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German Pages 155 [156] Year 1933
Forschungen und Funde im Serai Mit einem Verzeichnis der nichtislamischen Handschriften im Topkapu Serai zu Istanbul
von
D. Adolf Deissmann Professor an der Universität Berlin
Berlin und Leipzig 1933
Walter de Gruyter & Co. vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp.
Archiv-Nr. 33 36 33 Druck von Walter de Qruyter & Co., Berlin W
Herrn Generaldirektor
Dr. h. c. Halil Edhem Bej M i t g l i e d des T ü r k i s d i e n
Parlaments
in Dankbarkeit zugeeignet
Vorwort. »Seit Jahrhunderten webt die Sage ihre Fäden um die Bibliothek im Serai zu Konstantinopel, sie zu zerreißen ist bis auf den heutigen Tag nicht gelungen und ernsthaft auch nicht versucht worden. Von den beiden Wegen, die beschritten werden müssen, und die nur gemeinsam zum erwünschten Ziele, zur Lüftung des Schleiers führen können, hat man den einen nur unvollkommen, den andern bisher gar nicht eingeschlagen. Weder haben an Ort und Stelle zur rechten Zeit so gründliche Nachforschungen stattgefunden, daß der Vorrat an Büchern, Handschriften, der sich noch jetzt im Serai befindet, genau bekannt wäre, . . . noch hat man sich die Mühe genommen, die aus verschiedenen Zeiten vorhandenen Nachrichten über deren Bestände und Aufbewahrungsorte einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen.« Emil Jacobs, der mit diesen Worten sein Serai-Buch von 1919 eröffnete, ist den zweiten Weg gegangen. Den ersten Weg zu beschreiten ist mir selbst vergönnt gewesen. Aber, das sei schon hier mit Dankbarkeit betont: ich hätte, was ich auf diesem meinem Weg gesehen habe, längst nicht alles verstanden, hätte Jacobs nicht vorher seine Wanderung gemacht. So steht mein Serai-Büchlein im engen Zusammenhang mit seiner Arbeit. Ich hatte die Absicht, die Ergebnisse meiner Untersuchungen schon 1931 zu veröffentlichen. Das für die stille Arbeit wissenschaftlicher Produktion in den gegenwärtigen Zeitläuften nicht gerade übermäßig geeignete Rektorat der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin hat mich aber so völlig in Anspruch genommen, daß ich erst nach seinem Abschluß zur eigentlichen Ausarbeitung gekommen bin. Diese Verzögerung bedeutet keinen Verlust für die Sache; denn gerade im abgelaufenen Jahre konnte ich noch Wesentliches zu dem bis dahin Erarbeiteten hinzulernen. Berlin-Wilmersdorf, Silvester 1932. Prinzregentenstr. 6.
Adolf Deissmann.
Inhalt. Seite
Widmung, Vorwort und Inhalt
III—XI
1. Topkapu Serai in Istanbul und seine Schätze. Die veränderte Lage. Anfänge der wissenschaftlichen Erforschung des Serai. Die Porzellane. Halil Edhem Bej und der nationalisierte Serai. Die Waffensammlung. Die Haremspaläste. Halils sonstige Unternehmungen. Die Serai-Bibliothek. Vorläufige Eindrücke 1927 und 1928. Die seither bekannten Bestände des Ahmed-Kiosk. Die Zugänge aus dem Schatzhaus. Der Ptolemaios-Codex. Die aus Yildiz-Kiosk zurückgekommenen Bände. Der offizielle türkische Auftrag zur Aufnahme der gesamten Bestände. Die Unterstützung durch die Preußische Regierung. . . 1—7 2. Die Arbeiten der Bestandsaufnahme im Serai 1929. Halil Edhem Bej und sein Stab. Die Untersuchung der Räume des Serai. Die Krypten des Schatzhauses und des Bagdad-Kiosk. Die Bibliotheksräume des Harem. Die drei Bibliotheken Dominicos von Jerusalem (vor 1592) und der heutige Befund: die camera des Sultans, die libraría secreta, die libraria commune. Die Mitarbeiter und Helfer. Hugo Ibscher. Paul Kahle. Die Amerikakarte des Columbus in der Wiedergabe durch Piri Re'is. Die Überweisung neu aufgetauchter anatolischer Codices aus dem Antiken-Museum in die Serai-Bibliothek. Emil Jacobs. . . 7—13 3. Dominico von Jerusalem und seine Beschreibung der Codices der Serai-Bibliothek vor 1592. Die Richtigkeit der Aufstellungen von Jacobs. Die »konstantinischen« Codices Dominicos und ihre kostbare äußere Ausstattung. »Konstantinische« Reliquien des Mittelalters. Die Komnenen-Bibel des Serai. Die Zerstörung der Prachteinbände. Murad III. Die -weiteren Schicksale der Serai-Codices. Verschwinden und Wiederauftauchen der beschädigten Stücke. Bestandsminderung durch Schenkungen und auf dunkelen Wegen. Die Yildiz-Einbände.. 13—21 4. Der Charakter der Serai-Bibliothek. Das Urteil von Jacobs bestätigt: die Codices sind die Reste der Bibliothek des Eroberers von K'pel, Mehmeds II. Die Bibliothek als Abbild seiner Persönlichkeit 21—24 5. Mehmed II. als Ost-West-Mensch. Seine wissenschaftlichen und künstlerischen Interessen. Sein Gelehrtenstab. Kritobulos von Imbros. Georgios Amirutzes und seine Arbeit
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Inhalt.
an der Serai-Bibliothek. Cyriacus von Ascona. Die Bellinis und andere Meister. Francesco Berlinghieri. Die PtolemaiosStudien Mehmeds II. und ihre Originaldokumente im Serai. Der fruchtbare Studiensommer 1465. Die griechisch-arabische Weltkarte des Amirutzes. Der Sohn des Amirutzes. Die Beauftragung von Vater und Sohn mit einer arabischen PtolemaiosÜbersetzung. Der für Sultan Arslän von Kappadokien hergerichtete Ptolemaios-Codex. Die arabischen Ptolemaios-Handschriften der Aja Sofia und ihre griechische Vorlage. Literarische Überlieferung und örtlicher Befund 24—34 6. Vermutungen über die Entstehung der Serai-Bibliothek. 35—36
Verzeichnis der nichtislamischen Handschriften der SeraiBibliothek. Charakter und Einrichtung des Verzeichnisses
39—41
A. Die R e s t e der a l t e n M e h m e d - B i b l i o t h e k u n d i h r e r s p ä t e r e n Z u g ä n g e . Nr. 1—87 42—122 1. Griechischer Sammelband 42 2. Homer 42 f. 3. Kritobulos von Imbros 43 f. 4. Bibellexikon des Antonios Monachos 45 5. Griechischer Sammelband 45 6. Über die Altertümer Konstantinopels 45 f. 7. Griechischer Sammelband 46 8. Septuaginta-Oktateuch mit Katene und Miniaturen 46 ff. 9. Geoponikon Biblion 56 f. 10. Griechischer Sammelband 57 1 1 . Griechischer Sammelband medizinischen Inhalts 57 f. 12. Über die Steine und über die Tiere 58 13. Erklärung (»Exegesis«) der griechischen Psalmen 58 t. 14. Lexikon des heiligen Kyrillos von Alexandria 59 15. Grammatik des Manuel Moschopulos 59 16. Arrianos 60 17. König Salomos Dämonenzwang 60 f. 18. Anonyme Grammatik 61 19. Griechischer Sammelband mit vielen Traktaten 61 ff. Der griechische Text der Konstantinischen Schenkung.. 63 ff. 19 a. Italienische Akten 65 20. Syrianos Philoxenos 65 21. Evangeliarium, griechisch 66 22. Griechischer Sammelband 66 f. 23. Lexicon Graeco-Latinum 67 24. Cristoforo Buondelmonti 67
Inhalt.
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25. Polybios 26. Lexikon des Eudemos Rhetor 27. Klaudios Ptolemaios, Geographike Hyphegesis und Dionysios, Periegesis 28. Geschichte des Johannes Kantakuzenos 29. Xenophon 30. Lexicon Latino-Graecum und Graeco-Latinum 3 1 . Hesiodos 32. Pindaros 33. Oppianos 34. Tetraevangelium, griechisch 35. Griechische Sammelhandschrift 36. Nikephoros Uranos 37. Leo Grammaticus 38. Griechischer Sammelband 39. Sammelband, griechisch 40. 40 a und 40 b. Griechischer Sammelband, enthaltend Astronomen und Mathematiker 41. Seneca 42. Lateinisches Brevier mit Noten 43. Lateinisches Brevier mit Noten 44. Claudius Ptolemaeus, Cosmographie 45. Johannes de Alta Silva 46. Crispus Rannusius Pistoriensis 47. Seekarten des Gratiosus Benincasa 48. Diogenes von Laerte 49. Lateinisches Perikopenbuch mit Noten 50. Zonaras 51. Die Liturgie des heiligen Basileios des Großen 52. Biblia Pauperum 53. Hebräischer Kommentar zu Moses ben Maimon 54. L a vie de ihesu crist hystoriee 55. Druck: Prozeß-Akten 56. und 56 a. Syrische Sammelhandschriit 57. Klaudios Ptolemaios, Geographike Hyphegesis 58. Fragmente lateinischer liturgischer Bücher 59. Westsyrisches Lektionar 59 a. Lose Fragmente einer syrischen Evangelienhandschrift. 60. Breviarium 61. Auszug aus Mechiltha 62. Martianus Capella 63. Ovidius 64. Adamantios 65. Homer 66. und 67. Geschäftspapiere 68. Lateinisches Graduale D e i s s m a n n , Forschungen und Funde.
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Seite
67 f. 68
68 f. 69 69 70 70 70 70 71 71 f. 72 f. 73 73 f. 74 f. 74 ff. 79 79 f. 80 80 ff. 82 f. 83 83 i. 84 84 f . 85 f. 86 86 f. 87 87 f . 88 88 89 ff. 93 93 f. 94 94 94 f95 95 f . 96 96 96 97
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Inhalt. Seite
69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76. 77. 78. 79. 80. 81. 82. 83. 84. 85. 86. 87.
Pijjut Stiftungsbrief des Serbenkönigs Stephan Urosch II Altslavisches Meßbuch Altslavisches Evangelium-Aprakos Handels- und Schiffahrtsvertrag Allianz vertrag Verzeichnis von Geschützen Urkunde Bruchstück (Einleitung) eines lateinischen Gedichts Altslavonische Stichen Lateinisches Fragment (Dionysius ?) Cato Paterikon Donatus Altserbische Sendschreiben Geographia di Francesco Berlinghieri Fiorentino Loser Vorderdeckel eines Codex Kleine Fragmente Seekarte der Alten und der Neuen Welt auf Grund einer Amerikakarte von Christoph Columbus
97 97 f. 98 99 99 99 f. 100 100 100 iox 101 101 101 102 102 ff. 105 ff. 111 111 111 ff.
B. D i e 1929 a u s d e m A n t i k e n - M u s e u m zu I s t a n b u l in d e n S e r a i g e l a n g t e n S t ü c k e . N r . 101—135 123—135 101. 102. 103. 104. 105. xo6. 107. 108. 109. 110. in. 112. 113. 114. 115. 116. 117. 118. 119. 120. 121. 122.
Samaritanischer Pentateuch Samaritanische Liturgie II. Teil Samaritanische Liturgie V . Teil Samaritanische Liturgie des Laubhüttenfestes Samaritanische Liturgie des Laubhüttenfestes Samaritanische Liturgie, Gebete des Moed ha Schemini Samaritanische Liturgie des Großen Versöhnungstages . . Samaritanische Liturgie des Pesach-Festes Samaritanische Liturgie des Wochenfestes Samaritanische Liturgie V . T e i l Samaritanische Liturgie, üblich in Nablus, für Sabbate und Feste Samaritanische Liturgie des Laubhüttenfestes Nomokanon neugriechisch Evangeliarium, griechisch Griechischer Nomokanon Armenische Sammelhandschrift Griechisches Hymnen-Buch Griechischer Psalter (Septuaginta) Griechisches Tetraevangelium West-Syrisches Ritualbuch für das Große Fasten Griechischer Sammelband Armenisches Evangelienbuch mit Miniaturen
123 f. 124 124 124 f. 125 125 125 125 126 126 126 126 126 f. 127 127t. 128 129 129 130 130 130!. 131
Inhalt.
XI Seite
122 a. Ältere armenische Pergament-Fragmente in Nr. 122 123. West-Syrisches Ritualbuch 124. Armenisches Evangelienbuch 125. Tetraevangelium, griechisch 126. Arabisches christliches Gebetbuch 127. Arabisches Tetraevangelium 128—135. Acht Fragmente hebräischer Thora-Rollen Indices
. . . 132 133 133 133 f. 134 134 134 f. 136—144
Als ich im Oktober 1927 von unserer zweiten EphesusKampagne nach Hause reiste, lud mich in Istanbul der Herr Generaldirektor der Museen, Dr. h. c. Halil Edhem Bej, der mir bereits für das Ausgrabungsunternehmen in Kleinasien ein großes und förderndes Interesse bewiesen hatte, ein, unter seiner persönlichen Führung zusammen mit dem türkischen Dichter Abd ul Hakk Hamid Bej einen Besuch im Topkapu Serai zu machen. Vor der Neuordnung der Dinge in der Türkei war der Besuch dieses berühmten und sagenumwobenen, von den Reiseführern meist »Alter Serai« genannten Zentrums der alttürkischen Sultansherrlichkeit überaus schwierig gewesen. Auch die verhältnismäßig Wenigen, die Einlaß fanden, haben immer nur einen Teil der dort zu findenden Schätze zu sehen bekommen. Die Umwandlung der Türkei in einen konstitutionellen Staat brachte hierin zwar einige Erleichterung. Aber erst nach der Abschaffung des Sultanats und des Kalifats konnte ernsthaft daran gedacht werden, den Serai allmählich der Wissenschaft und der Allgemeinheit zugänglich zu machen*). Allmählich, — denn es bedurfte und es bedarf auch heute noch einer großen Arbeit, um sämtliche Gebäude und ihre Innenräume instand zu setzen. Eine Hauptschwierigkeit bestand darin, die zum Teil in unterirdischen Geheimverließen aufgestapelten und lange Zeit nicht pfleglich behandelten ') Vergleiche den amtlichen Führer, durch den die früheren Angaben der Reisebücher antiquiert sind: Musées d'Antiquités de Stamboul, Palais de Topkapou — Vieux Serai. — Guide Sommaire avec un plan. Deuxième Edition, [Stamboul], Imprimerie Nationale 1 9 2 5 . Kürzlich hat Barnette Miller ihre langjährigen Studien über den Serai in einem wertvollen, reich illustrierten Buche zusammengefaßt: Beyond the Sublime Porte. The Grand Seraglio of Stambul. New H ä v e n : Y a l e University Press 1 9 3 1 . D e i s s m a n n , Forschungen und Funde.
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Topkapu Serai u. seine Schätze.
Die Bibliothek.
Schätze der Sultanszeit zu inventarisieren und vor dem Untergang zu schützen. Schon 1916 war zwar ein erfreulicher Anfang gemacht worden, als das auf der Ostseite des Dritten Hofes neben dem Schatzhause befindliche Gebäude der Hofdienerschaft in ein Museum für die kostbare Sammlung chinesischer Porzellane aus der Zeit der Sung-, Ming- und späterer Dynastien umgewandelt wurde; Ernst Zimmermann *) hat sich hier die größten Verdienste erworben. Mit kraftvoller Initiative hat sich dann Halil Edhem Bej selbst der großen Aufgabe gewidmet, nachdem am 3. April 1924 der inzwischen nationalisierte Serai und seine Kostbarkeiten seiner Obhut übergeben worden waren. Es ist erstaunlich, was unter seiner Aegide in den wenigen Jahren seitdem für die Erschließung des Serai geleistet worden ist. Das Schatzhaus im Dritten Hof mit seinen einzigartigen Werten ist bestens geordnet; eine wundervolle, den Fachleuten völlig unbekannt gewesene Waffensammlung, die der einzigartigen Sachkenntnis Hans Stöckleins anvertraut wurde, ist aus feucht-finsteren Kasematten ans Licht gebracht und sachgemäß aufgestellt worden. Und der weit ausgedehnte, bis vor kurzem überhaupt völlig unzugängliche Komplex der märchenschönen Haremspaläste im Westen des Seraigebietes ist schon soweit instand gesetzt, daß einige Teile vor kurzem dem Besuch freigegeben werden konnten. Dabei darf nicht übersehen werden, daß Halil Bej mit gleicher Hingabe und großem Verständnis in den letzten Jahren auch drunten in der Stadt gearbeitet hat: die Basilika Johannes des Täufers im ehemaligen Studios-Kloster (Mir Achor Dschami) hat er restauriert, und sein Mitarbeiter Herr Direktor Th. Makridy Bej hat ein anderes byzantinisches Baudenkmal hohen Ranges erfolgreich erforscht: die Kirche der Maria Panachrantos (Phenari Issa Mesdschid). In dieses große Programm der Betreuung seines vergrößerten Reiches hatte Halil Edhem Bej nun auch die Serai-Biblio') Vgl. Ernst Zimmermann, Altchinesische Porzellane im Alten Serai. Mit 80 Tafeln. (Meisterwerke der Türkischen Museen zu Konstantinopel, herausgegeben von Halil Edhem, Band 2.) Berlin (Walter de Gruyter & Co.) 1930.
Vorarbeiten zur Aufnahme der Bestände.
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thek einbezogen. Von ihren Beständen wußten wir zwar bereits ein gut Teil, aber als Ganzes gehörte sie immer noch zu den großen Rätseln der Forschung. Als wir an dem regentrüben 25. Oktober 1927 unter Führung unseres freundlichen Gönners den Serai durchwanderten, gelangten wir am Schluß unseres an großen Eindrücken reichen Rundganges auch in die ehemalige Moschee der Palastbediensteten westlich von dem reizenden Bibliothekskiosk Ahmeds III. Der größere der beiden Haupträume bot uns ein eigenartiges Bild. Auf langen Tischen waren Pergament- und Papier-Codices, aufgerollte Pergament-Rotuli und einzelne unzusammenhängende Pergamente größten Formats ausgebreitet, meist mit griechischer oder lateinischer Schrift, die großen Blätter mit herrlichen Landkarten geschmückt, — alles in einem Zustand, als seien diese Schätze aus irgendwelchen geheimnisvollen Gewölben eben erst ans Licht gekommen. Und in Wirklichkeit hatte Halil Bej alle diese Codices aus einem der Keller des Schatzhauses hervorgeholt, und es war unschwer zu erkennen, daß es sich hier um Teile der legendenumrankten Serai-Bibliothek handeln müsse. Infolge ihrer seither ungünstigen Lagerung waren diese Reliquien durch Feuchtigkeit und andere Zerstörungsursachen zum Teil in einem sehr bedenklichen Zustand. Es war gut, daß sie nun in dem hohen und luftigen Raum der schönen alten Moschee zunächst einmal trocknen konnten. Die Zeit drängte, der Abend. dunkelte herein, und ich konnte nur wenige Minuten in dem Heiligtum zubringen. In Erinnerung ist mir, daß ich einige Zeilen eines lateinischen Codex im Vorübergehen als aus einem Hochzeitsgedicht stammend ansprechen konnte (es war der nachmals als Martianus Capella, Hochzeit der Philologie und des Merkur erkannte Codex, der unten unter Nr. 62 aufgeführt ist). Aber auch ohne weitere Prüfung war mir klar, daß es sich hier zunächst um eine der Mühe werte Konservierungsaufgabe handele und daß die jetzt zum Teil unansehnlichen Codices einer genauen Prüfung unterzogen werden müßten. Halil Edhem Bej bat mich dann, bei Gelegenheit meiner nächsten Ephesusreise die Sachen in größerer Ruhe anzusehen und hat sie bis dahin in dem Kiosk Ahmeds III. sekretiert. *
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Erste Durchsicht der alten u. neuen Bestände.
Auf der Reise zur dritten Ephesus-Kampagne hatte ich alsdann im Oktober 1928 Gelegenheit, die sämtlichen nichtislamischen Handschriftenbestände des Serai in größerer Ruhe vorläufig anzusehen; nicht nur die (in verschiedenem Umfang) bereits von anderen Gelehrten gelegentlich gesehenen und am besten von Blaß *), Ouspensky J ) und Ebersolt 3) beschriebenen Codices, sondern auch alles andere, was von Halil Edhem Bej aus jenem Verließ des Schatzhauses herausgezogen worden war. Ich konnte mir in einigen Arbeitstagen, freundlichst unterstützt von dem Bibliothekar Reschad Bej und anderen Angestellten, ein rohes Verzeichnis der vorhandenen Texte machen. Damals habe ich zum erstenmal längere Zeit in einer orientalischen Bibliothek gearbeitet und kann nur sagen, daß die hier verbrachten Stunden zu den interessantesten meines Lebens gehörten. Aber mehr noch: ich hatte auch einen lebhaften Eindruck davon, daß ein so unbeschreiblich schöner, so feierlich froher und stiller Raum wie der zypressenumrauschte, mit vornehmem türkischen Kunstsinn ausgestattete AhmedKiosk das Lesen und das Studieren alter Texte fast zu einer kultischen Handlung gestaltete. Die Tatsache, daß in dieser Sultansbücherei die Bibel Alten und Neuen Testaments und andere christliche Kulttexte stark vertreten waren, verstärkte mir dieses Empfinden. Am meisten fesselte mich sonst ein fast völlig in seine Teile aufgelöster riesiger griechischer Codex der Geographie ') Friedrich Blaß, Die griechischen und lateinischen Handschriften im Alten Serail zu Konstantinopel, Hermes 23 (1888), S. 219—233 und Nachtrag ebenda S. 622—625. 2 ) Th. Ouspensky, La bibliothèque du Sérail et ses manuscrits grecs. Der russisch geschriebene, nur mit einer französischen Inhaltsübersicht versehene Aufsatz ist das Kapitel V des großen OktateuchBuchs des Verfassers, Sofia 1907, das ich unten bei Codex Seragliensis 8 zitiert und gewürdigt habe; er steht dort S. 230—251. Da der Verfasser sich auf dem französischen Titelblatt »Ouspensky« schreibt, zitiere ich ihn ebenso, obwohl wir diesen auch durch andere Vertreter rühmlichst bekannten Gelehrtennamen sonst »Uspensky« transkribieren. 3) Jean Ebersolt, Mission Archéologique de Constantinople 1920, Paris 1921, S. 55—65 (Recherches dans la Bibliothèque du Sérail). Vgl. auch die kurze Skizze von Antonio Munoz, Nella Biblioteca del SerraglioaCostantinopoli, Nuova Antologia Vol. 130 (1907), S. 314—320.
Die verschiedenen Gruppen der Handschriften.
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des Ptolemaios; seine ursprüngliche Schönheit und Farbenpracht hatte auch von den zerstörenden Schicksalen, denen er offenbar ausgesetzt gewesen war, nicht völlig vernichtet werden können. Aber er zeigte überall die Narben schlimmer Jahrhunderte und flehte um Mitleid und Pflege. Ich mußte, da meine Zeit auch dieses Mal bemessen war, der Versuchung widerstehen, mich in die prachtvollen Blättef zu vertiefen, obwohl beispielsweise die Karten von Kleinasien, die doch ungefähr das antike Wissen, jedenfalls das Wissen der frühen Kaiserzeit um die wichtigsten Schauplätze der paulinischen Mission widerspiegelten, mich förmlich dazu aufforderten. Die Diener waren unermüdlich, mir immer neue Pakete aus den Verstecken auf meinen Marmortisch zu legen, und zu den lateinischen und griechischen Codices kamen nun noch hebräische und syrische, dazu zwei große Rotuli in guter Erhaltung. Im Ahmed-Kiosk, der eine große Sammlung von Handschriften des islamischen Kulturkreises in sich birgt (insbesondere arabische, persische und türkische), standen übrigens auch die meisten der bereits durch die vorhin genannten Gelehrten früher gesehenen Codices in griechischer und lateinischer Sprache; ich habe meine vorläufige Prüfung der Bestände damit begonnen, auch sie zu verzeichnen. Dazu kamen dann die im Ahmed-Kiosk seit dem Vorjahr versteckten Pakete. Schließlich sah ich noch eine dritte Gruppe, die aber zweifellos auch ein Bestandteil der ursprünglichen Serai-Bibliothek gewesen war: eine damals in der Angestellten-Moschee aufgestellte größere Anzahl von modern eingebundenen Codices, meistens auch sehr großen Formates, die der Sultan Abd ul Hamid II. in seinen Palast Yildiz-Kiosk hatte bringen lassen ; dort waren sie dann nach der politischen Umwälzung aufgefunden worden, um alsbald wieder an ihren alten Ort, den Serai, zu gelangen. Auch von dieser Gruppe hatten Blaß und andere gelehrte Besucher des Serai bereits einiges flüchtig gesehen. Die neue Gewandung aber in schweren roten Lederbänden müssen diese Codices erst nach dem Besuch von Blaß erhalten haben, also nach 1887. Das ergab sich mir später aus der Vergleichung
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Die Yildiz-Einbände.
Der offizielle Auftrag.
der von Blaß angegebenen Maße mit den jetzigen: bei dem Neueinband sind die Codices leider zum Teil mehr oder weniger stark beschnitten worden. Diese neugebundenen Codices, deren Einband ich in dem unten folgenden Verzeichnis »YildizEinband« nenne, tragen auf der Vorderseite das türkische Wappen, die Tughra Abd ul Hamids II. Gazi und den Vermerk »Bibliothek des Sultans«, auf der Rückseite die Notiz »von den Büchern, die aus der Schatzkammer gekommen sind« und eine Inventarnummer. Mit dieser letzten Notiz ist die Provenienz aller dieser Sachen aus dem Serai gesichert; bei einigen von ihnen stand sie ja aber schon deswegen fest, weil sie früher im Serai gesehen worden waren. Unter ihnen fielen mir besonders die prachtvollen slawischen Bilderhandschriften auf, aber auch ein als Schriftdenkmal einzigartig schöner lateinischer Ptolemaios und manches andere. Das Ergebnis dieser etwas genaueren Durchsicht der Bestände war der verstärkte Eindruck, daß es sich hier vor allem um eine dringende Aufgabe der Konservierung und der wissenschaftlichen Aufnahme handele, daß aber bei dem oft bedenklichen Zustand der Erhaltung und bei der Vielsprachigkeit der Texte diese Arbeit von einem einzelnen nicht getan werden könne. Ich versprach daher den Versuch zu machen, Mitarbeiter zu gewinnen, um mit ihrer Hilfe die allerdringendsten Arbeiten in Angriff zu nehmen. Halil Bej beauftragte mich daraufhin offiziell mit dieser Arbeit und sekretierte die Bestände bis nach dem Erscheinen meiner schließlich in Aussicht genommenen Schrift über die Serai-Bibliothek. Er ließ mir auch eine große Anzahl von Schwarz-Weiß-Photographien anfertigen, mit deren Hilfe ich, nach meiner Rückkehr aus Ephesus, von Berlin aus die Unterstützung der Fachleute für die nötigen Identifizierungen erbitten konnte. In dem unten folgenden Verzeichnis der Handschriften ist dieser Charakter meiner Arbeit als eines Efanos deutlich; ich habe überall meine freundlichen Helfer genannt und spreche ihnen allen meinen herzlichen Dank aus. Für die Konservierungsarbeiten bedurfte ich aber eines Helfers an Ort und Stelle. Schon als ich 1927 die Pergamente
Die Expedition im Herbst 1929.
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in der Angestelltenmoschee flüchtig sah, war es mir klar, daß der gegebene Sachverständige für die Erhaltungsarbeiten unser Berliner Konservator, Herr Kustos Dr. h. c. Hugo Ibscher sei. Seine Leistungen auf dem Gebiet der Papyrusbehandlung sind in allen größeren Bibliotheken Europas rühmlichst bekannt. Er hat sich die Methoden selbst erdacht und in langjähriger unermüdlicher Kleinarbeit allmählich meisterhaft verfeinert. Ich danke es dem Entgegenkommen des damaligen Preußischen Herrn Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, Professor D. Dr. Carl Heinrich Becker und ebenso der Freundlichkeit der Berliner Museumsverwaltung, daß Herr Dr. Ibscher für die Konservierungsarbeiten im Serai auf vier Wochen beurlaubt und daß uns auch die Mittel für diese von Ende September bis Ende Oktober 1929 dauernde Expedition zur Verfügung gestellt wurden. *
Dieser Monat im Serai bedeutete mir eine unvergeßlich schöne Zusammenarbeit. Einerseits mit Halil Edhem Bej und seinen Beamten, von denen ich den Herrn Direktor des Serai Tahsin Schükrü Bej und den Bibliothekar des Museums Dr. Ahmed Rufäi Bej wie auch den alten Buchbinder des Serai hervorheben muß, dessen orientalische, von der unseren ganz verschiedene Bindetechnik mit ihren alten Zunftüberlieferungen besonders das Interesse unseres Hugo Ibscher hervorrief. Unser Arbeitsplatz war der helle und luftige nördliche Raum der Angestelltenmoschee gegenüber dem Kiosk Ahmeds III., sehr bequem mit großen Tischen und einem genügenden Wandschrank ausgestattet. Mit wenigen Schritten konnte man zu dem Ahmed-Kiosk gelangen, wo die bereits von meinen Vorgängern im Serai aufgezeichneten Codices standen und in dessen Glasveranda unser trefflicher Photograph Herr Iskender von der Firma Sibah & Joaillier in Pera seine vielen Aufnahmen für uns machte. Ich hatte im übrigen jede nur denkbare Erleichterung. Jeder Raum des großen Komplexes der Seraigebäude, den ich sehen wollte, wurde mir geöffnet; denn es erschien mir
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Die Zusammenarbeit im Serai. Durchsuchung der Räume.
ratsam, vor der Gesamtaufnahme der Bestände noch zu prüfen, ob sich seither Übersehenes noch sonstwo befinde. So habe ich den unterirdischen Raum des Schatzhauses, in dem jedenfalls große Bestände der Bibliothek lange aufbewahrt gewesen waren *), untersuchen dürfen und dabei festgestellt, daß noch zwei andere geräumige Krypten in den beiden tieferen Kellerstockwerken vorhanden sind, die dritte und tiefste durch eine Falltür von der mittleren zweiten erreichbar. Wir sind auch in die gewaltigen Unterkellerungen des Bagdad-Kiosk eingedrungen, die von dem Feigengarten her zugänglich sind und bis unter das Sanctissimum, den Saal des heiligen Gewandes und der anderen Reliquien des Propheten (Hirkal Scherif Odassi), reichen. Eine Kiste mit Papieren konnte dort hervorgeholt werden, die indessen keine für uns in Betracht kommenden Fragmente enthielt. Selbst die sonst unzugänglichen Teile des Harem wurden mir aufgeschlossen. Sechs stattliche Kisten, die in einem Seitenraum bei dem Schlafgemach Hamids I. aufbewahrt werden, wurden wenigstens rasch untersucht. Sie enthielten Dinge, die man (nach einer Notiz auf einer dieser Kisten) unter dem Bagdad-Kiosk gefunden hat, also wohl auch in den Unterkellerungen, von denen ich eben erzählt habe, — alte Stoffe und Stoffreste mit kostbaren Stickereien, ehrwürdige Bannerseide mit Sprüchen und ähnliches mehr. Das meiste befand sich in einem traurigen Zustand des Zerfalls, manches aber wäre doch auch nach Reinigung und Konservierung als Museumsstück noch ansehnlich. Sonst ist mir nur ein lederner Buchdeckel aufgefallen, aber nichts weiter, was zu einer Bibliothek gehört haben könnte. Von besonderem Werte war mir dann die ebenfalls bereitwilligst gegebene Möglichkeit, nach den von Emil Jacobs in seinem grundlegenden Serai-Buch 2 ) auf Grund der Mit') Der Stand- oder Lagerort der Handschriften im Schatzhaus scheint allerdings öfter gewechselt zu haben. Zeitweilig waren unsere Handschriften jedenfalls zum Teil auch in dem oberirdischen Hauptraum des Schatzhauses in Schränken aufbewahrt. Vgl. über das Schatzhaus als Lagerort der Handschriften unten S. 20 f. ») Emil Jacobs, Untersuchungen zur Geschichte der Bibliothek
Die drei alten Bibliotheksräume im Harem.
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teilungen des Dominico von Jerusalem eingehend besprochenen ehemaligen Bibliotheksräumen im Harem Ausschau zu halten. Die Frage nach diesen Räumen ist für die Geschichte des Serai und seiner Bibliotheken von hoher Wichtigkeit. Sie wird, des bin ich jetzt sicher, allerdings erst gelöst werden können, wenn wir die seither kaum erforschte Baugeschichte des Serai einmal kennen werden, wenn wir also mit einiger Sicherheit sagen können, welche der heute vorhandenen Gebäude und Innenräume schon zurzeit des Dominico, der nicht später als 1592 Konstantinopel verlassen hat *), existiert haben. Man müßte dabei allerdings genau unterscheiden zwischen den Gebäuden selbst und ihrer jetzigen Innenausstattung, die nach den auf den Spruchbändern des öfteren vorhandenen Datierungen zum Teil verhältnismäßig jung ist. Ohne nun damit einer späteren Prüfung vorgreifen zu wollen, glaube ich auf Grund meiner Beobachtungen im Herbst 1929 sagen zu dürfen, daß noch heute im Harem drei Räumlichkeiten, wie sie Dominico als Standort größerer oder kleinerer Bibliotheken erwähnt»), vorhanden sind: 1. Die camera des Sultans; das wäre der heute als Schlafgemach Murads III. (1574—1595) gezeigte vornehme große Kuppelraum. 2. Die libraria secreta, die sich an den Wohnraum des Sultans anschloß; das wäre der kleinere dicht neben dem eben erwähnten Gemach Murads III. liegende, heute als Bibliothek Ahmeds I. (1603—1617) bezeichnete Kuppelraum, der offenbar von vornherein als Bibliothek erstellt worden ist, ein Kabinettstück türkischer Raumkunst, 6,13 mal 4,19 m im Geviert mit eingebauten Bücherwandschränken (zwei in der Südwand, drei in der Nordwand), Nischen und Wandschubladen. Eine Vermessung ergab mir, daß die Bücherschränke für die größten im Serai vorhandenen Formate ausreichen, wobei man wohl im Serai zu Konstantinopel, I, Heidelberg 1 9 1 9 (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Klasse, Jahrgang 1 9 1 9 , 2 1 . Abhandlung). Überall, wo im folgenden nur »Jacobs« zitiert wird, ist dieses Buch gemeint. ') Jacobs S. 34. ») Jacobs S. 65.
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Die Angaben Dominicos u. der heutige Zustand.
annehmen darf, daß auch die etwaigen griechischen und lateinischen Handschriften nicht in abendländischer Weise nebeneinander aufgestellt, sondern nach morgenländischer Art übereinander aufgeschichtet wurden. Bis 1928 standen übrigens in den Fensternischen der Westwand Bücherschränke; sie wurden damals weggenommen, um den Blick durch die Fenster auf den hängenden Garten in der Gegend des ehemaligen Palastes Selims I. (1512—1520) freizugeben. 3. Die libraria commune hinter den Pagenräumen der Männerseite des Haremgebietes; das ist entweder der heute als Schulraum für die Prinzen und Prinzessen bezeichnete kleine Saal im Obergeschoß des Palastes des Obereunuchen oder (wahrscheinlicher) der hinter diesem Schulraum befindliche größere Raum, 9,63 mal 4,18 m im Geviert, der mit Lesepulten, Wandschränken und Wandschubladen ganz ähnlich denjenigen der Bibliothek Ahmeds I. ausgestattet ist. Im ganzen gibt es hier acht große Bücherschränke, deren Maße ebenfalls die Beherbergung auch der größten Codicesformate gestatten. Die geschnitzten Holzornamente dieses Raumes scheinen jung zu sein (18. Jahrhundert). Das Gebäude selbst soll von Murad III. (1574—1595) errichtet sein, die Kachelbekleidung der Wände von Mehmed IV. (1648—1687) stammen. Ich möchte noch einmal betonen, daß diese meine Angaben nicht genügen, um die von Dominico gesehenen Räume mit den von mir notierten schon jetzt sicher zu identifizieren. Aber die Tatsache, daß sich Räume, wie sie Dominico gesehen hat, noch heute im Harem vorfinden, ist bemerkenswert, und man wird annehmen dürfen, daß man, falls der eine oder andere der von Dominico gesehenen Räume etwa durch Feuer zerstört worden ist, Ersatzräume gleicher Bestimmung und ungefähr am gleichen Ort nachher geschaffen hat. Dies alles mag dem künftigen Erforscher der Baugeschichte des Serai überlassen bleiben. Bewunderungswürdig bleibt in jedem Fall, mit welch sicherem Ortssinn Emil Jacobs, ohne jemals im Serai gewesen zu sein, sich nach den Angaben des Dominico und den modernen Plänen, die allerdings für die Haremsseite völlig versagen, zurecht gefunden hat.
Hugo Ibschers Mitarbeit.
Die anderen Helfer.
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Es ist bei der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit leider nicht möglich gewesen, noch einige andere Nachforschungen zu machen, die ich für notwendig halte. An der Bereitwilligkeit der Generalverwaltung hätte es nicht gefehlt. Aber ich muß mir für einen späteren Besuch vorbehalten, diese noch übrigen Fragen zu prüfen. * Ich hatte mich, als ich Hugo Ibscher um seine Mitarbeit gebeten hatte, in der Annahme nicht geirrt, daß die über 120 Blatt des riesigen Ptolemaios-Codex ihn so gut wie völlig in Anspruch nehmen würden. Er hat zwar natürlich auch bei anderen Codices geholfen, wie er mir auch bereits vorher auf der Durchreise in Sofia bei einem von mir dort aufgefundenen neutestamentlichen Codex ein wertvolles buchtechnisches Gutachten erstattet hatte. Aber in der Hauptsache mußte er seine gesamte Zeit dem Ptolemaios widmen. Das Ergebnis seiner nach eigener Methode geleisteten Arbeit war denn auch erfreulicherweise dies, daß wir statt eines ungeordneten Haufens wüst verschmutzter, an den Rändern stark beschädigter Blätter zwei große Mappen mit sorgfältig gereinigten und vor weiterem Verfall geschützten, auch in ihrer Abfolge wieder in Ordnung gebrachten Pergamenten zurücklassen konnten, die der Wissenschaft den fast völlig wieder lesbar gemachten Text und die farbenprächtigen Karten nunmehr darbieten. Daß das große Maß von Kraft und Zeit, das Herr Kustos Dr. Ibscher und ich für diesen Codex aufgewendet haben, keine Verschwendung bedeutete, dafür bürgt uns die hohe Wertschätzung, die der beste Kenner der Ptolemaioskarten, Herr Pater Josef Fischer, S. J . , in Feldkirch und der künftige Herausgeber des Ptolemaios, Herr Professor Dr. Paul Schnabel an der Universität Halle, dem neuentdeckten Textzeugen auf Grund der vorgelegten photographischen Wiedergabe haben zuteil werden lassen'). Auch die Hilfe meiner Frau und meines Sohnes Gerhard kann ich hier nicht verschweigen. Sie war beträchtlich. Sie *) Vgl. die Mitteilungen unten zu Codex Nr. 57.
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Die Angliederung der Museums-Codices.
bestand in Arbeiten der Reinigung, der Paginierung, der Identifizierung von Fragmenten und der Katalogisierung. Das vorläufige Verzeichnis der Gesamtbestände, das ich vor unserer Heimreise im Serai hinterlassen konnte, hätte ich ohne diese Mitarbeit nicht zustandegebracht. Die letzten Teile dieses, durch die unten S. 37 ff. gegebene Liste natürlich überholten Verzeichnisses sind dann noch in Ephesus und auf den Wogen des Ägäischen Meeres entstanden, als wir später mit dem »GülDjemal« von Smyrna nach Konstantinopel zurückreisten. Mit besonderem Dank erwähne ich die Förderung durch meinen Kollegen Herrn Professor D. Dr. Paul Kahle von der Universität Bonn. Es war mir ein besonderer Glückszufall, daß er damals in Konstantinopel anwesend war. Halil Edhem Bej hatte mich nämlich noch mit einer neuen Aufgabe betraut. Im Laufe der letzten Jahrzehnte, namentlich wohl nach dem Weltkrieg während des griechisch-türkischen Feldzuges, waren durch türkische Militär- und Zivilbehörden da und dort aufgetauchte Handschriften dem Museum in Istanbul übergeben worden. Halil Bej wünschte, daß diese und einige andere bereits früher vorhanden gewesene Codices des Museums der Serai-Bibliothek hinzugesellt würden. Dies habe ich unter Einführung einer besonderen Bezifferungsreihe (Nr. ioiff.) ausgeführt und konnte verhältnismäßig rasch das untenstehende Verzeichnis entwerfen, da Paul Kahle mich überall da, wo ich bei der Vielsprachigkeit der Texte selbst nicht weiter gekommen wäre, freundlichst unterstützt hat. Es war mir eine Genugtuung, ihm als Symbol unseres Dankes die von ihm alsbald identifizierte Amerika-Karte des Columbus in der Wiedergabe durch Piri Re'is (vgl. unten Nr. 87) übergeben zu können. Mein Dank gilt dann noch Herrn Professor Dr. Hellmut Ritter, der mich auf meine Bitte in bereitwilligster Weise in das Verständnis der arabischen Ptolemaios-Handschriften der Bibliothek der Aja Sofia eingeführt hat, sowie den Kollegen vom Deutschen Archäologischen Institut in Istanbul, Herrn Direktor Professor Dr. Martin Schede und Herrn Dr. Paul Wittek, die mir namentlich durch Bereitstellung von Literatur erhebliche Dienste geleistet haben.
Dominicos Beschreibung der Sultans-Bücherei.
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Den stärksten Austausch über die Probleme der SeraiBibliothek hatte ich aber in diesen ganzen Jahren mit dem Ersten Direktor unserer Preußischen Staatsbibliothek, Herrn Professor Dr. Emil Jacobs. Ohne sein Serai-Buch und seine auch sonst nie versagende profunde Gelehrsamkeit hätte ich dieses eigene kleine Serai-Buch nicht schreiben können. * Längst nicht mehr in der Vollzahl ihres ursprünglichen Bestandes, in ihren erhaltenen Teilen oft in einem Zustande der Verstümmelung und der Verwahrlosung, erweckt die Serai-Bibliothek heute in dem oberflächlichen Betrachter zunächst Zweifel, ob sie mit jener Sultans-Bücherei identisch sein kann, die der bereits vorhin erwähnte jüdische Leibarzt des Sultans Murad III., Dominico von Jerusalem'), vor 1592 im Serai in der Libraria commune gesehen und nachmals mit geradezu phantastischer Farbenpracht beschrieben hat. Diese Beschreibung zugänglich gemacht und einer meisterhaften kritischen Analyse unterzogen zu haben, ist ein Hauptverdienst der Forschungen von Jacobs s ). Im Verlauf der letzten Jahre immer wieder zu diesen seinen Forschungen zurückkehrend und seine Thesen prüfend, habe ich mich je länger je mehr von ihrer Richtigkeit überzeugt. Vor allem stimme ich Jacobs darin zu, daß er die Glaubwürdigkeit Dominicos mit Entschiedenheit betont. Man muß nur, meine ich, den Bericht des Mannes aus Safed so lesen, wie er nach Lage der Dinge gelesen sein will. Das Wissen des Leibarztes tun den Serai stammt aus eigener Wahrnehmung und aus Informationen durch Ortskundige. Diese Informationen aber sind, wie die meisten von Einheimischen gegebenen Auskünfte, gewiß nicht buchstäblich zuverlässig gewesen. Sie gaben wohl nur übliche Küsterweisheit mit dem unvermeid*) Dominico Yerushalmi (Dominico Irosolimitano) geb. 1 5 5 2 in Safed in Galiläa, Talmudist und Mediziner, seit etwa 1 5 7 5 Leibarzt des Sultans, 1 5 9 3 in Italien zum Christentum übergetreten, in Venedig, Mantua, Mailand und R o m bis zu seinem E n d e 1 6 2 2 in verschiedenen Stellungen wirkend. ») S. 3 2 ff.
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Die Schätze der Libraria commune.
liehen Rankenwerk des lokalkultischen Pathos wieder. Aber denkt man sich dieses Epheu hinweg, so bleibt in Dominicos Erzählung genug Richtiges übrig. In der Libraria commune *) befinden sich, so erzählt er 2 ), Bücher in allen Sprachen und insbesondere 120 Stück von »denjenigen des Großen Konstantin«, von riesiger Größe, geschrieben auf seidendünnem Pergament, das Alte und das Neue Testament und andere »Historien« und Heiligenleben enthaltend, sämtlich in Goldschrift, in Einbänden aus vergoldetem Silber, die mit unschätzbar kostbaren Edelsteinen besetzt sind, und niemand darf sie anrühren. Nach den Schlußworten dieses Berichts wird man fragen dürfen, ob Dominico die Handschriften selbst hat öffnen dürfen 3). Man wird da jedenfalls gut tun zu scheiden zwischen dem, was er bei einem vielleicht nur flüchtigen Besuche sehen konnte und dem, was er vielleicht nur von seinen Gewährsmännern über Inhalt und innere Ausstattung der Codices erfahren hat. In keinem Falle wird man annehmen dürfen, daß er die Handschriften hat studieren können 4). Gesehen hat er bei den wohl nicht nebeneinanderstehenden, sondern nach morgenländischer Art aufeinanderliegenden 5) Handschriften riesige Formate. Er hat da, wenn er auch in seinem späten (erst 1611 verfaßten) 6) Bericht fälschlicher-, aber begreiflicherweise generalisiert, richtig gesehen: noch heute sind solche stattlichen Bibeln oder Heiligenleben in nicht geringer Zahl im Serai vorhanden 7), dazu der lateinische und der erst jetzt neu entdeckte noch größere griechische •) Vgl. dazu oben S. 10. ') Jacobs S. 54. 3) Jacobs S. 76 urteilt hier allerdings anders. 4) Seine Sprachenkenntnis war keine allzu große. Lateinische Schrift konnte er nur sehr mangelhaft schreiben (Jacobs S. 47). 5) Vgl. oben S. 10. E s ist von hier aus auch verständlich, daß Dominico nicht von der Höhe, sondern von der »Länge« der Codices spricht. *) Jacobs S. 48. 7) Vgl. unten die biblischen und die liturgischen (leicht auch als »Bibeln« geltenden) Codices meines Verzeichnisses.
Die Ungefährzahl der nichtislamischen Codices.
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Ptolemaios '), der in der Länge den natürlich nur als Ungefährmaß anzusprechenden Angaben des Dominico J ) doch sehr nahe kommt. 120 Codices hebt Dominico besonders hervor. Daß er sie selbst gezählt hat, ist wohl nicht wahrscheinlich. Aber der Augenschein wird ihm die ungefähre Richtigkeit dieser ihm von den Bediensteten angegebenen Ziffer wohl bestätigt haben. Berücksichtigt man nun alle Nachrichten über die später aus dem Serai entführten Stücke und rechnet man außerdem noch mit dem ohne Spuren gebliebenen Verschwinden eines anderen Teils, so gibt die Zahl 120 tatsächlich den Ungefährbestand der nichtislamischen Serai-Handschriften gegen Ende des 16. Jahrhunderts richtig wieder. Man kann in dieser Schätzung gewiß auch über die Zahl 120 noch hinaus gehen, wenn man die »Bücher« hinzu nimmt, die Dominico vorher erwähnt 3). Schwerlich aber dürfte die Zahl erheblich größer gewesen sein 4). Die nichtislamischen Handschriften des Serai hatten wohl immer den Charakter einer kleinen, aber qualitativ hochstehenden Liebhabersammlung. Mit besonderer Freude schildert Dominico die kostbare äußere Ausstattung der Handschriften: sie sind gebunden in vergoldete Silberdeckel, die mit wertvollsten Edelsteinen ') Vgl. unten Nr. 44 und 57 und die von Jacobs S. 73 f. notierten anderen Einzelheiten. *) Jacobs rechnet auf Grund der A-Redaktion des Berichtes Dominicos die von ihm angegebene Länge (Höhe) der Codices auf über 66 cm um. Der griechische Ptolemaios Nr. 57 hat jetzt noch, ohne Einband, die außerordentlichen Maße 57,1 mal 42 cm; mit Einband war er natürlich noch größer. 3) Er spricht (Jacobs S. 65 und Tafel I) zuerst von »Büchern, die mit der Feder geschrieben sind« und dann insbesondere von jenen 120 Stück. Ich rechne stark mit der Möglichkeit, daß zu diesen »Büchern « auch Inkunabeln und andere Frühdrucke gehörten, von denen zwei ja noch heute der Handschriftensammlung beigeordnet sind (vgl. unten Nr. 54 und Nr. 84). Ich habe übrigens noch andere Inkunabeln im Serai festgestellt und behalte mir ihre nähere Prüfung vor. 4) So muß man z. B. fragen, ob die von Girardin erwähnten etwa 185 griechischen Handschriften, die ein italienischer Renegat im Jahre 1687 angeblich aus dem Serai zum Verkauf fortgeschafft hat (vgl. Jacobs S. 1 2 0 S ) , wirklich zur Seraibibliothek gehört hatten. Die ganze Sache erscheint reichlich mysteriös.
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Die Beseitigung der kostbaren alten Einbände.
geschmückt sind. Auch wenn man den generalisierenden Charakter dieser Angabe erkennt und die entsprechenden Abstriche macht, scheint der heutige Befund im Serai direkt gegen die Glaubwürdigkeit des Erzählers zu sprechen: gerade die an Format größten Codices, darunter auch die Bibeln und der Riesen-Ptolemaios, sind zum Teil überhaupt ohne Einbanddeckel und geben insbesondere in ihren Anfangsund Schlußquaternionen ein trauriges Bild der Zerstörung, oder sie haben nur ärmliche Deckel oder Deckel-Fragmente aus Holz oder sie sind modern gebunden (»Yildiz-Einbände«) 1 ). Entsprechend weisen die modernen Einbände der 35 von Sultan Abd ul Hamid II. der Universität Budapest geschenkten Serai-Handschriften darauf hin, daß diese Codices, ehe sie der Sultan neu binden ließ J ), entweder stark zerstörte Einbände gehabt hatten, oder überhaupt ohne Einband gewesen waren. Indessen eben dieser Befund spricht unbedingt für Dominicos Glaubwürdigkeit. Die Tatsache, daß gerade die größten und bestausgestatteten Codices der Sultansbibliothek heute ohne ihren zeitgenössischen Einband sind, läßt die sichere Vermutung zu, daß diese alten Einbände irgendwann einmal gewaltsam beseitigt worden sind; denn Bücher in dem jetzigen Zustande der Zerstörung würde der Großherr schwerlich in seiner Bibliothek geduldet haben. Sind die Einbände aber nachträglich beseitigt worden, so läßt sich das nur dann begreifen, wenn die alten Originaleinbände besonders kostbar waren sowohl durch ihren Metallwert wie auch durch ihren Edelsteinschmuck. Ich komme auf die Frage der Zerstörung der Einbände nachher zurück. Zunächst muß noch eine wichtige Einzelheit aus dem Bericht des Dominico geprüft werden, die man gegen seine Glaubwürdigkeit einzuwenden sich einen Augenblick versucht fühlen könnte: er habe Codices »von denjenigen des Großen Konstantin« gesehen. Aber wer sich auch nur ein wenig mit den Ortstraditionen über Handschriften, Reliquien ') Vgl. oben S. 5 f. ) Vgl. Gustav Heinrich in den Literar. Berichten aus Ungarn Bd. 1, Budapest 1877, S. 323. 2
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Die »Konstantin «-Handschriften Dominicos.
und andere Schätze beschäftigt hat, weiß, daß die fromme und meist wohl auch gutgläubige Rückdatierung solcher Keimelien möglichst weit in die Urzeit hinein, bei Handschriften bis zur Identifizierung mit den Autogrammen ihrer Verfasser'), eine der häufigsten Ausdrucksformen lokalkultischer Pietät ist. Es wäre geradezu paradox, wenn man in der Konstantin-Stadt nicht an das Vorhandensein von Konstantin-Handschriften geglaubt hätte, zumal die Überlieferung des Eusebios, daß Konstantin der Große fünfzig Prachtbibeln für die Kirchen Konstantinopels habe herstellen lassen in Konstantinopel wohl niemals vergessen worden war 3). Für Dominico aber war auch noch ein besonderer Anlaß vorhanden, an konstantinische Codices zu glauben: die wundervolle große Bilderbibel, jetzt Codex Seragliensis Nr. 8, beginnt mit einem von einem Kaiserprinzen, dem »Porphyrogennetos K y r Isaakios, dem Sohn des Groß-Königs K y r Alexis Komnenos« (Alexios I. Komnenos, 1081—1118) verfaßten, vielleicht sogar eigenhändig geschriebenen Auszug aus dem Aristeasbrief 4). Man kann sich denken, welche Rolle diese Komnenen-Bibel in der Phantasie des Serai-Personals gespielt und wie sehr ihre Existenz die uralte Vornehmheit auch der anderen Codices gestützt hat. Wann sind nun die von Dominico gesehenen Prachteinbände beraubt oder beseitigt worden ? Man kann, zunächst *) V g l . z. B . die Mitteilungen v o n Ernst v . Dobschütz, Eberhard Nestles E i n f ü h r u n g in das Griechische Neue Testament, Vierte A u f l a g e , Göttingen 1923, S. 2. ») V g l . v. D o b s c h ü t z S. 31 f. 3) Selbst in dem R o m des 13. und an
das
Vorhandensein
Schatzkammer
konstantinischer
geglaubt,
vgl.
Franz
14. Jahrhunderts h a t Stücke
Ehrle,
in
Der
der
man
päpstlichen
»constantinische«
Schatz in der päpstlichen K a m m e r des 13. und 14. Jahrhunderts (Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters I V , 1888, S. 191 —200).
Dominico selbst h a t auch an die konstantinische
Herkunft
der A j a Sofia und anderer B a u t e n Konstantinopels geglaubt
(Jacobs
S. 54 f.), erzählt auch, a m Flusse Cheatanä (den Süßen Wassern v o n Europa) sei zur Zeit des Großen Konstantin Papier fabriziert worden (Jacobs S. 56). 4) Vgl. unten S. 46 ff. D e i s s m a n n , Forschungen und Funde.
2
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Die Gefährdung der Codices durch natürliche Ursachen.
mit weitgesteckten Termini, vermuten, wann die Gefährdung der Codices durch Beraubung der kostbaren Einbände oder geradezu durch Entfernung der Buchdeckel stattgefunden hat. Jedenfalls nach Dominicos Aufenthalt in Konstantinopel, der nicht länger als 1592 gedauert hat *), und vor dem Beginn des 18. Jahrhunderts; denn schon damals waren nach dem Bericht der Reichsgeschichte von Raschid Efendi») die im Inneren Schatz aufbewahrten kostbaren Bücher und Handschriften in dem Winkel von Schränken durch Staub, Motten und Würmer aufs übelste zugerichtet, so daß sie unbenutzbar waren und sogar den Lernbegierigen des Serai selbst nicht zugänglich gemacht wurden, zumal sie ungeordnet waren. Staub, Motten, Würmer — diese drei Zerstörer nennt Raschid. Er hätte noch das feuchte Klima der Serai-Spitze hinzufügen können, das wir bei unseren eigenen Arbeiten an den Serai-Codices immer wieder selbst feststellten, wenn die stählernen Bureaunadeln, mit denen wir Notizzettel aneinanderklammerten, nach wenigen Tagen schon Rostspuren auf den Papieren hinterließen, und wenn die großen PtolemaiosPergamente nach ihrer Reinigung immer wieder Feuchtigkeit anzogen oder wenn kostbare Berlinghieri-Karten nicht aufgeschlagen werden konnten, weil infolge der Feuchtigkeit die Faltungen verklebt waren. Den Staub haben wir in großen ehrwürdigen Mengen noch vorgefunden und nach Möglichkeit entfernt; die Motten hatten im Sammet von Einbänden Spuren hinterlassen, und die Bücherwürmer des Serai hatten überall in seltsamen Arabesken ihre Gefräßigkeit gierig betätigt. Aber schlimmer als dies alles war für einen Teil gerade der wertvollsten Handschriften eben doch dies gewesen, daß in der Zeit zwischen Dominico und Raschid die Einbände entweder ganz entfernt oder so stark beschädigt worden waren, daß die Codices dadurch ihre Hauptwiderstandskraft hatten verlieren müssen. ') Jacobs S. 34. >) Vgl. Giambatista Toderini, Letteratura Turchesca, II, Venezia 1787, S. 38 f. (Deutsche Übersetzung von Hausleutner, II, Königsberg 1790, S. 34f.); Jos. v. Hammer, Die Stadt Constantinopolis und der Bosporos, I, Pesth 1822, S. 257f.
Murad III. als Beseitiger der kostbaren Einbände?
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Wer hat die Beseitigung oder doch Beschädigung der Einbände angeordnet? Das wahrscheinliche ist, daß es ein Sultan war, sei es, bald nach Dominicos Besuch, Murad III. (1574—1595), sei es, etwas später, Murad IV. (1623—1640), den man nachmals im Serai, um abendländische, für die Sultansbibliothek allzu verdächtig interessierte Forscher loszuwerden, als Zerstörer der Serai-Handschriften überhaupt bezeichnet h a t ' ) . Mir scheint hier die bereits von Jacobs 2) gestreifte Möglichkeit den höchsten Grad von Wahrscheinlichkeit zu besitzen: daß nämlich Sultan Murad III. der Urheber gewesen ist. Wenn man die von Jacobs mitgeteilte Relazione dello stato nel quäle si ritrova il governo dell' Impero Turchesco quest'anno 1594 im Cod. Ital. Fol. 2 der Preuß. Staatsbibliothek Berlin Bl. 5 1 3 auf sich wirken läßt, so erscheint es als sehr naheliegend, daß tatsächlich Murad III. hinter diesem dunkelen Stück der Bibliotheksgeschichte des Serai zu vermuten ist. Der Großherr, der zum Mißfallen der Türken, insbesondere seiner hohen Hofbeamten, so viele der seinen Vorfahren geschenkten Kostbarkeiten, silberne Sättel, juwelenbesetzte Degen, kostbare Gefäße aus Edelmetall in die Münze gegeben oder ihre Edelsteine in der Schatzkammer deponiert hat, wird schwerlich vor dem Edelmetall und den Perlen der Einbände Halt gemacht haben. Vielleicht würde eine Prüfung der in den letzten Jahren durch Halil Edhem Bejs Initiative von Professor Hans Stöcklein (München) in Ordnung gebrachten Waffensammlung des Serai 3) bei manchen Stücken die Verluste noch deutlich machen, die die Relazione erwähnt. Mit allem Vorbehalt sei hier noch eine Vermutung hinzugefügt. Es war im 18. Jahrhundert eine notgedrungene und als solche nicht unbegreifliche Abwehrmaßregel gegen handschriftenlüsterne Abendländer, daß man ihnen im Serai sagte, die griechischen und lateinischen Codices der Bibliothek seien durch »Sultan Murad« verbrannt worden 4). Gemeint ') Vgl. Jacobs S. 118.
*) s.81.
3) Vgl. oben S. 2. 4) Vgl. oben. 2*
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Die Schicksale der Codices nach ihrer Beraubung.
war damit wohl Murad IV. (1623—1640). Aber die Erfindung dieser unrichtigen Behauptung innerhalb der Serai-Tradition war gewiß durch den Umstand erleichtert gewesen, daß vorher wirklich ein »Sultan Murad« wenigstens schwere Eingriffe in die Bestände sich erlaubt hatte. In einer Hinsicht war die Zerstörung der Einbände, obwohl sie für die äußere Erhaltung der Codices eine Katastrophe war, ein gewisser Schutz. Der dadurch immer kritischer werdende schlechte Zustand der Handschriften verhinderte es, daß sie abendländischen Besuchern gezeigt wurden, die sich anderenfalls unschwer losgerissene Blätter oder Lagen nach irgendwelchen Manipulationen als »Andenken« oder als »Geschenk« hätten mitnehmen können. Jenes »Geschenk« des an Mehmed II. gerichteten Widmungsbriefes des Kritobulos, mit dem der russische Gesandte seinerzeit Tischendorf erfreute *), wäre ja doch auch nicht möglich gewesen, wenn diese Briefblätter nicht lose im Kritobulos-Codex gelegen hätten. Das Schicksal der Mehmed-Codices war nunmehr bis in unsere Tage hinein wohl dies. Die beschädigten und die nichtbeschädigten Codices wurden zunächst im Schatzhause aufbewahrt, die besser erhaltenen Stücke gelangten dann später in den von Ahmed III. 1719 errichteten Bibliothekskiosk des Serai 3 ). Die beschädigten Stücke blieben so, wie sie waren (wir sagen am Rhein »mit Dreck und Speck«), im Schatzhause in Kisten verwahrt, wurden nur ganz gelegentlich einmal flüchtig gezeigt, aber auch niemals vollständig, sondern nur in einer gewissen Auswahl. Dann verschwanden sie wieder, oft auf lange Zeit. Zu alledem kam, daß seit dem ') Vgl. unten zu Cod. 3. *) Als Toderini in Konstantinopel weilte (1781—1786), waren wohl sämtliche nichtislamischen Handschriften und Bücher der Sultansbibliothek in der Schatzkammer aufbewahrt (Letteratura Turchesca XI S. 46, deutsche Übersetzung II S. 39), nicht im Kiosk Ahmeds III. Weiteres über die Schatzkammer als Aufbewahrungsstätte vor und nach Toderini siehe bei Jacobs S. n i f f . Noch die auf Befehl Abd ul Hamids nach 1887 neu eingebundenen Codices hatten im Schatzhause gelegen und wurden erst von ihm in den Yildiz-Kiosk überführt (vgl. oben S. 5 f. u. 16).
Schatzhaus u. Achmed-Kiosk.
Abwanderung von Codices.
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17. Jahrhundert durch großmütige Schenkungen der Sultane sowie auf dunkleren Wegen größere Bestände der Bibliothek ins Abendland gelangt sind. Von den beschädigten Codices ist dann eine ganze Anzahl auf Befehl des Sultans Abd ul Hamid II. modern gebunden worden, ein Teil vor der Überführung als Geschenk nach Budapest'), ein anderer Teil nach 1887 zum Zweck der Überführung in den Yildiz-Kiosk 1 ). Obwohl damals mehrere durch Beschneidung beschädigt wurden 3) und der noch vorhandene Agnus-Dei-Metalleinband des schönen lateinischen Ptolemaios überhaupt in Verlust geriet, bedeutete dieser Neueinband doch auch eine erwünschte Sicherung der übel zugerichteten Schätze. Abd ul Hamid hat damit, gewiß ohne es ahnen zu können, eine Schuld Murads gesühnt. Erst durch die Initiative von Halil Edhem Bej ist dann zuletzt der gesamte Bestand einschließlich der YildizBände der wissenschaftlichen Untersuchung zum ersten Male zugänglich gemacht worden. Wie man sich die ursprünglichen kostbaren Einbände zu denken hat, dafür gibt es glücklicherweise zahlreiche Analogien in den noch vorhandenen mittelalterlichen Prachteinbänden in anderen Bibliotheken. Auch die Schatzkammer des Serai bewahrt einige wundervolle Einbände vermutlich orientalischer Handschriften auf. *
Als in der Osterzeit 1909 der Cambridger Bibliothekar Stephen Gaselee zu einem kurzen Besuch in Konstantinopel eintraf, um, bewaffnet mit einem Irade des Sultans, die SeraiBibliothek zu besichtigen, geriet er mitten in die Wirren der jungtürkischen Revolution. Seine kleine Schrift über die Serai-Bibliothek, in der Hauptsache übrigens eine Plauderei über die politischen Ereignisse jener schwülen Tage, faßt seinen Gesamteindruck über die 33 von ihm nur gesehenen >) Vgl. oben S. 16. >) Vgl. oben S. 5 f. u. 16. 3) Vgl. z. B. den großen Almagest-Kommentar Codex Seragliensia Nr. 40.
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Die Serai-Bibliothek als Bibliothek Mehmeds II.
Codices so zusammen: es handele sich hier nicht um die Reste der Bibliothek der byzantinischen Kaiser, sondern um eine bescheidenere Sache: um die Bücher irgend eines Arztes oder eines sonstigen Gelehrten aus dem Konstantinopel des 16. oder 17. Jahrhunderts; die Bibliothek offenbare eine ziemlich weite, aber nicht sehr tiefe Geschmacksrichtung'). Das Ergebnis unserer eigenen Beschäftigung mit der Serai-Bibliothek ist ein anderes. Wir sprechen zwar die noch vorhandenen Handschriften nicht einfach als die Reste der Paläologen-Bibliothek an, obwohl einzelnes wahrscheinlich aus dem Besitz der griechischen Kaiser stammt. Aber eine kaiserliche Bibliothek ist sie trotzdem. Was Emil Jacobs scharfsinnig auf Grund der zum Teil erst von ihm erschlossenen Quellen gefunden hatte, ohne die Märchenprovinz des Serai betreten zu haben, das ist mir durch das Studium an Ort und Stelle zur Gewißheit geworden: der Serai birgt tatsächlich die Reste der Bibliothek des Eroberers von Konstantinopel in sich, Mehmeds II. Man darf eben nicht nur jene 33 Codices, man muß den mehr als doppelt so großen noch vorhandenen Bestand studieren und sich die eben erwähnte beträchtliche Zahl kostbarer Handschriften vergegenwärtigen, die aus dem Serai seit vier Jahrhunderten allmählich in das Abendland gelangt sind. Emil Jacobs hat auch diese zum Teil geradezu romanhaften Schicksale der Bibliothek in seinem Buch ausführlich zu erzählen begonnen. Ich erinnere daher hier nur an das Handschriften-Geschenk Sulejmans II. an Don Diego Hurtado de Mendoza (vor 1543), von dem heute allerdings nur ein einziges Stück nachweisbar ist, der Bibel-Codex W 1 1 3 im Escorial 2 ); an die 16 griechischen und lateinischen kost') The Greek Manuscripts in the Old Seraglio at Constantinople, Cambridge 1916, S. 10. ») Jacobs S. 3 1 f. 81. Ich halte es für höchstwahrscheinlich, daß auch diese und die anderen seither nicht nachgewiesenen Stücke aus den Beständen Mehmeds II. stammten. Auch dem König Franz I. von Frankreich soll Sulejman II. griechische Handschriften geschenkt haben (Jacobs S. 32). Die obengenannte Handschrift des Escorial (0 1 1 3 ist ein Septuaginta-Codex des 1 1 . Jahrh., Pergament, 3 1 7 Blatt, 36 mal 26 cm; vgl. A. Rahlfs, Mitteilungen des Septuaginta-Unter-
Ihr ursprünglicher Bestand. Verluste durch Schenkungen usw.
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baren Handschriften, die Pierre Girardin 1687 durch einen im Dienste der höchsten Seraibeamten stehenden italienischen Renegaten für Geld an sich gebracht hat und die seitdem in Paris sind J ); an die 4 Codices, die Sultan Abd ul Aziz 1869 dem Kaiser von Österreich schenkte und die dann nach Budapest gelangten J ); an die wahrhaft fürstliche Schenkung des Sultans Abd ul Hamid, der 1877 der Universitätsbibliothek in Budapest 35 Codices überließ, die nur zum Teil als Corviniani gelten können 3); an gelegentliche andere Geschenke, wie den Sebastiani-Codex des Neuen Testaments 4) und, damit der Humor nicht fehle, auch das Geschenk, das der russische Gesandte unserem Constantin von Tischendorf aus der Kritobulos-Handschrift des Serai gemacht hat 5). Es bleibt eine besonders dankbare Sonderaufgabe, alle Nachrichten über ehemalige Serai-Codices und alles, was man auf dem Weg der Vermutung erschließen kann, mit dem zu vereinen, was noch heute im Serai vorhanden ist. Ich nenne hier aus den nach Paris und Ungarn gelangten Codices nur eine Auswahl: Homer, Theophrast, Hippokrates, Philostratos, Dio von Prusa, Herodot, Lykophron, Plutarch, Terentius, Plautus, Caesar, Cicero, Vitruvius, Curtius Rufus, Tacitus, Suetonius, Scriptores historiae Augustae, Clementinen, Ternehmens Bd. 2, Berlin 1914, S. 58. Im Escoriai ist auch die griechische Catenenhandschrift Y II 1 (14. Jahrh., Papier, 298 Blatt, 26 mal 23 cm), ebenfalls aus dem Besitz Mendozas (Rahlfs S. 54Î.). Sie dürfte auch zu jener Schenkung des Sultans gehören. Es würde sich wohl verlohnen, die gesamten Bestände des Escoriai und anderer spanischer Bibliotheken einmal auf Mendoza-Codices durchzuprüfen. ') Jacobs S. 120fi.; dort S. 122 die Liste dieser Handschriften. Der Renegat hatte behauptet, die Codices seien ihm geschenkt worden. Jacobs hält, wie er mir mitteilte, an seiner S. 125s. gegebenen Deutung des Siegelstempels dieser Handschriften nicht mehr fest. ') Blaß S. 228. 3) Jacobs S. 112ff.; vgl. oben S. 16 u. 21. 4) 1807 schenkte Sultan Selim III. dem französischen Gesandten General Sébastiani »un magnifique manuscrit du Nouveau Testament« (Jacovaky Rizo Néroulos, Cours de Littérature Grecque Moderne, Genève 1828, S. 177). Ich halte es für nicht unwahrscheinlich, daß dieser Codex noch identifiziert werden kann. 5) Vgl. unten zu Codex Seragliensis Nr. 3.
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Die Bibliothek als Reflex der Persönlichkeit Mehmeds II.
tullianus, Eusebios, Chrysostomos, Augustinus, BoSthius, Albertus Magnus, Dante, Speculum humanae salvationis. Auch wenn man einige dieser Handschriften sich als spätere Zugänge hinwegdenkt, bleibt der Gesamtcharakter der MehmedBibliothek unverändert der: einer kleinen, aber sorgfältig ausgewählten Liebhaberbücherei, die das Interessengebiet des Besitzers deutlich widerspiegelt und damit dem Charakterkopf Mehmeds II. schärfere Profillinien gibt. Wer sich den gesamten ehemaligen Bestand seiner nichtislamischen Handschriften vergegenwärtigt, für den hat diese ganze Reihe nicht nur den Charakter einer wertvollen klassischen und byzantinischen Bibliothek. Er sieht vielmehr hinter allen diesen Pergamenten, hinter diesen Dichtern von Homer bis Dante, hinter diesen Philosophen und Historikern, Ärzten, Mathematikern, Geographen und Astronomen, hinter diesen christlichen Bilderbibeln, Kirchenvätern, Brevier- und Legendenfolianten den riesigen Schatten einer welthistorischen Herrscherpersönlichkeit, deren Inneres zu erschließen diese Bücher uns helfen können. So muß man letztlich die Serai-Bibliothek betrachten: als Nachlaß und Abbild eines Säkularmenschen, der eine Weltenwende heraufgeführt hat und der, an der Pforte zwischen Morgenland und Abendland stehend, die Geisteskultur des Ostens und des Westens in sich zu vereinigen suchte. *
Vergegenwärtigen wir uns nun die geistige Haltung dieses Ost-West-Menschen l ). Sie wird vielleicht am deutlichsten erkannt an dem Stab von Gelehrten und Künstlern, mit denen sich der Eroberer umgeben hat, und die im Serai und in der benachbarten A j a Sofia erhaltenen Quellen gewähren uns sogar noch einige Momentbilder aus seinem geistigen i) Diese Auffassung der Persönlichkeit des Eroberers vertrat bereits 1889 (auf Grund des Geschichtswerkes von Kritobulos) Caedicius (== A. D. Mordtmann) in der sehr seltenen, von E . Jacobs mir zugänglich. gemachten Schrift: »Ancien Plan de Constantinople imprimé entre 1566 et 1574 avec Notes Explicatives« par Caedicius, Constantinople, Lorentz & Keil Libraires de S. M. I. L e Sultan [1889] S. 2 f .
Der Eroberer als Ost-West-Mensch.
Sein Gelehrten-Stab.
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Schaffen und aus der Geschichte des Aufbaus seiner Bibliothek. Es sind gewichtige und zum Teil glänzende Namen des griechischen Ostens und der italienischen Renaissance, die hier durch die Geschichte Mehmeds II. klingen : neben seinem Historiographen Kritobulos von Imbros ') ein Gelehrter wie Georgios Amirutzes von Trapezunt 2 ), den wir als seinen hauptsächlichsten wissenschaftlichen Berater für die antike, namentlich die antike wissenschaftliche Literatur ansprechen dürfen und der wohl auch auf die Gestaltung der Sultansbibliothek einen maßgebenden Einfluß gehabt hat 3), nicht ') Siehe unten zu Codex Seragliensis Nr. 3. ) Amirutzes war seinem Intellekt, Wissen und Können nach eine der bedeutendsten, seinem Charakter nach eine der problematischsten Gestalten jener Zeitenwende. Fast auf allen Gebieten der antiken Wissenschaft und Philosophie glänzend beschlagen, war er zugleich einer der gelehrten Theologen des untergehenden Byzanz. Als solcher nahm er im Gefolge des Kaisers Johannes V I I I . Palaiologos zusammen mit Bessarion und anderen an dem Unionskonzil zu Florenz 1439 hervorragend teil und t r a t mit Entschiedenheit für den Ausgang des heiligen Geistes aus Vater und Sohn ein. Sein ausführliches Votum hierüber ist noch erhalten. Auch bei dem berühmten Unionsfest in der Aja Sofia a m 12. Dezember 1452 ist er anwesend gewesen. Nach dem Sturz des byzantinischen Kaiserreichs finden wir ihn als hohen Hofbeamten (Protovestiarios) bei dem letzten Kaiser von Trapezunt David Komnenos. Mit ihm geriet er 1461 nach der Eroberung von Trapezunt durch Mehmed II. in türkische Gefangenschaft. Sein Übertritt zum Islam erfolgte wohl bald nachher. Dieser Schritt ist vielleicht im Zusammenhang mit seinem ebenfalls erhaltenen (aber mir seither noch nicht zugänglichen) »Dialog mit dem König der Türken über den Glauben an Christus« zu betrachten. Am Hofe Mehmeds II. war er eine der einflußreichsten Persönlichkeiten. Seiner hohen Verehrung f ü r den Sultan gab er in drei Lobgedichten Ausdruck, die Sp. Lampros veröffentlicht h a t : Deltion 2, Athen 1885—1889, S. 279S. Amirutzes war übrigens (als Sohn einer Schwester der Mutter Mehmeds) ein Vetter des Sultans. Man setzt seinen Tod in das J a h r 1475. 3) Es kam mir fast wie ein Schlagwörterkatalog der Sultansbibliothek vor, als ich bei Kritobulos (4, 9, 2 Müller S. 142) die folgende Charakteristik des Amirutzes las: (Zum Jahre 1461/62): fjv 8è Kai Tis àvf)p t w v urrà ßaaiAfcos [Kaiser David von Trapezunt] rscbpyios 'AptipoÙKT|s Toövopa, (piAoaoipIav aKpos Sari m p i te t ò