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German Pages 448 [439] Year 2014
Herausgegeben von Marco Brösch, Walter Andreas Euler, Alexandra Geissler und Viki Ranff
Handbuch
Nikolaus von Kues Leben und Werk
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografi sche Daten sind im Internet über http: / / dnb.d-nb.de abrufbar.
Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2014 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Satz: Janß GmbH, Pfungstadt Einbandgestaltung: Peter Lohse, Heppenheim Lektorat: Andrea Graziano di Benedetto Cipolla Einbandabbildung: Nikolaus von Kues © akg-mages /Andrea Jemolo Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de
ISBN 978-3-534-26365-3
Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-73899-1 eBook (epub): 978-3-534-73900-4
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I Nikolaus von Kues in seiner Zeit Eine kurze Einführung in die Zeit . . . . . . . . . . Ein Überblick über die Entwicklungen im Römisch-Deutschen Reich . . . . . . . . . Ein kurzer Einblick in den Lauf der Geschichte anderer europäischer Länder . . . . . . . . Das Große Abendländische Schisma und die folgenden Konzilien . . . . . . . . . . . .
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Die Biographie des Nikolaus von Kues . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die frühen Jahre des Nikolaus von Kues . . . . . . . . . . Cusanus’ Rolle im Trierer Bistumsstreit (1430 –1436) und seine Teilnahme am Konzil von Basel . . . . . . . . Cusanus als Anwalt des Papstes in Deutschland zwischen 1438 und 1448 . . . . . . . . . . . . . . . . . Cusanus’ Ernennung zum Kardinal und Bischof von Brixen Die große Legationsreise durch das Deutsche Reich 1451 / 52 Nikolaus von Kues als Bischof und Landesfürst in Brixen . Die römischen Jahre des Nikolaus von Kues . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
Nachleben und Erbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Testament des Nikolaus von Kues . . . . . . . . . . . Das römische Erbe des Nikolaus von Kues . . . . . . . . . Das St. Andreas-Hospiz der Anima-Bruderschaft in Rom Die Titularkirche S. Pietro in Vincoli und das römische Grabdenkmal . . . . . . . . . . . . . . . . Die Stiftungen des Nikolaus von Kues nördlich der Alpen . Die „Bursa Cusana“ in Deventer . . . . . . . . . . . . . Das St. Nikolaus-Hospital in Kues . . . . . . . . . . . . Die Stiftungsurkunde des Hospitals . . . . . . . . . . Bau und Ausstattung der Hospitalsanlage . . . . . . . Die Cusanus-Bibliothek . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Hauptschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . De concordantia catholica I–III . . . . . . . . . . . . . . . . De reparatione kalendarii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . De docta ignorantia I–III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . De coniecturis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . De deo abscondito, De quaerendo deum, De filiatione dei, De dato patris luminum . . . . . . . . . . . . . . . . . . Coniectura de ultimis diebus . . . . . . . . . . . . . . . . . Dialogus de genesi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Apologia doctae ignorantiae . . . . . . . . . . . . . . . . . Idiota de sapientia, Idiota de mente, Idiota de staticis experimentis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . De theologicis complementis, De mathematicis complementis De pace fidei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . De visione dei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epistula ad Ioannem de Segobia . . . . . . . . . . . . . . . De beryllo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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179 191 195 202 208 212
II Werke in chronologischer Reihenfolge
Inhaltsverzeichnis
De aequalitate . . . . . . . . . . . Tu quis es – De principio . . . . . . Reformatio generalis . . . . . . . . Trialogus de possest . . . . . . . . Cribratio Alkorani . . . . . . . . . De non aliud . . . . . . . . . . . . De venatione sapientiae . . . . . . . Dialogus de ludo globi . . . . . . . Epistola ad Nicolaum Bononiensem Compendium . . . . . . . . . . . . De apice theoriae . . . . . . . . . .
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218 222 226 231 238 245 250 255 261 265 270
b) Kleinere Schriften in Sammeldarstellungen Theologische Kleinschriften . . . . . . Mathematische Schriften . . . . . . . . Basiliensia . . . . . . . . . . . . . . . . Opuscula Bohemica . . . . . . . . . . . Sermones . . . . . . . . . . . . . . . .
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Hinweise zu den Quellen in den Schriften des Nikolaus von Kues Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Welche Autoren und Texte hat Cusanus rezipiert?. . . . . . Ausblicke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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355 355 355 358
III Quellen und Rezeption
Die Rezeption der cusanischen Philosophie und Theologie . . . . . . 361
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Inhaltsverzeichnis
IV Anhang Zeitleiste zu Leben, Werk und Umfeld des Nikolaus von Kues . . . . 375 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 Abkürzungen cusanischer Werke . . . . . . . . . . . . . . . . 444 Die Autoren dieses Bandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447
Vorwort Vorwort
Im Sommer 2014 jährt sich zum 550. Mal der Todestag des großen Philosophen und Theologen Nikolaus von Kues, der am 11. August 1464 in Todi in Umbrien nach einem höchst bewegten, ereignisreichen und spannungsvollen Leben verstorben ist. Dieses Datum hat das wissenschaftliche Personal des Instituts für Cusanus-Forschung an der Universität und der Theologischen Fakultät Trier zum Anlass genommen, das vorliegende Handbuch zu Leben und Werk des deutschen Kardinals herauszugeben. Damit soll eine Lücke innerhalb der Cusanus-Literatur geschlossen werden, da ein solches Kompendium bisher nicht existiert hat. Den Leserinnen und Lesern werden in allgemeinverständlicher Sprache wesentliche Informationen über das Leben und Wirken des Nikolaus von Kues im Kontext seiner Epoche und über sein Erbe nördlich und südlich der Alpen geboten, außerdem werden sein gesamtes Schrifttum und die Wirkungsgeschichte seines Denkens auf dem aktuellen Stand der Forschung vorgestellt. Es ist das Ziel dieses Handbuches, das Interesse für die Person des Cusanus und sein vielschichtiges literarisches Werk zu fördern, dessen Bedeutung für die europäische Geistesgeschichte immer deutlicher ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit tritt. Die Herausgeber danken an erster Stelle den Autorinnen und Autoren, die sich bereit erklärt haben, durch ihre fachliche Kompetenz unser Projekt zu bereichern. Die ausgezeichnete, von Respekt und kollegialer Verbundenheit geprägte Zusammenarbeit im Bereich der internationalen Cusanus-Forschung hat sich bei der Arbeit an diesem Handbuch bestens bewährt. Christiane Bacher sei besonders für ihre unermüdliche Arbeit bei der Aufbereitung des Textes für die Drucklegung und die Mitarbeit an den Übersetzungen gedankt. Zu danken haben wir auch Jessica Hesselbach, die intensiv an den Übersetzungen der englischen Beiträge mitgewirkt hat, sowie Henrik Preuß und René Tobner, die bei den Korrektur- und Prüfarbeiten engagiert mitgeholfen ha-
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Vorwort
ben. Der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt sei für die Aufnahme des Werkes in ihr Verlagsprogramm herzlich gedankt, Herrn Benjamin Landgrebe vom Lektorat der WBG für die vertrauensvolle Zusammenarbeit bei der Entstehung des Buches. Die Herausgeber widmen diesen Band dem Andenken an Professor Dr. Klaus Reinhardt, Direktor unseres Institutes zwischen 1993 und 2007, der am 8. April 2014 in Trier verstorben ist. Trier, im Mai 2014 Marco Brösch, Walter Andreas Euler, Alexandra Geissler, Viki Ranff
I Nikolaus von Kues in seiner Zeit
Eine kurze Einführung in die Zeit Nikolaus Kues in seiner Eine kurze von Einführung in die Zeit
Das 15. Jahrhundert steckte noch in den Kinderschuhen, als Nikolaus von Kues 1401 in Kues (heute Teil der Gemeinde Bernkastel-Kues) an der Mosel geboren wurde. Kues gehörte zu dieser Zeit zum Kurfürstentum Trier, welches Bestandteil des aus vielen Territorien bestehenden Heiligen Römischen Reiches war. Cusanus starb 1464 im italienischen Todi. Das folgende Kapitel soll einen kurzen Überblick über die Geschichte der Zeit geben, in die der spätere Gelehrte Cusanus hineingeboren wurde, in der er heranwuchs und Karriere machte.
Ein Überblick über die Entwicklungen im Römisch-Deutschen Reich Ein Überblick über die Entwicklungen im Römisch-Deutschen Reich
1400, ein Jahr vor Cusanus’ Geburt, wurde Wenzel IV. als deutscher König abgesetzt, König von Böhmen blieb er weiterhin. An seiner Stelle wurde Pfalzgraf Ruprecht III. mit den vier Stimmen der rheinischen Kurfürsten zum deutschen König gewählt, also mit den Vota der Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier sowie seiner eigenen Stimme. Wie seine Mitwähler war er wohl der Meinung, dass Wenzel das Binnenreich vernachlässigt und sich zu sehr auf seine böhmischen Stammlande konzentriert hatte (Schubert 1995, 1108). Mit seiner Wahl war Ruprecht zugleich mit dem Auftrag betraut worden, sich für die Lösung der Kirchenfrage einzusetzen. Er selbst hielt an der römischen Obödienz fest. Um Ruprechts Finanzen war es seit seinem Amtsantritt schlecht bestellt. Dies wirkte sich auch auf seinen Italienfeldzug aus, den er 1401 antrat – im Geburtsjahr des Nikolaus von Kues. In Norditalien musste sich der König der Übermacht des Herzogs von Mailand, Gian Galeazzo Visconti, geschlagen geben. Nach seiner Rückkehr sah er sich mit einem Kernproblem seiner Regierungszeit konfrontiert: dem Gegensatz zwischen der Kurpfalz und Kurmainz. Letzteres hatte sich mit anderen potentiellen Feinden im Marbacher Bund
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Nikolaus von Kues in seiner Zeit
(1405) zusammengeschlossen (Moraw 1986, 851). Durch seine eigene Bündnispolitik konnte Ruprecht aber konkrete Auseinandersetzungen vermeiden. Der Konflikt als solcher blieb weiterhin bestehen. Sowohl Kurmainz als auch Wenzel schlossen sich 1409 dem Konzil an, welches die Kardinäle nach Pisa einberufen hatten. Ruprecht bewies abermals seine Treue zu Rom, indem er dieses ablehnte, weil er es als „frankreichhörig“ (ebd., 852) ansah. In der Heidelberger Appellation protestierte er gegen das Konzil und appellierte an den wahren (römischen) Papst und ein rechtmäßiges Konzil. König Ruprecht starb 1410, kurz bevor der Konflikt mit dem Mainzer Kurfürsten offen ausbrach. Obwohl sich Wenzel in Böhmen noch immer als König behauptete, strebten die deutschen Kurfürsten eine Neuwahl an. Man war nach Ruprechts Tod allein darin einer Meinung, dass sein Nachfolger wieder aus dem Haus der Luxemburger kommen sollte, wie Wenzel und dessen Vater Karl IV. Auf einen Kandidaten konnte man sich nicht einigen. Am 20. September 1410 wurde schließlich Sigismund, der Bruder von Wenzel und König von Ungarn, von den Kurfürsten der Pfalz, Trier und Brandenburg zum König gewählt. Die Wahl war unzulässig, weil nur drei der sieben Kurfürsten für ihn gestimmt hatten. Am 1. Oktober wurde Jobst von Mähren, ein Cousin Wenzels, von den Kurfürsten von Mainz, Köln, Sachsen, Brandenburg und Böhmen zum König gewählt (Wefers 1995, 1869). Doch er starb bereits Anfang des Jahres 1411. Mitte des Jahres wurde dann Sigismund einhellig zum deutschen König gewählt. Dieser hatte seine Kindheit und Jugend im Osten (in Prag, in der Mark Brandenburg, Polen und Ungarn) verbracht. 1387 war er dann zum König von Ungarn gekrönt worden. Er konnte seine Macht also nicht auf eine Hausmacht im Reich bauen, zumindest nicht bis zum Tode Wenzels im Jahr 1419, als er dessen Nachfolge antrat. Nach seiner Wahl zum deutschen König zog es ihn ebenfalls nicht nach Westen. Deshalb war es erforderlich, dass er seine Macht im Reich auf wechselnde Adelshäuser und Reichsstädte stützte. So ernannte Sigismund den Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg zum Verweser und obersten Hauptmann Brandenburgs. 1417 wurde dieser mit der Kurfürstenwürde der Mark Brandenburg belehnt. Friedrich VI. war der Begründer des Hauses Hohenzollern (Koller 1987, 441). Von Anfang an kämpfte der neue König an mehreren Fronten: Bereits als ungarischer König, also vor seiner Wahl zum deutschen König, sah er sich und sein Land von den Osmanen bedroht, unterlag diesen 1396 in der Schlacht bei Nikopolis. Und auch später als deutscher König war er infolge der Bedrohung
Ein Überblick über die Entwicklungen im Römisch-Deutschen Reich
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durch die Türken immer wieder an seine ungarische Hausmacht gebunden und selbst fern der deutschen Lande. Zudem war er in Auseinandersetzungen mit Venedig und Neapel verwickelt, die weiter expandieren wollten. So kam er nach seiner ersten (ungültigen) Wahl 1410 erst 1414 zu seiner Krönung in Aachen wieder ins Reich (Wefers 1995, 1870; Moraw 1986, 851 f.). Entscheidenden Anteil hatte der König zudem an der Einberufung und Durchführung des Konzils von Konstanz (dazu später mehr), das im Dezember 1414 eröffnet wurde. Koller ist der Meinung, dass Sigismund in einem Konzil zusätzlich die Möglichkeit sah, die Konflikte in Böhmen zu erörtern und eventuell zu beenden (Koller 1987, 441). Im Zentrum eines solchen Konzils sollte nichtsdestoweniger die Lösung der Kirchenfrage stehen, zu der sich Sigismund als deutscher König verpflichtet hatte. Zudem waren die Kirchenreform und kirchliche Verkündigung zentrale Themen des Konzils. Im Fokus standen außerdem Johannes Hus und seine Anhänger. Hus’ Verurteilung und Hinrichtung im Sommer 1415 feuerte die Kämpfe in Böhmen weiter an. Bereits vor seiner Wahl zum deutschen König war Sigismund in die Politik Böhmens involviert. Während der Gefangenschaft Wenzels 1402 / 03 übernahm er dort als Reichsverweser die Herrschaft. Als Wenzel 1419 starb, trat Sigismund dessen Nachfolge als böhmischer König an und sah sich mit den Hussiten konfrontiert. Noch bevor ihm in Prag die Wenzelskrone aufgesetzt werden konnte, ging er rigoros gegen die Aufständischen vor. Fast 20 Jahre wurde seine Herrschaft lediglich von den katholischen Landesteilen anerkannt. Erst nach der Bestätigung der ,Vier Prager Artikel‘ in den 30er Jahren wurde Sigismund allgemein als König von Böhmen akzeptiert (Graus 1983, 340; Wefers 1995, 1870). Seine Machtbasis und seine Ansprüche festigte er frühzeitig, als er seinem Schwiegersohn Albrecht V. von Österreich bereits 1422 die Markgrafschaft Mähren übertrug. Sigismunds Reformversuche im Reich waren nur von kurzer Dauer. Teilweise gab es Gegenwehr aus dem Reich, die Kosten konnte und wollte wohl niemand tragen, und Sigismunds lange Abwesenheit vom Reich war vermutlich auch nicht förderlich (Koller 1987, 448). Als Sigismund seinen Italienfeldzug unternahm (1431–33) und 1433 in Rom zum Kaiser gekrönt wurde, hatte schon längst das Konzil von Basel begonnen. Im Todesjahr des Kaisers, 1437, ließ Papst Eugen IV. das Konzil nach Ferrara verlegen. Mit Sigismund endete die Regierungszeit der Luxemburger im Reich sowie in Böhmen.
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Der Habsburger Albrecht V., Herzog von Österreich, war früh von seinem Schwiegervater Sigismund als dessen Erbe designiert worden. Wenige Tage nach Sigismunds Tod wurde er im Dezember 1437 zum König von Ungarn gewählt und im Januar 1438 gekrönt (Koller 1987, 446, 454). Im März 1439 wählten ihn die Kurfürsten einhellig zum römisch-deutschen König. Bekannt wurde er unter dem Namen Albrecht II. Die Kurfürsten hatten die Zeit der Sedisvakanz genutzt und Bestimmungen für eine Reichsreform ausgearbeitet und sich zudem noch vor der Königswahl im Streit zwischen Papst Eugen IV. und dem Basler Konzil für neutral erklärt. Der neue König schloss sich dieser Politik an und nahm auch die sogenannte Mainzer Akzeptation (26 Reformdekrete des Konzils) an. Albrecht, der wie Sigismund keine Hausmacht im Reich besaß, sondern lediglich seine Erblande in Ober- und Niederösterreich, betrat die Kernländer des Reiches während seiner kurzen Regierungszeit kein einziges Mal (ebd., 454 f.; Hödl 1980, 313 f.). Zu seiner Krönung kam es ebenfalls nicht. An seiner Statt legte er die Aufgaben, die das Reich betrafen, in die Hände von Beratern und Mitgliedern der Reichskanzlei. Dieser Beraterkreis zeigte sich für die Ansätze einer Reform nach 1438 verantwortlich, die vor allem das Rechtsleben und die Missstände im Münzwesen betrafen. Viel wurde nicht erreicht (Koller 1987, 455; Hödl 1980, 314). Für wirkliche Reformen wäre wahrscheinlich die Anwesenheit des Königs im Reich erforderlich gewesen. Dieser konzentrierte sich und seine Politik in der Tradition der Luxemburger und in der Nachfolge Sigismunds auf Böhmen. Im Juni des Jahres 1439 wurde er dort zum König gekrönt. Obgleich er die „Prager Kompaktaten“, also das Abkommen zwischen dem Basler Konzil und böhmischen Ständen, anerkannt hatte, sah er sich mit der starken hussitischen Gegenwehr des böhmischen Adels konfrontiert. Dieser trug die Wenzelskrone sogar Kasimir, einem jüngeren Bruder des polnischen Königs, an, was diesen in die Position eines Gegenkönigs rückte. Das Vordringen der Türken auf dem Balkan zwang Albrecht II. dazu, nach Ungarn zu reisen. Noch bevor es zur direkten Konfrontation mit den Osmanen kam, geriet er in Ungarn, wo sich eine Opposition gegen ihn gebildet hatte, in innere Auseinandersetzungen. Zu einer Entscheidung zwischen dem königlichen Heer und den Türken kam es nicht, da sich Letztere vorzeitig entzogen hatten und Albrecht II. im Oktober 1439 überraschend starb. Sein Sohn und Erbe, Ladislaus Postumus, kam erst Monate später auf die Welt (Koller 1987, 455 f.). Anfang des Jahres 1440 einigten sich die Kurfürsten auf Friedrich, Herzog der Steiermark, von Kärnten und Krain sowie Österreich. Er hatte sich die Vor-
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mundschaft über Sigismund von Tirol und Ladislaus Postumus gesichert und verfügte so über die gesamten österreichischen Länder. Außerdem übernahm er die Schulden König Albrechts II., ohne jedoch ausreichend finanzielle Mittel zu besitzen, um diese begleichen zu können. Hatten seine Vorgänger ihr politisches Handeln stark auf Böhmen als Zentrum ihres Reiches konzentriert, zog sich Friedrich III. dort zurück und wandte seine Aktivitäten Österreich zu. Er sann darauf, die Territorien, die das Haus Habsburg an die Eidgenossen verloren hatte, wiederzugewinnen und so einen zusammenhängenden Alpenstaat zu schaffen. Dabei schloss er in seinem Kampf gegen die Schweizer unterschiedliche Bündnisse (mit der Stadt Zürich und den französischen Armagnacs) und konnte dennoch seine Ziele für Österreich nicht verwirklichen. Einen entscheidenden Anteil daran hatten in diesem Zusammenhang Friedrichs Gegner im eigenen Land, d. h. in den österreichischen Gebieten. Bereits 1442 verlangte der Tiroler Adel, dass Friedrich die Vormundschaft über Sigismund von Tirol aufgebe und dieser allein regiere. Kurz darauf wurde auch noch Ladislaus Postumus, Erbe der Königreiche Ungarn und Böhmen, in Ungarn gekrönt. Ihm wurde allerdings der von den Ständen gewählte Johannes Hunyadi an die Seite gestellt, und mit der Krönung zum böhmischen König geriet Ladislaus in den Einflussbereich des Georg von Podiebrad, der die Regierungsgeschäfte führte. Somit verlor Friedrich einen großen Teil der Gebiete, die unter seinem Einfluss gestanden hatten. Die Konflikte im eigenen Land gingen sogar so weit, dass Friedrich 1462 von seinem Bruder Herzog Albrecht VI. in der Wiener Burg festgesetzt und belagert wurde (ebd., 458; Koller 1989, 940 f.). In Friedrichs Regierungszeit fiel auch die Eroberung Konstantinopels durch die Türken 1453, auf die Nikolaus von Kues verschiedentlich Bezug nimmt. Aber der Kaiser blieb untätig und reagierte gleichfalls nicht auf den Kreuzzugsaufruf Papst Nikolaus’ V. Neben der Rückgewinnung der habsburgischen Gebiete im Südwesten stellten die Reformen für das Reich ein zentrales Anliegen dar. Friedrichs III. besondere Aufmerksamkeit bei den Reformbemühungen galt dem Rechts- und Gerichtswesen. So erließ er im Jahr seiner Krönung, 1442, auf dem Frankfurter Reichstag – an dem auch Nikolaus von Kues teilnahm – einen Landfrieden, die sogenannte Reformatio Frederici, die Basis für umfassendere Maßnahmen sein sollte. Das Finanzwesen ließ er dagegen weitgehend außer Acht (Koller 1987, 458; 1989, 941 f.). Andere Reformmaßnahmen betrafen den Klerus, den der neue König stärker an seinem Hof binden und fördern wollte. Damit kam er
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den Interessen der Kurie entgegen, und so nahm Friedrich III. im Laufe der Zeit Abstand vom Basler Konzil und den Konziliaristen. Stattdessen suchte er die Nähe zu Papst Eugen IV. bzw. zur Kurie. Dieser Kurswechsel führte im Jahr 1448 zum Abschluss des Wiener Konkordats zwischen dem deutschen König und Papst Nikolaus V. Dieser Vertrag, der bis Anfang des 19. Jahrhunderts Bestand hatte, sprach dem Papst u. a. das Recht zu, bei der Besetzung von Bischofssitzen und Abteien mitzubestimmen. Nicht unwesentlich waren die zahlreichen neuen Pfründen, die dem Papst zugesprochen wurden. 1452 krönte Nikolaus V. Friedrich im Gegenzug zum römisch-deutschen Kaiser und bestätigte das Recht der Ersten Bitte (das Recht des Kaisers anlässlich seiner Krönung die erste freiwerdende Pfründe an einem Stift, einer Abtei o. ä. im Heiligen Römischen Reich zu besetzen). Dieses Übereinkommen zwischen König und Papst löste nördlich der Alpen und explizit bei den Konzilsanhängern wenig Begeisterung aus, widersprach es doch ihren Reformvorstellungen. Während er in den 60er Jahren des 15. Jahrhunderts eher in eine passive Position verfallen zu sein schien, zeigte Friedrich in den 70er Jahren wieder neue Aktivitäten. Er suchte die Nähe zu Karl dem Kühnen von Burgund und legte damit bzw. mit der Eheschließung seines Sohnes Maximilian mit Maria von Burgund den Grundstein für das Reich Karls V., „in dem die Sonne niemals untergeht“. Als Friedrich III. 1493 starb, war Nikolaus von Kues bereits seit nahezu 30 Jahren tot.
Ein kurzer Einblick in den Lauf der Geschichte anderer europäischer Länder Ein kurzer Einblick in den Lauf der Geschichte anderer europäischer Länder
Nicht nur das Heilige Römische Reich war in innere und äußere Kämpfe verstrickt. Prominentestes Beispiel sind England und Frankreich, deren Geschichte über einen langen Zeitraum untrennbar miteinander verknüpft war. Ende der 1330er Jahre begann der Hundertjährige Krieg. Zur Zeit der Geburt des Nikolaus von Kues herrschte jedoch ein Waffenstillstand. In Frankreich war der vermutlich psychisch kranke Karl VI. König, dessen Tochter den englischen König Richard II. geehelicht hatte. 1404 starb Philipp der Kühne von Burgund, sein Sohn Johann Ohnefurcht wurde neuer Herzog von Burgund und mit der Zeit verstärkte sich der Konflikt
Ein kurzer Einblick in den Lauf der Geschichte anderer europäischer Länder
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mit dem Herzog von Orléans, der in der Ermordung des Herzogs Ludwig von Orléans in Paris seinen ersten unheilvollen Höhepunkt fand. Kurz darauf bekannte sich Johann Ohnefurcht dazu, die Tat in Auftrag gegeben zu haben. Ludwigs Sohn Karl von Orléans konnte hochrangige Unterstützer für sich gewinnen. An der Spitze dieser Partei stand Bernhard von Armagnac, von dessen Namen sich die Bezeichnung dieser Gruppe, Armagnacs, ableitet. Diese zwei Parteien, Armagnacs und Bourguignons, stritten in Frankreich um die Macht, spalteten das Land und führten es in bürgerkriegsähnliche Verhältnisse. Die Position des Königs in dieser Zeit war nicht klar und England konnte und wollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, in die Geschicke des geschwächten Frankreich einzugreifen. 1414 gingen das Herzogtum Burgund und das Königreich England ein folgenreiches Bündnis ein. Der Hundertjährige Krieg entbrannte von Neuem und anfangs stand das Glück auf Seiten der Engländer. Bei Agincourt errangen sie einen überwältigenden Sieg über das Heer des französischen Königs und die Armagnacs. Der englische König Heinrich V. eroberte in der Folgezeit die Normandie und die verbündeten Burgunder konnten Paris einnehmen und die Königin Isabella auf ihre Seite ziehen. Der Dauphin Karl wurde Anführer der Armagnacs. Somit war auch die königliche Familie gespalten – der Dauphin auf der einen, die Königin und der kranke König Karl VI. auf der anderen Seite (Contamine 1989, 766; Folz 1987, 750). 1419 – Nikolaus von Kues weilte zu dieser Zeit für seine juristischen Studien in Italien – suchte Johann Ohnefurcht den Ausgleich mit Heinrich V. sowie mit dem Dauphin. Mit Letzterem traf er sich auf der Brücke von Montereau und wurde dort von Begleitern Karls ermordet. Die Burgunder schlugen sich in der Folge endgültig auf die Seite der Engländer und konnten die Königin dazu bewegen, sich anzuschließen. Diese neue Allianz schloss 1420 den Vertrag von Troyes, in dem Heinrich V. von England neben der Heirat mit Katharina, der Tochter des französischen Königs, außerdem die Thronfolge und der Ausschluss des Dauphins von derselben zugesagt wurde. Zwei Jahre später starben Karl VI. von Frankreich und Heinrich V. von England. Karl VII. folgte seinem Vater auf den Thron, blieb aber abhängig von den Armagnacs. Ende der 20er Jahre betrat dann Jeanne d’Arc, die Jungfrau von Orléans, die historische Bühne. 1429 konnte durch sie verhindert werden, dass das von den Engländern belagerte Orléans endgültig eingenommen wurde. Daraufhin nahm das französische Heer die Kämpfe wieder auf. Im selben Jahr wurde Karl VII. in Reims zum König gewählt. Die Burgunder nahmen Jeanne
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d’Arc 1430 gefangen und lieferten sie an die Engländer aus. Diese strebten einen Häresieprozess gegen Jeanne an, welcher mit der Verurteilung und Verbrennung der Jungfrau von Orléans endete. Ulrich von Manderscheid machte Nikolaus von Kues in diesem Jahr zu seinem Kanzler und dieser hielt seine ersten Predigten. Der englische König Heinrich VI. wurde in eben diesem Jahr in Paris zum König von Frankreich gekrönt, so dass es dann zwei französische Könige gab: Karl VII. und Heinrich VI. Im ganzen Land kam es zu Aufständen, eine Befriedung schien nicht in Sicht, bis es schließlich doch zu Gesprächen mit den Burgundern kam. Der Vertrag von Arras beendete den Konflikt zwischen den Armagnacs und den Bourguignons. Eine Einigung mit den Engländern konnte indes nicht erzielt werden (Contamine 1989, 766; Folz 1987, 750 –755). Beeinflusst von dem Konzil, das in Basel tagte, erließ der französische König Karl VII. 1438 in Absprache mit dem französischen Nationalkonzil die „Pragmatische Sanktion von Bourges“, in der u. a. die gallikanischen Freiheiten gewahrt blieben und das Verhältnis zwischen französischer Kirche und Kurie geregelt wurde. Im selben Jahr kehrte Nikolaus von Kues mit einer byzantinischen Delegation aus Konstantinopel zurück nach Italien. 1444 wurde in Tours erneut ein Waffenstillstand mit den Engländern ausgehandelt, der durch die Heirat Heinrichs VI. mit Margarete von Anjou untermauert wurde. Die Zeit danach nutzte Karl VII. für Heeresreformen und war alsdann besser gewappnet, als sich der Waffenstillstand nicht als dauerhaft erwies. Das Kriegsglück lag nun auf Seiten der Franzosen, die die Normandie zurückeroberten. Ein schwerer Schlag für England. Als ferner im Westen die Guyenne in die Hände der Franzosen fiel und diese hernach alle englischen Besitzungen auf dem Festland (bis auf Calais) erobert hatten, war der Hundertjährige Krieg zu Ende (Folz 1987, 754 f., 766). Karl VII., der lange Zeit unter Einfluss der Armagnacs stand, hatte schon in den 30er Jahren begonnen, eigene Berater um sich zu versammeln, um mit ihrer Unterstützung vor allem die inneren Probleme seines Reiches zu bewältigen. Der König stand nicht unangefochten an der Spitze. Die alten Adelsgeschlechter, allen voran die sogenannten Prinzen von Geblüt (zu diesen zählten u. a. die Herzöge von Orléans und Burgund), waren starke und einflussreiche Konkurrenten um die Herrschaft in Frankreich und suchten für sich und ihre Besitzungen zunehmend Unabhängigkeit zu erreichen – man denke nur an die enorme Entwicklung, die das Herzogtum Burgund nahm. Daneben hatte Frankreich
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infolge der unterschiedlichen kriegerischen Auseinandersetzungen mit einer Reihe sozialer und wirtschaftlicher Schwierigkeiten zu kämpfen. Als Karl VII. 1461 starb, hatte er weitreichende Reformen durchgeführt. Sein Sohn Ludwig XI. übernahm ein stabilisiertes Reich. Ludwig ging den Reformweg seines Vaters weiter, setzte dabei aber andere Schwerpunkte und machte sich damit nicht nur Freunde. Insbesondere der Konflikt mit Burgund flammte erneut auf. Ludwig XI. starb 1483 (Contamine 1989, 767 f.; Folz 1987, 762–770). Da der Krieg mit Frankreich bereits Thema war, werden sich die folgenden Ausführungen über England auf die Geschehnisse in England selbst konzentrieren. Dieses hatte mit diversen innenpolitischen Problemen zu kämpfen. 1399 hatte das Parlament König Richard II. abgesetzt. Er starb nur ein Jahr später unter ungeklärten Umständen. Heinrich IV. bestieg, nicht unumstritten, mit Unterstützung des Parlaments den englischen Thron und war der erste König aus dem Hause Lancaster. Während seiner Regierungszeit (bis 1413) bedrohten verschiedene Aufstände von adliger Seite seine Herrschaft (Storey 1986, 1954). Sein Sohn Heinrich V. hatte mit weniger Gegenwehr zu kämpfen, wenngleich der englische Adel teilweise aufbegehrte. Nachdem die Herrschaft im eigenen Land verhältnismäßig stabil war, wandte sich der König wieder dem sich zusammenbrauenden Konflikt mit dem Königreich Frankreich zu und verbündete sich mit dem Herzogtum Burgund. Der Hundertjährige Krieg wurde von neuem entfacht (Storey 1986, 1955). Nachdem Heinrich V. 1422 in Frankreich gestorben war, wurde sein einjähriger Sohn Heinrich VI. zum König ernannt. Die Krönung fand hingegen erst 1429 statt. 1431 wurde er, dem Vertrag von Troyes folgend, darüber hinaus zum französischen König gekrönt. Aufgrund seiner Jugend stand Heinrich VI. unter dem Einfluss seiner Vormunde und auch in späteren Jahren hatten wahrscheinlich seine Berater die eigentliche Macht inne. Die Abtretung der Grafschaft Maine, die Rückeroberung der Normandie durch die Franzosen und andere Misserfolge lösten in England Unzufriedenheit und Unruhen aus (Storey 1986, 1956 f.). Der schlechte Gesundheitszustand des Königs in den 50er Jahren verschärfte die Machtkämpfe zwischen den Adelshäusern Lancaster und York, die zu der Schlacht von St. Albans (1455) führten, die gemeinhin als Beginn der sogenannten Rosenkriege angesehen wird. Die „Yorkisten“ konnten Heinrich VI. in der Schlacht von Northampton (1460) gefangen nehmen. Im darauffolgenden
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Jahr wurde Eduard (IV.) von York zum König erhoben. 1471, also zehn Jahre später, wurde Heinrich VI. im Tower ermordet. Die Rosenkriege endeten 1485 mit der Schlacht bei Bosworth, in der das Heer des damaligen Königs Richards III. von der Armee Heinrich (VII.) Tudors geschlagen wurde, den man daraufhin zum König krönte (Storey 1986, 1957–1960). In Italien war das 15. Jahrhundert ebenfalls eine Zeit der politischen Umbildung. Das Papsttum kehrte nach Rom zurück, das Königreich Neapel wurde bis in die 30er Jahre von Herrschern aus dem Haus Anjou regiert und ging dann in den Besitz der Aragonesen über. Ober- und Mittelitalien waren Teil des Heiligen Römischen Reiches (Reichsitalien). Aus den dortigen Städten bzw. Stadtrepubliken entwickelten sich im Laufe der Zeit die sogenannten Signorien. Nach und nach strebten die Signori nach allgemeiner Anerkennung. Ende des 14. Jahrhunderts erreichte Gian Galeazzo Visconti seine Erhebung zum Herzog von Mailand durch König Wenzel; er erweiterte seinen Machtbereich stetig (u. a. Verona, Padua sowie Vicenza) und brachte damit seine stärksten Konkurrenten Venedig und Florenz in Bedrängnis. Nach Gian Galeazzos Tod 1402 wurde sein Besitz zwischen seinen Söhnen aufgeteilt. Das Herzogtum musste in den folgenden Jahren einige Verluste hinnehmen, konnte aber seinen Kernbereich halten und versuchte später wieder auf andere Gebiete auszugreifen (Haverkamp 1991, 726 f.). Mailands stärkster Gegner war Venedig. Dieses betrieb, wie Mailand, eine intensive Expansionspolitik und brachte in den ersten Jahren des 15. Jahrhunderts Vicenza und Verona in seinen Besitz. Später folgten u. a. Brescia, Bergamo und Udine. Venedig hatte Besitzungen beiderseits der Adria. Es konnte also seine Stellung auf dem Festland erheblich festigen, seine östlichen Besitzungen gerieten dagegen durch die türkische Bedrohung zunehmend in Gefahr. Florenz war nach dem Tod Gian Galeazzos von der akuten Gefahr durch Mailand vorerst befreit. Später kam es jedoch erneut zu Konfrontationen. 1434 übernahm Cosimo (Il Vecchio) de’ Medici die Herrschaft in Florenz. Bis in die 50er Jahre hinein befanden sich die unterschiedlichen italienischen Herrschaftsgebiete (Neapel, Kirchenstaat, Mailand, Venedig, Florenz u. a.) in fast ständigen Auseinandersetzungen. Diese wurden 1454 im Frieden von Lodi zunächst zwischen dem Herzogtum Mailand und Venedig beigelegt, Florenz, das Königreich Neapel und der Papst schlossen sich an. Der Frieden von Lodi setzte den Status quo fest und richtete sich des Weiteren gegen ein Eingreifen Frankreichs in Italien. So konsolidierten sich im 15. Jahrhundert
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auch auf der Apenninhalbinsel die Machtverhältnisse – zumindest für eine gewisse Zeit (Haverkamp 1991, 727–730; Meuthen 52012, 65– 68). Auf der Iberischen Halbinsel hatte sich zu Lebzeiten des Nikolaus von Kues ebenfalls noch keine staatliche Einheit herausgebildet, der Weg dorthin zeichnete sich indes mit der Zeit immer mehr ab. 1406 war König Heinrich III. von Kastilien verstorben. Sein Erbe sollte sein nicht einmal zweijähriger Sohn Johann II. antreten. Aufgrund seiner Minderjährigkeit übernahmen jedoch seine Mutter Katharina von Lancaster und sein Onkel Ferdinand von Antequera die Vormundschaft und die Regierungsgeschäfte. Für Ferdinand und seine Söhne, die „Infanten von Aragon“, brachte dies einen enormen Machtzuwachs. Insgesamt konnte der Adel unter Johann II. seinen Einfluss noch weiter ausbauen. Immer wieder kam es zu Adelsrevolten. Die Probleme mit den Infanten erstrecken sich bis in die 50er Jahre und auch als Johann II. sie in der Schlacht von Olmedo geschlagen hatte, bestanden die inneren Kämpfe mit dem Adel weiter. Als der König 1454 starb, hinterließ er ein Land, das fi nanziell kurz vor dem Zusammenbruch stand und politisch völlig zerrissen war. Es war also kein leichtes Erbe, das Heinrich IV. von Kastilien antrat. Die bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen mit der Adelsopposition erreichten während seiner Regierung ihren Höhepunkt. Die Adelspartei konnte ihre Macht stetig ausweiten, so dass Heinrichs Herrschaft zunehmend Beschränkungen unterlag. Ein Sieger ging aus diesen Kämpfen nicht hervor. 1468 wollten die Adligen Heinrichs Halbschwester Isabella (die Katholische) zur Königin erheben, diese bestand aber darauf, dass zuvor Heinrichs Tochter für illegitim erklärt wurde. Im Jahr darauf ehelichte Isabella Ferdinand, den Erbprinzen von Aragon (Ladero Quesada 1991, 1047 f.). Dort, in Aragon, erlosch 1410 die Herrschaft des Hauses Barcelona. Durch den Kompromiss von Caspe erlangte Ferdinand I. von Antequera die Königswürde. Unter seiner Regentschaft wurden Aragon und Sizilien vereint. Seine Versuche, zusätzlich das Königreich Neapel unter seinen Einflussbereich zu bekommen, scheiterten dagegen und auch als König von Aragon hatte er weiterhin die Regentschaft in Kastilien inne. Als Ferdinand I. 1416 verstarb, ging seine Regentschaft auf seinen Sohn Alfons V. über. Dieser verfolgte wie sein Vater das Ziel, das Königreich Neapel in seinen Besitz zu bekommen. Mit diesem Ansinnen stand Alfons nicht allein in Europa. Nach einem kurzen Italienintermezzo musste er für kurze Zeit seine Pläne unterbrechen, startete aber in den 30er Jahren eine erneute Offensive. 1442 war er schließlich erfolgreich und
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konnte Neapel in sein Reich eingliedern, zu welchem nun u. a. Aragon, Sizilien, Sardinien, Korsika und eben Neapel gehörten. König Alfons V. kehrte über Jahrzehnte nicht nach Spanien bzw. Aragon zurück. 1458 verstarb er in Neapel. Den Thron des Königreichs Neapel erbte sein Sohn Ferdinand. Seine Nachfolge in Aragon trat sein Bruder Johann II. an, der bereits während der Abwesenheit Alfons’ die Regierungsgeschäfte geführt hatte. Nikolaus von Kues verließ im Todesjahr Alfons’ V. die Burg Buchenstein bzw. Andraz in den Dolomiten und reiste nach Rom. Johann II. war durch seine Ehefrau Blanca von Navarra zugleich König eben dieses Reiches. Auf diese Weise waren die Kronen von Aragon und Navarra verbunden. Sein Sohn und späterer Erbe Ferdinand ehelichte, wie bereits erwähnt, Ende der 60er Jahre Isabella (die Katholische) von Kastilien. Als er dann 1479 das Erbe seines Vaters antrat, wurden die Königreiche von Aragon, Kastilien sowie Navarra vereint (Salrach Marés 1980, 85 f.). Portugal wurde im 15. Jahrhundert vom Haus Avis regiert. Unter ihm stieg das Land zur bedeutenden See- und Handelsmacht auf. Prominenteste Persönlichkeit dieser Entwicklung war Heinrich der Seefahrer, ein Sohn von König Johann I. Mit seinem Namen sind die (Wieder-)Entdeckungen der Azoren, Madeiras und der Kanarischen Inseln verbunden. Portugal expandierte immer weiter in Richtung Westen und nach Afrika, während sich der Rest Europas primär mit seinen inneren und äußeren Feinden auseinandersezte (Vonn 1995, 120). Die Länder Europas waren Ende des 14. und im Laufe des 15. Jahrhunderts nicht allein in innere und äußere politische Kämpfe involviert. Die Entwicklungen dieser Zeit waren stark vom Abendländischen Schisma und dessen Auswirkungen geprägt.
Das Große Abendländische Schisma und die folgenden Konzilien Das Große Abendländische Schisma und die folgenden Konzilien
Mehr als zwei Jahrzehnte vor der Geburt des Nikolaus von Kues wird 1378 erstmals nach dem Ende des Avignoneser Papsttums wieder ein Papst in Rom gewählt. Das Kardinalskollegium war indes noch immer französisch geprägt und insgesamt zerstritten. Das römische Volk, das einen römischen Pontifex
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verlangte, übte immensen Druck aus, schreckte auch vor gewaltsamem Eingreifen nicht zurück. Und so wählte das Kollegium in aller Eile Bartolomeo Prignano, den Erzbischof von Bari, zum neuen Papst: Urban VI. Es sprach nichts dagegen, dass die Wahl formal gültig war, doch das Verhalten des neuen Kirchenoberhauptes ließ manch einen im Kardinalskollegium, vor allem unter den Franzosen, daran zweifeln, ob Urban für dieses Amt wirklich geeignet war. Bereits zu diesem Zeitpunkt stand die Frage nach einem Konzil, das über diese Probleme beraten und entscheiden möge, im Raum. Die Anhänger dieser Idee konnten sich damals nicht durchsetzen. Und so kam es zum Bruch der französischen Kardinäle mit Urban VI. Das abtrünnige Kollegium wählte in Fondi, im Königreich Neapel, welches zu dieser Zeit noch vom Hause Anjou regiert wurde, Robert von Genf zum neuen Papst, bekannt unter dem Namen Clemens VII. Dessen Versuche, Rom einzunehmen und Urban VI. von dort zu vertreiben, erwiesen sich als erfolglos. So blieb Clemens und einem Großteil der Kurie, den er für sich gewinnen konnte, 1381 schließlich nur der Rückzug nach Avignon (Tüchle 1980, 29; Schatz 1997, 123 f.). Dieses Schisma führte in der Folge nicht nur zu einer Spaltung der abendländischen Christenheit, sondern hatte ebenfalls Auswirkungen auf die politische Landkarte. Denn die Länder mussten sich zwischen zwei Obödienzen entscheiden: Das Deutsche Reich (unter König Wenzel), England, Ungarn, Portugal und die nord- und osteuropäischen Reiche folgten Urban VI. in Rom, wohingegen sich Schottland, Frankreich und dessen Anhänger, Aragon sowie Kastilien Clemens VII. in Avignon anschlossen. Frühere Schismen konnten ohne die Entscheidung eines Konzils gelöst werden. Ende des 14. Jahrhunderts zeigten die unterschiedlichen Parteien allerdings wenig Einsehen. Weder Benedikt XIII., Nachfolger Clemens’ VII., noch Bonifatius IX., der nach Urban VI. in Rom residierte, waren zu Kompromissen, wie einer freiwilligen Abdankung („via cessionis“), bereit. Auch die direkten Verhandlungen („via conventionis“) schlugen fehl. Nachdem es zu Problemen zwischen Benedikt und seinen Kardinälen sowie Frankreich kam, unternahm er neuerliche Versuche, sich mit dem römischen Pontifex, erst Innozenz VII., dann Gregor XII., zu einigen. Erst Letzterer war, mehr oder minder freiwillig (dazu Frenken 1989, 1674 f.), zu direkten Verhandlungen, d. h. zu einem Treffen bereit. Die Zusammenkunft kam letzten Endes nicht zustande und so scheiterte auch dieser Lösungsversuch. Da schrieb man das Jahr 1407 und die Spaltung der Kirche währte nunmehr schon an die 30 Jahre (Tüchle 1980, 20 f.; Schatz 1997, 125 f.).
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In dieser Zeit kam die Idee einer Klärung des Konfl ikts durch die Einberufung eines Konzils („via concilii“) erneut auf und ihre Anhänger setzen sich in der Folgezeit durch. Eine Kardinalsmajorität beider Obödienzen berief für das Jahr 1408 ein allgemeines Konzil in Pisa ein – die beiden Päpste planten ihrerseits Versammlungen. Rückendeckung erhielt die Konzilsgemeinschaft in Pisa u. a. von Frankreich, wogegen es beispielsweise von Aragon, Kastilien und dem Deutschen Reich (unter der Herrschaft König Ruprechts) abgelehnt wurde. Das Kardinalskollegium setzte Benedikt XIII. und Gregor XII. ab und wählte aus seinen Reihen einen neuen Papst, Alexander V., vormals Petrus von Candia bzw. Petros Philargis, Erzbischof von Mailand. Doch es kam, wie es vermutlich kommen musste: Benedikt und Gregor erkannten ihre Absetzung nicht an und so hatte die abendländische Christenheit nicht zwei, sondern drei Päpste und die Einheit der Kirche schien in weite Ferne gerückt. Denn Alexander V. blieb nicht der erste und letzte Papst von Pisa. Nach seinem Tod, ein Jahr nach der Wahl, folgte ihm 1410 Johannes XXIII. (Baldassare Cossa) nach (Tüchle 1980, 21; Schatz 1997, 131). Auf einem weiteren, eintägigen Konzil 1413 in Rom wurden lediglich die Lehren des John Wyclif verdammt, die Aufhebung des Schismas sowie die Probleme mit den Hussiten in Böhmen und die allgemeine Kirchenreform wurden dort nicht thematisiert. Dafür begann der deutsche König Sigismund, sich in der Kirchenfrage zu engagieren. Er konnte schließlich Johannes XXIII., den er als Papst anerkannte, von einem allgemeinen Konzil überzeugen und auf einer Konferenz Ende des Jahres in Lodi berief dieser eine Kirchenversammlung für das folgende Jahr in Konstanz ein. Sie wurde am 5. November 1414 eröffnet (Tüchle 1980, 21 f.; Brandmüller 1991, 1402). Johannes’ Hoffnung, durch das Konzil allgemeine Anerkennung zu finden, erfüllte sich nicht, da es zu einer Erweiterung des Stimmrechts und einem neuen Abstimmungsmodus kam: Statt wie bislang „per capite“ wurde nach Nationen votiert, somit war die Übermacht der Italiener gebrochen (Brandmüller 1991, 1402; Schatz 1997, 133 –137). Die fehlende Anerkennung war nicht allein ein Problem Johannes’ XXIII. Allgemein vertrat man die Ansicht, keiner der drei Päpste sei legitim. Die Situation spitzte sich weiter zu, da vorerst keiner der Päpste abdanken wollte. Johannes sah seine Position in Gefahr und verließ das Konzil fluchtartig. Während seiner Abwesenheit erließ ebendieses im Mai 1415 das Dekret Haec sancta. Dieses sei, so Brandmüller, „keine konziliare Lehrentscheidung zugunsten einer Oberhoheit des Konzils über den Papst“ (Brand-
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müller 1991, 1403) gewesen. Diese Form der Autorität des Konzils sei nur für die konkrete Situation in Konstanz wirksam gewesen (ebd.). Nachdem Johannes gefangen genommen wurde, machte man ihm den Prozess und setzte ihn ab. Gregor XII. dankte wenig später ab. Benedikt konnte erst zwei Jahre später abgesetzt werden, nachdem er seine Anhänger verloren hatte. Noch in das Jahr 1415 gehörte die Auseinandersetzung mit der „causa fidei“, also den Fragen nach der kirchlichen Verkündigung und Sakramentenlehre. An dieser Stelle sei lediglich auf die erneute Verurteilung der Lehren John Wyclifs, das Verbot des Laienkelchs (also die Kommunion unter beiderlei Gestalt für Laien) und den Prozess, die Verurteilung und Verbrennung des böhmischen Theologen und Reformators Johannes Hus und seines Anhängers Hieronymus von Prag verwiesen. Vor allem die Verurteilung von Johannes Hus führte nicht zu der erhofften Lösung der „causa fidei“ in Böhmen, im Gegenteil. Dort kam es in der Folge zu Jahrzehnte währenden und verheerenden Kämpfen (ebd.; Schatz 1997, 141). Jahre später, während des Konzils von Basel, wurde auch Nikolaus von Kues mit der Hussitenfrage konfrontiert und widmete ihr eine seiner frühen Schriften, De usu communionis (1433), später kamen noch weitere hinzu. Doch zurück zum Konzil von Konstanz: Im Oktober 1417 erließ das Konzil das Dekret Frequens, in dem die Konzilien institutionalisiert wurden. Nachdem auch Benedikt XIII. abgedankt hatte, konnte sich die Versammlung der „causa unionis“, also der Einheit der Kirche, annehmen. Konkret schritt man zur Wahl eines neuen Papstes. Im November wurde Oddo Colonna als Martin V. zum neuen Kirchenoberhaupt gewählt. Im Frühjahr nach seiner Wahl berief er dem Dekret Frequens folgend ein neues Konzil in Pavia ein und schloss kurz darauf das Konzil von Konstanz (Brandmüller 1991, 1404; Schatz 1997, 144 f.). Bei der Bewältigung der Fragen und Probleme der Zeit war man unterschiedlich erfolgreich gewesen. Die Lösung des Schismas und die Wiederherstellung der Einheit der Kirche war gewiss das bedeutendste Ergebnis dieser Kirchenversammlung. Die Hussitenfrage, die gemeinhin der „causa fidei“ zugeordnet wurde, aber durchaus auch die Einheit der Kirche betraf, wurde nicht zufriedenstellend geklärt. Die „causa reformationis“, die sogenannte Reform an Haupt und Gliedern, geriet angesichts der „causa unionis“ in den Hintergrund. Als das Konstanzer Konzil geschlossen wurde, hielt sich Nikolaus von Kues bereits in Padua auf. Nach seinen juristischen Studien wurde er dort 1423 zum „doctor decretorum“ promoviert (AC I / 1, n. 18; Müller 2013, 63). In eben die-
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sem Jahr (1423) berief Papst Martin V. dann erneut ein Konzil in Pavia ein, welches aber recht bald nach Siena verlegt wurde. Zwischen den „nationes“ kam es zu politischen Differenzen, welche die Gespräche nicht gerade erleichterten. Thema derselben waren u. a. erneut die Hussiten, eine mögliche Union mit den Griechen und das noch immer bestehende Papsttum im spanischen Peñiscola, wo zu dieser Zeit noch Benedikt XIII. und dann sein Nachfolger Clemens VIII. residierten. Letzterer konnte erst 1429 zur Abdankung bewegt werden. Als auf dem Konzil überdies die Gegensätze zwischen der antipäpstlichen, konziliaristischen Partei und der des Papstes zunehmend zutage traten, ließ es Martin V. 1424 schließen und gemäß dem Konstanzer Dekret Frequens für 1431 eine neue Versammlung in Basel verkünden (Grohe 1993, 1837; Schatz 1997, 147 f.). Martin V. setzte Kardinal Giuliano Cesarini als Präsidenten dieses Konzils ein und beauftragte ihn mit dessen Eröffnung. Martin starb kurz darauf. Sein Nachfolger auf dem Stuhl Petri, Eugen IV. (Gabriele Condulmer), bestätigte diese Anordnungen. Gleichwohl wurde das Konzil im Juli des Jahres 1431 von Johannes von Ragusa und Juan de Palomar eröffnet, da sich Cesarini noch immer auf dem Kreuzzug gegen die Hussiten befand. Angesichts der geringen Teilnehmerzahl und der in Aussicht stehenden Verhandlungen mit den Griechen wollte Eugen IV. die Versammlung alsbald nach Bologna verlegen, konnte sich mit diesem Vorhaben jedoch nicht durchsetzen. 1433 musste er die Basler Versammlung wieder anerkennen. Hatte man bei den Konzilien in Konstanz und Pavia-Siena die Einteilung der Teilnehmer in Nationen bevorzugt, ging man in Basel zu einer Gliederung nach sogenannten Deputationen über, die mit verschiedenen Themenkomplexen betraut wurden: Glauben, Frieden, Kirchenreform und allgemeine Fragen. Auf der Agenda standen die Beschränkung des päpstlichen Fiskalismus, die Abschaffung der Annaten und Exspektanzen, die Papstwahl, die Wiederherstellung der freien Bischofswahlen und des synodalen Lebens der Kirchen sowie die Missstände im Klerus und in den Orden (Meuthen 1980b, 1517; Schatz 1997, 149, 151). 1433 kam es dann zu den Verhandlungen mit den gemäßigten Hussiten, an denen auch Nikolaus von Kues teilnahm, und aus denen die Basler bzw. Prager Kompaktaten hervorgingen. Zentraler Punkt dieses Abkommens zwischen dem Konzil und den böhmischen Ständen war das Zugeständnis des Laienkelchs. 1436 folgte eine vergleichbare Vereinbarung zwischen den Böhmen und König Sigismund, mit der die Hussitenkriege endeten.
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Im Jahr darauf kam es endgültig zum Bruch zwischen dem Basler Konzil und Papst Eugen IV. Eine Minderheit folgte dem Papst, die Mehrheit verblieb in Basel. Eugen hatte sich bei den Verhandlungen mit den Griechen gegenüber den Konzilsvätern durchgesetzt. Denn zum einen war der Papst bereit, auf die griechische Forderung nach einem gut erreichbaren Ort einzugehen, und zum anderen sahen die Byzantiner Verhandlungen, an denen der Papst nicht beteiligt gewesen wäre, als wenig erfolgversprechend an. So verlegte Eugen IV. das Konzil nach Ferrara. Nikolaus von Kues reiste als Mitglied einer Delegation nach Konstantinopel und begleitete die byzantinischen Abgesandten nach Italien, nahm aber nicht lange am eigentlichen Konzil teil, da er vom Papst als Gesandter nach Deutschland geschickt wurde (Meuthen 1980b, 1518; Schatz 1997, 152 f.; Dieten 1989, 390). Der Konflikt zwischen Eugen IV. und dem Basler Konzil verstärkte sich in der Folge zunehmend. 1439 erklärten die Konzilsväter im Dekret Tres veritates die Superiorität des Konzils über den Papst zum Glaubenssatz. Der Papst dürfe zudem ein Konzil weder verlegen, noch vertagen noch auflösen, und wer diesen Glaubenssätzen nicht zustimmte, wurde zum Häretiker erklärt. Im selben Jahr setzte man in Basel Papst Eugen IV. ab und wählte Amadeus VIII. von Savoyen (Felix V.) zum neuen (Gegen-)Papst. Diese Kirchenspaltung zwischen Papst Eugen IV. und dem Konzil von Basel bestand noch fast weitere zehn Jahre. Jede Seite hatte ihre Anhänger und es gab jene Parteien, die versuchten neutral zu bleiben. Der deutsche König Albrecht II. und die Fürsten nahmen 1439 einen Großteil der Basler Beschlüsse in der sogenannten Mainzer Akzeptation an. Mit der Zeit wendete sich das Blatt zugunsten Eugens IV., und nachdem Felix V. seinen Anspruch aufgegeben hatte, löste sich das Basler Konzil im April 1449 in Lausanne auf, wohin es 1448 verlegt worden war (Meuthen 1980b, 1518 f.; Schatz 1997, 153, 158–160). Nikolaus von Kues war in diesem Jahr (1448) zum Kardinal erhoben worden. Doch zurück nach Ferrara, wo Anfang des Jahres 1438 das neue Konzil eröffnet wurde. Die Byzantiner waren nicht allein an Verhandlungen über die Kirchenunion interessiert, sondern versprachen sich von denselben vor allem militärische Hilfe gegen die Bedrohung durch die Osmanen. Anfangs war das Konzil noch stark von den Konflikten mit Basel geprägt, und da Kaiser Sigismund Ende 1437 gestorben war, kam es nicht zu Verhandlungen über die erhoffte militärische Unterstützung. Erst im Herbst 1438 begannen die Gespräche über die zentralen Themen, allen voran das Filioque, einem Zusatz zum Glaubensbekenntnis bzw. Symbolum von Nicäa-Konstantinopel über den
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Hervorgang des Heiligen Geistes aus dem Vater und dem Sohn (Position der Lateiner) oder aus dem Vater allein (Position der Griechen). Die Sitzungen waren schwierig, es war lange Zeit kein Kompromiss in Sicht, und zwischenzeitlich stand das Konzil wohl vor seinem frühzeitigen Ende. Anfang 1439 wurde das Konzil wahrscheinlich weniger wegen einer Seuche als vielmehr aus finanziellen Gründen nach Florenz verlegt. Im Frühjahr gelangte man in Bezug auf das Filioque, aber auch hinsichtlich der militärischen Hilfe zu einer Einigung. In den folgenden Monaten widmete sich das Konzil von Florenz anderen Fragen, dazu gehörten der Primat des Papstes, die Verwendung von gesäuertem oder ungesäuertem Brot bei der Eucharistie und das Purgatorium. Im Sommer wurde das Einigungsdekret Laetentur coeli unterzeichnet und veröffentlicht. Die griechische Delegation reiste bald darauf ab. Das Unionskonzil von FerraraFlorenz war nicht nur von kirchenpolitischer Bedeutung. Westliche Gelehrte trafen dort mit denen aus Byzanz zusammen und konnten sich mit ihnen austauschen. Auf diesem Wege wurde das Interesse der westlichen Gelehrten, zu denen auch Nikolaus von Kues gehörte, z. B. an antiken Texten und den alten Sprachen gefördert (Schatz 1997, 153 –157; Dieten 1989, 390). Alexandra Geissler
Die Biographie des Nikolaus von Kues
Vorbemerkung Die Biographie des Nikolaus von Kues Vorbemerkung
Nikolaus von Kues bzw. latinisiert Nicolaus Cusanus gilt allgemein als herausragender Repräsentant der abendländischen Geistesgeschichte. Sein Name fehlt in keiner seriösen Darstellung der Philosophiegeschichte, aber auch darüber hinaus wird er oft und mit wachsender Häufigkeit genannt. Die Gründe dafür werden im zweiten Teil dieses Handbuches, der sich mit seinem weit gestreuten Schrifttum befasst, mehr als deutlich werden. Der erste Teil, der der Biographie dieser Person im Sinne ihrer geschichtlich fassbaren Existenz und Wirksamkeit gewidmet ist, dürfte für diejenigen Leserinnen und Leser, die Cusanus nur aus der Perspektive der Philosophie, Theologie oder Wissenschaftsgeschichte kennen, manche Überraschungen beinhalten. Sein Leben spielte sich nämlich nicht in erster Linie im geschützten Raum der Universitäten und Bibliotheken, sondern inmitten der (kirchen-)politischen Kampfplätze seiner Zeit ab. Dabei ist das eigentlich Bemerkenswerte wohl weniger, wie weit er es, rein karrieremäßig betrachtet, in seiner Epoche gebracht hat, sondern mit welcher Intensität er in die großen Auseinandersetzungen der Zeit involviert war, ja sich diese in seiner höchst komplexen, an Widersprüchen reichen Persönlichkeit mitunter geradezu exemplarisch bündeln. Dass er dabei noch Muße gefunden hat, ein schriftstellerisches Œuvre von historischem Rang vorzulegen, ist erstaunlich. Der große Cusanus-Forscher Josef Koch hat dieses Phänomen präzise erfasst: „Nikolaus hatte einen inneren Bereich, den keine äußere Sorge und Arbeit berührte, der aber seines Wesens und Lebens Kern bildete und in den er sich jederzeit zurückzuziehen vermochte, wenn er wollte.“ (Koch 1967, 279) Während Cusanus’ Bedeutung für die europäische Geistesgeschichte allgemein anerkannt ist, gehen die Urteile über seine (kirchen-)politische Tätigkeit
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nach wie vor weit auseinander. Die historische Singularität der Gestalt des Nikolaus von Kues wird aber nur deutlich, wenn man erfasst, dass der bewunderte Denker das Weltgeschehen nicht nur von seiner Schreibstube aus betrachtet, sondern selbst über mehrere Jahrzehnte hinweg als politischer Akteur mitgeprägt hat. Dass ihm dabei auch schwere Fehler und tragische Irrtümer unterlaufen sind, steht außer Frage. Die folgende Darstellung des Lebens von Nikolaus von Kues orientiert sich in erster Linie an den Acta Cusana, die mittlerweile, d. h. zum Jahresende 2013, sämtliche Cusanus betreffenden Dokumente bis zum 29. Mai 1453 in mustergültiger Aufbereitung enthalten, an den Biographien von Edmond Vansteenberghe und Erich Meuthen sowie an den Standardwerken zu den einzelnen Lebensabschnitten von Cusanus und der Spezialliteratur, auf die exemplarisch verwiesen wird.
Die frühen Jahre des Nikolaus von Kues Die frühen Jahre des Nikolaus von Kues
Eine nützliche Orientierung mit Blick auf den Lebensweg des Nikolaus von Kues, auf die wir noch mehrfach zurückkommen werden, bietet die autobiographische Notiz, die dieser selbst am 21. Oktober 1449 nach seiner Erhebung zum Kardinalat aufschreiben ließ. Der Text macht zugleich deutlich, dass ihn sein fulminanter Aufstieg in die höchsten Ränge der damaligen Gesellschaft (als Kardinal war er einem Prinzen gleichgestellt), mit Stolz auf die eigene Leistung und Dankbarkeit gegenüber der Institution der spätmittelalterlichen Kirche, die diesen Weg förderte, erfüllte. „Der Schiffer Johann Cryfftz (Krebs) zeugte mit Katharina, der Tochter des Hermann Roemer – sie starb 1427 – zu Kues in der Diözese Trier den Herrn Nikolaus von Kues. Kaum hatte Nikolaus das 22. Lebensjahr vollendet, als er an der Universität Padua Doktor wurde. Im 37. Lebensjahr wurde er von Papst Eugen IV. nach Konstantinopel gesandt; von dort führte er dann den Kaiser der Griechen, ihren Patriarchen und 28 Erzbischöfe zum Konzil in Florenz, wo sie den Glauben der heiligen römischen Kirche annahmen. Sodann verteidigte er Eugen IV., der von der Konzilsversammlung zu Basel ungerechterweise abgesetzt worden war, worauf dann Herzog Amadeus von Savoyen unter dem Namen Felix V. das Papsttum usurpierte. Schon von Eugen IV. wurde der Herr
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Nikolaus kurz vor dem Tode des Papstes im geheimen, aber noch nicht öffentlich zum Kardinal erhoben. Der Nachfolger, Papst Nikolaus V., erhob ihn erneut und gab am ersten Quatembertag nach Aschermittwoch 1449 seine Erhebung öffentlich kund; im gleichen Jahre trat der Gegenpapst Amadeus zurück. Und damit nun alle wissen, dass die heilige römische Kirche nicht auf Ort oder Art der Herkunft sieht, sondern in freigebigster Weise Leistungen belohnt, darum hat der Kardinal diese Geschichte am 21. Oktober 1449 niederschreiben lassen, als er in Kues weilte, um sich von seinem altersschwachen Vater, von seinem Bruder, dem Priester Johannes, und von seiner Schwester Klara, der Ehefrau des Trierer Schöffen und Schultheißen Paul von Brystge, zu verabschieden, ehe er zum apostolischen Stuhl aufbrach, wo er sich zu Beginn des nun folgenden Heiligen Jahres einfi nden wollte. Zur Annahme der Kardinalswürde hatten ihn päpstliche Befehle aber geradezu nötigen müssen, da er sich selbst dagegen lange sträubte.“ (AC I / 2, n. 849; deutsche Übersetzung nach Meuthen 1979, 7 f.)
Der Notiz kann man entnehmen, dass Nikolaus von Kues in seinem 37. Lebensjahr nach Konstantinopel gesandt wurde. Aus dieser Information und der Auskunft der Grabinschrift in der Kirche San Pietro in Vincoli in Rom, dass Cusanus bei seinem Tod am 11. August 1464 63 Jahre alt war, lässt sich 1401 als Geburtsjahr erschließen (AC I / 1, n. 1). Der Vater hieß Iohan bzw. Henne Kryfftz bzw. Cryfftz, d. h. Krebs. An den Familiennamen, den Nikolaus nach 1430 nicht mehr benutzte (Meuthen 71992, 7), erinnert sein Kardinalswappen mit dem roten Krebs im goldenen Feld. Der uns heute geläufige Name Cusanus, d. h. „der aus Kues Stammende“, fi ndet sich erstmals in einem Text von Enea Silvio Piccolomini, dem späteren Papst Pius II., aus dem Jahr 1440 (AC I / 2, n. 427a). Er selbst nannte sich, wie aus der obigen Notiz vom 21. Oktober 1449 hervorgeht, Nicolaus de Cusa, also Nikolaus von Kues, in frühen Jahren auch Nicolaus Treverensis, d. h. Nikolaus von Trier. Der Vater von Cusanus war nach Auskunft der autobiographischen Notiz „nauta“, d. h. wörtlich Schiffer, gemeint ist wohl Schiffskaufmann. Mit Sicherheit verfügte er, wie das heute noch existierende Geburtshaus des Nikolaus von Kues deutlich macht, über ein erhebliches Vermögen und einen beträchtlichen Einfluss an der Mittelmosel, der dem sozialen Aufstieg seines Sohnes förderlich war. Vom Vater hat Nikolaus einen ausgeprägten Sinn für die Bedeutung des Geldes und der Ökonomie geerbt, er war selbst ein ausgezeichneter Verwalter aller ihm übertragenen Besitztümer.
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Nikolaus hatte (abgesehen von einer unehelichen Halbschwester namens Katharina) drei Geschwister, einen jüngeren Bruder namens Johannes und zwei Schwestern, Margareta und Klara. Johannes wurde Ende der 1420er Jahre zum Priester geweiht, später war er Pfarrer von Bernkastel. Die ältere Schwester Margareta war mit einem Trierer Schöffen verheiratet. Sie starb kinderlos, ebenso die jüngere Schwester Klara, die zweimal mit Trierer Honoratioren verehelicht war. Das Todesjahr von Margareta ist unbekannt, Johannes starb 1456, Klara 1473. Über die Kindheit des Nikolaus von Kues besitzen wir keinerlei Kenntnisse. Noch Edmond Vansteenberghe, der große Cusanus-Biograph, vermutete, dass er in Deventer bei den Brüdern vom Gemeinsamen Leben in die Schule gegangen sei (1920, 6 –8). Richtig ist, dass Cusanus die mit den Deventer Fraterherrn verbundene Frömmigkeitsbewegung der Devotio moderna sehr geschätzt hat, aber nichts deutet auf einen Schulbesuch in Deventer hin. Die nach seinem Tod in Deventer errichtete Bursa Cusana geht zwar auf ein Vermächtnis des Nikolaus von Kues zurück. Dieser hatte aber Deventer nicht als Ort für diese Stiftung bestimmt (Meuthen 1993). Auch um den Wahrheitsgehalt weiterer Jugendlegenden ist es schlecht bestellt. Von einem frühen Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn, das Nikolaus in die schützenden Arme der Herren von Manderscheid getrieben haben soll, kann mit Sicherheit keine Rede sein. „Die Quellen“, so Erich Meuthen, „wissen nur vom guten Einvernehmen beider“ (Meuthen 71992, 11). Die erste sichere Information über Nikolaus von Kues stammt aus der Universitätsmatrikel der Universität Heidelberg. Dort wurde er wohl im Frühsommer 1416 (AC I / 1, n. 11, Anm. 1) immatrikuliert. Der erhaltene Eintrag bezeichnet ihn als „Nycolaus Cancer de Coeße clericus Treuerensis dyocesis“. In Heidelberg studierte Nikolaus von Kues etwa ein Jahr lang die sieben freien Künste („artes liberales“). Um dies tun zu können, muss er zumindest über ausreichende Lateinkenntnisse verfügt haben. Der Heidelberger Professor Johannes Wenck von Herrenberg titulierte Cusanus 1441 als „baccalareus in artibus“ (AC I / 1, n. 11). Möglicherweise hat Nikolaus diesen Abschluss in Heidelberg erworben, bevor er sich dem Rechtsstudium in Padua zuwandte. Dort studierte er zwischen 1417 und 1423. Im Alter von kaum 22 Jahren, wie er in seiner autobiographischen Notiz vermerkt, wurde er zum „doctor decretorum“, zum Doktor des kanonischen Rechts promoviert. Angesichts eines ausufernden kirchlichen Prozesswesens
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und bedingt durch die Tatsache, dass das in Deutschland geltende Reichskirchensystem eine schier unauflösliche Verflechtung von Kirche und Staat mit sich brachte, bot das Studium der Kanonistik hervorragende Karrierechancen und beste Verdienstmöglichkeiten (Meuthen 11980, 85). Die kanonistische Fakultät von Padua genoss einen ausgezeichneten Ruf, auch in anderen Fächern dozierten Koryphäen wie der Humanist Vittorino da Feltre und der Astronom Prosdocimus de Beldomandis. Inwiefern Cusanus von ihnen beeinflusst wurde, lässt sich allerdings nicht mit Bestimmtheit feststellen. Nikolaus wohnte in Padua im Haus des Kanonisten Prosdocimus de Comitibus (Sambin 1979), den er in einer Vorlesungsnachschrift vom April 1423 „dominus meus et pater singularis“ nennt (AC I / 1, n. 15). In Padua macht Nikolaus von Kues wichtige Bekanntschaften. Er begegnet Menschen, die für seine spätere Laufbahn von immenser Bedeutung sein werden. Er lernt u. a. den späteren Kardinal und Präsidenten des Basler Konzils Giuliano Cesarini, dem er De docta ignorantia und De coniecturis widmen wird, sowie Domenico Capranica kennen, der ebenfalls eine große Karriere im Dienst der römischen Kurie machen wird. Auch mit dem Florentiner Arzt und Mathematiker Paolo dal Pozzo Toscanelli, der im August 1464 an seinem Sterbebett stehen wird, kam Cusanus wohl erstmals in Padua in Kontakt (AC I / 1, n. 19). Einen bleibenden Eindruck bei dem jungen Kanonisten hat der Franziskaner Bernhardin von Siena hinterlassen. Im Januar 1457 erinnert Nikolaus von Kues in einer Predigt an einen Ausspruch Bernhardins, den er in Padua gehört habe: „Der Prediger, der Feuer im Geist hat, kann Feuer aus toten Kohlen anzünden.“ (AC I / 1, n. 16; Sermo CCLXIV: h XIX, n. 3) In dieser Predigt erwähnt Nikolaus einen frühen Romaufenthalt, der sich wohl an das Studium in Padua anschloss, und er vermerkt außerdem: „Ich habe gesehen, dass Papst Martin [Martin V.] das Volk nicht davon überzeugen konnte, seine Ermahnungen anzunehmen. Da rief er den observanten Franziskanerbruder Bernhardin von Siena, der mittlerweile heiliggesprochen wurde, damit er das Volk anleite. Jener brachte fertig, wozu der Papst nicht fähig war.“ (Sermo CCLXIV: h XIX, n. 3) Nach Auskunft der Acta Cusana fällt der erste Aufenthalt von Nikolaus von Kues in Rom, dem noch etliche weitere in seinem Leben folgen werden, in den Zeitraum Juni–Juli 1424 (AC I / 1, n. 20). Anschließend ist Nikolaus wieder nach Deutschland zurückgekehrt, sieben Jahre nachdem er es als 16-Jähriger verlassen hatte. Bereits die Heidelberger Universitätsmatrikel führt ihn als Kleriker der Diözese Trier. Das genaue
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Datum der Priesterweihe ist unbekannt, doch kann die Weihe erst nach dem 21. Juli 1436 erfolgt sein, da Nikolaus von Kues in einer sich auf dieses Datum beziehenden Chronik noch als Diakon bezeichnet wird (ebd., I/1, n. 267). Tom Müller vermutet, Cusanus habe die Weihe vielleicht deshalb hinausgezögert, um sich die Option auf eine weltliche Karriere möglichst lange offenzuhalten (2013, 79). Obwohl er erst recht spät die Priesterweihe empfing, hatte er, zumal nach dem Erwerb des hoch angesehenen Doktorates in Kanonistik, an den Privilegien des Klerus Anteil und wurde für seine Dienste durch Renten und Benefi zien (Pfründen) entlohnt. Nikolaus bemerkt in einer persönlichen Notiz, dass ihm der Erzbischof von Trier am 31. Januar 1425 eine jährliche Rente von 40 Gulden, einem Fuder Wein und vier Malter Weizen übertragen habe. Außerdem informiert er über seine erste, ihm vom Erzbischof gewährte Pfründe, die Pfarrkirche von Altrich bei Wittlich. Die Notiz schließt mit einer kuriosen Bemerkung: „Am Tag darauf habe ich in Kues ein Kamel gesehen.“ (AC I / 1, n. 22) Die Acta Cusana berichten in der Folge regelmäßig über den Erwerb weiterer Benefi zien, schon bald beginnt Cusanus auch damit, weniger attraktive zu tauschen. Die „Pfründenjagd“ nimmt jedenfalls einen beachtlichen Raum innerhalb der dokumentierten Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues ein. Man kann ihm in diesem Zusammenhang allerdings zu Gute halten, dass er nicht nur an den fi nanziellen Erträgen der Pfründen interessiert war, sondern auch für regelmäßige Seelsorge und geordnete ökonomische Verhältnisse in seinen Benefi zien sorgte. Es würde zu weit führen, sämtliche Pfründen hier im Einzelnen zu erläutern, zumal die Thematik als solche in dem Aufsatz Die Pfründen des Cusanus von Erich Meuthen dargelegt wurde (Meuthen 1962). Einige Stichworte müssen genügen: Kurz nach der Übertragung der Pfarrkirche von Altrich bittet Nikolaus von Kues Papst Martin V., ihn wegen des Besitzes dieser Kirche und weiterer möglicher Benefi zien für zehn Jahre vom Empfang der höheren Weihen zu dispensieren (AC I / 1, n. 28). Als Begründung für den am 23. Mai 1425 vom Papst gewährten Dispens nennt Cusanus Studium und Aufenthalt an der römischen Kurie. Am 6. September 1427 billigt Martin V. die Übertragung des Dekanates von St. Florin in Koblenz an Nikolaus von Kues (ebd., I/1, n. 41). Den Titel „Dekan von St. Florin in Koblenz“ führt er bis zu seiner Ernennung zum Propst von St. Martinus und Severus in Münstermaifeld (ebd., I/1, n. 236). Anschlie-
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ßend nennt er sich meist Propst von Münstermaifeld, gleichwohl bleibt Koblenz sein Lebensmittelpunkt, soweit angesichts der ständigen Reisen bei Cusanus überhaupt von einem solchen die Rede sein kann. 1441 vereinbart Nikolaus von Kues mit Philipp von Sierck, dessen Archidiakonat von Brabant zu übernehmen und diesem dafür die Propstei von Münstermaifeld zu überlassen (ebd., I/2, n. 501). Nikolaus von Kues gelangt aber erst vier Jahre später in den Besitz dieses Benefi ziums und wird am 23. September 1445 in den Archidiakonat eingeführt (ebd., I/2, n. 637). Bis zur Erhebung zum Kardinalat nennt er sich nun „Archidiakon von Brabant in der Lütticher Kirche“. Spätestens seit 1446 ist Nikolaus auch noch Pfarrer von St. Wendel im heutigen Saarland (ebd., I/2, n. 722). Den Höhepunkt des cusanischen „Pfründenstrebens“ (Meuthen 1962, 58) bildet natürlich die Übertragung des Bistums Brixen durch Papst Nikolaus V. am 23. März 1450 (AC I / 2, n. 872). Im Laufe seines Klerikerlebens hatte Nikolaus von Kues mit 30 Benefi zien zu tun, „sei es, daß er sie besaß, sei es, daß er sie erstrebte“ (Meuthen 1962, 59). Er ist „beim Erwerb von Pfründen und Ämtern […] nie zimperlich gewesen. Manchen, der vielleicht besseres Recht hatte, verdrängte sein Ehrgeiz, ohne den er seine steile Karriere in der kirchlichen Hierarchie nie gemacht hätte.“ (Meuthen 71992, 23) Kehren wir nach diesem kleinen Exkurs zurück zum Ausgangspunkt, der Verleihung der Pfarrkirche Altrich sowie der ansehnlichen Jahresrente am 31. Januar 1425. Der Erzbischof von Trier, Otto von Ziegenhain, hat Nikolaus diese Gunst und zahlreiche später folgende nicht ohne Grund erwiesen. In einer Supplik an Papst Martin V., verfasst vor dem 6. September 1427, nennt sich Nikolaus: „decretorum doctor ac devote creature Ottonis archiepiscopi Treuerensis secretarius ac illius in Romana curia procurator“ (AC I / 1, n. 40). Nikolaus war also Sekretär und Kurienprokurator des Erzbischofs, sicherlich in der zweiten Hälfte der 1420er Jahre, vielleicht schon bei seinem ersten Rombesuch im Sommer 1424. In dem genannten Zeitraum tritt Cusanus mehrfach im Erzstift Trier und in benachbarten Gebieten als juristischer Gutachter und Schiedsrichter in Aktion (u. a. ebd., I/1, n. 58). Bei einem Rechtsstreit über die WeinZollfreiheit der Pfarrkirche Bacharach gutachtete er zusammen mit 68 weiteren Rechtsgelehrten. In einer Bilderhandschrift, die sich heute im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München befi ndet (Hs. 12), ist der junge Kanonist zusammen mit seiner juristischen Stellungnahme erstmals abgebildet (AC I / 1, n. 33; Watanabe 2011, Schutzumschlag und Fig. 1).
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Die Tätigkeit für Erzbischof Otto bedeutete offensichtlich nicht, dass sich Nikolaus von Kues ständig in der unmittelbaren Nähe seines bischöflichen Herrn befand, denn bereits im Frühjahr bzw. Frühsommer 1425 immatrikulierte er sich an der Universität zu Köln. Die Eintragung in der Universitätsmatrikel vermerkt, Cusanus habe sich als Doktor des kanonischen Rechts immatrikuliert und ihm sei die Einschreibegebühr erlassen worden „ob reverenciam persone“ (AC I / 1, n. 25). Der Kölner Universitätshistoriker Hermann Keussen hat Nikolaus von Kues deshalb unter die Professoren der juristischen Fakultät eingereiht (Keussen 1934, 452). Die vermutete Dozententätigkeit von Cusanus in Köln, über die wir allerdings keine gesicherten Informationen besitzen, könnte erklären, warum er zwei Rufe auf einen kanonistischen Lehrstuhl von Seiten der Universität Löwen erhalten hat, einen im Dezember 1428 (ebd., I/1, n. 64) und einen zweiten zu Beginn des Jahres 1435 (ebd., I/1, n. 232, 235). Nikolaus von Kues hat die Universitätslaufbahn bewusst ausgeschlagen, wohl wissend, dass das Leben als akademischer Lehrer und Rechtsgutachter seinem ungeheuren Tatendrang nicht genügen konnte. Die Eintragung in der Stadtrechnung von Löwen vom 2. April 1435 vermerkt, dass außer Cusanus auch „Heymeryc von den Velde“, d. h. Heymericus de Campo, einen Ruf nach Löwen erhalten habe (ebd., I/1, n. 235). Mit diesem Kölner Theologen hatte Nikolaus nachweislich Kontakt (ebd., I/1, n. 26). Hier haben wir eine erste, historisch greifbare Verbindungslinie zur spekulativen Philosophie und Theologie. Ob man Cusanus als Schüler Heymerics betrachten kann, ist in der Forschung umstritten. Fest steht aber, dass ihn die Faszination für das spekulative Denken seit seiner Kölner Zeit nicht mehr verlassen und reiche Früchte hervorgebracht hat. Plötzlich treten Autoren wie der Katalane Ramon Lull, dessen Schriften er im Frühjahr 1428 in Paris exzerpierte (Haubst 1980a), in sein Blickfeld, die mit seiner eigentlichen Profession, der Kanonistik, wenig zu tun hatten. Auch seine Leidenschaft für alte Handschriften profitierte von dem Aufenthalt in Köln. Wahrscheinlich durch Vermittlung des Kölner Domdekans Ulrich von Manderscheid erhielt Nikolaus von Kues Zugang zu den Schätzen der Kölner Dombibliothek. Führende italienische Humanisten wie Poggio Bracciolini und Niccolò Niccoli waren zu jener Zeit mit ihm in Kontakt, um an unbekannte Texte der lateinischen Klassiker zu gelangen. Cusanus, von Poggio Bracciolini als „Nicolaus Treverensis“ bezeichnet (AC I / 1, n. 34), wurde von Ludwig von Pastor sogar als ansonsten unbekannter Handschriftenhändler be-
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trachtet (Schnarr 2002, 190). In der Geschichte des Humanismus hat sich Nikolaus durch den Fund von zwölf bis dahin unbekannten Plautus-Komödien verewigt. Darüber berichtet Poggio Bracciolini seinem Freund Niccolò Niccoli am 26. Februar 1429 (AC I / 1, n. 66).
Cusanus’ Rolle im Trierer Bistumsstreit (1430–1436) und seine Teilnahme am Konzil von Basel Cusanus’ Rolle im Trierer Bistumsstreit und Teilnahme am Konzil von Basel
Der Begriff Trierer Bistumsstreit, auch als Trierer Schisma oder Manderscheidsche Fehde bezeichnet, bezieht sich auf die mehrjährigen, mit Krieg, Verwüstung und finanzieller Zerrüttung des Erzbistums verbundenen Turbulenzen nach dem Tod von Erzbischof Otto von Ziegenhain, der am 13. Februar 1430 verstarb. Daraufhin wählten elf von 15 Mitgliedern des Trierer Domkapitels am 27. Februar 1430 den Domscholaster Jakob von Sierck, Propst von Würzburg, Kanoniker in Metz, apostolischer Protonotar, zum neuen Erzbischof. Der Dompropst und ein weiterer Kapitular sprachen sich für Ulrich von Manderscheid aus. Dieser war ebenfalls Mitglied des Trierer Domkapitels, zugleich Domdekan in Köln und Archidiakon in Tholey, außerdem gehörte er, anders als Jakob von Sierck, dem höheren Adel an. Hinter Ulrichs Kandidatur standen die maßgeblichen Adelsgeschlechter des Erzstiftes Trier (innerhalb des Erzstiftes, dessen Ausdehnung geringer war als diejenige des Erzbistums Trier, war der Erzbischof nicht nur kirchliches Oberhaupt, sondern zugleich weltlicher Herrscher), insbesondere der mächtige Graf Ruprecht von Virneburg. Für Ulrich sprach auch sein einnehmendes Wesen, er galt als fromm, freundlich und war allgemein beliebt (Lager 1894, 726). Im Verlauf des Streites wurden dann auch andere, weniger erfreuliche Charaktereigenschaften sichtbar. Obwohl Ulrich nur zwei Stimmen erhalten hatte, betrachtete er sich als gewählt, wohl u. a. wegen der nicht standesgemäßen Abstammung des Gegenkandidaten Jakob von Sierck (Meuthen 1964a, 60 f.). Dieses Argument wurde von der Mehrheit des Kapitels nicht akzeptiert, sie wollte ja die Dominanz des Adels brechen. Beide Prätendenten zogen daraufhin nach Rom, um ihre Wahl vom Papst bestätigen zu lassen. Martin V. ernannte aber weder Jakob noch
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Ulrich, sondern providierte am 22. Mai 1430 aus eigener Vollmacht den landfremden und fast 70 Jahre alten Bischof von Speyer, Raban von Helmstadt, mit dem Erzbistum Trier. Anders als Jakob von Sierck, der, abgefunden mit einer Pension aus den Stiftseinkünften, die Entscheidung des Papstes akzeptierte, widersetzten sich Ulrich und die ihn stützende Adelspartei der Entscheidung des Papstes. Die Kräfte hinter Ulrich drohten, das Erzstift zu säkularisieren und in ein weltliches Herzogtum umzuwandeln, sollten ihre Interessen dahingehend nicht berücksichtigt werden, dass ihnen ein fremder Herrscher von niederer Geburt vorgesetzt werde (Meuthen 1964a, 65). Dieses Argument überzeugte das starkem Druck ausgesetzte Trierer Domkapitel. Da Jakob von Sierck offi ziell auf seinen Anspruch verzichtet hatte, war die Bahn frei für Ulrich von Manderscheid, der am 10. September 1430, ungeachtet der Entscheidung des Papstes für Raban von Helmstadt, vom Trierer Domkapitel zum neuen Erzbischof von Trier gewählt wurde (ebd., 68–71), nachdem er zuvor schon zum Dominus Treverensis, zum Herrscher über das Erzstift Trier, ernannt und als solcher auch von den Stiftsständen anerkannt worden war (ebd., 70). In der Folge wird Ulrich als Elekt, als kirchenrechtlich formal korrekt gewählter Erzbischof von Trier ohne päpstliche Bestätigung bezeichnet. Da Martin V. und sein Nachfolger Eugen IV., der sich bereits als Kardinal für Rabans Ernennung eingesetzt, wahrscheinlich sogar das Verfahren zu dessen Gunsten manipuliert hatte (Müller 2013, 125), ebenso unerschütterlich an ihrem Kandidaten festhielten wie Ulrich an seinem Herrschaftsanspruch, entwickelte sich eine äußerst verzwickte Auseinandersetzung, die nicht nur das Erzbistum und das Erzstift Trier erschütterte, sondern aufgrund der Stellung des Trierer Erzbischofs als Kurfürst des Reiches auch überregionale Bedeutung hatte. Aus diesem Grund hat König Sigismund die Wahlfreiheit des Domkapitels mit Nachdruck verteidigt. Nikolaus von Kues, von dem bisher nicht die Rede war (die ersten Monate des Jahres 1430 verbrachte er in Rom), tritt erstmals bei der Wahl Ulrichs am 10. September 1430 in Erscheinung. Er wird unter dem Namen „Nicolaus dictus Cancer“ zusammen mit dem Doktor des kanonischen Rechts Helwig von Boppard als offi zieller Zeuge des Wahlvorgangs aufgeführt (AC I / 1, n. 78). Dieser Akt dokumentiert, dass Nikolaus von Kues bereits zu diesem Zeitpunkt an vorderster Stelle zur Manderscheider Partei gehörte und wohl von Beginn der Trierer Wirren an für die Interessen Ulrichs gearbeitet hat. Vom Zeitpunkt
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der Wahl am 10. September 1430 an geschieht dies auch öffentlich mit wachsender Intensität, später wird Nikolaus sowohl als „cancellarius“ als auch als „secretarius“ Ulrichs bezeichnet (Meuthen 1964a, 83). Nach Auffassung von Erich Meuthen war Cusanus der „beherrschende Wortführer der manderscheidischen Partei“ (AC I / 1, n. 78). Er hatte damit eine beachtliche und für den Fall der Bestätigung Ulrichs durch den Papst ausbaufähige Machtposition inne, die allerdings erkauft wurde durch die Verwicklung in einen aggressiv geführten Konflikt mit ungewissem Ausgang. In der Wittlicher Appellation vom 15. September 1430 legt Ulrich dem „schlecht informierten, besser zu informierenden“ Papst Martin V. die Argumente gegen die Provision Rabans und für seine Anerkennung dar (ebd., I/1, n. 80). Dieses erste juristische Grundsatzdokument nennt „magister Nicolaus de Cusa“ als Zeugen. Mit großer Wahrscheinlichkeit war er der Verfasser des Textes, da sich die wesentlichen Argumente auch in anderen, von ihm verfassten Schriftstücken zum Trierer Bistumsstreit finden. Die Ernennung Rabans durch den Papst wird in der Wittlicher Appellation als Gerücht dargestellt, um der Wahl des Domkapitels vom 10. September 1430 den Anschein des vorsätzlichen Ungehorsams zu nehmen. Noch nie sei ein rechtmäßig von Klerus und Volk gewählter Erzbischof von Trier vom Hl. Stuhl zurückgewiesen worden. Die Laien, gemeint ist der Adel, seien nicht bereit, einem fremden, noch dazu alten und nicht mit dem Trierer Adel verbundenen Bischof den Lehenseid zu leisten. Der Verfasser des Wittlicher Appells nennt ganz unverblümt die wahrscheinlichen Konsequenzen, sollte der Papst die Wahl Ulrichs nicht bestätigen: Gewalt, Raub und Verwüstung innerhalb des Erzstiftes Trier. Schon auf das bloße Gerücht der Ernennung Rabans hin hätten die maßgeblichen Kräfte im Erzstift mit dessen Säkularisierung gedroht. Ohne die Zustimmung der Stände könne es keinen Erzbischof geben, der ja nicht nur das geistliche Oberhaupt sei, sondern auch als weltlicher Herrscher Anerkennung finden müsse. Dieses Kernargument hat Nikolaus von Kues in der Folge immer mehr ausdifferenziert und mit Verweis auf historische Vorbilder sowie die Privilegien der Trierer Kirche zu untermauern versucht. Meuthen stellt fest: „Nikolaus von Kues machte Trier zum Präzedenzfall für die Praktizierung der Partikularfreiheiten der Kirchen gegenüber Rom.“ (Meuthen 1964a, 102) Die Gegenseite hat Cusanus deshalb vorgeworfen, er stelle die Freiheit der Kirche, die „libertas ecclesiae“, in Frage, indem er auf den Konsens von Klerus und Laien abhebe.
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Papst Martin V. ermächtigte Raban von Helmstadt, über Ulrich und seine Anhänger die Exkommunikation und über die Trierer Kirche das Interdikt zu verhängen. Ulrich versuchte mit allen Mitteln zu verhindern, dass diese Maßnahme tatsächlich bekannt und wirksam wurde. Er ließ sich deshalb immer wieder zu Gewaltaktionen gegen unbotmäßige Kleriker hinreißen, die, den Maßgaben des Interdikts entsprechend, Gottesdienst und Sakramentenspendung verweigerten (Meuthen 1964a, 152). Auch sonst suchte er jeden Widerstand mit Gewalt zu brechen. Da mit dem Papst keine für ihn günstige Verständigung zu erzielen war, wandte sich Ulrich an das im Dezember 1431 eröffnete Konzil von Basel. Bereits am 3. Januar 1432 wurden der hoch angesehene Benediktinerabt Johannes Rode und Nikolaus von Kues von namhaften Vertretern des Trierer Klerus zu dessen offi ziellen Prokuratoren beim Konzil von Basel ernannt (AC I / 1, n. 99). Ihre Aufgabe sollte es insbesondere sein, auf die ungerechte Beschwernis des „gemeinen Trierer Klerus“ durch das Interdikt Rabans hinzuweisen (Meuthen 1960, 45). De facto vertraten sie seit der Inkorporation beim Konzil am 29. Februar 1432 die Interessen Ulrichs. Dies gilt zumindest für Cusanus und den ihn begleitenden Helwig von Boppard. Johannes Rode wechselte im Herbst 1432, nachdem sich innerhalb des Trierer Klerus die Stimmung zunehmend gegen Ulrich richtete, die Seiten und wurde zum Anhänger Rabans. Im Jahr 1433 fallen auch das Domkapitel und die Stadt Trier von Ulrich ab. Erst im März 1434, nach unzähligen juristischen Scharmützeln, kommt es in Basel zur offi ziellen Behandlung des Trierer Streits. Anders als der längst anwesende Raban zögert Ulrich, vor dem Konzil zu erscheinen. Er tritt schließlich mit bewaffneten Leibwächter auf, da Raban gedroht hatte, ihn wie Jan Hus behandeln zu wollen, der vom Konzil von Konstanz als Ketzer verbrannt worden war (Meuthen 1964a, 194). Am 15. März 1434 hält Nikolaus von Kues sein großes Plädoyer. Er beginnt mit einer fulminanten Eloge auf die Stadt und das Bistum Trier, dessen Privileg es sei, dass nur ein Einheimischer Bischof werden dürfe. Dann wendet er sich dem aktuellen Problem zu. Sein zentrales Argument stammt aus der Konsenslehre der Schrift De concordantia catholica. Demzufolge bedürfe jede Regierung der Zustimmung der Untertanen, andernfalls würde gegen das Naturrecht verstoßen, das eine solche Zustimmung zwingend verlange. Diese Tatsache schließe eine einseitige Ernennung des Erzbischofs durch den Papst prinzipiell aus. In dieser Rede, in der Nikolaus auch antirömische Affekte bediente, zeigt
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sich, so Meuthen, „der ganze Cusanus, das Pathos des Patrioten, der Stolz der Gelehrsamkeit, die Konsequenz des Durchstoßes zum Prinzipiellen, das berechnende Zupacken des Politikers“ (ebd., 196). Ulrich machte später deutlich, dass er den Konzilsentscheid nur akzeptieren werde, wenn er für ihn günstig ausfalle, und verlässt am 14. April 1434 Basel. Am 15. Mai entscheidet das Konzil mit knapper Mehrheit, dass die Übertragung des Erzbistums Trier an Raban von Helmstadt in kanonisch rechtmäßiger Form erfolgt sei (AC I / 1, n. 226). Am 20. Mai 1434 belehnt Kaiser Sigismund, der lange Zeit mit Ulrich sympathisierte, Raban mit den Trierer Regalien und am 7. August des Jahres werden Ulrich und seine Anhänger vom Kaiser geächtet (Meuthen 1964a, 221). Und was tut Nikolaus von Kues in dieser Situation? Er hält Ulrich von Manderscheid auch weiterhin die Treue. Sein Vater taucht ebenfalls, unter dem Namen Henne Krebs de Cusa, noch im Sommer 1435 in einer Liste prominenter Anhänger Ulrichs auf (Meuthen 1960, 58). Die Entschiedenheit, mit der Cusanus Ulrichs Position verteidigte, trug ihm schwerste Vorwürfe von Seiten der Anhänger Rabans ein. Er gilt als eigentlicher Drahtzieher der Tyrannei Ulrichs, als notorischer Rebell und Anstifter zum Ungehorsam gegen Rom. Nicht zu Unrecht werde er, so seine Gegner, der Häresie verdächtigt (vgl. u. a. AC I / 1, n. 181). Selbst nach der offi ziellen Einigung von St. Goar vom 7. Februar 1436, an deren Vorbereitung Nikolaus von Kues als einer von neun Unterhändlern beteiligt war (ebd., I/1, n. 250), verweigerten sowohl Ulrich als auch Cusanus die offi zielle Anerkennung Rabans als dem rechtmäßigen Erzbischof von Trier (Meuthen 1964a, 250). Ulrich verstarb am 18. Oktober 1438, sein Vermögen vermachte er den vier illegitimen Kindern der Nese de Arrensberg, deren Vater er wohl war (ebd., 60). Raban flüchtete aus der Verantwortung für das völlig zerrüttete Erzbistum. Er resignierte am 17. April 1439 mit der Bitte, das Erzbistum Jakob von Sierck zu übertragen. Dieser wurde am 19. Mai 1439 von Papst Eugen IV. zum neuen Oberhirten ernannt. Im Hinblick auf die Rolle von Cusanus im Trierer Bistumsstreit sind immer noch viele Fragen ungeklärt: Inwieweit wusste er Bescheid über das oftmals gewaltsame Vorgehen Ulrichs und seiner adeligen Hintermänner gegen Widersacher? War er vielleicht sogar selbst in dunkle Machenschaften verstrickt, wie die Gegenseite vermutete (u. a. Heimpel 1982, 512–514)? Entsprach die für die Verteidigung Ulrichs nutzbar gemachte Konsenslehre seiner damaligen persön-
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lichen Überzeugung oder wurde sie aus rein taktisch-juristischem Kalkül herangezogen? Das wohl größte aller Rätsel betrifft die Tatsache, dass Nikolaus, 14 Jahre nach Beendigung des Trierer Streits, im Konflikt um das Bistum Brixen de facto die Rolle übernahm, die der von ihm so heftig befehdete Raban von Helmstadt in der Trierer Sache innehatte. Die Treue zu den Herren von Manderscheid, die 1457 in den Reichsgrafenstand erhoben wurden, hat Nikolaus von Kues nie aufgegeben. Gemäß den Statuten des St. Nikolaus-Hospitals besitzt das Haus Manderscheid das Vorschlagsrecht für einen adligen Stiftsbewohner. Obwohl Cusanus in Basel nur wenig für seinen Mandanten Ulrich erreichen konnte, wurde der dortige Aufenthalt für ihn zu einem Erfolg. Das Basler Konzil erwies sich für ihn und zahlreiche andere Vertreter seiner Generation als „Karriereschleuder“ (Woelki 2013, 6). Er konnte seine brillanten Fähigkeiten als Rechtshistoriker vor dem singulären Forum eines Konzils ausbreiten. Weder die römische Kurie noch ein europäischer Fürstenhof oder eine Universität boten eine vergleichbare Gelegenheit. Thomas Woelki hat deshalb jüngst die These formuliert, dass die einzigartige Karriere des Nikolaus von Kues „nur in dieser Zeit so denkbar“ war und „bereits eine Generation später praktisch ausgeschlossen gewesen“ wäre (ebd., 7). Vor diesem Hintergrund erweist sich Cusanus’ Verstrickung in den Trierer Bistumsstreit als Glücksfall für seine Biographie. Er engagierte sich in Basel nicht nur für die Belange seines Mandanten, sondern war als Mitglied der Glaubensdeputation (AC I / 1, n. 102) auch in zahlreiche andere Fragen involviert, allerdings trat er dabei nicht unmittelbar in der ersten Reihe hervor, wie man den Acta Cusana entnehmen kann (eine Auflistung seiner Aktivitäten im Rahmen der Konzilsarbeit liefert Woelki 2013, 27, Anm. 85). Die Grundintention des Basler Konzils, eine umfassende Kirchenreform zu initiieren, hat Cusanus uneingeschränkt unterstützt. Die diesbezüglichen Konzilsbeschlüsse, die insbesondere im Zeitraum zwischen Juli 1433 und März 1436 diskutiert und verabschiedet wurden (Helmrath 1991, 111–119), werden später von Nikolaus vielfach zum Maßstab seiner persönlichen „Reformagenda“ während der großen Legationsreise und seiner Tätigkeit als Bischof von Brixen. Ein umfassendes Programm zur Kirchen- und Reichsreform ist in dem großen, für das Konzil konzipierten Traktat De concordantia catholica enthalten. In diesen Kontext gehört auch die Schrift De reparatione bzw. correctione kalendarii aus dem Jahr 1436, die sich mit dem in Basel diskutierten Problem der
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Kalenderreform befasst, welches allerdings innerhalb der Konzilsarbeit zu keinem Ergebnis führte (AC I / 1, n. 289–291). In die Verhandlungen des Konzils mit den Hussiten wurde Nikolaus insbesondere als Dolmetscher und Unterhändler des bayerischen Herzogs und Konzilsprotektors Wilhelm III. verwickelt (ebd., I/1, n. 164 –166). Wie sehr ihn das Thema auch persönlich beschäftigte, zeigt die Tatsache, dass einer seiner ganz frühen Traktate mit dem Titel De usu communionis (ebd., I/1, n. 171) der Hussitenfrage gewidmet ist. Mit einer Abhandlung hat sich Cusanus auch in eine andere wichtige Konzilsdiskussion eingemischt, die Frage nach den Befugnissen der päpstlichen Legaten, die als Präsidenten des Konzils fungierten: De auctoritate praesidendi in concilio generali (ebd., I/1, n. 203). Zum Thema der Union mit den Griechen, das immer mehr ins Zentrum der Debatten des Konzils rückte und schließlich zu dessen Spaltung führte, hat Nikolaus von Kues keine grundsätzliche Stellungnahme verfasst. Dieses Problem wurde aber zum Auslöser seiner großen biographischen Wende, weg vom Konzil in Basel, hin zu Papst Eugen IV. Es stellt sich die Frage, wie es dazu gekommen ist. Papst Eugen IV. (1431–1447) galt als Freund der Union mit der byzantinischen Kirche und setzte sich nachhaltig für dieses Ziel ein. Zugleich benutzte er die Unionsthematik, um das Basler Konzil, welches noch von seinem Vorgänger unmittelbar vor dessen Tod einberufen worden war, entweder zu diskreditieren oder unter seine Obhut zu bekommen. Von Anfang an war das Verhältnis zwischen Eugen und der Kirchenversammlung am Oberrhein, welche im Sinne der Lehre des Konstanzer Konzilsdekretes Haec sancta vom 6. April 1415 für sich in Anspruch nahm, über dem Papst zu stehen und die unfehlbare Letztinstanz in allen Glaubensfragen zu sein, äußerst gespannt. Der Versuch des Papstes, das Konzil bereits Ende 1431 wieder aufzulösen, rief energischen Widerstand hervor und konnte deshalb nicht durchgeführt werden. Im Gegenzug provozierte das Konzil einige Jahre später, im Sommer 1435, den Papst, indem es die Annaten an den Hl. Stuhl, d. h. die Erträge des ersten Jahres einer neu erworbenen Pfründe, ersatzlos strich (Helmrath 1991, 116 –118). Mit der Durchführung dieses Beschlusses wäre dem Papsttum die finanzielle Basis entzogen worden. Die in Basel versammelten Konzilsväter (Eugen IV. nahm nicht persönlich, sondern nur durch Legaten am Konzil teil) wollten sich primär dem Thema der Kirchenreform und der Einigung mit den böhmischen Hussiten widmen, das Thema der Union mit den Griechen war für sie zunächst zweitrangig. Rasch
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mussten die Basler aber die Bedeutung der Unionsfrage, insbesondere in den unablässigen Auseinandersetzungen mit dem Papst, zur Kenntnis nehmen. Am 12. Juli 1434 wurden drei Gesandte des byzantinischen Kaisers beim Konzil von Basel empfangen, u. a. Isidor, der Abt des Klosters von St. Demetrius in Konstantinopel, ein Grieche, der später für kurze Zeit Metropolit von Kiew (er war der letzte Grieche auf dem Stuhl des Metropoliten von Kiew) und schließlich Kardinal der römischen Kirche wurde. Mit diesem bedeutenden griechischen Kirchenmann stand Nikolaus nachweislich schon in Basel in Kontakt, da ihm dieser Materialien für seine Schrift über die Verbesserung des Kalenders lieferte (Monfasani 2002, 216). Dadurch wird deutlich, dass Cusanus von Anfang an den Kontakt mit den Griechen gesucht hat, auch wenn die Intensität dieser Fühlungnahme nicht durch weitere schriftliche Dokumente belegt werden kann. Die Frage, wo das Unionskonzil stattfi nden soll, ob in Italien (insbesondere in Florenz oder Udine oder an einem anderen Ort, der dem Papst und den Byzantinern genehm sei), so der Wunsch der päpstlichen Legaten, oder außerhalb von Italien, in Basel, Avignon oder einem Ort in Savoyen, so der Wunsch der Mehrheit in Basel, führte zum defi nitiven Bruch der Mehrheitspartei des Basler Konzils mit Papst Eugen IV. Die Mehrheit der Basler entschied sich am 9. Dezember 1436 gegen eine italienische Stadt. In der 25. Sitzung des Konzils, am 7. Mai 1437, nach einer tumultartig verlaufenen Auseinandersetzung, kam es dann zum definitiven Bruch. Die Mehrheit wollte nicht in den Einfluss- und Machtbereich des Papstes gelangen. Die Minderheit, zu der außer den Konzilspräsidenten, den Kardinälen Cervantes und Cesarini sowie dem Erzbischof Johannes von Tarent auch Nikolaus von Kues gehörte, akzeptierte diese Entscheidung nicht (zur Zusammensetzung der Minderheit: AC I / 2, n. 298). Sie betrachtete sich als „sanior pars“, als den „gesünderen Teil“ des Konzils, der über die besseren Argumente verfüge, während die Mehrheit durch ihre offen antipäpstliche Einstellung die innere Einheit der lateinischen Kirche zerstöre und eine Union mit den Griechen unmöglich mache. Wenn „evidens ratio“, offensichtliche Vernunft, dem entgegenstehe, was die zahlenmäßige Mehrheit wolle, dürfe sich diese nicht durchsetzen. Die Erfahrung der Konziliengeschichte habe gezeigt, dass oftmals wenige mit besseren Einsichten in der Lage waren, die Oberhand gegenüber der Mehrheit zu behalten (ebd., I/2, n. 330). Da sich beide Gruppierungen als das wahre Konzil betrachteten, wurden zwei konträre Dekrete ausgefertigt, feierlich an unterschiedlichen Ecken des
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Basler Konzils verlesen und schließlich von beiden Parteien mit einem dröhnenden Te Deum beschlossen – ein in der Konziliengeschichte seltenes Spektakel! Die Betrunkenen in den Spelunken würden sich besser benehmen als die Konzilsväter, bemerkte dazu Enea Silvio Piccolomini (Watanabe 2011, 285). Später haben Vertreter der Minderheit sogar die Kiste mit den Siegeln des Konzils aufgebrochen, um ihr Dekret wie ein offi zielles Konzilsdekret zu siegeln (Woelki 2013, 26). Um ihrem Anspruch, das Konzil zu repräsentieren, gerecht zu werden, sandte die Minderheit ähnlich wie die Mehrheit eine offi zielle Delegation nach Konstantinopel, zu der neben den Bischöfen von Digne (Pierre de Versailles) und Porto (Antonio Martins de Chaves) auch Nikolaus von Kues gehörte (AC I / 1, n. 294; ebd., I/2, n. 295a). Der formale Auftraggeber für Cusanus’ Reise nach Konstantinopel war also, entgegen der Auskunft der autobiographischen Notiz vom 21. Oktober 1449 (ebd., I/2, n. 849), nicht Papst Eugen IV., sondern die Konzilsminorität. Am 17. Mai 1437 hat Cusanus Basel verlassen und definitiv mit der konziliaristisch eingestellten Mehrheit gebrochen, zu der er lange Zeit selbst gehört hatte. Beide Gruppierungen gingen daraufhin völlig getrennte Wege. Die Anhänger der Minorität betrachteten das Konzil von Basel als beendet, es wurde von Papst Eugen IV. offi ziell am 18. September 1437 nach Ferrara verlegt und dort am 8. Januar 1438 als Unionskonzil wiedereröffnet. Die Konzilsmajorität ging ihrerseits, überzeugt von der Unfehlbarkeit des Konzils und seiner Superiorität gegenüber dem Papst, entschieden auf Konfrontationskurs zu Eugen IV., dem zunächst die Suspension angedroht wurde, später wurde er für abgesetzt erklärt und ein neuer Papst gewählt. Es handelt sich um Felix V., den bisher letzten „Gegenpapst“ in der Geschichte der katholischen Kirche. Da Felix V. vor seiner Wahl Herzog Amadeus von Savoyen war, bezeichneten die „Eugenianer“, die Anhänger von Papst Eugen IV., die Gegenseite als die Gruppierung der „Amedisten“. Erst nach dem Tod von Eugen IV. gelang es seinem Nachfolger Nikolaus V., Felix V. im April 1449 zur Abdankung und das „Restkonzil“ von Basel (mittlerweile nach Lausanne verlegt) zur Selbstauflösung zu bewegen. Damit war das Schisma endgültig überwunden. Nikolaus von Kues engagierte sich in dieser das gesamte Abendland betreffenden Auseinandersetzung ähnlich stark und verbissen wie zuvor im Trierer Bistumsstreit, allerdings stand er jetzt auf der Seite der siegreichen Papstpartei und nicht auf derjenigen der letztlich unterlegenen Konzilspartei. Sein entschie-
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dener Einsatz hat ihm höchste Anerkennung, aber auch erbitterte Gegner- und Feindschaft eingetragen, die teilweise bis zu seinem Tod und darüber hinaus andauerte. Über die Motive für diesen Positionswechsel des Cusanus wurde und wird viel spekuliert. Man unterstellte ihm niedrige Motive – Opportunismus, Angst um seinen Pfründenbesitz, Geld- und Machtgier etc. – doch all diese Gründe greifen wohl zu kurz, auch wenn man konzediert, dass Cusanus seine persönliche Zukunft als Kirchenpolitiker und seinen beachtlichen Pfründenbesitz bei diesem Wechsel durchaus im Blick hatte (Stieber 1991; Meuthen 1971). Dabei darf man allerdings nicht vergessen, dass der Übertritt zur Papstpartei zu diesem Zeitpunkt alles andere als ungefährlich für seine Karriere war. Die meisten Kirchenmänner und Kanonisten seiner Generation haben Basel erst später verlassen, im Frühjahr 1437 war es keineswegs ausgemacht, dass Papst Eugen IV. die Oberhand behalten würde. Immerhin strengten die in Basel verbliebenen Konzilsteilnehmer im Februar 1438 einen Prozess gegen die drei Gesandten der Minorität an (AC I / 2, n. 337) und versuchten, Cusanus’ gesamten Pfründenbesitz neu zu verteilen (Meuthen 71992, 69), der ihm mit Urteil vom 27. Januar 1440 auch formell entzogen wurde (AC I / 2, n. 423), ohne dass dies de facto eine größere Wirkung gehabt hätte. Im August 1439 forderte die Basler Versammlung die in Frankfurt versammelten Kurfürsten auf, Cusanus zu verhaften und ihn nach Basel zu überstellen (ebd., I/2, n. 400). Wesentlicher für seinen Wechsel sind wohl die folgenden Gründe: Das gesamte Verhalten von Cusanus nach seinem Wechsel zur Papstpartei bestätigt die Auffassung des Kirchenhistorikers August Leidl, dass „die Union von Westund Ostkirche […] für Cusanus das entscheidende Motiv seines ,Frontwechsels‘“ bildete (Leidl 1966, 88). Das Basler Konzil konnte diese Union nicht herbeiführen, es zeigte durch seine Uneinigkeit in dieser fundamentalen Frage, dass es aus der Sicht von Nikolaus aufgehört hatte, ein kirchliches Konzil zu sein, welches im vom Hl. Geist gewirkten Konsens fußt. Für Papst Eugen IV. und Cusanus dagegen war die Union ein Herzensanliegen. Der Wunsch des Papstes, das Konzil in Italien durchzuführen, deckte sich mit den Intentionen des byzantinischen Kaisers und der höchsten byzantinischen Geistlichkeit, die wollten, dass das Konzil in Italien, in der Nähe ihrer Heimat und in Anwesenheit des Papstes, als Patriarch des Abendlandes Glied der „Pentarchie“ und damit unabdingbar für das Zustandekommen eines Ökumenischen Konzils (Beck 1965, 146), stattfinde. „In Basel zu verbleiben und jetzt die ihm fremden
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Positionen der Mehrheitspartei zu unterstützen, wäre der eigentliche ,Frontwechsel‘ gewesen“, so die m. E. durchaus sachgemäße Schlussfolgerung von Thomas Woelki (2013, 27 f.). Man kann sich auch fragen, ob nicht der für ihn unglückliche Ausgang des Trierer Bistumsstreites seine Entscheidung für den Papst zumindest beeinflusst hat. Cusanus machte in diesem Konfl ikt die bittere Erfahrung, dass sein Mandant Ulrich von Manderscheid trotz einer für ihn günstigen politischen Konstellation nicht Erzbischof von Trier werden konnte, weil ihm die Bestätigung durch den Papst fehlte. Es ist deshalb plausibel anzunehmen, Cusanus habe aus diesem Faktum den Schluss gezogen, ein dauerhaftes Agieren gegen den Willen des Papstes sei nicht Erfolg versprechend. Persönliche Sympathie für Papst Eugen IV. hat sein Handeln wohl kaum bestimmt, da dieser ja alles in seiner Macht Stehende getan hat, um Raban von Helmstadt zum Bischofsstuhl von Trier zu verhelfen. Auch umgekehrt ist erstaunlich, wie schnell Eugen und seine Kurie Cusanus wieder in ihre Reihen aufnahmen, war er doch noch bis zum März 1436 als Anhänger Ulrichs exkommuniziert. Am 25. Oktober 1436 bestätigte ihm Eugen IV. seinen gesamten Pfründenbesitz (Meuthen 71992, 50). In der ersten Junihälfte 1437 trafen die Gesandten der Minorität, unter ihnen Nikolaus von Kues, mit Papst Eugen IV. in Bologna zusammen (AC I / 2, n. 299). Mit Empfehlung des Papstes (ebd., I/2, n. 313) reisten die Gesandten mit ihrem Gefolge in zwei Gruppen weiter nach Konstantinopel. Die erste Gruppe, mit den Bischöfen von Porto und Digne, brach in Venedig am 26. Juli auf. Die zweite Gruppe, in der sich Nikolaus von Kues befand, folgte wenig später „in drei großen Galeeren, die für die Aufnahme von 300 Bogenschützen bestimmt waren, welche der Papst dem Griechenkaiser zum Schutz von Konstantinopel während seiner Abwesenheit im Westen zugesagt hatte“ (ebd., I/2, n. 317). Die erste Gruppe landete nach einem Aufenthalt auf Kreta am 3. September in Konstantinopel, die zweite mit Cusanus erst am 24. September. Sie hatte zuvor Aufenthalte in Kreta und in Karistos auf Euböa (ebd.). „Die Gesandtschaft der Basler Konzilsmajorität, die unter großen Zeitverlusten über Avignon gereist war, kam erst am 3. Oktober vor Konstantinopel an.“ (ebd.) Die Forschung hat sich mehrfach mit der Frage beschäftigt, warum Cusanus für diese Gesandtschaft nach Konstantinopel ausgewählt worden ist. Man hat dafür seine Griechischkenntnisse in Anschlag gebracht (Meuthen 71992, 51), ohne dass allerdings klar wäre, wie ausgeprägt diese tatsächlich waren. Auch sein Sinn für kanonistische Quellentexte, ja alte Handschriften überhaupt,
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habe ihn für die Mission in Konstantinopel mit seinen reichen Bibliotheken prädestiniert. Fest steht jedenfalls, dass sich Nikolaus von Kues bei der sogenannten Legatenpartei, die die Minorität in Basel anführte, hohes Ansehen erworben hatte, denn sonst wäre er für die heikle Aufgabe sicherlich nicht ausgewählt worden. Nach den erhaltenen Dokumenten stand Nikolaus nicht im Zentrum der Verhandlungen mit dem byzantinischen Kaiser und dem Patriarchen von Konstantinopel. Es gibt nur einen Beleg, in dem Cusanus’ Rolle erwähnt wird. Rodericus Didaci, Dekan von Braga, berichtet in einem Brief vom 13. Oktober 1437 aus Konstantinopel, dass Cusanus aufgrund seines hervorragenden historischen Gedächtnisses die Auffassung der Basler Mehrheitsdelegation stringent widerlegen konnte. Darüber sei der byzantinische Kaiser sehr erfreut gewesen, wie der Briefschreiber mitteilt (AC I / 2, n. 329). Der Herausgeber der Acta Cusana, Erich Meuthen, wertet diesen Brief als Beleg für den „überragenden Anteil“ von Nikolaus an den Verhandlungen in Konstantinopel durch einen „unverfänglichen Zeugen“ (ebd., I/2, Anm. 14). Meuthen sieht durch diesen Brief Cusanus’ eigene Auffassung über seine Tätigkeit in Konstantinopel bestätigt, welche in dem kurzen autobiographischen Bericht zum Ausdruck kommt, den er 1449, nach seiner Erhebung zum Kardinalat, verfasste. Er habe, so heißt es dort, den Kaiser der Griechen, ihren Patriarchen und 28 Erzbischöfe zum Konzil in Florenz geführt („adduxit imperatorem Graecorum et patriarcham cum 28 archiepiscopis ecclesiae orientalis“, ebd., I/2, n. 849). Auch wenn Cusanus seine eigene Rolle bei den Verhandlungen in Konstantinopel sicherlich überbewertet hat, bleibt doch als Ergebnis, dass die Reise und ihr glücklicher Ausgang einen enormen Erfolg für ihn darstellten. Nach Auffassung von Erich Meuthen rückte Nikolaus von Kues durch dieses Ereignis „in die erste Reihe der europäischen Politiker“. Er wurde dadurch zu einem Akteur im „großen Weltgeschehen“ (Meuthen 71992, 66). Wir wissen nur wenig darüber, was Cusanus in Konstantinopel zwischen dem 24. September und dem 27. November 1437 außer dem von Rodericus Didaci Berichteten noch getan hat (AC I / 2, n. 323 –333). Fest steht allerdings, dass er sich seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Erwerb von wertvollen Handschriften, widmete. Thomas Woelki schreibt sogar: „Vielleicht war diese Handschriftensuche auch die eigentliche Aufgabe des Cusanus, der sich schon lange durch rechtshistorisch-antiquarische Entdeckungen einen Namen gemacht hatte.“ (2013, 28) Diese These lässt sich allerdings nicht mit Cusanus’ oben
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zitierter Selbsteinschätzung in Einklang bringen, die nicht vollkommen aus der Luft gegriffen sein kann. Nikolaus hatte sich in Basel einen hervorragenden Ruf als Kanonist und Rechtshistoriker unter Einschluss der Konziliengeschichte erarbeitet. Dass diese Kompetenz bei den Verhandlungen mit den traditionalistisch argumentierenden Byzantinern, deren Theologie und Kirchenverständnis auf den Beschlüssen der ökumenischen Konzilien des ersten Jahrtausends fußte, äußerst nützlich war, liegt auf der Hand. Insofern erweisen sich wohl seine aktive Beteiligung an den Verhandlungen und die Suche nach Handschriften als die beiden Seiten derselben Medaille. Cusanus berichtet im Prolog der Schrift Cribratio Alkorani, dass er in Konstantinopel nach Koranhandschriften geforscht habe (AC I / 2, n. 332). Er hat außerdem griechische Handschriften erworben, die beim Unionskonzil in Ferrara und Florenz Verwendung fanden (ebd., I/2, n. 333, 372). Die Rückreise erfolgte vom 27. November 1437 bis zum 4. Februar 1438 mit dem Schiff nach Venedig. Man nimmt an, dass Cusanus zusammen mit der Hauptflotte reiste und damit auch die Gelegenheit zum Kontakt mit den byzantinischen Konzilsteilnehmern hatte (ebd., I/2, n. 334). Der einzige, allerdings überaus gewichtige Hinweis auf die Bedeutung dieser Reise fi ndet sich im Widmungsbrief der Schrift De docta ignorantia an Kardinal Cesarini. Cusanus schreibt in diesem Brief, ihm sei auf dem Meer, von Griechenland her kommend, die philosophische Einsicht zuteil geworden, die im Zentrum der Schrift stehe (ebd., I / 2, n. 334). Nach der Ankunft des Schiffes in Venedig reiste Nikolaus mit den Byzantinern zum Konzilsort Ferrara. Dort blieb er mehrere Monate, verließ aber dann die Stadt in Richtung Norden. Nikolaus war also, wenn überhaupt, nur an der Anfangsphase des eigentlichen Unionskonzils beteiligt. Dass die in Florenz, wohin das Konzil im Januar 1439 verlegt wurde, am 6. Juli 1439 feierlich verabschiedete Union zwischen West- und Ostkirche (nur der Metropolit von Ephesus Markos Eugenikos hatte der Unionsbulle Laetuntur caeli seine Zustimmung verweigert) letztlich keinen Bestand hatte, hat Cusanus tief verletzt. Wie zahlreiche andere Lateiner betrachtete Cusanus das Scheitern der Union, d. h. ihre Ablehnung durch die Mehrzahl der Bevölkerung von Byzanz, als den entscheidenden Grund für den Fall Konstantinopels im Jahr 1453. Drei Jahre später, am 24. August 1456, kommt Nikolaus in der Predigt CCXL, gehalten in Neustift bei Brixen, auf dieses Thema zu sprechen. Triumphgefühle angesichts des Sieges eines christlichen Heeres bei Belgrad am 22. Juli
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1456 über die Türken verbinden sich mit einer fulminanten Abrechnung mit den Byzantinern, die von Cusanus als „betrogene Betrüger“ bezeichnet werden: „Gott hat es zugelassen, dass der Verfolger des Kreuzes [Sultan Mehmed II., der Eroberer von Konstantinopel] so weit zur Herrschaft gekommen ist, dass er jenes große neue Rom, die Stadt Konstantinopel, voller heiligster Tempel, in Besitz nehmen konnte. Denn ihre Einwohner sind bei der Lehre über den Hervorgang des Heiligen Geistes von der Einheit des katholischen Glaubens in schismatischer Weise abgewichen und dem Glauben, den sie auf dem Konzil von Florenz mit dem Ziel, Hilfe gegen die Türken zu erhalten, in hinterlistiger Weise versprochen hatten, dann doch nicht treu geblieben. Sie haben nämlich nur dem Anschein nach dem Ziel (der Einigung) zugestimmt, um einen weltlichen Vorteil zu erlangen. Und so haben sie später gezeigt, dass sie die römische Kirche betrügen wollten, weil sie viele, die in der erlangten Einheit bleiben wollten, als Häretiker verwarfen. Zweierlei ließ Gott deshalb geschehen. Er ließ es zu, dass jene betrügerischen Schismatiker durch die Unterwerfung der Stadt verbessert werden und die vertriebenen Guten die Lauheit der Christen austreiben. So geschah es, dass der Türke hochmütig die Stadt Konstantinopel beherrschen konnte, die durch den christlichen Konstantin errichtet worden war, damit die Betrüger sich als Betrogene erkannten und der römische Papst den Mut fasste, die Ehre des Kreuzes auch mit Waffen zu verteidigen.“ (Sermo CCXL: h XIX, n. 3 – 4)
So Nikolaus’ Urteil aus dem Jahr 1456, in den 1440er Jahren hat er dagegen noch ganz anders gedacht, wie wir gleich sehen werden.
Cusanus als Anwalt des Papstes in Deutschland zwischen 1438 und 1448 Cusanus als Anwalt des Papstes in Deutschland zwischen 1438 und 1448
Im Juni 1438 wird Nikolaus von Kues von Papst Eugen IV. nach Deutschland geschickt, um bei den schwäbischen Reichsstädten um Unterstützung für seine Sache zu werben (AC I / 2, n. 359, 362). Mit dieser Gesandtschaft beginnt ein neuer Abschnitt im Leben des Nikolaus von Kues. Für mehr als ein Jahrzehnt wird er seinen Schwerpunkt wieder in Deutschland haben, beschäftigt vor allem mit dem Anliegen, die Position von Papst Eugen IV. zu verteidigen und den Widerstand der Unterstützer der Basler Konzilspartei zu brechen. Diese
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Haupttätigkeit begleitend, kümmerte er sich intensiv um seinen Pfründenbesitz, den er teilweise aus dem Trierer Raum in das papsttreue Gebiet der Diözese Lüttich verlegte (Meuthen 71992, 81 f.), verfasste große philosophischtheologische Werke, wie z. B. De docta ignorantia und De coniecturis, und trat auch immer wieder als Prediger bei festlichen Anlässen, insbesondere in Koblenz (seinem eigentlichen Wohnort) und Mainz in Erscheinung. Regelmäßig kam er in diesen Jahren auch nach Münstermaifeld, wo er als Propst amtiert, und in seinen Heimatort Kues, wo er beispielsweise am 12. Februar 1440 die Schrift De docta ignorantia vollendet (AC I / 2, n. 426). Im Folgenden beschränken wir uns auf den eigentlichen Zweck seines Aufenthaltes in Deutschland: die Verteidigung Eugens IV. Auf dem Frankfurter Wahltag vom 17. März 1438 erklärten sich die deutschen Kurfürsten und der neu gewählte König Albrecht II. für neutral im Streit zwischen Papst Eugen IV. und dem Basler Konzil. Diese Neutralität aufzubrechen, dauerte volle zehn Jahre und verlangte „endlose Verhandlungen“, wie Erich Meuthen feststellt (71992, 66), mit einem unüberschaubaren Geflecht von Appellen, Briefen, Reden und Gegenreden, Denkschriften, Anklagen und Klageerwiderungen, aus denen immer neue Anklagen und Gegenanklagen wurden. Das Ergebnis waren Endlosschleifen, dokumentiert in wachsenden Aktenbergen. Eugen IV. maß dieser Aufgabe höchste Priorität zu, denn ohne die Zustimmung der deutschen Nation war seine Position dauerhaft ungesichert. Aus diesem Grund schickte er seine „besten und vertrautesten Leute“ an die Fürstenhöfe und Reichstage, wie Johannes Helmrath hervorhebt (1990, 175), entzog sie damit aber zugleich den Unionsverhandlungen mit den Griechen. Cusanus nimmt unter der Schar der päpstlichen Gesandten, zu denen außer ihm auch die Italiener Kardinal Niccolò Albergati und Tommaso Parentucelli, der spätere Papst Nikolaus V., sowie die beiden Spanier Juan Carvajal und Juan de Torquemada gehörten (Meuthen 71992, 66 f.), eine doppelte Sonderstellung ein. Zum einen war er als einziger von 1438 bis 1448 durchgängig an allen Verhandlungen und Reichstagen beteiligt, während sich die übrigen Gesandten ablösten. Zum anderen war er der einzige Deutsche inmitten einer Schar insbesondere von Italienern und Spaniern. Das Engagement von Cusanus für Eugen IV. hat in Deutschland sein Bild für lange Zeit geprägt. Er galt jetzt vielen als „Römling“ (Meuthen 1994, 54), als einer, der, wie es ein Spottbild aus der Zeit der Reformation ausdrückt, die Deutschen auf die Seite des Papstes zieht. Dieses Spottbild fi ndet sich auf dem Deckblatt einer Schrift aus dem
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Jahr 1538, verfasst von dem reformatorischen Theologen Johannes Kymeus. Er nennt Cusanus „des Papstes Herkules wider die Deutschen“ (Kymeus 1941) und spielt damit an auf die Wendung „Hercules tamen omnium Eugenianorum“ – „Herkules aller Eugenianer“, mit der Enea Silvio Piccolomini, damals noch eifriger Konziliarist in Basel, Nikolaus titulierte (AC I / 2, n. 427a). Dieser Titel trifft sich übrigens durchaus mit Cusanus’ Selbsteinschätzung, der in der Apologia doctae ignorantiae schreibt, niemand habe mit solchem Feuereifer („ferventia“) der Partei der Basler Konziliaristen widerstanden wie er (h 2II, n. 6). Enea Silvio wusste um die Bedeutung von Cusanus für den Papst. Er nennt ihn im Anschluss an die Wendung „Herkules aller Eugenianer“ einen „Mann, der sowohl in den alten Wissenschaften hochgebildet als auch hochgelehrt im Gebrauch vieler Dinge ist, so dass es um so mehr zu bedauern ist, dass sein so edler Geist sich jenen Bemühungen um ein Schisma zugewandt hat“ (zit. n. Nagel 2006, 40). Immer wieder wurde Cusanus in den folgenden Jahren, ob zu Recht oder Unrecht sei dahingestellt, der Vorwurf gemacht, er sei ein Anderer geworden, verglichen mit seinem Auftreten in Basel – „Alius homo es […] quam Basileae fueris“, heißt es in diesem Sinn in einem Text von Enea Silvio Piccolomini, der Cusanus’ Wechsel vom Konzil zu Papst Eugen in einem fiktiven Dialog thematisiert (AC I / 2, n. 445). Die wichtigsten Stationen des Kampfes für Papst Eugen IV.: Bereits auf dem Nürnberger Reichstag im Oktober 1438 gehört Nikolaus zur päpstlichen Delegation und hält eine große Rede über die Möglichkeit, dass Konzilien (gemeint ist natürlich in erster Linie dasjenige von Basel) irren können (ebd., I/2, n. 374 – 376). Außerdem sei die Basler Kirchenversammlung durch den Konzilsort doppelt belastet gewesen. In Basel habe es schon einmal eine Synode gegeben, die zu einem Schisma führte, und der Einfluss der Sterne habe die Spaltung begünstigt (ebd., I/2, n. 375). Das astrologische Argument wurde vom Konzilsgesandten Thomas von Courcelles mit genüsslicher Ironie zurückgewiesen (ebd., I/2, n. 376). Cusanus hat es später nicht mehr wiederholt. Im März–April 1439 nimmt Nikolaus am Mainzer Reichstag ohne offiziellen Legationsauftrag teil. Er wollte eine öffentliche Rede halten, wird aber nach einer Intervention des Erzbischofs von Köln daran gehindert (ebd., I/2, n. 387 f.). Zwei Jahre später, im März 1441, ebenfalls in Mainz, liefert sich Cusanus ein denkwürdiges Rededuell mit dem spanischen Theologen Johannes von Segovia, einem der entschiedensten Verfechter des Basler Konzils. In seiner Rede vor der Reichsversammlung forderte Cusanus die Kurfürsten in scharfen
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Worten auf, ihre Neutralität aufzugeben und sich Eugen IV. anzuschließen, weil dies heilsnotwendig sei (ebd., I/2, n. 473). Johannes von Segovia, der als Geschichtsschreiber des Basler Konzils dessen gesamten Verlauf bestens kannte, hielt Nikolaus in seiner Antwort die Widersprüche seiner gegenwärtigen Position im Vergleich zu seiner früheren vor (ebd., I/2, n. 478). Darauf replizierte Cusanus wiederum einen Tag später (ebd., I/2, n. 480). Diese Replik muss einigen Eindruck gemacht haben, jedenfalls berichtet dies Nikolaus voller Stolz Kardinal Cesarini (ebd., I/2, n. 482). In diesem Brief schreibt Cusanus, die „Amedisten“ würden ihn bedrohen, sogar seinen Tod wünschen. Auf seine Bemerkung, der hl. Ambrosius habe gewünscht, die Litanei solle um die Wendung „Von den Sophisten befreie uns, o Herr“ („A sophistis libera nos, domine“; zu den Quellen für dieses, Ambrosius irrtümlicherweise zugesprochene, Diktum vgl. ebd., I/2, n. 479, Anm. 14) ergänzt werden, hätten die Amedisten geantwortet: „Von Cusanus befreie uns, o Herr.“ („A Cusa libera nos, domine.“) Daraus, so Nikolaus weiter, sei ein „proverbium vulgi“, eine geläufige Wendung bei der Masse der Leute, entstanden (ebd., I/2, n. 482). Beim Reichstag in Frankfurt im Juni 1442 verteidigte zunächst der bedeutende Kanonist Nicolaus de Tudeschis, genannt Panormitanus, vom 14.–18. Juni die Position der Basler Konziliaristen, anschließend replizierte Cusanus an drei Tagen, vom 21.–23. Juni im Frankfurter Rathaus (ebd., I/2, n. 518, 520). Einen greifbaren Erfolg konnten weder Panormitanus noch Cusanus verzeichnen. Arnulf Vagedes, der die Argumente der beiden Kontrahenten eingehend analysiert hat, kommt zu einem ernüchternden Fazit: „Es scheint, die Gesandtschaften und insbesondere die Redner hatten keine echte Chance, Einfluss auf die Entscheidungen zu nehmen. Die Neutralität brachte nun einmal die lästige Folge mit sich, die Vorstellungen beider Parteien entgegennehmen zu müssen, sonst wäre eine Vermittlung oder eine vertretbare Unentschiedenheit völlig unglaubwürdig gewesen.“ (Vagedes 1981, Bd. 1, XLIV) Enea Silvio Piccolomini brachte es auf den Punkt: „Stultus, qui putat libellis et codicibus moveri reges.“ – „Ein Narr, wer glaubt, die Könige würden durch Bücher und Handschriftenkodizes in ihrem Handeln bestimmt.“ (zit. n. Vagedes 1981, Bd. 2, 35, Anm. 149; dort Beleg angegeben), auch ausufernde kanonistische Vorträge haben sie wohl kaum beeindruckt. Trotzdem war die Präsenz der päpstlichen Gesandten bei den politischen Großereignissen der Zeit von Bedeutung. Sie zeigten dadurch der Öffentlichkeit, dass sie den Argumenten der Gegenseite gewachsen waren, ja diese zu übertrumpfen wussten.
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Cusanus präsentierte sich in den Auseinandersetzungen der 1440er Jahre als mit allen Wassern gewaschener Advokat. Dabei war sein entschiedenes, ja mitunter sogar forsches Auftreten sicherlich nicht nur gespielt. Er war überzeugt, für seinen Mandanten bessere Argumente anführen zu können als sie der Gegenseite zur Verfügung standen. Jenseits der ermüdenden Zitationen aus den kanonistischen Quellen kommt er immer wieder auf einen substantiellen Punkt zurück: Papst Eugen sei es gelungen, ein ökumenisches Konzil mit den Griechen zustande zu bringen und dem Schisma ein Ende zu bereiten. Er habe damit „in augmentum fidei“, zur Mehrung des Glaubens beigetragen, wie Cusanus etwa dem Trierer Erzbischof Jakob von Sierck schreibt (AC I / 2, n. 469). Und in seinem programmatischen Brief an den kastilischen Gesandten Rodrigo Sanchez de Arevalo stellt Cusanus fest: „Ebenso wenig wie es in der Gewalt des Papstes steht, das gute Erbe der Väter zu zerstören, gibt es eine Macht unter dem Himmel, die den Papst daran hindern könne, wenn er die Irrenden in den Schafstall der einen Kirche zurückführt.“ (Epist. Roder. Sanc.: h XV / 2, n. 15) Die Union mit den Griechen dient der „aedificatio ecclesiae“, der Auferbauung der Kirche, der letztlich jede kirchliche Gewalt dienen muss. Dadurch, dass die Basler dieses Anliegen hintertreiben, beweisen sie, dass sie im Unrecht sind (Koch 1948, 29). Erst im Juli 1447, nach vier langen Reichstagen in Nürnberg und zwei weiteren in Frankfurt, gelingt in Aschaffenburg der Durchbruch für die Papstpartei (Meuthen 71992, 76 f.). In Wien kam es dann am 17. Februar 1448 zum Abschluss eines Konkordates zwischen dem Hl. Stuhl und der deutschen Nation. Dieses Wiener Konkordat regelte die Beziehungen zwischen dem Reich und der Kurie bis zur napoleonischen Zeit. Kaum ist dies geschehen, wird Cusanus am 13. März 1448 von Papst Nikolaus V., dem Nachfolger Eugens IV., beauftragt, dem Konkordat in Deutschland zur allgemeinen Anerkennung zu verhelfen (AC I / 2, n. 752).
Cusanus’ Ernennung zum Kardinal und Bischof von Brixen Cusanus’ Ernennung zum Kardinal und Bischof von Brixen
Die Gesandten und Legaten des Papstes (der Titel eines apostolischen Legaten mit den damit verbundenen umfangreichen Vollmachten wurde Nikolaus am
Cusanus’ Ernennung zum Kardinal und Bischof von Brixen
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23. Juli 1446 von Eugen IV. verliehen; ebd., I/2, n. 701) wurden für ihren Einsatz reich belohnt: Tommaso Parentucelli und Juan de Carvajal wurden am 16. Dezember 1446 zu Kardinälen ernannt, auch Cusanus wurde an diesem Tag diese hohe Auszeichnung zuteil, allerdings nur „in petto“, d. h. ohne öffentliche Verkündigung (ebd., I/2, n. 727), wie aus der eingangs zitierten autobiographischen Notiz vom 21. Oktober 1449 (ebd., I/2, n. 849) und einem Brief von Enea Silvio Piccolomini an Cusanus hervorgeht (ebd., I/2, n. 808). Warum Eugen IV. den Namen des neuen Kardinals nicht öffentlich bekanntmachte, ist nicht bekannt. Der als Konklave-Marschall fungierende Enea Silvio Piccolomini (Reinhardt 2013, 139) berichtet außerdem, Cusanus habe bei dem Konklave am 5. März 1447, bei dem Parentucelli zum Papst gewählt wurde, ebenfalls einige Stimmen erhalten (AC I / 2, n. 740). Der neue Papst, der sich Nikolaus V. nannte, publizierte die Erhebung von Cusanus zum Kardinalpriester am 21. Dezember 1448 (ebd., I/2, n. 780 f.) und teilt ihm dies am 28. Dezember mit (ebd., I/2, n. 784). Am 3. Januar 1449 wird ihm die Titelkirche San Pietro in Vinculi verliehen (ebd., I/2, n. 787 f.). Enea Silvio Piccolomini weist in seinem Glückwunschschreiben an Nikolaus von Kues darauf hin, dass die Kardinalserhebung eines Deutschen ein seltenes Ereignis darstelle: „Rari ex Almania hoc dignitatis accipiunt; sed quo rariores, eo prestanciores.“ – „Nur wenige Männer aus Deutschland haben diese Würde angenommen, aber je seltener sie sind, um so herausragender sind sie.“ (ebd., I/ 2, n. 808). Wie der Herausgeber der Acta in der zu dieser Notiz gehörenden Anmerkung mitteilt, galt ein deutscher Kardinal als ein Untier, das seltener als ein weißer Rabe sei („monstrum corvo rarius albo“). Zur Zeit von Cusanus gab es allerdings noch einen zweiten deutschen Kardinal, den Augsburger Bischof Peter von Schaumberg. Er wurde 1439 von Eugen IV. wegen seines kirchenpolitischen Einflusses im Reich zum Kardinal ernannt, reiste aber erst nach Beendigung des Schismas, 1450, nach Rom, um den roten Hut in Empfang zu nehmen. Auch Cusanus ging nicht sofort nach Rom, sondern blieb das gesamte Jahr 1449 in Deutschland. Es ist das letzte Jahr seines Lebens, in dem er längere Zeit in seiner eigentlichen Heimat, dem Gebiet zwischen Koblenz und Trier, verbrachte. Die am 21. Oktober 1449 in Kues verfasste autobiographische Notiz (ebd., I/2, n. 849) stellt gewissermaßen einen symbolischen Schlusspunkt dar. Kurz danach ist Nikolaus in Richtung Rom abgereist und nur noch im November 1451 im Rahmen der Legationsreise für ganz kurze Zeit zurückgekehrt (ebd., I/3b, n. 1983: Am 9. November 1451 schlichtete Nikolaus, von
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Ruwer her anreisend, in Bernkastel einen Streit unter den Klerikern der Stadt; ebd., I/3b, n. 1988: Am 13. November befindet er sich bereits in Mainz). Das von ihm und seinen Geschwistern gestiftete St. Nikolaus-Hospital hat er im fertigen Zustand nie gesehen. Nikolaus von Kues war sicherlich bewusst, dass die Erhebung zum Kardinal einen tiefen Einschnitt in seinem Leben darstellt. Vor diesem Hintergrund könnte der letzte Satz der autobiographischen Notiz, dass er sich lange gegen die Annahme der Kardinalswürde gesträubt habe und dazu vom Papst genötigt werden musste, doch nicht nur „belanglos“ und „Bescheidenheitstopos“ gewesen sein, wie Erich Meuthen vermutet (1979, 8). Bisher agierte Cusanus dort, wo es nicht um sein persönliches literarisches Schaffen und um seine Benefi zien ging, als Advokat bzw. als Unterhändler im Auftrag und unter der Letztverantwortung anderer Personen, zuerst des Trierer Erzbischofs Otto von Ziegenhain, dann des Elekten Ulrich von Manderscheid, schließlich des Papstes Eugen IV. Ernannt zum Kardinal mit den entsprechenden Vollmachten, musste er in Zukunft in der Regel selbst die letzte Verantwortung übernehmen, sei es als Kurienkardinal, als apostolischer Legat oder als Diözesanbischof. Sogar einem so ehrgeizigen Menschen wie Nikolaus von Kues kann mit Blick auf seinen bisherigen Werdegang ein wenig bang vor den kommenden Aufgaben geworden sein, zumal er seit Beginn seines Einsatzes für Ulrich von Manderscheid geradezu notorisch in schwere Konfl ikte verwickelt war, die mehr Narben hinterlassen hatten als der äußere Glanz seiner Karriere vermuten ließ. Am 11. Januar 1450 setzte Nikolaus V. Cusanus den Kardinalshut auf (AC I / 2, n. 862), am 19. Januar erfolgte die symbolische Mundöffnung (ebd., I/2, n. 863). Damit war er offi ziell Mitglied des höchsten Entscheidungsgremiums der katholischen Kirche geworden. Als Kardinal war der Bürgersohn von der Mosel zugleich einem Prinzen von Geblüt gleichgestellt. Am 23. März ernennt ihn der Papst zum Bischof von Brixen (ebd., I/2, n. 872) und am 26. April weiht er ihn persönlich in St. Peter zum Bischof (ebd., I / 2, n. 887). Da das Brixner Domkapitel schon vor Ernennung von Cusanus Leonhard Wiesmayr zum Bischof gewählt hat, ist eine unmittelbare Inbesitznahme des Bistums Brixen durch Nikolaus von Kues nicht möglich. Der nächste Konflikt im Leben des Nikolaus von Kues kündigt sich hiermit an, es dauert allerdings längere Zeit, bis Cusanus selbst als Akteur in dieser Sache in Erscheinung tritt.
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Unabhängig davon bleibt er das ganze Jahr in Rom. Das Jahr 1450 war ein Jubeljahr bzw. ein Heiliges Jahr. Dieses Institut wurde im Jahr 1300 von Papst Bonifaz VIII. eingeführt. Ursprünglich sollten die Heiligen Jahre im Abstand von 100 Jahren aufeinander folgen, aber bereits 1343 wurde der Abstand auf 50 Jahre verkürzt und in der Folge noch mehrmals verändert. Wie zu den früheren Gelegenheiten, strömten auch im Jahr 1450 unzählige Menschenmassen nach Rom, um den begehrten Jubiläumsablass zu erlangen. Nach dem für die Kurie glücklichen Ausgang der Auseinandersetzung mit dem Basler Konzil war das Heilige Jahr 1450 ein sichtbarer Beleg für die wiedergewonnene Einheit innerhalb der lateinischen Kirche. Für Cusanus war 1450 das letzte weitgehend spannungsfreie Jahr seines Lebens. Er nutzte die für seine Verhältnisse ungewöhnlich lange Zeit der Muße, um im Sommer in den Abruzzen die IdiotaSchriften zu verfassen: Idiota de sapientia, Idiota de mente, Idiota de staticis experimentis. Diese Sommermonate verbrachte Cusanus zusammen mit Papst Nikolaus V., mit dem er befreundet war.
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Am 8. Dezember 1450 teilt Nikolaus von Kues dem Erzbischof von Salzburg mit, der Papst habe ihn zum Legaten für Deutschland mit Vollmachten, die das Seelenheil der Gläubigen betreffen, ernannt. Zu diesem Zweck sollten in ganz Deutschland Provinzialkonzilien durchgeführt werden. Da er zuerst durch die Kirchenprovinz Salzburg komme, solle hier am 3. Februar 1451 die erste Provinzialsynode beginnen und der Erzbischof die Bischöfe der Kirchenprovinz dazu unverzüglich einladen (AC I / 2, n. 950). Die offi zielle Bulle, durch die Cusanus zum apostolischen Legaten für ganz Deutschland, Böhmen und alle angrenzenden Gebiete ernannt wird, datiert vom 24. Dezember 1450. In dieser Bulle wird ein doppelter Zweck für die Legationsreise benannt: zum einen die Verkündigung des Jubiläumsablasses des Heiligen Jahres 1450, zum anderen das Projekt einer umfassenden Kirchenreform in den genannten Gebieten (ebd., I / 2, n. 952). Indirekt diente die Legationsreise auch der Versöhnung zwischen Rom und der deutschen Kirche nach den langen Auseinandersetzungen in Zusammenhang mit dem Basler Konzil. Eine zweite Bulle, vom 29. Dezember
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1450, bezieht sich nur noch auf das Anliegen der Kirchenreform in Deutschland. Dazu werden dem Legaten alle notwendigen Vollmachten erteilt (ebd., I/2, n. 953). Vom 29. Dezember 1450 datieren noch zwei weitere Bullen von Papst Nikolaus V. an Nikolaus von Kues: Er wird beauftragt, den Streit zwischen dem Erzbischof von Köln und dem Herzog von Kleve beizulegen (ebd., I/2, n. 954) und die Böhmen, gemeint sind die Hussiten, wieder in den Schoß der römischen Kirche zurückzuführen (ebd., I/2, n. 955). Diese letzte Bulle ist erstaunlich, da ja bereits in derjenigen vom 24. Dezember der Papst Cusanus’ Legationsvollmacht auf Böhmen ausgeweitet hatte. Es wird deutlich, dass der Hl. Stuhl der Rückführung der Hussiten eine hohe Priorität einräumte. Sowohl im Köln-Klever Streit als auch in der Böhmensache war Nikolaus erfolglos. Dies gilt ebenfalls in Bezug auf einen weiteren Auftrag, der Nikolaus vom Papst am 13. August 1451 erteilt wurde: die Vermittlung zwischen Frankreich und England im Hundertjährigen Krieg bei gleichzeitiger Ernennung zum Legaten für England (ebd., I/3a, n. 1610). Zu einer Reise nach England und einer effektiven Vermittlungstätigkeit ist es allerdings nicht gekommen. Am 31. Dezember 1450 verlässt Nikolaus von Kues Rom, um die Reise gen Norden anzutreten (ebd., I/2, n. 962). Er wird, bis er Ende März bzw. Anfang April 1452 in Brixen eintrifft, um dort sein Bischofsamt anzutreten, insgesamt 456 Tage unterwegs sein (Meuthen 1995, 475) und zusammen mit seinen rund 30 Begleitern eine Strecke von rund 2800 Meilen bzw. 4500 Kilometern zurücklegen (Watanabe 2011, 29). Dabei muss man bedenken, dass die damals übliche Reisegeschwindigkeit 30 bis 40 km am Tag betrug. Selbst wenn man die Privilegien eines apostolischen Legaten im Vergleich zu normalen Reisenden in Rechnung stellt, war die Reise durch alle Jahreszeiten hindurch, zu Pferde auf schlechten, oft morastigen Wegen, für Cusanus mit großen Anstrengungen und Unannehmlichkeiten verbunden, zumal ihn praktisch an jedem Ort neue Probleme und besondere Anforderungen erwarteten. Die enorme Fülle der erhaltenen Dokumente (AC I / 3a, 3b, n. 963 –2452) bietet einen ausgezeichneten Einblick in die mit der Legation verbundenen Aufgaben. Sie zeigt auch, dass Cusanus von einem ungeheuren Arbeitseifer beseelt war, der selbst in den Nachtstunden nicht zur Ruhe kam, wie berichtet wird. Nebenbei erfahren wir von den Chronisten der Legation erstmals etwas über das äußere Erscheinungsbild des Kardinals: „Magnus et valido corpore, sed animo maior erat, eloquio quoque eminenter decoratus“, bemerkt etwa Frederik von Heiloo (ebd., I/3a, n. 973). Der Legat muss also, frei übersetzt, eine beeindruckende
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Gestalt gewesen sein, groß und stattlich, offensichtlich auch ein gewandter Redner. Josef Koch bezeichnet die Legationsreise als den „Gipfel im Leben“ des Nikolaus von Kues (Koch 1964, 3). Nie ist ihm eine größere Aufmerksamkeit von so vielen Seiten zuteil geworden. Meistens wurden er und sein Gefolge mit großem Prunk empfangen, in vielen Städten haben sich beeindruckende Menschenmassen versammelt, um den päpstlichen Legaten zu sehen und seine Predigt zu hören. Berichtet wird allerdings auch, dass die Stimmung mitunter schnell umschlagen konnte, von festlicher Freude hin zu demonstrativer Ablehnung, wenn die Forderungen des Kardinals zu hart erschienen und entsprechend auf Widerstand stießen. Unabhängig von allen Widrigkeiten war die deutsche Legationsreise des Nikolaus von Kues ein „singuläres Phänomen“ in der damaligen Zeit, das von den Zeitgenossen auch als etwas ganz Besonderes empfunden wurde (Meuthen 1989, 427). Die beiden Aufgaben des Legaten, zum einen die Verkündigung des Jubiläumsablasses, zum anderen die Reform der deutschen Kirche, lösten unterschiedliche Reaktionen bei den Adressaten aus. Das aus Rom kommende Ablassgeschenk wird, abgesehen von einzelnen Stimmen, die die damit verbundenen Kosten kritisieren, im Allgemeinen positiv und dankbar aufgenommen. Die große Zahl von Ablassbewilligungen für Gläubige, die bestimmte Frömmigkeitsübungen verrichten sowie für ausgewählte Kirchen, Kapellen und Klöster, bestätigt die These von Josef Koch, die damalige Zeit sei „ablasshungrig“ gewesen (Koch 1964, 6). Ohne jeden Zweifel glaubte auch Cusanus, der zahlreichen damals beliebten Frömmigkeitsformen distanziert gegenüberstand, an die geistliche Kraft des Ablasses. Er verband dessen Verkündigung allerdings mit der Forderung nach echter Umkehr und Buße, wie in seinen Predigten immer wieder deutlich wird. Der zweite Aspekt des Legationsauftrages, die Reform der deutschen Kirche, wurde von den Betroffenen natürlich weniger erfreut angenommen, da er ja in der Regel mit Opfern, Einschränkungen und Veränderungen verbunden war. Auch Amtsenthebungen konnte der Kardinal vornehmen und schwerwiegende Kirchenstrafen, wie Interdikt und Exkommunikation, verhängen. Lediglich die Erzbischöfe und Bischöfe waren seinem unmittelbaren Zugriff entzogen (AC I / 2, n. 953). Für Cusanus selbst war der Reformauftrag sicherlich wichtiger als die Verkündigung des Jubiläumsablasses. Dieses Anliegen geht, so Meuthen, nicht auf die Kurie, sondern auf ihn selbst zurück (1989, 444). Jeden-
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falls sollte mithilfe der Legation „eine Art Generalvisitation der deutschen Kirche“ durchgeführt werden (Meuthen 1994, 52). Um die Reform in Gang zu bringen, sollten, so ist es bereits in den beiden großen Legationsbullen vom 24. und 29. Dezember 1450 festgelegt, Provinzialund Diözesansynoden unter der Leitung des Legaten veranstaltet werden. Die erste Synode für die Kirchenprovinz Salzburg begann, wie bereits vermerkt, am 3. Februar 1451. Am 30. April folgte die Diözesansynode in Bamberg, das exemt, d. h. keinem Metropolitanverband zugeordnet war (AC I / 3a, n. 1251). Am 18. Juni begann das nächste Provinzialkonzil in Magdeburg (ebd., I/3a, n. 1384), die Synoden in Mainz und Köln folgten am 14. November (ebd., I/3b, n. 1990) und am 22. Februar 1452 (ebd., I/3b, n. 2279). Das Erzbistum Bremen hat Nikolaus, wohl aus Zeitgründen, bei seiner Reise ausgelassen. In Trier, seinem Heimatbistum, das er Ende Oktober bis Anfang November 1451 besuchte, hat Cusanus von der Durchführung eines Provinzialkonzils abgesehen. Warum, das wissen wir nicht. Er war, so Meuthen, für die Stiftung des St. NikolausHospitals in Kues auf das Wohlwollen des Trierer Erzbischofs Jakob von Sierck angewiesen und wollte diesen nicht durch eine von ihm geleitete Synode provozieren (Meuthen 1989, 451). Cusanus’ äußerst exponierte Stellung im Trierer Bistumsstreit und seine weit gestreuten Pfründen im Erzstift hätten wohl auch zu polemischen Spitzen gegen ihn bei einer Synode führen können. Die Stationen der Reise waren, ohne Nennung weniger bekannter Orte und Klöster: Salzburg, Wien, Wiener Neustadt, Passau, München, Freising, Landshut, Regensburg, Eichstätt, Nürnberg, Bamberg, Würzburg, Erfurt, Halle, Magdeburg, Halberstadt, Wolfenbüttel, Hildesheim, Hannover, Minden, Deventer, Windesheim, Utrecht, Amsterdam, Maastricht, Aachen, Lüttich, Malmedy, Trier, Mainz, Köln, Aachen, Löwen, Brüssel, Köln, Koblenz, Frankfurt, Aschaffenburg, München, Brixen. Durch einige Orte, wie Salzburg, Utrecht, Köln, Aachen, Maastricht und München, kam der Legat im Verlauf der Reise zweimal. Seit man die vom Kardinallegaten verfassten Statuten des ersten Provinzialkonzils in Salzburg (Februar 1451) entdeckt hat, ist klar, dass Cusanus mit der Legation nicht nur partielle Reformanliegen verknüpfte, sondern ein umfassendes Reformprogramm verwirklichen wollte (AC I / 3a, n. 1000). Dieses äußerst ambitionierte Programm voll pastoraler Initiativen und Ideen bezieht sich in 30 Punkten, die ihrerseits genau untergliedert sind, auf alle Bereiche des kirchlichen Lebens: Vom Gottesdienst bis zur Behandlung der Ehebrecher, Brandstifter und Räuber werden alle relevanten Fragen mit der Cusanus eigenen
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Liebe zum Detail abgehandelt. Das kirchenreformerische Profil des Legaten zeigt sich in diesem Text in aller Deutlichkeit (Meuthen 1994, 58–71). Bei den späteren Synoden während der Legationsreise ist der Kardinal nicht mehr auf diese Statuten zurückgekommen. Schon in Salzburg waren die Widerstände zu groß gewesen (AC I / 3a, n. 1004). Die Betroffenen nannten als Grund gegen Cusanus’ Projekt vor allem die Zusammengehörigkeit der deutschen Kirche, die radikale Reformen auf Ebene der Kirchenprovinz ausschlösse (Meuthen 1994, 74). Die Reaktion des Salzburger Klerus machte klar, dass man an der vom Legaten geplanten Generalreform überhaupt kein Interesse hatte. Ähnlich war die Einstellung an den meisten anderen Orten, von einigen markanten Ausnahmen abgesehen. Im Laufe der Legation hat Cusanus insgesamt 13 Reformdekrete erlassen. Der Herausgeber der Acta Cusana, Erich Meuthen, fasst diese in folgender Weise zusammen: (1) Ablassverleihung an alle Priester, die den Kollekten der Sonntagsmessen ein Gebet für den Papst, den Oberhirten und die katholische Kirche anfügen (AC I / 3a, n. 1008). (2) Einschärfen des würdigen Verhaltens beim Gottesdienst (ebd., I/3a, n. 1409). (3) Verbot neuer Bruderschaften und der unverhüllten Zeigung des Altarssakraments außer am Fronleichnamsfest (ebd., I/3a, n. 1264). (4) Verbot der Aufnötigung fi nanzieller Verpflichtungen bei der Pfründenübertragung (ebd., I/3a, n. 1016). (5) Verbot von Geldzahlungen oder anderen Leistungen bei der Zulassung in Kanonikate, Präbenden, Würden und Ämter (ebd., I/3a, n. 1389). (6) Suspension und weitere Bestrafung konkubinarischer Kleriker (ebd., I/3a, n. 1414). Dieses Dekret wurde im Verlauf der Legationsreise verschärft (ebd., I / 3b, n. 1845). (7) Verbot der Verhängung des Interdiktes in Schuldsachen (ebd., I/3a, n. 1415). (8) Einschärfung der Ordensregeln (ebd., I/3a, n. 1009). (9) Einschärfung der Nonnenklausur (ebd., I/3a, n. 1585). (10) Verbot der Usurpation von Absolutions- und Ablassrechten durch Ritterorden und Serviten (ebd., I/3a, n. 1423, 1579). (11) Anordnung, dass die Juden Zeichen zu tragen und sich des Wuchers zu enthalten haben (ebd., I/3a, n. 1251).
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Dieses elfte Dekret erscheint aus heutiger Perspektive besonders befremdlich, da Cusanus ja, bedingt durch die Schrift De pace fidei aus dem Jahr 1453, als einer der großen Visionäre auf dem Gebiet der interreligiösen Verständigung gilt. Das sogenannte Judendekret hat Nikolaus mehrfach verkündet, erstmals in Bamberg, danach in Würzburg, Magdeburg, Hildesheim, Minden und Mainz. Die mit dem Dekret bei Missachtung seiner Vorschriften verbundene Sanktion bezieht sich nicht auf die jüdischen Gemeinden, über die der Legat keine Gewalt hatte, sondern auf die kirchlichen Pfarreien, in denen Juden leben. Diesen wird das kirchliche Interdikt für den Fall angedroht, dass sie gegen den Wucher der Juden, d. h. die Verleihung von Geld gegen Zinsen, was Christen gegenüber anderen Christen streng verboten war, nicht einschreiten und die in ihrem Gebiet lebenden Juden nicht dazu veranlassen, sich durch eindeutige Kennzeichen auf der Kleidung als solche zu erkennen zu geben. Das Dekret des Legaten fußt auf älteren Bestimmungen, erlassen vom IV. Laterankonzil 1215 und vom Basler Konzil 1434. Es lag Cusanus, ebenso wie anderen kirchlichen Reformkreisen, offensichtlich am Herzen, da er es mehrfach wiederholt hat. Dem Dekret ging es nicht darum, antijüdischen Ressentiments Raum zu geben, sondern den genuin christlichen Charakter der Gesellschaft wieder stärker zu beachten. Von seiner Grundintention her passt es gut zu den anderen Reformdekreten der Legationsreise. Angesichts des wachsenden Widerstandes der betroffenen Städte, insbesondere die freie Reichsstadt Nürnberg ist hier zu nennen, verlängerte Cusanus die Frist bis zur fälligen Verhängung des Interdikts, hielt aber in der Sache an seiner Forderung fest. Die widerstrebenden Kräfte hatten kein Interesse daran, dass die Juden in die Handwerksberufe strömen, wenn ihnen das Geldgeschäft verboten wird. Außerdem war man gerade in den reichen Handelsstädten wie Nürnberg auf ein funktionierendes Finanzwesen angewiesen, das ohne die Juden mit ihrem Kapital und ihrer Erfahrung in diesem Bereich nicht zu organisieren war. Es verwundert deshalb nicht, dass Bürgermeister und Rat der Stadt mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen das Dekret vorgingen, auch die Nürnberger Juden selbst wurden aktiv und appellierten an den König sowie an Papst Nikolaus V. Dieser hob das Dekret des Kardinallegaten am 1. Mai 1452 zunächst für ein Jahr im Gebiet der Stadt Nürnberg auf (AC II / 1, n. 2527) und widerrief es dann endgültig für das Gebiet der Diözese Bamberg, zu dem Nürnberg gehörte, am 30. März 1453 (ebd., II/1, n. 3299). Später wurde es auch in anderen Teilen Deutschlands aufgehoben (vgl. zum Ganzen: Weber 2003).
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(12) Einsetzung von Exekutoren der Reformanordnungen (AC I / 3a, n. 1418). (13) Verbot der Verehrung blutiger Hostien (ebd., I/3a, n. 1454). Cusanus’ Verständnis von Kirchenreform während der Legationsreise und später als Bischof von Brixen ist im Wesentlichen durch folgende Kennzeichen bestimmt: (1) Sowohl die Salzburger Statuten als auch die 13 Reformdekrete des Kardinals und die Statuten der Diözesansynoden aus der Brixner Zeit orientieren sich vorwiegend an bereits bestehenden Normen (z. B. den Beschlüssen des Basler Konzils), die im kirchlichen Alltag nicht oder nur unzureichend angewandt wurden. Nikolaus versteht Reform in allen Phasen seines Wirkens in erster Linie als Rückkehr zum bewährten Alten, nicht als Herbeiführung von etwas gänzlich Neuem. Cusanus war also, grundsätzlich betrachtet, ein konservativer Reformer, kein Revolutionär. Er versucht, gegen schlechte Gewohnheiten anzugehen, die sich im Laufe der Zeit in das kirchliche Leben eingeschlichen haben. Dem Instrument der Visitation in Verbindung mit weitgehenden Vollmachten für die Visitatoren kommt in seinem Konzept eine entscheidende Bedeutung zu. Den Visitatoren werden ihrerseits präzise Vorgaben gemacht und Anweisungen gegeben. Sie sollen anhand detaillierter, mitunter sogar ausufernder Fragenkataloge auch kleinste Abweichungen von der Norm feststellen und korrigieren. Ein unvermitteltes Nebeneinander von beeindruckenden Einsichten in die Grundprobleme der Kirche des 15. Jahrhunderts auf der einen Seite und pedantisch anmutende Detailverliebtheit auf der anderen ist für das cusanische Reformkonzept insgesamt charakteristisch. Hans-Rolf Weber reiht Cusanus unter den Typus der „Reformrigoristen“ ein, „denen Kompromisse und Konzessionen zuwider und die strenge und anspruchsvolle Ideale durchzusetzen, entschlossen waren.“ (2003, 88) Dass der genannte Reformrigorismus geeignet war, seinerseits starke Widerstandskräfte bei den Betroffenen zu mobilisieren und auch aus diesem Grund nur relativ selten zum Erfolg führte, liegt zumindest für den späteren Betrachter auf der Hand. Cusanus’ zahlreiche Kritiker haben andererseits seine persönliche Integrität als Kleriker nie in Abrede gestellt. Er gehörte also nicht zu jenen, die anderen Wasser predigen und selber Wein trinken. Man kann davon ausgehen, dass er nicht nur anderen Klerikern gegenüber die Einhaltung des Zölibats gefordert, sondern diesen auch selbst streng befolgt hat. Auch seine persönliche Bescheidenheit und Bedürfnislosigkeit wird, zumal im Vergleich mit anderen Kardinä-
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len bzw. Fürstbischöfen in seiner Zeit, immer wieder positiv erwähnt. Dass er die Messe täglich und mit großer Andacht gefeiert habe, wird ebenfalls mehrfach festgestellt (u. a. Meuthen 71992, 129 f.). In dieser Hinsicht wurde er, gerade während der Legationsreise, als rühmenswerte Ausnahme inmitten der deutschen Adelskirche empfunden. Das Reformverständnis des Cusanus lässt sich exemplarisch anhand seiner theoretischen Überlegungen und praktischen Aktivitäten zur Frage der Ordensreform skizzieren. Klosterreform bedeutet für ihn immer Orientierung an der ursprünglichen Ordensregel und konsequente Einhaltung der evangelischen Räte des Gehorsams, der Keuschheit und der Armut, bei Frauenklöstern pocht er außerdem unerbittlich auf der Einhaltung der überkommenen Klausurvorschriften, die die Nonnen von ihrer Umwelt absondern sollen. Gerade in Hinblick auf die Nonnenklausur ließ Nikolaus dem soeben erwähnten „Reformrigorismus“ freien Lauf. Weder dürfe jemand, so heißt es im Reformdekret Nr. 9, „es sei denn mit besonderer Genehmigung eines vom Legaten eingesetzten Bevollmächtigten, ein Nonnenkloster betreten, noch dürfen Nonnen, selbst mit Erlaubnis ihrer Äbtissin oder Priorissin [sic], das Kloster verlassen“ (Meuthen 1989, 476; AC I / 3a, n. 1585). Dieses scharfe Dekret, am 6. August 1451 in Minden erlassen, sollte bereits am 15. August in Kraft treten! (Ebd.) Josef Koch hat vollkommen richtig bemerkt, dass „für Cusanus das Reformproblem sehr einfach liegt: Es handelt sich um nichts anderes als darum, dass die Mönche die Regel beobachten, die Gegenstand ihrer Profess ist.“ (1948, 76) Den Brixner Klarissen schreibt er anlässlich der Visitation ihres Klosters am 25. Januar 1454 Folgendes ins Stammbuch: „Euch Klarissen ist eine Ordensregel gegeben; in ihr liegt der Weg zu Jesus, eurem Bräutigam, der die Weisheit ist, und ihn selbst werdet ihr durch sie fi nden. Und er will auf diesem Weg von euch gefunden werden, nicht durch eine andere Regel. Denn in diesem Gesetz, das ihr im Glauben angenommen habt, hat er sich euch verlobt.“ (Sermo CXLII: h XVIII, n. 6) Die Kleriker und Ordensleute, die das geistliche Leben mit Blick auf irdische Vorteile wählen würden, erkenne man, so Cusanus’ These, daran, dass sie die Regel fliehen. In der Ansprache an die Chorherren des Klosters Neustift bei Brixen unterscheidet Nikolaus zwei Arten von Ordensleuten. Der wahre Ordensmann („verus religiosus“) täusche niemanden, wenn er ins Kloster gehe. Er wolle Buße tun und er hoffe durch die „vita regularis“, die Bindung an die Ordensregel, zum ewigen Leben zu gelangen. Deshalb nehme er das Joch des
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Klosterlebens freudig auf sich, keine Last sei ihm zu schwer, weil er ja den Sinn der Last erkenne und bejahe. Beim falschen oder heuchlerischen Ordensmann („fictus religiosus“) verhalte es sich genau umgekehrt. Er wolle es immer leichter haben, um dem Joch des Gehorsams auszuweichen. Er sei ja auch im Kloster, um dort besser zu leben als in der Welt. Ihn interessiere das irdische Dasein, nicht die Ewigkeit (Sermo CLXVI: h XVIII, n. 6). Diese Gegenüberstellung betrachtet Cusanus augenscheinlich als eine Art von hermeneutischem Schlüssel zur Unterscheidung der Ordensleute seiner Zeit. Der Kardinal ist überzeugt: „Es wird für mich leicht sein herauszufinden, welches die wahren und welches die falschen Ordensmänner sind. Denn der Gehorsam wird es zeigen.“ (Ebd.) In diesem Zusammenhang ist beachtenswert, dass sich Nikolaus zweimal auf persönliche Erfahrungen mit Ordensleuten beruft und zugleich betont, dass er sich schon im dritten Jahr um den Neustifter Konvent kümmere und deshalb jetzt im Anschluss an die Perikope vom Feigenbaum (Lk 13,6 –9) die Zeit gekommen sei, die fruchtbringenden von den unfruchtbaren Bäumen zu trennen (Sermo CLXVI: h XVIII, n. 5). Vor dem Hintergrund dieser Predigt kann man die Konfl ikte des Cusanus mit reformunwilligen Klöstern während der Legation und später in Brixen in ihrer grundsätzlichen Bedeutung verstehen. Er sah es als seine heilige Pflicht an, die Konvente von „falschen Ordensleuten“ zu säubern. Da aber die Menschen des späten Mittelalters vielerlei Gründe hatten, ins Kloster zu gehen, war die Zahl der im Sinne von Cusanus „falschen Ordensleute“ entsprechend groß. Seine dualistische Gegenüberstellung bringt unwillkürlich die Gefahr mit sich, denjenigen Ordensleuten, die sowohl aus religiösen als auch aus anderen Gründen im Kloster lebten, nicht gerecht zu werden. Sie lässt nur wenig Raum für jene Zwischentöne und Zwischenstufen, die in der Alltagswirklichkeit dominieren. Insbesondere lässt Cusanus’ Konzeption keinerlei Verständnis für jene Klostergemeinschaften erkennen, die nicht bereit waren, umstandslos ihre bisherige Lebensform zugunsten strengerer, älterer Regeln mit allen damit verbundenen Konsequenzen aufzugeben. Diese fallen einer eindeutigen, oft unbarmherzig anmutenden und der komplexen Wirklichkeit nicht gerecht werdenden Verurteilung anheim. Als wesentliches Mittel zur Besserung reformbedürftiger Konvente betrachtet er, dem Grundkonzept entsprechend, die Visitation dieser Klöster durch vorbildliche Ordensmänner aus bereits reformierten Gemeinschaften. Auf diese Weise kam Nikolaus in engen Kontakt mit den monastischen Reformzentren
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des 15. Jahrhunderts, etwa den benediktinischen Reformkongregationen von Melk und Bursfelde sowie der Gemeinschaft der Augustiner-Chorherren von Windesheim. Auf der anderen Seite hatte er massive Probleme mit den Mendikanten, d. h. den Bettelorden, insbesondere den Franziskaner-Konventualen, die die Auffassung vertraten, sie seien aufgrund päpstlicher Privilegien nicht der Vollmacht des Legaten unterworfen. Dieser habe deshalb auch kein Recht, in ihren Konventen Visitationen durchzuführen. Kölner Mendikantenkreise warfen Cusanus vor, infame Beschuldigungen gegen sie zu verbreiten, u. a. zu behaupten, einer von ihnen habe den Legaten mittels eines zum Kuss gereichten Kreuzes vergiften wollen. Sie wehrten sich auch gegen seine Anweisung an den Dekan der theologischen Fakultät der Universität zu Köln, nur noch Observanten zur Promotion zuzulassen (AC I / 3b, n. 2166; ebd., II/1, n. 2720). Ein Grundproblem, das auch Cusanus nicht lösen konnte, bestand darin, dass es, wie vielfache Erfahrung zeigte, faktisch unmöglich war, einen Konvent zu reformieren, wenn dieser reformunwillig war und von Seiten der politisch Verantwortlichen in seiner Haltung bestärkt wurde. Der große Volksprediger Johann Geiler von Kaysersberg hat diesen Sachverhalt einige Jahrzehnte nach Cusanus in einem bekannten Diktum zum Ausdruck gebracht: „Das gantz concilium zu Basel war nit so mechtig, das es möchte ein frawenkloster reformieren in einer stat, wan dy stat es hielt mit den frawen.“ (zit. n. Helmrath 1992, 58, Anm. 78; Vansteenberghe 1920, 107) Es ist erstaunlich, dass Cusanus die Tatsache, dass ohne Mitwirkung der Territorialherren jede Klosterreform zum Scheitern verurteilt war, sowohl während der Legationsreise als auch im Bistum Brixen weitgehend ausgeblendet zu haben scheint, obwohl dadurch die meisten der von ihm angestoßenen Reformvorhaben ins Leere liefen. Unverdrossen bestand er als Vertreter der kirchlichen Autorität darauf, Reformen einzufordern, mochte er dabei auch oftmals scheitern. Sehr treffend bemerkt dazu Hermann Hallauer: „Cusanus dachte juristisch und kirchlich, weniger politisch. Aber was wir als einen Fehler ansehen, ehrt ihn zugleich, nämlich, dass er nicht zum Kalkül seine Zuflucht nahm.“ (2002, 217) (2) Cusanus glaubt an das Recht und er drängt unermüdlich und zugleich unerbittlich auf seine strenge Einhaltung und Umsetzung (Grass 1970). In De concordantia catholica heißt es lapidar: „non deficiunt canones, sed exsecutiones.“ – „es fehlt nicht an rechtlichen Bestimmungen, es fehlt daran, dass man diese einhält und anwendet.“ (II, 33: h XIV, n. 246). An diesen Grundsatz hat sich der gelehrte Kanonist Cusanus gegen alle Widerstände, vor allem im Rah-
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men seiner Tätigkeit als apostolischer Legat und Bischof von Brixen, gehalten. „Verpflichtet sind wir zur Beachtung des Kanons, dessen Wächter und Vollstrecker (,custos et exsecutor‘) der Visitator ist“, sagt Nikolaus bei der Visitation des Brixner Domklerus (Sermo CXLVII: h XVIII, n. 7). Auch in dieser Hinsicht lassen sich bei Cusanus realitätsblinde Übertreibungen feststellen, die selbst von wohlmeinenden Zeitgenossen kritisch vermerkt wurden. Der vom Kardinallegaten als Visitator der Benediktinerklöster der Kirchenprovinz Salzburg eingesetzte Melker Benediktinermönch Johannes Schlitpacher wies Nikolaus in einem bemerkenswerten Schreiben darauf hin, dass ein zu strenges Pochen auf das Recht ohne Wahrung der Verhältnismäßigkeit nur Schaden anrichte. Papst Gregor den Großen zitierend, stellt der bedeutende Mönchstheologe fest: „Plerumque iusticia, si modum non habet, in crudelitatem mutatur.“ – „Meistens verwandelt sich das Recht, wenn es das richtige Maß vermissen lässt, in etwas Unbarmherziges bzw. Grausames.“ (AC II / 1, n. 2801, 2800: Beschwerde eines Mönches der Abtei Mariazell über die Strenge und den Formalismus der Visitationsanordnungen des Nikolaus von Kues sowie die Androhung der Exkommunikation bei Nichtannahme) Aus der Tätigkeit des Nikolaus von Kues als Bischof von Brixen lassen sich mehrere Beispiele für seine Unfähigkeit anführen, in der Anwendung der Gesetze das rechte Maß zu fi nden. So beharrte Cusanus streng auf der Einhaltung der Abstinenzgebote in der Fastenzeit. Diese beinhalteten den Verzicht auf das Fleisch warmblütiger Tiere, auf Eier und Laktizinien, d. h. Milchprodukte. Das Laktizinienverbot benachteiligte grundsätzlich die Menschen in Mittel- und Nordeuropa im Vergleich zu den Südländern, da diese über Olivenöl als fettreiches und rein pflanzliches Grundnahrungsmittel verfügten, das im Norden nicht zur Verfügung stand bzw. nur den Wohlhabenden erschwinglich war. Deshalb bemühte man sich in vielen Regionen, vom Papst Laktiziniendispense zu erlangen. Ein solcher Dispens wäre zweifelsohne im gebirgigen, den größten Teil des heutigen Nord- und Südtirol umfassenden Bistum Brixen mit einer überwiegend armen bäuerlichen Bevölkerung, die weder Zugang zu Olivenöl noch zu Speisefischen hatte, mehr als angemessen gewesen. Cusanus pochte dagegen auf die strenge Einhaltung des Laktizinienverbotes. Fast zynisch mutet es an, wenn der Kardinal nach Auskunft der Statuten der Diözesansynode vom 7. Februar 1453 seinen Klerus anweist, er solle den Gläubigen empfehlen, in der Fastenzeit Öl zu verwenden, vom Notfall abgesehen. Derjenige, der in der Fastenzeit Eier esse, ohne dass ihn Krankheit dazu
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veranlasse, solle nicht zur Kommunion zugelassen werden (ebd., II/1, n. 3059). Der Tiroler Rechtshistoriker Nikolaus Grass meint, Cusanus hätten sich die schwierigen „Lebensumstände der Bergbauern mit dem Zwang zu möglichster Selbstversorgung“ während seiner Zeit in Brixen nicht erschlossen (1972, 48 f.). Meines Erachtens verhält es sich eher so, dass er Abweichungen von der Norm nur im Einzelfall anerkennen wollte und keinesfalls bereit war, pauschale Vergünstigungen zu gewähren. Analoges zeigt sich bei Cusanus’ Haltung zur Zehntforderung, d. h. der Abgabe von ca. 10 Prozent der jeweiligen Jahreserträge an die zuständige kirchliche Autorität. Cusanus beharrt als Bischof von Brixen unnachgiebig darauf, dass der Zehnte auch nach Missernten und im Falle von Neubrüchen bzw. Neureuten, also bei Ackerland, dessen Rodung gerade erfolgt war (AC II / 1, n. 3059), zu leisten sei (Grass 1970, 166 –174). Die cusanische Forderung erfolgt formal in Übereinstimmung mit dem kanonischen Recht, aber sie lässt doch jedes Gespür für die Nöte der Betroffenen vermissen. „Die Verve seines Textes“ beweise, so Heinz Hürten, dass Cusanus die Rigorosität des Kirchenrechtes „auch innerlich bejahte“ (CT V / 1, 49). (3) In Hinblick auf die Laien hat Cusanus kein besonderes Reformkonzept entwickelt. Für ihn steht fest, dass die evangelischen Räte: Gehorsam, Keuschheit und Armut die vollkommene christliche Frömmigkeit charakterisieren, da sich in ihnen Ideale des Himmelreiches in irdischem Gewand ausdrücken. Die Laien sind demzufolge nicht Christen zweiter Klasse, sondern sie sind unter ihren Lebensbedingungen genauso zur Nachahmung Christi und damit zur persönlichen Vervollkommnung und Heiligung berufen wie die Kleriker und Mönche. Das bedeutet aber in der Konsequenz für Cusanus, dass auch an die Laienchristen, nicht nur an die Kleriker und Ordensleute, strenge Anforderungen zu stellen sind, die sich am monastischen Lebensmodell orientieren. Deshalb sind öffentliche Lustbarkeiten aller Art, ausgelassene Vergnügungen mit Glücksspiel und Tanz, sowohl für den apostolischen Legaten (vgl. u. a. die diesbezüglichen Ausführungen in den Salzburger Synodalstatuten: AC I / 3a, n. 1000) als auch den Bischof von Brixen ein wahrer Gräuel (Grass 1972, u. a. 73 –92). Eindringlich sind die Warnungen vor den damit verbundenen Gefahren, die Androhungen von schweren Kirchenstrafen bei Zuwiderhandlung und zugleich das Versprechen von großzügig gewährten Ablässen bei freiwilligem Verzicht. Personen, die beim Kirchweihfest tanzen, droht Cusanus als Bischof von Brixen mit der Entziehung der Sakramente, der Verweigerung eines kirchlichen
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Begräbnisses und dem Kirchenbann (ebd., 63). Umgekehrt wird den Gästen einer Hochzeit, „die in reuiger Gesinnung für das Wohlergehen der Brautleute ein Vaterunser beten und an diesem Tag nicht tanzen, ein Ablass von 40 Tagen“ gewährt (ebd., 91). Das für Kleriker geltende Verbot von Würfel- und Kartenspiel wird von Cusanus in Brixen auch auf die Laien ausgedehnt (ebd., 74). Nicht ohne Grund kommt Grass zu dem Schluss: „Es hat überhaupt den Anschein, als ob die ,gemütliche Seite‘ des Kardinals nicht gerade seine besondere Stärke gewesen wäre. Sehr viel Sinn für Humor und harmlose Freude scheint dem großen Geistesmann wohl nicht beschieden gewesen zu sein, auch wenn seine Altersschrift De ludo globi ein gewisses Verständnis für höhere Spielkultur offenbart.“ (Ebd., 92) Mit Blick auf die Laien wird von Cusanus insbesondere ihre Verpflichtung zum Gehorsam gegenüber den für sie zuständigen Hirten betont. Dieser Gehorsam wird von Cusanus im Anschluss an Lk 10,16: „Wer euch hört, der hört mich“ als heilsnotwendig und heilssuffi zient qualifi ziert. Den Gläubigen stehe kein Urteil über ihre kirchlichen Vorgesetzten zu, diese seien allerdings Gott gegenüber in Hinblick auf ihre Amtsausübung rechenschaftspfl ichtig. Aus Anlass der Visitation der Pfarrkirche von Brixen am 20. Juli 1455 sagte Cusanus: „Wenn Du [angesprochen ist der einzelne Laienchrist] dies so tust und demjenigen, den Dir Gott als Vorgesetzten gegeben hat, in allem gehorchst, dann wirst Du von den Händen des Prälaten in das ewige Königreich gezogen. Über nichts anderes wirst Du Rechenschaft abgeben müssen als über den Gehorsam in diesem umfassenden Urteil. Denn wenn Du sagst: ,Herr, ich habe Dir in dem Vorgesetzten gehorcht‘, dann wird Dir dies zum Heil genügen, auch wenn der Vorgesetzte über die Lasten, die er auf Deine Schultern gelegt hat, die Gebote und die Absolutionen vor Gott wird Rechenschaft ablegen müssen. Du jedenfalls kannst durch den Gehorsam gegenüber dem Vorgesetzten, den die Kirche toleriert, nicht getäuscht werden, sogar wenn er anderes vorgeschrieben hat, als er sollte.“ (Sermo CXCVI: h XVIII, n. 12)
Diese Einschärfung des vorbehaltlosen Gehorsams der Laien gegenüber dem Klerus tritt vor allem in der Brixner Zeit ins Zentrum. Während der Legationsreise hatte der Kardinallegat dagegen Laien beauftragt, bei der Überwachung von reformbedürftigen Mendikantenklöstern mitzuwirken (Koch 1948, 61). Cusanus hat sich intensiv um die Glaubensunterweisung der Laien bemüht. In den Salzburger Synodalstatuten wird den Pfarrern eingeschärft, sie sollten
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über das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser, das Evangelium und andere Lehrstücke an Sonn- und Feiertagen predigen (Meuthen 1994, 63; AC I / 3a, n. 1000). In dieser Hinsicht hat er sich selbst vorbildlich verhalten. Seine zahlreichen Predigten, sowohl als päpstlicher Legat als auch als Bischof von Brixen hat er regelmäßig gepredigt (in die Legationsreise fallen die Predigten LXXV A bis CXXI, in die Brixner Zeit die Sermones CXXII bis CCLXXXVIII), haben einen markanten Schwerpunkt im Bereich der Glaubensinformation. Sie erklären immer wieder von neuem die zentralen Inhalte des christlichen Glaubens, den Sinn der jeweiligen Feste und überhaupt das Wesentliche der christlichen Existenz. Während sich der Kardinal in seinen Reformkonzepten oftmals in kleinlichen Details zu verlieren droht, ist in seiner Verkündigung, bei aller Vorliebe für das anspruchsvolle spekulative Denken, insgesamt ein beeindruckender theologischer Schwung zu erkennen. Ein schönes Beispiel für den cusanischen Verkündigungseifer hat sich in Hildesheim in Form einer Katechismus-Tafel erhalten. Während seines Aufenthalts in Hildesheim vom 4. bis 27. Juli 1451 ließ Nikolaus von Kues in der Lamberti-Kirche eine Lindenholztafel mit dem Vaterunser, dem Ave Maria, dem Glaubensbekenntnis und den Zehn Geboten in niederdeutscher Sprache aufhängen. Diese Tafel „stellt ein Unikum dar, da sie das einzige erhaltene Zeugnis für die Anbringung derartiger Texte auf Tafeln in Kirchen aus dem Mittelalter ist“ (Rieckenberg 1983, 555). In den einleitenden Worten heißt es, der Legat habe bemerkt, dass das gemeine Volk nicht einmal das Vaterunser richtig sprechen könne und daraufhin die Anbringung der Tafel veranlasst (ebd., 577). (4) Wichtigen Formen der spätmittelalterlichen Spiritualität stand Cusanus skeptisch bis ablehnend gegenüber. Dies wird bereits während der Legationsreise deutlich und wiederholt sich dann in mannigfacher Weise in Brixen. Die eucharistische Schaufrömmigkeit, die sich in zahllosen Sakramentsprozessionen äußerte, wollte er dadurch eindämmen, dass nur an Fronleichnam die konsekrierte Hostie in der Monstranz offen gezeigt werden sollte (Reformdekret 3). Tatsächlich wurde der Anblick des Allerheiligsten im Spätmittelalter immer mehr als Kommunionersatz betrachtet und rückte zugleich ins Zentrum abergläubisch-magischer Vorstellungen, die mit dem christlichen Glauben nichts zu tun hatten (Grass 1972, 19 f.). Vor diesem Hintergrund wird Cusanus’ restriktive Haltung verständlich, sie hatte allerdings de facto keine große Wirkung. Der Wunsch des Volkes, die unverhüllte konsekrierte Hostie zu sehen und an
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den von diesem Anblick ausgehenden Wohltaten teilzuhaben, war einfach zu groß (ebd., 27). Auch in Brixen konnte er die theophorischen Flurprozessionen und Bittgänge, die von der ländlichen Bevölkerung als stärkstes Mittel gegen Unwetter betrachtet wurden, nicht eindämmen. Mit der Verehrung der sogenannten Bluthostien wurde Nikolaus im Verlauf der Legationsreise konfrontiert. Das diesbezügliche 13. Reformdekret wurde erstmals am 5. Juli 1451 in Halberstadt verkündet und dann in Hildesheim, Minden und Mainz erneuert (Meuthen 1989, 486). Das Dekret verbietet in allgemeiner Form die öffentliche Zeigung solcher Hostien und belegt jeden Ort, der diesem Verbot zuwiderhandelt, mit dem Interdikt. Wahrscheinlich war Cusanus der Auffassung, dass hier kein Wunder vorliegt, sondern Betrug im Spiel ist. Dass die Verfärbung der Hostien auch auf natürliche Weise durch den sogenannten Hostienpilz entstehen kann, war zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt. In erster Linie geht es bei dem Dekret um die Verehrung des „Wunderblutes“ von Wilsnack in Brandenburg. Diese Verehrung begann 1383 und löste in der Folge eine ausgesprochen populäre Wallfahrtsbewegung aus, die um das Jahr 1451, zur Zeit der Legationsreise, ihren Höhepunkt erreichte. Die Menschen strömten aus ganz Mitteleuropa (einschließlich Skandinavien) nach Wilsnack (Watanabe 2011, 318). Ob Cusanus selbst in Wilsnack war, um die Echtheit des Hostienwunders vor Ort zu untersuchen, ist unklar. Von Magdeburg aus wäre es für ihn möglich gewesen, in das 130 Kilometer entfernte Wilsnack zu reisen. Das Itinerar der Legationsreise in AC I / 3a, n. 964 erwägt die Möglichkeit eines Aufenthaltes in Wilsnack für den 22. und 23. Juni 1451. Cusanus’ Reformdekret 13 hatte keinen Bestand, es wurde von Papst Nikolaus V. am 12. März 1453 de facto aufgehoben und die Wallfahrt nach Wilsnack kirchlich rehabilitiert (AC II / 1, n. 3209). Man kann Cusanus mit Nikolaus Staubach als Vertreter einer „Reformpastoral“ bezeichnen, „die den religiösen Bedürfnissen des Laien durch elementare Bildungsmittel, würdige Gottesdienstgestaltung und Predigt entsprechen wollte. […] Wenn er beliebte Formen religiöser Folklore einzudämmen versuchte, […], so folgte er damit der schon von Gerson formulierten Einsicht, dass die Frömmigkeit des Volkes sich in gefährlicher Nachbarschaft zu Idolatrie und Superstition bewegte.“ (2000, 315 f.) Der große französische Cusanusforscher Edmond Vansteenberghe schreibt in seiner Biographie über den Kardinal: „Malheureusement, le philosophe, le
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theologien, l’apôtre que fut avec délices le cardinal de Cusa, n’avaient pas tué en lui le juriste.“ – frei übersetzt: „Leider war es nicht möglich, dass Nikolaus von Kues, der ein begnadeter Philosoph, Theologe und Apostel war, den Juristen in sich zum Verschwinden gebracht hätte.“ (Vansteenberghe 1920, 164) Gerade der Blick auf den Kirchenreformer Cusanus macht deutlich, dass mit den Begriffen Philosoph, Theologe und Apostel noch nicht die ganze Gestalt des Nikolaus von Kues erfasst wird. Der äußerst penible, in Paragraphen und Regeln geradezu verliebte Jurist gehört ganz wesentlich zu seiner Persönlichkeit und man muss diese Seite des Cusanus, anders als Vansteenberghe dies tut, nicht nur negativ sehen. Im Gegenteil: Darin zeigt sich das wirklich Einzigartige der Person des Cusanus. „Welcher Philosoph“, so der Historiker Erich Meuthen, „hätte sich je dem Kleinkram des Alltags so verschrieben wie dieser Kirchenfürst, der persönlich die abgelegenen Almen visitiert, der sich darum kümmert, ob die Totengräber tief genug ausgehoben wurden.“ (Meuthen, 1964b) Aus der mit der Legation verbundenen Generalvisitation wurde keine Generalreform der deutschen Kirche. Eine solche in der Kürze der Zeit und angesichts massiver Widerstände durchzuführen, war unmöglich. Erfolge erzielte Nikolaus von Kues dort, wo „er an bereits vorhandene Reformbestrebungen anknüpfen konnte“, wie sich Josef Koch ausdrückt, der in diesem Zusammenhang auch einige Beispiele nennt (Koch 1964, 27). Inwieweit der Kardinallegat die Seelen der Menschen, die ihm begegnet sind, verändern und zur Umkehr im christlichen Sinn bewegen konnte, lässt sich allerdings nicht ermessen. Vielleicht hat er in dieser Hinsicht viel mehr erreicht als eine nüchterne historische Betrachtung im 21. Jahrhundert sich vorzustellen vermag. Ihn selbst hat dieser karrieremäßige Höhepunkt seines Lebens sicherlich zutiefst geprägt. Das, was er im deutschen Reich initiieren wollte und letztlich nur punktuell realisieren konnte, sollte nun wenigstens in einem kleinen Teilgebiet des Reiches in umfassender Weise Wirklichkeit werden, im Bistum Brixen, aus dem Nikolaus von Kues, so Edmond Vansteenberghe, „un diocèse modèle“, ein Musterbistum an der Kulturgrenze zwischen Deutschland und Italien, sowie „une citadelle de vertu“, eine Zwingburg der Tugend, machen wollte (1920, 138). Damit kommen wir zum wohl spannendsten, aber auch tragischsten Kapitel in der Biographie des Cusanus.
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Wie bereits erwähnt wurde, ernannte Papst Nikolaus V. Cusanus am 23. März 1450 zum Oberhirten des Bistums Brixen und weihte ihn am 26. April persönlich zum Bischof. Der Brixner Bischofsstuhl war seit dem Tod von Bischof Johann Röttel am 28. Februar 1450 vakant. Bereits am 14. März hatten drei Brixner Domherren, denen das Kapitel die Aufgabe der Bischofswahl übertragen hatte, Leonhard Wiesmayer bzw. Wiesmair zum neuen Bischof gewählt. Wiesmayer war Brixner Domkapitular, Pfarrer von Dorf Tirol, Salzmair (Salinendirektor) zu Hall und Geheimer Rat sowie Kanzler des Grafen von Tirol, Herzog Sigismund bzw. Si(e)gmund von Österreich. Das Protokoll der Wahl Wiesmayers vermerkt ausdrücklich, man gehorche dabei dem Willen des Herzogs (Baum 1983, 86). Von einer freien Wahl des Kapitels konnte am 14. März 1450 in Brixen also genauso wenig die Rede sein wie am 10. September 1430 in Trier, als das dortige Domkapitel auf Druck des Adels Ulrich von Manderscheid gewählt hatte. Damals unterstützte der junge Advokat Nikolaus von Kues die „Wahl“ des Manderscheiders gegen den vom Papst ernannten Kandidaten Raban von Helmstadt vor allem mit dem Argument, der Papst dürfe den Ständen des Erzstiftes nicht einfach einen landfremden Bischof als Fürsten vorsetzen; das würde nie akzeptiert werden und folglich nur zu Unfrieden und Chaos führen. Jetzt war er selbst der vom Papst providierte Kandidat, dem ein Elekt, ein „Gewählter“, gegenüberstand. Meuthen macht darauf aufmerksam, dass zwischen den beiden Fällen – dem Trierer Bistumsstreit von 1430 und demjenigen von Brixen 1450 – doch ein wesentlicher Unterschied bestehe: „In Trier sollte das ständische, das korporative Prinzip verwirklicht werden, in Brixen das absolutistische, das fürstliche.“ (Meuthen 71992, 100) Diese Unterscheidung ist richtig und wichtig, für den Herzog ging es genauso wie für seine Vorgänger darum, mit Hilfe eines willfährigen und von ihm abhängigen Bischofs von Brixen seine politische Agenda ungestört verfolgen zu können. Diese zielte auf „die Bildung eines neuzeitlichen Territorialstaates“ (Gelmi 2000, 61), in dem die noch existierenden Reste des Hochstiftes Brixen aufgehen sollten, wenn nicht de jure, so wenigstens de facto. Es stellt sich aber doch die Frage, warum Nikolaus von Kues bei diesem Unternehmen mitmachte, selbst wenn stimmen sollte, was er in einer Denk-
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schrift aus dem Jahr 1456 darlegt, der Papst habe ihn „motu proprio“, aus eigenem Antrieb, ohne seine Mitwirkung mit dieser Aufgabe betraut (zit. n. Hallauer 2002, 115). Ihm musste doch angesichts seiner langjährigen Erfahrungen als (Kirchen-)Politiker klar sein, auf welch schwieriges Terrain er sich angesichts der vorgegebenen Konstellation begeben würde. Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass Cusanus in seinem Frühwerk De concordantia catholica, im Sinne der Interessen des Ulrich von Manderscheid, scharf gegen die Verletzung der Rechte der Domkapitel durch den Papst protestiert hatte und zugleich betonte, der Vorgesetzte müsse vom Willen der Untergebenen getragen sein. Davon konnte im Falle seiner Ernennung zum Bischof von Brixen nicht die Rede sein, da ihn mit den tonangebenden Kreisen in seinem Bistum und Hochstift kaum gemeinsame Interessen und Ideale verbanden. Allzu optimistisch und (im Nachhinein betrachtet) naiv meinte der erfolgsverwöhnte Karrierist, er würde auch mit diesem Problem fertig werden und die Brixner Notabeln von seinen guten Absichten überzeugen können. Möglicherweise erwartete er sogar, der junge Herzog von Österreich und Graf von Tirol würde ihn, den berühmten Gelehrten, den apostolischen Legaten und Kardinal der römischen Kirche, mit der Zeit schon als geistlichen Vater und Führer annehmen und seinem Rat gerne folgen. Hermann Hallauer, der beste Kenner der Brixner Zeit des Cusanus, nennt recht einfache und pragmatische Gründe für die Entscheidung des Papstes, dem Kardinal das Bistum Brixen zu übertragen: „Cusanus mußte auch versorgt werden. Er war Bischof und fühlte sich zu dieser Aufgabe berufen. Nicht nur, daß ihm ein Leben an der Kurie widerstrebte: Für seine Mission zur Reform der deutschen Kirche war es günstig, ihn mit den deutschen Reichsbischöfen gleichrangig zu stellen. Den exklusiven süd- und westdeutschen Kapiteln einen Bürgerlichen zuzumuten, war undenkbar. In Brixen, ohnehin relativ klein und bescheiden, waren Provisionen keine Seltenheit. 24 Wahlen stehen 11 Provisionen gegenüber. Seit 1396 gab es nur Kandidaten bürgerlicher Herkunft; im 15. Jahrhundert waren es von sieben Bischöfen sechs. Hinzu kam das jugendliche Alter des Landesfürsten, das geringen Widerstand vermuten ließ.“ (1985 / 86, 447)
Die von Hallauer genannten Argumente sind überzeugend. Durch den Tod von Bischof Röttel bot sich dem Papst die günstige Gelegenheit, seinen Freund, der gerade in Rom weilte, mit einem Bischofssitz und Fürstentum im Deutschen
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Reich zu betrauen. Er konnte für seine Wahl auch plausible Gründe nennen. In einem Schreiben an Herzog Sigismund vom 25. März 1450 stellt der Papst fest, er kenne die Tugenden und Verdienste von Cusanus und wisse, dass es keinen würdigeren Kandidaten für das in Rede stehende Amt gebe (AC I / 2, n. 877). Ähnliche Aussagen finden sich in einem zweiten Schreiben an Sigismund vom 13. Juni 1450 (ebd., I/2, n. 904). In einem wohl von Cusanus konzipierten Brief des Papstes an alle Kleriker und Laien in der Stadt Trient und in den Tälern an der Etsch in den Diözesen Trient und Chur sowie an alle Einwohner der Diözese Brixen vom 31. Oktober 1450 ist der Ton schon wesentlich schärfer und mit der Androhung des Interdikts über die Gebiete Sigismunds versehen. Nikolaus V. weist in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich darauf hin, die Wahl Wiesmayers sei unter dem Druck des Herzogs erfolgt und damit nichtig (ebd., I/2, n. 940). Am 1. März 1451 wurden Nikolaus von Kues von König Friedrich III., dem Vetter und früheren Vormund Sigismunds, die Regalien und Lehen der Brixner Kirche übertragen, er wurde damit als Reichsfürst anerkannt (ebd., I/3a, n. 1063). Daraufhin beendeten der Herzog und das Brixner Domkapitel ihren Widerstand gegen die Ernennung von Cusanus. Dies ist sicherlich nur äußerst widerwillig und zähneknirschend geschehen, denn noch am 27. Januar 1451 hatte das Domkapitel Cusanus’ Provision durch Nikolaus V. als unrechtmäßig bezeichnet und dagegen an den besser zu unterrichtenden Papst sowie an ein künftiges Konzil appelliert (ebd., I/3a, n. 991). Vielleicht hofften Cusanus’ Widersacher, der vielbeschäftigte Kardinallegat werde nicht persönlich in Brixen residieren, sondern das Bistum lediglich als Pfründe betrachten (Meuthen 71992, 101). Am 15. März 1451 wurden in Salzburg Streitbeilegungsverträge von Cusanus mit Leonhard Wiesmayer (AC I / 3a, n. 1103), dem Brixner Domkapitel (ebd., I/3a, n. 1104) und Herzog Sigismund (ebd., I/3a, n. 1105) geschlossen. Leonhard Wiesmayer trat von seinen Ansprüchen auf das Bistum Brixen zurück. Im Vertrag mit Sigismund versprach Cusanus, den Herzog als Vogt, d. h. Schutzherrn des Bistums anzuerkennen, wie dies die früheren Bischöfe auch getan hatten. Cusanus vereinigte als Bischof von Brixen in seiner Person zwei voneinander verschiedene Funktionen: Er war das kirchliche Oberhaupt des Bistums Brixen, eines Suffraganbistums der Erzdiözese Salzburg, welches das heutige Nordtirol und einen großen Teil des heutigen Südtirol umfasste. Bis um das Jahr 1300 war das Hochstift Brixen, d. h. das Reichsfürstentum, in dem der Bischof von
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Brixen zugleich Landesherr war, weitgehend identisch mit dem Bistum Brixen. Die Adeligen, die mit der Vogtei über das Hochstift betraut wurden, entrissen diesem aber immer größere Gebiete und so entstand die Grafschaft Tirol, die ab 1363 durch das Adelsgeschlecht der Habsburger, zu dem auch Sigismund gehörte, regiert wurde. Das Hochstift Brixen umfasste zur Zeit von Cusanus nur noch drei Städte (Brixen, Bruneck und Klausen) sowie ein Dutzend kleiner Landgerichte, die sich wie Flecken im südlichen Teil der Grafschaft Tirol sowie im nordwestlichen der Grafschaft Görz ausnahmen (lediglich das Gericht Buchenstein grenzte an das Ausland, nämlich an Venedig, an), allerdings, zumindest teilweise, durch ihre Lage an den Nord-Süd- sowie Ost-West-Verbindungen strategisch bedeutsam waren. Ein vollständiges Aufgehen des Hochstifts Brixen in der Grafschaft Tirol schien zur Zeit von Cusanus zum Greifen nahe zu sein, zumal auch andere Hochstifte, etwa das benachbarte Trient, genau zu diesem Zeitpunkt dieses Schicksal ereilte. Dass Cusanus auch deshalb vom Papst ernannt wurde, um diese Entwicklung zu verhindern, ist naheliegend. Er war jedenfalls entschlossen, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die Existenz des Hochstiftes dauerhaft zu sichern. Während der Legationsreise hat es Nikolaus von Kues vermieden, das Gebiet des Bistums Brixen zu betreten. Aus diesem Grund reiste er nicht über den Brenner nach Salzburg, sondern über Treviso und Spittal. Nach der vorläufigen Beendigung der Legation Ende März 1452 (offiziell beendet wurde die Reise erst mit der Ankunft von Cusanus in Rom am 5. März 1453, bis dahin führte er auch den Legatentitel; AC I / 3a, n. 963) ist er, von Norden kommend, nach Brixen gelangt. Dort ist er in der Karwoche des Jahres 1452 angekommen. Bereits am Karfreitag, den 7. April 1452, hielt er seine erste Predigt in der Stadt (AC II / 1, n. 2461). Auch am folgenden Ostersonntag hat Cusanus gepredigt (ebd., II/1, n. 2464). Wie er von der Brixner Bevölkerung empfangen wurde, ist nicht überliefert. Schon vorher, zwischen dem 4. und 6. April, muss eine erste Begegnung mit Herzog Sigismund in dessen Residenzstadt Innsbruck stattgefunden haben. Zweimal, im April 1458 und im Oktober 1462, hat sich Cusanus bitter über den damaligen Empfang beklagt. In dem Dokument aus dem Jahr 1458 heißt es: „an aliquis apostolicus legatus unquam ita viliter et despectuose fuerat receptus, […] ipse dux scit.“ – „Der Herzog weiß selbst, dass ein apostolischer Legat noch niemals so schäbig und respektlos empfangen worden ist.“ (ebd., II / 1, n. 2460) Was sich bei dieser Begegnung konkret ereignet hat, ist nicht
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überliefert. Cusanus befand sich auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn, in den vergangenen 15 Monaten hatte man ihn bei zahlreichen Gelegenheiten mit großer Würde und Ehrerbietung empfangen, der Makel seiner bürgerlichen Herkunft schien getilgt und vergessen. Jetzt wurde er offensichtlich auf recht drastische Weise an seine standesmäßige Inferiorität gegenüber dem Herzog erinnert, der, geboren im Oktober 1427, noch nicht einmal halb so alt wie er selbst zum damaligen Zeitpunkt war. Bereits in diesem frühesten Stadium der Auseinandersetzung wird, neben den objektiven politischen Interessengegensätzen der beiden, die subjektivpsychologische Seite des Problems deutlich. Ein größerer Gegensatz als der zwischen dem Kardinal und dem Herzog sei, so die Einschätzung von Josef Gelmi, kaum vorstellbar: „Hier der alte, reformfreudige, oft auch kleinkarierte, kompromisslose, immer auf das Prinzipielle ausgerichtete Kardinal, dessen Handeln nicht selten aber den eigenen Grundsätzen widersprach. Dort der junge, leichtlebige, verschwenderische, heimtückische, immer auf seinen Vorteil bedachte Landesfürst, der trotz seiner vielen und großen Fehler der Sympathien seiner Landeskinder gewiss sein konnte.“ (2000, 61) Bei Hermann Hallauer fällt der Vergleich, meines Erachtens zu einseitig, ganz zu Gunsten von Cusanus aus: „Hier der fromme Priester, durchdrungen von Reformeifer, pfl ichtbewusst und sparsam, dort ein leichtsinniger Lebemann, oberflächlich, jähzornig und verschlagen, immer wieder in Affären verstrickt, von Geldnöten geplagt und dubiosen Freunden umgeben“ (2002, 25). Natürlich war Cusanus Sigismund charakterlich und in Hinblick auf menschliche Integrität, Intelligenz und Wissen weit überlegen, aber er litt doch auch an bedenklichen Schwächen, die im Laufe der Auseinandersetzungen in Brixen mehr als deutlich zu Tage treten. Vor allem war er, wenn er sich moralisch im Recht fühlte, unfähig nachzugeben und sich in die gegebenen Verhältnisse geschmeidig einzufügen. Es fehlte ihm an Geduld sowie an der Gabe, Menschen, die andere Auffassungen und Interessen vertraten, zu verstehen, ohne sie zu verurteilen. Mehrfach wird auch berichtet, dass er ein cholerisches Temperament hatte. Die Chronik des Stiftes Wilten vermerkt in diesem Sinne, dass „der Herr Cardinal Cusanus ein so hiziger Mann seye“ (zit. n. Baum 1983, 110). Wie wir aus einem Brief an Philipp von Sierck vom 20. September 1452 erfahren, wusste Cusanus ganz genau, was Sigismund und seine Höfl inge von ihm erwarteten. Diese hätten ihm deutlich gemacht, dass er sich verhalten müsse wie seine Vorgänger im Brixner Bischofsamt, die Diener des Herzogs
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waren. Auch würde ihn der Herzog wie seinen Kaplan behandeln. Deshalb sei er unsicher, ob er in Brixen bleiben könne, und nicht in der Lage, Philipp den Archidiakonat von Brabant zu überlassen (AC II / 1, n. 2818). Cusanus ist geblieben und hat sich, sowohl aus Pflichtbewusstheit als auch aus trotziger Sturheit, mit größtem Elan in seine Doppelfunktion als Bischof und Landesfürst gestürzt. Nach Auskunft von Georg Mutschlechner (1970) hielt sich Cusanus zwischen April 1452 und September 1458 die meiste Zeit in seinem Bistum auf. Ausnahmen sind: eine Reise nach Regensburg im Juni 1452 zu Verhandlungen über die Hussitenfrage, eine weitere nach Wiener Neustadt, der Residenz des Kaisers, im Dezember 1452, die Reise nach Rom vom März bis Mai 1453 zur Berichterstattung über die große Legationsreise, ein Aufenthalt in Regensburg im Mai 1454 aus Anlass eines Reichstags und eine weitere Reise nach München Ende September 1454. Nikolaus von Kues als bischöflicher Seelsorger in Brixen: Cusanus wollte, wie bereits mit Bezug auf Vansteenberghe vermerkt, aus Brixen eine Musterdiözese machen. Die bei der Legation entwickelten Reformgrundsätze sollten hier mit einem langen Atem umgesetzt werden. Am 3. Februar 1458 schreibt er an den Bischof von Chur: „Ich bin nit des essens wegen in dis Land kommen, sondern um die seelen, die mir anvertraut, Gott zuzuführen.“ (zit. n. Hallauer 2000, 18) Erich Meuthen vertritt die Auffassung, dass „kein deutscher Bischof seines Jahrhunderts“ das Bischofsamt „mit solchem seelsorgerischen Ernste versehen“ habe wie Cusanus (71992, 111), und man kann wohl auch feststellen, dass sein Reformwille in seiner Zeit absolut singulär war (CT V / 1, 68). Um die Reform des Klerus und der Seelsorge voranzutreiben, veranstaltete Nikolaus von Kues vier ordentliche Diözesansynoden in den Jahren 1453, 1454, 1455 und 1457, außerdem zwei Priesterversammlungen 1458 und 1460. Dass in der Brixner Kirche reichlicher Reformbedarf herrschte, wurde schon von den Bischöfen vor Cusanus erkannt und in den Diözesansynoden von 1419, 1438 und 1449 kundgetan. Das Problem des Priesterkonkubinates, das Nikolaus während der Legation zu verschärften Maßnahmen zwang (Meuthen 1989, 467– 469), stellte sich natürlich auch in Brixen. Die Frage der Priesterkleidung und des Auftretens der Kleriker in der Öffentlichkeit wird bereits in den Statuten der Diözesansynode vom 7. Februar 1453 ausführlich thematisiert (AC II / 1, n. 3059). Dort werden auch Restriktionen in Hinblick auf die Wallfahrtspraxis eingeführt. Die Pfarrer dürfen nur Wallfahrten nach Brixen, Rom, Santiago de
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Compostela sowie an andere alte Wallfahrtsstätten wie Aachen und Aquileia gestatten (ebd.). Es ist befremdlich, dass Cusanus nur einen Wallfahrtsort innerhalb seines Bistums zulässt, die Bischofsstadt selbst; weitaus beliebtere Wallfahrtsorte, wie die Klöster Stams und St. Georgenberg, aber nicht nennt (Grass 1972, 53 f.). Bei der Diözesansynode 1455 wurde eine Visitationsordnung für Pfarreien mit 98 Fragen erlassen (CT V / 1, 23 –32, 51–57). Erhalten sind die cusanischen Reformbestimmungen für die Pfarrei Albeins bei Brixen (ebd., V / 1, 33 – 41, 57– 64). Wilhelm Baum nennt einige zentrale Punkte aus dieser Verordnung: „Die Beleuchtung der Kirche wird ebenso vorgeschrieben wie die Hygiene beim Begräbnis; hier mußten die Leichen mindestens sieben Fuß unter dem Erdboden begraben werden; der Küster sollte gleich die Meßlatte bereithalten, um die Tiefe abzumessen. Wichtige Werke zur Volksunterweisung, wie z. B. ein Werk des Theologen Petrus Comestor, sollten am Versammlungsort an einer Kette aufbewahrt werden, damit sie nicht gestohlen werden konnten. ,Fahrende Scholasten‘ sollten nicht aufgenommen werden. Besonders hart erscheint das Verbot der Aussegnung von Müttern unehelicher Kinder. Cusanus ordnete an, daß Frauen, die nach einem Ehebruch ein Kind bekamen, sich öffentlich vor der Kirchentüre vor dem Priester auf den Boden werfen sollten. Dann sollte der Pfarrer den Bußpsalm anstimmen und die Sünderin wieder zur Kirche hereinlassen. Auch sollten diejenigen, die Testamente und Stiftungen zugunsten der Kirche nicht aushändigten, erst dann wieder zum Gottesdienst zugelassen werden, wenn die Kirche das Geld erhalten hätte.“ (1983, 239 f.)
Der Pfarrer von Albeins wird außerdem angehalten, denjenigen den 40-tägigen Ablass zu verweigern, die vorzeitig die Sonntagsmesse verlassen oder sich vor der Predigt drücken (Hallauer 2002, 11). Ein schönes Beispiel für die von Cusanus vertretene „Reformpastoral“ (Nikolaus Staubach) bietet die ebenfalls 1455 erfolgte Neuordnung der Feiertage, die von ihm in vier Klassen eingeteilt wurden. Diese Festtagsordnung ist größtenteils auch in den Anordnungen für die Pfarrei Albeins enthalten. Die großen christlichen Feste bezeichnet der Kardinal als Feiertage erster Klasse. Sie sind allgemein verpfl ichtend und als arbeitsfreie Tage zu achten. Bei den Feiertagen zweiter Klasse, in der Regel anerkannte Heiligenfeste wie St. Nikolaus von Myra oder Pauli Bekehrung, darf gearbeitet werden, wenn dies notwendig ist. Es sei besser, so Cusanus, „durch Arbeit für die Kinder Brod [zu] erwerben, als das Erworbene durch Müßiggang oder [in] Saufgelagen, wie es
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leider (!) üblich ist, [zu] verschwenden“ (zit. n. Grass 1972, 33). Die Feiertage der dritten Klasse, in der Regel zweitrangige Heiligenfeste, sollen als Werktage angesehen werden und es soll ausdrücklich kundgetan werden, dass man an sie nicht gebunden sei. Bei den Feiertagen der vierten Klasse handelt es sich um Feste, die der Aberglaube hervorgebracht hat und die deshalb zu verbieten sind: „Die Octav und Erfi ndung des h. Stephan wider das Ungewitter, die Beobachtung der Feste zur Ehre des h. Georg wider das Fieber, des h. Achatz für das ganze Jahr, des h. Valentin wider die Viehseuchen oder die fallende Sucht, der Freytage nach Christi-Himmelfahrt und Fronleichnam für die Ruhe des Herrn, Johannes und Paulus gegen die Ungewitter“ (zit. n. ebd., 34 f.). Wie üblich verlangt Cusanus von den Pfarrern eine strenge Bestrafung derjenigen, die sich nicht an seine Feiertagsordnung halten: „Ungehorsame, und die über unsere Verordnung unbescheiden murren, diese schicket um die Lossprechung zu uns her; denn wir verbiethen euch hiermit die Lossprechung derselben.“ (Zit. n. ebd., 35) Es ehrt Cusanus als Bischof und zeigt zugleich, wie wenig er bei seinen Maßnahmen aus politischem Kalkül handelte und Rücksicht auf die Machtverhältnisse nahm, dass sein Reformeifer auch das mit einflussreichen Adligen besetzte Domkapitel einschloss, das ihn ja nur wider Willen als Bischof akzeptiert hatte. Für die Visitation des Kapitels erarbeitet der Kardinal 1454 einen umfangreichen Fragenkatalog, der ihren Lebenswandel, ihre äußeren Verhältnisse und ihre geistlichen Bemühungen thematisiert (Baum / Senoner 2000, 88–107). Im Einzelnen will er wissen, „ob sich die Kanoniker regelmäßig, pünktlich und in geziemender Kleidung zum Gebet im Chor versammeln, ob man selbst singt oder nur zuhört oder gar den liturgischen Gesang nicht beherrscht. Die Domherrn müssen bekennen, wer von ihnen zelebriert und wie häufig, welche Dienste im Chor geleistet werden, ob man sich während der Horen unterhält, aufsteht, umherwandelt, vorzeitig die Kirche verlässt. Weitere Fragen forschen den Lebenswandel der Herren aus: Ob sie ein Vorbild abgeben et non scandalicent laicos. Sie sollen offenbaren, mit wem sie verkehren, ob sie ihre Einkünfte schicklich verbrauchen oder für üppige Gewänder, Geschmeide, spitze modische Schuhe oder teure Hunde verschwenden, ob sie damit Verwandte oder illegitime Töchter und Söhne unterstützen. Der Bischof erkundigt sich nach der Tonsur und ihrer Größe, nach der Länge der Haare. In weiteren Fragen müssen die Kanoniker Auskunft geben, in welcher Weise sie sich um die Betreuung ihrer Pfründen sorgen, ob sie den Dienst ihrer Vikare überwachen oder nur die Einnahmen verzehren. Sie haben Rechen-
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schaft abzugeben, wie man die Kapitelsgüter verwaltet, ob man die Pächter anhört, ihre Klagen ernstnimmt, ihnen in Notzeiten beisteht.“ (Hallauer 2002, 12)
Dass die Kapitulare ihrem Bischof in den genannten Punkten vorbehaltlos Auskunft erteilt haben, darf bezweifelt werden. Die Synoden und Visitationen machen nur einen kleinen Teil der seelsorgerischen Tätigkeit von Cusanus in Brixen aus. Er selbst hat sich als Prediger in einer für seine Zeit ganz ungewöhnlich intensiven Weise in die Pflicht genommen. Während die übrigen deutschen Fürstbischöfe im Spätmittelalter kaum jemals selbst gepredigt oder seelsorgliche Aufgaben versehen haben, predigte Nikolaus über mehrere Jahre hinweg fast jeden Sonntag und an den großen Kirchenfesten in der Brixner Kathedrale. Auch bei seinen Reisen durch das Bistum hat er immer wieder das Wort Gottes ausgelegt. Cusanus selbst berichtet, die Gläubigen würden mitunter über seine anspruchsvolle, intellektuell fordernde Verkündigung „murren“, aber er wolle und könne nicht auf eine Form der Predigt verzichten, die den Ansprüchen des Evangeliums Jesu genüge (Sermo CCLXXIV: h XIX, n. 3). Dass Cusanus die Reform der Klöster in besonderer Weise am Herzen lag, wissen wir seit seinen diesbezüglichen Bemühungen während der Legationsreise. Der Tegernseer Benediktinermönch Bernhard von Waging schreibt in einem Brief an Nikolaus von Kues aus dem Jahr 1454 sinngemäß: Er denke oft an das Wort des Kardinals, er wünsche in seinem Bistum Klöster, die „perfectam observantiam et reformationem“ auszeichne, d. h. mit einem vollkommenen Ordensgehorsam und entsprechend reformiert (zit. n. Vansteenberghe 1915, 152). In diesem Bereich hatte er die höchsten Ansprüche und provozierte deshalb auch die größten Widerstände. Bereits am 2. Mai 1452 ließ er das am 10. Februar 1451 in Salzburg erlassene Dekret über die Ordensreform an die Domtüre in Brixen anschlagen. In einem begleitenden Schreiben an alle Ordensgemeinschaften im Bistum stellt er fest, dass die betroffenen Klöster (Stams, St. Georgenberg, Wilten, Neustift, Sonnenburg und die Klarissen in Brixen) in der Frage der Klosterreform überhaupt noch nichts unternommen hätten. Deshalb setze er ihnen eine Frist bis zum 1. September 1452, um das genannte Dekret umzusetzen (AC II / 1, n. 2531). In einem zweiten Schreiben, ebenfalls vom 2. Mai 1452, werden die Klosterfrauen des Bistums aufgefordert, sich an seine strengen Anordnungen über die Einführung der Nonnenklausur zu halten. Diese würden am kommenden Fronleich-
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namsfest (8. Juni) in Kraft treten (ebd., II/1, n. 2535). Da sich die genannten Fristen nicht einhalten ließen, verschaffte er sich von Papst Nikolaus V. am 12. Mai 1453 während seines Romaufenthaltes umfangreiche Reformvollmachten für die genannten Klöster (ebd., II/1, n. 3417). Cusanus verwandte einen Gutteil seiner Zeit und seiner Energie auf die Reform der Klöster des Bistums, allerdings mit recht dürftigem Erfolg. Ganz plakativ ausgedrückt: Im Zisterzienserkloster Stams und im Benediktinerkloster St. Georgenberg erreichte er überhaupt nichts, im Prämonstratenserkloster Wilten bei Innsbruck recht wenig; wesentlich besser funktionierte, insgesamt betrachtet, die Reform im Augustiner-Chorherrenkloster Neustift bei Brixen. Das Klarissenkloster in Brixen konnte Cusanus nach schweren Kämpfen mit den teils adligen Nonnen, vor allem der Tochter des berühmten Minnesängers Oswald von Wolkenstein, Maria, gründlich reformieren. In der Stadt Brixen war er ja nicht nur Bischof, sondern auch Landesherr. Zu einem Desaster für Cusanus mit fatalen Folgen entwickelte sich sein Versuch, um jeden Preis das Benediktinerinnenkloster Sonnenburg bei St. Lorenzen im Pustertal zu reformieren. Der Kardinal hat später selbst die Auffassung vertreten, der Konflikt um Sonnenburg habe wesentlich zu seinem Scheitern in Brixen beigetragen (Hallauer 2002, 237). Hier traf er in der Äbtissin Verena von Stuben auf eine mindestens ebenbürtige Widersacherin, deren Zähigkeit der seinen in nichts nachstand. Was der Äbtissin im Vergleich zum Kardinal an theologischer Bildung und religiösem Eifer fehlen mochte, machte sie durch Chuzpe und taktisches Geschick wett. Es erstaunt nicht, dass Verena seit einigen Jahrzehnten den Status einer feministischen Kultfigur erlangt hat, gelang ihr doch, was in der damaligen Gesellschaft nicht oft vorkam, nämlich einen mächtigen Kirchenmann jahrelang systematisch an der Nase herumzuführen. Das Kloster Sonnenburg wurde zwar als Benediktinerinnenkloster geführt, de facto war es ein adliges Kanonissenstift, in dem unverheiratete Töchter vornehmer Tiroler Familien untergebracht waren. Die für Benediktinerinnenklöster vorgesehene strenge oder päpstliche Klausur wurde in Sonnenburg nie beobachtet. Die Nonnen, so berichteten die im Kloster im Auftrag von Cusanus tätigen Visitatoren, hätten eigenes Geld, eigene Lebensmittel, individuelle Kleidung. Sie reisten zu Hochzeiten und Familienfesten oder zu Kuren in Thermalbädern (ebd., 249 f.), von exzessiven Festen und Ausschweifungen sexueller Art ist allerdings nichts überliefert. Außerdem verfügte das Kloster über einen
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ausgedehnten Grundbesitz, der von den Nonnen, in Sonderheit von der Äbtissin, persönlich verwaltet wurde. Cusanus forderte von den Nonnen im Sinne der benediktinischen Regel die Einführung der strengen Klausur. Dies hätte ein völlig anderes Leben für sie, ohne Außenkontakte und ohne ökonomische Aktivitäten, bedeutet. Da die Nonnen unter anderen Voraussetzungen in das Kloster eingetreten waren, ist ihr Widerstand durchaus verständlich, zumal sie sicher sein konnten, dass hinter ihnen ihre adligen Familien und auch der Herzog von Tirol stehen würden. Umgekehrt sah Cusanus das Kloster Sonnenburg als Präzedenzfall an. Würde hier die Reform gelingen, so würde dies umso leichter auch andernorts der Fall sein. Der Konflikt mit der Abtei Sonnenburg wurde dadurch verkompliziert, dass es dabei nicht nur um das Thema der Klosterreform ging, sondern Cusanus einen alten Streit zwischen der Abtei und dem Hochstift Brixen über die rechtliche Zugehörigkeit des Gadertals („val badia“) mit den Ortschaften Enneberg, Wengen und Abtei zum Hochstift oder zum Kloster Sonnenburg praktisch von seinen Vorgängern auf dem Brixner Bischofsstuhl „geerbt“ hatte. Es würde zu weit führen, die Details dieses Streits hier darzulegen. Das Anliegen der Äbtissin war es von vornherein, beide Themenkomplexe miteinander zu verknüpfen, d. h. die Reform des Klosters erst nach einer politischen Einigung über die Enneberg-Frage in Angriff zu nehmen. Da Cusanus dies begreiflicherweise verweigerte (sonst hätte die Reform zu seinen Lebzeiten kaum eine Realisierungschance gehabt), warf ihm die Äbtissin vor, er benutze das Thema der Reform nur, um die Nonnen durch die Inklaustrierung kaltzustellen und den Machtbereich des Hochstiftes auszuweiten. Weil Nikolaus von Kues auch sonst alles tat, um das Hochstift Brixen zu stärken, schien dieser Vorwurf nicht gänzlich aus der Luft gegriffen, obwohl der Kardinal ihn entschieden zurückwies. Dass die Klosterreform eines seiner zentralen Anliegen war, lässt sich nicht bestreiten (vgl. u. a. AC II / 1, n. 2746, ein Memoriale des Cusanus vom August 1452). Die Äbtissin zog durch zwei kluge Schachzüge Herzog Sigismund unmittelbar in den Konflikt hinein. Sie sorgte für die Bestellung Sigismunds zum Vogt und Schirmherrn ihres Klosters. Dies geschah offi ziell am 14. Oktober 1452 (AC II / 1, n. 2860). Außerdem bat sie den Herzog, die Interessen des Klosters im Streit um Enneberg zu wahren. Das Anliegen der Äbtissin, den lästigen Bischof in die Schranken zu verweisen, traf sich mit den Intentionen des Herzogs,
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der seinen politischen Einfluss im Puster- und Gadertal ausweiten wollte (Hallauer 2002, 255). Fortan erwiderte Verena von Stuben auf jede Reforminitiative von Seiten des Kardinals, sie könne sich dazu ohne die Stellungnahme des Herzogs nicht äußern. Diese Verzögerungstaktik wurde von Sigismund und seinen Räten nach Kräften unterstützt. Es gab in den 1450er Jahren mehrere Versuche, die Abtei zu visitieren, auch signalisierte Verena von Stuben schon im März 1454, sie sei bereit, zu resignieren, allerdings gelang keine Einigung über die dafür zu erfüllenden Bedingungen. Am 4. September 1455 verhängte Cusanus das Interdikt über die Abtei, das jegliche religiöse Handlung im Kloster verbot (Baum 1983, 184). Die Nonnen appellierten an den neuen Papst Calixt III., den Nachfolger des am 24. März 1455 verstorbenen Nikolaus V. Dieser Papst war, anders als sein Vorgänger, dem Kardinal aus Kues nicht besonders verbunden. Er entschied am 11. Dezember 1455, Nikolaus solle den Streit mit den Nonnen gütlich beilegen, „damit er nicht gezwungen sei, in der Sache selbst öffentlich gegen den Kardinal zu entscheiden“ (ebd., 185). Später scheiterte eine Einigung daran, dass die Äbtissin auf einem ehrenvollen Abgang bestand, während Cusanus darauf beharrte, Verena von Stuben müsse als kirchlich Verurteilte demütig um Verzeihung bitten und werde dann, nach Ableistung einer angemessenen Buße, mit der Kirche versöhnt. Kirchenrechtlich betrachtet war die Forderung des Kardinals vollkommen berechtigt. Dass es von ihm politisch höchst unklug war, eine gütliche Lösung des Streits durch dieses Beharren auf dem Rechtsstandpunkt zu gefährden, liegt auf der Hand. Am 5. April 1458 führte der mitunter skurrile Formen annehmende Konflikt zu tragischen Konsequenzen, der sogenannten Schlacht von Enneberg (vgl. zum Folgenden: Hallauer 2002, 129–154). Eine Gruppe von rund 50 Söldnern, angeführt vom Schwager der Äbtissin, Jobst von Hornstein, die im Auftrag der Abtei Abgaben der Bauern im genannten Gebiet eintreiben sollten, wurde von diesen mittels einer Steinlawine getötet. Der bischöfliche Hauptmann Gabriel Prack wurde von den Bauern zu Hilfe gerufen, war aber mit seinen Truppen in das Massaker selbst wohl nicht verwickelt. Er verhaftete allerdings Jobst von Hornstein und brachte ihn zu Cusanus, der bereits seit dem Herbst 1457 aus Angst vor dem Herzog in der nahe gelegenen Burg Buchenstein bzw. Andraz an der Grenze zu Venetien lebte. Die von Hermann Hallauer ausgewerteten Dokumente belegen, dass der Äbtissin die Hauptverantwortung für die Katastrophe von Enneberg zukommt,
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es gelang ihr aber recht schnell, Cusanus die Schuld zuzuweisen. Auch Herzog Sigismund, der zum damaligen Zeitpunkt am Wiener Hof weilte, übernahm rasch diese Version des Geschehens, die, über Jahrhunderte hinweg, die Person des Kardinals mit einer kriegerischen Auseinandersetzung in unmittelbare Verbindung brachte. Sigismund schlug im April 1459 Barbara Schöndorffer, eine Nonne aus dem Kloster Nonnberg bei Salzburg, als neue Äbtissin vor, Verena von Stuben dankte am 23. April 1459 ab. Wohl ab 1465 lebte sie wieder in Sonnenburg und ist dort auch verstorben. Nikolaus von Kues als Landesherr des Hochstiftes Brixen: Trotz seines intensiven seelsorglichen Engagements als Bischof hat Cusanus seine Pfl ichten als Fürst des Hochstiftes Brixen keineswegs vernachlässigt, ganz im Gegenteil: Er trat eindeutig mit dem Vorsatz an, den Prozess der Mediatisierung des Hochstiftes, d. h. seiner Unterstellung unter die Grafschaft Tirol, zum Stoppen zu bringen, ja vielleicht sogar ganz oder wenigstens teilweise rückgängig zu machen. Ob Cusanus von Anfang an wusste, dass bei der Umsetzung dieses Unterfangens ein schwerwiegender Konflikt mit Herzog Sigismund unausweichlich sein würde, ist nicht klar, scheint aber doch wahrscheinlich. Warum hätte er sich sonst von Papst Nikolaus V. die folgende Verfügung bestätigen lassen: „Die Bischöfe von Brixen werden alle Tafeleinkünfte des ersten Jahres zur Tilgung der Schulden und zur Einlösung der versetzten Burgen und Güter ihrer Kirche verwenden. Sie können weder Kanzler noch Hauskapläne weltlicher Fürsten werden, da sie ihre Kirche persönlich regieren müssen.“ (Zit. n. Meuthen 71992, 102; AC II / 1, n. 3421) Innerhalb kurzer Zeit gelang Cusanus die finanzielle Sanierung des Hochstiftes, das bei seinem Amtsantritt eine erhebliche Verschuldung aufwies. Der Kardinal verfügte über ausgezeichnete ökonomische Fähigkeiten, außerdem war er beim Eintreiben der dem Stift zustehenden Einnahmen unerbittlich, wie bereits in der Frage des Zehnten deutlich wurde. Schon zu Beginn des Jahres 1453 forderte er von den Herren von Freundsberg die an der Straße zum Brenner gelegenen Pfandschaften Steinach und Matrei zurück, später dann die Ämter St. Petersberg im oberen Inntal und Strassberg bei Sterzing. 1455 löste er das verpfändete Gericht Velthurns (zwischen Brixen und Säben gelegen) ein, 1456 kaufte er das Amt Taufers oberhalb von Bruneck von Herzog Sigismund, der sich damals in erheblichen Geldnöten befand und deshalb Cusanus Zugeständnisse machen musste.
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Die Restitutionspolitik des Kardinals fußte auf umfangreichen rechtshistorischen Studien, deren Ergebnisse er in mehreren Denkschriften zusammenfasste. Mit dieser Tätigkeit begann Cusanus kurz nachdem er sein Bischofsamt angetreten hatte, sie erreichte ihren Höhepunkt 1458 während seines zwangsweisen Aufenthaltes in Buchenstein. Für den Rechtshistoriker Cusanus ist nach dem eingehenden Quellenstudium bewiesen, dass die Brixner Kirche im Laufe der letzten Jahrhunderte um einen Großteil ihres Besitzes gebracht worden sei. Er war wohl tatsächlich davon überzeugt, eine lange Fehlentwicklung könne dadurch aufgehalten werden, dass man anhand der Dokumente aus vergangener Zeit die einstigen Besitzverhältnisse aufzeige. „Seine Bataillone“, so Hallauer, „sah er in den vergilbten Pergamenten, alten Codices, in Brief und Siegel.“ (2002, 46) Je stärker der Widerstand gegen ihn wird, desto grundsätzlicher und entschiedener werden die rechtsgeschichtlich gut begründeten, aber doch irrealen, weil anachronistischen Forderungen. Hallauer kommt zu dem Ergebnis, Cusanus habe gar nicht daran geglaubt, er könne das Rad der Geschichte um mindestens 150 Jahre zurückdrehen, er habe damit lediglich zeigen wollen, dass seine tatsächlichen Forderungen moderat im Vergleich zu dem seien, was er fordern könnte (ebd., 70). Herzog Sigismund und maßgebliche Vertreter des Tiroler Adels haben Cusanus anders verstanden. Sie haben ihn ernst genommen und ihn als konkrete Bedrohung empfunden (vgl. zum Folgenden: Gelmi 1995). Nur so ist erklärlich, dass seit 1455 mehr oder weniger versteckte Morddrohungen gegen den Kardinal kursierten. Ob diese nur von Teilen des Adels oder auch aus dem direkten Umfeld des Herzogs kamen, lässt sich nicht mehr genau rekonstruieren. Insbesondere die Geschlechter der Gufidauner, Freundsberger und Wolkensteiner waren erbitterte Feinde des Kardinals. Als Adelige nahmen sie für sich auch das Femerecht in Anspruch, d. h. die Berechtigung, Widersacher persönlich zu liquidieren. Maßgeblich verschlechtert hatte sich das Verhältnis zum Adel dadurch, dass Cusanus seinen Verwandten Simon von Wehlen als Nachfolger von Leonhard Wiesmayer, der 1456 zum Bischof von Chur gewählt worden war, ins Brixner Domkapitel aufnehmen wollte. Da die Wahl Wiesmayers vom Papst nicht anerkannt wurde, wollte dieser sein Kanonikat behalten. Vier Kanoniker, die die Übertragung des Kanonikats auf Simon von Wehlen ablehnten, wurden von Cusanus exkommuniziert. Das ohnehin komplizierte Verhältnis zwischen Kardinal und Domkapitel hat sich nach diesem Eklat nie mehr zum Guten ge-
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wendet. Das Verhältnis zu Herzog Sigismund verschlechterte sich, als dieser von Überlegungen des Kardinals erfuhr, das Bistum Brixen einem Wittelsbacher Prinzen zu übertragen. Nach einem Besuch in Innsbruck bei Herzog Sigismund im Juni 1457, bei dem sich einige höchst sonderbare Zwischenfälle ereigneten, die Cusanus zu der Überzeugung brachten, man wolle ihn in eine tödliche Falle locken, fühlte er sich in Brixen nicht mehr sicher und verließ die Stadt am 4. Juli 1457, ohne zu ahnen, dass er in seine Bischofsstadt nie mehr zurückkehren würde. In der Festung Buchenstein bzw. Andraz an der Grenze zu Venedig, 1750 Meter hoch in den Dolomiten gelegen, endete seine Flucht und er ist dort (abgesehen von einer Reise zur Brixner Exklave Veldes im heutigen Slowenien im Frühjahr 1458) bis zum September 1458 geblieben. Auch hier, in dieser „wüstenai“, wie sich Cusanus ausdrückt (Hallauer 2002, 66), war er rastlos tätig. Er machte Calixt III. und viele andere auf sein schweres Schicksal als bedrohter Bischof und Kardinal aufmerksam. Immerhin brachte er den Papst dazu, Herzog Sigismund am 11. November 1457 die Verhängung des Interdikts über sein Herrschaftsgebiet anzudrohen (Baum / Senoner 2000, 312–321). Dass er außerdem noch in der Lage war, in Buchenstein De beryllo, eine seiner schwierigsten philosophischen Schriften zu verfassen, zeigt, dass sein Geist auch in der schwersten Bedrängnis beeindruckende spekulative Höhenflüge zustande bringen konnte. Im September 1458 reiste Nikolaus nach Rom, um den neu gewählten Papst Pius II., vormals Enea Silvio Piccolomini, zu seiner Wahl zu beglückwünschen. Cusanus und Enea Silvio kannten sich seit der Zeit des Basler Konzils, sie schätzten einander trotz erheblicher charakterlicher Verschiedenheit. Der neu gewählte Papst hielt wenig davon, dass der große Philosoph und Theologe Nikolaus von Kues seine Energie in einem Bistum in den Alpen verschwendete. Bereits am 27. Dezember 1456 hatte er ihm aus Anlass seiner Aufnahme ins Kardinalskollegium Folgendes geschrieben: „So bitte ich, […] daß Du möglichst bald in die Vaterstadt zurückkehrst; denn eines Kardinals Vaterstadt ist Rom allein. Wenn er auch bei den Indern geboren wäre, so müßte er doch entweder den Hut zurückweisen, oder ihn, einmal angenommen, zu Rom tragen und aller Kirchen Muttersitz ratgebend zur Seite stehen. Unpassend ist jene Entschuldigung: Ich werde doch nicht gehört, wenn ich zum Rechten mahne. Die Zeiten ändern sich nämlich, und wer einst verachtet war, wird nun ganz besonders geehrt. Komm also, beschwöre ich Dich, komm! Denn nicht gerade Deine Kraft darf eingeschlossen in Schnee und dunk-
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Es mag sein, dass sich der verzweifelte Kardinal in seiner Dolomitenfestung an diesen Brief erinnerte, als ihn die Nachricht von der Wahl Enea Silvios zum Papst erreichte. Da ihn der Papst, wie wir noch sehen werden, nach der Ankunft in Rom sofort mit wichtigen Aufgaben betraute, war an eine schnelle Rückkehr nach Brixen nicht zu denken. 1459 traf Nikolaus von Kues beim Kongress von Mantua mit Herzog Sigismund zusammen. Dieser hatte mittlerweile den entschiedenen Konziliaristen und antikurialen Agitator Gregor Heimburg als seinen Rechtsbeistand engagiert, der bereits seit den 1440er Jahren ein erklärter Feind von Cusanus war (Watanabe 2011, 142–148). Heimburg polemisierte in maßloser Weise gegen den Kardinal und trug dadurch wesentlich zur Verschärfung des Konflikts zwischen ihm und dem Herzog bei. Warum Cusanus Anfang Februar 1460 von Mantua aus in sein Bistum zurückkehrte, ist bis heute nicht geklärt. Wir wissen auch nicht genau, wie lange er bleiben wollte. In einem Brief der Markgräfi n Barbara Gonzaga (Barbara von Brandenburg) an ihren Ehemann Lodovico ist allerdings davon die Rede, dass Cusanus beabsichtige, zu Pfi ngsten wieder an der Kurie zu sein (Meuthen 1958, 56, 221). Dieser Aufenthalt stand von Anfang an unter einem denkbar schlechten Stern. Kaum in Bruneck angekommen, gab es eine für Cusanus enttäuschende Begegnung mit dem Domkapitel, das offensichtlich mehr mit dem Herzog als mit seinem Bischof sympathisierte und die Aufhebung des mittlerweile verhängten Interdiktes über das von Herzog Sigismund regierte Gebiet forderte. Dass dieses Interdikt auch beim Klerus für Unmut sorgte, musste Nikolaus bei einer Klerusversammlung feststellen, die am 30. März in Bruneck stattfand. Diese kirchenrechtliche Sanktion sollte den Herzog gefügig machen, traf aber in erster Linie die einfachen Gläubigen, die des Gottesdienstes und der Sakramente beraubt wurden, und natürlich die Pfarrer, die dadurch in einen unlösbaren Loyalitätskonfl ikt zwischen Bischof und Landesherr gestürzt wurden. Auch in diesem Punkt wiederholt sich eine Situation des Trierer Bistumsstreits in Brixen, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen. Als Vertreter des „gemeinen Klerus von Trier“ hatte der junge Cusanus beim Basler Konzil die Folgen des über das Erzstift verhängten Interdiktes heftig beklagt und verurteilt, als Bischof von Brixen drängte er, wie seinerzeit Raban von Helmstadt, auf
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dessen unbedingte und unerbittliche Durchsetzung, er hatte allerdings wenig Erfolg damit. Die verzweifelte Drohung von Cusanus, alle Lehen der Brixner Kirche an den Kaiser zurückzugeben und damit die Existenzgrundlage der Grafschaft Tirol anzutasten, betrachtete Sigismund als Kriegsgrund. Er zog mit einem Heer nach Bruneck und zwang Nikolaus zur vollständigen Unterwerfung. Zwischen dem 18. und 25. April 1460 wurde der Kardinal genötigt, mehr als ein Dutzend Verträge zu unterschreiben, die seine bisherige Politik ad absurdum führten (Hallauer 2002, 181–185). Er wurde gezwungen, Taufers zurückzugeben, dem Herzog seine Schulden zu erlassen und zusätzlich noch ein beträchtliches Lösegeld zu zahlen. Außerdem sollte die Verfügungsgewalt über die bischöflichen Burgen an das Domkapitel übergehen, das sich verpflichtete, diese dem Herzog offenzuhalten und mit Hauptleuten zu besetzen, die ihm genehm waren. Dass Cusanus nach seiner Freilassung und nachdem er auf sicherem venezianischem Boden war, diese Verträge sofort widerrief und für nichtig erklärte, versteht sich von selbst. Die Ereignisse von Bruneck markieren den definitiven Tiefpunkt im Leben des Nikolaus von Kues. Sie waren für ihn eine ungeheure Demütigung. Im Nachhinein hat Cusanus erkannt, warum Gott ihm nicht den Mut schenkte, das Martyrium auf sich zu nehmen, anstatt die Knebelverträge Sigismunds zu unterzeichnen. In einem Brief an seinen Freund, den Bischof von Eichstätt Johannes von Eych, vom 11. Juni 1460, bekennt er als den Grund seines Scheiterns, zu sehr auf die Macht und das Ansehen der Kirche geschaut und zu wenig für die Armen getan zu haben: „Ich hadere nicht, Gott sei mein Zeuge, dass mir dieses widerfahren ist. Voller Freude hatte ich gehofft, mein Leben durch einen ruhmvollen Tod für die Gerechtigkeit beschließen zu dürfen. Allein ich war nicht würdig. Mir ist zu Bewußtsein gekommen, daß die Kirchen durch den Eifer der Oberhirten in ihrem weltlichen Besitz nicht vermehrt, sondern nur erhalten werden sollen […] Auch ich wollte meine Kirche reicher machen, gab den Armen nur wenig. Diesen Irrtum erkannte ich erst jetzt. Daher traf mich die Strafe. Trösten wir uns, […] daß Gott uns bestrafte, um uns so unsere Verfehlung zu zeigen, damit wir in Zukunft mit mehr Eifer die geistlichen Pfl ichten erfüllen und die Sorge um den weltlichen Besitz zurückstellen. Denn vor allem anderen müssen wir Gott über die Erfüllung unserer seelsorglichen Pfl ichten Rechenschaft abgeben.“ (Zit. n. ebd., 2002, 31 f.)
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Verschiedentlich wurde in der Cusanus-Forschung die Frage erörtert, ob Cusanus in Brixen seine Kräfte nicht sinnlos vergeudet habe. Erich Meuthen zitiert als exemplarischen Vertreter dieser Auffassung den Brixner Kirchenhistoriker Anselm Sparber, der kritisierte, „daß ein so großer Geist in einem so kleinlichen Kampf seine Kräfte verzehrte; denn die Frage, ob die Nonnen von Sonnenburg Klausur einhielten oder nicht, war sicherlich nicht so bedeutungsvoll“ (zit. n. Meuthen 1958, 16, dort kein Beleg angegeben). Meuthen stellt demgegenüber fest: „Wollte Cusanus sein Bistum auch dort reformieren, wo ihm der vom Herzog unterstützte tirolische Adel widerstand, mußte es zur Kraftprobe zwischen Bischof und Herzog kommen. Je mehr politische Macht sich der Bischof verschaffte, konkret gesprochen: das Hochstift fi nanziell und territorial sanierte, desto unabhängiger wurde er zumindest dort. Diese Sanierung führte aber in der Praxis wieder oft von kirchlichen Aufgaben weit weg in den reinen politischen Machtkampf. Dieser ganze Erfahrungskreis wurde Nikolaus nur durch die Zähigkeit seines Ringens so tief erschlossen, und nicht nur ihm. Die Herabwürdigung des großen Geistes ins Kleinliche war notwendig für eine größere historische Erkenntnis; denn in derartiger Weise hatte vor ihm und vielleicht auch nach ihm kein Reformator diese kirchenpolitische Konstellation im Übergang von Mittelalter zu Neuzeit durchmessen.“ (Ebd.)
Die Brixner Jahre waren sicherlich keine verlorene Zeit für Nikolaus von Kues. Erst nach Veröffentlichung des gesamten zweiten Bandes der Acta Cusana, der den Jahren von 1452 bis 1460 gewidmet ist (bisher ist nur der erste Faszikel erschienen, der am 29. Mai 1453 endet), wird man ermessen können, was Cusanus in diesem Zeitraum geleistet hat. Die Edition seiner rechtshistorischen Denkschriften wird zudem eine neue Facette seines intellektuellen Schaffens kenntlich machen. Hinzu kommt, dass der Kardinal einige seiner wichtigsten Schriften in dieser Periode verfasste, nicht nur das bereits erwähnte Werk De beryllo, sondern auch 167 zum großen Teil sehr gut ausgearbeitete, theologisch subtile Predigten und die beiden Meisterwerke De pace fidei und De visione dei, die im Herbst 1453 entstanden sind. Im August 1460 verhängte Papst Pius II. die schärfsten kirchenrechtlichen Sanktionen über Sigismund. Auf die Exkommunikation folgte die Aufforderung zur Rebellion gegen den Herzog. Dies nutzten die Schweizer Eidgenossen, um seine Gebiete im Thurgau zu erobern. In Tirol selbst war Sigismund aber unge-
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fährdet. Im Sommer 1464 kam es zu einer Einigung. Nikolaus sollte Bischof bleiben, aber das Amt nicht selbst ausüben. Wenige Wochen nach dem plötzlichen Tod von Papst und Kardinal im August 1464 wurde Sigismund wieder in die Kirche aufgenommen. Das Hochstift Brixen blieb erhalten, bis 1803 alle geistlichen Fürstentümer im Reich aufgelöst wurden.
Die römischen Jahre des Nikolaus von Kues Die römischen Jahre des Nikolaus von Kues
Nur unterbrochen durch den so dramatisch verlaufenen Aufenthalt in seinem Bistum zwischen Februar und April 1460, verbrachte Cusanus die Zeit zwischen dem 30. September 1458 und seinem Tod am 11. August 1464 in Italien (vgl. das Itinerar für die Zeit zwischen 1458 und 1464 im Anhang zu Meuthen 1958, 315 f.). Meistens lebte er direkt in Rom als Kurienkardinal in der unmittelbaren Umgebung des Papstes. Eine Aufgabe an der Kurie hatte Cusanus nicht angestrebt, jedenfalls lehnte er sie noch im Jahr 1453 ab (Koch 1953, 60). Auch wenn es Papst Pius II. gewesen war, der Cusanus bereits im Dezember 1456 inständig gebeten hatte, nach Rom zu kommen, ging diesem Wechsel die Schmach voraus, als Bischof von Brixen gescheitert zu sein. Hinter der plötzlichen Rückkehr des Kardinals in sein altes Bistum im Winter 1460 mag der unbändige Wunsch gestanden haben, den Makel des Scheiterns doch noch zu tilgen. Cusanus’ Gefangennahme und Erpressung durch Herzog Sigismund im April 1460 waren in dieser Hinsicht durchaus hilfreich. Sie führten der Welt vor Augen, wie brutal und rücksichtlos sein Kontrahent vorging und trugen damit wesentlich zur Festigung seines ohnehin hohen Ansehens an der Kurie bei. In Italien wird Cusanus in der Folge geradezu als Heiliger betrachtet. Insbesondere seine Bescheidenheit und Bedürfnislosigkeit werden, natürlich im Vergleich mit der Prunk- und Verschwendungssucht vieler anderer Kardinäle, vielfach gerühmt (Meuthen 1958, 88). Da Nikolaus keinen Zugriff auf die ihm zustehenden Erträge aus dem Bistum Brixen hatte, war er auf finanzielle Unterstützung durch den Papst angewiesen, die ihm dieser auch bereitwillig gewährte. Cusanus lebte im päpstlichen Palast und wurde durch den Haushalt des Papstes versorgt (ebd., 90). Pius II. verfolgte in seinem Pontifi kat vor allem zwei Ziele, die Reform der Kirche und die Einigung der katholischen Mächte zur Durchführung eines Kreuz-
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zuges gegen die Türken. Das letztere Anliegen wurde für den Papst geradezu zu einer Obsession. Der türkische Sultan Mehmed II. hatte am 29. Mai 1453 die Stadt Konstantinopel erobert und drang auf dem Balkan immer weiter vor. Lediglich der christliche Sieg bei Belgrad im Sommer 1456, von dem bereits die Rede war, stoppte den türkischen Vormarsch in Richtung Ungarn für einige Zeit. Schon vor seinem Pontifi kat hatte sich Enea Silvio Piccolomini in dieser Frage mehr als die anderen christlichen Intellektuellen seiner Zeit engagiert. Er betrachtete das Vordringen der Türken als existentielle Bedrohung des christlichen Abendlandes, der man mit allen Mitteln entgegentreten müsse. Am 21. Juli 1453 hatte er Cusanus in einem bewegenden Brief den Untergang Konstantinopels mitgeteilt und zugleich auf die damit aus seiner Sicht verbundenen Konsequenzen hingewiesen: „Die Türken sind der Wollust ergeben; die Wissenschaft achten sie gering, blähen sich jedoch in unglaublicher Selbstüberhebung auf. […] Abgeschnitten ist der Zufluß aller Gelehrsamkeit; der Musen Quell ist vertrocknet. […] Seht nun, die Türken, die Feinde des griechischen wie auch des lateinischen Schrifttums, lassen kein fremdes Buch mehr bestehn, um den eigenen, ungereimten Platz zu verschaffen. Daß sie nun nach der Einnahme Konstantinopels jedes beliebige schriftliche Denkmal den Flammen übergeben, wer wollte es bezweifeln? Nun also kommt für Homer, Pindar, Menander und für alle berühmten Dichter der zweite Tod. Nun steht allen Philosophen Griechenlands der letzte Untergang bevor. Wohl wird den Lateinern ein Lichtschimmer bleiben; doch ich bekenne, auch dieser wird nicht dauern, wenn nicht Gott aus der Höhe mit milderem Blick auf uns herabschaut und dem römischen Reich und apostolischen Stuhl ein besseres Schicksal verleiht. […] Groß ist dieser Verlust [der griechischen Wissenschaft], doch viel größer noch jener, wodurch wir den christlichen Glauben eingeschränkt und in einen Winkel zurückgedrängt sehen. Denn nachdem er den ganzen Erdkreis beherrscht hat, ist er nun bereits aus Asien und Libyen vertrieben und darf auch in Europa nicht zur Ruhe kommen. […] Wir haben die Niederlage der Griechen erlebt, nun erwarten wir den Untergang der Lateiner. Niedergebrannt ist das Nachbarhaus, nun sieht das unsere dem Brand entgegen. Was steht denn zwischen uns und den Türken? Ein wenig Land nur und ein wenig Meer liegt trennend zwischen uns. Schon hängt über unsern Nacken das türkische Schwert […]“ (zit. n. Widmer 1960, 447– 451).
Auf dem Frankfurter Reichstag vom Oktober 1454 hielt Enea Silvio Piccolomini eine flammende Rede. Europa wird darin als das durch die Invasion der
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Türken unmittelbar gefährdete Vaterland der Christen bezeichnet. Seine Betrachtungsweise ist streng dualistisch. Die Begriffe „Christentum – Europa – Zivilisation“ gehören für ihn ebenso zusammen wie die Begriffe „Türke“ und „Barbar“. Leider wissen wir nicht, wie sich Cusanus zu Piccolominis Dualismus verhalten hat. Dass er das Recht auf Verteidigung des christlichen Abendlandes mit Nachdruck unterstützt hat, kann nicht bezweifelt werden. Dies ergibt sich aus der Neustifter Predigt vom August 1456 (Sermo CCXL: h XIX, n. 1–5) ebenso wie aus dem Brief an Johannes von Segovia vom 29. Dezember 1454 (ediert in h VII). Meuthen schreibt: „Pius II. erwartete in Nikolaus von Kues den großen Förderer seiner Kreuzzugspläne“ (1958, 53), ohne dass aus seiner Darstellung der römischen Jahre des Cusanus hervorgehen würde, worauf sich diese Erwartung gründete. Zu den mitreißenden Appellen und Aufrufen eines Enea Silvio Piccolomini gibt es jedenfalls im Schrifttum des Nikolaus von Kues nichts Vergleichbares. Im Gegenteil: In seinem Brief an Johannes von Segovia lässt Cusanus durchblicken, dass er einen militärischen Kreuzzug gegen die Türken für wenig aussichtsreich hält und der intellektuellen Auseinandersetzung mit den Muslimen den Vorzug gibt. Einen Monat nach seiner Krönung rief Pius II. für den Sommer 1459 einen Fürstenkongress nach Mantua ein, der einen gemeinsamen Kreuzzug gegen die Türken vorbereiten sollte. Als der Papst um die Jahreswende 1458 / 59 Rom verließ, um in Verbindung mit längeren Aufenthalten in Siena und Florenz nach Mantua zu reisen, ernannte er Nikolaus von Kues, wenige Wochen nach dessen Ankunft in der Ewigen Stadt, am 11. Dezember 1458 zum Legaten und am 11. Januar 1459 zum Generalvikar in temporalibus, d. h. für die weltlichen Belange, in der Stadt Rom und in einem Teil des Kirchenstaates, den Provinzen auf der Westseite des Appenin (Meuthen 1958, 143 f.). Cusanus selbst bezeichnet sich in den erhaltenen Dokumenten nicht als Generalvikar, sondern als „legatus Urbis“ oder einfach als „legatus“ (ebd., 30). Seine Legatentätigkeit endete mit der Abreise nach Mantua, wo er Anfang Oktober 1459 eintraf (ebd., 47). In der Ernennungsbulle des Papstes wird Cusanus ausdrücklich mit der Aufgabe der Klerusreform betraut. Wie üblich ging er damit unverzüglich ans Werk und berief für den 11. Februar 1459 eine Reformsynode des römischen Klerus ein. Dieser Synode ging am 27. Januar eine Visitation der Kanoniker der Basilika von St. Peter voraus, analoge Visitationen der päpstlichen Basiliken San Giovanni in Laterano und Santa Maria Maggiore folgten. Cusanus’ Aus-
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führungen bei der anlässlich der Visitation von St. Peter gehaltenen Predigt machen deutlich, dass sich sein Verständnis von Kirchenreform durch die insgesamt misslichen Erfahrungen in Brixen nicht geändert hat. In der gewohnten Weise schärft er den anwesenden Kanonikern den Gehorsam gegenüber den „canones“, den Regeln ein, von denen ihr Name komme („Canonicus, a regula dictus, in regularum seu canonum observantia vivere, moveri et currere debet“, Sermo CCLXXXIX: h XIX, n. 11). Der Erfolg der römischen Synode war wohl ebenso dürftig wie derjenige der Visitationen der genannten Hauptbasiliken. Trotz alledem entwarf Nikolaus im Auftrag des Papstes einen umfangreichen Plan zur Reform der Kurie, die Reformatio generalis. Erich Meuthen vermutet, Cusanus’ Neutralität in Bezug auf die „mittelitalienischen Familienfehden“ habe seine Ernennung zum „legatus Urbis“ beeinflusst (1958, 32). Im Verlauf des Jahres 1459 wurde Nikolaus auch in die verwickelten Probleme und Intrigen der italienischen Politik hineingezogen und er musste sich zugleich um die Alltagsfragen im Kirchenstaat kümmern. Auch hier zeigt sich ein aus Brixen vertrauter Zug, seine Unerbittlichkeit im Eintreiben der Steuern (ebd., 41). Ein Brief vom 9. Juni 1459 dokumentiert, dass Cusanus seine Aufgabe zur Zufriedenheit seines päpstlichen Herrn erfüllte (ebd., 183 f.). Cusanus sicherte den Frieden im Kirchenstaat und handelte auch sonst politisch geschickt. Dies zeigt, dass er als Politiker keineswegs unfähig war, wie manche seiner Kritiker behauptet haben. Allerdings unterschied sich die Aufgabe des Generalvikars des Papstes grundsätzlich von derjenigen des Bischofs von Brixen. Die genannte Funktion war zeitlich auf mehrere Monate begrenzt und gedeckt durch die Autorität des Papstes, der jederzeit, auch von Mantua aus, unterstützend eingreifen konnte. In Brixen war Cusanus letztlich auf sich allein gestellt und versuchte trotzdem, gegen übermächtige Kontrahenten den Gang der Geschichte zurückzudrehen. Nach den Geschehnissen von Bruneck im April 1460 eilte Cusanus rasch zurück in den Kirchenstaat. Es ist erstaunlich, wie schnell sein Leben nach dieser Katastrophe in die gewohnte Spur zurückfand. Er nahm fortan keine offi zielle Aufgabe, vergleichbar derjenigen eines Generalvikars oder Legaten, mehr wahr, wurde aber einerseits vom Papst mit wichtigen Aufträgen betraut, „einer kaum mehr übersehbaren Zahl von Disziplin-, Benefi zial- und Kriminalsachen“, wie sich Meuthen ausdrückt (ebd., 63), andererseits wandten sich zahlreiche Bittsteller an ihn, damit er ihre Anliegen bei der Kurie vertrete. In
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allen Deutschland betreffenden Fragen konsultierte Pius II. Nikolaus von Kues (ebd., 107), obwohl der Papst ja selbst etliche Jahre nördlich der Alpen verbracht hatte. Auch im Rahmen des Konsistoriums, der gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung von Papst und Kardinalskollegium, die erst im 16. Jahrhundert abgeschafft wurde, hatte Nikolaus Einfluss auf die Kirchenleitung. Hervorzuheben ist, dass Cusanus noch einmal, 30 Jahre nach der ersten Beschäftigung mit dieser Thematik beim Basler Konzil, mit der Hussitenfrage befasst wurde. Er wollte sogar im Jahr 1463 als apostolischer Legat nach Deutschland zurückkehren, um die Böhmensache voranzutreiben. Die offizielle Annullierung der Kompaktaten, d. h. der den Böhmen zugestandenen Sonderrechte (u. a. des Laienkelches) durch Pius II., unterstützte Cusanus, da diese nicht zur Befriedung der Situation beigetragen hatten (Vansteenberghe 1920, 224). Als Kurienkardinal war Cusanus auch in Personalfragen involviert, insbesondere Ergänzungen des Kardinalskollegiums waren mit umfangreichen Konsultationen und Intrigen aller Art verbunden. Die für Weihnachten 1461 geplante Kreation neuer Kardinäle beschäftigte die Kurie mehrere Monate lang. Cusanus setzte sich mit Nachdruck für die Erhebung eines erst 18 Jahre alten Sprößlings der Familie Gonzaga, der Markgrafen von Mantua, ein, dessen Reife allerdings, davon war Cusanus überzeugt, „der eines Dreißigjährigen oder gar noch Älteren“ entspreche (Meuthen 1958, 78). Die Mutter des Jünglings, Barbara Gonzaga, war die Tochter des Markgrafen Johann von Brandenburg und Vertraute des Kardinals. Man sieht daran, dass Cusanus allem ehrlichen Reformeifer zum Trotz doch ein Kind seiner Zeit war und bis zu seinem Tode geblieben ist, denn um die Würdigkeit des von ihm so eindeutig protegierten Francesco Gonzaga war es sicherlich nicht besser bestellt als um diejenige des von ihm 30 Jahre zuvor unterstützten Ulrich von Manderscheid. Auf der anderen Seite bekämpfte Nikolaus mit aller Entschiedenheit die Kandidatur des französischen Bischofs Jean Jouffroy, dessen Erhebung den kirchenpolitischen Preis für die Aufhebung der gallikanischen Prinzipien der Pragmatischen Sanktion von Bourges darstellte. Dass Jouffroy ein ungewöhnlich unsympathischer Zeitgenosse war, lässt sich der Autobiographie von Papst Pius II., den Commentarii rerum memorabilium que temporibus suis contigerunt entnehmen, in der er den Franzosen moralisch vernichtet und seine Arroganz sowie Selbstverliebtheit systematisch bloßstellt (Märtl 1996, 9, 11 f.).
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Cusanus machte Pius, der Jouffroys Erhebung aus politischem Kalkül betrieb, Vorwürfe und beklagte sich zugleich heftig über die Situation an der Kurie, wie uns der Papst in seiner Autobiographie mitteilt: „Du willst, dass ich allen Deinen Wünschen beipfl ichte; ich kann dies nicht. Ich kann nicht schmeicheln. Ich hasse die Kriecherei. Wenn Du die Wahrheit hören kannst: Nichts, was an dieser Kurie geschieht, gefällt mir. Alles ist verkommen, keiner erfüllt seine Pfl ichten wirklich genügend. Weder Dir noch den Kardinälen liegt das Wohl der Kirche am Herzen. Wo fi ndet man noch Beachtung des Kanons? Wo beobachtet man Ehrfurcht vor den Gesetzen? Wo trifft man noch auf Eifer für den Gottesdienst? Alle werden von Ehrgeiz und Habgier getrieben. Wenn ich gelegentlich im Konsistorium von Reformen spreche, werde ich ausgelacht. Ich erreiche hier nichts. Ich bin überflüssig. Erlaube mir, dass ich gehe. Solche Sitten sind mir unerträglich. Da ich schon zu alt bin, bedarf ich der Ruhe. Ich werde mich in die Einsamkeit zurückziehen. Kann ich nicht für das Gemeinwesen leben, so lebe ich für mich selbst.“ (Nagel 2006, 49)
Pius teilt uns weiterhin mit, dass Cusanus danach in Tränen ausgebrochen sei. Er habe ihm dann Folgendes geantwortet: „Du täuschst Dich, wenn Du meinst, dass Du uns widerwärtig bist. Seit wir Dich in Basel kennengelernt haben, haben wir niemals aufgehört, Dich zu lieben […]. Du tadelst alles, was an der Kurie geschieht. Auch wir billigen nicht alles. Dennoch hast Du nicht darüber zu urteilen. Uns, nicht Dir, ist das Schifflein des seligen Petrus anvertraut. Du fühlst das Bedürfnis, zum Rechten zu raten. Wir dagegen sehen keine zwingende Notwendigkeit, einem Entschluss von Dir zu folgen, außer wenn er wirklich gut ist. Wir tragen die Verantwortung dafür, ob die Kirche steht oder fällt. Ich weiß, dass Du Kardinal bist, nicht der Papst. Bisher hielten wir Dich für weise, heute aber bist Du Dir anscheinend selbst untreu geworden. Du bittest um Entlassung. Wir gewähren sie nicht. Wir lassen uns durch Deinen Zorn nicht beeinflussen. Wir handeln wie ein Vater und wollen dem nicht nachgeben, der Unsinniges verlangt. Du sagst: Ich werde Einsamkeit und Ruhe außerhalb der Kurie suchen. Wo wird für Dich der Ort des Friedens sein? Suchst Du Frieden, so lasse ab von der Unersättlichkeit Deines Geistes, aus der Kurie brauchst Du nicht zu fl iehen. Alle Deine Unruhe entstammt Deinem Geist. Gehe in Dein Haus und, wenn Du magst, erinnere mich später an Dein Entlassungsgesuch.“ (Ebd.)
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Die Passage schließt mit den Worten: „Während der Papst so sprach, weinte Cusanus und schluchzte aus tiefem Inneren. Nachdem dieser geendet hatte, erhob er sich schweigend schamrot und voll Trauer und zog sich, ohne etwas zu sagen und einem Trauernden gleich mitten durch die im Vorzimmer anwesenden Kardinäle hindurch in sein Haus zurück. Später zeigte er sich besänftigt und gab viel von seinem törichten Rigorismus auf und enthielt sich nutzloser Kritik gegenüber dem Papst.“ (Ebd.; Reinhardt 2013, 219–224)
Sicherlich handelt es sich bei dieser Schilderung nicht um das exakte Protokoll des Disputs zwischen dem Papst und dem Kardinal, sondern um eine literarisch kunstvoll stilisierte Nacherzählung. Dass die Geschichte aber auf einer wahren Begebenheit beruht, dürfte nicht zu bestreiten sein. Die Darstellung des Papstes, der Cusanus wie kaum ein zweiter kannte, erfasst in äußerster Verdichtung die das ganze Leben durchziehende Grundspannung in der Persönlichkeit des Nikolaus von Kues. In zwei Klöstern, bei den Benediktinern vom Tegernsee, denen er sich vor allem durch eine übereinstimmende Einstellung zur Frage der Ordensreform und die daraus resultierende Freundschaft mit Abt Kaspar Aindorffer und Prior Bernhard von Waging verbunden fühlte, wie die jahrelange Korrespondenz zwischen ihm und den beiden Genannten beweist (Vansteenberghe 1915), und in der Kartause von Koblenz hatte sich Cusanus schon frühzeitig Zellen für sein Alter reservieren lassen (Meuthen 71992, 80). Keine der beiden Zellen hat er je bezogen, sondern blieb bis zu seinen letzten Lebenstagen dem (kirchen-) politischen Engagement treu. Auf der einen Seite ist er – je älter er wird, desto mehr – der schier unaufhörlichen Konflikte und Intrigen überdrüssig, die mit seiner Karriere verbunden waren und die im Laufe der Zeit auch nicht weniger wurden, sondern immer mehr zugenommen haben. Seine unbezwingbare Neigung, Auseinandersetzungen, bei denen er sich moralisch im Recht fühlte, auch unerbittlich gegen sich und Andere durchzufechten, hat diesem ohnehin unvermeidlichen Aspekt seiner Laufbahn noch zusätzlich Nahrung verliehen und ihn in immer neue Streitigkeiten verwickelt. Er litt vor allem unter der vielfach dokumentierten Vergeblichkeit der meisten seiner Bemühungen um eine Reform der Kirche auf allen Ebenen. Cusanus sehnte sich nach Ruhe und Harmonie, aber er scheute auf der anderen Seite doch davor zurück, diesem Verlangen durch den Rückzug aus
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seinen Ämtern nachzugeben. Sein Verantwortungsbewusstsein war stärker, vielleicht auch der Durchhaltewille desjenigen, der Würden, die durch so großen Einsatz erkämpft waren, doch nicht einfachhin aufzugeben vermochte. Ruhe konnte er letztlich nur in den Mußestunden finden, in denen er seine philosophisch-theologischen Schriften verfasste. Dass diese vielfach um Themen wie Konkordanz, Friede und Einheit, aus unterschiedlicher Perspektive betrachtet, kreisen, wird vor dem Hintergrund der Biographie des Nikolaus von Kues verständlich. Er entsprach damit einer inneren Sehnsucht, für die es in seinem äußeren Leben keinen Platz gab, eben weil sein Geist, wie Pius richtig erkannte, unersättlich und sein Tatendrang mit einer ruhigen, zurückgezogenen Existenz nicht in Einklang zu bringen war. Der Papst, über den der deutsche Kardinal zu Gericht sitzen wollte, hat bei jener denkwürdigen Gelegenheit den Spieß umgedreht und Nikolaus seine Zerrissenheit mit deutlichen Worten vor Augen geführt. Vielleicht ist Cusanus auch deshalb beschämt nach Hause gegangen, weil er merkte, wie unglaubwürdig seine Kritik an den Zuständen innerhalb der Kurie dadurch wurde, dass er sich selbst für Adelssöhne wie den jungen Gonzaga stark machte, den Meuthen einen verliebten und verfressenen Lebemann nennt, der „in seinen Briefen immer wieder um Magenpillen aus der Mantuaner Hausapotheke bat“ (1958, 83). Am 18. Dezember 1461 wurden beide, Francesco Gonzaga und Jean Jouffroy, zusammen mit vier weiteren Kandidaten, zum Kardinalat erhoben (Märtl 1996, 128). Dass Cusanus in der Auseinandersetzung um die Erhebung von Jean Jouffroy in Gegenwart des Papstes so außer sich geriet, mag mit seinem deutlich verschlechterten Gesundheitszustand seit dem Frühsommer 1461 zusammenhängen. Im Juni erkrankte er schwer und rechnete sogar mit seinem Tod. Jedenfalls diktierte er am 15. Juni vor Zeugen sein Testament (Kortenkamp 2004, 133). Vermutlich litt Nikolaus an einer äußerst schmerzhaften Darmgicht, die zeitweise so starke Koliken verursachte, dass er nicht mehr konzentriert lesen konnte, wie er dem Bischof von Feltre am 23. Juli 1462 mitteilte (Meuthen 1958, 110). Auf Empfehlung von Kardinal Pietro Barbo machte Cusanus erstmals im Sommer 1461 eine Kur in Orvieto (ebd., 246), auch die Sommer 1462 und 1463 verbrachte er dort. Barbo und Cusanus waren miteinander befreundet, ja ein Biograph des späteren Papstes Paul II. nennt Nikolaus von Kues sogar dessen „besten Freund“ (ebd., 112). Dabei waren die beiden sehr verschieden.
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Der Venezianer Barbo verfügte über großen Reichtum, aber nur eine geringe Bildung. Kardinal wurde der Neffe Eugens IV. bereits im Alter von 23 Jahren ohne persönliche Verdienste. Auf der anderen Seite war Barbo ein Mensch von „liebenswürdigster Freigebigkeit“, wie sich Meuthen ausdrückt (ebd., 113); eine Eigenschaft, die Cusanus offensichtlich schätzte. 1463 schenkte Barbo Cusanus das Kloster der Heiligen Severus und Martirius in der Nähe von Orvieto. Papst Pius II. ernannte Cusanus am 26. Juli 1461 zum Kommissar für die Stadt Orvieto (ebd., 114). Er vermittelte in dieser Funktion einen „Ausgleich zwischen Adel, Bürgern und Volk“ von Orvieto (ebd., 115), deren Verhältnis zuvor aus den Fugen geraten war. 1463 wurde Nikolaus von Kues von Pius II. als Visitator und Reformator von Stadt und Diözese Orvieto eingesetzt. Er nahm diese Aufgabe mit großem Elan in Angriff und stieß bei den Betroffenen zugleich auf deutlichen Widerstand. Insbesondere der rigoros anmutende, aber durchaus vernünftige Plan einer Zusammenführung der vielen kleinen Hospitäler der Stadt wurde abgelehnt, weil er dem Willen der verstorbenen Stifter dieser Einrichtungen widersprechen würde (ebd., 118). Da Cusanus vor der endgültigen Klärung des Problems nach Rom reisen musste, übertrug er die Angelegenheit einem Karmelitermönch, der damit überfordert war, wie sich kurz vor dem Tod von Cusanus herausstellte. Seinen Plan, einen Kreuzzug gegen die Türken zu initiieren, hat Papst Pius II. nie aufgegeben, obwohl sich der Kongress von Mantua als vollkommener Fehlschlag erwiesen hatte. Im Herbst 1461 verfasste er dann einen Brief an den türkischen Sultan Mehmed II., in dem er diesem mit der ihm eigenen stilistischen Brillanz die römische Kaiserkrone für den Fall der Konversion zum Katholizismus anbot. Ob Pius dieses vollkommen realitätsfremd anmutende Schreiben jemals abgesandt hat, ist unbekannt. Eine Reaktion Mehmeds ist jedenfalls nicht überliefert. Cusanus unterstützte das Vorhaben des Papstes durch die umfangreiche Schrift Cribratio Alkorani, in der er Pius II. mit Informationen über den Koran versorgte. Im Oktober 1463 rief der Papst erneut zum Kreuzzug auf und bestimmte die Stadt Ancona an der Adria zum Versammlungsort für das Kreuzzugsheer und die Flotte. Das Unternehmen sollte im Sommer 1464 starten. Es fand Zustimmung und Resonanz bei einfachen Leuten, insbesondere bei Glücksrittern und Habenichtsen, weniger bei den Fürsten, die mit Blick auf die politische Realität ablehnend blieben. Deshalb stellte sich Pius II. persönlich an die Spitze des
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Unternehmens und verließ, bereits schwer krank, die Ewige Stadt am 18. Juni 1464. Cusanus gehörte nicht zum Tross des Papstes, er verließ aber kurze Zeit später ebenfalls Rom in Richtung Ancona. Warum er das getan hat, ist unklar. Die in einer von Meuthen zitierten Quelle enthaltene Behauptung, Nikolaus habe den Auftrag gehabt, „für die zerlumpten Haufen der Mittellosen, die damals wie Fliegen in der italienischen Sommerhitze wegstarben“, zu sorgen (ebd., 123), ist wenig plausibel. Wie hätten der alte Kardinal und seine nicht allzu umfangreiche Begleitung diesen Auftrag erfüllen sollen, zumal sie ja ebenfalls der Sommerhitze ausgesetzt waren? Plausibler erscheint die Annahme, dass Cusanus durch die Reise nach Ancona seine enge Verbundenheit mit dem Papst zum Ausdruck bringen wollte. Am 16. Juli befi ndet sich Cusanus krank in Todi. Von diesem Tag datiert ein Brief an die Konservatoren von Orvieto, in dem er auch über die große Hitze klagt (ebd., 302 f.). Am 6. August macht er sein Testament, das eine Modifi kation des Testaments vom 15. Juni 1461 darstellt (Kortenkamp 2004, 136). Am 11. August 1464 ist Nikolaus von Kues in Todi verstorben, ohne dass wir Genaueres über seine Krankheit und die Todesumstände wüssten. In der Nacht vom 14. auf den 15. August verstarb auch Papst Pius II. in Ancona kurz nach dem Anblick der Kreuzzugsflotte, die nie ausgelaufen ist. Der Leichnam des verstorbenen Kardinals wurde nach Rom zurückgebracht und in seiner Titelkirche San Pietro in Vincoli beigesetzt. Sein Herz befindet sich in der Kapelle des St. Nikolaus-Hospitals in Bernkastel-Kues. In seinen römischen Jahren (den kurzen Aufenthalt im Bistum Brixen 1460 eingeschlossen) hatte Nikolaus von Kues trotz der Gebrechen des Alters noch genügend Kraft, um sein bedeutendes philosophisches Spätwerk zu verfassen. Aus dieser Zeit stammen De aequalitate, De principio, De possest, Directio speculantis seu de non aliud, De venatione sapientiae, De ludo globi, Compendium und De apice theoriae. In dem Brief an den Novizen Nikolaus von Bologna, verfasst im Juni 1463, hat Cusanus der Nachwelt ein sehr persönliches Zeugnis über sein Verständnis der Existenz des Menschen vor Gott hinterlassen. Edmond Vansteenberghe schreibt in der Einleitung zu seiner großen Cusanus-Biographie, dass „nur wenige Menschenleben so ausgefüllt waren, wie dasjenige des Nikolaus von Kues“. Und er fügt hinzu, dass „es auch nur wenige Menschen gegeben hat, die sowohl in die wichtigsten Ereignisse ihrer Zeit als
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auch in das intellektuelle Geschehen ihrer Epoche so sehr aus der Nähe verstrickt waren, wie dies bei ihm der Fall war“ (Vansteenberghe 1920, V). Der vorliegende Abriss der Biographie des Nikolaus von Kues versucht im Anschluss an die These Vansteenberghes zu zeigen, dass dessen Leben in mehrfacher Hinsicht eine ganz ungewöhnliche Komplexität aufweist. Dies gilt natürlich im Hinblick auf den enormen beruflich-sozialen Aufstieg und die damit verbundene Vielzahl von Aufgaben, Kontakten und Begegnungen. Dies gilt aber auch mit Bezug auf die sich abwechselnden Auseinandersetzungen und Konflikte, die sich durch dieses Leben wie ein roter Faden ziehen. Überaus komplex und wertvoll ist schließlich das materielle und mehr noch das geistige Erbe dieses Menschen, von dem im Folgenden zu reden ist. Walter A. Euler
Nachleben und Erbe
Vorbemerkung Nachleben und Erbe Vorbemerkung
Die folgende Darstellung zum Nachleben des Nikolaus von Kues konzentriert sich in erster Linie auf sein materielles Erbe und die von ihm erlassenen Stiftungen, die seinen Tod überdauern und sein Andenken sichern sollten. Ganz im Sinne des mittelalterlichen Stiftungswesens stellte er hierfür sein Vermögen zur Verfügung, das so angelegt werden sollte, dass aus den hieraus erzielten Erträgen möglichst viele gute Taten vollbracht werden konnten. Neben aufrichtiger christlicher Nächstenliebe („caritas“) waren dabei gleichzeitig auch die Sorge um das eigene Seelenheil im Jenseits und der Wunsch über den Tod hinaus im Gedächtnis der Nachwelt („memoria“) zu bleiben, entscheidende Beweggründe. (Schmid / Tritz 2006, 203 –205). Die Form der jeweiligen Stiftung kann dabei variieren und reicht von Kunststiftungen wie z. B. Altären oder Grabmälern bis hin zu karitativen Stiftungen von Hospitälern, Schulstipendien usw. Die Stiftungen sind für den Stifter sowohl Ausdruck der persönlichen Frömmigkeit und der Nächstenliebe gegenüber den Mitchristen als auch eine Möglichkeit der Selbstdarstellung und Selbstinszenierung (Tritz 2008, 23 –31).
Das Testament des Nikolaus von Kues Das Testament des Nikolaus von Kues
Ausgangspunkt der Betrachtung zum Nachleben und Erbe des Nikolaus von Kues ist zunächst sein Testament vom 6. August 1464, das fünf Tage vor seinem Tod in Todi angefertigt wurde (Editionen: Marx 1907, 248–253; Kortenkamp 2004, Nr. 74; Übersetzungen: Neusius 2001, 15–21; Schmid / Tritz 2006, 193 – 203).
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Nachleben und Erbe
Bevor Nikolaus von Kues als Kardinal überhaupt ein rechtskräftiges Testament verfassen durfte, benötigte er zunächst noch eine päpstliche Erlaubnis, frei über seinen zu vererbenden Besitz verfügen zu dürfen. Diese Erlaubnis war dabei an bestimmte Auflagen geknüpft, wie z. B. fi nanzielle Vorsorge zur Instandhaltung der ihm unterstellten Kirchen, zu seiner Beisetzung, zur Begleichung seiner Schulden, zur Versorgung seiner Diener und Familiaren usw. Eine solche Testierfreiheit wurde Nikolaus von Kues zweimal zugestanden, und zwar zunächst 1450 anlässlich seiner Ernennung zum Bischof von Brixen durch Papst Nikolaus V. und erneut 1461 durch Pius II. (Kortenkamp 2004, Nr. 32, Nr. 66.) Der Piccolomini-Papst war es schließlich auch, der Cusanus posthum am 13. August 1464 von der Sondersteuer für Prälaten, nämlich ein Viertel ihrer Nachlassgüter zur Finanzierung des Kreuzzuges gegen die Türken zur Verfügung zu stellen, befreite (ebd., Nr. 75; Tritz 2008, 70 f., 75). Das endgültige Testament des Nikolaus von Kues vom 6. August 1464 lässt sich in vier Teile untergliedern: Nach der allgemeinen Eröffnung im ersten Teil folgt zunächst die wortwörtliche Wiedergabe und Bestätigung seines ersten Testaments von 1461 (Insert bzw. Transsumpt), einige diesbezügliche Nachträge und Korrekturen im dritten Teil und schließlich die Beglaubigung durch Notar und Zeugen (Schmid / Tritz 2006, 217). Während er laut dem ersten Testament, das nach einer ernsthaften Erkrankung am 15. Juni 1461 entstanden ist (Meuthen 1958, 110 f.), noch ausschließlich in Rom in seiner Titularkirche S. Pietro in Vincoli hinter dem Hochaltar beerdigt werden wollte, traf er 1464 die Vorkehrung, dass er im Fall seines Todes nördlich von Florenz in Kues, im Fall seines Ablebens südlich davon in Rom beigesetzt werden wolle. Da er am 11. August 1464 in Todi in Umbrien verstarb, wurden seine sterblichen Überreste nach Rom gebracht und in seiner dortigen Titularkirche S. Pietro in Vincoli bestattet, während lediglich sein Herz in der Familienstiftung, dem St. Nikolaus-Hospital, vor dem Hochaltar beigesetzt wurde. Von einer separaten Herzbestattung in Kues fi ndet sich jedoch kein Hinweis im Testament. Seine Beerdigung sollte mit Andacht und ohne Pomp durchgeführt werden. Von den 6700 rheinischen Gulden, die von Cusanus auf der Bank der Medici deponiert wurden, sollten 5000 rheinische Gulden an das St. Nikolaus-Hospital in Kues gehen, mit der Auflage, dass hiervon eine Rente mit einem jährlichen Ertrag von 200 Gulden erworben werden sollte, die in eine Studienstiftung in Niederdeutschland – die spätere „Bursa Cusana“ – fließen sollten. Mit dem Rest des Geldes sollten die Beerdigungs-
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feierlichkeiten fi nanziert und seine Diener und Familiare ausbezahlt werden, die auch Pferde, Kleidung, Tuche und Gebrauchsgegenstände erhielten. Alle Bücher, die ihm nicht gehört hatten, sollten an die rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben werden, während seine eigene Büchersammlung dem St. Nikolaus-Hospital vermacht wurde, wo sie auch dauerhaft aufbewahrt werden sollte. Im Unterschied zum Testament von 1464 enthält die Fassung von 1461 noch drei Passagen, die drei Jahre später korrigiert wurden. So sollte in der ersten Fassung ein Kredit in Höhe von 2000 rheinischen Gulden, die der deutsche Kaufmann Dietrich von Driel dem Kardinal noch schuldete, seiner Titularkirche S. Pietro in Vincoli übertragen werden, um hiervon bauliche Maßnahmen zu fi nanzieren und die Gottesdienstversorgung zu verbessern. Das gesamte Silber mit einem geschätzten Wert von 4000 rheinischen Gulden sollte dem St. Nikolaus-Hospital übertragen werden. Darüber hinaus sollte das Hospital noch weitere 1000 rheinische Gulden von dem Geld erhalten, das Simon von Wehlen als Rentmeister des Kardinals verwaltete. Simon selbst sollte davon ebenfalls 200 Gulden als Aufwandsentschädigung bekommen, während der Rest der Kirche von Brixen zufallen sollte. 1464 hatte sich die Situation allerdings derart verändert, dass die besagten Gelder nicht mehr im Besitz Dietrichs von Driel und Simons von Wehlen waren, sondern mittlerweile anderswo hinterlegt bzw. verwendet wurden, möglicherweise zur Finanzierung eines Erweiterungsbaus für das St. Andreas-Hospiz in Rom, was allerdings im Testament nicht explizit erwähnt wird. Auch der Wert des Silbers war aufgrund einer erneuten Schätzung weitaus geringer als noch 1461 angenommen. In weiteren Zusätzen bestätigte Nikolaus von Kues 1464 nochmals die Studienstiftung sowie die Einrichtung eines Hospitals in Kues für 33 arme alte Männer, denen zusammen mit dem Rektor und sechs Bediensteten bereits jährliche Erträge in Höhe von 800 Gulden zukamen. Zum Rektor seines Hospitals setzte er einen Verwandten müttlicherseits ein, Johannes Römer aus Briedel, dem er zur Unterstützung den Trierer Kanoniker Simon Kolb von Kues oder für den Fall, dass dieser ablehnen sollte, seinen Sekretär Dietrich von Xanten als Koadjutor zur Seite stellte. Für seine römische Titularkirche S. Pietro in Vincoli legte er weitere 2000 Kammerdukaten bei der Medici-Bank zurück, vermachte seiner unehelichen Halbschwester Katharina 200 rheinische Gulden sowie seinem Barbier Emmerich Witzelmann und seinem Bediensteten Heinrich Walpot, einem Kölner
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Kleriker, der nach dem Tod des Kardinals dessen Besitztümer von Vicenza nach Kues überführte, eine jährliche Rente von 20 Gulden, die aus den Erträgen des Hospitals ausgezahlt werden sollten. Als Ausführende seines letzten Willens ernannte Cusanus schließlich die Kardinäle Juan de Carvajal, Berardo Eroli sowie Pietro Barbo, den späteren Papst Paul II., durch die die Umsetzung der testamentarischen Anordnungen auch garantiert wurde. Im Testament folgt abschließend noch die notarielle Beglaubigung durch seinen Sekretär Peter von Erkelenz sowie die Nennung und Bestätigung durch die anwesenden Zeugen, d. h. durch seinen zweiten Sekretär Giovanni Andrea dei Bussi, seinen portugiesischen Leibarzt Fernando Martíns de Roriz, den Florentiner Arzt und Mathematiker Paolo dal Pozzo Toscanelli sowie den angehenden Rektor des Hospitals, Johannes Römer (Tritz 2008, 68–77; Hensel-Grobe 2007, 34 f.). Bei einer Gesamtbetrachtung seines Testamentes von 1464 fällt zunächst auf, dass Nikolaus von Kues darin gänzlich auf Messstipendien, Jahrgedächtnisse oder Gebetsstiftungen zugunsten caritativer oder baulicher Stiftungen, wie z. B. für das Hospital in Kues, seine Titularkirche oder eine Studienstiftung verzichtete, was im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Nachlassregelungen sehr ungewöhnlich erscheint. Dennoch lassen sich einige Gebetsstiftungen oder Anniversare nachweisen, so in den Memorienbüchern des Koblenzer Stiftes St. Florin, der Koblenzer Kartause Beatusberg, des Trierer Benediktinerklosters St. Matthias, des St. Nikolaus-Hospitals in Kues usw., also an jenen Orten, an denen er selbst tätig war oder mit denen er in enger Verbindung stand. Allerdings ist dabei nur in den wenigsten Fällen klar ersichtlich, ob diese Gebetsgedenken von Nikolaus von Kues selbst, seinen Angehörigen oder den jeweiligen Verantwortlichen vor Ort aus Dankbarkeit gegenüber dem Kardinal veranlasst wurden. Die liturgische Memoria spielte für Nikolaus von Kues persönlich offenbar eine eher untergeordnete Rolle (Tritz 2008, 68 f., 174 –190). Auffallend, wenn auch nicht verwunderlich, ist dagegen, dass die Kirche von Brixen, deren Bischof Nikolaus von Kues zumindest offi ziell bis zu seinem Tode blieb, 1461 noch berücksichtigt wurde, im Testament von 1464 allerdings gar nicht mehr erwähnt wird. Zu Lebzeiten setzte sich der Brixner Fürstbischof dagegen sehr wohl für seine Kirche ein. So wurde der gesamte Ostteil des Brixner Domes, der 1444 bei einem Stadtbrand zerstört worden war, zwischen 1453 und 1462 auf seine Initiative hin – z. T. auch aus Eigenmitteln – neu ge-
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baut. Nach der gewaltsamen Vertreibung im Jahre 1460 lässt das Engagement für sein Bistum verständlicherweise nach. Zu groß war die Schmach der Niederlage, die er 1460 in Tirol erleiden musste und die ihn bis zu seinem Lebensende belastete. So wurden hier nach seinem Tod weder ein Mess- oder Gebetsstipendium noch eine caritative Stiftung oder eine Kunststiftung eingerichtet. Als mögliche Grabstätte schied Brixen entsprechend auch aus. Dennoch – und ohne eigene Erwähnung im Testament – erhielt die Brixner Domfabrik nach dem Tod des Kardinals noch eine Zuwendung in bescheidener Höhe von 50 Dukaten (ebd., 229–240). Im Gegensatz hierzu fällt im Testament von 1464 die große Bedeutung des St. Nikolaus-Hospitals in Bernkastel-Kues auf, das er zum Haupterben seines Vermögens und Besitzes machte. So verfügte Cusanus im Vergleich zu anderen Kardinälen nicht über die finanziellen Mittel, um als großer Mäzen und Kunstförderer aufzutreten oder an verschiedenen Wirkungsorten Prunk- und Prestigebauten zu errichten bzw. großzügige Stiftungen einzurichten. Das Hospital sollte zum zentralen Gedenkort an den Philosophen, Theologen und Kirchenpolitiker werden, aber auch an seine nächsten Angehörigen, die alle ohne Nachkommen verstarben (Müller 2013, 80). Hierin ist Nikolaus von Kues auch mit Papst Pius II. vergleichbar, der vor allem seinen Geburtsort Corsignano berücksichtigte und 1462 in Pienza umbenennen ließ (Pieper 1997). Anders als Cusanus beschränkte sich Pius II. dabei nicht auf eine zentrale Einrichtung, sondern ließ die gesamte Ortschaft zur monumentalen Idealstadt nach humanistischen Vorstellungen umgestalten. Die Konzentration von Stiftungen am Herkunftsort ist dabei ein durchaus typisches Zeugnis des sozialen Aufstiegs eines Stifters, der hierdurch „den Glanz des neuen gesellschaftlichen Status’ auf seinen bislang unbekannten Heimatort zurückstrahlen ließ“ (Tritz 2008, 29). Damit verbunden ist sicherlich auch die Hoffnung, dass aus Stolz auf den berühmten Sohn des Ortes und seine Familie die dauerhafte Einrichtung einer Stiftung in Kues garantiert werden könne, wo ohnehin der größte Teil der familiären Besitzungen lag. Eine Strategie, die mit Blick auf Nikolaus von Kues und sein Erbe auch tatsächlich aufging.
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Das römische Erbe des Nikolaus von Kues Das St. Andreas-Hospiz der Anima-Bruderschaft in Rom Das römische Erbe des Nikolaus von Kues
Auch wenn diese Stiftung nur indirekt aus dem Testament erschlossen werden kann, so gehört sie ebenso zum Erbe des Nikolaus von Kues und steht vermutlich im Zusammenhang mit dem 1464 noch nicht getilgten, sondern anderweitig verwendeten Kredit von 2000 rheinischen Gulden an den deutschen Kaufmann und päpstlichen Hoflieferanten Dietrich von Driel, der 1458 / 59 zum Provisor bzw. Geschäftsführer der „Confraternitas B. Mariae de Anima teutonicorum“ gewählt wurde. Bei dieser „Confraternitas“ handelt es sich um die Anima-Bruderschaft der deutschen Gemeinde in Rom, der ranghohe Mitglieder der römischen Kurie sowie der deutsche Kaiser Friedrich III. angehörten. Benannt wurde die Bruderschaft nach dem Hospital und der Kirche S. Maria dell’Anima in der Nähe der Piazza Navona, einer ca. 1350 gegründeten Privatstiftung zur Versorgung deutscher Rompilger und Armer. Im Laufe des 15. Jahrhunderts wurde die Anima, die seit 1406 direkt dem Heiligen Stuhl unterstellt war, zu einer der ersten Anlaufstellen deutschstämmiger Laien und vor allem Kleriker in der Ewigen Stadt. 1431 wurde das ebenfalls von einem deutschen Kleriker gegründete St. Andreas-Hospiz mit dem Hospital der Anima vereinigt. Dieses St. Andreas-Hospiz unterhielt in der Nähe der Kirche St. Blasius de Oliva (heute: SS. Biagio e Carlo ai Catinari) mehrere Häuser (Nagl 1899, XIX–XXIII). Nach der Inkorporation unterstand die gesamte Verwaltung beider vereinigten Hospitäler der Anima-Bruderschaft, der Nikolaus von Kues in den ersten Monaten des Jahres 1450 beitrat. Aufgrund der Untersuchungen Hermann Hallauers konnte eine Verbindung zwischen dem Testament des Nikolaus von Kues, Dietrich Driel und der Anima hergestellt werden, in deren Archiv eine weitere Ausfertigung des Testaments von Nikolaus von Kues aufbewahrt wird (Hallauer 1991, 33). So fi nden sich in den Rechnungsbüchern der Bruderschaft Hinweise darauf, dass sich Dietrich Driel 1464 aus unbekannten Gründen nicht mehr in Rom aufhielt und die Anima-Bruderschaft die Schuld ihres einstigen Provisors am 8. Februar 1464 übernahm. Der Kredit wurde bis auf 260 Kammerdukaten an Nikolaus von
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Kues zurückgezahlt, der Rest sollte – möglicherweise aufgrund einer Sonderverfügung des Kardinals – zum Bau eines Hospizes für kranke deutsche Kurienangehörige verwendet werden. Diesem Wunsch wurde allerdings lange Zeit nicht entsprochen. So fi ndet sich erst für das Jahr 1479 – vermutlich auf Veranlassung von Peter von Erkelenz – eine Mitteilung der Anima-Provisoren an den letzten Testamentsvollstrecker, Kardinal Berardo Eroli, die noch ausstehende Restschuld für den Weiterbau eines neuen Hauses des St. Andreas-Hospizes zu verwenden (heute vermutlich: Via Monte della Farina, Nr. 19), über dessen Portal das Wappen des Kardinals in Marmor angebracht werden sollte. Darüber hinaus versprachen die Provisoren der Anima, weiterhin ein ewiges Jahrgedächtnis für Cusanus einzurichten. Die Fertigstellung des Baus erfolgte schließlich im August 1487, also fast 23 Jahre nach dem Tod des Kardinals. Auch wenn dieses Gebäude nicht mehr erhalten ist, so ist das Anwesen heute noch im Besitz der Anima. Im Vergleich zu anderen Legaten handelte es sich bei dieser Stiftung des Cusanus eher um eine Gelegenheitsstiftung als um ein lang geplantes Vorhaben (Hallauer 1991; Tritz 2008, 253 –259; Matheus 2010, 26, 31–33).
Die Titularkirche S. Pietro in Vincoli und das römische Grabdenkmal Mit der Ernennung zum Kardinal der römischen Kirche im Jahre 1448 war auch die Verleihung einer Titularkirche in Rom verbunden, im Fall des Nikolaus von Kues die Säulenbasilika S. Pietro in Vincoli, die ein Kettenreliquiar des Apostels Petrus enthielt. S. Pietro in Vincoli befand sich zu Beginn des 15. Jahrhunderts in einem schlechten baulichen Zustand. Eine der wesentlichen Bedingungen, um die Testierfreiheit zu erlangen, war ein Nachweis, dass der Kardinal Vorsorge zur Instandhaltung der ihm unterstellten Kirchen, besonders seiner Titelkirche in Rom, getroffen hatte. Aus diesem Grund wurden in den beiden Testamenten von 1461 und 1464 bestimmte Summen für bauliche Maßnahmen und für die Verbesserung der Gottesdienstversorgung festgesetzt. Nachdem sich 1464 abzeichnete, dass die an Dietrich Driel verliehene Summe nicht mehr für die Instandhaltung der Titularkirche zur Verfügung stand, ließ Cusanus im Testament von 1464 hierfür eigens 2000 Kammerdukaten reservieren. Hiermit konnten in der Folgezeit umfangreiche Restaurierungsmaßnahmen an der Kirche finanziert werden. So gehen vor allem die Erneuerung des offenen
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Dachstuhls sowie die Eindeckung des Kirchendaches auf Nikolaus von Kues zurück. Als Beweis für den Abschluss der Dachkonstruktion im Jahre 1465 wurde auf einem der zentralen Querbalken im Mittelschiff der Kirche eine Inschrift mit dem Namen, Titel und Wappen des Kardinals angebracht, die noch bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts in der Kirche sichtbar war. Bei einer erneuten Dachrestaurierung im Jahre 1989 musste dieser Balken allerdings entfernt werden und wird seitdem an der Hochwand des südlichen Mittelschiffes ausgestellt. Da die von Nikolaus von Kues zur Verfügung gestellten Gelder mit dieser Baumaßnahme offenbar noch nicht aufgebraucht waren, konnten hiervon noch 1472 zusammen mit Mitteln aus der päpstlichen Kasse weitere Baumaßnahmen, wie z. B. der Einbau neuer Fenster, sowie eventuell auch Anniversare oder andere liturgische Stiftungen finanziert werden (Bartolozzi Casti / Zandri 1999; Tritz 2008, 263 –272; Matheus 2010, 26 f.). Von dem testamentarischen Legat an S. Pietro in Vincoli wurde möglicherweise auch der dortige Grabaltar des Nikolaus von Kues finanziert, der 1465 abgeschlossen wurde und sich ursprünglich in einer Wandnische im nördlichen Querhausarm in der Nähe des Hochaltares befand. Nach einer Beschreibung aus dem 17. Jahrhundert war der ursprüngliche Altaraufsatz dreigeteilt. Während der obere Abschnitt eine heute nicht mehr erhaltene Darstellung der Kerkerhaft des heiligen Petrus zeigte, bildete das heute noch vorhandene Marmorrelief den mittleren Teil des Retabels. Im unteren, etwas zurückversetzten Teil befand sich schließlich noch der Tabernakel mit den Hauptreliquien der Kirche, den Ketten des Apostelfürsten Petrus. Dieser Tabernakel wurde 1477 um ein von Giuliano della Rovere bzw. Papst Julius II. gestiftetes und heute noch erhaltenes Metallrelief mit der Befreiung des Petrus aus der Kerkerhaft ergänzt. Durch die in den Altar integrierten Ketten diente dieser sowohl als Grabdenkmal für Nikolaus von Kues als auch als Reliquienschrein für die Hauptreliquie der Kirche, was dem Altar einen großen Zulauf frommer Besucher und Pilger garantierte, die dadurch auch auf das Grab des Kardinals hingewiesen wurden (Tritz 2008, 293 –297). „Neben dieser subtil funktionierenden Einwerbung spontaner Memoria sollte die Nähe der Grablege zu den Reliquien dem Verstorbenen auch die Fürsprache seines Amtspatrons [sic!] sichern.“ (ebd., 297, 324 –327) Zum Altarensemble, das zu Beginn des 18. Jahrhunderts zerstört wurde, gehörten schließlich noch zwei Statuen der heiligen Andreas und Sebastian, deren Verbleib allerdings unbekannt ist (ebd., 280 –284).
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Lediglich die mittlere Reliefplatte ist noch vorhanden, die in die Wand des nördlichen Seitenschiffes nahe dem Eingang der Basilika eingelassen wurde. Im Zentrum dieses noch erhaltenen, mittleren Altaraufsatzes thront Petrus mit den typischen Heiligenattributen von Schlüssel und Buch in der Rechten, während seine andere Hand die Ketten umfasst, die ein Engel zu seiner Linken gerade gelöst hat. Gegenüber dieser Engelsgestalt kniet schließlich Nikolaus von Kues als Stifter des Altares in andächtiger Gebetshaltung vor Petrus, dem ersten Bischof von Rom; eine Haltung, die politisch auch als ein Bekenntnis zum Primat des Papstes gedeutet werden kann. Die realistische Darstellung des Nikolaus von Kues legt die Vermutung nahe, dass der Altar nach seinen Vorstellungen geschaffen wurde; evtl. unter Verwendung einer Totenmaske (ebd., 272–275, 313; Pöpper 2010, 165, 168). Aufgrund des hohen künstlerischen Wertes dieses Grabreliefs spricht vieles dafür, dass es sich hierbei um eine Arbeit des lombardischen Bildhauers und Architekten Andrea Bregno handelt, der sich zu Beginn der 1460er Jahre in Rom niederließ (Röll 1993, 113 –115; Schmid / Tritz 2006, 214 f.; Tritz 2008, 310 –313; Pöpper 2010, 156 –174). Im Vergleich zu anderen römischen Grabdenkmälern der Zeit fallen sowohl die ungewöhnliche Abbildung des Cusanus im Dreiviertelprofil, die gleiche Größe seiner Figur wie die des Petrus als auch sein nach innen gerichteter meditativer Blick auf, die sehr stark an die realistischen Stifterdarstellungen in der altniederländischen Malerei der Spätgotik, z. B. Jans van Eyck, erinnern (Röll 1993, 112). Im Unterschied hierzu orientierte sich der Künstler bei der Darstellung des Petrus vielmehr an Skulpturen der römischen Antike, wie z. B. an Büsten von Antoninus Pius oder Marc Aurel, sowie an der bronzenen Statue des Apostelfürsten im Petersdom, die von Arnolfo di Cambio gegen Ende des 13. Jahrhunderts geschaffen wurde. Das Grabmal des Nikolaus von Kues gilt somit als ein frühes Beispiel für die Übernahme nordeuropäisch-spätgotischer Motive in der italienischen Kunst der Frührenaissance (Röll 1993; Tritz 2008, 298–310). Neben jener Reliefplatte von Andrea Bregno und einem steinernen Krebswappen des Kardinals ist vom Grabmonument des Cusanus noch eine Gedenkinschrift aus dem Jahre 1465 erhalten, die vermutlich von Giovanni Andrea dei Bussi verfasst wurde, und die auf die ursprüngliche Grablege von Nikolaus von Kues unmittelbar vor den Altarschranken hinweist. Diese wurde von einer Marmorgrabplatte verschlossen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts rechts neben den Resten des Grabaltares in die nördliche Seitenschiffwand eingefügt
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wurde. Die Grabplatte zeigt Nikolaus von Kues in der liturgischen Kleidung eines Bischofs. Es handelt sich dabei um eine liegende Figur, die den Kardinal in der Tradition der mittelalterlichen römischen Grabplatten als aufgebahrten Leichnam mit geschlossenen Augen darstellt. Die Inschrift um die Grabplatte enthält neben Titel, Ämtern, Todestag und Sterbeort auch einen Hinweis auf die Kettenreliquie, in deren Nähe Cusanus bestattet werden wollte. Von der Hüfte bis zu den Füßen wird der Rest des Körpers allerdings von einer antik anmutenden Inschriftentafel („tabula ansata“) bedeckt, die neben dem Lebensalter des Verstorbenen u. a. auch persönliche Tugenden wie Gottesfurcht und Frömmigkeit hervorhebt (Evans 1963, 26 f.; Corsepius 2004, 49 f.; Tritz 2008, 313 –317; Pöpper 2010, 167 f.). Diese Tafel, von der der halbe Körper bedeckt wird, ist für eine italienische Grabplatte des 15. Jahrhunderts sehr ungewöhnlich und weist vielmehr auf den im nordeuropäischen Raum häufiger anzutreffenden Typus des „Grabbildes unter der Platte“ hin, wie er sich z. B. in der Mosaikgrabplatte des Abtes Gilbert aus dem 12. Jahrhundert im Kloster Maria Laach in der Nähe von Koblenz zeigt, in dessen Umgebung Cusanus lange Zeit tätig war. Einen gewissen Nachahmer fand er in Kardinal Albrecht von Brandenburg (1490 –1545), der wie Nikolaus Kardinalpriester von San Pietro in Vincoli war und nachträglich für seine Hallenser Grabplatte, die sich heute in der Stiftskirche St. Peter und Alexander in Aschaffenburg befi ndet, eine solche „tabula ansata“ anfertigen ließ, die mit den Inschriftentafeln auf den Grabplatten des Cusanus in Rom und Kues eng verwandt ist (Merkel 2004, 30, 59– 65; Tritz 2008, 321 f.). „Wie bereits im Fall des ehemaligen Kettenaltares wurde also auch hier ein nordalpines Motiv in eine antikisierte Formensprache übertragen.“ (Tritz 2008, 319; Röll 1993, 115 f.) Hierin zeigt sich erneut, dass Nikolaus von Kues eine bedeutende Rolle als Kulturvermittler zwischen den Ländern nördlich der Alpen und Italien spielte.
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Die Stiftungen des Nikolaus von Kues nördlich der Alpen Die „Bursa Cusana“ in Deventer Die Stiftungen des Nikolaus von Kues nördlich der Alpen
Bereits im Testament des Cusanus finden sich entsprechende Passagen zur Einrichtung einer Studienstiftung, der „Bursa Cusana“, in den niederen Landen bzw. in Niederdeutschland, für die 5000 rheinische Gulden vom St. NikolausHospital in Kues so angelegt werden sollten, dass aus dem zu erhoffenden Ertrag in Höhe von 200 Gulden 20 arme Scholaren im Alter von 14 oder 15 Jahren sieben Jahre lang einen Ertrag von 10 Gulden erhalten sollten (Marx 1907, 82; Hoenen 2004, 56 f.; Tritz 2008, 191 f.). Die konkrete Form und der genaue Ort der Stiftung, ein Studienkolleg bzw. Wohnheim in Deventer für 20 Schüler bzw. Studenten, wurde dabei dem ehemaligen Sekretär des Nikolaus von Kues und Rektor Dietrich von Xanten sowie den beiden Visitatoren des Hospitals, eventuell unter Beteiligung des Peter von Erkelenz, überlassen (Schoppen 1994, 36 –38; Hoenen 2004, 58– 65). Es gibt weder einen Beleg dafür, dass Cusanus in seiner Jugend in Deventer war, noch dass der Studienort von ihm gewählt wurde. So hielt sich Nikolaus von Kues erstmals vom 13.–20. August 1451 auf seiner Legationsreise in Deventer auf, wo er u. a. auch die Brüder vom gemeinsamen Leben bzw. Fraterherren besuchte (vgl. AC I / 3a, n. 1608–1629). Diese unterhielten selbst allerdings keine Schule, sondern übernahmen erst nach 1460 die Betreuung der Schüler der Deventer Lateinschule (Meuthen 1993; Staubach 2004, 32 f.; Hoenen 2004, 53 f.; Tritz 2008, 203 –206). Erst 1469 – und damit fünf Jahre nach dem Tod des Nikolaus von Kues – fand Dietrich von Xanten für 200 rheinische Gulden ein passendes Haus bzw. Wohnheim im Zentrum Deventers, das zur Unterbringung von 20 Schülern umgebaut wurde (Schoppen 1994, 33). Zur Erinnerung an den Stifter wurde an die Außenwand des Gebäudes – neben einer Figur des heiligen Nikolaus von Myra – auch ein Bildnis des Kardinals und sein Wappen angebracht. Die Dotation der neuen Stiftung erfolgte am 28. Juni 1469 (Kortenkamp 2004, Nr. 99), indem der Rektor des Hospitals, Dietrich von Xanten, dem Stadtrat von Deventer die noch verbleibende Summe von 4 800 rheinischen Gulden überreichte.
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Der Stadtrat wiederum verpflichtete sich, an drei Terminen eine Jahresrente von 240 Gulden an die Schüler auszuzahlen (Marx 1907, 83 f.; Hoenen 2004, 60 – 62). Aus dem gleichen Jahr 1469 datiert auch die älteste Fassung der Statuten der „Bursa Cusana“ (Edition der lat. Fassung: Marx 1907, 260 –265; der niederl. Übersetzung: Linskens 1986, 29–31), die 1530 und nochmals 1580 vom Rektor des Hospitals und den Visitatoren revidiert sowie ergänzt wurden. Nach den ältesten Statuten sollten zwei Provisoren vor Ort in Deventer, die der Rektor des Kueser Hospitals mit Zustimmung der Visitatoren ernennen und absetzen konnte, die Aufsicht über die Stiftung haben. Die wirtschaftliche und pädagogische Leitung des Hauses übernahm dagegen ein akademisch gebildeter Magister, der von den Provisoren ernannt wurde und mit seiner Familie im Kolleg wohnte. Er musste den Schulbesuch der Schüler überwachen, mit ihnen die in der Stadtschule in Deventer gehörten Vorlesungen bzw. den dortigen Unterricht wiederholen und sie moralisch nach dem Vorbild der Fraterherren in Deventer erziehen (Marx 1907, 84 f.; Hoenen 2004, 65 f.). Die Aufnahme in die „Bursa“ erfolgte durch den Rektor des St. NikolausHospitals in Kues, acht Stellen konnten allerdings von der Stadt Deventer und einigen kirchlichen Institutionen vorgeschlagen werden, in denen der Kardinal eine Pfründe besaß, d. h. drei Stellen vom Stadtrat in Deventer, zwei vom Domstift Lüttich und jeweils ein Stipendium von der Pfarrei Schijndel in Nordbrabant, dem Stift Münstermaifeld und der Pfarrei St. Wendel. „Ohne die einzelnen genannten Orte mit Schenkungen oder Legaten versehen zu müssen, wurde durch die Stipendiaten aus diesen Orten das Andenken des Stifters gewahrt.“ (Tritz 2008, 196) Die zwölf restlichen Stellen sollten dagegen vom Rektor in Kues mit Stipendiaten aus der Umgebung von Kues besetzt werden. Diese waren dazu verpflichtet, für Cusanus als Stifter zu beten und auch später nach einer erfolgreichen Karriere der „Bursa“ in Deventer und des Hospitals in Kues zu gedenken (Marx 1907, 85 f.; Schoppen 1994, 38– 41; Hoenen 2004, 66 –70). Die „Bursa Cusana“ lässt sich als eine typische Studienstiftung des 15. Jahrhunderts charakterisieren, die durchaus mit anderen privaten Studienförderungen, z. B. in Köln oder Herford, vergleichbar ist (vgl. Tritz 2008, 197– 203). Heute erinnern lediglich zwei Straßennamen in Deventer, „Bursestraat“ und „Burseplein“, sowie eine 2001 angebrachte Gedenkplakette am Haus Bursestraat Nr. 2, wo sich das Studienhaus befand, noch an die Studienstiftung des Nikolaus von Kues in Deventer (Schoppen 1994, 40 – 47).
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Zu den Stiftungen des Nikolaus von Kues gehört möglicherweise auch die 1462 errichtete Kanzel sowie die 1463 / 64 entstandene, mit einem Wappenzyklus bemalte Gewölbedecke im Mittelschiff der Wallfahrtskirche St. Wendel. An beiden Stellen ist das Wappen des Cusanus zu sehen, der wohl von 1446 (AC I / 2, n. 722) bis zu seinem Tod Kommendatarpfarrer in St. Wendel war (Wein 1960; Hannig 1975 / 76; Schmitt 1981 / 82; Schmitt 1982; Martin 2001; Tritz 2008, 207–219).
Das St. Nikolaus-Hospital in Kues Im Testament von 1464 wurde das heute noch existierende St. NikolausHospital in Kues zum Haupterben des Kardinals ernannt. Dabei spielte es schon lange Zeit vorher eine wichtige Rolle und wurde als Stiftung der gesamten Familie Kryfftz bzw. Krebs geplant, die – abgesehen von Katharina, einer unehelichen Halbschwester des Nikolaus von Kues – ohne direkte Nachkommen blieb. Das gesamte elterliche Erbe, darunter das sogenannte CusanusGeburtshaus in Kues am Nikolausufer 49, das heute als Standesamt, Museum und Veranstaltungsort genutzt wird (Vogts 1935, 142; Schmitt 1981, 136 –145), ein Haus in Trier aus dem Besitz der bereits verstorbenen älteren Schwester Margarethe, der Besitz seines Bruders Johannes Kryfftz d. J. sowie später noch ein Großteil des Vermögens seiner jüngeren Schwester Klara Kryfftz flossen in die Hospitalsstiftung. Hauptstifter war allerdings Nikolaus von Kues, der den größten Teil seiner Pfründeneinkünfte in die Errichtung und Ausstattung des Hospitals investierte (Marx 1907, 5–9; Schmitt 1981, 174 –187; Watanabe 2002, 217–222; Hensel-Grobe 2007, 15– 42; Tritz 2008, 57–77). Die Einrichtung eines Hospitals als Ort der Memoria ist dabei nicht ungewöhnlich, so fi nden sich dafür viele zeitgenössische Beispiele wie die Hospitalsstiftung des burgundischen Kanzlers Nicolas Rolin (1376 –1461) in Beaune. Erste konkrete Überlegungen zur Errichtung eines Hospitals in Kues an der Stelle der St. Nikolaus-Kapelle auf der anderen Moselseite gegenüber der Stadt Bernkastel fanden noch zu Lebzeiten von Henne Kryfftz († ca. 1449) statt. Als Verwalter der neuen Stiftung tätigte Johann Kryfftz d. J. im Namen seines Vaters und seines Bruders bereits 1447 erste Rentenkäufe in Form von Naturalien wie Getreide und Weinberge (AC I / 2, n. 741, 745; Kortenkamp 2004, Nr. 26). Damit wurde der Grundstein der Besitzungen des Hospitals gelegt.
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1451 besuchte Nikolaus von Kues auf seiner Legationsreise seinen Heimatort zum letzten Mal und gewährte den Besuchern der noch existierenden Nikolauskapelle einen Ablass von 100 Tagen, wenn sie u. a. für die neue Kapelle und deren Ausstattung stifteten (AC I / 3b, n. 1970; Kortenkamp 2004, Nr. 35). Die alte Kapelle wurde zwischen 1451 und 1453 niedergelegt und man begann 1452 / 53 mit dem Bau des Hospitals, das eventuell bereits 1454, auf jeden Fall jedoch vor dem 7. Mai 1456 fertiggestellt wurde. Von diesem Tag datiert das nur als Transsumpt überlieferte Testament des Johannes Kryfftz d. J. (Kortenkamp 2004, Nr. 53), in dem er u. a. den Wunsch äußerte, in dem bereits erbauten, aber noch nicht konsekrierten Hospital bestattet zu werden. Nur knapp einen Monat später verstarb Johann Kryfftz d. J. am 3. Juni 1456 und vermachte seinen gesamten Besitz dem Hospital in Kues. Entgegen seinem Wunsch wurde er allerdings nicht im Hospital in Kues, sondern als Pfarrer von Bernkastel in der dortigen Pfarrkirche beigesetzt. Am 3. Dezember 1458 wurde von Nikolaus von Kues schließlich die Stiftungsurkunde erlassen (ebd., Nr. 57), in der die Baukosten mit 10 000 rheinischen Gulden angegeben werden, zu denen nochmals ein Stiftungskapital in Höhe von 20 000 Gulden hinzukam. Nur knapp einen Monat später, am 2. Januar 1459, folgte ein Erlass Papst Pius’ II., demzufolge das Hospital für exemt erklärt, d. h. aus dem Verantwortungsbereich des Trierer Erzbischofs herausgelöst und direkt dem Heiligen Stuhl in Rom unterstellt wurde (ebd., Nr. 58). Im September 1463 wurde die Pfarrei Kues schließlich auf päpstlichen Erlass ebenfalls dem Hospital zugeteilt, wodurch der Rektor bis zur Auflösung der Inkorporation im Jahre 1909 gleichzeitig auch Pfarrer von Kues war. Die dort anfallenden seelsorgerlichen Aufgaben wurden allerdings von Vikaren oder von einem der geistlichen Pfründner des Hospitals erledigt. Darüber hinaus wurden dem St. Nikolaus-Hospital seit 1499 auch alle Rechte und Einkünfte der Pfarrei St. Wendel sowie ab 1532 die Pfarrstelle in Bernkastel übertragen. Beide Pfarreien blieben bis 1798 im Besitz des Hospitals (Martini 1841, 49–52; Marx 1907, 93 –105). Weitere Vergünstigungen erhielt das Hospital schließlich aus dem Testament des Nikolaus von Kues von 1464 und dem Letzten Willen der Klara Kryfftz, die als wohlhabende Trierer Bürgerin am 8. September 1473 verstarb und neben umfangreichen Sach- und Geldspenden an Konvente, Pfarrkirchen, Hospitäler und Privatpersonen in Trier und Umgebung den größten Teil ihres Besitzes in Höhe von 3000 rheinischen Gulden sowie einigen Naturalien dem Hospital in
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Kues vermachte (Kortenkamp 2004, Nr. 107). Als Gegenleistung hierfür wurde sie mit zahlreichen liturgischen Stiftungen bedacht und erhielt eine Grabstelle in der Hospitalskapelle. Nikolaus von Kues selbst verstarb bereits am 11. August 1464 in Todi, ohne dass er das Haus jemals im fertigen Zustand gesehen hätte. Erst 1465 und damit fast ein Jahr nach seinem Tod wurde das Haus konsekriert und vermutlich eröffnet. Seine sterblichen Überreste wurden entsprechend seinem letzten Willen in Rom in seiner Titularkirche bestattet und lediglich sein Herz im Hospital beigesetzt (Marx 1907, 41–51; Hensel-Grobe 2007, 42– 44; Tritz 2008, 113 –119). Anhand der Exemtion des Hospitals aus dem Herrschaftsbereich des Trierer Erzbischofs zeigt sich bereits, dass Nikolaus von Kues versuchte, „das Hospital, seine Insassen und alle Besitzungen vor dem Einfluss des Trierer Erzbischofs zu sichern“ (Hensel-Grobe 2007, 59). Die Konflikte mit den Trierer Oberhirten veranlassten Cusanus, außerhalb des Erzbistums Trier weitere Besitzungen für das Hospital zu erwerben, so z. B. 1459 die beiden Dörfer Zeltingen und Rachtig in der Nähe Bernkastels, die zum Streubesitz des Kölner Erzbischofs gehörten (Hensel-Grobe 2005, 197–202; Hensel-Grobe 2007, 45–59). Auch nach dem Tod des Cusanus verfolgten die ersten Rektoren des Hospitals eine ähnliche Taktik. Dagegen versuchte der fi nanzschwache Trierer Erzbischof Johann II. von Baden schon bald nach dem Ableben des Kardinals seinen Einfluss auf das Hospital auszuweiten, das inzwischen eine bedeutende wirtschaftliche Stellung an der Mittelmosel inne hatte. Ungeachtet der früheren Exemtion erwirkte er 1477 und 1480 von Papst Sixtus IV. zwei Bullen, die ihn zum obersten Leiter des Hospitals machten und ihm das Recht einräumten, den bisherigen Rektor, Dietrich von Xanten, abzusetzen und eigene Kandidaten einzusetzen (Kortenkamp 2004, Nr. 116, 119). Hierauf nutzten die noch lebenden Familiaren des Nikolaus von Kues, d. h. vor allem Peter von Erkelenz, ihre noch vorhandenen Kontakte zur römischen Kurie und erwirkten 1485 vom neuen Papst Innozenz VIII. eine Aufhebung der beiden Bullen seines Vorgängers und einen Beschluss zur Wiederherstellung der alten Verhältnisse. In der Folge kam es zu einem erbitterten Kampf mit dem Trierer Erzbischof und seinen Amtsleuten, der vor allem zu Lasten des Hospitals und seiner Bewohner ausgetragen wurde. Erst am 12. August 1491 (ebd., Nr. 140) konnte der Konflikt beendet werden. Peter von Erkelenz († 1494), der seit 1488 bzw. 1490 als neuer Rektor die Geschicke des Hospitals lenkte, gelang es, die Exemtion der Stiftung zu verteidi-
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gen und die dortigen wirtschaftlichen Verhältnisse wieder zu sanieren, was zu einer zweiten Bauphase in den 1490er Jahren führte, in der z. B. 1494 / 95 die Bibliothek des Hospitals gebaut wurde. Allerdings war dieser Erfolg nur von kurzer Dauer. „Eine vollständige Exemtion des Hospitals scheint bereits nach dem Tod des Peter von Erkelenz an der politischen Realität, der sich weiter intensivierenden Landesherrschaft und der Distanz zu Rom, die ohne die weitreichenden Einflüsse eines Nikolaus von Kues und seiner Familiaren kaum zu überbrücken war, gescheitert zu sein.“ (Hensel-Grobe 2007, 59–85, hier 85; außerdem Hensel-Grobe 2005, 202–212)
Die Stiftungsurkunde des Hospitals Das zentrale Dokument, das die Verwaltung und innere Ordnung des Hospitals bestimmte, ist die Stiftungsurkunde, die am 3. Dezember 1458 von Nikolaus von Kues ausgestellt wurde (Edition: Kortenkamp 2004, Nr. 57; Übersetzung: Martini 1841, 52– 61; Marx 1907, 52– 63; Neusius 22007, 37– 42). Darin verfügt er die Gründung des Hospitals, dem alle beweglichen und unbeweglichen Güter aus seinem Besitz und dem Besitz seiner Familie als Dotation zufallen sollten. Im Hospital sollen – nach den Lebensjahren von Jesus Christus – 33 arme, alte, abgearbeitete Männer aus der Diözese Trier oder der Umgebung von Kues, über 50 Jahre alt, von ehrlichem Ruf, frei und unverheiratet – bzw. wenn verheiratet, dann nur unter bestimmten Bedingungen – versorgt werden. Von diesen 33 Bewohnern sollen nach Möglichkeit sechs Priester, sechs Adlige und 21 „gemeine Leute“ sein (§ 1). Unmittelbar nach der Einweihung der Kapelle sollte das Armenhospital eröffnet werden. Dabei behält sich Nikolaus von Kues das Recht vor, die Hospitalsleitung selbst zu übernehmen oder einer Vertrauensperson als Rektor zu übertragen (§ 3). Geeignete Kandidaten für den Rektorenposten müssen über 40 Jahre alt, Priester und von tadellosem Ruf sein. Zusammen mit den sechs ihm unterstellten Bediensteten, die freien Zugang zur Stiftung haben sollen, ist der Rektor gehalten, im Hospital zu wohnen. Die Ein- und Absetzung eines Rektors ist dabei Aufgabe der Visitatoren und Aufseher (§§ 2, 4, 13). Ferner verordnet Cusanus in der Stiftungsurkunde unter Androhung der Entlassung, dass die Armen dem Rektor Keuschheit, Gehorsam und Treue sowie die Einhaltung der Statuten des Hauses geloben sollen (§ 5). Jedem Be-
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wohner stand eine Einzelzelle zu, die nach den Buchstaben des Alphabets bezeichnet werden sollten. Dabei erhalten die Trierer Erzbischöfe das Recht, drei Bewohner aus allen drei Ständen, die Stadt Trier einen Priester und eine Person des dritten Standes sowie die Grafen von Manderscheid einen Adligen vorzuschlagen (§ 6). Als gemeinsame Tracht empfiehlt Nikolaus von Kues das Habit von Laienbrüdern der Augustiner-Chorherren der Windesheimer Kongregation, an deren Lebensweise sich die Hospitalsbewohner orientieren sollen. Als Alternative gestattet er den Bewohnern der reservierten Zellen auch schwarze Kleidung (§§ 7, 8). Das Essen soll gemeinsam von allen im Refektorium eingenommen werden; ansonsten gelten besondere Speise- und Fastenregeln (§§ 9, 11). Alle geistlichen Bewohner sollen zusammen ihr Breviergebet in der Kapelle verrichten und die anderen Pfründner daran teilhaben lassen (§ 10). Den Bewohnern wird darüber hinaus ein kleines Einkommen bzw. geringer Besitz zugestanden, über die sie den Rektor und die Visitatoren allerdings informieren müssen (§ 12). Als Visitatoren bestimmt Cusanus die Prioren der Kartause Beatusberg in Koblenz und des Augustiner-Chorherrenklosters der Windesheimer Kongregation in Niederwerth bei Koblenz (ab 1583 wurde diese Tätigkeit vom Kloster Eberhardsklausen übernommen), von denen er eine hohe Meinung hatte. Diese sollten jährlich die weltliche und geistliche Situation des Hospitals, das Inventar sowie die Einhaltung der Stiftungsurkunde überprüfen und gegebenenfalls Missstände korrigieren (§ 14). Als zweite Kontrollinstanz beruft Nikolaus von Kues die Schöffen von Bernkastel und Kues, die die Finanzlage und die Einhaltung der Vorschriften im Auge behalten sollten (§ 15). Die wichtigsten Instanzen innerhalb der Hospitalsordnung bildeten also der Rektor, die beiden Visitatoren und die Schöffen von Bernkastel, und Kues als Aufseher bzw. Superintendenten. Die entsprechenden Rechte und Pflichten der einzelnen Organe werden in der Stiftungsurkunde allerdings nicht klar definiert. Der Rektor hatte dabei als oberste Exekutive die größte Autorität im Hospital. Er stand an der Spitze des Hauses, vertrat es juristisch nach außen, z. B. gegenüber dem Trierer Erzbischof oder der päpstlichen Kurie, und waren für die Vermögensverwaltung, den Abschluss von Verträgen, die Haushaltung, das Verhalten und Leben der Pfründner, die Beaufsichtigung der Diener usw. verantwortlich. Die beiden Visitatoren kamen aus dem Umfeld der von Nikolaus von Kues hoch geschätzten als Vorbild verstandenen Devotio moderna bzw. Klosterreform. Sie überprüften ein Mal pro Jahr die Amtsführung des Rektors,
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die Wahrung der Statuten, die Lebensweise der Stiftsbewohner und zusammen mit den Superintendenten die wirtschaftlichen Verhältnisse im Stift. Die Superintendenten bildeten quasi das städtische bzw. bürgerliche Element der Hospitalsverfassung und waren zusammen mit den Visitatoren neben der Überprüfung der Finanzen auch für die Ein- und Absetzung des Rektors verantwortlich (Marx 1907, 75–81; Hensel-Grobe 2007, 86 –109). Trotz verschiedener Kompetenzstreitigkeiten untereinander garantierten die drei Verwaltungs-, Leitungs- und Kontrollinstanzen die Dauerhaftigkeit und Stabilität des Hospitals. Hinsichtlich der Hospitalsbewohner fällt zunächst die ungewöhnliche soziale Zusammenstellung der 33 Pfründner auf, die aus sechs Priestern, sechs Adligen und 21 gemeinen Leuten bestand. Diese auf den ersten Blick merkwürdige Anordnung erklärt sich als Reminiszenz an eines der zentralen Themen des Cusanus, die „Einheit in der Vielheit“, die hier auf die soziale Zusammensetzung des Hauses übertragen wurde. Allerdings ist Armut nicht gleich Armut und mit der Bestimmung, dass nur ehrbare und nach Möglichkeit ortsansässige Männer, älter als 50 Jahre, aufgenommen werden sollten, schloss Cusanus umherziehende Bettler, Spielleute, Schausteller, Kriminelle usw. aus. Von Cusanus wurden vielmehr Einheimische bevorzugt, die von Altersarmut betroffen waren und trotz eines harten Arbeitslebens keine finanziellen Rücklagen für das Alter bilden konnten (Hensel-Grobe 2007, 121; Marx 1907, 65–71). Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten war das Hospital nicht immer in der Lage, 33 Arme zu versorgen, was dazu führte, dass im 16. und 17. Jahrhundert gelegentlich die Zahl der Bewohner herabgesetzt und ein gewisses Kontingent an Plätzen verkauft wurde. Dabei war es vor allem das Verdienst der lokalen Superintendenten, dass das Hospital nicht zu einem bezahlten Pflegeheim für reiche Pfründner wurde (Hensel-Grobe 2007, 139). Die von Cusanus favorisierte Form des Zusammenlebens im Hospital orientiert sich dabei stark an klösterlichen Gemeinschaften, vor allem aus dem Bereich der Reformorden wie der Kartäuser oder der Augustiner-Chorherren der Windesheimer Kongregation. Dies zeigt sich nicht nur bei den beiden Visitatoren, sondern auch beim Treuegelöbnis gegenüber dem Rektor, dem gemeinsamen Mahl im Refektorium, der Hospitalsbekleidung und der als Vorbild empfohlenen klösterlichen Lebensweise (Marx 1907, 71–75; Neusius 2007, 24).
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Bau und Ausstattung der Hospitalsanlage Auch der Bau des Kueser Hospitales in der Mitte des 15. Jahrhunderts orientierte sich an einer spätgotischen Klosteranlage der Kartäuser oder der Windesheimer. „Während der herkömmliche Spitalbau eine zentrale Halle aufwies, rezipiert die cusanische Anlage eine monastische Grunddisposition. Um einen Kreuzgang gruppieren sich Einzelzellen zu Wohn- und Studierzwecken sowie eine Küche, ein Refektorium und eine spätgotische Kapelle.“ (Corsepius 2004, 55; außerdem Vogts 1935, 105–135; Ders. 21958; Craemer 1963, 90 –92; Neusius 2007, 27–33; Tritz 2008, 119–136) Die Hospitalskapelle, das eigentliche geistliche und liturgische Zentrum der Anlage, setzt sich dabei aus einem nahezu quadratischen Laienraum mit achteckigem Mittelpfeiler sowie einem schmaleren, dreijochigen Chorraum zusammen. Darin ist die schlanke Mittelsäule im Laienraum, die häufig als Symbol für die Christozentrik des Cusanus (über)interpretiert wird (z. B. Hempel 1953, 28 f.; dagegen Tritz 2008, 131), von architektonisch zentraler Bedeutung für den gesamten Grundriss der Kapelle, handelt es sich hierbei doch um den für das Moselgebiet ungewöhnlichen Bautypus der „Einstützenkirche“, der möglicherweise direkt auf eine Empfehlung von Nikolaus von Kues zurückgeht (vgl. vor allem Schotes 1970). „Durch seine Legationsreise war Nikolaus von Kues mit den Bauformen der donauländischen Spätgotik in Kontakt gekommen. Das in Kues verwendete böhmische Grundrissschema des zentrierten Einstützenraumes […] löste im Eifel-Mosel-Raum eine ganze Filiation von Einstützenbauten aus.“ (Tritz 2008, 170 f.) An der Nordseite des Laienraumes befindet sich ein monumentales Wandgemälde aus dem 15. Jahrhundert mit einer Darstellung des Jüngsten Gerichts. Auch wenn die Darstellung weder der Liturgie noch der direkten Memoria an den Stifter dient, so wird an ihr einer der zentralen Gründe der Hospitalsstiftung verdeutlicht: die Erinnerung an den Tod und das Vollbringen von guten Werken als Jenseitsvorsorge (Aris 2001, 203 –205; Tritz 2008, 164 –169). Auf der gegenüberliegenden Südseite des Laienraumes wurde in einem zugemauerten Kapelleneingang die Grabplatte der Klara Kryfftz, der Schwester des Nikolaus von Kues, eingelassen, die 1473 im Hospital bestattet wurde. Dabei wird die Sandsteinplatte dem von Niclaus Gerhaert von Leiden beeinflussten Trierer Bildhauer Peter von Wederath zugeschrieben (Schmid 1988; Tritz 2008,
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162). Klara wird darauf als lebende Person „mit mädchenhaften, lächelnden Zügen in der Gestalt ihres bereits erneuerten, die Parusie erwartenden Auferstehungsleibes“ (Tritz 2008, 160) dargestellt. Die abgebildete kostbare, pelzbesetzte Kleidung sowie die hohe Qualität der Grabplatte zeichnen Klara als wohlhabende Bürgerin und Repräsentantin der Trierer Führungsschicht aus, während die Grabinschrift vor allem die Verwandtschaft zu ihrem berühmten Bruder, dem Kardinal Nikolaus von Kues, in Erinnerung ruft (Vogts 1935, 120; Vogts 21958, 20; Aris 2001, 217 f.; Tritz 2008, 159–164). Die Grabplatte befand sich vor dem von ihr gestifteten Altar, der im Laienraum rechts vom Apsisbogen stand. Bei diesem Retabel handelt es sich um einen mittelrheinischen Marienaltar aus der Zeit um 1460. „Nach dem Willen der Testatorin sollte am Marienaltar der Hospitalskapelle eine tägliche Messe für ihr Seelenheil und das ihrer Anverwandten, verstorbenen Gatten und Freunde gefeiert werden.“ (Tritz 2008, 155–159, hier 159; Vogts 1935, 127 f.; Vogts 21958, 18–20; Hauth 1985) An Grabmal und -altar der Klara Kryfftz und ihrem Memorialensemble wird nochmals deutlich, dass es sich beim Hospital und bei der Kapelle zwar um eine Familienstiftung handelt, die allerdings ganz auf Nikolaus von Kues als Hauptstifter zugeschnitten ist. So befi ndet sich das Memorialensemble des Kardinals, bestehend aus dem Hochaltar und dem Herz-Epitaph des Kardinals, im Chorraum und damit im liturgischen Zentrum der Anlage. Der Hochaltar, ein Passionstriptychon, wird dem „Meister des Marienlebens“ zugeschrieben, der vermutlich zwischen 1460 und 1490 in Köln tätig war und sich am Werk des von Cusanus hochgeschätzten niederländischen Malers Rogier van der Weyden orientierte. Auf der Außenseite, die nur im geschlossenen Zustand zu sehen war, werden sechs Heilige wie z. B. Nikolaus von Myra oder der Patron der Kueser Kirche, Briktius von Tours, abgebildet. Auf der Innenseite fi nden sich drei Szenen aus der Passion. Auf dem linken Seitenflügel ist die Verspottung und Dornenkrönung Christi, im mittleren Teil die Kreuzigung und schließlich auf dem rechten Seitenflügel die Grablegung Christi mit der Beweinung sichtbar. Dabei ist vor allem die mittlere Tafel von Bedeutung, ist darin doch Kardinal Nikolaus von Kues kniend in inniger Gebetshaltung mit Krebswappen dargestellt. Aufgrund der bisherigen kunsthistorischen Datierung auf die Zeit um 1460 handelt es sich hierbei – neben seiner Darstellung auf dem Grabaltar in Rom – um eine der ältesten Abbildungen des Nikolaus von Kues, die eventuell noch zu Lebzeiten des Kardinals entstanden
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sein könnte. Diese zeitliche Zuordnung des Altares ist allerdings nicht unumstritten und so wird derzeit – basierend auf einer wiedergefundenen Rechnung von 1495 / 96 über die Entlohnung eines Malers Peter aus Koblenz für ein Passionsgemälde – eine mögliche Neudatierung diskutiert (Hensel-Grobe 2007, 272–282; Tritz 2008, 151–153; Stein 2011, 20 –23). Darüber hinaus ist auch die Identität der Figur hinter Nikolaus unklar. So wird der dargestellte Geistliche entweder als sein Bruder Johannes Kryfftz oder aber als einer seiner Familiaren, also als Dietrich von Xanten oder Peter von Erkelenz, gedeutet. Die Darstellung des Stifterbildnisses auf dem Passionstriptychon sollte zum einen das Andenken an den Kardinal wahren und zum anderen die Betrachter zur „spontanen Memoria“, d. h. zum spontanen Gebet für den Stifter anregen (Vogts 1935, 124 –126; Schmidt 1978, 32–37, 174 –176; Aris 2001, 214 –217; Tritz 2008, 142–154; Foerster 2011). Eine ähnliche Funktion hatte auch die Grabplatte vor dem Hochaltar. Während sein Leib gemäß seinem letzten Willen in seiner Titularkirche in Rom bestattet wurde, wurde sein Herz unter der aus sieben kleinen Teilen zusammengesetzten Messinggrabplatte in Kues beigesetzt. Die Grabplatte wurde allerdings erst 24 Jahre nach dem Tod des Cusanus von Peter von Erkelenz 1488 in einer Kölner Werkstatt oder in den südlichen Niederlanden in Auftrag gegeben. Dabei handelt es sich bei dem Herz-Epitaph um eine gotische Kopie der römischen Marmorplatte, wobei diese nunmehr dem nordalpinen Typ angepasst wurde und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts selbst wiederum als Vorbild für viele Grabmäler höhergestellter Kleriker im Rhein-Main-Mosel-Gebiet diente (Matheus 2010, 30 f.; Nikitsch 2008). Nikolaus von Kues als Stifter im Bischofsornat wird darauf mit einem stilisierten Pinienzapfen über der Herzkammer als lebende Person mit offenen Augen und nicht als aufgebahrter Leichnam wie auf der römischen Grabplatte dargestellt. Die Inschriftentafel mit gotischen Lettern ist zwar etwas kürzer, enthält dafür eine längere Passage, in der auf deren Anfertigung durch Peter von Erkelenz hingewiesen wird. Durch diesen Zusatz setzte Peter mit der Grabplatte nicht nur Nikolaus von Kues ein Denkmal, sondern gleichzeitig auch sich selbst; seine Memoria wurde hierdurch mit der des Stifters verbunden (Vogts 1935, 119; Vogts 21958, 20; Evans 1963; Gestrich 1993, 74 – 83; Aris 2001, 112 f.; Tritz 2008, 136 –142). Die Grabplatte sowie der noch zu behandelnde Bibliotheksbau gehörten zur zweiten Bauphase des Hospitals, die gegen Ende des 15. Jahrhunderts unter Peter von Erkelenz einsetzte. Im 18. Jahrhundert, vor allem unter Rektor Ste-
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phan Schoenes, wurde das Hospital in barockem Stil umgebaut. Hierzu gehörten u. a. die Umgestaltung des Portals, der Neubau des Konventssaals mit den vier Gemälden aus dem Leben des Nikolaus von Kues von Johannes Leutzgen und der Anbau des östlichen Moselflügels, der die Rektorenwohnung mit der Bibliothek verbindet.
Die Cusanus-Bibliothek Zum wichtigsten Erbe des Nikolaus von Kues gehört seine Handschriftensammlung, die nach seinem Tod zusammen mit einigen persönlichen Gegenständen wie z. B. astronomischen Geräten, Kasel, Kelch usw. von Heinrich Walpot von Vicenza nach Kues gebracht wurde (Mantese 1962; Bianca 1983; Aris 2008). Die Sammlung wird bis heute in dem 1494 / 95 vermutlich nach dem Vorbild der Bibliothek von Eberhardsklausen errichteten Bibliotheksanbau über der Sakristei aufbewahrt (Vogts 21958, 22 f.; Gestrich 1993, 84 f.; Tritz 2008, 126 –132; Brösch 2008; Stork 2010, 80 –92; Brösch 2010, 59– 62). Heute enthält die Bibliothek 316 Handschriften aus dem 9.–18. Jahrhundert, von denen ca. 270 aus dem Besitz des Nikolaus von Kues selbst stammen (Marx, 1905, VII; Bianca 1983, 677). Das inhaltliche Spektrum der Handschriften reicht dabei von Bibeln, den Werken der Kirchenväter, der Scholastik, Predigten, über liturgische, mystische, geographische, historische und philosophische Schriften bis hin zu Recht und Medizin. Die meisten Handschriften sind in lateinischer Sprache verfasst, allerdings fi nden sich darunter auch wenige deutsche, hebräische und griechische Manuskripte. Zu den wohl bedeutendsten Handschriften der Cusanus-Bibliothek gehören neben den beiden Werkausgaben (Cod. Cus. 218 und 219) und dem Predigtautograph (Cod. Cus. 220) u. a. auch die Cusanus-Bibel (Cod. Cus. 4), lateinisch-griechische Psalter aus dem 9. / 10. Jahrhundert (Cod. Cus. 9 und 10), ein Pontificale Romanum aus dem 14. Jahrhundert (Cod. Cus. 131), das Cusanus 1450 von Papst Nikolaus V. anlässlich seiner Weihe zum Bischof von Brixen geschenkt wurde, sowie das Opus Tripartitum Meister Eckharts (Cod. Cus. 21) mit handschriftlichen Anmerkungen des Kardinals. Aufgrund seiner Ausbildung als Kanonist fi nden sich besonders viele juristische, d. h. vor allem kirchenrechtliche Werke (Cod. Cus. 223 –277) im Bibliotheksbestand. Weitere Sammelschwerpunkte bilden die Werke Ramon Lulls (Cod. Cus. 81–88) sowie von Pseudo-Dionysius Areo-
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pagita (Cod. Cus. 43 – 45; 95) (Marx 1905, III–XII; Stockhausen 1938; Ronig 1986; Heinz-Mohr / Eckert 1981, 122–168; Watanabe 2002, 223 –235; Corsepius 2004, 58– 62; Watanabe 2011, 363 –370). Von Beginn an genoss die Sammlung des Cusanus unter den Humanisten einen exzellenten Ruf. So gehörten neben Giovanni Pico della Mirandola im Jahre 1488 auch Johannes Reuchlin und der Heidelberger Humanistenkreis der „Sodalitas litteraria rhenana“ zu den ersten Besuchern der Bibliothek, die diese im Jahre 1496 besichtigten (Nagel 1963; Flasch 1980, 114; Stork 2010, 92–95). Dabei blieben die Bestände der Cusanus-Bibliothek weitestgehend erhalten. Die größten Verluste fanden in der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert statt, als 48 Handschriften von den englischen Sammlern Robert und Edward Harley erworben wurden, die sich heute in der British Library in London befinden (Hallauer 1986; Watanabe 2002, 225–227). Bereits im 17. Jahrhundert gelangten 14 Handschriften in den Besitz der Bollandisten, die heute in der Königlichen Bibliothek in Brüssel aufbewahrt werden (Vyver 1964; Bianca 1983, 677). Weitere Handschriften aus dem ehemaligen Besitz des Nikolaus von Kues und der Cusanus-Bibliothek fi nden sich heute in zahlreichen europäischen Bibliotheken, so z. B. in Oxford, im Vatikan, in Trier, Münster usw. Neben den Verlusten kam es allerdings im Laufe der Zeit u. a. durch Ankäufe oder Stiftungen der Rektoren auch zu Zugängen von Handschriften, so z. B. einer frühen Abschrift des Scivias Hildegards von Bingen aus dem Besitz des Trierer Klosters St. Matthias (Cod. Cus. 63) oder der Springiersbacher Riesenbibel aus dem 12. Jahrhundert (Cod. Cus. 8), die nach der Säkularisation in die Cusanus-Bibliothek aufgenommen wurden. Neben den Handschriften verfügt die Hospitalsbibliothek auch über 90 Inkunabelbände mit über 100 einzelnen Wiegendrucken aus dem 15. Jahrhundert sowie ca. 2000 Druckwerke aus dem 16.–21. Jahrhundert (Hamm 1993). Darunter befi nden sich auch zwei der ersten gedruckten Werkausgaben des Nikolaus von Kues, d. h. die Straßburger Ausgabe von 1488 / 89 (Inc. 87) und der von Faber Stapulensis herausgegebene Pariser Druck von 1514 (Nr. 105) sowie die Schedelsche Weltchronik von 1493 (Inc. 66) und das möglicherweise in der Werkstatt des Johannes Gutenberg in Mainz auf Pergament gedruckte Catholicon (Inc. 84) des Johannes Balbus aus dem Jahre 1460. Ferner gehört auch ein erst 2010 systematisch geordnetes Archiv zum Hospital. Hierin befi nden sich neben den z. T. noch auf Nikolaus von Kues und seine Familie zurückgehenden 180 Urkunden (Edition: Kortenkamp 2004) auch eine umfassende
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Nachleben und Erbe
Sammlung von Akten, Rechnungen, Fotos, Karten und Plakaten mit einem Gesamtumfang von ca. 25 laufenden Metern (Krudewig 1915; Stein 2011). Bibliothek und Archiv bilden somit einen wesentlichen Bestandteil der Hospitalsstiftung und sind wichtige Garanten zur Sicherung der Memoria. Die Strategie, den Schwerpunkt der Stiftungen weitestgehend auf das Hospital zu konzentrieren, ging auf. Das Hospital ist bis heute das Zentrum des Andenkens an den Kardinal von der Mosel und seine Familie. Marco Brösch
II Werke in chronologischer Reihenfolge
a) Hauptschriften
De concordantia catholica I–III Über die allumfassende Eintracht I–III Entstehungskontext Werke De in chronologischer Reihenfolge concordantia catholica I–III
De concordantia catholica ist eine konziliare Abhandlung, eine Ekklesiologie, eine politische Theorie und, trotz Nikolaus’ späterer Distanzierung davon, ein frühes Meisterwerk. Mit seinen vielen Erweiterungen könnte man ein episodisches Werk erwarten, aber De concordantia catholica weist einen zusammenhängenden Rahmen sowie eine kohärente Thematik auf, weshalb es in seiner Gesamtheit betrachtet werden sollte. Es geht darum, eine universale Gemeinschaft des Friedens und der Harmonie zu errichten. Das Werk nahm als ein kürzerer Libellus seinen Anfang, in welchem Cusanus das Verhältnis zwischen Konzil und Papst untersucht, möglicherweise mit dem Ziel, einen juristischen Schriftsatz für seinen Auftraggeber Ulrich von Manderscheid in der umstrittenen Wahl zum Erzbischof von Trier zu liefern (Meuthen 71992, 34 – 49; AC I / 1). Selbst wenn sich De concordantia catholica hierauf beschränken würde, würde es seinen Platz unter den maßgeblichen Werken der „Basler Generation“ einnehmen. Cusanus erweiterte seine Überlegungen nicht nur um die Thematik des Reiches, sondern nahm zudem die metaphysischen Grundlagen von Kirche und Gesellschaft in den Blick. So wurde das „kleine Buch“ zu einer umfassenden Abhandlung des politischen und kirchlichen Denkens, errichtet auf Grundlage der Bibel, der Geschichte und des Rechts – alles unter dem Dach kosmischer Hierarchien – welches sich mit einem mittelalterlichen Rätsel befasst, das sich durch Cusanus’ vielfältige Karriere zieht: die Beziehung zwischen der Liebe
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Werke in chronologischer Reihenfolge
zum Besonderen des Historikers und der Suche des Philosophen nach dem Universalen – kurz die Balance zwischen Einheit und Vielheit. Diese Suche wird sogar im Titel ersichtlich, in dem auf den Titel von Gratians Sammlung von oft in Konflikt stehenden Autoritäten aus dem 12. Jahrhundert, Concordantia discordantium canonum, angespielt wird; ein Werk, das der junge, in Padua ausgebildete Rechtsgelehrte gut kannte. Von seiner Ausbildung machte Cusanus v. a. Gebrauch, als er 1432 als Rechtsbeistand des Ulrich von Manderscheid in das Basler Konzil (1431–1449) aufgenommen wurde. Während Cusanus sich vom Mikro- zum Makrokosmos bewegte, von einem regionalen Streit zu einem universalen Dilemma (Meuthen 71992, 35), durchlief sein Werk mehrere Phasen. Obwohl nicht ganz klar ist, ob sein Libellus (De conc. cath. II, 24: h XIV, n. 247), der wahrscheinlich 1433 verfasst wurde, bloß als Vorlage für De concordantia catholica oder als eigenständiges Werk gelten kann, diente dieses „Büchlein“ als Grundlage für einen Großteil der Bücher I und II von De concordantia catholica (I, 1–7, 16 –21: h XIV; II, 26 –33: h XIV). Vervollständigt wurde dieser Teil Mitte 1433 in einer ereignisreichen Zeit, als das Konzil sich mit den Hussiten beriet – Cusanus zitiert sein eigenes Werk Opusculum contra Bohemos (De conc. cath. II, 26: h XIV, n. 211) – und mit dem Papst über ein „decretum irritans“ zur Abschaffung der päpstlichen Stellenbesetzungsrechte verhandelte, auf welches Cusanus auch anspielt (ebd., II, 20: h XIV, n. 182). Daraufhin erweiterte er Buch II (ebd., II, 8–15, 22–25: h XIV), indem er die historischen und biblischen Untermauerungen durch juristische Argumente stützte. Letztendlich fügte er, angesichts der Ankunft Kaiser Sigismunds später im Jahre 1433, Buch III hinzu, an welchem er Anfang 1434 womöglich noch Korrekturen vornahm (Kallen in h XIV, IX–XIII; Sigmund 1991, XV–XVIII).
Werkstruktur und Inhalt Am Ende seines Libellus, welchen Cusanus in De concordantia catholica integriert, erklärt er: „Die Leistung der vorangegangenen kleinen Arbeit war, damit zu beginnen die Einheit zu untersuchen, die in der Kirche auf der Basis der fundamentalen Grundprinzipien existiert. Die Anordnung zeigt der Reihe nach unsere Absicht, wenn auch nicht in einer Weise, die leicht auf eine oberflächliche Art und Weise untersucht werden kann.“ (De conc. cath. II, 34: h XIV, n. 247)
De concordantia catholica I–III
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Als es fertiggestellt war, hatte das Werk allerdings einen viel größeren Rahmen. Sich in das Wesen und die Struktur der Kirche vertiefend, entfaltet es sich triadisch, um den trinitarischen Plan des Universums zu enthüllen – Geist, Seele und Körper – die für Grundlagen, Priestertum und Volk stehen. Jedes ist durch Ausgleichs- und Gegenkräfte gekennzeichnet – gleichsam einer Koinzidenz der Gegensätze gleichend – v. a. in Bezug auf Hierarchie und Konsens. Trotz einiger Exkurse ist die Gliederung ziemlich geradlinig. Cusanus gibt zu, Buch I sei schwer zusammenzufassen (ebd., II, 34: h XIV, n. 247), aber sein allgemeiner Zweck sei, die Grundlagen der Kirche und Gesellschaft darzulegen, die von der hierarchischen Struktur des Universums stammen. Er beginnt mit der Kirche als Leib Christi, welche er durch ihre griechische Wurzel definiert, „ecclesia“ als eine Versammlung in Einheit und Eintracht (ebd., I, 5: h XIV, n. 27). Das wirft sofort die zentrale Frage nach der Einheit in Vielheit auf: „Jede Übereinstimmung wird aus Unterschieden gebildet und je weniger Gegensatz es bei diesen Unterschieden gibt, desto höher ist die Übereinstimmung, und desto länger ist die Dauer.“ (Ebd., I, 1: h XIV, n. 6) Um zu beschreiben, wie der Leib Christi Eintracht in der Vielheit bietet, beruft sich Cusanus auf die göttlichen Emanationen, durch welche alle Dinge vom trinitarischen Gott durch verschiedene Abstufungen von Engel zu Mensch bis hin zu weniger beseelten Objekten herabfließen, bis die lebenspendende Kraft dieses Prozesses erschöpft ist (ebd., I, 1: h XIV, n. 9). Aus diesen Hierarchien entsteht ein Komplex aus triadischen Strukturen und Parallelen: Der Mensch ist unterteilt in Körper, Seele und Geist; die Kirche in Sakramente, Priestertum und Gläubige (ebd., I, 6: h XIV, n. 32). Während aber alle gleichermaßen an der sakramentalen Kraft teilhaben, erfordert die Herrschaftspflicht eine hierarchische Ordnung (ebd., I, 6: h XIV, n. 35). Diesen Stufungen jedoch kommen unterschiedliche Grade an Wahrheit zu. Die ganze Kirche beispielsweise besitzt eine größere Gewissheit als der Heilige Stuhl allein (ebd., I, 17: h XIV, n. 68). Buch I folgend, welches von der Struktur des Universums handelt, hat Buch II die Struktur der Kirche zum Gegenstand. Den ursprünglichen Libellus miteinbeziehend, beantwortet es die angeblich schwierige Frage, inwieweit das allgemeine Konzil tatsächlich über dem Papst steht (ebd., II, 17: h XIV, n. 140), mit einem weit ausholenden Rundblick auf die Bibel, antike Quellen und die wichtigsten Kanones. So wie die göttlichen Hierarchien die Grundlage des Universums in Buch I darstellen, ist Übereinstimmung das untermauernde Prinzip des zweiten Buches.
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Für Cusanus besitzt ein universales Konzil höchste Macht in allen Dingen über den römischen Papst (ebd., II, 34: h XIV, n. 249), mit einer wichtigen Unterscheidung: Allen Bischöfen, vielleicht sogar allen Priestern, komme hinsichtlich der Jurisdiktion die gleiche Macht zu, allerdings nicht hinsichtlich der tatsächlichen Ausführung (ebd., II, 13: h XIV, n. 116). Das Papsttum ist ein von Gott eingesetztes Amt, das seine eigenen Rechte und Pflichten hat, insbesondere Schismen zu vermeiden sowie Diener aller zu sein (ebd., II, 34: h XIV, n. 259). Cusanus unterstreicht diese Unterscheidung mit einer bemerkenswerten Einsicht: „Denn wenn die Menschen durch die Natur gleich an Macht und gleich frei sind, dann kann die wahre und geordnete Macht eines gemeinsamen Herrschers nicht auf natürliche Weise festgelegt werden, außer durch die Wahl und die Zustimmung der anderen, und das Recht wird auch durch Zustimmung der anderen festgesetzt.“ (Ebd., II, 14: h XIV, n. 127) Da das Einverständnis normalerweise stillschweigend gegeben wird, muss Cusanus diese Lehre mit der Theorie der Repräsentation stützen: „Die Autorität jeder beliebigen Versammlung erstreckt sich auf alle, die in dieser Versammlung der Möglichkeit nach repräsentiert werden.“ (Ebd., II, 15: h XIV, n. 132) Eine zweite markante Einsicht ist die Entdeckung, dass Rom nur eines von fünf Patriarchaten ist (ebd. I, 16: h XIV, n. 62). Folglich sollte der Glaube an die Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubenssachen nur in Bezug auf die römische Synode verstanden werden (ebd., II, 7: h XIV, n. 94). Andererseits repräsentiere der Papst die Kirche auf unklare Weise (ebd., II, 18: h XIV, n. 163), während ein universales Konzil weniger fehlbar und sicherer sei (ebd., II, 7: h XIV, n. 95). Nikolaus’ Ziel, Eintracht in der Vielheit zu bewahren, führt daher zu dem Schluss, dass Autorität sowohl von „oben“ als auch von „unten“ komme: „Es ist ein schöner Gedanke, dass alle Macht, egal ob geistliche oder zeitliche und körperliche, in den Menschen angelegt ist, auch wenn um die Herrschaftsmacht zu aktivieren, notwendigerweise ein prägender Strahl von oben hinzukommen muss, um sie im Sein zu etablieren.“ (Ebd., II, 19: h XIV, n. 168) In Buch III wird dieser umfangreiche Kommentar über die Kirche zu einer umfassenden Abhandlung über das Reich, auch von „oben“ und „unten“ betrachtet. Sich auf Aristoteles beziehend (wahrscheinlich hergeleitet durch Marsilius von Padua) erklärt Nikolaus, dass der Mensch von Beginn an mit Vernunft ausgestattet gewesen sein müsse, was ihn von den Tieren unterscheide (ebd., III, Praefatio: h XIV, n. 269). Aber nicht alle können regieren,
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weshalb bestimmte weise Menschen als Führer der gedankenlosen Leute agieren (ebd., III, Praefatio: h XIV, n. 272). Die gesellschaftliche Hierarchie ist nicht der Kirche untergeordnet. Sie sind gleichrangig. Der Kaiser habe, so Cusanus, in seinem Bereich die gleiche gesetzliche Macht über alle Untertanen wie der römische Patriarch über die der Kirche unterstehenden Bischöfe (ebd., III, 1: h XIV, n. 293). Auch sei das Reich nicht durch den Papst von den Griechen auf die Deutschen, repräsentiert durch Karl den Großen, übertragen worden (ebd., III, 2: h XIV, n. 294). Um diese Schlussfolgerung zu untermauern, bestreitet Nikolaus die Authentizität der Konstantinischen Schenkung (ebd., III, 2: h XIV, n. 295) und stellt sogar die Vertrauenswürdigkeit der päpstlichen Briefe bei Pseudo-Isidor in Frage (ebd., III, 2: h XIV, n. 309). Anstelle einer Machtübertragung beruft sich Nikolaus auf das umfassende Prinzip, welches das gesamte Werk leitet: Er fragt, wer oder was dem römischen Volk das Recht verleiht, den Kaiser zu wählen, wenn nicht göttliches und natürliches Recht (ebd., III, 4: h XIV, n. 328)? Während in Buch II die Autorität des Papstes begrenzt wird, schlägt Nikolaus in Buch III Reformen vor, die das Reich stärken sollen. Mit Bezug auf die ottonische Zeit, in der sich alles dem Gemeinwohl zugewandt habe (ebd., III, 28: h XIV, n. 495), ist Cusanus der Meinung, die wesentliche Reform bestünde darin, jährliche Generalversammlungen einzurichten, auf welchen man sich mit Missständen befassen könne (ebd., III, 32: h XIV, n. 508). Neben diesen gelegentlichen Versammlungen sollte ein System von zwölf oder mehr regelmäßigen Gerichtshöfen geschaffen werden (ebd., III, 33: h XIV, n. 511), und um sicherzustellen, dass geeignete Kandidaten die höchsten Positionen innehaben, legt Cusanus ausführlich einen ausgefeilten Auswahlprozess dar, der womöglich auf Ramon Lulls De arte electionis zurückgeht, worin ein Ausgleich zwischen individuellen Voten und gewichtigeren Stimmen angestrebt wird (ebd., III, 37: h XIV, n. 535–541). Nach einem Streifzug, der die Kirche, die Gesellschaft sowie das Universum der Hierarchien durchlaufen hat, folgert Cusanus: „Das oben Gesagte hat bewiesen: Die wahre, einträchtige Harmonie der katholischen Kirche besteht aus der recht geordneten Führung, die in der gemeinsamen Übereinstimmung und der Wahl ihren Ursprung hat sowie aus der freien Unterordnung aller oder der Mehrheit besteht.“ (Ebd. III, 41: h XIV, n. 567; Weinrich 2001).
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Analyse und Deutung / Forschungsstand Für die meisten Befürworter des „Konziliarismus“ in dieser Periode wäre eine Berufung auf die Bibel und das kanonische Recht ausreichend gewesen, Nikolaus geht aber in signifikanter Weise darüber hinaus. Allgemein gesagt behandelt De concordantia catholica eine seit langem bestehende mittelalterliche Frage, nämlich die nach Hierarchie und Reform; aber von gleicher Wichtigkeit ist ein persönliches Interesse an einer Eintracht in der Vielfalt. Deshalb wäre es übertrieben, ohne Vorbehalte zu behaupten, Nikolaus hielte an einer Superiorität des Konzils über dem Papst fest. Während andere Autoren sich auf eine Seite stellten, suchte Nikolaus die Eintracht: nicht Papst oder Konzil, sondern beides: Papst und Konzil (Meuthen 71992, 46). In dem Werk geht es aber noch um mehr. Es beginnt mit dem Wunsch, eine tiefergreifende Ekklesiologie zu entwickeln und diese zusammen mit einer Reichstheorie in eine universale Perspektive zu setzen. Nikolaus’ Weltsicht, wie schon häufig dargelegt, spiegelt „die große Kette des Seins“ wider, welche er vom Denken des christlichen Neuplatonismus des Pseudo-Dionysius übernimmt, in welchem alle Dinge in der von Gott durchdrungenen Welt verschiedene Stufen und Grade durchlaufen. Von diesem Standpunkt aus geht Nikolaus von einer Welt aus, die einerseits auf göttlichen Hierarchien aufgebaut ist, welche ihre Einheit gewährleisten, andererseits auf einer Vielheit antiker Konzilien und Gesetze, welche Beweis für die Mannigfaltigkeit sind. Zu seinen markanten Leistungen gehört eine historische Methodologie, welche über die Anführung lose verknüpfter Namen weit hinausgeht. Cusanus erklärt mit einem gewissen Stolz, er verfüge über eine umfangreiche Sammlung von Autoritäten und diese stamme aus alten Originaltexten, nicht bloß aus einer verkürzten Sammlung (De conc. cath., Praefatio: h XIV, n. 2). Cusanus gründet sein Argument auf diese Quellen und lässt sich, wenn Zuschreibungen suspekt anmuten, auf historische Analysen ein. In ähnlicher Weise zeigt Nikolaus einen einfallsreichen Gebrauch des kanonischen Rechts. Er beruft sich auf alle wesentlichen Rechtsgrundsätze, die mit der „konziliaristischen Lehre“ (ebd., II, 13: h XIV, n. 112–126) in Verbindung stehen, die „Korporationstheorie“, „status ecclesiae“ und „quod omnes tangit“ eingeschlossen. Diese Theoreme verwendet Cusanus, um sein bemerkenswertes Argument für den Konsens zu stützen, in welchem er hinter die kirchlichen
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Grundsätze und die antiken Konzilien auf das natürliche Recht zurückgeht, in dem er grundlegende Gleichheit und Freiheit findet. Alles in allem malt sich Cusanus eine Geist-gelenkte einstimmige Gemeinschaft aus, in welcher Kirche und Gesellschaft sich gemeinsam entfalten können und aus zusammenarbeitenden Ständen bestehen, worin jedes seine Funktion und Autorität hat und alle offen für regelmäßige Reformen sind. Seine Sorge darum, jene Hinweise zu erkennen, durch welche der Geist Sicherheit verschafft, stürzte diese idyllische Welt in Zweifel, als er, nach der Abreise aus Basel 1437 und seinem erleuchtenden Erlebnis auf dem Meer bei der Rückkehr von Konstantinopel 1438, seine jugendliche Liebelei mit dem Konziliarismus neu überdachte. Trotz seines offensichtlichen Bruches mit der Vergangenheit gab er jedoch sein Streben danach, Einheit und Vielheit in Balance zu halten, niemals auf (Bond / Christianson 2001, 195–225; Miroy 2009).
Wirkungsgeschichte der Schrift Obwohl seine Kritik an der Konstantinischen Schenkung während späterer Reformbemühungen an Bedeutung gewann, wurde De concordantia catholica zur Streitquelle, als Nikolaus den Spitznamen „Herkules der Eugenianer“ erhielt. Seine Gegner beim Konzil von Basel zitierten Auszüge aus De concordantia catholica, um Cusanus’ Inkonsistenzen zu enthüllen und sein späterer Erzfeind Johannes Wenck spitzte die Kontroverse noch deutlich zu (Izbicki 1991). In Predigt XXI vom 6. Januar 1439 oder 1440 nimmt Cusanus Bezug auf ein Werk mit dem Titel De concordantia ecclesiastica (Sermo XXI: h XVI, n. 6), allerdings ist nicht ganz klar, ob er De concordantia catholica oder den früheren Libellus de ecclesiastica concordantia meint (Krämer 1969, 146). In jedem Fall bezieht er sich nur auf seine Hierarchienlehre. Er erwähnte De concordantia catholica niemals wieder und er nahm die Schrift auch nicht in seine Handschriftensammlung in Bernkastel-Kues auf. Lefèvre d’Étaples druckte das Werk erstmals in der Pariser Edition ab (1514). Die neuzeitliche Auseinandersetzung mit De concordantia catholica begann, als Gerhard Kallen die Schrift in Band XIV der Heidelberger Ausgabe edierte (1939, 1941, 1959). Die zur gleichen Zeit erscheinenden Bücher über politische Theorie bei Cusanus von Paul Sigmund und Morimichi Watanabe (beide 1963) signalisierten ein wiederauflebendes Interesse. Seither gehört die Anerkennung des
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Cusanus und seiner konziliaren Theorie für den modernen Konstitutionalismus zur allgemeinen Politikgeschichte. Gerald Christianson
De reparatione kalendarii Die Kalenderverbesserung Entstehungskontext De reparatione kalendarii
Die Abhandlung De reparatione kalendarii – öfters auch mit De correctione kalendarii betitelt – gehört zu den frühen kirchenreformerischen Schriften, die Cusanus dem Basler Konzil vorgelegt hat. Der 1436 fertig gestellte Traktat ist ein Ergebnis der Arbeit einer Sonderkommission, die das Konzil 1434 mit der Lösung des Kalenderproblems beauftragt hatte. Seit dem hohen Mittelalter waren die Astronomen zu der Feststellung gelangt, dass das offi zielle Kalendersystem die astronomischen Phänomene nur noch sehr fehlerhaft abbildete. Über die Ursachen, das Ausmaß und die Behebungsmöglichkeiten der Fehler gingen die Ansichten der Gelehrten jedoch stark auseinander, weshalb das Problem trotz mehrerer Lösungsversuche auch in Basel weiterhin Bestand hatte. Aus heutiger Sicht lässt sich das Zustandekommen des Kalenderproblems wie folgt resümieren: Die frühe Kirche hatte festgelegt, dass Ostern stets am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühjahr zu feiern sei. Es wurden demnach sowohl ein Sonnenkalender zur Bestimmung des Frühjahrsanfangs als auch ein Mondkalender zur Berechnung der Vollmondtermine benötigt, um das Osterdatum längere Zeit im Voraus berechnen zu können. Dies war notwendig, um das vorösterliche Fasten den biblischen Vorgaben entsprechend durchführen zu können und demnach von nicht geringer eschatologischer Bedeutung für alle Gläubigen. Die Christen verwendeten zur Berechnung ihrer Feste den im 4. Jahrhundert übernommenen Julianischen Kalender im Verein mit einem im 6. Jahrhundert entwickelten Mondzyklus. Die Jahresdefinition des Julianischen Kalenders orientierte sich am scheinbaren Sonnenlauf vor dem Hintergrund der Fixsterne.
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Die Feststellung des Frühjahrsanfangs hingegen bezieht sich auf eine geometrische Konstellation der Sonne in Bezug auf die Erde, nämlich den aufsteigenden Durchgang der Sonne durch die in den Himmel hinein verlängert gedachte Äquatorlinie der Erde (Äquinoktium). So kam es, dass das Julianische Jahr und die Dauer zwischen zwei aufeinander folgenden Frühjahrsanfängen um gut elf Minuten von einander abwichen. Der sich so über die Jahrhunderte aufsummierende Fehler betrug im 15. Jahrhundert rund neun Tage. Obwohl im Kalender der Frühlingsanfang auf den 21. März fi xiert war, fand das Äquinoktium damals bereits um den 12. März herum statt. Ähnlich sah es hinsichtlich der Vollmondberechnung aus. Der Mondzyklus beruhte auf der Ansicht, dass 19 Sonnenjahre genau 235 Vollmondperioden entsprächen. Die Abweichung zwischen den beiden Ereignissen beträgt jedoch rund anderthalb Stunden, was sich im frühen 15. Jahrhundert dadurch äußerte, dass die Kalenderberechnungen und die tatsächlichen Vollmondtermine um drei bis vier Tage auseinander lagen. Aus diesen beiden Gründen wurde Ostern damals in vielen Fällen zum „falschen“ Zeitpunkt gefeiert. Ein Beispiel: Im Jahre 1416 war der astronomische Frühlingsvollmond am Abend des 13. März zu sehen. Nach der frühkirchlichen Forderung hätte Ostern demnach am Sonntag, den 15. März stattfinden müssen. Tatsächlich gefeiert wurde das Fest in jenem Jahr jedoch erst mehr als einen Monat später, am 19. April. Dieser Umstand, der nicht nur das Seelenheil der Gläubigen bedrohte, sondern auch den Wahrheitsanspruch der Kirche unterhöhlte, verlangte demnach nach einer zufriedenstellenden Lösung.
Werkstruktur und Inhalt Der Text von De reparatione kalendarii, der in vier spätmittelalterlichen Handschriften überliefert ist, zerfällt in drei etwa gleich lange Teile. Die Einleitung beschäftigt sich mit den astronomischen Begebenheiten von Sonnen- und Mondlauf und den sich daraus ergebenden Konventionen der Zeiteinheiten. Der zweite Teil behandelt die Geschichte der Festsetzung des Ostertermins. Der Schlussteil besteht aus einer Auseinandersetzung mit bisherigen Reformversuchen und diskutiert die cusanischen Vorschläge zur Kalenderverbesserung. In zwei Handschriften findet sich zudem eine weitere Untergliederung des Textes in zehn Kapitel. Das erste Kapitel beschäftigt sich ausführlich mit der Defi nition der Jahresdauern und -anfänge. Die für den christlich-liturgischen
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Gebrauch geeignete Setzung des Sonnenjahres wird im zweiten Kapitel diskutiert. Das dritte Kapitel führt die gleiche Untersuchung mit Blick auf den Mondlauf durch. Die drei anschließenden Kapitel befassen sich mit der Festsetzung und Bestimmung des Ostertermins. Ausführlich erklärt das siebte Kapitel die beiden „Verkehrtheiten“, durch die der Fehler im Kalender entstanden war: die Festsetzung des Äquinoktialdatums auf einen bestimmten Tag im Kalender, und die der Mondlaufberechnung zugrunde liegende Annahme, dass sich mit 19 Sonnenjahren eine ganzzahlige Anzahl von Vollmondperioden decke. Das achte Kapitel präsentiert in der Folge einen Lösungsansatz. Cusanus schlägt vor, zunächst sieben Tage des Jahres 1439 fallen zu lassen, um das Äquinoktium – ohne die Wochentagszählung zu ändern – wieder annähernd an den 21. März zurückzuführen, und anschließend die Mondberechnung durch eine geeignete Verschiebung des Zyklus anzupassen, um so wieder korrekte Vollmonddaten zu erhalten. Ein solches Vorgehen habe den Vorteil, dass die komputistischen Bücher weiterhin brauchbar blieben. Zuvor hatte Cusanus den in seinen Augen weitaus genaueren Ansatz, astronomische Tafeln zur Berechnung des Ostertermins heranzuziehen, eben deshalb verworfen, weil dieser die Bücher unbrauchbar mache. Zudem sei ein unzyklisches Rechenverfahren für die einfachen Leute nicht nachvollziehbar. In Kapitel neun untersucht Cusanus den astronomischen Grenzfall eines Vollmondes zwischen dem 19. und 21. März, der aufgrund seiner ungenauen Wiederherstellung des Sonnenkalenders auftreten kann, und räumt dieses Problem schließlich mit theologischen Argumenten aus. Das abschließende zehnte Kapitel schlägt vor, alle 304 Jahre einen Schalttag auszulassen mit dem Ziel, dem durch die weiterhin ungenaue Mondberechnung entstehenden Fehler entgegenzuwirken. So werde die richtige Bestimmung des Osterfestes „für die kommenden tausend Jahre und darüber hinaus“ garantiert. Der Traktat schließt mit einer Ermahnung an die Konzilsväter diese einfach zu realisierende Kalenderreform zum Wohle der gesamten Kirche in die Tat umzusetzen. Obwohl sich die einzelnen von Cusanus vorgeschlagenen Maßnahmen bereits bei früheren Autoren finden, ist Nikolaus doch der erste, der ihre gleichzeitige Anwendung zur Behebung des Kalenderfehlers vorschlägt. Eine Wiederherstellung von Sonnen- und Mondkalender sowie eine Änderung der Schaltregel wurden, wenngleich mit anderen mathematischen Mitteln und auf der Grund-
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lage erheblich besserer astronomischer Daten, in der Gregorianischen Kalenderreform von 1582 umgesetzt.
Analyse und Deutung / Forschungsstand Da sich die Kalenderschrift in den vier frühen Druckausgaben findet, wurde sie seit den Anfängen der „modernen“ Cusanus-Forschung immer wieder wahrgenommen, lange Zeit jedoch ohne eine eingehende Behandlung zu erfahren. Bis heute gibt es nur wenige Arbeiten zur Reparatio. Eine erste umfangreichere inhaltliche Auseinandersetzung erfuhr der Traktat in der 1876 publizierten Abhandlung Die Vorgeschichte der Gregorianischen Kalenderreform von Ferdinand Kaltenbrunner. Die Entstehungszeit der Schrift hat Martin Honecker (1940a) beleuchtet. Im Jahre 1955 erschien eine kommentierte Textedition mit deutscher Übersetzung von Viktor Stegemann und Bernhard Bischoff. In seiner grundlegenden, 1971 veröffentlichten Monographie Die Philosophie des Nikolaus von Kues vor dem Jahre 1440, behandelt Hans Gerhard Senger die Kalenderschrift im Kontext der philosophischen Entwicklung des jungen Cusanus. Ulrich Hoyer unternimmt in seinem 2003 erschienenen Aufsatz Die Stellung des Nikolaus von Kues in der Geschichte der neueren Naturwissenschaft eine wissenschaftshistorische Einordnung der Kalenderschrift. Eine Monographie von Tom Müller aus dem Jahre 2010 beleuchtet einige zentrale Aspekte der Schrift und liefert eine neue Edition des Textes.
Wirkungsgeschichte der Schrift Die Kalenderfrage wurde in Basel aufgrund politischer Streitigkeiten mit dem römischen Papst vertagt, weshalb Cusanus seinen Kalendertraktat um 1460 in überarbeiteter Form in den Codex Cusanus 219 aufnehmen ließ. So fand die Reparatio ihren Weg in die Straßburger Druckausgabe der cusanischen Werke von 1488 und konnte in der Folge von den wichtigsten Autoren auf dem Weg hin zur Umsetzung der Kalenderreform im Jahre 1582 rezipiert werden. Sie findet in unterschiedlicher Tiefe Erwähnung z. B. bei Paul von Middelburg oder bei Christopher Clavius. Tom Müller
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De docta ignorantia I–III Über die belehrte Unwissenheit I–III Entstehungskontext De docta ignorantia I–III
Wie Nikolaus von Kues in einem an Kardinal Giuliano Cesarini adressierten Nachtrag zu De docta ignorantia berichtet, beendete er die Abhandlung De docta ignorantia am 12. Februar 1440 in seinem Heimatort Kues (De docta ign. III, Epistula auctoris: h I, p. 164). Er weist außerdem darauf hin, die zentralen Gedanken des Buches seien durch die Rückbesinnung auf eine plötzliche Erleuchtung entstanden, die ihm zwei Jahre zuvor während einer Seereise von Konstantinopel nach Venedig widerfahren war (ebd., III, Epistula auctoris: h I, p. 163). Obwohl es offensichtlich scheint, dass diese Reise Cusanus zum Verfassen der Schrift De docta ignorantia inspirierte, gibt es durchaus Gründe, seine Schilderung über die Entstehung des Buches nicht wörtlich zu nehmen. Nikolaus kam Anfang Februar des Jahres 1438 in Begleitung einer prominenten Delegation im Hafen Venedigs an. Darunter waren der Kaiser von Byzanz, Johannes VIII. Palaiologos, der Patriarch von Konstantinopel, Joseph II. sowie der Erzbischof und zukünftige Kardinal Bessarion. Papst Eugen IV. hatte Cusanus und seine Amtskollegen entsandt, einen neuen Dialog mit der Ostkirche nach päpstlichen Bedingungen und nicht nach denen des Basler Konzils zu eröffnen. Während dieser wichtigen Mission (durch welche es gelang, das Christentum 1439 kurzzeitig zu vereinigen) fand Cusanus auch Zeit für die Suche nach neuen Manuskripten und entdeckte dabei Werke von Basilius dem Großen, Johannes Chrysostomus, Proklos und eine seltene Übersetzung des Korans. Man kann sich vorstellen, dass Nikolaus während der dreimonatigen Rückreise, trotz unbequemer Umstände auf dem Schiff, Gespräche mit Bessarion und den anderen großen Denkern an Bord geführt haben mag (Bond 1996, 143). Nach der Ankunft in Venedig machte sich Nikolaus, aufgehalten durch seine politischen Aufgaben (auf den Reichstagen), die ihm der Papst übertragen hatte, langsam auf den Weg zurück ins Rheinland. In Anbetracht dieses Zeitplans ist es erstaunlich, dass Cusanus imstande war, De docta ignorantia – ein Werk, das teilweise immer noch als sein theo-
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logisches Meisterstück gilt – schon im Februar 1440 zu vollenden. Einerseits genießt das Werk für seine Originalität Ansehen. Zwar stimmt es, dass es aus einer breiten Auswahl antiker und mittelalterlicher Quellen schöpft; aber Cusanus tut Recht daran, sich vor Cesarini zu rühmen, weil sein Buch diesen etwas neues, über den üblichen Weg der Philosophen Hinausgehendes abringt (De docta ign. III, Epistula auctoris: h I, p. 163). Das Neuartige in De docta ignorantia beschränkt sich auch nicht auf die Prinzipien der belehrten Unwissenheit und der negativen Theologie. Nikolaus entwirft darüber hinaus eine mathematische Lehre von der Trinität als Einheit, Gleichheit und Verknüpfung; eine universale Vorstellung einer „Ein- bzw. Ausfaltung“, die den Gedanken der geschaffenen Verschiedenheit neu durchdenkt; eine Kosmologie unendlichen Raumes, welche die Idee von Leben auf anderen Planeten anerkennt; und schließlich eine neue philosophische Basis für die Menschwerdung. Andererseits gibt es in den Jahren vor 1440 nicht viele Hinweise dafür, dass Cusanus diese besondere Synthese des pseudo-dionysischen Ansatzes, der Schule von Chartres und des pythagoreischen Ansatzes, welche er in De docta ignorantia vollzieht, in Betracht gezogen hatte. Die belehrte Unwissenheit ist ein Tropus, welcher bis zu Sokrates und Augustinus zurückreicht; und PseudoDionysius hatte Nikolaus bereits 1433 in De concordantia catholica diskutiert. Aufgrund der Annahme, De docta ignorantia sei in einer bedeutenden in Augsburg gehaltenen Weihnachtspredigt vorbereitet, welche bestimmte Auffassungen und Themen wiederhole, wurde diese auf 1439 datiert. Neue Manuskriptbelege allerdings datieren sie auf Dezember 1440 – somit auf fast ein Jahr nach der Abhandlung (Sermo XXII, h XVI / 4). Da Nikolaus in den folgenden Jahrhunderten als bedeutender Pseudo-Dionysius-Interpret galt, schien seine Beschreibung einer plötzlichen mystischen Einsicht passend. Zudem war eine solche Einsicht für die moderne Forschung fast schon notwendig, um zu erklären, wie ein derart ausgelasteter Rechtsgelehrter mit einer lediglich lückenhaften philosophischen Bildung in so kurzer Zeit eine solche Fülle platonischer Theologie in De docta ignorantia hervorbringen konnte. Nach Martin Honeckers Berechnungen hatte Nikolaus zwischen Februar 1438 und Februar 1440 nur drei einzelne Phasen der Muße (insgesamt etwa acht Monate), in denen er Zeit hatte, De docta ignorantia zu verfassen (1940b; Bond 1996, 151–154). Er nimmt deshalb an, dass Cusanus sich einen Text des Pseudo-Dionysius besorgt hatte, um ihn auf der Seereise zurück nach Italien zu lesen. Allerdings ist schon in De concordantia catholica
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pseudo-dionysischer Einfluss erkennbar und Nikolaus konnte auch noch nicht gut Griechisch lesen. Raymond Klibansky kommt zu ähnlichen Schlussfolgerungen (1977, 216 –219). Auch wenn H. Lawrence Bond die Offenbarung auf dem Meer mitberücksichtigt, zieht er folgenden Schluss: „The weight of official responsibilities might have deprived Cusanus of intense theological engagement had not the illumination on shipboard provided a vision of the divine mysteries that demanded telling. Yet neither Cusanus’ recorded activities nor his correspondence provide evidence of the development or process of composition of De docta ignorantia.“ (1996, 162) In seiner Studie zu den frühen Schriften des Cusanus räumt Hans Gerhard Senger ein: „Die Tatsache, daß ein 40jähriger plötzlich mit einer so durchdachten und inhaltsreichen Philosophie aufwartet, ist überraschend.“ (1971, 7) Diese Überlegungen führten dazu, dass einige Forscher anfi ngen, nach anderen Erklärungen für die Entstehung der Abhandlung von 1440 zu suchen. Marjorie Boyle bringt die These vor, Nikolaus’ Aussage einer mystischen Erleuchtung auf See sei bloß ein rhetorischer Topos (1991). Das plötzliche Auftreten dieser neuen Gedanken des Cusanus in den späten 1430er Jahren macht Hoenens strittige These, Nikolaus habe einige Ideen aus den Texten eines anderen Autors entlehnt, glaubwürdig. Auf der Grundlage einer bemerkenswerten Manuskriptentdeckung stellt Hoenen die Vermutung an, Nikolaus habe Gebrauch von einem anonymen Traktat gemacht, in welchem Elemente der Theologie des Thierry von Chartres vermittelt sind. Nach Hoenen zitiert Nikolaus einerseits lange Auszüge, die mehrere Kapitel des zweiten Buches von De docta ignorantia enthalten, baut andererseits aber auch auf den in der Schrift enthaltenen Ideen auf, um daraus die charakteristischen cusanischen Konzepte des Maximums, der Verschränkung bzw. Kontraktion und der Koinzidenz der Gegensätze zu konstruieren (1995; Albertson 2010).
Werkstruktur und Inhalt De docta ignorantia umfasst drei etwa gleich lange Bücher. Wie Nikolaus zu Anfang des ersten Buches erklärt (De docta ign. I, 2: h I, p. 7 f.) und in seinem einleitenden Brief an Cesarini wiederholt (ebd., III, Epistula auctoris: h I, p. 163), macht die Abfolge der Bücher das Hauptargument des Werkes als Ganzes deutlich. Buch I handelt von Gott als „absolutes Maximum“, eine
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Größe jenseits eines Gegensatzes zu einer entgegengesetzten Kleinheit. Buch II vergegenwärtigt den Kosmos als entsprechendes „Maximum“, welches im Vergleich dazu „kontrakt“ bzw. auf endliches Sein begrenzt ist. Diese beiden Maxima sind demnach eng verknüpft, gleichzeitig jedoch geteilt durch die Kluft, die zwei verschiedene Arten des Seins trennt, absolutes und kontraktes Sein, Schöpfer und Geschöpf. In Buch III bestimmt Nikolaus Jesus als den einzigartigen Schnittpunkt zwischen diesen beiden Seinsarten. In der hypostatischen Einheit von Wort und Fleisch stellt Jesus das Maximum dar, welches auf einzigartige Weise sowohl absolut als auch kontrakt ist. Während alle drei Bücher zu dieser generellen Erörterung beitragen, beinhalten sie zudem eine Fülle ergänzender Überlegungen. Einige sind eher traditionell und beziehen sich auf Beispiele von Platon über Pseudo-Dionysius bis hin zu Eckhart; andere sind verblüffend originell. Nikolaus beschäftigt sich in den drei Büchern mit jeweils erkenntnistheoretischen, kosmologischen und theologischen Themen, mit je eigener innerer Struktur. In Buch I behauptet Nikolaus, die höchste Form des Wissens sei Nichtwissen, aber auch, dass diese negative Form des Wissens die passendste Methode sei, das unerreichbare Maximum, das Gott ist, zu begreifen. Dies führt zu dem typisch cusanischen Paradox, dass menschliche Unwissenheit am besten mit dem Instrumentarium präziser mathematischer Konzepte ausgedrückt wird. Da alles Wissen vergleichend tätig ist, sich vom Gewussten (Identität) zum Ungewussten (Andersheit) bewegend, muss der Geist im Sinne von numerischen Proportionen schlussfolgernd tätig sein (ebd., I, 1: h I, p. 5 f.). Gleichermaßen bestärkt die Vorstellung einer präzisen Messung Nikolaus’ Verständnis von der Unwissbarkeit der Welt und der Transzendenz Gottes. Der endliche menschliche Geist kann nur in Bezug auf relative Abstufungen von Mehr und Weniger messend tätig werden, so dass die perfekte Genauigkeit der Dinge stets jenseits seiner Reichweite bleibt. Unabhängig davon, wie viele Seiten einem Polygon zugefügt werden, es wird niemals zu einem Kreis werden, sondern lediglich ein ungefähres Abbild eines Kreises bleiben, dessen Mängel gleichwohl auf die Bedeutung einer perfekten Krümmung hinweisen. Anders ausgedrückt erkennt allein Gott die Welt mit mathematischer Genauigkeit und menschliche Mathematik ist das klarste Zeichen unserer Endlichkeit (ebd., I, 3: h I, p. 8 f.; I, 11: h I, p. 22–24). Die Mathematik erweist sich beispielsweise als brauchbar, wenn Nikolaus zu seiner Defi nition Gottes als absolutes Maximum greift. Da das absolute
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Maximum jenseits der Steigerung von Weniger und Mehr steht, ist es zugleich das absolute Minimum (ebd., I, 4: h I, p. 10 f.). Dieses Konzept von Transzendenz gleicht dem pythagoreischen und neuplatonischen Konzept des göttlichen Einen als absoluter Einheit jenseits aller Zahlen, deren Abstand voneinander ihre Verschiedenheit ermöglicht (ebd., I, 5: h I, p. 11–13). Nikolaus stellt sogar die Behauptung auf, die christliche Trinität wiederhole die pythagoreische heilige Dreiheit. An die Trias von Augustinus sowie eines Gelehrten des 12. Jahrhunderts, Thierry von Chartres, anlehnend, erklärt Cusanus, dass Vater, Sohn und Heiliger Geist Namen sind, welche Gottes ewiger Einheit, ewiger Gleichheit und der ewigen Verknüpfung dieser beiden gegeben sind (ebd., I, 7–9: h I, p. 14 –19). Sowohl Pythagoras und Augustinus als auch Boethius sahen das Mathematische aufgrund der Stabilität und Reinheit als überlegenes Werkzeug für den Geist auf seinem Weg zu Gott an (ebd., I, 11: h I, p. 22–24). Daraufhin arbeitet Nikolaus sich durch mehrere verschiedene geometrische Figuren, die – einmal zur Unendlichkeit und dann zu göttlicher Einfachheit erhoben – am besten das Sein Gottes als absolutes Maximum verdeutlichen (ebd., I, 12: h I, p. 24 f.). Er erklärt, dass eine unendliche Linie (das Unbegrenzte) als mit einem unendlichen Dreieck (das Begrenzte) und ein unendliches Dreieck (das Gerade) als mit einem Kreis oder einer Kugel (das Gekrümmte) zusammenfallend erkannt werden kann (ebd., I, 14 –15: h I, p. 27–30). So wie die unendliche Linie, auch wenn sie sich in unterschiedliche geometrische Figuren verwandelt, selbst ewig bleibt, so wohnt Gott in jeder Kreatur, während er ewig transzendent bleibt (ebd., I, 17: h I, p. 33 –35). Das unendliche Dreieck stellt die Trinität, der unendliche Kreis die göttliche Einheit und die unendliche Kugel das größte Sein Gottes dar (ebd., I, 19–23: h I, p. 37– 47). Nikolaus beschließt, angeregt durch PseudoDionysius, Buch I mit einer Betrachtung der göttlichen Namen. So wie die mathematischen Konzepte das beste Werkzeug darstellen, um die belehrte Unwissenheit zum Ausdruck zu bringen, so sind die negativen Namen Gottes höher als die affi rmativen Namen (ebd., I, 24 –26: h I, p. 48–56). Buch II ist das kürzeste der drei Bücher und ist übersichtlich in folgende drei Teile gegliedert: über das wechselseitige Paar von Einfaltung und Ausfaltung, über eine kuriose ontologische Trias, gleich der theologischen Trias von Buch I sowie über bestimmte kosmologische Folgesätze, welche das Wesen der Bewegung und des Raumes betreffen. Das erste Thema der Ein- / Ausfaltung entsteht als Folge der belehrten Unwissenheit. Wenn das absolute Maximum nicht wissbar ist und diese negative Erkenntnis am besten in der Sprache der Mathematik
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ausgedrückt wird, dann zeigen die verschiedenen mathematischen Künste auch, dass der Kosmos (das kontrakte Maximum) gleichermaßen nicht wissbar ist (ebd., II, 1–2: h I, p. 61– 68). Da das Verhältnis zwischen Geschöpfen und Schöpfer unbestimmbar ist, ist das höchste Wissen, welches erreicht werden kann, die reine Wechselseitigkeit der beiden. Auf dieser Grundlage stellt Cusanus die These auf, dass Gott die Einfaltung („complicatio“) der Welt und die Welt die Ausfaltung („explicatio“) Gottes ist. Diese Struktur wechselseitiger Ein- und Ausfaltung taucht in allen dem Universum immanenten Widersprüchen wieder auf: Einheit und Zahl, Zeit und Unendlichkeit, Ruhe und Bewegung (ebd., II, 3: h I, p. 69–72). Nikolaus begibt sich daraufhin in eine breit gefächerte Diskussion über das Universum als kontrakte Einheit (ebd., II, 4 – 6: h I, 72–81). Das führt dazu, dass er dieses ebenfalls als kontrakte Dreifaltigkeit, durch die antike philosophische Triade von Materie (oder Möglichkeit), Form (oder Weltseele) und ihrer Verknüpfung in Bewegung (oder „fatum“ / Geschick) betrachtet (ebd., II, 7–10: h I, 81–99). Cusanus behandelt seine Darlegung antiker Kosmologie in diesen Kapiteln auf eine Weise, als stellten sie einen wesentlichen Durchbruch in Buch II dar; es bleibt allerdings etwas unklar, warum er für oder gegen die diskutierten Ideen argumentiert. Nachdem Nikolaus beispielsweise vier universale Seinsweisen umreißt (ebd., II, 7: h I, 84), scheint er zwei von ihnen wieder zu verwerfen (ebd., II, 8: h I, 88 f.; II, 9: h I, 95 f.). In den letzten Kapiteln von Buch II wendet Cusanus die Lektion über das Maximum und das Minimum aus Buch I auf die Physik des Kosmos an. Auf der Grundlage der belehrten Unwissenheit kommt er zu einer Reihe von mutmaßenden Einsichten: dass das Universum endlich, aber unbegrenzt, ohne Umfang ist; dass es keinen einfachen Mittelpunkt hat, v. a. nicht die Erde; dass die Erde selbst nicht in Ruhe sein kann; dass jede kosmische Bewegung relative Bewegung ist; dass die Form der Erde zu einer Kugelgestalt tendiert, diese aber nicht vollendet ist; dass nichts Unwürdiges an der der Erde untergeordneten Natur ist, nicht einmal ihre etwaige Zerstörung; und dass Gott durchaus Leben auf anderen Planeten erschaffen haben könnte (ebd., II, 11–12: h I, 99–110). Gott, so schließt Cusanus, erschuf den großartigen Kosmos wie ein Künstler, der alle Methoden der mathematischen Künste ausübt, indem er alle ihre inneren Verhältnisse auf eine perfekte Harmonie abstimmt (ebd., II, 13: h I, 110 –114). Letztendlich wird das Ziel von De docta ignorantia, der großartige Christokosmologische Syllogismus, angekündigt in den ersten Kapiteln des dritten
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Buches, erreicht. Erstens zeigt Nikolaus auf, dass aufgrund des Prinzips der Kontraktion jedes Einzelne einer Art einzigartiges Exemplar auf einem gestuften Kontinuum von Verschiedenheit sei. Folglich kann es kein perfektes Einzelnes (d. h. ein Absolutes) unter den unendlichen Abstufungen einer kontrakten Art geben (ebd., II, 1: h I, 119–123). Desgleichen erlaubt dieses Prinzip eine extreme, wenn auch hypothetische Möglichkeit. Wenn es ein kontraktes Maximum gäbe, müsste es gleichermaßen das absolute Maximum sein. Nikolaus beschreibt das Wesen dieser „hypostatischen Einheit“ in Begriffen, welche er der Defi nition der beiden Naturen Christi auf dem Konzil von Chalcedon entlehnt hat: ohne Vermischung, ohne Zusammensetzung, ohne Trennung (ebd., III, 2: h I, 123 –125). Gäbe es ein kontraktes Maximum, wäre der ideale Kandidat dafür das edelste Mitglied jener Art, welche Mittler aller anderen Arten im Kosmos ist – d. h. ein vollendeter Mensch als Mikrokosmos. Cusanus folgert, dass die Inkarnation die Einheit von Gott als „Gleichheit des Seins“ und Jesu Menschlichkeit als „universale Kontraktion“ darstellt, eine Inkarnation, die der Schöpfung der Welt nicht hinsichtlich der Zeit, aber hinsichtlich der Vollendung vorangeht (ebd., III, 3: h I, 125–129). Nikolaus formuliert diese Christologie in noch traditioneller theologischer und biblischer Sprache neu (ebd., III, 4: h I, 129–132) und veranschaulicht, wie sein Modell Christi Geburt, Tod, Auferstehung und Himmelfahrt (ebd., III, 5–8: h I, 133 –145) ebenso wie sein Amt als göttlicher Richter erhellt (ebd., III, 9–10: h I, 146 –151). Zwei kurze Betrachtungen über das Vertrauen des Gläubigen in Christus und über die Kirche schließen Buch III ab (ebd., III, 11–12: h I, 151–163).
Analyse und Deutung / Forschungsstand Jedes der sechs in De docta ignorantia diskutierten Hauptthemen wurde zum Gegenstand intensiver Forschung und führte häufig zu Uneinigkeiten zwischen den Forschern. In Buch I gehört zu diesen Themen die Bedeutung der belehrten Unwissenheit und ihr zentraler Begriff der „coincidentia oppositorum“, die Lehre der Trinität als „unitas“, „aequalitas“, „connexio“ sowie der Rückgriff auf geometrische Figuren. In Buch II haben Forscher sowohl die Bedeutung der „complicatio“ und „explicatio“ als auch Nikolaus’ Kosmologie diskutiert. In Buch III haben sich die meisten Leser auf die neuartige Christologie konzentriert.
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(1) „Coincidentia oppositorum“: Hoffmann berichtet über mehrere Beispiele der cusanischen Formulierung in der antiken griechischen Philosophie (Fleischmann 1938). Wilpert deckte eine Spannung zwischen zwei Bedeutungen der Koinzidenz bei Cusanus auf, da in einigen Texten Gott dem Moment oder dem Punkt der „coincidentia“ sozusagen entspricht, während er in anderen noch darüber steht (1959). Flasch stellt die These auf, die Koinzidenz sei gar keine Lehre, sondern vielmehr eine Methode, die als mystisch, theologisch oder philosophisch-logisch, also als der Zusammenfall aller Gegensätze, verstanden werden kann (1972). Flasch führt diese Sicht in seiner vielbeachteten Monographie über die Entwicklung des cusanischen Denkens aus (11998). Bond versucht eine Verbindung zwischen der Koinzidenz der Gegensätze und der Christologie herzustellen, d. h. eine hypostatische Vereinigung der beiden gegensätzlichen Naturen, welche in Christus zusammenfallen (1974). Counet wiederum vergleicht die Koinzidenz mit einer allgemeineren dialektischen Struktur der cusanischen Theologie, Ontologie und Christologie (2000). (2) Dreieinigkeit von „unitas“, „aequalitas“, „connexio“: Forscher suchen immer wieder nach verschiedenen Zusammenhängen, um Nikolaus’ trinitarische Lehre in De docta ignorantia zu verstehen. In seiner grundlegenden Monographie stellt Haubst die augustinische Trias ins Zentrum der cusanischen Sicht der Dreifaltigkeit als Urbild der Schöpfung, ganz nach dem Vorbild Bonaventuras (1952a, 231–254). Santinello begreift die drei Konzepte als eine aufkeimende theologische Harmonie- und Proportionsästhetik mit mittelalterlichen Wurzeln (1958, 132–140). Beierwaltes schlägt vor, die mathematische Trias als einen Ausdruck neuplatonischer Henologie zu verstehen (1985). McGinn verweist auf die bemerkenswerte Konsistenz der cusanischen Trinitätslehre, mag Cusanus auch ihre Bedingungen ändern, sowie auf den Einfluss der Trias des Thierry von Chartres (2003). (3) Geometrische Figuren: Ein bedeutendes Symposion zum mathematischen Denken des Cusanus im Jahre 2003 brachte neue Perspektiven hinsichtlich seines bekannten Gebrauchs von geometrischen Darstellungen in Buch I hervor. Nicolle legte dar, dass im Lichte der mittelalterlichen mathematischen Konventionen die Polygone des Cusanus als bewegliche Polygone, die drei Dimensionen aufweisen, gedacht waren (2005). Um sie heute angemessen betrachten zu können, müssten sie durch das Auge des Geistes zu dynamischen Einheiten belebt werden. Bergmans stimmt mit Nicolle überein und fügt hinzu, dass Nikolaus durch seine geometrischen Darstellungen paradoxerweise auch
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die Abwesenheit jeglicher Bilder verdeutlichen wollte, wenn diese sich zur Unendlichkeit erheben und verschwinden. Auf diese Weise gehören die Figuren in Buch I tatsächlich der nordeuropäischen mystischen Tradition der „Entbildung“ an, welche bei Meister Eckhart, Jan van Ruysbroeck und Heinrich Seuse vertreten ist (2005). Erst kürzlich verglich Böhlandt das geometrische Denken des Nikolaus mit den mittelalterlichen Näherungsverfahren der Mathematik, in welchen häufig figurale Diagramme benutzt wurden, um Unendlichkeiten darzustellen (2009, 93 –103). (4) Ein- und Ausfaltung: McTighe war einer der ersten, der diese Begriffe in De docta ignorantia auf die neuplatonische Tradition bezog, v. a. auf Boethius und Proklos (1958). Während Riccati bestätigt, dass Cusanus die Begriffe von Thierry von Chartres übernimmt, vergleicht er die „explicatio“ mit dem neuplatonisch-christlichen Begriff der Schöpfung als eine theophanische „processio“ von der Einfachheit der göttlichen Einheit, v. a. bei Johannes Scotus Eriugena (1983, 110 –122). Gandillac verfolgt die Entwicklung der Ein- / Ausfaltung von den 1440er bis in die 1460er Jahre und richtet dabei besonderes Augenmerk darauf, wie Ein- und Ausfaltung mit anderen Paaren wie absolut / kontrakt oder Einheit / Andersheit in Zusammenhang stehen (1993). Auf ähnliche Weise vermutet Moritz, der „radikale Holismus“ von De docta ignorantia stamme von den zusammengesetzten Konzepten von Kontraktion und Ein- / Ausfaltung (2006, 27–90). (5) Kosmologische Spekulationen: Nach Goldammer stellt Cusanus’ Kosmologie „ein Symptom für ein Unbefriedigtsein mit dem alten geozentrischen Weltbild“ dar (1965, 36). Wie Meurers allerdings darlegt, macht Cusanus, wenn er bestimmte Ansätze von Kopernikus, Galilei und Kepler vorwegnimmt, dies nur durch seine Philosophie, nicht aber durch eine neue experimentelle Methode (1964). Neuere Studien vergleichen Nikolaus’ Erkenntnistheorie mit zukünftigen Entwicklungen der naturwissenschaftlichen Methode (Schneider 1992) und schätzen die Distanz der Kosmologie des Cusanus zu seinen mittelalterlichen Vorgängern ein (Krafft 2003). Kather vergleicht Cusanus’ Beharren auf der Relativität der kosmischen Bewegung in De docta ignorantia mit den Theorien Albert Einsteins (2006). (6) Neu-chalcedonische Christologie: Haubst ordnet in seiner maßgeblichen Darstellung der cusanischen Christologie (1956) den Beitrag des Kardinals hinsichtlich patristischer und mittelalterlicher Differenzierungen ein. Seit Haubst jedoch hat sich die Forschung bemüht, die unterschiedlichen Beiträge cusani-
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scher Darstellungen der Inkarnation jenseits der Matrizen der Vergangenheit und in Verbindung mit seinen anderen mystischen und philosophischen Ideen hervorzuheben. In einem bedeutenden Aufsatz schreibt Bond, dass die Christologie aus Buch III auch zentral für die philosophische Lektüre von De docta ignorantia sei, da die hypostatische Union der menschlichen und göttlichen Natur (das absolut Größte und das kontrakt Größte) das vorbildhafte, ewige Beispiel der „coincidentia oppositorum“ sei (1974). Schönborn stimmt dem zu und behauptet darüber hinaus, die Gesamtheit der Abhandlung von 1440 lege eine „,chalkedonische‘ Struktur“ an den Tag (1979, 155). Einige neuere Studien schlossen sich dieser neuen Anerkennung der Bedeutsamkeit des Buches III an und bauten darauf auf. Offermann beispielsweise konstruiert einen ganzen Kommentar zu den drei Büchern von De docta ignorantia vor dem Hintergrund des Zieles in der Christologie des dritten Buches (1991). Roth widmet einen großen Teil seiner Untersuchung zu Glaube und Vernunft bei Cusanus dem christologischen Schlüssel des dritten Buches (2000, 44 –125). McGinn zeigt, dass die cusanische Christologie die mystische Lehre der ewigen Prädestination der Menschwerdung bei Maximus Confessor und Hildegard von Bingen wiederholt (2002).
Wirkungsgeschichte der Schrift Die Abhandlung von De docta ignorantia gehört zu Cusanus’ einflussreicheren Werken und hat die Wahrnehmung seines Denkens seit seiner Wiederentdeckung im 19. Jahrhundert geprägt. Schon zu Nikolaus’ Lebzeiten waren seine neuen Ideen, welche er in der Abhandlung von 1440 darlegte, umstritten. Aus Protest schreibt Johannes Wenck aus Heidelberg De ignota litteratura, direkt zwei Jahre nachdem De docta ignorantia fertiggestellt war. Wenck klagt Cusanus an, die Schrift sei eine nutzlose Vorführung von Pseudowissen, welches die Trinitätslehre pervertiere (Haubst 1955). 1449, nachdem Nikolaus zum Kardinal erhoben worden war, verteidigte er seine Rechtgläubigkeit und stellte die Bedeutung der „coincidentia oppositorum“ in der Apologia doctae ignorantiae richtig. Einige Jahre später war Nikolaus’ Konzept der „docta ignorantia“ Hauptgegenstand einer ausgedehnten Auseinandersetzung zwischen dem Prior des Benediktinerklosters von Tegernsee Bernhard von Waging und dem Kartäusermönch Vinzenz von Aggsbach. An der Debatte beteiligten sich aber noch
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andere, darunter Marquard Sprenger, Kaspar Aindorffer und Cusanus selbst. Die Diskussion wandte sich der Frage zu, ob der Liebe oder dem Intellekt Priorität bei der christlichen mystischen Betrachtung zukomme (Vansteenberghe 1915; Ziebart 2014). Im 16. Jahrhundert befasste sich eine Gruppe französischer Humanisten um Jacques Lefèvre d’Étaples intensiv mit De docta ignorantia, bereitete eine neue Edition vor und baute die Hauptgedanken weiter aus. Lefèvre und seine Schüler – Charles de Bovelles, Beatus Rhenanus, Josse Clichtove and Gérard Roussel – waren Nikolaus als maßgeblichem Pseudo-Dionysius-Interpreten zugetan und interessierten sich für seinen Gebrauch von mathematischen Ideen in der mystischen Theologie sowie für seine Lehre der „coincidentia oppositorum“ (Meier-Oeser 1989, 35– 61). Im späten 16. Jahrhundert unternahm Giordano Bruno den systematischen Versuch, auf den führenden Themen von De docta ignorantia aufzubauen. Während er Nikolaus’ trinitarische und christologische Lehre beiseiteließ, übernahm Bruno die Unendlichkeit des Kosmos und die Vielheit möglicher Welten sowie die Konzepte der „coincidentia oppositorum“, des kontrakten Seins, des Minimum und Maximum, und teilte Cusanus’ Vorliebe für geometrische Figuren (Blumenberg 1976; Meier-Oeser 1989, 231– 281). Heute glauben wenige Forscher, dass Cusanus direkten Einfluss auf die Kosmologie des Kopernikus hatte. Einige vertreten jedoch die These, dass die fundamentalen Prinzipien einer neuen „funktionalen Ontologie“, wie sie in De docta ignorantia skizziert ist, einen drastischen Sprung nach vorn in den kosmologischen Modellen und den naturwissenschaftlichen Methoden ermöglichte, der später in den exakten Naturwissenschaften Früchte tragen sollte (Rombach 1965; Nagel 1984). Im Rahmen ihres Interesses daran, geometrische Begriffe in der Theologie anzuwenden, bezogen sich im 17. Jahrhundert Mersenne und Pascal auf Nikolaus’ „coincidentia oppositorum“ (Meier-Oeser 1989, 103 –122). Im 18. Jahrhundert fand sich die cusanische Lehre der „docta ignorantia“ in zeitgenössischen Debatten über Skeptizismus und Fideismus wieder (ebd., 347–370). David Albertson
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De coniecturis Mutmaßungen Entstehungskontext De coniecturis
Bezüglich der Entstehungszeit dieser zweitgrößten philosophischen Schrift des Nikolaus von Kues wurde aufgrund der endgültigen Datierung von Josef Koch, dem Herausgeber der kritischen Ausgabe dieses Werkes, festgestellt, dass sie zwischen Ende 1441 und Anfang 1442 abgeschlossen wurde. Somit lässt sich vermuten, dass Nikolaus gleich nach dem Abschluss der ersten philosophischen Schrift De docta ignorantia vom 12. Februar 1440 begonnen hat, das inhaltlich ungewöhnlich komplexe Werk De coniecturis zu verfassen. Diese Vermutung kann dadurch bestätigt werden, dass diese zweite philosophische Schrift schon an acht Stellen der ersten Schrift, De docta ignorantia, erwähnt wird, die sich in fast allen Fällen in De coniecturis wiederfinden. Da das Werk darüber hinaus mit der Aussage anfängt, „daß eine bejahende Feststellung über das Wahre, wenn sie vom Menschen ausgesprochen wird, immer nur Mutmaßung ist“ (Koch / Happ 32002, 3), ist es offensichtlich, dass es mit dem ersten philosophischen Werk De docta ignorantia (De docta ign. II, 1: h I, 61) in engem Zusammenhang steht. Trotzdem ist De coniecturis kein bloßer Zusatz zum ersten Werk, sondern weist große Unterschiede auf. Zu einem Unterschied zwischen den beiden Werken schreibt Nikolaus beispielsweise wie folgt: „denn soweit ich mich erinnere, habe ich in meinem früheren Buch ,Die belehrte Unwissenheit‘ von Gott nach Weise des Verstandes gesprochen, nämlich durch Verbindung von kontradiktorisch Entgegengesetztem in einer einfachen Einheit. In den hier unmittelbar vorangehenden Ausführungen habe ich dagegen das Vorhaben auf göttliche Weise ausgefaltet.“ (Koch / Happ 32002, 27 f.)
Deshalb findet sich die inhaltliche Erwähnung von De docta ignorantia im Werk wohl nur zweimal (De coni. I, 6: h III, n. 24; ebd. I, 11: h III, n. 58).
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Werkstruktur und Inhalt Das Werk setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Im ersten Teil wird die cusanische Zahlenmetaphysik entwickelt. Im zweiten Teil wird die im ersten Teil theoretisch erklärte Zahlenmetaphysik auf verschiedene konkrete Beispiele angewandt. In Kapitel 1 des ersten Teils wird der Parallelismus zwischen göttlichem und menschlichem Geist angenommen (De coni. I, 1: h III, n. 5), indem festgestellt wird, dass der Ursprung der Mutmaßungen der menschliche Geist, nämlich das höchste Abbild Gottes, ist. Der Parallelismus wird im Kapitel 14 des zweiten Teils (ebd., II, 1: h III, n. 145) auf die Frage angewandt, wie der Mensch zur Gleichförmigkeit mit Gott gelangen kann, seinem Urbild, in dem alles in ewigem Frieden ruht. Wie in De docta ignorantia (II, 6: h I, 79) angekündigt, werden vier Einheiten, vier metaphysische Prinzipien, von Kapitel 4 bis 8 folgendermaßen erklärt: Die erste Einheit (= 1) ist die Einheit des einfachsten Punktes, die zweite (= 10) ist die der einfachen Linie, die dritte (= 100) ist die der einfachen Fläche, die vierte (= 1000) ist die des einfachen Körpers. In Kapitel 9 wird das Begriffsschema Einheit („unitas“) – Andersheit („alteritas“) eingeführt, indem die Quelle der Andersheit auf das Wesen der Zahl derart zurückgeführt wird (vgl. ebd., I, 7: h I, 15), dass die Einheit zur Andersheit fortschreitet und die Andersheit zur Einheit zurückschreitet. Anschließend wird die „figura participationis“ (Figur der Teilhabe) vorgestellt (De coni. I, 9: h III, n. 41), wo in gegenseitiger Durchdringung jeweils die Spitze der Pyramide des Lichtes auf den Grund der Pyramide der Dunkelheit und die Spitze der Pyramide der Dunkelheit auf den Grund der Pyramide des Lichts stößt (vgl. Abb. Figur P, in: Koch / Happ 32002). Im Rahmen der Figur P wird Gott, die Einheit, als Basis des Lichtes und das Nichts als Basis der Dunkelheit angesetzt, so dass gesagt werden kann: „Zwischen Gott und dem Nichts liegt alles Geschaffene, so mutmaßen wir.“ (Koch / Happ 32002, 49) Von hier an wird die Figur P wiederholt und vielseitig angewandt, um die Diversität des Geschaffenen zu erklären. In Kapitel 12 werden die das All („universum“) bildenden drei Welten dargestellt, die sich sowohl aus dem Herabsteigen der oberen Einheit als auch aus dem Rückschreiten der unteren Einheit bilden. Der Mittelpunkt der ersten und obersten Welt ist Gott. Der Mittelpunkt der zweiten ist die Intelligenz („intelligentia“), der der dritten ist die Verstandesseele („ratio“). Die Sinnenhaftigkeit
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(„sensibilitas“) ist sozusagen die grobe Rinde der dritten Welt und nur umhüllend (De coni. I, 12: h III, n. 62). In jeder Welt finden das Herabsteigen der oberen Einheit und das Rückschreiten der unteren Einheit statt. In Kapitel 13 wird aufgrund des Rahmens der oben genannten drei Welten die Figur U („figura universi“) vorgestellt (vgl. Abb. Figur U, in: Koch / Happ 32002). Die oberste Einheit als Gott berührt die vier Kreise mit ihren verschiedenen Größen, die das All, die oberste Welt, die oberste Ordnung und den obersten Chor stufenweise symbolisieren. Der äußere Kreis (All) birgt in sich die Kreise der obersten Welt sowie der obersten Ordnung. Die oberste Welt stellt Cusanus anhand von drei Kreisen innerhalb des Außenkreises (All) dar, die oberste Ordnung ist durch wiederum drei Kreise innerhalb der Kreise der obersten Welt dargestellt, der oberste Chor ist durch wiederum drei Kreise innerhalb der Kreise der obersten Welt dargestellt. So ergeben sich insgesamt 40 Kreise (1 + 3 + 9 + 27). Mit Figur U und Figur P versucht der Autor zu veranschaulichen, wie sich alles Seiende des Alls unterscheidet, indem es in Relation zueinander steht. In den Kapiteln 1 und 2 des zweiten Teils werden die Erkenntnisstufen des Geistes („sensus“, „ratio“, „intellectus“) aufgrund von Überlegungen im Rahmen der Figur U und Figur P in Bezug auf die Mutmaßungskunst („ars coniecturalis“) (De coni. I, 11: h III, n. 60; ebd., II, prologus: h III, n. 70; ebd., II, 6: h III, n. 102) untersucht. Mit der Äußerung, dass in der göttlichen Einfaltung alles ohne Unterschied zusammenfällt, in der vernunftmäßigen Einfaltung („intellectus“) kontradiktorische Gegensätze sich vertragen, in der verstandesmäßigen Einfaltung („ratio“) nur konträre, wie sich die Artgegensätze in der Gattung vertragen (ebd., II, 1: h III, n. 78), wird die Grenze der verstandesmäßigen Wissenschaften deutlich gemacht. Trotzdem bedeutet das nicht, dass der Sinn dieser Wissenschaften geleugnet wird. Vielmehr wird jede im Rahmen der Figur U so betrachtet, dass jede Wissenschaft nach den drei Stufen von Vernunft, Verstand und Sinn betrieben werden soll, so wie z. B. bei den mathematischen Untersuchungen Arithmetik, Musik und Geometrie (ebd., II, 2: h III, n. 86) aufeinander aufbauen. In Kapitel 3 wird mittels der Mutmaßungskunst eine harmonische Verschiedenheit zwischen den Sinnendingen angenommen (ebd., II, 3: h III, n. 88): „Jedes Sinnending, insofern es dieses bestimmte Einzelding ist, stimmt mit jedem und mit keinem überein, unterscheidet sich von jedem und von keinem.“ (Koch / Happ 32002, 101 f.) Diese Einsicht hat später im Werk große Bedeutung.
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Von Kapitel 4 bis 13 werden sowohl das konventionelle Denken als auch die konventionellen Begriffe mittels der Mutmaßungskunst erklärt. Dabei werden außerordentlich komplexe Erklärungen in verschiedenen Bereichen dargestellt. Zwei Beispiele dafür sind besonders interessant. Zuerst zur Immanenz Gottes: „Die Wirklichkeit ist Einheit, an der man nur in der Andersheit teilhaben kann. Man kann also an der Wirklichkeit nur in der Möglichkeit teilhaben, denn dies ist die zugehörige Andersheit. Die göttliche Natur ist absolute Wirklichkeit, an ihr haben die höchsten Geschöpfe in der höchsten Möglichkeit, nämlich dem geistigen Erkennen, teil, die mittleren in mittlerer, nämlich dem Leben, die untersten in unterer, nämlich dem Sein.“ (Ebd., 115) Der scharfe Blick der Mutmaßungskunst wird auf die Mutmaßungen selbst gerichtet, um sowohl den Unterschied der Mutmaßungen als auch den der Mutmaßenden solchermaßen klar zu machen: „Denn so wie die ungeschiedenen, sinnlichen Mut-Maßungen andere sind als die verständigen und wahr-ähnlichen und diese wieder andere als die vernünftigen und wahren, so sind auch die Mut-Maßenden verschieden. Manche bewegen sich in ungeschiedener Sinnlichkeit, manche denken verstandesgemäß aus Prinzipien, manche sind frei in vernünftiger Loslösung.“ (Dupré II, 131) Von Kapitel 14 bis 17 werden zweitens der Mensch, die menschliche Seele, Übereinstimmungen und Unterschiede der Menschen und die Selbsterkenntnis mittels der Mutmaßungskunst als Themen behandelt. Im 14. Kapitel wird der Mensch in Betracht gezogen. In diesem Zusammenhang fi ndet sich folgende charakteristische und oft zitierte Äußerung: „Der Mensch ist nämlich Gott, allerdings nicht schlechthin, da er ja Mensch ist; er ist also ein menschlicher Gott. Der Mensch ist auch die Welt, allerdings nicht auf eingeschränkte Weise alles, da er eben Mensch ist; der Mensch ist also Mikrokosmos oder eine menschliche Welt.“ (Koch / Happ 32002, 169 f.) In Kapitel 15 werden sowohl das Leben der Menschen als auch die ganze Welt auf die Weise der Mutmaßungskunst betrachtet, und charakteristische Auffassungen der Dezentralisierung über verschiedene Bereiche werden dargestellt. Im 16. Kapitel wird der Blick der Mutmaßung immer weiter ins Innere gerichtet, so dass letztlich die menschliche Seele betrachtet wird. Wie die bisherigen Überlegungen über andere Gegenstände zeigten, steht die menschliche Seele auch mit den Seelen der anderen Seelenwesen in Zusammenhang, so dass „alle Arten Seelenwesen die geeinte Kraft der menschlichen Seele nach Art der Zahlenreihe [ausfalten], und umgekehrt schränken sie ihre Natur mannigfach
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unterschiedlich ein, die einen auf hellere, die anderen auf dunklere Weise. Dennoch vermag keine Art völlige Gleichheit zu erreichen.“ (Ebd., 183 f.) Innerhalb der menschlichen Seele (Geist) wird auch die dynamische Bewegung sowohl des Aufsteigens als auch des Herabsteigens der vier „Elemente“ des menschlichen Geistes, nämlich der Vernunft („intellectus“), des erfassenden Verstandes („ratio“), des vorstellenden oder einbildenden Verstandes („imaginatio“) und des Sinnes („sensus“), wie in der gegenseitigen Verschränkung der Figur P dargestellt, deutlich (De coni. II, 16: h III, n. 157). Bemerkenswert ist, dass die vier Wahrnehmungsvermögen des Menschen als „sozusagen vier Elemente“ bezeichnet werden. Denn diese vier Wahrnehmungsvermögen sind keine Elemente im eigentlichen Sinn, sondern vier Funktionen der einen Seele des Menschen. Das heißt, dass sich Cusanus hier in der menschlichen Seele eine Konstruktion vorstellt, in der verschiedene Funktionen als Elemente tätig sind. Im letzten Kapitel (17) wird der Blick der Mutmaßung noch tiefer und reflexiver auf die Selbsterkenntnis gerichtet, indem Cusanus vom Anfang dieses Kapitels an Kardinal Giuliano Cesarini, dem dieses Werk gewidmet ist, wiederholt rät, eine zusammenfassende Mutmaßung über die Selbsterkenntnis anzustellen (ebd., II, 17: h III, n. 171). Deshalb beginnt jeder Paragraph dieses Kapitels mit einem Satz, der als Imperativ an Cesarini gerichtet ist oder dessen Subjekt Cesarini ist. Von Paragraph 177 dieses Kapitels an gelangt die cusanische Anwendung der Mutmaßungskunst dazu, Kardinal Cesarini selbst erkennen zu lassen, dass seine menschliche Natur in ihren verschiedenen Funktionen dreieinig („unitrina“) ist. Das große Werk wird mit der folgenden Rede abgeschlossen: „Noch viel mehr als ich könntest du das mitgeteilte dreieine Licht der göttlichen Natur in dir betrachten.“ (Koch / Happ 32002, 217)
Analyse und Deutung / Forschungsstand Bezüglich der Mutmaßung schreibt Cusanus, dass „eine auf menschliche Weise positive Feststellung über das Wahre Mutmaßung ist“ (ebd., 3), und zugleich, dass „die Mutmaßung eine bejahende Feststellung ist, die in der Andersheit am Wesen der Wahrheit teilhat.“ (ebd., 57) Wenn man die beiden Formulierungen gemeinsam liest, bedeutet es, dass die Mutmaßung mit der auf menschliche Weise positiven Feststellung völlig identisch ist. Die Mutmaßung bedeutet demzufolge nicht nur „doxa“ im Sinne des platonischen Begriffspaars „doxa –
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episteme“, sondern auch „episteme“, das heißt, dass die menschliche Erkenntnis und das Erkennen (Wissenschaft) überhaupt Mutmaßungen sind, wie die gesamten Überlegungen in De coniecturis zeigen. Dabei übersieht Nikolaus nicht, dass die Mutmaßungen je nach der Denkmethode und den Erkenntnisfähigkeiten der Vernunft, des Verstandes oder der Sinne Unterschiede in der Genauigkeit haben (De coni. II, 6: h III, n. 98). So lässt diese grundlegende Überzeugung der Mutmaßungen sowohl, was das Denken, als auch was das praktische Leben betrifft, einen lebenslangen reflexiven Blick zu. Wenn der Ansatz von De coniecturis in den Rahmen einer philosophischen Methode, welche aufgrund von angenommenen Substanzen argumentiert, gestellt wird, erscheint er mitunter als irrational. Wie soll man sich z. B. die an der oben zitierten Stelle (ebd., I, 12: h III, n. 62) beschriebenen drei Welten vorstellen, solange man von der Figur U ausgeht, die sich aus vierzig Kreisen geometrisch konstruiert? M. E. soll man sich diese drei Welten als die drei verschiedenen Funktionen vorstellen, jede davon erscheint unterschiedlich, nämlich sinnenhaft, verstandesmäßig und vernunftmäßig. Dann bedeuten die hier bezeichneten drei Mittelpunkte, nämlich Gott, Intellekt und Verstandesseele, sozusagen die drei Motoren der drei Funktionen. Wenn man die cusanische Gedankenwelt auf diese Weise als funktionale Gedankenwelt betrachtet, wie es bereits Heinrich Rombach vorgeschlagen hat (1965, 163), wird es viel leichter, den hier entwickelten Gedanken zu verstehen. Dass Nikolaus auffallend häufig sowohl die Figur P als auch die Figur U auf verschiedene Bereiche anwendet, kann dahingehend gedeutet werden, dass er diese Figuren als eine Art mathematische Funktion ansieht. In Funktionen lassen sich beliebige Zahlen einsetzen und man erhält als Resultat einen bestimmten Funktionswert. Während dieses Vorgangs bleibt seine Ausdrucksweise jedoch der konventionellen Terminologie verhaftet.
Wirkungsgeschichte der Schrift Merkwürdigerweise werden sowohl die Figur P als auch die Figur U, die in De coniecturis wiederholt gebraucht werden, in den späteren Schriften des Cusanus nicht mehr herangezogen (Godwin 1979, 35). Zugleich wird der Titel dieses Werkes in den späteren Schriften nur zwei Mal erwähnt (Apologia: h 2II, n. 21; Sermo CXXVIII: h XVIII, n. 2), anders als bei der Schrift De docta igno-
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rantia. Der Grund dafür liegt wohl darin, dass seine Denkmethode, die er in der Schrift anwendet, wegen des oben erwähnten funktionalen Ansatzes für die damaligen Leser nicht verständlich war. Die verschiedenen Ideen, die Cusanus in De coniecturis darlegt, werden in seinen späteren Schriften sehr oft wiederaufgenommen oder weiterentwickelt. So fi ndet sich beispielsweise das funktionale Denken typischerweise in Complementum theologicum und De possest, die Kritik an den damaligen Scholastikern (De coni. II, 2: h III, n. 84) in der Apologia und den Idiota-Schriften. Der Gedanke, dass allen Menschen eine gewisse Religiosität innewohnt (ebd., II, 15: h III, n. 147), taucht in De mente und De pace fidei auf, und der Gedanke des übereinstimmenden Unterschieds (ebd., II, 10: h III, n. 122) kommt als der Gedanke der Ordnung der „apparitio dei“ in fast allen seinen Schriften vor. Kazuhiko Yamaki
De deo abscondito, De quaerendo deum, De filiatione dei, De dato patris luminum Der verborgene Gott, Das Gott-Suchen, Die Gotteskindschaft, Die Gabe vom Vater der Lichter Schriften zur Gotteserkenntnis
Entstehungskontext Um 1445 verfasste Cusanus vier kleinere Schriften zur Gottsuche und Gotteserkenntnis. Die Genese dieser zeitlich und thematisch eng miteinander verbundenen Werke rekonstruierte Rudolf Haubst aus den Texten selbst sowie aus den inhaltlich verwandten Predigten XLIII: Alleluia. Dies sanctificatus zu Weihnachten 1444 und XLVIII: Dies sanctificatus zu Epiphanie 1445 (Sermo XLIII: h XVII, n. 1–15; Sermo XLVIII: h XVII, n. 1–31; Predigten 2, 133 –140, 159–167; Haubst 1991, 89–95). Cusanus bezieht sich am Beginn von De quaerendo deum auf diese Epiphaniepredigt zum Sinn des Gottesnamens, um sie als Grundlage für das Folgende zusammenzufassen (De quaer., Praefatio: h IV,
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n. 16). Mit der Epiphaniepredigt hingegen knüpft Cusanus nach Haubst stillschweigend an das Ergebnis von De deo abscondito an, so dass diese kleine Schrift zwischen Weihnachten 1444 und Epiphanie 1445 entstanden sein dürfte. Haubst argumentiert dafür mit paläographischen Erkenntnissen über die autographische Handschrift in Cod. Cus. 220 sowie mit inhaltlichen Parallelen zwischen den beiden Traktaten und den genannten Predigten (Haubst 1991, 91–94). Als Vorstudien für De filiatione dei verweist Haubst auf die cusanischen Predigten XLII: Ecce evangelizo und XLIII: Alleluia. Dies sanctificatus, beide vom 25. Dezember 1444 (Sermo XLII: h XVII, n. 1–12; Sermo XLIII: h XVII, n. 1–15; Predigten 2, 125–140). Diese dem Kanoniker Konrad von Wartberg aus Münstermaifeld gewidmete Schrift vollendete Cusanus im Juli 1445. Der innere Zusammenhang der drei Schriften lässt sie als eine Trilogie erscheinen (Haubst 1991, 95). De dato patris luminum schließlich richtet sich an den Trierer Weihbischof Gerhard, den späteren Bischof von Salona. Die Entstehungszeit ist wegen der inhaltlichen Nähe zu De filiatione dei im Umfeld der genannten Schriften zu suchen. Erstmals erwähnt Cusanus das letzte Werk dieser Gruppe 1449 in der Apologia doctae ignorantiae.
Werkstruktur und Inhalt 1. De deo abscondito ist ein fi ktiver Dialog eines Heiden und eines Christen über den verborgenen Gott und die Möglichkeit der Gotteserkenntnis (Haubst 1991, 79–82). In 15 Abschnitten erläutert der Christ dem fragenden Heiden, dass und warum er einen Gott anbetet, dessen Wesen er nicht kennt, da dieser das endliche Wissen übersteigt. Viel verwunderlicher sei doch, von vermeintlichem Wissen ergriffen zu sein, da er „das, was er zu wissen glaubt, weniger weiß als das, von dem er weiß, daß er es nicht kennt“ (De deo absc.: h IV, n. 2). Wissen bedeutet, die Wahrheit zu erfassen. Jedoch geschieht dieses Erfassen nicht im Nacheinander von Erkenntnissubjekt und Erkenntnisobjekt, denn es gibt keine Wahrheit außerhalb der Wahrheit (ebd., h IV, n. 3). Diese Grundfrage aller Erkenntnis wird nun an der Erkenntnis endlicher Seiendheiten ausgefaltet: Die Erkenntnis der Dinge betrifft nicht ihre Wesenheit, sondern die verstandesmäßige Unterscheidung ihrer hinzukommenden Eigenschaften (ebd., h IV, n. 4). Es gibt nicht mehrere Wahrheiten, sondern nur eine, die mit der Einheit zusammenfällt. Was jemand zu wissen glaubt, kann noch wahrer ge-
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wusst werden, wie Cusanus an sinnlichen Beispielen erläutert. Nur derjenige weiß wirklich, der um sein Nichtwissen weiß. Die Anbetung nun ist die Sehnsucht, in der Wahrheit zu sein. Die unsagbare Wahrheit jedoch ist Gott (ebd., h IV, n. 5– 6). Auf die Frage des Heiden nach dem Unterschied zwischen der heidnischen und der christlichen Gottesverehrung erläutert der Christ den wichtigsten Unterschied und dessen Konsequenzen: Die absolute Wahrheit muss so verehrt werden, wie sie in sich ist, nicht aber, wie sie in ihren Werken ist. Sie ist die absolute Einheit, nicht aber die numerische Einheit in Zahl und Menge. Daher kann die Wahrheit, die Gott ist, nicht mitgeteilt werden, denn Gott überragt alles Wissbare. Im Folgenden versucht Cusanus dennoch Aussagen über Gott zu machen, indem er sich über die negative Theologie annähert: Gott ist nicht nichts, da dies noch eine positive Aussage wäre. Er ist auch nicht etwas, sondern eher alles. In der Allmacht des Vermögens, aus nichts etwas zu schaffen – der „creatio ex nihilo“ –, ist Gott über dem Nichts und dem Etwas. Zugleich ist er nichts von alledem. Gott ist nicht unsagbar, sondern über alles aussagbar. Er ist Einfachheit vor jedem Ursprung, aber nicht Ursprung des Widerspruches. So treffen weder gegensätzliche noch widersprüchliche Aussagen über Gott zu, da er über jeder verstandesmäßigen Disjunktion steht (ebd., h IV, n. 7–10). Somit ist er Quelle und Ursprung aller Gründe des Seins und Nichtseins. Dennoch geht das Sein als Prinzip des Nichtseins dem Nichtsein voraus. Gott selbst ist vor allen disjunktiven Prinzipien und vor aller Wahrheit. So kann ihm auch kein Anderssein zukommen. Daher ist der Gottesname nicht wahr oder falsch und auch nicht wahr und zugleich falsch, denn seine Einfachheit geht allem voran (ebd., h IV, n. 11–13). Wie in De visione dei und De quaerendo deum leitet Cusanus den Gottesbegriff ueÞw von uevre…n: betrachten, sehen, ab: Gott und menschlicher Geist stehen in einem ähnlichen Verhältnis wie das Sehen zur Farbe. Sehen ohne Farbe ist im Bereich der Farbe unnennbar, gibt aber jeder Farbe ihren Namen. Gott verhält sich zu allem Seienden wie das Sehen zum Sichtbaren. Da Gott nicht im Bereich der Geschöpfe oder des Zusammengesetzten gefunden werden kann, ist er als solcher unbekannt und zu lobpreisen (ebd., h IV, n. 14 –15). Durch den Überstieg von Position und Negation im Bereich der Gottesnamen und Gottesattribute findet Cusanus zum Lobpreis Gottes in wissendem Nichtwissen. 2. De quaerendo deum führt den Gedanken als Aufstieg zum Licht weiter, indem der Verfasser den unbekannten Gott nach Apg 17,23 sucht, den keine menschliche Vernunft begreifen kann. Der Mensch sucht Gott, der eher Geist
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ist als Körper, um ihn zu fi nden, ihm anzuhangen und Ruhe zu finden. Die Welt hilft bei der Suche, obwohl in ihr nichts Gott ähnlich ist. Der Gottesname ueÞw hilft als Suchbegriff, auch wenn er kein Wesensbegriff ist. Wie in De deo abscondito nimmt Cusanus etymologische Überlegungen zu Hilfe, um von der sinnlichen über die vernunfthafte Schau zum Allessehenden nach De visione dei aufzusteigen. Das Sehen ist über dem Sichtbaren als unvermischte, wahre Schau, wie Cusanus am Beispiel der Farbe erläutert. Denn sinnliche Einzeldinge erreichen nicht das Wesen. Im Bereich des Sinnlichen jedoch verweist die höchstmögliche Schönheit der Farbe auf das Absolute. Die Farbe verhält sich zum Auge wie der Verstand mit seinen erkennbaren Inhalten zur Vernunft. Sie ist dessen Richter und wird von diesem nirgendwo erreicht. Darin äußert sich die Vollendung des Verstandes und alles Sichtbaren. Gott, der über allem Vernünftigen ist, bedeutet die Vollendung der Schau aller Dinge. Gottes Name jedoch ist unnennbar. So ergibt sich ein Aufstiegsweg von den sinnlich wahrnehmbaren Dingen über die Sinneskräfte, die Sinnennatur oder den „sensus communis“, die Verstandesnatur und die Vernunft zu Gott. Dies führt Cusanus an einer Reihe von bildhaften Beispielen aus. In Gott schließlich ist alles das göttliche Leben selbst. Gott als Ursprung, Mitte und Ziel sieht alles, ist in allem und durchläuft alles. Er erfüllt die irdische Natur bis an die Grenzen ihrer Mächtigkeit (De quaer. 1: h IV, n. 17–31). Der Aufstiegsweg wird nun am Beispiel des Sehens erläutert: Im Menschen sind zwei „Geister“ – einer im Auge und ein höherer Geist, nämlich das Licht des Verstandes. Der Verstand unterscheidet Sichtbares, der vernunfthafte Geist erkennt vernunfthaft und der göttliche Geist erleuchtet die Vernunft. Der „sensus communis“ ist das Licht der Seele. Das Licht selbst ist Ursprung, Mitte und Ziel der Sinne. Die Vernunft ist das Licht des unterscheidenden Verstandes. Gott ist das Licht der Vernunft. Gott ist alles in jedem Seienden und erkennt in uns. Wir bewegen uns im Licht Gottes, auch wenn er uns unbekannt ist. Die Welt hat je nach Vollkommenheit am Licht teil, nicht aber an Gott (ebd., 2: h IV, n. 32–37). Nur im Licht ihres Ursprungs kann die Vernunft zur Ruhe aufsteigen. Das ewige Leben ist im Menschen wie der unterscheidende Verstand in den vollendeten Sinnen und die Vernunft im klarsten Verstand. Die Sehnsucht nach der Weisheit ist der allein richtige Weg, sie gnadenhaft zu erlangen. Angemaßtes Wissen versperrt hingegen den Weg zu Gott. Der Mensch soll sich als unwissend bekennen und durch Glaube und Werke den Vorrang der ewigen Weisheit bekunden, denn die Werke zeigen die Gottesliebe. Der feurige Menschengeist übt sich im Tun und in der
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Schau in staunender Bewunderung. Die Vernunft gleicht der Kraft eines Senfkorns, dessen Potenz ganze Welten nicht fassen können. Der menschliche Intellekt aber erfasst die Macht des Samenkorns in unendlich vielen Welten. Die menschliche Vernunft umfasst jede körperliche, messbare Natur. Die Größe Gottes aber überragt jede Vernunft. Alles ist in ihm er selbst, denn in ihm sind absolute Möglichkeit und Wirklichkeit identisch (ebd., 3: h IV, n. 38– 46). In den beiden letzten Kapiteln zeigt Cusanus noch zwei andere Wege zur Weisheit: Gott schafft aus jedem Stoff alle Gestalten der Dinge in wesensursprünglicher Wahrheit. Darüber hinaus schafft er alles „ex nihilo“. Schließlich verweist Cusanus auf die Gottsuche im eigenen Innern. Darin befreit sich der Mensch von allen Begrenzungen, denn im Vernunftbegriff ist das den Sinnen noch Zukünftige bereits enthalten. Gott als Quelle alles Guten übertrifft alle bisher bedachten menschlichen Vermögen (ebd., 4 und 5: h IV, n. 47–50). 3. De filiatione dei erläutert die Gotteskindschaft des Menschen als Weg zu seiner Vergöttlichung. Darin liegt jenseits aller Schau die letzte Vollendung der Vernunft, die nur im Glauben zu erlangen ist. Daher kann die Kraft der Vernunft nicht diesseits der „Theosis“, der Vergöttlichung, erschöpft werden. Der einzelne Mensch hat daran im bestimmten Maß teil. So kann die Annahme an Kindes Statt Teilhabe genannt werden, während dagegen die Kindschaft Christi ohne Maß in der Einheit der göttlichen Natur besteht. Durch sie erlangen alle übrigen Kinder die Kindschaft Gottes durch Adoption (De fil. 1: h IV, n. 52–54). Das Lernen in dieser Welt lernt durch die Sinne Einzelnes. Die Meisterschaft besteht in der universalen Kunst der Vernunft und gelangt so zur Wahrheit. Die Vernunft erfasst nach dem Maß ihrer Meisterschaft Gott. Im Sinnlichen betrachtet sie das Vernunfthafte und steigt so zum Ewigen und zur Ruhe auf, um unvergängliches Leben zu fi nden (ebd., 2: h IV, n. 55– 61). Kindschaft bedeutet, die Wahrheit zu erfassen, die Gott ist, jedoch nicht Gott in seiner eigenen Herrlichkeit, sondern seine Weise, sich der Vernunft im ewigen Leben mitzuteilen. Außerhalb der Vernunftregion wird Gott nur negativ erfasst. Die Andersheit ist geringer als die Kindschaft. „Kindschaft ist also die Loslösung von aller Andersheit und Verschiedenheit und die Auflösung aller in Eines und damit zugleich Überströmen des Einen in Alles; das ist die Theosis selbst.“ (Dupré II, 627) Weder im Aufstieg noch im Abstieg gelangt man zum schlechthin Größten. Kindschaft ist die Betrachtung des Einen und seiner Weisen, denn alle Mutmaßungen der Philosophie und Theologie entfalten das Eine (De fil. 4 –5: h IV, n. 72–83). Das Streben
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nach der „Theosis“ bedeutet, sich in verschiedensten Weisen zum Einen selbst zu wenden (ebd., 6: h IV, n. 84 –90). 4. De dato patris luminum ist durch das Spiegelgleichnis in n. 99 eng mit De filiatione dei verbunden und ist wohl unmittelbar anschließend verfasst worden. Das Titelmotiv ist Jak 1,17 entnommen. So stehen die Motive des „datum“ und „donum“, der Gabe und des Geschenkes, im Zentrum der Überlegungen. Die Gliederung der Schrift richtet sich nach den drei Begriffen Gabe, Vater und Licht. Die Rahmenkapitel 1 und 5 handeln von der Gabe, die Kapitel 2 und 4 vom Licht. Das zentrale Kapitel 3 bezieht sich auf den Vater (Schwaetzer / Gehlen / Hoffmann 2003, 5). Alles, was ist, soll nichts zu sein wünschen, als was es ist. Denn der Mensch glaubt, dass seine Natur nur von der höchsten Güte gegeben sein kann, da sie vom Höchsten stammt. Da aber nicht jede Natur den Grad der ihr möglichen Vollendung erreicht, sondern außer Christus in ihrer individuellen Verschränkung, der „contractio“, verhaftet bleibt, braucht sie zur Wirklichkeitserkenntnis das Gnadengeschenk des Schöpfers. Diese Erleuchtungen vom Vater aller Gaben sind Lichter und Theophanien. Sie werden nicht erreicht durch luziferisches Aufsteigenwollen zur Ähnlichkeit Gottes aus eigener Kraft, sondern vom Vater und Geber von Weisheit, lebendigem Licht und glorreicher Ruhe (De dato 1: h IV, n. 92–96). So wird die Ähnlichkeit von Gott empfangen, die „nicht die Wahrheit, sondern die Ähnlichkeit des Gebers ist. Denn im Anderen kann sie nur anders empfangen werden.“ (Dupré II, 657) Diesen Zusammenhang erläutert Klaus Hedwig: Nicht die Einheit wird offenbar, sondern nur ihr Abbild oder Gleichnis, das wie eine Farbe nur abgeschattete Ähnlichkeit bedeutet. „Es ist diese methodische Formalität der Ähnlichkeit, die für Cusanus eine symbolische Interpretation der absoluten Einheit ermöglicht. Als thematischer Rahmen dient die Zahlenspekulation, in die die traditionellen Motive der Lichtsymbolik aufgenommen werden.“ (Hedwig 1980, 259 f., Zitat 260) Gott ist nicht Licht, sondern Vater des Lichtes, keine Dunkelheit, sondern Quelle des Lichtes. Als solcher ist Gott einer. Daher sind alle Erscheinungen solche des einen Gottes, der nur in Verschiedenheit erscheinen kann. Darin zeigt sich die Kraft der Einheit. Das allgemeine Licht bewirkt den Anfang des Einzelgeschöpfes (De dato 3 – 4: h IV, n. 104 –111). Jedes Geschöpf soll nach dem Maß seiner Natur zur Vergöttlichung emporsteigen, worin das Ziel seiner Ruhe besteht. Das Ziel ist das Vordringen zur Quelle der Lichter. Die Menschennatur ist der Vater der Lichter für die verschiedenen Menschen, eingegossene Lichter durch göttliche Erleuchtung, das
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Licht des Glaubens und das Licht der Enthüllung im Verstand. Unsere Vernunft besitzt Reichtümer des Lichtes in der Möglichkeit. Christus als Licht schließlich erfüllt uns als Söhne des Lichtes und ergänzt das uns Fehlende (ebd., 5: h IV, n. 112–122).
Forschungsstand Einige Buchkapitel und Aufsätze befassen sich mit Aspekten dieser Schriftengruppe. Sie sollen exemplarisch in chronologischer Reihenfolge kurz charakterisiert werden. Rudolf Haubst fasst das cusanische Denken über die Gotteskindschaft zusammen und ordnet De filiatione dei in einen größeren thematischen Zusammenhang ein (Haubst 1962, 29– 46). Derselbe Autor verortet 1991 De deo abscondito im Entstehungskontext der ganzen Schriftengruppe und stellt das cusanische Verhältnis zur negativen Theologie dar (Haubst 1991, 79–115). Im selben Jahr legt Josef Stallmach die „gottinnige Gottsuche“ bei Cusanus nicht nur in De quaerendo deum, sondern auch in De deo abscondito und in De visione dei aus (Stallmach 1991, 233 –242). Das Verhältnis von Natur und Gnade in den cusanischen Schriften von 1445 untersucht 1995 Meinolf Graf von Spee SDB (Spee 1995). Louis Dupré stellt die mystische Theologie des Cusanus nicht nur nach De visione dei dar, wie ein Aufsatztitel von 1996 vermuten lässt, sondern ebenso nach der Schriftengruppe von 1445 (Dupré 1996, 205–220). Die Philosophie der Gabe bei Meister Eckhart und Nikolaus von Kues bedenkt 2002 unter Berücksichtigung von De dato patris luminum Martin Thurner (2002b, 153 –184). Harald Schwaetzer erläutert in der Einleitung zu seiner Übersetzung von De dato patris luminum die deutlichen Spuren der cusanischen Auseinandersetzung mit Meister Eckhart in dieser Schrift (Schwaetzer / Gehlen / Hoffmann 2003, 3 –12). Ferner interpretiert er den Begriff der „viva similitudo“ in De filiatione dei (Schwaetzer 2003a, 84 –88). Walter Haug hebt den Aspekt der Vergöttlichung in De filiatione dei hervor (Haug 2008, 383 f.). Isabelle Mandrella betont ebenfalls anhand dieser cusanischen Schrift die Affi nität des Nikolaus von Kues zu Eckhart (Mandrella 2011, 77 f.).
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Der Wahrheitsfrage in De deo abscondito schließlich ist ein Teil der Darstellung von Viki Ranff zu Cusanus als Philosoph gewidmet (Ranff 2013a, 46 f.).
Wirkungsgeschichte der Schriften Der Prior des Klosters Tegernsee und Adressat der cusanischen Schrift De visione dei, Bernhard von Waging, verfasst als Reaktion auf De quaerendo deum eine Schrift mit dem Titel Defensorium laudatori doctae ignorantiae als Replik auf den Kartäuser Vinzenz von Aggsbach und dessen intellektfeindliche Auffassung der mystischen Theologie (Rinser 2013, 198), die dieser im Gegensatz zur Position des Kanzlers der Pariser Universität, Johannes Gerson, vertritt (Schmidt 1989). Cusanus betont den Vorrang des Intellektes ohne den Affekt in seiner Bedeutung zu unterschätzen und kommt darin der augustinischen Position nahe, dass man nur lieben könne, was man kenne. Mit dieser Sicht der mystischen Theologie dürfte Cusanus auch den weiteren Verlauf der Diskussion über die Vernünftigkeit der mystischen Theologie sowie über die Bedeutung des Pseudo-Dionysius Areopagita für das Verhältnis von positiver, negativer und mystischer Theologie beeinflusst haben. Ferner ist er neben Johannes Scotus Eriugena und Meister Eckhart einer der wichtigsten Vertreter der Lehre von der Vergöttlichung des Menschen innerhalb des lateinischen Mittelalters (Hudson 2007). Viki Ranff
Coniectura de ultimis diebus Mutmaßung über die letzten Tage Entstehungskontext Coniectura de ultimis diebus
Wenn Nikolaus von Kues später auch die Lehren der Astrologie ablehnte, so interessierte er sich seit seiner Entdeckung biblischer und astrologischer Berechnungen der Zeiten (circa 1425) für Eschatologie. In einigen seiner Predigten fi nden sich eschatologische Themen, so zum Beispiel in Sermo IX (1431),
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Sermo XIII (1432), Sermo XVII (1433), Sermo XXI (1439) und Sermo XXIII (1441). Zwei bedeutende eschatologische Predigten des Cusanus sind Sermo XXIII (1. Jan. 1441) und Sermo XLVII (1. Jan. 1445), deren Spekulationen den Weg für seine vollständige Darstellung der Eschatologie in seiner Schrift De ultimis diebus bereiteten. Diese verfasste er Mitte des Jahres 1446 in Mainz. Seine letzte eschatologische Predigt (Sermo CCX) hielt er am 7. Dezember 1455 in Brixen. Diese ist vielleicht Cusanus’ interessanteste Predigt über das Ende der Dinge: In einer Auslegung des 12. Kapitels der Offenbarung des Johannes stellt er den Kampf im Himmel zwischen der göttlichen Weisheit und Luzifer dem letzten weltlichen Kampf zwischen Christus und dem Antichrist gegenüber. Er stößt zudem ein historisierendes Lesen des 13. Kapitels der Offenbarung an, in dem das Ungeheuer des Meeres (Offb 13,1–10) mit Mohammed gleichgesetzt wird und das Ungeheuer der Welt (Offb 13,1–18) der Antichrist ist.
Werkstruktur und Inhalt De ultimis diebus kann in fünf Teile gegliedert werden. Die Schrift beginnt mit einer Einleitung und „apologia“ dafür, eine Abhandlung über die Berechnung des Endes zu verfassen (De ult.: h IV, n. 123). In den Stücknummern 124 –127 werden die Prinzipien für Cusanus’ mutmaßende Methode dargelegt, die Heilige Schrift zu benutzen, um die Zukunft vorherzusagen. In den Nummern 127–132 werden drei grundlegende prophetische Berechnungen behandelt, während 133 –139 weitere Verteidigungen und Beispiele für Berechnungen enthalten. Mit n. 140 beendet Nikolaus von Kues die Abhandlung mit einer erneuten Ablehnung der Fehlbarkeit aller Vorhersagen der Zeiten vor dem Ende.
Analyse und Deutung Obwohl allein Gott die Zeiten kennt, die kommen werden (Apg 1,7) und „fast alle“ („paene omnes“), die über die Zukunft geschrieben haben, enttäuscht worden sind, sagt Cusanus: „Ich denke nicht, dass es verwerflich ist, eine Vorhersage über die Zukunft mit Hilfe von instruktiven Untersuchungen der heiligen Schriften zu machen, insofern dies als ein tröstendes Stärkungsmittel in unserer Pilgerschaft dient“ (De ult.: h IV, n. 123), da wir uns in diesem Leben
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einer unfassbaren Wahrheit nie sicher sein können, außer durch eine „rätselhafte Figur“ („aenigmatica figura“). Cusanus legt die Prinzipien seiner „konkordistischen Eschatologie“ dar, eine Vorgehensweise, durch welche man Parallelen zwischen den Ereignissen und Personen des Alten und Neuen Testaments und der Kirchengeschichte herstellen kann. Cusanus begründet seine Ansichten im Christentum. Alle kommenden Ereignisse fokussieren sich auf eine einzige Gegenstand, den gekreuzigten Christus (1 Kor 2,2). Deshalb ist alles, was wir von der Zukunft wissen können, nur durch die Betrachtung des Lebens Christi möglich. Da die Kirche Christi mystischer Leib ist, folgt sie ihrem Haupt sowohl in ihrem Leben auf dieser Erde („peregrinando“) als auch in ihrem Ziel, in den Himmel aufzusteigen („ascendendo“) (De ult.: h IV, n. 124). Cusanus benutzt ein vierteiliges sowie siebenteiliges Geschichtsschemata. In n. 125 wird ein vierteiliges Schema basierend auf Moses’ Vision der Menschengestalt (Christus) in vier Teilen von Kopf bis Fuß vorgestellt. Diese offenbaren die vier Stadien des Lebens Christi. Christus ließ sein Saatkorn oder seinen Keim zurück, die Kirche, die auch durch vier Stadien gehen wird. Daher ist die erste Regel der historischen Mutmaßung: „Wenn es nötig ist, die exemplarische Wahrheit eindringlich zu betrachten, können wir mit Recht mutmaßen, dass sich Christi weltliches Leben [„peregrinando“] in der Kirche entfaltet [„explicari“].“ (ebd., h IV, n. 176) In den Nummern 126 –127 wendet Cusanus diese Logik auf das siebenteilige Geschichtsmuster an, welches auf Jesajas Prophezeiung eines herannahenden Sabbats basiert, der sich in Christus erfüllt (Jes 61,1– 2, zitiert in Lk 4,16 –21). Die Freiheit und Ruhe des Sabbats, in Christus verwirklicht, bedeutet, dass das Jubiläum von 50 Jahren (7 × 7 + 1; Lev 25,8–12) der biblische Schlüssel ist, welcher den christlichen Geschichtsplan eröffnet: „50 gewöhnliche Jahre entfalten ein Jahr Gottes. Deshalb, da die Kirche auf eine entfaltende Weise [„explicatorie“] Christus folgt, der ihr Meister und Herr ist, entfaltet sie in 50-Jahr Perioden die Jubeljahre ihres Herrn in einer einfaltenden Weise [„complicatorie“].“ (De ult.: h IV, n. 127) Nikolaus berechnet, dass er im zwölften Jahr nach dem 28. Jubiläum oder 1412 Jahre nach Christi Auferstehung schreibt (ebd.). In den Stücknummern 128–129 wird eine Parallele zwischen den Predigten des Elias im Alten Testament, den Predigten Johannes’ des Täufers im Neuen Testament und der aktuellen Situation der Kirche angeführt, in der „wir glauben, dass sich bald Schüler des gleichen Geistes erheben werden und in denen sich Elias durch das Lehren zeigen wird.“ (De ult.: h IV, n. 128) In n. 129 geht
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Nikolaus von Kues im Detail auf den Werdegang dieser heiligen Prediger ein, die das Evangelium in die Welt tragen werden. In De concordantia catholica (I, 12: h XIV, n. 54) rühmt Cusanus die Väter des Konzils von Basel in eschatologischem Sinne als die Hoffnungsträger für das Nahen „unserer Erlösung“ (Lk 21,28). Der Optimismus von De ultimis diebus geht noch weiter. Die Zukunft hält ebenso Belastung und Trübsal bereit. In den Nummern 130 –132 findet sich eine Parallele zwischen dem 34. Jahr Christi und den letzten 50 Jahren der Kirche. Der Antichrist wird sich erheben und mit der letzten und schlimmsten Verfolgung beginnen, „welche eine Entfaltung der Geschichte des Leidens Christi ist“ (De ult.: h IV, n. 130). Genauso wie Christus am dritten Tag von den Toten auferstanden ist, wird die Kirche wunderbarerweise auferstehen und „alle Nationen werden zu Christus zurückkehren, so dass Christi Erbe [d. h. die Kirche] in der ganzen Welt als die eine Herde des einen Hirten existieren wird.“ (Ebd., h IV, n. 131) In n. 133 vermerkt Cusanus, dass das 34. Jubiläum zwischen 1700 und 1734 erwartet wird, obwohl der Zeitpunkt nicht präzise bestimmt werden kann. Auf weitere Übereinstimmungen wird in den Nummern 134 –139 hingewiesen, welche Nikolaus’ Ansicht unterstützen, dass sich die Wiederauferstehung der Kirche zwischen 1700 und 1750 (ebd., h IV, n. 137) vollzieht. Im letzten Teil (ebd., h IV, n. 138–139) kehrt Cusanus zu einem vierteiligen Schema der Weltgeschichte zurück (von Adam zur Flut, von der Flut zu Moses, von Moses zu Christus und von Christus bis zum Ende) mit der erneuten Feststellung, dass jedes Zeitalter aus 34 Jubeljahren besteht.
Forschungsstand Die Lehren und Predigten des Nikolaus von Kues über das Ende der Zeit stellten einen wesentlichen Teil seiner Christologie und Ekklesiologie dar. Seine Doktrin der Kirche als mystischer Leib Christi erforderte nicht nur die Betrachtung ihrer zeitlosen hierarchischen Struktur, sondern auch einen Versuch, ihre historische Entwicklung zu verstehen. Er war sich der häufigen Fehlvorhersagen früherer Denker über das Ende der Zeit bewusst und sympathisierte deshalb mit Augustins antiapokalyptischen Ansichten. Er brach jedoch mit Augustin, indem er Parallelen oder Übereinstimmungen zwischen biblischen Ereignissen und der Kirchengeschichte herstellte. Diese „konkordistische Mentalität“ erinnert an Joachim von Fiore, dessen Expositio in Apocalypsim Cusanus
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in De concordantia catholica lobend erwähnte (De conc. cath. II, 19: h XIV, n. 168). Gleichwohl verstand Cusanus Konkordanzen auf ganz eigene Weise. Seine Geschichtstheologie und Eschatologie konzentriert sich auf die Zeit der Kirche als die Entfaltung („explicatio“) der innewohnenden Bedeutung der weltlichen Pilgerschaft Christi.
Wirkungsgeschichte der Schrift De ultimis diebus war das erste gedruckte Werk des Nikolaus von Kues im Jahre 1471. Es wurde oft nachgedruckt sowie ins Französische (1562), ins Englische (1696) und ins Deutsche (1745) übersetzt. In der modernen Zeit ist jedoch keine nennenswerte Nachwirkung zu beobachten. Bernard McGinn
Dialogus de genesi Dialog über die Genesis Entstehungskontext Dialogus de genesi
Der Dialog De genesi ist die letzte einer Reihe von kurzen theologischen Arbeiten, die Cusanus Mitte der 1440er Jahre zwischen den längeren philosophischen Abhandlungen De coniecturis und Idiota de mente verfasste. Er vollendete das Werk am 2. März 1447 in Lüttich. Während der Zeit von 1438–1448 war Cusanus als päpstlicher Gesandter in Deutschland tätig. In die Diözese Lüttich hatte Cusanus aus kirchenpolitischen Gründen einen Teil seiner Benefi zien. Außerdem war er dort in Fragen der Kirchenreform engagiert. In den späten 1440er Jahren widmete sich Cusanus der Verteidigung päpstlicher Interessen auf den Reichstagen in Frankfurt und Nürnberg. In Aschaffenburg schließlich half Cusanus im Juli 1447 bei einer Vertragsvereinbarung zwischen den deutschen Fürsten und dem Papsttum, welche im folgenden Jahr als Wiener Konkordat bestätigt wurde. Für seine Leistungen
Dialogus de genesi
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berief Eugen IV. Cusanus zum Kardinal „in petto“. Der Papst starb aber, bevor er dies publik machen konnte. Diese Aufgabe fiel Cusanus’ Freund, Thomas Parentucelli zu, der im März 1447 zu Papst Nikolaus V. gewählt worden war, im gleichen Monat, in dem De genesi vollendet wurde (Meuthen 7 1992, 69–81). Unter den „opuscula“ der 1440er Jahre ähnelt der Dialogus de genesi am ehesten De filiatione dei (1445) und bezieht sich namentlich auf dieses Werk (De gen. 5: h IV, n. 175). Cusanus hatte De filiatione dei für seinen Freund Konrad von Wartberg geschrieben, einen Kanoniker des Klosters Münstermaifeld. Nachdem Nikolaus ihm die Abhandlung geschickt hatte, muss er sie weiter mit Konrad diskutiert haben, da dieser den Platz des Gesprächspartners im De genesi-Dialog einnimmt (ebd., h IV, XIII).
Werkstruktur und Inhalt Wie der Titel nahelegt, ist der Dialogus de genesi dem Namen nach ein Gespräch über die Schöpfung des Universums – nicht über das Buch Genesis, sondern das ontologische Phänomen der Genesis an sich. Cusanus befasst sich mit traditionellen Themen der Schöpfungstheologie wie die Debatte über die Unendlichkeit der Welt oder die Hermeneutik der Genesis-Auslegung bei den Kirchenvätern (ebd., 2: h IV, n. 155–156, 158–160). Aber ebenso wie die späteren Werke De possest und De li non aliud ist dieser Dialog hauptsächlich eine Meditation über einen semantisch gehaltvollen göttlichen Namen, den Cusanus erfunden oder wiedergefunden hat: „das absolut Selbe“ („idem absolutum“). Wenn Gott das Selbe ist, wie kann Gott dann auch der Grund aller Dinge sein? Das ist die Frage, die Konrad am Anfang des Dialoges stellt (ebd., 1: h IV, n. 143). Auf diese Weise tritt Cusanus dem Problem aller platonischen Henologien entgegen, nämlich dem Ursprung der Vielheit aus dem Einen. Tatsächlich ist Proklos’ Parmenides-Kommentar eine der Hauptquellen des Cusanus für die dichte philosophische Untersuchung des Dialoges. De genesi gliedert sich in fünf kurze Kapitel. Im ersten Kapitel wird hauptsächlich Gott als das absolut „Selbe“ dargelegt. Das „Selbe“ ist jenseits der Andersheit („inalterabile“) und Vielheit („immultiplicabile“) und kann deshalb nicht einmal durch rein mathematische Konzepte verstanden werden (ebd., 1: h IV, n. 144). Stattdessen zieht Cusanus wie Proklos dynamische Bewegungs-
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und Reflexionsfiguren heran. Die Schöpfung des Universums ist ein Vorgang der „Assimilation“, in welcher das „Selbe“ das Nicht-Sein in einer Bewegung hin zum Sein („ad-similatio“) ins Sein „ruft“ (Röm 4,17). Angesichts der eigentlichen Identität mit dem Selben ist jedes Geschöpf wesentlich eine Ähnlichkeit oder ein Abbild (De gen. 1: h IV, n. 149; ebd., 5: h IV, n. 178). Ebenso erstrahlt das absolut Selbe am hellsten, wenn es sich in die bunte Mannigfaltigkeit der Geschöpfe „entfaltet“, deren Vielfalt der höchste Beweis für die assimilative Kraft des Selbst ist (ebd., 1: h IV, n. 150 –151) – eine typisch cusanische Affi rmation der positiven Einstellung gegenüber der Verschiedenheit beim Denken des Einen. Denn sogar die reine Unterschiedenheit nimmt teil am und leitet ihre Differenzierung her vom Selben (ebd., 1: h IV, n. 146). Die anderen vier Kapitel des Dialogs beziehen die Dialektik der göttlichen Identität auf damit zusammenhängende Fragen. Im zweiten Kapitel behauptet Cusanus, dass die Dauer der Welt nicht gewusst werden kann, da der Anfang der Schöpfung im unaussprechlichen Selben verloren sei. Er deutet auch auf einen epistemologischen Sinn von „assimilatio“ hin, vergleichbar mit dem konjekturalen Wissen aus De coniecturis. Die wörtliche Bedeutung von Genesis ist nur von relativem Wert, da Moses’ Worte eine zweitrangige Assimilation des authentischen Schöpfungsvorganges (selbst eine ontologische Assimilation des Selbst) darstellen (ebd., 2: h IV, n. 159). In den letzten drei Kapiteln wird nach und nach das Selbe mit der Lehre der Trinität verknüpft. Cusanus „assimiliert“ die Tätigkeit des Wortes und des Geistes bei der Schöpfung mit der Tätigkeit beim Lehren eines mathematischen oder theologischen Konzeptes (ebd., 4: h IV, n. 165–166). Indem er Metaphern wiederholt, welche er einige Jahre zuvor in De filiatione dei entwickelt hatte, erklärt er, dass das Selbe einzigartig im menschlichen Intellekt widerscheint (ebd., 4: h IV, n. 169; De fi l. 2: h IV, n. 58– 60). Die Angleichung („assimilatio“), die der Intellekt beim Verstehensakt ausführt, spiegelt die ursprüngliche „assimilatio“ des Selben wider, das die Welt erschaffen hat. Ebenso wie De filiatione dei deutet der Dialog den göttlichen Sohn als die „ars“ des Vaters, dessen Entfaltungskraft jenen Mechanismus darstellt, durch welchen die Trinität sich selbst mit allen Dingen identifi ziert. Auf gleiche Weise ist der Geist die allgemeine Bewegung, welche alles zum Selbst („ad-similatio“) hinführt (ebd., 5: h IV, n. 185–186).
Dialogus de genesi
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Analyse und Deutung / Forschungsstand Das wesentliche Forschungsergebnis in Bezug auf De genesi ist, dass der cusanische Begriff des „idem absolutum“ vor allem von dem spätantiken Neuplatoniker Proklos Diadochus stammt. Cusanus besaß Wilhelm von Moerbekes Teilübersetzung von Proklos’ gewaltigem Parmenides-Kommentar (Cod. Cus. 186) und fügte umfassende Anmerkungen hinzu. Aufbauend auf dem vorausgehenden Werk von Raymond Klibansky nahm Paul Wilperts De genesi-Edition von 1959 Bezug auf diese Marginalien. Karl Bormann legte später eine Edition der cusanischen Marginalien vor (CT III/2). Ausgehend von Parallelen in Cusanus’ Marginalien zu urteilen, verdanken die wichtigsten Passagen des ersten Kapitels von De genesi ihre Inspiration der proklischen Henologie und somit letztlich den „fünf Arten“ von Platons Sophistes (De gen. 1: h IV, n. 144 –148). In den vergangenen Jahren zeichnete sich ein erneutes Interesse an dem Dialog ab. Werner Beierwaltes weist darauf hin, dass, wenn das Konzept des „non aliud“ eine negative Bezeichnung für den Nichtwiderspruch von Identität und Differenz sei, dann das „idem“ in De genesi einfach die umgekehrte, positive Bezeichnung sei (1980, 117–120). In jüngster Zeit verknüpfte Beierwaltes (in Vorbereitung) das „idem absolutum“ mit Schelling und dem deutschen Idealismus. Harald Schwaetzer untersucht De genesi innerhalb eines, wie er es nennt, „genetischen Kontexts“ von De filiatione dei und eines zugehörigen philosophischen Briefes (Responsio ad intellectum evangelii Iohannis). Schwaetzer legt nahe, dass jedes der Werke ein neues epistemologisches Konzept entwickelt – der göttliche Logos als absoluter Grund, der menschliche Geist als ein lebendiges Bild Gottes und in De genesi die „Assimilation“ des Denkens an das Selbst – welches Cusanus nach und nach zu den richtungsweisenden „IdiotaDialogen“ führt (2003a, 93 f.). Johannes Wolter betrachtet De genesi als Grundlage der cusanischen Schöpfungstheologie als Theophanie. Der Schöpfungsakt ist eine sofortige SelbstDiffusion des Absoluten. Wolter betont die biblischen Quellen und die Trinität gegenüber der Verbindung zu Proklos (2004, 159–203). Kazuhiko Yamaki sucht in De dato patris luminum und in der Predigt LXXI vom August 1446 nach dem Ursprung des „idem absolutum“. Dieser
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Hintergrund erhellt die zentrale Dialektik zwischen geschaffener Differenz und dem göttlichen Selbst. Da die unendliche Unterschiedenheit der Seienden in der natürlichen Welt „kein negativer noch statischer Sachverhalt, sondern ein dynamischer Prozess der Schöpfung“ ist, wie Yamaki schreibt (2010, 376), ging Cusanus der natürlichen Philosophie und der Mathematik des Messens als Instrument zur Benennung Gottes nach. Klaus Reinhardt betrachtet De genesi als einen philosophisch-biblischen Kommentar in der Tradition der mittelalterlichen Genesis-Exegese. Die wahre Quelle ist jedoch nicht das Buch Genesis, sondern vielmehr die von Cusanus zitierte Passage von Ps 102,26 –28, welche Gott in der Vulgata als „idem ipse“ bezeichnet (Reinhardt 2011, 92; Santinello 1963).
Wirkungsgeschichte der Schrift Wie einige andere „opuscula“ der 1440er Jahre hatte der Dialogus de genesi geringen Einfluss. Das Werk wurde nie eigenständig, d. h. unabhängig vom cusanischen Gesamtwerk ediert oder übersetzt. David Albertson
Apologia doctae ignorantiae Verteidigung der belehrten Unwissenheit Entstehungskontext Apologia doctae ignorantiae
Nicolaus Cusanus’ Werk Apologia doctae ignorantiae ist, wie schon der Titel besagt, als Verteidigungsschrift für Cusanus’ erstes großes philosophischtheologisches Werk, De docta ignorantia, konzipiert. Cusanus schien sie nach einem heftigen Angriff von Johannes Wenck von Herrenberg, einem scholastischen Theologen der Universität Heidelberg, auf seine philosophisch-theologischen Thesen dringend geboten. Schon der Titel von Wencks Streitschrift, De ignota litteratura, ist eine massive Provokation. Allerdings antwortete
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Cusanus erst 1449 auf die bereits um 1442 / 43 erschienene Kritik. Er war 1448 zum Kardinal erhoben worden und konnte nun den Vorwürfen Wencks auch mit der ganzen Autorität seines Amtes begegnen.
Werkstruktur und Inhalt Wenck stellt Cusanus in seiner kurzen Schrift als Vernichter von Theologie und universitärer Philosophie dar, ja als einen Ketzer, der sich auf die bereits verurteilten Häretiker wie Wyclif und Meister Eckhart berufen habe (Hopkins 3 1988, 426). In der Tat beruft sich Cusanus auch in der Apologia auf Denker, die, so Cusanus, ungebildeten oder unverständigen Lesern vorenthalten werden müssten. Ihre Lehren könnten schnell missverstanden und als häretisch abgetan werden. Cusanus nennt dabei insbesondere Pseudo-Dionysius Areopagita, aber auch verurteilte bzw. der Häresie verdächtige Denker wie Meister Eckhart, Johannes Scottus Eriugena oder David von Dinant. Der Häresievorwurf Wencks gründet in der Opposition von Cusanus zur scholastischen Tradition im Allgemeinen und zu Aristoteles im Speziellen. In seiner Verteidigungsschrift stellt sich Cusanus aufgrund der Vorwürfe, die gegen ihn vorgebracht werden, als neuen Sokrates dar. Diese durchaus kühne Selbstdarstellung zeigt nicht nur, wie tief Cusanus die Vorwürfe getroffen haben mögen, sondern auch, dass sich Cusanus philosophisch in Opposition zur aristotelischen Schultradition verortet hat (Flasch 2008, 236 f.; Mojsisch 1997, 134 –141). Das liegt vor allem daran, dass Cusanus seit den Anfängen seines philosophisch-theologischen Schaffens ganz in der Tradition neuplatonischen Denkens und insbesondere unter dem Einfluss von Pseudo-Dionysius, dem für mittelalterliches Denken maßgeblichen Philosophen des sogenannten christlichen Neuplatonismus, stand. Nun greift zwar Cusanus Aristoteles in De docta ignorantia noch nicht offen an, verneint aber auch dort grundlegende aristotelische Lehren, insbesondere das sogenannte Widerspruchsprinzip. Dies hatte Wenck erkannt, weswegen er in Cusanus berechtigterweise eine Gefahr für die scholastische Methode sah (Hopkins 31988, 426 – 430). Die Verteidigungsschrift ist von Cusanus als Wiedergabe eines Dialogs zwischen Cusanus und einem seiner Schüler konzipiert. Schüler und Meister gehen die Vorwürfe Wencks schrittweise durch und versuchen, sie zu entkräften. Be-
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sonders eindringlich verteidigt Cusanus seine Theorie der „coincidentia oppositorum“. Dabei erneuert er seine Kritik am Widerspruchsprinzip.
Analyse und Deutung / Forschungsstand Besonders vor dem Hintergrund von Cusanus’ Opposition zur Scholastik und zu Aristoteles ist Wencks Angriff auf die für Cusanus’ Denken zentrale Lehre der „coincidentia oppositorum“, nach der nicht nur relative, sondern sogar kontradiktorische Gegensätze in Gott koinzidierten, zu verstehen. Dieser Koinzidenzgedanke, so Wenck entsetzt, zersetze das für die Scholastik wesentliche Widerspruchsprinzip (ebd., 426 – 428). Gleich in mehrfacher Hinsicht führe die Negation dieses Prinzips zu irrigen Thesen: Nach Wenck ist es ausgeschlossen, unter der Voraussetzung der Koinzidenzlehre überhaupt Wissenschaft betreiben zu können. Nicht nur die Kategorien, sondern alle Dinge scheinen miteinander vermischt zu werden, so dass eine diskursive Erforschung der seienden Dinge letztlich ausgeschlossen scheint. Noch schwerer aber wiegt Wencks Vorwurf, die Koinzidenzlehre gefährde zentrale christliche Dogmen. Alle Dinge und Geschöpfe, so stellt Wenck entrüstet fest, koinzidierten nach Cusanus mit Gott (ebd., 430– 432). Schöpfer und Geschöpf, Urbild und Abbild wären aber so ihrem Wesen nach identisch und könnten nicht mehr voneinander unterschieden werden (ebd., 430 f., 436 f.). Diese Kritik Wencks fi rmiert in der Forschung unter dem Begriff des Pantheismusvorwurfs: Aufgrund der Koinzidenz aller Dinge mit Gott sei letztlich alles nur noch Gott. Wie Wenck weiter ausführt, nivelliere die Koinzidenzlehre über die Exklusion jeder Unterscheidungsmöglichkeit („discretio“) und Differenz aus Gott sogar die Unterschiedenheit der drei göttlichen Personen, überführe sie in eine indistinkte Einheit und konfundiere ihre jeweiligen Eigenheiten (ebd., 430 f.). Vor allem der Pantheismusvorwurf ist für Cusanus unerträglich: Er entkräftet ihn vollständig, indem er mit Verve auf die absolute Transzendenz Gottes auch gegenüber der „coincidentia oppositorum“ verweist. Um die absolute Transzendenz zu illustrieren, greift er insbesondere auf seine Deutung der Koinzidenz aus De coniecturis zurück: Nach Cusanus gilt das aristotelische Widerspruchsgesetz nur auf der Ebene des menschlichen Verstandes („ratio“), also des messenden Geistesvermögens, das den Menschen zur diskursiven Er-
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forschung der Dinge befähigt. Doch bereits die den Verstand überragende Vernunft („intellectus“) stehe über diesem Prinzip, weil sie einsehen könne, dass selbst kontradiktorische Gegensätze zusammenfielen (Apol. h 2II, n. 21, p. 15; vgl. n. 42, p. 28). Erwähnenswert ist, dass durch diesen Koinzidenzgedanken Cusanus’ sachliche Nähe zur Tradition des platonischen Sophistes, in dem Sein und Nicht-Sein sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern sich wechselseitig durchdringen, einmal mehr deutlich wird. Gott selbst aber steht sogar noch jenseits der Koinzidenz und übersteigt daher sowohl die Disjunktion als auch die Konjunktion kontradiktorischer Gegensätze (ebd., h 2II, n. 21, p. 15). Kurt Flasch, die maßgebliche Autorität für die Erforschung der Apologia, hat darauf hingewiesen, dass Cusanus hiermit seine Koinzidenzlehre modifi ziert habe. Noch in De docta ignorantia habe er Gott durchaus als Zusammenfall der Gegensätze bezeichnet. Gleichwohl muss man festhalten, dass Cusanus auch in De docta ignorantia keine Identität von Schöpfer und Geschöpf vertreten hat. Denn er argumentiert ganz im Sinne der neuplatonischen Tradition, dass Gott gegenüber dem Sein der Kreaturen vollkommen transzendent ist. Aufgrund der nicht kategorial fassbaren Unendlichkeit des Absoluten bleibt dieses stets negativ aus allem Seienden ausgegrenzt (De docta ign. I, 24 –26: h I, 48–56; Apol.: h 2II, n. 23, p. 16 f.). Cusanus weist damit den Pantheismus ganz entschieden zurück, weil er die absolute Übergegensätzlichkeit Gottes gezielt herausarbeitet und damit die absolute Transzendenz Gottes gegenüber Sein und Erkennen aufzeigt. Gerade vor diesem Hintergrund ist Cusanus’ Begriff der „belehrten Unwissenheit“ zu verstehen: Man könne von Gott keine kategorialen Aussagen machen und ihn daher auch nicht im positiven Wissen begreifen. Von Gott könne man nur begreifen, dass er schlechthin unbegreifbar sei (Apol.: h 2II, n. 26, p. 18; ebd., n. 14 ff., p. 11 f.). Aus diesem Grund kann man nach Cusanus letztlich auch keine begrenzende „distinctio“ in Gott annehmen, da in diesem Fall die Kategorie der Andersheit auf Gott angewendet würde, obwohl dieser doch schlechthin übergegensätzlich ist: Die Andersheit kann also nicht in ihrem eigentlichen kategorialen Sinn in Gott bestehen (ebd., h 2II, n. 35, p. 24). Die scholastische Wissenschaft versagt für Cusanus also besonders im Hinblick auf die Metaphysik. Doch Wenck hat dieser Deutung einen wichtigen Einwand entgegengestellt. Er gibt zu bedenken, dass man nicht auf nichtwissende Weise, sondern nur auf wissende Weise überhaupt wissen könne (Hopkins 31988, 437 f.). Wie gesehen entgegnet Cusanus zwar, dass die „be-
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lehrte Unwissenheit“ gerade anzeige, dass man um die Unmöglichkeit, das Unendliche wissen zu können, sehr wohl wisse. Mit Kurt Flasch kann man aber vor diesem Hintergrund die kritische Frage stellen, ob Cusanus diesen Vorwurf Wencks mit fairen Mitteln zu entkräften versuchte. Denn Cusanus, so Flasch, vertrete in der Apologia ein anderes Verständnis der „belehrten Unwissenheit“ als noch in De docta ignorantia (32008, 185–187; 193 f.). Die Forschung folgt im Allgemeinen Kurt Flaschs Einschätzung, dass es Cusanus nach De docta ignorantia um die Überwindung der rein negativen Theologie und die Vereinigung negativer und affi rmativer Theologie gegangen sei. So habe er ab De coniecturis den Vorrang der negativen Theologie zunehmend abgebaut (ebd., 161). Doch erst in der Apologia und den sogenannten Idiota-Dialogen habe Cusanus letztlich die Koinzidenz von affi rmativer und negativer Theologie erreicht. Cusanus antworte also auf Wencks Vorwurf, dass man nicht auf nicht-wissende Weise wissen könne, mit einer Neubestimmung der „belehrten Unwissenheit“, die er nun als Vereinigung negativer und affirmativer Theologie verstehe. Flaschs Deutung scheint für die Apologia, besonders aber für die Laien-Dialoge der mittleren Schaffensphase des Kardinals, zuzutreffen. Er glaubt aber konstatieren zu müssen, dass Cusanus das Programm der Koinzidenz von negativer und affi rmativer Theologie nach 1453 zunehmend vernachlässigt habe, ja an diesem letztendlich sogar „irre“ geworden sei. So meint er, Cusanus habe den Vorrang der negativen Theologie nicht entschieden genug bekämpft (1973, 327–329). Demgegenüber ist aber darauf hinzuweisen, dass Cusanus schon in De coniecturis die negative Theologie gar nicht abschwächt, sondern Gott als reine Negativität beschrieben hat, die sogar die Koinzidenz von Bejahung und Verneinung transzendiert (Mojsisch 1991, 675– 693).
Bedeutung der Schrift für die Entwicklung des cusanischen Denkens Während Cusanus in der Apologia und den mittleren Dialogen noch die Vereinigung affi rmativer und negativer Theologie anstrebt, ändert sich seine Einstellung in den Spätschriften maßgeblich und dauerhaft. Insbesondere hat er in De principio und De non aliud die negative Theologie bewusst ausgedeutet und sie so zu dem zentralen Element seiner Einheitsmetaphysik stilisiert. Gerade dadurch war es ihm möglich, über die noch in der Apologia vertretene
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Vereinigung affi rmativer und negativer Theologie hinauszugehen. Dabei ist es ihm auch gelungen, die schwierige und in der Apologia nicht in letzter Konsequenz beantwortete Frage, wie eine absolute und völlig differenzlose Ununterschiedenheit („indistinctio“) mit der Trinität vereinbar sein soll, einer durchaus eleganten Lösung zuzuführen. Max Rohstock
Idiota de sapientia, Idiota de mente, Idiota de staticis experimentis Der Laie über die Weisheit, Der Laie über den Geist, Der Laie über Versuche mit der Waage Entstehungskontext Idiota de sapientia, Idiota de mente, Idiota de staticis experimentis
Seine Trilogie über den Laien, die Idiota-Dialoge, verfasste Nikolaus von Kues im Jahre 1450. In diesem Jahr wurde Cusanus nicht nur im März zum Bischof des Fürstbistums Brixen (Südtirol) ernannt, im Sommer desselben Jahres wurde anlässlich des halben Jahrhunderts und des Sieges der päpstlichen über die konziliaristische Idee zudem ein Jubeljahr in Rom gefeiert. Trotz dieses Ereignisses und der ankommenden Pilgermassen, welche den Jubiläumsablass erwarteten, verließen Cusanus und der Papst – nicht zuletzt aufgrund der Pest, die zu dieser Zeit dort wütete – im Juni Rom. Der Sommer 1450 wurde somit eine eher ruhige Zeit für Nikolaus, bevor das Reisen als päpstlicher Legat zur Verkündigung des Ablasses im gesamten deutschen Reich schon im darauffolgenden Jahr wieder begann. Die in diesem Sommer verfassten Laiendialoge können demnach als Frucht einer Zeit der Entspannung und Beschaulichkeit betrachtet werden (Meuthen 11964, 83; Flasch 11998, 251–329). Nach der Vollendung der mathematischen Schrift De circuli quadratura über das Problem der Kreisquadratur verfasste Cusanus direkt drei Tage später am 15. Juli in Rieti, wohin er sich unabhängig von Papst und Kurie zurückgezogen hatte, an nur einem Tag das erste Buch seines ersten Dialoges über den Laien, Idiota de sapientia (Der Laie über die Weisheit). Das zweite Buch ent-
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stand drei Wochen später (Flasch 11998, 225): Cusanus war dem Papst nach Fabriano gefolgt, wo er am 7. und 8. August die Fortsetzung über die Weisheit verfasste. Der zweite Dialog, Idiota de mente (Der Laie über den Geist), wurde unmittelbar danach im Kloster Valle Castro, nahe Fabriano, verfasst. Den kürzesten der drei Dialoge schrieb Cusanus am selben Ort zwei Monate später im September 1450 und gab ihm den Titel Idiota de staticis experimentis (Der Laie über Versuche mit der Waage). Bereits im Dezember 1450 folgte eine weitere mathematische Schrift über die Kreisquadratur, die den Namen De quadratura circuli trug. Diese Nähe der mathematischen Schriften zu den Laiendialogen ist bemerkenswert. Das Gemeinsame all dieser Texte, trotz der unterschiedlichen Themen Mathematik, Weisheit, Geistlehre und Naturwissenschaft, ist die Fähigkeit des menschlichen Geistes, die den Angelpunkt für Cusanus’ Anthropologie bildet.
Werkstruktur und Inhalt Die Schriften über den Laien sind in drei Teile gegliedert. Den ersten Teil bildet die Schrift De sapientia, in welcher Cusanus das Thema der göttlichen Weisheit behandelt. Der Dialog über die Weisheit besteht aus zwei Büchern, von welchen das erste n. 1–27 umfasst, das zweite n. 28– 47. Für eine Zweiteilung scheint es außer den drei Wochen Abstand zwischen beiden thematisch keinen Grund zu geben (Flasch 11998, 225). Den zweiten Teil bildet die Schrift De mente, in welcher sich Cusanus mit dem Thema des menschlichen Geistes und dessen erkennendem Vermögen auseinandersetzt. Sie ist die längste Schrift der Laientrilogie und umfasst 15 Kapitel (h 2V, n. 48–160). Den dritten Teil der Trilogie nennt Nikolaus De staticis experimentis. Diese kürzeste der drei Schriften (h 2V, n. 161–195), eine naturwissenschaftliche Abhandlung, handelt von Versuchen mit einer Waage. Zunächst einmal scheinen die drei Themen wenig miteinander zu tun zu haben: Weisheit, Erkenntnislehre und Naturforschung muten lediglich wie drei unterschiedliche Bereiche an, welche Cusanus als spätmittelalterlichen Denker interessierten. Was die Dialoge auf den ersten Blick jedoch verbindet, ist die Figur des Laien, welche die Hauptrolle in jeder der drei Schriften einnimmt und über die jeweiligen Themen ein Gespräch mit einem Gelehrten (Redner
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oder Philosophen) führt. Die Dialogform, welche Cusanus für seine Laienbücher wählt, ist ihm schon vorher geläufig: Zum ersten Mal benutzte er sie 1441 im Dialogus concludens Amedistarum errorem ex gestis et doctrina concilii Basiliensis. Während das Gespräch mit dem Laien in De mente in einer abgelegenen Höhle stattfi ndet, ist das Gespräch in De sapientia zum ersten Mal in einen konkreten Schauplatz gebettet (Flasch 11998, 243). Der Dialog beginnt auf dem Marktplatz von Rom, wo der Laie auf einen Redner trifft, über dessen Hochmut aufgrund des Studiums vieler Bücher er staunt. Zwar verlassen die Gesprächspartner den Marktplatz bald, um in Ruhe in einer Frisörstube sprechen zu können, dennoch aber spielt das Treiben auf dem Marktplatz für das Gespräch eine wichtige Rolle. Mitunter auf diesem Marktplatz, so erklärt der Laie dem gelehrten Redner, findet man die Bücher Gottes, welche zu wahrer Weisheit führen. Der Redner, so der Laie, lässt sich von fremdem Wissen täuschen, indem er seine freie Vernunft an das fesselt, was ihm von Autoritäten vorgegeben wird. Erst in der demütigen Selbsterkenntnis fi ndet man die Weisheit Gottes, und diese ruft auf den Straßen und Gassen. Das Messen, Wiegen und Zählen, wie es auf dem Marktplatz zu beobachten ist, geschieht, so erklärt der Laie, mithilfe des unterscheidenden Verstandes. Dieses kann der Verstand aber bloß, da ihm das Prinzip der Einheit als Voraussetzung für jede Zahl zugrunde liegt: Das Eine ist das Prinzip, durch welches jede Zahl zustande kommt, so wie auch das Wiegen erst durch das kleinste Gewicht der Unze zustande kommt. Die Erkenntnis, dass das Prinzip an sich nicht mess- und zählbar ist, soll „auf die höchsten Höhen, wo die Weisheit wohnt“ (Steiger 1988, 11) übertragen werden, durch welche alles ist, welche selbst aber unerkannt bleibt – so wird das Unberührbare auf nichtberührende Weise berührt. Die Weisheit ist für die Erkenntnis das Süßeste: Wenn sie auch niemals geschmeckt werden kann, so ist durch sie alles innere Schmecken, d. h. Erkennen. So kann von der absoluten unschmeckbaren Weisheit immer nur ein Vorgeschmack in Anderem, niemals aber der volle Geschmack in ihr selbst erlangt werden. Dadurch, dass die menschliche Vernunft, der ein Vorgeschmack der Weisheit innewohnt, sich von dem Schmecken locken lässt, bewegt sie sich immerzu auf die Weisheit zu, ohne sie jemals ganz zu schmecken, d. h. ganz zu erkennen. Diese unendliche Sehnsucht nach Erkenntnis des Wahren bedeutet höchstes Glück, wie eine unendliche Speise, die niemals vergeht. In geistiger Bewegung hin zur Einheit der Weisheit, welche in allem zu finden ist, wenn die
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Vielheit überwunden wird, wird der Geist zu der Süße entrückt (ebd., 25 ff.). Der Geist, der sich ständig seinem Ursprung annähern will, ist somit lebendiges, sich auf den Ursprung hinbewegendes Abbild dieses Ursprungs. Auf die Frage des Redners, ob Gott die Weisheit sei, folgt eine Auslegung der Trinität: Die Weisheit wird als zweite innertrinitarische Person ausgelegt. Die Weisheit als Gleichheit ist demnach jene unendliche Gestalt, nach welcher alle Gestalten geschaffen sind, an der sie partizipieren. Höchste Partizipation kommt der erkennenden, schmeckenden menschlichen Vernunft zu, welche durch ihre Erkenntnisbewegung sich der Wahrheit immer weiter annähert und sie vor-schmeckt („praegustare“). Weisheit, so beschließt der Laie, liegt demnach nicht in Büchern, sondern in der Hinwendung zu der Gestalt der Weisheit in Gottes Büchern (der Welt) selbst. Im zweiten Teil fragt der Redner den Laien, wie man sich von Gott einen Begriff bildet. Die Antwort lautet: „Wie vom Begriff.“ (Ebd., 47) Da in jedem Begriff Gott begriffen wird, wenn er auch der Unbegreifbare bleibt, nähert sich der Begriff vom Begriff dem Unbegreifbaren. Wenn Gott auch unbezeichenbar ist, so wird er in jeder Bezeichnung von Begriffen bezeichnet, weshalb, wenn ein genauer oder gerechter usw. Begriff von Gott gebildet werden soll, der Begriff Genauigkeit oder Gerechtigkeit usw. gebildet wird, denn Gott ist absolute Genauigkeit oder Gerechtigkeit usw. Jede Frage über Gott setzt das Gefragte voraus, so ist Gott in jedem Begriff unbezeichenbar bezeichnet, da jeder Begriff teil an der unendlichen Wahrheit hat. In Gott als absoluter Voraussetzung von allem ist Genauigkeit jedoch gleich Gerechtigkeit, Gerechtigkeit gleich Güte usw., da in Gott alle Gegensätze zusammenfallen. Treffend wäre es demnach ebenso, von Gott zu sprechen wie er nicht ist, bzw. wie Gott weder ist noch nicht ist, sondern über allem, da kein Begriff Gott ganz erfassen kann. Wird also der Begriff vom Begriff gebildet, so wird höchste Annäherung an Gott erreicht, denn der Begriff vom Begriff ist nichts anderes als der Begriff der urbildlichen Gestalt der göttlichen Kunst, in der alle Urbilder aller Begriffe zusammenfallen. Der Laie erklärt, dass nichts, was ein Mehr oder Weniger ist, einen genauen Begriff von Gott als Urbild bilden kann, dass jeder Begriff jedoch an der Wahrheit teilhat, so wie alle Darstellungen eines Gesichtes an der Wahrheit des urbildlichen Gesichtes teilhaben. Urbild von allem aber ist Gott, der mit einer unendlichen Gerade verglichen wird, in welcher alle Figuren in eins fallen. Ohne diese Rätselbilder („aenigmata“), so schließt der Laie, kann es eine Gottesschau nicht geben.
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De mente beginnt auf der Engelsbrücke in Rom, auf welcher ein Philosoph steht und über die Pilgermassen staunt. Er lässt sich vom Redner zu einem löffelschnitzenden Laien in eine Höhle führen, um über den menschlichen Geist belehrt zu werden. Der Laie erklärt, dass der Geist zum einen den Geist im Körper, die Seele, bezeichnet und zum anderen unendlicher göttlicher Geist ist. Der Begriff „mens“ (Geist) stammt, so der Laie, von „mensurare“ (messen), und aus ihm kommt alle Grenze und Maß. Der Laie betont, dass kein Name ein Bezeichnetes in seiner Genauigkeit bezeichnet, da Genauigkeit und Wahrheit allein in Gott als Urbild von allem sind. Er veranschaulicht am Löffel, wie die „mens humana“ Abbild des göttlichen schöpferischen Geistes ist. Dadurch, dass der menschliche Geist als Abbild der göttlichen Einfaltung der Dinge alle Begriffe – wie etwa den Löffel – einfaltet, ist er, so wie Gott Maß aller Dinge ist, Maß aller begrifflichen Abbilder der Dinge. Der Geist kommt zu einer Erkenntnis, indem er sinnliche Eindrücke aufnimmt, durch den Verstand („ratio“) unterscheidet und durch die Urteilskraft das Erkannte beurteilt, d. h. aus sich selbst heraus Begriffe schafft. Der Laie vergleicht den Geist mit der Zahl, die aus sich selbst zusammengesetzt ist. Die Vielheit der Zahlen in der Welt ist zusammengesetzt, aber als eines in der Zahl des zählenden Geistes enthalten. Zwei Kapitel später vergleicht der Laie den Geist mit einem Punkt, aus dem alle Figuren ausgefaltet werden können. Der Laie erklärt die Geisteserkenntnis genauer: Die gebildeten Begriffe kann der Geist für sich anblicken, etwa wenn er den Kreis als eine Figur erfasst, „bei der alle vom Mittelpunkt zum Umfang gezogenen Linien gleich sind“ (Steiger 1995, 61). Eine höchste Erkenntnisstufe kann der Geist erreichen, indem er durch seine schöpferische Bewegung die geistigen Begriffe als an der absoluten Wahrheit teilhabend schaut, d. h. sich selbst schaut in seiner schaffenden Bewegung als Abbild der Wahrheit Gottes. In dieser „Schau der absoluten Wahrheit“ sieht er, „wie alles eins und eins alles ist.“ (ebd., 63) Dieses ist kein rational-wissenschaftliches Verstehen mehr, sondern wird vom Laien „Einsicht“ genannt. Durch seine Erkenntnisfähigkeit ist der Geist letztlich fähig, sich als Abbild des unendlichen göttlichen Maßes zu erfassen. Die Dreieinigkeit des einen Gottes wird in Bezug auf die Schöpfung aus dem 1. Werden-Können (Einheit), 2. Wirken-Können (Gleichheit) und 3. Verknüpfung erklärt. Ebenso fi ndet sich die Trinität von Angeglichenwerden-Können, Angleichen-Können und beider Verknüpfung im menschlichen Geist. Der Geist, welcher in jedem Menschen ein individueller ist, ist lebendiger Geist, so
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dass er sich durch seine anerschaffene Kraft Gott immer ähnlicher machen kann. Durch seine Abbildhaftigkeit in Bezug auf die unveränderliche Wahrheit und durch seine eigene erkennende Bewegung kommt dem Geist Unveränderlichkeit, d. h. Unsterblichkeit zu. In De staticis experimentis ist der Laie Naturforscher und das Gespräch handelt von Experimenten mit der Waage. Im Gegensatz zum Redner, der die Waage als Symbol für Gerechtigkeit preist, sieht der Laie Praktisches in ihr: Mit der Waage kann in der Welt größere Genauigkeit erreicht werden; durch das Wiegen der Dinge kann der Naturforscher die Wahrheit der Dinge zwar nicht erkennen, er kann sich jedoch an sie herantasten. Der Laie bedauert, dass es kein Buch mit Aufzeichnungen über Gewichtsverhältnisse gibt, denn das Gewicht von Wasser aus unterschiedlichen Quellen und zu unterschiedlichen Zeiten beispielsweise sei sicherlich verschieden und würde so Aufschluss über den Unterschied von verschiedenen Wassern geben. Im Folgenden beschreibt der Laie dem Redner unterschiedliche Experimente, die er mit der Waage ausführen könnte: Der Laie will Blut oder Urin von einem gesunden und kranken Menschen wiegen sowie Blätter und Wurzeln von Kräutern, was dem Arzt beim Mutmaßen über die Heilung und den Verlauf der Krankheit Vorteile verschafft. Ebenso will er mit Hilfe der Waage den Puls ermitteln, den Atem prüfen, das Verhältnis der Schwere eines Menschen und Tieres ermitteln, die Gewichte von verschiedenen Metallen untersuchen, um beispielsweise Mischungen zu erkennen und Einblick in die Alchemie zu erhalten. Wenn auch niemals Genauigkeit erreicht werden kann, so kann das vergleichende Wiegen näher an eine wahre Erkenntnis führen; deshalb will der Laie ebenso Steine wiegen und sogar die Kraft eines Magneten ermitteln oder das Gewicht des Wassers in einem Stück Holz, da dieses nach dem Verbrennen entweiche. Selbst das Gewicht der Luft, die Sonnenstärke und -größe, die Tiefe des Wassers, Harmonieverhältnisse und Fragen der Geometrie will der „idiota“ mittels der Waage erörtern. So und ähnlich ließe sich nach Ansicht des Laien mit allen Dingen verfahren. Er erklärt, dass Erfahrungswissenschaft („experimentalis scientia“) „weitläufige Aufzeichnungen“ (Dupré III, 631) verlangt, um die sich der Redner am Ende des Gesprächs bemühen will.
Idiota de sapientia, Idiota de mente, Idiota de staticis experimentis
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Analyse und Deutung / Forschungsstand Die drei Werke über den „idiota“ werden oft als unabhängig voneinander betrachtet. V. a. De mente steht im Mittelpunkt der Forschung, bzw. die Schriften über die Weisheit und über den Geist werden als Einheit betrachtet. Die Schrift über die Versuche mit der Waage wird vornehmlich gesondert behandelt (etwa Flasch 11998, 318–329; Steiger 1988; Menzel-Rogner 1944; zu De staticis experimentis vgl. etwa Pico Estrada 2008). Erst in der neueren Forschung werden vermehrt alle drei Werke als eine Einheit betrachtet (vgl. etwa de Boer 2003; Böhlandt / Schwaetzer) und der Fokus auf den Umgang des Cusanus mit den Naturwissenschaften gelegt (Gierer 2002; Nagel 1984; Reinhardt / Schwaetzer 2003). Der Laie als Hauptfigur der Dialoge spielt eine wichtige Rolle bei Cusanus. Als der Ungebildete stellt er jene Figur dar, welche frei ist vom Wissen Anderer und somit durch selbstständige Bildung des Geistes näher zur Wahrheit, zu Gott gelangt. Dem „idiota“ kamen seit der Antike verschiedene Bedeutungen zu, welche jedoch nicht immer (wie heute: Idiot) negativ konnotiert waren. So bedeutete „idiota“ zwar, dass jemand nicht des Schreibens und des Lesens mächtig war, jedoch bezog er seine Bildung über andere Wege, bspw. über Kirchenbilder (Grundmann 1958). Bei Cusanus kommt dem „idiota“ die Bedeutung des neuen Intellektuellen zu, der in Freiheit seinem Geist folgend Gottes Bücher unmittelbar lesen lernt, ihn so besser erkennt und den eigentlich Gelehrten belehrt. In De sapientia wird direkt zu Anfang deutlich: Der Laie erkennt, dass der Redner mit seinem Bücherwissen wenig Erkenntnis über die Weisheit erlangt und dass er selbst, der er über seine Unwissenheit belehrt ist, in seiner Demut der Weisheit näher ist. Wichtiger als in Büchern zu lesen und dadurch das eigene Denken an Vorgegebenes zu binden und dadurch zu hemmen, scheint es dem Laien zu sein, im Buch der göttlichen Schöpfung zu lesen, wo die Weisheit ruft. So lässt Cusanus den Dialog auf dem Forum Romanum, einem alltäglichweltlichen Ort, beginnen. In der Frisörstube, welche Rückzugsort vom Treiben – allerdings mit Blick darauf – darstellt, erklärt der Laie dem Redner, dass die beobachteten Tätigkeiten – Zählen, Messen, Wiegen – letztlich Tätigkeiten des menschlichen Verstandes sind. Das rationale Vermögen des Geistes ist zählend, d. h. unterscheidend tätig. Durch dieses diskursive Vermögen, welches
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auch Prinzip der scholastischen Methode ist, ist der Mensch fähig, Dinge in der Welt zu erkennen. Dieser „ratio“ geht ein geistiges Prinzip der Einheit voraus, durch welches die unterscheidenden Zahlen oder Begriffe der „ratio“ überhaupt erst zustande kommen. Nikolaus meint hier das intellektuelle Vermögen des Geistes, aus welchem zwar alle Begriffe in die rationale Erkenntnis entfaltet werden, in welchem an sich jedoch noch keine Unterscheidung stattfi ndet. Der menschliche Geist hat somit das Vermögen, aus sich heraus den Dingen Maß zu sein und sie somit zu unterscheiden. Höchstes Maß jedoch, d. h. erster Ursprung, der aller Vielheit vorausgeht, ist Gott, weshalb das Prinzip des Intellekts auf ihn in „höchsten Höhen“ übertragen werden soll. Den Vergleich der Gotteserkenntnis mit einem Schmecken zieht Cusanus aus der Etymologie des Wortes „sapientia“ / „sapere“ = schmecken, sowie aus der mystischen Literatur (Steiger 1988, 89). Der menschliche Geist wird Gott nie vollends schmecken, jedoch kann er dadurch, dass er die Fähigkeit besitzt zu erkennen, wenn auch niemals das Prinzip aller Dinge selbst, so doch einen Vorgeschmack erreichen. Die Weisheit lockt unentwegt mit ihrer Süße, weshalb die geistige Bewegung auf sie zu eine unendliche Bewegung bleibt. In dieser Bewegung ist für den Intellekt höchste Glückseligkeit schon erreicht. Als erkennende Kraft des Geistes, aus der alle Begriffe entfaltet werden, ist der Intellekt höchstes Abbild Gottes, welcher alle Dinge aus sich entfaltet. Somit befindet sich der Intellekt im Erkennen in ständiger Bewegung auf sein Urbild zu. Deshalb lautet die Antwort des Laien, man solle sich von Gott „wie vom Begriff“ einen Begriff bilden. Da Gott jedem Begriff vorausgeht, ist Gott in jedem Begriff berührt. Zwar ist er nicht an sich erkannt, jedoch leuchtet das Licht Gottes, in welchem alle unterschiedlichen Begriffe in eins fallen, in jedem vom Geist geschaffenen Begriff auf und ist somit durch jeden Begriff auf unbezeichenbare Weise bezeichnet. Wenn der Laie von Gott sprechen will, wie er nicht ist, um ihn dadurch, da keine Bezeichnung Gott trifft, treffender zu bezeichnen, spielt er hier auf das Prinzip der negativen Theologie an, welche Nikolaus v. a. von Pseudo-Dionysius Areopagita her kennt. Letztlich aber ist Gott über allen Bezeichnungen. Mit einer Metapher erklärt Cusanus, wie alle Darstellungen eines Gesichtes niemals das Gesicht genau abbilden können, was er aber positiv deutet, da jedes Gesicht an der Wahrheit des Gesichtes teilhat. Ebenso wird Gott mit der unendlichen Geraden verglichen, welche Prinzip einer jeden Figur ist. Mit diesen Rätselbildern, welche sich im cusanischen Werk immer wieder fi nden, verdeut-
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licht Cusanus, dass die Begriffserkenntnis des menschlichen Geistes, wenn sie auch endlich sein mag, aufgewertet wird, da in jeder Erkenntnis die Wahrheit leuchtet. Misst, zählt und wiegt der menschliche Geist, d. h. ist er erkennend tätig, nähert er sich dadurch der Weisheit in einem belehrten Nichtwissen, welches Cusanus 1440 zum Thema seines ersten philosophischen Buches gemacht hatte (De docta ignorantia). Wenn De sapientia auch in einem mystischen Duktus verfasst ist, so wird die Bedeutung des menschlichen Geistes und seiner Vermögen deutlich, um welchen es auch in De mente geht. Das Staunen des Philosophen am Anfang des Dialogs De mente verweist auf das Staunen des Laien zu Anfang von De sapientia: Letztlich ist es jenes Staunen, mit welchem schon bei Aristoteles in der Metaphysik die Philosophie ihren Anfang nimmt (Aristoteles 32005, 982b13 ff.) und welches nach Cusanus zum Nachdenken und somit zur Bewegung des Geistes führt. Zwar beginnt auch diese Schrift mitten in Rom, jedoch findet das eigentliche Gespräch in einer Höhle statt: Der Geist in seiner Erkenntnistätigkeit kehrt, vom Staunen über die Welt angeregt, an einen Ort zurück, an dem er sich auf seine Erkenntnisbewegung besinnen kann. Mit der Herleitung des Wortes „mens“ von „mensurare“ (messen) wird die Verknüpfung zu De sapientia deutlich: Der Geist, sei es der göttliche oder dessen Abbild, die „mens humana“, misst alles, um zu erkennen. Die Namen, die der menschliche Geist dem Erkannten beilegt, bezeichnen allerdings niemals das Wesen eines Dinges, da diese Wahrheit allein in Gott liegt. Alle Namen sind deshalb bloß Abbilder des unendlichen Urbildes, welches aber in allen Namen widerstrahlt. So wie alle Namen Abbild sind, so ist der Schöpfer der Namen, die „mens humana“, höchstes Abbild des Schöpfergottes, was Cusanus am Löffel, der nicht in der Natur existiert und somit allein vom menschlichen Geist erschaffen wird, verdeutlicht. Im Erschaffen von Begriffen ahmt die „mens“ den Schöpfergott nach. Wie Gott alle Dinge einfaltet und erschafft, so faltet der menschliche Geist alle Begriffe ein und erschafft sie im Erkennen. Cusanus schneidet damit das im Mittelalter rege diskutierte Universalienproblem an: Kommt Begriffen eine eigenständige Existenz zu oder werden sie als Abstraktionen vom Menschen selbst geschaffen? Von realistischer Seite behandelt er das Problem der angeborenen Begriffe bei Platon im Gegensatz zu den bloß in Abhängigkeit von den Sinnendingen für sich stehenden Begriffen bei Aristoteles: Über die sinnliche Wahrnehmung kommt nach Nikolaus eine verworrene Erkenntnis („imaginatio“) zustande. Erst durch den hinzutretenden Verstand
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(„ratio“) kann das Wahrgenommene unterschieden werden. Einerseits gleicht sich der Geist bei der Erkenntnis an die Dinge an und bildet diese wie Wachs nach. Die Begriffe, welche aus dem höchsten Vermögen des Geistes, dem Intellekt, in die „ratio“ entfaltet werden, sind andererseits aus dem Geist selbst produziert. Die sinnlichen Eindrücke geben bloß Anregung zum Bilden eines neuen Begriffs im Geiste, wie etwa „Löffel“, von dem es kein Vorbild in der Natur gibt, welches der Geist nachahmen könnte. Cusanus stellt sich zwischen Aristoteles und Platon, er geht nicht von angeborenen Begriffen, aber von einer angeborenen Urteilskraft in der „mens“ aus, aus der heraus Begriffe gebildet werden. In ihr als höchstem Abbild Gottes leuchtet die Wahrheit Gottes. Mit dem Vergleich des Geistes mit der Zahl bzw. dem Punkt knüpft Cusanus erneut an De sapientia an: Die Vielheit der Dinge stammt aus dem göttlichen Geist, der zählend erschafft, bzw. aus dem menschlichen Geist, der zählend (messend) erkennt. Der Punkt, aus dem alles entfaltet wird, erinnert an den geometrischen Vergleich Gottes mit der unendlichen Linie in De sapientia. Die von der „mens“ geschaffenen Begriffe sind Mutmaßungen über die Wahrheit der Dinge, sie erfassen die Wesenhaftigkeit niemals so, wie sie an sich ist. Werden die Begriffe jedoch als reine Begriffe, d. h. so, wie sie aus dem Geiste kommen, unabhängig von der Sinnenwelt, betrachtet, sind sie unverschmutzt und der Wahrheit näher. Der Geist schaut so gleichsam sich selbst als kreative begriffsbildende Kraft. Da diese erkennende Kraft des „intellectus“ immer in begriffsbildender Bewegung ist – der Mensch denkt immer in Kategorien und Begriffen und kann, will er etwas begreifen, nicht anders denken – wird niemals die Wahrheit als solche erreicht. Diese Bewegung des Geistes aber, wie in De sapientia deutlich wird, ist gerade die höchste Schau der Weisheit als „praegustatio“, da in jedem Begriff die Wahrheit wiederscheint. In De mente verdeutlicht Cusanus den wichtigen Gedanken, dass alles Rationale momenthaft in einer Einsicht überstiegen werden muss und der Erkennende sich seiner selbst als schöpferische Kraft bewusst werden muss, um in einer Sammlung (Bocken 2007) von Perspektiven eine Einsicht des über alle Perspektiven Hinausreichenden, der Wahrheit vor jeder Perspektive, zu erlangen. Durch ihre kreativen Mutmaßungen erkennt die „mens“ sich als Abbild Gottes und kann sich durch Ausbildung dieser Fähigkeit Gott immer weiter annähern. Es wird deutlich, dass Cusanus unter Bildung die Möglichkeit einer Gotteserkenntnis versteht. Im Blick auf De sapientia bedeutet Bildung für ihn neben Bücherwissen freie selbstständig-kreative Geistestätigkeit: So wie der Schnitzer
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den Löffel immer genauer zurechtschnitzt, so dass er der geistigen Idee „Löffel“ immer mehr gleicht, so soll sich der menschliche Geist immer genauer zurechtschnitzen, um letztlich dem göttlichen Urbild zu gleichen. Das Bild der Trinität ist so ebenfalls auf das Abbild anwendbar, da dieses von Gott so geschaffen wurde, dass es sich gleichsam selbst schuf – d. h. immer weiter vervollkommnet durch Bildung seiner selbst. Cusanus diskutiert, ob der Geist bloß einer sei, an welchem alle Menschen teilhaben: Seiner Meinung nach gibt es mehrere individuelle Geister, womit die Individualität des Menschen gesichert ist. Dies weist zum einen auf die Annahme der Unsterblichkeit des Geistes, zum anderen auf das frühe Individualitätsdenken des Cusanus hin: Jeder Mensch muss eigenverantwortlich seinen eigenen Geist kreativ bilden. Das aber bedeutet gleichzeitig auch höchste Freiheit. Nur als freier Geist kann die „mens“ sich kreativ bilden. Einem unfreien Geist fehlt die Lebendigkeit und kreative Kraft, sich als göttlichen Spiegel durch das Formen seiner selbst zu „reinigen“ (vgl. De fil. h IV). Der Orator sucht den Laien nun öfter auf: Im Werk De staticis experimentis, welches sich offenbar thematisch völlig von den drei besprochenen Dialogen abgrenzt, geht es um die Waage, welche nicht nur, wie der Redner anmerkt, für Gerechtigkeit steht, sondern das genaueste Messinstrument jener Zeit darstellte. Das Wiegen ist zum einen aus De sapientia bekannt: Auf dem Marktplatz werden Dinge nicht nur gemessen und gezählt, sondern auch gewogen. Durch das Wiegen wird ebenso unterschieden: Es wird ein bestimmtes Maß zugrunde gelegt, an welchem etwas ermittelt wird. So wie die Waage genauestes Instrument des Messens ist, so auch der menschliche Geist (Böhlandt/Schwaetzer); so wie die Waage benutzt wird, um Erkenntnisse von Dingen in der Welt zu erhalten – der Laie führt im Folgenden unterschiedlichste Experimente durch, mittels derer er zu einer vergleichenden und genauesten Erkenntnis der Dinge gelangen will –, so vermisst die „mens“ („mensurare“), wie aus De mente bekannt, alle Dinge, um sich ihrer Wesenheit, welche letztlich in Gott ist, zu nähern. Zum einen macht dies deutlich, wie die Waage Abbild des menschlichen Geistes ist: Nicht nur, dass sie ebenso wie der menschliche Geist der Bestimmung von Unterschieden und dem Vergleichen dient, ebenso wie der Löffel ist sie eine Erfindung der kreativen „mens“ (Böhlandt / Schwaetzer). Zum anderen wird deutlich, dass die naturwissenschaftliche Herangehensweise an die Dinge der Welt, mit dem Ziel, sie in ihrer unendlichen Genauigkeit zu erkennen (welche nur in Gott liegt), mit dem Ziel des
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weisheitssuchenden Laien übereinstimmt, die unendliche Genauigkeit Gottes zu erkennen. Während Cusanus in dieser Schrift scheinbar ungeordnet aneinandergereiht immer mehr Experimente des Laien vorstellt, kommt es ihm auf die einzelnen Experimente als solche nicht an. Wenn er auch naturwissenschaftlich interessiert war, so war er kein Naturforscher, der sich tatsächlich selbst mit Experimenten auseinandergesetzt hätte. Viele der angeführten Versuche sind wohl gar nicht durchführbar. Cusanus geht es hier mehr um ein Methodenverständnis: Im Gegensatz zu einzelnen Experimenten, wie sie schon in der Antike durchgeführt wurden, erkennt Cusanus den Vorteil von Experimentreihen, welche als Ganzes betrachtet mehr Erkenntnis über die Welt bringen als Einzelfälle (Böhlandt/Schwaetzer). Aus Neugier an der Welt, so versteht es Cusanus, lassen sich genauere Erkenntnisse herleiten und somit mehr und mehr Mutmaßungen (Hypothesen) bilden. Wenn diese auch niemals zu einer präzisen Wahrheitserkenntnis führen, erreichen sie für ihn doch ihr Ziel: die dynamische Bildung des Geistes durch unterschiedlichste Perspektiven und Begriffe, worin die absolute Wahrheit immer schon berührt ist. Die Kunst der Mutmaßung selbst kann letztlich als ein geistiges Experimentieren gedeutet werden, welches zur Weisheitserkenntnis führt. Die Trilogie macht deutlich: Weisheitssuche und Wahrheitssuche in der Welt, Mystik und Naturwissenschaft fallen als Suche der „mens“ nach unendlicher Genauigkeit in eins. So muss der Geist sich in seiner Erkenntnisfähigkeit in der Welt immer weiter üben, um zu einer Einsicht der Weisheit (über der Welt) zu gelangen. So wie die Schrift über den menschlichen Geist die Mitte der Dialoge darstellt und seine beiden Beschäftigungsgebiete, Gottsuche (De sapientia) und Wahrheitssuche in den Dingen (De staticis experimentis), auf je einer Seite von De mente abgehandelt werden, so ist der menschliche Geist Waage, welche Balance halten muss zwischen Welterkenntnis und Gotteserkenntnis, um zur höchsten Einsicht der belehrten Unwissenheit zu gelangen (Böhlandt / Schwaetzer).
Wirkungsgeschichte der Schrift Nikolaus beschäftigt sich in seiner Schrift mit den Erkenntnis- und Bildungsfähigkeiten des menschlichen Geistes, unabhängig vom Bildungsgrad, in Bezug
De theologicis complementis, De mathematicis complementis
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auf Gottes- und Welterkenntnis. Damit begründet er eine neue Anthropologie und in diesem Zuge einen neuen Bildungsbegriff: Der freie Geist ist fähig, durch Übung seine wesenseigene Aufgabe der Selbstwerdung oder -formung zu vollziehen, was im Denken der Renaissance im Grunde weiter verfolgt wird. Während bei Nikolaus mystische Weisheitssuche und Wahrheitssuche in der (Natur-)Wissenschaft koinzidieren bzw. sich gegenseitig bedingen, kann in der Zeit nach ihm eine Entwicklung in beide Richtungen unabhängig voneinander betrachtet werden: Während sich einerseits Ausprägungen weltverneinender Mystik feststellen lassen, etwa bei den protestantischen Mystikern im 16. Jahrhundert (Röd 2000, 431), so entwickeln sich andererseits die rational-modernen Naturwissenschaften, angefangen mit Francis Bacon und René Descartes. Mit Blick auf diese Entwicklung kann Cusanus als Mitbegründer zumindest des Methodengedankens und der quantitativen Naturwissenschaft angesehen werden: Durch den Mut zur Ungenauigkeit von Messungen konnte naturwissenschaftliche Forschung erst gewinnbringend betrieben werden (Gierer 2002; Nagel 1984; Reinhardt / Schwaetzer 2003). Ansätze einer Zusammenschau von Weisheit und Wissenschaft lassen sich, wenn auch nicht unbedingt in den Spuren des Cusanus, womöglich bei Denkern wie etwa Johannes Kepler, im deutschen Idealismus (Schwaetzer 2005) oder gar im 20. Jahrhundert bei Karl Jaspers’ Denken der Existenz in Bezug auf Transzendenz fi nden. Christiane Bacher
De theologicis complementis, De mathematicis complementis Die theologischen Ergänzungen, Die mathematischen Ergänzungen Entstehungskontext De theologicis complementis, De mathematicis complementis
In einem Brief vom 14. September 1453 an den Abt der Mönche von Tegernsee berichtet Cusanus, dass er „in diesen Tagen“ ein kleines Werk „über die mathe-
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matischen Ergänzungen“ vollendet hat, dem er ein anderes „über die theologischen Ergänzungen“ beifügte. Derselbe Brief berichtet über den Entstehungskontext des zweiten Werkes, und zwar die Frage des Priors Bernhard von Waging und des Abtes von Tegernsee Kaspar Aindorffer nach dem Weg zur mystischen Einigung. Die Anfrage wurde durch die Interpretation des Kartäusers Vinzenz von Aggsbach verursacht, der im Gegensatz zu Johannes Gerson meinte, dass die Anweisung des Pseudo-Dionysius: „ignote ascendere ad misticam theologiam“ darin bestehe, allein durch den „affectus“ – unabhängig von der Vernunft – hinaufzusteigen. In dem Brief vom 14. September äußert sich Cusanus gegen diese Meinung. Wenn „aufsteigen“ in die Finsternis der Unwissenheit einzutreten bedeutet, muss sich die Handlung auf die Vernunft beziehen. So setzt das „Aufsteigen“ („consurgere“) doch eine gewisse Erkenntnis voraus. Anschließend fasst Cusanus den Inhalt des Complementum Theologicum zusammen: Zuerst überführe er die im ersten Werk behandelten Figuren ins Unendliche. Zweitens füge er ein Kapitel darüber hinzu, wie wir durch ein wahrnehmbares Experiment zur mystischen Theologie geführt werden können (Vansteenberghe 1915, 116). Dieses entspricht einem Vorentwurf des Gleichnisses über das Sehen Gottes, das zwei Monate später in De visione dei entwickelt wird. Das erwähnte Kapitel, in dem das sogenannte wahrnehmbare Experiment nachzulesen ist, befi ndet sich lediglich in den Folien 68r –78v des Codex 11 479–11 484 der Königlichen Bibliothek in Brüssel, der nicht der Handschrift entspricht, die Cusanus an die Mönche von Tegernsee geschickt hat.
Werkstruktur und Inhalt De theologicis complementis beginnt mit einem Hinweis auf die Widmung von De mathematicis complementis an Papst Nikolaus V.: Die neue kleine Schrift solle zeigen, dass die mathematischen Ergänzungen einen theologischen Nutzen haben. Dieser Nutzen bestehe darin, die mathematischen Figuren des ersten Buches in theologische Figuren zu verwandeln, um die Mathematik als Spiegel der ontologischen Wahrheit zu präsentieren. Diese Sorge offenbart sich in der Bitte, die beiden Werke nur gemeinsam zu kopieren (De theol. compl.: h X / 2a, n. 1). Es ist nicht das erste Mal, dass Cusanus mit dem Wort des heiligen Paulus vorschlägt, die Mathematik als aenigmatisches Mittel für die Theologie zu ge-
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brauchen. Schon 1440 hatte er in De docta ignorantia (I, 4, h I, 10) erklärt, dass die Mathematik uns im Begreifen des Göttlichen am meisten hilft. Auf ähnliche Weise wird ein derartiger Vorschlag in De theologicis complementis damit begründet, dass die Wahrheit in der Mathematik genauer als in den anderen freien Künsten erreicht wird, weil die mathematischen Inhalte erfasst werden, wie sie in sich sind und nicht in der Andersheit. Das besagt, dass die mathematischen Entitäten jeglicher Materie ermangeln, wobei jede wahrnehmbare Alterität überschritten werden kann (De theol. compl.: h X / 2a, n. 2). Nun ist unser Geist, obwohl er von jeder sinnlichen Andersheit frei ist, nicht von aller Andersheit frei. So erblickt er nicht die Wahrheit selbst, durch die er sich und alles sieht. „Er weiß darum, daß sie ist [„quia est“], nicht was sie ist [„quid est“], so wie das Sehen nicht die Klarheit jenes Sonnenlichtes sieht, durch das es alles Sichtbare sieht.“ (Dupré III, 655) Der Geist hat zum Ziel, das zu erkennen („quid est“), was ihm schon durch den Glauben gegeben ist („quia est“). In diesem Sinne ist das „Was-Ist“ nichts anderes als das „Dass-Ist“. Das Ziel besteht also darin zu verstehen, dass beide Extreme im Unendlichen zusammenfallen. „Quia“ und „quid“ stellen also Anfang und Ende der spekulativen Bewegung des Geistes dar. Dazu muss die spekulative Fähigkeit unbegrenzt wachsen, so dass beide Extreme danach streben, sich zu nähern. Im Gegensatz zur Wahrnehmung kann die intellektuelle Fähigkeit des Geistes immer weiter perfektioniert werden, weil sie vom Organ – z. B. vom Auge –, das der physischen Beschränkung unterworfen ist, unabhängig bleibt. „Da jedoch das ,Was-Ist‘ vom ,Daß-Ist‘ unendlich absteht, hört diese Bewegung niemals auf.“ (Ebd., 655) Die geradlinige Spekulation des Geistes besteht darin, die Einheit beider Extreme zu erkennen. Das ist, so Cusanus, die theologische Ergänzung, d. h. die theologische Übersetzung der Koinzidenz der geraden und kreisförmigen Linien. Er schreibt: „Alles, was den Theologen bis jetzt verborgen und von allen Suchenden nicht gewußt war, kann durch diese Zirkulation des Quadrates in der besprochenen Weise so gewußt werden, wie es für den Menschen wißbar ist.“ (Ebd., 701) Dieses Ziel wird eben durch das Hauptthema von De mathematicis complementis erklärt, wo Nikolaus die Möglichkeit eines Umfangs zu fi nden versucht, der das Maß einer gegebenen geraden Linie bewahrt, d. h. die Quadratur des Kreises: Wie das Polygon in einer monoton aufsteigenden Folge sich dem Kreis
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annähert, muss die intellektuelle Fähigkeit wachsen, so dass sie das „quid“ und „quia“ zusammenfallen lässt. Im Wesentlichen kann man Complementum Theologicum als eine Übung verstehen, um das Unendliche zu konzipieren. Das Verfahren unterscheidet sich als solches nicht grundlegend von dem in De docta ignorantia dargestellten. Nikolaus stellt es mit den folgenden Worten vor: „Wer nun auf jenes einigdreie Unendliche blickt und von mathematischen Figuren aus mittels der Hinzufügung der Unendlichkeit zu den theologischen aufsteigt und sich auch von diesen befreit, um das einigdreie Unendliche nur im Geiste zu betrachten, der sieht […], daß jenes eingeschlossenerweise [„complicite“] alles als Eines ist und in Entfaltung [„explicite“] Eines alles ist.“ (Ebd., 663)
Analyse und Deutung / Forschungsstand 1994 wurde De theologicis complementis in der kritischen Ausgabe als Volumen X, Opuscula II, Fasciculus II der Opera Omnia zusammen mit der Schrift De principio von Heide Dorothea Riemann und Karl Bormann herausgegeben. Im selben Jahr hat Diana Bormann-Kranz den Theologischen Ergänzungen einen ganzen Band gewidmet. In ihrem Studium analysiert sie jedes Kapitel des Werkes einschließlich Kapitel 12, das nur im Codex Bruxellensis bibliothecae regiae (Br) 11 479–11 484 zu finden ist. Eine kühnere Deutung fi ndet man z. B. 1998 bei Kurt Flasch, der den Schwerpunkt des Werkes als eine neue Problematisierung der negativen Theologie und die Zurückweisung des Verbotes sprachlicher Hinzufügung („additio“) auslegt (Flasch 11998, 403 – 410). In dieser Interpretationslinie behandelt 2010 Cecilia Rusconi die Problematisierung im Kontext der Angleichung der Termini „visio“ und „mensura“ mit besonderer Berücksichtigung des erwähnten Kapitels 12 Br des Werkes.
Wirkungsgeschichte der Schrift Obwohl Cusanus im Brief an die Mönche von Tegernsee vom 14. September 1453 über das wahrnehmbare Experiment, das dem Kapitel 12 Br entspricht,
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berichtet, bekommen die Mönche eine Kopie des Werkes, in der das genannte Experiment fehlt (Codex Monacensis Latinus 18570; vgl. De theol. compl., Praefatio: h II, XVII). Das erwähnte Kapitel befi ndet sich tatsächlich nur in den Folien 68r –78v des Codex 11 479–11 484 der Königlichen Bibliothek in Brüssel (Codex Bruxellensis bibliothecae regiae 11 479–11 484), der an Heymericus de Campo geschickt worden ist (Vyver 1964). Wie man durch einen Brief vom 14. Januar 1454, der von Heymeric an Dietrich von Xanten geschickt wurde, weiß, hat Cusanus für ihn De mathematicis und De theologicis complementis kopieren lassen und mit eigener Hand korrigiert (ebd., 323 –335). Cecilia Rusconi
De pace fidei Der Friede im Glauben Entstehungskontext De pace fidei
Die im Jahr 1453 als Reaktion auf den Fall von Konstantinopel (und damit des gesamten byzantinischen Reiches) am 29. Mai desselben Jahres entstandene Schrift De pace fidei gehört neben dem ersten großen philosophischen Hauptwerk De docta ignorantia wohl zu den bekanntesten und lange Zeit zu den am meisten zitierten Schriften des Nikolaus von Kues. Im Westen traf die Nachricht vom Fall Konstantinopels am 29. Juni ein, vermutlich zuerst in Venedig (Meuthen 1984, 35). Obwohl italienische Gelehrte, sich der drohenden Gefahr bewusst, schon in den Jahren zuvor Manuskripte und Abschriften in den lateinischen Westen gebracht hatten, traf die Nachricht, dass vieles unwiederbringlich zerstört war, den Westen hart und verschärfte die feindselige Einstellung gegenüber dem Islam. Interessanterweise standen damit auch nicht mehr die Araber, die bisher als die Muslime par excellence gegolten hatten, sondern die Türken im Hauptfokus des Westens, eine Tatsache, die sich auch in De pace fidei widerspiegelt (Biechler/Bond 1990, X, 303; Schwoebel 1967).
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Die Nachricht vom endgültigen Fall des byzantinischen Reiches musste auch deshalb ein großer Schock gewesen sein, weil die Union mit den Griechen noch 1439 in Florenz vollzogen worden war. Das Problem der Auseinandersetzung mit dem Islam wurde also drängender denn je und der Ruf nach einem neuen Kreuzzug unter Papst Nikolaus V. lauter. Stimmen, die zu einem friedlichen Dialog aufriefen, waren die Ausnahme. Zu ihnen gehörte Cusanus ebenso wie auch Johannes von Segovia. Für beide reichte das Nachdenken über diese Problematik zumindest schon bis zum Konzil von Basel zurück, wo Cusanus in der Frage nach der Einigung mit den Griechen von der Konzilsseite auf die Seite des Papstes Eugen IV. überwechselte und anschließend 1437 nach Konstantinopel reiste, um die byzantinische Gesandtschaft (u. a. den byzantinischen Kaiser Johannes VIII. Palaiologos, dessen Bruder Demetrius und den Patriarchen) zum Konzil nach Ferrara-Florenz zu begleiten. Die endgültige Niederlage musste also neben der existentiellen Bedrohung, die sie auslöste, auch aufgrund dieser persönlichen Erfahrungen besonders schmerzlich gewesen sein. Enea Silvio Piccolomini hatte die Schreckensnachricht am 21. Juli an Cusanus weitergegeben. Die Schnelligkeit, mit der letzterer die Schrift vollendete (vermutlich bereits am 21. September), zeigt, wie sehr Cusanus diese Ereignisse beeindruckt hatten. Geistesgeschichtlich steht De pace fidei in einer langen Tradition interreligiöser Auseinandersetzungen, setzt sich jedoch gleichzeitig von ihnen ab: „Perhaps the most original idea of this age was the fi rst glimpse of an ,ecumenic‘ approach. Nicolas of Cusa in his Cribratio Alkorani buries his thoughts in a mass of traditional matter, but in his dialogues De Pace Fidei he invents (e. g. ,Arabs‘) interlocutors of different faiths and nations who are made to present reasonable positions. For the fi rst time there was an actual notion of debate, instead of the wholly unreal one.“ (Daniel 1975, 302)
Werkstruktur und Inhalt Vor diesem historischen und geistesgeschichtlichen Hintergrund und von diesem aus entfaltet Nikolaus von Kues sein Werk als intellektuelle Auseinandersetzung mit dem historischen Geschehen (Meuthen 1984, 36).
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Obwohl die Ausrichtung der Schrift in der Tendenz eher theologisch ist, verbindet Cusanus auch in ihr auf die ihm eigene Weise philosophische und theologische Überlegungen. Grundlegende philosophische Überzeugungen wie der sowohl logische als auch ontologische Vorrang der Einheit vor der Vielheit, den Cusanus auf die Theologie überträgt, verweisen auf die enge Verbindung von Philosophie und Theologie und zeigen auf, dass Cusanus die Methodologie beider, im Gegensatz zu den meisten Denkern der Scholastik, nicht streng unterscheidet. All dies verweist auf die enge Verwandtschaft cusanischen Denkens mit der humanistischen Grundeinstellung, dass alle Wege zur Weisheit und zu Gott hinführen, da sich die eine Wahrheit durch die Zeit immer wieder neu offenbart. Dies zeigt sich an der Abfolge der einzelnen Sprecher, die einen Gang durch die Philosophiegeschichte und die verschiedenen Kulturen darstellt; so ist auch der Beginn mit dem Griechen (der griechischen Philosophie) und dem Italer (der römischen Philosophie) ein Tribut an das Wiedererwachen der antiken Philosophie im Kontext des 15. Jahrhunderts. Der im Prolog eingeführte gläubige Mann ist mit großer Sicherheit Cusanus selbst, der „nur“ auf große intellektuelle Höhe, nicht aber in den Himmel selbst gehoben worden ist, um mit anderen Weisen der Welt vor der Vollversammlung der Heiligen die Frage nach dem „einzige[n] und wahre[n] Weg [zu einem] ewigen Frieden in der Religion“ zu erörtern (Dupré III, 707). Ungewöhnlich für diese Art des interreligiösen Dialogs eröffnet der Allmächtige selbst die Diskussion, um den Klagen der Anwesenden über die Gewalt und das Blutvergießen Gehör zu geben (ebd.). Die anwesenden intellektuellen Kräfte (allen voran der Erzengel) unterstützen dabei die Fragesteller in ihrem Gesuch um göttliche Hilfe. James E. Biechler bemerkt zu dieser Stelle, sie gebe aufschlussreichen Einblick in Cusanus’ Konzept der „conditio humana“: „[A]n interesting summary of Cusanus’s view of the human condition, a view amalgating gnostic, Neoplatonic, and biblical elements but showing a marked absence of language one could term specifically Christian.“ (Biechler/Bond 1990, xiii) In diesen eröffnenden Passagen fi nden wir auch die Formel, die nicht nur die These von De pace fidei zusammenfasst, sondern der die Schrift auch ihre Berühmtheit verdankt: „religio una in rituum varietate“ (De pace 1: h VII, n. 6, 7). Unter dieser Vorgabe stellen nun Vertreter verschiedener Zeitepochen und Religionen ihre Anfragen an das Wort, Petrus und Paulus. Das Wort antwortet den ersten Vertretern: dem bereits genannten Griechen, der älter ist als alle anderen, und dem Araber – hier kein Vertreter des islamischen Glaubens, sondern
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der arabischen Philosophie – und dem Inder, stellvertretend für polytheistische Positionen. Während viele der vorgetragenen Positionen auffallend generisch sind, was sie austauschbar macht, bildet u. a. der Inder mit seiner Frage nach Idolatrie eine Ausnahme. Ihm entgegnet das Wort, dass alles, was der Verherrlichung Gottes diene, erlaubt sei (ebd., 7: h VII, n. 19, 18). Das Wort antwortet auch dem Chaldäer. Die Antwort ist aus De docta ignorantia bekannt und auf die umfassende Einheit von „unitas“, „aequalitas“ und „connexio“ zurückzuführen (ebd., 7: h VII, n. 21, 20 ff.). Mit dem Gallier verschiebt sich die Diskussion von philosophischen auf eher theologisch-christologische Schwerpunkte, wie z. B. den Status und die Menschwerdung Christi oder auch die Jungfrauengeburt betreffend, so dass das Wort an den Apostel Petrus übergibt, der sich der nächsten Gruppe der Gesprächsteilnehmer zuwendet: u. a. einem Gallier, Perser, Spanier (der stellvertretend für Johannes von Segovia stehen könnte) und einem Tartaren, der provozierend nach einer einfachen Erklärung für die Vielfalt der Riten fragt. Darauf antwortet der Apostel Paulus als der Völkerlehrer („doctor gentium“). Er nimmt sich auch des Armeniers, des Böhmen (stellvertretend für die Hussiten) und abschließend des Engländers an. Ganz in der Tradition der Streitpunkte und Debatten zwischen den monotheistischen Religionen sind der Jude und der Muslim mit den Fragen Trinität (Jude) und Monotheismus (Araber) beschäftigt. Dass Cusanus danach den Türken nach der Kreuzigung fragen lässt, ist interessant, beweist es doch, dass Cusanus die entsprechende Stelle im Koran kennt, in der die Kreuzigung angezweifelt wird (Sure 4,157). Der Dialog endet mit einem Gedanken, der Lessings Schluss der Ringparabel auffallend ähnelt, nämlich der Hoffnung, dass die Verschiedenheit der Riten dazu motivieren möge, die verschiedenen Riten „mit Eifer und Sorgfalt herrlicher zu gestalten, um die anderen zu übertreffen“ (Dupré III, 797). Die irenische Ausrichtung als Antwort auf die Gräueltaten nach dem Fall von Konstantinopel ist unübersehbar. Eine interessante Ausnahme bildet die Antwort auf die Frage des Persers nach der Natur Christi. Darauf antwortet Petrus, dass die Araber alles Wesentliche über Christus in ihren Schriften hätten, während die Juden „nicht verstehen wollen“. Aber die Zahl der Juden sei zu klein, um Unheil in Form von Waffengewalt auszulösen (ebd., 761). Diese Position des Cusanus, die durchaus antijüdisch gedeutet werden kann, geht mit der Tatsache Hand in Hand, dass Cusanus, wenn er sich in der Cribratio Alkorani mit
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der Bibelinterpretation des Korans befasst, auf das Alte Testament so gut wie keinen Bezug nimmt. Die Botschaft von De pace fidei ist damit denkbar einfach: eine Religion in vielfältigen Riten als Antwort und Lösung für die Glaubenskriege. Daher gilt für Cusanus, dass die göttliche Wahrheit nicht nur im Christentum, sondern auch in anderen Religionen gefunden werden könne. Dass sie aber trotz allem keine praktische Anleitung ist, wird durch die Formulierung „caelo rationis“ am Ende der Schrift noch einmal deutlich hervorgehoben (De pace 19: h VII, n. 8, 62). Cusanus wagt sich mit einigen Aussagen in De pace fidei erstaunlich nahe an die Grenzen dessen, was noch als akzeptabel für die Lehren der katholischen Kirche gelten konnte. Abschließend sei dazu an dieser Stelle noch auf eine Bemerkung des Thomas-Gelehrten Étienne Gilson verwiesen, der wie kaum ein anderer auf die brisante Seite von De pace fidei verwies: „Ci-fi nit le livre sur La paix de la foi, par le Cardinal Nicolas de Cues, que nul n’accusera de timidité d’esprit ni d’étroitesse de vues. Ce petit livre est doublement surprenant, en ce qu’il fut écrit et que l’église ne l’a jamais condamné, mais c’est à l’entreprise qu’il recommande nous devons réserver toute notre attention.“ (Gilson 1952, 180)
Analyse und Deutung / Forschungsstand De pace fidei gehört neben De docta ignorantia sicher zu den Schriften in der Geschichte der Cusanus-Forschung, die am meisten Aufmerksamkeit erhalten haben. Die Veröffentlichungen sind dementsprechend umfangreich. Diese Tendenz wurde in den vergangenen Jahren aufgrund des wiedererwachten Interesses an Religion und interreligiöser Begegnung noch verstärkt. Die 1984 von Rudolf Haubst herausgegebenen Akten des Symposions in Trier von 1982 (unter dem Titel Der Friede unter den Religionen nach Nikolaus von Kues, vgl. Haubst 1984a) stellten eine umfassende Zusammenfassung der Schrift und ihres geistesgeschichtlichen Kontextes vor. In den letzten Jahren hat Walter A. Euler wiederholt Publikationen zu De pace fidei vorgelegt, sowohl Einzeluntersuchungen (z. B. 2001a) als auch Vergleiche zu Ansätzen, die Cusanus beeinflusst haben (z. B. zu Raimund Lull u. a. 21995), oder auch zu anderen cusanischen Schriften wie De visione dei. Darüber hinaus findet De pace in fast
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allen Untersuchungen zu Cusanus und dem interreligiösen Dialog Erwähnung. Zudem wird ihr in vielen Untersuchungen Aufmerksamkeit zuteil, die sich sowohl mit der Geschichte des interreligiösen Diskurses, der Toleranz oder aber der Begegnung Christentum-Islam (z. B. Blum 2002 oder auch Euler 2010b), als auch gegenwärtigen Herausforderungen auseinandersetzen (z. B. Elpert 2004). Auch haben James E. Biechler und Jasper Hopkins ausführlich kommentierte Übersetzungen ins Englische vorgelegt. Diese Untersuchungen sind insofern interessant, als sie das Besondere der Schrift im historischen Kontext herausstellen.
Wirkungsgeschichte der Schrift Die Rezeption von De pace fidei ist in den Jahrhunderten nach ihrem Erscheinen fast ausschließlich positiv gewesen. Je nach ihrem Standpunkt haben viele Interpreten sie als Vorläufer ihrer eigenen Position gedeutet: so z. B. die Protestanten als eine Herabsetzung der Kirche (Biechler/Bond 1990, XXIV), als Vorläufer der Ökumene oder der Aufklärung, wie der Vergleich zu Lessings Ringparabel zeigt (ebd., XXV). Auch ist von vielen Kommentatoren bemerkt worden, wie weit De pace fidei über die bisherige Tradition der interreligiösen Dialoge hinausgeht (ebd.), besonders was Charakteristika wie Apologetik oder Polemik angeht. Dementsprechend wurde die Grundidee von De pace fidei, „una religio in rituum varietate“, in den nachfolgenden Jahrhunderten immer wieder aufgenommen. Schon Heymericus de Campo zeigte sich von der Schrift beeindruckt und bot in seiner Theologia variarum sectarum consona (erhalten im Centheologicon des Heymericus) eine Zusammenfassung an, ja, er nannte sich jetzt selbst einen Schüler des Cusanus. Die Ideen wurden durch die Benediktiner vom Tegernsee verbreitet und durch Johannes von Segovia auch in Italien bekannt (Klibansky 1984). Zwanzig Jahre später zeigte Marsilio Ficino in seiner Schrift Christiana religione aus dem Jahr 1474 ähnliche Gedanken, wie sie Cusanus in De pace fidei ausdrückt. Auch Giovanni Pico della Mirandola, der Nikolaus von Kues nach kannte, mag etwas vom Werk über den Frieden im Glauben gewusst haben. Die Schrift wurde in allen frühen Werkausgaben abgedruckt: 1488 in Straßburg, 1502 in Cortemagiore, 1514 in Paris und schließlich 1565 in Basel. Zu-
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dem publizierte 1538 Johannes Kymeus ein Exzerpt. Die Rezeption setzte sich fort, u. a. in der Aufnahme durch Jean Bodin, der in seinem Colloquium heptaplomeres aus dem Jahr 1588 Vertrautheit mit dem cusanischen Werk beweist. In dieser Zeit der Reformation, in der Europa durch die Religionskriege stark geprägt wurde, gewann die Grundidee der Schrift auch im innerchristlichen und europäischen Kontext neue Relevanz, und zwar interessanterweise zunächst im protestantischen Denken. Auch der Aufklärung musste die cusanische Idee der Einheit der Religionen in der Vielheit der Riten nahe stehen, was zur Folge hatte, dass De pace fidei und ihr Autor kurzerhand zu Vorläufern der Auf klärung erklärt wurden. Tatsächlich lassen sich ideengeschichtlich bestimmte Zusammenhänge nachweisen: So zeigte sich Johann Salomo Semler von der Schrift beeindruckt und drängte Elias Reichard, eine Übersetzung anzufertigen (Biechler/Bond 1990, XXXVI). 1779 übersetzte Konrad Arnold Schmid De pace fidei für Lessing ins Deutsche. Auch wenn die Schrift dabei nicht mit Namen genannt wird, lässt sich Raymond Klibansky zufolge aus bestimmten Beschreibungen doch herauslesen, dass es sich mit großer Sicherheit um De pace fidei gehandelt haben muss; so werde u. a. erwähnt, dass die Kapitel falsch gezählt sind und dass das Wort „magisterium“ außergewöhnlich häufig vorkommt (Klibansky 1984). Allerdings sollte man neben den Parallelen auch nicht den Blick für die Unterschiede zu Lessings Ringparabel verlieren: Obwohl auch Cusanus gegen Ende seiner Schrift die bereits weiter oben erwähnte Hoffnung ausspricht, dass der friedliche Wettstreit die beste Praxis hervorbringen möge, ist es doch keinesfalls schon die Überzeugung, wie wir sie bei Lessing fi nden: Keiner wisse, was der wahre Ring sei, und so könne allein die Erziehung des Menschen das Ziel sein (dazu Euler 2012). Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde Cusanus allgemein wiederentdeckt und damit auch De pace fidei. Allerdings lassen sich die Grundgedanken nun hauptsächlich im Bereich der Kirchenpolitik wiederfinden, besonders prominent in der inklusivistischen Position des Zweiten Vatikanischen Konzils, dass das Licht des Evangeliums in allen Religionen scheine (Nostra aetate, Vorwort, Art. 1), was an die Anfangssätze von De pace fidei erinnert. Susan Gottlöber
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De visione dei Die Gottesschau Entstehungskontext De visione dei
Nikolaus von Kues steht zwischen 1451 und 1454 mit dem Abt des Benediktinerklosters Tegernsee, Kaspar Aindorffer, und dessen Prior, Bernhard von Waging, in Briefkontakt, besonders über die Frage des Vorranges des Intellektes oder des Affektes für die mystische Theologie (Vansteenberghe 1915, 107–162; Baum / Senoner 1998, 86 –187, bes. vom 22. September 1452 und 14. September 1453). In dieser Kontroverse zwischen Johannes Gerson und dem Kartäuser Vinzenz von Aggsbach nimmt Cusanus die Position des Vorranges des Intellektes ein, ohne jedoch den Affekt zu vernachlässigen. Zum besseren Verständnis der Thematik verfasst Cusanus im Oktober 1453 für die Tegernseer Mönche seine Schrift De visione dei (Ranff 2011a, 1149 f.). Nach Rudolf Haubst handelt es sich um das kontemplativste cusanische Werk (Pfeiffer 32007, 4, Vorwort).
Werkstruktur und Inhalt Cusanus beabsichtigt mit dieser Schrift, einen leicht fasslichen Zugang zur mystischen Theologie zu vermitteln. Er veranschaulicht sie mit dem Christusbild des Allessehenden, das er in einer Kopie beilegt. Alle sollen sich im gleichen Abstand von dem Bild aufstellen, um zu erfahren, dass jeder unabhängig von seinem Standort von Christus gleichsam allein angeblickt wird. Darin erkennt Cusanus, dass Gott jedem einzelnen Geschöpf wie dem Gesamt seine Sorge widmet (De vis., Praefatio: h VI, n. 2– 4). Den Konsequenzen aus dieser Einsicht widmet Cusanus die folgenden 25 Kapitel. Wie in De quaerendo deum leitet er das griechische Wort für Gott, ueÞw, von uevre…n, „sehen“, ab. Das absolute Sehen Gottes übertrifft alles und umfasst alle Maßweisen des Sehens. Die geistige Aufstiegsbewegung vollzieht sich von der Erscheinung über den Begriff zum absoluten Sehen, das zugleich und auf einmal alle Weisen des Se-
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hens umfasst sowie ohne Verschränkung, „contractio“, ist (ebd., 1: h VI, n. 6; ebd. 2: h VI, n. 7). Die Einfachheit Gottes lässt sich in einer Kreisstruktur ausdrücken, weil jede Gott zugeschriebene Eigenschaft durch die andere bestätigt wird. Die Vorsehung Gottes wird im gezeigten Bild sinnlich erfahrbar (ebd., 3: h VI, n. 8). Beginnend mit dieser Einsicht legt Cusanus dem Betrachter ein Gebet in den Mund, das die Schrift Die Gottesschau bis zum Ende prägen wird. Gottes Blick als größte Güte muss sich gemäß Pseudo-Dionysius Areopagita mitteilen und verähnlicht den Menschen mit Gott. So wird der Mensch immer empfänglicher für die Güte Gottes (ebd., 4: h VI, n. 10 –11). Durch den freien Willen gleicht sich der Mensch Gott an, um die absolute Erfüllung seines wesensmäßigen Verlangens zu fi nden (ebd., 4: h VI, n. 12). In Anlehnung an einen mystischen Topos nach Ps 34(33),9 sucht Cusanus die Süßigkeit Gottes zu verkosten, um für die Gnade empfänglich zu sein. In augustinischer Tradition geht das Wissen der Zuwendung zu Gott voraus, der jedoch ein verborgener Gott bleibt. In Gott fallen hingegen sein Erbarmen und sein Sehen in eins (ebd., 5: h VI, n. 13 –16). Jenseits der aristotelischen Kategorien staunt der Mensch über das gesuchte Urbild des Antlitzes, auch wenn der Mensch nur in menschlichen Grenzen urteilen kann. In dionysischer Tradition nach De mystica theologia I überschreitet er alles sichtbare Licht und tritt in das Dunkel ein (ebd., 6: h VI, n. 17, 21). Den Weg zur Schau des göttlichen Antlitzes muss der Mensch daher in Gleichnissen vollziehen, wozu Cusanus das Bild des Nussbaumes wählt, dessen Samen der potenziellen Ursprungskraft im Dunkel entspricht (ebd., 7: h VI, n. 22 f.). Gott ist die Natur aller Naturen und wird im Schweigen empfangen. Die Schau seines Antlitzes käme der Allwissenheit gleich. Dem Menschen wird jedoch mit Cassiodor gesagt: „Sei du dein und ich werde dein sein.“ Dieser Aufforderung zu entsprechen ist die Freiheit des Menschen (ebd., 7: h VI, n. 25). Der Verstand als „Hegemonikon“ soll wiederum unter der Leitung Gottes stehen, dessen Wort beständig im Menschen spricht und dem Verstand leuchtet, denn Gottes Lieben ist Sehen und sein Vatersein ist sein Blick (ebd., 8: h VI, n. 27). So charakterisiert Cusanus den göttlichen Blick als Vorsehung und Begründen Gottes. Sein Sehen ist ein Lesen in und über der Zeit und der Grund alles Sichtbaren. Das göttlich-vollkommene Sehen ist kugelhaft und ein vollkommener Spiegel zu nennen, da es keine Einschränkung erfahren kann (ebd., 8, h VI, n. 28–31). Cusanus begründet dies ontologisch: Im Sehen Gottes fällt Allgemeines und Einzelnes zusammen, Gott selbst ist die Wesenheit der Wesenheiten und jenseits von Bewegung und Ruhe.
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Mit Dionysius tritt Cusanus in die Dunkelheit ein, um im Zusammenfall der Gegensätze die Wahrheit zu suchen. Die unverhüllte Gottesschau ereignet sich jenseits der „coincidentia oppositorum“, welcher die Mauer oder die Schwelle des Paradieses gleicht, in dem Gott wohnt. Gott gibt dem Menschen ein, ihn, dessen Sehen den Menschen als Sehenden konstituiert, aus menschlicher Perspektive zu loben (ebd., 9–10: h VI, n. 32– 40). Gott erschafft den Menschen im Sprechen; dessen Hören ist sein Menschwerden. So ist die Erschaffung des Menschen dialogisch zu verstehen. Dies geschieht in Gottes Ewigkeit, die zugleich der Ursprung aller zeitlichen Abfolge ist. Auch dieser Zusammenfall ist in der Paradiesesmauer symbolisiert. In einem weiteren Bild drückt Cusanus diese Zuordnung von Zeit und Ewigkeit in Gott aus, nämlich demjenigen der Uhr. Die Uhr selbst ist zuerst ein Synonym für die zeitliche Abfolge und repräsentiert zugleich den selbst überzeitlichen Begriff der Zeitlichkeit. In einer anderen Lesart steht die Uhr nun für die Ewigkeit, ihre Bewegung für die zeitliche Folge (ebd., 10 –11: h VI, n. 40 – 44). Gott wie er in sich ist, bleibt für den Menschen unsichtbar; wie er für das Geschöpf ist, wird er sichtbar, da dieses nur insoweit ist, als es Gott in allem Sichtbaren sieht. Gott selbst ist der Sehende, das Sichtbare und das Sehen; er übersteigt zudem das Schöpfersein (ebd., 12: h VI, n. 47– 49). Er ist jenseits aller Namen, wie auch Dionysius in De divinis nominibus I,6 betont, und ist im Dunkel der „docta ignorantia“ zu finden. Schließlich ist Gott sogar in der „coincidentia contradictoriorum“, da das Unendliche absolut ist und selbst noch den Widerspruch übersteigt. Nikolaus von Kues lässt den aristotelischen Satz vom Widerspruch für den Verstand, nicht aber für die Vernunft gelten. Kein Name entspricht der Unendlichkeit Gottes (ebd., 13: h VI, n. 51–57; vgl. Beierwaltes 1964). In Gott ist auch keine Andersheit, die ein Nicht-Sein gegenüber der absoluten Unendlichkeit Gottes ist. Das Prinzip der Andersheit ist kein positives und daher hat sie kein eigenständiges Sein. Vielmehr ist die Andersheit der einzelnen Teile im Absoluten einfache Einheit (ebd., 14: h VI, n. 58– 60). Im Spiegel der Ewigkeit sieht der Betrachter die Wahrheit, deren Gestalt der Sehende selbst ist. In Gott nun fallen auch Geschaffensein und Schaffen zusammen: Die Ähnlichkeit Gottes mit dem Geschöpf scheint vom Menschen geschaffen zu sein, da Gott den Menschen in seiner Güte so an sich zieht, dass die Antwort des Menschen wie eine notwendige Vorbedingung erscheint. Die Unendlichkeit Gottes ist das Ziel jeder Sehnsucht. Wäre er nicht unendlich, könnte er nicht das Ziel der selbst unbegrenzten Sehnsucht sein (ebd., 15, 16: h VI, n. 63 – 69).
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Nach dieser eher philosophischen Einführung in die Frage der Gottesschau konkretisiert Cusanus, warum diese Schau des trinitarischen Gottesbegriffes und der Inkarnation bedarf: Er schließt eine die Kapitel 17 bis 19 umfassende Trinitätsspekulation an. Das Abbild der Dreifaltigkeit liegt in der Liebe: Gott ist Liebender, der Liebenswerte und die Verknüpfung beider als natürliche und vollkommene Liebe. Der Unterschied von liebenswerter und liebender Liebe bedeutet Freiheit für den Menschen, denn bestünde anstelle des Unterschiedes eine Identität beider, müsste jeder verständige Geist Gott lieben. Der Mensch kann so mit Gott geeint werden wie der Sohn mit dem Vater und darin die Kindschaft erlangen, die in der absoluten Sohnschaft des Sohnes Gottes eingefaltet ist. Erkennen bedeutet hier zugleich Einung (ebd., 17–19, h VI, n. 71–86). Die folgenden Kapitel sind der Inkarnationschristologie gewidmet: Durch die beiden Naturen in Christus ist die göttliche Kindschaft die Wahrheit jeder Kindschaft. Jesus, der innerhalb der Paradiesesmauer zu fi nden ist, weil seine Vernunft zugleich Wahrheit und Abbild ist, ist das Ziel des Gesamt und zugleich dessen Einung. Christi Sehen sieht aus dem geringsten Zeichen den Gesamtentwurf des Menschen wie jemand, der nur einen kurzen Blick in ein Buch wirft, aber dennoch die Absicht des Verfassers wiedergeben kann, als hätte er das Buch ganz gelesen. In dieser Schau übertrifft Jesus alle Vollkommenheit, Schnelligkeit und allen Scharfsinn aller Menschen, denn in ihm ist das vollkommene menschliche Schauen mit der göttlich-absoluten Schau verbunden. In Jesus ist das sinnliche Leben durch das vernunfthafte Licht erleuchtet (ebd., 20 –22: h VI, n. 87–100). Innerhalb der Paradiesesmauer betrachtet Cusanus Christus als menschgewordenes Wort Gottes und gottgewordenen Menschen (ebd., 23: h VI, n. 101–106). Der vernunfthafte Geist wird durch den Glauben in Freiheit vollendet, wenn die Vernunft durch das Wort Gottes vollendet und dem Wort ähnlicher wird (ebd., 24: h VI, n. 112–114). Die ganze Welt ist um der vernunfthaften Natur willen geschaffen. In Christus kommt die Vollendung der schaffbaren Natur zur Ruhe. Alle anderen vernunfthaften Geister sind als Abbilder ihm ähnlich je nach ihrer Vollkommenheit. Cusanus schließt das lange Gebet mit der Perspektive der Sehnsucht nach der endgültigen Schau Gottes (ebd., 25: h VI, n. 116 –119).
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Analyse und Deutung / Forschungsstand Die Literatur zu De visione dei ist zahlreich und kann hier nur exemplarisch vorgestellt werden. In seiner Habilitationsschrift Die Christologie des Nikolaus von Kues widmet Rudolf Haubst ein Kapitel dem menschlichen Verlangen nach der Gottesschau (1956, 51–58). Das wissenschaftliche Symposion der Cusanus-Gesellschaft diskutierte 1986 in Trier Das Sehen Gottes nach Nikolaus von Kues: Margot Schmidt stellt das Gespräch des Nikolaus von Kues mit den Tegernseer Mönchen über Wesen und Sinn der Mystik vor. Alex Stock interpretiert die Rolle der „icona Dei“ in De visione dei. Die unendliche Sehnsucht des menschlichen Geistes erläutert Fritz Hoffmann. Werner Beierwaltes reflektiert die Koinzidenz des endlichen und unendlichen Blickes unter dem Titel „visio facialis“. Wilhelm Dupré zeigt die Verbindung von Bild und Wahrheit auf. Die erkenntnistheoretische und mystische Bedeutung der Mauer der Koinzidenz stellt Rudolf Haubst vor. Klaus Reinhardt erkennt mit Cusanus in Christus die „absolute Mitte“ und den Mittler zur Gotteskindschaft. Den Zusammenhang von Gottes Vorsehung und menschlicher Freiheit schließlich zeigt Klaus Kremer auf. Viele der Referate greifen über die Schrift De visione dei hinaus. Den Tagungsband ergänzt ein Beitrag von Mieczyslaw Gogacz über mystische Erfahrung im Hinblick auf verschiedene Arten des Sehens Gottes und das Werk De visione dei des Nikolaus von Kues. Hans G. Senger zeigt die theoretischen Hintergründe des cusanischen Verständnisses von Mystik auf und verortet De visione dei als „experimentelle Reflexionsmystik“ (1988, 119–122). Besonders die cusanische Auffassung von mystischer Theologie, auch im Gegensatz zu derjenigen des Albertus Magnus, sowie seine Auffassung des Bildes reflektiert nach De visione dei Kurt Flasch in einem Kapitel über „Gott sehen“ (11998, 383 – 443). In Kapitel II seines Buches Die mystische Theologie des Nicolaus Cusanus erläutert William J. Hoye den Aspekt der absoluten Unendlichkeit auch mit Bezug auf De visione dei einschließlich einer Auseinandersetzung mit der philosophischen Cusanus-Interpretation Kurt Flaschs (2004, 49–76). Die „visio intellectualis“ als Erkenntnisweg und -ziel des Nicolaus Cusanus untersucht über die Schrift De visione dei hinaus Birgit Helander in ihrer Dis-
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sertation von 1988. Den einmaligen Ausfall der „visio intellectualis“ in De visione dei XVII konstatiert Alois M. Haas (2008, 38 f., Anm. 98). Ferner legt er die Bezüge der Schrift zur cusanischen Auffassung der Mystik dar (2008, 41–51). Einen dichten Überblick über die Reflexion des Sehens bei Cusanus gibt Christian Kiening. Das Ansehen des Christusbildes vermittelt Einsicht in das Wesen von relativer und absoluter Perspektive, aber auch die Ähnlichkeit des Betrachters mit dem göttlichen Angesicht (1991, 271 f.). Strukturelle Gemeinsamkeiten der beiden cusanischen Schriften aus dem Jahre 1453, De pace fidei und De visione dei, zeigt Walter A. Euler auf (1995, 187–203). Die mystische Theologie in De visione dei unter systematischer und historischer Perspektive stellt Louis Dupré dar (1996, 205–220). Markus L. Führer interpretiert die Kontemplation als Trost (1996, 221–240). Werner Beierwaltes erläutert die spekulativen Bilder des Cusanus aus De visione dei wie Uhr, Spiegel, Mauer und Nußbaum in seinem Beitrag Der verborgene Gott. Dionysius und Cusanus (11998, 1152–154). Ferner erschließt er die mystischen Elemente im Denken des Cusanus (2000). Diese stellt er in den Kontext benediktinischer Spiritualität (2006). Als Erkenntnisbegründung im Gebetsdialog versteht De visione dei Martin Thurner (2002a, 44 – 46). Eine genaue Interpretation der Bedeutung der Schrift für die Tegernseer Mönche gibt Alois M. Haas (2004 a) unter dem Titel Nikolaus von Kues als mystischer Theologe; ferner erläutert er Nikolaus’ von Kues Konzept der Paradiesesmauer (2004b). Einflüsse des Pseudo-Dionysius Areopagita auf den Gottes-Gedanken auch in De visione dei weist Viki Ranff auf (2012, 160 –162). Drei Studien zur Trinitätstheologie des Cusanus sollen diesen Überblick beschließen: Paula Pico Estrada erläutert anhand von De visione dei die dreieinige Vollkommenheit der Liebe und der menschlichen Freiheit (2008, 169–182). Walter A. Euler sieht in derselben cusanischen Schrift einen Angelpunkt der cusanischen Trinitätserkenntnis (2009, 129–143). Felix Resch schließlich interpretiert in seiner Dissertation zur Trinitätsspekulation des Cusanus auch die Kapitel XVII–XIX aus De visione dei (2014, 179–193).
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Wirkungsgeschichte der Schrift Die Diskussion über den Vorrang zwischen Intellekt oder Affekt im Verhältnis des Menschen zu Gott wurde in der Theologie mindestens seit dem 13. Jahrhundert, nämlich schon zwischen Dominikanern und Franziskanern, geführt und über die Zeit des Cusanus hinaus fortgesetzt. Die cusanische Auffassung in ihrer Ausgewogenheit dürfte zur angemessenen Gewichtung der beiden Positionen des Johannes Gerson und des Kartäusers Vinzenz von Aggsbach beigetragen haben. In neuerer Zeit wurde durch die Edition des Briefwechsels zwischen Cusanus und den Mönchen vom Tegernsee samt der Einordnung von De visione dei die Bedeutung des cusanischen Beitrags zu dieser Debatte wieder bewusst. Viki Ranff
Epistula ad Ioannem de Segobia Brief an Johannes von Segovia Entstehungskontext Epistula ad Ioannem de Segobia
Der Brief an Johannes de Segovia, verfasst am 29. Dezember 1454 in Innsbruck, ist am besten zu verstehen, wenn man ihn im Gesamtkontext der cusanischen Auseinandersetzung mit dem Islam betrachtet. Zeitlich gesehen ist er, als Antwortschreiben auf einen Brief des spanischen Theologen Johannes von Segovia (ca. 1393 –1458) vom 2. Dezember desselben Jahres konzipiert, zwischen De pace fidei (1453) und der Cribratio Alkorani (1460 / 61) einzuordnen. Im 15. Jahrhundert war die islamische Frage drängender denn je geworden. Spätestens der Fall von Konstantinopel am 29. Mai 1453 signalisierte, dass der Islam nicht nur eine theologische Herausforderung darstellte, sondern auch eine echte existentielle Gefahr geworden war (Southern 1978, 83 f.). Der Briefwechsel des Nikolaus von Kues mit Johannes von Segovia ist daher insofern besonders interessant, als letzterer zu den wenigen Ausnahmeintellektuellen
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zählte, die in der Auseinandersetzung mit dem Islam, wie auch Cusanus, nicht für eine militärische, sondern für eine friedliche Lösung plädierten. Johannes lieferte dabei die wohl umfangreichste Diskussion zum Thema christlich-muslimischer Dialog (Meuthen 1984, 58). Zwar waren in Basel, nachdem Cusanus sich vom Konziliarismus ab- und der Papstseite zugewandt hatte, Johannes von Segovia und Cusanus nach dem 20. März 1437 getrennte Wege gegangen, aber beide blieben in Hochachtung und Freundschaft miteinander verbunden (Bakos 2011, 49; Haubst 1984b). Johannes selbst hatte schon früh Interesse am Dialog mit dem Islam gezeigt – verständlich, wenn man bedenkt, dass er als Spanier bereits als junger Mann mit der konkurrierenden Religion in Berührung gekommen war. Nach dem Ende des Basler Konzils und besonders von 1453 an widmete er sich verstärkt der islamischen Frage. Der erste Schritt im Plan Johannes’ von Segovia war (trotz seiner eher negativen Einstellung zum Islam) eine friedliche, auf Dialog basierende Koexistenz, die ein besseres Kennenlernen des Christentums durch die Muslime ermöglichen würde, so dass diese durch die größere Rationalität des Christentums zum christlichen Glauben bekehrt würden. Mit anderen Worten: Die Auflösung des Konfliktes lag in seinen Augen in der Selbstauflösung des Islam (Bakos, 43, 53). Das verstärkte Studium des Islam fand seinen Ausdruck in dreifacher Weise: durch das Abfassen des Traktats De gladio spiritus, entstanden aus einem ursprünglich an den Kardinal Cervantes geplanten Brief, der zu einem Werk anwuchs, „das schließlich den doppelten Umfang des Korans hatte“; durch einen dreisprachigen Koran, der neben dem arabischen Original eine lateinische und eine katalanische Übersetzung enthielt und kurz vor seinem Tod fertig gestellt wurde; und schließlich durch eine Anzahl von Briefen an verschiedene Theologen und Humanisten seiner Zeit. Der längste dieser Briefe ging an Cusanus, der 1437 bei seiner Abreise aus Basel Johannes von Segovia seine lateinische Koranübersetzung hinterlassen hatte (Fromherz 1960, 42, 50; Euler / Stammkötter 2010, 51). Cusanus antwortete in einem eher kurzen Brief auf dessen detaillierte Ausführungen, die sich im Wesentlichen mit den folgenden Problemstellungen beschäftigen: 1. ob die Sarazenen vernichtet werden sollten, 2. mit der Trinität und weiteren Glaubensaspekten des Christentums und 3. mit der Möglichkeit einer friedlichen Auseinandersetzung, die den Hauptteil des Briefes ausmacht. Der Brief endet mit einer Zusammenfassung und der Bitte um Rat, nämlich ob
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es sinnvoll sei, dem Papst trotz seines bereits gefallenen Entschlusses zum Kreuzzug seinen Traktat über den Islam zuzusenden.
Werkstruktur und Inhalt Der Inhalt des Antwortbriefes lässt sich inhaltlich gesehen, wie auch der Brief des Johannes von Segovia, grob in drei Abschnitte gliedern, denen auch die von den Herausgebern der textkritischen Ausgabe vorgenommene Gliederung des Briefes entspricht. Nach einem kurzen Lob des Briefes des Johannes von Segovia berichtet Cusanus in einem ersten Teil von den Kreuzzugsplänen des Papstes und gibt Auskunft, was die politische und militärische Situation betrifft (etwa, dass er aus Ungarn und Italien gehört habe, dass die Türken nicht vorgerückt seien). Der zweite Teil enthält sowohl Cusanus’ politische als auch theologische Grundüberzeugungen. So stimmt er mit Johannes von Segovia überein, dass Frieden dem Krieg vorzuziehen sei, und verweist dabei auf Mt 26,51–56. Eine Militäraktion, so Cusanus, sei den Christen nur im Fall der Verteidigung gestattet. Zugleich bezieht er sich auf sein eigenes Werk zum Religionsfrieden, De pace fidei, und betont, dass er Johannes ein Exemplar schicken würde, wenn er eines zur Hand hätte. Das wesentliche Augenmerk im zweiten Teil liegt auf den theologischen Überlegungen, in denen Cusanus auf Johannes’ theologische Reflexionen, besonders die Fragen von Trinität, Christologie und Eucharistie, antwortet. Gergely T. Bakos weist darauf hin, dass Cusanus, während er mit Johannes von Segovia die Position teilt, dass die Inkarnation und die Trinität die zentralen Punkte sind, da diese am meisten von den Muslimen attackiert werden, deutlich praktischer und mehr dem historischen Kontext zugewandt ist als der Spanier (2011, 76). So betrachtete es Cusanus als hilfreich, auch die Christen, die unter arabischer Herrschaft lebten, einzubeziehen. Dann verweist der Kardinal darauf, dass zwar die Einheit der Substanz keine Schwierigkeit in den theologischen Diskussionen mit Muslimen und Juden bereite, wohl aber die Trinität. Christologie und Eucharistie seien diejenigen Themen, die den Muslimen besonders schwer nahezubringen seien. Cusanus verbindet diese Ausführungen mit dem dezenten Hinweis, dass auch in den Schriften des Johannes von Segovia nichts zu diesem schwierigen Thema zu fi nden sei, was Walter A. Euler zufolge darauf schließen lässt, dass Cusanus’ Lobpreisungen
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der intellektuellen Leistungen des Spaniers „cum grano salis“ zu nehmen seien (Euler / Stammkötter 2010, 61). Die praktischen Ratschläge setzen sich auch im dritten Teil fort, in dem Cusanus alle europäischen Bibliotheken aufzählt, in denen der Koran gefunden werden kann. Auch verweist er auf das Werk Dionysius’ des Kartäusers, betont aber sofort, dass dieses viel bescheidener sei als das des Johannes von Segovia. Schließlich ermutigt Cusanus ihn, das Werk schnell fertig zu stellen und gibt die Krankheit des Papstes und die Gefahr des türkischen Angriffs als Gründe an. Zugleich bestätigt er dem Konziliaristen die Gnade des Papstes. „All this clearly answered Segovia’s question: Nicholas did recognize the practical relevance and actuality of John’s project.“ (Bakos 2011, 79)
Analyse und Deutung / Forschungsstand Besonders im Rahmen des wachsenden Interesses am interreligiösen und speziell christlich-islamischen Dialog ist dem Briefwechsel zwischen Cusanus und Johannes von Segovia in den letzten Jahren in der Forschung verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet worden. Das gilt sowohl für die Segovia- als auch für die Cusanus-Forschung. So hat der Cusanus-Forscher Walter A. Euler im Jahr 2010 im Rahmen seiner mit Tom Kerger herausgebrachten Veröffentlichung Cusanus und der Islam eine auf der Rohübersetzung André Gillens basierende Neuübersetzung vorgelegt. In vielen Schriften, die sich mit dem Thema „Cusanus und der Islam“ bzw. dem interreligiösen Dialog auseinandersetzen, fi ndet der Brief Erwähnung (z. B. Decker 1953). Zu dem Austausch zwischen Cusanus und Johannes von Segovia liegt ebenfalls eine größere Anzahl an Veröffentlichungen vor, was auch der Tatsache zu verdanken ist, dass sowohl die Johannes von Segovia-Forschung als auch die Cusanus-Forschung auf den Briefwechsel Bezug nimmt. Als Beispiele können an dieser Stelle nur einige genannt werden, so z. B. neben den bereits genannten Werken von Walter A. Euler / Tom Kerger (2010) oder Rudolf Haubst (1984b) auch die Arbeiten von Mariano Álvarez-Goméz (2003), James E. Biechler (1991) oder auch Victor Sanz Santacruz (2007).
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Wirkungsgeschichte der Schrift Der Brief ist in zwei Handschriften erhalten: einmal im Codex 55 in Salamanca und einmal im Codex Vaticanus Latinus 2923 in der Vatikanstadt; beide Handschriften stammen aus dem Besitz des Johannes von Segovia. Wirkungsgeschichtlich lässt sich kein spezifischer Einfluss des Briefes in der Geschichte der theologisch-philosophischen Auseinandersetzung des Christentums mit dem Islam unabhängig von De pace fidei oder der Cribratio Alkorani nachweisen. Susan Gottlöber
De beryllo Der Beryll Entstehungskontext De beryllo
Zwischen dem 15. Januar und dem 12. Februar 1454 schrieb der Abt des Benediktinerklosters von Tegernsee, Kaspar Aindorffer, einen Brief an Nicolaus Cusanus, in welchem er sich bei ihm für die Widmung von De visione dei an die Mönche von St. Quirinus bedankt. Zusammen mit dem Brief schickte er das von den Mönchen studierte Werk De visione dei und De pace fidei. Darüber hinaus spricht der Abt seinen Wunsch aus, die neue Übersetzung des Dionysius und des gleichfalls neu übersetzten Eusebius, vor allem aber das von Cusanus selbst verfasste Werk De beryllo zu bekommen. Er ist ferner an dem Kommentar des Matthias von Schweden zur Apokalypse, De visitatione Mariae, und der Schrift De complementis mathematicis interessiert, von der Cusanus ein Jahr zuvor im Brief vom 14. September 1453 berichtet, die aber Kaspar Aindorffer noch nicht gesehen hat (Vansteenberghe 1915, 120 –121). Der Nachdruck liegt auf dem Wunsch, das Werk über die Brille zu erhalten. Obwohl Cusanus versprochen hat, dieses Werk bald zu schicken, lässt er die Mönche noch vier Jahre, bis 1458, warten.
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Der Briefwechsel zwischen Cusanus und den Mönchen des Klosters Tegernsee ermöglicht es Kurt Flasch zu vermuten, dass De beryllo ein pädagogisches Ziel hat (2001, 16); genauer gesagt, dass es eine präzisere Erklärung dessen darstellt, was Cusanus schon in De theologicis complementis und später in De visione dei erklärte und seine Wurzel ebenfalls in De docta ignorantia I hat.
Werkstruktur und Inhalt Die Frage nach der richtigen Auslegung der mystischen Theologie des PseudoDionysius Areopagita, auf die Cusanus mit De theologicis complementis und De visione dei antwortete, scheint für die Mönche noch offen zu sein. De beryllo nimmt das Problem durch eine praktische Methode in Angriff, die mit den folgenden Worten beschrieben wird: „Damit ich dem Leser möglichst klar einen Begriff hiervon vermittle, will ich daher einen Spiegel und ein Rätselbild an die Hand geben, mit dem sich die schwache Vernunft eines jeden an der äußersten Grenze des Wißbaren helfen und leiten kann.“ (Bormann 1977, 3) Cusanus stützt sich dazu auf die schon in De visione dei analysierte Metapher: das Sehvermögen. Das Argument hat die folgende Form: Die menschliche Vernunft („intellectus“) ist schwach („infi rmus“). So braucht sie Unterstützung, um ihre Bemühungen auf Gott zu richten. Die Vernunft kann sich dabei helfen, das zu erkennen, was für sie sonst nicht erkennbar ist, wie das Auge eine Brille braucht, um das zu sehen, was es von alleine nicht zu erreichen vermag. Cusanus beschreibt den Beryll, der als Gleichnis für die Brille der Vernunft fungieren wird, wie folgt: „Der Beryll ist ein glänzender, weißer und durchsichtiger Stein. Ihm wird eine zugleich konkave und konvexe Form verliehen, und wer durch ihn hindurchsieht, berührt zuvor Unsichtbares. Wenn den Augen der Vernunft ein vernunftgemäßer Beryll, der die größte und kleinste Form zugleich hat, richtig angepaßt wird, wird durch seine Vermittlung der unteilbare Ursprung von allem berührt.“ (Ebd., 5; vgl. Schwaetzer / Glas 2004, 83 –86) Wie die Brille, die dem Sehvermögen angepasst wird, eine zugleich konkave und konvexe Form hat, so hat die, welche der Vernunft angepasst werden soll, zugleich die größte und die kleinste Form. Die Brille, welche die Vernunft tragen soll, ist, mit anderen Worten, die Idee der Koinzidenz der Gegensätze, die Cusanus schon in De docta ignorantia I zum ersten Mal vorgestellt hat.
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Der Vorschlag des Werkes betrifft im Wesentlichen eine Methodik. Tatsächlich will Cusanus keine neue These vorstellen. Vielmehr ist es seine Absicht zu erklären, wie man die in anderen Werken schon ausgesagten Thesen auffassen kann. Diese Methodik stellt für die Vernunft eine „praxis“ dar, die Cusanus als eine Wissenschaft, die sich des Rätselbildes bedient („aenigmatica scientia“), charakterisiert. Die Wörter „Spiegel“ („speculum“) und „Rätselbild“ („aenigma“) beziehen sich auf den ersten Korintherbrief: „Videmus nunc per speculum in aenigmate, tunc autem facie ad faciem.“ (1 Kor 13,12) In der ganzen Schrift ist das Wort „speculum“ sechs Mal zu finden. Außer in der letzten Erwähnung, die ein Bild der Teilhabe darstellt, das von Cusanus abgelehnt wird (De beryl., h 2XI / 1, n. 58), befi nden sich alle Fälle im Kontext des Paulus-Zitats (ebd., h 2XI / 1, n. 1, 9, 15, 53). Seinerseits findet man den Terminus „aenigma“ 36 Mal entweder auf das Paulus-Zitat oder auf mathematische Übungen bezogen (u. a. ebd., h 2XI / 1, n. 21, 23, 32, 33, 63) Im Allgemeinen verweist das Wort „aenigma“ auf ein Symbol, ein Bild irgendeiner Art, das an der Stelle irgendeiner Idee steht. Im ganzen Werk des Cusanus werden Bilder dieser Art häufig angewandt. Die fünf Übungen, die in De beryllo die Wissenschaft, die sich der Rätselbilder bedient, als Beispiele belegen, werden ausschließlich aus der Mathematik entnommen. So kann man die „scientia aenigmatica“ genauer als eine Wissenschaft verstehen, die sich der mathematischen Rätselbilder bedient, damit die schwache Vernunft mit der Verstärkung der Koinzidenz an der äußersten Grenze des Wißbaren helfen und leiten kann. Es stellt sich allerdings die Frage, wie man den Beryll auf die Vernunft anwenden soll. Cusanus verspricht, diese Anwendung zu lehren. Dazu fängt er mit vier Prämissen an, welche dazu dienlich seien (ebd., h 2XI / 1, n. 3). In diesen Prämissen befi ndet sich der Kern der „aenigmatica scientia“. Ich fasse sie zusammen: Erstens: „Du mußt zuerst beachten, daß eines der erste Ursprung ist, und er wird gemäß Anaxagoras Vernunft genannt; von ihr aus geht alles ins Sein hervor.“ (Bormann 1977, 5) „Zweitens mußt du wissen, daß das, was nicht wahr und auch nicht dem Wahren ähnlich ist, nicht ist. Alles aber, was ist, ist in einem anderen in anderer Weise als in sich. Es ist nämlich in sich als in seinem wahren Sein, in einem anderen aber als in seinem dem Wahren ähnlichen Sein.“ (ebd., 6 f.)
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„Drittens wirst du dir den Satz des Protagoras merken, daß der Mensch das Maß der Dinge ist. Denn mit dem Sinn mißt er das Sinnenfällige, mit der Vernunft das durch die Vernunft Erkennbare, und was über dem durch die Vernunft Erkennbaren ist, berührt er im Überschreiten. […] Daher findet der Mensch in sich gleich wie in einem messenden Wesensgrund alles Geschaffene.“ (Ebd., 7) „Viertens beachte, daß Hermes Trismegistus sagt, der Mensch sei ein zweiter Gott. Denn wie Gott Schöpfer der realen Seienden und der natürlichen Formen ist, so ist der Mensch Schöpfer der Verstandesseienden und der künstlichen Formen, die lediglich Ähnlichkeiten seiner Vernunft sind, so wie die Geschöpfe Ähnlichkeiten der göttlichen Vernunft sind. […] Hieraus mißt er seine Vernunft durch die Kraft seiner Werke, und daraus mißt er die göttliche Vernunft, wie die Wahrheit durch ihr Bild gemessen wird. Und das ist die Wissenschaft, die sich der Rätselbilder bedient.“ („aenigmatica scientia“, ebd., 7) Man muss in Betracht ziehen, dass die zwei ersten Prämissen ontologischer Art sind. Sie betreffen den Schöpfer und das Geschaffene, während die zwei letzten einen anthropologischen Charakter haben. Tatsächlich scheinen die Begriffe „mensura rerum“ und „secundus deus“ zwei Haupteigenschaften des Menschen darzustellen. Die Rätselbilder, die Cusanus im Kontext des Werkes vorstellt, betreffen sowohl die erste Prämisse – eben das ist die Absicht des Cusanus, den ersten Ursprung in Betracht zu ziehen –, wie die zweite, welche alles, was ist, von dem Ursprung abhängig sein lässt. Nur ein Gleichnis wird als Korollar der dritten Prämisse gewidmet. Schließlich wird die vierte nirgendwo thematisiert. Das führt zur Frage nach der Rolle dieser Prämisse im Kontext des Werkes. Die von Cusanus genannte Quelle der vierten Prämisse, Hermes Trismegistos, entspricht dem Traktat Asclepius, der durch die Tradition der philosophischen Werke des Apuleios in das Mittelalter eingegangen ist (CT III / 5, 28). Die gemeinte Stelle lautet: „Darum ist der Mensch ein großes Wunder, o Asclepius, ein bedeutungs- und verehrungswürdiges Wesen. Denn er geht ein in die Natur Gottes; als wäre er selber Gott.“ (Asclepius, n. 6; CT III / 5, 108) Die Passage, die Cusanus dem Asclepius zuschreibt, ist etwas komplizierter. An erster Stelle wird erklärt, dass der Mensch ein zweiter Gott ist (i), weil er, wie Gott, schaffensfähig ist. Das ist aber im Fall des Menschen eine geminderte Fähigkeit. Denn während Gott natürliche Wesen erschafft, kann der Mensch nur geistige Wesen, d. h. Begriffe, oder künstliche Wesen, z. B. ein Haus, erschaffen.
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Zweitens wird behauptet (ii), dass es zwischen dem Menschen als kreativem Prinzip und dessen eigenen Schöpfungen eine Ähnlichkeitsbeziehung gibt. Nun ist es nach der zweiten Prämisse auch die Beziehung, die es zwischen dem Ursprung und dem Geschaffenen gibt. So besteht zwischen dem Menschen und seinen Schöpfungen das gleiche Verhältnis, das zwischen Gott und seinen Schöpfungen besteht. So wie der Text fortfährt (iii), liegt die menschliche Kreativität in der Vernunft. So kann man, wenn man (ii) in Betracht zieht, behaupten, dass die menschliche Vernunft der Vernunft Gottes ähnlich ist; das heißt, dass die menschliche Schaffensfähigkeit der Schaffensfähigkeit Gottes ähnlich ist. Wenn es einerseits eine Ähnlichkeitsbeziehung zwischen den Schöpfungen und deren Schöpfer gibt (ii) und es andererseits eine Ähnlichkeitsbeziehung zwischen beiden kreativen Prinzipien, Gott und dem Menschen, gibt (iii), stellen somit (iv) die menschlichen Schöpfungen hinsichtlich des ersten Prinzips eine Ähnlichkeit zweiter Ordnung dar. Da (ii) die menschlichen Schöpfungen Ähnlichkeiten des Menschen sind (v), kann der Mensch durch seine eigenen Schöpfungen sich gewissermaßen selbst erkennen. Mit Cusanus’ Worten: sich durch die Kraft seiner Werke messen. Allerdings ist es möglich, da es (iii) zwischen ihm und Gott auch eine Ähnlichkeitsbeziehung gibt, durch die Selbsterkenntnis gewissermaßen (vi) Gott zu erkennen. Dieser Prozess, der daraus besteht v, sich selbst gewissermaßen durch die eigenen Werke zu erkennen, um durch diese Selbsterkenntnis (vi) eine gewisse Erkenntnis Gottes zu erreichen, wird von Cusanus „aenigmatica scientia“ genannt. Der Mechanismus der „praxis“, die im Werk vorgeschlagen wird, d. h. die „aenigmatica scientia“, wird in v und vi ausreichend erklärt. Dieser Mechanismus hat nun zwei Schritte. Im ersten Schritt (v) wird die Suche nach der Selbsterkenntnis durch die eigene Schöpfung gesteuert. Der zweite (vi) besteht in der Selbsterkenntnis als Ähnlichkeit des ontologischen Prinzips. So kann man sagen, dass zwischen v und vi die ganze Beschreibung der „aenigmatica scientia“ als solche zu finden ist. Zwischen (v) und (vi) befi ndet sich auch die Defi nition des Menschen als „secundus deus“ (vgl. Sermo XXII: h XVII, n. 25). Nur auf Grund dieses Begriffes, der den Menschen als Bild Gottes aus der Perspektive seiner Schaffensfähigkeit begreift, findet eine Wissenschaft, die sich der (Rätsel-)Bilder bedient, einen epistemischen Grund. Mit anderen Worten bringt die
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vierte Prämisse, welcher kein „aenigma“ gewidmet wird, eben den metaphysischen Inhalt bei, der den epistemischen Grund für die „aenigmatica scientia“ darstellt.
Analyse und Deutung / Forschungsstand Nach dem Erscheinen der ersten Auflage der kritischen Ausgabe (h XI / 1) von Ludwig Baur 1940 und der zweiten Auflage 1988 von Hans Gerhard Senger und Karl Bormann sind manche bedeutsamen Übersetzungen und Auslegungen des Werkes erschienen. So z. B. die 1964 von Dietlind und Wilhelm Dupré herausgegebene deutsche Übersetzung; die deutsche Übersetzung von Karl Bormann (42002), die spanische Übersetzung von Ángel Luis González (2007) oder die französische von Maude Corrieras (2010). Unter den Studien, die dem Werk ganz gewidmet sind, kann man folgende erwähnen: Kurt Flasch (2001), Katrin Platzer (2001), Harald Schwaetzer (2003b), Claudia D’Amico (2005), Iñigo Bocken (2005), Gregorio Piaia (2007) oder Cecilia Rusconi (2012, 233 –247).
Wirkungsgeschichte der Schrift 1989 sprach Stephan Meier-Oeser von einer intensiven Rezeption von De beryllo (Meier-Oeser 1989, 272). 2001 hat Kurt Flasch auf die Rezeption dieses Werkes aufmerksam gemacht. Außer dem wahrscheinlichen Einfluss, den nach der neueren Forschung De beryllo auf die Florentiner Marsilio Ficino und Pico della Mirandola gehabt hat, wurde von Flasch De beryllo mit Giordano Brunos Dialog De la causa, principio e uno verglichen. Ihm zufolge fußt die dort entwickelte Koinzidenzlehre auf De beryllo (2001, 156). Ebenfalls findet Flasch in Schellings Bruno eine Zusammenfassung der Lehre von De beryllo (2001, 159). Cecilia Rusconi
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De aequalitate Die Gleichheit Entstehungskontext De aequalitate
Die Schrift ist im Sommer 1459, zwischen Mitte Juni und Mitte September, in Rom entstanden (h X / 1, XXI ff.). Bestimmungsgemäß soll sie als Einführung in die theologischen Predigten („sermones theologici“; Vansteenberghe 1920, 483) dienen; wahrscheinlich soll sie sogar in die cusanischen Spätschriften insgesamt einführen (De aequal.: h X / 1, n. 37; Koch 21967, 10). In jedem Fall soll ihr, auch wenn ihr selbst zu folgen nicht immer einfach ist, eine besondere hermeneutische Funktion für das Verständnis der späten Cusanus-Schriften zukommen.
Werkstruktur und Inhalt Der wahrscheinlich Petrus Balbus gewidmete Traktat (h X / 1, XXVII–XXIX) über das biblische Thema Et vita erat lux hominum (Joh 1,4) – so lautet die Überschrift zu der Schrift, die keinen eigenen Werktitel trägt – handelt von der Gleichheit und Ungleichheit der Dinge und deren Ursprung. Deshalb kann ihr Autor später „de aequalitate“ als deren Thema angeben (De ven. sap. 23: h XII, n. 70), das erst in den beiden Druckausgaben des 16. Jahrhunderts als Werktitel Verwendung fi ndet. In der handschriftlichen Überlieferung wird den Ausführungen lediglich das Bibelthema vorangestellt, ähnlich wie Tu quis es bei De principio. Beide Texte sind gleichwohl Traktate und zählen nicht, wie bisweilen geglaubt wird, zu den Predigten. Nach Absicht des Autors soll der Prolog des Johannes-Evangeliums als eine „Theologie vor der Geschichte“ erwiesen werden („theologia ante narrationem“, De aequal.: h X / 1, n. 33), an der nach spekulativer Begründung des Sohnesnamens „Aequalitas“ Gleichheit als die „universale Verstehenskategorie der Wirklichkeit“ erprobt wird (Beierwaltes 1985, 374). Denn nichts existiert ohne Teilhabe an der Gleichheit („Nihil igitur est expers aequalitatis“, De aequal.: h X / 1, n. 26), weil sie die Seinsform überhaupt ist.
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Nach einer kurzen erkenntnistheoretischen Einführung, in der Sehen und Erkennen als dasselbe bestimmt und Abstraktion, Begriffsbildung sowie Allgemeinbegriffe definiert werden, wird am Syllogismus der ersten Figur (Alle Menschen sind sterblich usw.) die Wesensstruktur der Vernunftseele aufgezeigt, die sich als begriffsschaffend und namengebend erkennt. Die Seele gleicht in der „trinitarischen“ Aktivität der Seelenvermögen der logischen Bewegung der drei durch Gleichheit des Allgemeinen gekennzeichneten Sätze des Syllogismus. In ihrem Verhältnis zur Zeit weist sie wiederum triadische Bewegung auf. Mit den drei Zeit-Hypostasen Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft korrespondiert die Trias der Seelenkräfte: Erinnerung des Vergangenen, auf Gegenwärtiges gerichtete Vernunft und zukunftsgerichteter Wille („memoria – intellectus – voluntas“). Diese vergegenwärtigen die drei Zeitphasen. Die Seele erkennt sich selbst weder als ewig noch als zeitlich, sondern als nichtzeitliche dreieine (und das heißt koinzidentelle) Zeit („intemporale unitrinum tempus“, De aequal.: h X / 1, n. 3 –13; Fischer 1990). Diese trinitarischen Strukturschemata werden dann transzendierend auf Gott übertragen (De aequal.: h X / 1, n. 14 –17), den wir aufgrund unserer Selbsterfahrung notwendigerweise als dreieinig bekennen müssen. Im Überstieg wendet sich die Vernunft der Erforschung ihrer eigenen Ursache und der Ursache von allem zu. Ausgangs- und Zielpunkt des Traktats ist die „absolute Gleichheit“, die auf den „Selbstmitteilungsprozess des göttlichen Lebens“ (Thurner 2004, 414) zurückverweist. „Aequalitas absoluta“ ist der Name des ewigen Erstprinzips (De aequal.: h X / 1, n. 23 –28), weil Gleichheit Voraussetzung jeder Andersheit und Möglichkeit ist. Sie wird als dreieine ausgewiesen, als vernunfthafte, als absolute und als (prinzipiierende) Gleichheit der Gleichheit („aequalitas intellectualis“, „aequalitas absoluta“ und „aequalitas aequalitatis“). Dabei handelt es sich aber nicht um drei Gleichheiten, sondern um drei Hypostasen ein und derselben Gleichheit, der zeugenden, der erzeugten und der von beiden hervorgehenden Gleichheit („generans – generata – ab utroque procedens“). Als Washeit („quiditas“) von allem ist die absolute Gleichheit Fundamentalprinzip von allem, das seinerseits am Wesensgrund der Gleichheit teilhat, der nur einer ist. Die Trinität geht jeder Andersheit („alteritas“) voraus; die göttlichen Personen aber sind je eine andere. Als Quintessenz der johanneischen Theologie wird vermerkt: Als Schöpfergott muss Gottvater notwendigerweise ein consubstantiales Wort haben. Das ist der Logos oder Gottessohn.
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Der Traktat schließt in augustinischer Wendung (Epist. CII ad Deogratias, n. 15, in: Augustinus 1898, 557) mit der Erklärung, dass er, Nikolaus, die durch viele Zeugnisse erwiesene Summe des Johannes-Evangeliums in verschiedenen Predigten seiner verschiedenen Lebensabschnitte auf verschiedene Art und Weise erläutert habe, zunächst dunkel, später, als Priester, klarer, offensichtlich vollkommener aber erst in seinen Funktionen als Bischof von Brixen und Apostolischer Legat in Deutschland und anderswo. Dabei bemüht Nikolaus die Fortschrittsmetapher (thematisch aufgegriffen von F. Edward Cranz 1996, 271–274), wenn er sein Predigtwerk insgesamt im Licht einer fortschreitenden Erkenntnis deutet. Mit einer überraschenden Wendung beschließt der damals als Generalvikar in Rom amtierende Autor De aequalitate mit der bekannten Abschwörungsund Widerrufsformel: „Wenn im Voraufgehenden oder in den nachfolgenden Predigten oder Schriften etwas gefunden wird, das von der katholischen Wahrheit abweicht, verbessere und widerrufe ich das – per praesentes“ (nicht „per praesens“, wie Bukhard Mojsisch (1998b, 77 f., Anm. 26) die u. a. vom Konstanzer und Basler Konzil bekannte Revokationsformel (Consiliorum Oecumenicorum Decreta) 31973, 428, 40; 512, 8.15) fehlerhaft korrigieren will. Fast wie eine Vorform zu De aequalitate thematisiert eine knapp gehaltene „Antwort zum Verständnis des Johannes-Evangeliums“ („Responsio de intellectu Evangelii Ioannis“, h X / 1: 95–101) die philosophische Deutung der „logos“-Lehre des Johannes-Prologs (Joh 1,1– 4). Die kurze, bis zu ihrer Edition kaum beachtete Erwägung stammt etwa aus der Zeit um 1444 / 46. Der „logos“, das Wort oder die Weisheit Gottes, wird dort verstanden als absolute, nicht-prinzipiierte, sondern selbst prinzipiierende, göttliche und ewige Vernunft („ratio“) des insgesamt und in allen seinen Teilen vernunftdurchwalteten Universums. Als schöpferische Potenz wird diese „ratio“ als Spiegelung der kreativen Allmacht des Schöpfergottes und – dem Untertitel Quomodo ratio divina sit vita gemäß – zugleich als Leben bestimmt.
Forschungsstand Von den Schriften, die De aequalitate gleichsam quellenhaft befruchteten, sind nach dem derzeitigen Stand der Forschung Schriften der Chartrenser, des Thierry und des Clarembald von Arras, zu nennen, ferner Werke des Johannes
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von Salisbury, des Alain de Lille und schließlich einige des Augustinus und Boethius. Mit Hinweis auf den Einfluss des „platonisierenden Pythagoreers Nikomachos von Gerasa“ auf die beiden Letztgenannten erweiterte Werner Beierwaltes den Blick auf zumindest indirekte Quellen der cusanischen Einheits- und Gleichheitsspekulation (1985, 380 f.). In der jüngeren Forschung wurde u. a. die intensive Zeitbetrachtung in dieser Schrift hervorgehoben (Fischer 1990). Des Weiteren wurden „aequalitas“ als ontische Bestimmung des Einzelseienden (Leinkauf 1994) und ein christologischer Ansatz (Schwaetzer 2000; Thurner 2004) in den Blickpunkt gerückt, mit weitgehenden erkenntnistheoretischen und sozialen Implikationen bei Harald Schwaetzer. Diese Studie wurde kontrovers diskutiert (siehe die Rezensionen von Hubert Benz (2004), Norbert Winkler (2004) und Martin Thurner (2001), dessen eigene Deutung De aequalitate in den größeren Diskussionsrahmen der Zeit bei der Frage nach der Priorität von Intellekt oder Affekt bei der Gotteserkenntnis stellt (Thurner 2004)). Anders und enger wird De aequalitate insgesamt als „religionsphilosophische Einleitung zum Lesen des Johannesevangeliums“ und somit als eine „Enthüllungsphilosophie“ gedeutet (Flasch 1 1998, 496, 514).
Wirkungsgeschichte der Schrift Über eine direkte Wirkung der handschriftlich wenig, nur in vier Kopien, verbreiteten Schrift lässt sich nichts sagen, wie auch nichts über eine spätere Nachwirkung. Gegenstand ernsterer Forschung wurde sie, wie die nur wenigen Titel der hier zitierten Forschungsliteratur zeigen, erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts. Hans Gerhard Senger
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Tu quis es – De principio Wer bist du – Der Ursprung Entstehungskontext Tu quis es – De principio
Die Schrift, die unter dem doppelten Titel Tu quis es – De principio bekannt geworden ist, hat Nicolaus Cusanus nach eigenen Angaben am 9. Juni 1459 abgeschlossen. Sie gehört zu den frühen Spätschriften des Kardinals. Adressiert ist sie wohl an Petrus Balbus Pisanus, einen intimen Kenner neuplatonischer Philosophie. Petrus hat die Theologia Platonis, eine umfangreiche Schrift des spätantiken Neuplatonikers Proklos, auf Cusanus’ Bitte hin übersetzt. Nicht nur dadurch wird erkennbar, dass De principio im Zeichen des Neuplatonismus steht: Vor allem fußt die Schrift nachweislich auf dem spätantiken Neuplatoniker Proklos und insbesondere auf dessen Parmenideskommentar (Hoffmann 1967, 12–14; Bormann 2001, IX–XI; Cürsgen 2007, 43 – 61). Zahlreiche Marginalien belegen Cusanus’ intensive Kommentierung dieser zentralen proklischen Schrift (CT III / 2). Doch der Nähe von Cusanus zu Proklos wird von christlich orientierten Cusanusforschern und vor allem von Theologen mit Skepsis begegnet. Schließlich ist Proklos einer der letzten großen Vertreter des paganen Neuplatonismus. Die Befürchtung, die enge Anlehnung von Cusanus an Proklos könne Cusanus’ Christlichkeit gefährden, ist allerdings unbegründet. Denn Cusanus ist die postreformatorische Unterscheidung oder gar Entgegensetzung von Philosophie und Theologie völlig fremd. Darüber hinaus unterscheidet Cusanus grundsätzlich nicht zwischen Proklos und Pseudo-Dionysius Areopagita, dem für Cusanus’ gesamtes philosophisch-theologisches Wirken maßgeblichen Denker des christlichen Neuplatonismus, sondern begreift die metaphysischen Konzepte dieser zwei Philosophen als Einheit.
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Werkstruktur und Inhalt Cusanus selbst hat seiner kurzen Schrift keinen Titel gegeben. Ersatzweise wird die Schrift daher mit ihren ersten Worten „Tu quis es“ betitelt. Diese ersten fragenden Worte „Wer bist Du“ stammen aus dem Johannesevangelium und werfen ein erstes Licht auf die Thematik der Schrift. Denn auf diese Frage antwortet Jesus: „Principium, qui et loquor vobis.“ (Joh 8,25) Josef Koch und Maria Feigl, die Verfasser der ersten deutschen Übersetzung, haben daher dieser Schrift den Zusatztitel De principio gegeben und damit ihren prinzipientheoretischen Charakter und ihre thematische Fixierung auf die Prinzipfunktion von Gottes Sohn, des Wortes, exzellent pointiert (Hoffmann 1967, 11). Denn Cusanus erklärt direkt im Anschluss ganz programmatisch, er wolle in diesem Werk „zur Übung der Vernunft […] über den Ursprung“ reflektieren (Bormann 2001, 3). Besonders beachtenswert ist dabei, dass Cusanus in diesen ersten Zeilen den Charakter von De principio herausarbeitet: In dieser Schrift sind theologische und philosophische Fragestellungen intensiv verknüpft. Diese Synthese theologischer Fragestellungen und philosophischer Argumentationsmuster ist für Cusanus im Allgemeinen und für De principio im Speziellen ganz charakteristisch. Konkret greift Cusanus in De principio zwar massiv auf Proklos’ Metaphysik des absoluten Einen zurück. Doch er wiederholt nicht einfach Proklos’ Einheitsmetaphysik, sondern durchdenkt diese spekulativ. Insbesondere erweitert er Proklos’ System um das christliche Trinitätsdogma. Gerade in der Verknüpfung der Konzepte absoluter Einheit, absoluter Ursprünglichkeit und der Trinität ist die Sinnmitte von De principio zu sehen.
Analyse und Deutung / Forschungsstand Ausgangspunkt von Cusanus’ Überlegungen zur Prinzipfunktion Gottes und speziell zu der des Sohnes ist der Begriff auzpÞstaton („authypostaton“), den Cusanus mit dem Ausdruck „per se subsistens“ wiedergibt. Dies bezeichnet ein in bzw. durch sich selbst Subsistierendes. Cusanus bestimmt das oberste Prinzip, das Unendliche bzw. Ewige, als „authypostaton“, weil dieses nicht von einer höheren Ursache abhängig und daher gerade eigenständig ist (De princ.:
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h X / 2b, n. 2–5). Insbesondere aber möchte Cusanus mit diesem Begriff das erste Prinzip, Gott-Vater, mit dem „zweiten“ Prinzip, dem Wort, vermitteln: Das Eine, so argumentiert Cusanus, erzeuge („generat“) das „Denken seiner selbst oder die Definition oder den Logos aus sich“ selbst (Bormann 2001, 9). In diesem absoluten Wort ist alles Defi nierbare in Einheit eingefaltet. Das Wort ist daher auch notwendige Definition aller Dinge (De princ.: h X / 2b, n. 9). So durchdenkt Gott in seinem Wort die Schöpfung kreativ. Fraglos knüpft Cusanus hierbei an die (neu-)platonische Ideenlehre und mit ihr an den Gedanken der Teilhabe der Abbilder am Urbild an (ebd., h X / 2b, n. 15, 21). Cusanus stellt aber unmissverständlich klar, dass es letztlich „nur“ ein einziges Prinzip und nicht zwei oder gar eine Vielzahl an Prinzipien geben könne (ebd., h X / 2b, n. 6 –8). Er zeigt dies anhand der analogen Verhältnisse von Ewigkeit und dem Ewigen einerseits und Ursprung und Entsprungenen andererseits. Für Cusanus ist im absoluten Ursprung alles Entsprungene in der Ewigkeit selbst und in der Ewigkeit ist alles die Ewigkeit selbst. Das aus dem Ursprung Entsprungene, also das Wort, in der Ewigkeit zu schauen, bedeute, es im Ursprung zu schauen. Cusanus kommt es dabei auf die Gleichewigkeit und Gleichwesentlichkeit von Vater und Sohn an und er betont, dass es keinen realen Unterschied zwischen dem Vater, dem „principium sine principio“, und dem Sohn, dem „principium de principio“ gebe (ebd., h X / 2b, n. 10 –11). Der Sohn wird somit ebenfalls als Prinzip ausgewiesen. Insbesondere aber geht der Sohn nicht in einem zeitbezogenen Akt aus dem Vater hervor, so dass es nunmehr zwei Ursprünge gäbe. Der „Ursprung vom Ursprung“ ist nicht real vom „Ursprung ohne Ursprung“ verschieden, da für Cusanus das Wort im eigentlichen Wortsinn kein „Entsprungenes“ („principiatum“) ist. Vater und Wort sind also jeweils „nichts anderes“ (ebd., h X / 2b, n. 17). Cusanus weist damit das eine Prinzip aller Dinge als in sich bewegte Einheit aus, die sich in sich selbst zu sich selbst vermittelt (ebd., h X / 2b, n. 9; vgl. ebd., h X / 2b, n. 16 –18). Dadurch geht er deutlich über Proklos hinaus: Denn erstens sieht Cusanus in dem einen Prinzip die Trinität angelegt; das absolute Eine bei Proklos ist hingegen nicht trinitarisch strukturiert. Zweitens kann sich nach Proklos das absolute Eine gar nicht selbst denken. Das Absolute transzendiert bei ihm so jede mögliche Relationalität und Reflexivität. Cusanus hingegen deutet das eine Prinzip als auf sich selbst bezogene, sich selbst denkende und dadurch als sich selbst vermittelnde Einheit. So kann Cusanus die Prinzipfunktion als intrinsisches Moment des trinitarischen Gottes begreifen.
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In der Folge negiert Cusanus allerdings – wieder im Anschluss an Proklos – den Begriff „authypostaton“. Dabei wiederholt er Proklos’ radikale Negationsformel, die selbst die Koinzidenz von Gegensätzen verneint: Nach Cusanus müsse man Kontradiktionen von Gott verneinen, so dass dieser letztlich „weder ist noch nicht ist, noch ist und nicht ist, noch ist oder nicht ist“. Cusanus negiert hier in umfassender Weise alle möglichen Bestimmungen vom Absoluten, auch, so scheint es zunächst, die Prinzipfunktion (ebd., h X / 2b, n. 19). Man hat hierbei zu beachten, dass Cusanus noch in De docta ignorantia die Prinzipfunktion des Absoluten vornehmlich mithilfe der affi rmativen Theologie und daher positiv beschrieben hat. Affi rmationen jedoch drohen das Absolute zu verendlichen. Daher korrigiert Cusanus die affirmative durch die negative Theologie (De docta ign. I, 24 –26: h I, 48–56). Bei der umfassenden Negationsformel handelt es sich also nicht um eine Privation oder um eine seinsimmanente andersheitliche Negation, sondern um eine „transzendierende Negation“: Das Absolute ist keines der Seienden, es ist nicht begrenzt oder bestimmbar und daher vollkommen seins- und erkenntnistranszendent. Doch durch die transzendierende Negation scheint die Prinzipfunktion problematisiert zu werden. Kann, so muss man an dieser Stelle fragen, die negative Theologie überhaupt die Prinzipfunktion des Absoluten einsichtig machen und restituiert Cusanus mit dieser radikalen Negationsformel nicht ein charakteristisches Paradoxon des spätantiken Neuplatonismus? Gerade diese Forschungsfrage ist entscheidend: Zwar ist das Eine im Neuplatonismus der absolute Ursprung aller Dinge. Doch indem die Transzendenz des absoluten Einen apostrophiert wird, wird die Prinzipfunktion des Absoluten problematisiert: Denn wie kann das Absolute, das in vollkommener Transzendenz jenseits aller Bestimmungen besteht, kreativer Urgrund von allem sein? Cusanus selbst scheint in seiner frühen und mittleren Schaffensphase die Auffassung vertreten zu haben, Negationen könnten die Prinzipfunktion des Absoluten nicht illustrieren (ebd., I, 26: h I, 55; Vansteenberghe 1915, 114; Flasch 1973, 320 –329). Doch in De principio gewinnt Cusanus gerade im Rückgriff auf Proklos der radikalen Negationsformel neue Einsichten ab: Cusanus adaptiert die Lehre des Proklos, dass transzendierende Negationen „produktiv“ sind, also die in und an ihnen verneinten Bestimmungen erst begründen (Kremer 2008, 59–75; Cürsgen 2007, 43 – 61). Cusanus überträgt dieses Konzept produktiver Negation direkt auf das Absolute selbst und kommt so zu folgendem Ergebnis: „Verneintes ist
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also der Ursprung aller Bejahungen; der Ursprung ist nämlich nichts von dem aus dem Ursprung Entsprungenen. Weil aber jedes Verursachte wahrer in seiner Ursache ist als in sich selbst, deshalb ist die Bejahung in höherer Weise in der Verneinung, weil die Verneinung ihr Ursprung ist.“ (Bormann 2001, 35–37) Demnach ist das Absolute gerade aufgrund seiner vollkommenen oder reinen Negativität der absolute Ursprung aller Dinge: Das Absolute ist nur negativ in der umfassenden Verneinung zu fassen und dadurch ist es zugleich als Prinzip ausgewiesen.
Bedeutung der Schrift für die Entwicklung des cusanischen Denkens Cusanus hat also mit dieser Schrift einen ersten Schritt zur Neukonzeption der negativen Theologie gemacht. Die negative Theologie wird gestärkt, denn Cusanus kann nun zeigen, dass die negative Theologie die Prinzipfunktion des Absoluten nicht ad absurdum führt, sondern zu begründen versucht. Diesen Gedanken macht Cusanus wenig später zu dem zentralen Thema seiner Spätschrift De non aliud. Insbesondere verknüpft er ihn dabei mit der Trinität und entwirft ein höchst ungewöhnliches Konzept, das nicht nur über De principio deutlich hinausgeht, sondern auch aus der abendländischen Philosophiegeschichte insgesamt herausragt: den negativen Selbstbezug des Absoluten. Max Rohstock
Reformatio generalis Generalreform der Kirche Entstehungskontext Reformatio generalis
Im Herbst des Jahres 1458 erreichte Nikolaus von Kues die überraschende Nachricht von der Wahl seines langjährigen Vertrauten Enea Silvio Picco-
Reformatio generalis
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lomini zum Papst. Die Aussicht, nun durch die Nähe zum neuen Papst Pius II. an der Zentrale der Kirche wirken zu können, mag ihn endgültig überzeugt haben, nicht noch einen Winter auf der Dolomitenfestung Andraz im äußersten Winkel seines Hochstifts zu verbringen, wohin er sich seit anderthalb Jahren aus Furcht vor dem mächtigen Landesfürsten Sigismund von Tirol zurückgezogen hatte. Denn das Leitmotiv seines Lebens, die universelle Reform des kirchlichen Lebens am Haupt und an den Gliedern, das ihn seit den Basler Tagen, dann auf der großen Legationsreise durch Deutschland und zuletzt in seinem Bistum getrieben hatte, stand nun an der Kurie mehr denn je auf der Agenda. Der neugewählte Papst schien damit auch von Beginn an Ernst zu machen und setzte, wie man es in Basel gelernt hatte, eine entsprechende Kommission aus Kardinälen, Bischöfen und Gelehrten ein (Miethke 2008, 124). Von Seiten der Kardinäle gehörten diesem Ausschuss der später heiliggesprochene Antoninus von Florenz, Domenico de’ Domenichi und Nikolaus von Kues an. Domenichi und Cusanus hinterließen jeweils schriftliche Vorschläge für eine allgemeine Reform, Domenicos Traktat De reformatione ecclesie und die Reformatio generalis des Nikolaus von Kues. Ein sicherer Nachweis, dass dieser Text tatsächlich den Diskussionen dieser Kommission entsprungen ist und, wie in der Forschung unbestritten vertreten, in die erste Hälfte des Jahres 1459 zu datieren ist, existiert nicht. Der von Erich Meuthen erwogene Terminus „ante quem“, die mögliche Anspielung auf die Reformatio generalis in einem Schreiben Pius’ II. an Nikolaus von Kues vom 9. Juni 1459, greift wohl nicht, da die darin genannte Reform der römischen Kirchen in der Reformatio generalis nicht weiter ausgeführt wird, zumal sich von der ebenfalls erwähnten Reform der Rota nichts in der Reformatio generalis fi ndet (Meuthen 1958, 183 f.). Gleichwohl zeigt das Schreiben, dass Cusanus gerade in dieser Zeit intensiv mit Reformfragen beschäftigt war. Als „legatus urbis“ vertrat er den wegen des Fürstenkongresses von Mantua abwesenden Papst und erhielt in der Legationsbulle auch einen Reformauftrag, von dessen Umsetzung die Einberufung einer Reformsynode und mehrere Predigten dieser Zeit zeugen (ebd., 31, 143 f.; Sermones CCLXXXIX–CCXCII: h XIX / 7). Der in vier Handschriften und einem kurzen Exzerpt überlieferte Text passt also inhaltlich am besten ins Frühjahr 1459.
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Werkstruktur und Inhalt Formal orientiert sich der Text zunächst an der Gestaltung einer päpstlichen Bulle, die nur noch ausgefertigt und publiziert werden musste, um die erhoffte universelle Reform einzuleiten. Drei Abschnitte sind klar abzugrenzen: 1) eine weitausholende theologische Begründung und Rechtfertigung des Reformunternehmens, 2) ein Katalog von 14 Regeln für die zunächst an der Kurie und dann in aller Welt tätigen Visitatoren und 3) konkrete Zielvorgaben für die sittliche Reinigung vom Papst bis zu den kurialen Behörden, hier vor allem der Poenitentiarie und deren Schreibern. Cusanus geht von einer mystischen Anthropologie aus: Der Daseinsgrund des Menschen besteht letztlich darin, Gott in seiner Herrlichkeit zu sehen (Ref. gen.: h XV / 2, n. 1; vgl. die nach wie vor beste Interpretation der theologischen Einleitung bei Iserloh 1964, 56 –59). Um zum Reich der Unsterblichkeit zu gelangen, gibt es für den Menschen keinen anderen Weg, als die Form Christi anzunehmen, die er zum Zeitpunkt der Taufe empfangen hatte, und zwar jeder nach den Maßgaben seines Standes (Ref. gen.: h XV / 2, n. 3). Besonders der Klerus, die „Augen“ des mystischen Leibes Christi, müssen sich haargenau an ihren jeweiligen Amtseid und an die für sie geltenden kanonischen Regeln halten (ebd., h XV / 2, n. 6, 9). Dazu gehört auch die direkt aus der Etymologie ihrer Amtsbezeichnung fließende Pflicht (ebd., h XV / 2, n. 11). In der Etymologie des Namens findet sich wohl die klarste Faustformel für das Reformkonzept des Nikolaus von Kues: eine Rückkehr zu einem für historisch gehaltenen ethisch-moralischen Idealtypus durch Wiedereinführung und Beachtung alter Normen. Für ihn war nach jahrzehntelanger Erfahrung vor allem mit der Reform monastischer Lebensgemeinschaften kein anderer Weg der Rückkehr zu alter Sittenstrenge denkbar als die nach klaren Regeln organisierte Visitation. Wie einst die Visitatoren, die 1450 / 51 im Auftrag des damaligen Legaten Cusanus alle Benediktinerklöster der Salzburger Kirchenprovinz aufsuchten und den Mönchen eine vormodellierte Reformcharta verabreichten, sollten nun drei erfahrene, moralisch unangreifbare, entschlossene und unabhängige Männer die Reform tragen (AC I / 3a, n. 1602). Dabei gibt Cusanus den Visitatoren 14 Regeln auf den Weg, welche den Ablauf und die Ziele der Visitation in der Form einer Punkt für Punkt abzuarbeitenden Checkliste sittlicher Tauglichkeit formulierten. Enthalten sind neben den Anweisungen zur Eröff-
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nungspredigt und der Bestellung von Rügezeugen vor allem Einzelheiten zu Lebens- und Amtsführung, Maßregeln der kirchlichen Organisation und der Laienfrömmigkeit. Eine weitere Konkretisierung findet das Visitationsprogramm schließlich im dritten Teil, der besondere Regeln für einzelne zu visitierende Statusgruppen der kirchlichen Hierarchie festschreibt. Nach der Visitation des Papstes, der sich selbst dem Urteil der Reformer unterwirft, kommen vor allem die Kardinäle auf den Prüfstein. Da sie als „tägliches Konzil“ den Konsens der Gesamtkirche verkörpern (Ref. gen.: h XV / 2, n. 26), sind von ihnen drei Dinge ganz besonders zu erwarten: Eifer, Treue zum Papst und gleichzeitig Unabhängigkeit von äußeren Mächten und eine vorbildhafte Lebensführung. Als nächstes sollten die Visitatoren an den päpstlichen Hauptkirchen, den Titelkirchen der Kardinäle und in den römischen Ordenshäusern und Spitälern nach dem Rechten sehen, bevor sie sich um die kuriale Administration zu kümmern hatten. Von den kurialen Behörden ist nur die Poenitentiarie näher behandelt; danach bricht der Text ab.
Analyse und Deutung / Forschungsstand Seit dem Beginn wissenschaftlicher Cusanus-Forschung wurde der Text häufig gedruckt, paraphrasiert und übersetzt. Zunächst als weltfremde Privatarbeit und „wunderliche Grille“ belächelt (Voigt 1863, 341), wurde der Entwurf bald als zentrales Dokument für die kurialen Reformbemühungen vor der Reformation herangezogen (Pastor 131955, 184 –186). Betont wurden in jüngerer Zeit die hierin greifbaren Kontinuitäten im Reformdenken des Cusanus, welche noch immer entscheidend vom Diskursrahmen der Konzilszeit geprägt waren, der freilich keine institutionellen Ansätze mehr bereithielt, sondern sich auf die Einschärfung sittlicher Strenge verengte (Miethke 2008, 135; Dendorfer 2012, 140, 143). Die Aufnahme in die einflussreiche Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe verschaffte dem Text eine weit über die Cusanus-Forschung hinausreichende paradigmatische Position (Miethke / Weinrich 2002, 468– 499).
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Wirkungsgeschichte der Schrift Der möglicherweise nie vollendete Bullenentwurf wurde jedenfalls nicht in der Form ausgefertigt und als Anstoß für eine große Visitationswelle publiziert, wie es dem Autor vorgeschwebt haben mag. Er ging jedoch zumindest punktuell in die Reformbulle Pastor aeternus ein, welche wegen des Todes Pius II. nicht mehr zur Ausfertigung gelangte (Haubst 1954, 237–242; Ref. gen.: h XV / 2, 59– 61). Auch die Reformbullen Sixtus’ IV. und Alexanders VI. scheinen den Entwurf des Cusanus berücksichtigt zu haben (Dendorfer 2012, 138; Senger 22008/ 12007, 322). Nikolaus von Kues selbst übernahm den Text auch nicht in seine prachtvolle Werksammlung, so dass die Verbreitung zunächst bescheiden blieb und nicht die Schwelle der Drucklegung überschritt. Allerdings bezeugen die erhaltenen Abschriften ein durchaus noch einige Zeit vorhandenes Interesse an dem Text. So besaß der Kardinal Francesco Todeschini Piccolomini, der spätere Papst Pius III., eine Kopie (Rom, BAV, Vat. lat. 8090 f. 109r –122v; Ehses 1911, 277 f., der die Abschrift auf die Zeit unmittelbar nach dem Tod Pius’ II. und Nikolaus’ von Kues datiert; Senger, in: Ref. gen.: h XV 2, XXIV). Über den Kurienjuristen Johann Albrecht Widmanstetter (1506 –1557) gelangte eine Abschrift auch nach Deutschland, wo der Text auch im Umfeld des Eichstätter Reformbischofs Martin von Schaumberg (1560 –1590) Beachtung fand (München, BSB, Clm 422 f. 252r –262r und Eichstätt, DA, Cod. B 230 f. 1r –11v; Senger 22008, 320 f.). Ein für Papst Julius III. angefertigtes Exzerpt der Ausführungen zum Kardinalsamt zeigt, dass die Reformatio generalis, wie andere Texte des Cusanus, auch im Umfeld des Konzils von Trient als Autorität benutzt wurde (Rom, ASV, Conc. 78 f. 371r; Ehses 1911, 295; Ref. gen., Excerptum: h XV / 2, n. 36, jeweils mit Druck des Ausschnitts; Meuthen 1980a, 711; Senger 22008, 321). Thomas Woelki
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Trialogus de possest Dreiergespräch über das das Können-Ist Entstehungskontext Trialogus de possest
Bezüglich der Zeit und des Ortes der Unterredung, auf der diese Schrift, Dreiergespräch über das Können-Ist (Trialogus de possest), basiert, wird vermutet, dass sie in der zweiten Februarhälfte des Jahres 1460 in der Bergfestung Buchenstein oder Andraz in den Dolomiten stattgefunden hat (De poss., Praefatio editoris: h XI / 2, IX; Steiger 31991, VIII). Dorthin hatte sich Nikolaus von Kues angesichts der Drohungen des Herzogs Sigmund von Österreich aus Brixen zurückgezogen (Meuthen 71992, 108). Die Gesprächspartner des Kardinals von Kues sind seine vertrauten Freunde Bernhard und Johannes. Bernhard ist Bernhard von Krayburg, der Kanzler der erzbischöflichen Kurie in Salzburg. Johannes ist Giovanni Andrea de Bussi, Abt von St. Giustina in Rom, der Sekretär des Kardinals (De poss., Praefatio editoris: h XI / 2, IX; Steiger 31991, VIII), der noch einmal als Gesprächspartner in De non aliud auftritt (De non aliud 1: h XIII, 52–58). Er gehört auch zu jenen, die in den letzten Stunden des Kardinals in Todi dabei waren (Meuthen 71992, 135). Zum gedanklichen Kontext der Entstehung dieser Schrift sind folgende zwei Punkte zu nennen: Erstens wird in der im Jahr zuvor verfassten kleinen Schrift Tu quis es – De principio der Gedanke der „potentia“ als „omnipotentia“ eingeführt, wo das Machen-Können mit dem Werden-Können zusammenfällt (De princ.: h X / 2b, n. 33). Zweitens fi ng Nikolaus 1450 an, die geistigen Fähigkeiten des Menschen hochzuschätzen, wie die Idiota-Schriften zeigen. Diese Hochschätzung war immer dominanter geworden, so dass Cusanus in der Weihnachtspredigt des Jahres 1454 formuliert, dass die intellektuelle Natur (der Mensch) in unendlicher Möglichkeit steht („est in potentia infi nita“), indem er die Künste, wie etwa die Schmiede- oder die Malkunst, erwähnt, die der menschliche Intellekt aus sich entwickelt (Sermo CLXVIII: h XVIII, n. 8). Sein Interesse für die sich entwickelnden Künste zeigt sich auch in der Tatsache, dass er in seiner im Jahr 1458 verfassten Schrift De beryllo die damals recht seltene Brille als ein bildliches Mittel zum tieferen Verständnis der „coinciden-
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tia oppositorum“ vorstellte, um den Leser an die Gotteserkenntnis heranzuführen (De beryl.: h 2XI / 1, n. 3). Dieses Interesse für die Künste bei der Gotteserkenntnis fi ndet sich auch in De possest, z. B. im Kreiselspiel der Knaben (De poss.: h XI / 2, n. 18) und in der allgemeinen Erwähnung der Kunst in Parallele zur göttlichen Kunst (ebd., h XI / 2, n. 34). Je höher die geistigen Fähigkeiten des Menschen geschätzt werden, desto stärker muss die lebendige Macht des Schöpfergottes betont werden. Im Sinne dieses Gedankens, der bis zum Lebensende des Cusanus weiterentwickelt wird (s. u. Wirkungsgeschichte) ist De possest verfasst. Daran wird zugleich deutlich, dass der Kardinal am Prinzip der „docta ignorantia“ mit Blick auf den Menschen festhält.
Werkstruktur und Inhalt De possest beginnt mit den folgenden Worten aus dem Römerbrief des Paulus (1,20): „,Denn sein [Gottes] Unsichtbares wird von der Schöpfung der Welt her erblickt durch das, was geworden und als solches erkannt ist, so auch seine ewige Kraft und Gottheit.‘ Darüber erbitten wir [Johannes und Bernhard] von dir [Cusanus] Aufklärung.“ (Steiger 31991, 3) Obwohl das einleitende Zitat die Immanenz Gottes betont, hat es eine dialektische Konstruktion, so dass das Unsichtbare erblickt werden kann. Wie ist dies möglich? Um die Aufgabe zu erhellen, stellt Nikolaus in n. 3 eine erkenntnistheoretische und ontologische Voraussetzung wie folgt auf: „Wie […] der Sinn nichts von sich aus unterscheidet, sondern die Unterscheidung von einem übergeordneten Vermögen hat, so ist auch das Sinnliche nicht aus sich, sondern von einer höheren Kraft her. Deshalb sagte der Apostel ,von der Schöpfung der Welt her‘, damit wir von der sichtbaren Welt als vom Geschöpf zum Schöpfer uns erheben.“ (Ebd., 5) Anschließend führt er einen neuen Gesichtspunkt des „posse“ ein: „Jedes Geschöpf nämlich, das in Wirklichkeit ist, kann auf jeden Fall sein. Was nämlich nicht sein kann, ist nicht.“ (Ebd., 7) Aufgrund dessen wird in n. 7 der „modus essendi“ Gottes wie folgt festgestellt: „Für uns steht jetzt fest, daß Gott vor der Wirklichkeit, die vom Möglichsein unterschieden wird, und vor der Möglichkeit, die vom Wirklichsein unterschieden wird, der einfache Ursprung der Welt selbst ist. Alles aber, was nach ihm existiert, ist mit der
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Unterscheidung von Möglichsein und Wirklichsein verbunden, so daß allein Gott das ist, was sein kann.“ (ebd., 9) Aus dieser Feststellung leitet er die folgende Erklärung Gottes ab, um den Namen „possest“ (Können-Ist) zu bilden: „Nehmen wir an, irgendein Ausdruck bezeichne in ganz einfacher Wortbedeutung so viel wie diese Verbindung: ,das Können ist‘, nämlich daß das Können selbst sei. Und weil, was ist, wirklich ist, deshalb ist ,Könnensein‘ so viel wie ,Können wirklich sein‘. Es mag das Können-Ist genannt werden. Schlechterdings alles ist in ihm eingefaltet, und es ist ein hinreichend angenäherter Name Gottes nach menschlichem Begreifen inbezug auf ihn.“ (Ebd., 17)
Mit dieser Erklärung von „possest“ (Können-Ist) wird offenbar die Dynamik Gottes betont. In Verbindung mit dieser Auffassung wird eine interessante Beschreibung vom Können-Ist in n. 16 gegeben: „In ihm [Können-Ist] also sind und bewegen sich alle Dinge und sind das was sie sind, was immer sie sind.“ (Ebd., 21) In n. 18 äußert Bernhard den Wunsch, hinsichtlich der Frage, wie das Ewige alles zugleich und im Jetzt der Ewigkeit das Ganze ist, durch ein sinnenfälliges Vorstellungsbild angeleitet zu werden. Diesem Wunsch nachkommend, nimmt Nikolaus das Kreiselspiel der Kinder als Beispiel. Man beschreibt einen Kreis b c, der sich gleichsam als oberer Kreis des Kreisels über dem (Mittel-)Punkt a dreht, und einen anderen Kreis, der den Kreis b c ringsum umgibt und fest steht. Wenn der innere Kreis b c sich mit unendlicher Geschwindigkeit dreht, wird das Folgende anschaulich: Bei unendlicher Geschwindigkeit wären die Punkte b und c zum gleichen Zeitpunkt in Punkt d e des festen Kreises, ohne dass der eine Punkt, nämlich b, zeitlich früher da wäre als c. Mit Hilfe dieses Bildes versucht der Kardinal die Gesprächspartner durch das Rätselbild des Kreisels erkennen zu lassen, dass die größte Bewegung mit der kleinsten Bewegung, nämlich mit der Ruhe, zusammenfällt (De poss.: h XI / 2, n. 19) und dass „es kein Widerspruch ist, daß die Ewigkeit als ganze zugleich in jedem beliebigen Zeitpunkt und Gott, der Ursprung und das Ziel, als Ganzer zugleich in allen Dingen ist und dergleichen mehr.“ (Steiger 31991, 25) Darüber hinaus vergleicht Nikolaus den Knaben, der mit seinem von seinem Verstand ersonnenen Kunstgriff einen toten oder bewegungslosen Kreisel lebendig machen kann, mit dem Schöpfer, der dem Nichtlebenden den Geist des Lebens geben will (De poss.: h XI / 2, n. 23). Und er weist darauf hin, dass „auch
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in der Kunst der Kinder die Natur widerscheint und in ihr Gott, und daß die Weisen der Welt, die solches erwogen, zu ziemlich wahren Vermutungen über die Dinge, die man wissen kann, gelangt sind.“ (Steiger 31991, 29) In n. 27 zeigt Bernhard auf, dass das „aus ,Können‘ und ,Sein‘ verbundene zusammengesetzte Wort ,Können-Ist‘ ein einfaches Bezeichnetes hat, das nach einem menschlichen Begreifen den Untersuchenden in Rätselweise zu irgendeiner positiven Aussage über Gott führt.“ (Ebd., 33) Anschließend wird festgestellt, dass im Können-Ist Machen-Können („posse facere“) und Werden-Können („posse fieri“) mit dem Können-Ist zusammenfallen. Deshalb bedarf das absolute Können nicht der ungeschaffenen Materie. Von n. 31 bis n. 39 wird die Rolle Christi zur „visio facialis“ im Rahmen des „posse“-Denkens erörtert und schließlich wie folgt zusammengefasst: „Wenn also der Christ, der Christus von Angesicht zu sehen sucht, alles verläßt, was zu dieser Welt gehört, auf daß er, nachdem entfernt ist, was nicht zuläßt, Christus, der nicht von dieser Welt ist, so wie er ist, zu schauen – in dieser Entrückung schaut der Gläubige in sich ohne Rätselbild Christus, weil er sich als von der Welt Losgelösten, der christusförmig ist, sieht.“ (Ebd., 47) Von n. 40 bis n. 50 wird die Trinität wie folgt erörtert: Da man den „unendlichen und unbegrenzbaren und unbegreifbaren Begriff Gottes seiner Unendlichkeit wegen notwendigerweise auch unaussprechlich“ nennt, kann man Gott „auch weder den Einen noch den Dreifachen noch mit irgendeinem anderen Namen“ nennen (Ebd., 49). Doch wenn man von den Werken Gottes irgendeine Kenntnis hat, so gewinnt man sie aus dem Rätselbild und Spiegel der mathematischen Erkenntnis (De poss.: h XI / 2, n. 43). Wenn man beispielsweise die Lehre, dass Gott einer sei und drei, im Rätselbild sehen will, kann man zum Ursprung der Mathematik zurückgehen. Denn der Ursprung der Mathematik ist so dreieinig, dass der Ursprung der Zahlen die Eins ist, und der Ursprung der ersten Figur, des Dreiecks, ist dreifach, und es gibt nicht zwei Ursprünge der Mathematik, sondern nur einen, der auch dreifach ist (ebd., h XI / 2, n. 44). Von n. 47 bis n. 50 versucht Nikolaus, aufgrund der „analogia Trinitatis“ (Haubst 1991, 291 f.) die Trinität und die Unterschiedenheit der göttlichen Personen rätselhaft zu verstehen. Von n. 51 bis n. 57 versuchen die beiden Gesprächspartner, mit eigenen Überlegungen die bisherigen Erklärungen des Cusanus zu erweitern oder anzuwenden. Der Kardinal erklärt am Anfang von n. 58, dass „der Rätselbilder kein Ende [ist], da keines so nahe zutrifft, daß es nicht immer ein noch näheres
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geben könnte. Allein Gottes Sohn ist die ebenbildliche Figur des Wesens des Vaters, weil er ist, was immer sein kann. Die Form Gottes des Vaters kann nicht wahrer oder vollkommener sein, da sie das Können-Ist ist.“ (Steiger 31991, 73) Von n. 59 bis n. 61 wird ergänzend die Nützlichkeit der mathematischen Rätselbilder zum rätselhaften Gottesverständnis betont, indem der Kardinal mathematische Beispiele wie die unendliche Linie oder einen auf dem Fußboden gezeichneten Kreis anführt. Von n. 62 bis n. 72 wird nach dem Wunsch von Johannes erörtert, weshalb Gott als die allmächtige Form besser auf dem Weg der Verneinung erreicht werden kann. Strukturell gesehen ist Cusanus’ Erklärung sehr einfach: Da „erschaffen“ vom Nichtsein ins Sein führen heißt (De poss.: h XI / 2, n. 5) und alles mit Hilfe des ewigen Seins aus Nichtsein oder Nichtseiendem hervorgeführt wird (ebd., h XI / 2, n. 68), bzw. da der ewige Gott alles aus dem Nichtsein hervorbringt (ebd., h XI / 2, n. 69), muss der ewige Gott vor dem Nichtsein sein (ebd., h XI / 2, n. 66). Um dann Gott zu erreichen, muss man versuchen, Gott durchaus vor und über dem Nichtsein zu sehen, indem man alles, was dem Nichtsein folgt (den Himmel, die Erde, das Meer usw. in der Welt), verneint (ebd., h XI / 2, n. 67, n. 39) oder Namen, Defi nition, Figur und alles, was man durch Sinn, Vorstellung und Einsicht von der Quantität wahrnimmt, fahren lässt (ebd., h XI / 2, n. 70). In Paragraph 74 bis 75 wird die Schlussbemerkung vorgestellt: „Wenn er [der Schöpfer] nicht mit seinem Licht die Finsternis vertreibt und sich offenbart, bleibt er allen, die ihn auf dem Weg des Verstandes und der Vernunft suchen, gänzlich unbekannt. Aber er lässt nicht im Stich diejenigen, die ihn mit starkem Glauben, gewissester Hoffnung und allerglühendstem Verlangen suchen, das heißt auf dem Weg, den uns der einzige Lehrer, Christus, der Sohn Gottes, gelehrt hat, der lebendige Weg, der alleinige Offenbarer seines Vaters, unseres allmächtigen Schöpfers.“ (Steiger 31991, 93)
Analyse und Deutung / Forschungsstand Das „posse“-Denken, das Nikolaus von Kues aus dem Kompositum und Neologismus „possest“ entwickelt, basiert auf folgenden charakteristisch-cusanischen Denkmethoden: Er benutzt hier die Begriffe „posse“, „potentia“ und „possibilitas“, die sich in der scholastischen Tradition voneinander unterschei-
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den, als Äquivalente (Hopkins 1978, 18). Darüber hinaus bezeichnet Nikolaus hier Gott als die absolute Möglichkeit (De poss.: h XI / 2, n. 6) im Gegensatz zu den Aussagen seiner früheren Schrift De docta ignorantia (II, 7: h I, 84, 87). Das zeigt, dass er Gott vor allem als ein dynamisch in die Welt wirkendes Wesen von „omni potens“ zu begreifen versucht, wenn er seinen Unterredungspartner Bernhard einmal sagen lässt, dass „Gottes Schöpferkraft in seinem Schöpfungswerk nicht verausgabt ist“ (Steiger 31991, 11), oder Johannes sagen lässt: „in ihm [Können-Ist] also sind und bewegen sich alle Dinge und sind das was sie sind, was immer sie sind“ (ebd., 21), und das folgende Zitat aus der Genesis (17,1) anführt: „,Ich bin der allmächtige Gott.‘“ (Ebd., 17) Diese Auffassung kann durch das Rätselbild eines sich mit unendlicher Geschwindigkeit drehenden Kreisels als Bild für Gott bestätigt werden, das anscheinend die oben angeführte Aussage des Johannes veranlasst hat. In diesem Zusammenhang lässt sich sagen, dass dieses cusanische Bild Gottes, nämlich der „sich bewegende Beweger“, zum aristotelischen Gottesbild, dem „unbewegten Beweger“ (vgl. dazu Aristoteles’ Metaphysik, IV, 8, 1012 b 31), einen deutlichen Kontrast bildet, was der oben gezeigten Tatsache entspricht, dass Nikolaus die Begriffe „posse“, „potentia“ und „possibilitas“ im Gegensatz zu der scholastischen Tradition als Äquivalent benutzt. Die eigentliche Intention dieses Gottesbildes ist es selbstverständlich, dass Cusanus seine Leser von der Immanenz Gottes überzeugen will. Es scheint merkwürdig, dass Nikolaus in der Schrift, in der mystische Elemente mehrmals vorkommen (De poss.: h XI / 2, n. 31, n. 33, n. 75), die Mathematik hochschätzt, wenn er Bernhard sagen lässt, „[wir] besitzen nichts Sicheres in unserem Wissen als unsere Mathematik, und diese ist ein Rätselbild, die Werke Gottes zu erjagen. Daher haben bedeutende Männer, wenn sie irgendetwas Großes ausgesprochen haben, es in mathematischem Gleichnis begründet.“ (Steiger 31991, 53) Zwar wurde die Mathematik seit Anfang der 1450er Jahre von Cusanus derart „säkularisiert“ (Yamaki 2005, besonders 297–304), dass sie ihren konventionell divinalen Charakter, der in der früheren Schrift De docta ignorantia dominant gewesen war, verlor. Sie hat aber bei der cusanischen Gottsuche immer noch eine große Bedeutung. Der Grund dafür liegt darin, dass mathematische Dinge vom menschlichem Verstand in der dem Verstand entsprechenden Genauigkeit gewusst werden können, weil die Mathematik aus dem menschlichem Verstand hervorgeht (De poss.: h XI / 2, n. 43). Zudem ist zwar im Bereich der Mathematik die eindeutige Genauigkeit domi-
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nant, trotzdem aber ist sie zugleich der Ort derjenigen Dinge, deren Genauigkeit man mit dem Verstand nicht erreichen kann, wenn auch nicht bestritten werden kann, dass sie wirklich besteht. Dazu gehören z. B. das Verhältnis von Durchmesser und Seite eines Quadrats oder die Kreiszahl, mit deren Entschlüsselung sich Nikolaus bekanntermaßen lang beschäftigte. Dieser mathematische Sachverhalt bei Cusanus zeigt deutlich, dass einerseits die Mathematik wegen ihrer Genauigkeit in Hinblick auf das Gottesverständnis sehr nützlich ist, und dass andererseits die durch die Mathematik aufgezeigte Ohnmacht des menschlichen Geistes lehrt, dass es beim Gottesverständnis auf das Wissen als belehrtes Unwissen ankommt.
Wirkungsgeschichte der Schrift Das von Cusanus in der Schrift Tu quis es – De principio entwickelte „Posse“Denken bleibt bis zu seiner letzten Schrift De apice theoriae erhalten. Die Schriften „unter dem Leitbegriff posse [bilden] in ihrer Gesamtheit den abschließenden Höhepunkt des cusanischen Denkens.“ (Brüntrup 1973, 12) Dabei wird das „Posse“-Denken von ihm so vertieft oder modifi ziert, dass schließlich der Name „posse ipsum“ für am zutreffendsten gehalten wird (De ap. theor.: h XII, n. 5). Der Begriff „Können-Ist“ erscheint nicht nur in der Schrift De venatione sapientiae (h XII, n. 34 ff.), sondern auch in De apice theoriae (h XII, n. 4). Mojsisch hat richtig aufgewiesen, dass bei Cusanus, anstelle der thomistischen transzendenten Begriffe „ens“, „unum“, „verum“, „bonum“ usw., die Begriffe „maximum“ und „minimum“ als transzendente Begriffe behandelt werden (1998a, 474). Es lässt sich sagen, dass in der cusanischen Denkmethode dieser Wechsel der transzendenten Begriffe nicht nur in der Schrift De docta ignorantia stattfindet, sondern auch in späteren Schriften häufig zu finden ist. Dazu gehört z. B. das „idem“ statt des „unum“ in der Schrift De genesi. Später aber versucht Cusanus bei ähnlichen Fällen eigene Substantive anzuwenden oder Neologismen wie das „possest“ zu erdenken und sie nicht „Namen“, sondern „Rätselbilder“ zu nennen. Diese cusanische Haltung führt bis zum Begriff des „non aliud“ (nichts anderes) in der Schrift De non aliud (1461– 62). Die Anwendung eines Vorstellungsbildes wie des Kreiselspiels findet sich als Tafel des Globus-
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spiels in der Schrift De ludo globi (1463). Interessanterweise stößt man auch in einem Werk von Johannes Kepler auf das Kreiselsymbol (Rombach 1965, 172 verweist auf Keplers Opera III, 176). Kazuhiko Yamaki
Cribratio Alkorani Sichtung des Korans Entstehungskontext Cribratio Alkorani
Die Cribratio Alkorani machte sich zusammen mit De pace fidei als eine derjenigen Schriften einen Namen, in denen sich Nikolaus von Kues intensiv mit dem Islam bzw. dem Problem des interreligiösen Dialogs auseinandersetzte. Sie ist vermutlich im Winter 1460 / 61 entstanden, gehört also zum Spätwerk des Cusanus. In vielerlei Hinsicht ist die Schrift als die Fortsetzung des Austauschs mit Johannes von Segovia, der 1458 gestorben war, und als Antwort auf die von ihm thematisierte Frage nach Möglichkeiten friedlicher Auseinandersetzung mit dem Islam zu sehen (Bakos 2011, 80 –86). Cusanus hatte sich seit dem Fall von Konstantinopel am 29. Mai 1453, der zugleich das Ende des byzantinischen Reiches bedeutete, immer wieder mit der Herausforderung des Islams, vor allen Dingen auch auf theologischer Ebene, auseinandergesetzt. Damit standen beide Schriften, Cribratio Alkorani und De pace fidei, in einer langen Tradition theologischer Konfrontationen mit dem Islam: „Indeed, from the end of the 11th century onwards, Islam appeared both as a military and intellectual challenge to Western Christendom. Such towering figures as Anselm of Canterbury (1033 –1109), Peter Abaelard (1079–1142), Peter the Venerable (1092 / 94 –1156), Alan of Lille (1114 –1202) all hesitated to define the strange phenomenon of Islam.“ (ebd., 37) Für Cusanus, wie für die meisten seiner Vorgänger und auch Denker seiner Zeit, galt dabei der Islam nicht als eigenständige Religion, sondern als christliche Häresie mit nestorianischem Hintergrund. Obwohl im 15. Jahrhundert die Auseinandersetzungen mit dem Islam von
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antiislamischer Literatur polemischer Natur dominiert wurden, hatten auch Cusanus und Johannes von Segovia, beide zu den wenigen gehörend, die nach dem Fall von Konstantinopel für Dialog plädierten, ihre Vorläufer: So argumentierte Hugh Goddard zufolge schon Franz von Assisi, dass es besser sei, Christen zu schaffen als Muslime zu töten (Goddard 2000, 114; Hagemann 1999, 39– 41). Der Prolog der Cribratio erinnert den Leser noch einmal an den existentiellen Kontext der Schrift: In ihm schildert der Kardinal die Erfahrungen der diplomatischen Reise nach Konstantinopel im Jahr 1437, auf der er die Minoritenbrüder in der Kirche des Heiligen Kreuzes besuchte, bei denen er einen arabischen Koran vorfand. Im Konvent des heiligen Dominikus in Pera sah er eine weitere lateinische Koranübersetzung. Darüber hinaus berichtet er davon, wie er an geheimen Vorbereitungen beteiligt war, einige Muslime heimlich nach Rom reisen zu lassen, da sie zum Christentum konvertieren wollten (Crib. Alk. I, prologus: h VIII). Mit der Intention geschrieben, seinem Freund Papst Pius II. für einen Austausch mit dem Eroberer von Konstantinopel, Mehmed II., eine Informationsschrift zum Islam in die Hand zu geben, ist die Cribratio maßgeblich von der Intention des Cusanus bestimmt, „auch aus dem Koran die Wahrheit des Evangeliums zu erweisen“ (Hagemann / Glei Bd. 1, 1989, 7), um einen Ansatzpunkt für weitere Gespräche zu finden. In diesem Verwendungszweck wurzelt auch die Grundfunktion als apologetische Schrift: Wie Cusanus, als er auf seine Quellen Bezug nimmt, selbst angibt, studierte er einen Großteil der ihm zugänglichen Islamliteratur (u. a. Teile des Corpus Toletanum des Petrus Venerabilis, Ricoldo de Monte Crucis’ Contra legem Saracenorum; Dionysius Carthusianus’ Contra perfidiam Machometi oder Thomas’ von Aquin De rationibus fidei ad Cantorem Antiochenum) und arbeitete mit der einzig ihm verfügbaren Koranübersetzung des Robert von Ketton aus dem Jahr 1143, die von Petrus Venerabilis in Auftrag gegeben worden war. Cusanus selbst besaß ein Exemplar (Cod. Cus. 108). James E. Biechler hat anhand der Marginalien nachgewiesen, dass der Cusaner den Koran mindestens drei Mal gründlich durchgearbeitet hat: während des Basler Konzils und zu den Zeiten, als er De pace fidei und die Cribratio Alkorani verfasste (Biechler 1983, 91–100). Darüber hinaus besaß Cusanus aber wahrscheinlich auch einen arabischen Koran (Euler zitiert hier einen Diskussionsbeitrag von Hermann Hallauer in: Euler /Kerger 2010, 20).
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Werkstruktur und Inhalt Die Schriften des Nikolaus von Kues, besonders sein Spätwerk, zeichnen sich generell durch ein hohes Maß an Abstraktion aus. Insofern nimmt die Cribratio in gewisser Weise eine Sonderstellung im cusanischen Gesamtcorpus ein, da sie zu den wenigen Schriften gehört, die keine weitere Erläuterung des Prinzips der „docta ignorantia“ darstellen, sondern sich vielmehr der Auseinandersetzung mit einer konkreten Religion widmet. Sie vermittelt also zwischen dem abstrakten spekulativen Denken des Cusanus und seinem realpolitischen Engagement und bindet so ethische Normen usw. mit ein. Kritiker meinten, anhand der Cribratio eine Diskontinuität im Denken und den Schriften des Cusanus nachweisen zu können, da er mit ihr seine Grundsätze der „coincidentia oppositorum“ und der „docta ignorantia“ zu verlassen scheint. Allerdings wäre dieser „Sprung“ insofern erstaunlich, als seine darauf folgenden Werke wieder die „alte Denkweise“ aufweisen. Auch stimmt das zweite Buch der Cribratio im Wesentlichen mit den entsprechenden Passagen seiner Schrift De pace fidei überein (Kuhn-Emmerich 1968, 139 f.). Cusanus selbst weist verschiedentlich darauf hin, dass auch im Koran eine Möglichkeit der Begegnung mit dem Heiligen erblickt werden könne. So gibt er schon mit dem Titel und dem Vorwort einen ersten wichtigen Hinweis auf die Intention seiner Schrift: Cribratio von „cribrare“ – sichten, sieben: „Unsere Absicht aber ist es, unter Zugrundelegung des Evangeliums Christi das Buch Mohammeds zu ,sieben‘ und zu zeigen, dass auch in diesem Buch das enthalten ist, wodurch das Evangelium, wenn es der Bestätigung bedürfte, nachdrücklich bekräftigt würde.“ (Hagemann / Glei Bd. 1, 1989, 13) Der Kardinal kommt so zu einem doppelten Schluss: Auf der einen Seite sind im Koran die Glaubenswahrheiten des Evangeliums enthalten, auf der anderen Seite aber werden diese Wahrheiten z. B. um des Machterhalts willen manipuliert. Aber nicht nur die Religionen, auch der individuelle Mensch steht im Kontext dieser Wahrheitssuche. Schon zu Beginn beruft sich Nikolaus von Kues auf die platonische Tradition und ordnet damit nicht nur seinen Text in sein Gesamtwerk ein, sondern auch sich – letztlich ganz im Geist des Humanismus – in einen größeren universalen Kontext: die Erfahrung eines dem Menschen durch alle Zeitalter hindurch eigenen Strebens („appetitum“) nach dem Guten und
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damit nach Wissen (Crib. Alk. I, prologus: h VIII, n. 5 f.). Diese echt platonische Idee, dass das Gute die menschliche Seele an sich zieht, wird erweitert um den ebenfalls platonischen Gedanken, dass die Vernunft aber nicht weiß, was das Gute denn nun eigentlich sei; sie weiß nur, dass es ist (ebd.). Aus diesen Überlegungen lassen sich unschwer die Grundgedanken der „docta ignorantia“ herauslesen. Cusanus fährt fort: „Da es aber viele Wege geben kann, die gut erscheinen, bleibt ein Zweifel darüber bestehen, welcher jener wahre und vollkommene Weg ist, der uns mit Sicherheit zur Erkenntnis des Guten führt.“ (Hagemann / Glei Bd. 1, 1989, 9) Als Beschreibungen des Weges, die zu diesem Guten und letztlich zu Gott führen, nennt Cusanus Mose, Christus und Mohammed. Sie alle haben das Gute als Ziel und Grundlage, welches das Eine ist und das bei allen drei Religionen Gott genannt wird. Cusanus ist also überzeugt: Das Licht des Evangeliums scheine auch im Koran. Diese eher philosophische Herangehensweise finden wir, wie Rudolf Haubst herausstellt, auch bei Johannes von Segovia (und selbst Thomas von Aquin). Beide teilten die Auffassung, dass sich der Trinitätsbeweis rein rational und nicht aus den Evangelien oder dem Alten Testament erschließen lassen müsse. Ludwig Hagemann und Reinhold Glei zufolge macht Cusanus in der Cribratio von drei methodischen Vorgehensweisen Gebrauch, um seine Ziele, „nicht nur seine christlichen Zeitgenossen über den Islam [zu] informieren, sondern […] den Muslimen eine theologische Brücke [zu] bauen, um sie für das Christentum zu gewinnen“, möglichst effektiv umzusetzen (ebd. Bd. 3, 1989, VIII): 1. eine wohlwollende Auslegung als Grundlage seiner „pia interpretatio“, 2. eine „manuductio ad trinitatem“ und 3. die Aufweisung der „rationabilitas“, d. h. das Ziel ist, „die Rationabilität des im Glauben Vorgegebenen“ nachzuweisen (ebd., IX–XI). Die Sichtung bzw. Siebung des Korans sollte also dem Moslem, neben den Irrungen seines Glaubens, die in den Augen des Cusanus durch ihre rationale Widersprüchlichkeit recht einfach zu widerlegen waren, als Hinführung zum christlichen Glauben, speziell dem Trinitätsverständnis, dienen. Diese Hinführungen entsprechen (auch in der Verwendung der Koranstellen) an vielen Stellen denen in seiner berühmteren Schrift De pace fidei. „Manuductio“ als Hinführung ist dabei keine cusanische „Erfindung“. Verwendung findet sie Gergely T. Bakos zufolge bei Scotus Eriugena, Albertus Magnus, Bonaventura und Pseudo-Dionysius – alles Denker, mit deren Schriften Cusanus bestens vertraut war. Sie funktioniert als eine transitorische Aktivität, die aufgrund der menschlichen Unvollkommenheit notwendig ist, und
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zeigt gleichsam einen praktischen Weg, der wesentlich auf der Tatsache basiert, dass derjenige, der geführt wird, dem Führenden auch traut (Bakos 2011, 148). Nachdem Cusanus im ersten Vorwort diese Intentionen und die dazu angewandte Methodik ausführlich dargelegt hat, gibt er im zweiten Vorwort einen Überblick über den Aufbau und die Argumentation der drei nachfolgenden Bücher. Im ersten Buch geht es Cusanus hauptsächlich darum nachzuweisen, dass der Koran Menschenwerk sei (Cribr. Alk. I, 1–3) und alles, was an ihm wahr sei, aus dem Evangelium stamme, damit also von diesem abhängig sei. Cusanus geht es in diesem Buch auch wesentlich darum aufzuweisen, dass auch der Koran mit den wesentlichen Aussagen des Evangeliums die Natur Christi betreffend übereinstimme (ebd. I, 8–19). Er stützt sein Argument hier wesentlich auf die Ketton-Übersetzung des Korans. Das erste Buch endet mit einem Übergang zu den manuductiones ad trinitatem, denen ein Großteil der Argumente im zweiten Buch gilt. Das zweite Buch ist hauptsächlich mit der Frage der Trinität beschäftigt, beginnend mit einigen methodologischen theologischen und philosophischen Überlegungen Themen wie affi rmative oder natürliche Theologie betreffend (Cribr. Alk. II, 1– 4), gefolgt von den eigentlichen Hinführungen (ebd., II, 5–10). Nachdem so die Muslime in den Augen des Cusanus die Dreifaltigkeit anerkennen müssen (ebd., II, 11), wendet er sich nun in den Kapiteln 12–17 der Soteriologie und dem Kreuzestod Christi zu. Die letzten Kapitel sind den verschiedenen Paradiesvorstellungen gewidmet, deuten aber an, dass auch hier eigentlich Übereinstimmung bestehe, da man sich letztlich auch im islamischen Glauben vom Paradies kein Bild machen könne. Das zweite Buch endet mit einigen polemischen Angriffen gegen den Koran. Das dritte Buch beinhaltet wesentlich eine Kritik des Korans, die teilweise recht polemisch entfaltet wird. Im ersten Teil (Cribr. Alk. III, 1–10) identifi ziert Nikolaus von Kues die in seinen Augen widersprüchlichen Aussagen im koranischen Monotheismus, der zweite Teil (ebd., III, 11–16) ist der Widerlegung des islamischen Selbstverständnisses gewidmet, das wahre Gesetz Abrahams zu sein, während die Muslime eigentlich sogar das Gesetz Abrahams gar nicht kannten, sondern es vielmehr verfolgten (ebd., III, 16). Nur einer, der die Trinität anerkenne, könne hingegen ein wahrer Sohn Abrahams sein (ebd., III, 15). Der Schluss ruft dem Leser noch einmal den Ausgangspunkt und die Intention des Cusanus in Erinnerung, nämlich nicht nur Pius II. eine Informationsschrift
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in die Hand zu geben (I), sondern auch, Muslime über die „manuductio“ zum christlichen Glauben hinzuführen. Dementsprechend endet auch das dritte Buch mit der an Mehmed II. adressierten Hoffnung, durch die verwendeten Gleichnisse Christus besser erfassbar gemacht und durch die größere „rationabilitas“ die Überlegenheit des Christentums überzeugend dargelegt zu haben (ebd., III, 21).
Analyse und Deutung / Forschungsstand Natürlich stehen wir mit der Cribratio noch nicht vor einer wirklichen Anerkennung des religiösen Anderen. Vermutlich ist der Schrift auch deshalb besonders im Rahmen des interreligiösen Dialogs weniger Beachtung geschenkt worden als z. B. De pace fidei. Auch das Interesse der jüngeren Forschung an der Cribratio war daher bis vor kurzem bis auf wenige Ausnahmen eher gering, meist fand sie im Kontext der Auseinandersetzung des Nikolaus von Kues mit dem Islam Erwähnung (z. B. Anawati 1970). Die wenigen (wenn auch sehr guten) historisch-kritischen Untersuchungen (Hagemann 1976; Burgevin 1969; Schall 1971), die sie erwähnen oder sich mit ihr auseinandersetzen, bescheinigten ihr fast ausnahmslos über ihre historische Bedeutung hinaus keine Relevanz. So konstatiert denn auch Ludwig Hagemann für die Tragweite der Cribratio: „Der Wert der cusanischen Schrift zeigt sich nicht in erster Linie in ihrer heutigen Brauchbarkeit, sondern in ihrer geschichtlichen Bedeutung.“ (1976, 183) Zu eingebunden sei sie in die Polemik ihrer damaligen Zeit, zu abhängig von der Ketton-Übersetzung, die diverse Verständnis- und Übersetzungsfehler aufweist. Brigitte Kuhn-Emmerich (1968) hingegen zieht in ihrem Werk in den Passagen, die die Cribratio betreffen, eine eher positive Bilanz. In den letzten Jahren scheint sich in dieser Hinsicht eine Wende anzudeuten, u. a. mit der jüngsten Monographie Gergely T. Bakos. In dieser bemerkt der Verfasser, dass die eigentliche Stärke der Schrift nur vor dem Hintergrund mittelalterlicher Rationalitätslehren verstanden werden kann und auch die Moderne, das Problem Toleranz und interreligiösen Diskurs betreffend, keine besseren theoretischen Lösungen zu bieten habe (2011, 308). Auch Walter A. Euler und Tom Kerger, der schon 2010 in seiner Dissertation auf Cusanus’ Auseinandersetzung mit dem Islam im umfassenderen geschichtlichen Kontext
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Bezug nahm, haben jüngst eine Studie zu Cusanus und dem Islam herausgegeben, in der Kerger eine präzise Zusammenfassung und ausführliche Konkordanz der Cribratio vorlegt, ebenso wie Hervé Pasqua in dem von ihm herausgegebenen Sammelband von 2013.
Wirkungsgeschichte der Schrift Reinhold Glei und Ludwig Hagemann bieten im Vorwort des ersten Teils der Meiner-Übersetzung der Cribratio einen präzisen Überblick über die verschiedenen Codices, in denen die Schrift überliefert ist, und listen die frühen Drucke auf: den Druck von 1488 zusammen mit den anderen Schriften und vier weitere bis 1565 (Hagemann / Glei Bd. 1, 1989, XVf.). Der Einfluss der Schrift ist gering: Luther erwähnt sie, empfand sie aber als ungenügend. Auch Schlegel erwarb eine Ausgabe, in der sich die Cribratio befand (Klibansky 1984, 121). Aber im Großen und Ganzen war De pace fidei sowohl wirkungsgeschichtlich als auch für die interreligiösen Auseinandersetzungen der Geschichte und der Moderne maßgeblicher als die Cribratio, die sich deutlich stärker als erstere auf die Evangelien in ihrer geschriebenen Form als letztes Wahrheitskriterium beruft. Manche der heute gewaltsam anmutenden Versuche des Cusanus, die evangelischen Glaubenswahrheiten aus den Aussagen des Korans herauszulesen, werden erst vor diesem Hintergrund verständlich. Sie haben eine zusätzliche Wurzel in den Übersetzungsfehlern der Koranübersetzung Kettons, die u. a. daraus entstanden, dass es Ketton nicht um eine wortwörtliche Übersetzung als vielmehr darum ging, den Inhalt des Korans zu erfassen und z. T. paraphrasiert wiederzugeben. Mit anderen Worten: Die hermeneutische Vorgehensweise Kettons war nicht um Textgenauigkeit bemüht, sondern darum, dem westlichen Leser den Zugang zu den Inhalten der fremden Religion möglichst zu erleichtern. Susan Gottlöber
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De non aliud Das Nichtandere Entstehungskontext De non aliud
Nicolaus Cusanus’ Schrift De non aliud entstand in den letzten Lebensjahren des Kardinals im Frühjahr 1462. Cusanus entwirft darin seinen wohl markantesten Gottesbegriff: „non aliud“. Die Schrift ist als Vierergespräch konzipiert, an dem neben Cusanus selbst sein Arzt, Fernando Martíns de Roriz, sein Sekretär, Abt Giovanni Andrea dei Bussi, und ein gewisser Petrus Balbus Pisanus teilnehmen. Letzterer ist besonders zu würdigen, da er auf Cusanus’ Wunsch hin die Theologia Platonis des spätantiken Neuplatonikers Proklos übersetzte. Während Fernando als Vertreter des Aristotelismus dargestellt wird, bezeichnet Cusanus Giovanni und Petrus als Kenner des Neuplatonismus; und der Neuplatonismus ist fraglos der geistige Nährboden des Tetralogs (Beierwaltes 1980). Denn Cusanus selbst nennt Proklos und Pseudo-Dionysius Areopagita als Quellen (De non aliud 1, 14 –17, 20 –22: h XIII, 3, 29– 43, 47–53). Überhaupt scheint die Schrift ihre Entstehung Cusanus’ Lektüre der Theologia Platonis zu verdanken, deren Übersetzung Petrus spätestens im Frühjahr 1462 abgeschlossen haben dürfte. Cusanus’ Marginalien zur Theologia Platonis zeigen, dass diese proklische Schrift unmittelbar in den Entstehungskontext des Nicht-Anderen gehört (CT III / 2). Seit Kurzem verdichten sich die Hinweise darauf, dass De non aliud seine Entstehung aber auch den metaphysischen Spekulationen des irischen Philosophen Johannes Scottus Eriugena und insbesondere dessen Konzept der „creatio ex nihilo“ verdankt. Cusanus kannte dieses Konzept vor allem durch seine Rezeption der im 12. Jahrhundert von Honorius Augustodunensis verfassten Clavis Physicae, einer Paraphrase von Eriugenas Hauptwerk Periphyseon (Rohstock 2014).
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Werkstruktur und Inhalt Ausgangspunkt und zentrales Thema der kurzen, aber sehr dicht geschriebenen Schrift ist die Frage nach dem transzendenten Prinzip aller Dinge. Damit behandelt der Tetralog vornehmlich prinzipientheoretische Fragen. Konkret wird nach der allumfassenden Defi nition gesucht, die sich selbst und alles Andere defi niert. Geantwortet wird mit dem Verweis auf den höchst ungewöhnlichen Begriff „non aliud“ (De non aliud 1: h XIII, 4 –5). Der Analyse dieses Begriffs und seiner Implikationen ist das Vierergespräch gewidmet. Diesem schließen sich 20 Thesen an, in denen Cusanus die Argumentation für das Konzept des Nicht-Anderen pointiert zusammenfasst. Mit dem Begriff des Nicht-Anderen entwirft Cusanus letztlich ein hoch komplexes metaphysisches Konzept, das aus der langen Tradition henologischer Spekulationen herausragt: den negativen Selbstbezug des Absoluten (vgl. dazu Rohstock 2014).
Analyse und Deutung / Forschungsstand Das Nicht-Andere ist schon auf den ersten Blick ein negativer Begriff. Um aber den spezifischen Sinn dieser Negation zu verstehen, müssen Cusanus’ Negationsbegriffe kurz expliziert werden: Für Cusanus ist jedes Einzelseiende wesentlich ein „aliud“ (De non aliud 1: h XIII, 5). „Aliud“ ist Ausdruck einer seinsimmanenten andersheitlichen Negation: Jedes Andere ist die anderen Anderen nicht und deswegen es selbst. „Aliud“ drückt die spezifische Differenz einer Entität und damit ihre Selbstidentität aus. Damit ist jedes Seiende der Zusammenfall von Selbstidentität und spezifischer Differenz. Demgegenüber ist das Nicht-Andere die Negation jedes Anderen. Es ist also ein doppelt negativer Begriff. Diese Negation ist aber keine privative. Wäre diese Negation privativ, würde das Nicht-Andere gerade nicht die Definition sein, die sich und alles andere definiert. Nun scheint Cusanus diesen Defi nitionsakt auf den ersten Blick so zu deuten, dass sich das Nicht-Andere durch Negation von allem Seienden abgrenzt und dadurch alles aus sich heraus setzt. Allerdings birgt die Annahme, dass sich das Absolute vom Anderen negativ abgrenzt, die Gefahr einer andersheitlichen Differenzierung. In diesem Fall aber wäre das Absolute nur ein weiteres Anderes neben allen anderen Anderen.
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Das Absolute würde sich also durch Differenz von allen unterscheiden. Das Nicht-Andere ist aber kein Anderes. Dieser Negationstypus ist also weder eine privative noch eine andersheitliche, sondern eine transzendierende Negation. Diese Negation ist so keine andersheitliche Negation, sondern eine nicht-andersheitliche Negation. Das Nicht-Andere transzendiert alle Anderen und andersheitlichen Bezüge. So ist es jenseits von Identität und Differenz, denn es ist zwar nicht von seinen Kreaturen verschieden, aber doch nicht mit ihnen identisch. Es übersteigt Identität und Differenz und die Koinzidenz von Identität und Differenz. Das Absolute bezieht daher seine „Differenz“ zu allem Anderen nicht aus einer andersheitlichen Negation, sondern gerade aus seiner absoluten In-Differenz. Das NichtAndere ist daher Ausdruck überwesentlicher Negativität. Für Cusanus besitzt dieser Ausdruck eindeutig Priorität gegenüber allen anderen positiven Begriffen, auch gegenüber dem Gottesbegriff „idem“. Cusanus hält entschieden an der negativen Bestimmung des Absoluten fest. Daher löst sich das Nicht-Andere nicht in einer vermeintlich höheren reinen Affi rmation auf. Denn so würde es als Gottesbegriff korrumpiert werden (ebd., 4: h XIII, 9). Das Absolute ist nun gerade als doppelte Negation negativ selbstbezüglich: Es negiert alle Anderen und ist so als Negation auf sich selbst bezogen. Diese Negation ist aber keine andersheitliche Negation. Der Bezug des Nicht-Anderen wird demnach als nicht-andersheitliche oder in-differente Bezugsform und damit als negativer Selbstbezug konzipiert. Insbesondere verharrt das NichtAndere durch den Ausschluss andersheitlicher und äußerer Bezugsformen rein in sich selbst. Damit aber wird kein Zustand beschrieben. Es geht Cusanus um den Vollzugs- oder Bezugsmodus des Absoluten. Das Absolute ist das NichtAndere, ist also der nicht-andersheitliche Bezug. Das Absolute vermag daher nur als negativer Selbstbezug absoluter Selbstbezug zu sein. Damit ist schon im „einfachen“ Begriff „non aliud“ der negative Selbstbezug des Absoluten grundgelegt. Konkretisiert hat Cusanus den Selbstbezug des Absoluten in der Formel „non aliud est non aliud quam non aliud“ (ebd., 5: h XIII, 12). Diese schärft den Blick auf die intrinsische Tätigkeit des Absoluten und erweitert das Konzept des negativen Selbstbezugs um eine Neuformulierung der Trinität. Die reine Negativität wird von Cusanus als Selbstdefi nition beschrieben, die in sich selbst beginnt, sich durch sich selbst und in sich selbst bewegt und sich auf sich selbst bezieht. Damit ist das Nicht-Andere Ausgangspunkt, Mitte und Ziel
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seiner Selbstdefi nition. Das Nicht-Andere definiert sich dabei selbst als reine Negativität. Daher ist der Selbstbezug des Absoluten – anders als Werner Beierwaltes konstatiert – keine „ontologische“ Selbstbestimmung (2010, 90). Denn Cusanus hat den Selbstbezug ent-ontologisiert. Nun entwirft Cusanus den negativen Selbstbezug insbesondere, um das Absolute als transzendentes Prinzip aller Dinge denken zu können. Weil das Nicht-Andere auch Definition aller Anderen ist, ist der negative Selbstbezug des Absoluten zugleich dessen kreativer Vollzug. Für Cusanus ist es die nicht-andersheitliche Negation, die den gründenden Bezug des Absoluten „nach außen“ ermöglicht. Dabei tritt das Absolute nicht aus sich heraus, sondern ist als es selbst auf alles bezogen. Entscheidend ist, dass das Absolute so weder mit seinen Kreaturen identifiziert noch durch Differenz von ihnen abgetrennt werden kann. Es ist also intim auf alles Andere bezogen. Dabei konkretisiert Cusanus den von Proklos stammenden Gedanken der produzierenden Negation, indem er folgende Formel entwirft: „aliud est non aliud quam aliud“ (De non aliud 21: h XIII, 50). Jedes Andere bezieht sich demnach nicht-andersheitlich auf sich selbst und wird so durch das Nicht-Andere zu einem konkreten negativen Selbstbezug. In diesem Selbstbezug wird das Andere auf sich selbst bezogen und so auf sich selbst begrenzt. Dieses Selbstverhältnis verweist daher auf die Eigenständigkeit eines Seienden gegenüber anderen Seienden und damit auf seine Individualität. Die anderen Anderen tragen demgegenüber nichts zum Wesen des zu defi nierenden Anderen bei; sie sind dem zu definierenden Anderen gegenüber äußerlich. Erstens ist damit der Grund für die Abgrenzbarkeit der Anderen im Absoluten selbst ausfindig gemacht. Zweitens wird jeder Entität auf der Grundlage der Definition durch das Absolute spezifische Differenz „eingeschrieben“, wodurch es schließlich ist, was es ist. Indem das Einzelne also kraft des Nicht-Anderen auf sich selbst bezogen ist, ist es in sich selbst fi xiert und hierdurch wird es diesem Einzelnen ermöglicht, alles ihm gegenüber Andere auszuschließen. Das Absolute bleibt in diesem Definitionsvollzug das Nicht-Andere schlechthin, da es sich in diesem nicht verendlicht. Cusanus denkt damit Transzendenz und Prinzipfunktion des Absoluten gerade als Einheit. Das Nicht-Andere lässt für ihn Transzendenz und Prinzipfunktion des Absoluten präziser deutlich werden als positive Begriffe. Genau dadurch zeigt Cusanus, dass das Absolute erst durch negative Theologie begrifflich präzise abgebildet werden kann. Die Forschung bemüht sich schon seit Jahrzehnten um die Deutung des Nicht-
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Anderen. Gleichwohl ist sie nicht zu einem einheitlichen Ergebnis gekommen. Zwar ist sich die Forschung einig, dass die Schrift über das Nicht-Andere innerhalb der neuplatonischen Tradition zu verorten ist (Beierwaltes 1980). Doch gibt es große Differenzen über die konzeptionelle Bedeutung des Nicht-Anderen: Während Burkhard Mojsisch und Dirk Cürsgen, aus deren Federn die wichtigsten Abhandlungen zu De non aliud stammen, das Nicht-Andere als Ausdruck reiner Negativität deuten (Mojsisch 1991, 675– 693; Cürsgen 2007, 91–126; 2009, 341–369), glaubt Werner Beierwaltes, das Nicht-Andere sei Ausdruck reiner Affirmation (2010, 83 –104). Damit geht eine grundlegende Verwirrung über die Bedeutung negativer Theologie bei Cusanus einher. Die meisten Forscher glauben, die negative Theologie müsse abgeschwächt werden, da sie in ihrer neuplatonischen Form zwei grundlegende Probleme generiere: Sie gefährde die Prinzipfunktion des Absoluten und die Trinität. Die negative Theologie müsse man demnach mit der affi rmativen Theologie verbinden (Flasch 1973; Monaco 2010). Diese Einschätzung geht aber, wie gezeigt werden konnte, grundlegend am Konzept des Nicht-Anderen vorbei (Rohstock 2014). Ebenso wenig ist Cusanus in seinen Spätwerken an dem Versuch, affirmative und negative Theologie miteinander zu verbinden, gescheitert oder an diesem Projekt „irre“ geworden (Flasch 1973, 328). Vielmehr hat er die affirmative Theologie in der negativen aufgehoben. De non aliud ist also geradezu ein „Manifest“ für die negative Theologie (Rohstock 2014).
Bedeutung der Schrift für die Entwicklung des cusanischen Denkens In De non aliud machte Cusanus einen letzten großen Entwicklungsschritt: Ab dieser Schrift benötigt Cusanus die affi rmative Theologie nicht mehr, um die Prinzipfunktion des Absoluten und die Trinität zu beschreiben. Die Funktionen affi rmativer Theologie werden restlos in die negative Theologie integriert und von ihr übernommen. Gerade diesen Gedanken hat Cusanus bis an sein Lebensende nicht mehr aufgegeben. Max Rohstock
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De venatione sapientiae Die Jagd nach Weisheit Entstehungskontext De venatione sapientiae
Da er nach gravierenden Erkrankungen nicht weiß, ob ihm „noch geraume und dem Denken förderliche Frist beschieden sein wird“ (De ven. sap.: h XII, n. 1), fasste Nikolaus von Kues angesichts seines bald erwarteten Endes noch einmal seine Lehre zusammen. Er tat dies in dem platonischen Bewusstsein, dass Philosophieren Sterben lernen bedeutet (ebd., 1: h XII, n. 5), das Erlangen von Weisheit aber unsterblich machen kann (ebd., 32: h XII, n. 96). Die aus solcher Situation entstandene Schrift verfasste er nach Art ausführlicher Retraktationen seiner (und anderer) ihm besonders wichtig erscheinenden Schriften. Diesen „Wiederbearbeitungen“ mit klärenden Erläuterungen, Bestätigungen, Selbstkorrekturen und Modifi zierungen gab er den Titel De venatione sapientiae. Die Schrift ist 1462 während einer „villeggiatura“ in der Toscana entstanden, in Chianciano oder Città della Pieve. Wie so viele seiner Schriften entstand auch De venatione sapientiae als Reaktion auf ein besonderes Ereignis. Diesmal war es die Lektüre der griechischen Philosophiegeschichte des Diogenes Laërtius (3. Jahrhundert n. Chr.), die Nikolaus in der lateinischen Übersetzung des Ambrogio Traversari vom Jahr 1433 (Vitae atque sententiae eorum qui in philosophia claruerunt) erst im Herbst 1462 erhalten, studiert und in seinem Handexemplar (Cod. Harleianus 1347 der British Library, London) ausführlich annotiert hatte. Er reagiert darauf, indem er die Jagdzüge seines „philosophischen Lebens“ der Nachwelt „summarie“, also kurz und bündig in ihren Hauptpunkten, hinterlässt. Da er inzwischen das 61. Lebensjahr vollendet hat (De ven. sap.: h XII, n. 1), ist De venatione sapientiae also sein (vorläufiges, wie sich aber erst später erweisen wird,) philosophisches Testament. Damit will er, „ein sündiger Mensch, in Ehrfurcht und Bescheidenheit“ das Wenige seiner angestrengten Denkbewegungen „spitzeren Geistern“ unterbreiten. Gleichwohl bemerken wir, dass und wie er sich selbstbewusst, wie man es ja von ihm kennt, historisch in den Gang der Philosophie einordnet, nicht nur in die
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Reihe der antiken Philosophen, sondern unter alle, die er dann ins Gespräch bringen wird.
Werkstruktur und Inhalt Nach der „Ordnung“ der Untersuchung handelt Nikolaus zuerst von dem natürlichen Verlangen des Menschen nicht nur nach Wissen und Wissenschaft, sondern nach Weisheit oder „Weisheitswissen“ („sapida scientia“). Zu dieser Grundvoraussetzung werden weitere Voraussetzungen gemacht: Weisheit ist die Speise der Vernunft. – Diese bedient sich der Logik, um jene zu erlangen. – Der Verlauf der Jagd des Verstandes wird zunächst an einem Beispiel aus der Logik, dann an einem aus der Geometrie erläutert (De ven. sap. 1–5: h XII). Vorbereitet durch die Vorstellung eines dreifach strukturierten Könnens (ebd., 3 ff.: h XII), fi ndet sich der Leser dann doch überraschend mit dem dauerhaft ewigen Werden-Können („posse fieri“) konfrontiert, das in den fünf folgenden Kapitel erhellt wird (ebd., 6 –10). Zunächst heißt es: Alles WerdenKönnen hat nur eine Ursache. – Auf diese These folgt sodann ein philosophiehistorischer Exkurs darüber, wie Platon und Aristoteles nach dem Werden-Können jagten. – Dann wird dargelegt, dass die Heilige Schrift und die Philosophen auf verschiedene Weise von ihm sprechen. – Schließlich wird die Bezeichnung des Werden-Könnens bei den weisen Philosophen erörtert. Das der platonischen Philosophie entlehnte Jagdbild (vgl. Adnotatio 1 der Herausgeber in h XII, 147–149) bestimmt entscheidend die Terminologie dieser Schrift. Philosophieren heißt nach Weisheit jagen. Die Jagd fi ndet hier in drei Regionen („regiones“, De ven. sap. 11: h XII) und in diesen wiederum auf zehn Feldern („campi“) statt (ebd., 12–32: h XII). Die auf den verschiedenen „Jagdzügen“ zur Strecke gebrachte Beute („praeda capta“) ist die geistige Speise der nach Weisheit suchenden Philosophen. Diese erlegen auf ihren verschiedenen Pirschzügen unterschiedliche Beute, wie auch der Autor selbst bei seinen verschiedenen Jagdzügen Unterschiedliches zur „Strecke“ gebracht und unterschiedliche Beute gemacht hatte. Nachdem Nikolaus sich und seine Leser vor allem in Auseinandersetzung mit der Philosophiegeschichte des Diogenes Laërtius der Weisheitsjagden der antiken Philosophen vergewissert hat, kann seine eigene Weisheitsjagd erfol-
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gen. Er beginnt sie mit einer historischen Sicht auf seine ihm jetzt als wichtig erscheinenden eigenen Schriften, die er nach Art von Retraktationen vorstellt, um vermächtnishaft deren Jagdbeute zu überliefern. Das geschieht in den drei Regionen der Weisheit – der einen, ewigen Weisheit und zweier abbildhafter Weisheiten, der in Ideen perpetuierenden und der im zeitlichen Fluxus aufscheinenden Weisheit – und in den zehn Jagdbereichen („campi“), in denen jene drei vorzugsweise in der ihnen dort je zukommenden Weisheitsweise gefunden werden. Die „Flurnamen“ sind: campus (1.) doctae ignorantiae, (2.) possest, (3.) non-aliud, (4.) lucis, (5.) laudis, (6.) unitatis, (7.) aequalitatis, (8.) conexionis, (9.) termini, (10.) ordinis. Die Felder sind also z. T. mit Titeln, z. T. nach wesentlichen Lehrstücken seiner Werke bezeichnet. – Die Themen sind, teils über mehrere Kapitel hinweg, so vielfältig ausgeführt, dass sie im Einzelnen inhaltlich hier nicht vorgestellt werden können. Auf einiges wenige ist aber doch hinzuweisen. Nikolaus beschränkt sich nicht nur darauf, den Beute-Ertrag früherer Lehren vorzustellen. Er begibt sich erneut auf die Pirsch. Über Retraktation und Vermächtnis hinaus unternimmt er jetzt also noch einen neuen Jagdzug, indem er die früheren Spekulationen über das „posse“ (seit De docta ignorantia) und das „possest“ noch einmal in den Mittelpunkt der Spekulation zurückholt und ternarisch im „posse facere“, „posse fieri“ und „posse factum“ expliziert, und zwar im ewigen göttlichen Machen-Können, im dauerhaft-bleibenden (Welt-) Werden-Können, das auch als „natura“ bezeichnet wird (ebd., 3: h XII, n. 8; ebd., 4: h XII, n. 10; zum „natura“-Begriff siehe Schnarr 1973, 120 ff.), und welthaft im zeitlich Geworden-Sein-Können. Er entfaltet diese parallel zu den drei „sapientia“-Regionen (vgl. das Schema in Clyde Lee Millers textnaher Interpretation von 2003, 211), die dann (De ven. sap. 36: h XII) – ontisch wie auch erkenntnistheoretisch hierarchisch gestuft – als Wahrheit („veritas“), Wahres („verum“) und dem Wahren Ähnliches („verisimile“) gezeigt und als Jagdbeute verbucht werden. Das Ergebnis einer anderen, früheren Jagd im Feld der docta ignorantia nimmt Nikolaus zum Anlass, es im Lichte späterer Jagdergebnisse zu erläutern. Die Koinzidenzlehre, die er in jenem Feld gefunden hatte, lässt er seine Leser nun neu im Lichte seiner Forschungsergebnisse auf den Feldern des possest und des non-aliud lesen. Bei der Darstellung seiner lebenslangen Weisheitsjagd grenzen diese beiden Felder direkt an das voraufgehende der docta ignorantia an (ebd., 12–14: h XII, bes. n. 38 u. n. 41).
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Im Feld der Grenze („terminus“) nimmt Nikolaus auch noch eine Rephrasierung der Geist- und Vernunftlehre („mens“ / „intellectus“, ebd., 29: h XII) vor, wie er sie vor allem seit Idiota de mente vorgetragen hatte. In Kapitel 33, das über die Bedeutungskraft des Wortes („vis vocabuli“) handelt, gibt Nikolaus schließlich eine Zusammenfassung und Weiterführung seiner bisherigen „Wortlehre“, die für seine Wort-Theorie steht, ohne damit sogleich eine „Sprachphilosophie“ in modernem Verständnis zu sein. Orientiert an Platon und Pseudo-Dionysius bemüht er dabei eine Art historischer Kritik, vor allem am „scharfsinnigen Aristoteles“. Als Ergebnis steht die Einsicht, dass die Wörter zwar aus der Vernunft Adams und der Menschen hervorgehen, sie aber nicht die Was- oder Wesenheiten der Dinge benennen, die diesen als ihren Prinzipien vorausgehen. Sie geben genau nur das an, was die Vernunft „intellectualiter“, also auf ihre Weise (und keineswegs beliebig), von den Dingen erfasst.
Forschungsstand Entsprechend der Vielzahl der diskutierten Themen ist die Zahl der vom Autor ins Gespräch gebrachten Autoren groß. Neben den Schriften Platons (vor allem Phaidon, Staat, Parmenides, Timaios) und der Platoniker, hier vor allem des Proklos (De theologia Platonis, Commentarium in Platonis Parmenidem), kommt, mehr als sonst üblich, aber zumeist kritisch, Aristoteles’ Metaphysik ins Spiel (Gandillac 1967). Entscheidend für die Kenntnis der antiken Philosophie, die hier mehr denn je vor allem mit Vorsokratikern, Stoikern und Epikur zur Sprache kommt, wurde, wie sich Schritt für Schritt in der Schrift zeigt und im kritischen Quellenapparat dokumentiert wird, die „Philosophiegeschichte“ des Diogenes Laërtius. An weiteren Quellen sind vor allem Schriften des hochgelobten Pseudo-Dionysius (besonders De divinis nominibus) und die nicht genannten Kommentare des Albertus Magnus zu dessen Schriften zu nennen, ferner auch Schriften der Chartrenser. An Ramon Lull erinnern eher nur terminologische Eigenheiten. Als „Jagdbeute“ besonders erwähnenswert ist die unter Einfluss Lulls hier erstmals kompakt entwickelte Wissenschaft vom Lob („scientia laudis“, De ven. sap. 18–20: h XII). Die mit ihr entfaltete Laudabilien-Lehre tritt dann bei Nikolaus kompensatorisch an die Stelle der am schärfsten in De non aliud
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kritisierten Transzendentalienlehre (Senger 2003, 568–577). Sie führt ebenfalls zu der hier vorgetragenen Wertmetaphysik, mit der Cusanus am Lebensende zu einer weiterführenden philosophischen Fundierung seiner „Ethik“ kommt (Senger 2002a, 156 –161; Mandrella 2012, 23 –28, 240 –243, 261–263). Kurt Flasch (11998, 603 – 620) deutete De venatione sapientiae vor allem als Selbstbezeugung und Selbsterklärung der Entwicklung ihres Autors, die nachdrücklich eine Deutung aus genetischer Sichtweise nahelege. Einen breiten, differenzierten Einblick in den Gedankengang der Schrift samt Überblick über deren Quellen und Rezeption geben die Beiträge eines wissenschaftlichen Symposions über Nikolaus von Kues: De venatione sapientiae (Euler 2010a). Eine in De venatione sapientiae erwähnte Schrift De figura mundi, die jüngst, und das heißt wohl 1462, in Orvieto geschrieben zu haben Nikolaus von Kues behauptet (De ven. sap. 22: h XII, n. 67), ist bisher noch nicht aufgetaucht. Das veranlasste einige zu der Ansicht, dass es sich eher um einen Hinweis des Autors auf De venatione sapientiae oder auf gewisse Teile bzw. Teilaspekte daraus handele (Bredow 1964, 382 f.). Die Herausgeber der kritischen Edition argumentierten dagegen und versuchten zu zeigen, dass es sich tatsächlich um eine bis heute nicht aufgefundene eigene Schrift des Cusanus handele (dazu h XII, Adnotatio 11, 155 f.).
Wirkungsgeschichte der Schrift Die Wirkungsgeschichte auch dieser Schrift, die bezeichnenderweise überhaupt nur in einer Handschrift, und zwar in der persönlichen Werksammlung des Autors überliefert ist (Cod. Cus. 219), blieb zunächst begrenzt. Durch die Editionen des 15. und 16. Jahrhunderts wurde sie über die bloß bibliographische Kenntnisnahme durch Hartmann Schedel, Johannes Trithemius und Conrad Celtis hinaus im 16. Jahrhundert immerhin von Carolus Bovillus, Beatus Rhenanus, Johannes Eck und, wie Marginalnoten in den Drucken zeigen, einigen weniger bekannten Lesern benutzt. Anfang des 16. Jahrhunderts setzte Caspar Steinbeck (nach Boese 1995: Steinberg), der Sekretar des Magdeburger Erzbischofs, die „spekulative Tradition des Cusanus“ fort und erläuterte in seinen nur handschriftlich (in Cod. UB Leipzig 637) überlieferten Traktaten dessen „tiefgehende Lehren“ immer wieder durch
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wörtliche Zitate, u. a. auch aus dieser Schrift. (Alle Zitate sind im Testimonienapparat von h XII ausgewiesen.) – Von besonderer Bedeutung wurde De venatione sapientiae für Udalrich Pinder. Der Nürnberger Stadtphysicus und Dürer-Zeitgenosse Pinder zitierte neben anderen Schriften die Jagd nach Weisheit über vierzig Mal in seinem Speculum intellectuale felicitatis humane (Nürnberg 1510; Abdruck der Zitate in h XII, 137–144). – Aus der Schrift Pinders gewann im 17. Jahrhundert Johann Amos Comenius erste Cusanus-Kenntnisse. Erst nach der Edition wurde die Wirkung bekannt, die, neben anderen Schriften, auch De venatione sapientiae bei dem Minoriten Philipp von Hersfeld fand, der um 1525 / 1530 etliche Zitate aus dieser Schrift in seine weiter unten genannte (siehe den Beitrag Dialogus de ludo globi in diesem Buch) gegenreformatorische Kompilation aufnahm (Senger 2002a, 309 f.). Sie betreffen ein weites „Feld“, die „aequalitas“ / „unitas“ und die Intellektlehre, die ternarische Struktur des „posse“, die Lichtmetapher und -metaphysik, den Prinzipiencharakter des „posse ipsum“ und schließlich die Vertauschbarkeit der Grundwürden oder „Laudabilien“ (Senger 2003). Im selben Jahrhundert zitierten auch Giordano Bruno mit wie auch ohne Nachweis aus dem „Testament“ des Cusanus, ebenso der Augustiner-General Girolamo Seripando (Jedin 1937, 385). Anfang des 17. Jahrhunderts zitierte noch Vincenzo Gramigna in seinen Fantasie varie (Rom 1628, Fant. XI, 204 f.) aus dieser Schrift. Hans Gerhard Senger
Dialogus de ludo globi Dialog über das Kugelspiel Entstehungskontext Dialogus de ludo globi
Wie einen Großteil seines Werks, etwa ein Viertel, hat Nikolaus von Kues auch die Schrift De ludo globi in Dialogform verfasst. Sie besteht aus zwei Büchern; Buch I entstand Ende 1462 / Anfang 1463, Buch II Anfang März 1463 in Rom, wie wahrscheinlich auch schon das erste Buch. Dialogpartner ist in diesem Buch der knapp 20-jährige Prinz Johannes von Bayern, Mosbach und Neu-
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markt, im zweiten dessen jüngerer Vetter (15) Prinz Albert IV. von BayernMünchen. Zur Beförderung ihrer Karrieren waren beide Anfang des Jahres 1463 mit der Hoffnung auf Protektion durch den dem Wittelsbacher Haus nahestehenden Nikolaus von Kues nach Rom gekommen (Meuthen 1982).
Werkstruktur und Inhalt In dieser Schrift (siehe auch Senger 2011a) geht es zunächst um ein jüngst von Nikolaus erfundenes Kugelspiel, das er mit den Dialogpartnern nach folgender Spielanleitung durchexerziert hat: Die Spieler werfen von einer Marke A aus eine Holzkugel in ein möglichst ebenes Spielfeld, auf dem um das Zentrum C ein Kreis beschrieben ist, dem konzentrisch neun weitere Kreise einbeschrieben sind. Die Kugel ist von besonderer Form. Ihre Oberfläche ist im größeren Teil konkav gehöhlt. Infolgedessen kann die in Bewegung versetzte Kugel keine geradlinigen, sondern nur mehr oder weniger spiralförmig-kurvige Bewegungslinien beschreiben. Diese werden bestimmt durch die Bewegungsenergie, die ihr der Spieler mit mehr oder weniger Geschick verleiht, durch die materielle Beschaffenheit der Kugel und die der Spielebene. Ziel ist es, die Kugel im Wurf dem Zentralpunkt C möglichst nahe zu bringen. Für die Wertung des Spiels ist entscheidend, dass die Kugel möglichst viele der Kreise durchläuft, die von außen nach innen mit Wertzahlen von 10 bis 1 bezeichnet werden. Nach der Spielregel („lex ludi“) gewinnt, wer nach Addition der Wertzahlen der durchlaufenen Kreise als erster die Zahl 34 erreicht, die die Lebensjahre Christi (nach älterer Berechnung) symbolisiert, der seinerseits durch den mit 1 bezeichneten Zentralpunkt C symbolisiert wird. Über dieses „unterhaltsame Spiel“ entfaltet Nikolaus mit „hohem Ernst“ in symbolisch-figurativer Ausdeutung eine Theorie über das Universum und die Stellung des freien Menschen im Stufen-Kosmos, über das Mysterium der Moral und die gesuchte Selbsterkenntnis und Selbstrealisierung des Menschen (De ludo I: h IX, n. 1–3; Leinkauf 2005). Die mathematische Gestalt und die mechanischen Bewegungen der Kugel (nicht Globus, wie oft übersetzt) sind Sinnbilder der gestuften sphärischen Rundheit („sphaerica rotunditas“) der ewigen Welt (De ludo I: h IX, n. 3 –19). Die ins Spiel gebrachten mathematischen Gestalten der Kugel sind Punkt (Auflagepunkt), Atom (das unsichtbare Unteilbare) und Rundheit als Symbol der Vollkommenheit der Kugel (Senger
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2002a). Die metaphysische Wendung des Atombegriffs wurde später von Giordano Bruno aufgegriffen. Nikolaus von Kues geht es zunächst um eine Erkenntnis der Weltgestalt – um die „figura mundi“, die in einem gedanklich umfassenden Weltbegriff als unsichtbare sphärische Rundheit oder Vollkommenheit erkannt wird. Die Kugel und ihre gekrümmten Bewegungsverläufe werden im weiteren zum Gleichnis für Körper und menschliche Seele, deren Substanz, Einheit, Kräfte und Freiheit sie von animalischen Seelen unterscheiden (De ludo I: h IX, n. 20 – 41), und dann auch für die Bewegungen der Seele in ihrem welthaft-menschlichen Bereich und von diesem zum Bereich des Lebens im größten Kreis, dessen und aller anderen Kreise gemeinsames Zentrum für den Thron des Königs steht, der Christus symbolisiert. Das ergibt insgesamt ein beziehungsreiches Symbolgeflecht. In einer ersten Digression (ebd., I: h IX, n. 42– 49) kommt dann, ähnlich wie schon in De docta ignorantia, eine Drei-Welten-Lehre zum Tragen: Gott – Universum – Mensch (dort ist es der Gottmensch Jesus Christus) und deren Bestimmungen und Seinsweisen. Buch I schließt mit einer Besinnung auf verschiedene Lebenswege, die wahrhafte „vita Christiana“ und die Summe der in diesem ersten Buch enthaltenen Mysterien. So geht diese Schrift, die eine kosmologische Schrift im strikten Sinn sein will und es auch ist, in ihrer ganzen Themenbreite weit über die kosmologischen Fragen nach der „figura“ oder „forma mundi“ hinaus. Buch II beschreibt eine in neun „Ordnungen“ figurierte Region des Lebendigen und – im Anschluss an die pseudo-dionysische Schrift De caelesti hierarchia – neun Engelchöre (ebd., II: h IX, n. 68–78). In einer zweiten Digression (ebd., II: h IX, n. 79–88) werden die Ternare „unitas“, „pluralitas“, „alteritas“ und „unitas“, „aequalitas“, „conexio“ sowie die Unterscheidung von Zeit und Ewigkeit („aeternitas“ und „tempus“) behandelt. Es folgt eine „Psychologie“ der Seelenkräfte, ihrer Unterscheidungs-, Begriffs-, Inventions- und Schöpfungskraft. Ein Exkurs über die unsterbliche Seele, eine Darstellung ihrer Intentionen und ihrer Erkenntnisstufen schließen diesen Teil ab (ebd., II: h IX, n. 89–109). Die ultimative „intentio“ der Intellektseele ist demnach das Schauen und Erfassen der Ursache und Idee von allem, einschließlich ihrer selbst („omnium et sui ipsius causa et ratio“) kraft ihrer Vernunftstärke, um darin als in ihrem höchsten Gut ewigen Frieden und Freude zu fi nden (ebd., II: h IX, n. 101). Zum Schluss folgt (ebd., II: h IX, n. 110 –120) eine erstmals hier entwickelte, ontologisch begründete Wertlehre – „omne quod est non est valoris expers“ –
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„alles Seiende ist nicht ohne Wert“ – mit gestufter Wertehierarchie und ihrer Erkenntnis- und Ursache-Begründung (Senger 1993, 104 –115). Illustriert wird das an Beispielen aus dem monetären Bereich, an Münze, Münzmeister und Geldwechsler („moneta“, „monetarius“, „nummularius“). Wenn auch die Vernunft des Menschen, die nächst Gott der höchste Wert aller Schöpfung ist, die Werte („valores“) ontologisch nicht begründet, also ihr Wert-Sein nicht autonom setzt, so erkennt sie diese allerdings begrifflich, unterscheidet sie und verleiht ihnen erst Realität. Durch Wert-Schätzung und Werte-Anerkennung, ohne die Werte nicht wahrhaft existieren, verleiht sie den Werten Existenz und vollendet damit das Werk Gottes, das solcher Anerkennung und dazu der Erschaffung menschlicher Vernunft bedarf (De ludo II: h IX, n. 114). Wenn Nikolaus in dieser spekulativ-theoretisierenden Schrift von der Summe der Mysterien spricht, die im „Weisheitsspiel“ zu einer enthüllenden Erkenntnis von zuvor Verborgenem führen sollen, vom Mysterium des Spiels und von seiner mystischen Kraft, („ludi mysterium“ und „vis mystica ludi“, ebd., I: h IX, n. 60 u. 54), vom mystischen Sinn („mystica sententia“, ebd., II: h IX, n. 61) der Kreise der Lebensregion und von der „mysticatio“ dieser Kreise (ebd., II: h IX, n. 62), die man auf mystische Weise lesen solle („mystice legas“, ebd., II: h IX, n. 104), geht es um nichts anderes als um eine „speculatio philosophica“ (ebd., I: h IX, n. 7), um einen philosophischen Sachverhalt im Sinn der „theoria“, die in De apice theoriae zum Hauptgegenstand der Untersuchung werden wird. Dazu soll die „Mystication“ dienen, die dem Spielverlauf und der ihm beigelegten Bedeutung („significare“) innewohnt, nicht der aus ihr zu gewinnenden Theorie. Wie Zahlen in der Zahlenmystik eine mystische Bedeutung zugelegt wird, so auch Spielen, wenn sie in moralisierender Absicht verfasst werden. Wie Zahlen-, Karten- und Würfelspielen im Mittelalter eine moralisierende Bedeutung beigemessen wurde, besonders dem Schachspiel ein „Mysterium moralischer Einsichten“ (ebd., I: h IX, n. 2), oder diesem (nach dem Schachzabelbuch Konrads von Ammenhausen, wie es in einer Basler Hs. von 1433 heißt) eine „mysticatio ludi scacorum“ zuerkannt wird, so ist auch die Schrift vom „Spiel mit der Kugel“ als ein „Mysterienspiel“ „sui generis“, als eine moralisierende Schrift anzusehen; und das nicht allein wegen der erwähnten Wertlehre, mit der eine Metaphysik der Freiheit und Moral verbunden ist (ebd., I: h IX, n. 57 f.), sondern auch weil sie in dem auf das sinnlich-reale Spiel folgenden „Gedankenspiel“ eine „globale“ Theorie menschlicher Welterfahrung und Welterkenntnis vermitteln will. Aus dem Verlauf des Kugelwurfs soll
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ja ein Welt- und Erkenntnisentwurf in einem Weisheitsspiel gewonnen werden, das schon „die schöpferische Weisheit“ vor dem Herrn im Erdenrund (Spr 8,30 f.) und dann auch alle frommen Gelehrten, Augustinus, Dionysius u. a. spielten (De ludo I: h IX, p. 67). Deshalb kann es auch als ein „Gelehrtenspiel“ gelten, wie es auch Pythagoras, Sokrates und Platon spielten (nach Marsilio Ficino, In Parmenidem, Basel 1576 [ND Turin 1959], 1137). De ludo globi steht aber nicht nur in der langen Tradition moralisierender Spiel-Literatur, sondern auch in der noch über Platon hinaus auf Pythagoreer, Eleaten und Parmenides zurückgehenden Tradition einer speziellen Kugelsymbolik: der Kosmos, ein einziges, möglichst vollendetes Ganzes, als vollkommene (geometrische) Kugel mit ihrem Allmittelpunkt (Mahnke 1937).
Forschungsstand Über die Quellen, die seine Arbeit diesmal befruchteten, gibt der Autor nur spärlich Auskunft, so spärlich wie sonst nie. Neben ein paar Schriftstellen wird einmal Augustinus’ De civitate Dei zitiert. An Philosophen und Theologen werden sonst nur noch Aristoteles, Platon und die Platonici, Hermes Trismegistus, Boethius und Dionysius namentlich erwähnt. Durch wen der Autor sich sonst noch anregen ließ, hat die Quellenkritik aufgedeckt (siehe dazu h IX: XXIV f. und die Nachweise im quellenkritischen Apparat). Es waren vor allem Schriften des Proklos, Augustinus, Pseudo-Dionysius, Johannes Scottus Eriugena, Albertus Magnus und dessen Dionysius-Kommentare, Meister Eckhart, Raimundus Lullus, Schriften der Chartrenser, vor allem des Thierry, und einiger Zeitgenossen. Zahlreiche Übersetzungen in verschiedene Sprachen zeugen vom Interesse an dieser Schrift seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts bis in die jüngste Zeit, bis hin zu einer populärwissenschaftlichen und pseudo-mystischen Verbreitung des Spiels. – Dem „Spiel der Welt“ wurde im Milleniumsjahr in Brixen / Bressanone sogar eine Ausstellung gewidmet (Abate, 2000). Aufmerksamkeit fanden besonders die anthropologische Dimension der Schrift (Lazzarini 1938), die cusanische „Vision des Menschen“ im 15. Jahrhundert (Watts 1982), der menschliche Selbstvollzug im „Aenigma“ des Globusspiels im Rahmen einer theologischen Unendlichkeitsspekulation eines endlichen Weltentwurfs (Thurner 2001) und die Selbstrealisierung als anthropologische Kon-
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stante bei Nikolaus (und in der Frühen Neuzeit, Leinkauf 2006). Auf den Symbolismus des Spiels wiesen Maurice de Gandillac (1982), João Maria André (1995): symbolische Dimension der Kunst und Gerda von Bredow (1995) hin. Ideengeschichte verfolgten zwei Publikationen: zur Geist-, Erkenntnis- und Weltsphäre des „globus intellectualis“ (Senger 2002a, 88–116) und zu einem metaphysischen Atomismus (Senger 1994). – Erwähnenswertes Interesse fand die Schrift in den USA bei Pauline Moffitt Watts’ anthropologisch bestimmter Renaissance-Sicht des Cusanus (1982, 189–207) und ihrer Einleitung zu De ludo globi – The Game of Spheres (1986, 13 –51) sowie bei Jasper Hopkins’ „Orienting Study“ zu ihren englischen Übersetzungen (2000, 42– 60). H. Lawrence Bond (1991) deutete die Schrift symbolisch als spielhafte Seelenreise zu Gott. Die jedem der beiden Bücher „zum Lob von Buch und Spiel“ beigefügten Verse in Distichen-Form (kritisch ediert von Karl Bormann 1985, 186 –192), die sich sowohl auf die Biographie der beiden Dialogpartner als auch auf die Lehre der Dialoge beziehen, stammen nach übereinstimmender Ansicht aller nicht vom Autor selbst, sondern aus dessen nächstem Umkreis, von einem mit dieser Schrift wohlvertrauten Freund, eventuell von Giovanni Andrea dei Bussi oder Pius II. (h IX: XXVII ff.). Die Literatur zum Globusspiel bis 1998 ist verzeichnet in h IX: p. 204 –207.
Wirkungsgeschichte der Schrift Wie mehrere der späten Schriften des Cusanus fand auch diese Schrift kein besonderes Interesse bei den Zeitgenossen und Nachfahren. Allerdings fanden im 16. und 17. Jahrhundert einige ihrer Thesen bei einigen Gelehrten Erwähnung, z. B. die dreieinige Erstursache (De ludo II: h IX, n. 82) bei Caspar Steinbeck (oder Steinberg; Boese 1995). Auch bei Jacques Lefèvre d’Étaples (Faber Stapulensis), dem Herausgeber der Pariser Ausgabe der Cusanus-Werke, fi nden sich in der Rhitmimachia und im Quincuplex Psalterium einige Anspielungen. Von diesem übernahm einiges auch Guillaume Briçonnet, der reformatorisch gesinnte Bischof von Meaux (Meier-Oeser 1989, 61, Anm. 154). – Leonardo da Vinci interessierte die Bewegungs- und Impetus-Lehre des Globusspiels. – Intensiveres Interesse zeigte um 1525 / 1530 der Minorit Philipp von Hersfeld im Hortulus quatuor librorum sententiarum, einer thematisch geordneten Kompilation aus Schriften von Autoren, „welche die katholische Kirche schätzt“,
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darunter auch „Etwas Cusanisches“ („Ex Cusano non nihil“). Die zahlreichen Exzerpte aus De ludo globi betreffen dort vor allem die Lehre über Gott und die menschliche Seele (Senger 1997, 418 f.; 2002a, 309). – Die Idee einer ewigen Bewegung der Welt durch die Weltseele (De ludo I: h IX, n. 40) nahm der Franziskaner Francesco Giorgio Zorzi auf. – Gleich in mehreren seiner Schriften griff Giordano Bruno Ideen aus diesem Werk auf, z. B. über Zahl, Figur, Atom (metaphysisch gewendet), Monade (De monade, numero et figura, secretioris nempe physicae, mathematicae et metaphysicae elementa; Senger 1994; 2002a). – Schließlich ist auch noch der Historiograph und Celtis-Schüler Johannes Aventinus (Johannes Turmair) zu nennen (Meier-Oeser 1996, 159, Anm. 21). – Im 17. Jahrhundert bezogen sich Galileo Galilei auf die fortwährende Bewegung einer auf planer Ebene in Bewegung versetzten Kugel (De ludo I: h IX, n. 21), Athanasius Kircher S. J. auf die Atomlehre und die relative Vollkommenheit der Welt (ebd., I: h IX, n. 10, n. 19) und Joachim Jungius auf die Koinzidenzlehre (Meier-Oeser 1989, 117). Hans Gerhard Senger
Epistola ad Nicolaum Bononiensem Der Brief an Nikolaus von Bologna Entstehungskontext Epistola ad Nicolaum Bononiensem
Der Brief des Nikolaus von Kues an den Novizen Nikolaus von Bologna vom 11. Juni 1463, von Cusanus selbst als „Memoriale“, eine „Gedenkschrift“, bezeichnet, ist eines seiner letzten Werke und wurde auch als sein Vermächtnis bezeichnet (Meuthen 71992, 127). Am Dreifaltigkeitsfest, dem 5. Juni 1463, hatte er im „Stammkloster der Benediktiner-Kongregation der Olivetaner“, der Abtei Montoliveto (CT IV / 3, 9), einen Novizen eingekleidet und ihm den Namen Nikolaus als Klosternamen gegeben. Die Predigt zu diesem Anlass baute er in Montepolciano zu einem Brief aus. Über die Identität des Novizen ist sich die Forschung nicht einig. Gerda von Bredow setzt eine persönliche Beziehung zwischen Cusanus und dem Novizen voraus. Dessen Familienname lautete nach
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einer Chronik aus dem Jahre 1720, die auch seinen frühen Tod vermerkt, Albergati und verweise auf einen gleichnamigen Kardinal, mit dem Cusanus in Beziehung stand (ebd., 9 f.). Der Brief nennt ihn jedoch Nicolaus Bononiensis aus Bologna und gibt keinen Familiennamen an. Die Identität des Novizen bleibt somit ungeklärt (Meuthen 1957, 360 –362; Stammkötter 2008, 183 f.).
Werkstruktur und Inhalt Die Inhalte der Schrift systematisiert Gerda von Bredow in ihren Erläuterungen zu Edition und Übersetzung im Kapitel „Die Grundgedanken des Briefes als philosophisches und religiöses Vermächtnis des Nikolaus von Kues“ (CT IV / 3, 60 –101) und gliedert sie nach folgenden Inhalten: „I. Der Geist (Intellectus): 1. Selbsterkenntnis, 2. Das Wahre und die Wahrheit, 3. Die Bedeutung des Sinnlichen (Sensibile), 4. Die Wissenschaft des Lobpreises (Scientia laudis), 5. Das Liebeswissen (Scientia amoris), 6. Die Wissenschaft des Stolzes, 7. Das lebendige Gottesbild; II. Die Schöpfungskunst (Ars creativa): 1. Weisheit und Kunst, 2. Materie, 3. Nachahmende Schöpfung, 4. Die Allmacht des WORTES; III. Der Weg des Menschen zu Gott: 1. Das Verlangen nach Unsterblichkeit (Desiderium immortalitatis), 2. Die Macht, Gott ähnlicher zu werden, 3. Der Gehorsam, 4. Das Wissen des Todes“ (ebd., 60 –101). Cusanus zeigt dem Novizen die zentralen Aspekte des monastischen Lebens und der damit verbundenen Selbst- und Gotteserkenntnis auf, die er durch theologische Exkurse ergänzt und mit anschaulichen Bildern verdeutlicht. Das „Denkbüchlein“ will über die Selbsterkenntnis zum zentralen Thema des Gotteslobes führen (n. 1). Dieses ist der Schöpfungszweck – wie die vernünftige Natur der Zweck aller sinnlichen und niederen Natur ist –, da der Schöpfer erkannt werden will (n. 2– 4). Das Sinnliche ist durch das Band der Liebe mit der geistigen Natur verknüpft. So soll der Mensch das Urbild im Abbild schauen und hingerissen werden (n. 5). Sich selbst erkennt er als lebendiges Bild Gottes (n. 6). So wird die geistige Natur immer klarer und gottähnlicher, ohne jedoch selbst Urbild oder Schöpfer zu werden. Vielmehr steht der Mensch in der Gefahr, sich am tierischen Leben zu orientieren (n. 7–9). Das Gotteslob hingegen bedeutet Teilhabe durch Nachahmung des Lobwürdigen (n. 10). Durch die Tugend wird der Mensch der Liebe Gottes gleichgebildet (n. 11), durch die Liebe, die seiner Natur entspricht, erkennt er die Liebe. Daher ist der Abfall
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von der Liebe Gottes ein Tod ebenso wie der Entzug der Vernunft (n. 12–14). Der Ordensstand nun dient dem Lob Gottes im Gehorsam. Die Schwierigkeiten dieses Standes, auf die Cusanus bei der Einkleidung hingewiesen hat, will der Novize auf sich nehmen (n. 15–17). Die Vernunft ahmt durch die Kunstfertigkeit die Natur nach, setzt aber das Werk Gottes voraus: Die Wahrheit des geschaffenen Geistes ist im ungeschaffenen Geist, der die absolute Wahrheit ist. Wie das Wort Gottes wesenschaffend ist, ist der menschliche Geist nachbildend, erreicht aber die göttliche Schöpferkunst nicht (n. 18–23). Gott wollte den Menschen zur Schau der Herrlichkeit führen. Der menschliche Geist jedoch begehrte, durch Wissen und Erkennen gottgleich zu werden (n. 24). So missbrauchte der Mensch seine Freiheit, da er wissen wollte und nicht glauben. Er wollte nämlich aus der Kraft seiner eigenen Vernunft zur Herrlichkeit aufsteigen und sich selbst die Ehre geben (n. 25–26). So gebrauchte er seine Vernunft wie ein Sklave, der den Sinnen dient. Demgegenüber erkennt die Demut ihre Unwissenheit und glaubt Gott (n. 27–28). Dieser gibt dem Menschen das Verlangen nach Unsterblichkeit, die nur Gott besitzt. Demjenigen, der sein Leben für Gott gibt, erstattet Gott gerechterweise unsterbliches Leben (n. 29–33). Im Erstling der Menschheit, Christus, eint sich die menschliche mit der göttlichen Natur, damit auch die übrigen Menschen der göttlichen Natur geeint werden können. Dies schließt die Sündlosigkeit des höchsten Menschen ein. Als solcher ist Christus glaubwürdig (n. 34 –37). Daher soll der Mensch die Sünde meiden und das Leiden für Christus annehmen, da er der Grund der Wahrheit des Evangeliums ist (n. 38– 41), denn Gottes Vermögen übersteigt menschliches Urteilen (n. 42– 43). Ein längerer theologischer Exkurs bezieht sich auf die Relationen der göttlichen Personen in der Dreifaltigkeit, die Cusanus mit dem Wappen der Olivetaner erläutert, auf dem der Ölberg in Jerusalem in Form eines Berges mit drei Gipfeln zu sehen ist (n. 44 – 47). Die durch Christus dem Menschen vermittelte Unsterblichkeit verdeutlicht Cusanus, indem er die Webkunst als Bild für die Weisheit vorstellt, deren Lehrmeister Christus ist, da er nicht nur wie ein endlicher Lehrmeister an der Kunst teilhat, sondern ebenso an ihrer Allmacht (n. 48–54). Es folgt ein theologischer Exkurs über die Eucharistie zur Stärkung des Glaubens des Novizen (n. 55– 60). Cusanus beschließt seinen Brief an den Novizen Nikolaus von Bologna mit asketischen Ermahnungen, die er ausfaltet, indem er das biblische Motiv des Ölberges nach dem mehrfachen Schriftsinn auslegt. Der Mönch und mit ihm jeder Mensch soll Christus am Ölberg insbesondere im Gehorsam nachahmen (n. 61–73).
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Analyse und Deutung / Forschungsstand Die beiden Handschriften der Predigt und des Briefes wurden von Paul O. Kristeller 1949 in Siena aufgefunden, von Gerda von Bredow ediert und ins Deutsche übersetzt (CT IV / 3, 25–57). Weitere Übersetzungen liegen in den Ausgaben von Hans Blumenberg und Harald Schwaetzer / Kirstin Zeyer vor (Blumenberg 1957; Schwaetzer / Zeyer 2006). Erste Überlegungen zur Identität des Adressaten und den Gründen des Mitwirkens des Nikolaus von Kues an der monastischen Einkleidung stellt Gerda von Bredow in ihrer Habilitationsschrift an, die jedoch in der Rezension von Erich Meuthen in Frage gestellt werden (Bredow 1955, 9 f.; Meuthen 1957, 360 –362; Stammkötter 2008, 183 f.). Auch der Charakter dieser Schrift wurde diskutiert. Das philosophische und theologische Vermächtnis des Cusanus wurde darin gesehen (CT IV / 3, 60 –101). „Schrieb er ein Testament, ein Vermächtnis, eine Zusammenfassung, ein Memorial, eine Legitimation, eine Handlungsanweisung, ein Gedenkbüchlein oder eine Rückschau?“ Franz-Bernhard Stammkötter schließt sich der cusanischen Bezeichnung als Memoriale an, die dieser in n. 1 selbst benutzt (2008, 186, 188). „Damit bleibt Cusanus seinem Konzept treu […]: Aus freier Einsicht zum Glauben zu finden.“ (Ebd., 2008, 190) Das lebenslange philosophische und theologische Anliegen des Nikolaus von Kues sehen Schwaetzer / Zeyer in dieser Schrift noch einmal aufgenommen (2006, 15). Jedoch liegt es in der Eigenart des Anlasses der Schrift begründet, dass viele der cusanischen wissenschaftlichen Anliegen, wie etwa mathematische, naturwissenschaftliche oder kosmologische Gedanken, darin nicht zur Sprache kommen. Auch die philosophischen Begriffsprägungen, wie „coincidentia oppositorum“, „docta ignorantia“, „possest“ und weitere, kommen darin nicht vor. „So kann man zwar sicherlich nicht davon sprechen, daß die ganze entfaltete Fülle des Cusanus in diesem Vermächtnis eingeschlossen liegt, aber sein Denken ist in dem Gedenkbüchlein zu einem lebendigen Kern verdichtet.“ (Ebd. 16)
Wirkungsgeschichte der Schrift Die Wirkungsgeschichte des Briefes ist aufgrund seines zunächst privaten Charakters und seiner späten Edition sehr gering. Seine Grundgedanken fi nden sich
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schon in früheren cusanischen Schriften und werden hier auf die Wissenschaft des Lobpreises ausgerichtet, die selbst schon ein Jagdfeld in seiner Schrift De venatione sapientiae war. Gerda von Bredow resumiert im Schlusswort ihrer Edition Die Bedeutung unseres Briefes im Gesamtwerk des Cusaners: „Das Einzigartige und Große an unserer kleinen Schrift ist also nicht in einem neuen Gedanken zu suchen, sondern in der Leuchtkraft der Zusammenschau.“ Dies sei „eine Perle, in deren Glanz Kosmos, Menschenwürde und demütige Gottinnigkeit sich zu einem schimmernden Geheimnis verbinden“ (CT IV / 3, 106). Viki Ranff
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Das genaue Abfassungsdatum der Schrift Compendium ist nicht bekannt. Als „terminus post quem“ muss das Jahr 1462 / 63 gelten, in dem das in Kapitel 12 bereits zitierte Werk De ludo globi entstanden ist (Flasch 11998, 623). Kurt Flasch sieht als „terminus ante quem“ Ostern 1464 an, die Abfassungszeit von De apice theoriae (ebd.). Folglich deutet er das Compendium als vorletzte Schrift, Karl Bormann hingegen als wohl letzte Schrift von Cusanus, da er im Kapitel 10 eine Anspielung auf De apice theoriae vermutet (1968, 182, Anm. 2), bzw. als zeitgleich mit diesem verfasstes Werk (Decker / Bormann 31996, VII).
Werkstruktur und Inhalt Die relativ kurze Schrift Compendium gliedert sich in 13 Kapitel sowie eine Schlussfolgerung und einen Epilog. Zunächst versucht Cusanus in Kapitel 1 einige Axiome zu erläutern. Neben dem Bestehen konträrer Gegensätze wie „eines-vieles“ oder „einzelnes-mehreres“ erwähnt er den seiner Ansicht nach zweifelsfreien Primat des tatsächlichen
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Seins eines Gegenstandes gegenüber dessen Erkennbarkeit. Aufgrund einer Ähnlichkeitsrelation zwischen Gegenstand und Zeichen kann dieses jenen in seiner Seinsweise zwar nicht berühren, aber doch bezeichnen. Dabei stellt Cusanus in offenkundiger Anlehnung an Platons Sonnengleichnis eine Proportionalitätsanalogie zwischen der geistigen Schau und der Seinsweise einerseits sowie dem Gesichtssinn und dem sinnlichen Licht andererseits her. Im zweiten Kapitel widmet sich Cusanus besonders der Bedeutung der Zeichen, denen eine notwendige Vermittlungsfunktion zwischen dem Gegenstand und der Kenntnis davon zukommt. Da kein einzelnes Zeichen die Seinsweise hinreichend bezeichnen kann, wird diese durch mehrere einander ergänzende Zeichen bezeichnet. In diesem Zusammenhang differenziert Cusanus zwischen Zeichen, die von Natur aus, und solchen, die aufgrund von Konvention ihren jeweiligen Gegenstand bezeichnen. In Kapitel 3 wird die These aufgestellt, dass Adam alle Sprachen verstünde, da diese aus der Sprache der menschlichen Stammeltern hervorgegangen sind. Darüber hinaus sieht Cusanus beim ersten Menschenpaar bereits die Verwendung der Schrift gegeben, da dieser im Unterschied zur gesprochenen bzw. hörbaren Sprache das Vermögen zukommt, Vergangenes bzw. Abwesendes mittels sichtbarer Zeichen zu vergegenwärtigen. Die einzelnen Sinne, wodurch der Mensch Kenntnis von den sinnlichen Gegenständen erlangen kann, werden im vierten Kapitel näher ausdifferenziert. Dabei zeigt sich, dass der einzelne Gegenstand lediglich mittels einer Bezeichnung in die Kenntnis eingeht, da er aufgrund seiner Singularität nicht vervielfältigt werden kann, jedoch zugleich auch als solcher erkannt werden soll. Im fünften Kapitel thematisiert Cusanus den Versuch, mittels der sinnlichen Zeichen den jeweiligen Gegenstand möglichst präzise zu erfassen, wobei er feststellt, dass dessen Singularität nie vollständig erfasst werden kann. In Kapitel 6 unterstreicht Nikolaus die Eigenart der Erkenntnis des Menschen gegenüber derjenigen des Tieres, die nach Cusanus v. a. darin besteht, dass der menschliche Verstand aus den verschiedenen Sinneseindrücken die Erkenntnisbilder aller Künste abstrahiert, mit deren Hilfe er die Mängel der menschlichen Natur zu beheben versucht. Dem Vermögen des Erkenntnisbildes, viele verschiedene Aspekte zusammenzufassen, wird im siebten Kapitel nachgegangen. Dabei wird die lullistische „Ars generalis“ mit ihren neun Erkenntnisbildern sowie das einzige Erkenntnisbild des johanneischen Logosgedankens angedeutet, dessen großer Vorzug darin besteht,
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alles Begreif-, Sag- und Schreibbare zu umfassen. Es folgen einige Ausführungen über den Logos bzw. das Wort, unter denen diejenige über die Bedeutung des Wortes als Gleichheit hervorzuheben ist. Demnach ist das Wort die Gleichheit von jedwedem Seienden, da es diesem seine entsprechende Seinsform verleiht. Im achten Kapitel findet sich das berühmte Bild des Kosmographen. Dabei vergleicht Cusanus den Menschen mit einem Kosmographen, der in einer von Mauern umgebenen Stadt sitzt und Nachrichten von Boten empfängt, die aus den fünf Stadttoren zu ihm kommen, wobei die fünf Stadttore den fünf Sinnen entsprechen. Der Kosmograph zeichnet die einzelnen Berichte auf und versucht sich daraus ein Gesamtbild der Außenwelt jenseits der Stadtmauer zu machen. Um die Präzision der Beschreibung zu erhöhen, ist er bestrebt, die Tore stets offen zu halten. Sobald er sich ein Gesamtbild gemacht hat, hält er dieses in den entsprechenden Proportionen in einer Landkarte fest, entlässt die Boten und schließt die Tore, um sich dem Schöpfer der Welt zuzuwenden, da sich dieser zur Welt wie der Kosmograph zur Landkarte verhält. Zugleich erblickt der Mensch in sich die besondere Nähe zum Schöpfer der vom Vernünftigen bis zum Sinnlichen hierarchisch geordneten Welt. Mit der Analogie von Natur und Kunst beschäftigt Cusanus sich in Kapitel 9. Demzufolge ahmt der Mensch in seinen vielfältigen Künsten, von denen Cusanus Grammatik, Rhetorik, Poesie, Musik und Logik erwähnt, die Natur nach. Dies wird am Beispiel der Musik näher illustriert. Das zehnte Kapitel thematisiert die Erkenntnis und die trinitarische Struktur des allmächtigen Ursprungs. Dieser ist zunächst Können („posse“), das allem Seienden und Nichtseienden vorausgeht, da nichts ist, was nicht zuvor sein kann. Zugleich ist er Gleichheit („aequalitas“), die das präzise Maß des Ursprungs definiert, da er nur so unübertreffl ich sein kann. Schließlich ist er auch die mächtigste Verbindung („unio potentissima“), die aus Können und Gleichheit hervorgeht, da die geeinte Macht auch stärker ist. Infolgedessen charakterisiert Cusanus den Ursprung als vollkommen mächtig, gleich und geeint. Es folgen einige Äußerungen über die Gleichheit. Demnach ist alles Geschaffene der Gleichheit ähnlich, da diese weder vervielfältigbar noch Ursprung des Unähnlichen ist. Erwähnenswert erscheint auch noch die Deutung der Gleichheit als Wahrheit, da der Angleichungsprozess der Sache an die Vernunft nur dann gelingen kann, wenn bereits die Gleichheit zwischen beiden Größen gegeben ist. Im elften Kapitel wird der Unterschied zwischen der Vernunft und der sinnenhaften Seele sowie zwischen dem einformenden Gegenstand und der
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formenden Einsicht näher untersucht. Dabei unterstreicht Cusanus, dass die Vernunft lediglich das Erkennbare, nicht das sinnlich Wahrnehmbare erkennen kann. Um Letzteres erkennen zu können, muss es zuvor erkennbar werden. In Kapitel 12 kommt Cusanus erneut auf die Gleichheit zu sprechen, deren Spuren auch im sinnlich Wahrnehmbaren zu fi nden sind. So können ebene, runde und mittlere Flächen gar nicht ohne die Gleichheit verstanden werden. Gleiches gilt für die Zahl, deren präzises Maß kein Mehr oder Weniger zulässt. Zuletzt wird im 13. Kapitel die Seele als Lebensprinzip des organischen Körpers näher bestimmt. Die Schlussfolgerung ist insofern wichtig, als darin Thema und Intention des Compendium abschließend dargelegt werden. Demzufolge stellt es einen kurzen Abriss des stets mit sich identischen ersten Prinzips dar, das in den verschiedenen Werken auf je verschiedene Weise ausführlich behandelt wird. Im Epilog stellt Cusanus noch einmal heraus, dass die gesamte Anleitung auf die Einheit des Gegenstandes der sinnlichen und der geistigen Schau ausgerichtet ist. Dieser Gegenstand ist nichts anderes als das Können selbst, jenseits dessen es nichts Mächtigeres gibt. Dieses Können ist universale Seinsursache, die allem Seienden gegenüber transzendent ist. Während die geistige Schau das Können in sich zum Gegenstand hat, zielt die sinnliche Schau auf das Können im sinnlichen Zeichen. Schlussendlich wird unterstrichen, dass das Können selbst auch universale Finalursache ist, auf die alle übrigen Ursachen hingeordnet sind.
Analyse und Deutung / Forschungsstand Die Anzahl wissenschaftlicher Werke, die sich mit dem Compendium befassen, ist überschaubar. Karl Bormann betont den erkenntniskritischen Grundzug des Compendium, insbesondere von dessen Wahrheitstheorie, die stark von der traditionellen Bestimmung adaequatio rei et intellectus abweicht (1968, 184 –186). Die extramentale Wirklichkeit in ihrem Ansich wird nach Cusanus nicht mehr vom menschlichen Geist, sondern lediglich vom schöpferischen Geist Gottes, der ihr auch das Sein verleiht, erkannt. Sichere Erkenntnis kann folglich der endliche Geist des Menschen nur über die von ihm selbst hervorgebrachten Zeichen als entia rationis erlangen (ebd., 187). Wenngleich Bormann gewisse Unterschiede zwischen der cusanischen und der nominalistischen Position ausmacht, so v. a.
Compendium
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in der von Cusanus vertretenen „asymptotische[n] Annäherung, eine[r] Teilhabe an der Wahrheit“ (ebd., 188), diagnostiziert er dennoch eine Nähe der im Compendium enthaltenen Erkenntnistheorie zum Nominalismus. Offen bleibt für Bormann jedoch, woher dieser tendenzielle Nominalismus stammt und wie er mit der Metaphysik des Compendium, die wiederum auf einem erkenntnistheoretischen Realismus basiert, vereinbar ist (ebd.). Jasper Hopkins legt in seiner Analyse der Zeichentheorie des Compendium den Schwerpunkt auf folgende Aspekte: Unterschied zwischen natürlichen und konventionellen Zeichen, Verweisfunktion der Geschöpfe auf ihren Schöpfer sowie Differenz der Zeichentheorie des Compendium und der Namentheorie von De mente (1996, 41– 43). Kurt Flasch betont die Neuheit des im Compendium formulierten Gottesnamens „posse“ gegenüber „possest“, die primär darin besteht, nun das Hauptaugenmerk auf das Können, das der Differenz von Sein und Nichtsein vorausgeht, zu richten. Zugleich sieht er im Ternar Können-Gleichheit-Einheit beider „die neue Formel der letzten Trinitätsphilosophie“ (11998, 624) gegeben. Die von Cusanus hervorgehobene Einbettung der menschlichen Erkenntnis in elementare Lebensvollzüge betrachtet Flasch als Ausgleich zu der ansonsten zu beobachtenden Tendenz zur Mathematisierung bzw. Logifizierung der Welt (ebd., 626). Trotz einiger erkenntniskritischer Bemerkungen bewegt sich Cusanus’ Zeichentheorie innerhalb eines erkenntnistheoretischen Realismus, da die Zeichen auf den Gegenstand hindeuten, eine Ähnlichkeitsrelation zwischen beiden besteht und schließlich die geistige Schau den Unterschied von Zeichen und Gegenstand erblickt, sprich: die rein zeichenimmanente Erkenntnis transzendiert. Neben der Zeichentheorie wendet sich Flasch auch der im Compendium enthaltenen „Philosophie der Schrift“ (ebd., 631) zu, in der er eine ungewöhnliche Höherbewertung der Schrift gegenüber dem gesprochenen Wort sieht, da sie auch Menschen in der Ferne erreicht, dauerhafter ist und das Festhalten des Gedankens im Gedächtnis illustriert (ebd., 632).
Wirkungsgeschichte der Schrift Eine besondere Wirkungsgeschichte der Schrift ist nicht ersichtlich. Felix Resch
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De apice theoriae Die höchste Stufe der Betrachtung Entstehungskontext De apice theoriae
Thema der kleinen und wohl letzten Schrift des Nikolaus von Kues, die an den Ostertagen 1464 in Rom verfasst wurde, ist die Frage, was „vom Gipfel der Betrachtung“ her spekulativ als ein letztes, unbezweifelbares Seins- und Erkenntnisprinzip bestimmt werden kann. Insofern handelt es sich um eine neuerliche Rephrasierung der Spekulationen der letzten Jahre. Die Frage wird, wie etwa ein Viertel all seiner Schriften, in Dialogform abgehandelt. Dialogpartner ist der Aachener Kanoniker Peter Wymar von Erkelenz (Meuthen 1977 / 78; Senger 1986, 45–51), der Nikolaus bereits seit 1449 oder 1450 als Sekretär diente und schon seit vielen Jahren die Schriften des Kardinals in säuberlichen, teilweise selbstverfertigten Abschriften sammelte, damit sie der Nachwelt hinterlassen würden. Dazu dienten die Handschriften Cod. Cus. 218 und 219 der Bibliothek des Hospitals zu Kues, als dessen dritter Rektor Peter von Erkelenz dann ab 1488 fungieren wird. In den Ostertagen 1464 hatte der Kardinal ihm die Priesterweihe gespendet. Die vorliegende Schrift könnte man also als ein Primizgeschenk an den Neupriester ansehen.
Werkstruktur und Inhalt Im Dialog nimmt der literarische Partner Peter nicht die Funktion eines gleichberechtigten Mitunterredners ein. Er trägt die Überlegungen nicht eigentlich mit. Sein Anteil ist darauf beschränkt, den Fortgang der Überlegungen wiederholend oder affi rmierend zu verstärken, durch Fragen und Nachfragen stichwortgebend zur Weiterführung beizutragen. In der Hälfte der Schrift (De ap. theor.: h XII, n. 14) hat sich diese Funktion bereits erfüllt. Wie schon zuvor, leistet der Kardinal die Gedankenarbeit auch jetzt allein, ohne die Rolle eines Dialogpartners. Stellvertretend für den Leser wird diesem aber zunächst die Durchführung des Gedankenexperiments dieser Schrift (ebd., h XII, n. 9) und
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dann die Beschäftigung mit anderen Schriften des Autors von diesem aufgetragen, allen voran De dato patris luminum, De visione dei und De quaerendo deum (ebd., h XII, n. 16). Am Beginn der Schrift wird das in und mit jeder Frage gesuchte Was („quid“) oder, abstrakt, die Washeit („quiditas“), als das „Können“ („posse“) bestimmt. Damit ist aber nicht schon das Können eines Einzelnen oder einer Gesamtheit gemeint, sondern dasjenige Können, das ein solches Können überhaupt erst ermöglicht, das „Können alles Könnens“ eben („posse omnis posse“). Nikolaus von Kues nennt es nun hier „posse ipsum“, das „Können-selbst“. Dieses Können-selbst ist der absolute Ermöglichungsgrund jedes einzelnen und aller von ihm veranlassten, prinzipiierten endlichen Können. Dieses „posse ipsum“ soll nun „weitaus zutreffender als das ,possest‘ oder irgendeine andere Benennung dasjenige“ benennen, „ohne das nichts überhaupt sein noch leben noch erkennen kann.“ (ebd., h XII, n. 5) „Possest“ ist der Titel jenes Trialogs vom Vorjahr, dem zufolge das „Können-Ist“ dasjenige ist, wo das Können aktual ist und wirklich das ist, was sein kann, vor allem, was werden kann, also vor dem „posse fieri“, und vor allem, was geworden ist („factum“). Das „possest“ ist also dasjenige, was „ante differentiam“ „actus et potentiae“ ist, also jeder Unterscheidung von Wirklichkeit und Möglichkeit vorausgeht. Wo also Akt und Potenz aufgehoben sind und koinzidieren, ist das „possest“ alles Können in Wirklichkeit. Philosophen, die diesen Weg der Koinzidenz des Könnens nicht gingen, scheiterten demnach an diesem Gottesbegriff (De ven. sap. 13: h XII, n. 34 –38). Damit griff Nikolaus einen augustinischen Gedanken auf, den der Identität von Sein und Können in Gott und deren Differenz im und für den Menschen (In Iohannis Evangelium, tractatus XX, 3). Damit überstieg Nikolaus die aristotelisch-scholastische Bestimmung von Akt und Potenz als dualem Prinzipienpaar. Für Cusanus ist also die Differenz im Verhältnis von Sein und Können, wie es zum einen in Gott und zum anderen im und für den Menschen gegeben ist, die entscheidende Differenz zwischen dem „Können selbst“ („posse ipsum“ oder Gott) und jedwedem anderen Können dieser oder jener Art („posse cum addito“). Mit dem „Possest“, das also ein Gottesname, und zwar ein absoluter Gottesname ist, hatte Nikolaus seine früheren Spekulationen, vor allem die der Schriften De docta ignorantia, Idiota de mente, De visione dei, De ludo globi, De venatione sapientiae, wie auch die seiner Vorgänger über die Rolle von „Können“ und „Potenz“ weiterentwickelt und präzisiert.
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Das „großartige Neue“ der jüngsten, tiefgehenden Meditation von De apice theoriae (h XII, n. 1 f.) sei die „Spitzenerkenntnis“, dass das „posse ipsum“ das integrale Seins-, Verursachungs- und Erkenntnisprinzip für die Gottes- und Welterkenntnis und den Gott-Welt-Bezug sei. Um Meditation nämlich, um Kontemplation und Spekulation geht es bei dieser Art von „Theorie“, die traditionell im aristotelischen Sinn von „theoría“ (lat.: „speculatio“) verstanden werden muss und nicht als Theorie in einem modernen wissenschaftstheoretischen Verständnis missverstehend gedeutet werden darf. Dass die höchste Stufe der Betrachtung das Können selbst ist, „das Können allen Könnens, ohne das überhaupt nichts betrachtet werden kann“, wird in dem zweiten, nicht mehr dialogisch geführten Teil expliziert, im sogenannten Memoriale apicis theoriae, einer „Kurzfassung der Schrift“ in zwölf axiomartigen Thesen (ebd., h XII, n. 17–28). In diesen Abschnitten wird das Könnenselbst als das in der Welt manifestierte Prinzip von allem erwiesen und – vice versa – alles Welthafte als prinzipiierte Manifestationsweisen eben jenes Könnens; besonders hervorgehoben werden dabei (ebd., n. 22–26) der menschliche Geist, die Wahl- und Willensfreiheit, das Handeln und das Produzieren des Menschen. Mit einer „bisher unbekannten Kunst“, der hier (ebd., h XII, n. 15 f.) erstmals explizierten „Resolutionsmethode“, unternimmt Cusanus es dann, philosophiegeschichtlich widerstreitende Positionen dadurch zu harmonisieren, dass er sie auf eine höhere, übergeordnete Erkenntnisebene hebt, auf der sie als differente Manifestationsweisen eines übergeordneten Seinsprinzips koinzidentell gesehen und verstanden werden können (Senger 2002a, 188–194). In engem Bezug zu dem der Schrift angefügten, rekapitulierend-memorierend angelegten Memoriale apicis theoriae, dem „Merkbüchlein“ des „posse ipsum“ eben, das aus zwölf Sätzen („propositiones“) von gleichsam axiomatischer Kürze besteht (De ap. theor.: h XII, n. 17–28), steht ein ebenso knapp gefasstes, nur in einer Handschrift überliefertes Memoriale (h XII: XV, p. 207), dessen Autor nicht bekannt ist, zumindest aber Nikolaus von Kues nahesteht. Die Bezüge dieser kleinen Denkschrift zu De apice theoriae sind in Apparat III der kritischen Ausgabe als „loci similes“ dokumentiert. Mit dem ganz offensichtlich von ihm selbst geprägten Begriff „apex theoriae“ steht Nikolaus von Kues geistesgeschichtlich in einer langen Tradition. Wenn Bonaventura und Johannes Gerson vom „apex mentis“ sprechen, Gerson zudem auch vom „apex rationis“, sprechen sie von der letzten, höchsten
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Erkenntnisstufe eines sechsfach gestuften Erkenntnisvermögens, die sie auch „synderisis scintilla“ nennen, was man als „Fünkchen affektiv-voluntativen Erkenntnisstrebens zum Guten“ umschreiben kann. Im Hintergrund steht dann zum einen die Vorstellung des Proklos von der „akróteta tou˜ nou˜ “, was in der lateinischen Übersetzung des Petrus Balbus mit „apex intellectus“ wiedergegeben wird, zum anderen die Idee des Pseudo-Dionysius von dem höchsten Gipfel der mystischen Geheimnisse („akrotáten koryphén“) und von der Spitze göttlicher Aufstiege (De mystica theologia I, 1 u. 3 in: Pseudo-Dionysius Areopagita 1991). Einer der mittelalterlichen Dionysius-Kommentatoren, Thomas Gallus von St. Viktor, bezeichnete solchen Gipfel der Gotteserkenntnis als „apex synderesis“, nicht ohne dabei zwischen kognitiver und affektiver Gotteserkenntnis zu unterscheiden: „apex intelligentiae“ und „apex affectionis“. Nikolaus von Kues kannte all diese Vorlagen aus eigener Lektüre. Aber anders als in der Viktoriner- und Kartäusermystik (z. B. des Dionysius von Rijkel: „apex mentis“) des 14. und 15. Jahrhunderts, in der das affektive Moment stark hervorgekehrt wird, macht Nikolaus von Kues das kognitive Element der „apex“-Theorien stark, indem er den Anteil des geistigen Auges (den „mentis oculus“, nach Plato, Staat VII, 533d: „tò te˜s psyche˜s ómma“) beim Erreichen des Erkenntnisgipfels betont.
Forschungsstand Während Giovanni Santinello (1993) dem „posse ipsum“ als der „novità nel pensiero“ des späten Cusanus nachging, verortet Kurt Flasch im Rahmen seiner „Geschichte einer Entwicklung“ (11998, 634 – 644) De apice theoriae als „Letzte Stufe der Theorie“; relativierend nimmt er ihr so zwar die „Spitze“, nimmt sie aber als letzte Rechtfertigung seiner eigenen entwicklungsgeschichtlichen Darstellung der cusanischen Philosophie. – F. Edward Cranz (2000a; 2000b) und H. Lawrence Bond (2002) verfolgten bei ihrer genetischen Sicht auf die cusanischen Spekulationen über das Können („posse“) den Wandel von De possest zum absoluten Können des „posse ipsum“ als einem letzten, unüberhöhbaren Gottesbegriff in De apice theoriae. – In cusanischer Intention müsste dem jedoch ein quasi-infi niter Progress bei der Benennung Gottes entgegengesetzt werden. Das ergibt sich allein schon aus der in De venatione sapientiae vorgetragenen Theorie der Wortbedeutung („vis vocabuli“, De ven.
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sap. 33: h XII), derzufolge jede Benennung durch ein Wort nicht das Wesen des Benannten, sondern allein das vom Benennenden an einem Sachverhalt Erkannte bezeichnet. – Auf die bei Cusanus bis zu dieser Schrift so nicht formulierte „Kunst der resolutiven Methode“ (s. o.) machte Senger (2002a) aufmerksam. – Einen umfangreichen Kommentar und Erläuterungen bietet die deutsch-lateinische Parallelausgabe in den Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung, Heft 19 (Senger 1986; 22002).
Wirkungsgeschichte der Schrift Über eine nennenswerte Nachwirkung dieser kleinen Schrift ist wenig zu sagen. Mit den späteren Schriften insgesamt teilt sie das Schicksal, im Schatten anderer, wirkmächtigerer Schriften wie De docta ignorantia oder De visione dei zu stehen und weitgehend unbeachtet geblieben zu sein. – In einer frühen gegenreformatorischen Kompilation zitierte jedoch der lang unbekannt gebliebene Minorit Philipp von Hersfeld um 1525 / 1530 in seinem Hortulus quatuor librorum sententiarum ausgiebig auch aus Cusanus-Schriften, u. a. längere „Sentenzen“ aus De apice theoriae (h XII, n. 8–11, n. 14 –15), und zwar solche über die verschiedenartigen Manifestationsweisen Gottes in den verschiedenen Kreaturen, speziell über das „Posse“ und seine verschiedenen Manifestationen als „lux“ (Lichtmetapher!), Sein, Erkennen und nachdrücklich in verschiedenen, einander widersprechenden Erkenntnisinhalten, die zur Konkordanz gebracht werden können (Senger 2002a, 310). Hans Gerhard Senger
b) Kleinere Schriften in Sammeldarstellungen
Theologische Kleinschriften: Responsio de intellectu evangelii Ioannis De visitatione Antwort aus dem Geist des Johannesevangeliums Von der Heimsuchung
Entstehungskontext Kleinere Schriften in Sammeldarstellungen Theologische Kleinschriften
Zwei kleine theologische Schriften des Cusanus mit eher vorstudienartigem Charakter sind die wahrscheinlich zwischen 1444 und 1446 entstandene Responsio de intellectu evangelii Ioannis. Quomodo ratio divina sit vita und De visitatione, auch – nach p und b – als De annuntiatione bezeichnet, eine Auslegung von Lk 1,26 –56. Diese Schrift entstand wohl nach der cusanischen Predigt zum Fest Mariä Heimsuchung in Mainz, Sermo LXVIII vom 2. Juli 1446 (Sermo LXVIII: h XVII, n. 1–35; Predigten 2, 335–347, mit Bemerkungen von Hermann Schnarr, 336; Scharpff, 551–563; Pfeiffer 1986, 144; CT I / 7, n. LXI). Zur Responsio de intellectu evangelii Ioannis vermutet Schwaetzer mit Berufung auf Haubst, sie sei eine Vorstudie zu De filiatione dei. Er begründet damit seine Theorie eines roten Fadens von der Responsio über De filiatione dei zu De Genesi (2003a, 80 f., 93 f. mit ebd., 80, Anm. 8. Dort müsste es heißen: Haubst, Nikolaus von Kues ueber [statt: und] die Gotteskindschaft, 35 [statt: 11], Anm. 15). Der von Schwaetzer zugrunde gelegte cusanische Ge-
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währstext bezieht sich nach Haubsts Streifzügen (Haubst 1991, 406 – 408) auf Cod. Cus. 220, fol. 95–97 und 105–108 und enthält Exzerpte aus dem Neuen Testament, insbesondere zu Joh 6. Dies deutet auf einen Bezug zur Eucharistie hin (CT I / 7, n. LVII, von Koch als Mainzer Hs. „K 95r –97v“ vermerkt). Marx weist den Inhalt von Cod. Cus. 220, fol. 95–97 nicht eigens aus (1905, 217). Haubst leitet seine Argumentation für eine Vorläuferfunktion dieser Exzerpte zu De filiatione dei (1962, 33, 35) folgendermaßen ein (1991, 409): „Die auf Folio 95–97 eingebundenen Auszüge sind für uns aus mehreren Gründen die interessanteren. Denn hier läßt Cusanus bedeutsame bibeltheologische Feststellungen mit einfl ießen, bei denen ebenfalls das Thema der Gotteskindschaft deutlich im Mittelpunkt steht; und diese Aufzeichnungen münden in eine längere, zusammenfassende Notiz ein, die mit der Grundkonzeption von De filiatione zu vergleichen ist.“ Senger belegt in h X / a, 96 als Zeugen für die Responsio de intellectu evangelii Ioannis jedoch Cod. Cus. 220, fol. 125r–v. So erschließt sich nicht recht, warum die von Haubst herangezogenen cusanischen Exzerpte aus Joh 6 für die Vorläuferschaft der Joh 1 auslegenden Responsio zu De filiatione dei sprechen sollen.
Werkstruktur und Inhalt 1. Die Responsio de intellectu evangelii Ioannis. Quomodo ratio divina sit vita behandelt nach einer kurzen Einleitung (h X / a, n. 1) die göttliche „ratio“ als Leben (h X / a, n. 2–5), das im Glauben empfangene Zeugnis Christi (h X / a, n. 6 –7) und Gott als Leben der rationalen Seele (h X / a, n. 8). Zwischen Sermo XXX vom 25. März 1444 und Sermo LIV vom 22. Juli 1445 hat Cusanus die Responsio verfasst (Haubst 1956, 28; Zählung der Sermones nach h XVII). Cusanus versucht hier unter dem Einfluss der 1444 erfolgenden Lektüre des Johannes-Kommentars Meister Eckharts zum letzten Mal, Joh 1,1– 4 zu erschließen. Johannes will Christus als Gottessohn und das ewige Leben der Gläubigen verkünden. Kein Seiendes kann ohne Sinngrund, „logos“ oder „ratio“, sein (Haubst 1956, 29). Der Übersetzer wählt für die cusanische Wendung „ratio absoluta“ die Übertragung „abgetrennte ratio“, um damit nach Auskunft des Übersetzungsherausgebers den aristotelischen Hintergrund des Terminus zu erhellen (Pfeiffer 2001, 67 mit Anm. 5). Inhaltlich gemeint ist je-
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doch „absolute ratio“. Dieser Logos ist „im Urgrund“ der Dinge „beim Vater“, ohne mit diesem identisch zu sein. Der überreiche Sinngrund alles Geschöpflichen ist lebendig. So ist der präexistente Logos des Johannesprologes trinitarisch und zugleich schöpfungsmittlerisch zu verstehen. Die philosophische Spekulation über die „coincidentia oppositorum“ denkt Cusanus hier mit der Trinitätslehre zusammen, die bis zur Entstehung von De aequalitate zunehmend von augustinischem Denken geprägt wird (Haubst 1956, 29 f.; vgl. das Kapitel zu De aequalitate). Im Zentrum der Reflexion steht der Begriff der „ratio absoluta“ für den göttlichen Logos (Schwaetzer 2003a, 82–84). 2. De visitatione (V1 124ra–127ra) oder De annuntiatione (b 343 –349 und p II 3v– 6v) heißt eine cusanische Auslegung der Verse Lk 1,26 –56 zur Verkündigung an Maria und zu ihrem Besuch bei Elisabeth, so dass beide Titel je einen Teil der cusanischen Schrift in den Blickpunkt rücken. Sie gestaltet sich als Gespräch eines Christen mit der Jungfrau Maria über das Fest der Verkündigung: „Annuntiatio“, während Pfeiffer den Text irrtümlich dem Fest der Heimsuchung Mariens zuschreibt (1986, 144). Ein frommer Christ will das Fest würdig begehen, bekennt sich als Sünder und betet um Erleuchtung. Hierin zeigen sich die „Ignorantia“ des Menschen und seine Demut. Letztere wird der gottgegebenen Erkenntnis gewürdigt. Maria erscheint als Vermittlerin göttlicher Gnaden zur tieferen Erkenntnis der Heilsgeheimnisse nach der Heiligen Schrift. Maria ist Hilfe und Weg zur Selbsterkenntnis und Zeichen der Gnadengabe Gottes, die jede tiefere Erkenntnis der Heiligen Schrift bedeutet. Im nun ausgelegten Engelsgruß an Maria als Beginn aller Feste drückt sich das vom Vater inspirierte Lob des Sohnes Gottes aus. Maria erschrickt über die Erhabenheit der Ankündigung – hier dargestellt als überhelles Licht –, nicht aber über die Engelserscheinung. Cusanus belegt dies mit bibelimmanenten Verweisen, indem er nach einem alten exegetischen Prinzip die Heilige Schrift durch sich selbst auslegt und spekulative Überlegungen erst daran anschließt. Gott hat Maria im Voraus erwählt. Maria antwortet auf den Ruf in adventlicher Haltung. Der verheißene Retter erscheint unter gleichnamigen Vorläufern wie einer unter vielen, ist in seiner Person aber der Retter und der Große schlechthin. Maria nimmt die jungfräuliche Empfängnis im Glauben an die schöpferische Tat Gottes an. Der Vater bewirkt durch den Heiligen Geist die Menschwerdung des Logos. Die Frage nach der Art und Weise, die Maria stellt, erkennt sie schließlich als unangemessen, da bei Gott die Handlungsart nicht vom Faktum seines Handelns zu trennen ist. Maria hingegen unterwirft sich
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im Glauben, nachdem sie unter Anleitung des Engels über ihre Frage nachgedacht hat. In diesem Moment der erfolgenden Zustimmung sieht Cusanus mit der Tradition den Zeitpunkt der Empfängnis. In der anschließenden Auslegung der Heimsuchungsperikope stellt Maria sich als die Dienerin Elisabeths vor. Die Begrüßung durch die vom Heiligen Geist erfüllte Verwandte erweist Christus als den Adressaten der Huldigung. Die Auslegung des Magnificat stellt Maria als exemplarisch für alle Menschen dar, die sich dem Wirken Gottes überlassen. Kein einzelner Mensch kann den Menschensohn als seinen Sohn reklamieren, da er Sohn Gottes ist. Letzteres gilt zwar auch für Adam, dieser wurde jedoch um Christi willen erschaffen, damit der Menschensohn aus einer menschlichen Mutter Fleisch annehmen und der Erstgeborene von vielen Brüdern werden könne. In Anlehnung an Abraham als Vater der Glaubenden ist Jesus der Sohn aller Glaubenden. Wer ihm folgt, kann nach Lk 8,21 seine Mutter genannt werden.
Forschungsstand Die beiden kleinen Schriften sind nur selten Gegenstand der Forschung geworden. Harald Schwaetzer erläutert den Begriff der „ratio absoluta“ und stellt die Hypothese auf, die Responsio sei eine Vorstufe zu De filiatione dei (2003, 80 –84, 93). Rudolf Haubst zitiert gelegentlich De visitatione in den Kapiteln seiner Habilitationsschrift Die Christologie des Nikolaus von Kues zu Maria und zur Verkündigung, um die mariologischen und christologischen Aussagen der Sermones hervorzuheben (1956, 107, 234 f., 237, 241, 244 f.). Reinhold Weier liest De visitatione im Sinne einer in Maria verkörperten Rechtfertigung aus Glauben (1971, 120 –122). Helmut Pfeiffer schließlich bietet einen Beitrag zur cusanischen Schriftauslegung am Beispiel von De visitatione (1986, 144 –151).
Wirkungsgeschichte der Schriften Nachwirkungen der beiden kleinen Schriften sind außer den zum Entstehungskontext genannten Fragen nicht bekannt. Offenbar wurden sie nicht als selbständige cusanische Werke wahrgenommen und rezipiert. Nur die Responsio
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de intellectu evangelii Ioannis wurde als selbständiger Text in h X / a, n. 1–8 ediert. Die geplante Edition von De visitatione / annuntiatione in h X / a wurde nicht verwirklicht (Pfeiffer 1986, 151, Anm. 4). Viki Ranff
Mathematische Schriften: De geometricis transmutationibus, De arithmeticis complementis, De circuli quadratura, De quadratura circuli, Declaratio rectilineationis curvae, De una recti curvique mensura, Quadratura circuli, De caesarea circuli quadratura, De mathematica perfectione, Aurea propositio in mathematicis Mathematische Schriften
Die Mathematik hat für Cusanus eine besondere Bedeutung. Ähnlich wie bei Platon ist für ihn die Welt des Mathematischen abgelöst von der Welt der Sinnendinge. Die mathematischen Wahrheiten sind gewiss und unveränderlich. Bei seiner Beschäftigung mit der Mathematik darf der menschliche Geist nicht von der Sinnenwelt ausgehen. Aber anders als Platon vertritt Nikolaus die Ansicht, dass die Mathematik ihren Ursprung im Geist des Menschen hat. Die mathematischen Gegenstände haben kein selbständiges Sein unabhängig vom menschlichen Geist, sondern sie werden durch den Geist erst hervorgebracht. Die Pythagoreer hatten die Auffassung vertreten, die Ordnung der Natur sei durch die Mathematik bestimmt. Cusanus teilt diese Ansicht nicht: Weil der Mensch die Mathematik erschaffen hat, ist sie nicht gleichbedeutend mit der Struktur der Welt, aber der Mensch kann mit Hilfe der Mathematik diese Struktur erfassen. Wegen dieses instrumentalen Charakters kann und muss die Mathematik ständig verfeinert werden. Auf diese Weise wird es möglich, die Welt besser zu erkennen. In der Arbeit mit der Mathematik erfährt der Mensch seine eigentliche Bestimmung. Er sieht sich als Schöpfer und versteht damit sein Dasein als Gottes Ebenbild. Die Mathematik ermöglicht dem Menschen den Weg zu sich selbst und damit gleichzeitig auch die Annäherung an Gott.
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In seinen mathematischen Schriften beschäftigt sich Cusanus ausschließlich mit einem einzigen Problemkreis: mit der Quadratur und Rektifikation des Kreises, also mit der Verwandlung eines Kreises in ein flächengleiches Quadrat und mit der Umformung des Kreisumfangs zu einer Strecke mit gleicher Länge. Mit dieser Frage hatten sich schon die Griechen beschäftigt, aber Nikolaus entwirft neue Ideen zur Lösung dieses alten Problems. Die besondere Bedeutung der Kreisquadratur folgt auch aus einem Ansatz, den man schon in De docta ignorantia fi ndet: Wenn man etwas Unbekanntes erforschen will, so muss man es mit Bekanntem vergleichen und feststellen, welche Übereinstimmungen und welche Unterschiede es gibt. So geht man auch in der Mathematik vor, wenn man eine Proportion, also das Verhältnis von zwei Zahlen, aufstellt. Wenn eine dritte Zahl gegeben ist, so kann man eine vierte Zahl finden, die sich zur dritten so verhält wie die zweite zur ersten. Daraus folgert Cusanus, dass das Erkennen nicht ohne Mitwirkung von Zahlen zustande kommt. Diese Ansicht haben schon die Pythagoreer und Platoniker vertreten. Das Unendliche hat kein Verhältnis zum Endlichen. Daher ist es für uns nicht direkt erkennbar. Man kann aber das Unendliche in einem Spiegel sehen oder in Symbolen untersuchen, wenn man die Mittel der Mathematik benutzt: Indem man die Eigenschaften der Figuren betrachtet, kann man sich dem Unendlichen nähern. Besonders aufschlussreich sind die Gegensätze zwischen dem Geraden und dem Krummen. Diese beiden Prinzipien können in der Mathematik durch die gerade Linie und den Kreis symbolisiert werden. Aristoteles hatte die Ansicht vertreten, es sei nicht möglich, zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen mathematischen Objekten ein gemeinsames rationales Verhältnis zu bilden, und diese Meinung war in der Antike und im Mittelalter allgemein vertreten worden. Cusanus bestreitet die allgemeine Gültigkeit dieses aristotelischen Widerspruchsgesetzes. Für ihn gilt der Grundsatz des Zusammenfallens der Gegensätze („coincidentia oppositorum“): Wenn der Radius eines Kreises immer größer wird, nimmt seine Krümmung ab, und er nähert sich immer mehr einer geraden Linie. In einer höheren geistigen Sicht kann die unendliche Gerade als Kreis mit unendlich großem Radius betrachtet werden. Das bedeutet, dass im Unendlichen der im Endlichen bestehende Gegensatz zwischen Geradem und Krummem aufgehoben ist, und die „coincidentia oppositorum“ ist erfolgt. Ähnlich wie in der unendlichen Geraden die Gegensätze zwischen
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endlichen Figuren aufgehoben sind, so sind in Gott alle Gegensätze aufgehoben, die es in der Welt des Wahrnehmbaren und Denkbaren gibt. In der Unendlichkeit Gottes findet die „coincidentia oppositorum“ für das Universum statt; Himmel und Erde fallen zusammen. Aus diesen Überlegungen heraus wird klar, warum sich Cusanus besonders für die Kreisquadratur und -rektifi kation interessiert und warum er immer wieder neue Ansätze geliefert hat, um sich ihr zu nähern. Fast alle Arbeiten zur Kreisberechnung, die in Europa bis zum 15. Jahrhundert verfasst wurden, beruhen auf der Methode von Archimedes. Er hatte die Kreisfläche berechnet, indem er den Kreis durch ein- und umbeschriebene Vielecke annäherte. Er beschrieb in den Kreis zunächst ein gleichseitiges Dreieck ein, dann ein Sechseck, Zwölfeck usw. bis zum 96-Eck. Die Fläche eines jeden dieser Polygone ist kleiner als die Kreisfläche, aber je größer die Eckenzahl ist, desto mehr nähert sich die Fläche des einbeschriebenen Polygons der Kreisfläche an. Entsprechend kann man sich dem Kreis von außen nähern, indem man ihm zunächst ein gleichseitiges Dreieck umbeschreibt, dann ein Sechseck, usw. Die Differenz zwischen Polygon- und Kreisfläche kann beliebig klein gemacht werden, wenn man nur die Eckenzahl des Polygons hinreichend groß macht. Dieses Verfahren liefert bei einem entsprechenden Rechenaufwand eine beliebig genaue Näherung für die Kreisfläche, also für die Kreiszahl p. Archimedes konnte auf diese Weise zeigen, dass p zwischen 3 10 / 71 und 3 1 / 7 liegt. Sein Verfahren geht also von einem gegebenen, konstanten Kreis aus, den man durch Polygone annähert. Ein methodisch ganz anderer Ansatz besteht darin, regelmäßige Polygone verschiedener Eckenzahl zu betrachten, die immer denselben Umfang haben. Dies ist das isoperimetrische Verfahren. Man erkennt leicht, dass das Dreieck eine kleinere Fläche hat als das Viereck, dieses eine kleinere als das Fünfeck, usw. Im Grenzfall entsteht ein Kreis. Man kann also die Kreisfläche als Grenzwert einer Folge isoperimetrischer Polygone mit wachsender Eckenzahl betrachten. Diesen Zugang zur Kreismessung hat Nikolaus von Kues gewählt. Alle seine Schriften handeln von einem Thema: der Beziehung zwischen regelmäßigen Vielecken, die denselben Umfang besitzen, und dem dazugehörigen isoperimetrischen Kreis. Nikolaus von Kues hat die isoperimetrische Methode wahrscheinlich durch eine Schrift mit dem Titel De figuris ysoperimetris kennengelernt, die um 1160 direkt aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt worden war und von der verschiedene Bearbeitungen im Umlauf waren
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(Folkerts 2003, 296 –299). Im 14. Jahrhundert hat sich auch Thomas Bradwardine mit dem isoperimetrischen Problem beschäftigt. Von besonderer Bedeutung für Cusanus’ mathematische Arbeiten war außerdem die Schrift De quadratura et triangulatura circuli von Ramon Lull. Ausgehend von der unmittelbaren Anschauung versuchte Lull, aus den Figuren durch spekulative Deutung tiefere Zusammenhänge herauszulesen. Er meinte, dass Strecken und Kreisbögen sich nicht ins Verhältnis setzen lassen; man könne aber statt der wirklichen Strecken und Bögen ihre Ideen setzen und diese in der Vorstellung zum Vergleich bringen. Lulls Darlegungen waren mathematisch unzureichend. Seine Ideen haben aber das Denken des Cusanus stark beeinflusst, und den Satz über die Inkommensurabilität, also Nichtvergleichbarkeit, von Kreisbogen und Sehne hat Nikolaus vermutlich aus Lulls Schrift entnommen (Hofmann 1942). Die ganz andersartigen Vorstellungen von Archimedes hat er erst zwischen 1450 und 1453 im Detail kennengelernt, als er schon auf den isoperimetrischen Ansatz festgelegt war. Über Nikolaus’ Beschäftigung mit der Mathematik gibt es mehrere zusammenfassende Darstellungen (Hofmann 1964; 1980, Einführung; Nagel 1984; Folkerts 2003; Böhlandt 2009). Schon in den frühen Werken des Nikolaus von Kues zeigt sich sein Interesse an der Mathematik. Explizit mit diesem Thema beschäftigen sich elf Schriften; dazu kommen Vorstufen zu zwei von ihnen (Edition der Schriften und Vorstufen: h XX; Übers.: Hofmann 21980). Vermutlich hat es weitere, heute verlorene Werke gegeben. Man kann die erhaltenen Schriften in drei Gruppen einteilen, von denen jede eine Hauptschrift enthält. Zur ersten Gruppe gehören drei Arbeiten aus den Jahren 1445 bis 1450. In ihnen versucht Cusanus, die Kreisquadratur geometrisch und rechnerisch durchzuführen. Man erkennt schon den isoperimetrischen Ansatz, aber er ist noch nicht zu einem Verfahren entwickelt. Dies geschieht zwischen 1453 und 1457 in einer zweiten Phase, in der vier Schriften entstanden. Sie beruhen auf der Proportionalität von Flächen. Nikolaus entwickelt Näherungsverfahren und Überlegungen, die auf Grenzübergänge hindeuten. Die Kritik von Zeitgenossen führt dann zu Modifi kationen und zu vier weiteren Arbeiten, die zwischen 1457 und 1459 geschrieben wurden. Hier spielt die Proportionalität von Strecken eine besondere Rolle. Cusanus bemüht sich, spekulativ motivierte Betrachtungen in seinen früheren Arbeiten durch ausschließlich rational begründete mathematische Schlüsse zu ersetzen. Die älteste erhaltene Schrift mit dem Titel De geometricis transmutationibus (1445) ist die wichtigste Arbeit der ersten Gruppe (h XX, 1–33). Nikolaus
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widmete sie seinem Studienfreund Paolo Toscanelli. Er stellt zunächst fest, dass unter allen umfangsgleichen Figuren das Dreieck die kleinste und der Kreis die größte Fläche haben. Dann formuliert er vier Prämissen. Zwei davon betreffen bekannte Aufgaben: die Bestimmung der mittleren Proportionalen zwischen zwei Strecken und die Konstruktion einer Strecke, die zu einer gegebenen Strecke dasselbe Verhältnis hat wie zwei andere bekannte Strecken zueinander. Die anderen beiden Prämissen sind neu: zu einer gegebenen Strecke eine gleichlange gekrümmte zu finden, und zu einer gegebenen Strecke eine andere zu konstruieren, die zu ihr in demselben Verhältnis steht wie eine gekrümmte zu einer anderen gekrümmten Strecke. Seine Ausführungen zu diesen Aufgaben sind originell, auch wenn sie nicht mathematisch exakt sind. Nikolaus fi ndet eine Näherungskonstruktion, um bei einem gegebenen gleichseitigen Dreieck den Radius des zum Dreieck isoperimetrischen Kreises zu fi nden. Es folgen noch drei Abschnitte über die Verwandlung von Strecken, Flächen und Körpern. Sie zeigen eine Vertrautheit mit geometrischen und stereometrischen Sätzen, die in der Tradition des Archimedes stehen. Zur Ergänzung der Transmutationes geometricae entstand wenig später die kleine Schrift De arithmeticis complementis. Von ihr ist nicht nur die gedruckte Fassung bekannt (h XX, 41– 47), sondern vor einigen Jahren wurde auch eine Handschrift entdeckt, die einen früheren Entwurf überliefert (De arithm. compl. (forma prior): h XX, 35– 40; Folkerts 2012). Diese Urfassung ist die einzige mathematische Schrift des Cusanus, in der nicht geometrische Betrachtungen, sondern Rechnungen im Mittelpunkt stehen. Nikolaus möchte mit seinem Entwurf das in den Transmutationes dargelegte geometrische Verfahren, um den zu einem Dreieck isoperimetrischen Kreis zu fi nden, arithmetisch untersuchen. Er glaubt, auf diese Weise ein Problem lösen zu können, mit dem sich schon die Griechen erfolglos abgemüht haben, nämlich: die Sehne zu berechnen, die zu einem beliebigen Winkel im Kreis gehört. Es ist interessant, wie Cusanus vorgeht: Er berechnet den Radius des zum Dreieck isoperimetrischen Kreises entsprechend der Konstruktion in den Transmutationes, erwähnt aber nicht, dass dies eine Näherungskonstruktion war. Für uns ist schon hier klar, dass die Rechnung nicht zu einem genauen Wert führen kann. Im Folgenden geht Nikolaus stillschweigend von der unbewiesenen Annahme aus, dass die geometrische Näherung, die er gefunden hat, nicht nur für das Dreieck, sondern auch für ein beliebiges isoperimetrisches Vieleck gilt. Auf diese Weise berechnet er nach und nach die Seite des 45-Ecks, d. h. die Sehne,
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die zum Mittelpunktswinkel 8° gehört. Nikolaus weiß, dass man aus diesem Wert die Sehne zum Winkel 1° bestimmen könnte, führt die Rechnung aber nicht aus. Wenn man das cusanische Ergebnis für die Sehne von 8° mit dem korrekten Wert vergleicht, so sieht man, dass der Fehler über 17 % beträgt. Dies hat Nikolaus nicht bemerkt, obwohl zu seiner Zeit Sehnentafeln zugänglich waren, aus denen er den korrekten Wert hätte ablesen können. Wir wissen, dass Nikolaus diesen Entwurf an Toscanelli geschickt hat. Zwar ist dessen Antwort nicht erhalten, jedoch ist es sehr wahrscheinlich, dass dieser ihn auf die Unzulänglichkeit seines Ansatzes und der daraus entstandenen Ergebnisse hingewiesen hat. Es hat den Anschein, dass Cusanus daraufhin das Manuskript stark überarbeitete, wobei er alle arithmetischen Details fortgelassen hat. Diese revidierte Form wurde später gedruckt. Es überrascht, dass Nikolaus auch in der bearbeiteten Fassung schreibt, mit seiner Methode könne man die Sehne zu jedem gegebenen Winkel bestimmen (De arithm. compl.: h XX, III, n. 8), und auch 1453 rühmt er sich in De mathematicis complementis noch wegen dieser Leistung (ebd., h XX, VI, n. 36). In der gedruckten Fassung wird nicht mehr angegeben, wie man den numerischen Wert für die Sehne findet, die zu einem bestimmten Winkel im Kreis gehört. Vielmehr versucht Nikolaus hier, aus den In- und Umkreisradien umfangsgleicher regelmäßiger Vielecke den Radius des Kreises zu bestimmen, der zu dem jeweiligen Polygon isoperimetrisch ist. Man kann aus seinen Ausführungen folgende Beziehung zwischen dem Inkreisradius rn eines n-Ecks, seinem Umkreisradius rn und dem Radius r des dazu isoperimetrischen Kreises herauslesen: r ¹⁄³ (2rn + rn). Diese Näherung bestimmt das ganze weitere mathematische Schaffen des Cusanus. Die dritte mathematische Schrift De circuli quadratura (1450; h XX, 49– 67) beginnt mit ausführlichen Erörterungen darüber, ob die Kreisquadratur überhaupt möglich ist. Die Befürworter akzeptieren den Zwischenwertsatz, demzufolge bei einer stetigen Änderung jeder Wert zwischen dem kleinsten und größten Wert erreicht wird; Nikolaus formuliert ihn so: „Wo man ein Größeres und Kleineres geben kann, kann man auch ein Gleiches geben.“ (Hofmann 1980, 37) Also muss es ein zum Kreis flächengleiches Quadrat geben, weil das dem Kreis umbeschriebene Quadrat größer und das ihm einbeschriebene kleiner ist als der Kreis. Die Gegner glauben nicht an die allgemeine Gültigkeit dieses Satzes. Cusanus entwickelt eine eigene Sicht: Er geht nicht von einem mathematischen Axiom aus, sondern von dem philosophischen Grundsatz: „Bei Dingen, die ein Größer und Kleiner zulassen, gelangt man nicht zu einem
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schlechthin Größten im Sein und in der Möglichkeit.“ (Hofmann 1980, 40) Er unterscheidet zwischen der absoluten Gleichheit und einer Gleichheit, die einen Unterschied lässt, der kleiner als ein noch so geringer Bruchteil ist. Wenn man die absolute Gleichheit fordert, ist die Kreisquadratur unmöglich; andernfalls kann man sie erreichen. In Verbindung mit seinen grundsätzlichen Überlegungen geht Nikolaus auch auf den Kontingenzwinkel ein, d. h. den Winkel zwischen Kreisbogen und Tangente. Euklids Formulierung, dass der Winkel des Halbkreises größer und der Restwinkel kleiner als jeder spitze geradlinige Winkel ist, hatte seit dem 13. Jahrhundert zu heftigen Diskussionen über die numerische Größe des Kontingenzwinkels geführt. Nach den allgemeinen Erörterungen behandelt Nikolaus noch ein konkretes Problem: Er zeigt, wie man den Radius eines Kreises, dessen Umfang bekannt ist, näherungsweise konstruieren und berechnen kann. Sein Verfahren geht letztlich auf die Näherungskonstruktion in den Transmutationes zurück. Modern gesprochen liefert es für p den Näherungswert 24 / 35 · 21 3,1423, der innerhalb der archimedischen Grenzen liegt. Die Schrift endet mit längeren symbolisch-mystischen Ausführungen, die eng verwandt sind mit Gedanken in De docta ignorantia. Mit der Schrift Quadratura circuli, die vermutlich im Sommer 1453 entstanden ist (h XX, 69–78), beginnt eine neue Phase. Nikolaus schließt hier erstmals aus den funktionalen Beziehungen zwischen den Gliedern einer mathematischen Folge auf die Eigenschaften ihres Grenzwerts. Dies geschieht allerdings noch nicht in einer mathematisch korrekten Form. Er gibt ein Verfahren an, um den Radius eines Kreises mit vorgegebenem Umfang näherungsweise zu konstruieren und zu berechnen. Dabei geht er von einem gleichseitigen Dreieck mit dem Inkreisradius r3 und dem Umkreisradius r 3 aus und folgert, dass für ein beliebiges isoperimetrisches n-Eck mit dem In- und Umkreisradius rn bzw. rn das Verhältnis (rn – r3) : (r 3 – rn) ein konstanter Wert c ist, der nicht von n abhängt. Dann gilt nach seiner Meinung diese Aussage aber auch für den Grenzwert, also für den Kreis, der als n-Eck mit unendlich vielen Seiten gedeutet werden kann. Beim Kreis fallen In- und Umkreisradius zusammen und sind gleich dem Kreisradius. Somit gilt die Beziehung (r – r3) : (r 3 – r) = c mit derselben Konstanten c. Wenn c bekannt ist, kann man also den gesuchten Radius r bestimmen. In dem Abschnitt De sinibus et chordis (Über Sinuswerte und Sehnen), der dieser Schrift angehängt ist (Quadr. circ.: h XX, 79–80), deutet Nikolaus dann an, wie der Kreisradius mit Hilfe des isoperimetrischen Dreiecks rechnerisch ermittelt werden kann. Insgesamt weist die Quadratura cir-
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culi aus heutiger Sicht zwar mathematische Mängel auf, enthält aber neuartige und zukunftsweisende Gedanken. Auf der Quadratura circuli beruht Nikolaus’ mathematisches Hauptwerk mit dem Titel De mathematicis complementis. Es entstand im Sommer 1453 und wurde 1454 durch ein zweites Buch ergänzt (De math. compl.: h XX, 81– 143). Cusanus widmete diese Schrift Papst Nikolaus V., der ihm kurz zuvor die neue lateinische Archimedes-Übersetzung durch Jacobus Cremonensis zugänglich gemacht hatte. Jetzt stand Nikolaus erstmals der vollständige ArchimedesText zur Verfügung. Er hat von ihm aber kaum Gebrauch gemacht. Vielmehr hat er Archimedes’ Kreisrektifi kation mit Hilfe der Spirale kritisiert; seine Einwände sind allerdings nicht stichhaltig. Der Hauptteil der Schrift besteht aus 13 Sätzen. In ihnen legt Nikolaus die Ergebnisse, die er in der Quadratura circuli kurz vorgestellt hatte, sorgfältig dar und modifiziert sie ein wenig. Dann folgen noch vier Anwendungsbeispiele. Erwähnenswert ist hier vor allem der Vorschlag, für Konstruktionen Instrumente mit festen Winkeln aus Erz oder Holz zu benutzen. Eine Abschrift der ersten Fassung schickte Nikolaus an Toscanelli. Dieser wies ihn in einem Antwortschreiben (h XX, 227–232) auf unbewiesene Annahmen im Beweis eines zentralen Satzes hin. Vermutlich um seinen Ansatz zu rechtfertigen schrieb Nikolaus in den folgenden Jahren eine Reihe weiterer Schriften, und er fügte den Complementa mathematica noch ein zweites Buch hinzu (De math. compl.: h XX, 111–143). Dieses enthält zahlreiche für sich gesehen interessante Einzelheiten, ohne dass ein inhaltlicher Zusammenhang erkennbar ist. Nikolaus behandelt die Bewegungslehre, die Übertragung isoperimetrischer Sätze auf räumliche Gebilde, die Rektifi kation von Bögen und die Quadratur von Kreisen mit Hilfe von Möndchen, und er zeigt auch, dass er mit der Lehre von den Formlatituden vertraut ist, mit deren Hilfe man im 14. Jahrhundert die Änderung von Bewegungen und anderen Qualitäten in Abhängigkeit von der Zeit mathematisch behandelt hatte. Als Ergänzung zu De mathematicis complementis entstand wenig später die Schrift De theologicis complementis (h X / 2a). Beide Werke stehen in engem Zusammenhang. In den Theologischen Ergänzungen versucht Nikolaus ohne detaillierte Rechnungen nachzuweisen, dass die Mathematik den Weg zur höchsten Erkenntnis aufzeigt. Wahrscheinlich schon bald nach den Complementa mathematica verfasste Nikolaus noch zwei kleinere und nicht sehr bedeutende mathematische Schriften: Declaratio rectilineationis curvae (h XX, 145–149) und De una recti cur-
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vique mensura (h XX, 151–159). Die eine erklärt eine Kreisrektifi kation aus den Complementa mathematica, die andere ist wohl eine Überarbeitung eines frühen Versuchs zur Kreisquadratur. In den Jahren 1457 bis 1459 entstanden weitere Schriften über die Kreisquadratur. Nikolaus versucht jetzt andere Ansätze als in den Complementa mathematica. Sie gehen nicht mehr von der Proportionalität von Flächen, sondern von Strecken aus. Der Dialogus de circuli quadratura (1457; h XX, 161– 170) ist eine – wahrscheinlich fi ktive – Unterredung zwischen Cusanus und Toscanelli. Ihr Kerngedanke ist eine einfache Konstruktion, um zu einem gegebenen Kreis mit dem Radius r den Umkreisdurchmesser d eines isoperimetrischen Dreiecks zu finden. Dem geometrischen Verfahren entspricht der rechnerische Wert d = r + r 2, der zu einem relativ schlechten Näherungswert für p führt. Diese Schrift ist vor allem deshalb interessant, weil man in Cusanus’ Beweisverfahren durch Iteration einen frühen Versuch eines direkten Grenzübergangs sehen kann. Ebenfalls 1457 verfasste Nikolaus eine andere kleine Arbeit, die er dem Kaiser Friedrich III. widmete und die deshalb den Titel De caesarea circuli quadratura erhielt (h XX, 171–179). In der Einleitung schreibt er: „Eine gewisse Verfolgung, eine unerwartete, zwang mich vor kurzem in der Festung Andratz, deutsch Buchenstein, zu verweilen. Dort, mitten in den Alpen, aller Bücher bar, begann ich zur Erholung die Frage zu untersuchen, ob sich nicht auf eine klare und leichte Art die immer gesuchte, aber, wie man sagt, nie bewältigte Quadratur des Kreises fi nden ließe. Nach verschiedenen anderen, die ich in meinen Abhandlungen über diesen Gegenstand zusammengeschrieben habe, kam mir die unten angeführte Methode in den Sinn als eine klarere und, wie mir scheint, gefälligere.“ (Hofmann 21980, 151)
Seine Methode besteht in einer Konstruktion, um den Bogen des Sechstelkreises (also zum Mittelpunktswinkel 60°) in eine Strecke zu verwandeln. Die Qualität dieser Näherung ist recht gut. Sie ist ein Sonderfall eines allgemeineren Verfahrens, das er wenig später in seiner Schrift De mathematica perfectione vorstellte. Die endgültige Fassung von De mathematica perfectione ist im Oktober 1458 in Rom entstanden (h XX, 201–220). Sie ist neben De mathematicis complementis das wichtigste mathematische Werk des Cusanus. Ähnlich wie im Fall von De arithmeticis complementis geht auch der Endfassung von De
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mathematica perfectione eine frühere Version voraus (De math. perf. (forma prior): h XX, 181–199). Von dieser Vorform waren bis vor kurzem nur kleine Teile bekannt. Nikolaus hatte die vollständige Erstfassung in die Ausgabe seiner Schriften im Cod. Cus. 218 aufgenommen, sie aber später ausradieren lassen, so dass zunächst nur kleine Teile entziffert werden konnten. Erst vor 30 Jahren wurde eine vollständig erhaltene Abschrift gefunden, so dass wir jetzt den gesamten ursprünglichen Text kennen. Die Vorform enthält im ersten Teil mathematische Aussagen, die inhaltlich mit den ausgereifteren Formulierungen in der endgültigen Fassung übereinstimmen. Viel interessanter ist der Schlussabschnitt, in dem Nikolaus auf die Bedeutung der Mathematik für die „visio intellectualis“ eingeht. Er vergleicht Euklids Aussage, dass der Punkt die Grundlage der Geometrie ist, mit dem Beginn des Johannes-Evangeliums („Im Anfang war das Wort“) und schreibt: „Ebenso, wie jemand, der das Wort Euklids sieht, dass nämlich ein Punkt das ist, was keinen Teil hat, nach erfolgter visio intellectualis die ganze Geometrie, die er geschrieben hat, verbunden sieht und in diese Wissenschaft hinüberschreitet, so schreitet in die Weisheit des Vaters und Schöpfers jener hinüber, der das Wort sieht, durch das er die Jahrhunderte gemacht hat, weil er in jenem Wort alles verbunden sieht, was geschaffen worden ist und geschaffen werden kann, und dieses Sehen ist das Hinübergehen zur Weisheit, die Gott ist.“ (De math. perf. (forma prior): h XX, XI, n. 29)
Die allgemeinen Aussagen in der Vorform sind in vielen Punkten eng verwandt mit der Schrift De beryllo (h XI), die etwa gleichzeitig entstand. Daher wurde die Vorform entbehrlich, als De beryllo abgeschlossen worden war, und vermutlich aus diesem Grund hat Cusanus später den Text in Cod. Cus. 218 getilgt. In der endgültigen Fassung von De mathematica perfectione hat Nikolaus das in De caesarea circuli quadratura formulierte Verfahren verallgemeinert und mit früheren Ergebnissen vereinigt. Das Hauptergebnis ist die Ausstreckung eines beliebigen Kreisbogens, d. h. eine Konstruktion, mit deren Hilfe der Bogen eines beliebigen Mittelpunktwinkels in eine gleich lange Strecke verwandelt werden kann. Wenn man das Verfahren mit den heutigen Mitteln durchrechnet, so erkennt man, dass sich für nicht allzu große Winkel eine brauchbare Näherung ergibt. Für den Spezialfall des Winkels 60° erhält man die Regel in De caesarea circuli quadratura. Diese Tatsache hat Nikolaus ausdrücklich vermerkt.
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Die letzte erhaltene mathematische Abhandlung mit dem Titel Aurea propositio in mathematicis (h XX, 221–226) wurde im August 1459 ebenfalls in Rom geschrieben. In dieser kleinen Schrift wird ein Satz über Verhältnisse zwischen Strecken und Bögen in einem Kreisausschnitt bewiesen. Es lässt sich zeigen, dass dieser Satz eine Variante zur Bogenausstreckung in der Perfectio mathematica und gleichzeitig eine Verallgemeinerung des Gedankens aus der Caesarea quadratura ist. Wenn man die mathematischen Schriften des Cusanus einschätzen will, so muss man zunächst bedenken, dass er kein Fachmathematiker war, sondern ein an der Mathematik interessierter Laie. Dies unterscheidet ihn etwa von Johannes Regiomontanus (1436 –1476), der zu den bedeutendsten Mathematikern und Astronomen seiner Zeit gehörte und mit den mathematischen Beweismethoden bestens vertraut war. Nach dem Studium einiger Schriften des Cusanus bezeichnete Regiomontanus ihn im Jahre 1464 als „lächerlichen Geometer und Wetteiferer mit Archimedes“, der „zahllose Arten der Kreisquadratur veröffentlicht hat, die völlig wertlos sind und sich auf nichts anderes stützen als auf einige fadenscheinige Behauptungen von Lull.“ (Folkerts 2003, 329) Tatsächlich kann der Fachmathematiker bei Nikolaus zahlreiche Unzulänglichkeiten fi nden: Cusanus beweist seine Sätze nicht nach der allgemein üblichen und bis heute gültigen mathematischen Methode, die schon die Griechen ausgebildet haben und die Euklid meisterhaft handhabt. Auch in den geometrischen Schriften des 15. Jahrhunderts wurde diese Beweisstruktur benutzt. Man kann sie wie folgt charakterisieren: Man formuliert den zu beweisenden Satz, benennt die gegebenen Größen, stellt aus den Voraussetzungen mit Hilfe der mathematischen Logik und unter Benutzung schon bewiesener Sätze Folgerungen an und kommt in einzelnen Schritten, die aufeinander aufbauen, schließlich zur Erkenntnis, dass die Behauptung korrekt ist. Nikolaus war mit diesem Beweisschema sicherlich vertraut, da sich in seiner Bibliothek zahlreiche Handschriften mathematischer Texte aus der Antike und dem Mittelalter befanden (ebd., 299–307), aber er hat es für seine eigenen Arbeiten nicht benutzt. Vielmehr sind seine Beweise verbal. Oft werden die einzelnen Beweisschritte nicht klar formuliert, die Folgerungen werden nicht korrekt begründet, und an vielen Stellen kann man nur ahnen, was gemeint sein könnte. Auch bei den mathematischen Fachausdrücken beschritt Cusanus eigene Wege. Einerseits war er mit den Fachtermini seiner Zeit vertraut, und er gebrauchte auch relativ seltene Begriffe, z. B. „costa“ (für Quadratseite. Zum Folgenden siehe das Wortregister
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in h XX, 256 –294). Auf der anderen Seite benutzte er aber bekannte Ausdrücke in ungewöhnlicher Bedeutung, z. B. „lunula“ für „Kreisabschnitt“. Es überrascht auch, dass die gängigen Bezeichnungen für die Seiten des rechtwinkligen Dreiecks („cathetus“ und „hypotenusa“) bei ihm nicht vorkommen; stattdessen verwendet er „prima linea“ (für die Hypotenuse), „secunda linea“ (für die kleinere Kathete) und „tertia linea“ (für die größere Kathete). Besonders eigentümlich ist seine Vorliebe, Strecken zu nummerieren. So kommt in seinen mathematischen Schriften die Bezeichnung „prima linea“ in sechs verschiedenen Bedeutungen vor, „secunda linea“ in fünf, „tertia linea“ in vier und „quarta linea“ in zwei Bedeutungen, und es gibt auch noch eine „quinta linea“ und eine „sexta linea“. Da dieselbe Bezeichnung manchmal auch in derselben Schrift für verschiedene Strecken benutzt wird, fällt es schwer, die Übersicht zu behalten. Auch bei den mathematischen Figuren findet man Eigenarten, die in anderen Fachtexten der Zeit nicht vorkommen: Es gibt Figuren, in denen derselbe Buchstabe verschiedene Punkte bezeichnet (z. B. h XX, 116, fig. 20; 156, fig. 3), und manchmal erhält ein und derselbe Punkt zwei Buchstaben (z. B. h XX, 103, fig. 7; 154, fig. 20). Alle diese Beobachtungen zeigen, dass Nikolaus ein an der Mathematik sehr interessierter Mensch, aber doch ein mathematischer Laie war. Es wäre aber verfehlt, die cusanischen mathematischen Schriften nur nach der formalen Korrektheit oder nach der Qualität ihrer Resultate bewerten zu wollen. Nikolaus betrieb die Mathematik nicht um ihrer selbst willen, sondern um durch sie die Möglichkeit zu erhalten, sich der Unendlichkeit Gottes zu nähern. Die Mathematik war integraler Teil seiner Theologie und seiner Philosophie. Genuin cusanisch ist die Idee, den Kreis als Symbol des Gekrümmten und die Strecke als Symbol des Geraden zu betrachten und das Zusammenfallen dieser Gegensätze im Unendlichen zu thematisieren. Sein Ansatz, den Kreis mit isoperimetrischen, also umfangsgleichen Polygonen zu vergleichen, war in seiner Zeit nicht singulär, aber andere Autoren beschränkten sich auf die Feststellung oder den Beweis, dass der Kreis unter allen isoperimetrischen Figuren die größte Fläche einschließt, während Nikolaus diese Eigenschaft für die Quadratur bzw. Rektifikation des Kreises ausnutzte. Aus heutiger Sicht ist Nikolaus nicht durch seine mathematischen Leistungen bedeutend, sondern durch die unkonventionellen, teilweise neuen und zukunftsweisenden Ideen, die sich hinter seinen Ausführungen verbergen. Menso Folkerts
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Basiliensia: De maioritate auctoritatis sacrorum conciliorum supra auctoritatem papae, De auctoritate praesidendi in concilio generali, Dialogus concludens Amedistarum errorem ex gestis et doctrina concilii Basiliensis, Epistola ad Rodericum Sancium de Arevalo Basiliensia
1. Das bekannteste Werk des Cusanus zur Politik des Christentums, De concordantia catholica, war weder seine erste noch seine letzte Schrift über Fragen kirchlicher Autorität und die Reform der Kirche bzw. des Römischen Reiches Deutscher Nation. Sein frühestes Werk, De usu communionis, war ein Beitrag zu den laufenden Verhandlungen zwischen dem Basler Konzil und den Hussiten. Darin sprach sich Cusanus für Konformität in Hinblick auf die liturgischen Praktiken der Hussiten und der allgemeinen Kirche aus, besonders beim Empfang der hl. Kommunion. Nikolaus war zudem an der Auseinandersetzung zwischen dem Konzil und Papst Eugen darüber beteiligt, wem die höchste Autorität zustand, und befürwortete ein Gleichgewicht der Kräfte durch Ausgleich von Hierarchie und Konsens (Alberigo 1981, 293 –340). Auch in der Abhandlung De maioritate auctoritatis sacrorum conciliorum supra auctoritatem papae (1433 / 34) befasst er sich mit eben dieser Frage zur Autorität in der Kirche. Das kanonische Recht und die Berichte der frühesten allgemeinen Konzilien heranziehend, bekräftigte Nikolaus die Superiorität des Konzils, ohne die Bedeutung des Papsttums zu bestreiten. Beginnend mit den großen Konzilien der Antike wurden Generalkonzile dazu ermächtigt, über Dinge, welche das Wohl der Kirche betrafen, zu bestimmen und darüber zu entscheiden. Diese Superiorität bezog sich nicht nur auf die kirchliche Lehre, sondern auch auf Fragen der Disziplin; der römische Papst wurde sogar dazu genötigt, konziliare Beschlüsse zu befolgen. Trotz dieser Einschränkung akzeptierte Nikolaus in bestimmten Situationen die Notwendigkeit einer päpstlichen Verfügung im Interesse der Auferbauung der Kirche. Die Themen dieser Auseinandersetzungen fi nden sich in dem Werk De concordantia catholica, worin Nikolaus sich mit dem Wesen der Kirche und der Reform von Kirche und Reich
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befasst. Er wollte einen Ausgleich zwischen Hierarchie und Konsens, Inspiration und Repräsentation für das Wohlergehen des Christentums erreichen (Watanabe 1963). Diese Schriften wurden vorbereitet, während das Konzil und der Papst in Konflikt standen. Als der von seinen Gegnern aus Rom vertriebene Papst eine Versöhnung mit dem Konzil anstrebte, ernannte er „Präsidenten“ für die Basler Zusammenkunft. Die Konzilsväter diskutierten, unter welchen Voraussetzungen die Präsidenten zugelassen werden könnten; einige verlangten, dass ein Eid über die Eingliederung in das Konzil abgelegt werden sollte (Decaluwé 2009, 152–155). Unweigerlich wurden weiterreichende Fragen über das Thema der Autorität in der Kirche diskutiert. Cusanus konzipierte seine eigene Position in Hinblick auf das Präsidentschaftsproblem zumindest teilweise, um Kardinal Cesarini in seinen Bemühungen, die Einheit des Konzils selbst zu befördern, zu unterstützen. Schließlich erzielte Kaiser Sigismund eine Übereinkunft: Nachdem die Präsidenten geschworen hatten, dem Konzil keineswegs ihren Willen aufzuzwingen, und versprachen, dass die Versammlung auch dann aktiv bleiben konnte, wenn keiner der Präsidenten anwesend war (Christianson 1996, 87–102), wurden sie akzeptiert. 2. Cusanus’ Beitrag zur Debatte über die Konzilspräsidentschaft war sein Tractatus de autoritate praesidendi in concilio generali (1434; CT II / 1). In diesem Werk stellt er zwei Fragen: Wer führt den Vorsitz über das Konzil und wer führt ihn im Konzil? Bei der Beantwortung dieser Fragen orientierte sich Nikolaus an der Autorität des Konzils von Konstanz. Er zitierte das Dekret Haec sancta, in welchem die Ansicht vertreten wurde, das Generalkonzil als liturgische wie auch autoritative Versammlung handle unter der Führung des Heiligen Geistes. Cusanus argumentierte, dass die konziliare Macht von Gott kommen müsse, nicht von irgendeinem menschlichen Wesen, auch nicht von den Aposteln Peter und Paul. Somit präsidiere Christus über das Konzil durch den Geist, den er ermächtigte, für die Kirche zu wirken (ebd., II / 1, 10). Wenn alle Christen Glieder Christi sind, wer unter ihnen sollte dann die Führung in einem Konzil übernehmen? Es gab zwei mögliche Arten des Präsidierens, eine befehlende und eine dienende. Cusanus, der seine eigene Schrift De concordantia catholica benutzte, argumentierte dafür, dass die Macht des Papstes eine dienende in all ihren Ausformungen sei. Dem Papst kam in der Kirchenverwaltung der Vorrang zu, aber er war den Beschlüssen des Konzils, die inspiriert waren vom Heiligen Geist als dem Geiste der Einheit, unterworfen. Dies war
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der Fall, weil das Konzil die Kirche vollkommener repräsentiere als der einzelne römische Papst (ebd., II / 1, 24 –30). Folglich war der Papst das Oberhaupt des Konzils, aber er konnte nicht ohne die allgemeine Zustimmung der Mitglieder handeln. Das Amt des Präsidenten leitete zwar die Diskussionen, jedoch waren die Beratung, die Zustimmung und die Unterschriften der Konzilsväter für einen Entscheid erforderlich (ebd., II / 1, 30). Nikolaus erinnert seine Leser daran, dass Päpste bei Konzilien der Vergangenheit nicht immer persönlich den Vorsitz inne hatten. Legaten, welche in solchen Fällen den Papst vertraten, mussten in seinem Sinne handeln und mit ganzer Kraft das vom Konzil Verfügte umsetzen (ebd., II / 1, 30 –32). Nikolaus schloss allerdings, dass die Repräsentanten des Heiligen Stuhles nicht von der Konzilsversammlung abgelehnt werden durften. Die Zustimmung des Heiligen Stuhles war notwendig für die Verbindlichkeit von Beschlüssen. War der Papst nicht anwesend, gab es keine Synode, und schickte der Papst mehr als einen Vertreter, übernahmen diese gleichermaßen die Führung, da sie den einen Pontifex vertraten. Jedoch hatten diese Präsidenten nur die Vollmacht zur Leitung des Konzils; in der Beratung war dieses völlig frei. Die Präsidenten zu entfernen hätte dazu geführt, dessen Leitung aufzulösen, gleichwohl konnten die Präsidenten die Konzilsväter trotz ihrer Leitungsfunktion zu nichts zwingen (ebd., II / 1, 32–34). Nikolaus’ Traktat über den Vorsitz des Konzils diente als Ergänzung zu De concordantia catholica. Jahre später, als Cusanus Basel verlassen hatte und sich gegen das Konzil gewendet hatte, wurden beide Abhandlungen benutzt, um seine Arbeit für Papst Eugen IV. zu untergraben. Auszüge der beiden Werke wurden sogar noch zugunsten des Basler Konzils zitiert, als die Versammlung nach langen Jahren zu existieren aufhörte. Seine früheren Werke verfolgten Nikolaus so noch lange, nachdem er Papstanhänger geworden war (Izbicki 1991, 117–135), und das gleiche Gespenst jagte Cusanus in seiner Auseinandersetzung mit Johannes Wenck, welcher der Ansicht war, man könne keinem trauen, der das Basler Konzil verlassen hat (Hopkins, 11981). 3. In den Jahren, nachdem er Basel verlassen hatte, war Cusanus daran beteiligt, die griechische Delegation von Konstantinopel nach Venedig zu bringen. Auf dem Konzil von Ferrara-Florenz wurden Ost- und Westkirche vorübergehend vereinigt (Gill 1959, 73, 77, 80). Nikolaus war jedoch nicht anwesend, als die Vereinigung 1439 verkündet wurde. Das Basler Konzil und Papst Eugen waren in einen Kampf um die höchste Autorität in der Kirche verwickelt, bis
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schließlich das Konzil die konziliare Superiorität zum Dogma erklärte und versuchte, Eugen seines Amtes zu entheben. Das Ergebnis war ein bitterer ideologischer Kampf mit den Gesandten des Papstes, welche die Fürsten baten, einen bedrängten Machthaber zu unterstützen. Währenddessen drängte das Konzil auf Akzeptanz von Amadeus VIII. von Savoyen, welcher zum Papst Felix V. gewählt worden war (Black 1970, 85–129). In Deutschland präsentierten beide Seiten ihre Argumente auf einer Reihe von Reichstagen, wo sowohl die Fürsten als auch die Gesandten miteinander feilschten, bis sie schließlich unter Druck von Friedrich III., dem Habsburger König des deutschen Reiches, und seinen Verbündeten entschieden, Eugen zu unterstützen. Schließlich triumphierte das Papsttum über das Konzil, auch wenn den Herrschenden viele Zugeständnisse gemacht wurden, die den Papst zwangen, ein italienischer Fürst zu werden, um finanziell überleben zu können. Cusanus war fortwährend an diesen Verhandlungen beteiligt. Als Vertreter Eugens brachte er auf mehr als einer Versammlung Argumente vor, welche im kanonischen Recht gründeten. Diese traditionellen Argumente für die päpstliche Souveränität wurden im Detail dargelegt, die geschriebenen Versionen wurden mit Zitaten bereichert. Nikolaus griff die Basler Versammlung und ihren Machtanspruch an, argumentierte aber ebenso gegen die deutsche Politik, neutral in diesem Disput zu bleiben. Seine Streitschriften bestanden darauf, dass Fürsten, ob weltlich oder kirchlich, sich für eine Seite entscheiden müssten (Izbicki 2008, 165–259). Diese Bemühungen brachten Cusanus den Ruf des „Herkules der Eugenianer“ ein. Cusanus schien im Gegensatz zu Enea Silvio Piccolomini nicht geglaubt zu haben, dass der Versuch, die Fürsten durch intellektuelle Argumente zu überzeugen, zwecklos war (Pius II. 2006, 361). Papst Nikolaus V., seit 1447 Nachfolger Eugens, belohnte Cusanus für seine Mühen mit einem Kardinalshut und der Ernennung zum Bischof von Brixen in Tirol (Meuthen 2006, 80, 86, 102–103). Obwohl Cusanus in seinen öffentlichen Aussagen über die konziliare Krise sehr traditionell war, zeigte er in seinen privaten Schriften über die päpstliche und konziliare Macht mehr Einfallsreichtum. Eine dieser Schriften ist ein Dialog von Meister und Schüler, der Dialogus concludens Amedistarum errorem ex gestis et doctrina concilii Basiliensis (1441). Die Dialogform war im Mittelalter üblich, Cusanus benutzte dieses Genre in seinen späteren Schriften häufig. In diesem Dialog griff Nikolaus die Unterstützer Felix V., des Basler Papstes, an, indem er ihn bloß bei seinem Geburtsnamen Amadeus
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nannte, so wie die Anhänger Basels Eugen bloß Gabriel nannten (Meuthen 1970, 11–114). Nachdem er sich in De concordantia catholica für das Konzil als Vertretung der Kirche eingesetzt hatte, machte sich Nikolaus nun in dieser Schrift daran, seine Argumentation zu überarbeiten, um den Papst zu unterstützen (Izbicki 2006, 61–78). Er lässt den Schüler den Dialog mit der Frage beginnen, ob die Geistlichen, die Basel verlassen hatten, um nach Florenz zu gehen, dadurch, dass sie die „Väter des Basler Konzils“ verurteilten, sich selbst verdammt hätten. Hier verweist Cusanus auf die Attacke Eugens gegen Basel, welche mit der Bulle Moyses begann (1439). In der Antwort des Meisters stellt Nikolaus Basel als von der Wahrheit und Heiligkeit abgefallen dar. Der Abfall Basels habe ein falsches Verständnis des Konzils von Konstanz mit sich gebracht, vor allem des Dekretes Haec sancta. Dieses Dekret forderte in Angelegenheiten der Häresie, des Schismas und der Reform der Kirche „an Haupt und Gliedern“ die Anerkennung der Superiorität des Konzils. Nikolaus lässt den Meister erklären, dass die Konzilsväter in Konstanz, die das Dekret erlassen hatten, nur zur Obödienz von Papst Johannes XXIII. von Pisa gehörten, während sowohl Gregor XII., der römische Papst, als auch die Anhänger von Benedikt XIII. von Avignon Konstanz als ein gültiges Konzil, das sich für das Wohl der Kirche einsetzte, akzeptierten. Das Konzil hatte mit der Absicht begonnen, alle Gläubigen zu versammeln (Meuthen 1970, 79–81). Konstanz arbeitete, vor allem auch durch Einladungen von Vertretern anderer Obödienzen während des Schismas, einer Einheit entgegen (ebd., 91 f.). Nikolaus schlug hier eine andere Richtung ein als Eugen und sein Hauptverteidiger, Juan de Torquemada, die, solange nicht drei Obödienzen versammelt waren, die Gültigkeit des Konstanzer Konzils bestritten haben (Izbicki 1986, 7–20). In Basel wurde ein Synodalbrief verfasst, der jene, die die Privilegien des apostolischen Stuhles beeinträchtigten, wegen Häresie anklagte. Die Mehrheit jedoch agierte später gegen die Absicht ihrer eigenen Verkündigung und wurde verdammt (Meuthen 1970, 22 f.). Vor allem durch die fehlgeschlagenen Verhandlungen mit den Griechen über ein Unionskonzil scheiterte Basel ebenso wie Konstanz mit Blick auf die Förderung der Einheit (ebd., 92 f.). Es war die Frage der Zustimmung zu den Konstanzer Dekreten, durch welche die Themen von Repräsentanz und Konsens wieder neu aufgerollt wurden. Wie konnte ein Konzil die Kirche repräsentieren? Nikolaus zitierte das Beispiel des zweiten Konzils von Ephesus, das geirrt hatte, weil es ohne die Zustimmung
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der päpstlichen Legaten agierte und demnach nicht die Kirche repräsentierte. Ein wirkliches Konzil repräsentierte die Kirche im Ganzen, sowohl ihr Haupt als auch ihre Glieder. Ohne deren Teilnahme, besonders ohne die des Oberhauptes, war kein Entscheid bindend. Der Rang der Mitglieder musste bei der Beurteilung, ob die Versammlung ein rechtskräftiges Konzil war, berücksichtigt werden (ebd., 83 –86). Nach Nikolaus konnte ein Konzil nicht akzeptiert werden, solange es nicht vom römischen Papst, dem einzigen Wesen auf Erden, dem die Fülle der Macht zukommt, bestätigt wurde. Folglich konnte kein rechtskräftiges Konzil die Stellung des Papstes unterminieren und gleichzeitig Dekrete erlassen, welche bindend für die ganze Kirche waren (ebd., 86 –88). Unfehlbarkeit kam dem Konzil dann zu, wenn es sowohl die Zustimmung des Hauptes als auch die der Glieder der Kirche hatte. Was die Debatte über die Präsidentschaft anging, auf die Cusanus nochmals zu sprechen kam, war er der Meinung, dass, wenn der Papst nicht anwesend sein könne, ein Legat die Leitung des Konzils übernehmen solle. Ohne den Papst oder seinen Legaten aber sei eine Konzilsversammlung ein kopfloses Monstrum (ebd., 88–91, 97–99). Cusanus betonte nicht nur die Rolle des Papstes und seiner Legaten, er argumentierte für eine ganz andere Idee des Konsenses. Der direkten Repräsentation im Konzil schenkte er weniger Aufmerksamkeit. Nikolaus warf der Mehrheit Basels ein depraviertes Verständnis von Repräsentation vor. Die Versammlung missachtete nicht nur die Zustimmung des Papstes und seines Legaten, sondern „alle Päpste, Könige und Fürsten“ (ebd., 92 f.). Nikolaus unterschied jene, welche eine Reform durchführten und die Hussiten zunächst „in den Schoß der Familie“ zurückbringen wollten – jene, welche ein rechtes Verständnis hatten –, von jenen, welche später mit verdorbenen Absichten nach Basel kamen (ebd., 94). Als sowohl der Papst als auch das Konzil damit beschäftigt waren, Fürsten und Prälaten jeweils auf ihre Seite zu ziehen, begann Cusanus, seinen Fokus weniger auf das aktuelle Konzil und mehr auf die Christenheit im Allgemeinen zu richten. Obwohl er die Argumente für Basel im Detail kritisierte, konzentriert er sich am Ende des Dialoges auf die Übereinstimmung innerhalb der Christenheit. Cusanus lässt den Schüler sagen, dass die Basler Versammlung in ihrer Forderung nach höchster Autorität in der Kirche die Fürsten um Unterstützung anflehe. Der Meister antwortet daraufhin, dass die Kirche nicht auf einen Ort, Basel, beschränkt werden könne, weil dies der Katholizität der Kirche widerspreche (ebd., 113 f.). In der den Dialog
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beschließenden Botschaft für die Fürsten schreibt Nikolaus, dass die vom legitimen Papst getrennten Schismatiker Basels nicht nur die Kirche, sondern auch weltliche Herrscher untergraben. Das bedrohe das Christentum mit Blutvergießen, sofern nicht Gott eingreife, um die Kirche zu beschützen (ebd., 114). 4. Nikolaus bemühte sich in einem Brief an Rodrigo Sánchez de Arévalo, einen Gesandten des Königs von Kastilien, das Basler Schisma auf andere Weise anzugehen (Trame 1958; Laboa 1973). Der Brief wurde kurz vor dem Frankfurter Reichstag 1442 geschrieben. Zur gleichen Zeit verfasste Nikolaus seine frühesten philosophisch-theologischen Werke, De docta ignorantia und De coniecturis. In dem Brief verwendet Nikolaus die Sprache der „complicatio“ und „explicatio“, wodurch Dinge als ein- und dann ausgefaltet beschrieben werden können. Der Text ist kurz, bietet aber eine Verteidigung des Papsttums in Bezug auf die „explicatio Petri“, die Einfaltung der kirchlichen Macht in Peter und ihre Ausfaltung vom Apostel zur gesamten Kirche (Izbicki 1993, 186 –214). Nikolaus erklärt, dass die Ausfaltung bereits stattgefunden habe und der Papst der Nachfolger dieser Macht des Petrus sei, um sie zum Aufbau der Kirche zu benutzen. Wenn ein Papst auf die richtige Weise agiere, könne nicht einmal ein allgemeines Konzil seine Macht behindern (Epist. Roder. Sanc.: h XV / 2, n. 11 f.). Der Papst dürfe aber die Grenzen seines Amtes nicht überschreiten und die heiligen Kanones nicht verletzen, sonst wäre er der „heiligen Herrschaft“, um derentwillen er gewählt worden war, unwürdig. Der „docta ignorantia“ entsprechend sei die Kirche im Papst eingefaltet und er habe auf ihr Wohl zu achten (ebd., h XV / 2, n. 14 f.). Rodrigo wurde gebeten, Cusanus bei seinem Widerstand gegen einen unerlaubten Aufstand auf dem Frankfurter Reichstag beizustehen. Auf diese Weise, so Cusanus, würde der König Ruhm und Ehre ernten (ebd., h XV / 2, n. 16 f.). Das war, bestenfalls, ein für Nikolaus’ späteres Predigen über Petrus typischer, ambivalenter Papalismus. Alle diese Texte verlangten, dass der Papst für das Wohl der Kirche einstehen müsse. In der Reformatio generalis schließlich forderte Nikolaus einen Papst, der selbst eine Reform seiner Person akzeptierte, ehe er eine Reform der römischen Kurie und der Kirche als Ganzer anstrebte (Izbicki 2001, 49– 65). Thomas M. Izbicki
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Opuscula Bohemica: De usu communionis, Epistulae ad Bohemos Über die Praxis der Kommuniondarreichung, Briefe an die Böhmen Opuscula Bohemica
1. De usu communionis. Nachdem die in apostolischer und der Väterzeit übliche Darreichung der Kommunion unter beiderlei Gestalt auch an die Laien im hohen Mittelalter weitgehend durch Darreichung nur des Brotes („sub specie panis“) verdrängt worden war, hatte das Konzil von Konstanz die von Jakob von Misa wiederbelebte „communio sub utraque specie“ 1415 in Sessio XIII verurteilt. Gegen die weiterhin erhobene Forderung der Hussiten nach dem Laienkelch hatte das Konzil von Basel 1437 die Verurteilung der Lehre von der Heilsnotwendigkeit der Kommunion unter beiderlei Gestalt durch das Vorgängerkonzil bekräftigt und die Darreichung nur des Brotes gegen die Forderung der Böhmen in Sessio XXX gesetzlich gemacht. Als Konzilsteilnehmer war Nikolaus von Kues in Basel von Anfang an mit der in Konstanz insgesamt ungelösten Böhmenangelegenheit befasst (Christianson 1979, 45–51, 70 –91). Bei den Konzilsverhandlungen mit den Böhmen stellte er 1433 den Ausführungen des utraquistischen Administrators und böhmischen Delegationsleiters Johannes Rokycana zum ersten der Vier Prager Artikel (1420) den Traktat Zur Praxis der Kommunion gegenüber (AC I , n. 171), mit dem er die Forderung der Böhmen nach der auch für Laien als heilsnotwendig geforderten Kommunion „unter beiderlei Gestalt“ als Irrtum erweisen und eine Kompromissmöglichkeit aufzeigen will. Bei Verzicht auf die drei anderen hussitischen Forderungen – freie Predigt des Wortes Gottes, Evangelische Armut des Klerus, Bestrafung schwerer Sünder durch weltliche Gerichte – könnten den Utraquisten in der Frage des Laienkelches Zugeständnisse gemacht werden. Die Argumentation der zweiteiligen Darlegung, die theologisch, konzils- und liturgiegeschichtlich und auch kanonistisch geprägt sind, geht – stichwortartig referiert – von folgender Position aus:
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Teil I. Exordium: Die Kirche ist als Leib dem Haupt Christus verbunden. Die schismatischen Böhmen sollen zum ganzen Körper zurückkehren. In der Erörterung der Kontroverse werden zunächst die Angelegenheit und die Argumente der Böhmen vorgetragen. Darauf antwortet Nikolaus folgendermaßen: Bei der Erneuerung des Kommunionsritus durch die Böhmen ist vieles zurückzuweisen. An erster Stelle ist dem Gebot Christi, dann erst kirchlichem Gebot zu gehorchen. Zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Völkern können nach Meinung der Gelehrten wie auch der Universalkonzilien ohne Beschädigung der Wahrheit unterschiedliche Opfer- und Sakramentenriten gemäß einem den Zeiten angepassten unterschiedlichen Schriftverständnis zur Anwendung kommen, z. B. bei der Taufformel. So werden auch die Vorschriften Christi mit kirchlicher Autorität verändert. Verschiedenheit im Verständnis einer Vorschrift ist dem Ort und der Zeit geschuldet, z. B. beim Sabbatgebot, Ehesakrament oder dem Eigentumsverbot. Die wahre Kirche ist die, welche der „cathedra Petri“ und dem Römischen Stuhl anhangt. Die Wahrheit ist nämlich durch Christus der „cathedra“ verbunden, und zwar nicht von Orts wegen, sondern wegen des Vorrangs des (Römischen) Bischofs vor den anderen Bischöfen. Trotz des geistlichen Vorrangs, den Petrus bei den Aposteln und Juden und Paulus bei den Heiden besaß, ist nur ein einziger Prinzipat in einem Episkopat und in der einen Kirche Christi gegeben. Denn Einheit ist der Kirche wesenhaft wie der Primat um des Erhalts der Einheit willen. – Über Gehorsam und das Prinzip der Billigkeit („epieíkeia“). Vorläufige Schlussfolgerung: Jedes Vergehen gegenüber dem kirchlichen Ritus ist zurückzuweisen, Ungehorsam zu verdammen. Der heute geübte Brauch der universalen Römischen Kirche und die im Brauch vernünftig begründete Vorschrift dulden da keine Ausnahme. Teil II. Fortsetzung der Argumentation: Die Kommunion unter zwei Gestalten gewährt nicht mehr Gnade, sondern, weil schismatisch, weniger. – Kirchliches und göttliches Urteil sind konform. – Sakramentale Gnade und heilsame Exkommunikation („medicinalis excommunicatio“). – Ein unterschiedlicher Ritus in einträchtiger Einheit mit der Kirche wird geschätzt. Beispiele: häufige Kommunion unter beiderlei Gestalt – seltene Kommunion mit Eintunken des Brotes – ganz seltene Kommunion nur unter Brotsgestalt. – Essen und Trinken in sakramentaler Weise. – Christus anhangen ist das wahre Mahl, eine unkörperhafte und geistige Speise. – Über die Kinderkommunion. Die sakramentale Form („res sacramenti“) ist nur äußeres Zeichen. Entscheidend ist die geistige Gemeinschaft der Gläubigen und die Einheit im Glauben. Diese kann im Schisma nicht gewahrt bleiben, sondern nur in der Einheit
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mit der Kirche, d. h. mit deren Mehrheit und mit der „cathedra“. – Entscheidend ist auch die gesetzliche Nachfolge im Priesteramt, ohne die keine Kirche in wesentlicher Weise katholische Kirche ist. Die Austeilung der Sakramente obliegt dem Priestertum. Als allgemeine Regel gilt für alle Sakramente, dass sie so zu überliefern sind, wie es (mit Zustimmung) beliebt. Denn die Sakramente sind um des Heils willen so auszuteilen, wie es am passendsten ist. Die Vorschrift für das Kommunizieren dient notwendigerweise diesem Zweck. – Erneut werden Beispiele für die Verschiedenheit von Riten angeführt. Es ist hinreichend erwiesen, dass für die Priester keine Vorschrift besteht, Sakramente in dieser oder jener Weise auszuteilen. Das allgemeine Priestertum kann bei der Austeilung der Sakramente nicht irren, weder in der Sache noch hinsichtlich des Empfängers, des Zeitpunkts und der Art und Weise der Austeilung. Wir müssen glauben, dass die heutige Praxis der Kommunion durch den Heiligen Geist inspiriert ist. Schlussfolgerung: Das 1215 in der Laterankirche zu Rom unter Vorsitz Papst Innozenz’ III. abgehaltene Konzil hat diesem Ritus zugestimmt. Nach jenem Konzil fi ndet sich niemand, der behauptet hätte, dass ein Gläubiger zur Kommunion mit dem Kelch verpfl ichtet sei.
Die Böhmen werden zur Einheit und zum Frieden mit der Kirche ermahnt. Einung und Einheit spielen in dieser Schrift eine ebenso entscheidende Rolle wie in De concordantia catholica, deren tiefgreifende, prinzipielle Begründung aus dem dialektischen Prinzipienpaar Einheit und Vielheit und aus dem Prinzip der Harmonie oder Konkordanz auch hier für die Ekklesiologie zum Ansatz kommt. Prononcierter als später in den Epistulae ad Bohemos wird in der argumentativen Überzeugungsarbeit von De usu communionis der essentielle Charakter der „unitas“ in der paulinischen Verbindung mit „pax“ (Eph 4,3) hervorgehoben. Einheit und Friede sind unbedingt zu erhalten oder, wie im Fall der Böhmen, wiederherzustellen, die durch Wiedereinführung der historisch obsolet gewordenen Kommunion unter zwei Gestalten das „Band der Einheit und des Friedens“ mit der Römischen Kirche zerrissen haben. Die Kommunion ist, wie der Name selbst schon andeutet, ein Sakrament der „unio“, und das in doppeltem Sinn, Einung mit dem Leib Christi im Altarssakrament und im Mysterium der Einung der einen Kirche mit Christus als dem Haupt. Als partikulare Kirche („ecclesia mathematica“; Senger, 2011b, 381 ff.) ohne das Band mit der einen, die Einheit der Kirche wahrenden und befördernden „cathedra Petri“ erweisen sich die Böhmen „extra pacem et unitatem ecclesiae“ als Schismatiker.
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Über die essentielle Einheit der streitenden Kirche „hinausschauend“ entwickelt Nikolaus eine komplexe Einungsstruktur, mit der er argumentativ weit über jeweils historisch bedingte Fragen der Liturgie und Riten hinausgeht. Seine Theorie weist vielmehr bereits auf die hochspekulative Ekklesiologie mit dreifach hierarchisierten Einungsebenen von De docta ignorantia III, Kapitel 15 in heilsgeschichtlicher Perspektive voraus (Senger 2002b, 89–92): Die streitende Kirche auf Erden wird mit ihrer triadischen Ordnung aus Sakramenten, Priestertum und Gläubigen als ein Spiegel der triumphierenden Kirche des Himmels gesehen, die aus den englischen Geistwesen, den Seligen und dem Haupt beider Kirchen besteht, Christus in der hypostatischen Einung von Gottheit, rationaler Seele und menschlichem Leib, die traditionell als „communicatio idiomatum“ (De docta ign. III, 7: h I, p. 140) bezeichnet wurde. Als Sakrament der Einheit steht die Kommunion an oberster Stelle des zur Heilserlangung Notwendigen. Ihre Darreichung unter beiderlei Gestalt ist nicht heilsnotwendig, wohl aber die Einheit mit der universalen Kirche und der „cathedra Petri“. Als Entwurf für die Traktate wird bisweilen ein kürzerer Text angesehen (AC I , n. 170; Vallet 2006, I, 29), der unter dem Titel Intentio de eadem materia anonym überliefert ist und erst später Nikolaus von Kues zugeschrieben wurde. In der Sache handelt es sich um eine Replik auf die Ausführungen, die der hussitische Erzbischof Johannes Rokycana Mitte Januar 1433 dem Basler Konzil zur Verteidigung der böhmischen Forderung nach dem Laienkelch vorgetragen hatte. Aus argumentativen und vor allem stilistischen Gründen kann eine Autorschaft des Nikolaus allerdings bezweifelt werden. Die Herausgeber der kritischen Edition lassen darum die Frage nach dem Autor angesichts der Möglichkeit offen, dass es sich hierbei um ein Entwurfsstück für die Intentio super quatuor articulis handeln kann, die das Konzil Anfang Dezember 1433 den Böhmen vorlegte. 2. Epistulae ad Bohemos. Nachdem Nikolaus von Kues als Deputierter beim Basler Konzil bereits mit dieser Angelegenheit der Böhmen befasst gewesen war, blieb der Experte mit der auch in Basel immer noch nicht gelösten Problematik der Gewährung des Laienkelches weiterhin bis zum Jahr 1462 befasst, wenn auch fortan in anderen Positionen. Ein päpstlicher Auftrag zur Verkündung eines Ablasses zum Jubiläumsjahr 1450 und zu einer Reform der Kirchen und vor allem der Klöster in weiten Teilen Deutschlands und der angrenzenden Gegenden (Österreich, Nieder-
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lande), den Nikolaus Ende 1450 mit allen dazu erforderlichen Vollmachten erhielt, führte den Kardinallegaten Anfang 1451 nicht nur ein und ein Viertel Jahr durch deutsche Lande (Koch 1973), sondern auch in erneute Verhandlungen mit den Böhmen. Denn der Legationsauftrag des Papstes umfasste ausdrücklich auch die Rückführung der Böhmen zur Römischen Kirche und die Reform in ihrem Gebiet (AC I / 2, n. 952 f., 955). Die Verhandlungen, in die später auch der durch seine Polemik eher kontrapositiv agierende Franziskanerobservant Giovanni da Capestrano und der gerade zum Bischof von Siena avancierte Enea Silvio Piccolomini, der spätere Papst Pius II., eingebunden waren, wurden vom Kardinallegaten schließlich nur brieflich geführt. So verfasste er als Apostolischer Legat zwischen Ende Juni und Mitte Oktober 1452 drei Briefe an die Böhmen (Epist. ad Boh.: h XV / 1: 53 –98; siehe AC II , n. 2664, 2813, 2858). Die oft als „Sendschreiben“ bezeichneten Briefe, bei denen es sich also um offi zielle Noten im Auftrag des Papstes handelt, gewinnen durch ihre breite Argumentation gleichwohl Traktatform. Bei gleichbleibender Thematik setzte Nikolaus unter nachdrücklicher Betonung des Gehorsam erheischenden Rechtsstandpunktes Roms die Akzente, ähnlich wie schon zuvor in der Basler Auseinandersetzung, auf ekklesiologische, theologisch-biblische, kanonistische und liturgiegeschichtliche Argumente. Allerdings wird der Ton, nicht zuletzt in Folge der sich lang hinziehenden Verhandlungen, nun aber deutlich schärfer und fordernder. Das erste der drei Schreiben aus dem Jahr 1452 datiert vom 27. Juni aus Regensburg. Es ist „an die hohen, vornehmen und weisen Männer, an die den Gouvernatsrat regierenden Herren und alle Bewohner des Königreichs Böhmen“ adressiert. Martin Lupác, der Bischof der Hussiten, antwortete auf dieses Schreiben am 14. Juli 1452. – Die beiden anderen Briefe wurden am 14. Juli und 11. Oktober desselben Jahres jeweils aus seiner bischöfl ichen Residenzstadt Brixen geschrieben. Die Hauptlast der Argumente trägt der letzte und zugleich umfangreichste Brief. Er gibt den Rahmen vor und steht zugleich im Zentrum der Argumentation. Die beiden vorhergehenden Briefe sind in diesen inseriert. Der Inhalt dieser an Argumenten reichen Briefe ist der folgende: Hauptpunkt ist die Wiederherstellung von Einheit und Frieden mit den Jakobellianern, den Gefolgsleuten des gemäßigten Utraquisten und Hus-Vertrauten Jakobell von Mies. Im eingeschobenen ersten Brief vom 27. Juni (Epist. ad Boh.: h XV / 1, n. 4 –14), der sich in breiter Front „an alle Edlen, Barone, Prälaten, Ritter, Presby-
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ter, Religiosen, Militärs, Bürgermeister und Stadtbewohner, kurz an alle kirchlichen und weltlichen Bewohner des ruhmreichen Königreichs Böhmen und der Markgrafschaft Mähren“ richtet, erinnert der Legat zunächst an die Sendung seines Kaplans Johannes Dursmitt zu Verhandlungen nach Böhmen. Dann werden der wahre kirchliche Friede, reiner Gehorsam und die Unwirksamkeit der (Prager) Kompaktaten beschworen. Außerhalb der universalen römisch-katholischen Kirche gebe es kein Heil. Die universale Kirche bewahre sich den Glauben, dass eine Kommunion sub utraque specie für die Laien nicht heilsnotwendig sei. Allein reiner, schlichter, wahrer und wirksamer Gehorsam ist Gott wohlgefällig und nützlich und heilsam für die Böhmen. Dann folgt die heilbringende Mahnung: Widerstand gegenüber dem Heiligen Stuhl bedeutet, göttlicher Anordnung zu widerstehen (ebd., h XV / 1, n. 15). Im wiederum eingeschobenen Brief vom 11. Juli an Martin Lupác und die Priester in Klattau (ebd., h XV / 1, n. 16 –23) werden Irrtum und Häresie der Böhmen benannt. Dabei steht die Idee der Einheit der Kirche, die das von den Böhmen verwandte Argument einer „ecclesia mathematica“ (ebd.: h XV / 1: n. 19; Senger 2011b, 381 ff.) nicht zulasse, weiterhin im Zentrum. Erneut geht es über die Kompaktaten und über sein neues apostolisches Mandat. Fortsetzung des Briefs vom 11. Oktober 1452 (Epist. ad Boh.: h XV / 1, n. 24 –50): Dass die Jakobellianer außerhalb der katholischen Kirche stehen, wird mit augustinischen Argumenten dargelegt. Sie sind durch Unkenntnis der (Liturgie-)Geschichte und Schriften irregeleitet. Es folgt eine weit ausholende historische Digression mit vielen Exempla. – Deren Schlussfolgerung (ebd., h XV / 1, n. 36): Ein Ritus der Kommunion unter beiderlei Gestalt wurde in der Kirche Gottes in der Art nie praktiziert. Aus dem Vorausgehenden steht fest, dass die ganze katholische Kirche nicht auf den Buchstaben, sondern immer auf den Geist der Schrift verpfl ichtet ist. Nicht der Buchstabe, wohl aber der Geist ist wesenhaft für die Kirche – Praxis der Kirche war es, die Schrift zu einer Zeit auf die eine Weise auszulegen, auf andere Weise zu anderer Zeit. Die Schriften folgen der Kirche, die früher ist, und nicht umgekehrt. Die Jakobellianer haben keine Schriften, die für sie sprechen. (Auslegung von Joh 6,54 und Lk 22,19) – Über die sakramentale, spirituelle und mystische Speise. Schlussfolgerung: Alles, was die Jakobellianer aus der Schrift, der Praxis und den Kompaktaten für sich anführen, spricht gegen sie. Ermahnung: Die Jakobellianer mögen zu der Konformität (mit dem kirchlichen Ritus) zurückkehren, die sie oder ihre Eltern zuvor beachtet haben.
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Dem päpstlichen Auftrag zufolge geht es bei der Böhmenangelegenheit um die Wiedereingliederung und Wiederherstellung der heilbringenden Einheit mit dem Apostolischen Stuhl. „Redintegratio“ („ad Apostolicam Sedem unitatis“, Epist. ad Boh.: h XV / 1, n. 2) und „repetitio“ („sanctae unitatis“, ebd., h XV / 1, n. 3) sind die neuen Schlagworte, welche die seit Mitte des 13. Jahrhunderts in solchem Zusammenhang sonst übliche Verwendung von „Rückführung“ zur Einheit der Kirche („reductio ad ecclesiae unitatem“) ersetzen. Es geht hier also erneut um Einheit und Einung, diesmal allerdings ohne die spekulative Aufladung, die in den auf Überzeugen ausgerichteten Traktaten De usu communionis mit diesen Begriffen verbunden wurde. Bemerkenswert ist die Verwendung des Arguments der „Erneuerung“. Hatte der Begriff „renovatio“ schon in De usu communionis einen Wandel vom Positiven zum Negativen durchgemacht, indem er nicht mehr im Sinn aufbauender Erneuerung, sondern pejorativ im Sinn wiederherstellender „Erneuerung“ eines bereits obsolet gewordenen Zustands verwendet wurde, eben die Erneuerung der Kommunion „sub utraque specie“, so wird er in den Briefen an die Böhmen (ebd., h XV / 1, n. 5–8, n. 13 f.) der päpstlichen Auftragserteilung getreu nur noch im Sinn der Wiederherstellung des Gehorsams gegenüber der Kirche („renovatio oboedientiae cum ecclesia“, ebd., h XV / 1, n. 5–8, n. 13 f.) benutzt. Damit verengt sich die Gehorsamseinforderung von einer in De usu communionis noch theologisch-christologisch begründeten (weil primär Gott und Christus geschuldet) zu einer nunmehr ekklesiologischhierarchisch eingeforderten Oboedienz (Senger 2012, 30 –32). In der neueren Forschung haben die beiden Schriften bisher wenig Beachtung gefunden. Einen konzisen Überblick über die Überlieferung in Handschriften, Drucken und Übersetzungen sowie über die Rezeption und Wirkungsgeschichte bieten die Herausgeber in der Praefatio zur kritischen Edition. Grundlegend sind immer noch die Darlegungen zum cusanischen „Glaubensgespräch mit den Hussiten“ von Hermann Hallauer (1971), zur ersten Auseinandersetzung mit diesen auf dem Basler Konzil von Werner Krämer (1980, 69–124, bes. 69–90, 366 –368), zum hussitischen Kirchenbegriff und zum Sonderthema „Eucharistie und Ekklesiologie“ von Johannes Helmrath (1987, 353 –372). Aspekte „christlicher Existenz und Kirchlichkeit“ hob Reinhold Weier (1978) hervor. Unter ökumenischem Aspekt stehen die Beiträge zu den Böhmen-Briefen von Birgit Helander (1993) und Walter A. Euler (2007, 304 – 307). Zu den Auseinandersetzungen mit den Böhmen um einen angemessenen universalen, nicht partikularen Kirchenbegriff sowie zu den leitenden
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Ideen der literarischen Auseinandersetzung mit diesen siehe die Beiträge des Unterzeichnenden (Senger 12007, 2011b; 2012). – Die Beiträge tschechischer Forscher (Bartoš 1962; Floss 11977 / 22001, 185–202 zum Verhältnis des Nikolaus von Kues zu den Böhmen, Krchnák 1997) blieben wegen sprachlicher Verständnisschwierigkeiten bisher bedauerlicherweise weitgehend unberücksichtigt. Eine begrenzte Wirkungsgeschichte beider Werke lässt sich vom 16. bis ins 19. Jahrhundert verfolgen. 1. De usu communionis. Erste Spuren eines humanistischen Interesses deckte Jacques Lefèvre d’Étaples (Iacobus Faber Stapulensis), der Herausgeber der Werke des Nikolaus von Kues in dritter Ausgabe (Paris 1514), mit der editorischen Notiz auf, dass er durch Vermittlung des Beatus Rhenanus eine Textkopie des Johannes Reuchlin erhalten habe. – 1530 führte die Confessio Augustana Nikolaus von Kues als historischen Zeugen für die langgeübte Sitte der Kommunion unter beiderlei Gestalt an, für deren Änderung weder Zeitpunkt noch Urheber bekannt seien, wenn auch der Kardinal einen Zeitpunkt für die Zustimmung dazu nenne (vgl. De usu II: h XV / 1, n. 49); in der Confessio Art. XXII über die beiden Gestaltformen (Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, Göttingen 101986, 85, 15–17). – Im 16. Jahrhundert fand beim Konzil von Trient Teil II des Traktats im Rahmen der Diskussion des Herrenmahls bei den päpstlichen Konzilstheologen Diego Laínez und Alfonso Salmerón Aufmerksamkeit (Summarium sententiarum theologorum super articulis de sacramento eucharistiae, 1547). Ebenso wurde in dem Votum des Inquisitors Giambattista Castagna, des nachmaligen Zwölf-TagePapstes Urban VII., vom 28. August 1562 Teil I herangezogen, wenn auch verfälschend (Meuthen 1980a, 701–708). 2. Epistulae ad Bohemos. Das Interesse, das den Böhmenbriefen entgegengebracht wurde, hielt über das Konzil von Trient hinaus bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts an. In Martin Deutingers Exemplar der Pariser Ausgabe fi nden sich Annotationen zu den Böhmen-Briefen nn. 16 –50 von anonymer Hand des 16. Jahrhunderts (Aris 1995, 154). – Im 17. Jahrhundert wies der Jenenser Professor und lutherische Dogmatiker Johannes Gerhard (1582–1637) in seiner Bibel-Hermeneutik auf die Stellungnahme des Nikolaus zur Frage der Autorität der Bibel bei ihrer Auslegung durch die Böhmen und auf eine unfehlbare BibelInterpretation hin (Tractatus de legitima Scripturae sacrae interpretatione, art. 11, Jenae 1610, 32). – Bei den Historikern der böhmisch-hussitischen Geschichte
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(dem antilutherischen Humanisten Johannes Cochlaeus, 1479–1552, und Melchior Goldast von Haiminsfeld, 1578–1635), in der Kirchengeschichte (z. B. des Cesare Baronio, 1538–1607, oder des Oratorianer-Annalisten Kardinal Odoricus Raynaldus) und in der Konzilsgeschichte (z. B. des lutherischen Kirchenhistorikers Hermann von der Hardt, 1660 –1746) spielen die Briefe an die Böhmen noch bis ins 18. Jahrhundert eine wichtige Rolle. Etwa zur gleichen Zeit vermerkte Gottfried Wilhelm Leibniz, was Cusanus in seinen Böhmenbriefen über das Völkerrecht geschrieben habe (Mantissa Codicis Juris Gentium Diplomatici, Hannoverae Pars Altera, 156 –159, n. XXXII). Siehe dazu die Praefatio der kritischen Edition (Opuscula Bohemica. ad Boh.: h XV / 1, XXVIII f., XXXII f.). Hans Gerhard Senger
Sermones Die Predigten des Nikolaus von Kues Hinführung Sermones
Nach dem gegenwärtigen Forschungsstand hat Nikolaus von Kues der Nachwelt 294 Predigtskizzen überliefert. 292 Predigten hat Cusanus selbst verfasst, zwei weitere sind durch Predigtnachschriften erhalten, die von Hörern seines Predigtvortrags stammen (Sermo LXXVI und Sermo CCXCIII). 293 Sermones sind schon seit langem bekannt und in der Heidelberger Akademieausgabe in den Bänden XVI bis XIX textkritisch ediert. Eine kurze Predigt, datiert vom 7. Februar 1451, wurde erst jüngst von Marco Brösch in der Stadtbibliothek Trier (Hs. 771 / 1350 8°, fol. 237r) entdeckt (Brösch 2010). Die Edition dieser Predigt, die unter der Nr. LXXV A in das Predigtcorpus eingereiht wird, erfolgt in den MFCG. Dieses umfangreiche Predigtcorpus bezieht sich auf den langen Zeitraum zwischen Weihnachten 1430 und dem 5. Juni 1463. Man kann, ganz allgemein formuliert, feststellen, dass die Predigttätigkeit einen wichtigen Aspekt im Wir-
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ken des Cusanus darstellt, der die meisten Phasen seines öffentlichen Lebens in irgendeiner Form begleitet hat, wobei man bedenken muss, dass die Zahl der Predigten, die er in seinen verschiedenen kirchlichen Ämtern gehalten hat, diejenige der schriftlich überlieferten Predigtskizzen sicherlich um Einiges übersteigt. In den Berichten über die Legationsreise werden beispielsweise mehrfach Predigten des Legaten erwähnt, deren Inhalt nicht tradiert ist (vgl. dazu u. a. CT 1 / 7, 89 ff.). Dass man anhand der erhaltenen Predigten bzw. Sermones die geistige Entwicklung des Nikolaus von Kues gewissermaßen Schritt für Schritt verfolgen kann, ist demzufolge eine ziemlich naheliegende Vermutung, die Josef Koch bereits 1937 geäußert hat. Er nennt die Predigten „ein ausgezeichnetes Mittel, die innere Entwicklung des Cusanus während dreißig Jahre zu beobachten“ (CT 1 / 2–5, 4). Diese These von Koch ist, grundsätzlich betrachtet, sicherlich richtig, aber sie muss doch mit einer gewissen Einschränkung versehen werden, damit sie nicht falsch verstanden wird. Die erhaltenen Predigtentwürfe des Cusanus verteilen sich nämlich keineswegs gleichmäßig auf seine verschiedenen Lebensphasen. Aus dem Zeitraum zwischen Weihnachten 1430 und Epiphanie 1433 stammen 18 Predigten, die nächste datiert er auf Weihnachten 1438, d. h. es fehlen Skizzen für den Zeitraum von fast sechs Jahren. Im Abschnitt zwischen 1440 und 1450 stammen die meisten Entwürfe aus den Jahren 1444 bis 1446, wobei einige Skizzen aus dieser Periode nicht eindeutig datierbar sind. Sicher datierbare Entwürfe fehlen für den Zeitraum zwischen Januar 1441 und Karfreitag 1443 sowie für die Jahre 1447 und 1450. Aus den Jahren 1448 und 1449 ist jeweils nur eine Predigt überliefert. Überaus dicht ist die Überlieferung für den Zeitraum zwischen Februar 1451 und dem 29. Juni 1457 (mit zwei Lücken: zum einen zwischen April und Juli 1452 sowie zwischen August 1452 und Mai 1453, mit Ausnahme von Sermo CXXV vom 5. Februar 1453). In diese Periode, die Zeit der großen Legationsreise sowie der ersten Jahre des Brixner Episkopates, fällt die große Mehrzahl der erhaltenen Predigtskizzen, nämlich die Sermones LXXV A bis CCLXXXVII, wobei allerdings die meisten Entwürfe aus der Zeit der Legationsreise relativ kurz sind. Aus dem Jahr 1458 ist eine Predigt überliefert (gehalten in Bruneck am 8. September 1458 nach der Rückkehr von der Burg Buchenstein und vor der Abreise nach Rom), aus den letzten römischen Jahren des Kardinals sind nur vier Entwürfe erhalten, die sich auf die römische Diözesansynode und die Visitation der römischen Hauptbasiliken zwischen Januar
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und März 1459 beziehen, sowie schließlich die Nachschrift der Predigt bei der Einkleidung des Novizen Nikolaus von Bologna im Kloster Montoliveto am 5. Juni 1463.
Cusanus’ Deutung der Sermones und ihrer Entwicklung Am 16. August 1454 schreibt Nikolaus seinem Freund Bernhard von Waging, Prior des Benediktinerklosters Tegernsee, er beabsichtige, seine Predigten als Buch herauszugeben (Vansteenberghe 1915, 140). Ein knappes Jahr später, am 28. Juli 1455, teilt er Bernhard von Waging mit, dass er die Predigten nun ordne, damit sie abgeschrieben werden könnten (ebd., 160). Wir wissen nicht, welche Gründe Cusanus im Einzelnen zu diesem Entschluss geführt haben, der in einer offensichtlichen Spannung zu seiner Einschätzung im Brief an Abt Kaspar Aindorffer vom 22. September 1452 steht, seine den Mönchen zugesandten Predigten seien „schlicht und ungefeilt“ (ebd., 111). Die genannte Entscheidung stellt wohl eine Konsequenz der kontinuierlichen und außergewöhnlich konzentrierten Predigtpraxis der ersten Brixner Jahre dar. Diese veranlasste den Kardinal zum einen dazu, sich immer wieder auch mit seinen älteren Predigtskizzen zu beschäftigen und zum anderen die schriftlich verfasste Predigt als eine eigene, legitime Form theologischer Schriftstellerei zu entdecken. In diesem Prozess gelangte Cusanus jedenfalls zu zwei Auffassungen, die in dem Entschluss, seine gesamten Predigtentwürfe (und nicht nur einzelne, besonders gelungene) aus allen Lebensphasen zu publizieren, implizit enthalten sind: nämlich erstens, dass ein gemeinsames sachliches Anliegen, gewissermaßen ein roter Faden, die vielen verschiedenen Entwürfe miteinander verbindet, welcher es als sinnvoll erscheinen lässt, diese in einer Sammlung zusammenzufassen. Aus der Perspektive von Cusanus findet sich demzufolge im Predigtwerk kein abrupter Bruch, keine radikale Veränderung, denn sonst hätte er wohl die älteren Entwürfe vor dem Zeitpunkt dieses Bruches ausgesondert, ähnlich wie ja auch De concordantia catholica nicht in die von Nikolaus veranlasste Sammlung seiner philosophisch-theologischen Schriften in den Handschriften 218 und 219 des St. Nikolaus-Hospitals aufgenommen wurde (Meuthen 71992, 49). Bei den älteren Predigten hat er nur an manchen Stellen Korrekturen bzw. Ergänzungen eingefügt, die in der textkritischen Edition im Einzelnen nachgewiesen sind.
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Zweitens gelangte er zu der Auffassung, dass die verschiedenen Predigtskizzen es wert sind, als Buch der Nachwelt überliefert zu werden. Im Entschluss, die Predigten als Buch herauszugeben, drückt sich demzufolge eindeutig eine Neueinschätzung dieser Texte aus, zu der Nikolaus in der ersten Hälfte der 1450er Jahre gekommen ist. Sie führte ihn dazu, die Sermones gewissermaßen als die zweite Säule seines literarischen Schaffens gleichberechtigt neben und zusammen mit den philosophisch-theologischen Schriften zu betrachten. Diese Auffassung bringt er jedenfalls in De possest (h XI / 2, n. 58), De venatione sapientiae (25: h XII, n. 73) und De apice theoriae (h XII, n. 16) zum Ausdruck. Aus diesem Entschluss des Cusanus sind die beiden kostbaren Handschriften der Vatikanischen Bibliothek, die Codices Vaticanus latinus 1244 und 1245, entstanden, die mit relativ wenigen Ausnahmen die Predigtentwürfe von 1430 bis zum Jahr 1459 in einer von Cusanus persönlich korrigierten Fassung enthalten (h XVI, XXIII). Gewissermaßen als Einführung in diese Gesamtausgabe seiner Predigten bzw. als Lesehilfe zu ihrem Verständnis konzipierte Nikolaus im Juni 1459 De principio und in den darauf folgenden Monaten De aequalitate. Insbesondere in De aequalitate gibt Nikolaus wertvolle Hinweise zur Deutung seiner Predigten sowie dazu, wie sich diese im Laufe seiner öffentlichen Wirksamkeit nach seinem Verständnis entwickelt haben. Ausgehend von den Worten des Johannesprologes „Das Leben war das Licht der Menschen“ (Joh 1,4) will Nikolaus eine Einführung in seine theologischen Sermones geben, wie er zu Beginn der Schrift ausdrücklich feststellt (De aequal.: h X / 1, n. 1). Das Evangelium des „Theologen“ Johannes nennt Cusanus die klarste, die deutlichste Darlegung des christlichen Mysteriums überhaupt (ebd., h X / 1, n. 2), und er sieht dessen Inhalt in den Worten von Joh 1,4 dergestalt zusammengefasst, dass „Gott der Vater durch sein wesensgleiches Wort bzw. den Sohn allem das Sein gegeben hat und dass das Sein von allem im Wort bzw. in seinem Sohn war, der das Leben war; Leben und Licht des Verstandes des Menschen waren in dem Licht, das das Wort ist. Er [der Evangelist] sagte dies“, so fährt Cusanus erläuternd fort, „damit wir einsähen, dass das Wort Gottes uns sowohl ins Sein eingehen ließ als auch in unserem Verstand erleuchtete. Wenn wir uns ihm unterwerfen, können wir durch das genannte wahre Licht erleuchtet werden, bis wir zur Erfassung des substantiellen Lichtes selbst geführt werden, das uns so erleuchtet. Dann werden wir selig und glücklich sein. Denn da unser Verstehen das edelste Leben bedeutet, würde der Geist, könnte er das Licht seiner Einsicht verstehen,
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welches das Wort Gottes ist, seinen eigenen Ursprung erreichen, der ewig ist und auch dessen Sohn, durch den er zum Ursprung geführt worden ist. Und dieses Verstehen besteht in sich, da das Verstandene und das Verstehen nicht andere und verschiedene Dinge sind.“ (Ebd.)
In diesem überaus dichten Text versucht Nikolaus im Anschluss an die Diktion des Johannesprologes zu zeigen, dass der Mensch einerseits als endliches Geistwesen ganz und gar aus der Erkenntnis der Wahrheit heraus lebt und auf sie hingeordnet ist, aber andererseits nur dann zur Erkenntnis der Wahrheit gelangt, die für ihn Glück und Seligkeit bedeutet, wenn er sich vom göttlichen Geist erleuchten lässt, der ihm in der Person des Sohnes begegnet. Mit dieser Annahme verbindet sich die weitreichende Konsequenz, dass letztlich alle Erkenntnis und Wahrheit im göttlichen Grund wurzelt und trinitarisch sowie christologisch vermittelt ist, also auch das allgemeine Welt- und menschliche Selbstverständnis betrifft, wie Cusanus im Hauptteil von De aequalitate in verschiedenen Gedankengängen darlegt (ebd., h X / 1, n. 3 –31). Die zentralen christlichen Glaubenslehren, wie sie im Johannesevangelium exemplarisch entfaltet werden, machen aus der Perspektive von Cusanus insbesondere deutlich, dass der göttliche Intellekt sich zeigen, sich mitteilen will und dass er dies ganz konkret und in unüberbietbarer Eindeutigkeit in Person und Wirken Jesu, des menschgewordenen Sohnes Gottes, getan hat, dem wir durch den Heiligen Geist innerlich verbunden sind, wenn wir ihm in Glaube und Liebe anhängen. Nikolaus betont, dass diese Lehre keine abstrakte Wahrheit darstellt, sondern denjenigen, der sie aufnimmt, zutiefst verwandelt. Sie macht vor Gott angenehm und führt in Gemeinschaft mit Christus zum glückseligen ewigen Leben. Diese Botschaft entfaltet Cusanus im letzten Teil von De aequalitate (ebd., h X / 1, n. 32–36). Seine Überlegungen resümierend bezeichnet er sie als die „summa evangelii“, man könnte sagen: die Summe, den Gesamtgehalt, aber auch den Höhepunkt des Evangeliums, indem er zugleich feststellt, dass er diese „summa evangelii“ in seinen verschiedenen Sermones in mannigfacher Weise gemäß der ihm verliehenen Gnade erklärt habe (ebd., h X / 1, n. 37). Diese Aussage ist von zentraler Bedeutung, weil sie wiederum deutlich macht, dass Cusanus in seinem gesamten Predigtwerk ein gemeinsames, sich durchziehendes Anliegen verwirklicht sieht, eben den Versuch, den Kern der christlichen Botschaft, das Christusmysterium, in umfassender Weise als Antwort auf die menschliche Frage nach Erkenntnis, Wahrheit und Vollendung zu vermitteln.
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Bei der Darlegung der „summa evangelii“ in den Predigten, so fügt Cusanus hinzu, habe sich eine deutliche Entwicklung vollzogen: Diese war „magis obscure dum inciperem in adolescentia et essem diaconus“ – „undeutlicher, verdunkelter, verborgener, als ich in jungen Jahren anfi ng und Diakon war“, „clarius dum ad sacerdotium ascendissem“ – „sie wurde klarer, deutlicher, offensichtlicher, als ich zum Priestertum aufstieg“, „adhuc ut videtur perfectius, quando pontificis officio in mea Brixinensi ecclesia praefui et legatione apostolica in Germania et alibi usus fui“ – „und schließlich schien es noch vollkommener zu werden, als ich in meiner Brixner Kirche das Bischofsamt ausübte und während der apostolischen Legationsreise in Deutschland und anderswo tätig war.“ (Ebd.) Cusanus’ Aussage teilt das Predigtwerk in instruktiver Weise in etwa drei gleich lange Phasen ein. Die erste Phase der Verkündigung („magis obscure“) bezieht sich auf die Jahre 1430 bis 1439, da Cusanus spätestens 1440 die Priesterweihe empfangen hat (h XVI, X). Sie umfasst die Sermones I bis XXI (vom 6. Januar 1440). Setzt man die Priesterweihe etwas früher an, d. h. vor Weihnachten 1438, dann würde diese Phase die Predigten I–XVIII betreffen. Die zweite Phase („clarius“) bezieht sich sicher auf die Jahre 1440 bis 1449 und umfasst die Predigten XXII bis LXXV. Die dritte Etappe („perfectius“) beginnt 1450 und umfasst das große Corpus der restlichen Predigten, konkret: LXXV A–CCXCII (292). Hinzu kommt noch die einige Jahre nach Abfassung von De aequalitate gehaltene Predigt CCXCIII, deren Inhalt durch eine nicht von Cusanus stammende Nachschrift überliefert ist.
Die thematischen Schwerpunkte in den Sermones Mit Bezug auf Cusanus’ Deutung der Predigten in De aequalitate wurde festgestellt, dass das Bemühen, den Kern der christlichen Botschaft, das Christusmysterium, in umfassender Weise als Antwort auf die menschliche Frage nach Erkenntnis, Wahrheit und Vollendung zu vermitteln, im Zentrum der Sermones steht. Das bedeutet natürlich nicht, dass Cusanus streng nur diese Problematik in den überlieferten Predigtskizzen behandeln würde (vgl. dazu ausführlich MFCG 31, 2006). Aber es lässt sich doch feststellen, dass die vielen Themen, die, abhängig vom Anlass und den jeweiligen biblischen Texten der Tagesmesse, angesprochen werden, mit beeindruckender Konsequenz auf den genannten Kern der Verkündigung bezogen und rückgebunden werden.
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Das besondere Profil der cusanischen Predigtverkündigung zeigt sich dabei in der überaus engen Verknüpfung der allgemein anthropologischen mit der spezifisch theologisch-christologischen Problematik, wie dies auch im von Joh 1,4 ausgehenden Text von De aequalitate deutlich wird. Die Sermones des Nikolaus von Kues konzentrieren sich in zunehmender Klärung und gedanklicher Durchdringung insbesondere auf zwei Felder. Einerseits geht es ihm immer wieder von neuem darum, die Paradoxie des Menschseins seinen Adressaten zu erschließen. Er versteht den Menschen als endliches Geistwesen, welches auf eine unendliche Erfüllung und Vollendung angelegt ist, sich diese aber nicht selbst geben kann, sich, theologisch gesprochen, nicht selbst erlösen kann. In der cusanischen Anthropologie, wie sie in den Predigten (und natürlich auch in seinen sonstigen Schriften) entfaltet wird, zeigt sich demnach eine eigentümliche Spannung zwischen der Vollendungsfähigkeit des Menschen auf der einen Seite und seiner Vollendungsbedürftigkeit auf der anderen. Der eine Gedanke hebt mit großer Entschiedenheit die Würde und Gottebenbildlichkeit des Menschen hervor, der andere die Mangelhaftigkeit und Erlösungsbedürftigkeit, Schwäche und Sünde des Menschen. Schon an dieser Stelle sei gesagt, dass Nikolaus ab Mitte der 1440er Jahre tendenziell eher die Vollendungsfähigkeit des Menschen betont (Haubst 1991, 404), ohne freilich jemals ein wie auch immer geartetes Selbsterlösungsideal zu propagieren (vgl. dazu u. a. Sermo CXXVIII: h XVIII, n. 9). Zuvor, insbesondere in manchen Predigten aus den 1430er Jahren, hebt er stärker die Vollendungsbedürftigkeit des Menschen hervor (Dahm 2002; Ranff 2011b). Mit diesem anthropologischen Konzept verbindet sich bei Cusanus die Vorstellung, dass die Menschwerdung Gottes als ein Geschehen zu verstehen ist, welches der Menschheit und zugleich jedem einzelnen Menschen nicht äußerlich bleiben kann. Die Erfüllung der menschlichen Gottessuche durch das Christusereignis bedeutet demzufolge nicht die Begegnung mit etwas Fremdem, schlechthin Unbekanntem, sondern die Konfrontation mit dem, was der Mensch sein soll und eben deshalb auch sein kann: die dem Schöpfer geeinte Geistnatur. Den Inkarnationsglauben betrachtet Nikolaus also nicht einfachhin als ein positivistisch bzw. fideistisch zu akzeptierendes Dogma, sondern als eine Vorstellung, die der menschlichen Natur im Sinne einer in ihr angelegten Erwartung entspricht, wobei allerdings zu bedenken ist, dass erst von der tatsächlich geschehenen Erfüllung dieser Erwartung im Christusereignis diese selbst voll verstanden und erhellt werden kann.
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Das überlieferte Predigtwerk dokumentiert in vorzüglicher Weise, wie intensiv Cusanus während eines Zeitraums von rund 30 Jahren versuchte, diese Eckpfeiler seines theologischen Denkens mit ihren vielfältigen philosophischen Implikationen begriffl ich zu fassen und sie den ihm anvertrauten Gläubigen zu vermitteln. Diese These soll nun anknüpfend an das Dreietappenschema von De aequalitate kurz skizziert werden, wobei ich allerdings vier Entwicklungsstadien mit je eigenen thematischen Schwerpunkten unterscheide: (1) Die Predigtentwürfe der 1430er Jahre, von denen Cusanus in der Rückschau sagt, in ihnen trete die „summa evangelii“ nur „magis obscure“, undeutlicher, verborgener zutage, lassen tatsächlich das theologische Profil ihres Verfassers noch nicht klar erkennen. Dies gilt insbesondere für die Predigten I–XVIII, die wahrscheinlich zwischen Weihnachten 1430 und Epiphanie 1433 entstanden sind. Das ist angesichts seines damaligen Alters auch nicht weiter verwunderlich. Auffällig ist, insbesondere im Vergleich zu den Sermones ab 1440, wie stark sich Nikolaus mit und ohne Nennung der Quelle auf die lateinischen Kirchenväter, scholastischen Autoritäten und Theologen wie Ramon Lull bezieht und von ihnen abhängig ist, wie man in der textkritischen Edition im Detail sehen kann. Zugleich fi nden sich schon in diesen frühen Predigten interessante erste Ansätze des spezifisch cusanischen Denkens, weshalb wir froh sein können, dass Nikolaus diese Skizzen nicht vernichtet hat. Drei wichtige Motive seien genannt: – Im Sermo II, gehalten am Fest Epiphanie 1431, spannt Nikolaus einen weiten Bogen. Er verknüpft die von den drei heidnischen Weisen bezeugte Christusoffenbarung mit der Weisheitssuche der Heiden im Allgemeinen und behauptet, dass der Glaube an die Trinität und die Inkarnation universal verbreitet sei, auch wenn die Nichtchristen nicht genau verstehen würden, was sie glauben (h XVI, n. 8). Diese hier noch recht ungeschützt und etwas naiv vorgetragene Vorstellung eines „virtuellen“ Trinitäts- und Inkarnationsglaubens hat Nikolaus grundsätzlich nie aufgegeben. Sie bildet das Fundament für seine später differenziert entfaltete Auffassung, dass sich in der Person Christi die religiöse Suche aller Menschen erfüllt (u. a. Sermo XLI: h XVII, n. 9 f.). – Im Sermo III vom Gründonnerstag 1431 klingt erstmals der insbesondere für De docta ignorantia und die sich darauf beziehenden Predigten der frühen 1440er Jahre so zentrale Gedanke an, Christus überwinde als der inkarnierte Sohn Gottes das Inkommensurabilitätsprinzip, die Beziehungslosigkeit zwischen
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dem Unendlichen und Endlichen: Die Menschheit Christi, so sagt Cusanus, „ist die Leiter, auf der das Geschöpf zu Gott aufsteigt. Zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen besteht kein Verhältnisbezug, aber die Menschheit Christi erzeugt eine symbolische Konkordanz hin zu den Geschöpfen.“ (h XVI, n. 11) – In Sermo XI von Weihnachten 1431 bezieht sich Nikolaus erstmals auf das Motiv der dreifachen Geburt Christi bei der ewigen Zeugung, bei der Menschwerdung und in der Seele des Gläubigen (h XVI, n. 2), das ihn insbesondere in den Weihnachtspredigten bis 1444 intensiv beschäftigen wird, wobei er allerdings in der genannten Predigt nur die ewige Geburt des göttlichen Logos behandelt. Das Thema der geistlichen Geburt Christi in der Seele der Gläubigen klingt rudimentär schon in Sermo II an (h XVI, n. 27–30). (2) Dass das Jahr 1440 in der Entwicklung der Predigten eine deutliche Zäsur darstellt, ist offensichtlich. Dies zeigt bereits die wahrscheinlich am 1. Januar 1440 gehaltene Predigt XX, in der Cusanus im Anschluss an Pseudo-Dionysius Areopagita tieferdringend als zuvor die Problematik des Redens über Gott reflektiert. Das spezifisch Cusanische tritt ab 1440 wirklich viel deutlicher, eben „clarius“, wie der Kardinal im Rückblick feststellt, zutage. Der Grund dafür ist vor allem, dass er in De docta ignorantia eine eigene philosophisch-theologische Position entwickelt hat, die in die Predigten ab Weihnachten 1440 eindeutig Eingang gefunden hat. Dies betrifft neben der Trinitätstheologie insbesondere die Bestimmung des Verhältnisses von Anthropologie und Christologie. Gewissermaßen beflügelt durch den Erkenntnisgewinn von De docta ignorantia hat Nikolaus in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts einige Predigtskizzen verfasst, die man als kleine theologische Meisterwerke betrachten kann, z. B. die bekannte Predigt XXII von Weihnachten 1440, die unmittelbar folgende moselfränkische Vater-unserErklärung (Sermo XXIV), die eigentlich keine Predigt ist, und Predigt XLI vom 22. November 1444. Die Koinzidenzlehre und die Maximitätsaussagen von De docta ignorantia in Bezug auf Christus sowie die daraus gezogene anthropologische Konsequenz, dass dieser die Mängel der Menschheit tilge, mit jedem Menschen „weit mehr als ein Bruder oder der engste Freund verbunden sei“ und „in jedem Menschen, der ihm in vollkommenem, lebendigen Glauben anhängt, eben dieser nämliche Mensch durch die vollkommenste Einigung ist, wobei die Individualität eines jeden unberührt bleibt“ (III, 6: h I, p. 138), werden in
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den Predigten dieser Periode nach verschiedenen Seiten hin entfaltet und teilweise noch weiter zugespitzt. Im bereits genannten Sermo XXII stellt Cusanus beispielsweise fest, dass „Christus mit der Natur der Menschheit koinzidiere“ (h XVI, n. 37) und deshalb seine Menschheit bzw. Menschennatur die „wahrste und vollkommenste Menschheit aller Menschen“ (h XVI, n. 38) sei. Dies bedeute, dass derjenige, der Christus anhängt, seiner eigenen Menschheit bzw. Menschennatur anhängt und daher in Christus nicht in einem anderen, sondern in seiner eigenen Menschheit Gott geeint ist (ebd.). Knapp vier Jahre später, im Sermo XLI, behandelt er diese Problematik nochmals abschließend im Ausgang von der Frage: „Wir fragen in uns, was Jesus sei.“ „Denn“, so fährt Cusanus erläuternd fort, „wenn wir Jesus nicht in uns fi nden, finden wir ihn überhaupt nicht.“ (h XVII, n. 7) An diese einführende These schließt sich eine längere Überlegung an, die in verdichteter Form die spezifische Verknüpfung von Anthropologie und Christologie in den Predigten zwischen 1440 und 1444 prägnant kenntlich macht. Die natürliche Bewegung des Menschen, so Cusanus, strebe nicht über das Menschliche hinaus, aber sie ziele auf die vollkommene Erfüllung des in der Gattung der Menschheit Angelegten. Der Mensch habe Leben, also erstrebe er ein vollkommenes, vernünftiges und mängelfreies Leben. Der Mensch besitze die Fähigkeit zur Erkenntnis, also komme sein Erkenntnisdrang nicht zur Ruhe, bis er nicht alles Erkennbare erfasse. Der Mensch strebe nach dem, was gut sei, also ruhe er nicht, bis er nicht jedwedes Gut erlange. Dieses unendliche Streben wohne dem Menschen von seiner Natur her inne und könne deshalb nicht vergeblich sein (ebd., n. 8). Es erfülle sich in dem, der Gott und Mensch zugleich sei. Die „Bewegung meiner Menschennatur“, so die Konsequenz von Cusanus, „geht dahin, in einem Menschen mit meiner Menschennatur Gott zu berühren. Ich fi nde daher in mir selbst den Menschen mit meiner Menschennatur, der so Mensch wie Gott ist. Und das ist jener Mensch, in dem ich allein in meiner Menschennatur die Ruhe zu berühren vermag. Die Ruhe ist nämlich Gott. Jener Mensch, der zugleich Gott ist, ist jener, auf den hin alle Menschen gemäß der Natur der Menschheit bewegt werden. Und dies ist der gepriesene Jesus Christus. Dieser Jesus wurde von allen Völkern insgeheim ersehnt.“ (h XVII, n. 9 f.)
Man sieht an dieser Passage, wie der Ansatz von Sermo II weiterwirkt und doch auf ein ungleich höheres Reflexionsniveau gehoben ist.
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(3) Ab Beginn des Jahres 1445 tritt diese eher abstrakte Form theologischer Spekulation etwas zurück hinter die konkretere Frage, wie der Gläubige zur Gotteskindschaft gelangen könne. Diesem Problem ist ja auch die Schrift De filiatione dei vom 27. Juli 1445 gewidmet, die, so Rudolf Haubst, durch die Predigten ab Epiphanie 1445 gewissermaßen vorbereitet wurde (Haubst 1991, 406 – 408), aber auch schon im Sermo XXXII vom Palmsonntag 1444 anklingt (h XVII, n. 4). Diese Idee löst das Motiv von der Gottesgeburt in der Seele ab und bringt eine neue Akzentuierung, weil sie in besonderer Weise „die Transformation des Menschen in einen Sohn Gottes“ (Reinhardt 2004, 71) und in Verbindung damit die aktive Bemühung des Christen um Glaubenserkenntnis und dieser entsprechendes ethisches Tun hervorhebt, wobei auch in dieser Hinsicht für Nikolaus die „regula coincidentiae“ gilt. Das heißt, das Gezogenwerden von Gott her und die Bewegung auf Gott hin koinzidieren, fallen in eins, können letztlich nicht getrennt werden (Sermo LVII: h XVII, n. 20; Sermo LX: h XVII, n. 6). Konkret vollzieht sich die Erlangung und Verwirklichung der Gotteskindschaft durch Angleichung an das Vorbild Christi, d. h. sie geschieht durch „christiformitas“, Christusförmigkeit. Dieser traditionelle Begriff, der bei Cusanus auch eine ekklesiologische Dimension hat, wird insbesondere ab der zweiten Hälfte der 1440er Jahre verstärkt thematisiert und fungiert dabei geradezu als „Synonym von filius Dei“, wie Klaus Reinhardt feststellt (2004, 74). (4) Ob man im Sinne der Aussage von De aequalitate die meist kurzen Predigtentwürfe der großen Legationsreise und die zeitlich unmittelbar daran anschließenden, oft recht umfangreichen Skizzen der Brixner Zeit im Vergleich zu den Entwürfen der 1440er Jahre als „perfectius“, vollkommener, bezeichnen kann, ist schwer zu entscheiden. Die wesentlichen Ideen der Predigten aus dieser Periode finden sich ja auch in den Sermones der 1450er Jahre, wie der Parallelenapparat der textkritischen Edition mehr als deutlich dokumentiert. Aber es lassen sich auch einige wichtige neue Akzente feststellen, die Cusanus zu seinem Urteil geführt haben können. Zunächst fällt auf, dass die äußere Form meist eine andere ist. Während in den ausgearbeiteten Entwürfen vor 1450 der Typus des thematischen Sermo scholastischer Prägung dominiert, bevorzugt der Kardinal sowohl während der Legationsreise als auch in Brixen die an den Schrifttexten orientierte, einfach gegliederte Homilie. Dies bedeutet natürlich nicht, dass ihn jetzt seine philosophisch-spekulative Ader verlassen hätte, aber dieser Aspekt seiner Verkündi-
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gung scheint doch zumindest tendenziell stärker an die vielfach allegorisch ausgelegte Heilige Schrift rückgebunden, wobei er sich insbesondere am Johannesevangelium und dessen offenbarungstheologischer Konzeption orientiert. Christus wird demzufolge primär als „ostensor“ bzw. „revelator Patris“ gesehen, der als „magister veritatis“ den Weg zur Wahrheit und zum Leben erschließt (Euler 2001b, 69 f.). Im Sinne dieses offenbarungstheologischen Konzeptes deutet er auch den Kreuzestod Christi als unüberbietbares „testimonium veritatis“, insbesondere in Sermo CXXII vom Karfreitag 1452. Mit der stärkeren Ausrichtung an der Heiligen Schrift verknüpft sich eine besondere Betonung des konkreten Vorbildes Jesu. In der Synodalpredigt CCLXXX vom 2. Mai 1457 ermahnt Nikolaus die Geistlichen seines Bistums, sie sollten Christus durch die „Türe der Menschheit“ verkündigen, d. h. sie sollten den ihnen anvertrauten Gläubigen vermitteln, was Christus als Mensch getan habe (h XIX, n. 13). Die erstmals in Sermo II von Cusanus zitierte Sentenz: „Omnis Christi actio nostra est instructio“ – „Jede Handlung, jede Tat Christi dient zu unserer Belehrung“ (h XVI, n. 28), gewinnt dementsprechend in den Predigten dieser Zeit besondere Relevanz. Sie wird vielfach wiederholt (vgl. Parallelenapparat zu Sermo CLXXIV: h XVIII, n. 9) und fungiert gewissermaßen als Leitmaxime seiner Auslegung der jeweiligen Evangelientexte. In der Brixner Zeit hat der Kardinal mehrfach versucht, die verschiedenen Elemente seiner Verkündigung ausgehend vom Gedanken der „gloria Dei“, der Herrlichkeit Gottes, zu bündeln (einige wichtige Stellen, aber keineswegs alle, finden sich im Parallelenapparat zu Sermo CLIV: h XVIII, n. 9 sowie im Parallelenapparat zu Sermo CCIV: h XIX, n. 5–10). In exemplarischer Weise ist dies der Fall im Sermo CCIV vom 29. September 1455. Diese Predigt nennt Nikolaus „den gewissermaßen ersten und grundlegenden Sermo, aus dem viele weitere gebildet werden könnten“ (h XIX, n. 1), und er fügt sinngemäß hinzu, dass er nach intensiver Meditation, inspiriert von Gott, dahin gelangt sei, das Ganze des Glaubens in einem leicht verständlichen Kompendium zusammenzufassen (ebd.). Der Ausgangspunkt der im Hauptteil der Predigt folgenden Überlegungen ist ein durchaus traditioneller und findet sich auch schon in den frühen Predigten. Gott, der beste Schöpfer, habe die Welt aus reiner Güte auf das beste Ziel hin geschaffen, d. h. er schuf sie um seiner selbst willen und um seine Herrlichkeit mitzuteilen, um andere an ihr teilhaben zu lassen (h XIX, n. 5). Seine Herrlichkeit könne aber nur von den mit Vernunft begabten Geschöpfen erkannt werden, folglich sei die Welt um der vernünftigen Geister willen geschaffen, die
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ihrerseits existierten, damit sie die Herrlichkeit Gottes schauen. Das Ziel der Schöpfung bestehe demzufolge in der Offenbarung der Herrlichkeit des Schöpfers (h XIX, n. 6). Diese These impliziert für Cusanus zweierlei. Zum einen fordert sie die Freiheit des Menschen, denn: „Unser edelster König [Gott] will Edle und Freiwillige in seiner Ratsversammlung haben, und zwar viele.“ (h XIX, n. 8) Zum anderen ergibt sich aus ihr die Notwendigkeit des gott-menschlichen Mittlers Jesus Christus, der den unsichtbaren Schöpfer und seine Herrlichkeit in seiner Person definitiv sichtbar mache (h XIX, n. 10). So fließen also im Motiv der „gloria „Dei“ die drei Säulen der cusanischen Glaubensverkündigung: Gott – Mensch – Christus in einer schöpfungs- und offenbarungstheologischen Konzeption zusammen, die zugleich in besonderer Weise die Freiheit des Menschen und die unendliche Dynamik seines Geistes betont. Dazu passt, dass Cusanus gerade in den Predigten der Brixner Zeit die insbesondere an die Idiota-Schriften anknüpfende Vorstellung vom Menschen als „viva imago Dei“, „lebendigem Ebenbild Gottes“, vielfach aufgegriffen und in oft erstaunlich kühner Weise in seine Verkündigung integriert hat (vgl. dazu exemplarisch Sermo CLXVIII: h XVIII, n. 8–10; Sermo CLXIX: h XVIII, v. a. n. 1– 6; Sermo CCLI: h XIX, n. 5–15).
Formale Charakteristika der cusanischen Predigten Kennzeichnend für die cusanische Theologie ist das Bemühen, metaphysische Spekulation und Treue zu den Kernaussagen der Heiligen Schrift und zum kirchlichen Dogma miteinander zu verbinden. Dies zeigt sich insbesondere in den Predigten. Dabei wechselt sein Vorgehen. Er entwickelt seine Überlegungen entweder spekulativ und überprüft sie dann an der Bibel oder er nimmt die Schrifttexte der Tagesmesse zum Ausgangspunkt einer philosophisch-spekulativen Durchdringung und Vertiefung. Sein Schriftverständnis unterscheidet sich natürlich von dem unseren, da er in der Tradition der allegorischen Schriftauslegung steht (Reinhardt 2001, 44 – 46). Das bedeutet allerdings nicht, dass sein Umgang mit der Heiligen Schrift willkürlich wäre. Der Prediger müsse sich, erklärt Nikolaus im Sermo CCVII dem Klerus seiner Diözese, das in der Heiligen Schrift überlieferte Wort Gottes zu eigen machen. Nur das aus eigener Einsicht gesprochene Wort belehre und nähre die Hörer der Verkündigung
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(h XIX, n. 2). Vor dem Hintergrund dieser Aussage werden die originellen philosophisch-theologischen Gedankengänge in vielen cusanischen Predigten verständlich. Die spekulative Ader des Kardinals bricht in den Predigten immer wieder durch. In der großen Epiphaniepredigt von 1456 (Sermo CCXVI) merkt er selbst, dass seine subtilen Überlegungen zur Ewigkeit der Welt seine Zuhörer im Brixner Dom wohl überfordern werden und schreibt, um sich zu zügeln: „Diese Aussagen sind bei der Predigt wegzulassen, weil sie nicht auferbauen.“ (h XIX, n. 25) Nikolaus reichert seine Gedanken in den Predigten an durch den vorsichtigen Gebrauch von Bildern sowie durch Anknüpfungen an die Lebenswelt, den Erfahrungsbereich seiner Zuhörer. Dabei macht er allerdings, was die theologische Substanz seiner Lehre betrifft, keinerlei Zugeständnisse an seine Adressaten. Dies bedeutet zugleich, dass die Predigtverkündigung des Cusanus, zumal in Anbetracht des damaligen Bildungsniveaus, viele Gläubige waren ja Analphabeten, ungewöhnlich anspruchsvoll ist. Im Sermo CCLXXIV, gehalten am Fest Mariä Verkündigung 1457, geht Nikolaus auf den ihm zu Ohren gekommenen Vorwurf ein, seine Predigt sei zu schwierig. Zur Verteidigung seiner Verkündigungsweise beruft er sich ausdrücklich auf das Vorbild Jesu, dessen Begegnung mit der Samariterin am Jakobsbrunnen (Joh 4) im Tagesevangelium geschildert wird: „Einige pflegen darüber zu murren, so als predigte ich manchmal bei euch einfachen Leuten über zu hohe Dinge. Ebenso haben sich auch hier die Jünger darüber gewundert, dass Christus mit einer Frau über so hohe Dinge sprach. Wenn jene beachten wollten, wie Christus jener Frau, die eine Sünderin und Samariterin war, und die ihn allein hörte, die geheimsten und tiefsten Dinge in nutzbringender Weise offenbarte, so würden sie mir verzeihen. Denn ich spreche zu einer größeren Zahl von Menschen und hoffe, dass es unter ihnen einige gibt, die mehr Verständnis haben als jene Frau.“ (h XIX, n. 3)
Nikolaus von Kues war bewusst, dass er seinen Hörern viel abverlangte, zumal er diese niemals mit billigen Effekten und marktschreierischer Rhetorik zu fesseln beabsichtigte, welche sich unter den spätmittelalterlichen Predigern so großer Beliebtheit erfreuten. Trotzdem haben seine Predigten nicht nur Murren, sondern ebenfalls Begeisterung hervorgerufen. Während der großen Legationsreise durch das deutsche Reich zog der Prediger Cusanus oft große Men-
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schenmengen an, und ein Chronist aus Nürnberg nennt die Predigt des Kardinals „daz schonst ding, daz ich je gehort habe“ (AC I / 3a, n. 1214). Aus Berichten, die während der Legationsreise entstanden sind, wissen wir auch, dass Cusanus in der Regel in der Volkssprache gepredigt hat, nicht in Latein, der Sprache seiner schriftlichen Predigtskizzen. In den erhaltenen Predigtentwürfen finden sich nur selten Hinweise auf konkrete Ereignisse und politische Konflikte, wie etwa seinen langjährigen Streit mit dem Tiroler Herzog und den Adeligen seines Bistums. Dies bedeutet allerdings nicht, dass er auf der Kanzel auch immer so zurückhaltend gewesen wäre. In einer nicht überlieferten Predigt von Gründonnerstag 1455 vergleicht er etwa Maria von Wolkenstein, Tochter des Minnesängers Oswald von Wolkenstein und Vorsteherin des Brixner Klarissenklosters, die sich seinen Bemühungen um eine Reform ihres Klosters widersetzte, wenig schmeichelhaft mit Pontius Pilatus. Dies berichtet die derart Gescholtene in einem Brief an ihren Bruder (Pauli 1995, 171). Diese Äußerung wird wohl eher eine Ausnahme darstellen. Cusanus war sicher nicht der Mann für derbe Kapuzinerpredigten, und nach allem, was wir wissen, hat er sich auf der Kanzel darauf konzentriert, den christlichen Glauben zu verkündigen. Als Bischof verurteilt er in diesem Zusammenhang gelegentlich abergläubische Praktiken und kritisiert mitunter auch den Klerus. So geißelt er im Sermo CXLVII, gehalten am 12. März 1454 vor den Priestern der Brixner Kathedrale, im Anschluss an das Evangelium von der Tempelreinigung mit scharfen Worten die Unsitte, Gebühren für geistliche Handlungen zu erheben oder gar vor der Beichte Geld einzufordern (h XVIII, n. 6 –8, mit zahlreichen Hinweisen auf ähnliche Äußerungen von Cusanus im Parallelenapparat). Am Aschermittwoch des Jahres 1456 vermerkt Nikolaus von Kues bitter, man finde in der gegenwärtigen Christenheit mehr „vanitas“ als „veritas“ (Sermo CCXXI: h XIX, n. 5). Das Bemühen um eine reflektierte, der existentiellen Bedeutung des Glaubens angemessene Verkündigung ist Ausdruck seines Gehorsams gegenüber dem Willen Christi, den selbst zu vollbringen und den Gläubigen unverkürzt zu verkünden ihm sein kirchliches Amt gebiete. Diese Auffassung bringt Cusanus immer wieder zum Ausdruck. „Evangelizare“, „die Frohbotschaft verkünden“, ist, wie er in Sermo CLII schreibt, die „größte und höchste Aufgabe des Priesters“ (h XVIII, n. 9). Eine solche Verkündigung bedeute Teilnahme am Werke Christi und könne nur in christusförmiger Weise erfolgen. Deshalb, so der Kar-
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dinal in dieser Predigt, würden zwar alle Priester gleichermaßen die Konsekrationsvollmacht besitzen, aber nur die besten Priester, die tugendhafteren und die Nachfolger der Apostel, die Bischöfe, dürften predigen (h XVIII, n. 10).
Verzeichnis sämtlicher Predigten Die folgende Auflistung der Sermones des Nikolaus von Kues bezieht sich insbesondere auf die Angaben in den „Praenotanda“ zu den Predigten in der textkritischen Edition h XVI–XIX. Die Angaben zum Inhalt folgen keinem strengen Schema. Sie fassen entweder den Inhalt kurz zusammen oder nennen einen oder mehrere markante Gedanken aus der jeweiligen Predigt. I
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In principio erat Verbum 25. Dezember 1430, Weihnachten, Koblenz (?) – Über die Namen Gottes, die ewige Geburt in Gott und die Erschaffung des Menschen sowie über den Grund der Inkarnation. Ibant magi 6. Januar 1431, Epiphanie, in der Diözese Trier – Über die Geburt, die sich im Licht der Gnade ereignet. Hoc facite 29. März 1431, Gründonnerstag, in der Diözese Trier – Über die Einsetzung der Eucharistie. Fides autem catholica 27. Mai 1431, Dreifaltigkeitssonntag, Koblenz – Wie der katholische Glaube zu verstehen ist und über die Werke des Glaubens. Ne timeas 24. Juni 1431, Geburt Johannes des Täufers, Koblenz (?) – Über Johannes, der in der Wüste war und dort ein kontemplatives Leben führte. Respexit humilitatem 2. Juli 1431, Mariä Heimsuchung, Koblenz (?) – Über die Tugend der Demut und ihr Gegenteil, den Stolz. Remittuntur ei peccata multa 22. Juli 1431, hl. Maria Magdalena, Koblenz (?) – Über die Sünde, die rechtfertigende Gnade und die Liebe. Signum magnum 15. August 1431, Mariä Himmelfahrt, Koblenz (?) – Am Beispiel der
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Kleinere Schriften in Sammeldarstellungen Schwestern Maria und Martha veranschaulicht Cusanus, auf welche Weise die Kontemplation das Leben prägen kann. Complevitque Deus 8. September 1431, Mariä Geburt, Koblenz (?) – Über die besonderen Gnadengaben der Jungfrau Maria und die sieben Grade der Kontemplation. Beati mundo corde 1. November 1431, Allerheiligen, Koblenz (?) – Über die acht Seligpreisungen (Mt 5,3 –12), das Fegefeuer und die Hilfsmittel für die Toten. Verbum caro factum est 25. Dezember 1431, Weihnachten, Koblenz – Über das göttliche Wort und seine ewige Geburt. Jesum quaeritis 20. April 1432, Ostersonntag, Koblenz – Über die Kreuzigung Christi und seine Auferstehung und darüber, wie wir das Osterlamm durch geistliche und sakramentale Speise fi nden können. Et apertum est templum 15. August 1432, Mariä Himmelfahrt, Koblenz – Über die Kirche, ihre Bedeutung und ihre Reform. Signum magnum 15. August 1432, Mariä Himmelfahrt, Koblenz – Kursorische Bemerkungen über das kontemplative Leben. Et apertum est templum 15. August 1432, Mariä Himmelfahrt, Koblenz – Anmerkungen zu Maria und Kirche. Gloria in excelsis Deo 25. Dezember 1432, Weihnachten – Mitternachtsmesse, Koblenz (?) – Über die drei heiligen Messen des Weihnachtsfestes und die dreifache Geburt Christi. Gloria in excelsis Deo 25. Dezember 1432, Weihnachten – Messe am Morgen oder am Tag, Koblenz (?) – Über den Grund der Inkarnation. Afferte Domino 6. Januar 1433(–36?), Epiphanie, in der Diözese Trier – In der Erscheinung des Herrn gipfelt seine Herrlichkeit, weshalb ihm der Mensch dienen muss. Verbum caro factum est 25. Dezember 1438, Weihnachten – Messe am Tag, Koblenz – Über
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die Wirkungsgeschichte des Johannesprologs und die Vernünftigkeit der göttlichen Trinität. Nomen eius Jesus 1. Januar 1439 oder 1440, Beschneidung des Herrn, Koblenz – Über die göttlichen Namen und die Namen des Erlösers. Intrantes domum 6. Januar 1439 oder 1440, Epiphanie, Koblenz – Über die streitende Kirche auf Erden. Man muss sich in sich zurückziehen, um durch den Glauben in Demut dienen zu können. Dies sanctificatus 25. Dezember 1440, Trier oder Augsburg – Über die ewige Geburt des Sohnes Gottes, seine zeitliche Geburt und seine Geburt in den Gläubigen. Domine, in lumine vultus tui 1. Januar 1441, Beschneidung des Herrn, Augsburg – Das Licht Christi befähigt zur intellektuellen Gotteserkenntnis und scheint bereits im Vaterunser auf. Jhesus in eyner allerdemutichster menscheit Zwischen dem 1. und dem 5. Januar 1441, Augsburg – Auslegung des Vaterunsers in moselfränkischer Sprache. Quo modo Deus creavit hominem Zwischen den Jahren 1441 und 1444 – Die Sündenfallgeschichte belegt, dass der Mensch nicht durch eigenes Wissen bzw. Können Gott gleich werden kann. Carissimi, omnes unanimes Zwischen den Jahren 1441 und 1444, Fünfter Sonntag nach Dreifaltigkeit, Diözese Trier – Der Glaube macht demütig und das Gebet macht langmütig. Jesus autem emissa voce magna exspiravit 19. April 1443, Karfreitag, Trier – Über die Notwendigkeit der Erlösung durch Jesus Christus. Jesus autem emissa voce magna exspiravit 19. April 1443, Karfreitag, Trier – Die Darstellung der Passion dient Cusanus zur Veranschaulichung der Anmaßung der Welt über die Wahrheit Christi. Accepistis 2. September 1443, Visitation der Kirche St. Simeon durch Erzbischof Jakob, Trier – Reflexionen über die Pfl ichten der Kanoniker von St. Simeon.
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Kleinere Schriften in Sammeldarstellungen Constituite diem solemnem 25. März 1444, Mariä Verkündigung, Koblenz – Im würdigen Begehen eines Festtages zeigt sich die Liebe zu Gott. Reflexionen zum Fest Mariä Verkündigung. In nomine Jesu 5. April 1444, Palmsonntag, Koblenz – Jesus ist der Inbegriff der Wahrheit des Glaubens, die im Geist erkannt werden muss. In nomine Jesu 5. April 1444, Palmsonntag, Koblenz – Erkenntnis und Glaube müssen sich auf Christus richten, der die Wahrheit ist. In nomine Jesu 5. April 1444, Palmsonntag, Koblenz – Der Bericht des Apostels Paulus über seine Entrückung in den dritten Himmel. Oportuit Christum pati 10. April 1444, Karfreitag, Koblenz – Christi Gehorsam lädt zur persönlichen Nachfolge ein. Oportuit pati Christum 10. April 1444, Karfreitag, Koblenz – Die Passion Christi begründet das Messopfer der Kirche, zeigt in der Flucht der Apostel und dem Verrat des Judas die menschliche Schwäche und bietet im Leiden Jesu ein Beispiel für christliche Leidensbereitschaft. Christ ist erstanden 12. April 1444, Ostern, Koblenz – Die Auferstehung Jesu muss als Tatsache von den Gläubigen angenommen werden. Sie spendet in Erwartung der eigenen Auferstehung Trost und Hoffnung. Paraclitus autem 31. Mai 1444, Pfi ngsten, Koblenz – Trotz Jesu Verkündigung neigen die Menschen dazu, sich dem bösen Geist preiszugeben. Deshalb musste den Gläubigen der Hl. Geist gesandt werden. Sanctus, Sanctus, Sanctus 7. Juni 1444, Dreifaltigkeitssonntag, Koblenz – Mensch und Welt haben Anteil am Sein des dreifaltigen Gottes, das in der Bibel durch verschiedene Bilder zum Ausdruck gebracht wird. Seraphin duabus alis 7. Juni 1444, Dreifaltigkeitssonntag, Koblenz – Das dreifache Sanctus der Engel gemäß Jes 6 deutet Cusanus als Lobpreis der Dreifaltigkeit. Martinus hic pauper 11. November 1444, hl. Martin, Mainz – Der Patron des Mainzer Domes wird als Brückenbauer zum Himmel vorgestellt.
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Confi de, filia! 22. November 1444, 24. Sonntag nach Dreifaltigkeit – hl. Cäcilia, Mainz – Prediger sind wie Bäcker, sie müssen versuchen, den unterschiedlichen Hörern jeweils die rechte Nahrung zu bringen. Gott kann im Innern der menschlichen Seele durch Glaube, Hoffnung und Liebe erfahren werden. Ecce, evangelizo 25. Dezember 1444, Weihnachten, Mainz – Diese und die folgenden vier Weihnachtspredigten thematisieren die dreifache Geburt Christi: die geistliche Geburt in uns (Sermo XLII und XLIII), seine zeitliche Geburt (Sermo XLIV und XLV) und schließlich seine ewige Geburt (Sermo XLVI). Alleluia. Dies sanctificatus 25. Dezember 1444, Weihnachten, Mainz – Das Licht der Weihnacht leuchtet in jedem Christen auf und äußert sich in der Verehrung Gottes und in dem Friedenswunsch gegenüber allen Menschen guten Willens. Dies sanctificatus 26. Dezember 1444, hl. Stephan, Mainz – Allegorische Auslegung der Erzählung von den Hirten in Bethlehem. Alleluia. Dies sanctificatus 26. Dezember 1444, hl. Stephan, Mainz – Die Menschwerdung Jesu Christi als Vollendung und Ruhe der Schöpfung. Alleluia. Dies sanctificatus 27. Dezember 1444, hl. Johannes d. Ev., Mainz – Kursorische Bemerkungen zum Prolog des Johannes-Evangeliums. Alleluia. Dies sanctificatus 1. Januar 1445, Beschneidung des Herrn, Mainz – Jesus ist die Erfüllung des Gesetzes. Deshalb musste er beschnitten werden. Dies sanctificatus 6. Januar 1445, Epiphanie, Mainz – Über die Namen Gottes, die Namen der Geschöpfe und den Namen Jesu. Ave 20. März 1445, Mariä Verkündigung (vorverlegt vom 25. auf den 20. März wegen Kollision mit der Karwoche), Koblenz – Cusanus deutet den „Ave“-Gruß als „A-ve“ (sei ohne Weh), eine Gnadenzusage an Maria, die ihre Bestimmung zur vollkommenen Glückseligkeit ausdrücken soll. Spiritus Sanctus superveniet in te 20. März 1445 oder 25. März 1446, Mariä Verkündigung, Ort unbe-
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Kleinere Schriften in Sammeldarstellungen kannt – Der Mensch kann nur durch Christus im Geist neugeboren und zur wahren Gotteskindschaft geführt werden. Dicite filiae Sion 21. März 1445, Palmsonntag, Koblenz – Das menschliche Denken kann die Gebote Gottes, die in der Nächstenliebe gipfeln, erfassen. Cum clamore magno et lacrimis offerens exauditus est pro sua reverentia 26. März 1445, Karfreitag, Koblenz – Durch die Menschwerdung seines Sohnes führt Gott den Menschen zur wahren Erkenntnis, d. h. zu der Einsicht, dass sein unsterblicher Geist ein Geschenk Gottes ist. Paradigma filiae adoptivae explanatur 26. März 1445, Karfreitag, Koblenz – Die im Zentrum der Predigt stehende Erzählung von der Adoptivtochter soll das Verhältnis von Christus zu seiner Braut, der Kirche, veranschaulichen. Remittuntur ei peccata multa 22. Juli 1445, hl. Maria Magdalena, Koblenz (?) – So wie die Sünderin Maria Magdalena von Gott geliebt wurde, erweist sich Gottes Liebe allen Menschen gegenüber in seiner Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Maria optimam partem elegit 15. August 1445, Mariä Himmelfahrt, Koblenz – Als Gottesgebärerin hat Maria alle Apostel und Theologen erleuchtet. Maria optimam partem elegit 15. August 1445, Mariä Himmelfahrt, Koblenz – Christus, der wahre Weg, dient allen Menschen zur Belehrung, die sich zugleich Maria als die erste Erleuchtete zum Vorbild nehmen dürfen. Sedete, quoadusque induamini virtute ex alto 5. Juni 1446, Pfi ngsten, Mainz – Durch die Begegnung mit dem Auferstandenen erkannten die Apostel, dass der Leib sich dem Geist unterordnet und der menschliche Geist vom göttlichen Geist belebt wird. Sedete, quoadusque induamini virtute ex alto 6. Juni 1446, Pfi ngstmontag, Mainz – Der Mensch verurteilt sich selbst, wenn er die Liebe und das Licht Christi nicht annimmt, denn nur dadurch fi ndet er zu Ruhe und Glückseligkeit. Sedete, quoadusque induamini virtute ex alto 7. Juni 1446, Dienstag nach Pfi ngsten, Mainz – Erst durch ein Leben in Christus und im Hl. Geist erlangt der Mensch die Gotteskindschaft. Ego resuscitabo eum in novissimo die 8. Juni 1446, Mittwoch nach Pfi ngsten – hl. Bonifatius, Mainz – Wie
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alle Märtyrer legte auch der hl. Bonifatius in der Kraft des hl. Geistes Zeugnis für Christus ab. Ex Ipso, per Ipsum et in Ipso 12. Juni 1446, Dreifaltigkeitssonntag, Mainz – Angesichts der Größe des dreifaltigen Gottes muss der Mensch staunen, denn Gott ist die vollkommene, unerreichbare Unendlichkeit und Ursache allen Seins. Memoriam fecit 16. Juni 1446, Fronleichnam, Mainz – Die Eucharistie beschenkt den Menschen als wunderbare Speise des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe mit natürlichen und übernatürlichen Gaben. Qui manducat hunc panem, vivit in aeternum Datum unbekannt, nach Rudolf Haubst: 16. Juni 1446 (?), nach Josef Koch: nach 1452, Fronleichnam, Ort unbekannt, nach Rudolf Haubst: Mainz – Über das sakramentale Brot und diejenigen, die von ihm essen. Qui manducat hunc panem, vivit in aeternum Datum unbekannt, nach Rudolf Haubst: 16. Juni 1446 (?), nach Josef Koch: nach 1452, Fronleichnam, Ort unbekannt, nach Rudolf Haubst: Mainz – Jesus, das Brot des Lebens, lässt sich im Licht des Glaubens als lebendigmachende Speise erfassen. Fuit homo missus a Deo 24. Juni 1446, Geburt Johannes des Täufers, Mainz – Die Geburt Johannes des Täufers ist auf das Kommen Christi hin ausgerichtet. Ut manifestaretur 24. Juni (ohne Jahresangabe); nach Rudolf Haubst 1446 (?), wahrscheinlicher an einem Johannestag nach 1446 nach Josef Koch, vielleicht sogar erst 1451, Geburt Johannes des Täufers, Ort unbekannt, nach Rudolf Haubst: Mainz – Alle Menschen können als Offenbarung des fleischgewordenen Wortes Gottes betrachtet werden, aber niemand ist diesem Wort so ähnlich wie Johannes der Täufer. Ut manifestetur 24. Juni 1446, Geburt Johannes des Täufers, Mainz – Johannes der Täufer ist die Leuchte, die zum Licht Christi führt. Respexit humilitatem 2. Juli 1446, Mariä Heimsuchung, Mainz – Die wunderbare Geburt Christi aus der Jungfrau Maria ist wie die Wiedergeburt im Bad der Taufe geistgewirkt. Vidi civitatem Undatiert, 24. oder 25. Juli 1446 nach Rudolf Haubst, 1446 oder
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Kleinere Schriften in Sammeldarstellungen später nach Josef Koch, ein Kirchweihfest, unbekannter Ort, nach Rudolf Haubst: Kloster Schönau – Die Kirche wird verglichen mit dem himmlischen Jerusalem und anhand des Bildes von Bräutigam und Braut in ihrem Verhältnis zu Christus geschildert. Vidi civitatem Undatiert, nach Rudolf Haubst: 25. Juli 1446 oder später, nach Josef Koch: nach 1446 oder noch später, ein Kirchweihfest, unbekannter Ort, nach Rudolf Haubst: Kloster Schönau – In diesem Predigtentwurf werden der Abbildcharakter der zeitlichen Welt und ihre Abhängigkeit von der ewigen Welt geschildert. Maria optimam partem elegit 15. August 1446, Mariä Himmelfahrt, Mainz – Die Erleuchtung ist die Voraussetzung für die richtige Wahl, die zur Glückseligkeit führt. Dies ist der beste Teil, den Maria gewählt hat. Respice, Deus Undatiert, nach Rudolf Haubst: 11. September 1446, nach Koch: nach 1446 oder noch später, 13. Sonntag nach Dreifaltigkeit, unbekannter Ort, nach Rudolf Haubst: Frankfurt a. M. – Nicht das Befolgen der Gesetzesvorschriften rechtfertigt den Menschen, sondern allein Christus. Qui es, ut responsum demus? Undatiert, nach Rudolf Haubst und Josef Koch: nach 1446 oder später; Vierter Adventssonntag, unbekannter Ort – Die Erkenntnis Gottes als Voraussetzung für die Erkenntnis aller anderen seienden Dinge. Tertia die resurrexit 24. März 1448, Ostern, Koblenz – In einer allegorischen Unterscheidung gliedert Cusanus drei Tage in Schöpfer, Schöpfung mit Inkarnation und Vollendung. Filius hominis vadit 6. April 1449, Palmsonntag, Koblenz – Der Mensch muss in der Taufe und durch die Buße als Glied Christi wiedergeboren werden, um seinen Weg mit Christus gehen zu können. Induite vos sicut electi Dei sancti 7. Februar 1451, Fünfter Sonntag nach Epiphanie, Salzburg – Diese Predigt wurde im Rahmen des Provinzialkonzils gehalten, dem Cusanus in Salzburg als apostolischer Legat vorstand. Glaube, Hoffnung und Liebe sind die Bekleidung derjenigen Menschen, die Gott erwählt hat.
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Eine kurcze ler vnd auslegung vber den heyligen pater noster Zwischen dem 1. und 4. März 1451, Fasching, Kirchhof von St. Stephan in Wien – Es handelt sich hier um die von einem Hörer verfasste Nachschrift der Predigt über das Vaterunser, die Nikolaus von Kues gehalten hat. Magna est fi des tua: Fiat tibi, sicut vis 21. März 1451, Zweiter Fastensonntag „Reminiscere“, München – Die Demut ist die Voraussetzung für die Erhörung einer Bitte. Mortuus erat et revixit; perierat et inventus est 27. März 1451, Samstag nach dem Zweiten Fastensonntag „Reminiscere“, Landshut – Das Gleichnis vom verlorenen Sohn zeigt auf, dass das Suchen und Auffi nden des Sünders durch Christus Freude bereitet. Pax 30. März 1451, Dienstag nach dem Dritten Fastensonntag „Oculi“, Regensburg – Der Wille des Vaters zielt auf die Rettung aller Menschen. Pax 1. April 1451, Donnerstag nach dem Dritten Fastensonntag „Oculi“, Regensburg – Der Friede folgt aus der Rechtfertigung, die im Glauben an die Trinität besteht. Qui ex Deo est, verba Dei audit 11. April 1451, Fünfter Fastensonntag „Iudica“, Nürnberg – Geburt und Wiedergeburt geschehen aus Gott. Jesus est filius Dei 2. Mai 1451, Weißer Sonntag „Quasi modo geniti“, Bamberg – Der Glaube an Jesus als den Sohn Gottes beinhaltet für jeden Menschen die Möglichkeit, das ewige Leben zu erlangen. Gaudium meum in vobis sit, et gaudium vestrum impleatur 3., 6. oder 13. April 1451, Ausstellung der Reliquien, Bamberg – Jesus ist der wahre Weinstock, der den Hl. Geist als beste Frucht schenkt. Tristitia vestra vertetur in gaudium 16. Mai 1451, Dritter Sonntag nach Ostern, Würzburg – Die Sendung Jesu ist es, den göttlichen Vater zu verkündigen. Amen, amen, dico vobis: Si quod petieritis Patrem in nomine meo, dabit vobis 30. Mai 1451, Fünfter Sonntag nach Ostern, Erfurt – Die Liebe des Vaters setzt die Liebe zu Jesus voraus. Sic veniet, quemadmodum vidistis eum euntem 3. Juni 1451, Christi Himmelfahrt, Erfurt – Das Kommen Christi in die Welt ist Offenbarung des Vaters.
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Qui male agit, odit lucem 14. Juni 1451, Montag nach Pfi ngsten, Magdeburg – Der Glaube aus der Taufe als Bedingung für die Wiedergeburt und das selige Leben als deren Gewinn. Veni, ut vitam habeant et abundantius habeant 15. Juni 1451, Dienstag nach Pfi ngsten, Magdeburg – Christus ist die Pforte zum Paradies, die Bedingung für ein Leben in Fülle. Ego sum panis vivus 16. Juni 1451, Mittwoch nach Pfi ngsten, Magdeburg – Im Menschen besteht ein angeborenes Verlangen nach der Weisheit, das allein im Wort des Vaters durch Christus gestillt werden kann. Imperavit febri et dimisit illam 18. Juni 1451, Freitag nach Pfi ngsten, Magdeburg – Die kranke Schwiegermutter des Petrus als Allegorie der kranken Kirche, die nur von ihrem Arzt Christus Heilung erfahren kann. Benedicta sit sancta Trinitas atque indivisa unitas 20. Juni 1451, Dreifaltigkeitssonntag, Magdeburg – Glaube, Hoffnung und Liebe werden als Bild der Trinität gedeutet. Compelle intrare, ut impleatur domus mea 4. Juli 1451, Zweiter Sonntag nach Dreifaltigkeit, Halberstadt – Von Gott zum Gastmahl berufen zu sein bedeutet, die Welt zu verlassen. Ait Maria: Magnificat anima mea Dominum 9. Juli 1451, in der Oktav von Mariä Heimsuchung, Hildesheim – Die Empfängnis Christi geschieht in Maria durch die Verkündigung des Engels und in der Kirche durch den Evangelisten und den Priester, die die Funktion des Engels übernehmen. Appropinquantes ad Jesum publicani et peccatores, ut audirent illum 11. Juli 1451, Dritter Sonntag nach Dreifaltigkeit, Hildesheim – Der Mensch trägt das Bild Christi in sich und muss sich bemühen, dieses zu bewahren. Sperent in te omnes, qui noverunt nomen tuum, Domine, quoniam non derelinques quaerentes te 16. Juli 1451, Freitag nach dem Dritten Sonntag nach Dreifaltigkeit, Hildesheim – Die Bedeutung des Namens Jesu liegt in seiner Heilsvermittlung. Eadem mensura, qua mensi fueritis, metietur vobis 18. Juli 1451, Vierter Sonntag nach Dreifaltigkeit, Hildesheim – Das Messen als zentraler Akt der Vernunft kann in zwei gegensätzlichen Formen geschehen, in der Barmherzigkeit oder in der Verurteilung.
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Quodcumque solveris super terram, erit solutum et in caelis 1. August 1451, St. Peter in Ketten, Minden – Das Bekenntnis Petri zu Jesus als dem Gesalbten und Sohn Gottes verdankt sich der Gnade Gottes. Manducaverunt et saturati sunt 8. August 1451, Siebter Sonntag nach Dreifaltigkeit, Minden – Das Wunder der Brotvermehrung ist Vorbild der Speisung mit geistiger Nahrung, dem Wort Gottes. Qui facit voluntatem Patris mei, qui in caelis est, ipse intrabit in regnum caelorum 15. August 1451, Achter Sonntag nach Dreifaltigkeit – Mariä Himmelfahrt, Deventer – Glaube und Werke sind nötig, um den Willen des Vaters zu erfüllen. Deus in loco sancto suo; Deus, qui habitare facit unanimes in domo 29. August 1451, Zehnter Sonntag nach Dreifaltigkeit – Enthauptung Johannes des Täufers, Utrecht – Der Friede Christi stärkt den Zusammenhalt der Gläubigen und zeigt sich im Friedensgruß. Complevitque Deus die sexto opus suum, et requievit die septima 8. September 1451, Mariä Geburt, Utrecht – In Christus, dem siebten Tag, kommt die Schöpfung zu ihrem Ziel. Respice, Domine, in testamentum tuum 13. September 1451, Montag in der Oktav von Mariä Geburt, Harlem – Die Heilswirksamkeit des Bundes benötigt den Glauben, der sich ganz von der Liebe durchdringen lassen muss. Venite, filii, audite me: Timorem Domini docebo vos 15. September 1451, Quatembermittwoch, Leiden – Die Würde Christi des Herrn lässt sich im Anschluss an Begriffe des Neuen Testaments, wie Erstgeborener der Schöpfung und Lehrer, entfalten. Jesu praeceptor, miserere nostri 23. September 1451, 14. Sonntag nach Dreifaltigkeit, Nijmegen – Nach dem Apostel Paulus lebt der Mensch gemäß seiner materiellen und seiner geistigen Natur. Videte, ne contemnatis unum ex hiis pusillis 29. September 1451, hl. Michael, Maastricht – Die Demut Jesu zeigt sich in seiner Darstellung als Herrscher, der bereit ist zur Hingabe als unschuldiges Opferlamm. Quaerite primum regnum Dei et iustitiam eius, et haec omnia adicientur vobis 4. Oktober 1451, hl. Franziskus, Aachen – Die Liebe stellt die bestim-
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Kleinere Schriften in Sammeldarstellungen mende Form des Willens dar, dessen Endziel Gott selbst ist, in dem alles Liebenswerte eingefaltet ist. Deus visitavit plebem suam 10. Oktober 1451, 16. Sonntag nach Dreifaltigkeit, Hasselt – Die Seele ist dem menschlichen Körper geeint, dem verherrlichten im Himmel, dem mit Finsternis behafteten in der Unterwelt. Estote parati: qua hora non putatis, filius hominis veniet 13. Oktober 1451, hl. Lambertus, Tongeren – Der gute Knecht zeichnet sich dadurch aus, dass er die Ankunft des Herrn wachend erwartet. Confi de, fili, remittuntur tibi peccata tua 31. Oktober 1451, 19. Sonntag nach Dreifaltigkeit – Vigil zu Allerheiligen, Trier – Christus offenbart sich als Mensch und Gott dadurch, dass er die Kranken heilt und die Sünden vergibt. Ite ad exitus viarum, et quoscumque inveneritis, vocate ad nuptias 7. November 1451, 20. Sonntag nach Dreifaltigkeit – Sonntag nach Allerheiligen, Trier – Der von Gott Berufene zeichnet sich durch Glaube und Liebe aus. Iam, patres et fratres, praelocutio sufficiet 17. November 1451, Mittwoch nach dem Fest des hl. Martin, Provinzialsynode in Mainz – Zur Wahrheitserkenntnis gelangt der Mensch nur durch Jesus Christus, der der Weg und die Wahrheit ist. Vigilate, quia nescitis diem neque horam 25. November 1451, hl. Katharina, Mainz – Wachsamkeit und Glaube sind die Bedingungen für den Eintritt in das Himmelreich. Lux in tenebris lucet, et tenebrae eam non comprehenderunt 28. Dezember 1451, Unschuldige Kinder, Köln – Die Menschwerdung Christi führt zur Erkenntnis des wahren Lichtes. Intrantes 10. Januar 1452, Montag nach Epiphanie, Aachen – Die Suche und das Finden des göttlichen Kindes in Bethlehem werden mit dem Geschenk der Gnade belohnt. Procidentes adoraverunt 12. Januar 1452, Oktav von Epiphanie, Maastricht – Die Anbetung der Könige, die Taufe Christi im Jordan und die Hochzeit zu Kanaa sind Geschehnisse, bei denen sich die göttliche Offenbarung ereignet. Anulo fi dei suae subarravit me Dominus 21. Januar 1452, hl. Agnes, Löwen – Der Glaube wird als Verlobungsring mit Christus gedeutet. Er stellt die Voraussetzung für den Eintritt in die ewige Herrlichkeit dar.
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Homines mirati sunt dicentes: Qualis est hic, quia venti et mare oboediunt ei? 30. Januar 1452, Vierter Sonntag nach Epiphanie, Brüssel – Jesus nachzufolgen bedeutet, ihn als Erlöser anzuerkennen. Venite ad me omnes, qui laboratis et onerati estis, et ego reficiam vobis 4. Februar 1452, Freitag vor „Septuagesima“, Löwen – Christus ist die Ruhe und der Friede im Gegensatz zum Getriebe der Welt. Erunt primi novissimi et novissimi primi 6. Februar 1452, Sonntag „Septuagesima“, Löwen – Der Lohn der Arbeiter im Weinberg ist das Himmelreich und die Gemeinschaft mit Gott. Diabolus reliquit eum et ecce, angeli accesserunt et ministrabant ei 27. Februar 1452, Erster Fastensonntag „Invocabit“, Köln – Der Taufe Christi schließt sich eine Zeit der Buße an, in der der Versucher entmachtet wird. Magnus est fi des tua, fi at tibi, sicut vis 5. März 1452, Zweiter Fastensonntag „Reminiscere“, Köln – Glaubensstärke gründet in der Kraft des Wortes, das den Gläubigen zu guten Werken anleitet. Beati, qui audiunt verbum Dei et custodiunt illud 12. März 1452, Dritter Fastensonntag „Oculi“, Koblenz – Die Inkarnation des göttlichen Logos ereignet sich zunächst in Maria und wiederholt sich im menschlichen Geist. Sie bewirkt dessen Erlösung. Agnus in crucis 7. April 1452, Karfreitag, Brixen – Das Mitleiden der Passion Jesu führt den Gläubigen zur Auferstehung und damit zur Vereinigung mit Gott. Surrexit 9. April 1452, Ostersonntag, Brixen – Die Auferstehung Jesu lässt sich nur begreifen, wenn sich die menschliche Vernunft für die innere Wahrheit der vier Osterevangelien öffnet. Venit filius hominis 31. Juli 1452, Kirchweihfest des Brixner Doms, Brixen – Um an Christus glauben zu können, muss man von ihm zuvor gesucht worden sein. Qui habet aures 5. Februar 1453, hll. Ingenuin und Albuin – Patrone des Bistums Brixen, Brixen – Cusanus unterscheidet vier verschiedene Arten, das
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Kleinere Schriften in Sammeldarstellungen Evangelium aufzunehmen, von denen nur eine Frucht bringt, nämlich das Wort gewissenhaft zu hören und es zu bewahren. Tu es Petrus 29. Juni 1453, hll. Apostel Petrus und Paulus, Brixen – Christus ist der Eckstein, der die legitimen Anliegen der jüdischen und heidnischen Religiosität in seiner gott-menschlichen Person verbindet. Simile est regnum caelorum homini negotiatori 12. Juli 1453, Gedenktag der hl. Margarete, Innsbruck – Cusanus vergleicht die Perle des Gleichnisses (Mt 13,45 f.) mit dem Schatz der Weisheit, den man nur fi ndet, wenn man Gott alles unterordnet. Filii huius saeculi 31. Juli 1453, Kirchweihfest des Brixner Doms, Brixen – Die Söhne dieser Welt sind Söhne der Finsternis, sie besitzen aber eine bestimmte Klugheit, von der auch die Söhne des Lichts lernen können. Filii huius saeculi 1. August 1453, St. Peter in Ketten, Brixen – Cusanus unterscheidet in dieser Predigt körperliches, geistiges und gemischtes Licht. Intravit Jesus 15. August 1453, Mariä Himmelfahrt, Brixen – Christus, das Licht, erleuchtet den Menschen, so dass sich der menschliche Geist erst von Gott her richtig verstehen kann. Habenti datur 28. August 1453, hl. Augustinus, Brixen – Gott erwartet vom Menschen, die von ihm gegebenen Fähigkeiten einzusetzen und auszubauen, damit sie nicht verkümmern. Benedicta tu in mulieribus 8. September 1453, Mariä Geburt, Brixen – Die Weisheit als Mutter der Welt. Ego si exaltatus fuero 14. September 1453, Kreuzerhöhung, Kloster Säben – Das Kreuz, als Zeichen der Barmherzigkeit erkannt, spendet Anteil an Christi Heilswerk, vom Hochmütigen jedoch missachtet, wird es zum Gericht. Credidit ipse 21. Oktober 1453, Kirchweihe in Kloster Neustift, Neustift – Gott schenkt sich in der Schöpfung dem Menschen „dem Wesen nach“ und gliedert ihn „der Gnade nach“ in seine Kirche ein. Gaudete et exsultate 1. November 1453, Allerheiligen, Brixen – Das göttliche Wort ist Weisheit und formt die Seele des Menschen seinem Urbild nach.
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Qui credit in me 2. November 1453, Allerseelen, Brixen – Cusanus unterscheidet die „ecclesia militans, dormiens et triumphans“, widmet sich aber insbesondere der schlafenden Kirche, der Gemeinschaft der Kirchenglieder im Purgatorium. Mitto angelum meum 21. Dezember 1453, hl. Apostel Thomas, Brixen – In der Frage des Johannes, ob Jesus der erwartete Messias sei (Mt 11,2), sieht Cusanus einen Hinweis auf die Koinzidenz der Gegenwart und Zukunft in Christus. Intuemini 23. Dezember 1453, Vierter Adventssonntag, Brixen – Die irdische Gerechtigkeit muss sich an Gott, dem „König der Gerechtigkeit“, orientieren. Dies sanctificatus 25. Dezember 1453, Weihnachten, Brixen – Einige Notizen, Verweise auf die Predigten XXII und XLII bis XLVIII. Verbum caro factum est 27. Dezember 1453, hl. Johannes d. Ev., Brixen – Cusanus greift Gedanken Meister Eckharts auf, und erläutert, dass das Sehen von Unsichtbarem, wenn es auf Gott bezogen ist, „docta ignorantia“, Wissen des Nichtwissens, sei. Verbum caro factum est 1. Januar 1454, Beschneidung des Herrn, Brixen – Der Sohn oder das Wort Gottes ist die Weisheit, die uns in die Gottessohnschaft eingliedert und zur ewigen Schau Gottes führt. Dominus Jesus misit me 25. Januar 1454, Bekehrung des Apostels Paulus – Visitation der Klarissen, Brixen – Die Bekehrung des Apostels Paulus sei den Schwestern ein Vorbild in der eigenen Hinwendung zu Christus, ihrem Bräutigam, die nur mittels der Ordensregel zum Ziel führt. Nunc dimittis 2. Februar 1454, Mariä Lichtmess, Brixen – Wie ein Feuer eine Kerze entzündet, so entflammt auch das göttliche Wort die menschliche Seele. Tibi dabo claves regni caelorum 22. Februar 1454, Kathedra Petri, Brixen – Der Priester wirkt in der Kirche als Beauftragter Christi, Petrus ist der Beauftragte der Beauftragten. Folgende Vorzüge werden ihm zugeschrieben: besondere Liebe, Demut, Bescheidenheit, Tugendhaftigkeit und Würde.
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Kleinere Schriften in Sammeldarstellungen Veniam et curabo eum 7. März 1454, Beginn der Visitation des Domklerus von Brixen, Brixen – Cusanus vergleicht den Bischof mit dem Zenturio der Perikope Mt 8,5–13, der sich um seine Untergebenen kümmern soll und wie Christus als Lehrer und Diener herrschen soll. Reliquit eum diabolus 10. März 1454, Erster Fastensonntag „Invocabit“, Brixen – Indem man sich Jesu Widerstandsfähigkeit den Versuchungen des Teufels gegenüber zum Vorbild nimmt, wird man in die Gotteskindschaft eintreten. Dies diei eructat verbum 12. März 1454, hl. Gregor – Tag der Visitation des Klerus von Brixen, Brixen – Auslegung des Tagesevangeliums Mt 21,10 –17: So wie Jesus den Tempel reinigt, muss der Visitator die Kirche reinigen. Miserere mei, fili David 17. März 1454, Zweiter Fastensonntag „Reminiscere“, Brixen – Ein von der Liebe Christi geformter Glaube formt die Seele nach dem Bild Christi und befähigt zur Gottessohnschaft. Beatus venter 24. März 1454, Dritter Fastensonntag „Oculi“, Brixen – Die Vertreibung des Dämons ist nur geglückt, wenn an seiner Stelle der Geist Christi in den Menschen eingezogen ist. Ecce ancilla Domini 25. März 1454, Mariä Verkündigung, Wilten – Wenn wir wie Maria demütig das Wort Gottes aufnehmen und bejahen, dann werden wir mit dem ewigen Leben belohnt werden. Hic est verus propheta 31. März 1454, Vierter Fastensonntag „Laetare“, Brixen – Christus ist das „Leben der Lebendigen“ bzw. das Prinzip des Lebens. Si quis sermonem meum servaverit 7. April 1454, Fünfter Fastensonntag „Iudica“, Brixen – Jesus ist sündenfrei, mithin grundlos und freiwillig gestorben. Si quis servavit sermonem meum – continuatio collationis praecedentis 7. April 1454, Fünfter Fastensonntag „Iudica“, Brixen – Der Glaube reinigt die Seele von ihrem Hang zur Selbstbezogenheit und ermöglicht einen würdigen Kommunionempfang. Vere Filius Dei erat iste 14. April 1454, Palmsonntag, Brixen – Cusanus nennt einige „Früchte“
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des Kreuzestodes Christi: Befreiung vom Zweifel in Hinblick auf die Wahrheit seiner Botschaft, Vollendung von Glaube, Hoffnung und Liebe sowie die Unentschuldbarkeit der Ungläubigen. Vere Filius Dei erat iste 17. April 1454, Donnerstag nach Palmsonntag, Brixen – Das Wort Gottes ist das Wort der Liebe, denn der Opfertod Christi geschah aufgrund der Liebe Gottes zur Welt. Vere Filius Dei erat iste 19. April 1454, Karfreitag, Brixen – Kursorische Gedanken zur Unüberbietbarkeit des Leidens Christi, zu dessen Heilsbedeutung und zur Passion Christi. Vere Filius Dei erat iste 21. April 1454, Ostersonntag, Brixen – Verstreute Notizen zur Frage der Auferstehung. Paraclitus autem 9. Juni 1454, Pfi ngsten, Brixen – Der hl. Geist wirkt wie ein Magnet, der die Gläubigen anzieht und sie christusförmig werden lässt. Nemo potest venire ad me 12. Juni 1454, Mittwoch nach Pfi ngsten, Brixen – Die Werke des hl. Geistes sind unvergänglich und führen zum ewigen Leben, wohingegen die Werke des Teufels, des „Fürsten dieser Welt“, der Vergänglichkeit unterworfen sind. Tu es Petrus 29. Juni 1454, hll. Apostel Petrus und Paulus, Bruneck – Die Kirche ist die Ausfaltung des im Apostel Petrus Eingefalteten. Veniens offeras munus tuum 31. Juli 1454, Kirchweihfest, Brixen – Die christliche Gerechtigkeit übertrifft diejenige der Schriftgelehrten und Pharisäer, weil sie aus dem Glauben kommt und nicht auf das eigene Verdienst schaut. Tu es Christus 1. August (?) 1454, St. Peter in Ketten, Brixen – Das Christusbekenntnis des Petrus erschließt auch den göttlichen Vater, der sich nur durch den Sohn im Hl. Geist offenbart. Quasi myrrha electa 15. August 1454, Mariä Himmelfahrt, Brixen – Die Gottesmutter Maria wird als die Vollendung des Zeltes betrachtet, das die Weisheit im Judentum errichtet hat, damit sich in ihr Christus inkarnieren konnte. Tantum digne 19. November 1454, hl. Elisabeth, Brixen – Auf der Diözesansynode
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Kleinere Schriften in Sammeldarstellungen ermahnt Cusanus seine Kleriker, sich als Nachahmer der Apostel zu verstehen, was sich nicht nur in der Orientierung am Beispiel Christi im Leben und Glauben äußert, sondern auch im Gehorsam gegenüber dem Bischof. Caelorum et terra transibunt 8. Dezember 1454, Zweiter Adventssonntag – Mariä Empfängnis, Brixen – Im ersten Teil der Predigtskizze legt Cusanus das Tagesevangelium (Lk 21,25–33) von den Zeichen des Weltuntergangs und der Wiederkunft Christi aus, ehe er im zweiten Teil die Lehre der unbefleckten Empfängnis verteidigt und Wesen und Wirkung der Erbsünde herausstellt. Quaecumque scripta sunt, ad nostram doctrinam scripta sunt 11. Dezember 1454, Mittwoch nach Mariä Empfängnis, Neustift – Bei der Visitation des Stiftes Neustift erinnert Cusanus die Chorherren an das auf das ewige Leben ausgerichtete Ordensleben, das sich nicht auf irdische Güter beschränken soll. Pariet filium, et vocabis nomen eius Jesus 22. Dezember 1454, Vierter Adventssonntag, Brixen – Cusanus erläutert den Vorgang der göttlichen Empfängnis in Maria in Analogie zum Erkenntnisvorgang. Pax hominibus bonae voluntatis 25. Dezember 1454, Weihnachten, Brixen – Philosophisch-theologischer Traktat über den Frieden, den Cusanus als einen Ineinsfall von Absicht und Ausführung, von Anfang und Ende charakterisiert. Ubi venit plenitudo temporis, misit Deus Filium suum 29. Dezember 1454, Sonntag nach Weihnachten, Innsbruck – Christus ist der Sohn Gottes, die Menschen sind nur Adoptivsöhne, die aber durch den Geist Christi befähigt sind, Christus immer ähnlicher zu werden. Nomen eius Jesus 1. Januar 1455, Beschneidung des Herrn, Innsbruck – Auslegung des „achten Tages“, des Beschneidungsritus und des Namens „Jesus“. Ubi est qui natus est rex Judaeorum? 6. Januar 1455, Epiphanie, Brixen – Jesus ist der Mittelpunkt der Schöpfung, denn durch ihn ist das Göttliche in die Welt gekommen. Suscepimus, Deus, misericordiam tuam in medio templi tui 2. Februar 1455, Mariä Lichtmess, Brixen (?) – Die edle und freie Seele kann Gott nicht nur erkennen und lieben, sondern sie ist auch der Tempel, der Gottes Erbarmen empfängt.
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Quotquot tangebant eum, salvi fi ebant 22. Februar 1455, Kathedra Petri, Brixen – Bei einer demütigen Glaubenshaltung kann die menschliche Seele ihre natürlichen Grenzen überschreiten und gottähnlicher werden. Non in solo pane vivit homo 23. Februar 1455, Erster Fastensonntag „Invocabit“, Brixen – Die Fastenzeit gilt als besondere Zeit der Gnade (2 Kor 6,2), in der der Mensch sich durch Gottes- und Nächstenliebe sowie durch verinnerlichten Sakramentenempfang in die Nachfolge Christi begeben kann. Ibunt hi in supplicium, iusti autem in vitam aeternam 24. Februar 1455, hl. Matthias, Brixen – Das Tagesevangelium vom Weltgericht (Mt 25,31– 46) veranlasst Cusanus zu einer Reflexion über das allgemeine Gericht Gottes am Ende der Zeit. Hic est Filius meus dilectus, in quo mihi bene complacui; ipse audite 2. März 1455, Zweiter Fastensonntag „Reminiscere“, Brixen – Cusanus kennzeichnet die Gottessohnschaft Christi als unüberbietbare Einung Jesu mit dem göttlichen Vater. Beati, qui audiunt verbum Dei et custodiunt illud 9. März 1455, Dritter Fastensonntag „Oculi“, Brixen – Wenn sich der Mensch dem Irdischen hingibt, regiert in ihm der Dämon, wohingegen die Herrschaft des hl. Geistes den Menschen im Glauben und in der Liebe dem Ewigen zuwendet. Accepit ergo Jesus panes, et cum gratias egisset, distribuit discumbentibus. 16. März 1455, Vierter Fastensonntag „Laetare“, Brixen – Wie der Mensch Nahrung aufnimmt, so kann er auch Gott als Speise für die menschliche Seele zu sich nehmen. Die vernunftbegabte Seele ist eine „lebendige Zither“, auf der Gott spielen möchte. Una oblatione consummavit in sempiternum sanctificatos 23. März 1455, Fünfter Fastensonntag „Iudica“, Brixen – Jesus Christus übersteigt in seinem Kreuzestod die Opferhandlungen des Alten Testaments und rechtfertigt so den Menschen. Ecce ancilla Domini, fi at mihi secundum verbum tuum 25. März 1455, Mariä Verkündigung, Brixen – In der paradiesischen Unschuld sieht Cusanus einen Hinweis auf die kindliche Bereitschaft, sich ganz von Gott her zu sehen und sich von ihm lenken zu lassen. Ego dixi: Dii estis 26. März 1455, Mittwoch nach dem Sonntag „Iudica“, Brixen – Den Unterschied zwischen der Gottessohnschaft Christi und der Gottes-
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kindschaft aller Menschen macht Cusanus an der Tatsache fest, dass die Menschen neben ihrem göttlichen auch einen leiblichen Vater besitzen. Una oblatione consummavit in aeternum sanctificatos 30. März 1455, Palmsonntag, Brixen – Da Christus nicht etwas anderes, sondern sich selbst hingibt, kann das Opfer Christi als unüberbietbar und friedenstiftend charakterisiert werden. Una oblatione 30. März 1455, Palmsonntag, Brixen – Fortsetzung der vorangegangenen Predigt und Erläuterung der Notwendigkeit der Menschwerdung Gottes ausgehend von der Tageslesung (Phil 2,5–11). Una oblatione consummavit in sempiternum sanctificatos 2. April 1455, Mittwoch der Karwoche, Brixen – Das sichtbare äußere Zeichen der Eucharistie verweist auf die innerliche geistliche Stärkung durch das Wort Gottes. Sicut Moyses exaltavit serpentem in eremo 4. April 1455, Karfreitag, Brixen – Cusanus thematisiert den Unterschied zwischen Christus, dem Geist der Wahrheit, und dem Teufel, dem Geist der Lüge. Una oblatione 6. April 1455, Ostersonntag, Brixen – Christus, der Baum des Lebens, tritt an die Stelle Adams, des Todesbaums. Qui credit in Filium Dei testimonium Dei habet in se 13. April 1455, Weißer Sonntag „Quasi modo geniti“, Innsbruck – Voraussetzung für den Empfang der göttlichen Weisheit ist eine demütige Glaubenshaltung. Spiritus autem Paraclitus 25. Mai 1455, Pfi ngstsonntag, Brixen – Gott ist das Prinzip von allem und als reiner Geist ist er trinitarisch strukturiert. Cum venerit Paraclitus 1. Juni 1455, Dreifaltigkeitssonntag, Bruneck – Durch das Wirken des Hl. Geistes erlangen die Menschen Anteil an der Gotteskindschaft. Qui manducat hunc panem vivet in aeternum 5. Juni 1455, Fronleichnam, Bruneck – Der von Jesus eingesetzte und in der Eucharistie versinnbildlichte Neue Bund vollendet alle bisherigen Bundesschlüsse Gottes und überbietet diese zugleich. Non diligamus verbo neque lingua sed opera et veritate 8. Juni 1455, Erster Sonntag nach Dreifaltigkeit, Stegen bei Bruneck –
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Wer mit einem in materielle Not geratenen Mitmenschen nicht teilt, ist ein Götzendiener, da er Irdisches dem Ewigen vorzieht. Gaudium erit angelis Dei super uno peccatore paenitentiam agente 22. Juni 1455, Dritter Sonntag nach Dreifaltigkeit – Konsekration der Heiliggeistkapelle, Prettau im Ahrntal – Wer sich Gott durch Umkehr, Buße und Gehorsam zuwendet, der wird von Gottes Sohn aufgenommen. Perfectus omnis erit, si sit ut magister eius 29. Juni 1455, Vierter Sonntag nach Dreifaltigkeit – hll. Apostel Petrus und Paulus, Brixen – Der Mensch ist durch seine Gottebenbildlichkeit dazu befähigt, die Vollkommenheit anzustreben. Relictis omnibus, secuti sunt eum 6. Juli 1455, Fünfter Sonntag nach Dreifaltigkeit – Oktavtag von Peter und Paul, Natz – Das Schiff des Petrus dient der Kirche als Symbol, denn nur der Papst darf neue Glaubensartikel erlassen und die Bischöfe haben ihm zu folgen. Nisi abundaverit 13. Juli 1455, Sechster Sonntag nach Dreifaltigkeit, Brixen (?) – Die unauflösbare Einheit von Gottes- und Nächstenliebe wird durch die Unmöglichkeit der Trennung vom Bruder bei gleichzeitiger Einheit in Gott deutlich gemacht. Misereor super turbam 20. Juli 1455, Siebter Sonntag nach Dreifaltigkeit – Sonntag vor Maria Magdalena, Brixen – Bei der Visitation der Brixner Stadtpfarrkirche betont Cusanus, dass die Nachfolge Christi immer mit einer Abkehr von weltlicher Gesinnung und weltlichen Verhaltensweisen verbunden ist. Humanum dico propter infirmitatem carnis 20. Juli 1455, Siebter Sonntag nach Dreifaltigkeit – Sonntag vor Maria Magdalena, Brixen – In Hinblick auf Gott macht die Gerechtigkeit die Seele schön und geordnet, in Hinblick auf die Mitmenschen fördert sie das Zusammenleben und die Freundschaft. Respice de caelo et vide et visita vineam meam 20. Juli 1455, Siebter Sonntag nach Dreifaltigkeit – Sonntag vor Maria Magdalena, Brixen – Anlässlich der Visitation der Brixner Stadtpfarrkirche erläutert Cusanus die wesentlichen Merkmale der christlichen Religion in der Orientierung an Gott und an der Heilstat Jesu Christi, die im Widerspruch zum verbreiteten Aberglauben der Bevölkerung stehen. Er ermahnt die Gläubigen zum Gehorsam gegenüber der kirchlichen Autorität.
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Qui facit voluntatem Patris mei, qui in caelis est, ipse intrabit in regnum caelorum 27. Juli 1455, Achter Sonntag nach Dreifaltigkeit, Brixen – Ausgehend vom Tagesevangelium (Mt 7,15–21) charakterisiert Cusanus den kirchlichen Amtsträger als falschen Propheten, sofern innere Einstellung und öffentliche Lehre auseinanderfallen. Debitores sumus 27. Juli 1455, Achter Sonntag nach Dreifaltigkeit, Brixen – Das geistige Leben ist dem fleischlichen vorzuziehen, da es der Berufung des Menschen zur ewigen Gemeinschaft mit Gott entspricht. Domus mea domus orationis vocabitur 31. Juli 1455, Kirchweihfest des Brixner Doms, Brixen – In Teil I beschreibt Cusanus wesentliche Eigenschaften des Gebetes, ehe er in Teil II auf das Vaterunser im Speziellen eingeht und es ausführlich darlegt. Oratio autem fi ebat ab ecclesia sine intermissione pro eo 1. August 1455, St. Peter in Ketten, Brixen – Der Mensch ist ein Jäger nach der Wahrheit, die sich ihm aber selbst schenken muss. Dilexisti iustitiam et odisti iniquitatem 15. August 1455, Mariä Himmelfahrt, Wilten – Da Maria mehr als alle anderen Menschen die Gerechtigkeit geliebt hat, hat Gott sie in den Himmel aufgenommen und sie mit ewiger Freude beschenkt. Induimini Dominum Iesum Christum 28. August 1455, hl. Augustinus, Neustift – Die Christen können wie der hl. Augustinus zur Vollkommenheit gelangen, wenn sie den Leib als Werkzeug für die Seele betrachten und bis zum Tod dem göttlichen Willen folgen. Spiritu ambulate 7. September 1455, Sonntag vor Mariä Geburt, Brixen – Die Seele ist dazu berufen, die Herrlichkeit des Schöpfers zu erkennen. Qui invenerit me inveniet vitam et hauriet salutem a Domino 8. September 1455, Mariä Geburt, Brixen – Maria kann als Gefäß des Lebens den Fluch Evas in Segen wenden. Cum omni militia caelestis exercitus 29. September 1455, Tag des hl. Michael, Brixen – Gott gewährt durch die Sendung seines Sohnes dem Menschen Anteil an seiner Herrlichkeit. Qui vicerit, possidebit haec 19. Oktober 1455, hl. Lukas – Kirchweihe in Kloster Neustift, Neu-
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stift – Wer die Welt nicht besiegt hat, erreicht das himmlische Jerusalem nicht. Exultabunt sancti in gloria 1. November 1455, Allerheiligen, Brixen – Thematisiert wird die Frage, wie das aus Adam stammende Menschengeschlecht zur Schau der Herrlichkeit gelangt. Unde ememus panes, ut manducent hii? 25. November 1455, hl. Katharina, Diözesansynode in Brixen – Jesus ist es, der das Brot des Lebens für den Prediger bereithält. Induimini Dominum Iesum Christum 30. November 1455, Erster Adventssonntag, Brixen – Jesus ist der zweite Adam und der Sohn Gottes. Induimini Dominum Iesum Christum 30. November 1455, Erster Adventssonntag – hl. Apostel Andreas, Brixen – Allegorische Auslegung von Röm 13,11: „Es ist Zeit, vom Schlaf aufzustehen“ und Erinnerung an den hl. Andreas. Iterum venturus est iudicare 7. Dezember 1455, Zweiter Adventssonntag, Brixen – Die Predigt handelt vom Jüngsten Gericht und vom Antichristen. Mitto angelum meum ante faciem tuam, qui praeparavit viam ante te 14. Dezember 1455, Dritter Adventssonntag, Brixen – Die Predigt vergleicht Johannes den Täufer mit Jesus Christus. Medius vestrum stetit, quem vos nescitis 21. Dezember 1455, Vierter Adventssonntag, Brixen – Am Beispiel des Magneten lassen sich viele Ähnlichkeiten feststellen, die zum Verständnis der Verbindung des Geistes Christi mit den Christen und der anderen Glaubensgeheimnisse beitragen. Annuntiamus vobis vitam aeternam 25. Dezember 1455, Weihnachten, Brixen – Die Gläubigen haben Anteil an der Fülle des Lebens und des Lichtes in Christus. Ecce positus est hic in ruinam 28. Dezember 1455, Sonntag der Weihnachtsoktav – Unschuldige Kinder, Brixen – Die Predigt verweist auf verschiedene Zweifel bzgl. des Status der unschuldigen Kinder, die von Herodes getötet wurden. Vocatum est nomen eius Iesus 1. Januar 1456, Beschneidung des Herrn, Brixen – Im Anschluss an Aldobrandinus de Tuscanella führt Cusanus sieben Gründe für die Beschneidung Jesu an und erklärt, warum diese acht Tage nach seiner Geburt erfolgte.
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Kleinere Schriften in Sammeldarstellungen Ubi est qui natus est rex Iudaeorum 6. Januar 1456, Epiphanie, Brixen – Philosophisch-theologische Spekulationen im Geiste Meister Eckharts über Gott als das „Wo“. Semen est verbum Dei 1. Februar 1456, Sonntag „Sexagesima“, Brixen – Wenn das Wort Gottes auf dem Acker des Verstandes gesät wird und dort auf fruchtbaren Boden fällt, dann werden die Sorgen dieser Welt verdrängt. Nunc dimittis 2. Februar 1456, Mariä Lichtmess, Brixen – Die intellektuelle Erkenntnis wird im Vergleich mit der sinnlichen Wahrnehmung betrachtet. Lumen ad revelationem gentium 2. Februar 1456, Mariä Lichtmess, Brixen – Cusanus erläutert zunächst die Eigenheiten des Lichtes, das auf die Materie trifft, und anschließend die dreifache Art und Weise, das Licht der Weisheit aufzunehmen. Respice 8. Februar 1456, Sonntag „Quinquagesima“, Brixen – Jesus rettet vor Blindheit und führt zur heilschaffenden Schau Gottes. Ubi est thesaurus tuus, ibi et cor tuum 11. Februar 1456, Aschermittwoch, Brixen – Cusanus behandelt das Thema des Fastens. Der Pönitent muss sich, dem Beispiel des Propheten Joël folgend, zu Gott hinwenden. Qui habitat 15. Februar 1456, Erster Fastensonntag „Invocabit“, Brixen – Nikolaus von Kues legt Ps 91(90) aus und erläutert, was der Hl. Geist in den Seelen der Heiligen vollbringt. Haec est voluntas Dei, sanctifi catio vestra 22. Februar 1456, Zweiter Fastensonntag „Reminiscere“, Brixen – Der Gläubige gelangt durch die Liebe und die Angleichung seines Willens an denjenigen Gottes zur Heiligkeit. Illa quae sursum est Ierusalem 7. März 1456, Vierter Fastensonntag „Laetare“, Brixen – Verweise auf eine Predigt des Aldobrandinus de Tuscanella zum Sonntag „Laetare“. Salutem humani generis 14. März 1456, Fünfter Fastensonntag „Iudica“, Brixen – Wie aus dem Tod das Leben entsteht, wird anhand der Worte der Präfation der Hl. Messe erörtert. Missus est Gabriel 20. März 1456, Mariä Verkündigung – wegen der Karwoche antizi-
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piert, Brixen – Im ersten Teil werden verschiedene Arten von Verlobung erörtert, der zweite Teil bezieht sich auf die Jungfrau und Gottesmutter Maria. Consummatum est 21. März 1456, Palmsonntag, Brixen – Christus kommt, um die Welt durch die Wahrheit zu richten. Er ist die absolute Vollendung, die den Gläubigen ihrerseits Vollendung gewährt. Dixi quo modo meritum Christi 28. März 1456, Notiz zu Predigt CCXXIX – Das Verdienst Christi umfasst das Verdienst aller Menschen. Christus, aus dem Verdienst gerechtfertigt, belebt die Seele. Consummatum est 28. März 1456, Ostersonntag, Brixen – Die Lebendigkeit Jesu, der den Tod überwunden hat, wird anhand verschiedener Indizien dargelegt. Haec scripta sunt 4. April 1456, Weißer Sonntag „Quasi modo geniti“, Brixen – Der Auferstehungstag Christi umgreift die ganze Zeit bis zur allgemeinen Auferstehung der Toten. Eratis aliquando oves errantes 11. April 1456, Zweiter Sonntag nach Ostern „Misericordia“, Bruneck – Jesus ist der gute Hirt und Aufseher der Seelen. Credentes signati estis 16. Mai 1456, Pfi ngstsonntag, Brixen – Der Hl. Geist wohnt allen Gläubigen inne, damit sie das ewige Leben gewinnen. Er führt zum Verständnis Christi und zu demjenigen der Hl. Schrift. Trinitatem in unitate veneremur 23. Mai 1456, Dreifaltigkeitssonntag, Brixen – Die göttliche Trinität wird durch einen Vergleich mit der dreifachen Kausalität verständlich gemacht. In principio creavit Deus caelum et terram 27. Mai 1456, Fronleichnam, Brixen – Ausgehend vom Schöpfungsbericht wird Christus als der Schöpfer des Lichts bezeichnet; er trennt es von der Finsternis. Hoc facite in meam commemorationem 30. Mai 1456, Sonntag in der Oktav von Fronleichnam, Brixen – Die Eucharistie ist das Sakrament des Gehorsams und der vollendeten Nächstenliebe, die Christus durch seinen Tod erwirkt hat, um uns zu beleben.
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Dominum Christum sanctificate in cordibus vestris 29. Juni 1456, hll. Apostel Petrus und Paulus, Brixen – Im Anschluss an 1 Petr 3,8–15 fi nden sich kursorische Überlegungen zur Einmütigkeit im Glauben, zum Gebet und zur Gerechtigkeit. Membra vestra templum sunt Spiritus Sancti 31. Juli 1456, Kirchweihe des Brixner Doms, Brixen – 14 Gedanken zum kirchlichen Leben anhand von 1 Kor 1–11. Si quis non amat Dominum Iesum, sit anathema 1. August 1456, St. Peter in Ketten – Zehnter Sonntag nach Dreifaltigkeit, Brixen – Die Predigt setzt die Auslegung von 1 Kor fort mit Überlegungen zum Anathema, zu den verschiedenen Gnadengaben, zur Kundgebung des Hl. Geistes im sündigen Menschen, zu den Gaben der Weisheit und der Wissenschaft, zum mystischen Leib Christi und zur Auferstehung der Toten. Effeta! 15. August 1456, Mariä Himmelfahrt – Zwölfter Sonntag nach Dreifaltigkeit, Brixen – Die Perikope Mk 7,31–37 wird christologisch, mystisch und mariologisch interpretiert. Laudans invocabo Dominum, et ab inimicis meis salvus ero 24. August 1456, hl. Bartholomäus – Prozession anlässlich des Sieges über die Türken, Neustift – In seiner Dankpredigt für den Sieg über die Türken bei Belgrad macht Cusanus deutlich, dass Gott den Vormarsch der Türken zuließ, um die lauen Christen anzustacheln. Daran schließen sich Gedanken zum Gebet an. Suadeo tibi emere a me aurum ignitum et probatum 28. August 1456, hl. Augustinus, Neustift – Die Liebe zum Mitmenschen ähnelt der Liebe zu Gott, wenn sie nicht zum Selbstzweck wird. Quaerite ergo primum regnum Dei et iustitiam eius 5. September 1456, 15. Sonntag nach Dreifaltigkeit, Brixen – Anhand des Tagesevangeliums Mt 6,24 –33 verdeutlicht Nikolaus, dass der Mensch nicht zwei Herren gleichzeitig dienen kann und dass er zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit suchen muss. Tota pulchra es, amica mea, et macula non est in te 8. September 1456, Mariä Geburt, Brixen – Die Predigt stellt die wichtigste Abhandlung zu Fragen der Ästhetik aus der Feder von Cusanus dar. Von der Schönheit der sinnlichen Dinge steigt man über die Schönheit des menschlichen Geistes zur absoluten Schönheit auf, die Quelle und Zusammenfassung jeglicher Schönheit ist.
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In caritate radicati et fundati 12. September 1456, 16. Sonntag nach Dreifaltigkeit, Brixen – Ausführliche Auslegung von Eph 3,13 –21 mit Bezug auf die göttliche Vaterschaft und die Tugenden von Glaube und Liebe. Crucifi xus resurrexit 14. September 1456, Kreuzerhöhung, Säben – Nur durch das Kreuz gelangen wir zur Auferstehung. Im Kreuz Christi erkennen wir seine Barmherzigkeit, die wir nachahmen müssen. Michael et angeli eius 29. September 1456, hl. Michael, Brixen – Die Predigt erörtert die Namen der Engel, deren Erkenntnis und Aufgaben sowie den Kampf Michaels mit dem Teufel im Himmel und auf Erden. Confortamini in domino 17. Oktober 1456, 21. Sonntag nach Pfi ngsten, Brixen – Auslegung von Eph 6,10 –17. Dominabuntur populis 28. Oktober 1456, hll. Apostel Simon und Judas, Brixen – Gedanken zur Gerechtigkeit, zu den Elementen und Eigenheiten der menschlichen Seele und zur Seele des Gerechten. Ostendite mihi numisma 31. Oktober 1456, 23. Sonntag nach der Pfi ngstoktav, Brixen – Auslegung von Mt 22,15–22: Das Bild von der Münze wird in je eigener Weise auf verschiedene Personengruppen bezogen. Beati qui habitant in domo tua 1. November 1456, Allerheiligen, Brixen – Korrigiert werden irrtümliche, d. h. weltliche Vorstellungen über das Wesen der Glückseligkeit; die Seligkeit der Heiligen wird beschrieben. Nos revelata facie 1. November 1456, Allerheiligen, Brixen – Gedanken zum Begriff des Bildes Gottes, bezogen auf Christus und den menschlichen Geist. Puella surge 7. November 1456, 24. Sonntag nach Dreifaltigkeit – Auslegung von Mt 9,18–25: Derjenige ist treu, der Jesus wie ein Kleid anzieht. Venite post me 30. November 1456, hl. Apostel Andreas, Brixen – Es werden nacheinander verschiedene Perikopen zur Berufung der Jünger paraphrasiert. Quaecumque scripta sunt 5. Dezember 1456, Zweiter Adventssonntag, Brixen – Der erste Teil
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Kleinere Schriften in Sammeldarstellungen bietet eine Auslegung von Röm 15,1–13e. Der zweite stellt Cusanus’ wichtigste Äußerung zum Thema der Schrift im Allgemeinen sowie der Hl. Schrift im Besonderen dar. Sicut lilium inter spinas 8. Dezember 1456, Mariä Empfängnis, Brixen – Die Predigt thematisiert anhand verschiedener Bilder Marias Rolle im Heilsplan Gottes. Sic nos existimet homo 12. Dezember 1456, Dritter Adventssonntag, Brixen – Im Sakrament der Eucharistie sind alle Geheimnisse Gottes zusammengefasst. Pax Dei quae exsuperat omnem sensum 19. Dezember 1456, Vierter Adventssonntag, Brixen – Auslegung von Phil 4,4 –7: Über die Freude im Herrn und vier Gründe der Freude über die Menschwerdung Gottes nach Aldobrandinus de Tuscanella. Multifarie multisque modis 25. Dezember 1456, Weihnachten, Brixen – Ausgehend von Hebr 1,1–5 wird die Frage der göttlichen Offenbarung anhand verschiedener Überlegungen behandelt. Puer crescebat 26. Dezember 1456, Sonntag in der Weihnachtsoktav, Brixen – Der Knabe Jesus wuchs nach menschlicher Weise heran, aber die Fülle an Weisheit war schon vorhanden. Dies wird anhand verschiedener Vergleichsbilder erörtert. Loquere et exhortare 1. Januar 1457, Beschneidung des Herrn, Brixen – Der Bischof ermahnt die Gläubigen, die nur selten an der hl. Messe teilnehmen. Er fordert sie zur Gleichförmigkeit mit Christus auf, der in verborgener Weise in uns lebt. Loquere et exhortare 2. Januar 1457, Zweiter Sonntag nach Weihnachten und Oktavtag des Festes des hl. Stephanus, Brixen – Cusanus widmet sich der Lesung des vorangegangenen Tages und bietet eine fortlaufende Auslegung von Tit 2,11–15. Obtulerunt ei munera 6. Januar 1457, Epiphanie, Brixen – Auslegung von Mt 2,3 –12. Quodcumque dixerit vobis, facite 16. Januar 1457, Sonntag „Omnis Terra“ – Zweiter Sonntag nach Epiphanie, Brixen – Über das Mysterium der Hochzeit, vor allem mit Blick auf die Verbindung der menschlichen Seele mit ihrem Bräutigam Christus.
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Volo mundare 23. Januar 1457, Zweiter Sonntag nach der Oktav von Epiphanie, Brixen – In der Auslegung des Tagesevangeliums (Mt 8,1–5) vergleicht Cusanus die Todsünde mit der Leprakrankheit. Plenitudo legis est dilectio 30. Januar 1457, Dritter Sonntag nach der Oktav von Epiphanie, Brixen – Über die Bekehrung und die Lehren des Apostels Paulus. Adorna thalamum tuum, Sion 2. Februar 1457, Mariä Lichtmess, Brixen – Über den Festtag und seine verschiedenen Bezeichnungen sowie über Maria, die Pforte des Himmels und Mutter des Sohnes Gottes. Simile est regnum caelorum 6. Februar 1457, Vierter Sonntag nach der Oktav von Epiphanie, Brixen – Das Reich Gottes zeichnet sich durch die Herrschaft der Liebe und des ewigen Lebens aus. Sic currite, ut comprehendatis 13. Februar, Sonntag „Septuagesima“, Brixen – Auslegung der Epistel vom Tag (1 Kor 9,24 –27, 10,1–5) und des Tagesevangeliums (Mt 20,1–16). Sufficit tibi gratia mea 20. Februar 1457, Sonntag „Sexagesima“, Brixen – Über die Entrückung des Apostels Paulus in den dritten Himmel. Ecce ascendimus Hierosolymam 27. Februar 1457, Sonntag „Quinquagesima“, Brixen – Über das Wissen und die Erkenntnis Gottes sowie das Vorauswissen Christi und seinen Tod. Haec omnia dabo tibi 6. März 1457, Erster Fastensonntag „Invocabit“, Brixen – Über das christusgleiche Leben und die Versuchungen des Teufels. Im Schlussteil der Predigt geht Cusanus auf drei alte Frauen aus dem Fassatal ein, die gestanden hatten, zur Gesellschaft einer „guten Herrin“ namens Richella zu gehören. Domine, adiuva me 13. März 1457, Zweiter Fastensonntag „Reminiscere“, Brixen – Erörtert wird die Beziehung von menschlicher Schwäche und göttlicher Gerechtigkeit, von Rechtfertigung und Gerechtigkeit. Ut filii lucis ambulate 20. März 1457, Dritter Fastensonntag „Oculi“, Brixen – Auslegung von Eph 5,1–14.
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Loquimini ad petram coram eis 25. März 1457, Mariä Verkündigung, Brixen – Auslegung von Joh 4,1– 42 und Num 20,8. Non sumus ancillae filii 27. März 1457, Vierter Fastensonntag „Laetare“, Brixen – Cusanus legt die verschiedenen Bezeichnungen des vierten Fastensonntags aus: „dominica Laetare“, „dominica in rosis“ und „dominica in panibus“. Qui per Spiritum Sanctum semetipsum obtulit 4. April 1457, Fünfter Fastensonntag „Iudica“, Brixen – Der Auslegung der Epistel (Hebr 9,12–14) und des Evangeliums vom Tag (Joh 8,51–58) folgt eine moralische Darlegung der versuchten Steinigung Jesu (Joh 8,58 f.). Der Christ steinigt Christus durch die Sünde immer wieder von Neuem. Hoc sentite in vobis 10. April 1457, Palmsonntag, Brixen – Demut und Gehorsam werden anhand der Tageslesung (Phil 2,5–16) thematisiert. Im zweiten Teil behandelt Cusanus Jesu Einzug in Jerusalem und bezeichnet ihn als den wahren König. Crucifi xus etiam pro nobis 15. April 1457, Karfreitag, Brixen – Die Predigt bietet ein fi ktives Zwiegespräch zwischen Maria und der Kirche von Brixen, eine Abhandlung über das Mysterium des Kreuzes sowie einen weiteren fi ktiven Dialog zwischen Maria und dem Apostel Johannes. Descendit ad inferna 17. April 1457, Ostersonntag, Brixen – Jesus sucht jedes vernünftige Geschöpf auf und richtet es gemäß dem Gesetz des Gehorsams. Ego sum pastor bonus 2. Mai 1457, Montag nach dem zweiten Sonntag nach Ostern, Brixen – Cusanus behandelt in dieser Synodalpredigt die Eigenschaften Christi, des guten Hirten, und beschließt seine Ausführungen mit einem Vergleich von guten und schlechten Hirten (Joh 10,11–18). Obsecro vos tamquam advenas 8. Mai 1457, Sonntag „Jubilate“, Brixen – Auslegung der Tageslesung (1 Petr 2,11–19) im ersten Teil und des Evangeliums vom Tag (Joh 16,15–20) im zweiten Teil. Pater vester caelestis dabit vobis 23. Mai 1457, Montag nach dem Fünften Ostersonntag, Neustift – In der menschlichen Vernunft lassen sich die Spuren der göttlichen Trinität aufzeigen.
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Sublevatis oculis 25. Mai 1457, Vigil zu Christi Himmelfahrt, Neustift – Auslegung von Joh 17,1–10 und 16,23 –30. Assumptus est in caelum 26. Mai 1457, Christi Himmelfahrt, Brixen – Auslegung von Mk 16,13 –19. Alleluia. Veni, Sancte Spiritus 5. Juni 1457, Pfi ngsten, Brixen – Über die Anrufungen des hl. Geistes: „Komm, Hl. Geist“, „Erfülle die Herzen Deiner Gläubigen“, „Und entzünde in ihnen das Feuer Deiner Liebe“. Pange, lingua, gloriosi corporis mysterium 16. Juni 1457, Fronleichnam, Brixen – Auf eine kurze Erläuterung des Begriffs der Eucharistie folgt eine Auslegung des Fronleichnamshymnus des Thomas von Aquin. Beatus es, Simon Bar Iona 29. Juni 1457, hll. Apostel Petrus und Paulus, Innsbruck – Über die Erkenntnis Christi und die Einsetzung des Petrusamtes (Mt 16,16 –19). Qui me invenerit 8. September 1458, Mariä Geburt, Bruneck – Der menschliche Geist kann sich als lebendiges Ebenbild Gottes erkennen und in ihm zur Ruhe kommen. Sic, currite, ut comprehendatis 27. Januar 1459, Samstag nach Pauli Bekehrung – Rom, aus Anlass der Visitation von St. Peter, Rom – Der Visitator ruft die Kanoniker von St. Peter auf, ein regelkonformes Leben zu führen. Dum sanctificatus fuero in vobis 10. Februar 1459, Samstag vor dem Ersten Fastensonntag „Invocabit“ – Diözesansynode, Rom – Cusanus ermahnt mit dem Wort des Propheten Ezechiel (Ez 36,23 –25) die anwesenden Kleriker, dem ihnen auferlegten Auftrag zur Heiligung gerecht zu werden. Homo erat pater familias 23. Februar 1459, Freitag nach dem Zweiten Fastensonntag „Reminiscere“ – Visitation von San Giovanni in Laterano, Rom – Im Reich Gottes werden diejenigen gerichtet und zum Tode verurteilt, die Jesus verfolgt haben. Iam autem die festo mediante 6. März 1459, Dienstag nach dem Vierten Fastensonntag „Laetare“ – Visitation von Santa Maria Maggiore, Rom – Auslegung von Joh 7,14 –31.
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Kleinere Schriften in Sammeldarstellungen Sermo Montis Oliveti 5. Juni 1463, Dreifaltigkeitssonntag – Einkleidung des Novizen Nikolaus von Bologna, Kloster Monte Oliveto – Der Novize wird vom Kardinal über die wesentlichen Elemente der monastischen Existenz belehrt: die Bereitschaft zur Einsamkeit, zur Verachtung weltlicher Freuden, zum Regelgehorsam, zur Armut und zur Keuschheit.
Walter A. Euler
III Quellen und Rezeption
Hinweise zu den Quellen in den Schriften des Nikolaus von Kues
Einführung Hinweise zu den Quellen in den Schriften des Nikolaus von Kues Einführung
Nach Bernhard von Chartres sind die zeitgenössischen Denker wie Zwerge auf den Schultern von Riesen. So stellt sich der spätere Leser bei der Lektüre eines historischen Autors die Frage nach dessen Quellen. Auch Nikolaus von Kues bezieht sich auf Philosophen und Theologen, die er gründlich studiert, mit ganz eigenen Akzenten rezipiert und für sein Denken adaptiert. Wie dieser eigentümliche Vorgang sich im Einzelnen gestaltet, kann jedoch in einem kurzen Überblickskapitel nicht ausgeführt werden. Es können hier nur einige wenige Hinweise gegeben werden, wie sich die Übernahme von Quellen bei Nikolaus von Kues darstellt und wie sich das Studium der cusanischen Quellenrezeption gestalten lässt. Die Wege seiner Auseinandersetzung mit philosophischen und theologischen Autoren sollen skizziert und exemplarisch die wichtigsten Namen genannt werden. Ferner werden einschlägige Verfasser quellenbezogener Sekundärliteratur angefügt, mit deren Forschungsergebnissen ein erster Überblick und Einblick in diesen Bereich gewonnen werden kann. Hier gibt es noch etliche Forschungsdesiderate.
Welche Autoren und Texte hat Cusanus rezipiert? Welche Autoren und Texte hat Cusanus rezipiert?
Die cusanischen Marginalien zu Schriften von Autoren der Philosophie- und Theologiegeschichte lassen deren gründliches Studium erkennen. Ferner sind die philosophische und theologische Rezeption älterer Autoren durch Cusanus in Überblicksdarstellungen erfasst.
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Hinweise zu den Quellen in den Schriften des Nikolaus von Kues
Kurt Flasch widmet ein Kapitel den von Cusanus studierten philosophischen Quellen (11998, 219–242). Er erläutert die kulturelle Welt des Cusanus aus der Perspektive seines Aufenthaltes und seiner Kontakte in Italien. Diese stammen vornehmlich aus der Studienzeit in Padua. Hervorzuheben ist der Camaldulenserabt Ambrosius Traversari, der für Cusanus zum Vermittler griechischer Autoren – besonders des Pseudo-Dionysius – wurde, da er diesen, weithin auf Anregung des Nikolaus von Kues, neu aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzte. So kam Cusanus unmittelbarer mit der griechischen Philosophie und Theologie in Kontakt. Ähnliches gilt für Georgios Gemistos Plethon, mit dem er auf der Schiffsreise nach Konstantinopel 1437 / 38 zusammentraf und von dem er wohl für eine vertiefte Platonlektüre gewonnen werden konnte. Andere persönliche Kontakte, etwa zu Bessarion, führten zu weiteren Einblicken in griechische Autoren. Flasch vermerkt ferner cusanische Berührungspunkte mit der künstlerischen und literarischen Welt sowie den jeweiligen Päpsten, die an den geistigen Auseinandersetzungen der Zeit teilhatten (ebd.). Auch Rudolf Haubst betont die philosophische Lektüre des Nikolaus von Kues und konstatiert „Ende der dreißiger Jahre ein lebendiges und sich mehr und mehr vertiefendes Verhältnis zu Dionysius dem Ps.-Areopagiten“. Dasselbe lasse sich für Proklos vermuten (dazu auch: Beierwaltes 1970; Beierwaltes 2007). „In den fünfziger Jahren trat das Interesse für Platon stärker hervor“, jedoch habe ihm Proklos eine genuine Platon-Kenntnis versperrt. Zu dieser Zeit habe Cusanus auch vertieft Aristoteles studiert. Dies wurde ihm ermöglicht durch Bessarions Übersetzung der Metaphysik (Haubst 1956, 19). Zur Frage der neuplatonischen Einflüsse auf Cusanus sind außer den Proklos-Marginalien (CT III / 2,1; ebd., III / 2,2) die gelehrten und weit in die Rezeptionsgeschichte ausgreifenden Schriften von Werner Beierwaltes zu nennen. Dies gilt insbesondere für seine Cusanus-Lecture (1997; 22008) und deren erweiterte Fassung unter dem Titel Der verborgene Gott. Cusanus und Dionysius (22001). Wie einige Marginalien zu erkennen geben, rezipierte Cusanus auch mittelplatonisches und hermetisches Gedankengut, nämlich Apuleius und Hermes Trismegistus (CT III / 5). Für die Theologiegeschichte bietet Rudolf Haubst einen Überblick über die von Cusanus benutzten Quellen (1956, 10 –29). Dieser will Christus als Hauptquelle und Gegenstand der kirchlichen Verkündigung nicht nur aus sich und seinem eigenen Denken verkündigen, sondern steht mit diesem Anliegen innerhalb der kirchlichen und theologischen Tradition.
Welche Autoren und Texte hat Cusanus rezipiert?
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In den theologischen Schriften des Nikolaus von Kues lassen sich viele Zitate, aber noch mehr Anspielungen auf die Heilige Schrift fi nden. Dies gilt insbesondere für seine Predigten. Aber auch sonst fi nden sich immer wieder sprachliche Wendungen und Bilder, die sich auf einen biblischen Ursprung zurückführen lassen. Diese sind meistenteils im Quellenapparat der kritischen Edition nachgewiesen. Ein weiterer Apparat vergleicht die Lesarten der Handschriften und ein dritter weist Parallelen innerhalb der cusanischen Schriften auf. Die im mittleren Apparat von h angeführten Autoren lassen sich zu einem erheblichen Teil in mittelalterlichen Quellensammlungen, Katenen und Florilegiensammlungen belegen, die beim Schreiben gewöhnlich benutzt wurden, um für die Darstellung eigener Positionen Autoritäten zur Unterstützung der Argumentation zitieren zu können. Ein Blick in den jeweiligen „Index auctorum“ in der Heidelberger Akademieausgabe zeigt, wie umfangreich die cusanische Rezeption älterer Autoren ist. Die bevorzugt studierten Philosophen, Kirchenväter und mittelalterlichen Theologen sind nicht nur in den Indices von h zahlreicher nachgewiesen, sondern zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie in allen cusanischen Schaffensperioden und in vielen seiner Werke belegt sind. Nach Haubst verliert die von Boethius geprägte sogenannte Schule von Chartres gegenüber ihrem noch starken Einfluss in De docta ignorantia für die Christologie des Cusanus an Einfluss. Die Nachwirkung des Raimundus Lullus sei schwer zu fassen, müsse aber weiterhin berücksichtigt werden (CT III / 3 und III / 4; ferner: Colomer 1961). Auch in Heymericus de Campo sieht Haubst einen Gewährsmann des Cusanus (hierzu auch: Reinhardt 1995; Rusconi 2009). Gleichsam kumulativ nennt er die lateinischen Kirchenväter und die „großen Lehrer des Früh- und Hochmittelalters“. Noch vor diesen betont er den pseudo-dionysischen Einfluss (1956, 11). Dieser war wegen seiner vermeintlich apostolischen Autorität hochangesehen. Cusanus zitiert ihn seit 1431 in Predigten, wenn auch die frühen Belegstellen noch keine gründlichere Kenntnis seiner Schriften verraten (CT III / 1, 34). Es scheint, dass Cusanus ihn während seines Studiums gelesen hat. Doch erst durch Begegnungen etwa auf seiner Reise nach Konstantinopel dürfte er neu auf Dionysius aufmerksam geworden sein, da er ihn mit seinem Durchbruch zur Erkenntnis der „coincidentia oppositorum“ verbindet. Ferner ist bekannt, dass Cusanus auch auf dieser Reise Handschriften erworben hat (Senger 2000). Zur Interpretation des PseudoDionysius durch Cusanus publizierte Giga Zedania eine Monographie (2005). Einige Aufsätze behandeln weitere Aspekte der cusanischen Dionysiusrezep-
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Hinweise zu den Quellen in den Schriften des Nikolaus von Kues
tion (zu De docta ignorantia Hubert 2007; zu De visione dei: Dupré 1996, 208–212; zum Gottesgedanken: Ranff 2012; als Argumentationshilfe gegen Wenck von Herrenberg: Ranff 2013b; zu den Sermones: Ranff 2014). Haubst hebt neben Meister Eckhart ferner die Predigt- und Glossenliteratur hervor, namentlich den Dominikaner Aldobrandinus de Tuscanella aus dem 13. Jahrhundert (Haubst 1956, 11 f.). Aus der franziskanischen Tradition studiert er Bonaventura (vgl. auch Caminiti 1964) und Bernhardin von Siena (Haubst 1956, 11–15). Als von Cusanus rezipierte griechische Schriften und Theologen nennt Haubst den Hirt des Hermas, Origenes, Theodor von Mopsuestia, Johannes Klimakos, Johannes Chrysostomus, Cyrill von Alexandrien, Gregor von Nazianz, Johannes von Damaskus und Maximus Confessor. Diese seien von Cusanus jedoch mehrheitlich erst gegen Ende seines Lebens und teilweise nur marginal aufgenommen worden (Haubst 1956, 19 f.). Darüber hinaus sind noch weitere Autoren aus dem Mittelalter zu nennen. Von zentraler Bedeutung ist der Einfluss des Johannes Scotus Eriugena aus dem 9. Jahrhundert auf Cusanus (Beierwaltes 1994; 2007). Die Zeit des 12. Jahrhunderts ist vertreten durch die Schule von Chartres, insbesondere Thierry (Beierwaltes 1985, 368–384), und die Viktoriner. Marginalien des Nikolaus von Kues zu Abaelard hat Rudolf Haubst präsentiert (Haubst 1980c). Cusanus setzt sich schließlich intensiv mit Meister Eckhart auseinander (Euler 2011). Dies zeigt sich am Einfluss Eckharts auf seine Predigten (CT I / 2–5). Weitere Gedanken von Meister Eckhart in De coniecturis (Koch 1964), zur cusanischen Interpretation und Rechtfertigung Eckharts durch Nikolaus von Kues (Haubst 1980b), zu „Nichts und Negation“ (Mojsisch 1991), zu den cusanischen Sermones CXL und CXLI (Frost 2003), zum Einfluss Eckharts auf De dato patris luminum (Schwaetzer 2003a) und zur Gottesgeburt in den cusanischen Predigten (Reinhardt 2006) wurden publiziert. Ferner versieht Cusanus den Dionysius-Kommentar Alberts des Großen aus dem 13. Jahrhundert mit Marginalien (CT III / 1; Haubst 1952b; 1980c).
Ausblicke Ausblicke
Die Vielfalt der von Cusanus reflektierten und in seine Schriften einbezogenen Autoren und Quellen trägt zur Farbigkeit seines Denkens bei. Als origineller
Ausblicke
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Denker stellt er sich zugleich in die philosophische und theologische Tradition, die er selbständig verarbeitet. Dies weckt nicht nur das Interesse an Cusanus, sondern auch an neuen Perspektiven in der Auslegung der von ihm rezipierten Autoren, deren Texten er oft neue Facetten abgewinnt. Diese tiefer zu erforschen ist die Wissenschaft immer noch eingeladen. Viki Ranff
Die Rezeption der cusanischen Philosophie und Theologie Die Rezeption der cusanischen Philosophie und Theologie
Als Cusanus um die Mitte des 19. Jahrhunderts verstärkt in das Blickfeld der philosophie- und theologiegeschichtlichen Forschung geriet, ging man zumeist davon aus, es mit einer „Wiederentdeckung“ des Cusanus zu tun zu haben – womit zugleich impliziert war, dass er zuvor lange Zeit vergessen war. Dass dies nur sehr bedingt den historischen Tatsachen entspricht, ist offenkundig, denn dass Cusanus als Philosoph und Theologe in den auf ihn folgenden Jahrhunderten viel gelesen und hoch geschätzt wurde, bezeugten nicht nur die mehrfach erfolgte Edition seiner Werke – 1488 in Straßburg, 1502 in Mailand, 1510 in Nürnberg (in Form einer von Ulrich Pinder zusammengestellten Anthologie), 1514 in Paris, 1565 in Basel – sowie die zahlreichen Ausgaben und Übersetzungen einzelner Schriften. Er ist seit dem späten 15. Jahrhundert auch eine feste Größe in der einschlägigen Literatur zur Gelehrtengeschichte, in welcher er durchgängig als ein Autor von herausragender Bildung und umfassender Gelehrtheit dargestellt wird. Dementsprechend hat das philosophische und theologische Denken des Nicolaus Cusanus in den folgenden Jahrhunderten durchaus eine breite, vielfältige und nachhaltige Rezeption erfahren (Meier-Oeser 1989). Gleichwohl ist diese Rezeption nur schwer präzis zu fassen. Denn so etwas wie eine „cusanische Schule“ im eigentlichen Sinn hat sich nie herausgebildet; was insofern nicht unangemessen ist, als Cusanus selbst ja mehrfach jede „schulmäßige“, d. h. sich auf die bloße Reproduktion überlieferter sprachlicher Formeln beschränkende Form der Theologie und Philosophie kritisiert hat: „beinahe alle, die sich dem Studium der Theologie widmen“, klagt er, „beschäftigen sich mit gewissen festgelegten Traditionen und deren Formen, und wenn sie so reden können wie die anderen, die sie sich als Autoritäten aufgestellt haben, halten sie sich für Theologen.“ (Apol.: Dupré I, 523) Cusanus hat daher seine philosophischen Spekulationen in einer Form entwickelt und präsentiert, die sich gegen jede strikte schulmäßige Vereinnahmung sperrt. Anstelle
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Die Rezeption der cusanischen Philosophie und Theologie
von dogmatisch fi xierbaren Lehrsätzen präsentiert er prägnante begriffliche Formeln („docta ignorantia“, „coincidentia oppositorum“, „possest“, „incomprehensibiliter comprehendere“ usw.), deren spekulativer Gehalt dem Leser nicht „gesagt“, sondern mit Hilfe von mathematischen, zumeist geometrischen Modellen gleichsam „gezeigt“ wird, um ihn so zu einer eigenen „symbolica investigatio“ anzuregen. Seit längerem ist bekannt, dass „gleichsam mehrere Stränge der CusanusRezeption durch das 17. und 18. Jahrhundert laufen, die nebeneinander hergehen, sich mitunter kreuzen, aber auch in ihrer Gesamtheit nicht den ganzen Nikolaus von Kues repräsentieren“ (Gawlick 1970, 226). Für das 16. Jahrhundert gilt im Wesentlichen dasselbe. Doch nicht allein ist die cusanische Philosophie nirgends in toto präsent – angesichts der Weite des von Cusanus behandelten Themenhorizontes wäre dies ohnehin nicht zu erwarten. Auch dort, wo einzelne Lehrstücke aufgegriffen werden, sind diese kaum je der cusanischen Intention gemäß erfasst. Im Wesentlichen ist dies der Komplexität der cusanischen Philosophie geschuldet, für die der kosmologische Lehrsatz des „omnia in omnibus“ zugleich inneres Formationsprinzip ist. Die Grundgedanken und zentralen Theoreme sind hier in einem Maße aufeinander bezogen und miteinander verbunden, dass sie sich nur unter einer erheblichen Veränderung ihrer ursprünglichen Bedeutung aus dem Gesamtzusammenhang des Systems isolieren lassen. Es ist daher in der Regel ein fragmentierter und vielfach modifizierter Cusanus, der in der späteren Rezeption sichtbar wird. Kann man in diesem Sinne auch nirgends von einem tatsächlichen „Cusanismus“ sprechen, so lassen sich doch mehrere Schwerpunkte oder Zentren der Cusanusrezeption feststellen, an denen zumindest bestimmte Teile oder Momente seines philosophisch-theologischen Denkens rezipiert wurden. Bereits zu Lebzeiten des Cusanus findet sich ein solches im benediktinischen Reformkloster Tegernsee, dessen Mönche, insbesondere der Prior Bernhard von Waging, die cusanische Konzeption der mystischen Theologie sowie die mit ihr verbundenen Lehrstücke der „docta ignorantia“, „coincidentia oppositorum“ und „symbolica investigatio“ übernehmen und in Form von Verteidigungs- und Lobschriften für sie eintreten (Bernhard von Waging, Laudatorium docte ignorancie und Defensorium laudatorii docte ignorancie, in: Vansteenberghe 1915, 163 –168). Ein halbes Jahrhundert später, in der Zeit um 1500, zeichnen sich vor allem zwei Orte der Cusanusrezeption ab: zum einen der entscheidend von Konrad Celtis zusammengehaltene Verbund der deutschen und österreichischen Humanisten,
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der in dem 1501 an der Wiener Universität für Celtis gegründeten „Collegium poetarum et mathematicorum“ so etwas wie einen institutionellen Rahmen hatte (Meier-Oeser 2002), zum anderen – und für die philosophisch-theologische Rezeption wichtiger – der am Pariser „Collège de Navarre“ angesiedelte Zirkel um Jacques Lefèvre d’Étaples (Jacobus Faber Stapulensis), innerhalb dessen sich nicht nur bei den bekannten Namen wie Lefèvre selbst oder Charles de Bovelles (Carolus Bovillus), sondern auch bei weniger bekannten Autoren wie Gérard Roussel (Gerardus Ruffus) oder Alain de Varène (Alanus Varenius) eine intensive Rezeption der cusanischen Philosophie nachweisen lässt – was insofern nicht verwunderlich ist, als der Gelehrtenzirkel um Lefèvre in jahrelanger Arbeit die 1514 gedruckte Pariser Cusanusausgabe zustande gebracht hat. Während Cusanus im Umkreis von Celtis insbesondere aufgrund seiner mathematisch-naturwissenschaftlichen Arbeiten auf den Gebieten der Kosmographie (Caspar Peutinger), Kosmologie (Jakob Ziegler), Kalenderreform (Georg Tannstetter, Andreas Stiborius) sowie allgemein als bedeutender Repräsentant des humanistischen Bildungsideals Beachtung findet, wird er von den stärker philosophisch-theologisch ausgerichteten Pariser Humanisten und den mit ihnen verbundenen deutschen Humanisten (Johannes Reuchlin, Beatus Rhenanus, Gregor Reisch, Johann Eck) insbesondere als bedeutender Interpret der (pseudo-)dionysischen Theologia mystica geschätzt. Generell gilt Cusanus hier als führende Autorität hinsichtlich einer spekulativ überhöhten Mathematik bzw. einer symbolmathematisch fundierten Theologie: „per ipsam geometricam disciplinam“, hebt etwa Gregor Reisch in seiner weit verbreiteten Margarita philosophica hervor (41517, fol. O 5r), „theologice ac prime philosophie profundiora rimantur secretius atque contemplantur altius: sicuti luce clarius patet in libro quem (vir apprime doctus Nicolaus de Cusa Cardinalis) de docta ignorantia scripsit.“ Ebenso erklärt auch Lefèvre d’Étaples im Vorwort seiner Cusanusausgabe, dass das „mathematicum sciendi genus“ bzw. die „mathesis“ als „modus ad divina surgendi“ gewissermaßen „pulcherrimas et dignissimas de Deo contemplationes“ bereitstelle, „quas manuductiones, assurrectiones et divina paradigmata dicere possumus, ut ex primo Doctae ignorantiae libro, ex Coniecturis et aliis libris agnosci potest“ (p I, aa 2v). Die nachhaltige Wirksamkeit der symbolmathematischen Spekulationen des Cusanus zeigt sich noch im späten 16. und 17. Jahrhundert durch deren Präsenz in einschlägigen Texten, wie etwa Petrus Bungus’ Numerorum mysteria (1599) oder Fortunato da Padovas 1617 gedruckter Decas elementorum mysticae geometriae quibus praecipua divinitatis arcana explicantur, in welcher zur
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Begründung der „sacra mathematica“ intensiv auf Cusanus zurückgegriffen wurde (Bucciantini 1983). Die „coincidentia oppositorum“ ist nicht nur das charakteristischste Moment des cusanischen Systems; es markiert zugleich auch den – nicht nur seinem Umfang nach – wichtigsten Teil der Rezeptionsgeschichte. Im Rahmen einer Gruppe von „conclusiones paradoxae secundum opinionem propriam nova in philosophia dogmata inducentes“ exponiert Giovanni Pico della Mirandola bereits in seinen Conclusiones von 1486 – also noch vor dem Erscheinen des ersten Drucks der Werke des Cusanus, jedoch unter offenkundiger Anlehnung an denselben – ein dreistufiges System von „anima“ bzw. „ratio“, „intellectus“ und „natura unialis“ bzw. Gott, dessen Ebenen durch ein jeweils anderes Verhältnis zum Widerspruchsprinzip gekennzeichnet sind. Wie Cusanus erkennt er dessen Gültigkeit lediglich für die Ebene der „anima“ oder „ratio“ an: „in anima apparet incompossibilitas contradictoriorum“ (Pico della Mirandola 1973, 61). Bereits auf der Ebene der „natura intellectualis“ jedoch gelten andere logische Gesetze. Denn hier sind die Widersprüche kompatibel oder hören sogar auf, im eigentlichen Sinne widersprüchlich zu sein: „Contradictoria in natura actuali [intellectuali] se compatiuntur. Licet sit vera precedens conclusio, tamen magis proprie dicitur, quod in natura intellectuali non sint contradictoria, quam quod se compaciuntur.“ (Ebd.) Auch im Brennpunkt des Interesses von Jacques Lefèvre an der Philosophie des Cusanus steht die Konzeption einer die Gesetze der rationalen Logik übersteigenden, ja diesen explizit widersprechenden Form der Erkenntnis und damit jener Koinzidenzgedanke, der bereits für die Cusanus-Rezeption bei Giovanni Pico della Mirandola bestimmend war. Deutlicher als bei diesem steht die „coincidentia oppositorum“ bei Lefèvre im direkten Zusammenhang mit der mystischen Theologie des Pseudo-Dionysius, als deren letzte Konsequenz er die Erkenntnis betrachtet, dass in Gott die Negationen mit den Affirmationen zusammenstimmen und koinzidieren (Lefèvre 1503, fol. 130va): „in ipso quod super omnia eminenter collocatum est: simplicissimo absolutoque bono: negationes affi rmationibus conspirant atque coincidunt.“ Anders als Lefèvre selbst greift sein Schüler Charles de Bovelles das für die cusanische Entfaltung des Koinzidenzgedankens wichtige Moment der „infi nitesimalmathematischen“ Fundierung desselben auf. In seinem Divinae caliginis liber präsentiert er unter explizitem Verweis auf Cusanus und dessen Begriff der „Mauer der Koinzidenz“ („murus coincidentiae“) mehrere aus De docta ignorantia entlehnte „signa mathematica“,
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mit deren Hilfe man zur Einsicht in die Notwendigkeit der von der „ratio“ als unmöglich erachteten „coincidentia oppositorum“ in Gott gelangt, in der die als „docta ignorantia“ charakterisierte höchste Form der Gotteserkenntnis besteht (Bovillus 1526, fol. A5r –B6r). Eine besondere Bedeutung – gerade auch in Bezug auf den Koinzidenzgedanken – kommt Gérard Roussels symbolmathematischem Kommentar zur Arithmetik des Boethius zu (vgl. 1521, fol. 12r–v, 43v– 44r, 48r–v). Mit der durch die Intention der Schrift bedingten Konzentration auf mathematische Symbolik bewegen sich die Ausführungen Roussels von vornherein auf einer Ebene, auf der sich die zentralen Elemente des cusanischen Systems nahezu vollständig abbilden lassen. Entsprechend intensiv und umfangreich ist hier die Übernahme cusanischer Gedanken. Trotz der spärlichen namentlichen Erwähnungen des „vir divino ingenio praeditus“ (ebd., fol. 42r) tragen große Teile dieses Kommentars der boethianischen Arithmetik eher den Charakter einer Ausfaltung der in De docta ignorantia und De coniecturis vorgeführten Symbolik und der ihr zugrundeliegenden Methode des „symbolice investigare“ (Meier-Oeser 1989, 52– 61). Dort jedoch, wo die cusanische Konzeption einer die logischen Gesetze der „ratio“ transzendierenden intellektuellen Erkenntnisform nicht übernommen wird, droht die „coincidentia oppositorum“ zu einem negativen Erweis des Unvermögens menschlicher Erkenntnis verkehrt zu werden. Genau in diesem Sinn verwendet Johannes Trithemius in seinem Liber octo questionum die cusanische Koinzidenzsymbolik zur Beantwortung der Frage: „Quare […] deus credi a mortalibus voluit potius quam sciri et intelligi?“ (1515, fol. A1v) Wenn er unter Verweis auf Cusanus Gott mit einer geraden Linie von unendlicher Länge vergleicht, die, indem sie ohne Anfang und Ende ist, einen Kreis bildet („Deus est infi nite longitudinis linea recta: que circulum facit“, ebd. fol. A4r), so will Trithemius – das cusanische Modell hat er offensichtlich nicht ganz verstanden – damit zeigen, dass der an die Sinnlichkeit gebundene endliche menschliche Intellekt nur einer verworrenen Gotteserkenntnis fähig ist. Cusanus hatte in einem analogen Zusammenhang aus dem Versagen der Imagination nicht ein ebensolches der menschlichen Erkenntnis insgesamt abgeleitet, sondern den Intellekt deutlich von der Vorstellungskraft geschieden. Zwar galt auch für ihn: „imaginativa, quae genus sensibilium non transcendit, non capit lineam posse triangulum esse“. Er konnte jedoch hinzufügen: „Erit tamen apud intellectum hoc facile.“ (De docta ign. I, 14: h I, p. 27). Auch Johannes Reuchlin nutzt das im Motiv der „coincidentia oppositorum“
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Die Rezeption der cusanischen Philosophie und Theologie
enthaltene polemische Potential gegen eine sich auf syllogistische Beweisführung stützende „garrula logica“, die für ihn der schärfste Feind der wahren, im bloßen Glauben fundierten Gotteserkenntnis ist („acerrimum divinae cognitionis mera et nuda fide constantis, hostem […] arbitror logicum esse syllogismum“, Reuchlin 1517, fol. 24v). In diesem Zusammenhang unterscheidet Reuchlin unter Verweis auf Cusanus (ebd., 21v) „ratio“ und „mens“ als zwei Regionen, die gerade durch ihr spezifisches Verhältnis zur „coincidentia oppositorum“ charakterisiert sind, derart nämlich, dass „in mentis regione aliqua sunt necessaria, quae in ratione sunt impossibilia. In mente datur coincidere contraria et contradictoria, quae in ratione longissime separantur.“ (ebd., 26v) Dabei ist die Ebene der „mens“ jedoch nicht durch den Begriff des Intellekts, sondern durch den des Glaubens gekennzeichnet, so dass durch Reuchlins scharfe Kontrastierung von Glauben und Wissen ausgeschlossen ist, der Koinzidenz eine besondere Form von transrationaler menschlicher Erkenntnis korrespondieren zu lassen. Mit seiner Instrumentalisierung der „coincidentia oppositorum“ zur Zurückweisung der Ansprüche der Logik und der „ratio“ steht Reuchlin in der Nähe Luthers, dessen häufige Verwendung quasi-koinzidentieller Formulierungen („Nichts ist so klein, Gott ist noch kleiner; Nichts ist so gros, Gott ist noch grösser“, Luther 1909, 339) stets das Ziel einer im Namen des Glaubens erfolgenden Depotenzierung menschlicher Vernunft verfolgt. Die daraus resultierende Angewiesenheit des Menschen auf göttliche Offenbarung erhält bei Reuchlin jedoch eine grundlegend andere Deutung als jene, die in Luthers Forderung zum Ausdruck kommt, „dass wir uns zufriden stellen und von seinen [Gottes] Werken reden mit seinen Worten einfältiglich, wie er uns davon zu reden furgeschrieben hat.“ (Ebd., 439) Beide gehen von einem radikal verschiedenen Offenbarungsbegriff aus, denn während Luther die Offenbarung auf den Literalsinn des biblischen Textes beschränkt, wirkt bei Reuchlin die Konzeption der „prisca theologia“, so dass er die innergöttliche Koinzidenz von „posse“ und „esse“ mitsamt dem cusanischen Begriff des „possest“ auf die pythagoreische Doktrin des „unum infi nitum“ projiziert (Reuchlin 1517, 29r) und die kabbalistische Deutung des Ensoph als „ens“ und „non-ens“ gleichermaßen in sich einfaltet, in unmittelbare Nähe zur „coincidentia oppositorum“ stellt (ebd., 21r). Ähnlich wie bei Jacques Lefèvre d’Étaples liegt auch für den vor allem als Gegner Luthers bekannten Ingolstädter Philosophen und Theologen Johann Eck der wesentliche Anknüpfungspunkt an cusanische Gedanken im Umfeld
Die Rezeption der cusanischen Philosophie und Theologie
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der mystischen Theologie. Doch anders als die bisher genannten Autoren hält er dabei an der universalen Geltung des Widerspruchsprinzips fest. Wenngleich er daher Cusanus eine herausragende Position innerhalb der mystischen Tradition zubilligt, sich explizit auf jenen „optimus mysticus“ beruft und dessen Symbolismen sowohl zur Begründung der affi rmativen wie der negativen Theologie verwendet: Die Koinzidenz beider, verstanden als die notwendige Konsequenz einer transrationalen Form der Logik, muss er ablehnen. Dementsprechend ist ein wesentlicher Teil seines Kommentars der Auseinandersetzung mit der als ein gemeinsames Lehrstück von Cusanus und Lefèvre vorgeführten Konzeption der „coincidentia oppositorum“ gewidmet. An Johann Eck und Martin Luther zeigt sich, wo auf beiden Seiten der streitenden Konfessionen jeweils die Blockaden gegen eine Aufnahme des Koinzidenzgedankens lagen. Konnte Eck im Zusammenhang mit der mystischen Theologie weite Teile der cusanischen Philosophie affi rmativ aufgreifen, so kam für ihn eine Übernahme der Koinzidenztheorie durch das Festhalten an der Allgemeingültigkeit des Widerspruchsprinzips nicht in Frage. Bei Luther und den Gnesiolutheranern dagegen musste vor dem Hintergrund der „theologia crucis“ jede Form von spekulativer Theologie unter das Verdikt gegen die „natürliche Theologie“ fallen, deren Vertreter lediglich „ad spiritualem et subtiliorem idolatriam“ gelangen, da von ihnen „Deus colitur, non sicut est, sed sicut ab eis fingitur et estimatur.“ (Luther 1970, 179) Entsprechend wenig konnten die Lutheraner mit der spekulativen Philosophie des Cusanus anfangen. Seine Bekanntheit im Protestantismus – immerhin wird er von Flacius Illyricus zu den „Zeugen der Wahrheit“ gezählt – beruht auf einigen konziliaristischen und anti-papalistischen Thesen aus De concordantia catholica, auf seiner Widerlegung der Echtheit der Konstantinischen Schenkung und seinem Ruf als Scholastikkritiker. Einige Bedeutung kommt auch der Coniectura de ultimis diebus zu, die bis ins späte 17. Jahrhundert mehrfach mit Kommentaren versehen erschien, in denen Cusanus zum Propheten Luthers und Melanchthons stilisiert wurde (Meier-Oeser 1989, 91–94). Die Rezeption der cusanischen Koinzidenztheorie vollzieht sich eher zwischen den Fronten, bei Autoren wie Paul Scalich de Lika (Paul Scaliger) (1556) oder Giordano Bruno, bzw. generell bei solchen Autoren, die jeweils nicht zum orthodoxen Mainstream gehören, wie Valentin Weigel, Benedikt Biedermann oder Abraham von Franckenberg. Es versteht sich von selbst, dass die von Cusanus ausdrücklich im Gegenhalt gegen die „Aristotelica secta“ entworfene
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Die Rezeption der cusanischen Philosophie und Theologie
Koinzidenzlehre für die offi zielle aristotelische Schulphilosophie des 17. Jahrhunderts inakzeptabel sein musste. Nicht zufällig setzt sich der Jesuitentheologe Dionysius Petavius (Denis Pétau) in seinem dogmatischen Standardwerk ausführlich mit der von Cusanus aus der koinzidentiellen Struktur des göttlichen Seins abgeleiteten Unmöglichkeit der Bezeichnung Gottes „per propria nomina“ auseinander, um den „multiplex error Cusani“ aufzuzeigen (1644, 555 f.). Dort jedoch, wo außerhalb des schulphilosophischen Diskurses andere Darstellungsprinzipien wirksam sind, ist der Koinzidenzgedanke durchaus bekannt und rezipiert. Im eklektizistischen Theologus ecclesiastes des Dominikanertheologen Hyacinthe Chalvet (1653) finden sich zahlreiche Lehrsätze, wie „Deus omnia est unice et coniuncte“ oder „Nedum infinitus est Deus sed quidquid in Deo est, infi nitum est“, mit Hilfe cusanischer Koinzidenztheorie, zumeist unter Zitation der im ersten Buch von De docta ignorantia vorgeführten geometrischen Gleichnisse, entwickelt. Zahlreiche Zitate aus Cusanus’ Werken bringt auch der Kapuziner Yves de Paris in seinem nach lullistischen Kategorien strukturierten, vom jungen Leibniz intensiv gelesenen und hoch geschätzten Digestum sapientiae. Dabei ist es in zunehmendem Maße möglich, dass die Kenntnis des Koinzidenzgedankens sich keiner unmittelbaren Lektüre der cusanischen Schriften mehr verdankt. Comenius, der in der Auseinandersetzung mit der von sozinianischer Seite unter Berufung auf die „sana ratio“ vorgebrachten Ablehnung der göttlichen Trinität auf die „coincidentia oppositorum“ rekurriert, kennt sie immerhin noch aus Ulrich Pinders Speculum intellectuale felicitatis humane, einer Art Cusanus-Anthologie von 1510. Als Johann Georg Hamann im späten 18. Jahrhundert in Briefen an Friedrich Heinrich Jacobi und Johann Gottfried Herder schreibt, das „principium coincidentiae oppositorum“, „welches ich ohne zu wissen warum? liebe und den principiis contradictionis und rationis sufficientis immer entgegengesetzt“ habe, sei „mehr werth als alle Kantsche Kritik“, so kennt er es (ebenso wie Goethe, Hegel oder Schelling) nur mehr aus zweiter Hand – vor allem wohl aus Giordano Bruno (Meier-Oeser 1989, 117–122; 2007). Ein tragendes Fundament der frühneuzeitlichen Cusanusrezeption ist das aus spätantiken Quellen übernommene und über Marsilio Ficino und Giovanni Pico della Mirandola bekannt gewordene Konzept der „prisca sapientia“ oder „prisca theologia“. Dabei handelt es sich um die auch bei Cusanus selbst anklingende These von der Existenz einer geheimen Tradition ursprünglicher Offenbarungsweisheit, der ebenso Hermes Trismegistos und Moses, Zoroaster
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und Orpheus wie Pythagoras und Platon (Aristoteles jedoch nicht) angehören und in der pythagoreische Zahlenspekulation, neuplatonische Einheitsmetaphysik, pseudo-hermetische oder kabbalistische Lehren, pseudo-dionysische Mystik sowie anderes mehr zu einem synkretistischen Überlieferungszusammenhang verschmelzen, der hinter der vielgestaltigen Oberfläche symbolischer Verhüllungen eine wesentlich identische und mit dem Kern des christlichen Glaubens übereinstimmende Lehre enthält. Als führender Kenner der Symbolmathematik und – wie Enea Silvio Piccolomini von ihm sagte – „homo priscarum literarum eruditissimus“ musste Cusanus geradezu prädestiniert dafür erscheinen, als Interpretationsmedium für die antiken Arkanlehren zu dienen, und zwar dergestalt, dass man den Gehalt dieser arkanen Tradition der „prisca sapientia“ unter Rückgriff auf cusanische Lehrstücke rekonstruieren zu können meinte. Wenn etwa Athanasius Kircher im Oedipus Aegyptiacus die „mathematica hieroglyphica“ der alten Ägypter als einen Teil ihrer „theologia arcanior“ rekonstruiert, so handelt es sich bei seinen – teilweise mit expliziter Bezugnahme auf Cusanus, zumeist aber ohne eine solche – unter Paragraphentiteln wie: „Quomodo maximum absolutum cum minimo absolute coincidat“ oder „Quomodo Maximum et Minimum Unitas absoluta sint“ (1652–54, Bd. II / 2, 7 ff.) stehenden Ausführungen im Wesentlichen um eine komprimierte Wiedergabe mehrerer Kapitel des ersten Buches von De docta ignorantia. Ebenso greift er bei der Erörterung der „geometria hieroglyphica“ auf die dort entwickelten geometrischen Koinzidenzmodelle zurück, um darzulegen, „Quomodo Aegyptij per Circuli considerationem in divinitatis maxima arcana devenerint.“ (Ebd., 90) Grundlegend für die cusanische Seinsmetaphysik ist die Strukturierung der Gesamtheit des Endlichen durch Ordnungsprinzipien, die zum einen aus der natürlichen Zahlenprogression (progressio naturalis) und zum anderen aus der Polarität entgegengesetzter Seinsmomente („unitas“ – „alteritas“; „complicatio“ – „explicatio“; „concordantia“ – „differentia“ usw.) gewonnen sind. Ihren prägnanten Ausdruck haben diese Strukturmuster in zwei in De coniecturis vorgestellten Schemata gefunden, in der „figura universalis“ (bzw. „figura U“) und der „figura paradigmatica“ (bzw. „figura P“). Beide Figuren – und zumindest teilweise die mit ihnen verbundenen kosmologischen Konzepte – haben im 16. und 17. Jahrhundert eine breite Rezeption erfahren. So wird die „figura P“ etwa von Johann Eck, dem englischen Platoniker Robert Fludd, Valentin Weigel sowie Benedikt Biedermann aufgegriffen, und noch Leibniz kennt sie als Dar-
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Die Rezeption der cusanischen Philosophie und Theologie
stellung „der Platonischen Christen vermischung Nichts und Etwas, schatten und Liechts“. Die „figura U“ fi ndet sich u. a. bei Gérard Roussel (1521, fol. 29v) sowie Nicolas le Fevre de la Boderie (1578, fol. E6v) wiedergegeben; Athanasius Kircher kombiniert in seinem monumentalen Rekonstruktionsversuch der altägyptischen Weisheit beide Figuren zu einer einzigen (Oedipus Aegyptiacus 1652–54, Bd. 2 / 2, 15). Das liegt insofern auf der Linie der älteren Verwendung der „figura U“, als diese in erster Linie als Präsentation der von der „prisca sapientia“ gelehrten hierarchischen Seinsordnung verstanden wurde, wie Pico della Mirandola sie in seinem Heptaplus – vermutlich selbst nicht ganz frei von cusanischem Einfluss – als Explikation seiner These „Tres mundos figurat antiquitas“ dargelegt hat (Meier-Oeser 1989, 133). Dadurch werden die Figuren in ihrer philosophischen Bedeutung und Funktion modifi ziert. Während Cusanus die „figura U“ ebenso wie die „figura P“ als abstraktes Erkenntnismodell bzw. als Instrument der konjekturalen Erfassung beliebiger Gegenstandsbereiche verwendet hat, ist sie hier zum Simulacrum einer triadischen Welthierarchie geworden; und während sie bei Cusanus – um sie der Anwendung auf die verschiedenen Erkenntnisgegenstände offenzuhalten – nicht beschriftet ist, ordnet Roussel den 27 Kreisen die einzelnen Ebenen des „mundus supercoelestis“ (Engelshierarchien bzw. kirchliche Ordines), „coelestis“ (Planeten- und Himmelssphären) und „elementaris“ zu. Durch diese Transformation zu Darstellungen einer überlieferten hierarchischen Seinsordnung werden sie auf eine Eindeutigkeit gebracht, die mit der Philosophie des Cusanus letztlich unvereinbar ist. Denn wenngleich auch Cusanus sie zur Veranschaulichung der Hierarchie von „mundus sensibilis“, „rationalis“ und „intellectualis“ verwendet, so lässt sich bei ihm diese metaphysische Hierarchie nicht in eine räumliche Topologie der Seinsstufen übersetzen. In ihrer Anwendung durch die Rekonstrukteure der „prisca sapientia“ dagegen werden die cusanischen Figuren U und P zu schematischen Modellen einer Stufenordnung, die durch die Integration des physischen Alls mit seinen Planetensphären konkrete räumliche Entsprechungen hat. Eine solche Verräumlichung jedoch macht sie zu Formeln eines Weltbildes, welches mit den kosmologischen Ausführungen im zweiten Buch von De docta ignorantia insofern kollidieren muss, als es nicht nur die alte Konzeption des Stufenkosmos, sondern, damit verbunden, ebenso das kugelförmig gedachte, geozentrisch ausgerichtete und seiner Dimension nach endliche All zu seiner physikalischen Voraussetzung hat, genau diese Vorstellungen aber von Cusanus durch seine Verabschiedung des
Die Rezeption der cusanischen Philosophie und Theologie
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Geozentrismus und seine These von der Vielheit bewohnter Welten in einem seiner Dimension nach unbegrenzten Universum widerlegt werden. Die von Cusanus im zweiten Buch von De docta ignorantia vorgebrachten Argumente gegen ein im strikten Sinn geozentrisch ausgerichtetes All waren – auch wenn aus ihnen sicherlich keine kopernikanische Astronomie ableitbar ist – nicht zuletzt aufgrund seines Kardinalstitels von erheblicher Bedeutung für die spätere Verteidigung und Durchsetzung des Kopernikanismus (MeierOeser 1989, 190 –211). Wichtiger jedoch als die sogenannte Kopernikanische Wende ist für die Philosophie- und Mentalitätsgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts die auch von Cusanus vertretene Idee der Unbegrenztheit des Alls und der Vielzahl von (möglicherweise bewohnten) Welten. Spuren der Rezeption dieser im zweiten Buch von De docta ignorantia entfalteten Thesen fi nden sich bereits bei Leonardo da Vinci, Carolus Bovillus und dem Pleïade-Dichter Pontus de Tyard. Im 17. Jahrhundert gibt es kaum einen der einschlägigen Autoren, bei dem Cusanus nicht in dieser thematischen Hinsicht Erwähnung findet. Erwähnungen und nicht selten längere Referate und Erörterungen seiner diesbezüglichen Thesen fi nden sich u. a. bei Kepler, Campanella, John Wilkens, Descartes, Mersenne, Athanasius Kircher, Gaspar Schott, Christiaan Huygens, Schyrlaeus de Rheita, Otto von Guericke. Die bei weitem größte Bedeutung für die Wirkungsgeschichte der cusanischen Kosmologie wie seiner Philosophie insgesamt kommt jedoch Giordano Bruno zu, der sich so intensiv wie ansonsten allenfalls Gérard Roussel auf die cusanische Philosophie eingelassen und aus ihr geschöpft hat. Obwohl er Cusanus nur an wenigen Stellen namentlich nennt, sei es, um ihn als jemanden zu kritisieren, der sich angeblich „von den falschen Prinzipien, die er von Kindesbeinen an aufgesogen, doch nicht ganz zu befreien vermochte, weshalb auch die von ihm selbst gewählte Überschrift seiner Bücher ,gelehrte Unwissenheit‘ oder ,unwissende Gelehrsamkeit‘ vortrefflich dafür passt“ (Bruno 21904, 93), sei es, um ihn als „Entdecker der schönsten Geheimnisse der Geometrie“ („inventor di più bei secreti di geometria“; Bruno 1973, 156) zu preisen, übernimmt Bruno wichtige metaphysische Grundlagen seiner Theorie des unendlichen Universums aus Cusanus’ Werken: die Konzeption der Weltseele („anima mundi“) als universelle Form bzw. als „potestà di fare“ und die Konzeption der Materie als „potestà di esser fatto“, deren dynamische Verhältnisbestimmung von „complicatio“ und „explicatio“, sowie die Theorie der Koinzidenz von Akt und Potenz („coincidenza della potenza, et atto“) im einen höchsten Seienden
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Die Rezeption der cusanischen Philosophie und Theologie
(ebd., 114). Auch die verschiedenen, für Brunos Metaphysik wichtigen Formen der Koinzidenz (im „maximum“, im „minimum“, von „minimum“ und „maximum“) werden unter direkter Bezugnahme auf cusanische Ausführungen entwickelt. Dabei greift Bruno nicht nur einzelne Begriffe oder kurze Zitate auf, vielmehr schreibt er nicht selten längere Passagen aus cusanischen Schriften, besonders aus dem Trialogus de possest, aber auch De beryllo, De docta ignorantia und De coniecturis in fast wörtlicher Übersetzung aus. Dabei nimmt er jedoch im Detail mehr oder weniger bedeutsame Umakzentuierungen vor, so dass die inhaltlichen Bezüge und Transformationen weitaus komplexerer Natur sind, als es das Selbstzeugnis Brunos und die sich an ihm orientierenden Interpretationen vorgeben. Mögen auch die Differenzen zwischen Bruno und Cusanus bei genauem Hinsehen deutlich geringer sein als zumeist angenommen, so steht doch fest, dass Bruno, indem er den Gedanken der „creatio ex nihilo“ fallen lässt, das Universum und sein absolutes Prinzip wesentlich enger aufeinander bezieht als Cusanus, bei dem das Nichts zwischen beide tritt und das absolut Größte (Gott) vom eingeschränkt Größten (Universum) abgrenzt. Ebenso lässt Bruno die cusanische Unterscheidung zwischen der absoluten Möglichkeit im Sinne eines unendlichen Machenkönnens („posse facere“) Gottes und der eingeschränkten Möglichkeit im Sinne eines limitierten Werdenkönnens („posse fieri“) des Universums nicht gelten. Auch das Universum ist charakterisiert durch die Koinzidenz von Möglichkeit und Wirklichkeit und erscheint daher als die vollständige Entfaltung der Seinsfülle des absoluten Ursprungs. Löst man sich von dem Zwang, Texte auf strikte Eindeutigkeit einer hinter ihnen liegenden Autorenintention festlegen zu wollen, so kann allerdings gerade die – systematisch begründete – Ambiguität der Doktrinen von Cusanus und Bruno zum Indiz ihrer Konkordanz werden. Wie diese Konkordanzen und die zweifellos vorhandenen Differenzen zwischen Bruno und Cusanus genau zu bestimmen und zu interpretieren sind, wird – zu Recht – noch immer kontrovers diskutiert. Stephan Meier-Oeser
IV Anhang
Zeitleiste zu Leben, Werk und Umfeld des Nikolaus von Kues
Anhang Zeitleiste zu Leben, Werk und Umfeld des Nikolaus von Kues
Cusanus
Datum
Ereignisse
1378–1417
Großes Abendländisches Schisma
1400–1410
Ruprecht III. von der Pfalz (* 1352) wird nach der Absetzung Wenzels IV. von Luxemburg (1361–1419) zum dt. König gewählt
* in Kues gegenüber von Bern- 1401 kastel als Sohn des Schiffers und Kaufmanns Henne Kryfftz bzw. Johann Krebs 1404–1406 Papst Innozenz VII., vormals Cosimo Gentile de’ Migliorati (1336–1406) 1404
† Philipp II., der Kühne, Herzog von Burgund (* 1342) * Leon Battista Alberti († 1472), ital. Humanist, Schriftsteller, Mathematiker, Kunst- und Architekturtheoretiker sowie Architekt
1406–1415
Papst Gregor XII., vormals Angelo Correr (1335–1417)
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Cusanus
Anhang
Datum
Ereignisse
1406–1454
Johann II., König von Kastilien (* 1405)
1407
Der Machtkampf zwischen den Herzögen von Burgund und Orléans um die Vormundschaft über den König Karl VI. (1380–1422) und die Regentschaft in Frankreich endet mit der Ermordung Herzog Ludwigs von Orléans (1372– 1407) durch Johann (Ohnefurcht) von Burgund (1371–1419); in Frankreich folgen bürgerkriegsähnliche Zustände * Lorenzo Valla († 1457), ital. Humanist
1409
Konzil von Pisa und Wahl Alexanders V., vormals Petrus von Candia (1340– 1410), zum Gegenpapst
1410–1415
Johannes XXIII., vormals Baldassare Cossa (um 1370–1419), wird zum Nachfolger Papst Alexanders V. gewählt
1410
Schlacht bei Tannenberg: Niederlage des Dt. Ordens gegen die Polen Doppelwahl Sigismunds von Luxemburg (1368–1437) und Jobsts, Markgraf von Mähren und Brandenburg (1351–1411) zum dt. König
1410–1437
Sigismund von Luxemburg wird nach dem Tod Jobsts von Mähren alleiniger röm.-dt. König
1411
Erster Friede von Thorn zwischen dem Dt. Orden und Polen endet mit dem Verlust Samogitiens für den Orden
Zeitleiste zu Leben, Werk und Umfeld des Nikolaus von Kues
Cusanus
Datum
377
Ereignisse Mark Brandenburg fällt an die Hohenzollern; ab 1417 wird Friedrich I. (1371–1440) Markgraf und Kurfürst von Brandenburg
1412
Beginn des Konfl iktes zwischen den Böhmen (Jan Hus) und der röm. Kirche
1413–1422
Heinrich V., König von England (* 1387)
1414–1418
Konzil von Konstanz
1415
Jan Hus (* 1369) wird auf dem Konstanzer Konzil verbrannt Erlass des Konzilsdekrets Haec sancta (Konzilssuperiorität) Wiederaufnahme des Hundertjährigen Krieges zwischen Frankreich und England, das in der Schlacht bei Azincourt siegt und bis 1420 große Teile Frankreichs erobert
Studium an der Universität Heidelberg
1416/17
1417–1423 Juristisches Studium an der Universität Padua. Abschluss: „doctor decretorum“ (Doktor des kanonischen Rechtes) 1417
Ende des Abendländischen Schismas durch die Wahl Papst Martins V. auf dem Konstanzer Konzil
378
Cusanus
Anhang
Datum
Ereignisse Erlass des Konzilsdekrets Frequens (periodische Abhaltung von Konzilien) Vier Prager Artikel der Hussiten (Forderung nach freier Predigt, Kelchkommunion, Armut der Kirche, Bestrafung aller Todsünder)
1417–1431
Papst Martin V., vormals Oddo Colonna (1367–1431)
1419
Ermordung des burgundischen Herzogs Johann Ohnefurcht durch Anhänger des französischen Thronfolgers; sein Sohn, Herzog Philipp der Gute (1396–1467), schließt sich im Hundertjährigen Krieg der englischen Seite an Beginn der Hussitenkriege
um 1420
Entstehung der Imitatio Christi des Augustiner-Chorherren der Windesheimer Kongregation Thomas Hemerken von Kempen (1379/80–1471)
1422
Vergebliche Belagerung Konstantinopels durch die Türken
1422–1461
Karl VII., König von Frankreich (* 1403)
1422–1461
Heinrich VI., König von England (1421–1471)
1423
Markgrafen von Meißen aus dem Hause Wettin werden Kurfürsten von Sachsen
Zeitleiste zu Leben, Werk und Umfeld des Nikolaus von Kues
Cusanus
Datum
379
Ereignisse * Georg von Peurbach († 1461), dt.-österr. Astronom
1423/24 Immatrikulation an der Universität zu Köln
Konzil von Pavia-Siena
1425
1426
Beginn der Hussiteneinfälle in die Nachbarländer
Als Sekretär des Trierer Erz- 1427 bischofs Otto von Ziegenhain (um 1380–1430) in Rom Dekan des Stiftes St. Florin in Koblenz Exzerpiert in Paris Werke von 1428 Ramon Lull 1429
Öffentliches Auftreten von Jeanne d’Arc (* 1412) und Krönung Karls VII. in Reims zum frz. König Beginn des frz. Wiedererstarkens im Hundertjährigen Krieg † Johannes Gerson (* 1363), frz. Theologe und Kanzler der Pariser Universität
1430–1436
Der Trierer Elekt Ulrich von 1430 Manderscheid († 1438) macht Cusanus zu seinem Kanzler
Trierer Bistumsstreit um die Nachfolge auf dem Trierer Bischofssitz
380
Anhang
Cusanus
Datum
Ereignisse
1431
Inquisitionsprozess und Hinrichtung von Jeanne d’Arc in Rouen
Erste Predigten; im Zeitraum bis 1463 sind insgesamt 294 Sermones überliefert
Vernichtende Niederlage eines Kreuzzugsheeres unter Kardinal Guiliano Cesarini (1398–1444) und Friedrich I. von Brandenburg gegen die Hussiten bei Taus 1431–1447
3. März, Papst Eugen IV., vormals Gabriele Condulmer (* 1383)
1431–1449
Konzil von Basel (ab 1448 in Lausanne)
Als Anwalt Ulrichs von Man- 1432 derscheid beim Basler Konzil Beteiligung an den Verhandlungen des Konzils mit den böhm. Hussiten
1433
Gianfrancesco I. Gonzaga wird Markgraf von Mantua (1395–1444) Kaiserkrönung Sigismunds von Luxemburg in Rom
De usu communionis De maioritate auctoritatis sacrorum conciliorum supra auctoritatem papae
1433/34
1434 De concordantia catholica; De auctoritate praesidendi in concilio
Niederlage der Hussiten in der Schlacht bei Lipaný
Cosimo de Medici (1389–1464) wird Herrscher von Florenz
Zeitleiste zu Leben, Werk und Umfeld des Nikolaus von Kues
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Cusanus
Datum
Ereignisse
Propst des Stifts Münstermaifeld
1435
Friede von Arras zwischen Frankreich und Burgund
De reparatione kalendarii
1436
Iglauer Kompaktaten: Ausgleich der Hussiten mit dem Basler Konzil, wird von Papst Eugen IV. nicht anerkannt * Johann(es) Müller, genannt Regiomontanus († 1476), dt. Mathematiker, Astronom und Verleger
Verlässt das Konzil von Basel 1437
Verlegung des Basler Konzils nach Ferrara durch Papst Eugen IV.; die Konzilsmaiorität bleibt in Basel
Reise nach Konstantinopel im Auftrag der Konzilsminorität, um die Byzantiner für ein Unionskonzil in Italien zu gewinnen 1438–1439
Albrecht II. von Habsburg (* 1397), röm.-dt. König
Rückkehr nach Italien zusam- 1438 men mit einer großen byz. Delegation
Dt. Kurfürsten erklären sich im Streit zwischen Konzil und Papst Eugen IV. für neutral
Teilnahme am Reichstag zu Nürnberg
‚Pragmatische Sanktion von Bourges‘ begründet den Gallikanismus
Teilnahme am Reichstag zu Mainz
1438–1481
Alfons V. der Afrikaner (* 1432), König von Portugal
1439
Jakob I. von Sierck wird Erzbischof von Trier (1398–1456)
382
Anhang
Cusanus
Datum
Ereignisse Basler Konzil erklärt die Konzilssuperiorität zum verpfl ichtenden Glaubenssatz, setzt Papst Eugen IV. ab und wählt Herzog Amadeus VIII. von Savoyen zum neuen Papst Felix V. (1383–1451) Verlegung des Konzils von Ferrara nach Florenz durch Papst Eugen IV., wo es zur Kirchenunion mit der byz. und bis 1445 mit weiteren Ostkirchen kommt
1440–1493
Friedrich III. von Habsburg (* 1415), röm.-dt. König und Kaiser
Abschluss von De docta igno- 1440 rantia in Kues Teilnahme am Reichstag zu Mainz
1441
Frieden von Kopenhagen: Hanse muss die Ostsee für Holland öffnen
1441–1451
Herzogtum Luxemburg wird von Burgund übernommen
Dialogus concludens Amedistarum errorem ex gestis et doctrina concilii Basiliensis
De coniecturis
1441/42
Teilnahme an den Reichstagen 1442 zu Nürnberg und Frankfurt Epistola ad Rodericum Sancium de Arevalo
Zeitleiste zu Leben, Werk und Umfeld des Nikolaus von Kues
Cusanus
Teilnahme am Reichstag zu Nürnberg
383
Datum
Ereignisse
1442–1443
Alfons V. von Aragon siegt über René I. von Anjou-Provence (1409–1480) und wird König von Neapel, wodurch die spanische Vorherrschaft in Süditalien gefestigt wird; Vereinigung des Königreichs Neapel mit der Krone von Aragon und Sizilien
1443–1468
Widerstand Albaniens gegen die Türken
1444
Vernichtende Niederlage eines christlichen Kreuzfahrerheeres unter dem päpstlichen Legaten Kardinal Guiliano Cesarini gegen die Türken in der Schlacht bei Varna (Ungarn) † Leonardo Bruni (* 1369), ital. Humanist und Staatskanzler von Florenz
1444–1457
Ladislaus Postumus (* 1440), Sohn König Albrechts II. von Habsburg, wird als König von Ungarn anerkannt; Reichsverweser wird der ungar. Staatsmann und Heeresführer Johannes Hunyadi (1387/1407–1456)
Responsio de intellectu evan- 1444–46 gelii Ioannis (Quomodo ratio divina sit vita) 1444–1449 Köln-Klever Streit (Soester Fehde) zwischen dem Kölner Erzbischof Dietrich II. von Moers (1385–1463) und den Herzögen von Kleve um die Stadt Soest
384
Anhang
Cusanus
Datum
Ereignisse
De deo abscondito, De quae- 1445 rendo deum, De filiatione dei, De dato patris luminum, De geometricis transmutationibus (der erste von zehn mathematischen Traktaten) und De arithmeticis complementis † Oswald von Wolkenstein (* ca. 1376/77), tirol. Dichter, Komponist und Diplomat De visitatione, Coniectura de 1446 ultimis diebus 1446–1490
Sigismund, Herzog von Österreich, Graf von Tirol (1427–1496); 1490 Amtsverzicht
Teilnahme an den Reichstagen 1446/47 zu Frankfurt und Aschaffenburg als apostolischer Legat 1447–1455
Papst Nikolaus V., vormals Tommaso Parentucelli (* 1397)
1447–1492
Kasimir IV. Jagiełło, König von Polen, Großfürst von Litauen (1427–1492)
Dialogus de genesi
1447
Erhebung zum Kardinal
1448
Wiener Konkordat zwischen dem Heiligen Röm. Reich und Papst Nikolaus V.
Zeitleiste zu Leben, Werk und Umfeld des Nikolaus von Kues
Cusanus
Datum
385
Ereignisse Auseinanderbrechen der Union von Kalmar (seit 1397), der Vereinigung der Königreiche Dänemark, Norwegen und Schweden
Apologia doctae ignorantiae
1449
Auflösung des Konzils in Lausanne * Lorenzo di Medici, il Magnifico († 1492), seit 1469 Herrscher in Florenz
um 1450
Erfi ndung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg * Jacques Lefèvre d’Étaples, genannt Faber Stapulensis († 1536), frz. Theologe, Humanist und Verleger
Provision mit dem Bistum von 1450 Brixen und Bischofsweihe in Rom
Francesco Sforza (1401–1466) wird Herzog von Mailand
De circuli quadratura, Idiota de sapientia, Idiota de mente, Idiota de staticis experimentis, De quadratura circuli 1450–1456
Beilegung des Streits um den Bischofsstuhl von Brixen
1451
Münstersche Stiftsfehde um die Besetzung des Bischofsstuhls in Münster zwischen Walram von Moers (* 1393– 1456), Bruder des Kölner Erzbischofs Dietrich II. von Moers, und Erich I. von Hoya (um 1410–1458)
386
Anhang
Cusanus
Datum
Die große Legationsreise durch Deutschland und angrenzende Gebiete
1451/52
Karfreitag 1452: Beginn der bischöfl ichen Tätigkeit in Brixen
Ereignisse
1451
* Christoph Kolumbus († 1506), ital. Seefahrer in span. Diensten
1452
Kaiserkrönung Friedrichs III. in Rom
Epistolae ad Bohemos
Borso d’Este (1413–1471) wird zum Herzog von Modena ernannt * Leonardo da Vinci († 1519), ital. Universalgelehrter 1453
Eroberung Konstantinopels durch die Türken Ende des Hundertjährigen Krieges mit einer vernichtenden Niederlage der Engländer Krönung Ladislaus Postumus’ zum König von Böhmen, Reichsverweser wird Georg von Podiebrad (1420–1471)
De complementis theologicis (Complementum theologicum), De pace fi dei, De mathematicis complementis, De visione dei
1453
1454 Declaratio rectilineationis curvae, Epistola ad Ioannem de Segobia
Zeitleiste zu Leben, Werk und Umfeld des Nikolaus von Kues
Cusanus
Datum
387
Ereignisse Friede von Lodi: Entstehung eines Gleichgewichts zwischen den fünf ital. Hauptmächten Mailand, Venedig, Florenz, Neapel und dem Kirchenstaat
De una recti curvique mensura
1454–1457
1454–1466
Krieg zwischen dem Dt. Orden und Polen
1454–1474
Heinrich IV. (* 1425), König von Kastilien
1455
* Johannes Reuchlin († 1522), dt. Philosoph, Humanist, Jurist und Diplomat
1455–1458
Papst Calixt III., vormals Alfons de Borja (*1378)
1455–1485
Rosenkriege zwischen den Häusern York und Lancaster in England um die Königskrone
1456
Niederlage der Türken vor Belgrad
Quadratura circuli, De caesa- 1457 rea circuli quadratura
† König Ladislaus Postumus, habsburgischer König von Böhmen und Ungarn
Verlässt Brixen und zieht auf Burg Buchenstein (Andraz) Verlässt Buchenstein (Andraz) 1458 und reist nach Rom Stiftungsurkunde für das St. Nikolaus-Hospital in Kues (Stiftung der Familie Kryfftz)
† Alfons V., König von Aragon, Sizilien und Neapel (* 1396)
388
Anhang
Cusanus
Datum
Ereignisse
1458–1464
Papst Pius II., vormals Enea Silvio Piccolomini (1405–1464)
1458–1471
Georg von Podiebrad, König von Böhmen (1420–1471)
1458–1479
Johann II., König von Aragon und Sizilien (1397/98–1479)
1458–1490
Matthias Corvinus, Sohn von Johannes Hunyadi, König von Ungarn (1443– 1490)
1458–1494
Ferdinand I. bzw. Ferrante, König von Neapel (1424–1494)
De beryllo, De mathematica perfectione
Ernennung zum Generalvikar 1459 ‚in temporalibus‘ des Kirchenstaates durch Papst Pius II.
Papst Pius II. beruft Fürstenkongress von Mantua ein
De aequalitate und Tu quis es – De principio, Reformatio generalis, Aurea propositio in mathematicis
† Poggio Bracciolini (* 1380), ital. Humanist
Kurzzeitige Rückkehr in das 1460 Bistum Brixen. Nach Gefangennahme und Erpressung durch Herzog Sigismund in Bruneck verlässt Cusanus sein Bistum und lebt bis zu seinem Tod als Kurienkardinal in Rom. Unabhängig davon bleibt er nominell Fürstbischof von Brixen
Pius II. erlässt die Bulle Execrabilis mit dem Verbot der Appellation an das Konzil
Zeitleiste zu Leben, Werk und Umfeld des Nikolaus von Kues
Cusanus
Datum
Trialogus de possest
389
Ereignisse Eroberung der Walachei durch die Türken † Heinrich der Seefahrer (* 1394), Infant von Portugal und Förderer der port. Expansion im Atlantik
1460–1483
Cribratio Alkorani
1460/61
Directio speculantis seu de li non aliud
1461/62
De venatione sapientiae
Eduard IV., König von England (1442– 1483)
1461–1483
Ludwig XI., König von Frankreich (* 1423)
1461
Eroberung des byz. Teilreiches Trape– zunt durch die Türken
1461–1463
Krieg zwischen Kaiser Friedrich III. und seinem Bruder Herzog Albrecht VI. (1418–1463) um das territoriale Erbe von Ladislaus Postumus
1462 1462–1505
De ludo globi
1462/63
Epistola ad Nicolaum Bononiensem, Compendium
1463
Iwan III., Großfürst von Moskau (1440– 1505), verheiratet mit der Nichte des letzten byz. Kaisers, tritt dessen Nachfolge als „Zar“ an
Bosnien wird von den Türken erobert
390
Anhang
Cusanus
Datum
Ereignisse * Giovanni Pico della Mirandola († 1494), ital. Philosoph
De apice theoriae
1464
† 11. August zu Todi in Umbrien
† 15. August: Papst Pius II. in Ancona † Rogier van der Weyden (*1399/1400), niederl. Maler
1465
Einweihung und Eröffnung des St. Nikolaus-Hospitals in Kues
Bibliographie
Primärliteratur Werke des Nikolaus von Kues
Nicolai de Cusa opera omnia iussu et auctoritate Academiae Litterarum Heidelbergensis ad codicum fidem edita Bibliographie
h I: De docta ignorantia, ed. Ernst Hoffmann / Raymond Klibansky, Leipzig 1932. h II: Apologia doctae ignorantiae, ed. Raymond Klibansky, Hamburg 22007. h III: De coniecturis, ed. Joseph Koch / Karl Bormann, Hamburg 1972. h IV: De deo abscondito. De quaerendo deum. De fi liatione dei. De dato patris luminum. Coniectura de ultimis diebus. De genesi, ed. Paul Wilpert, Hamburg 1959. h V: Idiota de sapientia. Idiota de mente. Idiota de staticis experimentis, ed. Renate Steiger, Hamburg 21983. h VI: De visione dei, ed. Heide D. Riemann, Hamburg 2000. h VII: De pace fidei. Epistula ad Ioannem de Segobia, ed. Raymond Klibansky / Hildebrand Bascour OSB, Hamburg 1959. h VIII: Cribratio Alkorani, ed. Ludwig Hagemann, Hamburg 1986. h IX: Dialogus de ludo globi, ed. Hans G. Senger, Hamburg 1998. h X / 1: De aequalitate (vita erat lux hominum) et appendicem Responsio de intellectu evangelii Ioannis (quomodo ratio divina sit vita), ed. Hans G. Senger, Hamburg 2001. h X / 2a: De Deo unitrino principio [pars] a: De theologicis complementis, ed. Karl Bormann / Heide D. Riemann, Hamburg 1994. h X / 2b: De Deo unitrino principio [pars] b: Tu quis es, ed. Karl Bormann / Heide D. Riemann, Hamburg 1988.
392
Anhang
h XI / 1: De Beryllo, ed. Hans G. Senger / Karl Bormann, Hamburg 21988. h XI / 2: Trialogus de possest, ed. Renate Steiger, Hamburg 1973. h XI / 3: Compendium, ed. Bruno Decker / Karl Bormann, Hamburg 1964. h XII: De venatione sapientiae. De apice theoriae, ed. Raymond Klibansky / Hans G. Senger, Hamburg 1982. h XIII: Directio speculantis seu de non aliud, ed. Ludwig Baur / Paul Wilpert, Leipzig 1944. h XIV: De concordantia catholica libri tres, ed. Gerhard Kallen, Hamburg 1963. h XV / 1: Opuscula bohemica, ed. Stephan Nottelmann / Hans G. Senger, Hamburg (in Vorbereitung). h XV / 2: Opuscula ecclesiastica. Epistola ad Rodericum Sancium et Reformatio generalis, ed. Hans G. Senger, Hamburg 2008. h XVI: Sermones I (1430 –1441), Sermo I–XXVI, ed. Rudolf Haubst / Martin Bodewig / Werner Krämer / Heinrich Pauli, Hamburg 1991. h XVII: Sermones II (1443 –1452), Sermo XXVII–CXXI, ed. Marc-Aeilko Aris / Rudolf Haubst / Heidi Hein / Hermann Schnarr, Hamburg 2009. h XVIII: Sermones III (1452–1455), Sermo CXXII–CCIII, ed. Silvia Donati / Rudolf Haubst / Isabelle Mandrella / Heinrich Pauli / Harald Schwaetzer / Franz-Bernhard Stammkötter, Hamburg 2007. h XIX: Sermones IV (1455–1463), Sermo CCIV–CCXCIII, ed. Marc-Aeilko Aris / Silvia Donati / Walter A. Euler / Isabelle Mandrella / Klaus Reinhardt / Heide D. Riemann / Harald Schwaetzer / Franz-Bernhard Stammkötter, Hamburg 2008. h XX: Scripta mathematica, ed. Menso Folkerts, Hamburg 2010.
Acta Cusana. Quellen zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues. Im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, ed. Erich Meuthen / Hermann Hallauer, wird fortgeführt von Johannes Helmrath I / 1, 1401–17. Mai 1437, ed. Erich Meuthen, Hamburg 1976. I / 2, 17. Mai 1437–31. Dezember 1450, ed. Erich Meuthen, Hamburg 1983. I / 3a, 3. Januar 1451–5. September 1451, ed. Erich Meuthen, Hamburg 1996. I / 3b, 5. September 1451–März 1452, ed. Erich Meuthen, Hamburg 1996. I / 4, Indices, ed. Erich Meuthen, Hamburg 2000. II / 1, 1. April 1452–29. Mai 1453, ed. Hermann Hallauer / Erich Meuthen / Johannes Helmrath / Thomas Woelki, Hamburg 2012.
Bibliographie
393
Nicolaus de Cusa: Cusanus-Texte (Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse) Bd. I, Predigten 1, „Dies santificatus“ vom Jahre 1439 (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl. 1928 / 29, 3), Heidelberg 1929. Bd. I, Predigten 2–5, Vier Predigten im Geiste Eckharts, mit lit. Einl. u. Erl. hg. v. Josef Koch (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl. 1936 / 37, 2), Heidelberg 1937. Bd. I, Predigten 6, Die Auslegung des Vaterunsers in 4 Predigten, hg. u. untersucht von Josef Koch / Hans Teske (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl. 1938 / 39, 4), Heidelberg 1940. Bd. I, Predigten 7, Untersuchungen über Datierung, Form, Sprache und Quellen; Kritisches Verzeichnis sämtlicher Predigten, hg. v. Josef Koch (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl., 1941 / 42, 1), Heidelberg 1942. Bd. II, Traktate 1, De auctoritate presidendi in concilio generali, mit Erl. hg. v. Gerhard Kallen (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl. 1935 / 36, 3), Heidelberg 1935. Bd. II, Traktate 2, De maioritate auctoritatis sacrorum conciliorum supra auctoritatem papae, hg. u. erl. v. Erich Meuthen (Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl. 1977, 3), Heidelberg 1977. Bd. III, Marginalien 1, Nicolaus Cusanus und Ps. Dionysius im Lichte der Zitate und Randbemerkungen des Cusanus, hg. v. Ludwig Baur (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl. 1940 / 41, 4), Heidelberg 1941. Bd. III, Marginalien 2, Proclus Latinus. Die Exzerpte und Randnoten des Nikolaus von Kues zu den lateinischen Übersetzungen der Proclus-Schriften: 2.1 Theologia Platonis. Elementatio theologica, hg. u. erl. v. Hans G. Senger (Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl. 1986, 2), Heidelberg 1986. Bd. III, Marginalien 3, Raimundus Lullus. Die Exzerpte und Randnoten des Nikolaus von Kues zu den Schriften des Raimundus Lullus. Extractum ex libris meditacionum Raymundi, hg. v. Theodor Pindl-Büchel (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl. 1990, 1), Heidelberg 1990. Bd. III, Marginalien 4, Raimundus Lullus. Die Exzerptensammlung aus Schriften des Raimundus Lullus im Codex Cusanus 83, hg. v. Ulli Roth (Schriften der Phil.-hist. Kl. der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 13), Heidelberg 1999. Bd. III, Marginalien 5, Apuleius, Hermes Trismegistus. Aus Codex Bruxellensis 10054 –56, hg. u. erl. v. Pasquale Arfé (Schriften der Phil.-hist. Kl. der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 32), Heidelberg 2004.
394
Anhang
Bd. IV, Briefwechsel des Nikolaus von Cues, 1. Sammlung, Nikolaus von Cues und seine Umwelt, hg. v. Josef Koch (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl. 1942 / 43, 2), Heidelberg 1944. Bd. IV, Briefwechsel des Nikolaus von Kues, 2. Sammlung, Das Brixner Briefbuch des Kardinals Nikolaus von Kues, hg. v. Friedrich Hausmann (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl. 1952, 2), Heidelberg 1952. Bd. IV, Briefwechsel des Nikolaus von Kues, 3. Sammlung, Das Vermächtnis des Nikolaus von Kues. Der Brief an Nikolaus Albergati nebst der Predigt in Montoliveto (1463), hg. u. erl. v. Gerda von Bredow (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl. 1955, 2), Heidelberg 1955. Bd. IV, Briefwechsel des Nikolaus von Kues, 4. Sammlung, Nikolaus von Kues und der Deutsche Orden. Der Briefwechsel des Kardinals Nikolaus von Kues mit dem Hochmeister des Deutschen Ordens, hg. u. erl. v. Erich Maschke (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl. 1956, 21), Heidelberg 1956. Bd. V, Brixener Dokumente, 1. Sammlung, Akten zur Reform des Bistums Brixen, hg. u. erl. v. Heinz Hürten (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Kl. 1960, 2), Heidelberg 1960. Meuthen, Erich: Nikolaus von Kues: Dialogus concludens Amedistarum errorem ex gestis et doctrina concilii Basiliensis, in: MFCG 8 (1970), 11–114.
Übersetzungen und zweisprachige Ausgaben
Deutsch Nikolaus von Kues, Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung, im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, hg. v. Ernst Hoffmann, Paul Wilpert und Karl Bormann (Philosophische Bibliothek) Bohnenstädt, Elisabeth (Hg.): De visione dei. Von Gottes Sehen (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 4, PhB 219), Hamburg 21944. – De possest. Vom Können-Sein. De apice theoriae. Vom Gipfel der Betrachtung (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 9, PhB 229), Hamburg 1947. – De deo abscondito. De quaerendo deum. De fi liatione dei. Drei Schriften vom ver-
Bibliographie
395
borgenen Gott (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 3, PhB 218), Hamburg 31958. – Idiota de sapientia. Der Laie über die Weisheit (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 1, PhB 216), Hamburg 51977. Bormann, Karl (Hg.): Tu quis es (De principio). Über den Ursprung (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 23, PhB 487), Hamburg 2001. – De beryllo. Über den Beryll (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 2, PhB 295), Hamburg 42002. Bredow, Gerda von (Hg.): De ludo globi. Vom Globusspiel (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 22, PhB 233), Hamburg 21978. – Dialogus de ludo globi. Gespräch über das Globusspiel (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 22, PhB 467), Hamburg 1999. Decker, Bruno / Bormann, Karl (Hg.): Compendium. Kompendium (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 16, PhB 267), Hamburg 31996. Fleischmann, Karl (Hg.): De beryllo. Über den Beryll (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 2, PhB 217), Leipzig 1938. Hagemann, Ludwig / Glei, Reinhold (Hg.): Cribratio Alkorani. Sichtung des Korans, 3 Bde. (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 20a–20c, PhB 420a– 420c), Hamburg 1989–1993. Hölscher, Gustav (Hg.): Cribratio Alkorani. Sichtung des Korans, Buch 2 und 3 (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 7, PhB 222), Leipzig 1946. Hoffmann, Ernst (Hg.): Die Kalenderverbesserung. De correctione kalendarii, Heidelberg 1955. – Über den Ursprung. De principio (Schriften des Nicolaus von Cues), Heidelberg 1967. Hofmann, Josepha / Hofmann, Joseph (Hg.): Die mathematischen Schriften (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 11, PhB 231), Hamburg 21980. Honecker, Martin / Menzel-Rogner, Hildegund (Hg.): Idiota de mente. Der Laie über den Geist (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 11, PhB 228), Leipzig 1949. Koch, Josef / Happ, Winfried (Hg.): De coniecturis. Mutmaßungen (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 17, PhB 268), Hamburg 32002. Menzel-Rogner, Hildegund (Hg.): Idiota de staticis experimentis. Der Laie über Versuche mit der Waage (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 5, PhB 220), Leipzig 21944. Mohler, Ludwig (Hg.): De pace fidei. Über den Frieden im Glauben (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 8, PhB 223), Leipzig 1943. Naumann, Paul (Hg.): Cribratio Alkorani. Sichtung des Korans, Buch 1 (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 6, PhB 221), Hamburg 21948.
396
Anhang
Senger, Hans G. (Hg.): De docta ignorantia. Die belehrte Unwissenheit, Buch 3 (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 15c, PhB 264c), Hamburg 1977. – De apice theoriae. Die höchste Stufe der Betrachtung (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 19, PhB 383), Hamburg 1986. Steiger, Renate (Hg.): Idiota de sapientia. Der Laie über die Weisheit (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 1, PhB 411), Hamburg 1988. – Trialogus de possest. Dreiergespräch über das Können-Ist (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 9, PhB 285), Hamburg 31991. – Idiota de mente. Der Laie über den Geist (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 21, PhB 432), Hamburg 1995. Wilpert, Paul (Hg.): De li non aliud. Vom Nichtanderen (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 12, PhB 232), Hamburg 21976. – / Senger, Hans G. (Hg.): De docta ignorantia. Die belehrte Unwissenheit, Buch 1 (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 15a, PhB 264a), Hamburg 4 1994. – / Senger, Hans G. (Hg.): De docta ignorantia. Die belehrte Unwissenheit, Buch 2 (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 15b, PhB 264b), Hamburg 31999. – / Bormann, Karl (Hg.): De venatione sapientiae. Die Jagd nach der Weisheit (Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung 24, PhB 549), Hamburg 2003.
Nikolaus von Kues, Textauswahl in deutscher Übersetzung, hg. v. Institut für Cusanus-Forschung an der Universität und der Theologischen Fakultät Trier, bisher 8 Hefte Heft 1: Haubst, Rudolf: De pace fidei. Der Friede im Glauben, Trier 32003. Heft 2: Jungandreas, Wolfgang / Gärtner, Kurt / Rapp, Andrea: Die Vaterunser-Erklärung in der Volkssprache, Trier 21999. Heft 3: Pfeiffer, Helmut: De visione Dei, Trier 1985 (32007). Heft 4: Lentzen-Deis, Wolfgang: Vom rechten Hören und Verkündigen des Wortes Gottes. Sermo XLI (Prothema) und Sermo CCLXXX, Trier 1993. Heft 5: Schwaetzer, Harald: Über Gotteskindschaft, Trier 2001. Heft 6: Schwaetzer, Harald / Gehlen, Anne M. / Hoffmann, Matthias: De dato patris luminum. Die Gabe vom Vater der Lichter, Trier 2003. Heft 7: Schwaetzer, Harald / Zeyer, Kirstin: Ein lebendiges Loblied Gottes. Cusanus’ Gedenkbüchlein für Nikolaus von Bologna, Trier 2006. Heft 8: Schwaetzer, Harald: De quaerendo deum. Gott suchen, Trier 32009.
Bibliographie
397
Nikolaus von Kues, Predigten in deutscher Übersetzung Bd. 2: Sermones XXVII–CXXI, hg. v. Walter A. Euler / Viki Ranff / Klaus Reinhardt / Harald Schwaetzer, Münster 2013. Bd. 3: Sermones CXXII–CCIII, hg. v. Walter A. Euler / Klaus Reinhardt / Harald Schwaetzer, Münster 2007.
Gesamt- und Teilübersetzungen Dupré, Dietlind / Wilhelm: Nikolaus von Kues, Philosophisch-theologische Schriften, hg. u. eingef. v. Leo Gabriel, 3 Bde., Wien 21989. Scharpff, Franz A.: Des Cardinals und Bischofs Nicolaus von Cusa wichtigste Schriften in deutscher Übersetzung, Freiburg 1862, unveränd. Nachdr., Frankfurt a. M. 1966.
Übersetzungen einzelner Schriften Miethke, Jürgen / Weinrich, Lorenz (Hg.): Quellen zur Kirchenreform im Zeitalter der großen Konzilien des 15. Jahrhunderts, Bd. 2, Die Konzilien von Pavia / Siena (1423 / 24), Basel (1431–1449) und Ferrara / Florenz (1438 –1445) (Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters, Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 38b), Darmstadt 2002 (Dt. Übersetzung der „Reformatio generalis“). Nikolaus von Cues: Der Brief an Nikolaus Albergati, in: Nikolaus von Cues: Die Kunst der Vermutung. Auswahl aus den Schriften, besorgt und eingel. v. Hans Blumenberg (Sammlung Dietrich 128), Bremen 1957, 373 –389. Nikolaus von Kues: Die Erkenntnis des Johannesevangeliums, übers. v. Helmut Pfeiffer, hg. v. Harald Schwaetzer, in: Litterae Cusanae 1, 2 (2001), 67–70. Sikora, Josef / Bohnenstädt, Elisabeth: Nikolaus von Cues. Predigten 1430 –1441 (Schriften des Nicolaus von Cues), Heidelberg 1952. Weinrich, Lorenz (Bearb.): Quellen zur Reichsreform im Spätmittelalter (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 39), Darmstadt 2001 (Dt. Teilübersetzung von „De concordantia catholica“).
398
Anhang
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Namenregister Personen aus dem deutschsprachigen Raum aus der Zeit vor 1500 werden nach Vornamen ins Alphabet eingeordnet Abaelard 238, 358 Alain de Lille, siehe Alanus ab Insulis Alain de Varène 363 Alanus ab Insulis 221, 238 Alan of Lille, siehe Alanus ab Insulis Albert IV. v. Bayern-München 256 Alberti Leon Battista 375 Albertson, David 142–152, 170 –174 Albertus Magnus 206, 241, 253, 259, 358 Abrecht V., siehe Albrecht II. dt. Kg. Albrecht II., dt. Kg. 15–17, 29, 53, 381, 383 Albrecht VI., Hzg. v. Österreich 17, 389 Albrecht v. Brandenburg, Kard. 114 Aldobrandinus de Tuscanella 343 f., 348, 358 Alexander V., Papst 26, 376 Alexander VI., Papst 230 Alfons V., Kg. v. Aragón (I., Kg. v. Neapel) 23 f., 381, 383, 387 Álvarez-Gómez, Mariano 211 Amadeus VIII. v. Savoyen, siehe Felix V., Gegenpapst Ambrosius Traversari, siehe Traversari, Ambrogio André, João Maria 260 Andreas Stiborius 363
Namenregister
Anselm v. Canterbury 238 Antoninus Pius, röm. Ks. 113 Antoninus v. Florenz 227 Antonio Martins de Chaves, Kard. u. Bf. v. Porto 47 Apuleius 356 Archimedes 281–283, 286, 289 Arnolfo di Cambio 113 Asclepius 215 Augustin, siehe Augustinus Augustinus 143, 146, 169, 221, 259 Aventinus, Johannes 261 Bacher, Christiane 9, 179–191 Bacon, Francis 191 Bakos, Gergeley T. 210, 241, 243 Barbara v. Brandenburg 90, 97 Barbara Schöndorffer 87 Barbo, Pietro, siehe Paul II., Papst Baronio, Cesare, Kard. 306 Basilius d. Gr. (Basileios) 142 Baum Wilhelm 81 Baur, Ludwig 217 Beierwaltes, Werner 149, 173, 206 f., 221, 248 f., 356 Benedikt XIII., Papst 25–28, 295 Bergmans, Luc 149 Bernhard, Gf. v. Armagnac 19
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Bernhard v. Chartres 355 Bernhard v. Krayburg 231–234, 236 Bernhard v. Waging 83, 99, 151, 166, 192, 202, 308, 362 Bernhardin v. Siena 35, 358 Bessarion 142, 356 Biechler, James E. 197, 200, 211, 239 Biedermann, Benedikt 367, 369 Bischoff, Bernhard 141 Blanca, Kgn. v. Navarra 24 Blumenberg, Hans 264 Bocken, Iñigo 217 Bodin, Jean 201 Böhlandt, Marco 150 Boethius 146, 150, 221, 259, 357, 365 Bonaventura 149, 241, 272, 358 Bond, H. Lawrence 144, 149, 151, 260, 273 Bonifatius IX., Papst 25 Bormann, Karl 173, 194, 217, 265, 268 f. Bovelles, Charles de, siehe Bovillus Carolus Bovillus, Carolus 152, 254, 363 f., 371 Boyle, Marjorie O’Rourke 144 Bredow, Gerda v. 260 –262, 264 f. Bregno, Andrea 113 Briçonnet, Guillaume 260 Brösch, Marco 10, 105–128, 306 Bruno, Giordano 152, 217, 255, 257, 261, 367 f., 371 f. Bungus, Petrus 363 Bussi, Giovanni Andrea dei 108, 113, 231 f., 235 f., 245, 260 Calixt III., Papst 86, 89, 387 Campanella, Tommaso 371 Capranica, Domenico, Kard. 35 Carvajal, Juan (de), Kard. 53, 57, 108
Castagna, Giambattista, siehe Urban VII., Papst Celtis, Conrad 254, 362 f. Cervantes, Juan, Kard. 46, 209 Cesarini, Giuliano, Kard. 28, 35, 46, 51, 55, 142–144, 157, 292, 380, 383 Chalvet, Hyacinthe 368 Christianson, Gerald 131–138 Clarembald v. Arras 220 Clavius, Christopher 141 Clemens VII., Papst 25 Clemens VIII., Papst 28 Cochlaeus, Johannes 306 Colonna, Oddo, siehe Martin V., Papst Comenius, Johann Amos 255, 368 Condulmer, Gabriele, siehe Eugen IV., Papst Corrieras, Maude 217 Cossa, Baldassare, siehe Johannes XXIII., Papst Counet, Jean-Michel 149 Cranz, F. Edward 273 Cürsgen, Dirk 249 Cyrill v. Alexandrien 358 D’Amico, Claudia 217 David v. Dinant 175 Della Rovere, Giuliano, siehe Julius II., Papst Demetrius Palaiologos, Bruder v. Johannes VIII. 196 Descartes, René 191, 371 Deutinger, Martin 305 Dietrich v. Driel 107, 110 f. Dietrich v. Xanten 107, 115, 119, 125, 195 Dietrich II. von Moers 383, 385 Diogenes Laëtius 250 f., 253
Namenregister Dionysius Areopagita (Pseudo) 126 f., 136, 143, 145 f., 166, 175, 186, 192, 203 f., 207, 212 f., 222, 241, 245, 253, 259, 273, 314, 356 f., 364 Dionysius Carthusianus, siehe Dionysius der Kartäuser Dionysius der Kartäuser 211, 239, 273 Dionysius von Rijkel, siehe Dionysius der Kartäuser Domenico de’ Domenichi, 227 Dupré, Dietlind 217 Dupré, Louis 165, 207 Dupré, Wilhelm 206, 217 Eck, Johannes (Johann) 254, 363, 366 f., 369 Eduard IV., Kg. v. England 22, 389 Einstein, Albert 150 Emmerich Witzelmann 107 Epikur 253 Erich I. von Hoya 385 Eroli, Berardo, Kard. 108, 111 Eugen IV., Papst 15 f., 18, 28 f., 32, 40, 43, 45– 49, 52–58, 142, 171, 196, 291, 293 –295, 380 –382 Euklid 285, 288 f. Euler, Walter A. 10, 31–103, 199, 207, 210 f., 239, 243, 304, 306 –352 Eyck, Jan van 113 Faber Stapulensis, siehe Lefèvre d’Étaples, Jacques Feigl, Maria 223 Felix V., Gegenpapst 29, 32, 47, 294, 382 Ferdinand I. „v. Antequera“, Kg. v. Aragón 23 Ferdinand I. v. Aragón, Kg. v. Neapel 24, 388
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Ferdinand II. „der Katholische“, Kg. v. Aragón 23 f. Ficino, Marsilio 200, 217, 368 Flacius Illyricus 367 Flasch, Kurt 149, 177 f., 194, 206, 213, 217, 254, 265, 269, 273, 356 Fludd, Robert 369 Folkerts, Menso 279–290 Franckenberg, Abraham v. 367 Franz v. Assisi 239 Frederik v. Heiloo 60 Friedrich I. 377, 380 Friedrich VI., röm.-dt. Kg., Ks. 16 –18, 77, 110, 287, 294, 382, 386, 389 Friedrich IV., Burggf. v. Nürnberg, (I.) Mgf. v. Brandenburg 14, 377, 380 Führer, Markus L. 207 Gabriel Prack 86 Galilei, Galileo 150, 261 Gandillac, Maurice de 150, 260 Geissler, Alexandra 10, 13 –30 Gelmi, Josef 79 Georg v. Podiebrad, Kg. v. Böhmen 17, 386, 388 Gerhard, Johannes 305 Gerhard von Salona, Wbf. v. Trier 160 Gilbert, Abt v. Maria Laach 114 Gillen, André 211 Gilson, Étienne 199 Giovanni da Capestrano 302 Glei, Reinhold 241, 244 Goddard, Hugh 239 Goethe, Johann Wolfgang v. 368 Gogacz, Mieczyslaw 206 Goldammer, Kurt 150 Goldast v. Haiminsfeld, Melchior 306 Gonzaga, Barbara, siehe Barbara v. Brandenburg
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Gonzaga, Francesco 97, 100 Gonzaga, Gianfrancesco I. 380 Gonzaga, Lodovico 90 González, Ángel Luis 217 Gottlöber, Susan 195–201, 208–212, 238–244 Gramigna, Vincenzo 255 Grass, Nikolaus 70, 71 Gratian 132 Gregor I. d. Gr., Papst 69 Gregor XII., Papst 25–27, 295, 375 Gregor Heimburg 90 Gregor v. Nazianz 358 Guericke, Otto v. 371 Haas, Alois M. 207 Hagemann, Ludwig 241, 243 f. Hallauer, Hermann J. 68, 76, 79, 86, 88, 110, 304 Hamann, Johann Georg 368 Hardt, Hermann v. der 306 Harley, Edward 127 Harley, Robert 127 Haubst, Rudolf 149 f., 159 f., 165, 199, 202, 206, 211, 241, 275 f., 278, 316, 327 f., 356 –358 Haug, Walter 165 Hedwig, Klaus 164 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 368 Heinrich IV., Kg. v. England 21 Heinrich V., Kg. v. England 19, 21, 377 Heinrich VI., Kg. v. England 20 –22, 378 Heinrich VII., Kg. v. England 22 Heinrich III., Kg. v. Kastilien 23 Heinrich IV., Kg. v. Kastilien 23, 387 Heinrich „der Seefahrer“, Infant v. Portugal 24, 389 Heinrich Seuse 150 Heinrich Walpot 107, 126
Helander, Birgit 206, 304 Helmrath, Johannes 53, 304 Helwig v. Boppard 40, 42 Herder, Johann Gottfried 368 Hermann Roemer 32 Hermes Trismegistus (Trismegistos) 215, 259, 356, 368 Hesselbach, Jessica 9 Heymeric, siehe Heymericus de Campo Heymericus de Campo 38, 195, 200, 357 Heymeryc von den Velde, siehe Heymericus de Campo Hieronymus v. Prag 27 Hildegard v. Bingen 127, 151 Hoenen, Maarten J. F. M. 144 Homer 94 Honecker, Martin 141, 143 Honorius Augustodunensis 245 Hopkins, Jasper 200, 260, 269 Hoye, William J. 206 Hoyer, Ulrich 141 Hürten, Heinz 70 Hus, Jan, siehe Hus, Johannes Hus, Johannes 15, 27, 42, 377 Huygens, Christiaan 371 Iacobus Faber Stapulensis, siehe Lefèvre d’Étaples, Jacques Innozenz III., Papst 300 Innozenz VII., Papst 25, 375 Innozenz VIII., Papst 119 Isabella v. Bayern, Kgn. v. Frankreich 19 Isabella „die Katholische“, Kgn. v. Kastilien und Aragón 23 f. Isidor, Metropolit v. Kiew 46 Izbicki, Thomas M. 291–297 Jacobi, Friedrich Heinrich 368 Jacobus Cremonensis 286
Namenregister Jakob v. Misa 298, 302 Jakob v. Sierck, Ebf. v. Trier 39 f., 43, 56, 62, 323, 381 Jakobell v. Mies, siehe Jakob von Misa Jaspers, Karl 191 Jeanne d’Arc 19 f., 379 f. Joachim v. Fiore 169 Jobst v. Hornstein 86 Jobst, Mgf. v. Mähren und v. Brandenburg 14, 376 Johann II., Kg. v. Aragón-Navarra 24, 388 Johann II., Kg. v. Kastilien 23, 376 Johann I. d. Gr., Kg. v. Portugal 24 Johann II. v. Baden, Ebf. v. Trier 119 Johann v. Brandenburg 97 Johann Ohnefurcht, Hzg. v. Burgund 18 f., 376, 378 Johann Geiler v. Kaysersberg 68 Johann (Henne) Kryfftz / Cryfftz (Krebs), Vater v. Nikolaus v. Kues 32 f., 117, 375 Johann Röttel, Bf. v. Brixen 75 f., Johannes VIII. Palaiologos, byz. Ks. 142, 196 Johannes XXIII., Papst 26 f., 295, 376 Johannes Balbus von Genua 127 Johannes Chrysostomus 142, 358 Johannes v. Damaskus 358 Johannes Dursmitt 303 Johannes v. Eych 91 Johannes Gerson 73, 166, 192, 202, 208, 272, 379 Johannes Gutenberg (Gensfleisch) 127, 385 Johannes Hunyadi 17, 383, 388 Johannes Klimakos 358 Johannes Kryfftz / Cryfftz (Krebs), Bruder v. Nikolaus v. Kues 33 f., 117 f., 125
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Johannes, Prinz v. Bayern 255 Johannes Müller, siehe Johannes Regiomontanus Johannes v. Ragusa 28 Johannes Regiomontanus 289, 381 Johannes Rode 42 Johannes Römer v. Briedel 107 f. Johannes Rokycana 298, 301 Johannes v. Salisbury 220 f. Johannes Schlitpacher 69 Johannes Scotus (Scottus) Eriugena 150, 166, 175, 241, 245, 259, 358 Johannes v. Segovia 54 f., 95, 196, 198, 200, 208–212, 238 f., 241 Johannes v. Tarent 46 Johannes Trithemius 254, 365 Johannes Wenck v. Herrenberg 34, 137, 151, 174 –178, 293, 358 Joseph II., Patriarch v. Konstantinopel 142 Jouffroy, Jean, Kard. 97 f., 100 Juan de Palomar 28 Julius II., Papst 112 Julius III., Papst 230 Jungius, Joachim 261 Kallen, Gerhard 137 Kaltenbrunner, Ferdinand 141 Karl d. Gr. 135 Karl IV., röm.-dt. Kg., Ks. 14 Karl V., röm.-dt. Kg., Ks. 18 Karl VI., Kg. v. Frankreich 18 f., 376 Karl VII., Kg. v. Frankreich 19–21, 378 f. Karl der Kühne, Hzg. v. Burgund 18 Karl, Hzg. v. Orléans 19 Katharina v. Lancaster, Kgn. v. Kastilien 23 Katharina v. Valois, Kgn. v. England 19
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Katharina, Halbschwester v. Nikolaus v. Kues 34, 107, 117 Katharina Kryfftz / Cryfftz (Krebs), geb. Roemer, Mutter v. Nikolaus v. Kues 32 Kather, Regine 150 Kepler, Johannes 150, 191, 238, 371 Kerger, Tom 211, 243 f. Keussen, Hermann 38 Kiening, Christian 207 Kircher, Athanasius 261, 369–371 Klara Kryfftz / Cryfftz (Krebs), Schwester v. Nikolaus v. Kues 33 f., 117 f., 123 f. Klibansky, Raymond 144, 173, 201 Koch, Josef 31, 61, 66, 74, 153, 223, 276, 307, 327 f. Koller, Heinrich 15 Konrad v. Ammenhausen 258 Konrad v. Wartberg 160, 171 Konstantin d. Gr., röm. Ks. 52 Kopernikus, Nikolaus 150, 152 Krämer, Werner 304 Kremer, Klaus 206 Kristeller, Paul O. 264 Kuhn-Emmerich, Brigitte 243 Kymeus, Johannes 54, 201 Ladislaus V. Postumus, Kg. v. Ungarn 16 f., 383, 386 f., 389 Laínez, Diego 305 Landgrebe, Benjamin 10 Le Fèvre de La Boderie, Nicolas 370 Lefèvre d’Étaples, Jacques 127, 137, 152, 260, 305, 363 f., 366 f., 385 Leibniz, Gottfried Wilhelm 306, 368 f. Leidl, August 48 Leonardo da Vinci 260, 371, 386 Leonhard Wiesmayr (Wiesmayer, Wiesmair), Bf. v. Chur 58, 75, 77, 88
Lessing, Gotthold Ephraim 198, 200 f. Leutzgen, Johannes 126 Lorenzo di Medici, il Magnifico 385 Ludwig XI., Kg. v. Frankreich 21, 389 Ludwig, Hzg. v. Orléans 19, 376 Luther, Martin 244, 366 f. Mandrella, Isabelle 165 Marc Aurel, röm. Ks. 113 Margareta Kryfftz / Cryfftz (Krebs), Schwester v. Nikolaus v. Kues 34 Margarete v. Anjou 20 Maria, Hzgn. v. Burgund 18 Maria v. Wolkenstein 84, 320 Markos Eugenikos 51 Marsilius v. Padua 134 Martin Lupác 302 f. Martin V., Papst 27 f., 35–37, 39– 42, 378 Martin v. Schaumberg, Bf. v. Eichstätt 230 Martíns de Roriz, Fernando 108, 245 Marx, Jakob 276 Matim, Ferdinand, siehe Martíns de Roriz, Fernando Matthias v. Schweden 212 Matthias I. Corvinus, Kg. v. Ungarn 388 Maximilian I., röm.-dt. Kg., Ks. 18 Maximus Confessor 151, 358 McGinn, Bernard 149, 151, 166 –170 McTighe, Thomas P. 150 Medici, Cosimo, gen. „il Vecchio“ 22, 380 Mehmed II., Sultan 52, 94, 101, 239, 243 Meier-Oeser, Stephan 217, 361–372 Meister Eckhart 126, 145, 150, 165 f., 175, 259, 276, 335, 344, 358 Melanchthon, Philipp 367
Namenregister Menander 94 Mersenne, Martin 152, 371 Meurers, Joseph 150 Meuthen, Erich 32, 34, 36, 41, 43, 50, 53, 58, 61– 63, 74 f., 80, 92 f., 95 f., 100 –102, 227, 264 Mojsisch, Burkhard 220, 237, 249 Moritz, Arne 150 Müller, Tom 36, 138–141 Mutschlechner, Georg 80 Nese de Arrensberg 43 Niccoli, Niccolò 38 f. Niclaus Gerhaert v. Leiden 123 Nicolaus de Tudeschis 55 Nicolle, Jean-Marie 149 Nikolaus V., Papst 17 f., 33, 37, 47, 53, 56 – 60, 64, 73, 75, 77, 84, 86 f., 106, 126, 171, 192, 196, 286, 294, 384 Nikolaus v. Bologna 102, 261–265, 308, 352 Nikomachos v. Gerasa 221 Offermann, Ulrich 151 Origenes 358 Oswald v. Wolkenstein 84, 320, 384 Otto v. Ziegenhain, Ebf. v. Trier 37, 39, 58, 379 Panormitanus, siehe Nicolaus de Tudeschis Parentucelli, Tommaso, siehe Nikolaus V., Papst Parmenides 259 Pasqua, Hervé 244 Pastor, Ludwig v. 38 Paul II., Papst 100 f., 108 Paul v. Brystge 33 Paul v. Middelburg 141
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Pétau, Denis 368 Petavius, Dionysius, siehe Pétau, Denis Peter (Wymar) v. Erkelenz 108, 111, 115, 119 f., 125, 270 Peter v. Schaumberg, Bf. v. Augsburg 57 Peter v. Wederath 123 Petrus Balbus (Pisanus) 218, 222, 245, 273 Petrus v. Candia (Petros Philargis), siehe Alexander V., Papst Petrus Comestor 81 Petrus Venerabilis 238 f. Peutinger, Caspar 363 Pfeiffer, Helmut 277 f. Philipp II. der Kühne, Hzg. v. Burgund 18, 375 Philipp III. der Gute, Hzg. v. Burgund 378 Philipp v. Hersfeld 255, 260, 274 Philipp v. Sierck 37, 79 f. Piaia, Gregorio 217 Piccolomini, Enea Silvio, siehe Pius II., Papst Pico della Mirandola, Giovanni 127, 200, 217, 364, 368, 370, 390 Pico Estrada, Paula 185, 207 Pierre de Versailles, Bf. v. Digne u. Meaux 47 Pindar 94 Pinder, Udalrich (Ulrich) 255, 361, 368 Pius II., Papst 33, 47, 54 f., 57, 89 f., 92– 95, 97 f., 100 –102, 106, 109, 118, 196, 227 f., 230, 239, 242, 260, 294, 302, 369, 388, 390 Pius III., Papst 230 Platon 145, 173, 187 f., 251, 253, 259, 266, 279, 356, 369 Platzer, Katrin 217 Plethon, Georgios Gemistos 356
440
Anhang
Poggio Bracciolini, Gian Francesco 38 f., 388 Preuß, Henrik 9 Prignano, Bartolomeo, siehe Urban VI., Papst Proklos 142, 150, 171, 173, 222–225, 245, 248, 253, 259, 273, 356 Prosdocimus de Beldomandis 35 Prosdocimus de Comitibus 35 Pythagoras 146, 259, 369 Raban v. Helmstadt, Bf. v. Speyer u. Erzb. v. Trier 40 – 44, 49, 75, 90 Raimundus Lullus 38, 126, 135, 199, 253, 259, 282, 289, 313, 357, 379 Ramon Lull, siehe Raimundus Lullus Ranff, Viki 10, 159–166, 202–208, 261–265, 275–279, 355–359 Raynaldus, Odoricus 306 Reichard, Elias 201 Reinhardt, Klaus 10, 174, 206, 316 Reisch, Gregor 363 Resch, Felix 207, 265–269 Reuchlin, Johannes 127, 305, 363, 365 f., 387 Rhenanus, Beatus 152, 254, 305, 363 Riccati, Carlo 150 Ricoldo de Monte Crucis 239 Richard II., Kg. v. England 18, 21 Richard III., Kg. v. England 22 Robert v. Genf, siehe Clemens VII., Papst Robert v. Ketton 239, 244 Rodericus Didaci, Bf. v. Silves 50 Rogier van der Weyden 124, 390 Rohstock, Max 174 –179, 222–226, 245–249 Rolin, Nicolas 117 Rombach, Heinrich 158
Roth, Ulli 151 Roussel, Gérard 152, 363, 365, 370 f. Ruprecht v. Virneburg 39 Ruprecht, dt. Kg. 13 f., 26, 375 Rusconi, Cecilia 191–195, 212–217 Ruysbroeck, Jan van 150 Salmerón, Alfonso 305 Sánchez de Arévalo, Rodrigo 56, 297 Santinello, Giovanni 149, 273 Sanz Santacruz, Victor 211 Fortunato da Padovas 363 Scalich de Lika, Paul, siehe Scaliger, Paul Scaliger, Paul 367 Schedel, Hartmann 254 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 173, 217, 368 Schlegel, August Wilhelm 244 Schmid, Konrad Arnold 201 Schmidt, Margot 206 Schönborn, Christoph 151 Schoenes, Stephan 126 Schott, Gaspar 371 Schwaetzer, Harald 165, 173, 217, 221, 264, 275, 278 Schyrlaeus de Rheita, Anton Maria 371 Semler, Johann Salomo 201 Senger, Hans Gerhard 141, 144, 206, 217, 218–221, 250 –261, 270 –274, 276, 298–306 Seripando, Girolamo 255 Sigismund, Kg. v. Ungarn und Böhmen, röm-dt. Ks. 14 –16, 26, 28 f., 40, 43, 132, 292, 376, 380 Sigismund (Sigmund), Hzg. v. Österreich, Gf. v. Tirol 17, 75, 77–79, 85–93, 227, 231, 384, 388 Sigmund, Paul E. 137
Namenregister
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Simon Kolb v. Kues 107 Simon v. Wehlen 88, 107 Sixtus IV., Papst 119, 230 Sokrates 143, 175, 259 Sparber, Anselm 92 Spee, Meinolf v. 165 Stallmach, Josef 165 Stammkötter, Franz-Bernhard 264 Stegemann, Viktor 141 Steinbeck, Caspar 254, 260 Stock, Alex 206
Urban VII., Papst 305
Tannstetter, Georg 363 Theodor v. Mopsuestia 358 Thierry v. Chartres 144, 146, 149 f., 220, 259, 358 Thomas v. Aquin 239, 241, 351 Thomas Bradwardine 282 Thomas von (de) Courcelles 54 Thomas (Gallus) v. St. Viktor 273 Thomas Hemerken von Kempen 378 Thurner, Martin 165, 207, 221 Tobner, René 9 Todeschini Piccolomini, Francesco, siehe Pius III., Papst Torquemada, Juan de 53, 295 Toscanelli, Paolo dal Pozzo 35, 108, 283 f., 286 f. Traversari, Ambrogio 250, 356 Turmair, Johann Georg, siehe Aventinus, Johannes Tyard, Pontus de 371
Watanabe, Morimichi 137 Watts, Pauline Moffitt 260 Weber, Hans-Rolf 65 Weier, Reinhold 278, 304 Weigel, Valentin 367, 369 Wenzel IV., Kg. v. Böhmen, dt. Kg. 13 – 15, 22, 25, 375 Widmanstetter, Johann Albrecht 230 Wilhelm III., Hzg. v. Bayern(-München) 45 Wilhelm v. Moerbeke 173 Wilkens, John 371 Wilpert, Paul 149, 173 Woelki, Thomas 44, 49 f., 226 –230 Wolter, Johannes 173 Wyclif, John 26 f., 175
Ulrich v. Manderscheid 20, 38– 44, 49, 58, 75 f., 97, 131 f., 379 f. Urban VI., Papst 25
Vagedes, Arnulf 55 Vansteenberghe, Edmond 32, 34, 73 f., 80, 102 f. Verena v. Stuben 84, 86 f. Vinzenz v. Aggsbach 151, 166, 192, 202, 208 Visconti, Gian Galeazzo, Hzg. v. Mailand 13, 22 Vittorino da Feltre 35
Yamaki, Kazuhiko 153 –159, 173 f., 231–238 Yves de Paris 368 Zedania, Giga 357 Zeyer, Kirstin 264 Ziegler, Jakob 363 Zorzi, Francesco Giorgio 261
Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis
AC
ASV b BSB CSt CT DA Dupré I
Dupré II
Dupré III
h LexMA MFCG p
V1
Acta Cusana. Quellen zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues, im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften hg. v. Erich Meuthen und Hermann Hallauer, Hamburg 1976 ff. Archivio Segreto Vaticano Basler Ausgabe: Nicolai de Cusa Opera, ed. Henricus Petri, Basileae 1565. Bayrische Staatsbibliothek Cusanus-Studien: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse, Heidelberg 1930 ff. Cusanus-Texte: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse, Heidelberg 1929 ff. Diözesanarchiv Nikolaus von Kues, Philosophisch-theologische Schriften, hg. u. eingeführt von Leo Gabriel, übersetzt u. kommentiert von Dietlind und Wilhelm Dupré, Bd. I, Darmstadt 32014 (Wien 11964). Nikolaus von Kues, Philosophisch-theologische Schriften, hg. u. eingeführt von Leo Gabriel, übersetzt u. kommentiert von Dietlind und Wilhelm Dupré, Bd. II, Darmstadt 32014 (Wien 11966). Nikolaus von Kues, Philosophisch-theologische Schriften, hg. u. eingeführt von Leo Gabriel, übersetzt u. kommentiert von Dietlind und Wilhelm Dupré, Bd. III, Darmstadt 32014 (Wien 11967). Nicolai de Cusa Opera omnia iussu et auctoritate Academiae litterarum Heidelbergensis, Lipsiae 1932 ff., Hamburgi 1959 ff. Lexikon des Mittelalters, 10 Bde., München / Zürich 1980 ff. Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft, Mainz 1961–1986, Trier 1989 ff. Pariser Ausgabe: Nicolai Cusae Cardinalis Opera, ed. Jacobus Faber Stapulensis [Jacques Lefèvre d’Étaples], Parisiis 1514, Nachdruck Frankfurt 1962. Biblioteca Apostolica Vaticana, Città del Vaticano, Cod. Lat. 1244.
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Anhang
Abkürzungen cusanischer Werke Apol. Aurea prop. Comp. Crib. Alk. De aequal. De ap. theor. De arithm. compl. De arithm. compl. (f. pr.) De beryl. De caes. circ. quadr. De circ. quadr. De circ. quadr. (pars theol.) De conc. cath. De coni. De dato De deo absc. De docta ign. De fi l. De gen. De geom. transm. De ludo De math. compl. De math. perf. De math. perf. (f. pr.) De mente De non aliud De pace De poss. De princ. De quaer. De sap. De stat. exper. De theol. compl. De ult. De ven. sap. De vis.
Apologia doctae ignorantiae (1449) Aurea propositio in mathematicis (1459) Compendium (1463 / 64) Cribratio Alkorani (1460 / 61) De aequalitate (1459) De apice theoriae (1464) De arithmeticis complementis (1445) De arithmeticis complementis (forma prior) De beryllo (1458) De caesarea circuli quadratura (1457) De circuli quadratura (1450) De circuli quadratura (pars theologica) De concordantia catholica (1433/34) De coniecturis (1441 / 42) De dato patris luminum (1445 ) De deo abscondito (1445) De docta ignorantia (1440) De fi liatione dei (1445) De genesi (1447) De geometricis transmutationibus (1445) De ludo globi (1462/63) De mathematicis complementis (1453/54) De mathematica perfectione (1458) De mathematica perfectione (forma prior) Idiota de mente (1450) Directio speculantis seu de li non aliud (1461 / 62) De pace fidei (1453) De possest (1460) De principio (1459) De quaerendo deum (1445) Idiota de sapientia (1450) Idiota de staticis experimentis (1450) De theologicis complementis (1453) Coniectura de ultimis diebus (1446) De venatione sapientiae (1462 / 63) De visione dei (1453)
Abkürzungsverzeichnis Declar. rectilin. Epist. Io. de Segobia Epist. Nic. Bonon. Epist. Roder. Sanc. Quadr. circ. Ref. gen. Responsio
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Declaratio rectilineationis curvae (1454) Epistula ad Ioannem de Segobia (1454) Epistola ad Nicolaum Bononiensem (1463) Epistula ad Rodericum Sancium de Arevalo (1442) Quadratura circuli (1450) Reformatio generalis (1459) Responsio de intellectu Evangelii Ioannis (1444/46)
Die Autoren dieses Bandes Autorenverzeichnis
Albertson, David, Ph. D.; Assistant Professor of Religion an der University of Southern California, Los Angeles Bacher, Christiane, M. A. phil.; Wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für CusanusForschung, Trier Brösch, Marco, Dr. phil., M. A. (LIS); Bibliothekar der Cusanus-Bibliothek im St. Nikolaus-Hospital / Cusanusstift und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Cusanus-Forschung, Trier Christianson, Gerald, Ph. D.; Prof. em. of Church History am Lutheran Theological Seminary in Gettysburg, Pennsylvania Euler, Walter Andreas, Dr. theol. habil.; Direktor des Instituts für Cusanus-Forschung Trier; Prof. für Fundamentaltheologie und Ökumenische Theologie an der Theologischen Fakultät Trier Folkerts, Menso, Dr. phil.; Prof. em. für Geschichte der Naturwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München Geissler, Alexandra, M. A. phil.; Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Cusanus-Forschung, Trier Gottlöber, Susan, Dr. phil.; Lecturer, Philosophy Department, National University of Ireland, Maynooth Izbicki, Thomas M., Ph. D.; Interim Associate University Librarian for Collection Development and Management at Rutgers University New Brunswick, New Jersey McGinn, Bernard, Ph. D.; Naomi Shenstone Donnelley Prof. em. of Historical Theology and of the History of Christianity in the Divinity School and the Committees on Medieval Studies and on General Studies, University of Chicago, Illinois Meier-Oeser, Stephan, Dr. phil. habil.; Privatdozent am Institut für Philosophie der Freien Universität Berlin Müller, Tom, Dr. phil.; Dipl. math.; Freier Mitarbeiter am Institut für CusanusForschung, Trier Ranff, Viki, Dr. phil.; Dipl. theol.; Hochschuldozentin am Institut für CusanusForschung und an der Theologischen Fakultät Trier Resch, Felix, Dr. theol.; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Christliche
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Anhang
Religionsphilosophie der Theologischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Rohstock, Max, Dr. phil.; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Philosophischen Seminar der Universität Heidelberg Rusconi, Cecilia Maria, Dr. phil.; Asistente investigador, Consejo Nacional de Investigaciones Científicas y Ténicas (CONICET), Buenos Aires Senger, Hans Gerhard, Dr. phil.; Leiter der Cusanus-Forschungsstelle am ThomasInstitut der Universität zu Köln Woelki, Thomas, Dr. phil.; Bearbeiter der ,Acta Cusana‘ am Lehrstuhl Mittelalterliche Geschichte II der Humboldt Universität Berlin Yamaki, Kazuhiko, Dr. phil.; Professor; Philosophy of Nicholas of Cusa; Natural Philosophy an der Waseda-Universität Tokio