicitly supports the institution of the ancient patriarchal household both in its representation of the divine world and in the model family of Adam, Eve, and Seth. Indeed, the primordial union of Adam and Eve demonstrates that even in the lower material realm of human bodies and sexual reproduction, proper sex (without desire) can result in a pure image of the divine. It uses this idealizing representation of kyriarchal rule to deprecate the corrupt and impotent rulers of the lower world, emphasizing their use of violence, lustful rape, and deception to entrap humanity. Through mimetic parody, the text’s dualism offers a framework in which readers can account for human suffering and social injustices as the fault of ignorant and arrogant rulers. Sex/gender images work in multiple modes to further this social-political critique. It is possible, however, that excesses in the parodic strategy at points enables readers to cast a critical eye on patriarchy itself : Given that Eve’s resistance to the world ruler’s attempt to subordinate women to men is a good thing, how is it that Sophia should be criticized for her boldness in acting without the permission of her male partner ? It would appear that once critique of injustice begins, it is difficult to constrain. The final example, The Testimony of Truth, offered a through-going critique of ancient (hetero)sex/gender order in its unrelenting opposition to carnal reproduction and all that goes with it : disease, death, immoral Mammon, and even the torture and suffering of martyrs. Unlike Apocryphon of
94
Karen L. King
John’s use of the motif of the female out of male control (in the story of “the fall of Sophia”) as a sign of social and spiritual disorder, The Testimony of Truth insists on the exclusion of the “female” and carnality altogether in order to imagine a perfect life of “male” virginity. What these very different examples show is how the intersection of gender and religious identity in the service of critiquing social-political injustice does not always lead to sex/gender justice – or even to an awareness of its injustices. The extreme case is The Testimony of Truth which uses overt misogyny to construct its ideal of human flourishing and spiritual perfection. Arguably, rectifying social inequities, including sex/gender inequality, was not the overt goal of many or even most Christian calls for changes in regulating sex/marriage practices. Their more direct aim appears to have been formulating distinct Christian identity/ies, evangelizing, articulating the truth and superiority of their beliefs and way of life, or forming modes of community and church life that would not only express their identity but further their perfection in the Christian life. It was in these endeavors that sex/gender discourses were deployed in theological, rhetorical, ritual, moral, or other embodied practices. But in part because of the use of sex/gender to articulate and authorize norms and their accompanying structures of power, Christian theological imagination was actively engaged in social formation, sometimes reinscribing and sometimes challenging and transforming ancient norms, whether intentionally or not. Indeed, in marking themselves as different, as superior, and as possessors of divine Truth, early Christians often unwittingly introduced political challenges in their uses of sex/gender imagery and discourses. I say “unwittingly” first, because their overt aims seem to have been, as I stated above, slandering opponents, defending themselves from attack, evangelizing, and developing their self-representation – all strategies of identity formation used to establish boundaries both from outsiders and to manage the limits of tolerable in-group differences. Second, they appear to have been “unwitting” insofar as Christians themselves sometimes seem alarmed at the implications of their own efforts, and work to rein in or tone down what they have wrought – trying to get women prophets and virgins to don veils,49 condemning women apostles and priests, (re)feminizing women martyrs, or cloistering nuns. What was alarming to some ancient Christians, however, might provide resources for contemporary thought, for example, in imaging what non-gendered, egalitarian space might look like ; at acknowledging how women’s actual activities and agencies contradict demeaning gender stereotypes and constrictive norms ; at reconceptualizing the narrow relationship among types of sexualities, moral norms, and human flourishing ; at recognizing the varied, excessive, and complex ways that gender discourses 49
See e.g., Carly Daniel Hughes, The Salvation of the Flesh.
Gender Contestation as Political Critique
95
operate in practice ; or in becoming aware of how positions furthering some types of justice might be undergirded by discourses that do the opposite – as the Testimony of Truth trades its imagination of divine compassion against the rejection of all that is female. Analysis of such a text cautions us to consider how in standing against one evil, it is possible to enact another. Although the analysis above has considered only a very few locations where gender and religion intersect, it may yet offer some generalizable insights. While historians and sociologists may expect that religious views and practices are deeply implicated in the social construction and political rhetorics of sex/gender roles, attitudes, institutionalized norms, and behaviors, our examination here suggests that we should not expect any religion, or even a discrete religious sub-group, to agree upon a single, stable position. Rather we would expect to see individuals and groups drawing upon a plethora of literary and intellectual resources that can be used to varied ends in a wide range of specific social-historical-political contexts. From this perspective, a goal of academic work would be to make visible the operations of religions’ resources in their plentitude, and to include analysis and reflection that engages these materials in their specific operations both critically and constructively. By the end of the first three centuries, Christians had already left a potent and multifarious legacy that historians and theologians are still dealing with and engaging today. In the end, the stories these ancients told, their social experiments and moral practices, their imaginations of becoming fully and immortally Human, have left a legacy potent with potential for critique of unjust power relations and imagination of new modes of human flourishing, not only in their own age, but perhaps in ours as well.
Bibliography Bourdieu, Pierre, “Description and Prescription” in Language and Symbolic Power (Cambridge, Mass. 1991) 127–136. –, The Logic of Practice (Stanford, Calif. 1990). –, “Marriage Strategies as Strategies of Social Reproduction” in Family and Society. Selections from the Annales, économies, sociétés, civilisations (ed. Roy Forster and Orest Ranum ; Baltimore 1976) 105–25. –, “Programme for a Sociology of Sport” in In Other Words. Essays Towards a Reflexive Sociology (Stanford, Calif. 1990) 156–67. Buell, Denise K., Making Christians : Clement of Alexandria and the Rhetoric of Legitimacy (Princeton, N.J. 1999). Burrus, Virginia, Saving Shame. Martyrs, Saints, and Other Abject Subjects (Divinations : Rereading Late Antique Religion ; Philadelphia 2008). Butler, Judith, Bodies That Matter. On the Discursive Limits of “Sex” (New York and London 1993).
96
Karen L. King
–, Gender Trouble. Feminism and the Subversion of Identity (New York and London 1990). –, “The Question of Social Transformation” in Undoing Gender (New York and London 2004) 204–31. Castelli, Elizabeth A., “‘I Will Make Mary Male’ : Pieties of the Body and Gender Transformation of Christian Women in Late Antiquity” in Body Guards. The Cultural Politics of Gender Ambiguity. (ed. Julia Epstein and Kristina Straub ; New York 1991) 29–49. –, “Response” in Images of the Feminine in Gnosticism (ed. Karen L. King ; Philadelphia 1988) 361–66. –, Visions and Voyeurism : Holy Women and the Politics of Sight in Early Christianity (Berkeley 1995). Cooper, Kate, The Fall of the Roman Household (Cambridge 2007). Daniel-Hughes, Carly, The Salvation of the Flesh in Tertullian of Carthage : Dressing for the Resurrection (New York 2011). Dunn, Shannon, “The Female Martyr and the Politics of Death : An Examination of the Martyr Discourses of Vibia Perpetua and Wafa Idris,” Journal of the American Academy of Religion 78.1 (2010) 202–225. Dunning, Benjamin H., Specters of Paul : Sexual Difference in Early Christian Thought (Philadelphia 2011). Gaca, Kathy L., The Making of Fornication. Eros, Ethics, and Political Reform in Greek Philosophy and Early Christianity (Berkeley 2003). Glancy, Jennifer A., Corporal Knowledge : Early Christian Bodies (Oxford 2010). Gunderson, Erik, “The Ideology of the Arena.” Classical Antiquity 15 (1996) 113–151. Hays, Richard, “Awaiting the Redemption of Our Bodies,” Sojourners 20 no. 6 (1991) 17–21. Huebner, Sabine R., “Household Composition in the Ancient Mediterranean–What Do We Really Know ?” A Companion to Families in the Greek and Roman Worlds (Blackwell Companions to the Ancient World ; Oxford 2011) 73–91. Kartzow, Marianne Bjelland, Gossip and Gender : Othering of Speech in the Pastoral Epistles (BZNW 164 ; New York 2009). King, Karen L., The Gospel of Mary of Magdala : Jesus and the First Woman Apostle (Santa Rosa 2003). –, “Prophetic Power and Women’s Authority : The Gospel of Mary Magdalene” and “Afterword. Voices of the Spirit : Exercising Power, Embracing Responsibility” in Women Preachers and Prophets through Two Millennia of Christianity (ed. Beverly Mayne Kienzle and Pamela J. Walker ; Berkeley 1998) 21–41, 335–43. –, “The Rise of the Soul : Justice and Transcendence in the Gospel of Mary” in Walk in the Ways of Wisdom. Essays in Honor of Elisabeth Schüssler Fiorenza (ed. Shelly Matthews, et al, Harrisburg, Pa. 2003) 425–442. –, “Sex and Gender in the Secret Revelation of John” Journal of Early Christian Studies, 19.4 (2011) 519–538. –, The Secret Revelation of John (Cambridge 2006). –, “Willing to Die for God : Individualization and Instrumental Agency in Ancient Christian Martyr Literature” in Religious Individualization in the Hellenistic and Roman Period (ed. Jörg Rüpke ; Oxford forthcoming). –, What is Gnosticism ? (Cambridge 2003). –, “Why all the Controversy ? Mary in the Gospel of Mary” in Which Mary ? The Marys of Early Christian Tradition (ed. F. Stanley Jones ; SBL Symposium Series 20 ; Atlanta 2002) 53–74. Knust, Jennifer Wright, Abandoned to Lust. Sexual Slander and Ancient Christianity (New York 2006).
Gender Contestation as Political Critique
97
Koschorke, Klaus, Die Polemik der Gnostiker gegen das kirchliche Christentum (Nag Hammadi Studies XII ; Leiden, 1978). Larsen, William J., Anatomy. Development, Function, Clinical Correlations (Philadelphia 2002). Martin, Clarice J., “The Haustafeln (Household Codes) in African American Biblical Interpretation : ‘Free Slaves’ and ‘Subordinate Women’” in Stony the Road We Trod. African American Biblical Interpretation (ed. Cain Hope Felder ; Minneapolis 1991) 206–31. Martin, Dale B., Sex and the Single Savior. Gender and Sexuality in Biblical Interpretation (Louisville 2006). Moore, Stephen D., God’s Beauty Parlor and Other Queer Space in and Around the Bible (Stanford, Calif. 2001). Moore, Stephen D. and Janice Capel Anderson, “Taking It Like Man : Masculinity in 4 Maccabees,” Journal of Biblical Literature 117 (1998) 249–273. Musurillo, Herbert, Acts of the Christian Martyrs (Oxford 1972). Økland, Jorunn, Women in their Place. Paul and the Corinthian Discourse of Gender and Sanctuary Space (Journal for the Study of the New Testament Supplement Series 269 ; London 2004). Ortner, Sherry B., Making Gender : The Politics and Erotics of Culture (Boston 1996). Parsons, P. J., “3525. Gospel of Mary” in The Oxyrhynchus Papyri vol. 50 (Graeco-Roman Memoirs, No. 70 ; London 1983) 12–14. Pearson, Birger A. (ed.), Nag Hammadi Codices IX and X (Nag Hammadi Studies XV ; Leiden 1981). Perkins, Judith, “The Rhetoric of the Maternal Body in the Passion of Perpetua” in Mapping Gender in Ancient Religious Discourses (ed. Todd Penner and Caroline Vander Stichele ; Leiden 2007) 313–22. Petersen, Alan, “Sexing the Body : Representations of Sex Differences in Gray’s Anatomy, 1858,” Body and Society 4.2 (1998) 1–15. Phoenix, Ann and Pamela Pattynama, “Intersectionality,” European Journal of Women’s Studies 13.3 (2006) 187–192. Potter, David, “Martyrdom as Spectacle,” in Theater and Society in the Classical World (ed. Ruth Scodel ; Ann Arbor 1993) 53–88. Rawson, Beryl (ed.), A Companion to Families in the Greek and Roman Worlds (Blackwell Companions to the Ancient World ; Oxford 2011). Robeck, Cecil M., Prophecy in Carthage. Perpetua, Tertullian, and Cyprian (Cleveland, Ohio 1992). Roberts, C. H., “463. The Gospel of Mary” in Catalogue of the Greek Papyri in the John Rylands Library III (Manchester 1938) 18–23. Scheper-Hughes, Nancy and Margaret M. Lock, “The Mindful Body : A Prolegomenon to Future Work in Medical Anthropology,” Medical Anthropology Quarterly n.s. 1.1 (March 1987) 6–41. Shaw, Brent D., “Body/Power/Identity : Passions of the Martyrs” Journal of Early Christian Studies 4.3 (1996) 269–312. Smith, Richard, “Sex Education in Gnostic Schools” in Images of the Feminine in Gnosticism (ed. Karen L. King ; Philadelphia 1988) 345–60. Till, Walter C. and Hans-Martin Schenke, Die gnostischen Schriften des koptischen Papyrus Berolinensis 8502 (2nd ed. ; Texte und Untersuchungen 60 ; Berlin 1972). Waldstein, Michael M. and Frederik Wisse, The Apocryphon of John. Synopsis of Nag Hammadi Codices II,1 ; III,1 ; and IV,1 with BG 8502,2 (Nag Hammadi and Manichaean Studies 33 ; Leiden 1995).
98
Karen L. King
Williams, Michael A., Rethinking “Gnosticism.” An Argument for Dismantling a Dubious Category (Princeton, N.J. 1996). –, “Varieties in Gnostic Perspectives on Gender” in Images of the Feminine in Gnosticism (ed. Karen L. King ; Philadelphia 1988) 2–22. Wilson, Robert McL. and George W. MacRae, “The Gospel of Mary” in Nag Hammadi Codices V, 2–5 and VI with Papyrus Berolinensis 8502, 1 and 4 (ed. Douglas M. Parrott ; Nag Hammadi Studies XI ; Leiden 1979) 453–71. Yuval-Davis, Nira, “Intersectionality and Feminist Politics,” European Journal of Women’s Studies 13.3 (2006) 193–209.
„Jede Häresie ist eine wertlose Frau“ (Epiphanius von Salamis) Zur Konstruktion der Geschlechterdifferenz im Religionsstreit Silke Petersen Contemporary evaluation of religion is often connected to the role or status of women in the respective religion. As an example, German newspapers accuse the Islam of being oppressive against women, and New Testament scholarship often pictured Jesus as the great liberator for women from oppressive Judaism of his time, ignoring the fact of Jesus being a Jew himself. The same pattern is applied to early Christian texts in modern scholarship : in this case, there is a tendency to praise „heresy“ for its women friendly attitude – and due to the large number of women to be found in heretical movements. This reading reverses the estimation of the church fathers since they did not approve the high ranking of women in heretical movements at all. At the same time, this reading is based on some polemical remarks about „women and heresy“ that are taken as historical truth. However, a closer look at the church fathers’ writings from the second and third century (as well as a consideration of the Nag Hammadi scriptures) shows that the special affiliation between women and heresy lacks its basis in those texts. All the reference texts present more active men than women in heretical movements – and usually the women are pictured as victims of seduction rather than as active agents. The stereotype of the “heretical women” only emerges in later texts since the fourth century, especially in the writings of Epiphanius of Salamis who finally concludes in constructing heresy as a deviant female. The history and discourse of “women and heresy” should make us refrain from creating historical claims based on polemical stereotypes.
I. Einleitung Das Verhältnis einer Religion zur „Frauenfrage“ ist derzeit beliebt als Indikator für den Wert einer Religion oder religiösen Richtung. Dies zeigt sich etwa in einer Debatte, die sich in den letzten Jahren in vielfältiger Form in der deutschen Medienlandschaft ausgebreitet hat : Es werden die frauen unterdrückenden Seiten des Islam angeprangert, das Kopftuch als Symbol der Frauenunterdrückung angesehen, Ehrenmorde als typisch für islamische Sozialkontexte beschrieben, es wird die Frage erörtert, ob Eltern
100
Silke Petersen
ihren Töchtern die Teilnahme am Schwimmunterricht oder an Klassenfahrten verbieten dürften, und ganz allgemein die mangelnde Integrationsbereitschaft islamisch geprägter „Parallelgesellschaften“ in das westliche Wertesystem beklagt. Versucht man die Argumentationsstruktur hinter solchen Aussagen zu abstrahieren, so lässt sie sich vereinfacht etwa folgendermaßen beschreiben : 1. Voraussetzung der Argumentation ist die Überzeugung, dass Frauen gleichberechtigt sein sollten. 2. Darauf folgt die Beobachtung, dass dies anscheinend in den beschriebenen Kontexten nicht der Fall ist, woraus sich schließlich 3. die Konsequenz ergibt, der Islam sei als frauenunterdrückend abzulehnen, zu bekämpfen, oder mindestens zu zivilisieren. Ich will im Folgenden weder die Einzelheiten noch den möglichen Wahrheitsgehalt dieser Debatte analysieren,1 mir geht es vielmehr um die hier sichtbaren Argumentationsstrukturen, mit denen ein Zusammenhang zwischen der „Frauenfrage“ und dem Wert einer Religion hergestellt wird. Als Neutestamentlerin fällt mir bei der genannten Anti-Islam-Argumentation zunächst eine Analogie zu einem über lange Zeit fortgeschriebenen antijudaistischen Stereotyp neutestamentlicher Wissenschaft auf, nämlich zu der Gedankenfigur von den „unterdrückten jüdischen Frauen“ der vorchristlichen Antike, denen Jesus als der Befreier die Erlösung vom patriarchalen Judentum gebracht haben soll. Auch in dieser Denkfigur ist der Ausgangsmaßstab die geforderte Gleichberechtigung von Frauen, und die angebliche Nichtbefolgung dieses (modernen) Maßstabs resultiert in einer Abwertung der entsprechenden Religion, diesmal des Judentums. Dabei wird vielfach ein Klischee antiker jüdischer Frauenrealität konstruiert, das dem Ziel einer Apologie des Christlichen dient. Denn je schlechter es den jüdischen Frauen (angeblich) ging, desto leuchtender tritt der rettende Jesus ins so verdunkelte Bild – wobei gleichzeitig die jüdische Identität eben dieses Jesus ausgeblendet wird.2 Der Verdacht liegt nahe, dass es bei dieser 1 Für eine differenziertere Argumentation in diesen Fragen vgl. z.B. das „Manifest für eine differenziertere Debatte um Religion und Frauenrechte“, vom 18.1.2011, zu finden unter www.interrelthinktank.ch (1. November 2011). 2 Vgl. als ein besonders deutliches Beispiel die populäre Jesusdarstellung von Franz Alt, Jesus – der erste neue Mann, wo es heißt : „Jesus forderte inmitten einer patriarchalischen Umwelt Frauen auf, sich zu emanzipieren, sich auf ihre geistigen Werte zu besinnen. Er gab den Entrechteten ihre geistige Würde zurück“ (69). Der dunkle Hintergrund von Alts Jesusdarstellung ist das Judentum zur Zeit Jesu, von dem Alt als von einer „gnadenlosen Gesetzesreligion“ (29 ; vgl. 145) redet und etwa konstatiert : „Das jüdische Scheidungsrecht kannte nur die Scheidung, die der Mann vollziehen konnte, nicht die Frau. Jesu Jünger und die Evangelisten waren typische Juden ihrer Zeit. Jesus war kein typischer Jude. Ihm ging es nicht nur um soziale Gerechtigkeit, sondern vor allem um die Würde der Frau“ (61). – Es scheint doch fraglich, ob das Verbot einer Scheidung so einfach der „Würde der Frau“ zuträglich ist, zudem dürfte hier eine Verzeichnung der Realitäten zur Zeit Jesu vorliegen ; vgl. Bernadette J. Brooten, Konnten Frauen im alten Judentum die Scheidung betreiben ?,
Zur Konstruktion der Geschlechterdifferenz im Religionsstreit
101
antijüdisch-projesuanischen Denkfigur in erster Linie darum geht, die eigene Religion auf Kosten einer anderen aufzuwerten,3 was gleichzeitig bedeutet, Defizite der eigenen Religion in Sachen Gleichberechtigung unsichtbar zu machen, indem man sie in die andere Religion verschiebt und nur und gerade dort sichtbar werden lässt.4 Eine parallele Argumentation lässt sich allerdings problemlos auch gegen das Christentum einsetzen : Erinnert sei in diesem Zusammenhang an Mary Dalys christentumskritische Veröffentlichungen, insbesondere Jenseits von Gottvater, Sohn & Co, in denen sehr deutlich der unrettbar patriarchale Charakter des Christentums herausgestellt wird.5 Voraussetzung ist auch hier wieder eine geforderte Gleichberechtigung, oder zumindest : Abkehr von grundlegend frauenfeindlichen Mechanismen. Zielpunkt ist in diesem Fall nicht nur eine Veränderung, sondern das Verlassen der zerstörerischen christlichen Ordnung. In einer ersten Tabelle sind die bisher angesprochenen drei Argumentationslinien in Sachen „Frauen und Religion“ vereinfacht aufgelistet. Hinzugefügt habe ich noch eine vierte Argumentation, die etwas komplexer verläuft : Tabelle 1: Drei-Schritt-Argumentationen in der Neuzeit
Voraussetzung
Deutsche Populärmeinung Frauen sollten gleichberechtigt sein
ForschungsStereotyp NT Frauen sollten nicht unterdrückt werden
Mary Daly Frauenfeind lichkeit ist abzulehnen
Beobach- Islam untertung drückt Frauen
(antikes) Judentum Christentum unterdrückt Frauen ist unrettbar patriarchal
Ziel / Konsequenzen
Christentum ist besser als Judentum
Islam ist abzulehnen
Ausstieg aus dem Christentum
Deutsches Feuille ton anti BigS Frauen sind in der Bibel minderwertig (das war so …) Frauen und Weib lichkeit Gottes kommen zuviel in der BigS vor BigS ist falsch / „häretisch“
65–80 ; dies., Zur Debatte über das Scheidungsrecht der jüdischen Frau, 466–478 ; David Instone-Brewer, Jewish Women Divorcing Their Husbands in Early Judaism, 349–357 ; Tal Ilan, Jüdische Frauen in der Spätantike, 7–15 ; Hannah Cotton, Recht und Wirtschaft. Zur Stellung der jüdischen Frau nach den Papyri aus der judäischen Wüste, 23–30. 3 Vgl. zur Kritik am genannten Stereotyp auch Judith M. Lieu, The Attraction of Women, 5–22, bes. 5f. 4 Um noch einmal auf die Islamdebatten zurückzukommen : Wenn etwa islamischen Lehrerinnen in einigen Bundesländern verboten wird, an den Schulen mit Kopfbedeckung zu unterrichten, Nonnen jedoch nicht, so scheinen auch hier die Maßstäbe der jeweiligen Zielsetzung angepasst. 5 Mary Daly, Jenseits von Gottvater, Sohn & Co. Aufbruch zu einer Philosophie der Frauenbefreiung, München 51988 (1978).
102
Silke Petersen
Die Abkürzung „BigS“ steht für die „Bibel in gerechter Sprache“, eine erstmals 2006 erschienene deutsche Bibelübersetzung,6 die u.a. das Ziel inklusiver Sprache verfolgt und heftige Diskussionen hervorgerufen hat. Die Argumentation der (zumeist männlichen) Kritiker geht in diesem Fall nämlich – hierin Mary Daly sehr ähnlich – davon aus, dass die jüdisch-christliche Religion, genauer gesagt : die biblischen Schriften und die Gesellschaften, denen sie entstammen, tatsächlich „patriarchal“ oder frauenunterdrückend waren. Die Konsequenz ist aber in diesem Fall nicht, deshalb die jüdischchristliche Überlieferung abzulehnen, vielmehr wird die Unterbrechung der Fortschreibung dieser Tradition, wie sie die BigS versucht, als falsch oder auch „häretisch“ gerügt.7 Interessant ist, dass im Zusammenhang dieser Debatte ein Thema auftaucht, das – möglicherweise unterschwellig – auch sonst die getroffenen Bewertungen prägt : Es geht nun nämlich um „Häresie“, d.h. um Anzuklagendes und Deviantes in anderen Gruppen der „eigenen“, nicht in der „fremden“ Religion. Die Grenzen zwischen Eigenem und Fremdem sind dabei, wie so oft, schwer auszumachen.8 Mit dem Stichwort „Häresie“ nähere ich mich dem Thema „Frauen und Häresie“ an, also der Frage, wie der Zusammenhang von beidem für die ersten christlichen Jahrhunderte beschrieben wird. Mir geht es zunächst, wie in der auf die Neuzeit bezogenen Einleitung, um Argumentationsstrukturen, nicht um historisch verifizierbare Fakten. Letztere werden ohnehin bei einem genaueren Blick auf die Texte zunehmend fragwürdiger.
II. Frauen und „Häresie“ Zwei methodische Vorbemerkungen sind angebracht : Ich benutze im Folgenden einige Schlüsselbegriffe, wie z.B. „Häresie“, „Orthodoxie“, „Gnosis“9 oder auch „Frauen“ unscharf, im Sinne der Texte, mit denen ich mich jeweils beschäftige und in denen die genannten Begriffe Verwendung finden. Es ist Ulrike Bail u.a. (Hg.), Bibel in gerechter Sprache, Gütersloh 42011 (2006). etwa den Artikel von Robert Leicht, „Kein Wort sie wollen lassen stahn“, 2006 erschienen in der ZEIT ; zu finden unter : www.zeit.de/2006/15/Bibel ; sowie das „Gutachten“ zur BigS von Ulrich Wilckens, zu finden unter : www.bigs-gutachten.de ; zum Ganzen vgl. die Diskussionen unter : www.bibel-in-gerechter-sprache.de/index.php (alle : 1. November 2011). 8 So wird etwa in der Gnosisforschung diskutiert, ob es sich bei „Gnosis“ um eine christliche Häresie handelt oder um eine eigenständige Religion, und der Islam konnte in bestimmten Zeiten der europäischen Geschichte als christliche Häresie klassifiziert werden (als eine Art Arianismus), vgl. Edward Said, Orientalismus, 79, 94. 9 Zur Problematisierung des Begriffs „Gnosis“ vgl. bes. Karen L. King, What is Gnosticism ? ; Michael A. Williams, Rethinking „Gnosticism“. 6
7 Vgl.
Zur Konstruktion der Geschlechterdifferenz im Religionsstreit
103
also immer mitzudenken : Wenn ich von „Häresie“ rede, meine ich das, was die jeweiligen Texte unter „Häresie“ verstehen – weiß aber zugleich, dass es sich nicht um eine objektivierbare Größe handelt, sondern um eine konstruierte und in den Quellen zu Argumentationszwecken eingesetzte. Ähnliches gilt auch für die anderen Begriffe, so auch für „Frauen“ – auch hier ist eine wirklich tragfähige Definition bekanntermaßen schwierig.10 Als „Frauen“ gelten im Folgenden also in einem vorläufigen Sinn jene Menschen, die in den Quellen „Frauen“ heißen. Eine zweite methodische Vorbemerkung : Im Unterschied zu den am Anfang dieses Textes angeführten neuzeitlichen Argumentationsstrukturen ist die Sachlage für die antiken Texte verkompliziert, weil mehrere Ebenen gleichzeitig zu betrachten sind : Zunächst geht es um das, was neuzeitliche Darstellungen des frühen Christentums über diese Epoche sagen ; sodann um die in diesen Darstellungen verwendeten Quellen, – die ihrerseits wiederum zumeist indirekte sind, da etwa die Kirchenväter den Zusammenhang von „Frauen“ und „Häresie“ nicht im Blick auf die eigene, sondern auf die „fremde“ Gruppe beschreiben. Und schließlich gibt es eine Reihe von antiken Texten, in denen noch weiter um die Ecke gedacht werden muss : So legt etwa Kelsos in seiner Schrift ἀληθὴς λόγος aus dem zweiten Jahrhundert einem Juden antichristliche Argumente in den Mund, wobei wir die Schrift des Kelsos ausschließlich aus der Gegenschrift des Origenes rekonstruieren können, woraus dann wiederum Theorien der modernen Forschung abgeleitet werden. Hier ist der Zugang zum Thema „Frauen“ und „Häresie“ also mehrfach gebrochen, und entsprechend vielfältig sind die Interpretations möglichkeiten. 1. Neuzeitliche Darstellungen Ich fange bei der neuesten Interpretationsschicht in diesem mehrschichtigen Gebilde an, der neuzeitlichen Darstellung des Themas „Frauen und Häresie“. Zahlreiche neuere Darstellungen gehen von einer besonderen Affinität beider Größen zueinander aus ; eine solche Zusammenstellung ist geradezu Bestandteil des heutigen Allgemeinwissens. So ist etwa in neuzeitlichen Darstellungen der „Gnosis“, anknüpfend an einige Aussagen der Kirchenväter, häufig die Aussage zu finden, Frauen hätten in dieser Richtung eine besonders große Rolle gespielt. Im Gegensatz zu der Funktion einer solchen Vorstellung bei den Kirchenvätern steht heute nicht mehr die Polemik im Vordergrund, sondern es erfolgt eine wertfreie bis aufwertende Beschrei10 Grundlegend ist hierzu in der deutschsprachigen Diskussion : Judith Butler, Das Unbehagen der Geschlechter. – Für Fragen der differierenden Konstruktion von Gender in der Antike vgl. u.a. Page DuBois, Sowing the Body ; Thomas Laqueur, Auf den Leib geschrieben, mit Differenzierungen bei Caroline Vander Stichele/Todd Penner, Contextualising Gender in Early Christian Discourse, 44– 62.
104
Silke Petersen
bung der „Häresie“ im Hinblick auf ihre (angebliche) Frauenfreundlichkeit. Der Ausschluss von Frauen aus kirchlichen Ämtern wird dann als Reaktion auf die weibliche Präsenz in häretischen Gruppierungen gedeutet. Der älteste mir bekannte Vertreter dieser Denkfigur ist Adolf von Harnack, der sein überaus materialreiches Kapitel über die Verbreitung des Christentums unter den Frauen mit der Feststellung eröffnet : „Wer das Neue Testament und die nächstfolgenden Schriften aufmerksam liest, muß bemerken, daß die Frauen im apostolischen und nachapostolischen Zeitalter eine bedeutende Rolle in der Propaganda des Christentums und in den Gemeinden gespielt haben. Die Gleichstellung der Frau neben dem Manne vor Gott (Gal. 3,28) hatte eine religiöse Selbständigkeit der Frau zur Folge, die auch der Mission zugute kam.“11 Nach zahlreichen Beispielen, die dies belegen, kommt Harnack auch auf die „Gnosis“ zu sprechen : „Auch bei den Gnostikern spielten die Frauen eine große Rolle, sie sahen nicht auf das Geschlecht, sondern auf den Geist.“12 Diese Prominenz der Frauen hatte nach Harnack negative Folgen : „Aber eben der Gegensatz zur Marcionitischen Kirche, sowie zum Gnostizismus und Montanismus bestimmte die Kirche, die Tätigkeit der Frauen in der Kirche – abgesehen von den Dienstleistungen an Frauen – ganz zu untersagen.“13 Im Gefolge Harnacks wurde diese Begründung für den Ausschluss von Frauen dann reproduziert14 und die Vorstellung von der bedeutenden Rolle 11 Adolf von Harnack, Mission und Ausbreitung, 589f. – Harnacks Kapitel über die „intensive Verbreitung“ der christlichen Religion (559– 618) enthält die Abschnitte : 1. Die gebildeten Stände (Vornehme, Reiche und Beamte) ; 2. Der Kaiserhof ; 3. Das Militär ; 4. Die Frauen, sowie den Zusatz : „Über den Kirchenbau“. Die Gliederung zeigt, dass Harnack (für seine Zeit nicht überraschend) nicht systematisch reflektiert, dass es Frauen etwa auch unter den in 1. und 2. genannten Größen gab – eine explizite intersektionelle Perspektive (hier : Überlagerung von geschlechts- und statuspezifischen Differenzen) fehlt also. 12 Ebd., 601. Es folgen eine Reihe von Beispielen : „Marcion hatte ‚sanctiores feminas‘ um sich ; Apelles lauschte in Rom auf die Offenbarungen einer Jungfrau Philumena ; die Carpocratianerin Marcellina kam nach Rom und lehrte daselbst ; der Valentinschüler und Sektenstifter Marcus hatte besonders Frauen – angeblich soll er es auf schöne und reiche abgesehen haben – unter seinen Gläubigen, ließ sie sogar die Eucharistie sprechen, weihte sie zu Prophetinnen und verführte in Gallien viele“ (ebd.). 13 Ebd., 601f. 14 Vgl. z.B. das Kapitel „Der Dienst der Frau ausserhalb der Großkirche“ bei Leopold Zscharnack, Dienst der Frau, wo er feststellt : „Die Häresie war der erste Anlaß zur Polemik gegen den Frauendienst, und sie wurde gerade dadurch Feind der Frauenbewegung, weil sie dieselbe so begünstigte, dass der Großkirche fortan jedes Streben des Weibes nach Recht und Amt in der Gemeinde als häretisch erschien“ (156f). – Vgl. auch Wolfgang A. Bienert, Apostelbild, 6–28, hier 25: „In gnostischen Gemeinden durften Frauen (im Gegensatz zu 1. Tim. 2,12) lehren und sogar Sakramente spenden […], was mit dazu beigetragen hat, daß die Ämter in den katholischen Gemeinden nur von Männern besetzt wurden. In den Apokryphen zum Neuen Testament spiegeln sich die damit verbundenen Konflikte noch wider.“ – Und auch neuerdings stellt Hans-Josef Klauck, Die religiöse Umwelt, 188,
Zur Konstruktion der Geschlechterdifferenz im Religionsstreit
105
der Frauen in der „Gnosis“ fortgeschrieben. So meint etwa Kurt Rudolph : „Der Prozentsatz an Frauen war offensichtlich sehr hoch und zeigt, daß ihnen die Gnosis Chancen bot, die ihnen sonst vor allem in der offiziellen Kirche verwehrt waren“.15 An anderer Stelle redet er sogar von der „Möglichkeit der (unbewußten) emanzipatorischen Selbstverwirklichung der (antiken) Frau“ in gnostischen Gemeinden und von dem „große[n] Anteil von Frauen auch in leitenden Stellungen in der Gnosis.“16 Hans-Josef Klauck geht von einer „regen Beteiligung von Frauen an der Verkündigungstätigkeit und an Gemeindeaufgaben“17 aus. Elisabeth Moltmann-Wendel stellt in ihrer populären Darstellung der „Frauen um Jesus“ fest : „In den gnostischen Kreisen genossen Frauen oft mehr Ansehen als in der sich herausbildenden Großkirche. Die Großkirche – angepaßt an die patriarchalischen Sozialstrukturen der Gesellschaft – bot der Frau nicht die gleichen Chancen wie die gnostischen Kreise“.18 Die Beispiele ließen sich vermehren, hingewiesen sei hier jedoch nur noch auf ein weiteres : Elaine Pagels verweist in ihrem einflussreichen Gnosisbuch unter anderem auf die verbreitete metaphorisch-weibliche Sprache sowie weibliche Gottesbilder in den gnostischen Texten.19 Sie meint, das Gottesbild habe eine Rückwirkung auf soziale Strukturen, deshalb seien Frauen von gnostischen Bewegungen in besonderer Weise angezogen worden.20 Neben dem – m.E. eher zweifelhaften – Rückschluss von symbolischen und theologischen Aussagen auf soziale Strukturen der sie tradierenden Gruppen speist sich die Ansicht von der Prominenz der Frauen in häretischen Bewegungen vor allem aus einigen Aussagen der Kirchenväter. fest : „Die Übernahme von Funktionen in der Gemeinde durch Frauen war jetzt zu allen anderen Vorbehalten auch noch dadurch negativ besetzt, daß so etwas als typisches Merkmal gnostischer Häresien galt.“ 15 Kurt Rudolph, Die Gnosis, 229. 16 Kurt Rudolph, Zur Soziologie, 80–89, hier 83 bzw. 85. 17 Klauck, Die religiöse Umwelt, 187f. 18 Elisabeth Moltmann-Wendel, Ein eigener Mensch werden, 13. Differenzierter äußert sich Susanna Elm, Virgins of God, 16, 59, über Frauen in häretischen Bewegungen. Anne Jensen, Gottes selbstbewußte Töchter, 367, redet von der „egalitäre[n] Praxis“, die in manchen gnostischen Gemeinden weitergelebt habe. 19 Vgl. vor allem Elaine Pagels, Versuchung durch Erkenntnis, Kap. III : „Gott der Vater – Gott die Mutter“, 94–119. 20 Vgl. ebd., 106: „Unsere Belege weisen deutlich auf eine Korrelation zwischen religiöser Theorie und sozialer Praxis hin.“ Vgl. auch Susanne Heine, Frauen der frühen Christenheit, 154–160, die Pagels bei aller Kritik an anderen Punkten hinsichtlich der Rolle der Frauen in „gnostischen“ Kreisen zustimmt. Ähnlich äußern sich auch Madeleine Scopello, Jewish and Greek Heroines, 71–95, hier 90 ; Raoul Mortley, Womanhood, 62f ; Skepsis findet sich z.B. bei Ross Shepard Kraemer, Her Share of the Blessings, 20f, in Anknüpfung an Theorien von Mary Douglas. Die Skepsis bei Kraemer hat sich in ihrer neuesten Veröffentlichung zum Thema : Unreliable Witnesses, insgesamt noch verstärkt.
106
Silke Petersen
So bezieht sich Pagels, wie auch andere der genannten Autorinnen und Autoren, immer wieder auf bestimmte Passagen aus den Schriften von Tertullian und Irenäus.21 Die moderne Theoriebildung auf der Suche nach Frauen in frühchristlichen Gruppierungen sagt also etwa Folgendes : Es gibt eine häufige Verbindung von „Frauen“ und „Häresie“ in den Texten der Kirchenväter. Die Kirchenväter meinen das zwar abwertend, weil sie Frauen für minderwertig halten, aber „wir“ freuen uns über alle historisch verifizierbaren Frauen. Deshalb wird nun auch die Bewertung umgedreht : Die zahlreiche Anwesenheit von Frauen in „häretischen“ Bewegungen dient nun nicht mehr zur Abwertung der „Häresie“, sondern zu ihrer Aufwertung. Was bei den Kirchenvätern ein Grund für Misstrauen und Abqualifizierung einer religiösen Bewegung war, wird nun zu einem Qualitätsmerkmal. Vereinfacht dargestellt ergibt sich folgendes Bild : Tabelle 2: Drei-Schritt-Argumentationen in Bezug auf antike Häresien
Voraussetzung Beobachtung
Ziel / Konsequenzen
neuzeitliche Forschung auf der Suche nach Frauen Frauen sollten vorhanden sein Verbindung Frauen und Häresie kommt häufig bei KV vor (wird historisiert) Aufwertung der Häresie
Kirchenväter nach Darstellung der neuzeitlichen Forschung Frauen sind minderwertig Verbindung Frauen und Häresie kommt häufig bei KV vor KV lehnen Häresie deshalb ab
Anschließend möchte ich nun einen Blick auf jene Kirchenvätertexte werfen, die als Kronzeugen der in der rechten Spalte dargestellten Argumentationsfigur dienen. In der neueren Literatur zum Thema werden nämlich wiederholt dieselben Textpassagen aus den antihäretischen Schriften von Tertullian, Irenäus und Epiphanius herangezogen. Die entsprechenden Texte werden dabei allerdings zum Teil im Hinblick auf die vorausgesetzte Idee überstrapaziert.
21 Vgl. Pagels, Versuchung durch Erkenntnis, 105f ; dieselben Quellen z.B. auch bei Harnack, Mission und Ausbreitung, 601f ; Bienert, Apostelbild, 25 ; Scopello, Jewish and Greek Heroines, 88–90. Nicht verschwiegen sei, dass es auch Gnosisdarstellungen ganz ohne Herstellung des benannten Zusammenhanges gibt : So werden bei Hans Jonas, Gnosis und spätantiker Geist 1, die einschlägigen Passagen nicht verwendet, jene Gestalten, um die es ihnen geht (so etwa Simon Magus) tauchen statt dessen in Jonas’ Ausführungen über den „gnostischen“ Libertinismus auf (vgl. ebd. 233–238). Zum Verhältnis zwischen Libertinismus und „Frauenfrage“ vgl. James E. Goehring, Libertine or Liberated, passim.
Zur Konstruktion der Geschlechterdifferenz im Religionsstreit
107
2. Tertullian Eine der einschlägigen Textpassagen für den diskutierten Zusammenhang stammt aus Tertullians Schrift De Praescriptione Haereticorum. Tertullian äußert sich dort folgendermaßen über den Lebenswandel der „Häretiker“ : (1) Non omittam ipsius etiam con(1) Ich will es nicht unterlassen, gerade auch den versationis haereticae descriptionem Lebenswandel der Häretiker zu beschreiben : quam futilis, quam terrena, quam wie leichtfertig, wie irdisch, wie menschlich, allzu humana sit, sine gravitate, sine menschlich er ist, ohne Würde, ohne Autorität, auctoritate, sine disciplina ut fidei ohne Zucht, ganz in Übereinstimmung mit ihrem suae congruens. (2) Inprimis quis caGlauben. (2) Vor allem ist unsicher, wer Katechutechumenus, quis fidelis incertum est, mene und wer Gläubiger ist : Gemeinsam haben pariter adeunt, pariter audiunt, pariter sie Zutritt, zusammen hören sie, zusammen orant [...]. (4) Nihil enim interest beten sie [...]. (4) Denn für sie gibt es keinen illis, licet diversa tractantibus, dum Unterschied, auch wenn sie unterschiedliche ad unius veritatis expugnationem Lehren vertreten, wofern sie nur darin einig sind, conspirent. Omnes tument, omnes die eine Wahrheit zu bekämpfen. Alle blähen scientiam pollicentur. Ante sunt persich auf vor Stolz ; alle versprechen Wissen. Die fecti catechumeni quam edocti. Katechumenen sind vollwertige Gläubige, bevor (5) Ipsae mulieres haereticae, quam sie gründlich unterwiesen wurden. (5) Wie dreist procaces ! quae audeant docere, sind gerade die häretischen Frauen ! Diese wagen contendere, exorcismos agere, zu lehren, Streitgespräche zu führen, Exorzismen curationes repromittere, fortasse an vorzunehmen, Heilungen zu verheißen, vielleicht et tingere. (6) Ordinationes eorum sogar zu taufen. (6) Ihre Ordinationen untertemerariae, leves, inconstantes. Nunc liegen dem Zufall, sind leichtfertig und folgen neophytos conlocant, nunc saeculo keiner Regel. Bald setzen sie Neugetaufte ein, obstrictos, nunc apostatas nostros ut bald ins Weltgetriebe verwickelte Männer, bald gloria eos obligent quia veritate non unsere Apostaten, um sie durch den Ehrgeiz an possunt. sich zu binden, da sie es durch die Wahrheit nicht (7) Nusquam facilius proficitur quam vermögen. (7) Nirgendwo kommt man leichter in castris rebellium, ubi ipsum esse voran als im Lager der Rebellen, wo schon die illic promereri est. Tatsache, sich dort zu befinden, heißt, sich ein (8) Itaque alius hodie episcopus, cras Verdienst zu erwerben. (8) Deswegen ist heute alius ; hodie diaconus qui cras lector ; der eine, morgen der andere Bischof ; Diakon ist hodie presbyter qui cras laicus. Nam heute der, der morgen Lektor ist ; Presbyter ist et laicis sacerdotalia munera inheute der, der morgen Laie ist. Denn auch den jungunt. Laien erlegen sie priesterliche Funktionen auf.22
Tertullian argumentiert in diesem Text höchst polemisch. Dabei klagt er die „Häresie“ in erster Linie wegen ihrer Vermischung von Grenzen an, und zwar von Grenzen jeglicher Art. Allerdings lässt seine Beschreibung des Zustandes in „häretischen“ Gemeinden eine Reihe von Fragen offen. Ich habe bei dem zitierten Text bewusst eine Fremdübersetzung ohne inklusive 22 Tertullian, De
Praescriptione Haereticorum 41 (Tertullian, De Praescriptione Haereticorum / Vom prinzipiellen Einspruch gegen die Häretiker (FC 42), hg. u. übers. v. Dietrich Schleyer, 316–319 ; Hervorhebungen : S.P.).
108
Silke Petersen
Sprache wiedergegeben, um mich selbst nicht entscheiden zu müssen, bei welchen der genannten Gruppenbezeichnungen an rein männliche und bei welchen an gemischte Gruppen zu denken ist : Sind etwa die „perfekten“ catechumeni am Ende von (4) nur Männer oder auch Frauen ? Sind die Ordinationen in (6) von Neugetauften, weltlich Verstrickten (obstrictos – die Männer der deutschen Übersetzung fehlen im lateinischen Text) und Apostaten geschlechterübergreifend zu denken ? Und sind bei den aufgezählten Amtsträgern und Laien aus (8) auch Amtsträgerinnen gemeint ? – Ich hätte durchaus nichts dagegen einzuwenden, die grammatisch maskulinen Pluralformen des lateinischen Textes als genderübergreifend zu interpretieren – nur steht dem entgegen, dass Tertullian dies gerade nicht explizit schreibt : Und hätte er sich eine „häretische“ Bischöfin als Zielschreibe entgehen lassen, nach seiner offensichtlichen Abwertung „häretischer“ Frauen aus (5) ? Zudem scheint Tertullian sich nicht sicher zu sein, ob die entsprechenden Frauen tatsächlich getauft haben – oder „nur“ geredet, worauf die meisten Zuschreibungen in (5) hindeuten. Und schließlich : Um welche häretischen Gruppierungen geht es bei der pauschalen Anklage Tertullians überhaupt ? Angesichts der vielen offenen Fragen an diesen Text – einen der Hauptzeugen für die oben dargestellte Theorie – scheint es notwendig, ihn nicht einfach nur zu zitieren, sondern sich seinen Unklarheiten und Leerstellen durch eine Kontextualisierung innerhalb des Gesamttextes von De Praescriptione Haereticorum anzunähern : Wo werden welche Frauen (und Männer) konkret in welchen Zusammenhängen der Gesamtschrift genannt ? Das Resultat einer entsprechenden Durchsicht ist eher ernüchternd : Die einzige namentlich genannte „Häretikerin“ in Tertullians Schrift ist Philumene, die den Marcionschüler Apelles maßgeblich beeinflusst haben soll. Es heißt bei Tertullian über Apelles : „Von dort [gemeint ist Alexandria, S.P.] kehrte er nach Jahren zurück, nicht besser geworden, es sei denn nur insofern, als er nicht mehr Marcionit war, und verfiel einer anderen Frau, jener Jungfrau Philumene, die wir oben genannt haben, die später auch ebenso eine entsetzliche Prostituierte war ; und von ihrem teuflischen Einfluß umgarnt, schrieb er die ‚Offenbarungen‘ auf, die er von ihr erfuhr.“23 Bemerkenswert ist die Diffamierung aus sexuellen Gründen : Philumene, kurz zuvor noch Jungfrau, wird als „entsetzliche Prostituierte“ bezeichnet. Diese Art der Diffamierung wird uns noch häufiger begegnen, ebenso wie das Motiv der Verführung.
23 Tert., Praesc. 30,6
(FC 42, übers. v. Schleyer, 290f) ; zu Philumene vgl. auch Praesc. 6,6 (FC 42, übers. v. Schleyer, 240–243), ebenfalls mit dem Verführungsmotiv. Zu Philumene und ihrer Theologie insgesamt vgl. Jensen, Gottes selbstbewußte Töchter, 373–426.
Zur Konstruktion der Geschlechterdifferenz im Religionsstreit
109
Zur Statistik ist festzuhalten : Der einzigen namentlich genannten „Häretikerin“ Philumene stehen deutlich mehr männliche „Häretiker“ in De Praescriptione Haereticorum gegenüber :24 Neben Marcion und Apelles nennt Tertullian noch Ebion, Valentin, Simon Magus und Hermogenes sowie eine ganze Reihe von griechischen Philosophen, die er ähnlich (ab-) qualifiziert wie die Häretiker.25 – Die Frauenquote bleibt insgesamt also deutlich hinter den Erwartungen zurück.26 Wer aufgrund der Polemik in De Praescriptione Haereticorum 41 mit zahlreichen „Häretikerinnen“ rechnete, wird enttäuscht. 3. Irenäus Ein vergleichbares Problem mit dem prozentualen Anteil von Frauen in „häretischen“ Bewegungen begegnet auch bei Irenäus, einem weiteren Hauptzeugen der modernen Darstellungen. Eine Lektüre des Kontextes der oft zitierten „Frauenstellen“ zeigt Folgendes : Im ersten Buch seiner Schrift Adversos Haereses beschäftigt sich Irenäus hauptsächlich mit den mythologischen Vorstellungen der von ihm bekämpften Richtungen, und wo er Namen von „Schulhäuptern“ nennt, so sind dies fasst durchgehend Männer (so im ersten Buch von Adversos Haereses : Valentin, Sekundus, Markos, Simon Magus, Menander, Saturninus, Basilides, Karpokrates, Kerinth, Kerdon, Markion und Tatian). Im Gegenüber zu den recht zahlreichen männlichen „Häretikern“ gibt es nur drei einschlägige Frauenstellen : Es handelt sich um die Passage über Helena im Kontext der Ausführungen zu Simon Magus ;27 um eine kurze Notiz über Markellina, anscheinend eine „gnostische“ Lehrerin im Rom zur Zeit Aniktets,28 und um die „verführten“ Frauen des „Irrlehrers“ und Magiers Markos.29 Bei letzteren wird zwar konstatiert, dass Markos sie an Eucharistiefeiern unter seiner Leitung beteiligt habe, aller-
24 In den Personenregistern für Bibel, Antike und Mittelalter finden sich neben Philumene nur noch die biblischen Frauen Eva und Maria, alle anderen Namen sind Männernamen. 25 Vgl. Tert., Praesc. 7 (FC 42, übers. v. Schleyer, 242–245), wo Tertullian u.a. gegen Epikur, Zenon und den „elenden Aristoteles“ polemisiert. 26 Zudem zeigt eine Gesamtlektüre der Schrift auch, dass das Frauen-Argument für Tertullian keinesfalls das entscheidende gegen die „Häresie“ ist, sondern nur eines von vielen, vgl. etwa die zeitliche Priorität „unserer Lehre“ gegenüber allen anderen und abweichenden als Argument für den Besitz der Wahrheit in Praesc. 35,3 (FC 42, übers. v. Schleyer, 302–305). 27 Irenäus von Lyon, Haer. I,23,1–4 (Irenäus von Lyon, Epideixis / Darlegung der Apostolischen Verkündigung ; Adversos Haereses / Gegen die Häresien 1 (FC 8,1), hg. u. übers. v. Norbert Brox, 288–295). 28 Iren., Haer. I,25,6 (FC 8,1, übers. v. Brox, 312–315). 29 Iren., Haer. I,13,1–7 (FC 8,1, übers. v. Brox, 216–227).
110
Silke Petersen
dings bleibt er bei diesen der Initiator – mehrfach wird betont, Markos habe die Frauen „verführt“.30 Unter Ausnahme Markellinas erscheinen also alle überhaupt bei Irenäus genannten Frauen nicht als eigenständig agierende. Zugleich problematisch und symptomatisch ist für Irenäus primär die „Verführbarkeit“ von Frauen, und er klagt in erster Linie jene Männer an, die sie verführen. Frauen kommen als Opfer männlicher Propaganda in den Blick, jedoch – mit der potentiellen Ausnahme Markellinas – nicht als eigenständige Lehrerinnen. Ob eine solche Darstellung der Realität des frühen Christentums entspricht, lässt sich durchaus in Frage stellen. Es scheint allerdings kaum plausibel, für die Prominenz „häretischer“ Frauen direkt mit dem Zeugnis des Irenäus zu argumentieren. Denn dann wäre zunächst einmal zu klären, warum auch Irenäus fast ausschließlich prominente männliche „Häretiker“ präsentiert. 4. Überlegungen zur Statistik Mit aller in Fragen der Statistik gebotenenVorsicht lässt sich festhalten : Bei Tertullian stehen der einen häretischen Lehrerin Philumene sechs namentlich genannte männliche Häretiker gegenüber ; bei Irenäus ist das Zahlenverhältnis eins zu zwölf. Zieht man demgegenüber zum Zahlenvergleich etwa die Namensliste aus Röm 16 heran, so zeigt sich, dass dort etwa ein Drittel der genannten Namen von Frauen stammt, gegenüber zwei Drittel Männernamen. Die aktive Beteiligung von Frauen scheint in den paulinischen Gemeinden und ihrem Umfeld also deutlich ausgeprägter gewesen zu sein als in den „häretischen“ Gruppierungen des zweiten Jahrhunderts. Es ließe sich nun einwenden, beides könne man nicht vergleichen, weil Paulus – im Gegensatz zu Tertullian und Irenäus – nicht von außen eine fremde und zu bekämpfende Gruppierung beschreibt, sondern mit Mitgliedern der eigenen kommuniziert. Ein Blick in die „häretischen“ Originalschriften zeigt jedoch, dass die statistische Abweichung nicht nur auf diesem Unterschied beruhen dürfte. Unter den Nag-Hammadi-Schriften und mit diesen verwandten Texten gibt es eine ganze Reihe von Dialogschriften, in denen der (zumeist auferstandene) Jesus Gespräche mit seinen Jüngerin30 Diese Frauenpassage wird als die ausführlichste bei Irenäus gerne als Belegstelle für die angeblich gleichberechtigte Rolle von Frauen in „gnostischen“ Gemeinschaften herangezogen. In der Darstellung des Irenäus ist Markos allerdings eindeutig der Agierende, der „nicht wenige Frauen dazu verführt hat, sich ihm anzuschließen“ (Haer. I,13,1 ; FC 8,1, übers. v. Brox, 216f), sie durch Betrügereien täuscht und dazu bringt, sich für Prophetinnen zu halten (Haer. I,13,3 ; FC 8,1, übers. v. Brox, 220f). Auch von Liebestränken, Zaubermitteln und sexueller Ausbeutung ist die Rede (Haer. I,13,5 ; FC 8,1, übers. v. Brox, 222–225). Nach Irenäus hat Markos also eindeutig die führende Rolle innerhalb der Gruppe ; zudem ist die Existenz von prophezeihenden Frauen in frühchristlichen Gemeinschaften unterschiedlichster Art belegt und insofern nichts spezifisch „Gnostisches“ ; vgl. nur 1Kor 11,5 ; Apg 2,17f oder die phrygischen Prophetinnen.
Zur Konstruktion der Geschlechterdifferenz im Religionsstreit
111
nen und Jüngern führt.31 Einige von ihnen, so das Evangelium nach Maria und der Dialog des Erlösers, werden gerne herangezogen, wenn es um die prominente Rolle Maria Magdalenas in „gnostischen“ Schriften geht, und argumentativ verwendet, um die Stärke der Frauen innerhalb der „Gnosis“ zu belegen. Betrachtet man jedoch die Gesamtgruppe dieser Schriften, so zeigt sich auch in ihnen ein anderes Bild. In den folgenden Dialogschriften gibt es keine Redebeiträge von Frauen : im Apokryphon des Johannes (NHC II,1/III,1/IV,1/BG 2) ; der Apokalypse des Petrus (NHC VII,3) ; dem Brief des Jakobus (NHC I,2) ; dem Brief des Petrus an Philippus (NHC VIII,2/CT 1) ; dem Buch des Thomas (NHC II,7) ; den Taten des Petrus (NHC VI,1) ; den Büchern des Jeû (Codex Brucianus) ; dem Evangelium des Judas (CT 3) ; und der (ersten) Apokalypse des Jakobus (NHC V,3/CT 2 ; hier werden Jüngerinnen zwar erwähnt, haben aber keine Redebeiträge). Demgegenüber enthalten lediglich die vier folgenden Schriften Redebeiträge von Frauen : Die Sophia Jesu Christi (NHC III,4/BG 3) ; das Evangelium nach Maria (BG 1) ; der Dialog des Erlösers (NHC III,5) ; und die Pistis Sophia (Codex Askewianus). Dies bedeutet, dass selbst bei einer relativ weiten Definition dieser Schriftengruppe (unter Einschluss des Dialogs des Erlösers und der Pistis Sophia, die die Statistik zu Gunsten der Frauen heben) nur in etwa einem Drittel der Schriften überhaupt weibliche Offenbarungsempfängerinnen Erwähnung finden. Gleichzeitig sind die Frauen in jenen Schriften, wo sie denn auftreten, durchgehend in der Minderzahl, und die Anzahl ihrer Redebeiträge ist fast überall geringer als die der männlichen Jünger.32 Dieser Befund ist schon deshalb bemerkenswert, weil das Setting der Schriften – Reden des Auferstandenen mit seinen Jüngerinnen und Jüngern – nach den Vorgaben der neutestamentlichen Evangelien eigentlich die Anwesenheit von Frauen nahe legt. Zumindest gibt es, im Gegensatz zu den genannten Dialogschriften, kein einziges unter den kanonisierten Evangelien des Neuen Testaments, in denen die Frauen bei den Osterereignissen keine Rolle spielen. 31 Zu dieser Schriftengruppe vgl. besonders Judith Hartenstein, Die zweite Lehre. Deutsche Übersetzungen der meisten genannten Schriften finden sich in : Hans-Martin Schenke u.a. (Hg.), Nag Hammadi Deutsch. 2 Bände ; zu den Jeû-Büchern und der Pistis Sophia vgl. : Carl Schmidt (Hg.), The Books of Jeû (NHS 13), übers. v. Violet MacDermot ; Dies., Pistis Sophia (NHS 9) ; zum CT (= Codex Tchacos) vgl. : Rodolphe Kasser / Gregor Wurst (Hg.), The Gospel of Judas, together with the Letter of Peter to Philip, James, and a Book of Allogenes from Codex Tchacos. 32 Die einzige signifikante Ausnahme ist hier die Pistis Sophia mit einem Verhältnis von Jüngern zu Jüngerinnen von 8:4 – also ähnlich dem von Röm 16 – und überproportional vielen Redebeiträgen von Maria Magdalena – gegen die dann Petrus umgehend protestiert. Zur Einschätzung der Rolle Maria Magdalenas und anderer Jüngerinnen in diesen Schriften vgl. Silke Petersen, „Zerstört die Werke der Weiblichkeit !“, passim ; sowie den Überblick bei Silke Petersen, Maria aus Magdala, 102–180.
112
Silke Petersen
Auch im Hinblick auf die genannten „gnostischen“ Originalschriften lässt sich also schwerlich von einer besonderen Affinität von Frauen und „häretischem“ Gedankengut reden ; dieser Eindruck lässt sich lediglich dann herstellen, wenn man Einzelpassagen ausgewählter Schriften heranzieht, ohne das Gesamtbild zu berücksichtigen. Der Gesamtbefund spricht gegen eine vereinheitlichende Theorie und dafür, dass die Rolle von Frauen in den hinter den Schriften stehenden Gruppierungen eine je divergierende gewesen sein dürfte. An dieser Stelle bestätigt sich letztlich die oben schon geäußerte Skepsis gegenüber einem vereinheitlichenden Begriff von „Häresie“ und „Gnosis“.
III. Die Verführbarkeit von Frauen Nach den bislang betrachteten Texten stellt sich die Frage, woher die verbreitete Vorstellung von den vielen „häretischen“ Frauen überhaupt stammt. Denn die Schwierigkeit ist nicht nur die, eine große Affinität von Frauen und „Häresie“ historisch zu verifizieren, sondern das Problem beginnt schon eine Ebene zuvor : Was eigentlich bei den Kirchenvätern zu finden sein sollte, scheint dort abwesend – zumindest in den Texten des zweiten und dritten Jahrhunderts. Es gibt dort deutlich mehr „häretische“ Männer als Frauen ; und Frauen sind nach überwiegender Aussage der Kirchenväter gerade nicht primär prominente Führungsfiguren in häretischen Bewegungen ; Frauen sind primär verführbar und verführt (in selteneren Fällen sind sie auch Verführende). Das Verführungs-Stereotyp begegnet nun häufiger in antiken Texten, nicht nur bei den Kirchenvätern im Hinblick auf häresieverführte Frauen, sondern auch sonst, so etwa in antichristlicher Polemik : Hier sind es dann entsprechend christentumsverführte Frauen.33 Zwei Textbeispiele seien genannt, bevor ich auf die Frage der „häretischen“ Frauen zurückkomme. Das erste Beispiel bietet eine textkritische Variante in Lk 23,2, bei der es sich wohl um einen marcionitischen Zusatz handelt.34 Die ganze Versammlung (bestehend aus jüdischen Leitungsfiguren) führt Jesus zur Anklage vor Pilatus und sagt :
33 Zur paganen Polemik gegen die besondere Verbindung zwischen Religion und Frauen vgl. vor allem David L. Balch, Let Wives Be Submissive ; Shelly Matthews, First Converts. Als Sponsorinnen und Wohltäterinnen sind (vor allem Oberschichts-)Frauen jedoch durchaus akzepiert ; dies ist nach Matthews auch der Hintergrund ihrer positiven Erwähnung bei Lukas und Josephus. 34 Vgl. Harnack, Mission und Ausbreitung, 590 ; verzeichnet ist diese Abweichung auch in NA27. Vgl. auch die ähnliche Argumentation in 2Tim 3,6f.
Zur Konstruktion der Geschlechterdifferenz im Religionsstreit
τοῦτον εὕραμεν διαστρέφοντα τὸ ἔθνος ἡμῶν καὶ κωλύοντα φόρους Καίσαρι διδόναι ‹καὶ ἀποστρέφοντα τὰς γυναῖκας καὶ τὰ τέκνα › καὶ λέγοντα ἑαυτὸν χριστὸν βασιλέα εἶναι.
113
Wir haben diesen als einen gefunden, der unser Volk aufwiegelt und verbietet, dem Kaiser Steuern zu geben, ‹und die Frauen und Kinder abwendig macht › und sagt, er sei Christus, ein König.35
Die Anklage richtet sich in dem markierten Textzusatz gegen die Verführung von Frauen, nicht gegen die Prominenz von Frauen in einer religiösen Bewegung. Deutlich ist dies schon durch die Zusammenstellung „Frauen und Kinder“. Schwierig ist es in diesem Fall allerdings, die Ebene der Anklage zu erfassen : Handelt es sich doch um einen Textzusatz, der jüdischen Menschen gegen Jesus in den Mund gelegt wird, und der in dem Evangelientext eines „Häretikers“ des zweiten Jahrhunderts auftaucht, wovon wir aber nur durch einen Kirchenvater des vierten Jahrhunderts wissen. Ohne diese Schwierigkeit lösen zu wollen, belegt der Textzusatz jedoch die Existenz des Stereotyps der „verführten Frauen“ im vierten und wohl auch schon im zweiten Jahrhundert. Ein weiteres Beispiel findet sich bei Kelsos.36 Der Vorwurf des Kelsos, referiert von Origenes, richtet sich dagegen, dass die christliche Mission sich in erster Linie Ungebildete und unbedarfte Menschen als Zielpersonen aussucht : „Indem sie solche Leute von vornherein als würdig ihres Gottes bezeichnen, wollen sie offenbar nur die dummen, niedrigen und stumpfsinnigen Menschen, und nur Sklaven/Sklavinnen und Frauen und Kinder überreden, und können das auch“ (μόνους τοὺς ἠλιθίους καὶ ἀγεννεῖς καὶ ἀναισθήτους καὶ ἀνδράποδα καὶ γύναια καὶ παιδάρια πείθειν ἐθέλουσί τε καὶ δύνανται).37 Selbst in den Privathäusern und Werkstätten geht es 35
Marcionitischer Zusatz nach Epiphanius von Salamis, Pan. 42,11,6, Nr. 70 und Pan. 42,11,17, Nr. 70 (Karl Holl / Jürgen Dummer [Hg.], Epiphanius 2, Panarion haer. 34–64 (GCS 31), 116 und 152 ; The Panarion of Epiphanius of Salamis, Book I (NHS 35), übers. v. Frank Williams, 286 und 312. In seiner Kommentierung bei der Wiederholung des Textzusatzes an der zweiten genannten Stelle führt Epiphanius gegen die marcionitische Erweiterung aus, dass Jesus dies nicht getan habe, sondern zum Ehren der Eltern und NichtTrennen von Ehen angehalten habe. 36 Vgl. auch die ähnlichen Vorwürfe bei Minucius Felix, Octavius 8,4: Dort sagt der Nicht-Christ Caecilius im Streitgespräch über das Christentum : „Aus der untersten Hefe des Volkes sammeln sich da die Ungebildeten und die leichtgläubigen Weiber, die wegen der Beeinflußbarkeit ihres Geschlechtes ohnedies auf alles hereinfallen ; sie bilden eine gemeine Verschwörerbande“. (Qui de ultima faece collectis inperitioribus et mulieribus credulis sexus sui facilitate labentibus plebem profanae coniurationis instituunt ; Minucius Felix, Octavius, hg. u. übers. v. Bernhard Kytzler, 66– 69). – Weitere Äußerungen dieser Art gibt es auch bei Julian und Porphyrios ; vgl. Jensen, Gottes selbstbewußte Töchter, 54 ; 93. 37 Origenes, Cels. III,44 (Miroslav Marcovich [Hg.], SVigChr 54, 186) ; vgl. auch Cels. III,10 (Marcovich, SVigChr 54, 159f) ; Cels. III,49 (Marcovich, SVigChr 54, 192) ; Cels. VII,41 (Marcovich, SVigChr 54, 494 ; an dieser Stelle wertet Origenes im Gegensatz zu Kelsos die Zuwendung Jesu zu einfachen Männern, Frauen und Sklaven/Sklavinnen positiv).
114
Silke Petersen
um die Aufwiegelung von Kindern und „unverständigen Frauen“, denen gesagt würde, sie sollen „dem Vater und den Lehrern“ (τῷ πατρὶ καὶ τοῖς διδασκάλοις) nicht gehorchen.38 Es ist in diesen Textpassagen nicht ganz klar, ob unter den aktiv Verführenden auch Frauen mitzudenken sind,39 als solche angegriffen werden sie jedoch gerade nicht : Die Frauen befinden sich, zusammen mit den Kindern, auf Seiten der zur neuen Religion Verführten, nicht der Verführenden. Ihre Existenz belegt die Minderwertigkeit der christlichen Religion. Interessant ist noch eine weitere Passage bei Kelsos, in der die Argumentationsrichtung etwas anders verläuft : Kelsos legt dort einem Juden Argumente gegen den Auferstehungsglauben in den Mund. Dieser zweifelt daran, dass überhaupt jemand, der gestorben ist, mit demselben Körper wieder auferstehen könnte, und stellt die Glaubwürdigkeit des Zeugnisses in Frage : „Aber wer hat dies gesehen ? Eine hysterische Frau (γυνὴ πάροιστρος) […] und vielleicht noch jemand anders von denen, die durch dieselbe Zauberei irregeführt waren, die entweder in einer gewissen Verfassung träumten und aus ihrem Wunschdenken heraus wegen einer falschen Meinung phantasierten (wie es schon Tausenden zugestoßen ist) oder, was wahrscheinlicher ist, die anderen beeindrucken wollten, indem sie dieses Unbegreifliche erzählten.“40 Auch wenn hier kein Name genannt wird, so dürfte die Polemik gegen Maria Magdalena gerichtet sein. Das Zeugnis einer „hysterischen“ Frau – wie auch das der anderen Verführten – macht also den Inhalt des Zeugnisses unglaubwürdig. Selbst in diesem Text ist also das Verführungsmotiv präsent – als „Verführer“ ist hier quasi der Auferstandene zu denken, oder, nach Kelsos, Phantasien von demselben. Diese Verführung setzt dann sozusagen die weiteren Verführungen in Gang, entziehen kann man sich diesem Zusammenhang allerdings durch rationales Denken nach Art des Kelsos.
38
Or., Cels. III,55 (Marcovich, SVigChr 54, 196). Davon geht Margaret Y. MacDonald, Early Christian Women, 110–115, aus, die allerdings in ihren Ausführungen zu den entsprechenden Kelsos-Passagen die Unterschiede zwischen „Verführten“ und aktiv Missionierenden verwischt. Dagegen betont Lieu, The Attraction of Women, 12–15, den rhetorischen Charakter der Quellen. Sie bemerkt etwa zu Kelsos, dass er zwar tatsächlich von der Anziehungskraft des Christentums für Frauen rede, aber ebenso auch für Ungebildete und Kinder, sowie für Kriminelle, was in der Forschung aber nicht in gleicher Weise rezipiert werde : „Celsus speaks of ‘thiefs, burglars, and poisoners’ although few have argued that they too were represented in unusal numbers in the early church“ (Ebd., 13). 40 Or., Cels. II,55 (Marcovich, SVigChr 54, 127f). Zur Erwähnung von Frauennamen vgl. Cels. V,62 (Marcovich, SVigChr 54, 373 ; dazu Petersen, „Zerstört die Werke der Weiblichkeit !“, 157, 220f, 255). 39
Zur Konstruktion der Geschlechterdifferenz im Religionsstreit
115
Tabelle 3: Antike Drei-Schritt-Argumentationen zum Thema „Verführungen“
Voraussetzung
Beobachtung
Kirchenväter (meistens) Frauen sind verführbar Häresiarchen verführen (leichtgläubige) Frauen
Ziel / Häresie ist Konsequenzen u.a. deshalb abzulehnen
Kelsos III,44.49.55
Kelsos II,55
Frauen (und Kinder) sind (hysterische) Frauen verführbar und ungebildet und verführte Phantasten sind unglaubwürdig Maria M. und andere Christen Phantasten fungieren (und Christinnen ?) verführen Frauen als Auferstehungs(und Kinder) zeuginnen und Auferstehungszeugen Christentum ist als Auferstehung ist Religion der UngebildeBlödsinn ten etc. abzulehnen
Festzuhalten ist : Das Verführungsmotiv tauchte bisher in Varianten immer wieder auf, wobei es keinen Unterschied macht, ob eine fremde Religion (Kelsos) oder eine abweichende Richtung der eigenen (Kirchenväter) (die ja auch als fremd ausgeschieden werden soll) die Zielscheibe der Argumentation bildet. Während wir es also mit einer geradezu allumfassenden Verführung zu tun haben, scheinen die „häretischen“ Frauen, zumal als eigenständig agierende, eindeutig in einer Minderheitenposition. Die bislang betrachteten Texte stammen aus dem zweiten und dritten Jahrhundert.
IV. Noch einmal : Frauen und „Häresie“ Nach meiner Wahrnehmung gibt es erst im vierten Jahrhundert eine signifikante Veränderung der Argumentation in den Quellen – erst dann also beginnt das Stereotyp von den „häretischen Frauen“ tatsächlich in den antiken Texten an Raum zu gewinnen,41 und dies geschieht primär im Hinblick auf bestimmte Gruppierungen. Die Wahrnehmung der späteren Quellen hat dann in der neuzeitlichen Forschung auch die Bewertung früherer Quellen geprägt, deren alleinige Lektüre kaum zu demselben Annahmen geführt hätte. Ein maßgeblicher Text für diesen Umschwung in der Darstellung ist die umfangreiche Streitschrift des Epiphanius von Salamis gegen die Häresien mit dem Titel Panarion, geschrieben in den siebziger Jahren des vierten Jahrhunderts. Dort finden wir zunächst wieder eine Vielzahl von Belegen für das Verführungsmotiv, und zwar insbesondere in Bezug auf jene Gruppen, die üblicherweise in der Forschung als „gnostische“ qualifiziert werden. 41
Eine ähnliche Einschätzung im Hinblick auf das Stereotyp der „häretischen Frau“ findet sich auch bei Virginia Burrus, The Heretical Woman as Symbol, 229–248, hier 231 Anm. 6.
116
Silke Petersen
Nach seiner eigenen Darstellung ist Epiphanius selbst in seiner Jugend Opfer eines solchen Verführungsversuchs von Seiten „gnostischer“ Frauen geworden, und zwar sowohl geistig wie auch körperlich, hat sich dann aber gerade noch retten können und dafür gesorgt, dass die Gruppe aus der Stadt vertrieben wurde.42 Bei den verführten Frauen des Magiers Markos übernimmt Epiphanius weitgehend die aus Irenäus bekannte Passage, dabei taucht der Verführungsvorwurf wiederum mehrfach auf.43 Ebenso ist bei dem von Epiphanius zitierten Brief des Lehrers Ptolemäus an Flora davon die Rede, dieser habe sie und andere verführt.44 Selbst die Vorwürfe gegen eine enkratitische Bewegung laufen darauf hinaus, dass die Propaganda dieser Bewegung – auch bei Ablehnung der Ehe – darauf abzielt, Frauen zu verführen.45 Epiphanius liefert auch eine Theorie zu diesen ubiquitären Verführungen, die er bei seinen Ausführungen zu den so genannten „Ophiten“ in Anknüpfung an die Geschichte von der Verführung Evas durch die Schlange (griechisch ὄφις) entfaltet. „Schlange“ und „Teufel“ sind dabei ineinander geblendet und die Paradiesgeschichte wird generalisiert : (4) μηκέτι γὰρ δυνάμενος ὁ διάβολος τὴν ἀνδρείαν διάνοιαν τὴν ἀπὸ τοῦ κυρίου λαβοῦσαν τὴν δύναμιν τῆς ἀληθείας ἀπατᾶν τρέπεται ἐπὶ τὸ θῆλυ τουτέστιν τὴν τῶν ἀνθρώπων ἄγνοιαν καὶ πείθει τοὺς ἐν τῇ ἀγνοίᾳ, ἐπειδὴ οὐ δύναται τὸν στερεὸν λογισμὸν ἀπατῆσαι. (5) θηλυκοῖς γὰρ ἀεὶ διανοήμασι προσπελάζει, ἡδονῇ τε καὶ ἐπιθυμίᾳ τουτέστι τῇ ἀγνοίᾳ τῇ ἐν ἀνθρώποις θηλυνομένῃ καὶ οὐχὶ τῷ στερεῷ
(4) No longer able to deceive the masculine reason, which has received the power of the truth from the Lord, the devil turns to the feminine – that is, to men’s ignorance – and convinces the ignorant, since he cannot fool sound reason. (5) He always makes his approach to feminine whims, pleasures and lusts – in other words, to the effeminate ignorance in men, not to the
42 Epiph., Pan. 26,17,4–9 (Karl Holl [Hg.], Epiphanius 1, Ancoratus und Panarion haer. 1–33 ([GCS] 25), 297f ; NHS 35, übers. v. Williams, 97f). Die Schlusspassage lautet in der englischen Übersetzung bei Williams folgendermaßen : „Now the women who taught this trivial myth were very lovely to look at, but in their wicked minds they had all the devil’s ugliness. But the merciful God rescued me from their wickedness, and thus – after reading them and their books, understanding their true intent and not being carried away with them, and after escaping without taking the bait – I lost no time reporting them to the bishops there, and finding out which one were hidden in the church. ‹ Thus › they were expelled from the city, about eighty persons, and the city was cleared of their tarelike, thorny growth“ (Pan. 17,8f ; NHS 35, übers. v. Williams, 98). 43 Vgl. Epiph., Pan. 34,1,1–3,10 (Holl / Dummer, GCS 31, 5–10 ; NHS 35, übers. v. Williams, 211–214). 44 Vgl. Epiph., Pan. 33,9,1 (NHS 35, übers. v. Williams, 205), wo Epiphanius kommentiert : „[T]he snake-like teachings always deceive ‘silly women laden with sins,’ as the apostel said“ (vgl. 2 Tim 3,6) ; sowie Pan. 33,12,2 (NHS 35, übers. v. Williams, 208), wo es abschließend heißt : „Ptolemy deceived Flora and others with her by means of a letter“. 45 Vgl. Epiph., Pan. 47,3,1 (Holl / Dummer, GCS 31, 218 ; NHMS 36, übers. v. Williams, 5) : „They take pride in a pretended continence, but all their conduct is risky. For they are surrounded by women, deceive women in every way (γυναῖκας πανταχόθεν ἀπατῶντες), travel and eat with women and are served by them“.
Zur Konstruktion der Geschlechterdifferenz im Religionsstreit
λογισμῷ τῷ εὐλόγως τὰ πάντα νοοῦντι καὶ θεὸν ἀπὸ τοῦ κατὰ φύσιν νόμου ἐπιγινώσκοντι.
117
firm reason which understands everything logically and by the law of nature recognizes God.46
Die Theorie des Epiphanius läuft also darauf hinaus, Verstand als männlich und Unverstand als weiblich zu qualifizieren, deshalb wende sich der Teufel immer an weibliche Schwäche und Verführbarkeit und nicht an den männlichen Verstand. Eine solche Theorie bedeutet gleichzeitig, dass in Einzelfällen Männer ebenso Opfer von Verführungen sein können, sie gelten dann quasi als weiblich.47 Die meisten Verführten allerdings sind Frauen, die meisten Verführer zunächst Männer. Interessant sind nun besonders jene Passagen bei Epiphanius, in denen er über weibliche Lehrerinnen oder Leitungsfiguren schreibt ; hier entwickelt er nämlich noch eine weitergehende Theorie, bei der er schließlich sogar dazu kommt, alle von ihm beschriebenen Häresien pauschal als weiblich zu allegorisieren. Die Auffassungen des Epiphanius scheinen sich im Laufe der Abfassung seines mehrbändigen Werkes zunehmend radikalisiert zu haben. Zunächst nämlich übernimmt er die Markellina-Geschichte von Irenäus, ohne Markellina dabei spezifisch als Frau anzugreifen, die Invektiven sind vielmehr dieselben wie auch gegen die männlichen Häretiker.48 Gut zwanzig Kapitel später kommt er auf die phrygische Prophetie zu sprechen : Er nennt zunächst Montanus, Priskilla und Maximilla als prophetische Führungsfiguren der Bewegung und stellt ihre dogmatische Übereinstimmung mit der wahren Kirche heraus, findet allerdings ihre Orakelsprüche vollkommen unglaubwürdig.49 Dabei richtet sich sein Einspruch in diesem Abschnitt nicht spezifisch gegen weibliche Prophetinnen. Im nächsten Abschnitt allerdings polemisiert er sehr deutlich gegen Frauen, und zwar gegen Amtsträgerinnen, d.h. hier Bischöfinnen und Presbyterinnen, im Umkreis einer weiteren (vermutlich späteren)50 phrygischen Prophetin namens Quintilla.51 Das zentra46
Epiph., Pan 37,2,4f (Holl / Dummer, GCS 31, 52f ; NHS 35, übers. v. Williams, 242). Dies begegnet z.B. auch bei Athanasius, Orationes tres adversos Arianos 1 aus dem vierten Jahrhundert (hier wird Arius „feminisiert“), vgl. Burrus, The Heretical Woman as Symbol, 235–239. 48 Vgl. Epiph.,Pan. 27,6,1 und 6,8 (NHS 35, übers. v. Williams, 104f). An der zweiten Stelle heißt es bei Epiphanius : „During Anicetus’ episcopate then, as I said, Marcellina appeared at Rome spewing forth the corruptions of Carpocrates’ teaching, and destroyed many there by her corruption of them. And that made a beginning of the so-called Gnostics“. 49 Vgl. Epiph., Pan. 48 (NHMS 36, übers. v. Williams, 6–21). 50 Zu den Datierungsfragen vgl. Jensen, Gottes selbstbewußte Töchter, 322–324. 51 Epiph., Pan. 49,2,5 (NHMS 36, übers. v.Williams, 22). Polemik gegen amtliche Funktionen von Frauen finden sich auch im Kontext der antimarcionitischen Polemik, vgl. Epiphanius von Salamis, Anacephaleosis III, 42,3 (NHS 35, übers. v.Williams, 210) und Pan. 42,4,5 (NHS 35, übers. v.Williams, 275). Zur Argumentation des Epiphanius gegen Frauen als Amtsträgerinnen vgl. insgesamt Ute E. Eisen, Amtsträgerinnen im frühen Christentum, 115–118. 47
118
Silke Petersen
le Problem des Epiphanius mit den Frauen beginnt also an eben der Stelle, wo es um offizielle amtliche Funktionen geht. Epiphanius kommt im Verlaufe seiner folgenden Darstellungen noch zwei Mal auf die phrygischen Prophetinnen zurück : An der ersten Stelle zitiert er den Ausspruch gegen die angebliche Prophetin und Verführerin Isebel aus Offb 2,2052 und deklariert ihn als Prophezeihung auf die phrygischen Prophetinnen : „Seht ihr nicht, dass er [der Autor der Apokalypse] über die Frauen redet, die durch einen falschen Begriff von Prophetie verführt sind und viele verführen ?“53 Hier sind nunmehr ausschließlich Frauen die Zielscheibe, und zwar auch als Verführerinnen. Noch deutlicher wird Epiphanius in einer Passage, in der es eigentlich um eine andere „Häresie“ geht, und er fragt : „Und wer sind die, die dies lehren, wenn nicht Frauen ? Das Geschlecht der Frauen ist das unstabile, schwankende und im Geist minderbemittelte. Denn genauso wie schon zuvor bei Quintilla und Maximilla und Priskilla scheint auch hier der Teufel die Frauen dazu zu bringen, lachhafte Lehren auszuspeien“.54 Hier werden eindeutig Frauen auch als Lehrerinnen bestimmter religiöser Richtungen angegriffen, nicht mehr nur als Verführte, auch wenn der Teufel im Hintergrund steht. – Wir sind inzwischen bei der 79. „Häresie“ von insgesamt achtzig angelangt, und der Zusammenhang, in dem Epiphanius diesen Vorwurf formuliert, ist seine Darstellung der so genannten Kollyridianerinnen, die eine nach Ansicht des Epiphanius übertriebene Form der Marienverehrung praktizieren, da sie Maria als göttlich verehren sowie eine besondere Geburt Marias und die Herkunft ihres Körpers vom Himmel annehmen.55 Die Polemik des Epiphanius gegen diese Gruppierung bezieht sich auch hier wieder in erster Linie auf die Durchführung offizieller Handlungen wie der einer Art Eucharistie durch Frauen. Er nutzt die Praxis der Kollyridianerinnen zu einer generellen Abhandlung über die amtlichen Befugnisse von Frauen und versucht diese möglichst einzuschränken. Und in diesem Zusammenhang wird Epiphanius schließlich auch prinzipiell : „Jede Häresie ist eine wertlose Frau“, meint er, und ganz besonders diese, die aus Frauen 52 Vgl. Epiph., Pan
51,33,6f (NHMS 36, übers. v. Williams, 65). Epiph., Pan. 51,33,8 (Holl / Dummer, GCS 31, 308: οὐχ ὁρᾶτε, ὦ οὗτοι, ὅτι περὶ τῶν γυναικῶν λέγει τῶν ἐν οἰήσει προφητείας ἀπατωμένων καὶ ἀπατωσῶν πολλούς ; vgl. NHMS 36, übers. v. Williams, 65). 54 Epiph., Pan. 79,1,6f (Karl Holl/Jürgen Dummer [Hg.], Epiphanius 3. Panarion haer. 65–80. De fide [GCS 37], 476: οὗτοι γὰρ οἱ τοῦτο διδάσκοντες τίνες εἰσὶν ἀλλ’ ἢ γυναῖκες ; γυναικῶν γὰρ τὸ γένος εὐόλισθον, σφαλερὸν δὲ καὶ ταπεινὸν τῷ φρονήματι. καὶ αὐτό γὰρ ἔδοξεν ἀπὸ γυναικῶν ὁ διάβολος ἐξεμεῖν, ὡς καὶ ἄνω παρὰ Κυϊντίλλῃ καὶ Μαξιμίλλῃ καὶ Πρισκίλλῃ περιγέλαστα [τὰ] διδάγματα, οὕτω καὶ ἐνταῦθα. Vgl. Williams, NHMS 36, 621, der übersetzt : „And who but women are the teachers of this ? Women are unstable, prone to error, and mean-spirited. As in our earlier chapters on Quintilla, Maximilla and Priscilla so here the devil has seen fit to disgorge ridiculous teachings from the mouths of women“). 55 Vgl. Epiph., Pan. 79,1,1–9,5 (NHMS 36, übers. v. Williams, 620–629). 53
Zur Konstruktion der Geschlechterdifferenz im Religionsstreit
119
besteht und dem Teufel zuzuordnen ist, der schon Eva verführte, – Adam dürfe ihr nun nicht länger gehorchen : (3) Πᾶσα γὰρ αἵρεσις φαύλη γυνή, πλέον δὲ ἡ τῶν γυναικῶν αἵρεσις αὐτὴ καὶ ἡ τοῦ ἀπατήσαντος τὴν πρώτην γυναῖκα. (4) τιμάσθω ἡ μήτηρ ἡμῶν Εὔα ὡς ἑκ θεοῦ πεπλασμένη, μὴ ἀκουέσθω δέ, ἵνα μὴ πείσῃ τὰ τέκνα φαγεῖν ἀπὸ τοῦ ξύλου καὶ ἐντολὴν παραβῆναι. μετανοείτω δὲ καὶ αὐτὴ ἀπὸ κενοφωνίας, ἐπιστρεφέτω αἰσχυνομένη καὶ φύλλα συκῆς ἐνδυομένη. κατανοείτω δὲ ἑαυτὸν καὶ ὁ Ἀδάμ, καὶ μηκέτι αὐτῇ πειθέσθω. (5) ἡ γὰρ τῆς πλάνης πειθὼ καὶ γυναικὸς εἰς τὸ ἐναντίον συμβουλία θάνατον τῷ ἰδίῳ συζύγῳ ἐργάζεται, οὐ μόνον δέ, ἀλλὰ καὶ τοῖς τέκνοις. κατέστρεψε τὸ πλάσμα Εὔα διὰ τῆς παραβάσεως, ἐρεθισθεῖσα διὰ τῆς τοῦ ὄφεως φωνῆς καὶ ἐπαγγελίας, πλανηθεῖσα ἀπὸ τοῦ κηρύγματος καὶ ἐφ’ ἑτέραν βαδίσασα διάνοιαν.
(3) Every sect is a worthless woman, but this sect more so, which is composed of women and belongs to him who was the deceiver of the first woman. (4) Our mother Eve should be honored because formed by God, but not be obeyed, or she may convince her children to eat of the tree and transgress the comandment. She herself must repent of her folly, must turn in shame clad with fig leaves. And Adam should look to himself, and no longer obey her. (5) Error’s persuasion, and the contrary counsels of a women, are the cause of her spouse’s death – and not only his, but her children’s. By her transgression, Eve has overturned creation, for she was incited by the voice and promise of the snake, strayed from God’s injunction, and went on to another notion.56
In dem abschließenden Teil des Panarion mit dem Titel De fide summiert Epiphanius noch einmal seine Erkenntnisse, wobei er die wahre Kirche und die Häresien einander gegenüberstellt : Die Kirche ist die einzig legitime Tochter, geboren mit Hilfe des heiligen Geistes, alle anderen „Frauen“ aber sind Konkubinen ohne Erbteil, Titel und legitimen Status der freien Ehefrau. Diese Konkubinen sind die von Epiphanius aufgelisteten achtzig „Häresien“, die nunmehr eindeutig als weiblich klassifiziert sind.57 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Verführungsstereotyp bei Epiphanius zwar ebenfalls einen beträchtlichen Raum einnimmt, dass nun aber auch häretische Frauen nicht mehr lediglich als Verführte, sondern 56
Epiph., Pan. 79,8,3–5 (Holl/Dummer, GCS 37, 483 ; NHMS 36, übers. v. Williams, 628). Epiph., De Fide VII, 6,1–6. NHMS 36, übers. v. Williams, 643f, (in Auszügen) : „For the church is engendered by one faith and born with the help of the Holy Spirit, and is the only daughter of the only mother, and the one daughter of her that bore her. And all the women who came after and before her have been called concubines. They have not been entire strangers to the covenant and inheritance, but have no stated dowry and are not receptables of the Holy Spirit, but have only an illicit union with the Word. […] And similarily even though concubines – who are not acknowledged or full wives, and are not married with a dowry by their husbands – have carnal relations with the husbands, they cannot have the honor, title, security, marriage portion, wedding gifts, dowered status and legitimacy of the free wife. And so, as I have said, the sects I have listed in sucession are eighty concubines.“ – Die achtzig Konkubinen und der Gegensatz zur einen perfekten Frau sind aus Hld 6,8f entlehnt. 57
120
Silke Petersen
spezifisch als Prophetinnen, Lehrerinnen und Amtsträgerinnen ins Zentrum der Auseinandersetzung rücken.58 Im Blickfeld sind dabei insbesondere zwei Gruppierungen, die phrygische Prophetie und die so genannten Kollyridianerinnen. Zugleich etabliert Epiphanius über die weibliche Allegorisierung der Häresien die besondere Affinität von Häresie und Frauen noch auf einer weiteren Ebene. Ähnliche Beobachtungen wie bei Epiphanius lassen sich auch im Hinblick auf andere Kirchenväter ab dem vierten Jahrhundert machen : So etwa bei Athanasius von Alexandrien (298–373 n.Chr.) und Hieronymus (347– 420 n.Chr.).59 Erst seit dieser Zeit begegnet das Stereotyp von der häretischen Frau und der weiblichen Häresie tatsächlich in einem nennenswerten Umfang in den Quellen ; für Texte des zweiten und dritten Jahrhunderts jedoch ist es gerade nicht typisch : Diese Texte werden fast ausschließlich von verführten Frauen bevölkert – und wo in ihnen einzelne Lehrerinnen auftauchen, wird gerade nicht gegen sie als Frauen polemisiert. Es scheint nun alles andere als zufällig, dass sich der Umschwung in den Quellen gerade im vierten Jahrhundert ereignet. Zuvor war das Christentum weitgehend eine Religion im Abseits und (zeitweise) verfolgt, nun jedoch, mit der zunehmenden Annäherung an den römischen Staat, geht es erstmals tatsächlich um Machtpositionen und um offiziellen Einfluss, der von Männern und für Männer gesichert werden muss. Was zuvor randständig war, wird nun zunehmend staatstragend, und damit verändern sich auch die inhaltlichen Schwerpunkte und die Tonlage der Quellen.60 58 Bei aller nahe liegenden Kritik an Epiphanius sei doch auch darauf hingewiesen, dass er sich in einigen Fragen deutlich „fortschrittlicher“ äußert als die derzeitige Administration in Rom : So weiß er von Diakoninnen und befürwortet ein Diakonat von Frauen, insbesondere zum Aus-/Einkleiden beim Taufen von Frauen (vgl. Epiph., De Fide 21,10 ; NHMS 36, übers. v. Williams, 662), und hält die Wiederheirat Geschiedener zwar nicht für ideal, aber auch nicht für verdammenswert (vgl. Epiph., Pan. 59,4,9f ; NHMS 36, übers. v. Williams, 105f). 59 Vgl. bes. Hieronymus, Ep. 133, 4 (Isidor Hilberg [Hg.], Sancti Eusebii Hieronymi opera 1, Epistulae CXXI–CLIV (CSEL 56,1), 247f) ; dazu Burrus, The Heretical Woman as Symbol, die beschreibt, wie in Texten von Kirchenvätern des vierten Jahrhunderts (sie untersucht Alexander, Athanasius, Epiphanius und Hieronymus) die „häretische Frau“ zu einer symbolischen Figur wird. – Diese Verbindung ist nach Burrus eine androzentrische symbolische Kreation. Die häretische Frau sei “a specter of the fears of men who long for a clear articulation of group boundaries and of individual relationships in a social world where everything seems muddled” (Ebd., 248). 60 Ähnlich schätzt auch Burrus, The Heretical Woman as Symbol, 246f, die Veränderungen im vierten Jahrhundert ein. – Die Bewertung ist nicht neu in der Kirchengeschichtsschreibung : Gottfried Arnold gibt in seiner 1696 erstmals publizierten Darstellung „Die Erste Liebe / Das Ist / Wahre Abbildung Der Ersten Christen / Nach Ihren Lebendigen Glauben und Heiligen Leben […]“ dem achten Buch die Überschrift : „Von dem Abfall der Christen / vornemlich unter und nach Constantino M[agno], von der erstem Lauterkeit“ (31712, 2. Teil, 190). Im dritten Unterkapitel heißt es dort : „Nachdem die Kirche unter den
Zur Konstruktion der Geschlechterdifferenz im Religionsstreit
121
V. Schlussfolgerungen Abschließend lässt sich nun auf mehreren Ebenen fragen, was das bisher Gesagte austrägt : 1. Im Blick auf die historische Frage : Die Quellenlage ermöglicht es m.E. nicht, pauschal von einer besonders großen Zahl von Frauen in „häretischen“ Bewegungen auszugehen. Besonders zweifelhaft scheint mir diese Annahme im Hinblick auf die so genannten „gnostischen“ Richtungen, eher diskutierbar ist sie in Bezug auf die Kollyridianerinnen und die phrygische Prophetie61 (bei letzterer ist allerdings in hohem Maße unklar, ob und inwiefern es sich überhaupt um eine „häretische“ Bewegung handelt ; bei ersterer, ob sie als so etwas wie eine distinktive Bewegung einzustufen sein könnte).62 Zudem ist zu bedenken, dass sich die Anzahl der „häretischen“ Frauen noch einmal reduziert, wenn man nicht pauschal – wie in der älteren Forschung üblich – davon ausgeht, dass etwa jede inschriftlich auftauchende Amtsträgerin eine „Häretikerin“ gewesen sein muss, eben weil es (angeblich) nur in der „Häresie“ Amtsträgerinnen gegeben habe.63 Hier gilt es, den Zirkelschluss der Zuordnung von Frauen und „Häresie“ zu unterbrechen. 2. Im Blick auf die Texte der Kirchenväter ist festzuhalten, dass das Stereotyp der häretischen Frau und der weiblichen Häresie weitgehend ein Produkt von Texten ab dem vierten Jahrhundert darstellt und nicht in die früheren Texte pauschal eingelesen werden sollte. Was in den Texten des Christl. Käysern angefangen hat zu wohnen / und nun unter Constantino wieder Athem zu schöpffen / auch von der Verfolgung zur Ruhe / aus den Wüsten in die Städte / von den Hölen in die großen Kirchen-Gebäude zu gehen : Ists geschehen / daß der Uberfluß und Hochmuht und andere Eitelkeiten und Mängel sie sehr überfallen und auffs höchste geplaget haben. […] Es schiene zur Zeit Constantini, als ob die Welt gleichsam mit Gewalt in die Kirche hineingebracht und geschoben würde“. (Ebd., 208). 61 Zur Diskussion vgl. u.a. Christine Trevett, Montanism : Gender, Authority and the New Prophecy ; William Tabernee, Montanist Inscriptions and Testimonia, bes. 560, 568 ; Kraemer, Share, 157–173. Kraemer erwägt, ob die Kollyridianerinnen als Teil der phrygischen Prophetie zu betrachten seien („simply a group of Montanists“ ; ebd., 166). 62 Wer oder was sagt uns eigentlich, dass Epiphanius „orthodoxer“ war als die phrygischen Prophetinnen ? Setzt man als Maßstab eine Kontinuität zum frühen Christentum, so legt sich eher das Gegenteil nahe. 63 Vgl. zu diesem Problemfeld prinzipiell Eisen, Amtsträgerinnen im frühen Christen tum, 26–29. Ein Beispiel ist die inschriftlich bezeugte Presbyterin Ammion, die allein wegen ihrer Amtsbezeichnung von der Forschung als „Montanistin“ eingestuft wurde, da Epiphanius berichtet, in montanistischen Gemeinden wären Frauen zu Presbyterinnen ordiniert worden (Ebd., 114). – Auch andersherum wirkt das Stereotyp : So wurde in der Forschung über lange Zeit eine gleichberechtigte oder leitende Partizipation von Frauen an Synagogengottesdiensten ausgeblendet (bis hin zur Rekonstruktion von separaten Frauenräumen ohne archäologischen Befund in antiken Synagogen), da man aufgrund der Überzeugung von der Frauenfeindlichkeit des (antiken) Judentums eine solche Partizipation für nicht denkbar hielt ; vgl. dazu Bernadette J. Brooten, Women Leaders in the Ancient Synagogue.
122
Silke Petersen
zweiten und dritten Jahrhunderts primär begegnet, ist das VerführungsStereotyp, bei dem Frauen überwiegend auf Seiten der Opfer männlicher Häresiarchen auftauchen – und das in einer rhetorischen Art und Weise undifferenziert gebraucht wird, so dass sich daraus zwar Rückschlüsse auf das Welt- und Frauenbild der Kirchenväter ziehen lassen, aber schwerlich solche im Hinblick auf real existierende „häretische“ Frauen. Insgesamt basiert die Kirchenväter-Strategie zur Diffamierung der „Häresie“ letztlich auf der Annahme, dass alles das, wofür Frauen sich interessieren, minderwertig sei. Hier geht es nicht nur um Diffamierung religiöser Devianz, sondern auch um männliche Machterhaltung mittels der Darstellung von Frauen als verführbar und leichtgläubig. Sowohl „Frau“ als auch „Häresie“ werden dabei als das Andere zum Eigentlichen konstruiert, wobei das Eigentliche, Ursprüngliche durch die Begriffe „Mann“ bzw. „Rechtgläubigkeit“ markiert ist. Ein solches Konstrukt zur Ordnung der verwirrenden Vielfalt der Welt sollten wir nicht fortschreiben, auch nicht mit umgekehrten Vorzeichen. 3. Im Blick auf die Argumentationslinien insgesamt : In einer letzten Tabelle habe ich versucht, die drei hauptsächlichen Argumentationsfiguren meines Beitrages soweit zu reduzieren, dass die Simplifizierung einen vergleichenden Blick ermöglicht : Tabelle 4: Argumentationsfiguren im Überblick Neuzeit Voraussetzung fordert Gleichberechtigung von Frauen Beobachtung entdeckt Unterdrückungs strukturen in bestimmten (meist fremden) religiösen Richtungen Ziel / Konlehnt entsprechende sequenzen Religion ab
Quellen 2./3. Jh. halten Frauen für bes. verführbar finden religiöse Leitungsfiguren („Häretiker“), durch die besonders Frauen verführt werden lehnen entsprechende Religion(sgrupp)en ab
Quellen ab 4. Jh. halten Frauen für minderwertig (Eva…) finden viele Frauen („Häretikerinnen“) in bestimmten religiösen Richtungen
lehnen entsprechende Religion(sgrupp)en ab
Bemerkenswert sind vor allem zwei Sachverhalte : 1. Es ist austauschbar, gegen welche Religion oder Häresie die Argumentation gerade gerichtet ist : Die neuzeitliche Variante kann gegen Islam, Judentum oder auch Christentum gehen ; das Verführungsstereotyp richtet sich bei Kelsos gegen das Christentum, bei den Kirchenvätern jedoch gegen die „Häresie“. 2. Das Ziel der dargestellten Argumentationen ist die Diffamierung einer als fremd bzw. minderwertig anzunehmenden Religion oder religiösen Gruppierung. Dabei wird immer wieder die „Frauenfrage“ als Argument eingesetzt, allerdings mit je unterschiedlichen Ausgangsüberzeugungen in
Zur Konstruktion der Geschlechterdifferenz im Religionsstreit
123
dieser „Frage“. Der Verdacht liegt nahe, dass es tatsächlich nicht um die Frauen geht, sondern dass sie lediglich für den religiösen Kulturkampf instrumentalisiert werden. Das bedeutet aber letztlich, dass das Gender- Argument nicht deshalb eingesetzt wird, weil „man“ so besorgt um die Frauen wäre, sondern weil es sich als ein Argument unter anderen zum Lobpreis der eigenen und zur Abwertung der fremden Religion oder Religionsgruppe benutzen lässt. Dies spricht dafür, dass es besser wäre, von einer solchen pauschalen Argumentation mit „den Frauen“ in der interreligiösen Kommunikation abzusehen. Wenn diese Argumentation lediglich zur Apologie der eigenen Religion dient, werden „die Frauen“ instrumentalisiert, was ihrer Marginalisierung wiederum Vorschub leistet. Die Kehrseite einer solchen Abstinenz sollte dann gleichzeitig darin bestehen, primär die eigene Religion oder die eigene religiöse Tradition auf ihre blinden Flecken hin zu bearbeiten64 – ohne dabei Defizite in andersreligiöse Richtungen zu verschieben und dort anzuprangern, um sie gleichzeitig in der eigenen Tradition unsichtbar zu machen.
Literatur Quellen, Textausgaben und Übersetzungen Hilberg, Isidor (Hg.), Sancti Eusebii Hieronymi opera 1, Epistulae CXXI–CLIV (CSEL 56,1), Vindobonae (Wien) 1918 (Nachdruck 1961). Holl, Karl (Hg.), Epiphanius 1. Ancoratus und Panarion haer. 1–33 (GCS 25), Leipzig 1915. Holl, Karl / Dummer, Jürgen (Hg.), Epiphanius 2. Panarion haer. 34–64 (GCS 31), Berlin 21980 ; Epiphanius 3. Panarion haer. 65–80. De fide (GCS 37), Berlin 21985. Irenäus von Lyon, Epideixis / Darlegung der Apostolischen Verkündigung ; Adversos Haereses / Gegen die Häresien 1 (FC 8,1), hg. u. übers. v. Norbert Brox, Freiburg i.Br. / Basel u.a. 1993. Kasser, Rodolphe / Wurst, Gregor (Hg.), The Gospel of Judas, together with the Letter of Peter to Philip, James, and a Book of Allogenes from Codex Tchacos. Critical Edition. Introduction, Translations, and Notes by Rodolphe Kasser, Marvin Meyer, Gregor Wurst and François Gaudard, Washington DC 2007. Marcovich, Miroslav (Hg.), Origenes, Contra Celsum : libri VIII (SVigChr 54), Leiden u.a. 2001. Minucius Felix, Octavius. Lateinisch und deutsch, hg. u. übers. v. Bernhard Kytzler, München 1965. Origen : Contra Celsum, übers. v. Henry Chadwick, Cambridge, Mass. 1979. Schenke, Hans-Martin / Bethge, Hans-Gebhard / Kaiser, Ursula Ulrike (Hg.), Nag Hammadi Deutsch. Eingeleitet und übersetzt von Mitgliedern des Berliner Arbeitskreises für Koptisch-Gnostische Schriften. 1. Band : NHC I,1–V,1 (GCS NF 8 / Koptisch-Gnostische Schriften II), Berlin / New York 2001 ; 2. Band : NHC V,2–XIII,1, BG 1 und 4 (GCS NF 12 / Koptisch-Gnostische Schriften III), Berlin / New York 2003. 64 Wie dies etwa Mary Daly in ihrer erwähnten Auseinandersetzung mit dem Christentum auch tut – sie sei somit ausdrücklich von der oben geäußerten Kritik ausgenommen.
124
Silke Petersen
Schmidt, Carl (Hg.), Pistis Sophia (NHS 9), übers. v. Violet MacDermot, Leiden 1978. –, The Books of Jeû and the Untitled Text in the Bruce Codex (NHS 13), übers. v. Violet MacDermot, Leiden 1978. Tertullian, De Praescriptione Haereticorum / Vom prinzipiellen Einspruch gegen die Häretiker (FC 42), hg. u. übers. v. Dietrich Schleyer, Turnhout 2002. The Panarion of Epiphanius of Salamis, Book I (Sects 1–46) (NHS 35), übers. v. Frank Williams, Leiden / New York u.a. 1987 ; Books II and III (Sects 47–80, De Fide) (NHMS 36), übers. v. Frank Williams, Leiden / New York u.a. 1994.
Literatur Alt, Franz, Jesus – der erste neue Mann, München 1989. Arnold, Gottfried, Die Erste Liebe / Das Ist / Wahre Abbildung Der Ersten Christen / Nach Ihren Lebendigen Glauben und Heiligen Leben / Aus der ältesten und bewährtesten Kirchen-Scribenten eigenen Zeugnissen / Exempeln und Reden / Nach der Wahrheit der Ersten einigen Christlichen Religion / allen Liebhabern der historischen Wahrheit / und sonderlich der Antiqvität, als in einer nützlichen Kirchen-Historie / Treulich und unparteyisch entworffen […], Franckfurt am Mayen und Leipzig 31712 (1696). Bail, Ulrike u.a. (Hg.), Bibel in gerechter Sprache, Gütersloh 42011 (2006). Balch, David L., Let Wives Be Submissive. The Domestic Code in 1Peter (SBL Monograph Series 26), Atlanta, Ga. 1981. Bienert, Wolfgang A., Das Apostelbild in der altchristlichen Überlieferung, in : Wilhelm Schneemelcher (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen 2: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, Tübingen 61997, 6–28. Brooten, Bernadette J., Women Leaders in the Ancient Synagogue. Inscriptional Evidence and Background Issues (Brown Judaic Studies 36), Atlanta, Ga. 1982. –, Konnten Frauen im alten Judentum die Scheidung betreiben ? in : EvTh 42 (1982), 65– 80. –, Zur Debatte über das Scheidungsrecht der jüdischen Frau, in : EvTh 43 (1983), 466–478. Butler, Judith, Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt 1991 (Gender Trouble. Feminism and the Subversion of Identity, New York 1991). Burrus, Virginia, The Heretical Woman as Symbol in Alexander, Athanasius, Epiphanius, and Jerome, in : HThR 84 (1991), 229–248. Cotton, Hannah, Recht und Wirtschaft. Zur Stellung der jüdischen Frau nach den Papyri aus der judäischen Wüste, in : ZNT 6 (2000), 23–30. Daly, Mary, Jenseits von Gottvater, Sohn & Co. Aufbruch zu einer Philosophie der Frauenbefreiung, München 51988 (1978) (Beyond God the Father : Towards a Philosophy of Women’s Liberation, Boston, Mass. 1973). DuBois, Page, Sowing the Body. Psychoanalysis and Ancient Representation of Women, Chicago, Ill. 1988. Eisen, Ute E., Amtsträgerinnen im frühen Christentum. Epigraphische und literarische Studien (FKDG 61), Göttingen 1996. Elm, Susanna, „Virgins of God“. The Making of Asceticism in Late Antiquity (Oxford Classical Monographs), Oxford 1996. Harnack, Adolf von, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, Wiesbaden 41924. Hartenstein, Judith, Die zweite Lehre. Erscheinungen des Auferstandenen als Rahmenerzählungen frühchristlicher Dialoge (TU 146), Berlin 2000. Heine, Susanne, Frauen der frühen Christenheit. Zur historischen Kritik einer feministischen Theologie, Göttingen 1986.
Zur Konstruktion der Geschlechterdifferenz im Religionsstreit
125
Goehring, James E., Libertine or Liberated : Women in the So-called Libertine Gnostic Communities, in : Karen L. King (Hg.), Images of the Feminine in Gnosticism (SAC 4), Philadelphia, Pa. 1988, 329–344. Ilan, Tal, Jüdische Frauen in der Spätantike. Ein Überblick, in : KuI 15 (2000), 7–15. Instone-Brewer, David, Jewish Women Divorcing Their Husbands in Early Judaism : The Background to Papyrus Se‘elim 13, in : HThR 92 (1999), 349–357. Jensen, Anne, Gottes selbstbewußte Töchter. Frauenemanzipation im frühen Christentum ? Freiburg i.B. / Basel / Wien 1992. Jonas, Hans, Gnosis und spätantiker Geist. Erster Teil. Die mythologische Gnosis. Mit einer Einleitung zur Geschichte und Methodologie der Forschung, Göttingen 41964 (1934) (Nachdruck 1988). King, Karen L., What is Gnosticism ?, Cambridge, Mass./London 2003. –, (Hg.), Images of the Feminine in Gnosticism (SAC 4), Philadelphia, PA 1988. Klauck, Hans-Josef, Die religiöse Umwelt des Urchristentums 2. Herrscher- und Kaiserkult, Philosophie, Gnosis, Stuttgart / Berlin / Köln 1996. Kraemer, Ross Shepard, Her Share of the Blessings. Women’s Religion Among Pagans, Jews, and Christians in the Greco-Roman World, New York / Oxford 1992. –, Unreliable Witnesses : Religion, Gender, and History in the Greco-Roman Mediterranean, Oxford 2011. Laqueur, Thomas, Auf den Leib geschrieben. Die Inszenierung der Geschlechter von der Antike bis Freud, Frankfurt a.M. / New York 1992 (Making Sex. Body and Gender from the Greeks to Freud, Cambridge, Mass. 1990). Lieu, Judith M., The ‘Attraction of Women’ in / to Early Judaism and Christianity : Gender and the Politics of Conversion, in : JSNT 72 (1998), 5–22. MacDonald, Margaret Y., Early Christian Woman and Pagan Opinion : The Power of the Hysterical Woman, Cambridge, Mass. 1996. Matthews, Shelly, First Converts. Rich Pagan Women and the Rhetoric of Mission in Early Judaism and Christianity, Stanford, Calif. 2001. Moltmann-Wendel, Elisabeth, Ein eigener Mensch werden. Frauen um Jesus, Gütersloh 2009 (1980). Mortley, Raoul, Womanhood. The Feminine in Ancient Hellenism, Gnosticism, Christianity, and Islam, Sidney 1981. Pagels, Elaine H., Versuchung durch Erkenntnis. Die Gnostischen Evangelien, Frankfurt 1981 (The Gnostic Gospels, New York 1979). Petersen, Silke, Maria aus Magdala. Die Jüngerin, die Jesus liebte (Biblische Gestalten 23), Leipzig 2011. –, „Zerstört die Werke der Weiblichkeit !“ Maria Magdalena, Salome und andere Jüngerinnen Jesu in christlich-gnostischen Schriften (NHMS 48), Leiden / Boston / Köln 1999. Rudolph, Kurt, Die Gnosis. Wesen und Geschichte einer spätantiken Religion, Göttingen 21980. Rudolph, Kurt, Zur Soziologie, sozialen „Verortung“ und Rolle der Gnosis in der Spätantike, in : Ders., Gnosis und spätantike Religionsgeschichte. Gesammelte Aufsätze (NHMS 42), Leiden u.a. 1996, 80–89. Said, Edward, Orientalismus, Frankfurt a.M. 22010 (Orientalism, New York 1978). Scopello, Madeleine, Jewish and Greek Heroines in the Nag Hammadi Library, in : Karen L. King (Hg.), Images of the Feminine in Gnosticism (SAC 4), Philadelphia, Pa. 1988, 71–95. Tabernee, William, Montanist Inscriptions and Testimonia : Epigraphic Sources Illustrating the History of Montanism (Patristic Monograph Series 16), Macon, Ga. 1997.
126
Silke Petersen
Trevett, Christine, Montanism : Gender, Authority and the New Prophecy, Cambridge, Mass. 1996. Vander Stichele, Caroline / Penner, Todd, Contextualising Gender in Early Christian Discourse. Thinking Beyond Thecla, London / New York 2009. Williams, Michael A., Rethinking „Gnosticism“. An Argument for Dismantling a Dubious Category, Princeton, N.J. 1999. Zscharnack, Leopold, Der Dienst der Frau in den ersten Jahrhunderten der christlichen Kirche, Göttingen 1902.
Interkulturelle Ehen und Geschlechtermoral im frühen Judentum, Christentum und Islam
Der Diskurs um interkulturelle Ehen in Jehud als antikes Beispiel von Intersektionalität Christl M. Maier Nachexilische Texte des Alten Testaments spiegeln eine Debatte um die Zugehörigkeit von ‚fremden‘ Frauen zur religiösen Gemeinschaft, die sich in der persischen Provinz Jehud am Jerusalemer Tempel etabliert, wider : Während einige der aus dem Exil Heimgekehrten in Esra 9–10 mit religiösen Argumenten fordern, solche „Mischehen“ aufzulösen, führen Neh 13 und Prov 5–7 soziale und politische Gründe gegen die ‚fremden‘ Frauen an. Die RutErzählung und Jes 56 dagegen plädieren für eine Aufnahme fremder Frauen und Männer, wenn sie sich zu JHWH bekennen. Der Beitrag analysiert die einzelnen Positionen mit Blick auf die Intersektionalität von Ethnie, Geschlecht, sozialer Herkunft und Religion. Er sucht die These zu begründen, dass Frauen für die religiöse und kulturelle Identität der Gemeinschaft von größerer Bedeutung sind als dies gewöhnlich angenommen wird und in den mehrheitlich androzentrischen Texten auf den ersten Blick erkennbar ist.
Regelungen zur Ehe und deren Funktion innerhalb von Verwandtschaftsgruppen und größeren politischen Organisationen stehen seit der Antike bis heute im Brennpunkt unterschiedlicher Interessen und Ideologien. In einer Studie zum Porträt der ‚fremden Frau‘ in Prov 1–9 habe ich anhand sozialgeschichtlicher Forschungen zur judäischen Gemeinschaft im 6.–4. Jahrhundert v. Chr. die Bedeutung von Frauen für die nachexilische Gemeinschaft untersucht.1 Es zeigte sich, dass die Definition der ‚Fremden‘ vom jeweils im Text verhandelten Problem abhängig und stets mit der Definition des ‚Eigenen‘, also der Identitätskonstruktion der Autorinnen und Autoren sowie ihrer intendierten Adressatengruppe verbunden ist. Rainer Kessler hat jüngst für das hier behandelte Phänomen in Abwandlung des englischen Wortes „intermarriage“ den Begriff „interkulturelle Ehe“ vorgeschlagen, da er den deutschen Begriff „Mischehe“ wegen seiner Verwendung in der nationalsozialistischen, rassistisch-antisemitischen Ehegesetzgebung für belastet hält.2 Wenn auch ich diesen weniger diskriminierenden Begriff vorziehe, so in dem Wissen, dass unbestimmt bleibt, was ‚kulturell‘ meint. Tatsächlich geht es um Personen mit verschiedener Kul1 Vgl. Christl 2 Vgl. Rainer
Maier, Die ‚fremde Frau‘, bes. 25– 68. Kessler, Ehen, 276–294, hier 276.
130
Christl M. Maier
tur, Ethnie oder Religion, wobei sich die einzelnen Kategorien meist überschneiden. Diese Verschränkung von Kategorien und den ihnen zugrundeliegenden Mechanismen der Diskriminierung wird in der feministischen Theoriebildung anhand des Begriffs „Intersektionalität“ diskutiert.3 Im Sinne der Forschungsfrage dieses Bandes nehme ich den Begriff der Intersektionalität modifiziert auf, um das Phänomen der interkulturellen Ehen zu analysieren. Ich definiere ihn als Verflechtung von Ethnie, sozialer Schicht, religiöser Zugehörigkeit und Geschlecht. Im Titel meines Beitrags verwende ich darüber hinaus den Begriff Jehud, der gewöhnlich die persische Provinz bezeichnet, deren politisches und religiöses Zentrum Jerusalem bildet.4 Da nicht alle in Jehud lebenden Menschen der JHWH-Religion angehörten, ist zwischen der Bevölkerung der Provinz und denjenigen, die sich zur nachexilischen Gemeinschaft des zweiten Tempels rechneten, zu unterscheiden. Insofern jedoch Religion und Gesellschaft in der Antike keine getrennten Bereiche darstellten, hatte diese Gemeinschaft auch politische Funktionen inne.5 Im Folgenden werde ich zeigen, dass in nachexilischen Texten des Alten Testaments ein literarischer Diskurs um die Frage geführt wird, wer ‚fremd‘ und deshalb als Heiratspartner unerwünscht ist. Da die nachexilische Epoche bereits von der Rückkehr der nach Babylonien Exilierten bis zur Makkabäerzeit fast 400 Jahre währte, ist es unwahrscheinlich, dass sich die Autorinnen und Autoren der verschiedenen Texte kannten.6 Den heutigen Leserinnen und Lesern dieser Texte freilich erscheinen ihre Argumente als Teil einer Debatte, welche die ‚fremden‘ Frauen und damit das Geschlechterverhältnis ins Zentrum stellt. Dabei bezieht sich die Kategorie ‚fremd‘ nicht allein auf ethnische Zugehörigkeit, sondern stellt ein variabel einsetzbares Konstrukt dar, das unterschiedliche Funktionen erfüllt. Hinter Argumenten gegen die ‚fremden‘ Frauen werden meines Erachtens Ausgrenzungsmechanismen im Spannungsfeld von Ethnie, sozialer Schicht, Religion und Geschlecht sichtbar.7 3
Zur Geschichte des Begriffs vgl. Ina Kerner, Differenzen, 345–359. Der Provinzname ist in den aramäischen Texten Esra 7,14 ; Dan 2,25 ; 5,13 ; 6,14 sowie außerbiblisch auf Siegeln, Bullen und Münzen belegt. Ob Jehud bereits zu Beginn der persischen Herrschaft Provinzstatus erhielt oder erst seit Mitte des 4. Jahrhunderts durch Abtrennung von der Provinz Samaria gebildet wurde, worauf die später datierenden Siegel und Münzen verweisen, ist umstritten. Vgl. die Diskussion bei Rainer Kessler, Sozialgeschichte, 140f. 5 Vgl. Maier, Die ‚fremde Frau‘, 66f. 6 Darauf weist Claudia Camp, Intermarriage, 303–315, hier 303, zu Recht hin. 7 Einen vergleichbaren, mehrdimensionalen Ansatz verfolgt auch Willa M. Johnson, Holy Seed, in ihrer Studie zu Esra 9–10. Sie kommt zu einem ähnlichen Ergebnis, analysiert die beiden Kapitel aber synchron und mit Hilfe soziologischer und anthropologischer Studien. 4
Interkulturelle Ehen in Jehud als Beispiel für Intersektionalität
131
Die folgenden Textauslegungen sind ideologiekritisch, d.h. sie verstehen die Texte nicht als historisch zutreffende Beschreibungen eines Sachverhalts, sondern als interessegeleitete und absichtsvolle Produkte der jeweiligen Autorinnen und Autoren. Zunächst werden verschiedene Positionen in EsraNehemia in den Blick kommen (I), deren Brisanz erst vor dem Hintergrund einer sozialgeschichtlichen Rekonstruktion der Situation in Jehud deutlich wird (II). Weitere ‚Stimmen‘ zu interkulturellen Ehen entstammen 1 Chron 1–9, Rut, Jes 56 und Prov 1–9 (III). Eine Auswertung (IV) beleuchtet die Intersektionalität von Ethnie, sozialer Schicht, Religion und Geschlecht im Diskurs um interkulturelle Ehen in Jehud.
I. Die Ablehnung interkultureller Ehen in Esra-Nehemia Die Schrift Esra-Nehemia erzählt vom Wiederaufbau Jerusalems und der judäischen Gemeinschaft nach dem Exil. Die Erzählung rankt sich im Wesentlichen um die Aktivitäten zweier Männer, die mit Billigung des persischen Königs Aufbau und Reorganisation regeln. Bis ins 15. Jahrhundert wurde die Schrift sowohl in der hebräisch-aramäischen als auch in der griechischen Fassung als ein geschlossenes Buch überliefert, während man heute zwei Schriften zählt, die freilich inhaltlich eng miteinander verwoben sind.8 Beginnend mit dem sogenannten Kyros-Edikt, das ins Jahr 539 v. Chr. zu datieren ist, erzählt Esra 1–8 vom Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels und der Entsendung des Schriftgelehrten Esra im 7. Jahr des Königs Artaxerxes (Esra 7,8). Esra mit dem sprechenden Namen „Hilfe“ soll die judäische Gemeinschaft auf das „Gesetz des Himmelsgottes“ (7,12.21.26) verpflichten und wird dabei auf Ehen mit ‚fremden‘ Frauen aufmerksam gemacht (Esra 9–10). Der Judäer Nehemia, dessen Name „es tröstet JHWH“ bedeutet, ist nach Neh 2,1 Mundschenk des persischen Königs. Er reist nach der Eigendatierung des Buches im 20. Jahr Artaxerxes’ nach Jerusalem, findet zwar einen wiedererrichteten Tempel vor, aber die Stadtmauer in einem erbärmlichen Zustand (Neh 2,12–17). Nehemia organisiert deren Wiederaufbau (Neh 3,1–7,4) sowie die Wiederbesiedlung der Stadt (Neh 11) und erwirkt angesichts einer sozialen Krise einen Schuldenerlass innerhalb der Gemeinschaft (Neh 5). Nehemias Aktivitäten sind weitgehend als Selbstbericht stilisiert, der ihn in ein günstiges Licht rückt und immer wieder Gebetsbitten an JHWH enthält.9 8 Die älteste hebräische Handschrift mit der heute üblichen Zweiteilung stammt aus dem Jahr 1448. Die Zweiteilung ist aber erstmals bei Origenes bezeugt. Die Septuaginta bietet mehrere Esra-Nehemia Schriften, vgl. Jan C. Gertz u.a. (Hg.), Grundinformation, 515. 9 Der Selbstbericht in Neh 1–7* ; 11–13* wird in der Forschung meist „Nehemia-Denkschrift“ genannt ; vgl. Titus Reinmuth, Bericht Nehemias, 15.
132
Christl M. Maier
Folgt man den biblischen Angaben, so ergibt sich die Schwierigkeit, dass nach Esra 7,8 Esra dreizehn Jahre vor Nehemia tätig wird, in Neh 8,9 ; 12,26 aber beide zusammen in Jerusalem auftreten. Während Nehemias Beauftragung aufgrund einer Namenskongruenz mit einem datierten Brief aus Elephantine in das 20. Jahr Artaxerxes I. 445 v. Chr. datiert werden kann,10 ist der Zeitpunkt von Esras Auftreten umstritten.11 Eine Datierung der Esramission unter Artaxerxes II. in das Jahr 398 wird meist damit begründet, dass weder der Mauerbau unter Nehemia noch die um 407 geschriebenen Elephantine-Briefe Esras Wirken voraussetzen und es historisch wahrscheinlicher sei, dass die Besiedlung Jerusalems vor der Verpflichtung auf die Tora erfolgte.12 Die Voranstellung Esras und des Mosegesetzes in der biblischen Erzählung lässt sich als theologisch motivierte Darstellung verstehen.
Ohne diese Datierungsfragen hier abschließend klären zu können, ist zu konstatieren, dass die Texte der Esra-Nehemia-Schrift frühestens um die Mitte des fünften Jahrhunderts v. Chr. entstanden sind und möglicherweise Ereignisse der zweiten Hälfte des fünften bis zum Beginn des vierten Jahrhunderts schildern. Da Selbstbericht und Fremdbericht oft abrupt wechseln, dokumentarische hebräische und aramäische Quellen den Erzählfluss unterbrechen und im masoretischen Text beide Protagonisten gemeinsam auftreten, ist deutlich, dass Esra-Nehemia nicht literarisch einheitlich ist und einen längeren Überlieferungsprozess durchlaufen hat.13 Zum Thema interkulturelle Ehen sind zwei Textabschnitte relevant, Esra 9–10 und Neh 13,23–31. Aufgrund der Kürze und eines möglicherweise höheren Alters wird Neh 13 zuerst behandelt. 1. Nehemias Maßnahmen zur „Reinigung von allem Fremden“ (Neh 13,23–31) Der Abschnitt ist Teil des Selbstberichts, in dem Nehemia den Tempel betreffende Maßnahmen ergreift. Der Statthalter erzählt, er habe Judäer, die asdoditische, ammonitische und moabitische Frauen geheiratet hatten und deren Kinder zum Teil nicht mehr jüdisch redeten, öffentlich kritisiert und verflucht sowie einen Nachkommen der hohepriesterlichen Familie aus dem Tempelbezirk entfernt. Die in Neh 13 inkriminierten Ehen sind Verbindungen judäischer Männer mit Frauen aus den Nachbargebieten : Die philistäische Stadt Asdod, in persischer Zeit Verwaltungssitz der gleichnamigen 10 Neh 2,1 nennt nur den Königsnamen ; Neh 2,10.19 ; 3,33 erwähnen Sanballat (Sînuballit), dessen Söhne in dem 407 v. Chr. verfassten Brief der jüdischen Gemeinde der Nilinsel Elephantine an den Statthalter Bagohi (Bagoas) von Samaria genannt werden. Aufgrund der Namensgleichheit ist die Datierung der Mission Nehemias unter Artaxerxes I. wahrscheinlich. Vgl. Gertz u.a. (Hg.), Grundinformation, 517f. 11 Vgl. Reinmuth, Bericht Nehemias, 6–19. 12 Vgl. Kessler, Sozialgeschichte, 141. 13 Vgl. den Überblick von Markus Witte in : Gertz u.a. (Hg.), Grundinformation, 520– 522.
Interkulturelle Ehen in Jehud als Beispiel für Intersektionalität
133
Provinz, liegt westlich von Juda.14 Ammon liegt nordöstlich und jenseits des Jordan, Moab östlich von Juda, aber von diesem getrennt durch das Tote Meer. Da „ammonitisch und moabitisch“ in Neh 13,23 gegen die Grammatik ohne Kopula angefügt sind und im Folgenden nur von der Sprache Asdods die Rede ist, werden beide Begriffe zu Recht als Glosse angesehen, die das einmalige Vorkommen „asdoditisch“ im Sinne der geläufigeren fremden Ethnien Ammon und Moab deutet.15 Stein des Anstoßes für Nehemia ist die Beobachtung, dass die Hälfte der Kinder aus Ehen mit Frauen aus Asdod asdoditisch spricht und die Judäer „nicht mehr darauf achtgeben“16 „ יהודיתjudäisch“, also hebräisch,17 zu reden (V. 24). Welche Sprache das nur hier gebrauchte Adjektiv „asdoditisch“ meint, bleibt im Dunkeln. Es könnte, neben der nicht-semitischen, philistäischen Sprache, auch das eng mit dem Hebräischen verwandte Aramäische18 oder Nabatäische gemeint sein.19 Johannes Thon weist darauf hin, dass die Unterschiede in den Umgangssprachen der Judäerinnen und Judäer und ihrer Nachbarn wohl gering waren, obwohl das in Jehud gesprochene Hebräisch sich vermutlich von dem in der Golah gepflegten unterschied.20 Aus Nehemias Perspektive wird sprachliche Kompetenz zum Zeichen für Identität und das in Kult und Schriftgelehrsamkeit gepflegte Hebräisch der Rückkehrer zur Norm erhoben. Wer schon als Kind nicht mehr hebräisch sprechen kann, kann die Tora nicht lesen, was
14 Aufgrund von Überbauung in hellenistischer Zeit ist die Besiedlung in persischer Zeit kaum mehr rekonstruierbar. Gefunden wurden die Grundmauern eines großen öffentlichen Gebäudes und ein großer Graben mit Objekten aus persischer Zeit, darunter attische Keramik, Schmuck und Silbermünzen mit dem Namen der Stadt, sowie ein Ostrakon, das paläographisch an den Beginn des 4. Jahrhunderts v. Chr. datiert wird (s. unten Anm. 19), vgl. Ephraim Stern u.a. (Hg.), Excavations I, 94, 100f. 15 Vgl. Hugh G.M. Williamson, Ezra, Nehemiah, 397 ; ähnlich Antonius H.J. Gunneweg, Nehemia, 172. Nachgetragen ist im Zuge dessen auch die Wendung „ וכלׁשון עם ועםund gemäß der Sprache eines jeden Volkes“ (V. 24b). 16 So die Übersetzung des hebräischen Verbs נכרhif ʿil durch Ingo Kottsieper, Speak Yehudit, 95–124, hier 100. 17 So auch Gunneweg, Nehemia, 173 ; Kottsieper, Speak Yehudit, 100f. In 2 Kön 18,26.28 ; 2 Chron 32,18 ; Jes 36,11.13 wird das Judäische/Hebräische vom Aramäischen unterschieden. Vgl. auch Williamson, Ezra, Nehemiah, 398. 18 So Kottsieper, Speak Yehudit, 100f, der darauf hinweist, dass sich die aramäischen Dialekte in Juda und seinem Umland wohl vom Reichsaramäischen der offiziellen persischen Dokumente unterschieden. 19 Vgl. Gunneweg, Nehemia, 173. Johannes Thon, Sprache, 557–576, hier 569, zufolge käme auch Griechisch oder Arabisch in Betracht. Der Fund eines perserzeitlichen Ostrakons in Asdod, das eine Weinlieferung an einen Mann namens Zebadiah erwähnt, ist paläographisch der hebräischen Kursivschrift verwandt, vgl. Stern u.a. (Hg.), Excavations I, 100f. Freilich ist die Inschrift zu kurz um weitere Schlüsse zu ziehen. 20 Vgl. Thon, Sprache, 574. Die von Thon aufgezeigte Rekonstruktion der ideologischen Perspektive Nehemias ist überzeugend.
134
Christl M. Maier
die religiöse Sozialisation beeinträchtigt.21 Nehemias Aversion gegen diese Vernachlässigung des Hebräischen wird an seiner emotionalen, in Tat und Rede gewaltförmigen Reaktion deutlich. Er zitiert in V. 25 das zweigliedrige, beide Geschlechter umgreifende Vermischungsverbot aus Dtn 7,3b.22 Außerdem verweist er auf Salomos „fremde Frauen“ ()נׁשים נכריות, die nach 1 Kön 11,3–8 den guten König „zur Sünde verleiteten“.23 Der Begriff נכרי wird meist mit „Ausländer“ übersetzt, kann aber auch ‚fremd‘ im weiteren Sinn oder ‚entfremdet‘ bedeuten, beispielsweise wenn Lea und Rahel sich ihrem Vater Laban gegenüber als „Fremde“ bezeichnen (Gen 31,15) oder Hiob sich beklagt, er sei für seine Familie zu einem „Fremden“ geworden (Hi 19,15).24 Deshalb muss נכריvom jeweiligen Kontext her präzisiert werden. Der Verweis auf Salomo in Neh 13 stellt die Ehen mit Frauen aus der Nachbarprovinz solchen mit „ausländischen“ Frauen gleich, deren Ethnien in 1 Kön 11 einzeln aufgezählt werden : ägyptisch, moabitisch, ammonitisch, edomitisch, sidonisch und hethitisch. Nehemia bewertet solche Ehen mit priesterlichem Sprachgebrauch als „treulos handeln gegenüber unserem Gott“ ( למעל באלהינוV. 27).25 Die nach Neh 13,23 eher zufällige Entdeckung dieses Missstands und Nehemias gewalttätige Reaktion erzeugen den Eindruck, Nehemia reagiere spontan und argumentiere mit Bezug auf die vorliegende religiöse Tradition, formuliere also keine systematische Position zu interkulturellen Ehen. Politische Hintergründe hat wohl die in Neh 13,28 berichtete Verbannung eines Enkels oder Sohnes26 des Jerusalemer Hohepriesters. Der Schwiegervater des Verjagten ist Sanballat, der Neh 2–4 zufolge als Statthalter in Samaria gegen den Mauerbau in Jerusalem opponiert und als per21 Ähnlich
Kottsieper, Speak Yehudit, 101f. Neh 13,25 ist im Plural formuliert, Dtn 7,3 im Singular ; beide Texte enthalten die Wendung „ נתן בת לבןdie Tochter für den Sohn geben“, unterscheiden sich aber im zweiten Teil „für den Sohn eine (fremde) Tochter nehmen“ in Dtn 7,3 mit dem Verb ל+ לקח, in Neh 13,25 mit נׂשאqal. Auch der in Dtn 7,3 charakteristische Begriff חתןhitpaʿel „sich verschwägern“ fehlt in Neh 13,25. Trotz der unterschiedlichen Formulierungen ist die Aufnahme in Neh 13 als ein Zitat zu werten, da sich die zweigliedrige Formulierung nur schwer in den Kontext von Neh 13 fügt. 23 Während Neh 13,26b das Verb חטאhif ʿil „zur Sünde verleiten“ verwendet, spricht 1 Kön 11,3.4 von נטה את־לבוhif ʿil „sein Herz umlenken“. Der Verweis auf Salomo ist somit als Anspielung, nicht als direktes Zitat zu werten. 24 Vgl. Maier, Die ‚fremde Frau‘, 5f. 25 In Neh 13,27 und Esra 10,2 wird das Verb מעלgebraucht, in Esra 9,2.4 ; 10,6.10 das entsprechende Nomen. Der Begriff entstammt exilisch-nachexilischem, priesterlichem Sprachgebrauch und wird in Qumran zu einem von mehreren Begriffen für „sündigen“. Der griechische Übersetzer verwendet in Esra-Nehemia den Neologismus ἀσυνθετέω „vertragsbrüchig sein“. 26 Die Zuordnung der Bezeichnung „der Priester“ ist in Neh 13,28 nicht eindeutig, vgl. Williamson, Ezra, Nehemiah, 399 ; Gunneweg, Nehemia, 174. 22
Interkulturelle Ehen in Jehud als Beispiel für Intersektionalität
135
sönlicher Gegner Nehemias auftritt. Er wird in der Nehemia-Denkschrift stets als „der Horoniter“ bezeichnet und so als ethnisch fremd ausgegrenzt (vgl. Neh 2,10.19).27 Die Heirat mit Sanballats Tochter begründet die Entfernung aus dem Jerusalemer Tempel und wird von Nehemia als Beispiel für die Reinigung der Priester von allem Ausländischen angeführt (V. 30).28 Von einer Scheidung spricht Neh 13 weder bezüglich dieses Mannes aus der hohepriesterlichen Familie noch der öffentlich gescholtenen Judäer. Aus der Perspektive Sanballats freilich ist diese Ehe von Vorteil, da aus ihr für den Mitte des fünften Jahrhunderts auf dem Berg Garizim gegründeten JHWHTempel rechtmäßige Priester hervorgehen können.29 Analysiert man die in Neh 13,23–31 erzählten Sachverhalte aus der Perspektive soziologischer Studien zu den Gründen für Exogamie, der Heirat außerhalb der Herkunftsgruppe, so verbindet die Ehe des hohepriesterlichen Sprosses lokale Eliten und ist geeignet, die Macht der hohepriesterlichen Familie zu vermehren.30 Auch die asdoditischen Ehefrauen verweisen auf Heiratsbeziehungen zur Oberschicht der angrenzenden Provinz, die für die judäischen Familien politisch und sozial von Vorteil gewesen sein dürften. Der Hinweis auf Salomos politische Heiraten mit den Töchtern ausländischer Herrscher (Neh 13,26) verstärkt diese Konnotation. In Nehemias Ablehnung interkultureller Ehen wird das Bemühen um eine ethnisch und politisch autonome Größe „Judäa“ sichtbar, die dem Bemühen der Elite Jehuds auf einen Machtzuwachs durch Ehen mit Oberschichtgruppen der Nachbarprovinzen zuwiderläuft.31 Nehemia wendet sich wahrscheinlich gegen solche Ehen, um eine politische Einflussnahme anderer Eliten auf Jehud zurückzudrängen. Das Argument, Kinder aus solchen Ehen beherrschten 27
Die Bezeichnung Horoniter begegnet nur in Neh 2,10.19 ; 13,28 und bezieht sich als Gentilizium entweder auf die Herkunft aus dem oberen oder unteren Bet-Horon (Jos 16,3.5), die beide einige Kilometer nördlich von Jerusalem im Gebiet Jehuds liegen, oder auf das moabitische Horonaim (Jes 15,5 ; Jer 48,3). Die Herkunftsbezeichnung soll Sanballat, dessen babylonischer Name Sîn-uballiÔ „Sin [der Mondgott] gibt Leben“ bedeutet, als Nicht-Judäer diskreditieren, vgl. Williamson, Ezra, Nehemiah, 182f. André Lemaire, Juda, 210–230, hier 220, liest, Kurt Galling folgend, aufgrund des babylonischen Namens „der Harraniter“, weil der Mondgott Sin in Harran kultisch verehrt wurde. 28 Das pluralische Personalpronomen in Neh 13,30 könnte auf die in V. 29 genannten Priester und Leviten verweisen, aber auch auf alle im Abschnitt V. 23–29 Genannten (so Williamson, Ezra, Nehemiah, 401). Gunneweg, Nehemia, 175, beurteilt V. 30a als späteren Zusatz. 29 So der Ausgräber des Garizim-Heiligtums Yitzhak Magen, Dating, 157–193, hier 189. Die Errichtung dieses JHWH-Tempels nahe Samaria in der Mitte des fünften Jahrhunderts ist durch Mauer-, Keramik- und Münzfunde, sowie Inschriften, u.a. eine mit dem Tetragramm, gesichert (Ebd., 166–183). 30 So Daniel Smith-Christopher, Mixed Marriage, 243–265, hier 259. 31 So mit Christiane Karrer, Esra und Nehemia, 156–168, hier 163. Zum Konzept des „judäischen Volkes“ bei Nehemia vgl. dies., Ringen, 149–153.
136
Christl M. Maier
die hebräische Sprache nicht mehr, umfasst soziale und religiöse Aspekte. In sozialer Hinsicht entwickelten sich wahrscheinlich die Umgangssprache und das von den Rückkehrern gepflegte Hebräisch auseinander. Denkbar ist auch, dass die Oberschichtfamilien der Provinzen aramäisch sprachen und so zum Bedeutungsverlust des Hebräischen beitrugen. Die religiöse Bedeutung der hebräischen Sprache basiert in Esra-Nehemia auf der hebräisch geschriebenen Tora, auf deren Einhaltung das Volk Neh 8–10 zufolge ausdrücklich und namentlich verpflichtet wird. Möglicherweise verweist der in Neh 8,7–8 geschilderte Vorgang, dass Esra die Tora abschnittsweise laut vorliest und Leviten sie dem Volk erläutern, auf die mündliche ad hoc Übertragung ins Aramäische, die später in den Targumen verschriftlicht wurde. Die Verfasser des Fremdberichts Neh 8–10 verstärken die in der Nehemia-Denkschrift erkennbare Kritik an interkulturellen Ehen, indem sie die Gemeinschaft explizit als diejenigen bezeichnen, „die sich von allen Völkern der Länder absondern hin zur Tora Gottes“ (Neh 9,2 mit dem Verb בדל nif ʿal). Neh 10,29–38 zufolge schwören die Versammelten einen Eid, gemäß der Tora Gottes zu leben ( ללכת בתורת האלהיםV. 30). Diese Orientierung an der Tora wird als Abkehr von Heiratsbeziehungen mit den „Völkern des Landes“ ( )עמי הארץund als Unterbrechung des Handels mit ihnen am Sabbat erläutert. Sie bewirkt einen Schuldenerlass im Sabbatjahr, eine regelmäßige Tempelsteuer und Beschaffung des Brennholzes für den Altar sowie die Abgabe der Erstlinge an den Tempel und des Zehnten für die Leviten. Die Selbstverpflichtung, weder Töchter noch Söhne interkulturell zu verheiraten, wird in Neh 10,31–32 generalisiert und damit ähnlich Esra 9–10 als grundsätzliche Abkehr von Fremden vorgetragen. 2. Verschiedene Positionen zu den ‚fremden‘ Frauen in Esra 9–10 Obwohl Esra 9–10 häufig mit „Scheidung“ oder „Auflösung der Mischehen“32 überschrieben wird, spricht der hebräische Text nur von der Absicht einer Scheidung der Mischehen, während deren Vollzug gerade nicht berichtet wird. Auf den ersten Blick erörtert die Erzählung das Problem interkultureller Ehen grundsätzlich und formuliert Handlungsanweisungen. Ein zweiter, genauerer Blick aber zeigt, dass innerhalb der beiden Kapitel verschiedene Positionen zu solchen Ehen formuliert werden und traditionsgeschichtliche Bezüge variieren. Yonina Dor hat unlängst Unterschiede in Terminologie, Stil, Genre und ideologischer Position innerhalb von Esra 9–10 detailliert herausgearbeitet und literarkritisch ausgewertet.33 Dor unterscheidet zwei ältere Erzählungen (Esra 10,7–44 ; 10,2– 6) sowie ein Gebet 32 Vgl. Luther 1984 ; die Einheitsübersetzung spricht von „Auflösung der Ehen mit Frem den“ ; vgl. auch Wilhelm Rudolph, Esra und Nehemia, 85. Loring W. Batten, Ezra and Ne hemiah, 339, überschreibt Esra 10,1–8 mit „the people agree to divorce the foreign wives“. 33 Vgl. Yonina Dor, Ezra IX–X, 26–47.
Interkulturelle Ehen in Jehud als Beispiel für Intersektionalität
137
Esras (Esra 9,6–15), das mittels einer Rahmung terminologisch mit Kapitel 10 verbunden wird (Esra 9,1–5 ; 10,1). Sie kann zeigen, dass die älteren Erzählungen eine aktuelle Auseinandersetzung führen, während Gebet und Rahmung die Frage interkultureller Ehen generalisierend und durch expliziten Rückgriff auf die Tora behandeln. a) Esra 10,7–44 Dor zufolge erzählt die älteste Quelle in Esra 10,7–44, wie „alle Söhne der Golah in Juda und Jerusalem“ (V. 7) unter Androhung des Ausschlus ses aus der Gemeinschaft nach Jerusalem einbestellt werden, so dass sich „alle Männer aus Juda und Benjamin“ (V. 9) versammeln. Die Erzählung entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn es in V. 9b heißt : „Das ganze Volk ließ sich auf dem Platz vor dem Gotteshaus nieder, zitternd wegen der Angelegenheit und wegen des vielen Regens.“ Der explizit als Priester bezeichnete Esra bezichtigt die Männer, die „fremde Frauen“ ()נׁשים נכריות „angesiedelt haben“ ( יׁשבhif ʿil V. 10),34 der Treulosigkeit ( מעלV. 10), und fordert von ihnen, sich von den „Völkern des Landes“ („ )עמי הארץabzusondern“ ( בדלnif ʿal V. 11). Die Versammelten stimmen zu, bitten aber um die Einrichtung von lokalen Kommissionen, die die Einzelfälle untersuchen. Vier namentlich genannte Gegner dieses Vorgehens treten auf, erreichen aber nichts (V. 15). Die Kommissionen tagen drei Monate lang und erstellen eine Liste mit 110 Namen von Priestern, Leviten, Tempelsängern, Torhütern und Laien, die ‚fremde Frauen‘ heirateten (V. 18–43). Die Liste ist am Ende der Erzählung angefügt. Nur bei den Priestern wird erwähnt, dass sie schwören ihre Frauen fortzuschicken und einen Widder als Schuldopfer darbringen (V. 19, vgl. Esra 10,1). Am Ende der Liste heißt es lapidar : „Alle diese haben fremde Frauen geheiratet und es gab darunter Frauen, die Kinder ‚gesetzt‘ hatten“35 (V. 44). Obwohl der masoretische Text von V. 44 durch eine Septuaginta-Handschrift und die Vulgata gestützt wird, rekonstruieren viele Exegeten aus der griechischen Doppelüberlieferung der Stelle in 3 Esra
34 Die Terminologie יׁשבhif ʿil, wörtlich „ansiedeln“ (Esra 10,2.10.14.17), ist ungewöhnlich. Kessler, Ehen, 284f, bestimmt die Semantik des Verbs als „ansässig“. Sara Japhet, Expulsion, 141–161, hier 153, zufolge wird das Verb gebraucht, um diese Ehen als nicht regulär geschlossene zu kennzeichnen. Dagegen deutet Tamara C. Eskenazi, Missions, 509–529, hier 520–522, die Terminologie als Beleg, dass die judäischen Männer ihre Frauen durch Landschenkung in die Gemeinschaft zu integrieren suchten. 35 Die singuläre Formulierung mit „ ׂשיםsetzen, stellen, legen“ für „gebären“ ist nach Japhet, Expulsion, 153, eine Erfindung des Autors, der damit den Status der Kinder aus solchen Ehen minimieren wollte. Sie ist sonst im Hebräischen nicht belegt, hat aber eine arabische Parallele, vgl. L. Kopf, Etymologien, 247–287, hier 276. Die Inkongruenz zwischen einer maskulinen Verbform und femininem Subjekt im Plural ist im späten Hebräisch nicht ungewöhnlich, vgl. Williamson, Ezra, Nehemiah, 145.
138
Christl M. Maier
9,36 „sie aber entließen Frauen und Kinder“.36 Diese Aussage ist jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit in Esra 10,44 nicht ursprünglich, sondern in der Nacherzählung 3 Esra 9,36 sekundär an den Kontext angepasst.37 Esra 10,7–44 erzählt also nur, dass Esra einen Schwur seitens der betroffenen Priester, sich von ihren Frauen zu trennen, erwirkt, während die Ehen der übrigen Männer der Golahgruppe, die auf der Liste der in interkulturellen Ehen Lebenden auch genannt sind, nicht geschieden werden. Auch bleibt unklar, aus welchen Ethnien die als ‚fremd‘ bestimmten Frauen stammen. Auf der Erzählebene kommen weder die ‚fremden‘ noch andere Frauen zu Wort und sie werden auch nicht in die Entscheidung einbezogen – im Gegensatz zum Rahmen, wo die Frauen als an der Entscheidung beteiligt erwähnt werden (10,1). b) Esra 10,2–6 In der jüngeren, eigenständigen Quelle Esra 10,2– 6, die jetzt der zuvor erörterten vorausgeht, tritt ein gewisser Schechanja auf, Sohn Jehiels aus der Familie Elams. Jehiel wird in der Liste Esra 10,26 als in einer interkulturellen Ehe lebend aufgeführt.38 Schechanja legt ein kollektives Schuldbekenntnis ab und schlägt vor, einen Bund mit Gott zu schließen, dass man die ‚fremden‘ Frauen mit ihren Kindern „herausführen“ werde (V. 3 יצאhif ʿil)39 „nach dem Rat meines Herrn und derer, die vor dem Gebot unseres Gottes zittern“ (V. 3). Daraufhin lässt Esra die Oberhäupter der Priester- und Levitenfamilien sowie das ganze Volk diesen Eid schwören und zieht sich in eine Kammer im Tempel zurück, um zu fasten angesichts der Treulosigkeit derer aus der Golah (V. 6). Warum er fastet, nachdem die Sache bereits geklärt ist, bleibt im Dunkeln. Eine Entlassung der Frauen und Kinder wird nicht berichtet ; Frauen partizipieren weder an der Entscheidung noch am Schwur. Schechanja vertritt eine separatistische Position und scheint für besonders glühende JHWH-Anhänger zu sprechen, denn der Ausdruck „die Zitternden“ ( החרדיםV. 3) ist in anderen Texten als Bezeichnung für besonders Gottesfürchtige belegt (Jes 66,2.5 ; Esra 9,4).40 Yonina Dor zufolge verknüpft ein
36 Vgl.
Batten, Ezra and Nehemiah, 351 ; Rudolph, Esra und Nehemia, 100 ; Joseph Blenkinsopp, Ezra–Nehemiah, 200. 3 Esra entspricht der griechischen Schrift Esdras α (1 Esdras), die Passagen aus Esra-Nehemia und Sondergut enthält. 37 So auch Williamson, Ezra, Nehemiah, 145. Antonius H.J. Gunneweg, Esra, 184, hält eine Rekonstruktion des ursprünglichen Textes für unmöglich. 38 Vgl. Dor, Ezra IX–X, 36. 39 Das im Kontext von Scheidung sonst nicht gebrauchte Verb יצאhif ʿil „herausführen“ meint nach Japhet, Expulsion, 152, die Annullierung dieser Ehen. 40 „Charedim“ ist heute Selbstbezeichnung ultraorthodoxer Gruppen in Israel, vgl. Tamara C. Eskenazi / Eleanore P. Judd, Marriage, 266–285, hier 279–285.
Interkulturelle Ehen in Jehud als Beispiel für Intersektionalität
139
Autor beide zunächst eigenständigen Erzählungen, indem er die separatistische Meinung voranstellt und so der längeren Erzählung eine partikulare Sicht einschreibt.41 c) Esra 9,1–5.6–15 und 10,1 Ein zweiter Autor stellt, so Dor, das Gebet Esras (9,6–15) voran und verknüpft es durch Esra 9,1–5 ; 10,1 mit dem älteren Gut.42 Das Gebet und sein erzählerischer Rahmen nehmen Motive der älteren Quellen auf, führen aber durch Anspielungen und Zitate zugleich den Schriftbeweis, dass eine Scheidung der Mischehen eigentlich der Tora entspreche. Esras Gebet, das keinen der sonst für Esra 9 charakteristischen Begriffe enthält,43 ist im Duktus deuteronomistischer Geschichtsdeutung formuliert : Die Schuld der Väter und Mütter führte zum Exil, aber ein ‚Rest‘ fand Gnade vor Gott und kann nun Jerusalem wiederaufbauen, zwar in Knechtschaft, aber unter der Gunst der persischen Herrscher. Das Gebet beschreibt die Rückkehr der Golah als erneute Landnahme, genauer als Inbesitznahme eines Landes, das durch die „Völker der Länder“ ()עמי הארצות44 verunreinigt wurde. Zitate des Heiratsverbots (Dtn 7,3) und des Verbots, das Wohlergehen der Landbewohner zu suchen (Dtn 23,7)45, werden im Gebet als Gottesbefehl ausgewiesen, so dass Esras Gebet argumentativ einem halakhischen Midrasch zu Dtn 7,3 vergleichbar ist.46 Mit der Vorstellung, das Land sei Gabe Gottes nur an die Golah, die zur Zeit Esras die Nachkommen der aus Babylonien Heimgekehrten umfasst, grenzt das Gebet auch alle nicht-exilierten Judäerinnen und Judäer aus und rechnet sie zu den „Völkern der Länder“. Es radikalisiert die separatistische Position, weiß aber darum, dass auch andere Gruppen das Land beanspruchen.47 Ganz im Duktus dieser extrem partikularistischen Position argumentiert auch der das Gebet umschließende Rahmen : Die in beiden älteren Erzählquellen kritisierten Ehen mit „fremden Frauen“ (נׁשים נכריות, Esra 10,2.10.14.17.18 und Neh 12,27) werden in Esra 9,1 theologisch grundsätzlich als mangelnde Absonderung ( בדלhif ʿil) von den Völkern des Landes Dor, Ezra IX–X, 44. Dor, Ezra IX–X, 44, das Gebet Esras als ursprünglich eigenständig versteht, halte ich es mit Williamson, Ezra, Nehemiah, 128, aufgrund von V. 8–9.11–14 als auf seinen Kontext hin formuliert. 43 Dor, Ezra IX–X, 30, hält die Terminologie für bewusst gewählt, um eine neue Deutung der Ehen zu etablieren. 44 In Esra 9,14 werden sie sogar abwertend „Völker der Gräuel“ ( )עמי התועבותgenannt. 45 Esra 9,12 ist im Plural formuliert, Dtn 7,3 im Singular. Esra 9,12 formuliert analog zu Neh 13,25, zitiert aber mit der Wendung „sucht nicht ihren Frieden“ auch Dtn 23,7, das Verbot der Aufnahme von Moabitern und Ammonitern in die Gemeinschaft JHWHs. 46 So Dor, Ezra IX–X, 47. 47 So mit Eskenazi, Missions, 518. 41
42 Während
140
Christl M. Maier
gedeutet. Die in Esra 9,1 gebotene Völkerliste (Kanaaniter, Hethiter, Pheresiter, Jebusiter, Ammoniter, Moabiter, Ägypter und Amoriter) ist einzigartig, indem sie die in der Tora als ‚Fremde‘ ausgegrenzten Völker (Dtn 7,3 ; 23,4) mit einem aktuellen Beispiel kombiniert. Die ersten vier und das letztgenannte Volk sind der klassischen deuteronomistischen Siebenvölkerliste (Dtn 7,1 ; vgl. Ex 3,8.17 ; Jos 3,10 u.ö.) entnommen, die Nachbarvölker Ammoniter und Moabiter entstammen Dtn 23,4, einem Text, der verbietet, Menschen dieser Ethnien in die Gemeinde JHWHs aufzunehmen. Mit den Ägyptern sind vielleicht die Nachkommen derer gemeint, die nach der Zerstörung Jerusalems nach Ägypten geflohen sind (vgl. Jer 41,16–18).48 Der in Esra 9,2 angeschlossene Vorwurf, der „heilige Same“ ( )זרע הקדׁשhabe sich mit den Völkern der Länder vermischt, kombiniert den Gedanken des Samens Abrahams (Gen 12,7 ; 21,12, vgl. Jes 41,8) mit der deuteronomischen Vorstellung vom heiligen Volk (Dtn 7,6 ; 14,2.21). Mit der Verbindung von Abstammung und heilsgeschichtlicher Bestimmung unterstreicht Esra 9,1–2, dass die Golah die einzig legitime Nachkommenschaft Abrahams sei. In Anlehnung an das Fasten Esras in Esra 10,6 stilisiert die Rahmenerzählung Esra noch stärker zur religiösen Identifikationsfigur : Er trauert öffentlich wie einst König Josia, zerreißt seine Kleider, rasiert das Kopfhaar und sitzt zerschlagen da, fleht dann zerknirscht, aber öffentlich und sprachgewaltig zu Gott (Esra 9,3–6), so dass sich das Volk um ihn versammelt (Esra 10,1). Die sukzessive Erweiterung der Deutungen und Begründungen für die Ablehnung der ‚fremden‘ Frauen in Esra 9–10 lässt sich bereits als literarischer Diskurs um interkulturelle Ehen verstehen. Die in Esra-Nehemia wahrnehmbaren Argumente und Mechanismen der Ausgrenzung werden im Folgenden mit Blick auf die Rekonstruktion der sozialgeschichtlichen Situation in Jehud dargestellt.
II. Intersektionale Kategorien in der Rekonstruktion der (Sozial)geschichte des nachexilischen Juda Es wäre vermessen, die zahlreichen Studien zu Geschichte und sozialgeschichtlicher Situation Jehuds kurz zusammenfassen zu wollen. Genannt seien deshalb vor allem Untersuchungen, die Fragen zu Ethnie, sozialer Schicht, Geschlecht und Religion behandeln. Die folgende Rekonstruktion basiert auf der Zusammenschau einschlägiger Studien und ist aufgrund der Quellenlage mitunter fragmentarisch. 48 Williamson, Ezra, Nehemiah, 131, erwägt eine Aufnahme von Lev 18,3: „Ihr sollt nicht tun, was man im Land Ägypten tut, wo ihr gewohnt habt, und ihr sollt nicht tun, was man im Land Kanaan tut, wohin ich euch bringe.“ Das erscheint mit Blick auf die Geschichtsdeutung im Esra-Gebet denkbar.
Interkulturelle Ehen in Jehud als Beispiel für Intersektionalität
141
1. Juda und Benjamin in exilischer und nachexilischer Zeit Archäologische Untersuchungen der Ortslagen in Benjamin zeigen, dass die im zentralen Bergland gelegenen Orte Bethel, Gibea (Tell el-Fûl), Gibeon (El-Jîb) und Mizpa (Tell en-Naṣbe) im sechsten Jahrhundert nicht zerstört wurden.49 Die Erzählung über die kurzzeitige Statthalterschaft Gedaljas in Jer 40,7–41,18 belegt, dass die Babylonier Juda nach der Zerstörung Jerusalems offensichtlich von Mizpa aus verwalteten. Viele nicht-exilierte Judäerinnen und Judäer lebten wahrscheinlich in den benjaminitischen Orten oder siedelten sich nach vorübergehender Flucht über die Grenze dort an.50 Untersuchungen zum Bevölkerungsrückgang in exilischer Zeit zeigen, dass dieser im benjaminitischen Gebiet gering, in Juda dagegen sehr stark war und dass erst nach der Konsolidierung judäischer Siedlungen in der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts eine Verschiebung der Bevölkerungszahlen zu Gunsten der südlichen Gebiete einsetzte.51 Vor diesem Hintergrund könnte die Notiz über die „Männer aus Juda und Benjamin“ (Esra 10,9 ; vgl. 4,1) in der älteren Erzählung daran erinnern, dass in frühnachexilischer Zeit zunächst daheimgebliebene und exilierte Judäer zu einer gemeinsamen Gruppe gerechnet wurden. Die kürzere Erzählung Esra 10,2– 6 allerdings schränkt die als ‚Treuebruch‘ gegen Gott gedeuteten Ehen auf Männer der Golah ein (10,6). Das Gebet Esras (Esra 9,6–15) und seine Rahmung (Esra 9,1–5 ; 10,1) schließlich fokussieren vollständig auf Mitglieder der Heimkehrergruppe und beziehen alle interkulturellen Ehen, damit potentiell auch Ehen judäischer Frauen mit als ‚fremd‘ verstandenen Männern, in ihre Kritik ein. Anders als in den Erzählquellen werden im Gebetsrahmen (Esra 10,1) nun Frauen explizit als an der Entscheidung beteiligt erwähnt. Diese vordergründige Anerkennung von Frauen aus der Golah geht jedoch einher mit der Ausgrenzung nicht-exilierter Judäerinnen und Judäer, denn die Esra-Gruppe schließt nur ehemals Exilierte in ihre Vorstellung vom „heiligen Samen“ ein. Die Ausgrenzung ‚fremder‘ Personen ist daher ein ideologisches Konstrukt, mit dem die separatistische Golahgruppe darstellen will, dass sie sich gemäß der Tora verhält. Obwohl diese Gruppe eine solche Ideologie vertritt, hat sie, nach Ausweis der im Folgenden aufgeführten Quellen, eine vollständige Ausgrenzung nicht-exilierter Personen nicht durchsetzen können.
49 Oded Lipschits, Jerusalem, 237–246. Dagegen wurde der NO-Streifen Benjamins hin zum Jordantal fast entvölkert (Ebd., 247). 50 Vgl. ebd., 258. 51 Vgl. ebd., 181–184 und 267–271.
142
Christl M. Maier
2. Ausdehnung und ethnische Zusammensetzung Jehuds Charles E. Carter hat alle verfügbaren Daten zur Ausdehnung der persischen Provinz Jehud mit dem Ergebnis analysiert, dass diese im späten fünften und frühen vierten Jahrhundert v. Chr. ca. 1900 km² Fläche umfasste ; ihre Grenze verlief von Jericho im Nordosten nach Bethel, schloss im Westen das Gebiet um Lod, Hadid und Ono nicht ein, endete vor der Schefela, sodass Geser und Lachisch jenseits der Grenze lagen, reichte im Süden gerade noch bis Hebron, das freilich in persischer Zeit nicht besiedelt war, während die Ostgrenze am Toten Meer lag.52 Archäologisch belegt ist außerdem, dass im Verlauf des sechsten Jahrhunderts v. Chr. neben Resten judäischer Bevölkerung halbnomadische, edomitische und arabische Bevölkerungsgruppen langsam, aber kontinuierlich den südlichen Negev besiedelten, nachdem Juda die Kontrolle über dieses Gebiet verloren hatte.53 Alle Analysen zur ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung in der Provinz Jehud kommen zu dem Ergebnis, dass dort eine Mischbevölkerung lebte, deren Oberschicht Beziehungen zu lokalen Eliten in Samaria, der Schefela und den philistäischen Städten pflegte.54 Da Personennamen im Altertum häufig theophore Elemente aufweisen, von denen man tentativ auf die religiösen Präferenzen der Namensträger bzw. ihrer Eltern schließen kann, hat Bob Becking alle biblischen Namenslisten und epigraphischen Quellen für Jehud ausgewertet.55 Er kommt zu dem Ergebnis, dass bei den hundert Personennamen der Heimkehrerliste in Esra 2 par. Neh 7 auffallend wenige Jahwe-haltige Namen, aber einige mit persischen, ägyptischen und edomitischen Gottheiten als theophorem Element vorkommen. Zwar sind die Zahlen für statistische Zwecke viel zu klein und beweisen keine multi-ethnische Zusammensetzung der gelisteten Personen, allerdings weisen sie auf eine an anderen Gottheiten orientierte Namensgebung Einzelner hin. Katasterinschriften über Landstücke in Maqqeda (Khirbet el-Qom) im Negev, das in persischer Zeit edomitisch war, enthalten Besitzernamen mit yhw (JHWH) sowie qws (Qaus/Qos), der Gottheit der Edomiter. Eine dieser Inschriften nennt drei verschiedene Tempel und bezeugt damit eine multireligiöse Situation : ein Tempel ist der nabatäischen Göttin Uzza geweiht, einer Yaho, dem Gott Israels, und der dritte dem babylonischen Gott Nabu. Obwohl analoge Quellen aus Jehud fehlen, ist es wahrscheinlich, dass nicht alle dort lebenden Menschen zum Jerusalemer Tempel pilgerten, zumal nichts darauf hinweist, dass sich die aus dem Exil heimkehrenden Gruppen 52 Vgl. Charles
E. Carter, Emergence of Yehud, 75–113, bes. 100, 102. Lipschits, Jerusalem, 140–146, 182. In Neh 2,19 ; 6,1 wird ein Araber namens Geschem als politischer Gegenspieler Nehemias erwähnt. 54 Vgl. Rainer Albertz, Exilszeit, 115 ; Kessler, Sozialgeschichte, 164 ; Smith-Christopher, Mixed Marriage, 269f ; 55 Vgl. Bob Becking, Identity, 31–49, hier 38–42. 53 Vgl.
Interkulturelle Ehen in Jehud als Beispiel für Intersektionalität
143
irgendwo geschlossen angesiedelt hätten.56 Im Gegenteil : Neh 7,4 erwähnt, dass Jerusalem auch nach Vollendung des Mauerbaus kaum besiedelt war. 3. Identität und Rolle der ‚fremden‘ Frauen Angesichts dieser Befunde ist die Identität der ‚fremden‘ Frauen, die aus der Gemeinschaft ausgegrenzt werden sollten, kaum zu bestimmen. Neh 13,21 zufolge sind es Frauen aus der Provinz Asdod ; die beiden Erzählungen in Esra 10 sprechen vage von Frauen aus den „Völkern des Landes“ (10,2.11) ohne diese näher zu identifizieren. Im Alten Testament bezeichnet der singularische Ausdruck „ עם הארץVolk des Landes“ zunächst die grundbesitzende Landbevölkerung, die aufgrund der sozialen Aufspaltung der Gesellschaft Judas in spätvorexilischer Zeit faktisch nur noch die Reichen der Landstädte, den sogenannten Landadel umfasste.57 In dieser Bedeutung wird עם הארץin Esra 4,4 auch für eine Gruppe von Judäern gebraucht, die sich gegen den Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels wendet.58 In Esra-Nehemia und den Chronikbüchern begegnen ähnliche Wendungen, die durch den Kontext negativ konnotiert sind : „ עמי הארץVölker des Landes“ bezeichnet nach Esra 10,2.11 ‚fremde‘ Ethnien, die nun in Jehud leben und von denen die Angeredeten sich absondern sollen.59 Der doppelte Plural „ עמי הארצותVölker der Länder“ wird in Neh 10,29 ; Esra 3,3 ; 9,1.11 und 2 Chron 32,13 im Kontext von Absonderung, Fremdgottverehrung und Befleckung des Landes verwendet. Die beiden neuen Ausdrücke bezeichnen daher nicht mehr eine bestimmte Schicht von Landjudäern, sondern werden als ausgrenzende ethnische Schlagworte gebraucht.60
Entgegen der literarisch bezeugten Abgrenzung der Judäerinnen und Judäer von den sogenannten Völkern des Landes ist diese historisch kaum wahrscheinlich. In der Mitte des fünften Jahrhunderts, nach fast fünfzig Jahren babylonischer und achtzig Jahren persischer Herrschaft, lebten die verschiedenen Ethnien in Jehud sicher nicht getrennt voneinander, sondern verbunden durch Heiratsbeziehungen, die im Bereich der Oberschicht wahrscheinlich auch aus politischen Erwägungen geschlossen wurden. Die Vorstellung, einzelne Mitglieder der sich zum Jerusalemer Tempel rechnenden Gemeinschaft könnten sich ethnisch von ihren Nachbarn abgrenzen, ist historisch unwahrscheinlich und muss daher als religiös untermauerte Ideologie zur eigenen Identitätsbildung angesehen werden. 56
So Lipschits, Jerusalem, 271: „One of the most noteworthy conclusions to emerge from the demographic data is that the ‘Return to Zion’ left no archaeological evidence.“ 57 Vgl. Kessler, Sozialgeschichte, 102f. 58 Vgl. Thomas Willi, Juda–Jehud–Israel, 32. 59 Im Sinne von „Völker der Erde“ wird עמי הארץin Ez 31,12 ; Zeph 3,20 sowie in deuteronomistischen (Dtn 28,10 ; Jos 4,24 ; 1 Kön 8,43.53.60) und spätexilischen Texten (2 Chron 6,33 ; 32,19) gebraucht. 60 Willi spielt den polemischen Gehalt der Wendungen herunter, indem er sie historisch in den innerjüdischen, „schwierigen und bitteren Auseinandersetzungen“ (Juda–Jehud–Israel, 33) zwischen Jerusalem und Samaria verortet.
144
Christl M. Maier
In der separatistischen Perspektive der in Esra 9,1–10,1 zu Wort kommenden Esra-Gruppe, die als ehemals Exilierte ( בני הגולהEsra 10,7.16) Landbesitz und Führungsrolle zurückfordert, gehören auch nicht-exilierte Judäerinnen und Judäer zu den „Völkern des Landes“ ( )עמי הארץbzw. „Völkern der Länder“ ()עמי הארצות. Dass die Esra-Gruppe mithilfe einer vordergründig ethnischen Argumentation um politische und religiöse Autorität kämpft, zeigt sich auch daran, dass sie sich selbst als „heiligen Samen“ (Esra 9,2) betrachtet und das Land, in das sie zurückkehrte, als „unrein“ ( ארץ נדהEsra 9,11). Beide Begriffe verweisen auf eine dualistische Genderkonstruktion : Der männliche Same ist positiv konnotiert, das Land weiblich und negativ, denn נדהbezeichnet sonst die durch Menstruation hervorgerufene Unreinheit.61 Im Kontext des Streits um interkulturelle Ehen radikalisiert die EsraGruppe das ursprünglich priesterliche Konzept und stigmatisiert die „Völker des Landes“ als das weiblich konnotierte „Andere“.62 Die Ausgrenzung erfolgt durch Feminisierung, denn der weibliche, menstruierende Körper dient der Konstruktion des Unreinen und damit ‚Fremden‘ im Inneren der Gemeinde.63 Die vordergründige Aufwertung der Frauen durch explizite Nennung der Frauen als Mitglieder der Gesamtgruppe (Esra 10,1 ; vgl. auch Neh 8,2 ; 10,29 u.ö.)64 geht einher mit einer symbolischen Abwertung der Weiblichkeit und einer radikalen Unterscheidung zwischen ‚richtigen‘ und ‚falschen‘, d.h. ‚fremden‘ Frauen. Die Frage, warum im Diskurs um interkulturelle Ehen faktisch nur die ‚fremden‘ Ehefrauen, nicht die männlichen Partner judäischer Frauen aus gegrenzt werden, mithin ‚fremde‘ Frauen doppelt diskriminiert werden, kann auf zwei Ebenen beantwortet werden. Auf der symbolischen Ebene trägt die Frau, wie eben gezeigt, das Stigma des Anderen. Auf der pragmatischen Ebene ist Endogamie mit Erbrecht und Landbesitz verbunden65 sowie mit der Rolle der Frauen bezüglich der religiösen Sozialisation der Kinder. Auch in nachexilischer Zeit ist die Gesellschaft Judas patriarchal durch Patrilinearität, dem Erbrecht in der männlichen Linie, und Patrilokalität, dem Wohnen am Ort der väterlichen Sippe, geordnet. Diese Struktur liegt allen Listen in Esra-Nehemia und mehrheitlich den Chronikbüchern zu61 Vgl. Lev 12,5 ; 15,19 u.ö. ; 2 Chron 29,5 ; in Ez 18,6 bezieht sich נדהauf eine menstruierende Frau. Esra 9,11 spielt auf Lev 18,24–30 an, einen Abschnitt, der die Unreinheit des Landes als Folge sexueller Grenzüberschreitungen beschreibt. 62 Ähnlich Karrer, Esra und Nehemia, 167 ; Camp, Intermarriage, 308–309. 63 Vgl. Harold C. Washington, Holy Seed, 427–437, hier 431, 434. 64 Frauen sind beim Altarbau anwesend (Esra 3,1), feiern das Laubhüttenfest (Esra 3,4) und das Passa nach Abschluss des Tempelbaus (Esra 6,19–22) ; sie sind in Neh 5,1–13 ausdrücklich genannt. 65 So auch Japhet, Expulsion, 150, die Esra 9–10 als legalistischen Versuch der Ausgrenzung fremder Frauen als nicht legal Verheirateten versteht, deren Kinder deshalb nicht erben und wie Hagar weggeschickt werden können. Vgl. auch Kessler, Sozialgeschichte, 143.
Interkulturelle Ehen in Jehud als Beispiel für Intersektionalität
145
grunde, die gelegentlich auch Genealogien über Frauen konstruieren.66 Die grundlegende Familienstruktur ist gemäß Esra 2 par. Neh 7 das „Haus der Väter“ ()בית אבות, das über tatsächliche oder erfundene Genealogien konstruiert wird. Ein Judäer, der eine ethnisch fremde Frau heiratet, vererbt seinen Besitz an seine Söhne, die zugleich Teil der Sippe ihrer Mutter sind, d.h. das vererbte Land gerät zum Teil in die Verfügungsgewalt der fremden Sippe. Eine Judäerin, die einen Ausländer heiratet, gefährdet, solange sie Brüder hat, weder die männliche Abstammungslinie noch das familiäre Erbe, weil sie in die fremde Familie übertritt.67 Wenn ihre Söhne Land aus der väterlichen Linie erben, ist das für die judäische Sippe eher von Vorteil. Nachexilische Zusätze zum Erbrecht zeigen, dass Töchter im Falle des Fehlens männlicher Nachkommen Land erben konnten, allerdings nur unter der Bedingung, dass sie innerhalb der eigenen Sippe heiraten (Num 26,22 ; 27,1–11), weil andernfalls der Landbesitz in fremde Hände geraten könnte. Ob die aus Elephantine bekannten, geschlechtersymmetrischen Heiratsverträge auch die Situation in Juda erhellen können, ist umstritten, belegt aber, dass reiche Familien versuchten, Besitzverhältnisse in den Ehen von Söhnen und Töchtern vertraglich abzusichern.68 Der nachexilische, literarische Diskurs um Ehen mit ‚fremden‘ Frauen verweist grundsätzlich auf die Bedeutung von Frauen jeglicher ethnischer Zugehörigkeit für die Gemeinschaft. Wenn Rainer Albertz’ These zutrifft, dass in exilischer Zeit die Familie durch die Rituale Beschneidung und Sabbat zur Trägerin der offiziellen JHWH-Religion avancierte und sich persönliche Frömmigkeit und offizielle Religion in nachexilischer Zeit einander annäherten,69 dann sind Frauen bedeutsam, weil sie in der Regel für die religiöse und kulturelle Sozialisation der kleinen Kinder zuständig sind. Eine Frau, die aus einer anderen Ethnie oder einem anderen kulturellem Hintergrund stammt, könnte ihre Kinder diesbezüglich beeinflussen (vgl. Neh 13,23f). Hinter der vordergründigen Ausgrenzung von ‚fremden‘ Frauen gemäß der Tora stehen somit verschiedene handfeste Interessen, die sich um Identität, politische und religiöse Führungspositionen, Erbrecht und religiöse Erziehung ranken. Die in Esra-Nehemia zutage tretenden Identitätskonzepte und die Ablehnung interkultureller Ehen waren allerdings umstritten, wie sich aus der Nennung der Gegner in Esra 10,15 sowie den wortgewaltigen Argumen66 Vgl. 1 Chron 1,32.39 ; 2,3.4.16.49 ; 3,1–3 ;5,29 ; 7,12.15 sowie Antje Labahn / Ehud Ben Zvi, Observations, 457–478. 67 So auch Karrer, Esra und Nehemia, 163. 68 Vgl. die Zusammenstellung der Urkunden aus Elephantine durch Bezalel Porten / Ada Yardeni, Textbook. Tamara C. Eskenazi, Out from the Shadows, 25–43, hier 27–31, wertet sie hinsichtlich der Rollen und Bedeutung von Frauen aus. 69 Vgl. Rainer Albertz, Religionsgeschichte 2, 422–427, 556–561. Ähnlich Kessler, Sozialgeschichte, 142f.
146
Christl M. Maier
tationen in Esra 9,2–5 ; 10,2–6 und Neh 13,25–27 schließen lässt. Darüber hinaus finden sich Texte, die eher inklusive Gemeindekonzepte vertreten und die im Folgenden als literarische ‚Gegenstimmen‘ verstanden werden.
III. ‚Gegenstimmen‘ in 1 Chron 1–9, Rut, Jes 56 und Prov 1–9 Die Chronikbücher, die die Geschichte des Königreichs Juda in Aufnahme und Umdeutung der Samuel-Könige-Tradition noch einmal, aber mit charakteristischen Unterschieden erzählen, werden inzwischen mehrheitlich als von Esra-Nehemia unabhängiges Werk verstanden.70 Sie datieren in die mittlere bis ausgehende Perserzeit71 und beginnen mit einer umfangreichen Genealogie ganz Israels in 1 Chron 1–9. Die Genealogie der Nachkommen Judas listet mehrfach Ehen zwischen Judäerinnen bzw. Judäern und ethnisch Fremden auf, insbesondere Verbindungen zu Kanaan, Moab und Ägypten (1 Chron 2,3.17 ; 3,2 ; 4,18.21–22).72 Außerdem behandelt die Genealogie einige Männer als Judäer, die in anderen biblischen Texten als fremdstämmige Kalebiter, Keniter und Keniziter aufgeführt werden.73 Im singulären Fall eines Judäers namens Scheschan wird die patrilineare Linie sogar durch Verheiratung seiner Tochter mit seinem ägyptischen Sklaven weitergeführt (1 Chron 2,34–41), was den Autoren der Genealogie offensichtlich als soziale und legale Option erscheint.74 Diese Ehen werden nicht negativ kommentiert, vielmehr erleichtert die Aufnahme fremdstämmiger Familien, Dörfer und Gruppen geradezu die Ausbreitung des Stammes Juda.75 Im Blick auf Identität und Abgrenzung widersprechen die Autoren der Chronikbücher, die viele zeitgenössische Vorstellungen in ihre Geschichtsschreibung einfließen lassen, den in Esra-Nehemia vertretenen partikularistischen Positionen. Entgegen der Datierung in die Richterzeit (Rut 1,1) und der Nennung Ruts als Stammmutter Davids (Rut 4,18–22) stammt die Rut-Erzählung aus nachexilischer Zeit.76 So verwendet Rut 1,1 deuteronomistisch-exilische Terminologie und der Stammbaum in Rut 4,18–22 den priesterschriftlichen Schlüsselbegriff „Geschlechtsregister“ ()תלדות. Der novellenhafte Stil ist 70 Vgl. Witte
in : Gertz u.a. (Hg.), Grundinformation, 503f, den Forschungsüberblick in Reinmuth, Bericht Nehemias, 2–6, sowie die stilistische Analyse beider Werke durch Sara Japhet, Common Authorship, 1–37, hier 37. 71 Vgl. Witte, in : Gertz u.a. (Hg.), Grundinformation, 506. 72 Vgl. Gary N. Knoppers, Intermarriage, 15–30. 73 Vgl. ebd., 23–28. 74 Vgl. Sara Japhet, Legal and Social Reality, 233–244, hier 243f. 75 So Knoppers, Intermarriage, 30. 76 So die Mehrheit der Auslegenden vgl. Erich Zenger, Ruth, 26–28 ; Yair Zakovitch, Rut, 62–64 ; Irmtraud Fischer, Rut, 89–91 ; Christl Maier, Ruth, 1172–1173.
Interkulturelle Ehen in Jehud als Beispiel für Intersektionalität
147
stärker den späten Schriften Jona und Ester als den älteren Erzelternsagen vergleichbar. Für eine späte Datierung aber spricht vor allem, dass die Erzählung vielfach auf Pentateuchtexte anspielt und diese aktualisierend auslegt, indem sie die Bestimmungen der Leviratsehe (Dtn 25,5–10) mit dem Löserecht von ehemals verkauftem Besitz (Dtn 25,23–34) verbindet und dabei noch das Recht der Armen auf Nachlese (Dtn 24,21f) bei der Ernte einspielt.77 Neuere Auslegungen interpretieren die Rut-Erzählung einleuchtend als Gegenposition zur Ablehnung der ‚fremden‘ Frauen in Esra-Nehemia, obwohl sie die einschlägige Begrifflichkeit nicht aufweist. Die Moabiterin Rut wird als JHWH-gläubige und an den Normen der Tora orientierte ideale Schwiegertochter und damit als Kontrastbild zu den in Esra 9–10 und Neh 13 ausgegrenzten ‚fremden‘ Frauen dargestellt.78 Rut ist nicht nur Ausländerin, sondern auch arm, sodass sich in der Erzählung Ethnie, Geschlecht und soziale Schicht überschneiden.79 Die Rut-Erzählung erklärt die mittellose Ausländerin zur starken Frau, die „besser ist als sieben Söhne“ (Rut 4,15) und argumentiert so auf zwei Ebenen gegen die Ausgrenzung ‚fremder‘ Frauen in der Golahgruppe um Esra, die der Oberschicht angehört. Ähnlich der Rut-Erzählung vertritt auch Jes 56,1–8 mit Blick auf die „Söhne der Fremde“ ( )בני הנחרeine inklusive Position, die ethnisch fremde JHWH-Verehrer als legitime Mitglieder der Gemeinschaft einschließt. Als Eingangstext zur tritojesajanischen Sammlung, die eine sukzessive Fortschreibung der Heilsbotschaft Deuterojesajas darstellt, steht Jes 56,1–8 an herausgehobener Position im Jesajabuch. Ethnisch fremde Menschen, die sich JHWH angeschlossen haben ( לוהnif ʿal), den Sabbat halten ( )ׁשמרund nicht entweihen ( חללpiʿel) sowie am Bund Gottes festhalten (חזק בברית hif ʿil), sind demnach im Jerusalemer Tempelkult willkommen (V. 6–7). Selbst Eunuchen, denen das Identitätssymbol der Beschneidung und Nachkommen fehlen, werden Denkmal und Namen ( )יד וׁשםversprochen, wenn sie den Sabbat halten, das Gott Wohlgefällige wählen und am Bund JHWHs festhalten (V. 4–5). Dass sich die Autorinnen und Autoren dieses Textes gegen den rigorosen Partikularismus der Esra-Gruppe wenden, zeigt sich darin, dass sie das dort mehrfach gebrauchte Verb בדלnif ʿal „sich absondern“ (Esra 9,1 ; 10,11 ; Neh 9,2 ; 10,29 ; 13,3) in kausativer Bedeutung (hif ʿil) „ausschließen“ verwenden (V. 3), aber inhaltlich einen Ausschluss ablehnen. Sie bezeichnen den Tempel als „Bethaus für alle Völker“ (V. 7) und argumentieren gegen eine ethnische Einschränkung der Tempelgemeinde und 77 Vgl. Irmtraud Fischer, Book of Ruth, 24–49, besonders 47 ; dies., Rut, 49–56 ; Klara Butting, Buchstaben, 21–48. Zakovitch, Rut, 49–59, weist auf Motivparallelen und Anspielungen zu Gen 19,30–38 ; 24 ; 38 und der Rahmenerzählung des Hiobbuches hin. 78 Abfassungszweck der Rut-Erzählung ist nach Zakovitch, Rut, 40f, die Polemik gegen die Ablehnung der fremden Frauen in Esra-Nehemia. 79 Agnethe Siquans, Foreignness, 443–452, deutet Rut als Beispielerzählung für die Aufnahme einer mittellosen fremden Frau in die nachexilische Gemeinschaft.
148
Christl M. Maier
für eine Toleranz, die den Glauben an JHWH und das Einhalten der religiösen Gebote in den Mittelpunkt stellt. Viele Ausleger betonen, dass die in Jes 56,1–8 genannten „Söhne der Fremde“ Proselyten seien, also Menschen, die sich aus Überzeugung dem JHWH-Glauben anschließen.80 Christophe Nihan zufolge bildet Jes 56,1–8 mit Jes 65–66 den Rahmen der tritojesajanischen Sammlung und zugleich deren letzte Redaktion, die in die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. datiert werden kann.81 Da Jes 65– 66 ausdrücklich auf eine Spaltung innerhalb der Tempelgemeinde verweisen, Jes 66,3f sich gegen die Jerusalemer Priesterschaft wendet und Jes 66,19–21 die Rückkehr von Diasporajudäern als „Brüder aus allen Völkern“ voraussagt, orientieren sich die Verfasser, so Nihan, zwar grundsätzlich an der jüdischen Herkunft, beziehen aber Proselyten ein und vertreten damit ein gegenüber Esra-Nehemia erweitertes Konzept von Ethnizität. Zwar argumentiert Jes 56,1–8 gegen eine Ausgrenzung hinsichtlich der Ethnie und des Vermögens sexueller Reproduktion, der Text fokussiert aber nur auf männliche Mitglieder der Tempelgemeinde und schweigt gänzlich zur Frage interkultureller Ehen. Immerhin knüpft Jes 56,1–8 die Zugehörigkeit zur Kultgemeinschaft am Jerusalemer Tempel ähnlich Neh 10,29 an die Übernahme des Glaubens und der zentralen Riten der JHWH-Religion.82 Eine eher konservative, Werte bewahrende Position findet sich schließlich in den Warnungen vor der ‚fremden‘ Frau in Prov 1–9. Sie widerspricht der ausgrenzenden Sicht von Esra 9–10 nicht grundsätzlich, sondern zieht aus der Diskussion gewissermaßen die Konsequenz, dass Eheschließungen generell nach bestimmten Kriterien erfolgen sollten. Im negativen Porträt einer verführerischen und sexuell aktiven ‚fremden‘ Frau ist nicht mehr nur die interkulturelle Ehe im Blick, sondern auch eine Ethik, die Ehebruch ablehnt und bestimmte Verhaltensmuster von Frauen und Männern propagiert.83 Es geht in diesen an die Oberschicht gerichteten, weisheitlichen Lebensregeln84 um die Bewahrung des ererbten Besitzes, den Gehorsam gegenüber den Eltern, gerade auch im Blick auf die Wahl der Ehepartner, sowie die Warnung vor neuen Sitten, wie z.B. Trinkgelage (Prov 9,1– 6.13– 80 Joseph Blenkinsopp, Isaiah 56–66, 136f ; ausführlich Philipp Enger, Adoptivkinder, 366–389. 81 Vgl. Christophe Nihan, Ethnicity, 67–104, hier 71, 97. Verbindungen zwischen Jes 56,1–8 und Jes 66,14–25 wurden längst gesehen, vgl. Blenkinsopp, Isaiah 56–66, 132. 82 So auch Blenkinsopp, Isaiah 56–66, 142, der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Traditionen diskutiert. Darüber hinaus erzählt Esra 6,19–22 von der Passafeier der Golah und derer, „die sich zu ihnen abgesondert hatten von der Unreinheit der ‚Völkerschaften des Landes‘ ( )גוי־הארץum JHWH zu suchen“ (6,21). Der Begriff גוי־הארץwird nur hier verwendet und ist als Plural punktiert, vgl. zum Kontext Enger, Adoptivkinder, 454–457 und 461–464. 83 Dazu ausführlich Maier, Die ‚fremde Frau‘, 252–259 und 264–266. 84 So auch Robert Gordis, Background, 77–118 ; Claudia Camp, Strange Woman, 40–71, hier 66–71, plädiert dabei auch für eine Verbindung zu priesterlichen Kreisen.
Interkulturelle Ehen in Jehud als Beispiel für Intersektionalität
149
18) oder auf Geldgewinn zielende Geschäfte (Prov 2,12–15). Gemäß diesen Verhaltensnormen ist jeder junge Mann85 zahlreichen Versuchungen ausgesetzt und jede Frau kann zur ‚Fremden‘ werden. In Fortführung weisheitlicher Tradition typisiert der nachexilische Rahmen des Proverbienbuches (Prov 1–9 ; 31) Frauen als weise oder töricht, als Stütze oder Bedrohung männlicher Identität und transformiert das bereits in Esra-Nehemia negativ konnotierte Bild der ‚fremden‘ Frau in ein Zerrbild, das mehr über männliche Ängste als über reale Frauen aussagt. Für den Diskurs um interkulturelle Ehen sind diese Warnungen vor der ‚fremden‘ Frau insofern relevant, als sie versuchen, jeglichen Kontakt mit Frauen außerhalb der Großfamilie zu diskreditieren und interkulturelle Ehen grundsätzlich zu unterbinden. An dieser Diskriminierung ‚fremder‘ Frauen in Prov 1–9 sind allerdings auch Frauen beteiligt, denn die Mahnungen werden Vater und Mutter (Prov 1,8 ; 6,20) zugeschrieben.86
IV. Fazit : Die interkulturellen Ehen im Schnittpunkt von Religion, Ethnie, sozialer Schicht und Geschlecht Alle vorgestellten Positionen zu interkulturellen Ehen in Jehud sind Beispiele für Intersektionalität als Verflechtung der Kategorien Religion, Ethnie, soziale Schicht und Geschlecht, entlang derer Ausgrenzungen oder Einschlüsse formuliert werden. Nehemias Erschrecken über asdoditisch sprechende Kinder judäischer Väter (Neh 13,23) verweist darauf, dass religiöse Sozialisation auf hebräischer Sprache und Riten basierte und deshalb Frauen anderer Ethnien oder religiöser Traditionen manchen suspekt erschienen. Zwar ist die Vertreibung eines Mitglieds der hohepriesterlichen Familie, der eine Tochter Sanballats heiratete, wohl durch Nehemias Gegnerschaft zu Sanballat motiviert. In seiner Begründung bemüht Nehemia aber die aus exilischer Zeit stammende national-religiöse Tradition des Heiratsverbots87 und die deuteronomistische Kritik an Salomos ausländischen Ehefrauen,88 also die gedankliche Verbindung von fremder Ethnie und fremder Religion. Die exilisch-deuteronomistische Selbststilisierung Israels als eines ethnisch einheitlichen Volkes ist historisch unhaltbar und 85 Der junge Mann ist Adressat der an den „Sohn“ gerichteten Lehrreden. Seine ‚Lehrer‘ sind Vater und Mutter (Prov 1,8 ; 6,20 ; vgl. 31,1). 86 Vgl. Maier, Die ‚fremde Frau‘, 261, 267–269. 87 Dtn 7,3 wird entweder als deuteronomistisch überarbeitet (Eduard Nielsen, Deuteronomium, 94f) angesehen oder erst exilisch datiert, vgl. Georg Braulik, Deuteronomium 1–16,17, 64. 88 Die Kritik an Salomos ausländischen Ehefrauen (1 Kön 11,1–10) wird meist der exilisch-deuteronomistischen Redaktion zugewiesen, vgl. Volkmar Fritz, Könige, 123f ; Albertz, Exilszeit, 222, 226.
150
Christl M. Maier
angesichts der nachexilischen Mischbevölkerung in Jehud, die auch in den Genealogien der Chronik belegt ist, schon aus pragmatischen Gründen nicht durchsetzbar. Die Liste derer, die solche interkulturellen Ehen eingingen (Esra 10,18–43), ist lang und umfasst Priester, Leviten und Tempelbedienstete ebenso wie Laien. In den einzelnen Texten fungiert somit die Kategorie ‚ethnisch fremd‘ als ein variabel einsetzbares Konstrukt, das in seiner Zeit durchaus umstritten war : Bereits die älteste Erzählung Esra 10,7–44 benennt Gegner einer Scheidung der interkulturellen Ehen (10,15) und verweist damit auf eine Diskussion, die auf literarischer Ebene als Diskurs in Esra 9–10 sowie in 1 Chron 1–9, Rut und Jes 56 weitergeführt wird. Während Nehemia (13,25–28) und Esra (10,10f) die Betroffenen, besonders aber die Priester,89 öffentlich kritisieren, radikalisiert die sich um Esra versammelnde Golahgruppe (Esra 9,6–15 ; 10,2–6) die Kategorie ‚fremd‘, die nun neben tatsächlich ethnisch Fremden auch Judäerinnen und Judäer aus nicht-exilierten Familien einschließt. Die Golahgruppe versteht sich selbst als Elite, die alte Rechte beansprucht und besonders gottesfürchtig ist. Sie versucht, durch die Auslegung von Geboten der Tora zu zeigen, dass ihre Meinung richtig und die einzig mögliche ist. Außer in Rut kommen die ‚fremden‘ Frauen nicht selbst zu Wort ; in Neh 13 und Esra 9–10 wird über sie, nicht mit ihnen diskutiert. Zwar werden in Esra 10,1 Frauen als Mitglieder der Gemeinschaft explizit erwähnt, gleichzeitig aber auf symbolischer Ebene abgewertet, insofern die ‚fremden‘ Frauen als paradigmatische ‚Andere‘ erscheinen. Aus der Genderperspektive erweist sich der in Esra 9–10, Neh 13 und weiteren Texten geführte Diskurs als ein Streit unter Männern, wobei Mitglieder der kleinen Heimkehrergruppe offensichtlich um Positionen in Politik und Religion (Priester und Leviten) ringen und dies mit religiöser Inbrunst und nach allen Regeln der Schriftgelehrsamkeit zu begründen suchen. Betrachtet man den Diskurs diachron, so rückt das religiöse Bekenntnis in späteren Texten immer stärker in den Vordergrund. Es hat stets identitätsstiftende Funktion, was auch bei den tolerant-integrativen Positionen in Jes 56 und Rut zum Ausdruck kommt. Erscheint die Religion in den behandelten Texten meist als Leitkategorie, so sind die weiteren Kategorien netzartig miteinander verwoben und in den Einzeltexten unterschiedlich gewichtet. In der Fokussierung auf ‚fremde‘ Frauen bei weitgehender Nicht-Beachtung ‚fremder‘ Männer verweist der nachexilische literarische Diskurs um interkulturelle Ehen darauf, dass Frauen für Generativität, Erbe und ökonomische Basis der Familien sowie für die religiöse Sozialisation der nächsten Generation eine gewichtige Rolle spielen. Er unterstreicht die Bedeutung von Frauen für die religiöse und kulturelle Identität der nachexilischen Gemeinschaft in Jehud, 89 Eskenazi, Missions, 513f, zufolge zielen Nehemias und Esras Missionen vor allem darauf, interkulturelle Ehen bei den Priestern und dem höheren Kultpersonal zu unterbinden.
Interkulturelle Ehen in Jehud als Beispiel für Intersektionalität
151
deren religiöses Zentrum der Jerusalemer Tempel ist. Die Ausgrenzung von ‚fremden‘ Frauen aus dieser Gemeinschaft in manchen Texten erweist sich somit nicht nur als Diskriminierung qua Geschlecht und Ethnie, sondern lässt sich mithilfe des Begriffs der Intersektionalität als dynamisches Geflecht von Bewertungen verstehen, in welchem zudem soziale Schicht und Religion eine Rolle spielen.
Literatur Albertz, Rainer, Religionsgeschichte Israels in alttestamentlicher Zeit 2 (ATD ErgBd. 8/2), Göttingen 1992. –, Die Exilszeit. 6. Jahrhundert v. Chr. (BE 7), Stuttgart u.a. 2001. Batten, Loring W., The Books of Ezra and Nehemiah (ICC 12), Edinburgh 1949. Becking, Bob, On the Identity of the ‚Foreign‘ Women in Ezra 9–10, in : Gary A. Knoppers u.a. (Hg.), Exile and Restoration. Essays on the Babylonian and Persian Periods in Memory of Peter R. Ackroyd (LSTS 73), London / New York 2009, 31–49. Blenkinsopp, Joseph, Ezra–Nehemiah. A Commentary (OTL), London 1989. –, Isaiah 56–66. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 19b), New York 2003. Braulik, Georg, Deuteronomium 1–16,17 (NEB 15), Würzburg 1986. Butting, Klara, Die Buchstaben werden sich noch wundern. Innerbiblische Kritik als Wegweisung feministischer Hermeneutik, Berlin 1994. Camp, Claudia V., Feminist- and Gender-Critical Perspectives on the Biblical Ideology of Intermarriage, in : Christian Frevel (Hg.), Mixed Marriages. Intermarriage and Group Identity in the Second Temple Period (LHBOTS 547), New York 2011, 303–315. –, The Strange Women of Proverbs, in : Dies., Wise, Strange, and Holy. The Strange Woman and the Making of the Bible (JSOT.S 320), Sheffield 2000, 40–71. Carter, Charles E., The Emergence of Yehud in the Persian Period. A Social and Demographic Study (JSOT.S 294), Sheffield 1999. Dor, Yonina, The Composition of the Episode of the Foreign Women in Ezra IX–X, in : VT 53 (2003), 26–47. Enger, Philipp A., Die Adoptivkinder Abrahams. Eine exegetische Spurensuche zur Vorgeschichte des Proselytismus (BEAT 53), Frankfurt a.M. u.a. 2006. Eskenazi, Tamara C., The Missions of Ezra and Nehemiah, in : Oded Lipschits / Manfred Oeming (Hg.), Judah and the Judeans in the Persian Period, Winona Lake, Ind. 2006, 509–529. –, Out from the Shadows. Biblical Women in the Post-Exilic Era, in : JSOT 54 (1992), 25– 43. Eskenazi, Tamara C. / Judd, Eleanore P., Marriage to a Stranger in Ezra 9–10, in : Tamara C. Eskenazi / Kent H. Richards (Hg.), Second Temple Studies 2. Temple and Community in the Persian Period (JSOT.S 175), Sheffield 1994, 266–285. Fischer, Irmtraud, The Book of Ruth. A ‚Feminist‘ Commentary to the Torah ?, in : Athalya Brenner (Hg.), Ruth and Esther. A Feminist Companion to the Bible (Second Series), Sheffield 1999, 24–49. –, Rut (HThKAT), Freiburg i.Br. u.a. 2001. Fritz, Volkmar, Das erste Buch der Könige (ZBK 10/1), Zürich 1996. Gertz, Jan C. u.a. (Hg.), Grundinformation Altes Testament, Göttingen 32009.
152
Christl M. Maier
Gordis, Robert, The Social Background of Wisdom Literature, in : HUCA 18 (1943/44), 77–118. Gunneweg, Antonius H.J., Esra (KAT XIX/1), Gütersloh 1985. –, Nehemia (KAT XIX/2), Gütersloh 1987. Japhet, Sara, The Supposed Common Authorship of Chronicles and Ezra-Nehemiah Investigated Anew, in : Dies., From the Rivers of Babylon to the Highlands of Judah. Collected Studies on the Restauration Period, Winona Lake, Ind. 2006, 1–37. –, The Israelite Legal and Social Reality as Reflected in Chronicles : A Case Study, in : Dies., From the Rivers of Babylon to the Highlands of Judah. Collected Studies on the Restauration Period, Winona Lake, Ind. 2006, 233–244. –, The Expulsion of the Foreign Women. The Legal Basis, Precedents, and Consequences for the Definition of Jewish Identity, in : Friedhelm Hartenstein / Michael Pietsch (Hg.), “Sieben Augen auf einem Stein” (Sach 3,9). Studien zur Literatur des Zweiten Tempels. FS Ina Willi-Plein, Neukirchen-Vluyn 2007, 141–161. Johnson, Willa M., The Holy Seed Has Been Defiled. The Interethnic Marriage Dilemma in Ezra 9–10, Sheffield 2011. Karrer, Christiane, Die Bücher Esra und Nehemia. Die Wiederkehr der Anderen, in : Luise Schottroff / Marie-Theres Wacker (Hg.), Kompendium Feministische Bibelauslegung, Gütersloh 21999, 156–168. –, Ringen um die Verfassung Judas. Eine Studie zu den theologisch-politischen Vorstellungen im Esra-Nehemia-Buch (BZAW 308), Berlin / New York 2001. Kerner, Ina, Differenzen und Macht. Zur Anatomie von Rassismus und Sexismus, Frankfurt / New York 2009. Kessler, Rainer, Die interkulturellen Ehen im perserzeitlichen Juda, in : Adelheid Hermann-Pfandt (Hg.), Moderne Religionsgeschichte im Gespräch. Interreligiös, interkulturell, interdisziplinär. FS C. Elsas, Berlin 2010, 276–294. –, Sozialgeschichte des Alten Israel. Eine Einführung, Darmstadt 2006. Knoppers, Gary N., Intermarriage, Social Complexity, and Ethnic Diversity in the Genealogy of Judah, in : JBL 120 (2001), 15–30. Kopf, L., Arabische Etymologien und Parallelen zum Bibelwörterbuch, in : VT 9 (1959), 247–287. Kottsieper, Ingo, »And They Did Not Care to Speak Yehudit«. On Linguistic Change in Judah during the Late Persian Era, in : Oded Lipschits u.a. (Hg.), Judah and the Judeans in the Fourth Century B.C.E., Winona Lake, Ind. 2007, 95–124. Labahn, Antje / Ben Zvi, Ehud, Observations on Women in the Genealogies of 1 Chronicles 1–9, in : Biblica 84 (2003), 457–478. Lemaire, André, Das achämenidische Juda und seine Nachbarn im Lichte der Epigraphie, in : Reinhard G. Kratz (Hg.), Religion und Religionskontakte im Zeitalter der Achämeniden (VWGTh 22), Gütersloh 2002, 210–230. Lipschits, Oded, The Fall and Rise of Jerusalem, Winona Lake, Ind. 2005. Magen, Yitzhak, The Dating of the First Phase of the Samaritan Temple, in : Oded Lipschits u.a. (Hg.), Judah and the Judeans in the Fourth Century B.C.E., Winona Lake, Ind. 2007, 157–193. Maier, Christl, Die ‚fremde Frau‘ in Proverbien 1–9. Eine exegetische und sozialgeschicht liche Studie (OBO 144), Freiburg / Göttingen 1995. –, Art. Ruth, The Eerdmans Dictionary of Early Judaism (2010), 1172–1173. Nielsen, Eduard, Deuteronomium (HAT I/6), Tübingen 1995. Nihan, Christophe, Ethnicity and Identity in Isaiah 56–66, in : Oded Lipschits u.a. (Hg.), Judah and the Judeans in the Achaemenid Period. Negotiating Identity in an International Context, Winona Lake, Ind. 2011, 67–104.
Interkulturelle Ehen in Jehud als Beispiel für Intersektionalität
153
Porten, Bezalel / Yardeni, Ada (Hg.), Textbook of Aramaic Documents from Ancient Egypt, newly copied, edited, and translated into Hebrew and English, 4 Bde, Jerusalem / Winona Lake, Ind. 1986–1999. Reinmuth, Titus, Der Bericht Nehemias. Zur literarischen Eigenart, traditionsgeschichtlichen Prägung und innerbiblischen Rezeption des Ich-Berichts Nehemias (OBO 183), Freiburg / Göttingen 2002. Rudolph, Wilhelm, Esra und Nehemia samt 3. Esra (HAT I/20), Tübingen 1949. Siquans, Agnethe, Foreignness and Poverty in the Book of Ruth. A Legal Way for a Poor Foreign Woman to Be Integrated into Israel, in : JBL 128 (2009), 443–452. Smith-Christopher, Daniel, The Mixed Marriage Crisis in Ezra 9–10 and Nehemiah 13. A Study of the Sociology of the Post-Exilic Judean Community, in : Tamara C. Eskenazi / Kent H. Richards (Hg.), Second Temple Studies 2. Temple and Community in the Persian Period (JSOT.S 175), Sheffield 1994, 243–265. Stern, Ephraim u.a. (Hg.), The New Encyclopedia of Archaeological Excavations in the Holy Land, Band 1, Jerusalem 1993. Thon, Johannes, Sprache und Identitätskonstruktion. Das literarische Interesse von Neh 13,23–27 und die Funktion dieses Textes im wissenschaftlichen Diskurs, in : ZAW 121 (2009), 557–576. Washington, Harold C., Israel’s Holy Seed and the Foreign Women of Ezra-Nehemiah. A Kristevan Reading, in : Bibl.Interpr. 11 (2003), 427–437. Willi, Thomas, Juda–Jehud–Israel. Studien zum Selbstverständnis des Judentums in persischer Zeit (FAT 12), Tübingen 1995. Williamson, Hugh G.M., Ezra, Nehemiah (WBC 16), Nashville, Tenn. 1985. Zakovitch, Yair, Das Buch Rut. Ein jüdischer Kommentar (SBS 177), Stuttgart 1999. Zenger, Erich, Das Buch Ruth (ZBK 8), Zürich 1986.
Interreligiöse Ehen im literarischen Diskurs des 1./2. Jahrhunderts Plutarch und der Erste Petrusbrief im Vergleich Aliyah El Mansy Die Interdependenz von Geschlecht und Religion kann besonders an konflikthaften Lebenssituationen veranschaulicht werden. Einer dieser Konfliktfälle im antiken literarischen Diskurs ist die interreligiöse Ehe. Anhand zweier literarischer Beispiele aus dem 1./2. Jahrhundert wird der Konstruktion und der wechselseitigen Abhängigkeit von Geschlecht und Religion nachgegangen. Einen Eindruck von einer möglichen literarischen Geschlechterund Religionskonstruktion der Zeit können die Texte von Plutarch über Mark Anton und Kleopatra geben. Sie veranschaulichen exemplarisch eine negative literarische Darstellung durch Zuschreibung nicht akzeptierter Verhaltens- und Rollenmuster. Dem Ersten Petrusbrief ist dieser Werte- und Normenkontext bekannt, so dass er versucht darzulegen, dass der Einfluss christlicher Ehefrauen genau den Werten und Verhaltensnormen entspricht, die auch in der römischen Gesellschaft geschätzt werden. In dem Beitrag werden dabei auftretende Ambivalenzen nachgezeichnet, die über eine missionarische Anpassungsstrategie hinausgehen und vielmehr den gesellschaftlich vorgegebene Rahmen gleichzeitig erfüllen, dehnen und destabilisieren.
Zur Untersuchung der Interdependenz von Geschlecht und Religion1 bieten sich Diskurse über interreligiöse Ehen an. Dort werden konzentriert Fragen nach der Konstruktion von Geschlecht und Religion aufgeworfen. Sowohl im Tanach (z.B. Deuteronomium, Esra und Nehemia, Ruth), im Neuen Testament (beispielsweise 1 Korinther, Apostelgeschichte), Literatur aus der Zeit des Zweiten Tempels (wie Jubiläenbuch, Tobit, Joseph und Aseneth) als auch bei manchen Apologeten (Justin, Tertullian) werden Ehen zwischen Angehörigen verschiedener Religionen diskutiert. In der kaiser1 Unter Geschlecht wird in diesem Beitrag das soziale Geschlecht als Konstruktion innerhalb eines Werte-, Normen- und Symbolsystems einer Gesellschaft verstanden. Religion ist Ausdruck, Legitimation und konstruierendes Element dieses Systems und manifestiert sich in Kultzugehörigkeit (Ahnenkulte, Stadtkulte, Stammes- bzw. Ethnienkulte, übergreifende Kulte). Die „richtige Religion“ ist die von Rom als richtig und korrekt anerkannte Praxis verschiedener Kulte, ihr Gegenteil superstitio (Aberglaube). Das Wort „Moral“ wird verwendet, um die in einer Gesellschaft mehrheitlich als gültig anerkannten Verhaltensweisen, Konventionen, Prinzipien, Normen und Werte zusammenzufassen.
156
Aliyah El Mansy
zeitlichen Literatur wird wenig über interreligiöse Ehen debattiert. Eine Ausnahme bildet die literarische Darstellung von Mark Anton und Kleopatra, da hier sowohl Geschlecht als auch Religion thematisiert werden. Mark Anton und Kleopatra sind ein wiederkehrendes Thema der überlieferten Geschichtsschreibung.2 Welche Rolle spielt das Geschlecht und welche die Religion in diesen Texten, in denen die Partnerschaft zwischen einem römischen Feldherrn und einer ägyptischen Königin thematisiert wird ? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, soll in diesem Beitrag mit Plutarch eine Position des 1./2. Jahrhunderts zum Thema interreligiöse Ehen analysiert werden. Seine Vorstellungen von Geschlecht und Religion und ihren Interdependenzen sollen beispielhaft sichtbar gemacht werden. Daneben wird eine andere Stimme aus der Zeit zu Gehör gebracht, die sich mit Religion in der Ehe beschäftigt : Der Erste Petrusbrief verhandelt Fragen der Identität und des Lebens der christlichen Gemeinschaften in der nichtchristlichen Umwelt. Dabei werden lebenspraktische Fragen aufgeworfen und die Herausforderung besteht darin, den christlichen Gemeinschaften zu vermitteln, wie sie in dieser Welt gottgemäß leben und diese gleichzeitig für die eigenen Überzeugungen gewinnen können, ohne sich dabei den Konventionen, Werten und Moralvorstellungen dieser Welt anzupassen.3 Die Aussagen des Ersten Petrusbriefes über das empfohlene Verhalten christlicher Männer und Frauen in einer Ehe und die Rolle unterschiedlicher Religionen im Zusammenleben sollen dabei im Fokus stehen. Die verbindende Frage zwischen den Texten Plutarchs über Mark Anton und Kleopatra auf der einen und dem Ersten Petrusbrief auf der anderen Seite soll in der folgenden Untersuchung sein, wie der Zusammenhang von Geschlecht und Religion in interreligiösen Ehen literarisch thematisiert werden konnte. Dafür wird zunächst entfaltet, wie nach nichtchristlichen Vorstellungen Geschlecht und Religion in einer Ehe konstruiert werden können. Danach wird anhand der Darstellung der Beziehung von Kleopatra und Mark Anton gezeigt werden, wie der literarische Diskurs auf Überschreitungen dieses vorgesteckten Erwartungsrahmens reagierte. Anschließend werden die Anweisungen zum Verhalten christlicher Ehefrauen und Ehemänner in interreligiösen Ehen im dritten Kapitel des Ersten Petrusbriefes analysiert. Eine abschließende Zusammenfassung bündelt die Ergebnisse.
2 Dabei handelt es sich um Geschichtsschreibung aus der Perspektive der „Sieger“, denn Mark Anton und Kleopatra waren Widersacher Oktavians, des späteren Augustus. Die Quellen spiegeln diese Sicht auf die Ereignisse wider. 3 Diesen Spagat formuliert pointiert Ben Witherington III, Letters and Homilies, 127.
Interreligiöse Ehen im literarischen Diskurs
157
I. Geschlecht und Religion in der Ehe Plutarch gibt in seinen Eheregeln (coniugalia praecepta ; Mor. 138A–146A) einem jungen Brautpaar aus seinem Schüler- und Schülerinnenkreis Empfehlungen für eine gelungene Ehe. Er verfasste diese kleine Schrift Ende des 1. oder Anfang des 2. Jahrhunderts. Eigene Freunde darf die Frau nicht haben, sondern nur die des Mannes gemeinsam mit ihm ; die ersten und wichtigsten Freunde aber sind die Götter. Deshalb muss auch die Ehefrau nur die Götter, an die der Mann glaubt [νομίζω], verehren [σέβομαι] und anerkennen [γιγνώσκω], aber überflüssigen Gottesdienst [θρησκεία] und ausländischen Aberglauben [ξένα δεισιδαιμονία] die Tür verschließen. (Plutarch, Mor. 140D)4
Die Sätze repräsentieren die auch in anderen literarischen Zeugnissen der Zeit belegte Überzeugung, dass ein Ehepaar an allen materiellen Besitztümern und immateriellen Werten gemeinsam Anteil haben sollte.5 Dazu gehört, wie der Textausschnitt zeigt, auch die Verehrung von Gottheiten. Nach Plutarch bestimmt dabei der Mann, um welche Götter es sich konkret handelt. Plutarch konstruiert hier ein Gegenüber von den zu verehrenden Göttern des Mannes auf der einen und den dem Haushalt fernzuhaltenden fremden Ritualen und Aberglauben6 auf der anderen Seite. Die Gottheiten der Frau spielen dabei überhaupt keine Rolle. Die Götter, wie auch der Ahnenkult, werden vom Mann mit in die Ehe gebracht und legen den Rahmen der kultischen Verehrung der Hausgemeinschaft fest. 4
Übersetzung Wilhelm Sieveking. Gedanken des Verschmelzens und engen Zusammenlebens der beiden Eheleute z.B. Mor. 139D ; 142D–143A ; Mus. Ruf., Diatr. 13A ; Tac., Agr. 6. Susan Treggiari zeigt auf, dass dieser Gedanke auch schon bei den Griechen verbreitet war. Sie weist besonders auf Xenophon und seine Schrift Oeconomicus hin, deren Gedanken im 1. Jahrhundert v.Chr. in der römischen Oberschicht weit verbreitet waren. Vgl. Susan Treggiari, Roman Marriage, 185–187.209.251–253. Der Gegendiskurs, der die negativen Aspekte einer Ehe betont, findet sich vor allen Dingen bei Juvenal in seiner sechsten Satire (z.B. Zeilen 28–37 ; 506–511). 6 Plutarch selbst beschreibt in Mor. 164E–165C δεισιδαιμονία (Furcht vor Göttern ; Aberglaube). Die Furcht vor Göttern (Aberglaube) zeichnet sich dadurch aus, dass sie aus πάθος, den Gefühlen, Begierden, Affekten, Gemütsbewegungen, Empfindungen, hervorgeht. Dies ruft eine Angst hervor, die einen Menschen vollkommen kleinmütig macht (εvκταπεινόω) und niederschmettert (συντρίβω), weil er glaubt, dass die Götter Beschwerden und Schaden verursachen. In Plutarchs Wortlaut wird eine abergläubische Person in die falsche Richtung bewegt und ist verdreht. In seiner Untersuchung zu Plutarchs Schrift über Aberglaube stellt H. Armin Moellering heraus, dass es sich bei δεισιδαιμονία um eine im Kern pervertierte Frömmigkeit handelt, die aus unangemessener Furcht, Angst und Unwissenheit be- und entsteht. Sie wird von Plutarch als Krankheit, Störung und eine Schwäche, die vor allen Dingen Frauen auszeichnet, verstanden. Die abergläubische Person entfernt sich von der Religion der Vorfahren und Vorfahrinnen und neben Frauen werden vor allen Dingen Fremde mit Aberglauben in Verbindung gebracht. Siehe H. Armin Moellering, Plutarch on Superstition, 61–74. 5 Vgl. zum
158
Aliyah El Mansy
Plutarchs Ausführungen zeigen eine starke Tendenz zur Einheitlichkeit auf. Präziser ausgedrückt spiegelt sich in dieser Haltung eine androzentrische Homogenität wider, die sich darin äußert, dass der Mann bestimmt, welche Formen kultischer Verehrung im Haus stattfinden. Der Mann dominiert den sozialen und religiösen Bereich der Ehegemeinschaft. Innerhalb dieser hegemonialen Struktur werden konkrete Aussagen über die Aufgaben von Ehemännern und Ehefrauen bezüglich der Religion gemacht : Die Frau wird dazu angehalten, die Götter ihres Ehemannes zu verehren und dafür zu sorgen, dass keine fremden Einflüsse in die Hausgemeinschaft eindringen. Der Mann dagegen muss seine Beziehung zu den Göttern pflegen und vorgeben, welche Gottheiten in seinem Haushalt verehrt werden sollen. Plutarch konstruiert den Mann als die Person, die die richtige Götterverehrung vorgibt, und die Frau als diejenige, die ihm darin folgt. Gleichzeitig kommt der Frau die Aufgabe zu, die Hausgemeinschaft gegen fremde Einflüsse zu schützen und dafür zu sorgen, dass keine anderen als die vom Mann vorgegebenen Kulte in das Haus Einzug halten. Als die „richtige Religion“ erscheint hier das, was nicht von der Vorgabe des Mannes abweicht und sonst fremd wäre. Gerade beim Thema Ehe lässt sich häufiger beobachten, dass verschiedene Bereiche wie Religion, Geschlechterkonstruktionen, Besitz und Staat von antiken Autoren miteinander verwoben werden. Zwei wichtige Schlagwörter des Ehediskurses sind dabei Eintracht (concordia) und Stabilität (rubor).7 Denn Eintracht und Stabilität eines Haushaltes wirkten sich nach damaliger Vorstellung auf das ganze Gemeinwesen aus und wurden als Grundlage für die Stabilität und Prosperität des gesamten Staates angesehen.8 Auch die verschiedenen Kulte garantierten diese Staatsstabilität. Sie sollten die Pax Romana aufrechterhalten und gewährleisten. Fremde Einflüsse konnten ein Gefahrenpotential darstellen für dieses Gleichgewicht zwischen Ehe, Kult und Staat. Vor allem fremde Sitten und Moralvorstellungen, Verhaltensweisen und Kultpraktiken wurden als bedrohlich für die Eintracht und Stabilität wahrgenommen.9 7 Diese beiden Begriffe fallen nicht immer ausdrücklich, der Sache nach werden sie aber in verschiedenen Texten beschrieben. Wortwörtlich so z.B. bei Tac., Agr. 6 (datiert auf 98 n. Chr.), wo er die Ehe zwischen seinem Schwiegervater und seiner Schwiegermutter mit diesen Worten charakterisiert : „Diese Ehe gab dem nach Größerem Strebenden Ansehen und Festigkeit [decus ac robur]. Und sie lebten in wunderbarer Eintracht [mira concordia].“ Übersetzung nach Karl Büchner. 8 Plut., Mor. 144 B/C ; Mus. Ruf., Diatr. 14 ; Dion. Hal., Ant. 2,24,2. 9 Vgl. die Verbote rund um den Kult der Mater Magna, den Bacchanalienskandal, die Verfolgung der Druiden, die Ausweisung der Isis-Anhängerinnen und -Anhänger, Astrologen, Zauberinnen, das Verbot von Magie, Kannibalismus oder Asylrecht. Vgl. Mary Beard/ John North/Simon Price, Religions of Rome, 228f. Zu den Druiden vgl. Rudolf Freudenberger, Das Verhalten der römischen Behörden, 86–91. Die verschiedenen Verfolgungen und Verbote sind z.B. belegt bei Dion. Hal., Ant. 2,19 ; Suet., Gramm. 25,1–2 ; Suet., Claud. 25,5 ; Cass. Dio. 52,36,3 ; Tac., Ann. 2,32,3. Dass das Christentum als Gefährdung des Staates
Interreligiöse Ehen im literarischen Diskurs
159
Dieses Vorstellungs- und Wertesystem konnte mit Ehen konfrontiert werden, die diesem Idealbild nicht entsprachen. Eine mögliche Reaktion auf eine Ehe, in der die Frau einem als fremd und abergläubisch eingeschätzten Kult anhing und ihren Ehemann religiös beeinflusste, wird literarisch greifbar in den Bemerkungen Plutarchs zur Partnerschaft von Kleopatra und Mark Anton.
II. Mark Anton und Kleopatra Aufgrund seiner Rolle im römischen Bürgerkrieg wird Mark Anton in den erhaltenen Quellen überwiegend negativ dargestellt. Hier wird deutlich, dass der Verlierer von Schlachten meistens auch der Verlierer der nachfolgenden Geschichtsschreibung ist. Die Darstellung der ägyptischen Königin Kleopatra VII. in den literarischen Zeugnissen ist ambivalent. So kann Horaz sie in seiner 37. Ode als umgeben von einer „unreinen Schar von Männern“ (V.9), vor Glück rasend und trunken (V.11f) und als „verderbendrohende[s] Scheusal“ (V.21) beschreiben, um sie dann im letzten Vers angesichts ihres Mutes (gegenüber den kriegerischen Auseinandersetzungen und zuletzt wegen ihres Selbstmordes) bewundernd als „ungewöhnliche Frau“ (V.32) zu bezeichnen10. Dennoch stellen die erhaltenen literarischen Zeugnisse auch Kleopatra zweifellos eher negativ dar. Die Person der ägyptischen Königin bot eine gute Gelegenheit, einen Teil der Verantwortung der Auswirkungen des innerrömischen Bürgerkriegs auf sie als äußere Feindin und ihre Einmischung abzuwälzen. Plutarchs Darstellung kann insgesamt als Versuch gelesen werden, zu erklären, wie ein römischer Aristokrat sich gegen sein eigenes Volk wenden konnte. Dabei hat nach Plutarch Kleopatras Einfluss eine wichtige Rolle gespielt. Vordergründig wollen seine Texte über die beiden Staatsfeinde Kleopatra und Mark Anton berichten. Es lässt sich aber anhand Plutarchs Ausführungen sehr gut beobachten, wie hier Geschlecht und Religion in einer Partnerschaft literarisch konstruiert werden. Plutarch widmet Kleopatra keine eigene Schrift, sondern sie kommt vor allen Dingen in den Biographien Caesars und Mark Antons vor. Weil es um die Beziehung zwischen ihr und Mark Anton gehen soll, wird im Folgenden hauptsächlich Plutarchs Parallelbiographie über Mark Anton (nach
angesehen wurde, da die staatlich anerkannten Kulte und Opfer vernachlässigt wurden, macht Plinius der Jüngere besonders deutlich in seinem Brief an Trajan (112 n. Chr.). Interessanterweise stammt der Brief aus der Provinz Pontus und Bithynien, an die auch der Erste Petrusbrief (fiktiv) gerichtet ist (1 Petr 1,1). Vgl. Plin., Epist. 9–10. 10 Zitiert nach Gerhard Fink.
160
Aliyah El Mansy
96 n. Chr.) herangezogen (Ant. und Comp. Demetr. Ant.).11 Fulvia, Kleopatra und Oktavia sind die drei bekanntesten Frauen, die im Leben des Triumvir eine Rolle spielten und mit denen er (vermutlich) eine Ehe schloss.12 Die jeweiligen Charakterisierungen sind gleichzeitig ideale Konstruktionen und moralische Bewertungen. Fulvia, verheiratet mit Mark Anton bis zu ihrem Tod (44–40 v. Chr.), zeigt strategisches Denkvermögen, politisches Geschick sowie den Willen und das Selbstbewusstsein, die Interessen ihrer Familie zu artikulieren und mit Ausdauer zu verfolgen (Ant. 28,1). Plutarch bewertet ihre Ambitionen kritisch und verspottet sie geradezu für ihre politische Einflussnahme : Und zwar vermählte er sich mit Fulvia, der Witwe des Demagogen Clodius, einer Frau, die nicht Wollarbeit und Hauswirtschaft im Sinn hatte, auch sich nicht begnügte, einen einfachen Mann zu beherrschen, sondern einen führenden Mann führen und einen General kommandieren wollte, so dass Kleopatra der Fulvia eigentlich Lehrgeld schuldete für die Gewöhnung des Antonius an ein Frauenregiment [γυναικοκρατία], da sie ihn als einen Mann in die Hand bekam, der schon völlig gezähmt und von Anfang an dazu erzogen war, Frauen zu gehorchen. (Plut., Ant. 10,3)13
11 Die Beziehung von Kleopatra und Mark Anton wird in Ant. 10 ; 25–31 ; 36–37 ; 50– 51 ; 53–54 ; 56–59 ; 62 ; 66–67 ; 71 ; 74 ; 76–77 und Comp. Demtr. Ant. 1–4 thematisiert. Interessanterweise ist das Ende der Biographie nicht mehr Mark Antons Schicksal gewidmet (er stirbt in Kapitel 77), sondern Kleopatra (78–81). 12 Daneben gab es aber noch viele andere Personen, zu denen Mark Anton (sexuelle) Beziehungen unterhielt. Vor der Ehe mit Fulvia war er mit zwei anderen Frauen verheiratet (mit Fadia und seiner Cousine Antonia) und hatte daneben auch öffentlich bekannte nichteheliche Beziehungen wie mit der Schauspielerin Cytheris oder Messala, einem Gefolgsmann des Brutus. Vgl. zu den verschiedenen Frauen und den negativen Reaktionen der römischen Aristokratie Jack Lindsay, Cleopatra, 142–149, ebenso zu den Frauen (mit einem kurzen Hinweis zu seinem Liebhaber Messala) bei Sally-Ann Ashton, Cleopatra and Egypt, 149–152. Es ist in der Forschung aufgrund der Quellenlage umstritten, ob Kleopatra und Mark Anton verheiratet waren. Sicher ist, dass ihre Beziehung um 41/40 v.Chr. begann und bis zu ihrer beider Tod im Jahr 30 andauerte. Plutarch selbst interpretiert in Comp. Demetr. Ant. 1,3 und 4,1, dass Kleopatra und Mark Anton verheiratet gewesen seien. Duane W. Roller, Cleopatra. A Biography, 100f, bezweifelt dies nicht nur aufgrund des Schweigens über eine Ehe bei Josephus (der allerdings Mark Anton in c. Ap. 2,59 als Kleopatras Ehemann bezeichnet), Cassius Dio oder ägyptischen Dokumenten, sondern auch weil es aus politischen Gründen ungeschickt gewesen wäre, da es seine Position in Rom geschwächt hätte. Jedoch erweckt die Inszenierung des Paares als hellenistisches Herrscherpaar auf Münzporträts durchaus den Eindruck, sie hätten in einer Ehe gelebt. Anders z.B. Joann Fletcher, Cleopatra the Great, 264f, die eine Eheschließung auf 37 v. Chr. datiert und sich dafür auf Suet. Aug. 69 und Athen. deipn. 4,147 stützt. Auch falls es keine (formale) Eheschließung gegeben hat, so zeigen die Zeugnisse, dass die beiden sich selbst als Paar darstellten und auch von der Umwelt und Nachwelt so wahrgenommen wurden (wenn auch wohl zum Teil aus polemischen Gründen). 13 Übersetzung Konrat Ziegler.
Interreligiöse Ehen im literarischen Diskurs
161
Fulvia wird zunächst zugeschrieben, dass sie die Aufgaben einer Ehefrau nicht wahrnimmt : Sie spinnt keine Wolle und kümmert sich nicht um die Aufgaben, die in einem Großhaushalt anfallen. Sie übt demnach einige Pflichten nicht selbst aus, um sich Dingen zuzuwenden, die außerhalb der engeren Sphäre des Haushaltes liegen. Sie erscheint in der Beschreibung als herrschsüchtig und anmaßend in ihrem Bestreben, allein das Sagen zu haben. Dem Text nach habe sich Mark Anton in der Ehe mit Fulvia daran gewöhnt, einer Frau zu gehorchen. In einer Prolepse zeigt Plutarch, dass hier der Grundstein dafür gelegt wurde, dass sich Mark Anton auch später der fremden ägyptischen Königin unterwirft. In einer Verkehrung der Rollenzuschreibungen und Aufgabenverteilung nehmen die darauffolgenden unzähligen kriegerischen Auseinandersetzungen und abschließend der Selbstmord des Mark Anton ihren Anfang. Detailreich zeichnet Plutarch den persönlichen Verfall des Römers nach, der seiner Beurteilung nach Kleopatra zuzuschreiben ist (Ant. 28,1–2 ; 66,5)14 und das römische Reich in einen Bürgerkrieg stürzte (Ant. 54,2–3). Auch wenn Mark Anton nach Plutarch in der Ehe mit Fulvia unter ihrem Regime steht, so kann ihn Plutarch dennoch als pflichtbewusst und mit den Traditionen der Vorfahren verbunden beschreiben : Er hat eine humoristische Ader und spielt seiner Frau auch einmal einen Scherz. Seiner Neigung zum Vergnügen und zur Unterhaltung geht er durch den Besuch von und der Teilnahme an literarischen Diskussionen, Spielen und religiösen Ritualen nach (Ant. 22,2). Mark Anton wird als Aristokrat beschrieben, der den Erwartungen der Gesellschaft weitestgehend entspricht.15 Dies findet jedoch ein jähes Ende, als er in Leidenschaft für Kleopatra entbrennt. Die Liebe zur ägyptischen Herrscherin verdirbt ihn moralisch : Bei dem so gearteten Charakter des Antonius kam als letztes Übel [κακόν] über ihn seine Liebe [ἔρως] zu Kleopatra, brachte viele Leidenschaften, die noch verborgen in ihm schlummerten, zu hellem Aufflammen, und wenn sich noch etwas Gesundes und Heilsames [χρηστόν ἢ σωτήριον] in ihm sich widersetzen wollte, unterdrückte und vernichtete sie das vollends. (Plut. Ant. 25,1)16
In der Persönlichkeit Mark Antons finden sich dem Text zufolge alle schlechten Eigenschaften bereits angelegt.17 Sie treten aber laut Plutarch erst durch die Liebe zu Kleopatra offen zu Tage. Dieser Leidenschaft scheint 14 Allerdings wird sein Untergang ihm an anderer Stelle auch persönlich zugeschrieben. Vgl. Comp. Demetr. Ant. 6,1. 15 Positiv werden seine Großzügigkeit, sein taktisches Geschick, seine kriegerische Unternehmungslust, Führungsqualitäten, Durchsetzungsvermögen, Ausdauer, Bodenständigkeit, Großzügigkeit und Geselligkeit hervorgehoben. Vgl. Ant. 3,2–6 ; 8,1–3 ; 17,2–3 ; 43,2–3. 16 Übersetzung Konrat Ziegler. 17 Auch an anderen Stellen werden sein Hang zu Alkohol, Luxus, Orgien und Nichtstun sowie seine Schlichtheit, langsame Auffassungsgabe und Vertrauensseligkeit herausgestellt. Vgl. Ant. 9,2–6 ; 17,3 ; 24,6–8.
162
Aliyah El Mansy
Mark Anton nichts entgegenzusetzen zu haben. Sie wirkt übermächtig und zerstörerisch. Diese Maßlosigkeit der Gefühle und ihre destruktiven Auswirkungen sind Ausdruck für den unheilvollen Charakter der Beziehung. In seiner Darstellung stellt Plutarch Kleopatra als die Verursacherin einer derartig übermäßigen Liebe dar, die eine Person vollkommen zerstören kann (Ant. 66,5). Kleopatra setzt immer wieder ihre Schönheit18, ihren Reichtum, ihren Intellekt, ihre Menschenkenntnis und ihren Charme ein, um ihre Ziele zu erreichen (Ant. 25,4 ; 27,1–4). So schafft sie es, einflussreiche und mächtige Männer in ihren Bann zu schlagen. Plutarch benutzt an dieser Stelle Vokabular aus dem Bereich der Magie und Zauberei. Dadurch erscheint Kleopatra im Gegensatz zu Fulvia weitaus gefährlicher, weil sie mit Praktiken in Verbindung gebracht wird, denen gegenüber man in Rom sehr misstrauisch war. Magie und Zauberei wurden im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verfolgt und aufs Härteste bestraft. Kleopatras Wirkung wird mit denen von Drogen (φάρμακον), magischen Ritualen (γοητεία, Ant. 37,4) und Liebeszaubern (φίλτρον, Ant. 25,4) verglichen. Die ägyptische Königin verkörpert also fremde Rituale, vor denen Plutarch in dem eingangs erwähnten Zitat gewarnt hatte und die nicht in ein Haus eingelassen werden sollten. Als Kontrastfolie zu ihr wird Oktavia (verheiratet mit Mark Anton von 40 v. Chr. bis zu ihrer Scheidung 32 v.Chr.), die verwitwete Schwester Oktavians, zu einer perfekten römischen Ehefrau stilisiert,19 die dem zerrissenen und umkämpften Reich Frieden und Harmonie bringen sollte (Ant. 31,2 ; 56,2). Doch favorisierte Mark Anton nach der Eheschließung mit ihr weiterhin Kleopatra und diese setzte alle denkbaren Mittel ein und wendete Tricks an, um ihn von Oktavia fernzuhalten und den Einfluss über ihn nicht zu verlieren (Ant. 53,3–6). Nach Plutarch schien Mark Anton Kleopatra derartig verfallen gewesen zu sein, dass er ihren Befehlen widerstandslos gehorchte. So habe er Spott hervorgerufen, weil er sich nicht seiner gesellschaftlichen Stellung entsprechend verhalten habe (Ant. 26,3–4). Während Rom durch innere und äußere bewaffnete Konflikte bedroht worden sei, habe er sich, von Kleopatra ermutigt, Vergnügungen hingegeben (Ant. 28,1–2). Wo Plutarch noch in seiner Hochzeitsschrift die Verschmelzung eines Paares lobend hervorgehoben hat, verkehrt sich die Bewertung der Einheit nun in der Beziehung zwischen 18 Es wird allerdings an späterer Stelle die Ansicht über ihre überragende Schönheit revidiert und betont, dass ihre Schönheit nicht überwältigend und unvergleichlich gewesen sei (Ant. 27,2). 19 Plutarch schreibt, sie sei schön gewesen, habe Verstand und vor allen Dingen Würde (σεμνότης, Ant. 31,2 ; 53,3) besessen, sich um ihre Stiefkinder gekümmert und sich in der Abwesenheit ihres Mannes so verhalten, als sei er da, und seinen Bekannten geholfen (Ant. 54,2–3). Zudem sei sie darum bemüht gewesen, den Bürgerkrieg zu schlichten (Ant. 56,2) oder zumindest nicht noch anzufeuern (Ant. 57,3), und sei folglich sehr beliebt gewesen sowohl innerhalb als auch außerhalb Roms (Ant. 57,2–3).
Interreligiöse Ehen im literarischen Diskurs
163
dem Römer und der Ägypterin vollständig. Gemeinsam schwelgten sie in allen möglichen Extravaganzen, lebten voller Verschwendung – besonders der Zeit, wie Plutarch betont – und ohne jegliche Verantwortung (Ant. 29,1–3). Fast wie ein Rausch scheint die Beziehung in den Beschreibungen Plutarchs. Passend dazu wird schon eine ihrer ersten (literarischen) Begegnungen mit dem Aufeinandertreffen von Venus und Bacchus verglichen (Ant. 26,3). An anderer Stelle wird berichtet, dass Kleopatra als die neue Isis (ägyptische Entsprechung zu Venus) verehrt und Mark Anton als neuer Dionysos bezeichnet wird (Ant. 54,6 ; 60,3). Diese zu ihren Lebzeiten geschehene Gleichsetzung Kleopatras und Mark Antons mit Gottheiten stellt eine besondere Hybris dar und entspricht nicht den römischen Gepflogenheiten. Plutarchs Darstellung scheint zu implizieren, dass diese religiöse Anmaßung von der ersten Begegnung an angelegt war. Dieses Verhalten wird Kleopatras Einfluss zugeschrieben, da Mark Anton ihr in nichts nachstehen wollte. Plutarchs Einschätzung nach ist ein schleichender Prozess zu beobachten, der zur Vergöttlichung des Mark Anton führte : Nach der Begegnung mit Kleopatra und deren negativer Einflussnahme markiert die Benennung der ersten Kinder, eines Zwillingspaares, die zweite Station auf diesem Weg hin zur literarischen Vergöttlichung. Sie werden Alexander Helios und Kleopatra Selene genannt (Ant. 36,3). Somit erscheinen Kleopatra und Mark Anton als die Eltern von Sonne und Mond.20 Als abschließender Höhepunkt wird Mark Anton bei Plutarch dann als Dionysos vorgestellt. Nur angedeutet werden kann hier, welche Wertungen dieser Vergleich des Paares Kleopatra und Mark Anton mit dem Götterpaar bei Plutarch impliziert : Viele der Dionysios zugeschriebenen Eigenschaften (orgiastische Feste, Weingenuss und Trunkenheit, ungehemmte Sexualität, Wahnsinn, Freude und Ausgelassenheit) lassen sich auch in der Darstellung Mark Antons wiederfinden. Zugleich ist allgemein das Verhältnis des römischen Staates zu der Gottheit und den zu seinen Ehren gefeierten Bacchanalien hoch ambivalent, weil die große Zahl der Anhängerinnen und Anhänger und die ausgeübten Rituale als Bedrohung wahrgenommen wurden (ähnlich beim Isis-Kult).21 Bemerkenswert ist bei Plutarch, dass selbst Kleopatra ihren Geliebten vor anderen Leuten der Lächerlichkeit preisgibt. Sie lässt ihn gesalzene Heringe fischen und demütigt ihn so vor der versammelten Gesellschaft (Ant. 29,3–4). Wieder erscheint Kleopatra als diejenige, die alle Fäden in der Hand hält. Mark Anton wird als derjenige beschrieben, der sich zu ihrem Spielball gemacht hat und sich unwürdig verhält. Besonders schwerwie20 Vgl. zur symbolischen Deutung dieses Bildes (Sonne und Mond galten in der griechischen Vorstellung als Begleiter des Sieges) und zu den politischen Bezügen zu den Ptolemäern Fletcher, Cleopatra the Great, 263f. 21 Zur Verfolgung und Einschränkung des Dionysios-Kultes 186 v.Chr. vgl. den Bericht bei Livius im 39. Buch und den Senatsbeschluss (CIL I2 581). Zur Ausweisung von IsisAnhängerinnen und Anhängern aus Rom und Italien s. Suet., Tib. 36 und Tac., Ann. 2,85,4.
164
Aliyah El Mansy
gend sei dabei, dass er sein politisches Engagement vergessen und sich den Geschicken Roms nicht mehr verpflichtet gefühlt habe (Ant. 30,1). Diese Pflichtvergessenheit wird dem Einfluss Kleopatras zugeschrieben und nicht zuletzt ihrer Fremdheit. Laut Plutarch schlug sich diese in Verhaltensweisen nieder, die die übrige römische Gesellschaft aufs äußerste befremdeten. Mark Anton kleide seine mit Kleopatra gezeugten Söhne unrömisch und verleihe ihnen den Titel „Könige der Könige“ (Ant. 54,4–5). Die Geringschätzung der römischen Kleidung und die Aneignung fremder Titulaturen im Stile einer Erbmonarchie versinnbildlichen für Plutarch, dass Mark Anton sich außerhalb der Traditionen und Sitten seiner Heimat stellt. Nach der Gefangennahme des armenischen Herrschers Artavasdes, führt Mark Anton diesen zum großen Entsetzen seiner Landsleute in einem Triumphzug in Alexandrien vor : Damit kränkte er die Römer besonders, weil er die höchste Ehre und Auszeichnung, die das Vaterland zu vergeben hatte, Kleopatra zuliebe den Ägyptern zugute kommen ließ [wörtlich : weil er die ehrenvollen Beschäftigungen und die ehrwürdigen [Dinge] des Vaterlandes den Ägyptern um Kleopatra willen willig darbrachte]. (Plut., Ant. 50,4)22
Auf die Sitten und Rituale der Vorfahren und des eigenen Landes rekurriert die kaiserzeitliche Literatur meistens hochachtungsvoll und wertschätzend (vgl. z.B. Horaz, Tacitus, Sueton, Dionysius von Halikarnassos). Eine besondere Stellung nimmt der Triumphzug ein.23 Er war eingebettet in das soziale, rituelle, politische und kulturelle Geflecht der römischen Gesellschaft.24 Mark Antons Verhalten konnte als Angriff auf die römische gesellschaftliche Struktur verstanden werden. So schreibt Plutarch dann auch, dass jener mit seinem Verhalten nicht nur die Römerinnen und Römer brüskiert, sondern zusätzlich die römischen Traditionen und mit ihnen die Ahnen verraten habe. Er habe das preisgegeben, was geschützt hätte werden müssen. Darüber hinaus habe er diese „höchste Ehre und Auszeichnung“ des Vater22
Übersetzung Konrat Ziegler. Zu den religiösen und politischen Aspekten und den rituellen Elementen des Triumphzuges vgl. z.B. einführend Wilhelm Ehlers, Art. Triumphus, 493–511, oder grundlegend Mary Beard, Roman Triumph. Sie weist u. a. auf die Verknüpfung der Konzepte der Vergöttlichung mit der des Triumphators hin (233–244). Die Verwischung der Grenzen zwischen göttlicher und menschlicher Sphäre im Rahmen eines Triumphzuges passt auch in das sonst gezeichnete Bild der Vergöttlichung des Mark Anton. Plutarch bezeichnet die durchgeführte Zeremonie als Triumphzug. Es ist unklar, ob es sich wirklich um einen Triumphzug handelte. Es gab durchaus kleinere Varianten zum Triumphzug außerhalb Roms, wie die ovatio oder einen Triumphzug auf dem Berg Albano. Entscheidend ist an dieser Stelle jedoch, dass Plutarch das von Mark Anton durchgeführte Ritual als Triumphzug interpretiert. Bei Beard, Roman Triumph, 267–269 ist nachzulesen, dass manche dies als oktavianische Propaganda verstehen und hinter dem Ritual ein Dionysus-Fest vermuten. 24 Vgl. Beard, Roman Triumph, 265. 23
Interreligiöse Ehen im literarischen Diskurs
165
landes an sich gerissen, ohne wie üblich mit dem Senat, der politischen Führung, zu verhandeln, ob sie ihm die Ehre eines Triumphzuges genehmigen würden. Die Darstellung Plutarchs kann dahingehend interpretiert werden, dass Mark Anton sich außerhalb der Konventionen, Macht- und Hierarchiestrukturen seiner Gesellschaft stellt. Zugleich aber macht Plutarch darauf aufmerksam, dass Mark Anton dem römischen Volk damit noch mehr vorenthalten habe. Er habe ihm die Gelegenheit verwehrt, die Macht und Hierarchie der römischen Gesellschaft in Szene zu setzen, ein wichtiger Bestandteil von Triumphzügen. Stattdessen kam das ägyptische Volk in den Genuss dieser öffentlichen Abbildung und Aufführung der Überlegenheit. Mark Anton verstößt nach der Bewertung Plutarchs sowohl gegen religiösrituelle, politische wie gesellschaftliche Konventionen. Falls angenommen werden kann, dass zu einem Triumphzug auch noch eine Speisung gehörte, die eine Tischgemeinschaft im symbolischen Sinn herstellte,25 macht Plutarch in der Darstellung Mark Antons deutlich, dass er keine Gemeinschaft mehr mit seiner Herkunftsgesellschaft haben wollte, sondern die Gemeinschaft mit den Fremden bevorzugte. Für Plutarch liegt die Ursache für dieses beispiellose Verhalten darin, dass Mark Anton zum einen nicht monogam gelebt habe, „eine Tat, die kein Römer gewagt hatte“, und zudem „seine einheimische (ἀστή) und rechtmäßige Ehefrau gegen die Fremde (ξένος)“ getauscht habe (Comp. Demetr. Ant. 4,1)26. Er habe sein Verhalten also nicht mehr an römischen Moralvorstellungen ausgerichtet und zudem unrechtmäßig eine fremde Frau geheiratet. Der Einfluss der fremden Frau ist für Plutarch die Erklärung dafür, wieso Mark Anton in einer derartigen Weise die Gesetze, Sitten und Gebräuche seiner Heimat brach. Fulvia war demnach zwar auch keine ideale Ehefrau, doch hat sie ihn nicht zu Landesverrat getrieben, sondern an seine römischen Wurzeln und damit einhergehenden Pflichten erinnert. Die Darstellung bei anderen antiken Autoren ähnelt dem hier Vorgestellten : Mark Anton sei von einer Leidenschaft getrieben gewesen, die zu Demoralisierung geführt habe.27 Die Charakterisierungen der Frauen und Mark Antons zeigen deutlich, dass es bei Plutarch und anderen Autoren klare Vorstellungen gab, wie sich Frauen und Männer einander, dem Staat und überkommenen Traditionen gegenüber, die sich auch in Kulten ausdrücken, zu verhalten haben. Es werden literarisch „römische Frauen“, die „fremde Frau“ und der „römische Mann“ konstruiert. Letzterer verliert durch den 25 Vgl. zur Diskussion der verschiedenen um einen Triumphzug stattfindenden Aktivitäten Beard, Roman Triumph, 263–266. Sie stellt fest, dass es keine klare Abgrenzung gab, was noch zu einem Triumphzug gehörte und was nicht. 26 Eigene Übersetzung. 27 Vgl. dazu z. B. auch Cass. Dio 48,24,2 ; App., Civ. 5,1 [2] ; 9 [34].
166
Aliyah El Mansy
Einfluss der fremden Frau die Attribute und Erkennungsmerkmale, die einen Römer ausmachen. Dass dieses Unrömische auch gleichzeitig die Geschlechterkonstruktion betrifft, wird besonders an den Stellen deutlich, an denen Mark Anton sich der Lächerlichkeit ausliefert. So vergleicht Plutarch ihn mit Herkules28 in dessen Ehe mit Omphale : Wie wir auf Gemälden Omphale dem Herakles die Keule entwinden und das Löwenfell von den Schultern ziehen sehen, so hat Kleopatra ihn oft entwaffnet und betört und dazu vermocht, wichtige Unternehmungen und Feldzüge hintanzusetzen und an den Gestaden von Kanobos und Taphosiris mit ihr müßigzugehen und zu tändeln. (Plut., Comp. Demtr. Ant. 3,3)29
Laut der Legende nahm Omphale Keule und Löwenfell ihres Mannes und kleidete sich selbst damit. Herkules dagegen trug Frauenkleider und verrichtete weibliche Aufgaben im Haushalt. In einer Analogie interpretiert Plutarch das Verhalten Mark Antons. Die Anspielung auf die Herkulesgeschichte könnte eine Rollenvertauschung der beiden bedeuten. Mark Anton habe sich immer weiter von dem Bild eines römischen Mannes entfernt. Wie Omphale scheint Kleopatra ihn seiner Männlichkeit zu berauben.30 Sie verleite ihn dazu, seine Kriegspläne zu vernachlässigen. Statt deren habe er sich mit ihr im reichen Seeort Kanopus vergnügt.31 Er habe sogar auf den Sieg in einer Schlacht verzichtet, nur um zu ihr zurückzukehren. Für Plutarch hatte Mark Anton nichts mehr gemeinsam mit einem römischen Feldherrn. Doch es ist nicht allein die Rollenvertauschung, die die Kritik hervorruft. Denn auch Fulvia hat sich nicht auf die Frauen zugeschriebenen Aufgaben beschränkt. Im Unterschied zu Kleopatra hat sie allerdings kein ungebührendes Verhalten bei Mark Anton gefördert. Seine Männlichkeit wurde nicht angegriffen und verändert. Doch in der Beziehung zu Kleopatra geschieht genau das : Mark Anton erfüllt nicht mehr die an einen römischen Mann gestellten Erwartungen. Symbolisch entkleidet Kleopatra ihn der römischen Sitten und Traditionen und er legt sie auch bereitwillig ab.32 28 Hier schlägt Plutarch einen Bogen zurück zum Beginn der Biographie des Antonius. Die Herkules-Analogie ist von Anfang an in der Biographie angelegt. Schon in Ant. 4,1 wird die Abstammung der Familie der Antonii von Herkules als eine alte Tradition eingeführt. In Ant. 60,3 wird erneut auf diese genealogische Linie verwiesen. 29 Übersetzung Konrat Ziegler. 30 Fletcher, Cleopatra the Great, 243, vermutet in diesem Vergleich sogar einen Hinweis darauf, dass das Paar zum Vergnügen oder im Rahmen einer Inszenierung die Rollen tauschte. 31 Vgl. die Beschreibung des Luxuslebens und der Verschwendung in Kanopus bei Juv. 6,84 ; 15,44–46. 32 Besonders eindrücklich beschreibt dies Cass. Dio 50,5,2f : „[...] sie [Kleopatra] wurde auch auf irgendeinem Sessel getragen, Antonius aber folgte ihr zu Fuß mit den Eunuchen. Und das Feldherrnzelt nannte er Palast, und mitunter gürtete er ein medisch-persisches Schwert um, er hatte Kleidung von außerhalb seines Vaterlandes in Gebrauch, und auf ei-
Interreligiöse Ehen im literarischen Diskurs
167
In der exogamen Beziehung zwischen Mark Anton und Kleopatra können der zeitgenössischen Bewertung zufolge weder die römische Identität, die eng mit Männlichkeitsvorstellungen verknüpft ist,33 noch in angemessener Form religiöse Verehrung hergestellt werden. Der Einfluss von Kleopatra zerstört diese (konstruierte) römische Identität, indem sie Moral, Götterverehrung und Loyalität bestimmt und kontrolliert und dies auf ganz nichtrömische Art und Weise.
III. Interreligiöse Ehen in 1 Petr 3,1–7 Der Erste Petrusbrief 34 lässt sich sehr gut mit den Aussagen von Plutarch in ein Gespräch bringen, weil er zum einen zeitgenössisch ist und sich zum anderen an Gemeinden in Kleinasien richtet (vgl. 1 Petr 1,1), die zum Gebiet des Römischen Imperiums gehörten und unter römischer Vorherrschaft standen. Gleichzeitig äußert er sich zu Ehen, in denen unterschiedliche religiöse Zugehörigkeiten eine Rolle spielen. Dem Ersten Petrusbrief schien es notwendig, sich zu dieser Lebenssituation zu äußern. Dabei repräsentiert er in einer Welt, die vom römischen Werte- und Normensystem dominiert wird, die Stimme eines jungen Kultes. Dieser musste achtgeben, dass er nicht den Anschein erweckte, römischen rituellen und moralischen Ansprüchen nicht zu genügen.35 So verhandelt der Brief Fragen nach dem religiösen Einfluss von Frauen, dem Verhalten von Männern und Frauen in der Ehe und den Wertmaßstäben. Eine Analyse von 1 Petr 3,1–7 zeigt, dass römische Vorstellungen reproduziert werden. Allerdings vollziehen sich bei dieser Konstruktion von Ehe anhand der Verknüpfung von Geschlecht und Religion leichte Akzentverschiebungen. In 1 Petr 2,13–3,7 werden verschiedene Gruppen und ihre sozialen Beziehungen zueinander angesprochen. Zuerst alle Christinnen und Christen (2,13–17), dann Sklavinnen und Sklaven (2,18–20), schließlich Ehefrauen (3,1–6) und zuletzt Ehemänner (3,7). Unmittelbar vor dem zu untersuchen
nem vergoldeten Bett oder einem ähnlichen Sessel wurde er in der Öffentlichkeit gesehen.“ In dieser Beschreibung „entmännlicht“ sich Mark Anton symbolisch durch die Einreihung bei den Eunuchen sogar selbst. 33 Vgl. dazu den Beitrag von Moisés Mayordomo in diesem Band. 34 Der Erste Petrusbrief wird in der Forschung meistens als ein pseudepigraphischer Brief, dessen Autor unbekannt ist, eingeschätzt. Die Angabe der Adressierten (1 Petr 1,1) und eine Vertrautheit mit paulinischer Theologie weisen auf Kleinasien als Abfassungsort hin, ungefähr zum Ende des 1. Jh. 35 Beispiele für Kulte, denen es nicht gelang, diese Anforderungen zu erfüllen, und die daraufhin Verfolgungen ausgesetzt waren, sind z.B. die Druiden, der Bacchus- und der IsisKult.
168
Aliyah El Mansy
den Abschnitt, wird das Verhalten der Sklavinnen und Sklaven zu ihren Besitzerinnen und Besitzern angesprochen, sowie eine christologische Reflexion über Leben, Leiden und Sterben Christi eingeschoben (2,21–25). Darauf folgen die an die Ehefrauen und Ehemänner gerichteten Worte. 1 Ebenso die Frauen, die den eigenen Männern unterstellt sind ; damit auch die Männer, falls irgendwelche nicht überzeugt sind von dem Wort, durch die Lebensführung der Frauen ohne Wort gewonnen werden, 2 nachdem sie eure in Gottesfurcht reine Lebensführung beobachtet haben. 3 Euer Schmuck sei nicht das Äußerliche wie das Flechten der Haare und Goldschmuck oder das Anziehen von Kleidung, 4 sondern das verborgene Menschsein des Herzens in der Unsterblichkeit des sanften und ruhigen Geistes, das ist wertvoll vor Gott. 5 So nämlich schmückten sich auch damals die heiligen Frauen, die ihre Hoffnung in Gott setzten, weil sie ihren eigenen Männern unterstellt waren, 6 wie Sara Abraham gehorchte und ihn ‚Herr‘ nannte, deren Kinder ihr geworden seid, dadurch dass ihr richtig handelt und keine Einschüchterung fürchtet. 7 Die Männer ebenso, die zusammen leben mit dem Weiblichen wie mit einem machtloseren Gefäß gemäß der Erkenntnis, indem sie Wertschätzung zeigen entsprechend wie auch bei den Miterben der Gnade des Lebens, damit ihr nicht gehindert werdet in euren Gebeten. (1 Petr 3,1–7)36
Als erstes fällt die nicht leicht zu übersetzende In-Beziehung-Setzung von Mann und Frau auf. Das Partizip Präsens medium/passiv von ὑποτάσσω mit dem anschließendem Dativ lässt verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten zu. Die modernen Übersetzungen stellen hier Weichen für das weitere Verständnis. Häufig wird der Anfang des ersten Verses „ebenso die Frauen, die ihren eigenen Männern unterstellt sind“ imperativisch als „Ebenso ihr Frauen, ordnet euch den eigenen Männern unter“ übersetzt.37 Die Möglichkeiten changieren von einer Aufforderung bis hin zu einer Zustandsbeschreibung.38 Analog zum Verhältnis zu übergeordneten Instanzen (Staat, Sklavenbesitzerinnen und -besitzern) wird das Verhältnis von der Ehefrau zum Ehemann durch ὑποτάσσομαι (vgl. 2,13.18 und 3,1.5) beschrieben. Kennzeichnend ist, dass diese sozialen Beziehungen immer auch festgeschriebene Rechtsverhältnisse sind, die durch ein Machtgefüge bestimmt werden. Daher kann der erste Teil von 3,1 über das Verhältnis von Mann und Frau als Beschreibung des Rechtsverhältnisses in einer Ehe interpretiert werden. Es wird so in den Versen einerseits die Hierarchie in einer
36
Eigene Übersetzung. So die Lutherübersetzung (1984) : „Desgleichen sollt ihr Frauen euch euren Männern unterordnen“, die Elberfelder : „Ebenso ihr Frauen, ordnet euch den eigenen Männern unter“ ; die Neue Genfer : „Nun zu euch Frauen : Ordnet euch euren Männern unter“. 38 Achtemeier übersetzt 3,1: „Similary you wives, [fulfill your Christian duty] by being subordinate to your own husbands“, Michaels analog : „You wives too must defer to your husbands“, die Bibel in gerechter Sprache : „Ebenso sollen die Frauen, die den eigenen Männern unterworfen sind, ihre Situation verstehen.“ 37
Interreligiöse Ehen im literarischen Diskurs
169
Ehe ausgedrückt (V.1: ὑποτάσσομαι)39 und andererseits die enge Lebensgemeinschaft betont (V.7: συνοικέω). Damit scheint der Anfang des Kapitels genau die Situation zu beschreiben, die auch das eingangs zitierte Wort Plutarchs vor Augen hatte : Die Ehefrau ist dem Mann unterstellt. Allerdings zeigen die weiterführenden Sätze, dass die Ausgestaltung der Beziehung nicht allein vom Mann bestimmt und vorgegeben wird, wie es Plutarch vorschwebte. Denn die christliche Ehefrau, die im Ersten Petrusbrief angesprochen wird, ist mit einem Mann verheiratet, der nicht durch „das Wort“ überzeugt ist. Die Bezeichnung mit ὁ λόγος ist deutungsoffen. Der bestimmte Artikel könnte deutlich machen, dass es sich um christliche Verkündigung (im Sinne von Botschaft) handelt. Inhaltlich lässt sich das kaum anhand des Textes näher spezifizieren. Ist ihre christologische, soteriologische, eschatologische und/oder ethische Dimension nicht überzeugend für diese Ehemänner ? Es scheint, dass der Ehemann kein Christ ist und auch nicht davon überzeugt werden konnte, sich dem Glauben anzuschließen. Wie die Frauen zum christlichen Glauben gefunden haben, wird nicht erwähnt. Es lässt sich aber aus dem Text zumindest so viel schließen, dass sie anscheinend durch das Wort, d.h. das Hören der christlichen Botschaft, für den Glauben an Christus gewonnen wurden. Andersherum wird deutlich : Ehemänner, die nicht durch das Hören des Wortes gewonnen werden, können einen Zugang zum christlichen Glauben erhalten, indem sie die Lebensführung ihrer Frauen beobachten. An dieser Stelle zeigt sich, dass die Frauen als „Botschafterinnen des neuen Glaubens“ in den Hausgemeinschaften betrachtet werden. Ihr Verhalten scheint eine positive Wirkung entfalten zu können und die Einschätzung des anderen, in diesem Fall des Ehemanns, bezüglich des christlichen Glaubens verändern zu können. Wie das Verb κερδαίνω (gewinnen)40 zeigt, geht es um mehr als darum, eine positive Einstellung und ein Tolerieren hervorzurufen. Den Frauen wird der Einfluss zugeschrieben, dass sie ihre Männer von dem christlichen Glauben 39 Auch bei Plutarch findet sich dieser Gedanke der Unterordnung in einer Ehe. Eine Frau, die sich ihrem Ehemann unterordnet (ὑποτάττω), ist lobenswert, aber wenn sie über ihn herrschen will (vgl. Fulvia und Kleopatra), ist sie bemitleidenswert (Plutarch, Mor. 142E). Bei Plutarch wird die Frau dazu aufgerufen, sich dem Mann unterzuordnen, was deutlich wird durch die aktive Verbform. Im Ersten Petrus scheint die medium/passiv Form dagegen eine gegebene Struktur zu beschreiben. 40 In 1 Kor 9,19.21.22 benutzt Paulus diese Finanzmetaphorik auch im Zusammenhang von Mission. Er passt sich verschiedenen Gruppen an, um sie zu gewinnen (κερδαίνω). Nach Phil 3,8 möchte Paulus Christus gewinnen. Ansonsten begegnet das Verb noch, um materiellen Gewinn zu bezeichnen (Mt 16,26 parr. in Bezug auf die Welt ; Talente werden in Mt 25,16.17.20.22 gewonnen ; Jak 4,13 beschreibt Gewinn durch Handel) und an einer Stelle, um andere Christen und Christinnen, die sich falsch verhalten haben, zurückzugewinnen (Mt 18,15). In der Apostelgeschichte wird es im Sinne von Schadens- und Unglücksvermeidung (Apg 27,21) benutzt.
170
Aliyah El Mansy
überzeugen können – etwas, was das Wort nicht geschafft hat. Die Frauen erscheinen somit als Personen, die Einfluss ausüben und andere Menschen überzeugen können und wollen. Dadurch werden die üblichen Vorstellungen geradezu auf den Kopf gestellt : Die Frau versucht den Mann für ihre Gottheit zu gewinnen, also tut sie genau das, was Plutarch so negativ beschriebenen hatte. Catherine Clark Kroeger charakterisiert dieses Verhalten als „not only subversion but the most radical sort of rebellion.“41 Der christliche Glaube wiederum wird als Religion dargestellt, die durch Worte und Taten Anhänger und Anhängerinnen gewinnen kann. V.2 fasst zusammen, wie diese Lebenshaltung, die zum Glauben überzeugen soll, aussieht. Sie soll ἁγνός sein, d.h. frei sein von allem, was die Heiligkeit mindern und die Glaubenden von Gott entfernen würde.42 Spannend ist, dass diese reine Lebensführung einen Bezug hat – nicht zu den mores maiorum, den Sitten der Vorfahren der römischen Welt, sondern zur Gottesfurcht (φόβος). Die Quelle, aus der sich das Verhalten der Frauen speisen soll, ist demnach Gott und keine allgemein anerkannte Moral der Gesamtgesellschaft. Die Frauen werden daher gerade nicht im Sinne Plutarchs dazu aufgerufen, sich unterzuordnen und die Gottheiten des Mannes anzuerkennen. Stattdessen kann und soll die eingelassene superstitio im Haus gelebt werden. Ihre Praktizierung soll so eindeutig geschehen, dass der Ehemann von ihr überzeugt wird. Der Bezug zu den Vorstellungen der Umwelt wird in 3,3 hergestellt. Die Christinnen sollen von jeglichen Auffälligkeiten wie besonderen Haarfrisuren, wertvollem Schmuck oder extravaganter Kleidung absehen. Es werden verschiedene Elemente erkennbar. Zum einen soll vielleicht Stereotypen entgegengewirkt werden, die von Christinnen im Umlauf waren.43 Die christlichen Ehefrauen sollten diesen Vorurteilen keine Nahrung geben und daher nicht durch Eitelkeit negativ auffallen. Diese Anweisung zu schmuckloser Kleidung steht zudem in einem starken Kontrast zu der Kleidung, dem Schmuck und den aufwendigen Haarfrisuren von Anhängerinnen des Artemis- oder Isis-Kultes.44 Kultzugehörigkeiten hatten demnach Einfluss 41
Catherine Clark Kroeger, Toward a Pastoral Understanding of 1 Peter 3.1–6, 84. Laut J. Ramsey Michaels, 1 Peter, 158, schwingt bei dem Adjektiv besonders die Bedeutung der Keuschheit und rituellen Reinheit mit. Dieses Bedeutungsspektrum ist zwar in dem Wort vorhanden, doch besteht m. E. kein Grund es auf die sexuellen Konnotationen zu beschränken. Vgl. so z.B. Paul J. Achtemeier, 1 Peter, 210. 43 Vgl. dazu Paul A. Holloway, Coping with Prejudice, 188–190, der darauf hinweist, dass Christinnen negative Eigenschaften wie Trunksucht, Verlogenheit, Sturheit, Grausamkeit, Unmoralität, Blasphemie und sexuelle Affären nachgesagt wurden (vgl. Apuleius, met. 9,14). 44 Gegen äußere Eitelkeit verfasste Plutarchs Ehefrau Timoxena ein Traktat (Plutarch, Mor. 145A). Auch die Neupythagoreer und der Stoiker Musonius Rufus riefen Frauen zur 42
Interreligiöse Ehen im literarischen Diskurs
171
auf das Auftreten und das äußere Erscheinungsbild von Frauen. Der Erste Petrusbrief grenzt sich erkennbar von anderen Kulten ab. Er macht deutlich, dass es nicht um äußerlichen Schmuck geht. Diese Forderung passt in den literarischen Diskurs von Stoikern und Neupythagoreern. Auch Plutarch warnt Ehefrauen davor, auffällige rote und purpurne Kleidung zu tragen, da dies einige Ehemänner nicht tolerieren könnten (Mor. 144D/E).45 Diese Anweisungen bezüglich der Kleidung, des Schmucks und der Haartracht wirken scheinbar als ein Zugeständnis an bestimmte Konventionen der Zeit, die in manchen literarischen Werken bewahrt wurden. In der Forschung ist umstritten, ob der Erste Petrusbrief damit eher einer Inkulturation oder Abgrenzung das Wort redet.46 Meines Erachtens entzieht sich der Brief einem solch eindeutigen Entweder-oder durch den eigenen subtilen Gedankengang. 1 Petr 3,4 beschreibt, wie sich die christlichen Frauen stattdessen verhalten sollten : Der wahre Schmuck, d.h. das, was nach außen zur Schau getragen wird, ist das „Menschsein des Herzens“, der „ruhige und sanfte Geist“, aber nun gerade nicht, damit die Ehefrauen so in ihrer Gesellschaft keinen Anstoß erregen, sondern weil es vor Gott relevant ist. Erneut fügt sich der Bescheidenheit auf. Gegen das übermäßige Herausputzen, besonders für Liebhaber, polemisiert auch Juv. 6,457–507. Vgl. dazu David L. Balch, Let Wives be Submissive, 101f. Eine umfangreiche Quellensammlung sowohl zu jüdischen (Jes, TestRub, 1 Hen, Philo) als auch griechischen und römischen Traditionen (Phintys, Periktione, Seneca, Dio Chrysostomus, Juvenal, Plutarch, Epiktet, Plinius, Tacitus, Lukian, Ovid) bezüglich einer bescheidenen Kleidung bei Frauen bietet Achtemeier, 1 Peter, 211f. 45 Hinweis bei Balch, Let Wives be Submissive, 102. Denkbar ist auch, dass christliche Ehefrauen, die die nötigen finanziellen Mittel für kostbare Bekleidung hatten, durch einfache Kleidung auffallen sollten (so z.B. Witherington III, Letters and Homilies, 163 ; Reinhard Feldmeier hält dies eher für einen Topos als für eine tatsächliche soziale Beschreibung ; Der erste Brief des Petrus, 120). Möglich ist auch, dass der Bezug zu Prostituierten vermieden werden sollte ; dies erwägen Witherington III (ebd.) und Feldmeier (a.a.O., 120f) ; den Bezug zu Verführung (geflochtenes Haar) und Prostitution (goldene Kleidung) zieht auch Kroeger, Toward a Pastoral Understanding, 84. Überzeugender ist m.E. aber der genannte Bezug zur (bewussten) Bescheidenheit und Abgrenzung von kultischer Zurschaustellung. Für die anderen Möglichkeiten sind die Aussagen in V.3 einfach zu unspezifisch. Leider wissen wir nicht, ob eine reichere Frau durch unauffällige Kleidung wirklich auffiel oder ob christliche Ehefrauen in ihrer üblichen Kleidung sofort für eine Prostituierte gehalten wurden. Aber auch die in Fußnote 29 angesprochenen Hinweise bei griechischen und römischen Autoren deuten eher auf eine häufiger anzutreffende Forderung nach Bescheidenheit und Vermeidung von luxuriöser Kleidung. 46 Balch, Let Wives be Submissive, vertritt die These, dass der Erste Petrusbrief die Gemeindemitglieder dazu auffordert sich zu inkulturieren. Eine gegenläufige Meinung hat John H. Elliott, A Home for the Homeless, vertreten, der den Brief als Ermutigungsschrift für bedrängte Christinnen und Christen in Kleinasien interpretiert. Diese sollen sich nicht inkulturieren, sondern abgrenzen. Die beiden entgegengesetzten Positionen betrifft dadurch auch die Frage, wer adressiert ist. Für Elliott wären dies nur die Gemeindemitglieder, für Balch zusätzlich auch Personen außerhalb der Gemeinde.
172
Aliyah El Mansy
Erste Petrusbrief auf den ersten Blick in den Diskurs der Umwelt ein, um ihn dann aber wieder zu unterlaufen. Es geht um das Ansehen vor Gott und nicht vor den Menschen. Denn die Völker zeichnen sich für den Ersten Petrusbrief gerade durch „Ausschweifungen, Begierden, Trunkenheit, Festgelage, Trinkgelage und frevelhaften Götzendienst“ (1 Petr 4,3) aus.47 Daher ist es die Gottesfurcht, die allein rettet, mehr wert ist als Gold und Erlösung verspricht (1 Petr 1,7.18). Der Respekt vor den Ehemännern entsteht dementsprechend aus dieser Gottesfurcht und in der eschatologischen Hoffnung auf Gott und nicht aus Furcht vor ihnen (V.5). Als Beispiel für diese Haltung wird eine der vorher genannten heiligen Frauen, mit denen die Erzmütter gemeint sein könnten, eingeführt : Sara habe Abraham gehorcht und ihn „Herr“ genannt (Gen 18,12). Ben Witherington III weist zu Recht darauf hin, dass hier der Gesamtkontext der biblischen Erzählung beachtet werden sollte :48 Sara kann nicht glauben, dass sie wirklich noch einen Sohn gebären soll und amüsiert sich darüber. Es mag ein respektvoller, gleichzeitig aber sarkastischer Kontext sein : „Und Sara lachte in ihrem Inneren und folgendermaßen sprach sie : Nachdem ich verbraucht bin, soll ich [etwa] Lustgefühle haben ? Auch mein Herr ist alt.“ (Gen 18,12) Sie spielt auf ihr Alter und fehlende sexuelle Empfindungen an. Zugleich betont sie, dass sich ihr Ehemann darin nicht von ihr unterscheide. Es klingt so, als würde sie Sexualität in ihrer Partnerschaft nicht mehr für denkbar halten, geschweige denn die Zeugung eines Kindes. Zugleich betont die Figur der Sara beispielhaft das vom Ersten Petrusbrief geforderte Gottvertrauen. Denn in ihrem hohen Alter konnte sie nur noch auf Gott setzen, um Nachwuchs zu bekommen. Zudem erinnert Kroeger daran, dass mit der Person Saras auch die Szenen in Erinnerung gerufen werden, in denen ihr Ehemann ihrem Wort gehorcht (Gen 16,4) oder sogar von Gott zu einem solchen Gehorsam aufgefordert wird (Gen 21,12).49
47 Derartige stereotype Vorwürfe finden sich allerdings auch bei außerchristlichen Literaten, durchaus auch gegen die eigene Gesellschaft gerichtet. Vgl. z.B. Hor., Carm. 3,6 (Vernachlässigung der Götter, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Schuld, Faulheit in Rom) ; Iuv. 6,293–300 (Dekadenz, Trunkenheit, Verbrechen, sexuelle Ausschweifungen in Rom) ; 3,109–112.116f ; 8,113–115 (über die Griechen : sexuelle Grenzüberschreitungen ; Verrat ; Verweichlichung ;) ; 15,44–48.115f (über die Ägypter : Trunkenheit, Grausamkeit). 48 Vgl. Witherington III, Letters and Homilies, 133. Später merkt er allerdings an, dass sich der Erste Petrusbrief eher auf die hellenisierte Figur der Sara aus dem Testament Abraham beziehe (165). Kroeger, Towards a Pastoral Understanding, 85, bettet die Anrede in die komplette Abraham- und Sara-Erzählung ein : Sara geht anfangs das Risiko ein, Abraham in eine ungewisse Zukunft zu folgen (Gen 12,1–9), wird als Ehefrau in Ägypten verleugnet (12,10–20 par.) ; es folgen die Auseinandersetzungen mit Hagar (Gen 16,1–6 ; 21,8–13). Sie zieht zudem Darstellungen von Sara in Literatur des Zweiten Tempels (z.B. Jub, Philo) heran, die Sara als tugendhaft, furchtlos und loyal beschreiben. 49 Vgl. Kroeger, Towards a Pastoral Understanding, 86.
Interreligiöse Ehen im literarischen Diskurs
173
Die so klar wirkende Forderung nach Gehorsam und die Unterordnung, die der Brief so betont, werden durch die Zuschreibung an die Ehefrau Sara uneindeutig. Die christlichen Ehefrauen werden zu Saras Kindern, weil sie keine Repressalien und Anfeindungen fürchten, die trotz des vorbildlichen Verhaltens der Frauen seitens der Ehemänner anscheinend zu erwarten sind (V. 6),50 und sich richtig verhalten (ἀγαθοποιέω). Auch in 1 Petr 2,14.15 begegnet dieser Ausdruck. Dieses rechte Verhalten oder das gute Handeln steht dort im Gegensatz zu denen, die Schlechtes tun (κακοποιέω), unvernünftig (ἀφρονέω) und in Unwissenheit (ἀγνωσία) sind. Damit könnte ein Verhalten gemeint sein, das sich nach Gottes Willen ausrichtet.51 Das so entstehende Bild einer Ehefrau hat wenig mit einer Anpassung in religiöser Hinsicht zu tun. Die Ehefrau wird aufgerufen an ihrer Gottheit, die sie selbst gewählt hat, sichtbar festzuhalten, wohl wissend, dass es zu Repressalien kommen kann (V. 6). Der Unterschied zu Kleopatra, die Mark Anton auch für andere Gottheiten gewann, liegt vor allen Dingen auf der Ebene der moralischen Bewertung des Verhaltens. Kleopatra verursachte nach Plutarchs Darstellung in Mark Anton einen moralischen Verfall, der Erste Petrusbrief dagegen behauptet, dass die christlichen Frauen gerade die Moral einer Hausgemeinschaft festigen. Dabei werden wohlweislich alle von Rom als problematisch angesehenen Verhaltensweisen und Loyalitätsfragen der christlichen Gemeinschaften strategisch übergangen.52 Es zeigt sich, dass das Destabilisierungspotential des Christentums (bewusst) vernachlässigt und verharmlost wird, und stattdessen gerade die Stärken ausgespielt werden : Die christliche Lebensführung war teilweise kompatibel mit der Umwelt. „Richtige Religion“ erweist sich dort wie hier im praktischen Lebensvollzug (vgl. auch 2,12.15), so dass durchaus das Zusammenleben mit einem nichtchristlichen Ehemann möglich ist, ohne die christliche Identität preiszugeben. Der Erste Petrusbrief scheint darauf zu bauen, dass die Faktoren, die aus römischer Perspektive die Eintracht und Stabilität des Gemeinwesens bedrohen, durch eine Anpassungsstrategie verschleiert werden können. Wie verhielt es sich aber im umgekehrten Fall, d.h. wenn es um das Zusammenleben eines christlichen Ehemannes mit einer nichtchristlichen Frau ging ? Es ist zunächst umstritten, ob die in 1 Petr 3,7 erwähnte Ehefrau überhaupt nicht-christlich vorgestellt werden soll. So meint z.B. Michaels, 50 Balch verweist auf derartige Hinweise im Petrusbrief selbst (1 Petr 1,18 ; 2,12 ; 3,1.13– 17 ; 4,3–4.16), vgl. Balch, Let Wives be Submissive, 107. 51 So interpretiert z.B. Achtemeier, 1 Peter, 216f. 52 So stellt sich natürlich die Frage der Aufrechterhaltung des Ahnenkultes im Haus, des Hütens des Herdfeuers oder der Teilnahme an Festen in der Stadt. Die Subversivität von 1 Petr 2,18–3,9 arbeitet Betsy J. Baumann-Martin in dem Aufsatz Feminist Theologies of Suffering (bes. 69–75) heraus. Sie zeigt auf, wie sowohl Sklaven und Sklavinnen als auch Ehefrauen ungehorsam sind, Bestrafungen erleiden und die Autorität des Paterfamilias untergraben.
174
Aliyah El Mansy
der mit der plutarchschen Prämisse, dass Frauen die Religion ihres Mannes annahmen, argumentiert, dass sie christlich gewesen sein muss.53 Wie gezeigt wurde, ist dies aber keinesfalls zwingend vorauszusetzen, da es sich bei der Forderung, dass die Frau nur die Götter des Mannes kennt, um eine normative statt deskriptive Aussage handelt. Im Gesamtaufbau von 2,13–3,7 ist dies zudem nicht überzeugend, weil vorher immer Verhältnisse beschrieben werden, in denen eine Partei dezidiert nicht christlich ist. Deswegen kann davon ausgegangen werden, dass es sich hier analog um eine Ehe zwischen einem Christen und einer Nichtchristin handelt. Schon erwähnt wurde, dass in 3,7 der lebensgemeinschaftliche Aspekt einer Ehe thematisiert wird. Das Zusammenleben in einer Hausgemeinschaft umfasste wirtschaftliche, soziale, politische, religiöse, seelische und leibliche Aspekte. Die Verwendung des Verbes συνοικέω ruft diese verschiedenen Dimensionen einer Hausgemeinschaft in Erinnerung. Durch die Vorsilbe συν- wird der Ehemann zudem gerade auf das Gemeinsame und das Miteinander verwiesen. Überraschenderweise ist in 3,7 nicht die Rede davon, dass Ehemänner zusammen mit der Ehefrau leben, sondern es wird pauschal von dem Weiblichen (γυναικεῖος) gesprochen. Da in Vers 1 noch sehr präzise von Männern und Frauen gesprochen wurde, erscheint diese Abstraktion rätselhaft. Vielleicht spiegelt sie wider, dass der männliche Vorstand eines Hauses nicht nur Verfügungsgewalt über seine Ehefrau, sondern auch über die Sklavinnen hatte ?54 Oder die Verallgemeinerung ist der in der Antike geläufigen metaphorischen Wendung vom „schwächeren Gefäß“ geschuldet ? Wie dem auch sei – jedenfalls lässt sich auch hier wieder erkennen, wie Geschlecht konstruiert wird. Die Frauen werden als schwächeres, zerbrechlicheres oder machtloses Gefäß im Vergleich zum Mann beschrieben. Neben dem Anklang an die antiken Auffassungen zur Unterlegenheit von Frauen55 wird auch hier ein Rückgriff auf die schon beschriebenen Machtverhältnisse vorausgesetzt. Aus der Auffassung, dass Frauen in dem Beziehungsgefüge einer Hausgemeinschaft machtloser seien als Männer, wird nun kein Abhängigkeits-, sondern ein Verantwortungsverhältnis abgeleitet. Im Gegensatz zur Umwelt leben die Männer mit den Frauen „gemäß der Erkenntnis“ (V.7) zusammen. Achtemeier beobachtet, dass γνῶσις hier parallel zu 53
Fast durchweg wird die normative Forderung, dass Frauen die Gottheiten ihrer Männer anbeten sollen, als sozialgeschichtliche Tatsache verstanden. Vgl. z.B. Achtemeier, 1 Peter, 208 ; James W. Aageson, 1 Peter 2.11–3.7, 43 ; Holloway, Coping with Prejudice, 187 ; Michaels, 1 Peter, 169 ; Ben Witherington III, Letters and Homilies, 133. 54 Für diese Lesart entscheidet sich Achtemeier, 1 Peter, 217. 55 Eine knappe aufzählende Übersicht mit Quellenhinweisen bietet Achtemeier, 1 Peter, 206. Auffällig ist natürlich der Unterschied zu der Darstellung von Fulvia, Kleopatra und Oktavia bei Plutarch, die alle drei als starke, einflussreiche und entschlossene Frauen beschrieben werden. Wahrscheinlich liegt das daran, dass es sich um herausgehobene Frauen der Oberschicht handelt.
Interreligiöse Ehen im literarischen Diskurs
175
ἐν φόβῳ (V.2) zu stehen scheint und somit das Wissen um Gottes Willen, d.h. das Gott gemäße Verhalten bezeichnet.56 Den Männern wird ein neuer Handlungsspielraum eröffnet. Sie sollen sich Frauen gegenüber nicht geringschätzig, abwertend oder gewalttätig verhalten, sondern gemäß dem Willen Gottes. Die ihnen zukommende Erkenntnis drückt sich lebenspraktisch wiederum in Wertschätzung, Achtung und Respekt aus, unabhängig davon, ob es sich um eine Christin oder eine Nicht- Christin handelt – und vielleicht auch unabhängig davon, ob es sich um die Ehefrau oder andere weibliche Mitglieder der Hausgemeinschaft handelt. Die Männer sollen den Mitgliedern ihrer Hausgemeinschaft gegenüber denselben Respekt zeigen, der in der christlichen Gemeinschaft gefordert wird. Auffallenderweise steht an dieser Stelle nichts davon, dass die Ehemänner die Frauen für den Glauben gewinnen sollen. Abschließend wird in V. 7 anhand des Gebetes erneut Religion ausdrücklich thematisiert. Das Gebet ist dabei Ausdruck einer im Haus stattfindenden religiösen Handlung. Die Männer sind anscheinend dazu aufgefordert, im Haus Gebete zu verrichten. Allerdings können diese „gehindert werden“. Verschiedene Deutungsmöglichkeiten sind denkbar. Entweder ist konkret daran gedacht, dass das Gebet im Haus gestört oder verhindert werden kann. Manche Ausleger denken auch an die Unmöglichkeit eines gemeinsamen Gebetes57 oder dass das Gebet aufgrund eines möglichen unchristlichen Verhaltens gegenüber der Ehefrau generell nicht erhört wird.58 Das christliche Leben müsse sich demnach eben auch im Zusammenleben, und zwar dem besonders engen innerhalb einer Hausgemeinschaft, mit nichtchristlichen Personen bewähren und zeigen. Ansonsten wird das Gottesverhältnis, das sich im Gebet ausdrückt, gestört. Religiöse Handlungen werden in einen engen Zusammenhang mit moralischen Verhaltensweisen gestellt. Sie sind nicht voneinander zu trennen, sondern werden aufeinander bezogen. Dadurch wird es gleichzeitig für einen Christen oder eine Christin unmöglich, nach den Vorstellungen der Welt zu leben, wenn diese der christlichen Religion widersprechen.
56 Vgl. Achtemeier, 1 Peter, 218. 57 So z.B. Michaels, 1 Peter, 170, der von „a kind of church in miniature“ spricht. Derartige Aussagen sind sehr voraussetzungsreich, da sie z.B. nicht damit rechnen, dass Mann und Frau auch getrennt Gebete verrichteten. Oder auch Feldmeier, Der erste Brief des Petrus, 122, der vom gemeinsamen Gebet spricht, das ohne Missachtung durch einen Partner stattfinden soll. 58 Vgl. Achtemeier, 1 Peter, 218 und Holloway, Coping with Prejudice, 191. Kroeger, Toward a Pastoral Understanding of 1 Peter 3.1– 6, 86f, schlägt vor, dass ein Missbrauch der körperlichen Stärke seitens des Mannes gegenüber der Frau ihn zu einem Gewalttäter macht, dessen Gebete nicht erhört werden (vgl. Jes 58,4).
176
Aliyah El Mansy
Insgesamt werden in 1 Petr 3,1–7 Ehefrauen und Ehemännern neue Handlungsspielräume eröffnet. In ihnen sind sie aufgefordert, ihr Geschlecht in einem normativen Rahmen, den wir uns anhand der Texte von Plutarch verdeutlichten, auf unübliche Weise zu konstruieren. Den Schlüssel dazu bietet die christliche Religion, die eine unkonforme Konformität fordert. Die Darstellung der Beziehung zwischen Mark Anton und Kleopatra liefert einen möglichen ideengeschichtlichen Hintergrund für die vorherrschenden Idealvorstellungen einer Ehe im 1. und 2. nachchristlichen Jahrhundert. Dieser Vorstellungshintergrund scheint im Ersten Petrusbrief präsent gewesen zu sein. Den Verfassenden war bewusst, auf welche Empfindlichkeiten (Eintracht, Stabilität des Staates, Macht- und Geschlechterverhältnisse, „richtige“ Kulte, moralisches Verhalten) sie zu achten haben, wenn sie die Frau dazu aufforderten, in ihrer Ehe mit einem nicht-christlichen Mann ihren eigenen Glauben beizubehalten und mit ihrem Verhalten sogar als Vorbild für ihren Ehemann zu agieren. Geschlecht und Religion innerhalb einer exogamen Beziehung werden derartig konstruiert, dass sie innerhalb der Debatte um Geschlechterverhältnisse, Religion und Ehen akzeptabel sind und doch verändert werden. Darin liegt dann aber auch das doppeldeutige Potential und die Provokation : Auf der literarischen Ebene werden Konflikte scheinbar vermieden, denn gefordert werden Verhaltensweisen, die auch von nichtchristlicher Seite anerkannt werden. Vor allen Dingen wird nicht zu einer Auflösung der Ehen aufgerufen. Doch bei einem genauen Blick ist die von den Römern gefürchtete Destabilisierung in dem Abschnitt zu interreligiösen Ehen impliziert : Denn er beabsichtigt, dass sich ein neuer Kult in die Hausgemeinschaft des Römischen Reiches drängt, indem die Fremdheit kaschiert und doch nicht aufgegeben wird, und gerade dadurch Veränderungen bewirkt.
IV. Zusammenfassung Anhand von Plutarch hat sich gezeigt, dass es bestimmte religiöse und soziale Verhaltensweisen gab, die Frauen und Männern in einer Ehe vor- und zugeschrieben wurden. Diese geforderten Verhaltensweisen zielten auf die Aufrechterhaltung der Stabilität von Ehegemeinschaften und damit des gesamten Staates. Es hat sich herausgestellt, dass die anfangs eingeführte Forderung Plutarchs nach der alleinigen Verehrung der Götter des Mannes normativer Natur ist. Geradezu gegenteilig zeigt sich, dass Frauen ein erheblicher Einfluss auf ihre Männer, besonders auch in religiöser Hinsicht, zugesprochen wird. Eine interreligiöse Partnerschaft konnte diese Ordnung destabilisieren, indem sie die Gefahr barg, die Macht- und Geschlechterverhältnisse, die Moral und die „rechte“ kultische Verehrung zu stören. Die Darstellung der
Interreligiöse Ehen im literarischen Diskurs
177
Beziehung von Mark Anton und Kleopatra hat zum einen Hinweise gegeben, dass es möglicherweise Ehen gab, in denen die Frauen moralisch und religiös den Ton angaben. Eine derartige Partnerschaft fällt somit aus dem ansonsten vorgegebenen Rahmen. In der literarischen Darstellung wird die Beziehung von Mark Anton und Kleopatra daher als Kontrastfolie benutzt, die alles konterkariert, was der römischen Gesellschaft wichtig zu sein hat : die Geschlechterhierarchie, Eintracht und Stabilität sowie die mehrheitlich akzeptierten Verhaltensregeln. Es wird deutlich gemacht, dass diese Verkehrung der Verhältnisse zur Destabilisierung eines Staates führen kann. Dass interreligiöse Ehen nicht zwangsläufig zum Sittenverfall und Untergang des Römischen Reiches führen, versucht der Erste Petrusbrief darzulegen. Die Argumentation bewegt sich dabei im Rahmen der römischen Debatte. Auch für diese Schrift sind Ordnung, Moral und Stabilität ein wichtiges Anliegen. Es werden die antiken Vorstellungen von Geschlecht und Religion in einer Ehe reproduziert, doch verstößt der Brief gleichzeitig mit seinen Aussagen gegen dieses Konstrukt. Denn Ehefrau und Ehemann werden ermutigt an ihrer christlichen Identität festzuhalten und sie ausdrücklich in der Ehegemeinschaft zu leben, um das Christentum zu etablieren. Zwar ist auch die Intention des Petrusbriefes die (religiöse) Gemeinschaft, doch repräsentiert er aus römischer Sicht die Annahme eines die Gesellschaft destabilisierenden, „gefährlichen fremden“ Kultes. Der Erste Petrusbrief adaptiert und transformiert auf diese Weise römische Vorstellungen der Geschlechterund Religionskonstruktionen.
Literatur Aageson, James W., 1 Peter 2.11–3.7: Slaves, Wives and the Complexities of Interpretation, in : Amy-Jill Levine / Maria Mayo Robbins (Hg.), A Feminist Companion to the Catholic Epistles and Hebrews, London/New York 2004, 34–49. Achtemeier, Paul J., 1 Peter. A Commentary on First Peter, Hermeneia, Minneapolis 1996. Ashton, Sally-Ann, Cleopatra and Egypt, Malden u.a. 2008. Balch, David L., Let Wives be Submissive. The Domestic Code in I Peter (SBLMS 26), Chico, Calif. 1981. Baumann-Martin, Betsy J., Feminist Theologies of Suffering and Current Interpretations of 1 Peter 2.18–3.9, in : Amy-Jill Levine / Maria Mayo Robbins (Hg.), A Feminist Companion to the Catholic Epistles and Hebrews, London/New York 2004, 63–81. Beard, Mary, The Roman Triumph, Cambridge, Mass./London 2007. Beard, Mary/North, John/Price, Simon, Religions of Rome, Vol. 1: A History, Cambridge 1998. Ehlers, Wilhelm, Art. Triumphus. 1) Siegesfeier des römischen Imperators, PRE 13. Halbband, Stuttgart 1939, 493–511. Elliott, John H., A Home for the Homeless. A Sociological Exegesis of 1 Peter, its Situation and Strategy, Philadelphia 1981. Feldmeier, Reinhard, Der erste Brief des Petrus (ThHK 15/I), Leipzig 2005.
178
Aliyah El Mansy
Fletcher, Joann, Cleopatra the Great. The Woman behind the Legend, London 2008. Freudenberger, Rudolf, Das Verhalten der römischen Behörden gegen die Christen im 2. Jahrhundert dargestellt am Brief des Plinius an Trajan und den Reskripten Trajans und Hadrians (MBPF 52), München 21969. Holloway, Paul A., Coping with Prejudice. 1 Peter in Social-Psychological Perspective (WUNT 244), Tübingen 2009. Kroeger, Catherine Clark, Toward a Pastoral Understanding of 1 Peter 3.1–6 and Related Texts, in : Amy-Jill Levine / Maria Mayo Robbins (Hg.), A Feminist Companion to the Catholic Epistles and Hebrews, London/New York 2004, 82–88. Lindsay, Jack, Cleopatra, London 1971. Michaels, J. Ramsey, 1 Peter (WBC 49), Nashville 1988. Moellering, H. Armin, Plutarch on Superstition. Plutarch’s De Superstitione, Its Place in the Changing Meaning of Deisidaimonia and in the Context of His Theological Writings, Boston 1962. Plutarch, Plutarch’s Moralia in fifteen Volumes, Vol. II 86B–171F, translated by Frank Cole Babbitt, London/Cambridge, Mass. 1956. Plutarch, Grosse Griechen und Römer, Bd. V, eingeleitet und übersetzt von Konrat Ziegler, Zürich/Stuttgart 1960. Publius Cornelius Tacitus, Die historischen Versuche. Agricola. Germania. Dialogus, übersetzt von Karl Büchner, Stuttgart 21963. Q. Horatius Flaccus, Oden und Epoden, übersetzt von Gerhard Fink, Düsseldorf/Zürich 2002. Roller, Duane W., Cleopatra. A Biography, Oxford u.a. 2010. Sieveking, Wilhelm (Hg.), Plutarch : Über Liebe und Ehe. Eine Auswahl aus den Moralia, München 1940. Treggiari, Susan, Roman Marriage. Iusti Coniuges from the Time of Cicero to the Time of Ulpian, New York 1991. Witherington III, Ben, Letters and Homilies for Hellenized Christians, Vol. II. A SocioRhetorical Commentary on 1–2 Peter, Downers Grove, Ill. 2007.
„Untreue“ im entstehenden Islam Eine koranische Norm der Paarbeziehung im Wechselspiel mit der neuen Religion Bärbel Beinhauer-Köhler The article sheds light on Sura 24:3 of the Qur’Án, which limits partners of marriages. Persons guilty of “infidelity” (zinÁʾ) can only marry among each other or a polytheist, but never a Muslim or Muslima. At it’s beginning the article concentrates on the question of scientific perspectives : while the traditional Islamic exegesis explanes zinÁʾ as a typical female problem, 20th century scientists Gertrude Stern and Fatima Mernissi propose that the Islamic norm tries to hinder women’s autonomy of their sexual contacts. Moreover the Islamic texts are contrasted with the modern scientific model of intersectionality. The question is, if polytheism and “infidelity” can be seen as crossing factors used to discriminate certain parts of society and if the modern social-sciences’ model can be used to explane early Islamic history. It follows a detailed analysis of early Islamic texts to contextualize Sura 24:3. It’s historical background is the establishment of the new religion Islam in contrast to polytheist systems and the establishment of new social norms with male dominated and for women no longer private marriages. Sura 24 as a hole deals with the distinction of belief and unbelief incorporating new social rules. E.g. Sura 60:12 asks especially about the correct social and sexual behaviour of women converting to Islam. The ½adÍÝ al-ifk, a narration about the possibility of the prophet’s wife ʿĀʾiša having an affair, shows the negative consequences of the umma taking care about male and female intimate contacts. Sura 24:3 seems to be an early document of the rise of a new society and religion that addresses both sexes while later verses and the tradition concentrate on women and zinÁʾ. The model of intersectionality seems helpful to analyze Islamic material, as early Islam itself developed a lot of dualistic topoi where belief and unbelief, zinÁʾ and Islamic marriage are part of generating a new identity. But the Islamic example also shows that modern European topics of the debate of intersectionality – e.g. class, race, ethnicity – are too narrow for any empirical material.
I. Fragestellung Im folgenden Beitrag wird es um Veränderungen zwischen vorislamischen und frühislamischen Gendernormen, bezogen auf den Aspekt damaliger
180
Bärbel Beinhauer-Köhler
Partnerschaften,1 gehen. Kernbestandteile der sich im Islam etablierenden Regelungen, wie die sogenannte baþl-Ehe2, in der der Mann dominiert, sind gut untersucht. Seit Gertrude Stern in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts das biographische Nachschlagewerk von Ibn Saþd (gest. 845) über die Frauen der Zeit des Propheten analysierte,3 besteht ein weitestgehender Konsens, wie man sich die Entstehung der koranischen Ehe- und Scheidungsnormen vorstellen könnte : Im frühen Islam etablierte sich gegenüber vorheriger Vielfalt und variierendem Institutionalisierungsgrad der Partnerschaften auf der arabischen Halbinsel ein geschlossenes System : Kurzfristige, informelle Sexualkontakte4, Polyandrie und die sogenannte ÈadÍqa-Ehe, die matrilokal war und Erbe und Kinder in der Familie der Frau verblieben ließen, wurden stigmatisiert und verboten. Darüber hinaus scheint es eine Frage der (Forschungs-)Perspektive zu sein, wie im Kontext dessen die hier entscheidende soziale Form der „Untreue“ terminologisch zu fassen und historisch zu rekonstruieren ist : Stern und in ihrer Nachfolge die marokkanische Soziologin Fatima Mernissi5 se1 Siehe zum Vergleich auch den Beitrag Doris Decker in diesem Sammelband : Zeitausschnitt und Materialbasis sind ähnlich, der Fokus jedoch mit dem Thema „Selbstbestimmung“ ein anderer. Dennoch zeigen sich durchaus ähnliche Gesamttendenzen, bezogen auf eine mit dem Islam eintretende zunehmende Reglementierung vor allem des Verhaltens von Frauen. 2 Von arabisch baþl, „Herr“. Der Terminus etablierte sich in sozialgeschichtlichen Studien zur Ehe im frühen Islam ebenso wie in der ethnographischen Literatur des frühen 20. Jahrhunderts. Er rekurriert begrifflich auf den vorderorientalischen Gott Baal ebenso wie auf etymologisch und sozialgeschichtlich mit den islamischen verwandte jüdische Eheformen, in denen der Mann rechtlich dominiert. 3 Ibn Saþd, Fi-n-nisÁÿ ; Gertrude Stern, Marriage in Early Islam. 4 Bemerkenswert sind als historische Fortsetzung dessen marginalisierte, aber dennoch im Islam existente Ehevarianten : Im schiitischen Milieu gibt es die „Ehe auf Zeit“, mutþa, die z.B. für Reisen mit einem vorher festgelegten Ende geschlossen wird. Dies bietet für die Frau den Vorteil, nicht von vornherein der Prostitution angeklagt zu werden und aus einer solchen Ehe hervorgehende Kinder rechtlich abzusichern. In Ägypten hat derzeit bei jungen Paaren die unkompliziert zu schließende und somit auch ein Stück weit „informelle“ þurfÍ-Ehe Konjunktur. Hierbei handelt es sich um eine Ehe, die vor dem Imam und nicht den staatlichen Behörden abgeschlossen wird und ohne große und teure Feier auskommt. Diese Eheform folgt zwar religiösen Normen, wird aber in der Praxis, vor allem bei jungen Paaren, auch schnell wieder geschieden. Dass diese Eheform nun ausgerechnet im Sozialraum der „Religion“ geschlossen wird, zeigt, dass die Auseinandersetzung mit dieser Dimension fortwährend eine Überprüfung der eigenen Forschungskategorien erfordert. Im zeitgenössischen Ägypten ist somit die staatliche Ehe diejenige, die eigentlich dem klassischen Ideal des Islam, nämlich der Begründung einer tragfähigen Kernfamilie, entspricht. 5 Beide Forscherinnen können in unterschiedlicher Ausprägung als Vertreterinnen einer „feministischen“ Perspektive gelten, allerdings operieren sie mit sehr unterschiedlichen Methoden. Stern interessierte offenbar aufgrund des vorherigen nahezu vollständigen Desiderats das Thema „Frau“ im frühen Islam, sie arbeitete vor allem philologisch und quellenbasiert und leistete wertvolle Grundlagenarbeit. Mernissis Arbeiten zeichnen
„Untreue“ im entstehenden Islam
181
hen in der gesamten koranischen Verdammung der „Untreue“, zinÁÿ, eine Diskreditierung vorislamischer weiblich dominierter Formen der Partnerschaft.6 Der Terminus zinÁÿ wäre damit nicht, wie im klassischen islamischen Mehrheitsdiskurs verstanden, primär auf Untreue eines Ehepartners – und besonders der Frau – bezogen, sondern intendiere ursprünglich eine Ablehnung von Lebensformen, in denen Frauen Handlungsautonomie in ihren sexuellen Beziehungen zukomme. Der positiv konnotierte Aspekt der sexuellen Selbstbestimmung der Frau, den die modernen Forscherinnen betonen, steht somit in Gegensatz zu herkömmlichen, in männlichen Diskursen entfalteten Deutungen. Dieser Antagonismus lässt sich eventuell, wenn auch nicht auflösen, so doch ergänzen durch eine differenzierte Betrachtung der Übergangsformen von Partnerschaften zur Zeit des sich etablierenden islamischen Sozialsystems. Im Mittelpunkt soll dabei die Sure 24:3 stehen, die im weiteren Verlauf des Beitrags noch weiter kontextualisiert wird. Beim ersten Lesen verblüfft die Aussage der Sure 24:3, weil sie scheinbar unverständlich Paarbeziehungen und einen Religionstypus miteinander verknüpft : „Ein Mann, der Unzucht [zinÁÿ] begangen hat, kann nur eine ebensolche Frau oder eine Polytheistin heiraten. Und eine Frau, die Unzucht begangen hat, kann nur von einem ebensolchen Mann oder einem Polytheisten geheiratet werden. Für die Gläubigen ist dies [d.h. die Ehe mit dieser Art Partnern] verboten.“7 Der Vers folgt auf die Benennung der sogenannten ½add-Strafe für „Unzucht“, die in je hundert Peitschenhieben für Mann und Frau bestand (Sure 24:2). Sollten sich entsprechend überführte und bestrafte Personen erneut für eine Partnerschaft entscheiden, so standen ihnen nur eingeschränkte Möglichkeiten zur Ehe zur Verfügung. Mit dem Auspeitschen waren sie somit nicht rehabilitiert, sondern über die vorgegebenen Partner langfristig diskreditiert, denn sowohl der Ehebruch als auch die Vielgötterei (širk) galten als Kardinalvergehen. Gleichzeitig wurde ein sozialer Graben gezogen : Die Muslime und – hier mitgemeint die Musliminnen – durften diese zwei Gruppen, die Ehebrecher und Ehebrecherinnen sowie die Polytheisten und Polytheistinnen, ihrerseits ebenso wenig ehelichen, wie die genannten Gruppen die Muslime. Dabei stellt sich neben der Frage nach dem historischen Kontext der Aussage auch die nach ihrer systematischen Durchdringung. Genauer : Ist diese Kombination zweier damals negativ konnotierter Distinktionsmerksich demgegenüber durch deutliche ideologische Positionierung aus, während die Quellenarbeit – leider – oftmals eher punktuell erfolgt. Siehe dazu auch der Beitrag Decker im vorliegenden Band, Fußnote 6. 6 Vgl. Stern, Marriage in Early Islam, 73 ; vgl. Fatima Mernissi, Geschlecht, Ideologie, Islam, 83. 7 Übersetzung durch die Verfasserin.
182
Bärbel Beinhauer-Köhler
male, Ehebruch und Vielgötterei, ein typisches Beispiel für diskriminierende Intersektionalität ? Inwieweit verschränken sich an diesem Beispiel die Kategorien „Gender“ und „Religion“ ? Der Begriff der Intersektionalität wird für den folgenden Kontext der sozialwissenschaftlichen Theoriedebatte entlehnt. Diese ringt sowohl um die Frage nach dem heuristischen Potenzial der Zurkenntnisnahme von Verkreuzungen diskriminierender Distinktionsmerkmale als auch um eine sinnvolle Bestimmung solcher Merkmale. Man denke bei Letzterem an Helma Lutz und Norbert Wenning, die angesichts sich immer vertiefender Diskussionen inzwischen von 14 Kategorien der Differenz ausgehen.8 So stellt sich für den folgenden Kontext grundsätzlich die Frage, ob Intersektionalität ein sinnvolles Modell ist, um religiös-soziale Dynamiken im frühen Islam abzubilden und ferner, inwieweit „Gender“ und „Religion“ hierzu entscheidende Kategorien bereitstellen. Bereits an dieser Stelle lässt sich allerdings festhalten, dass nicht ein Primat eines Distinktionsmerkmals vorliegt, wie es offenbar für das entstehende Juden- und Christentum diskutiert wird. Also nicht die neue Religion dient als Instrument der Etablierung einer bestimmten Eheform, ebenso wenig wie monokausal anzunehmen ist, dass die propagierte Gesellschaftsform die Einführung des Islam erleichterte. Unsere Kategorien „Religion“ und „Gender“ werden bereits im Vorfeld der Untersuchung als begriffliche Hilfskonstruktionen9 aufgefasst, die auf der Materialebene so deutlich kaum differenziert werden können und denen somit auch nicht im Sinne einer wesenhaften Eigenständigkeit der Kategorien ein normativer Gehalt unterstellt werden soll ; „Religion“ umfasst in aller Regel auch gesellschaftliche Normen, ebenso wie solche qua „Norm“ eine weltanschauliche und existenzielle Dimension besitzen. Es ist vor allem die Idee der „Verkreuzung“, der Kombination von Faktoren, die reizvoll und eventuell geeignet scheint, um komplexe Wirklichkeit und Historie aufzuarbeiten. So könnte die folgende Analyse der Kontexte der Sure 24:3 im Rahmen der für den frühen Islam einschlägigen Gattungen Koran und Hadith und vor dem Hintergrund des Modells der Intersektionalität ein ertragreicher Weg sein, um die historischen Gegebenheiten der „Untreue“ im beginnenden Islam strukturiert zu betrachten und daraus neue Erkenntnis zu ziehen.
8 9
Helma Lutz / Norbert Wenning, Differenzen über Differenz, 11–24. Siehe hierzu besonders deutlich der Beitrag von Ulrike Auga im vorliegenden Band.
„Untreue“ im entstehenden Islam
183
II. Koranische Kontexte 1. Die Sure an-NÚr Wenn im Mittelpunkt der Betrachtung die Sure 24:3 stehen soll, muss zunächst der unmittelbare Bezugsrahmen des Verses betrachtet werden. Der Vers 24:3 steht in der „Licht“-Sure 24, an-nÚr. Im Kern ist diese bekannt für ihr Motiv des göttlichen Lichts, das wie eine Öllampe in einer Nische schimmert (24:35f.). Es wird kontrastiert mit einer optischen Fehlwahrnehmung nach Art der Fata Morgana bzw. einer Verfinsterung, die für den Unglauben steht (24:38f.). Überhaupt ist der Gegensatz Glaube und Unglaube das gut erkennbare Leitmotiv der Sure. Dabei ist zu bemerken, dass sich nicht alle Suren als inhaltliche Einheiten präsentieren. Auch im vorliegenden Fall finden sich unterschiedliche Motivschwerpunkte : zunächst die Themen Ehebruch sowie falsches Zeugnis (bis 24:26), ferner Sozialverhalten im Umgang der Geschlechter (24:27–33), dann das göttliche Licht und die optische Täuschung als Metaphern für im Folgenden erläuterten Glauben und Unglauben (bis 24:57), ergänzt von weiteren sozialen Regeln des Zusammenlebens der Geschlechter (24:58–61) und allgemeinen Ausführungen zu Glaube und Unglaube (bis 24:64). Einiges, das für islamische Genderkonstruktionen maßgeblich wird, findet hier nähere Erwähnung : die Verwerflichkeit des Ehebruchs, Regeln der Blickkontrolle10, z.B. bei der potenziellen Begegnung der Geschlechter (24:27–31), Vorgaben sittsamer Bekleidung für beide Geschlechter (24:30f.). Gleichwohl wird das Reglement eingeschränkt, wenn dieses zur Tyrannei ausarten oder das Leben in größeren Haushalten unnötig verkomplizieren könnte : Die Blickkontrolle und Bekleidungsvorgaben sind gelockert, wenn sich Verwandte oder Haushaltsmitglieder sehen oder es um betagte Menschen ohne sexuelle Interessen geht (24:58–61). Die vorschnelle Verdächtigung, dass eine Frau Ehebruch begangen hätte, wird unter Strafe gestellt (24:11–26). Bei alldem unterscheidet die Sure antithetisch zwischen den dereinst zu belohnenden Gläubigen und denjenigen, die sich dem offenbarten Regelwerk widersetzen und neben diesseitigen auch göttliche Strafe zu erwarten 10 Bärbel Beinhauer-Köhler, Gelenkte Blicke, 92–112. Kulturen variieren beträchtlich in ihren habituellen Formen des Blicks. Dieser Gedanke ergänzt aktuell in Debatten der Religionsästhetik die älteren Zugänge, die vor allem die Bedeutung und Kodierung von Zeichen fokussierten. Auf unser Thema bezogen, behandelt das Stichwort Blickkontrolle somit Regelungen von Blickweisen und Blickrichtungen beispielsweise auf das andere Geschlecht und dessen Körper, etwa auch im Zusammenhang mit der Bekleidung und dem, was dem Blick der anderen präsentiert wird. Die Sehvorgänge in ihrer sozialen Komplexität erweitern somit die Perspektive, die nach der Bedeutung eines Terminus oder Zeichens „Schleier“ fragt.
184
Bärbel Beinhauer-Köhler
haben. Hier scheint das Modell der Intersektionalität anwendbar : Sie verbindet die verschiedenen Aspekte des als gottfern gekennzeichneten Bereichs, in der Reihenfolge der Sure diejenigen, die Unzucht betreiben, Polytheisten, diejenigen, die andere falsch der Unzucht verdächtigen, diejenigen, die generell nicht dem Islam folgen, solche, die die sozialen Normen wie Blick- und Bekleidungskontrolle nicht berücksichtigen. Näheres Augenmerk soll besonders den Versen 11–26 gelten, um den für uns zentralen Vers 24:3 zu kontextualisieren. Diese lange Koranpassage bezieht sich auf eine historische Situation, die in der Gattung des Hadith ausführlich erläutert wird, im sogenannten ½adÍÝ al-ifk,11 der „Erzählung von der Lüge“. Wir könnten diese Überlieferung als ein Indiz lesen, dass das mit dem Islam zunehmend propagierte System der Gendernormen auch Schattenseiten hatte. Mu½ammads Frau þÀÿiÊa wurde laut Überlieferung verdächtigt, ihren Mann betrogen zu haben. Sie selbst berichtet als Erzählerin der Geschichte, durch die Aussagen ehrenvoller Männer ihres Umfeldes unterstützt, dass sie tatsächlich nur den Aufbruch einer Karawane verpasst habe und ein junger Mann sie nachträglich auf seinem Kamel zu den anderen gebracht habe. Allerdings war sie damit als junge Frau mit diesem Mann gegen alle Regeln alleine unterwegs und in höchstem Maße der Untreue verdächtig. Angesichts der Bestrafung der Unzucht durch 100 Peitschenhiebe (Sure 24:2) hätte dies eine Lebensgefahr für sie bedeutet sowie die zwangsweise Trennung von Mu½ammad nach sich gezogen, mit dem sie als Ehebrecherin dann nicht länger hätte zusammenleben dürfen. Auf diese Ausgangslage werden die Koranverse 24:11ff. bezogen, die davor warnen, eine Frau fälschlich der Untreue zu bezichtigen. 2. Intertextuelle Bezüge innerhalb des Koran Mehrfach findet sich in weiteren medinensischen Suren die Regel, dass Ehen nicht zwischen Muslimen und Polytheisten geschlossen werden sollen, zum Beispiel in Sure 2:221: „Und heiratet nicht heidnische Frauen, solange sie nicht gläubig werden ! Eine gläubige Sklavin ist besser als eine heidnische Frau, auch wenn diese euch gefallen sollte. Und gebt nicht (gläubige Frauen) an heidnische Männer in die Ehe, solange diese nicht gläubig werden ! Ein gläubiger Sklave ist besser als ein heidnischer Mann, auch wenn dieser euch gefallen sollte. Jene (Heiden) rufen zum Höllenfeuer […].“12 Ihr Aussagegehalt stellt den aus Sure 24:3 bekannten Sachverhalt aus umgekehrter Perspektive dar. Während 24:3 Ehebrecherinnen und Ehe-
11
Ibn HiÊÁm, as-SÍra II/3, 193–197. In Übersetzung bei Gernot Rotter, Das Leben des Propheten, 184–190. 12 Übersetzung nach Rudi Paret, Koran, 33.
„Untreue“ im entstehenden Islam
185
brechern allein Polytheisten und Polytheistinnen als Ehepartner gestattet, steht im Mittelpunkt der Sure 2:221 das Verbot für einen muslimischen Partner, eine Bindung mit einem polytheistischen einzugehen. Auch dies ist in der koranischen Formulierung differenziert als Vorgabe für Frauen und Männer und die entsprechenden andersgeschlechtlichen Partner. Bemerkenswert ist die Empfehlung für muslimische Männer, sich im Sozialkontakt lieber an im sozialen Status niedrigere muslimische Sklavinnen, und für Frauen, sich lieber an im sozialen Status niedrigere, bereits zum Islam bekehrte Sklaven zu halten.13 Für das vorliegende Thema ist aufschlussreich, dass die gesellschaftlichen Statusgrenzen in der Gruppe der Islamanhänger gewollt aufgehoben wurden, da diese weniger Gewicht hatten als die Grenzen zwischen den Glaubensrichtungen. Im Hintergrund klingt jedoch an, dass die Neubekehrten beiderlei Geschlechts sich ihre Partner nach wie vor lieber in der eigenen Statusgruppe der Freien und weniger nach der Glaubenszugehörigkeit suchten. In diesem Vers wird durch die Aussage „Jene (Heiden) rufen zum Höllenfeuer“ die Gefahr deutlich, die offenbar mit den hier untersagten Mischehen verbunden wurde : Der nichtmuslimische Part könnte den muslimischen wieder vom gerade erst gewonnenen Glauben abbringen. In der Sure 60:10 und 12 wird eine weitere Nuance greifbar : Es geht um Frauen, die aus dem Lager der „Ungläubigen“, meist aus dem immer noch polytheistischen Mekka, zu den Muslimen nach Medina kommen und konvertieren. Dass dies nicht unüblich war, bestätigen auch Hadithe mit ähnlicher Aussage.14 Dies belegt die grundsätzliche religiöse Autonomie und Bewegungsfreiheit der Frauen der vorislamischen Zeit. Hier nun wird in den Koranversen 60:10 und 12 dazu aufgerufen, die Ernsthaftigkeit des Übertritts zur Gruppe der Muslime zu überprüfen. Vers 12 zählt einen ganzen Katalog von Merkmalen auf, die gegeben sein sollen : „Prophet ! Wenn gläubige Frauen zu dir kommen, um sich dir gegenüber zu verpflichten, Gott nichts (als Teilhaber an seiner Göttlichkeit) beizugesellen, nicht zu stehlen, keine Unzucht zu begehen, ihre Kinder nicht zu töten15, keine von ihnen aus der Luft gegriffenen Verleumdungen vor13 Ohne, dass dies hier ausgeführt würde, wird die Art des anempfohlenen Kontakts für freie muslimische Männer und Frauen eine andere gewesen sein : Den Männern stand der Sexualkontakt mit einer Sklavin nach Sure 4:3 ohne weitere rechtliche Schritte offen, den muslimischen Frauen wird für ihre sexuellen Kontakte nur die Option der Ehe offen gestanden haben. 14 Bärbel Köhler, Die Frauen in al-WÁqidÍs KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 336. 15 Eventuell das damalige Pendant zur Abtreibung. In der islamischen Debatte wird das vorislamische Töten von Kindern schlicht verurteilt. Es ist nicht einfach, die Umstände zu rekonstruieren, aber es ist anzunehmen, dass das Töten von Kindern aus Notlagen heraus geschah. Denkbare Kontexte erhellt Kecia Ali, die die Lebenssituation von Sklavinnen untersucht. Kecia Ali, Marriage and Slavery in Early Islam.
186
Bärbel Beinhauer-Köhler
zubringen ( ?) und sich dir in nichts zu widersetzen, was recht und billig ist, dann nimm ihre Verpflichtung (in aller Form) entgegen und bitte Gott für sie um Vergebung ! Gott ist barmherzig und bereit zu vergeben.“16 „Unzucht“, zinÁÿ, gehört also zu all dem, was für ein islamgemäßes Leben aufgegeben werden soll, u.a. neben der an erster Stelle genannten Glaubensverpflichtung zum Bekenntnis allein zu Allah. Also sind beide Inhaltselemente der Sure 24:3 auch hier in Kombination vorhanden. Die Sure 2:226–230 gibt unabhängig vom Terminus zinÁÿ Einblick in die in islamischer Zeit dann sehr komplizierten Paarbeziehungen. Es ist die Rede von Wartezeiten vor Wiederverheiratungen, der Anzahl von Scheidungsvorgängen, nämlich drei, um eine Scheidung gültig zu machen. Es wird vor leichtfertiger Scheidung gewarnt, die mehrfach durchgeführt, nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte, jedenfalls nicht vor erneuten Wartezeiten. Dies lässt den Schluss zu oder er drängt sich ein Stück weit auf, dass die Ehe als streng formalisierte und zum rechten Glauben gehörige Form noch nicht unmittelbar eingeübt war, sondern dass fluktuierende Beziehungen der Geschlechter und wechselnde Ehepartner immer noch die Regel waren, wenn auch die Männer fortan zumindest formalrechtlich die Paardynamiken dominierten. Rationale Gründe finden sich für eine Koppelung von zinÁÿ, nach jetzigem Kenntnisstand also sexueller Autonomie der Frauen, und Polytheismus nicht. Aber beides waren Kennzeichen für eine vorislamische Lebensform und wurden somit offenbar zu einem Antitypus des Islam verbunden. Bemerkenswert ist, dass die Muslime überhaupt eine eigene soziale Identität zusammen mit der Glaubensidentität entwickelten. Die umma, „Glaubens- und Sozialgemeinschaft“, gilt als Ersatz für bzw. als neue überregionale Form der alten Stammesbindung. Vor dem Islam zeichnete sich das soziale Gefüge durch Stämme aus, die regional verbunden waren und sich oft auch auf eine lokale Glaubensform hin ausrichteten. Mehrheitlich handelte es sich um polytheistische Systeme, mit Ausnahme der Clans in und um YaÝrib, dem späteren Medina, die dem Judentum angehörten. Die islamische Gemeinschaft entwickelte sich unabhängig von den alten Gesellschaftsstrukturen und durchbrach somit auch die Bindung eines Stammes an ein Glaubenssystem. So war es zur Konstituierung dieser Gemeinschaft wichtig, sie als solche klar gegenüber dem vorislamischen Usus abzugrenzen. Weder der Glaube an andere Gottheiten war innerhalb der umma geduldet noch das alte System der Ehe- und Familienstrukturen. Bemerkenswert ist die Strenge, mit der versucht wurde, Derartiges umzusetzen, indem etwa auch Mischehen verboten wurden. Laut Sure 60:10f. waren Frauen, die Polytheistinnen blieben, wenn ihre Männer sich zum Islam bekehrten, fort-
16
Übersetzung nach Paret, Koran, 392.
„Untreue“ im entstehenden Islam
187
zuschicken ; ebenso wurden Frauen, die Musliminnen werden wollten, abgelehnt, wenn sie sich nicht auch zu den neuen Eheformen bekannten, siehe Sure 60:12. In der Übersicht der Parallelstellen fällt auf, dass besonders in der Sure 60:10–12 speziell die Rede von Frauen ist, denen zinÁÿ untersagt und der Glaube anempfohlen wird. In der für unsere Betrachtung zentralen Sure 24:3 sowie in 2:221 liegt jedoch keine Reglementierung besonders der Frauen vor. In Sure 24:3 werden wie in vielen anderen Suren des Koran paritätisch beide Geschlechter genannt : Ehebrecher und Ehebrecherinnen werden beide bestraft und beiden ist in Folge untersagt, gläubige Frauen oder Männer zu ehelichen. An dieser einen Textstelle geht es also streng genommen nicht um eine Intersektionalität von Gender und Religion, jedenfalls nicht in dem Sinne, dass ein Geschlecht besonders mit der Kategorie Unglauben verschränkt gedacht würde. Es geht vielmehr um eine negativ konnotierte Kombination von einerseits fehlender Normierung von Sexualität bei Akteuren beiderlei Geschlechts mit andererseits vorislamischem Polytheismus. In jedem Fall ist das Zitat, dem die Aufmerksamkeit des Beitrags gilt, eine Momentaufnahme. Bemerkenswert an diesem Vers erscheint vor allem die bereits von Stern für andere Stellen hervorgehobene Überlagerung des Soziallebens mit der Religion, die bestimmte Formen der Partnerschaft mit Glauben oder Unglauben verbindet.
III. Kontexte des Hadith 1. Kontexte von „Gender“ Neben dem Koran eröffnet vor allem die Gattung Hadith mannigfachen Einblick in die Besonderheiten der Zeit-, Sozial- und Religionsstrukturen. Betrachten wir zunächst den Genderaspekt : Bereits Stern kam bei ihrer Analyse der Hadithe bei Ibn Saþd zu dem Schluss, dass vor allem die rechtliche Kodifizierung von Partnerschaften ein Novum im Islam war. Zum Konzept dessen, was im Islam despektierlich zinÁÿ genannt wurde, gehörte offenbar das Fehlen einer rechtlichen Form der Eheschließung. Der im Islam dann für die Frau agierende „Vormund“, walÍ, hatte nicht nur eine Funktion der „Bevormundung“ in dem Sinne, dass die Frau nicht als selbständiges Rechtssubjekt galt. Er diente letztendlich auch als Zeuge für den zu schließenden Bund. Umgekehrt bedeutete dies für die Frauen, dass sie fortan keine Partnerschaften mehr eingehen konnten, die eventuell nur halböffentlich oder ganz privat waren. Das Schließen einer Partnerschaft ging im Sinne einer Ehe die gesamte Gemeinschaft an. Interessant ist, dass die Scheidung umgekehrt für den Mann bis heute einen informellen Charakter hat. Hierzu bedarf es keines Zeugen, und es ist Gegenstand der Rechtsdebatte, ob zu-
188
Bärbel Beinhauer-Köhler
mindest die Frau zugegen sein muss, wenn ein Mann die Scheidungsformel spricht.17 Dass die Islamisierung in Kombination mit den Eheregeln nicht nur auf Zuspruch stieß, ist mehrfach belegt. Bemerkenswert ist vor allem eine der langjährigen „Erzfeindin“ Mu½ammads, Hind bin þUtba, in den Mund gelegte Äußerung. Hind war gemeinsam mit ihrem Mann AbÚ SufyÁn die politische Führerin der Mekkaner. Die islamischen historiographischen Quellen zeichnen sie über weite Passagen geradezu als Antitypus einer Muslimin. Sie trat öffentlich in Erscheinung, sie dominierte „herrisch“ ihren Ehemann und stachelte ihn gegen die Muslime auf, ja sie trägt in den Schilderungen der großen Schlachten geradezu dämonische Züge. Sicher ist einiges hiervon auch literarisch überzeichnet und Teil der schwer zu erfassenden historischen Ebene der Gattung Hadith an sich. Jedoch ist Hinds Bemerkung zur zinÁÿ kaum anders als im bisher aufgezeigten historischen Kontext zu begreifen. Hind soll gegen die Vorwürfe, Frauen würden „Untreue“ begehen, empört gefragt haben, ob eine freie Frau (½urra) überhaupt zinÁÿ praktizieren könne. D.h., sie stellte diese Kategorie überhaupt infrage.18 Dies könnte ein Zeugnis für eine Perspektive von Frauen aus vorislamischer Zeit sein, die sich selbst als autonome Subjekte ihrer Partnerwahl und Partnerschaftsform sahen. Zumindest für die Frauen höheren Sozialstatus scheint dies hier belegt. Die ½urra ist die freie Frau im Gegensatz zur Sklavin. Hier verbot sich aus Sicht Hinds eine Einmischung in und ein Kommentar ihrer Lebensbeziehungen. So gesehen könnte man die Polygynie, die mit dem Islam als Option für den Mann einzog, auch als soziale Deklassierung der dazugehörigen Ehefrauen verstehen. Zumindest Damen der Oberschicht konnten dies so auffassen – und wir wissen von anderen, die mit ähnlicher Argumentation die Eheanträge Mu½ammads ablehnten.19 2. Kontexte von „Religion“ In der Gattung Hadith finden zudem die Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Polytheisten ausführlich Erwähnung. Auf diese soll zumindest kurz der Blick gelenkt werden, um die Verschränkung der Argumentation in Sure 24:3 bezogen auf den Aspekt „Religion“ näher zu beleuchten. Für diese Betrachtung ist die SÍra, „Prophetenbiographie“, die naheliegende Quelle, die durch die Schilderungen im „Buch der Götzen“, KitÁb alAÈnÁm des Ibn al-KalbÍ (gest. um 819) ergänzt wird. Dort sind primär mit apologetischer Intention Überlieferungen zur altarabischen Religion zusammengetragen ; im Detail lassen die Einzelüberlieferungen jedoch durchaus historische Einblicke in die religiöse Umbruchphase zu. 17
Bärbel Beinhauer-Köhler, Scheidung per SMS ? Stern, Marriage in Early Islam, 73. 19 Mernissi, Geschlecht, Ideologie, Islam, 40f., 67. 18
„Untreue“ im entstehenden Islam
189
Dabei fällt auf, dass häufig Frauen die Antagonisten der männlichen Muslime sind. Die auffälligste Erzählung ist die von der Zerstörung des Heiligtums der Göttin namens þUzzÁ in ÓÁÿif.20 Eine militärische Gesandtschaft der Muslime zieht dort ein und trifft einen Bediensteten an sowie eine schwarze echauffierte Frau mit wirrem Haar, die sich den Muslimen entgegenstellt. Der Text belässt es im Unklaren, ob es sich um die Hauptpriesterin oder eine Repräsentantin oder gar Manifestation der Göttin selbst handelt. Die Termini der ja islamischen Überlieferung bezeichnen sie als ÊaiÔÁna, „Teufelin“, und ½abaÊÍya, „Abbessinierin“, „Schwarze“. Die Muslime fällen den Kultbaum der Göttin, und in diesem Moment zerfällt die weibliche Gestalt zu Asche. Muhammad äußert, als ihm vom Vorgang berichtet wird : „Das ist al-þUzzÁ ! Nach ihr wird es für die Araber keine þUzzÁ mehr geben ! Sie wird hinfort nie wieder verehrt werden.“21 Bei der Zerstörung eines weiteren Heiligtums nahe Mekka, dem der Göttin al-LÁt, werden die Frauen und Kinder des Stammes ÕaqÍf als diejenigen genannt, die noch um eine Schonfrist bis zur Zerstörung ihrer Repräsentation der Göttin baten. In der Übersetzung der Prophetenbiographie durch Rotter heißt es : „Eine der Bitten, die sie an den Propheten richteten, war, er möge ihnen die Statue der Göttin Lât noch drei Jahre unzerstört lassen. Der Prophet wies ihr Ansinnen zurück, und auch, als sie ihn wenigstens um ein oder zwei Jahre Aufschub und schließlich sogar nur um einen Monat baten, lehnte er es ab, eine bestimmte Frist zu gewähren. Sie wollten mit der Verschonung der Göttin, wie sie offen zugaben, nur erreichen, daß sie vor ihren törichten Stammesgenossen, ihren Frauen und Kindern sicher wären […].“
Wenn auch wie üblich die Frage nach der Historizität einer solchen Passage offenbleiben muss, fällt die Zuschreibung seitens der männlichen Redner des Stammes auf, die äußern, besonders die Frauen hätten Probleme, die neue Religion anzunehmen. Gegen Ende der Überlieferung heißt es : „Mughîra aber ging in die Stadt, begab sich hinauf zu der Göttin und schlug mit einer Spitzhacke auf das Götzenbild ein. […] Die Frauen der Thaqîf kamen barhäuptig einher, weinten um die Göttin und klagten : Weint um sie, die Schutz gewährt ! Statt zu kämpfen mit dem Schwert, haben Feige sie entehrt.“22
20 Rosa Klinke-Rosenberger, Götzenbuch, 15–17 (arabischer Teil), 42f. (deutscher Teil). Siehe dazu auch die Untersuchung der gleichen Narration in einer etwa zeitgleichen Quelle bei Köhler, Die Frauen in al-WÁqidÍs KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 333 ; siehe auch den Beitrag Decker im vorliegenden Band, Kap. II.2 zu Priesterinnen vor dem Islam. 21 Übersetzung Klinke-Rosenberger, Götzenbuch, 43 (deutscher Teil) ; siehe auch ebd. 16 (arabischer Teil). 22 Rotter, Das Leben des Propheten, 238f.
190
Bärbel Beinhauer-Köhler
Es muss wohl offenbleiben, ob es seitens der Polytheistinnen verstärkten Widerstand gegen den Islam gab, ob die Männer des Stammes der ÕaqÍf dies vorschoben oder ob die Mechanismen der Intersektionalität die mehrheitlich maskulinen Überlieferer zu bestimmten Darstellungen von Unglauben und von Weiblichkeit veranlassten.
IV. Fazit Mit dem Islam etablierten sich ein soziales Normensystem und eine religiöse Gemeinschaftsidentität. Die Kategorien „Gender“ und „Religion“ wurden dabei offenbar verkreuzt, wenn es galt, vorislamische Formen zu überwinden. Allerdings ist dieses gedankliche Muster in koranischen Passagen noch vielfach auf beide Geschlechter bezogen, wie in den vorliegenden Beispielen von Sure 24:3 und Sure 2:221. Erst im Hadith mehren sich die Passagen, die zinÁÿ und Êirk besonders bei Frauen verurteilen. Dies könnte vielfältige Gründe haben : Die sekundär zum Koran aufgekommene Überlieferungsliteratur spiegelt in der Regel leicht zeitversetzt Diskussionen späterer Perioden, die in den frühen Islam rückprojiziert werden. Möglicherweise waren es noch jahrzehntelang tatsächlich die Frauen, die sich aufgrund der für sie nachteiligen Eheregeln schwerer mit dem Islam taten bzw. es war ein längerer Prozess, bis sich die besondere Kontrolle weiblicher Sexualität durchsetzte. Möglicherweise spiegelt die Gattung Hadith aber auch Vorgänge der Umwandlung historischer Ereignisse in Narrationen und Literatur, und es entstanden bestimmte Erzählmuster und literarische Topoi.23 In Ergänzung zu den hier verfolgten Textstellen hat Barbara Stowasser mit besonderem Blick auf den weiblichen Anhang des Propheten eine Konstruktion eines habituellen Ideals herausgestellt, das sich über Koran und Sunna hinaus immer mehr verfestigte : Als Ausdruck eines vorislamischen weiblichen Habitus findet sich der Terminus tabarruº, der ein auch räumlich freies und extrovertiertes Verhalten bezeichnet, wobei eine Frau z.B. offen ihren Schmuck zeigte und erotische Signale sandte (Sure 33:33). Mit dem Islam hielt das Modell des ½iºÁb („Bedeckung“) Einzug, es wurden ein zurückhaltendes Verhalten und zurückhaltende Kleidung propagiert (Sure 33:53).24 Während der Begriff des tabarruº keine religiöse oder antireligiöse Konnotation enthält, wird der Begriff ½iºÁb auch in Zusammenhängen mit einer spirituellen Hinwendung zu Gott verwendet. Der islamische weibliche Habitus vereinte fortan Sozialverhalten und monotheistischen Glauben. 23 Doris Decker, Frauen als Trägerinnen religiösen Wissens. Konzeptionen von Frauenbildern in frühislamischen Überlieferungen bis zum 9. Jahrhundert. 24 Vgl. Barbara F. Stowasser, Women in the Qurÿan, Traditions and Interpretation, 97– 99.
„Untreue“ im entstehenden Islam
191
Hinzu kommen andere Aspekte, die intersektionär mit den zentral untersuchten vernetzt werden : In Sure 60:12 sind es das Töten von Kindern oder der Widerstand gegen Mu½ammad. Der Vers ruft zudem dazu auf, Konvertitinnen nach möglichen Defiziten und auf die Ernsthaftigkeit ihres Übertritts hin zu überprüfen. Dabei wird davor gewarnt, dass sie Diebinnen sein könnten. Diese Bemerkung lässt sich als ein in vielen Kulturen verbreitetes fiktives Negativklischee deuten, ebenso wie Sesshafte in Europa gerne Sinti und Roma oder die Kolonialherren die Schwarzen in Südafrika des notorischen Diebstahls bezichtigten. Umso mehr weist die Nennung des Diebstahls auf einen Mechanismus hin, der mit dem Terminus der Intersektionalität in den Blick genommen werden soll : Verkreuzungen von Distinktionsmerkmalen dienen der Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsgruppen. Gängige Distinktionsmerkmale der westlichen sozialwissenschaftlichen Intersektionalitätsdebatte sollten angesichts einer solchen Übersicht wie in Sure 60:12 jedoch in ihrer Summe nicht zu strikt angelegt werden. Zwar finden sich „Religion“ und „Geschlecht“ und eventuell, wir erinnern uns an die Aussage der Hind bint þUtba zur freien Frau, auch „Klasse“ als modellhafte Kategorien. Zuschreibungen ganz spezifischer kultureller Interaktionsmuster, wie das Töten von Kindern oder der Widerstand gegen den Propheten lassen sich jedoch wohl nicht sinnvoll überzeitlich und überregional modellhaft kategorisieren. Insofern verweist das Material aus einem ganz anderen historischen und kulturellen Kontext, darauf, dass die Diskussion um die Kategorien der Intersektionalität bisher Engführungen unterliegt, die sinnvollerweise aufgebrochen werden sollen. Insgesamt scheint dann für den frühen Islam der Begriff der Intersektionalität ein durchaus fruchtbarer Ansatz, um die Vorgänge über ein extern herangetragenes Modell tiefer zu durchdringen. Dies gilt vor allem auch, weil der frühe Islam selbst dazu tendierte, dualistische Zweiteilungen der Gesellschaft auszubilden. Immer wieder finden sich Verkettungen von Aspekten, die in ihrem Kern Glaube oder Unglaube auszeichnen können. Die Sure 24:3 und die behandelten inhaltlich verwandten Texte spiegeln diese besondere Periode des Übergangs und der Abgrenzung gegenüber alten Lebens- und Glaubensmodellen. In späterer Zeit wurde sie im engeren Sinne der Anweisung obsolet. Es gab innerhalb des islamischen Rechtsgebiets keine polytheistischen Systeme mehr. Mischehen kamen und kommen jedoch, unabhängig von Sure 24:3, in anderen Kontexten durchaus vor, nämlich zwischen Muslimen einerseits und Juden oder Christen andererseits. Auch hier gelten Reglements : Insbesondere ist die Partnerwahl für Frauen auch hier eingeschränkt. Eine muslimische Frau darf keinen Juden oder Christen heiraten, während der muslimische Mann eine Jüdin oder Christin ehelichen kann. Dies hat mit den Vorstellungen vom Erbe und der Patrilinearität im Rahmen der Baþl-
192
Bärbel Beinhauer-Köhler
Ehe zu tun. Die Kinder zählen zur Familie eines Mannes und würden, sollte dieser Nichtmuslim sein, für die umma verloren gehen. De facto kam und kommt Derartiges vor, je nach Konservativität der Familie führt dies jedoch u.U. zur Verstoßung der Muslima aus ihrem Umfeld, in orientalisch-christlichen Familien herrschen übrigens ähnliche Regeln. Diese Separierung hat nicht zuletzt damit zu tun, dass eine Glaubensgemeinschaft in den meisten islamisch geprägten Ländern traditionell und bis heute bezogen auf das Personenstandsrecht auch eine Rechtsgemeinschaft ist. In einer Übertragung ist die Sure 24:3 jedoch immer noch aktuell. Der dortige Faktor des Polytheismus wird auf die Häresie oder den Unglauben, z.B. im Sinne des Atheismus oder des Abfallens vom Islam, übertragen. Dies ist möglich, da die Zeit der vorislamischen „Unwissenheit“, ºÁhilÍya, als Paradigma für Gegnerschaft gegen den Islam allgemein gesehen wird. Insofern wird die Sure nach wie vor wirksam. Ein prominentes Beispiel ist der ägyptische Literaturwissenschaftler AbÚ Zaid (gest. 2010). Er vertrat eine moderne, historisch-kritische Methode der Koranexegese und galt aufgrund seines freien Umgangs mit der Offenbarung bald in Ägypten als Apostat. Hieraufhin wurde seine Ehe zwangsgeschieden, mit dem Argument, seine Frau könne als Muslima nicht mit einem Ungläubigen verheiratet sein.
Literatur Ali, Kecia, Marriage and Slavery in Early Islam, Cambridge Mass. 2010. Beinhauer-Köhler, Bärbel, Scheidung per SMS ? Kritik der malaiischen „Sisters in Islam“ an Institutionen des Familienrechts der Scharia, in : Manfred Hutter (Hg.), Religionsinterne Kritik und religiöser Pluralismus im gegenwärtigen Südostasien, Frankfurt 2007, 161–173. –, Gelenkte Blicke. Visuelle Kulturen im Islam, Zürich 2011. Decker, Doris, Frauen als Trägerinnen religiösen Wissens. Konzeptionen von Frauenbildern in frühislamischen Überlieferungen bis zum 9. Jahrhundert, Stuttgart 2012. Ibn HiÊÁm, as-SÍra n-nabawÍya, hg. v. WalÍd Ibn Mu½ammad Ibn SalÁma / ¾Álid Ibn Mu½ammad Ibn þUtmÁn, Bd. II/3, Kairo 2001. Ibn Saþd, KitÁb aÔ-ÓabaqÁt al-kubrÁ, Bd. 8 (fi-n-nisÁÿ), Beirut 1958. Klinke-Rosenberger, Rosa, Das Götzenbuch KitÁb al-AÈnÁm des Ibn al-KalbÍ, Leipzig 1941. Köhler, Bärbel, Die Frauen in al-WÁqidÍs KitÁb al-Ma™ÁzÍ, in : ZDMG 147 (1997), 303–353. Lutz, Helma / Wenning, Norbert, Differenzen über Differenz – Einführung in die Debatten, in : Dies. (Hg.), Unterschiedlich verschieden. Differenz in der Erziehungswissenschaft, Opladen 2001, 11–24. Mernissi, Fatima, Geschlecht, Ideologie, Islam, München 1987. Paret, Rudi (Übers.), Der Koran, Stuttgart 82001. Rotter, Gernot (Hg. / Übers.), Ibn Ishâq. Das Leben des Propheten, Stuttgart / Wien 1986. Stern, Gertrude, Marriage in Early Islam, London 1939. Stowasser, Barbara F., Women in the Qur ÿÁn, Traditions and Interpretation, New York 1997.
Frauen zwischen Selbst- und Fremdbestimmung Wandel weiblicher Geschlechterkonstruktionen in religiösen Veränderungsprozessen am Beispiel frühislamischer Überlieferungen Doris Decker Die Geschlechterkonzepte arabisch-islamischer Überlieferungen bis zum 9. Jahrhundert sind kein historiographisches Produkt. Vielmehr wurde ihre Gestaltung von diversen Faktoren mitbestimmt wie z. B. von nach Legitimität strebenden Herrscherdynastien, von einem sich etablierenden islamischen Rechtssystem oder von theologisch rivalisierenden Gruppierungen. Letztgenannter Faktor hat mit einer einflussreichen Komponente zu tun, die im engeren Fokus des Aufsatzes stehen soll, nämlich dem doing religion. Hatte die islamische Identitätsbildung Einfluss auf die literarische Gestaltung der in den ältesten Textsammlungen zum Frühislam enthaltenen weiblichen Geschlechterkonzepte, die bis heute für Musliminnen eine Vorbildfunktion einnehmen können? Um diese Frage zu beantworten, werden einige ausgewählte Frauenfiguren aus den Werken von Ibn Is½Áq bzw. Ibn HišÁm, al-WÁqidÍ, Ibn Saþd, al-Bu¿ÁrÍ und aÔ-ÓabarÍ näher betrachtet und analysiert.
I. Einleitung 1. Vorüberlegungen und Fragestellung Besteht eine Wechselwirkung zwischen Religion und Gender in früh islamischer Literatur ? Wirkte sich etwa die religiöse Identitätsbildung im frühen Islam, über deren Prozess Überlieferungen berichten, auf die literarische Gestaltung weiblicher Geschlechterkonzepte aus ? Diese Frage ist signifikant, denn gerade die ersten Musliminnen können bis heute für muslimische Frauen eine Vorbildfunktion einnehmen. Kurz : Welche Auswirkungen hat das doing religion auf das doing gender und umgekehrt ?1
1
Doing gender bedeutet, dass Geschlecht gesellschaftlich konstruiert wird, womit man sich auf der Mikroebene sozial-konstruierter Identitäten bewegt (Anmerkung unten). Zum Konzept doing gender siehe Gabriele Winker und Nina Degele, Intersektionalität, 20.
194
Doris Decker
Im Folgenden sollen mit Hilfe von Forschungsansätzen zur Intersektionalität Diskurse frühislamischer Überlieferungen analysiert werden.2 Dazu werde ich mich auf Überlieferungen konzentrieren, die selbst- und fremdbestimmte Denk- und Verhaltensweisen von Frauen erkennen lassen.3 Gefragt wird, ob ein Wandel4 der Geschlechterkonstruktionen auszumachen ist und ob dieser im Zusammenhang mit religiösen Veränderungsprozessen steht. Die Aufarbeitung von Interdependenzen verschiedener Kategorien ist, wie ich darlegen möchte, für eine kritische Auswertung des Überlieferungsmaterials relevant. Sie zeigt, dass Beschreibungen von Frauen als selbstoder fremdbestimmt5 nicht einfach Abbildungen historischer Tatsachen sind,6 sondern dass die verschiedenen Kompilationen vielmehr spezifische Bilder von Frauen aus der Zeit des entstehenden Islam entwerfen. 2
Intersektionalität, in der Forschung nicht einheitlich definiert und umstritten, wird verstanden als kontextspezifische und gegenstandsbezogene Wechselwirkung zwischen Differenzierungskategorien, wobei die Kategorien Geschlecht (Gender) und Religion bzw. religiöse Überzeugung fokussiert werden. (Zur Intersektionalität generell siehe Winker / Degele, Intersektionalität.) Da die Frage nach der religiösen Identität auf eine Ebene bestimmter intersektionaler Forschungsansätze hinweist, ist anzumerken, dass drei Ebenen im Folgenden eine Rolle spielen und ihre Verflechtungen deutlich werden dürften, obwohl sie für die Analyse nicht explizit getrennt betrachtet werden : die Ebene der gesellschaftlichen Sozialstrukturen (Makro- und Mesoebene), des Prozesses der Identitätsbildung (Mikroebene) und der kulturellen Symbole (Repräsentationsebene). Vgl. Winker / Degele, Intersektionalität, 18–24. 3 Im Folgenden nehme ich eine Beobachtung, die ich in meiner Dissertation (vgl. Doris Decker, Frauen als Trägerinnen) nur streifen konnte, genauer in den Fokus, nämlich dass die Frauendarstellungen in den Überlieferungen um das Themenfeld der Selbst- und Fremdbestimmung kreisen. Der Aufsatz erhebt nicht den Anspruch, das Thema erschöpfend zu behandeln, vielmehr versteht er sich als eine erste Annäherung. 4 „Wandel“ meint, dass zum einen gefragt wird, ob unterschiedlich konzipierte Frauenbilder erzeugt werden, und zum anderen, ob unter diesen tendenzielle Veränderungen auszumachen sind. 5 Bereits die Frage nach konzipierten „Bildern“ weist darauf hin, dass es sich bei der literarischen Gestaltung von Figuren um Fremdbestimmung handelt. Denn unabhängig davon, ob sich Bilder von selbst- oder fremdbestimmten Frauen finden, sind diese von den Überlieferern konzipiert und somit in ihrer Ausgestaltung fremdbestimmt. An dieser Stelle möchte ich Aliyah El Mansy für ein äußerst anregendes Gespräch über die hier zu erkennenden unterschiedlichen Ebenen von Fremdbestimmung danken. 6 Hierbei denke ich z.B. an die Thesen Fatima Mernissis, die m.E. nicht überzeugen, da sie Überlieferungen oft unzureichend analysiert, aber trotzdem als historisch wertet. Z.B. fällt ihre Interpretation der Figur Ray½Ána, die hier auch aufgegriffen wird, einseitig aus, da sie nur eine der Überlieferungen zu ihr betrachtet. (Vgl. Fatima Mernissi, Geschlecht – Ideologie – Islam, 67.) Mernissi vertritt die These, dass mit der Einführung des Islam eine grundlegende Veränderung im Geschlechterverhältnis einherging. Während die „Familienstruktur“ vorislamischer Zeit „die Familie auf der Selbstbestimmung der Frau aufbaute“, initiierte der Islam eine neue Struktur, „in der die Familie auf dem Prinzip der männlichen Vorherrschaft beruht.“ Die Einführung des Islam hätte dazu gedient, „die Interessen des Patriarchats zu schützen.“ (Mernissi, Geschlecht – Ideologie – Islam, 59.) Unter diesem
Frauen zwischen Selbst- und Fremdbestimmung
195
Unter Selbstbestimmung wird im Folgenden die Unabhängigkeit des Menschen in seinem Denken und Handeln von anderen Personen bzw. der Gesellschaft verstanden. Wer selbstbestimmt ist, trifft Entscheidungen eigenständig und unterliegt weder einem äußeren Zwang noch offenkundigen Abhängigkeitsverhältnissen. Dahingegen wird Fremdbestimmung verstanden als „die Abhängigkeit eines Menschen in seinen Entscheidungen und Handlungen von anderen Personen oder von äußeren (z.B. wirtschaftlichen oder politischen) Umständen.“7 Liegt kein offenkundiger Zwang vor, soll auch ein Verhalten, das sich an habituellen Konventionen, Normen und Werten, die untergründig ein als autonom erscheinendes Verhalten manipulieren können,8 orientiert, als selbstbestimmt bewertet werden. Bezogen auf unser Thema ist hervorzuheben, dass sich das Normen- und Wertesystem der vorislamischen Zeit und noch zu Beginn des Islam aus Stammesregeln und der Tradition der Vorfahren ergab.9 Durch den Islam verändert sich dieses System, weswegen der Frage nach den von den Überlieferungen beschriebenen Motiven bzw. Zwängen, die das Verhalten oder die Denkweise eines Menschen bestimmen, nachgegangen werden soll. 2. Kulturgeschichtlicher Hintergrund und Veränderungsprozesse Religiöse Veränderungsprozesse scheinen auf einen ersten flüchtigen Blick eine dominierende Rolle auf der Arabischen Halbinsel im 6. und 7. Jahrhundert gespielt und die arabische Gesellschaft nachhaltig geprägt zu haben. Mu½ammad ibn þAbdallÁh aus dem Stamm der Qurayš trat ab ca. 613 öffentlich in Mekka als Verkünder göttlicher Offenbarungen auf und initiierte damit die Entstehung einer neuen religiösen Bewegung – des Islam.10 Da Gesichtspunkt nimmt die Bedeutung der Frage nach der Selbst- und Fremdbestimmung von Frauen zu. 7 Volker Koch, Art. Fremdbestimmung, 214. In diesem Kontext kann gefragt werden, ob ein Verhalten überhaupt als „selbstbestimmt“ bezeichnet werden sollte, wenn doch der Mensch mit seinen kulturspezifischen Denk- und Verhaltensmustern immer in ein Netz aus vorherrschenden Konventionen und gesellschaftlich vorgegebenen Normen und Werten eingebunden ist, aus dem heraus er agiert. Auf dieses definitorische Problem kann hier nicht weiter eingegangen werden. 8 Vgl. Volker Gerhard, Selbstbestimmung, 146. 9 Vgl. Albrecht Noth, Früher Islam, 23, 27 ; Rüdiger Lohlker, Islam, 17. Mu½ammads Botschaft stellte einen Angriff auf Stammesregeln und Traditionen dar, was einer Verunglimpfung der Vorfahren und der konventionellen Lebens- und Rechtsordnung gleichkam. Noth vertritt die These, dass der religiöse Kultus integrierendes Element eines Stammes war, weshalb ihn die Mekkaner, die um ihre Stammesidentität und um ihr durch die Tradition der Vorfahren verbürgtes Ansehen bangten, verteidigten. Vgl. Noth, Früher Islam, 21f. 10 Unser Wissen über diese Zeit verdanken wir umtriebigen Gelehrten aus dem 8. und 9. Jahrhundert, die mit großem Eifer die islamischen Wissenschaftszentren auf der Suche nach Überlieferungen über Mu½ammad und seiner Gemeinschaft bereisten. Zwischen ihren Aufzeichnungen und dem Tod Mu½ammads klafft eine Zeitspanne von ca. 150 bis 200
196
Doris Decker
die Mehrheit der Mekkaner an der altarabischen Religion11 festhielt, war Mu½ammad zwar in Mekka erfolglos, konnte jedoch nach seiner Auswanderung nach Medina (622) eine größere Anhängerschaft gewinnen. Neben religiösen Veränderungen war die arabische Gesellschaft zu dieser Zeit aber auch strukturellen Veränderungen im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Bereich ausgesetzt.12 Beispielhaft dafür ist Mu½ammads Geburtsstadt Mekka, die durch ihre geographische Lage und durch die Kaþba13 eine gesonderte Stellung unter den Städten der Arabischen Halbinsel einnahm und außerhalb der Kontrolle Byzanz’ und Persiens blieb. Die Mekkaner gewannen durch die besondere religiöse und wirtschaftliche Stellung ihrer Stadt Anteil am Welthandel nach Persien, China, Indien, Ostafrika, über Syrien ins Mittelmeer,14 wodurch sich Jahren, was eine historische Rekonstruktion der Ereignisse zu Beginn des 7. Jahrhunderts erschwert. Forschungsarbeiten konnten zeigen, dass die Kompilationen, die vorgeben, über Ereignisse aus dem späten 6. und frühen 7. Jahrhundert zu berichten, oft Denkkonzepte des 8. und 9. Jahrhunderts, Rückprojizierungen späterer Erlebnissituationen oder idealisierte Verzerrungen der vergangenen Epochen und ihrer Persönlichkeiten beinhalten. Manipuliert wurde ihre Gestaltung z.B. von nach Legitimität strebenden Herrscherdynastien, vom sich etablierenden islamischen Rechtssystem oder von theologisch rivalisierenden Gruppierungen. So muss damit gerechnet werden, dass die Texte aus unterschiedlichen Zeiten und Regionen kontextuell verschiedene soziale Normen und Konventionen für Frauen reflektieren und diese in die Zeit des Propheten zurückprojizieren. Siehe Albrecht Noth, Der Charakter, 168–199 ; ders., Quellenkritische Studien ; Eckart Stetter, Topoi und Schemata im ¼adÍÝ ; Tilman Nagel, ¼adÍÝ, 118–128 ; Barbara Freyer Stowasser, Women in the Qur’an, Traditions, and Interpretations. 11 Die Überlieferungen konzipieren kein einheitliches Bild „einer“ altarabischen Religion. Dem Singular wird aus sprachpragmatischen Gründen der Vorrang gewährt. Es finden sich Züge von Polytheismus, aber auch Henotheismus. Die Menschen glaubten an Geister, übten einen Ahnenkult aus, opferten ihren Gottheiten, deuteten Zeichen als Omen und veranstalteten Wallfahrten und Feste. Die Gottheiten waren im Wesentlichen lokale Stammesgottheiten, für die oft ein „Haus“ oder ein heiliger Bezirk mit einem „Priester“ vorgesehen war. Drei Göttinnen treten durch die Quellenlage gesondert hervor : al-ManÁt, al-LÁt und al-þUzzÁ. Sie wurden in ganz Arabien verehrt und genossen höchstes Ansehen. Vgl. Rosa Klinke-Rosenberger, Das Götzenbuch ; Maria Höfner, Die vorislamischen Religionen Arabiens ; Julius Wellhausen, Reste arabischen Heidentums. 12 Keiner dieser Kulturbereiche soll hier als in sich geschlossen und abgetrennt von anderen Bereichen wirkend verstanden werden, da sich ökonomische, gesellschaftspolitische, rechtliche und religiöse Komponenten untereinander bedingen und in komplexen interdependenten Verhältnissen zueinander stehen. Unter Religion wird nach Gladigow und Geertz ein kulturspezifisches Deutungs- und Symbolsystem verstanden, das ein Teilelement von Kultur ist, wobei das Kulturverständnis von Geertz grundlegend ist. Siehe Burkhard Gladigow, Religionswissenschaft als Kulturwissenschaft ; Clifford Geertz, Religion als kulturelles System, 44–95 ; Burkhard Gladigow, Gegenstände und wissenschaftlicher Kontext von Religionswissenschaft, 26–40. 13 Siehe Anmerkung 69. 14 Vgl. Günter Kettermann, Atlas zur Geschichte des Islam, 16f.
Frauen zwischen Selbst- und Fremdbestimmung
197
ein Kaufmannsadel15 entwickelte. Anfang des 6. Jahrhunderts erlangten die Qurayš die religiöse und wirtschaftliche Vorherrschaft in Mekka und die führenden Kaufleute kontrollierten den gesamten Handel vom Jemen nach Gaza und Damaskus.16 Den Aufschwung im Handels- und Finanzwesen der Stadt begünstigte die Kaþba, da zahlreiche Stämme dorthin pilgerten und Handel betrieben. Durch die ab dem Jahr 400 verstärkte Niederlassung von Stämmen in Städten und den wachsenden Handel entwickelten sich „individualistische Tendenzen“17 und es kam zu einer Umstrukturierung der Erbschaftspraxis. Ein erfolgreicher Kaufmann vermachte sein Vermögen nun seinen Söhnen statt seinem Stamm. Die Stammessolidarität wurde dadurch „aufgeweicht“ und der Niedergang des Stammeswesens eingeleitet.18 Auf den mangelnden Zusammenhalt der einzelnen Sippen folgten Auseinandersetzungen, Rivalitäten und oft blutige Fehden. Die strukturellen Veränderungen im demografischen Bereich, wie Verstädterung und wirtschaftlicher Aufschwung, bedingten wiederum einen erheblichen Wandel in der Gesellschaftsstruktur. Die vorherrschenden Gesellschaftsformen waren heterogen und neben matrilinearen Stammesstrukturen existierten auch patrilineare.19 In matrilinearen Verwandtschaftsverhältnissen führte man die Abstammung mütterlicherseits zurück, während sich die Kontrolle über Familie und Besitz in den Händen des Bruders der ältesten Frau befand und nach dessen Tod auf den ältesten Sohn dieser Frau übertragen wurde. Nach der Aufnahme einer sexuellen Beziehung verblieb die Frau in ihrem Stamm, wodurch dem Stamm die Nachkommenschaft und das Erbe gesichert waren, die Frage der Vaterschaft war nebensächlich.20 Frauen in matrilinearen Stammesstrukturen schienen über ihre Sexualität autonom bestimmen zu können.21 Im patrilinearen Familiensystem war die Polygynie verbreitet und die Frau konnte nach dem Tod des Ehemanns an 15
Der Terminus „Adel“ wird im Zusammenhang mit den führenden Stämmen in Mekka nur mit Vorbehalt verwendet. Zur Diskussion darüber siehe Noth, Früher Islam, 14. 16 Vgl. W. Montgomery Watt und Alford T. Welch, Der Islam, 40. 17 Roswitha Gost, Die Geschichte des Harems, 50. 18 Vgl. W. Montgomery Watt, Kurze Geschichte des Islam, 88. 19 Allgemein zu patrilinearen und matrilinearen Gesellschaftsformen in vorislamischer Zeit siehe George Alexander Wilken, Das Matriarchat bei den Alten Arabern. 20 Entweder wechselte der Ehemann in den Stamm der Frau oder besuchte sie von Zeit zu Zeit. Eine solche Art der sexuellen Beziehung wird in den Überlieferungen am Beispiel der Eltern Mu½ammads veranschaulicht : Mu½ammads Vater wurde von seinem Vater zu Àmina, Mu½ammads Mutter, gebracht, um mit dieser die Ehe zu vollziehen und sie dann wieder zu verlassen. 21 Sie hatten die Möglichkeit, dem Partner zu signalisieren, dass er nicht mehr erwünscht war, oder konnten gleichzeitig sexuelle Beziehungen zu mehreren Männern führen. Vgl. W. Montgomery Watt, Women in the Earliest Islam, 162f. ; Leila Ahmed, Women and Gender in Islam, 41–44 ; Gost, Die Geschichte des Harems, 48f. Zu den verschiedenen Formen polyandrischer Ehen siehe Watt / Welch, Der Islam I, 132f.
198
Doris Decker
dessen jüngeren Bruder weitergegeben werden. Die Änderungen betrafen vor allem das Sexualleben der Frau, da aufgrund der veränderten Erbpraxis nun die Vaterschaft abgesichert werden sollte. Dies geschah, indem die Frau bei der Aufnahme einer sexuellen Verbindung in die Familie des Mannes aufgenommen wurde, um „überwacht“ werden zu können.22 Da das patrilineare Familiensystem in besondere Weise von den strukturellen Veränderungen profitierte, konnte es sich im Lauf der Zeit durchsetzen. Im Übergang vom 6. zum 7. Jahrhundert war in Mekka der Wandel „von der matrilinearen zur patrilinearen Organisation der Familien und Stämme noch in vollem Gang“23, was zu Konflikten und Spannungen führte.24 Diese knappe Skizze des kulturgeschichtlichen Hintergrundes verdeutlicht, dass die arabische Gesellschaft vor dem Islam von verschiedenen kulturellen Veränderungsprozessen durchzogen wurde, die in interdependenten Abhängigkeitsverhältnissen standen. Zwar wird im Folgenden hauptsächlich nach dem Wandel weiblicher Geschlechterkonstruktionen in religiösen Veränderungsprozessen gefragt, doch sollte in zukünftigen Schritten die Betrachtung weiterer Kulturbereiche einbezogen werden. Denn die Überlieferungen beschreiben Frauen in verschiedenen kulturellen Sektoren als selbst- oder fremdbestimmt denkende und handelnde Personen, so auch z.B. in ihren gesellschaftspolitischen oder ökonomischen Aktivitäten. Aus solch einer Perspektive dürfte auch ersichtlich werden, dass sich ein Wandel von Geschlechterkonstruktionen nicht kategorisch von einzelnen Kultursektoren ableiten lässt.
II. Betrachtung ausgewählter Überlieferungen Da ich nur wenige Überlieferungen25 genauer betrachten kann, werde ich lediglich die Darstellung einer Frauenfigur, die in fast einem Dutzend 22 Durch die Abgabe des Brautgeldes wurde die Familie der Frau für den Verlust (z.B. von Nachkommenschaft) entschädigt. Vgl. Erdmute Heller / Hassouna Mosbahi, Hinter den Schleiern des Islam, 7 ; Gost, Die Geschichte des Harems, 50f. ; Bettina Shamsul, Die Frau und der Islam, 83. 23 Gost, Die Geschichte des Harems, 51. 24 Vgl. Watt / Welch, Der Islam I, 132–134. 25 Die Überlieferungen entstammen arabisch-islamischen Kompilationen aus dem 8. und 9. Jahrhundert : die SÍra von Ibn Is½Áq (704–767), vorliegend in der Redaktion durch Ibn HišÁm (gest. 834), al-WÁqidÍs (747–823) KitÁb al-Ma™ÁzÍ, der Band der Biographien der Frauen der ÓabaqÁt von Ibn Saþd (784–845), al-Bu¿ÁrÍs (810–870) ¼adÍÝsammlung und die Bände von aÔ-ÓabarÍs (839–923) TaÿrÍ¿, die sich auf die Ereignisse zu Mu½ammads Lebzeiten (ca. 570–632) beziehen. Diese Werke sind mit die ältesten Überlieferungen zu Mu½ammad und für eine Analyse im Rahmen dieses Aufsatzes prädestiniert, da sie einen Diskurs über die Phase der Herausbildung der islamischen Identität innerhalb der ersten Jahrhunderte des Islam widerspiegeln.
Frauen zwischen Selbst- und Fremdbestimmung
199
Überlieferungsvarianten vorliegt, intensiver analysieren. Anschließend werde ich überblicksartig auf die Darstellungen von Frauen im Kontext der altarabischen Religion und ihren möglichen kultischen Funktionen eingehen. In einem dritten Teil betrachte ich Frauenfiguren und ihre Haltung zu Mu½ammad und seiner Botschaft. Thematisch kreisen die Überlieferungen um die religiöse Überzeugung der Frauen. Die Auswahl der Beispiele richtete sich danach, dass die Kategorien Gender und Religion berücksichtigt sind und dass dadurch Erkenntnisse über die Interdependenz von literarischen Geschlechterrollen und religiöser Identitätsbildung gewonnen werden können. 1. Ray½Ána bint Zayd – ein ambivalentes Frauenbild Im Jahr 627 gerät die Jüdin Ray½Ána bint Zayd in die Gefangenschaft der Muslime, nachdem Mu½ammad einen Kampf gegen einen der drei in Medina ansässigen jüdischen Stämme, die BanÚ Qurayãa26, für sich entscheiden konnte. Bezüglich ihrer Person scheinen zwei Fragen für die Überlieferer bis ins 9. Jahrhundert und darüber hinaus unklar geblieben zu sein. Zum einen war es ungewiss, ob Ray½Ána im Status einer Sklavin27 bei Mu½ammad blieb oder er sie befreite und heiratete, zum anderen, ob sie an ihrer bisherigen Religion, dem Judentum, festhielt oder Muslimin wurde. Die unterschiedlichen Berichte zu ihr finden sich im Rahmen der ausgewählten Überlieferungen in den Kompilationen von Ibn Is½Áq bzw. Ibn HišÁm (eine Überlieferung), al-WÁqidÍ (drei Überlieferungsvarianten) und Ibn Saþd (sieben Überlieferungsvarianten).28 Im engeren Fokus der Be26 Siehe Ibn HišÁm, SÍra [dt.], 165–181. Verwendete Quellenausgaben in deutscher oder englischer Sprache werden mit [dt.] bzw. [engl.] gekennzeichnet, während der Zusatz [arab.] für Texte in ausschließlich arabischer Sprache, die vorwiegend benutzt wurden, ausgespart wurde. Die Überlieferungen, die direkt in deutscher Sprache zitiert werden, aber auf arabische Ausgaben verweisen, wurden von der Verfasserin übersetzt. 27 Die Beutung „Sklavin“ kann auch unter Einbezug des Überlieferungskontexts nicht differenziert werden, da keine Einzelheiten über Ray½Ánas Leben mit Mu½ammad überliefert sind. Deswegen wird dieses Thema nicht näher beleuchtet und es kann lediglich festgehalten werden, dass sie der Sklavenstatus nicht zum Religionswechsel zwang. Im Allgemeinen besaß ein Sklave, der teils als Mensch, teils als Ware galt, nach islamischem Recht, wobei sich dieses erst ca. 100 Jahre nach dem Tod Mu½ammads herausgebildet hat, keine oder nur eine eingeschränkte Geschäftsfähigkeit und war Besitz seines Herren. Sklaven konnten verschenkt, verkauft oder ausgeliehen werden ; ihre Tötung wurde in der Regel nicht geahndet. Über die Sexualität einer Sklavin konnte nach Belieben verfügt werden. Siehe Fatima Mernissi, Der politische Harem, 198–204 ; Johann Christoph Bürgel, Allmacht und Mächtigkeit, 90–94, 298 ; Albert Hourani, Die Geschichte der arabischen Völker, 157f. Zu Sklavinnen in der zeitgenössischen jüdischen und christlichen Tradition vgl. im vorliegenden Band Brooten, S. 325–355, und Hezser, S. 303–323. 28 Die Überlieferung von aÔ-ÓabarÍ wird nicht betrachtet, da sie nahezu eins-zu-eins auf die der SÍra zurückgeht.
200
Doris Decker
trachtung steht jeweils der Verlauf der Begegnung zwischen Ray½Ána und Mu½ammad, nachdem dieser sie sich als Beute ausgewählt hatte.29 Um einen Eindruck von der Thematik zu bekommen, wird der Ablauf einiger Überlieferungen nacherzählend wiedergegeben, wobei Wiederholungen ausgespart werden.30 a. Die Überlieferungsversion in der SÍra Die SÍra31 hält gleich zu Anfang fest, dass Mu½ammad Ray½Ána für sich ausgewählt hat und sie bis zu ihrem Tod als Sklavin in seinem Besitz blieb. Zwar bot ihr Mu½ammad an, sie zu heiraten und ihr den Vorhang aufzulegen,32 doch antwortete sie : „O Gesandter Gottes, lässt du mich vielmehr im Status als deine Sklavin, so ist es leichter für mich und dich.“33 Er ließ sie im Sklavenstatus. Ray½Ána hatte sich bereits während ihrer Gefangenschaft dem Islam widersetzt und alles außer dem Judentum abgelehnt. So hielt sich Mu½ammad von ihr fern, litt aber aufgrund dieser Zurückhaltung und ihres Verhaltens an Liebeskummer.34 Als er einmal im Kreise seiner Gefährten war, hörte er, wie sich ihm jemand von hinten näherte. Vorausahnend wusste er, dass es sich um Õaþlabat ibn SaþÍya handelte, der ihm die frohe Botschaft von Ray½Ánas Konversion zum Islam überbringt. Õaþlaba trat auf und berichtete : „O Gesandter Gottes, Ray½Ána ist Muslimin geworden.“35 Die Überlieferung schließt mit der Bemerkung ab, dass sich Mu½ammad darüber freute.
29 Vgl. Ibn HišÁm, SÍra, Bd. I, 693 ; al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 520f. ; Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 92–94 ; aÔ-ÓabarÍ, TaÿrÍ¿, Series I, 1497f. 30 Die Übersetzung ist an philologischer Genauigkeit und nicht an sprachlicher Glätte orientiert. 31 Mit SÍra wird die Prophetenbiographie von Ibn Is½Áq bezeichnet. Sie gilt als Standartwerk zum Leben Mu½ammads. SÍra meint gleichfalls ein Genre frühislamischer Literatur und bedeutet soviel wie „way of going“, „way of life“. Vgl. Wim Raven, Art. SÍra, 660. 32 Der Ausdruck wa-ya±riba þalayhÁ l-½iºÁb wird übersetzt mit „und ihr den Vorhang aufzulegen bzw. zur Pflicht zu machen“. Mit ½iºÁb dürfte in Bezug auf die Ehefrauen Mu½ammads ein „Vorhang“ gemeint sein, der für eine Segregation seiner Frauen sorgen sollte. Damit schließe ich mich der Meinung Ahmeds an, nach der nur den Ehefrauen Mu½ammads der ½iºÁb auferlegt wurde, um diese zu separieren. Vgl. Ahmed, Women and Gender in Islam, 54f. Allerdings übersetze ich ½iºÁb nicht mit „Schleier“, wie Ahmed, da ich der Ansicht bin, dass die Segregation nicht durch eine Kopfbedeckung erreicht wurde, sondern durch eine räumliche Trennung von der übrigen Gemeinschaft mit Hilfe eines Vorhangs. Auch Khoury übersetzt in Vers 33:53, der sich direkt auf die Verhaltenskonventionen von Männern gegenüber den Prophetenfrauen bezieht, ½iºÁb mit „Vorhang“ : „Und wenn ihr sie um einen Gegenstand bittet, so bittet sie von hinter einem Vorhang.“ (Koran 33:53) Beispielhaft ist eine Überlieferung von al-Bu¿ÁrÍ, der þÀÿiša vor zwei Männern, ihrem Bruder und einem weiteren Mann, die rituelle Ganzkörperwaschung zur Erklärung vollziehen lässt, wobei zwischen ihr und den Männern ein „Vorhang“ (½iºÁb) ist. Vgl. alBu¿ÁrÍ, Æa½Í½, 5,3. 33 Ibn HišÁm, SÍra, Bd. I, 693. 34 Vgl. Ibn HišÁm, SÍra, Bd. I, 693. 35 Ibn HišÁm, SÍra, Bd. I, 693.
Frauen zwischen Selbst- und Fremdbestimmung
201
b. Die Überlieferungsversionen im KitÁb al-Ma™ÁzÍ Mu½ammad bot der als schön beschriebenen Ray½Ána den Islam an, aber sie lehnte alles außer dem Judentum ab. Daraufhin hielt er sich von ihr fern, litt aber deswegen an Liebeskummer. Er schickte nach Ibn SaþÍya und berichtete ihm das Geschehen. Dieser schwor ihm bei seinem Vater und seiner Mutter, dass Ray½Ána Muslimin werden würde. Ibn SaþÍya suchte sie auf und begann zu ihr zu sagen :36 „Folge nicht deinem Volk, du hast bereits gesehen, was durch ¼uyayy ibn A¿Ôab[37] auf sie gekommen ist. Werde vielmehr Muslimin, damit dich der Gesandte Gottes für sich auswählt.“38 Dann heißt es :39 Während Mu½ammad im Kreise seiner Gefährten war, hörte er sich jemanden nähern und sagte, dass dies Ibn SaþÍya sei, der ihm die frohe Botschaft von Ray½Ánas Konversion zum Islam bringe. Dieser trat auf und sagte : „O Gesandter Gottes, Ray½Ána ist bereits Muslimin geworden ! Freu Dich darüber.“40 Dieser Überlieferung lässt al-WÁqidÍ eine andere Version folgen, nach der Mu½ammad zu Ray½Ána sagt : „Wenn du es begehrst, dass ich dich frei lasse und heirate, mache ich es, und wenn du es begehrst, als eine Sklavin in meinem Besitz zu bleiben, damit ich hin und wieder zu dir kommen kann, mache ich es.“ Sie antwortete ihm : „O Gesandter Gottes, wahrlich es ist leichter für dich und für mich, dass ich als Sklavin in deinem Besitz bin.“41 Abgeschlossen wird die Überlieferung mit dem Hinweis, dass sie bis zu ihrem Tod als Sklavin im Besitz des Propheten blieb, damit er hin und wieder zu ihr gehen konnte.42 In einer dritten Version fragt Ibn AbÍ ©iÿb az-ZuhrÍy nach Ray½Ána. Az-ZuhrÍy antwortete ihm, dass Ray½Ána die Sklavin des Gesandten war. Dann hätte er sie befreit und geheiratet und sie sich von ihrer Familie separiert und gesagt : „Niemand sieht mich nach dem Gesandten Gottes.“43 Und dies, so fährt az-ZuhrÍy fort, sei die verlässlichere der beiden Erzählungen, die sie wüssten.
c. Die Überlieferungen in den ÓabaqÁt In einer Variante wird berichtet, dass Mu½ammad Ray½Ána den Islam anbot, als sie sich in seiner Gefangenschaft befand. Sie wies das Angebot jedoch zurück und erklärte : „Ich gehöre der Religion meines Volkes an.“ Daraufhin entgegnete ihr Mu½ammad : „Wenn du Muslimin wirst, wählt dich der Gesandte Gottes für sich selbst aus.“44 Aber sie wies auch dies zurück, was für ihn unerträglich war. Als Mu½ammad im Kreise seiner Gefährten saß, hörte er, wie sich jemand näherte, und sagte, dass dies Ibn SaþÍya sei, der ihm die frohe Botschaft überbringe, dass Ray½Ána Muslimin geworden sei.45 Ibn SaþÍya trat auf und
36 Der Ausdruck fa-ºaþala yaqÚlu lahÁ deutet daraufhin, dass er mehrfach mit ihr darüber gesprochen hat. 37 ¼uyayy war Anführer des jüdischen Stammes an-Na±Ír in Medina und widersetzte sich Mu½ammad, weshalb sein Volk vertrieben wurde. 38 Al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 520. 39 Der zeitliche Abstand zwischen den Geschehnissen bleibt, wie so oft, unklar. 40 Al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 520. 41 Al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 521. 42 Vgl. al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 521. 43 Al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 521. 44 Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 94. 45 Vgl. Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 94.
202
Doris Decker
berichtete : „Wahrlich, sie ist bereits Muslimin geworden.“46 Abschließend heißt es, dass es bis zu Ray½Ánas Tod Mu½ammads Gewohnheit war, hin und wieder zu ihr zu gehen, und sie als Sklavin in seinem Besitz war. In einer anderen Variante, in der Ray½Ána die Berichterstatterin ist, wird sie von Mu½ammad vor die Wahl gestellt : „Wenn du Gott und seinen Gesandten wählst, dann wählt dich der Gesandte Gottes für sich selbst aus.“47 Sie antwortete, „Wahrlich, ich wähle Gott und seinen Gesandten,“48 und fügte hinzu, dass sie der Gesandte, als sie Muslimin wurde, befreite und heiratete. Er gab ihr ein Brautgeld wie seinen anderen Ehefrauen, besuchte sie als seine Braut im Haus von Umm al-Manªur, ließ ihr zukommen, was er auch seinen anderen Frauen zukommen ließ und machte ihr den „Vorhang“ zur Pflicht.49 Die direkte Rede Ray½Ánas endet und der Tradent berichtet, dass Mu½ammad so entzückt von ihr war, dass sie, ohne fragen zu müssen, alles von ihm bekam. Deswegen sagte man zu ihr, dass der Gesandte ihren Stamm, die Qurayãa, freigegeben hätte, wenn sie darum gebeten hätte. Und sie pflegte zu sagen, dass er nicht mit ihr allein war, bevor sie aus ihrer Gefangenschaft befreit worden war. Und er war oft mit ihr alleine und nahm viel von ihr bzw. er fand viel bei ihr. Dies (Verlangen ?) hörte bei ihm nicht auf, bis sie tot war. Eine weitere Überlieferung, in der sie als schön und elegant bezeichnet wird, berichtet : „Der Gesandte Gottes ließ sie zwischen dem Islam und ihrer Religion wählen und sie wählte den Islam.“50 Daraufhin habe er sie frei gelassen, geheiratet und ihr den „Vorhang“ zur Pflicht gemacht. Aufgrund ihrer als äußerst heftig beschrieben Eifersucht trennte sich Mu½ammad eine Weile von ihr. Dies war für sie unerträglich und sie weinte immer mehr darüber. Als Mu½ammad wieder einmal bei ihr eintrat, war sie gerade in einem solch traurigen Zustand. Daraufhin kehrte er zu ihr zurück und blieb bis zu ihrem Tod mit ihr zusammen.51 Vier weitere Überlieferungen finden sich, die im Wesentlichen den Überlieferungen von Ibn Is½Áq und al-WÁqidÍ ähneln. Unter diesen befindet sich eine Version, die interessanterweise genau auf die ungeklärte Frage eingeht, ob Mu½ammad Ray½Ána geheiratet hat oder nicht. Dabei werden beide Möglichkeiten vorgestellt, doch einer der Vorzug gegeben. Erst wird berichtet, dass sie bis zu ihrem Tod bei ihm war, wobei er sie befreit und geheiratet hat, das sei die gesicherte Variante. Andererseits wird überliefert, dass er sie nicht frei ließ, aber oft zu ihr ging und sie, bis sie starb, im Status einer Sklavin in seinem Besitz war.52 Ähnlich wie bei al-WÁqidÍ heißt es, dass ihr Mu½ammad anbot : „Wenn du es begehrst, dass ich dich frei lasse und heirate, mache ich es, und wenn du es begehrst, als eine Sklavin in meinem Besitz zu bleiben (mache ich es).“ Sie antwortete : „O Gesandter Gottes, als Sklavin in deinem Besitz zu sein, ist leichter für mich und für dich.“53 In dieser Variante wird nicht erwähnt, dass Mu½ammad den Wunsch hatte, immer wieder bei ihr einzukehren, wie er es bei al-WÁqidÍ zusätzlich äußert. Eine sehr kurze Überlieferung, in der berichtet wird, dass sie als seine Sklavin in seinem Besitz war, er sie aber befreite und heiratete, spricht ebenfalls von einer Trennung. Es wird allerdings weder ein Grund dafür angegeben, noch gesagt, dass Mu½ammad zu ihr zurückkehrte. Es wird lediglich erwähnt, dass sie bei ihrer Familie zu sagen pflegte, niemand habe sie nach dem Gesandten gesehen. 46
Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 94. Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 92f. 48 Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 93. 49 Vgl. Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 92f. 50 Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 93. 51 Vgl. Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 93. 52 Vgl. Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 93. 53 Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 94. 47
Frauen zwischen Selbst- und Fremdbestimmung
203
Noch kürzer fällt eine Überlieferung aus, in der berichtet wird, dass Mu½ammad ihr die Freiheit gab, sie heiratete, ihr zuteilte, was er allen seinen Frauen gab, und ihr den „Vorhang“ zur Pflicht machte.54
d. Auswertung Diese knappe Inhaltswiedergabe der verschiedenen Überlieferungen zur Begegnung zwischen Ray½Ána und Mu½ammad und zu ihrem Verhältnis lässt die Komplexität der Überlieferungen erkennen. Ein Vergleich der einzelnen Überlieferungsstränge zeigt bemerkenswerte Auffälligkeiten. Fast durchgängig geht es in den Überlieferungen um die Frage nach einer möglichen Ehe von Mu½ammad und Ray½Ána.55 Das Thema Religion und somit eine mögliche Konversion Ray½Ánas wird nur von ungefähr der Hälfte der Überlieferungen aufgegriffen. Daraus kann gefolgert werden, dass die grundlegendere Frage das soziale Verhältnis der beiden und nicht eine mögliche Konversion von Ray½Ána zum Islam war. Auffällig ist aber, dass stets erzählt wird, dass sie Muslimin wurde, wenn Religion thematisiert wird. Das unter dem Gesichtspunkt eines selbst- oder fremdbestimmten Verhaltens betrachtete Frauenbild ist äußerst ambivalent. Die älteren Überlieferungen56 berichten jeweils in direkter Rede von Mu½ammads Heiratsantrag und Ray½Ánas Entscheidung und ihrer Antwort darauf. Durch die in direkter Rede überlieferte Zurückweisung des Heiratsantrags und somit auch ihrer Freilassung mit der Begründung, dass es für sie beide einfacher sei, wenn sie als Sklavin in seinem Besitz bliebe, wird sie (bezüglich dieser Entscheidung) als eine selbstbestimmte Frau vorgestellt. Das klingt paradox, aber auch wenn sie die Freiheit ablehnt, hat sie sich immer noch selbst dazu 54 Vgl. Ibn
Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 93. Nur eine Überlieferung (von al-WÁqidÍ) spricht dieses Thema nicht an, eine andere (von Ibn Saþd) kann mit dem Angebot Mu½ammads an Ray½Ána : „Wenn du Muslimin wirst, wählt dich der Gesandte Gottes für sich selbst aus.“ (Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 94) dahingehend gedeutet werden. 56 Im Folgenden werden die Überlieferungen von Ibn Is½Áq bzw. Ibn HišÁm und alWÁqidÍ als Gruppe der „älteren“ Überlieferungen bezeichnet, die von Ibn Saþd als Gruppe der „jüngeren“. Diese grobe Unterscheidung treffe ich aufgrund der Lebensdaten und der starken thematischen Tendenzen und Besonderheiten in der Überlieferungsgruppe von Ibn Saþd. Sicherlich ließen sich, und darauf muss ich hier im begrenzten Rahmen des Aufsatzes verzichten, viel genauere zeitliche Abstufungen ausmachen. Obwohl die Sterbedaten dreier dieser Überlieferer in die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts zu verorten sind, sollen die Arbeiten von Ibn HišÁm, da dieser die SÍra Ibn Is½Áqs aus dem 8. Jahrhundert tradiert, und die von al-WÁqidÍ als „älter“ begriffen werden. Schließlich stand Ibn Saþd als Sekretär in al-WÁqidÍs Diensten und konnte dessen Werke als Grundlage für seine eigenen Arbeiten heranziehen, was ebenfalls den Generationensprung verdeutlicht. Im weiteren Verlauf und bezogen auf folgende Beispiele definiert sich die Gruppe der älteren Überlieferungen somit aus Ibn Is½Áq bzw. Ibn HišÁm und al-WÁqidÍ und die Gruppe der jüngeren aus Ibn Saþd, al-Bu¿ÁrÍ und aÔ-ÓabarÍ. 55
204
Doris Decker
entschieden. Ihr selbst wird das Wort erteilt, sie entscheidet darüber, den Heiratsantrag anzunehmen oder abzulehnen, wobei sie ihn immer ablehnt, und sie begründet ihre zurückweisende Haltung.57 Demgegenüber treten in der Gruppe der jüngeren Überlieferungen verstärkt Berichte auf, die Ray½Ána passiv und eher fremdbestimmt erscheinen lassen. Häufig wird weder von einem Heiratsantrag noch von ihrer Antwort berichtet, sondern lediglich davon, dass Mu½ammad sie geheiratet hat. Bezogen auf das Thema Religion wird sie ebenfalls in den älteren Überlieferungen als selbstbestimmt beschrieben. Zwar konvertiert sie letztlich doch zum Islam, jedoch nicht ohne vorher zunächst den Islam abzulehnen und am Judentum festzuhalten. Die Überlieferungspassage über ihre spätere Konversion, die jeweils einmal in allen drei Kompilationen vorkommt, wirkt konstruiert und wie ein Zusatz in späterer Zeit nachgeschoben. Interessant ist die Überlieferung von al-WÁqidÍ, in der sie von Ibn SaþÍya überzeugt wird, Muslimin zu werden. Durch seine Aussage, sie solle nicht ihrem Volk folgen, rückt er die Bedeutung der Religiosität des Volkes in den Vordergrund. Dadurch wird ersichtlich, dass die „Tradition der Vorfahren“ ausschlaggebend für die Religionszugehörigkeit war, so auch für Ray½Ána, die bei der Religion ihres Volkes58 bleiben wollte. Doch ihre Motivation, einer Religion den Vorzug zu geben, ist nicht immer ersichtlich. Während sich ihr Entschluss, Jüdin zu bleiben, an der religiösen Tradition ihres Volkes orientiert, bleiben ihre Beweggründe, den Islam anzunehmen, unklar. Auffällig ist aber, dass sich die Überlieferungen, in denen sie den Islam nicht ablehnt, nur bei Ibn Saþd finden, also in den jüngeren Traditionen. Vermutlich war es zum einen in späterer Zeit nicht mehr akzeptabel, dass berichtet wird, jemand im Umfeld des Propheten habe den Islam abgelehnt. Zum anderen schien es wichtig gewesen zu sein, dass das Thema Konversion generell aufgegriffen wird und Ray½Ána zum Islam konvertiert. Nur Ibn Saþd legt Ray½Ána den Satz „Wahrlich, ich wähle Gott und seinen Gesandten“ in den Mund und lässt sie in einer anderen Überlieferung widerstandslos den Islam wählen. Sie wird zu einer einsichtigen Frau und wendet sich ohne Überzeugungsarbeit von außen dem Islam zu. Daher kann ein Bericht über ihre spätere Konversion entfallen. Die Widerstandskraft einer Jüdin, die sich konsequent weigert, die Religion ihres Volkes zu verlassen, wird in der Überlieferung fast ausradiert. Die literarische Ausmerzung oder Überlagerung nicht-islamischer Religion zeigt sich auch darin, dass das Judentum 57 Was sie mit „leichter“ meinte, kann nur vermutet werden. Vielleicht war sie nicht dazu bereit, bestimmte Verpflichtungen zu übernehmen oder Beschränkungen zu erdulden, die sich im Zuge einer Heirat ergeben hätten. Ein Grund könnte die Separation gewesen sein, die den Ehefrauen des Propheten auferlegt worden sein soll. 58 Es findet sich noch eine andere Passage, in der allgemein von den Frauen der Qurayãa nach der Vertreibung ihres Stammes berichtet wird, dass sie bis zu ihrem Tod nicht von der Religion ihres Volkes ablassen wollten. Vgl. al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 523.
Frauen zwischen Selbst- und Fremdbestimmung
205
Ray½Ánas nur in der SÍra und von al-WÁqidÍ explizit benannt wird, während Ibn Saþd nur noch unspezifisch von der „Religion ihres Volkes“ oder „ihrer Religion“ spricht. Zusätzlich ändern die Überlieferer ihre Haltung gegenüber einer Heirat, da sie dieser nun gewillter zu begegnen scheint, wodurch Mu½ammad nicht mehr aufgrund ihrer ablehnenden Haltung an Liebeskummer leiden muss.59 Denn auch dies scheinen die jüngeren Überlieferungen ungern zu erwähnen. Bei Ibn Saþd verdreht sich die charakterliche Ausgestaltung so weit, dass Ray½Ána selbst an starker Eifersucht leidet. Die Idealisierung ihres Bildes als Ehefrau des Propheten kulminiert in den Überlieferungen, die ihre Separierung thematisieren. Das von den älteren Überlieferungen erzeugte Frauenbild wird mit den zusätzlichen und nur von Ibn Saþd aufgeführten Überlieferungen auf den Kopf gestellt. Die literarisch ambivalente Gestaltung Ray½Ánas veranschaulicht einen Wandel weiblicher Geschlechterkonstruktionen, der auf religiöse Veränderungsprozesse zurückgeführt werden kann. Im Zuge der Etablierung und Ausdifferenzierung des Islam wird auch die Darstellung Ray½Ánas immer stärker in einen islamischen Kontext eingebunden und verknüpft mit bestimmten sozialen Konventionen bezüglich einer Ehe des Propheten mit einer Frau. Die Wandlung ihres literarischen Bildes legt geradezu ein Zeugnis für einen religiösen Veränderungsprozess innerhalb einer Gesellschaft ab. Ray½Ána wird zu einer bereitwilligen Konvertitin und idealisierten Prophetenehefrau. Ihr werden emotionale Züge wie Eifersucht oder Liebeskummer wegen des Propheten zugewiesen und nicht umgekehrt Mu½ammad, der sie in älteren Überlieferungen vergebens um ihr Einverständnis zur Heirat bittet. Gleichsam wirkt ihre Figur in der Gruppe der jüngeren Überlieferungen passiver, da sie seltener in direkter Rede zitiert wird und der Heirat oft weder ein Antrag bzw. eine Wahlmöglichkeit noch eine Entscheidung ihrerseits vorausgeschickt werden. Es scheint, als seien bestimmte Darstellungsweisen des Propheten und seiner Frauen in späteren Zeiten nicht mehr akzeptabel gewesen und entsprechend redigiert worden. In der Überlieferungsgeschichte lässt sich somit eine Tendenz zur Verschiebung von der Darstellung einer selbstbestimmten, souveränen zu einer passiven, inkompetenten Frauengestalt feststellen. Jedoch kann trotz Ibn SaþÍyas Einflussnahme auf Ray½Ána nicht von Fremdbestimmung gesprochen werden, da kein äußerer Zwang erkennbar ist. Indem in der Entwicklung der Darstellung Ray½Ánas der Islam in den Vordergrund und die Orientierung an der Tradition der Vorfahren und deren Religion in den Hin59 Das Bild eines an Liebeskummer leidenden Propheten erscheint im Übrigen durch die etwas aus dem thematischen Rahmen von Heirat und Konversion fallende Überlieferung von Ibn Saþd, in der Mu½ammad von Ray½Ána so entzückt gewesen sein soll, dass er ihr alles gab, wonach sie fragte, realistischer. Dafür sprechen auch die Hinweise darauf, dass er oft bei ihr gewesen wäre, sie eine intensive und leidenschaftliche Beziehung geführt hätten und ihre Beschreibung als schön und elegant.
206
Doris Decker
tergrund rückt und schließlich ganz verschwindet, finden in der Geschlechterkonstruktion von Ray½Ána religiöse Veränderungsprozesse einen Ausdruck. Ihre Figur wird von ihrer ursprünglichen, religiösen Tradition gelöst und in neue, vom Islam dominierte Verhaltenskonventionen eingebunden. 2. Priesterinnen der altarabischen Religion Im Zusammenhang mit Ray½Ána wurde bereits angedeutet, dass die Überlieferungen mit der Zeit immer weniger von Religionen berichten, die in vorislamischer Zeit auf der Arabischen Halbinsel eine Rolle gespielt haben. Ebenso wenig vermitteln sie differenzierte Einblicke in ein kultisches Leben. Dies geschieht, obwohl Christentum60 und Judentum61 bereits Jahrhunderte vor dem Islam von Norden und Süden aus auf die Arabische Halbinsel vorgedrungen waren, die dortigen Stämme Anhänger der altarabischen Religion waren62 und es nach manchen Berichten existentielle Auseinandersetzungen zwischen Mu½ammad und den Anhängern anderer Religionen gab. Nach Dostal hat „die Kraft des neuen Glaubens […] das Wissen über alle diese nun der Vergangenheit angehörenden religiösen Ausformungen verloren gehen“ lassen. Die vorislamische Zeit, nun als Schande empfunden und als Zeit der Unwissenheit (ºÁhiliyya) degradiert, „wurde mit dem Schleier der Missachtung bedeckt.“63 Dies lässt sich auch anhand einiger Darstellungen von Frauen erkennen, die innerhalb des altarabischen Religionssystems möglicherweise als religiöse Spezialistinnen64 tätig waren. Zwar erwähnen die Überlieferungen Wahrsagerinnen,65 deuten ein weibliches Priestertum66 an, berichten von ei60 Siehe dazu Hartmut Bobzin, Mohammed, 57 ; Heinz Halm, Die Araber, 15–17 ; Bernard Lewis, Die Araber, 40. 61 Siehe dazu Halm, Die Araber, 17, 23 ; Watt / Welch, Der Islam I, 46 ; Wellhausen, Reste, 230. 62 Dass auch Mu½ammad vor seinem Auftreten als Prophet die altarabische Religion praktizierte, lässt eine Überlieferung von Ibn al-KalbÍ vermuten. Nach ihm habe Mu½ammad in seiner Jugend der Göttin al-þUzzÁ geopfert. Vgl. Klinke-Rosenberger, Das Götzenbuch, 39. Dafür spricht auch, dass sein Großvater und dessen Söhne die Aufsicht über die mekkanischen Heiligtümer hatten. Vgl. Abdoljavad Falaturi, Der Koran, 66 ; Walter Dostal, Die Araber in der vorislamischen Zeit, 34. 63 Dostal, Die Araber in der vorislamischen Zeit, 40. 64 Als religiöser Spezialist wird eine Person bezeichnet, die spezifische Kompetenz im Bereich des religiösen Handelns oder Wissens erworben hat und dadurch Träger bestimmter religiöser (z.B. kultischer) Aufgaben ist. Siehe dazu Jörg Rüpke, Art. Funktionär, 159 ; ders., Spezialisten, 345–350. 65 Vgl. Ibn HišÁm, SÍra, Bd. I, 129–132, 284 ; aÔ-ÓabarÍ, TaÿrÍ¿, Series I, 1617. Zu Wahrsagerinnen und Seherinnen siehe Wellhausen, Reste, 137–140 ; Nabia Abbott, Women and the State on the Eve of Islam, 260f. 66 Die Aufgaben der Priester und Priesterinnen bestanden u. a. darin, Orakel zu erteilen und bei Befragungen Weisungen, Rechtsprechungen und allgemein Entscheidungen in
Frauen zwischen Selbst- und Fremdbestimmung
207
ner Prophetin67 und Zauberinnen68, jedoch bleiben deren Beschreibungen und die ihrer religiösen Funktionen oberflächlich und geben keine spezifischen Auskünfte über ihr religiöses Spezialgebiet, Rituale oder kultische Aktivitäten. Dass Frauen aber bezüglich der Kultstätten bestimmte Funktionen ausübten, lassen einige Überlieferungen folgern, wie z.B. die über die „Schlüsselbewahrerin“ der Kaþba69. Al-WÁqidÍ berichtet, dass Mu½ammad bei der Eroberung Mekkas (630) die Kaþba nicht betreten konnte, da diese verschlossen war und sich der Schlüssel in der Obhut von Umm þUÝmÁn bint Šayba befand.70 Auf Mu½ammads Befehl hin sollte þUÝmÁn ibn Óal½a, ihr Sohn, den Schlüssel holen. Umm þUÝmÁn gewährte ihrem Sohn nur widerwillig Einlass in ihr Haus, weigerte sich vehement, ihm den Schlüssel auszuhändigen, den sie in ihrem Schoß versteckte, und verwickelte den Sohn in eine Diskussion. Erst als sie die drohenden Stimmen AbÚ Bakrs71 und þUmars72 hörte, kapitulierte sie und händigte den Schlüssel aus.73 Damit endet der Bericht über sie und es bleibt unklar, welche Aufgaben sie in ihrer Position erfüllte oder welche Bedeutung einer Schlüsselbewahrung zukam. Dennoch wird ersichtlich, dass sie eine schützende und bewahrende Funktion bezogen auf das Heiligtum innehatte. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass die Hauptaufgaben des arabischen Priestertums in Zentralarabien den Schutz und die Verwaltung der Kultstätten betrafen.74 Deshalb deutet die Bewahrung des Schlüssels auf eine Priesterinnenfunktion Umm þUÝmÁns hin. Es wird nur für einen Moment das Bild einer selbstbestimmten und dominanschwierigen Fragen zu geben. Vgl. Wellhausen, Reste, 132–134 ; Klinke-Rosenberger, Das Götzenbuch, 48, 55. 67 Vgl. aÔ-ÓabarÍ, TaÿrÍ¿, Series I, 1908–1921 ; V. Vacca, Art. SadjÁ½, 738–739 ; Ahmed, Women and Gender in Islam, 58f. ; Nabia Abbott, Women and the State in Early Islam, 112f. 68 Vgl. Wellhausen, Reste, 159–161. 69 In der Kaþba in Mekka verehrten die Qurayš ihren Hauptgott Hubal, dessen Standbild sich neben dem zahlreicher anderer Gottheiten im Innern der Kaþba befand. Vgl. Watt / Welch, Der Islam I, 43f. ; Klinke-Rosenberger, Das Götzenbuch, 43f. ; Höfner, Die vorislamischen Religionen Arabiens, 366. In der Forschung ist es umstritten, ob er seine Stellung als Herr der Kaþba zu Mu½ammads Lebzeiten bereits eingebüßt hatte und AllÁh als eigentlicher „Hochgott“ verehrt wurde. Vgl. Hartmut Bobzin, Der Koran, 58 ; Noth, Früher Islam, 22 ; Watt / Welch, Der Islam I, 44 ; Karl Ahrens, Muhammed als Religionsstifter, 15. 70 Ibn HišÁm erwähnt sie in der SÍra mit ihrem eigentlichen Namen SulÁfa. Eine pikante Überlieferung über sie berichtet, sie habe ihre Söhne in einer Schlacht, in der Mu½ammad gegen die Mekkaner kämpfte, verloren und geschworen, aus dem Schädel des Mörders Wein zu trinken. Vgl. Ibn HišÁm, SÍra, Bd. I, 557, 639. 71 AbÚ Bakr, nach Mu½ammads Tod von 632 bis 634 der erste Kalif, war ein wohlhabender mekkanischer Kaufmann und einer der engsten Vertrauten Mu½ammads. 72 þUmar ibn al-¾aÔÔÁb, einer der engsten Berater des Propheten, übernahm nach AbÚ Bakr das Kalifenamt. 73 Vgl. al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 833. 74 Vgl. Susanne Krone, Die altarabische Gottheit al-LÁt, 427.
208
Doris Decker
ten Frau skizziert, die letztlich den religiösen Veränderungen wehrlos und ohnmächtig gegenübersteht. Damit spiegelt ihre Figur beispielhaft den Verdrängungsprozess der altarabischen Religion durch den Islam wider. Die frühislamischen Überlieferungen bemühen sich zunehmend darum, die religiösen Spezialistinnen der altarabischen Religion gegenüber dem Erscheinen des Islam als machtlos darzustellen. Nur schemenhaft wird ersichtlich, dass diese einst machtvolle Repräsentantinnen ihrer Religion waren. Hierzu ein weiteres Beispiel : Nach al-WÁqidÍ sei nach der Eroberung Mekkas, als Mu½ammad neben der Kaþba eine Ansprache an die Bewohner hielt, plötzlich eine Frau erschienen, wohl aus einem der Kultbilder oder der Kaþba heraustretend, die nackt, zerzaust und schwarz war und mit aufgelöstem Haar wehklagend ihr Gesicht zerkratzte. Mu½ammad erklärte, dass dies NÁÿila75 gewesen sei, die wüsste, dass sie nun nie mehr verehrt werden würde.76 Ähnliches berichtet al-WÁqidÍ über die Kultstätte der Göttin al-þUzzÁ77, bei deren Zerstörung eine schwarze, nackte Frau mit offenen Haaren aus dem Heiligtum heraustrat und erschlagen wurde.78 Auch bei diesen beiden Frauen kann vermutet werden, dass es sich um in den Heiligtümern lebende Priesterinnen gehandelt hat.79 In den Erzählungen wird den Frauen jede Möglichkeit auf Selbstbestimmung genommen. Sie müssen unter Zwang vom Gebiet ihrer Kultstätte weichen und von ihrer Funktion ablassen, wollen sie ihrer Hinrichtung entgehen. Die Beispiele stammen aus den älteren Überlieferungen. In den jüngeren Überlieferun-
75 NÁÿila (und IsÁf), ursprünglich ein Menschenpaar, sollen in der Kaþba Unzucht getrieben haben und zur Strafe in Steine verwandelt worden sein. Vor oder in der Nähe der Kaþba sollen ihre zwei Kultsteine gestanden haben, die hauptsächlich von den ¾uzÁþa und den Qurayš verehrt wurden. Vgl. Klinke-Rosenberger, Das Götzenbuch, 34 ; Höfner, Die vorislamischen Religionen Arabiens, 366f. ; Ibn HišÁm, SÍra, Bd. I, 54. 76 Vgl. al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 841. Von einer schwarzen Frau, die sich am Vorhang der Kaþba aufhielt, wird auch in einem ¼adÍÝ von al-Bu¿ÁrÍ berichtet. Im gleichen ¼adÍÝ wird erwähnt, dass es eine schwarze Frau gegeben hätte, die an epileptischen Anfällen litt und sich dabei entblößte. Vgl. al-Bu¿ÁrÍ, Æa½Í½, 76,6. Diese bizarre Schilderung könnte in späterer Zeit der Dämonisierung einer in vorislamischer Zeit anerkannten religiösen Spezialistin gedient haben. Siehe Bärbel Köhler, Die Frauen in al-WÁqidÍs KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 333. 77 Al-þUzzÁ, deren Name mit „die Gewaltigste, die Mächtigste“ übersetzt werde kann, gilt als die jüngste der drei altarabischen Göttinnen. Sie wurde vor allem von den Qurayš verehrt. Ihre Anhänger pilgerten zu ihr, brachten ihr Geschenke und Opfer. Sie hatte ihren Wohnort in drei Bäumen, in einem Tal östlich von Mekka. Vgl. Klinke-Rosenberger, Das Götzenbuch, 38, 42f. ; Höfner, Die vorislamischen Religionen Arabiens, 362. 78 Vgl. al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 873. Beinhauer-Köhler zieht in ihrem Aufsatz im vorliegenden Band, S. 189, die dazu passenden Überlieferung von Ibn al-KalbÍ heran. 79 Zwar werden die Frauen in den Texten als Göttinnen deklariert, doch bleibt es fraglich, ob sie als Göttinnen betrachtet wurden oder die Göttinnen verkörperten bzw. ein Wohnort für sie waren.
Frauen zwischen Selbst- und Fremdbestimmung
209
gen werden sie kaum mehr aufgegriffen. Hier gibt es nur vereinzelt und in charakteristisch anderer Weise Hinweise auf ein weibliches Priestertum. Der von Ibn Saþd verwendete Ausdruck rabbat bayt könnte eine solche Spur darstellen. SarrÁÿ bint NabhÁn al-³anawÍya wird als rabbatu80 baytin81 fÍ l-ºÁhilÍya („Herrin eines Hauses in (der Zeit) der ºÁhilÍya“) beschrieben.82 Ein zum Verständnis hilfreicher Kontext findet sich nicht. Der Zusatz fÍ l-ºÁhilÍya weist auf eine Funktion oder Praktik hin, die sie in vorislamischer Zeit ausübte. Da rabba als Anrede von Göttinnen verwendet83 und mit bayt ein Heiligtum bezeichnet wurde,84 was auf einen religiösen Funktionsbereich hindeutet, und die Begriffe in Verbindung mit und bezogen auf Personen auch den Priester bzw. die Priesterin eines Heiligtums bezeichnen können,85 dürfte SarrÁÿ in der Funktion einer Priesterin tätig gewesen sein. Stern vermutet, dass die Bezeichnung rabbat bayt zu Beginn des 7. Jahrhunderts eine semantische Veränderung erfahren hat und sich zunehmend nur noch auf Frauen bezog, die eine bessere soziale Stellung inne hatten.86 Solch eine Bedeutung kann aber aufgrund der Verknüpfung mit fÍ l-ºÁhilÍya für die betrachtete Quellenstelle ausgeschlossen werden. Warum hätte es den Zusatz fÍ l-ºÁhilÍya gebraucht, wenn es um SarrÁÿs soziale Stellung oder ihr Besitztum ging ? Warum sollte sich diesbezüglich für sie etwas in islamischer Zeit geändert haben ? Geändert hat sich aber das religiöse Leben in Arabien, denn die Heiligtümer der altarabischen Religion wurden zerstört und ihr Personal verlor seine Funktion. Schemenhaft ist hier ein Hinweis auf eine altarabische religiöse Tradition zu erkennen, die in islamischer 80 Arab. rabba, f. von rabb „Herr, Meister ; Besitzer, Eigentümer ; ar-rabb Gott der Herr ; rabb ad-dÁr Hausherr“ (Wahrmund). 81 Arab. bayt „Zelt ; Haus, Gebäude ; Kaþba ; Palast, Kastell ; Hausflur ; Gemach“ (Wahrmund). 82 Vgl. Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 227. 83 So geschehen bei der Göttin al-LÁt, die in ganz Zentral- und Nordarabien verehrt wurde. Al-LÁt bedeutet „die Göttin“, womit ihr Name das Femininum zu AllÁh ist. Höfner vertritt die Ansicht, „daß ÿAllÁt ursprünglich eine ähnlich allgemeine und überragende Gestalt gewesen sein dürfte wie ÿAllÁh.“ (Höfner, Die vorislamischen Religionen Arabiens, 362.) Ihre zentrale Kultstätte war in ÓÁÿif östlich von Mekka. Die Hüter ihres Hauses waren die BanÚ þAttÁb vom Stamm ÕaqÍf, die sie ar-rabba „die Herrin“ nannten. Vgl. alWÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 972 ; Klinke-Rosenberger, Das Götzenbuch, 38, 93 ; Wellhausen, Reste, 30ff., 218 ; Patricia Monaghan, Lexikon der Göttinnen, 17 ; Krone, Die altarabische Gottheit al-LÁt. 84 Die Kaþba wurde als „Haus Gottes“, baetyl, bezeichnet, was für griech. baitulos, baitulon steht und das Äquivalent des hebr. Wortes Beth-el „Haus Gottes“ ist. Baetyl wurde erst nur der Stein genannt, doch in einigen arabischen Heiligtümern gab es auch ein Gebäude oder bayt „Haus“, das den Stein verdeckte oder ihn beinhaltete. Es gab auch den Ausdruck „Herr dieses Hauses“, was die Kaþba in Mekka betrifft. Vgl. Watt / Welch, Der Islam I, 43f. ; Klinke-Rosenberger, Das Götzenbuch, 86. 85 Vgl. Abbott, Women and the State on the Eve of Islam, 261. 86 Vgl. Gertrude H. Stern, The First Women Converts in Early Islam, 298.
210
Doris Decker
Zeit nicht mehr toleriert wurde. An der Darstellung SarrÁÿs wird ersichtlich, dass jüngere Überlieferungen kaum einen Bezug zwischen Frauen und ihrer Funktion im altarabischen Religionssystem herstellen und sie fast gänzlich in einen islamischen Kontext einbinden. Wichtig war lediglich, zu erwähnen, dass sie Musliminnen wurden und vom Propheten Überlieferungen weitergaben. 3. Frauen zwischen Akzeptanz und Opposition zum Islam In Anbetracht der Darstellungen der religiösen Spezialistinnen könnte man nun vermuten, dass die frühislamischen Texte generell wenig von den Anhängerinnen der altarabischen Religion erzählen und wenn, sie eher fremdbestimmt konzipieren – schließlich handelte es sich bei solchen oft um Gegnerinnen Mu½ammads. Doch dies ist keineswegs der Fall. Zwar dominieren in den Überlieferungen Berichte über Anhängerinnen Mu½ammads, hunderte Frauen werden erwähnt, die Musliminnen wurden, doch verschweigen die Kompilatoren nicht, dass Frauen Mu½ammads Botschaft ablehnten, ihn diffamierten und sogar versuchten, ihn zu ermorden.87 Herausragendes Beispiel ist Hind bint þUtba,88 die als eine der hartnäckigsten Widersacherinnen Mu½ammads beschrieben wird. Einer renommierten Qurayšitenfamilie entstammend war sie die Frau von AbÚ SufyÁn,89 einem reichen und angesehener Kaufmann und Anführer der dem Propheten feindlich gesonnenen Mekkaner. Kurz vor der Einnahme Mekkas wurde AbÚ SufyÁn Muslim und empfahl den Qurayš, Mekka den Muslimen zu übergeben. Hind protestierte gegen die Entscheidung ihres Mannes und denunzierte ihn öffentlich als Verräter seines Volkes. Wütend eilte sie zu ihm, packte und beschimpfte ihn und forderte zornig seine Ermordung. Die Mekkaner stimmten ihrer Forderung zu.90 Sie trat wesentlich energischer als ihr Mann auf, führte oppositionelle Reden gegen Mu½ammad und hielt konsequent an ihrer ursprünglichen Religion fest.91 In der SÍra versiegen 87 Zum Mordversuch einer Jüdin an Mu½ammad siehe Ibn HišÁm, SÍra, Bd. I, 764f. ; aÔÓabarÍ, TaÿrÍ¿, Series I, 1583f. ; al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 678 ; al-Bu¿ÁrÍ, Æa½Í½, 51,28 ; Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. II, Teil 1, 78. 88 Vgl. Renate Jacobi, Porträt einer unsympathischen Frau, 85–107. Jacobi versucht, die Figur anhand von Quellen bis zum 10. Jahrhundert zu rekonstruieren und die These zu belegen, dass sich mit ihrer Person „der fundamentale Wandel aufzeigen läßt, den die islamische Gesellschaftsordnung für die arabische Frau bedeutete.“ (85) 89 Aus dieser Ehe ging der spätere Umayyadenkalif MuþÁwiya hervor, weswegen angenommen wird, dass ihre charakterliche Gestaltung der Propaganda gegen die Umayyadendynastie diente. Vgl. Karen Armstrong, Muhammad, 338 ; Abbott, Women and the State on the Eve of Islam, 274f., 278. Vor AbÚ SufyÁn hatte sie bereits zwei Ehemänner, mit denen sie ebenfalls Kinder hatte. Vgl. Jacobi, Porträt einer unsympathischen Frau, 88. 90 Vgl. Ibn HišÁm, SÍra, Bd. I, 813–815. Siehe auch al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 795, 823. 91 Dass ihre Antipathie gegenüber Mu½ammad nicht nur religiös motiviert war, wird in
Frauen zwischen Selbst- und Fremdbestimmung
211
mit diesen Passagen die Berichte zu Hind. Doch andere Tradenten wie aÔÓabarÍ, Ibn Saþd oder al-WÁqidÍ lassen die neugierige Leserschaft nicht in Unkenntnis darüber, wie ihre Geschichte ausging. Ihre zornige Revolte konnte nicht verhindern, dass sie sich zum Islam bekennen musste, um ihr Leben zu retten. Denn wegen Leichenschändung92 stand ihr Name auf einer Liste von Leuten, die bei der Einnahme Mekkas zu töten waren.93 In dem von aÔ-ÓabarÍ94 beschriebenen Konversionsvorgang versucht sie mit provokanten Gegenfragen die Forderungen Mu½ammads in Frage zu stellen. Sie kritisiert die an die Frauen gerichtete Direktive, Gott keine Teilhaber beizugesellen, und behauptet, damit würde Mu½ammad ihnen, den Frauen, etwas auferlegen, was er den Männern nicht auferlegt hätte.95 Sie plädiert somit für eine Gleichbehandlung von Männern und Frauen auf der Ebene religiöser Verpflichtungen. Auf den Befehl, die Ehe nicht zu brechen, fragte sie : „O Gesandter Gottes, kann eine freie Frau[96] die Ehe brechen ?“97 Damit interpretiert sie ihren Status als Frau in einer ehelichen Verbindung98 als selbstbestimmt und unabhängig.99 Hinds Eheverständnis scheint sich dabei an vorislamischen matrilinearen Gesellschaftsnormen zu orientieren, in denen Frauen die Möglichkeit hatten, mit mehreren Männern (auch gleichzeitig) sexuelle Beziehungen zu führen.100 Auf Mu½ammads Forderung, die
den Überlieferungen über ihre Erlebnisse in den Schlachten deutlich, durch die sie ihren Vater, Bruder, Sohn und Onkel verloren haben soll. Sie soll gelobt haben, ihre Angehörigen zu rächen, und indem sie mit weiteren Frauen zusammen die Leichen der Muslime nach einer Schlacht schändete, löste sie ihr Rachegelübde ein. Vgl. Jacobi, Porträt einer unsympathischen Frau, 89–93 ; al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 202–206, 274. 92 Siehe vorige Anmerkung. 93 Vgl. aÔ-ÓabarÍ, TaÿrÍ¿, Series I, 1641–1643. 94 Ähnlich findet sich die Passage bei Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 4. AÔ-ÓabarÍ führt seinen Bericht über Hinds Konversion auf Ibn Is½Áq zurück, doch in der durch Ibn HišÁm tradierten SÍra-Version findet sich diese Passage nicht. Entweder lag sie Ibn HišÁm nicht vor oder er eliminierte sie. Der einzige, der auf die Darstellung Hinds weitgehend verzichtet, ist al-Bu¿ÁrÍ. Vgl. al-Bu¿ÁrÍ, Æa½Í½, 34,97 ; 46,18 ; 63,23. 95 Vgl. aÔ-ÓabarÍ, TaÿrÍ¿, Series I, 1643. 96 Arab. ½urra „freigeborene, edle Frau“ (Wahrmund). 97 AÔ-ÓabarÍ, TaÿrÍ¿, Series I, 1643. Für eine differenzierte Deutung des Begriff zinÁÿ (hier mit „ehebrechen“ übersetzt) siehe den Aufsatz von Bärbel Beinhauer-Köhler in diesem Sammelband S. 179–192. 98 Zur Vielfalt der „Eheformen“ in vorislamischer Zeit vgl. die Anmerkungen oben. Die rechtlichen Regelungen späterer islamischer Zeit dürfte es nicht gegeben haben. Siehe Gertrude Stern, Marriage in Early Islam. 99 Über ihre autonomen Entscheidungen bezüglich ihrer Ehemänner berichtet Ibn Saþd. Ihrem Vater macht sie unmissverständlich klar, dass sie selbst über ihre Angelegenheiten bestimmt und er sie keinem Mann zur Frau geben sollte, den sie nicht für sich selbst in Betrachtung zieht. Vgl. Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 171. 100 Vgl. Watt / Welch, Der Islam I, 132f. ; Gost, Die Geschichte des Harems, 48f.
212
Doris Decker
Frauen sollen ihre Kinder nicht töten,101 entgegnete sie : „Wir haben sie aufgezogen, als sie Kinder waren, und du hast sie am Tag von Badr getötet, als sie Erwachsene waren.“102 Al-WÁqidÍ überliefert ebenfalls Hinds Übertritt zum Islam, doch erscheint sie hier demütiger und vorsichtiger. Z.B. gab sie sich erst zu erkennen, nachdem sie Mu½ammad versichert hatte, eine wahrhaftige Gläubige zu sein,103 und sprach „Freundlichkeiten“ aus,104 die ihr Mu½ammad aber wohl nicht glaubte.105 Nach ihrer Konversion eilte sie nach Hause und zerschlug ihr Kultbild.106 Die literarische Gestaltung ihrer Figur weist eine erstaunliche Kontinuität auf und sie wird fast durchweg als selbstbestimmt und dominant beschrieben. Ihr Denken und Handeln orientiert sich strikt an normativen Instanzen wie Stammesregeln, altarabischem Kult und vorislamischen Gesellschaftskonventionen, die nicht konform gingen mit Mu½ammads Forderungen und seiner Botschaft. Ihr Charakter ist geprägt von großer Loyalität gegenüber den von ihr verehrten Gottheiten und ihrer Sippe und der Entschlossenheit, die ihr vertrauten Werte und Lebensvorstellungen zu verteidigen. So begegnet sie Mu½ammads Verordnungen mit kritischen Äußerungen, was sie als eine emanzipierte Frau erscheinen lässt, die klare Vorstellungen über Religion und selbstbestimmte Lebensführung hat. Fremdbestimmen, durch den Zwang, den Islam anzunehmen, lässt sie sich erst, als ihr Leben in Gefahr gerät. Die Darstellung Hinds spiegelt beispielhaft die Konflikte und Spannungen wider, die aus der Ablöse von matrilinearen zu patrilinearen Familien- und Stammesstrukturen resultieren.
101
Das Verbot, Kinder zu töten, bezieht sich entweder auf die Tötung von Mädchen nach der Geburt, was in vorislamischer Zeit praktiziert worden sein soll, oder auf Abtreibung. Vgl. Mernissi, Der politische Harem, 255 ; Annemarie Schimmel, Meine Seele ist eine Frau, 25 ; Gost, Die Geschichte des Harems, 50. 102 At-ÓabarÍ, TaÿrÍ¿, Series I, 1643. Ibn Saþd überliefert : „Hast du uns ein Kind gelassen, das du nicht in Badr getötet hast ?“ (Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 4.) 103 „O Gesandter Gottes, gelobt sei Gott, der die Religion verkündet, die er für sich gewählt hat, damit du Erbarmen mit mir hast, o Mu½ammad. Ich bin wahrlich, bei Gott, eine wahrhaftig gläubige Frau.“ (WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 850.) Die Huldigung seiner Familie bezeugt sie auch in ¼adÍÝen. Vgl. al-Bu¿ÁrÍ, Æa½Í½, 83,2. 104 „[Früher war es so, dass ich dachte,] es gibt niemanden unter den Zeltbewohnern auf Erden, den ich lieber erniedrigt sehen würde, als die Leute deines Zeltes. Jetzt ist es so, dass es niemand von den Zeltbewohnern auf Erden gibt, den ich lieber geehrt sähe, als die Leute deines Zeltes.“ (WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 850.) 105 Dies lässt seine spöttische Replik : „Und noch mehr“ (WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 850), vermuten. 106 Vgl. al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 871. Die Mekkaner hatten in ihren Häusern Kultbilder, die sie beim Betreten oder Verlassen der Häuser berührten, um „gesegnet“ zu sein. Vgl. Ibn HišÁm, SÍra, Bd. I, 54 ; Klinke-Rosenberger, Das Götzenbuch, 47.
Frauen zwischen Selbst- und Fremdbestimmung
213
Hind ist nicht die einzige Figur in den Überlieferungen, die den Islam offenkundig ablehnte. In der SÍra wird von Umm ¹amÍl107 berichtet, dass sie einmal aufgebracht, mit einem Mörser in der Hand, Mu½ammad bei der Kaþba aufsuchte, weil sie von ihm verunglimpft wurde.108 Sie sah AbÚ Bakr, fragte ihn nach dem Propheten und erklärte, dieser habe sie mit einem hiºÁÿ109 belegt.110 Wütend bemerkte sie, sie hätte ihm mit dem Stein in ihrer Hand in seinen Mund geschlagen, hätte sie ihn gefunden. Zu Mu½ammads Glück verhinderte Gott in diesem Moment, dass sie ihn sah, obwohl er neben AbÚ Bakr saß. Sie erklärte, ebenso wie er, eine Dichterin111 zu sein, und sagte : „Wir widersetzen uns dem Verachteten, wir weisen seine Befehle zurück, wir verabscheuen seine Religion !“112 Nicht nur ihre ablehnende Haltung gegenüber Mu½ammad, seinen Forderungen und seiner religiösen Bewegung werden in den Versen deutlich, sondern sie droht ihm sogar mit Gewalt. Dass Frauen ihren Missmut über die von Mu½ammad verkündete Religion in Gedichten ausgedrückt haben, bezeugen weitere Überlieferungen. Auch þAÈmÁÿ bint MarwÁn soll gegenüber Mu½ammads Botschaft feindliche Verse gedichtet haben, weswegen sie getötet wurde.113
107 Sie war AbÚ SufyÁns Schwester und die Frau von AbÚ Lahab, der ein erbitterter Feind Mu½ammads war. 108 Mu½ammad bekam in Mekka eine Offenbarung, die sich auf ihn boykottierende Personen bezog. Genannt wurden auch AbÚ Lahab und seine Frau. Sure 111 bezeichnet Umm ¹amÍl als Brennholzträgerin, das typische Bild einer Sklavin. Ihr vornehmer Stand wird ihr in der Offenbarung aberkannt. Vgl. Rudi Paret, Der Koran, 528ff. Khoury interpretiert die Bezeichnung Brennholzträgerin dahingehend, dass eine solche verleumderische Reden verbreitet. Vgl. Koran [dt./arab.], 799. 109 Arab. hiºÁÿ „Satire, Schmähschrift ; bissige Bemerkung“. Laut Guillaume wird mit hiºÁÿ eine Art „Zauber“ gemeint. „Umm JamÍl’s object in trying to smash Muhammad’s mouth was to destroy his organs of speech so that he could no longer utter magical curses.“ (Ibn HišÁm, SÍra [engl.], 161.) 110 Vgl. Ibn HišÁm, SÍra, Bd. I, 233. 111 Um die Bedeutungsträchtigkeit ihrer Bezeichnung als „Dichterin“ zu verstehen, soll kurz auf die Rolle des Dichters in vorislamischer Zeit eingegangen werden. Der Poet wurde als eine Person betrachtet, die befähigt war, ein bestimmtes Wissen zu erwerben, das den „gewöhnlichen“ Menschen verwehrt blieb. Die ursprüngliche Bedeutung von Poet, arab. šÁþir, war „jemand, der weiß“ und das Wort für Dichtkunst (šiþr) bedeutete „Wissen“. Welche Art von Wissen genau gemeint ist, ist unklar. Charakteristisch für die altarabische Dichtung ist, dass der Dichter sein Wissen nicht nur wiedergibt, sondern explizit darauf verweist, dass er weiß, dass etwas Bestimmtes so ist. (Vgl. Franz Rosenthal, Knowledge Triumphant, 12ff.) Der Dichter wurde als von Geistern inspirierter Sprecher verstanden, weshalb Mu½ammad mehrfach der Vorwurf gemacht wurde, kein Prophet, sondern ein von einem Geist besessener Dichter zu sein. Auf dem Hintergrund dieser kulturgeschichtlichen Kenntnisse wird die Besonderheit Umm ¹amÍls Äußerung deutlich. 112 Ibn HišÁm, SÍra, Bd. I, 233. 113 Vgl. al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 172f. ; Ibn HišÁm, SÍra, Bd. I, 995f. ; Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. 2, Teil 1, 18.
214
Doris Decker
Mit einer Überlieferung von al-WÁqidÍ liegt ein exquisites Beispiel vor, dass sich Frauen, was ihre Handlungen betraf, zwar fremdbestimmen ließen, wenn sie keine andere Wahl hatten, jedoch dies für ihren emotionalen Bereich konsequent von sich wiesen. So soll ¹uwayriya bint AbÍ ¹ahl114, nachdem in Mekka das erste Mal zum Gebet gerufen wurde und der Gebetsrufer forderte : „Bezeugt, dass Mu½ammad der Gesandte Gottes ist“115, geschworen haben, sie wolle zwar das Gebet verrichten, aber nie den lieben, der ihre Liebsten getötet hat.116 Die Ablehnung Mu½ammads und seiner Botschaft zog ihre Kreise weit über Mekka hinaus. Auch die ÕaqÍf, die Bewohner von ÓÁÿif, weigerten sich, von der Verehrung ihrer Göttin al-LÁt abzulassen und zum Islam zu konvertieren.117 Sie versuchten z.B. eine Belagerung ihrer Festung durch die Muslime mit den magischen Kräften einer Zauberin abzuwenden.118 Doch all dies half nichts und als das Kultbild ihrer Göttin durch die Muslime zerstört wurde, kamen die Frauen der ÕaqÍf weinend aus ihren Häusern und klagten : „Weint um sie, die Schutz gewährt ! / Statt zu kämpfen mit dem Schwert, / haben Feige sie entehrt.“119 Wiederum lässt sich die Tendenz erkennen, dass eher die älteren Traditionen von dem Islam und Mu½ammad feindlich gesonnenen Frauen berichten, aber eben keinesfalls ausschließlich.120 Dies lässt vermuten, dass Darstel114 ¹uwayriya war die Tochter von AbÚ ¹ahl. Er gilt als der bedeutendste Gegner Mu½ammads und war für den Boykott und die Verfolgung vieler Musliminnen und Muslime verantwortlich. 115 Al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 846. 116 Vgl. al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 846. Sie fügte ihrer Aussage hinzu, dass schließlich auch ihr Vater als Prophet hätte auftreten können, doch dies zurückwies, da er sich nicht gegen sein Volk stellen wollte. 117 Vgl. al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 929, 968 ; Ibn HišÁm, SÍra, Bd. I, 873, 916 ; aÔ-ÓabarÍ, TaÿrÍ¿, Series I, 1691f. Im Kontext ihres Aufsatzthemas im vorliegenden Sammelband verweist Bärbel Beinhauer-Köhler ebenso auf die Geschehnisse um die ÕaqÍf und ihre Göttin, siehe Beinhauer-Köhler, S. 189–190. 118 Als Mu½ammad 630 ihre Stadt erobern wollte, verschanzten sie sich in ihrer Burg und schickten eine Zauberin heraus, die, vielleicht auf der Burgmauer stehend, den Truppen Mu½ammads ihre entblößte Vulva zeigte. Nach al-WÁqidÍ wollten die ÕaqÍf auf diesem Wege Unheil von ihrer Verschanzung fernhalten. Vgl. al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 926. Das Zeigen der entblößten Vulva hat hier eine apotropäische Funktion. 119 Ibn HišÁm, SÍra [dt.], 244. 120 Über Hind und ihre Widerspenstigkeit berichten bis auf al-Bu¿ÁrÍ alle herangezogenen Kompilationen. Ebenso verschweigen sie den Mordversuch an Mu½ammad nicht. (Siehe Anmerkung oben.) Auffällig ist, dass sich einige Berichte nicht mehr in jüngeren Überlieferungen finden, obwohl sich dies durch das Verhältnis der Tradenten hätte ergeben können. Während aÔ-ÓabarÍ, der sich auf Ibn Is½Áq beruft, von Hinds Konversion während der Einnahme Mekkas berichtet, findet sich dieser Bericht in der SÍra in der Tradition von Ibn HišÁm nicht mehr. Während al-WÁqidÍ noch über die Aussage ¹uwayriyas, Mu½ammad nicht lieben zu können, berichtet, finden sich zwar bei Ibn Saþd diverse Anga-
Frauen zwischen Selbst- und Fremdbestimmung
215
lungen von Mu½ammads Feindinnen in späterer Zeit ungern in die Sammlungen aufgenommen wurden. Die Frauen treten durchweg selbstbestimmt auf und orientieren ihre Denk- und Verhaltensweisen an herkömmlichen Traditionen. Der religiöse Veränderungsprozess der arabischen Gesellschaft lässt den Frauen oft keine andere Wahl, als Mu½ammads Botschaft zu akzeptieren und sich fremdbestimmen zu lassen. Trotzdem wird dies nicht für alle Charaktere überliefert und die Frauen treten in ihrer antagonistischen Haltung gegenüber Mu½ammad frei auf und ihr Charakter wird nicht idealisiert oder einem islamischen Kontext angepasst. Deutlich beliebter auch in den jüngeren Traditionsstufen sind Darstellungen von Frauen, die sich selbstbestimmt Mu½ammad anschließen, auch wenn sie dadurch Streit mit ihrer Familie, bedrohliche Lebenssituationen oder sogar ihren Tod121 in Kauf nehmen müssen. Anhand der Überlieferungen über Umm KulÝÚm wird beispielsweise ersichtlich, dass die Entscheidung einer Person für den Islam und Mu½ammad nicht ohne Weiteres von der eigenen Gemeinschaft akzeptiert wurde. Für sie war nicht erst ihre Flucht nach Medina ein gefährliches Unterfangen, weil ihre Brüder sie verfolgten und sie generell den Gefahren der Wüste ausgesetzt war, sondern bereits ihr Zurückbleiben in Mekka, da sie dort wegen ihrer religiösen Ansichten verspottet und diskriminiert wurde.122 Um ihrer prekären Situation zu entkommen, nahm sie 628 unter dem Vorwand, ihre Verwandten zu besuchen, eine gefährliche Flucht von Mekka nach Medina auf sich – eine Flucht, wie sie selbst erklärt, zu Gott und seinem Propheten.123 Mit Umm KulÝÚm liegt nicht das einzige Beispiel einer Frau vor, die selbstbestimmt über ihre religiöse Zugehörigkeit und ihren Lebensweg entscheidet und sich Mu½ammad anschließt, wenn auch die Überlieferungen äußerst wenige Beispiele dazu aufführen. Ähnliches berichtet Ibn Saþd von Qayla bint Ma¿rama, die nach dem Tod ihres Mannes ihre neue Lebenssituation selbstbestimmt gestaltet und ihre Familie verlässt, um mit Mu½ammad und seiner Gemeinschaft zu leben.124
ben zu ihr, doch keine geäußerte Abneigung gegen Mu½ammad oder seine Botschaft. Vgl. Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 191. Einige der antagonistisch konzipierten Frauengestalten, wie ¹uwayriya und Umm ¹amÍl, finden sich ausschließlich in älteren Werken. 121 Über Sumayya bint ¾ubbÁÔ z.B. wird berichtet, dass sie ihren Glauben an die Botschaft Mu½ammads nicht aufgeben wollte, weswegen sie gequält und getötet wurde. Vgl. Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 193. 122 Vgl. Abbott, Women and the State in Early Islam, 109. 123 Vgl. al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 630f. Nach den Überlieferungen war sie nicht die einzige Frau, die eine Flucht zu Mu½ammad gewagt hat, aber namentlich wird nur sie genannt. Vgl. al-Bu¿ÁrÍ, Æa½Í½, 54,15 ; Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 6f. ; Ibn HišÁm, SÍra, Bd. I, 754f. 124 Vgl. Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 228.
216
Doris Decker
Dass ein Bekenntnis zur Botschaft Mu½ammads auch vorerst nur im Geheimen stattfinden konnte, berichtet eine Überlieferung über FÁÔima bint al-¾aÔÔÁb.125 Sie entschied sich zwar, gemeinsam mit ihrem Mann an Mu½ammads Botschaft zu glauben, doch hielt sie dies vor ihrem Bruder, þUmar ibn al-¾aÔÔÁbs, geheim.126 Eines Tages erfuhr dieser davon und suchte sie verärgert auf. Es kam zu einer lautstarken und handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen þUmar und FÁÔimas Mann, bei der FÁÔima von þUmar verletzt wurde. Daraufhin entschied sie sich, zuzugeben : „Ja, wir sind Muslime geworden und glauben an Gott und seinen Propheten. Mache mit uns, was du willst !“127 Die Szene lässt FÁÔima sehr selbstbestimmt erscheinen : Sie bestimmt über ihre religiöse Zugehörigkeit, im Übrigen ebenso über die ihres anwesenden Mannes („wir“, „uns“), ergreift das Wort in der Auseinandersetzung mit þUmar, wirft sich zwischen die Handgreiflichkeiten der Männer und hält resolut an ihrem Glaubensentschluss fest. Doch durch die vorangehende Geheimhaltung wird eine Fremdbestimmung erkennbar, von der sie sich erst im Verlauf der Erzählung befreit. Beachtenswert ist dabei die Aktivität FÁÔimas im Gegensatz zum Verhalten ihres Mannes, der eher passive Randgestalt des Geschehens bleibt. Möglicherweise resultiert das aus dem geschwisterlichen Verhältnis von FÁÔima und þUmar, das auch ihre religiösen Entscheidungen zu beeinflussen schien.128 Auch hier findet sich der Hinweis, dass die Religionszugehörigkeit von der Familie bzw. dem Stamm und von der Tradition der Vorfahren abhing. Ein letztes Beispiel sei mit Umm ¼abÍba, der Tochter AbÚ SufyÁns und Ehefrau des Propheten, gegeben. Von ihr wird überliefert, dass sie trotz der ablehnenden Haltung ihres Vaters gegenüber Mu½ammads Botschaft den Islam annahm und ihrer Religion treu blieb, selbst als ihr erster Mann während ihres Aufenthaltes in Abessinien129 zum Christentum konvertierte.130 Nach ihrer Rückkehr von Abessinien suchte sie ihr Vater in Medina auf, als sie bereits Mu½ammads Frau war.131 Zwischen den beiden kam es 125 FÁÔima bint al-¾aÔÔÁb gehörte zu den Frauen, die sich früh in Mekka bekehrt haben. Vgl. Ibn HišÁm, SÍra, Bd. I, 163 ; Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 195. In den untersuchten Kompilationen findet sich die folgende Geschichte über FÁÔima ausschließlich in der SÍra. 126 Vgl. Ibn HišÁm, SÍra, Bd. I, 225. 127 Ibn HišÁm, SÍra, Bd. I, 226. 128 In der Darstellungsweise von FÁÔima und ihrem Bruder kristallisieren sich wahrscheinlich vorislamische matrilineare Gesellschaftsnormen heraus, die eher Bruder und Schwester miteinander interagieren lassen. 129 615 flüchteten die ersten Musliminnen und Muslime von Mekka aufgrund der Verfolgungen durch die Qurayš nach Abessinien. Vgl. Ibn HišÁm, SÍra [dt.], 65f. 130 Vgl. Abbott, Women and the State in Early Islam, 107 ; Stern, The First Women Converts in Early Islam, 293. 131 Hintergrund der Überlieferung ist die Bekräftigung des Vertrages von ¼udaybÍya (628), wegen der AbÚ SufyÁn auf dem Weg zu Mu½ammad nach Medina war und bei seiner Ankunft seine Tochter konsultierte.
Frauen zwischen Selbst- und Fremdbestimmung
217
zum Disput : Umm ¼abÍbas Vater klagte, „Oh Töchterchen, Schlechtes ist mit Deinem Wissen geschehen“132, als diese ihm vorwarf, er sei ein schmutziger Polytheist. Sie entgegnete, dass sie von Gott auf den rechten Weg zum Islam geführt wurde, und drückte ihr Unverständnis darüber aus, was ihn davon abhalten würde, den Islam anzunehmen. Zusätzlich kritisierte sie seine Religion, da er einen Stein verehren würde, der weder hören noch sehen könne. Für AbÚ SufyÁn hingegen war es unvorstellbar, sich von der Religion seiner Vorfahren abzuwenden.133 Umm ¼abÍba wird als eine fromme Muslimin beschrieben, die sich absolut sicher ist, mit dem Islam den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Die religiöse Kluft zwischen Vater und Tochter signalisieren die Begriffe dÍn134 und islÁm135, letzterer bindet Umm ¼abÍba besonders in einen islamischen Kontext ein.136 Da ihre Aussagen und Handlungen frei von Zwang sind, wird sie in ihrer religiösen Überzeugung als selbstbestimmt dargestellt. Gegenüber der altarabischen Religion scheint sie eine radikal ablehnende Haltung eingenommen zu haben, da sie sich völlig von ihrem Vater abwendet, nicht auf ihn hört und den Gottheiten der Religion ihrer Vorfahren jegliche Macht abspricht.
III. Fazit Ließen sich im Rahmen des Aufsatzes auch nur wenige Überlieferungen unterschiedlich tiefgehend betrachten, stechen doch einige auffällige Charakteristika der weiblichen Geschlechterkonstruktionen hervor.137 Zu132 Al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 793 ; siehe auch Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Bd. VIII, 70 ; aÔ-ÓabarÍ, TaÿrÍ¿, Series I, 1623 ; Ibn HišÁm, SÍra, Bd. I, 807. 133 Vgl. al-WÁqidÍ, KitÁb al-Ma™ÁzÍ, 792f. 134 Arab. dÍn „religiöser Kult, Religion, Glaube ; Sitte, Gewohnheit ; Gericht, Urteil“ (Wahrmund). 135 Der Infinitiv islÁm leitet sich von dem Verb aslama ab, dessen Bedeutung oft mit „vollständig hingeben“ wiedergegeben wird. Das Verbum wurde schon früh im absoluten Sinn gebraucht, wobei ein rückbezügliches Fürwort zum besseren Verständnis der Übersetzung einzufügen ist : „sich [Gott] völlig ergeben.“ (Rudi Paret, Mohammed und der Koran, S. 80.) Dies ist in den Fällen nicht mehr nötig, in denen das Verbum zum terminus technicus für die von Mu½ammad verkündete Botschaft geworden ist. Als wörtliche Grundbedeutung des Begriffs islÁm werden allgemein die Begriffe „Rücktritt“ oder „Unterwerfung“, z.B. unter den Willen Gottes, genannt, doch finden sich in der islamischen Geschichte verschiedene Definitionsversuche. Vgl. Helmer Ringgren, Islam, ’aslama and muslim ; HansMichael Haußig, Der Religionsbegriff in den Religionen. Konkret als Eigenbezeichnung für Mu½ammads Religion lässt sich der Begriff erst für die medinensischen Suren belegen, wo er in Verbindung mit dÍn auftritt. 136 Während al-WÁqidÍ Umm ¼abÍba ihre religiöse Zugehörigkeit zu Mu½ammads Religion mit der Selbstbezeichnung der Muslime (islÁm) unterstreichen lässt, lässt er AbÚ SufyÁn den Begriff dÍn verwenden, um über die Religion seiner Vorfahren zu sprechen. 137 Sicherlich müssen die Überlieferungen, um ein umfassenderes Bild der Geschlech-
218
Doris Decker
nächst kann festgehalten werden, dass sich beim Betrachten eines bestimmten Charakters, wie dem von Ray½Ána, Tendenzen ergeben, von denen sich einige, wenn auch nicht alle, in einer Zusammenschau mit anderen Geschlechterkonstruktionen bestätigen. Während das Bild Ray½Ánas einen Wandlungsprozess von einer souveränen und selbstbestimmten zu einer eher passiven Figur sowie von einer überzeugten Jüdin zu einer frommen Muslimin aufweist, bleiben andere Geschlechterkonstruktionen, was das dargestellte selbstbestimmte Denken und Verhalten sowie die religiöse Überzeugung betrifft, konstant. Brüche sind kaum und wenn dann nur an prägnanten Stellen festzustellen. Andere Charaktere werden durchgehend selbstbestimmt beschrieben. Ebenso wurde offensichtlich, dass sich Aspekte von Selbst- und Fremdbestimmung in den Geschlechterkonstruktionen der Anhängerinnen Mu½ammads wie auch seiner Gegnerinnen finden. Auch die Frauen, die zur Annahme des Islam gezwungen werden, versuchen an ihrer Souveränität festzuhalten. Dem Islam feindlich gesonnene Figuren wurden von den jüngeren Überlieferungen nicht völlig ausgemerzt oder geglättet. Aber eine differenzierte Erinnerung an sie erschien in späterer Zeit als unpassend. Völlig schemenhaft wird hingegen die Darstellung der religiösen Spezialistinnen anderer vor- und nebenislamischer Religionen. Ihre Geschichte lassen die Überlieferer nicht mit einer (wenn auch erzwungenen) Konversion zum Islam enden, denn vielleicht verkörpern die Darstellungen ihrer Machtlosigkeit und Vernichtung dafür viel zu vortrefflich und anschaulich den Sieg des neuen Religionssystems. Hier gehen die Schreiber anders vor : Die älteren Überlieferungen greifen Berichte über sie auf und stellen die religiösen Funktionsträgerinnen machtlos dar, indem die Muslime ihnen jegliche Möglichkeit auf Selbstbestimmung nehmen, sie an der Ausübung ihrer religiösen Tätigkeiten hindern, vertreiben oder vernichten ; diese Frauen werden nicht durch eine Konversion in den islamischen Kontext eingebunden und damit rehabilitiert. Die jüngeren Überlieferungen verzichten fast gänzlich auf ihre Erwähnung oder lassen sie bis zur Unkenntlichkeit verblassen. Es scheint für diese Frauen auch auf literarischer Ebene nicht die Option einer Konversion zum Islam gegeben zu haben.
terkonstruktionen und ihres möglichen Wandels, auch in Interdependenz mit Religion, zu erhalten, in zukünftigen Arbeitsschritten umfangreicher betrachtet werden. So wäre es wichtig, weitere Aspekte des religiösen Lebens mit einzubeziehen (wie z.B. den Bereich der religiösen Praxis) und die Betrachtung auf andere Kulturbereiche auszuweiten (z.B. auf den politischen, sozialen oder den wirtschaftlichen Bereich). Ebenso könnten weitere Analysekategorien aufgegriffen werden. Z.B. wurde den Hinweisen auf den sozialen Status einer Person als „Sklavin“ oder „freie Frau“ und dessen Auswirkungen auf die Geschlechterkonstruktionen in Interdependenz zu den Kategorien Geschlecht und Religion hier nicht weiter nachgegangen, was aber sicherlich lohnenswert wäre.
Frauen zwischen Selbst- und Fremdbestimmung
219
Wie man die Geschlechterkonstruktionen in ihrer Heterogenität auch betrachtet, eines kristallisiert sich deutlich heraus : In den Überlieferungen konkretisiert sich keinesfalls ein strikter Wandel der Geschlechterkonstruktionen von einem selbst- zu einem fremdbestimmten Denken und Verhalten oder umgekehrt. Neben fremdbestimmten Charakteren treten immer auch selbstbestimmte auf, woraus gefolgert werden kann, dass die Tradenten und Kompilatoren des 8. und 9. Jahrhunderts mit autonomen Denk- und Verhaltensweisen von Frauen wenig Schwierigkeiten hatten. Was in den Überlieferungen viel konkreter die Gestaltung und den Wandel der Geschlechterkonstruktionen dominiert, ist das dem selbstbestimmten Denken und Verhalten zugrunde liegende Normen- und Wertesystem, an dem sich die religiöse Überzeugung der Frauen orientiert. Anstößig waren weniger selbstbestimmtes Denken und Verhalten, als vielmehr das vorislamische Normenund Wertesystem sowie in besonderer Weise die altarabische Religion. Der Kampf dagegen beeinflusste die Gestaltung der Geschlechterkonzepte. Denn richtet sich die literarische Tilgung oder Fremdbestimmung vor allem gegen die religiösen Spezialistinnen der altarabischen Religion und weniger gegen die Gegnerinnen Mu½ammads, die ja keine spezielle religiöse Funktion innehatten, kann gefolgert werden, dass es nicht um eine spezielle Positionierung gegenüber weiblicher Autonomie, sondern zuförderst um die Eliminierung bzw. Diskriminierung der altarabischen Religion ging, die für die Tradenten und Kompilatoren das eigentliche, die islamische Identität störende Element darstellte.138 Wenn Denk- oder Handlungsaktivitäten von Frauen beschränkt oder unterbunden wurden, dann nicht aufgrund ihres Geschlechts, sondern aufgrund ihrer Rolle als religiöse Funktionsträgerinnen der altarabischen Religion. Im Mittelpunkt der Überlieferungen steht das Spannungsverhältnis zwischen dem herkömmlichen Normen- und Wertesystem und der von Mu½ammad initiierten Bewegung, die eine neue Orientierungsbasis schafft und als normative Instanz das von Mu½ammad gepredigte Gotteswort, den Koran, und die Prophetentradition durchsetzt.139 Im literarischen Entstehungs- und Veränderungsprozess der Überlieferungen lösen sich die Geschlechterkonstruktionen der Musliminnen von der sie nicht mehr überzeugenden Tradition ihrer Vorfahren, die vorislamische Gesellschafts138 Hier möchte ich betonen, dass ein Überlieferungsauszug betrachtet wurde. Deshalb kann aus dem Forschungsergebnis nicht abgeleitet werden, dass innerhalb des gesamten frühislamischen Überlieferungskorpus die Selbstbestimmung von Frauen basierend auf islamischen Werten und Normen oder Frauen aufgrund ihres Geschlechts nicht diskriminiert werden. 139 Veranschaulicht wird dies in der Aussage Umm KulÝÚms, zu Gott und seinem Propheten zu flüchten, in FÁÔimas Bekenntnis, an Gott und seinen Propheten zu glauben, und nicht zuletzt in Umm ¼abÍbas Überzeugung, sich mit dem Islam auf dem richtigen Weg zu befinden.
220
Doris Decker
konventionen sowie die altarabische Religion beinhalten, treten keinesfalls weniger selbstbestimmt auf als die vorgestellten Gegnerinnen Mu½ammads und seiner Botschaft, werden aber durch die Einbettung in einen islamischen Kontext zu tendenziös frommen Vorbildern idealisiert. Die literarisch konstruierten Geschlechterrollen stehen somit im Dienst der Herausbildung und Festigung einer islamischen Identität, womit bezüglich der intersektionalen Forschung die Mikroebene aufgegriffen wäre. Das doing religion der ersten islamischen Jahrhunderte beeinflusste das doing gender der literarischen Ebene erheblich. Umgekehrt wirkt sich nun dieses doing gender der Überlieferungen auf das doing religion von heute aus, indem die Frauen mit ihrer konsequenten Orientierung und Ausrichtung ihrer Denkund Verhaltensweisen am Islam als religiöse Vorbilder und Figuren der Identifikation dienen sowie einen Beitrag zur religiösen Identitätsbildung leisten können. Können wir zwar aus den Überlieferungen über das Leben Mu½ammads nicht mehr ohne weiteres historische Tatsachen ableiten, so bezeugen die Geschlechterkonstruktionen der islamischen Überlieferungen des 8. und 9. Jahrhunderts doch klar die Konfrontation und Ablösung konkurrierender Normen- und Wertesysteme, die hier anhand von Überlieferungen, die sich auf die religiöse Funktion und Überzeugung von Frauen beziehen, dargestellt wurden. Die Geschlechterkonstruktionen der jüngeren Überlieferungen im Vergleich zu den älteren veranschaulichen den religiösen Veränderungsprozess besonders dadurch, dass ihre Charaktere immer stärker in einen islamischen Kontext eingebunden werden und das altarabische Religionssystem verdrängt wird. Hier lässt sich passend auf die Ebene symbolischer Repräsentation rekurrieren, die nach der Verbindung zwischen den untersuchten Phänomenen bzw. Prozessen und Normen und Ideologien fragt. Die muslimischen Frauen werden in den Überlieferungen zu Repräsentantinnen einer sinnstiftenden Struktur – des Islam – und stellen damit eine Integrationsleistung bereit.140 Die Aspekte von Selbst- und Fremdbestimmung der Frauen erscheinen in den Überlieferungen durchgehend ähnlich gewichtet, leiten sich aber von unterschiedlichen normativen Instanzen ab. Es drängen sich die Fragen auf, ob sich dieses Ergebnis unter Einbezug weiterer Quellenstellen als konstant erweist und welche Erkennt140 Um noch die dritte intersektionale Ebene, die Makroebene, aufzugreifen, lässt sich feststellen, dass eine Betrachtung der Prozesse innerhalb einer Sozialstruktur den Blick für die Wechselwirkungen zwischen Gender und Religion durchaus schärfen kann ; wobei m. E. dieser Ansatz methodisch-theoretischer Standard kulturwissenschaftlicher Forschung ist. Hier zeigt sich aber auch, wie verwoben die einzelnen Ebenen miteinander sind, weshalb Erklärungsansätze wohl kaum auf der Basis nur einer betrachteten Ebene wirklich fruchtbar sein können. In der Präsentation des Endergebnisses ist es vielleicht nützlich, dieses differenziert anhand der drei Ebenen zu präsentieren, doch für eine Ergebnisfindung sollten alle Ebenen einbezogen werden, weil sie in Interdependenz zueinander stehen.
Frauen zwischen Selbst- und Fremdbestimmung
221
nisse durch eine Analyse männlicher Figuren gewonnen werden können. Die Forschungsansätze der Intersektionalität weisen durchaus wertvolle zusätzliche Perspektiven auf zu untersuchende Phänomene auf. Doch betrachte ich sie mehr als einen zusätzlichen Schlüssel am „Analyseschlüsselbund“, der knifflige theoretisch-methodische Probleme wie z.B. die Frage nach der Auswahl von Kategorien oder Bestimmung von Ebenen aufwirft.141
Literatur Abbott, Nabia, Women and the State in Early Islam, in : JNES I (1942), 106–126, 341–368. –, Women and the State on the Eve of Islam, in : AJSLL 58 (1941), 259–284. Ahmed, Leila, Women and Gender in Islam. Historical Roots of a Modern Debate, New Haven, London 1992. Ahrens, Karl, Muhammed als Religionsstifter, Nendeln (Lichtenstein) 1966. Armstrong, Karen, Muhammad. Religionsstifter und Staatsmann, München 1993. Bobzin, Hartmut, Der Koran. Eine Einführung, München 1999. –, Mohammed, München 2000. al-Bu¿ÁrÍ, Æa½Í½ : Recueil des Traditions Mahométanes par Abou Abdallah Mohammed ibn IsmaÍl el-BokhÁri. Publié par M. Ludolf Krehl, 4 Bände, Leyden 1862–1908. Bürgel, Johann Christoph, Allmacht und Mächtigkeit. Religion und Welt im Islam, München 1991. Decker, Doris, Frauen als Trägerinnen religiösen Wissens. Konzeptionen von Frauenbildern in frühislamischen Überlieferungen bis zum 9. Jahrhundert, Stuttgart 2012. Dostal, Walter, Die Araber in der vorislamischen Zeit, in : Noth, Albrecht und Paul, Jürgen (Hg.), Der islamische Orient – Grundzüge seiner Geschichte, Würzburg 1998, 25–44. Falaturi, Abdoljavad, Der Koran. Zeugnis der Geschichte seiner Zeit, in : Noth, Albrecht und Paul, Jürgen (Hg.), Der islamische Orient – Grundzüge seiner Geschichte, Würzburg 1998, 47–79. Geertz, Clifford, Religion als kulturelles System, in : Ders., Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt 2006, 44–95. Gerhard, Volker, Selbstbestimmung. Das Prinzip der Individualität, Stuttgart 2007. Gladigow, Burkhard, Gegenstände und wissenschaftlicher Kontext von Religionswissenschaft, in : Cancik, Hubert u.a. (Hg.), Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe, Bd. 1, Stuttgart 1988, 26–40. –, Religionswissenschaft als Kulturwissenschaft. Hg. von Christoph Auffarth und Jörg Rüpke, Stuttgart 2005. Gost, Roswitha, Die Geschichte des Harems, Düsseldorf 2002. Halm, Heinz, Die Araber. Von der vorislamischen Zeit bis zur Gegenwart, München 2004. Haußig, Hans-Michael, Der Religionsbegriff in den Religionen. Berlin 1999. Heller, Erdmute und Mosbahi, Hassouna, Hinter den Schleiern des Islam. Erotik und Sexualität in der arabischen Kultur, München 1993. Höfner, Maria, Die vorislamischen Religionen Arabiens, in : Gese, Hartmut u.a., Die Religionen Altsyriens, Altarabiens und der Mandäer, Stuttgart 1970. Hourani, Albert, Die Geschichte der arabischen Völker, Frankfurt 2000.
141
Zur Kritik an der Intersektionalität siehe Winker / Degele, Intersektionalität, 11–24.
222
Doris Decker
Ibn HišÁm, SÍra [dt.], Ibn Is½Áq, Das Leben des Propheten. Aus dem Arabischen übertragen und bearbeitet von Gernot Rotter, Kandern 1999. –, KitÁb SÍra RasÚl AllÁh. Das Leben Muhammad’s nach Muhammad Ibn IshÁk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn HischÁm. Hg. von Ferdinand Wüstenfeld, 2 Bände, Göttingen 1858–1860. –, [engl.] The Life of Muhammad. A Translation of Is½Áq’s SÍrat RasÚl AllÁh. With Introduction and Notes by A. Guillaume, London, New York, Toronto 1955. Ibn Saþd, ÓabaqÁt, Ibn Saþd, Biographien Muhammeds, seiner Gefährten und der späteren Träger des Islams bis zum Jahre 230 der Flucht. Bd. II, Teil 1: Die Feldzüge Muhammeds. Hg. von Josef Horovitz, Leiden 1909. –, Ibn Saþd, Biographien Muhammeds, seiner Gefährten und der späteren Träger des Islams bis zum Jahre 230 der Flucht. Bd. VIII. Biographien der Frauen. Hg. von Carl Brockelmann, Leiden 1904. Jacobi, Renate, Porträt einer unsympathischen Frau : Hind bint þUtba, die Feindin Mu½ammads, in : WZKM 89 (1999), 85–107. Klinke-Rosenberger, Rosa, Das Götzenbuch KitÁb al-AÈnÁm des Ibn al-KalbÍ. Übersetzung mit Einleitung und Kommentar, Leipzig 1941. Koch, Volker, Art. Fremdbestimmung, in : Fuchs-Heinritz, Werner u.a. (Hg.), Lexikon zur Soziologie, Opladen 31995, 214. Köhler, Bärbel, Die Frauen in al-WÁqidÍs KitÁb al-Ma™ÁzÍ, in : ZDMG 147 (1997), 303–353. Koran [dt./arab.], Der Koran. Arabisch-Deutsch. Übersetzt und kommentiert von Adel Theodor Khoury, Gütersloh 2004. Krone, Susanne, Die altarabische Gottheit al-LÁt, Frankfurt, Berlin u. a. 1992. Lewis, Bernard, Die Araber, München 2002. Lohlker, Rüdiger, Islam. Eine Ideengeschichte, Wien 2008. Mernissi, Fatima, Der politische Harem. Mohammed und die Frauen, Freiburg 41992. –, Geschlecht – Ideologie – Islam, München 31989. Monaghan, Patricia, Lexikon der Göttinnen, Bern, München, Wien 1997. Nagel, Tilman, ¼adÍÝ – oder : Die Vernichtung der Geschichte, in : XXV. Deutscher Orientalistentag, Vorträge, ZDMG Supplementa 10. Stuttgart 1994, 118–128. Noth, Albrecht, Der Charakter der ersten großen Sammlungen von Nachrichten zur frühen Kalifenzeit, in : Der Islam 47 (1971), 168–199. –, Früher Islam, in : Halm, Heinz (Hg.), Geschichte der Arabischen Welt, begründet von Ulrich Haarmann, München 42001, 11–100. –, Quellenkritische Studien zu Themen, Formen und Tendenzen frühislamischer Geschichtsüberlieferungen. Teil I : Themen und Formen, Bonn 1973. Paret, Rudi, Der Koran. Kommentar und Konkordanz, Stuttgart 51993. –, Mohammed und der Koran, Stuttgart 92005. Raven, Wim, Art. SÍra, in : EI2, Leiden 1997, Bd. 9, 660– 663. Ringgren, Helmer, Islam, ’aslama and muslim, Uppsala 1949. Rosenthal, Franz : Knowledge Triumphant. The Concept of Knowledge in Medieval Islam. Leiden 1970. Rüpke, Jörg, Art. Funktionär, in : Auffarth, Christoph u.a. (Hg.), Wörterbuch der Religionen, Stuttgart 2006, 159f. –, Spezialisten, religiöse, in : Auffarth, Christoph u.a. (Hg.), Metzler Lexikon Religion. Gegenwart – Alltag – Medien, Stuttgart 2005, Bd. 3, 345–350. Schimmel, Annemarie, Meine Seele ist eine Frau. Das Weibliche im Islam, München 1996. Shamsul, Bettina, Die Frau und der Islam. Versuch einer differenzierten Betrachtung, in : Massarrat, Mohssen (Hg.), Mittlerer und Naher Osten. Eine Einführung in Geschichte und Gegenwart der Region, Münster 1996, 82–95.
Frauen zwischen Selbst- und Fremdbestimmung
223
Stern, Gertrude H., The First Women Converts in Early Islam, in : IC, 13: 3 (1939), 290–305. –, Marriage in Early Islam, London 1939. Stetter, Eckart, Topoi und Schemata im ¼adÍÝ, Dissertation, Görlitz 1965. Stowasser, Barbara Freyer, Women in the Qur’an, Traditions, and Interpretations, Oxford, New York u. a. 1994. At-ÓabarÍ, TaÿrÍ¿ : Annales quos scripsit Abu Djafar Mohammed ibn Djarir at-Tabari. Cum aliis edidit M. J. de Goeje, Leiden 1964. Vacca, V., Art. SadjÁ½, in : EI2. Leiden 1995, Bd. 8, 738–739. Wahrmund, Adolf, Handwörterbuch der neu-arabischen und deutschen Sprache, 2 Bände, Beirut 31985. al-WÁqidÍ, KitÁb al-MaghÁzÍ, The KitÁb al-MaghÁzÍ of al-WÁqidÍ. Edited by Marsden Jones, 3 vols., London 1966. Watt, W. Montgomery, Kurze Geschichte des Islam, Berlin 2002. –, Women in the Earliest Islam, in : Studia Missionalia 40 (1991), 162–173. – und Welch, Alford T., Der Islam I. Mohammed und die Frühzeit – Islamisches Recht – Religiöses Leben, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1980. Wellhausen, Julius, Reste arabischen Heidentums, Berlin 31961. Wilken, George Alexander, Das Matriarchat bei den Alten Arabern, Leipzig 1884. Winker, Gabriele und Degele, Nina, Intersektionalität. Zur Analyse sozialer Ungleichheiten, Bielefeld 22010.
‚Gender‘ in Religionspolitik und Moral
Gender, Religion und Politik bei Philo von Alexandria Friederike Oertelt Der folgende Beitrag untersucht die Darstellung historischer Frauen durch Philo von Alexandria in den Schriften In Flaccum und Legatio ad Gaium. Da diese Schriften Frauen von unterschiedlicher religiöser und ethnischer Herkunft und sozialem Status behandeln, bieten sie sich für die Fragestellung der Intersektionalität bei Philo besonders an. Hierbei zeigt sich, dass Philo jüdische Frauen von der Teilnahme am öffentlichen Leben gänzlich ausschließen möchte. Eine Ausnahme bildet der religiöse Bereich. So beschreibt Philo, dass Frauen und Männer zur Verteidigung des Jerusalemer Tempels zum Statthalter ziehen. Er teilt weiterhin die auch sonst in der moralphilosophischen Literatur vorgetragene Vorstellung, dass Frauen eine Gefahr männlicher Selbstbestimmung darstellen, indem sie Männer mit ihrer Sexualität verführen und damit die Geschlechterordnung umkehren. Zugleich sehen Philos allegorische Schriften auch eine Transformation des Weiblichen ins Männliche vor. Jungfrauen werden als zur Philosophie und Erkenntnis Gottes fähig dargestellt. Erstaunlich erscheint es daher, wenn Philo die Kaiserin Livia als Nicht-Jüdin und verheiratete Frau in Legatio ad Gaium 319f. als fromm (εὐσεβής) und als „männlich“ in Bezug auf ihren Verstand darstellt. Dies ist jedoch im politischen Diskurs der Zeit insofern eine geschickte politische Strategie, als Philo Livia zum Gegenbild der Zerstörerin Roms, Kleopatra aufbauen kann. Die religiös-ethnisch zunächst je spezifisch erscheinenden Frauenrollen erweisen sich so als Bausteine eines einheitlichen religionspolitischen Programms, das das Judentum als Religion und Philosophie höchster griechisch-hellenistischer Standards den römischen Herrschern anempfehlen will.
I. Historische Frauen bei Philo ? Die Genderkonstruktionen des jüdischen Philosophen Philo von Alexandria (ca. 20 v.u.Z. bis 45 n.u.Z.) wurden bereits mehrfach untersucht. Ausgangspunkt bilden dabei Philos Auslegung der Schöpfungserzählungen1 und
1
Grundlegend ist hierfür die Untersuchung von Richard A. Baer, Use of the Categories, der ausgehend von Philos Auslegungen zu Gen 1,27 und Gen 2,7 in opif. 134 und LA II,12ff. die Konstruktion der Geschlechter im Gesamtwerk Philos entfaltet.
228
Friederike Oertelt
seine Darstellung der biblischen Figuren2. Im Fokus der Analyse zu Philos Geschlechterverständnis stehen vor allem die allegorischen Textdeutungen.3 Wenn überhaupt die Darstellung historisch existierender Frauen betrachtet wurde, dann die der Therapeutinnen in Philos Schrift über das kontemplative Leben. Diese Gruppe von Philosophinnen und Philosophen widmete ihr Leben ausschließlich dem Torastudium. Ob es Therapeutinnen tatsächlich gab, ist in der Forschung allerdings immer wieder diskutiert worden.4 Kaum beachtet wurden dagegen Frauen, die in von Philo referierten gesellschaftlichen und politischen Zusammenhängen, also in den Schriften In Flaccum und Legatio ad Gaium, genannt werden. Beide Schriften schildern das Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung in Alexandria unter dem Präfekten Flaccus (37–38 n.u.Z.). Die Schrift Legat. berichtet zudem über die sich anschließende Reise einer jüdischen Gesandtschaft zu Caligula nach Rom (39–40 n.u.Z.), mit deren Leitung Philo beauftragt worden war. In beiden Schriften werden Frauen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionen und von unterschiedlicher Herkunft genannt. Zum einen handelt es sich um die jüdischen Frauen Alexandrias und zum anderen um die beiden Römerinnen, die Frau des Macro, Ennia, und die Frau des Augustus, 2 Im Unterschied zu Baer, Use of the Categories, richtet Dorothy Sly, Perception of Women, ihren Blick auf die Darstellung der weiblichen Sexualität bei Philo. In ihrer Untersuchung legt sie den Schwerpunkt auf Philos Rezeption biblischer Frauen, wie Sarah, Rebecca, Lea, Dina, Tamar und Hannah. In jüngster Zeit nahm Maren R. Niehoff, Mother and Maiden, eine ausführliche Untersuchung der unterschiedlichen Rolle Sarahs in den narrativen Texten Philos im Vergleich mit ihrer allegorischen Deutung in Abr. vor. 3 Das Werk Philos umfasst Schriftkommentare, historische Schriften, verschiedene philosophische Schriften und Fragmente einer Apologie für die Juden. Insgesamt wissen wir von mehr als fünfzig Schriften Philos, von denen etwa 40 Kommentare zu der griechischen Übersetzung des Pentateuch, überwiegend Genesis und Exodus, sind. Diese werden noch einmal in drei Gruppen unterteilt. In der Expositio Legis paraphrasiert Philo den biblischen Text im Wesentlichen. Unterbrochen werden diese Erzählungen jedoch immer wieder von allegorischen Auslegungen, die Einzelheiten der biblischen Erzählung deuten. Im Allegorischen Kommentar hingegen widmet sich Philo allein der allegorischen Deutung einzelner Passagen der Genesis. Die Quaestiones et Solutiones sind ein nur noch unvollständig erhaltener Kommentar im Frage-Antwort-Stil zu den Büchern Genesis und Exodus. Von Philos nicht-exegetischen Werken sind die historischen Schriften In Flaccum und Legatio ad Gaium sowie die Schrift über die Lebensgemeinschaft der Therapeutinnen und Therapeuten (s.u.) überliefert. 4 Den Therapeutinnen kommt insofern eine Sonderrolle zu, da sie als Jungfrauen in einer Gemeinschaft leben, die sich nach Philos Darstellung aus dem gesellschaftlichen und politischen Geschehen zurückgezogen hat. Für die Diskussion um die Darstellung der Frauen in der Schrift vgl. u.a. Joan Taylor, Jewish Women Philosophers ; Ross S. Kraemer, Monastic Jewish Women ; Shari Golberg, Two Choruses Become One ; Holger Szesnat, „Mostly Aged Virgins“. Während die genannten Untersuchungen die Existenz der Gruppe als historisch ansehen, bestreiten Erwin R. Goodenough, Introduction, und Troels Engberg-Pedersen, Philo’s De Contemplativa, die historische Existenz der Gruppe.
Gender, Religion und Politik bei Philo
229
Livia. Aufgrund der Unterschiede im Blick auf die religiöse Zugehörigkeit, die ethnische Herkunft und soziale Stellung scheint mir die Untersuchung der Frauendarstellung für die Frage der Intersektionalität aussichtsreich. Ob und wenn, in welcher Form die Interdependenzen der Kategorien Gender, ‚Religion‘, Ethnos und Politik die Darstellung der Frauen bestimmen, kann in einer vergleichenden Untersuchung erkennbar werden. Hierfür werden die Frauen(gruppen) nacheinander analysiert und ihre Darstellung mit anderen Texten zur Geschlechterkonstruktion in den Schriften Philos verglichen. In beiden historischen Schriften geht es um Konflikte zwischen römischen Machthabenden mit dem Judentum, so dass die Schriften eine große politische Brisanz besitzen und an vielen Punkten Philos Kenntnis der politischen Ideen des Prinzipats zeigen.5 Da auch die Geschlechterkonstruktionen die politische Ideologie des Prinzipats prägen,6 wird der Aufsatz auch diese in Philos Darstellung der Frauen einbeziehen. Als erstes widme ich mich den jüdischen Frauen.
II. Frauen in Philos historischen Schriften In Flaccum und Legatio ad Gaium 1. Jüdische Frauen als Opfer der antijüdischen Aufstände Philo erwähnt in beiden Schriften Frauen als Opfer der Gewalt während des Pogroms in Alexandria.7 Philo schildert die bedrückende Situation nach der Vertreibung aus ihren Wohnbezirken : „Sie [die jüdische Bevölkerung Alexandrias, A.d.V.] litt an Armut und furchtbarem Mangel an den lebensnotwendigen Dingen. Und sie sahen Frauen und unmündige Kinder vor ihren Augen durch eine Hungersnot umkommen, die durch Menschenhand herbeigeführt worden war – denn überall sonst herrschte an Lebensmitteln Überfluss und Überschuss.“8
Die jüdische Bevölkerung wird nach Philos Darstellung ausgehungert. Hierunter leiden besonders die Frauen und Kinder. Dass der Tod unschuldiger und unbewaffneter Frauen und Kinder von den Aufständischen nicht nur in Kauf genommen wird, sondern durch die Verweigerung von Lebensmitteln gezielt herbeibeführt wird, stellt den Lesenden die Unmenschlichkeit des Pogroms vor Augen. Aber Philo beklagt nicht nur die Hungersnot. Die auf5 Vgl. zur Aufnahme zeitgenössischer politischer Ideen Erwin R. Goodenough, Politics, 1–20 ; Ray Barraclough, Politics, 449–471. 6 Vgl. hierzu Mary D’Angelo, Imperial Family, 141–145. 7 Zur Rekonstruktion der Ereignisse in Alexandria zwischen 38 und 40 n.u.Z. vgl. u.a. Erich S. Gruen, Diaspora, 54–83 ; Mary E. Smallwood, Legatio, 14–50 ; John M. G. Barclay, Jews in the Mediterranean Diaspora, 51–71. 8 Flacc. 62. Vgl. auch Flacc. 87 ; 95, Legat. 120ff. (Die Übersetzungen der philonischen Textpassagen stammen, soweit nicht anders angegeben, von der Verfasserin).
230
Friederike Oertelt
gebrachte Menge der Aufständischen dringt in die Häuser der jüdischen Familien ein, verwüstet sie und treibt die Familien auf die Straße. Dadurch sind die sonst im Haus zurückgezogen lebenden Frauen und Mädchen ungeschützt den Blicken der fremden Männer und der kriegerischen Gewalt ausgeliefert : „Was sie [die jüdischen Männer, A.d.V.] aber in Zorn versetzte, war […], dass die sonst eingeschlossenen Frauen, die nicht das Haus verließen, und die jungen Frauen, die in ihren Zimmern zurückgezogen lebten und aus Scham (αἰδώς) vor den Blicken der Männer sogar den nahen Verwandten auswichen, auf diese Weise nicht nur Unbekannten, sondern auch solchen, von denen kriegerische Gefahr ausging, vor Augen kamen.“ 9
Das Leben der jüdischen Frauen beschränkt sich auf den häuslichen Bereich. Sowohl die Ehefrauen als auch die unverheirateten Frauen nehmen am öffentlichen und politischen Leben offensichtlich nicht teil. Sogar innerhalb des jüdischen Haushalts wird die Trennung von Männern und Frauen nach Philos Angaben praktiziert. Grund für die strenge Trennung der Geschlechter ist die Schamhaftigkeit (αἰδώς), die die Frauen auf diese Weise bewahren. Für das tiefere Verständnis des Begriffs lohnt sich ein Blick auf den Befund in den übrigen Schriften Philos. Denn scheint der Begriff αἰδώς an dieser Stelle eine Haltung zu bezeichnen, die ausdrücklich Frauen zukommt, so zeigt die übrige Verwendung, dass nur ein kleiner Teil der Belege des Begriffs bei Philo ausschließlich auf Frauen bezogen ist. Vielmehr bezeichnet das Wort allgemein den Respekt Gott gegenüber10 oder die Ehrfurcht vor Älteren, Lehrern und Herrschern.11 αἰδώς steht in Philos Tugendkatalogen neben den Tugenden Besonnenheit (σωφροσύνη) und Selbstbeherrschung (ἐγκράτεια).12 Schamloses Verhalten (ἀναιδής/αἰσχύνη) wird als Hochmut (ὕβρις)13 verurteilt und gilt als Ausdruck der Missachtung der natürlichen und göttlichen Ordnung.14 αἰδώς in Bezug auf Frauen berührt, wie auch in der übrigen griechischsprachigen Literatur zu beobachten15, fast immer den sexuellen Bereich : Die Prostituierte kennt keine Scham und Philo bezeich9 Vgl. Flacc. 89. In dieselbe Richtung zielen auch die Schilderungen Philos in Flacc. 95, wo er von der erbarmungslosen Härte des Flaccus spricht, die jüdische und nicht-jüdische Frauen trifft. Ohne Unterschied seien sie auf erniedrigende Weise vor der Öffentlichkeit auf die Bühne gezerrt worden. 10 Vgl. Mut. 201 ; Mos. I,84.161 ; Spec. III,209. 11 Vgl. Jos. 257 (Ehrfurcht des Pharao vor Jakob) ; Mut. 217 ; Legat. 5 (Ehrfurcht vor den Älteren und Eltern) ; Spec. IV,140 (Ehrfurcht vor Lehrern) ; Legat. 276.352 (Ehrfurcht vor dem Kaiser). Philos Verwendung des Begriffs entspricht damit dem antiken griechischen Gebrauch, vgl. Rudolf Bultmann, αἰδώς, 168–170. 12 Vgl. Somn. I,124 ; Jos. 153. 13 Vgl. u.a. Conf. 116, wonach der Turmbau zu Babel die Schamlosigkeit und den Hochmut zeigt. 14 Vgl. Spec. III,14.25 ; Praem. 106. 15 Vgl. hierzu Douglas L. Cairns, Aidos, 120f.
Gender, Religion und Politik bei Philo
231
net es als schamlos, wenn Frauen im Theater nackte Männer sehen. Auch die Kopfbedeckung der Frauen gilt als Zeichen ihrer Schamhaftigkeit und Zurückhaltung.16 Frauen, die ihre Zurückhaltung aufgeben, werden hingegen des Hochmuts beschuldigt : „Wenn eine Frau erfährt, dass ihrem Mann Gewalt angetan wird, und wenn sie von dem Gefühl der Liebe zu ihrem Mann (φιλανδρία) überwältigt wird und von der aufsteigenden Leidenschaft gezwungen wird, soll sie nicht mehr, als es der Natur entspricht, männlich gesinnt und kühn werden (μὴ πλέον τῆς φύσεως ἀρρενούσθω θρασυμένη), sondern bleibe eine Frau, wenn sie hilft. Es wäre nämlich schlimm, wenn sie, weil sie den Mann von den Schmähungen (ὕβρις) befreien will, die Schmähungen auf sie selbst zurückfallen (ὑβρίζομαι) und das eigenen Leben in Schmach (αἰσχύνη) und großer Schande (ὄνειδος) offenbar wird. […] Nun gehen aber einige Frauen so weit, dass sie nicht nur mit unangebrachter Geschwätzigkeit (γλωσσαλγία) in der Menge der Männer Anklagen vorbringen und Beschimpfungen aussprechen, sondern auch die Hände erheben, die geübt sind im Gewänder herstellen (ὕφασμα) und Wollespinnen (ταλασία),17 aber nicht im Schlagen und im Misshandeln (ὕβρις), wie Ringer und Faustkämpfer. Und wenn das andere noch zu ertragen sein könnte, so ist es schlimm, wenn irgendeine Frau derart kühn wird, dass sie nach den Geschlechtsteilen greift.“18
Philo entschuldigt das hier dargestellte Verhalten einer Frau dadurch, dass sie von Gefühlen und Leidenschaften für ihren Mann überwältigt wird. Er bringt so indirekt zum Ausdruck, dass Frauen nicht vernunftgemäß handeln, sondern sich von Gefühlen leiten lassen.19 Er warnt eindringlich davor, dass Frauen sich in Auseinandersetzungen zwischen Männern einmischen, da sie auf diese Weise Schande auf ihr eigenes Leben laden.20 Das Auftreten von Ehefrauen mit solch männlichem Verhalten entspreche nicht ihrer Natur. Denn die Frauen könnten weder mit Worten zur Klärung beitragen – so macht es der Begriff γλωσσαλγία deutlich, der bei Philo an anderen Stellen die listige, zügellose oder gotteslästerliche Rede bezeichnet21 – noch seien ihre Hände für eine gewaltsame Auseinandersetzung geeignet, da sie nur im Herstellen von Kleidung geübt sind. Während derartiges Einmischen 16 Die Belege für αἰδώς als Frauentugend finden sich nahezu ausschließlich im Rahmen der Erläuterung des sechsten Gebots (Spec. III,14.25.51.54.56). 17 Zur Handarbeit als Tätigkeit der Frauen vgl. beispielsweise Musonius Rufus, der zwar eine philosophische Ausbildung der Frauen befürwortet. Diese solle aber nicht dazu führen, dass Frauen „die Aufsicht über den Haushalt vernachlässigen und sich unter den Männern aufhalten und sich im Reden üben und Klugheiten ersinnen (σοφίζειν) und Schlüsse ziehen (ἀναλύειν συλλογισμούς), während es nötig wäre, zu Hause zu sitzen und zu spinnen (ταλασιουργεῖν)“ (Mus. Ruf., Diss. 3 [Hense 12,5–10]). 18 Spec. III,173–175. 19 Vgl. hierzu die Ausführungen zu Philos Geschlechterkonstruktion unter II.3. 20 Der Begriff αἰσχύνη ist mit dem Begriff αἰδώς trotz unterschiedlicher Etymologie verwandt. Beide bezeichnen die Scham vor einer schändlichen Tat. Die ursprüngliche Unterscheidung, nach der αἰδώς dem religiösen und αἰσχύνη dem gesellschaftlichen Kontext zugeordnet wird, wird schon in der Sophistik aufgehoben, vgl. Bultmann, αἰδώς, 169–170. 21 Vgl. Mos. II,198 ; Flacc. 33 ; QE II,218.
232
Friederike Oertelt
von Ehefrauen aber nicht durch Strafen geahndet wird, sondern nur dem Ansehen der Frauen selbst schadet, wird der einzig wirkungsvolle „Handgriff“ von Philo unter schwere Strafe gestellt : Diesen Frauen solle, so urteilt er im oben zitieren Abschnitt, die Hand abgehackt werden. Die Textpassage belegt eindeutig, dass Philo das Auftreten der Frauen in der von Männern dominierten Öffentlichkeit ablehnt. Mit seiner Bemerkung, dass Frauenhände das Spinnen gewohnt sind, weist er den Frauen Arbeiten innerhalb des Hauses zu. Philo begründet jedoch nicht mit biblischen Texten, dass den Frauen die Aufsicht über den Haushalt, den Männern der öffentliche Bereich zugewiesen wird.22 Vielmehr greift er hier für seine Argumentation das aus aristotelischer Tradition stammende Oikonomiamodell auf : „Es gibt nämlich zwei Formen von Staatswesen, größere und kleinere. Die größeren werden Städte genannt, die kleineren Häuser (οἰκία). Von jenen haben die Männer die Leitung in den größeren, die man Staatsverwaltung nennt, erlangt, die Frauen aber in den kleineren, die man Haushaltung nennt. Eine Frau soll sich um nichts außerhalb der Haushaltung kümmern, (und) indem sie die Abgeschiedenheit sucht, soll sie nicht als eine, die auf den Straßen im Blick fremder Männer herumschweift, ans Licht treten, außer wenn sie in den Tempel gehen muss.“23
Sowohl der Vergleich der Familie mit dem Staatswesen als auch die Aufgabenverteilung zeigen aristotelischen Einfluss.24 Dieses Modell findet sich in den Schriften, die unter Bezugnahme auf Xenophons Oikonomikos und Aristoteles’ Schriften unter dem Titel περὶ οἰκονoμίας verfasst wurden.25 Hintergrund dieser ökonomischen Schriften ist, wie Angela Standhartinger zeigt, „der Gedanke, dass ein Staat nur gut gedeihen kann, wenn die kleinsten Einheiten, die Häuser (οἶκοι), wohlgeordnet sind.“26 Zugleich würden aber Inschriften und Papyri zeigen, dass dieses Bild der auf die Versorgung des Hauses beschränkten Frauen „nicht (mehr) die einzig maßgebende Wirklichkeit in hellenistisch-römischer Zeit bedeutet. Die ökonomischen Schriften wollen vielmehr proskriptiv sein und entwerfen, zumindest wenn sie ab dem 1. Jh. v. Chr. rezipiert werden, utopische Vorstellungen vom Geschlechterverhältnis.“27 Auch Philos Darstellung von Frauen, die in der Öffentlichkeit ihren Ehemann verteidigen, zeigt, dass zur philonischen Erfahrungswelt Frauen gehörten, die die strikte Trennung von Männer- und
22 Vgl. zur Darstellung der Rolle der Frauen bei Philo als griechischem Erbe Wegener, Philo’s Portrayal of Women. 23 Spec. III,170–71 (Übersetzung Cohn). 24 Aristot., Polit. 1253b1–14. Vgl. zum platonisch-aristotelischen Einfluss auf Philos Ausführungen über die Oikonomia David L. Balch, Let Wives be Submissive, 52–56. 25 Zum Folgenden vgl. Angela Standhartinger, Frauenbild, 59–76. 26 Standhartinger, Frauenbild, 62. 27 Standhartinger, Frauenbild, 64f. Dies gilt auch für Jüdinnen wie Bernadette Brooten, Women Leaders, gezeigt hat.
Gender, Religion und Politik bei Philo
233
Frauenbereichen überschritten.28 Im Gegensatz zu diesen werden die jüdischen Frauen, die in Flacc. 89 aus ihren Häusern auf die Straße gezwungen werden, als αἰδώς dargestellt. Sie werden während des Pogroms gezwungen, sich den Blicken fremder Männer auszusetzen, die ihre Schamhaftigkeit nicht achten. Die jüdischen Frauen erscheinen also nicht nur als Opfer. Anhand ihres Verhaltens wird erkennbar, dass die jüdische Bevölkerung als geordnetes Gemeinwesen gesehen werden kann und – im Unterschied zu den aufständischen Ägyptern – keine Gefahr für das Römische Reich darstellt. Weder in Flacc. noch in Spec. III,169ff. zieht Philo für seine Darstellung die biblische Tradition hinzu. Schon an diesem Punkt kann beobachtet werden, dass Philo die Ordnung zwischen Männern und Frauen nicht notwendig mit der eigenen Religion, dem Judentum, verknüpft, sondern sich hier der moralphilosophischen Literatur anschließt. Der einzige Grund für Frauen, das Haus zu verlassen, ist der Gang zum Tempel (ἱερός), den sie jedoch nicht zu Zeiten, in denen die Straßen belebt sind, unternehmen sollen.29 Die Erfüllung religiöser Pflichten scheint die einzige legitime Möglichkeit zu sein, sich außer Haus zu bewegen. Dass die Beschränkung auf das Haus für Frauen, die sich für die Reinhaltung des Heiligtums einsetzen, aufgehoben werden kann, zeigt weiter Philos Bericht über den gemeinsamen Protestzug der Jüdinnen und Juden des ganzen Römischen Reiches, die, um die Aufstellung der Kaiserstatue im Tempel zu verhindern, dem Statthalter Petronius entgegen ziehen.30 Nicht nur die wehrhaften Männer, sondern Frauen und Männer jeden Alters beteiligen sich daran. Dass Philo explizit Frauen als Teilnehmerinnen des Protestzugs nennt, sollte die friedlichen Absichten zeigen und zeugt somit von einem apologetischen Interesse Philos.31 Ungewöhnlich und meines Wissens einzigartig ist der von Philo geschilderte Aufbau des Zuges. Die Trennung der Geschlechter wird aufrecht erhalten und innerhalb der Männer- und Frauengruppe eine Differenzierung vorgenommen. Die Aufteilung des gesamten Zuges der Juden geschieht in sechs Gruppen : alte Männer (πρεσβῦται), junge Männer (νέοι) und Knaben (παῖδες) auf der einen Seite und alte Frauen (πρεσβυτίδες), erwachsene Frauen (γυναικὲς τῶν ἐν ἡλικίᾳ) und junge Mädchen (παρθένοι) auf der anderen.32 Auch in dieser Ausnahmesituation spiegelt die Aufstellung 28 Vgl. Spec. III,174f. 29 30
Spec. III,171. Legat. 225ff. Auch Josephus berichtet von diesem Protestzug (Flav. Jos., Ant. 18,264–
268). 31 Die friedlichen Juden und Jüdinnen stehen bei Philo den bewaffneten römischen Machthabern gegenüber. Tacitus, Ann. V,9, hingegen berichtet, dass die Juden bewaffnet gewesen seien. Zur Glaubwürdigkeit der unterschiedlichen Darstellungen vgl. Smallwood, Legatio, 275. 32 Legat. 227.
234
Friederike Oertelt
die innere Ordnung der Gruppe wider und zeichnet zudem ein klares Bild, welche Lebensformen innerhalb der Gruppe akzeptiert sind. Während es in biblischen Darstellungen, insbesondere in der Exoduserzählung, um die Ordnung in Familienverbänden bzw. Sippen geht,33 steht hier die Trennung der Geschlechter über der Familienordnung. Die biblische Tradition wird damit auch an diesem Punkt zugunsten der Geschlechtertrennung vernachlässigt. Nachdem die gesamte Gruppe vor Petronius niedergefallen ist und laut geklagt hat, ergreift die Abteilung der älteren Männer das Wort und warnt vor den Folgen, die das Aufstellen einer Kaiserstatue im Jerusalemer Tempel hätte. Die Frauen nehmen an dem Protestzug für den Tempel in Jerusalem teil und treten für ihr Heiligtum ein. Das Auftreten vor den politischen und militärischen Größen gilt in diesem Fall offensichtlich nicht als unangemessen oder schändlich. Wenn die angemessene Verehrung Gottes in Gefahr steht, treten nicht nur die Männer, sondern Frauen und Männer aller Altersgruppen für ihren Gott ein. Sowohl die Trennung von Frauen und Männern als auch die „Geschlechterordnung“ wird dadurch aber nicht gefährdet. Die jüdischen Frauen, die von Philo in den Schriften Flacc. und Legat. beschrieben werden, respektieren die Vorrangstellung der Männer. Im Alltag beschränkt sich ihr Leben auf das Haus. Biblischen Bezüge fehlen in der Argumentation Philos. Stattdessen rekurriert er auf moralphilosophische Literatur. In seiner Darstellung des Pogroms möchte Philo daher wahrscheinlich aufweisen, dass die jüdischen Bewohner und Bewohnerinnen Alexandrias die römische Ordnung nicht gefährden. Vielmehr sind die Aufständischen, die ägyptischer Herkunft sind, diejenigen, die eine Gefahr für die Ordnung darstellen.34 Philos Beschreibung der jüdischen Familien betont die Rolle der Frauen als zurückgezogen. Die Ursache für eine solche Beschränkung der Frauen liegt in seinem Verständnis der weiblichen Natur begründet : Geschlechtsreife Frauen bergen nach Philo immer die Gefahr, in ihrem eigenen Interesse Männer zu manipulieren. Ein abschreckendes Beispiel für eine eigenständig agierende Frau in den historischen Schriften ist die Frau des römischen Politikers Macro. 2. Die Frau als Verführerin der Männer Mehrfach findet in den historischen Schriften die Frau Macros, Ennia, Erwähnung, wobei Philo sie bezeichnenderweise an keiner Stelle mit ihrem Namen Ennia nennt, was eine Darstellung Ennias als Illustration eines bestimmen Frauentypos verstärkt. Q. Naevius Cordus Sutorius Macro war ein 33 Vgl. Num 34 Vgl. zu
1,1–43. Philos Darstellung der Ägypter Sarah Pearce, Land of the Body, insb. 81ff.
Gender, Religion und Politik bei Philo
235
Vertrauter Caligulas,35 der jedoch in Ungnade fiel und samt seiner Familie von Caligula ermordet wurde. Die Rolle Ennias wird von Philo ambivalent dargestellt. So wird sie als Teil der Familie zum Opfer des willkürlichen Verhalten Caligulas, der die gesamte Familie ermorden lässt.36 Gleichzeitig wird ihr an anderer Stelle eine erhebliche Mitschuld an der Ermordung der Familie zugeschrieben : Philo weiß zu berichten, dass sie ihren Mann immer wieder angestachelt habe, auf Caligula Einfluss zu nehmen.37 Schuld an seinem Tod sei damit nicht Macro selbst, sondern seine Frau. Die Motive Ennias werden von Philo nicht genannt. Ihr Handeln liegt allein in der weiblichen Natur begründet : „Versteht es doch eine Frau meisterhaft, die Urteilskraft (γνώμη) des Mannes zu lähmen (παραλῦσαι) und ihn zu betören (παραγαγεῖν), besonders dann, wenn sie sexuell hemmungslos ist (μαχλάς). Denn das Bewusstsein ihrer Schuld macht sie noch schmeichelhafter (κολακικωτέρα). Macro aber merkt nicht, wie Ehe und Heim ins Wanken geraten, und hält das schmeichlerische Getue für echte Gutwilligkeit. So erliegt er der Täuschung (ἀπατᾶται) und sieht nicht, wie er durch die Intrigen seiner Frau sich seinen ärgsten Feinden ausliefert, als wären sie Freunde.“38
An späterer Stelle schildert Philo, dass Ennia ein Verhältnis mit Caligula gehabt haben soll.39 Ihre Darstellung als Verführerin der Männer rückt sie in die Nähe anderer biblischer Frauengestalten bei Philo. Große Ähnlichkeit kann beispielsweise in der Erzählung über die Frau des Potiphar gesehen werden.40 Auch sie wird als sexuell hemmungslos, hinterhältig, schamlos, intrigant und die Männer manipulierend dargestellt. Auch für ihr Verhalten gibt es keine vernünftigen Gründe, sondern allein der Sieg der Leidenschaft über die Vernunft lenkt ihr Verhalten. Im Unterschied zu Caligula widersteht der Staatsmann Joseph jedoch der Frau und gewinnt damit an Tugendhaftigkeit. In besonders drastischer Form scheinen nicht-jüdische Frauen die Verführung der Männer zu beherrschen.41 Die grundsätzliche Schwäche der Frauen, sich auf die sinnliche Wahrnehmung zu verlassen und daher den Gefühlen und dem äußeren Schein anstelle der Vernunft zu folgen, trifft aber auch auf jüdische Frauen wie Rahel zu. Mit ihrer Schönheit verführt sie Jakob und droht ihn so – anders als die hässliche Lea – von dem Weg 35 Q. Naevius Cordus Sutorius Macro war unter Tiberius und später unter Caligula von Oktober 31 bis zu seinem Tod 38 n.u.Z. Praetor in Rom ; s. Smallwood, Legatio, 178. 36 Flacc. 14.59 ; Legat. 61. 37 Legat. 39. 38 Legat. 39–40 (Übersetzung Cohn). 39 Legat. 61. Bei späteren Autoren wird über die Beziehung, die Caligula mit Macros Frau Ennia vor der Amtseinsetzung Caligulas gehabt haben soll, noch berichtet, dass Ennia Caligula das Versprechen abgerungen habe, ihn zu heiraten, wenn er Kaiser würde (vgl. Suet., Gaius 12,2 ; Tac., Ann. VI, 45,5, Dio Cass. LVIII, 28,4). 40 Vgl. Jos. 40–53. 41 Vgl. Sly, Perception, 112–117, zur Darstellung der midianitischen Frau aus Num 25.
236
Friederike Oertelt
der Erkenntnis des geistig Unsichtbaren abzubringen.42 Auch wenn nichtjüdische Frauen von Philo mit stärkeren Reizen und größerer Leidenschaft ausgestattet werden, so gilt auch für jüdische Frauen, dass sie aufgrund ihrer Natur für Männer gefährlich werden können.43 Die Darstellung Ennias ist somit nur ein Beispiel für das negative Frauenbild, das Philos Schriften über weite Strecken prägt. 3. Die Kategorien männlich und weiblich in Philos Auslegung der Schöpfungserzählungen Philos Auslegung der beiden Schöpfungsberichte, die er im Wesentlichen in den Traktaten De opificio mundi und Legum Allegoriae I–III vornimmt, geben eine Begründung seines Verständnisses der „weiblichen Natur“. Grundlegend ist für Philo die platonische Unterscheidung von intelligibler und wahrnehmbarer Welt. So wird in Gen 1,26 der himmlische bzw. geistige Mensch geschaffen. Dieser erhielt, weil er ein völliges Abbild Gottes war, noch keine Gestalt.44 Er könnte daher als ein asexuelles Wesen bezeichnet werden. Die Gendereigenschaften, die ihm von Philo zugeschrieben werden sind jedoch männlich. Colleen Conway spricht daher bei dem Menschen des 42 So deutet Philo den Namen Rahel in Congr. 25 als „Blick der Ruchlosigkeit / Entheiligung“ ; vgl. Martina Böhm, Rezeption, 78. Grundlage für die negative Auslegung Rahels ist die Auslegung von Gen 30,1/LXX, nach der Rahel ihre Kinder nicht von Gott erbittet, sondern von Jakob fordert. Die negative Darstellung ist bei Philo jedoch nicht konsequent durchgehalten : Werden die Schwestern Rahel und Lea als Gegenüber zu Laban gesehen, ist eine positive Deutung möglich (vgl. LA III,20 ; Fug. 18). 43 Mit einem solchen Frauenbild begründet Philo in der Schrift über die Essener deren Verzicht auf die Heirat folgendermaßen : „Daher nun lehnen sie die Heirat ab, die, wie sie mit scharfem Blick gesehen haben, allein oder doch zu großen Teilen die Gemeinschaft [der Essener, A.d.V.] zu zerstören droht, um sich ganz besonders in der Selbstbeherrschung zu üben. Keiner der Essener hat nämlich eine Ehefrau, weil die selbstliebende und eifersüchtige Frau es in maßloser und furchtbarer Art gewohnt ist, den Mann zu verlocken und durch ständige Zaubereien zu verführen. Sie übt sich nämlich in geheuchelten Worten und anderer Schmeichelei, wie auf einer Bühne ; und nachdem sie das Sehen und Hören geködert hat und diese getäuscht worden sind, täuscht sie den führenden Verstand. […] Aber jemand, der mit Liebeszauber an eine Frau gebunden ist oder sich der Natur gezwungenermaßen folgend um die Kinder sorgt, ist im Vergleich mit anderen nicht mehr derselbe, sondern ist ein anderer geworden, ein Sklave statt eines Freien.“ (Hyp. 11,14–17 in Auszügen). Selbst wenn Philo hier die Argumentation der Essener wiedergeben sollte, zeigt sie eine große Nähe zu seiner sonstigen Darstellung der Frauen, so dass sich eine gewisse Sympathie mit der essenischen Einstellung nicht leugnen lässt (vgl. auch Sly, Perception of Women, 207ff.). In Cher. 59–60 und QG I,26 äußert sich Philo hingegen positiv zur Heirat. Der Mann sei ohne die Frau unvollkommen. Wie auch David Winston, Philo and the Rabbis, 56, darlegt, ist Philos Einstellung zur Heirat als ambivalent zu beurteilen. Keinesfalls könne pauschal davon gesprochen werden, dass Frauen für Philo das Unglück des Mannes seien. 44 Vgl. Opif. 69–76, bes. 76.134 ; LA I,31.
Gender, Religion und Politik bei Philo
237
ersten Schöpfungsberichts von einem asexuell-männlichen Wesen.45 Der Mensch, der in Gen 2,7 geformt wird, gleicht in seiner Bildung einem Kunstwerk. Aufgrund seiner Körperlichkeit kommt es nun zur Differenzierung in männlich und weiblich.46 ‚Männlich‘ wird dabei von Philo mit dem Geist und dem Verstand (νοῦς / λόγος) gleichgesetzt47, welche sich auf das Immaterielle (Göttliche) hin orientieren. ‚Weiblich‘ hingegen verknüpft Philo mit der sinnlichen Wahrnehmung (αἴσθησις), die sich an der sichtbaren Welt ausrichtet und die Ursache der vernunftlosen Leidenschaften (πάθη) ist.48 Da die Erkenntnis des Unsichtbaren, Unvergänglichen und Göttlichen Ziel der Bildung des Menschen ist, kommt es zu einer Abwertung der sinnlichen Wahrnehmung, die infolge der oben genannten Verknüpfung mit einer abschätzigen Rede über die weibliche Natur untrennbar verwoben ist.49 Gerade diese Beschreibung der weiblichen Natur im Zuge der Schöpfungsauslegung hat jedoch keine Parallele bei Platon, wie Dorothy Sly gezeigt hat.50 Differenzen zum platonischen Denken bestehen auch in Bezug auf die Vorstellung des ersten Menschen als androgyner Kreatur im mythischen Sinn. Denn nach Richard A. Baer gehört die Aufteilung in männlich und weiblich erst in die reale Welt. Die kosmische Welt kennt diesen Unterschied und damit auch die Kategorien weiblich und männlich hingegen noch nicht. Hier wird ein rein ‚geistiger‘ Mensch geschaffen. Erst indem der Mensch als körperliches Wesen in der Welt geschaffen wird, kann er sie wahrnehmen und existiert fortan als Wesen mit Körper und Seele, d.h. mit sinnlicher Wahrnehmung und Vernunft. Dadurch, dass nach Philo jeder Mensch weibliche und männliche Anteile besitzt und als gemischtes Wesen zu bezeichnen ist, kann er niemals die Vollkommenheit des ersten Menschen erreichen.51 Philo verwendet die Kategorien männlich und weiblich zudem, um den Fortschritt im Streben um Tugendhaftigkeit und der damit für Philo verknüpften Gotteserkenntnis zu beschreiben.52 Die Schlussfolgerung, dass mit dem Männlichwerden alle Menschen einen größeren Anteil an Erkenntnis erhalten und dass sie, je weiblicher sie werden, umso entfernter von der Idee des Unvergänglichen seien, lässt sich allerdings nur für Philos Dar45 Vgl. Conway, Gender, 490. 46 Vgl. Opif. 134, LA
II,24. LA II,23f., Opif. 165. Vgl. Mattila, Wisdom, 105f. und Conway, Gender, 490f., die zeigen, dass die göttliche Sphäre zwar nicht sexuell differenziert, jedoch mit männlichen Eigenschaften besetzt wird. 48 Vgl. QG IV,15 u.a. 49 Vgl. Baer, Use of Categories, 40. Allerdings ist für Philo die Wahrnehmung unentbehrlich, da der Geist ohne sie blind sei. Der Geist muss jedoch die Leitung und Führung der Wahrnehmung übernehmen. Vgl. LA III,108–109. 50 Vgl. Sly, Perception of Women, 102. 51 Vgl. Baer, Use of Categories, 38. 52 Vgl. Conway, Gender, 479. 47
238
Friederike Oertelt
stellung der Männerfiguren formulieren. Bei Frauengestalten, sowohl biblischen als auch historischen, entscheiden weitere Faktoren darüber, ob das Männlichwerden positiv oder negativ beurteilt wird. Während das männliche Verhalten einer Ehefrau in Spec. III,174 kritisiert wird, spricht Philo Jungfrauen dieselben Erkenntnismöglichkeiten und Tugenden wie Männern zu. Der Begriff Jungfrau (παρθένος) bezeichnet in den exegetischen Schriften und in der Schrift über die Therapeutinnen nicht nur junge Frauen, sondern auch Frauen, die unfruchtbar sind oder sich jenseits der Menopause befinden.53 Bei Jungfrauen handelt es sich nach Philo um Frauen, die sich bewusst dafür entschieden haben, ihre Weiblichkeit aufzugeben.54 Die biblischen Aussagen über die ungewollte Unfruchtbarkeit von Frauen werden nicht aufgenommen. Die unfruchtbaren Frauen erfahren, anders als in den biblischen Texten selbst, eine Aufwertung aufgrund ihrer Unfruchtbarkeit. Wie Platon und vor allem Aristoteles ordnet Philo den Geschlechtern die Aktionsarten passiv und aktiv zu.55 Dem Männlichen kommt die aktive und beherrschende Rolle zu, dem Weiblichen hingegen die passive, empfangende und beherrschte.56 Aufgrund der zugeordneten Aktionsarten der beiden Kategorien können im philonischen Korpus sowohl Männer, die sich passiv verhalten, als weiblich bezeichnet werden, als auch Frauen, die die aktive Rolle übernehmen, als männlich. Durch diese Möglichkeit der Frauen, ihr Geschlecht aufzugeben und so männlich zu werden, kann es in der allegorischen Auslegung biblischer Frauenfiguren zu einer Art Rollenverkehrung zwischen Frauen und Männern kommen. Das bekannteste Beispiel ist die Figur der Weisheit (σοφία), 53 Frau (γυνή) und Jungfrau (παρθένος) bezeichnen bei Philo zwei völlig verschiedenen Wesen : Jungfrauen sind den Männern in Bezug auf geistige Möglichkeiten ähnlich (Baer, Use of Categories, 51–55 ; Sly, Perception of Women, 71–89 ; Kraemer, Monastic Jewish Women, 352f. ; Taylor, Jewish Women Philosophers, 250), besitzen denselben Eifer (ζῆλος) und dieselbe Gesinnung (προαίρεσις ; vgl. Cont. 32). Sie gelten Philo letztlich nicht mehr als Frauen (Kraemer, Monastic Jewish Women, 356). Diese Sicht wird auch durch die Darstellung von QE I,8 gestützt, nach der Frauen ihr Geschlecht aufgeben müssen, um zur Erkenntnis Gottes zu gelangen. In Cher. 50 formuliert Philo, dass Frauen zu Jungfrauen werden, wenn Gott zu ihrer Seele komme (vgl. Baer, Use of Categories, 54). 54 Vgl. Niehoff, Mother and Maiden, 473. 55 Fast wörtlich übernimmt Philo die Ansicht des Aristoteles, dass das weibliche Geschlecht gegenüber dem männlichen minderwertig sei. Vgl. hierzu Mattila, Wisdom, 119. 56 Vgl. LA II,38: „Denn wie dem Mann das Handeln zukommt und der Frau das Erdulden, so betätigt sich der Geist handelnd und die Wahrnehmung der Frau ertragend.“ Ähnliche Aussagen finden sich auch in QE I,7 ; Spec. I,200f. ; I,37. Die Übereinstimmung der männlichen aktiven Rolle mit der göttlichen ist hierbei nicht zu übersehen (vgl. Conway, Gender, 489ff.). Als Schöpfer und Herrscher ist Gott, obwohl Philo häufig die neutrale Bezeichnung τὸ ὄν verwendet, der Inbegriff von „Männlichkeit“. Nur Gott kommt in keiner Beziehung die weibliche passive Rolle zu, während dies bei allen Geschöpfen der Fall ist, denen je nach Beziehung die aktive oder passive Rolle zukommt, vgl. Conway, Gender, 490.
Gender, Religion und Politik bei Philo
239
die bei Philo durch die Erzmutter Sara verkörpert wird.57 Als Weisheit nimmt sie in Beziehung zu Abraham die aktive Rolle ein und pflanzt Tugend und Verstand in ihn ein. Gleichwohl bleibt sie in ihrer Beziehung zu Gott, als Tochter, Frau und Mutter58 empfangend passiv. Philo erklärt diese Doppelrolle folgendermaßen : „Nur der Name der Weisheit ist weiblich, ihre Natur dagegen männlich. Denn die Tugenden haben sämtlich weibliche Namen, ihre Kräfte und Handlungen sind die vollkommener Männer. […] Wir wollen also, ohne uns an dem in den Namen zum Ausdruck kommenden Unterschied zu stören, die Behauptung aufstellen, dass die Tochter Gottes, die Weisheit, männlich, und dass sie ein Vater sei, der in den Seelen Lernen, Bildung, Wissen, Einsicht und gute lobenswerte Handlungen aussät und erzeugt.“59
Für die Zuordnung zu einem Geschlecht ist, so wird hier auf allegorischer Ebene erkennbar, nicht die grammatische Bestimmung entscheidend, sondern allein die Funktion oder Rolle, die die Weisheit oder die anderen Tugenden in der jeweiligen Beziehung einnehmen.60 Auf allegorischer Ebene kann es dadurch zu einer das biologische und grammatische Geschlecht umkehrenden Beziehung kommen : Sara übernimmt als Tugend in der Allegorie die aktive Rolle und fördert in Abraham den Verstand (λογισμός). Dies ist jedoch nur möglich, weil Sara als unfruchtbare und/oder alte Frau nicht (mehr) begehrenswert ist und selbst auch keine Lust mehr empfindet. Als asexuelle Figur (mit männlichen Eigenschaften) ist sie der Welt der Ideen sogar näher als Abraham.61 Diese Überordnung gilt jedoch, wie Maren R. Niehoff zeigt, nur für die allegorische Auslegung. In den narrativen Passagen der Schrift Abr. wird Sara hingegen als vorbildliche Ehefrau geschildert, die ihrem Mann ohne Murren folgt und ihre Kinderlosigkeit klaglos akzeptiert.62 Die von Niehoff dargelegten Unterschiede in der Darstellung Saras zeigen, dass Philo in der Frage der Genderkonstruktion zwischen allegorischer und narrativer Auslegung differenziert. Schon auf narrativer Ebene ist ein Rollentausch nicht mehr denkbar und die Identität als Mann oder Frau hält Philo für festgelegt.63 Gleiches gilt auch für die Lebenswirklichkeit, in der jeder Verdacht eines Rollentauschs verurteilt wird. Neben dem schon oben 57
Zur Rolle der Weisheit vgl. Mattila, Wisdom, 108ff. II,49 ; Fug. 109 ; Ebr. 30f. 59 Fug. 51f (Übersetzung Cohn). 60 Vgl. Mattila, Wisdom, 106. 61 Mattila, Wisdom, 119, entwickelt daher eine Linie (gender gradient), deren Endpunkte männlich / Gott und weiblich / wahrnehmbare Welt sind. An höchster Stelle steht immer das mit Gott verkörperte vollkommen Männliche, das bei Philo gleichbedeutend mit einem Wesen ist, das keinerlei Begehren oder Streben nach der sinnlich wahrnehmbaren Welt mehr besitzt. 62 Vgl. Niehoff, Mother and Maiden, 418–428. 63 Vgl. Mattila, Wisdom, 107. 58 Vgl. LA
240
Friederike Oertelt
erwähnten Verbot, dass Ehefrauen in der Öffentlichkeit ihren Mann verteidigen, warnt er vor dem Tausch der Kleidung. Auch die Verurteilung der Homosexualität zeugt von der Angst, dass es zu einer Rollenumkehrung kommt.64 Wie in anderen jüdisch-hellenistischen Quellen verknüpft Philo Homosexualität mit Hedonismus65 und mangelnder Selbstbeherrschung, welche auf dem Weg zur Tugend und wahren Erkenntnis unverzichtbar ist.66 4. Livia Augusta – eine Ausnahmefrau Die bisherige Darstellung der Frauen in den historischen Schriften hat gezeigt, dass Philo Frauen aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen haben möchte und sie sogar als Gefahr für Männer einstuft, da sie aufgrund ihrer Natur an der Vernunft keinen oder wenig Anteil haben. Der Erwerb von Tugenden und der Weg der Gotteserkenntnis stehen allein Jungfrauen offen, die den Männern in Bezug auf die Erkenntnismöglichkeiten ähnlich sind. Sie bilden für Philo jedoch eine Gruppe, die er nicht mehr als ‚Frauen‘ versteht. Ausgehend von diesen Beobachtungen überrascht die Darstellung der Kaiserin Livia in der Schrift Legatio ad Gaium. Philos Lob der Livia bettet er in das Zitat eines fiktiven Briefes von Agrippa an den Kaiser Caligula ein, mit dem Agrippa den Kaiser davon überzeugen will, keine Kaiserstatue im Jerusalemer Tempel aufzustellen.67 Nachdem Philo die Vorgänger Caligulas, Tiberius und Augustus gelobt hat, fährt er fort : „Auch deine Großmutter Julia Augusta, die einen derartigen Ratgeber der Frömmigkeit (εὐσέβεια) hatte [Augustus, A.d.V.], schmückte den Tempel mit goldenen Opferschalen und Gefäßen aus und mit einer Fülle anderer außergewöhnlich kostbarer Weihegaben. Warum tat sie dies, obgleich doch im Inneren kein Götterbild vorhanden war ? Das Erkenntnisvermögen der Frauen ist doch schwächer, so dass sie außerhalb der sinnlich-wahrnehmbaren Welt die geistige nicht begreifen können. Sie aber unterschied sich wie in allem anderen auch in diesem Punkt von ihrem Geschlecht (γένος), da sie andere Frauen durch eine außergewöhnliche Bildung aufgrund natürlicher Anlagen (φύσις) und sorgfältiger Übungen (μελέτη) übertraf : Sie war ein Mann geworden (ἀρρενόομαι), was den Verstand
64 Philo beurteilt Homosexualität als ein gegen die Natur gerichtetes Verhalten. Im Unterschied zu anderen antiken Autoren werden bei Philo beide Sexualpartner verurteilt (Spec. III,39, vgl. Satlow, They Abused Him, 8). 65 Ziel des Sexualkontakts sei in einer homosexuellen Beziehung die Lust, nicht aber die naturgemäße Zeugung von Nachkommen (vgl. Satlow, a.a.O., 7f.). Die von Philo in Jos. 43 als genuin jüdische Einstellung vorgestellte Regel findet sich auch in den philosophischen Schulen der Kaiserzeit (u.a. Mus. Ruf., Diss. 12). 66 Am Beispiel Moses zeigt Conway, Gender, 479, zudem den Zusammenhang zwischen Selbstbeherrschung und Gotteserkenntnis. 67 Legat. 276–329. Eine andere Version des Eingreifens Agrippas schildert Josephus. Hier lädt Agrippa Gaius zu einem Festmahl ein, um ihn von seinem Vorhaben, eine Kaiserstatue im Jerusalemer Tempel aufzustellen abzubringen (Flav. Jos., Ant. XVIII,289–301). Zur Frage, welche Version wahrscheinlicher ist, vgl. Smallwood, Legatio, 291f.
Gender, Religion und Politik bei Philo
241
betraf (λογισμός), der so scharfsichtig war, dass sie die geistige Welt besser erfasste als die sinnlich wahrnehmbare Welt und diese für Schatten jener hielt.“68
Dieser kurze Abschnitt ist in zwei Punkten außergewöhnlich : Livia erfährt als einzige historische, verheiratete und nicht-jüdische Frau von Philo eine solch ausführliche und uneingeschränkt positive Würdigung. Sie unterscheide sich von ihrem Geschlecht und könne, was ihre Erkenntnisfähigkeit betrifft, als Mann bezeichnet werden. Anders als bei der verheirateten Frau in Spec. III,173 ist in ihrem Fall das Männlichwerden positiv konnotiert, obwohl sie keine Jungfrau ist. Dennoch bleibt sie ihrem Mann Augustus nachgeordnet, der von Philo als ihr Ratgeber bezeichnet wird. Es kommt so zu keinem Rollentausch zwischen den Eheleuten. Weiterhin ist relevant, dass Philo als Beleg ihres Verstandes die Erkenntnis des jüdischen unsichtbaren Gottes anführt.69 Ihrem Respekt gegenüber dem jüdischen Gott (εὐσέβεια) verleiht sie mit Weihegeschenken an den Tempel Ausdruck. Da es keine weiteren Quellen über solche Weihegeschenke Livias oder ihren Einsatz für den jüdischen Tempel gibt, ist Philos Darstellung meines Erachtens wahrscheinlich nicht historisch. Livia wird zu einer Verehrerin des jüdischen Gottes, ohne als Jüdin bezeichnet zu werden. Dass die Gotteserkenntnis nicht von der Herkunft abhängt, erläutert Philo in der Schrift virt., in der zusammen mit Abraham auch die nicht-jüdischen Frauen Tamar, Bilha und Silpa als Vorbilder der Umkehr (μετάνοια) genannt werden.70 In der Darstellung Livias spielt dieser Begriff jedoch keine Rolle, sondern Philo betont ihre Frömmigkeit (εὐσέβεια) und außergewöhnliche Vernunft. Die Verknüpfung einer verheirateten Frau mit dieser Tugend71 und die positiv konnotierte Bezeichnung als männlich ist innerhalb der philonischen Schriften einmalig. Meines Erachtens liegt diese Darstellung Livias, die zu Philos sonstigen Darstellungen verheirateter Frauen in Spannung steht, darin begründet, dass er Aspekte der zeitgenössischen Liviapropaganda aufnimmt. Anhand der Kaiserin Livia sollte die Ungefährlichkeit des jüdischen Volkes innerhalb des Römischen Reiches und seine Treue zum Kaiserhaus belegt werden. Wie stark Philo in der Textpassage Legat. 319f. Elemente der zeitgenössischen Liviapropaganda aufnimmt, zeigt der Blick auf die antike Literatur und die Bildzeugnisse. Dort wird Livia uneingeschränkt positiv dargestellt. 68
Legat. 319f. Gleiches gilt bei Philo auch für Augustus, vgl. Legat. 317f. Augustus habe tägliche Opfer im Jerusalemer Tempel angeordnet, obwohl es dort kein Götterbild gegeben habe. Dies belegt für Philo, dass Augustus erkannt habe, „dass auf Erden ein besonderer Ort, dem unsichtbaren Gott heilig, vorhanden sein müsse, der kein sichtbares Abbild enthalten dürfe“ (Legat. 318, Übersetzung Cohn ; vgl. auch Legat. 157). 70 Virt. 211–225. 71 Nur den Therapeutinnen wird diese Tugend ebenfalls zugestanden, vgl. Virt. 25.88. 69
242
Friederike Oertelt
Mehrfach bezeugt ist ihr Einfluss in politischen Fragen.72 Während dies für den römischen Historiker der Prinzipatszeit Tacitus jedoch eine Gefahr darstellt und er die Machenschaften Livias kritisch beurteilt,73 wird sie von dem zeitgenössischen römischen Historiker Velleius Paterculus als nahezu göttliche Frau geschildert, deren Macht nur bei Errettung aus Gefahr spürbar war.74 Zugleich wird sie als eine vorbildliche Ehefrau geschildert. Der römische Autor Valerius Maximus, der zur Zeit des Tiberius schreibt, nennt Livia als Vorbild der Keuschheit.75 Bei Plinius wird Livia als Ikone der sittlichen Erneuerung und für ihre maßvolle und bescheidene Lebensführung gelobt.76 Auch Bilder und Portraits zeigen Livia als traditionell gestaltete Ehefrau mit mütterlichen Zügen.77 Livia ist hierbei meist im Kontext der Herrscherfamilie dargestellt und auf ihren Ehemann Augustus ausgerichtet.78 In ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter erfüllt sie die unter Augustus besonders propagierte Tugend der εὐσέβεια bzw. pietas. Eben diese Tugend nimmt auch Philo in seiner Liviarezeption als Ausgangspunkt. Welche religiösen, gesellschaftlichen und politischen Implikationen sich mit dieser Tugend, die durch eine deutsche Übersetzung mit „Frömmigkeit“ nur unzureichend wiedergegeben ist, in der Kaiserzeit verbinden, soll im Folgenden dargestellt werden, um die philonische Intention der Liviapassage zu verstehen. Im griechischen Denken wird mit εὐσέβεια grundsätzlich die Achtung vor den Göttern, den Vorfahren, Verwandten und dem Vaterland beschrieben. Platon definiert, wie auch andere Autoren des 5. Jahrhunderts, die Frömmigkeit als den Dienst gegenüber den Göttern, der im Kult seinen angemessenen Ausdruck findet.79 Verbunden ist hiermit auch das Wissen um die richtige Verehrung, sodass die Tugend eine epistemische Dimension erhält.80 Der 72 So berichtet Seneca davon, dass der Austausch der beiden auch Nicht-Öffentliches betraf (Sen., Cons. Marc. 4,3, vgl. auch Sen., Dialog. 6,3,3 und Suet., Aug. 84,2). 73 So stellt für Tacitus Weiblichkeit grundsätzlich eine Bedrohung der Ordnung dar. Vgl. zur Darstellung der kaiserlichen Frauen bei Tacitus Thomas Späth, Männlichkeit, 314. 74 Vell. Paterculus II,130,4. 75 Val. Max. 6,1. 76 Plin., Nat. 14,60 ; 19,92. Vgl. auch Cass. Dio 58,2,5 ; Tac., Ann. 5,1,3. 77 Vgl. die Untersuchungen von Susan E. Wood, Imperial Women, 75–141. Die Darstellung Livias „suggests control of nature and emotion while still representing its subject as an attractive and eternally youthful woman“ (a.a.O. 97, vgl. ebenso Christiane Kunst, Livia, 109). Beide zeigen weiter, dass sich die Darstellung Livias in der Zeit des Prinzipats im Vergleich zur Triumvirnzeit dahingehend ändert, dass sie nun als Zeichen der Mütterlichkeit wie Ceres mit Doppelkinn dargestellt wird (vgl. Kunst, Livia, 60). 78 Vgl. Wood, Imperial Women, 125ff. Paul Zanker, Augustus, 130, zeigt anhand der Ara pacis, die die Kaiserfamilie abbildet, dass das Heil des Volkes von der Familie abhängt (vgl. auch Ovid, Fasti I 721). 79 Vgl. Plat., Eutyph 12e. 80 Vgl. Xen., Mem. IV,6,4 ; Ps.-Plat., Def. 412e.
Gender, Religion und Politik bei Philo
243
römische Begriff pietas, der mit Beginn der römischen Vorherrschaft zum lateinischen Äquivalent der εὐσέβεια wurde, bezeichnet hingegen in erster Linie „eine Haltung […], die die herkömmliche soziale Ordnung respektiert, die daher das Pflichtgefühl gegen Eltern, Kinder, Verwandte, Vaterland und Götter gleichermaßen einschließt“.81 So begründet die Tugend pietas auch die Stabilität der Gesellschaft und damit die Loyalität zur res publica. In römischer Zeit kommt es zu einer gegenseitigen Beeinflussung und Verschmelzung des römischen und griechischen Verständnisses.82 Augustus macht die pietas zum politischen Schlagwort. Seine eigene pietas zeigt sich zum einen in der Verfolgung des Mörders seines Adoptivvaters Caesar, als Treue zum Vaterland und in der Rückbesinnung auf die alten Werte und Sitten (mos maiorum). Soziale Ordnung und Verehrung der Götter83 sind in der Tugend untrennbar miteinander verknüpft : Die Verehrung der Götter garantiert den Frieden mit den Göttern (pax deorum) und damit das Wohl der Gesellschaft.84 Ein wesentlicher Punkt der Stärkung der pietas sind hierbei die Familiengesetze.85 Gerade in diesem familiären Bereich wurde, wie Zanker zeigt, die Kaiserfamilie „zum verbindlichen Vorbild für alle Lebensbereiche, für die moralischen Werte ebenso wie für Haarmoden. Das gilt nicht nur für die Oberschicht, sondern für die ganze Gesellschaft.“86 Pietas ist hierbei mit den Herrscherfrauen eng verknüpft, da diesen Frauen sowohl in Bezug auf das Eheverständnis als auch im Blick auf die Herrschaft des Princeps, der als Garant der Stabilität des Reiches und als Vorbild für römische Männer auftritt, eine große Bedeutung zukommt.87 Auch in den philonischen Schriften zählt die εὐσέβεια zu den wichtigsten Tugenden88 und wird sogar Anführerin der Tugenden genannt.89 In der überwiegenden Zahl der Belege richtet sich die Frömmigkeit auf Gott. Phi81 Angela
Standhartinger, Eusebeia, 61. hierzu Standhartinger, Eusebeia, 58ff., die hier einen umfassenden Überblick über das Bedeutungsspektrum und Bedeutungsverschiebungen der Begriffe εὐσέβεια und pietas liefert. 83 Mit dem Begriff religio ist hingegen die Beachtung des Heiligen gemeint, die sich immer in der Bereitschaft ausdrückt, durch eine Handlung die Götter zu beschwichtigen oder das Verhältnis zu ihnen zu stärken. Vgl. Latte, Religionsgeschichte, 39. 84 Latte, Religionsgeschichte, 40. 85 Vgl. D’Angelo, Imperial Family, 142f. 86 Zanker, Augustus, 135. 87 „The association of imperial women with such virtues as Fides, Concordia and Pietas had both marital and imperial significance and provided successive emperors with a means of reasserting Augustus’ claim to restore the republic and the mos maiorum“ (D’Angelo, Imperial Family, 144). Vgl. auch Wood, Imperial Women, 87–90. 88 Ein hohes Interesse für die εὐσέβεια lässt sich auch für andere Schriften jüdischhellenistischer Autoren beobachten, vgl. Standhartinger, Eusebeia, 70, und Gregory R. Sterling, „The Queen of Virtues“, 104f. 89 Spec. IV,135.147 ; Decal. 119 ; Virt. 95. 82 Vgl.
244
Friederike Oertelt
lo kennt aber auch die εὐσέβεια gegenüber den Eltern, den Vorfahren oder auch dem Kaiser.90 Es ist für ihn daher möglich, an die mit der römischen pietas verbundenen Familienkontexte anzuschließen. Da jedoch die Erkenntnis Gottes, die auch in der Passage über Livia entscheidend ist, für Philo Frauen ausschließt – Frauen an anderer Stelle sogar die Frömmigkeit zerstören91 – muss er darlegen, wie eine Ehefrau diese Tugend erreichen kann. Dies ist offensichtlich nur möglich, wenn Livia dem Verstand nach ein Mann wird.92 Livia präsentiert sich selbst, wie Susan E. Wood zeigt, nicht nur in ihrer Rolle als Ehefrau als εὐσεβής.93 Ebenso wie Augustus setzt sie sich für die Restaurierung alter Kulte ein. Aufschluss über Livias Selbstverständnis als Ehefrau eines Herrschers bietet in besonderer Weise die Restauration des Tempels Fortuna Muliebris. Mit diesem Kult verbindet sich die Erinnerung an die Mutter Coriolans, Veturia, und an seine Ehefrau, Volumnia, die durch ihr Vorgehen einen Bürgerkrieg beendeten. Beide Frauen stehen für eine Rettung Roms, die nicht durch männliche Tugend (virtus), sondern mit Hilfe der gewaltlosen Tugenden Frömmigkeit, Gerechtigkeit und Milde (pietas, iustitia, clementia) möglich wurde. Mit der Restauration wollte, so Susan E. Wood, Livia sich in die Tradition dieser Frauen stellen.94 Ein solches Selbstverständnis Livias als Retterin ihres Volkes wirft auch ein neues Licht auf Philos Schilderung der Frauen im Zug gegen Petronius. Denn ebenso wie Livia setzen sich die jüdischen Frauen hier auf im Alltäglichen nicht angemessene Weise für ihr Volk ein. Philo greift also mit der Darstellung Livias als εὐσεβής ein Schlagwort der augusteischen Propaganda auf, dass sich gerade nicht allein auf die göttlichen, sondern auch auf die sozialen Ordnungen bezieht. Auf politischer Ebene hat die Verknüpfung einer römischen Herrscherin, deren εὐσέβεια auch dem unsichtbaren Gott des Jerusalemer Tempels gilt, apologetischen Charakter : Er macht deutlich, dass die römische pietas und die jüdische εὐσέβεια einander entsprechen und die jüdischen Bewohnerinnen und Bewohner des römischen Reiches nicht verdächtigt werden, die Ordnung zer90
Decal. 106–120 ; Spec. II,237 ; Flacc. 48 ; Legat. 335. Virt. 42 oder Somn. II,106, wo die Frau des Potiphar die εὐσέβεια Josephs verhindern möchte. 92 Ein weiteres Detail der Überlieferung könnte für Philos Darstellung der „männlichen“ Livia noch bedeutsam sein. Augustus und Livia werden zwar als vorbildliche Familie dargestellt, aus ihrer Ehe sind jedoch keine eigenen Kinder hervorgegangen (vgl. Suet., Aug. 62,2 ; 63,1 ; Plin., Nat. 7,57). Auch wenn beide Kinder aus früheren Ehen hatten, werden diese ersten Ehen in der augusteischen Propaganda verdrängt. So nennen Ovid und Horaz Livia eine nur einmal verheiratete Frau. Unter Berücksichtigung dieses Liviabildes könnte die Livia, die Philo knapp 20 Jahre nach ihrem Tod vor Augen hat, ähnlich wie Sarah, als Jungfrau gelten. 93 Vgl. zum Folgenden Wood, Imperial Women, 78f. 94 A.a.O., 79. 91 Vgl.
Gender, Religion und Politik bei Philo
245
stören zu wollen. Die Darstellung Livias wäre dann, wie D’Angelo formuliert, eine Aufforderung an die römischen Machthaber, wie ihre Großväter und ihre Großmutter die jüdischen Sitten aus Respekt vor dem Göttlichen und in ihrer Verantwortung als Herrscher zu schützen.95 Eben diese Aufforderung verbirgt sich auch hinter der Darstellung des Augustus (Legat. 143–147) unmittelbar vor der Liviadarstellung. Die Frömmigkeit des Herrschers wird zu der entscheidenden Tugend, wenn es um das Verhalten des Herrschers gegenüber dem jüdischen Volk geht.96 Gleichzeitig nimmt Philo im Augustus-Enkomion, wie Gheorghe Ceausescu gezeigt hat, einen weiteren Aspekt der augusteischen Propaganda auf : Die ägyptische bzw. orientalische Lebensweise wird zum Inbegriff der Zerstörung römischer Werte.97 Es gilt daher zu fragen, ob auch die Darstellung Livias diese Propaganda aufnimmt und welche Funktion der Person Livias hierbei zukommt.
III. Philos Darstellung der Livia Augusta als Gegendarstellung zu Kleopatra Wird das Lob Livias als Teil des Briefes an Caligula verstanden, so ist ihre Funktion klar erkennbar : Als Urgroßmutter und Mitbegründerin der Dynastie wird sie Kaiser Caligula als nachzuahmendes Vorbild im Verhalten gegenüber der jüdischen Bevölkerung des Römischen Reiches gezeigt. Anstelle eine Kaiserstatue im Tempel aufzustellen, soll er sich auf den Weg der Erkenntnis begeben, um ebenfalls den unsichtbaren Gott zu erkennen. Hinter der Darstellung könnte sich auch eine ironische Spitze gegen Caligula verbergen. Sogar eine nicht-jüdische Frau kann den unsichtbaren Gott erkennen, während Caligula offensichtlich auf die wahrnehmbare Welt beschränkt bleibt. Es legt sich weiter nahe, die Forschungsergebnisse zum Augustus-Enkomion und den ägyptischen Kontext, aus dem heraus Philo schreibt,98 für die Darstellung Livias auszuwerten und somit die antiägyptische Propaganda 95 Vgl. D’Angelo, Imperial Family, 147. Für Philos Erwähnung Livias könnte die Beziehung Caligulas zu dieser als seiner Urgroßmutter eine Rolle gespielt haben. Tacitus berichtet, dass nicht der amtierende Princeps Tiberius, sondern Caligula die Leichenrede auf Livia hielt (Tac., Ann. 5,1). 96 Vgl. hierzu u.a. Gerhard Delling, Enkomion, 353–454. 97 Gheorghe Ceausescu, Augustus. Zum Ägyptenbild bei Philo vgl. Pearce, Land of the Body, insb. 53. 98 Bezüglich der Adressatenkreise gibt es in der Forschung keinen Konsens. Je nach Gattungszuordnung und Einschätzung der Person Philos werden römische Autoritäten, Menschen aus den Völkern oder die jüdische Gemeinde in Alexandria diskutiert. Vgl. zur Diskussion Goodenough, Politics, 19ff. ; Smallwood, Legatio, 182: Barraclough, Politics, 449–451.
246
Friederike Oertelt
der Prinzipatszeit auch auf ihre Person zu beziehen. Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass Philo durch die positive Aufnahme der Ideologie der Prinzipatszeit die jüdische Religion und deren Werte als den römischen Werten nahezu identisch darstellen möchte.99 Als Negativfolie dient sowohl der augusteischen Propaganda als auch in Philos Ausführungen die ägyptische und orientalische Lebensweise. Dies klang schon in der Darstellung der jüdischen Frauen an. Indem Philo nun indirekt die Selbstdarstellung des Antonius und Kleopatras als ägyptisch-orientalische Gottheiten voraussetzt, mit der diese die Stabilität des Römischen Reiches bedroht haben, könnte Livia von ihm entsprechend als Gegenbild zu Kleopatra stilisiert worden sein. Während diese als Verführerin des Antonius100 eine ihr in der Ehe nicht zukommende Rolle übernimmt – und damit als Bedrohung der Ordnung und Moral gilt –, lässt sich Livia von Augustus leiten und überschreitet die natürlichen Grenzen einer Frau nicht. Dass Livia auch in der offiziellen römischen Propaganda als Gegendarstellung genutzt wurde, legt eine zu Lebzeiten des Augustus in der ägyptischen Provinz kursierende Münze nahe, die eine Frau zeigt und mit der Tugend pietas beschriftet ist.101 Durch die Lobrede auf Livia ruft Philo somit nicht nur den vorbildlichen Umgang mit der jüdischen Bevölkerung des Römischen Reiches in Erinnerung, sondern grenzt sich in aller Deutlichkeit von dem mit der ägyptischen Lebensweise verbundenen Verständnis der Geschlechterrollen ab.102 Nicht Kleopatra, die das Römische Reich und die römische Ordnung als Frau und Herrscherin gefährdete, sondern Livia ist der jüdischen Bevölkerung ein Vorbild. Dies schließt ihre Lebensweise und Haltung ein, die Philo unter dem Begriff der Frömmigkeit fasst. Somit zeigt auch die Darstellung Livias, dass die Kategorie Gender für die Rolle der Frauen bei Philo entscheidender ist als die religiöse Zugehörigkeit, die hier mit Frömmigkeit beschrieben sein könnte. Selbst eine Gotteserkenntnis, die der männlichen Vernunft in nichts nachsteht, führt nicht zu einer Gleichstellung von Frauen. Die Nach- oder Unterordnung unter ihren Mann bleibt auch für Livia bestehen.
99 Vgl. zur
gesamten Schrift legat. auch Barraclough, Politics, 451f. Cass. Dio 50,24ff. ; Hor., Carm. I,37 ; Plut., Antonius et Demetrius 3,3. Zum Kleopatrabild in der lateinischen Literatur vgl. Walter Ameling, Kleopatra, 591–593. 101 In Rom sind vor der Regierungszeit des Tiberius keine Münzen Livias im Umlauf. In Kleinasien hingegen finden sich schon Münzen der göttlichen Livia zu Lebzeiten. Für eine bewusste Propagandaaktion in Ägypten spricht, dass die Provinz unter der Jurisdiktion Oktavians stand und dieser die Entscheidungshoheit über die Münzprägungen besaß. Vgl. Kunst, Livia, 102. 102 Dass die ägyptischen Kulte und die ägyptische Kultur besonders wegen der Rolle der Frauen kritisiert wurden, zeigt Balch, Let Wives be Submissive, 65–80. 100 Vgl.
Gender, Religion und Politik bei Philo
247
IV. Gender, Politik … und Religion ? Anhand der unterschiedlichen Frauen bzw. Frauengruppen in Philos historischen Schriften wurde untersucht, ob und in welcher Form sich die Kategorien Gender, ‚Religion‘, ethnische Herkunft und gesellschaftlicher Status auf Philos Darstellung und Beurteilung der historischen Frauen auswirken. Die Genderidentität hat sich bei allen Frauendarstellungen als die einzige stabile und unveränderliche Kategorie herausgestellt. In ihrer Identität als Frauen sind die untersuchten Frauen unabhängig von Herkunft, Gesellschaftsstatus und religiöser Praxis den Männern untergeordnet. Sobald Frauen die ihnen durch ihre Geschlechtsidentität gesetzte Grenze überschreiten, indem sie gegenüber Männern eine aktive Rolle einnehmen, werden sie von Philo scharf verurteilt. In ihnen sieht er eine Gefährdung der gesellschaftlichen Ordnung, die dazu führt, dass die Frauen nicht nur Schande auf sich selbst laden, sondern durch ihr Verhalten auch ihre Familie in Gefahr bringen. Die Rolle der Frauen innerhalb der Familie und Gesellschaft definiert Philo ohne Bezug auf die biblische Überlieferung. Dies lässt darauf schließen, dass es für ihn keine zwingende Interdependenz zwischen Gender und religiöser Zugehörigkeit gibt. Philo greift in Bezug auf die Genderidentität hingegen die moralphilosophische Diskussion auf und legt von dieser ausgehend dar, welches Verhalten für Frauen adäquat ist. So soll das Leben der Frauen auf das Haus beschränkt bleiben und eine strenge Trennung der Geschlechter sogar bis in die Familien hinein durchgehalten werden. Einzig zur Verteidigung des Heiligtums dürfen die Frauen sich in der Öffentlichkeit engagieren. Philos Darstellung vorbildlicher Frauen in den historischen Schriften weist damit eine große Nähe zu den in der hellenistischen und römischen Philosophie der Kaiserzeit vertretenen Frauenbildern auf. Weiter konnte gezeigt werden, dass für die Beurteilung der Frauen in seinen historischen Traktaten die ethnische Herkunft oder Zugehörigkeit nicht ausschlaggebend ist : Die beiden Römerinnen erfahren eine völlig gegensätzliche Bewertung. Entscheidend für eine positive oder negative Darstellung der Frauen ist für Philo die philosophische Erkenntnis des unsichtbaren Gottes, die jedoch nicht, wie sich an Livia zeigt, mit einem Selbstverständnis als Jüdin einhergehen muss. Vielmehr offenbart sich eine solche Erkenntnis in der Tugendhaftigkeit dieser Frauen und ihrem Respekt vor den Werten, die in der Gesellschaft gelten. Dass in diesem Punkt kein Unterschied zwischen den römischen und jüdischen Sitten besteht, ist Philo bestrebt in seiner Darstellung der jüdischen Frauen und Livias darzustellen. Philo zeichnet so ein Genderverständnis der jüdischen Bevölkerung, das mit der Familienpolitik der römischen Kaiserzeit harmoniert. Hierfür greift er das politische Schlagwort pietas auf, welches nicht nur für die Restauration der alten römischen Werte, sondern auch für den Kampf gegen die das Römische Reich bedrohende ägyptische Kultur steht. Philo stellt nun in dem durchaus poli-
248
Friederike Oertelt
tisch motivierten Kontext seiner historischen Traktate Livia als Frau dar, die römischen und jüdischen Menschen als vorbildlich gelten kann, und stellt sie implizit der ägyptischen Herrscherin Kleopatra gegenüber. Während Philo auf diese Weise römische und jüdische Werte harmonisiert, distanziert er das Judentum von der ägyptischen als barbarisch geltenden Lebensweise unter Aufnahme augusteischer Propaganda. Diese Beobachtung, dass die ägyptische Kultur als zerstörerisch dargestellt wird, lässt sich auch in Bezug auf die Darstellung ägyptischer Frauen, wie beispielsweise der Frau des Potiphar, in Philos anderen Schriften bestätigen. Die Doppeldiskriminierung, die diese Frauen aufgrund ihrer Herkunft von Philo erfahren, ist jedoch nicht religiös, sondern politisch motiviert. Sie erweist sich als Teil eines religionspolitischen Programms, mit dem Philo die Übereinstimmung zwischen jüdischen und römischen Tugenden und Werten aufzeigt und zugleich die philosophische und kulturelle Überlegenheit beider Gruppen gegenüber der ägyptischen Kultur betont. Aus dieser Sicht wird nochmals erkennbar, warum Philo in seiner Diskussion der Genderidentität nicht primär biblisch, sondern mit den moralphilosophischen Konzepten seiner Zeit argumentiert. Philos Bestreben, das die jüdische Identität innerhalb der römischen Gesellschaft als ungefährlich erweisen möchte, führt dazu, dass die biblisch-jüdische Tradition von politischen Interessen überlagert wird.
Literatur Ameling, Walter, Art. Kleopatra, in : DNP 6 (1999), 591–593. Baer, Richard A., Philo’s Use of the Categories Male and Female (ALGJ 3), Leiden 1970. Balch, David L., Let Wives Be Submissive. The Domestic Code in I Peter (SBL Monograph Series), Atlanta 1981. Barclay, John M. G., Jews in the Mediterranean Diaspora. From Alexander to Trajan (323 BCE – 117 CE), Edinburgh 1998. Barraclough, Ray, Philo’s Politics. Roman Rule and Hellenistic Judaism, in : ANRW II,21,1 (1984), 417–553. Böhm, Martina, Rezeption und Funktion der Vätererzählungen bei Philo von Alexandria. Zum Zusammenhang von Kontext, Hermeneutik und Exegese im frühen Judentum (BZNW 128), Berlin, New York 2005. Brooten, Bernadette J., Women Leaders in the Ancient Synagoge. Inscriptional Evidence and Background Issues (BJS), Chico, California 1982. Brooten, Bernadette, Love Between Women. Early Christian Responses to Female Homoeroticism (Chicaco Series on Sexuality, History and Society), Chicago 1996. Bultmann, Rudolf, Art. αἰδώς, ThWNT 1 (1933), 168–171. Cairns, Douglas L., Αἰδώς. The Psychology and Ethics of Honor and Shame in Ancient Greek Literature, Oxford 1993. Conway, Colleen, Gender and Divine Relativity in Philo of Alexandria, in : JSJ 34 (2003), 471–490. Engberg-Pedersen, Troels, Philo’s De Contemplativa as a Philosopher’s Dream, in : JSJ 30 (1990), 40–46.
Gender, Religion und Politik bei Philo
249
Ceausescu, Gheorghe, Augustus, der „Hellenisator“ der Welt (Kommentar zu Philo, Legatio ad Gaium, 143–147), in : Klio 69 (1987), 46–57. Cohn, Leopold / Heinemann, Isaak (Hg.), Die Werke Philos von Alexandria in deutscher Übersetzung, I-VI, Berlin 21962 ; VII, Berlin 1964. D’Angelo, Mary R., Εὐσέβεια : Roman Imperial Family Values and the Sexual Politics of 4 Maccabees and the Pastorals, in : Biblical Interpretation 11 (2003), 139–165. Delling, Gerhard, Philons Enkomion auf Augustus, in : Klio 54 (1972), 175–187. Gruen, Erich S., Diaspora : Jews amidst Greeks and Romans, Cambridge 2002. Goodenough, Erwin R., An Introduction to Philo Judaeus, Oxford 1962. Goodenough, Erwin R., The Politics of Philo Judaeus. Practice and Theory, New Haven 1938. Golberg, Shari, The Two Choruses Become One : The Absence/Presence of Women in Philo’s On the Contemplative Life, in : JSJ 39 (2008), 459–470. Hartmann, Elke, Weibliche Lebenswelten in der Antike. Von Sappho bis Theodora, München 2007. Hense, Otto (Hg.), Musonii Rufi reliquiae, Leipzig 1905. Kraemer, Ross S., Monastic Jewish Women in Greco-Roman Egypt : Philo Judaeus on the Therapeutrides, in : Journal of Women in Culture and Society 14 (1989), 342–370. Kunst, Christiane, Livia : Macht und Intrigen am Hof des Augustus, Stuttgart 2008. Latte, Kurt, Römische Religionsgeschichte, München 1960. Mattila, Sharon Lea, Wisdom, Sense Perception, Nature and Philo’s Gender Gradient, in : HTR 89 (1996), 103–129. Marcus, Ralph (Hg.), Supplements I.II : Question and Answers on Genesis/Exodum, Cambridge 1961 (Nachdruck). Niehoff, Maren R., Mother and Maiden, Sister and Spouse : Sarah in Philonic Midrash, in : HTR 97 (2004), 413–444. Pearce, Sarah, The Land of the Body. Studies in Philo’s Representation of Egypt (WUNT 208), Tübingen 2007. Satlow, Michael L., “They Abused Him Like a Woman” : Homoerotism, Gender Blurring, and the Rabbis in Late Antiquity, in : Journal of the History of Sexuality 5 (1994), 1–25. Sly, Dorothy, Philo’s Perception of Women (BJS 209), Atlanta 1990. Smallwood, Mary E., Philonis Alexandrini. Legatio ad Gaium, Leiden 21970. Späth, Thomas, Männlichkeit und Weiblichkeit bei Tacitus : Zur Konstruktion der Geschlechter in der römischen Kaiserzeit (Geschichte und Geschlechter 9), Frankfurt/ Main 1994. Standhartinger, Angela, Das Frauenbild im hellenistischen Judentum. Ein Beitrag anhand von Joseph und Aseneth (AGJU 26), Leiden 1995. Standhartinger, Angela, Eusebeia in den Pastoralbriefen. Ein Beitrag zum Einfluss römischen Denkens auf das entstehende Christentum, in : NT 48 (2006), 51–82. Sterling, Gregory E., “The Queen of Virtues”. Piety in Philo of Alexandria, in : SPhA 18 (2006), 103–123. Szesnat, Holger, “Mostly Aged Virgins” : Philo and the Presence of the Therapeutrides at Lake Mareotis, in : Neot 32 (1998), 191–201. Taylor, Joan, Jewish Women Philosophers of First-Century Alexandria : Philo’s Therapeutae Reconsidered, Oxford 2003. Wegener, Judith Romney, Philo’s Portrayal of Women – Hebraic or Hellenic ?, in : AmyJill Levine (Hg.), “Women like this” : New Perspectives of Jewish Women in the Greco Roman World (SBL Early Judaism and its Literature), Atlanta 1991, 41–66. Wood, Susan E., Imperial Women. A Study in Public Images 40 B.C. – A.D. 68 (Mnemosyne. Bibliotheca Classica Batava Suppl. 194), Leiden 1999.
250
Friederike Oertelt
Winston, David, Philo and the Rabbis on Sex and the Body, in : Poetics Today 19 (1998), 41–62. Zanker, Paul, Augustus und die Macht der Bilder, München 1987.
Patria Potestas – Honour–Shame ? Tote Töchter im Kapitel „De pudicitia“ des Valerius Maximus Christiane Krause „Genügt es, ihnen (sc. den Ausgeschlossenen) im übertragenen Sinne ein Mikrofon vor den Mund zu halten, auch wenn das Mikrofon in diesem Fall durch die historischen Methoden der Archivforschung ersetzt wird ? Das ist mehr als zweifelhaft, denn das Archiv ist ein Hort der Macht, in dem die Spur der Subalternen notwendig entstellt und verzerrt wird.“ (Hito Steyerl)1 Römische Väter besaßen qua patria potestas das ius vitae necisque, das Recht also, ihre Kinder zu töten. Manche Altertumswissenschaftler und Altertumswissenschaftlerinnen verschiedener Disziplinen setzen dies in Bezug zu dem kulturanthropologischen Konzept Honour–Shame. Doch ist dies möglich, ohne allzu große Verallgemeinerungen in Kauf nehmen zu müssen ? Eine Analyse des Kapitels „De pudicitia“ aus dem Werk des Valerius Maximus zeigt einen anderen Schwerpunkt : Eine deutliche Trennung der Geschlechter insofern, als der Text zwischen privatem und öffentlichem Raum unterscheidet und weibliche Opfer sexueller Beschädigung sterben müssen, männliche Opfer dagegen nicht. Im Kampf der männlichen Protagonisten im öffentlichen Raum spielen Frauen als symbolisches Kapital keine Rolle.
I. Einleitung Ich möchte etwas über die toten, genauer die von ihren Vätern getöteten, römischen Töchter erfahren. Römische und griechische Autoren berichten von dem in der patria potestas enthaltenen Recht des Vaters, über Tod und Leben seiner – auch erwachsenen – Nachkommen zu entscheiden.2 In diesen Texten ist von Söh1 Vorwort
zu Gayatri Chakravorty Spivak, Can the Subaltern Speak ?, 10. In seiner „Römischen Geschichte“ nimmt der griechische Historiker Dionysius von Harlikanassos (seit 30 v.Chr. in Rom) Bezug auf das typisch römische Phänomen der pa2
252
Christiane Krause
nen oder von „liberi“ die Rede. Umfasst dieses Recht auch das Tötungsrecht an Töchtern ? Und hat das Recht des mit patria potestas ausgestatteten pater familias, seine Kinder zu töten, etwas mit „Ehre“ zu tun ? Kurz : Handelt es sich um einen sogenannten „Ehrenmord“, wenn ein römischer Vater seine Tochter aus Gründen der verletzten pudicitia, der versehrten Keuschheit, umbringt ? Gleich zwei schon für sich genommen problematische Konstrukte oder Systeme stehen hier einzeln oder in Kombination zur Debatte : die römische patria potestas mit ihrem vermeintlichen oder tatsächlichen Tötungsrecht des pater familias gegenüber den eigenen Kindern und das sogenannte „Honour-Shame“-Modell, wie es von Anthropologen seit den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts für verschiedene gesellschaftliche Gruppen der Mittelmeerländer formuliert wurde und wird. Ein herausragender Aspekt dieses Systems ist die Geschlechtertrennung, in der dem Mann Ehre, der Frau Scham zukommt, so dass der Verlust weiblicher Keuschheit auf die Ehre des Mannes zurückfällt, dem die Frau angehört.3 Beide Konzepte erzählen wenig über die beteiligten Frauen. Sie werden danach zu befragen sein, wieweit sie zur Deutung der antiken Texte, die von derartigen Fällen berichten, beitragen. Anders herum gefragt : Was erfahren wir aus antiken Texten über die Beweggründe der handelnden Personen und ihre Deutungshorizonte ? Wie legitimiert ein römischer Vater die Tötung seiner Tochter oder vielmehr, wie legitimiert dies der Text, der von ihr erzählt ?
tria potestas : ὁ δὲ τῶν Ῥωμαίων νομοθέτης ἅπασαν ὡς εἰπεῖν ἔδωκεν ἐξουσίαν πατρὶ καθ’ υἱοῦ […] ἐάν τε ἀποκτιννύναι προαιρῆται. (Dion. Hal., Ant. 2,26,4 ; „Der Gesetzgeber der Römer gab sozusagen alle Macht dem Vater über den Sohn […] sei es, dass er beschloss, ihn zu töten.“) Der römische Autor Aulus Gellius (2. Jahrhundert n.Chr.) zitiert in seinen „Noctes Atticae“ (5,19,9) die Adoptionsformel : „Velitis, iubeatis, uti L. Valerius L. Titio tam iure legeque filius siet, quam si ex eo patre matreque familias eius natus esset, utique ei vitae necisque in eum potestas siet, uti patri endo filio est.“ („ … dass ihm (sc. dem Adoptivvater) die Macht über dessen Leben und Tod sei, wie sie dem Vater über den Sohn gegeben ist.“). Zur patria potestas vgl. Max Kaser / Rolf Knütel, Römisches Privatrecht, 325 ; Alfredo M. Rabello, Effetti personali ; Max Kaser, Das römische Privatrecht, 341–345. Richard P. Saller, Patriarchy, 114–130, geht der Frage nach den Auswirkungen der patria potestas auf die gelebte Realität der Menschen, vor allem der Väter und ihrer Söhne, nach. Zum ius vitae necisque, dem „Recht über Leben und Tod“, vgl. auch Yan Thomas, Vitae necisque potestas. William V. Harris, The Roman Father’s Power, untersucht die bezeugten Fälle, in denen ein Vater seinen bereits erwachsenen Sohn umbringt – die für ihn merkwürdigste („strangest“) Manifestation des ius vitae necisque, des Rechts über Leben und Tod (88). 3 Vgl. John G. Peristiany (Hg.), Honour and Shame ; John G. Peristiany / Julian A. PittRivers (Hg.), Honor and Grace in Anthropology. Zum Thema „Ehre“ allgemein vgl. an deutschsprachiger Literatur z.B. Dagmar Burkhart, Eine Geschichte der Ehre ; Winfried Speitkamp, Ohrfeige, Duell und Ehrenmord.
Patria Potestas – Honour–Shame ?
253
II. patria potestas Antike Texte zweifeln das Tötungsrecht des Vaters nicht an, wohl aber manche moderne Untersuchungen.4 Weder die antiken noch die modernen Texte beschäftigen sich allerdings genauer mit der Frage nach den toten Töchtern. Die Töchter werden entweder unter das ius vitae necisque, das Recht über Leben und Tod, subsumiert, ohne allerdings in den Fokus des Interesses zu treten,5 oder die Anwendung des ius auf Töchter wird negiert, ohne jedoch zu einer positiven Erklärung zu gelangen, mit welcher Legitimation römische Väter ihre Töchter umbringen.6 Der erste sichere Bezugspunkt, die augusteische Lex Iulia, formuliert die Umstände, unter denen ein Vater das Recht hat, seine beim Ehebruch ertappte Tochter zu töten.7 Über unverheiratete Töchter erfahren wir allerdings nichts, ein Umstand, der von den modernen Interpreten nicht beachtet wird. Die Frage, mit welchem Recht römische Väter ihre Töchter töteten – oder vielmehr, ob und wenn welches Recht diesen Vätern in den von ihnen erzählenden Texten zu- oder abgesprochen wird, lässt sich nur durch sehr genaue Textlektüre und Quellenkritik wenn auch nicht beantworten, so doch wenigstens schärfen. Voraussetzung dafür ist eine Bestandsaufnahme antiker Erzählungen und Texte. Bei einem ersten unsystematischen Durchgang durch historische Texte zeigt sich schnell das Übergewicht an Söhnen.8 Das 4 Z.B. Brent D. Shaw, Raising and Killing Children. Shaw bestreitet die Existenz des ius vitae necisque im Sinne eines persönlichen gesetzmäßigen Rechtes. Stattdessen erweist er die entsprechenden Quellentexte als Träger des einflussreichen gesellschaftlichen Mythos von der Macht des Vaters. Vgl. auch Herbert Hausmaninger / Walter Selb, Römisches Privatrecht, 92–96 ; Saller, Patriarchy, 117. 5 Z.B. Harris, The Roman Father’s Power. Er betont die Seltenheit der Fälle, die als historisch gelten können. Fälle von Töchtern erwähnt er zwar (87), jedoch liegt sein Interpretationsinteresse an der „national legend“ ausschließlich bei den Söhnen. 6 Z.B. Thomas, Vitae necisque potestas, der das allgemeine und absolute Recht des pater familias, den Sohn zu töten, trennen will von dem Recht über Ehefrauen und Töchter (501f.). 7 Dig. 48, 5, 21 (20)–24 (23). Zur Lex Iulia vgl. Angelika Mette-Dittmann, Die Ehegesetze des Augustus, 35–38, Jane Gardner, Frauen, 131–132. Shaw, Raising and Killing Children, 63, stellt die These auf, dass bereits von den römischen Zeitgenossen die potestas des Vaters über den Sohn vermischt wurde mit dem in der Lex Iulia dokumentierten Recht, die ehebrecherische Tochter zu töten. Mit welchem Recht unverheiratete Töchter von ihren Vätern umgebracht wurden, diskutiert Shaw allerdings nicht. Rabello, Effetti personali, 121, subsumiert die Tötung von unverheirateten Töchtern ohne weiteren Kommentar unter das Stichwort „adulterio della figlia“. 8 Im Vergleich zu toten Söhnen finden sich in den Texten überraschend wenig tote Töchter. Meine unvollständige Durchsicht historischer Texte (Livius, Valerius Maximus, Dionysius von Halikarnassos) und der Digesten kommt auf ein Verhältnis von etwa 1:5. Harris, The Roman Father’s Power, 82–87, kommt auf zehn Söhne und drei Töchter. Hier steht eine möglichst umfassende Bestandsaufnahme noch aus. Eine ebenfalls hier nicht
254
Christiane Krause
geringe Interesse der modernen Forschung an den Töchtern schreibt also lediglich die Interessenlage der antiken Texte fort. Und natürlich kann es nicht darum gehen, zu diskutieren, wie viele reale Töchter von ihren realen Vätern umgebracht wurden.9 Vielmehr ist die Frage zu stellen, weshalb an manchen Stellen das Schweigen über die Töchter durchbrochen wird. Der vorliegende Beitrag will eine erste Spurensuche in Valerius Maximus leisten. Aber zuvor sei noch ein Blick geworfen auf das zweite zur Debatte stehende System, die Frage der „Ehre“.
III. Honour– Shame Hat die Ermordung von römischen Töchtern mit männlicher Ehre zu tun ? Muss ein pater familias seine Ehre oder die seiner Familie wiederherstellen ?10 In den Exempla des Valerius Maximus wird tatsächlich die Ermordung von Töchtern mit verlorener oder gefährdeter pudicitia/Keuschheit verknüpft, mit „sexueller Beschädigung“ also. Dies scheint auf den ersten Blick dem modernen „Ehre–Scham“-Modell zu entsprechen. Aber taugen die Begriffe „Ehre“ und „Scham/Schande“, um sehr spezielle Gegebenheiten der römischen Gesellschaft zu deuten, seien sie nun materieller oder ideeller Natur ? Wird Verginia, deren „Schändung“ durch einen korrupten Amtsinhaber unmittelbar bevorsteht, von ihrem Vater um der Ehre, um seiner weiter zu behandelnde Frage sollte sein, welchen Einfluss die Textgattung auf Auswahl der Opfer und Verlauf der Erzählung hat. 9 Moderne Schätzungen über das Ausmaß der Gewalt in antiken Familien schwanken sehr, möglicherweise je nach Ausmaß der Misanthropie oder des Optimismus der jeweiligen Wissenschaftlerin bzw. des jeweiligen Wissenschaftlers. Die Quellenlage ist hier natürlich schwierig. Kaser, Das römische Privatrecht, zeichnet sich durch Optimismus aus, was Gewalt in der altrömischen Familie betrifft : „Im übrigen scheinen die natürlichen Bande der Familie zur Mäßigung der Gewalt in aller Regel ausgereicht zu haben, so daß schwere Verfehlungen des Hausvaters gegen die Frau und die Abkömmlinge seltene Ausnahmen blieben.“ (60). Vgl. auch Saller, Patriarchy, 117: „There is no reason to believe that Roman children lived their daily lives conscious of this terrible paternal power.“ Etwas vorsichtiger äußert sich Mary Harlow, Family Relationships, 26: „Abuse of wives and freeborn children within the household is not commonly documented as it reflected badly on the husband/ father, but it was clearly not unknown.“ (26–27, mit einigen Quellenangaben). 10 So z.B. Rabello, Effetti personali, 121. Cantarella, Adulterio, 273, interpretiert die augusteische Ehegesetzgebung als Umdeutung weg von der patria potestas hin zu einem Konzept der Ehre : „La uccisione della figlia, […] non era più vista come un diritto, ma piuttosto come un dovere, o meglio, forse, come un honore del padre.“ Vgl. auch Dies., Homicides of Honor, 232. Allerdings schlägt Cantarella einen wie ich finde sehr gewagten Bogen vom römischen Recht bis in die italienische Gesetzgebung der 1980er Jahre und illustriert damit das methodische Problem, an dem kulturanthropologische Zugriffe auf die Antike schnell kranken, der Gefahr allzu rascher Verallgemeinerungen und Zirkelschlüsse.
Patria Potestas – Honour–Shame ?
255
Ehre willen umgebracht ?11 Resultiert also aus einem pudicitia-Verlust der Tochter ein Ehrverlust des Vaters oder, damit verbunden, ein Tötungsrecht des Vaters ? Hier müssen doch die Texte sehr genau untersucht werden. Findet sich in ihnen eine Begründung oder Legitimation „im Namen der Ehre“ ? Und dann wäre ja noch zu fragen, wessen „Ehre“ und welches Konzept sich hinter einem entsprechenden griechischen oder lateinischen Begriff verbirgt. Vor allem im Bereich der Neutestamentlichen Wissenschaft, aber auch in Arbeiten zur paganen antiken Kultur finden sich Berufungen auf ein „Honour–Shame“-Modell, auf dessen Basis dann der entsprechende Text oder die Gesellschaft gedeutet wird. Der Weg scheint von den Arbeiten der Anthropologen über neuzeitliche „honour–shame-Gesellschaften“12 mehr oder weniger nahtlos zurück in die Antike zu führen.13 Moderne Arbeiten beschränken sich häufig darauf, das Modell vorzustellen, als sei es eine gegebene Größe, eine Erklärungsfolie, die nur noch auf den Text gelegt werden muss, damit dieser seine Bedeutung preisgibt.14 11 Der korrupte Decemvir Appius Claudius nutzt seine Macht, um mittels eines fingierten Rechtsstreites die Tochter des Bürgers Verginius als vermeintliche Sklavin in seine Gewalt zu bekommen. Als klar ist, dass er keine Handhabe dagegen hat, tötet der Vater seine Tochter. Die Erzählung war in der römischen Antike weithin bekannt und verbreitet. Die bekannteste Version ist sicher die des Livius (3,44–48), die berühmteste Adaption der deutschsprachigen Literatur wohl Lessings „Emilia Galotti“. 12 S. oben Anm. 3. 13 Natürlich ist seit Peristiany und Pitt-Rivers in der Anthropologie viel weiterführende Forschungsliteratur zum Thema zu verschiedenen Gesellschaften oder Gruppen entstanden, umso merkwürdiger, dass in Arbeiten zur antiken Gesellschaft so gerne mit einem Modell gearbeitet wird. In der neutestamentlichen Wissenschaft scheint die Faszination für die Idee von Honour-Shame größer zu sein als in der Altertumswissenschaft, und auch die Gefahr einer unkritischen Anwendung, wenn dieses Schema ohne Rückkoppelung an eine konkrete Gruppe/Gesellschaft sozusagen im luftleeren Raum vorgestellt wird, als existierte es autonom und außerhalb einer konkreten Gruppe. Beispiele für Darstellung und Anwendung des Modells in neutestamentlichen Arbeiten bieten Bruce J. Malina, The New Testament World ; Victor H. Matthews / Don C. Benjamin (Hg.), Honor and Shame in the World of the Bible ; Louise J. Lawrence, An Ethnography of the Gospel of Matthew ; Bärbel Mayer-Schärtel, Das Frauenbild des Josephus. Von althistorischer Seite vertreten das Modell z.B. Thomas A. J. McGinn, Prostitution, Sexuality, and the Law in Ancient Rome ; David Cohen, The Augustan Law on Adultery ; Judith Evans Grubbs, Law and Family in Late Antiquity, 212–215, findet einen Unterschied im „code of honour“ zwischen der römischen Aristokratie und der Elite außerhalb Roms (hier nennt sie Cicero, Juvenal, Seneca), wobei sie sich zum Vergleich auf Pitt-Rivers’ Untersuchungen in Andalusien beruft. 14 Damit soll nicht gesagt sein, dass diese Arbeiten nicht wertvolle Einzelbeobachtungen enthielten. Ich frage mich nur, ob diese Beobachtungen nicht auch ohne ein solches methodisches Vorgehen erreichbar wären, indem die in den Texten verwendeten Begriffe auf ihren semantischen Gehalt hin untersucht werden, um die Wertestruktur des Textes und der Gruppe, von der er erzählt oder an die er sich richtet, zu erfassen. Die philologische Seite nähert sich eher mit Wortuntersuchungen und Textanalysen, vgl. z.B. Douglas L.
256
Christiane Krause
Allerdings ist „das Modell“ auch in der modernen Anthropologie alles andere als unumstritten, diskutiert doch die anthropologische Wissenschaft seine Einheit, kritisiert es als archaisierend, exotisierend.15 Angesichts der Tatsache, dass das Konzept in der Anthropologie nicht als statisches Modell gehandelt wird, sondern zur Diskussion steht und jeweils zu ganz bestimmten, örtlich und zeitlich begrenzten, neuzeitlichen und eben nicht antiken gesellschaftlichen Gruppen formuliert wird, scheint es doch problematisch und wenig erhellend, allzu sorglos ein „Modell“ herauszufiltern und als Erklärungsfolie auf antike Gesellschaften zu legen. Ein Umstand allerdings, der sicher zu vorschnellen Gleichsetzungen einlädt, ist der auch die antike Gesellschaft prägende Sexismus, der Dualismus der Geschlechter. Das Modell verliert aber seine Aussagekraft, wenn es jeder Gesellschaft unterstellt wird, die von sexueller Doppelmoral, der Verweigerung weiblicher sexueller Selbstbestimmung und Ungleichbehandlung im Recht geprägt ist. Am Anfang einer Beschäftigung mit dem Thema Honour-Shame in der Antike muss meines Erachtens die kritische Frage stehen, ob sich das System in der von Pitt-Rivers oder Peristiany formulierten oder ihr ähnlichen Form in antiken Gesellschaften überhaupt nachweisen lässt, und wie ein solcher Nachweis erfolgen könnte, da ja die Methoden der modernen Anthropologie auf die Antike nicht einfach übertragbar sind. Der Beweis für die Existenz von „Ehre“ und „Scham“ als zentrale kulturelle Werte ist meiner Meinung nach für die antike Gesellschaft noch nicht erbracht. Eine Untersuchung, die einen solchen Nachweis zu erbringen versucht, müsste zudem sehr genau begrenzen, für welche Gesellschaft oder Gruppe, an welchen Orten, mittels welcher Quellen, mit welchen Semantiken, Konnotationen, Ausformungen sie entsprechende Werte formuliert. Und noch einen Umstand möchte ich hier problematisieren : das Verstummen der weiblichen Stimme. Für die Antike können wir nur auf geschriebene Texte zurückgreifen. Und Frauen haben in den antiken Texten, die von sexueller Beschädigung und getöteten Frauen handeln, keine oder Cairns, Aidos ; Christel Brüggenbrock, Die Ehre in den Zeiten der Demokratie ; N.R.E. Fisher, Hybris and Dishonour. Antonie Wlosok, Nihil nisi ruborem, geht, ausgehend von den Texten, der „Rechtskultur der Scham“ in der römischen Rechtskultur nach. Ihre explizite Abgrenzung der römischen Vorstellung von „Scham“ gegenüber der „Scham“ der homerischen Helden (170–171) ist eine implizite Warnung vor unzulässigen Verallgemeinerungen. 15 Kritik aus dem anthropologischen Lager kam zum Beispiel von Michael Herzfeld, The Horns of the Mediterraneanist Dilemma ; Ders., Anthropology through the LookingGlass. Einen ausgewogenen Überblick zur anthropologischen Diskussion bietet Christian Giordano, Der Ehrkomplex im Mittelmeerraum. Kritik an einem „model-based approach to social-scientific New Testament interpretation“ (65) entwickelt David G. Horrell, Models and Methods in Social-Scientific Interpretation. Susan Treggiari, Roman Marriages, 311–313, lehnt das Modell mit einigen bedenkenswerten Argumenten für die römische Gesellschaft ab.
Patria Potestas – Honour–Shame ?
257
vielmehr kaum eine Stimme.16 Ganz wenige erhalten eine Stimme, Lucretia zum Beispiel, von der am Ende noch die Rede sein wird. Dann wird zu fragen sein, wessen Sprache, mit wessen Stimme sie spricht. Für den Moment möchte ich noch bei den stummen Frauen verweilen. Frauen sind stumm, nicht nur in den antiken Texten, sondern auch in vielen modernen Texten über Ehre. Das Thema „Ehre“ macht Männer zu Subjekten, Frauen zu Objekten, deren Ehre vor allem darin zu bestehen scheint, die Ehre der Männer nicht zu verletzen. Ehre ist etwas für Männer, etwas, das Männer untereinander aushandeln. Frauen scheinen nur dazu da zu sein, dem Mann Gewicht zu verleihen. Sie erhalten kein eigenes Gewicht und keine eigene Stimme.17 Ich möchte diese Leerstelle benennen, sie benannt wissen, um mich nicht einfach in die Liste der Texte einzuschreiben, die von Männern erzählen, von dem, was für Männer ehrenhaft ist, von dem, was Männer über Frauen erzählen. Ich möchte es wenigstens vorher feststellen, dass die Geschichte der toten Töchter wie die Geschichte der Ehre eine von Männern festgeschriebene und fortgeschriebene Geschichte ist, eine Geschichte, in der Frauen stumm sind, fast, ich erinnere an Lucretia, auf deren Worte ich am Schluss zurückkommen werde.
IV. Tote Töchter bei Valerius Maximus Welche antiken Texte erzählen nun von getöteten Töchtern ? Oder von sexuell „beschädigten“ Töchtern, die dann sterben müssen oder auch nicht ? Die griechischen Mythen erzählen von Frauen, die Opfer göttlicher Vergewaltigung wurden, ohne deshalb sterben zu müssen.18 Die neue griechische und die aus ihr erwachsene römische Komödie erzählt von vergewaltigten Töchtern, die nicht sterben müssen, sondern den Mann heiraten, der sie beschädigt hat : Ausgleich des Schadens also.19 Die römischen Deklama16 Dies gilt vor allem für die Frage nach den toten Töchtern. Es ist lohnend, die Stimmen, die Frauen in den von männlichen Autoren verfassten literarischen Texten erhalten, genauer zu betrachten, nicht zu vergessen natürlich die wenigen bekannten Beispiele für weibliche Autorenstimmen, aber auch die Stimmen, die Frauen in nicht-literarischen Quellen erheben, in Inschriften, in Alltagsbriefen. Für die Frage nach der öffentlichen Selbstdarstellung, dem öffentlichen Ansehen, um die Frage nach der „Ehre“ auf diese Weise terminologisch zu entfrachten, werden diese Textgattungen zu berücksichtigen sein. 17 Damit schreibt der Forschungsdiskurs genau die Verhältnisse fort : er dreht sich um Männer, da „Ehre“ in diesem Diskurs gleichbedeutend ist mit „männlicher Ehre“. Er stellt das Konzept „Ehre“, das zwangsläufig mit Dualismus und Sexismus einhergeht, nicht in Frage. 18 Hier erübrigen sich fast die Beispiele, man denke nur an Europa, Io, Kallisto. Vgl. z.B. den Artikel „Zeus“ im Band „Mythenrezeption“ des Neuen Pauly. 19 Es handelt sich um einen gängigen Komödienplot in der neuen griechischen und
258
Christiane Krause
tionen erzählen von vergewaltigten Töchtern, die sich aussuchen können, ob sie ihren Vergewaltiger heiraten wollen oder ob dieser hingerichtet wird.20 Hier zumindest ist ein Weiterleben der Frau impliziert. Die Invektiven der Redner sind voll von Beleidigungen verschiedener Art, darunter auch sexuell konnotierten, aber Verunglimpfungen wegen sexuell hyperaktiver Ehefrauen oder Töchter gehören meines Wissens nicht zur Beschimpfungstopik.21 Dies ist ein Indiz dafür, dass, um den Ruf eines Kontrahenten zu schädigen, anderes wirksamer war als der Ruf seiner Familie. Aber es gibt sie, die Töchter, die aus Gründen ihrer verletzten pudicitia sterben. Die Berühmteste ist zugleich die Ausnahme : Lucretia, die zwar Tochter ist, aber auch Ehefrau, und die nicht von einem männlichen Verwandten umgebracht wird, sondern sich selbst das Leben nimmt.22 Nicht ganz so berühmt, aber dafür geradezu der Prototyp, ist die Tochter des Verginius, Verginia.23 Sie ist ein stummes Opfer, das trotz seiner Stummheit in die Geschichte der römischen Mythen eingegangen ist, was vielleicht immerhin ein schwacher Trost ist : die toten Töchter leben in den Texten weiter, sie lassen sich töten, aber dann doch nicht totschweigen, nicht ganz. Im Folgenden soll das Kapitel „De pudicitia“ (6,1) aus den „Facta et Dicta Memorabilia“ des Valerius Maximus, einer dem Kaiser Tiberius gewidmeten Exempelsammlung, genauer betrachtet werden. Hier ist die Rede von toten Töchtern, jungen Männern und von Magistraten, die einflussreiche Männer wegen sexuellen Fehlverhaltens vor Gericht bringen. 24 Die in der römischen Komödie. Als Beispiele seien genannt die Aulularia des Plautus und die Adelphoe des Terenz. 20 Z.B. Seneca maior, 1,5 ; Ps.Quint., Decl. 247. 21 In den Invektiven diskreditieren sich die Angegriffenen durch ihre eigenen Handlungen, sie werden eben nicht durch die ihrer Frauen diskreditiert. Z.B. stürzen sich laut Cicero in der Provinz Makedonien „nobilissimae virgines“ in Brunnen, um durch diesen Selbstmord einer unausweichlichen Schande (also „Schändung“) durch L. Calpurnius Piso zu entgehen (Cic., Prov. 6) ; Antonius macht sich mit seiner Geliebten, einer Schauspielerin, lächerlich (Cic., Phil. 2,20.57f.61) und trennt sich von seiner unbescholtenen Gattin unter dem Vorwurf des Ehebruchs („probri insimulasti pudicissimam feminam“) (Cic., Phil. 2,99). 22 Lucretia wird von einem Mitglied der Königsfamilie vergewaltigt. Nach der Tat ersticht sie sich vor den Augen ihres Vaters und Ehemanns. Das Ergebnis ist Sturz des Königtums und Errichtung der Republik. Versionen der Geschichte finden sich z.B. bei Dion. Hal., 4, 64–67, Liv., 1, 57–60. 23 Zur Geschichte s. oben Anm. 11. 24 Textausgabe : Valerii Maximi Facta et Dicta Memorabilia, ed. John Briscoe. Dt. Übersetzung in Ausschnitten : Ursula Blank-Sangmeister, Valerius Maximus. Eine vollständige französische Übersetzung ist 1935 in Paris erschienen. Da das Kapitel sich nicht vollständig in der deutschen Übersetzung findet, seien hier die exempla kurz paraphrasiert, die exempla, auf die ich näher eingehe, werden am Ort zitiert. Val. Max., 6,1,1: Lucretia. 6,1,2: Verginia. 6,1,3: Pontius Aufidianus tötet seine Tochter. 6,1,4: P. Maenius tötet seinen Freigelassenen aus pädagogischen Gründen, da dieser seiner Tochter einen Kuss gab und diese Tochter aber lernen muss, ihre Küsse für ihren späteren Ehemann aufzuheben. Ob es sich
Patria Potestas – Honour–Shame ?
259
Exempla dieses Kapitels sind, soweit erkennbar, in der Zeit der Republik verortet.25 Sie erzählen von Männern, und zwar überwiegend von politisch einflussreichen Männern. Männer anderer gesellschaftlicher Schichten, junge Männer, Frauen oder Sklaven dienen als Statisten oder repräsentieren ebenfalls die Werte der Bildungs- und politischen Elite. Im Kapitel „De pudicitia“ stehen zwei Themen im Vordergrund : Die Verknüpfung von Frauen, v.a. Töchtern, und jungen Männern (z.T. Söhne, z.T. autonom agierend) mit pudicitia und der Kampf unter Männern auf der öffentlichen Bühne. Wenn ich an diesen Text die Frage stelle, weshalb Töchter von ihren Vätern umgebracht werden (bzw. Frauen sich selbst das Leben nehmen), dann ist die Antwort einfach und klar : wegen der pudicitia, weil sie verletzt ist oder um sie vor Verletzung zu schützen. Diese rasche und lapidare Antwort versperrt allerdings den Blick auf einige bemerkenswerte Beobachtungen, die eine Betrachtung des Kapitels „De pudicitia“ als Ganzes erbringt.
um die Tochter des Maenius oder die des Freigelassenen handelt, geht meines Erachtens aus dem lateinischen Text nicht eindeutig hervor, eine genauere Diskussion dieses exemplums führt hier aber zu weit. 6,1,5: Q. Fabius Maximus Servilianus belangt seinen Sohn wegen „dubia castitas“ (in Zweifel stehender Keuschheit, also wegen des Verdachts auf Unkeuschheit ?). 6,1,6: P. Atilius Philiscus tötet seine Tochter. 6,1,7: Der Ädil M. Claudius Marcellus klagt den Volkstribun C. Scantinius Capitolinus an, weil er seinen Sohn zum stuprum aufforderte („quod filium suum de stupro appellasset“, wir würden vielleicht von „sexueller Belästigung“ oder „versuchtem Missbrauch“ sprechen). 6,1,8: Metellus Celer klagt Cn. Sergius Silo an wegen versuchter Verführung einer matrona mit Geld. 6,1,9: Der wegen der Vergehen seines Vaters in Schuldknechtschaft geratene T. Veturius wehrt sich erfolgreich vor dem Senat gegen die sexuelle Belästigung (Aufforderung zum stuprum) durch seinen Gläubiger. 6,1,10: C. Pescennius lässt in seiner Eigenschaft als III vir capitalis den militärisch verdienten C. Cornelius in Fesseln schlagen, weil dieser mit einem freien Prostituierten sexuellen Verkehr hatte. 6,1,11: Der Volkstribun Cominius klagt den Militärtribun M. Laetorius Mergus wegen sexueller Belästigung an seinem Untergebenen (Aufforderung zum stuprum) an. Laetorius begeht Selbstmord. 6,1,12: Der Imperator C. Marius spricht einen Soldaten frei, der seinen Vorgesetzten, einen Schwager des Marius, wegen sexueller Belästigung (Aufforderung zum stuprum) tötete. 6,1,13: Einige Fälle von Selbstjustiz an Ehebrechern (mit der Begründung von „dolor suus“, eigener Schmerz, der hier in Antithese gesetzt wird zu „publica lex“, dem öffentlichen Gesetz). Externe exempla 1: Die Griechin Hippo stürzt sich ins Meer, um ihre pudicitia zu retten. Ext. 2: Die Gattin des galatischen Königs Orgiago rächt sich an ihrem Vergewaltiger. Ext. 3: Die Gattinnen der besiegten Teutonen töten sich, als Marius ihre Bitte, Vestalinnen zu werden, ablehnt. 25 Wie überhaupt der Großteil der exempla aus der Zeit der Republik stammt. David Wardle, Valerius Maximus, 479, zählt von rund 1000 exempla nur 50 mit Protagonisten/Protagonistinnen der kaiserlichen Familie. Er betont, dass die facta dennoch als Panegyrik auf das Kaiserhaus gelesen werden müssen. G. Maslakov, Valerius Maximus, 437–457, stellt den paradoxen Übergang heraus vom Preis mehrerer Familien von nobiles, ihrer Taten und Ideale, hin zur Panegyrik auf die Kaiserfamilie und verweist auf Widersprüche und Spannungen zwischen den Aussagen verschiedener Exempla im Werk des Valerius.
260
Christiane Krause
1. Die Personifikation der pudicitia Im Vorwort zu den Erzählungen wird die pudicitia emphatisch als personifizierte Göttin angesprochen : „Unde te virorum pariter ac feminarum praecipuum firmamentum, Pudicitia, invocem ?“ 26 Sie wird im öffentlichen Raum verortet : im Tempel der Vesta, im Tempel der Kapitolinischen Juno, im Kaiserpalast, bei der Jugend, bei den matronae.27 Die pudicitia ist eine öffentliche, eine staatstragende Angelegenheit, sie ist gleichermaßen an Frauen wie an junge Männer gebunden. Und sie fordert ein bestimmtes Verhalten ein : „ades igitur et recognosce quae fieri ipsa voluisti.“28 Was im Namen der pudicitia geschieht, erhält damit göttliche Legitimation oder vielmehr göttliche Motivation, die Verteidiger der pudicitia werden von vorneherein göttlich motiviert, ihre Gegner implizit zu Frevlern erklärt.29 2. Raum Unabhängig von der Frage, wieweit Valerius eine verlässliche Quelle für die voraugusteischen rechtlichen Verfahrensweisen in Fällen von stuprum darstellt30, lässt sich feststellen, dass seine Exempla den öffentlichen Raum ge26
„Woher soll ich dich anrufen, Pudicitia, einzigartige Stütze der Männer wie der Frauen ?“ Meine Übersetzung. Keine andere seiner virtutes, der von ihm anhand der exempla illustrieren römischen Werte, spricht Valerius Maximus als Personifikation an. 27 „Tu enim prisca religione consecratos Vestae focos incolis, tu Capitolinae Iunonis pulvinaribus incubas, tu Palatii columen augustos penates sanctissimumque Iuliae genialem torum adsidua statione celebras, tuo praesidio puerilis aetatis insignia munita sunt, tui numinis respectu sincerus iuventae flos permanet, te custode matronalis stola censetur.“ „Du wohnst nämlich am Herd der Vesta, den uralter Glaube weihte, du ruhst auf den Götterpolstern der kapitolinischen Juno, du, der Pfeiler des Palatins, heiligst mit deiner ständigen Gegenwart die erhabenen Penaten und das verehrungswürdige eheliche Lager Julias, du schützt den Charme (insignia : Zierde, Auszeichnung, Anm. C. K.) der Kindheit, aus Hochachtung vor deiner Göttlichkeit bleibt die Blüte der Jugend rein, du schirmst den guten Ruf ehrbarer Frauen.“ Übersetzung Blank-Sangmeister. Die Identifizierung der „Iulia“ mit der Kaiserwitwe Iulia Livia erlaubt die Datierung vor deren Tod im Jahre 29 n.Chr. Vgl. Andrea Themann-Steinke, Valerius Maximus, 17–19. 28 „Steh mir also bei und ruf ins Gedächtnis zurück, was nach deinem Wunsch geschah.“ Übersetzung Blank-Sangmeister. 29 Zum Verhältnis der Pudicitia zu Iuno vgl. Hans-Friedrich Mueller, Vita, Pudicitia, Libertas. 30 Es ist unklar, wie der Tatbestand des stuprum vor der augusteischen Gesetzgebung behandelt wurde. Gardner, Frauen, 123–124, hält es für wenig wahrscheinlich, dass es in republikanischer Zeit überhaupt reguläre Gerichtsverfahren dafür gab. Sie verweist für einige Erzählungen des Livius auf den Umstand, dass eben nicht ein ordentliches Gerichtsverfahren abgehalten wurde, sondern ein Ädil vor der Volksversammlung agiere. Vgl. Theodor Mommsen, Römisches Strafrecht, 689– 691 ; Wolfgang Kunkel, Untersuchungen zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens, 122–123.
Patria Potestas – Honour–Shame ?
261
radezu kartographieren : Seine pudicitia-Verteidiger agieren auf verschiedenen öffentlichen Bühnen : der Volksversammlung (6,1,7.8.11 vielleicht 10 ?) und dem Senat (6,1,9),31 sie agieren in unterschiedlichen Ämtern (aedilis curulis 6,1,7 ; III vir capitalis 6,1,10 ; tribunus plebis 6,1,11). Es treten in zwei Fällen (6,1,7.10) tribuni plebis auf, die eine Anrufung auf intercessio durch den Angeklagten abweisen. Die Verurteilung der Täter im öffentlichen Raum gipfelt in der rhetorisch aufgeladenen Aussage „universae plebis sententia“ (6,1,11)32. Den Abschluss bilden Fälle von Notwehr oder Selbstjustiz, die einerseits von C. Marius imperator persönlich (6,1,12), andererseits von einer nicht näher benannten Allgemeinheit (6,1,13)33 legitimiert werden. Vor diesem Hintergrund ist es auffällig, dass am Anfang des Kapitels Fälle geschildert werden, die ohne eine urteilende Instanz und zum Teil auch ohne Öffentlichkeit und Zeugenschaft auskommen. In den Erzählungen wird also ein Unterschied gemacht zwischen Geschehnissen, die im „privaten“ Raum stattfinden und deren Darstellung im Text keine Reaktion von außen widerspiegelt (in diese Rubrik fallen die Erzählungen zweier getöteter Töchter)34 und andererseits Geschehnissen, die im „privaten Raum“ stattfinden und öffentliche Reaktion hervorrufen (die Bestrafung der Ehebrecher). Zum dritten werden Auseinandersetzungen im öffentlichen Raum, in unterschiedlichen Versammlungen, ausgetragen. Doch hier ist natürlich Vorsicht geboten. Die „privaten“ Fälle erhalten auch ihren öffentlichen Raum, spätestens durch die Erzählung selbst, mit der sie der rezipierenden Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Behauptung einer Trennung zwischen dem privaten Raum und dem öffentlichen Raum wäre somit schon in dem Irrtum gefangen, wir könnten einen Blick in den privaten Raum werfen, der 31
Mit der Sentenz „Contionis haec, illa curiae gravitas“ (dies war die Würde der Volksversammlung, jene die des Senats) wird zu Beginn der Erzählung 6,1,9 der Wechsel von dem einen in den anderen Raum bezeichnet. 32 Auch noch nach seinem Selbstmord, mit dem er dem Prozess entging, wird der Täter einstimmig („in der Meinung/im Urteil des gesamten Volks“) verurteilt. 33 Über diejenigen, die gegenüber einem Ehebrecher Selbstjustiz verübten („qui in vindicanda pudicitia dolore suo pro publica lege usi sunt“) sagt der Text ganz am Schluss : „quibus irae suae indulsisse fraudi non fuit“, „Ihnen wurde nicht als Verbrechen vorgeworfen, ihrem Zorn nachgegeben zu haben.“ Wer hier einen Vorwurf aussprechen könnte, wird nicht näher spezifiziert. Gleichwohl ist damit eine beobachtende und urteilende Instanz impliziert. 34 Außerdem die Tötung des Freigelassenen 6,1,4 und die Bestrafung des Sohnes wegen fragwürdiger Keuschheit 6,1,5. Das Schweigen des Textes scheint dem historischen Befund zu entsprechen, nachdem in der Zeit der Republik „Vergehen“ von Frauen des Haushalts intern, vielleicht in einer Art „Hausgericht“ geahndet worden seien. Gleichwohl ist im Vergleich mit Val. Max. 5,8,2 und 5,8,3 (vgl. Maslakov, Valerius Maximus, 478–480) zu bemerken, dass der Text hier eine Leerstelle lässt. Die Frage eines „Hausgerichts“ wird kontrovers diskutiert, vgl. Wolfgang Kunkel, Das Konsilium, der gegen Mommsen (Römisches Strafrecht 20–25) für ein formalisiertes Verfahren innerhalb der Familie argumentiert.
262
Christiane Krause
jenseits der Öffentlichkeit läge. Denn unser Blick bedeutet bereits Öffentlichkeit. Trotzdem bleibt die Beobachtung bestehen, dass der Text einen Unterschied macht zwischen einem – vermeintlich – privaten Raum und einem öffentlichen Raum. Der Text suggeriert Privatheit versus Öffentlichkeit. Wir finden Erzählungen mit Publikum und solche ohne : Die Zeugen im privaten Raum werden uns unterschlagen. Es muss sie gegeben haben, damit diese Erzählungen überhaupt erzählt werden können als welche, die als Historie erzählt werden, nicht als Fiktion. Die Trennung zwischen privatem und öffentlichem Raum erweist sich somit als eine Konstruktion des Textes – wir müssen der Tatsache gewärtig sein, dass er lückenhaft erzählt. 3. Dramatis personae Wir finden in den Erzählungen verschiedene Protagonisten und Protagonistinnen. Da sind zum einen Menschen, deren pudicitia in Gefahr ist und hier ergeben sich schon in der Formulierung Schwierigkeiten. Ist die pudicitia beschädigt oder war sie nur in Gefahr, beschädigt zu werden ? Oder ist die Gefährdung der pudicitia bereits ihre Beschädigung ? Wodurch genau wird sie beschädigt ? Und welche Konsequenzen ergeben sich für die Betroffenen in Folge ihrer beschädigten oder gefährdeten pudicitia ? Da sind zum anderen Menschen, die die pudicitia einer anderen Person verletzen oder zu verletzen drohen. Und zum dritten sind da diejenigen, die auf die Verletzung der pudicitia reagieren. Das sind häufig Väter, aber nicht immer. Die Opfer sind manchmal Frauen, in der Mehrheit der Fälle aber junge Männer. Die Täter, die pudicitia-Verletzer oder -Bedroher, sind jedoch immer Männer.35 Was erfahren wir über diese Beteiligten ? Wer steht im Fokus der Erzählung ? Wer handelt, wer sieht, wer spricht ? Wer wertet ? Und wie ? Ein verräterischer Unterschied fällt schon einer flüchtigen Lektüre auf : die Fälle, in denen das Opfer der sexuellen Gewalt ein junger Mann ist, werden in der Öffentlichkeit verhandelt, die Täter in einem öffentlichen Verfahren verurteilt, die betroffenen jungen Männer bleiben am Leben. In den Fällen, in denen das Opfer eine junge Frau, eine Tochter, ist, erfahren wir über die Konsequenz für die Täter, die pudicitia-Verletzer, nichts, der Täter lebt also nach Beendigung der Erzählung noch, wohingegen die Tochter tot ist.36 35 Vgl. Mueller, Vita, Pudicitia, Libertas, 226, zu diesem Kapitel : „Only free men violate the pudicitia of others, while only free-born females (ingenuae) and free-born boys (ingenui) have pudicitia that can be violated.“ 36 Ausnahmen gibt es im Falle einer Ehefrau, über deren Ergehen wir nichts erfahren, wohl aber, dass der Täter vor Gericht belangt wird (6,1,8). Und eine weitere Ausnahme gibt es im Fall einer ausländischen Ehefrau (6,1, ext. 2). Der Fall beginnt wie der der Lucretia, endet aber gerade nicht mit dem Tod der betroffenen Frau, der Gattin des Orgiago,
Patria Potestas – Honour–Shame ?
263
Ist dies das System ? Töchter werden ohne öffentlichen Prozess getötet, das Vokabular ist unspezifisch („interimere, occidere, necare“, alles Ausdrücke für „töten“).37 Ist es Zufall, dass im Falle des einziges Sohnes, der wegen „dubia castitas“ („in Zweifel stehender Keuschheit“) von seinem Vater belangt wird, der Ausdruck „exegit poenas“ („er forderte Strafe ein, er bestrafte“) verwendet wird und dass dieser Vatertäter sich selbst mit freiwilligem Exil „bestraft“ („punito pependit voluntario secessu“), wir hier also ein Vokabular finden, das an ein mehr oder weniger offizielles Verfahren denken lässt ?38 Wir können aus dem Schweigen im Kontext der Töchter nicht schließen, dass die Täter in ihrem Fall ohne Konsequenzen, ohne öffentliches Verfahren davonkamen. Wir können nur feststellen, dass es für diesen Text keine Rolle spielt.39 Spielt es eine Rolle, dass im Falle der jungen Frauen das stuprum, also die illegitime/illegalisierte sexuelle Aktion, vollzogen war (bzw. im Fall der Verginia der Vollzug unmittelbar bevorstand), im Falle der jungen Männer nur der Versuch gemacht wurde ? Die Leerstellen sind ärgerlich, denn viele Fragen bleiben offen : Was geschah mit jungen Männern, an denen das stuprum bereits vollzogen war ? Wurden sie auch von ihren Vätern umgebracht ?40 Was geschah mit jungen des Königs der Galater. Vgl. Georg Doblhofers recht ratlose Mutmaßung : „Allerdings ist nicht auszuschließen, dass bei den Galatern andere Sitten herrschten, was den Umgang mit vergewaltigten Frauen betraf, obwohl Plutarch keinen Hinweis darauf gibt.“ (Georg Doblhofer, Vergewaltigung, 79). Die Geschichte ist mehrfach belegt (z.B. Plut., Mor. 258 E-F), nötig wären genauere Analysen der Textstrategien. 37 6,1,1: „Lucretia […] ferro se […] interemit“ ; 6,1,2: „Verginius […] puellam occidit“ ; 6,1,3: „Pontius Aufidianus […] ipsam puellam necavit“ ; 6,1,6: „[P. Atilius Philiscus] filiam […] suam […] interemit.“ Linderski, The death of Pontia, 90, verweist für den Fall des Pontius Aufidianus darauf, dass der Begriff „necare“ auch für formale Hinrichtungen verwendet wurde und schließt auf eine bei Valerius nicht eigens ausgeschriebene offizielle Exekution. Vgl. auch unten Anm. 46. 38 Rebecca Langlands, Sexual Morality, 147, Anm. 62 geht davon aus, das in diesem Zusammenhang „poenas exegit“ eine tödliche Strafe meint. 39 Ich würde davor warnen, aus dem Schweigen des Textes auf ein Hausgericht zu schließen. Von einem „Gericht“ im Sinne einer Verhandlung und Prüfung des Tatbestandes erzählt der Text ebenso wenig wie von einer öffentlichen Verhandlung. Auch was die Fälle vor einer Öffentlichkeit angeht, so ist keineswegs klar, weshalb wir es mit der curia und der contio zu tun haben. Auch hier stellt Valerius Maximus keine verlässliche Quelle dar. Vgl. auch oben Anm. 30 und 34. 40 In Langlands Interpretation (Langlands, Sexual Morality, 164–165) gehört der Sohn des Fabius Maximus (6,1,5) in diese Kategorie. Sie geht von einem „transgressive sexual act“ aus, der der Bestrafung zugrunde liegt, der aber der Imagination der Lesenden überlassen wird, (wobei ihrer Meinung nach die Penetration durch eine männliche Person, um die missverständliche Bezeichnung „homosexuell“ hier bewusst zu vermeiden, näherliegt als die sexuelle Begegnung mit einer Frau). Hätten wir also gar kein „Genderthema“
264
Christiane Krause
Frauen, die wegen stuprum angegangen wurden, wurden die Täter vor Gericht gebracht ? Dazu erzählt Valerius keine Geschichten, offensichtlich ist dies für sein Thema ohne Bedeutung. Wichtig waren dagegen diese Geschichten : Die beschädigten Töchter wurden umgebracht, und zwar unspezifisch und ohne, dass wir etwas über ein Verfahren, sei es öffentlich, sei es ein „Hausgericht“, erführen. Der Fall von angegriffenen jungen Männern landete vor Gericht oder jedenfalls vor einer öffentlichen Versammlung, die Täter mussten sich verantworten. Nochmals : wir können daraus keine Regeln dieser Gesellschaft ableiten. Wir sind auf die Lücken und Leerstellen dieses Textes geworfen, wir können nur seinem Blick folgen. Weshalb erzählt der Text diese Geschichten, was ist seine Moral, was ist sein „Punkt“ ? Für die Frage, um wen es eigentlich in den Erzählungen geht, ist entscheidend, dass die Väter/Täter in der Regel Namen erhalten, die Opfer nicht. Im Fokus der Geschichten stehen die Verteidiger oder Rächer der verletzten pudicitia, die also durch ihre Aktion pudicitia wiederherstellen, indem sie sich entweder selbst umbringen (Lucretia und einige ausländische Frauen) oder indem sie die versehrten Frauen umbringen oder indem sie die Täter vor Gericht bringen. Diesen Verteidigern der pudicitia gehört die Sympathie des Erzählers. Im Text des Valerius lassen sich zwei Gruppen dieser pudicitia-Verteidiger betrachten : die Gruppe der Väter, die ihre Töchter töten, und die Gruppe der Männer, die jemanden vor Gericht bringen.41 a) Die Gruppe der Töchterväter Verginius könnte das Beispiel par excellence sein für diejenigen modernen Interpretationen, die die Idee einer männlichen Ehre vertreten, die an weibliche Keuschheit gebunden ist. Verginius, plebeischer Abstammung, aber patrizischen Geistes („patricii vir spiritus“), schonte, so berichtet Valerius Maximus, sein „eigenes Blut“ nicht, damit sein Haus nicht durch „probrum“
hier ? Durch stuprum beschädigte oder unausweichlich bedrohte Personen jedweden Geschlechts sterben ? Es bliebe jedoch immer noch das „Genderthema“ auf der Darstellungsebene : der Vater des bestraften Sohnes ist z.B. der einzige, von dem eine als Problematisierung zu deutende Reaktion berichtet wird und unter den öffentlich ausagierten Fällen findet sich kein einziger eines Mädchens, das sich gegen sexuelle Angänge wehrt. 41 Genaugenommen gibt es noch die dritte Gruppe, die Frauen nämlich, die sich umbringen. Eine einzige pudicitia-Verteidigerin oder vielmehr -Rächerin überlebt (6,1,ext 2). Zu den Selbstmörderinnen vgl. die Ausführungen bei Langlands, Roman Morality, 169–189, die allerdings nur die Parallelen zwischen Lucretia und den ausländischen Frauen hervorhebt, nicht den doch relevanten Unterschied, dass die Gattin des Orgiago am Ende noch lebt. Frauen, die die pudicitia einer anderen Person verteidigen oder rächen, gibt es nicht.
Patria Potestas – Honour–Shame ?
265
besudelt werde.42 „Probrum“ kann die Beleidigung/der Vorwurf sein, aber auch die Tat selbst.43 Genügt der schlechte Ruf oder muss es die Tat sein ? Der Text bleibt unscharf. Die Tochter bleibt namenlos, die antithetische Sentenz, mit der die Erzählung schließt, bewundert den Vater, der lieber „pudicae interemptor quam corruptae pater“ – lieber der Mörder einer keuschen als der Vater einer versehrten Tochter – sein wollte. Gab es also eine Handlungsoption ? Hatte der Vater eine Wahl, ohne sein Gesicht zu verlieren ? Das würde der Vorstellung eines Drucks von Seiten des sozialen Umfeldes widersprechen und damit doch auch einer gesamtgesellschaftlichen Vorstellung von Ehre/Scham in ihrem so gern beschworenen Dualismus von männlicher Ehre und weiblicher Scham. Durfte Verginius seine Tochter töten ? Unter Berufung auf die patria potestas ? In der ausführlicheren Erzählung des Livius verteidigt sich der Vater später vor dem Volk, erklärt sich selbst für verurteilenswert, jedoch muss er am Leben bleiben, um den Kampf gegen den korrupten Appius Claudius zu führen.44 Das legt zumindest den Verdacht nahe, dass die Tötung einer Tochter (zumindest für die intendierte Leserschaft des Livius) kein selbstverständlicher Akt war, auch wenn die Kürze der Version des Valerius Maximus dies nahelegen mag. Auch ein gewisser Pontius Aufidianus wird für sein „robur animi“, seine Gesinnungsstärke, gelobt : „Mit nicht weniger Geistesstärke war Pontius Aufidianus ausgestattet, ein römischer Ritter. Dieser tötete, nachdem er erfahren hatte, dass die virginitas seiner Tochter durch den Paedagogen dem Fannius Saturninus übergeben/verraten/ausgeliefert worden war („virgi42 6,1,2: „Verginius plebei generis, sed patricii vir spiritus, ne probro contaminaretur domus sua, proprio sanguini non pepercit : nam cum App. Claudius decemvir filiae eius virginis stuprum potestatis viribus fretus pertinacius expeteret, deductam in forum puellam occidit pudicaeque interemptor quam corruptae pater esse maluit.“ „Verginius, ein Mann plebeischer Abstammung, aber patrizischen Geistes, schonte sein eigenes Blut nicht, damit sein Haus nicht vom probrum besudelt werde. Denn als der Decemvir Appius Claudius im Vertrauen auf seine Macht unerbittlich stuprum mit seiner jungfräulichen Tochter begehen wollte, tötete er das aufs Forum vorgeführte Mädchen und wollte lieber der Mörder einer keuschen als der Vater einer versehrten Tochter sein.“ Meine Übersetzung. 43 Vgl. Thesaurus Linguae Latinae Bd. 10,2,2 s. v. „probrum“ : „de vituperatione, contumelia“ (Sp. 1480,43) : „Tadel, Beleidigung“ ; „de ipsa re vituperanda“ (Sp. 1481,32) : „der tadelnswerte Umstand selbst“, hierzu wird auch unsere Stelle gezählt (Sp. 1488,50). 44 Livius lässt seinen Täter Verginius auf mögliche Angriffe reagieren : Verginius verteidigt seine Tat als scelus des Appius Claudius, nicht seiner selbst, und beteuert, dass er seine Tochter nicht überleben würde, wenn nicht die Hoffnung auf Rache und Erlangung der Freiheit bestünde (Liv. 3,50). Dabei verknüpft der Verginius des Livius in seiner Rede an die Soldaten geschickt einerseits die unhinterfragbare Notwendigkeit der Ermordung Verginias, andererseits die Tatsache, dass es sich um ein scelus handelt, das allerdings mit der Nachstellung des Appius Claudius beginnt, so dass die Ermordung eine zwangsläufig eintretende Folge ist. Zugleich betont er seine eigene Verzweiflung und Bereitschaft zu sterben.
266
Christiane Krause
nitatem proditam“), nicht zufrieden damit, den verbrecherischen Sklaven der Hinrichtung übergeben zu haben, auch das Mädchen selbst. So richtete er, um nicht eine schändliche Hochzeit feiern zu müssen, eine bittere Beerdigung aus.“ (6,1,3)45
Hier gibt es gleich zwei Todesopfer, den namenlosen Sklaven, der die Tochter dem Täter, Fannius Saturninus, zuführte, und die namenlose Tochter selbst.46 Der Sklave erhält ein „supplicium“, die Tochter wird getötet („necavit“). Ist die Wortwahl Zufall, die die Strafe des Sklaven aus dem Bereich der Rechts- und Strafsprache entnimmt, die der Tochter nicht ?47 Wir erfahren nicht, mit welchem Recht, mit welcher Legitimation Aufidianus seine Tochter tötet.48 Der Text suggeriert an keiner Stelle einen kritischen, urteilenden Blick, stellt an keiner Stelle die Frage nach der Legitimation. Anders als der Verginius des Livius müssen sich des Valerius Vätertäter nicht gegen etwaige Vorwürfe rechtfertigen. Wir erfahren nicht einmal das „Vergehen“ der Tochter, die Art ihrer Beteiligung am Geschehen.49 Die moralische Sentenz am Schluss fokalisiert den Blick des Vatertäters : um „turpes nuptias“ („eine schändliche Hochzeit“) zu vermeiden, richtete er „acerbas exequias“ („eine bittere Beerdigung“) aus. Die Geistesstärke des Vatertäters offenbart sich in der Überwindung der Emotion zugunsten der pudicitia. Die pudicitia erweist sich als brutale Göttin.
45 „Nec alio robore animi praeditus fuit Pontius Aufidianus eques Romanus, qui, postquam conperit filiae suae virginitatem a paedagogo proditam Fannio Saturnino, non contentus sceleratum servum adfecisse supplicio etiam ipsam puellam necavit. ita ne turpes eius nuptias celebraret, acerbas exequias duxit.“ Meine Übersetzung. Diese Geschichte ist leider nur hier belegt. 46 Der im Text genannte Fannius Saturninus ist nicht der Name des Sklaven, sondern der einer weiteren Person. Die Tochter begeht also nicht mit dem Paedagogen stuprum, vielmehr fungiert dieser als eine Art Vermittler. Vgl. dazu Jerzy Linderski, The Death of Pontia. Woraus Linderski allerdings schließt, dass es sich um den Verlobten des Mädchen gehandelt habe, kann ich nicht nachvollziehen. 47 Vgl. Oxford Latin Dictionary s.v. supplicium : „Satisfaction exacted by the law for a misdeed etc., punishment.“ Linderski, The Death of Pontia, 90, möchte mit Hinweis auf J. N. Adams, Two Latin Words for ‘kill’, „necare“ auch im legalen Sinn verstanden wissen , s. oben Anm. 37. 48 Linderski, The Death of Pontia, 90, zieht ausgehend von der Verwendung des Verbs „comperit“ weitreichende Schlussfolgerungen : Pontius Aufidianus habe von der Sache auf indirektem Wege erfahren, „and hence we have to postulate an investigation, a verdict and a formal execution, for the slave paedagogus by crucifixion, and of Pontia by strangulation.“ Linderski setzt also wohl eine Art Gerichtsverhandlung voraus, sei es ein Hausgericht, sei es ein öffentliches Gericht. Angesichts des spröden Textes scheint mir das eine gewagte Interpretation der Leerstellen. 49 Harris, The Roman Father’s Power, 87, geht von ihrer Unschuld aus, das hieße Nichtzustimmung zu der Aktion, Linderski, The death of Pontia, 90, offensichtlich von ihrer aktiven Beteiligung („technically Pontia hat committed a stuprum“). Es ist auffällig, dass der Text die Frage gar nicht stellt.
Patria Potestas – Honour–Shame ?
267
Hatte der Vater eine Wahl ? Nichts deutet im Text daraufhin, dass er durch sein soziales Umfeld zur Tat gezwungen war. Worin hätte die „schändliche Hochzeit“ bestanden ? In der griechischen und römischen Komödie überleben geschwängerte Töchter, wenn sie den Schwängerer heiraten. Warum konnte die Tochter nicht jenen Fannius Saturninus heiraten ? Der Text stellt diese Frage nicht. Die ultimative Steigerung und ihren Abschluss findet die Reihe der Vätertäter in einem Freigelassenen mit Namen P. Atilius Philiscus, der selbst auf eine Tätigkeit als Zwangsprostituierter zurückblickt, nichtsdestotrotz aber seine namenlose Tochter tötet, „quia stupri se crimine coinquinaverat“ (weil sie sich durch die Tat/den Vorwurf50 des stuprum befleckt hatte).51 Hier rühmt der Erzähler das Ausmaß der „sancta pudicitia“, wenn sogar ehemalige Prostituierte als solch strenge Rächer („vindices“) hervortreten, eine Art argumentum a minore. Der gesellschaftlich Niedrigstehende wird durch sein heldenhaftes Verhalten ein Vorbild für den, vielleicht gesellschaftlich höherstehenden, implizierten Leser. Fazit ? Die Frauen bleiben namenlos. Über ihr Verhalten, ihre Motive, ihre Gefühle erfahren wir nichts. Es bleibt sogar unklar, ob wir sie als passive Opfer oder als sexuell aktive junge Frauen wahrnehmen sollen. Der Text demonstriert geradezu empörendes Desinteresse an seinen weiblichen Opfern. Sie dienen lediglich als Requisiten für Erzählungen, die von der Macht der Göttin pudicitia zeugen, die von Männern extreme Entscheidungen verlangt. Der Text geht hinter die Motivation durch die pudicitia nicht zurück 50 Wie „probrum“ so ist auch der Begriff „crimen“ ambivalent. Der Thesaurus Linguae Latinae Bd. 4 s.v. „crimen“ führt beide Bedeutungen auf : „i.q. obiectum, exprobratio, convicium“ (Sp. 1190,40) : „Vorwurf, Tadel“ ; „i.q. scelus, peccatum, vitium ipsum“ (Sp. 1193,52) : „Verbrechen, Fehler“ ; der zweiten Gruppe wird auch unsere Stelle zugesprochen (Sp. 1193,77f.), aber selbstverständlich ist das nicht. Vgl. dazu auch Langlands, Roman Morality, 167, über die Bedeutung der Reputation : „These children are unchaste because it has been possible to accuse them of transgression rather than because of any transgressive act.“ 51 Val. Max. 6,1,6: „Dicerem censorium virum nimis atrocem extitisse, nisi P. Atilium Philiscum in pueritia corpore quaestum a domini facere coactum tam severum postea patrem cernerem : filiam enim suam, quia stupri se crimine coinquinaverat, interemit.“ „Ich würde sagen, einen strengeren Zensor (als den im vorherigen Abschnitt genannten) hat es niemals gegeben, wenn ich nicht sehen würde, welch ein strenger Vater später aus P. Atilius Philiscus wurde, der in seiner Jugend von seinem Herrn zur Prostitution gezwungen worden war : er tötete nämlich seine eigene Tochter, weil sie sich mit dem Vorwurf/der Tat des stuprum befleckt hatte.“ Meine Übersetzung. Auch dieses exemplum findet sich leider nur bei Valerius. Wieder erfahren wir keine Einzelheiten über das Geschehen. Langlands, Roman Morality, 164, verweist auf die aktive Rolle der Tochter des Philiscus, die in dem sprachlichen Ausdruck „se coninquinaverat“ deutlich werde. Die Tochter sei gleichzeitig aktiv und passiv, worin sie sich von den Töchtern des Verginius und Aufidianus unterscheide. Sie nehme gleichsam eine Doppelrolle ein : „that (sc. die Rolle) of the vulnerable child whose sex life needs the intervention of the father (…) and that of the perpretator of bad sexual acts (…).“
268
Christiane Krause
und bleibt damit im staatlich-religiösen Bereich, ohne etwaige Individualinteressen (wie z.B. die Wahrung der eigenen Ehre) zu suggerieren. 52 Weist nicht gerade die Tatsache, dass die Vätertäter für ihre Charakterfestigkeit und Geistesstärke gerühmt werden, darauf, dass Töchtermord nicht an der Tagesordnung war ? Wenn diese Männer nur taten, was die soziale Gruppe von ihnen fordert, was der Erhalt ihrer eigenen Ehre von ihnen fordert, dann dürfte dies kaum der Rede wert sein. Der Text suggeriert jedenfalls, dass diese Männer eine Wahl hatten. Er suggeriert aber auch, dass die Vätertäter sich für ihre Tat nicht rechtfertigen müssen. Sie handeln gerade nicht in eigenem Interesse, sondern im Interesse der Göttin, in göttlichem Auftrag sozusagen, und genießen damit Immunität. Die Darstellung der Tötungen im Text erlaubt keine Antwort auf die Frage, ob die Vätertäter Handlungsspielräume hatten bzw. welche. Sie beantwortet nicht die „honour–shame“-Frage, ob nämlich die Vätertäter unter sozialem Druck ihrer Gruppe standen, die Tat zu vollziehen, ob die „Ehre“ der Väter durch die verletzte pudicitia der Töchter verletzt war und „wiederhergestellt“ werden musste. Am ehesten erlaubt die Geschichte der Verginia eine solche Deutung. Aber das genügt wohl kaum, um Ehre–Schande als zentrale gesellschaftliche Kategorie zu etablieren. Der Text legt diesen Fokus jedenfalls nicht nahe. Warum erzählt Valerius diese Geschichten ? Um gegen den drohenden moralischen Niedergang seiner Zeit die gute alte Zeit zu beschwören ? Oder um die Anstrengungen der principes um die Restauration der mores maiorum zu würdigen ? Müssen die Vätertäter verteidigt werden, weil sie unter Angriff stehen oder schreibt Valerius hier eine selbstverständliche (für wen selbstverständlich ?) Wertung fort ?53 Es mag relevant sein, dass alle drei Vätertäter keine Patrizier sind, sondern Plebejer (Verginius), Ritter (Aufidianus), Freigelassener (Philiscus). Die Männer von gesellschaftlichem Rang hebt sich Valerius für die „öffentlichen“ Fälle auf.54 52 Gardner, Frauen, 123, unternimmt es, diese Leerstelle des Textes zu füllen : „[Atilius] tötete seine Tochter wegen deren stuprum ; er hatte wohl gehofft, daß sie nicht in seine Fußstapfen treten, sondern eine respektable Ehe eingehen werde, und sah nun all seine Hoffnungen zusammenbrechen.“ Diese mehr oder weniger freie Assoziation unterstellt Atilius andere Motive als der Text, der Atilius zum „vindex“ der „sancta pudicitia“ erklärt, somit eine überpersonale, überindividuelle Motivation unterstellt, die über den persönlichen Vorteil einer Eheschließung oder, andere mögliche Assoziation, den persönlichen Vorteil einer Wahrung der eigenen Ehre, hinausgeht. 53 Robert Honstetter, Exemplum, 80, findet in diesem Kapitel 6,1 einen Bezug zu den Sittengesetzen des Tiberius, mit „expliziter Zeitkritik“, ohne allerdings weiter auszuführen, worin diese Zeitkritik besteht. Vgl. Mueller, Vita, Pudicitia, Libertas, 258: „Valerius’ apparently increased credulity in comparison to that of Cicero or Livy corresponds to his place in history following upon Augustus’ extensive efforts at religious and moral revival. […]“. 54 Arbeiten zum Honour-Shame-Modell heben häufig hervor, dass die Kontrahenten im Kampf um Ehre auf gleicher Ebene stehen müssen. Hier wäre auch ein Punkt, den eine
Patria Potestas – Honour–Shame ?
269
b) Die Gruppe der öffentlichen Ankläger Bei den Anklägern handelt es sich um Magistrate, die andere Amtsträger oder ehemalige Amtsträger in hoher gesellschaftlicher Stellung vor Gericht bringen. Es geht also um Erzählungen, in denen Männer im öffentlichen Raum um Macht kämpfen und in denen sich zeigt, dass öffentliche Stellung und öffentliches Ansehen nicht Immunität bedeuten. Die angeklagten Männer verlieren ihr Ansehen/ihre Ehrenstellung aber nicht dadurch, dass weibliche Mitglieder ihrer Familie ihre pudicitia beschädigten, sondern weil sie selbst aktiv die pudicitia von männlichen55 Mitgliedern der Gesellschaft beschädigten oder weil sie generell die pudicitia schlechthin verletzten (im Fall des mit diversen militärischen Ehren ausgestatteten C. Cornelius, der wegen bezahlter sexueller Handlungen mit einem freien Prostituierten zum Selbstmord im Kerker gezwungen wird, vgl. 6,1,10). In diesen Erzählungen bleibt der von seinem Vater M. Claudius verteidigte Sohn namenlos (6,1,7), der junge T. Veturius aber, der sich im öffentlichen Raum und ohne Vater gegen einen Angriff auf seine Tugend wehrt, tritt als namentlich benannter Akteur auf (6,1,9). Er betritt den öffentlichen Raum, in dem er um seine Stellung und sein Ansehen kämpft und Recht erhält. Die eigentlichen Akteure in diesen Geschichten bilden aber die anklagenden und verurteilten Männer, die pudicitia-Verteidiger und ihre Gegenspieler. Wenn es irgendwo um Ehre/um Ehrenstellungen und um den drohenden Verlust derselben geht, dann in dieser Auseinandersetzung unter Männern, die im öffentlichen, im politischen, im rechtlichen Raum ausgetragen wird. Dieser Kampf findet statt in einem Raum ohne Frauen. Sie bleiben dauerhaft zum Schweigen verurteilt, dienen aber auch nicht als Trägerinnen des symbolischen Kapitals der pudicitia. Instrumentalisiert als Verkörperung der pudicia werden andere – junge Männer nämlich. Diese haben aber auch die Chance, eines Tages auf der anderen Seite zu stehen, unter den Magistraten. Die Männer verlieren ihre Stellung, wenn sie selbst sich „schamlos“ verhalten, nicht ihre Frauen. Der Kampf unter Männern läuft nicht über die pudicitia der diesen Männern angehörenden Frauen. Umgekehrt ist auch bei den Vätertätern nicht davon die Rede, dass die verletzte pudicitia ihrer Töchter ihren Status in der Männergesellschaft in Gefahr brächte. Der Text legt die Annahme von „Ehre“ als zentraler Kategorie in der Verbindung mit „Scham/Schande“ nicht nahe. Maßgebliche Motivation in diesem setting ist expressis verbis die pudicitia. Natürlich wird hier weitergenauere Analyse berücksichtigen müsste. Denn in der strengen Hierarchie der römischen Gesellschaft stehen Freigelassene, Ritter und Nobiles eben nicht auf gleicher Ebene. 55 Die einzige Ausnahme bildet der Fall des Cn. Sergius Silus wegen einer mater familias (6,1,8).
270
Christiane Krause
zufragen sein : Weshalb ist die pudicitia so wichtig ? Wie ist das Verhältnis von pudicitia und gender ? Ist es Zufall, dass der Fall der mater familias vor Gericht landet, der der Töchter nicht ? Und wie ist die Erzählung von der Gattin des nichtrömischen Königs Orgiago zu bewerten, die ihre Vergewaltigung mit der Aufforderung zum Mord an ihrem Vergewaltiger rächt und Rache erlangt (6,1, ext. 2). Wieso bleibt sie am Leben, wo doch Lucretia sterben muss ? Und wie sind die Erzählungen von den Selbstmörderinnen zu beurteilen, die in ihrer Selbstzerstörung autonome Zustimmung zu diesem Wertesystem bekunden ? Livius lässt die zum Selbstmord entschlossene Lucretia die Worte sprechen : „Nec ulla deinde impudica Lucretiae exemplo vivet.“56 Er verleiht ihr eine eigene Stimme, jedoch nur, um sie in seiner Sprache reden zu hören. Funktionalisierung oder Entmündigung ? Immerhin hat er sie damit unsterblich gemacht. Die ihrer eigenen Sprache beraubte Lucretia ist bis heute nicht verstummt.
Bibliographie Textausgabe und Übersetzung Valerii Maximi Facta et Dicta Memorabilia, herausgegeben von John Briscoe, 2 Bände Stuttgart / Leipzig 1998. Valerius Maximus. Facta et Dicta Memorabilia, Denkwürdige Taten und Worte, Lateinisch/ Deutsch, ausgewählt, übersetzt und herausgegeben von Ursula Blank-Sangmeister, Stuttgart 1991. Valère Maxime, Actions et Paroles Mémorables, traduction nouvelle avec introduction et notes par Pierre Constant, 2 Bände, Paris 1935.
Sekundärliteratur Adams, J[ames] N[oel], Two Latin Words for ‘Kill’, in : Glotta 51 (1973), 280–293. Brüggenbrock, Christel, Die Ehre in den Zeiten der Demokratie. Das Verhältnis von athenischer Polis und Ehre in klassischer Zeit, Göttingen 2006. Burkhart, Dagmar, Eine Geschichte der Ehre, Darmstadt 2006. Cairns, Douglas L., Aidos. The Psychology and Ethics of Honour and Shame in Ancient Greek Literature, Oxford 1993. Cantarella, Eva, Adulterio, omicidio legittimo e causa d’onore in diritto romano, in : Studi in onore di Gaetano Scherillo 1, Milano 1972, 243–274.
56 Liv. 1,58,10. „Keine Frau ohne pudicitia soll unter Berufung auf das Beispiel Lucretias (oder : mit Lucretia als Vorbild) leben.“ Die Lucretia des Livius verwendet für die Benennung ihrer Tat den Begriff „supplicium“, ein markanter Unterschied zum unspezifischen „interemit“ des Valerius Maximus.
Patria Potestas – Honour–Shame ?
271
Cantarella, Eva, Homicides of Honor. The Development of Italian Adultery Law over two Millenia, in : David J. Kertzer / Richard P. Saller (Hg.), The Family in Italy from Antiquity to the Present, New Haven 1991, 229–244. Cohen, David, The Augustan Law on Adultery : The Social and Cultural Context, in : David J. Kertzer / Richard P. Saller (Hg.), The Family in Italy from Antiquity to the Present, New Haven 1991, 109–126. Doblhofer, Georg, Vergewaltigung in der Antike (BzA 46), Stuttgart 1994. Evans Grubbs, Judith, Law and Family in Late Antiquity. The Emperor’s Constantine’s Marriage Legislation, Oxford 1995. Fisher, N. R. E., Hybris and Dishonour I, in : G&R 23 (1976), 177–193. Gardner, Jane, Frauen im antiken Rom. Familie, Alltag, Recht, München 1995 (Original : London 1986). Giordano, Christian, Der Ehrkomplex im Mittelmeerraum, in : Ludgera Vogt /Arnold Zingerle (Hg.), Ehre. Archaische Momente in der Moderne, Frankfurt 1994, 172–192. Harlow, Mary, Family Relationships, in : Mary Harlow / Ray Laurence (ed.), A Cultural History of Childhood and Family. I : Antiquity, New York 2010, 13–29. Harris, William V., The Roman Father’s Power of Life and Death, in : Roger S. Bagnall / William V. Harris (Hg.), Studies in Roman Law in Memory of A. Arthur Schiller, Leiden 1986, 81–95. Hausmaninger, Herbert / Selb, Walter, Römisches Privatrecht, Wien / Köln / Weimar 92001. Herzfeld, Michael, Anthropology through the Looking-Glass. Critical Ethnography in the Margins of Europe, Cambridge/New York 1987. Herzfeld, Michael, The Horns of the Mediterraneanist Dilemma, in : American Ethnologist 11 (1984), 439–454. Honstetter, Robert, Exemplum zwischen Rhetorik und Literatur. Zur gattungsgeschichtlichen Sonderstellung von Valerius Maximus und Augustinus, Konstanz 1977. Horrell, David G., Models and Methods in Social-Scientific Interpretation. A Response to Philip Esler, JSNT 78 (2000), 83–105. Kaser, Max, Das römische Privatrecht I : Das altrömische, das vorklassische und klassische Recht, München 21971. Kaser, Max / Knütel, Rolf, Römisches Privatrecht. Ein Studienbuch, München 192008. Kunkel, Wolfgang, Das Konsilium im Hausgericht (1966), in : Ders., Kleine Schriften I : Zum römischen Strafverfahren und zur römischen Verfassungsgeschichte, Weimar 1974, 117–149. Kunkel, Wolfgang, Untersuchungen zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens in vorsullanischer Zeit (ABAW.PH 56), München 1962. Langlands, Rebecca, Sexual Morality in Ancient Rome, Cambridge 2006. Lawrence, Louise J., An Ethnography of the Gospel of Matthew (WUNT II/165), Tübingen 2003. Linderski, Jerzy, The Death of Pontia, in : RhM 133 (1990), 86–93. Malina, Bruce J., The New Testament World. Insights from Cultural Anthropology, Atlanta 1981. Maslakov, G., Valerius Maximus and Roman Historiography, ANRW II/32,1, (1984), 437– 496. Matthews, Victor H. / Benjamin, Don C. (Hg), Honor and Shame in the World of the Bible (Semeia 68), Atlanta 1996. McGinn, Thomas A. J., Prostitution, Sexuality, and the Law in Ancient Rome, New York 1998. Mette-Dittmann, Angelika, Die Ehegesetze des Augustus. Eine Untersuchung im Rahmen der Gesellschaftspolitik des Princeps (Hist.E 67), Stuttgart 1991.
272
Christiane Krause
Mommsen, Theodor, Römisches Strafrecht, Leipzig 1899. Mueller, Hans-Friedrich, Vita, Pudicitia, Libertas : Juno, Gender, and Religious Politics in Valerius Maximus,in : TAPhA 128 (1998), 221–263. Peristiany, John G. (Hg.), Honour and Shame. The Values of Mediterranean Society, London 1965. Peristiany, John G. / Pitt-Rivers, Julian A. (Hg.), Honor and Grace in Anthropology, Cambridge 1992. Pitt-Rivers, Julian A., Honour and Social Status, in : John G. Peristiany (Hg.), Honour and Shame. The Values of Mediterranian Society, London 1965, 21–77. Rabello, Alfredo M., Effetti personali della „patria potestas“, Mailand 1979. Saller, Richard P., Patriarchy, Property and Death in the Roman Family, Cambridge 1994. Shaw, Brent, D., Raising and Killing Children. Two Roman Myths, in : Mn. 54, 2001, 31–77. Speitkamp, Winfried, Ohrfeige, Duell und Ehrenmord. Eine Geschichte der Ehre, Stuttgart 2010. Spivak, Gayatri Chakravorty, Can the Subaltern Speak ? Postkolonialität und subalterne Artikulation. Mit einer Einleitung von Hito Steyerl, Wien 2010. Themann-Steinke, Andrea, Valerius Maximus. Ein Kommentar zum zweiten Buch der ‚Facta et Dicta memorabilia' (Bochumer altertumswissenschaftliches Colloquium 77), Trier 2008. Thomas, Yan, Vitae necisque potestas. Le père, la cité, la mort, in : Du chatiment dans la cité. Supplices corporels et peine de mort dans le monde antique, Rome 1984, 499–538. Treggiari, Susan, Roman Marriage. Iusti Coniuges from the Time of Cicero to the Time of Ulpian, Oxford 1991. Wardle, David, Valerius Maximus on the Domus Augusta, Augustus, and Tiberius, in : CQ 50 (2000), 479–493. Wlosok, Antonie, Nihil nisi ruborem. Über die Rolle der Scham in der römischen Rechtskultur, in : GrB 9 (1980), 155–172.
Krieg, Maskulinität und der imperiale Gottvater Das Augustusforum und die messianische Re-Imagination von „Hagar“ im Galaterbrief Brigitte Kahl Das herrschende Konzept von „römisch“ im ersten Jahrhundert n.Chr. war wesentlich bestimmt von den drei Grundkoordinaten des Krieges, der Männlichkeit und der Göttlichkeit. Der imperiale Weltherrscher war Weltsieger, Weltgott und Weltvater in einem. Seine „Familienverhältnisse“ sind Ausdruck der universalen Welt- und Geschlechterordnung, die den ungehinderten Zugriff göttlich-imperialer Maskulinität nicht nur auf die feminisiert vorgestellten Körper der unterworfenen „Völkerfrauen“ festschreibt, sondern auch auf die Loyalität ihrer „Söhne“. Deutlich werden diese Gesamtbezüge in der Visualität der römischen Bildsprache, Architektur und Raumgestaltung, etwa dem Augustusforum in Rom oder dem Kaiserheiligtum in Aphrodisias. Vor der Kontrastfolie des imperialen Welt-, Gottes- und Menschenbildes wird die theologische und politische Tragweite des paulinischen Gegen-Bildes der Völkerversöhnung „in Christus“ begreifbar. Die Genealogie der „Kinder Gottes / Abrahams“ in Gal 3–4 mobilisiert die biblischen Grundmuster eines Völker-Universums, dessen Frieden nicht in einem siegreichen Krieg gründet und das der Definitions- und Ordnungsmacht des römischen Gott-Vaters entzogen ist. Quer zu den binären Distinktionen und Identifikationen von Klasse, Rasse und Geschlecht werden die Unterworfenen in die messianischen Familien- und Geschlechterverhältnisse eines „hybriden“ horizontalen Miteinanders hineinadoptiert und damit neu identifiziert und sozialisiert, nicht mehr im ordnungskonformen Bilde der kolonisierten und versklavten „Völkerfrau Hagar“, sondern der „freien Frau“ und ihrer alternativen Welt-Metropole.
I. Paulus und das „Querdenken“ der binären Identitäten Der Galaterbrief, das große Streitgespräch des Paulus über den Glauben und die Nichtbeschneidung, ist nicht nur das Kerndokument der protestantischen Reformation, sondern eine der kirchen- und theologiegeschichtlich folgenreichsten biblischen Schriften überhaupt. Durch die Jahrhunderte christlicher Auslegung geprüft und geprägt, scheinen zwei Eckdaten der Interpretation immer noch weithin unumstößlich : Erstens richtet sich Paulus’ Polemik gegen seine „judaisierenden“ Gegner, die Tora zur Norm machen wollen, wo Glaube allein zählt. Und zweitens bedeutet der Streitruf sola fide für ihn die Initialzündung auf dem Wege der Ablösung vom Judentum hin
274
Brigitte Kahl
zur universalen Weltreligion des Post-Jüdischen, Nicht-Jüdischen, Anti-Jüdischen – dem Christentum. Diese normative Lektüre, die Paulus zum Protagonisten einer binären christlichen Identität in Antithese zum „Anderen“ macht, ist in der Paulusauslegung seit geraumer Zeit infrage und neu zur Diskussion gestellt, nicht nur im Blick auf das Andere des Judentums, sondern auch die gesamte Bandbreite der „Anderen“, die traditionell unter Berufung auf Paulus marginalisiert, subordiniert und diszipliniert wurden : Frauen, Heiden und Andersgläubige, Heteronome verschiedenster Prägungen, Erde und Natur.1 Der Versuch, Paulus als den Theologen der christlichen Binarität „querzulesen“ in der Perspektive einer Enthierarchisierung und Entpolarisierung von Geschlechter-, Klassen-, Rassen- und Religionsgegensätzen, erfordert jedoch nicht nur, seinen jüdischen Kontext wahrzunehmen, sondern sich auch mit der komplexen Verortung seiner Weltmission im römischen Machtbereich des ersten nachchristlichen Jahrhunderts auseinanderzusetzen.2 Erst so kann die Brisanz der paulinischen Rechtfertigungs- und Versöhnungstheologie für die gegenwärtigen Debatten um Identität und Inferiorität, Intersektionalität und Solidarität deutlich werden.3 Identitätsdebatten werden, nicht nur in der Antike, oft in der Form von Genealogien ausgetragen. Zwei Kapitel lang setzt sich Paulus im Galaterbrief mit den Abstammungsverhältnissen auseinander, die in Abraham und Sarah ihren Ursprung haben, aber nicht auf deren biologische und damit beschnittene Nachkommen beschränkt sind. Diese Neulektüre des Buches Genesis im Zeichen des Messias Christus re-konfiguriert die jüdische Genealogie als Menschheitsgenealogie, ohne sie von ihren jüdischen Wurzeln abzuschneiden. Die folgenden Erwägungen versuchen zunächst, in einem 1 Zur Einführung in das breite Spektrum neuerer Relektüren durch ‚New Perspective‘, feministische, postkoloniale und ökologische Paulusinterpretationen, speziell im Blick auf (Anti-)Binarität siehe u.a. James D.G. Dunn, New Perspective ; Kathy Ehrensperger, Mutually Encouraged ; David G. Horrell u.a., Greening Paul ; Claudia Janssen, Paulus ; Brigitte Kahl, Galatians Re-Imagined, 1–27 ; Luzia Sutter Rehmann, Paulinische Briefe ; Luise Schottroff, „Gesetzesfreies Heidenchristentum“ ; Elisabeth Schüssler Fiorenza, Politics of Interpretation ; Christopher D. Stanley (Hg.), Colonized Apostle ; Magnus Zetterholm, Approaches to Paul. 2 Zur Einführung in die imperialen Kontexte der Paulusbriefe ist immer noch grundlegend Richard A. Horsley (Hg.), Paul and Empire ; ferner Neil Elliott, Arrogance of Nations ; Robert Jewett, Romans ; John D. Crossan / Jonathan L. Reed, In Search of Paul. 3 Unter Intersektionalität verstehe ich, in Anlehnung an die schwarzen Feministinnen Kimberlé Crenshaw und Patricia Hill Collins, die Verknüpfung und Überlagerung verschiedener Identitätskategorien wie Klasse, Rasse, Geschlecht, Ethnizität, Religion, Sexualität etc., die in hierarchischen Dichotomien von Eigenem / Selbst versus Anderes / Fremdes konstruiert sind und ihren Niederschlag finden in vielförmigen, sich wechselseitig durchdringenden Strukturen der Ungleichheit, Diskriminierung und Unterdrückung. Vgl. dazu den Beitrag von Ulrike Auga in diesem Band.
Krieg, Maskulinität und der imperiale Gottvater
275
knappen Überblick die paulinische Konstruktion einer messianischen Genealogie vom textlichen Befund in Gal 3–4 her zu umreißen4, um dann mithilfe einer ikonographischen Untersuchung deren kontrapunktischen Charakter im Gefüge einer römischen „Genealogie der Macht“ zu erhellen. Die beiden genealogischen Kapitel des Galaterbriefes zeigen Paulus als Protagonisten einer radikalen Identitäts-Transformation, der mit seinen kleinasiatischen Gemeinden in leidenschaftlicher Auseinandersetzung um die Ordnung der Welt, den Willen Gottes und das Wesen des Menschlichen ringt. Einer der überraschendsten Momente in diesem an unerwarteten Wendungen reichen Diskurs ist der dramatische Auftritt von Paulus als gebärende Mutter in 4,19: „Meine Kinder, mit denen ich wieder in Geburtswehen bin (ὠδίνω), bis der Messias in euch Gestalt annimmt (μορφωθῇ Χριστὸς ἐν ὑμῖν) …“ (Gal 4,19)5. Was ist die Christus-förmige Identität der Galater, die messianische Gestalt (μορφή) und Gestaltwerdung (μόρφωσις) des Menschen, um deren Hervorbringung sich Paulus hier als allegorische Mutter in Geburtswehen müht ? Die traditionelle Antwort ist schnell zur Hand. Es geht um die Körperform der Unbeschnittenheit und damit – wie es scheint – um eine eindeutige sozio-religiöse Identitätsbestimmung : nicht-jüdisch. Also christlich. Paulus will die Galater unbeschnitten anstatt beschnitten, das heißt, sie sollen Christen bleiben und nicht Juden werden. Kann man auch anders lesen ? Es geht im Galaterbrief zentral um Beschneidung und Unbeschnittenbleiben, das steht außer Zweifel. Aber wenn man diese Auseinandersetzung durch das Raster von christlich versus jüdisch liest, gehen entscheidende Elemente ihres Bezugsrahmens von vornherein verloren. Die paulinische Theologie von Rechtfertigung und Versöhnung ist dann auf einen Deutungszusammenhang reduziert, in dem ihr ursprüngliches Anliegen nicht mehr zur Sprache kommen kann oder sogar in sein Gegenteil verkehrt wird. Paulus kennt (noch) keine Identitätskategorie des Christseins, das die Gegenkategorie des Jüdischseins als seine Kehrseite voraussetzt.6 Diese bereits von Krister Stendahl formulierte Grundeinsicht hat weitreichende Konsequenzen für die Interpretation von Glaube und 4
Eine ausführlichere exegetische Erörterung dazu in Christine Gerber, Paulus und seine ‚Kinder‘, 437–495 (mit Focus auf Gal 4,12–20) ; Beverly Gaventa, The Maternity of Paul ; Kahl, Galatians Re-Imagined, 273–285. 5 Übersetzung hier, wie auch im Folgenden, mit einigen Modifikationen nach Kahl, Brief an die Gemeinden in Galatien. 6 Da in unserem Sprachgebrauch der Begriff „christlich“ fast unausweichlich durch „jüdisch“ als seinen Gegenbegriff konstituiert ist und da Paulus diesen Begriff weder kennt noch toleriert, wird im Folgenden stattdessen zumeist das Adjektiv „messianisch“ verwendet, das abgeleitet ist von der hebräischen Bedeutung des Wortes Χριστός als „Messias“= Gesalbter.
276
Brigitte Kahl
Gesetz, Gnade und Werken bei Paulus.7 So vehement er gerade im Galaterbrief für πίστις und χάρις, gegen νόμος und ἒργα streitet, es gibt bei ihm keine religiöse Demarkationslinie, die Glauben und Gnade als „christlich“ kodiert und dem Gesetz und den Werken als „jüdisch“ entgegensetzt.8 Damit ist bereits eine Kernthese der folgenden Untersuchung umrissen : Paulus denkt Identität jüdisch, und er denkt sie nicht binär, sondern „anders“ – anders als man sie in Jerusalem dachte, aber vor allem anders auch als in Rom.
II. Die messianische Identität des Miteinanders von Eigenem und Fremdem Wie kann man Identität ohne Binarität denken ? Gal 3–4 verhandelt die neue messianische Identität der Galater in Gestalt eines genealogischen Diskurses, der das Buch Genesis aufnimmt und mit scheinbar bestechender Einfachheit angesiedelt ist im Schnittfeld der drei großen Grund-Kategorien der Selbst-Findung : Vater-Mutter-Kind. Aber die Vorstellung eines „einfachen“ Stammbaums und Familienkonstrukts trügt. Multiple Elternschaften, Herkünfte, Zugehörigkeiten überschneiden und verknüpfen sich. Abgesehen von ihrer „Mutter Paulus“ in Gal 4,19 haben die galatischen „Kinder“ Abraham zum Vater und Sarah zur Mutter, die ihnen zugleich auch das Bürgerrecht in der himmlischen Mutter-Stadt, der Metropolis Jerusalem verleiht (3,9.29 ; 4,26.31). Außerdem rufen sie Gott als Vater / Abba an und sind seine Kinder (3,26 ; 4,6), weil sie „Sämlinge“ des Messias Jesus sind (3,16.26–29), der geboren wurde von einer Frau, aber Gott zum Vater hat (4,4) und sich „fortpflanzt“ nicht in „Kindern“, sondern Geschwistern (4,4– 6 ; vgl. Röm 8,29). Hier entsteht ein vielfädiges genealogisches Geflecht, in dem sich göttliche und menschliche Herkunft auf verwirrende Weise vermischen. Mit atemberaubender Rigorosität werden Identitäten zur Disposition gestellt, transfiguriert und zusammengefügt zu einer neuen Form des Menschseins. Mit unverhohlenem Zorn attackiert Paulus in Gal 3,1 die „verhexte“ Selbstwahrnehmung der galatischen Gemeinden, die er als „galatische Dummköpfe“ und vom „bösen Blick geschlagen“ beschimpft. In 3,7 folgt eine erste Offenlegung ihrer wirklichen Identität als Abrahams Kinder. Diese wird im weiteren Verlauf noch zweimal, jeweils als Klimax einer längeren Argumentationskette, wiederholt, am Ende von Kapitel 4 mit Zuspit7
Krister Stendahl, Der Jude Paulus. Dazu sehr dezidiert Pamela Eisenbaum, Paul Was Not a Christian ; ferner Daniel Boyarin, Radical Jew, 2 (Paulus als „a Jew living out Judaism“) und Mark Nanos, Galatians, 7 (Beschneidungsstreitigkeiten stehen für „intra- and inter-Jewish communal disputes“, nicht „Christianity versus Judaism“). 8
Krieg, Maskulinität und der imperiale Gottvater
277
zung auf Sarah als Mutter (3,7.29 ; 4,22.31). Die Abraham-Sarah-Kindschaft der Galater und Galaterinnen ist der zentrale Punkt von Gal 3–4. Entgegen deren verschobener und fremdgesteuerter Selbstwahrnehmung (so Paulus), oder aber entgegen jedweder allgemeingültiger Norm und Ordnung (so vermutlich seine Gegner) dringt Paulus darauf, dass die Galater sich als legitime „Kinder Abrahams“ erkennen, ein Status der normalerweise nur beschnittenen Voll-Proselyten zuerkannt ist.9 Paulus zufolge steht ihre Unbeschnittenheit dem nicht mehr entgegen, weil der Glaube seit dem Messias-Ereignis zum einzig qualifizierenden Merkmal der Abrahams-Identität geworden ist (3,6.14). Vater Abraham und Mutter Sarah werden damit zu hybriden Identitätsträgern einer neuen, nicht-binären Pluriformität von jüdisch und nicht-jüdisch.10 In Wirklichkeit ist die Legitimität dieser unbeschnittenen Abrahamskindschaft keineswegs so selbstevident, wie Paulus vorauszusetzen scheint. Er muss das gesamte biblisch-theologische Inventar einer „messianischen Singularität“ aufbieten, um seinem Argument Überzeugungskraft zu verleihen. Der Tod Christi am Kreuz ist der Wendepunkt, mit dem die Abrahamskindschaft auch der nichtjüdischen Völker realisiert und damit der ihr innewohnende Segen freigesetzt werden kann (3,13–14). Dieser war, so Paulus, bis dahin nur eine Verheißung, nämlich das „Proto-Evangelium“ (προευηγγελίσατο 3,8) von Gen 12,3, dass einst in Abraham auch die anderen Völker der Erde ihren Segen finden werden, aus Glauben und in Gemeinschaft mit Abraham, dem Glaubenden (3,8–9). Dieser brückenbildende Glaube ist für Paulus zentral der Glaube an die Auferstehung des Gekreuzigten, die er als den entscheidenden lebenzeugenden göttlichen Schöpfungsakt versteht (1,1), in dem sowohl die Gottessohnschaft von Christus als auch „unsere“ Gotteskindschaft gründet : Denn erst indem Jesus „für uns“ gestorben ist und auferweckt wurde von den Toten (1,1.4 ; 3,13), kann der Abrahamssegen unter den Völkern freigesetzt werden (3,14) bzw. die Befreiung von „uns (allen)“ aus „dieser bösen Weltzeit jetzt“ (1,4) stattfinden. 9 Vgl. dazu
ausführlicher Nanos, Galatians 86–102. Der Begriff der Hybridität wird hier nicht im genau gleichen Sinne gebraucht wie von Homi Bhaba, Location of Culture, der darunter ein „mimicry“ versteht, mit der die Kolonisierten ihre Kolonisatoren imitieren, wodurch neue und ambivalente Misch-Identitäten entstehen. Obwohl die „messianische Hybridität“ des Paulus in einem kolonialen Kontext verortet ist, mit der Frage der Anpassung ringt und imperiale Begriffe und Konfigurationen zu kopieren scheint, ist sie, wie die folgenden Überlegungen zu zeigen versuchen, mindestens aus der Sicht des Paulus primär durch eine Theologie und soziale Praxis der Resistenz gegenüber der römischen Ordnung bestimmt : Als eine „hybride“ Gegen-Identität ist sie das nonkonforme Miteinander (statt Gegeneinander) von jüdisch und nicht-jüdisch auf der Ebene des „Unten“ der besiegten Völker. Vgl. dazu Kahl, „Orientalism“ of Justification by Faith ; Stanley, Paul the Ethnic Hybrid ? ; Anne Jervis, Romans 7 in Conversation with Postcolonial Theory. 10
278
Brigitte Kahl
Diese Definition des Glaubens als Glauben an die Auferstehung (vgl. Röm 4,24) und an die grenzüberschreitende Integration der Völker im Kraftfeld eines universalen Segens ist die Voraussetzung für Paulus’ Definition des Messianischen. In einer grandiosen Verdichtungsleistung führt er den gesamten Stammbaum Abrahams, (re-)definiert durch die allein entscheidende „Erbsubstanz“ des Glaubens, in dem einen „Samen“ (σπέρμα) des Messias Christus zusammen und auf ihn hin. Dieser ist, als der definitive Träger der Abrahamsverheißung, nur „einer“ (εἷς) und duldet keine plurale Deutung (3,16) – eine absolute Singularität, in der die Verheißungsmacht des abrahamitischen Völkersegens, die sich durch die Geschichte des Volkes Israels hindurch „fortgepflanzt“ und bewahrt hat (3,17), nun auf einmal ihre völkerversöhnende Lebenskraft entfalten kann. Der schon in Abraham antizipierte Bund Gottes mit der Völkerwelt wird jetzt im Messias / Christus endgültig in Kraft gesetzt (3,15.17.25). Die „messianische Singularität“ des Christus-Samens ist der Punkt in der Geschichte, in dem sich menschlich-biologische Abstammung und göttliche Herkunft kreuzen und eine Gestalt annehmen, die sowohl universale Gottessohnschaft als auch partikulare Abrahamssohnschaft verkörperlicht. Damit wird der kollektive Körper Israels, des Gottesvolkes, aufnahmefähig für die, die Nicht-Israel sind – durch Glauben und „in Christus“. Der eine messianische Same Abrahams von 3,16 ermöglicht das Einswerden von Juden und Nicht-Juden in Christus in 3,28. Er begründet aber kein neues Glied in der Vater-Sohn-Kette, sondern fungiert als eine Art „genealogischer Modulator“, der die vertikale und exklusive Struktur einer patriarchalen Genealogie mit ihren unumgänglichen Ausschlussmechanismen horizontal einebnet hin zur globalen Geschwisterlichkeit der Kinder Gottes und Abrahamserben „in Christus“ (3,26–29). Dementsprechend ist der Messias Christus nicht Vater der Galater wie Gott und Abraham. Sondern er ist die Körperform der Geschwisterlichkeit, die die Galater und Galaterinnen in der Taufe als dem Sterben ihres alten Selbst neu „anziehen“ (3,27 ; 2,19–20) und mit der sie in völlig neue Bruder-Schwester-Beziehungen hineinidentifiziert werden. Aus Paulus’ jüdischer Perspektive von Hause aus die „anderen“ (vgl. 2,15), werden sie mit Juden und Jüdinnen zusammen zu messianischen Kindern Gottes in einem geschwisterlichen Vielvölker-Israel, in das sie adoptiert sind durch Christus, den Gottessohn. Die in der Taufe erlangte Christusförmigkeit rekonfiguriert die Abrahamsidentität als eine neue Form des Selbst-Seins und Menschseins, das fähig ist, die Fremden und Anderen zu integrieren. Die Liebe als Praxis des Glaubens und Erfüllung des Gesetzes in radikalster Gestalt (5,6.13–14) wird zur Lebensordnung, in der das alte selbstbezogene und selbstbehauptende Ich stirbt und zugleich in einer neuen Konfiguration des Miteinanders und Füreinanders zu leben beginnt. Diese Existenz nach der Norm des Geistes (5,15–16.25–26 ; 6,1–2) ist die geschwisterliche „Gestalt
Krieg, Maskulinität und der imperiale Gottvater
279
Christi“, die Paulus in 4,19 in stellvertretender Geburtsarbeit wieder hervorzubringen versucht unter seinen galatischen „Kindern“.11
III. „Hagar“ und die Gegner der messianischen Identität Wenn es Paulus um eine von Grund auf neue, friedenstiftende und versöhnende Identätstheologie und -praxis geht, wer sind die, die dagegen ankämpfen ? Wenn er nicht gegen „die Juden“ und das „jüdische Ritualgesetz“ (Beschneidung) streitet, mit wem gibt es dann diese harten Auseinandersetzungen um die Christusförmigkeit (Unbeschnittenheit) der Galater, die gleich zu Anfang des Briefes in der unversöhnlichen Fluchformel eines Anathema kulminieren (1,8.9) ? Paulus thematisiert die Gegenposition zur messianischen Genealogie der Galater in 4,21–31 unter der Rubrik der „allegorischen Hagar“ (4,24). Er plädiert, im Namen der „Schrift“, leidenschaftlich für ihre und ihres Sohnes Austreibung und Enterbung (4,30), weil sie eine Sklavin ist und Sklavenkinder zur Welt bringt, was der kollektiven Realität des „gegenwärtigen Jerusalem“ entspricht (4,24–25). Ihr Sohn Ismael verfolgt die Abrahamskinder aus der Linie von Sarah / Isaak und die Freiheit, die sie verkörpern, einschließlich ihrer Vision eines „neuen Jerusalems“ als himmlischer „Mutterstadt“ (4,26–29 ; vgl. Apk 21).12 Das harsche und unversöhnliche Verdikt gegen Hagar und ihren Sohn Ismael, verbunden mit der Antithese von zwei Bundesschlüssen (δύο διαθῆκαι), ist eine der schwersten Hypotheken der christlichen Paulusauslegung. Es ist doppelt problematisch, weil einerseits hier „Hagar“ traditionell von christlicher Seite als „Judentum“ gelesen und in die Polarität von „Synagoge“ versus „Ekklesia“ eingespeist wurde, wie sie sich unter anderem auf dramatische Weise in der mittelalterlichen Bildsprache niedergeschlagen hat. Andererseits wird Hagars Sohn im Koran (Sure 2,121) gemeinsam mit Abraham zum Begründer der Kaaba in Mekka, was der paulinischen Ausschluss- und Enterbungsformel zusätzlich zur antijudaistischen eine antiislamische Spitze zu geben scheint.13 Hinzu kommt, dass die sowohl in 11 Diesen antidichotomischen und praxisförmigen Aspekt einer Ich-Rekonfiguration betont auch Gerber, Paulus und seine ‚Kinder‘, 482–483: Christus-Identität im Sinne von Gal 4,19 steht „in Opposition zum alten Ich, das dem Gesetz lebt (2,19f), bzw., daraus folgend, zur Zweiteilung der Menschheit (3,26–29), zur Rechtfertigung aus dem Gesetz (5,4).“ Christus wird damit zur „Kurzformel für das schlechthin neue Leben der Glaubenden, und zwar das sichtbar neue, jenseits der Differenzen zwischen geborenen Juden und Jüdinnen einerseits, HeidInnen andererseits.“ 12 S. ausführlicher zu Textanalyse und Literatur Angela Standhartinger, „Zur Freiheit … befreit ?“ und Letty Russel, Twists and Turns in Paul’s Allegory, ferner Kahl, Hagar between Genesis and Galatians. 13 Zum Gesamtkomplex einer interreligiösen Lektüre der Sara-Hagar-Erzählungen
280
Brigitte Kahl
der Genesisgeschichte (Gen 16 ; 21,1–21) als auch in Gal 4,30–31 manifeste Gewalt gegen die Sklavin Hagar nicht nur die herrschende Sklavenordnung der Antike, sondern auch vielfältige weitere soziokulturelle Abgrenzungsmuster und hierarchische Polarisierungen festzuschreiben scheint.14 Aus der Perspektive von Intersektionalität verkörpert Hagar Marginalisierung und Diskriminierung in einem erstaunlich breitgefächerten Spektrum multipler Identitäten als (Neben-)Frau, Sklavin, Fremde, Andersgläubige, Migrantin, Leihmutter, verstoßene Frau, alleinstehende Mutter, unbotmäßige und unbequeme Hausgenossin. „Mutter Hagar“ ist zur Matrix für die christliche Austreibung des „Anderen“ geworden. Ich möchte eine andere Interpretation vorschlagen, die das von Paulus kritisierte und allegorisch mit Hagar verknüpfte Gesetz der Sklaverei ebenso wie den Mutterschaftsstreit zwischen Sarah und Hagar nicht primär jüdisch konnotiert, sondern römisch-imperial. Hagar ist für Paulus das „Jerusalem jetzt“, das „Kinder in die Sklaverei gebiert“ (4,24–25). An keiner Stelle des Galaterbriefes wird der Text so transparent für den weiteren, über das Judentum hinausgehenden Kontext der Beschneidungskontroverse zwischen dem Juden Paulus, seinen im Namen des Judentums sprechenden Gegnern und den nichtjüdischen Galatern. Sklavenkinder, so Paulus, werden in Jerusalem geboren von versklavten Müttern. Auch die Tora als Sinaigesetz der Freiheit wird zur Sklavenordnung (4,24–25). So traumatisch diese Vorwürfe in die antijudaistische Herrschaftsgeschichte des christlichen Abendlandes eingeschrieben sind – in der Welt des ersten Jahrhunderts bedeuten sie nicht notwendig antijüdische Polemik, sondern zunächst einmal eine nüchterne Beschreibung der Realität, der auch Paulus selbst und die galatischen Gemeinden unterworfen sind : Versklavung unter die römische Ordnung.15 vgl. Phyllis Trible / Letty M. Russel (Hg.), Hagar, Sarah and Their Children und Standhartinger, Ich habe geschaut ; ferner Brigitte Kahl / Heidemarie Salevsky, Auf der Suche nach Hagar. 14 Vgl. dazu Phyllis Trible, Hagar, und Dies., Ominous Beginnings. Gegenlektüren der Genesis- Hagarerzählung aus der Perspektive der Marginalisierten haben Elsa Tamez, Hagar erschwert die Heilsgeschichte, und Delores S. Williams, Sisters in the Wilderness, aus befreiungstheologischer bzw. womanistischer Perspektive vorgelegt ; vgl. dazu auch Eske Wollrad, Wildniserfahrung. 15 Die Antithese Freiheit – Sklaverei, die nicht nur die Sarah-Hagar-Allegorie, sondern auch den Gesamtabschnitt Gal 3,28–5,13 wortstatistisch und inhaltlich stark prägt, wird z.B. in der Agrippa-Rede bei Jos., Bell. 2,345–401 mehrfach explizit auf die Situation der von Rom unterworfenen Völker und Israels bezogen. Diese müssen sich, so König Agrippa, alle mit ihrer kollektiven Versklavung abfinden, anstatt gefährlichen und nutzlosen Freiheitsphantasien nachzuhängen, wie die Judäer es gerade tun (vgl. etwa 2,355–361) ; dazu auch Kahl, Hagar between Genesis and Galatians, 229–232. Einen römischen Hintergrund der Gesetzespolemik in der Hagarallegorie vermuten u.a. auch Klaus Haacker, Paulus und das Judentum, 99 und Standhartinger, „Zur Freiheit … befreit ?“, 292–293.299–300, Anm. 63.
Krieg, Maskulinität und der imperiale Gottvater
281
Was wäre, wenn Paulus in Gestalt der allegorischen Hagar nicht „das Judentum“ angreift, sondern auf die Loyalitätskonflikte abzielt, die sich aus der hybriden Identität der Kolonisierten als „Kinder“ des Gottes Israels einerseits und des römischen Vatergottes (pater patriae) andererseits ergeben ? Was, wenn das Thema der Sarah-Hagar-Allegorie nicht die Befreiung vom „Joch der Tora“ (vgl. 5,1), sondern von der versklavenden römischen Kolonialordnung ist ? Wie Paulus in Gal 4,29 in Abweichung vom Wortlaut in Gen 21,9 konstatiert, „verfolgen“ die Sklavenkinder Abrahams ihre freien Geschwister aus Sarahs Linie. Die Schlussfolgerung liegt nahe, dass sie dies – ungeachtet ihrer Berufung auf den Buchstaben der Tora – im Geiste der Sklaverei tun, das heißt aus „Hörigkeit“ gegenüber ihrem römischen Herrn und Vater. Mit dem Begriff „Sklaverei“ würde dann Paulus auf die römische Herrschaftsordnung abzielen, der ebenso wie die Provinz Galatien auch Jerusalem unterworfen ist und die tief eingreift in das innerste Selbst-Sein Judäas sowie jedwede Artikulation von „Jüdischsein“. Die Galater, meint Paulus im Sinne dieser Argumentation, sind im Begriff, zugleich mit ihrer Unbeschnittenheit auch ihre messianische Identität zu verlieren, nicht primär an das jüdische Gesetz, sondern an die römische Sklavenordnung und deren Gesetz. Dieses sucht sich der Tora zu bemächtigen, um Ordnungswidrigkeiten – beispielsweise in Gestalt einer grenzüberschreitenden, politisch unerwünschten Verschwisterungsbewegung unter den kolonisierten Völkern – zu delegitimieren und so die Sklaverei der Unterworfenen zu perpetuieren. Damit ist die Beschneidungsfrage als „Vaterschaftsstreit“ um die jüdische Abrahamskindschaft der Galater und Galaterinnen überdeterminiert von der Frage des römischen Vaters und seiner Ordnungsbestimmungen. Das impliziert einen „hybriden“ Begriff des Gesetzes (νόμος), der im Galaterbrief zwischen Tora als göttlichem, ewig gültigem Gesetz und von Rom gesetzter Ordnung oder „Ordnungsgesetz“ oszilliert.16 Genau in dieser Ambivalenz stehen sich die allegorische Hagar und Sarah als Kontrahentinnen gegenüber. Dies bedarf der Erklärung und Illustration.
16 Zu diesen Übersetzungsvarianten vgl. Kahl, Brief and die Gemeinden in Galatien, 2147–2148. Zu einer römischen (Teil-)Konnotation der Begriffe Gesetz, Werke und Rühmen bei Paulus vgl. auch Jewett, Romans, 295–298 (u.ö.) ; Elliott, Arrogance of Nations, 138–141 ; Kahl, Galatians Re-Imagined, 196–199.209–243.
282
Brigitte Kahl
IV. Hermeneutische Zwischenüberlegung : Ist Rom lektüre-relevant ? Die „römische“ Lesart des Galaterbriefes hat einen entscheidenden Nachteil. Nirgendwo sagt Paulus explizit, dass er mit seiner „Gesetzeskritik“ nicht auf die Tora und das Jüdischsein als solche abzielt, sondern im Gegenteil auf die Anpassungsbereitschaft an das Gesetz des Imperiums, die keineswegs spezifisch jüdisch ist, sondern alle etablierten Religionen unter römischer Macht vereint. Jedoch auch jüdische Existenz ist gegen solche Überfremdungen nicht per se immun, trotz ihrer komplexen und durch lange historische Erfahrung mit den Imperien der Vergangenheit geprüften Abwehrmechanismen.17 Wenn Paulus nun aber die römische Ordnung und ihre ideologische Sogwirkung nicht direkt erwähnt, bedeutet dies, dass sie außerhalb seines Denkhorizonts lag – oder genau umgekehrt, dass ihre Präsenz zu selbstverständlich und allgegenwärtig war, um spezieller Erwähnung zu bedürfen ? War möglicherweise sogar aus Gründen des Selbstschutzes eine indirekte Redeform und das Schreiben „zwischen den Zeilen“ angeraten, um Sicherheitsrisiken zu vermeiden ?18 Die grundlegende hermeneutische Frage ist, ob der römische Kontext in der Tat von vornherein ein entscheidender Deutungshintergrund war, den die galatischen Gemeinden bei der Lektüre des Paulusbriefes vor Augen hatten und der ihr Verständnis bestimmte – während wir diesen Kontext nicht mehr sehen und darum zu völlig anderen Interpretationsentscheidungen gelangen. Im Folgenden wird der Versuch unternommen, über eine „kritische Re-imagination“ den paulinischen Text probeweise mit einem Bildausschnitt seines originären visuellen Kontextes (im weitesten Sinne) zu verbinden. Die Ikonographie des Augustusforums in Rom und des Kaiserheiligtums in Aphrodisias kann mit einer gewissen Plausibilität als sachgerechte hermeneutische Projektionsfläche für den genealogischen Diskurs im Galaterbrief gesehen werden. Sie soll dem Text „unterlegt“ werden, für den sich aus dieser Intertextualität mit der Bildsprache des frühen Prinzipats heraus neue Deutungshorizonte eröffnen.19 17 Zur bislang unterschätzten Präsenz des Kaiserkults in Judäa etwa und den damit einhergehenden sozialen Pressionen, Auseinandersetzungen und Anpassungsleistungen vgl. die instruktive Neueinschätzung von Monika Bernett, Kaiserkult in Judäa. 18 Vgl. den Verweis von Gal 2,4 auf „Pseudo-Brüder“, d.h. Informanten und Spione. Zur Gesamtfrage konspirativer Hermeneutik und (selbst-)zensierter Kommunikation in repressiven Herrschaftssystemen siehe James C. Scott, Hidden Transcripts ; für die Frage der Anwendbarkeit auf neutestamentliche und paulinische Texte Horsley, Hidden Transcripts ; Neil Elliott, Strategies of Resistance ; Kahl, Reading Luke against Luke. 19 Zu Begriff und Methode von „kritischer Re-Imagination“ siehe ausführlicher Kahl, Galatians Re-Imagined, 27–29.250 –253 ; Davina Lopez, Apostle to the Conquered, 17– 22.168–170.
Krieg, Maskulinität und der imperiale Gottvater
283
V. Kritische Re-Imagination : Das Augustusforum und der römische Hintergrund der Galaterkontroverse Auch außerhalb des Judentums werden Identitäten durch Genealogien konstruiert und dekonstruiert, beispielsweise in Rom. Eine der bemerkenswertesten ideologischen Produktionen im Übergang von der römischen Republik zum Prinzipat ist die Fabrikation einer Genealogie des Imperiums durch Augustus. Im Augustusforum in Rom ist diese Genealogie in Stein und Marmor umgesetzt worden (Abb. 1).
Abb. 1: Forum des Augustus in Rom20
Das Augustusforum wird im Jahre 2 v.Chr. eingeweiht. Es besteht aus einem Tempel für den Kriegsgott Mars Ultor und zwei langgestreckten, einander gegenüberliegenden Säulenhallen, in denen die Statuen großer römischer Männer der Vergangenheit (summi viri) platziert sind mit der Aufzählung ihrer Titel sowie militärischen und zivilen Verdiensten. Dazwischen liegt das eigentliche Forum, die Plaza oder Agora. Der Gesamtraum ist ein Ort für vielfältige öffentliche, religiöse und Staatsgeschäfte. Die Ahnengalerie der steinernen Heroen wird also tagtäglich von großen Menschenmengen bevölkert. Augustus hat in diesem Gesamtkomplex die zentrale Position, und zwar als „Vater“ des Ganzen. Im Jahre 2 v.Chr. (also dem Eröffnungsjahr des Forums) wird ihm der Titel pater patriae verliehen, den er in seinem Tatenbericht der Res Gestae in Kapitel 35 ganz am Schluss und als Höhepunkt aller ihm je zuteilgewordenen Ehrungen mitteilt. Der Senat lässt ihn einmeißeln im Sockel einer Triumphalquadriga, die aus diesem Anlass in der Mitte des Augustusforums aufgestellt wird.21 20
Paul Zanker, Macht der Bilder, 118. Zur Beschreibung und Interpretation siehe Mary Beard / John Henderson, Classical Art, 165–175 ; Zanker, Macht der Bilder, 118–119.196–217. Vgl. unter den antiken Quellen besonders Suet., Aug. 29 ; R. Gest. Div. Aug. 29.35 ; Ov., Fast. 5,545–598 ; Cass. Dio 55–56,27. 21
284
Brigitte Kahl
Das Gesamtkonzept des pater patriae ist, genauer betrachtet, eine Genealogie der Weltmacht, die im Forum des Augustus in räumliche, bildliche, inschriftliche und performative Anordnungen „übersetzt“ wird – eingeschrieben (inscribendum / ἐπιγραφῆναι) nicht nur in Stein wie am Sockel der Quadriga (R. Gest. Div. Aug. 35), sondern auch in lebendige Körper und Seelen. Der klassische Archäologe und Kunsthistoriker Paul Zanker, dessen Buch über „Augustus und die Macht der Bilder“ bahnbrechend für die Analyse von visuellen Formen augusteischer Ideologie bis hinein in die neutestamentliche Wissenschaft wurde, hat das Augustusforum analysiert in seiner Funktion als in Stein gesetzter genealogischer Familien- und Staatsmythos der julischen Dynastie.22 Durch die sorgfältig kalkulierte RaumBild-Anordnung wird die neue römische Identität im Übergang zum Imperium (immer noch als Republik verkleidet) begehbar, sichtbar, erfahrbar, lesbar gemacht ; sie wird zugleich praktiziert in der vielfältigen Abwicklung von Bürger- und Staatsgeschäften im Angesicht der „Vorfahren“ – ihnen zum Bilde und im Bilde des imperialen princeps, des Vaters des Vaterlandes (Abb. 2).
Abb. 2: Forum des Augustus im Grundriss (nach Zanker)23
22 23
Zanker, Macht der Bilder, 199.214. Ebd., 197.
Krieg, Maskulinität und der imperiale Gottvater
285
Die Augustus-Genealogie, wie sie vom Forum präsentiert wird, weist erstaunliche Parallelen zur messianischen Genealogie des Galaterbriefes auf. Wie der paulinische Christus ist auch Augustus sowohl Gottessohn (divi filius) wie „Menschensohn“, und diese Herkunft wird, dem dreigliedrigen Schema des Grundrisses entsprechend, dreifach abgeleitet : Auf der rechten Seitenlinie erscheint Romulus im Zentrum, Sohn von Mars bzw. Ares und der Priesterin Rhea Silvia (Ilia), der Gründervater Roms. Eingebettet in eine lange Reihe der republikanischen summi viri zeigt er sich mit den erbeuteten Feindeswaffen (spolia opima) im Mittelfeld der halbkreisförmigen Apsis als das Bild der kriegerischen Tapferkeit (virtus). Seine Haus stand auf dem Palatin, der als Personifikation direkt auf dem Giebelfeld des Tempels links unten abgebildet ist. Auch Augustus wohnt dort, der neue Gründer Roms und als solcher Romulus’ Erbe, der dessen Vermächtnis bzw. die ihm in der Aeneis des Vergil zugeordnete „Verheißung“ erfüllt.24 Romulus gegenüber steht in der linken Seitenlinie Aeneas, Weltenwanderer wie Abraham und Eroberer Italiens. Er ist der Sohn der Venus / Aphrodite und verkörpert das patriarchale Bild der frommen Ehrerbietung ( pietas) : Während er auf den Schultern seinen greisen Vater Anchises mit den Hausgöttern (Penaten) aus dem brennenden Troja trägt, hält er den kleinen Sohn Julus / Ascanius an der Hand, von dem viele Jahrhunderte später sich das julische Königshaus herleiten wird mit Julius Cäsar als seinem ersten Repräsentanten. Durch Aeneas werden die beiden Mythenkreise der Troja- und Romulussage verknüpft, eine Verbindung, die für den neuen Staatsmythos tragend ist.25 Die beiden Seitenlinien, jeweils mit einem göttlich gezeugten Vorvater im Zentrum, verbinden göttliche und menschliche Herkunft. Die Gottessohnschaft als solche wird nochmals sehr dominant markiert durch die Dreiergruppierung von Venus, Mars und Julius Cäsar, deren Kultbilder im Tempel aufgestellt sind. Mars hat hier die zentrale Position, und er ist auch die Mittelfigur im Giebelfeld, das heißt in der Außenansicht des Tempels. Damit ist eine Zentrallinie konstruiert, die die beiden Marsbilder direkt mit dem Quadrigamonument des Augustus als dem pater patriae verbindet und gewissermaßen das Rückgrat der gesamten genealogischen Architektur des Augustusforums bildet. Diese Hauptachse weist Augustus in direkter Abkunft als „Sohn des Mars“ aus. Darüber hinaus ist Augustus auch noch „Sohn“ der Göttin Venus und des vergöttlichten Julius Cäsar, seines Adop24 Zanker spricht von der Deutung der römischen Gesamtgeschichte als „eine[r] vom Schicksal vorherbestimmte[n] Heilsgeschichte“ (a.a.O., 197), die mit der von Augustus organisierten Säcularfeier des Jahres 17 v.Chr. in ihr „Goldenes Zeitalter“ eingetreten war (ebd., 171–196). Die Nähe und potentielle Spannung zur Eschatologie der Abrahamsverheißung in Gal 3–4 ist deutlich zu greifen ; vgl. dazu David R. Wallace, Gospel of God. 25 Zanker, Macht der Bilder, 198.
286
Brigitte Kahl
tivvaters. Damit ist er in mehrfacher Hinsicht „rein“ göttlicher Herkunft, das heißt divi filius, „Sohn Gottes“.26 Wie bei Paulus hat der imperiale Diskurs über Väter und Söhne wenig mit biologischer Herkunft und umso mehr mit politischer Theologie zu tun. Wie im Galaterbrief geht es auch im Augustusforum um die Begründung einer Weltreligion, das heißt die universale Identität eines Weltgottes, Völkervaters, Weltvolkes, die in komplexen und vielfädigen göttlich-menschlichen Abstammungslinien verankert wird. Hier wie dort wird ein konkreter nationaler Stammbaum als „Sonderfall“ im Völkeruniversum hervorgehoben und zugleich „internationalisiert“, steht nicht nur die individuelle Singularität des einen göttlichen „Samens“ zur Debatte, sondern auch deren kollektive und universale Bedeutung : Wie der jüdisch-messianische Gottessohn Jesus Christus die Weltvölker (ἔθνη) im Vielvölkervolk des Gottes Abrahams und Sarahs zusammenführt, hat auch der imperiale divi filius als Weltgott und Weltvater unumschränkte Eingriffsgewalt in die Existenz der Völker (gentes), indem er den orbis terrarum unter römischer Macht und römischer Religion vereint.27 Das Muster dieser Integration allerdings ist der paulinischen Anordnung diametral entgegengesetzt. Anders als in der messianischen „Genealogie der Ohnmacht“, in der ein Gekreuzigter und Angehöriger eines unterworfenen Volkes zum Kristallisationspunkt der Völkerintegration wird, ist die Genealogie des Augustus zugleich die Genealogie des Imperiums, in der die Prärogativen sowohl von Maskulinität als auch von Krieg und Sieg eingeschrieben sind : Der Kriegsgott Mars Ultor mit seinem imposanten Tempel besitzt das eigentliche Hausrecht im Augustusforum, wo nicht nur der singuläre Status des Augustus, sondern auch die kollektive Identität des römischen populus konstituiert wird. Mit seinem Sieg über die Cäsarenmörder Cassius und Brutus bei Philippi im Jahre 42 v.Chr., dem ursprünglichen Anlass für das Projekt des Marstempels,28 hat sich der Vaterrächer Octavian dem Vaterretter Aeneas und dem Stadtgründer Romulus als ebenbürtig erwiesen, ein würdiger Sohn nicht nur Cäsars, sondern auch des „rächenden“ (ultor) Kriegsgottes Mars. Krieg ist die eigentlich generative Kraft der römischen Genealogie, und Sieg der genealogisch wirksame (Geschlechts-)Akt, der „Söhne“ hervorbringt und Identität, Zugehörigkeit, Status konstituiert : Rom als die „Söhne 26 Die in der Forschung lange vertretene strikte Unterscheidung der beiden Begriffe divus (vergöttlicht) und deus (Gott) wird inzwischen stark bestritten ; mindestens im Griechischen ist sie ohnehin relativiert, wo aus dem divi filius der υἱὸς θεοῦ und θεός wird ; vgl. Michael Peppard, Son of God, 41–44. Unabhängig von allen ontologischen Spekulationen verweist dies auf eine „funktionale“ Göttlichkeit des Kaisers ; vgl. die folgende Anm. 27 Zur Funktion imperialer Religion als einer Weltreligion mit de facto „monotheistischer“ Spitze im Kaiser-Gott-Vater (ungeachtet des polytheistischen Rahmens) vgl. die Debatte in Kahl, Galatians Re-Imagined, 138–148.164–167. 28 Ov., Fast. 5,569–578 ; Suet., Aug. 29,2.
Krieg, Maskulinität und der imperiale Gottvater
287
des Mars“, die Herren der Welt, das Volk in der Toga, vom Götter- und Menschenvater Jupiter höchstpersönlich bestimmt zur weltweiten Unterwerfung der anderen Völker in einem „Imperium ohne Ende“.29 Dementsprechend wird im Augustusforum nicht nur Recht gesprochen und römische Außenpolitik in Szene gesetzt, sondern es hat auch eine lange Reihe römischer Männlichkeits- und Kriegsrituale hier ihren Ort : der Übergang von jungen Römern zur Mannbarkeit und ihre Einschreibung in die Militärlisten, die Aufbewahrung von Kriegstrophäen, beispielsweise die im Jahre 17 v.Chr. von den Parthern zurückgewonnen Feldzeichen, die Erklärung von Kriegen oder die Ausrufung von Frieden und Triumphzügen, die Verabschiedung von Gouverneuren vor der Abreise in ihre Provinz.30 All das sind Vollzüge, die individuelle und kollektive Identität aus männlicher und militärischer Macht herleiten – oder aus Unmännlichkeit und Niederlagen wie im Falle der Unterwerfungserklärungen unterworfener Fremdvölker, die ebenfalls im Augustusforum entgegengenommen werden.31 Damit kehren wie zurück zu „Hagar“ und der Negativ-Bestimmung besiegter Völker als Sklavinnen.
VI. ἔθνη : Die Karyatiden des Augustusforums und die „Völker-Frauen“ von Aphrodisias Die von Mars und Maskulinität geprägte imperiale Genealogie des Augustusforums ist notwendig binär ; als solche konstituiert sie vertikale Verhältnisse der Unterordnung, die die Menschheit unterteilen in Sieger und Unterworfene. Die „intersektionale“ Eigenlogik der Binarität reproduziert diese politische, soziale und ökonomische Dichotomie zwischen herrschendem Selbst und beherrschtem Anderen im Imaginären der imperialen Ideologie auch als Geschlechtergegensatz : In Antithese zur sieghaften Maskulinität der Marssöhne werden die besiegten Völker in der römischen Bildsprache häufig in Weiblichkeit „übersetzt“ und in Gestalt von Frauen abgebildet. Das am besten bekannte Beispiel für diesen Bildtypus liefert das Kaiserheiligtum von Aphrodisias in der römischen Provinz Asien, das in den Regierungsjahren der Kaiser Tiberius bis Nero errichtet wurde und
29 Verg., Aen. 1,279 ; vgl. die „martialische“ Gesamtkonstruktion der römischen Genealogie von Aeneas über Romulus bis in 1,263–272.273–290, jeweils inauguriert durch einen gewaltigen Krieg (Aeneas bei der Eroberung Italiens) oder einen direkten Zeugungsakt von Mars wie bei Romulus, dem Vater der Römer, und Rom als der Mars-Stadt. 30 Suet., Aug. 29,2 ; Cass. Dio 55–56,27 ; zur Verbindung von Maskulinität und Macht im Augustusforum siehe auch Barbara Kellum, Phallus as Signifier. 31 Suet., Aug. 21,2
288
Brigitte Kahl
damit in unmittelbarer zeitlicher wie räumlicher Nähe zur Galaterkorrespondenz des Paulus angesiedelt ist (Abb. 3).32
Abb. 3: Frauenstatuen als Sinnbilder besiegter Völker im Kaiserheiligtum in Aphrodisias
Etwa 50 Völkerfrauen in unterschiedlicher Tracht und Gestalt waren in Aphrodisias als Statuen aufgereiht. Das Muster geht auf das Pompeiustheater in Rom zurück33 und unterscheidet sich zunächst deutlich vom primär maskulin konfigurierten Bildprogramm der summi viri im Augustusforum.34 Dennoch sind auch im Augustusforum die besiegten Völker als Frauen visuell präsent, und zwar in Form von Karyatiden (Abb. 4). Karyatiden sind in der Architektur Säulen in Frauengestalt. Sie wurden erstmals verwandt in der sogenannten „Korenhalle“ des Erechtheion auf der Akropolis in Athen 32 Zur Einführung vgl. Beard / Henderson, Classical Art, 189–192 ; R.R.R. Smith, Simulacra Gentium ; Lopez, Apostle to the Conquered, 42–48. 33 Sueton berichtet von einem Albtraum Neros, in dem der Kaiser von den zum Leben erwachten Statuen besiegter Völker (a simulacris gentium) im Pompeiustheater umringt wurde, die ihn am Weitergehen hinderten (Suet. Nero 46,1). 34 Mit hoher Wahrscheinlichkeit gab es im Augustusforum aber zumindest einen inschriftlichen Verweis auf die Liste der besiegten Völker, die sich auf dem Sockel der dem pater patriae geweihten Augustus-Quadriga befand, möglicherweise als eine erste Fassung der Völkerliste von R. Gest. Div. Aug. 26–33, wie Claude Nicolet, Space, Geography, and Politics, 41–47 vermutet. Die Grundlage ist eine nicht ganz eindeutige Notiz bei Vell. 2,39.2: „Der göttliche Augustus machte außer Spanien und anderen Völkern, deren Namen sein Forum schmücken, auch Ägypten steuerpflichtig …“ (Übers. Marion Giebel). Die Existenz einer Sammelinschrift der Augustussiege auf dem Sockel der Triumphalquadriga, von der auch Zanker, Macht der Bilder, 216 ausgeht, belegt die universale Welt-Bedeutung des pater patriae als „Völkervater“. So auch Nicolet, a.a.O., 43: „The title of Pater Patriae could, by an explicit analogy to the Father of Gods, suggest a universal terrestrial domination.“
Krieg, Maskulinität und der imperiale Gottvater
289
Abb. 4: Karyatide aus dem Erechtheion in Athen (Britisches Museum, London)
und symbolisieren unterworfene Völker. Auf dem Augustusforum sind sie über den summi viri im oberen Geschoss der beiden Seitenkolonnaden platziert, deren äußere Säulenreihe sie bis zum Dach verlängern (vgl. Abb.1). Ihre erhöhte Position ist kein Ehrenplatz. Architektonisch fungieren sie als tragende Elemente und müssen die ganze Deckenstruktur auf ihren Schultern halten – wie Atlas, ihr männliches Pendant, und wie zahllose andere „tragende Barbaren“ in der römischen Bildsprache.35 Vitruvius zufolge ist dies die immerwährende Erinnerung an ihre Sünde (peccatum) und die Strafe (poena), die sie zu „tragen“ haben. Wie er im ersten Buch von De Architectura (1,5) mitteilt, habe Karyai (nahe Sparta gelegen) einstmals in den Perserkriegen mit den Feinden gemeinsame Sache gemacht und sei dann von den Griechen brutal bestraft worden, indem die Männer getötet und die Frauen in die Sklaverei geführt wurden. Dort mussten sie ihre Nationaltracht beibehalten, um die Erinnerung an ihre Schuld und Versklavung auf ewig visuell präsent zu halten und für ihre Stadt Sühne zu leisten. Die Karyatiden des Augustusforums, in der Rolle der unterworfenen Völker als Schuldsklavinnen und Lastenträgerinnen Roms, sind ein Abbild sowohl jüdischer als auch galatischer Realität zur Zeit des Paulus. Obwohl erst im Jahre 25 v.Chr. von Augustus zur römischen Provinz gemacht, ist Galatien in Kleinasien schon seit 189 v.Chr. durch Rom unterworfen. Der von Manlius Vulso befehligte mörderische Raubzug endete damals in einem blutigen Massaker.36 Auch Judäa, Provinz seit 6 n.Chr., ist bereits seit 63 35 Vgl. dazu
Rolf Michael Schneider, Bunte Barbaren. Liv. 38,12–50. Vgl. die ausführliche Darstellung der historischen Ereignisse in Kahl, Galatians Re-Imagined, 169–207 und die Zeittafel XIX–XXIII. 36
290
Brigitte Kahl Abb. 5: Sockel für Judäa als unterworfene Völkerfrau mit der Aufschrift
ΕΘΝΟΥΣ ΙΟΥΔΑΙΩΝ
aus Aphrodisias
v.Chr. unter römischer Herrschaft. Der Akt der Unterwerfung gestaltete sich hier ähnlich traumatisch wie in Galatien, da der Eroberer Pompeius den Tempel in Jerusalem entweihte. Auf diesen gemeinsamen Erfahrungshintergrund der Kolonisation, der das jüdische Volk und die nicht-jüdischen Völker verbindet, verweist im Kaiserheiligtum von Aphrodisias sehr eindrücklich das Fragment eines Frauenstandbilds aus der Völkerfrauengalerie, von dem nur der beschriftete Sockel erhalten ist (Abb. 5). Die Inschrift ΕΘΝΟΥΣ ΙΟΥΔΑΙΩΝ (des Volkes der Judäer) macht deutlich, dass der Begriff ἔθνη, traditionell in der Paulusauslegung als „Heiden“ übersetzt, im zeitgenössischen Kontext einen weitaus breiteren Bedeutungsrahmen hat. Während ἔθνη aus jüdischer Sicht und auch für Paulus „Nichtjuden“ bedeutet und abgrenzend gebraucht werden kann wie in Gal 2,15, ist es aus römischer Sicht ein Sammelbegriff für die gesamte Vielzahl der gentes / ἔθνη, Judäa nicht ausgenommen. Er bezeichnet die Völker allgemein und die unterworfenen Völker speziell. Die Inschrift belegt, dass Judäa seinen selbstverständlichen Platz in der Reihe der tribut- und gehorsamspflichtigen Sklavenfrauen („Hagar“) hatte. Dies wird bestätigt durch zahlreiche andere Sockelinschriften für erhaltene oder nicht mehr erhaltene Völkerfrauen, die das ΕΘΝΟΣ ΙΟΥΔΑΙΩΝ im Völkerpanoptikum des Kaiserheiligtums nicht als Einzel- oder Sonderfall, sondern Teil des Gesamtkollektivs der Unterworfenen ausweisen. Damit wird deutlich, dass die zentrale Frage des Galaterbriefes nach der Verkündigung des messianischen Völkerevangeliums (Gal 1,16), traditionell als „Heidenmission“ verstanden, kein ausschließlich individuelles
Krieg, Maskulinität und der imperiale Gottvater
291
und religiöses Phänomen ist, sondern in einem weiteren politischen, ideologischen und internationalen Rahmen verstanden werden muss. Das Zusammendenken und die gemeinsame Existenz von Judentum und ἔθνη ist keine paulinische oder „christliche“ Erfindung. Der Gedanke einer Einheit von jüdischem Volk und nichtjüdischen Völkern unter einem universalen Gottessohn und göttlichen Völkervater hat seinen Ursprung nicht im Neuen Testament, sondern in der Realität der römischen Weltmacht, die sich bereits ihre eigene Weltreligion geschaffen hatte, als Paulus daran ging, den Messias Jesus als Evangelium unter den Völkern (ἔθνη) zu verkünden (1,16).37 Heißt das, dass Paulus die imperiale Universalität imitiert und deswegen gegen die jüdische Partikularforderung der Beschneidung polemisiert ? Will er ein Gegenimperium gründen, das den patriarchalen Status quo des Imperiums im Wesentlichen intakt lässt, nur unter „christlichem“ (und damit notwendig antijudaistischem) Vorzeichen ? So wird es ihm unter anderem von feministischen Auslegerinnen häufig vorgeworfen, wobei das Austreibungs- und Enterbungsverdikt gegen die „Sklavin Hagar“ eine zentrale Rolle spielt.38 Aber vor dem Bildhintergrund der augusteischen Karyatiden und der Völkerfrauen von Aphrodisias lässt die Hagar-Polemik auch eine ganz andere Auslegung zu.
VII. Gaias Lächeln : Hagars Sklavensöhne und ihr imperialer Vater Der Akt der Unterwerfung, wie allein das Beispiel Judäas und Galatiens zeigt, ist weniger harmlos als es im ästhetisierten Erscheinungsbild der Völkerfrauen in Aphrodisias oder der lastentragenden weiblichen „Säulenheiligen“ in den Wandelhallen griechisch-römischer Macht erscheint. Krieg und Sieg implizieren Gewalt und Vergewaltigung, in der Antike und bis heute. 37 Das ist auch die zentrale Ausgangsthese der Arbeit von Lopez, Apostle to the Conquered, die die hier skizzierten Überlegungen mit weiterem Bild- und Textmaterial eindrücklich untermauert. 38 Sheila Briggs, Galatians, 224–25 spricht von einer Perpetuierung des Gegensatzes versklavt –frei (und damit der Sklaverei als System) in Gal 4,21–31 sowie einer „Enteignung“ des Judentums von seiner Abrahamsherkunft und religiösen Identität. Ähnlich Schüssler Fiorenza, Rhetoric and Ethics, 164– 65 und Dies., Politics of Interpretation, 50. Hier wird vor allem die Gewalt-Rhetorik von Paulus kritisiert, die sich nicht wesentlich unterscheide von den „hegemonialen Diskursen der Herrschaft und des Imperiums“, indem sie die „sozialen Werte und herrschenden Verhältnisse des griechisch-römischen Imperialismus“ neu einschreibt. Etwas anders Boyarin, Radical Jew, 32–36, der die paulinische Austreibung Hagars als des jüdischen „Anderen“ vor dem Hintergrund eines platonischen Einheitsdenkens als Vorform des christlich-abendländischen „Zwangsuniversalismus“ (coercive universalism) versteht.
292
Brigitte Kahl
Die Transformation von freien Frauen in Sklavinnen ist kein konsensueller Akt. Auch diese Realität ist in Aphrodisias visuell durchaus präsent. Die Bilder beispielsweise, die einen maskulinen Kaiser Claudius im Triumph über
Abb. 6: Kaiser Claudius und die unterworfene Britannia (Aphrodisias)
Abb. 7: Kaiser Nero und die unterworfene Armenia (Aphrodisias)
die halbnackte Britannia zeigen (Abb. 6) oder Nero in ähnlich dramatischer Bezwingerpose über Armenia (Abb. 7), lassen im Blick auf Gewaltsamkeit und sexuelle Konnotationen nichts unverhüllt ;39 sie zeigen die Obsession der Sieger, in der Demütigung ihrer unterlegenen Gegner die eigene Größe zu inszenieren. Als Akteure auf der politischen Bühne sind sowohl Claudius als auch Nero zeitgleich mit Paulus, d.h. diese Visualisierungen römischer Macht – unabhängig davon, ob Paulus das Kaiserheiligtum in Aphrodisias jemals besucht hat – besitzen eine unbestreitbare Nähe zur Galaterkorrespondenz und sollten als Teil von deren Deutungshintergrund ernst genommen werden. In Britannia und Armenia spiegelt sich das kollektive Trauma auch der anderen bereits „pazifizierten“ Völkerschaften, beispielsweise von Galatia und Judäa.40 39 Vgl. dazu
besonders Lopez, Apostle to the Conquered, 16–17.42–55. der „personifizierten Landkarte“ des Imperiums in Aphrodisias repräsentieren Britannia und Armenia nicht nur neu oder noch unerobertes Territorium, dessen Unterwerfung sichtbar der Gewalt bedarf, sondern auch entgegengesetzte Außenpole und Grenzregionen in der Nord-Süd- und West-Ost-Ausdehnung des Gesamtreichs ; vgl. Clifford Ando, Imperial Ideology, 312 ; Smith, Simulacra Gentium, 77. 40 Auf
Krieg, Maskulinität und der imperiale Gottvater
293
Abb. 8: Gaia (mit Füllhorn und Kind) zu Füßen von Roma (Aphrodisias)
Als Sieger über den weiblich imaginierten Körper der Unterworfenen hat Rom unbeschränkte Zugriffsgewalt auf deren Produktions- und Reproduktionskraft, auf ihre Arbeit, ihr Land und ihre Kinder. Ein weiteres Relief von Aphrodisias zeigt dies besonders einprägsam : Eine unterworfene Frau präsentiert der siegreichen Herrin Roma (dargestellt in Siegerinnenpose mit einem nicht mehr erhaltenen Speer in der erhobenen Hand) die Früchte ihrer Fruchtbarkeit, ein überquellendes Füllhorn, an dem noch ein kleines Kind klammert (Abb. 8). Diese Frau allerdings ist keine Unterworfene mit einer besonderen ethnischen Identität, sondern sie verkörpert in einem gewissen Sinne die Völkerfrauen in ihrer Gesamtheit. Sie ist die Erzmutter der Unterworfenen, die Erdmutter Gaia, auch sie eine Sklavin, deren Fruchtbarkeit dem siegreichen Rom gehört.41 Wie Judäa, Galatien und alle anderen Völkerfrauen von Aphrodisias gebiert Gaia ihre Kinder in die römische Sklaverei – und wie die Sklavenfrau Hagar von Gal 4,24. Diese Gaia-Darstellung von Aphrodisias, im Verbund mit den anderen Abbildungen der versklavten Völkerfrauen, bietet einen neuen Deutungsrahmen für die paulinische Hagar-Polemik. Gaia, die romergebene Sklavin zu Füßen ihrer Herrin, trägt ein Lächeln im Gesicht. Dieses Lächeln und die heitere Mine der anderen auf ihren Podesten posierenden Völkerfrauen können die Verzweiflung nicht vergessen machen, die denjenigen weiblichen Völkerpersonifikationen im Gesicht steht, die direkt im Akt der Un41 Nach Smith, Simulacra Gentium, 77 war dieses Relief zusammen mit einer weiteren Abbildung von Kaiser Augustus als Retter und Wohltäter von Land und Meer (in dem ebenfalls eine „kooperative“ Gaia mit dargereichtem Füllhorn gezeigt wird) den beiden Reliefs der eroberten Armenia und Britannia unmittelbar zugeordnet.
294
Brigitte Kahl
terwerfung gezeigt werden. Aber es reflektiert den offiziellen Staatsmythos, wonach auch die Unterworfenen selbst in der Unterwerfung durch Rom ihr eigentliches Heil sehen oder sehen müssen.42 Zuwiderlaufende Heilsvorstellungen stehen unter harter Strafandrohung. Das Lächeln Gaias ist der öffentlich zugelassene und erwünschte Ausdruck einer in Wahrheit erzwungenen Kooperationsbereitschaft ; es signalisiert das Sichfügen und Einfügen in die römische Ordnung, wie sie die Herren und Herrinnen von ihren Sklavinnen und Sklaven ebenso erwarten wie von deren Kindern. Genau hier könnte das Dilemma der „allegorischen Hagar“ und ihrer in die Sklaverei geborenen Kinder liegen, das Paulus mit seinem kategorischen Imperativ der Befreiung (5,1) zu „exorzieren“ versucht : Nämlich die angeblich selbstbestimmte, in Wirklichkeit aber fremdgesteuerte Selbstunterwerfung der Versklavten unter das Gesetz der Sklaverei. Sklavenkinder gehören im römischen Gesetz, unabhängig von der biologischen Vaterschaft und Familienzugehörigkeit, in die Verfügungsgewalt des Hausvaters und haben sich dessen Willen zu fügen, seine Normen und Ordnungsvorstellungen zu vertreten und durchzusetzen – notfalls mit Gewalt. Paulus’ galatische Adressaten kennen das Problem : Ihre Söhne dienen inzwischen als Soldaten in den Legionen Cäsars, mit einem neuen römischen Namen und einer imperial rekonfigurierten Sohnesidentität versehen. Sie stehen mit ihrem Leib und Leben dafür ein, andere der Ordnung des römischen „Vaters“ zu unterwerfen, so wie ihre eigenen Völker einst unterworfen wurden.43 Auch wenn ein Legionär am Ende seiner Dienstzeit römisches Bürgerrecht und damit die Freiheit erhält, ist dies für Paulus ebenso wenig ein Ausweg aus der Sklaverei wie die Beschneidungsforderung seiner jüdischen Kontrahenten. Auch diese gebrauchen Gewalt (διώκειν 4,29), die Paulus parallelisiert mit seiner eigenen Gewalt, wie er sie in der Zeit vor Damaskus exzessiv einsetzte (διώκειν 1,13). Das Anliegen der „Verfolgung“ scheint zunächst rein innerjüdisch motiviert und in der Tora begründet zu sein, d.h. in Galatien die Aufrechterhaltung klar erkennbarer Identitätsmarkierungen und legitimer Grenzziehungen zwischen dem „Eigenen“ (beschnitten) und dem „Fremden“ (unbeschnitten). Dennoch sieht Paulus hier vermutlich vor allem die Ordnungsprinzipien des römischen Gesetzes vertreten, das seine universal versklavende Macht auf die Gewalt und auf das Gegeneinander der Völker gründet.44 42 Ein klassisches Beispiel dafür bietet etwa die Romrede des Aelius Aristides. Zur ideologischen Produktion eines „Konsenses“ zwischen Provinzen und Zentrum vgl. Ando, Imperial Ideology, der allerdings den Gewaltaspekt m.E. unzureichend berücksichtigt. 43 Zu den militärischen Aspekten der Kolonisation Galatiens vgl. Kahl, Galatians ReImagined, 176–179.184–185. 44 Konkret spielten in der Beschneidungskontroverse wahrscheinlich die normativen sozialen Muster der Kaiserreligion eine größere Rolle als üblicherweise angenommen. Die religiöse „Fahnenflucht“ der (unbeschnittenen) Völker von den vielfältigen
Krieg, Maskulinität und der imperiale Gottvater
295
Die ethnisch gemischten messianischen Gemeinschaften in Galatien und anderswo, die sich zum jüdischen Gott als Weltgott und Völkervater bekennen, obwohl sie keine klar definierte jüdische Identität (Beschneidung) besitzen, stellen von Grund auf das Bild des römischen Völkervaters und Völkergottes infrage, wie es in Aphrodisias, im Augustusforum und anderswo gezeigt wird. In einem ikonoklastischen Akt messianischer Selbsttransformation (Gal 3,28 ; 4,19) imaginieren sie sich als „Kinder der Freiheit“ und unterstellen sich dem Gott Israels als Vater bzw. Sarah als „freier“ Mutter und Mutterstadt (Gal 4,6.26), während sie in Wirklichkeit ausnahmslos Kinder von versklavten Völkerfrauen sind, die dem imperialen pater patriae und der Metropolis Rom unterstehen.45 Und sie praktizieren eine Form von Gemeinschaft, die das Eigene und das Fremde – ἴδιος / Identität und ἕτερος / Alterität – in ein radikal neues Verhältnis setzt. Nicht die Unterwerfung oder Ausgrenzung, sondern die Zulassung und Einbeziehung des / der Anderen gilt als Bedingung authentischer Selbstfindung.46 All dieses sind aus römischer Sicht flagrante Ordnungswidrigkeiten, die dem Weltbild des Imperiums buchstäblich „aus dem Rahmen fallen“. Sie untergraben in ihrem Kern nicht nur die Universalitätsansprüche der römischen Weltreligion und ihres Weltgottes, sondern auch den Glauben an die Urmacht des Krieges und der Gewalt, samt allen damit verbundenen antithetischen Anordnungen wie die von versklavt und frei, männlich und weiblich, Herrenrasse und Untermenschen. Die von den messianischen Gemeinden geübte transnationale Entfeindungspraxis der Agape und des MitFormen der Kaiserverehrung zu einem anderen Weltgott als Cäsar war nicht offiziell legitimiert wie im Fall des „wirklichen“ (beschnittenen) Judentums und daher ein Akt des zivilen Ungehorsams. Die Beschneidungsfürsprecher suchen diesen Anstoß auf pragmatische Weise zu beseitigen, indem sie die männlichen Galater entweder beschneiden wollen (Gal 5,1–6 ; 6,11) oder aber auf Wiederaufnahme der traditionellen Formen von Götterverehrung dringen (Gal 4,8–10), die die Kaiserreligion einschließt. Damit ist die Beschneidung in Galatien doppelt konnotiert : Sie ist in der Tat das körperliche Merkmal, das von der Tora als Bedingung für jüdische Vollidentität vorausgesetzt wird ; zugleich aber ist sie im konkreten „Hier und Jetzt“, das von Paulus in der Hagarkontroverse zweimal sehr dezidiert ins Spiel gebracht wird (νῦν 4,25.29), auch ein Ordnungskriterium, das dem römischen Gesetz in die Hände arbeitet. Vgl. dazu Nanos, Galatians, 257–271 und Kahl, Galatians Re-Imagined, 218–227 ; zur Bedeutung des Kaiserkults in Galatien auch Justin Hardin, Galatians and Imperial Cult und Witulski, Kaiserkult ; zum gegenwärtigen Paradigmenwechsel in der Einschätzung des Kaiserkults generell Peppard, Son of God, 31–49. 45 Zur Intertextualität zwischen Psalm 87 und der universalen Vision eines Juden und Heiden vereinenden Jerusalems in Gal 4,26 vgl. Christl M. Maier, Psalm 87. 46 Dieses Muster lässt sich exegetisch auch im Text der Sarah-Hagar-Allegorie selbst nachweisen, wo die scheinbar unumstößlichen hierarchischen Binaritäten bei genauerem Hinsehen aufgelöst werden, z.B. durch eine Vermischung und Hybridisierung der Sarahund Hagarrollen ; vgl. dazu Kahl, In Search of Hagar, 212–223 und Standhartinger, „Zur Freiheit … befreit ?“, 297–298, die auch zu Recht auf die entpolarisierenden Potentiale des Textes für den interreligiösen Trialog hinweist (Dies., Ich habe geschaut, 13).
296
Brigitte Kahl
einanders als des alleingültigen Völkergesetzes (5,13–14) ist das in lebendige Menschenkörper umgesetzte Gegen-Bild zu den steinernen Verkörperungen der Macht im Augustusforum und in Aphrodisias. Sie ist für Paulus der einzig mögliche Weg zur Freiheit, der den Unterworfenen gemeinschaftlich offen steht, wenn sie sich aus den komplexen Manipulationsmechanismen der Selbstunterstellung unter das in Wahrheit versklavende und vergewaltigende imperiale Gesetz lösen wollen. Auf genau diese polarisierende und disziplinierende Selbstunterstellung, die in Aphrodisias im Lächeln Gaias und im Galaterbrief als „Hagar“ abgebildet ist, zielt der Austreibungsappell von Gal 4,30.47 „Hagar“, im Buche Genesis die Sklavin und „fremde Frau“, deren Sohn nicht das Kind der Abrahamsverheißung werden kann (Gen 16 ; 21,1–21), wird im Galaterbrief eine Allegorie für die gemeinsame Versklavung von Israel und den anderen Völkern unter die Fremdherrschaft Roms ; zugleich ist sie auch das versklavende Gesetz des Gegeneinanders der Völker selbst, das mit ehernen Buchstaben in die Köpfe und Herzen der Menschen eingemeißelt scheint und in endlosen Spiralen Gewalt und Gegengewalt, Überoder Unterordnungen produziert. Und sie ist schließlich und endlich die versklavende Selbstentfremdung Israels vom Eigentlichen seiner Identität und Verheißung : des in die Abrahamsgeschichte eingebetteten göttlichen Segens für die anderen, die Feinde, die Unbeschnittenen, die Völker der Welt. Dieser Segen gründet nicht auf einem archetypischen Sieg wie im imperialen Urmythos, sondern gewinnt Gestalt mit dem vom Imperium gekreuzigten Messias als eines Antihelden, der eine radikal neue Gestalt des Menschen hervorbringt : den Mitmenschen. Was Paulus auszutreiben versucht, ist die tödliche Illusion, sich seiner selbst versichern zu können im Sieg über die anderen, in der Diffamierung der anderen, im Sein ohne die anderen oder gegen die anderen. Hier liegt die fortdauernde Aktualität und Herausforderung der paulinischen ἐκκλησίαι aus Beschnittenen und Unbeschnittenen, die als Lernfeld der Selbsttransformation fungierten und einer neuen, solidarischen „Intersektionalität von unten“ zur gegenseitigen Ermächtigung der Ohnmächtigen den Weg zu bereiten suchten. Nicht die Identität oder die Differenz wird abgeschafft oder „universalisiert“, sondern die hierarchisch-binäre Konfiguration des je Eigenen oder Anderen auf allen Ebenen des Völker-, 47 Von einer Überwindung der hierarchischen Oppositionen, die dem herrschenden Weltgesetz zugrunde liegen (στοιχεῖα τοῦ κόσμου), und einem daraus resultierenden Primärkonflikt mit dem römischen Gesetz geht auch Standhartinger, „Zur Freiheit...befreit ?“, 292–293 aus. Die „unterschiedslose Gemeinschaft von Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit und sozialer Stände“, die für Paulus durch das Kreuz initiiert wird, konnte daher Anlass zur Verfolgung durch Nicht-Juden bieten – oder aber durch Juden, die „die Existenz der jüdischen Gemeinschaft unter römischer Herrschaft durch die egalitären Christusgemeinschaften gefährdet sahen“ (299–300, Anm.63).
Krieg, Maskulinität und der imperiale Gottvater
297
Geschlechter-, Klassen- und Religionsgegensatzes (Gal 3,28). Die Karyatiden tragen die herrschende Ordnung laut Vitruvius aus „Schuldigkeit“. Das messianische Gesetz der Freiheit bedeutet nicht, dass die Trägerinnen ausgewechselt werden und damit die Freiheit der einen weiterhin auf der Versklavung der anderen gründet. Sondern es bedeutet, dass die „Schuld“ aller aus Gnade und durch Glauben aufgehoben ist und die Lasten im Miteinander der Einen und der Anderen wechselseitig getragen werden (Gal 6,2). Diese neu konfigurierte messianische Gemeinschaftlichkeit des „Gesetzes Christi“ (6,2) ist für Paulus gleichbedeutend mit καινὴ κτίσις (6,15) und der Beginn des Neuwerdens der Welt.
Bibliographie Ando, Clifford, Imperial Ideology and Provincial Loyalty in the Roman Empire (Classics and Contemporary Thought 6), Berkeley 2000. Bernett, Monika, Der Kaiserkult in Judäa unter herodischer und römischer Herrschaft : Zur Herausbildung und Herausforderung neuer Konzepte jüdischer Herrschaftslegitimation, in : Jörg Frey u.a. (Hg.), Jewish Identity in the Greco-Roman World (AJEC 71), Leiden 2007, 205–251. Bhaba, Homi, The Location of Culture, London / New York 2004 (1994). Boyarin, Daniel, A Radical Jew. Paul and the Politics of Identity. Berkeley 1994. Briggs, Sheila, Galatians, in : Elisabeth Schüssler Fiorenza (Hg.), Searching the Scriptures, Band 2: A Feminist Commentary, New York 1994, 218–236. Beard, Mary / Henderson, John, Classical Art. From Greece to Rome (Oxford History of Art), Oxford 2001. Crossan, John D. / Reed, Jonathan L., In Search of Paul : How Jesus’s Apostle Opposed Rome’s Empire with God’s Kingdom, San Francisco 2004. Dunn, James D.G., The New Perspective on Paul. Collected Essays (WUNT 185), Tübingen 2005. Eisenbaum, Pamela, Paul was Not a Christian : The Real Message of a Misunderstood Apostle, New York 2009. Elliott, Neil, The Arrogance of Nations. Reading Romans in the Shadow of Empire (Paul in Critical Contexts), Minneapolis 2008. –, Strategies of Resistance and Hidden Transcripts in the Pauline Communities, in : Richard A. Horsley (Hg.), Hidden Transcripts and the Arts of Resistance. Applying the Work of James C. Scott to Jesus and Paul, Atlanta 2004, 97–122. Ehrensperger, Kathy, That we May be Mutually Encouraged. Feminism and the New Perspective in Pauline Studies, New York / London 2004. Gaventa, Beverly, The Maternity of Paul : An Exegetical Study of Galatians 4:19, in : Robert T. Fortna u.a. (Hg.), The Conversation Continues. Studies in Paul and John (FS J. Louis Martyn), Nashville 1990, 189–201. Gerber, Christine, Paulus und seine ‚Kinder’ : Studien zur Beziehungsmetaphorik der paulinischen Briefe (BZNW 136), Berlin / New York 2005. Haacker, Klaus, Paulus und das Judentum im Galaterbrief, in : Edna Brocke / Jürgen Seim (Hg.), Gottes Augapfel. Beiträge zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden, Neukirchen 1988, 94–11.
298
Brigitte Kahl
Hardin, Justin K., Galatians and the Imperial Cult : A Critical Analysis of the First-Century Social Context of Paul’s Letter (WUNT II/237), Tübingen 2008. Horrell, David G, u.a., Greening Paul. Reading the Apostle in a time of Ecological Crisis, Waco 2010. Horsley, Richard A. (Hg.), Paul and Empire. Religion and Power in Roman Imperial Society. Harrisburg, Pennsylvania 1997. –, Hidden Transcripts and the Arts of Resistance : Applying the Work of James C. Scott to Jesus and Paul, Atlanta 2004. Janssen, Claudia u.a. (Hg.), Paulus : Umstrittene Traditionen – Lebendige Theologie. Eine feministische Lektüre, Gütersloh 2001. Jervis, Anne, Reading Romans 7 in Conversation with Postcolonial Theory, in : Christopher D. Stanley (Hg.), The Colonized Apostle. Paul through Postcolonial Eyes (Paul in Critical Contexts), Minneapolis 2011, 95–109. Jewett, Robert, Romans. A Commentary (Hermeneia), Minnesota 2007. Kahl, Brigitte / Salevsky, Heidemarie, Auf der Suche nach Hagar. Eine biblische Geschichte (Gen 16) im Kontext des jüdisch-christlich-muslimischen Dialogs und Probleme der Übersetzung, in : Heidemarie Salevsky (Hg.), Dolmetscher- und Übersetzerausbildung Gestern, Heute und Morgen (Berliner Beiträge zur Translationswissenschaft), Frankfurt am Main 1996, 141–162. –, Reading Luke against Luke : Non-Uniformity of Text, Hermeneutics of Conspiracy and the ‘Scriptural Principle’ in Luke 1, in : Amy-Jill Levine (Hg.), A Feminist Companion to Luke, London 2002, 70–88. –, Hagar between Genesis and Galatians : The Stony Road to Freedom, in : Craig A. Evans (Hg.), From Prophecy to Testament : the Function of the Old Testament in the New, Peabody 2004, 219–232. –, Brief an die Gemeinden in Galatien, in : Ulrike Bail u.a. (Hg.), Bibel in gerechter Sprache, Gütersloh 2006, 2147–2157. –, Galatians Re-Imagined. Reading with the Eyes of the Vanquished (Paul in Critical Contexts), Minneapolis 2010. –, Galatians and the “Orientalism” of Justification by Faith. Paul among Jews and Muslims, in : Christopher D. Stanley (Hg.), The Colonized Apostle. Paul through Postcolonial Eyes, Minneapolis 2011, 206–222. Kellum, Barbara, The Phallus as Signifier. The Forum of Augustus and Rituals of Masculinity, in : Natalie Boymel Kampen u.a. (Hg.), Sexuality in Ancient Art (Cambridge Studies in New Art History and Criticism), Cambridge 1996, 170–183. Lopez, Davina C., Apostle to the Conquered : Reimaging Paul’s Mission (Paul in Critical Contexts), Minneapolis, Mn. 2008. Maier, Christl M., Psalm 87 as a reappraisal of the Zion Tradition and its Reception in Galatians 4:26, in : CBQ 69 (2007), 473–486. Nanos, Mark, The Irony of Galatians. Paul’s Letter in First-Century Context, Minneapolis 2002. Nicolet, Claude, Space, Geography, and Politics in the Early Roman Empire, Ann Arbor 1991. Peppard, Michael, The Son of God in the Roman World. Divine Sonship in its Social and Political Context, Oxford 2011. Russel, Letty M., Twists and Turns in Paul’s Allegory, in : Phyllis Trible / Dies. (Hg.), Hagar, Sarah, and Their Children. Jewish, Christian, and Muslim Perspectives, Louisville 2006, 71–97. Schneider, Rolf Michael, Bunte Barbaren. Orientalenstatuen aus farbigem Marmor in der römischen Repräsentationskunst, Worms 1986.
Krieg, Maskulinität und der imperiale Gottvater
299
Schottroff, Luise, „Gesetzesfreies Heidenchristentum“ – und die Frauen, in : Dies. / MarieTheres Wacker (Hg.), Von der Wurzel getragen. Christlich-feministische Exegese in Auseinandersetzung mit Antijudaismus (Bibl.-Interpr.S. 17), Leiden 1996, 227–245. Schüssler Fiorenza, Elisabeth, Rhetoric and Ethics. The Politics of Biblical Studies, Minneapolis 1999. –, Paul and Politics of Interpretation, in : Richard A. Horsley (ed.), Paul and Politics, Harrisburg 2000, 40–57. Scott, James C., Domination and the Arts of Resistance : Hidden Transcripts, New Haven 1990. Smith, R.R.R., Simulacra Gentium : The Ethne from the Sebasteion at Aphrodisias, in : JRS 78 (1988), 50–77. Standhartinger, Angela, „Zur Freiheit … befreit ?“. Hagar im Galaterbrief, in : EvT 62 (2002), 288–303. –, „Ich habe geschaut hinter der her, die mich anschaut.“ (Gen 16,13). Zum Beitrag feministischer Auslegungen der Hagargeschichten im jüdisch-christlich-muslimischen Trialog, in : Adelheid Hermann-Pfandt (Hg.), Moderne Religionsgeschichte im Gespräch, FS Christoph Elsas, Berlin 2010, 54–73. Sutter Rehmann, Luzia, Die aktuelle feministische Exegese der paulinischen Briefe. Ein Überblick, in : Claudia Janssen u.a. (Hg.), Paulus : Umstrittene Traditionen – Lebendige Theologie. Eine feministische Lektüre, Gütersloh 2001, 10–22. Stanley, Christopher D. (Hg.), The Colonized Apostle. Paul through Postcolonial Eyes (Paul in Critical Contexts), Minneapolis 2011. –, Paul the Ethnic Hybrid ? Postcolonial Perspectives on Paul’s Ethnic Categorizations, in : Ders. (Hg.), The Colonized Apostle. Paul through Postcolonial Eyes (Paul in Critical Contexts), Minneapolis 2011, 110–126. Stendahl, Krister, Der Jude Paulus und wir Heiden. Anfragen an das abendländische Christentum, München 1978. Tamez, Elsa, Hagar erschwert die Heilsgeschichte, in : John S. Pobee / Bärbel von Wartenberg-Potter (Hg.), Komm, lies mit meinen Augen. Biblische und theologische Entdeckungen von Frauen aus der Dritten Welt, Offenbach 1987, 10–24. Trible, Phyllis, Hagar. Die Trostlosigkeit der Verbannung, in : Dies., Mein Gott, warum hast du mich vergessen. Frauenschicksale im Alten Testament, Gütersloh 1987, 25–59. Dies., Ominous Beginnings for a Promise of Blessing, in : Dies. / Letty Russel (Hg.), Hagar, Sarah, and Their Children. Jewish, Christian, and Muslim Perspectives, Louisville 2006, 33–69. Trible, Phyllis / Russel, Letty M. (Hg.), Hagar, Sarah, and Their Children. Jewish, Christian, and Muslim Perspectives, Louisville 2006. Velleius Paterculus, Gaius, Historia Romana. Römische Geschichte. Lateinisch / Deutsch übers. und hrsg. von Marion Giebel (Reclams Universal-Bibliothek 8566), Stuttgart 2004 Wallace, David R., The Gospel of God : Romans as Paul’s Aeneid, Eugene, Or. 2008. Williams, Delores S., Sisters in the Wilderness. The Challenge of Womanist God-Talk, Maryknoll 1993. Witulski, Thomas, Kaiserkult in Kleinasien. Die Entwicklung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia von Augustus bis Antoninus Pius (NTOA/ StUNT 63), Fribourg / Göttingen 2007. Wollrad, Eske, Wildniserfahrung. Womanistische Herausforderung und eine Antwort aus weißer feministischer Perspektive, Gütersloh 1999. Zanker, Paul, Augustus und die Macht der Bilder, München 1997 (1987).
300
Brigitte Kahl
Zetterholm, Magnus, Approaches to Paul. A Student’s Guide to Recent Scholarship, Minneapolis 2009.
Sklavinnen in Zeiten der religiösen Rechtsbildung
Part Whore, Part Wife Slave Women in the Palestinian Rabbinic Tradition Catherine Hezser Both slavery and gender determined the status and treatment of female slaves within the ancient Jewish family. Slave women stood between their fellow male slaves and their mistresses. Since both women and slaves were distinguished from the male householder and subordinated to him, a certain overlap between the roles of the maidservant and the wife would have occurred. Rabbinic sources suggest that female slaves were treated differently than male slaves in the tasks that were assigned to them. By performing household tasks, rearing the master’s children, and satisfying his sexual desires slave women would have substituted for wives and hereby benefited both their masters and mistresses, releasing the latter from duties traditionally associated with wives. Due to the blurred boundaries between them, relationships between wives and female slaves would have been ambiguous, ranging from solidarity to jealousy.
Palestinian rabbinic literature usually refers to slaves as a generic category only, without specifying their gender or ethnic origin.1 All the more interesting are those texts which mention female slaves, using the Hebrew/Aramaic term אמהא, אמהor אמהתאwhich is commonly translated as “hand-maid.”2 In contrast to the term עבד, derived from the root עבד, “to work,” the word used for the female slave is derived from אם, “mother,” associating her closely with the family and household. Imma (lit. : “mother”) also appears as a personal name of free women, as the famous example of Imma Shalom, sister of R. Gamliel and wife of R. Eliezer, shows.3 Can this distinction be 1 This
is also the case in the Hebrew Bible, see Raymond Westbrook, “Female Slave,” 214 : “Regrettably, sources that deal with female slaves as a separate category are scattered and few.” 2 Cf. Marcus Jastrow, Dictionary of the Targumim, 75. 3 On Imma Shalom see Judith Hauptman, “Imma Shalom,” Tal Ilan, “Quest for the Historical Beruriah,” 1–17; eadem, Jewish Women, 168. A baraita transmitted in y. Nid. 1:5, 49b is particularly interesting : “It has been taught : The slaves and maid-servants, one does not call them Abba So-and-so and Imma So-and-so. The staff of R. Gamliel’s house referred to male and female slaves of the household as Abba Tabi and Imma Tabita.” The tradition seems to suggest that Abba and Imma were names or titles used for free persons
304
Catherine Hezser
considered a mere terminological difference or were male and female slaves differentiated with regard to their roles and statuses by the free male Israelite transmitters and editors of the texts ? What difference did gender make in the rabbinic discourse on slaves and slavery ? In the following, we shall argue that from the Palestinian rabbinic perspective blurred boundaries existed between enslaved and free women.4 Slave women are commonly associated with the same kinds of tasks which wives were expected to do for their husbands : household and textile work, sexual satisfaction, breeding new members of the household, nursing and children’s education. Slave women who performed these wifely tasks would release married women from their duties but also distance them from their husbands and children. They functioned as quasi-wives in households which were mostly monogamous, allowing men to continue polygyny without officially ascribing to it.5 Unlike wives, however, slave women constituted the Other in more than one regard : they differed from the free male Israelite with regard to their gender, slave status, and often also ethnic origin. While both slaves and free women are categorized as the Other in Palestinian rabbinic halakhah, and are therefore often associated with each other,6 slave women were doubly outlawed and could therefore be exploited more : their consent was not necessary; their sensibilities were disregarded; they could be forced to perform menial and marital duties without enjoying a wife’s honour and social status in return.7 As such, they constituted a safety valve for freeborn people’s marriages : wives could delegate to them unwanted tasks and husbands could divert to them their excessive sexual energies.8
rather than slaves. R. Gamliel’s practice is presented as exceptional. The slave status is nevertheless indicated by Tabi/and Tabita. 4 According to Sandra R Joshel and Sheila Murnaghan, “Introduction : Differential Equations,” 3, slavery and patriarchy were interlinked in Graeco-Roman society, leading to “a constant process of comparison and differentiation” between slaves and free women : “Women and slaves were similarly distinguished from free men by their social subordination and their imagined otherness.” 5 For Roman society see Laura Betzig, “Roman Polygyny,” 309–49. 6 See Catherine Hezser, Jewish Slavery, 69–82. 7 See also Richard Saller, “Women, Slaves,” 189, who refers to “the hierarchy of the matrona’s honor and the ancilla’s lack of it.” He also deals with differences between wives and slaves in his article, “Symbols of Gender,” 85–88. 8 On ancient Jewish marriage and its relationship to Roman marriage see Michael Satlow, Jewish Marriage.
Part Whore, Part Wife
305
I. Household Work Associated with Slave Women A well-known rabbinic text mentions tasks which a wife could delegate to her female slaves : grinding flour, baking bread, washing clothes, cooking, suckling a child, making her husband’s bed, and working in wool (m. Ketub. 5:5). The more slave women she brings into the marriage, the more tasks she can delegate to them. The text seems to assume a hierarchical order of the tasks, based on the level of intimacy they require. At the lowest end of this hierarchy are the menial household tasks of grinding flour, baking bread, and laundry work.9 These tasks are also mentioned by Plautus in his comedy Mercator as the usual functions of the ancilla (396–398).10 The next stage concerns cooking meals and suckling children, tasks which have a more immediate effect on family members. Finally, making the husband’s bed is mentioned, a task which would give the slave woman access to the bedchamber, the most private room of the house. Only a woman who has three handmaids is allowed to delegate this task to (one of) them. One final housewife’s duty is exempted from delegation altogether here, namely, work in wool or spinning, which was considered the quintessential female work in antiquity.11 The reasons rabbis offer for this exemption are the avoidance of idleness or boredom (R. Shimon b. Gamliel) and adultery (R. Eliezer). Interestingly, Columella (1st c. C.E.) also gives the impression that in his own day “the materfamilias was idle and self-indulgent, and shrugged off the household duties to the vicilia.”12 Rabbis thought that leisure time was potentially dangerous for women but beneficial for men, since it could be filled with Torah study. Free and slave women may sometimes have worked in textile manufacture together and their work would have contributed to the household’s economy. Mistresses were expected to train their slaves in spinning and weaving.13 At the same time, work alongside slave women was despised amongst the upper strata of society, as Josephus indicates. When ascending to power, Herod’s sons Alexander and Aristobulus allegedly threatened “to set the mothers of their other brothers to work at the loom along with the slave girls” (B.J. 1.479). The implication is that such a requirement would have degraded these women in their honour. The contrast to the opinion of 9 On tasks assigned to female slaves see also Josephus, A.J. 5.41, where Samuel is said to have warned the Israelites against the possible evils of the monarchy : “Of your daughters also they will make perfumers, cooks and bakers, and subject them to every menial task which handmaids must perforce perform for fear of stripes and tortures.” 10 On works assigned to female slaves see also Susan Treggiari, “Domestic Staff,” 241– 55; eadem, “Jobs for Women,” 76–104. 11 See Miriam Peskowitz, Spinning Fantasies, 11–25. 12 Saller, “Women, Slaves,” 199 with reference to Columella, De re rustica 12. 13 See Dimitris J. Kyrtatas, “Slavery and Economy,” 105.
306
Catherine Hezser
the rabbis of m. Ketub. 5:5, who considered manual labour beneficial even for wealthy women, is obvious. The Yerushalmi (y. Ketub. 5:6, 30a) provides interesting comments on the mishnah and mentions additional reasons why the mentioned household tasks of grinding, baking, and laundry work can be assigned to slave women. Particularly interesting is the distinction between menial tasks (R. Bun) and more private tasks better done by the wife herself (R. Huna). The private tasks specified here include annointing the householder’s body with oil, washing his feet, and mixing his cup. As the further discussion indicates, these were servile tasks which some rabbis assigned to women to maintain a certain privacy and intimacy between husband and wife. Rabbis feared that if slaves fulfilled them, wives would be distanced from their husbands. They were not unanimous on this matter, though. According to R. Yose b. Hananiah, “If she brought slaves into the marriage, she should not owe him a thing” (y. Ketub. 5:9–10, 30b). The texts show that there was a certain overlap between the duties expected of wives and slaves, yet wealth increased the distance and difference between slave and free women by, at the same time, threatening to destroy the intimacy between husband and wife. The more female slaves a household had, the more likely was the slave’s execution of wifely tasks, from merely menial work to more intimate and sexual services. The female slave became a surrogate of the wife, fulfilling the household’s and householder’s basic needs and providing leisure time and independence from undesired duties to wealthy women. Like Graeco-Roman literary sources, rabbinic sources associate female slaves with the domestic sphere.14 Joshel and Saller have already pointed to gendered patterns of work evident from Roman epitaphs, where women are mostly represented in domestic work and manufacture.15 It seems that the general perception of both rabbis and Roman writers was that the proper place of women, whether slaves or free, was the private sphere. On the other hand, the gender segregation of servile work would have had certain limits. Only wealthy households with many slaves would have been able to allocate different tasks to different slaves. A rural family which owned one slave (woman) only would have required her to perform a variety of tasks in the house, field, workshop, and market, depending on its requirements.16 At the 14 On Graeco-Roman society see Kyrtatas, “Slavery and Economy,” 104. Jane F. Gardner, Women in Roman Law, 205, has pointed out that on rural estates slave women were much less likely to be assigned managerial positions than male slaves. If they were appointed as vilicae, their duties were limited to the supervision of household tasks such as cleaning and cooking. 15 Saller, “Women, Slaves” , 194 with reference to Joshel, Work, Identity, 16. 16 In Pesiq. Rab Kah. 17:6 (p. 290) slave women are called “beasts of burden” in a statement attributed to R. Hiyya b. Abba. Saller, “Women, Slaves,” 198, points to evidence from
Part Whore, Part Wife
307
same time male slaves were employed in the household and required to do domestic work alongside female slaves as cooks, bakers, and waiters.17 Since slaves were generally seen as the extension of their owners (“the hand of the slave is like the hand of his master”),18 the tasks assigned to slave women depended on the lifestyle and activities of their mistresses. In the book of Judith, Judith’s maids are said to have washed, annointed and dressed her, accompanied her to the Jewish elders and to Holofernes, carried her picnic basket, and eventually helped her in her plot to kill Holofernes. According to Josephus, maidservants acted as messengers in confidential communications between their owners and their conspirators and lovers.19 A tradition in Sipre Num. 115 refers to the female slave of a prostitute who functioned as her mistress’s doorkeeper. A story in Pesiq. Rab Kah. 22:2 (p. 327) mentions a childless woman who used her maid in a plot to keep her husband. Elderly ladies would lean on their maids when walking and visiting relatives.20 Altogether, then, slave women appear in various scenarios in which they fulfill both their masters’ and mistresses’ wishes. This double function, to satisfy the needs and desires of both husband and wife, to change allegiances and to pretend to act on behalf of both, would have made them valuable members of the ancient Jewish household.
II. Slave Women as Wetnurses Slave women were often employed as wetnurses in both Roman and Jewish society.21 Wealthy women seem to have refrained from caring for their babies and toddlers themselves and assigned this task to their female slaves. According to Tal Ilan, nursing was seen as “a need not to be despised, but
Roman Egypt which shows that “Women are occasionally found in agricultural labor (as the olive carrier in P.Fay. 91), but the documents generally suggest asymmetrical gender participation in agriculture.” On this issue see also Walter Scheidel, “Most Silent Women,” 205, who points to the difference between the literary ideal and the real practice of women’s work. 17 B. Mo’ed Qaṭ. 20a explicitly refers to a situation where both male and female slaves work indoors. Michele George, “Servus and domus,” 15, has pointed out that slaves were “ubiquitous in the wealthy Roman domus” and “served a multitude of functions, from doorman to cook to hairdresser.” See also Marleen B. Flory, “Family in Familia,” 82 : “Men and women in the familia worked together […].” 18 This tannaitic ruling appears in various contexts in the Yerushalmi, e.g., y. Pe’ah 4:6, 18b; y. Qidd. 1:3, 60a. 19 See, e.g., Josephus, A.J. 7.223. 20 Cf. Gen. Rab. 45:10. Edition : Theodor Albeck. 21 On wetnursing in Roman society see Keith Bradley, “Wet-Nursing at Rome,” 201–29.
308
Catherine Hezser
not as a great privilege.”22 Husbands could not force their wives to nurse their infants themselves.23 The general halakhic rule was that Jewish women should not suckle the children of non-Jewish women but non-Jewish women could suckle the children of Jewish women (m. Avod. Zar. 2:1). The reason for this ruling was that Jewish women should not nurture idolators (the mishnah similarly rules that Jewish women should not act as midwives for non-Jewish women) but they could “exploit” them to nourish their own children. Suckling a child is already mentioned in m. Ketub. 5:5 as one of the tasks which a wife can delegate to her slave.24 Interestingly, the Yerushalmi commentators (y. Ketub. 5:6, 30a) did not consider this task private enough to be performed by the mother herself only, in contrast to taking care of her husband’s body (annointing him, washing his feet, and mixing his cup of wine). Unlike the paedagogue, who is mostly mentioned in amoraic king parables as a male tutor and supervisor of school-age sons,25 the female wetnurse was assigned to the youngest children of both sexes. Rabbis assumed that wetnursing would have taken two to three years (Deut. Rab. 7:12). It was a quintessential duty of women, who were naturally predisposed to wean their own and other women’s children. In order to prove the rule, rabbis occasionally mention exceptional cases of men who suckled infants. In Gen. Rab. 30:8 (Theodor-Albeck ed. p. 275) rabbis discuss whether Mordecai nursed Esther : “Said R. Yudan : Once he went round to all the wetnurses but could not find one for Esther, and he suckled her himself. R. Berekhiah [and] R. Abbahu in the name of R. Eleazar : Milk came to him and he suckled her. When R. Abbahu taught this, the congregation laughed. He said to them : Yet is it not a mishnah [cf. m. Makšs 6:7] ? R. Shimon b. Eleazar said : The milk of a male is clean.”
In this amazing text rabbis seem seriously to assume that a male could suckle a child, but they knew that their fellow-Jews would consider this a joke. Mordecai was probably seen as exceptional by rabbis who believed that the milk he produced was procured by God. Such miracles were part of their religious worldview. The text indicates that suckling was a task associated with wetnurses, who were usually slave women. A story transmitted in the Babylonian Talmud refers to a similar phenomenon. A man whose wife had died could not afford to employ a wetnurse for his child. A miracle is said to have happened so that his breasts produced milk and he could suckle the child himself (b. Šabb. 53b). Again, the rabbinic comments on this tradition indicate that such an unnatural phenom22
Ilan, Jewish Women, 121. See the discussion in t. Ketub. 5:5. 24 On this text see also Gail Labovitz, “‘These are the Labors’,” 18. 25 See Hezser, Jewish Slavery, 350–56 on parables which feature a king’s slave and son.
23
Part Whore, Part Wife
309
enon was considered exceptional, either due to the man’s greatness (miracle) or his lowliness (lack of a proper profession that would have earned him money). These exceptions prove the rule : suckling an infant was a wife’s duty that could normally be delegated to a wetnurse only. In amoraic narratives wetnurses are associated with the family of the exilarch and with princes of the royal household, that is, they were considered to have been employed by rich people only. Due to the utterly helpless state of infants, wetnurses had great responsibility, since the child might easily die if neglected (Lev. Rab. 11:7). Their image in the rabbinic literary sources is ambiguous : they are seen as both beneficial and potentially dangerous. For example, a statement attributed to R. Abbahu features a wetnurse bending over the cot of a sleeping infant prince and brushing off flies which had settled on his body (Gen. Rab. 69:3). According to a Babylonian tradition (b. Ketub. 60b), the family of the exilarch was exceptional in having reliable wetnurses available who could care for their children. Therefore a widow of that family was allowed to remarry and become pregnant again. The fact that reliability is declared exceptional here indicates the anxieties parents felt when entrusting their babies to nurses. The slave nurse was an outsider who took over the role of the mother without having kinship ties to the child.26 Rabbis also stressed the master’s power over the wetnurse, however. A wetnurse is envisioned as anxious and troubled since she stood under the authority of her nursling’s father and would be punished severely if harm occurred to the child (Gen. Rab. 2:2). According to one tradition, “If a royal prince had a nurse, whenever he did wrong, his nurse was punished” (Gen. Rab. 31:7). The slave woman appears as the substitute for the child in her custody here, albeit in the negative sense only : she is punished in his stead. As Joshel has pointed out, “The social distance and power relations between nurse and nursling give the intimate relations at the center of nursing a contradictory quality.”27 By taking over motherly functions, wetnurses not only relieved mothers from their duties but also created a certain distance between mother and child. Nurses probably slept in the same room as the children and were always present when they needed them.28 They could develop intimate bonds with the children in their custody and sometimes remained their closest trustees until adolescence or later. According to Bradley, “nursing implied a
26 On the negative image of the wetnurse in Roman society see Joshel, “Nurturing the Master’s Child,” 6–7 : she was considered able to “corrupt children’s minds and spirits” (ibid. 7), with examples. 27 Joshel, “Nurturing the Master’s Child,” 3–4. 28 On the sleeping arrangements see George, “Servus and domus,” 22.
310
Catherine Hezser
general disruption of contact between parent and child, and it seems plausible that physical distancing was matched by emotional distancing.”29
III. Slave Women as Sexual Partners Another function which slave women fulfilled in addition to and instead of their mistresses was to provide sexual satisfaction to their masters.30 Since forced intercourse within marriage was not considered rape in antiquity, we do not know to what extent married women would have differed from slave girls in the choice they had to reject their husbands’ advances.31 Blurred boundaries seem to have existed with regard to the sexual (ab)use of wives and slave women by the husband and master. It seems that consent was not an issue in sexual relations with either of them. The distinction between rape and marriage, sexual coercion and consent is difficult as far as ancient texts and images are concerned.32 Sexual relations with one’s own slaves or wives were not considered rape and the consent of the females involved in these actions was not deemed necessary. Both slave women and wives were members of the household under the authority of the paterfamilias. As such, they were required to yield to his wishes. Biblical texts already provide numerous examples of slave women as sexual partners of free male Israelites. Some of the patriarchs are said to have used their slave women as surrogate wives to produce progeny when their wives were unable to procure.33 The wives allegedly oscillated between supporting these unions and showing jealousy towards their sexual competitors. For example, the barren Sarai initially suggested to her husband that 29
Bradley, Discovering the Roman Family, 29. For Roman society see Joshel, Slavery in the Roman World, 151 : “[A] man’s sexual relations with his slave women were not seen as shameful, much less wrong […]”. Plutarch, Conjugalia praecepta (Mor.) 140B, even recommends men to use their female slaves to satisfy their desires and thereby show respect for their wives. 31 Satlow, Jewish Marriage, 125–6, points out that according to the biblical definition, rape concerned intercourse with virgins only. Rabbis even “eliminated” rape altogether by making intercourse with virgins a proper way to “acquire” a woman, see ibid. 127. 32 See the discussion in Ada Cohen, Art in the Age of Alexander the Great, 230 : on the one hand, “several stories encourage a semantic fluidity between the realms of forced abduction/rape and marriage”; on the other hand, “[a] radical broadening of the definition of rape to include marriage would leave no terms for describing the circumstances of those ancient women who were truly raped.” See also Susan Deacy and Karen F. Pierce, Rape in Antiquity. 33 According to Rainer Kessler, “Sklavin als Ehefrau,” 502, slave women could become the proper wives of the biblical patriarchs, even if they are depicted as subordinate to their “main” wives. They could be wives and slaves at one and the same time. But they are never called wives in the biblical texts. 30
Part Whore, Part Wife
311
he sleep with her Egyptian maid Hagar (Gen. 16:1–4), but when Ishmael was born she wanted her removed from the household together with her son (Gen. 21:10). Elsewhere in the Bible wives’ consent to their husbands’ liaisons with female slaves is considered praiseworthy : Leah considered the birth of her fifth son a divine reward for having given her maid Zilpah to Jacob as a concubine (Gen. 30:18). The so-called concubine law (Exod. 21:7– 11) permits the householder to use his Hebrew slave girl as a sexual partner for himself or his son.34 Irrespective of the ethnic and religious background of the slave women, the children resulting from such unions were considered proper children of the Israelite master, could inherit his property and enjoyed the same rights as his other children.35 As I have already argued elsewhere, the ideal of having large families with many children and especially sons seems to have been the reason for the propagation of these relationships in the Torah.36 Rabbinic texts that deal with sexual relationships between Jewish men and their female slaves are more ambiguous. On the one hand, such sexual relationships were seen as a common occurrance in ancient society. Slave women were considered promiscuous (t. Hor. 2:11), since they lacked power over their own bodies. They were believed to stir sexual desire in men : “[T]he more slave women, the more lewdness” (m. Abot 2:7). According to Dina Stein, such statements are “an expression of anxiety associated with sexuality and female slaves.”37 Rabbis knew that sex between masters and their slaves was commonplace. Yet they also had reservations against such relationships for reasons of sexual morality, avoidance of idolatry, and preservation of family purity. Stein is correct in stressing that issues of “cultural identity” constitute the basis of rabbis’ discourse on slave women.38 Although rabbis seem to have taken sexual relationships between freeborn Jewish men and slave women for granted, they were not in favour of them. A moderately negative attitude toward such unions is expressed in the tannaitic Midrash Sipra, which rules that slave women should be subjected to flogging, whereas the freeborn man should bring a guilt offering 34 On this text see Joseph Fleishman, “Law of Exodus 21:7–11,” 47–64; Carolyn Pressler, “Wives and Daughters,” 147–72; Westbrook, “Female Slave,” 218–9. 35 Westbrook, “Female Slave,” thinks that the children which Israelite men had with their slave women were not considered legitimate children and potential heirs. This causes him to assume literary inconsistency in the case of Abraham and Hagar, Jacob and Bilhah and Zilpah, who are explicitly called slaves (cf. Gen. 21:12 and 32:23), but their sons are considered legitimate heirs, see ibid. 232–3 : “Either there was some confusion in the tradition as to whether they had been given as concubines or wives, or the author of these passages was concerned to maximize the status of the primary wives at the expense of the secondary wives.” 36 See Hezser, Jewish Slavery, 192–3. 37 Dina Stein, “Maidservant and Her Master’s Voice,” 378. 38 See ibid. 379.
312
Catherine Hezser
(Qedoshim pereq 5:4–6, 40a).39 The penalty of the slave woman is more severe than that of the man. A guilt offering could hardly be presented after the destruction of the Temple, so that the “punishment” is merely ideational. Although the man probably forced the slave to have intercourse with him, it is the slave who is is mainly blamed for the interaction. From the freeborn male perspective, slave women were seen as immoral and promiscuous, luring men into having sex with them. That the slave woman was considered punishable for an action she did not initiate seems strange but fits the general tendency to punish slaves for “damages” they were involved in. While rabbis were not in favour of sex between freeborn male Israelites and slave women, they outlawed marriages between them. According to rabbinic halakhah, a legitimate marriage was possible between free Israelite partners only. In the case of illegitimate unions, the children automatically obtained the servile status of the slave woman (m. Qid. 3:12).40 According to a statement attributed to R. Yehudah in Gen. Rab. 84:7, “They despise the children of female slaves and call them slaves.” Even if the slave woman was eventually freed, the Israelite man who had sex with her may not marry her, but “they do not take [her] away from him” (m. Yebam. 2:8), that is, a certain loophole existed for continuing such relationships.41 Why were rabbis opposed to these relationships whereas the Hebrew Bible even propagated them ? Why were the children of slave women declared slaves by rabbis in contrast to the Torah which considered them legitimate children of the freeborn Israelite man ? A number of developments may have initiated this change : Like rabbis, Roman jurists outlawed marriages between freeborn Roman citizens and slave women and attributed slave status to the offspring of such unions.42 In Roman times, and especially after the destruction of the Temple, Jewish householders may have been interested in limiting the number of heirs to their property. They were no longer interested in large families with many potential heirs, a situation which would lead to the partition of already diminished landholdings. Last but not least, slave women were seen as the Other from which the pure Israelite family had to be protected : it was assumed they were promiscuous and idolatrous, that is, everything that rabbis rejected on moral and religious grounds was associated with them. Therefore rabbis tried to create clear-cut boundaries that protected the cultural and physical integrity of the free Israelite family. Although we do not know how common polygamy was in ancient Jewish society, rabbinic halakhah permitted this practice, that is, a Jewish male could at least theoretically have as many wives as he could afford to main39
See also m. Ker. 2:2–4. See also Sipra, Behar parashah 6:6, where this ruling is based on biblical exegesis. 41 For a more detailed discussion of these issues see Hezser, Jewish Slavery, 194–201. 42 See Gaius, Institutiones 1.81 : the status of the child follows that of the mother. 40
Part Whore, Part Wife
313
tain.43 The rabbinic permission of polygyny, together with negative attitudes towards unions between free Jews and slave women, stands in contrast to the Roman legal prohibition of polygyny and lenience towards sex with slave women.44 Laura Betzig has argued that in reality, Roman men did practise polygyny, by using their female slaves as sexual partners in addition to their wives.45 Similarly, most Palestinian Jews may have practiced monogamy even if they had the option of having more than one wife.46 Despite the legal differences, in reality there may not have been much difference between a certain (no longer determinable) proportion of Roman and Jewish men, both of whom maintained monogamous marriages but followed polygynous mating practices. Of course, not even polygyny would have prevented men from having sexual relationships with slave women. Polygyny may have been a common practice, especially amongst men of the upper strata of society, whether it was legally sanctioned (rabbis) or tolerated informally (Romans) alongside legal marriages. What is probably more significant is that, exceptions notwithstanding, slave women were kept outside of legal marriages, whether they were monogamous or polygynous.
IV. Slave Women’s Children and Slave Breeding While some slave women functioned as surrogates for their mistresses, nursing their children and sleeping with their husbands, they also sometimes had children of their own which were the result of voluntary or forced couplings. If slave women had sexual relationships with fellow male slaves and became pregnant voluntarily, there was no guarantee that their master would allow the slave “family” to live together. The children could be sold whenever he saw fit. Therefore slave women seem to have often tried to end their pregnancies, aborted their foetuses, or killed their babies immediately after birth. According to a story attributed to R. Yehudah, “The slave woman of a tax collector in Rimon […] threw an abortion into a cistern.” Rabbis allegedly declared the cistern clean, since “a weasel and a hyena [would] drag it away immediately” (t. Ohal. 16:13). Such a practice seems cruel to us but was probably commonplace in antiquity, in areas where the female slave population was large. Slave women would have tried to get rid of their babies because they were the result of forced sex; they wanted to prevent them from enduring the same hardships they went through themselves; they knew that they would not have the time and resources to care for them; their master 43
See Satlow, Jewish Marriage, 190. See Scheidel, “Monogamy and Polygamy,” 5. 45 Betzig, “Roman Polygyny,” 309. 46 See Satlow, Jewish Marriage, 190. 44
314
Catherine Hezser
would have killed or exposed the child anyway in order to avoid the costs involved in raising it.47 Slave breeding through forced intercourse between slaves selected for that purpose is an expression of the objectification of slaves, their treatment as chattel, as animals. Yet slave breeding seems to have been common practice in both Roman and Jewish society.48 Joshel has noted that Varro deals with the issue of human breeding alongside the breeding of dogs and mules (Varro, De re rustica 2.10.6).49 Braund thinks that the extent of slave breeding has often been underestimated by scholars.50 Despite the fact that Roman law ruled against acquiring slaves “solely as breeding stock” (Ulpian in Digesta 5.3.27 pr.), slave women’s fecundity served as a “selling point, as with sheep and cattle.”51 Betzig has argued that “Homebreeding was arguably the most important source of new slaves under the empire” and may be considered a “job” commonly “assigned” to slave women.52 While some of the fathers may have been fellow-slaves, at least some of them would have been the slave-owning masters themselves.53 The authority which masters and mistresses assumed in matching slaves for breeding purposes is ridiculed and criticized in a midrashic story (Lev. Rab. 8:1 par. Pesiq. Rab Kah. 2:4). In this story, God’s work as a match-maker is compared to that of a matron, who coupled her male and female slaves : “She said to him [R. Yose b. Halafta] : How many male and female slaves I have ! And in a short time I join them together. He said to her : If it is easy in your eyes, it is as difficult before Him as the dividing of the Red Sea, as it is written : ‘God restores the lonely to their homes’ [Ps 68:7]”. In the following, the matron’s careless coupling of her slaves is described : “She sent and brought a thousand male and female slaves and made them stand up in rows. She said to them : So-and-so take So-and-so and So-and-so take So-and-so. In the morning they came to her. One had his head wounded; one had his eye taken out; one had his hand broken; one had his leg broken; one said : I do not want this one; and one said : I do not want that one.” The story serves to emphasize the great difficulties involved in finding a suitable match and the religious basis of marriage. The counterexample of the mistress carelessly coupling her slaves for homebreeding may be exaggerated but it may also preserve a grain of truth. Slave owners who selected their slaves for that purpose where not interested in their emotions and personal suitability. All 47 Archaeologists have discovered a mass grave of infants near a brothel in Ashkelon, see Laurence E. Stager, “Eroticism and Infanticide,” 35–53. 48 On Roman society see Bradley, “On the Roman Slave Supply,” 42–64. 49 Joshel, Slavery in the Roman World, 125. See also Columella 1.8.19. 50 David Braund, “Slave Supply in Classical Greece,” 125. 51 See Gardner, “Slavery and Roman Law,” 417. 52 Betzig, “Roman Polygyny,” 326. 53 See ibid. 332–3.
Part Whore, Part Wife
315
that mattered to them were the physical attributes, health, and fecundity of the individuals. The slaves would have been selected and matched like animals, without any attention to personal dislikes and preferences. Although some rabbis may have criticized such practices, they would have taken them for granted in daily life. Interestingly, a difference between God’s matchmaking efforts amongst freeborn individuals and the mistress’s mating of her slaves is not specifically noted here. According to m. Git. 4:5, the religious obligation of procreation applied to slaves as well as to free Israelites. Rabbis were worried that a half slave, that is, a slave who was jointly owned by two masters and released by one of them, could neither “marry” a slave nor a free woman (ibid.). Although rabbis opposed marriages between slaves and freeborn Jews, which would have conflated different statuses, they seem to have been in favour of marriages amongst slaves for purposes of procreation.54 That rabbis held diverse opinions on forced procreation amongst slaves from different households is evident from another mishnah : “What is [considered] hire of a whore ? … He who says to his fellow : Here is this lamb for you, and let your slave woman sleep with my slave. Rabbi says : [This is] not [considered] hire. But sages say : [It is considered] hire” (m. Tem. 6:2 par. Sipre Deut. 261). Interestingly R. Yehudah the patriarch, who is portrayed as a wealthy slave-owner elsewhere in rabbinic sources,55 is said to have been in favour of hiring out slaves for breeding purposes, whereas anonymous sages, most of whom were probably not slave owners themselves, are said to have been opposed to this practice.56 We do not know whether and to what extent rabbis were familiar with the Roman prohibition against acquiring slaves “solely as breeding stock” (Ulpian in Digesta 5.3.27 pr.), mentioned above. In any case, the Tosefta version of this tradition adds the following qualification : “for hire of a whore applies only in the case of prohibited sexual relations, intercourse with whom constitutes a transgression” (t. Tem. 4:6). Since sexual relationships amongst slaves were not considered forbidden unions (they did not cross status boundaries), forced unions amongst slaves would have been acceptable.
54 In relation to the Hebrew Bible, Westbrook, “Female Slave,” 223, has already pointed out that ancient Near Eastern law “recognized as legitimate the marriage of slaves, whether with other slaves or with free persons,” that is, “marriage and slavery were not legally incompatible,” if both partners were slaves. Even in Roman society liaisons between slaves of the same household were common, see Flory, “Family in Familia,” 82 : “Inscriptions testify to the frequency of slaves’ unions, technically not marriages at all, but contubernia.” See also Gardner, Women in Roman Law, 213. 55 See, e.g., y. Šabb. 6:9, 8c; y. Yoma 8:5, 45b; y. Abod. Zar. 2:10, 42a. 56 On rabbis as slave owners see Hezser, Jewish Slavery, 294–7.
316
Catherine Hezser
V. Purity Issues Concerning Slave Women Rabbinic halakhah prescribes the ritual immersion of non-Jewish slave women as a prerequisite for using them in Jewish households (cf. t. Abod. Zar. 3:11; t. Pesah. 7:14 and 8:18).57 Despite ritual similarity, the immersion of slaves must be understood as a purification ritual rather than conversion to Judaism : the slaves did not become proper Jews but inferior members of Jewish households involved in Jewish religious practices. It would not have been possible to employ pagans as household slaves and entrust them with cooking kosher meals and maintaining ritual purity. As pagans they would have been disqualified from serving in Jewish homes or even rendered the Jewish home a “dwelling of gentiles”. According to t. Ohal. 18:6, “All make [a house] a dwelling of gentiles, even a male slave [and] a female slave […].” According to Mary Douglas, “holiness requires that different classes of things shall not be confused.”58 Therefore purification means separation. By being immersed, the slave women are separated from their idolatrous past. If “Uncleanness […] is that which must not be included if a pattern is to be maintained,”59 the idolatry gentile slaves were assumed to have been involved with had to be kept away from Jewish households, even if only symbolically. Immersion rendered the slaves fit for association with Jews in one and the same household and allowed them to partake of the Passover offering or, after the destruction of the Temple, participation in the Passover meal (cf. t. Pesah. 8:18). They remained slaves rather than becoming Jews, though, since Jewishness and slave status were considered a contradiction in terms. We do not know to what extent Jewish slave owners instructed their slaves in specific purity issues and whether the slaves adhered to these regulations. Rabbis were probably eager to have their own halakhic views implemented in their households, but non-rabbinic Jews may have been more relaxed or even indifferent to these issues. At least some slave women were considered knowledgeable of some areas of Jewish religious law.60 With regard to Sabbath observance, the Mishnah rules that “even a slave, even a female slave is believed when saying : ‘Up to here is the Sabbath limit’” (m. Erub. 5:5). Normally, houses of gentiles were considered unclean and had to be examined if Jewish families wanted to move into them. “But if a [male or female] slave or [Jewish] woman watched over the dwelling, no examination is needed” (m. Ohal. 18:7). The Tosefta even generalizes this ruling : “One and the same are men, women, slaves, and minors : they are believed when saying : This place is [ritually] clean and this place is unclean” (t. Ketub. 3:4). 57
See ibid. 35–8 on these texts. Mary Douglas, Purity and Danger, 67. 59 See ibid. 50. 60 On this issue see also Hezser, “‘Slave of a Scholar,’” 198–217. 58
Part Whore, Part Wife
317
Particular slave women are presented as models of purity observance in narrative traditions. Lev. Rab. 19:4 transmits a story about Tabita, R. Gamliel’s maidservant, who “was examining herself in [the intervals between attending to] vessels of wine.” When she noticed that her menstruation had started, she stopped touching the wine, which would have become defiled through contact with impurity. When R. Gamliel became aware of her concerns, he allegedly praised her: “May your life be given to you just as you have given me my life.” The textual variant in Pes. Rab Kah. has a slightly different concluding sentence: “R. Gamliel said: If this one had been lazy [in examining herself], all clean [objects] would have become unclean” (Pesiq. Rab Kah. 12:15). The story indicates that the ideal female slave, even if she is of gentile origin, would be aware of rabbinic purity regulations concerning women and observe them as closely as possible. When we compare Tabita, the ideal slave woman, with Tabi, the model male slave, certain differences are noticeable: Tabi, who features prominently in a number of narratives in the Talmud Yerushalmi, is associated with male religious observances: the study of Torah (y. Meg. 4:3, 75a), the putting on of tefillin (y. Erub. 10:1, 26a), knowledge of the rules concerning dwelling in the sukkah (y. Sukkah 2:1, 52d). Rabbinic expectations concerning female slaves’ religious observance seem to have been restricted to purity issues and overlapped with those that applied to freeborn Jewish women in contrast to men. While women and slaves are often associated with each other in rabbinic halakhah,61 male slaves differed from female slaves in a number of regards. For example, freed slaves were at least theoretically allowed to marry priestly women, even if the offspring of such unions would have had the status of freed slaves (t. Qidd. 4:14); freed slave women, on the other hand, were not allowed to marry male priests (m. Bik. 1:5, t. Qidd. 5:3), perhaps because the male priest had a higher status than a woman of priestly descent, but also because female slaves were suspected of sexual promiscuity, as the following tradition indicates: “On what account does everyone exert himself to marry a female proselyte, but everyone does not exert himself to marry a freed slave woman ? Because the female proselyte is assumed to have guarded herself [sexually], but the freed slave woman is [assumed to be in the status of] one who has been freely available” (t. Hor. 2:11). Freed male slaves, on the other hand, could even become prominent members of synagogue communities, as the example of Severus, “threptos (θρεπτός) of the very illustrious patriarchs”, a donor commemorated in synagogue inscriptions at Hammat Tiberias, seems to indicate.62 61
On this issue see the discussion in Hezser, Jewish Slavery, 69–82. Threptoi (θρεπτοί) were abandoned children raised as slaves or foster children by those who found them, see Hezser, Jewish Slavery, 129 –39, on Severus see ibid. 53,103f. 62
318
Catherine Hezser
It becomes clear, then, that rabbis made certain distinctions in the classification of people at the margins of Jewish society, as they defined it. The slave-free dichotomy was not the only distinction that mattered. Sex was of equal importance and in the case of slaves more important than Jewish or gentile origin. Enslavement seems to have erased one’s Jewishness, since it was accompanied by denationalization.63 It could not erase one’s gender, though: the physical distinctions between men and women as well as the gender roles attributed to them applied to slaves just as they did to free people. Therefore slave women are doubly marginalized in rabbinic halakhah: they were distinguished from free male Israelite qua being slaves and qua being women. As women they are treated differently than male slaves in religious regards.
VI. Relationships between Female Slaves and Free Women Would slave women and freeborn women have felt a certain affinity towards each other due to their shared gender and marginal status in a patriarchal society ? Obviously, the information available to us stems from the rabbinic perspective and may not reflect real life practices. For freeborn Jewish women their free status and Jewishness may have been more important than their gender. Because rabbis associated them with slaves in certain regards, they may have been eager to emphasize the differences. On the other hand, women may have developed a certain solidarity which crossed slavefree distinctions. They may have developed close ties to some maidservants in their household despite or perhaps even because of a certain overlap of their domestic roles. The relationship between mistresses and their female slaves probably shifted between competition and solidarity. Traces of both of these notions are transmitted in rabbinic sources.64 In rabbinic midrash Sarah, Abraham’s wife, is presented as an example of jealousy towards her maidservant. According to the biblical narrative, the barren Sarai asked Abraham to sleep with her Egyptian maidservant Hagar (Gen. 16:1–16). When Hagar had become pregnant, however, she looked down upon Sarai, that is, the hierarchy between them seemed to have changed. Power relationships are restored by Abraham’s reference to 63 See ibid. 27–54: the biblical distinction between Israelite and foreign slaves seems to have been irrelevant to rabbis. See also Paul V. M. Flesher, Oxen, Women, 39: “For the Mishnah’s framers, slavery cancels out the bondman’s – and therefore the freedman’s – previous identity […]. No clue remains to indicate even his ancestral background, not even to reveal whether he was originally an Israelite or a foreigner.” 64 Jennifer A. Glancy, “The Mistress-Slave Dialectic,” 71–87, has already pointed to both intimate relations and tensions between mistresses and their maids in the Greek Jewish novels Susanna, Tobit, Judith, and Joseph and Aseneth.
Part Whore, Part Wife
319
Sarai’s authority over her maid (ibid. v. 6). As a result of Sarai’s harsh treatment, Hagar fled. Only the intervention of an angel can persuade Hagar to return to Abraham’s household and endure her mistress’s resentment. Josephus stressed the maid’s arrogance in his rendering of the story: “Becoming pregnant, this servant had the insolence to abuse Sarai, assuming queenly airs as though the dominion were to pass to her unborn son” (A.J. 1.187–188). Midrash Genesis Rabbah, however, focuses on Sarai’s harsh treatment of her maid: “R. Abba said: She deprived her of use of the bed. R. Berekhiah said: She slapped a shoe into her face. R. Berekhiah in the name of R. Abba: Buckets and bathing apparel she gave her [to carry] to the bathhouse” (Gen. Rab. 45:6). The harsh treatment is imagined as physical violence, hard and humiliating work, or sexual deprivation here. Rabbis advocated treating the slave “neither with goodness nor with evilness”, that is, to keep one’s personal feelings out of one’s relationship with slaves. On the other hand, Josephus, Greek Jewish authors, and rabbis assumed that close and intimate associations could exist between women and some of their (female) slaves. Josephus reckoned with plots in which women of the Herodian family and their female slaves and eunuchs conspired against their male relatives (cf. B.J. 1.584–586; A.J. 15.226). Slave women are also portrayed as close confidantes of their mistresses on other occasions (cf. B.J. 5:545: Josephus’ mother complains to her handmaids). Judith’s handmaid is said to have accompanied her to the camp of Holofernes. Susannah was surrounded by her female “body slaves” while taking a bath in her garden.65 The Tosefta reckons with the possibility that mistresses might “act without shame” in front of their slaves (t. Ketub. 7:6; cf. t. Sotah 5:9). In connection with the bitter water ordeal, Sipre Numbers suggests that the accused woman’s slaves should not be present, “because her heart relies on them” (Sipre Num. 9). In both of these tannaitic texts male and female slaves are mentioned together as possible confidantes of their mistresses. Good and bad relationships between mistresses and their (female) slaves are also represented in Greek and Roman writings. For example, Galen’s mother is said to have vented her anger “in unrestrained physical abuse of her slave women.”66 Patricia Clark maintains that “The bad tempered and vicious mistress can be met over and over again in Roman literature.”67 One reason for this depiction was the common male belief that women were irrational and lacked self-control, so that „they are too violent and/or too capricious in their punishment of slaves.”68 That late antique rabbis shared this notion is evident in their portrayal of the biblical Sarah, mentioned 65
On these texts see Glancy, “Mistress-Slave Dialectic,” 78 and 82. Patricia Clark, “Women, Slaves,” 123, with reference to Galen, Diseases of the Mind 8. 67 Ibid. with further examples. 68 Ibid. 66
320
Catherine Hezser
above. On the other hand, solidarity amongst women is also a common literary theme.69 In Achilles Tatius’ novel Leucippe and Clitophon “feelings of sympathy and pity unite a free woman with the abused slave woman who seeks assistance from her ‘as one woman to another’. Thus, for Melite (the free woman) and Lacaena (the female slave) the unity of gender proves to outweigh any class distinctions and Melite ultimately intervenes to secure Lacaena’s manumission.”70 Literary texts would focus on exceptionally good or bad relationships between women and their slaves, whereas in real life the rapport between slave and free women would have been much more diverse, shifting between domination, cooperation, and empathy. The “unity of gender” could lead to friendship as well as to competition and animosity. Just as rabbis emphasized their own free male Israelite identity by distinguishing themselves from slaves and women as the quintessential Others, freeborn Jewish women may have stressed the status differences between themselves and their slaves to maintain a distinct identity.
VII. Conclusions Palestinian rabbinic discourse on slave women has to be understood in the context of Graeco-Roman society71 and on the basis of the received biblical tradition which rabbis applied to their contemporary circumstances. These two conceptual frameworks could be contradictory and lead to complex and inconsistent solutions, when combined hermeneutically. Unlike biblical and Near Eastern society, where polygamy was practiced, Roman society – and probably to a large extent also Jewish society of Roman Palestine – was legally monogamous. Unlike biblical society, Roman society outlawed the children of unions between slave mothers and freeborn fathers, declaring them illegitimate. Unlike biblical society, which valued large families with numerous sons and heirs, Roman society focused on the small nuclear family unit. While the Graeco-Roman impact on Jewish family life would have been significant, rabbis nevertheless tried to uphold biblical values and morals. Therefore they tolerated but were critical of sexual relationships between slave women and freeborn male Israelites, declared the children of such unions slaves rather than sons and daughters, criticized certain slave-breeding practices and allowed marriages or family-like unions amongst slaves.
69 Cf. Glancy, Slavery in Early Christianity, 6: “Romances, for example, depict slave women as the confidantes of their mistresses.” 70 See Denise E. McCoskey, “‘I Whom She Detested So Bitterly,’” 35. 71 Babylonian rabbinic discourse on female slaves would have to be studied in the context of slavery and gender in Sassanian society.
Part Whore, Part Wife
321
Gender functioned as one of the distinguishing criteria besides the slave– free and Jew–Gentile oppositions. Depending on the contexts and issues discussed, one of these dichotomies could become more important than the other or two of them were combined while one was disregarded. For example, as far as religious rituals and purity issues were concerned, gender differences seem to have been more important to rabbis than the Jewish or gentile origin of the slave. However, as far as the slave status of slave mothers’ children was concerned, gender was irrelevant. Gender differences also played a role in rabbis’ association of female slaves with household work. On the other hand, all slaves, whether male or female, were considered promiscuous and distinguished from free people on that account. Particularly interesting is the discursive overlap between the role of the female slave and the wife. Both were subordinate members of the household dependent on the paterfamilias and serviceable to him. In rabbinic literary sources slave women are portrayed as surrogate wives who fulfill the wife’s duties of household work, child rearing, and sexual satisfaction of their husbands. As far as the mistresses were concerned, this role could have had both positive and negative effects: it would release them from undesired duties but at the same time disrupt their bonds with their husbands and children. Accordingly, tensions as well as close friendship relations between free women and their maids would ensue. We may assume that in reality, the roles of female slaves in ancient Jewish families and the relationships of the household members toward each other were much more complex and diverse than rabbinic sources try to make us believe. Unfortunately, rabbinic texts merely enable us to see snippets of ancient Jewish life through filtered glasses, while the wider reality remains beyond our grasp.
Bibliography Betzig, Laura, “Roman Polygyny,” Ethnology and Sociobiology 13 (1992) 309–49. Bradley, Keith, “Wet-Nursing at Rome: A Study in Social Relations,” in The Family in Ancient Rome (ed. Beryl Rawson; Ithaca 1986) 201–29. –, “On the Roman Slave Supply and Slavebreeding,” in Classical Slavery (ed. Moses I. Finley; London 1987) 42–64. –, Discovering the Roman Family: Studies in Roman Social History (New York and Oxford 1991). Braund, David, “The Slave Supply in Classical Greece,” in The Cambridge World History of Slavery, vol. 1: The Ancient Mediterranean World (ed. Keith Bradley and Paul Cartledge; Cambridge 2011) 112–33. Clark, Patricia, “Women, Slaves, and the Hierarchies of Domestic Violence,” in Women and Slaves in Greco-Roman Culture: Differential Equations (ed. Sheila Murnaghan and Sandra R. Joshel; London 1998) 109–29.
322
Catherine Hezser
Cohen, Ada, Art in the Age of Alexander the Great: Paradigms of Manhood and Their Cultural Traditions (Cambridge 2010). Deacy, Susan and Pierce, Karen F., Rape in Antiquity (London 1997). Douglas, Mary, Purity and Danger. An Analysis of Concept of Pollution and Taboo (London and New York 2002). Fleishman, Joseph, “Does the Law of Exodus 21:7–11 Permit a Father to Sell His Daughter to be a Slave ?,” Jewish Law Annual 13 (2000) 47–64. Flesher, Paul Virgil McCraken, Oxen, Women, or Citizens ? Slaves in the System of the Mishnah (Brown Judaic Studies 143; Atlanta 1988). Flory, Marleen Boudreau, “Family in Familia: Kinship and Community in Slavery,” American Journal of Ancient History 3 (1978) 78– 95. Gardner, Jane F., Women in Roman Law and Society (London 1986). –, “Slavery and Roman Law,” in The Cambridge World History of Slavery, vol. 1: The Ancient Mediterranean World (ed. Keith Bradley and Paul Cartledge; Cambridge 2011) 414– 37. George, Michele, “Servus and domus: the slave in the Roman house,” in Domestic Space in the Roman World: Pompeii and Beyond (ed. Ray Laurence and Andrew Wallace-Hadrill; Portsmouth, RI 1997) 15–24. Glancy, Jennifer A., “The Mistress-Slave Dialectic: Paradoxes of Slavery in Three LXX Narratives,” Journal for the Study of the Old Testament 72 (1996) 71–87. –, Slavery in Early Christianity (Oxford 2002). Hauptman, Judith: “Imma Shalom,” in Jewish Women. A Comprehensive Historical Encyclopedia (ed. Paula E. Hyman and Dalia Ofer; online publication of the Jewish Women’s Archive 2005; accessed on 01/08/11: http://jwa.org/encyclopedia/article/imma-shalom). Hezser, Catherine, Jewish Slavery in Antiquity (Oxford 2005). –, “‘The Slave of a Scholar is Like a Scholar’: Stories About Rabbis and Their Slaves in the Babylonian Talmud,” in Creation and Composition: The Contribution of the Bavli Redactors (ed. Jeffrey Rubenstein; Tübingen 2005) 198–217. Ilan, Tal, “The Quest for the Historical Beruriah, Rachel, and Imma Shalom,” Association of Jewish Studies Review 22 (1997) 1–17. –, Jewish Women in Greco-Roman Palestine: An Enquiry into Image and Status (Tübingen 2006). Jastrow, Marcus, A Dictionary of the Targumim, the Talmud Babli and Yerushalmi, and the Midrashic Literature (Jerusalem 1985). Joshel, Sandra R., “Nurturing the Master’s Child: Slavery and the Roman Wetnurse,” Signs: Journal of Women in Culture and Society 12 (1986) 3–22. –, Work, Identity, and Legal Status at Rome: A Study of the Occupational Inscriptions (Norman, Okl. 1992). –, Slavery in the Roman World (Cambridge 2010). Joshel, Sandra R. and Murnaghan, Sheila, “Introduction: Differential Equations,” in Women and Slaves in Greco-Roman Culture (ed. Sandra R. Joshel and Sheila Murnaghan; London and New York 1998) 1–21. Kessler, Rainer, “Die Sklavin als Ehefrau: Zur Stellung der ‘amah,’” Vetus Testamentum 52 (2002) 501–12. Kyrtatas, Dimitris J., “Slavery and Economy in the Greek World,” in The Cambridge World History of Slavery, vol. 1: The Ancient Mediterranean World (ed. Keith Bradley and Paul Cartledge; Cambridge 2011) 91–111. Labovitz, Gail, “‘These are the Labors’: Constructions of the Woman Nursing Her Child in the Mishnah and Tosefta,” Nashim 3 (2000) 15–42.
Part Whore, Part Wife
323
McCoskey, Denise Eileen, “‘I Whom She Detested So Bitterly’: Slavery and the Violent Division of Women in Aeschylus’ Oresteia,” in Women and Slaves in Greco-Roman Culture: Differential Equations (ed. Sheila Murnaghan and Sandra R. Joshel; London 1998) 35–55. Peskowitz, Miriam, Spinning Fantasies: Rabbis, Gender, and History (Berkeley 1997). Pressler, Carolyn, “Wives and Daughters, Bond and Free: Views of Women in the Slave Laws of Exodus 21:2–11,” in Gender and Law in the Hebrew Bible and the Ancient Near East (ed. Victor H. Matthews; Sheffield 1998) 147– 72. Saller, Richard, “Symbols of Gender and Status Hierarchies in the Roman Household,” in Women and Slaves in Greco-Roman Culture: Differential Equations (ed. Sheila Murnaghan and Sandra R. Joshel; London and New York 1998) 85–91. –, “Women, Slaves, and the Economy of the Roman Household”, in Early Christian Families in Context: An Interdisciplinary Dialogue (ed. David L. Balch and Carolyn Osiek; Grand Rapids 2003) 185–204. Satlow, Michael, Jewish Marriage in Antiquity (Princeton 2001). Scheidel, Walter, “The Most Silent Women of Greece and Rome: Rural Labour and Women’s Life in the Ancient World (I),” Greece and Rome 42 (1995) 202–17. –, “Monogamy and Polygamy,” Princeton/Stanford Working Papers in Classics 1 (2009) 1–9 (accessed on 01/08/11:http://www.princeton.edu/~pswpc/pdfs/scheidel/010903.pdf). Stager, Laurence E., “Eroticism and Infanticide in Ashkelon,” Biblical Archaeology Review 17 (1991) 35–53. Stein, Dina, “A Maidservant and Her Master’s Voice: Discourse, Identity, and Eros in Rabbinic Texts,” Journal of the History of Sexuality 10 (2001) 375–97. Treggiari, Susan, “Domestic Staff at Rome in the Julio-Claudian Period, 27 B.C. – A.D. 68,” Histoire Sociale/Social History 6 (1973) 241–55. –, “Jobs for Women,” American Journal of Ancient History 1 (1976) 76–104. Westbrook, Raymond, “The Female Slave,” in Gender and Law in the Hebrew Bible and the Ancient Near East (ed. Victor H. Matthews et al.; JSOT Suppl. Series 262; Sheffield 1998) 214–38.
Enslaved Women in Basil of Caesarea’s Canonical Letters An Intersectional Analysis Bernadette J. Brooten Intersectionality theory, first proposed by legal scholar Kimberlé Crenshaw, provides a tool for grasping the complex relationship between femaleness and enslavement in the canonical letters of Basil of Caesarea (Letters 188, 199, 217). This contrasts with previous scholarship, which has focused on Basil’s views on slavery, rather than on the enslaved persons affected by his views. Basil’s canons, by recognizing marriage between enslaved persons, if the owner approves, may mitigate one aspect of the sexual vulnerability of slavery, although Basil does not spell out what enslaved marriage means and provides no recourse for an enslaved woman whose master does not respect the marriage bond. By not penalizing sexual assaults by an owner, Basil leaves intact the owner’s ultimate control of the sexual and reproductive functions of slave-women, including a master’s sexual access to the enslaved body that he owned. This lack of penalty supported a double standard within marriage. Basil implies that enrolled church virgins and brides are free and thereby capable of making decisions. Enslaved women in his communities, however, may well have been resisting their owners’ control by choosing their own life partners, but they were probably rarely able to choose celibacy.
Enslaved women appear as marginal figures in early Christian sources : we have neither writings by them nor even, with the rare exception, hagiographical or fictitious narratives of which they are the protagonists.1 The sources of early canon law can, however, provide hints of the moral dilemmas faced by enslaved women and of how they might have responded to these challenges. In his rules for church life, Bishop Basil of Caesarea in Asia Minor (ca. 330–ca. 379) writes of enslaved women who choose their own marriage partners without the owner’s permission and of sexual violence inflicted by their masters upon them. Slavery and gender mutually constitute each other
1 On Blandina, see Eusebius, Ecclesiastical History 5.1, trans. Roy J. Deferrari ; see also The Martrydom of Perpetua and Felicitas, in which Felicitas plays a secondary role.
326
Bernadette J. Brooten
in a specifically Christian fashion in these canons.2 That is, slavery, Christianity, and gender are not discrete categories, but rather shape and alter one another. As Christians, enslaved women were equal, as women subordinate, and as enslaved persons owned and dominated. Basil expected chastity of both enslaved and free women, required strict subordination of both to an authority, and recognized the vulnerability of both to violence by that authority. For Basil, both enslaved and free females were full human beings and persons with obligations, but read against the backdrop of the social and legal history of the period, the subordination of enslaved females that Basil wrote into his canons differs significantly from that of free females, who could themselves be slaveholders in their own names. This distinction is most apparent in the discussion of virgins who desire to be enrolled as official church virgins, whom Basil culturally marks as free. He certainly does not prohibit enslaved women from enrolling, but assumes a decision-making power normally not open to enslaved women. An intersectional analysis of Basil’s canons exposes the contradictions and compromises that must have characterized the lives of early Christian enslaved girls and women and the ways in which his thinking ultimately upholds slavery as a gendered institution. That is, slavery affected females, males, and genitally modified persons (such as eunuchs) differently from one another, and the owner’s gender limited or expanded her or his rights vis-à-vis the enslaved person.
I. Definitions of Slavery and the Theoretical Framework of Intersectionality In the Roman law of Basil’s time, an enslaved person was both person (persona) and thing (res).3 Thus, “the slave was not only rightless, he was also dutiless.”4 Roman jurists liken slavery to death and to non-being.5 There is much debate over what the essential elements of slavery are in the Roman world and cross-culturally. Orlando Patterson, who has investigated a broad range of societies throughout history, argues for four elements : domination supported by violence, natal alienation (i.e., separation from all 2
Early canon law intersected with Roman law much like the by-laws of a guild. Just as the early bishops did not see church discipline challenging or replacing legal practices and principles concerning the ownership of a house or a field, they also simply assumed the legitimacy of slavery as an institution. 3 Gaius (2nd C. c.e.), Inst. 1.52–54 (on enslaved persons as persons) ; 2.13 (on enslaved persons as corporeal things). 4 William W. Buckland, Roman Law of Slavery, 3. See Dig. 50.17.22, which quotes the 2nd–3rd c. jurist Ulpian : “No obligation (obligatio) falls on a slave,” The Digest of Justinian, Vol. 2, trans. Alan Watson. 5 Buckland, Roman Law of Slavery, 3.
Enslaved Women in Basil of Caesarea’s Canonical Letters
327
claims of birth and from a recognized community), degradation and parasitic (i.e., marked by the slaveholder’s dependence on enslaved labor) dishonoring, and direct carnal possession of the body and person of another.6 Contemporary anti-slavery activist Kevin Bales defines slavery in today’s world this way : “Slavery – a relationship in which one person is controlled by violence through violence, the threat of violence, or psychological coercion, has lost free will and free movement, is exploited economically, and paid nothing beyond subsistence.”7 Orlando Patterson, citing sexual slavery as an example, disputes Bales’s claim that economic exploitation is essential to slavery.8 Roman historian Elisabeth Hermann-Otto disputes Patterson’s characterization of slavery as “social death” (deriving from natal alienation) in the Roman world, arguing instead that enslaved persons were often highly valuable skilled workers who were integrated into the household and who rarely revolted.9 There is, however, little debate over the presence of violence and over the sexual vulnerability within Roman-period slavery. Adrienne Davis has defined U.S. slavery as a “sexual political economy” and as “institutionalized sexual harassment.” Of slavery in the United States, Davis writes, “Conceiving slavery as sexual harassment sheds light on how slave law was labor law, plantations were workplaces, and enslaved women’s resistance constituted gender activism.”10 Davis was not making a universal claim about slavery, but some of her conceptualization might also apply to the Roman world. Roman slave law functioned to increase work efficiency, and enslaved persons’ work increased their owners’ comfort and wealth or were themselves displays of it, e.g., as attendants. The sources on enslaved women’s resistance are sparse, but suggestive. While space does not allow for a full discussion of the definitions of slavery, I will explore how Basil’s canons confirm or disconfirm elements of them. Basil’s canons diminish natal alienation and social death by allowing enslaved persons to marry, albeit only with the permission of their master or mistress, but they leave untouched the violence of slavery (and of marriage between free persons) and the sexual vulnerability intrinsic to slavery in the Roman world. In his canons, neither enslaved women nor free daughters may exercise free will in the choice of their marriage partners. Thus, the subordination to a master or mistress parallels the subordination to a father or guardian, and the loss of free will and free movement affects both the enslaved and those subordinate to a father. The double standard in marriage limits the free movement of a wife. 6 Orlando Patterson, “Slavery, Gender and Human Trafficking” ; see also Orlando Patterson, Slavery and Social Death, 13. 7 Kevin Bales, “Defining and Measuring Modern Slavery.” 8 Patterson, “Slavery, Gender and Human Trafficking.” 9 Elisabeth Hermann-Otto, Sklaverei und Freilassung, 143–144, 148–152, 226–230. 10 Adrienne D. Davis, “Slavery and the Roots of Sexual Harassment,” 457–478.
328
Bernadette J. Brooten
Roman law historian Alan Watson sees the social purpose of Roman slave law as a way to manage the tensions between the slaveholder and the enslaved person, who could respond to this extreme form of exploitation by reducing the owner’s profits or violently assaulting him or her. In Watson’s view, the Roman jurists saw that exploitation11 could go in both directions, and they tried to maximize the owner’s benefits through “incentives, controls, or penalties.”12 They saw, for example, that some regulation of slaveholders’ cruelty would help to maintain the slaveholding system. Similarly, we can read Basil’s canons as a response to tensions inherent in slavery. Slaveholders, who owned the sexual and reproductive functions of their slave-women, could select a sexual partner for them, but slave-women could also undercut that control by choosing their own partners. Masters could rape their slave-women, and though this theoretically contravened the Christian value of chastity, Basil chose not to penalize such acts. Thus, Basil’s canons, by recognizing slave marriage, if the owner approves, may mitigate one aspect of the sexual vulnerability of slavery, although he does not spell out what enslaved marriage means and provides no recourse for an enslaved woman whose master did not respect the marriage bond. By not penalizing sexual assaults by an owner, Basil leaves intact the owner’s ultimate control of the sexual and reproductive functions of slave-women, including a master’s sexual access to the enslaved body that he owned. Reading Basil’s canons as a reaction to social practices enables us not only to consider Basil’s thought, but also the challenges faced by enslaved girls and women in early Christianity and their responses to these challenges. Intersectionality theory, first proposed by legal scholar Kimberlé Crenshaw,13 provides a tool for grasping the complex relationship between femaleness and enslavement in the lives of these girls and women. Crenshaw theorized that analyzing how the identities of race and gender intersect in the lives of women of color in the United States is the prerequisite for creating effective policies to serve them. Developing effective policies for preventing and addressing violence against women of color has been one of Crenshaw’s main goals. She argued that policies based on the concept that all women at risk of violence or that all persons within the same ethnic or racial group share the same experiences and interests will fail to prevent or respond adequately to violence against women of color, because the identities of gender and 11 I do not agree with Watson’s characterization of enslaved persons’ actions as “exploitation,” but I agree that there was mutual fear of violence. 12 Alan Watson, Roman Slave Law, 1. 13 Kimberlé Crenshaw, “Demarginalizing the Intersection of Race and Sex,” 139–167 and Kimberlé Crenshaw, “Mapping the Margins,” 1241–1299. Other Black feminists have put forth comparable calls for a complex analysis of multiple identities and forms of domination. See, e.g., the Combahee River Collective, “A Black Feminist Statement,” 362–372 ; Bell Hooks, Feminist Theory ; and Patricia Hill Collins, Black Sexual Politics.
Enslaved Women in Basil of Caesarea’s Canonical Letters
329
race or ethnicity are not static and separable from each other, but rather dynamic and mutually constitutive. One cannot simply add gender to race or ethnicity to understand how they interact with each other in the lives of individuals and groups. Crenshaw used the metaphor of a traffic intersection to think about the various forms of discrimination women of color might encounter, hence “intersectionality.”14 Intersectionality assumes the existence of identities with material consequences, but identity has come under increasing criticism as a category of analysis, particularly within queer studies, which points to fluidity in both sexual orientation and gender identity and expression.15 In such other fields as psychology, however, identity remains a central category of analysis.16 An intersectional analysis of ancient sources on enslaved and free women cannot serve the purpose for which Crenshaw and others originally developed it. A researcher today cannot undo violence in the distant past or create effective policies to prevent or address it. Early Christian canon law did not arise within a human rights framework, for which reason one cannot speak of early Christian anti-discrimination policies that did or did not adequately address discrimination against enslaved women and girls. Further, 14 Scholars disagree whether to apply intersectionality to varieties of difference beyond those originally proposed by Crenshaw and other Black women scholars who developed the theory to analyze race, gender, and class. Nikol G. Alexander-Floyd, “Critical Black Race Feminism,” 810–820, here 816, notes, “Scholars across the academy now invoke intersectionality only to divorce it from its connection to generations of prior theorizing and research by and about black women, abstracting its meaning so that it applies to any and all forms of difference or identity.” Contrast Ange-Marie Hancock, “When Multiplication Doesn’t Equal Quick Addition,” 63–79 and “Intersectionality as a Normative and Empirical Paradigm,” 248–254. Hancock argues that intersectionality can go beyond an “inclusion-oriented content specialization” focusing on marginalized women to become a “body of normative theory and empirical research” that “can also more comprehensively answer questions of distributive justice, power, and government function” (“Intersectionality as a Normative and Empirical Paradigm,” 250, 251, 249–250). See also Leslie McCall, “The Complexity of Intersectionality,” 1771–1800, who wishes to expand intersectionality research by laying out methodologies for it. – If applied to all possible categories and permutations, intersectionality could lose its original critical edge – or extend it, rendering it suitable for promoting more profound social, economic, political, and legal transformation. Jennifer C. Nash argues that representing Black women as the quintessential subjects of intersectional analysis results in treating them as monolithic, eliding such other factors as class or sexuality ; and replicates the conceptual framework of Black feminism without clarifying its theoretical contribution beyond that. (Nash, “Re-thinking Intersectionality,” 1–15, esp. 8–9). – Leslie McCall argues for large-scale empirical intersectional analysis to understand the complexities of structural inequality. She defines this methodology as intercategorical complexity or the categorical approach, because the researcher begins with the categories of social groups, but in the course of the analysis investigates how the relationships among social groups change. (McCall, “The Complexity of Intersectionality,” 1784–1794). 15 See, e.g., Judith Butler, Gender Trouble. 16 See, e.g., Carolyn Zerbe Enns, “Locational Feminisms,” 333–339.
330
Bernadette J. Brooten
we do not find evidence of identity politics in early Christian communities, that is, of groups of similarly situated persons organizing for improved conditions for their group. Finally, intersectional methodologies that were developed to study living populations, such as large-scale empirical, comparative research, are not suited to the extremely sparse and disparate data that I will treat here, most of which was preserved by male slave-holders and by other men who accepted the morality of slavery. As a theory for understanding multiple differences, however, and how they mutually constitute one another, intersectionality can yield a differentiated picture of early Christian communities. Nevertheless, identity is a problematic concept to apply to the ancient sources to delineate these differences. First, there are insufficient sources to delineate anything like the identity formation of enslaved women in early Christianity. Second, one can certainly argue that slavery was performed, resisted, and thereby fluid, rendering the concept of fixed identity problematic. Legal status as enslaved or free is, however, a quite suitable category for intersectional analysis. Whether or not enslaved and free persons in the Mediterranean world in which early Christianity originated constructed an identity around their legal status, that status nevertheless led to certain legal disabilities or legal advantages. Gender is likewise a legally salient category. Intersectionality provides a tool for analyzing how gender and legal status as free or enslaved inflect each other. The Christians in Basil’s communities lived under Roman law, which employed the categories of free and enslaved and of male and female17 with numerous permutations. Christians responded to these categories and sometimes altered their meanings. These categories intersect with others that developed within the early church, such as that of a virgin who was officially recognized and enrolled as such within the church. I will begin with the categories of legal status (freeborn, freed, or enslaved) and of gender and then analyze how they constitute one another in an important source of early canon law, namely the “canonical letters” of Basil of Caesarea.18
II. Basil of Caesarea Basil was born into a fabulously wealthy Christian family, but contributed much of his wealth to the poor and urged other wealthy persons to do their part. He founded hospitals, homes for the elderly, and soup kitchens. His active assistance to those suffering from famine both saved lives and prevent17 There were numerous permutations. These included, for example, whether a person had been born free or had been freed, and, if freed, the type of freedom one had obtained ; and where one ranked in the social ladder. 18 Basil of Caesarea, Letters 188, 199, 217.
Enslaved Women in Basil of Caesarea’s Canonical Letters
331
ed enslavement.19 At the same time, he remained a slaveholder even as an ascetic, as did, apparently, his sister, Makrina, and his mother, Emmelia.20 In three long letters, Basil responded to Bishop Amphilokios of Ikonion’s questions about church discipline, many of which concerned sexual transgressions. In these canonical letters, Basil touches upon marriage, slavery, and sexual violence. Basil’s canons derive in part from previous tradition and in part from Basil himself.21 In some respects, Basil recognized the humanity and dignity of enslaved persons to a greater extent than did contemporaneous Roman law, which may correlate with his concern for the poor. Whereas Roman law did not recognize the marriages of enslaved persons, Basil was willing to do so if the owner did, although we know nothing about the form of enslaved persons’ church marriages or precisely what an owner’s recognition meant. In addition, the disciplinary canons in Basil’s letters are the only early sources of canon law known to me to acknowledge that masters raped their slave women. At the same time, however, a close analysis of Basil’s canons exposes the contradictions and compromises that must have characterized the lives of early Christian enslaved girls and women and the ways in which his thinking ultimately upholds slavery as a gendered institution. Richard Klein, who has thoroughly and judiciously documented Basil of Caesarea’s stance on slavery, exemplifies a more traditional, non-intersectional mode of investigation. Klein sets out to understand Basil’s personal views on slavery, what Basil saw as the origin of and justification for slavery, and how slavery figured into his theology.22 Basil himself, rather than the potential effects on the enslaved or free persons about whom Basil writes, 19
See Susan R. Holman, The Hungry are Dying, 64–98. Basil, in Letters 3, appeals to a Roman official to imprison a man who had lent money to one of Basil’s enslaved male laborers, who had recently died. Basil accuses the man of assaulting the women (γύναια) who guarded the house (probably enslaved women) and of stealing goods. The house, in Annisa, may have been Basil’s country house or the women’s monastic community led by his sister, Makrina, and his mother, Emmelia. Basilius von Caesarea : Briefe, ed. and trans. Wolf-Dieter Hauschild, Vol. 1, 164, note 33. See also Gregory of Nyssa, Life of Makrina 7, who refers to their slave-women. Susanna Elm, Virgins of God, 85, has posited that the enslaved laborers belonging to Emmelia and Makrina were manumitted, perhaps by the manumissio inter amicos (“manumission among friends”) procedure, which could be effected by the owner’s asking the enslaved person to eat with her or him. This form of manumission did not result in full citizenship for the formerly enslaved person. Gregory of Nyssa never explicitly states that either Emmelia or Makrina manumitted their enslaved women, but he does say that Makrina persuaded her mother “to partake in the life of the virgins around her, after having made them from the slaves and servants they were, into sisters and equals” (καταμῖξαι τὴν ἰδίαν ζωὴν τῇ μετὰ τῶν παρθένων διαγωγῇ, ὅσας εἶχε μεθ᾽ἑαυτῆς ἐκ δουλίδων καὶ ὑποχειρίων ἀδελφὰς καὶ ὁμοτίμους ποιησαμένη) (Greg. Nyss., Life of Makrina 7.6–8 ; Grégoire de Nysse, ed. and trans. Pierre Maraval, 164 ; translation Elm, Virgins of God, 84). 21 I will refer to them here as Basil’s canons, but they are a composite. 22 Richard Klein, Die Haltung der kappadokischen Bischöfe, 35–115. 20
332
Bernadette J. Brooten
forms the subject of his study. Klein carefully situates Basil within the history of ideas about slavery. In contrast, my intersectional analysis will focus on the possible effects on enslaved and free women of Basil’s rules for church life that are found in Basil’s canonical letters. These letters are called canonical because they detail individual infractions and prescribe specific penalties in the form that later came to be called “canons” when canon law had developed more systematically. Because we do not know the extent to which early bishops in Asia Minor followed these canons, this is an analysis of the potential effects of Basil’s theory, rather than social history. But because Basil was a bishop when he put together these canons, they were practical, rather than purely theoretical. In addition, Basil and his predecessors likely developed at least some of these canons in response to behaviors by church members, including enslaved and free women. One can therefore read Basil’s words as one side of a conversation, one that invites the reader to think about the behaviors of the women whom Basil is trying to regulate as well as the reasons that these women may have had for such actions as choosing their own partners. While a history-of-ideas approach enables one to situate Basil within the spectrum of thinking about slavery, intersectional analysis, as policy analysis, renders possible a focus on the possible effects of Basil’s canons on variously situated women. Basil’s authority as a bishop extended over his diocese alone. At this early point in church history, church discipline differed from region to region. Unlike the Roman jurists from whom the early bishops sometimes drew their legal principles, early church leaders wrote little about legal procedure. Thus, Basil’s canons do not describe how specific infractions would come to the attention of a bishop, whether witnesses would be heard and in which manner, whether the accused party would be allowed an advocate, and whether a bishop would decide the case alone or not. Since some of the infractions, such as homicide and rape, were also crimes, the absence of procedures is even more noteworthy. Basil’s canons seem to assume that each bishop had jurisdiction over his diocese, but this was a contentious period in church history in which bishops could fall out of and into favor, owing to doctrinal disputes. The main church sanction available to Basil and other bishops was temporary or permanent exclusion from the community. In Basil’s canons, public penance could accompany this exclusion. The severity and length of the penance serve as a marker for his priorities. 1. Filling the House with Corruption : Illicit Slave Marriages Basil defines as infractions several types of sexual unions entered into by girls or women without the approval of those in authority over them : (1) enslaved girls or women who married without their owner’s approval ; (2)
Enslaved Women in Basil of Caesarea’s Canonical Letters
333
free girls who married without their father’s approval ; and (3) free girls who were abducted (the abductor was culpable, but not the girl). On the surface, the cases seem parallel : Basil classifies each union as illicit, but allows for later church recognition of the union, if the owner or the father gives approval.23 Thus, all of these females are subject to authority ; the owner or the father, not the girl or woman, chooses the man. But a deeper look shows that these cases are not parallel, that the authority of an owner differs from that of a father and that an enslaved female’s choice differs from that of a free female. A complicated analogy by Basil illustrates the difference. Basil mentions “secret marriages” by enslaved women within a canon on enrolled church virgins who break their vow.24 He sets up a parallel between a church virgin and a (free) bride, both of whom are presumed to be virgins to start with ; and another parallel between a church widow who breaks her vow and an enslaved woman who marries without her owner’s permission. He states that a widow is inferior to a virgin and assumes that a slave-woman is inferior to a (free) bride. The presumed readers’ shock at the thought of a bride committing adultery should explode into even greater shock at the prospect of a lapsed church virgin. In order to illustrate this great sin of the most pure, Basil brings in inferior figures with their lesser sins, namely a church widow’s lapse and a slave-woman’s illicit union. The latter sinned greatly, but less than the virgin or the bride, because they fell a shorter distance : A great sin indeed it is that even a slave-woman giving herself over to secret marriage should fill the house with corruption, and through her evil life commit a great outrage against her owner ; but it is far worse, of course, that the bride should become an adulteress and, dishonoring her union with the bridegroom, give herself over to licentious pleasures.25
23 Except for unions with abducted girls who were betrothed to another man before the abduction (Basil, Letters 199, canon 22). 24 Basil, Letters 199, canon 18 ; cf. Synod of Ankyra, canon 19, which applied the penalty for serial bigamy to virgins who broke their vow (Périclès-Pierre Joannou, ed. and trans., Discipline Générale Antique, 70). 25 Basil, Letters 199 (written in 375), canon 18 (Lettres, ed. and trans. Yves Courtonne, 156) : Μέγα μὲν ἁμάρτημα καὶ δούλην λαθραίοις γάμοις ἑαυτὴν ἐπιδιδοῦσαν φθορᾶς ἀναπλῆσαι τὸν οἶκον καὶ καθυβρίζειν διὰ τοῦ πονηροῦ βίου τὸν κεκτημένον ; πολλῷ δὲ δήπου χαλεπώτερον τὴν νύμφην μοιχαλίδα γενέσθαι καὶ τὴν πρὸς τὸν νυμφίον ἕνωσιν ἀτιμάσασαν ἡδοναῖς ἀκολάστοις ἑαυτὴν ἐπιδοῦναι. (Translation my own here and throughout, except as noted.) See also canons 40 and 42. John Chrysostom, Homilies on Ephesians 15.3, may be assuming a similar practice among enslaved women. He tells a female slave-holder that, if her slave-woman fornicates (πορνεύῃ), “yoke (ζεῦξον) her to a man ; remove the occasions of fornication” (PG 62.110top). In Homilies on Ephesians 22.2, he states that enslaved husbands have authority over their wives (PG 62.158top).
334
Bernadette J. Brooten
Basil of Caesarea contrasts a “slave-woman” with a “bride,” both of whom he accuses of exercising improper agency. (Basil’s early readers knew that, under Roman law, only a free woman could marry legally.26 Thus, the bride here is culturally marked as free.) The Christian slave-woman’s “great sin” consists of choosing her own life partner. The Christian bride’s even worse sin consists of having sex with a man other than her bridegroom. Why would a Christian slave-woman’s choosing her own partner in marriage be a sin that brings corruption on a household ? And why would it be “far worse” for a bride to commit adultery ? In the absence of an intersectional analysis, one might simply see both females as under male authority, the slave-woman under the authority of her master and the bride under that of the bridegroom. Thus, both females have failed to respect their respective authorities, but the bride’s sin is greater either because marriage is a deeper bond than that between an enslaved person and her or his owner or because, as a free woman, she enjoys greater privilege and therefore greater responsibility. Such a non-intersectional analysis, however, fails to explain fully why Basil juxtaposes “slave-woman” with “bride.” 2. Harsh Penalties for Official Church Virgins, Who Are Implied to Be Free Closer analysis of the larger passage in which Basil decries enslaved women’s “secret marriages” can help to clarify the categories and how Basil uses them to create policy. In this canon, Basil rationalizes his call for a stricter penalty for “fallen virgins” who have engaged in sexual relations. These virgins were women who had sought official church recognition of their state of virginity and had vowed to live in life-long celibacy. Basil defines widowhood as inferior to virginity and infers from 1 Tim 5:11–12 that fallen virgins should incur a greater penalty than widows who had enrolled in the church as official church widows (and receive financial support from the church), but who then marry. 1 Tim 5:12 says of church widows who want to marry : “and so they incur condemnation (κρίμα) for having violated their first pledge.”27 Basil reasons that, if 1 Timothy applies the charge of “condemnation” (κρίμα) to church widows who remarry, then officially enrolled virgins who lapse are at yet greater fault. Basil illustrates this with an analogy that 26 Rules of Ulpian 5.5 : Cum servis nullum est conubium ; “With slaves there is no legally recognized marriage” (Latin : James Muirhead [ed.], The Institutes of Gaius and the Rules of Ulpian, 371 ; translation my own). See Dig. 50.17.32 (2nd– 3rd-c. c.e. jurist Ulpian), for an early rule of law that enslaved persons have no legal capacity, which would include the capacity to marry. Recognition included, e.g., the concept of a quasi dowry (quasi dos) given to the enslaved husband or his owner, which could become a real dowry if they were freed (Dig. 23.3.39 proem ; Ulpian). See Elemér Pólay, “Die Sklavenehe und das römische Recht,” 1–83. 27 NRSV.
Enslaved Women in Basil of Caesarea’s Canonical Letters
335
will enable the implied reader to grasp why he is increasing the penalty for fallen virgins. He compares a lapsed widow (who is under church authority) to a slave-woman who marries without her master’s consent, both of whom stand under “condemnation,” and a lapsed virgin to a bride who dishonors her union with the bridegroom. Basil stresses that church authorities should openly investigate a potential church virgin’s own intention, taking great care to certify that she is at least seventeen or eighteen years of age, of full mental capacity, and persistent in her quest for admission. They should ensure that she is not pressured into the role by relatives who seek for themselves an earthly advantage (such as, perhaps, avoiding the cost of a dowry) by attempting to enroll under-age girls as church virgins. Basil correlates this high bar for admission with inexorable punishment of those virgins who break their vow. These virgins have the capacity to determine their own future, which implies that they are free. Likewise, Basil implies free status with his concern that relatives of the girl might try to obtain an earthly advantage by pressuring her into church virginity. An enslaved girl had no legal relatives under Roman law, and the owner, rather than the biological relatives, had authority over her. Finally, Basil apparently shares the cultural assumption of his time that an enslaved female cannot be presumed to be a virgin. Thus, a widow who breaks her pledge is to be punished as “a corrupted slave-woman.”28 This analogy makes sense only if neither the widow nor the slave-woman were a virgin before the infraction. Basil’s Long Rules for monastic life support this interpretation of these virgins as free, for he instructs monasteries to return to their owners enslaved persons seeking refuge, referring to Paul, who sent Onesimos back to his owner Philemon.29 Basil explains that if the owner is immoral and forces the enslaved person to break the Lord’s commandment, then the monastery should prepare the escapee to endure the future suffering that the owner will inflict. He does, however, seem to leave open the possibility of acceptance by the monastery under those circumstances.30 In addition, Basil may have allowed enslaved women to enter the ascetic life if they could persuade their owners.31
Basil, Letters 199, canon 18 (Lettres, ed. and trans. Courtonne, 156) : ὡς δούλη διεφθαρμένη. 29 Phlm 12–21. 30 Basil of Caesarea, Asketikon : Long Rules 11 (PG 31.948top ; Anna M. Silvas, The Asketikon of St Basil the Great, 195–196). Similarly, the Council of Chalcedon (451), canon 4, ordains that an enslaved person may not become a monastic against their owner’s will. 31 Basil’s brother Gregory of Nyssa, Life of Saint Makrina 8.11, writes of an enslaved man named Chrysaphios who joined their brother Naukratios in an ascetic life, both out of friendship for Naukratios and because he himself desired to do so, showing that enslaved men could sometimes adopt an ascetic life. 28
336
Bernadette J. Brooten
3. Why the Enslaved Woman Who “Secretly” Marries Is Marginal and What Her Marriage May Mean The enslaved woman whose great sin consists of choosing her own life partner appears briefly within Basil’s canon and is not its focus. The enslaved wife contrasts with a (virginal) bride whose betrayal of her bridegroom illustrates Basil’s main point, namely that church authorities should harshly punish a lapsed church virgin. The enslaved woman is peripheral within the text, just as the enslaved were supposed to do their work on the periphery of daily life, ever present, but unobtrusive. And yet, even though the enslaved woman is structurally peripheral within Basil’s text, her “great sin” points to agency on her part, if the “secret marriage” is her choice, rather than the result of coercion. If she indeed chooses her own partner, that choice is not agency in the Western, post-Enlightenment, problematic view that individuals can make free and autonomous choices, but rather agency within the extreme constraints of slavery. Rather than submitting to her owner’s plans for her, she risks the ire of her owner. The enslaved woman’s “secret marriage” is textually embedded within a canon focused on a virgin’s thoughtful and considered choice to be enrolled as a church virgin. In contrast to the virgin, the enslaved woman is prohibited from determining which sexual arrangement best suits her Christian faith. Her owner alone has that right. The slave-woman’s action constitutes a rupture. She does not accept her subordination in one of the most important decisions a human being can make. In fact, she is choosy, picky, and wholly insubordinate. Although not legally married under the Roman law that pertained to Basil and his intended readers, the slave-woman apparently sees her relationship as a marriage. A marriage without the permission of the owner is of necessity “secret,” a term that evokes an image of the owner’s wrath at the discovery. In Basil’s eyes, this insubordination constitutes an outrage against her owner and defiles the entire household. But, in the enslaved woman’s own perspective, she may be behaving like Basil’s ideal church virgin : in full possession of reason and thoroughly persistent. (Of course, we have nothing from the enslaved woman’s perspective. Her motivations may have ranged from desire for a chaste life, if her owner respected the union, to simply a bit of erotic pleasure in a grim world.) Under threat of the owner’s wrath, she persists in her choice, although she could well be subject to the multiple and competing forces of coercion characteristic of enslavement, but Basil does not concern himself with these forces upon her, only with her insubordination. Alternatively, the slave-woman’s union may have been coerced. Perhaps we should imagine an enslaved woman becoming pregnant owing to an assault or under pressure from either an enslaved or free man. In the constrained and violent life circumstances of enslaved women, church censure for a forced “secret marriage” would have made difficult lives even more difficult.
Enslaved Women in Basil of Caesarea’s Canonical Letters
337
In another canon, Basil appeals to contract law to oppose unions that enslaved women may themselves have chosen : She who, contrary to her owner’s will, gives herself in marriage to a man has committed fornication, but if she lived in an openly recognized marriage afterward [i.e., after living in the unapproved union, she now lives with the same man in a union permitted by her owner], she is married. Thus, the former is fornication and the latter marriage. For the contracts of those who are subject have no force.32
This canon presupposes intense struggle and negotiation between a Christian enslaved woman and her owner. Although at first the owner may not agree to the relationship, she may eventually persuade him or her. If the owner finally agrees to recognize the enslaved woman’s view that her relationship is a marriage, then Basil himself is willing to recognize it as such. Her fornication is not the sexual acts themselves, but rather her insubordination to her owner. If she had obtained permission for the same acts, they would not constitute fornication. Her fornication can, however, be transformed into a marriage recognized by the church (although not by civil law) if she persuades her owner. The woman’s sexual acts would not differ ; the owner’s permission alone makes the difference. Her oral contract is legally invalid without her owner’s permission. By charging the slave-woman with fornication, Basil assumes that she has an obligation to remain chaste – or perhaps just obedient. This obligation under church law contrasts with Roman law, under which an enslaved person, as both person and thing, has neither rights nor obligations.33 In contrast, Basil is treating her only as a person, albeit a thoroughly subordinated one, not as a thing. 4. Does a Free Daughter’s Defiance of Her Father Parallel a Slave-Woman’s “Secret” Marriage ? Basil treats a free daughter’s decision to enter into a relationship with a man against the will of her father in what seems to be a parallel fashion. Like enslaved girls and women, free girls were subject to another authority, namely their fathers, who had the power to betroth them. Basil defines as fornicators girls who have followed a man without their father’s permission, but
32 Basil, Letters 199, canon 40 (Lettres, ed. and trans. Courtonne, 162) : Ἡ παρὰ γνώμην τοῦ δεσπότου ἀνδρὶ ἑαυτὴν ἐκδιδοῦσα ἐπόρνευσεν, ἡ δὲ μετὰ ταῦτα πεπαρρησιασμένῳ γάμῳ χρησαμένη ἐγήματο. Ὥστε ἐκεῖνο μὲν πορνεία, τοῦτο δὲ γάμος. Αἱ γὰρ συνθῆκαι τῶν ὑπεξουσίων οὐδὲν ἔχουσι βέβαιον. Elsewhere, Basil gives the penalty of four years of excommunication for fornication. Letters 199, canon 22, describes four stages of this sanction before readmission to communion : one year of weeping at the church door, one year of being allowed to hear the service, one year of penance, and one year of standing with the laity. 33 See above, note 3.
338
Bernadette J. Brooten
allows for recognition of the union if the parents later agree to it.34 In a different canon, he responds to the practice of marriage by abduction by prescribing the penalty for fornication to the abductor (but not to the victim), but he is willing to recognize the union of an unbetrothed girl if those in authority over her hand her over to the abductor.35 His general statement, “Marriages without the consent of superiors are fornication,”36 creates the impression that a father’s consent parallels that of an owner. Thus, he states that marriages entered into when an owner or father has died (and the woman is not subject to any authority) are as valid as unions to which those authorities have consented.37 While Basil classifies the unapproved unions both of enslaved females and of free daughters as fornication – as if they were the same, legally and socially – a father’s power differed from that of a slave-owner. A free Christian daughter could expect that her father would either choose a lawful husband for her or that he would agree to her choice of church celibacy.38 She could expect to inherit either from him or from her husband. If she was widowed, she had authority over herself.39 A Christian enslaved girl or woman could not enter into a legal marriage or inherit from anyone. Basil does allow for church recognition of a union approved by her owner, which is an advance over Roman law, although Roman jurists recognized some aspects of the marriage-like relationship (Latin : contubernium) of enslaved persons.40 While she theoretically could be enrolled as a church virgin, her owner had a powerful disincentive to agree to that : he or she would lose ownership of any children the slave-woman could bear.41 Further, Basil’s 34
Basil, Letters 199, canon 38. Basil, Letters 199, canon 22, 30. See Judith Evans-Grubbs, “Abduction Marriage in Antiquity,” 59–83. In 533, Justinian replaced earlier abduction law with one that included various categories of women and girls, including enslaved girls and women who belonged to others (Codex Justinianus 9.13.1; see also Codex Justinianus 1.3.53, on the abduction of church virgins). 36 Basil, Letters 199, canon 42 ; English : The Letters, ed. and trans. Roy J. Deferrari, 129. 37 Ibid. 38 When Basil discusses church virgins, he does not mention the necessity of a father’s approval, only that some families bring forth their daughters for admission out of a desire for worldly advantage for themselves, but one should assume that a father’s agreement was required (Basil, Letters 199, canon 18). 39 Basil, Letters 199, canon 41. 40 See above, note 26. 41 Greg. Nyss., Life of Makrina 7.2–8, speaks of virgins who lived with Makrina and her mother who had been and were perhaps still enslaved to them. “Enrolled church virgins” is a more plausible meaning than “intact virgins,” because enslaved and formerly enslaved women were not presumed to be virgins. Makrina’s allowing them to live a celibate life would fit well with the image presented by Gregory. Gregory’s representation leads the reader to believe that the decision was made by Makrina, rather than fervently sought by each of the individual women themselves. 35
Enslaved Women in Basil of Caesarea’s Canonical Letters
339
insistence that church authorities accept only those young women who earnestly desire celibacy and persist in their supplications seems to presuppose a decision-making power that church leaders were unlikely to recognize in the enslaved. An enslaved girl’s or woman’s best hope of living a sexual life in accord with her Christian values probably lay in a union with a fellow Christian. But an owner might well oppose her choice. If her chosen partner were enslaved to another owner, she might flee her present bondage. Her owner might want to decrease the risk of her flight by joining her to an enslaved person in the same household. Further, for an enslaved girl or woman to choose her own partner undermined the authority of the owner and even of slavery itself. 5. Enslaved Resistance In spite of all of this, Basil’s text presupposes enslaved girls’ and women’s resistance. In a very different time and place, namely nineteenth-century African America, we find echoes of such ancient resistance. Frances Smith Foster has thoroughly documented and analyzed the extraordinary efforts of both enslaved and free African American Christians to create stable families based on values that they defined and promoted, which may have differed from those of contemporaneous European Americans or from values considered to be Christian today. Antebellum law (like the colonial law in both North and South that preceded it) did not allow legal marriage between enslaved persons, but private letters, sermons, memoirs, and the AfroProtestant press testify to a determination to form marital unions in the face of great odds. For example, decades after forced separations, formerly enslaved wives and husbands took out personal advertisements in newspapers to find their partners.42 Perhaps an enslaved woman’s “secret marriage” so vilified by Basil represents a similar determination on her part. A slave-woman’s marrying without her owner’s permission could also signify resistance to a master’s own desire for her or to the mistress’s plan to hand her over to the master. In fact, chastity and slavery have rarely coexisted. Seneca the Elder (ca. 54 b.c.e.–ca. 39 c.e.) reports that the defender of a freedman accused of a sexual relationship with his former owner said, “Unchastity in a freeborn person is ground for prosecution, in a slave necessity, and in a freed person duty.”43 The Jewish and Christian Bibles nowhere 42 Frances Smith Foster, ’Til Death or Distance Do Us Part, citation of several personal advertisements on pp. 26–27. See also Frances Smith Foster (ed.), Love and Marriage in Early African America. 43 Seneca the Elder, Controversies 4, ed. and trans. M. Winterbottom, Vol. 1, 430 : inpudicitia in ingenuo crimen est, in servo necessitas, in liberto officium. See Susan Treggiari, “Women as Property,” 7–33, here 20–21 ; Elisabeth Hermann-Otto, Ex ancilla natus, 312, note 43.
340
Bernadette J. Brooten
explicitly prohibit sexual contact between masters and their slave-women or slave-girls. Early Christians read the Genesis account of Abraham’s sexual contact with Hagar and Jacob’s with Bilhah and Zilpah, all given by their mistresses to the master.44 They also read Exodus 21:7–11, on a father selling his daughter into slavery, whom a master could designate for himself or for his son.45 Of course, the New Testament condemns fornication and impurity,46 and a Christian master’s sex with his slave-woman or slave-girl would surely be fornication. The question is how church leaders were able to tolerate the institution of slavery and the fornication attendant to it, while at the same time promoting the virtue of chastity, as well as fidelity within marriage. Slavery has de facto included sexual ownership of enslaved persons, and history has shown that fidelity in marriage does not co-exist easily with slavery in the household.47 The New Testament itself commands enslaved persons to obey their owners in all things and even to endure ‘unjust’ beatings.48 Those enslaved women and girls who were required by their owners to provide sexual services, which we know from Roman-period sources to have been a social practice,49 would have faced a moral dilemma upon hearing these teachings in church. They were to obey their owners in all things, but they were also to reject impurity, desire, and earthly things.50 Generations of enslaved Christian women faced this dilemma.
44
Gen 16:3–4 ; 30:3–13. David P. Wright, “‘She Shall Not Go Free as Male Slaves Do,’” 125–142. 46 E.g., 1 Cor 5:1 ; 6:13,18 ; Eph 5:3 ; Col 3:5. 47 For discussion of the sexual dynamics of slavery in materials ranging from the Bible and the Ancient Near East, early Christianity and the Roman world, early rabbinic Judaism, the Qur’an and early Islamic jurisprudence, through to U.S. history, see Bernadette J. Brooten (ed.), Beyond Slavery. 48 Col 3:22–25 ; Eph 6:5–8 ; Titus 2:9–10 ; 1 Pet 2:18–21. 49 With respect to the Roman world as a whole, Elisabeth Hermann-Otto succinctly summarizes her extensive research : “Die Herren hatten volles sexuelles Zugriffsrecht auf ihre Sklaven männlichen und weiblichen Geschlechtes,” in Sklaverei und Freilassung, 171– 180. She cites Dig. 35.2.63 proem (2nd–3rd-c. c.e. jurist Paul) : “a man who possesses as his slave his own natural son ;” as well as Gaius (2nd c. c.e.), Inst. 1.6.18–19 ; and Dig. 40.2.11 (2nd–3rd-c. c.e. jurist Ulpian), on masters manumitting their sons or daughters before the usual age of 30 (The Digest of Justinian, Vol. 2, trans. Alan Watson). See Hermann-Otto, Ex ancilla natus, 42–46 for discussion of inscriptions referring outright or alluding to enslaved children fathered by the master (e.g., CIL 3.14206 = Inscriptiones Latinae Selectae 2.2.7479 = Römische Inschriften : Lateinisch/Deutsch, ed. and trans. Leonard Schumacher ; and CIL 11.961 = Römische Inschriften, ed. and trans. Schumacher, No. 204 [Reggio Emilia, Italy]). See also Treggiari, “Women as Property,” esp. 20–22. On discussion, especially in later Roman law, of enslaved children fathered by the owner or another free man, see Richard Willvonseder, “Kinder mit Geldwert,” 97–109. 50 Col 3:5,22. 45
Enslaved Women in Basil of Caesarea’s Canonical Letters
341
Early Christian leaders knew that Christian men had sex with their slave women and slave girls. Such Christian authors as Lactantius, Ambrose, Jerome, and Augustine vehemently (although rarely) discouraged Christian masters from sex with their slave women, sometimes castigating such men in sermons or treatises.51 Although the early bishops who created church discipline knew that Christian masters legally controlled the bodies of their slave women in every way, they did not intervene in the sexual dynamics of slavery, which contrasts sharply with their extensive penalties for other sexual infractions. 6. A Master’s Sexual Assault Basil acknowledges that masters can force sex on their slave women, but chooses not to penalize Christian masters for so doing, instead simply pronouncing the enslaved Christian women not guilty : Women who have been corrupted by force are not culpable. Thus, even the slave-woman, if she has been violated by her own master, is not culpable.52
Thus, for Basil, the question is not, “What is the penance for a Christian master who forces his slave-woman into sexual relations ?” Instead, his question is whether the enslaved woman is guilty. The lack of penalty for the master among Basil’s 84 canons is not just an accidental oversight or a function of limited sources, but results rather from Basil’s refusal to limit a male slaveholder’s rights.
51 For Lactantius, see Divine Institutes 6.23.23 ; Latin : Samuel Brandt and Georg Laubmann (ed.), pt. 1, 568 ; English : The Divine Institutes, trans. Mary Francis McDonald, 460, on which see Judith Evans Grubbs, Law and Family, 90–91. For Ambrose, see On Abraham 1.4.26–27 ; Latin : Karl Schenkl (ed.), pt. 1, 520–522 ; English : On Abraham, trans. Theodosia Tomkinson, 14–15, on which see Evans Grubbs, Law and Family, 233. For Jerome, see Epistles 77.3 ; Latin : Isidor Hilberg (ed.), pt. 2, 39 ; Latin and English : Select Letters of St. Jerome, ed. and trans. F. A. Wright, 314–315, on which see Evans Grubbs, Law and Family, 249. For Augustine, see Sermons 9.4 ; Latin : Cyrille Lambot (ed.), Sancti Aurelii, 115 ; English : The Works of Saint Augustine, trans. Edmund Hill, 263, on which see Richard Klein, Die Sklaverei, 178–179. 52 Basil, Letters 199, canon 49 (Lettres, ed. and trans. Courtonne, 164). Αἱ πρὸς ἀνάγκην γενόμεναι φθοραὶ ἀνεύθυνοι ἔστωσαν. Ὥστε καὶ ἡ δούλη, εἰ ἐβιάσθη παρὰ τοῦ οἰκείου δεσπότου, ἀνεύθυνός ἐστιν. Similar to this, Roman law does not penalize a master for sex with his slave-woman. Buckland, Roman Law of Slavery, 76, refers to Dig. 47.10.15.15, which specifies that accosting the slave-woman of another is a lesser offense than accosting a Roman matron.
342
Bernadette J. Brooten
7. Slavery Infects the Marriages of the Free When examined against the backdrop of the double standard for marital fidelity put forth by Basil, the tension between chastity and slavery is diminished for Basil and exposed more clearly to the contemporary critical reader. Basil explicitly defines a stricter standard of marital fidelity for the wife than for the husband. Basil begins his canon on divorce with Jesus’ prohibition of divorce : “And the Lord’s decree that withdrawing from marriage is not allowed, except on the grounds of unchastity, logically applies equally to men and women.”53 Thus, like husbands, wives ought to be able to divorce their unfaithful husbands and remarry. There should be no double standard. But Basil then goes on to say that, by custom (συνήθεια), the church does not allow Christian wives to divorce adulterous husbands and to remarry. He gives scriptural references in support of greater stringency for wives than for husbands.54 If wives divorce unfaithful husbands and remarry, states the canon, the wives themselves become adulterous.55 Basil also explicitly excludes a husband’s beating his wife or alienating her property as grounds for divorce, which shows the conceptual interpenetration between “wife” and “enslaved person.”56 8. The Conceptual Overlap in Basil Between Wife and Enslaved Person This conceptual overlap between wife and enslaved person is also evident in Basil’s treatment of intentional and unintentional homicide. If a man kills his wife with an axe, he is guilty of murder and is subject to twenty years of penance. If however, a person dies from having been beaten with a strap or a pliant rod, but the person administering the beating had intended to punish that person for the purpose of improving her or him, Basil consid53
Basil, Letters 188, canon 9. Basil is apparently construing Matt 5:31–32 ; 19:9, which prohibits divorce except on the grounds of πορνεία, to include the possibility of divorce by wives. Matt 5 and 19, like Luke 16:18, prohibit divorce by a man, as if only the husband had the right to initiate divorce. Mark 10:11–12 and 1 Cor 7:10–11 assume that both women and men could initiate divorce. 54 1 Cor 6:16 (on being joined to a prostitute) ; Jer 3:1 (Basil’s citation is misleading ; he crops a text that concerns a man’s divorcing his wife, who then marries another, and is now prohibited to him ; Basil presents the case as a wife who has been with another man now being prohibited to her husband) ; Prov 18:22 (“a man who keeps an adulteress is foolish and ungodly” ; found only in the Septuagint). 55 But see Basil, Morals 73, which allows both husband and wife to separate in the case of adultery or moral compromise. 56 See also Basil, Hexaemeron 7.5, which instructs a wife that she is not allowed to break the union with her husband, even if he is τράχυς (harsh), ἄγριος (savage), πλήκτης (violent), πάροινος (drunken), and/or δυσάρεστος (impossible to please). Greek : Amand de Mendieta and Stig Y. Rudberg (ed.), Homilien zum Hexaemeron, 122 ; Greek and French : Homélies sur l’Hexaémeron, eds. and trans. Stanilas Giet, 418.
Enslaved Women in Basil of Caesarea’s Canonical Letters
343
ers this to be involuntary manslaughter. Thus, if one beats one’s wife, son or daughter,57 pupil, or enslaved laborer with a strap or rod to improve them, there is no penalty unless the beating resulted in death. In the case of death, the intention to improve is a mitigating circumstance, and the resultant penance is ten or eleven years, rather than twenty.58 To Basil’s credit, the penalty he prescribes does not depend on whether the victim was free or enslaved, but an owner would likely always claim that the death of an enslaved person had resulted accidentally from proper chastisement.59 The Roman jurist Paul (2nd– 3rd c.) stated that, absent an intent to kill, an owner may not be charged with the murder of his or her enslaved laborer.60 9. John Chrysostom’s Distinction Between Slavery and Marriage A comparison with Basil’s contemporary, John Chrysostom (ca. 347–407), makes clearer Basil’s conceptual linkage between marriage and slavery. In contrast to Basil, Chrysostom vigorously opposes men beating their wives. In a sermon on 1 Corinthians, Chrysostom stresses that the headship of a husband over his wife is comparable to that of God over Christ (1 Cor 11:3 : “Christ is the head of every man, and the husband is the head of his wife, and God is the head of Christ”). If God is to Christ as husband is to wife, then beating is out of the question. To husbands, he says : No failing necessitates beating your wife. And why do I say “wife” ? For neither would it be tolerable for a free man to beat and lay hands on a slave-woman. But if it is a great disgrace to beat a slave-woman, how much worse is it to raise your hand against a free woman ?61
For Chrysostom, a wife’s status as a free person is grounds for not beating her. Otherwise, it would not be worse to beat one’s wife than to beat one’s slave-woman. Implicit in his construal of 1 Cor 11:3 is that an enslaved person is not to her or his master or mistress as Christ is to God, whereas a wife is to her husband as Christ is to God. Thus, the gentle relationship between Christ and God needs to be replicated within marriage, but not within slavery. Chrysostom also excoriates the harsh and improper beating 57 Richard P. Saller, Patriarchy, Property and Death, 133–153, argues that, from the earliest Latin literature onward, the Romans expressed great hesitation about beating their children, because it connoted slavery, and that Augustine represents a later development and ideology in which everyone is in a state of slavery owing to sin. 58 Basil, Letters 188, canon 8, 11 ; 217, canon 54, 56–57. See also Letters 217, canon 52 (child exposure to hide sin is murder, but out of necessity not). 59 Compare Synod of Elvira (early 4th c.), canon 5, which prescribes just seven years of penance for the intentional killing of a slave-woman and five for the unintentional killing. 60 Collatio Legum Mosaicarum et Romanarum (4th–5th c.) 3.2.1. 61 John Chrysostom, Homily on 1 Corinthians 26.7 (PG 61.222top ; translation my own), discussed by Joy A. Schroeder, “John Chrysostom’s Critique of Spousal Violence,” 413–442, 428.
344
Bernadette J. Brooten
of slave-women, while maintaining that enslaved persons sometimes have to be beaten.62 When preaching on the Epistle to the Ephesians, Chrysostom says : What kind of marriage is it when a wife trembles in fear of her husband ? What kind of pleasure can a husband himself have if he lives with his wife as if she were a slave-woman and not a free woman ?63
Fear signifies a state of slavery, and the fear affects both the owner and the enslaved person. Thus, a husband who treats marriage as a form of slavery is missing out on the pleasure of marriage. Chrysostom promotes marriage based on equal dignity, rather than the culturally accepted fear and beating, which denote slavery. Chrysostom opposes wife-beating, because it connotes slavery.64 Basil observes wife-beating and the husband’s alienation of the property bought by the wife into the marriage and rules that wives should endure these indignities, that they are not grounds for divorce. Thus, for Basil, wifehood and slavery are closer to each other than for Chrysostom. Chrysostom’s text is, however, a sermon and not a set of disciplinary canons. Sermons clearly represent an interest in an issue, but church sanctions show a firm commitment to it, which should caution against too sharp a distinction between Chrysostom and Basil. 10. Inequality in Divorce Basil’s rule that a wife needs to take back her unfaithful husband correlates with his definition of sex between a married man and an unmarried woman as fornication, rather than as adultery. Fornication carries a lesser penalty 62 See also Chrys., Homily on Ephesians 15.3 (PG 62.109top–110mid), where he castigates slaveholding women’s brutality against their slave women, even while conceding that beating is sometimes necessary, saying that one should chastise “not only by the whip,” but that a “rod and blows” may be necessary : “‘What then ? Is there to be no beating ?’ I do not say this. For it is necessary – but not continuously, nor immoderately.” Translation by Blake Leyerle, “Sermons on City Life,” 247–260, here 258–259 ; discussed by Schroeder, “John Chrysostom’s Critique of Spousal Violence,” 428. See also Chrys., Commentary on Romans, Homily 4.4 (PG 60.420bot–421top), discussed in Bernadette J. Brooten, Love Between Women, 347. 63 Chrys., Homily on Ephesians 20.2 (PG 62.137top), discussed by Schroeder, “John Chrysostom’s Critique of Spousal Violence,” 428. 64 For a thorough analysis of the differences between eastern and western patristic and Roman legal sources, see Leslie Dossey, “Wife Beating and Manliness in Late Antiquity,” who argues that there was less toleration of wife beating in the East and greater intervention by neighbors and family. Basil’s canon on divorce does not quite fit that pattern. For discussion of wife-beating as indicative of the comparability between free wives and enslaved persons in Augustine, Confessions 9.9.19, see Sheila Briggs, “Gender, Slavery, and Technology,” 159–176, 170.
Enslaved Women in Basil of Caesarea’s Canonical Letters
345
than adultery.65 He requires the Christian wife to take back her unfaithful husband, but requires a Christian husband whose wife has been unfaithful to divorce her. If, however, a Christian wife confesses to adultery, she is not subject to public penance, lest her public penance lead to her being convicted and killed.66 Thus, Basil’s canon would actually protect the adulterous woman who confesses. Basil is more stringent on divorce than the civil law, which allowed divorce by the wife. Although Christian Roman emperors began to restrict this right, the development shows contestation even decades after Basil. For example, in 439 Theodosius II, Roman Emperor of the East, moved against a recent restriction to restore the older legal practice of allowing divorce by wives. In 449, he included as grounds for divorce a husband’s consorting with lewd women (impudicae) in her presence or subjecting her to whipping (verbera), which he defined as an insult to free persons. Basil, of course, speaks of beating and not whipping, but neither does his canon include an exception for whipping or lewd women.67 11. Enslaved Widows May Choose to Marry An unusual canon concerning enslaved widows testifies both to Basil’s recognition of enslaved marriage and to enslaved women’s resistance strategies : The enslaved widow has perhaps not erred greatly in choosing a second marriage under the pretext of abduction. Thus, she should not be accused because of this. For the outside appearances are not judged, but rather the intention. But it is clear that the penalty for serial bigamy awaits her.68
65 Basil, Letters 199, canon 21, defines sex between a married man and an unmarried woman as fornication, for which he prescribes a “longer,” but undefined punishment. Letters 199, Canon 22 (on marriage by abduction), prescribes a four-year punishment for fornication. Letters 217, canon 58, prescribes a penalty of fifteen years for adultery, whereas canon 59 sets the penalty for fornication at seven years, which apparently contradicts the four-year penalty of canon 22. Perhaps the penalties should be seen as : fornication between two unmarried parties (as in abduction) : four years ; fornication between a married man and an unmarried woman : seven years ; adultery between a married man and a married woman : fifteen years. (See The Letters, ed. and trans. Deferrari, Vol. 3, 249–250, note 4, with reference to the earlier Benedictine editors.) This does not explain, however, why canon 59 applies its penalty of seven years for fornication generally, rather than limiting it to fornication between a married man and an unmarried woman. 66 Basil, Letters 199, canon 34. 67 Novellae Theodosianae II 12.1 (439 c.e.) ; Codex Justinianus 5.17.8 (449 c.e.). 68 Basil, Letters 217, canon 53 (Lettres, ed. and trans. Courtonne, 210) : Ἡ χήρα τάχα οὐ μέγα ἔπταισεν, ἑλομένη δεύτερον γάμον ἐν σχήματι ἁρπαγῆς. Ὥστε οὐδὲν τούτου ἕνεκεν ἐγκαλεῖσθαι χρή. Οὐ γὰρ τὰ σχήματα κρίνεται, ἀλλ᾽ἡ προαίρεσις. Δῆλον δὲ ὅτι τὸ τῆς διγαμίας μένει αὐτὴν ἐπιτίμιον. On serial bigamy, see Letters 188, canon 4.
346
Bernadette J. Brooten
This canon differs greatly from that on enslaved women choosing their own partners without the approval of the owner, for it does not even mention the owner. Comparing this canon with one on free widows, however, clarifies the difference between enslaved and free widows : A widow with the authority over herself to live with a man is without blame, if there is no one to break up the union, as the apostle says, ‘But if the husband dies, she is free to marry anyone she wishes, only in the Lord’ (1 Cor 7:39).69
These canons punish an enslaved widow, but not a free widow, for remarrying. In this, Basil treats the enslaved widow like a widower,70 who is also punished for serial bigamy, perhaps because the New Testament explicitly allows a widow to remarry but nowhere mentions that a widower may remarry. Basil prescribed a penalty for all Christians who remarried after the death of a spouse, except free widows. For Basil, 1 Cor 7:39 probably does not apply to an enslaved widow, because she is not under her own authority and is therefore not “free to marry anyone she wishes.” Indeed, she is not free (ἐλευθέρα). She is comparable to the widower in that scripture nowhere allows her to remarry. An enslaved widow is thus both owned and subordinate, whereas a free widow is neither owned nor subordinate to any authority. Nevertheless, strikingly, Basil does not seem to require that the master or mistress grant permission for the marriage. The “abduction” that the enslaved widow claims as a pretext for her second marriage is puzzling, but may signify a seizing in place. For example, a man enslaved to the same owner might coerce an enslaved widow, but not take her anywhere. An abductor who had physically removed an enslaved woman from her owner’s household would have been guilty of the theft of her person, but the canon does not imply that. In this construal, an enslaved widow wishing to remarry would be claiming that she had been forced into a sexual relationship. A related canon on abduction states as a general principle that the abductor is not punished unless there is violence, sexual violation, or robbery and then notes : “But a widow is under her own authority and free to follow.”71 An enslaved widow, however, is not free to follow a man into a marriage, even if following means staying in place, but the penalty for serial bigamy and the term “widow” imply that church leaders had recognized her first marriage.
69 Basil, Letters 199, canon 41. Such a widow is not enrolled as a widow in the church, who is required to remain celibate (Letters 199, canon 24). 70 Basil, Letters 199, canon 24 (Lettres, ed. and trans. Courtonne, 158–159). Basil states that there is no “regulation” (νόμος) for widowed men, which presumably refers to both free and enslaved widowers, because the New Testament does not supply Basil with a regulation governing the remarriage of widowers, either free or enslaved. 71 Basil, Letters 199, canon 30.
Enslaved Women in Basil of Caesarea’s Canonical Letters
347
12. Strategies of the Enslaved When viewed together, the two canons on enslaved women choosing their own partners without the owner’s permission, the one on an enslaved widow remarrying under the pretext of abduction, and the one on a master’s sexual violation of his slave-woman raise the possibility that some enslaved women sought stable relationships of their own choosing in part as a strategy of resisting attempts by the owner upon them. Although I am not familiar with any ancient Mediterranean sources to support this hypothesis, the comparative study of slavery can help us to imagine strategies of the enslaved. In the United States in the nineteenth-century, young Harriet Jacobs successfully resisted her Christian master’s attempts to force her into a sexual relationship by choosing a relationship with a socially powerful European American man in the neighborhood, who fathered her two children. Her master was furious, but did, in fact, stay away from her.72 13. Why Are Enslaved Men Absent ? The complete absence of enslaved men in Basil’s canons requires explanation.73 The canon on the enslaved widow applies the penalty for serial bigamy only to her and not to the alleged abductor. Perhaps the implication is that force, sexual violation, and robbery were absent and that the man, if himself enslaved, was previously unmarried. The canon concerning enslaved women who choose a partner without permission of the owner similarly fails to mention any penalty that might apply to an enslaved man who does the same. The canons’ greater focus throughout on female sexual and marital transgressions may explain the absence. Or perhaps Basil and other elite men felt more comfortable talking about female insubordination than male insubordination.74 14. The Complex Intersection of Freedom and Slavery with Gender Freedom, slavery, and subordination interact with gender in complex ways in Basil’s canons, which assume the authority of both fathers and slaveholders. Daughters may not marry without their fathers’ permission. Abducted girls and women may be handed over by the father (or other authority) in marriage to the abductor, without penalty to the abductor. Enslaved girls 72 Harriet Jacobs, Incidents in the Life, chaps. 5–7 (pp. 25–28), 10–11 (pp. 45–53), 14–15 (pp. 63–70). 73 Basil, Letters 217, canon 62, concerns males who commit shamelessness with males, but does not mention enslaved males in this context. Other Roman-period sources point to the sexual use of enslaved males, which likely occurred among Christians as well. See, e.g., Petronius, Satyricon 75.11 ; Craig A. Williams, Roman Homosexuality, 31–40. 74 I thank Michelle L. Wolfe for this suggestion.
348
Bernadette J. Brooten
and women may not marry without their owners’ permission. Taken together, these seem parallel : females under a father’s or a master’s or mistress’s authority may not choose their own husband. But, whereas a free daughter is subordinate and does not control who has sexual access to her body, an enslaved woman is never a legal daughter at all, because she has no legal father with authority over her. An enslaved widow’s status also differs from that of a free widow. A free daughter might move from the authority of her father to that of her husband, but an enslaved wife remains under the authority of her owner. And a free father does not own his daughter’s children, whereas a master or mistress does own their slave-woman’s offspring, even if her church marriage is recognized. Church recognition of a slave marriage does not fundamentally alter the ownership relationship, although Basil’s recognition of slave marriages is a powerful recognition of enslaved persons’ humanity. Church recognition of slave marriage, therefore, constitutes an intervention into the institution of slavery, because the recognition of marriage undercuts the legal concept of an enslaved person as both person and thing. But Basil tempers his intervention with deference to an owner’s authority and property rights. Church recognition of the marriage may imply that the owner should not separate the family and should recognize the husband’s exclusive right to his enslaved wife, but Basil does not explicitly address those issues. Under civil law, the owner would still own the offspring of the union, the husband would not be the legal father of the children, and no inheritance rights would ensue from the union. For a daughter, female freedom in marriage in Basil’s canons implies an orderly transfer of a subordinate female from one authority to another. Female enslavement implies no more than the hope of a regularized sexual relationship that would enable an enslaved woman to live out the Christian ideal of chastity. In Basil’s culture, a free father is expected to marry off his daughter, but a slaveholder is not expected to allow his own slave-woman to marry. Even the marriage of an enslaved woman does not diminish the owner’s authority over her, for enslaved femaleness does not imply an orderly transfer from one authority to another. By recognizing enslaved women’s marriages at all, of course, Basil brought enslaved femaleness into closer proximity to free femaleness.75 Just as a fa75 Basil’s recognition of enslaved marriage as γάμος represents progress over Roman law, which did not recognize enslaved marriage. Basil’s recognition would not, however, have given enslaved families inheritance rights, or have rendered enslaved men legal fathers, as these were matters of Roman law. Christian Roman emperors did not alter these fundamental elements of slave law. Constantine did, however, rule that enslaved families on imperial properties were not to be separated, even applying the legal term agnatio (family relationship or kinship) to them. Codex Theodosianus 2.25.1 ; discussed by Evans Grubbs, Law and Family, 307–309, who points out that Constantine did not extend this policy to enslaved families in private ownership. Thus, an owner in Basil’s congregation
Enslaved Women in Basil of Caesarea’s Canonical Letters
349
ther might have interests in giving his daughter to a specific man in marriage, such as the desire to create a powerful family alliance or to ensure that his daughter would remain Christian, so too might an owner strategize that an enslaved woman in a marriage might be a more docile and pliant worker, less likely to flee, more likely to persuade her husband not to flee, and more likely to give birth to profitable new workers. In both the selection of a husband for a daughter and a slave-woman, preservation of wealth and the hope of greater wealth could play a role. The asymmetry with respect to divorce reveals elements of ownership, even within marriage between free persons. Whereas a husband may not accept back a wife who has had sex with any other man, a wife must accept back a husband who has had sex with an unmarried woman. Thus, a husband has a kind of ownership over his wife’s sexual expression in a way that she does not have over his. This ownership applies to free wives, but does it apply equally so to enslaved wives and husbands ? Was an enslaved husband required to divorce his enslaved wife if she had had sex with another man ? Perhaps his owner would not have allowed him to divorce her. Indeed, if an enslaved wife’s sexual partner was the master himself or one of his guests, a Christian enslaved husband could have had difficulty divorcing his wife in accordance with Basil’s canon. His enslaved wife would certainly have had difficulty resisting a master or his guest, which does not mean that she would never have succeeded.
III. Conclusion Ownership overlaps conceptually with subordination in the case of a free woman who is sexually assaulted or of a slave-woman sexually assaulted by her master. To be sure, for both women, Basil’s canon acknowledges that sexual assaults occur. In neither case, however, is there a remedy for the woman, such as public church penance by the perpetrator directed toward the victim. In fact, the canon does not concern harm to the woman. Instead the question is whether or not she is guilty of fornication or adultery. The aggrieved wife of the master, herself subordinate to him, holds power over the enslaved victim of her husband’s violence. If the master was married and the slave-woman unmarried, the master’s wife would have to endure his infidelity, which could cause her to direct misplaced anger at the slave-woman. A master owns sexual access to his slave-woman. (Of course, a mistress also owns the sexual and reproductive function of her own slave-woman could sell away part of an enslaved family without legal repercussions. See, however, Dig. 33.7.7 (2nd – 3rd-c. c.e. jurist Ulpian) for the assumption that a testator would not want the “harsh separation” of an enslaved family that had lived together.
350
Bernadette J. Brooten
and could sexually abuse just as could a slave-master, but that possibility is far beyond what Basil ever contemplates.) The absence of a penalty for the master who assaults his unmarried slave-woman demonstrates to both slave-woman and free wife his ownership. In contrast, a free wife is subject to divorce for consensual, extra-marital sex. Thus, the free husband has limited ownership over his wife’s sexual function, but absolute ownership over his slave-woman’s. If the slave-woman could demonstrate that the master had forced her, she would – at best – not be liable to the penalty for fornication or adultery.76 Strikingly lacking from Basil’s canons are procedures for ascertaining whether force had occurred. Without any procedures for ascertaining the facts of the case, how would a bishop decide that a slave-woman was innocent of illicit sexual conduct that occurred in private ? Social and legal constraints on enslaved women, as well as cultural stereotypes of enslaved women as licentious, would have made it exceedingly difficult for an enslaved woman to demonstrate to a bishop or her congregation that her master had forced her.77 In contrast, family, neighbors, and potentially an entire village could more easily demonstrate that the abduction of a free woman had occurred, even in the absence of defined procedures. Would a bishop accept a slave-woman’s testimony ? How would she gain access to the bishop, and would she not be accused of denunciation ?78 Finally, and most importantly, what was the remedy for the slave-woman ? In a generous reading of Basil’s canon on sexual assault, the master incurs the sanction for either fornication or adultery, and the enslaved rape victim incurs no penalty. The canon on the sexual assault of a slave-woman actually does not mention any penalty at all for the master, but fornication is penalized in other canons. The master’s penalty for fornication or adultery would not be greater because he had forced himself on a woman whose body he owned. Indeed, a man who secretly or somewhat violently abducts a free woman receives a four-year penalty for fornication, whereas other fornication is
76 If enslaved women were subject to the same church rules as free persons, consensual sex between an unmarried slave-woman and any man would be penalized as fornication and between a married slave-woman and a man other than her husband as adultery. She would only count as married, of course, if her master had agreed to allow her to marry. 77 For a Christian depiction of an enslaved woman as lascivious, see the Acts of Andrew 17–23 (pp. 462–471 of Jean-Marc Prieur’s edition). 78 For harsh penalties against enslaved and freedpersons who accused their owners of crimes in the late fourth-century Roman law, see Codex Theodosianus 9.6.1 (376 c.e.), 2 (376 c.e.), 3 (397 c.e.).
Enslaved Women in Basil of Caesarea’s Canonical Letters
351
to be punished by up to seven years of public penance.79 Force is not the distinguishing category ; marriage by some force is a lesser offense, probably because it can result in a regularized union. In a very different church, the bishop could have required that the assailant give up ownership of the slave-woman, that the church buy her out of slavery, that the master manumit a child born as a result of the assault, or that the master perform a public ceremony of repentance directed toward her. But each of these remedies would have undermined the institution of slavery and was therefore out of the question. They could have also resulted in revenge by the master against his slave-woman. Like the followers of Basil’s contemporary, Eustathios of Sebaste, Basil could have encouraged monastic communities to accept into their ranks enslaved persons fleeing their owners, a practice condemned by bishops at the Synod of Gangra in Armenia,80 but that would have also undermined slavery. The toleration of slavery and the failure to penalize a master for an assault on his slave-woman intertwines with the double standard in marriage between free persons. Had church custom granted to wives of unfaithful husbands the power of divorce, which Basil himself recognizes as the logical reading of the gospel texts, that would have been another way to address masters’ sexual contact with enslaved women and may have rendered more likely mistresses’ support for such enslaved women, rather than pitting the mistresses against the slave-women. Basil’s canons demonstrate that both enslavement and gender are dynamic, mutually constitutive categories that need to be analyzed in relation to each other. The explicit toleration of wife-beating rendered free wives comparable to enslaved women in that both were subject to violence that church officials would not punish. The double standard in marriage illustrates a husband’s control of his free wife’s sexual function, which mirrors the master-husband’s control of his slave-woman’s sexual function. Enslaved women could try to undercut this absolute control by choosing their 79 Basil, Letters 199, canon 22 (four years for secret or somewhat violent abduction) ; canon 44 (seven years for fornication by a consecrated female deacon) ; Letters 217, canon 59 (seven years for the undefined fornicator) ; Letters 199, canon 38 (three years for girls who cohabit with a man without paternal approval, but whose parents later agree to the union). 80 Synod of Gangra (ca. 355), canon 3 : “If one, under the pretext of piety should teach an enslaved person to look down on his or her owner and to withdraw from service (in order to live an ascetic life), and not to serve his or her master or mistress with good will and all honor, let that one be anathema.” The term for “to withdraw” is ἀναχωρεῖν, which is a technical term within early Christian asceticism for “to withdraw from the world to an ascetic life.” For the Greek text, see Joannou, Discipline Générale Antique, 90. See Heike Grieser, “Asketische Bewegungen in Kleinasien im 4. Jahrhundert und ihre Haltung zur Slaverei,” 381–400.
352
Bernadette J. Brooten
own partners, but whether they could choose to participate in the higher calling of official church virginity is much less likely. An official church virgin who persistently and openly expresses her desire for the office enjoys greater freedom than a wife, albeit at the cost of sexual intimacy. A church virgin’s freedom from a husband’s violence or infidelity alters the meaning of her free gender.81 In her celibacy, she is more distant from the bodily vulnerabilities of slavery than a married woman, although under the strict authority of a male church hierarchy. An intersectional analysis, based on the potential meanings of specific policies for vulnerable groups, enables a contemporary reader to see Ba sil in discussion with his contemporaries, including enslaved women, and moves forward the discussion of what slavery is. For Basil, slavery includes control of a slave-woman’s sexual function, control that requires Christian reinforcement in the face of enslaved women’s resistance. The absence of church penalties for sexual or physical violence rendered both enslaved women and free wives vulnerable, although to a different order of magnitude. The highly prized state of celibacy altered what it meant to be female, although probably rarely for enslaved women. Intersectionality helps us to imagine, in a historically informed fashion, enslaved women’s experiences.82
Bibliography Primary Sources Acts of Andrew : Prieur, Jean-Marc (ed. and trans.), Acta Andreae, 2 Vols. (CC, Series Apocryphorum 6 ; Tournhout, 1989). Ambrose, On Abraham : Schenkl, Karl (ed.), Sancti Ambrosii Opera, pt. 1 (CSEL 32 ; Vienna 1897) ; On Abraham : Saint Ambrose of Milan, trans. Theodosia Tomkinson (Etna, Calif. 2000). Ankyra, Synod of : Discipline Générale Antique (IVe–IXe s.), Vol. 1, pt. 2, Les canons des synodes particuliers, ed. Périclès-Pierre Joannou (Fonti 9 ; Rome 1962).
81 A church virgin might, however, experience corporal punishment in a monastic setting or in her parent’s home. Basil leaves the punishment of monastics to the superior’s discretion, although without mentioning beating (Basil, Short Rules 106 ; Long Rules 51). 82 I thank Sarah Griffis and Tyler Schwaller for their research assistance with this chapter, as well as Rachel Adelman, Azza Basarudin, Julia Watts Belser, Ann Braude, Hauwa Ibrahim, Susan Lanser, and Michelle L. Wolfe for their helpful comments. I thank the Ford Foundation, especially Constance Buchanan and Sheila Davaney, for its support of the Feminist Sexual Ethics Project, of which this is a part. A grant from the National Endowment for the Humanities and an affiliation with the Harvard Women’s Studies in Religion Program also supported this work. I thank also the organizers of the “Doing Gender, Doing Religion” conference, Bärbel Beinhauer-Köhler, Ute E. Eisen, Christine Gerber, Christiane Krause, Silke Petersen, and Angela Standhartinger, as well as all of the participants.
Enslaved Women in Basil of Caesarea’s Canonical Letters
353
Augustine, Sermons : Lambot, Cyrille (ed.), Sancti Aurelii Augustini Sermones (CCCM 41 ; Tournhout 1961) ; The Works of Saint Augustine : A Translation for the Twenty-first Century, pt. 3, trans. Edmund Hill (Brooklyn 1990). Basil of Caesarea, Asketikon : Silvas, Anna M., The Asketikon of St. Basil the Great (New York 2005). Basil of Caesarea, Homilies on the Hexaemeron : Amand de Mendieta, Emmanuel and Stig Y. Rudberg (eds.), Basilius von Caesarea : Homilien zum Hexaemeron (GCS n.s. 2 ; Berlin 1997) ; Basile de Césarée : Homélies sur l’Hexaémeron, ed. and trans. Stanilas Giet (2nd rev. and expanded ed. ; SC 26b ; Paris 1968). Basil of Caesarea, Letters : Saint Basil : Lettres, 2 Vols., ed. and trans. Yves Courtonne (Paris 1961). Basil of Caesarea, Letters : St. Basil : The Letters, 4 Vols., ed. and trans. Roy J. Deferrari (LCL ; Cambridge, Mass. 1926–1934). Basil of Caesarea, Letters : Basilius von Caesarea : Briefe, 3 Vols., ed. and trans. Wolf-Dieter Hauschild (Stuttgart 1973–1990). Chrysostom, John, Homilies on Romans (PG 60). Chrysostom, John, Homilies on 1 Corinthians (PG 61). Chrysostom, John, Homilies on Ephesians (PG 62). Codex Theodosianus : Theodor Mommsen and Paul Krueger (eds.), Codex Theodosianus, Vol. 1 (Hildesheim 1990) ; The Theodosian Code, trans. Clyde Pharr (Princeton, N.J. 1952). Corpus Iuris Civilis, Digesta : Mommsen, Theodor and Paul Krueger (eds.), Corpus Iuris Civilis, Vol. 1 Institutiones, Digesta (rev. ed. ; Berlin 1973) ; The Digest of Justinian, trans. Alan Watson (Philadelphia, Pa. 1998). Eusebius of Caesarea, Ecclesiastical History : Books 1–5, trans. Roy J. Deferrari (The Fa thers of the Church 19 ; Washington, D.C. 2005). Gaius, Institutes : Gaius : Institutiones, ed. and trans. Ulrich Manthe (Stuttgart 2004) ; James Muirhead (ed.), The Institutes of Gaius and Rules of Ulpian (Edinburgh 1880). Gangra, Synod of : Discipline Générale Antique (IVe–IXe s.), Vol. 1, pt. 2, Les canons des synodes particuliers, ed. and trans. Périclès-Pierre Joannou (Fonti 9 ; Rome 1962). Gregory of Nyssa, Life of Makrina : Grégoire de Nysse : Vie de Sainte Macrine, ed. and trans. Pierre Maraval (SC 178 ; Paris 1971). Jacobs, Harriet, Incidents in the Life of a Slave Girl : McKay, Nellie Y. and Frances Smith Foster (eds.), Incidents in the Life of a Slave Girl : Contexts, Criticism (New York 2001). Jerome, Epistles : Hilberg, Isidor (ed.), Sancti Eusebii Hieronymi Epistulae, pt. 2 (CSEL 55 ; Vienna 1996) ; Select Letters of St. Jerome, ed. and trans. F. A. Wright (LCL ; Cambridge, Mass. 1933). Lactantius, Divine Institutes : Brandt, Samuel and Georg Laubmann (eds.), Caeli Firmiani Lactanti Opera Omnia, pt. 1 (CSEL 19 ; Vienna, 1890) ; Lactantius : The Divine Institutes, Books I–VII, trans. Mary Francis McDonald (Washington, D.C. 1964). Seneca the Elder : Controversiae, The Elder Seneca : Controversiae, Vol. 1, ed. and trans. Michael Winterbottom (LCL ; Cambridge, Mass. 1974).
Secondary Sources Alexander-Floyd, Nikol G., “Critical Black Race Feminism : A ‘Jurisprudence of Resistance’ and the Transformation of the Academy,” Signs 35 (2010) 810–820. Bales, Kevin, “Defining and Measuring Modern Slavery” (2007) ; http://www.freetheslaves. net/Document.Doc ?id=21 (last accessed 09/17/2011).
354
Bernadette J. Brooten
Briggs, Sheila, “Gender, Slavery, and Technology : The Shaping of the Early Christian Imagination,” in Beyond Slavery : Overcoming Its Religious and Sexual Legacies (ed. Bernadette J. Brooten, with the editorial assistance of Jacqueline L. Hazelton ; New York 2010) 159–176. Brooten, Bernadette J., Love Between Women : Early Christian Responses to Female Homoeroticism (Chicago, Ill. 1996). Buckland, William W., The Roman Law of Slavery : The Condition of the Slave in Private Law from Augustus to Justinian (Cambridge, Mass. 1908 ; reprint : Holmes Beach, Fla. 1994). Butler, Judith, Gender Trouble : Feminism and the Subversion of Identity (New York 1990). Combahee River Collective, “A Black Feminist Statement” (1977) in Capitalist Patriarchy and the Case for Social Feminism (New York 1978) 362–372. Collins, Patricia Hill, Black Sexual Politics : African Americans, Gender, and the New Racism (New York 2005). Crenshaw, Kimberlé, “Demarginalizing the Intersection of Race and Sex : A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory and Antiracist Politics,” University of Chicago Legal Forum (1989) 139–167. –, “Mapping the Margins : Intersectionality, Identity Politics, and Violence Against Women of Color,” Stanford Law Review 43 (1991) 1241–1299. Davis, Adrienne D., “Slavery and the Roots of Sexual Harassment,” in Directions in Sexual Harassment Law (ed. Catharine A. MacKinnon and Reva B. Siegel ; New Haven, Conn. 2004) 457–478. Dossey, Leslie, “Wife Beating and Manliness in Late Antiquity,” Past and Present 199 (2008) 3–40. Elm, Susanna, Virgins of God : The Making of Asceticism in Late Antiquity (New York 1994). Enns, Carolyn Zerbe, “Locational Feminisms and Feminist Social Identity Analysis,” Professional Psychology : Research and Practice 41 (2010) 333–339. Evans-Grubbs, Judith, “Abduction Marriage in Antiquity : A Law of Constantine (CTh IX. 24. I) and Its Social Context,” The Journal of Roman Studies 79 (1989) 59–83. –, Law and Family in Late Antiquity : The Emperor Constantine’s Marriage Legislation (Oxford 1999). Foster, Frances Smith, Love and Marriage in Early African America (Hanover, N.H. 2008). –, ’Til Death or Distance Do Us Part : Love and Marriage in African America (New York 2010). Grieser, Heike, “Asketische Bewegungen in Kleinasien im 4. Jahrhundert und ihre Haltung zur Slaverei,” in Fünfzig Jahre Forschungen zur antiken Sklaverei an der Mainzer Aka demie 1950–2000 (ed. Heinz Bellen and Heinz Heinen ; Forschungen zur antiken Skla verei 35 ; Stuttgart 2001) 381–400. Hancock, Ange-Marie, “Intersectionality as a Normative and Empirical Paradigm,” Politics and Gender 3 (2007) 248–254. –, “When Multiplication Doesn’t Equal Quick Addition : Examining Intersectionality as a Research Paradigm,” Perspectives on Politics 5 (2007) 63–79. Hermann-Otto Elisabeth, Ex ancilla natus : Untersuchungen zu den “hausgeborenen” Sklaven und Sklavinnen im Westen des Römischen Kaiserreiches (Forschungen zur antiken Sklaverei 24 ; Stuttgart 1994). –, Sklaverei und Freilassung in der griechisch-römischen Welt (Hildesheim 2009). Holman, Susan R., The Hungry are Dying : Beggars and Bishops in Roman Cappadocia (New York 2001). Hooks, Bell, Feminist Theory : From Margin to Center (2nd ed. ; Cambridge, Mass. 2000).
Enslaved Women in Basil of Caesarea’s Canonical Letters
355
Klein, Richard, Die Haltung der kappadokischen Bischöfe Basilius von Caesarea, Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa zur Sklaverei (Forschungen zur antiken Sklaverei 32 ; Stuttgart 2000). Leyerle, Blake, “Sermons on City Life,” in Religions of Late Antiquity in Practice (ed. Richard Valantasis ; Princeton, N.J. 2000) 247–260. McCall, Leslie, “The Complexity of Intersectionality,” Signs 30 (2005) 1771–1800. Nash, Jennifer, “Re-thinking Intersectionality,” Feminist Review 89 (2008) 1–15. Patterson, Orlando, Slavery and Social Death : A Comparative Study (Cambridge, Mass. 1982). –, “Slavery, Gender and Human Trafficking,” delivered at the Charles Hamilton Houston Institute conference : “The Legal Parameters of Slavery : Historical to the Contemporary,” August 27, 2011, Harvard Law School, Cambridge, Mass.. Pólay, Elemér, “Die Sklavenehe und das römische Recht,” Acta Iuridica et Politica 14:7 (1967) 1–83. Saller, Richard P., Patriarchy, Property and Death in the Roman Family (Cambridge Studies in Population, Economy and Society in Past Time 25 ; Cambridge, Mass. 1994). Schroeder, Joy A., “John Chrysostom’s Critique of Spousal Violence,” JECS 12 (2004) 413– 442 ; DOI: 10.1353/earl.2004.0067. Schumacher, Leonard (ed. and trans.), Römische Inschriften : Lateinisch/Deutsch (Stuttgart 1988). Treggiari, Susan, “Women as Property in the Early Roman Empire,” in Women and the Law : A Social Historical Perspective, Vol. 2 : Property, Family, and the Legal Profession (ed. D. Kelly Weisberg ; Cambridge, Mass. 1982) 7–33. Watson, Allen, Roman Slave Law (Baltimore 1987). Williams, Craig A., Roman Homosexuality (2nd ed. ; New York 2010). Willvonseder, Richard, “Kinder mit Geldwert : Zur Kollision von Sachwert und persön licher Wertschätzung im römischen Recht,” in Fünfzig Jahre Forschungen zur antiken Sklaverei an der Mainzer Akademie 1950–2000 (ed. Heinz Bellen and Heinz Heinen ; Stuttgart 2001) 97–109. Wright, David P., “‘She Shall Not Go Free as Male Slaves Do’ : Developing Ideas about Slavery and Gender in the Laws of the Hebrew Bible,” in Beyond Slavery : Overcoming Its Religious and Sexual Legacies (ed. Bernadette J. Brooten, with the editorial assistance of Jacqueline L. Hazelton ; New York 2010) 125–142.
Männerfragen zum Neuen Testament
Jesu Männlichkeit im Markusevangelium Eine Spurensuche Moisés Mayordomo Jesu Männlichkeit ist sowohl dogmatisch als auch exegetisch kaum behandelt worden. Der vorliegende Beitrag sucht nach methodisch verantwortbaren Wegen, anhand des Markusevangeliums diesem Thema nachzugehen. Im Rahmen aktueller Forschungen zur GenderGeschichte in der Antike lässt sich die folgende Forschungsfrage formulieren : Welche Elemente aus dem kulturellen Repertoire römischer hegemonialer Männlichkeit sind auf Jesus anwendbar ? Zieht man einzelne Aspekte römischer virtus heran (Herkunft, Körper, Sexualität, Militär, Familie, Stärke in Konkurrenz, öffentliche Wirksamkeit), dann erweist sich die Charakterisierung Jesu im ältesten Evangelium als ambivalent. Besonders der Kreuzestod des Helden stellt Männlichkeitskonstrukte in Frage, die auf Herrschaft und Macht gründen.
Wenn etwas Offensichtliches von der Allgemeinheit ignoriert wird, spricht ein englisches Sprichwort anschaulich vom ‚elephant in the room‘. Der Elefant im Zimmer ist ein passendes Bild für Aspekte, die in der Wissenschaft aus unterschiedlichen Gründen nicht zur Kenntnis genommen werden, obwohl sie offensichtlich da sind. Dazu gehörte lange Zeit z.B. die Tatsache, dass Jesus Jude war ; dazu zählen auch manche sozialgeschichtlichen „Entdeckungen“ wie etwa die kulturelle Ordnungsmacht von Ehre und Schande in der Antike oder Gewalt als Thema biblischer Exegese. Im folgenden Beitrag möchte ich die Frage aufwerfen, ob Männlichkeit als kulturgeschichtliches Konzept zu diesen ‚Elefanten‘ im Zimmer der Forschung zählt. Bevor der Gegenstand Männlichkeit exemplarisch anhand der Darstellung Jesu im Markusevangelium behandelt werden kann, sind einige Vorfragen zu klären : Zunächst sollten ansatzweise Erklärungen dafür angeführt werden, warum dieser Gegenstand in der Forschung nicht oder kaum berücksichtigt wird. Dann sollte methodisch deutlich gemacht werden, worin Männlichkeit als Gegenstand der Forschung besteht.
360
Moisés Mayordomo
I. Vorfragen 1. Den ‚Elefanten‘ ignorieren Jesu Männlichkeit nimmt im christologischen wie im exegetischen Diskurs einen höchstens peripheren Raum ein. Zwar wurde die Inkarnation des ewigen Logos ganz selbstverständlich männlich vorgestellt,1 aber theologisch war das Geschlecht Jesu kaum Gegenstand der Reflexion.2 Erst die feministische Kritik hat unbequeme Fragen nach der Inkarnation Gottes im Mann Jesus und nach den soteriologischen Folgen dieses Konzepts aufgeworfen.3 Diese Kritik greift jedoch dann zu kurz, wenn Jesu Männlichkeit allzu einfach biologisch oder „essentialistisch“ konstruiert wird.4 Nach antiken Vorstellungen war die Zuweisung von Geschlechtskategorien nicht in erster Linie eine Frage der Biologie, sondern der kulturellen Konstruktion.5 Wer sich demnach mit antiken Konstruktionen von Geschlechtsidentitäten beschäftigt, kann in der Aussage, dass Jesus ein ‚Mann‘ war, nur eine grobe Vereinfachung erblicken. Dennoch möchte ich festhalten : Feministische Kritik hat das getan, was kritische Wissenschaft tun muss : Sie hat tote Winkel neu beleuchtet und die kritische Rückfrage nach den leitenden Implikationen der Forschung auf den Plan gebracht. Die historisch-kritische Forschung, die häufig zur Relativierung dogmatisch-christologischer Setzungen beigetragen hat, ist jedoch nicht zur Historisierung eigener Männlichkeitskonstrukte vorgedrungen. Spätestens mit dem Aufkommen der hermeneutischen Frage und der Einsicht in die eigene Vorurteilsbehaftung6 wäre eine Rückfrage nach den historischen Bedingungen von Geschlecht konsequent gewesen. Indem die historisch-kritische Forschung jedoch lange vor dem Aufkommen feministischer Exegese „die 1
Die materialreiche Studie von Leo Steinberg, Sexuality of Christ, zeigt anhand der Renaissance-Kunst auf, wie weit die Fixierung auf Jesu Männlichkeit in der bildlichen Darstellung gehen konnte (vgl. zur Diskussion um die theologische Auswertung dieses Befundes Caroline W. Bynum, Body of Christ). 2 Jesu Männlichkeit diente meist nur als strategische Waffe etwa in Hexenprozessen oder als Argument gegen die Ordination von Frauen (vgl. Manuela Kalsky, Christaphanien, 118–121). Zu den Implikationen von Jesu Männlichkeit in der Christologie Barths vgl. die kritische Studie von J. Christine Janowski, Geschlechterdifferenz in K. Barth. 3 Vgl. u.a. Julie Hopkins, Feministische Christologie, 104–126. 4 Wichtig hierzu ist der Beitrag von Graham Ward, Displaced Body. Vgl. auch die knappen, aber erhellenden Ausführungen zur Analogie ‚Jesus als Jude‘ und ‚Jesus als Mann‘ in Daniel Kosch, Jesus – Jude und Mann. 5 Siehe unten Abschnitt 3. Dass die Antike interessante Konvergenzpunkte mit ‚postmodernen‘ Genderkonzepten (v.a. Judith Butler, Körper) aufweist, sei nur am Rande vermerkt. 6 Vgl. Rudolf Bultmann, Voraussetzungslose Exegese, und diesen weiterführend HansGeorg Gadamer, Wahrheit und Methode, 281–295.
Jesu Männlichkeit im Markusevangelium
361
Frau“ als Forschungsthema „zugelassen“ hat,7 hat sie zur Stabilisierung eines mächtigen kulturellen Konstrukts beigetragen – des Konstrukts nämlich, dass das Weibliche das eigentliche Geschlecht und das Männliche schlicht der Normalzustand sei.8 Deswegen wurde sehr viel seltener nach Männern als nach Frauen gefragt.9 Hinzu kommt noch ein weiterer Aspekt : Die historisch-kritische Methode hat eine besondere Bindung an die Kategorie der Intention des Autors entwickelt. Alles, was sich außerhalb historisch plausibler Intentionalität bewegt, gerät unter „Anachronismusverdacht“ (häufig ein wissenschaftliches Todesurteil). Das Problem an diesem Konzept von Intention ist seine letztendlich cartesianische Einengung auf das Bewusstsein eines Individuums. Eine solche Autoren-Konzeption wird weder psychologischen Theorien des Unbewussten oder Unterbewussten gerecht, noch trägt sie der grundlegenden Prägung durch die herrschende Kultur Rechnung. Gegenwärtig scheint es mir, dass der Hinweis auf die Intention des Autors im Diskurs v.a. die Funktion erfüllt, bestimmte Themen a priori auszuschließen. Dass Männlichkeit als Thema neutestamentlicher Forschung kein Gewicht hat (im deutschsprachigen Raum noch weniger als im englischsprachigen), macht das Männliche unkenntlich und bestärkt die Konstruktion der Frau als des „eigentlichen“ Geschlechts.10 2. Methodische Vorfragen Zunächst möchte ich die methodische Frage aufwerfen, wonach eigentlich die Perspektivierung auf die Kategorie des Männlichen konkret fragt. Diese Frage ist deswegen unumgänglich, weil die Schriften des Neuen Testaments weder auf einer Meta-Ebene über Männlichkeit reflektieren noch ein Sprachfeld erkennen lassen, anhand dessen Fragen von Männlichkeit als Thema problemlos aussagbar gemacht werden könnten. Dies mag vor allem damit zusammenhängen, dass Männlichkeit – damals wie heute – so stark in die kulturelle Matrix eingeschrieben ist, dass explizite Markierungen selten notwendig sind.
Literaturnachträge zum Stichwort γυνή in ThWNT X/2 (1979) 1028–1034. Simone de Beauvoir, Das andere Geschlecht, war auch darin wegweisend, dass sie aufzeigte, wie stark patriarchale Herrschaftsstrukturen auf der Zuweisung von Alterität gründen. Indem das Weibliche zum „anderen Geschlecht“ gemacht wird, überlebt das Männliche als absolutes Subjekt. In dieser Folge steht Monique Wittig, Point of View, 64: „[T]here are not two genders. There is only one : the feminine, the ‚masculine‘ not being a gender. For the masculine is not the masculine but the general“. 9 Viele feministisch-exegetische Beiträge zu Frauen im Neuen Testament und seiner Umwelt haben dieses Konstrukt eher untermauert als unterminiert. 10 Das Männliche erkennbar zu machen, um es dadurch von seiner Normalität zu entlasten, wäre eine politische Aufgabe, die hier nicht zu leisten ist. 7 Vgl. die 8
362
Moisés Mayordomo
Im Hinblick auf einen narrativen Text wie das Markusevangelium lässt sich Männlichkeit m.E. am ehesten als sinnvolle analytische Kategorie ins Spiel bringen, wenn diese als ein Aspekt der Figurencharakterisierung betrachtet wird.11 Da jedoch Männlichkeit nur im Wechselspiel von Text und kulturellem Umfeld historisch sichtbar gemacht werden kann, liegt es nahe, Fragen der Textwirkung bzw. der Leseperspektive zu berücksichtigen. Konkret wäre also zu fragen : Welche Elemente aus dem kulturellen Repertoire12 von Männlichkeit werden im Text aufgenommen, so dass in der Rezeption des Textes Männlichkeit als eine mögliche Kategorie der Charakterisierung ins Spiel kommen konnte ? Angesichts des eben skizzierten Fehlens an metasprachlichem Männlichkeitsvokabular dürfte klar sein, dass Männlichkeit als eine Kategorie der Charakterisierung in den Evangelien nur indirekt zum Zuge kommt. Damit sind wir darauf angewiesen, Worte und Handlungen Jesu mit Elementen antiker Männlichkeitskonzepte sinnvoll zu korrelieren. Das kann m.E. auf zweierlei Weisen geschehen : Wir entwerfen ein Modell antiker Männlichkeit, wählen eine Reihe von symptomatischen Erscheinungen, die für die Zuweisung von Männlichkeit wichtig sind, und suchen das Evangelium danach ab. Oder wir gehen das Evangelium durch und lassen uns anhand des Textes auf Elemente aufmerksam machen, die sich mit Männlichkeit in Verbindung bringen lassen. Ich bevorzuge die erste Vorgehensweise, weil dadurch klarer werden kann, welche wichtigen Repertoire-Elemente im Text fehlen. 3. Leitende Aspekte antiker Männlichkeit13 Ein Überblick über das antik-römische Männlichkeits-Repertoire orientiert sich zwangsläufig an den vorhandenen literarischen Quellen, denen zurecht 11
Martin Leutzsch, Konstruktionen von Männlichkeit, 601, zählt in seinem wichtigen Beitrag vier mögliche Fragestellungen auf : Die narrative Charakterisierung von männlichen Figuren in erzählenden Prosatexten, die Konstruktionen der Männlichkeit Jesu in den Evangelien, die männliche Konzeptualisierung von Gott und die historische Frage nach den frühchristlichen Konstruktionen von Männlichkeit in Texten, „in denen Normen zu Männlichkeit artikuliert, begründet und entfaltet werden“. Mein Beitrag situiert sich im zweiten der genannten Bereiche. Die Frage nach der „Männlichkeit“ des historischen Jesus bleibt in dieser Betrachtung ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. dazu die vorsichtigen methodischen Hinweise in Martin Leutzsch, Männlichkeiten im Neuen Testament, 141–148). 12 Der Bezug zur Wirklichkeit wird im Textrepertoire hergestellt (Wolfgang Iser, Akt des Lesens, 115–143). Die einzelnen Elemente des Repertoires stammen aus dem Fundus vorangegangener Literatur ebenso wie aus dem Konventionsbestand sozialer Normen und historischer Traditionen (S. 115.118.132f. 136.143.233). 13 Ich knüpfe hier eigene Publikationen weiter : Konstruktionen von Männlichkeit (2008), Netz antiker Männlichkeit (2008), “Act Like Men !” (2011). Generell ist das Thema im Bereich neutestamentlicher Forschung (anders als in den Altertumswissenschaften) bisher wenig behandelt worden. Vgl. Colleen Conway, Behold the Man ; Leutzsch,
Jesu Männlichkeit im Markusevangelium
363
unterstellt werden kann, dass sie nur einen Ausschnitt antiker sozialer Ausdrucksformen von Männlichkeit repräsentieren. Dieser historische Tunnelblick ist jedoch für meine Fragestellung kein unüberwindliches Problem. Wie Robert W. Connell in einer wegweisenden Studie zur Männlichkeitsforschung festgestellt hat, stehen in einer Gesellschaft verschiedene Ausdrucksformen von Männlichkeit zueinander in Bezug in Form von Hegemonie, Unterordnung, Komplizenschaft oder Marginalisierung.14 Connell umreißt hegemoniale Männlichkeit als „jene Konfiguration geschlechtsbezogener Praxis […], welche die momentan akzeptierte Antwort auf das Legitimitätsproblem des Patriarchats verkörpert und die Dominanz der Männer sowie die Unterordnung der Frauen gewährleistet (oder gewährleisten soll).“15 Die stark hierarchische Ordnung der römischen Gesellschaft erlaubt m.E. einen relativ sicheren Zugriff auf diese Form hegemonialer Männlichkeit. Es lassen sich zwar subalterne Männlichkeiten im Dialog mit antiken Texten kaum positiv konstruieren, aber wir können ermessen, wovon Männer anderer Gesellschaftsschichten und Kulturkreise ausgeschlossen waren und an welchen Maßstäben sie sich häufig dennoch orientierten. Der römische Männlichkeitsdiskurs ist derart eng mit sozialen, politischen, biologischen, rhetorischen und philosophisch-religiösen Vorstellungen verbunden, dass er nicht einfach isoliert werden kann.16 In einer Idealprojektion des römischen Mannes kann Seneca problemlos erhabene Sprache, vollendete Tugend und angemessene körperliche Präsenz miteinander verbinden.17 Die hellenistischen Moralphilosophen aller Richtungen diskutieren die zentrale Beziehung zwischen Tugend und Glück ganz selbstverständlich im Lebenszusammenhang des freien, erwachsenen Mannes.18 Die bevorzugten Orte für den Vollzug von Männlichkeit waren
Konstruktionen von Männlichkeit ; Ders., Männlichkeiten im Neuen Testament ; Stephen D. Moore / Janice C. Anderson (Hg.), New Testament Masculinities ; Reiner Knieling / Andreas Ruffing (Hg.), Männerspezifische Bibelauslegung (bes. S. 119–207). 14 Robert W. Connell, Gemachte Mann, 97–102. 15 A.a.O., 98. Vgl. zur weiteren Diskussion dieses Konzepts Robert W. Connell / James W. Messerschmidt, Hegemonic Masculinity. 16 Zum antiken Männlichkeitsdiskurs vgl. Lin Foxhall / John Salmon (Hg.), Thinking Men ; Diess. (Hg.), When Men Were Men ; Maud W. Gleason, Making Men ; Mark Golden / Peter Toohey (Hg.), Sex and Difference ; Erik Gunderson, Staging Masculinity ; Myles McDonnell, Roman Manliness ; Halvor Moxnes, Conventional Values ; Ralph M. Rosen / Ineke Sluiter (Hg.), Andreia ; Thomas Späth, Männlichkeit und Weiblichkeit ; Maria Wyke (Hg.), Parchments of Gender. 17 Sen. ep. 115,2–4. 18 Zum Zusammenhang von Tugend und Männlichkeit in der römischen Gesellschaft vgl. Myles McDonnell, Roman Men and Greek Virtue. Zur Wortgeschichte von virtus informiert zuverlässig McDonnell, Roman Manliness, 12–141.
364
Moisés Mayordomo
Krieg und Militär,19 politische Ämter und öffentliche Rede,20 sportlicher Wettkampf 21 und der verzweigte Bereich von Ehe, Familie und Sexualität. Einige Aspekte aus dieser kulturellen Matrix möchte ich stichwortartig hervorheben : a) Männlichkeit ist eine körperliche Eigenschaft, die nicht allein biologisch determiniert wird. In der griechisch-römischen Antike wurde das Verhältnis des weiblichen Körpers zum männlichen anders als heute konzeptionalisiert,22 nämlich als ein Umkehrverhältnis : Der weibliche Körper ist ein nach innen gekehrter männlicher Körper.23 Indem der männliche Körper zu einem bestimmten Grad immer auch als weiblich gedacht wird24, wird der Körper zu jenem Ort, an dem die Polarität zwischen den Geschlechtern ausgetragen wird.25 Angesichts der stets inhärenten „Gefahr“ der Verweiblichung ist Männlichkeit kein Gegebenes, sondern etwas, das erlernt, erkämpft und erhalten werden muss.26 b) Männlichkeit wird in erster Linie vom Vater erlernt. Unter der strengen Leitung des pater familias, des Hüters und Überlieferers männlicher Werte, durchläuft der römische Knabe in der Adoleszenz eine schwere „Schule der Männlichkeit“.27 Das lässt sich gut ablesen anhand der Plutarch zugeschriebenen Erziehungsanleitung de Liberis Educandis, welche an vielen Stellen den kindlichen Körper und sein Sprachvermögen ins Visier der Erziehung zur Männlichkeit nimmt (vgl. 3E ; 7B ; 8F).28 Ähnlich listet Kaiser
19 Vgl. Richard Alston, Arms
and the Man. Dazu im Besonderen Gleason, Making Men, und Gunderson, Staging Masculinity. 21 Vgl. Onno van Nijf, Athletics. 22 Grundlegend zur Geschichte biologischer Körper- und Geschlechtskonstruktionen Thomas Laqueur, Auf den Leib geschrieben. 23 Vgl. dazu Gal., De Usu Partium 14,6–7 (ed. Kühn, IV, 159f) ; De Semine 2,1f.5 (ed. Kühn IV 596f.634‑636). Diese Konzeption hatte auch großen Einfluss auf die antike Zeugungslehre. Vgl. dazu die medizinischen Texte in Charlotte Schubert / Ulrich Huttner (Hg.), Frauenmedizin in der Antike, 108–111.118–121. 24 Der Mythos eines ursprünglichen androgynen Urmenschen (Plato, Symp. 189d– 191d) gibt dieser Vorstellung ebenso eine mythische Stütze wie die Wundergeschichten von spontanen Geschlechtsänderungen (Phlegon von Tralleis, Buch der Wunder 7,2 ; 8 ; Plin. Nat. 7,34.36). 25 John J. Winkler, Der gefesselte Eros, 80. 26 Gleason, Making Men, 159. 27 Vgl. Claudia Humpert, Wege zur Männlichkeit ; Späth, Männlichkeit und Weiblich keit, 290–306. 28 W. Martin Bloomer, Technology of Child Production, 73, stellt dazu treffend fest : „The de Liberis Educandis’ prescriptions and prohibitions are more concerned with creating ideal relationships among men – father, teacher, and young student – than with any particulars of curriculum or method. […] Paideia will establish andreia, ‘manliness’ ; indeed, its processes and relations are, in a sense, manliness“ (Hervorhebungen im Original). 20
Jesu Männlichkeit im Markusevangelium
365
Marc Aurel in seinen Selbstbetrachtungen gleich zu Beginn in Buch I eine Reihe von Menschen auf, die zur Prägung spezifischer Tugenden beigetragen haben.29 Vom Großvater hat er Ausgeglichenheit und Gelassenheit erlernt, vom Vater „Bescheidenheit und männliches Wesen“ (τὸ αἰδῆμον καὶ ἀρρενικόν), die Mutter wird schließlich mit Frömmigkeit und moralischen Tugenden in Verbindung gebracht.30 c) Männlichkeit ist Performanz, sie vollzieht sich im Modus der öffentlichen Selbstrepräsentation.31 Die antiken Physiognomisten, die den Körper grundsätzlich referentiell auf die Seele bzw. auf den Charakter beziehen, haben den öffentlichen männlichen Körper genau kartographiert und codiert.32 Jede Gesichtsregung, Handbewegung oder Modulation der Stimme, jede körperliche Abweichung und anatomische Zufälligkeit unterliegt strenger Beobachtung.33 Körper können nach diesem komplexen Schema mehr oder weniger männlich sein.34 Die Selbstverständlichkeit dieser physiognomischen Lektüre des männlichen Körpers belegt Sueton, der in seinen Kaiserviten die körperlichen Eigenschaften der Kaiser als Mittel der
29 Vgl. zum ersten Buch Marcel van Ackeren, Philosophie Marc Aurels, 59–87 ; Keith Dickson, Oneself as Others. 30 M. Aur., Med. 1, 1–3. 31 Vgl. die anthropologisch vergleichende Untersuchung von David D. Gilmore, Mythos Mann. Die Visibilität römischer Männlichkeit hat Anna McCullough, Gender and Public Image in Imperial Rome besonders hervorgehoben. Vgl. Colum., Rust. 12 ; Pref. 4–5. 32 (Ps.-)Aristot., Phgn. A 3,807a31–808b10 behandelt die körperlichen Kennzeichen (σημεῖα) unterschiedlicher Charaktereigenschaften. Die diesbezüglich interessanten physiognomischen Texte des römischen Redners Polemon aus Laodizäa (2. Jahrhundert n. Chr.) hat M. Gleason, Making Men, erstmals für die Thematik ausgewertet. Abschnitte aus phgn. 2 finden sich in deutscher Übersetzung auch in meinem Beitrag Konstruktionen von Männlichkeit, 104. 33 Quintilian widmet einen ausführlichen Abschnitt seines rhetorischen Lehrbuchs den Themen Gestik und Kleidung (Inst. XI 3,61–149). Die Abgrenzung von allem Weiblichen ist im Vortrag wichtig (vgl. XI 3,32.128 und die Darstellung in Gunderson, Staging Masculinity, 59–110). Vgl. aus der römischen rhetorischen Tradition Sen., Ep. 114 ; Cic., Orat 18,59. 34 Vgl. zur Physiognomik „weibischer“ Männer Eckhard Meyer-Zwiffelhoffer, Im Zeichen des Phallus, 139–153. Ein schönes Beispiel bietet Diog. Laert. 7,173 (übers. O. Apelt) : „Auch folgendes Geschichtchen wird von ihm [sc. Kleanthes] erzählt : Als er einmal im Sinne Zenons die Bemerkung machte, man könne den Charakter schon aus dem Äußern erkennen, hätten einige zu Späßen aufgelegte Jünglinge einen Wollüstling (κίναιδος), der auf dem Lande in harter Zucht hatte leben müssen, zu ihm gebracht mit der Aufforderung, über seinen Charakter Auskunft zu geben ; er hätte nach einigem Schwanken den Menschen weggehen heißen. Beim Weggehen nieste er. Da sagte Kleanthes : ‚Da habe ich ihn ; er ist ein Weichling‘ (μαλακός ἐστι).“ Ähnlich Sen., Ep. 114,3 (übers. Rosenbach) : „Wenn sie [= die Seele] verweichlicht ist, wird allein schon im Gang die Weichlichkeit deutlich (si ille effeminatus est, in ipso incessu apparere mollitiam).“
366
Moisés Mayordomo
Charakterisierung eigens hervorhebt.35 Dabei stehen immer auch Aspekte von Männlichkeit auf dem Spiel. d) Der römische Mann ist vir, weil er sowohl politisch als auch privat Kontrolle und Herrschaft ausübt. Die klassische Formulierung des Aristoteles36 ist auch für die römische Kaiserzeit vollumfänglich gültig. Männlichkeit wird deswegen zu einer spezifisch römischen Tugend, weil sie aus dem militärischen Sieg und der damit verbundenen Herrschaft hervorgeht. Nach dem Philosophenkaiser Marc Aurel „soll der Gott in dir Leitbild eines männlichen Charakters, eines reifen Menschen, eines politischen Geistes, eines Römers und Herrschers sein“.37 Dieses Ideal „hegemonialer Männlichkeit“ bildet das Ende einer Skala, in der Herrschaft und Männlichkeit streng aufeinander bezogen sind. e) Da der Zugang zu Herrschaft und damit auch zu Männlichkeit in der römischen Gesellschaft limitiert ist, treten öffentliche Männer in Konkurrenz zueinander. Zugang zur römischen virtus hatten v.a. die Eliten, wohingegen Frauen, Kinder, Sklaven (jedweden Geschlechts), sexuell passive Männer, weibliche Männer (sog. effeminati), Eunuchen, „Barbaren“ usw. davon ausgeschlossen waren.38 Das Lateinische konnte diesen Unterschied durch den Gebrauch von vir und homo präzise markieren.39 f) Männlichkeit als Herrschaft umfasst auch das Gebiet der Sexualität. In der Sexualität kommen vornehmlich bestehende Herrschaftsbeziehungen zum Ausdruck, wobei das spezifisch Männliche in der persönlichen Freiheit
35 Suet., Iul. 45,1–2 ; Aug. 79,1–3 ; Tib. 68,1–3 ; Cal. 3,1 (Germanicus) ; Cal. 50,1 ; Claud. 30 ; Nero 51 ; Galb. 3,3 (Galbas Vater) ; Galb. 21 ; Otho 12,1 ; Vit. 17,2 ; Vesp. 20. Vgl. dazu David Rohrbacher, Physiognomics in Imperial Latin Biography, 94–103. 36 Polit. I 2,12 1254b13–15: „Desgleichen ist das Verhältnis des Männlichen zum Weiblichen von Natur so (τὸ ἄρρεν πρὸς τὸ θῆλυ φύσει), daß das eine besser, das andere geringer ist (τὸ μὲν κρεῖττον τὸ δὲ χεῖρον), und das eine regiert und das andere regiert wird (τὸ μὲν ἄρχον τὸ δ᾽ ἀρχόμενον).“ (übers. O. Gigon) Ähnlich Flav. Jos., Apion. 2,201. 37 M. Aur., Med. 3,5: ὁ ἐν σοὶ θεὸς ἔστω προστάτης ζῴου ἄρρενος καὶ πρεσβύτου καὶ πολιτικοῦ καὶ Ῥωμαίου καὶ ἄρχοντος (übers. Nickel). Ähnlich unterstreicht er die Bedeutung einer Mahnung mit den einleitenden Worten : „Zu jeder Stunde denke als Römer und als Mann daran …“ (Med. 2,5 ; übers. Nickel). Nach Suet. Aug. 40,5 ruft Augustus einigen Männern, die in schmutzigen Gewändern auf eine öffentliche Versammlung gehen, entrüstet zu : „Schau, das sind die Römer, die Herren der Welt (Romanos, rerum dominos), das Volk in der Toga !“ (übers. Martinet). 38 Janice C. Anderson / Stephen D. Moore, Matthew and Masculinity, 69. Wie Plutarch, An seni respublica gerenda sit 784A belegt, sind auch ältere Männer von dem Verlust an Männlichkeit bedroht : „Von allen Übeln entehren keine einen alten Mann mehr als Müßiggang (ἀπραξία), Feigheit (δειλία) und Weichheit (μαλακία), wenn er aus den öffentlichen Ämtern (ἐκ πολιτικῶν ἀρχείων) hinabgeht in den Haushalt der Frauen (εἰς οἰκουρίαν γυναικῶν)“ (eig. Übers.). 39 Vgl. Francesca Santoro L’Hoir, Rhetoric of Gender Terms.
Jesu Männlichkeit im Markusevangelium
367
und Souveränität zum Ausdruck kommt.40 Die Ausübung von Herrschaft und die Wahrung der sozialen Unterschiede waren daher wesentlich bedeutsamer als der heute so ausgiebig diskutierte Gegensatz zwischen Homound Heterosexualität.41 g) Die Tatsache, dass Kontrolle und Herrschaft als wichtigste Ausdrucksformen des Männlichen galten, erlaubte eine philosophische Verlagerung von Männlichkeit in das Innere des Menschen. Besonders Männer, denen der Zugang zur äußeren Herrschaft der römischen Eliten verwehrt war, konnten ihr Mannsein in Form von Selbstkontrolle, Mäßigung und Willensstärke unter Beweis stellen.42 Die hellenistischen Moralisten haben Gier, Lust und fehlende Selbstbeherrschung mit dem Weiblichen in Verbindung gebracht. Entbehrung, Strenge und Selbstkontrolle galten hingegen als Zeichen von Männlichkeit.43 Das Modell einer solchen kulturellen Matrix römischer Männlichkeit setzt sich aus der Zusammenschau vieler Texte unterschiedlicher Gattungen und Zeiten zusammen. Daraus ergibt sich ein Problem : Keiner der gerade genannten Aspekte stellt, für sich genommen, einen zwingenden Konnex zu Männlichkeit her. Logisch betrachtet, wäre dies auch ein inkorrektes Schlussverfahren : Dass, z.B., Männlichkeit in den öffentlichen Raum gehört und ein allzu häuslicher Mann zu „verweiblichen“ droht, lässt nicht den Umkehrschluss zu, dass jede Figur, die sich im öffentlichen Raum bewegt, männliche Züge trägt. An dieser Stelle ist Vorsicht geboten.
II. Spurensuche im Markusevangelium Nach diesem langen methodischen Anlauf muss ich es im Hinblick auf das Markusevangelium bei knappen Hinweisen belassen. Die anstehende Frage nach der indirekten Charakterisierung Jesu vor dem Hintergrund der römischen Männlichkeitsmatrix ist in diesem Evangelium aus verschiedenen Gründen reizvoll. Es ist nicht nur die früheste für uns greifbare Narrativisierung der Jesus-Story und damit das erste Dokument des frühen Chris-
40 Vgl. das Ergebnis der erhellenden Studie von Meyer-Zwiffelhoffer, Reich des Phallus, 213. 41 Vgl. Craig A. Williams, Roman Homosexuality. 42 Diese Option war z.B. für die politisch geschlagenen Juden wichtig ; vgl. zu 4Makk die Studie von Stephen D. Moore / Janice C. Anderson, Taking it Like a Man ; und zum rabbinischen Judentum Michael L. Satlow, Try to be a Man. 43 Vgl. Emma Dench, Austerity, Excess, Success. Ein schönes Beispiel findet sich in M. Aur., Med. 11,18,21: Die Kontrolle von Wut durch Freundlichkeit und Milde bringt die innere Stärke zum Ausdruck.
368
Moisés Mayordomo
tentums, das eine solche Frage überhaupt erlaubt.44 Folgt man der gängigen einleitungswissenschaftlichen Auffassung, ist das Evangelium zudem in unmittelbarer Nähe des jüdisch-römischen Krieges entstanden.45 Dieser Krieg brachte nicht nur einen massiven Verlust jüdischer Selbstbestimmung mit sich, er ermöglichte auch den Aufstieg der Flavier aus dem inneren Kreis des römischen Heeres. Wenn man das Markusevangelium eher in Richtung Rom situiert,46 ergeben diese Parameter einen Rahmen, der politische Anspielungen in der Darstellung Jesu erkennen lässt : Der Gottessohntitel kann als Demontage und Kritik der divi-filius-Titulatur für den amtierenden Kaiser gelesen werden, die Jesusdarstellung als Gegenentwurf zur kaiserlichen Propaganda (Stichwort : Evangelium) und vielleicht sogar als eine implizite Gegenüberstellung von Jesus und Vespasian.47 Diese potentiellen Verbindungen zwischen der textuellen und der außertextuellen Welt berühren auch Fragen von Männlichkeit. Wer in einer Erzählung eine Figur mit einem Blick auf den Kaiser zeichnet, wird unweigerlich auch indirekt etwas zu seiner virtus, zu seiner Männlichkeit sagen. 1. Fehlanzeigen a) Jesu Herkunft Anders als die beiden anderen Synoptiker führt das Markusevangelium seine Hauptfigur ohne jeglichen Hinweis auf dessen Herkunft ein.48 Aus der Warte biographischer Darstellungsformen in der Antike bleibt dadurch die Möglichkeit ungenützt, Jesus in einer männlichen Linie mit seinen Vorfahren zu verbinden. Dass zudem der menschliche Vater Jesu in diesem Evangelium nicht genannt wird, verstärkt den christologischen Abstand Jesu von jedem familiären Umfeld. b) Der Körper Jesu Die Erwartung einer physiognomischen Charakterisierung narrativer Figuren wird in Bezug auf Jesus im Markusevangelium (wie in den an44 Einige wenige Studien befassen sich mit dieser Frage : Conway, Behold the Man, 89– 106 ; Tat-siong Benny Liew, Re-Mark-able Masculinities ; Eric Thurman, Looking for a Few Good Men ; Ders., Novel Men. 45 Petr Pokorný / Ulrich Heckel, Einleitung, 376f. ;Martin Ebner, Markusevangelium, 170f. 46 Vgl. u.a. Brian J. Incigneri, Gospel to the Romans ; Adam Winn, Purpose of Mark’s Gospel. 47 Die Möglichkeiten solcher Bezugnahmen werden mit unterschiedlicher Intensität (und vielleicht auch Plausibilität) vertreten u.a. von Martin Ebner, Evangelium contra Evangelium ; Bernhard Heininger, Politische Theologie ; Karl M. Schmidt, Wege des Heils, 287–522. 48 Vgl. zu den theologischen Implikationen dieser Vorgehensweise Jörg Frey, Infancy Stories, 192–202.
Jesu Männlichkeit im Markusevangelium
369
deren Evangelien) enttäuscht. Der Körper Jesu bleibt insgesamt unsichtbar. Aus dem Fehlen sollte nicht zu viel geschlossen werden ; dennoch bildet dieser Befund im Kontext des kulturellen Interesses an der Visibilität männlicher Körper (s.o. zu Suetons Kaiserviten) eine erwähnenswerte Tatsache.49 c) Jesu Sexualität Dieser Aspekt wäre womöglich nicht einmal als Fehlanzeige erwähnenswert, wenn Liew nicht aus dem Sämannsgleichnis (4,1–20) weitreichende Konsequenzen gezogen hätte.50 Anhand einiger Quellentexte (vornehmlich Platon und Philo) stellt er einen Zusammenhang her zwischen „Samen säen“ und „sexuell aktiv“ sein. Daraus schließt er, dass in dem Gleichnis Jesus selbst als sexuell überpotenter Mann erscheint und verweist auf „the incredibly high level of testosterone present in these parables“51. Hier geht m.E. kombinatorische Phantasie auf Kosten exegetischer Plausibilität. Zum einen referiert Jesus mit dem ‚Sämann‘ auf der Textoberfläche nicht auf sich, zum anderen wird die Metapher des Säens innertextuell auf die Wortverkündigung gedeutet (4,13–20). 2. Ambivalenzen a) Jesus und die römische Militärmacht Eine direkte Verbindung Jesu mit einem militärischen Konnotationsfeld begegnet nicht. Auch wird Jesus nicht mit den Mitteln physischer Gewalt in der Erzählung dargestellt. Es gibt aber einige bedeutsame Hinweise auf die römische Militärmacht : Die Heilung des Geraseners (5,1–20) erhält durch den Dämonennamen Legion eine deutlich imperiumskritische Bedeutung. Dass wir hier eine Anspielung auf die legio X Fretensis haben, deren Hauptsymbol der Eber war, ist häufig erkannt worden.52 Der Besessene, der symbolisch das Leiden an der römischen Okkupation verkörpert, wird explizit als jemand charakterisiert, dessen physische Stärke jeden Rahmen sprengt ; niemand kann ihn fesseln, niemand bändigen (5,3f.). Die Tatsache, dass er nicht gefes49 Dem zweimaligen Hinweis in der Passion, Jesus rufe mit „lauter Stimme“ (15,34.37), kommt hinsichtlich der Körperlichkeit Jesu kaum Bedeutung zu (vgl. 1,26 ; 5,7 von Besessenen). Es handelt sich eher um einen Bibelarchaismus (Gen 27,34 ; 1 Kön LXX 28,12 ; Jdt 4,9 ; 7,23 ; Jes 36,13 ; Ez 11,13) zur Steigerung der Dramatik der Szene. Das Rufen des Beters ist charakteristisch in den Psalmen (Ps LXX 17,7 ; 21,3.6 ; 68,4). 50 Liew, Re-Mark-able, 100–102. 51 Ebd., 100. Dies füge sich gut zur Bräutigam-Metapher für Jesus (2,18–20). 52 Neben den in Anm. 47 Genannten vgl. Matthias Klinghardt, Legionsschweine, 36–41 (mit Bildmaterial S. 46–48) und Markus Lau, Legio X Fretensis.
370
Moisés Mayordomo
selt werden kann, erinnert an das programmatische Gleichniswort in 3,27: Niemand kann das Haus des Starken ausrauben, wenn er nicht zuvor den Starken fesselt. Doch erhält in Mk 5 der Kampf gegen die Macht Satans eindeutig politische Untertöne. Damit wird aber Jesu Stärke in einer gewagten Doppelcodierung auf die Dämonen und auf die römisch-militärische Besatzungsmacht in Szene gesetzt. Als „Sohn des Höchsten“ (5,7) nimmt Jesus einen höheren Rang ein, dessen Überlegenheit durchaus auch Rückschlüsse hinsichtlich der Anerkennung von virtus zulässt. Zwei weitere Bezugnahmen seien noch kurz erwähnt : Der Einzug Jesu in Jerusalem (11,1–11) nimmt zwar Elemente eines römischen Triumphzugs auf, ironisiert diese jedoch bis zu dem Punkt, dass der „Triumphator“ die Stadt nicht feierlich in Besitz nimmt, sondern dort den Kreuzestod stirbt.53 Die Möglichkeit einer Charakterisierung des Geschicks Jesu mit den Farben einer römischen Triumphfeier wird damit gerade unterminiert. Schließlich ist noch das rückschauende Bekenntnis des römischen Hauptmannes unter dem Kreuz in 15,39b zu erwähnen. Selbst wenn man darin eher eine sarkastische Note erkennen will, so ist es doch auf der Ebene der Rezeption bedeutsam, dass das zentrale markinische Bekenntnis zu Jesu Gottessohnschaft gerade von einem Vertreter des römischen Militärs ausgesprochen wird. Damit wird den Rezipierenden die christologische Aufgabe zugemutet, die römische Kaisertitulatur divi filius nun christologisch von dem unmöglichsten aller Standorte aus neu zu bestimmen : vom Kreuz. Diese beiden letzten Beispiele zeigen, dass die militärischen Untertöne von Mk 5,1–20, von der Passion aus betrachtet, kaum in eine Richtung entfaltet werden können, die Jesu Macht einfach als Steigerung der römischen Militärmacht weiterdenkt. Damit sind auch im Hinblick auf ein mögliches MännlichkeitsRepertoire deutliche Grenzen gesetzt b) Jesus als pater familias ? Die bereits erwähnte ambivalente Haltung zur Familie Jesu kommt im Markusevangelium auf verschiedene Weise zum Ausdruck : Neben dem Fehlen einer Geburtsgeschichte und der Abwesenheit des biologischen Vaters fällt die negative Haltung der Mutter und Geschwister Jesu seinem öffentlichen Wirken gegenüber (3,21) ebenso ins Auge wie die Begründung einer neuen Familie auf der Grundlage der Einhaltung des göttlichen Willens (3,31–35). Aus der Anrede seiner Jünger als „Söhne“ oder „Kinder“ (2,19b ; 10,24) und einer schutzsuchenden Frau als „Tochter“ (5,34) schließt Liew :54
53 Vgl. Paul B. Duff, March of the Divine Warrior, 70–71. In ähnlicher Weise hat Bernhard Mutschler, Die Verspottung des Königs der Juden, vorgeschlagen, die Verspottungsszene in Mk 15,16–20a als parodierte Königsaudienz zu lesen. 54 Liew, Re-Mark-able, 104.
Jesu Männlichkeit im Markusevangelium
371
„Assuming the rightful role as the paterfamilias in the absence of his God-Father, Jesus the heir himself becomes a godfather who is on top, flexing his masculine muscles to run and dominate his family.“
Der Schluss auf einen „Muskelprotz“ ist schwer nachvollziehbar. In 10,42– 45 setzt Jesus dem Verlangen nach eschatologischer Herrlichkeit den gegenseitigen Sklavendienst als Lebensmodell entgegen.55 Den Idealen von Herrschaft und Gewalt wird damit explizit eine Absage erteilt. Mit διάκονος/ διακονέω wird zudem ein Begriffsfeld aufgerufen, das in 1,31b von einer Frau, der Schwiegermutter des Petrus, ausgesagt wird (s.a. 15,41).56 Damit gerät ein (mögliches) Bild Jesu als pater familias im Sinne römischer Gender-Ideale ins Wanken. 3. Möglichkeiten a) Jesu „Stärke“ Männlichkeit ereignet sich in Konkurrenz zu anderen. Für römisches Empfinden ist der Wettbewerb eine geeignete Form, virtus zuzusprechen. Auch in dieser Hinsicht hat das Markusevangelium einiges zu bieten : Bereits Johannes der Täufer führt Jesus als den Stärkeren (ὁ ἰσχυρότερός,1,7 ; vgl. 3,27) ein. Und Jesu erste Lehrhandlung setzt ihn sogleich von den jüdischen Schriftgelehrten ab (1,21f.). Dieser Konflikt ist leitend für den Fortgang der Erzählung (2,1–3,6). Er gipfelt schließlich in einer Reihe von verbalen Auseinandersetzungen in Jerusalem (11,27–12,37), die als drei aufeinander folgende rhetorische Wettkämpfe betrachtet werden können. Jesus geht daraus als Sieger hervor und bestärkt seine überlegene virtus. Der Wettkampf endet mit dem Erzählerkommentar „Und es wagte niemand mehr, ihn zu befragen“ (13,34d). Die Klarheit des Auftretens Jesu in diesen Wettkämpfen ist „kulturelles Kapital“ für den Wert von Männlichkeit.57 Damit kontrastiert allerdings die Gethsemane-Episode (14,32–42),58 die kaum mannhaften Mut und Ruhe angesichts des bevorstehenden Todes unterstreicht.59 55 Vgl. Conway, Behold, 99–100. 56 Einen ähnlichen Wechsel in den Gender-Rollen arbeitet Candida R. Moss, Man with the Flow of Power, aufgrund medizinhistorischer Körperkonstrukte für 5,25–34 heraus : „It would appear, therefore, that the woman with the flow of blood contrasts with both Jairus’s daughter and Jesus. [… I]t is clearly the woman who is the active agent in her healing. She pulls power from the otherwise passive and unsuspecting Jesus. While the woman becomes dried, hardened, and more masculine, the Markan protagonist qua physician remains porous, leaky, and effeminate“ (519). 57 Liew, Re-Mark-able, 105, übernimmt diesen Begriff von Bourdieu. 58 Vgl. Thurman, Novel Men, 199–200. 59 Cic. Tusc. 2,43 fasst die hegemoniale Meinung treffend zusammen (übers. E.A. Kirfel) : „Der Begriff Tugend (virtus) nämlich ist abgeleitet von ‚Mann‘ (vir) ; dem Mann aber
372
Moisés Mayordomo
b) Jesus in der Öffentlichkeit60 Im Markusevangelium bewegt sich Jesus sehr früh und in der ersten Hälfte sehr häufig in der Öffentlichkeit.61 Die Öffentlichkeit alleine ist als Indiz für eine Verknüpfung mit Repertoire-Elementen römischer Männlichkeitskonzepte nicht ausreichend, denn in der Öffentlichkeit finden wir auch Frauen, Kinder, Sklaven, usw. Das Wichtigste am öffentlichen Wirken Jesu in der markinischen Erzählung jedoch ist seine außergewöhnliche Sichtbarkeit. Seine Reden und Taten werden von den Menschenmengen wahrgenommen und entsprechend mit Ehrerbietung honoriert. Nach Cicero gründet sich der „höchste und vollkommene Ruhm“ (summa et perfecta gloria) auf drei Voraussetzungen : „auf die Liebe der Menge (si diligit multitudo), auf ihr Vertrauen (si fidem habet) und auf ihre mit Bewunderung verbundene Überzeugung, man verdiene Ehre (si cum admiratione quadam honore dignos putat).“ 62
Liest man Jesu öffentliches Wirken mit einem Seitenblick auf den römischen Wert des Ruhms, so bieten sich viele Möglichkeiten, Jesu enormen Zuwachs an Ruhm und Ehre auch im Hinblick auf seine Männlichkeit zu deuten. So setzt bereits seine erste Heilung (1,21–28: ein Exorzismus in der Synagoge) „die Kunde von ihm“ (1,28: ἡ ἀκοὴ αὐτοῦ) in ganz Galiläa in Gang und steigert damit seine fama bzw. existimatio.63 Kaum geht Jesus in ein Haus, versammelt sich „die ganze Stadt“ vor der Tür (1,33) ; kaum zieht er sich zurück, wird er von allen gesucht (1,37). Bereits am Ende des ersten Kapitels ist Jesus so bekannt, dass er nicht mehr öffentlich (φανερῶς) in eine Stadt gehen kann und sich deswegen an einsame Orte zurückzieht – dennoch „kamen sie weiterhin von überallher (πάντοθεν) zu ihm“ (1,45 ; vgl. 6,31–34).64 Überall, wo Jesus ab jetzt in Erscheinung tritt, kommen Menschenmassen zusammen (2,1–4.13 ; 3,7–10 ; 10,1.46 ; 11,7–9). Die Sichtbarkeit von Jesu Handeln kommt in der Akklamation der Menge in 2,12 zum Ausdruck : „So etwas haben wir noch nie gesehen (oὕτως οὐδέποτε εἴδομεν)“ (vgl. 8,18). Wichtig an der Wirksamkeit Jesu ist die Art und Weise, wie er öffentlich sichtbar wird, von den Massen gesehen und durch Akklamation an Ehre zubesonders zu eigen ist die Tapferkeit (fortitudo), die zwei sehr bedeutende Leistungen mit sich bringt : die Verachtung von Tod und Schmerz (mortis dolorisque contemptio).“ Vgl. McDonnell, Roman Manliness, 24–31. 60 Vgl. Liew, Re-Mark-able, 98–99. 61 Er wirkt am See (1,16 ; 2,13 ; 3,7 ; 4,1) und in der Synagoge (1,21 ; 3,1), reist durch Galiläa (1,9–4,34), überquert den See sechsmal mit einem Boot (4,35 ; 5,21 ; 6,32.45 ; 8,10.13), reist nach Jerusalem (8,22–11,1) und geht dreimal in den Tempel (11,11.15.27). 62 Cic., Off. II 31 (übers. Fuhrmann). 63 In 6,14 ist der Ruf Jesu bis zum Königshaus des Herodes gelangt. 64 Robert H. Gundry, Mark, 98f. stellt zu 1,45 fest : „Mark delights in publicity, not in secrecy, for publicity magnifies the impact of Jesus’ activities.“
Jesu Männlichkeit im Markusevangelium
373
nimmt.65 Ein Grund, weshalb die römischen Eliten und an deren Spitze der römische Kaiser das höchste männliche Ansehen genossen, war gerade ihre Visibilität, ihre Fähigkeit, den öffentlichen Raum zu dominieren.66 Jesus ist sich dieser Aufmerksamkeit bewusst und fragt direkt : „Wer sagen die Menschen, dass ich sei ?“ (8,27b) Hier gäbe es tatsächlich Möglichkeiten, Jesu Wirken innerhalb der sozialen Matrix römischer Männlichkeit zu verorten. Allerdings bedeutet die Kreuzigung – verlassen und verspottet – eine so unüberbietbare Form öffentlicher Schmach, dass die Passionsgeschichte in der Lage ist, alle früheren Aspekte männlicher Ehre in der Charakterisierung Jesu hochgradig ambivalent erscheinen zu lassen. 4. Dekonstruktion : Das Kreuz Wie sich bereits gezeigt hat, stellt das Ende der Markus-Erzählung viele Möglichkeiten in Frage, die Charakterisierung Jesu kulturell mit Aspekten römischer Männlichkeit zu verknüpfen. Obwohl das genaue Verhältnis der Passion zur gesamten markinischen Jesusgeschichte hier nicht zu erörtern ist, zwingt die narrative Darstellung des Sterbens Jesu sicherlich zu einer relecture. Die Schweigebote an verschiedene Figuren67 sind auch Anweisungen an die Rezipienten, an dieser Stelle der Erzählung noch keine Schlüsse zu ziehen (9,9 weist auf das Ende der Erzählung hin). In der Passionsgeschichte erfährt Jesus etwas, das jede Zuweisung von Männlichkeit radikal hinterfragt : Passivität und öffentliche Schmach.68 Wie angekündigt (8,31–33 ; 9,30–32 ; 10,32–34), ist dem Menschensohn das Leiden vorbestimmt. Jesus wird gebunden wie ein Sklave (15,1), abgeführt und zum Tode verurteilt wie ein Krimineller, von seinen Jüngern verraten, verleugnet und verlassen (14,10f.26–31.43–51.66–72 ; 15,6–15). Bei seiner Festnahme widersetzt er sich nicht, er kämpft nicht, er flieht auch nicht (14,17– 21.47–49). Er schweigt (15,1–5). Im Verlauf der Ereignisse wird er bespuckt, geschlagen und gedemütigt (14,65 ; 15,16–20.26–32). Es dürfte keine Frage
65 Anders etwa als Domitian, dem Suet., Dom. 3,1 zum Vorwurf macht, dass er sich in den ersten Jahren seiner Herrschaft täglich stundenlang zurückzog (vgl. auch Plin., Paneg. 48,4–49,1). 66 McCullough, Gender and Public Image, 18: „Nearly each aspect of masculinity was communicated visually, to an audience schooled in both the symbols of manhood and how to read them, making public appearance and image the primary vehicle for the expression and definition of masculinity. To be a man was to be gazed upon, and to watch other men in a fluid system of regulation and participation in what it meant to be men.“ 67 Dämonen : 1,25.34 ; 3,12 ; Geheilte : 1,44 ; 5,43a ; 7,36 ; 8,26 ; Jünger : 8,30 ; 9,9. 68 Der sprachliche Befund in 14,43–15,37 ist interessant : In der Erzählung von der Festnahme bis zum Tod erscheint in insgesamt 51 Versen Jesus nur acht Mal als grammatikalisches Subjekt : 14,48 (er redet) ; 14,61a (er schweigt) ; 14,62 (er redet) ; 15,2b (er redet) ; 15,5 (er schweigt) ; 15,34 (er schreit) ; 15,37 (er schreit und stirbt).
374
Moisés Mayordomo
sein, dass die Kreuzigung des Helden, wie sie im Markusevangelium erzählt wird, kein Denkmal römischer Männlichkeit darstellt. Wie verhält sich die in 8,31 ; 9,31 und 10,34 angekündigte Auferstehung Jesu zu diesem Befund ? Anders als in den beiden anderen Synoptikern ist die markinische Erzählung vom leeren Grab (16,1–8) mit dem ironischoffenen Ende in 16,8 69 weit weniger explizit in der narrativen Wiederherstellung des Gekreuzigten. Sein Körper bleibt unsichtbar, er spricht kein Aussendungswort als universaler Herrscher (wie in Mt 28,16–20), er wird nicht ähnlich einer Kaiser-Apotheose im Himmel aufgenommen (wie in Lk 24,51). Die subtile Ironie im Markusevangelium besteht gerade darin, dass die bloße Voraussage der Auferstehung durch die Hauptfigur eine Erzählung der Auferstehung überflüssig macht. Das ist der letzte Sieg des Gottessohnes : Sein Wort alleine bezeugt, dass Gott ihn aus dem Grab führt und damit zugleich Roms Macht begrenzt.
III. Fazit Die Charakterisierung Jesu im Markusevangelium ist ambivalent. Sie weist einen hohen Grad an Komplexität auf und umreißt damit christologische Reflexionsräume. Man kann diese Ambivalenz hinsichtlich der Männlichkeitsthematik als Auseinandersetzung zwischen hegemonialer römischer Männlichkeit und einer subalternen frühchristlichen Männlichkeit lesen,70 oder mithilfe postkolonialer Theorie als imperiale Mimickry verstehen, das heisst : als Angleichung an koloniale Ausdrucksformen bei gleichzeitiger kritischer Distanz.71 Conway bevorzugt ein Phasenmodell : Jesus als „starker Mann“ (Kap. 1–8), Jesus als edler Märtyrer (Kap. 8–10) und Jesus als entmännlichtes Opfer (Kap. 14–16). „The Markan Jesus is a divinely appointed strong man, critic of Roman ‚great ones‘, noble martyr, but also a passive, emasculated victim who suffers a humiliating death. As such, the Christology of the Gospel shows evidence of adaptation, accommodation, resistance, and perhaps resignation to hegemonic Greco-Roman masculinity. But this should not surprise. Because the ideology of masculinity was so closely integrated with the Roman imperial project, the literary products of those under Roman power would understandably be ambivalent.“72
Die Erzählung vom Tod Jesu spielt allerdings eine so zentrale Rolle im plot der Gesamterzählung, dass diese drei Männlichkeitsbilder nicht einfach nebeneinander stehen. Das Markusevangelium stellt seinen Hörer und Höre69 Vgl. dazu Andrew T. Lincoln, Promise. 70
In diese Richtung geht Liew, Re-Mark-able, 107. So Thurman, Looking. 72 Conway, Behold, 89. 71
Jesu Männlichkeit im Markusevangelium
375
rinnen in der ersten Hälfte eine Falle, indem es ein Charakterbild zeichnet, das an manche Repertoire-Elemente römischer Männlichkeit anknüpft. Die Schweigegebote warnen implizit davor, den Einschätzungen der Menge und der Jünger im Hinblick auf die übergeordnete hegemoniale Machtstellung Jesu unbedacht zu folgen. Nach dem Petrusbekenntnis (8,27–30) folgt eine graduelle Neubestimmung der bisherigen Charakterisierung Jesu (vgl. 8,31– 38 ; 9,31–37 ; 10,33–45), welche am Kreuz mit dem Bekenntnis des Hauptmanns gipfelt. Das markinische Ideal der Leidensnachfolge erschwert nicht einfach den Zugang zur römischen virtus, es stellt vielmehr die darin wirkenden sozialen Mechanismen radikal in Frage. Der Begriff der Intersektionalität kann hier heuristisch eingebracht werden.73 Die Vorstellung einer komplexen Interaktion und Überlagerung unterschiedlicher Formen von Ausgrenzungen und Benachteilungen lässt sich auch umkehren : Römische Männlichkeit erscheint darin als eine Kreuzung von ethnischer Herkunft, gesellschaftlichem Status und Reichtum. Dieser römisch konstruierten virtus steht im Markusevangelium ein Modell gegenüber, das gerade die unterschiedlichen ethnischen und sozialen Ausgrenzungen der Hauptfigur Jesu zu einer neuen Formation von nicht-hegemonialer, herrschaftskritischer Männlichkeit gruppiert.74 Ich kehre damit zu meiner Eingangsfrage zurück : Die Perspektivierung markinischer Christologie vor dem Hintergrund antiker Männlichkeitskonzepte trifft zwar kaum ein Zentrum gegenwärtiger Markusforschung, sie erlaubt jedoch eine Reihe von Fragen, die den Text schärfer in den kulturellen Kontext der römischen Gesellschaft stellen. Der anfangs erwähnte ‚Elefant im Raum‘ mag als Metapher für das Ignorieren der Männlichkeitsthematik im Hinblick auf Jesus unpassend groß erscheinen, aber auch ein kleineres metaphorisches ‚Tier‘ ist der Untersuchung wert. Die Kategorie des Männlichen jedenfalls verdient es, in der Exegese mehr Beachtung zu finden.
Literatur Ackeren, Marcel van, Die Philosophie Marc Aurels (QSP103) 2 Bände, Berlin 2011. Alston, Richard, Arms and the Man. Soldiers, Masculinity and Power in Republican and Imperial Rome, in : Lin Foxhall / John Salmon (Hg.), When Men Were Men. Masculinity, Power and Identity in Classical Antiquity (Leicester-Nottingham Studies in Ancient Society 8), London / New York 1998, 205–223.
73 Der Begriff hat seinen festen Ort in der feministischen Rechtsdiskussion und ist daher bisher kaum oder gar nicht im Bereich der Gender-Studien zu Männlichkeit verwendet worden. Vgl. Bonnie T. Dill / Ruth E. Zambrana (Hg.), Emerging Intersections ; Emily Grabham u.a. (Hg.), Intersectionality and Beyond. In beiden Artikelsammlungen findet sich kein Beitrag zu Männlichkeit. 74 Ich danke Christine Gerber für hilfreiche Anregungen.
376
Moisés Mayordomo
Anderson, Janice C. / Moore, Stephen D., Matthew and Masculinity, in : Dies. / Ders., (Hg.), New Testament Masculinities (Semeia Studies 45), Atlanta 2003, 67–91. Beauvoir, Simone de, Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau (aus dem Französischen von U. Aumüller / G. Osterwald), Reinbek bei Hamburg 52005. (Original : Le Deuxième Sexe, 1949). Bloomer, W. Martin, The Technology of Child Production. Eugenics and Eulogics in the de Liberis Educandis, in : Arethusa 39 (2006), 71–99. Bultmann, Rudolf, Ist voraussetzungslose Exegese möglich ? in : ThZ 13 (1957), 409–17 = Glauben und Verstehen, Bd. 3, Tübingen 1961, 142–150. Butler, Judith, Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts, Berlin 1995. Bynum, Caroline W., The Body of Christ in the Later Middle Ages. A Reply to Leo Steinberg, in : Renaissance Quarterly 39 (1986), 399–439. Connell, Robert W. / Messerschmidt, James W., Hegemonic Masculinity. Rethinking the Concept, in : Gender & Society 19 (2005), 829–859. Connell, Robert W., Der gemachte Mann. Konstruktion und Krise von Männlichkeiten (Geschlecht & Gesellschaft 8), Wiesbaden 32006. Conway, Colleen M., Behold the Man. Jesus and Greco-Roman Masculinity, Oxford 2008. Dench, Emma, Austerity, Excess, Success, and Failure in Hellenistic and Early Imperial Italy, in : Maria Wyke (Hg.), Parchments of Gender. Deciphering the Bodies of Antiquity, Oxford 2004, 121–146. Dickson, Keith, Oneself as Others. Aurelius and Autobiography, in : Arethusa 42 (2009), 99–125. Dill, Bonnie Th. / Zambrana, Ruth E. (Hg.), Emerging Intersections. Race, Class, and Gender in Theory, Policy, and Practice, New Brunswick, N.J. 2009. Duff, Paul Brooks, The March of the Divine Warrior and the Advent of the Greco-Roman King. Mark’s Account of Jesus’ Entry into Jerusalem, in : JBL 111 (1992), 55–71. Ebner, Martin, Das Markusevangelium, in : Ders. / Stefan Schreiber (Hg.), Einleitung in das Neue Testament (Studienbücher Theologie 6), Stuttgart 2008, 154–183. –, Evangelium contra Evangelium. Das Markusevangelium und der Aufstieg der Flavier, in : BN 116 (2003), 28–42. Foxhall, Lin / Salmon, John (Hg.), Thinking Men. Masculinity and its Self-Representation in the Classical Tradition (Leicester-Nottingham Studies in Ancient Society 7), London / New York 1998. –, When Men Were Men. Masculinity, Power and Identity in Classical Antiquity (Leicester-Nottingham Studies in Ancient Society 8), London / New York, 1998. Frey, Jörg, How Could Mark and John Do without Infancy Stories ? Jesus’ Humanity and His Divine Origins in Mark and John, in : Claire Clivaz u.a. (Hg.), Infancy Gospels. Stories and Identities (WUNT 281), Tübingen 2011, 189–215. Gadamer, Hans-Georg, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik (Gesammelte Werke 1), Tübingen 51986. Gilmore, David D., Mythos Mann. Rollen, Rituale, Leitbilder, München / Zürich 1991. Gleason, Maud W., Making Men. Sophists and Self-Presentation in Ancient Rome, Princeton 1995. Golden, Mark / Toohey, Peter (Hg.), Sex and Difference in Ancient Greece and Rome (Edinburgh Readings on the Ancient World), Edinburgh 2003. Grabham, Emily u.a. (Hg.), Intersectionality and Beyond. Law, Power and the Politics of Location, New York 2009. Gunderson, Erik, Staging Masculinity. The Rhetoric of Performance in the Roman World (The Body in Theory. Histories of Cultural Materialism), Ann Arbor 2000.
Jesu Männlichkeit im Markusevangelium
377
Gundry, Robert H., Mark. A Commentary on his Apology for the Cross, Grand Rapids, MI 1993. Heininger, Bernhard, ‚Politische Theologie‘ im Markusevangelium. Der Aufstieg Vespasians zum Kaiser und der Abstieg Jesu ans Kreuz, in : Cornelius Mayer (Hg.), Augustinus. Ethik und Politik (Cass. 39,4), Würzburg 2009, 171–201. Hopkins, Julie, Feministische Christologie. Wie Frauen heute von Jesus reden können, Mainz 1996. Humpert, Claudia, Wege zur Männlichkeit im Rom der Späten Republik. Cicero und die adulescentia seiner Zeit, Halle 2001. Incigneri, Brian J., The Gospel to the Romans. The Setting and Rhetoric of Mark‘s Gospel (Bibl.-Interpr.S. 65), Leiden 2003. Iser, Wolfgang, Der Akt des Lesens. Theorie ästhetischer Wirkung (UTB 636), München 41994. Janowski, J. Christine, Zur paradigmatischen Bedeutung der Geschlechterdifferenz in K. Barths ‚Kirchlicher Dogmatik‘, in : Wilfried Härle / Reiner Preul (Hg.), Sexualität – Lebensformen – Liebe (MJTh 7), Marburg 1995, 13– 60. Kalsky, Manuela, Christaphanien. Die Re-Vision der Christologie aus der Sicht von Frauen in unterschiedlichen Kulturen, Gütersloh 2000. Klinghardt, Matthias, Legionsschweine in Gerasa. Lokalkolorit und historischer Hintergrund von Mk 5,1–20, in : ZNW 98 (2007), 28–48. Knieling, Reiner / Ruffing, Andreas (Hg.), Männerspezifische Bibelauslegung. Impulse für Forschung und Praxis (BTSP 36), Göttingen 2012. Kosch, Daniel, Jesus – Jude und Mann. Eine neue Sicht auf kaum bestreitbare Tatsachen, in : BiKi 63 (2008) 162–165. Laqueur, Thomas, Auf den Leib geschrieben. Die Inszenierung der Geschlechter von der Antike bis Freud (dtv 4696), München 1996. Lau, Markus, Die Legio X Fretensis und der Besessene von Gerasa. Anmerkungen zur Zahlenangabe „ungefähr zweitausend“ (Mk 5,13), in : Bib. 88 (2007), 351–364. Leutzsch, Martin, Konstruktionen von Männlichkeit im Urchristentum, in : Frank Crüsemann u.a. (Hg.), Dem Tod nicht glauben. Sozialgeschichte der Bibel. FS Luise Schottroff, Gütersloh 2004, 600–618. –, Männlichkeiten im Neuen Testament wahrnehmen. Beobachtungen, Problemstellungen, Hypothesen, in : Reiner Knieling / Andreas Ruffing (Hg.), Männerspezifische Bibelauslegung. Impulse für Forschung und Praxis (BTSP 36), Göttingen 2012, 121–158. Liew, Tat-siong Benny, Re-Mark-able Masculinities. Jesus, the Son of Man, and the (Sad) Sum of Manhood ?, in : Janice C. Anderson / Stephen D. Moore (Hg.), New Testament Masculinities (Semeia Studies 45), Atlanta 2003, 93–136. Lincoln, Andrew T., The Promise and the Failure : Mark 16:7.8, in : JBL 108 (1989), 283–300. Marc Aurel, Wege zu sich selbst. Hg. und übersetzt von Rainer Nickel (Tusculum Studienausgaben), Düsseldorf / Zürich 32004. Mayordomo, Moisés, “Act Like Men !” (1 Cor 16:13). Paul’s Exhortation in Different Historical Contexts, in : CrossCurrents 61 (2011), 515–528. –, Konstruktionen von Männlichkeit in der Antike und der paulinischen Korintherkorrespondenz, in : EvTh 68 (2008), 99–115. –, Paulus und die Korinther im Netz antiker Männlichkeit, in : BiKi 63 (2008), 149–155. McCullough, Anna, Gender and Public Image in Imperial Rome, Ph.D. Diss. St. Andrews 2007. (Download : http ://research-repository.st-andrews.ac.uk/bitstream/10023/357/7/FinalThesis.pdf 19.05.2012).
378
Moisés Mayordomo
McDonnell, Myles, Roman Manliness. Virtus and the Roman Republic, Cambridge 2006. –, Roman Men and Greek Virtue, in : Ralph M. Rosen / Ineke Sluiter (Hg.), Andreia. Studies in Manliness and Courage in Classical Antiquity (Mn.S 238), Leiden / Boston 2003, 235–262. Meyer-Zwiffelhoffer, Eckhard, Im Zeichen des Phallus. Die Ordnung des Geschlechtslebens im antiken Rom (Historische Studien 15), Frankfurt a.M. 1995. Moore, Stephen D. / Anderson, Janice C. (Hg.), New Testament Masculinities (Semeia Studies 45), Atlanta 2003. Moore, Stephen D. / Anderson, Janice C., Taking it Like a Man. Masculinity in 4 Maccabees, in : JBL 117 (1998), 249–273. Moss, Candida R. The Man with the Flow of Power. Porous bodies in Mark 5:25–34, in : JBL 129 (2010), 507–519. Moxnes, Halvor, Conventional Values in the Hellenistic World. Masculinity, in : Per Bilde u.a. (Hg.), Conventional Values of the Hellenistic Greeks (Studies in Hellenistic Civilization 8), Aarhus 1997, 263–284. Mutschler, Bernhard, Die Verspottung des Königs der Juden. Jesu Verspottung in Jerusalem unter dem Blickwinkel einer parodierten Königsaudienz (BThSt 101), NeukirchenVluyn 2008. Nijf, Onno van, Athletics, Andreia and the Askesis-Culture in the Roman East, in : Ralph M. Rosen / Ineke Sluiter (Hg.), Andreia. Studies in Manliness and Courage in Classical Antiquity (Mn.S 238), Leiden / Boston 2003, 263–286. Penner, Todd / Vander Stichele, Caroline (Hg.), Mapping Gender in Ancient Religious Discourses (Bibl.- Inter.S. 84), Leiden 2007. Pokorný, Petr / Heckel, Ulrich, Einleitung in das Neue Testament. Seine Literatur und Theologie im Überblick (UTB 2798), Tübingen 2007. Rohrbacher, David, Physiognomics in Imperial Latin Biography, in : Classical Antiquity 29 (2010), 92–116. Rosen, Ralph M. / Sluiter, Ineke (Hg.), Andreia. Studies in Manliness and Courage in Classical Antiquity (Mn.S 238), Leiden / Boston 2003. Santoro L’Hoir, Francesca, The Rhetoric of Gender Terms. ‚Man‘, ‚Women‘, and the Portrayal of Character in Latin Prose (Mn.S 120), Leiden 1992. Satlow, Michael L., „Try to be a Man“. The Rabbinic Construction of Masculinity, in : HThR 89 (1996), 19–40. Schmidt, Karl Matthias, Wege des Heils. Erzählstrukturen und Rezeptionskontexte des Markusevangeliums (NTOA / StUNT 74), Göttingen 2010. Schubert, Charlotte / Huttner, Ulrich (Hg.), Frauenmedizin in der Antike (Tusculum Studienausgaben), Düsseldorf / Zürich 1999. Späth, Thomas, Männlichkeit und Weiblichkeit bei Tacitus. Zur Konstruktion der Geschlechter in der römischen Kaiserzeit (Geschichte und Geschlechter 9), Frankfurt / New York 1994. Steinberg, Leo, The Sexuality of Christ in Renaissance Art and in Modern Oblivion, Chicago 21996. Thurman, Eric, Looking for a Few Good Men. Mark and Masculinity, in : Janice C. Anderson / Stephen D. Moore (Hg.), New Testament Masculinities (Semeia Studies 45), Atlanta 2003, 137–162. –, Novel Men. Masculinity and Empire in Mark’s Gospel and Xenophon’s An Ephesian Tale, in : Todd Penner / Caroline Vander Stichele (Hg.), Mapping Gender in Ancient Religious Discourses (Bibl.-Interpr.S. 84), Leiden 2007, 185–229. Ward, Graham, The Displaced Body of Jesus Christ, in : John Milbank u.a. (Hg.), Radical Orthodoxy. A New Theology, London 1999, 163–181.
Jesu Männlichkeit im Markusevangelium
379
Williams, Craig A., Roman Homosexuality, Oxford 22010. Winkler, John J., Der gefesselte Eros. Sexualität und Geschlechterverhältnis im antiken Griechenland (aus dem Amerikanischen von S. Wohlfeil), Marburg 1994. Winn, Adam, The Purpose of Mark's Gospel. An Early Christian Response to Roman Imperial Propaganda (WUNT 2.245), Tübingen 2008. Wittig, Monique, The Point of View. Universal or Particular ?, in : Gender Issues 3 (1983), 63–69. Wyke, Maria (Hg.), Parchments of Gender. Deciphering the Bodies of Antiquity, Oxford 1998.
The Weeping Jesus and the Daughters of Jerusalem Gender and Conquest in Lukan Lament Shelly Matthews This article considers gender and tears in two Lukan pericopes, first in 19:41–44, where Jesus is said to weep over the city of Jerusalem before delivering an oracle of judgment against that city, and second in 23:26–31 , where Jesus admonishes the daughters of Jerusalem not to weep for him, but rather for themselves and their children. Concerning the first, it argues that Jesus’ weeping here conforms to the Greco-Roman topos of “manly tears” shed by a victorious general, which serve to signal the finality of the destruction of the great city of a conquered people. Concerning the second, it observes that the intersection of gender and ethnicity of the “daughters of Jerusalem” elucidates the significance of the attempt of the Lukan Jesus to redirect their tears. It argues further that Luke’s excision of the pericope in which a woman performs ritual anointing of Jesus’ body for burial from his Vorlage, and his substitution of the exhortation that the women should not weep for him serves as an instance of this author’s attempt to suppress traditions highlighting women’s roles in creating gospel.
I. Introduction Luke is distinct among the canonical gospel authors in that he writes for a patron, the “most excellent” Theophilus.1 According to this Gospel’s preface, he sets out to write an orderly account so that Theophilus might have truth, or security (Gk : ἀσφάλεια) concerning the things fulfilled in their midst (Luke 1:1–4). Owing to this concern to provide reassurance to an educated, Romanized reader, Luke, of all canonical Gospel authors, is the most accommodating of Greco-Roman, kyriarchal2 cultural ideals. Thus we might think of the Third Gospel along with its companion volume, the book of 1 Whether or not Theophilus is an actual historical figure, or merely an ideal reader constructed by Luke, does not bear on my argument here. 2 I adopt the neologism kyriarchy/kyriarchal coined by Elisabeth Schüssler Fiorenza in her work theorizing domination and oppression. As an alternative to patriarchy (rule of the father), kyriarchy (rule of the master or lord) better signals the multiplicative and intersecting structures of domination. See Elisabeth Schüssler Fiorenza, Rhetoric and Ethic, ix.
382
Shelly Matthews
Acts, as texts serving the purpose of “legitimation,” written to reassure an internal audience that adherence to the Way does not require flagrant defiance of Roman imperial norms.3 To be sure, the Third Gospel and Acts are long, and in some senses unwieldy, texts. While Luke struggles to construct his narrative of Jesus followers in an orderly manner, this narrative yet contains stories, and traces of stories, suggesting that in some times and some places, these Jesus followers were part of something more “disorderly,” a countercultural movement threatening to turn the world upside down.4 Thus, by hooking into these more disorderly strands of the narrative, it has been possible to read both Luke and Acts against the grain, and in the direction of justice and liberation.5 But, as I have argued in a previous work, to read these texts in the direction of justice and liberation requires a resistant reading position, one that brushes against the grain of the kyriarchal framework of these two volumes.6 This essay focuses on two instances of weeping in the gospel, Jesus’ lament over Jerusalem as he approaches the city in 19:41–44, and his exhortation to the daughters of Jerusalem not to weep for him, but rather for themselves, in 23:26. Two aspects of Luke’s kyriarchal framework will be scrutinized in this analysis of how the tears function : the treatment of non-believing Jews and their capital city of Jerusalem, and the treatment of women. As I shall argue more fully below, I understand Luke to be constructing a break between his own social group of Jesus followers and non-believing Jews, and that the weeping of Jesus over Jerusalem is part of that rhetorical construc3 Traditionally, this concern for accommodation has been spoken of as Luke’s “apologetic” tendency. For the move from classifying Luke and Acts as apologetic and toward the social science language of “legitimation,” see Philip Esler, Community and Gospel, 16–23, 205–219. For a broader contextualization of early Christian apology, see Laura Nasrallah, Christian Responses to Roman Art and Architecture, 21–50 . 4 For the charge that the Jesus believers are “turning the world upside down,” see Acts 17:6 ; compare similar charges of subversion at Acts 16:20–21 ; 24:5 ; 25:7–8. 5 Already in the abolitionist debates of the late 18th century, Acts 17:26 is cited as an argument against the evils of slavery. See Olaudah Equiano, The Life of Olaudah Equiano, or Gustavus Vassa, the African, written by himself, 14. Luke and Acts have continued to play important parts in arguments for intra-Christian racial, gender and economic equality, owing especially to passages such as the celebration of the reversal of fortune for the rich and the poor in the Magnificat of Luke 2:46–55 ; the invocation of a shared humanity in Acts 17:26 ; and the account of the communal sharing of goods in Acts 5. For a classic liberationist reading of the Lukan infancy narrative, see Richard Horsley, The Liberation of Christmas, 107–123. For an overview of the history of interpretation of Acts in AfricanAmerican communities, see Demetrius Williams, “The Acts of the Apostles,” 213–248. 6 For one entry into questions of Act’s rhetorical frame as having absorbed Greco-Roman hegemonizing values and ideals, see Shelly Matthews, Perfect Martyr, 27–53. See also Demetrius Williams, “‘Upon All Flesh,’” 289–310.
Gender and Conquest in Lukan Lament
383
tion project. Though he lacks the precise categories that later constructors of Christianity as a religion/race7 distinct from Judaism will eventually possess, he is nevertheless grasping for a language by which he can distinguish his own social group, followers of the Way, from non-believing Jews.8 Further I consider Luke to be actively diminishing the agency of women in the Jesus movement by depicting them in subordinate and voiceless positions. With respect to both non-believing Jews, and women, Lukan rhetorical markers move in the direction of surety, orderliness and accommodation. But of course, analyzing Luke’s treatment of non-believing Jews and of wo/men9 need not be considered a study of two isolated topics. As those who employ intersectionality as a tool for theorizing identity and oppression have argued, gender and ethnicity are two (among several) categories that intersect in the construction of human relations and classification.10 Thus, this study pays attention to how the categories of gender and ethnicity intersect and mutually construct each other in these two passages. My argument will show that both masculine tears and feminine tears are intertwined with constructions of peoplehood in Luke’s gospel.
7 I follow Denise Buell, Why this New Race, 35–49, in understanding religion as playing an integral role in the construction of race / ethnicity / peoplehood in antiquity. For a discussion of Luke-Acts as engaged in a process of defining Christians as a “third option” or genos distinct from both Jew and Gentile, see Buell, Why this New Race, 85–90. 8 The question of Luke, Acts and the Jews is highly controverted in current scholarship. For an expanded version of my argument on this subject as it pertains to the book of Acts, see Matthews, Perfect Martyr, 6–8, 30–36, 58–78. As illustrative of the problem of finding the right categories to explain the break this author wants to assert, consider Acts 18:24– 28, where “The Jew Apollos” is noted for powerfully and publically “refuting the Jews” by proving Jesus is Christ. The rupture enacted by the Christ-believing “Jew” in this passage upon “the Jews” who do not believe, captures both the split that the author asserts and the confusion he has in naming it. 9 As a means of signaling intersection of gender with other identity markers, I will from time to time employ the neologism “wo/men,” as an alternative spelling of “women,” in the essay. This broken way of signifying wo/men has been introduced by Elisabeth Schüssler Fiorenza to signal the instability of the term woman/women, to note that wo/men are not defined solely by gender but also by race, class and colonial structures ; to note that wo/ men might include non-dominant men, and to signal that the category does not denote one simple reality. See Schüssler Fiorenza, Rhetoric and Ethic, ix. 10 See here, for instance, the literature on intersectionality serving as the impetus for the “Doing Gender-Doing Religion Conference,” including Kimberlé Crenshaw, “Demarginalizing the Intersection of Race and Sex,” 139–167, and Leslie McCall, “The Complexity of Intersectionality,” 1771–1800. For recent discussions of intersectionality in biblical studies, see the various contributions to the book edited by Randall Bailey, Tat-siong Benny Liew and Fernando Segovia, They Were all Together in One Place ? ; Elisabeth Schüssler Fiorenza, “Introduction,” 1–15 ; Marianne Bjelland Kartzow, “’Asking the Other Question,’” 364–389.
384
Shelly Matthews
II. The Weeping of Jesus In Luke 19:41, a passage distinctive to the Third Gospel, we are told that when Jesus comes within sight of Jerusalem, he wails over its impending demise, before delivering an oracle on the deservedness of that demise. In the entire canonical gospel tradition there are only two accounts of Jesus crying, once in the Gospel of John, where Jesus sheds tears upon hearing the news of the death of Lazarus (Gk : δακρύω). But here, in the only other instance where Jesus cries in canonical gospel tradition, the word used is not δακρύω, but κλαίω. Κλαίω is a stronger word, expressing a more vivid emotional display, since it indicates audible cries as well as the shedding of tears.11 Thus, here in Luke, and only in Luke, do we find Jesus depicted in the throes of such deep, bodily sorrow. An ancient Greco-Roman author who depicts a weeping male protagonist might risk the blurring of gender boundaries, since tears most often signal feminization. As the classicist Donald Lateiner notes, “[m]anliness and ritualized honor demand a spectrum of other symptoms of emotional distress, more active than passive. An education in manliness will tease out of a boy this powerful but demeaning form of self-expression, primarily a sign of powerlessness.”12 It is striking, therefore, that it is Luke who supplies an image of Jesus overcome by emotion at the sight of Jerusalem. This is, after all, the gospel author who eliminates emotional demonstrations from the Gethsemane scene it borrows from Mark, and adds numerous allusions to the noble death of Socrates in his version of the passion, thus rendering Jesus a model of self-mastery and heroism in the face of death.13 In his program of masculinizing Jesus, Luke makes numerous parallels between Jesus and the Roman Emperor as he stages both the birth and the ascension narratives ; further, he introduces Roman centurions and other high standing governmental officials who defer to Jesus in the Third Gospel and to Jesus’s followers in Acts.14 At first glance, the redactional work done by Luke in the 11 See François Bovon, Das Evangelium nach Lukas, 4.43 ; Donald Lateiner, “Tears and Crying in Hellenic Historiography,” 105–134. 12 Lateiner, “Tears and Crying in Hellenic Historiography,” 107. See also Charles Segal, Euripides and the Poetics of Sorrow, 62–67. 13 J.H. Neyrey, “The Absence of Jesus’ Emotion,” 153–171 ; John S. Kloppenborg, “The Death of Jesus in Luke,” 121–133 ; Greg Sterling, “Mors philosophi,” 383–402. 14 For further studies of this masculinizing agenda carried out through depictions of Jesus as emperor-like, see Gary Gilbert, “Roman Propaganda and Christian Identity,” 233– 256 ; Allen Brent, The Imperial Cult and the Development of Church Order ; 73–139, Shelly Matthews, “Clemency as Cruelty,” 118–146 ; Colleen M. Conway, Behold the Man, 127–142. While the Lukan Jesus portrait conforms more closely to Greco-Roman cultural ideals of manliness than any other canonical Gospel portrait, this Gospel has received less attention in studies devoted to the question of Jesus and masculinity. The monograph New Testament Masculinities, edited by Stephen D. Moore and Janice Capel Anderson, includes
Gender and Conquest in Lukan Lament
385
direction of masculinizing Jesus seems undercut by this distinctive Lukan image of Jesus overcome by emotion. In what follows, I attempt to make sense of these tears precisely within Luke’s masculinizing rhetoric, first by setting some classic biblical scholarship on this pericope in conversation with recent scholarship on Greco-Roman emotional culture, and then by placing the image of Jesus weeping over Jerusalem aside other instances of “manly tears” in ancient literature. 1. Pity and Power As a means of thinking through traditional biblical scholarship on the Lukan pericope of Jesus weeping, consider Robert Tannehill’s argument that Luke employs the weeping Jesus as a vehicle to guide readers to view the destruction of Jerusalem as “tragic” : The destruction of Jerusalem is regarded as divine punishment for the rejection of Jesus, but the tone is pathetic, not vindictive […]. In one of the passages Jesus is depicted as weeping for the city (19.41–44) […]. The authority attributed to Jesus makes him a reliable guide to the appropriate attitude toward the destruction of Jerusalem. If Jesus weeps, it is appropriate for others, also, to weep for Jerusalem … . Readers are encouraged to view the city and its inhabitants with the sympathetic pity appropriate to tragedy.15
I agree here with Tannehill that Jesus’ emotional response provoked by the sight of Jerusalem may be classified as pitiful. Though the standard Greek vocabulary for pity – ἒλεος or οἶκτος – is not used, weeping at the sight of the devastation wreaked by warfare is a common means of signifying this emotion in both Greek historiography and oratory.16 a chapter on Luke-Acts which focuses primarily on Acts. Conway’s Behold the Man also treats Luke together with Acts in one short chapter, thereby engaging the Third Gospel only briefly (if insightfully). 15 Robert Tannehill, “Israel in Luke-Acts,” 69–85, here 75 (emphasis added). 16 For example, in the Against Diogeiton of Lysias, in the final scene of a lawsuit brought against a guardian charged with depriving children of their inheritance, tears shed by those who consider the suffering of the children are obviously meant to signal pity. Thus the speaker brought forth as part of the prosecution testifies against the wicked guardian and on behalf of the children : “seeing the children, the sorts of things they were suffering ; remembering the dead man and how he had left his estate to an unworthy guardian ; reflecting how difficult it is to find a person who can be trusted with one’s affairs […] no one of us present was able to say a thing, but weeping no less than the sufferers we left to go our ways in silence” (Lys. 32.18). Pity is also implied in Herodotus’ story of the weeping of the wife of the herdsman when he reveals to her the infant he has been enjoined to expose (Cyrus the Great) : “the herdsman uncovered [the infant Cyrus] and showed it to her. And when the wife saw the child so big and beautiful, she burst into tears, and taking her man by the knees she begged him by no means to expose it” (Hdt. 1.112). Demosthenes appears to equate pity with weeping when he aligns these two responses in speaking of Aeschines’ cold response to the Olynthian war captives : “Yet Aeschines did not pity [the women] nor did he weep for Greece” (Dem. 19.309). Sternberg finds instances of tears standing in for
386
Shelly Matthews
However, I would qualify Tannehill’s argument in the following ways : First, I note that through Tannehill’s further identification of the emotion as “sympathetic pity” he inappropriately merges, and thus muddles, two emotional responses that were distinct in Greek thought. Pity (Gk : ἒλεος, οἶκτος) was understood as a feeling of sorrow or distress prompted by considering another person’s suffering, but this emotive response – sorrow over another’s distress – was distinguished from compassion – the practice of suffering with, or sharing, a person’s emotional state. In Greco-Roman emotional culture, sympathy/compassion is an emotion shared among intimates, specifically through circles of family and friendship, and hence the reliance on Greek compounds using the prefix συν- to signal this shared emotional state (e.g., συναλγέω, συλλυπέω, συνάχθομαι). In contrast, the ancient emotion of pity required a greater distance between the subject and object. As David Konstan notes, while one may speak of compassion or sympathy as an emotional fusion, in Greek (and Roman) conceptions, “the subject and object of pity do not merge but rather maintain distinct emotions : the pitier is always to some extent in the situation of an observer rather than a participant in the experience of the other, and views the suffering of the pitied from the outside […].”17 While Luke allows his hero to gaze pitifully on the Jerusalemites for their impending devastation, Luke does not blur the emotions of pity and sympathy as Tannehill would suggest. The strongest indication that Luke is not melding pity and sympathy together in this text lies precisely at the point where the Lukan portrait departs from the Aristotelian definition of pity, which stipulates that pity is the pain felt toward the undeserved suffering of others. That is, for Aristotle, only after one is secure in the moral judgment that the sufferer is innocent, is it proper to extend pity to this sufferer.18 While moral judgment is expity as such a commonplace that she concludes, “we can infer pity in passages where oiktos and eleos are lacking but a character is said to witness pathetic things and weep […]. [Tears] could also be considered metonymic : tears, which are one part of the emotional response, stand for the whole.” Rachel Hall Sternberg, “The Nature of Pity,” 15–47, here 32–33. 17 David Konstan, Pity Transformed, 58–59. See also Sternberg, “The Nature of Pity,” 15–43 ; Brian Carr, “Pity and Compassion as Social Virtues,” 411–429 ; Paul M. Blowers, “Pity, Empathy, and the Tragic Spectacle of Human Suffering,” 1–27. While ancient texts make this distinction between pity and sympathy, with the latter concept understood as a kind of mutuality, I note that scholars of the modern sentiment of sympathy see also in sympathy itself a distance between observer and observed. See especially the compelling work of Amit S. Rai, The Rule of Sympathy on the interplay of sympathy, “governmentality,” the institution of slavery, and colonialism in the 18th and early 19th century. 18 Aristotle, Rhetoric 2.8.2: “Let pity, then, be a kind of pain in the case of an apparent destructive or painful harm of one not deserving to encounter it, which one might expect oneself, or one of one’s own to suffer, and this when it seems near” [trans. Konstan]. On moral judgment in pity, see Blowers, “Pity, Empathy, and the Tragic Spectacle of Human Suffering,” 5–6. Luke is not the only Greco-Roman author who departs from Aristotle’s
Gender and Conquest in Lukan Lament
387
pressed in the Lukan pericope, it runs unequivocally in the opposite direction. The Lukan Jesus may pity the Jerusalemites, but closes off any possibility that this pity is aimed at a people who do not merit suffering, through Jesus’ direct speech on Jerusalem’s desert. As Jerome Neyrey has argued, Luke 19:41–44 is one of four passages in this Gospel modeled on the form of prophetic disclosure in the Septuagint known as the prophetic lawsuit. In this form of classical prophetic judgment, the prophet plays the role of prosecutor and judge, while the city is personified as the summoned defendant, against whom charges are levied and sentence is passed. Following this pattern, Luke first depicts Jesus, speaking through his tears, in direct address to the city he approaches (19:42, “If you, even you had only recognized the things that make for peace … .”). He then passes sentence in passages that allude to earlier biblical prophecies of the city’s destruction (19:43–44a, “the days will come upon you, when your enemies will set up ramparts around you and surround you and hem you in on every side. They will crush you to the ground, you and your children within you”). Finally, he names the crime : Jerusalem did not recognize “the time of its visitation” (τὸν καιρὸν τῆς ἐπισκοπῆς) – a Lukan circumlocution signifying Jerusalem’s failure to recognize Jesus as Savior (19:44 ; cf. 1:78).19 At the risk of stating the obvious here, I note that Luke’s assessment of the cause of Jerusalemite suffering would not have been shared by Jerusalemites themselves. It is untenable, then, to posit that a judge who weeps at the suffering of a people, while simultaneously passing sentence upon them through employment of a moral logic that the suffering people themselves would not accept, is offering pity in a sympathetic manner.
strict insistence that pity should be aroused only for those who suffer undeservedly. For discussion of additional cases, see David Konstan who notes the abiding “tension between the affect spontaneously elicited by the vivid image of another’s affliction and an exacting assessment of desert, always as judged by the victor and with a shifting but uniformly harrowing conception of the rights of conquest. Pity itself tugs in two directions, as though there were an instability at the heart of the concept” (Konstan, Pity Transformed, 93–96). 19 On this pericope within a series of four prophetic oracles of Judgment against Jerusalem for its rejection of Jesus, see Jerome Neyrey, “Jesus’ Address to the Women of Jerusalem,” 74–86. For further insight into the harshness of this judgment oracle, see the argument of Adelbert Denaux, “The Parable of the King-Judge,” 35–57, which reads Luke 19:11–29 and Luke 19:29–44 as standing in dyptich relationship. In the first panel of the dyptich, the king’s violent agency in passing judgment is underscored through his orders that those who reject him should be killed before his eyes : “But as for these enemies of mine, who did not want me to reign over them, bring them here and slay them [κατασφάξατε αὐτοὺς] before me !” (19:27). If we understand the violent force of the judgment here as a mirror for interpreting the judgment of 19:43–44, Tannehill’s argument that the tone of the Lukan Jesus in the latter passage is “pathetic, not vindictive” cannot stand (Tannehill, “Israel in Luke Acts,” 75).
388
Shelly Matthews
2. Luke-Acts and the Jews Because I argue that Jesus exhibits pity as one observing Jerusalem’s suffering from a distance, and not as sympathizer (that is, as an outsider, not an insider) I must pause here to address the broader question of the Lukan Jesus’ relationship to non-believing Jews in the narrative. Many have suggested that Jesus’ weeping and judgment in this pericope participate in a common trope of intra-Jewish pathos and polemic inspired by the writings of the biblical prophets. The argument that Jesus stands here as a Jeremiah figure, both judging, but also weeping for (and with) his own people, is elaborated most fully by David Tiede, who notes that Jesus’ retributive interpretation of the destruction of Jerusalem in Luke is well within the bounds of Jewish prophetic tradition. Thus, Tiede concludes, the Lukan Jesus stands within, rather than against, the Jewish tradition, and his condemnations can even be understood as more tempered than those of the biblical prophets.20 My objection to this argument is that it elides specifically what Luke identifies as the “sin” of Jerusalem, what repentance and restoration would require, and why destruction of Jerusalem is deserved. As Amy-Jill Levine has frequently (and eloquently) noted, in Jewish tradition, repentance is the proper response of the sinner, one who has failed morally and ethically ; it is a turning back toward what has been established as the good.21 The prophet Jeremiah is calling his audience to return to, and live within, the pre-established covenantal framework, while identifying the destruction as owing to the violation of that pre-established covenantal framework. On the one hand, the Lukan Jesus’ lament adopts the form utilized in Jeremiah, and to this extent we might speak of it as “intra-Jewish.” But on the other hand, the content of the lament introduces a radically new “Christian” (or, at the very least, proto-Christian) condition for what covenantal obedience requires : confession of Jesus as God’s Messiah. The Lukan Jesus pronounces destruction as deserved because Jerusalem did not recognize the time of its visitation. I suggest that we can understand Luke here as standing squarely within prophetic scriptural tradition only if we understand that prophetic scriptural 20 As he argues concerning the fact that Luke’s condemnation in 19:44 alludes to prophetic text from Jeremiah : “Luke’s concluding sentence can be clearly recognized as a statement of judgment on Israel which is immersed in the precedent of such specific usage arising from interpretations of the first destruction of Jerusalem. Furthermore, the intensity of the more ancient indictment and the very endlessness of the curse on the city (Jer 23:40, everlasting reproach and perpetual dishonor) seem remarkably harsh even in comparison with the text of Luke and place such a retributive interpretation of the destruction of Jerusalem within the bounds of Jewish tradition.” (David Tiede, Prophecy and History, 82 ; idem, “‘Fighting Against God,’” 101–112). 21 Levine addresses this issue specifically within debates about whether the violent rhetoric directed at Jews within the Gospel of Matthew might be considered as an intraJewish polemic. See Amy-Jill Levine, “Anti-Judaism,” 9–36.
Gender and Conquest in Lukan Lament
389
tradition in a Christian supersessionist way – that is, only if we accede that Jeremiah and the other prophets predicted Jesus’ advent as messiah, and that Jerusalem is at fault for not recognizing what the prophets foretold. In short, against a group of scholars who read the Third Gospel and Acts, as “open” to the Jews, or “holding out hope” for the Jews, I regard the terms on which this “openness” or “hope” is offered as standing in the line of a developing Christian supersessionism : Jews are welcome, even privileged members of the Jesus following group, but only insofar as they accede to the claim that Jesus is messiah. While the author of the Third Gospel and Acts embraces Jews who confess Jesus as Christ, and asserts that Jewish Scriptures and worship, properly understood, lead to this confession, it also works to denigrate non-confessing Jews as those whose defeat is deserved.22 3. Pity and Appropriation : The Hero’s Tears at the Passing of an Era Further insight into the function of Jesus’ weeping in the Lukan narrative comes from considering instances in Greco-Roman literature in which manly tears are shed, instances which fall under what Donald Lateiner has dubbed “The Hellenistic protocol for ‘Big Men Do Cry’.”23 Under the larger category of appropriate tears shed for fallen foes (see, e.g., Achilles in the face of the bereaved Priam ; Il. 24.507–551), we may speak of a sub-category : tears shed appropriately by great men at the sight of the destruction of a great city, generally brought to the eyes by the general who has (or will) devastate that city. I note here four instances of this trope, which shed significant light on the function of the weeping Lukan Jesus. First, the tears shed by the Roman general Marcellus as reported in Livy’s History of Rome, as he prepares to sack the city of Syracuse during the second Punic War (212 B.C.E.) : 22 As
I have argued elsewhere with regard to the book of Acts, this author’s anti-Judaism should be distinguished from modern forms of Anti-Semitism : “In as much as Acts celebrates the Jewish credentials of the movement’s first leaders, it is right to say that Acts’ position on the distinction between nonbelieving Jews and followers of ‘the Way’ does not presume that the former group possesses an inferior racial essence. In marked distinction to the racist anxiety provoked in the modern West by the question of whether a Jew, owing to his/her corporeal ‘Jewishness’ might possibly become an authentically Christian subject, Acts holds a relatively more positive view : Not only might Jews be saved by a repentance that leads to belief in Jesus, but such Jews, through their leadership of the movement are essential to its success. Owing to this rhetorical emphasis in Acts, it is not helpful to categorize the text as anti-Semitic, insofar as that category has been traditionally reserved for racial, rather than religious, animus (and insofar as race has been traditionally understood as essential and fixed, rather than mutable).” Matthews, Perfect Martyr, 31. The work of denigrating non-confessing Jews as prone to stasis, and thus as unworthy subjects of empire, is more fully elaborated in the book of Acts than in the Gospel of Luke. See Matthews, Perfect Martyr, 30–36 ; Lawrence Wills, “Depiction of Jews,” 631–654. 23 Lateiner, “Tears and Crying in Hellenic Historiography,” 121.
390
Shelly Matthews
Marcellus on entering the walls and from the higher ground viewing one of the most beautiful of all cities in that age lying before his eyes, is said to have wept, partly for joy over his great achievement, partly for the ancient glory of the city [inlacrimasse dicitur partim gaudio tantae perpetratae rei, partim vetusta gloria urbis]. The sinking of the fleets of the Athenians and the destruction of two mighty armies along with two very distinguished generals [Nicias and Demosthenes] came to his mind, and so many wars waged with so great a risk against the Carthaginians […]. Since all that came to mind and the thought suggested itself that now in the course of one hour everything there would be in flames and reduced to ashes, before advancing his standards […] he sent forward [messengers] in order to entice the enemy by mild words to surrender the city.24
Second, Polybius’ report that the Roman general Scipio the younger breaks down in tears as he views the city of Carthage, finally enveloped by flames in the Third Punic War (146 B.C.E.) : Scipio, when he looked upon the city as it was utterly perishing and in the last throes of its complete destruction, is said to have shed tears and wept openly for his enemies [ὁ δὲ Σκιπίων πόλιν ὁρῶν … τότε ἄρδην τελευτῶσαν ἐς πανωλεθρίαν ἐσχάτην λέγεται μὲν δακρῦσαι καὶ φανερὸς γενέσθαι κλαίων ὑπέρ πολεμίων]. After being wrapped in thought for long, and realizing that all cities, nations, and authorities must, like men, meet their doom […].25
Third, the veritable flood of tears shed by Aeneas in Book One of the Aeneid, as he surveys the multiple stone reliefs of the Trojan war that decorate the temple of Juno in Carthage : It was while [Aeneas] walked from one to another wall of the great temple […] staring amazed […] at the handiwork of artificers and the toil they spent upon it : He found before his eyes the Trojan battles […]. Here Aeneas halted, and tears came. “What spot on earth … What region of the earth … is not full of the story of our sorrow ? Look, here is Priam. Even so far away great valor has due honor ; they weep here for how the world goes, and our life that passes touches their hearts […].” He broke off to feast his eyes and mind on a mere image, sighing often, cheeks grown wet with tears.26
Fourth, the Josephan report on the reaction of Titus, the general who supervised the destruction of Jerusalem, as he comes into view of the ruined city, on a subsequent journey from Antioch to Alexander : 24 Livy, History of Rome 25.24.11–15, trans. Frank Gardner Moore ; For analysis of this passages, see Andreola Rossi, “The Tears of Marcellus,” 56–66 . 25 Polybius, The Histories 38.22.1–2, trans. W.R. Paton ; This text included at 38.22 of Polybius is preserved by Appian, Lib. 132. For texts and discussion see Alan E. Astin, Scipio Aemilianus, 251–252, 282–287 ; Albert Henrichs, “Grecia Capta,” 243–261, here 250–254. That “all cities, nations and authorities must, like men, meet their doom,” is a reflection on the mutability of Fortune common to such narratives of the victor’s magnanimity. Given Luke’s triumphal narrative concerning the outcome of history, this Gospel does not include such reflection. 26 Publius Vergilius Maro, The Aeneid 1.614– 634, trans. Robert Fitzgerald ; see also 1.660 ; For one entry into the question of the function of Aeneas’ tears in the Aeneid, see Therese Fuhrer, “Aeneas,” 63–72.
Gender and Conquest in Lukan Lament
391
On his way Titus visited Jerusalem, and contrasting the sorry scene of desolation before his eyes with the former splendor of the city, and calling to mind the grandeur of its ruined buildings and their pristine beauty, he pitied its destruction (ᾤκτειρε τῆς πόλεως τὸν ὄλεθρον).27
These four instances do not adhere to a wooden formula of “acceptable tears.” They are rather variations on a trope, all with somewhat different circumstances and rhetorical aims. But they do share the following commonalities with the Lukan pericope that help to illuminate its function. First, like Jesus’ tears in Luke, the sorrowful tears of each of these four heroes is linked to the sight of the devastated city, whether the hero is approaching the actual city, or, in the case of Aeneas, approaching images of the Trojan battle.28 Second, in the cases of the generals Marcellus, Scipio, and Titus, those who feel pity for the devastated city are actually the conquerors themselves, who either will or have themselves engaged in the city’s eradication.29 To be sure, as noted above, the Lukan Jesus is not the conquering general, but rather the judge passing sentence. Depending on how much distance one allows between judge and executioner, we can agree that Luke’s Jesus stands at some length from the actual carnage, and is thus to be distinguished from a Marcellus, a Scipio or a Titus.30 But I mention this aspect of the general’s tears as a means to underscore that tears of pity are shed from someone who observes suffering, often with power over, rather than one who suffers with ; and furthermore, to underscore that pity does not require accompanying acts to alleviate suffering. One may pity a situation one does not wish to alter. It is possible for a general to pity what he himself destroys ; it is also possible for another type of hero to pity a city whose destruction he has judged as deserved. Third, and perhaps most important to our understanding of the scene in the Third Gospel, in all cases the city over which the tears are shed is a city with a glorious past, one representing a once glorious culture. As Andreola Rossi has argued concerning the function of these tears of Marcellus in Livy : “the Victor weeps over the fall of his enemy not only out of pity for the vanquished. The fall of the enemy brings full awareness of the end of a historical era : a cycle of rise and fall has 27
Flavius Josephus, B.J. 7:112, my translation. On the function of sight, and the role of the body in pity, see Sternberg, “The Nature of Pity,” 25–40. Of course, in the Third Gospel, the tears are proleptic. While they are prompted, in the narrative world, at the sight of the city soon to be devastated, readers of this Gospel know this devastation as a past event. 29 In discussing Marcellus and Scipio, Lateiner (“Tears and Crying in Hellenistic Historiography,” 122) uses the phrase, “the great chain of polis eradication and the conqueror’s tears,” to gesture toward an underlying topos in these two reports. 30 Though, consider again the question of violence and agency in Luke 19:27 in view of Denaux’s proposal, note 19 above. 28
392
Shelly Matthews
been completed […]. The capitulation of Syracuse, ‘the largest of Greek cities and the loveliest of all cities’, represents the final collapse of that Greek culture and civilization in Italian territory […]. Its downfall signals the end of another important historical era, and Livy deploys this literary topos as he helps the reader to decode its symbolic significance.”31
Similar significance attaches to Troy in the Aeneid. Aeneas weeps for the great and glorious city of his past, but there can be no return to that past. In Virgil’s epic of Roman triumph, the glory of Troy transfers to Latium. I suggest then that the dramatic weeping over Jerusalem of an otherwise impassive Jesus in Luke might have a similar rhetorical function for Romanized readers : Yes, the city of Jerusalem was glorious (and, of course, because Jerusalem, like Syracuse and Troy, was a city with a glorious past, it elevates the status of those who inherit that glory) ; yes, the city might have been spared, if only it had recognized the time of its visitation, but it did not do so ; and thus (in a formulation in which gender and ethnicity are tightly intertwined) the weeping of a very masculine hero marks the end of a historical era for a particular people.32 In the early decades of the second century, before Hadrian’s forceful response to the Bar Kokhba rebellion, the fate of Jerusalem and the Jerusalem temple would not have necessarily been regarded as sealed by those on the ground. Romans typically did not eradicate altogether the religious objects of the people they conquered. Because conquered peoples were generally allowed by the Romans, eventually, to reestablish their cultic practices, the expectation that Judea would someday get its city and its temple back was not unreasonable during this time.33 Some Luke-Acts scholars have argued further that this author himself holds out hope for a restored cultic center
31
Rossi, “The Tears of Marcellus,” 60–61. It is the Sicilian historian Timaeus who is credited with singling out Syracuse as “the greatest of Greek cities, the most beautiful of all cities” (Cicero, Rep. 3.43 ; Verr. 4.117). 32 Through this reading, I situate the author of Luke and Acts as a forerunner to supersessionist Christian theologies articulated in Justin Martyr and other Christian apologists. It should go without saying that I am critical of Luke’s outlook, rather than condoning it. For the distinction between Luke’s anti-Judaism and modern anti-Semitism, see note 22. It may be further noted that while I read this author as inscribing a violent rhetoric against non-believing Jews in his two-volume work, I do not insist that this violence necessarily owes to malicious intentions held by this author. Luke’s own position within the Roman Empire was undoubtedly precarious, and the rhetorical violence he inscribes here might be understood as a version of internal violence of one subjugated group directed against another such group that is often found in situations of empire. Furthermore, this author could not have envisioned the full effects his anti-Jewish rhetoric would have, once Christianity achieved its privileged place in that empire and had the power to impose physical violence upon its hated Others. 33 Milton Moreland, “Jerusalem Destroyed.”
Gender and Conquest in Lukan Lament
393
in Jerusalem.34 But the function of the weeping scenes I have surveyed here suggests that the author of Luke-Acts holds a different view. As Marcellus’ tears coincide with the final collapse of Greek culture and civilization in Italian territory, or Aeneas’ tears are part and parcel of the transfer of glory from Troy to Rome, so I suggest Jesus’ tears in Lukan framing also suggest a finality : the end of Jewish culture and civilization in as much as that culture refuses to assent to the confession that Jesus is the messiah foretold by the prophets of Israel. From the perspective of this author, who wants to distinguish his social group of Jesus believers as the “True Israel,” and set them apart from non-believing Jews, the destruction of Jerusalem is deserved and its glory is a thing of the past, surviving only in its appropriation by a new people in new territory.35 4. Reading Pity Intransitively I have noted that the emotion of pity requires distance between the subject who views and judges, and the object, who suffers. I close this section on Jesus’ tears by arguing that, in the case of a pitiful scene such as the one under consideration in Luke, the distance between the reader of the narrative and the suffering characters in the narrative might be even greater. Tannehill suggests that Jesus’ tears serve as a “a reliable guide to the appropriate attitude toward the destruction of Jerusalem.” It is possible, however, that early readers and hearers of this passage were little concerned with the plight of Jerusalem and were not prompted to adjust their attitude toward Jerusalem in response. As I have argued elsewhere, in many assertions of the Christian principles of enemy love and forgiveness, the grammatical force of the assertion is intransitive, serving to idealize the subject as loving or merciful, but having little effect on the object of the love or mercy. For example, the dying 34 See, for example, J. Bradley Chance, Jerusalem, the Temple, and the New Age, and Tannehill, “Israel in Luke-Acts.” 35 In its gesture of appropriating one great culture from the past for a new and superior people, conveyed through the protagonists’ travels from the once glorious city and unto Rome, Luke-Acts shares thematic similarity especially with the Aeneid. The most elaborate argument for connections between Luke-Acts and the Aeneid is Marianne Palmer Bonz, The Past as Legacy. See the important qualifications in the review of Bonz by Loveday Alexander, who argues against Bonz’s larger thesis, while conceding that there are “subtle linguistic and symbolic clues which create hyperlinks with alternative cultural scripts” in the Lukan narrative, (Loveday Alexander, Acts in its Ancient Literary Context, 181). While I generally agree with Alexander’s more cautious approach to understanding cultural borrowings and allusions in Luke-Acts , I am here qualifying her specific argument that the foregrounding of emotion in Book one of the Aeneid “never happens in Acts” (Alexander, Acts in its Ancient Literary Context, 180). The allusion to the emotion of Aeneas in book one of the Aeneid, is carried not by the book of Acts, but by Jesus in Luke 19.
394
Shelly Matthews
prayers of forgiveness for their persecutors uttered by Jesus in Luke and by Stephen in Acts, are heralded in early reception history as “wonderful” or “perfect.” But early Christians who extol Jesus and Stephen for their virtuous prayers were not drawn to conclude that those for whom Jesus and Stephen prayed were indeed forgiven.36 This phenomenon of the grammatical intransitivity of early Christian rhetoric of mercy is illustrated in the writings of Irenaeus. In his comments on the dying forgiveness prayer of Jesus in Luke 23:34a, Irenaeus celebrates the compassion exhibited in this prayer, “That he exclaimed upon the cross, ‘Father forgive them for they know not what they do,’ [exhibits] the longsuffering patience, compassion and goodness of Christ.”37 He further celebrates the dying forgiveness prayer of Stephen as working to effect his perfection : “and thus did [Stephen] fulfill the perfect doctrine, copying in every respect the Leader of martyrdom, and praying for those who were slaying him, in these words : ‘Lord, lay not this sin to their charge.’ Thus were they perfected who knew one and the same God.”38 But celebrating the mercy and perfection of those who so pray does not lead Irenaeus to believe that the prayers of Jesus and Stephen actually effected forgiveness. In Against Heresies he likens Jewish Exodus through Egyptian destruction to Christian salvation through Jewish condemnation : Unless, then the Jews had become the slayers of the Lord (which did, indeed, take eternal life away from them) […] we could not have been saved. For as they were saved [during the Exodus] by means of the blindness of the Egyptians, so are we, too, by that of the Jews ; if, indeed the death of the Lord is the condemnation of those who fastened him to the cross, and who did not believe in his advent, but the salvation of those who believe in Him.39
That is, Irenaeus, both celebrates the compassion of Jesus praying forgiveness upon his crucifiers and affirms the certainty that those crucifiers receive no compassion as a result of the prayer. By analogy, I suggest that the attention of readers of this passage concerning the weeping Jesus may have been trained solely upon Jesus, the heroic subject, and what the tears might signify about Jesus himself, without any regard at all for the Jerusalemites and their devastation. Gestures toward ἒλεος or οἰκτος in the literary trope of the victor’s tears, like gestures of clementia and philanthropia in other contexts of imperial conquest, are not so much about sorrow for those who are being crushed in violence. They are, rather, about the nobility of the conqueror- the magnanimity of the general- who does not succumb to the passions of fury or vindictiveness, but who rightly restrains his rage. 36
Matthews, “Clemency and Cruelty,” ; eadem, Perfect Martyr, 99–130. Irenaeus of Lyons, Haer. 3.18.5, trans. Roberts-Donaldson. 38 Iren., Haer. 3.12.13, trans. Roberts-Donaldson. 39 Iren., Haer. 4.28.4, trans. Roberts-Donaldson. 37
Gender and Conquest in Lukan Lament
395
One instance of an early Christian reading Luke 19:41 with this sort of “intransitive” focus comes from Origen’s commentary on Luke 19.40 True to his preference for the allegorical reading of scripture, Origen works up to the conclusion that Jesus weeps not for the literal city of Jerusalem, but for “This Jerusalem of ours. We are the Jerusalem that is wept over, since we ourselves have a deeper insight […] if one of us sins, Jesus will bewail over him and lament him.”41 But before Origen turns to the allegorical, he first offers up the following reading : We must first contemplate his weeping. By his example, Jesus confirms all the beatitudes that he speaks in the Gospel. By his own witness, he confirms what he teaches. [Omnes beatitudines, quas locutus est in evangelio Iesus, suo firmat exemplo et, quod docuit, proprio testimonio probat.] “Blessed are the meek” he says. He says something similar to this of himself, “Learn from me for I am meek.” Blessed are the peacemakers. And what other man brought as much peace as my Lord Jesus […] Blessed are they who suffer persecution on account of justice.” No one suffered such persecution on account of justice as the Lord Jesus did, who was crucified for our sins. Thus, the Lord exhibited all the beatitudes in himself. For the sake of this likeness, he himself wept, because of what he had said : “Blessed are those who weep,” to lay the foundations for this beatitude too” (Omnes igitur beatitudines in semetipso Dominus ostendit ; ad quam similitudinem etiam illud, quod dixerat : “Beati flentes” – ipse flevit, ut huius quoque beatitudinis iaceret fundamenta).42
Notice here that Origen assumes that the tears in Luke 19 have a reflexive function : Jesus weeps to provide a moral lesson about himself. The tears confirm what Jesus has taught, that those who weep are blessed. For Origen (pace Tannehill), the Lukan Jesus does not weep to provide for readers “a reliable guide to the appropriate attitude toward the destruction of Jerusalem.” He weeps rather, “to exhibit in himself,” or “to lay the foundation for” the beatitude which he spoke.43 Origin is not prompted here to feel sorrow for the devastated Jerusalemites, nor does he direct his readers to feel such emotion. Rather, he reads the weeping intransitively, as reflecting back on the virtues of Jesus.
40 For Latin text, see Origenes, Homilien zum Lukasevangelium, 376. Here the translation follows Joseph T. Leinhard, Origen : Homilies on Luke : Fragments on Luke, 156–157. 41 Origen, Hom. Luc. 19.3–4. 42 Origen, Hom. Luc. 38.1–2. 43 Notice also how Origen forecloses the possibility of contemplating Jerusalemites suffering wrought by the destruction of the city, by directing attention to Jesus as the quintessential sufferer : “No one suffered such persecution on account of justice as the Lord Jesus did.” Origen, Hom. Luc. 38.2.
396
Shelly Matthews
III. The Weeping Daughters of Jerusalem I turn now to consider a second pericope in Luke, the oracle of judgment pronounced to the daughters of Jerusalem as Jesus makes his way from the city to the place called The Skull, where he will be crucified. Luke notes that while these women are accompanying Jesus on the way to his crucifixion, they “beat their breasts and lament for him” (ἐκόπτοντο καὶ ἐθρήνουν αὐτόν ; Luke 23:27). Jesus, now in the familiar Lukan posture of self-mastery in the face of his death, redirects their lament : “Daughters of Jerusalem, do not weep for me, but weep for yourselves and for your children” (θυγατέρες Ίερουσαλήμ, μὴ κλαίετε ἐπ’ ἐμέ πλὴν έφ’ ἑαυτὰς κλαίετε καὶ ἐπὶ τὰ τέκνα ὑμῶν ; Luke 23:28). This admonishment is then followed by yet another oracle of judgment, promising the desolation of Jerusalem as judgment for the sin of rejecting him (Luke 23:29–31).44 Together with the passage in which Jesus weeps, this passage forms an inclusio : in Luke 19 Jesus weeps as he approaches the city of Jerusalem, and then offers an oracle of judgment using Septuagintal language, promising deserved suffering as a consequence of rejection ; here, in Luke 23, as Jesus leaves the city of Jerusalem, he admonishes the daughters of Jerusalem also to weep for themselves and their children, and then offers an oracle of judgment using Septuagintal language promising deserved suffering, again as a consequence of rejecting Jesus. But, in this second instance, the tears conform to a more common gendered pattern, these are typical feminine tears rather than exceptional masculine ones. Traditions of noble martyrs refusing women’s tears go back as far as Socrates, and one explanation for this admonishment here might be the Lukan tendency to depict Jesus in the mold of this philosopher.45 I suggest that the significance of both the deflection of tears for himself and the redirection of tears for Jerusalem is further illuminated by considering these narrative details alongside the passion as recorded in Mark.
44 The
crime and impending punishment is expressed through aphorism in v. 31, “if they do this when the wood is green, what will happen when it is dry ?” I follow Neyrey here in understanding the time of “the dry wood” as the time of judgment upon non-believing Jews for what was done during “the time of the green wood” that is, the rejection of Jesus. Neyrey, “Jesus’ Address to the Women of Jerusalem,” 114. 45 Early on in Plato’s Phaedo Socrates’ wife is lead away weeping and beating her breast (Phaed. 60a) ; when the men who remain with Socrates to the end begin weeping, they are admonished for behaving like women (Phaed. 117d–e). Consider also the rebuke of Hercules’ mother for weeping in Seneca’s Hercules Oetaeus 1667–1690 ; 1738–1759, and the discussion of Kathleen Corley, Maranatha, 35–38.
Gender and Conquest in Lukan Lament
397
1. Mark’s Passion As has been widely recognized since the publication of Elisabeth Schüssler Fiorenza’s In Memory of Her, the Gospel of Mark tells a remarkable story of a woman anointing Jesus at a significant moment in his passion narrative (Mark 14:3–9 ; cf. Matthew 26:6–13 ; John 12:1–8). Using this Gospel story as a starting point, and employing scholarship on women’s agency in traditional ritual lament, Marianne Sawicki proposes a specific historical conclusion – that behind this hybrid story of a woman who anoints Jesus’s body, “beforehand, for its burial,” lie traces of a historical event – women gathered to mourn the death of Jesus, who make sense of the death by putting their grief into words, thereby being responsible for the initial shaping of Easter faith.46 However complicated the tradition history of Mark 14:3–9, it is possible to see still in this final form the significance of the woman/women who initiated grief work at the death of Jesus, as this significance is underscored in the final acclamation, “wherever the Gospel is preached in the whole world, what she has done will be told in memory of her.”47 Mark also features women prominently as those who accompanied Jesus to the cross. According to Mark 14:40–41, the only companions of Jesus who are set apart as eye witnesses to the crucifixion of Jesus are the “many women who had come up with him to Jerusalem.” Three of these women are singled out by name, Mary Magdalene, Mary the mother of James the younger and of Joses, and Salome. The agency of the women in the basileia movement is signaled through three verbs important to notions of disciple
46
Marianne Sawicki, “Making Jesus,” 136–170 ; eadem, Seeing the Lord, 149–182 ; Compare also John D. Crossan, The Birth of Christianity, 572–573, who cites Mark 14:3–9 in arguing that “in the Jerusalem community the female lament tradition turned the male exegetical tradition into a passion-resurrection story.” A recent cluster of feminist biblical scholarship has focused on women’s roles in ritual lament. Citing cross cultural studies of the role of keening women, Julianna Claassens notes the power and creativity of such women : “By means of a combination of tears and well-chosen words and metaphors, thus fulfilling both an affective and a cognitive function, wailing women [help] people break through their silence toward a basic, often raw, vocalizing of grief […].” Pointing to the wailing women in the prophetic book of Jeremiah, she also notes the importance of women’s agency here, “by leading the people in weeping and by uttering laments or a dirge, wailing women are responsible for finding the first words to vocalize what has happened” (L. Juliana M. Claassens, “Calling the Keeners,” 63–77, here 68). In her study of mourning rituals for the dead in antiquity, Standhartinger notes similarly the purposes of lament, “to touch those present and give expression to their sorrow […] to catalyze the pain they were feeling, giving space to their grief and so also [to]offer something to hold on to.” Angela Standhartinger, “What Women Were Accustomed to Do,” 559–574, here 560. 47 Schüssler Fiorenza, In Memory of Her, 198–99.
398
Shelly Matthews
ship in Mark – to follow ἀκολουθέω, to minister διακονέω, and to come up with συναναβαίνω.48 Finally, as has been recently underscored by Angela Standhartinger, the centrality of the suffering of Jesus comes into distinctive focus in Mark’s framing. Standhartinger notes, for instance, that only passages from Psalm 22 pertaining to lamentation and accusation are integrated into Mark’s passion, and further, that Jesus remains “the crucified one” until the very end (Mark 16:6). Especially through privileging of the cry of abandonment from the cross, “My God, my God, why have you forsaken me ?” as Jesus’ last word, the lament incorporated into the Markan biography of Jesus serves not only a register of grief, but also a protest against death. Through Mark’s emphasis on the lament and the protest of the dying Jesus, this gospel, “underlines that suffering and death are not a passage to heavenly glory, but an emphasis on God’s solidarity with the crucified One and his suffering brothers and sisters.”49 2. Lukan Redaction Luke’s Jesus is more impassive in the face of suffering and his wo/men play less significant roles. The fact that the Lukan Jesus calmly and eloquently speaks on the way to the cross serves as a perfect rebuttal to any critic who knows the Markan tradition that Jesus’ silence through his ordeal is broken only by a last feminine cry of despair. 50 Luke alters the tradition of significant women looking on at the crucifixion to read, “But everyone who knew him stood at a distance, including the women who had followed him from Galilee, watching these things” (Εἱστήκεισαν δὲ πάντες οἱ γνωστοὶ αὐτῷ ἀπὸ μακρόθεν καὶ γυναῖκες αἱ συνακολουθοῦσαι αύτῷ ἀπὸ τῆς Γαλιλαίας ὁρῶσαι ταῦτα ; Luke 23:49). Thus, the women who are so prominently featured in Mark become folded into a larger group of followers. No longer are female companions singled out by name as eyewitnesses to the crucifixion or credited with special acts of discipleship. Furthermore, Luke leaves Mark 14:3–9, the story of a woman performing a prophetic and symbolic action in association with Jesus’ death, on the cutting room floor in his redaction. This 48
Ibid., 320–321. Standhartinger, “What Women were Accustomed to Do,” 574. 50 See note 13 for scholarship on Jesus’ manly deportment in the face of death. The pagan critic of Christianity, Celsus, honing in on Markan, rather than Lukan traditions, criticizes Jesus’s muteness during his ordeal by contrasting it with the self-controlled speech of Epictetus under duress, “When his [Epictetus’] master was twisting his leg he smiled gently and calmly said, ‘You are breaking it’ – What comparable saying did your God utter while he was being punished ?” (Origen, Cels. 7.53). He further scorns the Markan Gethsemane tradition, “Why does he howl, lament, and pray to escape the fear of destruction ?” (Origen, Cels. 2.24). Though Luke writes before Origen, his Gospel appears to anticipate and correct for similar criticisms in his time. 49
Gender and Conquest in Lukan Lament
399
excision is particularly striking in that it is limited precisely to the story of the woman’s anointing in Mark 14:3–9. Both the verses that precede the story in Mark, concerning the plotting of the chief priests and scribes, and those that follow, concerning Judas’ role in the betrayal, are retained by Luke (cf. Mark 14:1–2, 10–11 with Luke 22:1–6). There is no indication in Luke, as there had been in Mark, that a woman, who was to always be memorialized in conjunction with the preaching of the gospel, had anointed his body for burial. In the context of these Lukan redactional choices, the special Lukan admonishment to the women, “Do not weep for me” takes on a particularly negative force. Through exhorting them not weep on his behalf, Luke reduces to insignificance the tradition of women engaged in ritual lament for their unjustly executed companion. To paraphrase the Gospel of Peter, in a verse recently brought to our attention by Angela Standhartinger, the Lukan Jesus admonishes the daughters of Jerusalem not to do “what women were accustomed to do for the dead beloved by them.”51 Instead of privileging women’s role in grieving for the (about to be) crucified Jesus, a rhetorical move that would have gestured toward the importance of women’s agency in the creation of gospel itself, Luke attempts to obliterate this “dangerous memory.”52 Consider also the identity of the wo/men53 who weep and the redirection of their lament toward a desolate Jerusalem. Instead of featuring named female companions involved in common ministry and accompanying Jesus to the cross, Luke features the weeping “Daughters of Jerusalem,” that is, wo/ men who symbolically represent the subjugated city. In these wo/men, instructed to weep over the impending destruction of Jerusalem, gender and ethnicity intersect as they commonly do in coding imperial subjugation : Like the anguished woman on the Judaea Capta coins circulating after the Jewish War with Rome, the weeping wo/men in Luke represent the defeated, which is to say the feminized, people of Judaea.54
51
Standhartinger, “What Women Were Accustomed to Do,” 559–574. On the concern of both feminist and materialist historiography to recapture the “dangerous memory” of the oppressed without whose work civilization would not be possible, but whose contributions remain unacknowledged in the false and falsifying historical narratives of the ruling classes and their scribes, see Schüssler Fiorenza, In Memory of Her and also Walter Benjamin, Illuminations. I am indebted to Marsha Aileen Hewitt’s “Memory, Revolution and Redemption,” 147–170, for a reading of these two scholars in tandem. 53 On the broken spelling, see note 9. 54 For one discussion of the Judaea Capta coin series, and the intersection of gender and ethnos in Roman images of conquest, see Davina Lopez, Apostle to the Conquered, 35–38. 52
400
Shelly Matthews
IV. Conclusion A strong current in Western liberal biblical exegesis presumes that the Jesus depicted in the gospels is thoroughly peace-loving and compassionate. This tendency has been operative in interpretations of both of the pericopes pertaining to gender and tears under consideration here.55 I read them otherwise. In terms of the weeping Jesus of Luke 19, I argue that these tears signal pity but not compassion ; moreover, they do not disrupt the author’s project of masculinizing the hero he finds in his Markan Vorlage because they are tears that fall within a genre of acceptable masculine emotion. It is acceptable in Greco-Roman literature for a heroic man to cry at the sight of a desolated city. Especially in the eyes of the conquering general himself, these tears pose little risk of feminizing, since the victorious general’s masculinity can hardly be doubted. They seem crafted instead to reassure of the victor’s beneficence and restraint which might otherwise be called into question, in view of the desolation inflicted. The Lukan Jesus is not the military general standing over Jerusalem, but he is certainly king and judge ; the tears here might also serve to soften the sternness of those judgments over a desolate people. In Luke’s deployment, the masculine tears signal the finality of the judgment against the once glorious city of Jerusalem and the transfer of that glory to a new people. Furthermore, Jesus’ rebuke of the weeping wo/men in Luke 23 is hardly a sign of tenderness. The rebuke deprives the daughters of Jerusalem of an opportunity to express grief and protest in the face of the unjust execution of their friend (and masks traditions of Jesus’ female companions doing just that). They are instead exhorted to weep over the deserved destruction of the city they represent.
Bibliography Alexander, Loveday, Acts in its Ancient Literary Context (London 2005). Astin, Alan E., Scipio Aemilianus (Oxford 1967). Bailey, Randall C., Tat-siong Benny Liew and Fernando Segovia (ed.), They Were all Together in One Place ? Toward Minority Biblical Literature (Atlanta, Ga. 2009). Benjamin, Walter, Illuminations : Essays and Reflections (trans. Harry Zohn ; ed. Hannah Arendt ; New York 1969).
55
For arguments that Jesus’ exhortation to the daughters of Jerusalem signifies compassion, see, for example, Marion L. Soards, “Tradition, Composition, and Theology,” 221– 244, here 230 ; Dennis Ronald MacDonald, “The Breasts of Hecuba,” 239–254, here 252.
Gender and Conquest in Lukan Lament
401
Blowers, Paul M., “Pity, Empathy, and the Tragic Spectacle of Human Suffering : Exploring the Emotional Culture of Compassion in Late Ancient Christianity,” JECS 18/1 (2010) 1–27. Bonz, Marianne Palmer, The Past as Legacy : Luke-Acts and Ancient Epic (Minneapolis, Maine 2000). Bovon, François, Das Evangelium nach Lukas (4 Vols. ; Neukirchen-Vluyn 1989–2009). Brent, Allen, The Imperial Cult and the Development of Church Order : Concepts and Images of Authority in Paganism and Early Christianity before the Age of Cyprian (Supplements to Vigiliae Christianae 45 ; Leiden 1999). Buell, Denise, Why This New Race : Ethnic Reasoning in Early Christianity (New York 2005). Carr, Brian, “Pity and Compassion as Social Virtues,” Philosophy 74/289 (1999) 411–429. Chance, J. Bradley, Jerusalem, the Temple, and the New Age in Luke-Acts (Macon, Ga. 1988). Claassens, L. Juliana M., “Calling the Keeners : The Image of the Wailing Woman as a Symbol of Survival in a Traumatized World,” JFSR 26/1 (2010) 63–77. Conway, Colleen M., Behold the Man : Jesus and Greco-Roman Masculinity (New York 2008). Corley, Kathleen, Maranatha : Women’s Funerary Rituals and Christian Origins (Minneapolis, Maine 2010). Crenshaw, Kimberlé, “Demarginalizing the Intersection of Race and Sex : A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory, and Antiracist Politics,” University of Chicago Legal Forum (1989) 139-167. Crossan, John D., The Birth of Christianity (San Francisco, Calif. 1998). Denaux, Adelbert, “The Parable of the King-Judge and its Relation to the Entry Story,” ZNW 93/1–2 (2002) 35-57. Equiano, Olaudah, The Life of Olaudah Equiano, or Gustavus Vassa, the African, written by himself. (Originally published 1789 ; ed. Paul Edwards ; White Plains, N.Y. 1988). Esler, Philip, Community and Gospel in Luke-Acts : The Social and Political Motivations of Lucan Theology (Cambridge, Mass. 1987). Fuhrer, Therese, “Aeneas : A Study in Character Development,” Greece & Rome 36 (1989) 63–72. Gilbert, Gary, “Roman Propaganda and Christian Identity in the Worldview of Luke-Acts,” in Contextualizing Acts : Lukan narrative and the Greco-Roman Discourse (ed. Todd Penner and Caroline Vander Stichele ; SBLSS 20 ; Atlanta, Ga. 2003) 233–256. Henrichs, Albert, “Grecia Capta : Roman Views of Greek Culture,” HSCP 97 (1995), 243– 261. Hewitt, Marsha Aileen, “Memory, Revolution and Redemption : Walter Benjamin and Elisabeth Schüssler Fiorenza,” in eadem, Critical Theory of Religion : A Feminist Analysis (Minneapolis, Maine 1995) 147–170. Horsley, Richard, The Liberation of Christmas : The Infancy Narratives in Social Context (New York 1989). Kartzow, Marianne Bjelland, “‘Asking the Other Question’ : An Intersectional Approach to Galatians 3:28 and the Colossian Household Codes,” Biblical Interpretation 18 (2010) 364–389. Kloppenborg, John S., “The Death of Jesus in Luke,” Toronto Journal of Theology 8 (1992) 121–133. Konstan, David, Pity Transformed (London 2001). Lateiner, Donald, “Tears and Crying in Hellenic Historiography : Dacryology from Herodotus to Polybius,” in Tears in the Graeco-Roman World (ed. Thorsten Fögen ; Berlin 2009) 105–134.
402
Shelly Matthews
Levine, Amy-Jill Levine, “Anti-Judaism and the Gospel of Matthew,” in Anti-Judaism and the Gospels (ed. William R. Farmer ; Harrisburg, Pa. 1999) 9–36. Lopez, Davina, Apostle to the Conquered : Reimagining Paul’s Mission (Minneapolis, Maine 2010). MacDonald, Dennis Ronald, “The Breasts of Hecuba and Those of the Daughters of Jerusalem : Luke’s Transvaluation of a Famous Iliadic Scene,” in Ancient Fiction : the Matrix of early Christian and Jewish Narrative (ed. Jo-Ann Brant, et. al. ; SBLSS 32 ; Atlanta, Ga. 2005) 239–254. Matthews, Shelly, “Clemency as Cruelty : Forgiveness and Force in the Dying Prayers of Jesus and Stephen,” BibInt 17/1–2 (2009) 118–146. –, Perfect Martyr : The Stoning of Stephen and the Construction of Christian Identity (New York 2010). McCall, Leslie, “The Complexity of Intersectionality,” Signs 30/3 (2005) 1771–1800. Moore, Stephen D. and Anderson, Janice Capel (ed.), New Testament Masculinities (Semeia Studies 45 ; Atlanta, Ga. 2003). Moreland, Milton, “Jerusalem Destroyed : The Setting of Acts,” in Reading Acts in the Second Century (ed. Rubén Dupertuis and Todd Penner ; London, forthcoming). Nasrallah, Laura Salah, Christian Responses to Roman Art and Architecture : The SecondCentury Church Amid the Spaces of Empire (New York 2010). Neyrey, J.H., “The Absence of Jesus’ Emotion – the Lucan Redaction of Luke 22.39–46,” Biblica 61 (1980) 153–171. –, “Jesus’ Address to the Women of Jerusalem (Lk 23.27–31) – A Prophetic Judgment Oracle,” NTS 29 (1983) 74–86. Reprinted in modified, expanded form in The Passion according to Luke : A Redaction Study of Luke’s Soteriology (New York 1985) 108–128. Origen : Homilies on Luke : Fragments on Luke, ed. and trans. Joseph T. Leinhard (The Fathers of the Church, 94 ; Washington D.C. 1996). Origenes Homilien zum Lukasevangelium, ed. and trans. Hermann-Josef Sieben (Fontes Christiani 4 ; 2 Vols ; Freiburg 1992). Rai, Amit S., The Rule of Sympathy : Sentiment, Race, and Power 1750–1850 (New York 2002). Rossi, Andreola, “The Tears of Marcellus : History of a Literary Motif in Livy,” Greece and Rome 47 (2000) 56–66. Sawicki, Marianne, “Making Jesus,” in A Feminist Companion to Mark (ed. Amy-Jill Levine ; Sheffield 2001) 136–170. –, Seeing the Lord : Resurrection and Early Christian Practices (Minneapolis, Maine 1994). Schüssler Fiorenza, Elisabeth, In Memory of Her : A Feminist-Theological Reconstruction of Christian Origins (New York 1983). –, Rhetoric and Ethic : The Politics of Biblical Studies (Minneapolis, Maine 1999). –, “Introduction,” in Prejudice and Christian Beginnings : Investigating Race, Gender and Ethnicity in Early Christian Studies (ed. Laura Nasrallah and Elisabeth Schüssler Fiorenza ; Mineapolis, Maine 2009) 1–15. Segal, Charles, Euripides and the Poetics of Sorrow : Art, Gender and Commemoration in Alcestis, Hippolytus, and Hecuba (Durham 1993). Soards, Marion L., “Tradition, Composition, and Theology in Jesus’ Speech to the ‘Daughters of Jerusalem’” Biblica 68/2 (1987) 221–244. Standhartinger, Angela, “‘What Women Were Accustomed to Do for the Dead Beloved by Them’(Gospel of Peter 12.50) : Traces of Laments and Mourning Rituals in Early Easter, Passion, and Lord’s Supper Traditions,” JBL 129/3 (2010) 559–574. Sterling, Greg, “Mors philosophi : The Death of Jesus in Luke,” HTR 94/4 (2001) 383–402.
Gender and Conquest in Lukan Lament
403
Sternberg, Rachel Hall, “The Nature of Pity,” in Pity and Power in Ancient Athens (ed. Rachel Hall Sternberg ; Cambridge, Mass. 2005) 15–47. Tannehill, Robert, “Israel in Luke-Acts : A Tragic Story,” JBL 104 (1985) 69–85. Tiede, David, Prophecy and History in Luke-Acts (Philadelphia, Pa. 1980). –, “’Fighting Against God’ : Luke’s Interpretation of Jewish Rejection of the Messiah Jesus,” in Anti-Semitism and Early Christianity : Issues of Polemic and Faith (ed. Craig Evans and Donald Hagner ; Minneapolis, Maine 1993) 101–112. Williams, Demetrius, “The Acts of the Apostles,” in True to Our Native Land : An African American New Testament Commentary (ed. Brian K. Blount, et. al ; Minneapolis, Maine 2007) 213–248. –, “‘Upon All Flesh’ : Acts 2, African Americans, and Intersectional Realities,” in They Were all Together in One Place ? : Toward Minority Biblical Literature (ed. Randall C. Bailey, et. al. ; Atlanta, Ga. 2009) 289–310. Wills, Lawrence, “The Depiction of the Jews in Acts,” Journal of Biblical Literature 110 (1991) 631–654.
Eunuch und Intersektionalität Ein multiperspektivischer Versuch zu Apg 8,26–40 Martin Leutzsch Der Beitrag wendet das Konzept der Intersektionalität versuchsweise auf den äthiopischen Eunuchen in Apg 8,26–40 an. Die dieser Erzählung zu entnehmenden Informationen werden in fünf für das Verständnis von Apg 8 relevante Kontexte gestellt. Das führt zu einer kontextbezogenen Differenzierung im Intersektionalitätskonzept. Eine weitere Differenzierung ergibt sich durch die für jeden dieser Kontexte wichtige Unterscheidung von Innen- und Außensichten.
I. Intersektionalität(en) Ein Schwarzer, der als Kastrierter einen problematischen sexuellen Status hat und womöglich Sklave ist (wie viele andere Eunuchen) – aus gegenwärtiger „westlicher“ Perspektive könnte das als ein Beispiel für Mehrfachunterdrückung – Rasse, Geschlecht, Klasse – eingeordnet werden. Wäre eine solche Einordnung auch dann zutreffend, wenn es sich dabei um die Figur in einer Erzählung handelt, die in einem 1900 Jahre alten schriftlichen Text begegnet ? Um diese Frage geht es im vorliegenden Beitrag. Was kommt zum Vorschein, wenn das politische, juristische und sozialwissenschaftliche Konzept der Intersektionalität auf die Erzählung1 Apg 8,26–40 angewandt wird ? Intersektionalität ist ein analytischer Begriff, der Mehrfachunterdrückung in den Blick nimmt. Das Konzept wurde in den letzten Jahrzehnten entwickelt, von der US-amerikanischen Juristin Kimberlé Crenshaw auf den Begriff intersectionality gebracht und wird seither vielfältig verwendet.2 Wie bei anderen Begriffen, die etwas für bestimmte Diskurse Zentrales bezeichnen (z. B. Macht, Geschlecht, Religion), gibt es auch bei „Intersektionalität“ Unschärfen. Die Größen Rasse, Klasse und 1 Die Frage, ob dieser Text sich auf eine historische Begebenheit bezieht bzw. was an ihm historisch sein könnte, ist für meine Untersuchung nicht von Bedeutung. 2 Zur Begriffsgeschichte vgl. Gabriele Winker / Nina Degele, Intersektionalität, 11–15 ; zum Problem der Kategorien und Ebenen a.a.O., 15–24. Zum Stand der Diskussion zuletzt Sabine Hess u. a. (Hg.), Intersektionalität.
406
Martin Leutzsch
Geschlecht markieren wichtige Problemfelder, sind aber keineswegs erschöpfend. Welche und wie viele Kategorien von Ungleichheit (Alter, Gesundheit, Ethnizität …) sind für welchen Zweck relevant ? Und auf welchen Ebenen (Makro- und Mesoebene, die Ebenen der Identitätskonstruktionen und der symbolischen Repräsentationen) wird die Überschneidung dieser Kategorien gedacht ? Ich verwende „Intersektionalität“ heuristisch, als ein Konzept, das bestimmte Phänomene eines Texts aus einer anderen Kultur als der meinen wahrzunehmen ermöglicht. Apg 8,26–40 ist Produkt der Jesusbewegung : Diese religiöse Subkultur des Judentums mit einer das Judentum überschreitenden Dynamik ist zur Zeit der Apg auf dem Weg zu einer eigenständigen Formation mit einer sich gegen Judentum und Heidentum abgrenzenden Selbstdefinition. Erzählt wird von der Begegnung eines Äthiopiers mit einem Juden. Das geschieht in griechischer Sprache und in einem historischen Kontext, der politisch durch den römischen Staat geprägt ist. Jesusbewegung, Äthiopien, Judentum, Hellenismus, Rom – fünf (Sub)Kulturen bzw. Gesellschaften. Nur von einer Outsider-Perspektive aus wäre ein universales Konzept von Intersektionalität denkbar, das unterschiedslos auf alle fünf Bereiche anwendbar sein müsste. Von einer Insiderinnen-Perspektive aus wäre zu fragen, welche spezifischen Erscheinungsformen für Apg 8 relevanter Mehrfachunterdrückungen es im Judentum, im Äthiopien, im Rom … des 1. Jh.s u. Z. gab oder nicht gab. Solchen gesellschafts- und kulturspezifischen Intersektionalitäten im Plural gehe ich am Beispiel von Apg 8 nach, um Leistungsfähigkeit und Grenzen des Intersektionalitätskonzepts zu erproben.
II. Erster Blick auf Apg 8,26–40 im Rahmen des lukanischen Doppelwerks Der Eunuch wird bei seiner ersten Erwähnung in Apg 8,27 mehrfach charakterisiert. Das erste Merkmal ist ἀνήρ („Mann“). Damit wird der so markierten Person in Lk und Apg anerkannter sozialer Status, öffentliche Aufmerksamkeit (etwa in Form öffentlicher Anrede, z. B. Apg 1,16), Zugang zu bestimmten Positionen (Qualifikationskriterium für Nachwahl zum Apostel, Apg 1,21f.) zugeschrieben.3 Was für Lk und Apg zählt (auch statistisch, vgl. Lk 9,14 ; Apg 4,4), ist das ἀνήρ-Sein. Das schließt ein, dass – wenn sie zählen sollen – auch ein εὐνοῦχος (Apg 8,27) und eine Frau (Damaris, Apg 17,34) zu den ἄνδρες gezählt werden. Joachim Jeremias, Sprache, 134: „ἀνήρ (ohne die besonders bei Paulus häufige Bedeutung ‚der Ehemann‘, ‚der Mann‘ im Gegensatz zur ‚Frau‘) findet sich im NT 127mal, davon nicht weniger als 116mal im lk Doppelwerk (Lk 23 / Apg 93).“ 3 Vgl.
Eunuch und Intersektionalität
407
Der ἀνήρ wird als Αἰθίοψ über die Volkszugehörigkeit näher bestimmt. Diese Form der Personencharakteristik verwendet die Apg vor allem für ἄνδρες als Kollektiv (1,11 u. ö.). Einzelpersonen werden selten über die Volkszugehörigkeit definiert.4 Das dritte Merkmal ist εὐνοῦχος („Eunuch“). Es bezeichnet einen bestimmten sexuellen Status von Männern, die seit Geburt oder durch Unfall, durch Fremdeinwirkung oder eigenen Eingriff zeugungsunfähig sind. Je nach der angewandten Genderordnung kann der εὐνοῦχος als mannweiblich, als weder männlich noch weiblich, als verweiblichter (Nichtmehr-) Mann oder als eigenständiges Gender verstanden werden.5 Für die Erzählung Apg 8 ist εὐνοῦχος das wichtigste Merkmal – das einzige, das wiederholt wird, und zwar viermal (V. 34.36.38.39). Einen sozialen Status markiert das vierte Charakteristikum δυνάστης. Damit kann eine exklusive politische Spitzenposition bezeichnet werden : Die δυνάσται Lk 1,52 sitzen als Herrscher auf Thronen. In Apg 8,27 ist eine Position im nächsten Umfeld eines von einer anderen Person besetzten Throns gemeint : Der Eunuch ist mächtig, aber in seiner Macht abhängig von einer übergeordneten Position.6 Das wird durch die Fortsetzung deutlich : Der δυνάστης ist der Königin des Volkes, dem er als Αἰθίοψ angehört, zugeordnet.7 Schließlich wird der Eunuch als administrativer Funktionär beschrieben : Er ist Verwalter des gesamten Schatzes der Königin. Damit nimmt er eine politische Spitzenposition ein. Er wird weiter durch zwei Handlungen charakterisiert, die Teilnahme an Praktiken jüdischer Religion beinhalten : Anbetung in Jerusalem und Lektüre des Propheten Jesaja. Welche Aussage über Ethnizität und Religion des Eunuchen ist darin impliziert ? Drei Möglichkeiten bieten sich an : (1) Es handelt sich um einen gebürtigen Juden. Er wird zwar als Äthiopier bezeichnet. Das schlösse für die Apg Judesein nicht aus : Die Juden „aus 4 Saul 13,21 ; Apollos 18,24, sofern ἀνήρ auf Ἰουδαῖος zu beziehen ist ; Paulus in der Selbstcharakteristik 22,3. 5 Einmal, in einer Grabinschrift des späten 1. oder frühen 2. Jh.s u. Z. aus Kairo (SEG 28.1536), wird eine Mann und Kinder liebende Ehefrau, Valeria aus Caesarea in Mauretania, als εὐνοῦχος bezeichnet. Das ist wohl im Sinn sexueller Abstinenz zu verstehen und im Kontext eines zeitgenössischen Trends zu situieren, praktizierte Sexualität auch innerhalb einer Ehe zu minimieren. Valeria wird nicht nur als εὐνοῦχος, sondern auch als εὔνους bezeichnet ; ein expliziter etymologischer Zusammenhang wird erst in späteren Quellen hergestellt (vgl. Shaun Tougher, Eunuch 102). – Über tatsächliche sexuelle Wünsche und Aktivitäten von Eunuchen und über darauf gerichtete Phantasien von Außenstehenden gibt es zahlreiche Belege, vgl. nur Tougher, Eunuch, Register s.v. sex and sexuality. 6 Die Nähe zum Herrscher begegnet in lukanischen Personencharakteristiken auch in Lk 8,3 (Chouza als ἐπίτροπος des Herodes) und Apg 13,1 (Manaes als σύντροφος des Tetrarchen Herodes). 7 Vgl. die δυνάσται Φαραω Gen 50,4 LXX.
408
Martin Leutzsch
jedem Volk unter dem Himmel“ (2,5) sind u. a. Parther, Meder, Elamiter, Römer, Judäer, Kreter und Araber (2,9.11) ; Kyrenäer und Alexandriner haben in Jerusalem Synagogen (6,9). (2) Es handelt sich um einen Proselyten, der zum Judentum konvertiert ist. (3) Es handelt sich um einen Sympathisanten des Judentums, der an Ritualen und religiösen Anschauungen des Judentums partizipiert und seine Affinität zur jüdischen Religion durch Patronage zeigen kann, ohne durch Konversion Vollmitglied des jüdischen Volkes geworden zu sein. Gegen die erste Möglichkeit spricht, dass der Text ein Judesein nicht explizit thematisiert (anders als Apg 2,5) und dass eine als Jude geborene Person nur um den Preis eines Normverstoßes (Lev 22,24) von Juden kastriert worden sein könnte. Gegen die zweite Möglichkeit spricht, dass die Konversion eines Eunuchen durch eine Norm der Tora (Dtn 23,2) untersagt wird und der Text eine solche Problematik nicht artikuliert. So bleibt die dritte Möglichkeit die wahrscheinlichste.8 Die Apg bezeichnet Sympathisanten des Judentums wiederholt als σεβόμενοι oder φοβούμενοι Gottes,9 doch zeigt die Charakterisierung des Offiziers in Kapharnaum Lk 7,3–5, dass die Bezeichnung „gottesfürchtig“ für das lukanische Doppelwerk nicht zwingend ist, um die (in diesem Fall : starke) Verbundenheit eines Nichtjuden mit dem jüdischen Volk und seiner Religion zu verbalisieren.10 Das eigenständige Lesen des Prophetentexts impliziert Lesekompetenz und schreibt dem Eunuchen Bildung zu.11 In welcher Sprache ihm der Jesajatext vorliegt, wird nicht eigens gesagt. Zitiert wird die Septuagintafassung von Jes 53,7f. Wie in vielen Erzählungen und Dramen, in denen Angehörige verschiedener Völker und Kulturen miteinander reden, wird auch in Apg 8 die Sprache nicht erwähnt, in der der Eunuch und Philippos sich verständigen. Da von einem Sprachwunder (vgl. Apg 2,5–13) nichts gesagt wird, liegt es nahe, an Griechisch als Kommunikationsmedium zu denken. Dann wäre dem äthiopischen Eunuchen neben Lesefähigkeit ein weiteres Bildungsmoment zugeschrieben : aktive Mehrsprachigkeit. 8 In der gegenwärtigen Forschung wird die erste Möglichkeit m. W. nicht erörtert. In drei neueren Monographien wird der Eunuch als Sympathisant verstanden : Scott Spencer, Portrait, 160–173 ; Axel von Dobbeler, Philippus, 112f. u. ö. ; Christopher Matthews, Philip, 77.94. Ist der Eunuch Sympathisant, kann er die Anbetung im Jerusalemer Tempel nur im Vorhof der Völker vollziehen ; Apg 21,27–31 thematisiert das Konfliktpotenzial des – unterstellten – Zutritts von Nichtjuden zum Tempel. 9 Die Forschungsdebatte um die „Gottesfürchtigen“ fasst zuletzt zusammen Bernd Wander, Gottesfürchtige. 10 Interesse am Judentum zeigt auch der Proconsul Sergius Paulus (Apg 13,6–12), an einer bestimmten Variante des Judentums der mit einer jüdischen Frau verheiratete Procurator Felix (24,24f.) – beide, ohne als gottesfürchtig charakterisiert zu werden. 11 Zur Lektüre im Reisewagen vgl. Ludwig Friedländer, Darstellungen, 345 mit Anm.1.
Eunuch und Intersektionalität
409
Unterstrichen wird der gehobene Status des Eunuchen noch durch die Erwähnung des Reisewagens (V. 28f.38) – Transportmittel und Statussymbol in einem, vielleicht auch Privileg12 –, das (oder die) hinzuzudenkende(n) Zugtier(e) und durch die Befehlsgewalt (V. 38) über einen nicht genannten Untergebenen, der den Wagen fährt. Was bedeuten diese Befunde unter dem Aspekt der Intersektionalität ? Auf der Erzählebene wird der Eunuch weder ausdrücklich noch andeutungsweise als mehrfach unterdrückt beschrieben. Er wird als eine in vielen Hinsichten privilegierte Figur vorgestellt. Von einer möglichen Benachteiligung könnte nur gesprochen werden, wenn an die Unmöglichkeit einer Konversion zum Judentum angesichts der Norm Dtn 23,2 gedacht würde – doch wird nirgends deutlich gemacht, ob der Eunuch eine solche Konversion anstrebt. Eine Diskriminierung allerdings wird durch den Text selbst vorgenommen. V. 27 bietet eine der ausführlichsten Charakterisierungen einer Einzelperson im lukanischen Doppelwerk. Um so bemerkenswerter ist das Fehlen eines Merkmals : des Eigennamens. Im Gegensatz zu Philippos, dessen Name in Apg 8,26–40 nicht weniger als zehnmal begegnet, im Unterschied zur äthiopischen Königin, der ein Name (Kandake) gegeben wird, im Kontrast zu dem zweimal namentlich genannten Propheten Jesaja bleibt der Eunuch namenlos. Bis auf den Gelähmten (3,1–10) erhalten Personen männlichen und weiblichen Geschlechts, die im Mittelpunkt einer Erzählung stehen, in der Apg einen Namen. Dies gilt gerade auch für solche Personen, die über einen hohen sozialen und politischen Status verfügen und sich durch die Botschaft der Apostel überzeugen lassen (der Centurio Cornelius, der Proconsul Sergius Paulus) oder sie respektieren (der Proconsul Gallio, die Procuratoren Felix und Porcius Festus, der König Agrippa und Bernike). Auch der Samarier Simon, den Philippos getauft hatte (8,13) und der mit Petrus und Johannes in Konflikt gerät (8,18–24), wird namentlich genannt. Viele Personen, die nur einmal, en passant, erwähnt werden, tragen in der Apg einen Namen. Was auch immer die Beweggründe gewesen sein mögen, es fällt schwer, die im Text präsentierte Namenlosigkeit des Eunuchen nicht als negative Diskriminierung zu beurteilen.
12 Auch wenn die Angabe über den Reiseweg Jerusalem – Gaza V. 26 mehrere Möglichkeiten der genauen Reiseroute offen lässt, wurde in jedem Fall der cursus publicus benutzt, für den eine Nutzungsberechtigung erforderlich war (vgl. Anne Kolb, Transport, 71– 122). Wie private Nutzung (als Reisezweck wird die Anbetung genannt, V. 27) des cursus publicus durch einen hohen ausländischen Politiker rechtlich behandelt worden wäre, ist nicht klar.
410
Martin Leutzsch
III. Spekulationen über eine meroitische Perspektive Was die Erzählung vom Eunuchen aus „äthiopischer“ Perspektive über Intersektionalität aussagen könnte, bleibt höchst hypothetisch : nicht nur, weil die Historizität des in Apg 8,26–40 Erzählten problematisch ist, sondern auch, weil für relevante Aspekte der „äthiopischen“ Gesellschaft bislang keine oder keine eindeutig interpretierbaren Informationen vorliegen. Die folgenden Bemerkungen dienen dazu, eine Möglichkeit zu durchdenken : Gesetzt den Fall, es hätte die in Apg 8,27 beschriebene Person tatsächlich gegeben … Mit „Äthiopien“ ist dabei das von außen als Kusch oder Nubien bezeichnete, südlich von Ägypten gelegene Königreich mit der Hauptstadt Meroe gemeint.13 Wenn in Apg 8,27 von „Kandake, der Königin der Äthiopier und Äthiopierinnen“ die Rede ist, liegt eine in griechischen und römischen Quellen übliche doppelte Fehlwahrnehmung vor : Kandake wird als Eigenname verstanden14 statt als Funktionsbezeichnung, und Kandake wird als Regentin statt als Schwester des amtierenden Königs begriffen. Die älteste griechische Quelle, die „Kandake“ erwähnt, lässt offen, ob „Kandake“ Titel oder Eigenname ist.15 In späteren griechischen und römischen Texten erscheint „Kandake“ als weiblicher Personenname.16 Dieses interkulturelle Missverständnis ist ein Indikator für die Distanz nichtmeroitischer Quellen zu dem, wovon sie berichten. Dass Kandake für mehrere zeitlich voneinander unterschiedene Frauen gebraucht wird, könnte aus hellenistischer und römischer Perspektive in Analogie zu vertrauten Monarchien oder Gesellschaften einzuordnen gewesen sein : In der Ptolemäerdynastie trugen die männlichen Regenten und die weiblichen Nachkommen, die teilweise mit- oder allein regierten, über Generationen hin den gleichen Namen (Ptolemaios bzw. Kleopatra), und die Töchter römischer Bürger erhielten automatisch den Gentilnamen. In den meroitischen Quellen hingegen tragen Regenten und Regentinnen und auch die als kdke/ktke fungierenden Frauen individuelle Eigennamen. Die meroitischen Belege für kdke/ktke beziehen sich nach Michael Zach darauf, dass „die älteste ( ?) Schwester des jeweils regierenden Königs als kandake die Trägerin der Sukzession war. Die Thronfolgeregelung scheint 13 Vgl. Edwin Yamauchi, Africa, 161–181. – Wenn ich im Folgenden von „Äthiopien“ spreche, nehme ich den Sprachgebrauch der Quellen auf und meine das napatanische oder meroitische Königreich. 14 Ein Verständnis als Funktionsbezeichnung hätte durch den bestimmten Artikel vor Kandakäs markiert werden müssen. 15 Vgl. Bion von Soloi, Aithiopika 668, FGH fr. 1. 16 Vgl. Strab., Geogr. 17,1,54 ; Plin., Nat. 6,35,7 ; Ps-Kallisthenes 3,18 ; Cass. Dio 54,5,46 ; SB 8366.
Eunuch und Intersektionalität
411
demnach matrilinear organisiert gewesen zu sein. Es ist jedoch keinesfalls eindeutig, daß es sich dabei um die allgemein gültige Regelung handelte, oder ob auch Ausnahmen davon möglich waren.“17 In der nubischen Geschichte bis um 200 v. u. Z. sind nur männliche Herrscher bezeugt. Danach kommt es zu einer Transformation der Herrschaft : Frauen können nun als Königinnen (qore) an der Staatsspitze stehen. Mehrfach sind Kandaken bezeugt, die zugleich Königinnen waren.18 Für die Akzeptanz von Monarchinnen in der meroitischen Gesellschaft spricht, dass die archäologischen Zeugnisse für Kandaken und Königinnen keine Spuren einer damnatio memoriae aufweisen. Unklar ist, ob der Kandake in der Funktion der Königsschwester im 1. Jh. u. Z. ein eigener administrativer Apparat zur Verfügung stand,19 wie dieser gegebenenfalls strukturiert war und sich zur Verwaltung des Königs verhielt. Forschungsbedarf besteht bei der Frage, ob es – ähnlich wie im benachbarten Ptolemäerreich20 – im meroitischen Königreich Eunuchen überhaupt und insbesondere Hofeunuchen gegeben hat. Über ihren Status, ihre Herkunft, ihre rechtliche Stellung und ihre soziale Akzeptanz scheint nichts bekannt zu sein.21 Hofeunuchen können aus fremden Völkern oder aus dem eigenen Volk stammen. Im ersten Fall agieren sie ohne bereits vorhandenes soziales Netzwerk und sind in hohem Maß von Herrscher oder Herrscherin allein abhängig ; im zweiten Fall sind sie Angehörige einer einheimischen (nicht selten aristokratischen) Familie, die mit Hilfe eines Eunuchen aus ihrer Mitte dessen Nähe zum Herrscher für familienpolitische Interessen nutzt.22 Welches dieser beiden Modelle in einer Gesellschaft üblich ist, ist von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung der sozialen und kulturellen Integration oder Marginalität, der sozialen Akzeptanz oder Stigmatisierung, der über soziale Netzwerke verfügbaren oder fehlenden Machtbasis eines Hofeunuchen. Der Hofeunuch der Kandake in Apg 8,27 wäre, 17 Michael Zach, Meroe, 91. Ein völliger Konsens bezüglich der ktke ist in der Meroistik allerdings nicht erreicht. 18 Amanirenas[e] Ende des 1. Jh.s v. u. Z., Amanisaheto zu Beginn des 1. Jh.s v. u. Z., Amanitore um 50 u. Z. Vgl. Zach, Meroe, 98–108 ; László Török, Staat, 36f.39–41.52–55 ; zu Amanitore Zach, Gedanken. 19 Für Funktionäre im Dienst der Kandake in der Zeit nach der Abfassung der Apg vgl. Török, Staat, 92. Für die Existenz eines eigenständigen Finanzressorts der Kandake könnten die auf Kandaken bezogenen und z. T. in ihrem Namen durchgeführten Bautätigkeiten (Tempel und Pyramiden) sprechen. 20 Vgl. Guyot, Eunuchen, 96f. 21 Der von A. Herrmann, Seeverkehr, 555, nach der Übersetzung von Pelliot wiedergegebene chinesische Bericht der Annalen der früheren Han-Dynastie c. 28, wo Eunuchen als Dolmetscher erwähnt werden, wird von ihm auf Abessinien, nicht auf Meroe bezogen. 22 Tougher, Eunuch, zeigt, dass in der byzantinischen Geschichte bei der Rekrutierung von Hofeunuchen in den ersten Jahrhunderten die erste Möglichkeit üblich war, später zunehmend die zweite.
412
Martin Leutzsch
weil er als Αἰθίοψ charakterisiert und damit der einheimischen Bevölkerung zugeordnet wird, in das zweite Modell einzuordnen. Was bedeutet das für eine versuchsweise Wahrnehmung des Eunuchen aus Apg 8 unter dem Aspekt der Intersektionalität aus meroitischer Sicht ? Als Finanzchef hätte er eine Position in der Spitzenpolitik. Als Einheimischer wäre er sozial und kulturell vermutlich integriert. Eine Auslandsreise mit privatem Zweck zu realisieren scheint ihm möglich zu sein. Griechische Sprache (und hellenistische Bildung ?) als wahrscheinliche Voraussetzung für Kommunikation in hellenistischem Milieu würde er mit einigen meroitischen Königen und Mitgliedern der meroitischen Oberschicht teilen.23 Ob er den rechtlichen Status eines Freien oder eines Sklaven gehabt hätte, muss mangels Informationen offen bleiben. Ob die Unterordnung unter eine Herrscherin (falls seine Kandake zugleich eine qore, eine Königin, war) ihn aus meroitischer Perspektive symbolisch stärker als Untergeordneten hätte erscheinen lassen, als wenn er Minister eines männlichen Herrschers gewesen wäre, lässt sich derzeit nicht beantworten : Dazu fehlen Untersuchungen über Genderordnungen in Meroe im 1. Jh. u. Z.24 Einschränkungen in oder Ausschluss von der Partizipation an religiösen Ritualen der meroitischen Religion auf Grund seines Eunuchseins hätten vermutlich nicht bestanden. Eher hätte er sich in eine Außenseiterposition hineinbegeben, wenn die Zugehörigkeit zu einer Religion, die nur eine Gottheit anerkennt, zu seiner Nichtteilnahme an einheimischen religiösen Ritualen geführt hätte, bei denen Partizipation von ihm qua Amt erwartet wurde,25 und wenn er dadurch die zwischen den Menschen und der göttlichen Welt angesiedelte Rolle der Königin26 nicht akzeptiert hätte. Das Ergebnis dieser spekulativen Überlegungen : Aus der nur fragmentarisch rekonstruierbaren meroitischen Perspektive wäre Intersektionalität kein geeignetes Konzept, die soziale Stellung des Eunuchen aus Apg 8 zu interpretieren. Mit diesen Überlegungen grenze ich mich von Thomas Wiedemanns These ab, ein Eunuch sei per se „a ‘marginal’ figure par excellence“27. Wiedemann greift Orlando Pattersons strukturalistische Interpretation von
23 Vgl. Török, Staat, 222 ; Frank
Snowden, Prejudice, 93. Materialien dazu bieten die Untersuchungen von Zach, Meroe, und ders., Frau. – Zu bedenken ist zusätzlich, dass Herrscher oder Herrscherinnen in Genderordnungen nicht selten Ausnahmebedingungen zugestanden werden, die von dem, was für die Gesamtgesellschaft gelten soll, mehr oder weniger unabhängig sein können. 25 Meroitische Äußerungen zur jüdischen Religion und zum Judentum sind nicht bekannt. Auch für die Frage, ob im 1. Jh. u. Z. eine jüdische Diaspora in Meroe bestand, fehlen aussagekräftige Zeugnisse. 26 Vgl. dazu Zach, Meroe, 109. 27 Thomas Wiedemann, Adults, 180. 24
Eunuch und Intersektionalität
413
Sklaverei als marginale Position in einer symbolischen Ordnung auf28 und folgert : „While all slaves are ‚marginal‘, imported eunuchs are extreme symbols of that marginality, since they are supposed to be unable to share in any human relationship of whatever kind.“29 Apg 8,27 dient ihm als Beleg für seine These : “In the Acts of the Apostles (8:27) a black eunuch who belongs to a female ruler illustrates how Christianity embraces all human society to its social as well as its geographical margins.“30 In einem meroitischen Kontext wäre „Schwärze“ kein Marginalisierungsfaktor, ebenso wenig die Abhängigkeit von einer Frau als Regentin ; der Eunuch wäre als Äthiopier nicht importiert ; die Frage, ob er ein Sklave wäre, muss offen bleiben. Wiedemanns These vom marginalen Status des Eunuchen der Kandake gewinnt an Plausibilität in Kontexten, wo schwarze Hautfarbe und eine Herrscherin qua Geschlecht als Abweichung von sozialen Normen bewertet werden und Eunuch mit Sklave gleichgesetzt wird. Ob und inwieweit das in Außensichten auf die meroitische Gesellschaft der Fall ist, wird im Folgenden zu erörtern sein.
IV. Jüdische Perspektiven31 Welche jüdischen Außensichten auf Äthiopier und Äthiopierinnen gibt es im 1. Jh. u. Z. ? Wie wird mit Eunuchen und mit Menschen schwarzer Hautfarbe umgegangen, die in der jüdischen Gesellschaft existieren oder sich in sie integrieren wollen ? 1. Außensichten auf Äthiopisches Hautfarbe und somatische Distanz : In einer auf R. Ismael zurückgeführten Mischna findet sich die Aussage : „Die Kinder Israel – ich will ihre Sühne sein – sehen wie Buchsbaum aus, sie sind nicht schwarz und nicht weiß, sondern mittelfarbig.“32 Unmittelbar vorher waren kontrastierend Germanen und Äthiopier erwähnt worden. Frank Snowden und Lloyd Thompson haben in ihren Untersuchungen zur Wahrnehmung von Schwarzen in der griechischen und römischen Antike die soziologischen Konzepte „somatic 28 Vgl.
Orlando Patterson, Slavery, 314–331. Zu Pattersons Argument vgl. auch Tougher, Eunuch, 49f. 29 Wiedemann, Slavery, 44. Wiedemann deutet die Konfiguration von Herrscher und Eunuch als Zusammenspiel zweier marginaler Rollen. 30 Ebd. 31 In einer ausführlicheren Untersuchung wäre stärker zwischen verschiedenen jüdischen Perspektiven zur selben Zeit (unterschiedliche Gruppenstandpunkte ; Land Israel oder verschiedene Diasporen ; Uneindeutigkeiten [repräsentiert Josephus einen judäischen oder einen Diasporastandpunkt oder beides ?]) zu differenzieren. 32 mNeg. 2,1. Vgl. dazu Snowden, Prejudice, 134 n. 56.
414
Martin Leutzsch
norm image“ und „somatic distance“ angewandt.33 Die eigene Hautfarbe, Haarfarbe oder Haartracht wird als somatische Norm gesetzt, die anderer Ethnien in ihrer Nähe dazu oder Distanz davon wahrgenommen. R. Ismaels Aussage impliziert eine die Hautfarbe betreffende somatische Norm, die als Mitte zwischen zwei Extremen verstanden wird. Wird schwarze Hautfarbe als Abweichung vom somatischen Normbild, als somatische Distanz konstruiert, so ist damit nicht zwangsläufig eine negative Bewertung verbunden. Die Bewertungen sind von sozialen, regionalen und literarischen Kontexten und von den jeweiligen Aussageabsichten abhängig. So gibt es in jüdischen Texten neben negativen Bewertungen schwarzer Hautfarbe auch solche, die Schwärze und Schönheit miteinander korrelieren.34 Äthiopische Frauenherrschaft : Gegen Ende des 1. Jh.s v. u. Z. erwähnt der am Hof Herodes I. tätige Historiker Nikolaos von Damaskos die wichtige Rolle der meroitischen Königsschwestern für die Sukzession.35 Über die Bewertung meroitischer Regentinnen gibt es keine jüdische Quelle. Das überwiegend positive Image der hasmonäischen Königin Salome Alexandra und anderer Königinnen wie Helena von Adiabene in den Quellen zeigt, dass es keine grundsätzliche negative Beurteilung von Königinnen an der Staatsspitze gab. Reale Äthiopier und Äthiopierinnen in jüdischen Kontexten : Über Art und Umfang der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Meroe und dem jüdischen Palästina gibt es kaum Quellen. Belegt ist jüdischer Besitz schwarzer Sklavinnen und Sklaven.36 Ihre Bewertung bleibt innerhalb des Spektrums der Bewertungen von Sklaverei im antiken Judentum. Äthiopische Personen als Angehörige der Völker : In der ethnischen und religiösen Differenzierung zwischen Israel und den Völkern sind äthiopische Personen den Völkern zugeordnet. Je nach Kontext und Aussageabsicht gibt es ein breites Spektrum unterschiedlicher Bewertungen. Das Konzept der Unreinheit nichtjüdischer Menschen37 scheint sich, vermutlich als Reaktion auf den von Rom ausgeübten zunehmenden politischen Druck, in den Jahrzehnten vor dem ersten jüdischen Aufstand gegen Rom (Beginn : 66 u. Z.) entwickelt zu haben. Welche Akzeptanz dieses Konzept zur Zeit, in der die
33
Zu „somatic norm image“ vgl. Snowden, Prejudice, 75–82 ; zu „somatic distance“ vgl. Lloyd Thompson, Romans, 7–11.25–52.57–85 u. ö. 34 Gelegentlich werden – im Blick auf Zippora und Saul – körperliche Schönheit und schwarze Hautfarbe äthiopischer Personen parallelisiert, vgl. die Hinweise bei Louis Ginzberg, Legends VI, 90 n. 488 ; 274 n. 134. 35 Vgl. Nikolaos von Damaskos FGH 90 F 103m. Zum äthiopischen Königtum in jüdischer Sicht vgl. noch Sib 11,64–79 ; 5,206–213. 36 Zusammengestellt bei Samuel Krauss, Archäologie, 86 mit 492 Anm. 583 und 584. Eine weitere äthiopische Sklavin erwähnt ShemR 3,4. 37 Vgl. Ed Sanders, Judaism, 72–76.
Eunuch und Intersektionalität
415
Erzählung Apg 8 spielt, und zur Abfassungszeit der Apg38 in der jüdischen Bevölkerung besaß, lässt sich nicht eindeutig sagen, auch nicht, ob das Konzept in der Interaktion mit projüdischen Personen reale Bedeutung hatte. Dass dieses Konzept entwickelt wurde, zeigt allerdings, dass die Konstruktion des Anderen nicht statisch vorzustellen ist, sondern mit Dynamiken zu rechnen ist, die auch die Wahrnehmung und Bewertung von Äthiopiern und Äthiopierinnen tangieren konnten. Konstruktion von Affinität und Verwandtschaft : In jüdischer Auslegung wird das äthiopische Volk mit dem biblischen Kusch identifiziert und die Bibel einer kuschitisierenden Relecture unterzogen. In der Bibel taucht Kusch geographisch als Land, politisch als Staat und ethnisch als diesen Staat bildendes Volk sowie als Personenname auf. Beim somatischen Normbild fällt auf, dass Jes 18,2 die Kuschiten als „hochgewachsen und glatt“ bezeichnet, die Hautfarbe jedoch übergeht. In antiken jüdischen Texten werden Äthiopier nicht selten erwähnt. Es kommt zu einer „Äthiopisierung“ von Gestalten der hebräischen Bibel in der nachbiblischen jüdischen Literatur : Zippora, die Frau des Mose, wird zur Äthiopierin, Baruch zum Äthiopier, aber auch – und negativ gewertet – Nimrod.39 Gelegentlich scheint eine antiäthiopisch auffassbare Äußerung der Bibel in einer Paraphrase des Josephus weggelassen zu sein.40 Josephus zitiert Herodots Äußerung zur Beschneidung bei verschiedenen Völkern, darunter den Äthiopiern, und zieht damit implizit eine Parallele zwischen der Beschneidung der Juden und der der Äthiopier.41 Überwiegend werden Affinitäten zwischen beiden Völkern betont ; die Äthiopier genießen positive Wertschätzung.42 Doch gibt es auch Ambivalenz : Philon bringt neben einer positiven auch eine negativ, mit Feigheit konnotierte Etymologie „Äthiopiens“43 von „Erniedrigung“ (ταπείνωσις).44 38 Apg
8 spielt vor oder während der Regierung des Claudius (41–54 u.Z., Apg 11,27) und vor oder während der Regierung Agrippas I. (ab 37, bis 44 u.Z., Apg 12,1). Die Apg ist wohl Ende des 1. Jh.s entstanden. 39 Zu Zippora : Nach Ezekiel, Exagoge 60– 62 ; Demetrios bei Eus., Praep. 9,29,1–3 ; TgNeof I Nu 12,1 war Zippora die äthiopische Frau des Mose ; vgl. dazu Sebastian Brock, Legends ; Norbert Klatt, Verflucht, 66–76 ; Tessa Rajak, Moses ; Donna Runnalls, Campaign. Zu Baruch vgl. Sifre Num zu 12,1. Zu Nimrod vgl. Pieter van der Horst, Nimrod ; David Goldenberg, Curse, 47f.72f. 40 Vgl. Louis Feldman, Jew, 137 mit n.41. 41 Vgl. Flav. Jos., Ant. 8,262 ; Apion. 1,169 (jeweils Zitat Hdt. 2,104,2). Zur äthiopischen Beschneidung vgl. weiter Philo, QG III,48 ; Diod. 3,32,4 ; auch in der Kunst, vgl. Snowden, Prejudice, 115 n.39 ; 15 mit n.66. 42 Auch Moses äthiopischer Feldzug bei Josephus setzt die Wertschätzung der Äthiopier voraus : Nur Mose konnte das unbesiegbare Volk bezwingen (so Feldman, Jew, 268). Zum Äthiopien-Image des Josephus insgesamt vgl. auch Snowden, Prejudice, 53f. 43 Philo, LA II,67. 44 Philo, LA I,68.
416
Martin Leutzsch
Je weniger reale Äthiopier und Äthiopierinnen im Blick waren, desto stärker dürfte die Prägung der judäischen Perspektive auf Äthiopien durch das biblische Kuschitenbild und dessen nachbiblische Transformationen bestimmt gewesen sein ; auch auf reale Perzeptionen und Interaktionen konnte es Einfluss haben. Intersektionalität ? Aus jüdischer Perspektive wäre der äthiopische Eunuch aus Apg 8 im Rahmen seines eigenen Volkes kaum als mehrfach unterdrückt verstanden worden. Hautfarbe und Abhängigkeit von einer Herrscherin wären nicht als Indikatoren für Unterdrückung oder Benachteiligung verstanden worden. 2. Eunuchen und Schwarze als mögliche Mitglieder der jüdischen Gesellschaft Normative Intersektionalität : Als Angehöriger eines Fremdvolks unterliegt ein Äthiopier nicht dem Geltungsbereich der für das jüdische Volk gültigen rechtlichen Normen (mit Ausnahme des in der Tora kodifizierten Fremdenrechts). Er kann weder in politischer noch in religiöser Hinsicht am jüdischen Leben voll teilhaben und erfährt in dieser Hinsicht eine negative Diskriminierung. Die Ausgrenzung ist nicht absolut : Sie kann durch den Beitritt des Fremden zum jüdischen Volk aufgehoben werden ; Kuschiten und Kuschitinnen sind nicht qua Volk von einer Beitrittsmöglichkeit ausgeschlossen. Einschränkende Bestimmungen zu abweichender Hautfarbe (im Sinn einer Distanz zum somatischen Normbild), zum sozialen Status (versklavt, frei) und zum (männlichen oder weiblichen) Geschlecht fehlen in der Tora. Das Fehlen rechtlicher Diskriminierungen von zum jüdischen Volk Beigetretenen schließt soziale Diskriminierung nicht von vornherein aus.45 Anders als die Hautfarbe ist die Unversehrtheit der männlichen Zeugungsorgane ein rechtlich relevanter Aspekt des israelitisch-jüdischen somatischen Normbildes, der über einen möglichen Beitritt zum jüdischen Volk entscheidet. Dtn 23,2 schließt Männer, deren Hoden zerquetscht oder die kastriert sind, von der Beitrittsmöglichkeit aus.46 Im nachbiblischen an45 Die rabbinische Literatur zeigt, dass Proselyten und Proselytinnen hoch geschätzt, aber auch mit Misstrauen betrachtet werden konnten ; vgl. etwa Gary Porton, Stranger. 46 Das den Rechtsnormen der Tora zugrunde liegende somatische Normbild impliziert für Priester, die ihre Pflichten ausüben, einen umfassenden Kriterienkatalog (Lev 21,17– 23 ; zerquetschte Hoden V. 20), der die Unversehrtheit des männlichen Körpers zu Norm und Ideal erhebt. Für aktive Priester gelten höhere Anforderungen, diesem Ideal zu entsprechen, als für die übrige Bevölkerung. Ein besonderer Akzent liegt auf der Unversehrtheit der Zeugungsorgane : Lev 22,24 untersagt die Kastration von potenziellen Opfertieren und von Tieren überhaupt und wurde auch als Verbot der Kastration von Menschen verstanden (vgl. Flav. Jos., Ant. 4,291 ; bChag. 14b ; gelegentlich wurde diese Forderung auch auf die Noachiden ausgedehnt, bBM 90b ; zur Umgehung des Kastrationsverbots für Tiere
Eunuch und Intersektionalität
417
tiken Judentum wird Dtn 23,2 mehrfach thematisiert und als Norm nicht abgemildert.47 Für den äthiopischen Eunuchen aus Apg 8 bedeutet das : Die erste Diskriminierung – Angehöriger eines fremden Volkes zu sein – hätte durch einen Beitritt aufgehoben werden können, die zweite – über unversehrte männliche Zeugungsorgane zu verfügen – hätte nicht transformiert werden können. Insofern liegt eine normative Intersektionalität vor, die die Grenze zwischen Inklusion und Exklusion konstruiert – Intersektionalität hier weniger als Mehrfachunterdrückung verstanden, eher als Mehrfachbenachteiligung, weil kein Druck oder Zwang zur Inklusion vorliegt. Zur Unterdrückung würde sie dann, wenn der Eunuch die Absicht hätte, ins jüdische Volk aufgenommen zu werden, und damit wiederholt auf Ablehnung stieße. Das von der Rechtsnorm Dtn 23,2 in Gang gesetzte doing gender, das einen Eunuchen vom Wechsel der Volkszugehörigkeit ausschließt, zieht keinen strikten und völligen Ausschluss vom doing religion nach sich : Der Status eines Sympathisanten oder eines „Gottesfürchtigen“ böte viele religiöse Partizipationsmöglichkeiten. Für einen solchen Status bildet Eunuchsein kein Ausschlusskriterium. Alternative Realitäten, Vergangenheitskonstruktionen, Zukunftsperspekti ven : Zwischen Norm und realer Gegenwart, Norm und identitätsstiftender Vergangenheitssicht, Norm und Zukunftserwartung gibt es Differenzen. Das gilt auch im Blick auf die normative Intersektionalität des Ausschlusses von Nichtjuden, die zugleich Eunuchen sind, von der Mitgliedschaft im jüdischen Volk. Eine Klage darüber, dass Dtn 23,2 vernachlässigt werde und dass Männer mit verstümmelten Zeugungsorganen zur Versammlung Gottes zugelassen würden, indem sie heiraten (4QMMT B 39–49),48 könnte ein Indiz dafür sein, dass zwischen Norm und Realität eine Diskrepanz bestand. Durch Josephus sind mit Bagoas und vier namenlos bleibenden Eunuchen fünf
vgl. Krauss, Archäologie, 115f.). Das Strafrecht der Tora kennt keine Verstümmelungsstrafen – mit einer bezeichnenden Ausnahme (Dtn 25,11f.), die noch einmal den hohen Wert des unversehrten männlichen Zeugungsorgans für das somatische Normbild unterstreicht. Zur antiken jüdischen Stellung zur Kastration vgl. Julius Preuss, Medizin, 251–262 ; Immanuel Jakobovits, Castration. 47 Vgl. William Loader, Scrolls, 61–65.89.269.357.367 (zu 4QMMT B 39–49) ; Loader, Pseudepigrapha, 467f. (zu Ps.-Phoc. 187) ; Loader, Philo, 327.353f. ; Loader, Enoch, 189. 48 Eunuchen waren nicht in jeder Gesellschaft von der Eheschließung ausgeschlossen, wie Befunde aus der altkoreanischen Gesellschaft (Vern Bullough, Eunuchs 7), aus dem China der späten Hanzeit (Ulrike Jugel, Funktion 125–166 ; ferner Tougher, Eunuch 187 n. 119), aus Byzanz (Tougher, Eunuch, 45f.66) und aus Westeuropa im 18. Jh. (Tougher, Eunuch, 17) zeigen. Zu den einschlägigen tannaitischen Texten siehe gleich.
418
Martin Leutzsch
Funktionsträger am Hof Herodes I. bekannt.49 Wenigstens Bagoas ist gesellschaftlich integriert : Er beteiligt sich an der pharisäischen Rebellion gegen Herodes, und die Rebellen wünschen ihm, er möge nach erfolgtem Umsturz die Zeugungsfähigkeit wieder erlangen. Jenseits der Sphäre des Hofes bietet die rabbinische Literatur Indizien und Belege für die Existenz von jüdischen Eunuchen, und zwar auch solchen, die keine Sklaven sind.50 Im nachbiblischen Judentum gibt es nicht nur eine Kuschitisierung biblischer Figuren, sondern auch eine Eunuchisierung. So versteht das Jubiläenbuch Potiphar (34,11) sowie den Obermundschenk und den Oberbäcker des Pharao (39,14) als Eunuchen.51 Philon konstruiert Joseph als Eunuch.52 Die Traditionen über die Kastration Noahs und über Daniel und seine Freunde als Hofeunuchen lassen sich erst nach dem 1. Jh. u. Z. fassen.53 Für die jüdische Zukunftserwartung gibt Jes 56,3–5 eine Ankündigung, die Fremde und Eunuchen parallelisiert und ihnen volle Integration in Gottesvolk und Gottesbund zusagt. Kriterien für die Integration der Eunuchen sind deren Treue zum Gottesbund und das Halten des Schabbat. Beides verweist auf eine Praxis, die eine Differenz zu den anderen Völkern herstellt. Eunuchen wird die Befähigung zu solcher Praxis zugesprochen. Jes 56 leistet in der Gattung der Gottesrede, was das Buch Ruth (gegenüber Dtn 23,4) und das Buch Jona (gegenüber Dtn 18,21f.) im Medium der Erzählung tun : einen Gegendiskurs zu einer Norm des Dtn eröffnen. Die rechtlich normative Intersektionalität im Blick auf beitrittswillige nichtjüdische Eunuchen konnte in der jüdischen Gesellschaft mit solchen Strategien problematisiert oder unterlaufen werden. In einem konkreten Fall in der Realität hätte vermutlich ein Aushandlungsprozess mit offenem Ende stattgefunden.
49 Bagoas : Flav. Jos., Ant. 17,44f. Drei anonyme Eunuchen : Flav. Jos., Ant. 16,230, und Bell. 1,488 ; Heges. 1,40,7 ; ein vierter : Flav. Jos., Ant. 15,226f. – Dass der Oberkämmerer Blastos am Hof Agrippas I. Apg 12,20 ein Eunuch war, ist möglich, aber nicht beweisbar. 50 Die Heirat einer Jüdin mit einem Eunuchen wird in tJev 8,4 erlaubt, in mJev 8,4 vorausgesetzt. Jüdische Eunuchen scheinen auch in mSota 4,4 ; SifDev §247.289 im Blick zu sein. Ein sadduzäischer Eunuch wird in bShab. 152a erwähnt. Nach bQid. 25a bringt die Kastration eines Sklaven diesem die Freiheit. Zur Verbindung von Kastration und Sklaverei vgl. Flav. Jos., Ant. 10,33. – Zu den Eunuchen in Sir und in SapSal (3,14) vgl. Loader, Pseudepigrapha, 390f.408f. 51 Spätere Belege für Potiphar als Eunuch bei Max Küchler, Schweigen, 144–146. 52 Vgl. Ra’anan Abusch, Eunuchs. Zum sonst meist negativ konnotierten Eunuchenimage bei Philon vgl. Loader, Philo, 173f.203.206.213.223.250. 53 Zu Noah vgl. BerR 36,3f.7 ; Ginzberg, Legends V, 191f. n.60 und 61 ; Theophilos, Ad Autolycum 3,19, nennt Noah einen εὐνοῦχος. Daniel und seine Freunde : Ginzberg, Legends VI, 368 n.88. In bSota 35a wird Josua von seinen Gegnern als Kastrat stigmatisiert.
Eunuch und Intersektionalität
419
V. Eine hellenistische Perspektive Ich rekonstruiere eine hellenistische Perspektive auf den äthiopischen Eunuchen, um sie nicht in der problematischen, weil unterschiedliche politische Ordnungsvorstellungen und Genderordnungen nivellierenden Bindestrichkonstruktion „griechisch-römisch“ aufgehen zu lassen. „Hellenismus“ verstehe ich im vorliegenden Zusammenhang als die kulturelle Prägung und Artikulationsform besonders des Ostens des Mittelmeerraums und der angrenzenden Gebiete, die sich unter dem makedonischen Imperialismus seit dem ausgehenden 4. Jh. v. u. Z. formiert und etabliert hat. Es handelt sich um eine flexible Größe, die indigene Kulturen beeinflussen und mehr oder weniger stark überlagern, sie aber auch wenig tangieren kann und deren Einfluss sich evolutionär oder revolutionär verändern kann.54 Leben unter und Mitwirkung an der Herrschaft einer Regentin sind in den Alexandernachfolgestaaten mehrfach Realität. Grundsätzliche Problematisierungen der Legitimität von Frauenherrschaft gibt es im Hellenismus nicht. Eunuchen in politischen Spitzenpositionen werden nicht wie vor der makedonischen Expansion nur in ausländischen Staaten wahrgenommen, sondern sind reale Größen in den hellenistischen Monarchien.55 Es gibt keine rechtlichen Normen, die Kastration untersagen. László Török unterscheidet drei Äthiopienkonstruktionen, die in unterschiedlichen Phasen der griechischen Geschichte entstanden und nicht einander ablösend, sondern überlagernd in hellenistischer Zeit präsent waren. In der Odyssee ist Äthiopien ein mythisches, idealisiertes Sonnenland. Mit Herodot wird ein Äthiopienbild inauguriert, das eine komplexe Mischung von Realität und Utopie darstellt. In hellenistischer Zeit erweitern sich, zumal unter den Ptolemäern, die realen geographischen Kenntnisse und zugleich die Möglichkeiten, Äthiopien in eine mythenhafte Ethnographie einzuzeichnen.56 Volkszugehörigkeit ist im Hellenismus keine unveränderliche Größe, Übertritte und Aufnahmen in die Polisbürgerschaft sind möglich. Abweichungen von hellenistischen Körpernormen sind rechtlich kein Ausschlusskriterium. Frank Snowden und Lloyd Thompson haben die Konzepte des somatischen Normbilds und der somatischen Distanz auf Hautfarbe, Haarfarbe und Haartracht von Fremdvölkern in griechischer und römischer Wahr54 Das sind z. T. offene Forschungsfragen, die etwa im Blick auf Art, Umfang und Transformation hellenistischer Kultur im jüdischen Palästina stark diskutiert werden, während sie für die meroitische Oberschicht nicht zu Debatten geführt haben. 55 Vgl. Guyot, Eunuchen, 92–120. 56 Vgl. Török, Staat, 121–124. Zu den realen Begegnungen zwischen Griechen und Äthiopiern seit dem 7. Jh. v. u. Z. vgl. den Überblick bei Snowden, Prejudice, 26–34.
420
Martin Leutzsch
nehmung angewandt. Die dunklere Hauttönung der Äthiopier wich von der nachhomerischen griechischen Selbstwahrnehmung ab.57 Die Frage, ob die Benennung dieser somatischen Distanz zusammen mit abwertenden Urteilen über Äthiopier als Rassismus zu verstehen ist, verneinen beide Forscher. Angemessen seien Kategorien wie Vorurteil, Stereotyp, Ethnozentrismus, nicht aber Rassismus im Sinn einer systematischen Unterdrückung einer Gruppe durch eine andere in derselben Gesellschaft, verbunden mit einer Ideologie, die die Gruppenzugehörigkeit aller künftigen Mitglieder der unterdrückten Gruppe für alle Ewigkeit festschreibt.58 Mit Snowdens und Thompsons Ergebnissen konvergiert David Goldenbergs Untersuchung biblischer und nachbiblischer jüdischer, christlicher und islamischer Texte bis zum 8. Jh. u. Z. zu Kusch : „Race did not matter.“59 Distanzierende Aussagen über von der eigenen Norm abweichende Hautfarbe interpretiert er als ethnozentrische ästhetische Präferenz : „Ethnocentrism is not tantamount to racism. The former recognizes physical reality, the latter orders that reality into a hierarchy of domination.“ Diese in der Forschung der letzten Jahrzehnte dominierende These, dass die antike griechische und römische Gesellschaft Rassismus – und insbesondere auch Rasseantisemitismus –, wie er seit dem 18. Jh. in Europa und Nordamerika konzipiert und praktiziert wurde, nicht gekannt habe, ist unlängst von Benjamin Isaac bestritten worden, der von einem antiken Proto-Rassismus spricht.60 Leider blendet Isaac die griechischen und römischen Sichten auf Äthiopier aus61 und verzichtet auf eine ausführliche Auseinandersetzung mit Snowden und Thompson, deren Position ich mich anschließe.62 57 Vgl. Snowden, Prejudice, 5–16. 58 Thompson, Romans, 2. Zur Unterscheidung von Ethnozentrismus und Rassismus vgl. Snowden, Prejudice, 130 n.3. 59 Goldenberg, Curse, 196, das folgende Zitat a.a.O., 198. 60 Vgl. Benjamin Isaac, Invention. 61 Vgl. a.a.O., 49f. Isaacs Minimierung der Präsenz von und des Kontakts mit Äthiopiern in Griechenland und Rom wird dem von Snowden und Thompson ausgebreiteten Material nicht gerecht. 62 Ob „Rassismus“ als analytische Kategorie für die Erforschung vormoderner Gesellschaften verwendet oder nicht verwendet wird, hängt nicht zuletzt mit aktuellen politischen Optionen der Forschenden und deren jeweiligem Kontext zusammen. Auch bei einer angenommenen Konvergenz der politischen Optionen scheint der Kontext entscheidenden Einfluss darauf zu haben, ob „Rassismus“ und „Rasse“ als analytische Begriffe akzeptabel erscheinen oder nicht ; dies zeigen etwa die konträren Reaktionen, die Denise Kimber Buell mit der Benutzung des Begriffs race in ihren Forschungen über „Ethnic Reasoning in Early Christianity“ bei Forschenden aus den USA einerseits, aus Europa andererseits hervorrief (vgl. Buell, Race, xf.). Die Nähe oder Distanz zu einem Kulturkampf, wie ihn in den USA etwa Martin Bernals „Black Athena“ ausgelöst hat (ohne auch nur annähernd vergleichbare Resonanz in Europa), spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Präsenz oder
Eunuch und Intersektionalität
421
Mein Ergebnis im Blick auf Intersektionalität : Von der hier skizzierten hellenistischen Perspektive aus wäre ein äthiopischer Hofeunuch im Kontext seiner von außen wahrgenommenen äthiopischen Gesellschaft nicht als mehrfachunterdrückt wahrgenommen worden. Als potenzielles Mitglied einer hellenistischen Gesellschaft hätte er, zumal als Aristokrat, nicht mit unüberwindbaren rechtlichen Hindernissen rechnen müssen oder diese sozial ausgleichen oder umgehen können. Negative soziale Vorurteile hätten ihm vermutlich in dem Maße begegnen können, wie von seiner sozialen Position und politischen Funktion abstrahiert worden wäre, wenn er also allein auf seinen ungewöhnlichen Platz in einer Genderordnung festgelegt worden wäre.
VI. Römische Perspektive Äthiopien als römische Interessensphäre : In den Einflussbereich Roms war Äthiopien seit 30 v.u.Z. gekommen, als das nördlich angrenzende Ägypten römische Provinz geworden war. Zwischen 25 und 21 unternehmen die römischen Statthalter von Ägypten, Aelius Gallus und sein Nachfolger Petronius, Militärexpeditionen, von denen die zweite bis nach Napata, der früheren Hauptstadt Äthiopiens, vordringt, die Stadt zerstört und 1000 Kriegsgefangene nach Rom zu Augustus schickt.63 Später plant Nero einen Feldzug ; es kommt indes nur zur Entsendung eines Erkundungstrupps (zwischen 61 und 63 u.Z.), die zum Kontakt mit dem kuschitischen Herrscher führt und Daten für die Anfertigung einer Karte Äthiopiens und weitere geographische Informationen erbringt.64 Weitere Äthiopienexpeditionen unternehmen in den 80er Jahren des 1. Jh.s Cn. Suellius Flaccus und Iulius Maternus. So ist Äthiopien in dieser Zeit ins Blickfeld militärischer, politischer, ethnographischer und geographischer Interessen Roms gerückt. Die Nachahmung Alexanders durch Augustus und Nero könnte dabei eine Rolle gespielt haben. Ostentativen Zwecken diente die Präsentation eingeführter äthiopischer Rhinocerosse und äthiopischer Gladiatoren65 vor dem stadtrömischen Publikum. Das Hauptmotiv ist indes wirtschaftlicher Art : Es geht Rom um die Sicherung und den Ausbau der Handelsroute im Roten Meer (bzw. an dessen Küsten) bis hin nach Indien. Die Rolle der Kandake wird thematisiert, aber nicht kommentiert, und die Differenz zur politischen Ordnung Roms, die Frauen der Ausübung von Regierungstätigkeiten ausschloss, nicht benannt. Distanz zu einer genozidalen Vergangenheit der eigenen Gesellschaft, der die Forschenden angehören. Ich benenne dieses hermeneutische Problem hier, ohne es ausführlich erörtern zu können. 63 Vgl. Snowden, Blacks, 131–136. 64 Vgl. Sen., Nat. 6,8,3 ; Plin., Nat. 6,184–188 ; Cass. Dio 63,8. 65 Rinocerosse : z. B. Suet.Aug. 43,4. Gladiatoren : Cass. Dio 63,3,2 (unter Nero).
422
Martin Leutzsch
Äthiopier und Äthiopierinnen in römischer Wahrnehmung : In der römischen Antike sind es vor allem Äthiopier mit niedrigem sozialen Status, deren Wahrnehmung vorwiegend von Angehörigen der römischen Oberschicht uns erhalten ist.66 Distanzen erklären sich vor allem auf Grund von Statusund Rangunterschieden. Vorurteile gegenüber Schwarzen als Schwarzen gibt es nicht. Anders als die Juden, die kollektiv als Sklavenvolk betrachtet werden konnten,67 werden Schwarze nie mit Sklaven gleichgesetzt.68 Schwarze mit niedrigem Sozialstatus sind von den gleichen Benachteiligungen und Vorurteilen betroffen wie entsprechende Nichtschwarze, während Schwarze mit gehobenem Sozialstatus den gleichen Lebensstil haben wie vergleichbare Nichtschwarze. Auch in der Darstellung von Schwarzen in der Kunst69 ist das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen positiver und negativer Darstellung die Integration in die römische Gesellschaft : Die dargestellten Äthiopier sind entweder als Angehörige der Oberschicht und als kulturell Assimilierte erkennbar oder werden als Angehörige der Unterschicht und als Barbaren präsentiert. Es überwiegt Indifferenz gegenüber Äthiopiern als Schwarzen ; feindliche Äußerungen sind eher selten. Positiv gibt es in der römischen Oberschicht ein Interesse am napatanisch-meroitischen Königreich und seiner ruhmreichen Vergangenheit, ebenso eine Art wissenschaftlichen Interesses an der Physiognomie und Biologie der Äthiopier, schließlich sexuelle Attraktion, oft verbunden mit dem Drang, sexuelle Beziehungen zu Schwarzen zu haben. Sexuelle Verbindungen zwischen Schwarzen und Weißen sind dabei als solche gesellschaftlich akzeptiert.70 In der Literatur verbindet sich mit Äthiopien der Reiz des Exotischen, die Idealisierung eines Volkes am Rand der bewohnten Welt, eines Volkes, das auf uralte Kulturleistungen zurückblicken konnte.71 (Eine derartige Idealisierung des jüdischen Volkes gab es in der griechischen und römischen Literatur so gut wie nicht ; sie blieb auf eine bestimmte Gruppe, die Essener, beschränkt.) Vorurteile, die teilweise über die Oberschicht hinaus wirksam waren, äußern sich in Ausnahmefällen darin, dass Schwarze als Sündenböcke herhalten müssen. Manchmal werden sie auf Grund ihrer Hautfarbe als böse Vorzeichen oder dämonische Geschöpfe angesehen ;72 die negative Besetzung der schwarzen Farbe spielt hierbei eine Rolle. Schließlich gibt es in der Oberschicht bisweilen eine sinnliche 66 Ich beziehe mich auf Ergebnisse der Untersuchung von Thompson, Romans ; vgl. bes. a.a.O., 157–164. 67 Vgl. z. B. Cic., Prov. 5,10 ; Apion bei Flav. Jos., Apion. 2,125. 68 Vgl. Snowden, Prejudice, 70. 69 Vgl. dazu etwa Snowden, Prejudice, fig. 24.25.29.30.41.44.49.58.60.61. 70 Vgl. Snowden, Prejudice, 94–97. 71 Zu den Äthiopiern als „ersten Erfindern“ vgl. Snowden, Prejudice, 51f.57. 72 Vgl. etwa die Darstellung von Unterweltsgestalten im Theater durch Äthiopier (Suet., Cal. 57,4).
Eunuch und Intersektionalität
423
Aversion gegen schwarze Hautfarbe, die zur öffentlichen Verspottung von Schwarzen führt. Thompson interpretiert die römische Wahrnehmung der äthiopischen Hautfarbe mit Hilfe der Kategorie der somatischen Distanz und lehnt eine Anwendung der Kategorien Rasse und Rassismus ab.73 Ein wichtiges Argument ist, dass gemeinsame Nachkommen von Äthiopiern und Römern nicht automatisch als Äthiopier wahrgenommen, sondern nach dem individuellen äußeren Erscheinungsbild eingeordnet werden. Es besteht kein vorhersagbarer Zusammenhang zwischen Hautfarbe und sozialem Status. Größere Gewöhnung und größere reale Präsenz von Schwarzen führen in der römischen Gesellschaft – anders als in manchen modernen Gesellschaften – zu einer Reduktion von Fremdheit und Aversion.74 Eunuchen in der römischen Gesellschaft : Seit Beginn des Prinzipats sind Eunuchen am kaiserlichen Hof und in Haushalten der römischen Aristokratie als Sklaven und Freigelassene präsent und in unterschiedlichen Funktionen tätig.75 Ihre Beurteilung ist von ihrer sozialen Position und der sozialen Akzeptanz oder Nichtakzeptanz ihrer Tätigkeit abhängig ; Hofeunuchen, die als Sexualobjekte dienten, wurden nicht selten stigmatisiert, im Unterschied zu Eunuchen in der Staatsverwaltung. Wie Eunuchen der römischen Gesellschaft in Genderordnungen platziert wurden, bedürfte eine eingehenderen Erörterung, als sie hier geleistet werden kann. Die byzantinische Epoche wird später mehrere konkurrierende Modelle zur Verfügung haben, von denen das erste auch bei Philon von Alexandreia und seinen Zeitgenossen begegnet :76 (1) „weder Mann noch Frau“, (2) drittes Geschlecht, (3) kein Geschlecht.77 In der spätantiken Medizin wird die Anomalie des Eunuchen in der Genderordnung biologisiert, indem ihm im Unterschied zu Männern (32 Zähne) und Frauen (30) eine abweichende Zahnzahl (28) zugeschrieben wird.78 Eine Innovation innerhalb der römischen Gesellschaft ohne Analogie in den hellenistischen Staaten stellt die kaiserliche Gesetzgebung dar, die Kastration von Freien und Sklaven verbietet – erstmals unter Domitian, erneut
73 Vgl. Thompson, Romans, 147. 74 Vgl. Thompson, Romans, 159 ; Snowden, Prejudice, 66f. 75 Vgl. Guyot, Eunuchen, 121–129. Eine neue umfassende Studie zu Eunuchen in der römischen Gesellschaft ist von Shaun Tougher angekündigt. 76 Vgl. Abusch, Eunuchs, 109f. 77 Für Modell (1) vgl. Tougher, Eunuch, 21.97f. ; für Modell (2) vgl. a.a.O., 109–111 ; für Modell (3) vgl. a.a.O., 116. 78 Vgl. Konrad Schubring, Zahnanatomie ; Klaus-Dietrich Fischer, Zahnzahl. Inwieweit eine solche These spätantike Innovation ist oder bereits im Hellenismus eine Plausibilitätsbasis besessen hätte, müsste näher untersucht werden.
424
Martin Leutzsch
unter Nerva, Hadrian und später.79 Damit wird ein (begrenzt wirksamer) rechtlicher Einfluss auf das somatische Normbild ausgeübt. Die Konstruktion von Gemeinsamkeiten : Gelegentlich wird in der römischen Ethnographie eine Verwandtschaft zwischen Äthiopiern und Juden konstruiert : Tacitus referiert als eine Ansicht „vieler“ Autoren, die Juden seien Emigranten aus Äthiopien.80 Von der römischen körperlichen Normvorstellung wichen Äthiopier vor allem in der Hautfarbe ab, an männlichen Juden wurde die Beschneidung als Abweichung vom römischen somatischen Normbild wahrgenommen und oft in die Nähe der Kastration gestellt.81 Die Kastration von Männern und die Klitorisektomie der äthiopischen Kreophagen konnte mit jüdischen Bräuchen parallelisiert werden.82 Äthiopier und Juden, Juden und Eunuchen konnten damit in römischem Kontext in eine größere Nähe zueinander gebracht werden, als das in anderen Kontexten geschah. Intersektionalität ? Von römischer Perspektive aus wäre der äthiopische Eunuch aus Apg 8 im äthiopischen Kontext (wie er von Rom aus konstruiert worden wäre) nicht als Mehrfachunterdrückter wahrgenommen worden. Eine Integration in die Gesellschaft Roms wäre möglich gewesen. Das rechtliche Kastrationsverbot hätte dem nicht entgegengestanden : Es straft nicht den Kastraten, sondern den Kastrator. Nachteile hätte ein äthiopischer Eunuch in Kauf nehmen müssen, der als Anhänger der jüdischen Religion aufgetreten wäre. Das gilt schon für den Zeitraum, in dem die Erzählung anzusiedeln ist – Claudius vertrieb die Juden aus Rom, Apg 18,2 –, vor allem aber für die Zeit nach der Zerstörung des Zweiten Tempels und der Einrichtung des fiscus Iudaicus, in der ein Mann von den Behörden dazu gezwungen werden konnte, sich zu entblößen, damit festgestellt werden konnte, ob er beschnitten und damit steuerpflichtig sei.83
VII. Zweiter Blick auf Apg 8,26–40 im Kontext der Jesusbewegung in der zweiten Hälfte des 1. Jh.s Wiedemann versteht Apg 8,27 als ein Beispiel dafür, „how Christianity embraces all human society to its social as well as its geographical margins“.84 Im Unterschied zu Wiedemann habe ich Bedenken, die in der Apg sich ar79 Vgl. Guyot, Eunuchen, 45–51. 80 Vgl. Tac., Hist. 5,2,2. Vgl. weiter
Chairemon bei Flav. Jos., Apion. 1,292. Zur paganen Wahrnehmung der jüdischen Beschneidung vgl. Feldman, Jews, 152– 158 ; Peter Schäfer, Judeophobia, 93–105 ; zur Parallelisierung von Beschneidung und Kastration vgl. Feldman, Jews, 155. 82 Vgl. Strab., Geogr. 16,4,9. 83 Vgl. Suet., Dom.12,2. 84 Wiedemann, Slavery, 44. 81
Eunuch und Intersektionalität
425
tikulierende jüdische Subkultur, die in Jesus den Messias sieht, als „Christentum“ im Sinn einer eigenständigen religiösen und sozialen Größe zu bezeichnen. Eine doppelte Abgrenzung vom Judentum einerseits, dem religiös verstandenen Paganismus andererseits finde ich zuerst bei den Apologeten ab den 120er Jahren, noch nicht in Lk und Apg85. Hinzu kommt, dass es die noch nicht Christentum zu nennende Jesusbewegung als eine einheitliche Größe nicht gab. Gerade im Blick auf die in Apg 8,26–40 verhandelten Probleme sind in dieser Subkultur unterschiedliche Optionen, Debatten, Konflikte zu erkennen. Innerhalb dieser Sub-Subkulturen wäre der äthiopische Eunuch womöglich in unterschiedlichem Grad integriert gewesen. Nach Apg 8,28 befindet er sich auf dem Rückweg – in Verbindung mit V. 27 also : nach Äthiopien – und zieht nach der Taufe seinen Weg weiter (V. 39). Ob er in Äthiopien irgendeine Form von Gemeinschaft vorfände oder gründen sollte, die dem ausführlich geschilderten Gemeinschaftsmodell von Apg 2– 6 entsprechen könnte (das es nach 8,1 zumindest in Jerusalem nicht mehr gab), interessiert die Apg ebenso wenig wie die Sozialform, in der der zum Glauben gekommene Sergius Paulus (13,12) gelebt haben könnte.86 In der vom lukanischen Doppelwerk repräsentierten Variante der Jesusbewegung ist der Eunuch ein Vertreter jener paganen Oberschichten mit Sympathien für das Judentum, denen besondere Aufmerksamkeit gilt. Die in Αἰθίοψ implizierte dunkle Hautfarbe spielt in Übereinstimmung mit den Befunden zu somatischen Distanzen aus der Perspektive des Judentums, des Hellenismus und der römischen Gesellschaft keine eine Exklusion bewirkende Rolle : Explizit ist von Hautfarbe nicht die Rede. Hervorgehoben wird vielmehr der Status als Eunuch, der aber ebenfalls nicht als explizites oder gar gravierendes Integrationshindernis präsentiert wird – ein solches würde er nur, falls eine normative jüdische Perspektive als Rezeptionshorizont vorausgesetzt wird. In der für Lk und Apg ausschlaggebenden Geschlechterordnung wird er durch das erste Charakteristikum ἀνήρ V. 27 normalisiert. Im lukanischen Doppelwerk spielt die Frage der Normativität der Tora keine entscheidende Rolle. Das ist in anderen Segmenten der Jesusbewegung anders. Die von Paulus getragene Missionsbewegung setzt programmatisch auf die Nichtmaßgeblichkeit der Tora für nichtjüdische Mitglieder und grenzt sich dabei von konkurrierenden Optionen ab, die (zumindest 85 Die Zeit unter Hadrian scheint mir für jene Strömung innerhalb der Jesusbewegung, die diese Selbstdefinition vorantrieb, eine entscheidende gewesen zu sein. In dieser Zeit traten die ersten Apologeten auf. Hadrian erließ nicht nur ein Kastrationsverbot (das auch einen selbstkastrationswilligen Christen traf, vgl. Iust.1. Apol. 29), sondern auch das insbesondere gegen die Juden gerichtete Beschneidungsverbot (vgl. Guyot, Eunuchen, 48), das bei Jesusanhängern eine Distanzierung vom Judentum befördern konnte. 86 Von einer Taufe des Prokonsuls auf Zypern war dort nichts berichtet worden. Der Centurio Cornelius wird getauft, und zwar samt Haushalt und Freunden (10,2.24.44–48).
426
Martin Leutzsch
aus der Sicht des Paulus) wenn nicht die Tora insgesamt, so doch jedenfalls die Beschneidung als mitgliedschaftsbegründendes Ritual für nicht jüdische Männer für notwendig halten.87 Ob für diese Position der Gegner (und Gegnerinnen ?) des Paulus die Aufnahme eines nichtjüdischen Eunuchen zum Problem geworden wäre und ob dabei Dtn 23,2 ins Spiel gebracht worden wäre, wissen wir nicht. Wie in der (oder den) Gemeinde(n) des Mt die Gültigkeit der gesamten, also auch Dtn 23,2 umfassenden Tora (Mt 5,17–19) mit der Hochschätzung der Selbstkastration (Mt 19,12) in Übereinstimmung gebracht wurde, hängt davon ab, ob Mt 19,12 im Sinn einer realen Selbstkastration oder übertragen im Sinn sexueller Abstinenz verstanden wurde. In den Strömungen der Jesusbewegung, die Familien- und Ehelosigkeit hoch bewerteten, hätte der äthiopische Eunuch Anerkennung finden können, wohl auch in jenen Kreisen, die Mt 19,12 als Aufforderung zu realer Selbstkastration verstanden – beides unter der Voraussetzung, dass der Eunuch als unverheiratet und sexuell abstinent vorzustellen wäre. Für die etwa durch die Pastoralbriefe repräsentierte Strömung, die den Haushalt mit dem Ehemann und Vater an dessen Spitze als Modell für die Gemeinde favorisiert, wäre ein Eunuch eher eine Irritation, sofern er sich nicht in eine Haushaltsstruktur integrieren ließe. Könnte der Eunuchenstatus also in bestimmten Segmenten der Jesusbewegung zu Irritationen führen, so lässt sich Vergleichbares nicht für die Konstruktion einer somatischen Distanz sagen – zumindest nicht nach den vorhandenen Quellen. Die Imagination, der Äthiopier aus Apg 8 habe im Zug seiner Konversion seine Hautfarbe von Schwarz in Weiß gewechselt, findet sich erst bei Hieronymus, um 400, wo das Schwarzsein des Eunuchen explizit hervorgehoben wird und wo “schwarz” als negativ besetztes Symbol und als label für mit Misstrauen betrachtete oder abgelehnte Personen und Gruppen einen zunehmend höheren Stellenwert im antiken Christentum bekommen hat.88
VIII. Ertrag Wie geeignet ist das moderne Konzept der Intersektionalität, die namenlose Hauptfigur in einem antiken Text des ausgehenden 1. Jh.s genauer wahrzunehmen ? Meine Hypothese war, dass Intersektionalität ein kontextabhängiges Konzept ist. Ich habe es in fünf für Apg 8 relevanten Kontexten 87 Die Generalisierung von der Beschneidung auf die ganze Tora wird in Gal 5,3 als von Paulus gezogene logische Konsequenz präsentiert, nicht explizit seinen Gegnern zugeschrieben. Paulus polemisiert gegen diese Konkurrenten, indem er die pagane Deutung der Beschneidung als Kastration übernimmt, vgl. Phil 3,2 ; Gal 5,12. 88 Vgl. Hier., Ep. 108,11. Für die Karriere der „symbolic blackness“ im antiken Christentum vgl. Gay Byron, Blackness.
Eunuch und Intersektionalität
427
(Meroe, Judentum, Hellenismus, Rom, Jesusbewegung) durchgespielt. Damit habe ich eine erste Differenzierung im Konzept der Intersektionalität eingeführt, die von der sozialanthropologischen emic-etic- (oder InsiderOutsider-)Debatte inspiriert ist. Ich fasse die von mir verwendete analytische Außensicht (etic) und die von mir (re)konstruierten Innensichten (emic) der Gesellschaften, die ich betrachte, als komplementär auf, nicht als einander ausschließend und nicht hierarchisch aufeinander bezogen.89 Das Beispiel des äthiopischen Eunuchen, der als Insider (von Meroe aus) oder als – in die eigene Gesellschaft integrierbarer oder nicht integrierbarer – Outsider aufgefasst werden kann, führt zu einer weiteren Differenzierung : In jedem der nichtmeroitischen Kontexte lässt sich fragen, ob und wie die Wahrnehmung (oder Projektion) von Mehrfachunterdrückung mit dem Eunuchen aus Apg 8,27 als einem „Äthiopier“ (also außerhalb der betreffenden Gesellschaft) oder mit einem potentiellen Mitglied der je eigenen Gesellschaft verbunden worden wäre. Mit anderen Worten : In jedem Kontext gibt es intersektionalitätsbezogene Innensichten, die sich auf Personen und Gruppen innerhalb der Reichweite des jeweiligen politischen Systems beziehen, und Außensichten, die sich auf Gesellschaften außerhalb des eigenen Herrschaftssystems richten. Ein Ergebnis war, dass die Möglichkeit einer vollständigen Integration des Eunuchen im Sinn einer vollen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben am deutlichsten im Normensystem des Judentums auf ein Hindernis gestoßen wäre. Ob dieses Hindernis als Intersektionalität zu interpretieren wäre, hinge in erster Linie davon ab, ob dem Eunuchen eine entsprechende Integrationsabsicht zuzuschreiben wäre (wofür es keine eindeutigen Indizien gibt). In allen untersuchten Kontexten ist die hohe soziale und politische Position des Hofeunuchen dasjenige Merkmal, das die Kategorie der Intersektionalität im Sinn von Mehrfachunterdrückung am wenigsten anwendbar macht90.
89 Zu dieser Debatte vgl. zusammenfassend Christina Hahn, Innensichten. Dabei bin ich mir bewusst, dass auch die Aufmerksamkeit auf Innensichten zunächst die in einer Gesellschaft herrschenden Konzepte zum Vorschein bringt, die zunächst die Konzepte der Herrschenden sind. So wird in der historischen Eunuchenforschung beklagt, dass in den meisten Gesellschaften die jeweiligen Eunuchen nur aus der Sicht von Nichteunuchen wahrnehmbar werden, während Selbstzeugnisse von Eunuchen meist fehlen. Die jeweils rekonstruierte Innensicht der betreffenden Gesellschaft blendet die Sicht(en) der Betroffenen aus Mangel an Zeugnissen aus ; die Innensicht ist also nicht „die“ Innensicht (im Singular). 90 Der Intersektionalitätsbegriff ist kürzlich auch von Marianne Kartzow / Halvor Moxnes, Identities, bes. 188–191.198–200, auf Apg 8,26–40 angewandt worden, ohne dass dabei zwischen verschiedenen Gesellschaften und historischen Phasen und zwischen emicund etic-Perspektiven differenziert wurde. – Herzlich danke ich Angela Standhartinger für Hinweise, Christine Gerber und Friederike Oertelt für akribische Lektüre.
428
Martin Leutzsch
Literatur Abusch, Ra’anan, Eunuchs and Gender Transformation : Philo’s exegesis of the Joseph narrative, in : Shaun Tougher (Hg.), Eunuchs in Antiquity and Beyond, London 2002, 103–212. Brock, Sebastian P., Some Syriac Legends concerning Moses, in : JJS 33 (1982), 237–255 Buell, Denise Kimber, Why This New Race : Ethnic Reasoning in Early Christianity, New York 2005. Bullough, Vern L., Eunuchs in History and Society, in : Shaun Tougher (Hg.), Eunuchs in Antiquity and Beyond, London 2002, 1–17. Byron, Gay L., Symbolic Blackness and Ethnic Difference in Early Christian Literature, London / New York 2002. Dobbeler, Axel von, Der Evangelist Philippus in der Geschichte des Urchristentums. Eine prosopographische Skizze (TANZ 30), Tübingen / Basel 2000. Feldman, Louis H., Jew and Gentile in the Ancient World. Attitudes and Interactions from Alexander to Justinian, Princeton 1993. Fischer, Klaus-Dietrich, Ein weiteres spätantikes Zeugnis für die Zahnzahl der Eunuchen, in : Medizinhistorisches Journal 20 (1985), 261f. Friedländer, Ludwig, Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms in der Zeit von Augustus bis zum Ausgang der Antonine, Band 1, Leipzig 101922. Ginzberg, Louis, The Legends of the Jews V, Philadelphia 111987. –, The Legends of the Jews VI, Philadelphia 91987. Goldenberg, David M., The Curse of Ham : Race and Slavery in Early Judaism, Christianity, and Islam, Princeton / Oxford 2003. Guyot, Peter, Eunuchen als Sklaven und Freigelassene in der griechisch-römischen Antike (Stuttgarter Beiträge zur Geschichte und Politik 14), Stuttgart 1980. Hahn, Christina, Innensichten, Außensichten, Einsichten. Eine Rekonstruktion der EmicEtic-Debatte, Aachen 2005. Herrmann, A., Ein alter Seeverkehr zwischen Abessinien und Süd-China bis zum Beginn unserer Zeitrechnung, in : Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 1913, 553–561. Hess, Sabine / Langreiter, Nikola / Timm, Elisabeth (Hg.), Intersektionalität revisited. Empirische, theoretische und methodische Erkundungen, Bielefeld 2011. Horst, Pieter Willem van der, Nimrod After the Bible, in : Ders., Essays on the Jewish World of Early Christianity (NTOA 14), Freiburg / Göttingen 1990, 220–232. Isaac, Benjamin, The Invention of Racism in Classical Antiquity, Princeton / Oxford 2004. Jakobovits, Immanuel, Art. Castration, EJ 5 (1971), 242f. Jeremias, Joachim, Die Sprache des Lukasevangeliums. Redaktion und Tradition im NichtMarkusstoff des dritten Evangeliums (KEK Sonderband), Göttingen 1980. Jugel, Ulrike, Politische Funktion und soziale Stellung der Eunuchen zur späteren Hanzeit (25-220 n. Chr.) (Münchener Ostasiatische Studien 15), Wiesbaden 1976. Kartzow, Marianne B. / Moxnes, Halvor, Complex Identities : Ethnicity, Gender and Religion in the Story of the Ethiopian Eunuch (Acts 8:26–40), in : Religion & Theology 17 (2010), 184–204. Klatt, Norbert, Verflucht, Versklavt, Verketzert. Der verrußte Cham als Stammvater der Neger, Göttingen 1998. Kolb, Anne, Transport und Nachrichtentransfer in Römischen Reich (KlioB NF 2), Berlin 2000. Krauss, Samuel, Talmudische Archäologie II, Leipzig 1911.
Eunuch und Intersektionalität
429
Küchler, Max, Schweigen, Schmuck und Schleier. Drei neutestamentliche Vorschriften zur Verdrängung der Frauen auf dem Hintergrund einer frauenfeindlichen Exegese des Alten Testaments im antiken Judentum (NTOA 1), Freiburg / Göttingen 1986. Loader, William, Enoch, Levi, and Jubilees on Sexuality : Attitudes towards Sexuality in the Early Enoch Literature, the Aramaic Levi Document, and the Book of Jubilees, Grand Rapids / Cambridge 2007. –, The Dead Sea Scrolls on Sexuality : Attitudes towards Sexuality in Sectarian and Related Literature at Qumran, Grand Rapids / Cambridge 2009. –, The Pseudepigrapha on Sexuality : Attitudes towards Sexuality in Apocalypses, Testaments, Legends, Wisdom, and Related Literature, Grand Rapids / Cambridge 2011. –, Philo, Josephus, and the Testaments on Sexuality : Attitudes towards Sexuality in the Writings of Philo and Josephus and in the Testaments of the Twelve Patriarchs, Grand Rapids / Cambridge 2011. Matthews, Christopher R., Philip : Apostle and Evangelist : Configurations of a Tradition (NT.S105), Leiden / Boston / Köln 2002. Patterson, Orlando, Slavery and Social Death : A Comparative Study, Cambridge, Mass. / London 1982. Porton, Gary G., The Stranger within Your Gates. Converts and Conversion in Rabbinic Literature, Chicago / London 1994. Preuss, Julius, Biblisch-talmudische Medizin. Beiträge zur Geschichte der Heilkunde und der Kultur überhaupt, Berlin 1911. Rajak, Tessa, Moses in Ethiopia : Legend and Literature, in : JJS 29 (1978), 111–122. Runnalls, Donna, Moses’ Egyptian Campaign, in : JSJ 14 (1983), 135–156. Sanders, Ed P., Judaism : Practice and Belief. 63 BCE-66 CE, London / Philadelphia 1992. Schäfer, Peter, Judeophobia. Attitudes toward the Jews in the Ancient World, Cambridge, Mass. / London 1997. Schubring, Konrad, Zur Zahnanatomie und -physiologie der Spätantike und des Mittelalters, in : Medizinhistorisches Journal 1 (1966), 144–148. Snowden, jr., Frank M., Blacks in Antiquity. Ethiopians in the Greco-Roman Experience, Cambridge, Mass. / London 1970. –, Before Color Prejudice, Cambridge, Mass. 1983. Spencer, F. Scott, The Portrait of Philip in Acts. A Study of Roles and Relations (JSNT.S 67), Sheffield 1992. Thompson, Lloyd A., Romans and Blacks, London / Oklahoma 1989. Török László, Der meroitische Staat 1. Untersuchungen und Urkunden zur Geschichte des Sudan im Altertum (Meroitica 9), Berlin 1986. Tougher, Shaun, The Eunuch in Byzantine History and Society, London / New York 2008. Wander, Bernd, Gottesfürchtige und Sympathisanten. Studien zum heidnischen Umfeld von Diasporasynagogen (WUNT 104), Tübingen 1998. Wiedemann, Thomas E. J., Slavery (Greece & Rome, New Surveys in the Classics 19), Oxford 1987. –, Adults and Children in the Roman Empire, London 1989. Winker, Gabriele / Degele, Nina, Intersektionalität. Zur Analyse sozialer Ungleichheiten. Bielefeld 22010. Yamauchi, Edwin M., Africa and the Bible, Grand Rapids 2004. Zach, Michael, Meroe : Mythos und Realität einer Frauenherrschaft im antiken Afrika, in : Edith Specht (Hg.), Nachrichten aus der Zeit. Ein Streifzug durch die Frauengeschichte des Altertums (Reihe Frauenforschung 18), Wien 1992, 73–114.
430
Martin Leutzsch
–, Die Frau im meroitischen Wirtschaftsleben, in : Edith Specht (Hg.), Frauenreichtum. Die Frau als Wirtschaftsfaktor im Altertum (Reihe Frauenforschung 27), Wien 1994, 111–142. –, Gedanken zur kdke Amanitore, in : Caris-Beatrice Arnst u. a. (Hg.), Begegnungen. Antike Kulturen im Niltal. Festgabe für Erika Endesfelder, Karl-Heinz Priese, Walter Friedrich Reineke, Steffen Wenig, Leipzig 2001, 509–520.
Stellenregister 1. Altes Testament Genesis 1,26 1,27 2,7 12,1–9 12,3 12,7 12,10–20 16 16,1–16 16,1–6 16,1–4 16,3–4 16,4 16,6 18,12 21,1–21 21,8–13 21,9 21,10 21,12 27,34 30,1 30,3–13 30,18 31,15 32,23 50,4
89 236 227 227, 237 172 277 140 172 280, 296 318 172 311 340 172 319 172 280, 296 172 281 311 140, 172, 311 369 236 340 311 134 311 407
Exodus 3,8 3,17 21,7–11
140 140 311, 340
Leviticus 18,3 18,24–30 21,17–23 21,20
140 144 416 416
22,24
408, 416
Numeri 1,1–43 25 26,22 27,1–11
234 235 145 145
Deuteronomium 15 7,1 140 134, 139–144 7,3 7,6 140 140 14,2 14,21 140 418 18,21–22 23,2 408–409, 416–417, 426 140, 418 23,4 23,7 139 147 24,21–22 25,5–10 147 417 25,11–12 25,23–34 147 143 28,10 Josua 3,10 4,24 16,3 16,5
140 143 135 135
1 Samuel 28,3–25
14
1 Könige 8,43 8,53 8,60 11,1–10 11,3–8 11,3
143 143 143 149 134 134
432
Stellenregister
11,4 28,12
134 369
Jesaja 15,5 18,2 36,13 41,8 53,7–8 56 56,1–8 56,3–5 65–66 66,2 66,3–4 66,5 66,19–21
135 415 369 140 408 23, 150, 418 147–148 418 148 138 148 138 148
Jeremia 3,1 23,40 40,7–41,18 41,16–18 48,3
342 388 141 140 135
Ezechiel 11,13 18,6 31,12
369 144 143
418
Jona
Zephania 3,20
143
Psalm 17,7 21,3 21,6 22 68,4 68,7 87
369 369 369 398 369 314 295
Hiob 19,15
134
Proverbia 1–9 1,8
148–149 149
2,12–15 6,20 9,1–6 9,13–18 18,22 31 31,1
149 149 148 148 342 149 149
Rut 1,1 4,15 4,18–22
23, 150, 418 146–150 147 146–150
Hohelied 6,8–9
119
Esther
15
Daniel 2,25 5,13 6,14
130 130 130
Esra 2 3,1 3,3 3,4 4,1 4,4 6,19–22 7,8 7,12 7,14 7,21 7,26 9–10 9,1–10,1 9,1–5 9,1–2 9,1 9,2 9,3–6 9,4 9,6–15 9,8–9 9,11 9,11–14 9,12
23 142, 145–149 144 143 144 141 143 144 131–132 131 130 131 131 131, 132, 136–140, 144, 147–151, 148, 150 144 137, 139, 141 140 139, 143, 147 134, 140, 144–148 140 134, 138 137, 139, 141, 150 139 143, 144 139 139
433
Stellenregister
9,14 10,1 10,2–6 10,2 10,6 10,7–44 10,7 10,9 10,10–11 10,10 10,11 10,14 10,15 10,16 10,17 10,18–43 10,18 10,44
139 137, 139, 140–148, 150 138, 150 134, 137, 139, 143 134, 140, 141–145 137, 138–142, 150 144 141 150 134, 137, 139 143, 147 137, 139 150 144 137, 139 137, 150 139 138
13,24 13,25–28 13,25 13,26 13,27 13,28 13,29 13,30
133 150 134, 139 134–135 134 134–135 135 135
1 Chronik 1–9 2,34–41
23, 146, 150 146
2 Chronik 6,33 32,13 32,19
143 143 143
Nehemia 1–7 2,1 2–4 2,10 2,12–17 2,19 3,1–7,4 3,33 5 5,1–13 7 7,4 8,2 8,7–8 8,9 9,2 10,29–38 10,29 10,31–32 11–13 11 12,26 12,27 13 13,3 13,21 13,23–31 13,23–29 13,23–24 13,23
23 131 132 134 132, 135 131 135 131 132 131 144 142, 145–149 143 144 136 132 147 136 143–148 136 131 131 132 139 132, 134–135, 147–151 147 143 132–136 135 145 133–134, 149
2. Außerkanonische Schriften neben dem hebräischen Alten Testament 3 Esra 9,36
138
Josephus Antiquitates Judaicae 319 1,187–188 4,291 416 5,41 305 307 7,223 8,262 415 10,33 418 418 15,226–227 15,226 319 16,230 418 17,44–45 418 233 18,264–268 18,289–301 240 Bellum Judaicum 1,479 305 418 1,488 319 1,584–586 2,345–401 280 2,355–361 280 319 5,545 7,112 391 Contra Apionem 1,169 415 424 1,292
434
Stellenregister
2,59 2,125 2,201
160 422 366
Jubiläen 34,11 39,14
418 418
Judit 4,9 7,23
369 369
Philo De Cherubim 238 50 236 59–60 De confusione linguarum 116 230 De congressu eruditionis gratia 25 236 De decalogo 244 106–120 119 243 De ebrietate 30–31 239 De fuga et inventione 236 18 51–52 239 109 239 De Josepho 235 40–53 43 240 153 230 257 230 De mutatione nominum 230 201 217 230 De opificio mundi 69–76 236 236 76 134 227, 236–237 237 165 De praemiis et poenis 106 230 De somniis 230 1,124 244 2,106 De specialibus legibus 1,37 238 238 1,200–201 2,237 244
3,14 230–231 230–231 3,25 3,39 240 231 3,51 231 3,54 3,56 231 233 3,169ff. 232 3,170–171 3,171 233 3,173 241 3,173–175 231 233 3,174–175 3,174 238 3,209 230 243 4,135 4,140 230 4,147 243 De vita contemplativa 238 32 De vita Mosis 1,84 230 230 1,161 2,198 231 De virtutibus 241 25 42 244 88 241 243 95 211–225 241 Hypothetica 11,14–17 236 In Flaccum 235 14 33 231 48 244 59 235 229 62 87 229 89 230, 233 229–230 95 Legatio ad Gajum 5 230 39–40 235 61 235 229 120ff. 157 241 225ff. 233 233 227 276–329 240 276 230 241 317–318 318 241
319–320 241 244 335 352 230 Legum Allegoriae 1,31 236 415 1,68 2,12ff. 227 2,23–24 237 237 2,24 238 2,38 2,49 239 2,67 415 3,20 236 237 3,108–109 Quaestiones in Exodum 1,7 238 1,8 238 231 2,218 Quaestiones in Genesim 1,26 236 3,48 415 237 4,15 Pseudo-Phokylides 187 417 Sapientia Salomonis 418 3,14 Sirach
418
Tragiker Ezechiel 60–62 415
3. Qumran 4QMMT B 39–49
417
4. Neues Testament Matthäus 5 5,17–19 5,31–32 15,21–28 16,26 18,15
435
Stellenregister
342 426 342 14 169 169
19 19,9 19,12 25,16 25,17 25,20 25,22 26,6–13 28,16–20 28,19
342 342 426 169 169 169 169 397 374 19
Markus 1–8 1,7 1,9–4,34 1,16 1,21–28 1,21–22 1,21 1,25 1,26 1,28 1,31 1,33 1,34 1,37 1,44 1,45 2,1–3,6 2,1–4 2,12 2,13 2,18–20 2,19 3,1 3,7–10 3,7 3,12 3,21 3,27 3,31–35 4,1–20 4,1 4,13–20 4,35 5 5,1–20 5,3–4 5,7 5,21
26, 367–368 374 371 372 372 372 371 372 373 369 372 371 372 373 372 373 372 371 372 372 372 369 370 372 372 372 373 370 370–371 370 369 372 369 372 370 369–370 369 369–370 372
436 5,25–34 5,34 5,43 6,14 6,31–34 6,32 6,45 7,36 8–10 8,10 8,13 8,18 8,22–11,1 8,26 8,27–30 8,27 8,30 8,31–38 8,31–33 8,31 9,9 9,30–32 9,31–37 9,31 10,1 10,11–12 10,24 10,32–34 10,33–45 10,34 10,42–45 10,46 11,1–11 11,7–9 11,11 11,15 11,27–12,37 11,27 13,10 13,34 14–16 14,1–2 14,3–9 14,10–11 14,17–21 14,26–31 14,32–42 14,40–41 14,43–15,37 14,43–51
Stellenregister 371 370 373 372 372 372 372 373 374 372 372 372 372 373 375 373 373 375 373 374 373 373 375 374 372 342 370 373 375 374 371 372 370 372 372 372 371 372 19 371 374 399 397–399 373, 399 373 373 371 397 373 373
14,47–49 14,48 14,61 14,62 14,65 14,66–72 15,1 15,1–5 15,2 15,5 15,6–15 15,16–20 15,26–32 15,34 15,37 15,39 15,41 16,1–8 16,6 16,8
373 373 373 373 373 373 373 373 373 373 373 373 373 369, 373 369, 373 370 371 374 398 374
Lukas 1 1,1–4 1,52 1,78 2,46–55 7,3–5 8,3 9,14 14,12–14 16,18 19 19,11–29 19,27 19,29–44 19,41–44 19,41 19,42 19,43–44 19,44 22,1–6 23 23,2 23,26–31 23,26 23,27 23,28 23,29–31 23,31
11, 26, 84 11 381 407 387 382 408 407 406 13 342 393, 395, 400 387 387, 391 387 381–403 384, 395 387 387 387, 388 399 400 112 381–403 382 396 396 396 396
437
Stellenregister
23,34 23,49 24,11–12 24,47 24,51
394 398 84 19 374
Johannes 12,1–8 20,1–18 20,18
83–84 397 83 83
Apostelgeschichte 81 1,11 407 1,16 406 1,21–22 406 2,5–13 408 2,5 408 2,9 408 2,11 408 2,16–21 15 2,17–18 110 3,1–10 409 4,4 406 6,9 408 8 27, 415 8,1 425 8,13 409 8,18–24 409 8,26–40 15, 27, 405–430 409 8,26 8,27 406–407, 409–411, 413, 424–425, 427 8,28–29 409 8,28 425 8,34 407 8,36 407 407, 409 8,38 8,39 407, 425 425 10,2 10,24 425 425 10,44–48 11,27 415 415 12,1 12,20 418 407 13,1 13,6–12 408 425 13,12 13,21 407 16,20–21 382
17,6 17,26 17,34 18,2 18,24–28 18,24 21,27–31 22,3 24,5 24,24–25 25,7–8 27,21
382 382 406 424 383 407 408 407 382 408 382 169
Römer 1,13–17 1,18–32 4,24 8,29 13,1–7 16
19 77 278 276 77 110
1 Korinther 5,1 6,13 6,16 6,18 7 7,10–11 7,22–23 7,39 9,19 9,21 9,22 11,3 11,5
340 340 342 340 29 342 76 346 169 169 169 343 110
Galater 1,1 1,4 1,8 1,9 1,13 1,16 2,4 2,15 2,19–20 3–4 3,1 3,6 3,7
25 277 277 279 279 294 290–291 282 278, 290 278 273, 275–277, 285 276 277 276–277
438 3,8–9 3,8 3,9 3,13–14 3,13 3,14 3,15 3,16 3,17 3,25 3,26–29 3,26 3,27 3,28–5,13 3,28 3,29 4 4,4–6 4,4 4,6 4,8–10 4,12–20 4,19 4,21–31 4,22 4,24–25 4,24 4,25 4,26–29 4,26 4,29 4,30 4,30–31 4,31 5,1–6 5,1 5,3 5,4 5,6 5,12 5,13–14 5,15–16 5,25–26 6,1–2 6,2 6,11 6,15
Stellenregister 277 277 276 277 277 277 278 276, 278 278 278 276, 278–279 276 278 280 17, 19, 25, 43, 104, 278, 295, 297 276, 277 276 276 276 276, 295 295 275 275, 279, 295 25, 279, 291 277 279, 280 279, 293 295 279 276, 295 281, 294–295 279, 296 280 276–277 295 281, 294 426 279 278 426 278, 296 278 278 278 297 295 297
Epheser 5,3 6,5–8
340 340
Philipper 3,2 3,8
426 169
Kolosser 3,5 3,18–4,1 3,22 3,22–25 4,1
340 17 340 340 76
1 Timotheus 2,2 2,8–15 2,12 3,7 5,11–12 5,12
77 78 76, 83 104 78 334 334
2 Timotheus 3,6–7 3,6
112 116
Titus 2,9–10
340
Philemon 12–21
335
1 Petrus 1,1 1,7 1,18 2,2–3 2,9 2,12 2,13–3,7 2,13–17 2,13 2,14 2,15 2,18–3,9 2,18–21 2,18–20 2,18 2,21–25
23, 76 167 172 172–173 76 19 173 167, 174 167 168 173 173 173 76, 340 167 168 168
439
Stellenregister
3,1–7 3,1 3,4 3,5 3,7 3,13–17 4,3–4 4,3 4,16
167–168, 176 168, 173 171 168 173 173 173 172 173
Jakokus 4,13
169
Apokalypse 2,20 14,6 21
118 19 279
Martyrium der Perpetua 22, 75, 84–85, 93,325 84 1,1–2,3 3,1–10,15 84 85 4,1 5,1–6 85 85 6,7–8 10,4–13 85 85 10,13 11,1–13,7 84 14,1–21,11 84 20,5 85 Martyrium des Polykarp 3,2 19 Sibyllinen 5,206–213 11,64–79
414 414
5. Außerkanonische Schriften neben dem Neuen Testament und Apostolische Väter
6. Rabbinisches Schrifttum
Andreasakten 17–23 350
mAvoda Sara 2,1
308
Diognet 1,1
mAvot 2,7
311
mBikkurim 1,5
317
mEruvin 5,5
316
mGittin 4,5
315
mJevamot 2,8 8,4
312 418
mKeritot 2,2–4
312
mKetubbot 5,5
305–308
mMakhshirin 6,7
308
19
Hirt des Hermas 22, 37–38, 59, 63–74 mandata 63, 69 similitudines 63 6–9 65 7 66 66 9 64 9,13,1 visiones 63, 69 2 63 3 63–74 64 3,1,1–2 3,2,4b–9 64 3,2,6 67 3,3,1–3 64 64 3,3,3 3,5,1–6,7 64 4 63 63, 65 5
440
Stellenregister
mNegaʿim 2,1
413
jEruvin 10,1, 26a
317
mOhalot 18,7
316
jJoma 8,5, 45b
315
mQiddushin 3,12
312
jKetubbot 5,6, 30a 5,9–10, 30b
306, 308 306
mSota 4,4
418
jMegilla 4,3, 75a
317
jNidda 1,5,49b
303
jPe’a 4,6, 18b
307
jQiddushin 1,3, 60a
307
jShabbat 6,9, 8c
315
jSukka 2,1, 52d
317
mTamid 6,2 tAvoda Sara 3,11 tHorajot 2,11 tJevamot 8,4 tKetubbot 3,4 5,5 7,6 tOhalot 16,13 18,6
315
316
311, 317
418
316 308 319
bBava Meziʿa 90b 416 313 316
tPesachim 7,14 8,18
316 316
tQiddushin 4,14 5,3
317 317
tSota 5,9
bChagiga 14b
416
bKetubbot 60b
309
bMo’ed Qaṭan 307 20a bQiddushin 25a
418
308 418
418
319
tTamid 4,6
315
bShabbat 53b 152a
jAvoda Sara 2,10, 42a
315
bSota 35a
Sifra Qedoshim 5,4–6, 40a Behar 6,6
441
Stellenregister 311 312 312
Sifre Bemidbar 319 9 12,1 415 307 115 Sifre Devarim 247 418 261 315 289 418 Bereschit Rabba 2,2 309 30,8 308 31,7 309 36,3–4 418 36,7 418 45,6 319 45,10 307 69,3 309 84,7 312 Devarim Rabba 308 7,12 Shemot Rabba 3,4 414 Wajikra Rabba 8,1 314 11,7 309 19,4 317 Pesiqta deRav Kahana 2,4 314 12,15 317 17,6 306 22,2 307 Targum Neofiti I Nu 12,1 415
7. Schriften aus Nag Hammadi und weitere gnostische Schriften Apokalypse des Jakobus NHC V,5 111 Apokryphon des Johannes NHC II,1/III,1/IV,1/BG 2 22, 75, 77, 86–98, 111 13,21–22 (King) 88 14,15–19 (King) 88 20,22–25 (King) 90 90 22,15 (King) 22,22–28 (King) 89 27,3–5 (King) 87 BG22,4–5 88 Brief des Jakobus NHC I,2 111 Brief des Petrus an Philippus NHC VII,2/CT 3 111 Buch des Thomas NHC II,7 111 Bücher des Jeû
111
Dialog des Erlösers NHC III,5 111 Evangelium des Judas CT 3 111 Evangelium nach Maria BG 1 22, 75, 81–98, 111 Petrusapokalypse 111 NHC VII,3 Pistis Sophia
111
Sophia Jesu Christi BG 3/ NHC III,4 111 Taten des Petrus NHC VI,1
111
442
Stellenregister
Testimonium Veritatis NHC IX,3 22, 90–98 90 30,1–5 30,28–30 90 91 31,22–32,21 32,2–33,11 91 91 32,19–22 40,2–7 90 91 40,24–29 43,1–3 91 91 43,18–20 91 43,23–29 44,2–19 92 44,23 92 44,26–27 92 44,30–45,6 91 45,9–11 90 45,14–18 90 47,2–3 90 47,14–48,15 92 58,2–4 90
8. Antike Schriften Ambrosius De Abrahamo 341 1,4,26–27 Appian Bella civilia 5,1 [2] 9 [34] Libyca 132 Aristides Apologia 2 Aristoteles Politica 1253b–1260b 1253b1–14 1254b13–15 Rhetorica 2,8,2
165 165 390
19 109 78 232 366 386
Pseudo-Aristoteles Physiognomica 807a31–808b10 365 Athanasius 120 Orationes tres adversus Arianos 117 1 Athenaeus Deipnosophistai 160 4,147 Athenagoras Legatio pro Christianis 78 Augustinus Confessiones 9,9,19 Sermones 9,4 Augustus Res Gestae 26–33 29 35
344 341
288 283 283–284
Aulus Gellius Noctes Atticae 5,19,9 252 Basilius von Caesarea 25 Asceticon : Long Rules 335 11 Homiliae Hexaemeron 7,5 342 Epistulae 3 331 330 188 188, canon 4 345 188, canon 8 343 188, canon 9 342 188, canon 11 343 199 330 199, canon 18 333, 335, 338 199, canon 21 345 199, canon 22 337–338, 345, 351 199, canon 24 346 199, canon 30 338, 346
443
Stellenregister
199, canon 34 345 199, canon 38 338, 351 199, canon 40 333, 337 199, canon 41 338, 346 199, canon 42 333, 338 199, canon 44 351 199, canon 49 341 217 330 217, canon 52 343 217, canon 53 345 217, canon 54 343 217, canon 56–57 343 217, canon 58 345 217, canon 59 345, 351 217, canon 62 347 Moralia 73 342 Regulae brevius 106 352 Regulae fusius 352 51
Orationes Philippicae 2,20 258 2,57–58 258 258 2,61 258 2,99 Orator 18,59 365 Tusculanae disputationes 371 2,43
Bion von Soloi Aithiopica 668, FGH fr. 1 410
Codex Theodosianus 2,25,1 348 9,6,1 350 9,6,2 350 9,6,3 350
Cassius Dio Historia Romana 48,24,2 165 50,5,2f 166 246 50,24ff. 52,36,3 158 410 54,5,46 55–56,27 283, 287 242 58,2,5 58,28,4 235 63,3,2 421 63,8 421 Cicero De officiis 372 2,31 De provinciis consularibus 5,10 422 6 258 De re publica 392 3,43 In Verrem 4,117 392
Clemens von Alexandria 19 Paedagogus 19 1.6.32,4 Stromata 19 6.5.39,4 6.5.42,2 19 Codex Justinianus 1,3,53 338 345 5,17,8 9,13,1 338
Collatio Legum Mosaicarum et Romanarum 3,2,1 343 Columella De re rustica 12 12 Pref 4–5
305, 365 365
Demosthenes 19,309
385
Digesta 5,3,27 proem 23,3,39 proem 33,7,7 35,2,63 proem 40,2,11 47,10,15,15 48,5,21–24 50,17,22 50,17,32
314–315 334 349 340 340 341 253 326 334
444
Stellenregister
Diodorus Siculus Bibliotheca historica 3,32,4 415 Diogenes Laertius De vita et moribus philosophorum 365 7,173 Dionysius von Halikarnassos Antiquitates Romanae 251 2,19 158 2,24,2 158 252 2,26,4 4, 64–67 258 Epikur
109
Epiphanius von Salamis Ancoratus 99, 106, 115–118 Anacephalaiosis 3,42,3 117 De Fide 119 119 7,6,1–6 21,10 120 Panarion Haeresium 115, 119 26,17,4–9 116 117 27,6,1 27,6,8 117 33,9,1 116 116 33,12,2 34,1,1–3,10 116 37,2,4–5 117 42,4,5 117 113 42,11,6 42,11,17 113 47,3,1 116 117 48 49,2,5 117 51,33,6–7 118 51,33,8 118 120 59,4,9–10 79,1,1–9,5 118 79,1,6–7 118 119 79,8,3–5 Eusebius Historia ecclesiastica 5,1 325
Praeparatio evangelica 9,29,1–3 415 Gaius Institutiones 1,6,18–19 1,52–54 1,81 2,13
340 326 312 326
Galen De semine 364 2,1–2 2,5 364 De usu partium 364 14,6–7 Diseases of the Mind 319 8 Gregor von Nyssa Vita Macrinae 7 331 7,2–8 338 335 8,11 Hegesipp 1,40,7
418
Herodot Historiae 1,112 2,104,2
385 415
Hieronymus Epistulae 77,3 108,11 133, 4
120 341 426 120
Homer Ilias 24,507–551
389
Horaz Carmina 1,37 3,6 37
246 172 159
445
Stellenregister
Irenäus Adversus Haeresis 106, 109–116 110 1,13,1 1,13,1–7 109 110 1,13,3 110 1,13,5 1,23,1–4 109 109 1,25,6 3,12,13 394 394 3,18,5 4,28,4 394
Livius Ab urbe condita 1,57–60 258 270 1,58,10 255 3,44–48 265 3,50,5-7 25,24,11–15 390 38,12–50 289
Johannes Chrysostomus Homiliae Romanos 4,4 344 Homiliae 1 Corinthos 343 26,7 Homiliae Ephesos 15,3 333, 344 20,2 344 333 22,2
Marc Aurel Meditationes 1,1–3 2,5 3,5 11,18,21
Julian
113
Justin 1. Apologia 78 26,8 20 29 425 Dialogus cum Tryphone 20 80, 4 119,3 19 Juvenal Saturae 3,109–112 3,116f 6,84 6,293–300 8,113–115 15,44–46 15,44–48 15,115–116
172 172 166 172 172 166 172 172
Konzil von Chalcedon 335 canon 4 Lactantius Divinae institutiones 341 6,23,23
Lysias Contra Diogeiton 385 32,18
365 366 366 367
Minucius Felix Octavius 8,4 113 Musonius Rufus Dissertationes 231 3 12 240 13A 157 158 14 Nikolaos von Damaskos FGH 90 F 103m 414 Novellae Theodosianae 2,12,1 345 Origenes 103, 113–115 Contra Celsum 2,24 398 84, 114–115 2,55 3,10 113 3,44 113, 115 3,49 113, 115 114, 115 3,55 5,62 114 7,41 113 398 7,53 In Lucam homiliae 19,3–4 395 38,1–2 395
446
Stellenregister
38,2
395
Ovid Fasti 1,721 5,545–598 5,569–578
242 283 286
Petronius Satyricon 75,11
347
Phlegon von Tralleis Mirabilia 364 7,2 7,8 364 Plato Eutyphron 12e Phaedros 60a 117d–e Symposion 189d–191d
242 396 396 364
Pseudo-Plato Definitiones 412e
242
Plautus Mercator 396–398
305
Plinius der Ältere Naturalis historia 410 6,35,7 6,184–188 421 7,34 364 364 7,36 7,57 244 14,60 242 242 19,92 Plinius der Jüngere Epistulae 159 10,96 Panegyricus 48,4–49,1 373
Plutarch Antonius 160 161 3,2–6 166 4,1 8,1–3 161 161 9,2–6 160 10 10,3 160 161 17,2–3 161 17,3 22,2 161 24,6–8 161 25–31 160 161 25,1 25,4 162 26,3–4 162 26,3 163 162 27,1–4 27,2 162 28,1–2 161–162 160 28,1 29,1–3 163 29,3–4 163 164 30,1 31,2 162 36–37 160 36,3 163 162 37,4 43,2–3 161 50–51 160 50,4 164 160 53–54 53,3–6 162 53,3 162 161–162 54,2–3 54,4–5 164 54,6 163 56–59 160 162 56,2 57,2–3 162 57,3 162 163, 166 60,3 62 160 66–67 160 66,5 161–162 160 71 74 160 76–77 160 Comparationis Demetrius et Antonius 160 160 1–4 1,3 160
3,3 4,1 6,1 Moralia 3E 7B 8F 138A–146A 139D 140B 140D 142D–143A 142E 144 B/C 144D/E 164E–165C 258 E-F 784A
166, 246 160, 165 161 157 364 364 364 157 157 310 157 157 169 158 171 157 263 366
Polemon Physiognomica 2 365 Polybius Historiae 38,22,1–2
390
Porphyrius
113
Pseudo-Kallisthenes 410 3,18 Quintilian Institutio 11,3,32 11,3,61–149 11,3,128
365 365 365
Pseudo-Quintilian Declamationes 247 258 Ulpian 5,5
447
Stellenregister
334
Seneca Ad Marcum de consolatione 242 4,3 Dialogi 6,3,3 242
Epistulae morales ad Lucilium 114 365 114,3 365 363 115,2–4 Hercules Oetaeus 396 1667–1690 1738–1759 396 Naturales quaestiones 421 6,8,3 Seneca der Ältere 1,5 258 Controversiae 339 4 Strabo Geographia 16,4,9 17,1,54 Sueton Iulius Caesar 45,1–2 Augustus 21,2 29 29,2 40,5 43,4 62,2 63,1 69 79,1–3 84,2 Tiberius 36 68,1–3 Caligula 1 12,2 50,1 57,4 Claudius 25,5 30 Nero 46,1 51 Galba 3,3 21
424 410
366 287 283 286–287 366 421 244 244 160 366 242 163 366 366 235 366 422 158 366 288 366 366 366
448
Stellenregister
Otho 12,1 366 Vitelius 366 17,2 Vespasian 20 366 Domitian 3,1 373 424 12,2 De grammaticis 25,1–2 158 Synode von Ankyra canon 19 333 Synode von Elvira canon 5 343 Synode von Gangra canon 3 351 Tacitus Agricola 6 Annales 2,32,3 2,85,4 5,1 5,1,3 5,9 6,45,5 Historiae 5,2,2
157, 158 158 163 245 242 233 235 424
Tertullian 106–115 De praescriptione haereticorum 107–109 7 109 108 30,6 41 107, 109 Scorpiace 10 19 Theophilos Ad Autolycum 418 3,19 Valerius Maximus Facta et dicta memorabilia 5,8,2 261
5,8,3 6,1 6,1,1 6,1,2 6,1,3 6,1,4 6,1,5 6,1,6 6,1,7 6,1,8 6,1,9 6,1,10 6,1,11 6,1,12 6,1,13 6,1,ext.1 6,1,ext.2 6,1,ext.3 De pudicitia
261 242 258, 263 258, 263, 265 258, 263, 266 258, 261 259, 261, 263 259, 263, 267 259, 261, 269 259, 261–262, 269 259, 261, 269 259, 261, 269 259, 261 259, 261 259, 261 259 259, 262, 264, 270 259 24
Varro De re rustica 2,10,6
314
Velleius Paterculus Historia Romana 288 2,39.2 242 2,130,4 Vergil Aeneis 1,263–272 1,273–290 1,279 1,614–634
287 287 287 390
Vitruvius De architectura 1,5 289 Xenophon Memorabilia 4,6,4
242
Zenon
109
9. Inschriften und Papyri Corpus Inscriptionum Latinarum (CIL) 3,14206 340
Inscriptiones Latinae Selectae (ILS) 2,2,7479 340 Papyrus Fayum 307 91 Papyrus Oxyrhynchus 81 3525 Papyrus Rylands 81 463 Sammelbuch der griechischen Papyrusurkunden aus Ägypten (SB) 8366 410
Supplementum Epigraphicum Graecum (SEG) 28.1536 407
10. Islamische Literatur al-Bu¿ÁrÍ Æa½Í½
Hadith ½adÍÝ al-ifk
449
Stellenregister
193, 198 198, 200, 203, 208, 210–212, 214–215, 221 23, 182, 184–190 184
Ibn HiÊÁm 184, 192–193, 198, 222 as-SÍra n-nabawÍya 184, 188–189, 198–200, 203, 206–217
Ibn Is½Áq SÍra
193, 198 184, 189, 198–200, 202–203, 211, 214, 222
Ibn al-KalbÍ KitÁb al-AÈnÁm 188, 192 Ibn Saþd 180, 187, 193, 198, 222 Fi-n-nisÁÿ KitÁb aÔ-ÓabaqÁt 192, 198–205, 209–217 Koran Sure 2,121 2,221 2,226–230 24 24,3 33 60,10–12 60,10–11 60,12 111
20, 179–192
aÔ-ÓabarÍ TaÿrÍ¿
193, 198 198–200, 203, 206–207, 210–211, 214, 217
279 184, 187, 190 186 183–184 23, 181–183, 185–192 190 185–187 186 191 213
al-WÁqidÍ 193, 198, 223 KitÁb al-Ma™ÁzÍ 185, 189, 198–217
Personenregister Die kursiven Ziffern verweisen auf Einträge in den Literaturverzeichnissen. Aageson, James W. 174, 177 Abbott, Nabia 206–207, 209–210, 215–216, 221 Abul-Fadl, Rosie 10, 30 Abusch, Ra’anan 418, 423, 428 Achtemeier, Paul J. 170–171, 173–175, 177 Ackeren, Marcel van 365, 375 Adams, J. N. 266, 270 Ahmed, Leila 197, 200, 207, 221 Ahn, Gregor 18, 30 Ahrens, Karl 207, 221 Albertz, Rainer 142, 145–149, 151 Alexander-Floyd, Nikol G. 329, 353 Alexander, Loveday 390, 393, 400 Ali, Kecia 186, 192 Alston, Richard 364, 375 Alt, Franz 100, 124 Althaus-Reid, Marcella 50, 60, 71 Althusser, Louis 56 Amand de Mendieta, Emmanuel 342, 353 Ameling, Walter 246, 248 Anderson, Janice C. 77, 97, 363, 366–367, 376–378, 384, 402 Ando, Clifford 292, 294, 297 Anzaldúa, Gloria 46, 71 Arendt, Hannah 50, 52, 71 Armstrong, Karen 210, 221 Arnold, Gottfried 120, 124 Asad, Talal 59, 71 Ashton, Sally-Ann 160, 177 Astin, Alan E. 390, 400 Auga, Ulrike 7, 14, 21, 37–38, 44– 45, 50, 59, 61, 65– 66, 68, 71, 182, 274 Austin, John L. 54, 71 Avalos, Hector 13, 30
Baer, Richard A. 227–228, 237–238, 248 Bailey, Randall C. 15–16, 30, 383, 400, 403 Bail, Ulrike 102, 124 Balch, David L. 112, 124, 171, 173, 177, 232 Bales, Kevin 327, 353 Barclay, John M. G. 19, 30, 229, 248 Barraclough, Ray 229, 245–246, 248 Barz, Monika 13, 30 Batten, Loring W. 136, 138, 151 Baumann-Martin, Betsy J. 173, 177 Beard, Mary 158, 164–165, 177, 283 Beauvoir, Simone de 361, 376 Becking, Bob 142, 151 Beinhauer-Köhler, Bärbel 20, 23, 179, 183, 185, 188–189, 192, 208, 211, 214, 222 Belo, Fernando 11 Bendlin, Andreas 18, 30 Benjamin, Don C. 255, 271 Benjamin, Walter 49–50, 71, 399, 400–401 Ben Zvi, Ehud 145, 152 Bernett, Monika 282, 297 Betzig, Laura 304, 313–314, 321 Bhabha, Homi 277, 297 Bienert, Wolfgang A. 104, 106, 124 Blenkinsopp, Joseph 138, 148, 151 Bloomer, W. Martin 364, 376 Blowers, Paul M. 386, 401 Bobzin, Hartmut 206–207, 221 Böhm, Martina 236, 248 Bonz, Marianne P. 393, 401 Bourdieu, Pierre 76, 78–79, 96 Bovon, François 384, 401 Boyarin, Daniel 20, 30, 58, 71, 276, 291, 297 Bradley, Keith 307, 309–310, 314, 321, 322
452
Personenregister
Brandt, Samuel 341, 353 Braulik, Georg 151 Braun, Christina von 40, 71 Braund, David 314, 321 Brent, Allen 384, 401 Briggs, Sheila 291, 297, 344, 354 Brock, Sebastian 415, 428 Brooten, Bernadette J. 14, 25, 30, 78, 100, 121, 124, 232, 248, 325, 340, 344, 354–355 Brown, Wendy 50, 59, 71 Brox, Norbert 38, 71, 109, 110 Brüggenbrock, Christel 256, 270 Bublitz, Hannelore 54, 71 Buckland, William W. 326, 341, 354 Buell, Denise K. 16, 19–20, 30, 47, 73, 77, 95, 383, 401, 420, 428 Bullough, Vern 417, 428 Bultmann, Rudolf 230–231, 248, 360, 376 Bürgel, Johann Christoph 199, 221 Burkhart, Dagmar 252, 270 Burrus, Virginia 89, 95, 115, 117, 120, 124 Butler, Judith 40, 54, 59, 71, 80, 89, 95, 103, 124, 329, 354, 360, 376 Butting, Klara 147, 151 Bynum, Carolyne W. 360, 376 Byron, Gay L. 15, 426, 428 Cairns, Douglas L. 230, 256, 270 Camp, Claudia V. 130, 144, 148, 151 Cantarella, Eva 254, 270, 271 Carby, Hazel V. 46, 72 Carr, Brian 386, 401 Carter, Charles E. 142, 151 Castelli, Elizabeth A. 85, 87, 96 Castoriadis, Cornelius 59, 72 Ceausescu, Gheorghe 245, 249 Chance, J. Bradley 393, 401 Claassens, L. Juliana M. 397, 401 Clark, Patricia 319, 321 Cohen, Ada 310, 322 Cohen, David 271 Cohen, Shaye D. 19–20, 30 Cohn, Leopold 249 Collins, Patricia Hill 274, 328 Combahee River Collective 2, 328, 354 Connell, Robert W. 363, 376 Conway, Colleen M. 236–238, 240, 248, 362, 368, 371, 374, 376, 384–385, 401
Cooper, Kate 78, 96 Corley, Kathleen 396, 401 Cotton, Hannah 101, 124 Courtonne, Yves 333, 335, 337, 341, 345–346, 353 Crenshaw, Kimberlé 2, 6, 30, 46–49, 51, 58, 72, 274, 325, 328, 329, 354, 383, 401 Crossan, John D. 274, 297, 397, 401 Dalferth, Ingolf U. 44, 72 Daly, Mary 101–102, 123, 124 D’Angelo, Mary 229, 243, 245, 249 Daniel-Hughes, Carly 94, 96 Davis, Adrienne 327, 354 Davis, Kathy 3 Deacy, Susan 310, 322 Decker, Doris 23, 180–181, 189–190, 192 Deferrari, Roy J. 325, 338, 345, 353 Degele, Nina 2–4, 7–8, 33, 193–194, 221, 223, 405, 429 Deleuze, Gilles 60–61, 72 Delling, Gerhard 245, 249 Denaux, Adelbert 387, 391, 401 Dench, Emma 367, 376 Derrida, Jacques 72 Deuber-Mankowsky, Astrid 53, 72 Dibelius, Martin 38, 72 Dickson, Keith 365, 376 Dietze, Gabriele 57–58, 72, 74 Dill, Bonnie T. 375, 376 Dobbeler, Alex von 408, 428 Doblhofer, Georg 263, 271 Donaldson, Laura E. 14 Dor, Yonina 136–143, 151 Dossey, Leslie 344, 354 Dostal, Walter 206, 221 Douglas, Mary 105, 316, 322 Dube, Musa 14–15, 31 DuBois, Page 103, 124 Duff, Paul B. 370, 376 Dummer, Jürgen 113 Dunning, Benjamin H. 77, 96 Dunn, James D.G. 274, 297 Dunn, Shannon 84, 96 Ebner, Martin 368, 376 Edwards, Douglas R. 16, 31 Ehlers, Wilhelm 164, 177 Ehrensperger, Kathy 274, 297
Personenregister
Eisenbaum, Pamela 276, 297 Eisen, Ute E. 117, 121, 124 Elliott, John H. 171, 177 Elliott, Neil 274, 281–282, 297 El Mansy, Aliyah 23 Elm, Susanna 105, 124, 331, 354 Engberg-Pedersen, Troels 228, 248 Enger, Philipp A. 148, 151 Enns, Carolyn Z. 329, 354 Equiano, Olaudah 382, 401 Eskenazi, Tamara C. 137–143, 145–150 Esler, Philip 382, 401 Essed, Philomena 46, 72 Esser, Annette 10, 31 Evans Grubbs, Judith 255, 271, 338, 341, 348, 354 Falaturi, Abdoljavad 206, 221 Feil, Ernst 18, 31 Felder, Cain H. 12, 31 Feldman, Louis 415, 424, 428 Feldmeier, Reinhard 171, 175, 177 Fenstermaker, Sarah 7, 31, 33 Ferguson, Roderick A. 57–58, 72 Fischer, Irmtraud 146–147, 151 Fischer, Klaus-Dietrich 423, 428 Fisher, N. R. E. 256, 271 Fleishman, Joseph 311, 322 Flesher, Paul V. M. 318, 322 Fletcher, Joann 160, 163, 178 Flory, Marleen B. 307, 315, 322 Foster, Frances S. 339, 353 Foucault, Michel 39, 47, 51–53, 56, 72 Foxhall, Lin 363, 375, 376 Freudenberger, Rudolf 158, 178 Frey, Jörg 368, 376 Friedländer, Ludwig 408, 428 Fritz, Volkmar 151 Fuhrer, Therese 390, 401 Füssel, Kuno 10, 31 Gaca, Kathy L. 81, 96 Gadamer, Hans-Georg 360, 376 Galling, Kurt 135 Gardner, Jane F. 253, 260, 268, 271, 306, 314–315, 322 Gaventa, Beverly 275, 297 Geertz, Clifford 18, 31, 196, 221 George, Michele 307, 309, 322
453
Gerber, Christine 44, 72–73, 275, 279, 297, 427 Gerhard, Volker 195, 221 Gertz, Jan C. 131, 132 Giet, Stanislas 342, 353 Gilbert, Gary 384, 401 Gilmore, David D. 365, 376 Ginzberg, Louis 414, 418, 428 Giordano, Christian 256, 271 Gladigow, Burkhard 196, 221 Glancy, Jennifer A. 76, 79, 96, 318–320, 322 Gleason, Maud W. 363–365, 376 Goehring, James E. 106, 125 Golberg, Shari 228, 249 Goldenberg, David 415, 420, 428 Golden, Mark 363, 376 Goodenough, Erwin R. 228–229, 245, 249 Gordis, Robert 148, 152 Gost, Roswitha 197–198, 211–212, 221 Grabham, Emily 375, 376 Grieser, Heike 351, 354 Gruen, Erich S. 229 Guattari, Félix 60, 72 Gunderson, Erik 84–85, 96, 363–365, 376 Gundry, Robert H. 372, 377 Gunneweg, Antonius H.J. 133–135, 138–142, 152 Guyot, Peter 411, 419, 423–425, 428 Haacker, Klaus 280, 297 Habermas, Jürgen 59 Hagemann-White, Carol 53, 72 Hahn, Christina 427, 428 Halm, Heinz 206, 221–222 Hancock, Ange-Marie 47, 72, 329, 354 Hardin, Justin 295, 298 Harlow, Mary 254, 271 Harnack, Adolf von 104, 106, 112, 124 Harper, Philip Brian 55, 72 Harris, William V. 252–253, 266, 271 Hartenstein, Judith 111, 124 Haschemi Yekani, Elahe 57, 58 Hauptman, Judith 303, 322 Hauschild, Wolf-Dieter 331, 353 Hausmaninger, Herbert 253, 271 Hays, Richard 77, 96 Heckel, Ulrich 368, 378
454
Personenregister
Heine, Susanne 105, 124 Heininger, Bernhard 368, 377 Heller, Erdmute 198, 221 Henderson, John 283, 288, 297 Henrichs, Albert 390, 401 Hermann-Otto, Elisabeth 327, 339–340, 354 Herrmann, A. 411, 428 Herzfeld, Michael 256, 271 Hess, Sabine 2, 31, 405, 428 Heubner, Sabine R. 78 Hewitt, Marsha A. 399, 401 Hezser, Catherine 26, 78, 303–304, 308, 311–312, 315–317, 322 Hilberg, Isidor 341, 353 Hill, Edmund 328, 341, 353, 354 Hodge, Caroline Johnson 19 Höfner, Maria 196, 207–209, 221 Holl, Karl 113 Holloway, Paul A. 170, 174–175, 178 Holman, Susan R. 331, 354 Honstetter, Robert 268, 271 Hooks, Bell 328, 354 Hopkins, Julie 360, 377 Horrell, David G. 19, 31, 256, 271, 274, 298 Horsley, Richard A. 274, 282, 297–299, 382, 401 Horst, Pieter van der 415, 428 Hourani, Albert 199, 221 Huebner, Sabine R. 96 Hull, Gloria T. 46, 72 Humpert, Claudia 364, 377 Huttner, Ulrich 364, 378 Ilan, Tal 101, 125, 303, 307–308, 322 Incigneri, Brian J. 368, 377 Instone-Brewer, David 101, 125 Irigaray, Luce 45 Isaac, Benjamin 420, 428 Iser, Wolfgang 362, 377 Isherwood, Lisa 50 Jacobi, Renate 210–211, 222 Jacobs, Harriet 347, 353 Jakobovits, Immanuel 417, 428 Jakobsen, Janet R. 72 Janowitz, Naomi 20, 31 Janowski, J. Christine 360, 377 Janssen, Claudia 274, 298, 299
Japhet, Sara 137–138, 144, 146, 152 Jastrow, Marcus 303, 322 Jawad, Haifaa 10, 31 Jensen, Anne 105, 108, 113, 117, 125 Jeremias, Joachim 406, 428 Jervis, Anne 277, 298 Jewett, Robert 274, 281, 298 Joannou, Periclès-Pierre 333, 351, 352–353 Johnson, Willa M. 130, 152 Jonas, Hans 106, 125 Joshel, Sandra R. 304, 306, 309–310, 314, 321, 322–323 Joswig, Benita 44, 72 Judd, Eleanore P. 138 Jugel, Ulrike 417, 428 Kahl, Brigitte 10–11, 19, 25, 31, 273–275, 277, 279–282, 286, 289, 294–295, 298 Kalsky, Manuela 360, 377 Kant, Immanuel 52 Karle, Isolde 43, 73 Karrer, Christiane 135, 144–148, 145–149, 152 Kartzow, Marianne B. 16–17, 31, 77, 96, 383, 401, 427 Kaser, Max 252, 254, 271 Kasser, Rodolphe 111 Kellum, Barbara 298 Kerner, Ina 48–49, 58, 73, 130, 152 Kessler, Rainer 129–130, 132, 137, 142–145, 152, 310, 322 Kettermann, Günter 196 Khoury, Adel Theodor 200, 213 King, Karen L. 21–22, 79, 81, 83–84, 86, 96, 102, 125 Klatt, Norbert 415, 428 Klauck, Hans-Josef 104–105, 125 Klein, Richard 331–332, 341, 355 Klinger, Cornelia 2–6, 31 Klinghardt, Matthias 369, 377 Klinke-Rosenberger, Rosa 189, 192, 196, 206–209, 212, 222 Kloppenborg, John S. 384, 401 Knapp, Gudrun-Axeli 2–4, 6, 31 Knieling, Reiner 363, 377 Knoppers, Gary N. 146, 152 Knust, Jennifer W. 77, 96 Knütel, Rolf 252, 271 Koch, Volker 195, 222
Personenregister
Kolb, Anne 409 Konstan, David 386–387, 401 Kopf, L. 137, 152 Körtner, Ulrich H.J. 64–65, 71, 73 Kosch, Daniel 360, 377 Koschorke, Klaus 91, 97 Kottsieper, Ingo 133–134, 152 Kraemer, Ross S. 105, 121, 125, 228, 238, 249 Krause, Christiane 24 Krauss, Samuel 414, 417, 428 Kroeger, Catherine C. 170–172, 175, 178 Krone, Susanne 207, 209, 222 Kuan, Kah-Jin J. 15 Küchler, Max 418, 429 Kuhlmann, Helga 43–45, 73 Kunkel, Wolfgang 260–261, 271 Kunst, Christiane 242, 246, 249 Kyrtatas, Dimitris J. 305–306, 322 Kytzler, Bernhard 113 Labahn, Antje 145, 152 Labovitz, Gail 308, 322 Lambot, Cyrille 341, 353 Langlands, Rebecca 263–264, 267, 271 Lanwerd, Susanne 40, 73 Laqueur, Thomas 54, 73, 103, 125, 364, 377 Larsen, William J. 76, 97 Lateiner, Donald 384, 389, 391, 401 Latte, Kurt 243, 249 Laubmann, Georg 341, 353 Lau, Markus 369, 377 Lawrence, Louise J. 255, 271 LeBoulluec, Alain 20, 31 Leicht, Robert 102 Leistner, Herta 13, 30 Lemaire, André 135, 152 Le Tran, Mai-Anh 15 Leutzsch, Martin 15, 27, 38, 64–65, 68, 71, 73, 362, 377 Levine, Amy-Jill 388, 402 Levine, Lee I. 20 Lewis, Bernard 206, 222 Leyerle, Blake 344, 355 Lieu, Judith M. 19, 31, 101, 125 Liew, Tat-siong Benny 14, 16, 30, 32, 368–372, 374, 377, 383, 400 Lim, Jason 61, 73 Lincoln, Andrew T. 374, 377 Linderski, Jerzy 263, 266, 271
455
Lindsay, Jack 160, 178 Lipschits, Oded 141–143, 152 Loader, William 417–418, 429 Lock, Margaret M. 76, 97 Lohlker, Rüdiger 195, 222 Lopez, Davina 282, 288, 291–292, 298, 399, 402 Lutz, Helma 2–3, 8, 32, 182, 192 MacCall, Leslie 2, 32 MacDermot, Violet 111 MacDonald, Dennis R. 400, 402 MacDonald, Margaret Y. 114, 125 MacRae, George W. 81, 98 Magen, Yitzhak 135, 152 Mahmood, Saba 58, 59, 73 Maier, Christl M. 23, 129, 134, 148, 152, 295, 298 Malina, Bruce J. 255, 271 Maraval, Pierre 331, 353 Marcovich, Miroslav 113 Martin, Clarice J. 12, 76, 97 Martin, Dale B. 77, 97 Maslakov, G. 259, 261, 271 Mason, Steve 20, 32 Masuzawa, Tomoku 59, 73 Mathes, Bettina 40 Matsuda, Mari 17 Matthews, Christopher 408, 429 Matthews, Shelly 26, 112, 125, 381–384, 389, 394, 402 Matthews, Victor H. 255, 271 Mattila, Sharon Lea 237–239, 249 Matusda, Mari J. 32 Maurer, Margarete 55, 73 Mayer-Schärtel, Bärbel 255 Mayordomo, Moisés 6, 9, 26, 167, 362 Mbuwayesango, Dora R. 15 McCall, Leslie 329, 355, 383, 402 McClintock, Anne 55, 72 McCollough, Thomas 16, 31 McCoskey, Denise E. 320, 323 McCullough, Anna 365, 373, 377 McDonald, Mary Francis 341, 353 McDonnell, Myles 363, 372, 378 McGinn, Thomas A. J. 255, 271 Melcher, Sarah J. 13, 30
456
Personenregister
Mernissi, Fatima 180–181, 188, 192, 194, 199, 212 Mette-Dittmann, Angelika 253, 271 Meyer-Zwiffelhoffer, Eckhard 365, 367, 378 Michaelis, Beatrice 57, 58 Michaels, J. Ramsey 170, 173–175, 178 Moellering, H. Armin 157, 178 Moltmann-Wendel, Elisabeth 105, 125 Mommsen, Theodor 260–261, 272 Monaghan, Patricia 209, 222 Moore, Stephen D. 32, 77, 97, 363, 366–367, 376–378, 384, 390, 402 Moreland, Milton 392, 402 Mortley, Raoul 105, 125 Mosbahi, Hassouna 198, 221 Moser, Marcía 40, 73 Moss, Candida R. 371, 378 Moxnes, Halvor 17, 32, 363, 378, 427, 428 Mueller, Hans-Friedrich 260, 262, 268, 272 Muirhead, James 334, 353 Muñoz, José Esteban 56–58, 73 Murnaghan, Sheila 304, 321, 322, 323 Musurillo, Herbert 84, 97 Mutschler, Bernhard 370, 378 Nagel, Tilman 196, 222 Nanos, Mark 276–277, 295, 298 Nash, Jennifer C. 329, 355 Nasrallah, Laura 16, 19, 32, 382, 402 Neuwirth, Angelika 20, 32 Neyrey, Jerome 384, 387, 396, 402 Nicolet, Claude 288, 298 Niehoff, Maren R. 228, 238–239, 249 Nielsen, Eduard 152 Nihan, Christophe 148, 152 Nijf, Omno van 364, 378 Nissinen, Matti 14, 32 North, John 158, 177 Noth, Albrecht 195–197, 207, 221, 222 Nussbaum, Martha 45 Oertelt, Friederike 24, 427 Økland, Jorunn 80, 82, 97 Opitz-Belekahal, Claudia 5, 32 Ortner, Sherry B. 75, 97
Osiek, Carolyn 66, 73 Pagels, Elaine H. 105–106, 125 Paret, Rudi 186, 192, 213, 217, 222 Parsons, P. J. 81, 97 Patterson, Orlando 326–327, 355, 412–413, 429 Pattynama, Pamela 75, 97 Pearce, Sarah 234, 245, 249 Pearson, Birger A. 90, 97 Pêcheux, Michel 56 Pellegrini, Ann 72 Penner, Todd 16–17, 32–33, 103, 126 Peppard, Michael 286, 295, 298 Peristiany, John G. 252, 255–256, 272 Perkins, Judith 85, 97 Peskowitz, Miriam 305, 323 Petersen, Alan 76, 97 Petersen, Silke 22, 44, 72, 111, 114, 125 Phoenix, Ann 75, 97 Pierce, Karen F. 310, 322 Pitt-Rivers, Julian A. 252, 255–256, 272 Plaskow, Judith 10, 32 Plüss, David 14, 33, 44, 74 Pohl-Patalong, Uta 42–43, 73 Pokorný, Petr 368, 378 Pólay, Elemér 334, 355 Porten, Bezalel 145, 153 Porton, Gary 416, 429 Potter, David 85, 97 Pressler, Carolyn 311, 323 Preuss, Julius 417, 429 Price, Simon 158 Prieur, Jean-Marc 350, 352 Puar, Jasbir 61, 73 Rabello, Alfredo M. 252–254, 272 Rai, Amit S. 386, 402 Rajak, Tessa 415, 429 Raven, Wim 200, 222 Rawson, Beryl 78, 97 Reed, Jonathan L. 274, 297 Reinmuth, Titus 131–132, 146, 153 Rendtorff, Barbara 4 Robeck, Cecil M. 84, 97 Roberts, C. H. 81, 97 Rohrbacher, David 366, 378 Roller, Duane W. 178 Rosen, Ralph M. 363, 378 Rosenthal, Franz 213, 222
Personenregister
Rossi, Andreola 390–392, 402 Rotter, Gernot 189–190, 192 Rudberg, Stig Y. 342, 353 Rudolph, Kurt 105, 125 Rudolph, Wilhelm 136, 138, 153 Ruffing, Andreas 363, 377 Runnalls, Donna 415, 429 Rüpke, Jörg 18, 32, 206, 221–222 Russel, Letty 279–280, 298, 299 Said, Edward 39, 73, 102, 125 Saldanha, Arun 61, 73 Salevsky, Heidemarie 280 Saller, Richard P. 252–254, 271–272, 304–306, 323, 343, 355 Salmon, John 363, 375–376 Sanders, Ed 414, 429 Santoro L’Hoir, Francesca 366, 378 Satlow, Michael L. 240, 249, 304, 310, 313, 323, 367, 378 Sauer, Birgit 31 Sawicki, Marianne 397, 402 Schäfer, Peter 424, 429 Scheidel, Walter 307, 313, 323 Schenke, Hans-Martin 81, 97, 111 Schenkl, Karl 341, 352 Scheper-Hughes, Nancy 76, 97 Schimmel, Annemarie 212, 222 Schipper, Jeremy 13, 30 Schleyer, Dietrich 107, 108 Schmidt, Carl 111 Schmidt, Karl M. 368, 378 Schneider, Rolf Michael 289, 298 Schottroff, Luise 11, 32, 274, 299 Schottroff, Willy 11, 32 Schroeder, Joy A. 343–344, 355 Schröter, Jens 44, 72 Schubert, Charlotte 364, 378 Schubring, Konrad 423, 429 Schumacher, Leonhard 340 Schüssler Fiorenza, Elisabeth 11–12, 16, 19, 32, 274, 291, 297, 299, 381, 383, 397, 399, 401, 402 Scopello, Madeleine 105–106, 125 Scott, James C. 282, 297–299 Scott, Joan W. 53, 72, 74 Scott, Patricia B. 72 Segal, Charles 384, 402
457
Segovia, Fernando F. 16, 30, 32, 383, 400 Selb, Walter 253, 271 Shaikh, Saʿdiyya 10, 32 Shamsul, Bettina 198, 222 Shaw, Brent D. 84, 97, 253, 272 Siegele-Wenschkewitz, Leonore 10, 32 Sieveking, Wilhelm 178 Silvas, Anna M. 335, 353 Siquans, Agnethe 147, 153 Sluiter, Ineke 363, 378 Sly, Dorothy 228, 235–238, 249 Smallwood, Mary E. 229, 233, 235, 240, 245, 249 Smith-Christopher, Daniel 135, 142, 153 Smith, Richard 87, 97 Smith, Roland R. R. 288, 292–293, 299 Snowden, Frank 412–415, 419–423, 429 Soards, Marion L. 400, 402 Sölle, Dorothee 11, 32 Späth, Thomas 242, 249, 363–364, 378 Speitkamp, Winfried 252, 272 Spencer, Scott 408, 429 Spivak, Gayatri C. 39–40, 68, 74, 272 Stager, Laurence E. 314, 323 Standhartinger, Angela 232, 243, 249, 279–280, 295–296, 299, 397–399, 402, 427 Stanley, Christopher D. 274, 277, 298, 299 Stegemann, Wolfgang 11, 32 Steinberg, Leo 360, 376, 378 Stein, Dina 311, 323 Stendahl, Krister 275–276, 299 Sterling, Gregory R. 243, 249, 384, 402 Sternberg, Rachel H. 385–386, 391, 403 Stern, Ephraim 133 Stern, Gertrude H. 179–181, 187, 188, 192, 209, 211, 216, 223 Stetter, Eckart 196, 223 Steyerl, Hito 251, 272 Stowasser, Barbara F. 190, 192, 196, 223 Strahm, Doris 42, 74 Sutter Rehmann, Luzia 274, 299 Szesnat, Holger 228, 249 Tabernee, William 121, 125 Tamez, Elsa 280, 299 Tannehill, Robert 385–387, 393, 395, 403 Taylor, Joan 228, 238, 249
458
Personenregister
Theißen, Gerd 18, 33 Themann-Steinke, Andrea 260, 272 Thomas, Yan 252, 253 Thompson, Lloyd 413–414, 419–420, 422–423, 429 Thon, Johannes 133, 153 Thurman, Eric 368, 371, 374, 378 Tiede, David 388, 403 Till, Walter C. 81, 97 Tomkinson, Theodosia 341, 352 Toohey, Peter 363, 376 Török, László 411–412, 419, 429 Tougher, Shaun 407, 411, 413, 417, 423, 428, 429 Treggiari, Susan 157, 178, 256, 272, 305, 323 Trevett, Christine 121, 126 Trible, Phyllis 280, 298, 299 Vacca, Virginia 207, 223 Valtink, Eveline 10, 33 Vander Stichele, Caroline 16–17, 32, 33, 103, 126 Villalobos, Manuel 15, 33 Wagner, Falk 18, 33 Waldstein, Michael M. 86, 97 Walgenbach, Katharina 2–3, 6, 7, 33, 40, 47–49, 58, 72, 74 Walker, Alice 12, 33 Wallace, David R. 285, 299 Walz, Heike 14, 33, 44, 74 Wander, Bernd 408, 429 Wan, Sze-kar 19 Ward, Graham 360, 378 Wardle, David 259, 272 Washington, Harold C. 144, 153 Watson, Alan 326, 328, 340, 353, 355 Watt, W. Montgomery 197–198, 206–207, 209, 211, 223 Weems, Renita J. 12 Wegener, Judith R. 232, 249 Welch, Alford T. 197–198, 206–207, 209, 211, 223 Wellhausen, Julius 196, 206–207, 209, 223 Wenning, Norbert 8, 32, 182, 192 Westbrook, Raymond 303, 311, 315, 323 West, Candace 5, 7, 31, 33 Wiedemann, Thomas 412–413, 424, 429
Wilckens, Ulrich 102 Wild, Ute 13, 30 Wilhelm, Dorothee 13, 33 Wilken, George Alexander 197, 223 Williams, Craig A. 347, 355, 367, 379 Williams, Delores S. 12–13, 33, 280, 299 Williams, Demetrius 15, 382, 403 Williams, Frank 113 Williams, Michael A. 87–88, 98, 102, 126 Williamson, Hugh G.M. 133–135, 137– 140, 153 Willi, Thomas 143 Wills, Lawrence 389, 403 Willvonseder, Richard 340, 355 Wilson, Robert McL. 81, 98 Winker, Gabriele 2–4, 7–8, 33, 193–194, 221, 223, 405, 429 Winkler, John J. 364, 379 Winn, Adam 368, 379 Winston, David 236, 250 Winterbottom, M. 339, 353 Wisse, Frederik 86, 97 Witherington, Ben 156, 171–172, 174, 178 Witte, Markus 132, 146 Wittig, Monique 361, 379 Witulski, Thomas 295, 299 Wlosok, Antonie 256, 272 Wolfe, Michelle L. 347, 352 Wollrad, Eske 13, 33, 280, 299 Wood, Susan E. 242–244, 249 Wright, David P. 340–341, 353, 355 Wurst, Gregor 111 Wyke, Maria 363, 376, 379 Yamauchi, Edwin 410, 429 Yardeni, Ada 145, 153 Yuval-Davis, Nira 46, 74–75, 98 Zach, Michael 410–412, 429 Zaid, AbÚ 192 Zakovitch, Yair 146–147, 153 Zambrana, Ruth E. 375, 376 Zanker, Paul 242–243, 250, 283–285, 288, 299 Zenger, Erich 146, 153 Zetterholm, Magnus 274, 300 Zimmermann, Don 5 Zscharnack, Leopold 104, 126
Sachregister þÀÿiÊa, Ehefrau des Propheten Mu½ammad 184, 200 þAÈmÁÿ bint MarwÁn, Dichterin und Gegnerin Mu½ammads 213 Aberglaube 157, 170 Abraham 273, 276, 281, 285–286, 291, 296 Abtreibung 185, 191 Adam 87–88, 93 Alter 4, 183 Àmina 197 Amme / wetnurse 307, 309 Ammion, Presbyterin 121 Amtsträgerinnen 66, 117, 120 –– Bischöfinnen 117 –– Diakoninnen 120 –– Jungfrauen / enrolled church virgins 325–326, 330, 333, 335–336, 338, 352 –– Presbyterinnen 117, 121 –– Priesterinnen 189, 206–209 –– Witwen / church widow 333 Androgynität 67, 364 Antijudaismus 10–11 –– in Lukas 388–389, 389, 392, 393 Apostolizität 65 Artaxerxes I. 132 Artaxerxes II. 132 Assemblage 60–61 Atilia, Tochter des Atilius Philiscus 259, 263, 267 Augustus 240–241 Basilius von Caesarea / Basil of Caesarea 325, 330 Begehren / desire 54 Behinderung 47, 69 Bernike 409 Beschneidung 276–277, 279, 281, 291, 294 –– Beschneidungskontroverse 275, 280, 294, 296 Bibel in gerechter Sprache 44 Bilha 241, 340
Binarität 273, 274, 276–277, 287, 295 Biologie 55 Biomacht 53, 70 Black Theology 41 Blandina, Christin und Sklavin 325 Braut / bride 333–336 –– Keuschheit / chastity 326, 328, 337, 339 –– pudicitia 251–255, 258–262, 264, 266–270 –– Unreinheit / unchastity 339, 342 Christentum / Christinnen 68, 216 –– African American Christians 339 Clemens von Alexandrien 77 Damaris 406 Deessentialisierung 1, 6, 18, 45 Dekonstruktivistische Kritik 40, 45, 59 Dienerin / maidservant 318 Diebstahl 185, 191 Disidentifizierung 37, 40, 55–74, 56, 59 Diskriminierung 2–5, 8, 21, 26–29, 46, 48, 57 Diskurse 39, 50, 58, 65, 69, 76, 84–85, 90–91, 94 Ebenbildlichkeit 67 Ehe / marriage 180–181, 186–187, 190, 197, 199–205, 211, 305, 325, 327, 331, 333, 336–338, 342–346, 348, 351 –– baþl-Ehe 180, 191 –– contubernium 338 –– marriage by abduction 338 –– marriage by some force 351 –– Mischehe 185–186, 191 –– mutþa-Ehe 180 –– Polyandrie 180, 197 –– Polygynie 188, 197, 304 –– ÈadÍqa-Ehe 180 –– secret marriage 334, 337, 339 –– þurfÍ-Ehe 180
460
Sachregister
Ehebruch / adultery 182–184, 187, 345, 349–350 Ehefrau / wife 342–343 Ehelosigkeit / celibacy 15, 22–23, 29, 157–159, 177, 325 Ehemann / husband 343, 348–349, 351 Ehescheidung / divorce 180, 186, 187, 192, 342, 344–345, 349, 351 Ehre–Schande / honour–shame 230–231, 233, 251–252, 254–257, 264–265, 268– 269, 372 –– degradation and parasitic dishonoring 327 Elephantine 132, 145 Elisabeth,Mutter Johannes des Täufers 90 Emmelia, Mutter des Basileus von Caesarea 331 Engel 63 Ennia, Frau des Q Naevius Cordus Sutorius Marco 228, 234–236 Epinoia 87, 89 Epiphanius / Epiphanes 81 Episteme 48, 51, 58, 69–70 Erbe 180, 191 –– Erbrecht 144, 148, 150 Erde, Gaia 274, 293, 296 Essenzialimus 1, 5–8, 14, 18, 22, 45, 49, 59–60, 69–70 –– prä-essentialistisch 60 –– voressentialistisch 62 Ethnos, Volk, Völker / people 5–7, 15–16, 18–21, 23, 26–27, 42, 133–134, 138, 140, 143, 147–149, 151, 273, 277–278, 281, 287–290, 295–296 –– Völkerfrauen 273, 293, 295 –– Völkerschaften 292 –– Weltvölker 286 Eunuch 405–430 –– Bagoas 417, 418 Eva 87–89, 93, 109, 116, 119 Evangelien 111 Familie 180, 303, 339, 348 Familienkonstrukte 273, 276–278, 281, 284, 286, 294 FÁÔima bint al-¾aÔÔÁb 216 Felicitas, Märtyrerin 325 Feminismus 180 –– Feministische Kritik 2, 13, 50, 360 –– Black Feminism 3
–– Feministische Bibelinterpretation 15 –– Feministische Theologie 9, 10, 13–14, 41 –– Transnational Feminist Theories 55 Flora, Christin und Briefpartnerin des Gnostikers Ptolemäus 116 Frau / female 330, 339 –– Frauenbild 122 –– Frauenfiguren 38 Frau des Potiphar 235 Freie Person / freeborn person 68, 330, 333, 337–339, 347–349 Freie Braut / free bride 333 Freie Tochter / free daughter 337, 348 Freier Vater / free father 348 Freie Witwe / free widow 346 Freie Ehefrau / free wives 352 Fremdheit 158, 164–166, 176 Freundschaft / friendship 321 Frömmigkeit 240–242 Fulvia, Frau des Marc Anton 160–161, 165, 174 Geburt / natality –– natal alienation 326–327 Gemeinschaft 68 Gender 1, 2, 4–5, 7–8, 11, 14–15, 17–20, 22–27, 29, 43, 47, 50, 53–54, 60, 66, 68, 70, 75, 77–78, 80–85, 87–90, 92–95, 144–145, 150, 157, 182–184, 187, 190–191, 303, 330, 347–349, 351 –– gender, class, race 4, 9, 13 –– Undoing Gender 54 Genealogie 273–276, 278–279, 282–287 Geschlechterkonstruktionen 273, 287, 292 –– vorislamische 190,192 Geschlechterstereotypen 22 Geschlechterverwandlung 238–239, 240 Geschlechtsidentitäten 360 Gesellschaft 181–182, 186, 188, 191 Gewalt 51, 69 –– schlagende / beating 342–343, 351 –– epistemische 21, 37, 69–70 –– physische / physical violence 352 –– Unterdrückung durch / domination supported by violence 326 Glaube/Unglaube 41, 181, 183–187, 190–192 Gleichberechtigung 122 Gnosis 102, 104–105, 112 Göttin/Gott 180, 183, 185, 189, 190
Sachregister
–– al-LÁt 189, 196, 209, 214 –– al-ManÁt 196 –– NÁÿila 208 –– al-þUzzÁ 189, 196, 206, 208 –– Göttlichkeit 273 ¹uwayriya bint AbÍ ¹ahl, Tochter eines Gegners Mu½ammads 214–215 Hagar 273, 279–281, 287, 290–291, 293–296, 298–299, 340 Handlungsfähigkeit, Handlungsautonomie / agency 57, 62, 180–181, 185–186 Häresie 99, 102–104, 106–107, 112, 115–122, 192 Haus, Haushalt / house, household 78, 86–87, 93, 183, 303 –– Haustafeln 76 –– Oikonomie 232 –– Hausarbeit / household work 305 Hautfarbe 15, 27, 42, 47, 50, 189 Herkules 166 Hermeneutik 41, 360 –– fundamentalistische 70 Herrin, Herr / mistress, master 185, 188, 191, 327, 331, 339, 341, 343, 346, 348–349, 351 –– Ehefrau des Herrn / master’s wife 349 –– Sexualität mit Sklavinnen / sex with his slave-woman or slave-girl 340–341 Heterosexualität 15, 17, 88 Hind bint þUtba, Anhängerin Mu½ammads 188, 191, 210–214 Hohepriester 132, 134–135 Homonationalismus 61 Human Flourishing 59 Hybridität / hybridity 273, 277, 281, 295 Identät und Alterität 70, 75, 79, 81, 85, 87, 94, 167, 274, 276–281, 287, 291, 294–296, 329–330 –– Identitätskonzepte 129, 133, 143, 145–146, 150 –– identities of race and gender 328 –– religiöse 193–194, 220 –– Stammesidentität 194–195, 198–199, 219, 275 Imma Shalom 303 Intention des Autors 361 Intersektionalität / intersectionality 1, 6, 26, 41, 45–75, 104, 130, 182, 187, 191,
–– –– –– –– –– ––
461
194, 220–221, 274, 280, 287, 296, 325–326, 328–330, 332, 352, 354–355, 375, 405–430 in den Bibelwissenschaften 1–34 Intersektionalitätsanalyse 1, 3, 9, 17, 21, 27–34 gender and ethnicity 399 religion and race 383 Intersektionalitätsdiskurs, Intersektionalitätsdebatte 4, 14, 18, 69 Ursprung des Begriffs 2
Jerusalem 130–131, 134, 139, 143 –– judgment against 387–389, 396 –– Roman conquest of 385, 390–393, 395 Jesus 82–83, 88–92 –– Jesu Männlichkeit 359–379 Judentum 58, 291 –– Anti-Judaismus 273–275, 277, 279–281, 291, 297 Judith 307 Jüngerinnen 111 Jungfrauen / virgins 66, 238, 326, 330–331, –– lapsed virgin 334–335 Kanon 38, 69 Kategorien 4, 6–9, 13–14, 17–18, 21, 23, 27–28, 38, 51 Kaþba 196–197, 207–209, 213 Kinder / children 303 Kirche 63 Klageritual / mourning ritual 397, 399 Klasse 2, 4–5, 15, 17, 25, 27, 47, 50, 53, 60, 68–69 Kleidung 183, 190 Klostergemeinschaft / monastic communities 351 Königinnen / queens –– Amanirenas[e] 411 –– Amanitore 411 –– Kandake 410–411 –– Kleopatra 23, 159, 161, 163–164, 167, 174, 177, 227, 245, 246, 248, 410 Kollyridianerinnen 118, 120, 121 Kolonisation 273, 281, 290, 294 –– kolonialer Kontext 277 Konkubine / concubine 311 Kontextualität 50 Konversion 185, 191 Körper 4, 5, 11, 13, 15, 18, 21, 27, 43, 61–63, 68, 76, 82–83, 86, 90, 92–93, 183, 284,
462
Sachregister
292–296, 364–365, 368–369, 374 –– Körperform 273, 275, 278–279 –– Kollektivkörper 68 Krieg 273, 283, 286–287, 291, 294–295 Kritische Re-Imagination 283 Kult 133, 147–148 Kyriarchat 12, 381 Lea 235 Lehrerinnen, Lehrer 68, 120 Liebesverhältnis 66 Livia, Frau des Augustus 24, 229, 240–241, 248 Lucretia 257–258, 262–264, 270 Maenia, Tochter des P. Maenius 258 Makrina, Schwester des Basilius von Caesarea 331, 338 Mann / male 330, 406 Männlichkeit / masculinity 5, 9, 23, 25–26, 82, 85–86, 89, 93, 122, 149, 158, 163, 165–166, 175, 273, 286–287, 362, 384–385, 394 –– Männlichkeitskonzept 236–240, 273, 283, 287, 292 –– Männlichkeitsrituale 287 –– hegemoniale Männlichkeit 363, 366, 374 –– masculinity and tears 389–390, 392 Marc Anton 23, 159, 162, 164, 165, 167, 177 Marcellina, Carpocratianerin 104, 109–110, 117 Marginalisierung 21, 50–51 Maria Magdalena 82, 83, 93, 111, 114, 115, 397 Maria, Mutter Jesu 90, 109, 118 Maria, Mutter Jakobus des Jüngeren und Joses 397 Märtyrerinnen, Märtyrer 85, 91–93 –– Perpetua 84–86 –– Felicitas 325 –– Sumayya bint ¾ubbÁÔ 215 Maximilla, frühchristliche Prophetin 117– 118 Medizinische Texte 364 Menschenraub / abduction 333, 346–347 Methodik 361 –– Ambiguität 67 –– Formenwahl 67
–– historisch-kritische 360–361 –– Leseperspektive 362 –– Polysemie 67 Midianitische Frau 235 Mimickry 374 Minority 15, 29 –– Minority Biblical Criticism 15 Moderne 52 Moralvorstellungen 158, 161, 164–165, 169–171, 173, 175 Moscheen 61 Mu½ammad 184–185, 188–192, Mujerista-Theologie 42 Mutter 277, 279, 295, 338 –– Maternitätskonstrukte 275–276, 279 –– Mutterschaftsstreit 280 Nation 47, 50, 53, 60, 69 Norm, hierarchische 77, 165, 168, 174 Occupy-Wallstreet 61 Oktavia, Frau des Marc Anton 160, 162, 174 Omphale, Frau aus der griechischen Mythologie 166 Orientalismus 39 Pädagogik 68 Partnerschaft 179–192 Patriarchat 10, 12, 17, 77, 87–89, 93, 194 Paulus, Paulusinterpretation 273–282, 286, 288–299 Performativität 54, 59–60, 365 Perpetua, Märtyrerin 84–86 Philippus 27 Philumena, frühe Christin 104, 108–110 Physiognomik 365 –– Physiognomisten 365 Plautus 258 Plutarch 23, 162–163 Pogrom in Alexandria 229–230 Polytheismus 181, 184–191 Pontia, Tochter des Pontius Aufidianus 258, 263, 265 Postkolonialismus 50, 55, 68–74 Postmoderne 53 Priskilla 117–118 Pronoia 87, 89 Prophetie / prophecy 64–65, 68, 117, 120–121
Sachregister
Prophetinnen 117, 118, 120, 207 –– Quintilla 117–118 Prostitution 180 Qayla bint Ma¿rama, frühe Anhängerin Mu½ammads 215 Queer 7, 14, 21, 37–38, 55–74 –– Homosexualität 12 –– LGBTIQ 50 –– Queer of Color Critique 57 –– Queer Studies 329 Rabbi Ismael 413–414 Rahel 235 Rasse, Rassismus, race 2, 4–5, 8, 12, 14, 21, 27, 47–48, 50, 53, 56, 58, 60, 69 –– Critical Race 55 Ray½Ána, Jüdin zur Zeit Mu½ammads 194, 199–206, 218 Recht / law 180, 187, 191 –– Kirchenrecht / church law 337 –– Rechtsvorstellungen 45, 50, 69 –– Kanonisches Recht / canon law 332 –– Paradox des Rechts 37 –– legal status 330 –– ius vitae necisque 251, 252, 253 Rechtfertigungslehre 274–276, 279, 297 Rechtgläubigkeit 122 Reinheit / purity 316 Relationalität 68 Religion 1, 4–5, 7–9, 11, 15, 17–34, 38, 41, 47, 50–51, 53, 58, 60–61, 68–69, 76–79, 81, 84, 92, 95, 122, 157, 173, 179, 180–182, 188, 190–191 –– altarabische 190, 196, 199, 206, 208– 210, 217, 219–220 –– christliche 10, 16–17, 20, 22–23, 28, 30, 53, 69–74, 122, 182, 191, 206 –– griechische 30 –– römisch imperiale 11, 23, 30, 273, 282, 286, 291, 294, 295 –– islamische 14, 20, 22–24, 30, 53, 61, 69–74, 99, 122, 179–192, 279 –– jüdische 10, 14, 17, 19, 20, 22, 26, 27, 28, 30, 53, 100, 122, 130, 145–149, 148, 150, 180, 182, 186, 191, 199, 201, 204, 206 –– transreligiöser Overlap 59 –– Religionspolitik 24 –– Religiöse Spezialistinnen 206, 208, 210, 218–219
463
Rhea Silvia (Ilia), Priesterin aus der Gründungszeit Roms 285 Rhode 63 Rom 11, 23, 30, 63, 273 –– römische Christengemeinde 65 –– römische Gesellschaft 363 –– römisch imperiale Ideologie / Roman Imperial ideology 241, 389–392 –– römische Militärmacht 369 –– römisches Reich 84–87, 91, 93, 120, 158, 162 –– römische virtus 375 Römisches Gesetz / Roman law 273–274, 277, 280–282, 291, 294–297, 326, 328, 330, 334–338 –– Lex Iulia 253 –– Zivilgesetz / civil law 345 Ruhm 372 Salome 397 Sara 172, 228, 239, 274, 276–277, 280–281, 286, 295, 318 SarrÁÿ bint NabhÁn al-³anawÍya, Priesterin in der altarabischen Religion 209–210 Schia 180 Schleier 183 Schmach 373 Seth 87, 93 Sexismus 47, 48 Sexualität 4, 5, 13, 15, 18, 21, 22, 27, 47, 54, 56, 60, 66, 70, 78, 83, 87, 90, 91, 93, 94, 172, 180, 181, 183, 185, 186, 187, 197, 198, 199, 211, 311, 366 –– institutionalisierte sexuelle Belästigung / institutionalized sexual harassment 327 –– Jesu Sexualität 369 –– sexuelle Gewalt / sexual violation 25, 331, 341, 346, 347, 352 –– sexueller Übergriff / sexual transgression 325, 328, 331 –– sexuelle Verletzlichkeit / sexual vulnerability 328 –– sexuelle Versklavung / sexual slavery 327 –– stuprum 259, 260, 263, 264, 265, 266, 267, 268 –– sexueller Übergriff auf freie Frauen / free woman who is sexually assaulted 349
464
Sachregister
Säkularität 53 Silpa / Zilpah 241, 340 Sklavinnen, Sklaven, Sklavenstatus / slaves, slavery 8, 17, 25–27, 29, 63, 66, 68, 76, 78, 89, 167, 184–185, 199–201, 203, 213, 218, 273, 279, 281, 289–293, 296–297, 303, 325–326, 328, 330–331, 333–334, 335–344, 346–351 –– Person und Sache / both person and thing 337 –– als sozialer Tod / slavery as “social death” 327 –– U.S. slavery 327 –– versklavte Vergewaltigungsopfer / enslaved rape victim 350 –– Angriff auf, Kontrolle von Sexualität / assault on slave-woman, control of a slave-woman’s sexual function 349, 351–352 Sklavenehe / slave marriage 328, 332 –– als geschlechtsspezifische Institution / slavery as a gendered institution 331 –– heute / slavery in today’s world 327 –– Nachkommen / slave-woman’s offspring 348 Sklavenhalter, Sklavenhalterin / slaveholder, owner 325–326, 328, 333–339, 341, 343–344, 346, 348–349 Sklavenordnung 280 Solidarität 67, 273, 277–278, 295–296 Sophia 88, 89, 93 Stammesstruktur –– matrilinear 197–198, 211–212, 216 –– patrilinear 197–198, 212 Status 4–6, 8, 12, 15, 18, 23, 25–27, 29, 89, 185, 191 Strafe 181, 183–184 Subalterne 39 Subjektivität 54, 63 Subjektwerdung 57, 62, 66, 70 Sumayya bint ¾ubbÁÔ, muslimische Märtyrerin 215 Synode von Gangra 351 Tabita 317 Tamar 241 Tauchbad / immersion 316 Taufe 65 Teufelin 189 Therapeutinnen 228
Tochter / daughter 348 –– Daughters of Jerusalem 396 Tod / death 326 Tora 132, 133, 136, 139–143, 140–144, 145–149, 147–151, 150 Transformation 68 Tugend 363, 366 Umm ¼abÍba, Ehefrau des Propheten Mu½ammad 216–217, 219 Umm þUÝmÁn bint Šayba, Bewahrerin des Schlüssels der Kaþba 207 Umm ¹amÍl, Dichterin und Gegnerin Mu½ammads 213, 215 Umm al-Manªur 202 Umm KulÝÚm 215, 219 Ungehorsam / insubordination 336 Unreinheit / impurity 340 Unterordnung / subordination 349 Unterdrückung / oppression –– triple oppression 47 Untreue / infidelity 179–192 Unzucht / fornication 186, 337, 338, 340, 349, 350 Valeria, Frau, die als Eunuch bezeichnet wird 407 Vater / father 277–278, 281, 283–284, 286, 294–295, 333, 337, 347, 364 –– pater familias 66, 173, 370–371 –– Paternitätskonstrukte 276, 285 –– pater patriae 281–285, 288, 295 –– patria potestas 251–254, 265, 272 –– verkauft seine Tochter in die Sklaverei / selling his daughter into slavery 340 Verginia 254, 258, 263, 264, 265, 268 Vergewaltigung / rape 310, 328, 331 Visualität 273, 279, 282, 284, 292 –– Blick 183 Vormund 187 Wahrsagerin 206 Weiblichkeit, Weiblichkeitsdiskurse, Weiblichkeitskonzepte / femaleness 5, 9, 23, 66, 103, 144–148, 158, 161, 163, 165, 166, 169, 170, 173, 174, 236–240, 288, 325, 328, 330 –– Weiblichkeit eines besiegten Volkes / femininity, of a defeated ethnos 399 –– Weiblichkeit Jesu im Markusevangelium
Sachregister
/ femininity, Markan Jesus and 398 –– Weiblichkeitskonstrukte 273, 287, 288, 290, 291, 292, 293 Weisheit 62 Widerstand / resistance 347 –– von Sklavinnen/Sklaven / enslaved resistance 339, 345 Whiteness 55
465
Witwen / widows 334, 345–346, 348 Wissen, Wissenschaft 62, 70, 181, 190, 191 Womanistische Theologie 12, 13, 42 wo/men 383 Zauberin 207, 214 Zippora 415
Autorinnen und Autoren des Sammelbandes Prof. Dr. Ulrike Auga ist Juniorprofessorin für Theologie und Geschlechterstudien am Seminar für Religionswissenschaft, Interkulturelle Theologie sowie Ökumenik der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland. Prof. Dr. Bärbel Beinhauer-Köhler ist Professorin für Religionsgeschichte an der PhilippsUniversität Marburg, Deutschland. Prof. Dr. Bernadette J. Brooten ist Kraft-Hiatt Professor of Christian Studies, of Women‘s and Gender Studies, of Classical Studies, and of Religious Studies, sowie Gründerin und Direktorin des Brandeis Feminist Sexual Ethics Project an der Brandeis University, Waltham, Massachusetts, USA. Dr. Doris Decker ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Religionsgeschichte an der Philipps-Universität Marburg, Deutschland. Prof. Dr. Ute E. Eisen ist Professorin für Altes und Neues Testament an der Justus-LiebigUniversität Gießen, Deutschland. Prof. Dr. Christine Gerber ist Professorin für Neues Testament an der Universität Hamburg, Deutschland. Prof. Dr. Catherine Hezser ist Professor of Jewish Studies an der School of Oriental and African Studies der University of London, Großbritannien. Prof. Dr. Brigitte Kahl ist Professor of New Testament am Union Theological Seminary in the City of New York, USA. Prof. Dr. Karen L. King ist Hollis Professor of Divinity an der Harvard Divinity School, Cambridge, Massachusetts, USA. Dr. Christiane Krause ist Sprachdozentin für Altgriechisch und Latein am Institut für Neues Testament und am Institut für Kirchen- und Dogmengeschichte an der Universität Hamburg, Deutschland. Prof. Dr. Martin Leutzsch ist Professor für Biblische Exegese und Theologie an der Universität Paderborn, Deutschland. Prof. Dr. Christl M. Maier ist Professorin für Altes Testament an der Philipps-Universität Marburg, Deutschland.
468
Autorinnen und Autoren
Aliyah El Mansy ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Neues Testament an der Philipps-Universität Marburg, Deutschland. Prof. Dr. Shelly Matthews ist Professor of New Testament an der Brite Divinity School, Fort Worth, Texas, USA. Prof. Dr. Moisés Mayordomo ist Professor für Neues Testament und Antike Religionsgeschichte an der Universität Bern, Schweiz. Dr. des. Friederike Oertelt ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Altes und Neues Testament der Universität Hamburg, Deutschland. Prof. Dr. Silke Petersen ist Professorin für Neues Testament an der Universität Hamburg, Deutschland. Prof. Dr. Angela Standhartinger ist Professorin für Neues Testament an der PhilippsUniversität Marburg, Deutschland.