Für Wissenschaft, Orden und Kirche in Zeiten der Modernismuskrise: Leben und Werk von Vincent Zapletal OP 9783110749090, 9783110746020

The introduction of modern methods in Catholic biblical scholarship is one of the most dramatic chapters in the crisis o

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German Pages 317 [318] Year 2022

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Table of contents :
Inhalt
Einführung
1 Zapletals Weg zur katholischen Exegese
2 Das wissenschaftliche Werk, die ersten großen Erfolge
3 Die Zeit der Prüfungen und Kämpfe
4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI
5 Zusammenfassung
Verzeichnis der Abkürzungen
Quellen- und Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Personenindex
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Für Wissenschaft, Orden und Kirche in Zeiten der Modernismuskrise: Leben und Werk von Vincent Zapletal OP
 9783110749090, 9783110746020

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Tomáš Petráček Für Wissenschaft, Orden und Kirche in Zeiten der Modernismuskrise

Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens Neue Folge Im Auftrag der Dominikanerprovinz Teutonia herausgegeben von Elias H. Füllenbach OP (federführender Herausgeber) Ulrich Engel OP Paul Dominikus Hellmeier OP Ulrich Horst OP Klaus-Bernward Springer Begründet von Isnard W. Frank OP † Kaspar Elm † Ulrich Horst OP Walter Senner OP †

Band 25

Tomáš Petráček

Für Wissenschaft, Orden und Kirche in Zeiten der Modernismuskrise Leben und Werk von Vincent Zapletal OP

Übersetzung aus dem Tschechischen: Ilka Giertz (1.2), Kathrin Janka (3.0–3.4) und Kristina Kallert Gesamtredaktion der Übersetzung: Kristina Kallert Die Übersetzung erfolgte mit finanzieller Unterstützung der Universität von Hradec Králové und des Dominikanerinnenkonvents in Wien-Hacking.

ISBN 978-3-11-074602-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-074909-0 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-074920-5 ISSN 0942-4059 Library of Congress Control Number: 2022942760 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Abbildungen: Archives de l’Albertinum, Fribourg. Wir danken für die freundliche Druckgenehmigung. Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Inhalt Einführung

1

 Zapletals Weg zur katholischen Exegese 6 . Jugendjahre, dominikanische Formung und wissenschaftliche 6 Ausbildung 11 . Die Gründung der Universität Fribourg . Professor für Exegese und die Veröffentlichung der Hermeneutica 16 biblica . Die ersten Konflikte des jungen Professors 21 23 Der katholische Gelehrtenkongress 1897 . . Demission der reichsdeutschen Professoren 25 . Die Indexkongregation und das Reiseverbot zum 30 Orientalistenkongress . Der Kampf um den Verbleib der Dominikaner in Fribourg 33 36 Erste Konflikte als Exeget .  Das wissenschaftliche Werk, die ersten großen Erfolge 40 40 Totemismus und hebräische Grammatik . .. Der erste große Erfolg 45 49 .. Querelen um den Doktortitel . Der Schöpfungsbericht mit Berücksichtigung der neuesten Entdeckungen 52 58 .. Resonanzen auf Zapletals berühmtestes Buch . Die Studiensammlung Alttestamentliches 64 . 69 Zapletals Verbindungen nach Böhmen und Mähren  Die . .. .. . .. . .. . .. .. . . .

Zeit der Prüfungen und Kämpfe 74 Offizieller Kurswechsel 74 Erste Schwierigkeiten 76 Caspar Decurtins 79 Neue Publikationen 82 Die Deutung des Buches Kohelet 84 Das Krisenjahr 1906 88 Zapletals Ernennung zum Vikar des Albertinums 94 Neue Herausforderungen 105 Probleme mit dem Kommentar zum Hohelied 107 Das Dekret Lamentabili und die Erlasse der Bibelkommission Gründung und Spionagetätigkeit der Sapiniére 119 Studium der hebräischen Metrik 121 Zweites Vikariat und weitere Sorgen 125

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VI

. .. .. .. .. . .. .. .. .. . .. .. .. . .. .. .. .. . .. .. ..

Inhalt

Die große Krise 1910 130 Reaktion auf die Enzyklika Editae saepe 130 133 Der Papst untersagt Zapletals Ernennung zum Rektor Neue Berichte nach Rom 140 Zapletals Manifest der progressiven katholischen Bibelwissenschaft 144 150 Dreifache kanonische Visitation: Theissling, Cormier, Molini Eine neue Affäre und Cormiers Bericht 151 156 Die Unsicherheit dauert fort; Benignis sehr häufiger „Fall“ Cormiers Visitation 160 165 Die Mission Molinis 167 Die dramatischen Ereignisse im Jahr 1911 Professor Speiser ergreift die Initiative 174 178 Veränderungen an der Fakultät und im Albertinum 181 Zapletal zum dritten Mal Vikar Die antimodernistische Kampagne 1912 185 Die Correspondance de Rome greift an 185 Ehrendoktorat und Löwener Affäre 193 196 Zapletal verlässt die Fakultät (nicht) Urteil über Lagrange 197 Letzter Ansturm der Integralisten 200 203 Die Deklaration der Sieben Zapletals Haltung zur Studienreform und Tod Speisers 208 Nachspiel zur Deklaration der Sieben 211

 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI. 214 Benedikt XV. – ein neuer Pontifex und die „neue“ Situation 214 . .. Zapletals viertes Vikariat 218 . Die internationale Universität in der neutralen Schweiz während des 220 Weltkriegs .. Das Generalkapitel in Fribourg 1916 224 .. Schwierigkeiten und Not während des Krieges 226 . Von wissenschaftlicher Exegese zum biblischen Roman 228 .. Letzte wissenschaftliche Arbeiten 231 236 .. Der Schriftsteller Vincent Zapletal . Nicht geglückter Wechsel nach Prag 1925 240 248 . Letzte Scharmützel 252 . Weggang nach Hacking . Herbst des Lebens 257  Zusammenfassung 261 . Zapletal und seine Welt . Verbindungen zu Böhmen

261 264

Inhalt

. . . . . .

Zapletal, Cormier und Lagrange 266 270 Kirche und Modernität 273 Fribourg und Rom – Modernisten und Antimodernisten Zapletal als erfolgreicher Schriftsteller 278 Zapletal in der Zeit des Nationalismus und der deutsch-tschechischen Spannungen 281 284 Zapletals Beitrag zur katholischen Exegese

Verzeichnis der Abkürzungen

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Quellen- und Literaturverzeichnis 293 I Primärliteratur: Die Arbeiten Vincent Zapletals I. Monografien und Lehrbücher 293 Rektoratsrede und Übersetzungen 293 I. 294 I. Biblische Romane I. Exegetische Aufsätze 294 II Quellen 295 II. Archivquellen 295 296 II. Gedruckte Quellen III Sekundärliteratur 297 Abbildungsverzeichnis Personenindex

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301

293

VII

Einführung Officium est enim boni interpretis non considerare verba, sed sensum S. Thomas Aquinatus. In Matth. XXVII, I.

Zwischen 1867 und 1868 wurden im Drahaner Bergland, jeweils am anderen Ende, zwei Mährer tschechischer Sprache geboren, die in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Geschichte der Bibelwissenschaften und der Orientalistik in entscheidender Weise prägen sollten. Beide wurden katholische Priester und veröffentlichten die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Arbeit vor allem auf Deutsch. Der eine, Alois Musil, hat sich als Verfasser abenteuerlicher Reisebeschreibungen und langjähriger Professor an der philosophischen Fakultät der Prager Karls-Universität ins öffentliche Bewusstsein eingeschrieben,¹ obgleich er weitaus mehr Aufmerksamkeit verdienen würde. Der andere, Vincent Zapletal, Ordensbruder und Universitätsprofessor in Fribourg/Schweiz, ist bestenfalls noch im Gedächtnis der tschechischen Dominikanerprovinz und des Dominikanerinnenklosters in Wien-Hacking lebendig.² Das vorliegende Buch soll diese bemerkenswerte und vielschichtige Persönlichkeit vorstellen. Mag eine Biographie manchem als Genre veraltet erscheinen, so gibt es meiner Meinung nach doch Persönlichkeiten, die seine Existenzberechtigung deutlich machen. Eine Biographie Vincent Zapletals kommt nicht umhin, zugleich dringliche Themen seiner Zeit zu behandeln: die Modernismus- und Antimodernismuskrise in der katholischen Kirche, die Entwicklungen in der katholischen Exegese innerhalb eines halben Jahrhunderts, die Entwicklung des Dominikanerordens, das Bestehen einer Dominikanerkommunität in der antiklerikalen Schweizer Föderation, die Errichtung einer katholisch-theologischen Fakultät ebendort, die Situation einer ordensgeleiteten Fakultät an einer staatlichen Universität, der Konflikt zwischen der wissenschaftlichen Freiheit theologischer Forschung und den Ansprüchen der kirchlichen Autoritäten. Die Geschichte eines tschechischen Bauernsohnes aus Mähren, den Begabung und Fleiß bis in das Amt des Rektors einer internationalen Schweizer Universität führten, gibt nicht nur Einblick in die hierarchischen Verhältnisse innerhalb der Kirche, sondern lenkt den Blick auch hinter die Kulissen eines

 In tschechischer Sprache ist eine eher populärwissenschaftiche, aber zuverlässige Biographie von Oldřich Klobas erschienen: Alois Musil zvaný Músa ar Rueili, Brno 2003. Zu Musils bibelwissenschaftlichen Arbeiten vgl. Tomáš Petráček, Bible a moderní kritika. Česká a světová progresivní exegeze ve víru (anti‐)modernistické krize [Die Bibel und die moderne Kritik. Die tschechische und internationale progressive Exegese in den Wirren der (anti‐)modernistischen Krise], Praha 2011, S. 58 – 69 und 188 – 193.  Vgl. Dominik Duka, Čeští dominikáni a Bible [Die tschechischen Dominikaner und die Bibel], in: Salve. Revue pro teologii a duchovní život [Revue für Theologie und geistliches Leben], 1996, S. 43 – 46, hier S. 45 f. https://doi.org/10.1515/9783110749090-001

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Einführung

Konvents, in dem man gemeinschaftlich leben musste, auch wenn die Ansichten über die Zukunft der Kirche auseinandergingen. Das Werk Vincent Zapletals ist ein wichtiges Kapitel in der Geschichte der modernen katholischen Exegese. In den Jahren seines wissenschaftlichen und pädagogischen Wirkens (1893 – 1928) erlebte Zapletal den enormen Aufbruch in der progressiven katholischen Exegese (1893 – 1903) und zwischen 1903 – 1914 ihre verzweifelten Selbstbehauptungsversuche, die schließlich in eine lange Stagnation mündeten (1914– 1943). Zapletals Kommentare zur Genesis, zum Buch Kohelet, zum Hohelied und zum Buch der Richter bilden zusammen mit seinen weiteren wissenschaftlichen Arbeiten den roten Faden unserer Darstellung. Auskunft über ihre Rezeption geben zeitgenössische Rezensionen und Kritiken in den einschlägigen katholischen und protestantischen wissenschaftlichen Periodika. Der Leser wird vor allem zwei Zeitschriften immer wieder begegnen, dem Časopis katolického duchovenstva (ČKD – ‚Zeitschrift der katholischen Geistlichkeit‘) und der Revue biblique (RB).³ Beide haben Zapletals Arbeiten kontinuierlich verfolgt und kritisch besprochen. Zapletal wurde mit 26 Jahren, nach zweijährigem Studienaufenthalt an der École biblique in Jerusalem, an die neu gegründete, vom Dominikanerorden geleitete theologische Fakultät der Universität Fribourg in der Schweiz berufen. Dort sollte er 35 Jahre wirken. Die schrittweise Errichtung einer theologischen Fakultät, die einerseits im katholischen Kanton Fribourg, andererseits aber in der antiklerikalen Schweizer Föderation lag, wäre ein Thema für sich. Als langjähriger Vikar musste Zapletal sich auch immer wieder mit den Problemen befassen, mit denen sich ein Ordenshaus in der antiklerikalen Schweiz allein schon deshalb konfrontiert sah, weil die konföderale Verfassung die Gründung neuer klösterlicher Gemeinschaften verbot. Am meisten Raum beansprucht das dramatische Kapitel des antimodernistischen Streits an der Universität Fribourg. Zapletal war den integralistischen Kreisen ein besonderer Dorn im Auge, denn sie hielten seine exegetischen Methoden für modernistisch und rationalistisch. Er und einige seiner dominikanischen Mitbrüder sahen sich zahlreichen Angriffen ausgesetzt, die auf die Initiative Einzelner ebenso zurückgingen wie auf das berüchtigte Spionagenetz der Sapiniére. ⁴ Auf das Verständnis der römischen Kurie konnten sie in dieser schwierigen Situation nicht hoffen. Intelligenz und Kampfgeist bewahrten Zapletal zehn Jahre lang vor dem Schlimmsten. Entscheidende Unterstützung erfuhr er allerdings von seinem Ordensoberen, dem klugen und umsichtigen P. Hyacinthe-Marie Cormier OP, der von 1904 – 1916 Ordensmeister der Dominikaner war.⁵ Das letzte Jahrzehnt des Pontifikats Leos XIII. fiel mit

 Der ČKD ist eine hervorragende theologische Zeitschrift, die in den Jahren zwischen 1828 – 1948 erschien. Die RB wurde 1892 von den Professoren an der Jerusalemer École biblique begründet und ist die erste französische Zeitschrift, die sich bibelwissenschaftlichen Fragen widmete.  Zur geheimen integristischen und antimodernistischen Organisation mit Namen Sapiniére (Sodalitium Pianum), die von Msgr. Umberto Benigni gegründet wurde, siehe Kapitel 3.5.  Zuletzt wurde eine Biographie vorgelegt von Guy Bedouelle, Le P. Hyacinthe-Marie Cormier, in: Le Père Cormier, Être à Dieu. Textes présentés et annotés par Gilles Berceville, Paris 1994, S. 7– 56.

Einführung

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Zapletals erstem Fribourger Jahrzehnt zusammen; diese Zeit zwischen 1893 – 1903 gehörte zu den gesegneten Jahren der Offenheit und Entwicklung in der katholischen Bibelwissenschaft. Auch Zapletal legte zwischen 1901– 1903 vier wichtige wissenschaftliche Arbeiten vor. Das nachfolgende Pontifikat unter Pius X. beschwor die Modernismuskrise herauf; die Situation änderte sich radikal. Modernismus ist das mehr oder minder erfolgreiche Bemühen, die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft mit den unabänderlichen Forderungen des Glaubens in Einklang zu bringen. Die katholischen Liberalen, die christlichen Demokraten und die christlich-soziale Bewegung bemühten sich um Lösungen für die politischen und sozialen Probleme, die die moderne Welt, die Welt nach der französischen und auch nach der industriellen Revolution, mit sich brachte, und die Modernisten arbeiteten an der Lösung intellektueller Probleme, welche die rasante Entwicklung der Wissenschaften im 19. Jahrhundert hervorgerufen hatte. Sie interessierten sich für Philosophie, Theologie, Exegese und den Wandel der innerkirchlichen Strukturen. Dieses Phänomen lässt sich keineswegs auf die katholische Kirche beschränken, vergleichbare Strömungen finden wir etwas früher bzw. etwas später in den protestantischen und orthodoxen Kirchen und auch im Judentum.⁶ Doch im Katholizismus mit seiner doktrinalen Glaubenslehre nahm dieser Konflikt zu Beginn des 20. Jahrhunderts besonders dramatische Formen an, zumal die römische Kurie im 19. Jahrhundert ihre zentrale Machtstellung ausbauen konnte. Heute sind sich die Kirchenhistoriker einig, dass der Modernismus nie eine einheitliche, homogene Bewegung mit klar definierten Zielen darstellte und er keine Sekte oder Partei war. Er ist so komplex, dass weder seine Anhänger noch seine Gegner zu einer übereinstimmenden Beschreibung finden konnten.⁷ Zapletals wissenschaftliches Werk will einem tieferen Verständnis der göttlichen Offenbarung dienen und die Autorität der Heiligen Schrift gegen einen hyperkritischen, alles Metaphysische grundsätzlich in Abrede stellenden Rationalismus verteidigen. In diesem Bemühen jedoch geriet er zugleich in einen kräftezehrenden Konflikt mit den katholische Integralisten, die für dieses Anliegen der modernen katholischen Exegese kein Verständnis hatten und sich von der Mehrheit der kirchlichen Autoritäten unterstützt wussten; insbesondere zwischen 1904– 1914 hatten sie gewissermaßen freie Hand. Die Zeit der Antimodernismuskrise ist der einzige Abschnitt in Zapletals Leben, der historisch aufgearbeitet wurde. Dominique Barthélemy, französischer Dominikaner und Nachfolger Zapletals auf dem Lehrstuhl für alttestamentliche Exegese, hat zur Hundertjahrfeier der Fribourger Universität eine Untersuchung über die ersten zwei Jahrzehnte ihres Bestehens vorgelegt. Die Jahre zwischen 1904– 1914 wurden von

 Vgl. Adrien Dansette, Histoire religieuse de la France contemporaine, Paris 1965, S. 670 f.  Emile Poulat, Histoire, dogme et critique dans la crise moderniste, Paris 1996, S. 9. Vgl. auch die Arbeit von Alec R. Vidler, A Variety of Catholic Modernists, Cambridge 1970, S. 1 und 15; sowie Claus Arnold, Kleine Geschichte des Modernismus, Freiburg i. Br. 2007.

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Einführung

Zapletal wesentlich mitbestimmt.⁸ Barthélemys Studie, die auch eine Edition ausgewählter Dokumente umfasst, stellte der Historiker Otto Weiß sieben Jahre später seine Monographie zu Modernismus und Antimodernismus im Dominikanerorden zur Seite.⁹ Sie beruht auf gründlicher Kenntnis der römischen Archive und zeichnet vor allem ein sehr genaues Bild der deutschen Verhältnisse. Beide Arbeiten bieten in Bezug auf den behandelten Zeitraum eine zuverlässige Darstellung Zapletals, behandeln aber weder den Zeitraum vor 1904 noch nach 1914. Dem wissenschaftlichen Werk Zapletals widmet Barthélemy zudem lediglich ein paar Absätze. Ein kurzes Porträt von Zapletal findet sich auch in einer Studie von Hans Ulrich Steymans.¹⁰ Als progressive Entwicklungen in der katholischen Bibelwissenschaft nicht mehr möglich schienen, legte Zapletal seine ganze Kraft in das Amt als Vikar des Ordensmeisters in der Fribourger Kommunität. Zwischen 1920 – 1926 publizierte er außerdem sechs umfangreiche biblische Romane. Die Auseinandersetzungen im Modernismusstreit ließen jedoch die Zahl seiner wissenschaftlichen Publikationen zurückgehen. Schließlich sah er sich durch die ständigen Attacken der integralistischen Presse, die Denunziationen und kanonischen Visitationen zu einem geschickten Manöver veranlasst: Er übernahm einen Lehrstuhl für semitische Sprachen und Literatur an der philosophischen Fakultät, gab aber seine Professur für alttestamentliche Exegese an der theologischen Fakultät nicht auf. Er hielt seine Vorlesungen bis zum Ruhestand 1928. Die letzten zehn Lebensjahre verbrachte er im Kloster der Dominikanerinnen in Hacking (Wien). Anders als Marie-Joseph Lagrange OP¹¹ hat Zapletal der Nachwelt keine Memoiren hinterlassen.¹² Wollen wir sein Leben rekonstruieren, sind wir daher auf seine Korrespondenz,¹³ seine Werke und die amtlichen Dokumente angewiesen. Eine Vielzahl

 Vgl. Dominique Barthélemy, Idéologie et Fondation, Fribourg 1991 (Études et Documents sur l’histoire de l’Université de Fribourg/Suisse, Études 1), S. 81– 166.Vgl. auch die von ihm zusammengestellte Quellensammlung: Ders., I. Sur la préparation et les vingt-cinq premières années. II. Correspondence Schorderet-Python. 542 documents, Fribourg 1991 (Études et documents sur l’histoire de l’Université de Fribourg, Suisse. Documents 1), die im Weiteren zitiert wird als: Barthélemy, Documents.  Vgl. Otto Weiß, Modernismus und Antimodernismus im Dominikanerorden. Zugleich ein Beitrag zum „Sodalitum Pianum“, Regensburg 1998 (Quellen und Studien zur neueren Theologiegeschichte 2).  Vgl. Hans Ulrich Steymans, Bibelwissenschaftler im Gebiet der süddeutsch-österreichischen Provinz: Persönliche Erinnerungen und geschichtliche Vergewisserung, in: Wolfram Hoyer (Hg.), Gott loben, segnen, verkündigen. 75 Jahre Dominikanerprovinz des hl. Albert in Süddeutschland und Österreich, Freiburg i. Br. u. a. 2014, S. 324– 334.  Vgl. Bernard Montagnes, Le père Lagrange 1855 – 1938. L′exégèse catholique dans la crise moderniste, Paris 1995; ders., Marie-Joseph Lagrange. Une biographie critique, Paris 2004; Jean Guitton, Portrait du père Lagrange. Celui qui a réconcilié la science a la foi, Paris 1992.  Vgl. Lagrange, Marie-Joseph, Le Père Lagrange au service de la Bible. Souvenirs personnels, préf. de Pierre Benoit, Paris 1967 (Chrétiens de tous les temps 22). Im Weiteren zit. als: Lagrange, Souvenirs.  Im Folgenden werden zahlreiche Passagen aus der Korrespondenz Zapletals zitiert. Mit Ordensmeister Andreas Frühwirth OP und Unterrichtsdirektor Georges Python korrespondierte Zapletal meist auf Deutsch, manchmal jedoch auch auf Französisch. Der Briefwechsel mit den Ordensmeistern Hyacinthe-Marie Cormier und Luis Theissling erfolgte auf Französisch; mit Alois Musil schrieb er sich

Einführung

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wichtiger Dokumente befindet sich im Archiv des Albertinums in Fribourg, wo Zapletal 35 Jahre seines Lebens tätig war.¹⁴ Hierher wurde vor einigen Jahren auch der bis heute ungesichtete Nachlass aus dem Kloster in Hacking verbracht.¹⁵ Eine Vielzahl höchst bedeutsamer Quellen birgt nicht nur das Archiv der Vatikanischen Bildungskongregation,¹⁶ sondern vor allem das Generalarchiv des Predigerordens in Rom bei Santa Sabina; insbesondere aufschlussreich sind dabei die an die Ordensmeister adressierten Briefe.¹⁷ Neues zu den Aktivitäten und Motiven von Zapletals Gegnern aus den Reihen der Sapiniére fand sich im Vatikanischen Geheimarchiv.¹⁸ Zapletals Karriere als Universitätsprofessor ist im Staatsarchiv des Kantons Fribourg dokumentiert. Wertvolles erfahren wir außerdem aus der Korrespondenz mit Alois Musil, die im Museum in Vyškov aufbewahrt wird,¹⁹ und auch aus den Dokumenten, die Zapletals Mitgliedschaft in den böhmischen Gelehrtengesellschaften betreffen. Diese befinden sich im Archiv der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in Prag. In dieser Reihe zu nennen ist ebenso das Archiv der École biblique in Jerusalem.

ausschließlich in tschechischer Sprache. Eine erste Auswertung erfolgte in meiner Studie: Tomáš Petráček, Le Père Vincent Zapletal O.P. (1867– 1938). Portrait d’un exégète catholique, Fribourg 2007 (Studia Fribourgensia, N. F. 102 / Studia Fribourgensia, Series historica 6).  Diese Quelle wird zitiert als AAlb.  Zit. als AA FZapletal.  Zit. als ACEC.  Zit. als AGOP. Bei Dokumenten, die nach der Edition von Barthélemy zitiert werden, findet sich ein entsprechender Vermerk.  Zit. als ASV Benigni (Archivio Segreto Vaticano, Fondo Benigni).  Zit. als AEF Zapletal.

1 Zapletals Weg zur katholischen Exegese 1.1 Jugendjahre, dominikanische Formung und wissenschaftliche Ausbildung Der künftige Dominikaner und Exeget Vincent Zapletal wurde am 15. Januar 1867 im mährischen Willimau (Vilémov), Bezirk Littau (Litovel), geboren und am darauffolgenden Tag in der Pfarrkirche St. Katharina von Pfarrer P. Jan Winkler auf den Namen Adolf getauft. Der Taufschein weist Zapletals Vater Jakub als Kleinbauern in Wilimau aus (Konskriptionsnummer 22), seine Mutter Antonína war die Tochter des ebenfalls in Willimau ansässigen Kleinbauern Ignác Kuchař. Taufpate war Franz Zapletal, Kleinbauer vom benachbarten Anwesen (Konskriptionsnummer 21). Alle Genannten waren katholischer Konfession. Nach Sprache und nationaler Zugehörigkeit handelte es sich um tschechische Familien, den Vornamen nach zu urteilen um traditionell katholische.²⁰ Mit zehn Jahren wurde Adolf als Schüler an das k. u. k. slawische Gymnasium in Olmütz (Olomouc) geschickt. „Slawisch“ heißt dabei, dass der Unterricht in tschechischer Sprache stattfand. ²¹ Die Familie war von der Zahlung des Schulgeldes befreit. Adolf reihte sich gleich im ersten Jahr unter die besten Schüler ein – von insgesamt vierzig war er der Sechstbeste. Die Noten selbst sind zwar gar nicht so beeindruckend, doch das ist eher dem hohen Niveau der damaligen Gymnasien geschuldet und den Ansprüchen der Lehrer an ihre Schüler. Bis zum Ende des ersten Schuljahres, im Juli 1878, hatten sich Zapletals Noten derart verbessert, dass er zum ersten (und letzten) Mal ein Schuljahr mit Auszeichnung abschloss. Zapletal war kein Musterschüler, seine Bewertungen für „sittliches Betragen“ und „Fleiß“ schwankten,²² und auch seine Zensuren in Mathematik und Stenografie sind nicht eben imposant. Mehr noch überraschen aber die eher durchschnittlichen Noten in Geschichte und Erdkunde und insbesondere in den sprachlichen Fächern (Latein, Griechisch, Tschechisch und Deutsch), die damals das Rückgrat des Unterrichts bildeten. Doch lag er während seiner ersten vier Jahre am Gymnasium (1877– 81) immer noch im oberen Drittel. Erst im Schuljahr 1881/1882 verschlechterten sich seine Noten, und er rutschte in der Rangfolge nach hinten. Die schwankenden schulischen Leistungen,

 Kopie der Geburts- und Taufurkunde, ausgestellt am 9. September 1877 durch P. Jan Winkler. AA FZapletal.  Die Eröffnung eines Gymnasiums mit Tschechisch als Unterrichtssprache zeugt von den Bemühungen, die tschechische Bevölkerung Mährens nach dem Krieg 1866 für die österreichische Regierungspolitik zu gewinnen. Mit einem Kabinettsschreiben vom 18. Oktober 1866 hatte der Kaiser zwei tschechischsprachige Gymnasien in Brünn und Olmütz bewilligt. Die Schüler stammten vorwiegend aus den ländlichen Regionen Mährens.  „Lobenswertes Betragen“ und „befriedigender Fleiß“ entsprachen der Note Zwei in einer fünfstufigen Skala. https://doi.org/10.1515/9783110749090-002

1.1 Jugendjahre, dominikanische Formung und wissenschaftliche Ausbildung

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aber auch seine bäuerliche Herkunft hat Zapletal mit dem bereits erwähnten Alois Musil²³ gemeinsam. Noch als Gymnasiast kam Zapletal in Berührung mit dem Predigerorden, denn die Dominikaner hatten in Olmütz ein Kloster. Am erzbischöflichen Olmützer Priesterseminar weilte außerdem zur selben Zeit Zapletals elf Jahre älterer Bruder František, der am 7. Juli 1882 die Priesterweihe empfing.²⁴ Die Begegnung mit den Dominikanern und die Gespräche mit dem Bruder führten Zapletal 1883, im Alter von sechzehn Jahren, zu dem Entschluss, dem Predigerorden beizutreten. Eine solch frühe Entscheidung erlaubten die österreichischen Gesetze durchaus; vor dem Ordenseintritt musste lediglich eine ärztliche Untersuchung erfolgen. Am 11. August 1883 bescheinigte Dr. Vojtěch Vyšní, dass „Adolf Zapletal, Schüler der VI. Klasse des hiesigen tschechischen Gymnasiums, derzeit gesund ist und seiner Aufnahme in den Orden nichts entgegensteht.“²⁵ Zapletals Noviziat begann am 12. September 1883 in Olmütz, wo er genau ein Jahr später auch die einfache Profess ablegte und den Ordensnamen Vincent annahm.²⁶ Die böhmischen Länder hatten sich auf Beschluss des damaligen Ordensmeisters, Vincent Jandel OP, am 20. April 1857 gemeinsam mit den österreichischen und ungarischen Klöstern zu einer vereinigten Reichsprovinz (Provincia Imperii) zusammengeschlossen. Das Olmützer Noviziat für Kandidaten aus Böhmen und Mähren war am 12. September 1878 erneuert worden. Die erforderlichen philosophisch-theologischen Studien absolvierte Zapletal von 1884 bis 1891 an dem Ordensstudium in Wien. Im Wiener Konvent lernte er nicht nur den Provinzial und künftigen Ordensmeister²⁷ Andreas Frühwirth, sondern auch Marie-Joseph Lagrange kennen, der sich an der philosophischen Fakultät der Wiener Universität in einem dreisemestrigen Studium der orientalischen Sprachen (1888 – 1890) auf eine Professur der Bibelwissenschaften vorbereitete. Noch während dieser Zeit wurde Lagrange nach Jerusalem berufen, mit dem Auftrag, eine Bibelschule zu gründen, die am 15. November 1890 ihre Pforten öffnete. Für Zapletal folgten nach Abschluss des Theologiestudiums sukzessive die kirchlichen Weihen. Am 4. August 1888 erhielt er vom Wiener Weihbischof und Generalvikar Eduard Angerer im Stephansdom die Tonsur und die vier niederen Weihen. Eineinhalb Jahre später wurden in einem zehntägigen Zyklus die drei höheren Weihen vollzogen: am 14. Juli 1889 weihte Angerer Zapletal zum Subdiakon, am 21. Juli zum

 Dieser wechselte sogar zweimal das Gymnasium, bevor er in Vysoké Mýto das Abitur ablegte. Vgl. Klobas, Alois Musil, S. 10.  František Zapletal, geboren am 14.6.1856, wirkte nach seiner Priesterweihe als Pfarrvikar, Kaplan und Administrator in mehreren Pfarreien.  AA FZapletal.  Schematismus sacri ordinis Praedicatorum ad Provinciam Imperii pro A.D. 1884, Casoviae 1883.  Der Generalvorsteher der Dominikaner wird, anders als bei den Jesuiten, nicht als General, sondern meist als Ordensmeister bezeichnet. Während es sich bei dem Ordensgeneral der Jesuiten um eine lebenslange Funktion handelt, erfolgte die Wahl des Ordensmeisters bei den Dominikanern damals für 12 Jahre.

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1 Zapletals Weg zur katholischen Exegese

Diakon. Die Priesterweihe empfing Zapletal am Donnerstag, dem 25. Juli 1889, dem Jakobitag, abermals von Bischof Angerer im Stephansdom.²⁸ Die zur Erteilung der Beichtbefugnis erforderlichen Prüfungen hatte Zapletal bereits einen Monat zuvor abgelegt.²⁹ Am 19. April 1890 stellte ihm Ordensmeister Larroca die Facultas in Bezug auf die Mitglieder der dem Orden unterstehenden Bruderschaften, zur Segnung von Sakramentalien sowie die sonst üblichen Befugnisse aus.³⁰ Das erzbischöfliche Ordinariat in Wien erteilte ihm sämtliche Befugnisse eines Kaplans für die Pfarrei bei der Dominikanerkirche Sancta Maria Rotunda.³¹ Seine Vorgesetzten, insbesondere der damalige Prior und spätere Provinzial Andreas Frühwirth,³² erkannten Zapletals Talent für die Bibelwissenschaften, das sich in Wien geradezu ideal entfalten konnte. Zapletal hatte Deutsch, Englisch, Italienisch und Französisch gelernt, sprach außerdem Polnisch und las Spanisch. In Wien wirkte damals der namhafte österreichische Alttestamentler Nivard Schlögl, und auch die Orientalistik an der philosophischen Fakultät genoss einen hervorragenden Ruf; eben deswegen hatte man Lagrange zum Studium hierhergeschickt. Am 5. Februar 1891 absolvierte Zapletal die Lektoratsprüfungen, bekannte vor Zeugen seinen Glauben nach der Bulle Pius’ IV. und leistete den Eid auf die Bibel, dass er die thomistische Lehre einhalten werde.³³ Anschließend war er zu einer Volksmission in Prag. Als der Wiener Kardinalerzbischof die Dominikaner in der Stadt um Unterstützung bei der Katechese bat, stand nur Zapletal zur Verfügung, der somit noch ein halbes Jahr, bis Ende Juli 1891, fünf Klassen einer Knabenschule im 7. Wiener Bezirk Religionsunterricht erteilte.³⁴ 1889 konnte an der neu gegründeten Universität im schweizerischen Fribourg auch eine Theologische Fakultät ins Leben gerufen werden; auf Wunsch der Kantonsregierung wurde sie dem Dominikanerorden anvertraut, wobei auch die Provincia Imperii einen Teil der Professoren stellen sollte. Ende 1889 beschloss der Provinzialrat des Ordens zunächst die Entsendung von P. Albert Maria Weiß OP. Zwei Jahre später folgten aus den Ordensschulen in Wien und Graz zwei weitere hervorragende Professoren, Leo Michel OP und Ambros Gietl OP. Zapletal hingegen sollte sich nach der Lektorenprüfung auf orientalische Sprachen und die Heilige Schrift spezialisieren.³⁵ Am 19. Oktober 1891, genau einen Monat nach seiner Wahl zum Ordensmeister, unterzeichnete Andreas Frühwirth in Wien eine neue Assignation für Pater Zapletal, der sich unverzüglich an seine neue Wirkungsstätte, die École biblique in Jerusalem, be-

 Entsprechende Dokumente in AA FZapletal.  Viennae 18. Juni 1889, Andreas Frühwirth. AA FZapletal.  AA FZapletal.  Erteilt von Generalvikar Angerer am 28.10.1890. AA FZapletal.  Vgl. das Schreiben von Zapletal an Frühwirth, 4. 3.1902. AGOP XI. 15345.  AA FZapletal.  Ernennung zum Religionslehrer am 15.4.1890, AA FZapletal.  Vgl. Angelus Walz, Andreas Kardinal Frühwirth (1845 – 1933). Ein Zeit- und Lebensbild, Wien 1950, S. 148 f.

1.1 Jugendjahre, dominikanische Formung und wissenschaftliche Ausbildung

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geben sollte. Auf dem Weg dorthin waren ihm Zwischenstationen nur zu religiösen und wissenschaftlichen Zwecken erlaubt, und Unterkunft sollte er nach Möglichkeit in Klöstern und Pfarrhäusern nehmen.³⁶ Provinzial Paulus von Toggenburg OP stellte Zapletal einen Geleitbrief aus, in dem er alle im Dienst der Kirche Stehenden bat, den Dominikaner auf seiner Reise zu unterstützen.³⁷ Zapletal traf am 30. Oktober 1891 in Jerusalem ein und blieb bis zum 26. April 1893. An der École biblique studierte er Hebräisch, Arabisch, Syrisch und Koptisch.³⁸ Außerdem befasste er sich mit Keilschrift und Hieroglyphen, um „wenn nicht auf der Höhe, so wenigstens nahe der Höhe der heutigen Exegese zu stehen“.³⁹ Neben seinen Studien half er auch als Dozent aus, wobei er Jesaja auf der Grundlage des hebräischen Textes interpretierte. Daher wurden ihm die zwei Jahre in Jerusalem auf die Zeit, die im Orden zum Erhalt der Lehrbefugnis erforderlich war, angerechnet. Professoren waren in den Anfangsjahren der École biblique rar, und daher überrascht es nicht allzu sehr, dass Zapletal – wie aus den Matrikeln hervorgeht – bereits 1892 als Hebräisch-Dozent der Prüfungskommission angehörte⁴⁰ und Weihnachten 1892 eine kleine Exkursion von Dominikanern nach Bethlehem leitete. ⁴¹ Und ebenso wenig verwundert es, wenn die Jerusalemer Dominikaner am 24. April 1893 in Bezug auf Zapletal vermerken: „Dass er uns Ordensbrüder verlässt, betrübt die gesamte Gemeinschaft. Er hat uns hier den besten Eindruck hinterlassen, vor allem aufgrund seines Taktes und der ausgesuchten Höflichkeit, die sich bei ihm mit einer tiefen Frömmigkeit und glänzendem Intellekt verbindet.“⁴² Die Professoren des Dominikanerordens verfolgten Zapletals weitere Laufbahn und rezensierten seine Arbeiten regelmäßig in der Revue biblique. Lagrange selbst notierte über den jungen Gelehrten am 15. Januar 1893: „Ich bin überzeugt, dass im Herbst aus ihm ein aus-

 Assignatio simpliciter, ausgestellt am 19.10.1891. AA FZapletal.  AA FZapletal.  Vgl. dazu: Les Archives de l′École biblique et archéologique francaise (EBAF). Wichtigste Quelle sind die Studenten- und Professorenmatrikel mit dem Titel: Studium Sancti Stephani Hierosolymitani. Liber Examinum et Exercitorum scolasticorum Anno 1890 ad Annum 1959 (im Weiteren zit. als: Studium SSH). Für die ersten zehn Jahre steht zudem eine Chronik der Schule zur Verfügung: Chronique des premiéres années du couvent de St. Étienne de Jérusalem (im Weiteren zit. als: Chronique). Zur Geschichte der École biblique vgl. auch Jerome Murphy-O’Connor, The École biblique and the New Testament: A Century of Scholarship (1890 – 1990), Fribourg / Göttingen 1990.  Vgl. den Brief Zapletals an Frühwirth, 13.9.1898, AGOP XI. 15310; ebenso sein Brief vom 17. 3.1902. AGOP XI. 15345.  Studium SSH, S. 5 f.  Chronique zum Jahr 1892. Speziell zu den tschechischen Studenten an der École biblique vgl. Tomáš Petráček, The École biblique and its influence on Czech Catholic Exegesis and Church, in: Revue biblique 118 (2011), S. 575 – 594.  „Le 24 avril, le R.P. Vincent Zapletal, de la province d’Autriche, après être resté deux ans parmi nous, nous quitte, rappelé par le Rme Père Général, qui le destine à l’enseignement de l’exégèse à Fribourg. Ce religieux nous quitte, emportant les regrets de toute la communauté. Il nous laisse le souvenir le meilleur. Il se faisait remarquer surtout par l’urbanité, l’exquise politesse qui s’alliait chez lui à une grande piété et à une belle intelligence“. Chronique zum Jahr 1893.

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1 Zapletals Weg zur katholischen Exegese

gezeichneter Professor der Exegese wird.“⁴³ Die Entscheidung darüber, wo dies geschehen sollte, fiel bereits einige Wochen später. Am 2. Februar 1893 schrieb Ordensmeister Frühwirth an Lagrange nach Jerusalem: „[…] teilen Sie P. Zapletal freundlicherweise mit, dass er sich auf eine neue Aufgabe vorbereiten soll. Ich werde ihn mit einer Lehrtätigkeit in Fribourg betrauen.“⁴⁴ Zapletal, erfüllt von wissenschaftlichem Enthusiasmus, absolvierte nach seiner Rückkehr im Frühjahr 1893 noch ein Semester Hebräisch und Syrisch bei Professor Bickel an der Universität Wien. Während seiner eineinhalb Jahre in Jerusalem hatte sich Zapletal intensiv mit Palästina und der orientalischen Kultur befasst, und zwar auf praktisch-anschaulichem Wege, einer Unterrichtsmethodik, die Lagrange, der Gründer der Schule, von Anfang an durchgesetzt hatte. Die École biblique verfügte nur über geringe materielle Mittel, daher beschränkten sich die Exkursionen meist auf Jerusalem und Umgebung. Zweimal im Jahr wurden jedoch auch anspruchsvollere längere Reisen organisiert, die nach Transjordanien, in den Libanon und auf die Sinai-Halbinsel führten.⁴⁵ Zapletals Erlebnisse flossen später in seine Bücher ein. So erinnert er sich zum Beispiel an eine Episode aus dem Jahr 1892: Als er einmal um 9 Uhr abends die Exkursionsbasis verlassen wollte, um einen Spaziergang auf dem Berg Tabor zu machen, warnten ihn die arabischen Reisebegleiter und bestanden darauf, dass er wenigstens eine Flinte mitnähme, denn dort gebe es gefährliche Raubtiere. Im Garten des Stephansklosters in Jerusalem scheuchte er beispielsweise eine Hyäne auf; die Verhältnisse hatten damals also auch mitten in der Stadt etwas Ländliches. Auch erfuhr er den Aufeinanderprall von Kulturen, denn als er selbst gefischte Austern aus dem Roten Meer verspeiste, wandten die Beduinen aus Akaba sich voll Ekel ab und machten kein Hehl daraus, dass er bald erkranken werde. Im Februar 1892 überquerte Zapletal den Suezkanal und zog über die Sinai-Halbinsel bis zum Berg Sinai (Gabal Mūsā), dann setzte er seinen Weg über Akaba fort nach Gaza. Auf dieser recht langen Reise konnte er die Lebensgewohnheiten der dortigen Beduinen gründlich studieren.⁴⁶ Wieder ein anderes Erlebnis vom Sinai hat Eingang in seinen Kommentar zum Hohen Lied gefunden und illustriert den offenen Umgang der Bevölkerung mit körperlicher Nacktheit: „In der Oase Feiran auf der Sinaihalbinsel sah ich im Jahre 1893 Knaben und Mädchen, die bei uns längst schulpflichtig wären, und die dort fast ganz nackt herumliefen. Auf den Spaziergängen in der Umgebung Jerusalems sah ich oft Fellachinnen, deren ganze Kleidung in einem langen Hemd bestand, das oben voll-

 Zitiert nach Exégèse et obéissance. Correspondance Cormier-Lagrange (1904– 1916), ed. par Bernard Montagnes, Paris 1989, S. 76 (im Weiteren zit. als: Correspondance).  Brief Frühwirths an Lagrange vom 2. 2.1893, aufbewahrt im Archiv der Jerusalemer École biblique. Die Aufzeichnung wurde mir freundlicherweise von P. Bernard Montagnes OP zur Verfügung gestellt.  Berichte über seine Reisen publizierte Zapletal später auch in tschechischsprachigen katholischen Zeitschriften wie Růže dominikánská, Obzor, Hlas und Vlast.  Vgl. Vincent Zapletal, Der Totemismus und die Religion Israels. Ein Beitrag zur Religionswissenschaft und zur Erklärung des Alten Testamentes (Collectanea Friburgensia, Neue Folge, Fasc. II), Fribourg 1901 (im Weiteren zit. als: Totemismus), S. 46, 86, 111.

1.2 Die Gründung der Universität Fribourg

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ständig offen war und die Brüste unbedeckt ließ“.⁴⁷ Auf dieser Exkursion zog Lagrange sich eine schwere Verletzung zu und wurde von Zapletal umgehend ins Stephanskloster zurückgebracht.⁴⁸ 1892 hatte Zapletal die syrische Wüste bereist und war einer verblüffenden optischen Täuschung erlegen: Er sah einen von herrlichen Palmen umgebenen See, der plötzlich verschwand; aus der Nähe erwiesen sich die Palmen als magere Nomadenkamele.⁴⁹ Mögen sich eineinhalb Jahre Palästina und einige Erkundungsfahrten in die Landschaften der biblischen Geschichte weder an Länge noch in ihrem wissenschaftlichen Ertrag mit den Exkursionen Alois Musils vergleichen lassen, sie ermöglichten Zapletal dennoch viele wichtige Einsichten. Sein insgesamt zwar eher kurzer Aufenthalt stattete ihn für die Zukunft jedoch mit vorzüglichen geographischen und ethnographischen Kenntnissen über das Heilige Land aus, die er in seinen künftigen Arbeiten nutzen sollte. Musil, der zunächst vier Jahre als Kaplan in Ostrau (Ostrava) Erfahrungen sammelte, konnte sich erst im November 1895 nach Jerusalem begeben und nahm bei seiner Rückkehr 1897 nicht gerade die besten Erinnerungen an die École biblique der Dominikaner mit. Während Zapletal bereits ein Jahr nach Eröffnung der Schule gekommen war und eine Atmosphäre begeisterten Anfangs, der Improvisation und des gemeinschaftlichen Aufbaus erlebt hatte, störte sich Musil an der mangelnden Kompetenz der Lehrenden und geriet – wenngleich es sich hier eher um ein Missverständnis handeln dürfte – in Konflikt mit Lagrange.⁵⁰ Zweifellos aber brachte die École biblique beide tschechischen Exegeten in ihrer wissenschaftlichen Laufbahn, mochten sie diese auch in erster Linie ihrem persönlichen Fleiß, ihrem Erkenntnisdrang und ihrer Beharrlichkeit verdanken, ein erhebliches Stück voran.

1.2 Die Gründung der Universität Fribourg Seit dem 16. Jahrhundert, als sich sowohl die Stadt als auch die Universität Basel der Reformation anschlossen, träumte die katholische Minderheit in der Schweiz von einer eigenen Universität. Wer an einer katholischen Universität studieren wollte, konnte dies ohne Sprachbarriere in Frankreich, Deutschland, Österreich oder Italien tun. Doch ein Auslandsstudium ist für den Einzelnen meist kostenaufwändiger, und vor allem bleibt eben jener Platz leer, den eine Universität in der kulturellen und intellektuellen Entwicklung eines Landes einnehmen kann und soll. Nach den Ereignissen um den Sonderbund und in den anschließenden Jahren der allgemeinen Repressionen gegen die Katholiken und die katholischen Kantone in der zweiten Hälfte

 Vincent Zapletal, Das Hohelied kritisch und metrisch untersucht, Fribourg 1907, S. 38 (im Weiteren zit. als: Das Hohelied). Zu beiden Werken vgl. die nachfolgenden Ausführungen.  Chronique zum Jahr 1893.  Totemismus, S. 175.  Zu den tatsächlichen Gründen vgl. Tomáš Petráček, Orientalist Alois Musil at the École Biblique and his Argument with M.-J. Lagrange OP, in: Revue biblique 122 (2015), S. 119 – 127.

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des 19. Jahrhunderts blieb das höhere Schulwesen in diesen Kantonen auf Priesterseminare und technische Schulen mit praktischer Ausrichtung beschränkt. Noch immer gab es keine Universität, obwohl sich der vielfältig engagierte Fribourger Priester und Chorherr Joseph Schorderet dafür eingesetzt hatte. Erfolg sollte erst dem katholischen Politiker Georges Python beschieden sein, der in jungen Jahren zum Kultusminister (Erziehungsdirektor) der Fribourger Kantonsregierung ernannt worden war. Python, ein ebenso kompetenter wie durchsetzungsfähiger Staatsmann und Politiker, konnte schließlich mit viel Beharrlichkeit dieses große Vorhaben ins Werk setzen. Zugute kamen ihm dabei seine Machtbefugnisse und das außerordentliche Prestige, dessen er sich auf kantonaler und eidgenössischer Ebene erfreute.⁵¹ Pythons Projekt war in vieler Hinsicht einzigartig. Er gründete 1889 eine Universität, die zugleich staatlich, d. h. kantonal war, als auch katholisch, und bei deren Gründung der Heilige Stuhl Pate stand: Dieser musste sie genehmigen und verfügte dauerhaft über ein Mitspracherecht bei der Berufung der Professoren an die theologische und philosophische Fakultät. Die Gründer waren von Anfang an entschlossen, eine moderne und internationale Eliteuniversität zu errichten und hervorragende Professoren aus Frankreich, Deutschland und später auch Österreich-Ungarn zu berufen.⁵² Auch die insgesamt antiklerikal eingestellte Schweizer Eidgenossenschaft, in der Katholiken als Bürger zweiter Klasse galten, hatte prinzipiell gegen die Gründung der Universität nichts einzuwenden, obschon man an den Erfolg der neuen Lehreinrichtung nicht so recht glaubte. Python selbst hatte nie eine Universität besucht. Daher verließ er sich bei der praktischen Umsetzung und bei der Suche nach den Professoren auf einen anderen außerordentlich befähigten katholischen Politiker: auf Dr. Kaspar Decurtins, seinen Freund und Kollegen aus dem Nationalrat. Decurtins war einer der Wegbereiter der christlichen Soziallehre, hochgebildet und mit den intellektuellen Zentren Europas bestens vernetzt. Gerade dort suchte er nach begabten jungen, aber durchaus schon renommierten Professoren, die er für Fribourg gewinnen wollte. Mit dem Aufbau eines internationalen und wissenschaftlich kompetenten Professorenkollegiums hat Decurtins sich große Verdienste um die Universität Fribourg erworben, wenngleich sie auch von seinen Aktivitäten nach 1903 überschattet werden. Da ihm die Arbeiterfrage und die soziale Frage am Herzen lagen, fand er die Anerkennung Papst Leos XIII. Die überzeugten Katholiken Python und Decurtins wollten an ihrer Universität auch eine theologische Fakultät errichten. Hinsichtlich der Besetzung der Lehrstühle

 Eine diesbezügliche Charakteristik findet sich bei einem Zeitgenossen.Vgl. Albert Büchi, Gründung und Anfänge der Universität Freiburg i. Ü. Erinnerungen und Dokumente, hrsg. von Iso Baumer-Müller, Fribourg 1987, S. 39.  Vgl. Urs Altermatt, Die Gründung, in: Histoire de l’université de Fribourg Suisse / Geschichte der Universität Freiburg Schweiz 1889 – 1989. Institutions, enseignement, recherches / Institution, Lehre und Forschungs¬bereiche, Bd. 1: Fondation et développement / Entstehung und Entwicklung, éd. par Roland Ruffieux, Fribourg 1991, S. 32– 74; Barthélemy, Idéologie, S. 50 – 81.

1.2 Die Gründung der Universität Fribourg

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erschien es ihnen schließlich als beste Lösung, die gesamte Fakultät den Dominikanern zu übertragen. Den letzten Ausschlag gab hier wohl ein Treffen Decurtins mit P. Heinrich Suso Denifle OP in Paris im August 1889. Decurtins blieb auch weiterhin Hauptverhandlungsführer, von Seiten des Schweizer Episkopats assistierten ihm die Bischöfe von St. Gallen und Basel. So konnte Decurtins den Fribourger Bischof Mermillod⁵³ und damit den Hauptgegner der Gründung einer theologischen Fakultät an einer staatlichen Universität geschickt umgehen. Am 23. Dezember 1889 sicherte Leo XIII. Decurtins die Genehmigung für die Gründung einer theologischen Fakultät mündlich zu.⁵⁴ Den Schweizer Bischöfen kam dies im Grunde gelegen, da ihnen selbst das Geld für eine Universitätsgründung fehlte und sie außerdem einen zu großen Einfluss Mermillods auf die Universität verhindern wollten. Auch die Schweizer Eidgenossenschaft legte der Gründung einer theologischen Fakultät nichts in den Weg, da es wirtschaftlich gesehen günstiger war, wenn die Seminaristen zuhause studierten statt wie bisher im Ausland. Decurtins handelte noch am 24. Dezember 1889 einen Vertrag mit dem damaligen Ordensmeister, dem spanischen Dominikaner José Maria Larroca, aus. Demzufolge sollte der Orden alle Professorenstellen der theologischen sowie drei Lehrstühle der philosophischen Fakultät besetzen. Der Vertrag wurde am 31. Januar 1890, kurz nach Decurtins Rückkehr, von der Kantonsregierung gebilligt; die schriftliche Zustimmung des Papstes war bereits am 21. Januar 1890 eingetroffen.⁵⁵ Damit erhielt die Universität neben der juristischen und philosophischen noch eine weitere, dritte Fakultät, und das in einer kleinen Provinzstadt zwischen Bern und Lausanne, die gerade einmal 12.000 Einwohner zählte, von denen zwei Drittel Französisch und ein Drittel Deutsch sprachen. Zweisprachigkeit war im Übrigen von Anfang ein wesentliches Charakteristikum der neuen Universität, zumal der Professorenanteil aus Deutschland, Österreich und den deutschsprachigen Schweizer Kantonen sehr hoch war und auch die katholischen Studenten mehrheitlich aus den deutschsprachigen Kantonen kamen. Die ersten drei Dominikanerprofessoren trafen Ostern 1890 ein, als in Fribourg noch nichts von der Gründung einer Universität zeugte – keine neuen Gebäude, keine Bibliotheken, fast gar keine Studenten, und selbst die lokale Öffentlichkeit hatte die Existenz einer Universität noch nicht zur Kenntnis genommen. Erster Vikar der kleinen  Bischof Gaspard Mermillod (1824– 1892) gehörte zu den markantesten Vertretern eines unversöhnlichen Ultramontanismus. Bereits 1864 war er zum Weihbischof der Diözese Lausanne-Genf ernannt worden, deren Bischofssitz sich in Fribourg befand. Zwischen 1873 und 1883 war er als apostolischer Vikar der Diözese Genf und danach von 1883 bis 1891 als Diözesanbischof im Bistum Lausanne-Genf tätig. Er engagierte sich sehr in der sozialen Bewegung. Aufgrund wiederholter, langfristiger wie auch erzwungener Aufenthalte in Frankreich wollte er die geplante katholische Universität nach dem Vorbild französischer katholischer Institute, d. h. als private kirchliche Hochschule, organisieren.  Barthélemy, Idéologie, S. 58.  Karl Fry, Die Anfänge der Universität Freiburg in der Schweiz, Zürich o. J. [1952] (Separatdruck aus: Ders., Kaspar Decurtins. Der Löwe von Truns, 2 Bde., Zürich 1949 – 1952), S. 46 – 57.

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Fribourger Dominikanergemeinschaft war P. Joachim Berthier OP, der in den Anfangsjahren für die theologische Fakultät, aber auch für die Universität insgesamt eine wichtige Rolle spielen sollte.⁵⁶ Die Schweizer Bundesverfassung von 1874 verbot die Gründung von Klöstern, und die liberale Presse protestierte massiv gegen die Ansiedlung eines ultramontanen, „militanten“ katholischen Ordens, gegen die Rückkehr der „Inquisitoren“ in die Schweiz.⁵⁷ So zog Berthier am 21. Juni 1890 seinen Habit an und begab sich nach Bern zum Präsidenten der Eidgenossenschaft, um zu klären, unter welchen Maßgaben die Dominikaner in Fribourg ihr Wirken legal entfalten könnten. Bereits zuvor hatte Ordensmeister Larroca beschlossen, angesichts der Umstände auf das gemeinsame Gebet zu verzichten. Der Präsident verfügte nun, dass es im Hause der Dominikanerprofessoren nicht nur kein gemeinsames Chorgebet, sondern auch kein Noviziat, keine Aufnahme neuer Mitglieder und keinen Prior geben solle. Ein theologisches Konvikt war möglich, nicht aber ein Kloster, und daran sollte sich auch in der Folgezeit nichts ändern. Erst mit Änderung der Schweizer Verfassung im Jahr 1973 konnte das Albertinum in ein traditionelles Dominikanerkloster umgewandelt werden, das freilich noch immer direkt dem Ordensmeister und keiner konkreten Ordensprovinz untersteht. Eine entsprechende Schweizer Provinz existierte übrigens zur Zeit der Universitätsgründung ebenfalls nicht; sie wurde erst 1953 gegründet. Die theologische Fakultät benötigte nun ein Konviktsgebäude, in dem die Theologiestudenten nach den kanonischen Regeln untergebracht werden konnten. Seit dem Konzil von Trient im 16. Jahrhundert hatte sich das Modell durchgesetzt, dass die Theologiestudenten – noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts fast ausschließlich Kandidaten für das Priesteramt – gemeinsam unter der Leitung eines von der Kirche ernannten Rektors lebten. Passende Gebäude standen in Fribourg durchaus zum Verkauf, und eines schien ganz besonders geeignet: die in den Jahren 1762– 67 errichtete Academie de Droit, die während der napoleonischen Kriege als Hospital für verwundete und kranke Soldaten gedient hatte und später zum größten Hotel der Stadt umgebaut worden war. Python und vor allem der Ordensmeister konnten die erforderlichen finanziellen Mittel beschaffen und das Gebäude Ende November 1890 kaufen. Als Haus des hl. Albertus Magnus, kurz Albertinum, wurde es seinem neuen Zweck geweiht. Da damals aber weder ein Kloster noch ein Orden Eigentümer eines Gebäudes sein konnte, gründete die Professorengemeinschaft am 15. Oktober 1890 die Kapitalgesellschaft St. Pius V. (Societé anonyme). Diese übernahm mit dem Gebäude

 Vgl. Marie-Humbert Vicaire, La mission du Père Berthier, in: Histoire de l’université de Fribourg Suisse / Geschichte der Universität Freiburg Schweiz 1889 – 1989. Institutions, enseignement, recherches / Institution, Lehre und Forschungsbereiche, Bd. 2: Les Facultés / Die Fakultäten, éd. par Roland Ruffieux, Fribourg 1991, S. 483 – 495.  Urs Altermatt, Anfänge, Krise und Konsolidierung (1889 – 1914), in: Histoire de l’université de Fribourg Suisse / Geschichte der Universität Freiburg Schweiz 1889 – 1989. Institutions, enseignement, recherches / Institution, Lehre und Forschungsbereiche, Bd. 1: Fondation et développement / Entstehung und Entwicklung, éd. par Roland Ruffieux, Fribourg 1991, S. 75 – 140, hier S. 83.

1.2 Die Gründung der Universität Fribourg

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allerdings auch die enormen Schulden und verpflichtete sich, den ausstehenden Restbetrag (300.000 von 400.000 Franken) für das Haus zu begleichen.⁵⁸ Die Tilgung der Schulden und die Zinszahlungen sollten während der nächsten Jahrzehnte zur Hauptaufgabe des Vikars und Hausökonomen im Albertinum gehören. Die neue Fakultät gewann rasch an Prestige und zog dank der Neutralität der Schweiz zahlreiche katholische Studenten aus ganz Europa an, insbesondere aber aus Ländern, in denen die Katholiken Repressionen ausgesetzt waren. Das war etwa in Litauen und in der östlichen Hälfte des geteilten Polen der Fall; hier sahen sich die Katholiken durch das orthodoxe Russland bedrängt, im Elsass und im westlichen Polen wiederum durch das protestantische Deutschland; aber auch in den programmatisch antiklerikalen Ländern Frankreich und Belgien und in dem von England ausgebeuteten Irland waren sie benachteiligt. Da die Universität Fribourg den Status einer staatlichen Universität besaß, wurden die von ihr verliehenen Titel problemlos anerkannt, anders als die der kirchlichen, aus staatlicher Sicht privaten Universitäten in Italien oder Frankreich. In ihrem ersten regulären Semester hatte die theologische Fakultät bereits 70 Studenten, 46 davon wohnten im Konvikt. Ein Jahr später immatrikulierten sich bereits 109 Theologiestudenten, während die anderen beiden Fakultäten, die juristische und die philosophische, zusammen nur 138 Studenten zählten. Noch 1937 stellten die Theologen (mit 357 von 764 Studenten) fast die Hälfte aller Studenten an der Universität, ein deutlicher Beleg dafür, wie wichtig die theologische Fakultät in den ersten fünfzig Jahren für die gesamte Hochschule war. Zapletal gehörte zwar nicht zu den allerersten Dominikanern, die an der Universität lehrten, doch kann man ihn mit Fug und Recht der Gründergeneration zurechnen.⁵⁹ Bei der Gründung der Fribourger theologischen Fakultät hatte man für das Fachgebiet Exegese mit Lagrange gerechnet, dessen Vorlesungen zum MatthäusEvangelium sogar schon im Vorlesungsverzeichnis angekündigt wurden. Die Lehrveranstaltungen zur Exegese, und zwar für alle biblischen Schriften, übernahm dann aber der französische Dominikaner Albert Frisch. Unterstützt wurde er in der Lehre von Kirsch, der sich später auf Patrologie und christliche Archäologie spezialisierte. Ab Oktober 1893 beschränkte sich Frisch auf das Neue Testament, und Zapletal wurde zum ersten Professor für alttestamentliche Exegese berufen. 1895 kam für die neutestamentliche Exegese noch Vincent Rose OP hinzu. Die erste Fribourger Professorengeneration war auffällig jung. So war 1893 Albert Maria Weiß OP mit seinen 45 Jahren der Älteste, Zapletal mit 26 der jüngste. Sechs der Professoren waren Franzosen, fünf Untertanen der Habsburger Monarchie. Obwohl die Dominikaner das Recht hatten, die Dozenten allein aus ihren Reihen zu bestimmen, ließen sie von Beginn an

 Vgl. Vicaire, La mission, S. 488 f.  Vgl. Walz, Andreas Kardinal Frühwirth, S. 191; Elias H. Füllenbach, Die Dominikaner zwischen Thomismus und Modernismusverdacht. Die Studienhäuser des Ordens in Europa und ihre Verbindungen, In: Transnationale Dimensionen wissenschaftlicher Theologie, hrsg. von Claus Arnold und Johannes Wischmeyer, Göttingen 2013 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Abt. für Abendländische Religionsgeschichte, Beiheft 101), S. 169 – 193, hier S. 182.

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neben sich auch Diözesanpriester zu. So nahm 1891 der Schweizer Priester Joseph Beck⁶⁰ seine Lehrtätigkeit als Pastoraltheologe auf; bereits ein Jahr zuvor hatte der aus Luxemburg stammende Johann Peter Kirsch Kirchengeschichte unterrichtet, später dann Patrologie und christliche Archäologie.

1.3 Professor für Exegese und die Veröffentlichung der Hermeneutica biblica In die Anfänge von Zapletals Wirken fällt die Enzyklika Providentissimus Deus. ⁶¹ Sie wurde am 18. November 1893 von Leo XIII. herausgegeben und befasste sich als erste päpstliche Enzyklika ausschließlich mit der Frage der biblischen Exegese. Indem er Ziele und Methoden der katholischen Bibelwissenschaft vorwiegend positiv formulierte, wollte der Papst auch dem wachsenden Druck begegnen, dem sich einige katholische Exegeten in der Folge der Diskussion um die göttliche Inspiration biblischer Texte ausgesetzt sahen.⁶² Die Exegeten sollten bemüht sein „um die Beibehaltung der Lehre von der Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift und um die Suche nach neuen Lösungen mithilfe einer zugleich traditionellen wie progressiven Exegese“.⁶³ Zugleich wurde die absolute Irrtumslosigkeit der Bibel bestätigt, die als Ganzes und in all ihren Teilen inspiriert sei; Inspiration könne also nicht nur auf Fragen des Glaubens und der Sitten bezogen werden. Damit hatten die konservativen jesuitischen Theologen unter Führung des einflussreichen Kardinals Camillo Mazella ihr Inspirationskonzept durchgesetzt, das jeglichen Irrtum in der Bibel ausschloss.⁶⁴ Bei der Suche nach Antworten sollte die Bibelwissenschaft die durch ihren wissenschaftlichen und methodischen Charakter bedingten Grenzen nicht überschreiten, das heißt, ihre momentanen Ergebnisse nicht voreilig verallgemeinern, vorläufige Hypothesen nicht zu definitiven Theorien erheben und die Wahrheit der Offenbarung bedenken. Ein Sieg

 Ein knapper Lebensabriss dieses politisch engagierten Luzerner Priesters findet sich bei Franz Neuwirth, Freiburger Professoren-Porträts, Fribourg / Konstanz / München 1965, S. 22– 31.  Enchiridion Biblicum, Romae 1956, S. 81– 134 (im Weiteren zit. als: EB).  Francesco Berreta, De l’inerrance absolue à la vérité salvifique de l’Ecriture, in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 46 (1999), S. 461– 501, hier S. 480 – 484.  Lagrange, Souvenirs, S. 53.  Die Rehabilitation eines zweiten unter anderem von Msgr. d’Hulst oder auch von Lagrange vertretenen Konzepts musste noch bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil warten: In der Konstitution Dei Verbum, Nr. 11, bestätigten die Konzilsväter die Unfehlbarkeit der Heiligen Schrift in allem, was Gott den Menschen zu ihrer Erlösung hatte offenbaren wollen. Ziel der Offenbarung, ihre Finalität, sei die Erlösung. Diese Auffassung ermöglicht das Eingeständnis von Unzulänglichkeiten der Bibel im Bereich der Geschichte und der Naturwissenschaften, die vom Verfasser und seiner menschlichen Begrenztheit, nicht aber von Gott selbst herrühren. Auf den Kompromisscharakter dieses Dokuments, das verschiedene Sichtweisen zu integrieren versucht, verweist auch Beretta, De l’inerrance absolue, S. 497– 499. Zur Frage auch vgl. James Burtchaell, Catholic Theories of Biblical Inspiration since 1810. A Review and Critique, Cambridge 1969.

1.3 Professor für Exegese und die Veröffentlichung der Hermeneutica biblica

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der traditionalistischen Schule bestand auch im Verweis auf die Vulgata als Basistext der Exegese. Von einem völligen Triumph der „Traditionalisten“ aber kann dennoch nicht die Rede sein. Die Enzyklika bietet auch Raum für Vertreter einer modernen wissenschaftlichen Exegese, denn sie fordert auf, neue Erkenntnisse und linguistische Methoden fruchtbar zu machen, sich die biblischen Sprachen anzueignen und eine allgemeine Vertiefung des Bibelstudiums in der Kirche zu befördern. Wie immer kam es darauf an, wie man die Enzyklika las. Sicher trug sie zur Klärung einiger Fragen bei, etwa hinsichtlich des Verhältnisses von Heiliger Schrift und Naturwissenschaften.⁶⁵ Die ersten Jahre in Fribourg widmete Zapletal seiner Vorlesungstätigkeit und der Beschäftigung mit den neuen Methoden, Erkenntnissen und Theorien der damaligen protestantischen und katholischen Bibelwissenschaft. Die Bedingungen für ein wissenschaftliches Arbeiten waren dabei in Fribourg nicht eben ideal: Die Universität war quasi aus dem Nichts heraus geschaffen worden, und eine wissenschaftliche Bibliothek war deshalb nicht vorhanden. Mit genau diesem Problem sah sich auch Pater Mandonnet, Professor der Kirchengeschichte, konfrontiert. Nach seiner Ankunft 1891 hatte er „in der Kantonsbibliothek nur wenig, im Albertinum noch weniger gefunden“.⁶⁶ Die Bibliothek für Exegese und Orientalistik musste Zapletal daher Buch um Buch selbst zusammenstellen. Zudem musste er selbst auch noch die finanziellen Mittel dafür beschaffen, zum Beispiel von der Wiener Akademie oder dem österreichischen Schulministerium. Dass er sich dabei nicht scheute, seine Freunde um Rat und Fürsprache zu bitten, bezeugt sein Brief ⁶⁷ vom 28. August 1901 aus dem Konvent in Znaim/Znojmo an den seinerzeit schon berühmten Orientalisten Alois Musil.⁶⁸ Zapletal fehlte es nicht nur an Büchern, sondern auch an Mitteln für Studienreisen sowie an Fotokopien wichtiger Manuskripte. Eine Reihe von Projekten konnte er aus Geldmangel nicht umsetzen. Für entsprechende Gesuche an staatliche oder öffentliche Autoritäten benötigte er jeweils die Erlaubnis von Kirche und Orden, und auch das war keine Selbstverständlichkeit.⁶⁹ Als überaus wichtiger Privatmäzen nicht nur für das Albertinum und die Fakultät, sondern auch für einzelne Professoren erwies sich der Ordensmeister Andreas Frühwirth.⁷⁰ Die Korrespondenz zwischen ihm und Zapletal verrät, in welchem Maße der

 Vgl. Lagranges Kommentar in RB 3 (1894), S. 29.  Marie-Humbert Vicaire, Le Père Mandonnet, O.P., historien de l’Eglise, in: Menschen und Werke. Hundert Jahre wissenschaftliche Forschung an der Universität Freiburg Schweiz / Les hommes et les oeuvers de l’Université. Cent ans de recherche scientifique à l’Université de Fribourg Suisse, éd. par Ramon Sugranyes de Franch, Fribourg 1991 (Défis et dialogues 13), S. 1– 19, hier S. 4. Zur Mandonnet vgl. auch Innocenzo Colosio, Un grande maestro domenicano Pierre Mandonnet, Fiorentina 1958.  MV FMusil. Inv.-Nr. H 19. 472/1.  Musil hatte sich nach anfänglicher Skepsis im Jahr 1900 mit der Veröffentlichung seiner Entdeckungen in Kuseir Amra in der wissenschaftlichen Welt einen Namen gemacht. Ihm wurde daraufhin nicht nur die Unterstützung der österreichischen Regierung zuteil, sondern es fanden sich auch Mäzene aus den Reihen des Adels, unter den Bankiers und Industriellen.  Zapletal an Frühwirth, 7. 3.1901. AGOP XI. 15345.  Vgl. Walz, Andreas Kardinal Frühwirth, S. 192.

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1 Zapletals Weg zur katholischen Exegese

Ordensmeister seinen Mitbruder beim Aufbau des erforderlichen wissenschaftlichen Apparats unterstützte. Meist schickte Frühwirth Messstipendien an Zapletal, der dann die entsprechenden Messen für das Anliegen der Stifter abhalten musste; doch ließ er ihm auch direkte Geldspenden und Büchersendungen zukommen.⁷¹ Wirklich unentbehrliche Handbücher beschaffte Zapletal mitunter auf Kredit, worauf zumeist eine dringliche Bittschrift nach Rom erging.⁷² Trotz dieser Schwierigkeiten kam im Laufe der Zeit eine stattliche Zahl an Büchern zusammen, so dass Zapletal 1902 beim Ordensmeister anfragte, ob er zu seiner „sehr schönen Zelle“ noch einen weiteren Raum hinzubekommen könne, da er keinen Platz mehr für seine Bücher habe, die sich inzwischen wie Ziegel zu Schornsteinen türmten. Auch einen größeren Schreibtisch benötige er.⁷³ An der Universität herrschte allgemein Platzmangel, weshalb die Unterrichtsräume effektiv genutzt werden mussten. Dies bedeutete, dass der Unterricht an sechs Tagen in der Woche stattfand, und zwar von frühmorgens bis sieben Uhr abends. Freie Samstage gab es nicht. Da die Studenten über das ganze Semester blieben, konnte sich ein reges studentisches Vereinsleben entfalten. Die Stadt selbst war provinziell und bot nicht sonderlich viel Zerstreuung, doch dafür lagen die Lebenshaltungskosten relativ niedrig. Mit Ausnahme der Theologen, die in den nach und nach fertig gestellten Konvikten und Ordenshäusern untergebracht waren, wohnten die Studenten privat bei Familien. Die Theologiestudenten mussten während des Semesters nicht nur in den Vorlesungen, sondern auch im Alltag eine Soutane tragen. Moralische und disziplinarische Verstöße wurden in Anbetracht des katholischen Charakters der Universität nicht toleriert.⁷⁴ Wie Zapletal dem Ordensmeister Anfang Juli 1894 gestand, hatte er in seinem ersten Jahr fünf verschiedene Fächer unterrichtet, obgleich er, abgesehen von biblischer Geografie, selbst nie Vorlesungen in diesen Fächern besucht hatte.⁷⁵ Dennoch war er als Professor im Großen und Ganzen zufrieden. In einem Brief vom 25. Februar 1894 beurteilte er selbst seine Vorlesungen über das Buch Genesis als sehr erfolgreich. Außer von Studenten würden sie auch von vier Priestern und einem Laien besucht.⁷⁶ Das enorme Arbeitspensum führte aber offenbar schon am Ende des ersten Jahres zu einer Überanstrengung. Zapletal kämpfte mit gesundheitlichen Problemen; er klagte über Kopfschmerzen und Müdigkeit. Pater Coconnier gab ihm daher den kollegialen  Zapletal an Frühwirth, 22.10.1898. AGOP XI. 15320. Zapletal dankt für eine Sonderzuwendung zum Kauf der kommentierten Bibelausgabe Cursus Scripturae Sacrae, herausgegeben von den deutschen Jesuiten Fanz von Hummelauer und Joseph Knabenbauer. Sie enthielt den lateinischen Wortlaut der Bibel sowie einen lateinischen Kommentar, der vor allem aufgrund der zahlreichen Zitate aus den Kirchenvätern von Wert war.  Zapletal an Frühwirth mit der Bitte um Intentionen, 7.7.1894. AGOP XI. 15320.  Zapletal an Frühwirth, 12. 3.1902. AGOP XI. 15345.  Vgl. Altermatt, Anfänge, S. 129 f.  Vgl. das Dankesschreiben von Zapletal an Frühwirth für einen Betrag von 100 CHF für 35 Messen, 13.7.1894. AGOP XI. 15320.  Zapletal an Frühwirth, 25. 2.1894. AGOP XI. 15320.

1.3 Professor für Exegese und die Veröffentlichung der Hermeneutica biblica

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Rat, nach Zermatt in die Berge zu fahren, sich dort zu erholen und lediglich die übersandten Messen zu lesen. Zapletal aber entschied sich dennoch, die Ferien zuhause in der österreichischen Monarchie zu verbringen. Gleich nach Semesterende brach er auf.⁷⁷ Vincent Zapletals erste Buchveröffentlichung war ein 1896 verfasstes lateinischsprachiges Handbuch der biblischen Hermeneutik. Biblische Hermeneutik war ein Pflichtkurs, an dem in der Regel die Mehrzahl der Studenten teilnahm. Was ihn zu diesem Handbuch bewogen hatte, erläuterte Zapletal seinem Ordensmeister am 15. Juni 1896: „Weil es jetzt kein ordentliches Handbuch der biblischen Hermeneutik gibt und meine Zuhörer immer auf mich drängen, meine Vorlesungen herauszugeben, so sah ich mich in diesem Sommersemester veranlasst, mein Material zu bearbeiten. Zwei Drittel des Werkchens, das ungefähr 200 Seiten haben wird, habe ich schon geschrieben und ich hoffe bis Ende Juli mit dem Übrigen auch fertig zu werden, um es im August in den Bibliotheken vervollständigen zu können.“⁷⁸ Vincent Rose, der Fribourger Neutestamentler, erklärte, dass ihm das Manuskript gefalle.⁷⁹ Zapletal bereitete den Stoff nach klassischem Muster auf und bezog sich dabei so ausführlich wie möglich auf die drei Jahre zuvor erschienene Enzyklika Providentissimus Deus. Seine subtilen Ausführungen belegte er jeweils anhand biblischer Perikopen. Außerdem untermauerte er seine Thesen durch Berufung auf die exegetischen Schriften der Kirchenväter, um so zu zeigen, dass seine Positionen und damit die Positionen der modernen katholischen Exegese in der kirchlichen Tradition verankert sind. Frühwirth erteilte das Imprimatur, und dem Druck des Buches stand nichts mehr im Wege.⁸⁰ Zapletal definiert darin zunächst den Begriff der Hermeneutik und skizziert die Geschichte dieser Disziplin. Im Anschluss daran erläutert er die klassische Lehre vom mehrfachen Schriftsinn, wobei er sich vor allem auf den hl. Thomas von Aquin beruft, mit dem er die Überzeugung teilt, dass einige Perikopen mehr als nur einen einzigen Schriftsinn haben. Im Hauptteil (S. 58 – 131) führt das Werk in die exegetischen Regeln ein, die auf den wahren Sinn biblischer Texte führen. Den Auftakt macht hierbei eine rationale Heuristik, die den biblischen Text als von Menschen geschaffenes literarisches Werk versteht. Inspiration und göttlicher Ursprung der Heiligen Schriften berücksichtigt dann die anschließende christliche Heuristik. Als Drittes folgt eine speziell katholische Heuristik. Sie geht vom Begriff der inspirierten kanonischen Bücher aus, deren Auslegung der Kirche obliegt. Bei Studium und Auslegung der Heiligen Schrift solle man stets den Anteil beider Autoren – des Verfassers und des Heiligen Geistes – im Blick haben. Um zu besseren Resultaten zu gelangen, solle der Exeget die Schrift mit den Mitteln der inneren und äußeren Quellenkritik studieren. Ein wirklicher Widerspruch zwischen einem inspirierten Text und echter wissenschaftlicher    

Zapletal an Frühwirth, 13.7.1894. AGOP XI. 15320. Zapletal an Frühwirth, 15.6.1896. AGOP XI. 15320. Zapletal an Frühwirth, 2.10.1896. AGOP XI. 15345. Vincent Zapletal, Hermeneutica Biblica, Fribourgi Helvetiorum 1897.

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1 Zapletals Weg zur katholischen Exegese

Erkenntnis sei ausgeschlossen, und gerade die katholische Bibelwissenschaft sei dazu berufen, sich mit diesen Problemen zu befassen und sie zu klären. Zapletal empfiehlt das Studium einschlägiger Arbeiten von protestantischen und jüdischen Exegeten, mahnt jedoch zur Vorsicht bei der Lektüre rationalistischer Schriften. Zapletals Handbuch wurde u. a. von Lagrange rezensiert, der vor allem diejenigen Punkte hervorhob, die es mit der modernen katholischen Bibelwissenschaft gemeinsam hat: Das scheinbar unnötig lange Kapitel über den mehrfachen Schriftsinn (De multiplici sensu litterali) sei in Wirklichkeit eine gründliche Studie zu den hier relevanten Standpunkten der wichtigsten Theologen: „Im Unterschied zu manchen weniger informierten Theologen zögert P. Zapletal nicht, zu sagen, dass der hl. Thomas bei all seinem Respekt gegenüber der Autorität des hl. Augustin eine Pluralität des Schriftsinns zulässt. Diese Tatsache bestätigt nur die Ansicht, welche Bañez, einer der kompetentesten Interpreten des hl. Lehrers, formuliert hat: Temerarium est negare, in sacris Litteris esse aliquem locum, qui in sensu litterali dupliciter possit intellegi. ⁸¹ Wie weit wir uns doch vom 16. Jahrhundert entfernt haben!“ Der zweite Teil, so der Renzensent, könnte ein wenig kurz erscheinen, doch „auch hier finden sich eine Reihe von Beobachtungen, die man in bislang erschienenen Handbüchern vergeblich suchen würde“. Die grundlegenden Passagen des Buchs verrieten eine „außergewöhnliche und tiefe Kenntnis der Möglichkeiten, welche die heutige Wissenschaft bietet“. Die Jerusalemer Dominikaner waren zudem erfreut über Zapletals Bestreben, den exegetischen Ruf ihres berühmten Ordensbruders Cajetan aus dem 16. Jahrhundert zu rehabilitieren. Man könne gar nicht genug betonen, „wie sehr wir den Studenten und Professoren unserer Seminare und theologischen Fakultäten dieses Handbuch empfehlen, das unserem Urteil nach das veraltete Handbuch von Ranolder⁸² ersetzen sollte.“⁸³ In den vorangegangenen hundert Jahren war kein besseres katholisches Handbuch der biblischen Hermeneutik erschienen. Zapletal verbindet in vollendeter Weise die subtile scholastische Problematik mit der kritischen Kompetenz eines alttestamentlichen Exegeten.⁸⁴ Nach solch einem Erstlingswerk konnte ihm niemand mehr vorwerfen, dass er sich in der Domäne der systematischen Theologie nicht auskenne, wie dies progressiven Exegeten nicht selten widerfuhr. Dr. Jan Sýkora, Professor für neutestamentliche Exegese an der Prager theologischen Fakultät, schließt seine Rezension mit den Worten: „Dieses Buch ist als Lehrbuch für Theologen verfasst worden[,] und es wird seinem Zweck voll und ganz gerecht: Es zeichnet sich durch Klarheit und Genauigkeit aus, erfasst bei aller Knappheit […] den Gegenstand vollständig, und enthält so manche These, die man in vielen ausführlicheren Herme-

 „Es ist vermessen zu leugnen, dass die Heilige Schrift Passagen enthält, die im Literalsinn in zweierlei Weise auslegbar sind.“  János Ranolders Arbeit Hermeneuticae biblicae generalis principia war bereits 1838 erschienen.  RB 6 (1897), S. 333 f. Auch eine Rezension in der Revue thomiste 5 (1897), S. 133, bezeichnet Zapletals Handbuch als derzeit beste verfügbare Hermeneutik.  Barthélemy, Idéologie, S. 164.

1.4 Die ersten Konflikte des jungen Professors

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neutiken vergeblich sucht.“⁸⁵ Auch weitere katholische Theologen wie z. B. Prof. Franz-Seraph Gutjahr⁸⁶, Othmar Mussil,⁸⁷ Johann Mader, aber auch der Tübinger Exegese-Professor Paul Vetter sparten ebenfalls nicht mit Lob.⁸⁸ Zapletals Hermeneutik hatte im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts in den mitteleuropäischen Ländern einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Verfasser ähnlicher Lehrbücher, so zum Beispiel auf Rudolf Coll⁸⁹, Professor an der theologischen Fakultät Olmütz, oder auch den ungarischen Professor Istvan Székely.⁹⁰

1.4 Die ersten Konflikte des jungen Professors Seit Beginn seiner Tätigkeit in Fribourg zeigte sich Zapletal als Kämpfer, der sich Ungerechtigkeit und Willkür nicht gefallen ließ. Bereits 1894 geriet er in Konflikt mit seinem Vorgesetzten, P. Coconnier, dem Vikar des Albertinums, der damals auch Rektor der Universität war. Coconnier⁹¹ hatte sich am 27. Februar 1894 mit einer Beschwerde über das Verhalten des neuen Professors an den Ordenmeister gewandt. In Wirklichkeit diente ihm Zapletal jedoch nur als Beleg dafür, wie „fatal“ die Wirkung von P. Thomas Esser OP⁹² auf die Kommunität und insbesondere die jungen Dominikanerprofessoren sei, wobei er Esser umgehend aus Fribourg zu entfernen gedachte. Zwei junge Professoren, Zapletal und Bartijn, seien, so Coconnier, „voll guten Willens zu uns gekommen, reden und handeln jetzt aber nach dem Beispiel P. Essers eigensinnig und arrogant, frönen genau wie dieser dem Kritisieren und unterstützen seine höchst unvernünftigen und unpassenden Affronts“. Coconniers Darstellung zufolge hatte Zapletal kurz zuvor eine Bitte des Fakultätsdekans abgelehnt, und zwar „mit einer Unverfrorenheit und mit Worten, die mich schockierten und die ich mir selbst nie erlauben würde trotz meiner fünfundzwanzigjährigen Priesterschaft.“⁹³ Ein Jahr später, am 11. Mai 1895, schrieb Coconnier erneut, dass „P. Zapletal ausgewechselt werden“ müsse, und zwar wegen Unstimmigkeiten innerhalb der

 Jan Sýkora, Lit. 31, in: ČKD 38 (1897), S. 318.  Literarischer Anzeiger für das katholische Österreich 10 (1897), S. 375.  Österreichisches Literaturblatt 1897, S. 385.  Tübinger Theologische Quartalschrift 80 (1898), S. 630.  Vgl. Duka, Čeští dominikáni a Bible, S. 45.  St.[ephanus] Székely, Hermeneutica biblica generalis secundum principia catholica, Fribourg 1902, S. 24.  Zum Lebenslauf vgl. Marie-François Cazes, Le T. R. P. Père Coconnier, Toulouse 1908.  Thomas Esser OP, (1850 – 1926), ebenfalls aus der Provincia Imperii (ab 1878), 1880 – 1885 Lektor am Wiener Ordensstudium, 1887– 1891 Philosophieprofessor in Maynooth, Irland. 1891– 1895 lehrte er kanonisches Recht und Liturgik in Fribourg. 1895 – 1898 Professor an der Dominikanerakademie Minerva in Rom, 1898 – 1900 Konsultor des Heiligen Offiziums, 1900 – 1917 Sekretär der Indexkongregation.  AGOP XI. 15310.

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1 Zapletals Weg zur katholischen Exegese

Kommunität.⁹⁴ Dem für die deutschsprachigen Länder zuständigen Assistenten des Ordensmeisters, P. Scheer, teilte Coconnier mit, dass Minister Python die Entfernung Zapletals für dringlich und unaufschiebbar halte, denn dieser sei anmaßend, aufsässig und eigensinnig. Python habe über ihn geäußert: „Das ist ein Stier, ein außerordentlich gefährlicher Mann, der in Fribourg alles zunichte machen kann.“⁹⁵ Zugleich habe Python auch die Abberufung P. Bartijns und P. Frankensteins gefordert, die für eine Tätigkeit an der Universität sowieso nicht geeignet seien. Otto Weiß nimmt diese Behauptungen ernst;⁹⁶ Barthélemy hingegen bezweifelt ihre Glaubwürdigkeit zu Recht.⁹⁷ Vieles erklärt ein Brief vom 11. September 1895, in dem Universitätskanzler Camillo Morel an Ordensmeister Frühwirth schreibt: „Coconnier hat P. Speiser anvertraut, dass er sich von Herrn Python sehr enttäuscht und alleingelassen fühle. Dieser habe ihn nämlich nicht in seiner Absicht unterstützt, P. Zapletal zu entfernen, den er für den Anführer jener Boykottbewegung hält, welcher er schon seit zwei Monaten ausgesetzt sei, die jedoch bislang niemand verurteilt habe“. Auf den Vorschlag, Zapletal abzuberufen, war Python offenbar tatsächlich nicht eingegangen, da es sich um einen internen Konflikt der Dominikaner im Albertinum handelte. Coconnier war als Vikar mit einer Gruppe junger, deutschsprachiger Professoren – Esser, Bartijn, Frankenstein und Zapletal – in Konflikt geraten, wobei möglicherweise die sprachliche Zugehörigkeit eine wichtige Rolle spielte.⁹⁸ Die Beschwerden der jungen Professoren über den Vikar erachtete jedenfalls selbst Morel als durchaus begründet, doch hielt er ihr Vorgehen und den zweimonatigen Boykott ihres Vorgesetzten für inakzeptabel.⁹⁹ Zapletals Rolle als treibende Kraft der Revolte sowie den sprachlichen Aspekt des Konflikts bestätigt der von P. Denifle am 5. Juli 1895 an den Ordensmeister übersandte Bericht, in dem es heißt, dass „die Deutschen“ (sic!) mit ihrem Verhalten sicher übertrieben hätten und vor allem Zapletal dies nun einsehe. Den jungen Professor bezeichnet er als „Hitzkopf“.¹⁰⁰ Allerdings war auch Coconnier nicht gerade ein Phlegmatiker. Er zog Konflikte regelrecht auf sich und starb ganz plötzlich mitten in einem anderen leidenschaftlich geführten Streit.¹⁰¹ Die Gruppe der „Aufrührer“ legte Ordensmeister Frühwirth ihre Sicht der Dinge dar und übersandte ihm am 13. Mai 1895 eine von Michel, Frankenstein, Bartijn und Zapletal unterzeichnete Petition.¹⁰² Der ausgesprochen persönlich geprägte Streit, der

 AGOP XI. 15320.  AGOP XI. 15310.  Zitiert nach Weiß, Modernismus, S. 43.  Vgl. Barthélemy, Idéologie, S. 102.  Konflikte zwischen deutsch- und französichsprachigen Dominikanern gab es schon vorher. Vgl. Füllenbach, Die Dominikaner, S. 184 f.  AGOP XI. 15300.  AGOP XI. 15300.  Im Jahr 1908 war Coconnier erst 62 Jahre alt. Vgl. Cazes, Le T. R. Père Coconnier, S. 58.  AGOP XI. 15320.

1.5 Der katholische Gelehrtenkongress 1897

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vor allem das Verhältnis zwischen dem Vikar und den jungen Professoren betraf, beruhigte sich während des Sommers durch den Weggang Professor Essers; die Leidenschaften verebbten. Mit dem neuen Vikar hatte Zapletal keine derartigen Schwierigkeiten. Bartijn und Frankenstein mussten aus anderen akademischen wie persönlichen Gründen im Studienjahr 1899/1900 ihren Hut nehmen, und Coconnier wurde nach Frankreich zurückberufen. Hätten sich Coconnier als Vikar und Rektor sowie Python als Mann mit entscheidendem Einfluss auf die Universität damals darauf geeinigt, Zapletals Entfernung zu fordern, so hätte dieser wohl kaum bleiben können. Frühwirth jedoch kannte den jungen Exegeten sehr gut, sie hatten gemeinsam einige Jahre in Wien verbracht, und Frühwirth, damals noch Provinzial, hatte Zapletal zum Bibelstudium ausersehen und nach Jerusalem an die École biblique geschickt. Schon seit seinen Studienjahren in Wien unterhielt Zapletal enge Kontakte mit dem Dominikanerinnenkloster in der Wiener Vorstadt Hacking. Während der Sommerferien ließ er seine Post dorthin senden, und oft verbrachte er hier auch die Osterund Weihnachtsferien. 1895 wurde er von dem neuen Wiener Erzbischof Anton Gruscha zum außerordentlichen Beichtvater ernannt.¹⁰³ Wie in Wien fand er auch in Fribourg bald den Weg zu den Dominikanerinnen. Vikar Coconnier hatte bereits am 10. Februar 1894 den Ordensmeister über die Bitte der Schwestern informiert, einen der deutschsprachigen Patres zum außerordentlichen Beichtvater zu bestimmen. „Ich muss hinzufügen, dass die Mutter Oberin mir sagte, dass sie sehr glücklich wäre, wenn Sie P. Zapletal zum außerordentlichen Beichtvater bestellen würden.“¹⁰⁴ Zu diesem Zeitpunkt war Zapletal noch kein halbes Jahr in Fribourg!

1.5 Der katholische Gelehrtenkongress 1897 1897 wurde in Fribourg der 300. Todestag des hl. Petrus Canisius begangen. Der große katholische Reformer des 16. Jahrhunderts hatte in Fribourg gewirkt und war hier auch gestorben. Im Rahmen dieser Feierlichkeiten fand vom 16.–20. August 1897 der vierte internationale katholische Gelehrtenkongress statt, an dem 758 Personen teilnahmen und an die 200 Beiträge verlesen wurden.¹⁰⁵ Auf Sonderantrag hin wurden auch Frauen zugelassen, wenngleich diese bis 1905 vom Universitätsbetrieb ausgeschlossen blieben. Unter den Vortragenden befanden sich etliche Dominikaner; in der exegetischen Sektion waren die Ordensbrüder Rose (als Sektionssekretär), Scheil, Séjourné und Zapletal vertreten.¹⁰⁶ Mit dem Sektionsvorsitz hatte man Lagrange betraut. Dieser

 Das Dokument wurde von Generalvikar Angerer am 3. September 1895 signiert. AA FZapletal.  AGOP XI. 15300. Zum Beichtvater wurde dennoch P. Michel ernannt.  Vgl. Barthélemy, Idéologie, S. 83 f.  Sämtliche Studien wie auch ein Sitzungsprotokoll der zweiten exegetischen Sektion sind enthalten in: Compte Rendu de IVme Congrès Scientifique International des Catholiques, Sciences exégétiques, Fribourg 1898.

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1 Zapletals Weg zur katholischen Exegese

verlas hier seinen berühmten Vortrag über die Quellen des Pentateuchs,¹⁰⁷ der zuvor durch die vom Ordensmeister ernannten Zensoren, die Fribourger Professoren Berthier und Coconnier, genehmigt worden war.¹⁰⁸ Mit dem protestantischen Bibelwissenschaftler Julius Wellhausen geht Lagrange von einer Theorie verschiedener Quellen oder Redaktionen aus, die dem erhaltenen Pentateuch-Text zugrunde liegen. In Bezug auf Mose unterscheidet er zwei Überlieferungen von ungleichem Wert: Der ersten Überlieferung zufolge war Mose der erste Gesetzgeber Israels und sein Vermächtnis Grundlage der gesamten Geschichte des Gottesvolks. Die zweite Überlieferung gehört Lagrange zufolge einer literarischen Erzählung an und wirft die Frage auf, ob Mose Redaktor des Pentateuch-Textes in dessen erhaltener Form gewesen ist. Was die erste Überlieferung betreffe, so „führen uns alle Gründe einer klugen historischen Kritik zur Anerkennung der historischen Rolle, die Mose von der Tradition zugeschrieben wird“.¹⁰⁹ Folgt daraus aber notwendigerweise, dass Mose eigenhändig den gesamten Pentateuch schrieb? Lagrange bringt ausreichend Beweise bei, dass dem nicht so sei. Auch sieht er keine prinzipiellen Gründe, die Urkundenhypothese, gegen die sich konservativ-katholische Exegeten und Apologeten so ereiferten, zu verwerfen. Weder Nachträge noch spätere Textredaktionen veränderten den eigentlichen Kern und den Geist der ursprünglichen Grundlagen so sehr, dass man den Pentateuch nicht mehr als ein Werk Moses im Sinne der jüdischen und christlichen Tradition bezeichnen könne, und auch diese behaupte ihrerseits ja nicht, dass Mose der letzte Redaktor gewesen sei.¹¹⁰ Weitaus kontroverser und radikaler war der Beitrag von Baron Friedrich von Hügel.¹¹¹ Er skizzierte kurz die Geschichte der Theorie von den vier Quellen des Pentateuchs (die sogenannte „neuere Urkundenhypothese“) und kam zu dem Schluss, dass diese, auch wenn sich die Bibelwissenschaft in Teilfragen ständig weiterentwickeln werde, in ihren Grundzügen als unumstößlich gelten müsse.¹¹² Um Themen und Vortragsstil in der exegetischen Sektion zu verdeutlichen, sei hier zumindest noch deren dritte Sitzung am Vormittag des 18. Augusts erwähnt, bei der es um die biblische Sintflut ging. Hierzu trug Professor Bareille vom Institut catholique in Toulouse eine Studie vor, die der Kanoniker Succona y Vallés, Professor am Seminar in Tarragona, eingesandt hatte.Vallés sah Folgendes als erwiesen an: 1. Es sei zwar möglich, dass die Flut zur Zeit Noahs eine universale war, gleichzeitig sei es jedoch wahrscheinlich, dass sich in dieser Frage keine Sicherheit erzielen lasse, solange die Kirche die Flut nicht zu einem wunderbaren Ereignis erkläre; 2. mit großer

 Lagranges Vortrag erschien auch gedruckt: Marie-Joseph Lagrange, Les sources du Pentateuque, in: Revue biblique 7 (1898), S. 10 – 32.  Lagrange, Souvenirs, S. 78 f.  Lagrange, Les sources du Pentateuque, S. 25.  Zu den Folgen vgl. Bernard Montagnes, Premiers combats du Père Lagrange: le Congrès de Fribourg (1897), in: Archivum Fratrum Praedicatorum 59 (1989), S. 299 – 369.  Zur Persönlichkeit und Rolle von Hügels vgl. Arnold, Kleine Geschichte, S. 78 – 88.  Compte Rendu de IVme Congrès, S. 254– 258.

1.6 Demission der reichsdeutschen Professoren

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wissenschaftlicher Wahrscheinlichkeit könne behauptet werden, dass die Flut nicht die gesamte Erdoberfläche bedeckt habe; 3. wenn man eine geografische Begrenztheit der Flut zur Zeit Noahs anerkenne, müsse man logischerweise auch gelten lassen, dass die Sintflut nicht die gesamte Menschheit betroffen habe. Der Sinologe Antonini vom Pariser Institut catholique wies auf einige sehr alte chinesische Quellen (3000 v.Chr.) hin, die eine eigene Sintflut-Tradition in China bezeugten, was als Beleg für die Universalität der Flut gelten müsse. Der Erzbischof von Nicosia, Henry O’Callaghan, wandte jedoch ein, dass in der Antike ein reger Gedankenaustausch zwischen Babylon und China bestanden habe, womit sich die Spuren dieser alten Tradition in China erklären ließen. P. Joseph Brucker kam auf die Gesamtargumentation der Arbeit zurück und vertrat die Ansicht, die katholische Tradition verpflichte zu dem Glauben, dass die Sintflut in anthropologischer und teilweise auch in geografischer Hinsicht universal gewesen sei. Dagegen wiederum brachte Professor Holzhey aus München vor, dass nach den frühesten ägyptischen Quellen die schwarzen Völker nicht von den Töchtern Noahs abstammen könnten und also älter seien als die Sintflut.¹¹³ Zapletals Name findet sich auf der Vortragsliste nicht, obgleich er an der Arbeit der exegetischen Sektion beteiligt war.¹¹⁴ Eine Erklärung hierfür bietet vielleicht die starke Präsenz von Fribourger Professoren und generell Dominikanern unter den Vortragenden. Auf dem internationalen Kongress begegnete Zapletal den hervorragendsten katholischen Wissenschaftlern seiner Zeit und konnte wertvolle Kontakte knüpfen. Einige der von Lagrange vorgetragenen Gedanken und insbesondere Lagranges Fähigkeit, diese dem katholischen Publikum zu vermitteln, inspirierten Zapletals eigene Arbeit, die fünf Jahre später in Form eines Kommentars zu den ersten Kapiteln der Genesis Früchte trug. Doch zuvor geriet Zapletal in einen Strudel von Ereignissen, die ihn weit über die eigentlichen Bereiche eines Professors für alttestamentliche Exegese hinausführten.

1.6 Demission der reichsdeutschen Professoren Ein zunächst banal anmutender Kompetenzstreit um die Lehrbefugnis für Hebräisch sollte zum Katalysator einer internationalen Affäre werden, die dem Ruf der Fribourger Universität im deutschsprachigen Raum erheblich schadete. Gleich eingangs sei gesagt, dass Zapletal völlig unverschuldet in diese Ereignisse verwickelte wurde. Hauptursache des Streits waren unklare Regelungen, die auf manch eine Improvisation bei der Gründung der Universität zurückgehen mochten, aber auch auf unklare oder nicht abgesicherte Versprechungen, die Decurtins den von ihm angeworbenen deutschen Professoren gemacht hatte. Der Status der Professoren, ihre Rechte, Ge-

 Ebd., S. 7 f.  Ebd., S. 183.

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1 Zapletals Weg zur katholischen Exegese

halts- und Pensionsansprüche – all das war im Eilverfahren geregelt worden und von „Perfektion“ weit entfernt. Unklarheit herrschte auch in Bezug auf die Kompetenzen der einzelnen Fakultäten. Durch die Präsenz der streng thomistischen Dominikaner, die auch zwei Professoren an der philosophischen Fakultät stellten, nahm die Spannung noch zu. Kleinere Zwischenfälle, Provokationen und Streitigkeiten mündeten schließlich in einen offenen Konflikt.¹¹⁵ Bei der Gründung der philosophischen Fakultät war auch ein Lehrstuhl für semitische Sprachen geschaffen und mit dem deutschen Gelehrten Hubert Grimme (1864 – 1942), einem katholischen Laien, besetzt worden. Grimme hielt auf Bitten des Dekans der theologischen Fakultät jeweils im Wintersemester auch eine HebräischVorlesung für Theologiestudenten. Als Zapletal im Oktober 1893 seine Professur für Exegese antrat, musste er jedoch bald feststellen, dass diese Vorlesungen nur von wenigen Theologiestudenten besucht wurden. Denn viele konnten kein Deutsch, andere wiederum hatten keine Hebräischkenntnisse, so dass sie Grimmes wissenschaftlich ausgerichteten Vorlesungen nicht verstanden. Ein großer Teil von Zapletals Studenten war somit für den Besuch eines Exegese-Seminars nicht entsprechend vorbereitet und konnte auch Zapletals exegetischen Ausführungen nicht vollständig folgen. Zapletals Kollege Professor Kirsch hatte bereits 1894 auf die Notwendigkeit verwiesen, einen Grundkurs Hebräisch in lateinischer Sprache einzurichten. Zapletal hatte sich aber in den ersten drei Jahren damit begnügt, die Studenten zum Besuch von Grimmes Vorlesungen zu ermuntern. 1896 trat jedoch an der theologischen Fakultät eine neue Prüfungsordnung in Kraft, die zur Erlangung des Doktortitels auch eine alt- und neutestamentliche Exegese anhand des Originaltextes vorsah. Im Wintersemester 1896 blieb Zapletal daher nichts anderes übrig, als einen zweistündigen Hebräischkurs auf Latein auszuschreiben. Er hielt es für geboten, dies, einschließlich der Gründe, die ihn dazu bewogen hatten, seinem Kollegen Grimme mitzuteilen. Grimme fasste Zapletals Mitteilung jedoch als Bitte um Zustimmung auf und verwies auf die Universitätssatzung, welche die betreffenden Fächer denjenigen Professoren vorbehielt, die dafür habilitiert waren. Er wies darauf hin, dass er der einzige qualifizierte Dozent mit der erforderlichen wissenschaftlichen Ausbildung zum Lehren semitischer Sprachen sei. Zapletal jedoch nahm das so nicht hin und ließ Grimme wissen, dass er nicht nur Hebräisch, sondern getrost auch andere semitische Sprachen unterrichten könne, und sollte Grimme ihm dies absprechen, werde er ernsthaft darüber nachdenken, es tatsächlich zu tun. Grimme berief sich daraufhin auf eine mündliche Zusicherung Decurtins aus dem Jahr 1889, dass die Lehrbefugnis für Hebräisch allein ihm zukomme. Zapletal konterte, dass ein Professor für Exegese des Alten Testaments per se das Recht habe, Hebräisch zu lehren, und niemand je von ihm verlangt habe, auf dieses Recht zu verzichten –

 Zu Verlauf und Hintergrund der Krise vgl. Anna Marti, Die Freiburger Universitätskrise von 1897/ 98: Der Auszug von acht reichsdeutschen Professoren. Unveröffentlichte Lizenziatsarbeit an der Philosophischen Fakultät Universität Freiburg (Schweiz), 1981.

1.6 Demission der reichsdeutschen Professoren

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ganz zu schweigen davon, dass er die Lehrveranstaltung erst angeboten habe, als es ihm unumgänglich schien. Zudem könne sein Grundkurs gut durch einen Fortsetzungskurs von Grimme ergänzt werden. Die Vorlesungen in Fribourg würden ohnehin nicht vergütet, so dass niemandem ein finanzieller Verlust entstehe, und auch von einer Überforderung der Studenten könne nicht die Rede sein. Zapletal stellte es den Theologiestudenten außerdem vollkommen frei, welchen der beiden Kurse sie belegten. Er forderte sie lediglich auf, das Hebräische nicht zu vernachlässigen.¹¹⁶ Nachdem die Professoren der philosophischen Fakultät beschlossen hatten, Grimmes Forderungen zu unterstützen, wurde die Angelegenheit am 8. Juni 1897 einem größeren Forum übergeben. Die theologische Fakultät stellte sich uneingeschränkt hinter Zapletal, der Python am 7. Juni seine Sicht der Dinge schriftlich dargelegt hatte. Unter dem Motto, dass „nur die philosophische Fakultät berechtigt sei, Hebräisch zu lehren“, brachte die philosophische Fakultät die Streitigkeit am 14. Juni vor den akademischen Senat. Als Grimme Zapletals Kompetenz in Hinblick auf die semitischen Sprachen in Zweifel zog, entgegnete Weiß als Dekan der theologischen Fakultät und Sprecher der Dominikaner, dass ihm wiederum nicht einleuchte, wie Grimme ohne theologische Bildung imstande sei, die Texte der Heiligen Schrift richtig zu interpretieren. Habe die theologische Fakultät die Pflicht, die Lehre eines bestimmten Faches zu gewährleisten, so habe sie dazu zwangsläufig auch das Recht. Während Grimme für die von ihm gewünschte Kompetenzverteilung in der Lehre nur auf drei Universitäten in Deutschland und der Schweiz verweisen konnte, nämlich Lausanne, Rostock und Königsberg, war an allen übrigen und somit auch den renommiertesten Universitäten der Unterricht des Hebräischen an den theologischen Fakultäten angesiedelt, und zwar sowohl an den katholischen als auch den protestantischen. Nach hitziger Diskussion schlug Weiß schließlich vor, die Frage zur Entscheidung an das Kultusministerium weiterzugeben. Der Senat stimmte zu. Die unzufriedenen Professoren der philosophischen Fakultät veranlassten den Rektor jedoch bereits am 15. Juni, für den 20. Juni eine Plenarsitzung einzuberufen. Deren Tagesordnung enthielt einen einzigen Punkt: den Fall Grimme versus Zapletal. In diesem Zusammenhang verlangte man die Veröffentlichung eines angeblichen Geheimvertrags zwischen den Dominikanern und der Regierung, auf dessen Grundlage die Dominikaner die Rechte anderer Professoren willkürlich verletzen konnten; man forderte Klärung, ob der Staat die von Decurtins gemachten Zusicherungen anerkenne, und von Dekan Weiß schließlich auch eine Entschuldigung für die an Grimme adressierten Äußerungen. Nun schaltete sich Minister Python ein und bestätigte nach entsprechender Überprüfung am 20. Juni 1897, dass Zapletal mit der Ausschreibung eines Hebräisch-Kurses den Rahmen des Stoffes, mit dessen Vermittlung er an der theologischen Fakultät betraut war, nicht überschritten habe. Die  Die Universität Freiburg in der Schweiz und ihre Kritiker. Antwort auf die Denkschrift der acht aus dem Verbande der Universität ausgeschiedenen Professoren, hrsg. im Auftrage der Direktion des Öffentlichen Unterrichts, Freiburg (Schweiz) 1898, S. 37– 40. Vgl. Marti, Die Freiburger Universitätskrise von 1897/98, S. 59 – 60.

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1 Zapletals Weg zur katholischen Exegese

Plenarsitzung, ohnehin für diese Fragen nicht zuständig, sei hinfällig. Zugleich mahnte Python, die internen Streitigkeiten einzustellen, da sich das Ministerium sonst zu disziplinarischen Maßnahmen gezwungen sehe. Das Schreiben erging an den Rektor sowie alle Professoren der Universität. Gleich am nächsten Tag verfassten auf dieses Verdikt hin zwölf Professoren – von der theologischen Fakultät nur Prof. Joseph Beck – eine Protestnote, denn in ihren Augen hatte der Minister durch sein Eingreifen die Universitätssatzung missachtet. Pythons Entscheidung zugunsten Zapletals entbehre jeder Begründung, er rühre damit außerdem an die Ehre der Professoren, die hier seit Gründung der Universität wirkten und lediglich die bestehende Ordnung verteidigen würden. Erneut stellten sie die Frage, warum den Dominikanern in allen Streitigkeiten Recht gegeben werden müsse. Python war ein erfahrener Politiker; er wartete ab, bis die Dinge sich etwas beruhigt hatten, und antwortete erst drei Wochen später, am 15. Juli, als das Semester zu Ende ging, in recht mildem Tonfall, ohne aber von seiner Entscheidung und Beurteilung der Ereignisse abzugehen. Er rief die Professoren auf, sich wieder ihrer Arbeit zuzuwenden.¹¹⁷ Einige von ihnen brachten die Affäre jedoch in die Presse, die Angelegenheit eskalierte und führte schließlich am 9. Dezember 1897 zu einer demonstrativen Kollektivdemission acht reichsdeutscher Professoren, die damit gegen die Verletzung der Universitätssatzung durch den Minister und den zu großen Einfluss der Dominikaner protestierten. Minister Python bemühte sich vergeblich um eine Schlichtung, der Streit war zu weit gediehen.¹¹⁸ Die Reaktionen in der deutschen und schweizerischen Presse trugen der Universität beträchtlichen Schaden ein. Namhafte deutsche Universitäten wie Jena, Tübingen, Leipzig oder Berlin betrachteten Fribourg daraufhin nicht mehr als gleichrangige Lehreinrichtung und erkannten ihre Titel, Prüfungen sowie hier absolvierte Semester nicht mehr an; selbst katholische Kreise in Deutschland nahmen eine reservierte Haltung ein.¹¹⁹ Auch Zapletal, der sich mehr oder weniger zufällig im Zentrum dieses Konflikts fand, sah sich in der Presse denunziert, ebenso in einigen Passagen der Publikation, in der die zurückgetretenen reichsdeutschen Professoren zu ihrem Abgang Stellung nahmen. Insgesamt richtete sich ihre Kampagne eher gegen die Dominikaner als solche und vor allem gegen Weiß als deren Sprecher und Dekan der theologischen Fakultät. Ihr Unmut galt dabei in erster Linie der ausschließlich neuthomistischen Philosophie und Theologie, nicht etwa der Art, wie Mandonnet Geschichte oder Zapletal und Rose Bibelwissenschaft lehrten. Zapletals fachliche Qualitäten erkannten auch diejenigen Kollegen der philosophischen Fakultät an, die ansonsten die

 Der volle Wortlaut der Protestnote ist veröffentlicht in: Die Universität Freiburg in der Schweiz und ihre Kritiker, S. 123 – 129. Eine Beschreibung der Ereignisse ebd., S. 40 – 46.  Vgl. Marti, Die Freiburger Universitätskrise von 1897/98, S. 67– 74.  Vgl. Heribert Raab, Die deutschsprachigen Länder, in: Histoire de l’université de Fribourg Suisse / Geschichte der Universität Freiburg Schweiz 1889 – 1989. Institutions, enseignement, recherches / Institution, Lehre und Forschungsbereiche, Bd. 1: Fondation et développement / Entstehung und Entwicklung, éd. par Roland Ruffieux, Fribourg 1991, S. 278 – 307, hier S. 286 – 290.

1.6 Demission der reichsdeutschen Professoren

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Forderungen der reichsdeutschen Professoren prinzipiell unterstützten, z. B. der Historiker Albert Büchi, Gründungsmitglied der Universität und in ebenjenem kritischen Jahr 1897 Dekan der philosophischen Fakultät.¹²⁰ Der Kampf um die Gunst der öffentlichen Meinung wurde auch anhand umfangreicher offiziöser Dokumente fortgesetzt. Erwähnt sei hier nur das erste davon. Bereits im Frühjahr 1898 von den reichsdeutschen Professoren herausgegeben, lässt es bei der Schilderung der Ereignisse keine Gelegenheit, die „klerikale Heimtücke“ der Dominikaner anzuprangern. Zapletal wird einseitig als Provokateur dargestellt, der die Universitätssatzung nicht respektiere und Grimme die Studenten ausspannen wolle. Auch nationale Töne schlägt dieses Memorandum an, indem es, obgleich es im Fribourger Kollegium nur drei Polen und zwei Tschechen gab, auf den wachsenden Einfluss französischer und slawischer (polnischer und tschechischer) Professoren an der Universität verweist: An der theologischen Fakultät studierten, so hieß es, hauptsächlich Reichsdeutsche und deutschsprachige Schweizer, im Professorenkollegium seien jedoch nur zwei Deutsche, hingegen vier Franzosen sowie ein Italiener, ein Spanier, ein Tscheche und ein Luxemburger, von denen nur die zwei Letzteren Deutsch sprächen.¹²¹ Die Regierung verfasste daraufhin prompt eine ähnlich umfangreiche „Antwort“ samt entsprechenden Dokumenten, um in allerdings weitaus gemäßigter und objektiverer Form Zapletals Vorgehen und damit auch seine Ehre voll und ganz zu verteidigen.¹²² Im Februar 1899 erschien erneut eine 130 Seiten umfassende Polemik aus der Feder der zurückgetretenen Professoren, die abermals den Konflikt zwischen Zapletal und Grimme thematisierte und diesmal auch Ausschnitte aus der Korrespondenz der beiden Gelehrten enthielt. Das Hauptproblem sieht diese Schrift im Misstrauen der päpstlichen Theologen gegenüber einem weltlichen Professor, in ihrer Angst, dieser könne mit seinen Auslegungen des hebräischen Textes seinerseits Misstrauen in die Herzen der Seminaristen tragen. Eine konfessionell ausgerichtete Fakultät, die der Kontrolle Roms unterstehe, könne den modernen Anforderungen an die Freiheit der Forschung nicht gerecht werden. Wieder wird auch der sprachlich-nationale Aspekt des Konflikts betont.¹²³ Zapletal hatte inzwischen jedoch andere Sorgen. Daher ließ er es bei einem ausführlichen Schreiben an Ordensmeister Frühwirth bewenden, in dem er vor allem die persönlichen Beschuldigungen widerlegte: Sollte sich die Presse des Themas erneut bemächtigen, könne er die Belege zu deren Entkräftung veröffentli-

 Büchi, Gründung und Anfänge, S. 41.  Denkschrift der aus dem Verbande der Universität Freiburg in der Schweiz ausscheidenden reichsdeutschen Professoren, München 1898, S. 29 – 37 und 54– 56.  L’Université de Fribourg en Suisse et ses détracteurs. Réponse au mémoire des huit professeurs démissionnaires, publié par Ordre de la Direction de l’Instruction publique, Fribourg 1898, S. 34– 40.  Herr Python und die Universität Freiburg in der Schweiz. Replik der aus dem Verbande der Universität ausgeschiedenen reichsdeutschen Professoren, München 1899, S. 65 – 69. Persönliche Angriffe auf Berthier, Mandonnet und Zapletal auf S. 118 – 120.

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1 Zapletals Weg zur katholischen Exegese

chen.¹²⁴ Doch das öffentliche Interesse war bereits durch andere politische Ereignisse in Anspruch genommen; dem zweiten Manifest der reichsdeutschen Professoren war keine sonderliche Aufmerksamkeit mehr beschieden. An der Fribourger Universität sank die Zahl der deutschen Studenten vorübergehend; neue Professoren fand man in Österreich und der Schweiz.¹²⁵

1.7 Die Indexkongregation und das Reiseverbot zum Orientalistenkongress Auf einer Sitzung am 20. Juli 1898 wurde der einunddreißigjährige Zapletal – vielleicht als Kompensation für das erlittene Unrecht – von den Professoren der theologischen Fakultät zum Dekan gewählt. Zwar hatte die Funktion des Dekans und letztlich auch des Rektors nicht denselben Stellenwert wie an heutigen Hochschulen – die Amtszeit eines Dekans erstreckte sich lediglich auf ein akademisches Jahr, und seine Vollmachten waren sehr begrenzt –, dennoch genoss sie erhebliches Prestige. Wie an den anderen Fakultäten wurde der Dekan auch an der theologischen Fakultät von den Professoren gewählt. Die Wahl musste sowohl staatlicherseits als auch vom Ordensmeister bestätigt werden, wobei Minister Python seine Zustimmung bereits zwei Tage später, am 22. Juli, erteilte.¹²⁶ Schon 1898 hatte sich das Professorenkollegium wieder stabilisiert. Eine Reihe von theologischen Disziplinen war mit Gelehrten besetzt worden, die während der nächsten Jahrzehnte in Fribourg wirken sollten, wie z. B. Kirsch, Mandonnet, Zapletal, Michel, del Prado und Beck. Das theologische Studienprogramm umfasste eine zweisemestrige (allgemeine und spezielle) Einführung in das Studium der Heiligen Schrift; insgesamt waren für die Exegese zwei Studienjahre vorgesehen. Der Schwerpunkt aber lag auf Dogmatik und Moraltheologie. Grundlage hierfür war das Studium der Summa theologica des hl. Thomas von Aquin. Eine Neuerung an der theologischen Fakultät war die Einführung von Seminaren nach dem Vorbild mitteleuropäischer Universitäten. Darüber hinaus hielten die Professoren auch Vorlesungen, die für die allgemeine Öffentlichkeit bestimmt waren. Zapletal sprach bei einer solchen Gelegenheit z. B. über seine Reise auf den Sinai.¹²⁷ In seinen Seminaren behandelte Zapletal die Themen, an denen er gerade arbeitete. Im Jahr 1900 waren dies die Chronologie der Bücher Esra und Nehemia sowie der Totemismus, im folgenden Jahr der Geisterglaube bei den Semiten, die Frage des Matriarchats in Israel sowie die Auslegung des ersten Kapitels der Genesis im Lichte

 Zapletal an Frühwirth, 26. 3.1899. AGOP XI. 15330: „Eur Paternität haben die ‚Replik‘ der demissionäre erhalten, worin das gegen mich auf S. 118 vorgebrachte sehr auffallen soll. Ich brauche kaum zu bemerken, dass die ganze Erzählung falsch ist“.  Vgl. Altermatt, Anfänge, S. 103 f.  AEF Zapletal.  Bericht über das Studienjahr 1899/1900, erstattet von dem Rektor Emile Bise, Fribourg 1901, S. 11 (im Weiteren zit. als: Bericht + betreffendes Jahr).

1.7 Die Indexkongregation und das Reiseverbot zum Orientalistenkongress

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der neuesten archäologischen Entdeckungen. Die Zahl der Teilnehmer lag relativ konstant bei zehn. In seinen Seminaren konnte Zapletal die Reaktionen eines gebildeten katholischen Publikums testen. Die Wahl seiner Themen zeigt, dass er sich gegenüber der rationalistischen Bibelwissenschaft abgrenzte. So unterzog er z. B. im Studienjahr 1901– 1902 die Theorien zum biblischen Gottesnamen Jahwe einer kritischen Analyse; zuvor hatte er sich ebenso kritisch mit dem Totemismus auseinandergesetzt. Doch auch dieses im Grunde apologetische Bestreben stieß auf Schwierigkeiten, weil er die Studenten dabei mit dem Inhalt auf dem Index befindlicher Bücher vertraut machen musste.¹²⁸ Dazu bedurfte es einer Sondergenehmigung. Zapletal bat daher am 26. November 1902 den Ordensmeister um die Erlaubnis, mit seinen Studenten, insbesondere mit den Doktoranden, verbotene Bücher lesen zu dürfen: „Mehrere meiner Schüler widmen sich jetzt mehr der altt. Exegese; sie bereiten Doktordissertationen aus meinem Fache vor[,] und viele machen wenigstens kleinere Arbeiten im praktischen Cursus. Dabei muss man jedoch die protestantische Exegese berücksichtigen, teils um auf der Höhe zu sein, teils aus Mangel an katholischen Werken. Ich höre, dass Vigouroux in Paris für diesen Fall die Erlaubnis bekommen hat, seinen Hörern die Lectüre von protestantischen Büchern gestatten zu können. Könnten Eure Paternität mir, um die Sache zu vereinfachen, eine ähnliche Erlaubnis erwirken? Ich möchte also womöglich in scriptis haben, dass ich meinen Studenten, die im praktischen Cursus exegetische Arbeiten machen, für die Zeit ihres Aufenthaltes in Freiburg erlauben darf, protestantische Werke über alttestamentliche Exegese zu lesen.“¹²⁹ Frühwirth unterstützte Zapletals Gesuch, das von Kardinal Andreas Steinhuber, dem neuen Präfekten der Indexkongregation, am 12. Dezember 1902 bewilligt wurde.¹³⁰ Für apologetische Zwecke, und die Apologetik machte damals einen Großteil der theologischen Publikationen aus, war das Studium verbotener Bücher unerlässlich. Man musste die Irrlehren kennen, wenn man sie widerlegen wollte. Für sich selbst verfügte Zapletal bereits seit mehr als zehn Jahren – seit seiner Zeit in Jerusalem – über eine entsprechende Lektüreerlaubnis: ein Schreiben der Indexkongregation vom 3. Juni 1892, in welchem dem Gesuch des Theologielektors Zapletal entsprochen wurde, für Studienzwecke verbotene Bücher zu lesen und zu besitzen, ohne dass ihn dabei das Gewissen plagen müsse. Unterzeichnet war es vom Präfekten der Indexkongregation, Kardinal Camillo Mazella, persönlich. Dieser hatte die Lektüre der verbotenen Texte unter der üblichen Bedingung erlaubt, dass diese nicht an Dritte verliehen werden durften.¹³¹

 Die Indexkongregation entschied seit 1559 über die Rechtgläubigkeit publizierter Bücher. Auf den Index gesetzte Werke durften von Katholiken unter Strafe der Exkommunikation nicht gelesen werden. Diese Praxis wurde erst 1966, also erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, aufgehoben.  Zapletal an Frühwirth, 26.11.1902. AGOP XI. 15345.  AA FZapletal.  AA FZapletal.

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1 Zapletals Weg zur katholischen Exegese

Wiederholt hatte Zapletal Probleme mit einer Teilnahmeerlaubnis für verschiedene Konferenzen und Kongresse, zu denen prominentere katholische Exegeten und Orientalisten eingeladen wurden. 1899 betraute ihn der akademische Senat mit der Vertretung der Universität auf dem Orientalistenkongress, der vom 2. bis 12. Oktober in Rom stattfinden sollte. Wie aus einem Brief an den Ordensmeister vom 22. Juli 1899 hervorgeht, war Zapletal an der Teilnahme sehr gelegen. Zwar hatte er den akademischen Senat darauf hingewiesen, dass er nicht genug Geld für den Aufenthalt habe, wenn jedoch das Ministerium wenigstens für die Reisekosten aufkäme, würde er sehr gern fahren. Er wisse nicht, ob er hierzu die Bewilligung der kirchlichen Vorgesetzten benötige, würde sie jedoch lieber einholen.¹³² Aus Rom kam daraufhin umgehend ein striktes Teilnahmeverbot. Da war nichts zu machen, und Zapletal nahm diese Entscheidung am 27. Juli an. Frühwirth teilte er mit, dass er seine Absage mit seiner finanziellen Situation begründet habe: „Den wahren Grund konnte ich nicht angeben, weil er missbraucht werden könnte. Man warf uns nämlich schon mancherorts vor, dass wir ohne eine besondere Erlaubnis aus ‚Rom‘ keinen Schritt thun können. Von meiner Anfrage und Ihren Antworten weiß absolut niemand, weil die Sache, ohne jede böse Absicht, ausgeplauscht werden könnte. Da ich nicht annehmen kann, geht wahrscheinlich mein ‚Freund‘ Grimme nach Rom.“¹³³ Genau wie Zapletal erhielt auch Lagrange von Frühwirth keine Teilnahmeerlaubnis. Lagrange untersagte er außerdem jegliche Information über den Kongress in der Revue biblique. ¹³⁴ Die Gründe des Verbots waren bei der römischen Kurie zu suchen. Eine eventuelle Teilnahme katholischer Gelehrter schien ihr ein zu großes Entgegenkommen gegenüber dem italienischen Staat. Denn zu jener Zeit betrachtete sich der Papst noch immer als Gefangener des Vatikans. Zapletal war zwar ordentlicher Professor an einer staatlichen Universität und Autor eines erfolgreichen Hermeneutik-Lehrbuchs, doch innerhalb des Ordens war er seit 1891 lediglich Lektor. Ordensmeister Frühwirth forderte ihn daher 1898 auf, auch in der akademischen Ordenshierarchie voranzukommen und sich auf die Bakkalaureatsprüfungen vorzubereiten. Zapletal widersetzte sich nicht und stellte die erforderlichen Informationen zur Verfügung, gab aber zu bedenken, dass es nicht leicht sein würde, sich nach den sieben Jahren, in denen er sich fast ausschließlich mit exegetischen Fächern befasst habe, erneut der Summa theologica des hl. Thomas zuzuwenden. Lieber ließe er sich im Hebräischen, Syrischen, Koptischen, in Hermeneutik, biblischer Geografie, Archäologie u. ä. prüfen.¹³⁵ Eine Woche später, am 21. September 1898, äußerte er sich zu seiner Situation in aller Offenheit und stellte mit Bedauern fest, dass ihm angesichts von acht Stunden Vorlesungen zur alttestamentlichen Exegese, bei denen er sich fortwährend strenger Kritik unterzogen sehe, und seiner zeitaufwändigen Pflichten als Dekan schlichtweg keine Zeit zum Studium    

Zapletal an Frühwirth, 22.7.1899. AGOP XI. 15345. Zapletal an Frühwirth, 27.7.1899. AGOP XI. 15320. Vgl. Lagrange, Souvenirs, S. 105 f. Zapletal an Frühwirth, 13.9.1898. AGOP XI. 15310.

1.8 Der Kampf um den Verbleib der Dominikaner in Fribourg

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der Summa bliebe, die ihm der Ordensmagister als Prüfungsstoff auferlegt habe. Die einzige Möglichkeit sehe er in ein oder zwei Freisemestern.¹³⁶ Stattdessen ernannte Frühwirth ihn am 3. Oktober 1898 zum Studentenmagister. Doch zu guter Letzt erhielt er auch sein Bakkalaureatsdiplom,¹³⁷ für das er dem Magister am 8. Juni 1899 danken konnte.¹³⁸

1.8 Der Kampf um den Verbleib der Dominikaner in Fribourg Bald nach seiner Ankunft in Fribourg begann sich Zapletal auch an den wirtschaftlichadministrativen Aufgaben der Dominikanerkommunität zu beteiligen. Wie bereits erwähnt, erlaubten die Schweizer Gesetze keine Neugründung von Klöstern, und auch Kirchenbesitz im klassischen Sinne war nicht gerne gesehen. Auf der Jahresversammlung Ende des Sommersemesters 1901 – Vikar der Gemeinschaft war damals P. Leo Michel OP¹³⁹ – kam es zwischen den Patres wegen verschiedener Verwaltungsfragen zu Unstimmigkeiten. Zapletal, der diesen Konflikt mit hervorgerufen hatte, verteidigte sich in einem sechsseitigen Brief an Frühwirth und beklagte die mangelnde Professionalität und den Formalismus der Kommunitätsverwaltung: Die im Ausschuss vertretenen Patres hätten die erforderlichen Angaben nicht im Voraus erhalten; diese kreisten während der Versammlung in einem einzigen und noch dazu allzu schematischen Exemplar, aus dem nur schwer Einblick in die Ausgaben und Einnahmen zu gewinnen sei. Doch müssten sie damit vertraut sein, wenn sie über etwas abstimmen sollten. Er zweifle nicht an der Vertrauenswürdigkeit der Leitung, aber ein jeder könne sich irren. Als ehemaliger Hausökonom halte er das bestehende System zudem für ausgesprochen unübersichtlich. Seine Vorbehalte teilte Zapletal auch der Leitung der Kommunität mit, stieß damit jedoch auf wenig Verständnis. Vielmehr ließ ihn P. Michel wissen, dass sowohl die Ausschusssitzung als auch die Haushaltsbewilligung eine „reine Formalität“ seien und keine aktive Beteiligung der Ausschussmitglieder erforderlich mache. Hätte Zapletal seinem Naturell nach gehandelt, wäre er sofort nach dieser Erklärung aus dem Ausschuss ausgetreten. Doch er wollte die Situation nicht verschärfen, nahm also Michels Äußerung hin und merkte lediglich an, dass die Mitbrüder unter diesen Vorzeichen sich noch weniger als bisher für die Belange der Gemeinschaft einsetzen würden, was nicht unbedingt förderlich sei. Schließlich betonte er, dass er sich Zeit und Ruhe zum Arbeiten wünsche, ohne alle Ablenkungen, und dass er keineswegs vorhabe, Unruhe zu stiften.¹⁴⁰ Solcherlei Zwischenfälle zeugen einerseits von Zaple-

 Zapletal an Frühwirth, 21.9.1898. AGOP XI. 15310.  AA FZapletal.  Zapletal an Frühwirth, 8.6.1899. AGOP XI. 15320.  Leo Michel (1857– 1919), ungarischer Dominikaner, 1880 – 1891 Professor für Philosophie und Dogmatik am Grazer Ordensstudium, 1891– 1919 Professor für Philosophie und Ethik in Fribourg.  Zapletal an Frühwirth, 18.7.1901. AGOP XI. 15345.

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1 Zapletals Weg zur katholischen Exegese

tals Sinn für das Praktische, andererseits auch von seiner Sorgfalt im Detail. Innerhalb der Kommunität trug ihm dies keine große Beliebtheit ein. Derartige kanonisch und rechtlich unzureichend abgesicherten Vorgehensweisen – das betrifft auch die Eigentümergemeinschaft der Professoren in Bezug auf das Albertinum (s. Kap. 1.2.) – missfielen dem umsichtigen Frühwirth. Zeitweilig erwog er als Ordensmeister sogar einen Abzug der Dominikanerpatres aus Fribourg. So sehr er dieses Projekt schätzte, zu dem sich Dominikaner aus den französischen, belgischen, deutschen und österreichischen Ordensprovinzen zusammengefunden hatten, und so sehr er sich dessen Bedeutung für den Schweizer Katholizismus bewusst war, es erforderte doch auch viel Geld und ebenso gute wie rare Professoren. Auch konnten die Dominikaner in der Eidgenossenschaft nicht nach den klösterlichen Regeln leben. Ähnliche Sorgen machte er sich über das weitere Schicksal der Jerusalemer École biblique; hier wurde die Lage noch erschwert durch das ungünstige Klima und den Mangel an Studenten.¹⁴¹ Im Juni 1899 fand eine Visitation statt, die unter den Professoren Befürchtungen hinsichtlich der Zukunft ihrer Fakultät weckte. Zapletal als Dekan der Fakultät empfand es daher als seine Pflicht, dem Ordensmeister ein zehn Punkte umfassendes Memorandum über die Tätigkeit der Dominikaner an der Universität zu senden. Seiner Ansicht nach war es dem Orden nicht nur möglich, die Fribourger Fakultät zu tragen, sondern sie war für dessen Wohl geradezu unverzichtbar. Die Übernahme der Fakultät durch die Dominikaner bezeichnete er als eine Fügung der Vorsehung, die den Orden veranlasst habe, in den eigenen Reihen wissenschaftlich talentierte Professoren heranzuziehen und damit an eine alte Tradition anzuknüpfen. Ein Abzug der Dominikaner aus Fribourg könne sich als Todesstoß für den Orden erweisen, ihn zu intellektueller Unterdurchschnittlichkeit und damit zur Bedeutungslosigkeit verurteilen, während die Arbeit in Fribourg künftig noch reichere Früchte tragen werde als gegenwärtig. Dafür müsse jedoch schon jetzt eine neue Professorengeneration herangebildet werden, welche die jetzige einst würde ersetzen können. Der Nachwuchs sollte eine hochwertige akademische Ausbildung erhalten und bereits vor seinem Antritt in Fribourg den Doktortitel erlangen, um von den Kollegen nicht für minderwertig erachtet zu werden. Hier spielt Zapletal auf seine eigene Situation und die einiger Mitbrüder an: Bloße Ordenstitel genügten nicht, da man an einer staatlichen Universität unterrichtete und über akademische Grade verfügen musste, die den geltenden Vorschriften entsprachen. Bliebe der Nationalitätenproporz unter den Studenten wie bisher, so sollte das künftige Professorenkollegium aus Deutschen und Franzosen bestehen, mit einem geringen deutschen Übergewicht. Das derzeitige Kollegium wollte er um einen Professor ergänzen, der Kirchengeschichte auf Deutsch lehren würde; im Laufe der Zeit sollte außerdem ein Professor für Pastoraltheologie die Nachfolge von Diözesanpriester Prof. Beck antreten – allein schon deshalb, weil die Dominikaner alle Lehr-

 Vgl. Lagrange, Souvenirs, S. 48 f.

1.8 Der Kampf um den Verbleib der Dominikaner in Fribourg

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stühle besetzen sollten und gerade dieses Fach das Interesse der Studenten wecke. Notwendig sei auch die Schaffung weiterer Unterkünfte für Studenten durch eine Erweiterung des Konvikts von den bestehenden 80 auf ca. 120 Plätze. Gut wäre außerdem, wenn den Patres in Fribourg auch weiterhin eine gewisse Autonomie eingeräumt würde. Auf jeden Fall sollte nichts Wichtiges ohne das Wissen und erst recht nicht gegen den Willen der Patres entschieden werden. So könne man viel Schaden vermeiden, und dem Ordensmeister blieben Unannehmlichkeiten erspart. Da auf den Generalkapiteln des Öfteren über Fribourg gesprochen worden sei, und zwar nicht immer vorteilhaft, wäre es nützlich, wenn die dortige Kommunität dort in irgendeiner Weise vertreten sein könne.¹⁴² Es ist bemerkenswert, dass Zapletal und Lagrange nicht nur im Hinblick auf Ausrichtung und Entwicklung der katholischen Exegese dieselben Vorstellungen hatten. Auch in ihrer Vision von einer authentischen Erneuerung des Dominikanerordens standen sie sich sehr nahe. Die Betonung des Studiums, eines eigenständigen wissenschaftlichen Arbeitens und des intellektuellen Apostolats finden sich nämlich auch in einem Vorschlag, den Lagrange ein Jahr zuvor unabhängig von Zapletal an Ordensmeister Frühwirth gesandt hatte. Er hebt die Bedeutung der großen staatlichen Universitäten hervor, an denen die Elite geformt und somit über die Gesellschaft entschieden werde. Auch der Orden müsse auf akademisches Terrain vordringen und dort, z. B. in Form kostenlos ausgeschriebener Kurse, eine gesunde katholische Lehre vertreten. Man dürfe nicht warten, bis eine junge Generation von Universitätsstudenten selbst den Weg in die Pfarreien und Klöster fände. Lagrange erbot sich damals, nach Paris zu gehen und es mit exegetischen Vorlesungen an der Sorbonne zu versuchen. Und obgleich er damit kein Gehör fand, trug die bemerkenswerte Übereinstimmung zwischen den beiden noch jungen, aber doch schon etablierten Ordensgelehrten zumindest dazu bei, Frühwirth davon zu überzeugen, dass beide Ordensstudien – in Jerusalem und in Fribourg – erhalten werden mussten.¹⁴³ Frühwirths Bedenken wurden im Übrigen teilweise ausgeräumt, als die Schweizer Eidgenossenschaft am 1. Dezember 1899 ein neues Universitäts- und Hochschulgesetz verabschiedete. Dieses bot den einzelnen Universitäten und deren Fakultäten ein hohes Maß an akademischer Freiheit und Autonomie, so dass die theologische Fakultät, im Grunde eine Akademie der Dominikaner, ihre Spezifika auch im Rahmen einer staatlichen Universität bewahren konnte.¹⁴⁴ Da die Fakultät in Fribourg Teil einer staatlichen Einrichtung war, unterstand sie außerdem der Bildungskongregation und nicht etwa den für Ordensschulen und Diözesanseminare zuständigen Kongregationen. Das sollte in der Zukunft noch eine wichtige Rolle spielen.

 Bericht Zapletals an Frühwirth, 26.6.1899. AGOP XI. 15310.  Detaillierter hierzu Tomáš Petráček, C’est à l′université que l′avenir se prépare: M.-J. Lagrange et V. Zapletal et leur réflexion sur la mission de l′ordre dans la modernité in: Mémoire dominicaine 25 (2010), S. 125 – 140.  Vgl. Gallus Manser, Die Theologische Fakultät, in: L’Université de Fribourg / Die Universität Freiburg i. Ü., Basel 1939, S. 11– 17, hier S. 12.

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1 Zapletals Weg zur katholischen Exegese

1.9 Erste Konflikte als Exeget Von großem Nutzen für Zapletals Arbeit war einer seiner Kollegen, der französische Dominikaner Vincent Rose, der 1895 nach einem zweijährigen Aufenthalt an der Jerusalemer École biblique in Fribourg die Professur für Exegese des Neuen Testaments übernommen hatte. Rose, u. a. auch Mitarbeiter der Revue biblique, war etwa im selben Alter wie Zapletal, so dass im Studienjahr 1895/96 gleich zwei noch nicht einmal dreißigjährige Professoren Vorlesungen zur Heiligen Schrift hielten. Dies mag heute recht ungewöhnlich erscheinen, war jedoch damals – man denke z. B. an das Engagement des jungen Friedrich Nietzsche – durchaus nichts Ungewöhnliches. Rose folgte der historisch-kritischen Methode. Seine Forschungsergebnisse flossen in eine Reihe von Studien ein, die er zwischen 1899 und 1901 publiziert hatte und nun, überarbeitet und um weitere Studien ergänzt, in Buchform herausbringen wollte.¹⁴⁵ Wie Rose in einem Brief an den Ordensmagister betonte, wandte sich sein Buch gegen die Rationalisten.¹⁴⁶ Mithilfe der neuen Methoden verteidigte er die Realität grundlegender neutestamentlicher Themen, so die Jungfrauengeburt Jesu, seine Gottessohnschaft, die Auferstehung und die von ihm gewirkten Wunder. Roses Beweisführungen basierten auf wissenschaftlicher Argumentation; auch scheut er sich nicht, auf bekannte protestantische Autoren wie Adolf von Harnack, Adolf Jülicher oder Heinrich Julius Holtzmann zu verweisen und diese sogar direkt zu zitieren. Lagrange vermerkte zu Rose: „Auch nachdem er Professor in Fribourg geworden war, blieb er einer unserer treuen Schüler. Seine bemerkenswerten Forschungen zum Evangelium mündeten in ein eigenständiges Buch, welches der liberalen protestantischen Exegese wirksam die Stirn bieten sollte. Zur vollen Entfaltung kam sein Talent erst in den Jahren 1899 – 1900.“¹⁴⁷ Die wissenschaftliche Analyse neutestamentlicher Texte und die Verweise auf protestantische Autoren genügten jedoch, um Rose ins Visier der Integralisten geraten zu lassen, deren Zeit bald anbrechen sollte. Ein erster Chor kritischer Stimmen erhob sich bereits 1901 in jesuitischen Zeitschriften wie Civiltà cattolica und La Science catholique. ¹⁴⁸ Bald schaltete sich Albert Maria Weiß OP, ein Mitbruder Roses aus dem Albertinum, in die Kampagne ein. Statt den angefochtenen Exegeten zu verteidigen, brachte er – den Worten des damaligen Vikars Michel zufolge – den Rektor der Universität noch mehr gegen diesen auf und suchte seine Abberufung zu erwirken.¹⁴⁹ Doch Rose hatte die Unterstützung des Ordensmeisters und seiner Kollegen. So überstand er diese erste Krise und konnte sowohl seine Vorlesungen als auch seine wissenschaftliche Arbeit fortsetzen.

 Vincent Rose, Études sur les Évangiles, Paris 1901. Vom Interesse des katholischen Publikums an derartigen Arbeiten zeugen drei Neuauflagen innerhalb der darauffolgenden drei Jahre.  Rose an Frühwirth, 23.7.1901, AGOP XI. 15300.  Lagrange, Souvenirs, S. 108 f.  Vgl. Weiß, Modernismus, S. 39 f.  Michel an Frühwirth, 26. 2.1901. AGOP XI. 15310.

1.9 Erste Konflikte als Exeget

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P. Albert Maria Weiß gehörte im April 1890 zu den ersten dominikanischen Professoren an der Universität Fribourg. Er las später Apologetik an der theologischen Fakultät, und diesem Fach war auch die fünfbändige Apologie des Christentums dieses unermüdlichen Autors gewidmet, die trotz ihrer insgesamt 5.000 Seiten zweimal neu aufgelegt und ins Spanische, Italienische und Französische übersetzt wurde. Bei den Studenten hatte Weiß den Spitznamen „Jeremias der Zweite, Prophet des Unglücks“, was einiges über seine Mentalität und seinen Stil verraten dürfte. Für seine Grundhaltung wiederum ist charakteristisch, dass er für den schlimmsten aller gegenwärtigen Irrtümer die Behauptung von der „Verbesserungsfähigkeit und Verbesserungsbedürftigkeit des Christentums“ hielt.Weiß war wahrscheinlich der erste, der das Wort „Modernismus“ in ebenjenem Sinne verwendete, der bald nicht nur in traditionalistisch gefärbten Publikationen, sondern auch in päpstlichen Dokumenten übernommen werden sollte.¹⁵⁰ „Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass in den folgenden Jahren ausgerechnet die Dominikaner in Fribourg mehrfach pauschal des Modernismus bezichtigt wurden, und damit auch Weiss selbst unter den völlig abwegigen Verdacht geriet, ein Modernist zu sein“.¹⁵¹ Den Ursprung aller kirchlichen wie gesellschaftlichen Probleme sah Weiß in den ‚verderblichen‘ Reformationsgedanken des 16. Jahrhunderts, die den modernen Menschen mit der Kirche aussöhnen wollten, indem sie den Anspruch auf jene absolute Autorität aufgaben, die Gott mittels der Kirche über die Menschen ausübt. Im Unterschied zu anderen griff Weiß jedoch in der Regel weder konkrete Autoren noch konkrete Schriften öffentlich an. Musste er unbedingt zitieren, so tat er dies auf dem Umweg über eine dritte Publikation – ähnlich wie tschechische Historiker während des kommunistischen Regimes, wenn sie auf einen verbotenen Autor verweisen wollten.¹⁵² Er scheute sich jedoch nicht zu denunzieren. Obgleich er in seinen Arbeiten Autoren wie Rose, Zapletal oder Lagrange nicht direkt nannte,¹⁵³ änderte dies nichts an seiner Abneigung gegen diese Vertreter der historisch-kritischen Methode, die er für einen grundlegenden Irrtum der progressiven bzw. modernistischen Theologie hielt. Die Wahrnehmung jener Verfechter eines ‚reinen‘ Katholizismus war recht simpel: ein Feind war jeder, der nicht der ultramontanen integralistischen Strömung angehörte. Im Albertinum bildeten sich zwei Lager. Der Zwist lief entlang der Front „Systematiker“ versus „Historiker“ beziehungsweise „Apologeten“ versus „Exegeten“.¹⁵⁴ Weiß war überzeugt, dass die beiden Fribourger Exegeten, Zapletal und Rose, von Neuerungssucht besessen seien, wobei er selbst sich als Opfer sah! In einem Brief an Ordensmeister Frühwirth vom 6. Dezember 1902 schrieb er, dass die beiden Exegeten ihn

 Claus Arnold hat dies nachgewiesen: Vgl. Claus Arnold, Absage an die Moderne? Papst Pius X. und die Entstehung der Enzyklika Pascendi (1907), in: Theologie und Philosophie 80 (2005), S. 201– 224.  Füllenbach, Die Dominikaner, S. 185 f.  Vgl. Barthélemy, Idéologie, S. 96 f.  Vgl. Lagrange, Souvenirs, S. 98.  Vgl. Weiß, Modernismus, S. 36 f.

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1 Zapletals Weg zur katholischen Exegese

seit Jahren als ihren Erzfeind betrachteten.¹⁵⁵ Der Konflikt war bereits ein Jahr zuvor, im Januar 1901, zutage getreten. An seinem Anfang stand ein harmloser Disput beim Essen zwischen Weiß auf der einen und Zapletal und Rose auf der anderen Seite. Das Gespräch drehte sich unter anderem um den Syllabus,¹⁵⁶ über den sie schwerlich einer Meinung sein konnten, und Weiß beschloss, sich in Rom über die jungen Ordensbrüder zu beschweren. In einem Brief vom 13. Februar 1901 setzte Zapletal dem Ordensmeister das Vorgefallene auseinander. Er teilte ihm mit, dass er in Rom beschuldigt werden solle, wisse aber nicht, bei welcher Kongregation. Weiß selbst sei zu ihm gekommen und habe ihm dies mitgeteilt, damit er Gelegenheit habe, seine Meinung zu äußern. Zapletal gesteht zugleich, dass Weiß wohl von niemandem je so gescholten worden sei wie von ihm, und er hoffe, dass er in Rom nicht verurteilt werde, ohne als Beschuldigter eine Möglichkeit zur Verteidigung zu erhalten.¹⁵⁷ Das war das erste Mal, dass Zapletal sich seitens der kirchlichen Kontrollorgane ernsthaft bedroht sah. Die Episode zeigt aber auch zwei Männer, die keinen Hehl aus ihrer Meinung machten und ihre Streitigkeiten offen ausfochten. Weiß war trotz all seiner Denunziationen und übertriebenen Berichte im Vergleich zu späteren Gegnern ein Ehrenmann und dem Orden gegenüber loyal. Seinen Mitbrüdern blieb er indes nichts schuldig und ließ verlauten, dass Alfred Loisy¹⁵⁸ auch in Fribourg gute Freunde habe. Als er 1898 begann, anstelle von kanonischem Recht Apologetik zu lehren, bot sich ihm endlich ausreichend Gelegenheit zur Kritik an der modernen Zeit, dem Säkularismus, der übertriebenen Betonung des weltlichen Elements, der schwindenden Bedeutung des Klerus in Kirche und Gesellschaft etc. Selbst seine Freunde waren der Ansicht, dass er verbittert sei und zu Übertreibungen neige.¹⁵⁹ Weiß litt sehr darunter, dass selbst die Studenten ihn nicht sonderlich ernst nahmen. In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts stand er in Fribourg als Anhänger der integralistischen und traditionalistischen Strömung relativ einsam da. Seine Überzeugungen wurden damals, wenn auch noch nicht sonderlich konsequent, nur von Professor Reginaldo Fei geteilt, später dann auch von Gallus Manser OP,¹⁶⁰ der im Jahr 1900 nach Fribourg gekommen war und einige Arbeiten

 Weiß an Frühwirth, 6.12.1902. AGOP XI. 15310.  Bei dem Syllabus handelt es sich um einen Katalog von achtzig Irrtümern der modernen Zeit, die von der päpstlichen Autorität definiert und verurteilt worden waren. Er wurde 1864 auf Anweisung von Pius IX. als Anlage zur Enzyklika Quanta cura erstellt. Moderne Ausgabe mit einer einführenden Studie von Paul Christophe und Roland Minnerath, Le „Syllabus“ de Pie IX., Paris 2000.  Zapletal an Frühwirth, 13. 2.1901. AGOP XI. 15345.  Alfréd Loisy (1857– 1940), bedeutender französischer katholischer Exeget, nach seiner Exkommunikation im Jahr 1908 Religionswissenschaftler. Er gehört zu den Wegbereitern der modernen Exegese und der wissenschaftlich-kritischen Methoden. Durch seinen polemischen Stil machte er sich jedoch viele Feinde. Loisy wurde zum bekanntesten Vertreter der modernistischen Bewegung.  Vgl. Weiß, Modernismus, S. 145 – 149.  Gallus Manser (1866 – 1950), Schweizer Dominikaner, gehörte zu den ersten Studenten und Absolventen der Fribourger theologischen Fakultät. 1897 trat er dem Dominikanerorden bei, 1899 – 1942

1.9 Erste Konflikte als Exeget

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gegen den Modernismus in der Philosophie, insbesondere gegen den Agnostizismus, verfasst hatte.¹⁶¹ Im Laufe der Zeit, vor allem nach Amtsantritt des neuen Papstes und dem Richtungswechsel in Rom, kam es in Fribourg zu einem sichtlichen Erstarken dieser Partei. Schon 1898 kam jedoch ein weiterer Professor an die Fakultät: der Priester und Konvertit Friedrich Speiser, der ursprünglich in Basel Rechtsanwalt gewesen war. Er übernahm die Vorlesungen zum kanonischen Recht, die bis dahin Weiß gehalten hatte, der nun zu Speisers geistigem Führer und Beichtvater wurde.¹⁶² Dennoch geriet Speiser bereits 1899 in erste Konflikte mit den Dominikanern, die sich 1901– 1902, als Speiser Rektor des Konvikts und daher auch für die Alumnen zuständig war, weiter verstärkten. Vikar Michel beantragte Speisers Abberufung, worauf ihm Minister Python antwortete, die einzige Möglichkeit, ihn loszuwerden, sei eine Ernennung zum Bischof. Versuche er, ihn abzuberufen, würde Speiser eine Pressekampagne gegen Fribourg und die Dominikaner ins Rollen bringen, womit letztendlich niemandem geholfen wäre.¹⁶³ Nachdem Weiß 1902 ein zweites Mal zum Dekan der theologischen Fakultät gewählt worden war, hoffte er, mit Unterstützung der römischen Kongregationen die Entfernung derjenigen Professoren zu erwirken, die sich den modernen Methoden verschrieben hatten. Aber der Ordensmeister weigerte sich, die Beschuldigungen, die Weiß gegen seine Kollegen vorbrachte, an die Studienkongregation weiterzuleiten. Das war für Weiß eine schwere Enttäuschung.¹⁶⁴ Allerdings war kaum zu erwarten gewesen, dass Frühwirth die Denunziation von Dominikanern und ihre Auslieferung an die römischen Kontrollorgane unterstützten würde. In den Jahren 1900 – 1903, also in den letzten Jahren des Pontifikats Leos XIII., war unter den progressiven katholischen Theologen die Hoffnung auf weitere Lockerungen und eine ungestörte Entwicklung sowohl der katholischen Bibelwissenschaft wie auch der historischen und theologischen Forschung sehr gewachsen.Weiß musste sich noch eine Weile gedulden – seine Zeit sollte erst kommen.

lehrte er an der philosophischen Fakultät Geschichte der Philosophie, Logik und weitere philosophische Fächer.  Vgl. Ruedi Imbach, Thomistische Philosophie in Freiburg: Gallus Manser OP, in: Menschen und Werke. Hundert Jahre wissenschaftliche Forschung an der Universität Freiburg Schweiz / Les hommes et les oeuvers de l’Université. Cent ans de recherche scientifique à l’Université de Fribourg Suisse, éd. par Ramon Sugranyes de Franch, Fribourg 1991 (Défis et dialogues 13), S. 85 – 113.  Weiß an Hansen, 23.12.1898. AGOP XI. 15300.  Bericht von Michel an Frühwirth, 26. 2.1901. AGOP XI 15310.  Vgl. Weiß, Modernismus, S. 145.

2 Das wissenschaftliche Werk, die ersten großen Erfolge 2.1 Totemismus und hebräische Grammatik 1901 gab Zapletal in der offiziellen Reihe der Universität Fribourg, den Collectanea Friburgensia, seine Studie Der Totemismus und die Religion Israels mit dem Untertitel Ein Beitrag zur Religionswissenschaft und zur Erklärung des Alten Testamentes heraus.¹⁶⁵ Die vergleichenden Religionswissenschaften erlebten gerade ihre größte Blüte, und der schottische Ethnologe James George Frazer hatte seine umfangreichen Bände zu Sitten und Religion vieler zuvor unbekannter Völker und Kulturen veröffentlicht. Es fehlte jedoch auch nicht an Versuchen, alles, was bislang als ureigenster Gehalt des Alten oder Neuen Testaments galt, zu relativieren und ausschließlich mit einer Übernahme von Motiven und Ideen benachbarter wie auch räumlich entfernterer, kulturell aber dominanter Völker zu erklären. Das Anliegen von Zapletals Studie war es, die These von einer „totemistischen Phase“ in der religiösen Entwicklung Israels gründlich zu überprüfen. Wichtigster Vertreter der Ansicht, die Juden des Altertums hätten wie alle anderen Völker in einer bestimmten Phase ihrer Entwicklung totemistischen Kulten gehuldigt, deren Spuren sich auch in den Texten der alttestamentlichen Bücher nachweisen ließen, war der englische Wissenschaftler W. Robertson Smith († 1894). Zapletal nahm dessen Arbeiten¹⁶⁶ zum Ausgangspunkt, denn sie waren einerseits am ausführlichsten, andererseits stand ihre genauere Kritik immer noch aus. Zapletal hatte eine beachtliche Menge an vergleichendem Material zusammengetragen und führte nun eine gründliche Analyse eben jener biblischen Texte durch, anhand derer die Rationalisten die Existenz totemistischer Residuen in Israel zu belegen versuchten. Im Vorwort räumte er allerdings ein, dass seine Argumentation möglicherweise nicht jeden überzeugen werde: „Es ist mir nicht unbekannt, dass viele meiner Auffassungen von den heute herrschenden abweichen, und andere mögen, wie es auch in den besten Werken vorkommt, unvollkommen sein und sich als unwahr erweisen […]. Wer jedoch weiss, wie vieles in der alttestamentlichen Wissenschaft noch unsicher ist; wer sich die Mühe gegeben, die verschiedenen Ansichten über manche scheinbar ganz selbstverständliche Dinge auf diesem Gebiet zusammenzustellen: der wird diese Zeilen, wenn nicht wohlwollend aufnehmen, doch wenigstens nicht zu hart beurteilen.“¹⁶⁷ Auch verleiht

 Vincent Zapletal, Der Totemismus und die Religion Israels. Ein Beitrag zur Religionswissenschaft und zur Erklärung des Alten Testamentes (Collectanea Friburgensia, Neue Folge, Fasc. II), Fribourg 1901 (im Weiteren zit. als: Totemismus).  Wiliam Robertson Smith, Lectures on the Religion of the Semites, Edinburgh 1889. Deutsch unter dem Titel: Die Religion der Semiten, Freiburg i. Br. 1899.  Totemismus, S. IX. https://doi.org/10.1515/9783110749090-003

2.1 Totemismus und hebräische Grammatik

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Zapletal seiner Dankbarkeit gegenüber zwei großen Vorreitern Ausdruck: den beiden deutschen protestantischen Gelehrten Theodor Nöldeke und Julius Wellhausen.¹⁶⁸ In sieben Kapiteln – Die Tiernamen, Die Naturverehrung, Die unreinen Tiere, Das Opfer, Die Tätowierung, die Einschnitte und die Fahnen, Der Ğinnenglaube und Das Matriarchat – behandelt Zapletal nacheinander die einzelnen für den Totemismus bei den alten Hebräern ins Feld geführten Argumente.¹⁶⁹ Ausgehend von der neuesten britischen und deutschen Forschungsliteratur definiert er zunächst den Begriff ‚Totemismus‘ und prüft sodann die These, dass dieser eine notwendige Phase in der religiösen Entwicklung der Juden gewesen sei und ihnen einen spezifischen Charakter aufgeprägt habe.¹⁷⁰ Als Erster hatte Mac Lennan versucht, den Totemismus bei den Hebräern nachzuweisen; an ihn hatte Robertson Smith¹⁷¹ angeknüpft. Ihre Theorie fand im angelsächsischen wie auch im deutschsprachigen Raum zahlreiche Anhänger.¹⁷² Das umfangreiche zweite Kapitel stellt 35 von Tiernamen abgeleitete arabische Personennamen vor, anschließend daran 61 vergleichbare Namen aus dem Alten Testament. Nach eingehender Analyse der arabischen Namen stellt Zapletal die Frage, ob geläufige deutsche Namen wie Wolf oder Fuchs auch als Belege eines ursprünglichen Totemismus zu verstehen seien. Und hätten die Juden etwa an Totemismus gedacht, als sie sich im 18. Jahrhundert Namen aus dem Tier-, Pflanzen- und Mineralienreich wählten¹⁷³ ? Zapletal resümiert seine detaillierte Analyse wie folgt: „Unser Urteil über diese hebräischen Tiernamen kann nach dem Gesagten nicht zu gunsten der totemistischen Hypothese ausfallen. Wir finden, dass viele der angeführten Namen allem Anscheine nach keine Tiernamen sind. Im ganzen ist es kaum 1 % aller im Alten Testamente vorkommenden Namen, und wenn wir bedenken, dass z. B. in England mehr als 3 % aller Namen von Tieren genommen sind und dies doch nichts für ein Vorhandensein des Totemismus in dem meerumflossenen Lande beweist, so haben wir keinen Grund, aus den verhältnismässig wenigen hebräischen Tiernamen auf einen ursprünglichen Totemismus bei den Israeliten zu schliessen. […] Aber auch wenn die Zahl der Familiennamen grösser sein sollte, […] so spricht sie nicht für den Totemismus. Sie konnten ursprünglich Individualnamen sein, die zu Familiennamen geworden sind. Individuen aber haben dergleichen Namen bekommen, weil man auf

 Julius Wellhausen (1844– 1918), führender Vertreter der deutschen liberal-protestantischen Exegese. Wellhausen gilt als einer der Begründer der modernen Bibelwissenschaft. Er entwickelte und vertiefte die Vier-Quellen-Theorie des Pentateuchs. Zu ihm vgl. Rudolf Smend, Deutsche Alttestamentler in drei Jahrhunderten, Göttingen 1998, S. 99 – 113.  Diese thematische Gliederung hebt Lagrange in seiner Rezension lobend hervor: RB 10 (1901), S. 482.  Totemismus, S. 8.  Wiliam Robertson Smith, Animal Worship and Animal Tribes among Ancient Arabs and in the Old Testament, in: Journal of Philology 9 (1880), S. 75 – 100.  Vgl. Totemismus, S. 17 f.  Totemismus, S. 29.

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2 Das wissenschaftliche Werk, die ersten großen Erfolge

diese Weise ihre körperliche und geistige Beschaffenheit ausdrücken wollte“.¹⁷⁴ Die sinkende Tendenz im Vorkommen dieser Namen erklärt Zapletal mit dem Rückgang der nomadischen Lebensweise, für welche Tiernamen typisch seien, sowie mit dem Aussterben der alten Familien, in denen die Namen tradiert wurden. Im folgenden Kapitel über die Verehrung von Naturkräften erläutert Zapletal die Rolle, die heilige Tiere wie Pferd, Schlange, Stier, Hund oder Fisch bei den semitischen Stämmen spielten; er widerlegt außerdem diejenigen Wissenschaftler, die im Alten Testament Überbleibsel einer alten jüdischen Verehrung von Esel, Löwe, Bär, ja sogar von Schwein, Maus und Fliege ausmachen wollten.¹⁷⁵ Zu den damals aktuellen Versuchen, die ursprüngliche Bedeutung des Wortes JHWH, das angeblich erst in Ägypten unter dem Einfluss lokaler Tierkulte auf den Gottesnamen übertragen worden sei, als „Stier“ zu interpretieren, meint er: „Anderseits dürfen wir uns die damaligen Israeliten nicht so vorstellen, als wären sie vollständig unfähig gewesen, wenigstens teilweise zu begreifen, dass ihr Gott derjenige ist, der beständig existiert und alles, was ist, verursacht. Ähnliche Spekulationen gab es damals ebenfalls bei den Ägyptern, und da man annimmt, dass der Stifter (Moses) und einige Priester ägyptische Namen hatten, so können wir ihnen eine gewisse ägyptische Schulung zuschreiben“.¹⁷⁶ Die im Alten Testament enthaltenen Aufzählungen unreiner Tiere zeugen den Anhängern der totemistischen Theorie zufolge von einem ursprünglichen Tabu, welches im Totemismus den Verzehr heiliger Tiere – es sei denn aus rituellem Anlass – verbiete. Dass Aufzählungen unreiner Tiere (Dtn 14 und Lev 11) sich unterscheiden, ist nach Zapletal durch verschiedene Quellen zu erklären, wobei man sich in der Wissenschaft noch nicht einig sei, welcher Text der ursprünglichere ist bzw. ob nicht vielleicht beide auf eine ältere Vorlage zurückgehen.¹⁷⁷ Das Verbot, bestimmte Tiere und Fische zu verzehren, erklärt er in einer zusammenfassenden Darstellung von Überzeugungen, Erfahrungen und Sitten letztlich mit den Lebensbedingungen in Palästina. Zudem habe hier die uralte, doch auch bei modernen Völkern anzutreffende Vorstellung gewirkt, dass mit dem Verzehr bestimmter Tiere deren unerwünschte Eigenschaften auf den Menschen übertragen werden: „[…] in Mähren hörte ich von einem einfachen Mann, dass man keine Gänseeier essen soll, weil sie den Menschen verdummen‘“.¹⁷⁸ Zapletal zufolge sind die modernen Exegeten im Irrtum, wenn sie pädagogische und allegorische Motive als späte christliche Interpretationen prinzipiell ausschließen, denn derartige Vorstellungen habe es bereits im hebräischen Denken gegeben.¹⁷⁹ Da man von den totemistischen Kulturen Nordamerikas Tätowierungen kannte, hielt man diese für ein charakteristisches Merkmal des Totemismus schlechthin. In

     

Totemismus, S. 45. Totemismus, S. 67– 72. Totemismus, S. 78. Totemismus, S. 83. Totemismus, S. 87. Totemismus, S. 88.

2.1 Totemismus und hebräische Grammatik

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seinem Kapitel zur Tätowierung betont Zapletal jedoch, dass zwischen Tätowierung und „Einschnitten“ unterschieden werden müsse. Von Tätowierungen bei den alten Israeliten sei nur ein einziges Mal direkt die Rede (sowie dreimal in Andeutung), und zwar in Verbindung mit der Schrift. Dabei handele es sich um die Einätzung von Schriftzeichen, was bei den Israeliten keine Tierbilder gewesen seien.¹⁸⁰ Einschnitte (das Zufügen von Narben) als Zeichen von Trauer seien zwar eine weit verbreitete Praxis gewesen, totemistische Tätowierungen wie bei den nordamerikanischen Indianern ließen sich jedoch in der Heiligen Schrift nicht belegen. In seinem Kapitel zum Dschinn-Glauben setzt Zapletal sich mit der Hypothese auseinander, dass sich aus den Dschinnen über den Totemismus die Götter entwickelt hätten, und zwar in allen Religionen. Zapletals Ansicht nach liegen für eine solche Behauptung keinerlei tatsächliche Beweise vor, bei der Mehrzahl der Völker lasse sich eine totemistische Phase nicht belegen. Beim Totemismus könne es sich auch um einen Aberglauben handeln, der hier und da vorkomme, aber nicht verallgemeinert werden dürfe: „Es hilft auch nichts darauf hinzuweisen, dass das Rohere und Unvollkommenere dem Vollkommeneren vorausgehe; denn selbst wenn dieser Satz in Bezug auf die Religionsgeschichte wahr wäre, so würde noch immer nicht folgen, dass die Semiten einst dem Totemismus gehuldigt hätten. […] man wird es aber nicht wagen, mit voller Sicherheit zu behaupten, dass jedes Volk in seiner Entwicklung alle rohen Formen der Religion sich angeeignet hätte, bevor es zu vollkommeneren gelangt wäre. Bis jetzt hat niemand bewiesen, dass der Totemismus eine n o t w e n d i g e Phase in der Entwicklung der Religion ist.“ Zudem „gedeihen bei einem und demselben Volke zu gleicher Zeit verschiedene Religionsformen“.¹⁸¹ Auf profunder Kenntnis der zeitgenössischen exegetischen Literatur und minutiöser sprachlicher Analyse beruht Zapletals anschließende Untersuchung von Schlüsselpassagen im Buch Genesis. Im Zentrum steht hier die rätselhafte Perikope Gen 6, 1– 4, die von vielen rationalistischen Exegeten als Beleg für einen ursprünglichen, hier in mythischer Form überlieferten Polytheismus gesehen wurde. Zapletal hingegen kann hier keinen Mythos erkennen und erst recht keine unverändert erhaltene altsemitische Überlieferung; vielmehr handelt es sich in seinen Augen um eine außergewöhnlich geschickte Überleitung zur nächsten Erzählung. Einer mythischen Überlieferung ähnelt die Passage ihm zufolge nur in Vers 4, wo von den Nephilim die Rede sei, von großen, gewaltigen Männern, die jedoch auch an anderer Stelle in der Bibel auftauchen, und zwar immer in Zusammenhang mit der Langlebigkeit und außergewöhnliche Körperkraft der ersten Menschen. Vers 4 erwecke – so Zapletal – ganz den Eindruck eines späteren Einschubs.¹⁸² Als Letztes behandelt Zapletal die Frage des Matriarchats, welches für Robertson Smith eng mit dem Totemismus verbunden war. Zapletal prüft zunächst die für die

 Totemismus, S. 109.  Totemismus, S. 120 f. Hervorhebung von Zapletal.  Totemismus, S.137.

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2 Das wissenschaftliche Werk, die ersten großen Erfolge

Existenz eines Matriarchats bei den arabischen Stämmen angeführten Beweise und stellt fest, dass die Zeugnisse, auf die der englische Wissenschaftler seine Theorie gründete, nicht als zuverlässig gelten können: „Ich weiss nicht, ob ich nicht irre; aber ich meine, dass man sich, von diesen wenigen Berichten ausgehend, von der altarabischen Ehe ebensowenig ein Urteil bilden darf, wie man die ehelichen Verhältnisse unserer Zeit bloss aus Zeitungsnachrichten beurteilen dürfte, weil in Zeitungen grösstenteils doch nur mehr oder weniger abnormale Fälle besprochen werden“.¹⁸³ Auch die Systematisierungen muslimischer Theologen seien mit großer Vorsicht zu betrachten, da diese das Leben der alten Araber sehr voreingenommen schilderten. Zapletal beherrschte nicht nur die linguistische Analyse, sondern auch die Regeln der inneren Quellenkritik ausgesprochen gut. Dem Versuch, bei den semitischen Stämmen anhand einer unspezifischen Verwendung von Verwandtschaftsbezeichnungen ein Matriarchat zu belegen, hält Zapletal abermals eine empirische Beobachtung aus dem heimatlichen Mähren entgegen. Denn „in Mähren“ werde „in einigen Gegenden ein älterer Mann von jüngeren Personen immer als ,Onkel‘ tituliert, und eine ältere Frau als ,Tante‘“.¹⁸⁴ Und er ergänzt: „Wir konstatieren daher bei den Arabern eine grosse Freiheit im ehelichen Umgang, aber keineswegs eine Bestätigung der Reihenfolge: allgemeine Promiscuität, Polyandrie, Polygamie oder Monogamie. Diese Reihenfolge wird oft doch nur wegen der darwinistischen Theorie aufgestellt, ohne zu bedenken, dass die allgemeine Promiscuität, die man für ursprünglich hält, nicht einmal bei Tieren immer zu finden ist, da sie sich vielfach paaren“.¹⁸⁵ Ausführlich behandelt Zapletal die Stellung der Frau in der hebräischen Gesellschaft. Alles deute klar auf eine patriarchale Ordnung hin, in der die Frau zwar als Besitz des Mannes betrachtet worden sei, jedoch auch fest definierte Rechte und Einflussmöglichkeiten gehabt habe. Dabei verweist er auf eine weitere Problematik: „Es liegt ausser dem Bereich dieser Monographie, zu erörtern, auf welcher Basis die gegenseitige Verwandtschaft der israelitischen Stämme beruht, und inwieweit die Namen Abraham, Isaak, Jakob u.s.w. historisch sind“.¹⁸⁶ Schon dadurch, dass Zapletal überhaupt diese Frage nach der Historizität der Namen aufwirft und nicht einfach der Tradition folgt, bekennt er sich zur progressiven Schule. Seine Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass alles, was man bei den Israeliten und wohl auch bei den Arabern als Residuum eines früheren Matriarchats erachtet habe, in eine patriarchale Ordnung integriert werden könne. Zudem bestehe keineswegs eine kausale Beziehung zwischen Totemismus und Matriarchat. Weder Logik noch empirische Erfahrung gestatten den Schluss: Wo das Matriarchat herrscht, dort wird auch dem Totemismus gehuldigt.¹⁸⁷ Die Arbeit schließt mit folgenden Worten: „Wir glauben alle Argumente, die zu gunsten des israelitischen Totemismus     

Totemismus, S. 146. Totemismus, S. 152. Totemismus, S. 157. Totemismus, S. 165. Totemismus, S. 173.

2.1 Totemismus und hebräische Grammatik

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angeführt wurden, in Betracht gezogen zu haben und gelangen zu dem Ergebnis, dass sie keine Beweiskraft haben. Man sollte daher vorläufig wenigstens abwarten, bevor man diese rohe Religionsform den Israeliten zuweist. Wir zweifeln jedoch sehr, dass man je bessere Beweise wird anführen können und halten es daher zum mindesten für übereilt, vom Totemismus der Israeliten zu sprechen.“¹⁸⁸ Gerade in jenen Jahren erschienen auf dem Gebiet der Orientalistik und der Religionswissenschaft zahlreiche Arbeiten bedeutender Exegeten. Zapletal reihte sich mit seiner Studie unter die Forscher von europäischem Rang. Der Totemismus war damals ein wichtiges und aktuelles Thema. Dennoch lehnte Zapletal 1906 eine Neuauflage seines Werkes ab. Die Forschungsliteratur zu diesem Thema war nämlich inzwischen derart stark angewachsen, dass er nach eigenen Angaben ein ganzes Jahr gebraucht hätte, um sie für die Vorbereitung einer Neuauflage zu sichten – bei seiner damaligen Arbeitsbelastung war das schlichtweg unmöglich.¹⁸⁹ 1901 hingegen war er der erste katholische Autor gewesen, der mit einer Arbeit zu diesem Thema in Erscheinung getreten war¹⁹⁰ – ein Thema übrigens, das ihm Gelegenheit bot, sich von einer „hyperkritischen“ bzw. rationalistischen Bibelwissenschaft deutlich abzugrenzen. Zugleich hatte Zapletal eine brillante Zusammenfassung der Problematik geleistet, die selbst bei protestantischen deutschen Bibelwissenschaftlern große Anerkennung fand und dem jungen Exegeten das wertvolle Prädikat der „Wissenschaftlichkeit“ eintrug.¹⁹¹

2.1.1 Der erste große Erfolg In dem sonst apologetisch ausgerichteten Werk hatte sich Zapletal, was die Entstehung des Pentateuchs betrifft, klar zur Quellentheorie bekannt. Bereits diese erste Monografie ließ seine größten Stärken erkennen – dazu zählte insbesondere die sorgfältige linguistische Analyse des hebräischen Textes. Eine fundierte Kenntnis der griechischen und lateinischen Klassiker gehörte damals ebenso selbstverständlich zum Rüstzeug eines Gelehrten wie die Auseinandersetzung mit deutscher, französischer, englischer und italienischer Forschungsliteratur. Für Zapletal besonders kennzeichnend ist die betonte Sachlichkeit seiner Schlüsse und sein kritisches Urteil. Für eine professionelle Verteidigung der Heiligen Schrift und deren authentische Auslegung musste man mit den modernen Methoden und der neuesten Fachliteratur vertraut sein und sich außerdem an eine kritische Auseinandersetzung mit dem inspirierten kanonischen Text wagen. Die sichtlich größte Freude bereitete Zapletal ein Brief, der am 25. April aus Göttingen eintraf. Zapletal schrieb sogleich an Minister Python: „Vielleicht kann es Sie interessieren, was der grösste deutsche Exeget, der zugleich Arabist ist, mir heute    

Totemismus, S. 176. Zapletal an Cormier, 2. 3.1906. AGOP XI. 15345. Vgl. Duka, Čeští dominikáni a Bible, S. 46. Vgl. Barthélemy, Idéologie, S. 164.

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2 Das wissenschaftliche Werk, die ersten großen Erfolge

geschrieben hat. Auf sein Urteil kam mir viel an, weil er als die erste Autorität gilt. Mit allen übrigen werde ich leicht fertig werden, falls sie mich angreifen sollten. Er schreibt mir: ,Hochverehrter Herr College! Vielen Dank für die gütige Übersendung Ihres Totemismus. Ich habe die sorgfältige und gelehrte Abhandlung mit Vergnügen gelesen und finde die Polemik grossentheils berechtigt, wenngleich ich der Bibel gegenüber im Allgemeinen auf einem profanen Standpunkt stehe. Hochachtungsvoll Ihr ergebener Wellhausen. Göttingen 24.4.1901‘. Der betreffende hat nämlich keinen Glauben; er selbst ist in meinem Buch selber vielfach angegriffen, obgleich ich ihn immer mit Glacehandschuhen angerührt habe. […] Da ich das Buch in so kurzer Zeit geschrieben habe, so hoffe ich, dass mein nächstes Collectanea-Heft, das eine meiner Entdeckungen enthalten wird, die von grossem Interesse ist, gut ausfallen wird, wenn ich mir dazu die Zeit nehme.“ Python gratulierte ihm umgehend und brachte seine Freude über eine solche Ehrung der Universität und des Dominikanerordens zum Ausdruck.¹⁹² Die gute Aufnahme seitens liberal-protestantischer Kreise in Deutschland und in der Schweiz trug dazu bei, das Ansehen der Fribourger Universität, das durch die Demission der reichsdeutschen Professoren enormen Schaden gelitten hatte, gerade auch in der deutschen Gelehrtenwelt wieder herzustellen. Wellhausen war übrigens, wie Zapletal voller Stolz an Musil schrieb, nicht der einzige zufriedene Leser: „Der Totemismus gefällt. Wellhausen, Nöldeke,¹⁹³ Marti¹⁹⁴ und andere haben mir sehr lobende Briefe geschrieben.“¹⁹⁵ Loisy bezeichnete die Arbeit „des gelehrten Autors“ als eine gelungene Falsifikation der totemistischen Theorie.¹⁹⁶ Jan Hudeček, Professor für Exegese an der tschechischen Redemptoristenakademie in Obořiště, resümierte die Arbeit mit folgenden Worten: „Auslegungen, die nicht mit seinen Forschungen übereinstimmen, widerlegt er so sachlich und klar und mit solch einer Ruhe, dass der Leser fast immer zu seiner Ansicht neigt. Zapletals Ausführungen unterscheiden sich von ähnlichen Arbeiten anderer Autoren dadurch, dass sie sich nicht auf ein bloßes Aufzählen von Vermutungen und auf das Enthüllen der Schwächen anderer beschränken […], sondern immer einen Fortschritt bedeuten, indem sie neue Gründe und, wenn auch nicht immer eine neue Auslegung – wie z. B. bei der Erschaffung der Welt –, so doch zumindest neue Gesichtspunkte für eine ältere Ansicht liefern.“¹⁹⁷ Auch konservative Zeitschriften würdigten den neuen Beitrag auf dem Gebiet der katholischen Exegese. So meinte z. B. der Benediktiner Hildebrand Höpfl, nach aufmerksamer Lektüre dieses Buches werde wohl jeder der Behauptung zustimmen, dass den Argumenten, die für eine Existenz des Totemismus bei den Is-

 Beide Briefe AEF Zapletal.  Vgl. Theodor Nöldeke, Beiträge zur semitischen Sprachwissenschaft, Straßburg 1904, S. 74.  Karl Marti (1855 – 1925), Professor für alttestamentliche Exegese in Bonn und Basel, war zu Lebzeiten ein äußerst angesehener protestantischer Gelehrter und sorgte für die Verbreitung von Wellhausens Werk in der Schweiz.  Brief (in tschechischer Sprache) an Musil vom 28. 8.1901, MV FMusil, H 19.472/1.  Revue critique d’histoire et de litterature 35 (1901), S. 268.  ČKD 45 (1904), S. 203.

2.1 Totemismus und hebräische Grammatik

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raeliten angeführt werden können, keine Beweiskraft zukommt. Aus dem Buch könne man zudem auch in anderen Fragen viel Lehrreiches schöpfen. Zapletal erweise sich in jeder Hinsicht als Meister, der „mit sicherem Blick und geübter Hand Gewisses vom Ungewissen“ unterscheide, sich nie in Oberflächlichkeiten verliere, sondern stets den Kern des Problems treffe.¹⁹⁸ Anerkennung wurde der Monografie auch von Seiten der jüdischen Exegese zuteil.¹⁹⁹ Zudem würdigte man den Respekt gegenüber den Opponenten, an dem es die katholische Apologetik sonst oft fehlen lasse.²⁰⁰ Lagrange widmete der Arbeit eine dreiseitige anonyme²⁰¹ Rezension, in der er u. a. schreibt: „Die Argumente der Autoren, die mehr oder weniger der totemistischen Theorie zuneigen, werden gewissenhaft dargestellt, besprochen und widerlegt; die Bibliografie ist sorgfältig, die Philologie sicher, die Exegese ausgefeilt; der sehr gut informierte Autor lässt auch Details nicht ohne gebührende Antwort. Das Ganze ist sehr solide aufgebaut, gründlich und selbständig durchdacht, trotz einer gewissen, vielleicht etwas übertriebenen Ehrerbietigkeit gegenüber einigen deutschen Meistern.“ Es werde deutlich, dass die offizielle Religion Israels, wie sie von der Bibel überliefert wird, nichts mit dem Totemismus gemein habe und die Theorie englischer Religionswissenschaftler nicht zum „Kriegsgerät“ gegen die israelische Religion tauge. Zugleich nennt er jedoch auch einige Punkte, in denen er die Schlussfolgerungen der Arbeit nicht teilt bzw. diese ihm unzureichend untermauert scheinen.²⁰² Zapletal hielt die meisten Einwände für ungerechtfertigt und verfasste eine Antwort, für die er die Erlaubnis des Ordensmeisters einholte. Er dankte dem Rezensenten für die lobenden Worte, gegen einige seiner Behauptungen müsse er sich jedoch verwahren, an erster Stelle gegen den Versuch, die Bedeutung und den Nutzen der Arbeit herabzusetzen, was insbesondere auch angesichts der gänzlich gegenteiligen Meinungen anderer Rezensenten seltsam anmute.²⁰³ Sogar einige neu erschienene Bücher, die der totemistischen Theorie das Wort reden, bezeugten das Gegenteil, ganz zu schweigen davon, dass Lagrange selbst es gewesen sei, der kürzlich in der Revue biblique von der Notwendigkeit gesprochen habe, die Beziehung der Hebräer zum Totemismus kritisch aufzuarbeiten. Zapletal fügte außerdem weitere Zitate bei, um zu belegen, dass er auch die Absichten der Vertreter der totemistischen Theorie durchaus richtig interpretiert habe. Die meisten der fünfzehn Punkte seiner Antwort betreffen

 Commers Jahrbuch für Philosophie 19 (1905), S. 256.  The Jewish Quaterly Review 14 (1902), S. 434.  Hermann Leberecht Strack, Literarisches Centralblatt 1901, Sp. 1953.  Die Anonymität vermochte den Autor jedoch nicht zu verschleiern. Zapletal war sofort im Bilde. Vgl. Zapletals Brief an Frühwirth vom 9.6.1901. AGOP XI. 15345.  RB 10 (1901), S. 482– 484 (Übersetzung aus dem Französischen).  Vgl. z. B. Paul Schanz in: Tübinger Theologische Quartalschrift 84 (1902), S. 147; oder Othmar Mussil, Allgemeines Litteraturblatt 4 (1902), S. 100; Leo Schneedorfer, Theologisch-praktische Quartalschrift 54 (1901), S. 885; Johann Sager, Schweizerische Rundschau 2 (1902), S. 397.

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konkrete fachliche, vorwiegend orientalistische Fragen. Zapletals Reaktion geriet letztendlich genauso lang wie die Rezension.²⁰⁴ Mag sein, dass Zapletal überempfindlich reagierte. Dass aber die Revue biblique den Sinn der Arbeit in Zweifel zog, musste ihn treffen, hatte doch auch der bedeutende katholische Bibelwissenschaftler Henri Hyvernat, ein Jugendfreund Lagranges, das Buch gelobt und allen Studenten der biblischen Archäologie wärmstens empfohlen.²⁰⁵ Und selbst mit fünfunddreißigjährigem Abstand wurden Originalität und Brauchbarkeit der Arbeit noch von dem namhaften Bibelwissenschaftler Marc-Antoine van den Oudenrijn gewürdigt.²⁰⁶ Zapletal hatte aus Respekt gegenüber Lagrange in seiner Antwort nicht geschrieben, worin er den Hauptgrund für dessen Kritikpunkte sah. Der Rezensent habe, so vertraute er Ordensmeister Frühwirth an, seiner Ansicht nach das Buch nicht ganz gelesen und zweitens einige Passagen nicht verstanden. Zapletal übersah jedoch nicht, dass Lagrange das Werk im Ganzen gelobt hatte.²⁰⁷ Es handelt sich daher nicht etwa um eine Beschwerde über den Mitbruder und ExegeseKollegen, sondern eher um ein Zeugnis seiner vertrauensvollen „Vater-Sohn“-Beziehung zu Frühwirth. Parallel zu seiner Arbeit am Totemismus bereitete Zapletal in den Jahren 1900/ 1901 ein weiteres auf Latein verfasstes Handbuch²⁰⁸ für seine Studenten vor. Diesmal handelte es sich um ein modernes Universitätslehrbuch des Hebräischen, das 1910 erneut aufgelegt wurde und einer ganzen Generation von Studenten der katholischen Theologie als Lehrbuch diente.²⁰⁹ Eine dritte Auflage erschien 1921. Zeitgenössischen Rezensionen zufolge ist die Grammatik kurz gefasst, übersichtlich und gut,²¹⁰ erfüllt alle Anforderungen ihres Genres²¹¹ und verliert sich nicht in Details.²¹² Abermals bewies Zapletal Sinn für den rechten Augenblick, griff zur richtigen Zeit nach dem richtigen Thema: Das eine zeitgemäße lateinischsprachige Darstellung neuer Erkenntnisse zur hebräischen Grammatik ein Desiderat war, wurde von mehreren Rezensenten hervorgehoben.²¹³ Lagrange würdigte den pädagogischen und wissenschaftlichen Wert der neuen Grammatik, die knapp, klar und dennoch vollständig

 RB 10 (1901), S. 649 – 651.  The Catholic University Bulletin Band 8 (1902), S. 363.  La Liberté vom 24.1.1938.  Zapletal an Frühwirth, 9.6.1901. AGOP XI. 15345.  In einem Brief an Frühwirth vom 13. 2.1901 beklagt sich Zapletal, dass er keine Zensoren fände, die bereit seien, eine hebräische Grammatik zu lesen. AGOP XI. 15345.  Vincent Zapletal, Grammatica linguae hebraicae cum execitiis et glossario, studiis academicis accomodata, Paderborn 1902 (138+VIII).  ČKD 43 (1902), S. 80.  Friedrich Schwally, Theologische Literaturzeitung 11 (1904), S. 132. Ebenso Alois Schulte, Theologische Revue (2) 1902, S. 429.  Samuel Oettli, Theologischer Literatur-Bericht 1903, S. 130.  Euge`ne Jaquier, L’Université Catholique 1903, S. 115. Vgl. ebenso: Revue bibliographique Belge 14 (1902), S. 312; Eduard König, Literarisches Centralblatt 1902, Sp. 1208.

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sei.²¹⁴ Die Tatsache, dass Zapletal seine beiden Lehrbücher auf Latein verfasste, darf nicht als Versuch interpretiert werden, durch eine Beschränkung des potenziellen Leserkreises Konflikten aus dem Wege zu gehen. Lateinische Handbücher waren schon deshalb vonnöten, weil auch der Unterricht auf Latein stattfand und das Lateinische sich zur Darstellung von Grammatik und Hermeneutik bestens eignet. Ende des 19. Jahrhunderts war die Behandlung theologischer und exegetischer Themen in lateinischer Sprache im Übrigen nicht unüblich. Eine ganze Reihe katholischer wie auch protestantischer Theologen und Bibelwissenschaftler schrieb und publizierte damals noch auf Latein.

2.1.2 Querelen um den Doktortitel Als Universitätsprofessor litt Zapletal sehr darunter, dass er aufgrund seiner schnellen akademischen Karriere noch immer keinen Doktortitel hatte. Am 8. Juni 1899 zog er gegenüber dem Ordensmeister kurz Bilanz und erwähnte, dass er bereits 1895 in einem entsprechenden Schreiben nach Rom deutlich gemacht habe, wie dringlich es sei, die Dominikanerprofessoren an einer staatlichen Universität mit den notwendigen akademischen Graden auszustatten, damals jedoch kein Gehör gefunden habe. Da er seit Längerem immer wieder zu hören bekam, dass er einen solchen Titel nicht habe – was sich auch bei Publikationsvorhaben als hinderlich erwies – , hatte er sich immer wieder darum bemüht. Der übliche Promotionsprozess samt Prüfungen kam für ihn angesichts seiner Position als ordentlicher Universitätsprofessor und ehemaliger Dekan allerdings nicht in Frage. Zudem bestand schon damals die Möglichkeit, aufgrund der akademischen Stellung und der wissenschaftlichen Publikationen promoviert zu werden. Zapletal zufolge fehlte damals nur die Zustimmung des Ordensmeisters.²¹⁵ Doch Frühwirth zeigte sich dazu 1899 noch nicht bereit. Als 1901 Zapletals Totemismus erschien, wurde dieser unter anderem von den beiden Tübinger Theologen Paul von Schanz und Paul Vetter lobend gewürdigt. Vetter²¹⁶, Exeget und Armenologe, war Zapletal auch freundschaftlich verbunden; nachdem er die Meinungen seiner Kollegen an der Tübinger katholisch-theologischen Fakultät eingeholt hatte, erklärte Vetter, dass Zapletal für diese Arbeit ohne jede weitere Prüfung den Doktortitel erhalten könne. Dafür benötigte Zapletal jedoch das Einverständnis seiner Ordensvorgesetzten, weshalb er sich am 4. März 1902 erneut an den Ordensmeister wandte.²¹⁷ Doch dieser, offenbar unter dem Einfluss eines missgünstigen Briefs von Vikar Leo Michel²¹⁸, kam der Bitte nicht nach. Zapletal reagierte

 RB 11 (1902), S. 313.  Zapletal an Frühwirth, 8.6.1899. AGOP XI. 15330.  Paul Vetter (1850 – 1906), 1893 – 1906 Professor für alttestamentliche Exegese an der katholischtheologischen Fakultät Tübingen.  Zapletal an Frühwirth, 4. 3.1902. AGOP. XI 15310.  Michel an Frühwirth, 5. 3.1902. AGOP XI. 15310.

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2 Das wissenschaftliche Werk, die ersten großen Erfolge

am 12. März mit einer fünfzehnseitigen Verteidigung. In der ihm eigenen Direktheit äußerte er sein Unverständnis darüber, wie eine in seinen Augen so einfache und selbstverständliche Angelegenheit so viel Widerstand hervorrufen könne. Sein Brief beginnt mit den Worten: „Ich glaube, den Oberen müsse man die Wahrheit sagen.“ Er wolle sich hier auch nicht unnütz in der Verteidigung seiner reinen Absichten ergehen, sondern darauf hinweisen, dass er bekannt sei „als einer, der seinen Mann stehen kann und furchtlos ist, wenn es sich darum handelt, für die Wahrheit einzustehen“. „Da ich seit Jahren niedere und höhere Kritik betreibe, merke ich unschwer, dass die von Ihnen erhobenen Schwierigkeiten Ihnen von P. Michel mitgeteilt wurden. Er hat mir zwar gesagt, er werde meine Bitte unterstützen, wollte aber diese Empfehlung meinem Briefe nicht beilegen. Jetzt verstehe ich, warum. Er hätte doch auch gleich bemerken können, was ich ihm auf diese Einwände geantwortet habe. Damit Sie alles verstehen, glaube ich bemerken zu müssen, dass […] P. Michel mich persönlich nicht besonders mag. Er macht mir Szenen wegen nichts. Ich habe ihm jedoch nie weh gethan. Sie wissen selbst am besten, dass ich Ihnen nie etwas Schlechtes über ihn geschrieben habe, und in Oesterreich habe ich ihn immer verteidigt selbst da, wo er nicht zu verteidigen war. Trotzdem ist er leicht bös auf mich, und das geht so weit, dass die Patres ihn lange Zeit hindurch jeden Freitag abend [sic!], nach seiner gewöhnlichen Tarokpartie, auf mich hetzten, um ein Gaudium zu haben. Thatsächlich ist er jedesmal in die Falle gegangen.“

Zapletal verübelte außerdem, dass man ihm ein ähnliches Schicksal wie Pater Wehofer prophezeit hatte. Thomas Wehofer, der ebenfalls aus der Provincia Imperii stammte, hatte zu großen Hoffnungen berechtigt. Doch gerade sein Studium in Tübingen und das universitäre Milieu dieser Stadt machte man für sein Ausscheiden aus dem Orden im Jahr 1900 verantwortlich und auch für den schockierend frühen Herztod des erst zweiunddreißigjährigen Gelehrten 1902. Zapletal wies jeden Vergleich mit dem widersprüchlichen und innerlich unausgeglichenen Wehofer²¹⁹ zurück und schrieb die Streitigkeiten mit seinen Gegnern ausschließlich seinen theologischen und methodologischen Positionen zu. Zumal er ja auch nicht vorhatte, in Tübingen zu studieren. „Es wundert mich sehr, dass man mich mit P.Wehofer auf gleiche Stufe stellen will. Das thut mir wehe, und ich habe so was nicht verdient. Ich weiss nicht, ob man über mich in Rom geklagt hat. Aber ich habe das ruhige Gewissen, dass ich mich hier immer korrekt benommen habe. Ich habe auch nie den Gedanken gehabt, viel weniger habe ich mich je dahin geäussert, dass ich den Orden verlassen werde. Ich habe zwar meine Fehler, bin aber kein gemeiner Mensch; ich weiss, was ich dem Orden schulde, und ich habe nie den Gedanken gehabt, ihn zu verlassen“. Dazu, wie eine eventuelle Tübinger Promotion in Fribourg aufgenommen werden könnte, meint er: „Man würde davon reden, vielleicht gäbe es auch den einen oder den andern, dem die Sache missfallen würde; aber Grund hätte er dazu keinen.“ Zapletal ließ daraufhin vorerst von der Sache ab, schreibt aber, dass er: „[…] ein Doktordiplom bekommen muss. In dieser Hinsicht bin ich unverbesserlich. Nachdem ich es verdient habe und es nicht gegen die Konstitutionen ist, so will ich es haben. Ich weiss ge-

 Zur Person Wehofers vgl. Weiß, Modernismus, S. 124– 132.

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duldig zu sein; aber wenn ich etwas für notwendig halte, so gebe ich es nicht auf. Ich bin einmal so.“ Erneut führt er seine Gründe an, warum er „diesen Dr.“ brauche, auch wenn dies für ihn nur eine „Formalität“ sei: „In meiner Heimat fängt der Gelehrte erst mit dem Dr. an, und ich kam deshalb schon öfters in Verlegenheit.“ Er habe eine Reihe interessanter Forschungen begonnen, zu deren Fertigstellung er jedoch finanzielle Mittel benötige. Zur Bewilligung verschiedener Fördermittel in der österreichischen Monarchie wie auch andernorts sei aber ein Doktortitel erforderlich. „So wie ich jetzt arbeite, mit solchen Mühen kann ich unmöglich fortfahren. Ich brauche Bücher und muss manche Bibliothek aufsuchen. […] Hier macht P. Michel jedesmal ein böses Gesicht, wenn ein Pater vom Hausgelde ein Buch kauft.“ Auch die Herausgabe eigener wissenschaftlicher Publikationen koste eine Menge Geld, kurz: „[D]ie Lage [ist] unerträglich“. Dennoch sei „es gut, wenn hiesige Professoren als Forscher bekannt werden. […] Man sagt hier allgemein, die Exegese sei in Freiburg besser als in Löwen und in Insbruck [sic!]²²⁰ […]. Ich habe jetzt für 15 Jahre höchst interessanten und originellen Stoff.“ Wenn der Ordensmeister etwas gegen Tübingen habe, so möge er ihm einen Doktortitel von der Ordensschule Minerva²²¹ zukommen lassen, Rektor Buonpensiere habe sich damit bereits früher einverstanden erklärt und für seine Zwecke sei dies vollkommen ausreichend.²²² Ordensmeister Frühwirth akzeptierte diese Argumente und willigte vorläufig ein, wobei er sich direkt an die Universität Tübingen wenden wollte. Zapletal dankte ihm am 17. März und merkte an, dass der Doktortitel aus Tübingen einen guten Ruf habe, seine Promotion an dieser Fakultät könne daher weder ihm noch dem Orden schaden.²²³ Während dieser Verhandlungen erreichte Zapletal Ende März 1902 die Nachricht vom Tod seines Vaters. Er reiste nach Mähren, nach Pňovice in die Pfarrei seines Bruders, von wo aus er für die definitive Genehmigung seiner Promotion durch den Orden dankte. Frühwirth hatte ihm sogar eine Ernennung zum Magister der Theologie in Aussicht gestellt. ²²⁴ Das ist der höchste wissenschaftliche Grad, den der Orden verleiht. Bereits einen Monat später, am 24. April 1902, zeigte sich jedoch, dass nun ein eigentlich kleines und rein formales Problem massive Schwierigkeiten nach sich ziehen sollte. Zapletal war nämlich schon nach der gymnasialen Sexta in den Dominikanerorden eingetreten. Damit hatte er de facto das Gymnasium nicht abgeschlossen und konnte kein Abitur vorweisen. An einer deutschen Universität war zur Verleihung des Doktortitels jedoch ein Abiturzeugnis erforderlich. Vetter versprach,

 Die Qualität der intellektuellen Arbeit in Fribourg, Jerusalem und bei der Editio Leonina stand, wie Lagrange am 28. 3.1904 (vgl. Correspondance, S. 33) anmerkt, so außer Zweifel, dass diese auch von Protestanten geschätzt wurden.  Theologische Ordensschule der Dominikaner in Rom.  Zapletal an Frühwirth, 12. 3.1902. AGOP XI. 15345.  Zapletal an Frühwirth, 17. 3.1902. AGOP XI. 15345.  Zapletal an Frühwirth, 24. 3.1902. AGOP XI. 15345.

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2 Das wissenschaftliche Werk, die ersten großen Erfolge

eine Dispens auszuhandeln, vorerst aber war alles unsicher.²²⁵ Einen weiteren Monat später, am 25. Mai 1902, zog Zapletal in seiner Verzweiflung erneut einen Doktortitel von der Ordensschule Minerva in Erwägung. Zudem musste er Geld für die Herausgabe seines neuen Buches beschaffen, in Kürze brauchte er mindestens 700 Franken. Daher bat er den Ordensmeister um ein Darlehen und klagte: „Ich bin in letzter Zeit oft so mutlos, dass ich die ganze Exegese aufgeben möchte. Ich kann Ihnen die Gründe nicht alle schreiben, ich kann sie Ihnen einmal mündlich mitteilen.“²²⁶ Glücklicherweise enttäuschte ihn Frühwirth nicht: Er versprach und verschaffte ihm den nötigen Betrag. Auch der Herbst brachte in der Doktoratsfrage keine wesentlichen Fortschritte.²²⁷ Zapletal dankte dem Ordensmeister am 26. November 1902 für dessen Absicht, ihm bei einem geplanten Besuch den ersehnten Doktortitel zu verleihen. Er benötige ihn, wie er anmerkte, für eine wissenschaftliche Polemik in Verbindung mit seinem neuen Buch. Außerdem sei er zu einer Zusammenarbeit mit der bedeutenden Berliner Zeitschrift Deutsche Litteraturzeitung eingeladen worden, doch Preußen erkenne seit dem Rücktritt der reichsdeutschen Professoren Fribourg nicht als Universität an, und daher gelte dort auch sein Titel als Universitätsprofessor nicht. Er wolle die Ehre seiner Alma Mater aber verteidigen. Wenn er jedoch für das Blatt etwas schreibe, das mit „Univ. Prof.“ unterzeichnet sei und dies dort nicht so abgedruckt werde, dann sage er der Zeitschrift „Adieu“.²²⁸ Die Querelen um die Verleihung des Doktortitels an den Universitätsprofessor Zapletal spielten in dessen Leben dennoch nur eine marginale Rolle. Ein Doktortitel aus Tübingen wäre eine schöne akademische Auszeichnung gewesen, er hätte die erneute Anerkennung Fribourgs als vollwertige akademische Einrichtung befördert und dazu beigetragen, an die 1898 abgebrochenen Verbindungen wieder anzuknüpfen. Zapletal war jedoch nicht nur von seinen Vorlesungen und Seminaren in Anspruch genommen, sondern vor allem auch mit neuen wissenschaftlichen Projekten befasst.

2.2 Der Schöpfungsbericht mit Berücksichtigung der neuesten Entdeckungen Nach seinem Buch über den Totemismus und der hebräischen Grammatik bereitete Zapletal eine neue, wiederum auf Deutsch verfasste Studie zu einem aktuellen und, wie das Vorwort von 1902 betont,²²⁹ zentralen Thema der damaligen Exegese vor: zur Auslegung des Buches Genesis. Die Genesis stand im Mittelpunkt des Streits zwischen

 Zapletal an Frühwirth, 24.4.1902. AGOP XI. 15345.  Zapleral an Frühwirth, 22. 5.1902. AGOP XI. 15345.  Vetter an Zapletal, 16.9.1902. AA FZapletal.  Zapletal an Frühwirth, 26.11.1902. AGOP XI. 15345.  Vincent Zapletal, Der Schöpfungsbericht der Genesis (1,1– 2,3) mit Berücksichtigung der neuesten Entdeckungen und Forschungen, Fribourg 1902 (im Weiteren zit. als: Der Schöpfungsbericht).

2.2 Der Schöpfungsbericht mit Berücksichtigung der neuesten Entdeckungen

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einem wissenschaftlich begründeten Weltbild, das sich auf die Entdeckungen moderner Forschungsdisziplinen stützte, und einem traditionellen, auf dem Text der Offenbarung beruhenden Weltbild. Nahezu jeder namhafte katholische und protestantische Bibelwissenschaftler hat einen Kommentar oder eine Abhandlung zu diesem ersten Buch des Alten Testaments verfasst. Stellvertretend seien hier nur Alfred Loisy, Marie-Joseph Lagrange, Franz von Hummelauer, Gottfried Hoberg, August Dillmann, Heinrich Holzinger, Julius Wellhausen, Karl Budde und Hermann Gunkel genannt.²³⁰ Zapletals wichtigster Partner, aber auch Gegner bei der Auslegung zentraler Perikopen war der protestantische Exeget Hermann Gunkel²³¹, dessen Kommentar ein Jahr zuvor erschienen war. Zapletal ging ausführlich auf Gunkels Arbeit ein und stellte bei kritischer Beurteilung von dessen Ergebnissen stets eigene Lösungsansätze vor. Zapletal kannte die einschlägige zeitgenössische Fachliteratur und räumte ein, dass er ihr viel verdanke und nicht etwa glaube, die darin aufgeworfenen komplizierten Fragen vollständig und für immer lösen zu können. Gleich eingangs erklärt er: „Wenn ich von J und P spreche, so darf man mich nicht missverstehen: Wer in der Genesis Quellen annimmt, verstösst noch nicht gegen den Glauben. ,Vorsintflutliche‘ Quellen nehme ich darin freilich nicht an. Man nehme die Sigla an als bekannte Zeichen für verschiedene Berichte. Die hier gegebene Erklärung werden die einen zu konservativ finden und mich für einen Apologeten erklären. Meines Erachtens ist jedermann der Apologet seiner Ansichten, wenigstens sobald er sie auch schriftlich verbreitet. Andere Leser werden mich dagegen zu den Rationalisten zählen; ich nehme es an im Sinne von ,vernünftig‘. Gewisse Exegeten und Nichtexegeten wollen die wirklichen Schwierigkeiten nicht sehen und meinen dann, diese beständen überhaupt nicht. Aber durch Ignorieren der Schwierigkeiten kommen wir nicht weiter. Sie bestehen, und wenn nicht Exegeten von Beruf sich daran machen, sie zu lösen, so wird man auf die Lösung wohl noch lange warten müssen“.²³² – Mit den im Buchtitel angeführten „neuesten Entdeckungen“ seien im Übrigen neue Textfunde in Keil- und Hieroglyphenschrift und nicht naturwissenschaftliche Entdeckungen gemeint.²³³ Im ersten Kapitel seines Genesis-Kommentars erläutert Zapletal die Gründe für die Wahl der Perikope Gen 1, 1– 2,3: Nicht erst Kardinal Thomas Cajetan aus dem

 Gottfried Hoberg, Die Genesis nach dem Literalsinn erklärt, Freiburg i. Br. 1899; Hermann Strack, Die Genesis, München 1897; Franz Hummelauer, Commentarius in Genesim, Paris 1895; Franz Delitzsch, Neuer Commentar über die Genesis, Leipzig 1887; August Dillmann, Die Genesis, Leipzig 1892; Heinrich Holzinger, Genesis, Freiburg i. Br. 1898; Julius Wellhausen, Die Composition des Hexateuchs und der historischen Bücher des Alten Testaments, Berlin 1889; Karl Budde, Die biblische Urgeschichte, Berlin 1882; Hermann Gunkel, Genesis übersetzt und erklärt, Göttingen 1901.  Hermann Gunkel (1862– 1932), führender Vertreter der religionsgeschichtlichen Schule. Gunkels Kommentar zur Genesis war sehr erfolgreich, unter anderem aufgrund seiner Kritik der bisherigen Kommentare, die er als zu philologisch und archäologisch und als zu wenig exegetisch im engeren Sinne des Wortes bezeichnete. Zapletal war in diesem Punkt mit ihm einer Meinung. Mehr zu Gunkel bei Smend, Deutsche Alttestamentler, S. 160 – 181.  Der Schöpfungsbericht, S. IV.  Der Schöpfungsbericht, S. III.

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2 Das wissenschaftliche Werk, die ersten großen Erfolge

16. Jahrhundert, sondern schon früheren katholischen Exegeten seien Unterschiede zwischen den beiden Schöpfungsberichten im ersten Kapitel der Genesis aufgefallen. Die moderne Bibelwissenschaft habe diese Beobachtungen auf Grundlage der Theorie von den verschiedenen Quellen des Pentateuchs verfeinert. Die beiden biblischen Überlieferungen erweckten – so Zapletal – den Eindruck zweier Steinblöcke, die nicht aus demselben Felsen gehauen sein könnten.²³⁴ Im zweiten Kapitel spricht Zapletal die Datierung der Perikope an, womit er sich auf noch dünneres Eis begibt. Zum Konzept einer Schöpfung „aus dem Nichts“ (ex nihilo), das nach Ansicht vieler Kritiker nicht dem Denken der alten Israeliten entsprungen sein könne, schreibt Zapletal unter Verweis auf das späte biblische Buch der Makkabäer: „Wenn aber das Volk der Makkabäerzeit diese Schöpfung kennt, so kann, ja muss die Idee schon viel früher sich in Israel finden, wenigstens sporadisch. Und so kann sie auch in unserem Schöpfungsbericht vorkommen, besonders wenn die Redaktion dem P zugewiesen wird, der doch nicht Jahrtausende vor der Mutter der sieben makkabäischen Märtyrer gelebt hat“. Zapletal verteidigt im Anschluss die traditionelle Interpretation der Perikope als creatio ex nihilo, jedoch nicht mit Argumenten der dogmatischen Theologie, sondern anhand einer sprachlichen Analyse.²³⁵ Im Folgenden interpretiert er den Text Vers für Vers, wobei einige Verse mehr Platz fordern als andere. Zu Gen 1,26 heißt es: „Früher sah man hier oft die Lehre von der heiligsten Dreifaltigkeit ausgedrückt, auf die noch Hummelauer wenigstens einen Hinweis darin erblickt. Aber das ist zu viel verlangt, besonders wenn wir die neueren Erklärungen berücksichtigen, die an unserer Stelle einfach einen Rest des ursprünglichen Polytheismus entdecken. Unseres Erachtens ist es wirklich genug, wenn man beweist, dass die Stelle nicht polytheistisch ist“.²³⁶ Die Frage des Plurals, in welchem Gott bei der Schöpfung von sich selbst spricht, nimmt Zapletal zum Anlass, sich noch einmal zur Datierung des Redaktors P zu äußern. Altertumshistorikern zufolge konnte der israelitische Autor der Genesis von der Form des Pluralis Majestatis erst zur Zeit der Perserkönige, d. h. erst Jahrhunderte nach dem Tod Moses, inspiriert worden sein. Zapletal meint dazu: „Doch kann ich nicht umhin, zu bemerken, dass das letztere, die Souveräne hätten nämlich von sich durch ,wir‘ erst seit der persischen Zeit an gesprochen, gar kein Glaubensartikel ist; und wäre es auch der Fall, so lebte ja der Redaktor, der nach der neueren Kritik die verschiedenen Teile des Pentateuchs vereinigte, zur Zeit als persische Könige in Babylonien und Palästina herrschten“.²³⁷ Das folgende Kapitel widmet sich den Kosmogonien der Nachbarvölker: der Phönizier, Ägypter und Babylonier. Von hier aus kommt Zapletal zum Hauptanliegen seiner Arbeit, den verschiedenen Auslegungen des biblischen Schöpfungsberichts. Einen Vergleich der Perikope mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen lehnt er ab, stattdessen konzentriert er sich auf eine rein exegetische Untersuchung des inspi   

Der Schöpfungsbericht, S. 1– 3. Der Schöpfungsbericht, S. 9 – 11. Der Schöpfungsbericht, S. 26. Der Schöpfungsbericht, S. 28.

2.2 Der Schöpfungsbericht mit Berücksichtigung der neuesten Entdeckungen

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rierten Textes.²³⁸ In den bisherigen Auslegungen unterscheidet Zapletal vier große Gruppen: eine buchstäbliche, eine ideale, eine periodistische und eine mythische Auslegung. Die buchstäbliche Auslegung geht davon aus, dass die Welt tatsächlich in 6×24 Stunden und in der angegebenen Reihenfolge erschaffen worden sei. Sie wurde von den meisten Kirchenvätern und Scholastikern vertreten und hatte selbst zu Zapletals Zeiten noch Anhänger. Diese Auslegung erachtete Zapletal – selbst wenn sich die Naturwissenschaften weiterentwickelten und sich sicher noch vieles ändere – für unhaltbar. Bei einigen weiteren Spielarten der buchstäblichen Auslegung handelt es sich um reizvolle, jedoch nicht ernst zu nehmende Kuriositäten. Dies betrifft zum Beispiel die sogenannte Sintfluttheorie, der zufolge die von Geologen und Paläontologen nachgewiesenen Arten der Evolution erst von der Sintflut verursacht worden seien, in einer ursprünglich vollkommen erschaffenen Welt. Laut Zapletal widerspricht dies sowohl dem inspirierten Text als auch den Naturwissenschaften. Von einer einstmals vollkommenen Schöpfung geht auch die Restitutionstheorie aus. Jene vollkommene Welt sei unmittelbar nach dem Fall der Engel, welcher der Auslöser der natürlichen Evolutionsprozesse gewesen sei, vom Chaos zerstört worden. Gott hat dieser Theorie zufolge in jenen sechs Tagen das Schöpfungswerk nicht vollbracht, sondern „wiederhergestellt“.²³⁹ Die sogenannte ideale Theorie hingegen hält an einem historischen Wahrheitsgehalt des biblischen Schöpfungsberichtes nicht mehr fest. Reihenfolge und Länge der Schöpfungstage haben dieser Theorie zufolge nichts mit der Reihenfolge und Länge kosmischer und geologischer Entwicklungsepochen zu tun. Die biblische Aufteilung in Tage sei eine rein ideale, um dem Leser den Schöpfungsakt verständlich zu machen. Bereits die allegorische Auslegung Philons und Origenes’ deutete die Tage als rhetorische Allegorie. Der Poetismus sieht in der Perikope einen aus einer hypothetischen Ursprache ins Hebräische übersetzten Hymnus. Als Werk der Poesie vermittle sie damit keine historische Darstellung der Schöpfung, sondern poetische Bilder. Zapletal erkennt den poetischen Wert des Textes vollkommen an, ist jedoch der Ansicht, dass diesem ein regelmäßiges Metrum und andere Charakteristika fehlen und er daher nicht als Gedicht im eigentlichen Sinne des Wortes bezeichnet werden könne. Die Existenz eines ursprünglichen Gedichts lasse sich zwar nicht ausschließen (wie dies viele unter Verweis auf die angebliche Historizität der Schöpfungsgeschichte täten), da auch am Ende dieses biblischen Buches (Gen 49) ein Gedicht stehe. Insgesamt betrachtet, handele es sich jedoch um Prosa. Die liturgische Theorie versteht den Text als Hymnus, der die Aufteilung der Woche in Tage erklärt. Zahlreiche Anhänger, darunter führende katholische Exegeten wie Franz von Hummelauer und Gottfried Hoberg, vertraten die Visionstheorie. Ihr zufolge hatte Gott dem Autor den historischen Ablauf der Schöpfungsereignisse in lebendigen Bildern offenbart. Zapletal versteht die Begeisterung seiner Kollegen für diese vermeintlich „beste Lösung“

 Der Schöpfungsbericht, S. 53.  Der Schöpfungsbericht, S. 54.

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2 Das wissenschaftliche Werk, die ersten großen Erfolge

nicht. Dass eine solche Vision, wie einige Vertreter der Visionstheorie annahmen, bereits Adam zuteil geworden und dann mündlich tradiert worden sei, hält er für unwahrscheinlich: Wie ließen sich dann die Anspielungen auf die ägyptische, phönizische und vor allem die babylonische Kosmogonie erklären, die mit dem übrigen Teil der Geschichte so fest verwachsen seien, dass die biblische Erzählung im Ganzen wesentlich jüngeren Ursprungs sein müsse? Zudem könne man kaum ernsthaft an eine ununterbrochene Kette mündlicher Tradierung von Adam bis zum Verfasser des Textes glauben.²⁴⁰ Der Periodismus, auch bekannt als Konkordanztheorie, geht davon aus, dass Gen 1 die Schöpfung mit historischer Genauigkeit beschreibe, die sechs biblischen Tage jedoch für sechs aufeinanderfolgende kosmogonische Epochen stehen, die sich anhand paläontologischer und geologischer Schichten auch nachweisen ließen. Diese Theorie war einige Zeit sehr populär, doch je weniger die Angaben des biblischen Textes mit den naturwissenschaftlichen Forschungsergebnissen in Einklang zu bringen waren, desto mehr verlor sie an Anhängern. Die mythische Theorie schließlich betrachtet die biblische Perikope als Mythos, der trotz redaktioneller Bearbeitungen noch seinen polytheistischen Kern und Ursprung verrät. Der als P bezeichnete Redaktor habe zwar versucht, den Text mit einem monotheistischen Geist zu erfüllen, seine Vorlage habe jedoch einen gar zu zähen Widerstand geleistet. Hierzu meint Zapletal, dass P die Vorlage zwar in der Tat gründlich überarbeitet habe, allein aufgrund des Vorhandenseins mythischer Motive und Fragmente ließe sich der Text jedoch noch nicht als Mythos bezeichnen. Der Unterschied zu mythischen Kosmogonien sei so markant, dass dem biblischen Bericht ein eigenständiger Platz eingeräumt werden müsse. Es komme darauf an, in welchem Sinn der Autor bestimmte Begriffe verwendet habe. Zudem dürfe man nicht vergessen, dass sein Bericht ein Ganzes sei. Die einzelnen Teile müssten daher stets in Verbindung mit dem Ganzen ausgelegt werden.²⁴¹ Zapletal erkennt in jeder der Theorien gewisse „Wahrheitsfragmente“, eine vollständige Lösung biete jedoch keine von ihnen. In eklektischer Weise die „guten“ Momente der einzelnen Theorien herauszusuchen und zusammenzusetzen, genüge nicht. Zapletal formuliert daher einen eigenen Lösungsvorschlag. Bei der Auslegung des Schöpfungsberichts sei vor allem von dessen religiösem Inhalt auszugehen. Der Verfasser habe den Menschen sagen wollen: Diese Welt ist von Gott geschaffen, und zwar von Gott allein, ohne Hilfe eines Demiurgen. Gott schuf sie durch das bloße Wort und brauchte sich dabei nicht abzumühen wie die Demiurgen der heidnischen Kosmogonien. Die Welt entspricht seinem Willen. Die Schöpfung ist anthropozentrisch, der Mensch ist das Ziel der sichtbaren Schöpfung, keineswegs jedoch ihr letztes Ziel. Schließlich habe der Verfasser die Heiligung des Sabbats bekräftigen wollen. Um den Israeliten diese essenziellen Wahrheiten verständlich zu machen, habe er Ausdrücke

 Der Schöpfungsbericht, S. 55 – 60.  Der Schöpfungsbericht, S. 61– 63.

2.2 Der Schöpfungsbericht mit Berücksichtigung der neuesten Entdeckungen

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der damaligen Zeit wählen müssen, denn jeder Verfasser schreibe in erster Linie für seine Zeitgenossen. Er habe die Reihenfolge der Schöpfungsakte in einem Schema vermittelt, das für die Leser leicht zu verstehen war und eine Alternative zu den damals verbreiteten heidnischen Kosmogonien bot. Damit habe er in einer volksnahen Ausdrucksweise an zwei Weltbeschreibungen anknüpfen können: eine naturwissenschaftliche und eine mythologische, die im damaligen Palästina beide präsent waren. Ja, er musste sogar an sie anknüpfen, sonst hätten die Leser seinen Text nicht verstanden oder vielleicht sogar abgelehnt: „Es ist zwar immer zugestanden worden, dass die Bibel kein Handbuch der Naturwissenschaften ist; und doch haben die meisten Exegeten, sobald sie das 1. Kap. der Genesis erklärten, darin ein Resumé dieser Wissenschaften entdecken wollen. Das ist eine Inkonsequenz, der die Strafe auf dem Fusse folgt. Und warum dürfte der Hagiograph in solchen Dingen sich nie nach der sinnlichen Erscheinung ausdrücken? Warum sollte er die vulgäre Redeweise immer vermeiden?“²⁴² Der Schöpfungsbericht setze voraus, dass die alten Israeliten die babylonischen Mythen kannten. Jedoch handele es sich keineswegs um eine bloße literarische Entlehnung, sondern – im Gegenteil – um eine Ablehnung dieser Kosmogonien, die in die israelitische Kultur vorzudringen begannen.²⁴³ Im sechsten und letzten Kapitel befasst sich Zapletal mit der literaturhistorischen Seite der Perikope. Die Pentateuchkritik schrieb die Textpassage dem Redaktor P zu, den die Mehrheit der damaligen Exegeten für den hauptsächlichen Autor des Textes hielt. Die Perikope wurde damit einer jüngeren Schicht des biblischen Textes zugeordnet. Es blieb nun nachzuweisen, dass der Inhalt von Gen 1 älter ist als seine literarische Bearbeitung – was bedeuten würde, dass sich auch in chronologisch jüngeren Passagen des Alten Testaments altertümliche Überlieferungen finden. Gunkel hatte versucht, einen solchen Nachweis anhand alttestamentlicher Texte zu erbringen, die älter sind als Redaktor P, die aber bereits Varianten und Verweise auf den Text von Gen 1 enthalten. Zapletal unterzieht Gunkels Belege einer gründlichen linguistischen Analyse und kommt zu dem Schluss, dass nur wenige Texte (zwei Psalmen und zwei Passagen aus dem Buch Hiob) tatsächlich zu einer solchen Beweisführung herangezogen werden können. Von allen Datierungsvorschlägen erscheint Zapletal die Einordnung in die Zeit der El-Amarna-Tafeln am plausibelsten. Zu jener Zeit war der babylonische Mythos in Kanaan bereits heimisch und konnte den Israeliten bekannt gewesen sein. Wenn es damals in Palästina Schreiber gegeben habe, die Briefe in babylonischer Sprache und Schrift nach Ägypten schickten, so müssten sie auch einige babylonische Ideen gekannt haben. Die Übernahme fremder Einflüsse sei jedoch ein länger währender Prozess gewesen, zu dem auch Ereignisse wie die babylonische Gefangenschaft wesentlich beigetragen haben könnten.²⁴⁴

 Der Schöpfungsbericht, S. 67– 69.  Der Schöpfungsbericht, S. 76.  Der Schöpfungsbericht, S. 91 f.

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2 Das wissenschaftliche Werk, die ersten großen Erfolge

Zur Identität des Verfassers äußert sich Zapletal nur zurückhaltend und ironisiert mit viel Witz die Argumente, die dessen priesterliche Herkunft belegen sollen. Redaktor P mag vielleicht Priester gewesen sein, doch Vorliebe für Ordnung und Übersichtlichkeit, Mangel an Poetizität, Neigung zu wissenschaftlichem Denken, Interesse an Kategorien, Klassifikationen und Definitionen, juristische Genauigkeit, die Akzentuierung von Segnung und Einhaltung des Sabbats seien zweifelhaft und auch nicht „typisch priesterlich“: „Ich glaube, dass ein poetisches Werk nicht notwendig von der Wahrheit abweichen muss und dass ihm die Tiefe nicht schadet. […] Der Rationalismus des Verfassers ist insofern zuzugeben, als er die unsinnigen Mythologien nicht anerkennt, sondern sachlich, objektiv sein will.“²⁴⁵

2.2.1 Resonanzen auf Zapletals berühmtestes Buch Zapletals Arbeit ist so geschickt geschrieben, dass selbst ein kritischer und theologisch konservativer Zensor wie Gallus Manser in seinem dreiseitigen Gutachten nichts einzuwenden hatte.²⁴⁶ Der zweite Zensor, Professor Reginald Schlincker OP, war von der Arbeit sogar regelrecht begeistert. Er erachtete sie „für das Beste, was je von Katholiken zu diesem Thema verfasst wurde“; das Werk sei „im Unterschied zu den meisten derartigen Arbeiten wirklich wissenschaftlich und dabei nicht weniger katholisch“.²⁴⁷ Zapletal hatte beide Zensoren schon bei der Korrektur des Textes um Hilfe gebeten, so dass er sie gründlich in seine Überlegungen einführen und strittige Passagen erläutern konnte. Dabei enthält das Buch Ansichten, die anderen katholischen Exegeten beträchtliche Schwierigkeiten eintrugen. So ist Zapletal z. B. der Ansicht, dass der Kern der biblischen Erzählung aus der Zeit der El-Amarna-Tafeln (14.– 12. Jahrhundert vor Chr.) stamme, seine literarische Bearbeitung jedoch wesentlich jünger sei. Außerdem arbeitete er mit der Quellentheorie. Er spricht der Erzählung jegliche Historizität und jeden naturwissenschaftlichen Wert ab und macht kein Hehl daraus, dass sie von den heidnischen Kosmogonien der Nachbarvölker beeinflusst ist. Der deutschen Ausgabe des Buches war eine bereits 1898 auf Tschechisch publizierte Studie vorausgegangen.²⁴⁸ Diese zeigt in einigen Passagen einen stärker apologetischen Charakter; der Tenor jedoch ist derselbe: Gott wollte grundlegende religiöse Wahrheiten über das Wesen des Schöpfungswerks offenbaren, „das Übrige aber, wenn auch nicht alles, so doch fast alles, gehört ins Reich der Naturwissenschaften, und hier mußte sich der Verfasser der Volkssprache anpassen. In den Bereich der Natur-

 Der Schöpfungsbericht, S. 95 – 98.  Manser an Frühwirth, 12.5.1902. AGOP XI. 15320.  Schlincker an Frühwirth, 13. 5.1902. AGOP XI. 15320 (Gutachten in französischer Sprache).  Vincent Zapletal, Prvá hlava Genese v záři nejnovějších objevů, in: ČKD 39 (1898), S. 329 – 340; 403 – 416; 480 – 491.

2.2 Der Schöpfungsbericht mit Berücksichtigung der neuesten Entdeckungen

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wissenschaften gehört, wie lange Gott die Welt erschuf und in welcher Reihenfolge er dies tat.“²⁴⁹ Zapletals ehemaliger Doktorand P. Elred Laur,²⁵⁰ ein Zisterzienser aus dem Kloster Marienstatt bei Hachenburg, schrieb ihm am 6. September 1902 sein Urteil. Obgleich er Zapletals Methode, einschließlich deren Anwendungsmöglichkeiten auf Probleme bezüglich des Schöpfungsberichts, gut kenne, habe er das Buch in einem Zug, mit großer Spannung und ebenso großer Befriedigung gelesen. Im Ganzen sei alles so lebensfrisch, so gesund und kräftig, dass man sich eigentlich wundere, warum man so oft auf fade und ungesunde Meinungen stoße, wenn doch gute und vernünftige Auslegungen zur Hand seien. Gegenüber Kaulens Arbeit²⁵¹ sei das Ganze ein Fortschritt um ein halbes Jahrhundert.²⁵² Der tschechische Exegeseprofessor Vojtěch Šanda²⁵³ wiederum erklärte in seiner auf Deutsch verfassten Rezension, dass die katholische Wissenschaft in Zapletal endlich einen Exegeten habe, der den gesamten, in den letzten Jahren beträchtlich angewachsenen orientalistischen Apparat zur Verteidigung der Heiligen Schrift zu nutzen wisse. Der Autor müsse sich daher nicht auf das Wiederholen veralteter Argumente beschränken. Die Arbeit sei mutig und werde wahrscheinlich auf großen Widerstand stoßen, was ihren Wert jedoch keineswegs mindere.²⁵⁴ Das Buch wurde ins Französische übersetzt, dann auch ins Polnische, weitere Übersetzungen ins Englische und Italienische waren im Gespräch.²⁵⁵ Eine umfangreiche Rezension erschien am 14. Februar 1903 in dem einflussreichen St. Gallener Blatt Die Ostschweiz. ²⁵⁶ Der Autor erwähnt die Verdienste der Dominikaner bei der Entwicklung der katholischen Bibelwissenschaft, einschließlich der Berufung dreier Dominikaner in die gerade gegründete Päpstliche Bibelkommission.²⁵⁷ Von Zapletals wissenschaftlichen Qualitäten zeuge bereits dessen letzte Arbeit zum Totemismus, in der er bewiesen habe, dass die Anwendung moderner Methoden die beste Apologie sei. Den Beitrag von Zapletals Arbeit sieht er insbesondere in zwei Punkten: 1. darin, dass der Schöpfungsbericht im Buch Genesis nicht nur belehrenden und moralischen, sondern in erster Linie apologetischen Charakter habe; 2. dass er

 Ebd., S. 481.  Laur hatte seine Doktorarbeit Die Prophetennamen des Alten Testaments am 20.12.1901 verteidigt und gab sie zwei Jahre später in Fribourg heraus. In RB 2 (1905), S. 465, findet sich eine positive Rezension.  Die Schrift des katholischen Exegeten aus Bonn war kurz zuvor erschienen: Franz Kaulen, Der biblische Schöpfungsbericht, Freiburg i. Br. 1902.  AA FZapletal.  Vgl. Petráček, Bible a moderní kritika, S. 76 – 81, 203 – 211.  Literaturblatt zum Korrespondenz-Blatt für den Katholischen Klerus Österreichs 1903, S. 40 – 42.  Eine Zusage für die Übersetzung des Schöpfungsberichts wie auch des Totemismus erhielt Zapletal um die Jahreswende 1902/03. Um eine italienische Übersetzung bemühte sich noch im Jahr 1908 P. Vincenzo Chiaroni OP, Professor für Exegese am Seminar in Viterbo. AA FZapletal.  Die Ostschweiz, 14. 2.1903. Die Rezension war lediglich mit „Dr. S.“ unterzeichnet.Wahrscheinlich handelte es sich um einen Pfarrer namens Dr. Schneider aus Fischingen.  Es handelte sich um die Dominikaner Lepidi, Lagrange und Esser.

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genau wie andere Teile der Heiligen Schrift der Ausdrucksweise seiner Zeit unterliege und der Verfasser aus der Mythologie übernommene Ausdrücke verwendet habe, um sie im monotheistischen Sinne zu korrigieren. „Des Dominikaners Genialität“ habe eine ganze Reihe scheinbar unüberwindlicher Interpretationsschwierigkeiten beseitigt. Zapletals Arbeit sei „bahnbrechend“, auch wenn der Exeget seine Forschungen noch nicht abgeschlossen habe. Im Mittelalter seien die Dominikaner in allen Fächern im guten Sinne des Wortes auf dem modernsten Stand gewesen; für die Exegese gelte dies nun erneut. Fribourg habe gut gewählt.²⁵⁸ Anfang 1903 erschien auch eine Rezension von Lagrange,²⁵⁹ der positiv hervorhebt, dass Zapletal keine Zeit mit dem Konkordismus verliere, sondern die Visionstheorie Pater Hummelauers widerlege, die sich unverdienterweise großer Beliebtheit bei deutschen Katholiken erfreue. Die Arbeit sei „solide und in vollendeter Weise auf Quellen gestützt“, der Autor kenne „die aktuelle Literatur zu den antiken Kosmogonien.“ Insgesamt sei dies „ein bemerkenswerter Fortschritt gegenüber allem, was zu diesem Thema in deutscher Sprache von Katholiken erschienen ist.“ Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgehen, dass das Lob eine zweifache Begrenzung enthält: zunächst auf den deutschen Sprachraum und hier so dann auf die Katholiken.²⁶⁰ Lagrange fügt hinzu: „Obgleich P. Zapletal unser Freund und Mitbruder ist, oder eher gerade deshalb, haben wir ihn nicht mit Kritik verschont, die wir für objektiv und begründet halten. Diesen Zug lässt die Rezension von Herrn Hoberg völlig vermissen, die eher einem Tendenzprozess gleicht.“ Es folgt eine Übersetzung der von Hoberg formulierten Einwände, gegen die Lagrange den Dominikanerorden und die aus ihm hervorgegangenen Bibelwissenschaftler verteidigt: „Dieser Orden hat sich bemüht, die Verteidigung der Kirche zu stärken, indem er Forscher auf dem Feld der Orientalistik hervorgebracht hat, und Namen wie P. Scheil, von P. Zapletal selbst, der Revue biblique und der Jerusalemer Schule einmal ganz abgesehen, beweisen, dass er darin nicht ohne Erfolg war.“ Lagrange merkt an, dass es sich bei der Unterscheidung von Quellen im Alten und im Neuen Testament um ganz unterschiedliche Fragen handele. In der Schöpfungsgeschichte könne die Exegese die Quellentheorie nicht ignorieren, und selbst P. Méchineau erkenne sie an. Mit Hobergs Angriff auf Zapletals Buch werden wir uns im Folgenden noch detaillierter befassen. Auch die Anhänger der Visionstheorie meldeten sich zu Wort, z. B. in einer umfangreichen sechsseitigen Rezension von Albert Meyenberg in der Schweizerischen Kirchen-Zeitung. Zapletals Argumente gegen die Visionstheorie werden darin als interessant, aber nicht ganz überzeugend bezeichnet. Ansonsten fällt die Rezension durchweg positiv aus. Sie betont den wissenschaftlichen Wert der Arbeit, die Übereinstimmung mit dem kirchlichen Lehramt (und der Enzyklika Providentissimus Deus)  Der innovative Charakter von Zapletals Ausführungen wird auch in einer Besprechung des Buches hervorgehoben: Vgl. Katolické listy vom 21.9.1902, S. 5.  RB 12 (1903), S. 144– 146.  Vergleichbar auch eine Rezension in der Revue du Clergé Français 34 (1903), S. 522– 524, die darauf verweist, dass Lagrange 1896 in der RB ähnliche Gedanken geäußert habe.

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wie auch die Bedeutung der Arbeit für die Apologetik. Der Rezensent spricht sogar von der Begründung einer neuen Theorie des Anthropomorphismus oder Chronomorphismus – der biblische Verfasser passt sich in der Darstellung der ihm durch Inspiration geoffenbarten übernatürlichen Inhalte seinen Zeitgenossen an –, zu welcher Zapletal eine „äußerst wertvolle und ungemein anregende Studie“ beigetragen habe.²⁶¹ Die Reaktionen von protestantischer Seite waren vorwiegend positiv. Hier betrachtete man Zapletal als einen Autor, der im Totemismus seine wissenschaftlichen Qualitäten unter Beweis gestellt hatte. Man honorierte die Unvoreingenommenheit, mit welcher er bei der Exegese des Schöpfungsberichts vorgegangen war, seine außergewöhnliche Literaturkenntnis und seine klare Darstellung.²⁶² In Hinblick darauf, dass Zapletal ein katholischer Gelehrter war, mag manches freilich doppeldeutig geklungen haben, zum Beispiel, wenn er von einem Rezensenten lobend als dankbarer Schüler Gunkels bezeichnet wird oder man die Hoffnung äußert, der Autor möge sich künftig noch stärker auf eine reine Exegese zubewegen und sich von den Beschränkungen der dogmatischen Theologie befreien.²⁶³ Der deutsche Theologe Georg Beer hält Zapletals Abhandlung zwar nicht direkt für bahnbrechend, sieht in ihr jedoch einen Beweis dafür, dass es katholische Exegeten gebe, die sich wissenschaftlich und vorurteilsfrei mit der Bibel auseinandersetzen.²⁶⁴ Ein noch größeres Kompliment erhielt Zapletal von Bruno Baentsch, einem anderen protestantischen Wissenschaftler. Dieser betont den wissenschaftlichen Charakter der Arbeit und resümiert: „Es ist uns selten ein katholischer Autor begegnet, der den historisch-literarischen Problemen, die das A.T. bietet, in so unbefangener Weise ins Auge schaut und sie auf so wissenschaftlichem Wege zu lösen bemüht ist, wie Zapletal.“²⁶⁵ Eine Rezension der französischen Übersetzung (1904) aus der Feder von Georges Bastoule nennt die Dinge sehr offen beim Namen: Das Buch des katholischen Theologen sei Frucht einer eigenständigen, kritischen, von den Arbeiten großer deutscher protestantischer Bibelwissenschaftler wie Wellhausen und Gunkel inspirierten Exegese. Zwar divergiere der Autor mit diesen in zahlreichen konkreten Fragen, er verwende jedoch ihre Methode und knüpfe an die Resultate ihrer Arbeiten an: „Wenn wir dies nur auch von der Mehrzahl der protestantischen Theologen sagen könnten.“²⁶⁶ Bastoule sieht den zu würdigenden Beitrag Zapletals vor allem in dessen Exegese des Schöpfungsplans, wenngleich er auch nicht die Ansicht teilt, dass die

 Schweizerische Kirchen-Zeitung 48 (1902), S. 395 – 400.  So Paul Volz in seiner von der Theologischen Literaturzeitung 28 (1903), S. 622, abgedruckten Rezension. Erfreut über solche „Mitarbeit aus dem katholischen Lager“ zeigte sich auch Alfred Bertholet, Theologische Literaturzeitung 29 (1904), S. 452.  So Bertholet in seiner Rezension in der Theologischen Literaturzeitung 29 (1904), S. 455.  Theologischer Jahresbericht 22 (1902), S. 43 f.  Theologischer Jahresbericht 22 (1902), S. 190.  Erschienen im Pariser Wochenblatt Le Protestant. Journal des chrétiens libéraux vom 2.7.1904, S. 215.

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2 Das wissenschaftliche Werk, die ersten großen Erfolge

Perikope von einer creatio ex nihilo spreche. Der Schluss der Rezension deutete – ein Jahr nach dem Tod Leos XIII. unter dem Eindruck des neuen Kräfteverhältnisses an der römischen Kurie – auf die sich verändernde Situation in der katholischen Bibelwissenschaft hin: „das Buch […] ist interessant und lehrreich. Es macht der katholischen Exegese und der Universität Fribourg alle Ehre, wo es noch erlaubt ist, diese Fragen frei zu behandeln, ohne damit ,gegen den Glauben zu verstoßen‘.“²⁶⁷ Eine ausführliche und ausgewogene Rezension verfasste Lucien Gautier. Dieser würdigt den Respekt, den Zapletal – trotz einer Reihe von Einwänden – der protestantischen Exegese zollt: „Zapletals Buch weist ein beachtliches wissenschaftliches Niveau auf und arbeitet mit einer vernünftigen historischen und wissenschaftlichen Methode. Es muss zwar hinsichtlich der betreffenden Fragen noch nicht das letzte Wort sein, stellt jedoch einen Fortschritt bei der Suche nach Lösungen dar.“²⁶⁸ Ein noch größeres Risiko als das Lob von protestantischer Seite konnte unter Umständen die Anerkennung derjenigen katholischen Bibelwissenschaftler sein, die bald in ernsten Konflikt mit den kirchlichen Behörden geraten sollten. Bereits erwähnt hatten wir Lagrange, lobend über das Buch äußerten sich aber auch Loisy²⁶⁹ und der damals in Passau lehrende Exeget Karl Holzhey. Insbesondere Holzhey²⁷⁰ spart nicht mit überschwänglichen Worten. Der Autor habe mit „unbeirrter Wahrheitsliebe“ die ursprüngliche einfache Bedeutung des Textes wiederhergestellt und damit eine Deutung vorgelegt, die heute leider ein Einzelphänomen darstelle, sich in Zukunft jedoch als einzig mögliche erweisen werde. Trotz einiger Vorbehalte hebt der Rezensent die Eigenständigkeit der Arbeit gegenüber Gunkel hervor und plädiert dafür, Zapletals Ansatz auf dogmatischem und exegetischem Gebiet weiterzuführen.²⁷¹ Anfang 1904 weist eine Rezension der französischen Ausgabe auf die große Verbreitung von Zapletals Buch in Deutschland hin, wo man es als eigenständige und originäre Arbeit aufgenommen habe, die von Apologetik ebenso absteht wie vom Rationalismus. Die Darstellung sei gelungen; was literarische Form und Entstehungszeit des Textes betrifft, müsse der Verfasser auf Autoritäten gefasst sein, die eine andere Meinung vertreten.²⁷²

 Vgl. aus demselben Umfeld auch eine Rezension mit ähnlicher Stoßrichtung in der Neuchâteler Wochenzeitung La Suisse libérale vom 15. 3.1904. Ebenso im Journal de la Genéve vom 15. 2.1904 mit der ironischen Anmerkung: „Der Professor aus Fribourg sagt uns (und Msgr. Déruaz bekräftigt es durch sein Imprimatur […]), dass, ,wer in der Genesis Quellen annimmt, noch nicht gegen den Glauben verstoße‘. Hier unterstreichen wir jenes sehr suggestive ,noch‘. Den Abbé Loisy wird es sicher freuen, aber was wird man in Rom dazu sagen? […] Trotz der Verurteilung Galileos dreht sich die Erde, die Wissenschaft hat sich durchgesetzt und gesiegt.“  Annales de Bibliographie Théologique 44 (1903), S. 81– 84.  Revue d’Histoire et de Littérature religieuses 9 (1904), S. 489.  Karl Holzhey (1863 – 1943), geweiht 1888, 1900 – 1903 Professor für Exegese des Alten Testaments in Passau, 1903 – 1912 in Freising.  Theologische Revue 2 (1903), S. 46 – 47.  Basler Zeitung vom 12. 2.1904.

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Zapletal war sich der Risiken durchaus bewusst und verfolgte die Wortmeldungen zu seinem Buch aufmerksamer denn je – und zwar sowohl zur deutschen als auch zur französischen Ausgabe. Die neben Hobergs Verriss wohl schärfste Entgegnung erschien in Paris. Dem Rezensenten zufolge zeige schon ein Blick auf Zapletals Fußnoten, in welchem Maße dieser von „nahezu sämtlichen rationalistischen Ideen“ beeinflusst sei, „einschließlich der in Bezug auf die Bibelexegese gewagtesten“. Dieser Eindruck verstärke sich bei Lektüre der Arbeit, sodass sich „bei allem Respekt vor den Kenntnissen des Autors die Frage“ ergebe: „Wo ist in all dem der katholische Geist?“ Diese Meinung sei bereits von anderen geäußert worden und der Rezensent müsse ihnen zustimmen: „Für gänzlich inakzeptabel halten wir die Theorie der ,Quellen‘, welche P. Zapletal nach dem Vorbild der gegenwärtigen ,Kritik‘ auf die Genesis anwendet. Was seine Auslegung des Schöpfungsberichts betrifft, so scheint uns nicht nur, dass diese nicht nur nicht die ,natürlichste‘ ist, sondern sie ist auch nicht belegt und wird niemals belegbar sein.“²⁷³ Mit seiner Bejahung der Quellentheorie provozierte Zapletal nicht nur christliche, sondern auch jüdische Anhänger der traditionellen Auffassung von einer Autorschaft Moses. So schrieb ihm der Luzerner Rabbiner Moses Krausz am 13. Juni 1905 einen zwar respektvollen, aber dennoch entrüsteten und ablehnenden achtseitigen Brief. Er teile keineswegs Zapletals Ansicht, dass, wer die Quellentheorie akzeptiere, nicht gegen den Glauben verstoße: Nach jüdischer Auffassung entschieden ja! Bislang habe er geglaubt, dass auch die streng christliche Auffassung sich mit der jüdischen decke. Nur protestantische Bibelkritiker und philologisch-theologische „Chirurgen“ hätten bislang gewagt, das Messer an die Pergamentrollen der Heiligen Schrift zu legen.²⁷⁴ Glücklicherweise wurde Zapletals Arbeit auch von bedeutenden katholischen Exegeten wie Professor Paul Vetter²⁷⁵ oder auch Professor Henri Hyvernat gewürdigt. Hyvernat erachtete die Arbeit als durch und durch wissenschaftlich, zugleich aus streng katholischer Sicht auch als vollkommen konservativ.²⁷⁶ Die Lektüre von Zapletals Arbeit wie auch der zu ihr erschienenen Rezensionen zeigt in aller Deutlichkeit, dass sich die Leistung von Gelehrten wie Zapletal oder Lagrange nicht einfach auf eine „bloße“ Übernahme von Ergebnissen der protestantischen und rationalistischen Kritik ins katholische Milieu reduzieren lässt. So sehr sie sich auch von deren Erkenntnissen und Methoden inspirieren ließen, zeigen ihre Arbeiten Eigenständigkeit und Originalität. Den Arbeiten ihrer Kollegen begegneten sie mit Respekt, doch keineswegs unkritisch. Die meisten Seiten in Zapletals Arbeit beansprucht die Auseinandersetzung mit dem Großmeister der protestantischen Exegese, Hermann Gunkel, die aber nicht etwa auf dogmatischer Grundlage erfolgt,

 Revue de l’Institut Catholique de Paris 10 (1905), S. 90.  AA FZapletal.  Tübinger Theologische Quartalschrift 86 (1904), S. 622.  The Catholic University Bulletin Band 10 (1904), S. 395: „Dr. Zapletal’s little book cannot be commended too highly as a sample of good exegesis, thoroughly scientific and yet perfectly conservative from a strict Catholic standpoint.“

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2 Das wissenschaftliche Werk, die ersten großen Erfolge

sondern anhand einer linguistischen Analyse und Interpretation des hebräischen Textes.²⁷⁷ Der oft wiederholte Vorwurf, Zapletal gebe protestantischen Autoren den Vorzug vor katholischen, scheint durch seinen Genesis-Kommentar zwar bestätigt, lässt sich aber nicht verallgemeinern. Katholischen Gelehrten wie Zapletal ging es um wissenschaftliche Erkenntnis und Wahrheit; ihre Quellen nach institutioneller Loyalität zu kategorisieren, lehnten sie ab. Mitunter tendierte Zapletal zu einer Interpretation Lagranges, dann wieder folgt er Gunkel, oder er entwirft eine eigene Lösung. Anders als es die Vorwürfe der Integralisten implizierten, stellten die progressiven katholischen Exegeten keine geschlossene oder gar organisierte Bewegung dar. Zapletal, der nicht im Sinn hatte, für die Schublade zu schreiben, bemühte sich selbst um ein Echo auf seine Studie. Eine von ihm erstellte Adressliste für die Versendung von Rezensionsexemplaren nennt 24 Zeitschriften in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Böhmen, Frankreich, Polen und Großbritannien, in denen er seine Arbeit zu präsentieren gedachte.²⁷⁸ Für die Rekonstruktion seines damaligen Freundes- und Kollegenkreises ist insbesondere eine Liste von Personen, denen er sein Buch als Geschenk zudachte, von Bedeutung. An erster Stelle steht hier Zapletals Bruder František, Pfarrer in Pňovice, an zweiter Ordensmeister Andreas Frühwirth. Es folgen der Ordensprovinzial, der protestantische Theologe Julius Wellhausen, der Pfarrer in Vilémov/Willimau, Minister Python, Lucien Gautier, die Prioren von Znaim/Znojmo, Wien und Prag sowie die Bibelwissenschaftler Vetter, Breda, Grey, Minocchi, Lagrange und Laur. Von den Ordensbrüdern im Albertinum wurden die Patres Mandonnet, Fei, Manser, Rose, Berthier, Rollmann, Langen-Wendels und Schlincker bedacht. Weitere Exemplare gingen an den namhaften Orientalisten Theodor Nöldeke und an den Dominikaner Vincent Scheil nach Paris.

2.3 Die Studiensammlung Alttestamentliches Zapletals nächste Veröffentlichung war ein Sammelband von ihm verfasster Studien, der 1903 – abermals auf Deutsch – unter dem Titel Alttestamentliches erschien.²⁷⁹ Wie er im Vorwort vom Mai 1903 schreibt, behandelt er hier einige schwierige und interessante Fragen, die er in seinen Vorlesungen aufgrund des anstehenden Pflichtstoffes nicht entsprechend ausführen konnte. Er habe sie daher nach und nach in seinen Seminaren ausgearbeitet und einige dieser Arbeiten in der Zeitschrift Časopis katolického duchovenstva und der Schweizerischen Kirchen-Zeitung publiziert.²⁸⁰ In seiner

 Gunkels Neigung zu willkürlichen Interpretationen des biblischen Textes ebenso wie seine schwächere Philologie wird auch von Smend, Deutsche Alttestamentler, S. 170, eingeräumt.  AA FZapletal.  Vincent Zapletal, Alttestamentliches, Fribourg 1903, VII + 190 S. (im Weiteren zit. als: Alttestamtentliches)  Bericht 1902/1903, S. 11 und 26.

2.3 Die Studiensammlung Alttestamentliches

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Textkritik sei er bestrebt, die ursprüngliche Textgestalt zu rekonstruieren, was jedoch nicht heiße, dass er Passagen, die sich als spätere Einschübe erwiesen, aus dem Kanon der alttestamentlichen Bücher verbannen wolle. Die übrigen vier Seiten des Vorwortes enthalten Zapletals Entgegnung auf eine harsche Kritik an seinem Kommentar zum biblischen Schöpfungsbericht. Wie er anführt, war ihm am 17. Oktober 1902 ein Exemplar der Litterarischen Rundschau mit einem tendenziösen Artikel über sein Buch in die Hände gelangt.²⁸¹ Da die kurze Rezension nur mit „G.“ unterzeichnet war,²⁸² hatte er gleich am nächsten Tag eine Antwort an die Redaktion geschickt, mit der Bitte um Abdruck, damit sie denselben Leserkreis erreiche wie besagter Artikel.²⁸³ Zapletals Ansicht nach war die veröffentlichte Rezension derart irreführend und falsch, dass der Leser sein Buch darin nicht hätte erkennen können. Der Autor werde in ungerechtfertigter und tendenziöser Weise des Rationalismus beschuldigt, was er als Dominikaner und Professor an einer katholischen Universität keinesfalls hinnehmen könne.²⁸⁴ Zunächst aber verteidigt er seine wissenschaftliche Ehre gegen den Vorwurf, dass sein „Versuch die Erklärung des Hexaemerons […] auch nicht um einen Schritt weiter“ bringe.²⁸⁵ Wo seien die Beweise für eine solche Behauptung? Solle der einzige Beweis etwa das Urteil sein, dass die katholische Theologie aus seiner Schrift keinen Nutzen ziehen könne, weil er der Ansicht sei, dass der biblische Schöpfungsbericht sich auf die Kosmogonien der Babylonier, Ägypter und Phönizier stütze, und weil er der modernen Unterscheidung von Quellen im Pentateuch huldige? Nach diesen Fragen fährt Zapletal in scharfem Ton fort: „Welche Logik, wenn dies als Beweis dienen soll! Warum sollte ferner die Theologie keinen Nutzen ziehen aus einer solchen Erklärung? Ist diese Behauptung des Referenten nicht ein neuer Machtspruch?“²⁸⁶ Auf die Beschuldigung, dass seine Methoden, angewendet auf das Neue Testament, notwendigerweise zu David Strauss²⁸⁷ führen würden, erwiderte er: „Ja welche  Die feindselig voreingenommene Rezension, eher eine Aburteilung, war am 1. Oktober 1902 in der Litterarischen Rundschau 28 (1902), S. 297 f., erschienen. Herausgeber der Zeitschrift war Gottfried Hoberg (1857– 1924), Professor für Exegese an der Universität Freiburg im Breisgau. Dieser katholische Exeget war auch als Privatdozent in Bonn, später als Professor in Bonn und Paderborn tätig. In der Frage des Pentateuchs verfocht Hoberg eine traditionelle Auffassung (Moses und Pentateuch, Freiburg im Br. 1905), er war ein Anhänger der integralistischen Bewegung.  Diese Nummer der Zeitschrift beinhaltet neun Rezensionen, wobei nur die zu Zapletals Buch anonym erschien.  Auf dem Entwurf seines Schreibens hatte sich Zapletal die Chronologie der Ereignisse notiert: Am 16.10. abends war die Zeitschrift erschienen, am 17.10. hatte er ein Exemplar angefordert, am 18.10. verfasste er seine Antwort. Am 23.10. erfuhr er von Kirsch, dass sich hinter dem Kürzel „G.“ Gottfried Hoberg verbarg. Vgl. AA FZapletal.  AA FZapletal. Entwurf des Schreibens an die Redaktion, 18.10.1902.  Alttestamentliches, S. IV.  Ebd.  Dem Rezensenten zufolge war Zapletal für das AT, was Strauss für das NT war, was aber in der Tat verfehlt ist. David Friedrich Strauss (1808 – 1872) war ein evangelischer Theologe. Seine wichtigste Schrift Das Leben Jesu (1835) bestreitet die Relevanz des historischen Jesus für den Glauben. Über-

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2 Das wissenschaftliche Werk, die ersten großen Erfolge

Theorien sind es denn? Ist es vielleicht meine Behauptung, dass sich im biblischen Schöpfungsberichte Ausdrücke finden, die auch in den heidnischen Kosmogonien vorkommen? Der Referent möge doch mein Buch noch einmal lesen, besonders die Seiten […], sonst hätte er gefunden, dass ich zwischen den heidnischen Kosmogonien und dem bibl. Schöpfungsbericht einen wesentlichen Unterschied annehme. Oder gehört zu den vom Referenten gemeinten Theorien meine Annahme, dass es im Pentateuch Quellen gebe? Das verstösst doch gegen kein Dogma! Die Erwähnung des David Strauss wird ihren Effekt nicht verfehlen; mancher fromme Leser des Referates wird sich denken: ,Dieser ketzerische Dominikaner, dieses unwürdige Mitglied des alten Inquisitorenordens muss auf den Scheiterhaufen!‘“²⁸⁸ Auch die Bemerkungen des Rezensenten über die scholastische Philosophie greift Zapletal auf: „Ich selber fälle über die mittelalterliche Philosophie kein Urteil, obgleich ich sie viele Jahre lang ex professo studiert habe, was der Referent kaum getan hat, sonst hätte er mehr Logik gelernt, hätte auch den bibl. Schöpfungsbericht nicht in die Philosophie hineingezogen und schliesslich wäre er zu der Überzeugung gekommen, dass gerade der von ihm gemeinte Hauptvertreter der scholastischen Philosophie, der hl. Thomas von Aquin, der modernste Gelehrte seiner Zeit war und seine Schüler lehrte, die alten Wahrheiten zwar zu bewahren, zugleich aber das Wissen durch neue Erkenntnisse zu bereichern.“²⁸⁹ Dass der Rezensent es vorgezogen habe, unter seinen Text lediglich ein „G.“ zu setzen, während alle übrigen Rezensionen der Zeitschrift mit vollem Namen unterzeichnet seien, sei – so Zapletal – nicht eben mannhaft. Erst am 5. Dezember erhielt Zapletal einen Brief von Hoberg, in welchem dieser bekennt, Autor der Rezension zu sein, die zu unterzeichnen er als Herausgeber der Zeitschrift jedoch nicht für notwendig befunden habe.²⁹⁰ Zapletals Replik, so fährt er fort, habe er nicht veröffentlichen können, da er seine in der Rezension geäußerten Auffassungen nicht für unrichtig halte. Zapletal kommentiert dies mit den Worten: „Ich lasse jedem seine Auffassung und seine Überzeugung; ich konnte aber erwarten, dass eine katholische Zeitschrift einem katholischen Autor erlauben werde, sich zu verteidigen, wenn er sich von ihr ungerecht, und zwar in einem Punkte, der bei Katholiken für den schwerwiegendsten gilt, angegriffen sieht.“²⁹¹ Zu Hobergs Angriff auf Zapletal hatte sich nicht nur Lagrange geäußert, der Zapletal in seiner Rezension unterstützte, sondern – und das zeugt von der starken Resonanz auf die Angelegenheit – auch der niederländische Dominikaner Bernard Dominic van Breda.²⁹² Eine Versöhnung zwischen Zapletal und Hoberg blieb jedoch aus. So überrascht es nicht,

natürliches und Wunder lässt er nicht gelten und stellt die Frage nach einem historischen Jesus jenseits der mythologischen Figur aus den Evangelien.  Alttestamentliches, S. V.  Alttestamentliches, S. VI.  Das Schreiben ist in Zapletals Nachlass erhalten. AA FZapletal.  Alttestamentliches, S. VII.  De Katholiek. Godsdienstig Geschied en Letterkundig Maandschroft. 123 (1902), S. 445 – 453.

2.3 Die Studiensammlung Alttestamentliches

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wenn Hoberg zehn Jahre später in seiner kleinen biblischen Hermeneutik Zapletal nicht nur nicht zitiert oder erwähnt, sondern ihn auch in seiner zweiseitigen Auflistung weiterer empfehlenswerter Hermeneutiken übergeht.²⁹³ Wenden wir uns nun aber Zapletals neuem Werk zu, das vorwiegend methodischen Problemen der Textkritik am hebräischen Text gewidmet ist. Der Band enthält insgesamt zwölf Studien, die die Geschichts-, Lehr- und prophetischen Bücher des Alten Testaments zum Gegenstand haben. Die erste Studie befasst sich mit dem Vers Gen 1,26 und der Interpretation der Worte „Lasset uns Menschen machen nach unserem Bild und Gleichnis“, vor allem aber mit der Frage, worin diese Ähnlichkeit des Menschen mit Gott besteht. Neben seinen Kenntnissen der patristischen Exegese bekennt sich Zapletal dabei auch zum thomistischen Erbe. Er verteidigt die These, dass die Ähnlichkeit des Menschen mit Gott in seiner vernünftigen Natur bestehe und keineswegs in der körperlichen Beschaffenheit oder in seiner Herrschaft über alle übrigen Geschöpfe.²⁹⁴ Die Attacken seiner Gegner hatten Zapletal nicht davon abhalten können, auch hier nach der Quellentheorie vorzugehen. So erklärt er, dass Anthropomorphismen beim priesterlichen Redaktor (P) im Allgemeinen recht selten zu finden sind.²⁹⁵ Die Studie erschien auch in einer tschechischen Version.²⁹⁶ In der zweiten Studie analysiert Zapletal die Perikope über das Strafgericht nach dem Sündenfall Gen 3,14– 19. In Verbindung mit Vers 16 denkt er dabei über die Stellung der Frau im Altertum nach, die oft an Sklaverei erinnere. Auch wenn ihre Stellung bei den Hebräern besser war als bei anderen Völkern, so habe sie sich doch in der Abhängigkeit von einem oft auch tyrannischen Mann befunden. Hauptsächlich aber geht es um die Frage, ob die biblische Schlange für den Verfasser der Perikope lediglich ein Tier oder aber eine Inkarnation des Teufels gewesen sei. Die Schlange spreche und sei von Hass auf Gott erfüllt. Es handele sich also nicht um eine gewöhnliche Schlange. Selbst im Märchen seien sprechende Tiere keine gewöhnlichen Tiere. Arabischen Vorstellungen zufolge trage jede Schlange in sich einen Dschinn. Für den hebräischen Leser sei es daher ganz natürlich gewesen, die biblische Schlange als Werkzeug eines bösen Geistes zu verstehen. Zapletal tendiert zudem zu der Ansicht, dass sich Vers 15 in einem individuellen messianischen Sinne interpretieren lasse, was er mit dem Kontext des Verses, mit dessen Übersetzung – und damit Auslegung – in der Septuaginta wie auch mit den jüdischen Targumim belegt.²⁹⁷ Auch in der dritten Untersuchung befasst sich Zapletal mit dem ersten biblischen Buch, konkret mit dem Segen, den Urvater Jakob seinen Söhnen erteilt (Gen 49,2– 27). Erwähnt seien hier nur die recht kritische Auseinandersetzung mit seinem Kollegen Hummelauer und die ironischen Überlegungen zur Stellung eines katholischen Exegeten. Gunkel hatte die Annahme abgelehnt, dass Vers 10 ein späterer Einschub sei, da     

Gottfried Hoberg, Katechismus der biblischen Hermeneutik, Freiburg im Breisgau 1914. Alttestamentliches, S. 3 f. und 9. Alttestamentliches, S. 8. Vincent Zapletal, O obrazu Božím v člověku, in: ČKD 44 (1903), S. 392– 397 und 508 – 513. Alttestamentliches, S. 21– 25.

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2 Das wissenschaftliche Werk, die ersten großen Erfolge

er eine Eschatologie enthalte, die erst wesentlich später von den alttestamentlichen Propheten entdeckt worden sei. Der ihm zufolge authentische Vers sei vielmehr ein Beleg für die Existenz einer vorprophetischen Eschatologie, an welche die Propheten angeknüpft hätten. „Diese Ausführung Gunkels können wir mit einer gewissen Befriedigung entgegennehmen, da er ja auch ein moderner Kritiker ist.Wenn wir es sagen würden, würde man es weniger beachten, ja man würde sagen, dass wir diese Behauptung aufstellen, weil wir zu konservativ sind und apologetische Tendenzen verfolgen“.²⁹⁸ Die vierte Studie, kurz Das Ephod betitelt, ist ein Beitrag zur Diskussion, um welche Art von liturgischem Gegenstand es sich bei dem alttestamentlichen Ephod handelt.²⁹⁹ Eine polemische Auseinandersetzung mit modernen Bestrebungen, Aussagen im biblischen Text abzuschwächen, enthält Zapletals Studie Das Gelübde Jephtas (Ri 11,1– 12,7). Anhand des Textes selbst wie auch anhand des historischkulturellen Kontexts weist Zapletal eindeutig nach, dass es sich bei der Opferung von Jephtas Tochter nicht um einen „Abgang ins Kloster“ handelt. Der unglückliche Heerführer habe seine einzige Tochter vielmehr tatsächlich geopfert. Zapletal verweist auf die Bewertung Jephtas durch die Verfasser des biblischen Textes, die den Feldherrn ausschließlich für seine staatsmännischen und militärischen Leistungen loben, nicht aber für sein unüberlegtes, ja lästerliches Gelübde gegenüber dem Herrn. Zapletal sieht dieses als Folge eines langen Aufenthalts unter Heiden und zu geringer Kenntnis des rechten Glaubens an Jahwe.³⁰⁰ Abermals in den Bereich der Textkritik gehört die Studie Der Lobgesang der Anna (1 Sam. 2, 1– 10). Zapletal reagiert hier auf einige neuere Arbeiten zur Metrik des hebräischen Textes, welche sich auf die Interpretation der Perikope auswirke. Nach einer präzisen Analyse legt er eine umfassende Rekonstruktion der genannten Verse vor, samt einer Übersetzung ins Deutsche. Hinsichtlich der Datierung des Liedes räumt Zapletal erhebliche Probleme mit einigen Passagen ein, die auf eine jüngere Entstehungszeit hindeuteten. Wurde das Lied überhaupt von Anna verfasst? Zapletal glaubt nicht, dass es in einem Zuge entstanden ist: Vielmehr seien ältere Teile des Textes später ergänzt worden, wobei man – wie z. T. auch bei zeitgenössischen Dichtern – das ursprüngliche Metrum und die ursprüngliche Stropheneinteilung bewahrt habe. Freilich könne es sich aber auch so verhalten, dass Gedanken und Gefühle der Mutter Samuels erst später poetisch aufbereitet wurden, wie man ja gemeinhin auch anerkenne, dass die Reden Hiobs, d. h. die Reden eines schwerkranken Mannes (sofern man Hiob überhaupt für eine historische Person halte), nicht ursprünglich in schöne, wohlgeordnete Verse gefasst gewesen seien, sondern erst von einem Dichter in ihre jetzige Form gebracht wurden.³⁰¹  Alttestamentliches, S. 38 – 40.  Alttestamentliches, S. 55 – 77. Tschechische Version: Vincent Zapletal, Efod ve Starém Zákoně, in: ČKD 41 (1900), S. 459 – 465; 554– 561; 624– 628.  Alttestamentliches, S. 78 – 98.  Alttestamentliches, S. 110 – 112.

2.4 Zapletals Verbindungen nach Böhmen und Mähren

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Auch die siebte Studie Davids Klagelied über Saul und Jonathan, 2 Sam 1,18 – 27 bietet eine Textrekonstruktion mit Übersetzung. Kaum weniger anspruchsvoll liest sich das anschließende Kapitel zum 2. Psalm, in dem sich Zapletal skeptisch zu der von einigen Exegeten vorgeschlagenen jüngeren Datierung äußert.³⁰² Die dafür angeführten Beweise scheinen ihm nicht wirklich stichhaltig. Das Neue Testament (Apg 4,25) bezeichne den Psalm zwar als Lied Davids, meine aber damit oft allgemein die gesamte Psalmensammlung, ohne dass daraus folge, dass tatsächlich alle Psalmen von König David verfasst worden seien. Im Übrigen werde z. B. der Zusatz „durch den Heiligen Geist“ selbst „von den konservativsten Exegeten“ nicht für ursprünglich gehalten.³⁰³ Die folgenden Kapitel enthalten Ausführungen zu einzelnen Wörtern in den Psalmen sowie textkritische Analysen zur Parabel vom Weinberg (Jes 5,1– 7) und dem Spruch über Moab (Jes 15 – 16). In der zwölften und letzten Studie nimmt Zapletal noch einmal Stellung Zur natürlichsten Erklärung des biblischen Schöpfungsberichtes. Im Prinzip handelt es sich hier um eine Entgegnung auf die zwischenzeitlich erschienene negative Kritik zu seinem Genesis-Kommentar von Johann Mader.³⁰⁴ Insgesamt gesehen enthält diese Entgegenung nichts Neues, mit Ausnahme einiger persönlicher Erinnerungen: „In der Schule wurde uns gesagt, dass die Welt in 6 Tagen von 24 Stunden geschaffen wurde, und ich glaubte es. […] Durch weiteres Nachdenken und Forschen gelangte ich zu dem Resultate, welches ich in meiner Schrift ,Der Schöpfungsbericht der Genesis (1, 1– 2,3) mit Berücksichtigung der neuesten Entdeckungen und Forschungen erklärt‘ niedergelegt habe. […] Ich nannte meine Erklärung die ,natürlichste‘, weil sie dem Texte keine Gewalt antut“.³⁰⁵ Zapletals Studiensammlung erregte aufgrund ihres vorwiegend methodischen Charakters weniger Aufsehen als die vorangegangenen Werke.

2.4 Zapletals Verbindungen nach Böhmen und Mähren Neben Rezensionen zu Zapletals wissenschaftlichem Werk in der Zeitschrift Časopis katolického duchovenstva gibt es durchaus weitere Zeugnisse seiner dauerhaften Kontakte zu seiner tschechischen Heimat. So schrieb er im August 1901 an den Ordensmeister Frühwirth, dass er sich in Prag befinde, wo er am darauffolgenden Sonntag bei der Primiz des Grafen Waldstein³⁰⁶ predigen werde. Danach nehme er an einem katholischen Kongress in Kremsier/Kroměříž teil und werde daher bis zum

 Alttestamentliches, S. 113 – 124.  Alttestamentliches, S. 135 – 136.  Schweizerische Rundschau 3 (1903), S. 171 f.  Alttestamentliches, S. 184.  Graf Emanuel Waldstein hatte in Fribourg studiert und wurde am 29.11.1905 an der dortigen theologischen Fakultät promoviert. Seine Dissertation verfasste er zum Thema Petrus de Soto, Beichtvater Karls V. und Theologe am Konzil von Trient.

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2 Das wissenschaftliche Werk, die ersten großen Erfolge

25. August bei seinem Bruder in Pňovice bei Uničov wohnen.³⁰⁷ Während seines Ferienaufenthalts in der Heimat sorgte Zapletal u. a. für die Behebung eines kleinen bürokratischen Mangels.Wie er in einem Brief vom 4. September erklärt, hatte er seine letzte Assignation 1891 für das Jerusalemer Kloster erhalten. Er nutzte daher seinen Aufenthalt in Znaim/Znojmo, um mit dem Prior des dortigen Konvents die Erneuerung seiner Assignation zu verhandeln. Angesichts seiner Festanstellung in Fribourg handelte es sich dabei jedoch um eine bloße Formalität. Wie Zapletal schrieb, ging es lediglich darum, dass die Dinge, für den Fall, dass er sterbe oder arbeitsunfähig werde, geregelt seien.³⁰⁸ Bereits am 7. September 1901 stellte ihm der Ordensmeister ein Dokument aus, dem zufolge er beim Heiligkreuzkloster in Znaim/Znojmo simpliciter assignatus war, bei gleichzeitiger Verpflichtung, an der Universität Fribourg die Heilige Schrift des Alten Testaments zu lehren.³⁰⁹ Ein Jahr später, am 24. März 1902, war Zapletal abermals bei seinem Bruder in Mähren, wo er am Begräbnis des Vaters teilnahm.Während der Aufenthalte bei seinem Bruder predigte er und nutzte die Rückreise stets zum Studium in den Wiener Bibliotheken.³¹⁰ Außer dem Bruder besuchte er regelmäßig seine Kollegen Sedláček und Musil.³¹¹ Doch auch anderen tschechischen Gelehrten waren seine ersten Publikationserfolge nicht entgangen. Ein Antrag zur Wahl Zapletals als korrespondierendes Mitglied der Königlich böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften (Královská česká společnost nauk) vom 2. Dezember 1903 wurde von namhaften tschechischen Wissenschaftlern wie Jaroslav Goll, Václav Emanuel Mourek, Josef Kalousek und Jan Kvíčala unterzeichnet. In der Begründung werden „aus seinen zahlreichen Schriften“ vier Bücher – die Hermeneutik, die Grammatik, der Schöpfungsbericht und die Studiensammlung Alttestamentliches – erwähnt: „Alle Schriften Zapletals werden von den Fachleuten als scharfsinnig und streng wissenschaftlich gelobt.“³¹² Auf Wunsch der Antragsteller schickte Zapletal seinen beruflichen Werdegang, in welchem er das tschechische Gymnasium in Olmütz/Olomouc, sein siebenjähriges Studium in Wien und die zwei akademischen Jahre in Jerusalem erwähnt. Neben seinen fünf Büchern habe er auch mehrere Beiträge für Fachzeitschriften verfasst, wobei er an erster Stelle die tschechische Zeitschrift Časopis katolického duchovenstva, des Weiteren die Deutsche Literaturzeitung, die Theologische Revue, die Schweizerische Rundschau, die Schweizerische Kirchen-Zeitung, die Revue biblique und die Biblische Zeitschrift anführt. Aus Paris habe er die Einladung, für das „Corpus scriptorum orientalium erstmals eine syrische Handschrift (4 Bände) zu edieren und eine Auslegung

 Zapletal an Frühwirth, 16. 8.1901. AGOP XI. 15345. Zapletals Bruder war Pfarrer in Pňovice von 1898 – 1911.  Zapletal an Frühwirth, 4.9.1901. AGOP XI. 15345.  AA FZapletal.  Zapletal an Frühwirth, 24. 3.1902. AGOP XI. 15345.  Vgl. die wiederholten Treffen mit Musil in Olmütz/Olomouc oder in Rychtářov bei Vyškov/Richtersdorf bei Wischau. MV FMusil, Inv.-Nr. H 19.472/15.  Archiv Akademie Věd, Fond KČSN, Inv.-Nr. 43.

2.4 Zapletals Verbindungen nach Böhmen und Mähren

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des Zwölfprophetenbuchs für die Ètudes Biblique vorzubereiten.“ Der junge Gelehrte, der sich auf dem Höhepunkt seiner schöpferischen Kräfte befand, schließt seinen Lebenslauf selbstbewusst: „Ich bin nahezu der einzige katholische Exeget, dessen Schriften auch von Nichtkatholiken wahrgenommen und mit großem Lob besprochen werden.“³¹³ Die Königlich böhmische Gesellschaft der Wissenschaften wählte Zapletal daraufhin bei ihrer Sitzung am 14. Januar 1904 in Prag zu ihrem korrespondierenden Mitglied.³¹⁴ Zapletal nahm die Wahl in einem Dankesschreiben vom 10. Februar an: „Ich bin der Königlich böhmischen Gesellschaft überaus dankbar und werde mich auch in Zukunft mit allen Kräften der wissenschaftlichen Arbeit widmen und bemüht sein, mich dieser großen Ehre nicht als unwürdig zu erweisen.“³¹⁵ Zwar handelte es sich dabei in erster Linie um eine Prestigeangelegenheit, dennoch wusste der Bauernsohn Zapletal diese Ehrung zu schätzen: Sie stärkte seine Position in der akademischwissenschaftlichen und auch in der katholischen Welt. Die Mitgliedschaft findet sowohl im Schematismus der Dominikanerprovinz als auch im Jahresbericht des Fribourger Rektors Erwähnung.³¹⁶ Von der Bedeutung derartiger Würdigungen zeugt ein Brief von Zapletals ehemaligem Doktoranden P. Elred Laur. Dieser spricht von der äußerst prestigeträchtigen Ehre einer Beförderung zum Mitglied der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Prag, von der er im Schweizer Vaterland gelesen habe. Die Universität Fribourg müsse, genau wie andere katholische Institutionen, ihre Position in ehrenhaftem Kampfe selbst erringen. Er gratuliere daher nicht nur Zapletal, sondern der gesamten Universität zu einer solchen Auszeichnung.³¹⁷ Ende des Sommersemesters 1904 unterbreitete der Prager Theologieprofessor Jaroslav Sedláček³¹⁸ Zapletal seine Pläne für eine tschechische Bibelzeitschrift und verschiedene Editionsvorhaben. Zapletals schrieb hierzu am 23. Juni 1904 an Alois Musil, den Dritten im Bunde dieser Projekte: „Ich habe einen Brief von Herrn Sedláček erhalten, in welchem er über die Herausgabe einer tschechischen Übersetzung und kurzen Auslegung des Alt. Testaments und über eine Bibelzeitschrift schreibt […]. Bevor ich ihm eine definitive Antwort gebe, würde ich gern wissen, was Sie zu tun gedenken […]. Ich bin zwar prinzipiell für die Herausgabe dieser Schriften, möchte aber, dass ich dabei wissenschaftlich und kritisch vorgehen darf.“³¹⁹ Wie aus einem weiteren Brief Zapletals vom 3. Juli 1904 hervorgeht, stimmte Musil ihm zu: „Es freut mich sehr, dass wir in dieser Sache so sehr einer Meinung sind. Da die Methode von Herrn S. [Sedláček, Anm. des Autors] mir bisher nicht zusagte, habe

 AAV. Fond KČSN, Inv.-Nr. 43.  AA FZapletal.  AAV. Fond KČSN, Inv.-Nr. 43.  Bericht 1903/1904, S. 8.  Brief vom 19. November 1904. AA FZapletal.  Professor für Exegese des Alten Testaments an der Fakultät für Katholische Theologie der Karlsuniversität Prag 1891– 1924.  MV FMusil, Inv.-Nr. H 19. 472/2.

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2 Das wissenschaftliche Werk, die ersten großen Erfolge

ich dem Vorhaben nicht getraut, denn ich weiß auch aus Erfahrung, dass unsere Geistlichkeit bislang nicht einmal auf das Lesen, umso weniger auf das Verfassen solcher Arbeiten vorbereitet ist […]. Ich verspreche jedoch meine Mitarbeit. Ich werde in dieser Sammlung den Qohelet herausgeben, und für das Lexikon würde ich vor allem über die Sachen schreiben, zu denen ich schon publiziert habe. Er hat mich um eine Auslegung des Pentateuchs gebeten, ich habe jedoch geantwortet, dass ich nicht weiß, ob mein Kopf dafür ausreicht, und dass ich es mir erst überlegen muss, dass ich aber, ehe wir beginnen, gern ein detailliertes Programm hätte.“ Zapletal wollte nichts übereilen: „Ich denke, dass wir im Jahr 1905 noch in den bisherigen Blättern publizieren und erst dann unsere Bibelzeitschrift in Angriff nehmen sollten! Es freut mich, dass Sie Mitarbeiter heranziehen. Ihnen ist das möglich, mir in Fribourg aber nicht. Es arbeiten zwar einige in meinem Seminar, aber es sind nur Deutsche, Franzosen und Polen.“³²⁰ Nachdem sich Musil und Zapletal Ende September in Olmütz getroffen hatten, kam es am 6. Oktober 1904 in Prag auch zu einem Treffen Zapletals mit Sedláček. Über die Resultate schrieb er an Musil: „Heute morgen war Herr Sedláček bei mir und ich habe mit ihm in dem Ihnen bekannten Sinne gesprochen. Mit diesem Hinauszögern war er anfangs gar nicht einverstanden, sah jedoch ein, dass es nötig ist. In den nächsten drei Jahre wird nichts in Angriff genommen, auch keine Zeitschrift […]. Auch er hielt es für gut, dass wir uns zunächst vorbereiten.“³²¹ Wenngleich es rückblickend so scheinen mag, als habe dieser Aufschub dazu geführt, dass letztlich keines der Projekte umgesetzt wurde, entspricht das nicht ganz der Wahrheit. Nach der vorgesehenen Frist im Jahr 1907 brachen für progressive Bibelwissenschaftler wie Zapletal und Musil extrem ungünstige Zeiten an. Musil gab die Exegese auf und ging nach Wien, wo er sich der Orientalistik verschrieb und wissenschaftliche Expeditionen in den Orient unternahm. Die Rolle einer Bibelzeitschrift erfüllte auch weiterhin der Časopis katolického duchovenstva. Der geplanten Übersetzung des Alten Testaments nahm sich ein anderer tschechischer Bibelwissenschaftler an, der in den Jahren 1904– 1905 an der Jerusalemer École biblique studiert hatte: Jan Hejčl³²², Musils Nachfolger an der Olmützer theologischen Fakultät. An die Stelle des Bibellexikons trat ein allgemeines theologisches Lexikon, von dem zwischen 1912 und 1930 fünf Bände erschienen. Zapletals Name fehlt in keinem davon.³²³ Die Mehrzahl der Artikel zu den

 MV FMusil, Inv.-Nr. H 19. 472/3.  MV FMusil, Inv.-Nr. H 19. 472/5.  Jan Hejčl (1868 – 1935), Altersgenosse Zapletals und Musils, Priester in der Diözese Hradec Králove/ Königgrätz. Seine mit einem ausführlichen kritischen Apparat versehene Übersetzung erschien in den Jahren 1912– 1925. Eine Kurzbiografie des Gelehrten unter dem Titel Jan Nepomucký Hejčl a jeho životní dílo [Jan Nepomucký Hejčl und sein Lebenswerk] verfasste 1974 František Novák; dank der Bemühungen von Jaroslav Brož konnte sie 1999 in Prag erscheinen.  Český slovník bohovědný [Tschechisches theologisches Wörterbuch], red. von Josef Tumpach und Antonín Podlaha, 5 Bde., Prag 1912– 1930.

2.4 Zapletals Verbindungen nach Böhmen und Mähren

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biblischen Stichwörtern hat freilich Hejčl verfasst;³²⁴ Zapletals Rolle bestand eher darin, der Enzyklopädie mit seinen Namen zu Prestige zu verhelfen.

 Zum Anteil Hejčls an der Erstellung der bibelkundlichen Lexikonartikel vgl. die Auswahl aus der Korrespondenz mit Antonín Podlaha. Vgl. Novák, Jan Nepomucký Hejčl, S. 115 – 127.

3 Die Zeit der Prüfungen und Kämpfe 3.1 Offizieller Kurswechsel Zapletals erste grundlegende Arbeiten erschienen nicht zufällig zwischen 1900 und 1903. Im März 1900 war Camillo Kardinal Mazella SJ, ein Hauptgegner der modernen Exegese, gestorben,³²⁵ und Papst Leo XIII. konnte die dynamische Erneuerung der katholischen Bibelwissenschaft ungehindert fördern. Unmittelbar vor seinem Tod am 20. Juli 1903 wollte er Lagrange nach Rom berufen und ihn mit der Gründung des Päpstlichen Bibelinstituts betrauen. Dazu kam es nicht mehr. Die Hoffnungen auf eine Fortsetzung des bisher vom Pontifikat eingeschlagenen Kurses ruhten auf Kardinalstaatssekretär Mariano Rampolla del Tindaros; er war die rechte Hand des hochbetagten Papstes gewesen. Rampolla war zwar einer der Favoriten des Konklaves, doch es gab auf Seiten der Kardinäle, denen das Pontifikat Papst Leos XIII. zu international und politisch ausgerichtet war, auch Vorbehalte. Sie wünschten sich nach 25 Jahren ein Oberhaupt, das die innere Erneuerung der Kirche und die praktischen Erfordernisse der Seelsorge ins Zentrum stellen würde.³²⁶ Dennoch erhielt Kardinal Rampolla beim Konklave in den ersten Skrutinien die meisten Stimmen. Jan Maurycy Kardinal Puzyna, der den österreichischen Kaiser Franz Josef vertrat, legte jedoch das Veto seiner apostolischen Hoheit gegen diese Wahl ein, denn Rampolla erschien dem Hause Habsburg als untragbar pro-französisch und liberal. Damit kam zum letzten Mal in der Kirchengeschichte das einigen katholischen Monarchen vorbehaltene Vetorecht zur Anwendung. Am 4. August 1903 wurde Giuseppe Melchiore Kardinal Sarto, der Erzbischof von Venedig, zum Papst gewählt. Sarto entstammte einfachen Verhältnissen im volkstümlich katholischen Venetien und pflegte einen bescheidenen Lebensstil. Bereits in seiner Namenswahl – Pius X. – bekannte er sich zu der von Pius’ IX. repräsentierten Tradition der Kompromisslosigkeit. Aufgewachsen war er in einem kirchlichen Umfeld jenseits aller intellektuellen Interessen und abgeschirmt von den Sorgen und Nöten der modernen Welt, was sein Misstrauen gegenüber Politikern,Wissenschaftlern und Gelehrten noch verstärkte. Weltliche Dinge lagen ihm auch aufgrund seiner tiefen Frömmigkeit fern, und da er nur Italienisch und Latein sprach, blieb er auf die Informationen seines Umkreises angewiesen.³²⁷ Seine Devise „Instaurare omnia in Christo“ sowie die Ernennung von Rafael Kardinal Merry del Val³²⁸ zum neuen Staatssekretär sprachen für

 Kardinal Mazella war in den 1890er Jahren die Schlüsselfigur der jesuitischen theologischen Schule in Rom. Zu deren überaus großem Einfluss auf das päpstliche Magisterium vgl. Berreta, De l’inerrance absolue, S. 500 f.  Vgl. Dansette, Histoire, S. 586.  Vgl. Dansette, Histoire, S. 587 f.  Rafael Kardinal Merry del Val (1865 – 1930), Sohn eines spanischen Vaters und einer irischen Mutter und polyglotter Aristokrat, verfolgte von Anfang an eine Karriere in der Kurie; er wurde bereits https://doi.org/10.1515/9783110749090-004

3.1 Offizieller Kurswechsel

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sich. Merry del Val, als Sohn des spanischen Botschafters in London geboren, gehörte zu den ‚Hardlinern‘, die den Problemen der Kirche durch eine Rückkehr zur „guten alten Ordnung“ begegnen wollten und über die Restauration der absoluten Monarchien in Frankreich und in Neapel eine Erneuerung des Kirchenstaates anstrebten. Was auch nur den Anschein eines Kompromisses mit der modernen Welt erweckte, lehnte er ab. Kardinal Sarto war zwar ein Förderer des Dominikanerordens, aber deswegen hegte er noch lange keine Sympathien für progressive dominikanische Exegeten. Auch der Charakter und die Bestimmung einiger Institutionen veränderten sich. Im August 1901 war die Päpstliche Bibelkommission begründet und durch das Apostolische Schreiben Vigilantiae vom 30. Oktober 1902 definitiv konstituiert worden.³²⁹ Nach dem Willen Leos XIII. sollte sie als zentrales Organ die katholischen Exegeten darin unterstützen, die Bibelwissenschaft im Einklang mit den Erfordernissen der Zeit weiterzuentwickeln. Dabei sollten die Errungenschaften der modernen Wissenschaft Anwendung finden und dennoch der Respekt gegenüber dem heiligen Charakter der Bibel und den katholischen Prinzipien ihrer Auslegung voll und ganz gewahrt bleiben. Der Zuwachs an Erkenntnissen und Methoden war in jener Zeit enorm. Die Bibelkommission sollte dem kirchlichen Lehramt dabei helfen, die für alle Katholiken verbindlichen Wahrheiten von denjenigen Fragen zu unterscheiden, die entweder noch einer genaueren Untersuchung bedürften oder aber individuell entschieden werden könnten. Bei der Zusammenstellung der Kommission achtete Leo XIII. auf Ausgewogenheit der verschiedenen Strömungen;³³⁰ Denunzianten waren ausgeschlossen, und ursprünglich war auch kein eingeschworener Feind der modernen Bibelwissenschaft vertreten.³³¹ Die Anhänger der traditionellen Exegese waren unter den vierzig Konsultoren der Kommission in der Mehrheit, doch auch progressive katholische Exegeten wie die Jesuiten Gismondi³³² und Prat³³³ gehörten dazu. Auf Anordnung des Papstes wurde auch Lagrange aufgenommen. Den Vorsitz übernahm am 15. Januar 1903 Kardinal Rampolla. Zur Sektion der Kardinäle gehörten unter

mit 32 Jahren Präsident der Académie des nobles ecclésiastiques (heute Académie pontifical ecclésiatique). Im Jahre 1900 Erzbischof, 1903 mit 38 Jahren Sekretär des Konklaves; von Papst Pius X. sofort zum Kardinal und Staatssekretär ernannt, wurde er zum zweitmächtigsten Mann unter dessen Pontifikat.  EB 137– 148.  Luis Pirot, Commission Biblique, in: Dictionnaire de la Bible, Supplément 2, Paris 1934, S. 103 – 113, hier S. 104.  Bernard Montagnes, Premiers combats du père Lagrange: Les conférences de Toulouse (1902), in: Archivum Fratrum Praedicatorum 61 (1991), S. 355 – 413, hier 358.  P. Enrico Gismondi SJ (1850 – 1912) war ab 1888 Professor für semitische Sprachen und Exegese an der Gregoriana, bis er 1904 in Ungnade fiel. Ab 1902 Konsultor der Indexkongregation. 1910 konnte er die Lehre der orientalischen Sprachen am Bibelinstitut in Rom übernehmen.  P. Ferdinand Prat SJ (1857– 1938), bedeutender Exeget, persönlicher Freund Lagranges, musste Rom 1907 verlassen.

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3 Die Zeit der Prüfungen und Kämpfe

anderen Francesco Satolli und als Protagonisten der konservativen Richtung Francesco Segna und der Kapuziner José Vives y Tutó.³³⁴ Die ursprüngliche Rollenverteilung in der Bibelkommission sah vor, dass das Kardinalskollegium den Rahmen der theologischen Prinzipien abstecken und Kompetenzüberschreitungen seitens der Bibelwissenschaft verhindern sollte; Aufgabe der wissenschaftlichen Konsultoren hingegen war es, sich den konkreten Fragen der Exegese zu widmen. Unter Pius X. verwandelte sich die Kommission – entegen der Intention ihres Begründers – in eine „Filiale des Heiligen Offiziums zur Beurteilung bibelwissenschaftlicher Fragen.“³³⁵ In der Bibelkommission ebenso wie im offiziellen Kurs der katholischen Exegese waren Traditionalisten wie Lucien Méchineau SJ³³⁶ (1906 zum Konsultor ernannt), Alphonse Delattre SJ (1905)³³⁷ und vor allem Leopold Christian Fonck SJ (1908) tonangebend. Letzteren ernannte der Papst 1909 zum Leiter des neu gegründeten Päpstlichen Bibelinstituts in Rom.³³⁸ Fonck wurde unter dem Pontifikat Pius’ X. nach und nach „geradezu allmächtig“, er war „von seiner absoluten Rechtgläubigkeit überzeugt und berief sich immerfort auf den päpstlichen Willen, den zu vollstrecken er beauftragt sei.“³³⁹ Bald entzog er sich jeder Kontrolle, so dass selbst Pius X. mögliche Folgen zu fürchten begann. Dennoch minderte sich Foncks Einfluss bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 so gut wie nicht. Die Lehre der Exegese an den römischen Seminaren und Ordensakademien übertrug man in zügiger Folge konservativen Theologen und marginalisierte somit zugleich die Anhänger der modernen Exegese.

3.1.1 Erste Schwierigkeiten Diese Veränderungen auf der Landkarte der katholischen Exegese geschahen jedoch nicht von heute auf morgen. Am 4. November 1903 verständigte Zapletal den Or-

 José de Calasanz Félix Santiago Vives y Tutó (1854– 1913), spanischer Kapuziner, von den politischen Verhältnissen gezwungen, mehrere Jahre im Exil in Frankreich, den USA, Guatemala und Ecuador zu verbringen. Konsultor mehrerer römischer Kongregationen, 1899 zum Kardinal und 1908 zum Präfekten der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens ernannt. Einer der einflussreichsten Männer unter dem Pontifikat von Pius X., Vertrauter des Papstes und des Kardinals Merry del Val. Vgl. Petráček, Bible a moderní kritika, S. 87– 97.  Lagrange, Souvernirs, S. 128 – 129.  Lucien Méchineau SJ (1849 – 1919), wurde nach Delattre Professor für Exegese an der Gregoriana (1907). Ursprünglich Professor für Kirchenrecht, trat er 1875 in den Jesuitenorden ein, später war er Professor in Jersey und in Chieri. Seine spätere Arbeit war größtenteils der Interpretation und Verteidigung der Dekrete der Bibelkommission gewidmet.  Alphonse Delattre SJ (1841– 1928), Professor für Exegese an der Gregoriana (1904– 1907), verantwortlich für zahlreiche Angriffe auf progressive Exegeten, vor allem auf Lagrange. Vgl. Petráček, Bible a moderní kritika, S. 111– 115.  Begründet am 9. 5.1909 durch das Apostolische Schreiben Vinea electa. Vgl. EB 297– 335.  Montagnes, Marie-Joseph Lagrange, S. 232.

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densmeister darüber, dass er aufgrund seiner Studie über den Totemismus von den Professoren Orelli und Bertholet zu einem religionsgeschichtlichen Kongress nach Basel eingeladen worden sei, der im August 1904 stattfinden sollte. Konfessionelle und antiklerikale Polemiken, so betonte er, seien dabei von vornherein ausgeschlossen. Sein Vortrag sei innerhalb der semitischen Sektion vorgesehen. Zapletal empfand die Einladung als große Ehre für sich und die gesamte Universität, fürchtete aber, man könne eine Teilnahme falsch auslegen und ihn in Rom anschwärzen. Daher erkundigte er sich, ob er die Einladung annehmen dürfe. Noch gewichtiger erschien ihm eine andere Sache. Während eines Aufenthalts in der Heimat hatte das österreichische Kultusministerium angefragt, ob er eventuell einem Ruf an eine der theologischen Fakultäten der Monarchie folgen würde. In der ersten Überraschung habe er Bedenken geäußert, dann aber seinerseits unter der Bedingung zugestimmt, dass es sich um dasselbe Fach und die Universität von Prag oder Wien handeln würde. Ohne Zustimmung des Ordensmeisters werde er freilich nichts unternehmen: „Ich bin an der Sache nicht beteiligt. Das Kultusministerium will einfach eine tüchtige Lehrkraft haben, und es gibt keinen deutsch schreibenden Exegeten, der in wissenschaftlichen Kreisen einen solchen Ruf hätte wie ich.“ Zapletal bat um vorläufige Zustimmung zu einem eventuellen Wechsel, da dieser nicht nur dem Ansehen der Universität Fribourg und des Ordens zugutekäme, sondern auch ihm selbst. Wegen Geldmangels und fehlender Bücher könne er in Fribourg nur unter größten Anstrengungen arbeiten und habe schon manches vielversprechende Forschungsvorhaben aufgeben müssen. Auch wäre es ein Entgegenkommen gegenüber dem österreichischen Kultusministerium. Momentan sei kein Ruf zu befürchten, da kein Lehrstuhl frei sei, aber man wisse ja nie. Mögliche Nachfolger für sich sah er in den Absolventen der Jerusalemer École biblique; bereits einige Zeit zuvor hatte er dem Ordensmeister die Entsendung zweier österreichischer Dominikaner, eines Deutschsprachigen und eines Tschechen, ans Herz gelegt: „Ich brauche nicht zu bemerken, dass Eurer Paternität, die mich zum Exegeten heranbilden liess, durch meine Berufung an eine grosse Universität ebenfalls eine Anerkennung zuteil wird.“ Doch damit nicht genug, er erinnerte den Ordensmeister auch daran, dass er das Doktordiplom der Minerva immer noch nicht erhalten habe. Da er nun zum Magister der heiligen Theologie ernannt sei, könne dies doch kein Problem mehr darstellen.³⁴⁰ Die Antwort des Ordensmeisters glich einer kalten Dusche: kein Kongress, kein Wechsel, kein Doktortitel. Zapletal antwortete umgehend am 17. Januar 1904. Er habe auf die Einladung zu dem religionsgeschichtlichen Kongress also nicht reagiert, obgleich er nicht die Ansicht teile, dass solche Kongresse „den Indifferentismus fördern“ würden. Zum Dominikanerorden und dessen Beteiligung am universitären Leben habe er längst eine eigene Meinung. In seinen Augen sei es ganz im Geiste des Ordens, wenn Dominikaner an Universitäten lehrten. Einen Vorschlag zur Regelung seiner

 Zapletal an Frühwirth, 4.11.1903. AGOP XI. 15345.

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Nachfolge habe er schon gemacht. Zugleich bestand Zapletal auf seinem Standpunkt in Sachen Doktordiplom. Ein Universitätsprofessor müsse den Doktortitel einer theologischen Fakultät haben; er aber sei noch immer Magister, und dass obwohl P. Buonpensiere, der Rektor der Minerva, ihm die Doktorwürde verleihen wolle. Warum der Ordensmeister das nicht erlauben könne, verstehe er nicht, aber er werde geduldig hoffen, dass er trotz aller Widrigkeiten eines Tages den Doktortitel irgendeiner Fakultät bekommen werde: „Ich erlaube mir diese Freiheit im Schreiben, weil ich hoffe, das E. P. [Eure Paternität] es begreifen werden, wenn ein Mann wie ich, der seine Zeit nicht verbrummelt, sondern Vieles erfahren und Einiges geleistet hat, seine Ansichten haben kann über unseren Orden und über das Studium, besonders wenn diese Ansichten mit denen des ursprünglichen Ordens übereinstimmen.“³⁴¹ Von gewissen Parallelen zwischen Zapletal und Lagrange war bereits die Rede. Lagrange hatte nach der Konferenz in Fribourg ebenjenem Ordensmeister seine Vorstellungen unterbreitet, wie die Katholiken in die wissenschaftliche Tätigkeit an den großen staatlichen Universitäten einbezogen werden könnten, und dabei unter anderem auch vorgeschlagen, in Paris kostenlose Vorlesungen an der staatlichen Universität anzubieten. Weder Lagrange noch Zapletal war mit dem Ansinnen, an einer großen staatlichen Universität zu unterrichten, Erfolg beschieden, doch konnte Zapletal zumindest seine Teilnahme an dem Baseler Kongress durchsetzen. Es gehörte zur Strategie der neuen katholischen Universität in Fribourg, ihre Vertreter auf internationale Kongresse zu entsenden und so die Vorurteile und das Misstrauen der etablierten Universitäten abzubauen. Zapletal konnte sich in seiner Argumentation also auch auf das übergeordnete Interesse der Universität berufen. Auf dem Kongress sprach er zur Interpretation des Buches Kohelet, an dessen Kommentar er gerade arbeitete.³⁴² 1904, als die fruchtbaren Jahre der katholischen Exegese allmählich ihrem Ende zugingen, veröffentlichte Zapletal eine tschechischsprachige Rezension zu Lagranges Méthode historique, einer der Schlüsselschriften der progressiven katholischen Bibelwissenschaft, die zwei Jahre zuvor erschienen war.³⁴³ Er hob hervor, mit welchem Mut Lagrange das Recht der katholischen Bibelwissenschaftler auf die Anwendung kritischer Methoden verteidigte. Schließlich galt auch Thomas von Aquin seinerzeit als inakzeptabler Neuerer. Freilich müsse man zwischen „dem religiösen Wert eines Dogmas und seiner philosophischen Genese, die man nicht ignorieren kann“ unterscheiden. Die Bibel enthalte keine Irrtümer, und alle kanonischen Bücher haben als inspiriert zu gelten. „Religiöse Wahrheiten werden hie und da so beschrieben, wie man sie sich in dieser oder jener Zeit vorstellte. Was im literalen Sinne unvollkommen

 Zapletal an Frühwirth, 17.1.1904. AGOP XI. 15345.  Bericht 1903/1904, S. 5. Vgl. auch Vincent Zapletal, Über den Unsterblichkeitsglauben Qohelets, in: Verhandlungen des II. internationalen Kongresses für allgemeine Religionsgeschichte, Basel 1905, S. 216 f.  Marie-Joseph Lagrange, La Méthode historique, Paris 1902. Vgl. Zapletals Rezension in: ČKD 45 (1904), S. 397 f.

3.1 Offizieller Kurswechsel

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und alltäglich ist, kann durch den geistlichen Schriftsinn spiritualisiert werden. Von natürlichen und geschichtlichen Gegenständen spricht die Heilige Schrift gemäß dem damaligen Wissensstand.“ Am „kühnsten“ erscheint Zapletal das letzte, sechste Kapitel über die biblische „Geschichte der Urzeit“. Obwohl er Lagranges Meinung nicht in allen Punkten teilte, würdigte er dessen Versuch, „die Heilige Schrift und neuere Thesen in Einklang zu bringen.“

3.1.2 Caspar Decurtins Am Himmel der progressiven katholischen Exegese zogen bedrohliche Wolken auf. Am 4. November 1904 gab der Ordensgeneral der Jesuiten Luis Martín ein Schreiben heraus, in dem er alle Provinziale zur Wachsamkeit gegen jenes neue im Vormarsch befindliche Ketzertum aufrief, das sich historische Methode nennt. Einige progressive jesuitische Wissenschaftler wurden dauerhaft aus der exegetischen Forschung und Lehre entfernt. Das betraf unter anderem Enrico Gismondi und Franz von Hummelauer, seinerzeit der bekannteste katholische Exeget, der auf Deutsch publizierte.³⁴⁴ In Fribourg begann Caspar Decurtins, einst Mitbegründer der Universität, als Politiker wenig erfolgreich und eben erst zu den konservativen Prinzipien bekehrt, die Säuberung der Hochschule von unerwünschten Elementen vorzubereiten. Gleich zu Jahresbeginn 1904 besuchte er Pius X. und Kardinäle wie Merry del Val und Vives y Tutó.³⁴⁵ Eine kurze Zusammenfassung seiner Audienz beim Papst publizierte er am 7. Februar 1904 in der Liberté, der auflagenstärksten Tageszeitung Fribourgs. Der Papst habe erklärt, dass „die Universität aus der Sicht der Glaubenslehre ebenso wie der Methoden, die sie bei ihrer Arbeit verwendet, bislang keinen Anlass zur Klage gegeben hat.“ Er sei zudem erfreut, dass der Neokantianismus an der Universität Fribourg keinen Einzug gehalten habe. Denn diese Philosophie höhle die Fundamente des Übernatürlichen und der Religion aus. Die rationalistische Exegese, die ein Kind dieser Philosophie sei, wecke, anstatt die Wahrheit zu verteidigen und die Authentizität und Wahrhaftigkeit der Heiligen Schrift zu belegen, Zweifel bei der Jugend und untergrabe so den Glauben. „Die altüberlieferte Wahrheit muss unter Verwendung neuer Methoden verteidigt werden“, habe Pius X. gesagt und hinzugefügt: „Die Universität Fribourg verwirklicht dieses Ideal: Sie schreitet in allen Wissenschaften voran, ihre Professoren kennen alle modernen Methoden und bewegen sich dennoch im Rahmen strenger Rechtgläubigkeit.“ Das war freilich nur der Wortlaut der öffentlichen Erklärungen; wie bedrohlich sich die Meinungen des Papstes tatsächlich ausnahmen, teilte Decurtins Python am  Franz von Hummelauer SJ (1842– 1814), seit 1903 Konsultor der Bibelkommission, nach dem Verbot von Forschungs- und Lehrtätigkeit als Pfarrer in Berlin tätig. Zu ihm vgl. Jean Stengers, Un grand méconnu dans l’histoire de la liberation de la pensée catholique: Hummelauer, in: Problèmes d’histoire du christianisme 9: Hommages à Jean Hadot, éd. Guy Cambier, Bruxelles 1980, S. 163 – 188.  Fry, Die Anfänge der Universität Freiburg, S. 76.

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11. März mit: „Der Heilige Vater will Ihnen keinen Schmerz bereiten, aber man weiß in Rom nur zu gut, dass in Fribourg die rationalistische Exegese vorherrscht.“ Der Papst habe ihm und Python aufgetragen, Ordnung an der Universität zu schaffen, sonst werde Rom es tun. Zwei Wochen später äußerte Decurtins erneut Vorbehalte: Durch die wissenschaftlichen Aktivitäten der französischen Professoren, die systematisch dem Neokantianismus zuarbeiteten, und durch die Tätigkeit der Fribourger Exegeten kämen Zweifel am katholischen Charakter der Universität auf. Dabei verwies Decurtins auf eine Rezension in der Revue de Fribourg zu den Arbeiten von Lagrange, Harnack, Zapletal, Mignot u. a.³⁴⁶ Für seine Offensive gegen die modernisierenden Professoren hoffte Decurtins auch von dem Wechsel auf dem Posten des Ordensmeisters zu profitieren. Am 21. Mai 1904 berief man Hyacinthe-Marie Cormier³⁴⁷ an die Spitze des Ordens; Cormier, nun 72 Jahre alt, hatte als Provinzial von Toulouse einst Joseph-Marie Lagrange in den Orden aufgenommen. Seit 1892 wirkte er an der Ordenskurie in Rom, zunächst als Socius für den französischsprachigen Raum, ab 1896 dann als Generalprokurator. Sein Vorgänger Andreas Frühwirth hatte zwar nicht zu den Fürsprechern der modernen Exegese gehört und daher die dominikanischen Exegeten des Öfteren gebremst, doch hatte er den Ausbau der Lehranstalten des Ordens und die Entsendung fähiger Mitbrüder zu weiterführenden Studien durchaus befördert. Die Wahl Cormiers stieß unter den Professoren des Albertinums auf keine große Begeisterung, denn dessen Frömmigkeit war geradezu sprichwörtlich. Daraus, so fürchtete man, könne eine allzu engherzige Haltung gegenüber den Anforderungen wissenschaftlicher Forschung entstehen.³⁴⁸ Was einigen Dominikanern Sorgen bereitete, gab Decurtins Auftrieb. Am 30. Mai 1904 schrieb er an Python, man solle konsequent und energisch bei dem neuen Ordensmeister intervenieren, gemeinsam einen Plan für die theologische Fakultät ausarbeiten und den Ordensmeister für diesen gewinnen. Die Sache könne so nicht weitergehen; man könne nicht zulassen, dass die Rechtgläubigkeit zum Schaden der gesamten Universität weiter in Zweifel gezogen werde. Da müsse man gründlich kurieren und so schnell wie möglich.³⁴⁹ Was er darunter verstand, zeigt sein nächster Brief vom 8. Oktober 1904, in dem er an Alfred Loisy erinnerte.³⁵⁰ In Rom wisse man genau, dass sich die Lehren von Rose und Zapletal und ebenso die Geschichtsphilosophie Mandonnets von Loisys Ansichten nur geringfügig unterscheiden. Ein Schlag aus Rom sei daher sehr wahrscheinlich und leider auch berechtigt, sofern man selbst nichts unternehme. Es müsse

 Details zur Exegese sollten mündlich konsultiert werden; das deutsche Original ediert in Barthélemy, Idéologie, S. 85 – 87.  Zu ihm vgl. Bedouelle, Le P. Hyacinthe-Marie Cormier.  Barthélemy, Idéologie, S. 89.  Barthélemy, Idéologie, S. 91.  Eine der ersten Amtshandlungen des neuen Papstes Pius X. war es, fünf Bücher dieses französischen katholischen Exegeten auf den Index zu setzen. Zugleich wurde Loisy gezwungen, zu widerrufen und sich der kirchlichen Autorität zu unterwerfen und die Lehre aufzugeben.

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dafür gesorgt werden, dass beide Exegeten durch Männer ersetzt würden, die wissenschaftlich gut ausgebildet seien und zugleich eine rechtgläubige Exegese garantierten. Solche Männer müsse man anstelle von Zapletal und Rose nach Fribourg holen und dafür sorgen, dass die Exegese, die in den Vorlesungen gelehrt werde, nicht nur philologischen und historischen Charakter habe, sondern auch Dogmatik und Homiletik einbeziehe. Für Mandonnet solle ein fähiger Mann kommen, der auch auf Deutsch lesen könne. Darüber hinaus müsse möglichst schnell ein in geistlichen Dingen erfahrenen Pater als Spiritual im Konvikt installiert werden; denn wenn asketische Führung und Einheit fehlten, sei jede Anstrengung nichtig.³⁵¹ Schützenhilfe erhielt Decurtins von P. Albert Maria Weiß, der am 4. Juni 1904 den neuen Ordensmeister über den unerfreulichen Zustand der Dominikanergemeinschaft in Fribourg informierte, vorerst noch, ohne konkrete Namen zu nennen. Weiß war der Ansicht, die Uneinigkeit in Glauben und Doktrin müsse ohne jeden Kompromiss überwunden werden, denn in diesen Dingen könne es keine Kompromisse geben. Unterdrücke man nicht schnellstens den liberalen Geist, der sich im Orden bereits breitmache, bestehe die Gefahr, dass dieser sich nicht mehr davon erhole. Die liberale Gesinnung sei der eigentliche und einzige Grund für alle Schwierigkeiten und Probleme, an denen die Universität Fribourg kranke.³⁵² Weiß’ 1904 erschienenes Buch Die religiöse Gefahr, das sich gegen den Liberalismus in der katholischen Kirche richtete, sorgte im Albertinum für Aufruhr. Am 13. Januar 1905 bot Weiß dem Ordensmeister brieflich seinen Rücktritt an, da die Differenzen zwischen seinen traditionellen Ansichten und den neuen Gedanken anderer Patres eine fruchtbare Zusammenarbeit unmöglich machten. Die Mehrzahl der Professoren sei außerdem verärgert, dass die Universität aufgrund seiner Publikationen rückständig erscheine, und das auch in katholischen Kreisen, insbesonderse in Deutschland. Eine derartige Kritik seitens der Professoren lasse aber auch die Studenten an ihrem Lehrer zweifeln, sie würden ihm widersprechen, so dass seine Vorlesungen letztlich mehr zum Übel als zum Guten gereichten. Cormier tröstete den unglücklichen „Jeremia“ postwendend; er habe wohl in seinem Eifer für die heilige Sache das ein oder andere überbewertet oder auch übersehen und solle an seinem Platz ausharren.³⁵³ In akademischen Kreisen stieß Weiß’ umfangreiches Buch tatsächlich auf wenig Gegenliebe, er galt eher als Verfasser populärwissenschaftlicher Werke. Auch wer ihm wohlgesonnen war, musste zugeben, dass seine Arbeiten nichts anderes waren als Kompilationen aus Zitaten, Fakten und mitunter durchaus interessanten Beobachtungen, die aber einen inneren Zusammenhang, eine eigenständige Analyse und eine logische Präsentation vermissen ließen. Weiß war trotz all seiner Gelehrsamkeit eher ein Publizist und Mann der Tat denn ein Wissenschaftler.³⁵⁴

   

Barthélemy, Idéologie, S. 91. AGOP XI. 15320. Bereits am 15. Januar 1905 erreichte Cormier eine weitere Beschwerde. AGOP XI. 15320. Vgl. Weiß, Modernismus, S. 203 und 214.

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3 Die Zeit der Prüfungen und Kämpfe

Die Anstrengungen der katholischen Exegeten wurden von wiederholten „Verlusten“ in den eigenen Reihen geschwächt; dem bereits erwähnten Thomas Wehofer folgten nach 1907 Salvatore Minocchi³⁵⁵ und Alfred Loisy. Ein besonders schmerzlicher Schlag für die Dominikaner war jedoch der Weggang von Vincent Rose. Noch 1904 hatte er an einem – dann nicht mehr erschienenen – Kommentar zum JohannesEvangelium gearbeitet. Mit Ende des Wintersemesters 1904/05 zog er sich ohne viel Aufhebens von seinem Lehrstuhl zurück. Als offizielle Begründung führte er ein langjähriges Halsleiden an, das ihn an seiner Vorlesungstätigkeit hindere. Nach einem Kuraufenthalt in Genf verließ er 1906 auch den Dominikanerorden, später heiratete er und unterrichtete an einem Lyzeum in Nizza.³⁵⁶ Rose hatte dem Ordensmeister als Nachfolger P. Bernard Allo³⁵⁷ empfohlen. Der französische Dominikaner hatte drei Jahre am syro-chaldäischen Seminar in Mossul und später an der École biblique in Jerusalem gelehrt. Auch der namhafte thomistische Theologe Ambroise Gardeil wusste die Qualitäten des jungen Exegeten zu schätzen: Er sei ein ausgezeichneter Bibelkundler und Thomist, der nicht nur fließend Latein spreche, sondern auch das Arabische und Hebräische beherrsche.³⁵⁸ Allo sollte sich tatsächlich in jeder Hinsicht als verlässlicher Ersatz erweisen. Dennoch mussten solche Vorgänge die Stellung der Übrigen erschüttern, denn sie lieferten den Gegnern der progressiven Exegese schlagende Argumente: sie brauchten nun nur noch auf das unrühmliche Ende der Neuerer zu verweisen. Lagrange notierte hierzu: „Zweifelsohne hat uns die Tatsache, dass Rose und Minocchi aus der Kirche ausgetreten sind, sehr geschadet. Ihr Versagen wurde gegen uns verwendet.“³⁵⁹

3.2 Neue Publikationen Zapletal hingegen streckte seine wissenschaftlichen Waffen nicht, im Gegenteil: Die Jahre 1905 – 1907 gehörten zu seinen fruchtbarsten. Im Mai 1905 schloss er die erste von mehreren kleineren Publikationen zu einem der ältesten Texte des Alten Testaments ab, dem Deboralied. ³⁶⁰ Das Buch der Richter hatte immer wieder Zapletals wissenschaftliches Interesse auf sich gezogen. Im kritischen Dialog mit Lagrange und

 Salvatore Minocchi (1869 – 1943), Priester und begabter italienischer Exeget, führte mit Rose zusammen das Sekretariat der Exegese-Sektion auf dem Kongress in Fribourg. Mehrfach beschuldigt, dann verurteilt, kehrte er 1908 der Kirche den Rücken.  Correspondance, S. 82. Vgl. auch Weiß, Modernismus, S. 41. Rose schrieb kein exegetisches Werk mehr, er starb im Jahre 1944 in der Gemeinschaft der katholischen Kirche, von deren Glauben er nach seinen Worten niemals abgefallen war. Vgl. Petráček, Bible a moderní kritika, S. 221– 223.  P. Bernard Allo OP (1873 – 1945) stammte aus der französischen Provinz. Am 7.11.1905 wurde er zum Professor für neutestamentliche Exegese berufen.  Gardeil an Cormier, 26. 8.1905. AGOP XI. 15320. Gleichlautend das Urteil von Lagrange vom 12. 8. 1905: Vgl. Correspondance, S. 83.  Lagrange, Souvenirs, S. 112.  Vinzent Zapletal, Das Deboralied, Freiburg (Schweiz) 1905.

3.2 Neue Publikationen

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anderen Exegeten versuchte er, ein eigenständiges hebräisches Perikopen-Metrum nachzuweisen. Dazu müsse man sich von den Vorstellungen klassischer Symmetrie befreien, an die sich die hebräischen Dichter in keiner Weise gebunden fühlten.³⁶¹ Versuche, die Entstehung des Liedes in eine spätere Zeit zu verlegen, lehnte Zapletal ab. Er sah es als Triumphgesang, der das Heldentum feiert und Feiglinge verlacht. Ethnographische Parallelen und weitere im Text enthaltene Indizien würden zeigen, dass derartige Gesänge zumeist unmittelbar nach den Ereignissen, von denen sie handeln, entstanden sind. Auch wenn das Lied den Namen Deboras trage, müsse man Debora daher nicht als Autorin im eigentlichen Sinn betrachten. Der Text selbst lege im Übrigen nahe, dass das Lied von Barak und Debora zusammen gesungen worden sei. Der wahre Autor des Liedes sei nicht mehr zu ermitteln, wichtiger sei die Rolle, die es in der Geschichte Israels gespielt hat.³⁶² Zapletal setzte sich auch mit den mythologischen Auslegungen des Textes auseinander, vertrat aber dennoch die Überzeugung, dass nicht nur Barak und Debora, sondern alle Figuren des Liedes auf reale Personen verweisen und nicht etwa Naturkräfte oder Gottheiten symbolisieren. Den Kern der Arbeit bilden die Rekonstruktion des hebräischen Textes sowie dessen gründliche lexikalische, grammatische und literarische Analyse; verhältnismäßig häufig kritisiert Zapletal Lagranges 1903 erschienenen Kommentar zum Buch der Richter. Jan Hejčl, selbst ein hervorragender Hebraist, hebt in seiner Rezension Zapletals „ungewöhnliche Kenntniss der hebräischen Sprache“ hervor. Zur Rekonstruktion des Textes sagt er: „Mit leichter Hand fügt er den Konjekturen anderer reihenweise eigene, eigenständige Vorschläge hinzu. Dass er dabei solide und nüchtern vorgeht, wird jedem deutlich, der seine Struktur z. B. mit den Kombinationen Niebuhrs vergleicht.“ Auch würdigt er Zapletals Skepsis hinsichtlich der Autorschaft: „Ganz sicher ist es vernünftiger, einen Mangel an Material zu bekennen, als ohne Material phantastische Hypothesen in die Luft zu setzen.“³⁶³ Zu Zapletals biblischen Lieblingsgestalten gehörte der Held Samson aus dem Buch der Richter. Im Studienjahr 1905/06 hielt er zu diesem Thema ein Seminar und publizierte eine eigenständige, 80 Seiten umfassende Studie mit dem Titel Der biblische Samson,³⁶⁴ in der er widerlegt, dass sich die Samson-Erzählung aus zwei Quellen (J und E) zusammensetzt. Inhalt und Sprache der Erzählung verwiesen auf die Einheit des Textes, der ursprünglich in Versform verfasst gewesen und später an mehreren Stellen ergänzt worden sei. Zapletal verteidigt Samson gegen die moralisierende Kritik an dessen Liebesabenteuern: Derartige Dinge müsse man im Kontext ihrer Entstehungszeit sehen. Aber auch unangebrachte Parallelisierungen, die in Samson einen Prototyp Christi sehen wollen, weist er zurück.³⁶⁵ Den Hauptteil seines Kommentars bildet ein Überblick über die damals in Mode gekommenen Theorien, die Samson als     

Ebd., S. 3. Ebd., S. 5. ČKD 47 (1906), S. 372– 373. Vgl. Vinzent Zapletal, Der biblische Samson, Freiburg (Schweiz) 1906. Ebd., S. 6 f.

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3 Die Zeit der Prüfungen und Kämpfe

Sonnen-Heros bzw. als Entsprechung des Sonnenmythos der Ägypter und Babylonier interpretierten. Bei seiner Kritik bediente sich Zapletal vorwiegend der historischkritischen Methode.³⁶⁶ Gewisse Parallelen zwischen der Samson-Geschichte und dem griechischen Herakles-Mythos erkannte er an, doch sah er weitaus mehr grundlegende Unterschiede.³⁶⁷ Auch 1906 arbeitete Zapletal wieder mit der Quellentheorie. Er räumte ein, dass es sich bei der Samson-Geschichte um ein jahwistisches Werk handelte, doch sei der Jahwist nur der Redaktor. Die Erzählweise trage so viele Züge volkstümlicher Überlieferung, dass sich der Text vor seiner Verschriftlichung in langer mündlicher Tradition ausgeformt haben müsse. Um ihn besser zu memorieren, sei er in Versform abgefasst worden und so zu einer Art hebräischem Volks-Epos avanciert, was für die Beurteilung der Geschichte aus historischer Sicht eine wichtige Rolle spiele. Zapletal beruft sich auf den hl. Hieronymus, wenn er daran erinnert, dass in der Bibel historische Ereignisse sehr oft entsprechend der damaligen Geschichtsauffassung und dem Volksverständnis dargestellt werden. Die Samsongeschichte versteht er als Satire auf die traditionellen Feinde Israels, die nicht imstande sind, einen hebräischen Helden anders als mit Hinterlist und Tücke zu besiegen und selbst auf diesem Wege nicht uneingeschränkt zum Erfolg kommen.³⁶⁸ Zum Schluss seiner Einleitung erinnert Zapletal an Jean-Baptiste Perès, der, um die mythologische Schule lächerlich zu machen, 1835 nach deren Methoden „bewies“, dass Napoleon Bonaparte nie existiert habe, sondern in Wahrheit ein Sonnenmythos sei.³⁶⁹

3.2.1 Die Deutung des Buches Kohelet 1905 steuerte Zapletal erneut eine lange Abhandlung zur universitären Reihe Collectanea Friburgensia bei. Im Studienjahr 1903/04 hatte er in seinem Seminar das Buch Kohelet³⁷⁰ behandelt und seine Forschungsergebnisse zunächst in einer zwanzigseitigen Broschüre zusammengefasst. Hauptanliegen ist ihm dabei, einen regelmäßigen metrischen Vers im hebräischen Text nachzuweisen und dadurch neue Deutungsmöglichkeiten für dieses komplizierte Buch der Bibel zu eröffnen.³⁷¹ Nach und nach publizierte er weitere Kapitel seiner Arbeit in verschiedenen Zeitschriften³⁷² und stellte

 Ebd., S. 12– 30.  Ebd., S. 31– 34.  Ebd., S. 8 f.  Ebd., S 37.  Bericht 1903/1904, S. 12.  Vgl. Vinzent Zapletal, Die Metrik des Buches Kohelet, Freiburg (Schweiz) 1904. Auch diese kleine Studie wurde in ČKD 46 (1905), S. 79, rezensiert (P. František Reindl CSsR).  Vinzent Zapletal, Der Unsterblichkeitsglaube Qohelets, in: Katholik. Zeitschrift für Katholische Wissenschaft und Kirchliches Leben 29 (1904), S. 321– 327; ders., Die vermeintlichen Einflüsse der griechischen Philosophie im Buche Kohelet, in: Biblische Zeitschrift 3 (1905), S. 32– 39, 128 – 132; ders.,

3.2 Neue Publikationen

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sie schließlich zu einem gründlichen Kommentar zusammen.³⁷³ In seinem Vorwort vom März 1905 erwähnt er, dass man ihn noch auf eine Arbeit aufmerksam gemacht habe, die ebenfalls die These vertrete, dass der Text in regelmäßigen Versen komponiert sei, doch befasse diese sich nur mit den ersten beiden Kapiteln des Kohelet.³⁷⁴ Er selbst komme vielfach zu anderen Schlussfolgerungen und analysiere außerdem den gesamten Text: „Man möge sich nicht wundern, dass ich manchmal zu wenig apodiktisch bin. Ich gebe gern zu, dass ich im Behaupten nicht stark bin. Aber ich bin nun einmal so, dass ich nicht eine Behauptung aufstelle, wo ich nicht ganz sicher bin. Nachträglich findet ein alttestamentlicher Exeget ohnedies, dass er sich hie und da geirrt hat, obgleich er seiner Sache sicher zu sein glaubte.“ Zapletal lehnte die übliche Übersetzung des Buches Kohelet als Prediger ab.³⁷⁵ Das Buch sei höchstwahrscheinlich von einem einzigen Autor verfasst, es enthalte auch nicht mehr Glossen als andere alttestamentliche Bücher, die nur einem Verfasser zugeschrieben werden.³⁷⁶ Die Einheit des Buches sei durch drei Hauptpunkte gegeben: Gott, die Scheol und die Belohnung des Menschen durch Gott. Das Buch spiegele hinsichtlich dieser Fragen zwar verschiedene Anschauungen des alttestamentlichen Denkens, aber die scheinbaren Widersprüche seien kein Bruch der tieferen Einheit, die fest im hebräischen Denken verankert sei. Absolut unvereinbare, widersprüchliche Ansichten träten in dem Buch nicht auf.³⁷⁷ Kohelet sammele die alttestamentlichen Ansichten zu den erwähnten Fragen von Leben und Tod, ohne sie, wie es auf den ersten Blick scheint, zu einem harmonischen Ganzen zu verbinden. So gleiche das Buch Kohelet einem dreifachen Faden (Gott, Scheol, Vergeltung), deren Perlen und Edelsteine, unter die auch die eine oder andere Glasperle gereiht sei, ihre Wirkung erst im Zusammenspiel entfalten würden. Das mangelnde Verständnis der modernen Kritik gründe in der Anwendung von Autorschafts-Kriterien, die der modernen Zeit entsprächen, für antike Autoren aber gar nicht gelten könnten.³⁷⁸

Die Komposition des Buches Qohelet, in: Schweizerische Kirchenzeitung 51 (1905), S. 41 f., 52 f., 69 f., 74– 76, 88 f., 111 f., 138 f.  Vinzent Zapletal, Das Buch Kohelet. Kritisch und metrisch untersucht, übersetzt und erklärt, Freiburg (Schweiz) 1904 (Collectanea Friburgensiam Neue Folge, Bd. VII). Der Kommentar wurde im Juli 1904 fertiggestellt (im Weiteren zit. als: Das Buch Kohelet)  Dennoch handelte er sich eine Rüge seines früheren Fribourger „Kollegen“ Grimme ein, der in einer Rezension von „Entdeckungen“ Zapletals spricht, die er selbst bereits im Jahre 1897 vertreten habe. Vgl. Deutsche Literaturzeitung vom 5.5.1905, S. 550.  Eine tschechische Version des Kapitels, das den Titel des Buches behandelt, publizierte er noch im selben Jahr: Vinzent Zapletal, Co znamená jméno „Qohelet“?, in ČKD 46 (1905), S. 113 – 117. Es war Zapletals fünfter und letzter Artikel für die ČKD. Nach 1905 publizierte er hier nur noch ein einziges Mal, und zwar 1910. Die deutsche Version erschien in der Schweizerischen Kirchenzeitung 50 (1904), S. 414 f., 426 f.  Das Buch Kohelet, S. 14.  Das Buch Kohelet, S. 22 f, 33.  Das Buch Kohelet, S. 35.

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3 Die Zeit der Prüfungen und Kämpfe

Zapletal ist überzeugt, und damit weicht er von der sonst vorherrschenden Meinung ab, dass das ganze Buch samt dem Epilog in einem regelmäßigen Metrum geschrieben ist.³⁷⁹ Wird das Versmaß unterbrochen, so geht dies auf sprichwörtliche Redensarten zurück, die Kohelet aus der mündlichen oder schriftlichen Tradition übernommen habe.³⁸⁰ Zapletal geht davon aus, dass das Buch Kohelet eine ähnliche Entwicklung durchlaufen hat wie die Bücher der Propheten, die, zunächst kleine Sammlungen prophetischer Sprüche, erst später von einem Redaktor in ihre heutige Form gebracht wurden. Durch die Redaktion, aber auch durch das Kopieren des Textes könnten Änderungen in den Text Eingang gefunden haben. Hinsichtlich der Autorschaft begibt sich Zapletal erneut auf dünnes Eis. Obwohl die jüdische und christliche Tradition das Buch einhellig Salomo zuschreibe, belegten neue Argumente sprachlicher und kulturgeschichtlicher Art sowie religionsgeschichtliche Erkenntnisse, dass es nicht in der Vorexilzeit entstanden sein könne. Salomos Autorschaft sei also fiktiven Charakters. Fiktion aber sei nach antikem Verständnis keine Lüge, sondern eine jener literarischen Formen, die in der Entstehungszeit des Buches gang und gäbe waren. Dass Werke fiktiv alttestamentlichen Persönlichkeiten (Henoch, Mose, zwölf Patriarchen) zugeschrieben würden, sei nicht nur aus der intertestamentlichen (apokryphen) Literatur bekannt, sondern beträfe auch das kanonische Buch der Weisheit. Dieses heiße Weisheit Salomos, obwohl jedermann wisse, dass es nicht von Salomo verfasst ist.³⁸¹ Die Entstehung des Buches Kohelet setzt Zapletal für die Zeit vor 200 v.Chr. an.³⁸² Er prüft verschiedene Theorien über eine mögliche Autorschaft und die historischen Umstände, unter denen das Buch zusammengestellt wurde, bleibt aber der Ansicht, dass Identität und Vita des Autors nicht zu klären seien.³⁸³ Einen erheblichen Teil der Einleitung beanspruchen apologetische Ausführungen, in denen Zapletal den Vorwurf der Abhängigkeit von der damaligen griechischen Philosophie entkräftet. Schritt für Schritt zeigt er, dass die Annahme, Kohelet leite sich direkt von Heraklit, Aristoteles, der stoischen bzw. epikuräischen Philosophie her, unbegründet sei.³⁸⁴ Für die Positionen des Kohelet nämlich existieren Parallelen und Grundlagen im Alten Testament, oder aber er spiegele allgemein-menschliche Reflexionen. Die entscheidenden Grundbegriffe der griechischen Philosophie seien dem Kohelet hingegen gar nicht bekannt, ganz zu schweigen davon, dass der Autor wohl kaum Anhänger von vier philosophischen Schulen zugleich gewesen sein dürfte. In Wahrheit äußere er eine typisch jüdische Auffassung von Welt und Leben. Das gelte auch für die Frage der Unsterblichkeit der Seele. Kohelet glaubt an die Scheol und spricht von ihr in ähnlicher Weise wie die anderen alttestamentlichen Schriften auch.

 Er schließt aber nicht aus, dass der Epilog von einem anderen Autor stammen könne (Vgl. Das Buch Kohelet, S. 34).  Das Buch Kohelet, S. 35.  Das Buch Kohelet, S. 61– 64.  Das Buch Kohelet, S. 66.  Das Buch Kohelet, S. 71.  Das Buch Kohelet, S. 42– 48, 49 – 50, 51– 56, 56 – 59.

3.2 Neue Publikationen

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Neue Sichtweisen auf das Schicksal des Menschen nach dem Tode seien dem Autor zwar bekannt, er betrachte sie jedoch als ungesichert und bevorzuge daher die ältere Auffassung.³⁸⁵ Zum Schluss dieses apologetischen Teils rückt Zapletal die vermeintlichen Irrlehren des Kohelet, für die er beinahe aus dem Kanon der biblischen Bücher verbannt worden wäre, ins richtige Licht und handelt die Steine des Anstoßes der Reihe nach ab: Pessimismus, Determinismus, Materialismus, Skeptizismus und Epikuräertum. Die scheinbaren inneren Widersprüche und der Eindruck, dass er zu den Zeugnissen anderer biblischer Bücher mitunter im Widerspruch stehe, hätten den Status des Kohelet im Kanon der inspirierten Bücher der jüdischen und später auch der christlichen Gemeinschaft bedroht. Verweise auf die Inspiration des Buches und seine Verwendung in der jüdischen und christlichen Liturgie hätten letztendlich jedoch mehr Gewicht gehabt als die Stimmen der Zweifler.³⁸⁶ Der Einleitung folgen 157 Seiten hebräischer Text, deutsche Übersetzung und Kommentar.³⁸⁷ František Reindl würdigte in seiner tschechischen Rezension die HebräischKenntnisse des Autors, seine genaue Kenntnis der Kirchenväter und der exegetischen Fachliteratur, seine philosophische Bildung und seine „Belesenheit im klassischen Schrifttum“, gibt aber dennoch zu bedenken: „Obwohl man den Schlussfolgerungen des Herrn Autors fast durchweg zustimmen kann, denke ich doch, dass er keine allgemeine Zustimmung finden wird, was seine Ansichten bezüglich des Autors des Buches Prediger betrifft, denn die Gründe, die er anführt, zwingen den Leser nicht, von seiner bisherigen Meinung abzugehen, nämlich dass Salomo der Autor dieses Buches ist.“³⁸⁸ Auch andere Rezensenten sehen die große Zahl von aufgezeigten Parallelen zur nicht-jüdischen Literatur als Hauptverdienst des Buches an,³⁸⁹ und der Tübinger Professor Paul Vetter legt den Kommentar insbesondere den Theologen ans Herz, die sich erfahrungsgemäß gerade bei diesem Buch großen Schwierigkeiten gegenüber sähen.³⁹⁰ Der Kreis um die Révue biblique, die den Kommentar mit nur wenigen Vorbehalten in einer Rezension von Lagrange begrüßte, war von der Datierung ins dritte vorchristliche Jahrhundert keineswegs schockiert. Lagranges Rezension zufolge lässt Zapletal sich, was seine Behandlung des metrischen Systems betrifft, dessen Studium er noch nicht abgeschlossen hatte, keiner der bestehenden Schulen zuordnen. In seiner Bewertung der theologischen Grundhaltung des Kohelet-Autors als skeptisch gegenüber Neuem und daher traditionellen Sichtweisen verpflichtet sei Zapletal eins mit dem französischen Exegeten Albert Condamin SJ. Insgesamt „können wir fest-

 Das Buch Kohelet, S. 74, 77, 80.  Das Buch Kohelet, S. 87– 88.  Er publizierte auch eine eigenständige lateinische Version: Liber ecclesiastae. Textum hebraicum critice et metrice edidit V. Zapletal, Halis Sax 1905.  ČKD 47 (1906), S. 78 f.  Theologische Revue 6 (1907), S. 52. Litterarisches Zentralblatt 1905, Sp. 1313.  Tübinger Theologische Quartalschrift 94 (1905), S. 613.

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stellen, dass die katholische Exegese bislang noch keinen so durchdachten Text über dieses rätselhafte Buch vorgelegt hat.“³⁹¹ Als völlig außergewöhnlich bezeichnete die Studie Joseph Kley, vor allem aufgrund der postulierten Einheitlichkeit des Buches Kohelet;³⁹² dadurch sieht sich der Rezensent für die verneinte Autorschaft Salomos entschädigt. Zapletals Kohelet-Kommentar hatte Erfolg. Das zeigte sich nicht zuletzt in einer zweiten, nur leicht veränderten Ausgabe durch den angesehenen katholischen Herder-Verlag in Freiburg im Breisgau. Bis 1907 schien die Situation noch nicht völlig hoffnungslos, der positive Geist des Pontifikats Leos XIII. klang nach. Jan Hejčl schreibt in seiner Dreifachrezension der neuesten Arbeiten Zapletals: „Wer die allerneueste Bibelliteratur auch nur ein bischen verfolgt, wird feststellen, dass die Schule der neuen katholischen Exegese beständig Fortschritte macht. Zu den hervorragenden Repräsentanten dieser Schule gehört Prof. Zapletal, dessen Name auch von scharfen protestantischen Kritikern mit Ehrfurcht genannt wird.“³⁹³ Hejčl, der im Seminar von Königgrätz/Hradec Králové selbst Exegese unterrichtete, hob auch die praktischen Vorzüge von Zapletals Broschüren hervor: „Wer je an wissenschaftlichen theologischen Lehranstalten und namentlich in Exegese-Seminaren gezwungen war, Proben für eine auf der Höhe der Zeit befindliche Exegese zu liefern, von seinen Hörern aber nicht die Anschaffung teurer Kommentare verlangen konnte, weiß, mit welchen Schwierigkeiten es da zu kämpfen galt.Welch ein willkommenes Hilfsmittel sind Zapletals preisgünstige Publikationen für Lehrer und Hörer der Exegese!“

3.3 Das Krisenjahr 1906 Decurtins erste Attacke gegen die Fribourger Professoren zeitigte zwar nicht den gewünschten Erfolg, doch konnte er seine Stellung an der Universität festigen und verbessern. Der Staatsrat schuf für ihn aufgrund seiner langjährigen Verdienste einen eigenen Lehrstuhl an der philosophischen Fakultät und bestellte ihn am 28. April 1905, gegen den Willen der übrigen Professoren und ohne dass diese zuvor darüber informiert worden wären, zum Professor für Zivilisationsgeschichte.³⁹⁴ Der neue Professor begann sein universitäres Wirken mit einer möglichst breit gestreuten Propagierung seiner Ansichten über die Gefährlichkeit der Arbeit einiger Kollegen. Zapletal wollte das auf Dauer nicht hinnehmen und erachtete es als notwendig, sich bei Python nachdrücklich gegen diese gnadenlose Agitation auf universitärem Boden zu

 RB 2 (1905), S. 463 f. Eine durchweg positive, geradezu hymnische Rezension erschien auch von Alfred Loisy in der Revue critique d’histoire et de littérature 39 (1905), S. 141 f.  Literarische Rundschau 33 (1907), S. 153– 155. Ähnlich: Theologischer Jahresbericht 25 (1905), S. 147; Schweizerische Kirchenzeitung 52 (1906), S. 148; The Athenaeum: Journal of Literature, Science and the Fine Arts, Jule to December 1905, S. 645.  ČKD 47 (1906), S. 371.  Vgl. Barthelémy, Idéologie, Ètudes, S. 93.

3.3 Das Krisenjahr 1906

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verwahren. Da er ihn nicht persönlich antraf, schrieb er ihm am 3. Dezember 1905 einen Brief. Darin beschwert er sich, dass Herr Decurtins ihn gegenüber Professoren, Studenten und anderen Personen verleumde, indem er behaupte, er sei Rationalist, Kantianer und untergrabe die Inspiration der Heiligen Schrift. Ein solches Verhalten widerspreche nicht nur jeder Gerechtigkeit, dem Ehrgefühl und der Kollegialität, sondern gefährde außerdem die theologische Fakultät, weil viele Menschen gar nicht ahnten, mit wem sie es bei Herrn Decurtins zu tun hätten. Sollte Decurtins sein Verhalten nicht änderm, werde er, Zapletal, die Angelegenheit in einem seiner nächsten Texte an die Öffentlichkeit tragen, dabei Decurtins mit vollem Namen nennen und Weiteres über ihn hinzufügen, um die Angelegenheit in den gebührenden Kontext zu stellen. Decurtins werde als traurige Figur, böswilliger Ignorant und zweiter Tartuffe daraus hervorgehen. Möglicherweise werde er sich auch juristisch beraten lassen, ob man gegen das böswillige Verhalten nicht weitere Maßnahmen ergreifen könne. Freilich sei es im Interesse der Universität, einen Skandal zu vermeiden. Daher wende er sich an Python, von dessen Einfluss auf Decurtins er ausgehe.³⁹⁵ Zapletal hatte gerade ein Freisemester, das er am 14. Mai 1905 beantragt hatte. Nach 12 Jahren Lehre brauche er, wie er angab, eine Verschnaufpause, außerdem erlaube ihm die freie Zeit ein intensiveres Studium, was für die Vorbereitung neuer Vorlesungen unerlässlich sei. Auch brauche man keine Vertretung für ihn zu suchen, da sich alles im Sommersemester ausschreiben und aufholen ließe. Der Staatsrat hatte ihm das Freisemster am 10. Juni 1905 gewährt. Im Wintersemester 1905/06 hielt Zapletal also keine Vorlesungen und Seminare.³⁹⁶ Das löste eine ungeahnte Verwirrung in der Öffentlichkeit aus, auf Seiten der Integralisten freilich weckte es Hoffnungen. Zu Beginn des neuen Jahres, am 12. Januar 1906, wollten die Neuen Zürcher Nachrichten, die einflussreichste deutschsprachige katholische Zeitung der Schweiz, von Gerüchten wissen, denen zufolge ein Jahr, nachdem Rose seinen Lehrstuhl definitiv aufgegeben habe, die Professoren Zapletal und Mandonnet nun demselben Schicksal entgegengingen. Zapletal ahnte, dass etwas gegen ihn vorbereitet wurde, und setzte Musil in einer kleinen Notiz vom 13. Januar 1906 in Kenntnis: „Die Jesuiten arbeiten gegen mich, da ich ,sehr gefährliche Dinge’ publiziere. Wir werden sehen.“³⁹⁷ Ihren eigentlichen Anfang nahm die Affäre am 15. Januar 1906, als die Neuen Zürcher Nachrichten und auch Die Ostschweiz aus gut unterrichteten universitären Kreisen zu berichten wussten, dass die beiden erwähnten Professoren durch Lehrkräfte aus den Reihen der Schweizer Diözesanpriester ersetzt werden sollten, um so der internationalen Fakultät nach dem Vorbild Löwens in Belgien mehr Sympathie im Lande ihres

 AEF Zapletal.  Beide Dokumente AEF Zapletal.  MV FMusil, Inv.-Nr. H 19. 472/9.

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3 Die Zeit der Prüfungen und Kämpfe

Wirkens zu sichern.³⁹⁸ Dass just auch Mandonnet den Staatsrat aus gesundheitlichen Gründen um Urlaub gebeten hatte – Python hatte ihn für die Zeit von Januar bis Ostern bewilligt – leistete diesen Spekulationen nun Vorschub.³⁹⁹ Am 15. Januar 1906 verfassten einige der Dominikanerprofessoren einen umfangreichen Bericht für den Ordensmeister, in dem sie feststellen, dass sich die Mutmaßungen über einen angeblich auf Grund mangelnder Rechtgläubigkeit erzwungenen Weggang von vier Professoren im Laufe der letzten sechs Monate nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Ausland verbreitet hätten. „Wir haben sie von Anfang an als Verleumdung betrachtet, die unsere Feinde sich ausgedacht haben und nun verbreiten, um unserer Fakultät zu schaden.“Trotz etlicher persönlicher Dementi würden diese Nachrichten sich weiterverbreiten und seien auch an die Öffentlichkeit gedrungen. Leider habe ihnen der Zufall und das Zusammenspiel der Ereignisse den Anstrich der Glaubwürdigkeit verliehen. Professor Berthier sei nach Rom gegangen, Rose habe seinen Lehrstuhl aufgegeben, Zapletal habe, die Gerüchte um seine Person gutgläubig ignorierend, um Beurlaubung gebeten, und Mandonnet habe soeben bekannt gegeben, dass seine Vorlesungen bis Ostern ruhen: „All das zusammen genommen scheint die Unglückspropheten zu bestätigen, die überdies besser informiert zu sein scheinen als wir selbst.“ Der Bericht der Dominikaner führt weiter aus: „Die Öffentlichkeit wird langsam unruhig[,] und auch unsere Kollegen an der Universität fürchten um unsere Situation […]. Der Senat der Universität, der Rektor und das Kollegium der Dekane und Prodekane fordern eine Klärung der Fragen, denn wenn fähige und respektierte Professoren einer nach dem anderen von der Lehre abberufen werden, steht […] der Ruf der Universität auf dem Spiel […]. Wir hatten zunächst überlegt, über den Dekan unserer Fakultät offiziell zu protestieren, uns dann aber doch entschlossen, lieber abzuwarten, weil wir nicht wirklich wissen, ob an diesen Geschichten nicht doch etwas Wahres dran ist, und wir tappen völlig im Dunkeln darüber, wo die Erwägungen der höchsten kirchlichen Autorität unseren Platz sieht. Auch fürchten wir, dass es sich bei den Zeitungsberichten um eine Provokation handeln könnte.“ Daher wenden sich die Verfasser an ihren Ordensmeister: „Wir vertrauen diese verleumderische und unangenehme Situation, in die wir geraten sind, dem erleuchteten Urteil Eurer Paternität an, und dabei wissen wir nicht einmal, wie wir die ständigen Anfragen beantworten sollen.“ Das Memorandum behandelte aber auch einige andere aktuelle Fragen: die Suche nach einem geeigneten Professor der Kirchengeschichte für die deutschsprachigen Studenten und das schon traditionelle Problem der Koexistenz an der philosophi-

 Noch im Januar 1906 beschäftigten sich die Schweizer Zeitungen mit der Frage, ob man die beiden Dominikaner ersetzen solle und ob der Schweizer Diözesanklerus in der Lage sei, qualitativ gleichrangige Lehrkräfte zu stellen. Damit verschob sich der Kern der Diskussion, und sie verlor an der mit doktrinären Fragen einhergehenden Dringlichkeit.  Vgl. den Brief von Mandonnet an Cormier mit Begründung, AAlb L 8/1. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 297– 299.

3.3 Das Krisenjahr 1906

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schen Fakultät, an der sich drei Dominikanerprofessoren einer Mehrheit von Laien gegenübersahen. So beschwerten sich die Ordensmänner über das Renegatentum ihres Mitbruders, des neuen Dominikanerprofessors P. Marc-Marie van Munnynck⁴⁰⁰, der die Pläne laizistischer Laien-Professoren zur Minderung des dominikanischen Einflusses an der philosophischen Fakultät unterstütze. Ausdrücklich baten Sie den Ordensmeister darum, Munnynck zurechtzuweisen, da er die Ermahnungen des Vikars bedauerlicherweise nicht akzeptiere. Das Dokument, das Mandonnet in seiner Funktion als Vikar bekannt war, ist unterzeichnet von den Patres Rollman (Dekan der Fakultät), Zapletal, Langen-Wendels, Manser, del Prado, Schlincker und Fei.⁴⁰¹ Cormier befahl wie üblich Geduld. In einem Brief vom 4. Februar 1906 dankte er für den Bericht und erklärte: „Die jüngsten Angriffe beweisen, dass das Werk gut ist. Wenn wir unsere Kräfte unter Leitung der höchsten Autorität bündeln, werden wir sicher Erfolg haben.“⁴⁰² Unterdessen war er aber nicht untätig geblieben, sondern hatte am 24. Januar 1906 den Papst besucht und ihn um ein Schreiben gebeten, das die Stellung der Fakultät in der katholischen Öffentlicheit bestätigte.Wie unbegründet die Spekulationen über den Weggang einiger Dominikanerprofessoren gewesen waren, bestätigte sich in dem Augenblick, als Zapletal und auch Mandonnet Anfang Februar ihre Vorlesungen zum Sommersemester wieder aufnahmen. Zapletal hatte Mandonnet aufgefordert, angesichts der Situation seinen Urlaub nicht anzutreten und mit der Lehre fortzufahren, um den Abberufungs-Gerüchten ein Ende zu setzen. Mandonnet folgte der Bitte und „erwies uns damit einen großen Dienst“.⁴⁰³ Er war der Einzige an der theologischen Fakultät, der seine Vorlesungen nicht auf Latein, sondern in französischer Sprache hielt, so dass sie auch von zahlreichen Studenten anderer Fakultäten besucht wurden.⁴⁰⁴ Am 7. Februar 1906 berichtete die Liberté von der Rückkehr Professor Mandonnets in die Stadt und den Studentenmassen, die zu seiner ersten Vorlesung im neuen Semester erschienen waren, um ihre Unterstützung für ihren Lieblingsprofessor kundzutun Obwohl der Anbau zum Konvikt noch nicht fertiggestellt war, gab Pius X. am 6. Februar 1906 ein an die Schweizer Bischöfe gerichtetes Schreiben heraus, in dem es heißt: „Freudig rufen wir uns ins Gedächtnis, dass wir die Lehre der Theologie an dieser Universität den Brüdern des Dominikanerordens anvertrauen wollten, die sich in den Wissenschaften und insbesondere in den heiligen Wissenschaften größte Anerkennung verdient haben, indem sie, in der Theologie vom Werk des heiligen Thomas von Aquin wie von einer besonderen Erleuchtung geleitet, gesicherte Lehre vortragen.“⁴⁰⁵ Allerdings kannten die Dominikaner den Wortlaut des Briefes zunächst nicht.

 P. Marc-Marie de Munnynck, belgischer Dominikaner, seit 1905 Professor für Kosmologie und Psychologie an der philosophischen Fakultät.  AGOP XI. 15320. Das Memorandum ist in französischer Sprache verfasst.  AA FZapletal.  Zapletal an Cormier, 7. 2.1906. AGOP XI. 15345.  Vgl. Vicaire, Le Père Mandonnet, S. 13.  AGOP XI. 15310bis. Vgl. auch Barthélemy, Idéologie, S. 95.

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3 Die Zeit der Prüfungen und Kämpfe

Cormier schrieb deshalb am 8. Februar an Zapletal: „Das Schreiben, das ich vom Hl. Vater bei meiner Audienz am 24. Januar erbeten habe, ist gerade eingetroffen. Ich habe es S. E. dem Bischof von St. Gallen geschickt, der mir wiederum, wie ich hoffe, eine Kopie schicken wird, weil nicht einmal ich den Inhalt kenne. Möge uns das ermuntern, unser Werk in Demut und Eintracht, mit Geduld und Umsicht, in Liebe zur Jugend, zu Gott und vor allem zur Kirche weiterzuführen. Ich füge den Brief des Kard. Staatssekretärs bei, der mir das päpstliche Dokument überbracht hat. Sie werden feststellen, dass er anerkennend von Ihnen spricht; aber das darf nicht veröffentlicht werden.“ In einem Postskriptum fügte Cormier hinzu, dass der für den Bischof bestimmte Brief bereits abgegangen sei, „aber Sie können ihm schreiben, er möge den Brief wegen unserer Interessen nicht veröffentlichen, und wenn er Ihnen den Text zukommen lässt, können Sie selbst beurteilen, ob es angebracht ist, ihn zu veröffentlichen.“ ⁴⁰⁶ Zwei Tage später, am 10. Februar, hatte Cormier seine Meinung geändert, denn inzwischen kannte er den Text. Die Angelegenheit erschien ihm so heikel, dass er den Ordensrat einberief. Gemeinsam kam man überein, dem Bischof von St. Gallen nicht zu schreiben und sich lieber auf seine Diskretion zu verlassen. „Vielleicht ist es ja nicht so arg, unser Eingreifen jedenfalls würde alles nur schlimmer machen. Wir werden einfach so tun, als ob wir von keinem Brief wüssten.“ Zum Brief des Papstes, der als leichte Rüge interpretiert werden konnte, sagte Cormier: „Sie sehen selbst, was für ein machtloser Unglücksmensch ich bin. Ich dachte, ich täte wer weiß was Gutes, wenn ich um ein Schreiben bitte, das unsere Lehre würdigt, doch siehe, stattdessen hätte ich Ihnen beinahe Sorgen bereitet! Dennoch vermute ich, dass in dieser Gunstbezeigung nichts zu den strittigen Fragen gesagt wird. Jedenfalls ist es gut, dass die Bischöfe den Brief bekommen haben, so können sie sich zumindest von der freundlichen Gesinnung des Heiligen Stuhls gegenüber uns und unserer Lehre überzeugen.“⁴⁰⁷ Zapletal äußerte zwar am 14. Februar seine anhaltenden Befürchtungen, dass der Brief die Dominikaner noch weiter belasten könnte. Ganz allgemein wäre es ihm aber lieber, dass sich im Falle einer Verleumdung die betroffenen Professoren selbst verteidigen könnten und man sich nur im äußersten Fall an die höchsten kirchlichen Autoritäten wende.⁴⁰⁸ Der Bischof sandte das päpstliche Schreiben dem Albertinum tatsächlich zu, allerdings ohne Kommentar! Python schlug vor, den Text im L’Osservatore Romano zu veröffentlichen, von wo ihn die Schweizer Zeitungen übernehmen würden. Ihm war sehr an einer Veröffentlichung gelegen: „Herr Python ist mit dem Brief sehr zufrieden und hat erklärt, dass dieser nach allem, was geschehen ist, öffentlich werden müsse.“⁴⁰⁹ Doch die Verhandlungen zogen sich hin, und am 12. März starb zudem der

   

AA FZapletal. AA FZapletal. AGOP XI. 15345. Zapletal an Cormier, 21. 2.1906. AGOP XI. 15345.

3.3 Das Krisenjahr 1906

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Bischof von St. Gallen, so dass der Abdruck in der Liberté erst am 13. April 1906 erfolgte. Obwohl sich die Gerüchte über einen erzwungenen Weggang einiger Professoren nicht bestätigt hatten, machten sie doch deutlich, in welcher Lage sich die betreffenden Patres befanden. Lagrange bezeichnete in einem Brief an Cormier die Situation, die durch die integralistische Dominanz in der Kirchenleitung entstanden war, als „Terrorismus“, dem sich alle zu unterwerfen hätten und der die lebendigsten Kräfte der Kirche in ihrer Tätigkeit behindere.⁴¹⁰ Die Professoren der theologischen Fakultät wählten Mandonnet für das kommende akademische Jahr zum Dekan. Auch damit bezogen sie zu den Anschuldigungen demonstrativ Position. Cormier schätzte Zapletal als Exegeten und Fachmann und beriet sich mit ihm über die Arbeiten anderer, auch über die der Professoren der École biblique in Jerusalem.⁴¹¹ Er wollte Zapletals Position stärken und versprach ihm, dass er ihn im Namen des Ordens als Konsultor der Bibelkommission vorschlagen werde. Zapletal selbst war der Ansicht, dass ihm das nützen könnte, und erkundigte sich am 7. Februar 1906, wie sich die Situation bezüglich der „Ernennung der Herren Göttsberger, Holzhey und meiner selbst zu Konsultoren der Bibelkommission“ entwickelte. „Ich denke, diese Ernennungen könnten der guten Sache dienen.“⁴¹² Cormier war in seinem Brief vom 10. Februar derselben Ansicht: „Bereits vor einiger Zeit habe ich Kard. Rampolla zwei Namen übergeben, die als Konsultoren vorgeschlagen sind, und habe dabei auch Ihren Namen genannt, was zudem eine Anerkennung für unsere Fribourger Fakultät wäre. Schade, dass Sie nicht persönlich kommen konnten, das hätte die Sache womöglich erleichtert.“⁴¹³ Es ist schwer zu sagen, was sich Zapletal von diesen Nominierungsvorschlägen erhoffte. Eine Kursänderung der Bibelkommission? Wohl kaum, denn man hätte die drei vorgeschlagenen Konsultoren innerhalb der Kommission vermutlich genau wie ihre progressiven Kollegen bis zur Bedeutungslosigkeit an den Rand gedrängt. Zweifelsohne schwebte über Zapletals Haupt weiterhin ein Damoklesschwert. Anfang März 1906 forderte Cormier Exemplare von Zapletals früheren Arbeiten an, für den Fall, dass es an den römischen Kongregationen doch zu einer Verhandlung über ihn käme.⁴¹⁴ Einen Monat später, am 9. April 1906, warnte Zapletal den Ordensmeister vor: „Am Samstag fuhr Msgr. [Monsignore] Curat, der Kanzler des hiesigen Bistums, mit einer Sendung von 60.000 CHF für den Pontifex maximus nach Rom. Dieser Mann wird gegen uns sprechen, vor allem gegen meine Exegese.“⁴¹⁵ Die Tatsache, dass Zapletal, obwohl bereits 1906 vom Ordensmeister dafür nominiert, nie zum Konsultor der Bibelkommission ernannt wurde, spricht für sich: Einstweilen wurde er toleriert;

     

Brief vom 29. 8.1906. Vgl. Correspondance, S. 136. Zum Beispiel im Juli 1905. Vgl. Correspondance, S. 76. AGOP XI. 15345. AA FZapletal. Zapletal an Cormier, 2. 3.1906. AGOP XI. 15345. Zapletal an Cormier, 9.4.1906. AGOP XI. 15345.

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beliebt oder auch nur als Exeget anerkannt war er in Rom aber nicht. Grund dafür war sicher nicht Mangel an fachlicher Kompetenz, denn 1906 konnte Zapletal bereits mehr als fünf erfolgreiche wissenschaftliche Publikationen vorweisen. Ein Konsultor konnte zwar – wie das Schicksal Lagranges zeigt, der noch von Leo XIII. ernannt worden war – nicht auf mehr persönlichen Schutz oder wissenschaftliche Freiheit hoffen, doch innerhalb der Kirchenhierarchie und in der katholischen Öffentlichkeit hätte diese Ernennung Zapletals Stellung sicher gefestigt. Sie sollte ihm nie vergönnt sein. Angesichts der von der Bibelkommission herausgegebenen Dokumente und der Rolle, die sie bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil in der Entwicklung der katholischen Bibelwissenschaft spielte, dürfte er das nicht sehr bedauert haben. Auf diese Fragen werden wir noch zurückkommen. Der Jahresanfang 1906 brachte für P. Zapletal tatsächlich auch eine grundlegende Veränderung mit sich.

3.3.1 Zapletals Ernennung zum Vikar des Albertinums Die ideologische Spaltung in Konservative und Progressive war nicht das einzige Problem, das unter den Dominikanern im Albertinum für Spannungen sorgte. Die Professoren stammten aus verschiedenen Ländern und Ordensprovinzen, die ihre eigenen Traditionen und Bräuche hatten. So fühlten sich einzelne Patres oft mehr an ihre Provinz und das Kloster, aus dem sie stammten, gebunden als an die Kommunität in Fribourg, die keiner Provinz angehörte und dessen kirchen- und bürgerrechtliche Stellung noch lange Zeit unklar blieb. „Dazu kam“, schreibt Otto Weiß, „daß die einzelnen Dominikanergelehrten – anders als die als geschlossene Miliz auftretenden Jesuiten – ausgeprägte Individualisten blieben und sich nicht uniformieren ließen.“⁴¹⁶ Diese Interpretation freilich trifft die Sache auch nur sehr bedingt, denn welche Art von „Ordensgeschlossenheit“ könnte Weiß geltend machen für die Jesuiten Leopold Fonck, einen verbissenen Gegner Lagranges, und Condamin, einen von Lagranges engsten Freunden? Die Frage nach dem zukünftig richtungsweisenden Kurs der Kirche führte bei den Jesuiten zu einer ebenso schicksalhaften Spaltung wie bei den Dominikanern. Deren Ausbildung basierte auf der Theologie des hl. Thomas, die Jesuiten orientierten sich ebenfalls an einem strikten Thomismus. Tradition, Ordensverfassung und demokratische Elemente in der Organisation des gemeinschaftlichen Lebens begünstigten zwar die Entwicklung außergewöhnlicher und unverwechselbarer Persönlichkeiten bei den Predigern, doch die zitierte jesuitische Geschlossenheit betraf wohl eher das äußere Erscheinungsbild, ihr Auftreten in der Öffentlichkeit und den insgesamt größeren Einfluss des Generaloberen auf den Orden. Die Spaltung der Dominikaner in Fribourg ist vielmehr auf ihre unterschiedliche sprachliche und nationale Zugehörigkeit zurückzuführen. Die deutschsprachige Gruppe setzte sich zusammen aus Reichsdeutschen, Mitgliedern der Habsburger

 Weiß, Modernismus, S. 37.

3.3 Das Krisenjahr 1906

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Monarchie und Deutschschweizern. Ihnen standen frankophone Schweizer, Franzosen und Belgier gegenüber, denen die Zahl der deutschen Professoren an der Universität zu hoch vorkam.⁴¹⁷ Freilich gab es auch umgekehrt Beschwerden, so von Prof. Albert Maria Weiß über Prof. Berthier, der als echter Franzose alles aus französischer Perspektive beurteile. So habe Berthier von Anfang an behauptet, dass alle Nationalitätenprobleme von den deutschen Professoren ausgingen. Dabei sei es doch gerade umgekehrt; die französischen Professoren nämlich stachelten ihre elsässischen Studenten gegen die deutschen Kollegen auf.⁴¹⁸ Aus dem Jahr 1895 stammt ein Bericht Prof. Frankensteins an den Ordensmeister, demzufolge außer den Patres Coconnier und Berthier niemand im Albertinum zufrieden sei. Offenbar verlief teilweise auch die Kluft zwischen denen, die sich streng an die Ordensregeln hielten, und anderen, die sie lockerer handhabten, entlang der Nationalitätengrenze.⁴¹⁹ Dabei spielten die Gründungsväter Joachim Joseph Berthier und Albert Maria Weiß eine Schlüsselrolle. Bereits im Jahr 1900 hatte sich Vikar Leo Michel bei Frühwirth über den schlechten Einfluss beschwert, den sowohl Berthier in seiner Laxheit also auch der Rigorist Weiß auf die Gemeinschaft hätten Die Tatsache, dass viele Studenten aus dem russischen und dem preußischen Teil Polens sowie dem Elsass kamen, trug sicher nicht zur Beruhigung der Situation bei. Das Elsass war nach dem verlorenen Krieg von 1870/71 dem deutschen Kaisserreich territorial angegliedert worden und unterstand damit dessen Regierung. Die Rückkehr zu den ursprünglichen Grenzen bestimmte die französische Innen- und Außenpolitik bis zum Ersten Weltkrieg. Auch die polnischen Studenten hegten für die beiden Kaiserreiche – das deutsche und das österreichische –, aus denen ein wesentlicher Teil der Professoren stammte, keine besondere Sympathie. Nach der gewaltsamen Trennung von Staat und Kirche in Frankreich (1904 – 1906) verschoben sich die nationalen und sprachlichen Verhältnisse an der Universität ganz erheblich. Viele französische Kongregationen und Orden suchten in den grenznah zu Frankreich gelegenen frankophonen katholischen Gebieten Belgiens oder der Schweiz vorläufig Zuflucht. So entstanden in Fribourg auf einmal mehrere neue Konvikte und Häuser für französische Kleriker und Laien, und die Zahl der französischen Studenten stieg enorm. Lag der Anteil der französischen Studenten gegenüber den reichsdeutschen 1898 noch bei einem Verhältnis von 4:110, so präsentieren sich die Zahlen für das Wintersemester 1905 mit 73:74 bereits ausgeglichen.⁴²⁰ Zapletal besaß bis 1918 einen österreichisch-ungarischen Pass, doch war er seiner Geburt nach Tscheche, fühlte sich auch als solcher und betrachtete das Tschechische stets als seine Muttersprache. Jeder ‚germanische‘ oder gar reichsdeutsche Chauvinismus war ihm fremd. Zu dieser Zeit musste Zapletal zudem eine grundsätzliche Entscheidung treffen. Ordensmeister Cormier beschloss 1905 aufgrund der wieder   

Barthélemy, Idéologie, S. 46 – 48. Altermatt, Anfänge, S. 122. Vgl. Füllenbach, Die Dominikaner, S. 182– 186. Altermatt, Anfänge, S. 87.

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holten Forderung böhmischer Dominikaner, die Provincia Imperii zu teilen und erneut eine eigenständige Provinz Böhmen zu installieren. Wie alle anderen hatte auch Zapletal freie Wahl, welcher Provinz er zugeordnet werden wollte.⁴²¹ Gerade bei ihm stand die Entscheidung wirklich offen, denn er war all die Jahre mit Ausnahme seiner Jerusalemer Zeit im Kloster von Znaim/Znojmo assigniert gewesen, hatte sich aber seit 1884 beständig außerhalb der böhmischen Provinz in Wien, Jerusalem und Fribourg aufgehalten. Zapletal entschied sich dennoch für die Provinz Böhmen, obwohl er nie mehr dauerhaft dorthin zurückkehren sollte.⁴²² Übrigens war er im Albertinum nicht der einzige Dominikaner aus dieser Provinz, auch Mannes Rollmann⁴²³, Professor für Moraltheologie, gehörte ihr an. Der ehemalige Provinzial, der 1905/06 Dekan der Fakultät war, zählte zu Zapletals besten Freunden. Rollman war Deutschböhme, und Zapletal schätzte den Patriotismus, mit dem er sich nicht nur für die Provinz Böhmen entschied, sondern auch den Werbeversuchen seitens der österreich-ungarischen Provinz standhielt.⁴²⁴ Ein Vikar des Albertinums war nicht zu beneiden. Er hatte mit großen finanziellen Schwierigkeiten und enormen Schulden zu kämpfen, musste die eigene wissenschaftliche und akademische Arbeit weiterführen und dazu eine internationale Gemeinschaft leiten, die aus sehr unterschiedlichen und oft recht eigensinnigen Persönlichkeiten bestand. Dass ein Vikar wie 1895 Coconnier oder 1904 Mandonnet immer wieder in Konflikt mit Einzelnen oder auch der gesamten Gemeinschaft geriet, überascht daher nicht. Auch Zapletal mag nicht als der geborene „Friedensstifter“ erscheinen, doch veränderte der Jahresanfang 1906 sein Leben völlig. Auf Grundlage rein konsultativer geheimer Briefwahl der Patres⁴²⁵ ernannte ihn Ordensmeister Cormier am 25. Januar 1906 zum Vikar des Albertinums.⁴²⁶ Eine überwältigende Mehrheit hatte im Dezember 1905 für Zapletal gestimmt: Mandonnet, Fei, Munnynck, LangenWendels, Schlincker, Euyen, Allo und Manser. Die Patres Michel, Zapletal und Rollmann hatten sich enthalten, Montagne hatte für Weiß gestimmt und dieser für Euyen.⁴²⁷ In seinem Ernennungsschreiben ermunterte Cormier Zapletal mit den Worten: „Ich übersende Ihnen Ihre Bestellung zum Vikar und bin fest überzeugt, dass Ihnen das von den Ordensbrüdern erwiesene Vertrauen in Verbindung mit dem Ver-

 Vgl. Tomáš Černušák / Augustin Prokop / Damián Němec, Historie dominikánů v českých zemích, Praha 2001, S. 120.  Die Teilung selbst verlief in der politisch aufgeheizten Atmosphäre des Jahres 1905 nicht ohne Schwierigkeiten. Streit gab es vor allem um Konvente in national deutschen oder gemischten Gebieten, nämlich in Leitmeritz/Litoměřice, Eger/Cheb, Aussig an der Elbe/Ústí nad Labem oder eben Znaim/ Znojmo. Vgl. ebd., S. 123. 1906 zählte die neu konstituierte (14.9.1905) Provinz Böhmen 43 Priester, 10 Kleriker, 34 Laienbrüder und 2 Novizen.  Mannes Rollmann OP (1863 – 1918), Professor in Fribourg 1902– 1907.  Zapletal an Cormier, 21. 2.1906. AGOP XI. 15345.  In den konsultativen Wahlen taucht Zapletals Name schon früher auf. Schon am 17. 2.1904 wurde er z. B. von Michel und Schlincker als Vikar vorgeschlagen. AGOP XI. 15345.  AA FZapletal.  AGOP XI. 15320.

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trauen der übergeordneten Autorität die Erfüllung Ihrer Aufgaben leichter machen wird. Im Übrigen wird es Ihnen allein schon deshalb, weil ich gerade Sie für dieses Amt ausgesucht habe, an meiner Unterstützung nicht mangeln. Das ist meine Pflicht[,] und ich werde sie gern erfüllen.“⁴²⁸ Zapletal antwortete Cormier am 28. Januar: „Ich habe also das Amt des Vikars angenommen, in der Hoffnung, dass Sie uns beistehen werden. Ich persönlich werde mich bemühen, objektiv und Ihnen zu Diensten zu sein.“⁴²⁹ Eine der anstehenden Hauptaufgaben war der umfangreiche und kostspielige Ausbau des Albertinums, das insgesamt 80 Zimmer und eine eigene Kapelle erhalten sollte. Der Ausbau des Konvikts hatte im Herbst 1904 begonnen und konnte zwei Jahre später im Oktober 1906 abgeschlossen werden. Es blieb noch die Kapelle. Cormier zeigte sich daran sehr interessiert, studierte die Baupläne und entschied selbst Detailfragen der Ausgestaltung. Er konnte weder eine regelmäßige noch unbegrenzte finanzielle Unterstützung garantieren, aber er half nach Kräften mit kleineren Beträgen aus und vermittelte erträgliche Zinsen, die sich damals um die 3 – 4 % bewegten.⁴³⁰ Das nötige Geld für den Bau und für die Tilgung der immensen Schulden und Zinsbeträge wurde in der Hauptsache über Messstipendien beigebracht, die man den Professoren vermittelte. Wurden diese knapp, wandten sich der Vikar oder der Hausökonom an den Ordensmeister und baten um die Zuteilung weiterer Stipendiengelder.⁴³¹ Auch die Professorengehälter flossen zu einem Großteil in das Projekt; die Professoren selbst erhielten nur ein kleines Taschengeld. Nach der Eröffnung des Konvikts mussten sie finanziell ebenso zu dessen Betrieb beitragen, denn man wollte die Seminaristen und vor allem deren Vorgesetzte nicht durch den vollen Preis für die Unterkunft abschrecken. 1907 hatte das Albertinum noch immer Schulden in Höhe von 400.000 Schweizer Franken; davon waren jährlich mindestens 20.000 zu tilgen. Zu zahlen waren außerdem die Gehälter für den Rektor des Konvikts, die Dienstboten und die Schwestern (je 2.000 CHF jährlich), die Steuern beliefen sich auf 4.000 CHF. Mäzene und andere Wohltäter des Albertinums gab es kaum, denn die Öffentlichkeit ging fälscherlicherweise davon aus, dass die Dominikanerprofessoren dieselben Gehälter beziehen würden wie die übrigen Professoren der Universität und somit gut gestellt seien. Ein weltlicher Professor bekam zwischen 6.000 und 8.000 CHF, ein Dominikanerprofessor jedoch nur 2.500 CHF.⁴³² Während seines Vikariats achtete Zapletal von Anfang an sehr auf Gesundheit und Befinden der Mitbrüder, ebenso auf ihr Vorankommen in der theologischen Or-

 AA FZapletal.  AGOP XI. 15345.  Vgl. den Budgetplan für den Bau und detaillierte Anweisungen, die dem Brief Cormiers an Zapletal vom 10. 2.1906 beigelegt waren. AA FZapletal. Weiteres wurde im Frühjahr und Sommer 1906 verhandelt. Vgl. die erhaltene Korrespondenz im AA FZapletal und AGOP XI. 15345.  AGOP XI. 15320.  Zapletals Bericht an Cormier und das Kapitel. AGOP IV. 130.

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denshierarchie. Noch während seines ersten Amtsjahres erwirkte er bei Cormier für vier seiner Kollegen die Ernennung zum Magister der Theologie. Ihm nämlich schien es schlicht und einfach ungerecht, dass Männer wie Rollmann, del Prado, LangenWendels und Fei nach so vielen Jahren Lehrtätigkeit nur deswegen übergangen wurden, weil ihnen für eine gründliche Vorbereitung auf gesonderte Prüfungen die Zeit fehlte.⁴³³ Was die Gemeinschaft am stärksten belastete, waren die theologischen und ideologischen Differenzen. Während der Fastenzeit 1906 weilte Zapletal kurz in Rom. Wieder zurück in Fribourg, erhielt er am 12. April ein Schreiben von Cormier, in dem dieser ihn instruierte, wie sich dem schwierigen Zusammenleben im Dominkanerkonvent begegnen ließe: „Ich sage unseren Patres, wenn sie sich in derartigen Fällen beunruhigt zeigen, immer wieder: Kümmern wir uns nicht darum, was ein Angehöriger dieses oder jenes Ordens, ein Kanonikus oder ein Prälat sagen könnte. Fürchten sollten wir uns vor allem vor den Schlägen aus den eigenen Reihen. Vor allem dann, wenn manche ihre Texte sofort als unabänderliche Urteile veröffentlichen, noch dazu in selbstsicherem und scharfen Ton, mit heimlichem Spott und einem Gefühl der Herablassung gegen die, die anders denken, anstatt dass sie die Ergebnisse ihrer Arbeit in aller Bescheidenheit zunächst als Texte vorlegen, die erst zu bewerten und zu bedenken sind.“⁴³⁴ Ende Mai dankte Cormier für die Glückwünsche und Gebete zu seinem Geburtstag: „Wir sind nicht nur ein Orden, sondern auch eine Familie […]. Möge es mir vergönnt sein, den Rest meiner Kräfte zum Wohle dieser Familie einzusetzen. Die allgemeine Sorge um den Orden hindert mich aber nicht daran, unserem Werk in Fribourg besondere Aufmerksamkeit und Fürsorge zu schenken […]. Am Donnerstagabend habe ich dem Hl. Vater im Rahmen einer Audienz gedankt […], und er geruhte zu antworten, dass er aufgrund unserer Treue zur katholischen Lehre in Predigt, Schule und an den Universitäten von uns nur Gutes zu hören bekäme. Diese spontane Erklärung vor den Vertretern des gesamten Ordens hat mich gefreut und ich dachte mir, dass gerade Fribourg daran auch seinen Anteil hat.“⁴³⁵ Im Frühjahr 1906 bestand Hoffnung, dass ein weiterer Dominikaner aus der Provinz Böhmen als Professor für Kirchengeschichte in deutscher Soprache das Kollegium verstärken würde. Es handelte sich um Pater Wilhelm Schlössinger OP, einen Kandidaten Zapletals, und Cormier versprach, den Vorschlag zu überdenken und mit dem böhmischen Provinzial zu verhandeln.⁴³⁶ Zapletal betonte, dass er Schlössinger zwar nur einmal während der letzten Ferien in Olmütz/Olomouc gesehen, aber einen guten Eindruck von ihm gewonnen habe.⁴³⁷ Schlössinger lehrte in Olmütz/Olomouc

    

Vgl. die Briefe von Zapletal an Cormier vom 14.02.1906 und 19.12.1906. AGOP XI. 15345. AA FZapletal. Cormier an Zapletal, 29.5.1906. AA FZapletal. Cormier an Zapletal, 24. und 26.4.1906. AA FZapletal. Zapletal an Cormier, 1.5.1906. AGOP XI. 15340.

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Kirchengeschichte, Hebräisch, Kirchenrecht und Neues Testament.⁴³⁸ Mehrere Jahre hatte man in Fribourg nach einem Professor für Kirchengeschichte gesucht und schließlich zwei Kandidaten in die engere Wahl gezogen: Schlössinger und Maurus Knar⁴³⁹ aus Österreich, der soeben in Graz seinen Doktortitel erworben hatte. Zapletal wollte mit aller Vehemenz Schlössinger durchsetzen: „Pater Knar ist sehr intelligent und widmet sich der Exegese des Alten Testaments. Ich habe mit ihm als Nachfolger für mich selbst gerechnet. Es wäre schade, ihn nun zum Historiker zu machen. Ich bin also für P. Schlössinger, der sich gern der Geschichte widmen möchte und bereit ist, nach Fribourg zu kommen. Er ist Deutscher und spricht eigentlich gar kein Tschechisch, und sein Name ist auch deutsch […]. Sein Provinzial ist einverstanden, er meint nur, dass er zu jung sei, um Professor an der ,berühmten’ Universität in Fribourg zu werden.“ Zapletal schlug sogar vor, dass die Provinz Teutonia im Falle von Schlössingers Ernennung einen Ersatz nach Olmütz/Olomouc schicken könne.⁴⁴⁰ Cormier jedoch favorisierte Knar. Zapletal bat daher Mandonnet um eine Empfehlung. Mandonnet sprach sich ebenfalls für Schlössinger aus, wie Zapletal dem Ordensmeister berichtete: „Falls ihm die Schlolastik nicht liegt, kann er immer noch ein guter Historiker werden. Vor allem aber muss die Ernennung eines weltlichen Priesters verhindert werden.“⁴⁴¹ Zwei Tage später, am 10. Mai 1906, gab Zapletal jedoch auf: „Ich hatte zu keinem Zeitpunkt etwas gegen P. Knar, im Gegenteil […], ich wollte nur die Kräfte des Ordens nicht vergeuden, und wenn man dereinst einen Professor für die alttestamentliche Exegese brauchen wird, wird die Suche möglicherweise schwieriger sein als im Falle eines Historikers, auch wenn es im Augenblick nicht so aussieht.“⁴⁴² Cormier wollte die Gelegenheit nutzen, eine Professorenstelle mit einem hoffnungsvollen Dominikanergelehrten zu besetzen. Nach Knars Berufung blieb Zapletal daher im Albertinum der einzige Professor aus der Provinz Böhmen.⁴⁴³ Als Vikar des Albertinums und Pythons Freund sorgte Zapletal dafür, dass die Be-

 Wilhelm Schlössinger, geboren 1880, trat 1898 in den Orden ein. Er kam im Herbst 1941 tragisch zu Tode, nachdem er von den Nationalsozialisten aufgrund seiner besonderen heilerischen Fähigkeiten der „Zauberei“ beschuldigt und verhaftet worden war. Vgl. Černušák / Prokop / Němec, Historie dominikánů v českých zemích, S. 152.  Maurus Knar (1878 – 1948) trat 1900 in den Orden ein und war in den Jahren 1904– 1906 Lektor für alttestamentliche Exegese und Hebräisch am Ordensstudium in Graz.  Zapletal an Cormier, 18.4.1906. AGOP XI. 15340.  So das Urteil von Mandonnet nach einem Brief Zapletals an Cormier, 8.5.1906. AGOP XI. 15340.  Zapletal an Cormier, 10. 5.1906, AGOP XI. 15340.  Zur selben Zeit zeichnete sich ab, dass Dr. Max Dvořák, ein bedeutender Kunsthistoriker tschechischer Herkunft, von Wien nach Fribourg berufen werden sollte. Die Verhandlungen endeten jedoch in einer Affäre, denn Decurtins engagierte Dvořák eigenmächtig, während der Staatsrat die Stelle inzwischen an einen anderen Kandidaten vergeben hatte. Dvořák musste für seinen unfreiwilligen Verzicht mit der beträchtlichen Summe von 10.000 CHF entschädigt werden.Vgl. Büchi, Gründung und Anfänge, S. 40; Fry, Die Anfänge der Universität Freiburg, S. 69 f.

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stellung des neuen Professors bei der Kantonsregierung reibungslos vonstatten ging.⁴⁴⁴ Im Juni 1906 kam Cormier wegen der Kapelle, der allgemeinen Finanzlage und dringlicher Personalfragen – im Übrigen vorrangiges Thema der beiderseitigen Korrespondenz – nach Fribourg. Schon am 1. Mai hatte Zapletal unter Verweis auf sein „Dekanatsmemorandum“ von 1899 geklagt: „Seit zehn Jahren mahne ich, man solle an unsere Nachfolge denken[,] und wurde damals für ,naiv’ gehalten. Nun, das sind die Folgen.“⁴⁴⁵ Doch nicht nur den Professor für Kirchengeschichte wählten sie gemeinsam aus. Der Weggang einer ganzen Reihe weiterer Professoren drohte. Weiß, Mandonnet, Rollmann und Schlincker wollten aus gesundheitlichen Gründen aufhören. Langen-Wendels und Munnynck sollten in ihre Mutterprovinzen zurückkehren. Zapletal kämpfte für den Verbleib der etablierten Professoren und konnte durch persönliche Bitten und Überzeugungsarbeit die unerwünschten Abgänge aufschieben oder gar ganz verhindern. 1908 wollte die belgische Provinz Prof. Munnynck zurückberufen. Dieser hatte sich noch zwei Jahre zuvor, als er gerade neu an die philosophische Fakultät gekommen war, auf die Seite der Laienprofessoren und gegen seine Ordensbrüder gestellt. Jetzt antwortete Zapletal auf Cormiers Nachfrage, dass er den Weggang Munnyncks „mit aller Kraft zu verhindern“ gedenke. „Ich weiß, dass er gern bleiben würde, aber er kann sich natürlich nicht gegen seine Provinz stellen.“ Warum der Vikar ihn in Fribourg halten wolle? „Anfangs gab es gewisse Verdrießlichkeiten […], aber er hat sich in keinster Weise kompromittiert und […] dazugelernt. Sein Weggang würde einen äußerst schlechten Eindruck machen. Er ist ein guter Lehrer[,] und die Leute schätzen ihn!“⁴⁴⁶ Den Weggang eines Kollegen versuchte Zapletal nur dann nicht zu verhindern, wenn ihm ein Verbleib in Fribourg aus persönlichen oder professionellen Gründen unmöglich erschien.⁴⁴⁷ Bei der Auswahl neuer Professoren beharrte er darauf, dass sie den akademischen Kriterien genügen müssten. Auf den Vorschlag, dass der bisherige Professor für Moraltheologie die Kirchengeschichte übernehmen solle, antwortete er am 12. Juni 1906 entrüstet in einem neunzehnseitigen Brief an den Ordensmeister: „Ich bin nun bereits seit 13 Jahren in Fribourg und habe Angriffe von unseren Patres ebenso wie von fremden Menschen erduldet, selbst in Zeitungen und Zeitschriften.Wenn man so mitten auf einem Schlachtfeld lebt, wird man am Ende müde! Man muss die Situation der Dominikaner in Fribourg endlich begreifen. Man muss das hier mit Liebe führen, aber doch auch gerecht und unparteiisch. Man sollte denjenigen, die wirklich arbeiten, das Leben nicht noch schwerer machen; auch sollte man nicht aus falschen Motiven heraus Patres in Fribourg belassen, die es ständigen Angriffen aussetzen. Wenn wir Professoren an der Universität haben wollen, was für unseren Orden ganz sicher von Vorteil ist, sollten wir auch die unerlässlichen Vorkehrungen dazu treffen    

Zapletal an Cormier, 4.6.1906. AGOP XI. 15345. Zapletal an Cormier, 1.5.1906. AGOP XI. 15340. Zapletal an Cormier, 28.5.1908. AGOP XI. 15345. AGOP XI. 15320. 15345. AA FZapletal.

3.3 Das Krisenjahr 1906

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und unser Werk nicht zu einer ,capuciniére’ verkommen lassen.“⁴⁴⁸ Zapletal betrachtete eine Dominikanerfakultät an einer staatlichen Universität als Glücksfall; kurz nach Gründung des dominikanischen Collegium Angelicum in Rom im Jahre 1909 schrieb er an Ordensmeister Cormier hinsichtlich einer Entsendung junger Dominikaner zu höheren Studien: „Wir können ein Collegium in Rom gründen, aber auch in Zukunft wird es Patres geben, die lieber nach Fribourg kommen, denn Rom wird ihnen nicht das bieten können, was Fribourg bietet, wo ihnen neben unseren eigenen Vorlesungen auch Kurse an der philosophischen, juristischen und naturwissenschaftlichen Fakultät offen stehen.“⁴⁴⁹ In demselben Brief kommt er auch auf die Sorgen um die Finanzierung der Kapelle und deren Fertigstellung zu sprechen. Als Vikar oblag Zapletal auch die Leitung der Gesellschaft des hl. Pius V. und damit die Gesamtverantwortung für die Finanzierung des dominikanischen Werks in Fribourg. Die Diskussion um eine optimale Gestaltung der Kapelle des Albertinums setzte sich durch das ganze Jahr 1906 fort.⁴⁵⁰ Zugleich beschloss der Staat den Bau einer neuen Kantonsbibliothek. Um ihren guten Willen zu bekunden, verkauften ihm die Dominikaner dafür als Baugrund einen Teil des Albertinumgartens.Wie der Brief vom 29. Oktober 1906 zeigt, waren sie aber wenig begeistert von den Plänen des Kantons, das erworbene Grundstück ganz und gar zu bebauen. Zapletal bat Python daher, dass die neuen Gebäude vorwiegend auf einem entfernter gelegenen Teil des Grundstücks errichtet würden⁴⁵¹, abgerückt vom Garten des Albertinums. Doch diese Intervention war nicht von Erfolg gekrönt. In einem Brief vom 19. Dezember 1906 bilanzierte Zapletal das erste Jahr seines Vikariats: „Ehrwürdiger Vater, ich habe Ihnen zu danken, für all die Güte, die Sie uns erwiesen haben, besonders in diesem Jahr. Ich werde das niemals vergessen und kann Ihnen versichern, dass keiner der Fribourger Dominikaner dies tun wird […]. Ansonsten schreiten die Angelegenheiten hier insgesamt voran[,] und ich würde fast sagen gut. Verschiedentlich gibt es kleine Ärgernisse, aber das kann ja auch gar nicht anders sein. Zumal es sich hier um Professoren handelt, die in der Regel alle mehr oder weniger nervös sind. Ich will dieses Schreiben nicht unnütz in die Länge ziehen, wir sind Ihnen vieles schuldig.“⁴⁵² Von jener überdurchschnittlichen nervlichen Überlastung des Professorenstandes, die Zapletal anspricht, nahm er sich selbst in keiner Weise aus und machte auch keinen Hehl aus ihr. Als er von den Mitgliedern der  Zapletal an Cormier, 12.6.1906. AGOP XI. 15345. „Capuciniére“ ist eine zeitgenössische (antiklerikale) Bezeichnung für alles Rückwärtsgewandte, Rückständige und Obskure in der katholischen Kirche (kirchliche Bräuche, bestimmte Einrichtungen und Ausdrucksformen der Frömmigkeit). Das Wort spielt auf den Habit der Kapuziner an, der das Gesicht verdeckt, zugleich verweist es auf ihren vor allem in Italien großen Einfluss auf die Gläubigen und an die von ihnen propagierte und nicht selten ans Abergläubische grenzende Volksfrömmigkeit.  Zapletal an Cormier, 10. 5.1909. AGOP XI. 15345.  Vgl. Cormiers Brief an Zapletal, 20.9.1906. AA FZapletal; sowie Zapletals Briefe an Cormier vom 11.4.; 14.4. und 17.4.1906. AGOP XI. 15340.  AEF Zapletal.  Zapletal an Cormier, 19.12.1906. AGOP XI. 15345.

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Markomannia, einer Verbindung deutscher Theologiestudenten, zum Ehrenmitglied gewählt wurde, dankte er für diese Ehre, legte zugleich aber die Gründe dar, warum er zögerte, sie anzunehmen. Er wisse aus langjähriger Erfahrung, erklärte er gegenüber dem Präses der Verbindung am 9. Dezember 1906, dass er aufgrund seiner zahlreichen Verpflichtungen und zum Teil auch wegen seiner Nervosität seine Pflichten als Ehrenmitglied einigermaßen oder gar vollständig vernachlässigen werde.⁴⁵³ Das Amt des Vikars bedeutete für Zapletal vor allem zusätzliche Sorgen über die wissenschaftlichen und pädagogischen Pflichten hinaus. Neben den allfälligen Aufgaben eines Vikars hatte er den fünfköpfigen Ausschuss der Gesellschaft des hl. Pius V. zu leiten, war Mitglied einer dreiköpfigen Kommission für die Fertigstellung von Konvikt und Kapelle, einer fünfköpfigen Kommission zur Ausarbeitung einer Konviktsordnung und einer weiteren fünfköpfigen Kommission der Universität für Angelegeheiten der Professoren.⁴⁵⁴ Kein Wunder, dass er am 12. Juli 1907, anderthalb Jahre nach seiner Ernennung zum Vikar, in einem Brief an Alois Musil klagt: „Die Leitung und Verwaltung des hiesigen Hauses verschlingt meine ganze Zeit.“⁴⁵⁵ Auch Pater Weiß brachte sich in Erinnerung und verfasste am 26. Januar 1907 einen weiteren umfangreichen Bericht in französischer Sprache. Seiner Ansicht nach mangele es der Universität und insbesondere der Fakultät an einer Autorität und einer festen, beständigen Führung. Die Professoren seien in Lager geteilt, und jeder sage etwas anderes: „Wir sind stolz, wenn die Studenten versuchen, modern zu sein, wollen aber nicht, dass sie sich öffentlich zum Modernismus bekennen. Aber die Studenten sehen genau, dass wir untereinander uneins sind[,] und verlieren das Vertrauen in die Lehre, sie versuchen, die Dinge selbst zu beurteilen[,] und so entwickeln sie ein Gefühl von Autonomie. Wir wundern uns zu spät, dass sie Dummheiten machen, die uns kompromittieren.“ All dies erfordere das Eingreifen einer übergeordneten Autorität, ein entschlossenes und wirksames Eingreifen. Die Mehrheit der Modernisten, so Weiß, sei verwirrt vom Schweigen der kirchlichen Autorität, die nicht gegen ihre Ansichten einschreite. Es sei deshalb notwendig, sie schnell die helfende Hand einer festen Führung spüren zu lassen, denn das Gewirr der Irrtümer verfestige sich allmählich zu einem System, dass kaum noch niederzuringen sei. Die Desorientierung dauere nun schon zwölf Jahre und werde immer schlimmer. Inzwischen genüge es nicht mehr, nur ein paar Thesen zu verurteilen, wie anfangs. Damals seien Fehler gemacht worden, auch indem einige Autoren problematischer Schriften vom Papst empfangen worden seien, so dass man ihre Irrtümer sozusagen toleriert und damit eigentlich erlaubt habe. Umgekehrt würden die Antimodernisten als wissenschaftlich rückschrittlich verfolgt, und zwar mit Schadenfreude und Ironie, durch die sich Periodika wie etwa die Révue biblique hervortäten, während deren Herausgeber und die Jerusalemer École biblique schon mehrfach von kirchlichen Autoritäten empfohlen worden seien.⁴⁵⁶    

AA FZapletal. AAlb A/7 (1906). MV FMusil, Inv.-Nr. H 19.472/11. AGOP XI. 15320.

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Es handelt sich hier um einen indirekten, aber durchaus deutlichen Angriff auf das späte Pontifikat Leos XIII., der sich seit Ende der 1880er Jahre für eine Erneuerung des intellektuellen kirchlichen Lebens eingesetzt hatte. Weiß rief nach einer Rückkehr in die Zeit des Syllabus und in Verhältnisse, wie sie unter dem Pontifikat der meisten Päpste des 19. Jahrhunderts geherrscht hatten. Sein Ruf nach Kontrolle sollte bald erhört werden. Obwohl er beim Ordensmeister selbst keine Unterstützung für seinen Feldzug gegen seine Mitbrüder fand, hatte er doch in Rom genügend einflussreiche Fürsprecher und erfreute sich der Freundschaft des mächtigen Kardinals Vives y Tutó, der in der Bibelkommission saß.⁴⁵⁷ Auch der Wiener Kardinal Gruscha und andere hohe kirchliche Würdenträger standen auf seiner Seite.⁴⁵⁸ Zufällig erhielt Cormier tags darauf, am 27. Januar 1907, auch einen Brief von Zapletal, in dem er den Ordensmeister davon unterrichtete, dass die Professoren der theologischen Fakultät einen offiziellen Protest gegen die Artikel in der Liberté und im Giornale d’Italia vom 25. Januar vorbereiteten: „Ich denke aber, dass man zunächst herausfinden muss, wie man in Rom über uns denkt. Sind die ,Studienkongregation’ oder der ,Vatikan’ wirklich mit unserer theologischen Fakultät unzufrieden[,] und erwägen sie tatsächlich, einige Professoren zu zensieren? Ist es Herrn Decurtins gelungen, uns anzuschwärzen? Decurtins, der zu Weihnachten in Rom war, wo er dem Vernehmen nach gegen einige französische Laienprofessoren und auch gegen einige Dominikanerpatres gesprochen haben soll (gegen P. de Munnynck, P. Mandonnet und mich), ist ein kranker, labiler Mensch. Dennoch schadet er uns sehr, weil man ihn im Ausland noch nicht kennt“, schrieb Zapletal und beteuerte, dass er die weitere Entwicklung, vor allem aber die Meinung und die Anweisungen Cormiers abwarten werde.⁴⁵⁹ Cormier hatte somit zeitgleich zwei Darstellungen vorliegen, die einander in vieler Hinsicht widersprachen. Nach kurzem Bedenken schrieb er am 30. Januar an Zapletal und versuchte, die Situation zu beruhigen. Gerede über Fribourg sei ihm selbst nicht zu Ohren gekommen, nicht einmal von Decurtins’ Rombesuch habe er gewusst. Und auch seitens des Papstes hätte es während seiner Audienz am 28. Dezember 1906 keinerlei Anspielungen auf etwaige Probleme gegeben.⁴⁶⁰ Kardinal Satolli, der Präfekt der Studienkongregation, habe ihm Anfang Januar seine Unterstützung zugesagt und sogar geäußert, dass in Fribourg seiner Meinung nach alles in Ordnung sei. Nichtsdestoweniger habe er vor, sich in den allernächsten Tagen erneut an den Kardinal zu wenden. Insgesamt meine er aber, dass es unnötig sei, etwas zu unternehmen. Gute Arbeit sei die beste Verteidigung.

 Gemeinsam mit Kardinal Merry del Val und Kardinal De Lai gehörte Vives y Tutó zu den drei einflussreichsten Kardinälen des Pontifikats Pius’ X. Vgl. Emile Poulat, Intégrisme et catholicisme intégral. Un réseau secret international antimoderniste: La „Sapinière“, Paris 1969, S. 587.  Vgl. Weiß, Modernismus, S. 212.  Zapletal an Cormier, 27.1.1907. AAlb L 9/1. Vgl. Barthélemy, Documents, S. 300.  Da man die Bewilligung des Magistertitels für den ehemaligen Fribourger Professor Joachim Josef Berthier verhandelte, wird die Situation an der Fakultät wohl zur Sprache gekommen sein.

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Diesem ermutigenden Teil ließ Cormier weitere Ausführungen folgen, in denen sich Weiß’ Mahnungen und Beschwerden spiegeln. Er, Cormier, halte es für ebenso unangebracht, diejenigen anzuschwärzen und zu verleumden, die sich bemühten, die Erkenntnis der Wahrheit voranzutreiben, wie umgekehrt die zu ironisieren und ins Lächerliche zu ziehen, die traditionelle Positionen und Methoden verteidigen. Er sehe auch keinen Grund dafür. Zwar seien modernistische Tendenzen überall verbreitet, aber die Patres in Fribourg hätten genügend Intelligenz und Gewissen, um sich über solch schädliche und dunkle Strömungen zu erheben. Sollte Zapletal etwas Wichtiges beobachten, möge er ihn unverzüglich davon in Kenntnis setzen, denn es sei besser, die Probleme ordensintern zu lösen, als sie den römischen Kongregationen vorzulegen: „Mit dem Heiligen Vater ist trotz seiner gewohnten Güte nicht zu scherzen.“⁴⁶¹ Er habe, so Cormier weiter, am 2. Februar 1907 Kardinal Satolli besucht und dabei erfahren, dass Decurtins vor dessen Kongregation während seines Rombesuchs keinerlei Beschwerden gegen die Dominikaner vorgetragen habe, zumindest in dieser Kongregation also nicht. Cormier schließt seinen Brief mit einer Ermutigung: „Immer weiter, immer besser.“⁴⁶² Satolli⁴⁶³, der Präfekt der Studienkongregation, stand den Dominikanern schon deshalb nahe, weil er zu den bedeutenden Protagonisten des Neuthomismus gehörte. Darüber hinaus sah er sich in einer gewissen Konkurrenz zu der mächtigen Konsistorialkongregation und deren Sekretär De Lai.⁴⁶⁴ Satolli versuchte mit seiner Kongregation ein gewisses Gegengewicht zu schaffen. Ein Vorteil für die inkriminierten Professoren aus Fribourg war sicher, dass Berthier, Mitbegründer der Fribourger Fakultät und Intimfeind von P. Albert Maria Weiß, Konsultor der Studienkongregation war. Über die Jahre trafen bei dieser Kongregation zahlreiche Denunziationsschreiben ein, die dort zwar registriert, aber nicht weiter verfolgt wurden.⁴⁶⁵

 AAlb L 9/1.  AAlb L 9/1. Beide Dokumente auch in Barthélemy, Idéologie, Documents, S. 300 f.  Francesco Satolli (1839 – 1910), ab 1880 Professor für Dogmatik am Seminario Romano, 1888 Erzbischof von Lepanto (Naupactus), 1892 Apostolischer Delegat in den USA, 1895 Kardinal, seit 1897 Präfekt der Studienkongregation.  Gaetano De Lai (1853 – 1928), begann sofort nach der Priesterweihe im Jahre 1876 seine Karriere bei der Kurie. 1903 Sekretär des Konklaves, ab 1907 Kardinal, ein Jahr später Ernennung zum Sekretär der Konsistorialkongregation, deren Präfekt der Papst selbst war. Die Befugnisse der Konsistorialkongregation wurden – vor allem durch das Recht zur Ernennung der Bischöfe und die Aufsicht über die Priesterseminare – spürbar gestärkt. 1911 zum Bischof geweiht und zum Mitglied der Kongregation für die Ordensleute und des Heiligen Offiziums berufen, war er einer der mächtigsten Männer an der Kurie unter dem Pontifikat Pius’ X. sowie ein Freund und Vertrauter des Papstes. Vgl. Petráček, Bible a moderní kritika, S. 88 – 92, 127 f, 255 f.  Vgl. Weiß, Modernismus, S. 218.

3.4 Neue Herausforderungen

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3.4 Neue Herausforderungen Erstmals seit der Gründung des Vikariatshauses konnten die Dominikaner aus dem Albertinum einen Vertreter zum Generalkapitel des Predigerordens entsenden, das 1907 in Viterbo in Italien stattfinden sollte.⁴⁶⁶ Gleich zu Jahresanfang forderte Cormier Unterlagen zur Situation der Ordensprofessoren in Fribourg an, die Zapletal ihm, mit Anmerkungen versehen, zukommen ließ.⁴⁶⁷ Die Patres schlugen vor, das Kapitel solle die Situation des Albertinums definitiv klären und Regeln für das gemeinschaftliche Leben aufstellen, die Vollmachten des Vikars festlegen sowie die Modalitäten seiner Wahl. Sie wünschten darüber hinaus, der Orden möge sich zu ihrer Tätigkeit in Fribourg bekennen und ihr Werk somit gewissermaßen rechtlich verankern.⁴⁶⁸ Auf einer Sitzung des Hausrats am 13. März 1907 beschlossen sie nach längerer Verhandlung zunächst, einen Vertreter zu entsenden, zu dem sie Zapletal bestimmten.⁴⁶⁹ Dessen Begeisterung hielt sich offenbar in Grenzen, doch ließ er sich letztendlich überzeugen, dass das Albertinum eine solche Gelegenheit wahrnehmen müsse,⁴⁷⁰ zumal er selbst bereits acht Jahre zuvor in seinem Bericht genau dies eingefordert hatte.⁴⁷¹ So entschloss er sich, dem Generalkapitel einige Korrekturen in den Hausregeln des Albertinums vorzuschlagen, und erarbeitete innerhalb von zwei Wochen ein mehrseitiges Memorandum. Im Großen und Ganzen bestätigte es den Status quo, gab dem Vikariatshaus aber zugleich einen festeren rechtlichen Rahmen und stärkte seine Autonomie. Auf der Sitzung des Hausrats vom 28. März 1907 legte er diesen Entwurf zunächst seinen Mitbrüdern vor.⁴⁷² Unterdessen war ein achtseitiger, in vieler Hinsicht von Zapletals Vorstellungen abweichender Entwurf für eine Neuordnung der Gemeinschaft im Albertinum entstanden, der dem Generalkapitel in Viterbo vorgelegt werden sollte. Cormier ließ ihn Zapletal zur Stellungnahme zukommen. Dieser würdigte die Bemühungen, machte aber eine Reihe kritischer Anmerkungen. Für besonders gefährlich hielt er die Veröffentlichung dieser Anweisungen in den Akten des Kapitels, da dadurch eventuell der Rechtsstatus der Gesellschaft Pius’ V. gefährdet sei; auf deren Bestand aber gründeten die Rechts- und Eigentumsverhältnisse der Dominikaner in Fribourg. Es sei völlig ausreichend, diese Neuordnung der Gemeinschaft dem Archiv des Albertinums zu übergeben. Ebenso zieht Zapletal eine öffentliche Wahl des Vikars einer geheimen Briefwahl vor. Im Hausrat sollten außerdem weiterhin alle Professoren vertreten sein, nicht nur fünf ausgewählte Patres wie im Orden der Fall, denn die Verhältnisse in Fribourg seien ja doch spezifisch. Auch die übrigen der insgesamt elf Anmerkungen

      

Cormier an Zapletal, 21.1.1907. AAlb L 9/1. AGOP IV. 130. Zapletal an Cormier, 16.1.1907. AGOP XI. 15345. AAlb A7. Zapletal an Cormier, 15. 3.1907. AGOP XI. 15340. Vgl. Zapletals Bericht an den Ordensmeister vom 26.6.1899. AGOP XI. 15310. AAlb A7.

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verteidigen den besonderen Status der Gemeinschaft und ihre Rechte.⁴⁷³ Zapletal nahm schließlich am Generalkapitel teil und hielt sogar eine Rede, deren Hauptpunkte er den Kollegen nach seiner Rückkehr auf der Ratssitzung vom 2. Juni vorstellte. Einmal mehr ging es ihm dabei – was kaum überraschen wird – um die Ausbildung neuer Professoren sowie die finanzielle Absicherung von Fakultät und Albertinum.⁴⁷⁴ Im Übrigen hatte er Cormier und die Capitulares von seinen Vorschlägen überzeugen können, so dass die Beschlüsse eindeutig zu Gunsten Fribourgs ausfielen. Der Orden würdigte den Eifer und die Leistungen der Fribourger Dominikaner und nahm auch den lobenden Brief Pius’ X. vom Februar 1906 in die Kapitelsakten auf. Die konkrete Ausarbeitung der Statuten, die die „kanonische Existenz“ des Albertinums definitiv sichern sollten, legte das Kapitel gänzlich in die Hände des Ordensmeisters. Zapletal hatte außerdem durchgesetzt, dass man vorausblickend Professoren heranzog, die den Doktortitel einer staatlichen Universität trugen. Alle Provinziale seien aufgerufen, geeignete Studenten aus den Reihen des Ordens zu höheren, spezialisierten Studien nach Fribourg zu entsenden. Alle Mitglieder des Dominikanerordens sollten die theologische Fakultät Fribourg Interessenten aus verschiedenen Orden und zwischen Seminaristen.⁴⁷⁵ Es war also nicht verwunderlich, dass Zapletal seine Teilnahme am Kapitel als nützlich empfand.⁴⁷⁶ Während der Frühlingsmonate 1907 fragte das österreichische Kultusministerium erneut bei Zapletal nach, ob er bereit sei, eine Professur für Exegese in ÖsterreichUngarn zu übernehmen. Zapletal nahm die Sache ernst und beantragte am 1. Juni beim Schulministerium des Kantons Fribourg eine Bescheinigung über seine Qualititäten als Professor. Die Bewertung seiner Person fiel höchst günstig aus, sie lobte sein vorbildliches Auftreten und Verhalten, seine wissenschaftliche Arbeit und sein Engagement für die Studenten, deren Achtung er genieße. In seinem Begleitschreiben teilte Python mit, dass ein derartiges Angebot von einer der großen Universitäten des Kaiserreichs der Universität Fribourg zwar zu großer Ehre gereiche; zugleich aber würden es alle sehr bedauern, wenn Zapletal Fribourg tatsächlich verlassen würde.⁴⁷⁷ Allerdings waren Wechsel von Fribourg an große, etablierte Universitäten gang und gäbe; sie stärkten das Prestige der Universität, schwächten sie freilich in personeller Hinsicht. Allein an die Prager Universität hatte Fribourg den Rechtshistoriker Adolf Zycha (1902) und den Juristen Wenceslav Graf Gleispach (1906) verloren. Doch Zapletal sah auch Gründe, die für einen Verbleib sprachen: die in Angriff genommene Arbeit, die dankbaren Studenten, die im Vergleich zur Monarchie größere persönliche, politische und innerkirchliche Freiheit und nicht zuletzt die Sympathie und Unterstützung Pythons. Die letzte Entscheidung hatte der Ordensmeister; er wollte seinen Mann im Albertinum nicht verlieren.     

Entwurf und Zapletals Anmerkungen. AGOP III. 130. AAlb A7. Vgl. Acta Capituli Generalis Diffinitorum Ordinis Praedicatorum Viterbii, Romae 1907, S. 72 f. Zapletal an Cormier, 1.6.1907. AGOP XI. 15340. AEF Zapletal.

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Zapletal hingegen verlor zwei seiner engsten Kollegen. Rollmann hatte bereits 1905 seine Freistellung von der Lehre beantragt. Damals hatte ihm der Ordensmeister nicht entsprochen. Dem erneut eingereichten Antrag vom 1. Dezember 1907 gab er jedoch statt, und somit trat Rollmann im Sommersemester nicht mehr an. Außer einer geschwächten Gesundheit und dem Verlust seines Studieneifers machte Rollmann geltend, dass sein „Äußeres nicht dazu angetan [sei], das Vertrauen der Studenten zu erwecken (sic!) […]. Und gleichzeitig bin ich so müde, dass ich meine Vorlesungen nicht fortführen kann […]. Ich bitte Sie, mein Gesuch anzunehmen und mir die sofortige Rückkehr in die Provinz Böhmen zu gestatten.“⁴⁷⁸ Cormier teilte Zapletals Bedauern über Rollmanns Ausscheiden, glaubte aber, dass sich dessen Gesundheitszustand an weniger exponierter Stelle bessern könne.⁴⁷⁹ Rollmann wurde später Prior in Olmütz/Olomouc, wo er auch Vorlesungen hielt. Im Sommer 1907 ließ sich auch Schlincker aus gesundheiltichen Gründen für ein Jahr beurlauben. Er vertrat die gleichen wissenschaftlichen Positionen und exegetischen Methoden wie Zapletal und hatte ihm mehrfach als Zensor und Korrektor seiner Arbeiten gedient. Da sich sein Befinden entgegen aller Hoffnungen nicht besserte, verließ er 1908 Fribourg endgültig. An die Stelle der beiden traten neue, deutlich konservativere Professoren: Dominikus Maria Prümmer für Mannes Rollmann und Ambroise Montagne für Reginald Schlincker. Die progressiven Theologen im Albertinum erfuhren dadurch eine erneute Schwächung.

3.4.1 Probleme mit dem Kommentar zum Hohelied Neue Probleme ließen nicht lange auf sich warten. Zapletal stellte seinen Kommentar zum Hohelied fertig und übergab die kleine Schrift der Ordenszensur. In der Beantragung des Imprimatur vom 4. April 1907 informierte Zapletal Cormier über die Gutachter und fügte hinzu: „Ich mache Sie schon vorab darauf aufmerksam, dass mein Buch viel Aufsehen erregen wird, aber lassen Sie mich nur mit ihnen aneinandergeraten, ich bin es schon gewohnt. Wenn ich mich andauernd wegen irgendeines Geschreis vorsähe, dann hätte ich bis heute nichts geschrieben. Obwohl ich meine Arbeiten normalerweise sofort nach ihrer Fertigstellung publiziere, ist dieses Buch ein ganzes Jahr lang in meiner Schublade herangereift.“⁴⁸⁰ Obgleich Zapletal bereits ein Jahr zuvor versprochen hatte, dass er sich bei diesem Buch bemühen werde, jeden Skandal zu vermeiden, sollte ihm das dennoch nicht gelingen.⁴⁸¹ Zwar genehmigten

 Rollmann an Cormier, 1.12.1907. AGOP XI. 15300. Als einen von vier möglichen Nachfolgern nannte er auch einen Dominikaner aus der böhmischen Provinz: Professor P. Bertrand Žižlavský OP aus Olmütz/Olomouc.  Cormier an Zapletal, 6.12.1907. AAlb L 9/1.  AAlb L 9/1. Vgl. auch Barthélemy, Idéologie, S. 301.  Zapletal an Cormier, 18.4.1906. AGOP XI. 15340.

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die beiden Zensoren Manser⁴⁸² und Knar den Kommentar, doch einer Passage konnten sie nicht zustimmen: „P. Zapletal streitet ab, dass Salomo der Autor des Hohenliedes sein könne. Auch wenn dies keine Frage ist, die den Glauben an sich betrifft, scheint uns die Meinung des Autors doch einigermaßen gefährlich, denn wir finden die ausschließlich philologischen Argumente des Autors nicht völlig überzeugend[,] und zweitens steht die gesamte katholische Tradition ausnahmslos hinter Salomo.“⁴⁸³ Cormier fand die Schlussfolgerung der Rezensenten nicht hinreichend. Es genüge nicht, dass ein Werk im Sinne der Doktrin unschädlich sei, es müsse einen „Beitrag zur Bildung der christlichen Herde“ leisten. Dies und andere Richtlinien zur Veröffentlichung von Studien, die sich mit der Heiligen Schrift beschäftigten, brachte er in einem Brief vom 25. April in Erinnerung. Zapletals Entschlossenheit, sich mit seinen Gegnern auseinanderzusetzen, betrachtete er als lobenswert, allerdings nur, sofern es sich um Rationalisten oder Protestanten handele: „Zu Ihrem eigenen Wohl und zum Wohl des Ordens sollte man eine Überarbeitung der Schlussfolgerungen erwägen, die aus Sicht der Kirche und der Tradition als zu gewagt erscheinen.“ Die Dominikaner müssten besonders in Fribourg mit Hinblick auf die Aufgabe, die der Heilige Stuhl ihnen anvertraut habe, nicht nur alles vermeiden, was die Vorschriften in irgendeiner Form verletze, sondern auch alles, was aus der Sicht der höchsten Autorität als nicht konform genug (minus conforme) erscheinen könne. Daher halte er, Cormier, es letztendlich auch im Interesse des Buches für klüger, die Sache noch persönlich zu besprechen. Zapletal solle das Manuskript mitbringen, damit der Ordensmeister auch die Ansichten der Patres Esser und Kaiser⁴⁸⁴ einholen könne, und zwar „weniger zum wissenschaftlichen als zum moralischen Aspekt des Buches und zu seinem Nutzen für die Kirche und den Orden.“⁴⁸⁵ Cormier und Zapletal trafen sich zu Beginn des Generalkapitels in der Kirche Santa Maria della Quercia bei Viterbo zum Fest der Krönung Mariä, wo sie u. a. diese Angelegenheit besprachen. Nach weiteren Konsultationen hatte der Ordensmeister beschlossen, Zapletal eine Lösung vorzuschlagen. Da ihm bewusst war, dass Zapletal nicht begeistert sein würde, legte er ihm seine Sicht der Dinge ausführlich dar. Es sei gewissermaßen Mode geworden, dass auch junge, völlig unerfahrene Autoren die Autorschaft biblischer Bücher anzweifelten oder direkt in Abrede stellten. Zapletal gereiche es nur zur Ehre, sich von diesen zu distanzieren und damit mehr Weitblick, Mäßigung und Respekt zu beweisen. „Die erwähnten Tendenzen zwingen den Heiligen Stuhl zum Handeln, und es bleibt uns nichts anderes übrig, als alles zu vermeiden, was den Eindruck erwecken könnte, dass wir sie vielleicht unterstützen. Übrigens haben wir gerade die Anweisung erhalten (die mir der Hl. Vater gestern persönlich

 Dominikaner, Professor für Logik, Ontologie und Geschichte der Philosophie des Mittelalters.  Gutachten in italienischer Sprache vom 13.4.1907. AGOP XI. 15310bis. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 301 f.  Maurus Kaiser OP (1851– 1916), seit 1889 Professor für Moraltheologie am römischen Ordensstudium Minerva, ab 1910 am Angelicum, Berater der Ordensmeister Frühwirth und Cormier.  AAlb L 9/1. Vgl. Barthélemy, Documents, S. 302.

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bestätigt hat), jede Publikation, und sei es auch nur in Auszügen, der Arbeit P. Lagranges über das Buch Genesis zu unterbinden. Dies sind die Richtlinien, die man in Betracht ziehen muss, nicht etwa nur, weil es sich um die höchste Autorität handelt, sondern auch, weil sie die verursachten Schäden genauer sieht.“ Zu Zapletals Kommentar wandte Cormier ein: „Salomo die Autorschaft eines Buches abzusprechen, das ihm auf Schritt und Tritt, im Messbuch, im Brevier u. ä. ausdrücklich zugeschrieben wird, muss dem Orden, Fribourg und dem Autor schaden. Dieser kann zwar, ohne dass die Kirche diese Ansicht verurteilen würde, sagen, dass einige Exegeten, die das Buch ausschließlich anhand immanenter Merkmale studiert haben, glauben, behaupten zu können, dass es nicht von Salomo stamme. Er muss aber hinzusetzen, dass er persönlich die Beurteilung, inwieweit diese Forschungsergebnisse die herrschende Kirchentradition verändern könnten, kompetenteren Personen überlasse.“ Darüber hinaus empfahl Cormier Zapletal, seine Übersetzung noch einmal durchzusehen, um Formulierungen auszuschließen, die die derzeit überempfindlichen Ohren allzu sehr schockieren könnten: „Sie werden mir sagen, dass ich sehr viel von Ihnen verlange. Ich bitte Sie, mir zu verzeihen. Schließlich handelt es sich nicht um ein polemisches Werk, dessen Umstände eine augenblickliche Veröffentlichung verlangen. Es handelt sich um ein fundamentales Werk, um das WORT GOTTES, und wir müssen um jeden Preis vermeiden, dass die Rationalisten unsere Arbeit missbrauchen und in ihr Anzeichen eines Entgegenkommens erblicken. Im Übrigen sind wir keine franc-tireurs, die sich ihrer Freiheit auf eigenes Risiko und eigene Gefahr bedienen können. Wir sind Mitglieder eines Ordens.“⁴⁸⁶ Augenscheinlich zögerte Zapletal in seiner Reaktion auf diese Einwände und suchte nach Wegen, seine Überzeugung als Bibelwissenschaftler zu vertreten. Am 14. Juni 1907 verfasste er sogar eine elfseitige Verteidigung der Freiheit der Exegese. Er habe nach den Gesprächen in der Quercia doch die mündliche Zusage zum Imprimatur erhalten, so dass er nicht begreife, warum der Ordensmeister einer Veröffentlichung neue Steine in den Weg lege. „P. Kaiser sagte mir, dass sich das Hohelied aus wissenschaftlicher Sicht nur schwerlich anders verhandeln lasse, als ich es getan habe. P. Esser habe ich die Frage gestellt: Wenn ich einen doppelten Sinn zugestehe […] (ebenso wie Bossuet usw.) und einer Autorschaft Salomos nicht zustimme, ja sogar das Gegenteil behaupte: Kann man mich dafür in Rom drankriegen (also verurteilen)? Ich meine nicht. P. Michel, den ich hinsichtlich des Autors befragt habe, antwortete mir, das Buch könne nur gewinnen, wenn es nicht von Salomo stammt, und P. del Prado teilte mir mit: Wenn Sie es belegen, ist es nur eine Kleinigkeit. Die Kirche hat sich zu der vorliegenden Frage nie geäußert, und sofern in der Liturgie von ‚Salomo’ die Rede ist, meint man die ‚Sprüche Salomos’, ähnlich wie ‚David’ den Psalter meint. Ich habe übrigens aufgrund der Ermahnungen meine Behauptungen gemäßigt und denke nicht, dass ich zu weit gegangen bin. Meiner Ansicht nach wurde nicht das ganze Buch von einem einzigen Autor verfasst, aber ich behandle diese Frage nicht, um keine unnötigen Schwierigkeiten hervorzurufen und auch, weil ich sie in einem

 AAlb L 9/1. Vgl. Barthélemy, Documents, S. 303.

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Kommentar nicht behandeln muss. Schließlich ist das doch eine literarische Frage, zu der sich die Kirche bisher nicht geäußert hat, und falls sie sich äußert, wird sie sicherlich nicht sagen, dass das Buch von Salomo stammt, denn das entspricht nicht der Wahrheit. Was die Übersetzung betrifft, habe ich ein ganzes Jahr lang daran gearbeitet, die Formulierungen zu mäßigen, und mehr kann ich nicht tun, sonst könnten mich die Leser einen Lügner oder zumindest doch einen Narren schimpfen. Ich habe zwar meine Fehler, aber ein Lügner bin ich nicht […]. Übrigens enthält mein Buch so viele hebräische Ausdrücke und wird so teuer sein, dass es nicht in die Hände von Kindern geraten und sie somit auch nicht gefährden kann […]. Sie fordern von den Zensoren eine positiver formulierte Absegnung meines Buches […], ja, am besten wäre es, wenn sie erklären könnten, dass mein Buch sich mit den jüngsten Instruktionen des Heiligen Stuhls in Einklang befindet. Meiner Ansicht nach ist die Wahrheit ihrem Wesen nach immer katholisch […]. Persönlich habe ich mir nur eines vorzuwerfen: dass ich in meinem Buch zu konservativ bin, wie übrigens in allen meinen Texten. Ehrwürdiger Vater, ich bitte Sie, mir Ihr Urteil bald zu übersenden […], wenn das Buch nicht herausgegeben werden soll, wird es weniger Geld kosten, wenn ich die Vorbereitungen zum Satz abbreche […]. Dann stellt sich freilich auch die Frage meiner Zukunft, wie ich Ihnen bekennen muss. Ich könnte in dem Falle nicht mehr über die Exegese schreiben und auch keine Vorlesungen mehr darüber halten, denn ich kann nicht das Gegenteil von dem lehren, was ich denke […]. Verzeihen Sie gütigst die Sorgen, die ich Ihnen bereite, aber versuchen Sie bitte auch zu verstehen, dass ein Mensch, der auf Anweisung des Ordens sein Leben einem bestimmten wissenschaftlichen Fach weiht und gewissenhaft darin arbeitet, dann aber mit jeder Publikation auf derartige Schwierigkeiten stößt, am Ende den Mut verlieren muss.“⁴⁸⁷

Dieses einzigartige Bekenntnis des katholischen Exegeten änderte jedoch nichts an der Haltung des Ordensmeisters. Am 20. Juni versuchte Cormier erneut, Zapletal die Motive für seine Vorsicht darzulegen. Auch Esser rate zu Vorsicht, und der Ordensmeister fügte hinzu: „Sollten Sie fürchten, dass ich mich irre oder übertreibe, seien Sie versichert, dass ich mich keinesfalls nur auf meine eigene Meinung stütze. Im Gegenteil, ich bin bereit, jeden, der kompetent ist, zu konsultieren, und lasse gerne von meinem eigenen Urteil ab, besonders, wenn es mir Gelegenheit gibt, Ihnen meine Gewogenheit und meinen guten Willen von neuem zu bekunden. Die Garantie oder Sicherheit, dass ich nicht verurteilt werde, stellt zweifellos einen Wert dar, aber da wir von Gott und der Kirche mit so vielen Gaben bedacht sind, sollten wir nach höheren Zielen streben […]. In Fribourg haben wir einen Grund mehr, den Absichten des Hl. Vaters zu dienen, denn dort sind wir auf Grund seiner Gnade, um nach seinen Weisungen unsere Arbeit zu tun.“⁴⁸⁸ Indessen dauerte die Suche nach dem optimalen Wortlaut für ein Imprimatur an. Es sollte so positiv formuliert sein, dass es Cormier zufriedenstellte, zugleich aber mussten auch die beiden Zensoren noch bereit sein, es zu unterzeichnen. Zapletal war von diesem Geschehen inzwischen vermutlich enttäuscht. Am 3. Juli 1907 schrieb er: „Ich schlage Ihnen folgendes vor und denke, dass dies mein letzter Vorschlag ist: Ich streiche das Kapitel über den Ursprung des Hohenliedes ganz, um alle Probleme zu

 Zapletal an Cormier, 14.6.1907. AGOP XI. 15340.  AAlb L 9. Vgl. Barthélemy, Documents, S. 303 f.

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vermeiden, und schicke die Korrekturen des Buches an P. Kaiser. Falls er befindet, dass ich irgendwo irre, nehme ich die notwendigen Korrekturen vor.“⁴⁸⁹ Cormiers umgehende Antwort vom 5. Juli verrät seine Freude über Zapletals Entschluss. Gleich zu Anfang dankt er für die Bereitschaft, das strittige Kapitel zu streichen. Gewissermaßen zum Trost will Cormier die noch offene Frage der kirchlichen Bewilligung klären: „Und so wird sich mit etwas gutem Willen alles richten, und dabei vermeiden wir, ohne den Ruhm Gottes oder Ihre Verdienste zu schmälern, all die Unannehmlichkeiten, deren Schwere ich mir nur zu bewusst bin. Sie gewinnen dadurch viel auch in meinen Augen und mit Ihnen unser Werk in Fribourg. Adieu. Schicken Sie es, wann immer Sie wollen. Ich segne Ihre Feder und Ihr Herz.“⁴⁹⁰ Zapletal dankte noch am 20. Juli 1907 für das Imprimatur,⁴⁹¹ und dem Druck stand nichts mehr im Wege. Den Bewilligungsprozess fasste er in einem Brief an Alois Musil vom 27. Oktober 1907 wie folgt zusammen: „Habent sua fata libelli! Eineinhalb Jahre ist das Manuskript schon fertig. Zweimal war es in Rom, die Korrekturfahnen ebenfalls […]. Sie können sich sicher denken, wie viel Beharrlichkeit ich aufbringen musste, damit das Buch erscheinen konnte. Auch die Indexkongregation hatte das Manuskript.“⁴⁹² Durch diese Bereitschaft, sich Cormier unterzuordnene, habe Zapletal, wie Barthélemy meint, dessen unbedingtes Vertrauen gewonnen, und das sei für die Schlacht, die es drei Jahre später zu schlagen galt, entscheidend gewesen.⁴⁹³ Womöglich misst er der Angelegenheit aber zu viel Bedeutung bei. Schon die Korrespondenz aus dem Jahre 1906 und die Berufung des relativ jungen und, ob nun zu Recht oder Unrecht, kontroversen Zapletal zum Vikar zeigen, dass der Ordensmeister, der alle Dominikaner Fribourgs persönlich kannte, sich „seinen“ Mann im Albertinum bereits zu einem früheren Zeitpunkt ausgesucht hatte. Zapletals Einverständnis war im Übrigen alles anderes als eine leichte Geburt. Ein halbes Jahr hatte er sich geweigert, die vorgeschlagene Lösung zu akzeptieren. Erst als sich abzeichnete, dass die Genehmigung des Buches keine rein formale, administrative Angelegenheit war, sondern sich zu einer mehrmonatigen Diskussion auswuchs, bei der sich auch, nicht ohne einen gewissen Alibilismus, ansonsten bewährte Zensoren gegen ihn stellten, änderte er höchst widerwillig seinen Standpunkt. Aber auch dies tat Zapletal auf seine Weise. Hatte er in der ersten Verärgerung das Kapitel noch vollständig streichen wollen, ersetzte er es nun durch ein anderes, wobei er, wie wir noch sehen werden, sehr „tschechisch“ vorging. Cormiers Haltung in seiner Funktion als Ordensmeister ist freilich mehr als verständlich. Abgesehen davon, dass ihm bibelkundliche Fragen und moderne Exegese eher fern lagen, hatte er die widrigen Umstände zu bedenken. Es waren schlechte Zeiten für progressive Bibelwis    

AGOP Secr. 14. Vgl. Barthélemy, Documents, S. 304. AGOP Secr. 14. Vgl. Barthélemy, Documents, S. 304. AGOP XI. 15340. MV FMusil. Inv.-Nr. H 19. 472/12. Vgl. Barthélemy, Idéologie, S. 105.

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senschafter. Kardinal Merry del Val hatte dem französischen Jesuiten Albert Condamin wegen der These vom Deuterojesaja gerade erst die Veröffentlichung eines Kommentars untersagt. Am selben Tag, dem 27. Mai 1907, hatte auch Cormier ein Schreiben von Merry del Val erhalten, das auf strengste anmahnte, jegliche Arbeiten an einer eventuellen Publikation von Lagranges Genesis-Kommentar augenblicklich einzustellen. Zapletals Kommentar wäre sicher ein ähnliches Schicksal beschieden gewesen. Er hätte sich zwar in guter Gesellschaft befunden, aber sein Buch wäre vermutlich ebenso lange in der Schublade verschwunden wie Lagranges Kommentar zur Genesis. Die Vorstellung, dass Arbeiten weiterer Ordensbrüder verboten würden, musste Cormier Angst machen. Da er die römischen Verhältnisse gut kannte, war ihm sicherlich auch die Vorbereitung der Enzyklika Pascendi und des Dekrets Lamentabili nicht entgangen, die bald darauf herausgegeben wurden. Die beiden Lehranstalten der Dominikaner in Jerusalem und Fribourg existierten erst seit 16 bzw. 17 Jahren, und der Heilige Stuhl selbst hatte sie dem Orden anvertraut. Die École biblique in Jerusalem und die Theologische Fakultät in Fribourg zu verlieren, hätte den Predigerorden insgesamt, seine Stellung, seine Projekte und seine Pläne gefährdet, und dies umso mehr, wenn dieser Verlust mit dem ernsthaften Verdacht doktrinärer Unzuverlässigkeit und mangelnden Papsttreue einherging. Zapletal begriff die Dimension des Problems und fügte sich zähneknirschend, wenngleich sein wissenschaftliches Ehrgefühl litt. Eine wichtige, möglicherweise sogar entscheidende Rolle mochten dabei auch Zapletals Sympathien für Cormier gespielt haben – ihm wollte er sich nicht mit seiner ganzen kämpferischen Unnachgiebigkeit entgegenstellen. Zudem hatte er den Wunsch, sein Werk, wenn auch in beschnittener Form, der Öffentlichkeit zu präsentieren. Ein leidvoller Prozess, doch der Kommentar erschien. Wie der Autor in seiner Einleitung vom Juli 1907 erklärt, steht die metrische und kritische Untersuchung des hebräischen Textes im Zentrum, so dass sich die Auslegungen auf den literarischen und nicht auf den mystischen oder allegorischen Textsinn beziehen. Eventuelle Einwände gegen ein zu großes Interesse an ägyptischen und arabischen Parallelen entkräftet er vorab. Diese Parallelen dienten nur dazu, „um einmal klar zu machen, dass, wie ich gegen viele behaupte, nur die Idee des Hohenliedes im allgemeinen, nicht jedes Wort allegorisch oder mystisch zu erklären ist.“ Und er fordert die zukünftigen Kritiker auf: „Wegen der von mir bis jetzt gemachten Erfahrungen bitte ich alle, die über meine Schrift urteilen, besonders aber solche, die sie verurteilen wollen, dieselbe zunächst ganz zu lesen. Die Politik des Vogels Strauß, der man in vielen Schriften über das Hohelied begegnet, kann uns heutzutage keinen Dienst leisten.“⁴⁹⁴ Dem rekonstruierten Text, der wie bei einem klassischen Bibelkommentar mit einer detaillierten linguistischen Analyse⁴⁹⁵ und einer deutschen Übersetzung verse Das Hohelied, S. VIf.  Zapletals Ausführungen sind auch heute noch für die Wissenschaft von Nutzen: Vgl. beispielsweise Jean Emmanuel De Ena, Sens et interprétations du Cantique des Cantiques. Sens textuel, sens directionnels et cadre du texte, Paris 2004, S. 329, 377, 391.

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hen ist, stellt er 60 Seiten Einleitung voran, die vom Namen des Buches, seiner Gliederung und Einheit handeln sowie Überlegungen zu seiner literarischen, mystischen, aber auch mythischen Deutung enthalten. Den Schluss bildet das heikle Kapitel über die Autorschaft und die Stellung des Buches im Kanon des Alten Testaments. Zapletal sichert sich weitblickend ab. Die Zahl ägyptischer und vor allem arabischer Parallelen, die mit dem Text des Hohenliedes völlig übereinstimmten, sei so enorm, dass der biblische Text darunter beinahe ganz verloren gehen könne. Die Formulierungen des Hohenliedes seien also, wie Zapletal folgerte, zweifellos der Liebeslyrik entlehnt, es gebe zahllose literarische Parallelen.⁴⁹⁶ Sicherlich hätten aber die katholischen Integralisten keine ethnographischen Vergleiche angestellt, etwa in Hinblick auf die syrischen Hochzeitsrituale. Die historischen und ethnographischen Belege für orientalische Hochzeitsrituale, bei denen der Bräutigam als König bezeichnet wird, sollten im Übrigen nur diejenigen zur Vorsicht mahnen, die dazu tendieren, nur aufgrund dieser Anrede Salomo die Autorschaft zuzuschreiben. Darüber, dass der Aufbau des Textes für ein Hochzeitslied charakteristsich sei, bestünde Einigkeit unter den Kirchenvätern. Zapletal verteidigt das Hohelied außerdem gegen den Vorwurf der Obszönität und hält es keineswegs für unwürdig, theologischen Wahrheiten in Form eines Liebesliedes Ausdruck zu verleihen. Am Freudenfest der Hochzeit und an der Ehe, die übrigens für die alten Israeliten obligatorisch und selbstverständlich war, sei nichts Ungehöriges. Das Verhältnis zur Nackheit sei bei den orientalischen Völkern vor dem Aufkommen des Islams viel offener gewesen, als es scheinen mag. Schließlich besänge das Alte Testament vielfach die Schönheit des menschlichen Körpers.⁴⁹⁷ Kann man also die Beziehung von Braut und Bräutigam als Beziehung der Kirche zu Gott deuten? Ganz sicher! Schließlich sei die natürliche Liebe auch in persischen und indischen Gedichten ein Bild für die Liebe Gottes. Die beste Methode zur Deutung einer unklaren Perikope sei die Heranziehung anderer biblischer Passagen. Daher stellte Zapletal in seiner Studie von Hosea über Hesekiel und Jesaja bis zum Neuen Testament eine ganze Reihe von biblischen Texten vor, die auf einer Liebes- und Ehesymbolik basieren.⁴⁹⁸ Deutet Zapletal den allegorischen Sinn des Hohenliedes nur an, so geht er auf die mythologische Deutung zeitgenössischer Exegeten, die im Hohelied das mythische Eindringen solarer, lunarer und astraler Elemente suchten, ausführlich ein, um sie zu widerlegen.⁴⁹⁹ Die mehrmonatige Verzögerung der Veröffentlichung und die Probleme mit dem Imprimatur waren vor allem dem Kapitel über die Entstehung des Buches geschuldet, das Zapletal am Ende resigniert wegließ. Doch schließlich arbeitete er es um – in ein Kapitel über den Autor. Das Hohelied, so Zapletal, erwecke den Eindruck einer Liedsammlung, die aus der Feder desselben Autors stamme. Aber wer ist dieser Autor? Dem Titel nach König Salomo, doch stamme der Titel nicht vom Autor des Buches,    

Das Hohelied, S. 7– 15. Das Hohelied, S. 30 – 40. Das Hohelied, S. 44– 49. Das Hohelied, S. 52– 56.

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sondern aus späterer Zeit. Die jüdische und christliche Tradition betrachte Salomo vor allem wegen der charakteristischen, auch aus anderen biblischen Büchern bekannten Züge dieses Königs als Autor. Im Hohelied werde sein Name zwar viermal genannt, jedoch stets in der dritten Person. Andererseits sprächen einige sprachliche Elemente, die Zapletal genauestens aufzählt, für eine spätere Entstehungszeit. Als Beweis für das hohe Alter des Textes und für Salomos Autorschaft gelte gemeinhin, dass Zitate aus dem Hohelied in den ältesten prophetischen Schriften enthalten sind. Diese Argumentation kann Zapletal überzeugend widerlegen. Auch zitiert er moderne Bibelwissenschaftler, die das Hohelied wie Halévy in die Zeit um 340 v.Chr. oder wie Buddy in das dritte bis zweite Jahrhundert v.Chr. datieren. Allzu skeptische Positionen, die das Hohelied mit spätgriechischen Vorbildern in Verbindung bringen, zieht er freilich in Zweifel. Zapletal enthält sich explizit eines eigenen Urteils, entschuldigt sich und verspricht seinen Lesern, Autorschaft und Datierung des Buches ein andermal zu behandeln.⁵⁰⁰ Wem sein Herz und sein Verstand wirklich gehören, wird aus der Ausführlichkeit der Argumentation und ihrer Formulierung deutlich. Die Tradition kann nichts als sich selbst und einige indirekte Andeutungen für sich geltend machen. Die sprachlichen, lexikalischen und historischen Belege sprechen für eine spätere Entstehung. Genau so versteht es der tschechische Rezensent des Buches, Prof.Václav Hazuka, wenn er festhält: „Er verteidigt einen einzigen Autor, spricht sich aber weder für eine bestimmte Person, noch einen Ort oder eine Zeit aus, sondern führt nur verschiedene Meinungen an.“ Hazuka betrachtet die Schrift als weiteren Baustein zum kritischen Gesamtwerk des „gelehrten Dominikaners“, das „die beste Apologie für die Möglichkeiten einer katholischen Wissenschaft“ sei.⁵⁰¹ Lagrange bringt in seiner Rezension Zapletals Ansicht offen auf den Punkt: Das Hohelied ist eine Liedersammlung, die in ihrer ursprünglichen Anordnung belassen wurde. „Autor gibt es im Übrigen vielleicht nur einen. Nichts verrät, wann er genau gelebt hat; belegen lässt sich, dass es sich um die hellenistische Epoche gehandelt haben muss, ganz sicher aber war es sehr viel später als Salomo.“ Schließlich lobt er Zapletal, der „seine philologischen Kenntnisse und seine persönliche Erfahrung mit dem Orient glänzend in Anschlag gebracht hat.“⁵⁰² Obwohl die Kollegen aus den Reihen der Exegeten Zapletals Botschaft zu deuten wussten, zahlte sich die Zurückhaltung in den Formulierungen aus, und das Buch rief 1907 bei den freiwilligen Wächtern der Rechtgläubigkeit keine unerwünschte Aufmerksamkeit mehr hervor.

 Das Hohelied, S. 57.  ČKD 49 (1908), S. 82– 83.  RB 5 (1908), S. 308 f.

3.4 Neue Herausforderungen

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3.4.2 Das Dekret Lamentabili und die Erlasse der Bibelkommission Kurz nach dem Abschluss des komplizierten Bewilligungsverfahren für den Kommentar zum Hohenlied gab das Heilige Offizium das Dekret Lamentabili sane exitu (3. Juli 1907) heraus, das in 65 Thesen zu den Wissenschaften, der Deutung der Heiligen Schrift und den fundamentalen Dogmen die Irrtümer der neuen Zeit verurteilte. Namen wurden dabei zwar nicht genannt, doch war leicht zu erkennen, dass man vor allem die von der historisch-kritischen Bibelwissenschaft und insbesondere die von Alfred Loisy vertretenen Ansichten im Visier hatte.⁵⁰³ Lagrange als führender Kopf der progressiven Bibelwissenschaftler war nun darum bemüht, deutlich zu machen, dass gerade seine Schule die verurteilten Thesen schon immer direkt oder indirekt bekämpft habe. In der Révue biblique vom Oktober 1907 veröffentlichte er einen Kommentar mit dem Titel Das Dekret „Lamentabili sane exitu“ und die historische Kritik, in dem er optimistisch erklärte: „Eine gesunde Kritik hat von einer gesunden Theologie nichts zu befürchten.“⁵⁰⁴ Die Liste der modernen Irrlehren wurde drei Monate später durch die Enzyklika Pascendi vervollständigt; mit ihr fand der Begriff „Modernismus“ Eingang in die offiziellen kirchlichen Dokumente.⁵⁰⁵ Beiden lehramtlichen Deklarationen folgte in den Jahren 1908 bis 1913 ein ganzer Katalog von Disziplinarmaßnahmen. Diese richteten sich gegen Bücher und Zeitschriften, die unter Modernismusverdacht standen, und natürlich auch gegen deren Autoren. Unter ihnen fanden sich Angehörige der christlichen Sozial- und Gewerkschaftsbewegung ebenso wie Mitglieder und Fürsprecher der katholischen prodemokratischen und prorepublikanischen Parteien, aber auch Philosophen, Exegeten, Theologen und Schriftsteller. Mit den Disziplinarstrafen und Sanktionen verbanden sich zugleich auch Präventivmaßnahmen. Die Enzyklika Pascendi forderte eine gründliche personelle Säuberung an den theologischen Fakultäten und Seminaren, die Ernennung von Zensoren für alle katholischen Publikationen und die Schaffung von Kontrollgremien in jeder Diözese. Die Bischöfe und Ordensoberen hatten alle drei Jahre einen Bericht über die Situation in ihren Diözesen und Konventen nach Rom zu schicken. In den Bibelwissenschaften führte man den Kampf gegen das Vordringen „modernistischer“ Gedanken vor allem über die Dekrete der Bibelkommission, die in den Jahren 1905 bis 1910 insgesamt fünf Beschlüsse zur Deutung des Alten Testaments herausgab. Das erste Dekret vom 23. Juni 1905 nahm Stellung zu den so genannten historischen biblischen Büchern. Dabei ging es um die Frage, ob diese Bücher auch Passagen enthalten, die nicht oder nur teilweise in einem wörtlichen Sinne als geschichtiche Darstellung gelesen werden können, die also vielmehr in Form einer historischen Erzählung Wahrheiten ausdrücken oder erklären, die nicht auf der fak-

 Vgl. Dansette, Histoire, S. 685.  RB 4 (1907), S. 543 f.  Vgl. Arnold, Kleine Geschichte, S. 89 – 119.

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tisch-historischen Realität des Berichteten gründen. Die Kommission verneinte dies. Ausgenommen hiervon seien lediglich die Allegorien und Gleichnisse, die der inspirierte Verfasser verwende.⁵⁰⁶ Mit seiner Samson-Deutung, in der er gerade dieses, nun verbotene exegetische Konzept vertreten hatte, konnte Zapletal nun leicht anecken. Schicksalhaft für Lagranges Genesis-Kommentar⁵⁰⁷ war die am 27. Juni 1906 erfolgte Stellungnahme der Kommission zur Autorschaft des Pentateuchs. Die von der kritischen Bibelwissenschaft zusammengetragenen Argumente seien nicht hinreichend, um eine authentisch mosaische Autorschaft des Pentateuchs anzuzweifeln, meinte die Kommission und schloss aus, dass Mose möglicherweise nicht der Autor wäre, sondern der Pentateuch auf mehrere und größtenteils jüngere Quellen zurückginge. Gelten ließ die Kommission jedoch die Theorie von Moses „Sekretären“, die dieser mit der Niederschrift seines Werkes betraut habe. Damit erkannte sie zugleich auch an, dass Mose selbst ältere Traditionen sowie mündliche und schriftliche Quellen verwendet haben könnte. Spätere Glossen, Hinzufügungen und Kommentare räumte das Dekret ebenfalls ein. Zapletal arbeitete zwar nach der Quellentheorie, wich einer Datierung oder rigiden Aufteilung des Genesis-Textes nach einzelnen Quellen jedoch geschickt aus. Nirgends behauptet er einen Jahwisten (JHWH-Quelle) oder den Priesterkodex, ebenso wenig aber verneint oder bejaht er explizit eine Autorschaft Moses. Kein literarisches Argument allerdings spreche dagegen, Kern und Inhalt der Genesis in die Zeit des Exodus zu datieren. Zapletal verstieß damit nicht offen gegen das Dekret, er unterlief es vielmehr. Ihm ein Verschulden wider die Doktrin an einer konkreten Formulierung nachzuweisen, wäre für einen Zensor schwierig gewesen. Dass Rom ein direktes Verbot der Einleitung zum Jesaja-Kommentar aussprach, den Albert Condamin verfasst hatte, war vor allem der Unterscheidung eines „ersten“ und eines „zweiten“ Jesaja (Deuterojesaja) geschuldet. Das Verbot wurde durch einen Beschluss der Bibelkommission vom 19. Juni 1908 umgehend bestätigt. Sie bezeichnete die Annahme, dass der zweite Teil des Buches (Jes 40 – 66) auf einen unbekannten Propheten zurückgehe, der mit dem Propheten Jesaja, dem Verfasser der vorangehenden Kapitel, nicht identisch sei, als unzulässig. Es fehle, so der Standpunkt der Kommission, an Beweisen, um die Autorschaft des Propheten Jesaja anzuzweifeln, und umso weniger könne daher von mehreren Autoren die Rede sein.⁵⁰⁸ Noch als Student in Jerusalem hatte Zapletal einen Exegese-Kurs zu dieser Schrift geleitet, später hatte er sich in seinen Seminaren wiederholt mit den Büchern der Propheten und speziell mit Jesaja beschäftigt (1904/05; nochmals 1906/07)⁵⁰⁹ und

 EB 161.  EB 181– 184. Zum Schicksal von Lagranges Kommentar vgl. Montagnes, Marie-Joseph Lagrange, S. 214– 219.  EB 276 – 280  Vgl. den Bericht 1904/1905, S. 14, sowie den Bericht 1906/1907, S. 18.

3.4 Neue Herausforderungen

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sogar eine kleine Studie darüber publiziert.⁵¹⁰ Zu Datierung und Autorschaft des Buches hatte er sich glücklicherweise nicht geäußert. Eine wirkliche Bedrohung war die offizielle Erklärung zum historischen Charakter der ersten drei Kapitel der Genesis vom 30. Juni 1909. Die Bibelkommission verwarf darin alle exegetischen Modelle, die eine historische Deutung der ersten drei Kapitel im Literalsinn ablehnten. Katholische Exegten mussten von nun an lehren, dass diese Kapitel historische Ereignisse berichten, die der objektiven Realität und historischen Wahrheit entsprechen würden. Untersagt war es, in den Texten märchenhafte, den Mythologien und Kosmogonien antiker Völker entlehnte Stoffe zu sehen, die der inspirierte Verfasser von polytheistischen Irrtümern bereinigt und der monotheistischen Lehre angepasst habe, oder etwa zu behaupten, es handele sich um ein allegorisches und symbolisches Erzählen, das nicht auf historischer Realität basiere, sondern das Gewand einer historischen Darstellung anlege, um philosophische und religiöse Wahrheiten zu vermitteln; auch die Theorie von einer Verflechtung historischer Berichte mit belehrenden Erzählungen fiktiver Art wurde verworfen. Die wesentlichen Fakten der ersten drei Genesis-Kapitel, d. h. die Erschaffung von Frau und Mann, die ursprüngliche Unschuld der Menschen, die Überschreitung des göttlichen Gebots aufgrund der Einflüsterung des Teufels in Gestalt der Schlange, seien unbedingt im wörtlichen Sinn und historisch zu verstehen. Freilich, und das war eine gewisse Abmilderung, hieß es zugleich, man müsse nicht absolut alles, inbesondere nicht die ausgesprochen anthropomorphen und metaphorischen Wendungen, immer nur nach dem Literalsinn verstehen.⁵¹¹ Unschwer lässt sich erkennen, dass das Dekret bestimmte Thesen nennt, die Zapletals Buch über die Deutung des biblischen Schöpfungsberichts aus dem Jahre 1902 vertritt. Noch mehr verblüfft, dass Zapletal seinen Kommentar 1911 erneut herausgab, ohne dass dieser auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt oder der Autor vor das Heilige Offizium geladen worden wäre! In seiner Einleitung zur zweiten Ausgabe, die er Weihnachten 1910 und damit 18 Monate nach der Veröffentlichung des genannten Dekrets verfasst hatte, weist Zapletal jeden Rationalismusvorwurf zurück und wiederholt, dass er seine Auslegung als die ,natürlichste’ verstehe, da sie dem biblischen Text in keiner Weise Gewalt antue. Er hätte sie wohl auch als die ,wörtlichste’ bezeichnen können, wäre das Wort ,wörtlich’ inzwischen nicht so sehr diskredidiert worden. An der Existenz von Quellen, auf die die Schriften des Alten Testamentes zurückgehen, ließ er keinen Zweifel und bekräftigte, dass derjenige im Irrtum sei und den Inspirationsbegriff nicht richtig verstanden habe, der die Quellentheorie für unvereinbar mit dem katholischen Glauben halte.⁵¹² Seine Arbeit wurde zwar von der Indexkongregation verhandelt, aber nicht verurteilt. Grund hierfür  Vincent Zapletal, Zur Metrik von Isaias Kap.VI, in: Florilegium ou Recueil de travaux dédié à M. le marquis de Vogüe, Paris 1909, S. 607– 612.  EB 324– 331.  Vincent Zapletal, Der Schöpfungsbericht der Genesis (1,1– 2,3) mit Berücksichtigung der neuesten Entdeckungen und Forschungen, 2. Aufl., Regensburg 1911, S. VI.

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mögen die geschickten Formulierungen gewesen sein, vielleicht aber auch der Einfluss der dominikanischen Mitarbeiter in beiden Kongregationen und der Umstand, dass das Buch unter dem Pontifikat Leos XIII. sein erstes Imprimatur erhalten hatte. Hätte man es nun verurteilt, wäre auch ein Schatten auf bedeutende kirchliche Würdenträger gefallen. Da es sich um die Bibelkommission handelte und nicht um eine römische Kongregation, warfen einige Kanoniker und Exegeten die Frage nach der Verbindlichkeit der Beschlüsse auf. Pius X. antwortete den Zweiflern am 18. November 1907 mit dem Motu proprio Praestantia Scripturae Sacrae. ⁵¹³ Die Entscheidungen der Bibelkommission hätten die gleiche Autorität und die gleichen rechtlichen Folgen wie die Entscheidungen jeder anderen römischen Kongregation. Ausdrücklich wird erklärt, dass ausnahmlos alle Gläubigen ihr Gewissen den Entscheidungen der päpstlichen Bibelkommission unterzuordnen hätten. Die Verordnungen seien strengstens und universell verbindlich, die Gläubigen müssten ihnen nicht nur nach außen hin anhängen, sondern auch innerlich, mit ihrem Verstand. Wer es ablehne, sich unterzuordnen, mache sich in schwerwiegender Weise des Ungehorsams schuldig, was zur Exkommunizierung führen könne. Einer juristischen Analyse aus dem Jahre 1934 zufolge handelte es sich zwar nicht um eine definitive Kirchenlehre, denn neue Entdeckungen könnten einige Fragen auch neu beleuchten; aber der betreffende Exeget dürfe seine Argumente oder Beweise nicht öffentlich präsentieren, sondern müsse sie der Bibelkommission zur Beurteilung vorlegen.⁵¹⁴ Die sehr diplomatisch formulierte Bilanz, die Kardinal Ratzinger zum fünfzigjährigen Jubiläum der Bibelkommission zieht, sagt über deren Dekrete: „Es ist wahr, dass das Lehramt durch die genannten Entscheidungen den Bereich der Gewissheiten, für die der Glaube garantieren kann, in unangemessener Weise ausgeweitet hat. Es ist also wahr, dass dadurch die Glaubwürdigkeit des Lehramts erschüttert und der Raum für exegetisches Forschen und Fragen unangemessen beschnitten wurde.“⁵¹⁵ Eine ganze Reihe von katholischen Exegeten, die wissenschaftlich arbeiten wollten, musste sich ein anderes Betätigungsfeld suchen. Alois Musil, der bereits 1904– 1905 in Olmütz/Olomouc mit den kirchlichen Autoritäten in Konflikt geraten war – man hatte ihn wegen seiner Lehren angezeigt –, wurde zwar 1908 zum päpstlichen Prälaten (Monsignore) ernannt, aber er kehrte der Exegese lieber den Rücken. Er verlegte sich auf Arabistik und Orientalistik und unternahm ausgedehnte und höchst gewagte Expeditionen in den Nahen Osten.

 EB 283 – 288.  Pirot, Commission Biblique, S. 112 f.  Joseph Ratzinger,Vztah mezi učitelským úřadem církve a exegezí [Das Verhältnis von kirchlichem Lehramt und Exegese], in: Communio 7 (2003), S. 251– 258, hier S. 255.

3.5 Gründung und Spionagetätigkeit der Sapiniére

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3.5 Gründung und Spionagetätigkeit der Sapiniére Die katholischen Theologen und Exegeten sahen sich aber nicht nur durch die offiziellen doktrinären Disziplinarmaßnahmen seitens der kirchlichen Autorität in ihrer Arbeit behindert. Sowohl Einzelpersonen wie etwa P. Albert Maria Weiß als auch bestens organisierte Gruppen ernannten sich gewissermaßen selbst zu Glaubenswächtern und leisteten Überwachungsdienste. Die mächtigste und bekannteste dieser Gruppen war die Sapiniéra, deren Name auf die Abkürzung S. P. für Sodalitium Pianum (Bruderschaft des hl. Pius V.)⁵¹⁶ zurückgeht. Sie organisierte vor allem, und zwar europaweit, Pressekampagnen gegen mutmaßliche „Modernisten“ und übermittelte dementprechende Berichte meist direkt nach Rom. Über die Aktivitäten der Sapiniére sind wir insofern relativ gut informiert, als das Privatarchiv eines ihrer hochrangigen Funktionäre bei der Besetzung Belgiens zu Beginn des Ersten Weltkriegs in die Hände der deutschen Armee fiel.⁵¹⁷ Die Einzelheiten, die nun an die Öffentlichkeit drangen, veranlassten Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri am 25. November 1921 zur Auflösung der Bruderschaft. Die Sapiniére war nicht zuletzt deshalb so gefährlich gewesen, weil sie von 1906 bis 1914 fest mit der Unterstützung der mächtigsten Männer der römischen Kurie sowie des Papstes rechnen konnte. Führender Kopf der Organisation war der italienische Priester Msgr. Umberto Benigni (1862– 1934), der sich zunächst in der katholischen Sozialbewegung engagiert hatte. Bereits 1895 kam er nach Rom, arbeitete für die Vatikanische Bibliothek und lehrte als Professor für Geschichte am Priesterseminar der Diözese Rom. Im Laufe der Zeit schwenkte er auf die Linie der Integralisten ein und wartete auf seine Gelegenheit bei der Kurie; diese kam am 24. Mai 1906 mit seiner Ernennung zum Untersekretär im Staatssekretariat,⁵¹⁸ das zusammen mit dem Heiligen Offizium die mächtigste römische Kongregation darstellt. Als ehemaliger Historiker wusste er Informationen zu sammeln und auszuwerten, als Politiker und Publizist kannte er die Möglichkeiten von Presse und Demagogie. Denunziation gehörte ebenso zu den Methoden der Sapiniére wie öffentliche Hetzkampagnen. Zu diesem Zweck gründete die Organisation von Belgien über Italien bis hin nach Polen zahlreiche Zeitschriften. Aufgrund ihrer rücksichtslosen Attacken gegen Einzelpersonen handelte sie sich bald den Spitznamen „Condotierri der Feder“ oder „Knechte der Rechtgläubigkeit“ ein.⁵¹⁹ Begierig nach Informationen über alles und jeden, suchte Benigni in ganz Europa Informanden, Kontakte und Verbindungen. Ihm ging es um die Einflussmöglichkeiten der Kirche auf die Gesellschaft; Machtspiele und internationale Politik faszinierten

 Papst Pius V. (1566 – 1575), Dominikaner, eine der Schlüsselfiguren der katholischen Reformen im 16. Jahrhundert.  Das dramatische Schicksal dieser Dokumente schildert Poulat, Intégrisme, S. 22– 45.  Der offizielle Name lautet Kongregation für außerordentliche kirchliche Angelegenheiten. Die neue Funktion machte Benigni zum zweitmächtigsten Mann der Kongregation.  Dansette, Histoire, S. 689.

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ihn.⁵²⁰ Die Moderne lehnte er kompromisslos ab. Für ihn war die Welt der Schauplatz eines gigantischen Kampfes zwischen der alten christlichen Zivilisation und der modernen Gesellschaft. Als sich die Kirche nach dem Ersten Weltkrieg von seinen Methoden und seiner Person distanzierte, wurde Benigni zu einem der prominentesten Wortführer des italienischen Antisemitismus und stand in freundschaftlicher Verbindung mit zahlreichen Vertretern des italienischen Faschismus. Karrierist, Antidemokrat, Antisemit, Chef eines Spionageapparats und Faschist – so lässt sich sein Leben und Wirken in Stichworten durchaus treffend charakterisieren.⁵²¹ 1909 beschloss Benigni, sein bereits recht weit gesponnenes Netzwerk institutionell fester zu verankern, und gründete die Sapiniére, eine von Rom aus gelenkte Geheimorganisation, die von England bis Russland über etwa 120 Mitglieder verfügte. Geheimes Mitglied einer örtlichen Filiale konnte jeder Priester oder Laie werden, der sich mit dem Programm und den Statuten identifizierte.⁵²² Obwohl die Organisation der Konsistorialkongregation nahestand und die Kardinäle De Lai⁵²³ und Merry del Val⁵²⁴ sowie Pius X. von ihrer Tätigkeit wussten, konnte Benigni nicht durchsetzen, dass sie kanonischen Status erhielt. Jedes Mitglied war zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet, doch trotz aller Chiffren, Decknamen und anonymisierten Denunziationsmethoden ließ sich die Existenz des Netzwerks nicht völlig verheimlichen. Dank ihrer mächtigen Beschützer erfreuten sich die Integralisten, ungeachtet ihrer moralisch höchst problematischen Vorgehensweise, bis 1914 völliger Straffreiheit. Fehlgriffe und offensichtliches Unrecht nahm man als unvermeidliche „Kollateralschäden“ in einem gnadenlosen Kampf gegen den Liberalismus und die Moderne hin.⁵²⁵ Benigni hielt seine Beschützer Kardinal De Lai und Papst Pius X. regelmäßig über seine Aktivitäten auf dem Laufenden, forderte aber im Gegenzug die ausdrückliche Erlaubnis, die Existenz der Organisation sowie ihrer örtlichen Filialen vor den zuständigen Bischöfen zu verheimlichen. Diese erhielt er zwar nie offiziell, doch in der Praxis wurde die Geheimhaltung vor den örtlichen Bischöfen und Ordensgenerälen toleriert; freilich war gerade dieser Umstand offenbar der triftigste Grund, der Sapiniére den ersehnten kanonischen Status zu verweigern. Kardinal De Lai teilte zwar das Misstrauen gegenüber den Bischöfen, doch als Verwaltungsbeamter wagte er nicht, direkt in deren Hoheitsbereich einzugreifen.⁵²⁶ In kurzer Zeit konnte die Sap-

 Vgl. Poulat, Intégrisme, S. 61 f.  Vgl. Weiß, Modernismus, S. 12.  Statuten, Programm, Chiffren und Decknamen finden sich bei Poulat, Intégrisme, S. 118 – 123 und 161– 175.  Benigni selbst hat vor dem Konklave 1922 seine Beschützer charakterisiert (Original französisch): „De Lai: unter dem Pontifikat Pius’ X. sehr reaktionär im antimodernistischen Kampf, später etwas gemäßigter, um seine Position nicht zu verlieren. Prinzipienlos, beeinflussbar, gewalttätig, launenhaft.“ ASV FBenigni l. 59, n. 9524. De Lai war die große Hoffnung der Integralisten beim Konklave 1914.  Benigni 1922 zu Merry del Val: „Anglo-spanischer Herkunft.Von Natur aus ein Reaktionär, bemüht sich aber um Mäßigung. Ein trotz allem ängstlicher und unsicherer Charakter.“  Vgl. Dansette, Histoire, S. 690 f.  Vgl. Poulat, Intégrisme, S. 64 f.

3.6 Studium der hebräischen Metrik

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iniére ihre Methoden perfektionieren, z. B. das systematische Sammeln von Beurteilungen, die Untergebene über ihre Bischöfe, Provinziale und andere geistliche Vorgesetzte schrieben.⁵²⁷ Hauptkriterien waren dabei die persönliche Rechtgläubigkeit, Loyalität gegenüber den Traditionen der nachtridentischen Kirche, Gehorsam gegenüber dem Heiligen Stuhl, entschlossenes Vorgehen gegen den Modernismus. Umgekehrt disqualifizierte sich, wer gegenüber Personen, die des Modernismus verdächtigt wurden, Toleranz und Duldsamkeit übte.⁵²⁸ Als die Öffentlichkeit erstmals von der Sapiniére erfuhr, ging man zunächst davon aus, dass Papst Pius X. von dieser Organisation, deren Tätigkeit unter keinen Umständen zu billigen war, nichts wusste. Genauere Nachforschungen ergaben jedoch, dass der Papst mindestens drei persönliche Briefe an Benigni geschrieben und das Spionagenetzwerk jährlich mit einer bedeutenden Summe unterstützt hat. Eine der Schlüsselfiguren in dieser Beziehung war der Vertraute des Papstes, P. Giovanni Bressan. Er übernahm geheime Missionen, wenn eine Angelegenheit kein normales Vorgehen erlaubte. Pius X. war, wie sich herausstellen sollte, bestens informiert. Nicht nur einmal gab er detaillierte Anweisungen und machte sich Benignis Dienste auch anderweitig zunutze. Der Historiker Emile Poulat betont, dass die Legende vom bösen Kardinal Benigni, der, gleichsam als verlängerter Arm von Kardinal Merry del Val, dem sanften, frommen Papst die eigene Politik untergeschoben habe, nicht haltbar ist.⁵²⁹ In Fribourg hatte sich rasch eine einflussreiche und gut informnierte Zelle der Sapiniére gebildet, die zweifellos Decurtins und Msgr. Speiser zu ihren Mitgliedern zählte. Letzterer war Professor für kanonisches Recht an der theologischen Fakultät und machte kein Geheimnis aus seiner Abneigung gegen die Trias Allo – Mandonnet – Zapletal. Aber wir wollen den Geschehnissen nicht vorauseilen, denn nach den erhaltenen Dokumenten nahmen die Dauerattacken gegen diese drei Professoren erst 1910 ihren Anfang.

3.6 Studium der hebräischen Metrik Im Herbst 1907 und damit just zu Beginn der sich zuspitzenden Situation schlug der Verleger – aufgrund der Nachfrage – eine Neuauflage von Zapletals Hermeneutik vor. Zapletal ließ den Ordensmeister wissen, dass er das Buch zwar überarbeiten müsse, aber das werde keine Probleme mit sich bringen.⁵³⁰ Bald darauf war er sich schon nicht mehr so sicher. In Zapletals Nachlass hat sich auch ein Exemplar der ersten

 Vgl. Arnold, Kleine Geschichte, S. 131 f.  Vgl. Dansette, Histoire, S. 690.  Einen letzten Segen an „seine geliebten Söhne von der Sapiniére“ sandte Papst Pius X. noch einige Wochen vor seinem Tod am 6. Juli 1914. Zwei Tage nach seinem Tod, am 22. August 1914, beschloss die Führung eine vorläufige Auflösung der Sapiniére.Vgl. Poulat, Intégrisme, S. 65 – 67, 153, 155, 588 f.  Zapletal an Cormier, 24.10.1907. AGOP XI. 15340.

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3 Die Zeit der Prüfungen und Kämpfe

Auflage erhalten, in das der Autor die für die erneute Herausgabe vorgesehenen Ergänzungen und Revisionen eingetragen hat. Gleich zu Beginn der Arbeit merkte er in tschechischer Sprache an: „Ich habe das Manual hauptsächlich für die Studenten geschrieben. Kommt er mit einem Plan für ein anderes, schreibe ich ein anderes. – Dass sie nur nicht irregehen, wenn das Urteil jetzt nicht günstig ausfällt, was ich erwarte. – Ich werde mich schon revanchieren und keine Antwort schuldig bleiben.“ Zugleich aber machte er sich bewusst: „Alles hat sich bisher lobend geäußert: selbst Kard. Pierotti.“ Außerdem notierte er: „Ich werde nicht viel Neues sagen können!“⁵³¹ Die Randglossen erlauben einigen Einblick in die Werkstatt des Exegeten. Mit den Worten: „der masoretische Text enthält auch Glossen: ,Nicht auf dem Bauch liegen vor den Masoreten’“⁵³² kritisiert er den übertriebenen Respekt moderner Bibelwissenschaftler gegenüber einer bestimmten Version der hebräischen Bibel, dem so genannten masoretischen Text. Zum Verzeichnis der Grammatiken altorientalischer Sprachen merkte er an: „Fast alles Protestanten, auch wir sollten hier arbeiten. Und nicht Karten spielen.“ Zur Position der modernen Exegese schrieb er: „Viele, entdecken sie etwas Philologisches in dem Buch, behaupten, dass das keine katholische Exegese sei.“⁵³³ Allgemeineren Charakters ist die Anmerkung: „Gerade ein Priester sollte Hermeneutik lernen, denn er soll den Leuten dann die Hl. Schrift auslegen. Hermeneutik war immer wichtig in der Kontroverse: a) mit den Juden, b) mit den ersten Häretikern und c) mit den Protestanten. Es hängt davon ab, welche Regeln man zugrunde legt!“ Zur Dogmatik merkte er, diesmal auf Deutsch, an: „Keine Entwicklung, aber eine Entfaltung des Dogmas.“ Doch wusste er durchaus auch den Beitrag seiner Kollegen, das heißt anderer katholischer Exegeten zu würdigen: „Wir vergessen die Katholiken. Hier sind die Jesuiten gut im Kurs. – Diese ‚neuen Auslegungen’ sind für gewöhnlich die alten.“⁵³⁴ Zum Kapitel über die eigene Auslegung der Schrift vermerkte er: „Exegese ist schwer! Dass sie sie allein erlernen, können sie sich aus dem Kopf schlagen.“⁵³⁵ Schließlich machte er sich zur Aufgabe: „Über die Verdienste um die Exegese im Dominikanerorden schreiben! Das wäre Teil einer Apologie, denn die Modernen sagen, dass die Katholiken von dem zehren, was die Protestanten herausgeben.“⁵³⁶ Zapletals Anmerkungen auf den Umschlägen der eingegangenen Korrespondenz – sie waren ausschließlich zum eigenen Gebrauch bestimmt und außerdem in seiner Muttersprache verfasst, die ihm als Code für heikle Notizen diente – verraten einiges über seine Situation als katholischer Exeget zur Jahreswende 1907/08. Trotz und vielleicht auch dank aller Ehrlichkeit, allen Bemühens und guten Willens befand er sich in der Zwickmühle: Einerseits sah er sich in der Pflicht, die katholische Inter-

     

Exemplar im AA FZapletal. Ebd., Notiz auf S. 66. Ebd., Notiz auf S. 69. Ebd., Notiz auf S. 123. Ebd., Notiz auf S. 138. Ebd., Notiz auf S. 165.

3.6 Studium der hebräischen Metrik

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pretation der Schrift und des Christentums gegen die immer zahlreicheren Veröffentlichungen von protestantischer und rationalistischer Seite zu behaupten, andererseits waren den katholischen Exegeten durch die Vorgaben seitens der höchsten kirchlichen Autorität die Hände gebunden. Entgegen allen Befürchtungen rief aber auch die zweite Ausgabe der Hermeneutik keine größeren Proteste hervor. Das lateinisch verfasste Handbuch, das sich auf zahlreiche Zitate aus der Enzyklika Leos XIII. und aus den Schriften der Kirchenväter stützt, musste sich keinen Vorwürfen stellen. Konnten sie in den Texten keine Irrtümer bezüglich der Glaubenslehre nachweisen, nahmen die Gegner ganz im Sinne der Enzyklika Pascendi die Lehre ins Visier. Zapletal verteidigte am 24. April 1908 in einem Brief an den Ordensmeister seinen Kollegen Mandonnet, dessen Vorlesungen zur Kirchengeschichte in die Kritik geraten waren: „Die Studenten können im Übrigen aus einem Handbuch lernen, aber man kann die Professoren nicht zwingen, so zu unterrichten, als hätten sie Kinder vor sich.“ Zapletal fügte hinzu: „In der Exegese geht es wieder gegen mich. Ein paar böswillige Leute hetzen gegen mich und wollen mich beseitigen. Nachdem ihrer Suche nach Häresien in meinen Büchern kein Erfolg beschieden war, versuchen sie es nun auf anderem Weg. Diesmal sind es meine Vorlesungen, die angeblich nicht für die Studenten geeignet sind! Vor kaum einem Monat hat sich ein Priester aus der Diözese St. Gallen damit gebrüstet, dass man dem P. Zapletal bald die ‚hebräische Kritik’ verbieten wird. Schon lange hetzen sie gegen mich, aber ich hoffe, Sie schenken dergleichen Beschwerden kein Gehör. Und es ist auch nicht nötig, dass man Regeln für das Abhalten exegetischer Vorlesungen an der Fribourger Universität in Rom erlässt. Ich unterrichte seit fünfzehn Jahren Exegese und habe also einige Erfahrung. Alles werde ich mir aber nicht gefallen lassen. Vielleicht wird sich die Situation mit der Zeit lösen, indem ich Fribourg verlasse, was nicht ausgeschlossen ist.“⁵³⁷ Wir wissen, dass Zapletal damals an Prag dachte. Drei Tage zuvor, am 21. April 1908, hatte er an Musil geschrieben: „Als Sie von mir Abschied nahmen, waren Sie so liebenswürdig[,] mir Ihren Lehrstuhl in Prag anzubieten. Wenn Sie das erreichen könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar, ich habe inzwischen genug von der Fremde.“⁵³⁸ Musil hatte zu jener Zeit keinen Lehrstuhl in Prag,⁵³⁹ doch Jaroslav Goll und Professor František Kordač bemühten sich darum, ihn an die katholische Fakultät der tschechischen Universität zu holen. Vorerst aber wollte Musil nicht nach Prag, und der alttestamentlichen Exegese, deren Freiheit durch die zahlreichen Dekrete des kirchlichen Magisteriums immer stärker beschnitten wurde, kehrte er zu jener Zeit bereits den Rücken. Er versuchte daher, das Angebot an Zapletal weiterzuvermitteln. Ende 1909 wurde Zapletal erneut Anerkennung seitens der tschechischen wissenschaftlichen Öffentlichkeit zuteil. Die Hauptversammlung der Böhmischen Aka-

 Zapletal an Cormier, 24.4.1908. AGOP XI. 15345.  MV FMusil. Inv.-Nr. H 19. 472/13.  Vgl. Edvard Reich, Alois Musil, selský synek světovým cestovatelem, Praha 1930. S. 64– 66; Klobas, Alois Musil, S. 52.

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3 Die Zeit der Prüfungen und Kämpfe

demie des Kaisers Franz Joseph für Wissenschaft, Literatur und Kunst wählte ihn am 3. Dezember 1909 zum korrespondierenden Mitglied der III. Klasse (Philologien).⁵⁴⁰ Zapletal nahm die Wahl an und dankte der Akademie am 9. Dezember für die „große Ehre, die sie mir zu erweisen geruht hat. Die Wahl wird mir Antrieb sein, auch in Zukunft mit großem Fleiß zu arbeiten und soweit es mir möglich ist zu zeigen, dass auch ein Tscheche in der Exegese Hervorragendes leisten kann.“⁵⁴¹ Wahlen dieser Art wurden aufmerksam verfolgt,⁵⁴² schon deshalb, weil Universität und Akademie bereits 1901 vereinbart hatten, ihre Publikationen gegenseitig auszutauschen.⁵⁴³ Eine Berufung Zapletals an die theologische Fakultät in Prag oder Wien aber erfolgte nicht. Dafür zeichnete sich im Sommer 1909 die Möglichkeit ab, an die neu gegründete Hochschule des Ordens, das Angelicum in Rom, zu gehen. Cormier suchte händeringend nach einem entsprechend renommierten Exegeten, sollte das Angelicum laut Beschluss des Kapitels in Viterbo 1907 doch ein Studium generalissimum bieten. Er wandte sich an die Ordensbrüder und bat, ihm bei der Suche behilflich zu sein. Lagrange antwortete ihm am 19. Juni 1909, bestätigte die Bedeutung des neuen Kollegiums und schlug vor: „Falls Sie mir erlauben wollen, meine Ansicht zu äußern, so weiß ich keinen anderen, der in der wissenschaftlichen Welt genügend Autorität genießt, um in Rom exegetische Vorlesungen anzukündigen, als P. Zapletal. Im Moment ist Rom viel wichtiger als Fribourg, wo man ihn sicher würde ersetzen können. Er selbst wird dem Orden diesen Dienst gewiss nicht abschlagen. Aber bis 1910 ist noch Zeit, um es mit ihm zu besprechen.“⁵⁴⁴ Der progressiven Exegese hätte es sicher genützt, hätte einer ihrer Vertreter einen Lehrstuhl in Rom innegehabt, doch 1909 kam dies, noch dazu mit einem so bekannten und profilierten Mann wie Zapletal, nicht mehr in Frage; das Angelicum entwickelte sich rasch zu einer der Hochburgen des antimodernistischen Kampfes. Sofern Zapletal in diesen Jahren wissenschaftlich arbeitete, widmete er sich dem Studium der hebräischen Metrik, die ihm besonders am Herzen lag. Seine Beobachtungen und Thesen zu Metrik und Rhythmus der hebräischen biblischen Poesie hatte er bisher nur in kleineren Studien und in den Kommentaren veröffentlicht. Nun arbeitete er an einer knappen lateinischen Gesamtdarstellung der Problematik für seine Studenten.⁵⁴⁵ Die Broschüre umfasst 46 Seiten und enthält interessante und wohldurchdachte Beobachtungen zum Stellenwert des Poetischen im Leben der alttestamentlichen Israeliten und eine zum Teil auf eigenen Einsichten des Autors beruhende Theorie der hebräischen Metrik. Zapletal war überzeugt, dass eine Rekonstruktion des ursprünglichen, in den Zeilen des biblischen Textes verborgenen metrischen Systems

 AA FZapletal.  AAV. Fonds ČAV, Inv.-Nr. 258 (Vincent Zapletal).  Bericht 1909/1910, S. 6.  Bericht 1901/1902, S. 6.  Correspondance, S. 220 f.  Vincent Zapletal, De Poesi Hebreorum in Veteri Testamento conservata in usum scholarum, Friburgi Helvetiorum 1909; 2. Aufl. 1911.

3.7 Zweites Vikariat und weitere Sorgen

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bei der Auslegung der Perikopen ungemein hilfreich sein könnte. Doch müsse man dabei mit höchster Vorsicht verfahren. Mochten sich seine metrischen Theorien auch als Sackgasse erweisen, damals boten sie ihm eine gewisse Zuflucht, denn für die Metrik des hebräischen Textes hegten die kirchlichen Autoritäten kein allzu großes Interesse. Dennoch wurden Zapletals Überlegungen seinerzeit aufmerksam rezipiert, wie vor allem eine Rezension in der Revue biblique zeigt,⁵⁴⁶ aber auch die ganzseitige Rezension von Dr. Ignác Steinochr im Časopis katolického duchovenstva. Hier lesen wir unter anderem: „Der unermüdliche und scharfsinnige Exeget des Alten Testaments stellt seinen bereits erschienenen Studien zu den poetischen Teilen des Alten Testaments ein neues Werk an die Seite, schmal im Umfang, doch von aktueller Wichtigkeit […]. Aus der allgemeinen Verbreitung des Gesanges schließt der Verfasser, dass die Zahl derer, die in der Komposition und im Vortrag von Hymnen und verschiedenster Lieder Übung hatten, groß gewesen sein muss. Gesang mit instrumentaler Begleitung war auch im öffentlichen Leben von großer Bedeutung, mit Gesang wurden Siege gefeiert, Segen erteilt, Drohungen ausgesprochen und selbst Schmerz und Trauer über den Tod wurden in melancholisch poetische Elegien gefasst. Gebete und jedwede religiöse Kulthandlung kleidete man in das Gewand der poetisch begeisterten Stimme der Propheten, auch didaktische Passagen wurde in poetischer Form vorgetragen. Die Regeln der hebräischen Metrik fasst der Autor in einem kurzen Abschnitt über Parallelismus und syllabische Metrik zusammen, wobei er zu den einzelnen Regeln entsprechende Beispiele anführt. Metrische Schemata, Reim und poetische Figuren des Hebräischen werden kurz abgehandelt. Eine ungewöhnlich knappe und dabei doch inhaltlichsreiche Arbeit. Damit erfüllt sie den Zweck eines Handbuches für das Studium der Theologie, in dessen Rahmen mehr Zeit für ein genaueres und systematisches Studium der alttestamentlichen Poesie nicht zur Verfügung steht. Der Stil des Buches ist klar, die Regeln bündig und dabei leicht verständlich […]. Mit Gewinn wird es gewiss nicht nur der Theologe verwenden, sondern jeder, der sich für den hebräischen Text des Alten Testaments interessiert, und daher verdient es, wärmstens empfohlen zu werden.“⁵⁴⁷

3.7 Zweites Vikariat und weitere Sorgen Für die Jahre 1908 – 1910 nimmt sich die Publikationsbilanz Zapletals recht bescheiden aus. Das ist nicht nur mit den innerkirchlichen Repressionen gegen die progressive Exegese zu erklären. Zapletal widmete sich vielmehr ganz seiner Funktion als Vikar und konnte sowohl die finanzielle Situation des Albertinums als auch die internen Regeln für das gemeinschaftliche Leben im Konvikt verbessern. Dass dieses bis auf den letzten Platz belegt war, ist nicht zuletzt ein Beleg für sein erfolgreiches Wirken. Zapletal machte keine halben Sachen. Bevor sein Mandat zu Ende ging, schrieb er an Cormier: „Sie haben genehmigt, dass der Vikar des Hauses in Zukunft von den Patres Professoren gewählt wird. Das war unser aller Ansicht […], können wir

 RB 6 (1909), S. 469 f.  ČKD 50 (1909), S. 621.

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also Wahlen durchführen?“⁵⁴⁸ Trotz der direkten, wenn auch im Grunde immer noch konsultativen Wahl, musste der Vikar dennoch vom Ordensmeister ernannt werden. Wahlen wurden erstmals am 28. Januar 1909 abgehalten, und dabei waren nicht weniger als fünf Wahlgänge vonnöten.⁵⁴⁹ Zapletal hatte im Vorhinein erklärt, dass er sich wieder seiner wissenschaftlichen Arbeit zuwenden wolle, sodass die Patres noch vor der eigentlichen Wahl P. Montagne als Nachfolger ausersahen. Montagne entschied den ersten Wahlgang zwar für sich. Er erhielt fünf Stimmen, Zapletal hingegen nur drei. Dennoch veranlasste Montagne diese insgesamt geringe Unterstützung zu einem Rückzieher. Er könne, so erklärte er, die Wahl in Hinblick auf seine Herausgebertätigkeit für die Revue thomiste nicht annehmen, auch sei er des Deutschen nicht mächtig und ihm sei daher eine unmittelbare Verständigung mit den Schwestern und dem Dienstpersonal verwehrt. Zapletal gewann den zweiten und dritten Wahlgang mit fünf, den vierten mit sieben und den fünften sogar mit neun von dreizehn möglichen Stimmen (zwei bekam Fei, je eine Stimme erhielten Montagne und Weiß).⁵⁵⁰ Zapletal, der aufgrund seiner „Nervosität“ lieber zu seinen wissenschaftlichen Studien zurückgekehrt wäre, nahm, als er sah, dass die Kollegen ihn als Vikar behalten wollten, die Wahl schließlich an. Aber er ließ Cormier freie Hand. Noch am selben Tag schrieb er ihm: „Ich muss Ihnen sagen, dass ich ganz und gar nicht böse wäre, wenn Sie mich nicht zum Vikar ernennen würden. Ganz im Gegenteil, Sie würden mir damit einen großen Dienst erweisen […], ich muss auch nicht die ganzen drei Jahre im Amt bleiben, vor allem wenn es mir dabei schwierig würde, meiner wissenschaftlichen Arbeit gerecht zu werden.“ ⁵⁵¹ Die Ernennung erfolgte umgehend zum 1. Februar, und Zapletal nahm sie an.⁵⁵² Doch schon fünf Monate später, am 30. Juni 1909, schrieb er an Cormier: „Als mich die Patres zum Vikar wählten, […] bat ich Sie, einen Nachfolger für mich zu bestimmen, damit ich, für den Fall, dass meine Forschungen zu sehr leiden würden, nicht die ganzen drei Jahre im Amt ausharren müsste. Nun, diese Erfahrung habe ich inzwischen gemacht. Meine wissenschaftliche Arbeit liegt völlig darnieder. Ich will nicht behaupten, dass das Amt des Vikars gar keine freie Zeit ließe, aber mein Temperament ist nun einmal so, dass ich beständig an die Angelegenheiten des Konvikts denke. Ich verliere den Mut und kann so nicht weitermachen. Daher, hochwürdigster Vater, biete ich Ihnen meine Demission an und bitte Sie um deren Annahme. Noch vor den Ferien kann mein Nachfolger benannt werden. Ich würde gerne bei den Bibelstudien bleiben und das trotz aller Schwierigkeiten, die das mit sich bringt. Wenn ich aber so weiter mache wie in den vergangenen drei Jahren, werde ich für die Wissenschaft verloren sein, und zwar nicht nur für drei Jahre,

 Zapletal an Cormier, 25.10.1908. AGOP XI. 15345.  Die Zahl der Wahlgänge führte offenbar dazu, dass Cormier danach das ursprüngliche Wahlverfahren per Brief wieder einführte.  Wahlprotokoll. AGOP XI. 15310bis.  Zapletal an Cormier, 28.1.1909. AGOP XI.15345.  AA FZapletal.

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sondern für immer. Ich betone, dass dies der einzige Grund ist, warum ich nicht Vikar bleiben kann, obzwar bestimmte Dinge unseres Hauses vermutlich einfacher werden, sobald ich nicht mehr Vikar bin.“⁵⁵³ Ein halbes Jahr später, am 27. Dezember 1909, trug Zapletal seine Bitte erneut vor: „Wäre es nicht möglich, endlich einen anderen Vikar zu wählen? Ich bin überlastet und entmutigt. Ich muss die zweite Ausgabe von vieren meiner Bücher besorgen[,] und seit drei Jahren schulde ich weitere Arbeiten, die ich dem Editionsrat zugesagt habe. Und dazu noch soll ich für das kommende akademische Jahr, ab Oktober 1910, zum Rektor der Universität gewählt werden!“⁵⁵⁴ Als Vikar sah er sich mit den verschiedensten Aufgaben konfrontiert: Zum Beispiel mit dem Problem des Konviktsgartens, in den die Leser der neu errichteten Kantonsbibliothek so ungehindert Einblick hatten, dass die Patres und Seminaristen sich fühlten wie Tiere im Zoo. Dann wieder machten Kanalisation und Wasserleitungen Hauseigentümern und Hausverwaltern das Leben schwer. Ende 1909 konnte Zapletal bekannt geben, dass die Elektrifizierung der Konviktsgebäude abgeschlossen sei.⁵⁵⁵ Zwischen 1910 und 1912 verhandelte die Korrespondenz zwischen Vikar und Ordensmeister immer wieder auch die Frage nach einem Spiritual für das Konvikt. Cormier hatte sich bereits Ende 1904 erkundigt, wie es damit in Fribourg stünde. Auf den beiden Sitzungen des Hauskonsils im Januar 1905 hatten sich die Patres 9:1 gegen die Installation eines Spirituals entschieden.⁵⁵⁶ Rektor des Albertinums war ein ehemaliger Schüler Zapletals, Johannes Müller, ein Priester aus der Diözese St. Gallen. Rektor und Vikar kamen sehr gut miteinander aus, das Konvikt war voll besetzt und funktionierte reibungslos. Doch insbesondere außerhalb des Albertinums schien einigen Personen ein Spiritual für das Konvikt erforderlich, sei es auch nur, um die kirchlichen Vorschriften zu erfüllen. In wiederholten Schreiben nach Rom konnten sie auch den Ordensmeister überzeugen. Doch in diesem Punkt traf Cormier auf den entschlossenen Widerstand der Dominikanerprofessoren, die am 8. März 1909 in einer Abstimmung mehrheitlich ihr Nichteinverständnis bekräftigten.⁵⁵⁷ Führender Kopf dieses Widerstandes war zweifellos Zapletal.Vielleicht war er durch die Konflikte in all den Jahren zu misstrauisch geworden; einen Spiritual jedenfalls wollte er im Albertinum nicht. Für diese Ablehnung gab es freilich schlagende Argumente. Zum Spiritual würde ein Weltpriester ernannt werden, der nichts anderes zu tun hätte, als Informationen über die theologische Fakultät zu sammeln und an die Schweizer Bischöfe oder aber nach Rom weiterzuleiten. Auch dass Msgr. Speiser die Installation eines Spirituals am nachdrücklichsten betrieb und noch dazu selbst diesen Posten gerne übernommen hätte, erklärt Zapletals ablehnende Haltung nur zu gut. Die Fribourger Dominikaner waren im Übrigen     

Zapletal an Cormier, 30.6.1909. AGOP XI. 15345. Zapletal an Cormier, 27.12.1909. AGOP XI. 15345. AAlb A/7. AAlb A/7: Sitzungen am 3. und am 25.1.1905. AAlb A/7.

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davon überzeugt, dass die geistliche Begleitung der Studenten bei ihnen selbst in besten Händen lag; ganz abgesehen davon hatten die Studenten die Möglichkeit, sich ihren Beichtvater oder geistlichen Begleiter unter den Patres oder anderweitig selbst zu wählen. Zapletal und die Mehrheit der Kommunität hielten das bestehende Modell für gut und sahen keinen Grund für Änderungen. Daher bat der Vikar den Ordensmeister: „Wenden Sie sich bitte nicht an den Hl. Vater und auch nicht an Kardinal Satolli, welche zwar die Situation in Italien gut kennen, aber nicht die in der Schweiz. Wir bewältigen alles Nötige aus eigener Kraft, ja wir leisten sogar mehr für den geistlichen Nutzen unserer Zöglinge, aber ein theologisches Konvikt in der Schweiz ist nicht dasselbe wie ein italienisches Seminar. Vielleicht lässt sich später ein Spiritual einsetzen, aber die gegenwärtige Situation erlaubt es meinem Urteil nach nicht.“⁵⁵⁸ Cormier war mit ihm eins, dass diese Sache keine Dringlichkeit hatte,⁵⁵⁹ dennoch versuchte er Zapletal und die anderen Professoren nach und nach umzustimmen. Der Vikar hatte jedoch, obwohl einige Kollegen das anders sahen, nicht vor, Speiser nachzugeben⁵⁶⁰ und konnte sich dabei auf einen weiteren Mehrheitsbeschluß der Patres vom 4. Dezember 1910 berufen.⁵⁶¹ Mit der geplanten Ernennung eines neuen Bischof-Koadjutors für die Diözese Lausanne-Genf konnte man einerseits hoffen, dass sich die missliche Frage der doppelten theologischen Lehreinrichtungen, die in Fribourg bestanden, klären ließ; andererseits bestand die Gefahr, dass der neu ernannte Bischof gegen Universität und Fakultät voreingenommen war. Minister Python ersuchte daher die Dominikaner, ihrem Ordensmeister nahezulegen, dass dieser mit dem ganzen Gewicht seiner Persönlichkeit die Wahl eines geeigneten Kandidaten befördere oder aber zumindest einen Geistlichen verhindere, der, wie Python es ausdrückte, ein Feind der Kanntonsregierung, der Universität und insbesondere auch der Dominikaner sei.⁵⁶² Die Tatsache, dass parallel zur Universität auch am Fribourger Seminar Theologie gelehrt wurde, war Folge einer anfänglichen Meinungsverschiedenheit zwischen Python und Bischof Mermillod. Ganz offenkundig handelte es sich hier um eine Doppelung der Vorlesungen, die in der Öffentlichkeit und insbesondere gegenüber dem Steuerzahler kaum zu vertreten war. Gaspard Mermillod wollte jedoch nicht nachgegeben, der Unterricht bestand fort, und den Seminaristen war unter Androhung von Disziplinarstrafen der Besuch von Vorlesungen an der theologischen Fakultät verboten. Unter seinem Nachfolger Joseph Déruaz kam es zu einem erneuten Vorfall. Python hatte im September 1893 ein Memorandum an Papst Leo XIII. geschickt, in dem er die Fortführung der theologischen Vorlesungen am Diözesanseminar als großen Fehler bezeichnete. Dadurch würden die Seminaristen um eine qualitätvollere Bildung gebracht, und dem Kanton entstünden unnötige Ausgaben. Als Bischof Dé    

Zapletal an Cormier, 4. 3.1909. AGOP XI. 15345. Cormier an Zapletal, 15. 5.1909. AGOP XI. 15345. Vgl. den Brief von Prümmer an Cormier, 15.12.1910. AGOP X. 15300. AAlb A/7. Vgl. den Brief von Mandonnet an Cormier, 17.12.1909. AGOP XI. 15345.

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ruaz davon erfuhr, isolierte er das Seminar noch stärker von der Universität. Für den Besuch einer der wenigen erlaubten Vorlesungen an der Universität war nun eine bischöfliche Erlaubnis vonnöten. Python wiederum hatte große Mühe, vor der Öffentlichkeit die Existenz einer theologischen Fakultät zu rechtfertigen, an der aus dem Kanton lediglich zwei bis fünf Studenten eingeschrieben waren. Zuletzt hatte man das Problem 1903 verhandelt; doch waren die Gespräche an den rigiden Forderungen der Seminarprofessoren gescheitert, die eine Eingliederung aller Lehrkräfte in die Universität verlangt hatten. Doch auch wenn Minister Python bereit gewesen wäre, einen oder zwei von ihnen zu übernehmen, so wollten die Dominikaner keinen.⁵⁶³ Dennoch bat Python am 26. Juni 1909 Zapletal, dem Ordensmeister das Problem der theologischen Lehre am Seminar in Erinnerung zu bringen. Die Dominikanerprofessoren aber wollten auf Grund ihrer Erfahrungen keine weiteren Diözesanpriester in ihrem Kollegium: „Auch wenn die Seminaristen universitäre Vorlesungen besuchen sollten, darf man keinesfalls nachgeben und ein oder zwei Professoren aus dem Seminar an die Fakultät holen! Nicht einen!“⁵⁶⁴ Da die „Abschaffung des Unterrichts am Seminar an die Übernahme von Professoren gebunden bleibt, erübrigt es sich gegenwärtig darüber zu verhandeln. Herr Python will sie nicht an der Fakultät und unsere Patres noch viel weniger. Die Zeit wird es weisen.“⁵⁶⁵ Doch auch nach dem Tod von Bischof Déruaz 1911 wurde der Unterricht am Seminar fortgeführt, und das bis 1966; seit 1922 durften die Seminaristen allerdings auch die universitären Vorlesungen besuchen.⁵⁶⁶ Die Beziehungen zu den übrigen Schweizer Bischöfen waren relativ gut. 1907 hatte in Fribourg ein zweites großes Konvikt seine Pforten geöffnet – das Salesianum. Zum Rektor wurde Professor Beck bestellt. In Fribourg war die Zahl der Studienplätze damit von 192 auf 300 gestiegen.⁵⁶⁷ Lange Zeit herrschte zwischen dem Salesianum und dem Albertinum eine nicht immer spannungsfreie Rivalität. Die Dominikaner sahen in dem neu errichteten Konvikt durchaus eine Schädigung ihrer eigenen Interessen. Die Existenz von zwei Konvikten in einer so kleinen Stadt musste an der innerlich gespaltenen Fakultät zwangsläufig zu Spannungen führen.

 Vgl. Marie-Humbert Vicaire, Les relations hiérarchiques, in: Histoire de l’université de Fribourg Suisse / Geschichte der Universität Freiburg Schweiz 1889 – 1989. Institutions, enseignement, recherches / Institution, Lehre und Forschungsbereiche, Bd. 2: Les Facultés / Die Fakultäten, éd. par Roland Ruffieux, Fribourg 1991, S. 504– 513, hier S. 505 – 508.  Zapletal an Cormier, 26.6.1909. AGOP XI. 15345.  Zapletal an Cormier, 30.6.1909. AGOP XI. 15345.  Vgl. Vicaire, Les relations hièrarchiques, S. 509.  Marie-Humbert Vicaire, Le développement de la Faculté, in: Histoire de l’université de Fribourg Suisse / Geschichte der Universität Freiburg Schweiz 1889 – 1989. Institutions, enseignement, recherches / Institution, Lehre und Forschungsbereiche, Bd. 2: Les Facultés / Die Fakultäten, éd. par Roland Ruffieux, Fribourg 1991, S. 495 – 504, hier S. 499.

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3.8 Die große Krise 1910 3.8.1 Reaktion auf die Enzyklika Editae saepe In der Korrespondenz der Sapiniére-Mitglieder taucht Fribourg immer wieder auf. Umberto Benigni, der die Organisation führte, schrieb selbst einen Bericht über die Situation an der Fribourger theologischen Fakultät, den er am 7. Juni 1910 einem seiner wichtigsten Zuarbeiter übersandte. Die Professoren der Universität Fribourg, „mehr oder weniger Katholiken“ und „vor allem die Dominikanerpatres“, seien sehr empört über den auch in der Liberté und in der italienischen Presse⁵⁶⁸ abgedruckten Zweiten Brief an einen jungen Freund, in dem Decurtins die Modernisten angreift, vor allem im Bereich der Literatur,⁵⁶⁹ und ebenso empört seien sie über die begeisterte Aufnahme Decurtins’ in Rom. In dem Bericht hießt es über die Dominikaner: „P. Zapletal, Dominikaner und Professor für Exegese des Alten Testaments, empörte sich vor der ganzen Universität und verfluchte die römischen Spitzel, als hätte nicht er in erster Linie sich kompromittiert. P. Allo⁵⁷⁰ (ebenfalls ein Schüler jener berühmten Dominikanerschule in Jerusalem), Professor für Exegese des Neuen Testaments, hielt es wiederum umgekehrt und begann apologetische Fragen vorzutragen; leider ist diese halbherzige Konversion nicht ernst zu nehmen.“ Der Rest des Schreibens widmet sich dem sonstigen Wirken Decurtins’ in Fribourg und anderswo sowie den von der Sillon-Bewegung beeinflussten polnischen Studenten an der Fribourger Fakultät. Der chiffrierte Brief schließt mit der Bilanz: „Die katholische Universität in Fribourg ist ein Quell modernistischer Kultur; das beginnt bei der biblischen Exegese und endet mit dem Sillonismus“.⁵⁷¹ Der Grad der Ansteckung bei den dortigen jungen Kirchenmännern und Laien sei umso erschreckender, weil sie sich international auswirke. Die katholischen Institute stell Es handelt sich um drei umfassende Artikel in der deutschsprachigen schweizerischen Monatsschrift für christliche Sozialreformen, die in französischer Fassung in der Liberté abgedruckt wurden. Die Polemik erschien in drei Folgen Ende Dezember 1909.  Zu Decurtins als „Fachmann“ für „Modernismus in der Literatur“ vgl.Weiß, Modernismus, S. 228 – 230. Zu den Reaktionen in Deutschland vgl. Walz, Andreas Kardinal Frühwirth, S. 337– 340.  In Benignis Aufzeichnungen aus dem Jahre 1910 findet sich die Notiz: „Allo, Dominikaner, durch und durch Modernist, Heuchler.“ ASV FBenigni, l. 11, n. 1357.  Die katholische Jugendbewegung Sillon formierte sich 1894 in Frankreich. Ihr Begründer war der charismatische und politisch talentierte Laie Marc Sagnier (1873 – 1950), der die soziale Frage und das Problem der Erwachsenenbildung im Auge hatte. In der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts wurde der Sillonismus zu einer bedeutenden politischen und gesellschaftlichen Kraft und zur Inspirationsquelle für die christlich-demokratischen Parteien Europas. Wegen ihres hohen Laienanteils, der angestrebten Unabhängigkeit von der Kirchenhierarchie, der pragmatischen Haltung gegenüber republikanischen Strukturen und demokratischen Regierungsformen, auch wegen sich andeutender ökumenischer Tendenzen wurde die Sillon-Bewegung am 25. August 1910 von Pius X. in seinem apostolischem Schreiben Notre charge apostolique verurteilt und aufgelöst. Führung und Mitglieder der Bewegung ordneten sich dem unter und transformierten sich mehr oder weniger in einen katholischen Förderverein. Vgl. hierzu knapp und übersichtlich Vidler, A Variety, S. 191– 220.

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ten, zumindest in ihrer Mehrzahl, eine Gefahr für die Rechtgläubigkeit und die katholische Disziplin dar.“⁵⁷² Aber nicht nur Decurtins’ publizistische Aktivitäten heizten in jenen Tagen die Atmosphäre auf. Zum 300. Jahrestag der Heiligsprechung des Karl Borromäus gab Papst Pius X. am 26. Mai 1910 die Enzyklika Editae saepe heraus.⁵⁷³ Obwohl die Enzyklika offenkundig die eigenen Reihen im Visier hatte, schoss sie über das Ziel hinaus, als sie, einen allzu scharfen Ton anschlagend, die „Modernisten“ mit den Reformatoren des 16. Jahrhunderts gleichsetzte. Das löste in den protestantischen Teilen Europas einen Skandal aus, der innen- und außenpolitische Folgen nach sich zog, insbesondere in Deutschland und Holland. Mehrere wichtige deutsche Politiker nutzten die Gelegenheit, um von „einer maßlosen Beleidigung der deutschen Protestanten, des deutschen Volkes und der deutschen Fürsten“ zu sprechen. Der päpstliche Nuntius in München, kein anderer als der frühere dominikanische Ordensmeister Andreas Frühwirth, musste den diplomatischen Protesten standhalten.⁵⁷⁴ Der Vatikan zeigte sich zwar bemüht, die Wogen zu glätten und ließ über die Presse bekanntgeben (L’Osservatore Romano vom 6. Juni), dass es zu Übersetzungs- und Interpretationsfehlern gekommen sei, denn der „Heilige Vater hat weder über Deutschland noch über das Haus Hohenzollern etwas Beleidigendes geäußert“. Doch das konnte den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen dem deutschen Kaiserreich und dem Vatikan nicht verhindern. Das holländische Königreich reagierte ähnlich, obwohl Pius X. beiden Ländern zugesichert hatte, dass der Vatikan jedwede Veröffentlichung des Dokuments auf ihrem Territorium unterbinden werde. Zum richtigen Verständnis des Dokuments wurde erklärt, dass es lediglich einige Momente im Leben des heiligen Karl Borromäus behandeln würde: „Im Übrigen muss darauf hingewiesen werden, dass es hier um die Frage der Katholiken jener Zeit geht, die sich gegenüber der Lehre und Autorität des apostolischen Stuhles widersetzlich zeigten.“⁵⁷⁵ Diese historischen Urteile hoben direkt auf die „modernen Reformatoren“ ab, die drei Jahre zuvor verurteilt worden waren (Pascendi, Lamentabili) und durch das Verbot der Sillon-Bewegung nur drei Monate später auch in der sozialen Frage verurteilt werden sollten. Eine anhaltende Entzweiung mit Holland und Deutschland hätte für den Vatikan erhebliche Komplikationen mit sich gebracht, denn seit 1905 bestanden auch keine diplomatischen Beziehungen mehr mit der Französischen Republik. Ein großer Teil der europäischen Katholiken, der in den beiden damals mächtigsten europäischen Kontinentalstaaten lebte, hätte somit keinen Nuntius mehr gehabt und wäre von den internationalen Verbindungen zum Vatikan abgeschnitten gewesen. Um dem zu be-

 Poulat, Intégrisme, S. 189 f. (Übersetzung aus dem Französischen).  Vgl. Encyklika EDITAE SAEPE přesvatého pána našeho Pia X., prozřetelností Boží papeže, ze dne 26. května 1910 [EDITAE SAEPE, Unseres allerheiligsten Herrn, des durch Göttliche Vorsehung bestimmten Papstes Pius X. Enzyklika vom 26. Mai 1910], übers. v. Antonín Ludvík Stříž, Stará Říše 1910.  Walz, Andreas Kardinal Frühwirth, S. 330 f.  Veröffentlicht im L’Osservatore Romano, 8. und 15. Juni. Vgl. Poulat, Intégrisme, S. 202 f.

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gegnen, zeigten sich Papst und Staatsrat zu Entschuldigungen und Kompromissen bereit, wie sie bis dahin nicht vorgekommen waren. Die Regierungen Deutschlands und Hollands nutzen ihre Empörung dabei zur Verbesserung ihrer Verhandlungsposition. Schwer erschüttert wurde dadurch die Stellung des katholischen Zentrums in Deutschland. Frühwirth war als Nuntius in Bayern (1906 – 1910) so sehr darum bemüht, die Schäden der Krise einzudämmen, dass man ihm schließlich Untreue gegenüber dem Heiligen Stuhl vorwarf. Dank der Zugeständnisse seitens des Vatikans – u. a. wurden die deutschen Professoren nicht zum Antimodernismuseid verpflichtet – konnte ein offener Konflikt verhindert werden. Von antimodernistischer Seite wurde die Affäre verständlicherweise ganz anders aufgenommen als von den Opfern der antimodernistischen Hetze. Benigni erstattete seinem Mitarbeiter Abbé Adolphe Jonckx darüber aufschlussreich Bericht: „Viele Menschen haben wegen der Enzyklika-Affäre mit schlecht verhehlter Freude einem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Deutschland entgegengesehen. Und keineswegs nur Freimaurer, Protestanten und Juden; auch unsere vielgerühmten Modernisten gehören dazu. An der Universität Fribourg hat man schon im Voraus gefeiert; Priester, Ordensbrüder und Laien sind vor Lachen geplatzt; ich habe die Briefe gelesen, die sie ihren Freunden schickten, und kann Ihnen versichern: ein wahrer Karneval.“⁵⁷⁶ Ausschnitte aus diesem Brief veröffentlichte Jonckx am 26. Juni 1910 in seinem Blatt Le Catholique de Gand. Sie wurden auch in der konservativen antimodernistischen Zeitschrift Mysl Katolicka (Katholischer Gedanke) abgedruckt, die in Tschenstochau/Częstochowa erschien. Benigni machte ihm das zwei Tage später zum Vorwurf: „Wir sind sehr betrübt über das, was der Catholique über Fribourg abgedruckt hat. Das hat zwei schwerwiegende Dinge verursacht: Der Feind ist gewarnt[,] und unsere Leute sind verraten, ja selbst Rom, das […] um keinen Preis in diese Dinge hineingezogen werden darf. Die Veröffentlichung könnte Folgen haben, deren Gewicht und Ausmaß sich nicht vorhersehen lassen […]. Ausgenommen, dass ich es ausdrücklich erlaube, darf aus meinen Briefen nichts veröffentlicht werden.“⁵⁷⁷ Die polnischen und litauischen Studenten reagierten noch vor Ferienbeginn am 5. Juli 1910 auf den „skandalösen“ Text. In einer gemeinsamen Erklärung, die sie an die Redaktionen verschiedener katholischer Periodika sandten, stellten sie sich voll und ganz hinter ihre Professoren. Die Deklaration wurde öffentlich abgedruckt. Benigni war verärgert. In einem Brief an Jonckx vom 11. Juli 1910 bezeichnete er Fribourg als Schlangennest und bedauerte, dass seine Verbindung mit Decurtins und ihre gemeinsamen Pläne nun aufgedeckt würden.⁵⁷⁸

 Zitiert nach Poulat, Intégrisme, S. 201.  Brief ediert in Poulat, Intégrisme, S. 205. Zur Person des belgischen Advokaten und führenden Mitarbeiters der Sapiniére vgl. ebd. S. 70 f.  Vgl. Poulat, Intégrisme, S. 207.

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3.8.2 Der Papst untersagt Zapletals Ernennung zum Rektor Warum fürchtete Benigni, dass die Fribourger Professoren nun auf der Hut sein könnten? Um welche gemeinsamen Pläne der Sapiniére ging es? Antwort gibt ein handgeschriebener Brief des Papstes vom 4. Juli in italienischer Sprache; er ist an den Ordensmeister adressiert und trägt den Vermerk „riservata-urgentissima“ (geheim, dringlich). Darin teilt der Papst mit, dass nach der vorläufigen Verhandlung der Professorenschaft für das kommende Jahr ein Professor der Theologie zum Rektor gewählt werden solle. Da aber die Gefahr bestünde, dass man sich auf Pater Zapletal einige, sei es unerlässlich, dass Cormier Zapletal dieses Amt augenblicklich untersage. Der Ordensmeister leitete die Nachricht sofort nach Fribourg weiter und fügte lediglich hinzu: „Einem so feierlichen und ausdrücklichen Verbot habe ich persönlich nichts hinzuzufügen. Mir scheint es angeratener, dass Sie gegenüber denjenigen, die Sie zu wählen gedenken, im Vornhinein deutlich machen, dass Sie im Falle einer Wahl sowieso ablehnen werden, weil Sie mit Blick auf Ihre schwache Gesundheit gedenken, alle Zeit und Kraft auf weitere Studien zu verwenden, wie sie für eine erfolgreiche Fortführung der Vorlesungen unerlässlich sind.“⁵⁷⁹ Zapletal hatte Cormier darauf hingewiesen, dass er höchstwahrscheinlich am 27. Dezember 1909 – ein halbes Jahr vor der Frist – und ein weiteres Mal am 10. Januar 1910 zum Rektor gewählt werden würde, vorausgesetzt, er könne dann sein Amt als Vikar niederlegen, das ihn „enorm erschöpfe“.⁵⁸⁰ Die Rektoren wechselten jährlich zwischen den verschiedenen Fakultäten, und natürlich wurde über die möglichen Kandidaten gesprochen, so dass sich unschwer absehen ließ, wer die meisten Chancen hatte. Als Cormiers Nachricht eintraf, die in gewisser Weise einer Verurteilung gleichkam, zögerte Zapletal nicht und machte sich sofort auf den Weg nach Rom. Die Ergebnisse des Gesprächs zwischen Cormier und Zapletal fasst ein italienisches Dokument zusammen, ein an den Papst gerichtetes Memorandum, das die Situation in Fribourg analysiert und eine eigene Lösung vorschlägt. Eine undatierte Abschrift hat sich im Archiv der Dominikaner in Rom erhalten. Zunächst die Situation aus der Sicht Cormiers: 1. Der Entzug des passiven Wahlrechts im letzten Moment ließe sich nicht vernünftig erklären; es würde sich ausnehmen wie eine nachträglich ausgedachte künstliche Begründung. Man müsste also bekennen, dass die Maßnahme auf Weisung des Heiligen Stuhles erfolge, was gewisse, uns gut bekannte Neider sowieso denken und zum Anlass für Hohn und Spott nehmen würden. 2. Eine derartige Maßnahme würde einen schlechten Eindruck bei allen hinterlassen, die sie mit der Freiheit und den Möglichkeiten zur Verteidigung der eigenen Person vergleichen, die der Hl. Stuhl und seine verschiedenen Kongregationen beschuldigten Personen normalerweise gewähren, selbst denen, die schon früher

 AGOP Secr. 13. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 305.  Zapletal an Cormier, 10.1.1910. AGOP XI. 15345.

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einmal verurteilt wurden. Worte, vorgebracht von Leuten, die sich für rechtgläubiger halten als manch anderer, sind bloße Behauptungen, keine Beweise. Auch den besten Autoren unterläuft es, dass sie sich einer gegen den anderen auf die Autorität desselben Papstes berufen, auf Sie [= Pius X.] oder Leo XIII., um sich zu verteidigen. Sofern es um Äußerungen geht, die angeblich unbestreitbar in den Vorlesungen gefallen sind, so geschieht es immer wieder, dass die Studenten etwas nicht verstehen, das eine oder andere aus dem Kontext reißen, sei es aus Unkenntnis, Feindseligkeit oder im Zorn. 3. Was P. Zapletal betrifft, so ist der Entzug des passiven Wahlrechts für ihn ein unerwarteter Schlag, der ihn wohl sehr treffen würde. Insbesondere, weil er in Fribourg zehn Jahre lang Tag und Nacht hart gearbeitet hat, ohne sich dabei je der Meinung oder den Empfehlungen seiner Vorgesetzen zu verschließen. Aber auch wenn es ihn nicht vernichten würde, weiß ich [= Cormier] nicht, welche Art Tätigkeit er nach einer Beschuldigung von solchem Gewicht noch ausführen könnte. Vor allem, wo er jetzt noch bei voller Kraft ist (43 Jahre) und nun genügend Gelegenheit hätte, seine vielen Talente geltend zu machen. 4. Zudem würde dieser Schlag nicht nur ihn allein treffen, indirekt nähme der gesamte Orden des heiligen Dominikus Schaden, den bestimmte Leute in Fribourg bekämpfen, weil er nicht schweizerisch ist, weil es sich um eine Ordensgemeinschaft handelt und weil diese, in Treue zum heiligen Thomas von Aquin, die wahre Philosophie und Theologie verbreitet. 5. Getroffen wäre auch ich selbst als Ordensmeister, der ich Pater Zapletal zu meinem Stellvertreter über die Patres in Fribourg gemacht und es nicht vermocht habe, ihn im richtigen Moment zu ermahnen, sofern dies wirklich von Nöten war, oder aber ihn zu verteidigen, sollten die Fehler, die man ihm vorwirft, in Wirklichkeit gar nicht existieren oder sehr übertrieben werden. Ja, Heiliger Vater, nur mit Anstrengung und im Gehorsam halte ich meinen täglichen Pflichten stand, wenn ich, so gut ich es kann, dem Heiligen Stuhl diene. Sollte es zu den Folgen kommen, die ich, ohne dass ich die Sache dramatisieren möchte, erwarte, wäre das für mich ein moralischer und auch ein physischer Schlag, der, so fürchte ich, meine Kräfte übersteigen wird, vor allem wenn ich mein Alter und meine schwache Gesundheit bedenke. Am Vorabend des Generalkapitels meine Demission als Ordensmeister einzureichen, das tut man wahrlich nicht. Aber was bliebe mir anderes übrig? Nichts als zu stolpern und vielleicht auch unter der Last zusammenzubrechen statt andere zu ermutigen.⁵⁸¹ Text und Vorschläge lassen die Handschrift beider Autoren erkennen: Zapletals Kenntnis der Situation und seine Unnachgiebigkeit einerseits, Cormiers Diplomatie und Sinn für Kompromisse andererseits, außerdem die Bereitschaft beider, ihre Stellung und ihr Prestige wegen einer Sache zu riskieren, von deren Richtigkeit sie überzeugt waren. Die Formulierungen sind resolut und entschlossen, aber doch

 AGOP Secr. 14. Vgl. Barthélemy, Documents, S. 306.

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höflich und voller Respekt. Das Ansehen des Heiligen Stuhles wird durchweg gewahrt. Der erfahrene Cormier riet Zapletal zwar zunächst, die Ablehnung seiner Kandidatur gesundheitlich zu begründen, doch gegenüber dem Papst argumentiert der Textentwurf mit dem eventuellen Verlust eines Professors „im Vollbesitz seiner Kräfte“. Bemerkenswert ist auch die Anordnung der Argumente. Zunächst führt er an, dass die Interessen und das Prestige des Heiligen Stuhles leiden könnten, dessen Sinn für Gerechtigkeit durch eine derartige Quasi-Verurteilung ohne Prozess in Zweifel gezogen würde – insbesondere, wenn man die bisherigen Verdienste Zapletals in Betracht zieht und die Tatsache, dass es gegen ihn aus doktrinalen Gründen keine Disziplinarmaßnahme gegeben hatte. Die Interessen des Ordens werden relativ knapp abgehandelt, denn das entscheidende Argument enthält der letzte Punkt. Cormier stellt sich als Ordensmeister voll und ganz hinter seinen Mitbruder. Er habe ihn entweder schlecht ausgesucht, schlecht geführt oder vermag ihn nicht zu schützen. In jedem Falle könne er, sollte Zapletal bestraft werden, nicht Ordensmeister bleiben. Die Gründe für seinen vorzeitigen Rücktritt würden sich angesichts des nahenden Generalkapitels nicht verheimlichen lassen, und höchstwahrscheinlich käme es zu einem Skandal. Eine Bestrafung Zapletals auf Grundlage einer Denunziation und ohne Möglichkeit der Verteidigung würde also die Demission des Ordensmeisters zur Folge haben. Cormier, ein betagter kranker Mann, der in Rom hoch angesehen war und im Ruf der Heiligkeit stand, appellierte an das Mitgefühl des Papstes. Man möge Zapletal wegen seiner Verdienste und auf Grund des gesundheitlichen Befindens seines Ordensmeisters vorläufig verzeihen. Nach Darlegung seiner Sicht schlug Cormier eine Lösung in drei Schritten vor: 1. Möge der Heilige Vater Pater Zapletal eine kurze Audienz gewähren, bei der aber nicht die konkreten Beschuldigungen verhandelt werden sollten, denn dazu könnte er wohl kaum Punkt für Punkt ausreichende Erklärungen samt entsprechender Dokumentation vorlegen. Es würde genügen, wenn er Zapletal empfehle: a) darauf zu achten, dass er in seinen Vorlesungen und auch ansonsten nichts sage oder tue, was als Neigung zum Modernismus erscheinen könnte; vielmehr solle er sich an passender Stelle klar gegen diesen aussprechen; b) er solle Respekt und aufrichtigen Gehorsam gegenüber den Entscheidungen des Heiligen Stuhles in den Fragen der Bibel lernen; c) er möge sich in seinen Vorlesungen bemühen, ohne dabei die Wichtigkeit des literarischen Aspekts der Heiligen Bücher zu vernachlässigen, den Studenten vor allem die göttliche Substanz der Heiligen Schrift vorzustellen, und zwar als ein Instrument, mit dem sie als künftige Priester Besseres zur Verteidigung des Glaubens und zum Heil der Seelen wirken können. 2. Was die Rektorenwahl betrifft, so sollten wir den Dingen freien Lauf lassen. Zum einen ist es sowieso nicht möglich, den normalen Fortgang der Sache abrupt aufzuhalten, ohne dadurch viele schwerwiegende Probleme hervorzurufen, zum anderen ist die Funktion des Rektors, die nur für ein Jahr ausgeübt wird, letztlich nichts Besonderes. Es ist nicht so wie an den katholischen Universitäten, wo der

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Rektor für viele Jahre ernannt wird und den Gang der Lehre entscheidend beeinflusst. Hier achtet der Rektor lediglich auf die Einhaltung der Vorschriften, unterschreibt die Tabella studiorum etc. Das Amt des Rektors hat aufgrund der kurzen Amtszeit und des Aufgabenbereichs keine gewichtigen Folgen. 3. Im Übrigen, falls Eure Heiligkeit es für angebracht hält, kann Sie einem zuverlässigen Mann Ihrer Wahl, der unparteiisch ist und mit den örtlichen Verhältnissen vertraut, […] beauftragen, die vorgebrachten Beschwerden zu überprüfen. Die Ergebnisse der Visitation werden zeigen, ob sich etwas finden lässt, weshalb man P. Zapletal eine Vorladung vor ein Kirchengericht schicken kann, wo er Gelegenheit haben wird, sich zu verteidigen; gegebenenfalls kann man, sollte dies angebrachter erscheinen, auch sparsamer vorgehen und wie üblich verfahren, indem man ihn zu einem geeigneten Zeitpunkt auf eine andere Professorenstelle versetzt, die seinen Fähigkeiten besser entspricht als die in Fribourg; schließlich ist zu überlegen, ob es nicht noch besser wäre, ihn, bis sich alles beruhigt hat, auf seinem Platz zu belassen, wo ihn künftighin die Empfehlungen unterstützen werden, die ich ihm nur deshalb noch nicht gegeben habe, weil mir Eure Heiligkeit hinsichtlich der Lehre in Fribourg wiederholt mitgeteilt hat, dass es keinerlei Monita gebe. Noch einmal, Heiligster Vater, entschuldige ich mich, dass ich Euch meine Sicht in dieser Weise darlege. Ich habe dabei nichts anderes im Sinn als den Nutzen der heiligen Glaubenslehre und den Trost Eurer Heiligkeit.⁵⁸² Das Meisterstück innerkirchlicher Diplomatie spinnt sich fort. Im Kern zielt die von Cormier vorgeschlagene Lösung auf eine Änderung der ursprünglichen Entscheidung, die auf der Grundlage bisher nicht öffentlich erhobener Beschuldigungen getroffen wurde. Cormier machte sich zunutze, dass Zapletal sich den verschiedenen Anklagen noch nicht in einer offiziellen Verhandlung stellen konnte. Dabei beruft er sich für Zapletal und die ganze Fakultät auf die Unschuldsvermutung. Zapletal und alle Dominikanerprofessoren in Fribourg haben bei einer dogmatischen Beurteilung ihrer Tätigkeit ein Recht auf Unparteilichkeit. Solange keine unabhängige und profunde Visitation stattgefunden hat, wäre es nicht richtig, zu verurteilen und zu strafen. Auch der Hinweis auf die vergleichsweise geringe Bedeutung eines Rektorats in Fribourg ist völlig berechtigt. Die Rektoren wechselten jährlich nach einem bestimmten Schema. Im akademischen Jahr 1907/08 war Professor Lampert von der juristischen Fakultät Rektor, 1908/09 der Philologe Grimme von der philosophischen Fakultät, dann Brunhes von der naturwissenschaftlichen Fakultät. Zapletal war Vikar des Albertinums, seit 17 Jahren Professor in Fribourg und ein anerkannter Wissenschaftler und Dozent. Dass er Hauptkandidat der theologischen Fakultät war, ergab sich damit geradezu von selbst. Pius X. antwortete Cormier in einem handschriftlichen Brief vom 10. Juli 1910. Er dankte dem Ordensmeister für seine Bemühungen, die einmal mehr seine Liebe und

 AGOP Secr. 14. Vgl. Barthélemy, Documents, S. 307 f.

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seine Weitsicht offenbarten und nahm den Lösungsvorschlag an. Pater Zapletal persönlich zu empfangen, erschien ihm allerdings nicht vonnöten, doch erteilte er am Schluss seines Briefes Cormier, Zapletal und allen Patres im Albertinum seinen apostolischen Segen.⁵⁸³ Mit welchen Gefühlen Pius X. seine Entscheidung zurücknahm, wissen wir nicht. Auf eine gewisse Verstimmung deuten aber die kleinen Fehler in seiner italienisch verfassten Antwort hin. Statt „Maestro Generale“ schreibt er „Ministro Generale“ – das ist der Titel des Generaloberen der Franziskaner –, und er verwechselt Albertinum und Angelicum, wenn er die Patres „del collegio Angelico“ grüßt, freilich auch ein Dominikanerkollegium, aber in Rom. Zapletal informierte den Ordensmeister am 13. Juli 1910 über die Situation im Albertinum. Er war froh, sofort zurückgekehrt zu sein, denn die Mitbrüder waren beunruhigt. Es war genau das geschehen, was er vorhergesehen hatte. Decurtins hatte überall verbreitet, dass Rom Zapletal das passive Wahlrecht entzogen habe. Zapletals Reise nach Rom gab er vor den Professoren als Vorladung zu einem Prozess wegen Modernimus aus: „Alle Studenten sprachen darüber, dass mich Decurtins in Rom des Modernismus beschuldigt habe und ich daher nicht anwesend sei. Diesmal musste ich den Patres Professoren die ganze Sache erklären. Die, mit denen ich sprach, halten Decurtins Handeln für schändlich und meinen, man sollte die nächste Gelegenheit nutzen, ihn loszuwerden. Herr Python ist sehr zufrieden, dass ich das Rektorat übernehmen kann, und ich meinerseits habe ihm mitgeteilt, dass wir ihm gerne einen Dienst erweisen und ihn von Herrn Decurtins befreien würden, wenn er selbst es nicht tun könne. Verehrter Vater, ich weiß, wie viel ich Ihnen nun schulde; meine Resignation hinsichtlich des Vikariats ziehe ich selbstverständlich zurück und bin bereit, dieses Amt nach Ihrem Gutdünken auszuüben. […] Beinahe hätte ich vergessen, Ihnen zu Ihrem Collegium Angelicum zu gratulieren; ich habe die besten Eindrücke mitgenommen und unseren Patres davon erzählt. Mit Ausnahme eines einzigen Neiders haben sich alle daran gefreut.“⁵⁸⁴ Die Wahlversammlung der Universität, die am 15. Juli 1910 zusammenkam, verteilte ihre Stimmen wie folgt: Zapletal 42, del Prado 1, Speiser 1. Einer der 45 Wahlzettel musste allerdings annulliert werden: auf ihm stand: „Decurtins – Großinquisitor“. So endete die ganze Affäre schließlich mit einem triumphalen Sieg für Zapletal, nicht nur weil er von 45 Stimmen 42 auf sich vereinigen konnte, sondern vor allem auch, weil so viele Professoren zur Wahl erschienen waren. Bisher hatten sich an der Rektorenwahl bestenfalls 35 Professoren (1909) beteiligt, und auch später sank die Zahl auf 32 (1911). Eine höhere Wahlbeteiligung ist erst wieder 1926 zu verzeichnen; inzwischen hatte sich aber auch die Zahl der Professoren erhöht. Rektor Brunhes benachrichtigte umgehend Minister Python über den Ausgang der Wahl.⁵⁸⁵ Am 22. Juli bestätigte der Staatsrat Zapletal im Amt.⁵⁸⁶ Am 16. Juli, dem Tag    

AGOP II. 122. Vgl. Barthélemy, Idéologie, S. 109. AGOP XI. 15340. Vgl. Barthélemy, Documents, S. 307 f. AEF Zapletal. Entsprechendes Dokument im AA FZapletal.

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nach der Wahl, schrieb Zapletal Cormier einen Dankesbrief, diesmal nicht wie sonst auf Französisch, sondern auf Latein, und fasste die ganze Affäre noch einmal kurz zusammen. Bereits einige Wochen vor der Rektorenwahl habe man an der Universität davon gesprochen, dass seine Wahl glatt verlaufen würde. „Ab dem 8. Juli begann Herr Decurtins zu verbreiten, dass ‚ich nicht gewählt werden kann, weil ich des Modernismus angeklagt bin’ und wiederum ‚dass Rom das nie zulassen werde’ und ‚dass ich vorgeladen sei, um mich der Anklage des Modernismus zu stellen’; am 11. Juli verkündete er dann zur Abwechslung ‚dass ich vom Höchsten Pontifex nicht empfangen wurde’. Da kam bei allen Professoren echte Wut [verus furor] gegen Decurtins auf, so dass sie ungewöhnlich zahlreich zu den Wahlen erschienen und ihre Stimme mir gaben. In Fribourg reicht es nämlich völlig, dass Herr Decurtins etwas attackiert und sofort erhebt sich die ganze Universität wie ein Mann, um es zu verteidigen.“⁵⁸⁷ Nach Zapletals Rekonstruktion der Ereignisse war Decurtins über seinen Besuch in Rom zweifellos telegraphisch informiert worden. „Obwohl ich incognito von hier abfuhr, wusste er über meine Reise Bescheid, am ehesten wohl auf Grund Ihrer Bitte vom 7. Juli, mir eine päpstliche Audienz zu gewähren. Obwohl ich am 11. Juli noch in Rom und Italien war, verkündete Decurtins bereits, dass Zapletal vom Papst nicht empfangen worden sei.“ Da über diese Audienz nur der Papst und der Ordensmeister verhandelt hatten, vermutete Zapletal, dass Decurtins seine Informationen von einem der persönlichen Sekretäre des Papstes erhalten habe: „Es ist zwecklos, ja ungerecht, dem Beschuldigten Schweigen aufzuerlegen, wenn der Kläger, wie in diesem Falle, nach Belieben alles Mögliche verkünden kann. Herr Decurtins ist, wie mir Herr Python eben sagte, ein ‚gefährlicher Verrückter’ [amens periculosus].“ In vier Punkten folgt nun eine Aufzählung von Decurtins’ abenteuerlichen Aktionen und deren Scheitern: sein erzwungener Abgang aus der Politik, seine unzulässigen Einmischungen in kirchliche Angelegenheiten, die ihm als einem Laien nicht zustehen, sein „Fiasko“ in der sozialen Frage und seine Unfähigkeit als Professor („sed ut professor est summa nullitas“). Da er nicht durch Kenntnisse brillieren könne, wolle er sich wenigstens einen Namen machen, indem er seine Kollegen des Modernismus beschuldige. Wegen ihm habe die Universität Probleme mit den Regierungen Deutschlands und Österreichs. „Und so einem Manne, einem Laien, gehört in Rom das Vertrauen? Und ein Priester und Ordensmann, der schon 17 Jahre Professor ist und etliche Werke zur Verteidigung der Heiligen Schrift verfasst hat, wird aufgrund seiner Aussage einfach verurteilt? Eine der Grundregeln in diesem Land hier besagt, dass niemand verurteilt werden kann, ohne dass seine Verteidigung gehört worden wäre.“ Zapletal schließt den Brief mit einem herzlichen Dank an Cormier, der gerecht gegen ihn sei und wegen ihm auch schon Etliches auszustehen hatte („qui iuste me tractatus et propter me etiam multa tolerasti“).⁵⁸⁸

 Zapletal an Cormier, 16.7.1910. AGOP XI. 15340. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 308.  Ebd.

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Zapletals Wahl zum Rektor hatte gezeigt, dass auch Benigni und sein Geheimbund in Rom nicht allmächtig waren. Decurtins begab sich nun zu Benigni nach Truns, wo beide in der zweiten Augusthälfte ihre Ferien damit verbrachten, Bilanz zu ziehen und neue Operationen zu planen. Die Hauptaufgabe der Sapiniére sahen sie in einer erneuten Kampagne gegen den literarischen „Modernismus“ und gegen die Dominikaner in Fribourg. Vor allem hatten sie dabei Zapletal im Visier, denn in ihm erblickten sie die treibende Kraft der Fribourger Modernisten.⁵⁸⁹ Ein erster Schritt war Anfang September 1910 der Abdruck einer italienischen Übersetzung von Decurtins’ Zweitem und Drittem Brief an einen jungen Freund in Benignis integralistischer Correspondance de Rome. Der dritte Brief erschien zeitgleich in der Liberté. Ansporn war ihnen dabei, dass Papst Pius X. in der Zeitschrift Der Gral am 15. August 1910 „seinem geliebtem Sohn“ Decurtins für seinen unermüdlichen Kampf gegen den literarischen „Modernismus“ gedankt hatte. Dieses offizielle Lob überraschte nicht nur progressive Theologen; selbst führende Vertreter des Integralismus hielten es für einen taktischen Fehler, denn „dieser unselige Decurtins in seinem blinden maßlosen Eifer“ schade „mehr als 100 Modernisten“.⁵⁹⁰ Die Universitätsprofessoren, vor allem die der philosophischen und juristischen Fakultät, wollten sich ihres missliebigen Kollegen entledigen, doch ihre Polemiken in der Schweizer Presse führten nicht zum Erfolg.⁵⁹¹ In der kurzen Zeit zwischen dem 4. Juli, als das päpstliche Verbot in Fribourg eintraf, und dem 16. Juli, dem Tag der Wahl, hatte Zapletals Weg aus der Tiefe in höchste Höhen geführt. Die anfängliche Katastrophe hatte letzlich eine Festigung seiner Position bewirkt. Trotzdem gab es keinen Grund zur Freude. Das Problem war auf dem Tisch, Fribourg hatte wieder einmal die Aufmerksamkeit des Papstes und seines Umfelds auf sich gezogen, und das verhieß nichts Gutes. Als Professor Lampert⁵⁹² von der juristischen Fakultät kurze Zeit nach diesen Ereignissen in Rom eine Audienz bei Pius X. hatte, fragte dieser ihn, ob die demonstrative Wahl Zapletals zum Rektor als Protest gegen den Heiligen Stuhl zu verstehen sei, worauf der in Rom gut beleumundete⁵⁹³ Lampert erwiderte: „Nein, Heiliger Vater, aber gegen Kaspar Decurtins!“⁵⁹⁴ Eine Schlacht war gewonnen, aber der Krieg war noch lange nicht vorbei.

 Vgl. Weiß, Modernismus, S. 227 f.; Poulat, Intégrisme, S. 208 f.  Albert Maria Weiß an Commer, 16.10.1910. Zitiert nach Weiß, Modermismus, S. 229.  Speiser informierte Benigni über die Kampagne gegen Decurtins am 23.4.1910. ASV FBenigni, l.1, n. 253.  Prof. Ulrich Lampert (1865 – 1945) stammte aus Chur und lehrte von 1898 bis 1942 kanonisches Recht an der philosophischen Fakultät in Fribourg. Im akademischen Jahr 1907/1908 war er Rektor der Universität. Er arbeitete an der Reform des Kirchenrechts mit und gehörte 1917 der Konsultatorenkommission des Codex Iuris Canonici (CIC) an. Zudem war er beteiligt am Aufbau der Beziehungen zwischen katholischer Kirche und der Schweizer Konföderation. Lamperts Bildung, sein Realitätssinn und das Prestige, das er sowohl in Rom wie in der Schweiz genoss, halfen der Universiät, die Modernismus-Beschuldigungen zu überstehen.  Carlen Luis, Ulrich Lampert, in: Menschen und Werke. Hundert Jahre wissenschaftliche Forschung an der Universität Freiburg Schweiz / Les hommes et les oeuvers de l’Université. Cent ans de

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3.8.3 Neue Berichte nach Rom Zapletals besonderes Talent, Probleme auf sich zu ziehen, zeigte sich erneut in Zusammenhang mit seinen Seminaren zum Psalter. Bereits 1909 hatte er begonnen, sich in einem Seminar der Analyse der Psalmen zu widmen, und er nahm diese auch in den folgenden vier Jahren der Reihe nach durch (1909/10: Ps 1– 10; 1910/11: Ps 12– 23; 1911/ 12: Ps 1– 23; 1912/13: Ps 1– 16; 1913/14: Ps 16 – 23). Eine derartige Wiederholung der Thematik hatte es bis dahin in seinem Seminarprogramm nicht gegeben. Sie verrät einen Mangel an Zeit und das Warten auf eine Veränderung der Situation. Bald boten auch die Psalmen keinen sicheren Boden mehr, denn die Bibelkommission hatte am 1. Mai 1910 einen Beschluss zu deren Autorschaft herausgegeben. Dieser verwarf, dass David nicht Hauptautor des Psalters und der meisten Psalmen sein könne, ebenso dass die Psalmen aus der Zeit Esras oder sogar der Makkabäer stammen könnten. Anders gesagt: Die Bibelkommission erklärte es als verpflichtend, David als Autor derjenigen Psalmen anzuerkennen, die im Neuen Testament als Davids Psalmen zitiert werden.⁵⁹⁵ Zapletal, der unter anderem genau dies bereits 1903 in Zweifel gezogen hatte,⁵⁹⁶ blieb nichts anderes übrig, als sich nun auf die Erforschung der hebräischen Metrik zu konzentrieren. Die dramatischen Ereignisse des Jahres 1910 schlugen sich letztlich auch in der Teilnehmerzahl des Seminars nieder; sie halbierte sich von zehn auf fünf.⁵⁹⁷ Abgesehen von Neuausgaben älterer Arbeiten und seiner Antrittsrede als Rektor publizierte Zapletal zwischen 1910 und 1914 keine wissenschaftlichen Arbeiten.⁵⁹⁸ Neue Konflikte bahnten sich an. Decurtins von der Universität zu entfernen war nicht gelungen. Ende Oktober 1910 schickte Zapletal zwei weitere Briefe an Cormier. Im ersten Schreiben vom 24. Oktober beriet er sich mit dem Ordensmeister über das konkrete Prozedere des Antimodernisteneides, zu dem das Motu proprio Sacrorum Antistitum des Heiligen Stuhls vom 1. September 1910 alle Professoren der theologischen und philosophischen Fächer, aber auch die in der Seelsorge tätigen Priester verpflichtete.⁵⁹⁹ Kern des Eides war das tridentinische Glaubensbekenntnis, ergänzt um Passagen aus der Enzyklika Pascendi und dem Dekret Lamentabili. Zapletal wollte dem Eid nicht ausweichen, doch musste er sich als Vikar um die Durchführung kümmern und bat, da es sich um eine Neuerung handelte, um Hinweise, wie und in wessen Hände der Eid zu leisten sei. ⁶⁰⁰

recherche scientifique à l’Université de Fribourg Suisse, éd. par Ramon Sugranyes de Franch, Fribourg 1991 (Défis et dialogues 13), S. 45 – 54, hier S. 51 f.  Zitiert nach Büchi, Gründung und Anfänge, S. 41.  EB 332– 339.  Vgl. Alttestamentliches, S. 135 f.  Bericht 1910/1911. Dasselbe betraf das neutestamentliche Seminar von P. Bernard Allo.  Vincent Zapletal, Der II. Psalm, in: Biblische Zeitschrift 12 (1914), S. 365 – 368.  Vgl. Arnold, Kleine Geschichte, S. 120 – 126.  AGOP XI. 15340.

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Im Brief vom 29. Oktober steht der Antimodernisteneid schon wieder im Hintergrund, denn es gab neue, sehr beunruhigende Nachrichten. In den Ferien hatte Zapletal an einem von der Görres-Gesellschaft veranstalteten Kongress teilgenommen.⁶⁰¹ Dort ging das Gerücht um, Rom habe eine Kommission zur Prüfung von Zapletals Schriften ernannt: „Ich war immer Katholik und habe vor, es in allen meinen Werken zu bleiben. Sollte sich in meinen Schriften dennoch etwas Unrichtiges finden, seien Sie bitte so liebenswürdig und richten Sie die Sache so ein, dass man mir sagt, welches Buch aus dem Verkauf gezogen werden muss – ich werde dies trotz der finanziellen Opfer veranlassen –, statt dass man das Buch auf den Index setzt.“⁶⁰² Im Übrigen war Zapletal schon durch die Teilnahme an den Veranstaltungen der GörresGesellschaft ein Risiko eingegangen, denn auch sie stand unter Modernismusverdacht und erfreute sich bei den römischen Institutionen keines guten Rufs. Die zweite schlechte Nachricht betraf drei italienische Priester, denen von oberster Stelle verboten worden war, nach den Ferien ihre Studien in Fribourg fortzusetzen. Zwei davon hatten bei Zapletal Exegese studiert. Nach den verfügbaren Informationen hatte der Papst höchstpersönlich dieses Verbot ausgesprochen, und zwar in einem handschriftlichen Brief, dem wiederum Berichte von Decurtins zugrundelagen. Die Sache, so Zapletal, werde nicht verborgen bleiben und der Senat werde sich mit ihr beschäftigen müssen. Zapletal bekannte eine gewisse Ratlosigkeit und fragte, was nun zu unternehmen sei. Cormier könne sicher herausfinden, was genau vor sich vorgehe, und im Interesse der Universität die Sache so handhaben, dass die Affäre kein überflüssiges Aufsehen erregt.⁶⁰³ Dass die Universität und einige Schweizer Bischöfe nicht im besten Einvernehmen waren, zeigen auch die wiederholten Pläne zur Gründung einer weiteren Universität, zumindest einer weiteren theologischen Fakultät. Zapletal berichtete Cormier in seinem Brief vom 2. November 1910 von Gerüchten über die Gründung einer theologischen Fakultät in Luzern. Diese Pläne stünden der ursprünglichen Absicht Leos XIII. und seines Staatssekretärs Kardinal Rampolla entgegen, und überhaupt wäre es besser, dies zu verhindern, denn da seien zweifellos Feinde Fribourgs am Werk. Offenkundig wollte Zapletal als Rektor seine Universität und seine Fakultät vor unerwünschter Konkurrenz, vor sinkenden Studentenzahlen und erneuten Zweifeln an der doktrinären Zuverlässigkeit Fribourgs schützen, denn gerade damit würden viele die Gründung einer neuen Fakultät in Luzern erklären. Die Ablegung des Antimodernismuseides sehe der Dekan für den 3. November in der gerade fertiggestellten Kapelle des Albertinums vor.⁶⁰⁴

 Die gelehrte Gesellschaft wurde während des Kulturkampfs 1876 in Koblenz gegründet, um die wissenschaftliche Entwicklung des deutschen Katholizismus zu fördern (Naturwissenschaften, Recht, Geschichte etc., nicht aber Theologie). Namensgeber ist der Konvertit Joseph von Görres (1776 – 1848), ein bedeutender Vertreter der deutschen katholischen Romantik.  Zapletal an Cormier, 29.10.1910, AGOP XI. 15340.  Ebd.  AGOP XI. 15340. Alle drei Briefe ediert in Barthélemy, Documents, S. 311.

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Doch schob sich auch das Studienverbot für die beiden Priester und Exegesestudenten, Don Roberto Sposetti und Domenico Mozzicarelli, die seit 1908 bei Zapletal studierten, wieder in den Vordergrund. Am 5. November schrieb Zapletal an Cormier, um ihn über seine neuesten Informationen in Kenntnis zu setzen: Decurtins habe Professor Beck verraten, dass der Urheber der neuen Beschuldigungen gegen Zapletal der italienische Theologiestudent Regattieri sei. Zapletal charakterisiert ihn als „Alkoholiker und Hysteriker, den Decurtins benutzt, ebenso wie er Benigni und Bressan benutzt. Hinter ihnen steht Decurtins als Inspirator.“ In der Schweiz sei Decurtins allgemein unbeliebt, fügte er noch hinzu, weil er eine Reihe weiterer Personen beschuldige. Zapletal war es zwar gelungen, den Hauptinformationskanal von Fribourg zum Heiligen Stuhl aufzudecken, aber er überschätzte Cormiers Einfluss, wenn er ihn bat: „Ich hoffe, dass Sie die Angelegenheit so regeln, dass Sposetti und Mozzicarelli nach Fribourg zurückkehren können.“⁶⁰⁵ Hier hören wir den Professor heraus, der nicht um zwei hoffnungsvolle Doktoranden gebracht werden will. Es sei, ohne allzu sehr vorzugreifen, schon jetzt gesagt: keiner der beiden kehrte nach Fribourg zurück. Über Regattieri waren sich die meisten Professoren einig; als erster Student überhaupt war er bereits am 19. Juli 1909 besonderes Thema bei einer Sitzung der an der Universität lehrenden Dominikaner. Damals hatte man ihm ein Zimmer im Albertinum zur Verfügung gestellt, jedoch nicht als Mitglied des Konvikts.⁶⁰⁶ Was stand am Anfang dieser neuen Affäre? In den Tagen zwischen Zapletals Wahl zum Rektor und dem Studienverbot für seine beiden Doktoranden war in Rom ein umfangreiches Dossier über die Situation an der theologischen Fakultät und im Albertinum eingetroffen. Der anonyme, auf Italienisch verfasste Bericht über den Modernismus in Fribourg schildert zunächst die Lage an der Fakultät: „P. Vincent Zapletal, Dominikaner, Schüler von P. Lagrange. Unterrichtet Hermeneutik und Exegese des Alten Testaments. Dieses Jahr ist er außerdem Rektor der Universität. Gerade er ist das offizielle Haupt [il capo ufficiale] des Modernismus in der Theologie. Prof. Hoberg aus Freiburg im Breisgau schreibt in einer Rezension, dass ‚seine Gedanken zwangsläufig zu Strauss und den Rationalisten führen müssen’.“ ⁶⁰⁷ Minocchi habe seine Verwunderung geäußert, dass er für Gedanken verurteilt worden sei, die Zapletal in Fribourg ganz normal lehre, ohne je dafür getadelt worden zu sein. Auch nach Herausgabe der Dekrete der Bibelkommission fahre er mit seiner ganz und gar entgegengesetzten Lehre fort. Von den Exegeten lobe und empfehle er lediglich Protestanten. Er habe das Motu proprio über den Antimodernismus-Eid kritisiert. Werfen wir auch einen Blick auf die Beurteilung des neutestamentlichen Exegeten: Bernard Allo „ist der Nachfolger des abgefallenen P. Rose, ein Schüler von Lagrange und Anhänger der Immanenzlehre. Auch er ist gefährlich wegen seiner Doppelzüngigkeit. Er legt den Studenten Probleme vor und übertreibt deren Bedeutung im  Zapletal an Cormier, 5.11.1910. AGOP XI. 15340.  AAlb A7.  Der italienische Text befindet sich im Archiv der Studienkongregation; ediert bei Barthélemy, Documents, S. 309 – 311. Abschrift in AGOP XI. 15310bis.

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modernistischen Geist. Weil er keine entsprechenden wissenschaftlichen Abhandlungen bei den Katholiken finden kann, empfiehlt er ebenfalls Protestanten. So hat er zum Beispiel für die Apokalypse Bacueze empfohlen und ironisch angemerkt, allein schon dass dieser auf dem Index stehe, sei eine Empfehlung.“ Als weitere Modernisten an der theologischen Fakultät werden Fei, Kirsch und Munnynck genannt. Lob als Antimodernisten, die zuverlässig in der Lehre seien, finden hingegen del Prado und Speiser. Danach nimmt der anonyme Autor das Albertinum unter die Lupe: „Von Dominikanern geführt. Modernistische Propaganda ist hier sehr aktiv. Rektor ist Abbé Müller, ein Schüler Zapletals. Offen für Zeitschriften jeder Richtung, französische, italienische, deutsche, polnische etc. […] Don Roberto Sposetti aus Viterbo und Don Domenico Mozzicarelli aus Castellano sind Alumnen des Albertinums[,] und gerade sie sind außerordentlich scharf in ihrer Kritik an Rom und der päpstlichen Autorität. Beide studieren bei Zapletal die Heilige Schrift, um in Viterbo lehren zu können.“ Dann folgt eine ganze Reihe moralischer Beschuldigungen mit Namensnennung der betreffenden Studenten aus dem Albertinum: faktischer Unglaube, Zelebrieren der Messe auch erst um 10, 12 oder gar 14 Uhr sowie die Absicht eines Priesters, sich nach Erhalt des Lizentiats in Philosophie sogleich zu verheiraten.⁶⁰⁸ Das alles sollte, da es von den Vorstehern des Albertinums toleriert würde, die aus den Fugen geratenen Verhältnisse in Fribourg belegen. Der anonyme Bericht wurde Pius X. zugespielt, der nun die Rückkehr der italienischen Doktoranden nach Fribourg tatsächlich verbot und die Anklageschrift an Cormier weiterreichte, damit dieser sich damit auseinandersetze. Der Ordensmeister beauftragte einen seiner zuverlässigsten Männer, den früheren holländischen Provinzial Ludwig Theissling OP, mit einer Visitation in Fribourg. Er sollte die faktische Richtigkeit des Berichts prüfen. Offiziell handelte es sich um eine reguläre Visitation, die Verbesserungen im Leben des Konvikts anregen sollte.⁶⁰⁹ Zapletal wehrte sich in seinem Brief an Cormier vom 10. November 1910 im Grunde nicht gegen eine Korrektur seiner Vorlesungen oder die Empfehlung, sich weniger mit der kritischen Exegese zu befassen. „Ich kann Ihnen versichern, dass ich immer wie ein Katholik handeln wollte, und ich gedenke Katholik zu bleiben. Aber die Lehre an einer Universität stellt gewisse Ansprüche.“ Die Nachricht von der Gründung einer Kommission, die mit der Überprüfung seiner Bücher betraut worden war, hatte ihm auch Python bestätigt. Mit dem Vermerk „vertraulich“ ließ Zapletal den Ordensmeister wissen: „Herr Python erhielt die Information von einem hohen kirchlichen Würdenträger, der in den vergangenen Tagen zu einer Audienz beim Höchsten Pontifex war. Der habe angeblich zu ihm gesagt: ‚Ich weiß über alles, was sich in Fribourg tut, Bescheid, und werde selbst dafür sorgen, dass sich die Dinge bessern.’ Den Brief habe ich selbst gesehen, aber Herr Python wünscht nicht, dass ich darüber spreche. Er hat Angst und ich übrigens

 Ebd.  Vgl. Barthélemy, Documents, S. 115.

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auch, denn ich vermute, dass der Papst seine Informationen nur von einer Seite bezieht.“ Dass Python und Zapletal die Gefahr sehr ernst nahmen, lässt sich auch aus dem Postskriptum herauslesen: „Dieses Jahr unterrichte ich auch Koptisch und Syrisch. Falls meine Sache ohne Hoffnung ist – was ich freilich nicht will –[,] könnte ich hier einen Lehrstuhl für semitische Sprachen bekommen.“⁶¹⁰ Es scheint, als wollte der Papst zunächst die Ergebnisse der Visitation abwarten. Das war Chance und Hoffnung zugleich für die Fribourger Professoren, ihren Weg zu verteidigen und harte, ehrenrührige, vielleicht auch für immer disqualifizierende Disziplinarstrafen abzuwenden. Cormiers Einfluss auf Pius X. konnte das Schlimmste verhindern. Aber noch war die Sache nicht gewonnen. Das stürmische Jahr 1910 brachte erst einmal weitere Unruhe in das Leben des tschechischen Exegeten.

3.8.4 Zapletals Manifest der progressiven katholischen Bibelwissenschaft Eine der Ehrenverpflichtungen des Rektors war eine Festrede am Dies academicus, der in Fribourg am 15. November, also Albertus Magnus zu Ehren, stattfand. Zapletal nahm die Rektorenkette entgegen, die Papst Leo XIII. 1896 der Universität geschenkt hatte, und sprach sodann vor versammelter akademischer Gemeinde über die Aufgaben der katholischen alttestamentlichen Exegese. Decurtins war nicht zum Festakt erschienen; somit blieb ihm der überwältigende Applaus erspart, der Zapletal zum Rednerpult geleitete. Die akademische Gemeinde Fribourgs gab einmal mehr unmissverständlich zu verstehen, zu wem sie hielt. Obwohl Zapletal auf Cormiers Empfehlung hin alle Anspielungen auf die kränkenden Beschuldigungen vermied, wich er dennoch den brennenden Fragen der Zeit nicht aus. Freilich musste der Text vor dem Druck durch eine ordensinterne Zensur, mit der laut Zapletal die „strengen Zensoren“ Manser und Langen-Wendels betraut wurden. Außerdem konnte Zapletal dem Ordensmeister eine Empfehlung von Prof. Knar vorlegen, so dass Cormier sein Imprimatur gab.⁶¹¹ Zapletal verwies zu Beginn seiner Rede zunächst auf den enormen Aufschwung der katholischen Exegese in den letzten Dezennien. Die Entdeckung assyro-babylonischer, phönizischer und altarabischer Texte und Inschriften hätten wertvolle Erkenntnisse für die Deutung bis dahin dunkler Stellen in der Heiligen Schrift geliefert; sie stünden manchmal aber auch zur biblischen Erzählung in einem schwierigen Verhältnis. Die „vergleichende Religionsgeschichte erkläre die israelitische Religion für das Resultat einer längeren natürlichen Entwicklung.“⁶¹² Angesichts dieser neuen Herausforderungen sollte der katholische Exeget aber nicht zur Schleuder greifen oder gar Schwert und Lanze schwingen, sondern moderne Waffen wählen. „Der alttesta AGOP XI. 15340. Vgl. Barthélemy, Documents, S. 312.  Zapletal an Cormier, 3.11.1910. AGOP XI. 15340. Vgl. Barthélemy, Documents, S. 312.  Vincent Zapletal, Über einige Aufgaben der katholischen alttestamentlichen Exegese, Freiburg (Schweiz) 1911, S. 10 (im Weiteren zit. als: Über einige Aufgaben).

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mentliche Exeget muss sich daher gewisse allgemeine und spezielle Kenntnisse aneignen, er muss die Textkritik, die literarische und die historische Kritik beherrschen und gewissenhaft ausüben.“⁶¹³ Er müsse in „einer Person das Wissenschaftliche zugleich mit der Bereitwilligkeit“ verbinden, „der Kirche zu folgen.“⁶¹⁴ Der biblische Text sei, bevor er durch die Masoreten fixiert wurde, durch viele Kopistenhände gegangen, so dass er nicht so rein erhalten sei, wie ihn die ursprünglichen Verfasser aufgezeichnet haben; der uns überlieferte Text enthalte verhältnismäßig viele verdorbene Stellen. Im Folgenden führte Zapletal aus, dass auch verschiedene Entwicklungen in der hebräischen Sprache und Schrift für Veränderungen im Text verantwortlich seien. Aber auch mit Nachlässigkeit der Kopisten und Hörfehlern bei kollektivem Diktieren müsse die Textkritik rechnen. Außerdem habe es absichtlich vorgenommene Änderungen im Text gegeben, z. B. wenn der Abschreiber einen allzu scharfen durch einen milderen Ausdruck ersetzte. Derartige Feststellungen in Bezug auf inspirierte Bücher mögen manchen als unannehmbar erscheinen, doch schon Augustinus, Hieronymus und Origines hätten sie gemacht. Die Textkritik sei keine Willkür der Exegeten, sondern ergebe sich aus zwingenden Gründen. So könnten Metrik und Strophik des hebräischen Textes hier eine Handhabe geben.Wenn es dem Exegeten aber gelinge, die „ursprüngliche Form des alttestamentlichen Textes herauszufinden, so erscheint der Inhalt viel ausdrucksvoller und erglänzt in seiner ganzen Erhabenheit.“⁶¹⁵ Die literarische Kritik sei freilich unvergleichlich schwieriger. Jeder Autor sei Kind seiner Zeit. Daher sei es wichtig, bei jedem Buche zu erfahren, wen es zum Verfasser habe oder welcher Zeit es angehöre. Das gelte auch von den inspirierten Werken, weil die Inspiration kein Diktieren sei, sondern eine „motio des Schriftstellers durch Gott.“⁶¹⁶ Da wir in der Regel die Verfasser der einzelnen Schriften nicht kennen, bleibt oft nur der Versuch, wenigstens die Entstehungszeit zu bestimmen: „In jener alten Zeit fragte man wenig nach dem Autor, das ganze Gewicht legte man auf den Inhalt. Selbst die Kirchenväter kümmerten sich noch wenig darum. […] Theodoret sagt mit Bezug auf das Buch der Psalmen, es komme nicht viel darauf an, ob alle Psalmen von David seien oder nicht, da es sicher sei, dass sie alle vom Heiligen Geist inspiriert seien.“⁶¹⁷ Erschwert werde die Situation zusätzlich dadurch, dass die Verfasser der biblischen Bücher mehrere Quellen, die heute verloren sind, zusammengeführt haben. Die Annahme mehrerer Quellen stehe aber nicht im Widerspruch zum katholischen Inspirationsverständnis, denn auch die Kirchenlehrer und die Exegeten der ersten Jahrhunderte und des Mittelalters hätten in einigen alttestamentlichen Schriften mehrere Quellen angenommen. Als Beispiel nennt Zapletal das Buch der Richter, das Buch der Könige und die Bücher Samuels, in denen die „konservativste Exegese die     

Über einige Aufgaben, S. 10. Über einige Aufgaben, S. 9. Über einige Aufgaben, S. 24. Über einige Aufgaben, S. 24. Über einige Aufgaben, S. 25.

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Arbeit mehrerer Propheten annimmt. Steht nun dieser Grundsatz fest, so darf er, wenn schwerwiegende Gründe vorhanden sind, auch auf andere Bücher angewendet werden.“⁶¹⁸ „Ja, es darf uns nicht wundernehmen, wenn manchmal in einem und demselben Kapitel eine (sic!) Mosaik von Stellen aus verschiedenen Quellen gefunden wird. Der Orientale schreibt nämlich ganz anders Geschichte als unsere Historiker; er legt eine Quelle zu Grunde, die er wörtlich anführt und dazu trägt er aus anderen Quellen Wörter und Sätze ein. […] Gewöhnlich nennt er auch nicht den Verfasser der Quelle; litterarisches (sic!) Eigentumsrecht und Plagiat waren damals meistens unbekannte Begriffe. […] Nicht so leicht ist es, die Quellen der alttestamentlichen Schriftsteller immer zu entdecken; denn sie haben sich nicht selbständig erhalten. Aber sie können da sein, auch wenn sie oder ihre Verfasser gar nicht genannt werden. Freilich kommen da viele mit dem Einwand, dass dies eines inspirierten Buches unwürdig sei. Aber das ist eine aprioristische Voraussetzung, die sich im Grund gegen den katholischen Begriff der Inspiration verfehlt. Denn die motio Dei geschieht bekanntlich – das ist jedenfalls die Lehre des heiligen Thomas von Aquin – nach der Veranlagung und Beschaffenheit dessen, der bewegt wird. Und so hat Gott einen Orientalen inspiriert, dass er als Orientale, nicht als ein abendländischer Schriftsteller des 20. Jahrhunderts schreibe.“⁶¹⁹ „Wenn demnach anfangs der Genesis – was schon im 16. Jahrhundert der Kardinal Cajetan bemerkt hat – zwei verschiedene Schöpfungsberichte zu lesen sind, deren Inhalt und Sprache von einander (sic!) abweichen, und von denen jeder von ganz anderen Voraussetzungen ausgeht, so darf man annehmen, dass sie zwei verschiedenen Quellen entstammen; […] Und noch etwas sehr Wichtiges! Gewisse Schriftsteller haben ihre Werke, um mich modern auszudrücken, nicht selbst herausgegeben, sondern andere haben die Ausgabe besorgt. […] Wer sich die Mühe nimmt, nur einige Kapitel des Buches Isaias allseitig […] zu analysieren, dem wird das Gesagte ganz klar sein. Diesem Umstande ist das Mosaikartige seines Buches und auch einiger anderer Schriften des Alten Testamentes zuzuschreiben, weshalb der Exeget immer die Herkunft einer jeden Rede, eines jeden Stückes genau untersuchen wird.“⁶²⁰

Das seien keine Zugeständnisse an die protestantische Kritik, betont Zapletal und fährt fort: „Wir folgen den Begründern der literarischen Kritik, und diese waren bekanntlich die Katholiken.“⁶²¹ Daran ändere auch nichts, dass das Studium des Alten Testaments im 19. Jahrhundert von den Katholiken vernachlässigt und gegenüber der protestantischen Forschung in Verzug geraten sei. Auch habe die historische Kritik die Konflikte mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaften endgültig aus dem Weg geräumt. „Alle geben jetzt zu, dass die Bibel kein Handbuch der Naturwissenschaften sein will und dass sie sich bei diesen Dingen

   

Über einige Aufgaben, S. 26. Über einige Aufgaben, S. 28 f. Über einige Aufgaben, S. 29 f. Über einige Aufgaben, S. 30.

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der volkstümlichen Ausdrucksweise bedient. […] Religiöse Wahrheiten wollte der Verfasser [der Genesis] den Israeliten einschärfen.“⁶²² Damit aber nicht genug der Probleme: „Viel schwieriger ist es, in jedem Punkte die Wahrheit der im Alten Testament erzählten Geschichte darzutun. Diesbezüglich sind die Forschungen bei weitem noch nicht abgeschlossen. Viele Schwierigkeiten werden ihre Lösung dadurch finden, dass man verschiedene Arten der Geschichte im Alten Testament unterscheiden wird. Neben geschichtlichen Erzählungen im strengsten Sinne des Wortes mag es auch erbauliche Geschichte geben, wie z. B. in den Büchern Tobias, Esther und Judith.“⁶²³ Zapletal bezog sich in seiner Ansprache auch wiederholt auf Papst Pius X. Ein erstes Mal in Zusammenhang mit dem Bemühen der katholischen Kirche, den Rückstand im Studium der Heiligen Schrift aufzuholen, sodann in einem längeren Zitat aus einem Brief des Papstes an Bischof Le Camus vom 11. Januar 1906, in dem er einerseits die allzu kühnen Neuerer kritisierte, andererseits aber auch die, die sich dem „weisen Fortschritt der Studien“ verschließen.⁶²⁴ Trotz des Erreichten, bleibe aber noch viel zu tun, so Zapletal am Schluss seiner Rede, seien doch die kritische Ausgabe des hebräischen Bibeltextes, das gute hebräische Wörterbuch und die beste hebräische Grammatik nicht von Katholiken verfasst, und das gelte auch von manch anderem Gebiet der alttestamentlichen Exegese. Zur Verbesserung dieser Situation schlägt er vor: „Es sollte ein vollständiger, mit dem ganzen wissenschaftlichen Apparat versehener Komemntar zum Alten Testament für den Klerus in lateinischer Sprache herausgegeben werden, wobei eine neue gute lateinische Übersetzung die Krone der mühevollen Arbeit sein müsste. Darnach sollte – für weitere Kreise – eine genaue Übersetzung in moderne Sprachen […] angefertigt werden.“ Ein erneuertes Interesse an der Exegese würde dann von selbst zu Fortschritten in allen mit ihr zusammenhängenden Disziplinen führen.⁶²⁵ Wir haben hier so ausführlich aus Zapletals Rektoratsrede zitiert, um zu verdeutlichen, dass Opportunismus und Feigheit sicher nicht zu Zapletals Schwächen gehörten. Später warf man ihm vor, dass er in seiner Rede den Antimodernisteneid nicht angesprochen hatte, doch wird schon aus den hier angeführten Zitaten ersichtlich, dass Zapletal mit geradezu selbstvernichtender Offenheit weitaus mehr gesagt hatte, ja dass er bei der Exegese die Unterscheidung verschiedener literarischer Genres empfohlen hatte, was seitens der Kirche erst 33 Jahre später mit der von Pius XII. herausgegebenen Enzyklika Divino afflante Spiritu erlaubt werden sollte. Kein Wunder, dass Cormier beunruhigt war. Zunächst dankte er Zapletal am 20. November für die Zusendung der Rede. Da er aber kein Deutsch konnte, blieb seine Lektüre auf den in der Liberté abgedruckten Ausschnitt beschränkt. Diese hinterließ bei ihm zwar ein gutes Gefühl, dennoch hätte er in Bezug auf die Kritik der bisherigen    

Über einige Aufgaben, S. 34 f. Über einige Aufgaben, S. 35 f. Über einige Aufgaben, S. 36 f. Über einige Aufgaben, S. 38 f.

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katholischen Exegese genauere Formulierungen begrüßt. Seiner Ansicht nach hatte es viele gute Exegeten gegeben, die in wissenschaftlicher Hinsicht vielleicht schlechter ausgestattet waren als die heutigen, aber den Sinn der Schrift besser ausgelegt hätten, und das sei vorrangig.Was die Exegeten beträfe, die in der Rede dafür kritisiert worden seien, dass sie sich nicht vorwärts bewegten, sich in ihrem engen Zirkel abschließen und Attacken gegen die reiten, die wiederum so weit wie möglich voran wollten, so sollte man sie lieber lassen; sie mögen sich selber unmöglich machen. Überflüssige Kritik und Spott würden sie nur bestärken und ihnen mehr Bedeutung verleihen.⁶²⁶ Zapletal legte ihm gleich am nächsten Tag dar, dass die Kritik sich nur auf die Exegeten des 19. Jahrhunderts und ihre Vernachlässigung des Alten Testaments bezogen hätte. Die Exegeten der vorangegangenen Jahrhunderte habe er hingegen in seiner Rede gefeiert. Niemand in Fribourg habe den Eindruck einer allgemeinen Kritik gehabt, wie der Ordensmeister sie beschreibe. Ganz im Gegenteil, die Rede habe Lob von allen Seiten erfahren und nicht ein Wort des Protestes: „Herr Python ist glücklich wie ein Kind, er hatte nämlich gewisse Bedenken, aber nun wiederholt er bei jeder Gelegenheit, dass der Vortrag brillant gewesen sei, außergewöhnlich, dass ich ganz und gar Recht hätte usw.“ Python hatte die Rede auch ins Französische übersetzen lassen. „Er ist stolz auf mich. Die Rede wird gerade ins Tschechische, Englische und Italienische übersetzt, ich habe meine Erlaubnis dazu schon gegeben. Alle Professoren sind zufrieden und die Studenten auch. Es war ein Triumph auch für den Orden. Von überallher bekomme ich Briefe […], ohne Ausnahme findet die Rede Beifall. Bis jetzt wurde noch kein Wort gegen sie laut. Man bezeichnet sie als katholisch und wissenschaftlich zugleich.“⁶²⁷ Sehen wir einmal davon ab, wie bemerkenswert schnell die Übersetzungen der erst fünf Tage zuvor gehaltenen Rede in Auftrag gegeben worden waren, so scheint der Erfolg Zapletal doch ein wenig fortzureißen. Unter den gegebenen Umständen ist das nur allzu verständlich. Im Juli hatte er den Kampf um sein wissenschaftliches und kirchliches Überleben erfolgreich ausgefochten. Dann hatte er eine ausgewogene Rede über ein äußerst heikles Thema vorbereitet, darin eine ganze Reihe mutiger Gedanken formuliert und die Gunst des akademischen Publikums für sich gewinnen können, ohne den offenen Protest der konservativen Professoren hervorzurufen. Vielleicht wollte er mit seinem selbstgewissen, leicht paulinisch anmutenden Ton nur sich und den Ordensmeister davon überzeugen, dass alles in bester Ordnung sei. Im Übrigen wurde seine Rede angesichts der Situation, in der sich die katholische Exegese 1910 befand, als eine Art Manifest betrachtet, als Ausdruck der Entschlossenheit der progressiven Exegeten, nicht aufzugeben. Genau das bezeugt die Tatsache, dass sie nicht nur ins Tschechische,⁶²⁸ Englische,⁶²⁹ und Italienische,⁶³⁰ sondern auch ins Franzö    

AGOP XI. 15340. Ebd. Beide Briefe ediert in Barthélemy, Documents, S. 313. O některých ukolech katolické exegese Starého zákona, Praha 1910, auch als Beilage des ČKD. Some Duties of Catholic Old Testament Exegesis, in: Columbia 17 (1910), S. 135– 153. Principii scientifici d’exegesi cattolica dell’Antico Testamento, Torino 1911.

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sische,⁶³¹ Spanische,⁶³² Rumänische⁶³³ und sogar ins Ungarische⁶³⁴ übersetzt wurde. Gleich 1911 folgte eine zweite Auflage des deutschen Originals. Keine andere Rektoratsrede zuvor oder danach hat in Fribourg je so viel Aufmerksamkeit erregt. Aus Jerusalem schrieb Lagrange an Bernard Allo: „Ich gratuliere P. Zapletal zu seiner Rede, die gerade in seiner Situation sehr mutig ist.“⁶³⁵ In diesen Jahren publizierte Zapletal zwar keine neuen Arbeiten, aber seine Festrede sowie die Neuauflage zweier älterer Arbeiten, nämlich Der Schöpfungsbericht der Genesis und Das Buch Kohelet, machten seine wissenschaftliche Stellung deutlich. Die Sapiniére allerdings blieb nicht untätig. Bereits im Herbst erreichten Benigni weitere Berichte über die Universität in Fribourg. Der erste war am 26. Oktober 1910 in Luzern verfasst worden und Bestandteil einer Erklärung zum Modernismus in der Schweiz. Fribourg wird als „unbestreitbares Zentrum der internationalen modernistischen Bewegung“ bezeichnet, gegen die man schwere Kaliber auffahren müsse, denn sie habe schon zu sehr Fuß gefasst. Der Autor erwähnt die Abneigung der „modernistischen Dominikaner“ gegen Decurtins und bedauert, dass die Theologiestudenten weiterhin in großen Massen an die Fakultät strömten.⁶³⁶ Einen Monat später, am 22. November 1910, sandte Sylvio Laurent de Monléon ebenfalls einen Bericht. Er bezeichnete die Universität als „modernistisch, liberal, protestantisiert und sillonistisch“. Auch wenn sich seine Beschwerden hauptsächlich gegen die französischen Professoren an der philosophischen Fakultät richteten – er bezichtigte sie als Sympathisanten der Republik und des Sillonismus –, vermerkte er doch, dass an der theologischen Fakultät die Patres del Prado,Weiß, Michel, Montagne ihre Vorlesungen ins Leere hielten, unter der Unaufmerksamkeit und dem Unwillen der Studenten zu leiden hätten und sich von ihnen angestarrt fühlten wie urzeitliche Grabungsfunde. Selbst einer ihrer Mitbrüder aus dem Orden des hl. Thomas sei nur allzu bereit, sich über sie lustig zu machen; die Dominikaner in Fribourg seien gespalten, in ihren Reihen herrsche keine Einigkeit. Etliche seien schon öffentlich und keineswegs zu Unrecht beschuldigt worden, dass sie Idealisten seien, die sich das Mäntelchen des Aristoteles umhängen würden. Die Zustände seien unhaltbar geworden.⁶³⁷

 L’exégèse catholique de l’Ancienne Testament, Fribourg 1911.  La exégesis católica del Antiguo Testamento, Vergara 1911.  Câteva dintre problemele exegesei Testamentului Vechiu, Blaj 1911.  Az ószővetségi szentirásmagyarázat néhány Feladataról, Budapest 1911.  Lagrange an Allo, 25.12.1910. Archiv der Dominikanerprovinz Francia; der Text wurde von P. Bernard Montagne OP zur Verfügung gestellt.  ASV FBenigni, l.4, n. 615.  ASV FBenigni, l.4, n. 628.

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3.9 Dreifache kanonische Visitation: Theissling, Cormier, Molini Ludwig Theissling, der Assistent des Ordensmeisters, wurde als erster von Cormier ausgesandt. Schon im Frühjahr war er in Fribourg gewesen; Zapletal hatte für den 28. April 1910 ein Treffen zwischen ihm und Python arrangiert.⁶³⁸ Der Bericht über die Visitation im April bestätigte, dass die Lehre in Fribourg den Vorschriften der Studienkongregation entsprach. Unter den Brüdern, so Theissling, herrsche Frieden und eine schöne Gemeinschaft. Das Nationalitätenproblem scheine ihm aufgrund gegenseitigen Respekts fast völlig beseitigt, mag es auch hin und wieder kleine Meinungsverschiedenheiten geben. An der Praxis des Ordenslebens sei nichts zu ändern.⁶³⁹ Nach den Ferien kam Theissling erneut nach Fribourg und blieb von Ende Oktober bis weit in den Dezember.⁶⁴⁰ Direkt vor den Weihnachtsfeiertagen, am 24. Dezember 1910, schloss Theissling seinen erneuten Bericht über das Albertinum ab. Er bekennt gegenüber Cormier, wie schwer es ihm gefallen sei, die Inspektion unvoreingenommen in Angriff zu nehmen, denn obwohl er sich bewusst war, dass die Beschuldigungen auf unbestätigten Behauptungen beruhten, hätte es sich um so schwerwiegende moralische Delikte gehandelt, dass er den Betreffenden nicht immer ohne ein Gefühl der Bitterkeit begegnet sei: Je weiter die Inspektion fortschritt, desto mehr verstärkten sich meine Zweifel, bis ich schließlich moralische Gewissheit erlangte, dass die Beschuldigungen zum Großteil aus zweifelhafter Quelle stammen, die kein Vertrauen verdient, denn Neid und Rachsucht inspirieren sie. […] Ich komme zu folgenden Schlüssen: Wir sollten aufgrund mangelnder Beweise nicht nur auf einem Freispruch von jeder Schuld bestehen, sondern auch auf einer positiven Satisfaktion für die Beleidigungen und Verleumdungen unserer Patres, die seit so vielen Jahren eifrig und ergeben und solide die Lehre des heiligen Thomas verbreiten. Eine solche Satisfaktion scheint mir auch um die Ehre unseres Ordens willens vonnöten, denn die Beschuldigungen wurden nicht diskret vor das Heilige Offizium gebracht, sondern heimtückisch in ganz Europa verbreitet. Mit ihren Einflüsterungen haben sie überall den Eindruck erweckt, dass die Fribourger theologische Fakultät das Zentrum des Modernismus sei […]. Wir sollten uns direkt an den Hl. Vater wenden, ihm klar und deutlich die unreine Quelle der böswilligen gegen uns vorgebrachten Verleumdungen aufzeigen und ihn um Gerechtigkeit bitten. Unter der ständigen Bedrohung durch alle möglichen Beschuldigungen werden unsere Patres es nicht lange aushalten, ein Benehmen zu tolerieren, das ebenso beharrlich wie ungerecht ist, umso mehr als sie sich dabei der Ungnade eines neurasthenischen und rachsüchtigen Individuums ausgesetzt sehen, das man bereits zweimal aus dem Seminar geworfen hat, so, wie wir letztes Jahr aus unserem Konvikt.Wie kann Herr Decurtins sich auf die Autorität eines solchen Herrn Regattieri verlassen? ⁶⁴¹

Aus Budapest, wo Theissling zu einer weiteren Visitation weilte, schickte er am 16. Januar 1911 an Cormier die erbetenen Ergänzungen:    

AEF Zapletal. AGOP XI. 15310bis. Zapletal arrangierte für den 24. Oktober 1910 erneut ein Treffen zwischen Theissling und Python. AGOP XI. 15200, AGOP XI. 15310.

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Ihrem Wunsch gemäß habe ich noch gestern Abend P. Zapletal geschrieben, um ihn zu ermutigen. Ich hoffe, dass er auch weiterhin mit Umsicht agieren wird, so wie er es bis jetzt gehalten hat […]. Was P. Weiß betrifft und seine Meinung über die theologische Fakultät […]. P. Weiß ist zwar ein Alarmist und ein totaler Pessimist, dennoch meine ich, dass er ein wenig Recht damit hat, dass die Fakultät kompromittiert ist, ja sogar vom Untergang bedroht. Persönlich bin ich allerdings der Überzeugung, dass das Misstrauen in Hinblick auf die Rechtgläubigkeit unserer Patres, das sich auf Grund der Verleumdungen unserer Feinde in ganz Europa breit gemacht hat, nicht zu besiegen ist, wenn nicht der Hl. Stuhl uns öffentlich volle Satisfaktion gewährt. Wie ich schon im letzten Brief schrieb: diese Satisfaktion ist eine Sache elementarer Gerechtigkeit. ⁶⁴²

3.9.1 Eine neue Affäre und Cormiers Bericht Des Rückhalts bedurfte nicht nur die Fakultät, sondern die gesamte Universität. Die integralistische Presse hatte unter Benignis Ägide eine neue Kampagne gegen die Fribourger Universität initiiert. Diesmal richtete sie sich nicht in erster Linie gegen die Exegeten, sondern gegen die Vertreter des katholischen politischen Liberalismus und Sozialismus, die Anhänger des Sillonismus, vor allem unter den französischen Professoren der naturwissenschaftlichen und philosophischen Fakultät. Als Vorwand diente dabei ein scheinbar belangloser Artikel eines Professors der theologischen Fakultät. Prinz Max von Sachsen, ein frommer Priester und von heiligmäßigem Leben, zählte nicht gerade zu den fähigsten Professoren, und Liturgik gehörte auch nicht zu den wichtigsten Fächern der Fakultät, doch die Studenten respektierten ihn. Im November 1910 hatte er in der Zeitschrift Roma e l’Oriente Betrachtungen über die Einheit der Kirche veröffentlicht. Seiner Ansicht nach sollte die römische Politik weder die Schaffung eigener Splitterkirchen im Osten betreiben noch die Einrichtung entsprechender Patriarchate. Stattdessen sollte man die Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen verbessern und sich zu der gemeinsamen Verantwortung für die Spaltung in Ost- und Westkirche 1054 bekennen. Dieser Artikel rief nicht nur in der integralistischen Presse stürmische Reaktionen hervor, sondern auch bei der Kurie und beim Papst, der diese Ansichten am 26. Dezember 1910 in einem Breve an die Bischöfe der Ostkirche öffentlich verurteilte.⁶⁴³ Natürlich kamen dabei auch die Fribourger Dominikaner nicht ungeschoren davon, zumal der Dekan der theologischen Fakultät es ablehnte, umgehend eine Erklärung abzugeben, in der sich die Dominikanerprofessoren von Prinz Max distanzierten.⁶⁴⁴ Erneut wurde Fribourg als Zentrum des Modernismus bezeichnet. Da aber die persönliche Unbescholtenheit von Prinz Max über alle Zweifel erhaben war,  AGOP XI. 15310 bis.  Vgl. Barthélemy, Idéologie, S. 116 – 124. Eine Gesamtdarstellung der Affäre bietet Iso Baumer, Max, Herzog von Sachsen, in: Menschen und Werke. Hundert Jahre wissenschaftliche Forschung an der Universität Freiburg Schweiz / Les hommes et les oeuvers de l’Université. Cent ans de recherche scientifique à l’Université de Fribourg Suisse, éd. par Ramon Sugranyes de Franch, Fribourg 1991 (Défis et dialogues 13), S. 21– 43.  Langen-Wendels an Cormier, 22.12.1910. AGOP XI. 15300.

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schrieb man die Schuld der Situation vor Ort zu. Die sei dermaßen vom Modernismus durchtränkt, dass selbst ein so reiner Charakter wie Prinz Max Schaden genommen habe. Der unglückliche Prinz aus dem sächsischen Fürstenhaus blieb von den sonst üblichen, sehr harten Konsequenzen verschont, denn der Vatikan verfolgte politische Interessen in Deutschland, wo das sächsische Fürstenhaus populär und politisch einflussreich war. Prinz Max sollte daher unauffällig entfernt werden. In den Zeiten der „antimodernistischen Psychose“⁶⁴⁵ genügte dazu ein noch so geringer Anlass. Weitere Berichte und Denunziationen ergingen an die Studienkongregation, die Indexkongregation und das Heilige Offizium. Cormier wurde nicht nur in seiner Funktion als Ordensmeister, sondern auch als langjähriger Berater des Heiligen Offizium mit einer Prüfung der Sache betraut. Zunächst schickte Cormier den Dominikanerprofessoren in Fribourg, den Diözesanpriestern und weiteren Personen, die mit den Fribourger Verhältnissen bestens vertraut waren, einen geheimen Fragebogen, den sie auf Italienisch oder Französisch und unter dem Eid de veritate dicenda et servando secreto beantworten konnten. Je nach Adressat variierte Cormier die Fragen ein wenig, die sowieso eher die Glaubwürdigkeit der Zuträger als der Beschuldigten betrafen.Werfen wir zunächst einen Blick auf die Antwort von P. Montagne, der zu den gemäßigt Konservativen zählte und nie unter Modernismusverdacht geriet. Er wagte kein eigenes Urteil über Decurtins’ menschliche Qualitäten, da er ihn kaum kenne, zitierte aber das Urteil vertrauenswürdiger Personen. Ihnen zufolge werde Decurtins von guten Absichten geleitet, unterliege aber immer wieder dem Drang, sich in den Vordergrund zu spielen, zu dominieren, entscheidenden Einfluss auszuüben und im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Ihn freue der Wirbel um die Universität, und auch die Tatsache, dass er als dessen Urheber gelte. Nachdem er sich in zwei anderen Kantonen desavouiert habe, habe er gehofft, Fribourg würde ihn für alles entschädigen; da er aber auch hier keine Erfolge feiern könne, sei er verbittert. Sein Hass auf die Dominikaner gehe auf das Jahr 1894 zurück; damals habe er sie ein erstes Mal kritisiert, nicht wegen des Modernismus, sondern weil sie ihm zu scholastisch gewesen seien und ihm der von ihnen gelehrte Thomismus veraltet erschien. In einem Brief an Python habe er sogar kritisiert, dass die von den Dominikanern gelehrte Philosophie nicht den Erfordernissen der Zeit entspreche. Später habe er P.Weiß besucht und ihm mitgeteilt, wie sehr ihn die Dominikaner enttäuscht hätten, hatte er doch gehofft, dass sie ihn bei der Verbreitung seiner politischen und sozialen Ideen unterstützen würden. Auf die Frage, ob ihm unbegründete oder übertriebene Beschuldigungen zuzutrauen seien, schreibt Montagne: „ja, bedenkt man sein Temperament, seinen Charakter und seine Geistesverfassung“. Als Professor sei er eine völlige Null und seine Vorlesungen rhetorische Tiraden ohne wissenschaftlichen Halt. Regattieri kenne er, so schreibt Montagne, relativ gut. Er sei ein strebsamer, fast unterwürfiger Student, der gerne herausragen würde, doch einiges an seinem Verhalten sei merkwürdig. Erst nachträglich habe man vom Bischof von Mantua erfahren,

 Vgl. Baumer, Max, Herzog von Sachsen, S. 27– 31.

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dass Regattieri bereits zweimal wegen homosexueller Praktiken ausgeschlossen worden sei. Für die Diözese Ravenna sei er nur auf Grund des Priestermangels und mit Sondererlaubnis aus Rom geweiht worden. Im Juli vergangenen Jahres habe er sich aber ein so schweres Delikt zuschulden kommen lassen, dass ihm der Rektor des Konvikts unter Zustimmung des Vikars das Consilium abeundi erteilt habe. Als Regattieri das Büro des Rektors verließ, habe er ihm gedroht: „Sie werden noch von mir hören“, oder auch „Das werden wir noch sehen!“ Auch sei bekannt, wie oft er Herrn Decurtins besucht habe, dem er alles, was im Albertinum vor sich ging, zutrug. Und als er, Montagne, in seiner Funktion als Dekan sein weiteres Studium mit ihm besprechen wollte, habe Regattieri auch ihm eine kleine Szene gemacht. Zu Beginn des akademischen Jahres sei er verschwunden, und man habe keine weitere Nachricht von ihm.⁶⁴⁶ Zapletal verfasste seine Antwort am 19. Januar 1911. Die offenen Drohungen Regattieris seien nicht der erste Hinweis darauf gewesen, dass dieser etwas im Schilde führe. Schon während des Semesters hatten Studenten geäußert, dass Regattieri seine Vorlesungen nur besuche, um Material zu sammeln, das er Decurtins, aber auch Speiser und einigen Laien zutragen könne, und natürlich habe er sehr übertrieben.Vor allem sei er ein Kriecher und Opportunist. Er habe begriffen, wie der Wind in Rom jetzt weht, und wolle sich das zunutze machen, ganz so wie viele andere Nullen heutzutage. Insgesamt umfasst Zapletals Charakteristik des italienischen Studenten und Denunzianten zwölf schwerwiegende Punkte, die er mit konkreten Beispielen untermauert. Zapletal schließt: „Nur auf Ihren Wunsch hin habe ich diese Beurteilung geschrieben, mich persönlich widert diese ganze Affäre an[,] und es wundert mich sehr, dass es so großer Anstrengung bedarf, um wenigstens ein bisschen Gerechtigkeit zu erfahren. Das ist bezeichnend. Verzeihen Sie, verehrter Vater, meine Offenheit.“⁶⁴⁷ Am selben Tag, dem 19. Januar, kamen die Professoren zusammen, um sich vornehmlich mit dem anonymen Bericht, der Affäre um Prinz Max und der Kampagne gegen Fribourg zu befassen. Der Prinz hatte sich entschuldigt, ebenso wie P. Weiß. Die Lage war durchaus ernst. Ergebnis der Versammlung war ein direkt an den Papst adressiertes, lateinisch verfasstes Schreiben. Es erklärt, dass die gegenwärtigen Anschuldigungen, zu denen sich auch die Presse hergibt unter Versicherung ihrer völligen Loyalität gegenüber dem Hl. Stuhl, ganz und gar im Widerspruch zur Situation und zum Geist der Fakultät stünden. Der Ruf der vom Heiligen Stuhl gegründeten Fakultät sowie der ihrer Professoren sei zu Unrecht gefährdet. Die Professoren hätten zwar geduldig geschwiegen, nun aber müssten sie gegen die ungerechten Beschuldigungen protestieren und öffentlich ihre Loyalität gegenüber dem Heiligen Stuhl erklären. Cormier nahm das Memorandum an, fügte selbst noch einige Worte hinzu und sandte es am 25. Januar an Pius X.⁶⁴⁸

 Fragebogen, geschickt am 15.1.1911. ACEC. Editiert bei Barthélemy, Documents, S. 317– 320.  AGOP XI. 15340. Barthélemy, Documents, S. 320.  ACEC, beide Dokumente ediert in Barthélemy, Documents, S. 321 f.

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Nun musste auch Python Stellung beziehen. Zapletal schrieb ihm am 25. Januar, dass der Ordensmeister den Protest der Theologieprofessoren erhalten und seine Zufriedenheit geäußert habe und nun das Schreiben an den Papst weiterleite. Zapletal erinnerte Python außerdem, er möge, falls noch nicht geschehen, wie versprochen möglichst rasch Kardinal Merry del Val brieflich um Unterstützung der Fakultät bitten.⁶⁴⁹ Doch im Grunde glaubte er nicht mehr an ein gerechtes und unparteiisches Vorgehen der römischen Organe. Schon am 19. Januar hatte er Python nachdrücklich davon abgeraten, in Rom um eine Visitation zu ersuchen: „[…] es wäre nicht nur nutzlos, sondern sogar gefährlich.“⁶⁵⁰ Auf einen weiteren Punkt der bestens organisierten Kampagne gegen seine Person kommt Zapletal in seinem Brief vom 29. Januar 1911 zu sprechen. Er informiert Cormier über einen Bericht, der, obwohl älteren Datums, eben in der Presse erscheinen sei. „Ein namentlich nicht genannter Redakteur der Zeitschrift Croix teilte einem unserer Professoren mit, dass der Papst von Ihnen verlangt hat, mich aus Fribourg wegzuschicken. Die Basler Nachrichten ⁶⁵¹ schreiben: „Der Papst hatte R. P. Cormier sogar angewiesen, P. Zapletal, den Rektor der Universität, per Depesche umgehend abzuberufen. Als der P. Ordensmeister angesichts eines derartigen Wutausbruchs des Papstes ohnmächtig wurde, stimmte das den Papst milde. Um einen Skandal zu vermeiden, besteht er nun nicht mehr auf einem sofortigen Abgang. Er besteht lediglich darauf, dass P. Zapletal und drei weitere Dominikaner binnen eines Jahres von der Fakultät verschwinden.“ Zapletal bewahrte einen kühlen Kopf und begnügte sich mit dem Verweis, dass ein einziges positives Signal seitens der kirchlichen Autorität die momentanen Angriffe unterbinden könnte.⁶⁵² Doch die Anspannung wuchs, so dass Zapletal fünf Tage später, am 3. Februar 1911, nach Rom telegraphierte: „Seit Sonntag allgemeiner Aufruhr in der europäischen Presse wegen jener Affäre. Situation untragbar, Schweigen unmöglich.“⁶⁵³ Dass sich der Vorfall mit Cormier tatsächlich zugetragen hat, bestätigen die Dominikanerhistoriker Guy-Thomas Bedouelle und Angelus Walz. Letzterer schreibt, „der Modernismus war das rote Tuch, dessen Aufziehen den Papst reizte. Die Umgebung Pius’ X. rollte es gegen alle Mißliebigen auf in der Voraussicht, den Papst in die richtige Stimmung zu versetzen. Er verlor dann jeweils die Fassung.“ Opfer eines solchen päpstlichen Wutausbruches wurde während einer Audienz auch der fast achtzigjährige Cormier, der nach den Worten des Papstes „ohmächtig wurde und zu Boden fiel.“ Obgleich man diesen Vorfall zu vertuschen suchte, machte er in der Kurie doch bald die Runde.⁶⁵⁴

     

AEF Zapletal. AEF Zapletal. Ausgabe vom 29. Januar 1911. AGOP XI. 15340. AGOP XI. 15340. Vgl. Walz, Andreas Kardinal Frühwirth, S. 329 f.; Bedouelle, Le P. Hyacinthe-Marie Cormier, S. 40.

3.9 Dreifache kanonische Visitation: Theissling, Cormier, Molini

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Der geduldige, unverwüstliche Cormier stellte während der letzten Januartage und in den ersten Februartagen 1911 alle Fakten zusammen und bereitete einen Bericht für die Kongregation des Heiligen Offiziums vor. In acht Punkten stellt er zunächst die Sachlage dar: I. Die Beschuldigungen sind anonyme Behauptungen ohne Beweise. Es ist allgemein bekannt, dass es sich bei den direkten oder indirekten Autoren um einen Laien und einen jungen Kleriker handelt, assistiert von einigen Neidern, die uns feindlich gesonnen sind, zum einen, weil wir keine Schweizer, zum anderen aber Ordensleute sind, und auch, weil wir als Dominikaner die philosophischen und theologischen Lehren des hl. Thomas verbreiten. Unterstützung erhalten sie außerdem von einigen Personen, die von einem Fanatismus geleitet werden, der weder im Orden des Wissens noch im Orden der Liebe der katholischen Sache oder den Interessen des Hl. Stuhles dienen kann. II. Die Personen, die in der Kritik stehen, sind Ordensleute und Priester; sie haben freilich ihre menschlichen Schwächen, aber es sind Menschen mit Gewissen und eines Meineids nicht fähig, und sie haben, gebunden an den Glaubensschwur, die Beschuldigungen für falsch erklärt. An der Bürde einer solchen Anschwärzung beim Hl. Stuhl tragen sie schwer. III. Viele weitere Zeugen, Dominikaner, Mitglieder anderer Orden, Priester, Laien, ehemalige Studenten erklären die Beschuldigungen für falsch und bezeugen, dass die theologische Fakultät bis heute viel Gutes geleistet hat und in Zukunft noch mehr erreichen wird, insbesondere jetzt, wo die Schritte des Anfangs getan und wertvolle Erfahrungen gesammelt sind. IV. Räumen wir dennoch ein, dass es bei diesem oder jenem Professor etwas zu beanstanden gab oder gibt, so handelt es sich um Anstößigkeiten, wie sie an all diesen Institutionen zu finden sind, auch an den berühmtesten und heiligsten. V. Hinzugefügt sei, dass auch diejenigen Professoren, die vielleicht in dem Bemühen, eine Schar wertvoller, dem Glauben entfernter Seelen zu gewinnen, zu weit gegangen sind und ihre Thesen nicht gut genug durchdacht haben, sich inzwischen, Schritt für Schritt, von den Erfahrungen belehrt, von ihren Vorgesetzten zu größerer Umsicht geführt und erleuchtet von der Lehre des Hl. Stuhls, gebessert und korrigiert haben. Auf sie einzuschlagen und sie in Schande zu bringen für Früheres, jetzt, wo sie sich um Besserung so bemühen, wäre gegen die Tradition der Gerechtigkeit und der väterlichen Güte, die beide in so bewundernswerter und fruchtbringender Weise das Handeln des Hl. Stuhles auszeichnen. Das Resultat wäre eine Herabwürdigung vieler Männer mit Talent und gutem Willen und eine Beschädigung der katholischen Sache. VI. Nehmen wir trotz allem einmal an, dass es zur Verbesserung der Lehre an der theologischen Fakultät und auch, um deren Autorität zu stärken, zweckdienlich wäre, einen Professor durch einen anderen, besseren und geeigneteren zu ersetzen, so wäre es dennoch angeratener, dies nicht im gegebenen Augenblick zu tun, sondern noch abzuwarten, denn sonst wäre es eine große Genugtuung für die verstockten Denunzianten und Verleumder, die bereits die Namen von vier

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Professoren veröffentlicht haben, die angeblich bald ersetzt würden. Diese Verleumder haben der Fakultät in der Presse erheblichen Schaden zugefügt, vor allem in Deutschland und Holland, haben ein übles Werk verrichtet, das es schwieriger macht, für das nächste Jahre neue Studenten zu gewinnen, aber noch viel schlimmer ist das Misstrauen, dass sie in Bezug auf den Hl. Stuhl gesät haben, als dessen Sprecher, Agenten und Verteidiger sie sich ausgeben. VII. Der wirksamste und beste Weg, wie sich die Dinge ordnen ließen und die Atmosphäre des Terrors endlich beenden, der sich viele treue Diener des Hl. Stuhles beständig ausgesetzt sehen, weil sie fürchten müssen, dass sie auf Grund der unverfrorenen Anzeigen mit Strafen belegt werden, scheinen mir folgende Maßnahmen: 1. Im Mai oder Juni führe ich in Fribourg eine kanonische Visitation durch […]. 2. Nach meiner Rückkehr werde ich dem Hl. Vater über alles Bericht erstatten, das heißt über alles, was die Lehre und die kirchliche Disziplin im Albertinum bertrifft. 3. Seine Heiligkeit wird liebenswürdigerweise ein offizielles Antwortschreiben an mich verfertigen, in der sie ohne überflüssige Belobigungen kundgibt, dass sie a) erfreut ist über das viele Gute, das die theologische Fakultät bisher gewirkt hat und über den Eifer, mit dem die Professoren die heilige Lehre verbreiten, b) hofft, dass das Gute zunimmt und sich in alle Länder der Christenheit verbreiten wird, wenn die Studenten nach Beendigung ihrer Studien wieder in ihre Heimatländer zurückkehren, c) den Professoren anempfiehlt, sich insbesondere auf eine solide Ausbildung des Klerus zu konzentrieren […]. 4. Die Veröffentlichung einer solchen Antwort wird jede Unsicherheit und alles von den Feinden so geschickt ausgesäte Misstrauen beseitigen, so dass der Anwerbung von Studenten für das akademische Jahr 1911/12 nichts im Wege steht, vielmehr selbige dadurch befördert wird.⁶⁵⁵

3.9.2 Die Unsicherheit dauert fort; Benignis sehr häufiger „Fall“ Cormiers Plan wurde sowohl von der Kongregation des Heiligen Offiziums als auch vom Papst gebilligt. Doch noch bevor er umgesetzt werden konnte, kam es zu neuen Angriffen. Die Urheber waren wie gewohnt Decurtins und auch Speiser. Speiser sandte im Februar 1911 hohen kirchlichen Würdenträgern mehrere Memoranden über die Situation an der Fribourger Fakultät. Darin räumte er zwar die Rechtgläubigkeit und Zuverlässigkeit der meisten Professoren ein, doch gäbe es Ausnahmen, deren Namen in den Polemiken ständig aufs Neue zu lesen wären. In Bezug auf Zapletal wiederholte

 ACEC, (Original italienisch). Vgl. Barthélemy, Documents, S. 325. Französische Übersetzung in Barthélemy, Idéologie, S. 128 – 130.

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er den Vorwurf aus der anonymen Anzeige, nämlich dass dieser allzu kühne Ansichten vertrete, was P. Hoberg zu dem Schluss geführt habe, Zapletals Methodik der alttestamentlichen Exegese müsse, angewandt auf das Neue Testatment, zwangsläufig in die Lehre des deutschen Rationalisten [David Friedrich] Strauss münden. In jedem Falle aber äußere sich Zapletal verächtlich über die traditionelle Exegese, sein Hauptanliegen sei das Lob von Gegnern der Kirche, denn nur diese erachte er als „wissenschaftlich“. Ein Bewunderer protestantischer Autoren sei außerdem P. Allo, dessen noch vor der Enzyklika Pascendi erschienene Schrift La peur de la vérité ⁶⁵⁶ modernistische Tendenzen und eine modernistische Sprache zeige.⁶⁵⁷ Auch Descurtins sandte am 18. April 1911 direkt an Papst Pius X. eine umfassende lateinisch verfasste Erklärung über die Ausbreitung des Modernismus in Deutschland und anderen Ländern. Fribourg sollte nach seinen Vorstellungen eine Festung der Rechtgläubigkeit an der Grenze des vom Modernismus angesteckten Deutschland sein. Doch lasse sich selbst hier und sogar unter den Ordensmännern, die Theologie lehren, eine reformatorische Bewegung feststellen […]. Um die Wahrheit zu sagen, hat P. Zapletal, der dieses Jahr das Rektorenamt übernahm, eine Schrift über die Genesis verfasst, in der er bestreitet, dass sie von Mose geschrieben wurde, obwohl doch unser Herr selbst, die gesamte jüdische und christliche Tradition sowie die Kirche dies stets behauptet und gelehrt haben. Nach dem Vorbild ungläubiger Professoren der protestantischen Exegese versucht er zwei Redaktoren für die Genesis nachzuweisen, von denen der eine für Gott die Bezeichnung Elohim, der andere die Bezeichnung Jahwe verwendet. Ähnlich wie der allbekannte Gunkel behauptet auch Zapletal, dass das Buch Genesis in gewisser Weise aus den mythischen Vorstellungen der Babylonier hervorgegangen ist.⁶⁵⁸

Weiter führte er aus: Wenn es an einer katholischen Universität zu solch bedenklichen Erscheinungen kommen kann und statt der Kirchenväter und der berühmten katholischen Exegeten fast ausschließlich Wellhausen hochgehalten wird, der behauptet, dass die Genesis erst nach der Rückkehr der Juden aus dem babylonischen Exil geschrieben wurde, wer würde sich da noch wundern, dass der Glaube an den göttlichen Ursprung der Hl. Schrift und infolge davon der Glaube überhaupt immer stärker erschüttert wird und dem Zusammenbruch nahe ist? Damit diese Universität und insbesondere ihre theologische Fakultät ihre Aufgaben erfüllen kann und damit die Hl. Schrift wieder Quelle und Grundlage des Glaubens wird […], muss man gegen diese gefährlichen Studien vorgehen und ihnen Einhalt gebieten, denn in den protestantischen Kirchen haben sie den christlichen Glauben schon vernichtet und dazu geführt, dass man die Dogmen verworfen hat.⁶⁵⁹

Daher schlug Decurtins vor:

   

Erschienen 1907 in Paris. Bericht in ACEC. Vgl. Barthélemy, Idéologie, S. 130. ACEC. Vgl. Barthélemy, Documents, S. 328. ACEC. Vgl. Barthélemy, Documents, S. 328.

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„Aus diesen Gründen […] bitte und beschwöre ich Euch, dass Ihr an unserer Universität noch vor Beginn des neuen Semesters wieder Ordnung herstellt […]. Was zu tun ist, muss aber rasch getan sein; schließlich haben wir es hier nicht mit dem Kultusministerium zu tun, das sich gewiss wenig entgegenkommend oder sogar feindlich gegen die katholische Kirche zeigen würde und den Neuerern, von denen ich spreche, eventuell Zuflucht böte. Die Maßnahmen, die Ihr, Hl. Vater, vorsehen würdet, würden ohne große Umstände durchgeführt, denn die Regierung in Fribourg würde sich dem nicht entgegensetzen […].“⁶⁶⁰

Die ununterbrochenen Nachrichten über eventuelle Maßnahmen spiegeln sich auch in Zapletals Brief vom 12. März 1911. Er dankte Cormier für das Imprimatur für die zweite Ausgabe seines Kommentars zum Buch Kohelet und fuhr fort: „Ja, wir bleiben ruhig, aber deprimiert, und hoffen, dass Rom endlich etwas sagt. Für uns, die Professoren einer staatlichen Universität, ist es nicht genug, wenn man die Beschuldigungen in den Papierkorb wirft, denn die Ankläger verkünden selbst, dass sie uns angeklagt haben. Zuletzt hat ein Laie, ein gewisser Herr Rueg, der in den Vatikanischen Archiven arbeitet, behauptet, dass allen Dementis zum Trotz fünf Professoren angeklagt sind.“ Zapletal ersuchte außerdem um die Erlaubnis, während der Osterferien im April einige Tage nach Oberitalien und Hacking fahren zu dürfen, denn er sei müde und leide unter einer nicht auskurierten Erkrankung (Katarrh). Erneut griff er den Gedanken auf, dass er nötigenfalls relativ problemlos einen Lehrstuhl für semitische Sprachen an der philosophischen Fakultät übernehmen könne, der Verwaltungsakt verlange allerdings einige Zeit. Sofern der Ordensmeister sein Einverständnis erkläre, könne man aber einen eventuellen Wechsel in die Wege leiten: „Ich weiß nicht, wie sich die Dinge entwickeln werden. Herr Python zieht aber in Erwägung, mich einfach an die philosophische Fakultät zu versetzen.“ Damit wäre auch das Problem seiner Überlastung gelöst, denn semitische Sprachen unterrichte er im Grunde schon jetzt, zusätzlich zu seinen Exegese-Vorlesungen. Als Zeichen seiner besonderen Sympathie habe Python ihm einen finanziellen Zuschuss angeboten – für den Kauf von Büchern oder repräsentative Zwecke der Universität auf internationalen Kongressen. „Aber im Augenblick wird sich nichts ändern, denn dann würde es heißen, dass ich die Exegese aufgeben musste.“ Aufschlussreichen Einblick in das Leben der akademischen Gemeinde gibt Zapletals Anmerkung zu der von ihm veranlassten Verhaftung eines Studenten, der seine Unterschrift gefälscht hatte. „Wahrscheinlich wird dieser Student mich später als Modernist in Rom anschwärzen, wie das zwei andere getan haben, die ich aus dem Konvikt geworfen habe. Wenn es dazu kommt, werden Sie wenigstens wissen, was es damit auf sich hat.“⁶⁶¹ Der Brief verdeutlicht, dass in Fribourg auf Grund der denunziatorischen Aktivitäten keine normalen Verhältnisse herrschten: die Befürchtung, dass ein des Betrugs überführter Student nicht zögern wird, seinen Professor und Rektor des Modernismus

 Ebd.  AGOP XI. Vgl. Barthélemy, Documents, S. 323 f.

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zu beschuldigen, und das Wissen, dass sich hilfreiche Hände finden, die derartige Beschuldigungen nach oben weiterleiten, sowie geneigte Ohren, die die Verleumdungen bereitwillig aufnehmen und sich zunutze machen. Auch spricht aus diesem Brief eine bedrückende Unsicherheit, ob trotz aller anders lautenden Äußerungen nicht doch mit disziplinarischen Maßnahmen seitens der römischen Autoritäten zu rechnen sei. Zudem gebe es eine Vielzahl von Belastungen, die Zapletals Gesundheit untergruben: De facto doppeltes Lehrdeputat, Vikariat und Rektorat, dazu die fortwährenden Verleumdungen und Angriffe in der Presse, die wiederum Klarstellungen und Gegenwehr erforderten. Im Frühling 1911 veränderte sich Benignis Stellung innerhalb der römischen Kurie. Am 7. März musste er seinen Posten als Untersekretär im Staatssekretariat aufgeben. Die Gründe hierfür sind noch immer nicht vollständig geklärt; fest steht lediglich, dass es zu einem persönlichen Konflikt zwischen Kardinal Merry del Val und Benigni gekommen war. Dieser blieb freilich nicht ganz außen vor. Per Ausnahmeverfügung schuf man für ihn eine völlig neue Stelle unter den apostolischen Protonotaren, prestigeträchtig, wenn auch ohne große Kompetenzen. Beide Kirchenmänner waren sich im Grunde über die Ziele einig, doch hatte Benigni seinem Vorgesetzten einen zu diplomatischen und milden Umgang mit den Gegnern vorgeworfen.⁶⁶² Vielleicht wollte Kardinal Merry del Val in seiner Behörde aber auch niemanden, dessen Spionagetätigkeit er kannte und unterstützte, der aber viel zu eigenständig agierte, nach Macht strebte⁶⁶³ und einem anderen hochrangigen Integralisten viel ergebener war, nämlich Kardinal De Lai. Das sprichwörtliche Fass brachten dann aber offensichtlich die deutschen Theologieprofessoren zum Überlaufen. Sie wollten vom Antimodernistenneid ausgenommen bleiben und wurden in ihrer Forderung von einflussreichen Teilen des deutschen Episkopats und der deutschen Regierung unterstützt. Für Merry del Val handelte es sich dabei um eine politische Frage, daher zeigte er sich kompromissbereit. Benigni hingegen drängte den Papst zur Unnachgiebigkeit, und sei es um den Preis des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und dem Vatikan, was den deutschen Diplomaten natürlich nicht verborgen blieb. Merry del Val, der Widerspruch seitens seiner Untergebenen nicht duldete, entfernte Benigni umgehend aus seiner Kongregation.⁶⁶⁴ Auch Andreas Frühwirth, Nuntius in Bayern, hatte schon seit längerem Druck in diese Richtung ausgeübt und sowohl im Herbst 1910 als auch im Frühjahr 1911 mehrfach darauf hingewiesen, wie katastrophal sich Benignis Intrigen auf die Interessen des Heiligen Stuhles und der katholischen Kirche in Deutschland auswirkten.⁶⁶⁵ Benignis Absetzung brachte allerdings für die Fribourger Professoren keine Erleichterung, denn dieser hatte nun für die Vorbereitung neuer Operationen mehr Kapazitäten frei.    

Vgl. Poulat, Intégrisme, S. 63 und 76 f. Vgl. Weiß, Modernismus, S. 12. Vgl. Poulat, Intégrisme, S. 236. Vgl. Weiß, Modernismus, S. 171.

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In Fribourg sprach sich die Neuigkeit rasch herum und rief konträre Reaktionen hervor. Die eine Seite hegte nun Hoffnung, dass dieser Akt der Ungnade den Anbruch besserer Zeiten in Aussicht stellte; die Integralisten hingegen bezeichneten die Situation als schlichtweg hoffnungslos. Der Autor des Berichts vom 26. März 1911, vermutlich wiederum Speiser, beklagte, dass in Deutschland und in der Schweiz die „römischen Elemente“ zum Schweigen gebracht und in der Defensive seien, denn die meisten katholischen Zeitschriften, die nicht unter direkter Kontrolle der Integralisten stünden, würden gegen den Modernismus oder modernistische Tendenzen gerichtete Artikel nicht mehr annehmen. Der Autor äußerte Verständnis, dass Rom aus diplomatischen Rücksichten Kompromisse mit Deutschland schließen müsse, meinte aber, dass einem radikalen Durchgreifen der römischen Autoritäten an der Universität in Fribourg nichts im Wege stehe. Auch die Kantonsregierung würde ein solches Eingreifen, vor allem an der theologischen Fakultät, begrüßen, denn die ständigen Zweifel an der Rechtgläubigkeit der dortigen Lehre, die obendrein noch das Missfallen des örtlichen Klerus hervorrufen könnten, seien kaum in ihrem Sinne – ganz zu schweigen von der „Heilwirkung“, die ein solch energisches Eingreifen seitens der allerhöchsten Autorität auf die gesamte katholische Welt hätte.⁶⁶⁶

3.9.3 Cormiers Visitation Cormiers Visitation in Fribourg musste verschoben werden. Die Ärzte hatten ihn zu einem Erholungsaufenthalt nach San Marino geschickt und ihm jede Arbeit verboten. Er war so geschwächt, dass er kaum die Messe lesen konnte. In seinem Brief an Zapletal vom 2. Mai 1911 äußerte er sich zuversichtlich, dass er bald wieder so weit bei Kräften sei, dass er nach Fribourg kommen könne. Seinen Bericht wollte er noch vor den Sommerferien einreichen, um so vom Papst eine Erklärung zu erwirken, die der Abwanderung von Studenten aus Fribourg nicht nur Einhalt gebieten, sondern neue Studenten anlocken würde.⁶⁶⁷ Die Kur schlug an, und Cormier konnte im Juni seine Visitation durchführen. Die Ergebnisse stellte er in einem für die Dominikaner im Albertinum bestimmten Bericht zusammen, den er am 25. Juni 1911 abschloss. Vor allem dankte er den Professoren, dass sie während der Prüfungen Geduld, Verschwiegenheit und Vertrauen in Gott bewiesen hätten. Zusammenhalt unter den Professoren und Eintracht sollte dazu beitragen, dass die verschiedenen Talente und Forschungsgebiete einander bereichern. Er empfahl, sich beim Essen oder im Gespräch der Beurteilung anderer zu enthalten, sich auch nicht gegenseitig zu zensieren. Weitere Empfehlungen betrafen die Annahme von Geschenken, insbesondere finanzieller Zuwendungen, wo erhöhte

 ASV FBenigni, l.1, n. 255. Auf Französisch in Fribourg verfasst, der Autor war ein vertrauter Freund von P. Weiß.  AAlb L 9/1. Vgl. Barthélemy, Documents, S. 329 f.

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Vorsicht zu walten habe. Auch sollten die der abendlichen Erholung vorbehaltenen Zeiten eingehalten werden.Während der Vorlesungen sei darauf zu achten, dass keine beleidigenden Bemerkungen über andere Orden fielen. Zum Abschluss wies Cormier die Professoren an, „jede Gelegenheit zu nutzen, um von unserer Liebe zum Hl. Vater und unserer Bereitschaft, sich nach seinen Beschlüssen,Vorschriften und Ratschlägen zu rechten Zeugnis abzulegen.“⁶⁶⁸ Die kanonische Visitation und ihr positives Ergebnis bedeuteten nur einen kleinen Schritt nach vorne. Schon zwei Tage später, am 27. Juni, teilte Zapletal Cormier mit, dass nach den Worten Pythons Decurtins derzeit sehr glücklich sei, weil er briefliche Nachricht habe, dass der Prozess gegen Zapletal Fortschritte mache.⁶⁶⁹ In diese Situation hinein erschien die zweite Ausgabe von Zapletals Kommentar zum ersten Kapitel der Genesis. Jan Hejčls Rezension zeigt, dass Zapletal auch diesmal nach dem Motto verfahren war: „Ich habe stets eine ganz und gar rechtgläubige Exegese nach den Instruktionen Leos XIII. betrieben und daher nicht viel zu ändern.“ Die geringfügigen Änderungen betrafen die Berücksichtigung neuerer Literatur sowie Ergänzungen zur Metrik des hebräischen Textes. „Hat Zapletals Selbständigkeit, die ihrem eigenen Wege folgt, auch schon allgemein Anerkennung gefunden, und ebenso seine umfassende Belesenheit, sein geschickter Einsatz des ganz großen Apparats, den die moderne Wissenschaft einem Exegeten heute zur Verfügung stellt, seine Klarheit im Erfassen und Darlegen hartnäckigster Rätsel, der flüssige und elegante Stil, so muss gesagt werden, dass all diese Vorzüge sich in noch größerem Maße in dieser zweiten Ausgabe finden. Der Rektor der Fribourger Universität hat nicht nur an zahlreichen Stellen unter Berücksichtigung der neuesten Forschungsliteratur wertvolle Ergänzungen vorgenommen, sondern seine Arbeit auch um den Abschnitt ‚Die metrische Komposition’ bereichert. […] In der metrischen Komposition sieht Zapletal einen neuen Grund dafür, den Schöpfungsbericht Gen 1,1– 2,3 von dem in Gen 2,5 einsetzenden Schöpfungsbericht zu unterscheiden; auch kann Gen 1 nicht der Quellenschrift P (Priesteschrift) zugeordnet werden, wie es die moderne literarische Kritik mehrheitlich tut, vielmehr sei dieses Kapitel wesentlich älter.“⁶⁷⁰ Cormiers Bericht für Pius X. verfolgte einen anderen Zweck als der für die Dominikaner. Er sollte das Vertrauen erneuern und den guten Namen der Fakultät und der beschuldigten Dominikanerprofessoren wieder herstellen. Zunächst äußerte sich Cormier zu Professor Munnynck. Die Affäre um ihn habe der Weltpriester Sylvio Laurent de Monléon aufgebracht,⁶⁷¹ ein eingefleischter ultrakonservativer Legitimist an der Spitze der spanischen Integralisten, der Munnynck gar nicht so sehr den Inhalt seiner Vorlesungen zum Vorwurf mache als vielmehr eine zu starke Berücksichtigung der Gegner der kirchlichen Lehre.  AAlb A5. Vollständiger Wortlaut bei Barthélemy, Documents, S. 329 f.  AGOP XI. 15340.  ČKD 52 (1911), S. 556 f.  Mitarbeiter Benignis, Mitglied der Sapiniére, vgl. seinen zu Ende des voraufgegangenen Kapitels besprochenen Brief.

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„[Zapletals] Vorlesungen wurden herausgegeben und werden sehr geschätzt. Es heißt, er habe noch vor einigen Jahren zu ausschließlich die literarischen Aspekte der Schrift in den Blick genommen und den heiligen Aspekt, aus dem sich der Glauben nährt, nicht genügend berücksichtigt. Doch inzwischen richtet er sich schon nach den Ermahnungen, die er erhalten hat. Die Vorlesung im November anlässlich seines Amtsantritts als Rektor […] fand allgemein positive Aufnahme. Seine Exegese befindet sich in Übereinstimmung mit den Vorschriften des Heiligen Stuhls.“ Cormier nennt namentlich vier bedeutende Fribourger Prälaten, die, ebenso wie weitere kirchliche Persönlichkeiten, die Tätigkeit und Lehre P. Zapletals loben. Als Dank für achtzehn Jahre Lehre an der theologischen Fakultät würde Kultusminister Python ihn in Nachfolge des verstorbenen Prof. Grimme gerne mit dem Lehrstuhl für Orientalistik betrauen;⁶⁷² er als Ordensmeister habe auch schon seine Zustimmung gegeben. Man müsse den Boden für die Ernennung vorbereiten, denn die Professoren der philosophischen Fakultät hegten Zapletal gegenüber zwar Sympathien, würden aber nicht damit rechnen, dass man einen Ordensmann für diese Stelle vorsieht. Daher beabsichtige er, die Ernennung erst zu Ostern bekanntzugeben. So könne man sich auch in aller Ruhe nach einem Nachfolger für die alttestamentliche Exegese umtun. In ähnlicher Weise äußerte sich Cormier zu den anderen Professoren. Professor Allo sei ein guter Theologe, und seine Aufsätze über die Offenbarung des Johannes verteidigten die heiligen Traditionen. Die Studenten hielten ihn zwar für etwas abstrakt und würden ihn den „Ecce venit de nubibus“ nennen. Aber sie schätzten doch seine Lehre und Frömmigkeit. Der Historiker Mandonnet sei bei allen sehr angesehen, selbst bei den deutschen Studenten. Der einzige wirkliche Problemfall war offenbar Reginaldo Fei, Professor für Dogmatik. Ihn, so Cormier, müsse man auswechseln, nicht weil er Modernist sei, sondern ein schwacher Professor. Dennoch könne man ihn nach achtzehn Jahren Unterrichtstätigkeit nicht ohne eine andere würdige Aufgabe abberufen, und außerdem wäre es höchst ungeschickt, ihn jetzt zu entlassen, denn das könnte als Triumph für den Zuträger Regattieri und den abtrünnigen Kanoniker Cesare Grifoni aus Fabriano verstanden werden. Beide hätten Fei mit seiner Abberufung gedroht und so könne der Eindruck entstehen, dass sie ihr Ziel erreicht hätten, was dem Ruf des Heiligen Stuhles schaden würde: „Eure Heiligkeit mag entscheiden, was zu tun ist.“ Der Bericht beschäftigt sich auch mit den Professoren, die als Antimodernisten galten. Relativ kritisch beurteilt Cormier die Qualität der Moraltheologie, die LangenWendels las. Worte des Lobes findet er für Weiß, auch wenn dieser nach den Gegenangriffen der modernistischen Presse zu Melancholie und Verschlossenheit neige. Sehr unterdurchschnittlich seien die Vorlesungen Speisers, der sein Debakel zu lösen versuche, indem er den Studenten der theologischen Fakultät verbiete, die Vorlesungen zum kanonischen Recht von Professor Lampert an der philosophischen Fa-

 Cormier hielt Grimme irrtümlicherweise für tot. Er wusste nicht, dass Grimme 1910 in Münster den neu eingerichteten Lehrstuhl für Orientalistik übernommen hatte.

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kultät zu besuchen. Cormier merkt an, dass Lamperts Dienste als Kirchenrechtler auch von der Mehrheit der Bischöfe und staatlichen Autoritäten in Anspruch genommen würden, und zwar einfach deswegen, weil er kompetenter sei. Schließlich führt er einige von Speisers katastrophalen Aktivitäten an, die der Kirche moralisch und finanziell ernsthaft geschadet hatten.⁶⁷³ In dem das Albertinum betreffenden Abschnitt weist Cormier die Verleumdungen aus Regattieris anonymem Bericht in allen Punkten zurück. Die Disziplin sei zwar nicht so wie im Diözesanseminar, aber das Albertinum sei ein internationales Studienkolleg, in dem verschiedene Nationen zusammenwohnten, vor allem Deutsche, Amerikaner, Polen und Ungarn. Von besonderer Bedeutung ist der dritte Teil des Berichts mit den Lösungsvorschlägen für die Situation rund um die Fakultät und das Albertinum. Die Dominikaner bäten den Papst, sie in einem wenn auch nur kurzen Brief seines Vertrauens und Wohlwollens zu versichern. Das würde die Professoren beruhigen, die im vergangenen Studienjahr unter den in den Zeitschriften und der Presse verbreiteten Verleumdungen, den Drohungen und avisierten harten Disziplinarstrafen seitens des Heiligen Stuhles gelitten hätten. Cormier glaubte dennoch an eine Erneuerung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Dominikanern auf der einen und Decurtins und Speiser auf der anderen Seite: „Ich habe den Eindruck, dass sie [Decurtins und Speiser] unter der Isolation leiden, in die sie sich verschließen.“ Der Ordensmeister lehnte es ab, die Praktiken der Zuträger in einem Gerichtsverfahren aufzudecken. „Wozu wäre das gut? [….] Vornehmer ist es, alles im selben Augenblick, in dem unsere Ehre wiederhergestellt ist, zu vergessen. Vier Worte des Papstes würden mehr bewirken als vier Jahre Gerichtsprozess.“ Derselben Ansicht seien auch andere kirchliche Würdenträger in Fribourg: „Einer von ihnen merkte an, dass er sich eine Rehabilitation der Professoren nicht nur um die Ehre der Professoren und der theologischen Fakultät willen wünsche, sondern auch als Signal an die Schweizer Katholiken.“ Ihr Vertrauen in den Heiligen Stuhl sei erschüttert, da es ihnen vorkommen müsse, als ob Personen, die durch nichts und niemanden autorisiert sind, in Rom nur allzu offenen Ohren finden, wenn sie Priester denunzieren, die sich in der ihnen gerade vom Heiligen Stuhl anvertrauten anstrengenden Arbeit aufreiben. „Auf Grundlage des oben Gesagten bin ich der Ansicht, dass das Heilige Offizium diese Prozesse abschließen oder zumindest ruhen lassen kann. Ansonsten wird es so kommen, dass ein armer Konsultor in endlos harter Arbeit einander widersprechende Dokumente untersuchen wird, ohne dass er zu ihrem Kern dringt, und dabei braucht es doch für ein richtiges Urteil nicht mehr, als das Fenster zu öffnen und die Dinge ohne Leidenschaft so zu betrachten, wie sie sind. Sollten sich wider Erwarten neue Aspekte ergeben, die ein Eingreifen des höchsten kirchlichen Tribunals erfordern, kann man den Fall erneut aufrollen. Ich wiederhole, dass es jetzt die dringlichste Aufgabe ist, den Mut der ermüdeten Professoren, die sich von einer Lawine an Denunziationen, Verleumdungen und Drohungen erdrückt fühlen, zu stärken und auch das Vertrauen der Öf-

 Selbst sein Beichtvater Albert Maria Weiß meinte, er sei „nicht gerade der Klügste“. Vgl. Weiß, Modernismus, S. 36, Anm. 21.

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fentlichkeit zu erneuern, damit das Anwerben von Studenten für das nächste Semester nicht erschwert wäre.“⁶⁷⁴

Der Papst akzeptierte sowohl die Beurteilung der Situation als auch die Schlussfolgerungen des Berichts und beauftragte Cormier, er möge den Wortlaut des Dokuments, um das er den Heiligen Stuhl ersuche, selbst vorbereiten. Cormier gab sich damit nicht wenig Mühe: Im römischen Generalarchiv der Dominikaner haben sich drei Versionen erhalten, die die Spuren intensiver Überarbeitung zeigen. Die Endfassung lautete wie folgt: „Wir freuen uns über die guten Nachrichten, die Sie uns über die Lehre der an der theologischen Fakultät der Universität Fribourg tätigen Dominikanerpatres mitgeteilt haben; diese Lehre gründet auf den philosophischen und theologischen Prinzipien des Thomas von Aquin und befindet sich in Übereinstimmung mit den als Bollwerk gegen den Ansturm modernistischer Lehren vom Heiligen Stuhl herausgegebenen Richtinien. Wir sind voller Vertrauen, dass die Professoren auf diesem Wege beständig voranschreiten und verlassen uns auf ihre tatkräftige Entschlossenheit, bei ihren Studenten das kirchliche Denken zu förden, das heute durch den modernen Geist ebenso beeinträchtigt ist wie die Heilswahrheiten des Glaubens durch Naturalismus und Liberalismus. Die Professoren verdienen daher, in ihren Vorlesungen einen Zustrom an immer talentierteren und zahlreicheren Studenten, die, sind sie erst in ihre Diözesen zurückgekehrt, durch ihre solide Gelehrtheit und ihr heiligmäßiges Leben nicht nur ihren Lehrern zur Ehre gereichen, sondern auch wirksame Verbreiter des katholischen Glaubens und eine Ermutigung für das katholische Volk sein werden.“⁶⁷⁵

Am 11. Juli übersandte Pius X. Cormier einen Brief, der dessen Vorschlag ganz und gar entsprach; auch der apostolische Segen für den Ordensmeister sowie für die Professoren und Studenten der theologischen Fakultät fehlte nicht. Das Schreiben, für das Cormier sechs Monate gekämpft hatte, war in der Welt. Die beschuldigten Professoren Zapletal, Allo, Mandonnet und Munnynck schickten Cormier noch vor Semesterende, am 18. Juli 1911, ein Dankschreiben.⁶⁷⁶ Cormier antwortete am 22. Juli, sie könnten ihm am besten dadurch danken, dass sie auch künftig ihren Weg zusammen mit ihm beschritten. Insbesondere legte er ihnen ans Herz, dass sie in Bezug auf den Brief des Papstes jeglichen Kommentar zu den Ereignissen im Vorfeld unterließen. „Der Brief enthält alles Nötige für die Wahrung unseres Rufes und zur Rettung der mit unserem Werk verbundenen Interessen. Ihm weitere Schlüsse und Folgerungen hinzuzufügen, würde bedeuten, sich von den Absichten des kirchlichen Oberhauptes zu entfernen […]. Sollte das Interesse des Allgemeinwohls in Zukunft eine Änderung unseres angemessenen und umsichtigen Standpunkts erfordern, wird genügend Zeit sein, sich darauf zu einigen.“⁶⁷⁷ Auch

   

AGOP Secr. 13. Italienische Version des Berichts bei Barthélemy, Documents, S. 331– 339. AGOP Secr. 13, 14. Alle drei italienischen Entwürfe ediert von Barthélemy, Documents, S. 339 f. AGOP XI. 15300. AGOP Secr. 13. Vgl. auch Barthélemy, Idéologie, S. 138.

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wenn umgehend jemand versuchen sollte, den Brief als Monitum darzustellen, sollten sich die Patres in Fribourg darüber nicht beunruhigen.⁶⁷⁸ Der akademische Alltag nahm seinen Gang. Zapletal hatte weiterhin relativ viele Studenten: 40 besuchten seine Vorlesungen der biblischen Hermeneutik, 50 die Vorlesungen zur Exegese, 8 nahmen an seinem Seminar teil. 45 Studenten lernten Hebräisch bei ihm, 8 Koptisch und 4 Syrisch.

3.9.4 Die Mission Molinis Mit den positiven Ergebnissen von Cormiers kanonischer Visitation, so möchte man meinen, wäre ein Schlusspunkt hinter die Untersuchungen gesetzt. Der Papst aber beschloss, noch einen anderen Inspektor nach Fribourg zu schicken. In einigen seiner Äußerungen schwingt der Verdacht mit, Cormier in seiner Güte habe sich womöglich allzu sehr von seiner Liebe zu den Mitbrüdern davontragen lassen und sei ihnen gegenüber zu milde gewesen. Einen weiteren, in der Sache der theologischen Fakultät unparteiischen Inspektor zu schicken, hatte übrigens Cormiers selbst schon ein Jahr zuvor während der Affäre um Zapletals Rektoratskandidatur vorgeschlagen. Die Wahl Pius’ X. fiel auf den italienischen Franziskaner Agostino Molini, Generaldefinitor seines Ordens und ehemaliger Untersekretär der Bibelkommission.⁶⁷⁹ Molini übergab seinen auf Grundlage eines Besuchs in Fribourg sorgsam ausgearbeiteten Bericht am 31. Oktober 1911 der Studienkongregation. Der Bericht beschreibt zunächst die Zielsetzung von Molinis Mission, nämlich festzustellen, welche Haltung die Universität Fribourg gegenüber den „schicksalhaften Irrlehren und gefährlichen Neuerungstendenzen, die gemeinhin als Modernismus bezeichnet werden“, vertrete. Die Untersuchung selbst führt Molini zu der Überzeugung, dass sich in Fribourg hinter der modernistischen Frage ein grundsätzlicher politischer Konflikt verberge. Unter den Professoren, aber auch unter den Förderern der Universität würden französische Royalisten und Anhänger der Republik sich seit Jahren aufs Heftigste bekämpfen. Man beschuldige sich des Modernismus, Liberalismus und Sillonismus oder aber umgekehrt des Ultrakonservativismus und einer peinlichen Rückständigkeit. Diese Atmosphäre sei einem objektiven, unvoreingenommenen Urteil alles andere als zuträglich, und in der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse gehe man eindeutig zu weit, wenn man dem politischen Gegner Modernismus vorwerfe. Doch dieser Umstand könne den Verdacht auf die Existenz modernistischer Elemente nicht völlig entkräften, zumindest nicht den Verdacht einer früheren Infiltration modernistischer Tendenzen. Gerade Decurtins habe wissenschaftlich hervorra-

 Cormier an Zapletal, 25.7.1911. AAlb L 9/2.  Agostino Ludovico Molini OFM, (1875 – 1914), studierte Exegese in Rom, wirkte in Jerusalem (1900), 1903 Mitglied der Bibelkommission, 1904– 1911 Lektor für Exegese am Antonianum in Rom.

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gende Professoren an die philosophische Fakultät geholt, deren katholische Überzeugung und Lebensführung jedoch zweifelhaft wären. An erster Stelle sei daher Decurtins verantwortlich für die Sympathien, die man in Fribourg für den Modernismus hege. Es folgt eine Auflistung der Professoren mit kurzer Beurteilung: „P. Zapletal, Professor der alttestamentlichen Exegese und Rektor der Universität im akademischen Jahr 1910/1911, einer der vom antimodernistischen Eifer Professor Decurtins am stärksten Verdächtigten. Man muss aber im Interesse der Wahrheit erklären, dass ihm oft absichtlich Schlussfolgerungen unterstellt werden, an die er nie auch nur gedacht hat, und die man dann an die große Glocke hängt. So heißt es hier in Fribourg in einem fort, er habe von Samson nichts Geringeres behauptet, als dass es sich um einen Astralmythos handele! Scharf kritisiert wurde auch seine Rede, die er am 15. November 1911, als er den Rektorstuhl bestieg, vor der versammelten Universität gehalten hat […], sie sei zu abstrakt, es fehle ihr an echtem Herzenselan[,] und sie weise Defizite auf, was die Nennung der Grundprinzipien katholischer Exegese betreffe. Man muss hinzufügen, dass Dr. Enrico Maspoli, Professor am Seminar in Lugano und Übersetzer der Rede ins Italienische, den deutschen Titel mit principi scientifici d′esegesi dell’ A.T. nicht richtig wiedergegeben hat. P. Zapletal selbst ist darüber sehr unglücklich, denn ihm wurde nur der Text zur Kontrolle vorgelegt, nicht aber der Titel. Was das sonstige umfangreiche exegetische Werk dieses Paters betrifft (das der Visitator weder die Zeit noch die Möglichkeit hatte zu überprüfen), so kann ein eventuelles gründliches Studium desselben für eine Beurteilung seiner Person und seiner Lehre weitere objektivere Argumente an die Hand geben.“

Zur Gesamtsituation sagt Molini: „Den schlechten Ruf, den die theologische Fakultät in der letzten Zeit genießt, verdankt sie vor allem der Kampagne, die einige abgelehnte Studenten gegen sie losgetreten haben und die dabei die Unterstützung eines gewissen römischen Monsignores finden.“ Molini konnte damit nur Msgr. Benigni meinen. Der Bericht schließt mit dem Protokoll eines vertraulichen Gespräches mit Minister Python. Der Gründer der Universität hatte darin erklärt, dass für gewisse Annäherungen an den Modernismus in früheren Jahren alle Verantwortung tragen, doch hob er ebenso hervor, dass es keinem je an gutem Willen zu Korrektur und Besserung gefehlt habe. Python wollte persönlich zur Lösung der sich hinziehenden Krise beitragen, und zwar durch die Einrichtung einer zusätzlichen bibelwissenschaftlichen Professur. Einerseits könnte man so weiterhin den wissenschaftlichen Kriterien der Exegese Genüge tun, andererseits wäre Raum geschaffen für die übernatürlichen Aspekte der Bibel.⁶⁸⁰ Molinis Bericht behandelt des Weiteren die politischen Gruppierungen an der Universität, ihre gegenseitigen Konflikte, und er äußert sich zum philosophischen Modernismus, der an der philosophischen und kulturwissenschaftlichen Fakultät zu beobachten sei. Die Ergebnisse der beiden Visitationen wiesen eine seltene Übereinstimmung auf. Molini bestätigte Cormiers Eindrücke. Die Autoren unterschieden sich nur in einem Punkt wesentlich. Dieser betraf die künftige Organisation der Fakultät. Cormier war der Ansicht, Streitigkeiten könne man am besten vorbeugen, indem man sämtliche

 Der italienisch verfasste Bericht befindet sich im ACEC. Ediert bei Barthélemy, Documents, S. 348 – 354.

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Professuren in absehbarer Zeit mit Dominikanern besetze. Molini wiederum war überzeugt, dass viel böses Blut daraus entstanden war, dass der örtliche Klerus die Fakultät nie als ihre Sache, vielmehr als Fremdkörper betrachtet hatte, was durch einen höheren Anteil weltlicher Priester unter den Professoren behoben werden könnte. Eine unmittelbare Folge der Krise 1910/1911 war der Weggang Professor Feis und der geplante Wechsel Zapletals an die philosophische Fakultät. Weder die dauernden Konflikte mit den Integralisten noch drei kanonische Visitationen innerhalb eines Jahres konnten den Fortgang des akademischen Betriebs und das Ordensleben zum Erliegen bringen. Am 15. September 1911, während seines Sommeraufenthalts bei den Dominikanern in Prag, setzte Zapletal den Ordensmeister über die Probleme P. Bernardin Skácels in Kenntnis. Skácel hatte von 1909 – 1911 bei Zapletal in Fribourg studiert, und nun wollte man ihn nicht als Lektor im Olmützer Kloster. „Das ärgert mich sehr. P. Skácel hat sich als Lektor nichts zuschulden kommen lassen und verdient eine solche Behandlung nicht. […] Auch der Prager Provinzial und der Prager Prior sind mit mir einer Meinung […]. Wollen wir hoffen, dass der Prior in Olmütz seine Ansicht noch ändert.“ Der Rest seines Aufenthaltes verlief wie gewohnt: einige Tage in Prag, dann Weiterreise nach Olmütz und zum Bruder, in dessen Pfarrei er predigte und aushalf. Anschließend reiste er über Znaim/Znojmo nach Hacking, von wo aus er Anfang Oktober den Weg zurück nach Fribourg nahm.⁶⁸¹

3.10 Die dramatischen Ereignisse im Jahr 1911 Die Idee eines taktischen Rückzugs an die philosophische Fakultät hatte sich letztlich daraus ergeben, dass Zapletal in jener schwierigen Zeit 1910/11 in Vertretung für Professor Grimme, der 1910 an die Universität nach Münster gegangen war,⁶⁸² Koptisch und Syrisch unterrichtet hatte. Hebräisch lehrte er seit Jahren. Außerdem ein anerkanntes und im Gebrauch befindliches Lehrbuch dieser Sprache verfasst. Ein erstes Mal sprach Zapletal gegenüber Cormier von einem solchen Wechsel in einem Brief vom Oktober 1910. Zapletal fühlte sich durch das doppelte Lehrdeputat überlastet; er wollte aber die Exegese nicht völlig aufgeben, die er seit zwei Jahrzehnten mit Herzblut betrieb. Jetzt aber verhielt es sich so, dass ein Wechsel an die philosophische Fakultät und damit zugleich in einen eher praktisch linguistischen Bereich den Antimodernisten den Wind aus den Segeln nähme, ohne dass Zapletals akademischer und wissenschaftlicher Ruf beschädigt würde. Der Lehrstuhl für altorientalische Literatur und Sprachen genoss europaweit hohes Ansehen. Wie die Korrespondenz der folgenden Monate zeigt, war Cormier einverstanden, mit diesem Wechsel noch eine Weile  AGOP XI. 15340.  Zunächst wollte Grimme die Universität bereits im Zuge jener aufsehenerregenden Demission der acht reichsdeutschen Professoren verlassen, wagte diesen riskanten Schritt in die existentielle Unsicherheit dann aber doch nicht. Vgl. Büchi, Gründung und Anfänge, S. 53.

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zu warten und so einer böswilligen Auslegung als Strafversetzung vorzubeugen. Schon in seinem Bericht hatte er betont, dass Minister Python sein Angebot als Ausdruck außerordentlicher Anerkennung verstand, und zwar zum einen für Zapletal aufgrund seiner langjährigen Verdienste um die Universität, zum anderen aber auch für den Orden, der damit eine weitere Professorenstelle bekäme. Cormier sollte mit der Auswahl des Nachfolgers die Situation beruhigen, indem er einen bewährten, zumindest aber in Hinblick auf die an der Exegese geübte Kritik völlig unbelasteten Kandidaten beriefe. Für Zapletal war der geplante Wechsel ein kluges Manöver, kein Schuldeingeständnis oder gar Rückzug aufgrund körperlicher und seelischer Erschöpfung. Als er für den 28. Mai 1911 ein Treffen zwischen Cormier und Python vereinbarte, ließ er den Minister wissen: „Ich sehe, dass man die Affäre modo romano aus der Welt schaffen will. Ich erlaube mir die Bemerkung, dass ich Ihnen bereits im Herbst und erneut vor vier Wochen bestätigt habe, dass ich bereit bin, den vakanten Lehrstuhl für semitische Literatur und Sprachen zu übernehmen. Doch zuvor möchte ich Satisfaktion für die gegen mich zu Unrecht vorgebrachten Beschuldigungen; ohne das wäre meine Position unhaltbar.“⁶⁸³ Offenbar noch während seiner Visitation unterbreitete Cormier einen zeitlichen Vorschlag in dieser Sache. Zapletals Wechsel sollte nach dem Wintersemester 1911/12 erfolgen, „so dass die Vorlesungen zur Hl. Schrift wie gewohnt beginnen könnten und die Gegner keine Gelegenheit bekämen, sich zu brüsten, dass es, wie von Ihnen vorausgesagt, zu einer Abberufung gekommen sei. Im Sommersemester könnte P. Zapletal seine Vorlesungen in gewohnter Weise fortführen, zugleich aber einige Stunden im Rahmen seiner neuen Professur unterrichten, die er dann endgültig zum Wintersemester 1912/13 übernähme. Damit gewinne ich Zeit, einen Nachfolger für ihn zu finden.“⁶⁸⁴ Im Herbst 1911 standen einige Punkte zur Diskussion an, die das Leben der Schweizer Dominikaner betraf, unter anderem die Frage des Habits, die der Ordensmeister bei seiner Visitation aufgeworfen hatte. Einer der Patres hatte hinsichtlich der vorgeschriebenen kirchlichen Kleidung Zweifel geäußert. Doch Cormier war der Ansicht, „eine ungerechte, willkürliche Feindseligkeit gegen uns ist zur Zeit nicht wahrscheinlich, und sollte sie doch in Erscheinung treten, wird ein Verzicht auf den Habit sie nicht gesetzlich hindern, denn die Tatsache, dass ein Dominikaner ein Dominikaner ist, lässt sich nicht verleugnen […]. Kurz, die Vorschrift bezüglich des Habits gilt, er ist für Euch Pflicht, Ehre, Trost und auch eine öffentliche Erklärung Eures Rechtes auf Existenz. Die Gründe für die Erteilung einer Dispens werden erwogen, sie sprechen meiner Ansicht nach aber eher für eine Nichterteilung“.⁶⁸⁵ Als Vikar der

 AEF Zapletal.  Barthélemy, Documents, S. 341.  Brief Cormiers vom 30.9.1911. AA FZapletal. Außerdem geht es in dem Schreiben um den geplanten Austausch zweier Professoren; vom Angelicum wechselte Prof. Dr. Marco Sales OP nach Fribourg. Der neue Professor werde sich abseits halten, gehöre aber zu den konservativen Theologen und Exegeten.

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Kommunität bat Zapletal Cormier, dass die Empfehlungen des Visitationsberichts intern blieben, denn auf Grund der Umstände werde man nicht alle sogleich umsetzen können, und das widerum wäre Wasser auf die Mühlen der Gegner.⁶⁸⁶ Cormier gab dieser Bitte statt, forderte zugleich aber auf, den Habit nicht nur überall zu tragen, wo es möglich wäre, sondern auch den Mut zu finden, für den Habit die Räume zurückzuerobern, aus denen man ihn verdrängt habe, so wie es die Dominikaner beispielsweise auch in den Vereinigten Staaten täten.⁶⁸⁷ Zapletal entschuldigte sich am 13. Oktober für den Fall, dass er den Ordensmeister mit seiner Bitte um Nichtöffentlichmachung des Visitationsberichts verärgert haben sollte, und erläuterte ihm einige in der Schweizer Konföderation gültigen Regeln: „Beweggrund meiner Bitte war einzig und allein, dass kein Dokument in die Hände der Konföderation gelangen sollte, in dem offiziell bestätigt wird, dass wir als Kommunität hier leben. Sie wissen ja selbst sehr gut, dass die Schweizer Konföderation eine Ansiedlung von Kommunitäten nicht erlaubt. Man ist uns hier sehr wohlgesonnen, doch sollte es zu einer Anzeige kommen, muss die Konföderation handeln. Ein offizielles Dokument des Ordensmeisters wäre da ein sehr gefährlicher Beweis.“⁶⁸⁸ Außerdem schlug Zapletal vor, Prof. Allo den Ordenstitel eines Magisters der Theologie zu verleihen: „Er hat keine Zeit, die Prüfung zu machen, aber ich hätte nicht gern, dass er immer hinter den anderen Patres zurücksteht.“ Der Titel sei gerechtfertigt, bedenke man Allos langjährige Lehrtätigkeit: zwei Jahre in Jerusalem, drei Missionsjahre in Mossul und bereits sieben Jahre in Fribourg. Eine wichtige Angelegenheit spricht der Vikar erst am Schluss seines Schreibens an: die Ernennung des Bischofs für die Diözese Fribourg. Er bittet den Ordensmeister eindringlich, alles in seinen Kräften Stehende zu tun, dass Professor Bovet vom Fribourger Seminar Bischof werde. Warum? „Es hat fast den Anschein, als ziehe man im Vatikan auch die Herren Speiser oder Beck in Betracht. Python wünscht weder den einen noch den anderen, und ich meine, er hat Recht. Heute habe ich vom apostolischen Administrator erfahren, dass Informationen aus Rom zufolge, der neue Bischof in Kürze ernannt wird. Man muss also schnellstens handeln.“⁶⁸⁹ Einige Tage später wurde Zapletal noch direkter: „Heute hat Herr Schnürer P. Knar gesagt, dass Speiser neuer Bischof in Fribourg wird, angeblich sei das schon sicher. Das hat uns gerade noch gefehlt!“⁶⁹⁰ Auch übermittelte er das Erschrecken einiger Mitbrüder bei der Lektüre von Cormiers Visitationsbericht, der ihnen noch vor dem Druck offiziell zugeschickt wurde: „Wenn die Laienprofessoren durch eine Indiskretion davon erfahren, bekommen wir eine Menge Probleme.“ Der Bericht umfasste fünfzehn Seiten und bestand aus zwei Teilen. Der erste enthielt Empfehlungen und Weisungen an die     

Zapletal an Cormier, 3.10.1911. AGOP XI. 15340. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 345. Cormier an Zapletal, 10.10.1911. AAlb L 9/2. Zapletal an Cormier, 13.10.1911. AGOP XI. 15340. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 345. Ebd. Zapletal an Cormier, 19.10.1911. AGOP XI. 15340. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 345.

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Fribourger Dominikaner in ihrer Eigenschaft als Professoren, der zweite Teil handelte von ihren Aufgaben als Ordensmänner.⁶⁹¹ Wie immer betonte Cormier, dass man den Instruktionen des Heiligen Stuhles Folge zu leisten habe, insbesondere den Richtlinien der letzten Jahre. Auf der heiklen 7. Seite des Berichts forderte der Ordensmeister dazu auf, alles zu meiden, was von der akademischen Arbeit ablenken würde, ermunterte aber als Ausgleich zu den „trockenen Studien“ auch zu Apostolat und geistlicher Lebensführung. So bestand er auch auf der Einführung von gemeinsamen viertelstündigen Meditationen vor dem Tabernakel, und zwar vor dem Mittag- und dem Abendessen, wobei abends mit der gemeinsamen Rezitation der Gebete Salve Regina und O Lumen zu schließen sei. Auf Grund der jahrelangen Hetzkampagne reagierten die Patres im Albertinum inzwischen offenbar allzu überempfindlich auf kritische Worte und sahen auch in gutgemeinten Ratschlägen eine weitere Infragestellung ihrer Unbescholtenheit. Ihre Hauptsorge, so Zapletal in seinem Brief an Cormier, sei, ob die Ergebnisse der Visitation nicht vielleicht doch teilweise dazu angetan wären, die ihnen gemachten Vorwürfe zu bekräftigen, insbesondere ihren angeblichen Hang zum Rationalismus und den Mangel an religiöser Lebensführung. Der Visitationsbericht spreche vom Los der Professoren wiederholt in einem recht pessimistischen Ton, wie von einer ermüdenden, kräftezehrenden und unangenehmen Pflicht, so dass die Laienprofessoren in ihrer Voreingenommenheit gegenüber den meisten Ordensprofessoren, die sie nicht als vollwertige Akademiker sehen, bestärkt werden könnten. Cormier ließ diese Einwände nicht gelten und war der Meinung, dass „die Empfehlungen auf Seite sieben niemanden kränken können.“⁶⁹² Doch vergegenwärtigte er sich offenbar die innere Verfassung der Betroffenen und gab ihnen freie Hand: „Sie können den Bericht zerreißen, und nichts davon wird veröffentlicht werden. Ich will Ihnen helfen und nicht etwa neue Sorgen bereiten.“ Hinsichtlich der angeblichen Ernennung Speisers zum Diözesanbischof merkte er an: „Ich bitte Sie, über diesen Aussichten, die sich jetzt eröffnet haben, nicht zu verzweifeln. Tun wir unsere Pflichten mit Eifer, reinen Absichten und im Vertrauen auf die heilige Lehre. Denn si Deus pro nobis quis contra nos.“⁶⁹³ Die anhaltenden Angriffe auf die vier Dominikanerprofessoren – Zapletal, Allo, Mandonnet und Munnynck – führten zur Isolierung derjenigen, die man für die heimlichen Drahtzieher hielt. So beklagte sich Weiß, dass mit ihm „in Fribourg nur mehr drei Personen sprächen – Decurtins, Speiser und Beck.“⁶⁹⁴ Welche Rolle aber konnten ihm die anderen in diesem Fall zuschreiben? Auch der stets bestens informierte Joachim Joseph Berthier in Rom war der Meinung, „Hauptbetreiber, ja vielleicht sogar ausschließlicher Betreiber der Schikanen gegen die theologische Fakultät in Fribourg“ sei „P. Weiß, ein falscher Charakter und Heiliger, der sich selbst kanonisiert    

Visite Canonique de Collège Albertinum par H.-M. Cormier, Roma 1911. Cormier an Zapletal, 21.10.1911. AAlb L 9/2. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 346. „Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein.“ (Röm 8, 31). Weiß an Cormier, 31.8.1911. AGOP XI. 15300.

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hat“.⁶⁹⁵ Dem Erhalt des Friedens innerhalb der Kommunität dienten Cormiers detaillierte Hinweise in Bezug auf die gemeinsame Einnahme der Mahlzeiten. Anstelle der geistlichen Lesung durfte bei Tisch gesprochen werden, und zwar zum Zwecke der Erholung von der „ermüdenden Arbeit“, und nicht, um sich in der Kritik nichtanwesender Professoren zu ergehen oder gar in unangebrachten Witzeleien. „In den Minuten zwischen zwei Bissen Brot in selbtsgewissem und kompromisslosem Ton über Fragen zu urteilen, zu denen sich nicht einmal die dazu berechtigten Autoritäten ohne langes Bedenken und Gebet äußern würden, wäre der Männer nicht würdig, die aufgrund ihres Standes zu Forschung, Kultur und Pflege der Weisheit verpflichtet sind.“⁶⁹⁶ Ein weiteres, sechs Punkte umfassendes Schreiben sandte Zapletal am 27. Oktober 1911. Zunächst bat er den Ordensmeister um Erlaubnis, über Ostern an einem wissenschaftlichen Orientalisten-Kongress in Athen teilnehmen zu dürfen, zu dem ihn der akademische Senat gerne schicken würde. Des Weiteren kam er auf den Titel für P. Allo zu sprechen und unterstrich, dass diese Initiative auf ihn zurückginge und nicht etwa Allo selbst nach besonderen Ehren strebe. Die Dominikaner hätten ihren Tagesablauf nach den Empfehlungen des Visitationsberichts korrigiert und ein fünfzehnminütiges stilles Gebet vor den Mahlzeiten eingerichtet sowie während derselben Lesungen aus der Heiligen Schrift. Die Mehrheit der Patres hätten ihm auf der Sitzung am 22. Oktober aber aufgetragen, ihre Vorbehalte gegen das gemeinsame Sprechen des Salve Regina noch einmal darzutun,⁶⁹⁷ denn sie seien der Meinung, man müsse sich angesichts der Schweizer Gesetze vor allem hüten, was die Dominikaner als Kloster bzw. Kommunität erscheinen ließe: „Wir wissen freilich, dass es auch in Fribourg Ordensmänner gibt, die die Stundengebete gemeinsam beten. Aber es ist der Wunsch der Fribourger Regierung, dass wir alles vermeiden, womit wir uns gegen die Gesetze der Konföderation stellen, denn wir sind Universitätsprofessoren.“⁶⁹⁸ Mit dem Salve Regina als Teil des dominikanischen Stundengebets würde die Professorengemeinschaft sich zur Ordensgemeinschaft erklären. „Es geht nicht um bösen Willen unsererseits, wir gehen regelmäßig in die Kapelle, und es geht uns nicht etwa darum, dass wir mit dem Salve Regina Zeit verlören. Es geht uns ausschließlich um das uns in Fribourg anvertraute Werk. Wenn Sie aber auch nach dieser […] Erklärung darauf bestehen, werden wir es ohne weiteren Kommentar tun.“ In der Frage, wer als Nachfolger von Prinz Max von Sachsen den Lehrstuhl für Liturgik übernehmen könnte, sah Zapletal die einfachste Lösung darin, die ursprüngliche Aufteilung der Fächer wiederherzustellen und die Lehre der Liturgik einem Professor für Pastoraltheologie zu übertragen. In Deutschland, der Schweiz und Österreich gäbe es keine eigenen Lehrstühle für Liturgik, und Fribourg richte sich in seiner Fächerstruktur an diesen Ländern aus. Seinen Wechsel an die philosophische    

Berthier an Cormier, 7.7.1911. AGOP XI. 15300. Visite Canonique, S. 13. Vgl. AAlb A7. Zapletal an Cormier, 27.10.1911. AGOP XI. 15340. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 346 f.

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Fakultät sprach Zapletal erst ganz zum Schluss seines Schreibens an. Auch an den Fakultäten in Wien und Prag habe man zwei alttestamentliche Exegeten, von denen jeweils einer den Unterricht der orientalischen Sprachen übernehme. Er beherrsche das Hebräische hinreichend – seine Grammatik sei in zweiter Auflage erschienen und sehr positiv aufgenommen worden. Außerdem sei er im Unterrichten des Hebräischen inzwischen geübt, und auf einen eventuellen zweiten Professor für Exegese warte so viel Arbeit, dass dieser auf den Hebräischunterricht gerne verzichten werde: „All diese Dinge habe ich Ihnen hier auf einmal dargelegt, damit ich Sie nicht unnötig oft belästigen muss; falls die eine oder andere Formulierung nicht so ist, wie es sich gehören würde, rechnen Sie dies bitte einzig und allein meiner unzureichenden Kenntnis des Französischen an.“⁶⁹⁹ Auf einem gesonderten Blatt fügte Zapletal eine Liste der Propositionen zu, die er mit Python besprochen hatte: 1. Ich bleibe Mitglied der theologischen Fakultät; nur wenn die philosophische Fakultät dies verlangen sollte, werde ich die Fakultät wechseln. 2. Ich werde als Einziger an der Universität Hebräisch unterrichten. 3. Als Fortsetzungskurs des Hebräischen werde ich, genau wie Grimme, zwei Stunden wöchentlich Lektüre hebräischer Texte aus den Büchern des Alten Testaments unterrichten. 4. Ich werde weiterhin die Möglichkeit haben, meine Publikationstätigkeit auf dem Gebiet der Exegese fortzusetzen, sowohl durch die Reedierung meiner Bücher wie auch durch die Vorbereitung neuer Arbeiten (seit drei Jahren arbeite ich an der Herausgabe verschiedener Editionsreihen mit). 5. Wegen meiner Bücher, die auf dem Deckblatt den Titel Professor der Exegese anführen, kann ich diesen Titel behalten und ihn nach eigenem Dafürhalten verwenden. 6. Herr Python hat mir einen regelmäßigen jährlichen Betrag für Bücher und Studienreisen garantiert. All diese Punkte sind mit Herrn Python bereits besprochen und von ihm gebilligt, nun, hochwürdigster Vater, bitte ich auch um Ihre Zustimmung.⁷⁰⁰ Die Dinge entwickelten sich nun rasant, gleich am 2. November übermittelte Cormier Python eine Kopie seines Berichts für den Papst, konkret jener Passagen, die Zapletal betrafen. Auf einem gesonderten Blatt fügte er hinzu: „Ich bin überzeugt, dass Sie auf die Einstellung der Professoren [der philosophischen Fakultät] so einzuwirken wissen, dass sie die geplante Ernennung gerne annehmen und keine Gefühle der Verbitterung aufkommen. Was Zapletal betrifft, so denke ich, dass es ihm gelingen wird, freundliche und fruchtbare Beziehungen mit ihnen anzuknüpfen, nicht nur offizieller Art, sondern auch in der Zusammenarbeit, er jedenfalls bringt dafür alle Voraussetzungen

 Ebd.  Ebd. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 348.

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mit.“⁷⁰¹ Am selben Tag schrieb Cormier auch an Zapletal, den er dazu aufforderte, in seiner klugen Art die Sympathien, die die Professoren an der philosophischen Fakultät den Dominikanern früher entgegengebracht hätten, zurückzugewinnen. Insgesamt begrüßte er, dass der Einfluss des Ordens an dieser Fakultät gestärkt werde, aber er hatte zugleich Befürchtungen hinsichtlich der komplizierten Regelung der Kompetenzen sowie der Autorität des neuen Exegeseprofessors, wenn Zapletal einen Teil der Lehre und seinen Titel behielt.⁷⁰² Kompetenzstreitigkeiten erwartete Zapletal nicht, wie seine Antwort vom 8. November zeigt: „Niemand wird sich wegen meiner neuen Stelle über mich beschweren. Ich werde in aller Ruhe Sprachen und Geschichte des Altertums unterrichten und mich der hebräischen Metrik widmen. Was die Exegese betrifft, so habe ich nicht vor, sie mit den Studenten zu machen, aus dem einfachen Grund, weil dass unter den gegenwärtigen Bedingungen gar nicht möglich ist. Dennoch muss ich einige Vorkehrungen treffen, damit ich mich nicht noch vor Ostern in ein Karthäuserkloster flüchten und dort den Rest meiner Tage zubringen muss. Für einen Neuanfang bin ich schon zu alt. Das Erste, was man in Fribourg und in den Zeitungen sagen wird (leider bin ich zu bekannt und vor aller Augen), ist, dass man mich als Professor der Exegese abberufen hat […]. Da mir mein Gewissen nicht einen einzigen doktrinalen Fehler in meiner Lehre vorwirft, im Übrigen konnte mir auch niemand nachweisen, je einen solchen begangen zu haben, bin ich dem Orden, der Universität und mir selbst schuldig, nicht in ein ungünstiges Licht zu geraten.“⁷⁰³ Zapletal war zu diesem Zeitpunkt erst 44 Jahre alt, daher überrascht die skeptische Haltung in Bezug auf sein Alter. Im November 1911 bot der Rektoratsbericht für das akademische Jahr 1910/1911 Zapletal Gelegenheit zu einer kleinen Bilanz. Anders als seine Vorgänger und Nachfolger, die zunächst Worte des Lobes für eine weitere Phase ruhigen, beharrlichen Arbeitens finden, erklärte Zapletal gleich zu Beginn, dass die zurückliegenden Monate nicht allzu viel Ruhe gekannt hätten. Die Universität gleiche den Bäumen, die er im östlichen Jordanien gesehen habe; Bäume, die in einem beschwerlichen, trockenen Felsgebiet überleben müssten und daher mit allen ihren Wurzeln zwischen den Steinen nach Erde suchten, wobei viele davon litten oder auch ganz abstürben. Die Kronen wiederum stellen sich dem heftigen Wind und den Blitzen, die ins Geäst schlagen. Und doch bieten diese Bäume einen fantastischen Anblick, und es mangelt ihnen an nichts, denn anstelle der abgestorbenen Wurzeln und Zweige schlagen neue Triebe und Schösslinge aus. Ganz ähnlich habe die Universität im zurückliegenden Jahr viele Stürme und Schwierigkeiten durchgemacht, aber sie stehe weiterhin fest, wachse und trage reichlich Frucht. Wie ein Baum, dessen allmähliches Wachstum das Holz fester und belastbarer macht, werde auch die Universität in Zukunft alle Stürme

 Cormier an Python, 2.11.1911. AEF ZApletal. Vgl. auch Barthélemy, Idéologie, S. 143.  Cormier an Zapletal, 2.11.1911. AGOP XI. 15310.  Zapletal an Cormier, 8.11.1911. AGOP XI. 15300.

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umso erfolgreicher überstehen.⁷⁰⁴ Nach Fribourger Brauch hatte Zapletal im darauffolgenden akademischen Jahr das Amt des Prorektors inne und blieb also auch 1911/ 1912 nicht von administrativen Aufgaben verschont.

3.10.1 Professor Speiser ergreift die Initiative Ganz abgesehen von den alltäglichen Sorgen machten sich im Herbst 1911 Anzeichen einer neuen Kampagne gegen Fribourg bemerkbar. In seinem Brief vom 28. November meldete Zapletal dem Ordensmeister: „Ich schicke Ihnen die Zeitschrift El Mundo, in der eine Bemerkung über uns ist. […] In den Ferien war Benigni in der Schweiz bei Herrn Decurtins. Ich habe bald davon erfahren und auch, dass im November wieder eine Kampagne gegen uns beginnt. Von verschiedenen Seiten habe ich gehört, dass Kardinal De Lai unserem Doktor S. Ritter⁷⁰⁵ (Varese, Como) mitgeteilt habe, dass er nicht zum Professor am Priesterseminar ernannt wird, weil er in Fribourg studiert hat. Auch ist hier die Rede von einer geheimen Instruktion des Höchsten Pontifex, die den italienischen Bischöfen untersagt, Studenten nach Fribourg zu schicken. Genaueres dazu weiß ich nicht. Womöglich handelt es sich um eine Verwechslung mit dem Brief, den der Papst nach Viterbo geschickt hat. Ich bin sicher, dass Sie gegen diese Nachrichten etwas unternehmen können. In Fribourg ist man mit der Wahl von Herrn Bovet zufrieden; ich danke Ihnen sehr für Ihre Maßnahmen.“⁷⁰⁶ Nicht genügend konforme Professoren zu bestrafen, indem man die Ernennung ihrer Schüler zum Professor blockierte, gehörte zum damals üblichen Schikanenregister. Auch die Absolventen der Jerusalemer École biblique mussten diese Erfahrung machen.⁷⁰⁷ Das war keine Kleinigkeit, im Gegenteil. Die zuständige Autorität drohte einer Schule oder einem Professor indirekt, aber unmissverständlich, ließ alle Studieninteressenten wissen, wohin sie sich nicht wenden sollten, die wissenschaftliche oder pädagogische Karriere junger talentierter Gelehrte wurde unterbrochen oder für immer zerstört. Im besten Fall fanden sie eine neue Aufgabe im seelsorgerischen Bereich, im schlimmsten kehrten sie dem Priesterstand und der Kirche den Rücken.⁷⁰⁸ Die Gerüchte um Speisers Ernennung zum Bischof sollten sich nicht bestätigen. Die Fakultät war zwar direkt der Ordensleitung und dem Papst unterstellt, doch ein voreingenommener Diözesanbischof konnte für zahllose kleinere und größere, in jedem Falle aber unerfreuliche und lästige Obstruktionen sorgen. Die Ergebnisse der

 Bericht 1910/1911, S. 3 f.  Saverio Ritter wurde am 30.6.1910 promoviert; seine Dissertation Un Umanista Teologo, Jacobo Sadoleto erschien 1912 in Rom.  Zapletal an Cormier, 28.11.1911. AGOP XI. 15340. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 355.  Vgl. Tomáš Petráček, Marie-Joseph Lagrange: Bible a historická metoda [Marie-Joseph Lagrange: Die Bibel und die historische Methode], Praha 2004, S. 68.  In diesem Fall ging es glimpflich ab; Ritter trat in die diplomatischen Dienste des Vatikans, war in der Nuntiatur in Bern tätig und wurde 1935 Nuntius in Prag.

3.10 Die dramatischen Ereignisse im Jahr 1911

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Visitationen hatten die Glaubwürdigkeit Decurtins, der bis dahin als Hauptzuträger agierte, einigermaßen erschüttert. Es war also an der Zeit, einen neuen Beschwerdeführer ins Spiel zu bringen. Noch im Dezember 1911 begab sich Speiser nach Rom und versuchte, alle römischen Instanzen, die bereit waren, ihm Gehör zu schenken, wieder auf seine Seite zu ziehen. In der Bildungskongregation hat sich ein italienisches Protokoll eines solchen Gesprächs erhalten. Danach berichtete Speiser, dass der örtliche Klerus in Fribourg und in gewissem Grade auch die staatlichen Autoritäten mit der Ausrichtung der Universität nicht zufrieden wären. Da schon die medizinische Fakultät voller Sillonisten stecke, müsse wenigstens die theologische Fakultät unbeirrbar den richtigen Kurs angeben: „Aber gerade da herrscht ganz im Gegenteil unter den Dominikanerprofessoren mehrheitlich ein antirömischer modernistischer Geist. Einer der Dominikaner hat erklärt, dass die römische Kurie immer noch genau so sei wie unter Alexander IV.! Zapletal, der dem dominikanischen Konvent und Konvikt voransteht, ist ein verhängnisvoller Mann, er hat eine hohe Meinung von sich selbst, seine Gesinnung ist weltlich und modernistisch, das gemeinsame Gebet hat er auf eine viertelstündige Meditation beschränkt, bei der er selbst aber oft fehlt.“⁷⁰⁹ Gaetano Kardinal De Lai gewährte Speiser am 20. Dezember 1911 eine Audienz und forderte diesen auf, seine Beschwerde in einigen Punkten knapp zusammenzufassen. Daraufhin verfertige Speiser in den folgenden Tagen eine umfangreiche Stellungnahme in französischer Sprache, die er dem Kardinal am 29. Dezember übersandte.⁷¹⁰ Zunächst verwies er auf seine Verdienste, denn dank wiederholter Meldungen an wichtige kirchliche Würdenträger habe Cormier in Fribourg eine kanonische Visitation durchgeführt. Hinsichtlich ihrer Resultate wisse er lediglich vom Weggang Professor Feis, der Einführung einer fünfzehnminütigen Meditation in der Kapelle sowie der Installation eines Spirituals. „Einige Patres lehnen diese Neuerung noch immer ab, zuletzt habe P. Zapletal geäußert: ,Es gibt Dinge, die man hinnimmt, aber nicht billigt.’“ Gleich darauf kam Speiser auf die Personen zu sprechen, die ihn am meisten störten: „Was die Professoren der Exegese, P. Zapletal und P. Allo, betrifft, so sind sie auf ihren Stellen geblieben. Diese Tatsache ist äußert bedauerlich. P. Zapletal, unter anderem auch als Professor gefährlich, ist zugleich wie ein Banner, das den Sieg über die römischen Instruktionen verkündet; seine Gegenwart in Fribourg – ob an der theologischen oder der philosophischen Fakultät […] – wird die Reform der theologischen Fakultät auf lange Sicht behindern und endgültig jeden Versuch vereiteln, den Vorlesungen insgesamt eine den römischen Instruktionen entsprechende, aufrichtig antimodernistische Richtung zu geben. P. Zapletal zeigt sich zugleich indifferent, wenn nicht sogar ablehnend gegenüber einer asketischen oder priesterlichen Formung der Alumnen. Für ihn existiert nichts als die ‚Wissenschaft‘, und leider ist das eine Wissenschaft, die er aufbläht, und zwar so sehr, dass einer seiner Mitbrüder sagte: ‚P. Zapletal ist die personifizierte re-

 ACEC. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 356.  ACEC. Vgl. Barthélemy, Documents, S. 356– 359. Eine Abschrift befindet sich in ASV Benigni. l.5, n.715.

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ligiöse Indifferenz’. Auch P. Allo, Professor für Neues Testament, hält weiterhin seine Vorlesungen, die bei den Studenten aufgrund mangelnder Klarheit der Auslegung, Unübersichtlichkeit des Stoffes und seines schwachen Lateins nicht allzu beliebt sind. Bleibt noch hinzuzufügen, dass P. Allo die Verurteilung der Sillonisten sehr bedauert hat und zu denjenigen Patres gehört, die sich Rom gegenüber die schärfsten Ausfälle geleistet haben.“

Solange sich solche Elemente an der theologischen Fakultät halten, werde sie die ihr im Ganzen der Universität zugedachte Rolle niemals erfüllen können, nämlich ein Bollwerk der Rechtgläubigkeit und Feind aller gefährlichen Wissenschaften zu sein. Entschlossene Maßnahmen Roms wären also nicht nur eine Wohltat für Fribourg, sondern für die gesamte Kirche. Die Niederlage des Modernismus in Fribourg fände Widerhall in der ganzen Welt. Rom könne sich übrigens keine günstigere Situation wünschen, werde doch die Regierung in Fribourg in die Entscheidungen des Heiligen Stuhls in keiner Weise hineinreden, denn sie selbst wünsche eine ordentliche und rechtgläubige theologische Fakultät. Speiser führte zu jedem Exegeten andere Beschuldigungen an: Im Falle Zapletals ging es nicht um ein angeblich niedriges Niveau der Vorlesungen, schwaches Latein oder studentische Beschwerden über seine exegetischen Methoden. Vielmehr zielte der Angriff auf seine Qualitäten als Priester und Ordensmann sowie auf seine symbolische Rolle. Denn nach den jahrelangen Beschuldigungen und Pressekampagnen – seien sie nun begründet oder nicht – war er zur Zentralfigur des Konflikts zwischen Integralisten und Modernisten geworden. Zapetals Ernennung zum Rektor, seine Antrittsrede, die Neuauflagen seiner früheren Werke und seine unausgesetzte Lehrtätigkeit brachten die Integralisten zur Raserei. Denn während sie an anderen Fronten dank der starken Unterstützung der kurialen Institutionen „Siege“ feierten, führte ihnen all das ihren Misserfolg in Fribourg handgreiflich vor Augen. Zusätzlich forderte Speiser – in einem Auszug aus einem anderen, bereits am 3. Februar 1911 übersandten Memorandum – dazu auf, die Stellung des Diözesanbischofs zu stärken. Die lokalen Bischöfe würden sich um die Universität nicht kümmern, denn sie hätten ihre eigenen theologischen Lehrer am Priesterseminar. Der ungute Einfluss der theologischen Fakultät wirke aber in die gesamte Kirche vor Ort hinein. Mit der Installation des neuen Bischofs müsse man die Situation ändern, die Theologie am Seminar abschaffen und die Studenten an die theologische Fakultät schicken, der man durch diesen Zustrom einheimischer disziplinierter Studenten einen großen Dienst erweisen würde. Der Ordensmeister der Dominikaner müsse dann freilich in der Ausrichtung der Studieninhalte und bei der Ernennung der Professoren gewisse Zugeständnisse an die Diözese machen. Eine Entfernung der Dominikaner, die zum Modernismus tendieren, sei Voraussetzung. Eine zweite Ergänzung betraf die Situation im Albertinum. Bei ihr handelte es sich um die Abschrift eines Memorandums vom 6. Februar 1911: „Die Verfassung der Konföderation untersagt die Gründung neuer Konvente, so dass die Dominikaner seit ihrem Eintreffen im Jahre 1889 alles vermeiden mussten, was an ein Kloster erinnert, und sie das klösterliche Leben schlichtweg unterdrückten. Es gibt kein gemeinsames Gebet oder

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Silentium[,] und jeder einzelne Pater lebt mehr oder weniger nach bestem Wissen und Gewissen […]. Daher rührt auch die geringe geistliche Einflussnahme der Patres auf die Studenten. Dieser Mangel ließe sich leicht durch die Einführung einer Ordensdisziplin beheben. Nach der zwanzigjährigen Präsenz der Dominikaner in Fribourg kann das keine Probleme seitens der föderalen Autoritäten hervorrufen; niemand wird sich darum kümmern, was im Innern des Hauses geschieht.“⁷¹¹

Bemerkenswert ist, dass ausgerechnet Friedrich Speiser, aus einer Basler protestantischen Familie stammend und vor seiner Konversion Rechtsanwalt, den Dominikanern empfahl, die Gesetze des Gastlandes wider besseres Wissen zu verletzen, obwohl er in anderen Fragen fast übertrieben ängstlich auf die Einhaltung von Vorschriften und Gesetzen bedacht war. Auch ist Speiser selbst der beste Gegenbeweis seiner eigenen Argumentation, hatte doch gerade er, unter Mithilfe von Zuträgern, mehrere Berichte über das Leben im Albertinum verfasst. Ganz abgesehen davon wären derartige Änderungen in einem internationalen Kolleg sowieso nicht zu verheimlichen. Speiser wollte hier offensichtlich seinen religiösen und geistlichen Eifer demonstrieren oder aber die Dominikaner zu verfassungswidrigem Handeln drängen; schließlich hätte auch ein Landesverweis durch die Konföderation das Problem mit den unbequemen Dominikanerprofessoren gelöst. Noch befremdlicher erscheint in diesem Zusammenhang ein Brief P. Munnyncks an Cormier vom 17. Dezember 1911, das heißt zu jener Zeit, als Speiser in Rom seine Verleumdungen streute. Munnynck kommentierte darin Zapletals Ablehnung von Speisers Anfragen bezüglich einer Nutzung der Albertinumskapelle: „Insgesamt zeigt P. Zapletal gegen Speiser eine hartnäckige Feindschaft, die oft an Rachsucht erinnert […]. P. Speiser hat uns stets Sympathie entgegengebracht und war uns zugetan, lediglich die Lehre P. Zapletals hat ihm ein wenig Sorge bereitet. Seit aber P. Speiser bei der Fakultät um die Installation eines Spirituals ersucht hat, wird er von P. Zapletal attackiert, und der nur wenig christliche Antagonismus der beiden ist ein offenes Geheimnis.“⁷¹² Bedenkt man, dass Speiser zu den drei führenden Figuren der Sapiniére gehörte⁷¹³ und Munnynck zu den vier am heftigsten beschuldigten Fribourger Dominikanern, erscheint seine Sicht der Dinge überraschend naiv. Gleich zu Beginn des Jahres 1912 trat Speiser mit seiner Beschwörungsformel „Zapletal muss vernichtet werden“ in einem anonymen Bericht an die Studienkongregation erneut auf den Plan: „Eine weitere Anwesenheit P. Zapetals in seiner Eigenschaft als Professor der Exegese an der Universität Fribourg ist inzwischen so untragbar, dass sich inzwischen selbst seine […] Verteidiger darüber einig sind. Um ihm aber eine Position in Fribourg zu sichern, haben sie seinen Wechsel an die philosophische Fakultät vorgeschlagen, wo er den Lehrstuhl für semitische Sprachen übernehmen soll. So ist ihm moralisch Genüge getan, und seinen Einfluss auf die

 Beide Ergänzungen im ACEC. Vgl. Barthélemy, Documents, S. 356 – 359.  AGOP XI. 15340.  Vgl. Poulat, Intégrisme, S. 582.

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Universität behält er auch. Ich erachte diesen Wechsel für bedauerlich, denn: 1) die Studenten, für die der Unterricht der semitischen Sprachen (Hebräisch etc.) Pflicht ist, sind gerade die Theologiestudenten, die aus dem Einfluss P. Zapletals befreit werden müssten; der Sprachunterricht wird Zapletal vielfach Gelegenheit zu Exkursen in Bereiche bieten, die ihm versperrt bleiben sollten, 2) die Anwesenheit P. Zapletals im Haus der Dominikaner wird der Ausformung eines Denkens, das dem Hl. Stuhl aufrichtig anhängt und sich seinen Verordnungen in Glaubens- und Disziplinarfragen bedingungslos fügt, dauerhaft im Wege stehen.“⁷¹⁴ Außer Zapletal denunzierte Speiser auch P. Pierre-Marie Mandonnet, Professor der Kirchengeschichte, und zwar in Zusammenhang mit dessen Vortrag vor über 500 Zuhörern in Bern.

3.10.2 Veränderungen an der Fakultät und im Albertinum Cormier und Zapletal waren zu dieser Zeit von anderen Dingen in Anspruch genommen. Bereits am 4. Januar 1912 berichtete der Ordensmeister über seine Audienz beim Papst, bei der er den Standpunkt des Ordens hinsichtlich der Berufung von Professoren, die nicht dem Dominikanerorden angehörten, dargelegt hatte. Mit Erleichterung konnte er feststellen, dass bisher noch niemand derartige Vorschläge in Rom offiziell vorgebracht hatte. Cormier unterstützte, dass sich die Fribourger Seminaristen an der theologischen Fakultät einschrieben, lehnte aber Kompromisse wie z. B. die Inkorporation der Seminarprofessoren in die theologische Fakultät ab. Auch der Papst hatte sich verpflichtet, im Falle eines solchen Ansinnens nichts zu versprechen. Doch verlangte er eine schriftliche Stellungnahme, auf die er sich stützen könnte. Weiter heißt es im Schreiben des Ordensmeisters: „Zweifellos war es ein Werk der Vorsehung, dass ich zu dieser Audienz ging, denn unter denen, die nach mir empfangen wurden, befand sich auch Dr. Speiser. Sollte er die Frage angesprochen haben, dann war der Heilige Vater gewarnt.“⁷¹⁵ Ermutigend wirkte auch die Nachricht von einem gemeinsamen Mittagessen Cormiers mit dem Krakauer Bischof Adam Stefan Sapieha und dem Fribourger Bischof André-Maurice Bovet. Bischof Bovet habe sich zwar nicht direkt geäußert, doch ließe die Art, wie er von Dr. Speiser sprach, vermuten, dass sie einander nicht sehr nahe stünden. Allerdings könnte es passieren, dass man für Prinz Max Ersatz anfordern würde, nicht so sehr um die Zahl der Priester unter den Professoren zu erhöhen, sondern damit der Klerus die Entsendung der Seminaristen an die Fakultät akzeptiere. „Sobald ich etwas Neues erfahre, gebe ich Ihnen Bescheid, und umgekehrt möge es ebenso sein. Gott kennt unsere guten Absichten, die frei sind von persönlichen Ambitionen und ledig-

 ACEC. Vgl. Barthélemy, Documents, S. 359 f. Auch hiervon findet sich eine Abschrift in ASV Benigni l.10, n. 1249; ein weiterer Beweis für die wohl durchdachte und gut organisierte Denunziationsstrategie.  Cormier an Zapletal, 4.1.1912, AA FZapletal.

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lich dem Ziel dienen, den internationalen Charakter der Fakultät und all das Gute, was daraus erwächst, zu erhalten.“⁷¹⁶ Bovet suchte Cormier noch ein weiteres Mal auf; ein kurzes Resumee ihres persönlichen Gesprächs schickte der Ordensmeister am 15. Januar 1912 an Zapletal. Bischof Bovet sei ein wenig misstrauisch, andererseits aber intelligent genug, um keine Verurteilungen auf Grundlage unüberprüfter Beschwerden oder Behauptungen vorzunehmen.Was den Stil der Lehre betreffe, sei ihm klar, dass wir uns vor dem, was der intellektuellen Arbeit förderlich ist, nicht verschließen können, wenn wir den Glauben wirksam verteidigen und ehrliche Seelen für ihn gewinnen wollen. Bovet sei außerdem der Meinung, dass man das kirchliche Denken bei den Studenten fördern müsse, indem die Professoren in allem, was sie tun und sagen, sich selbst davon durchdrungen zeigten: „Ich weiß nicht, ob er damit diskret andeuten wollte, dass einige unserer Patres in diesem Punkt die Erwartungen nicht völlig erfüllen. Ich blieb, genau wie er, ganz allgemein und bat, er möge mich, sollte er etwas Anstößiges bemerken, sofort in Kenntnis setzen.“⁷¹⁷ Prinz Max hatte seine Demission endlich eingereicht, und Cormier konnte Python als neuen Professor der Liturgik den belgischen Dominikaner P. Alphons van den Wildenberg vorschlagen. Der Ordensmeister hielt es nicht für ratsam, die Liturgik aus dem Lehrprogramm zu streichen, damit es nicht hieße, „unser einziges Ziel sei die Heranbildung von Intellektuellen, wobei wir die priesterlichen Belange reduzieren, statt sie zu vervollkommnen. Die theoretischen Erkenntnisse müssen hinter den praktischen Unterricht zurücktreten, der auch einem guten Landpfarrer nutzen wird.“⁷¹⁸ P. Wildenberg kam auf Zapletals Vorschlag im Sommer 1911 als neuer Rektor ans Albertinum. Dort ersetzte er Abbé Müller, der von seinem Bischof auf eine andere Stelle abberufen worden war.⁷¹⁹ Jetzt, wo für den Schweizer Klerus das Salesianum offenstand, zeigte sich Minister Python einverstanden, dass ein Dominikaner Rektor des Albertinums wurde. Wildenberg schien Zapletal ein geeigenter Kandidat, weil er als Belgier über dem deutsch-französischen Gegensatz stand und außerdem über umfassende Sprachkenntnisse verfügte. Er konnte Deutsch, Französisch und Englisch, was angesichts der zahlreichen Amerikaner unter den Alumnen nicht unwichtig war.⁷²⁰ Der Rektor war der engste Mitarbeiter des Vikars, er hatte die Aufsicht über die Priester, Seminaristen und Ordensleute im Konvikt, äußerte Empfehlungen bezüglich ihrer Weihe, legte die Aufgaben der Ordensschwestern und des Dienstpersonals im Konvikt fest und verteilte die Zimmer, er predigte an Sonntagen und Feiertagen und

 Ebd.  Cormier an Zapletal, 15.1.1912. AA FZapletal.  Ebd.  Er ging an das Seminar in Luzern.  Vgl. den Briefwechsel von Zapletal und Cormier im Sommer 1911. AGOP XI. 15340. Vgl. zudem Cormiers Schreiben an Zapletal vom 17.9.1911. AAlb L 9/2.

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war vor der Bestellung eines Spirituals auch für die abendliche Andacht verantwortlich. Die Konviktsgemeinschaft war äußerst international. Im Sommer 1911 lebten im Albertinum 71 Studenten, davon 14 Amerikaner, 2 Kanadier, 1 Brasilianer, 12 Polen, 12 Ungarn, 4 Studenten aus Galizien, 9 Deutsche, 5 Litauer, 4 Franzosen (2 davon Elsässer), 3 Schweizer, 1 Holländer, 1 Engländer und 3 Italiener. Zwanzig Studenten hatten bereits die Priesterweihe empfangen. Wichtigste Sprache war Latein, gefolgt von Deutsch, Englisch und Französisch.⁷²¹ Die große Zahl der Priester forderte nach und nach weitere Altäre, damit jeder von ihnen seine tägliche Messe zelebrieren konnte. Nach den damaligen liturgischen Vorschriften musste das früh am Morgen geschehen, spätestens im Laufe des Vormittags, denn ein Priester durfte vor der Messe nichts essen. Das eucharistische Fasten galt ab Mitternacht. Einer der Dominikanerpatres war für die Sakristei und die Kapelle zuständig, denn die Einnahmen aus den Messstipendien waren respektabel. Monatlich wurden Hunderte Messen gelesen. Von den Messgeldern bekam der Priester nur 1,5 Franken, der Rest wurde zur Finanzierung des Konvikts verwendet; die von den Studenten zu leistende Gebühr konnte daher relativ niedrig gehalten werden.⁷²² Zapletals Brief an Cormier vom 21. Januar 1912 hat wiederum Prinz Max zum Thema. Dieser hatte den Papst in einem persönlichen Gespräch gebeten, nach Fribourg zurückkehren zu dürfen, und dabei erfahren, dass sein Weggang letztlich auf eine Entscheidung Cormiers zurückging. Der unglückliche Prinz habe sich daraufhin bei Python beschwert und verbreite überall, dass hinter seinem Rausschmiss die Dominikaner stünden. Zapletal bat den Ordensmeister, er möge, schon allein wegen Python, aber auch um des Prinzen willen, dessen Rückkehr ermöglichen.⁷²³ Der Historiker Iso Baumer kommt zu dem Schluss, dass der Ordensmeister und die Dominikaner anders als Python nichts zur Rettung des Prinzen unternommen hätten, räumt aber zugleich ein, dass dies in einer Zeit der „antimodernistischen Psychose“ verständlich sei: Die gesamte Fakultät hatte unter dem unausgesetzten Beschuss der Antimodernisten zu leiden; und wie auf einem sinkenden Schiff versuchte man sich zu retten, indem man verzichtbare Lasten über Bord warf.⁷²⁴ Aus der Korrespondenz zwischen dem Ordensmeister und seinem Vikar geht hervor, dass sie dem Prinzen keinen Schaden zufügen wollten; sie wussten nur nicht, wie die römischen Organe sich zu ihm stellten. Cormier ließ Zapletal in seiner Antwort vom 24. Januar 1912 im Übrigen wissen, dass sein Einschreiten einzig und allein erfolgt sei, damit der Prinz einen ehrenhaften Abgang nehmen könne: „Nichts hindert ihn, in Fribourg seinen Wohnort zu haben, dort zu predigen oder Vorträge zu halten, wenn

 Abschlussbericht von Rektor Müller für den Ordensmeister des Predigerordens vom 14.9.1911. AGOP XI. 15300.  Protokolle der Sitzungen des Konventsrates im Jahr 1911. AAlb A7.  Zapletal an Cormier, 21.1.1912. AGOP XI. 15340. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 360 f.  Zur komplizierten Frage der Bestrafung von Prinz Max durch Pius X. vgl. Baumer, Max, Herzog von Sachsen, S. 30 – 32.

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man ihn einlädt.“⁷²⁵ Cormier erhielt außerdem auch zwei Briefe von Prinz Max in sehr freundlichem Ton, in denen er erklärt, sein Weggang sei auf eigenen Entschluss hin erfolgt. Sollte ihm irgendjemand Gehässigkeit gegen die Dominikaner zur Last legen, so könne man seine beiden Briefe veröffentlichen.⁷²⁶ Cormier war zudem damit befasst, wer als Nachfolger von Professor Beck die Pastoraltheologie übernehmen könnte. Beck selbst hatte einen Kandidaten aus den Reihen des Diözesanklerus vorgeschlagen. Cormier lenkte daher ein: „Trotzdem wäre es auch so ein Fortschritt, denn wir hätten nur drei statt vier Diözesanpriester. Eine verlässliche Mehrheit im [Fakultäts‐]Rat ist damit garantiert. Es stimmt, dass es sich“ bei den Professoren aus den Reihen der Weltpriester „um eine etwas beschwerliche und inhomogene Minderheit handelt, aber das hält uns wenigstens dazu an, dass wir mehr auf uns selbst achten und besser zusammenzuhalten.“⁷²⁷ Jedenfalls würden sie die Sache als ein Zugeständnis um der guten Beziehungen willen darstellen, nicht als Verzicht auf ihre Rechte, und sicherheitshalber auch einen eigenen Kandidaten benennen, falls man am Ende doch einen bräuchte. Die Besetzung der Fakultät mit Dominikanern hatte zweifellos Vorteile, allerdings, wie schon ein Zeitzeuge bemerkte, auch einen grundsätzlichen Nachteil. Eine rein ordensgeführte Fakultät konnte im Land nur schwer Fuß fassen, und der Schweizer Klerus empfand seinen Ausschluss von den Professorenstellen der einzigen theologischen Fakultät des Landes für eine „ungerechte Zurücksetzung“.⁷²⁸ Die Besetzung einiger weniger Professorenstellen mit Diözesanklerikern (Joseph Beck, Friedrich Speiser, Johann Peter Kirsch, Max von Sachsen) schuf hier zumindest etwas Abhilfe. Für eine Erörterung der Nachfolge Becks war es damals aber noch viel zu früh, denn Beck hatte seinen Lehrstuhl bis 1934 inne.

3.10.3 Zapletal zum dritten Mal Vikar Mit dem Kalenderjahr 1911 neigte sich auch Zapletals zweites Vikariat dem Ende entgegen, und eine Kandidatur für weitere drei Jahre schien nicht im Mindesten wahrscheinlich. Er führte die Kommunität nun schon sechs Jahre – länger durfte man im Predigerorden ein solches Mandat nicht bekleiden. Noch dazu hatte man ihm in den letzten beiden Jahren Verstöße gegen die Doktrin und mangelnde Loyalität gegenüber dem Heiligen Stuhl vorgeworfen, so dass ein Verbleib im Amt weder außerhalb noch innerhalb des Albertinums wünschenswert erscheinen mochte. Um die Stimmung unter den Patres zu erfragen, bat Cormier Ende 1911 die Professoren, ihm

   

Cormier an Zapletal, 24.1.1912. AA FZapletal. Ebd. Ebd. Büchi, Gründung und Anfänge, S. 47.

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ihre Empfehlungen für das nächste Vikariat anzuzeigen. Seine Frage lautete wörtlich: „Wer von den Patres ist für das Amt des Vikars der geeignetste und würdigste?“⁷²⁹ Zwischen dem 18. und 23. Dezember 1911 schickten fast alle Fribourger Dominikaner ihre Empfehlung nach Rom. Es war eine einhellige Aussprache für den gegenwärtigen Vikar. P. Montagne schrieb: „Während all der Zeit, die er dem Haus vorsteht, galt seine ganze Sorge dem gemeinsamen Werk und dem Wohl der einzelnen Patres. Er kennt sich in den finanziellen und sonstigen Angelegenheiten aus, spricht fließend deutsch und französisch, was hier unerlässlich ist.“⁷³⁰ Für Zapletal sprachen sich ebenso die Patres Claverie und Wildenberg aus, auch Manser und del Prado. Professor Knar merkte an: „Die einzige und zugleich beste Lösung sehe ich in einer Wiederernennung von P. Zapletal.Wenn wir selbst wählen könnten, würde ich nur ihn wählen.“ Auch P. Allo fügte seiner Wahl ein paar Worte hinzu: „Das Vikariat P. Zapletals hat sich auf unser Haus äußert segensreich ausgewirkt, alles lief ohne Schwierigkeiten, es gibt keine inneren Differenzen, jedenfalls keine ernsthaften, die das Ganze beträfen.“ Gegen Zapletal votierte lediglich Prümmer, und bemerkenswert ist das Urteil von Weiß: „Ich sehe nur drei mögliche Kanditaten: Zapletal, Mandonnet, Michel. Considerantibus omnibus ⁷³¹ ist P. Zapletal noch der annehmlichste, auch wenn ihm ein Wechsel – jedenfalls für diese Mandatszeit – wohl guttäte.“⁷³² Professor Langen-Wendels antwortete am 19. Dezember: „Ohne Zögern nenne ich P. Zapletal. In der gegebenen Situation scheint er mir für diese Funktion so sehr vorherbestimmt, dass mir unter den übrigen Patres keiner einfällt, der ihn vielleicht ersetzen, geschweige denn übertreffen könnte. Hier sind meine Gründe: vor allem vereinigt P. Zapletal in seiner Person viele Talente und Qualitäten, die für einen Vorsteher des Albertinums unerlässlich sind – er gehört zu den Dienstältesten im Haus, kennt also dessen Geschichte und die vielfältigen, heiklen und zugleich komplexen Beziehungen gut; er beherrscht beide hier gesprochenen Sprachen fließend; er kennt sich in der Verwaltung und im Haushalt aus. – Sein angenehmer Charakter weiß Konflikten zwischen Einzelpersonen und Nationalitäten vorzubeugen, und er achtet die Würde seiner Mitbrüder. – Schließlich haben uns die Erfahrungen während seines sechsjährigen Vikariats davon überzeugt, dass er in der Lage ist, die gemeinsamen Interessen, finanzielle wie moralische, erfolgreich zu vertreten. Mit ihm an der Spitze haben wir die Sicherheit, dass die Mittel der Kommunität nicht verschwendet, oder, was noch schlimmer wäre, zur persönlichen Bereicherung missbraucht oder unüberlegt verschleudert werden; wir können uns darauf verlassen, dass unsere existenziellen Interessen nicht verraten oder gefährdet werden, sei es durch Unvorsichtigkeit oder Intrigen. – All dem ist noch hinzuzufügen, dass wir – unter seiner Leitung – in Ruhe und Frieden leben und die schreckliche Geißel des Nationalismus hier ihr Unwesen nicht treibt. Selbst wenn auch P. Zapletal nicht völlig frei von menschlichen    

AGOP XI. 15300. Vgl. AGOP XI. 15300. In Erwägung aller Umstände. Alle Dokumente im AGOP XI. 15300.

3.10 Die dramatischen Ereignisse im Jahr 1911

183

Schwächen sein kann, die im Übrigen in keiner Weise die Ehrenhaftigkeit seines Handelns betreffen, so hat er uns als Vikar zweifellos große Dienste erwiesen und es vermocht, in diesen schwierigen Zeiten die Einheit unter uns zu erhalten.“⁷³³ Ganz ähnlich urteilten Professoren wie del Prado, Manser, Montagne und Knar, die nur ein halbes Jahr später ihren Namen unter ein Dokument setzen sollten, das Zapletals exegetische Methoden kritisierte und sein definitives Ausscheiden aus der Fakultät forderte. Und ebenjene Mitbrüder wählten ihn, als die Affäre vom Sommer 1913 abgeklungen war, noch ein viertes Mal zum Vikar. Es geht dabei nicht etwa um eine wechselnde Haltung gegenüber Zapletal als Person, vielmehr „standen Zapletals überragende Qualitäten als Mensch und Ordensmann so außer Frage, dass selbst diejenigen sie zu schätzen wussten, die ansonsten seinen Einfluss auf die theologische Fakultät wegen seiner modernistischen Ansichten für gefährlich hielten.“⁷³⁴ Dieser Feststellung Barthélemys ist nichts hinzuzufügen. Cormier ernannte also auf Grundlage der geheimen konsultativen Wahl, will heißen der Vorschläge aus dem Fribourger Konvent, Vincent Zapletal am 1. Februar 1912 für weitere drei Jahre zum Vikar.⁷³⁵ Auf dem Umschlag des Briefes von Cormier vermerkte Zapletal in tschechischer Sprache lakonisch: „můj vikariát, co dělati“ („mein Vikariat, was lässt sich machen“). In diesem Brief schrieb Cormier: „Ich habe P. Weiß als dem Ältesten […] Ihre Ernennung mitgeteilt. Der mehrheitliche Wunsch der Patres war noch nachdrücklicher als das letzte Mal. Zweifellos wäre es für Sie persönlich vorteilhafter, von diesem Amt entbunden zu sein, und auch prinzipiell ist es besser, wenn im Amt des Vikars verschiedene Patres und auch Nationalitäten wechseln. Bedenken wir aber die Umstände, Ihre Kenntnis der verschiedenen Belange, seien sie materieller oder moralischer Art, die Sorgfalt, die sie darauf verwenden, dass alles seinen gehörigen Gang geht, Ihr stetes Bemühen, in Abstimmung mit mir zu handeln, so muss Ihre Vollmacht um eine weitere Amtszeit verlängert werden, was ich mit großer Freude tue.“ Es folgt eine Exhortatio an den altneuen Vikar: „Wenn Sie mir erlauben, Ihnen einen Rat mitzugeben oder einen Wunsch zu äußern, so bitte ich Sie um ein unausgesetztes Bemühen, dass die übernatürlichen Qualitäten nach und nach den natürlichen Qualitäten gleichauf wären […], so dass sie nicht nur gleichen Schrittes nebeneinanderhergingen, sondern sich zum Nutzen des Arbeiters und seines Werkes miteinander verflechten […]. Ein so geschaffenes Werk ist zehnmal mehr wert in seiner Quantität, vor allem aber in seiner Qualität. Wie schön es ist und wie gut! Welch herrliche und erhabene Berufung! Adieu. Ich segne Sie aus ganzem Herzen in Namen unseres Herrn Jesus Christus und bitte Sie für mich und für den ganzen Orden um die Unterstützung Ihrer Gebete.“⁷³⁶

   

Langen-Wendels an Cormier, 19.12.1911. AGOP XI. 15300. Barthélemy, Idéologie, S. 156. Dekret Cormiers vom 1. 2.1912. AA FZapletal. Ebd.

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3 Die Zeit der Prüfungen und Kämpfe

Zapletal war von den dauernden Auseinandersetzungen müde; er hätte sich nicht einmal mehr gegen den Gedanken an eine Rückkehr in seine Heimat gewehrt. Seine Freunde und Kollegen Jaroslav Sedláček und Alois Musil versuchten, ihn an die theologische Fakultät in Prag zu holen. Zapletal schrieb Musil dazu am 19. Januar 1912: „Herr Sedláček hat mir früher des Öfteren gesagt, dass er mich gerne in Prag hätte, aber tätig geworden ist er, wie es scheint, in dieser Sache nicht, oder er hat nicht den nötigen Einfluss. Nun hat mir der Kanonikus Tumpach geschrieben, dass Seine Eminenz sich in diesem Sinne an das Kultusministerium wenden wird, und auch die Fakultät wird die nötigen Schritte unternehmen. […] Am liebsten hätte ich die Fächer, die Schlögl in Wien gibt. Kritische und überhaupt allumfassende Analyse der alttestamentlichen Texte, wohl 2 Stunden, Hebräisch und je nach Bedarf Syrisch, Arabisch, Koptisch, die ich auch hier unterrichte. Geschichte des Altertums und Auslegung des Alten Testaments unter Berücksichtigung der Entdeckungen im Osten würden mir auch zusagen.“⁷³⁷ In seinem Brief vom 3. Februar 1912 gestand Zapletal dies auch Cormier: „Obgleich ich nicht gerne Verantwortung trage, habe ich das Amt des Vikars doch angenommen. Ich danke Ihnen für das Vertrauen, das Sie mir erweisen. […] Man hat mir aus Wien geschrieben, dass das Kultusministerium mich nach Österreich rufen will. Da aber im Moment keine Professorenstelle vakant ist, müsste man sie für mich einrichten, doch dafür ist die Zustimmung der kirchlichen Autoritäten erforderlich […]. Trotzdem kann es passieren, dass man mich noch dieses Jahr beruft.“⁷³⁸ Zapletal hatte auch Python, der gerade den Wechsel an die philosophische Fakultät vorbereitete, von dieser neuen Perspektive in Kenntnis gesetzt. „Herr Python“, so schrieb er nun an Cormier, „hat mir geantwortet: ‚Wenn man Sie nach Österreich beruft, so ist das ausgezeichnet, wenn es aber nicht dazu kommt, umso besser.’ Ich habe Python gesagt, dass noch nichts feststeht. In Wahrheit ist es so, dass die Sache, solange ich kein vom Kaiser unterzeichnetes Dekret in Händen halte, noch schiefgehen kann. Heute wird überall intrigiert.“⁷³⁹ Doch das Problem lag woanders. Am 7. Mai 1912 meldete Zapletal dem Ordensmeister: „In Kultusministerium in Wien ist man mir gewogen, aber gegenwärtig ist keine Stelle frei. Ich muss warten. Es bleibt also nichts anderes, als meinen Stand hier zu verbessern.“⁷⁴⁰

   

Zapletal an Musil, 19.1.1912. MV FMusil, Inv.-Nr. H 19.472/17. Zapletal an Cormier, 3. 2.1912. AGOP XI. 15345. Ebd. Zapletal an Cormier, 7. 5.1912. AGOP XI. 15340.

3.11 Die antimodernistische Kampagne 1912

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3.11 Die antimodernistische Kampagne 1912 3.11.1 Die Correspondance de Rome greift an Decurtins griff erneut in die Kampagne gegen die Exegeten ein. Zum Anlass nahm er die Neuauflage von Zapletals Kommentar zum Buch Kohelet von 1911. Die Rezension dieser zweiten Ausgabe im ČKD macht deutlich, dass Zapletal seine Positionen nicht aufgegeben und alle heiklen Punkte belassen hatte: „Seit 1905, als die erste, auch vom ČKD mit so herzlichen Worten begrüßte Ausgabe von Zapletals Kommentar erschien, hat sich die Sicht der Bibelwissenschaft auf das Buch Prediger […] im Grunde nicht verändert, und so ist auch Zapletals Werk im Großen und Ganzen dasselbe geblieben. Den eigentlichen Teil des Buches stellt eine schöne, detaillierte Interpretation des hebräischen Textes dar, der zunächst jeweils in stichometrischer Korrektur nach Zapletals metrischen Grundsätzen angeführt wird […]. Die Interpretation ist gründlich, dabei klar, stets berücksichtigt er [Zapletal] die Ansichten anderer Kommentatoren, bewahrt sich aber ein eigenständiges Urteil […]. Zapletal widerlegt die verschiedenen Versuche einer Identifikation [des Autors] mit historischen Gestalten der alttesttamentlichen Geschichte, insbesondere die Ansicht Grimmes, dass Kohelet mit König Jojakin identisch sein könne. Zur Person des Kohelet lässt sich wohl nur so viel sagen, als dass er in der griechischen Periode gelebt und sein Buch etwas vor 200 v.Chr. geschrieben hat, wohl noch bevor das Buch der Weisheit und der Ecclesiasticus entstanden. Alles Übrige […] sei Phantasie […]. Die Werke Zapletals bedürfen weder des Lobes noch der Empfehlung; der Name des Autors garantiert ihren wissenschaftlichen Wert und den Nutzen, den ein jeder daraus ziehen kann.“⁷⁴¹ Der Schlussbemerkung hätte sicher nicht jeder zugestimmt. Das integralistische Periodikum La Correspondance de Rome ⁷⁴² veröffentlichte am 7. Februar 1912 eine Rezension des Buches unter der Rubrik Dokumente und Beobachtungen zur gegenwärtigen Religionskrise: „Laut Zapletal gab es für den Autor des Buches Kohelet nur eine diesseitige Belohnung der Gerechten, und zwar in Form von materiellen Gütern (St. Thom. Summa theol. I-II. q. 91, a.5). Laut Zapletal kann Kohelet nicht Salomo zugeschrieben werden. Das sei angeblich wegen eines religionsgeschichtlichen Grundes nicht möglich. In salomonischer Zeit (sagt dieser ehrw. Vater) kannten die Menschen kein Aufsteigen der Seele zu Gott, ‚von dem Kohelet 3,21 spricht’; diese Auffassung sei das Element einer neuen Unsterblichkeitslehre, die (nach P. Zapletal) erst in der Zeit Alexander des Großen aufgekommen sei […]. Kohelet kannte zwar diese neuen Vorstellungen, bleibt aber (nach dem ehrw. Vater) dem althebräischen Glauben

 Rezension von Antonín Jedlička, ČKD 55 (1914), S. 742– 743.  Das Periodikum war im Mai 1906 unter dem Namen La Corrispondenza Romana von Umberto Benigni gegründet und 1908 in La Correspondance de Rome umbenannt worden. Kardinal Merry del Val unterstützte die Zeitschrift zunächst, unterband aber 1913 aus diplomatischen Gründen ein weiteres Erscheinen. Benigni gründete daraufhin L’Agence internationale de Rome. Vgl. Dansette, Histoire religieuse, S. 688.

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treu. Die neuen Vorstellungen erscheinen Kohelet nicht ganz verlässlich (sagt P. Zapletal) und daher begnüge er sich lieber mit der althergebrachten Lehre von der irdischen Belohnung der Gerechten. Nach Kohelet kehrt der Lebensodem zu Gott zurück, was aber mit der neuen Unsterblichkeitslehre nicht identisch sei, sagt der ehrw. Vater. Der deutsche katholische Theologe Franz Feldmann merkt in seiner Rezension dazu an: ‚Auch scheint mir die formelle Ablehnung einer Lehre, die später Inhalt der Offenbarung wird, ohne Beispiel und daher unwahrscheinlich zu sein.‘ (Theologische Revue, Nr. 20, Münster, 20. Dez. 1911, S. 607).“⁷⁴³ Zapletal vermutete, dass Decurtins, wenn schon nicht Autor, so doch Initiator des Artikels war und teilte dies Python in einem Brief vom 10. Februar mit. Er sehne sich nach Frieden, schrieb er, schon um der Universität willen, und dementsprechend habe er gehandelt, wie Python ja selbst beurteilen könne, wenn er Zapletals Verhalten während der letzten sechs Jahre seit Beginn der Streitereien bedenke. Ihm bleibe nun nichts anderes, als sich mit der Feder zur Wehr zu setzen. Die Sache in aller Öffentlichkeit auszufechten, sei der einzige Weg, diesen Typus Mensch abzuschrecken.⁷⁴⁴ Python bot an, von Decurtins ein Dementi zu fordern, dass er Zapletal übergeben werde. Dass es zu keinem Dementi kam, bestätigt – nebst anderen Indizien – Zapletals Vermutungen hinsichtlich der Autorschaft.⁷⁴⁵ Ein Schreiben ähnlichen Inhalts sandte Zapletal auch an Comier, der postwendend reagierte, um unnötig scharfen Worten vorzubeugen. Gleich am 11. Februar antwortete er Zapletal, dass er von dem erwähnten Artikel nicht einmal gehört habe, „was zeigt, dass er kein großes Aufsehen erregt hat. Lohnt also eine Entgegnung darauf überhaupt? […] Werden die Feinde nicht vielmehr frohlocken über das Gewicht, das man ihm beilegt? […] Wir sollten unsere Mäßigung gegenüber diesen Herren nicht bedauern. Wir gewinnen damit vor Gott […], und wir gewinnen bei Menschen mit Urteilsvermögen […], in diesen Dingen kenne ich mich besser aus als Sie, nicht nur wegen der Gnaden, die zu einer höheren Autorität gehören, sondern auch dank meiner reichen Erfahrungen. Damit will ich nicht sagen, dass Sie nicht etwa einen gewissen Einblick haben, aber bisweilen gewinnt der Charakter und die Selbstliebe Oberhand. Die Patres, die Sie schätzen und die Sie gern haben, haben mir schon mehrfach gesagt: Wie bedauerlich! Er schadet sich selbst, indem er versucht, sich immer als entschlossener, tapferer Kämpfer zu zeigen. Gehen Sie mit Bedacht vor, und wenn es sich nötig erweisen sollte, etwas zu schreiben (erst nach dem Urteil unserer weisesten Brüder), lassen Sie die erste Version ruhen, und legen Sie einen Tag der geistlichen Erneuerung ein, dann verbessern Sie den Text, geben ihn anderen zu lesen, und dann schicken Sie ihn an mich.“⁷⁴⁶ Noch einmal forderte Cormier Zapletal auf, gründlich zu erwägen, ob das alles der Rede wert sei, und führte an, wie er selbst einmal in einem vergleichbaren    

Auszug aus der Rezension ediert in Barthélemy, Documents, S. 361. Zapletal an Python, 10. 2.1912. AEF Zapletal. AEF Zapletal. Vgl. auch Barthélemy, Idéologie, S. 145 f. Cormier an Zapletal, 11. 2.1912. AAlb L 9/2. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 361.

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Fall mit einem Dementi gewartet habe, und heute würde sich keiner mehr an das Ganze erinnern, und es habe auch keinem geschadet: „Pater Lacordaire kann uns ein vollkommenes Beispiel sein, wenn er sagt: ‚Mit ihren Verleumdungen haben Sie mir im Grunde Ehre erwiesen.’ Adieu, ich segne Sie, Ihre Feder und Ihr Herz und bitte um Ihre Gebete.“ Zapletal jedoch hatte seine Entgegnung schon geschrieben und seinen Vorschlag am selben Tag, dem 11. Februar, an den Ordensmeister weitergeleitet. Schon der Begleitbrief sparte nicht mit heftigen Worten: „Da die Clique gegen mich aus vier Schurken besteht, gehe ich davon aus, dass sie nur vor drastischen Maßnahmen kapitulieren. Daher bitte ich Sie, mir zu erlauben, einen Prozess gegen sie zu führen. Wenn Sie mir auch noch einen guten Anwalt in Rom empfehlen könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar.“⁷⁴⁷ Die Identität jener vier „Schurken“ hatte er dem Ordenmeister bereits vier Tage zuvor, am 7. Februar, mitgeteilt: „Decurtins stellt sich nun gegen den ganzen Orden. P. Montagne schreibt auf Pythons und meine Bitte hin eine Laudatio auf Lacordaire für die Liberté, in der Lacordaire vor kurzem von Decurtins attackiert worden ist. Mit Mäßigung lässt sich bei Leuten wie Benigni, Speiser, Decurtins und Cie überhaupt nichts ausrichten.“⁷⁴⁸ In seiner Entgegenung ging Zapletal zunächst auf die an sich schon disqualifizierende Einordnung unter eine Rubrik ein, „die der Kritik fortschrittlicher Gedanken vorbehalten ist. Da der Rezensent wohl kaum ein inspiriertes Buch kritisieren wird, geht es um meine Ansichten als Exeget. Nun, die Urteile des Rezensenten sind so tendenziös und tückisch, dass ich sie ins rechte Lot bringen muss. 1) Die zweite Auflage ist kein bloßer Nachdruck der ersten. Durch einen Vergleich der beiden oder auch nur eine aufmerksamere Lektüre der Rezension Feldmanns in der Theologischen Revue lässt sich das leicht feststellen. So viel nur zur Illustration des Lektürestils, der bei den Renzensenten der Correspondance de Rome üblich ist. 2) In der Corr. werden nur einige meiner Ansichten genannt, die dem Rezensenten – und zwar zweifellos als Symptom einer religiösen Krise – ‚interessant’ erscheinen. Der erste Punkt, mit dem man sich befasst, ist die Aufgliederung meiner Überlegungen zum Buch Kohelet in drei Schlüsselthemen: Gott, die Scheol und die Vergeltung. Dieser Ansatz hat durchaus Interesse verdient, aber nicht weil er Anzeichen einer religiösen Krise wäre, sondern weil er sich für die Beurteilung aller Passagen des biblischen Buches eignet und deren Harmonie sichtbar macht. Dank ihm tritt auch die Einheit des Buches hervor, und man kann zeigen, dass es sich einem einzigen Autor zuschreiben lässt, im Unterschied zu den sonst geläufigen Ansichten gegenwärtiger ‚Kritiker‘, die es auf bis zu fünf Autoren verteilen. Um meine Theorie zu untermauern, habe ich den Leser auf eine Passage des hl. Thomas verwiesen […] und auch auf eine Passage des hl. Augustinus. Die Correspondance verweist ebenfalls auf den hl. Thomas, aber in einer recht zweideutigen Weise, damit sie den Eindruck erweckt, dass Thomas zu ebenjener

 Zapletal an Cormier, 11. 2.1912. AGOP XI. 15340.  Zapletal an Cormier, 7. 2.1912. AGOP XI. 15340.

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These in Widerspruch steht. Der Leser soll mich nicht in so guter Gesellschaft sehen.“⁷⁴⁹ Im dritten Punkt seiner Entgegnung entkräftete Zapletal die Einwände gegen seine Datierung. Für eine Entstehungszeit um das Jahr 200 v.Chr. sprächen ebenso kulturgeschichtliche Argumente, die der Rezensent unerwähnt lässt, weil er das Buch offenbar nicht vollständig gelesen hat: „In den Hauptpunkten bezüglich der Autorschaft des Buches befinde ich mich im Übrigen in völliger Übereinstimmung mit den jüngsten Einsichten der katholischen Exegese. Die Correspondance führt ihre Leser in die Irre, wenn sie diese Frage unter die Punkte einordnet, die als Anzeichen einer religiösen Krise Interesse verdienen.“ In Punkt vier nahm Zapletal Stellung zu Scheol und Vergeltung und erklärte: „Warum erwähnen die Opponenten nicht die biblischen Texte, auf deren Fundament ich baue? Ja, selbst das verschweigen sie, dass ich gewisse Exegeten widerlege, denen zufolge Kohelet die Unsterblichkeit bestreite.“ Im vorletzten, fünften Punkt zeigte Zapletal, dass Feldmanns Kritik keineswegs so unversöhnlich ausfällt, wenn die Correspondance die betreffende Passage nur eben vollständig zitiert hätte. „Anders gesagt, als Exeget hält auch er den Gedanken der HADES oder der SCHEOL im Alten Testament für möglich, insbesondere im Buch Kohelet. Die Correspondance wäre verpflichtet gewesen, diese Passage zu zitieren, und ebenso das, was ich auf S. 77 anführe, nämlich ‚dass die Scheolvorstellung eine, wenngleich unvollkommene, Lehre von einer Fortdauer nach dem Tod ist. Die Inspiration schließt nicht ein, dass von Anfang an eine vollkommene Offenbarung da war; die Kirchenväter nahmen bekanntlich einen Fortschritt in der Offenbarung an, und ich beziehe dies auch auf die Lehre von der Unsterblichkeit‘.“ Zapletals Verteidigungsschrift gipfelte im sechsten Punkt: „Ich bestehe auch nicht darauf, dass mir die Correspondance, wenn sie mich schon angreift, wenigstens die betreffende Nummer zuschickt. Vielleicht konnte sie ja auch etwas Gutes an meinem Buch entdecken, schließlich hat es anderswo keine so schlechte Aufnahme gefunden! Aber lassen wir das. Auch ist mir nicht daran gelegen, die Correspondance zu ermuntern, dass sie auf einen besseren Schreibsttil hinarbeite, um es mir schwerer zu machen, den Autor des Artikels zu identifizieren, der lieber unerkannt bliebe. Eine Art von Vorsicht, die nicht gerade zu den ritterlichsten zählt und in wissenschaftlichen Kreisen unüblich ist. Ich kann nicht schweigen zu diesen Methoden eines privaten Blattes, das sich in Sachen Dogmatik und Exegese als höchste richterliche Instanz ausgibt und von Rom aus denjenigen in den Rücken schießt, die seit Jahren für eine katholische Exegese der Hl. Schrift kämpfen. Wie oft ist schon verlautet worden, dass die Correspondance weder ein offizielles noch ein halboffizielles Organ des Vatikans ist! Ungeachtet all dessen, ungeachtet der mangelnden Anerkennung seitens qualifiziertester und höchster Stellen, geriert man sich, als wäre man Repräsentant der unfehlbaren Autorität. Es scheint, als würde man dabei mit der Naivität und Angst uninformierter Leute geradezu rechnen.“

 Zapletal an Cormier, 11. 2.1912. AGOP XI. 15340.

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Zapletal stellte abschließend fest: „Ja, eine religiöse Krise existiert zweifellos. Aber das sind nicht die Wege, die Abhilfe schaffen. Diese sollten wir vielmehr von einer ehrlichen Forschung erwarten, die wahrhaftige Problemlösungen liefern wird, und genau das ist das Werk, dem sich die katholischen Exegeten verpflichtet sehen. Letztlich ist es wohl müßig anzumerken, was die wahrhaften und guten Katholiken in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Frankreich und wo auch immer von den Umtrieben jener nicht autorisierten Personen halten, die sich zum Richter über die Rechtgläubigkeit setzen und die von ihnen ausgefertigen Modernismus-Diplome so großzügig verteilen.“⁷⁵⁰ Cormier wartete mit seiner Antwort ein wenig ab und ließ am 14. Februar nicht mehr wissen, als dass er drei römische Dominikaner damit betraut habe, den erwähnten Artikel zu besorgen und festzustellen, was sich machen ließe. Drei Tage später teilte er Zapletal mit, dass er sich in der Angelegenheit mit einem sehr hochgestellten Prälaten beraten habe, der Sympathien für die Dominikaner hege und die Situation besser kenne. „Wir alle hier sind der Ansicht, dass es nicht angebracht wäre, mit einer solchen Zeitschrift zu polemisieren. Sie können aber einen umfangreicheren, stärker doktrinalen Beitrag verfassen, der im Notfall als ergänzender Nachtrag zum Buch dienen könnte. Einige Zeilen an die Zeitschrift mögen durchaus von Nutzen sein – in gemäßigtem Ton, der sich umso mehr vom Ton des Rezensenten abheben wird.“⁷⁵¹ Am folgenden Tag bekräftigte Cormier seinen Standpunkt mit dem Verweis auf P. Frey, der als Examinator der Bibelkommission ebenfalls zur Taktik des Ignorierens geraten habe.⁷⁵² Zapletal hingegen versuchte deutlich zu machen, wie rasch die Verleumdungen sich verbreiteten.⁷⁵³ Die Korrespondenz gewann enorm an Dichte, betraf aber nicht nur das Rezensions-Problem. Am 18. Februar zum Beispiel kam Cormier wieder einmal auf die Nachfolge von Beck zu sprechen; dessen Stelle solle vorbehaltlich mit einem Kandidaten aus dem Diözesanklerus besetzt werden.⁷⁵⁴ Zapletal stellte Cormiers Lösung nicht zufrieden, und so brachte er schon am 19. Februar seine Einwände vor. Schließlich habe die Correspondance die Affäre verursacht, weshalb er als der Angegriffene das Recht habe, eine Polemik auf ihren Seiten zu führen, damit sie denselben Lesern vor Augen käme. Auch könne es nicht um einen Nachtrag zum Buch gehen, denn alles, was in seiner Entgegnung auf die Rezension gesagt werde, sei im Buch schon enthalten: „Ich habe keine Zeit und auch keine Lust, eine Broschüre zu schreiben, um damit auf den Angriff in einer Zeitschrift zu reagieren […]. Ich sehe nur zwei Möglichkeiten: entweder meine Entgegnung so, wie sie jetzt steht, an die Correspondance zu schicken. Oder aber dorthin nichts zu schicken, dafür aber freie Hand für eine Entgegnung in einer deutschen Zeitschrift zu bekommen, so dass ich mich nicht nach Rom flüchten müsste, denn in diesen Dingen, wie mir ein     

Ebd. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 363 f. Cormier an Zapletal, 17. 2.1912. AAlb L 9/2. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 362. Cormier an Zapletal, 18. 2.1912. AGOP XI. 15340. Zapletal an Cormier, 18. 2.1912. AA FZapletal. Cormier an Zapletal, 18. 2.1912. AGOP XI. 15340.

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vortrefflicher Pater sagte, unterscheiden sich die römischen Kategorien sehr von den unsrigen und wir würden uns niemals einig werden. Das passt schließlich nicht zu unserem (dominikanischen) Charakter, dass wir ständig schweigen müssen, was ich ja im Übrigen schon sieben Jahre tue, obwohl ich im Recht bin und über die Mittel verfüge, den Verleumdern den Mund zu stopfen. Mir scheint auch nicht, dass für den Orden dadurch etwas gewonnen wäre. Verzeihen Sie mir, ehrw. Vater, meine Aufrichtigkeit.“⁷⁵⁵ Cormier versicherte Zapletal daraufhin erneut seiner Freundschaft und Sympathien und drängte auf Mäßigung und Bedacht. Vor allem fürchtete er, dass sich herausstellen könnte, dass der Autor Priester, Ordensmann oder gar ein Dominikaner sei und eine allzu scharfe Entgegnung damit obendrein den Eindruck eines brudermörderischen Konflikts hervorriefe. Seiner Ansicht nach war der „Aggressor“ ein gefährlicher und geschickter Taktiker, der sich in der Exegese auskannte; sich in einen Konflikt hineinziehen zu lassen, könne also unabsehbare Folgen haben. Die Risiken würden von einer eventuellen Genugtuung nicht aufgewogen. Für einen Zivilprozess bedürfe es einer entsprechenden kirchlichen Genehmigung, die man vermutlich erteilen würde. Insgesamt aber halte er seinen eigenen Vorschlag immer noch für angebrachter.⁷⁵⁶ Noch am selben Tag, dem 20. Februar, konkretisierte Cormier, dass es um eine Frage der Doktrin gehe und um einen Akt der Feindschaft gegenüber dem Orden. Doch ließe sich eine so komplizierte und komplexe doktrinale Frage nicht auf den Seiten einer Zeitschrift abhandeln. Sich mit den Anfeindungen gegen den Orden zu befassen wäre nicht ratsam, solange man sich über die Identität des Angreifers nicht im Klaren sei. „Erfahrene Journalisten haben lange Finger und kaum Hemmungen in der Wahl der Mittel. Und Rom ist nicht gerade ein günstiger Ort […]. Und was, wenn der Artikel von irgendeinem Frater stammt?“ Sofern Zapletal noch zögere, sei er bereit, sich persönlich mit dem Papst zu beraten, doch empfehle er, die Angelegenheit nicht so weit zu treiben, wenn es auch andere Lösungen gibt.⁷⁵⁷ Zapletal fühlte sich infolge heftiger Kopfschmerzen und Erschöpfung zu keinem Entschluss fähig, gab aber schließlich den suggestiven Bitten des hochbetagten Mannes nach und schickte am 22. Februar lediglich einen knapp formulierten Protest in gemäßigtem Ton, ganz nach Cormiers Wunsch: „Ich werde wenig sagen, doch bin ich der Überzeugung, dass wenigstens so viel gesagt sein muss […]. Ich lasse von meiner ersten Entgegnung und lege auch keinen besonderen Wert darauf, dass der Papst in die Sache eingreift. Gelegentlich aber sollte der Höchste Pontifex doch einmal erfahren, dass die von Benigni und Decurtins geführte Kampagne weitergeht.“⁷⁵⁸ Die Affäre an sich und dazu die umständlichen Verhandlungen mit dem Ordensmeister machten Zapletal nur noch müder, und er klagte über „nervliche Er-

   

Zapletal an Cormier, 19. 2.1912. AGOP XI. 15340. Cormier an Zapletal, 20. 2.1912. AGOP Secr. 14. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 365. Cormier an Zapletal, 20. 2.1912. AAlb L 9/2. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 365 f. Zapletal an Cormier, 22. 2.1912. AGOP XI. 15340.

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schöpfung.“⁷⁵⁹ Vermutlich auch deshalb brachte er die Sache nach Cormiers Wünschen zum Abschluss, obzwar er den Eindruck haben musste, dass der Wahrheit auf diese Weise nicht Genüge getan war. Cormier teilte ihm am 28. Februar 1912 mit, dass seine Antwort an die Zeitschrift weitergeleitet worden sei, und riet ihm ab, eine umfassendere Entgegnung in einer anderen Zeitschrift zu publizieren, denn die Probleme mit der Auslegung des Buches Prediger seien so subtil und schwierig, dass selbst ein intelligenter Leser sie kaum verstehen könne. Ihre Diskussion in der Presse würde daher eher schaden als nützen. Die Polemik weiterzuführen hieße, den verbohrten Feinden allzu viel Gewicht beizulegen und sie zu weiteren Attacken zu ermuntern. „P. Frey dankt Ihnen für das Buch. Obgleich er dessen Verdienste lobte, meinte er, dass die Arbeit bei einer weiteren Neuauflage durch die Abmilderung einiger sehr scharfer Formulierungen noch gewinnen könne. Die heimtückischen Schlüsse der Rezension entschuldige das, wie er hinzusetzte, allerdings nicht […]. Ich verstehe und teile ihren Schmerz über all das. Aber wenn wir ihn nach dem Vorbild Gottes und des hl. Dominikus annehmen und die Tröstungen der Seele obsiegen lassen, wird er dem Wohl der Sache dienen, die wir verteidigen. Möge Ihnen das Trost und Stärkung sein!“⁷⁶⁰ Die Affäre schob sich in den Hintergrund, so dass Cormier sich am 7. März mit der vertraulichen Frage an Zapletal wandte, wie er über die Abhaltung eines Generalkapitels in Fribourg denke. Ihm sei dieser Gedanke bei seinem letzten Aufenthalt in Fribourg gekommen, und Python sehe darin kein Problem. Das Kollegium sei während der Ferien leer, und es sei auch nur eine vorübergehende Zusammenkunft, die dem Gastland Gewinn und Ehre bringe. Nur wenn der Ordensmeister inzwischen verstürbe und also ein Wahlkapitel stattfinden müsste, würde sich die Zahl der Teilnehmer verdoppeln, und dann würde das Kollegium allein nicht ausreichen. Zapletal solle aber keinem etwas verraten.⁷⁶¹ Dieser antwortete am 10. März, dass der einzige mögliche Termin tatsächlich die großen Ferien seien. Zugleich wies er daraufhin, dass die Patres, sollten sie in der Schweiz Habit tragen, wie Kostümierte auf einem Karneval erschienen. Selbst in Fribourg trüge man den Habit nicht außerhalb des Albertinums. Auch nächtliche Offizien ließen sich nicht abhalten, denn das würde die Bewohner des Nachbarhauses stören. Außerdem wären wohl einige Fribourger Patres mit der Abhaltung eines Kapitels nicht einverstanden. Hauptsache sei jedoch, sie erführen es nicht erst aus der Presse.⁷⁶² Eine Woche später, am 14. März, dankte der Ordensmeister in einem knappen Schreiben für die Hinweise in Sachen Generalkapitel. Wegen der Zeitschriften-Affäre bat er Zapletal außerdem um ein persönliches Treffen, am besten außerhalb Roms im nahegelegenen Kloster San Marino, wo er den Kaplan kenne, einen diskreten Pries-

   

Zapletal an Cormier, 23. 2.1912. AAlb L 9/2. Cormier an Zapletal, 28. 2.1912. AAlb L 9/2. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 366 f. Cormier an Zapletal, 7. 3.1912. AA FZapletal. Vgl. Zapletals Schreiben an Cormier, 10. 3.1912. AGOP XI. 15340.

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ter.⁷⁶³ Gründe zur Vorsicht gäbe es mehr als genug, denn nachdem Benigni seines Postens in der Kurie enthoben sei, habe sich die Sapiniére weiter radikalisiert. Im Januar 1912 sei auch der Münchner Nuntius Frühwirth erneut in Konflikt mit der Benigni-Gruppe geraten, da man ihn in derselben Zeitschrift wie Zapletal direkt angegriffen habe. Sein Versuch, sich auf dem zunächst auch von Zapletal erwogenen Wege zu verteidigen, war aber offenbar nicht besonders erfolgreich verlaufen.⁷⁶⁴ Die Correspondance de Rome druckte Zapletals kurze Stellungnahme schließlich am 26. März ab, wobei sie ihr folgende Worte voranstellte: „Wir wurden darauf hingewiesen, dass sich im universitären Umfeld in Fribourg in der Schweiz die Nachricht verbreite, dass uns P. Zapletal, Professor der Exegese an der dortigen Universität, eine Entgegnung auf unser Resumee seiner Studie über das Buch Prediger zugeschickt habe, eine Entgegnung, die zu veröffentlichen der Corr. de Rome angeblich der Mut fehle. Diese Nachricht entbehrt jeder Grundlage. Wir haben von P. Zapletal keine Entgegnung erhalten. Zum Glück können wir das anhand eines Dokuments belegen, dass über jeden Zweifel erhaben ist: ein Brief, den uns R. P. Zapletal zugesandt hat.Wir drucken ihn hier in vollem Wortlaut ab. Es handelt sich um den einzigen Text, den wir bisher direkt oder auch indirekt von P. Zapletal erhalten haben. – Corr. de Rome.“⁷⁶⁵ Der Ausgang der Affäre und die einleitenden Worte der Redaktion gaben sowohl Cormier wie Zapletal Recht. Ersterer hatte nicht geirrt in seiner Vermutung, es sei besser, sich auf eine Diskussion gar nicht erst einzulassen, denn mit Menschen dieses Schlages lasse sich keine aufrichtige argumentative Auseinandersetzung führen. Zapletal, der am liebsten nach dem Grundsatz „auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil“ verfahren wäre, hätte damit wahrscheinlich mehr Erfolg gehabt. Der letztlich gewählte Mittelweg zwischen Ignorieren und harscher Antwort hatte dem integralistischen Blatt letztlich nur Gelegenheit zu einer erneuten Verumglimpfung des Exegeten geboten. Auch dem Fribourger Bischof blieb die Angelegenheit nicht verborgen, und er ersuchte die Professoren seines Seminars um eine Stellungnahme, ob die Rezension der Wahrheit entspreche. Im Fribourger Seminararchiv hat sich ein zwanzigseitiges Manuskript erhalten, das Rezension und Buch eingehend untersucht, insbesondere unter dem Aspekt der Unsterblichkeit der Seele und dem Zustand der Toten in der Scheol. Der Verfasser kann jedoch in Zapletals Kommentar nichts entdecken, was mit dem katholischen Glauben nicht vereinbar sei. Zapletal behaupte nicht, dass der inspirierte Schreiber die Lehre leugne, die später Bestandteil des katholischen Glaubens wurde, sondern „er signalisiere einen objektiven Fortschritt in der Offenbarung des Alten Testaments“. Die Vorwürfe der Correspondance de Rome seien unangebracht. Die Wahrheit sei auf Seiten Zapletals, der aber bisweilen ungeschickt formuliere; der Sachverhalt ließe sich gemäßigter und besser ausdrücken.⁷⁶⁶  Cormier an Zapletal, 14. 3.1912. AA FZapletal.  Vgl. Walz, Andreas Kardinal Frühwirth, S. 344– 346.  Barthélemy, Documents, S. 367.  Archiv des Priesterseminars Fribourg. Den Hinweis auf das Dokument verdanke ich P. Jacques Rime.

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3.11.2 Ehrendoktorat und Löwener Affäre Im Frühjahr 1912 begab sich Zapletal auf eine anregende Studienreise, die seine Stimmung aufhellte. Auf Grundlage seines Gesuchs vom 9. März 1912 hatte ihm der Staatsrat am 18. März einen außerordentlichen dreiwöchigen Urlaub bewilligt, so dass er als als offizieller Vertreter der Universität Fribourg vom 7.–14. April am 16. Internationalen Orientalistenkongress in Athen teilnehmen konnte. Dieser fand anläßlich der Feiern zum 75-jährigen Bestehen der dortigen Universität statt.⁷⁶⁷ Die Reise nutzte Zapletal zum Besuch dreier Städte, die er noch nicht kannte: Smyrna, Konstantinopel und Budapest. Dazu benötigte er das Einverständnis des Ordensmeisters und die Bewilligung weiteren Urlaubs seitens des Staatsrats. Eine Anerkennung seines wissenschaftlichen Werkes war nicht nur die Betrauung mit der Funktion des Sekretärs der Sektion für semitische Sprachen, sondern vor allem die Verleihung des Ehrendoktortitels durch die Universität Athen. Zapletal konnte nun auch als Doktor der Philosophie unterzeichnen. Er brach am 31. März auf und bestieg in Brindisi ein italienisches Schiff. Vom 3.– 13. April war er in Athen, vom 15.–20. April in Konstantinopel. Den Rest seines Urlaubs, der bis zum 15. Mai dauerte, verbrachte er in Thessaloniki und Budapest mit anschließenden Aufenthalten in Wien und Hacking. Von Konstantinopel aus kommentierte er seinen neuen Ehrentitel in einem Brief an den Ordensmeister: „Die Universität in Athen hat mich angelegentlich ihres Jubiläums zum Doctor honoris causa ernannt. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, so dass ich auch nicht auf der Festversammlung zugegen war, auf der die Ehrendoktoren verlesen wurden. Aber ich denke, Herr Python wird mit der Auszeichnung, die man mir in Athen verliehen hat, zufrieden sein.“⁷⁶⁸ Doch war auch diese Freude nicht ohne Wermutstropfen. Noch in Athen stellte er fest, dass seine Teilnahme an einer anderen geplanten Konferenz, und zwar im belgischen Löwen, eventuell Folgen haben könnte. Deshalb wandte er sich gleich am 10. April von Athen aus an Cormier: „Ich habe hier die Bekanntschaft von Herrn Colinet gemacht, einem Kanoniker und Professor der Universität Löwen […]. Gerade dort bereitet man jetzt unter der Schirmherrschaft von Kardinal Mercier und Rektor Ladeuze einen katholischen Kongress zur Geschichte der Religionen vor. Auf dem Programm erscheint auch mein Name, ebenso wie der von P. Lagrange und P. Allo. Herr Colinet war gegen den Kongress und wurde deshalb von den Kardinälen De Lai und De Gotti⁷⁶⁹ nach Rom geladen […]. Das Ganze ist eine heikle Angelegenheit, daher wende ich mich sofort an Sie. Man sollte nicht viel Lärm darum machen. Alle, die einen Vortrag zugesagt haben, werden ihn in der besten Absicht halten. Keiner von uns gehört zu den Befürwortern einer religiösen Evolution. Auf der anderen Seite hat  AEF Zapletal.  Zapletal an Cormier, 15.4.1912. AGOP XI. 15340.  Kardinald Gotti war der Präfekt der Congregatio De Propaganda fide. Der wissenschaftliche Kongress sollte einer Unterstützung der Missionstätigkeit dienen und fiel daher unter die Kompetenz dieser Kongregation.

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Herr Colinet seine Anhänger. Wenn der Kongress nicht stattfinden soll, so möge man ihn wenigstens ohne jedes Aufhebens absagen. Ich selbst werde meine Teilnahme wohl widerrufen, denn es ist ganz offensichtlich, dass der Kongress selbst in Löwen seine Gegner hat, und ich habe keinen Grund, jemandem Probleme zu machen. Herr Colinet hat übertriebene Angst.“⁷⁷⁰ Die Idee zu einem katholischen religionswissenschaftlichen Kongress war aus einer Diskussion zwischen dem namhaften Ethnologen und Religionswissenschaftler P.Wilhelm Schmidt und dem Jesuiten P. Frédéric Bouvier erwachsen. Sie wollten in der Ferienzeit nach dem Vorbild der französischen Semaines sociales unter Mitwirkung der besten katholischen Wissenschaftler einen religionswissenschaftlichen Kongress abhalten. Kardinal Mercier unterstützte das Vorhaben, denn ihm war die anhaltende Rückständigkeit der Katholiken in der Religionswissenschaft ein Ärgernis. Im Laufe des Jahres 1911 fand das Projekt auch die Unterstützung von Paulin Ladeuze, dem Rektor der Löwener Universität, und von P. de Grandmaison, dem Redakteur der jesuitischen Pariser Zeitschrift Recherches de la science religieuse. Einen Gegner hatte das prestigeträchtige Unternehmen allerdings von Anfang an in dem Kanoniker Philemon Colinet⁷⁷¹, der es zum gegebenen Zeitpunkt für einen „Gipfel der Unvorsichtigkeit“ hielt.⁷⁷² Dennoch entschied das Planungskomitee, im September 1912 eine Veranstaltung unter dem Titel Semaines d’ethnologie religieuse durchzuführen. In Wirklichkeit war es Colinet selbst, der in eigener Initiative Rom, genauer gesagt Kardinal De Lai, über alles in Kennntis setzte. De Lai wandte sich umgehend an Kardinal Mercier, er solle den Kongress begrenzen oder zumindest Priestern und Seminaristen die Teilnahme untersagen. Damit freilich hätte das Vorhaben seinen Sinn verloren. Bei seinem Ad-limina-Besuch Anfang März 1912 konnte Mercier bei Papst Pius X. in Rom intervenieren.⁷⁷³ Im Laufe des Gesprächs trat zutage, welche Personen Rom der größte Dorn im Auge waren. Mercier teilte der Konsistorialkongregation schriftlich mit, dass seines Wissens „weder P. Lagrange noch jener Pole [sic!] aus Fribourg“ dem Planungskomittee angehörten oder aber unter den Vortragenden seien. Mercier wusste allerdings nicht, dass P. Schmidt fest mit deren Teilnahme rechnete. Der Verzicht der Organisatoren auf diese beiden missliebigen Exegeten ließ den Kongress schließlich doch noch zustandekommen. Auf unmittelbaren Papstbeschluss hin gab die Konsistorialkongregation am 16. März 1912 ein neues Dokument heraus, in dem sie das Projekt

 Zapletal an Cormier, 10.4.1912. AGOP XI. 15340.  Philemon Colinet (1853 – 1917), Philologe und Orientalist. Nach Lagrange genoss er in Löwen keinen guten Ruf, und gerade seine Berufung in den Planungsausschuss war ein fataler Fehler. Zu ihm vgl. Correspondance, S. 331.  Roger Aubert, Aux origines des Semaines d’ethnologie religieuse. Le cardinal Mercier et la Curie romaine, in: Le Cardinal Mercier (1851– 1926). Un prélat d’avant-garde, Hommage au professeur Roger Aubert, edité par Jean-Pierre Hendrickx, Jean Pirotte et Luc Courtois, Louvain 1994, S. 141– 166, hier S. 141.  Vgl. ebd., S. 142– 146.

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unter einer Bedingung billigte: Man möge der Gefahr vorbeugen, dass auf dieser Veranstaltung öffentliche Vorträge von Teilnehmern wie etwa P. Lagrange oder P. Zapletal, Prior des Dominikanerklosters in Fribourg, zu hören seien, die hier „ihre gefährlichen Irrlehren verbreiten würden“.⁷⁷⁴ Schmidt hatte sich ebenfalls Anfang März an seinen Mitbruder P. Friedrich, einen Verbisten, in Rom gewandt, um zu erfahren, was gespielt wird. Dieser fragte alle seine Bekannten in der Generalkurie der Jesuiten, in der Kongregation De Propaganda fide und sprach sogar bei Kardinal De Lai vor. In einem deutsch verfassten Brief informierte er P. Schmidt, dass Rom darauf bestehe, dass nur absolut zuverlässige Leute an dem Kongress mitwirkten. Kardinal De Lai persönlich halte es für das Schlimmste, dass die Teilnahme von Personen vorgesehen sei, auf die keinerlei Verlass sei. Auch der Heilige Vater, mit dem er gesprochen habe, hätte sich sehr überrascht gezeigt, dass selbst Leute wie Lagrange oder Zapletal eingeladen werden sollten.⁷⁷⁵ Bezeichnend für die damalige Atmosphäre ist, dass P. Schmidt es für nötig erachtete, umgehend nach Rom zu fahren und mit Hilfe seiner Verbindungen sowie durch Fürsprachen und Zusicherungen jeden Verdacht zu entkräften und so die Gefahren abzuwenden, die sein Institut Anthropos, die gleichnamige Zeitschrift, ja selbst die Kongregation der Verbisten beschädigen konnten. Unter Aufwendung großer Mühen konnte der Kongress schließlich vom 27. August bis 4. September 1912 doch noch stattfinden. Als Vertreter Fribourgs und der Dominikaner hatte man nachträglich P. Munnynck um einen Vortrag zur Psychologie der Religionen gebeten. Gerade sein Beitrag gehörte zu den Hauptursachen für die Schwierigkeiten, mit denen die Veranstalter trotz aller Kompromisse bei der Herausgabe des Konferenzbandes – sie zog sich bis ins Jahr 1914 – zu kämpfen hatten.⁷⁷⁶ Weder Zapletal noch Lagrange hatten besonderen Wert auf eine Teilnahme gelegt, und das Verbot traf sie daher nicht allzu hart. Dennoch handelte es sich um eine unmissverständliche Warnung, die in Rom auch sogleich die Runde machte, und bald folgten Gerüchte, dass Lagranges Kommentare auf den Index gesetzt würden.⁷⁷⁷ Am 7. September 1912 schrieb der französische Dominikaner Antoine Lemmonnyer an den Ordensmeister von den beunruhigenden Neuigkeiten, die in Rom kolportiert werden: „Einer der Briefe von Kardinal De Lai enthält sehr harte Sätze an die Adresse der Patres Lagrange und Zapletal. Nach Informationen, die P. Schmidt direkt von De Lais Sekretär erhalten hat, richtete sich der Groll primär und in der Hauptsache gegen P. Zapletal.“⁷⁷⁸ Inzwischen aber hatte sich Weiteres ereignet.

    

Brief vollständig ediert von Aubert, Aux origines, S. 161. Vgl. Aubert, Aux origines, S. 147. Vgl. ebd., S. 149 – 158. Vgl. Montagnes, Marie-Joseph Lagrange, S. 158 f. Zitiert nach Correspondance, S. 353.

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3 Die Zeit der Prüfungen und Kämpfe

3.11.3 Zapletal verlässt die Fakultät (nicht) Im Mai 1912 ersuchte Zapletal Minister Python um die offizielle Ernennung zum Professor der semitischen Sprachen. Am 7. Mai 1912 informierte er den Ordensmeister, dass Professor Beck ihn aufgesucht und davon überzeugt habe, dass er die theologische Fakultät nicht ganz verlassen und den Unterricht der Exegese, wo sich, wie Beck sagte, die Situation in Zukunft ändern werde, nicht völlig aufgeben solle. Dazu meinte Zapletal: „Ich denke, dass ihn Herr Python damit beauftragt hat […]. Sie möchten nämlich vor allem vermeiden, dass Herr Decurtins den Sieg davonträgt. Auch die Patres Manser, Allo und Langen-Wendels, mit denen ich mich beraten habe, wollen nicht, dass ich an die philosophische Fakultät wechsele. Sie würden sich wünschen, dass ich eine Art Fortsetzungskurs gebe, damit die Lehre der Exegese, gemäß ihrer Bedeutung in der heutigen Zeit, vollständiger wäre. Ich sage nur, was ich denke, und Sie tun, was Sie für richtig erachten.“⁷⁷⁹ Einige Tage später, am 16. Mai 1912, freute er sich bereits auf seinen Nachfolger und bot an, falls Cormier dies wünsche, weiterhin den Hermeneutik-Unterricht zu übernehmen. Der koste ihn nicht allzu viel Zeit, und sein Manual gelte als „ultrakonservativ“.⁷⁸⁰ In einem weiteren Brief an Python vom 23. Mai 1912 umriss Zapletal noch einmal die Gesamtsituation. Als Professor Grimme die Universität im Juli 1910 verließ, habe er in Absprache mit Python umgehend dessen Vertretung übernommen. Zusätzlich zu seinen sonstigen Lehrverpflichtungen habe er im vergangenen Jahr Syrisch und Koptisch unterrichtet sowie im laufenden Jahr Arabisch und Koptisch. Hebräisch unterrichte er schon seit Langem. Die neuen Stunden habe er übernommen, weil Python ihm Grimmes Professorenstelle in Aussicht gestellt habe. Nun sei es an der Zeit, ihm diese Kandidatur anzubieten, denn er habe viel zu viele Vorlesungen, und man könne jetzt auch kaum mehr behaupten, dass man ihn als Exegeten abgesetzt hätte. Aufgrund der persönlichen Angriffe hatten es beide für besser gehalten abzuwarten, und er habe inzwischen weiter Exegese gelehrt. Auch nach seiner Ernennung, so Zapletal, könne er Mitglied der theologischen Fakultät bleiben. Dies erscheine ihm klüger. Sollte ihn die philosophische Fakultät jedoch später in ihr Gremium holen wollen, werde er sich dem nicht verschließen. Da die Geschichte des Alten Orients heute so wichtig sei und an der Fribourger Universität nicht unterrichtet werde, könnte auf dem Ernennungsdekret stehen: Professor der semitischen Sprachen, Literatur und altorientalischen Geschichte […]. Unnötige Aufmerksamkeit lasse sich vermeiden, wenn man die Ernennung nicht an die Presse gebe, vor allem nicht an die Liberté. ⁷⁸¹ Am 5. Juli 1912 schrieb Zapletal an Cormier, dass sich die Ernennung seines Nachfolgers, also von Professor Rowan, ein wenig verschiebe, da Python nicht da sei,

 Zapletal an Cormier, 7. 5.1912. AGOP XI. 15340.  Zapletal an Cormier, 16. 5.1912. AGOP XI. 15340.  Zapletal an Cormier, 23. 5.1912. AEF Zapletal.

3.11 Die antimodernistische Kampagne 1912

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dass er aber keinerlei Probleme erwarte. Die Vorlesungen, die im Herbst beginnen, stünden im Verzeichnis der Universität unter seinem Namen.⁷⁸² Cormier dankte Zapletal postwendend für das neue Vorlesungsverzeichnis. Es habe ihn überrascht, Vorlesungen von Prinz Max darin zu finden, was wohl auf ein direktes Eingreifen Minister Pythons oder aber der deutschen Regierung zurückführen sei, die beide ein Interesse daran hätten, dem Prinzen einen würdigen Abgang von der Universität zu ermöglichen. Der Ordensmeister hätte ihn aber gerne als Prediger und Seelsorger in Fribourg behalten: „Er sollte sich freilich nicht als Opfer gerieren.“ Zu Rowan merkte er an: „Ich rechne mit Ihrer Unterstützung bei der Heranziehung P. Rowans, damit seine Vorlesungen klar und interessant werden. Er verfügt über genügend Intelligenz und guten Willen, braucht aber Erfahrung und communicativa.“ Cormier wünschte Zapletal schöne Ferien und erinnerte daran, dass Patres, die nicht in Fribourg oder ihren Mutterprovinzen bleiben, dafür seine Bewilligung einholen müssten.⁷⁸³ Zwei Wochen später, am 29. Juli, bestätigte Zapletal dem Ordensmeister die Ankunft Rowans. Außerdem teilte Zapletal mit, dass die Professoren der theologischen Fakultät ihn zum Dekan wählen wollten. Unter Verweis auf die Zeit und Konzentration, die ihm die Vorbereitung der neuen Vorlesungszyklen abverlange, hatte er ihnen diese Wahl jedoch ausgeredet.⁷⁸⁴ Dekan wurde Professor Knar. Cormier, damals schon ernstlich krank, äußerte am 31. Juli seine Verwunderung, wie man Zapletal als Dekan der theologischen Fakultät vorschlagen könne, wo er doch gerade an die philosophische Fakultät gewechselt sei.⁷⁸⁵ Doch das war nichts Ungewöhnliches, wie Zapletal dem Ordensmeister darlegte. Auch die Professoren Manser und Montagne unterrichteten an der philosophischen Fakultät, waren aber der theologischen Fakultät zugeordnet. In Prag und Wien gehörten die Professoren für semitische Sprachen ebenfalls der theologischen Fakultät an: „Es ist also nichts Ungewöhnliches an meiner Situation, in der universitären Welt ist ein solche Regelung gang und gäbe […]. Und Exegese werde ich schon deshalb nicht mehr lehren, weil ich sie nicht mehr lehren will. Gegenwärtig lässt sich das nicht so machen, wie man es machen müsste. Im Übrigen, sollten Ihnen im Laufe der Zeit Beschwerden über den Unterricht P. Rowans zu Ohren kommen, so müssen Sie dem kein sonderliches Gewicht beilegen. Selbst wenn Sie einen Engel hierher berufen, es findet sich immer einer, der stänkert.“⁷⁸⁶

3.11.4 Urteil über Lagrange Während der Ferien ließ die Intensität der Korrespondenz keineswegs nach. Am 5. August warf Cormier einige wichtige Fragen auf. Er würdigte zwar Pythons Entge-

    

Zapletal an Cormier, 5.7.1912. AGOP XI. 15340. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 367. Cormier an Zapletal, 7.7.1912. AA FZapletal. Zapletal an Cormier, 29.7.1912. AGOP XI. 15340. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 368. Cormier an Zapletal, 31.7.1912. AA FZapletal. Zapletal an Cormier, 2. 8.1912. AGOP XI. 15340.

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3 Die Zeit der Prüfungen und Kämpfe

genkommen und sein Geschick bei der Verlagerung Zapletals, dennoch beschäftigte ihn die dauerhafte Doppelstellung von Professoren an zwei Fakultäten. Wichtiger und bedenklicher war jedoch folgende Nachricht: „Das neue Konsistorialdekret untersagt an den Seminaren, und sei es auch nur zu Zwecken der Konsultation, den Gebrauch zweier deutscher Werke sowie der Arbeiten von P. Lagrange, die im selben Geist verfasst sind. In der gestrigen Ausgabe der Acta S.S. [Sanctae Sedis] hat man dieses Dekret nicht veröffentlicht, die Ordenskongregation hat uns aber mitgeteilt, dass es für unsere Studienhäuser ebenso gilt. Diese Verordnung ist mit großem Respekt und großer Vorsicht zu beachten, erstens, weil sie vom Heiligen Stuhl ergangen ist, zweitens, weil die Feinde Augen und Ohren weit offenhalten, um jedes noch so kleine Wörtchen und jede noch so unscheinbare Geste, die ihnen Gelegenheit zur Zensur bieten könnte, zu registrieren. Adieu. Wirken wir mit Beharrlichkeit, reinen Absichten und unter Selbstverleugnung zum Guten et Deus erit nobiscum.“⁷⁸⁷

Am 9. August vertraute Zapletal Cormier von Hacking aus an, dass ihm wegen der „Verurteilung“ von P. Lagrange⁷⁸⁸ noch in Fribourg „schlecht geworden sei“. Nach Hacking habe er so früh aufbrechen müssen, weil ihn der Wiener Erzbischof mit der Profess der Schwestern betraut habe. Der Ordensmeister solle sich nicht beunruhigen, er halte seine Position in Fribourg gegenwärtig für befriedigend und wolle in Zukunft beiden Fakultäten je nach Bedarf zur Verfügung stehen. „Damit Sie aber ganz und gar beruhigt sind und ich auch zeige, dass ich nicht die Absicht habe, den Vorgesetzten von P. Rowan zu spielen, habe ich ihm bereits gesagt, dass ich nur dann prüfen werde, wenn er mich darum bittet.“⁷⁸⁹ Der Wunsch des Ordensmeisters, ein Auge auf den jüngeren Kollegen zu haben, ging Zapletal vermutlich gegen den Strich, denn es widersprach seiner Vorstellung von Professorenwürde und Kollegialität. Hier und auch später machte er immer wieder gerne deutlich, dass er weder auf die Vorlesungen noch die sonstige akademische Tätigkeit seines Nachfolgers Einfluss nehmen werde. In diesem Sinne kam ihm eine gewisse Bewegungsfreiheit zwischen den beiden Fakultäten durchaus entgegen. Die Verurteilung Lagranges konnte den Anfang einer allgemeinen Jagd auf progressive Dominikanerprofessoren bedeuten, vor allem auf Lagranges Zöglinge aus der Jerusalemer École biblique. Zapletal war sich zudem bewusst, dass einer der soeben verbotenen Exegeten, der ihm freundschaftlich verbundene Karl Holzhey, vor zehn Jahren ein Buch veröffentlicht hatte,⁷⁹⁰ das immer wieder in Zusammenhang mit

 Cormier an Zapletal, 5. 8.1912. AA FZapletal.  Verbot „einiger Kommentare von P. Lagrange in den Seminaren“ im Dekret der Konsistorialkongregation vom 29. 8.1912. Vgl. Montagnes, Marie-Joseph Lagrange, S. 244– 250.  Zapletal an Cormier, 9. 8.1912. AGOP XI. 15340. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 368.  Die Studie Schöpfung, Bibel und Inspiration hatte Holzhey 1902 veröffentlicht, als er noch als Professor am Kgl. Lyzeum in Passau war. Verboten hatte man seine Einführung in das Alte Testament, und zwar aufgrund „hyperkritischer und rationalistischer“ Gedanken.

3.11 Die antimodernistische Kampagne 1912

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seinen eigenen Studien zu den ersten beiden Kapiteln der Genesis genannt wurde.⁷⁹¹ Ein Dekret der Konsistorialkongregation war meist der Vorbote weiterer Maßnahmen. So wurden die Werke der beiden deutschen Bibelwissenschaftler Fritz Tillmann und Karl Holzhey auf den Index gesetzt, und ihre wissenschaftliche Laufbahn in der Bibelexegese war zu Ende. Nur aufgrund Cormiers geschickter Diplomatie, der er sich völlig unterordnete, entging Lagrange demselben Schicksal; er musste sich allerdings für ein Jahr aus der Jerusalemer École biblique und aus der Exegese überhaupt zurückziehen.⁷⁹² Im Schreiben vom 11. August 1912 äußerte Cormier zunächst seine Freude über Zapletals Wirken bei den Schwestern in Hacking: „Ihr geistlicher Dienst wird auch Ihnen viele Früchte bringen.“ Gleich danach kam er zur Sache: „Danke für Ihre Erklärungen, wir sollten es mit der Umsicht lieber ein bisschen übertreiben. Der Seelenfrieden muss das Hauptziel sein, aber man sollte alles vermeiden, was egoistisch erscheinen könnte. Wer weiß, ob man uns nicht noch als ein Vergehen ankreiden wird, dass wir zu Ehren von P. L. ein Mittagsmahl ausgerichtet haben?“⁷⁹³ Gemeint ist natürlich Lagrange, und die Befürchtungen waren keineswegs übertrieben. Der Zorn der Integralisten richtete sich für dieses Mal allerdings auf den Leiter der Jerusalemer École biblique; Fribourg und seine Exegeten blieben verschont.

Die Ereignisse um die Correspondence de Rome und das Verbot von Lagranges Büchern resümierte Cormier zu Beginn des neuen akademischen Jahres am 7. Oktober 1912: „In letzter Zeit habe ich in Sachen Index nichts gehört. Nach der Veröffentlichung des Artikels in der Corr. de Rome habe ich mehrfach gezielt ein Mitglied der Kongregation aufgesucht, dass mir zwar nichts Bestimmtes sagte, aber dem gesamten Habitus konnte ich entnehmen, dass nichts im Schwange war. Als ich darüber nachdachte, stand ich vor einem Dilemma: Entweder verdienen wir wirklich eine Rüge, oder es handelt sich um pure Verfolgung! Im einen wie im anderen Fall fehlt es nicht an göttlicher Güte, aus der wir schöpfen können. Aber wahrscheinlich handelt es sich um eine Mischung aus beidem. In der Welt herrscht der Naturalismus, dessen Schößlinge wir mit ins Noviziat gebracht haben; wenn sie nicht gründlich ausgemerzt werden, treiben sie nach. Sie finden Nahrung im Studium der Schrift, dem göttlichen Charakter des Gegenstands zum Trotz, weil eine Konsultation der zweifellos sehr verdienstvollen Schriften der Rationalisten und Protestanten unverzichtbar ist. Es besteht Gefahr, dass man die Mission der Kirche nicht genügend würdigt. Die Kirche soll die Schätze der heiligen Schrift, angepasst an die jeweiligen Bedürfnisse der Zeit, bewahren. An diese Mission fühlen wir uns nach dem Gewissen gebunden, ganz wie es sein soll, aber wir empfinden Sympathie für die anderen. Den Entscheidungen der kirchlichen Autorität ordnen wir uns äußerlich unter, ja auch innerlich, wie die Pflicht es befiehlt, doch auch mit einem gewissen Be-

 Die Fachwelt entdeckte bei den beiden Autoren verwandte Elemente. Vgl. Schweizerische Kirchenzeitung 48 (1902), S. 399 f. oder ebd., 51 (1905), S. 269 – 272 über die Vorlesung A. Meyenbergs über den aktuellen Stand in der Frage der Auslegung der Genesis vom 27.7.1905.  Vgl. Montagnes, Marie-Joseph Lagrange, S. 250 – 256.  Cormier an Zapletal, 11. 8.1912. AA FZapletal.

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3 Die Zeit der Prüfungen und Kämpfe

dauern. Dazu ließe sich viel sagen, und viel ließe sich verbessern. Mit dem heiligen Paulus können wir bekennen: Nihil mihi conscius sum, aber auch hinzufügen: non in hoc justificatus sum. ⁷⁹⁴ Es mangelt uns nicht an der rechten Absicht, aber man muss noch besser werden und in den kostbaren Gaben der Schrift noch vollkommener nach der göttlichen Absicht suchen. Was die Verfolgungen betrifft, die aus Neid veranlasst sind und aus allzu engstirnigen, konservativen Haltungen, von starrsinnigen, unbelehrbaren Gegnern allen Fortschritts, so gereicht er Ihnen zur Ehre, und werden wir behutsam und geduldig vorgehen, so werden sie sich im Laufe der Zeit für Sie und Ihr wissenschaftliches Apostolat zur Empfehlung wandeln. Gott hat seine eigene Art der Vergeltung und kann im Verborgenen auf erstaunliche Weise belohnen. Warten wir also ab und tun dabei frohgemut unsere Arbeit. Ibant gaudentes, quoniam digni habiti sunt etc.“⁷⁹⁵

Zapletal notierte sich in tschechischer Sprache auf dem Umschlag: „že nás pronásledují“ („dass sie uns verfolgen“).⁷⁹⁶

3.12 Letzter Ansturm der Integralisten Auf seiner Sitzung am 5. Oktober 1912 bestellte der Staatsrat Vincent Zapletal endgültig zum Professor für semitische Sprachen und Literatur. Man war sich sehr wohl bewusst, dass man damit im Grunde 3.500 Franken jährlich sparen würde, denn Grimmes Gehalt hatte sich auf 6.000 Franken belaufen, ein Dominikanerprofessor hingegen erhielt lediglich 2.500 Franken. Auch war man sich im Klaren, dass Zapletal die betreffenden Fächer bereits zwei Jahre umsonst unterrichtet und außerdem Vorlesungen zur altorientalischen Geschichte gehalten hatte; er konnte also nicht auch „noch alle Vorlesungen zur Exegese allein bewältigen“.⁷⁹⁷ Daher sollte der Großteil der Exegese-Vorlesungen dem neu eingetroffenen Dominikanerprofessor übertragen werden, der das Gehalt von P. Zapletal beziehen würde. Auf Beschluss des Staatsrats wurden über diese Entscheidungen lediglich die involvierten Personen informiert. Eine offizielle Mitteilung an den Rektor und die Dekane unterblieb.⁷⁹⁸ Am 28. Januar billigte der Rat auch die von Zapletal angesprochene Gehaltserhöhung. Zapletal verwies darauf, wie viel der Universitätshaushalt dank der Dominikaner gespart habe, und erklärte, dass er „nach den bisherigen Erfahrungen mit seinem doppelten Lehrdeputat ohne zusätzliche finanzielle Mittel, die in erster Linie die Kosten für die Organisation der Seminare abdecken sollten, nicht fortfahren könne.“ Seinem Ersuchen um einen jährlichen Zusatzbetrag von 1.000 Franken wurde stattgegeben. In seiner schriftlichen Begründung führte der Staatsrat an, dass P.  1. Kor 4,4: „Denn ich bin mir nichts bewusst, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt (der Herr ist es aber, der mich richtet).“  Apg 5, 41: „Sie gingen aber fröhlich (von dem Rat) angesichts dessen, daß sie würdig gewesen waren, (um seines Namens willen Schmach zu leiden).“  Cormier an Zapletal, 7.10.1912. AA FZapletal.  AEF Zapletal.  AEF Zapletal.

3.12 Letzter Ansturm der Integralisten

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Zapletal und P. Allo bereits mehrere Jahre keine der für die Exegese-Seminare bewilligten Sondermittel abgeschöpft hätten.⁷⁹⁹ In einer „streng geheimen“ Erklärung bilanzierte Speiser im Dezember 1912 die bisherigen Erfolge der Sapiniére im Kampf gegen Zapletal: „An der Universität in Fribourg lehrt Professor Zapletal nun keine Exegese mehr, er hält auch keine Einführung in das Alte Testament, doch betraute man ihn mit dem Unterricht der semitischen Sprachen und der altorientalischen Geschichte.Vermutlich handelt es sich um eine vorläufige Maßnahme, die den endgültigen Abgang Professor Zapletals von der Fribourger Universität einleiten soll. Wie zersetzend die Lehre, die er hier lange Jahre vorgetragen hat, auf die Überzeugungen seiner Hörer gewirkt hat, beweist folgendes Beispiel: R. P. Sales, Professor der Dogmatik, hält dieses Jahr eine Vorlesung zum Thema De inspiratione biblica, in welcher er den traditionellen rechtgläubigen Inspirationsbegriff darstellt. Seine Vorlesung wird auch von Studenten besucht, die zuvor die Auslegungen P. Zapletals gehört haben, und sie waren überrascht und erschrocken, als sie die eklatanten Unterschiede in der Lehre des einen und des andern Professors feststellen mussten, vor allem in der Frage der Unfehlbarkeit der Bibel. Der Superior eines Ordenshauses erzählte mir, einer seiner Scholastiker wäre zu ihm gekommen, hätte ihm seine Zweifel eröffnet und ihn gefragt: ‚Wem soll ich glauben, P. S. oder P. Z.?’ Sicher, manch ein Student wird derartige Momente der Krise mit Gottes Hilfe bestehen, aber bei wie vielen wird sich hinsichtlich der Echtheit unserer fundamentalen Glaubensdokumente lebenslang eine Bereitschaft zum Zweifel halten? Der Unterricht der semitischen Sprachen und der altorientalischen Geschichte, mit dem Zapletal nun betraut ist, kann ebenso gefährlich werden wie die eigentlichen bibelkundlichen Fächer. Die Vorlesungen zu den semitischen Sprachen ermöglichen ihm Exkurse in den Bereich der Bibelkritik – und gerade hier betätigt sich heutzutage mit großer Vorliebe der Eifer der Hyperkritischen –, und die Geschichte des Orients bietet tausendfach Gelegenheit, die Autorität der Bibel zu untergraben, indem man sie mit den ‚wissenschaftlichen’ Ergebnissen der Profangeschichte vergleicht. Ich glaube nicht, dass P. Zapletal diese Klippen zu umschiffen imstande oder dazu willens ist und halte seine frühere wie jetzige Lehrtätigkeit für gefährlich. Dieser Zustand ist mit dem Ziel der Universität unvereinbar. Nach dem Wunsch Leos XIII. und Pius’ X. sollte sie ein Bollwerk der Rechtgläubigkeit sein und den Studenten, die aus aller Welt hierher kommen, eine gesunde Lehre vermittlen. Wenn die künftigen Priester falsche Gedanken von hier mitnehmen, wird aus der Universität eher ein Ort der Ansteckung, von dem aus die Krankheit sich aufgrund der internationalen Hörerschaft in Fribourg weithin verbreiten wird.“⁸⁰⁰ Es ist mehr als bezeichnend, dass es dem Autor dieses Berichts gar nicht in den Sinn kam, dass Zapletal mit seiner Auslegung Recht haben könnte. Als gäbe es nur eine einzige Interpretation für den Schatz der katholischen Tradition und als beriefe

 AEF Zapletal.  ASV FBenigni, 1.11. n. 1358

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Zapletal sich nicht auch auf die Grundsätze der Bibelexegese, wie sie von Thomas von Aquin, Hieronymus, Origines und Cajetan gefordert und gepflegt wurden. Obwohl es nach den jahrelangen Angriffen kaum glaubhaft scheint, mag Speisers Versuch, die Seminaristen vor Zweifeln zu bewahren, ehrlich und in bester Absicht gemeint gewesen sein. Aber gehören denn Richtungskrise, innere Verunsicherung und Befreiung von Idolatrie, beständige Suche und Unfertigsein nicht zu den ureigensten Zügen christlichen Glaubens? Ist Fideismus der einzige Weg? Lassen Probleme sich lösen, indem man sie ignoriert? Durch die halboffizielle Berufung ließen Zapletals Feinde sich in gewisser Weise täuschen, denn in Wirklichkeit wurde ihm seine ursprüngliche Professur gar nicht genommen. Ein Jahr später, am 6. Oktober 1913, verlängerte der Staatsrat zudem Zapletals Lehrbefugnis als Ordentlicher Professor der Exegese an der theologischen Fakultät für weitere zehn Jahre und gab dies auf dem üblichen offiziellen Weg bekannt.⁸⁰¹ Die Verlagerung an die philosophische Fakultät war so reibungslos vonstatten gegangen, dass sie kaum als disziplinarische Maßnahme aufgefasst werden konnte. Noch dazu wurde Zapletal, auch das sprach gegen alle eventuellen Zweifel, für das akademische Jahr 1913/14 ein weiteres Mal zum Dekan der theologischen Fakultät gewählt. Zuvor sah er sich jedoch noch mit einem anderen, praktischen Problem konfrontiert. Im Herbst 1912 musste die Banque de Fribourg Bankrott anmelden. Cormier befürchtete, dass den Interessen des Ordens dadurch Schaden entstünde. Die Dominikaner waren freilich Schuldner und nicht Gläubiger, so dass kein Verlust an Geldeinlagen drohte. Aber es war nicht auszuschließen, dass sich nun die Kreditbedingungen verschlechtern würden oder Kredite eventuell sofort zurückgezahlt werden müssten.⁸⁰² Nachfolger Zapletals, oder besser gesagt sein Assistent, wurde der irische Dominikaner Vincent Rowan (1881– 1936).⁸⁰³ Auch er war ein Absolvent der École biblique in Jerusalem. Zapletal und Rowan verstanden sich trotz des Generationsunterschieds persönlich und fachlich gut und waren sich über Methoden und Zielsetzung der Exegese einig, was den unermüdlichen Gegnern nicht verborgen blieb. Obwohl Rowan bereits pädagogische Erfahrungen in Jerusalem und am Angelicum in Rom gesammelt hatte, hegte Cormier gewisse Zweifel hinsichtlich seines Unterrichtsstils. Nach Rowans erstem Semester in Fribourg schrieb Cormier am 26. Februar 1913 an Vikar Zapletal: „Wirken Sie darauf hin, dass P. Rowan nicht nur verständlich, sondern auch interessant vorträgt.“⁸⁰⁴ Zapletal gab sich einerseits damit Mühe, andererseits aber respektierte er seinen Kollegen. Zugleich beobachtete er mit Sorge, dass sich der gesundheitliche Zustand seiner beiden Freunde und Förderer zunehmend verschlechterte. Zu Frühlingsbeginn 1913  AEF Zapletal.  Vgl. Cormiers Schreiben an Zapletal, 10.11.1912. AA FZapletal.  Ein Kuriosum ist, dass drei von den vier Exegeten, die zwischen 1895 – 1936 an der Fakultät lehrten, mit Vornamen Vincent hießen (Rose, Zapletal, Rowan).  Cormier an Zapletal, 26. 2.1913. AA FZapletal.

3.12 Letzter Ansturm der Integralisten

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erkrankte Cormier schwer. Er konnte nicht mehr gehen und hatte starke Schmerzen. Mit großer Erleichterung teilte er schließlich mit, dass er inzwischen wenigstens soweit genesen sei, dass er die heilige Messe lesen könne. Die Handschrift dieses Briefes vom April 1913 verrät Cormiers physische Erschöpfung. Er dankte für die Einladung zu einem Erholungsaufenthalt in Fribourg; er könne aber trotz seines guten Willens nicht kommen, denn von dort aus könne er seinen Pflichten nicht gerecht werden, auch sei er das Mittelmeerklima so sehr gewöhnt, dass es besser für ihn wäre, in Rom zu bleiben. Zapletal solle den ebenfalls erkrankten Python von ihm grüßen.⁸⁰⁵ Der Brief vom 1. Juni enthält keine gesundheitlichen Klagen mehr und auch die Handschrift ist sicherer. Der Ordensmeister beriet mit seinem Vikar die Nachfolge für P. Weiß auf dem Lehrstuhl für Apologetik. Nach einer kurzen Charakteristik der vier möglichen Kandidaten hielt Cormier es schließlich für das Beste, Weiß zu bitten, er möge noch ein weiteres Jahr bleiben. Cormier rechnete damit, dass das Problem erneut auf den Tisch käme, denn bereits am 20. Juni 1913 hatte er aus Fribourg einen Brief in deutscher Sprache von einem seiner Socii erhalten. P. Hansen schrieb zur Situation in Fribourg: „Mehrere Patres (Weiß, Michel, Langen-Wendels, Montagne, Manser) […] sind sehr enttäuscht über P. Rowan, der als Exeget der extremsten Richtung des P. Lagrange angehört, und selbst P. Zapletal behauptet, P. Rowan gehe weiter noch als er. […] Dazu kommt noch, dass man über den Unterricht des P. Rowan klagt, es wird schwer verstanden, u. es fehlt ihm die rechte Unterrichtsmethode. P. Zapletal hat sich die Mühe gegeben, ihm zu helfen, und so geht es etwas besser. Es scheint auch, dass P. Zapletal ihn für nächstes Jahr zum Extraordinarius befördern will, was manche für unklug halten. Die Exegese, so wie sie hier durch P. Allo, P. Rowan und P. Zapletal vertreten wird, sagt manchen nicht zu. Es wurde mir von mehreren Professoren der Wunsch geäussert, dass P. Zapletal als Exeget formell ausscheiden und in die philos. Fakultät übertreten möge, zumal seine jetzige Arbeit (oriental. Sprachen) dazu drängt.“⁸⁰⁶ Rowan, formal Privatdozent, hatte das volle Lehrdeputat eines Professors der Exegese übernommen; das Seminar zum Alten Testament lag aber weiterhin in Zapletals Händen. Die Studentenzahlen erreichten ihr früheres Niveau: Im akademischen Jahr 1912 lagen sie mit zwölf Teilnehmern sogar über dem Durchschnitt.⁸⁰⁷

3.12.1 Die Deklaration der Sieben Vermutlich war es die erneuerte oder sogar gestärkte Position Zapletals, durch die P. Jordan de Langen-Wendels, Professor der Moraltheologie und einer von Zapletals

 Cormier an Zapletal, 27.4.1912. AA FZapletal  Hansen an Cormier, 20.6.1913. AGOP XI. 15310.  Vgl. die Berichte 1912/1913, S. 10, und 1913/1914, S. 17.

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engsten Freunden,⁸⁰⁸ sich dazu veranlasst sah, während des Sommersemesters 1913 einen umfangreichen Bericht über die Situation der Fakultät zu verfassen und dafür auch die Unterstützung weiterer Professoren zu gewinnen. Sechs von sieben Professoren erklärten sich mit seinem Bericht einverstanden, und zwar Norberto del Prado (Dogmatik), Marco Sales (Dogmatik), Dominikus Maria Prümmer (Praktische Moraltheologie), Gallus Manser (Logik, Ontologie, Philosophie des Mittelalters), Ambroise Montagne (griechische Philosophie und natürliche Theologie), Maurus Knar (Kirchengeschichte in deutscher Sprache). Léon Michel, Professor für Philosophie, billigte zwar den Grundansatz, wollte aber die vorgeschlagenen Verbesserungsmaßnahmen nicht unterschreiben. P. Albert Maria Weiß legte Langen-Wendels sein Memorandum nicht vor, da dessen Ansichten jedermann bekannt waren; auch die drei Exegeten (Vincent Zapletal,Vincent Rowan, Bernard Allo) bekamen es nicht zu Gesicht, obwohl es doch gerade sie betraf. Ob Marc-Marie de Munnynck und Pierre-Marie Mandonnet, die beiden verbleibenden Dominikanerprofessoren, eine Unterzeichnung ablehnten oder aber das Memorandum gar nicht zu lesen bekommen hatten, ist unklar.Vielleicht wollte Langen-Wendels nicht riskieren, dass die Sache aufkam. Eine Zustimmung Mandonnets und erst recht Munnyncks wäre auch kaum zu erwarten gewesen. Dennoch gelang es dem Autor, den Eindruck zu erwecken, als stünden die Dominikanerprofessoren in Fribourg geschlossen hinter ihm, was der Schrift sehr viel mehr Gewicht verlieh. Langen-Wendels wusste in ihr durchaus zu würdigen, dass es sowohl der Universität wie der theologischen Fakultät gelungen war, die gegen einige ihrer Professoren, im Grunde aber gegen das gesamte Wirken der Dominikaner vorgebrachten Beschuldigungen erfolgreich zu widerlegen. Allerdings müsse man einräumen, dass einige Bedenken, vor allem in Bezug auf die Exegese, ihre Berechtigung hätten. Das beträfe unvorsichtige Äußerungen und unbedachte Behauptungen; in erster Linie aber ginge es um die Grundlagen und die Methodik des Faches. Obgleich die kirchliche Autorität in den letzten Jahren klar Stellung bezogen habe, ließe sich in Fribourg kein grundsätzlicher Wandel der exegetischen Methoden beobachten: „Nicht nur unsere Gegner […], auch viele unserer Freunde, einschließlich der besten und klügsten Köpfe, sind anhaltend beunruhigt aufgrund dieses heillosen Problems mit der Exegese an unserer Fakultät. […] Die öffentliche Schmach, die P. Lagrange und seine Methodik durch die Konsistorialkongregation erlitten hat, zeigt uns, dass es nicht die kirchlichen Positionen sind, die sich ändern werden; diese Ächtung ist zuvorderst für unsere Exegeten ein wichtiges Signal; sollte es keine Drohung sein, so doch sicher eine Warnung […].Wird es bei uns nicht zu einem völligen Kurswechsel kommen, steht eine weitere Krise zu befürchten, die allein schon deshalb schlimmer sein wird als die vorangegangene, weil wir nicht imstande waren, aus den Erfahrungen der Vergan-

 Trotz seiner Ablehnung der progressiven Theologie empfand Langen-Wendels für Zapletal Bewunderung und fühlte sich ihm freundschaftlich zutiefst verbunden, wie Benigni mit Missfallen in seinen Notizen zu den einzelnen Professoren vermerkt. Vgl. ASV FBenigni, 1.11, n. 1357.

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genheit zu lernen und die Zeichen der Zeit zu deuten.“ Dieser Text, unterzeichnet von sieben Professoren, ging am 3. Juli 1913 an Cormier nach Rom.⁸⁰⁹ Dem Bericht waren einige Erläuterungen beigelegt, in denen Langen-Wendels seine eigene Sicht der Dinge darlegte. Mit der Ankunft P. Rowans sei die Position der beiden anderen Exegeten gestärkt worden. Rowan verfechte die Ansichten und Methoden P. Lagranges sogar noch eifriger: „Als mir P. Zapletal eines Tages sagte, dass P. Rowan ‚noch weiter gehe als er selbst’, bekam ich in der Tat Angst.“⁸¹⁰ Auch würden seit dem vergangenen Jahr exegetische Fragen nicht mehr, wie früher üblich, unter den Professoren diskutiert. Alle würden einen Meinungsaustausch instinktiv meiden. Öffentliche Äußerungen P. Zapletals und P. Allos zeigten, wie sehr sich die Kluft zwischen diesen beiden und den übrigen Patres vertiefe. Auch Minister Python, so Langen-Wendels, befürchte Probleme wegen der Exegese-Frage. Bei allem Respekt gegenüber P. Lagrange und seinem Werk nannte LangenWendels grundsätzliche Fehler der École biblique in Jerusalem: a) die ausschließlich wissenschaftliche Ausrichtung; b) die absichtliche Vernachlässigung der patristischen Exegese und der Schriftauslegung des Aquinaten; c) die übertriebene Bewunderung für die protestantische Exegese; d) umgekehrt der ironische und verächtliche Stil bei der Bewertung der Arbeiten katholischer Exegeten, die nicht zur progressiven Schule zählen; e) der andauernde Gegensatz zwischen Theologen und Exegeten; f) Gleichgültigkeit gegenüber den offiziellen Verlautbarungen der römischen Autoritäten; g) der viel zu allgemein verständliche, sozusagen publizistische Stil, in welchem sie fundamentale, die Dogmen und Prinzipien des Christentums betreffende Fragen aufwerfen, verhandeln und sogar klärten. Wenn frühere Exegeten, insbesondere Universitätsprofessoren, verschiedene Fraugen gestellt und sich um eine neue und oft bedenkliche Antwort bemüht hätten, dann deshalb, weil sie keine verbindlichen Richtlinien und Direktiven seitens der höchsten Autorität an der Hand gehabt hätten, so dass sie sich ohne Orientierung fühlten und sich über die Absichten der Kirche auch irren konnten. „So konnte sogar allen Ernstes die Frage erörtert werden, ob die Kirche in zehn oder zwanzig Jahren das, was sie zum jetzigen Zeitpunkt aus zwingenden Gründen verbieten müsse, nicht etwa billigen werde, zumindest stillschweigend und implizit.“ Nach einer „ganzen Reihe offizieller und immer feierlicherer Erklärungen und Maßnahmen der kirchlichen Autorität, darunter Syllabus, Enzykliken, Index, verstärkte Kontrolle der Lehre und Lehrmaterialien an den Seminaren, erzwungener Weggang von Professoren, kanonische Strafen, Antimodernismuseid, Untersuchungsverfahren etc.,“ hole die Kirche nun, insbesondere in der Exegese, zu einem harten Schlag gegen das Herz des Modernismus aus. „Auch rein menschlich gesehen, erscheint die Vorstellung absurd, dass der Hl. Stuhl unter einem seiner künftigen Pontifikate etwas annullieren könnte

 AGOP XI. 15500. Vgl. auch Barthélemy, Idéologie, S. 152– 156.  AGOP XI. 15500.

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oder eine Annullierung dessen billigen könnte, was er zuvor unter Einsatz seiner ganzen Autorität vor aller Welt beschlossen hat.“⁸¹¹ Langen-Wendels’ Memorandum systematisiert sogar die prinzipiell möglichen Haltungen katholischer Exegeten gegenüber den offiziellen kirchlichen Direktiven: 1) unverhohlene Gegnerschaft (Rationalisten) oder verhohlene Gegnerschaft (Modernisten); 2) Minimalistische bzw. liberale Haltung: sie ordnet sich den feierlichen und offiziellen Verurteilungen der Kirche unter, insbesondere dann, wenn davon auszugehen ist, dass deren Unfehlbarkeit mit im Spiel ist, behält sich jedoch die Freiheit der Lehre und einer eigenen Ansicht vor, auf jeden Fall aber „Gewissensfreiheit“ in allen nicht ausdrücklich definierten Fragen. 3) Eine negative bzw. passive Haltung: sie verzichtet auf die Lehre der von den offiziellen Organen des Heiligen Stuhls verbotenen oder auch nur für gefährlich erklärten Meinungen, sagt sich zugleich aber nicht von den Grundsätzen oder Regeln derjenigen Methoden los, die unweigerlich zu den verbotenen oder gefährlichen Theorien führen müssen. 4) Eine opportunistische Haltung: Sie bemüht sich in der Praxis und nach außen hin um Übereinstimmung mit der von oben, d. h. den gegenwärtigen „kirchlichen Autoritäten“, verordneten Neuausrichtung, denn der offizielle Kurs ist viel zu stark, um dagegen zu opponieren; dennoch denken und hoffen sie, ja sind überzeugt, dass er sich ändert und bessere Zeiten kommen; 5) eine positive, ehrliche und uneingeschränkte Unterordnung. Den Unterzeichneten des Memorandums zufolge lasse sich nicht erkennen, dass auch nur einer der drei Fribourger Exegeten sich auf die unter Punkt 5 angeführte und einzig akzeptable Haltung hinentwickele, „obgleich es höchst unerlässlich ist, dass unsere vom Hl. Stuhl autorisierte Fakultät und allen voran unsere Exegese-Professoren dem klar geäußerten Willen der höchsten Autorität, der sie im Übrigen untergeordnet sind, nicht nur aktiv und passiv nicht opponieren, sondern in allem eine loyale und positive Zusammenarbeit leisten und sich in ihrer Lehre vom Wunsch der höchsten Autorität, der uns Gesetz sein sollte, inspirieren lassen.“ Um die Situation in die richtige Richtung zu lenken, schlug das Memorandum folgende Maßnahmen vor: erstens die Einrichtung eines bibelwissenschaftlichen Grundkurses ab dem nächsten Semester, und zwar unter der Leitung von P. Sales; zweitens die Dispensierung Zapletals als Professor der Exegese sowie seine endgültige Verlagerung an die philosophische Fakultät, wo er ausschließlich semitische Sprachen unterrichten solle, da nicht davon auszugehen sei, dass Zapletal seine exegetischen Ansichten und Methoden ändern werde. Zudem stünde nicht mehr zu befürchten, dass eine solche Verschiebung jetzt noch in irgendeiner Weise als Bestrafung ausgelegt werden oder Zapletals Reputation dadurch leiden könnte. Hinsichtlich weiterer Professoren, die zu entfernen und durch andere zu ersetzen seien, bat Langen-Wendels den Ordensmeister um ein persönliches Gespräch, bei dem er alles Notwendige mit ihm besprechen wolle. Alle Unterzeichner seien mit ihm der

 Zapletals Altersgenosse Jordan de Langen-Wendels (1867– 1928) starb zu früh, um die Herausgabe der Enzyklika Divino afflante Spiritu (1943) zu erleben.

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Meinung, dass die exegetische Frage im gesamten Orden solche Wichtigkeit gewonnen habe, dass sie auf dem nächsten Generalkapitel vorgelegt sollte; auch müsse das Kapitel die Position des Ordens gegenüber den Direktiven und Maßnahmen des Heiligen Stuhls klar definieren. Die Kritik der neothomistischen Professoren für systematische Theologie war durchaus aufrichtig gemeint. Dass sie jedoch so heimlich geübt wurde, zeugt nicht gerade von Mut. Die Unterzeichner konnten sich auf die Beschlüsse des Generalkapitels von 1910 in Rom stützen. Es hatte unmissverständlich angeordnet, dass dominikanischen Lehrinstitutionen von jeglichem Modernismus-Verdacht freizuhalten wären und in allem den Vorschriften, Mahnungen und Anordnungen des Heiligen Stuhles Folge zu leisten hätten. Jeder Dominikaner müsse nicht nur sich selbst erforschen, sondern auch auf seine Mitbrüder ein Auge haben, damit diese auf der Hut seien vor „der falschen Freiheit einer falschen Wissenschaft, sowohl hinsichtlich der Ergebnisse als auch der Methoden, die von verderblichen Neuerungen verseucht sind.“⁸¹² Der beste Weg sei eine „demütige und völlige Unterordnung mit Herz und Verstand unter alle doktrinalen Beschlüsse des Hl. Stuhls, insbesondere in Bezug auf die Heilige Schrift“ und natürlich die thomistische Theologie und Philosophie. Die Professoren waren der anhaltenden Kampagne gegen Fribourg wohl auch müde und wollten nicht länger als Mitglieder „dieser verdächtigen, seltsamen theologischen Fakultät“ gelten, über deren Dozenten und deren Rechtgläubigkeit alles Mögliche in Umlauf war. Wie dachten sie wohl über Zapletal, wenn sie als Ausdruck höchster Besorgnis anführen, dass Rowan sogar noch weiter gehe als dieser? Allem Anschein nach ahnten die bedrängten Exegeten etwas von der Initiative ihrer Kollegen. Zapletal wusste sehr wohl, dass man an Rowans Unterricht einiges bemängeln konnte, doch würde Rowan, so schrieb er am 17. Februar 1913 an Cormier, dies durchaus einsehen und sich zusammen mit ihm um eine Korrektur bemühen.⁸¹³ Nach dem ersten Jahr sparte er aber am 6. Juni 1913 keineswegs mit Lob für den jungen Kollegen: „was P. Rowan betrifft, so bin ich ihm aufrichtig zugetan, er ist ein sehr guter Mensch, verfügt über ausreichende Kenntnisse, ihm fehlt nur eine Methode“.⁸¹⁴ Eine Woche später, am 15. Juni 1913, ergänzte Zapletal: „Er ist außerdem ein sehr guter Ordensmann und Mitbruder und arbeitet gut.“⁸¹⁵ Auch konnte Zapletal die zügige Ernennung Rowans zum Extraordinarius (1914) und dann zum Ordinarius (1918) durchsetzen. Benigni hingegen beschwerte sich Anfang Juli, dass zwei Dominikanerprofessoren verhindert hätten, dass Decurtins in Fribourg über Pius X. sprechen konnte. Der Begründer der Sapiniére zweifelte nicht, wem das zu verdanken war: Sicher steckte hinter all dem P. Zapetal.⁸¹⁶

    

Acta Capituli Generalis Provincialium Ordinis Praedicatorum, Romae 1910, Art. 87, S. 148 f. Vgl. Zapletals Brief an Cormier, 17. 2.1913. AGOP XI. 15340. Zapletal an Cormier, 6.6.1913. AGOP XI. 15340. Zapletal an Cormier, 15.6.1913. AGOP XI. 15340. Vgl. Benignis Notiz vom 3.7.1913, zitiert von Weiß, Modernismus, S. 267.

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3.12.2 Zapletals Haltung zur Studienreform und Tod Speisers Zapletal nahm in einem Brief vom 11. Juli 1913 Stellung zu den im Memorandum angesprochenen Punkten, über die Cormier sich mit ihm beraten wollte. Den Vorschlag einer weiteren Vorlesungsreihe, zusätzlich zu den beiden von Rowan (auf Grundlage der Vulgata) und ihm selbst (auf Grundlage des hebräischen Textes) gehaltenen, beurteilte er skeptisch und bezeichnete ihn als unglückliche Idee Langen-Wendels, der diesen Gedanken schon mehrfach geäußert und sogar angeboten habe, für alles „Sorge zu tragen“.⁸¹⁷ Zapletal vermutete außerdem richtig, dass Langen-Wendels für diese Aufgabe schon jemanden ausersehen hatte.⁸¹⁸ Die Gründe, dieses Vorhaben abzulehnen, seien ebenso einfach wie triftig: 1) Für die Einführung weiterer Vorlesungen sei die Zahl der Studenten zu gering. 2) Zudem bestehe in Fribourg keine Hoffnung auf ein Lizenziat in den Bibelwissenschaften. Wer sich auf diese Prüfungen vorbereiten möchte, studiere entweder in Jerusalem oder am Bibelinstitut in Rom. In Fribourg erwarte man von den Doktoranden vor allem Philosophie, Dogmatik und Moraltheologie, worauf sich die Studenten auch spezialisieren würden und womit sie auch reichlich ausgelastet seien. 3) Es sei nicht richtig, den Patres in Jerusalem in der Lehre der Bibelwissenschaften Konkurrenz zu machen. 4) Man müsste viele weitere Professoren engagieren, und in Hinblick auf die derzeit problematische Situation in der Exegese könne man Python reinen Gewissens keine zusätzlichen Ausgaben für neue Exegeten zumuten. Der Minister habe „Angst vor der Exegese und ist schon zufrieden, wenn man uns in Ruhe so sein lässt, wie wir sind.“ 5) Die Zahl der Prüfungen vor der Bibelkommission sinke, bald würden nur noch die Jesuiten vom Bibelinstitut Diplome ausstellen. Das alles spreche gegen das Vorhaben, auch in Fribourg auf die Prüfungen vor der Bibelkommission vorzubereiten. Zu der Absicht, den Lehrstoff der Bibelwissenschaften auf weitere Professoren zu verteilen, merkte Zapletal an, dass es Luxus wäre, einen weiteren Professor für eine dreistündige Homiletik-Vorlesung einzustellen, denn ein Professor müsse mindestens sechs Stunden wöchentlich unterrichten, und es gäbe nichts, womit man das Lehrdeputat füllen könnte: „Jemanden Altes und Neues Testament zugleich unterrichten zu lassen, ist angesichts des zu bewältigenden Stoffes nicht möglich. Kein intelligenter Mensch würde das übernehmen, und ein nicht intelligenter kann es in Fribourg nicht aushalten.“ Die Lösung sei einfach: man solle die Dinge lassen, wie sie sind, zumal Professor Allo mit seinen zahlreich besuchten Vorlesungen Erfolg habe und Rowan einen weniger spezialisierten Kurs zum Alten Testament anbiete, wo er zum Ende jeder Stunde erkläre, wie man die Perikope in der Predigt verwenden kann. „Mit der Zeit könnte er sehr wohl eine einstündige Vorlesung zum Alten Testament aus homiletischer Sicht ausschreiben.“ Zapletal fügte hinzu: „selbst wenn sie einen Engel zum Professor für Altes Testament berufen, werden die Beschwerden kein Ende nehmen,

 Zapletal an Cormier, 11.7.1913. AGOP XI. 15340. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 368 f.  Vgl. Barthélemy, Idéologie, S. 157.

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gerade seitens der weniger Intelligenten oder derer, die auf die Exegese keine Mühe verwenden.“ Schließlich vertraute er sich dem Ordensmeister mit seiner eigenen Krise als Lehrer an: „Ich werde die Vorlesungen langsam satt, und wenn sich nichts ändert, werde ich das Unterrichten in ein paar Jahren sein lassen. Jetzt aber bleibe ich noch auf dem Kampfplatz.“⁸¹⁹ Zieht man in Betracht, was er in den vorangegangenen zehn Jahren als Professor der Exegese durchgemacht hatte, überrascht es nicht, dass er nach zwanzig Jahren Lehrtätigkeit – seit seinem 26. Lebensjahr hatte er unterrichtet – eine gewisse Erschöpfung und Müdigkeit fühlte. Ähnlich ging es P. Mandonnet, wie ein Brief Cormiers vom 4. August 1913 deutlich macht, in dem er seine Zustimmung zu dem vom Staatsrat bereits genehmigten Freisemester gab. „Ich gehe davon aus, dass in Fribourg alles in Ordnung ist.“⁸²⁰ Die beiden langjährigen Kampfgefährten und zugleich angesehensten wissenschaftlichen Kapazitäten der Fakultät fühlten ganz ähnlich, und Cormier mit seiner langen Erfahrung wusste ihre Klagen offenbar richtig zu deuten: Die Erschöpfung war vor allem eine Folge der ständigen Attacken. Dadurch war auch die Bereitschaft, die eigene Position zur Verfügung zu stellen, gewachsen. Cormier dachte aber offensichtlich nie ernsthaft daran, diesen Bitten zu entsprechen, obwohl er damit der scharfen Kritik der Integralisten die Spitze hätte brechen können. Das Prestige der Fakultät, der Bedarf an erstklassigen Professoren, die rar waren, und auch der Ruf seiner Mitbrüder gebot ihm, sie auf ihren Lehrstühlen zu belassen. Das Professorenkollegium der theologischen Fakultät wählte am 21. Juli 1913 – paradoxerweise, wenn man bedenkt, dass etwa die Hälfte der Anwesenden LangenWendels’ Initiative mitgetragen hatte, – Zapletal zum Dekan. Aber er nahm die Wahl an. Die Zustimmung des Staatsrats erfolgte auf seiner nächsten Sitzung am 5. August 1913.⁸²¹ Warum man nicht einen weniger exponierten Kandidaten wählte, ist schwer zu beantworten. Die Integralisten mussten diese Wahl jedenfalls als Provokation empfinden. Oder wollten die sieben Professoren damit nur deutlich machen, dass Zapletal immer noch an der theologischen Fakultät tätig war? Langen-Wendels konnte zumindest einen Teilsieg für sich verbuchen, denn das Generalkapitel, das vom 28. August bis zum 5. September im niederländischen Venlo tagte, fasste in der ExegeseFrage tatsächlich einen Beschluss. Paragraph 188 lautet: „Wir wollen, dass die Professoren, die mit der Lehre der Hl. Schrift betraut sind, nicht nur unbeirrbar an den katholischen Grundsätzen festhalten, sondern aufrichtig und positiv der Richtung folgen, die die Kirche in ihren wiederholten Erklärungen bestimmt hat. Mögen ihnen die verlässlichsten Grundsätze der thomistischen Philosophie und Theologie vor Augen stehen und sie sich streng an alle Beschlüsse und Erklärungen halten, welche eine legitime Autorität, allen voran die Bibelkommission, verlautbart hat und noch

 Ebd.  Cormier an Zapletal, 4. 8.1913. AA FZapletal.  AEF Zapletal.

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verlautbaren wird.“⁸²² Zapletal, Allo und Mandonnet wiederum konnten zufrieden sein, dass das Kapitel den Dankesbrief, den Pius X. am 11. Juli 1911 an Cormier und die Patres Professoren adressiert hatte, zur Kenntnis nahm und ihn unter Paragraph 15 den Akten beifügte.⁸²³ Cormier informierte Zapletal in einem Brief vom 8. Oktober 1913 über die Ergebnisse des Kapitels. Schon der zeitliche Abstand von einem Monat legt nahe, dass er die Angelegenheit nicht als dringend erachtete. Der Brief beginnt mit einem Dank an alle Patres, die während der Ferien gepredigt und Exerzitien gehalten hatten, und stellt sodann fest, dass während des Kapitels Kritik an den Vorlesungen zur Heiligen Schrift laut geworden seien, da diese nicht dem entsprächen, was die Mehrheit der Studenten für ihren späteren Dienst bräuchte, nämlich eine rechte Frömmigkeit, bessere Erkenntnis der biblischen Wahrheiten sowie Kampf gegen Naturalismus und falsche Frömmigkeit. Der Ordensmeister führte die von Zapletal übernommenen Argumente gegen neue, weniger wissenschaftliche Kurse der Exegese an und wies auf die in diesen Plänen möglicherweise verborgenen Gefahren hin. Die Lösung sah er in einer Verbesserung der bestehenden Lehre, jedoch ohne eine Veränderung in der Unterrichtsstruktur, denn das erfordere mehr Professoren, und die gäbe es einfach nicht.⁸²⁴ Im Oktober und November befasste sich die Fakultät mit der Neubesetzung zweier Professuren. Zunächst musste Ersatz für Speiser gefunden werden. Anfang des Jahres, am 11. Januar 1913, zum päpstlichen Prälaten ernannt, hatte er mit Benigni neue Aktionen geplant, war jedoch im 6. November 1913 einem Schlaganfall erlegen. Zapletal unterrichtete Cormier ohne jeden Kommentar noch am selben Tag vom Tod des Mannes, der zu seinen Hauptgegnern zählte, und merkte lediglich an, dass auf dessen Stelle nun endlich ein Dominikaner berufen werden müsse.⁸²⁵ Am 1. Dezember 1913 schrieb Cormier begeistert von P. Schmitz, der soeben das Lizenziat summa cum laude abgeschlossen habe, und fragte nach Zapletals Meinung sowie eventuellen Gegenvorschlägen. Einzig die Ablehnung Pythons sei zu befürchten, der die Stelle womöglich dem Weltklerus vorbehalte.⁸²⁶ Zapletal machte sich Randnotizen auf Tschechisch und Französisch. Zur Kandidatenfrage vermerkte er: „ich habe keinen besseren“, und fügte hinzu „wenn er ein guter Ordensbruder ist, und wir nicht fürchten müssen, dass er austritt“. Zapletal ging davon aus, dass Python mit dem Vorschlag nicht zufrieden sein werde, versprach Cormier aber, in dieser Sache sein Möglichstes zu tun. Vier Tage später, am 5. Dezember, versuchte Cormier den Vikar erneut für seinen Kandidaten („groß und sympathisch“) zu begeistern, offenbar, um Zapletal zu stär-

 Acta Capituli Generalis Diffinitorum Ordinis Praedicatorum Venlonae, Romae 1913, S. 204 (Nr. 188).  Vgl. ebd., S. 64 f. (Nr. 15).  Cormier an Zapletal, 8.10.1913. AA FZapletal.  Zapletal an Cormier, 6.11.1913. AGOP XI. 15340.  Vgl. Cormiers Brief an Zapletal, 1.12.1913. AA FZapletal. Ein erstes Mal erwähnte Cormier Schmitz in seinem Brief vom 29.11.1913.

3.12 Letzter Ansturm der Integralisten

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kerem Einsatz bei Python und beim Staatsrat zu veranlassen. Auch dem Papst möchte er Schmitz als rechten Kandidaten nahelegen, denn er bekomme anlässlich seines 82. Geburtstages eine Audienz. Zugleich fragte Cormier: „Was kann Herr Python machen? Kann er ihn als Dominikaner ablehnen? Das hieße gegen die Aufgabe handeln, mit welcher der Hl. Stuhl den Orden auf seinen Wunsch hin betraut hat. Das hieße, der Fakultät aus opportunistischen Gründen das Messer in den Rücken zu stoßen […]. Sofern irgendwelche Vorwürfe zu machen sind, so müssen sie mir gemacht werden, denn ich bin für die Ernennung verantwortlich.“⁸²⁷ Am 12. Dezember berichtete Cormier von seiner Audienz bei Pius X.: „Er hat von ganzem Herzen seinen Segen dazu gegeben und unmissverständlich kundgetan, dass es sein Wille ist, dass an der Fakultät, welcher der Hl. Stuhl dem Orden anvertraut hat, alle Professorenstellen mit Dominikanern besetzt würden, es sei denn der Orden könne dies aus eigener Kraft nicht leisten. In dem Fall könne ein befreundeter Kirchenmann berufen werden.“⁸²⁸ Die Befürchtungen sollten sich also nicht bestätigen, und Schmitz konnte Speisers Nachfolge antreten. Am 14. Dezember schickte Cormier die knappe, aber erfreute Nachricht, dass der Papst sich über das Einvernehmen zwischen ziviler und kirchlicher Autorität bei der Berufung des neuen Professors sehr zufrieden gezeigt habe.⁸²⁹ Die gemeinsamen Anstrengungen hatten zum Ziel geführt.

3.12.3 Nachspiel zur Deklaration der Sieben Mit einem halben Jahr Verspätung erfuhr Zapletal von dem Juli-Memorandum seiner sieben Kollegen aus Fribourg. Am 28. Dezember 1913 schrieb er an den Ordensmeister: „Gerade habe ich von Langen-Wendels’ Intrigen⁸³⁰ gegen mich und die beiden anderen Exegeten erfahren. Ich bin angewidert und werde Ihnen in den nächsten Tagen dazu in extenso schreiben […] ich habe getan, was in meinen Kräften steht, aber alles hat seine Grenzen […] ad impossibilia nemo tenetur. ⁸³¹ Jenes Bestreben, Professoren zu ernennen, die dem ‚dogmatischen und asketischen’ Element mehr Raum geben, halte ich für eine große Ungerechtigkeit gegenüber den Professoren Allo und Rowan, die tüchtige Männer sind und die künftig keiner mehr belästigen sollte. Wenn man sich dazu irgendwie äußern muss, dann sollte es so geschehen, dass ihre Würde und Ehre

 Cormier an Zapletal, 5.12.1913. AA FZapletal.  Cormier an Zapletal, 12.12.1913. AA FZapletal.  Cormier an Zapletal, 14.12.1913. AA FZapletal.  Womöglich bereute Zapletal, dass er vor sieben Jahren nicht die Gelegenheit genutzt hatte, sich des Urhebers der Intrigen zu entledigen. 1906 hatte der holländische Provinzial Langen-Wendels zurückbeordern wollen. Cormier hatte in dieser Angelegenheit Zapletal um Rat gefragt, und so blieb der Moraltheologe auf seiner Professur in Fribourg. Vgl. Cormiers Brief an Zapletal, 10.6.1906. AA FZapletal.  Unmögliches kann man nicht verlangen.

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keinerlei Schaden nimmt. Herr Decurtins wird sicher triumphieren, wenn ihm die Konflikte zwischen gewissen Dominikanerpatres zu Ohren kommen.“⁸³² Der weitere Verlauf der Korrespondenz lässt auf ein Missverständnis zwischen Zapletal und Cormier schließen. Der Ordensmeister sandte gleich am 30. Dezember ein Schreiben nach Fribourg, in dem er die Forderungen des Generalkapitels präzisierte. Vor allem andere Orden und Kongregationen, die ihre Theologen zu den Dominikanern schickten, wünschten praxisnähere Vorlesungen mit stärkerem Bezug auf das geistliche Leben und die Homiletik. Auch würden sie verlangen, dass die Fakultät in der Exegese-Frage die entsprechenden Richtlinien des Heiligen Stuhls deutlicher und nachdrücklicher propagiere und gegen die Fehler der modernen Kritik entschlossener vorgehe. Darin war an sich nichts Kränkendes für die Fribourger Exegeten, keiner von ihnen wurde namentlich genannt. Der einzige, dessen Abberufung man erwog, war Rowan, allerdings aus pädagogischen Gründen, denn offenbar war sein Unterrichtststil nicht sonderlich attraktiv und überzeugend und wurde nur von wenigen Studenten angenommen. „Sollte es aber noch um etwas anderes gehen, rufen Sie es mir bitte ins Bewusstsein, aber wählen Sie bitte einen anderen Ton, einen, der Ihrem Charakter mehr entspricht […]. Ein kurzer Besuch vor dem Allerheiligsten wird die momentane Erregung besänftigen.“⁸³³ Der Meinungsaustausch setzte sich fort. Am 2. Januar 1914 schrieb Zapletal: „Ich muss mich falsch ausgedrückt haben. In der Tat war ich über das Vorgehen von P. Langen-Wendels verärgert, aber sollte ich etwas geschrieben haben, was Sie unangenehm berührt haben kann, so galt es sicher nicht Ihnen.Vielleicht bin ich zu heftig, insbesondere dann, wenn ich erfahre, dass einer unserer Patres schon längere Zeit hinter unserem Rücken die Durchsetzung zweifelhafter Ziele betreibt. P. L. [LangenWendels] hat mir auch vorgeworfen, dass ich P. Rowan nach Fribourg geholt habe. Sie wissen sehr gut, dass das nicht stimmt. Ich weiß auch nicht, wie ein Pater, der noch dazu für seine ‚Organisations-Manie’ wohl bekannt ist, in so hoffärtigem Ton für alle Patres sprechen kann. Schließlich klagen die Studenten schon seit Jahren ganz enorm über P. Langen-Wendels, über seine Vorlesungen, die oft ausfallen usw. usw., und dennoch habe ich nie etwas gesagt, weil ich glaubte, dass er sich bessern wird. Ausgerechnet er sollte nicht auf einmal so hohe Ansprüche an andere stellen […]. Ich war einiges zu opfern bereit, zwei Jahre lang habe ich doppelt so viel Vorlesungen gehalten; vielleicht wissen Sie ja, wie sehr P. Prümmer sich jetzt beschwert, wo er das gleiche nur ein einziges Semester tun soll.“⁸³⁴ Zapletal schrieb weiter: „Neulich hat Herr Python P. Montagne anvertraut: ‚es sind die Angriffe Herrn Decurtins’ gegen die theologische Fakultät, die an meiner Erkrankung schuld sind.’ Ob die Feststellung, dass nun die Patres selbst sich der Argumente Decurtins’ bedienen, seine Genesung befördern wird? […] Zu Ihrer Frage in

 Zapletal an Cormier, 28.12.1913. AGOP XI. 15340. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 370.  Cormier an Zapletal, 30.12.1913. AGOP Secr. 14. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 370.  Zapletal an Cormier, 2.1.1914. AGOP XI. 15340. Vgl. auch Barthélemy, Documents, S. 370 f.

3.12 Letzter Ansturm der Integralisten

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Bezug auf P. Rowan kann ich Folgendes sagen: in der Tat hat man es mit mir alles andere als leicht, wenn es um die Berufung neuer Professoren nach Fribourg geht, denn wenn sie sich nicht gut führen, verursacht uns das große Probleme. Vielleicht erinnern Sie sich, wie Sie mir einmal geschrieben haben, dass es Patres gibt, die mir Sturheit vorwerfen? Das stimmt ganz sicher in der Frage der Berufung neuer Professoren. Gut! Mein Grundsatz ist: wenn ein Pater nun schon einmal in Fribourg ist, dann verteidige ich ihn, wo es nur geht. Allein schon deshalb würde ich persönlich lieber P. Rowan zunächst einen Hinweis geben. Auf jeden Fall aber würde ich mir die Frage stellen, ob der, der ihn ersetzen soll, wirklich besser ist. Bitte verzeihen Sie mir, ich wollte Ihnen keine Sorgen bereiten. Meine Unkenntnis des Französischen hat dazu viel beigetragen.“⁸³⁵ Die Korrespondenz zwischen dem Ordensmeister und seinem Vikar bezüglich einer eventuellen Reform der exegetischen Lehre zog sich über die folgenden Monate hin. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs, vor allem aber der Tod Pius’ X. und die Wahl Benedikts XV. veränderten die Situation zugunsten der Fribourger Exegeten. Die Koexistenz von thomistischer Theologie und moderner Exegese konnte erst einmal weitergehen, und das Memorandum der Fribourger Neothomisten verlor an Bedeutung. Die Zeit der ständigen Intrigen, mit denen Decurtins, Speiser, Weiß und andere auf offene Ohren bei einflussreichen Kongregationen in Rom gestoßen waren, fand langsam ein Ende.⁸³⁶ Decurtins erklärte im Sommer 1914: „Wir erleben schwere Zeiten. Lieber Freund, der Kardinal [De] Lai wird nicht zum Papst gewählt werden, und er ist der einzige, der das Werk fortführen könnte.“⁸³⁷ Auch in Fribourg verlor Decurtins wichtige Stützen. Prälat Speiser war am 6. November 1913 gestorben, und Albert Maria Weiß war aufgrund seines Alters und aus gesundheitlichen Gründen immer weniger präsent. Letztendlich stellte Weiß seine Loyalität gegenüber dem Orden höher als ideologische Gefechte ohne Rücksicht auf die Folgen. So zog sich Decurtins 1914 resigniert aus der Universität in seine Heimatstadt Truns zurück, wo er nach zwei in Abgeschiedenheit zugebrachten Jahren starb.⁸³⁸ Die Schicksale der Patres an der Universität Fribourg zeigen, dass die Dominikaner, genau wie andere Orden, keinen ideologisch geschlossenen Block darstellten. Ganz im Gegenteil, unter ihnen herrschten erhebliche Spannungen, und Abhilfe suchte man mitunter auf recht problematische Weise: die einen denunzierten und führten Beschwerden, die anderen ignorierten und spöttelten.

   

Ebd. Vgl. Weiß, Modernismus, S. 270. Zitiert nach ebd., S. 274. Vgl. Büchi, Gründung und Anfänge, S. 41.

4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI. 4.1 Benedikt XV. – ein neuer Pontifex und die „neue“ Situation Der Sommer 1914 brachte nicht nur einen entscheidenden Einschnitt in der politischen, sondern auch in der kirchengeschichtlichen Entwicklung. Am 20. August 1914, nur wenige Wochen nach Kriegsbeginn, starb Papst Pius X. Wie bereits erwähnt, war der Wunschkandidat der Integralisten Kardinal Gaetano de Lai, das mächtige Oberhaupt der Konsistorialkongregation. Die Mehrheit der Kardinäle aber sehnte eine Veränderung herbei, denn die internationale Situation hatte sich durch den Kriegsausbruch dramatisch verkompliziert, und so ging am 3. September 1914 der als gemäßigt geltende Kardinal Giacomo della Chiesa als Sieger aus dem Konklave hervor. Er hatte unter Kardinal Mariano Rampolli im Staatssekretariat gearbeitet, musste aber 1903 nach dem Antritt des neuen Staatssekretärs Merry del Val und den damit verbundenen Veränderungen an der Kurie Rom verlassen und wurde Erzbischof von Bologna. Della Chiesa gehörte den Dominikaner-Terziaren an, Cormier selbst hatte ihn seinerzeit als Seminaristen aufgenommen. In seiner ersten Enzyklika Ad Beatissimi vom 1. November 1914 rief der neue Papst zu einer raschen Beendigung der Kämpfe, Rivalitäten und Parteibildungen innerhalb der Kirche auf. Kein Einzelner solle sich über Buch- oder Zeitschriftenpublikationen die Rolle eines Herrschers über die Kirche anmaßen, vielmehr müsse Raum für einen freien Meinungsaustausch bewahrt werden. Keiner habe das Recht, eigenwillig aufgrund einer differierenden Sichtweise andere eines mangelnden Glaubens oder mangelnder Disziplin zu beschuldigen.⁸³⁹ Die bisherigen Beschlüsse und Verurteilungen im Kampf gegen den Modernismus freilich wurden bestätigt. Es gab durchaus Hoffnung auf Veränderungen, aber eine Kehrtwende hinsichtlich der Bibelfragen erfolgte unter Benedikt XV. nicht. Ein grundsätzlicher und rascher Kurswechsel war mit Blick auf die Umstände und die traditionelle Beharrlichkeit der römischen Institutionen allerdings auch nicht zu erwarten. Aufschluss über die Situation der katholischen Exegese nach 1914 gibt das Protokoll eines Gespräches, das P. Lagrange am 4. Oktober 1918 mit Kardinal Wilhelm van Rossum⁸⁴⁰ führte, dem 1914 ernannten Präsidenten der Päpstlichen Bibelkommission. Lagrange erklärte gleich zu Beginn, dass er völlig offen sprechen werde, und fragte, warum man in Rom der Je Vgl. Poulat, Intégrisme, S. 133.  Wilhelmus Marinus van Rossum (1854– 1932), holländischer Redemptorist, lehrte Theologie in Holland, seit 1896 Konsultor des Heiligen Offiziums, ordnete dessen Archive, 1911 Ernennung zum Kardinal, ab dem 13. Januar 1914 Präsident der Bibelkommission, ab 1915 Großpönitentiar, ab 1918 Präfekt der Congregatio de Propaganda fide (heute: Congregatio pro Gentium Evangelizatione / Kongregation für die Evangelisierung der Völker). Zu seiner Rolle in der Exegesefrage vgl. Petráček, Bible a moderní kritika, S. 88 – 93 und 255 f. https://doi.org/10.1515/9783110749090-005

4.1 Benedikt XV. – ein neuer Pontifex und die „neue“ Situation

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rusalemer École biblique und der Révue biblique immer noch nicht günstig gesonnen sei, woraufhin Kardinal van Rossum⁸⁴¹ deutlich machte, wie nutzbringend es für die Kirche und den Dominikanerorden wäre, wenn sich die École biblique wirklich treu an die Richtlinien des Heiligen Stuhls halten und die Révue biblique die Beschlüsse der Bibelkommission verteidigen und erklären würde. Langrange entgegnete, dass die École biblique die Weisungen doch befolge und die Beschlüsse der Bibelkommission respektiere. Er räumte gewisse Fehler in früheren Jahren ein, verstünde aber nicht, was es jetzt noch zu beanstanden gebe. Der Kardinal antwortete: „Sie respektieren die Beschlüsse der Bibelkommission tatsächlich, aber eben in dem Sinn, dass Sie nicht offen und aktiv gegen sie kämpfen. Bis auf den heutigen Tag haben Sie sich im Großen und Ganzen respektvoll verhalten. Das alles ist richtig, aber die Kirche verlangt, dass ein jeder ihre Richtlinien befolgt, erklärt, verbreitet und als Orientierung für die Zukunft begreift. Und einmal ehrlich – das tut die Révue biblique nicht.“⁸⁴² Lagrange gab sich nicht geschlagen: „Aber was will man von uns? Alle Beschlüsse sind schließlich negativ, mithin genügt es, dass man sie respektiert, und das tun wir, indem wir uns nicht entgegenstellen.“ Kardinal van Rossum entgegnete daraufhin: „Die Beschlüsse der Bibelkommission sind eher ihrer Form nach negativ, aber eben doch eindeutig positiv in Hinblick auf die Richtung, in die sie weisen. Eindeutig schließlich zeigen sie den Weg an, den die Kirche zur Nachfolge bestimmt.“ Lagrange berief sich, wie so oft, auf Leo XIII.: „Aber in der Wissenschaft können wir, sofern wir an der Forschung teilhaben wollen, nicht immerzu auf derselben Stelle treten. Wir müssen voranschreiten: Leo XIII. selbst wollte, dass die Forschung voranschreitet. Man kann nicht einfach stillstehen und jeden Fortschritt und jede Entwicklung der Bibelwissenschaft vergessen.“ Nicht weniger traditionell war die Antwort des Kardinals: „Die Kirche stellt sich nicht im mindesten gegen einen wahrhaftigen Forschritt in der Wissenschaft, auch nicht in der Bibelwissenschaft, im Gegenteil, sie fördert ihn eher. Dennoch, die Kirche gibt die richtige, ungefährliche Richtung vor, der man zu folgen hat.“ Lagrange führte letzte Argumente ins Feld. „Die Dekrete sind keine Glaubensdefinitionen, sie können später widerrufen werden.“ Der Kardinal blieb unerschütterlich: „Sie haben völlig recht, die Dekrete der Bibelkommission sind keine Glaubensdefinitionen, aber genau so richtig ist, dass es sich um dogmatische Dekrete des Hl. Stuhls handelt: auch die Gelehrten also haben die Gewissenspflicht, sich unterzuordnen und ihre Zustimmung zu äußern. Wenn die Kirche die Autorität hat, die menschliche Intelligenz zu leiten, und dies vor allem im Bereich der Theologie und Bibelwissenschaft, so hat die menschliche Intelligenz die Pflicht, den Richtlinien der

 Benigni beschrieb Rossum 1922 folgendermaßen: „Ein Mann mit Talent und Charakter, aber viel zu starrköpfig und unbarmherzig. Ein Freund der Habsburger und der deutschen Welt, konservativ. Überaus unsympathisch, auch in den Augen derer, die ihn bewundern. Er hat keine Chance, zum Papst gewählt zu werden.“ ASV FBenigni, l. 59, Nr. 9524.  Die folgenden Zitate aus dem Gesprächsprotokoll sind entnommen: Montagnes, Marie-Joseph Lagrange, S. 272– 274.

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Kirche gehorsam und gelehrig zu folgen.“ Lagrange suchte noch einmal nach festem Boden: „Aber wenn Sie die Révue biblique lesen, dann wissen Sie doch, dass wir all dies tun, dass wir uns ganz und gar nach den Vorschriften richten.“ Kardinal van Rossum gab nicht nach: „Können Sie mir garantieren, dass die Révue biblique sich von den Dekreten der Bibelkommission inspirieren lässt? Können Sie der vollen Wahrheit nach erklären, dass die Révue biblique diese Dekrete verteidigt? Können Sie mir etwa garantieren, dass der Geist der Révue biblique tatsächlich mit dem Geist der vom Hl. Stuhl herausgegebenen Dekrete übereinstimmt?“ Lagrange warf ein: „Aber wir können es nicht bei ihnen belassen, wir können uns auch nicht damit begnügen, sie zu beweihräuchern und zu bejubeln.“ Der Kardinal erklärte: „Das ist weder nötig noch wünschenswert. Wir fordern aber, dass Sie die Richtung einhalten, die der Hl. Stuhl kraft seiner Autorität vorgibt. Ich wiederhole noch einmal, wie sehr es der Kirche und dem Orden von Nutzen wäre, wenn Sie sie sich anpassen würden.“ Lagrange lehnte offen ab: „Aber ich kann mich nicht unter die Konservativen einreihen. Wir haben es abgelehnt, uns unter die Rationalisten einzureihen, aber wir können uns auch nicht zu den Konservativen schlagen.“ Der Kardinal brachte die Sache auf den Punkt: „Sagen Sie mir, in welches Lager gehören diese Dekrete? In welche Richtung weisen sie?“ Langrage zögerte nicht: „Zweifellos sind sie konservativ.“ Kardinal van Rossum beschloss das Gespräch: „Das ist die Richtung, die die Kirche verlangt. Ein guter Katholik tut gut daran, wenn er sich daran hält. Das ist das Prinzip, und dementsprechend sind auch die Folgen, somit ist klar, dass die Erlaubnis zur Gründung einer Schule in Jerusalem⁸⁴³ erteilt wird, die sich auf den Buchstaben genau an die vorgegebene Richtung hält.“ Das direkt während der Verhandlung angefertigte und von Kardinal van Rossum höchstpersönlich autorisierte Protokoll vermittelt dank der Aufrichtigkeit und Offenheit beider Seiten ein wahres Bild der Situation, in der sich die progressive Exegese nach 1914 befand. Der Tod Pius’ X. und ein gewisser Machtverlust der Integralisten in der römischen Kurie in Folge der Ernennung Kardinal Gasparris⁸⁴⁴ zum Staatssekretär verschaffte den progressiven Theologen und Exegeten eine Verschnaufpause. Die schlimmsten Jahre mit ständiger Denunziation, nichtoffiziellen Prozessen und unwiderruflichen, in absentia verkündeten Verurteilungen lagen im Sommer 1914 endlich hinter ihnen.⁸⁴⁵  Es handelte sich um die Gründung einer Jerusalemer Filiale des Päpstlichen Bibelinstituts in Rom; sie war ein Baustein in Foncks Plan zur Vernichtung der École biblique der Dominikaner. Gegen ihre Gründung kämpfte Lagrange seit 1910.  Pietro Gasparri (1852– 1934), Professor für kanonisches Recht am Institut catholique in Paris (1880 – 1897), 1901 Untersekretär im Staatssekretariat, ab 1907 einer der Hauptmitarbeiter am Kodex des Kanonischen Rechts, am 13. Oktober 1914 zum Staatssekretär ernannt; auf diesem Posten diente er nicht nur Benedikt XV., sondern auch dessen Nachfolger Pius XI. Im Jahr 1930 reichte er seine Demission ein und wurde durch Kardinal Pacelli ersetzt.  Die Leitung der Sapiniére löste die Organisation bereits am 22. August 1914 auf, zwei Tage nach dem Tod von Pius X.; die Strukturen und Aktivitäten dauerten jedoch fort. Definitiv beendet wurden sie erst durch die Entdeckung der Archive durch die deutsche Armee 1914, ihre teilweise Veröffentlichung

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Doch die Gesamtatmosphäre war weiterhin von Angst geprägt und führte bei Autoren und deren Vorgesetzten, insbesondere wenn es sich um Ordensleute handelte, zu einer Autozensur. Nach all den Jahren des Antimodernismuskampfes wollte kein Bischof, kein Provinzial oder Generalsuperior sich mit Klerikern herumschlagen, die man des Modernismus beschuldigte. Als Beispiel können wir hier die Schwierigkeiten anführen, die Zapletal im Frühjahr 1916 hatte, als es um das Imprimatur für seinen Kommentar zum Buch der Richter ging. Zapletal hatte sich wie gewohnt an seine „hauseigenen“ Zensoren gewandt, diesmal an P. Knar und P. Schmitz als Korrektoren der deutschen Fassung. Er wollte sie um die Genehmigung der Arbeit bitten, denn „ihre konservativen Überzeugungen stehen außer Zweifel“.⁸⁴⁶ Frühere Konflikte klingen nach in Zapletals resoluter Ablehnung von Cormiers Vorschlag, P. Weiß als dritten Zensor zu bestellen: „Vor 12 Jahren, als ich mein Buch über den biblischen Schöpfungsbericht veröffentlicht habe, war er dagegen, dass ich darin eine Passage aus der Summa theologica des hl. Thomas auf Latein zitiere. Damals sagte er zu mir: ‚Welch gefährliche Waffe geben Sie Ihren Lesern da an die Hand!‘ Ab dem Augenblick war es mit uns aus, und seine spätere Handlungsweise hat mir nur bestätigt, wie sehr ihm diese Denkart eigen ist. Sie kennen ihn schließlich gut. Lieber bleibt mein Buch Manuskript, als dass ich es ihm anvertrauen muss.“ Zapletal wollte sein Buch auch nicht mit der Post verschicken oder ins Ausland bringen, denn der Krieg hat jede Kommunikation erschwert. „Ich habe fünf Jahre an diesem Buch gearbeitet und habe nichts als diese handschriftliche Fassung. Selbst wenn ich bereit wäre, die für die Anfertigung einer Abschrift nötigen Mittel beizubringen, so hätte das doch keinen Zweck wegen der vielen hebräischen, arabischen, syrischen, koptischen und griechischen Texte.“ Anstelle von Weiß schlug Zapletal als dritten Zensor P. Wildenberg vor, den Rektor des Albertinums, „der sicher nichts Falsches oder Unpassendes durchgehen ließe“. Auch P. Sadok Szabó OP,⁸⁴⁷ damals Professor am Angelicum, tauchte in diesem Zusammenhang auf: „Wenn er erklärt, dass es gegenwärtig nicht angezeigt ist, mein Buch drucken zu lassen, dann würde ich mich, da ich gegenüber der gesamten Edition in der Pflicht stehe, dem Urteil P. Szabós fügen, dem ich mein Manuskript schicken würde, sofern es die Verhältnisse erlauben, oder zumindest die Korrekturen.“ Zapletal betonte allerdings, dass man ihn nicht unter die „Problemautoren“ einreihen sollte. „Ich publiziere nun schon 23 Jahre, und keiner der Zensoren oder Kritiker konnte mir je einen doktrinalen Fehler nachweisen; ich musste nie etwas Wesentliches für die zweite Auflage meiner Werke abändern.“ Schließlich erwähnte er noch einen wich-

nach dem Krieg und den sich daran anschließenden Kirchenprozess, den Kardinal Gasparri mit seiner Anordnung vom 25. November 1921 zum Abschluss brachte: Die Sapiniére musste ihre Tätigkeit definitv einstellen. Vgl. Poulat, Intégrisme, S. 576 – 604.  Zapletal an Cormier, 1.4.1916. AGOP XI. 15340.  P. Sadok Szabó OP (1869 – 1956), ungarischer Dominikaner, 1893 – 1898 Professor in Graz, 1898 – 1906 Provinzial der Reichsprovinz, 1906 – 1909 erneut in Graz. Professor für Dogmatik und 1909 – 1927 erster Rektor des Angelicums in Rom.

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tigen Umstand: „Was das Buch der Richter betrifft, so gibt es seitens der Kirche keinen konkreten Beschluss.“ Zu dieser Zeit hatte Zapletal in seinem Ordensmeister noch immer einen Beschützer; das Imprimatur erhielt er bereits am 1. Juni 1916 und zwar von Cormier direkt. Aufgrund der Kriegswirren sowie der desolaten Nachkriegssituation in Deutschland musste das Werk ohnehin weitere sieben Jahre auf seine Drucklegung warten. Angesichts dieser Situation ist es nur zu verständlich, wenn die Motivation zum Abfassen wissenschaftlicher Studien fehlte. Zwischen 1915 und 1920 enstanden lediglich vier kleinere Aufsätze,⁸⁴⁸ die eher Gelegenheitscharakter haben.⁸⁴⁹ Für einen Mann von Zapletals Arbeitstempo erscheint das relativ wenig und zeigt, dass Zapletals Publikationstätigkeit nach 1908 zu stagnieren begann. Vier Aufsätze sind sicher mehr als nichts, aber eben nicht sehr viel mehr.

4.1.1 Zapletals viertes Vikariat Im Herbst 1914 trat die Universität in Fribourg in das zweite Vierteljahrhundert ihres Bestehens ein. Zapletal wandte sich daher am 16. November mit folgender Bitte an den Ordensmeister: „Die hiesige Universität feiert das 25jährige Jubiläum ihrer Gründung. Wäre es nach all den Ereignissen nicht angebracht, dass der Oberste Pontifex sich mit einem Brief an Minister Python wendet, den Begründer der Universität? Ich denke der Brief sollte: 1. den Bürgern des Kantons Fribourg gratulieren, dass sie ein Werk zuwege gebracht haben, dass trotz wiederholter Versuche selbst großen Nationen nicht gelungen ist (ich denke hier an Deutschland und Österreich, die auch vorhatten, eine katholische Universität zu gründen); 2. Herrn Python gratulieren, dass er unter großen persönlichen Opfern erfolgreich ein Werk ans Licht der Welt holen konnte, das der Fribourger Bevölkerung sehr am Herzen lag; 3. die Verdienste erwähnen, welche die Universität sich […] erworben hat, denn von überallher in der Welt kann man nach Fribourg kommen, um eine universitäre Lehre zu finden, wie die Kirche sie wünscht; 4. insbesondere die Verdienste einer Universität hervorheben, an der thomistische Philosophie und Theologie gelehrt wird; 5. ein bisschen auch den Professoren […] für die erwiesenen Dienste danken (das kann diejenigen ermuntern, die an die katholische Ausrichtung und Zielsetzung des Werkes nur wenig denken). Ich glaube, dass Ihr Einfluss die Herausgabe eines solchen Schreibens erreichen und sich einmal mehr um die Fribourger Universität verdient machen kann.“⁸⁵⁰

 Vincent Zapletal, Metrische Ananlyse von Gen. 2,5 – 3,24, in: Biblische Zeitschrift 13 (1915), S. 215 – 221; ders., Der Turmbau von Babel, Gen. 11, 1– 9, in: Biblische Zeitschrift 15(1917), S. 301– 304; ders., Israel zur Zeit der Richter, in: Schweizerische Rundschau 18 (1918), S. 156 – 167.  Vincent Zapletal, Exegese v řádě sv. Dominika [Exegese im Orden des hl. Domenikus], in: Pamětní spis řádu Kazatelského, Praha 1916, S. 166 – 169.  Zapletal an Cormier, 16.11.1914. AGOP XI. 15340.

4.1 Benedikt XV. – ein neuer Pontifex und die „neue“ Situation

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Die Kriegsereignisse, aber auch die organisatorischen Umstellungen, die mit dem Amtsantritt des neuen Papstes einhergingen, trugen offenbar dazu bei, dass Zapletals Initiative scheiterte, denn Cormier antwortete ihm am 19. November: „Ich habe mich umgetan. Obgleich das erwähnte Jubiläum auch uns und alle Förderer der katholischen Wahrheit beflügeln würde, so wiegt seine Bedeutung doch nicht so schwer, dass es die Herausgabe eines Motu proprio bewirken könnte. Vielmehr könnte die Universität selbst sich aus diesem Anlass vor dem Hl. Stuhl verneigen, ihre Ergebenheit gegenüber der Sache des Katholizismus bekennen und einen Segen erbitten.“⁸⁵¹ Ein päpstliches Schreiben wäre ein willkommener Schlusspunkt unter das vergangene Jahrzehnt gewesen; so aber blieb auf der Universität ein gewisser Schatten, und ihr Ruf in der katholischen Öffentlichkeit wurde nicht völlig rehabilitiert. Durch die Kriegsereignisse freilich traten die alten Konflikte in den Hintergrund; sie büßten angesichts des Blutvergießens in den Schützengräben der West- und Ostfront an Dringlichkeit ein. Mit Beginn des Jahres 1915 näherte sich Zapletals drittes dreijähriges Vikariat seinem Ende, so dass Cormier am 19. Januar 1915 die Patres des Albertinums dazu aufrief, ihm nach entsprechendem Gebet einzeln mitzuteilen, wer ihnen aus ihrer Gemeinschaft für die Funktion des Vikars am geeignetsten erscheine. P. Zapletal, so fügte er hinzu, beende sein drittes Vikariat und sehne sich zu Recht danach, das Amt aufzugeben und wieder freier zu sein für die Wissenschaft.⁸⁵² Doch die Patres wollten ihren jetzigen Vikar behalten, und Zapletal setzte sich diesmal noch weniger zur Wehr und wurde aufgrund der Konsultation am 5. Februar für eine weitere Amtszeit bestellt.⁸⁵³ Am 7. Februar nahm Zapletal die Ernennung schriftlich an: „Ich danke Ihnen für das Vertrauen, das Sie mir entgegenbringen, und nehme die Ernennung vor allem deswegen an, weil Sie so freundliche Worte damit verbinden.“⁸⁵⁴ Am 12. Februar gratulierte ihm Cormier: „Ich glaube, dass Gott diese neuen drei Jahre segnen wird. Damit Sie seinen Segen auch verdienen, harren Sie aus im Gebet für alle Brüder, insbesondere für die, die nur langsam an ihrer Vervollkommnung nach den Ordensregeln arbeiten, das Gebet vernachlässigen und den Neigungen ihres Wesens nachgeben. Wenn ein Rat zu erteilen oder Unordnung zu tadeln ist, so wollen Zeitpunkt und Ton recht gewählt sein, damit man bei Ihnen immer die Liebe zum Guten verspüre, zum Guten ganz allgemein und zum Guten eines jeden Einzelnen. Dann wird alles besser angenommen und bringt mehr Frucht.“⁸⁵⁵ Die Erfahrung von neun Jahren Vikariat, das Vertrauen der Mitbrüder und das Wissen darum, dass eine eigene wissenschaftliche Arbeit noch immer blockiert würde, trugen dazu bei, dass Zapletal das Amt annahm, ohne sich, wie etwa bei seiner zweiten und dritten Nominierung, dagegen zu sträuben – freilich auch ohne echte Begeisterung. Die Energien, die an    

Cormier an Zapletal, 19.11.1914. AAlb L 9/2. Brief Cormiers vom 19.1.1915. AAlb L 9/2. Dekret vom 5. 2.1915. AA Fzapletal. Zapletal an Cormier, 7. 2.1915. AGOP XI. 15345. Cormier an Zapletal, 12. 2.1915. AAlb L 9/2.

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4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

sonsten in neue wissenschaftliche Vorhaben geflossen wären, kamen nun dem Vikariat zugute.

4.2 Die internationale Universität in der neutralen Schweiz während des Weltkriegs Das alles bestimmende Geschehen der folgenden Jahre war der Weltkrieg. Obgleich Fribourg in der neutralen Schweiz lag, konnte die Universität schon aufgrund ihres internationalen Charakters den Auswirkungen des Krieges nicht entgehen. Der Krieg beeinträchtigte den Lehrbetrieb, aber brachte ihn nicht zum Stillstand. Aufgrund seines Herzleidens war Zapletal vom Militärdienst freigestellt. Auch verfuhr das katholische Österreich mit Ordensleuten und Priestern in Hinblick auf den Wehrdienst schonender als die antiklerikale französische Republik. Daher musste Zapletal seine akademische Laufbahn auch nicht unterbrechen wie die Kollegen von der École biblique in Jerusalem.⁸⁵⁶ Die Zahl der Studenten ging zwar zurück, doch war sie in der Geschichte der Universität noch nie so hoch gewesen wie 1914.⁸⁵⁷ Zapletal zum Beispiel hatte in seinem Seminar sechzehn Studenten und damit um die Hälfte mehr als bisher.⁸⁵⁸ Von der Beschlagnahmung der Jerusalemer École biblique erfuhr er bereits am 2. Dezember 1914 von Cormier: „Vielleicht wissen Sie schon, dass die Türken in Jerusalem das Kloster des hl. Stefan konfisziert haben, um daraus ein Rathaus oder dergleichen zu machen. Die Franzosen und die Brüder verschiedener anderer Orden wurden interniert […]. In Mossul mangelt es unseren Patres buchstäblich an allem, und die Hilfe, die ihnen der P. Provinzial zu schicken versucht, kann nicht an Ort und Stelle gelangen.“ Auch in den römischen Häusern des Ordens kämpfe man mit derartigen Versorgungsproblemen. „Alle arbeiten beherzt und in großer Eintracht, trotz unterschiedlicher Nationalität.“⁸⁵⁹ Doch an der Universität Fribourg musste der Krieg zwischen den deutschsprachigen Zentralmächten und der von Frankreich geführten Entente unter Deutschen wie Franzosen zu Ressentiments führen. Zunächst hatte sich die Universität an deutschen Vorbildern orientiert; nach der Demission der reichsdeutschen Professoren entstanden stärkere Verbindungen zur österreichischen Monarchie, doch nach den antiklerikalen Repressionen in Frankreich 1905 war gerade die Zahl der französischen Studenten und Professoren deutlich gestiegen. Minister Python verwies in den Kriegsjahren immer wieder auf die Neutralität seines Landes und der Universität. Außer den Professoren aus Deutschland (15) und Österreich (12) waren hier 12 Franzosen tätig, 3 Italiener, 3 Holländer, ein Belgier, ein Engländer, ein Spanier und ein Luxemburger. Schweizer Professoren gab es insgesamt achtzehn, vorwiegend kamen    

Vgl. Montagnes, Marie-Joseph Lagrange, S. 280 – 282. Vgl. Manser, Die Theologische Fakultät, S. 17. Vgl. den Bericht 1914/1915, S. 15. Cormier an Zapletal, 2.12.1914. AAlb L 9/2.

4.2 Die internationale Universität in der neutralen Schweiz während des Weltkriegs

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sie aus den deutschsprachigen Kantonen. Es bestand also ein leichtes Übergewicht zugunsten der Zentralmächte. Unter den „österreichischen“ Professoren waren freilich auch drei Polen, ein Ungar, ein Italiener und ein Tscheche.⁸⁶⁰ Die Verletzung der belgischen Neutralität, die Bombardierung der Universität in Löwen, das brutale Vorgehen der deutschen Verwaltung in den besetzten Gebieten, die Erklärung des totalen U-Boot-Krieges – das alles ließ die antideutsche Stimmung in den französischsprachigen Kantonen erstarken. Im März 1915 machten außerdem die ersten Transporte verwundeter französischer Kriegsgefangener auf ihrem Weg von Deutschland über die Schweiz nach Frankreich in Fribourg Station. Dabei kam es auf den Straßen immer wieder zu verbalen Angriffen auf deutsche Professoren und vor allem auf deutsche Studenten. Die Polizei tolerierte diese Vorfälle mehr oder weniger, so dass der Rektor höchstpersönlich Abhilfe einfordern musste.⁸⁶¹ Der Minister und die Universitätsleitung überlegten wiederholt, ob man für die Dauer des militärischen Konflikts den Unterricht einstellen und die Universität vorübergehend schließen sollte. Denn auch in der Schweiz fürchtete man, die Neutralität zu verlieren und in den Krieg hineingezogen zu werden; daher mobilisierte die Schweizer Armee zunehmend Reservisten. Doch die Studenten kamen weiterhin, auch aus den kriegführenden Ländern. Die Schweizer Armee zeigte sich entgegenkommend und zog Wehrpflichtige nur während der Ferien ein;⁸⁶² und die Universität schloss ihre Pforten nicht, auch dann nicht, als es im März 1916 erneut zu antideutschen Demonstrationen kam.⁸⁶³ An die Spitze der Universität wählte die akademische Gemeinde den Philosophieprofessor Gallus Manser, einen Dominikaner aus St. Gallen, der als Zensor von Zapletals Arbeiten bereits mehrfach Erwähnung gefunden hat. Der Krieg nötigte zu einer Änderung der gängigen Praxis: Manser hatte das Amt des Rektors während der gesamten vier Kriegsjahre inne. Erstes Anliegen war ihm dabei, die Neutralität der Universität zu wahren und den Lehrbetrieb, der durch die Einberufung etlicher Professoren gefährdet war, aufrechtzuerhalten. In seinem ersten Jahresbericht vom November 1915 hob er hervor, dass Neutralität im Krieg keineswegs etwas Passives sei, sondern voraussetze, dass man sich aktiv um eine Begrenzung der Kriegsschäden bemühe und sich für eine friedliche und für alle kriegführenden Parteien akzeptable Lösung einsetze. Neutralität verlange eine gewisse Zurückhaltung in den öffentlichen und privaten Äußerungen. Nicht nur die Universitätsleitung, sondern alle Professoren und Studenten sollten sich einer demonstrativen Parteinahme für eine der kriegführenden Seiten enthalten.⁸⁶⁴ Auch durch die Dominikanerkommunität des Albertinums

 Vgl. Heribert Raab, Die deutschsprachigen Länder, S. 296 f.  Vgl. Altermatt, Anfänge, S. 125.  Vgl. den Bericht 1914/1915, S. 6.  Vgl. Roland Ruffieux, D’une guerre à l’autre, in: Histoire de l’université de Fribourg Suisse / Geschichte der Universität Freiburg Schweiz 1889 – 1989. Institutions, enseignement, recherches / Institution, Lehre und Forschungsbereiche, Bd. 1: Fondation et développement / Entstehung und Entwicklung, éd. par Roland Ruffieux, Fribourg 1991, S. 154– 207, hier S. 155.  Vgl. den Bericht 1914/1915, S. 7– 9.

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4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

ging ein Riss. Direkt beim Ordensmeister beschwerte sich Pater Munnynck. Manser und Zapletal hatten ihm eine Rüge erteilt, nachdem er von einer frankophonen Studentenassoziation um den traditionellen Vortrag zu Ende des Wintersemesters gebeten worden war. Munnynck räumte zwar ein, dass diese Assoziation auf Seiten der Entente stand, dennoch zeigte er sich mit seinen Mitbrüdern nicht einverstanden. Manser habe den Studenten bereits Probleme gemacht, hätte sie aber nicht von ihrem Vorhaben abbringen können, und Zapletal wiederum habe ihm vorgeworfen, dass er die Einladung angenommen habe. Keiner der beiden, klagte Munnynck, kenne den Inhalt des Vortrags, „aber trotzdem haben sie nicht gezögert[,] das, was sie nicht kennen, zu verurteilen, nämlich weil es sich um den Vortrag eines lästigen Belgiers für eine zweifellos ganz und gar schweizerische Hörerschaft handelt, die aber eben französischsprachig ist.“⁸⁶⁵ Der Brief wandelte sich rasch in eine leidenschaftliche Anklage gegen die Leitung des Albertinums: „Das Haus ist allmählich ganz deutsch geworden, einige Patres, die des Deutschen nicht mächtig sind, verstehen kein Wort von dem, was beim Essen gesprochen wird. Stillschweigend haben wir das bisher hingenommen. Wenn P. Zapletal jetzt auch Vorträge in französischer Sprache verbietet, so muss ich mich fügen, aber es wird zu einer solchen Entrüstung führen, dass ich die Verantwortung dafür ganz und gar ihm übertragen muss.“ Angesichts dessen, dass man auch Munnynck des Modernismus beschuldigt hatte, überrascht sein Kommentar zu den unlängst vergangenen Ereignissen: „P. Zapletal hat ja schon jene merkwürdige Situation herbeigeführt, dass bis heute einer der Patres dafür leidet, dass er dem Papst gehorcht hat, während ein anderer – P. Zapletal – Gefallen daran fand, sich zu widersetzen. Mag es ihm daher auch erlaubt sein, dass er mir im Namen seiner politischen Überzeugungen meinen Vortrag verboten hat, deren Inhalt er gar nicht kennt […]. Ich kann keinerlei Rücksicht seitens dieser Patres erwarten, denn ich habe gesündigt, indem ich kein Deutscher bin […]. Ich bitte lediglich darum, dass sie mich in Frieden lassen und mir nicht noch mehr Schmerz in dieser für mich so bitteren Zeit zufügen.“⁸⁶⁶ Gleich mehrere Umstände lassen an der Glaubwürdigkeit von Munnyncks Äußerungen Zweifel aufkommen, vor allem aber, dass er Manser und Zapletal gewissermaßen in einen Topf wirft. Manser war ein deutschsprachiger Schweizer und stets um Wahrung striktester Neutralität bemüht. Zapletal stand dem deutschen und vor allem dem österreichischen Milieu zwar sehr nahe und war ein Untertan der k.u.k.Monarchie, aber seiner Herkunft und nationalen Identität nach war er Tscheche, kein Deutscher, und in vielem war er dem angelsächsischen und dem französischen Kulturraum sehr verbunden. Zum pangermanischen Chauvinisten kann man ihn nicht erklären, zumal ihn die Patres gerade deswegen wiederholt als Vikar nominierten, weil sie wussten, dass er über alle nationalen Parteibildungen und Streitereien erhaben

 Munnynck an Cormier, ohne Datum. AGOP XI. 15300. Der nichtdatierte Brief gehört dem Kontext nach in die Wintermonate 1914/1915.  Ebd.

4.2 Die internationale Universität in der neutralen Schweiz während des Weltkriegs

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war.⁸⁶⁷ Auch Rowan beschrieb die Situation am Albertinum in einem Brief an den Ordensmeister vom 12. Juni 1915: „Den Patres geht es gut[,] und trotz der großen Unterschiede in den patriotischen Gefühlen leben wir glücklich und in gegenseitiger Liebe.“⁸⁶⁸ Der lateinische Nekrolog auf Zapletal erwähnt, dass dieser sich während des Krieges um verwundete tschechische Soldaten kümmerte. Doch deswegen wird man ihn kaum als leidenschaftlichen Anhänger der Zentralmächte bezeichnen können.⁸⁶⁹ Munnynck hatte bereits früher wiederholt einen Hang zu übereilten Urteilen und Entscheidungen bewiesen, und Zapletal zählte nicht zu seinen Freunden. Schon 1905, zu Beginn seiner akademischen Laufbahn, hatte er sich im Streit mit den Laienprofessoren der philosophischen Fakultät gegen alle anderen Dominikaner gestellt; später hatte er sich in einem Schreiben an den Ordensmeister nicht allzu gewählt über Zapletal geäußert, und zwar in Bezug auf dessen ablehnende Haltung gegenüber Speiser. Wenn Munnynck nun die Affäre um die Rektorenwahl 1910 als Widersetzlichkeit Zapletals gegnüber dem Papst hinstellte, so beleidigte er – dessen war er sich offenbar gar nicht bewusst – zugleich auch Cormier, der damals bereit war, wegen Zapletal sein Amt als Ordensmeister niederzulegen. Munnyncks Beschwerde zeigte, dass die ihm in früheren Kämpfen geschlagenen Wunden noch lange nicht verheilt waren, obgleich die Fragen nun nicht mehr mit derselben Vehemenz verhandelt wurden und inzwischen einige Zeit vergangen war. Munnyncks Reaktion ist bei aller Überempfindlichkeit doch auch verständlich, denn sein Heimatland litt besonders unter der brutalen Okkupation durch Deutschland, durch einen Verbündeten jener Monarchie also, aus der sein Vorgesetzter kam, von den persönlichen Vorbehalten einmal ganz abgesehen. Zapletal und Manser ging es sicher um ganz anderes: Sie wollten die Professoren, insbesondere die Dominikanerprofessoren, aus den nationalen Parteilichkeiten heraushalten. Als Manser in seiner Funktion als Rektor mit seiner Bitte bei Munnynck auf taube Ohren stieß, ersuchte er Zapletal, als Vikar der Kommunität unter Berufung auf den Ordensgehorsam einzuschreiten. Womöglich haben sie es dabei am nötigen Fingerspitzengefühl fehlen lassen. Infolge der Inflation erhöhte Professor Beck, der Rektor der Salesianer, Anfang 1915 die Studiengebühren, nicht ohne der Leitung des Albertinums eine gleichzeitige Anhebung der Gebühren an beiden Kollegien vorzuschlagen. Zapletal legte dem Professorenrat diesen Vorschlag am 11. März 1915 vor. Knar, Wildenberg und Michel lehnten ab, keiner der Patres sprach sich dafür aus. Die Studenten im Albertinum, so die Argumentation, seien überwiegend keine Einheimischen, sie kämen aus Ländern, die unter der Kriegsnot litten, eine Erhöhung sei auch nicht unbedingt notwendig. Um jeden Preis aber sei die Unabhängigkeit des Kollegs zu wahren. Bei dieser Position

 So kann auf Langen-Wendels und seine Haltung vor der Umfrage zu den Vikariatswahlen 1912 verwiesen werden.  Rowan an Cormier, 12.6.1915. AGOP XI. 15300.  Vgl. Elogium. In memoriam Adm. Rev. P. Mag. Vincentii Zapletal e Prov. Bohemiae, in: Analecta Fratrum Praedicatorum 46 (1938), S. 534 f., hier S. 535.

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4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

blieb man auch am 25. Juni 1916, als der Vorschlag neuerlich verhandelt wurde.⁸⁷⁰ Auch in der neutralen Schweiz hatte die Wirtschaft mit Versorgungsproblemen zu kämpfen. Im März 1916 hatte der Vikar an den Ordensmeister geschrieben, dass es an der Universität und im Albertinum nichts Neues gebe, „aber wir spüren die Folgen des Krieges“.⁸⁷¹ Gravierende materielle Schwierigkeiten sollten sich erst im darauffolgenden akademischen Jahr 1917/18 einstellen. Die Lebenshaltungskosten schnellten drastisch nach oben, die Inflation stieg, die Währung wurde abgewertet, die Schweizer Behörden wiederum erhöhten die Steuern und andere Abgaben. Viele Professoren und ihre Familien litten Not.⁸⁷² Gleich zu Jahresbeginn, am 2. Februar 1917, schrieb Zapletal an den Ordensmeister: „Das Leben wird immer schwieriger, weil es an Kartoffeln und Kohle fehlt.“⁸⁷³ Bei der Ratssitzung ist die Rede von einer „kritischen Situation“, einige Lebensmittel wie Fleisch oder Wein waren inzwischen Mangelware.⁸⁷⁴ Da es auch an Heizmaterial fehlte, musste der Unterricht eingeschränkt werden. Er endete nun täglich um 18.00 Uhr. Dennoch musste der Rektor auch die Winterferien verlängern; nach den Weihnachtstagen 1917 wurde der Lehrbetrieb erst zum 1. Februar 1918 wieder aufgenommen. Als der Krieg im November 1918 zu Ende ging, fehlte es freilich weiterhin an Kohle, Getreide und anderen lebenswichtigen Dingen, so dass der Unterricht auch im akademischen Jahr 1918/19 nur eingeschränkt stattfinden konnte. Von Kampfhandlungen war die Schweiz verschont geblieben, doch von der Spanischen Grippe wurde sie erreicht. Das Sommersemester 1918 wurde vorzeitig beendet, der Beginn des nächsten Semesters verschoben. Trotz aller Vorkehrungen forderte die Epidemie unter den Angehörigen der akademischen Gemeinde mindestens zwei Dutzend Opfer.⁸⁷⁵

4.2.1 Das Generalkapitel in Fribourg 1916 Fribourg war wegen der Neutralität der Schweiz und seiner verkehrstechnisch günstigen Lage ein idealer Ort für das Generalkapitel im Sommer 1916, das nach zwölf Jahren einen neuen Ordensmeister wählen sollte. In Friedenszeiten hätten sich damit große Feierlichkeiten zum siebenhundertjährigen Bestehen des Dominikanerordens verbunden, aber daran war jetzt nicht zu denken. Die Idee eines Generalkapitels im Albertinum war bereits vier Jahre zuvor aufgetaucht,⁸⁷⁶ doch schließlich kam das Kapitel zwischen dem 28. August und 5. September 1913 in Venlo zusammen. Für Zapletal als Vikar des Albertinums brachte das erneute Vorhaben viele zusätzliche

      

AAlb A7. Zapletal an Cormier, 22. 3.1916. AGOP XI. 15340. Vgl. den Bericht 1917/1918, S. 3 f. Zapletal an Cormier, 2. 2.1917. AGOP XI. 15300. AAlb A7. Vgl. die Berichte 1917/1918, S. 5, und 1918/1919, S. 4. Vgl. den Briefwechsel von Cormier und Zapletal vom April 1912. AGOP XI. 15340 und AA FZapletal.

4.2 Die internationale Universität in der neutralen Schweiz während des Weltkriegs

225

Sorgen mit sich. Die Unterbringung Dutzender Dominikaner, die aus der ganzen Welt anreisten, war eine große organisatorische Herausforderung. So ist die Vorbereitung des Kapitels im Herbst 1915 Hauptthema seiner Korrespondenz.⁸⁷⁷ Bis zum letzten Moment lief die Arbeit auf Hochtouren. Dank der organisatorischen Fähigkeiten Zapletals und der freundschaftlichen Unterstützung Pythons verlief das Kapitel zwischen dem 3. und 10. August 1916 ohne größere Komplikationen. Gleich am ersten Verhandlungstag erhielt der Orden einen neuen Ordensmeister. Die Wahl des neuen Ordensmeisters schwächte Zapletals Stellung nicht grundsätzlich. Luis Theissling gehörte bereits seit längerem zu den engsten Mitarbeitern Cormiers, er kannte die Situation in Fribourg aus eigener Anschauung und hatte sich auch schon für die in die Kritik geratenen Exegeten engagiert. Zwar genoss er in Rom nicht dasselbe Ansehen und nicht dieselbe Autorität wie Cormier, aber das war inzwischen auch nicht mehr so nötig. Mit überdurchschnittlichem Wohlwollen und Vertrauen seitens des Ordensmeisters konnte Zapletal also auch weiterhin rechnen. Im Übrigen lud Zapletal Theissling gleich im Februar 1917 sehr herzlich nach Fribourg ein.⁸⁷⁸ Hyacinthe-Marie Cormier, der langjährige Freund und Beschützer der Fribourger Professoren, zog sich zurück. Er starb einige Monate später, am 17. Dezember 1916, im Ruf der Heiligkeit. Auf Bitten des Ordensmeisters trug Zapletal einen sechsseitigen lateinischen Bericht über das Wirken der Dominikaner in Fribourg vor.⁸⁷⁹ Darin hob er die Bedeutung Berthiers als Gründer der Fakultät, der Universität und des Albertinums hervor. Die Dominikanerprofessoren seien bestens in das Leben der akademischen Gemeinde der staatlichen Universität integriert und müssten daher anspruchsvollen Kriterien genügen; die von ihnen ausgestellten Diplome würden problemlos anerkannt. Die Professoren müssten mindestens sechs Stunden wöchentlich Vorlesung halten; zeitaufwändig seien auch die Prüfungen und die Betreuung der Doktorarbeiten. Als Universitätsprofessor sei man außerdem verpflichtet, wissenschaftlich zu arbeiten und zu publizieren.⁸⁸⁰ Die Fribourger Dominikaner hätten während der zwanzig Jahre ihres Wirkens 25 Monographien und an die 400 Studien herausgegeben. Damit würden sie an die altehrwürdige Tradition des Ordens anknüpfen, hätten doch die Dominikaner im Mittelalter an fast jeder Universität Lehrstühle innegehabt und sich durch ihre wissenschaftlichen Leistungen vor den anderen Orden ausgezeichnet. Damals hätten sie sich nicht nur an den allgemeinen wissenschaftlichen Bestrebungen beteiligt, sondern hätten auch neue Wege beschritten, wie beispielsweise die Geschichte der Exegese vom 13. bis 15. Jahrhundert deutlich zeige. Keiner der

 Vgl. Zapletals Korrespondenz aus dieser Zeit. AGOP XI. 15345.  Zapletal an Theissling, 16. 2.1917, AGOP XI. 15300.  Erschienen als Beilage zu den Kapitelsakten: De Facultate nostra theologica friburgensis Relatio Capitulo Generalis praesentata ab A.R.P. Mag. Fr.Vincentio Zapletal, in: Acta Capituli Generalis Ordinis Praedicatorum Fribourgi, Romae 1916, Appendix, S. 129 – 135.  Vgl. ebd., S. 131: „Quando nomen Professoris Universitatis pronunciatur, solet communiter poni questio: Quidnam scripsit?“

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4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

Patres vernachlässige aber die übrigen Bereiche des Apostolats. Während der Ferien seien sie als Prediger und Exerzitienmeister tätig und hielten öffentliche Vorträge. Die Fakultät habe sich einen Namen erworben, und eine ganze Reihe von Kongregationen und Orden würden ihre Scholastiker hierher senden. Das Albertinum als Konvikt ermögliche es dem Orden, die Alumnen auch in geistlicher Hinsicht zu formen. Dank Cormiers Großzügigkeit habe man das Konvikt vergrößern und die Schulden zum Teil zurückzahlen können, wofür Zapletal im Namen aller dankte. Anschließend legte er in sechs Punkten dar, was das Fribourger Projekt in Zukunft vom Orden brauche. All dies seien Dinge, die Zapletal seinen Vorgesetzen bereits seit 1895 immer wieder vorgetragen habe: Die Ausbildung einer zukünftigen Professorengeneration, die Entsendung junger Dominikaner zum Studium nach Fribourg, internationale Werbung für Fribourg, Ermunterung des Klerus zum Studium sowie der Bischöfe zur Einrichtung dementsprechender Stipendien. Auch sollten die Dominikaner für das Albertinum Mäzene gewinnen, denn hier herrsche allgemein die Ansicht, dass bei so vielen Professorengehältern keine materiellen Sorgen bestehen könnten, und den Gehaltsunterschied zwischen einem Dominikanerprofessor und einem Laienprofessor darzulegen, sei peinlich. Schließlich verlange auch das Problem der mangelnden finanziellen Absicherung emeritierter Professoren nach einer Lösung. Ganz am Schluss seines Berichts und nur andeutungsweise kam Zapletal auf die Auseinandersetzung um die Professoren zu sprechen. Zunächst habe man in Frage gestellt, ob die Dominikanerprofessoren für eine staatliche Universität qualifiziert seien und den wissenschaftlichen Anforderungen gerecht würden. Doch kaum hätten sie diese Bedenken entkräftet, hätten Kritiker begonnen, die Rechtgläubigkeit mancher von ihnen in Zweifel zu ziehen, ohne dabei über all die Jahre einen einzigen soliden Beweis zu liefern: „Neue Werke, wollen sie gut sein, müssen derartige Anfechtungen durchstehen […]. Unvollkommenheiten können an unserer theologischen Fakultät vorkommen, wir sind nur Menschen, aber eines kann ich bekennen: Wir bemühen uns, Vollkommenheit zu erreichen!“⁸⁸¹

4.2.2 Schwierigkeiten und Not während des Krieges In den Sommerferien 1917 fuhr Zapletal wie immer nach Hacking. Von dort wandte er sich am 5. Oktober 1917 mit einer dringlichen Bitte an Python. Schon seit dem 1. September habe er sich vergeblich darum bemüht, die erforderliche Erlaubnis für eine Rückkehr in die Schweiz zu erhalten. Seit dem 20. September sei außerdem die Staatsgrenze geschlossen, so dass eine Rückkehr noch komplizierter geworden sei. Wenn er bis zum 16./17. Oktober nicht nach Fribourg zurückkäme, könne Python als Minister der Kantonsregierung vielleicht bei der österreichischen Regierung interve-

 Ebd., S. 135.

4.2 Die internationale Universität in der neutralen Schweiz während des Weltkriegs

227

nieren.⁸⁸² Sicher sollte man vereinzelte Formulierungen in seinem Schreiben nicht überinterpretieren, doch fällt die Bezeichnung „österreichische Regierung“ ins Auge, denn vor dem Krieg hatte Zapletal stets von „unserer Regierung“ gesprochen. Das mag ein Zufall sein, eine momentane Verärgerung über die bürokratische Willkür; vielleicht aber zeigt sich hierin auch die Abwendung der tschechischen Eliten vom Gedanken des österreichischen Vielvölkerstaates. Im Übrigen konnten Zapletals Schwierigkeiten durchaus auch damit zusammenhängen, dass die Schweiz traditionell als Zufluchtsort für politische Flüchtlinge und Drehscheibe nachrichtendienstlicher Tätigkeiten galt; vielleicht also verdächtigte man den Fribourger Professor der Zusammenarbeit mit dem tschechischen Auslandsnachrichtendienst. Im Übrigen konnte das Rektorat bereits 1915 auf diplomatischem Weg klären, dass die österreichischen Behörden polnischen Theologiestudenten die Rückkehr nach Fribourg erlaubten.⁸⁸³ Ähnliche Probleme an der Grenze waren während des Krieges an der Tagesordnung. Wie Zapletal dem Ordensmeister berichtete, war es praktisch unmöglich, irgendein Manuskript mit über die österreichische Grenze zu nehmen. Bei den Kontrollen konfiszierte man sogar Priesterbreviere.⁸⁸⁴ Auch der Postweg hatte an Zuverlässigkeit eingebüßt; Postsendungen in die kriegführenden Staaten wurden geöffnet und kontrolliert. Python wartete nicht bis zu dem angegebenen Datum, sondern bat den Botschafter Österreich-Ungarns in Bern bereits am 11. Oktober 1917 um eine Intervention bei der österreichisch-ungarischen Regierung, damit Zapletal die Erlaubnis zur Rückkehr erhielt und seine Vorlesungen möglichst bald wieder aufnehmen konnte.⁸⁸⁵ Der Botschafter informierte Python bereits am nächsten Tag, dass er die österreichisch-ungarische Regierung telegrafisch benachrichtigt habe, sie möge die nötige Erlaubnis erteilen. Die Maßnahme hatte Erfolg, Zapletal konnte seine Vorlesungen im Wintersemester rechtzeitig aufnehmen. Aufgrund der Kriegsereignisse und Theisslings Visitation in den überseeischen Ordensprovinzen versah Zapletal sein viertes Vikariat bis weit über den Januar 1918 hinaus. Erst im Oktober 1918 wurde P. Marco Sales zum neuen Vikar bestellt. In der Folgezeit wechselten die Vikare, wie vorgesehen, nach etwa dreijähriger Amtszeit. Auf Sales folgte P. Jacquin (10/1921– 1/1925), dann P. Knar (1/25 – 11/1927) und P. Szabó (11/ 1927– 1930). Auch im Professorenkollegium der Fakultät kam es zu Veränderungen: Am 14. Juli 1918 starb Norberto del Prado, am 30. April 1919 Leo Michel. Mit Ende des Sommersemesters 1919 verließ Albert Maria Weiß die Fakultät und das Albertinum endgültig. Ein Jahr zuvor hatte Pierre-Marie Mandonnet Fribourg verlassen. Im Oktober 1918 war die österreichische Monarchie zerfallen, und Zapletal musste sich nun für die Staatsbürgerschaft eines der Nachfolgestaaten entscheiden. Freilich bot sich noch eine andere Möglichkeit. Noch während des Krieges und kurz danach war die Schweizer Konföderation bereit, ausländischen Professoren, die längere Zeit im Land    

Zapletal an Python, 5.10.1917. AEF Zapletal. Vgl. Ruffieux, D’une guerre à l’autre, S. 160. Zapletal an Cormier, 1.4.1916. AGOP XI. 15340. Vgl. Pythons Schreiben vom 11.10.1917. AEF Zapletal.

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4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

tätig waren, die Schweizer Staatsbürgerschaft zu verleihen; nicht zuletzt deswegen erhöhte sich der Prozentsatz der Schweizer Professoren. Bis 1918 hatte Zapletal die österreichisch-ungarische Staatsbürgerschaft behalten. Dokumente aus der Zeit direkt nach dem Krieg liegen uns nicht vor, aber eine am 20. März 1931 vom Kreisamt in Litovel/Littau ausgestellte Urkunde hat sich erhalten. Sie bescheinigt, dass Dr. theol. Dr. phil. Adolf V. Zapletal Staatsbürger der Tschechoslowakischen Republik war.⁸⁸⁶ 1918 konnte Rektor Gallus Manser der akademischen Gemeinde eine wichtige Neuigkeit mitteilen. Zwanzig Jahre nach Gründung der Universität war es gelungen, eine Pensionskasse für die Professoren einzurichten.⁸⁸⁷ Die fehlende Rentenversicherung war eines der letzten ungeklärten Probleme aus den improvisierten Anfängen der Universität, das die Professoren und ihre Familien einer erheblichen existentiellen Unsicherheit aussetzte. Auch neue Dozenten zu gewinnen, war dadurch erschwert. Der Rektor dankte der Kommission, die das Projekt der Pensionskasse ausgearbeitet und die nötigen Schritte mit der Kantonsregierung verhandelt hatte. In die Kommission hatte man Persönlichkeiten berufen, die im öffentlichen und akademischen Leben hohes Ansehen genossen. Präsident war Professor Daniëls, zu den weiteren Mitgliedern zählten De Labriolle, Schnürer, Tuor und Zapletal.⁸⁸⁸ Dass man 1910 Zapletal mit der Arbeit in dieser universitären Kommission beauftragt hatte, in der er bis Ende 1918 ganze acht Jahre tätig war,⁸⁸⁹ zeugt davon, dass die Dominikanerkommunität auf sein Geschick in praktischen Belangen und im politischen Verhandeln vertraute. Dieses Engagement kostete den Exegeten Zapletal jedoch erneut viel Zeit und Energie.

4.3 Von wissenschaftlicher Exegese zum biblischen Roman In den Jahren nach dem Krieg erschienen erneut einzelne exegetische Arbeiten, die sich auf die moderne historisch-kritische Methode stützten. 1919 publizierte der Sulpizianer Jules Touzard, Professor am Institut catholique in Paris, eine bemerkenswerte Untersuchung zum Pentateuch. Selbst Lagrange war der Meinung, dass diese Studie, sofern sie nicht verurteilt werden sollte, in der katholischen Kirche einen Neubeginn der kritischen Exegese einläuten würde. Offenbar dachte die gegnerische Seite dasselbe. Diesmal war es nicht die Bibelkommission, sondern das Heilige Offizium – inzwischen war Kardinal Merry del Val vom Staatssekretariat hierher gewechselt –, das Bedenken anmeldete. Sie hielt Touzards Schlussfolgerungen in Bezug auf den authentischen Verfasser der Heiligen Schrift für gefährlich. Ein entsprechendes Dekret wurde am 21. April 1920 herausgegeben, in den Acta Apostolicae Sedis am 1. Mai 1920

   

AA FZapletal. Definitiv eingeführt am 1.1.1920, jedoch mit rückwirkender Gültigkeit vom 1.10.1918 an. Vgl. den Bericht 1917/1918, S. 5. AAlb A7 (1910, 1918).

4.3 Von wissenschaftlicher Exegese zum biblischen Roman

229

veröffentlicht und nicht anders als unter Pius X. war damit der wissenschaftlichen Laufbahn des französischen Exegeten ein Ende gesetzt.⁸⁹⁰ P. Leopold Fonck SJ, führender Kopf des Kampfes gegen die progressive Exegese und Direktor des Bibelinstituts in Rom, hatte nach dem Kriegseintritt Italiens die Jahre zwischen 1915 – 1919 in der Schweiz verbringen müssen, war dann aber nach Rom zurückgekehrt. Er nahm erheblichen Einfluss auf den Wortlaut der neuen Enzyklika Spiritus Paraclitus, die am 15. Dezember 1920 herausgegeben wurde und Stellung zu bibelwissenschaftlichen Fragen bezog.⁸⁹¹ Die konservativen Exegeten, die sowohl in der Bibelkommission wie im Bibelinstitut die Oberhand hatten, nutzten das Jubiläum des hl. Hieronymus, um die katholische Bibelwissenschaft noch massiver von modernen Methoden, Entdeckungen und Forschungsergebnissen abzuschotten. Vor allem sollte damit einer nicht genehmen Auslegung der Enzyklika Providentissimus Deus ein Riegel vorgeschoben werden, die stellenweise davon spricht – so zumindest lässt es sich interpretieren –, dass in den alttestamentlichen Texten verschiedene Arten historischer Darstellung oder historischer Wahrheit denkbar sind. Eine solche Differenzierung zwischen grundsätzlichen bzw. religiösen Wahrheiten, für die die Inspirationslehre und daher auch die Unfehlbarkeit des biblischen Textes gelte, und historisch-weltlichen Faktoren lehnten die Autoren der neuen Enzyklika entschieden ab. Die Ansicht, dass die Darstellung der Ereignisse in den geschichtlichen Büchern des Alten Testaments nicht unmittelbar aus einer absoluten, objektiven Wahrheit hervorgehe, sondern der Verfasser des heiligen Textes auch aus der Überlieferung des Volkes schöpfe, wurde verworfen. Diesem Typus „absoluter und historischer“ Wahrheit seien auch Erzählungen wie die von Jonas, Ninive, Lots Weib etc. zuzuordnen.⁸⁹² Wie ernst diese Richtlinien gemeint waren, wurde in aller Schärfe deutlich, als man am 12. Dezember 1923 das Manuel biblique des namhaften französischen Exegeten Fulcran Vigouroux auf den Index setzte. Vigouroux hatte es zusammen mit seinem Kollegen Louis Bacuez verfasst; ab 1907 lag die Herausgeberschaft und Überarbeitung in der Verantwortung von Augustin Brassac. Dieses bibelwissenschaftliche Handbuch, mehrfach aufgelegt und zudem ins Italienische, Spanische und Englische übersetzt, hatte Generationen von Theologiestudenten gedient.⁸⁹³ Sein Verbot war daher durchaus auch als Disziplinarmaßnahme gegen eine sehr gemäßigte, aber eben nicht ausschließlich konservative Exegese zu verstehen. Alles, was nicht mit der ganz und gar konservativen Linie konform ging, sollte sich anpassen oder eben von der Bildfläche verschwinden. Wieder also waren die Namen bedeutender Exegeten auf dem Index zu lesen, war doch Vigouroux in der katholischen Exegese eine Symbolfigur der Erneuerung und außerdem von ihrer Gründung 1902 bis

 Vgl. Montagnes, Marie-Joseph Lagrange, S. 288 f.  Vgl. EB 444– 495.  Vgl. EB 463.  P. Fulcran Vigouroux (1837– 1915), Sulpizianer, Professor der Exegese am Seminar der Sulpizianer in Paris (1868 – 1903) sowie am Pariser Institut catholique (1890 – 1903), Herausgeber des monumentalen Dictionnaire de la Bible.

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4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

zu seinem Tod am 21. Februar 1915 Sekretär der Bibelkommission. Augustin Brassac, der als einziger der Autoren noch lebte, musste auf Veranlassung Merry del Vals seine Lehrtätigkeit umgehend für immer aufgeben.⁸⁹⁴ Als am 6. Januar 1922 Achille Ratti zum neuen Papst gewählt wurde, keimten neue Hoffnungen, denn Ratti war Historiker und Archivar, er stand als Wissenschaftler in Ansehen und hatte 1897 am IV. Internationalen Kongress der katholischen Gelehrten in Fribourg teilgenommen. Doch die moderne katholische Exegese⁸⁹⁵ kam zwischen den Enzykliken Spiritus Paraclitus (1920) und Divino afflante Spiritu (1943) im Grunde nicht voran. Unter Pius XI. herrschten in der Bibelwissenschaft dieselben starren Verhältnisse wie unter Pius X., eine Atmosphäre der Verdächtigungen und der Autozensur, die im Grunde bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil anhielt.⁸⁹⁶ Die Konservativen hatten sich in den Schlüsselpositionen festgesetzt und waren nicht bereit, auch nur ein Jota nachzugeben. Kardinal De Lai war bis 1928 Präfekt der Konsistorialkongregation. Nachfolger Kardinal Rampollas als Präsident der Bibelkommission war Kardinal van Rossum, ein bis zu seinem Tod am 30. August 1932 überzeugter Integralist. Nehmen wir nun noch die Kardinäle Louis Billot⁸⁹⁷ und Rafael Merry del Val hinzu, so haben wir den harten Kern des konservativen Lagers vor uns, der bis zum Ende der 1920er Jahre im Heiligen Offizium, in der Bibelkommission und in der Konsistorialkongregation den Ton angab. Dennoch büßten sie mit der Zeit, vor allem nach 1930, einige ihrer Positionen ein. Fonck sah sich 1929 aufgrund päpstlicher Anordnung gezwungen, Rom zu verlassen; er starb ein Jahr später in Wien.⁸⁹⁸ Kardinal Billot musste nach dem Verbot der chauvinistischen, faschismusaffinen Action française Rom bereits 1927 den Rücken kehren, und Merry del Val starb 1930. Als Sekretär des Heiligen Offiziums hatte er jedoch noch die Verurteilung der deutschen Bibelübersetzung von Nivard Schlögl (1922) durchgesetzt. Unter dem Pontifikat Pius’ XI. ließen seine Aktivitäten allerdings nach. Auch die Bibelkommission verlor an Bedeutung; so waren 1935 nur noch drei ihrer Mitglieder Kardinäle. In den Jahren 1904 – 1915 hatte sie jährlich ein oder zwei Dekrete herausgegeben, also insgesamt vierzehn, nach dem Krieg waren es bis dato

 Vgl. Montagnes, Marie-Joseph Lagrange, S. 289 f.  Vgl. Bernard Montagnes, La question biblique au temps de Pie XI, in: Achille Ratti Pape Pie XI. Actes du colloque organisé par l’Ecole française de Rome (Rome, 15 – 18 mars 1989), Rome 1996, S. 255 – 276, hier S. 256.  Vgl. Christoph Theobald, L’exégèse catholique au moment de la crise moderniste, in: Le monde contemporain et la Bible, éd. par Claude Savart et Jean-Noël Aletti, Paris 1985 (Bible de tous les temps 8), S. 387– 439, hier S. 387 f.  Kardinal Louis Billot (1846 – 1931), französischer Priester, trat 1869 in den Jesuitenorden ein, 1885 als bedeutender Thomist nach Rom an die Gregoriana berufen. 1911 wurde er zum Kardinal ernannt. Bedeutender Theologe, Vertreter eines ahistorischen Thomismus (Dogmen haben keine Geschichte) und von großem Einfluss auf seine Schüler. Billot, Merry del Val, de Lai und van Rossum hatten vier der neun Stimmen im Kollegium des Heiligen Offiziums. Zu seiner Rolle vgl. Petráček, Bible a moderní kritika, S. 158 – 160.  Vgl. Correspondance, S. 221.

4.3 Von wissenschaftlicher Exegese zum biblischen Roman

231

nur drei. Die älteren Dekrete verloren durch die Untätigkeit der Kommission jedoch keineswegs an Gültigkeit, sie waren Bestandteil des kirchlichen Magisteriums, und Abweichungen wurden nicht toleriert. Zwar handelte es sich nicht um unabänderliche, in feierlicher Form verkündete, verbindliche Dogmen, doch verpflichteten sie nach dem Motu proprio vom 18. November 1907 alle Katholiken im Gewissen. Wer sich in Wort und Schrift dagegenstellte, machte sich zwar keiner Häresie schuldig, aber immerhin einer Gehorsamsverweigerung. Die Autorität der Verlautbarungen der Bibelkommission wurde am 27. Februar 1924 offiziell bestätigt.⁸⁹⁹

4.3.1 Letzte wissenschaftliche Arbeiten Angesichts dieser Situation suchten die progressiven katholischen Exegeten nach gangbaren Wegen: Manche verlegten sich auf das Schreiben frommer Kommentare, unter Verzicht auf ihre wissenschaftlichen Ambitionen, andere wechselten in die Bereiche der Bibelwissenschaft, die nicht blockiert waren, wie etwa die Philologie, die Archäologie oder die Erforschung des kulturgeschichtlichen Kontexts der biblischen Bücher. Durch den Krieg hatten aber nicht nur die Kontakte unter den Integralisten gelitten, auch die universitären Zentren Europas waren nicht mehr so gut vernetzt, und die Herausgabe wissenschaftlicher Zeitschriften verzögerte sich. Der 19. Jahrgang der bei Herder verlegten renommierten Zeitschrift Biblische Studien war 1916 erschienen; die Folgenummern ließen bis 1920 auf sich warten. Als erstes erschien Zapletals etwa achtzigseitige kulturhistorische Schrift Der Wein in der Bibel. ⁹⁰⁰ Schon der Titel zeigt, dass die katholischen Exegeten sich gedrängt sahen, auf Kosten eigentlich exegetischer Studien auf sprachliche oder kulturhistorische Fragestellungen auszuweichen.⁹⁰¹ Zapletal vermittelt seinen Lesern einen gründlichen Einblick in die Thematik, er untersucht die hebräische und aramäische Terminologie und interpretiert die wichtigsten Perikopen. Ausgiebige Berücksichtigung findet, bei ihm gewissermaßen traditionell, der kulturhistorische Kontext. Im Weinstock sieht Zapletal, ebenso wie im Feigenbaum und im Ölbaum, eine „charakteristische Pflanze Palästinas“.⁹⁰² Das zeige auch die Rolle, welche der Wein im hebräischen Denken, in „sprichwörtlichen Redensarten, in der religiösen Bildersprache“ und in „allerlei Vergleichen“ spiele.⁹⁰³ Ein heutiger Betrachter solle sich von den relativ wenigen Weinbergen im modernen Palästina nicht täuschen lassen; der Rückgang des Wein-

 Vgl. EB 283 – 288; 519.  Vincent Zapletal, Der Wein in der Bibel. Kulturgeschichtliche und exegetische Studie, Freiburg i. Br. 1920 (Biblische Studien 20, Heft 1), 79 S. (Im Weiteren zit. als: Der Wein in der Bibel). Nach dem Primatur des Ordens lag die Schrift bereits 1918 vor.  Dasselbe gilt auch für einen anderen tschechischen Exegeten: Johann Hejčl, Das alttestamentliche Zinsverbot, Freiburg i. Br. 1907 (Biblische Studien 12, Heft 1).  Der Wein in der Bibel, S. 4.  Der Wein in der Bibel, S. 8.

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4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

baus habe mit dem Verbot des Weintrinkens durch die islamischen Einwanderer eingesetzt. Gerade die allumfassenden Erfahrungen der Hebräer mit dem Weinbau erklärt das Gleichnis von Israel als Weinberg des Herrn in Jes 5,1– 7 und Ps 79,9 – 20.⁹⁰⁴ Obzwar der Wein den Hauptzweck des Rebenbaus darstellte und wie Brot und Salz zu den elementaren Lebensbedürfnissen zählte, kannte man in Palästina auch andere Arten der Nutzung. Die Trauben wurden roh und selbst in unreifem Zustand verzehrt, zu Rosinen getrocknet oder zu Traubenhonig und Traubenkuchen verarbeitet. Beliebtheit erfreute sich auch der Weinessig.⁹⁰⁵ Die Israeliten kannten auch andere alkoholische Getränke, und die Bibel warnt vor den Folgen der Trunkenheit. Der Autor gibt einen Überblick über die christlichen Sekten, die alkoholische Getränke verboten und den Wein selbst bei der Eucharistie durch Most ersetzten. Die Versuche, aus biblischen Texten ein zwingendes Alkoholverbot für Christen abzuleiten, wie es an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert die starke Abstinenzbewegeung durchsetzen wollte, erklärt Zapletal für unwissenschaftlich.⁹⁰⁶ Im letzten Abschnitt untersucht Zapletal die Rolle des Weins beim Pessach-Fest und beim letzen Abendmahl. Dabei zieht er Texte aus dem Alten und Neuen Testament heran und befragt auch jüdische Quellen wie Mischna und Talmud. Neben anderen zitiert er mehrfach Marie-Joseph Lagrange und Alois Musil. Die Fachwelt zollte der wie gewohnt sorgfältigen und detaillierten Analyse sowie den kulturhistorischen Kenntnissen Zapletals die verdiente Anerkennung.⁹⁰⁷ 1921 erschien Zapletals lateinisch verfasste Grammatik des Hebräischen in der dritten Auflage. Zapletal hatte über ein Jahrzehnt an der Herausgabe eines Kommentars zum Buch der Richter gearbeitet. Zunächst hatte er einige Teilstudien veröffentlicht und sich in seinen Exegese-Seminaren an der theologischen Fakultät mit dem Buch der Richter beschäftigt. Der Publikation des gesamten Werkes gingen komplizierte Verhandlungen voran. Auch Eingriffe in den Text wurden vorgenommen. Obwohl die Arbeit im Grunde zu Weihnachten 1915 fertig vorlag – Zapletal beendete in diesen Tagen sein Vorwort –, zog sich das Verfahren zur Genehmigung noch ganze sechs Monate hin. Das im Ordensarchiv erhaltene Gutachten weist darauf hin, dass das Buch der Richter etliche textkritische und historische Probleme enthalte. Zapletals Kommentar gründete natürlich auf der Quellentheorie, was nach Meinung des Zensors „wohl sehr berechtigt und der Wahrheit gemäß“ ist, aber genau aus diesem Grund seien die Kommentare von P. Lagrange verboten worden. Im Buch der Richter fänden sich historische und legendarische Elemente kombiniert, aber hiermit bewege sich Zapletal durch seine „apologetische Arbeit“ zu Samson auf wohl bereitetem Boden.⁹⁰⁸ Obgleich das Werk vom Orden am 4. Juni 1916 schließlich das Imprimatur erhielt,     

Der Wein in der Bibel, S. 10 – 17. Der Wein in der Bibel, S. 34– 37. Der Wein in der Bibel, S. 52 f, 57, 66 – 67. RB 30 (1921), S. 150. ČKD 61 (1920), S. 192. AGOP XI. 15340.

4.3 Von wissenschaftlicher Exegese zum biblischen Roman

233

erschien es – infolge des Krieges und der revolutionären Nachkriegswirren in Deutschland – doch erst sieben Jahre später, und zwar in der deutschen Reihe Exegetisches Handbuch zum Alten Testament. ⁹⁰⁹ Zapletal widmete das Buch „in tiefster Ehrfurcht und dankbarer Gesinnung“ Georg Python. Am 3. Februar 1923 übersandte er dem Fribourger Erziehungsdirektor ein Exemplar mit den Worten: „Herr Minister, ich erlaube mir […], Ihnen ein Exemplar meines letzten Buches zu senden, das Ihnen gewidmet ist.“⁹¹⁰ Das heikle Kapitel zur Entstehung des biblischen Buches beginnt mit der These, dass es keine einheitliche katholische Tradition, keinen consensus communis in Bezug auf den Verfasser gebe. Als Beweis für die unter den katholischen Autoren herrschende Meinungsvielfalt in dieser Frage zitiert Zapletal Richard Simon⁹¹¹, der in Esra den Endredaktor und Mitautor des Textes sieht.⁹¹² Laut Zapletal seien sich die Exegeten so weit einig, dass sich das Buch aus verschiedenen älteren historischen Quellen zusammensetze. Nicht nur das Buch als Ganzes, auch die einzelnen Kapitel stellten sich als Mosaikbild aus verschiedenen historischen Quellen und älteren Erzählungen dar. Erneut wiederholte er die in seiner Rektoratsrede von 1910 dargelegten Prinzipien: „Der Orientale schreibt nämlich ganz anders Geschichte als unsere Historiker, er legt eine Quelle zugrunde, die er wörtlich anführt[,] und dazu trägt er aus anderen Quellen Wörter und Sätze ein. Er ändert nicht den Text der Quelle, denn er ist der Ansicht, dass das einmal gut Geschriebene ohne Änderung übernommen werden soll. Gewöhnlich nennt er auch nicht den Verfasser der Quelle; literarisches Eigentumsrecht und Plagiat waren damals meistens unbekannte Begriffe. […] Nicht so leicht ist es, die Quellen der alttestamentlichen Schriftsteller⁹¹³ zu entdecken, denn sie haben sich nicht selbständig erhalten. Aber sie können da sein, auch wenn sie oder ihre Verfasser gar nicht genannt werden. Freilich kommen da viele mit dem Einwand, daß dies eines inspirierten Buches unwürdig sei. Aber das sei eine aprioristische Voraussetzung, die sich im Grund gegen den katholischen Begriff der Inspiration verfehlt.“⁹¹⁴ Beim Buch der Richter habe man es mit einer allmählichen Ausformung des Textes zu tun, ähnlich etwa wie beim Psalter, der in der fünften erweiterten Ausgabe

 Vgl. Vincent Zapletal, Das Buch der Richter. Exegetisches Handbuch zum Alten Testament, Münster in Westf. 1923 (Exegetisches Handbuch zum Alten Testament, Bd. 7, Teil 1), XLII+311 S. (im Weiteren zit. als: Das Buch der Richter).  Zapletal an Python, 3. 2.1923. AEF Zapletal.  P. Richard Simon (1638 – 1712), Begründer der Bibelkritik, Oratorianer, 1678 aus dem Orden ausgeschlossen. Er war der erste christliche Autor, der eine kritische Untersuchung der literarischen Komposition des Pentateuchs wagte und in einen ernsten Konflikt mit Bossuet geriet. Der Verweis auf Simon war nicht gerade ein Zeichen von übergroßer Vorsicht.Vgl. Sascha Müller, Richard Simon (1638 – 1712). Exeget, Theologe, Philosoph und Historiker. Eine Biographie, Würzburg 2005.  Das Buch der Richter, S. XVIII.  Allein schon die Verwendung des Begriffs „alttestamentlicher Schriftsteller“ statt des üblichen Ausdrucks „inspirierter Verfasser“ war eine Provokation, die das menschliche Element bei der Entstehung der inspirierten Schriften deutlich hervorhob.  Das Buch der Richter, S. XX.

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4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

der Liedsammlung Davids auf uns gekommen sei. Eine Autorschaft Samuels, wie wiederholt in der jüdischen und katholischen Bibelwissenschaft postuliert, sei im Lichte moderner Methoden nicht haltbar. Zapletal kommt zu dem Schluss, dass auf der Grundlage der theologischen Ausrichtung zwei zeitlich relativ weit auseinanderliegende Hauptredaktoren anzunehmen sind, die er mit den Siglen R1 und R2 bezeichnet. Viele der Geschichten hätten die Redaktoren bereits fertig vorgefunden und nur übernommen, andere hätten sie selbst hinzugefügt oder überarbeitet. R1 datiert er in die Zeit nach dem 7. Jahrhundert vor Christus; insgesamt erscheint ihm das Buch als ziemlich komplizierte Komposition, die aus zwei grundlegenden und im Text noch immer unterscheidbaren Phasen stamme.⁹¹⁵ Die Chronologie des Buches der Richter habe den Bibelwissenschaftlern erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Summiert man die Regierungsjahre der einzelnen Richter, so ergibt sich ein viel zu langer Zeitraum, der den historischen Fakten nicht entspreche. Dabei sei aber nicht zu bestreiten, dass der Verfasser eine „kontinuierliche Chronologie geben wollte“.⁹¹⁶ Der Widerspruch ließe sich nur mit der Entstehung des Buches erklären. Nöldeke und Wellhausen hätten darauf verwiesen, dass die kleinen Richter nicht mitzurechnen seien.⁹¹⁷ In seinem eigenen Kommentar arbeitet Zapletal mit einem Apparat literarischer Kritik, verweist relativ oft auf Wellhausen, vor allem wenn es um die Einheit des Textes geht, um seine verschiedenen Schichten und Nahtstellen, Glossen und Ergänzungen zu erklären. In den topographischen Teilen zitiert er vor allem aus den Arbeiten Musils. Die knappe tschechische Rezension richtete ihr Augenmerk auf die gewagten Thesen in Zapletals Kommentar: „Der Autor ist der Ansicht, dass keiner der Gründe, die für eine Autorschaft Samuels angeführt werden, stichhaltig sei; dass das Buch der Richter eine Gesamtkomposition ist, ein Bau, an dem wenigstens zwei Zeitepochen gearbeitet haben.“ Von dem Einfluss auf die tschechische Bibelwissenschaft zeugt der folgende Satz: „Über Jephta urteilt er, dass er seine Tochter tatsächlich geopfert habe, als Brandopfer (diese von ihm schon in einer früheren Studie vertretene Ansicht wurde bekanntlich von Sedláček und Hejčl übernommen). In seinem Literaturverzeichnis führt Zapletal verdientermaßen auch Sedláčeks hervorragenden Kommentar zum ‚Buch der Richter’ an.“⁹¹⁸ Paul Dhorme,⁹¹⁹ der neue Direktor der École biblique in Jerusalem, lobte Zapletals Bedachtsamkeit bei der Unterscheidung der Quellen im Buch der Richter, äußerte aber grundlegende Vorbehalte gegen die Rekonstruktion des metrischen Systems in der direkten Figurenrede sowie die hypothetische Rhythmisierung der prosaischen Pas-

 Das Buch der Richter, S. XXIII-XVI.  Das Buch der Richter, S. XXVIII  Das Buch der Richter, S. XXIX.  ČKD 64 (1923), S. 352.  Der brillante Gelehrte verließ 1931 Bibelschule, Orden und Priesterstand, was für die Dominikanerkommunität in Jerusalem ein schwerer Schlag war. Vgl. Petráček, Bible a moderní kritika, S. 223 – 227.

4.3 Von wissenschaftlicher Exegese zum biblischen Roman

235

sagen. Dhorme, ein ausgezeichneter Kenner des Hebräischen, entdeckte Schwachstellen in der Theorie des metrischen Systems, an der Zapletal seit 1905 fast mit einer gewissen Besessenheit gearbeitet hatte, vielleicht aber auch deswegen so viel Zeit und Energie auf sie verwendet hatte, weil andere Bereiche der Exegese blockiert waren. Dhorme war der Ansicht, dass das Hebräische, ebenso wie die anderen orientalischen Sprachen, zwischen Poesie und Prosa sehr genau unterscheide. Insbesondere lehnte er daher Zapletals Versuche ab, durch Eingriffe in den hebräischen Text diesen einer angenommenen ursprünglichen Lautung anzunähern. „Die hebräische Poesie ist im Grunde dynamisch […], so dass es unglücklich ist, sie in ein festes System zu zwängen, mit Ausnahme klarer Fälle wie einiger Psalmen oder Klagen. Meist ist der Rhythmus nur im Gedankengang. So wirkt er dann auf Verse und Strophen, denn das Denken gestaltet den Ausdruck; doch der Dichter kannte nicht die rigiden Regeln unserer Prosodie.“⁹²⁰ Genau deshalb könnten diejenigen, die eine hebräische Versdichtung nach einheitlicher Metrik verfechten, sich nicht auf ein einziges System einigen. Doch zum Schluss seiner Rezension hielt Dhorme fest: „Diese Nichtübereinstimmung heißt aber nicht, dass wir das hohe Niveau der Textkritik, der philologischen und historischen Kenntnisse, von denen der Kommentar P. Zapletals erneut Zeugnis gibt, nicht zu schätzen wüssten. Die deutschsprachigen Katholiken haben nun einen hochqualitativen Studienbegleiter durch eine dunkle und zugleich bemerkenswerte Epoche, die der Errichtung des Königtums in Israel voraufgeht.“⁹²¹ Im Juni 1922 entsandte die akademische Gemeinschaft Vincent Zapletal als offiziellen Vertreter der Universität Fribourg zu den Champollion-Feiern⁹²², die die Société Asiatique – die Entzifferung der Hieroglyphenschrift jährte sich zum hundersten Mal – vom 10. bis 13. Juli 1922 in Paris abhielt. Diese Gelegenheit wollte Zapletal für einen längeren Aufenthalt nutzen und bat Python daher am 16. Juni: „Da ich noch nie in Paris war und die dortigen Bibliotheken und Museen zu Studienzwecken besuchen möchte, würde ich gerne noch ein paar Tage länger bleiben. Ich würde also das Semester, für meine Studenten, vor meiner Abreise beenden wollen. Die theologische Fakultät hat mir dies bereits bewilligt[,] und nun bitte ich Sie, hochverehrter Herr Minister, um freundliche Erteilung der erforderlichen Genehmigung.“⁹²³ Python entsprach der Bitte am 19. Juni.⁹²⁴ Auch der Ordensmeister gab seine Erlaubnis, Zapletal konnte am 8. Juli⁹²⁵ abreisen, und am 12. Juli schrieb er Python aus Paris eine begeisterte Postkarte: „Die Champollion-Feiern sind großartig. Alle Länder sind vertreten, mit Ausnahme Deutschlands.“⁹²⁶ Es handelte sich um eine prestigeträchtige

 RB 33 (1924), S. 136 f.  Ebd.  Jean-François Champollion (1790 – 1832), Ägyptologe, erster Entzifferer der ägyptischen Hieroglyphenschrift.  Zapletal an Python, 16.6.1922. AEF Zapletal.  Python an Zapletal, 19.6.1922. AEF Zapletal.  AGOP XI. 15300.  Zapletal an Python, 12.7.1922. AEF Zapletal. Ebenfalls französisch.

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4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

Veranstaltung unter Teilnahme von Staatsoberhäuptern sowie einer Vielzahl von Gelehrten und Universitätsvertretern.⁹²⁷ In der ausgedörrten Atmosphäre der katholischen Bibelwissenschaft war ein solches Erlebnis eine willkommene Abwechslung. Doch Zapletal konnte sich auch freuen, dass sein Werk Wirkung tat und Früchte trug. Aus den USA erreichte ihn ein Schreiben, das Ulrich A. Hauber, Professor der Biologie an der Staatlichen Universität in Iowa, am 12. Dezember an ihn adressiert hatte. Hauber hatte zwei ehemalige Schüler Zapletals (P. William Schulte und Charles Miller) getroffen und ihnen seine Probleme bei der Ausarbeitung eines Vortrags über das Verhältnis von moderner Wissenschaft und katholischem Glauben geschildert. Beide Theologen hatten ihn auf Zapletals Arbeit über den biblischen Schöpfungsbericht verwiesen, die eine beispielgebende moderne Interpretation des ersten Kapitels der Genesis biete. Hauber war von der für ihn sehr hilfreichen Lektüre begeistert. Gerade solche Arbeiten, schrieb er, stützten die Autorität der Heiligen Schrift und erneuerten die Achtung der Öffentlichkeit gegenüber der Religion.⁹²⁸ 1923 endete Zapletals zehnjährige Lehrbefugnis als Professor der Exegese. Drei Jahrzehnte hatte seine Laufbahn als Professor nun gewährt, und am 12. November erteilte ihm der Staatsrat die Venia für ein viertes Jahrzehnt.⁹²⁹ Zapletal führte weiterhin sein alttestamentliches Seminar, wandte sich in den Vorlesungen jedoch verstärkt bereits behandelten Themen zu: 1921/22 Gen. 15 – 17, 1922/23 der Auslegung der Psalmen (1– 16), die er im folgenden Studienjahr fortführte (Ps. 17– 23). Die Zahl der Studenten in seinem Seminar zu Metrik, Übersetzung und Auslegung des hebräischen Textes bewegte sich konstant zwischen zehn und sechzehn.

4.3.2 Der Schriftsteller Vincent Zapletal Bereits gegen Ende des Krieges hatte Zapletal ein ganz anderes Genre für sich entdeckt und erste literarische Versuche unternommen. Doch erst nach 1918 widmete er sich, und zwar bis 1925, neben seiner Lehrtätigkeit dem Verfassen deutscher Romane auf der Grundlage biblischer Motive. Was ihn dazu veranlasste, hatte er Ordensmeister Theissling bereits 1917 erklärt: Während seiner Arbeit am Kommentar zum Buch der Richter musste er sich unter anderem mit hebräischer Archäologie befassen, konnte aber nicht alles für sein wissenschaftliches Werk verwenden, so dass ihm die Idee gekommen sei, in anderer angenehm lesbarer Form vom Leben der alten Hebräer zu erzählen. Und da die ersten freiwilligen Leser des Manuskripts, Laienprofessoren der Universität, ihre Ehefrauen, aber auch sechs Schwestern aus Hacking nicht mit Lob

 Vgl. den Bericht 1921/1922, S. 6.  Huber an Zapletal, 12.12.1922. AA FZapletal.  AEF Zapletal.

4.3 Von wissenschaftlicher Exegese zum biblischen Roman

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gespart hätten, habe er für den deutschen Verleger Ferdinand Schöningh ein Opus von mehreren Hundert Seiten verfasst.⁹³⁰ Zunächst erschien 1920 Jephtas Tochter. ⁹³¹ Von dem Buch nahm auch die Révue biblique Notiz: „Ein sehr angenehm zu lesendes Buch, bei dem sich der Leser auf die genaue Beschreibung der orientalischen Lebensverhältnisse verlassen kann und das den Rahmen der Geschichte überschreitet, ohne sich dabei von der Realität zu entfernen […]. Der Autor hat Palästina und Jordanien bereist und einen wissenschaftlichen Kommentar zum Buch der Richter verfasst, so dass er aufs Beste für eine populäre Erzählung über den rauhen Hauptmann und seine Tochter qualifiziert ist. Die Sitten und Bräuche der Beduinen, israelische und ägyptische Lieder geben den Szenen eine authentische Färbung.“⁹³² Bereits ein Jahr später publiziere Zapletal den Roman David und Saul. ⁹³³ Im Laufe des Jahres 1922 entstand die Fortsetzung David und Bethsabe. ⁹³⁴ Zapletal informierte Theissling über das neue Werk und bat ihn um das Imprimatur. Dieses Mal sei der biblische Stoff ein bisschen heikler und also brenzliger, aber er sei überzeugt, dass ein vernünftiger Leser kaum etwas gegen sein Buch vorbringen könne. Sicherheitshalber habe er es noch Professor Nadler ⁹³⁵ zu lesen gegeben und werde es noch weiteren Herren und Damen vorlegen, bevor er es drucken lasse.⁹³⁶ Zweifellos war es nicht leicht, für eine Lektüre von mehreren Hundert Seiten Rezensenten und Zensoren zu finden. Zapletal versuchte, seine Mitbrüder im Albertinum dafür zu gewinnen. Laut Professor Knar enthalte David und Bethsabe aus Sicht des Glaubens und der Moral nichts Problematisches, das Buch sei interessant und lehrreich. P. Knar und P. Häfele als zweiter Zensor hätten ihm auch geholfen, seine deutsche Fassung literarisch und orthographisch zu verbessern.⁹³⁷ In tschechischer Übersetzung erschien 1925 der Roman David und Saul, und zwar auf Betreiben des katholischen Traditionsverlags Dědictví Svatojanské (Nepomuceni-

 Zapletal an Theissling, 2. 2.1917. AGOP XI.  Vincent Zapletal, Jephtas Tochter. Kulturbilder aus der Frühzeit des jüdischen Volkes, Paderborn 1920, IV+332 S.  RB 30 (1921), S. 150.  Vincent Zapletal, David und Saul. Kulturgeschichtliche Erzählung aus biblischer Zeit, Paderborn 1921, IV+400 S.  Vincent Zapletal, David und Bethsabe. Kulturgeschichtliche Erzählung aus biblischer Zeit, Paderborn 1923, IV+400 S.  Josef Nadler (geb. 1884 Neudörfl bei Reichenberg/Liberec, gest. 1963 Wien), Professor (Literaturgeschichte) in Fribourg (1914– 1925), Königsberg (1925 – 1931) und Wien (ab 1931); 1945 wegen seiner Aktivitäten im Nationalsozialismus außer Dienst gestellt. Verfasser der Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften (1912– 1928). – Nadler hatte in seiner Fribourger Zeit die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft. Vgl. Elias H. Füllenbach, Josef Nadler, in: Handbuch der völkischen Wissenschaften. Akteure, Netzwerke, Forschungsprogramme, hrsg. von Michael Fahlbusch, Ingo Haar und Alexander Pinwinkler, 2. vollst. überarb. u. erw. Aufl., Berlin u. a. 2017, S. 533 – 540.  Zapletal an Theissling, 26.9.1922. AGOP XI. 15300.  Vgl. das Gesuch an Ordensmeister Theissling um das Imprimatur für den Roman David und Saul vom 18.1.1920 sowie die Empfehlung zum Druck von Knar (21.6.1922) und Häfele (26.6.1922). AGOP XI. 15300.

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4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

sches Erbe).⁹³⁸ Wie Zapletal gestand, war es der Erfolg von Jephtas Tochter, der ihn veranlasst hatte, weiterzuschreiben. Die Bezeichnung „Biblischer Roman“ trifft dabei das Genre am besten. Zapletal übernimmt das Handlungsgerüst der biblischen Darstellung, folgt ihr treu, ohne etwas auszulassen, gestaltet sie aber dramatisch aus, entfaltet Dialoge, gibt genaue Beschreibungen der einzelnen Aktionen und zeichnet psychologische Porträts; vor allem bereichtert er seine Darstellung um kulturhistorische, ethnographische und religionswissenschaftliche Erläuterungen und Deutungen. Er scheut sich auch nicht, ein ganzes Kapitel ausschließlich der Beschreibung einer Landschaft zu widmen, wobei er geographische Fakten einstreut sowie Gesteine, Vegetation und Ernährungsweise erläutert. Diese Abschnitte wechseln mit oft dramatisch zugespitzten dialogreichen Erzählpassagen, lebendigen, spannenden Szenen, die zu den eher sachlichen Beschreibungen in Kontrast stehen. Das Resultat ist eine gelehrte Darstellung mit eindeutig didaktischer Absicht, die sich jedoch erstaunlich gut liest. Zapletal macht auch hier keinen Hehl aus seiner Profession und Methodik. Er hält sich an den biblischen Text, respektiert die Charakterzüge der biblishen Gestalten, die Erzählweise ist nüchtern, einfach und klar. Vielleicht war es auch diese Einfachheit, die den Romanen einen so beachtlichen Erfolg beschied, dass ihr Autor nicht umhin konnte, immer wieder ein weiteres Thema in Angriff zu nehmen. Allein schon das Abfassen so umfangreicher Werke auf Deutsch, also nicht in der Muttersprache, musste rein physich eine enorme Anstrengung sein, von der schöpferischen Anspanung und den kulturhistorischen und geographischen Recherchen ganz abgesehen. Doch offenbar hat Zapletal zumindest anfangs mit Freude an den Romanen gearbeitet. Die gesamte Auflage von Jephtas Tochter war innerhalb von zwei Jahren ausverkauft; der Verlag bereitete eine zweite und bald auch eine dritte Auflage vor. Von seinen literarischen Erfolgen und dem Interesse seines Verlegers ermuntert, nahm Zapletal sich also Weiteres vor, zunächst einen Roman über Mose, dann über Joseph. Im Vorwort zu Mose, der Gottsucher bekennt Zapletal, es sei ihm ein Anliegen, dem Leser die „größte Gestalt des Altertums“ näherzubringen, die größte Gestalt keineswegs nur für Juden und Christen oder gar nur in religiöser Hinsicht. Ohne Mose lasse sich die Geschichte Israels gar nicht verstehen, und dass die Juden um ihren unvergesslichen Führer im Laufe der Zeiten allerlei Sagen gesponnen hätten, täte dessen Historizität und Bedeutung keinen Abbruch.⁹³⁹ Als er seinen Mose-Roman 1921 beendete, drängten die Freunde ihn, dass der Roman ohne einen zweiten Teil, in dem Moses Lebenswerk zu Ende erzählt wird, ein Torso bliebe. Ein Jahr war Zapletal unentschlossen, doch im November 1923 nahm er die Arbeit an dem Fortsetzungsband Mose, der Volksführer ⁹⁴⁰ auf, den er Juni 1925 vollendete.

 Vincenc Zapletal, David a Saul, Biblický roman, Praha 1925, 360 S.  Vincent Zapletal, Mose, der Gottsucher. Kulturgeschichtliche Erzählung aus dem alten Ägypten, Paderborn 1925, VI+368 S.  Vincent Zapletal, Mose, der Volksführer. Kulturgeschichtliche Erzählung aus biblischer Zeit, Paderborn 1926, VI+360 S.

4.3 Von wissenschaftlicher Exegese zum biblischen Roman

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Die beiden Teile – es handelte sich dabei um eine der ersten literarischen Bearbeitungen des Mose-Stoffes – erschienen 1925 bzw. 1926. Die Verspätung war nicht nur dem Umfang der Bände geschuldet. Das Problem lag vielmehr in einer auch bei diesen letztlich harmlosen Büchern oft kleinlichen Zensur. Den Verlauf des Genehmigungsprozesses für Mose, der Gottsucher bezeichnete Zapletal in seinem Brief an den Ordensmeister vom 24. Februar 1925 als nervenaufreibende Angelegenheit, und das obwohl er die besten Absichten gehabt habe. Theissling ersetzte daraufhin die Zensoren, aber auch sie hatten eine ganze Reihe von Monita. Sie waren der Meinung, dass das Buch durch die Einflechtung zweier ägyptischer Geschichten langweilig werde. Außerdem werde den Selbstoffenbarungen Gottes nicht genug Rechnung getragen. Zapletal führte zu seiner Verteidigung an, dass die Einschübe aus der ägyptischen Geschichte und Literatur nötig seien, um einen Eindruck vom Leben im alten Ägypten zu vermitteln. Daher habe er sie aufgenommen, wohlwissend, dass manch ein Leser sie einfach überspringen werde.Was die Selbstoffenbarungen Gottes betreffe, so seien sie sicher nicht zu flüchtig ausgeführt, im Gegenteil, das letzte Kapitel mit der Erscheinung im brennenden Dornbusch sei angeblich gelungen und durchaus ein Kunstwerk. Zu einer der Frauenfiguren merkte er an, dass es sich um ein ungebildetes Heidenmädchen aus der Zeit um 1500 v.Chr. handele und der Autor einen großen Fehler beginge, würde er aus ihr auf Anregung der Zensoren ein Fräulein aus einem katholischen Mädchenpensionat des 20. Jahrhunderts machen. Dennoch wolle er alles noch einmal bedenken.⁹⁴¹ Im letzten Absatz seines Briefes sprach Zapletal an, was ihn unter anderem zum Abfassen biblischer Romane veranlasst hatte. Material zur Kulturgeschichte Israel trage er seit bereits fünfzehn Jahren zusammen. Doch für manche Probleme habe er bislang keine befriedigende Lösung gefunden. Auch sei die Zeit noch immer nicht reif, selbst katholische Verlage wollten keine wissenschaftlichen Arbeiten herausgeben. Vor zwei Jahren musste er, statt ein Honorar zu bekommen, selbst fünfhundert Franken beisteuern, um seinen Kommentar zum Buch der Richter gedruckt zu sehen. Dennoch glaube und hoffe er, dass er in einigen Jahren, wenn er ‚berühmt‘ sei, mit einem Verlag über die Herausgabe einer großen Kulturgeschichte Israels einig werden könne, ob nun in streng wissenschaftlicher oder etwas populärer Form.⁹⁴² Zapletal hatte bereits zehn Jahre Kulturgeschichte Israels gelesen. Seine Vorlesungen stießen bei den Studenten auf großes Interesse, sie hätten ihn zur Publikation „seines Lebenswerkes“ gedrängt; so jedenfalls schildert es Kultusminister Pierre Verdon in seinem ausführlichen Porträt Zapletals, das am 25. Juli 1925 in der Liberté erschien. Er beschreibt Zapletal einerseits als strengen Wissenschaftler, andererseits als Künstler und Schriftsteller. Sowohl seine wissenschaftlichen Arbeiten wie auch seine vorläufig drei biblischen Romane, in denen er seine Kenntnisse der Kulturgeschichte Israels fürs Erste anbringe, hätten in der Fachwelt und in der breiten Öf-

 Vgl. Zapletals Schreiben an Theissling, 24. 2.1925. AGOP XI. 15300.  Vgl. ebd.

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4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

fentlichkeit großen Anklang gefunden. „Um den Leser zu fesseln, muss ein biblischer Stoff um Emotionen und Bilder bereichert werden, was P. Zapletal begriffen und in die Tat umgesetzt hat.Wenn Inhalt und Erzählstoff die Aufmerksamkeit zu erregen und zu fesseln wissen, so ist die Form der Romane nicht weniger mitreißend. Die Feder des Autors ist fest und sicher, seine Vorstellungskraft lebendig und unterhaltsam, sein Stil klar, genau und abwechslungsreich. Nach zweijährigem Aufenthalt in Palästina und einer Wüstendurchquerung hoch zu Kamel, kennt P. Zapletal all die Orte aufs Beste, die er mit sichtlichem Vergnügen und eleganter Meisterschaft so poetisch beschreibt. Der Erfolg der drei biblischen Romane stellte sich augenblicks ein, er war beachtlich und verdient. Vielerorts ruft man nach Übersetzungen: in der Tschechoslowakei, in der Schweiz, in Holland, Belgien, Polen, Griechenland, sogar in England und in Frankreich.“ Auf Wunsch seiner Leser bereite der Autor nun zwei Bände über Mose vor, auch sie auf Deutsch, ein Teil wurde in den Freiburger Nachrichten vorabgedruckt. „Die bezaubernde Poesie“ stellt diesen bescheidenen Mann und ehrbaren Gelehrten „zu Recht an die Seite der größten Schriftsteller.“⁹⁴³ Als letzter von Zapletals Romanen erschien 1931 Joseph und seine Brüder mit nur leicht verändertem Untertitel.⁹⁴⁴ Die Kooperation mit dem namhaften deutschen Verleger Ferdinand Schöningh findet mit diesem sechsten Roman ihren Höhe- und Schlusspunkt. Offensichtlich schon schwer krank und durch die stagnierende Entwicklung in der Exegese doch auch verbittert, fehlte es Zapletal, der Fribourg bereits 1928 aus gesundheitlichen Gründen verlassen hatte, an Motivation und Kraft zum Schreiben. Die mühsamen Vorarbeiten zu den Mose-Romanen und die großen Schwierigkeiten mit der Zensur wirkten sich ebenfalls eher entmutigend aus. Zwischen den letzten beiden Romanen liegen fünf Jahre, was doch von einer gewissen Erschöpfung zeugt. Anfangs hatte er jedes Jahr einen neuen Roman geliefert. Auch sein zentrales Motiv, nämlich auf diese Weise die Mittel für die Herausgabe einer großen Kulturgeschichte Israel beizubringen, verlor an Zugkraft. Aus gesundheitlichen Gründen war ihm ein weiteres Tätigsein im akademischen Bereich verwehrt; auch sollte sich die Situation in der katholischen Bibelwissenschaft bis zu seinem Tod 1938 nicht mehr ändern. Die Bilanz am Ende einer zehnjährigen literarischen Tätigkeit sind sechs umfangreiche biblische Romane in deutscher Sprache.

4.4 Nicht geglückter Wechsel nach Prag 1925 1925 spielte Zapletal erneut mit dem Gedanken, Fribourg zu verlassen. Am 30. Juni unterrichtete Zapletal Minister Python, dass man ihm an der theologischen Fakultät in Prag eine Stelle als Ordinarius der alttestamentlichen Exegese angeboten habe.⁹⁴⁵ Es  Liberté vom 25.7.1925.  Vincent Zapletal, Joseph und seine Brüder. Kulturhistorische Erzählung aus biblisher Zeit, Paderborn 1931, VI+208 S.  Zapletal an Python, 30.6.1925. AEF Zapletal.

4.4 Nicht geglückter Wechsel nach Prag 1925

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war keineswegs das erste Angebot dieser Art. Anfang Juni 1922 hatte ihn die Prager Universität als Nachfolger für P. Jan Sýkora auf den Lehrstuhl für neutestamentliche Exegese berufen wollen.⁹⁴⁶ Damals hätten ihn nicht nur die dortigen Professoren gerne als Kollegen gesehen, auch der Prager Erzbischof František Kordač hätte Zapletals Wechsel nach Prag begrüßt, und die Regierung hatte zugesagt, die in Fribourg abgedienten Semester anzurechnen. Dennoch hatte Zapletal an den Ordensmeister geschrieben: „Aber in meinem Alter kann ich das Fach nicht mehr wechseln, und so habe ich die Nominierung nicht angenommen.“⁹⁴⁷ Drei Jahre später stellte sich die Situation anders dar: Es bot sich ein Lehrstuhl für alttestamentliche Exegese, und inzwischen kam Zapletal auch das Leben im Ausland und ganz speziell im Albertinum sehr viel härter vor. Ein neuer Impuls durch einen Wechsel nach 32 Jahren in Fribourg wäre ihm daher offenbar sehr entgegengekommen, zumal an der philosophischen Fakultät in Prag seit 1920 auch Alois Musil Professor war. Doch Minister Python wollte Zapletal in Fribourg halten und wandte sich daher an die Ordensleitung. Der Generalvikar des Ordens, P. Serapio Tamayo, antwortete ihm am 23. Juli, dass er von der geplanten Nachbesetzung nicht wisse. Man habe also über die Sache bisher noch gar nicht verhandelt. Sollte es aber dazu kommen, so würde man, versprach Tamayo, Pythons Standpunkt gründlich erwägen und Sorge dafür tragen, dass die Interessen der Universität keinen Schaden nähmen.⁹⁴⁸ Dass Zapletal über das Angebot zuerst den Minister informierte und sich erst dann offiziell an die Ordensleitung wandte, war der erste schwerwiegende Fehler. Zapletal setzte Generalvikar Tamayo erst eine Woche später, am 30. Juli 1925, von seiner Absicht in Kenntnis. Das Angebot zu wechseln, schrieb er ihm, habe er vor drei Jahren abgelehnt und sich mit dem Gedanken, an eine andere Univesität zu gehen, nicht mehr befasst. Nun aber sei überraschend der Professor für Altes Testament verstorben, der sich im selben Alter befunden habe wie er,⁹⁴⁹ und das würde die Situation ändern. Vorläufig reagiere er auf die Anfragen aus Prag ausweichend, aber nicht ablehnend. Zu Pythons Absicht, ihn in Fribourg zu halten, äußerte er sich: „Ich bin sehr gerührt von dem Bemühen der Fribourger Regierung, mich hier zu halten, und ich weiß auch, dass die Laienprofessoren und auch die Studenten der Theologie froh wären, wenn ich bliebe. Aber ich unterrichte hier schon 32 Jahre und musste seitens der Generalkurie des Ordens und bestimmter Patres hier in Fribourg in den letzten Jahren so viele Ohrfeigen und Schläge einstecken, dass ich mir sagte, der Ruf nach Prag könnte ein Werk der Vorsehung sein.“⁹⁵⁰

 P. Jan Sýkora (1852– 1928), Professor der neutestamentlichen Exegese an der theologischen Fakultät in Prag (1892– 1923).  Zapletal an Theissling, 26.6.1922. AGOP XI. 15300.  Tamayo an Python, 23.7.1925. AEF Zapletal.  Professor Jaroslav Sedláček (1860 – 1925), Zapletals Freund und Kollege, unterrichtete von 1891– 1925 Altes Testament.  Zapletal an Tamayo, 30.7.1925. AGOP XI. 15300.

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4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

Nach dem Tod von Professor Jaroslav Sedláček am 3. Januar 1925 befasste sich das Professorenkollegium der Prager theologischen Fakultät am 12. Juni 1925 mit der Frage der Nachfolge. Zwei Professoren des Kollegiums, Václav Hazuka und Vojtěch Šanda, die mit der engeren Auswahl betraut waren, sollten einen von vier Kandidaten empfehlen. Auf Initiative von Hazuka einigte man sich auf die Nominierung Zapletals und legte diesen Vorschlag der Regierung vor.⁹⁵¹ Allem Anschein nach hatte Zapletal einen eventuellen Wechsel nach Prag bereits im Frühjahr mit Ordensmeister Theissling im Voraus besprochen, doch Theissling war am 2. Mai 1925 verstorben, und die Ordenskurie wurde nun von seinen Socii und Assistenten geleitet. Fribourg unterstand P. Léonhard Lehu, der regelmäßig zur Visitation erschien und Zapletal für einen alten Querulanten hielt.⁹⁵² Während der Ferien 1925 reiste Zapletal wie immer auch in sein Heimatland und neigte unter dem Einfluss seiner tschechischen Freunde und des gesamten Umfelds immer mehr dem Gedanken an eine Rückkehr zu. Aus Dolany, wo sein Bruder Priester war,⁹⁵³ adressierte er am 14. Septemer folgenden Brief an Python: „Soeben habe ich vom Schulministerium in Prag einen Brief mit folgender Nachricht erhalten: ‚Das Professorenkollegium der theologischen Fakultät in Prag hat vorgeschlagen, Sie als Ordentlichen Professor der alttestamentlichen Exegese an diese Fakultät zu berufen. Zu diesem Zwecke bittet das Schulministerium um Mitteilung, unter welchen Bedingungen Sie bereit sind, diesen Ruf anzunehmen. Da uns bekannt ist, dass Sie seit Oktober 1893 Ordentlicher Professor an der Universität Fribourg sind, wird das Schulministerium der Regierung gerne vorschlagen, dass Ihre bisherige Lehrtätigkeit bei den Verhandlungen über Ihr Gehalt und Ihre Pension berücksichtigt werden. Lassen Sie uns freundlicherweise Ihre weiteren Forderungen wissen, damit der Minister diese in seinen Vorschlag aufnehmen kann.’ Meine Antwort kennen Sie schon. Dennoch habe ich meine Forderungen noch ein wenig erhöht und darauf verwiesen, dass ich freilich ohne Erlaubnis des Ordensmeisters Fribourg nicht werde verlassen können. Ich danke Ihnen für die liebenswürdigen Worte zu meinem Mose“.⁹⁵⁴ Noch am selben Tag informierte er auch die Ordenskurie über seine vorläufige Annahme des Angebots, allerdings unter der Voraussetzung, dass auch der Ordensmagister seine Zustimmung gebe. In Prag habe er bereits vorverhandelt und daher die Zusage, dass er im Kloster der Dominikaner bei St. Ägidien wohnen könne, zu denselben Bedingungen und nach denselben Regeln wie im Albertinum; auch der Pro-

 Martin Vaňáč, Výuka jednotlivých oborů na Katolické teologické fakultě Univerzity Karlovy v letech 1891– 1939 [Der Unterricht der einzelnen Fächer an der Katholischen theologischen Fakultät der Karls-Universität in den Jahren 1891– 1939], in: Petr Kubín (Hg.), Sborník Katolické teologické fakulty, Bd. III, Praha 2000, S. 122 – 157, hier S. 131 f. Zur erfolglosen Nominierung Hejčls auf dieselbe Stelle vgl. Novák, Jan Nepomucký Hejčl, S. 39 – 41.  P. Léonhard Lehu OP (1867– 1939), aus der Provinz Lyon, Konsultor der Heiligen Offiziums.  P. František Zapletal hatte hier die Pfarrstelle vom 1.11.1911 bis zu seinem Tod am 15. 2.1931 inne.  Zapletal an Python, 14.9.1925. AEF Zapletal.

4.4 Nicht geglückter Wechsel nach Prag 1925

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vinzial für Böhmen habe sein vorläufiges Einverständnis erklärt.⁹⁵⁵ Einige Tage später, am 23. September, schrieb Zapletal erneut an die Ordenskurie in Rom, wobei er hervorhob, dass die Berufung eines Dominikaners an eine staatliche Universität dem Orden zur Ehre gereiche, ja, als Triumph gelten könne, sei doch an der Prager Universität bedauerlicherweise schon seit einigen Jahrhunderten kein Dominikaner mehr tätig gewesen. Es handele sich um ein exklusives Angebot, und die von der Regierung gebotenen Bedingungen seien außerordentlich gut. Die Ordensleitung solle sich nicht von den Einwänden P. Szabós beirren lassen, der nur pro domo sua arbeite. Den Rektor des Angelicums, der großen Einfluß in der Generalkurie des Ordens hatte, nahm Zapletal nicht zuletzt dadurch gegen sich ein, dass er als seinen Nachfolger Professor Marc-Antoine van den Oudenrijn vom Angelicum vorschlug: „Fribourg ist als staatliche Universität dem Collegium Angelicum übergeordnet, dieses sollte ihn also ziehen lassen.“⁹⁵⁶ Die Angelegenheit verkomplizierte sich zusätzlich durch eine gewisse Führungslosigkeit an der Kurie der Dominikaner, durch die Krankheit und den Tod von Ordensmeister Luis Theissling und die feindselige Haltung seiner Assistenten, und letzten Endes wollte auch Zapletal seinen langjährigen Freund und Beschützer Python nicht vor den Kopf stoßen. Am 11. Oktober fühlte er sich zu folgender Erklärung verpflichtet: „Ich habe mich nicht um die Stelle in Prag bemüht. Dennoch hielt ich es für angebracht, nichts zu sagen oder zu tun, was den Wünschen der betreffenden Herren in Prag widersprochen hätte. Aber auf der anderen Seite ist auch klar, dass weder ich selbst, der ich so viel in Fribourg gearbeitet habe, noch die theologische Fakultät in Prag, die mir diese Stelle angeboten hat, noch das Kultusministerium in Prag, das bereit ist, mich zu berufen, in keiner Weise gekränkt sein können, wenn der Fribourger Erziehungsdirektor mich hier zu halten versucht.“⁹⁵⁷ Minister Python dankte ihm gleich am 12. Oktober für das Schreiben vom Vortag, „dass ihm freie Hand gebe, in dieser Angelegenheit beim Generalvikar des Ordens zu intervenieren. Ich hoffe, meinem Wunsche kann entsprochen werden, so dass der Universität ein Professor erhalten bleibt, der ihr über Jahre hin mit seinem Wissen gedient und unserem gemeinsamen Fribourger Vorhaben durch sein unermüdliches und hochgeschätztes Wirken die Ehre erwiesen hat. Ich werde Sie über die Entwicklung auf dem Laufenden halten und möchte Ihnen schon im Voraus danken.“⁹⁵⁸ In Wahrheit hatte er seine Intervention beim Generalvikar bereits am 10. Oktober vorbereitet: „Ich erlaube mir, Sie an Ihre ganz und gar verbindliche Zusage zu erinnern, dass Sie im rechten Moment zu unseren Gunsten intervenieren, damit Professor Zapletal auch weiterhin an unserer Universität bleibt, der er durch sein außerordentliches Wirken seit Jahren zur Zierde gereicht.“ Python machte in seinem Schreiben deutlich, dass alles von der Entscheidung des Generalvikars abhinge, denn    

Vgl. Zapletals Schreiben an die Ordenskurie in Rom, 14.9.1925. AGOP XI. 15300. Zapletal an die Ordenskurie in Rom, 23.9.1925. AGOP XI. 15300. Zapletal an Python, 11.10.1925. AEF Zapletal. Python an Zapletal, 12.10.1925. AEF Zapletal.

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4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

Zapletal habe dem Schulminister in Prag mitgeteilt, dass er Fribourg ohne das Einverständnis des Generalvikars nicht verlassen könne.⁹⁵⁹ Die Dinge entwickelten sich zu Ungunsten Zapletals, denn einige Patres in der römischen Ordenskurie waren ihm nicht gewogen. Fast sieht es so aus, als hätten sie sich die Amtszeit des vorläufigen Generalvikars zu Nutze gemacht. Dieser war, anders als Theissling, mit der verwickelten Geschichte der antimodernistischen Hetze an der Fribourger Universität nicht vertraut und konnte daher leichter dazu bewegt werden, Zapletals Wechsel nach Prag am 16. Oktober zu untersagen. Als Gründe werden dessen doktrinale Unzuverlässigkeit angeführt, aber auch andere, eher technische Gründe. Zapletal protestierte in einem vierseitigen Schreiben vom 19. Oktober 1925. Mit der ihm eigenen Offenheit und Deutlichkeit fasste er die Ereignisse rückblickend zusammen. Er verwahrte sich gegen die irreführenden Angaben zu seiner Person, die der Generalvikar von den Assistenten des Ordensmeisters erhalten habe, doch sei er nach 32 Jahren gewohnt, dass diese die tatsächliche Situation in Fribourg kaum kennen. In einem ersten Punkt klärte er die Verwirrung, die dadurch enstanden war, dass sein Lehrstuhl zwar der philosphischen Fakultät, er selbst aber dem Kollegium der theologischen Fakultät angehörte. Seinen jetzigen Lehrstuhl habe vor ihm Professor Grimme innegehabt, schrieb er, ein Laienprofessor der philosophischen Fakultät, und zwar von den Gründungstagen der Universität bis zu seinem Weggang 1910. „Da mir der Lehrstuhl entsprach, habe ich mich proprio motu um ihn beworben und ihn bekommen. Aber ich blieb der theologischen Fakultät zugeordnet, denn es stand zu erwarten, dass böswillige Leute erklären könnten, ich wäre als Professor der Exegese abberufen und von der theologischen an die philosophische Fakultät verjagt worden. Damals waren die Zeiten für Exegeten hart, und ich musste sehr vorsichtig sein. Die Professoren an der philosophischen Fakultät sahen Dominikanerprofessoren nicht unbedingt gern in den eigenen Reihen, dennoch haben sie mir 1911 und 1912 in Anwesenheit von Minister Python eine Aufnahme an die philosophische Fakultät angeboten: ‚Im Allgemeinen möchten wir Ihre Mitbrüder hier nicht, aber Sie, mit Ihrem Charaker und Ihren Arbeitsleistungen, Sie nehmen wir gerne auf.’ Ich überlegte, was ich darauf erwidern sollte, denn das wahre Motiv für meinen Verbleib an der theologischen Fakultät konnte ich nicht nennen. Herr Python hat das sehr gut verstanden, und um mir zu helfen, erklärte er lächelnd: ‚Mir ist bekannt, dass P. Zapletal nicht gerade der Philosophie huldigt, lassen wir ihn also an der theologischen Fakultät.’ Und so bin ich an der theologischen Fakultät geblieben, wo ich noch immer Kurse zur Exegese halte, obwohl mein Lehrstuhl zur philosophischen Fakultät gehört. Der Heilige Stuhl ist in diese Sache also nicht involviert. Ihre Sozii stiften Verwirrung.“⁹⁶⁰

Der zweite Punkt hing mit dem ersten eng zusammen. „Es stimmt, dass mich im Frühling 1910 zwei Professoren in Rom angeschwärzt haben, um meine Wahl zum Rektor der Universität zu verhindern, und Pius X. schenkte ihnen Gehör. Aber nachdem Cormier, der mich sehr mochte, die Dinge aufgeklärt hatte, musste der Hl. Stuhl sein Verbot widerrufen, und ich wurde mit einer bisher nicht dagewesenen Mehrheit

 Kopie des Briefes in AEF Zapletal.  Zapletal an Tamayo, 19.10.1925. AGOP XI. 15300 (franz. Original).

4.4 Nicht geglückter Wechsel nach Prag 1925

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zum Rektor gewählt. Das war ein großer Triumph für mich und den Orden.“ Der dritte Punkt betraf die Rechtgläubigkeit von Zapletals Lehre: „Aber ich war hier nicht der einzige Dominikaner, den man beschuldigte! P. Cormier veranlasste eine Visitation durch P. Theissling, der die Situation überprüfte und feststellen musste, dass die Beschuldigungen gegen mich unbegründet sind. Die beiden haben sich dann gemeinsam bemüht, den Denunzianten aufzudecken, einen gewissen Decurtins (ein Laie!), und auch dessen Instrument, einen italienischen Studenten der Theologie, ein Tartuffe, Päderast etc.“ Dem letzten Punkt zufolge ging Zapletals Ernennung von der tschechoslowakischen Regierung aus; allein deswegen war sie verdächtig. Zapletal verwies in seiner Stellungnahme darauf, dass die Initiative keineswegs von der Regierung ausgehe, sondern von der theologischen Fakultät, die ihn unter vier Kandidaten ausgewählt habe. Da sie aufgrund seiner Ordenszugehörtigkeit aber mit Schwierigkeiten gerechnet habe, habe sie sich einstimmig für ihn entschieden, so dass die Regierung diese Wahl respektieren müsse. „Meine wissenschaftliche und schlichtweg auch meine katholische Reputation waren es, welche die theologische Fakultät zu meiner Nominierung bewog. Im Übrigen erhielt ich vor drei Jahren dieselbe Offerte von der Wiener theologischen Fakultät, und nur weil der Lehrstuhl, der frei werden sollte, auf Grund besonderer Umstände schließlich unbesetzt blieb, bin ich immer noch in Fribourg.“ Er stelle, so schloss Zapletal sein Entgegnungsschreiben, die Entscheidung in dieser Frage ganz und gar dem Generalvikar des Ordens anheim, nur könne er die angeführten Gründe der Ablehnung nicht akzeptieren, weil sie „sich an meiner Ehre vergehen. Man sollte andere vorbringen, bessere. Verzeihen Sie mir bitte meine Aufrichtigkeit, ich hoffe, dass gerade Sie als Spanier mich verstehen werden.“⁹⁶¹ Zapletal beschloss, den geplanten Wechsel mit einer weiteren Begründung zu stärken und so dem bisherigen Verlauf der Verhandlungen, der eher auf seinen Verbleib in Fribourg hindeutete, doch noch eine Wende zu geben. In einem Schreiben in französischer Sprache fasste er am 30. Oktober 1925 alle Punkte, die für eine Professur in Prag sprachen, noch einmal zusammen: „1. Eine Berufung nach Prag ist für mich in jedem Fall ein Schritt nach vorne, auch in finanzieller Hinsicht, was in Hinblick auf mein vorgerücktes Alter nicht ganz belanglos ist. 2. Ich könnte endlich in meine Heimat zurückkehren. 3. Angesichts meines vorgerückten Alters ist das für mich die letzte Gelegenheit, Fribourg zu verlassen und eine höhere akademische Stelle anzunehmen. 4. Unser Orden könnte in Prag viel gewinnen, denn es ist nach langer Zeit das erste Mal, dass man wieder einen Dominikaner an die Universität beruft.“ Er schloss seinen Brief an Tamayo mit der Bitte, noch einmal alles zu überdenken.⁹⁶² Die Korrespondenz mit Rom dauerte fort, am 5. November beschwerte sich Zapletal über den Socius P. Lehu und andere Patres, die ihn verleumden würden, indem sie behaupteten, dass man ihm die Lehre der Exegese verboten habe. „Ich kann solche verlogenen

 Ebd.  Zapletal an Tamayo, 30.10.1925. AGOP XI. 15300.

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4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

und ungerechten Beschuldigungen nicht hinnehmen. In Wahrheit hat mir keine Autorität, kein Papst, auch keine Kongregation oder etwa P. Cormier, also der Ordensmeister, oder sonst eine Person, die von ihnen autorisiert worden wäre, diese angebliche Verurteilung mitgeteilt.“⁹⁶³ Die ganze Angelegenheit wuchs sich für Zapletal allmählich zu einem Alptraum aus, der alte Wunden aufriss. In einem weiteren Brief lehnte der Generalvikar den Wechsel erneut eher ab. Sollte Zapletal aber darauf bestehen, könne er auf „eigene Verantwortung“ nach Prag gehen. Zapletal musste sich erneut zur Wehr setzen und eine klare Antwort einfordern. Er wies darauf hin, dass er im Interesse des Ordens in der Tschechslowakei gehandelt habe und mit Blick auf den Nutzen für die böhmische Provinz. Ein Wechsel nach Prag würde auch ihn viele persönliche Opfer kosten, die er in seinen Briefen nicht erwähnt habe. Der Ruf nach Prag sei nicht nur eine Ehre für ihn, sondern für den gesamten Orden und auch für die Universität in Fribourg. Die Formulierung „auf eigene Verantwortung gehen“ halte er für unklar. Obwohl er sich mit einem französischen Muttersprachler darüber beraten habe, sei er nicht sicher, was sie bedeuten solle, und daher ersuche er um eine klare Anweisung, um ein eindeutiges Ja oder Nein, bevor seine Antwort nach Prag fällig sei. „Ich habe in der Angelegenheit der Prager Universität stets als Ordensmann gehandelt, nicht anders.“⁹⁶⁴ Am 21. November protestierte Zapletal erneut gegen eine Äußerung P. Lehus, der in Zweifel gezogen hatte, ob P. Zapletal überhaupt noch Katholik sei, und setzte hinzu: „Wenn Sie für Prag entscheiden, werde ich gehen. Sollten Sie aber für Fribourg entscheiden, werde ich bleiben.“⁹⁶⁵ Im Ordensarchiv der Dominikaner befindet sich eine Kopie des Antwortschreibens, in dem der Generalvikar die Frage endültig entscheidet: „Mein teurer P. Zapletal. In Anwort auf Ihr freundliches Schreiben vom 21. November will ich Ihnen, zumal Sie freundlicherweise die Entscheidung meinem Urteil als Ordensvorsteher anheimgestellt haben, mein Herz aufrichtig öffnen und Ihnen sagen, warum ich möchte, dass Sie in Fribourg weitermachen; aus zwei prinzipiellen Gründen: Vor allem bin ich überzeugt, dass Ihnen ein Wechsel gegenwärtig nicht guttäte. So viele Jahre sind Sie das Klima und das Umfeld in der Schweiz gewöhnt, dass angesichts Ihres vorgerückten Lebensalters ein Wechsel im Klima oder im moralischen und intellektuellen Milieu Ihrer Gesundheit abträglich sein könnte. Im Übrigen steht es Ihnen frei, Ihre Ferien in der Heimat zu verbringen. Der zweite Grund sind die nur wenig freundlichen Beziehungen zwischen der tschechischen Regierung und dem Hl. Stuhl. Vor einigen Tagen hat der L′Osservartore Romano die Äußerungen eines tschechischen Ministers veröffentlicht, die sich wie eine wahre Kriegserklärung gegen die katholische Kirche in der Tschechoslowakei ausnahm. Und dieser Minister ist nur Sprachrohr dessen, was die gesamte Regierungspartei denkt. Ich bin mir sicher, dass Ihnen unter diesen Umständen jedweder

 Zapletal an Tamayo, 5.11.1925. AGOP XI. 15300.  Zapletal an Tamayo, 15.11.1925. AGOP XI. 15300.  Zapletal an Tamayo, 21.11.1925. AGOP XI. 15300.

4.4 Nicht geglückter Wechsel nach Prag 1925

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Kontakt mit der Regierung zum Schaden sein könnte. Womöglich irre ich, aber sie können zumindest meinen guten Willen und mein Wohlwollen Ihnen gegenüber nicht in Abrede stellen […], nun können Sie in Ruhe und Frieden in Fribourg bleiben und versichert sein, dass der Orden Ihre Arbeit zu schätzen weiß.“⁹⁶⁶ Die Begründung des Generalvikars entbehrte in der Tat nicht eines rationalen Kerns. Die Beziehungen zwischen der Tschechoslowakei und dem Vatikan waren seit Gründung der Republik angespannt und steuerten 1925 auf einen offenen Konflikt zu. Im Februar hatten die slowakischen Bischöfe den Gläubigen die Mitgliedschaft in sozialistischen Organisationen verboten; das betraf auch den Sokol, einen in Böhmen außerordentlich populären Turnerverband. Im März hatte das tschechoslowakische Parlament ein Gesetz verabschiedet, dass die Abschaffung einiger traditioneller kirchlicher Feiertage vorsah, andere allerdings dafür einführte (Kyrill/Cyril und Methodius/Metoděj; hl. Wenzel/Václav). Als Provokation empfanden die Katholiken aber vor allem die Einführung eines Feiertages zum Gedenken an die Verbrennung von Jan Hus sowie den sozialistischen Feiertag am 1. Mai. Der Vatikan reagierte damals lediglich mit einer zurückhaltenden diplomatischen Note. Obgleich Außenminister Edvard Beneš auf gute Beziehungen zum Heiligen Stuhl bedacht war, vertrat Präsident Tomáš Garrigue Masaryk, bestärkt von Minister Jiří Stříbrný, der damals den erkrankten Premier Antonín Švehla vertrat, einen schärferen Kurs. Gelegenheit dazu boten die ersten Feiern anlässlich des neuen Staatsfeiertages, an dem sich die Verbrennung von Jan Hus zum 510. Mal jährte. Masaryk hatte die Schirmherrschaft übernommen und hisste höchstpersönlich am 6. Juli 1925 auf der Burg die schwarze hussitische Flagge mit dem roten Kelch, was selbst Jiří Stribrný übertrieben schien. Tags darauf reiste der päpstliche Nuntius Francesco Marmaggi demonstrativ aus Prag ab. Auch führende Vertreter der katholischen Kirche in der Tschechoslowakei und einige katholische Organisationen machten kein Hehl aus ihrer Verstimmung. Anders als von Masaryk erwartet, ließ sich die Mehrheit der Bevölkerung nicht zu einer „Abrechnung mit dem Katholizismus“ aufwiegeln und blieb, zumindest formal, überwiegend katholisch. Einziges Resultat der Aktion war eine ernsthafte Beschädigung der tschechoslowakischen außenpolitischen Interessen, und dafür musste Minister Střibrný seinen Kopf hinhalten und den Hut nehmen.⁹⁶⁷ In diesem Kontext gesehen, spiegelt der Standpunkt des dominikanischen Generalvikars die von der römischen Kurie vertretene Position. Für sie war die Kirche eine politische Größe, und alles, was auch nur entfernt nach Kompromiss aussah, kam nicht in Betracht, schon gar nicht, wenn es dabei um den Dominikanerorden ging. Der Staat zeigte sich, indem er einem Ordensmann eine Professur an einer seiner Universitäten anbot, also wesentlich großzügiger als die Vertreter der Kirche. Die Frage bleibt, inwieweit die Befürchtungen von Generalvikar Tamayo berechtigt waren, in-

 Tamayo an Zapletal, 28.11.1925. AGOP XI. 15300.  Vgl. Antonín Klimek, Boj o Hrad (1.). Hrad a Pětka, Praha 1996, S. 338 – 341.

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4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

wieweit übertriebene Selbstzensur und allzu vorausgreifende Vorsicht zu der Entscheidung beitrugen oder aber eben nur ein Vorwand gesucht wurde, um Zapletals Wechsel zu unterbinden. Womöglich waren zwei andere Faktoren weitaus entscheidender, auch wenn Tamayo sie in seinem Schreiben nicht erwähnt, nämlich zum einen die Missgunst einflussreicher Personen in der Generalkurie des Ordens, die endlich Gelegenheit sahen, den unnachgiebigen Exegten für frühere „Sünden“ abzustrafen, zum anderen der Wunsch des alternden Python, nicht einen angesehenen Professor seiner Universität zu verlieren. Zapletals Ordensgehorsam, zugleich aber die Tatsache, dass er gegenüber seiner Person von den Mitarbeitern des Generalvikars ganz entschieden den gebührenden Respekt einforderte, zeitigten Wirkung. Tamayos letzter Brief an Zapletal zeugt von den Sympathien, die dieser sich bei dem Ordensoberen erworben hatte. Dennoch bin ich der Meinung, dass gerade die Ordensleitung und letztlich auch Georges Python im Grunde nur wenig Großherzigkeit bewiesen und dass gerade ihre Haltung dazu beitrug, das Zapletal aus gesundheitlichen Gründen deutlich vor der Zeit sein Pensionsgesuch einreichte. Natürlich lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen, ob ein Wechsel des Umfelds Zapletal wirklich geschadet hätte; sicher wusste er, was er tat, als er sich für einen Weggang entschied. Von einer wiedererwachten Lust an der Exegese zeugt die Veröffentlichung einiger kleinerer Studien⁹⁶⁸ in den folgenden Jahren; sie konnten das Signal einer Wende sein, einer Abkehr vom biblischen Roman. Die gescheiterte Berufung nach Prag und die Art und Weise, wie man seitens der Generalkurie mit ihm verhandelt hatte, erstickten diese neuen Anfänge jedoch im Keim. Zapletal sammelte zwar weiterhin Material für seine große Kulturgeschichte Israels, doch sein Elan und seine Schaffenskraft waren nicht mehr wie früher.

4.5 Letzte Scharmützel Am 15. Januar 1927 feierte Zapletal seinen sechzigsten Geburtstag. Kein hohes Alter, aber doch ein Jubiläum, dass zur Selbstvergewisserung Anlass gab. Am 10. Januar war nach schwerer Krankheit Dr. Georges Python verstorben, sein langjähriger Freund und Beschützer, ein Jahr zuvor, am 12. März 1926, Thomas Esser, sein Kollege aus der Fribourger Anfangszeit. Bereits 1925 hatte P. Marco Sales die Fakultät verlassen und war als Magister Sacri Palatii nach Rom gegangen, P. Albert Maria Weiß und P. Joachim Berthier waren gestorben. Zapletal war nun der letzte der ursprünglichen Professorengruppe von 1893; Gallus Manser war erst 1900 gekommen, Maurus Knar, Bernard Allo und Marc-Marie Munnynck 1905/06. Kein Wunder, dass Zapletal sich einsam und

 Vgl. Vincent Zapletal, Bileam, in: Na Hlubinu 1 (1926), S. 34– 37, 87– 89, 140 – 143; ders., Die Schlacht in Raphidim, in: Schweizerische Rundschau 26 (1926), S. 261– 271; ders., Bileam, Schweizerische Rundschau 26 (1926), S. 539 – 546.

4.5 Letzte Scharmützel

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müde fühlte. Direkt an seinem 61. Geburtstag erreichte ihn dann auch noch die Nachricht vom Tod seines gleichaltrigen Kollegen Jordan Langen-Wendels, was sein sensibles und nachdenkliches Naturell sicher nicht unberührt ließ. Auch dürfte es kaum ermunternd auf ihn gewirkt haben, als Gallus Maria Häfele, einer seiner jüngeren Kollegen, ein apologetisches Seminar zur Interpretation des Dekrets Lamentabili ankündigte. War es für den kranken und müden Mann nicht an der Zeit, jüngeren Kräften Platz zu machen? Unter den Gratulanten zu seinem sechzigsten Geburtstag war auch der Präsident der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, Josef Zubatý. Zapletal war gerührt und antwortete am 17. Januar 1927: „Hochverehrter Herr Präsident! Ich hatte gedacht, dass meinen sechzigsten Geburtstag keiner bemerken wird, aber ich habe mich geirrt. Von allen Gratulationen, die mich erreicht haben, hat keine mir so geschmeichelt wie die Ihre, denn die berühmte Akademie zollt damit meiner Arbeit Anerkennung. Das wird mir Antrieb sein, auch künftig mit ganzer Kraft zu arbeiten. Es dankt Ihnen und der berühmten Tschechischen Akademie in ergebenster Hochachtung“.⁹⁶⁹ Eineinhalb Jahre später, am 30. Juli 1928, feierte auch Alois Musil, der vom anderen Ende des Drahaner Berglands stammte, seinen sechzigsten Geburtstag. Auf Zapletals Gratulation antwortete er: „Hochverehrter, lieber Herr Kollege, ich hatte erwartet, dass Sie sich meiner erinnern werden, aber nicht, dass Sie sich dazu altorientalischer poetischer Wendungen bedienen würden. Heute schauen wir beide mit anderen Augen auf die Welt und unseren Priesterberuf als noch vor dreißig Jahren.Wir tun unsere Arbeit, denn in der Arbeit erkennen wir unsere Lebensaufagbe und die Grundlage aller Zufriedenheit. Vergessen Sie nicht, dass ich ein ehrlicher Priester bin, und als solcher habe ich nicht nur zuhause, sondern auch im Ausland einen schweren Stand […]. Alles Gute wünscht Ihnen, lieber, guter Herr Kollege, mit aufrichtigem Gruß Ihr alter Alois Musil.“⁹⁷⁰ Ende der 1920er Jahre sprach Zapletal immer häufiger davon, dass er aus gesundheiltichen Gründen in Ruhestand gehen werde. Im akademischen Jahr 1927/28 schrieb er auch sein alttestamentliches Seminar nicht mehr aus. Das Leben im Albertinum wurde ihm zunehmend schwerer. Das lag an seinem gespannten Verhältnis zu P. Sadok Szabó, einem neuen Kollegen aus der österreichisch-ungarischen Provinz. Szábo war ein Schüler von P. Weiß. Außer dem Unterricht der spekulativen dogmatischen Theologie wurde ihm zugleich auch das Amt des Vikars übertragen. Er und Zapletal, der in der Kommunität eine natürliche Autorität genoss, kamen miteinander nicht aus; dafür waren sie ihrem Naturell nach, aber auch in ihrem religiösen Denken zu unterschiedlich. Szabó hatte starken Einfluss auf die Ordenskurie in Rom, und zusammen mit dem Socius P. Lehu trug er dazu bei, dass Zapletals Wechsel an die theologische Fakultät in Prag scheiterte. Zapletal wiederum hatte über Szabós Mentor und Vorbild Oberhand behalten.

 Zapletal an Zubatý, 17.1.1927. AAV. Fond ČAV, Inv.-Nr. 258 (Vincent Zapletal).  Musil an Zapletal, 30.7.1928. MV FMusil, Inv.-Nr. H 23688.

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4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

Einblick in den Kleinkrieg, der zwischen dem Vikar und dem dienstältesten Pater des Albertinums im Gang war – beide waren im Übrigen Altersgenossen – geben uns die Zeilen, die Zapletal sich offenbar gleich nach den jeweiligen Zusammenstößen auf kleinen Zetteln notierte. So schrieb er am 7. Mai 1928: „Beim Mittagessen gluckerte P. Szabó eine ganze Flasche Wein in sich hinein. P. Knar sagte zu ihm: Jetzt sind Sie also dem Wein verfallen. Ich: Lassen Sie ihn, wenn das die einzigen Dummheiten wären! Szabó: Ich soll wohl erst zu Ihnen kommen und fragen, was ich tun soll. Ich: Das hätte Ihnen viel früher einfallen können.“⁹⁷¹ Auf einem anderen Zettel lesen wir: „Auf der Fakultätssitzung am 20. Juni lächelte Szabó äußerst schadenfroh.“ Szabó hatte nämlich zwei Tage zuvor mit einem dreiseitigen lateinischen Bericht an Rom zu Zapletals Weggang nach Hacking Stellung bezogen. Darin beschwerte er sich zunächst, dass Zapletal sich nicht an seine Weisung gehalten habe, außerhalb des Ordens mit niemandem über seinen Weggang zu sprechen; sodann ging er näher auf den Wechsel nach Hacking ein, zu dem Zapletal die Erlaubnis des Ordensmeisters schon eingeholt hatte. „Ich habe vor Eurer Paternität schon einmal mündlich erklärt, dass es hier nur um Geld geht. Wenn der P. General seine Weisungen hinsichtlich der Finanzen zurücknähme, würde P. Zapletal sicherlich lieber hier bleiben. Die Sache kann nicht entschieden werden ohne schwerwiegende Folgen, insbesondere für den Geist des Albertinums: wem wird das Geld zukommen, das heißt die Pension, die die Regierung für P. Z. zahlen wird? Als emeritierter Professor wird er nämlich 1500 Franken erhalten, wie ich gehört habe.“⁹⁷² Die Frage war auch grundsätzlicher Natur, denn bisher war nur P. Weiß in Pension gegangen. „P. Zapletal betrachtet die Pensionszahlungen sicher als Geld, das ihm persönlich gehört; und so wird er zusammen mit den kleineren Messstipendien, die er von den Schwestern sicher erhält, und noch dazu mit den Einkünften aus seinen Büchern ein angenehmes und sorgenfreies Leben führen können. Umso mehr, als er so gut wie keine persönlichen Ausgaben hat, denn die Schwestern werden in jeder Hinsicht für ihn sorgen.“ Nach dieser sehr persönlichen und recht übelwollenden Passage, in der Szabó die Integrität des gealterten Ordensmannes in Zweifel zog, führte er die angeblichen Folgen aus. Die Zustimmung des Ordensmeisters schüfe einen Präzedenzfall, auf den sich zukünftig auch andere berufen könnten. Die Professoren gerieten damit in die nicht geringe Versuchung, dem Zeitpunkt ihrer Pensionierung ungeduldig entgegenzusehen und ihre Lehrstühle so bald wie möglich zu verlassen. „Schon jetzt habe er aus dem Munde einer der Patres vernommen: So und so lange muss ich noch unterrichten, dann bekomme ich meine Pension, suche mir ein Plätzchen für den Ruhestand und werde ein schönes Leben führen. Ein weiterer hat sich ganz ähnlich geäußert, ob im Scherz oder Ernst, weiß ich nicht zu sagen.“ Aber auch damit war Szabó noch nicht zu Ende: „Dieses Argument erscheint umso triftiger, wenn wir die beson-

 Notiz Zapletals vom 7. 5.1928. AA FZapletal.  Bericht Szabós vom 18.7.1928. AGOP XI. 15330.

4.5 Letzte Scharmützel

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deren Umstände bedenken, unter denen P. Zapletal seinen Lehrstuhl verlassen will. Womit ich sagen möchte, dass er noch nicht außerstande ist, seine Lehrtätigkeit auszuüben. Auch geht er nicht nach Wien, um bei den Schwestern ein Amt zu übernehmen […]. Die Schwestern in Hacking haben derzeit zwei Priester als Kapläne und können davon so viele haben, wie sie sich einbilden; nach Wien kommen ständig viele Priester zum Studium und aus anderen Gründen und sind stets erfreut, wenn sie in einem kirchlichen Haus Unterkunft finden, in dem sie verpflegt werden.“ Zudem sei der Schwesternkonvent nur eine halbe Stunde zu Fuß vom Kloster der Dominikanerpatres entfernt, die katechetische und andere Dienste sowie die Beichte versehen könnten. „Niemand wird ernstlich glauben, dass P. Zapletal etwa das Amt eines Rektors oder Kaplans an der Kirche der Schwestern oder in ihrem Konvent übernehmen wolle; das wäre für ihn eine neue, schwierige und unangemessene Pflicht. Er würde dort also ein Leben führen, um das ihn viele beneiden könnten, die in menschlichen Dingen nicht nach den Grundsätzen des Glaubens urteilen.“ Auch befürchtete Szabó eine schlechte Beispielwirkung für die österreichischungarische Ordensprovinz. „Dennoch will ich P. Zapletal seine Verdienste um das Kloster der Schwestern nicht absprechen, insbesondere die von ihm in der schweren Kriegs- und Nachkriegszeit geleistete Hilfe. Was ich hier vorgebracht habe, geschah ganz grundsätzlich in Hinblick auf das moralische und geistliche Wohl des Albertinums. Sofern P. Zapletal nach einem ruhigen Leben verlangt, kann er es in seiner Provinz finden. Außer Frage steht meines Erachtens allerdings, dass der Weggang P. Zapletals [aus dem Albertinum] aus der Sicht des Ordenslebens wünschenswert ist, in Hinblick auf einen Fortschritt dieses Ordenslebens sogar unerlässlich.“⁹⁷³ Einen neuen Höhepunkt erreichten die Spannungen zwischen den beiden Ordensmännern einen Monat später zu Ende des akademischen Jahres. Bei der Sitzung des Fakultätsrates am 3. Juni 1928 war Zapletal zugegen, bei den Verhandlungen am 15. Juli bereits nicht mehr.⁹⁷⁴ Aber damit nicht genug: „Am 18. Juli, während meiner letzten Vorlesung, wurde ich ohnmächtig. Danach sagte Szabó zu mir: Sie sind frei, nehmen Sie sich mit, was Ihnen beliebt.⁹⁷⁵ Es tut mir leid.“⁹⁷⁶ Zwei weitere Notizen verraten aber, dass der von Zapletals angeschlagener Gesundheit herbeigeführte Frieden keine Woche hielt: „23.7. abends. Als Szabó über die Beleuchtung sprach, und zwar dass unser Haus nicht als einziges in tenebris bleiben dürfe, sagte ich: ‚Das würde doch bestens passen!’ Darauf er: Ich verbitte mir nächstens derart unangebrachte Bemerkungen!’“⁹⁷⁷ Drei Tage später notierte Zapletal: „Am 26. Juli 1928 hielt Szabó vor dem Kapitel eine Rede und ermahnte uns alle, gute Vorlesungen zu halten.

 Ebd..  AAlb A7.  Das bezieht sich auf Zapletals persönliche wissenschaftliche Bibliothek. Bis heute wird sie ehrenvoll in Zapletals ehemaliger Zelle in Hacking aufbewahrt.  Notiz Zapletals. AA FZapletal. Die Notizen waren auf Tschechisch.  Notiz Zapletals. AA FZapletal.

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4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

Dass wir andere übertreffen sollten.“⁹⁷⁸ Das Verhältnis der beiden war offenbar irreparabel. Im Übrigen kam Szabó auch mit anderen nicht gut aus und legte sein Amt als Vikar im Januar 1930 vorzeitig nieder; an seine Stelle trat Munnynck. Szabó wurde nach nicht ganz drei Jahren von der Fakultät abberufen und zum Provinzial der ungarischen Provinz bestellt.

4.6 Weggang nach Hacking Zapletal war entschlossen, seinen Lebensabend in Hacking zu verbringen. Das musste er sich mühsam aushandeln. Zunächst vereinbarte er seine Übersiedelung nach Wien mit dem Diözesanbischof Kardinal Friedrich Gustav Piffl.⁹⁷⁹ Dieser stimmte unter der Bedingung zu, dass zunächst die Kompetenzen zwischen Zapletal, der einer anderen Ordensprovinz zugehörig war, und den Wiener Dominikanern abgesteckt würden. Zapletal bat im Juli 1928 seinen früheren Provinzial und Ordensmeister Andreas Kardinal Frühwirth um Vermittlungshilfe. Daher wissen wir auch, dass Zapletal bereits seit längerem als Fürsprecher und Beschützer der Schwestern galt. Die österreichischen Dominikaner hingegen hielten die Schwesternkommunität nicht für lebensfähig und wollten deren Gebäude ihrem Ordensstudium einverleiben. Zapletal, der mit den Geschicken des Klosters seit 35 Jahre aufs Beste vertraut war, hatte durch sein Engagement für die Schwestern das Missfallen seiner österreichischen Mitbrüder auf sich gezogen, die nun gegen ihn zu intrigieren versuchten. Als friedlicher Mensch glaubte Zapletal aber an Aussöhnung.⁹⁸⁰ Obwohl die Schwestern in Hacking Zapletal gerne bei sich gehabt hätten, fürchteten einige österreischische Dominikaner, er könne, würde er direkt bei ihnen wohnen, Einfluss auf sie nehmen. Zu gleicher Zeit versicherte Zapletal dem österreichischen Provinzial Angelikus Töffler, dass er nicht vorhabe, sich um das Amt eines Beichtvaters oder Katecheten zu bemühen, die beide den Patres in Wien zustünden. Er selbst wolle sich dem Schreiben widmen, öffentliche Vorträge halten und da, wo ihn die Schwestern bräuchten, auch priesterliche Dienste versehen.⁹⁸¹ Auch die mächtige Stellung einiger seiner Gegner in der römischen Kurie und unter den österreichischen Dominikanern konnte Zapletal letztlich nicht hindern, nach Hacking zu gehen. Finanzielle Gründe mögen eine Rolle gespielt haben, denn mit seiner Professorenpension, die ihm das Ministerium nach Hacking schickte, konnte er dem geliebten Schwesternkonvent in finanziellen Notlagen beistehen.

 AA FZapletal.  Kardinal Friedrich Gustav Piffl (1864– 1932), geb. in Lanškroun/Landskron. Seine Ernennung zum Wiener Erzbischof 1913 war für die Integralisten eine große Enttäuschung; sie sahen in ihm einen engagierten Liberalen. Vgl. Poulat, Intégrisme, S. 523.  AA FZapletal.  Kopie eines Briefs von Zapletal an Töffler, 15.7.1928, AA FZapletal.

4.6 Weggang nach Hacking

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Der Staatsrat bekundete Zapletal im Sommer 1928 erneut seine „außerordentliche Sympathie“,⁹⁸² eineinhalb Jahre nach Pythons Tod. Die früheren Ehrenbezeigungen sind also nicht etwa nur aus dem guten Verhältnis der beiden Männer zu erklären. Zapletals Herzbeschwerden wurden nicht besser; zu Ende des Sommersemesters ersuchte er daher den Staatsrat, ihn aus gesundheitlichen Gründen von seiner Professur zu entbinden. Tatsächlich führt der Brief vom 28. Juli in erster Linie gesundheitliche Gründe an: „Nach 35 Jahren Lehre bin ich müde und durch verschiedene Krankheiten sehr geschwächt, und so erlaube ich mir auf Grundlage einer ärztlichen Empfehlung und mit Erlaubnis des Ordensmeisters P. Paredes hiermit zum 30. September dieses Jahres um meine Demission als Professor zu ersuchen.“ Das tue er im Gefühl der Dankbarkeit gegen Gott und die Fribourger Regierung, die ihm so viele Jahre wissenschaftlicher und literarischer Tätigkeit vergönnt hätten.⁹⁸³ Dem Gesuch beigefügt war ein Brief, der die näheren Umstände seiner Resignation erklärt. „Ich bedauere es sehr, aber ich muss um meine Entbindung von der Lehrtätigkeit bitten, denn ich stelle fest, dass meine Gesundheit ernstlich angegriffen ist. Ich habe Ihnen bereits davon berichtet, wie oft ich das Gefühl habe, in Ohnmacht zu fallen: Letzte Woche, am 18. Juli, wollte ich dieses Gefühl niederkämpfen und ging um 11 Uhr an die Fakultät[,] um zu lesen. Aber ich brach, um die Wahrheit zu sagen, im Hörsaal zusammen, und die Studenten brachten mich mit dem Auto nach Hause. Mein Herz ist inzwischen sehr schwach und auch andere Beschwerden des Alters melden sich. Daher musste ich bereits in diesem Studienjahr etliche Vorlesungen ausfallen lassen. Zu alledem ist auch mein Fach nicht gerade dazu angetan, meine Gesundheit zu stärken. Seit zwanzig Jahren muss ich als Exeget Krieg führen, freilich einen reinen Verteidigungskrieg. Kriegsjahre aber werden doppelt gezählt, weil sie stärker an den Kräften zehren.“ Auch weist er daraufhin, dass der Lehrstuhl für semitische Sprachen und Literatur ihm persönlich übertragen worden sei und eigentlich zur philosophischen Fakultät gehöre, so dass der Ordensmeister nur in dem Falle einen Nachfolger für ihn suchen müsse, wenn der Staatsrat ausdrücklich wieder einen Dominikaner wünsche. Er müsse, so fügt er hinzu, alles erst noch seinem Ordensoberen vorlegen.⁹⁸⁴ Auf seinen gesundheitlichen Zustand hatte Zapletal den Erziehungsdirektor bereits am 12. Juni 1928 in Zusammenhang mit der Ankündigung der Vorlesungen für das nächste akademische Jahr hingewiesen. Hinter seinem Namen, so sein Vorschlag, solle man einen Beurlaubungsvermerk machen oder aber darauf hinweisen, dass die Veranstaltungstitel zu einem späteren Zeitpunkt präzisiert würden. Angesichts seines Befindens glaube er jedoch nicht, dass er die Lehre zum Herbst aufnehmen könne. Er wolle dem Minister seine Absichten auch nicht verheimlichen und bekenne daher, dass er ernsthaft an ein endgültiges Ausscheiden denke, zumal der Arzt ihm verordnet

 So Barthélemy, Idéologie, S. 151.  AEF Zapletal.  AEF Zapletal.

254

4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

habe, sich zu schonen und zu erholen. Der einzige Grund, warum er noch zwei Wochen gezögert habe, sei, dass er weiterhin schreiben wolle.⁹⁸⁵ Das Ministerium versuchte über die Vorgesetzten in Rom einzugreifen; in einem Brief vom 16. August 1928 heißt es, dass „der Weggang P. Zapletals einen ungemein empfindlichen Verlust für die Universität darstellt und das Verschwinden seines Namens aus dem Dozentenverzeichnis sehr schwerwiegende Folgen nach sich ziehen kann.“⁹⁸⁶ Zapletals Zusammenbruch am 18. Juli hatte jedoch eine durchschlagende Wirkung. P. Chauvin, Assistent des Ordensmeisters, übermittelte der Regierung am 22. August aus Paris den Standpunkt des Ordens: „Wie ich Ihnen bereits sagte, ist unser Bedauern über diese Entscheidung genauso groß wie Ihre. Doch mit Blick auf das derzeitige gesundheitliche Befinden P. Zapletals wäre es allzu hart, auf seinem Verbleib zu bestehen.“⁹⁸⁷ Die vom Ministerium geäußerten Befürchtungen waren keine Höflichkeitsfloskeln. Das machte Professor Rowan am 6. August 1928 in einem Brief an die Kurie deutlich. Rowan hatte gerade vom wahrscheinlichen Weggang seines älteren Kollegen erfahren. Er zeigte sich darüber sehr unglücklich und lehnte eine eventuelle Nachfolge ab. Bisher hatte er nur niedrigere Kurse für Priesteramtskandidaten auf Grundlage des lateinischen Vulgata-Tetxes gegeben, Zapletal hingegen alle höheren exegetischen Kurse auf Grundlage des hebräischen Textes. „Ich werde kaum den bescheidenen Vorlesungen gerecht, die ich bisher gehalten habe. Meine Unzulänglichkeit ist mir längst klar geworden, aber solange ich einen so außerordentlich fähigen Kollegen an meiner Seite wusste, hatte ich keine Angst […]. Auch muss ich darauf hinweisen, dass ich, sollte man mir diese Aufgabe dennoch übertragen wollen, die Nachfolge eines herausragenden Kenners des Hebräischen antreten würde.“⁹⁸⁸ Der Staatsrat beschloss auf Vorschlag des Kultusministers, das Pensionsgesuch in einen Antrag auf unbefristeten Erholungsurlaub abzuändern. Zapletal und der Ordensmeister stimmten zu. Auf der Sitzung am 15. September 1928 wurde Zapletal dieser Urlaub amtlich genehmigt.⁹⁸⁹ 35 Jahre Lehre mögen genug erscheinen, andererseits war Zapletal erst 61 Jahre alt und hätte somit nocht gut zehn Jahre unterrichten können. Seine Lehrbefugnis galt bis 1933. In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre hatte er die biblischen Romane aufgegeben, jedoch zwei kleinere Studien für Na Hlubinu verfasst, und zwar gleich für die erste Nummer dieser in der Tschechoslowakei neu gegründeten Zeitschrift des Dominikanerordens.⁹⁹⁰ Im Juli 1928, nach Ende des Sommersemesters, reiste Zapletal nach Hacking, von wo er sich am 18. September an Kultusminister Perrier in Fribourg wandte. Noch

 AEF Zapletal.  AGOP XI. 15300.  AEF Zapletal.  AGOP XI. 15300.  AEF Zapletal.  Vincent Zapletal, Bileam, in: Na Hlubinu 1 (1926), S. 34– 37, 87– 88, 140 – 143. Drei Jahre danach folgte: Ders., Biblický Samson – Sluneční mytus? [Der biblische Samson – ein Sonnenmythos?] in: Na Hlubinu 4 (1929), S. 19 – 23.

4.6 Weggang nach Hacking

255

kannte er das Verhandlungsergebnis des Staatsrats nicht, aber er nahm es vorweg: „Wenn der Herr Minister noch immer der Überzeugung ist, dass er mir nur Urlaub gewährt, so bitte ich ihn sehr, dass er meinen Teil aus der Gesamtsumme, die die Patres im Albertinum erhalten, abzieht und mir hierher schicken lässt. Ich denke, dass wird wesentlich einfacher sein, als wenn ich P. Szabó um etwas angehen müsste, den Vorsteher unseres Hauses in Fribourg. In den letzten Tagen habe ich mich auf die Arbeit an der Geschichte des israelischen Volkes gestürzt[,] und eine der Schwestern daktylographiert den Text gleich. Ich danke Ihnen herzlich für alles, was Sie für mich getan haben“.⁹⁹¹ Zu Ende des Wintersemesters unterrichtete Zapletal den Minister über die Chancen einer eventuellen Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit zum Sommersemester 1929: „Mein Gesundheitszustand ist besorgniserregend[,] und seit mehr als zwei Wochen befinde ich mich unter ständiger ärztlicher Kontrolle und in Betreuung, damit ich eine Operation möglichst vermeide. Auf Empfehlung meines Arztes, dem ich aus verschiedenen Gründen nicht noch mehr Sorgen bereiten will, wird in etwa drei Wochen ein weiterer Spezialist konsultiert, so dass ich mich jetzt nicht dazu entschließen kann,Vorlesungen für das Sommersemester auszuschreiben. Sollte das ärztliche Urteil Anfang Februar günstig ausfallen, wäre für eine Ausschreibung noch immer genügend Zeit. Allerdings muss ich gestehen, dass ich Fribourg ein wenig fürchte, denn die gegenwärtige Atmosphäre in unserem Haus tut mir nicht gut. Aber natürlich will ich in keiner Weise der Universität schaden […], für die mein Herz weiterhin schlägt.“⁹⁹² Wie versprochen schrieb Zapletal am 9. Februar 1929: „Bei der ärztlichen Konsultation hat man mir geraten, auf meine Gesundheit zu achten und auf keinen Fall Vorlesung zu halten. Natürlich würde ich Ihrem Wunsch, der mir eine Ehre ist, gerne entsprechen, aber der alttestamentliche Prediger, mit dem ich mich so ausführlich beschäftigt habe, sagt: melior canis vivus leone mortuo. ⁹⁹³ Wollen Sie mir daher gütigst verzeihen, wenn ich keine Vorlesungen ausschreibe.“⁹⁹⁴ Vor Ferienbeginn 1929 suchte Zapletal erneut um seine Pensionierung nach, denn sein Befinden hatte sich nicht gebessert. Zu Ende des akademischen Jahres 1929, am 10. Juli, erklärte Zapletal von Wien aus in einem Schreiben an das Kultusministerium in Fribourg, dass er von seiner Professur zurücktrete. Sein Zustand wolle sich nicht bessern und sei in den letzten Wochen immer besorgniserregender geworden: „Da ich nicht vorhabe, dem weiteren Fortkommen der Universität, die mir so sehr ans Herz gewachsen ist, zu schaden, und da ich überzeugt bin, dass die gegenwärtige Lösung nicht wirklich zufriedenstellend ist, erneuere ich hiermit meine Bitte um Versetzung in den Ruhestand.“⁹⁹⁵

    

AEF Zapletal. AEF Zapletal. Koh 9,4: „Besser ein lebender Hund als ein toter Löwe“. AEF Zapletal. AEF Zapletal.

256

4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

Der Staatsrat in Fribourg hatte das Gesuch bei seiner Sitzung am 20. Juli 1929 auf der Agenda und stellte fest, dass Prof. Zapletal, der sich in Wien aufhalte, aus gesundheitlichen Gründen seine Professur für Exegese des Alten Testaments an der theologischen Fakultät und seine Professur für alte Sprachen an der philosophischen Fakultät aufgeben müsse. Der Universität und dem Kanton Fribourg, wo er den Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Karriere erlebt habe, bleibe er auch in Zukunft von Herzen verbunden. Einen weiteren Beweis seiner Geneigtheit habe er gegeben, indem er für die Zukunft Vorträge aus seinem Fach zugesagt habe. Der Rat habe beschlossen, die Demission Prof. Zapletals voll Bedauern und in Dankbarkeit für seine hervorragenden Leistungen mit Gültigkeit ab dem 1. Juli anzunehmen. Eine Mitteilung über diese Entscheidung erging an den Rektor der Universität, den Ordensmeister der Dominikaner in Rom, die Pensionskasse der Professoren sowie an Zapletal in Wien.⁹⁹⁶ Eine Woche später, am 28. Juli 1929, gab der Ordensmeister seine Zustimmung.⁹⁹⁷ Der Rektor der Universität, Professor Paolo Arcari, fand in seinem Jahresbericht für Zapletal Worte der Anerkennung und des Dankes.⁹⁹⁸ Dieser Beschluss erlaubte es Zapletal, auch weiterhin den Titel eines Professors zu führen – durchaus ein Privileg. Denn in Fribourg wird man bis heute nicht auf Lebenszeit zum Professor ernannt, und anders als an den übrigen europäischen Universitäten dürfen nur diejenigen den Professorentitel tragen, die einen Lehrstuhl innehaben. Dieses Recht erlischt, sobald ein Professor den Lehrstuhl verlässt. Ende 1930 erwiderte Zapletal die Neujahrswünsche des Kultusministers und dankte ihm für alles, was er für ihn getan hatte: „Um meine Gesundheit steht es besser, aber ich muss mich wegen des Herzens, das weiterhin schwer in Mitleidenschaft gezogen ist und auch bleiben wird, strengen Regeln unterwerfen. Ich hoffe, dass ich in Zukunft ein bisschen mehr forschen kann, als es mir in den letzten beiden Jahren vergönnt war.“⁹⁹⁹ Obwohl schwerkrank, kam er zugleich auf seine Arbeit, neue Vorhaben und Buchprojekte zu sprechen. Noch immer beschäftigten ihn Gedanken, die er ausarbeiten und veröffentlichen wollte. Der Lehrstuhl für semitische Sprachen wurde in einen Lehrstuhl für Religionsgeschichte umgewidmet und der theologischen Fakultät zugeordnet. Zum ersten Professor wurde 1929 Marc-Antoine van den Oudenrijn ernannt, den Zapletal selbst als Nachfolger empfohlen hatte.¹⁰⁰⁰ Wie Zapletal unterstützte auch van den Oudenrijn Vincent Rowan bei seinen Lehrveranstaltungen zum Alten Testament. Dieser aber war mit den neuen Verhältnissen nicht zufrieden, verließ Fribourg nach nur einem Jahr, und wieder musste eine neue Lösung gefunden werden. Van den Oudenrijn wurde

 AA FZapletal. Vgl. den Rentenbescheid vom 30. 8.1929. AEF Zapletal.  AGOP XI. 15300.  Vgl. den Bericht 1928/1929, S. 6.  AEF Zapletal.  Vgl. den Bericht 1928/1929, S. 6.

4.7 Herbst des Lebens

257

Professor für alttestamentliche Exegese, die Professur für Religionsgeschichte¹⁰⁰¹ übernahm P. Allo. Auf dessen Stelle für neutestamentliche Exegese berief man P. Jean Tonneau. Mit dem Weggang Zapletals und Rowans und den Wechsel Allos auf einen anderen Lehrstuhl sahen sich die Integralisten nach zwanzig Jahren endlich am Ziel. Keiner der drei progressiven katholischen Bibelwissenschaftler lehrte mehr Exegese.

4.7 Herbst des Lebens Auf der Sitzung am 26. Januar 1934 beschloss der Staatsrat zwei inzwischen in Ruhestand befindliche Fribourger Professoren in besonderer Weise zu ehren: Vincent Zapletal in Wien und Pierre-Marie Mandonnet in Paris, zufällig also genau die beiden, die von 1904 bis 1914 im Zentrum der antimodernistischen Angriffe gestanden hatten. Nun wurden sie gemeinsam zu Professeurs honoraires der Universität Fribourg ernannt. Kultusminister Piller schrieb aus diesem Anlass an Zapletal: „Mit diesem Beschluss wollte unsere Regierung Ihre lange und brillante Karriere würdigen, die Sie in Fribourg begonnen haben, nach dem Sie aus Jerusalem, wo Sie Ihr Studium der Exegese und Orientalistik zur Vollendung führten, zurückgekehrt waren. Der theologischen Fakultät gereichten Ihr Wirken und Ihre hochgelehrten Vorlesungen zu großer Ehre. Auch Ihre beachtliche wissenschaftliche Arbeit und Ihre zahlreichen Publikationen seien hier genannt, von denen zwei in die Fribourger Edition Collectanea gehören und deren lange Reihe Ihren Namen, den Orden des hl. Dominikus und das Institut, das Sie unter seine besten Professoren zählt, zum Ruhm gereicht.“¹⁰⁰²

Zapletal antwortete am 5. Februar 1934: „Es war für mich eine große, aber angenehme Überraschung, als Sie mir am 30. Januar so freundlich mitteilten, dass der Staatsrat die große Güte hatte, mich zum Professor h.c. der mir so teuren Universität Fribourg zu ernennen. Ich weiß diese Auszeichnung sehr zu schätzen und werde stets dafür dankbar sein. In der Tat weile ich mit meinen Gedanken und Gefühlen immer noch in Fribourg, wo ich fünfunddreißig Jahre zu wirken die Ehre hatte. Erst rückblickend erkenne ich klarer, was für eine Gnade es für mich war, dass ich mich dort so lange Zeit ungestört der wissenschaftlichen Tätigkeit widmen konnte, und ich bedauere nur, dass ich nicht mehr zu Ruhm und Ehre des Kantons und der Universität zu tun imstande war […]. Oft bitte ich Gott, dieses herrliche Werk zu segnen.“¹⁰⁰³

Ganz ähnlich antwortete er ein Jahr später, am 9. Januar 1935, auf die Übersendung des Ehrendiploms. Noch deutlicher herauszuhören sind der innere Frieden und die Versöhnlichkeit des alten Professors, dem diese Auszeichnung Anlass zu einem bilan-

 1940 wurde Zapletals ehemaliger Lehrstuhl für semitische Sprachen in einen Lehrstuhl für Missionswissenschaft umgewandelt.  AEF Zapletal.  AEF Zapletal.

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4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

zierenden Rückblick gab und der trotz aller Schläge und Wunden inzwischen sagen konnte: „einen guten Kampf habe ich gekämpft…“¹⁰⁰⁴ Das darauffolgende Jahr stand ganz im Zeichen des geistlichen Diensts bei den Schwestern, wo er 1933 das Amt des Beirats der Subpriorin übernommen hatte. Doch ging es nicht nur um geistliche Aufgaben. Zapletal nahm sich vor, die chronisch prekäre wirtschaftliche Situation des Klosters zu lösen, und unterstützte den Ankauf eines Wirtschaftshofes in Kemmelbach. Die Rückzahlung der entstandenen Schulden verschlang seine gesamte Professorenpension, so dass er sich immer wieder Geld leihen musste, wenn er zu Vorträgen fahren wollte. Zapletal zog nach Kemmelbach, um selbst ein Auge auf die Wirtschaftsführung zu haben; zugleich war er Priester für die dort tätigen Schwestern. Mit großem Enthusiasmus widmete er sich dem Jagd- und Forstwesen, dem Obstbau und der Fischzucht im Kemmelbacher Teich.¹⁰⁰⁵ Zapletal verstarb unerwartet am 21. Januar 1938, nicht ganz eine Woche nach seinem 71. Geburtstag, direkt nach der Aussetzung des Allerheiligsten,¹⁰⁰⁶ die er selber geleitet hatte. Der Klosterchronik zufolge verließ er diese Welt gewissermaßen zum rechten Zeitpunkt, denn nach dem ‚Anschluss‘ Österreichs an das Deutsche Reich hätte er sich in großer Gefahr befunden. Auf der Liste der von der Gestapo umgehend zu verhaftenden Personen findet sich auch der Name des unerschrockenen Exegeten und Emeritus tschechischer Herkunft, der den Nationalsozialismus offen kritisiert hatte.¹⁰⁰⁷ In Fribourg wurde auf Anordnung von Rektor Sévérin Bays am Montag, dem 24. Januar 1938, kein Unterricht gehalten, denn für diesen Tag war in der schönsten und größten Fribourger Kirche, bei den Franziskaner-Konventualen (Cordeliers), eine Totenmesse anberaumt worden. Die Begräbnisfeierlichkeiten in Wien fanden ebenfalls am 24. Januar statt unter Beteiligung von dreißig Priestern, zunächst in Hacking unter der Leitung von P. Tomáš Emil Dittl, dem Provinzial von Böhmen, und P. Bartholomäus Badalik, dem Provinzial von Österreich, dann in der Pfarrkirche von Ober St.Veit, wo der Wiener Erzbischof Kardinal Theodeor Innitzer zusammen mit Professor Gallus Maria Häfele aus Fribourg die Aussegnung vornahm. Anwesend waren außerdem die Prioren der Dominikanerkonvente von Znaim (Znojmo), Graz, Retz und Wien sowie der Regens studiorum Emilián Soukup aus Olmütz (Olomouc). Auch viele Gläubige waren gekommen, Vertreter der Franziskaner und Karmeliten. Seine letzte Ruhestätte fand Vincent Zapletal in der Gruft der Hackinger Dominikanerinnen auf dem Friedhof von Ober St. Veit. Auch die Tschechische Akademie der Wissenschaften und Künste bekundete ihre Trauer über den Tod des großen Gelehrten und Rektors der Fribourger Universität in einer eigenen Anzeige. Kondolenzschreiben anlässlich Zapletals Tod erhielt die Akademie ihrerseits von den Rektoren der drei tschechoslowakischen Universitäten –    

AEF Zapletal. Klosterchronik der Dominikanerinnen in Hacking. Ebendort aufbewahrt. Vgl. Elogium, S. 535. Klosterchronik der Dominikanerinnen in Hacking. Ebendort aufbewahrt.

4.7 Herbst des Lebens

259

der Karls-Universität Prag, der Masaryk-Universität in Brno (Brünn) und der Komenský-Universität in Bratislava (Preßburg).¹⁰⁰⁸ Etliche Nekrologe wurden gedruckt. So schrieb Zapletals Nachfolger Marc-Antoine van den Oudenrijn eine umfassende Würdigung in französischer Sprache für die Liberté vom 24. Januar 1938 und in deutscher Sprache für die Freiburger Nachrichten. Der anonyme Autor erinnert geradezu überschwenglich in L’Indepedance de Fribourg an Zapletal als einen der größten Männer der Fribourger Universität und des Dominikanerordens: „Obgleich wir diesen mit natürlicher Majestät begabten Mönch schon längere Zeit nicht mehr durch die Straßen der alten Stadt haben schreiten sehen, bewahren seine Freunde das Bild dieser erhabenen und dabei doch zugewandten und verständnisvollen Persönlichkeit in unauslöschlicher Erinnerung: die klare Stirn, beschlossen von den mächtigen Arkaden der Brauen, unter denen das Feuer eines starken und doch ruhigen Blicks loderte.Was für eine Zierde unserer Stadt! Prüfungen und Bedrängnisse suchten diesen Mönch heim, der gleich zu Beginn an unsere Fakultät berufen wurde, um Exegese des Alten Testaments an der theologischen Fakultät zu lehren und bald einer der strahlendsten Sterne der wissenschaftlichen und religiösen Welt war. Freilich, Fribourg sollte eine flammende Fackel der integralistischen Orthodoxie werden. Inmitten der modernistischen Stürme war der gute Pater Zapletal, der die Schrift kannte wie das Abc, viel zu treu, viel zu ehrlich, um sich bewusst unwissend zu stellen über den wissenschaftlichen Nutzen einer rationalistischen Exegese, speziell der großen deutschen philologischen Schule des 19. Jahrhunderts. Die Fribourger ‚rechtgläubige Schule‘ hegte ihm gegenüber bald Verdacht und denunzierte ihn eifrig. Überwachung, Denunziation, Kontrolle seiner Vorlesungen durch hergelaufene Studenten, nichts blieb ihm erspart. So musste er sich eines schönen Tages nach Rom aufmachen, um sich zu verteidigen! Danach betraute man ihn lieber mit dem Unterricht der semitischen Sprachen. Doch keine dieser Schikanen, keine dieser Demütigungen vermochte seiner hohen Gesinnung zu schaden […]. Jeder, der seine Hilfbereitschaft und Freundlichkeit genossen hat, wird sich eine ergreifende Erinnerung an diese unerschütterliche und überragende Denkergestalt bewahren, deren edle Silhouette sich im ernsten, ruhigen Gepräge unserer fleißigen Stadt so gut ausnahm.“¹⁰⁰⁹ Ein interessantes Zeugnis legte auch Pierre Abey¹⁰¹⁰ vor, Professor der Rechte an der Fribourger Universität und außerdem von 1922– 1928 Bürgermeister der Stadt. Er schrieb am 25. Januar 1938 an einen der Patres im Albertinum: „Voller Freude über meine Rückkehr in die Stadt und das Treffen mit den Freunden an der Universität und im Albertinum war ich nicht imstande, Ihnen mitzuteilen, was ich fühlte, als ich die Nachricht vom Tode Pater Zapletals vernahm. In meinem Gedächntis ist die Erinnerung an ihn

 AAV. Fond ČAV, Inv.-Nr. 258 (Vincent Zapletal)  L′Indepedance de Fribourg vom 24.1.1938, S. 6.  Eine Kurzbiographie dieser großen Persönlichkeit der Universität und Stadt gibt Neuwirth, Freiburger Professoren-Porträts, S. 39 – 47.

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4 Zapletal und die Bibelfrage unter Benedikt XV. und Pius XI.

festgeschrieben als Erinnerung an den Mann, der mich in die vertrauliche Gemeinschaft der Familie des hl. Dominikus einführte. Er stand dem Albertinum vor, als man mich mit der Berufung in den Ausschuss der Gesellschaft des hl. Pius V. beehrte. Diese Nähe vergönnte mir, die erhabene und schöne Persönlichkeit des ehrenwerten Paters schätzen zu lernen, und die Bewunderung, die damals in mir erwachte, wuchs bei der Lektüre seiner Schriften. Sein definitiver Weggang aus Fribourg war für mich schmerzlich. Jetzt, nach seinem Tod, haben wir im Himmel einen Heiligen mehr, der liebevoll auf Fribourg hinunterblickt, auf das Albertinum, und wir bitten den gütigen Gott, dass er uns in ihm einen weiteren Fürsprecher schenke.“¹⁰¹¹

 AA FZapletal.

5 Zusammenfassung 5.1 Zapletal und seine Welt Die Erinnerungen an P. Vincent Zapletal haben uns zum Schlusskapitel unserer Darstellung geführt. In ihm wollen wir Bilanz ziehen und noch einmal einen zusammenfassenden Blick auf das Leben dieses katholischen Exegeten werfen, der für jene Zeit wohl als bedeutendster katholischer Vertreter seines Faches im deutschen Sprachraum gelten kann. Noch einmal wenden wir uns – unter dem Aspekt von Modernismus und Antimodernismus in den Bibelwissenschaften und der katholischen Kirche – seinem wissenschaftlichen Werk zu. Doch zuvor soll eine andere bemerkenswerte Quelle zu Wort kommen: In Zapletals Nachlass hat sich eine ungewöhnliche Sammlung von Exzerpten, Ausschnitten und persönlichen Notizen erhalten, die zwar nicht genau datiert werden können, aber dennoch Einblick in seine Ansichten und Überzeugungen geben und somit unser Bild vom Menschen Vincent Zapletal abrunden. Unter den Dutzenden Notizen haben wir vor allem diejenigen genauer untersucht, die einen unverkennbar persönlichen Standpunkt widerspiegeln. Vieles hat Zapletal in seine Aufsätze und Bücher einfließen lassen, aber in seinen persönlichen Notizen drückt er sich meist direkter, unumwundener aus. So lassen sich seine Grundsätze als katholischer Intellektueller aus den folgenden beiden Bemerkungen ableiten: „Viele werfen anderen die Wahrheit lieber ins Gesicht, als selbst der Wahrheit ins Gesicht zu sehen“ und: „Nur die Ignoranten wissen alles.“ Zur Frage der Inspirationslehre notierte er: „Inspiration: alles, was die Heilige Schrift lehrt, ist inspiriert, also auch die menschliche Gelehrtheit. – Aber ebenso sicher ist, dass manches nur zur äußeren Form gehört, man muss also wissen, was die Heilige Schrift lehrt.“ Für einige negative Entwicklungen in der modernen Theologie machte er als echter Dominikaner die Jesuiten verantwortlich: „Die Bulle Unigenitus ¹⁰¹² sowie der Syllabus wurden von Jesuiten gemacht; sie wurden absichtlich dunkel gehalten, u. deshalb begreift man die Angriffe. Man hat nicht genug distinguiert. So ist in […] Unigenitus verworfen: Quem Deus vult salvare, certe salvabitur. ¹⁰¹³ Man hatte es abgesehen auf den hl. Augustinus u. den Thomismus.“¹⁰¹⁴ Die protestantischen Rezensenten schätzten Zapletals Arbeiten, vor allem auch den Respekt, den er den protestantischen Autoren zollte. Beides wurde ihm von katholischer Seite wiederholt vorgeworfen. Dennoch zeigt sich auch bei Zapletal einiges von der damaligen konfessionellen Unversöhnlichkeit: „Der Protestantismus wahrt zwar nach außen hin ein anständiges Bild, im Innern sind sie aber unmoralischer als  Die von Papst Clemens XI. 1713 herausgegebene Bulle Unigenitus Dei Filius verurteilte die 101 jansenistischen Thesen als Irrtümer.  „Wen Gott retten will, den rettet er gewiss.“  Diese Notiz wurde von Zapletal auf Deutsch verfasst, alle anderen auf Tschechisch, AA FZapletal. https://doi.org/10.1515/9783110749090-006

262

5 Zusammenfassung

die Katholiken. Er ist Pharisäertum, sepulcra dealbata [getünchte Gräber]. Er gründet ganz in der Versündigung gegen das sechste und siebte Gebot. In Genf zahlt ein Besucher dafür, dass er sich auf Calvins Katheder setzen kann. Auf der Wartburg schauen alle Protestanten ganz entrückt auf einen Tintenfleck, und wehe dem Katholiken, der darüber lacht.“ In seinem Verhältnis gegenüber den reformatorischen Traditionen verbindet sich, genau wie bei Lagrange, die übliche Ablehnung mit der Bewunderung für die nicht zu bestreitenden wissenschaftlichen Leistungen. Weitaus mehr Kritisches lässt sich jedoch in Bezug auf die eigenen Reihen entdecken. So lehnt er die Ordensleute und Priester ab, die dem Alkohol huldigen, insbesondere im Beisein von Gästen, und meint: „Ich saß wie auf Dornen, als die Priester beim Wein vor den Ohren des Bediensteten aus dem Beichtstuhl plauderten.“ Seine Identifikation mit dem Predigerorden, die er ein Leben lang unter Beweis gestellt hat, unterstreicht folgende Überlegung: „Es ist wunderlich, viele unserer Ordensleute zu hören, wie sie auf die Konstitutionen schimpfen, und dass diese nicht mehr in unsere Zeit passen. Das sind Menschen, die in ihrer Profess versprochen haben, die Konstitutionen, so wie sie sind, zu erfüllen, und jetzt wollen sie nichts davon einhalten? Zuvor haben sie ganz freiwillig gelobt? Wollte ein Bahnbeamter so sprechen, dass ihm die Satzungen der Gesellschaft missfallen, zu der er gehört, man wird ihm ganz einfach sagen: ‚Dann geh doch!’ – Bei uns aber nicht. Vielmehr soll man, wenn etwas in den Satzungen ist, was wir nicht einhalten können, es auf legalem Weg abschaffen.“ An anderer Stelle schreibt er: „In unserem Orden war anfangs keine Meditation vorgesehen; die war während des Offiziums. Die Konventsmesse war für alle Pflicht, weil die Priester nur selten eine heilige Messe lasen; wenn das jetzt alles geändert ist, wozu dann die alten Vorschriften?“ Zapletals Überlegungen zeigen auch, wie ernst er die Verpflichtung zum Studium nahm, die der heilige Dominikus seinen Ordensbrüdern auferlegt hatte: „Der Einzelne kann sich bei uns durch Kehren seiner Kammer heiligen etc., aber der Orden als Orden kommt dadurch nicht voran. Dafür braucht man eine Ordensstruktur, Vorsteher etc., die darauf achten, dass vor allem die Aufgabe des Ordens erfüllt wird.“ Welche Aufgabe Zapletal dabei im Sinn hatte, erklären wiederum die folgenden Worte: „Auf der Reise nach Österreich begriff ich, dass die Patres glauben, sie täten genug daran, wenn sie die Predigt hinter sich bringen, ohne daran zu denken, dass sie als Dominikaner sich einen Bereich wählen und darin vervollkommnen sollen. Nur so nutzen sie ihre Zeit recht und werden weniger sündigen.“ – „Im Mittelalter konnten wir an den Universitäten leicht obenan stehen, denn der Unterricht bestand fast nur aus Philosophie und Theologie; heute sind aber Fachleute nötig, und das vernachlässigen wir. Wir haben das leider zum großen Teil den Jesuiten überlassen.“ Und die Folgen dieser Vernachlässigung: „Schwer haben wir es hier in Fribourg, denn wir sind nicht vorbereitet[,] und der Orden kümmert sich nicht darum. Aber mag es uns genügen, Übergang zu einer besseren Zukunft zu sein. So tun wir genug, und daher lasst uns an unserem Platz ausharren.“ Auch die zahlreichen Austritte aus dem Orden kommentiert Zapletal. „Es ist erstaunlich, wie leicht die Ordensleute sich säkularisieren lassen; sie reichen ihre De-

5.1 Zapletal und seine Welt

263

mission ein wie ein Minister. Aber so ist das nicht! Man sollte ihnen in diesem Fall die Konstitutionen zeigen, dass sie sich zum Gehorsam verpflichtet haben. Dann haben beide Seiten einen Vertrag geschlossen. Der Orden sollte öfters einmal sagen: Ich erlaube den Austritt nicht. Und wenn dieser Mensch zehn Jahre ernährt und gebildet wurde, und jetzt fliegt er davon wie aus einem Taubenhaus?“ Ein wenig paradox in Hinblick auf sein lebenslanges Wirken bei den Dominikanerinnen in Hacking muten folgende Überlegungen an: „Unter der Führung von Frauen werden wir selber zu Frauen. Das kostet Zeit.“ Genau deshalb hätten Ignatius von Loyola und Franziskus keine weiblichen Ordenszweige gewollt. „Hätte der hl. Thomas Ordensschwestern die Beichte abnehmen müssen, hätte er nie seine Summa theologica geschrieben. Vor allem nicht so trocken.“ Offenbar hatte Zapletal, als er dies notierte, gerade eine ungute Erfahrung gemacht und war erregt. Denn an anderer Stelle heißt es wieder: „In einem Frauenkloster soll ein Priester nicht in allem bestimmen.“ Und: „In den Frauenklöstern liebt man den Orden mehr als in den Männerklöstern[,] und man bringt auch größere Opfer. Nehmen wir uns an ihnen ein Beispiel.“ Wenig wissen wir über Zapletals politische Ansichten, so dass auch hier seine Notizen wenigstens etwas Licht ins Dunkel bringen. Zapletal kritisierte den zeitgenössischen Laizismus und Säkularismus, verurteilte die Abwendung von der Kirche und sammelte mit Vorliebe Witze, die das „Heldentum“ antiklerikaler Aktivisten aufs Korn nahmen. Sein Verhältnis zur Moderne war ausgewogen, kritisch und zugleich auch voller Verständnis, jedenfalls war er alles andere als naiv. Seine Vorschläge, Urteile und Beobachtungen zeigen uns einen Menschen, der sich den Instinkt und das realistische Augenmaß kleinbäuerlicher Verhältnisse bewahrt hat, der zudem lange Jahre Erfahrungen als Hausökonom seines Konvents sammeln konnte und viel Zeit auf Verhandlungen mit den Banken verwenden musste, um Schulden und Schuldzins zu tilgen. Aber Zapletal kritisierte ebenso den liberalen Kapitalismus, vor allem die Kapitalspekulationen, Aktiengesellschaften und vergleichbare Neuerungen. Immer wieder kam Zapletal auch auf die Jesuiten zu sprechen. In Zapletals Notizen finden sich zur Societas Jesu etliche spöttische, ja fast despektierliche Bemerkungen und Witze. Teils ist das der traditionellen Konkurrenz zwischen Dominikanern und Jesuiten geschuldet, teils spiegelt es aber auch die zeitgenössische Situation in der Exegese: Die progressive katholische Exegese repräsentierten vor allem Dominikanergelehrte wie Lagrange, während der Jesuit Fonck und sein römisches Institut die konservative Gegenoffensive betrieben. Lagrange war übrigens – und nicht ganz zu Unrecht – sein Leben lang fest davon überzeugt,¹⁰¹⁵ dass er seine Probleme den Jesuiten zu verdanken habe. Doch auch unter den Jesuiten gab es moderne Exegeten wie die Patres Albert Condamin, Ferdinand Prat und Franz von Hummelauer, und es war ein Jesuit, der Leiter der Beiruter Hochschule für altorientalische Studien (Université Saint-Joseph), der letztlich verhinderte, dass die Dominikaner die Karriere ihres Mit-

 Vgl. Montagnes, Marie-Joseph Lagrange, S. 128 – 130.

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5 Zusammenfassung

bruders Alois Musil zerstörten.¹⁰¹⁶ Zapletal verweist auf den Anteil der Dominikaner am geistlichen Weg des heiligen Ignatius und des heiligen Petrus Canisius: „Wie das die Jesuiten den Dominikanern heute vergelten! Man sollte einen Aufsatz darüber schreiben.“ Die Witzeleien über den angeblichen Geiz und das Intrigantentum der Jesuiten zu zitieren ist müßig; nennen wir lieber die Ursache von Zapletals Verbitterung: „Wer ist ein Liberaler? Ein Jesuit meinte dazu aufrichtig: Einer, den wir vernichten wollen. – Früher sagten wir Jansenist!“¹⁰¹⁷ So weit die Auswahl aus Zapletals Reflexionen und Notizen. Auch wenn dieses Material recht fragmentarischen Charakter hat und sich zeitlich in den wenigsten Fällen genauer zuordnen lässt, sollte es doch dem Leser nicht vorenthalten bleiben.

5.2 Verbindungen zu Böhmen Otto Weiß macht darauf aufmerksam, dass Vincent Zapletal und Albert Maria Weiß bis 1905 zur selben Ordensprovinz, der Provincia Imperii, gehörten, was zunächst auf eine gewisse Nähe zwischen den beiden hindeuten könnte. Doch Zapletal war Tscheche, und offenbar schlug das habsburgische Nationalitätenproblem auch in die Reihen der Dominikaner durch. Dazu hatte nicht zuletzt die Schaffung einer einheitlichen Provincia Imperii unter Ordensmeister Vincent Jandel im Jahr 1856 beigetragen. Die neue Provinz schloss, ungeachtet der unterschiedlichen Traditionen, alle Klöster des Habsburgerreiches zusammen, und spätere Konflikte waren somit vorprogrammiert.¹⁰¹⁸ Gewisse Spannungen lassen sich nicht bestreiten. Das Noviziat und das interne Ordensstudium befanden sich über lange Zeit außerhalb der böhmischen Länder. Dominikaner tschechischer Herkunft waren daher in der Regel bilingual, was umgekehrt nicht galt. Die Unstimmigkeiten erreichten mit der Teilung der Provinz 1905 ihren Höhepunkt. Aber verstärkte das auch die Spannungen zwischen Weiß und Zapletal? Vielleicht ließe sich bei Weiß eine gewisse Geringschätzung ausmachen, aber nach antideutschen oder antiösterreichischen Elementen bei Zapletal suchen zu wollen, der den größten Teil seiner freien Zeit und auch seinen gesamten Lebensabend in Wien verbracht hat, ist sicher verfehlt, zumal er auch seine biblischen Romane ausnahmslos auf Deutsch verfasste. Bei den Konflikten zwischen Weiß und Zapletal spielte über die Meinungsverschiedenheiten hinaus auch der Altersunterschied eine Rolle. Weiß litt zweifellos unter der Energie und dem Enthusiasmus, mit dem Zapletal und Allo ans Werk gingen. Ihr Optimismus und ihre Gewissheit, dass ihr Verständnis von Exegese den Sieg davontragen müsse, vergällten ihm selbst die Jahre, in denen die progressive Richtung für immer abgetan schien. Obgleich Zapletal und Weiß vielfach in Konflikt

 Vgl. Klobas, Alois Musil, S. 22 f.  AA FZapletal.  Vgl. Weiß, Modernismus, S. 37.

5.2 Verbindungen zu Böhmen

265

gerieten, beide ihre Meinung jeweils sehr entschieden vertraten und durchaus Kämpfernaturen waren, konnten sie doch auch miteinander auskommen.Weiß sprach sich dafür aus, dass Zapetal der Kommunität in Fribourg weiterhin als Vikar vorstand, und stimmte für ihn. Zapletal wiederum schrieb am 25. August 1925 für die Reichspost einen Nekrolog auf seinen verstorbenen Rivalen. Trotz ihres Hanges zur Unversöhnlichkeit zollten sie einander Respekt. Sein kämpferisches und durchaus heftiges Naturell hinderte Zapletal nicht, die Herzen seiner Studenten und Kollegen für sich zu gewinnen. Marie-Humbert Vicaire charakterisierte ihn folgendermaßen: Zapletal „war offen und freundlich zu jedermann, zu den Studenten, seinen Mitbrüdern und den Kollegen, er stand fest im Glauben und verfügte über enorme Arbeitskapazitäten. Seine Offenheit und Direktheit grenzte manchmal fast schon an Naivität.“¹⁰¹⁹ Ähnlich lesen sich die im Archiv des Albertinums erhaltenen Aufzeichnungen der Vikare. Sie loben Zapletals „Intelligenz, den Arbeitseifer, die Aufrichtigkeit, ja Lauterkeit, Einfachheit, Frömmigkeit und Güte, seine beispielhafte Hilfsbereitschaft gegenüber Professoren, Studenten und Schwestern.“¹⁰²⁰ Auch der offizielle Nekrolog der Dominikaner hebt Zapletals unermüdlichen Fleiß und seine vielen Tugenden hervor, seine Frömmigkeit, Güte und überaus große Freundlichkeit gegen alle, Arbeiter und Landwirte auf den Feldern der Schwestern in Hacking nicht ausgenommen. „Er hat uns allen das Beispiel eines Lebens gegeben, das ganz der fruchtbaren Arbeit auf dem Weinberg des Herrn gewidmet war.“¹⁰²¹ Zwischen 1898 – 1910 hatte Zapletals Werk keinen geringen Einfluss auf die tschechische katholische Bibelwissenschaft. Wäre es nicht zu den disziplinarischen Maßnahmen der Jahre 1906 – 1908 gekommen, hätte die Trias Sedláček, Musil, Zapletal auf wissenschaftlichem Gebiet höchst Interessantes leisten können, und dies umso mehr, als es nicht an weiteren qualifizierten und gedanklich eigenständigen Forschern fehlte, die sich ihren Vorhaben hätten anschließen können. Aus der Korrespondenz mit Musil geht hervor, dass Zapletal in Bezug auf das intellektuelle Niveau und die wissenschaftlichen Interessen des katholischen Klerus in Böhmen nicht gerade übertrieben optimistisch war; doch dieser war der natürliche Adressat bibelwissenschaftlicher Arbeiten. Dennoch fand sich unter den Geistlichen eine gar nicht geringe Leserschaft auch für seine deutsch und lateinisch verfassten Werke. Allein im ČKD wurden Zapletals Bücher von sieben verschiedenen Rezensenten besprochen!¹⁰²² Alle sind sich einig über Zapletals hervorragende Kenntnisse des Hebräischen und

 Vgl. Marie-Humbert Vicaire, L’activité savante, in: Histoire de l’université de Fribourg Suisse / Geschichte der Universität Freiburg Schweiz 1889 – 1989. Institutions, enseignement, recherches / Institution, Lehre und Forschungsbereiche, Bd. 2: Les Facultés / Die Fakultäten, éd. par Roland Ruffieux, Fribourg 1991, S. 530 – 537, hier S. 536.  AAlb.  Elogium, S. 535: „Omnibus reliquit exemplum vitae plene transactae in fructifero labore in vinea Domini.“  In chronologischer Folge: Jan Sýkora, Jan Hudeček, Jan Hejčl, František Reindl, Václav Hazuka, Ignác Steinochr, Antonín Jedlička.

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5 Zusammenfassung

loben seine kritische Unbestechlichkeit, und nicht zuletzt sind diese Rezensionen ein Beleg dafür, dass man in Böhmen von Zapletal wusste und ihn auch las. 1910 erschien Zapletals Rektoratsrede als eigenständige Veröffentlichung sowie als Beilage zum ČKD. Erst mit nachlassender Publikationstätigkeit verringert sich seine Präsenz im böhmischen Raum.¹⁰²³ Allerdings nicht in jeder Hinsicht: Alljährlich besuchte er während der Ferien, die er in Hacking verbrachte, auch seine Heimat. Von Hacking aus reiste er nach Prag, sodann zu seinem Bruder, der zunächst in Pňovice und dann zwanzig Jahre in Dolany Pfarrer war, und kehrte über die Klöster in Olmütz/Olomouc und Znaim/Znojmo nach Hacking zurück. Dass er von den katholischen akademischen Kreisen in Böhmen nicht vergessen wurde, zeigt der Versuch der Prager theologischen Fakultät, ihn 1925 auf den Lehrstuhl für alttestamentliche Exegese zu berufen. Obwohl Zapletal bereits 1902 und erneut 1908 von einer Rückkehr in die Heimat gesprochen hatte, sollte es nie dazu kommen. Auch die Dominikaner in Böhmen wussten von ihrem namhaften Mitbruder. Jiljí Bouz, der 1915 Zapletals Roman David und Saul ins Tschechische übersetzte, schrieb über den „international angesehenen Gelehrten“: „Obgleich er in seinen Forschungen streng katholische Positionen vertritt, wurde er zum Ziel für Angriffe von gewisser Seite, die ihm seine herausragende Stellung in der wissenschaftlichen Welt, seine Eigenständigkeit und Originalität bei der Auslegung des Alten Testaments nicht verzeihen konnte.“ Bouz fügte dem kurzen Lebensabriss eine Übersicht über Zapletals Arbeiten an und schloss mit dem Wunsch: „Möge Zapletal von seinen Landsleuten zumindest ebenso viel Anerkennung und Wertschätzung erfahren, wie ihm in fremden Landen zuteil wurde.“¹⁰²⁴

5.3 Zapletal, Cormier und Lagrange Eine weitere Beobachtung von Otto Weiß, die nicht unkommentiert bleiben kann, betrifft das Verhältnis zwischen Lagrange und Zapletal. Weiß zufolge blieb Lagrange Zapletal auch nach dessen Weggang aus Jerusalem „stets eng verbunden“,¹⁰²⁵ was sich später verschiedentlich zeigen sollte. So äußerte sich Lagrange immer wieder voller Anerkennung über Zapletal und seine Arbeiten. Abgesehen von diesen Rezensionen kann Weiß allerdings kaum Beweise beibringen: Lagrange empfahl Zapletal 1909 als Professor der Exegese ans Angelicum, und schon im Januar 1893, als Zapletal noch in Jerusalem war, setzte er große Hoffnungen in ihn. Auch Zapletals Rezension der

 Dennoch rezensierte Hejčl noch in den 1920er Jahren in der Olmützer Revue Našinec nicht nur Zapletals Kommentar zum Buch der Richter, sondern auch alle deutschen Ausgaben seiner sechs biblischen Romane.  Jiljí M. Bouz, P. Vincenz Zapletal, O.P., in: Vincent Zapletal: David a Saul. Biblický román, Praha 1925, S. 361– 363, hier S. 362 f.  Weiß, Modernismus, S. 43.

5.3 Zapletal, Cormier und Lagrange

267

Méthode historique im ČKD und weitere gegenseitige Sympathiebekundungen können hier angeführt werden, z. B. anlässlich Zapletals Rektoratsrede 1910 oder nach der Verurteilung von Lagranges Kommentar 1912. Reicht das, um von einer dauerhaften und engen Verbindung zu sprechen? Ist es nicht symptomatisch, dass beide ihre Sympathie einander nie direkt bekundeten, sondern stets über Dritte? Beim Nachverfolgen der beiden Lebensläufe überrascht das völlige Fehlen einer Korrespondenz zwischen Lagrange und Zapletal. Obwohl sie von ihren Feinden demselben Lager zugeordnet wurden, obwohl sie sieben Semester und mehr als drei Jahre gemeinsam in derselben Dominikanerkommunität studiert hatten, zunächst in Wien, dann in Jerusalem, und sich also gut kannten, und obwohl sie sich derselben Methode verpflichtet fühlten und sie den gleichen bibelkritischen Ansatz verfolgten, verband sie offenbar keine persönliche Freundschaft. Sicher, die Korrespondenz der beiden Gelehrten ist nicht vollständig erhalten, doch in dem, was uns vorliegt, findet sich nicht ein einziger Brief des einen an den anderen. Waren sie sich als Pioniere der Moderne womöglich ihrer steten Gefährdung bewusst und versuchten einander zu schützen, indem sie auf einen Briefwechsel verzichteten? Oder handelte es sich um jene seltene Art von Freundschaft, die weder häufiger Treffen noch großer Worte bedarf und der es doch an Tiefe und Aufrichtigkeit deswegen nicht mangelt? Letztlich ist das nicht zu entscheiden. Doch anhand der erhaltenen Quellen stellt es sich eher so dar, als wären ihr Leben, ihre Konflikte und Triumphe parallel und nicht gemeinsam verlaufen. Beide kämpften im Grunde den gleichen Kampf: Sie hatten sich im Blick, aber sie standen nicht Seite an Seite. Noch eine andere Erklärung ist denkbar: Betrachtet man Lagranges Reaktionen auf Zapletals Arbeiten genauer, so drängt sich der Eindruck auf, dass er ihnen die Anerkennung zwar schwerlich verweigern konnte, er aber auf seinen jüngeren Kollegen und „Schüler“ doch auch ein wenig eifersüchtig war. Zapletal war eine viel zu starke Persönlichkeit, um als jemandes Schüler zu gelten, und auch der geringe Altersunterschied von nur zwölf Jahren legt ein solches Verhältnis nicht nahe. Zapletals Publikationen zwischen 1901– 1905 machten Lagrange die Führung in der progressiven katholischen Exegese in gewisser Weise streitig, insbesondere als Zapletal erfolgreich Arbeiten veröffentlichen konnte, mit denen Lagrange an der Zensur gescheitert war. Zapletal vernahm diese kaum hörbaren „abschätzigen“ Untertöne sehr wohl und ertrug sie nur schwer. Zudem war Zapletal genau wie Musil ein eigensinniger und kompromissloser Mann. Beide stammten aus ärmlichen bäuerlichen Verhältnissen und hatten sich ihren akademischen Erfolg hart erarbeitet. Kein Wunder also, wenn sie auf Kritik an ihrer Arbeit überaus empfindlich reagierten. Lagrange hingegen stammte mütterlicherseits aus dem Lyoner Großbürgertum, sein Vater war Rechtsanwalt; er war also den Umgang mit Büchern von klein auf gewohnt. Angesichts der Tatsache, dass er, sei es aus persönlicher Abneigung oder in Folge eines Missverständnisses, beinahe die wissenschaftliche Karriere des jungen Alois Musil zerstört hätte, ist man doch versucht, seine Distanz gegenüber den beiden jüngeren hochtalentierten Kollegen nicht nur aus der unterschiedlichen sozialen Herkunft zu erklären, sondern auch aus einer verbreiteten französischen Herablassung gegenüber kleineren

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5 Zusammenfassung

Nationen, insbesondere kleineren mitteleuropäischen Nationen ohne eigenen Staat.¹⁰²⁶ Auch große Geister wie Lagrange sind von solchen menschlichen Schwächen nicht völlig frei. Eine außergewöhnliche Freundschaft hingegen verband den dominikanischen Ordensmeister Hyacinthe-Marie Cormier und den Fribourger Vikar Vincent Zapletal. Denn obwohl bei den Dominikanern Provinzial, Prior und Vikar turnusmäßig wechselten – das Mandat galt jeweils drei, bei erstmals Ernannten eventuell auch sechs Jahre –, bestellte Cormier Zapletal viermal hintereinander zum Vikar. Die Funktion des Ordensmeisters war damals auf zwölf Jahre beschränkt; fast während Cormiers gesamten Generalat (1904 – 1916), ausgenommen nur die ersten zwei Jahre, war Zapletal in Fribourg Vikar. Das Albertinum mit seiner Dominikanerkommunität gehörte damals zu den wenigen Einrichtungen, die nicht einer bestimmten Provinz unterstanden, sondern unmittelbar dem Ordensmeister. Dieser konnte in freier Entscheidung ein Mitglied der betreffenden Kommunität oder aber auch einen Außenstehenden zum Vikar bestellen. Die wiederholte Ernennung Zapletals trotz aller Angriffe seitens der Integralisten zeugt von Cormiers Vertrauen, zugleich aber auch von der Zuverlässigkeit und den Führungsqualitäten seines Vikars. Das Verhältnis der beiden Männer war geprägt von Respekt, aber auch von Freundschaft, trotz der Unterschiede in Alter, Charakter und Mentalität, trotz ihrer ganz anderen Lebenserfahrungen. Zapletal war ein Mensch der Moderne, er kannte ihre Probleme und Risiken, aber er fürchtete sie nicht. Er verstand sie vielmehr als Herausforderung und war bereit, die neuen Horizonte, die sie der Kirche, dem Christentum und der Verkündigung erschloss, fruchtbar zu machen. Cormier war eher ein Mann des 19. Jahrhunderts. Zwar verweigerte er sich der Moderne nicht, fürchtete aber doch die Gefahren, die sie barg. Tiefe Gläubigkeit und wahre Frömmigkeit, auf Schriftmeditation gestützt, eine sehr gute theologische Ausbildung und die Gabe der Reflexion machten ihn gegen Fideismus und ebenso gegen Pessimismus immun. Sein außergewöhnliches diplomatisches Geschick in innerkirchlichen Angelegenheiten, insbesondere gegenüber dem Heiligen Stuhl, war nicht nur Folge seines hohen Ansehens und des ihn umgebenden Rufs der Heiligkeit, sondern beruhte auf langjährigen Erfahrungen in hohen Ordensfunktionen. Cormier war ein Intellektueller und ein Gelehrter, doch dem Orden diente er vor allem als fähiger Verwalter. Bereits ein Jahr nach seinem Eintritt in den Orden machte der damalige Ordensmeister Vincent Jandel den jungen Priester zu seinem Sekretär; dieses Amt versah er von 1857– 1865. Im Alter von 33 Jahren, also 1865, lange vor Zapletals Geburt, wurde er an die Spitze der neu gegründeten Provinz Toulouse berufen. Als Provinzial diente er in der Zeit des Aufbaus bis 1874, wurde dann Prior in Marseille, schließlich wieder Provinzial in Toulouse und anschließend ebendort Prior. Kandidat für das Amt des Ordensmeisters

 In seinen Memoiren streitet Lagrange mit Musil über das Primat geographischer Entdeckungen. Vgl. Lagrange, Souvenirs, S. 80 f. Vgl. auch Petráček, Orientalist Alois Musil at the École Biblique, S. 117– 125.

5.3 Zapletal, Cormier und Lagrange

269

war er erstmals 1880, doch politische Gründe führten schließlich zur Wahl des spanischen Dominikaners José Maria Larroca; 1891 wiederum erschien Cormier seinen Wählern zu alt und verbraucht.¹⁰²⁷ Erst dreizehn Jahre später übernahm er das Amt, was sich geradezu als ein Werk der Vorsehung erwies. Seine Korrespondenz mit Zapletal ist ungewöhnlich intensiv. Sicher ist dies Zapletals Vikariaten und auch seinen Auseinandersetzungen mit den theologischen Gegnern geschuldet. Doch davon einmal abgesehen, zeigt sich dennoch die deutliche Spur einer tiefen menschlichen Verbindung. Cormier vertraute auf Zapletal, verließ sich auf sein Urteil und beriet sich mit ihm, obwohl ihm bewusst war, dass dieser dem „fortschrittlichen“ Lager angehörte;¹⁰²⁸ er bewies Feingefühl im Umgang, wenn Zapletal sich von seinem kämpferischen Naturell hinreißen ließ, und nutzte seine Autorität, um ihn, wie auch schon Lagrange, zur Besonnenheit zu mahnen. Auch wenn es nicht wissenschaftlich klingen mag – die beiden hegten füreinander einfach eine Schwäche. Ihre Briefe lesen sich immer wieder als Vertrauensbekenntnis und Ausdruck eines sich völligen Aufeinanderverlassens. Bevor ein Seligsprechungsprozess eröffnet wird, werden Zeugnisse gesammelt. Als die Provinz Toulouse 1934 eine Befragung zu P. Cormier durchführte, erklärte Munnynck: „Er war der Mensch, der in meinem Leben am stärksten auf mich gewirkt hat.“ Und fügte hinzu: „Als einmal jemand im Beisein von P. Zapletal auf den Prozess von Pius X. zu sprechen kam, erklärte Zapletal – der im Übrigen für Pius X. nicht viel übrig hatte: ‚Ich bin in meinem Leben nur einem einzigen Heiligen begegnet, und das war P. Cormier’.“¹⁰²⁹ Lagrange kann mit Fug und Recht als Vorreiter der modernen katholischen Exegese bezeichnet werden. Cormier wiederum war ein Mann von solchem Format, dass er, obgleich er mit Lagrange nicht übereinstimmte und seine Arbeiten nicht völlig verstand, doch die Bedeutung seiner Mission erkannte und die Hand über ihn hielt.¹⁰³⁰ Und dies war im Fall Zapletals nicht anders. Bei dessen Verteidigung zeigte er sich sogar noch entschlossener und kompromissloser als bei Lagrange. Einer der Gründe hierfür war Zapletals Fähigkeit, moderne Positionen so zu formulieren, dass sie auf den ersten Blick nicht provozierten. Außerdem wusste er die Zensoren für sich zu gewinnen.Völlige Aufrichtigkeit, eine fast an Schlichtheit grenzende Geradlinigkeit und das Arglose waren die Eigenschaften, die Cormier an Zapletal schätzte. Doch entscheidend war, mag dies auch wissenschaftsgeschichtlich kaum zu fassen und zu definieren sein, eine gegenseitige Sympathie und ein menschliches Verständnis füreinander.

 Vgl. Bedouellle, Le P. Hyacinthe-Marie Cormier, S. 32.  Cormier an Lagrange, 20.7.1905. AGOP V 181, Blatt 166.  Mündliches Zeugnis während des Prozesses. Abschrift in AAlb. E5. Barthélemy, Idéologie, S. 166, verzichtet auf die Anmerkung über Zapletals Verhältnis zu Pius X.  Vgl. Bedouelle, Le P. Hyacinthe-Marie Cormier, S. 47.

270

5 Zusammenfassung

5.4 Kirche und Modernität Zapletal war sehr früh in den Orden eingetreten. Doch zeigte er weder die Verschlossenheit noch das Misstrauen wie so viele andere Geistliche, die in sehr jungen Jahren erst das „kleine“ Seminar besucht hatten und dann an das „große“ Seminar, das Priesterseminar, wechselten oder sich für ein Klosterleben entschieden. Direkt nach dem Seminar wurden sie Seelsorger in einer Pfarrei und fügten sich in die gegebene Stellung, in ihre vordefinierte Rolle im Leben der örtlichen Kirchengemeinde und der Gesellschaft. Auf ihrem Weg dorthin kamen sie mit der modernen Welt, ihren Problemen, Ursachen, Instinkten und Hoffnungen erst einmal so gut wie nicht in Berührung. Doch ihr Priesteramt musste sie letztlich auch mit diesen Fragen konfrontieren; dann waren sie oft nicht in der Lage, angemessen zu reagieren. Die Folge war entweder eine radikale Ablehnung der Gegenwart bei gleichzeitiger Idealisierung des christlichen Mittelalters oder aber eine unkritisch naive Anpassung an die Moderne unter Preisgabe aller transzendenten Wurzeln des christlichen Glaubens. Bernard Montagnes betont, dass bei Lagrange die kritische Auseinandersetzung mit der Moderne sehr wohl stattgefunden hat: durch das Studium der Rechte in Paris, die Besuche von Theater, Konzerten, Museen, Vorlesungen. Der Bauernsohn Zapletal hatte dagegen mit sechzehn Jahren sein Noviziat angetreten. Sein Weg entspricht voll und ganz dem oben skizzierten Werdegang eines Kirchenmannes, der die Mauern seines Klosters seit seiner Jugend nicht mehr verlassen hat. Woher rührt bei ihm das reife, ausgewogene Verhältnis zur modernen Zeit? Vor dem Noviziat war Zapletal sechs Jahre Schüler an einem staatlichen humanistischen Gymnasium gewesen; nach dem Noviziat folgten mehr als drei Jahre in Wien, damals eine der kulturell, künstlerisch, politisch und wissenschaftlich lebendigsten Metropolen Europas. Kaum eine andere Stadt besaß einen solchen Überfluss an künstlerischem Talent und philosophischer Originalität wie Wien an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Zwei Jahre Jerusalem erweiterten Zapletals historischen und geographischen Horizont noch einmal beträchtlich; die Begegnung mit dem Alltag der arabischen Stämme sorgte für einen fruchtbaren kulturellen Schock. Zudem förderten auch Zapletals frühzeitige Ernennung zum Professor – er war erst 26 Jahre –, und die Tätigkeit an einer staatlichen Universität in der Schweiz seine Offenheit und sein Interesse für die Welt. Lagrange hatte es durch seinen späten Eintritt in den Orden und sein vorheriges Studium der Rechte in Paris in dieser Hinsicht sicher leichter. Zapletal musste sich dagegen der Moderne stellen, als er quasi schon auf dem Weg war. Eine Mentalität der „belagerten Festung“ stand ihm aber fern. Ohne Zweifel war er eine „markante Persönlichkeit“, ein hochintelllektueller eigenständiger Geist. Seine rasche akademische Karriere, die Verpflichtung zur Lehre mehrerer Fächer sowie zur Publikation eigener wissenschaftlicher Arbeiten forderten insbesondere in den ersten zehn Jahren den Einsatz aller Kräfte. Da es in Fribourg an einer wissenschaftlichen Grundausstattung fehlte, vor allem an einer entsprechenden wissenschaftlichen Bibliothek, gestaltete sich die Arbeit noch schwieriger. Mehr als ein Projekt scheiterte, weil keine Mittel für die Beschaffung der nötigen Literatur, für die

5.4 Kirche und Modernität

271

Durchführung einer Studienreise oder die Anfertigung von Kopien wichtiger biblischer Textrollen oder Codices zur Verfügung standen. Erschwerend hinzu kamen außerdem gesundheiltiche Probleme. Das verdeutlicht eine nur kleine Auswahl der von ihm in seinen Briefen angesprochenen Beschwerden: Gleich zu Beginn seiner Laufbahn 1894 klagte er über Kopfschmerzen und Erschöpfung. 1902, nachdem er innerhalb von drei Jahren vier Bücher vorgelegt hatte, machten ihm Hämorrhoiden zu schaffen, er litt unter Kopfschmerzen, nervlicher Erschöpfung und monatelangem schweren Husten; 1908 wiederum sprach er von anhaltender Nervosität, ein Jahr später von Müdigkeit. Beides sollte ihn bis zum Lebensende begleiten. In den 1920er Jahren kam ein Herzleiden hinzu, er fühlte sich matt und schilderte Zustände völliger Erschöpfung. Das mochte teilweise auf die anstrengende Lehr- und Forschungstätigkeit zurückgehen; sicher haben aber auch die Pflichten des Vikariats dazubeigtragen, die Verwaltungsarbeit, die Sitzungen, und nicht zuletzt die belastenden Angriffe von integralistischer Seite. Zapletal selbst bezeichnete die Folgen dieser Jahre als „Kriegsverschleiß“, denn Kriegsjahre würden doppelt an der Lebenskraft zehren. Seine ununterbrochene Lehrtätigkeit bis 1928 bei gleichzeitiger Publikationstätigkeit macht augenfällig, dass er sich nie geschont hat. Allein die sechs Romane im Umfang von über dreihundert Seiten, die er in den nur sieben Jahren von 1918 – 1925 geschrieben hat, wären auch für einen professionellen Schriftsteller keine schlechte Leistung. Die dramatischste Phase seines Lebens war zweifellos die Zeit der Modernismuskrise sowie der darauffolgenden Antimodernismuskrise. Im 19. Jahrhundert kam es zu den bis dahin tiefgreifendsten Umbrüchen in der menschlichen Zivilisationsgeschichte. Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Wissenschaft, Kunst und Kultur durchliefen eine Zeit dynamischer Veränderungen, des Aufbruchs und der Suche. Manch eine der damaligen geistigen Strömungen war mehr oder weniger vom Christentum inspiriert und versuchte, dessen Botschaft in die Tat umsetzen, hatte dabei allerdings nicht mit der ablehnenden Reaktion seitens der Kirche gerechnet. Andere wiederum schlugen eine ganz gegenläufige Richtung ein: Ideologien wie Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus waren damals noch nicht kompromittiert und stießen nicht nur auf gesellschaftliche Akzeptanz, sondern wurden nicht selten sogar mit dem Siegel einer ernst zu nehmenden und ernst gemeinten „wissenschaftlichen“ Theorie versehen. Es galt genau zu unterscheiden, was die Kirche befürworten konnte, was bereinigt, verbessert, neu durchdacht werden musste, und was mit aller Entschiedenheit abzulehnen, ja zu verwerfen war. Manche Katholiken überließen sich, im Rausch des Fortschrittsglaubens und mitgerissen von der Dynamik der damaligen Zeit mit ihren ständig neuen umwälzenden Entdeckungen, einem naiven Optimismus und wollten in die Lehre und Praxis der Kirche Dinge aufnehmen, die mit deren Substanz und Aufgabe nicht vereinbar waren. Hier war ein Eingreifen der kirchlichen Autorität am Platz. Doch das Papsttum, verschreckt durch die Französische Revolution und die Verbreitung sozialistischer Gedanken, ging gegenüber der modernen Zeit grundsätzlich in Abwehrhaltung. Die revolutionären Unruhen 1848 und der Untergang des

272

5 Zusammenfassung

Kirchenstaates 1870 befestigten diese Entwicklung und schürten die Angst vor der Moderne. Auf die Herausforderungen der modernen Zeit antwortete das kirchliche Lehramt unter anderem mit dem Syllabus, was die Situation nur verschärfte. Auch wenn es in seiner Kritik an der modernen Philosophie und zeitgenössischen Strömungen vieles beim richtigen Namen nannte, entfremdete es sich einem Teil der Gläubigen, indem es auf unhaltbaren Traditionen beharrte und weiterhin in der absoluten Monarchie eines katholischen Herrschers die ideale Regierungsform sah. Demokratie und eine republikanische Staatsform lehnte es ab, die moderne Gesellschaft wurde prinzipiell und ohne Differenzierung verworfen. Mit dieser Haltung legten die Päpste des 19. Jahrhunderts, und zwar von Pius VII. bis zu Pius IX., die institutionelle und intellektuelle Entwicklung innerhalb der Kirche letztlich lahm; ihre Energie richtete sich stattdessen nach außen: Es kam zu einer Missionsbewegung von ungekanntem Ausmaß (1840 – 1950),¹⁰³¹ caritative Organisationen und Bildungswerke wurden ins Leben gerufen, die Gründung von Frauenorden und Frauenkongregationen vorangetrieben, wobei die Kirche sich nicht scheute, von den technologischen Errungenschaften der modernen Zeit zu profitieren. Diese insgesamt traditionalistisch-unversöhnliche Position der Kirche war bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil bestimmend. Bis dahin führte der Versuch, eine eigene katholische Gegenkultur zu schaffen, eher zu einer Ghettoisierung der Katholiken und auch zu Misstrauen untereinander. Eine Ausnahme bildete das Pontifikat Leos XIII. (1878 – 1903). Er war kein Reformer und schon gar kein Modernist, wollte aber die Herausforderungen der Gegenwart und den auf Dauer gefährlichen Kontaktverlust nicht länger ignorieren, sondern die Kirche ins Gespräch mit dem Menschen der Gegenwart bringen und so ihrer ureigensten und immer selben Aufgabe gerecht werden: nämlich den Völkern und dem Einzelnen die frohe Botschaft und das Heil zu verkünden. Leo XIII. leitete die Erneuerung der theologischen und philosophischen Studien in der Kirche ein, er gründete bzw. unterstützte die Gründung der Universitäten und akademischen Institute in Jerusalem, Fribourg und Löwen und förderte Projekte wie die Editio Leonina, eine kritische Edition der Werke des Thomas von Aquin. Er gab die erste Sozialenzyklika heraus und unterstützte katholische politische Parteien, Gewerkschaften und Vereine. Auch war ihm an einer Versöhnung zwischen der Kirche und den modernen Regierungsformen gelegen, an einer Annäherung an die französische Republik und die Vereinigten Staaten. Die kirchliche Hierarchie, der Klerus und auch die Gläubigen waren aber nach der jahrzehntelangen Stagnation auf derartig schnelle Entwicklungen und Veränderungen nicht vorbereitet, die freilich eher mentaler als institutioneller oder gar dogmatischer Art waren, und begrüßten daher den Kurswechsel nach 1903.

 Vgl. Elisabeth Dufourq, Les Aventurières de Dieu. Trois siècles d’histoire missionaire française, Paris 1993, S. 171 und 239.

5.5 Fribourg und Rom – Modernisten und Antimodernisten

273

Worum ging es den Traditionalisten und Integralisten? Nach Otto Weiß in erster Linie um „die Identitätssicherung der eigenen Gruppe, der römischen Katholiken, und zwar um jeden Preis. Von daher die Abwehr jedweder Ansteckung durch den ‚modernen Geist’. Von daher die stark politische Note des Antimodernismus, der sich weit mehr um die Sicherung eines monarchisch strukturierten Machtapparats sorgte als um die offene Diskussion von Fragen der Theologie und des Glaubens. Dazu kam eine kaum rational zu erklärende Lust an Spionage und Verketzerung. Dies gilt zum mindesten für die ‚klassischen’ Freiburger Antimodernisten Speiser und Decurtins. […] Doch im Grunde war ihnen gleichgültig, worüber diskutiert wurde, wenn sie nur neue Abweichler aufspüren konnten. Der dabei zu Tage tretende Realitätsverlust zeigte sich deutlich darin, dass von ihnen nun auch Männer verketzert wurden, die sonst allgemein als orthodox, ja sogar als ausgesprochene Antimodernisten galten.“¹⁰³² So kam man Schritt für Schritt einem literarischen, ethischen respektive moralischen, politischen, sozialen, theologischen und philosophischen Modernismus auf die Schliche, besser gesagt: man erfand ihn.

5.5 Fribourg und Rom – Modernisten und Antimodernisten Als der Modernistenjäger Umberto Benigni Fribourg als „modernistisches Natternnest“ ausgemacht hatte, in dem sich „alle Spielarten dieser widerlichen Häresie“¹⁰³³ wiederfanden, war dies eine existentielle Bedrohung für die Universität, die Theologische Fakultät und einen Teil ihrer Professoren. Fribourg hatte das Pech, dass es im Netz der Sapiniére an zentraler Stelle lag und einige der umtriebigsten Mitglieder dieser Geheimorganisation gerade hier ihre Aktivitäten entfalteten. Der Status einer internationalen, katholischen, aber eben doch staatlichen Universität, die von Professoren und Studenten aus dem ganzen katholischen Europa aufgesucht wurde, machte sie zu einer Drehscheibe der aktuellen geistigen Strömungen und Richtungen. Fribourg war ein Magnet für viele hervorragende Professoren aus Frankreich, Deutschland und Österreich. Insbesondere die Phalanx der französischen Laienprofessoren vertrat eine politisch und intellektuell sehr aufgeschlossene Richtung im damaligen Katholizismus.¹⁰³⁴ Fribourg setzte die Schweizer Tradition der Aufnahme von politischen Flüchtlingen fort. Nach der Konfiszierung des Kirchenbesitzes in Frankreich verlegte das Zentrum der Sillonisten, das Collège Stanislas, seinen Sitz für zwei Jahre (1905 – 1907) nach Fribourg. Auguste Cholat lehrte von 1903 – 1905 an der Universität in Fribourg, wechselte dann nach Lyon und wurde Chefredakteur der Zeitschrift Demain, die zwischen 1905 – 1907 eines der wichtigsten Foren für moderne Strömungen im Ka-

 Weiß, Modernismus, S. 270 f.  Vgl. Pulat, Intégrisme, S. 190.  Vgl. Barthélemy, Idéologie, S. 160.

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5 Zusammenfassung

tholizismus war. Keine Universität war unter den Beiträgern der Zeitschrift stärker vertreten als Fribourg;¹⁰³⁵ auch später blieb die Zeitschrift ein Organ erklärter Modernisten, gegen die die Kirche hart vorging.¹⁰³⁶ Das französische Kultusministerium erkannte einen Studienabschluss an der Universität Fribourg als gleichwertig mit Abschlüssen anderer Universitäten an. Daher waren die meisten Fribourger Professoren in Bezug auf ein Aggiornamento der Kirche und eine künftige, alle gesellschaftlichen Bereiche umfassende Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat optimistisch. Dieser Professorenkreis sorgte an der Universität und unter den Studenten aus ganz Europa für eine Art Aufbruchsstimmung. Wenn wir uns nun noch das international zusammengesetzte Professorenkollegium der Dominikaner hinzudenken, mit dem charismatischen Zapletal an der Spitze, einem „entschlossenen und intelligenten Vertreter der modernisierenden Exgese“,¹⁰³⁷ der über hervorragende Beziehungen zu Minister Python und dem Ordensmeister Cormier verfügte, so haben wir eine explosive Mischung vor uns, die einen ernsten Konflikt heraufbeschwören musste, zugleich aber auch eine Anleitung zu dessen Überwindung bot. Es ist bezeichnend, dass Decurtins und Benigni, kaum hatte man Giuseppe Melchiore Kardinal Sarto zum Papst gewählt – er nannte sich Pius X. –, die Seiten wechselten: von einem linken, sozial engagierten Katholizismus zur antimodernistischen Front. Das Bindeglied dieser „Konversion“ waren Antiliberalismus und Ultramontanismus; nur die päpstliche Autorität allein könne die Gesellschaft vor den intellektuellen und sozialen Experimenten schützen, zu denen der Subjektivismus die Menschheit verführe. Dieser Subjektivismus wurde je nach Bedarf als Neokantianismus, Liberalismus oder Modernismus abgestempelt. Als Decurtins’ politische und soziale Projekte mehr und mehr Anhänger verloren, erkor er sich als neues Wirkungsfeld den Kampf gegen den Modernismus, und zwar speziell an der Universität Fribourg.¹⁰³⁸ Dazu machte er sich das europaweite Netz der Sapiniére zu Diensten, unter deren rührigste Informatoren er sich bald einreihen sollte, um seinen Kampf gegen die Dominikanerprofessoren in allen katholischen Ländern Europas, vor allem aber vor den römischen Instanzen führen zu können. Bereits 1904 hatte er – wenn auch vergeblich – versucht, bei Minister Python die Abberufung dreier Professoren zu erwirken. Zapletals Wahl zum Rektor 1910 konnte Decurtins nicht nur nicht annullieren, vielmehr büßte er durch die Ergebnisse der anschließenden Visitation beträchtlich an Glaubwürdigkeit ein. Seine Angriffe suchte er nun über Dritte zu steuern, über Regattieri und Speiser; doch auch 1911 und 1912 scheiterte er mit seinem Versuch, Zapletal aus Fribourg zu entfernen. Kein einziges der von den Fribourger Dominikanerprofessoren verfasste Werk wurde trotz aller Attacken auf den Index gesetzt, keiner von ihnen wurde wegen Modernismus seines Amtes enthoben. Als Decurtins die  Genannt seien hier nur Jean Brunhes, Victor Giraud, Vincent Rose, Pierre Mandonnet, Alfred Roussel, Max Turmann und Jacques Zeiller. Vgl. Barthélemy, Idéologie, S. 162.  Autoren waren unter anderem Loisy, Tyrrell, Sabatier, Fogazzaro und Le Roy.  Barthélemy, Idéologie, S. 160.  Barthélemy, Idéologie, S. 161.

5.5 Fribourg und Rom – Modernisten und Antimodernisten

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Universität verließ, ja noch in der Stunde seines Todes (1916) musste er den Gedanken ertragen, dass Vincent Zapletal, Pierre-Marie Mandonnet, Bernard Allo und auch Vincent Rowan weiterhin lehrten. Wie lässt sich dieses letztliche Scheitern erklären, wenn in so vielen anderen Fällen der Schatten eines Verdachtes für eine endgültige Diskreditierung genügte? Rom und seine Kongregationen wurden selbst in den schlimmsten Zeiten nicht ausschließlich von Integralisten wie De Lai,Vives y Tuto, Merry del Val und Billot dirigiert. Es gab auch eine Gruppe von Kardinälen, darunter Agliardi,¹⁰³⁹ Ferrari,¹⁰⁴⁰ Bonomelli¹⁰⁴¹ und Rampolla, die von integralistischer Seite bis hin zu Pius X. als Modernisten oder zumindest doch Semimodernisten erachtet wurden.¹⁰⁴² Sicher ist es kein Zufall, dass es Leo XIII. war, der ihnen den Purpur angelegt hatte, und dass sie nun unter dem neuen Pontifikat nicht zu den einflussreichsten Figuren gehörten. Auch der Erzbischof von Albi, Eudoxe-Irenée Mignot, und Kardinal Desiré Mercier von Mecheln zählten zu den Würdenträgern, die den intellektuellen „Selbstmordversuch“ der katholischen Kirche verhindern wollten. Hier von einer Gruppe zu sprechen, birgt jedoch die Gefahr eines Missverständnisses; eine modernistische Konspiration existierte bestenfalls in der überreizten Fantasie der integralistischen Spürhunde. Zugang zum Papst und Einfluss auf ihn hatten die genannten Würdenträger in nur sehr begrenztem Maße, aber sie konnten dennoch mancher Sache eine andere Wendung geben, konnten sie befördern oder verhindern. Vor allem unterlagen die traditionellen Hüter der Rechtgläubigkeit, die Indexkongregation, das Heilige Offizium und die Studienkongregation, nicht dem Einfluss der Integralisten. Hier waren die wichtigen Funktionen in der Hand der Dominikaner. In der kritischen Zeit war P. Tomaso Granello OP (1897– 1911) Generalkommissar des Heiligen Offiziums, ihm folgte P. Domenico Maria Pasqualigo OP. Konsultoren der Kongregation waren außerdem Cormier und Frühwirth. Noch entscheidender war der Sekretär der Indexkongregation. Diesen Posten hatte von 1900 – 1917 der Dominikaner und frühere Fribourger Professor Thomas Esser inne. Konservativ, aber seinen Mitbrüdern gewogen, zögerte er nicht, Wogen zu glätten, vorzuwarnen und zu mäßigen. Nicht zuletzt deshalb mussten die Antimodernisten, wollten sie ihre repressiven Maßnahmen durchsetzen, die entsprechenden Autoritäten für lehramtliche Fragen umgehen – im Falle der Dominikanerprofessoren also den Ordensgeneral, das Heilige Offizium und die Studienkongregation – und sich direkt an den Papst, den Staatssekretär oder die Konsistorialkongregation wenden. Kardinal De Lai, Sekretär der Konsistorialkongregation, war offensichtlich der hierarchisch höchstgestellte und eigentliche Kopf der Integralisten. Fast täglich be-

 Kardinal Agliardi war von 1889 – 1893 Nuntius in München, anschließend drei Jahre in Wien. 1896 ernannte ihn Leo XIII. zum Kardinal. Er war Kanzler der Diözese Rom und Mitglied sechs römischer Kongregationen.  Andrea Carlo Ferrari, seit 1894 Erzbischof von Mailand und Kardinal.  Geremia Bonomelli, seit 1871 Bischof von Cremona, gilt als Befürworter von Kirchenreformen.  Vgl. Weiß, Modernismus, S. 258.

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kam er von Benigni ein Resümee über die gegenwärtige Situation in der katholischen Kirche. Zugang zum Papst konnte sich Benigni leicht verschaffen, denn einer seiner ergebensten Agenten, Giambattista Bressan, war zugleich persönlicher Sekretär des Papstes und daher mit diesem täglich im Kontakt.¹⁰⁴³ Ihre Macht und Stärke kaschierte aber auch eine gewisse Schwäche. Die Zuträger machten bei ihrem Versuch, den Papst zu einem unmittelbaren Eingreifen zu bewegen, einen taktischen Fehler. Sie umgingen die eigentlich zuständigen Instanzen wie den Ordensgeneral, die Studienkongregation, das Heilige Offizium und die Indexkongregation, deren Mitglieder als gut ausgebildete Juristen und Beamte eine solche Einmischung in ihre Kompetenzen keineswegs gerne sahen. Daher blickten sie mit Unmut auf die hinter ihrem Rücken erhobenen Anklagen, ja geradezu mit vorgefasster Sympathie gegenüber den Beschuldigten, und die Angelegenheiten wurden auch dementsprechend gemächlich verhandelt. Eine wirkliche Modernismus-Bewegung hat es nicht gegeben. Vielmehr handelte es sich um verschiedene Gruppen, Gelehrte, Klöster und theologische Schulen, die sich in vielen Grundsatzfragen nicht einig waren und sich nicht selten gegenseitig zerrieben. Auch wenn der Modernismus immer wieder als Loisysmus bezeichnet wird, hatte weder Alfred Loisy noch irgendwer sonst eine tatsächliche Führungsrolle oder gar verbindliche Autorität. Das zeigen die Schicksale der Modernisten nach dem Eingreifen der Kirche. Weder Lamentabili noch Pascendi riefen einen organisierten Widerstand auf den Plan, führten auch nicht zu einer Spaltung oder zur Gründung einer neuen Kirche wie etwa die der Altkatholiken nach der Verkündigung des Unfehlbarkeitsdogmas 1870. Nur sehr wenige Priester und Gläubige ließen sich exkommunizieren, etwas höher ist die Zahl derer, die die Kirche im Stillen verließen.¹⁰⁴⁴ Häufiger war der Rückzug in die innere Emigration, in ein Verstummen und Resignieren. Verbitterung, Enttäuschung, das Gefühl, nicht verstanden oder ungerecht behandelt worden zu sein, waren ständige Begleiter derjenigen Wissenschaftler, die moderne katholische Exegese betreiben wollten. Am schwersten zu tragen war dabei jedoch der Gewissenskonflikt, denn sie sahen sich gezwungen, wider bessere wissenschaftliche Erkenntnis die autoritären Dekrete der Kirche öffentlich zu bejahen und zu verteidigen. Solche Wunden verheilten auch über Jahrzehnte hin nicht. Der Karriere vieler hoffnungsvoller Theologen und Exegeten wurde ein vorzeitiges Ende gesetzt. Der Kirche gereichte das sehr zum Schaden. Noch verheerender als diese Einzelschicksale wirkte sich die völlige Lähmung der Exegese unter den Pontifikaten Benedikts XV. und Pius’ XI. aus.¹⁰⁴⁵ Praktisch bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil blieb die Exegese blockiert. Dann brach mit der dogmatischen Konstitution Dei Verbum „in der Tat eine neue Ära in den Beziehungen zwischen dem Lehramt der Kirche und der wissenschaftlichen Exegese an.“¹⁰⁴⁶ Die päpstliche Bibelkommission konnte    

Vgl. ebd., S. 259. Vgl. Dansette, Histoire, S. 686 f. Vgl. Montagnes, La question biblique au temps de Pie XI, S. 257. Ratzinger, Vztah mezi učitelským úřadem církve a exgezí, S. 253.

5.5 Fribourg und Rom – Modernisten und Antimodernisten

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sich 1971, als Paul VI. das Motu proprio Sedula cura herausgab, wieder ihrer ursprünglichen Aufgabe zuwenden; sie war nun kein Organ des Lehramts mehr, sondern sollte zum Ort des Dialogs zwischen Lehramt und Exegese werden. Sind wir heute dankbar für die Öffnung, die uns das Zweite Vatikanische Konzil als Frucht langer Bemühungen gebracht hat,¹⁰⁴⁷ so sollten wir nicht vergessen, dass auch Zapletal zu jenen gehört, die darum große Verdienste haben. Benigni, Decurtins und Speiser sahen in Zapletal den führenden Kopf der Modernisten an der Fribourger theologischen Fakultät. Die Fribourger Professoren waren allerdings keine Modernisten im Sinne eines Albert Houtin, Alfred Loisy oder George Tyrrell.¹⁰⁴⁸ Sie haben sich nie aus der Kirche hinausdrängen lassen; auch hätten sie nie die „kleine radikale Gruppe“, die sie gerade bedrängte und kontrollierte, als einzige Form der katholischen Kirche gesehen. Zapletal, Mandonnet und Lagrange grenzten sich selbst gegenüber den „radikalen“ Modernisten ab und sind daher wohl besser als Innovatoren zu bezeichnen.¹⁰⁴⁹ Von der Kirche, der sie mit Liebe anhingen, forderten sie lediglich ein wenig mehr Freiraum für ihre wissenschaftliche Arbeit. Den Enzykliken Pascendi und Lamentabili ordneten sie sich genauso unter wie dem Antimodernisteneid. Und dennoch sind sie Modernisten, in ebenjenem Sinn, wie gerade diejenigen den Begriff verstanden, die ihn gegen sie instrumentalisierten. Für diese „kleine radikale Pressure-group“ von Integralisten war Modernist, wer ihrem Urteil nach anders dachte als „integral katholisch“.¹⁰⁵⁰ Jeder der die moderne Zeit nicht kategorisch verurteilte, der „nicht die mittelalterlichen Denk- und Sozialstrukturen“ zurückwünschte,¹⁰⁵¹ der nicht das Ende des Kirchenstaates beweinte, gehörte nach Meinung der Integralisten zu den vom Subjektivismus der modernen Zeit Infizierten und war als Katholik defekt. Auch die neuthomistischen Theologen in Fribourg hatten kein Verständnis für den Widerstand der modernen Bibelwissenschaftler gegen die inkompetenten, autoritären Eingriffe von oben. Exegese hatte ihrer Ansicht nach, ebenso wie die Philosophie und die Kirchengeschichte, ausschließlich der Theologie zu dienen, will heißen einer neothomistischen ahistorischen Dogmatik. Die Bibelwissenschaftler und Historiker sollten der systematischen Theologie weitere Argumente und die geeigneten Verweise auf Bibelstellen liefern, während es Aufgabe der Dogmatik blieb, die Lehre der Kirche auszulegen. Das Aufkommen der Neoscholastik im 19. Jahrhundert (vor allem in der „Römischen Schule“) veränderte die Haltung der Theologie zur Geschichte. „Wenn die Tübinger katholischen Theologen versuchten, das Christentum als eine sich dynamisch fortentwickelnde Größe zu verstehen und die Ergebnisse

 Vgl. ebd., S. 255 und 257.  Prägnante Kurzporträts dieser Persönlichkeiten bei Ted Schoof, Aggiornamento na prahu 3. tisíciletí? Vývoj moderní katolické teologie [Aggiornamento an der Schwelle zum 3. Jahrtausend. Entwicklungen in der modernen katholischen Theologie], Praha 2004, S. 56 – 67.  Poulat, Histoire, S. 21.  Weiß, Modernismus, S. 281.  Ebd., S. 282.

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historischer und sprachwissenschaftlicher Forschung in ihre Synthese zu integrieren, traten nun erneut alte Positionen zu Veränderung und Entwicklung auf den Plan, historische und bibelwissenschaftliche Textkritik erschienen als gefährliche Unterminierung einer belagerten Festung, als ein mit dem Glauben nicht zu vereinendes und ihm daher wesensfremdes Element.“¹⁰⁵² Ein Blick in die Arbeiten zeitgenössischer Dogmatiker zeigt sofort, wie wenig sie sich bei ihrer Arbeit auf die Schrift oder auch die Kirchenväter, also die wirklich „alte“ Tradition, beziehen. In der Neuscholastik verstand man die „Wirklichkeit des Glaubens als etwas Überzeitliches, als ein jeder Veränderung enthobenes metaphysisches System, das schlichtweg keine Rücksicht auf neue Entdeckungen zu nehmen braucht und den Zeitgeist ruhig draußen vor der Tür lassen kann.“¹⁰⁵³ Die Neuscholastik an und für sich hätte im Grunde keinen solchen Schaden anrichten können, wäre es nicht zu der „schicksalhaften Verbindung“ mit dem Lehramt der Kirche gekommen: „Zur Bremse wurde die Neuscholastik nicht auf Grund ihrer Monopolstellung, mit deren Hilfe sie alle entstehende Konkurrenz unterdrückte (auch wenn sie eine gewisse Rolle gespielt haben mag), sondern ganz einfach deshalb, weil sie als ein mit der kirchlichen Tradition so sehr verwachsenes Denksystem in jeder Neuerung letztlich nichts als anderes erkennen konnte als eine Häresie.“¹⁰⁵⁴ Erst theologische Schulen wie die Dominikanerschule von Le Saulchoir führten die katholische Theologie wieder zu ihren Wurzeln zurück, zur Schrift und zur wirklichen Tradition der Kirchenväter und der mittelalterlichen Scholastik. Zapletal und Mandonnet hätten einer untergeordneten Rolle ihrer Disziplinen wohl zugestimmt, doch hätten sie wohl mit Thomas von Aquin darauf verwiesen, dass man den Dialog mit Heiden und Ungläubigen mithilfe von Argumenten führen muss, die diese anerkennen. An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war dies inzwischen eher Aufgabe von Exegese und Geschichtswissenschaften und nicht mehr so sehr von Systematischer Dogmatik und Moraltheologie, schon gar nicht, wenn die letzteren weder Exegese noch Geschichte zur Kenntnis nahmen.

5.6 Zapletal als erfolgreicher Schriftsteller Als Zapletals viertes Vikariat endete und er das Amt des Superiors 1918 niederlegen konnte, hätte er, „nur mehr“ mit seinen üblichen Lehrverpflichtungen belastet, sich theoretisch auch wieder einer systematischeren wissenschaftlichen Arbeit zuwenden können. Moderne Exegese auf Grundlage der historisch-kritischen Methode war allerdings zu jener Zeit nicht möglich, und eine andere Form kam für ihn ebenso wenig in Frage wie für Lagrange. Daher konzentrierte er sich auf das Studium der Geschichte

 Schoof, Aggiornamento, S. 43.  Ebd.  Ebd., S. 120 f.

5.6 Zapletal als erfolgreicher Schriftsteller

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Israels, die herauszugeben er über lange Zeit hoffte. Das gesammelte Material nutzte er für seine Romane. Obgleich Zapletal sich in diesen Romanen nicht direkt mit der Frage der Datierung oder Autorschaft der biblischen Bücher auseinandersetzte, präsentierte er die biblischen Figuren und Ereignisse in ihrem historischen und kulturellen Kontext und setzte sich damit im Grunde ein ähnliches Ziel wie die historisch-kritische Methode, nämlich herauszufinden, was die inspirierten Verfasser ihren Lesern tatsächlich mitteilen wollten. Dieses Anliegen behielt Zapletal als Autor stets im Auge, auch auf Kosten der literarischen Qualität. Zapletal war Priester und Dominikaner. Seine literarische Tätigkeit richtete sich nach den Ordensprioritäten, d. h. es geht ihr um religiöse Bildung und geistige Formung.¹⁰⁵⁵ Die tiefere Kenntnis der auf den Seiten des Alten Testaments verborgenen Schätze trug zweifellos zu einer höheren Bibelkultur unter der breiten Masse der Gläubigen bei, und sie zu befördern, gehört unstrittig zu den mannigfaltigen Aktivitäten, die in der dogmatischen Konstitution Dei Verbum (1965) herausgehoben werden. Sie gibt der Heiligen Schrift den ihr gebührenden Platz im Leben der Kirche zurück. Die biblischen Romane Vincent Zapletals besitzen insgesamt gesehen keinen allzu großen literarischen Wert. Weder inhaltlich noch formal sind sie originell, auch keineswegs poetisch vollkommen.¹⁰⁵⁶ Aber sind das die einzigen Kriterien bei der Beurteilung eines literarischen Werkes? Zu ihrer Zeit wurden die Romane gerne gelesen, sie waren lehrreich und für tausende Leser auch eine religiöse Ermunterung. Ganz sicher waren sie nicht überflüssig oder blieben ungelesen, ihr religionspädagogischer und allgemeinbildender Wert ist unbestreitbar. Mögen sie formal und inhaltlich auch nicht innovativ sein, so sind sie doch in ihrer Art einzigartig, denn kaum ein Autor der Moderne widmete sich in solchem Umfang und mit so ausschließlicher Konsequenz rein biblischen Themen. Zapletal sah sich als progressiver katholischer Exeget und daher in den Zeiten der antimodernistischen Krise auch in der ständigen Gefahr, in seinen exegetischen Ansätzen modernisierender Tendenzen verdächtigt und beschuldigt zu werden. Die Hüter der Rechtgläubigkeit an der römischen Kurie und ihre jeweiligen Verbündeten vor Ort hatten aber auch einen literarischen Modernismus ausgemacht. Können wir bei Zapletal von „modernistischen“ Romanen sprechen, wie sie etwa in Italien von Antonio Fogazzaro verfasst wurden? Ganz sicher nicht. Auch wenn Zapletal für seine schriftstellerische Arbeit die Ergebnisse seiner historisch-kritischen Forschungen

 Zum Charakter und zur Rolle von biblischen Romanen vgl. auch Steymans, Bibelwissenschaftler, S. 331.  Interessant ist, dass zeitgleich Thomas Manns Romantetralogie Joseph und seine Brüder entstand. Konnte Zapletals Buch eine Inspiration für Mann gewesen sein oder aber eine Herausforderung, das große biblische Thema tatsächlich literarisch eigenständig zu bearbeiten? Zweifellos befindet sich Manns Werk literarisch auf ganz anderer Ebene. Derartige Erwägungen über einen möglichen Einfluss des dominikanischen Exegeten tschechischer Herkunft auf den deutschen Autor führen hier freilich zu weit. Thomas Mann nahm die Arbeit an seiner Tetralogie bereits 1925 auf; die vier Romane erschienen sukzessive 1933, 1934, 1936 und 1943.

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heranzog, stellte er sich in der Komposition seiner Romane eindeutig in die Dienste eines religiösen Bildungsauftrags. Zapletals Probleme mit der Zensur entstanden aus ganz anderen Gründen: Die Zensoren kritisierten den zu unverblümten Realismus sowie die für katholische Erbauungsliteratur aus moralischer Sicht zu „gewagten“ Szenen; modernistische Tendenzen hingegen gab es nie zu bemängeln. Zapletal bewegte sich in seiner schriftstellerischen Arbeit nicht über den vorgegebenen Rahmen der katholischen Kirche hinaus; seine Romane sollten in die religiöse Gemeinschaft hineinwirken. Die Katholiken stellten damals zwar noch nicht in dem Maße eine Minderheit dar wie heute, ihr Minderheitenkomplex war aber viel ausgeprägter. Zapletals Romane sind im Kontext der Schaffung einer eigenen katholischen Literatur im weitesten Sinne zu sehen, die, moralisch einwandfrei und doktrinal zuverlässig, alle Bereiche des geschriebenen Wortes abdecken und so der Flut an nicht- oder antikatholischen Büchern, Broschüren, Zeitschriften und Zeitungen entgegenwirken wollte.¹⁰⁵⁷ Zapletals Erfolg beim Publikum war nicht zu leugnen. Davon zeugt letztlich auch der Neid derjenigen Dominikaner, die ihm seine finanziellen Gewinne zum Vorwurf machten; Zapletal ließ diese ganz und gar dem Dominikanerinnenkloster in Hacking zugutekommen. Bei der literarisch-künstlerischen Beurteilung seiner Romane darf man drei Dinge nicht aus dem Auge verlieren. Für Zapletal waren die biblischen Romane ein „Ersatzprogramm“. Er war kein Schriftsteller an sich, das Schreiben war ihm keine existentielle Notwendigkeit, es erfolgte nicht aus innerem Druck. Doch wandte er sich gerne an ein Publikum, auch als Wissenschaftler und Spezialist, und verfolgte das Echo bei seinen Lesern mit großem Interesse. Als Dominikaner wollte er sein Wissen weitervermitteln, und das ermöglichten ihm die Romane, als ihm auf Grund der Krisensituation in der katholischen Exegese andere Wege verschlossen blieben. Auch war ihm an einer möglichst großen Leserschaft gelegen, und daher schrieb er die Romane nicht in seiner Muttersprache, sondern auf Deutsch. Deutsch beherrschte er einwandfrei, aber es ging ihm beim Schreiben gar nicht um ein sprachliches Kunstwerk. Daher vertraute er seine Manuskripte auch den deutschen Professoren in Fribourg und den Schwestern in Hacking zur Durchsicht an. Die im Archiv des Albertinums erhaltenen Handschriften zeugen von seinem Kampf mit dem Text. Nicht zuletzt wollte er mit seinen Romanen der Bibel dienlich sein, ihr Leser zuführen, indem er sie auf die Lektüre vorbereitete und ihnen den Schlüssel für die Erzählungen der Heiligen Schrift an die Hand gab. Seine Romane sind also keineswegs in erster Linie Ausdruck seiner inneren Kämpfe oder existentiellen Bedrängnisse, sondern ein demütiger Dienst am biblischen Text mit ausgesprochen didaktischem und katechetischem

 Im deutschen Raum bildete sich erst in den 1920er Jahren eine eigenständige katholische Belletristik heraus. Vgl. Markus Ries, Zwischen Literaturstreit und Osterstimmung, in: Hubert Wolf (Hg.), Antimodernismus und Modernismus in der katholischen Kirche. Beiträge zum theologiegeschichtlichen Vorfeld des II. Vatikanums, Paderborn u. a. 1998, S. 283 – 297; zum Inferioritätsgefühl der Katholiken, ebd. S. 284.

5.7 Zapletal in der Zeit des Nationalismus und der deutsch-tschechischen Spannungen

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Unterton. Damit hatten sie zu ihrer Zeit Erfolg; auf den heutigen Leser wirken sie gerade auf Grund ihrer didaktisch-moralisierenden Tendenz eher ermüdend. Auch Alois Musil, Zapletals Altersgenosse, Kollege und vertrauter Freund, verwirklichte sich literarisch. Seine Romane stehen allerdings eher dem Reisebericht nahe. Sie sind spannend aufgebaut und beruhen auf eigenen Erfahrungen und Erlebnissen. Nachdem auch Musil nicht mehr als Exeget arbeiten konnte, suchte er sich neue Aufgaben in der Orientalistik und verfasste seine abenteuerlichen Reisberichte – als gäbe es eine geheime Kraft, der die beiden unermüdlich tätig sein ließ und vorantrieb. Konnten sie sich nicht dem widmen, wozu sie sich in Wahrheit berufen fühlten, nämlich der modernen wissenschaftlich-kritischen Exegese des Alten Testaments, suchten sie sich ein „Ersatzprogramm“. Vincent Zapletals Romane können nur im Kontext seiner Biographie richtig beurteilt werden, in ihrer Rolle als „Ersatzprogramm“, das dennoch einer vergleichsweise großen internationalen Leserschaft Freude gebracht und Kenntnisse vermittelt hat. Einer Reedition der Romane wäre meines Erachtens kein Erfolg beschieden, auch lassen sie sich nicht als literarische Kunstwerke propagieren; dennoch wäre es falsch, diesen interessanten und wichtigen Seitenstrang in der Geschichte der katholischen Exegese des 20. Jahrhunderts außer Acht zu lassen.

5.7 Zapletal in der Zeit des Nationalismus und der deutsch-tschechischen Spannungen Wie nahm Zapletal die nationalen Konflikte an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wahr? Schließlich entspricht seine Biographie der Geschichte vom begabten tschechischen Sohn aus armen Verhältnissen, der sich bewusst am deutschsprachigen Umfeld orientierte, sich in ihm behaupten konnte, ohne dabei seine Zugehörigkeit zur tschechischen Kultur zu verleugnen oder sich gar von ihr loszusagen. Die Geschichtsschreibung sieht vor allem die unversöhnlichen Gegensätze zwischen den beiden Ethnien, ein Bild, das auch das allgemeine Bewusstsein von dieser Zeit prägt: beide Sprachgemeinschaften lebten in den Böhmischen Ländern „nebeneinander und nicht miteinander“, sie kommunizierten nicht miteinander, und einer hatte vor dem anderen Angst. Diese beidseitige Angst – die Angst der einen aufgrund einer tschechischen Majoriät in den Böhmischen Ländern, die Angst der anderen aufgrund der deutschen Majorität innerhalb der Habsburgermonarchie und Mitteleuropas – blockierte die Suche nach einem annehmbaren Kompromiss, der ein Zusammenleben beider Ethnien ermöglicht hätte. Zugespitzte Nationalismen, Rassentheorien und ethnische Ideologien, vermeintliche Überlegenheit oder Bestimmung zur Herrschaft einerseits, panslavische Träume andererseits standen einem vernünftigen Dialog entgegen. Trotz all dieser realen Konflikte, trotz der Intensität der an diesen Konflikten beteiligten irrationalen Komponenten halte ich die Darstellung der deutsch-tschechischen Beziehungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts als chronisch-latente Hassbeziehung für übertrieben. Das Beispiel Vincent Zapletals verdeutlicht, dass auch

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diese Zeit bedeutende Persönlichkeiten kannte, die sich mit größter Selbstverständlichkeit in beiden Milieus bewegten und den geistigen Austausch pflegten. Auch wenn sie sich eindeutig einer sprachlichen und nationalen Identität zuordneten, waren ihnen nationalistische Feindseligkeiten oder Hass fremd. Zapletal ist Mährer, seine Muttersprache ist Tschechisch; in der deutschsprachigen Bibelwissenschaft hat er sich jedoch so gut etabliert, dass man ihn in früheren Jahren oft als Österreicher betrachtet hat. Den Großteil seiner Arbeiten hat er auf Deutsch veröffentlicht, außerdem war er Bürger der österreichisch-ungarischen Monarchie, deren ethnische und sprachliche Vielfalt für einen Nichtmitteleuropäer schwer zu begreifen bleibt. Die Fähigkeit, sich in zwei sprachlichen Milieus zu bewegen, vertraute Freunde in beiden Sphären zu haben, tat dabei der Eindeutigkeit der eigenen nationalen und ethnischen Identität keinen Abbruch. Zapletal hat weder seine Nationalität noch seine dominikanische Identität je gewechselt, obwohl sich dazu verschiedentlich Gelegenheit bot: ein erstes Mal 1905 bei der Teilung der gemeinsamen Provincia Imperii, bei der er sich für die wiedererrichtete Provinz Böhmen entschied. Auch blieb er zeitlebens dem Kloster in Znojmo/Znaim zugehörig, obwohl er sich dort nie für längere Zeit aufhielt. Seine eigentliche Heimat hatte er im Alter von siebzehn Jahren verlassen, um sein Leben in Fribourg und Wien (und schließlich Kemmelbach) zu verbringen; doch die Verbindungen zum tschechischen Milieu hat er nie aufgegeben und sich 1918 auch für die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft entschieden. Dabei wählte er nicht nur zwischen der tschechoslowakischen und der österreichischen Staatsbürgerschaft, auch die Schweiz bot den ausländischen Professoren an ihren Universitäten damals unter sehr entgegenkommenden Bedingungen die Einbürgerung an. Zapletals Entscheidung jedoch war klar und eindeutig. Den Großteil seines wissenschaftlichen Werkes hat Zapletal auf Deutsch oder Latein verfasst. Er publizierte aber ebenso in tschechischer Sprache. Sofern es die Situation erlaubte, erschien immer auch eine tschechische Version seiner Studien; im tschechischen Raum war er also durchaus präsent. Im ČKD, und nicht nur hier, finden sich Rezensionen zu allen seinen Arbeiten. Öffentliche Anerkennung wurde ihm durch die Ernennung zum Mitglied beider gelehrter Gesellschaften in Böhmen zuteil. Er hatte in den Böhmischen Ländern zahlreiche Freunde und kam zu Beginn der Sommerferien zunächst nach Prag, von dort führte ihn der Weg weiter nach Olmütz/ Olomouc, dann zu seinem Bruder nach Dolany und schließlich über Znaim/Znojmo nach Hacking. Wiederholt während seiner universitären Laufbahn erwog er einen Wechsel nach Prag oder Wien. Nicht dass es ihm in Fribourg nicht gefallen hätte, aber er wollte seiner Heimat näher sein, und beide Universitäten genossen mehr Prestige als die noch junge Universität in der Schweiz. Seine Kontakte in die ehemals Böhmischen Länder erwiesen sich auch nach 1918 als hilfreich, als er aus der materiell besser situierten Tschechoslowakei erhebliche wirtschaftliche Unterstützung für den Dominikanerinnenkonvent in Hacking beibringen konnte. Zapletal hatte im Prinzip überall in der Welt Freunde und Unterstützer, meist ehemalige Studenten aus den USA, von den Philippinen oder anderen Ländern. Vor allem aber hatte er, von Deutschen und Tschechen einmal abgesehen, Freunde in

5.7 Zapletal in der Zeit des Nationalismus und der deutsch-tschechischen Spannungen

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Frankreich, wo auch eine Übersetzung seines Kommentars zur Genesis erschien. Zapletal galt Anfang des 20. Jahrhunderts als wichtigster deutschschreibender katholischer Exeget. Anerkennung fand er sowohl auf katholischer Seite (Prof. Karl Vetter, Tübingen) wie auch auf protestantischer (Prof. Julius Wellhausen, Göttingen), und dass sein Name darüber hinaus einen guten Klang besaß, bezeugt unter anderem das Ehrendoktorat der Universität Athen. Er ist aber nicht der einzige katholische Priester tschechischer Herkunft, der zugleich als Wissenschaftler von internationalem Rang gelten darf. Das traf auch für seinen Freund und Kollegen Alois Musil zu. Musil publizierte auf Deutsch, Tschechisch und Englisch und ist einer der Mitbegründer und Pioniere der Orientalistik. Persönlichkeiten dieses Zuschnitts blieben immer, mochte die Zeit auch noch so nationalistisch aufgeladen sein, Vertreter einer vorurteilsfreien europäischen Gelehrtengemeinschaft. Nicht zufällig war Musil daher nach 1918 Schikanen von deutsch-österreichischer wie von tschechischer Seite ausgesetzt, so dass schließlich Präsident Tomáš Garrigue Masaryk persönlich eingreifen musste, um ihm einen Platz an der philosophischen Fakultät der Karlsuniversität zu sichern. Zapletal und Musil waren beide um ein internationales Echo auf ihre Arbeiten bemüht, sie wollten sich der internationalen Konkurrenz stellen und aus dem Bannkreis einer kleinen Sprachgesellschaft ausbrechen; dennoch haben sie zur Entwicklung ihrer Disziplin auch in ihrer Muttersprache beigetragen. Gemeinsam mit dem Prager Professor Jaroslav Sedláček dachten sie an eine Erneuerung und Weiterentwicklung der tschechischen Exegese. Sie planten eine Zeitschrift, eine Neuübersetzung der Heiligen Schrift, dazu eine komplette Reihe von Kommentaren sowie ein Bibellexikon. Zapletal war polyglott, sein kultureller Horizont daher sehr weit gespannt, wenn freilich auch pure Kenntnis anderer Sprachen nicht automatisch vor Chauvinismus bewahrt. Doch Zapletal beherrschte die Sprachen nicht nur, er bewegte sich frei und wie selbstverständlich im deutschen wie im tschechischen Milieu, kannte Schwächen und Stärken beider Seiten. In diesem freien Wechsel der Milieus gleicht er dem Priester und Schriftsteller Jakub Deml. Sicher ist die Zugehörigkeit zu einem universellen Orden der universellen katholischen Kirche einer solchen transnationalen Beweglichkeit förderlich. Obzwar sich auch unter den Priestern und Ordensleuten jener Zeit Nationalisten und Chauvinisten finden, trug die prinzipielle Offenheit des Katholizismus, seine Fähigkeit, neue Erfahrungen zu integrieren und zur Synthese zu führen, sicherlich dazu bei, dass extreme nationalistische Auswüchse im Klerus wirksamer gebändigt werden konnten als in den Nationalkirchen der Protestanten und Orthodoxen. Bei alledem war Zapletal kein zerstreuter Bücherwurm, er interessierte sich für die Zeit, in der er lebte und dachte über sie nach, wie uns u. a. seine Notiz zu den „madjarisierten Slowaken“ gezeigt hat. Das Zusammenleben von Tschechen und Deutschen in einem gemeinsamen Land war für ihn trotz aller Konflikte und allem wechselseitigen Unverständnis eine völlige Selbstverständlichkeit. Zweifellos war sein zentrales Lebensthema das Ringen um eine wissenschaftlich fundierte katholische Exegese, sein Lebensdilemma deren unsicheres Schicksal in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Darüberhinaus wirkte er in der Schweiz als Professor einer internationalen Gemeinschaft von Professoren und

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5 Zusammenfassung

Studenten. Das allein macht seine Fähigkeit, sich über nationale Streitigkeiten zu erheben, nationales Eiferertum zu mäßigen und so den unguten Folgen zu wehren, nicht einfach zur Selbstverständlichkeit. Es ist dies vielmehr die Leistung einer starken Persönlichkeit, für die tschechische Identität und Sympathie für die deutsche Kultur nicht im Widerspruch stehen.

5.8 Zapletals Beitrag zur katholischen Exegese Es ist schwierig, die Bedeutung von Zapletals Schriften für die Entwicklung der katholischen Exegese genau zu benennen. Die vorliegende Monographie hat sich mit den zeitgenössischen Reaktionen und den Rückwirkungen auf Zapletals Leben befasst. Wir können hier nur der Hoffnung Ausdruck geben, dass sich in Zukunft ein Bibelwissenschaftler finden wird, der an unsere Arbeit anknüpft und Zapletals Verdienste in ihrer Eigenständigkeit und ebenso in ihren Grenzen genauer aufzeigt. Dennoch kann manches auch jetzt schon mit Gewissheit gesagt werden. Neben der Produktivität und dem wissenschaftlichen Niveau progressiver Exegeten wie Lagrange, Zapletal, Condamin und Hummelauer nehmen sich die Leistungen des konservativen Flügels recht bescheiden aus. Dass das Päpstliche Bibelinstitut in Rom während der ersten Jahre seines Bestehens in wissenschaftlicher und akademischer Hinsicht brachlag, blieb auch der jesuitischen Leitung nicht verborgen. Erst mit Augustin Bea SJ als Rektor (1930 – 1949) ging es aufwärts. Im deutschsprachigen Raum steht Zapletals Werk neben dem Hummelauers und zählt zum Besten, was die alttestamentliche katholische Exegese um die Jahrhundertwende geleistet hat.¹⁰⁵⁸ Hummelauers Echo in der katholischen Öffentlichkeit und das Ansehen, das er genoss, waren zwar größer, doch Zapletals Methoden müssen als moderner bezeichnet werden, seine Schlüsse waren gewagter und stießen seitens der modernen protestantischen und rationalistischen Bibelwissenschaft auf mehr Anerkennung. Das Ansehen, das Zapletal sich in diesen Kreisen erwarb, schürte den Hass und die Feindschaft der Integralisten, die noch größer waren als der Neid auf den beruflichen Erfolg. Als Hyacinthe-Marie Cormier 1911 seinen Mitbruder Marie-Joseph Lagrange darüber informierte, dass ein deutscher Priester es abgelehnt hatte, den Antimodernisteneid zu schwören und sich bei seiner Schriftauslegung auf die Methoden Lagranges sowie „eines weiteren Paters“ berief, notierte sich Lagrange: „Der zweite Name blieb mir unbekannt, aber man hat mich in Deutschland oft in Verbindung mit P. Zapletal genannt.“¹⁰⁵⁹ Die Rolle Zapletals als „deutscher“ Lagrange¹⁰⁶⁰ oder „deutschschrei Vgl. Duka, Čeští dominikáni a Bible, S. 45.  Lagrange, Souvenirs, S. 192.  Zur Rolle von Lagrange vgl. Benedict T.Viviano, The Church in the Modern World and the French Dominicans, in: Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie 50 (2003), S. 515 – 521, hier S. 515 – 517.

5.8 Zapletals Beitrag zur katholischen Exegese

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bender“ Lagrange ist zuverlässig vor allem auf Seiten der Gegner der modernen katholischen Exegese belegt. Denken wir nur an die Erklärung Kardinal De Lais von 1912 oder die Deklaration der sieben Fribourger Professoren von 1913. Das Los dieser bahnbrechenden Wissenschaftler war es, über Jahrzehnte einen Kampf nach zwei Seiten hin zu führen: Sie mussten die Bibel gegen die Angriffe der rationalistischen und liberal-protestantischen Bibelwissenschaft verteidigen, sich zugleich aber gegen den Vorwurf der doktrinalen Unzuverlässigkeit zur Wehr setzen. Die Integralisten verwiesen immer wieder darauf, dass die progressive katholische Exegese sich zu sehr von der protestantischen Exegese leiten lasse. Diese wiederum warf den katholischen Exegeten einen apologetischen und nicht genügend kritischen Umgang mit den Quellen vor. Noch dazu wurde ihre Leistung in recht übelwollender Weise auf eine „bloße“, vorsichtig sich vorantastende Aneigung protestantischer Errungenschaften reduziert. Eine gewisse Inspiration und auch methodische Ähnlichkeit lassen sich nicht von der Hand weisen. Dennoch befand sich die progressive katholische Bibelwissenschaft in einem fortwährenden kritischen Dialog sowohl mit der protestantisch-rationalistischen als auch mit der jüdischen und der traditionalistisch-katholischen Exegese. Die Arbeiten Lagranges und Zapletals waren originär, eigenständig und erfüllten die Kriterien der modernen Wissenschaft. Beide waren sich bewusst, dass die katholische Bibelwissenschaft noch beträchtliche Anstrengungen unternehmen musste, um sich mit ihrer protestantischen Schwester messen zu können. Bahnbrechende und tatsächlich entdeckerische Arbeiten waren im Grunde erst von der nächsten Generation zu erwarten; dass es damals nicht dazu kam trotz der großen Leistungen der katholischen Gelehrten in den Sprachwissenschaften, der Archäologie, der biblischen Geographie und in anderen Hilfswissenschaften ist nicht deren Verschulden. Was die eigentliche Exegese, die Textkritik und die historischkritische Methode betrifft, blieben die damaligen Arbeiten der progressiven Exegeten über Jahrzehnte ohne Nachfolge. Im Rückblick erscheinen ihre Leistungen alles andere als gering, und man kann nur bedauern, dass diese vielversprechenden Anfänge sich nicht weiterentwickeln konnten. Zapletal überstand trotz seinen modernen exegetischen Methoden alle Beschuldigungen und Krisen ohne formale Strafmaßnahme. Zehn Jahre intensiver Anstrengung einer gut organisierten Gruppe, die zudem unter den Fribourger Professoren und Studenten über Informanten verfügte und sich der Unterstützung mächtiger und einflussreicher römischer Kardinäle erfreute, konnten weder eine Verurteilung Zapletals noch ein Verbot seiner Bücher herbeiführen. Dass die Gegner Zapletal nicht in die Knie zwingen konnten, ist nach Barthélemy zwei Umständen zuzuschreiben: der besonderen Intelligenz, mit der Zapletal seine kritischen Ansichten zu formulieren wusste, und dem großen Einfluss Cormiers auf Pius X.¹⁰⁶¹ In welch hohem Ansehen Cormier in Rom stand, wie sehr der fromme Papst ihn aufgrund seines heiligmäßigen Lebens bewunderte, wurde im dritten Kapitel bereits ausführlich besprochen. Doch

 Vgl. Barthélemy, Idéologie, S. 163.

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5 Zusammenfassung

auch Zapletals Standhaftigkeit, sein fester Charakter und sein Geschick in den Verhandlungen mit den kirchlichen Institutionen spielten eine entscheidende Rolle. Wissenschaftliche Ergebnisse, die im Gegensatz zum Lehramt standen, wusste er so zu formulieren, dass er nicht belangt, überführt und verurteilt werden konnte. Eine gewisse „Durchtriebenheit“ bei der Formulierung seiner Ansichten lässt sich vielleicht auch ein wenig mit den „tschechischen“ Erfahrungen des 19. Jahrhunderts erklären, das heißt mit den Erfahrungen einer sich dynamisch modernisierenden Nation, die sich seit Generationen trotz legitimer Forderungen einer gewissen Verächtlichmachung, Verfolgung und Unterdrückung ausgesetzt sah. Wie die Mehrheit der tschechischsprachigen Bevölkerung die österreichische Monarchie keineswegs vernichtet sehen wollte, sondern sich lediglich eine gerechtere Berücksichtung der tschechischen Interessen wünschte, so wollten auch die progressiven katholischen Exegeten nicht die Kirche zerrütten oder ihre Autorität untergraben. Im Gegenteil, sie wollten durch ihre Arbeit deren Autorität stärken und dem Lehramt der Kirche zu neuer Autorität verhelfen. Sie arbeiteten möglichst hart und hofften, dass die kirchlichen Institutionen ihren Beitrag zu würdigen wüssten. Jeder Vergleich hinkt, aber hier geht es eher um Inspiration, um eine prinzipielle Haltung. Die Fähigkeit, der drohenden Gewalt des Machtapparats ins Auge zu sehen, einer Gewalt, gegen die sich ein Einzelner oder auch eine Gruppe nicht offen auflehnen konnte oder wollte, dabei zugleich aber an der eigenen Überzeugung festzuhalten und beharrlich an einer Veränderung der Verhältnisse weiterzuarbeiten – das ist die schwierige Situation der progressiven Exegeten in diesen Jahrzehnten. Warum Zapletal die Veröffentlichung wissenschaftlicher Ergebnisse, die seinen Kollegen niemals durchgegangen wären, erfolgreich durchsetzen konnte, haben wir bisher nur andeutungsweise erklärt. Noch etwas anderes mag dabei nämlich eine Schlüsselrolle gespielt haben: Zapletal erwies sich in den Verhandlungen mit den Zensoren als äußerst geschickt, wusste Beharrlichkeit und Kompromissbereitschaft richtig zu dosieren, und so gelang ihm die Publikation neuer Erkenntnisse, ohne dass seine Arbeiten auf dem Index gelandet wären. Schon in der Wahl seiner Zensoren verfuhr er sorgsam. Bei fast jeder seiner Schriften ergriff er die Initiative, machte selbst Vorschläge und vertraute den Betrefffenden die Arbeit mit großem Vorlauf an. Fast immer wählte er Zensoren aus den Reihen seiner Mitbrüder im Albertinum, die zugleich auch sprachliche und stilistische Korrekturen vornehmen konnten, war doch das Deutsche für Zapletal trotz allem eine Fremdsprache. In den Wochen der Lektüre gab es direkt im Haus genügend Gelegenheit, einzelne Dinge zu diskutieren, zu erläutern oder zu ändern. Mochten Manser oder Knar zu den konservativen Theologen gehören, durch die Diskussion und die Korrekturen wurden sie doch an der Entstehung des Buches beteiligt und setzten ihr Imprimatur schließlich auch unter die Kommentare zur Genesis und zum Hohelied. Auch Lagrange, der über den ständigen Problemen mit der Ordenszensur schier verzweifelte, verwies genau darauf, als er sich in einem Brief an Cormier vom 13. Oktober 1905 beklagte: „Übrigens würde ich gerne die Zensoren von P. Rose und P. Zapletal kennenlernen, und ich wäre glücklich, wenn

5.8 Zapletals Beitrag zur katholischen Exegese

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Sie die Güte hätten, sie für meine Manuskripte zu bestimmen.“¹⁰⁶² Was nicht bei der Zensur in Fribourg den letzten Schliff erhalten hatte, entdeckte das wache Auge des Ordensmeisters. Zapletal war zwar der Meinung, dass der Ordensmeister allzu bedenklich, ja geradezu rigide sei, doch ist es höchstwahrscheinlich Cormiers Umsicht zu danken, dass der Kommentar zum Hohelied nicht auf den Index gesetzt wurde. Lagrange lehnte 1907 jeden Kompromiss ab, er wolle keine konservativen Texte schreiben und lieber verstummen als gegen sein Gewissen handeln.¹⁰⁶³ Nachdem sein Kommentar zur Genesis verboten worden war, verlegte er sich – bis zu seinem Lebensende – auf die Exegese des Neuen Testamentes; allerdings auch das unter vielen Problemen: So durfte er sich eine gewisse Zeit nicht mit den Evangelien befassen. Zapletal wählte einen anderen Weg. Bis 1907 hatte er eigenständige Abhandlungen zur alttestamentlichen Exegese publiziert. Doch auch für ihn brachte das Jahr 1907 einen Einschnitt, nicht nur wegen der Herausgabe der antimodernistischen Lehrschreiben, sondern vor allem wegen der komplizierten Verhandlungen um seinen Kommentar zum Hohelied. Als ein Weiterschreiten auf dem eingeschlagenen wissenschaftlichen Weg nicht mehr möglich schien, bereitete er die zweite Ausgabe seiner vier vorhergehenden Arbeiten vor, wobei er von seinen Prinzipien nicht abging. Mit Ausnahme seines Kommentars zum Buch der Richter publizierte er jedoch keine neue exegetische Arbeit mehr. Dabei hatte er gerade erst das Alter erreicht, in dem ein Wissenschaftler zu seinen Hauptwerken ausholt. Die Energie, die er nun nicht mehr auf die Wissenschaft verwenden konnte, investierte er nun vor allem in seine Aufgaben an der Spitze des Albertinums. Obwohl er Cormier bereits 1909, als sich sein zweites Vikariat abzeichnete, wiederholt darauf hingewiesen hatte, dass ein Verbleib in dieser Funktion über ganze drei Jahre das Ende seiner wissenschaftlichen Laufbahn wäre, bestellte ihn der Ordensmeister von neuem und vertraute ihm dieses Amt noch weitere zwei Male an, 1912 und 1915. Insgesamt war Zapletal mehr als zwölf Jahre Vikar. Verfolgte Cormier damit eine bestimmte Absicht? Wollte er den unbequemen und allzu offenen Exegeten auf diese Weise aus der Wissenschaft abziehen und so Fribourg, den Orden und Zapletal schützen? Das ist durchaus möglich. Niemand war vor Zapletal auch nur zweimal hintereinander Vikar, und auch nach ihm wechselten die Vikare im vorgesehenen Drei-Jahres-Zyklus. War die Leitung des Albertinums so anspruchsvoll, dass niemand mehr als drei Jahre in dieser Funktion aushielt? Auch das ist ziemlich wahrscheinlich. Einer internationalen Gemeinschaft so markanter und zugleich gegensätzlicher Persönlichkeiten vorzustehen, dazu noch in Zeiten einer national aufgeheizten und politisch zugespitzten Atmosphäre, war kein leichtes Amt. Die Vikare sahen sich immer wieder in Auseinandersetzungen mit einem Teil (Coconnier, 1895) oder gar der ganzen Kommunität (Mandonnet, 1904) verwickelt.

 Correspondance, S. 93.  Lagrange an Cormier, 9.6.1907, zitiert nach Correspondance, S. 151.

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Umso nachdrücklicher stellt sich die Frage, warum Zapletal so lange Vikar sein konnte? War er als solcher tatsächlich unersetzlich? Die Vikariatswahlen 1909 zeigen, dass es zumindest nicht leicht gewesen wäre, Ersatz zu finden. 1909 lehnte Zapletal das Amt zunächst ab, ebenso 1912, allerdings schon weniger entschieden; 1915 schien er mit seinem Verbleib ausgesöhnt. Zeitgenössische Dokumente deuten darauf hin, dass es für ihn tatsächlich keinen gleichwertigen Nachfolger gab. Das betraf praktische und finanzielle Dinge, die erfolgreiche Verteidigung der Konventsinteressen nach außen sowie den Erhalt eines friedlichen Miteinanders der Nationen innerhalb der Mauern des Albertinums.Während seiner Vikariate zwischen 1906 – 1918 konnte er für das Albertinum Vieles erreichen. Er führte den Bau des Konvikts zu Ende und ließ eine Kapelle errichten, verbesserte die finanzielle Situation, trieb kontinuierlich die Verjüngung und Stabilisierung des Professorenkollegiums voran und sicherte sich dauerhaft das Vertrauen von Minister Python. Es sieht ganz so aus, als habe Cormier mit der wiederholten Ernennung Zapletals eine doppelte Strategie verfolgt. In ihm hatte er einen Stellvertreter, dem er vertraute und der zudem äußerst effektiv agierte. Zugleich hielt er ihn über dieses Amt gleichsam unauffällig von weiterer wissenschaftlicher Arbeit fern, die bei den damaligen Verhältnissen in der Kirche das Fribourger Projekt, den Orden und den Autor hätte gefährden können. Zapletals allmähliche Resignation deutet darauf hin, dass er die Absicht des Ordensmeisters erkannt und sich damit abgefunden hatte. Zapletals Laufbahn als Exeget lässt gewissermaßen vier große Phasen erkennen: Eine erste, die die Zeit vom Ordenseintritt über das Noviziat bis zum Ende seiner Studien an der École biblique in Jerusalem umfasst. Die zweite beginnt mit seiner Berufung nach Fribourg, umfasst die Jahre konzentrierten wissenschaftlichen Arbeitens, die Publikationen, die seinen wissenschaftlichen Ruf begründeten, ihm hohes Ansehen in der akademischen Welt, aber auch das Misstrauen und den Hass der Integralisten einbrachten. Die dritte Phase, die sozusagen „zweite Fribourger Etappe“, setzte nach 1906 ein und war vom erstickenden Druck der Integralisten auf die moderne katholische Exegese geprägt. Zapletal stellte seine wissenschaftliche Arbeit ein und widmete sich zwischen 1906 – 1918 in erster Linie seinen Aufgaben als Vikar des Albertinums. Er schloss einige schon früher begonnene Arbeiten ab, bereitete Neuausgaben früherer Werke vor, ging nach wie vor seiner Lehrtätigkeit nach, wobei er ab 1910 alttestamentliche Exegese und den Unterricht der semitischen Sprachen und Literatur kombinierte. Allein die Lehrtätigkeit kostete ihn viel Kraft. Als eine „dritte Fribourger Etappe“ und damit vierte Phase lässt sich die Zeit nach 1918 betrachten: Zapletal war die Bürde des Vikariats los und verfasste bis 1925 sechs umfangreiche biblische Romane in deutscher Sprache. 1925 bot sich Zapletal eine letzte Chance zur Rückkehr in die Wissenschaft. Ein Wechsel nach Prag hätte dabei den entscheidenden Impuls gegeben. Doch Minister Python und die Ordensleitung zeigten sich wenig großzügig und drängten Zapletal zum Verbleib in Fribourg. Enttäuscht, müde und krank sah Zapletal seinem Ruhestand entgegen, den er bereits drei Jahre später, und durch die Ankunft P. Szabós in Fribourg deutlich beschleunigt, antreten sollte. Die ihm verbleibenden letzten zehn

5.8 Zapletals Beitrag zur katholischen Exegese

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Lebensjahre konnte er in Frieden bei den Dominikanerinnen in Hacking verbringen. Wie Marie-Joseph Lagrange, Ferdinand Prat und Albert Condamin sollte auch Zapletal die erste Rehabilitierung der progressiven katholischen Exegese nicht mehr erleben. Sie erfolgte erst 1943 mit der von Eugène Tisserant¹⁰⁶⁴, dem Jesuiten Augustin Bea und dem Dominikaner Jacques-Marie Vosté¹⁰⁶⁵ verfassten Enzyklika Divino afflante Spiritu. Kardinal Jules-Geraud Saliège aus Toulouse kommentierte sie wie folgt: „Das päpstliche Dokument wurde herausgegeben, um die Integralisten zum Schweigen zu bringen, deren Ignoranz schon mehr als erwiesen ist. Nun mögen Pater Lagrange und viele andere mit ihm in den Wohnstätten des Himmels fröhlich Amen, Amen, Halleluja, Halleluja! singen.“¹⁰⁶⁶ Gliedern wir rückblickend Zapletals Leben noch einmal nach seinen vorrangigen Tätigkeiten: Jugend und dominikanische Formung (1867– 1890), wissenschaftliche Exegese (1890 – 1906), Vikar des Albertinums (1906 – 1918), erfolgreicher Autor biblischer Romane (1918 – 1926) und schließlich Seelsorger und Wirtschaftsverwalter bei den Schwestern des Dominikannerinnenkonvents in Hacking (1928 – 1938). Zugleich war er über einen Großteil dieser Zeit Universitätsprofessor für alttestamentliche Exegese (1893 – 1928) sowie für semitische Sprachen und Literatur (1912– 1928). Das Schlusswort überlassen wir Professor Alois Musil, einem der legendären Gestalten der internationalen Arabistik. Musil, Zapletals Freund und Landsmann und wie dieser von den Integralisten und dem Misstrauen der kirchlichen Institutionen verfolgt und dennoch der Kirche ein Leben lang treu, schrieb am 28. November 1928 aus Prag: Hochverehrter, lieber Herr Kollege, ich danke Ihnen herzlich für Ihre freundlichen Worte. Vielleicht wird Sie ja mein sechstes englisches Buch interessieren, The Manners and Customs of the Rwala Bedouins, das nun schon nachgedruckt wird. Die Bücher befassen sich übrigens kaum mit biblischen Fragen. Nur in Northern Neged gehe ich auf die biblische Oase Tejma ein. Dass ich Ihren Fleiß und Ihre Kenntnisse seit vielen Jahren bewundere, wissen Sie, aber um ehrlich zu sein, meine Hochachtung gilt Ihrem Charakter. Sie sind eine weiße Taube unter den Mitgliedern Ihres Ordens, so weit ich diese aus persönlichem Umgang kenne.¹⁰⁶⁷ Möge Gott Sie behüten und es Ihnen lohnen. Es ist sehr ehrenwert, dass die Regierung wünscht, dass Sie Ihre Verbindung mit der Universität nicht aufgeben, aber was sollte sie auch anderes tun; einen zweiten Zapletal würde sie nicht finden. Ich weiß, wie schwer Ihnen das Arbeiten ist, wenn Sie dazu die Bewilligung von Leuten einholen

 Eugène Tisserant (1884– 1972) studierte 1904/05 in Jerusalem, seit 1907 Priester, Orientalist und Scriptor an der Vatikanischen Bibliothek, seit 1930 ihr Vizepräfekt, 1936 Kardinal, 1938 Präsident der Bibelkommission.  Jacques Vosté OP (1883 – 1972), einer der Hauptautoren, stammte aus Belgien und war ein Schüler Lagranges; 1911 Professor für Exegese am Angelicum, 1929 Konsultor der Bibelkommission, 1939 Sekretär der Bibelkommission.  Montagnes, Le Père Lagrange, S. 227.  Anspielung auf Streitigkeiten während seiner Studienzeit an der École biblique in Jerusalem sowie auf Lagranges Zweifel am Primat einiger seiner Entdeckungen.

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5 Zusammenfassung

müssen, die nicht einmal bis zur eigenen Nasenspitze sehen. Sie verstehen, warum ich mich seit 1906 keinen biblischen Fragen mehr zugewandt habe, obwohl mich meine einstige Liebe zu ihnen immer noch hinzieht. An der philosophischen Fakultät bin ich frei. Ich könnte über ausgewählte Kapitel aus der Bibel lesen. Die Hörerschaft wünscht diesen Stoff und könnte meine Vorlesungen selbst herausgeben. Vielleicht komme ich in ein, zwei Jahren dazu, so mir der Herr Gesundheit schenkt. Schonen Sie sich, lieber Herr Kollege. Gönnen Sie sich die nötige Ruhe. Die katholische Wissenschaft braucht sie schließlich. Sie haben viel geleistet, und viel erwartet man noch von Ihnen. Sie sind ein gesunder Baum, Sie tragen gesunde Früchte, und viele Tausende nähren sich von ihm. Das muss Sie mit innerer Zufriedenheit erfüllen, und Sie müssen sich sagen: Ich habe meine Pflicht getan und werde sie tun bis zum letzten Augenblick. Dem Schutz des Herrn, hochverehrter Herr Kollege, befiehlt Sie an mit aufrichtigem Gruß Alois Musil¹⁰⁶⁸

 Musil an Zapletal, 28.11.1928. AA FZapletal.

Verzeichnis der Abkürzungen AA FZapletal AAlb AAV

Archives de l’Albertinum Fribourg, Fond Zapletal Archives de l’Albertinum Fribourg (Privatarchiv des Konvents) Archiv Akademie Věd ČR [Archiv der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik] ACEC Archivio della Congregazione per l′educazione cattolica AEF Archives de l′Etat Fribourg AGOP Archivum Generale Ordinis Praedicatorum, Rom ASV Archivio Segreto Vaticano Bericht Jahresbericht des (jeweils zurücktretenden) Rektors der Fribourger Universität BK Bibelkommission ČKD Časopis katolického duchovenstva [Zeitschrift der katholischen Geistlichkeit] EB Enchiridion biblicum MV FMusil Muzeum Vyškov, fond Musil [Museum Vyškov, Fond Musil] RB Revue biblique Studium SSH Studium Sancti Stephani Hierosolymitani. Liber Examinum et Exercitorum scolasticorum Anno 1890 ad Annum 1959

https://doi.org/10.1515/9783110749090-007

Quellen- und Literaturverzeichnis I Primärliteratur: Die Arbeiten Vincent Zapletals I.1 Monografien und Lehrbücher Hermeneutica biblica, Friburgi Helveticorum 1897 (176+X S.). —: 2. Aufl., Friburgi Helveticorum 1908 (198+X S.). Der Totemismus und die Religion Israels. Ein Beitrag zur Religionswissenschaft und zur Erklärung des Alten Testamentes, Freiburg (Schweiz) 1901 (Collectanea Friburgensia, Neue Folge, Fasz. II) (176+X S.). Grammatica linguae hebraicae cum exercitiis et glossario, studiis academicis accomodata, Paderborn 1902 (138+VIII S.). Der Schöpfungsbericht der Genesis (1,1 – 2,3). Mit Berücksichtigung der neuesten Entdeckungen und Forschungen, Freiburg (Schweiz) 1902 (104+IV S.). —: 2. Aufl., Regensburg 1910. Le Récit de la Création dans la Genèse. Traduit de l’allemand par P. Meyer-Boggio de Stadelhofen, Genéve-Paris 1904 (158+XI S.). Alttestamentliches, Freiburg (Schweiz) 1903 (192+VIII S.). Die Metrik des Buches Kohelet, Freiburg (Schweiz) 1904 (20 S.). Das Deboralied, Freiburg (Schweiz) 1905 (52+V S.). Das Buch Kohelet. Kritisch und metrisch untersucht, übersetzt und erklärt, Freiburg (Schweiz) 1905. Collectanea Friburgensia, Neue Folge, fasc. VII (243+X S.). Das Buch Kohelet. 2., verbesserte Auf. Freiburg (Schweiz). 1911 (236+XII S.). Liber ecclesiastae. Textum hebraicum critice et metrice edidit V. Zapletal, Halis Sax. 1905. (27 S.). Der biblische Samson, Freiburg (Schweiz) 1906 (80+IV S.). Das Hohelied kritisch und metrisch untersucht, Freiburg (Schweiz) 1907 (152+VIII S.). De Poesi Hebreorum in Veteri Testamento conservata in usum scholarum, Friburgi Helveticorum 1909 (45 S.) —: 2. Aufl. 1911. Der Wein in der Bibel. Kulturgeschichtliche und exegetische Studie, in: Biblische Studien 20 (1920), 1. Heft (79 S.). Das Buch der Richter, in: Exegetisches Handbuch zum Alten Testament, hrsg. von Johannes Nikel, 7. Band, 1. Titel, Münster in Westf. 1923 (311+XLII S.).

I.2 Rektoratsrede und Übersetzungen Über einige Aufgaben der alttestamentlichen Exegese. Rektoratsrede, Freiburg [Schweiz] 1910 (40 S.). —: 2. Aufl. Freiburg [Schweiz] 1911. O některých úkolech katolické exegeze starého Zákona, Praha 1910. L’exégèse catholique de l’Ancien Testament, Fribourg 1911. Some Duties of Catholic Old Testament exegesis, in: Columbia 17 (1910), S. 135 – 153. Câteva dintre problemele exegesei Testamentului Vechiu, Blaj 1911. Principii scientifici d’exegesi cattolica dell’ antico Testamento, Torino 1911. Az ószövetségi szentirásmagyarázat néhány Feladatárol, Budapest 1911. La exégesis católica del Antiguo Testamento, Vergara 1911. https://doi.org/10.1515/9783110749090-008

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Quellen- und Literaturverzeichnis

I.3 Biblische Romane Jephta’s Tochter. Kulturgeschichtliche Erzählung aus biblischer Zeit, Paderborn 1920 (IV+332 S.). David und Saul. Kulturgeschichtliche Erzählung aus biblischer Zeit, Paderborn 1921 (IV+400 S.). David a Saul. Biblický román, übers. v. Jiljí M. Bouz OP, Praha 1925 (360 S.). David und Bethsabe. Kulturgeschichtliche Erzählung aus biblischer Zeit, Paderborn 1923 (IV +399 S.). Mose, der Gottsucher. Kulturgeschichtliche Erzählung aus dem alten Ägypten, Paderborn 1925 (VI +368 S.). Mose, der Volksführer. Kulturgeschichtliche Erzählung aus biblischer Zeit, Paderborn 1926 (VI +360 S.). Joseph und seine Brüder: Kulturhistorische Erzählung aus biblischer Zeit, Paderborn 1931 (VI +208 S.).

I.4 Exegetische Aufsätze Prvá hlava Genese v záři nejnovějších objevů [Das erste Kapitel der Genesis im Lichte der neuesten Entdeckungen], in: ČKD 39 (1898), S. 329 – 340, 403 – 416, 480 – 491. Efod ve Starém Zákoně [Das Ephod im Alten Testament], in: ČKD 41 (1900), S. 459 – 465, 554 – 561, 624 – 628. O chronologickém pořádku knih Ezdrášovy a Nehemiášovy [Zur Chronologie der Bücher Esdras und Nehemia], in: ČKD 42 (1901), S. 353 – 357, 453 – 456, 551 – 556. O obrazu Božím v člověku [Über das göttliche Bild im Menschen], in: ČKD 44 (1903), S. 391 – 397, 508 – 513. Rezension zu M.-J. Lagrange: Méthode historique, in: ČDK 45 (1904), S. 397 – 398. Der Unsterblichkeitsglaube Qohelets, in: Katholik. Zeitschrift Fur Katholische Wissenschaft Und Kirchliches Leben 29 (1904), S. 321 – 327. Co znamená jméno „Qohelet“? [Was bedeutet der Name „Qohelet“?], in: ČKD 46 (1905), S. 113 – 117. Über den Unsterblichkeitsglauben Qohelets, in: Verhandlungen des II. internationalen Kongresses für allgemeine Religionsgeschichte, Basel 1905, S. 216 – 217. Die vermeintlichen Einflüsse der griechischen Philosophie im Buche Kohelet, in: Biblische Zeitschrift 3 (1905), S. 32 – 39, 128 – 132. Die Komposition des Buches Qohelet, in: Schweizerische Kirchen-Zeitung 51 (1905), S. 41 – 42, 52 f., 69 f., 74 – 76, 88 f., 111 f., 138 f. Zur Metrik von Isaias Kap. VI, in: Florilegium ou Recueil de travaux dédié à M. le marquis de Vogüe. Paris 1909, S. 607 – 612. O některých úkolech katolické exegeze Starého zákona [Über einige Aufgaben der katholischen alttestamentlichen Exegese], in: ČKD 51 (1910), S. 632 – 646. Der II. Psalm, in: Biblische Zeitschrift 12 (1914), S. 365 – 368. Metrische Analyse von Gen. 2,5 – 3,24, in: Biblische Zeitschrift 13 (1915), S. 215 – 221. Exegeze v řádě sv. Dominika [Exegese im Orden des hl. Dominikus], in: Pamětní spis řádu Kazatelského, Praha 1916, S. 166 – 169. De Facultate nostra theologica friburgensis Relatio Capitulo Generalis praesentata ab A.R.P. Mag. Fr. Vincentio Zapletal; in: Acta Capituli Generalis Ordinis Praedicatorum Friburgi Helveticorum. Romae 1916. Appendix, S. 129 – 135. Der Turmbau von Babel, Gen. 11, 1 – 9, in: Biblische Zeitschrift 15 (1917), S. 301 – 304. Israel zur Zeit der Richter, in: Schweizerische Rundschau 18 (1918), S. 156 – 167. Bileam, in: Na Hlubinu 1 (1926), S. 34 – 37, 87 – 88, 140 – 143. Die Schlacht in Raphidim, in: Schweizerische Rundschau 26 (1926), S. 261 – 271.

II Quellen

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Bileam, in: Schweizerische Rundschau 26 (1926), S. 539 – 546. Biblický Samson – Sluneční mýtus? [Der biblische Samson – ein Sonnenmythos?, in: Na Hlubinu 4 (1929), S. 19 – 23.

II Quellen II.1 Archivquellen Archiv Akademie Věd ČR [Archiv der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik] — Fond KČSN, in. č. 43 [Fond Královské české společnosti nauk / Fonds der Königlichen böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften, Inv.-Nr. 43] — Fond ČAV, in. č. 258 [Fond České akademie věd / Fonds der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, Inv.-Nr. 258] Muzeum Vyškov [Museum Vyškov] ̶ Fonds Alois Musil Archives de l’Albertinum, Fribourg. Fond Zapletal Fonds: A6 A7 E5 L 8/1 L9 L 9/1 L 9/2 Archivum Generale Ordinis Praedicatorum Romae, Santa Sabina. Fonds: AGOP III. 130 AGOP IV. 130 AGOP Secr. 13 AGOP Secr. 14 AGOP II. 122 AGOP XI. AGOP XI. 15200 AGOP XI. 15300 AGOP XI. 15310 AGOP XI. 15310bis AGOP XI. 15320 AGOP XI. 15330 AGOP XI. 15340 AGOP XI. 15345 AGOP XI. 15500 Archives d’Etat de Fribourg ̶ Fonds: Université de Fribourg, les professeurs (Zapletal) Archivio della Congregazione per l’Educazione Cattolica di Vatican Fond Fribourg Archivio Segreto Vaticano ̶ Fondo Benigni

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Klosterarchiv von Dominikanerinnenkloster Hacking Chronik des Dominikanerinnenklosters Hacking (Wien) Archives du séminaire de Fribourg Les Archives de l′École biblique et archéologique francaise (EBAF), Jerusalem. ̶ Studium Sancti Stephani Hierosolymitani. Liber Examinum et Exercitorum scolasticorum Anno 1890 ad Annum 1959. ̶ Chronique des premiéres années du Couvent de St. Étienne de Jérusalem

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Professoren der Faculté Theologique 1898. Zapletal 2. von unten links.

https://doi.org/10.1515/9783110749090-009

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 2: Rektor Zapletal

Abbildungsverzeichnis

Abb. 3: Albertinum 1914. Zapletal 1. Reihe, 4. von rechts

Abb. 4: 1916. Zapletal letzte Reihe, 5. von links

303

304

Abbildungsverzeichnis

Abb. 5: Fête de Dieu. Zapletal 3. Reihe rechts außen

Abb. 6: Albertinum

Abbildungsverzeichnis

Abb. 7: Bernard Allo

305

Personenindex Abey, Pierre 259 Agliardi, Antonio 275 Allo, Bernard 82, 96, 121, 130, 140, 142, 149, 157, 162, 164, 169 – 171, 175 f., 182, 193, 196, 201, 203 – 205, 208, 210 f., 248, 257, 264, 275, 305 Angerer, Eduard Ernest 7 f., 23 Antonini, Paul 25 Arcari, Paolo 256 Bacuez, Louis 143, 229 Badalik, Bartholomäus 258 Baentsch, Bruno 61 Bareille, Jean 24 Barthélemy, Dominique 3 – 5, 12 f., 20, 22 f., 37, 45, 80 f., 90 f., 95, 103 f., 107 – 111, 133 f., 136 – 138, 141 – 144, 148, 151, 153, 156 – 158, 160 f., 164, 166, 168 – 175, 177 f., 180, 183, 186, 189 – 192, 197 f., 205, 208, 212, 253, 269, 273 f., 285 Bartijn, Marcolinus 21 – 23 Bastoule, Georges 61 Baumer, Iso 12, 151 f., 180 Bays, Sévérin 258 Bea, Augustin 284, 289 Beck, Joseph 16, 28, 30, 34, 129, 142, 169 f., 181, 189, 196, 223 Bedouelle, Guy-Thomas 2, 80, 154, 269 Beer, Georg 61 Beneš, Edvard 247 Benigni, Umberto 2, 5, 119 – 121, 130, 132 f., 139, 142, 149, 151, 156, 159, 161, 166, 174 f., 178, 185, 187, 190, 192, 204, 207, 210, 215, 273 f., 276 f. Berthier, Joachim Joseph 14, 24, 29, 64, 90, 95, 103 f., 170 f., 225, 248 Bertholet, Alfred Robert Felix 61, 77 Bickel,Gustav 10 Billot, Louis 230, 275 Bonomelli, Geremia 275 Bossuet, Wilhelm 109, 233 Bouvier, Frédéric 194 Bovet, André-Maurice 169, 174, 178 f. Brassac, Augsutin 229 f. Breda, van, Bernard Dominique 64, 66 Bressan, Giambattista 121, 142, 276 Brunhes, Jean 136 f., 274 https://doi.org/10.1515/9783110749090-010

Büchi, Albert 12, 29, 99, 140, 167, 181, 213 Budde, Karl 53 Buonpensiere, Enrico 51, 78 Champollion, Jean-François 235 Chauvin, Marie-Dominique 254 Cholat, Auguste 273 Claverie, Francois 182 Coconnier, Thomas 18, 21 – 24, 95 f., 287 Colinet, Philemon 193 f. Condamin, Albert 87, 94, 112, 116, 263, 284, 289 Cormier, Hyacinthe-Marie 2, 4, 10, 45, 80 – 82, 90 – 93, 95 – 101, 103 – 112, 121, 123 – 129, 133 – 138, 140 – 144, 147, 150 – 156, 158, 160 – 175, 177 – 181, 183 f., 186 – 194, 196 – 200, 202 f., 205, 207 – 212, 214, 217 – 220, 222 – 227, 244 – 246, 266, 268 f., 274 f., 284 – 288 Daniëls, Frans 228 De Lai, Gaetano 103 f., 120, 159, 174 f., 193 – 195, 230, 275, 285 Decurtins, Caspar/Kaspar 12 f., 25 – 27, 79 – 81, 88 f., 99, 103 f., 121, 130 – 132, 137 – 142, 144, 149 f., 152 f., 156 f., 161, 163, 165 f., 170, 174 f., 185 – 187, 190, 196, 207, 212 f., 245, 273 f., 277 Del Prado, Norberto 30, 91, 98, 109, 137, 143, 149, 182 f, 204, 227 Delattre, Alphonse 76 Delitzsch, Franz 53 Denifle, Heinrich Suso 13, 22 Déruaz, Joseph 62, 128 f. Dillmann, August 53 Dittl, Tomáš Emil 258 Dvořák, Max 99 Esser, Thomas

21 – 23, 59, 108 – 110, 248, 275

Fei, Reginaldo 38, 64, 91, 96, 98, 126, 143, 162, 167, 175 Feldmann, Franz 186 – 188 Ferrari, Andrea Carlo 255 Fogazzaro, Antonio 274, 279 Fonck, Leopold Christian 76, 94, 216, 229 f., 263

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Personenindex

Frankenstein, Reginald 22 f., 95 Frazer, James George 40 Frey, Jean-Baptist 189, 191 Friedrich, Eduard 24, 36, 48, 157, 195 Frisch, Albert 15 Frühwirth, Andreas 4, 7 – 10, 15, 17 – 19, 22 f., 29 – 39, 47 – 49, 51 f., 58, 64, 69 f., 77 f., 80, 95, 108, 130 – 132, 154, 159, 192, 252, 275 Gardeil, Ambroise 82 Gasparri, Pietro 119, 216 f. Gautier, Lucien 62, 64 Gietl, Ambros 8 Giraud, Victor 274 Gismondi, Enrico 75, 79 Gleispach, Wenceslav Graf von 106 Goll, Jaroslav 70, 123 Gotti, Girolamo Maria 193 Göttsberger, Johann Baptist 93 Grandmaison, Léonce de 194 Granello, Tomaso 275 Grey, George 64 Grifoni, Cesare 162 Grimme, Hubert 26 f., 29, 32, 85, 136, 162, 167, 172, 185, 196, 200, 244 Gruscha, Anton 23, 103 Gunkel, Herrmann 53, 57, 61 – 64, 67 f., 157 Gutjahr, Franz-Seraph 21 Häfele, Gallus 237, 249, 258 Hansen, Ceslas 39, 203 Harnack, Adolf von 36, 80 Hauber, Ulrich A. 236 Hazuka, Václav 114, 242, 265 Hejčl, Jan 72 f., 83, 88, 161, 231, 234, 242, 265 f. Hoberg, Gottfried 53, 55, 60, 63, 65 – 67, 142, 157 Holtzmann, Heinrich Julius 36 Holzhey, Karl 25, 62, 93, 198 f. Holzinger, Heinrich 53 Höpfl, Hildebrand 46 Houtin, Albert 277 Hudeček, Jan 46, 265 Hügel, Friedrich Baron von 24 Hulst, Maurice d’ 16 Hummelauer, Franz von 18, 53 – 55, 60, 67, 79, 263, 284 Hyvernat, Henri 48, 63

Innitzer, Theodor

258

Jacquin, Mannes 227 Jandel, Vincent 7, 264, 268 Jonckx, Adolphe 132 Jülicher, Adolf 36 Kaiser, Maurus 6, 74, 108 f., 111, 124, 184 Kaulen, Franz 59 Kirsch, Johann Peter 15 f., 26, 30, 65, 143, 181 Kley, Joseph 88 Knabenbauer, Joseph 18 Knar, Maurus 99, 108, 144, 169, 182 f., 197, 204, 217, 223, 227, 237, 248, 250, 286 Kordač, František 123, 241 Krausz, Moses 63 Kuchař, Ignác 6 Labriolle, de, Pierre Champagne 228 Ladeuze, Paulin 193 f. Lagrange, Marie-Joseph 4, 7 – 11, 15 – 17, 20, 23 – 25, 32, 34 – 37, 41, 47 f., 51, 53, 59 f., 62 – 64, 66, 74 – 76, 78 – 80, 82 f., 87, 93 f., 109, 112, 114 – 116, 124, 142, 149, 174, 193 – 195, 197 – 199, 203 – 205, 214 – 216, 220, 228 – 230, 232, 262 f., 266 – 270, 277 f., 284 – 287, 289 Lampert, Ulrich 136, 139, 162 f. Langen-Wendels, Jordan 64, 91, 96, 98, 100, 144, 151, 162, 182 f., 196, 203 – 206, 208 f., 211 f., 223, 249 Larcordaire, Jean-Baptiste Henri Dominique 187 Larroca, José Maria 8, 13 f., 269 Laur, Elred 59, 64, 71 Le Roy, Édouard 274 Lehu, Léonhard 242, 245 f., 249 Lemmonyer, Antoine 195 Leo XIII. 2, 13, 39, 62, 74 f., 88, 94, 103, 118, 123, 128, 134, 141, 144, 161, 201, 215, 272, 275 Loisy, Alfred 38, 46, 53, 62, 80, 82, 88, 115, 274, 276 f. Mader, Johann 21, 69 Mandonnet, Pierre-Marie 17, 28 – 30, 64, 80 f., 89 – 91, 93, 96, 99 f., 103, 121, 123, 128, 162, 164, 170, 178, 182, 204, 209 f., 227, 257, 274 f., 277 f., 287

Personenindex

Manser, Gallus 35, 38 f., 58, 64, 91, 96, 108, 144, 182 f., 196 f., 203 f., 220 – 223, 228, 248, 286 Marmaggi, Francesco 247 Martin, Luís 242 Masaryk, Tomáš Garrigue 247, 259, 283 Maspoli, Enrico 166 Mazella, Camillo 16, 31, 74 Méchineau, Lucien 60, 76 Mercier, Desiré 193 f., 275 Mermillod, Gaspard 13, 128 Merry del Val, Rafael 74 – 76, 79, 103, 112, 120 f., 154, 159, 185, 214, 228, 230, 275 Michel, Leo 8, 22 f., 30, 33, 36, 39, 49 – 51, 95 f., 109, 149, 182, 203 f., 223, 227 Mignot, Eudoxe-Irenée 80, 275 Miller, Charles 236 Minocchi, Salvatore 64, 82, 142 Molini, Agostino 150, 165 – 167 Monléon, Sylvio-Laurent de 149, 161 Montagne, Ambroise 96, 107, 126, 149, 152 f., 182 f., 187, 197, 203 f., 212 Montagnes, Bernard 4, 10, 24, 75 f., 116, 195, 198 f., 215, 220, 229 f., 263, 270, 276, 289 Morel, Camillo 22 Mozzicarelli, Domenico 142 f Müller, Johannes 12, 127, 143, 179 f., 233 Munnynck, Marc-Marie 91, 96, 100, 103, 143, 161, 164, 170, 177, 195, 204, 222 f., 248, 252, 269 Musil, Alois 1, 4 f., 7, 11, 17, 46, 70 – 72, 89, 102, 111, 118, 123, 184, 232, 234, 241, 249, 264 – 268, 281, 283, 289 – 291 Mussil Othmar 21,47 Nadler, Josef 237 Niebuhr, Carsten 83 O’Callaghan, Henry 25 Orelli, Hans Konrad von 77 Oudenrijn, Marc-Antoine van den 256, 259 Pacelli, Eugenio 216 Pasqualigo, Domenico Maria Perès, Jean Baptiste 84 Perrier, Ernest 254 Pierotti, Raffaelle 122 Piffl, Friedrich Gustav 252 Piller, Joseph 257

256

48, 243,

309

Pius IV. 8 Pius V. 14, 101 f., 119, 260 Pius X. 3, 37, 74 – 76, 79 f., 91, 118, 120 f., 130 f., 134, 136 f., 139, 143 f., 147, 153, 157, 161, 164, 180, 194, 207, 210 f., 214, 216, 229 f., 244, 269, 274 f., 285 Pius XI. 214, 216, 230 Poulat, Emile 3, 103, 119 – 121, 131 f., 139, 159, 177, 214, 217, 252, 277 Prat, Ferdinand 75, 263, 289 Prümmer, Dominikus Maria 107, 128, 182, 204, 212 Puzyna, Jan Maurycy Paweł 74 Python, Georges 4, 12, 14, 22 f., 27 – 30, 39, 45 f., 64, 79 f., 88 – 90, 92, 99, 101, 106, 128 f., 137 f., 143 f., 148, 150, 152, 154, 158, 161 f., 166, 168 f., 172 f., 179 f., 184, 186 f., 191, 193, 196 f., 203, 205, 208, 210 – 212, 218, 220, 225 – 227, 233, 235, 240 – 244, 248, 253, 274, 288 Rampolla del Tindaro, Mariano 74 Ranolder, János 20 Ratti, Achille 230 Regattieri, Lorenzo 142, 150, 152 f., 162 f., 274 Reindl, František 84, 87, 265 Rime, Jacques 192 Ritter, Saverio 174 Rollmann, Mannes 64, 96, 98, 100, 107 Rose, Vincent 15, 19, 23, 28, 36 – 38, 64, 80 – 82, 89 f., 142, 202, 274, 286 Rossum, Wilhem van 214 – 216, 230 Roussel, Alfred 274 Rowan, Vincent 196 – 198, 202 – 205, 207 f., 211 – 213, 223, 254, 256 f., 275 Rueg, Ferdinand 158 Sabatier, Paul 274 Sachsen, Prinz Max von 151 f., 171, 180 f. Sales, Marco 168, 201, 204, 206, 227, 248 Saliège, Jules-Geraud 289 Šanda, Vojtěch 59, 242 Sapieha, Adam Stefan 178 Sarto, Giuseppe Melchiore 74 f., 274 Satolli, Francesco di Paola 76, 103 f., 128 Schanz, Paul von 47, 49 Scheer, Dominikus Maria 22 Scheil, Vincent 23, 60, 64 Schlincker, Reginald 58, 64, 91, 96, 100, 107 Schlögl, Nivard 8, 184, 230

310

Personenindex

Schlössinger, Wilhelm 98 f. Schmidt, Wilhelm 194 f. Schmitz, C.H. 210 f., 217 Schnürer, Gustav 169, 228 Schorderet, Joseph 4, 12 Schulte, Alois 48 Schulte, Wiliam 236 Sedláček, Jaroslav 70 – 72, 184, 234, 241 f., 265, 283 Segna, Francesco 76 Séjourné, Paul 23 Simon, Richard 233 Skácel, Bernardin Jan 167 Smith, Robertson William 40 f., 43 Soukup, Emilián 258 Speiser, Friedrich 22, 39, 121, 127 f., 137, 139, 143, 153, 156, 160, 162 f., 169 f., 174 – 178, 181, 187, 201 f., 208, 210 f., 213, 223, 273 f., 277 Sposetti, Roberto 142 f. Steinhuber, Andreas 31 Steinochr, Ignác 125, 265 Strack, Hermann Leberech 47, 53 Strauss, David Friedrich 65 f., 142, 157 Stříbrný, Jiří 247 Succona y Vallés 24 Švehla, Antonín 247 Szabó, Sadok 217, 227, 243, 249 – 252, 255, 288 Tamayo, Serapio 241, 244 – 248 Tillmann, Fritz 199 Tissérant, Eugéne 289 Töffler, Angelikus 252 Toggenburg, Paulus von 9 Tonneau, Jean 257 Touzard, Jules 228 Tumpach, Josef 72, 184 Tuor, Peter 228

Turmann, Max 274 Tyrrell, George 274, 277 Verdon, Pierre 239 Vetter, Paul 21, 49, 51 f., 63 f., 87, 283 Vicaire, Marie-Humbert 14 f., 17, 91, 129, 265 Vigouroux, Fulcran 31, 229 Vives y Tutó, José de Calasanz Félix Santiago 76, 79, 103 Vosté, Jacques-Marie 289 Vyšní, Vojtěch 7 Walz, Angelus 8, 15, 17, 130 f., 154, 192 Wehofer, Thomas 50, 82 Weiß, Albert Maria 8, 15, 22, 27 f., 36 – 39, 50, 81 f., 94 – 96, 100, 102 – 104, 119 f., 126, 130, 139, 149, 151 – 153, 159 f., 162 f., 170, 182 f., 203 f., 207, 213, 217, 227, 248 – 250, 264 – 266, 273, 275, 277 Weiß, Otto 4, 94, 266, 273 Wellhausen, Julius 24, 41, 46, 53, 61, 64, 157, 234, 283 Wildenberg, Alphons van den 179, 182, 217, 223 Winkler, Jan 6 Zapletal, Adolf 7 Zapletal, Vincent (Adolf; Vincenz) 1 – 11, 15 – 23, 25 – 38, 40 – 74, 76 – 114, 116 f., 121 – 130, 133 – 151, 153 f., 156 – 162, 164 – 212, 214, 217 – 228, 231 – 259, 261 – 271, 274 f., 277 – 291, 293, 301 – 304 Zapletal, František 7, 64, 242 Zapletal, Franz 6 Zapletal, Jakub 6 Zapletalová, Antonína 6 Zeiller, Jacques 274 Žižlavský, Bertrand 107 Zubatý, Josef 249 Zycha, Adolf 106