Finanzmarktrisiken durch ETFs und Closet Indexing: Eine empirische Analyse des deutschen Aktienmarktes [1 ed.] 9783896447760, 9783896737762

Die Diskussion um angemessene Gebühren für aktives oder passives Fondsmanagement betrifft die Frage nach einer adäquaten

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German Pages 288 [290] Year 2022

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Finanzmarktrisiken durch ETFs und Closet Indexing: Eine empirische Analyse des deutschen Aktienmarktes [1 ed.]
 9783896447760, 9783896737762

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Schriftenreihe Finanzierung und Banken

Band 32

Herausgeber: Prof. Dr. Detlev Hummel

Philipp Bunnenberg

Finanzmarktrisiken durch ETFs und Closet Indexing Eine empirische Analyse des deutschen Aktienmarktes

Edition Wissenschaft & Praxis

PHILIPP BUNNENBERG

Finanzmarktrisiken durch ETFs und Closet Indexing

Schriftenreihe Finanzierung und Banken Herausgegeben von Prof. Dr. Detlev Hummel

Band 32

Philipp Bunnenberg

Finanzmarktrisiken durch ETFs und Closet Indexing Eine empirische Analyse des deutschen Aktienmarktes

Edition Wissenschaft & Praxis

Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität Potsdam hat diese Arbeit im Jahr 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2022 Edition Wissenschaft & Praxis bei Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: TextFormArt, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 2751-9562 ISBN 978-3-89673-776-2 (Print) ISBN 978-3-89644-776-0 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Zum Geleit Ich freue mich, dass mit dem vorliegenden Band 32 die langjährige Schriftenreihe an der Universität Potsdam eine Fortsetzung findet. Herr Bunnenberg verfolgt darin das anspruchsvolle Ziel, die seit Jahrzehnten boomenden ETF-Märkte in ihrer Gesamtheit kritisch zu hinterfragen. Es werden dabei u. a. die Auswirkungen des sog. Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt untersucht. Die Arbeit ist einerseits ein Beitrag zu grundlegenden Fragen der Kapitalmarktforschung, nämlich den Stilrichtungen „aktiv versus passiv“. Aber sie richtet sich ebenso an die Praxis des Portfoliomanagements in den Fondsgesellschaften sowie an die europäischen Aufsichtsbehörden, um für UCITS-konforme Fonds adäquate Richtlinien für Benchmark-Konzepte zu entwickeln. Die Frage nach latenten systemischen Risiken, welche beispielsweise die Liquidität der ETFs bei Börsencrashs betreffen, wird ebenso erörtert. Die Diskussion um angemessene Gebühren für aktives oder passives Fondsmanagement betrifft die Frage nach einer adäquaten Leistungsbewertung oder eben einer risikojustierten „Performancemessung“ als Grundlage für finanzielle Anreize der Fondsgesellschaften. Gefragt sind weiterhin theoretische und praktische Lösungsvorschläge zu gravierenden Problemen dabei. War lange Zeit die Replikation von Indices ein geschätzter Wert an sich, für den Ratingkonzepte diskutiert wurden1, so stellt sich mit der massenhaften Verbreitung der ETFs in den letzten Jahrzehnten die Frage, was von den Fondsgesellschaften (gegen Gebühren) in unterschiedlichen Marktphasen erwartet werden sollte. Der Autor des vorliegenden Buches setzt sich kritisch mit den wesentlichen Anlagestrategien und Modellen für Indexprodukte auseinander, aber auch mit den bekannten Studien zur Regulierungspraxis zwecks Eindämmung des Closet Indexing. Mein ehemaliger Doktorand und Mitarbeiter am Lehrstuhl für Finanzierung und Banken der Universität Potsdam zeigt ein eigenes Bewertungsmodell für den deutschen Aktienmarkt fußend auf dem sog. „Active Share“ – einem Maß zur Ermittlung der Differenz zwischen dem Gesamtbestand eines Fonds und dem Bestand eines Wertpapierindex (in Anlehnung an Cremers und Petajisto, 2009). Im vorliegenden Buch beantwortet Bunnenberg zwei grundlegende Fragen der langfristigen Kapitalanlage: erstens, worin unterscheiden sich ETF-basierte Port-

1

Vgl. u. a. Hummel, D. / Mülhaupt, R.: Ratingkriterien für ETFs aus Sicht der Kapitalmarkteffizienzforschung, in: Everling / Götz / K irchhoff (Hrsg.): Exchange Traded Fund Rating, Köln 2011.

6

Zum Geleit

folios von klassischen Investmentfonds, und zweitens, wie gelingt die Replikation von Indices im deutschen Aktienmarkt? Mit der wachsenden Nachfrage nach ETFs als beliebte Anlagevehikel wurden zahlreiche Varianten kostengünstiger Finanzprodukte – welche i. d. R. ausgewählte Märkte nachbilden – entwickelt. Wenige ETF-Emittenten aus den USA und aus Europa substituieren mit simplen Finanzprodukten aufwändige Einzelanalysen und Portfoliostrategien. Dabei wird zweifelsfrei eine hohe Diversifikation bei geringsten Kosten erreicht, allerdings auch der Anspruch nach marktneutralen oder marktübertreffenden Portfolios weitgehend aufgegeben. Andererseits: systematische (Markt-)Risiken lassen sich weder theoretisch noch praktisch „wegdiversifizieren“. Dies kann in Krisen- oder Crashsituationen zu Verlusten führen. Latente Liquiditätsrisiken in den ETF-Strukturen könnten sich schlagartig als systemrelevant erweisen, sollten Kurskorrekturen oder Seitwärtsbewegungen länger anhalten. Die Entwicklung geeigneter Risikomanagementsysteme für Portfolioinvestitionen – mit oder ohne ETFs als Anlagevehikel – bleibt eine Herausforderung im schwierigen Umfeld der Finanzmärkte Europas. Ich wünsche dem geneigten Leser und kritischen Betrachter dieser Forschungsleistung Anregung und Ideen für einen weiteren fachlichen Austausch. März 2022

Prof. em. Dr. sc. Detlev Hummel

Vorwort Die vorliegende Forschungsarbeit entstand während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Finanzierung und Banken an der Universität Potsdam. Zwischen dem Prolog, der Themenfindung, im Jahr 2016 und der Schlussetappe im Jahr 2019 mussten immer wieder Gipfel erklommen und Täler durchschritten werden. Der Weg zum Ziel war nicht selten mit Hindernissen gepflastert, die es zu bewältigen galt. Jeder Doktorand weiß, das Verfassen einer Dissertation ist ohne Zweifel auch eine Tour der Leiden. Diesen langen Weg bis hin zum Schlussspurt muss man häufig alleine bewältigen, ist eine Dissertation doch stets das Werk eines Einzelnen. Dennoch wurde ich beständig von Dritten begleitet, ohne deren Unterstützung ich das Ziel niemals erreicht hätte. Ihnen allen gilt mein Dank. Mein größter Dank gilt meinen Eltern, die mich während meiner langen Ausbildung in jeder Hinsicht unterstützt und Rückhalt geboten haben. Besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Prof. Dr. Detlev Hummel, für die Betreuung während meiner Promotionszeit und für den großen Freiraum, den er mir bei der Themenwahl und Bearbeitung dieser Dissertation schenkte. Mein herzlicher Dank gilt ebenso Prof. Dr. Uta Herbst für die Übernahme des Zweitgutachtens. Ausdrücklich bedanken möchte ich mich auch bei allen Kolleginnen und Kollegen am Lehrstuhl für Finanzierung und Banken für ihre Unterstützung. Besonders hervorheben möchte ich Claudia Swirplies, Oliver Göldner, Dr. Martin Schneider und Dr. David Bosch, die mir stets mit Rat und Tat zur Seite standen. Till Blaß gilt mein großer Dank für die hervorragende Mitwirkung bei der Beschaffung von Finanz- und Kapitalmarktdaten. Dem Bundesverband Alternative Investments e. V. (BAI) danke ich für die freundliche Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Nicht zuletzt möchte ich mich bei meiner gesamten Familie und allen Freundinnen und Freunden bedanken, die mich während meiner Promotionszeit begleitet und unterstützt haben. Bonn, im Juli 2022

Philipp Bunnenberg

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1.1 Motivation, Problemstellung und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1.2 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Finanzmarkttheoretische Einordnung aktiver und passiver Kapitalanlagestra­ tegien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.1 Begriffsbestimmung und Abgrenzung aktiver und passiver Kapitalanlagestrategien 28 2.2 Performancevergleich aktiver und passiver Kapitalanlagestrategien . . . . . . . . . . 31 2.3 Closet Indexing bei aktiv gemanagten Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2.4. Relevanz des Benchmark-Konzeptes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2.5 Portfoliotheorie, Kapitalmarkttheorien und die Verhaltensökonomie . . . . . . . . . . 51 2.5.1 Portfolio-, Kapitalmarkt- und Faktormodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2.5.2 Die Effizienzmarkthypothese und Effekte des ETF-Marktes auf die Markteffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2.5.3 Kritik an der Effizienzmarkthypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2.5.4 Behavioral Finance und Heuristiken aktiver und passiver Kapitalmarkt­ akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2.6 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3. ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.1 Die Entwicklung des ETF-Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.2 Geschäftsmodelle von Kapitalverwaltungsgesellschaften und Indexanbietern im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3.3 Die Funktionsweise von ETFs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 3.3.1 Creation / Redemption-Prozess, ETF-Handel und Preisbildung . . . . . . . . 92 3.3.2 Tracking Error und Tracking Differenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 3.4 Physische vs. synthetische Replikation: Methoden des Indextrackings . . . . . . . . 100 3.4.1 Physische Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 3.4.2 Chancen und Risiken der Wertpapierleihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3.4.3 Synthetische Replikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

10

Inhaltsverzeichnis 3.5 Alternativen zu Plain-Vanilla-Aktien-ETFs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3.5.1 Leveraged und inverse ETFs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3.5.2 Smart Beta ETFs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3.6 Rating von ETFs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3.7 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing aktiver Investment­ fonds am deutschen Aktienmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 4.1 Closet Indexing Literature Review . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 4.1.1 Studien und wissenschaftliche Fachbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 4.1.2 Closet Indexing im Fokus der europäischen Aufsichtsbehörden . . . . . . . 140 4.1.3 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 4.2 Thesen- und Hypothesenentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 4.2.1 Thesen und Hypothesen: ETFs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 4.2.2 Thesen und Hypothesen: Closet Indexing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 4.3 Der deutsche offene Investmentfondsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 4.4 Datenbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 4.4.1 Publikumsinvestmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 4.4.2 ETFs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 4.4.3 Benchmarks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 4.5 Empirisches Untersuchungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 4.6 Analyse der ETFs am deutschen Aktienmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 4.6.1 Entwicklung des deutschen ETF-Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 4.6.2 Index-Tracking der ETF-Anbieter im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 4.6.3 Die Tracking Differenz deutscher Aktien-ETFs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 4.6.4 Interpretation der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 4.7 Analyse von Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 4.7.1 Publikumsinvestmentfonds am deutschen Aktienmarkt . . . . . . . . . . . . . . 188 4.7.2 Identifizierung potenzieller Closet-Indexing-Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 4.7.3 Active Share von Investmentfonds am deutschen Aktienmarkt . . . . . . . . 195 4.7.4 Persistenz von Active Share . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 4.7.5 Active Share und die Fondsperformance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 4.7.6 Mittel- bis langfristige Active-Share-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

Inhaltsverzeichnis

11

4.7.7 Sind kleinere Fonds aktiver? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 4.7.8 Aktives Fondsmanagement und Fondsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 4.7.9 Einflussfaktoren auf den Active Share . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 4.7.10 Der Grad aktiven Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 4.7.11 Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 4.7.12 Interpretation der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 4.8 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 5. Ausblick: mögliche systemische Risiken auf ETF-Märkten und die Regulierung von UCITS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 5.1 Liquiditätsrisiken und ETFs als Volatilitätstreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 5.2 Flash Crashes und Fire Sales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 5.3 Regulierung von UCITS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 5.4 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 6. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 6.1 Zusammenfassung und Einordnung der zentralen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . 243 6.2 Handlungsempfehlungen, Limitationen und Ansätze zur weiteren Forschung . . 250 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Anhang 1: Aktive Investmentfonds: Benchmarkdifferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Anhang 2: Aktive Investmentfonds: Deskriptive Statistik & Active-Share-Auswertung 257 Anhang 3: Inaktive Investmentfonds: Benchmarkdifferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Anhang 4: Inaktive Investmentfonds: Deskriptive Statistik & Active-Share-Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 Anhang 5: ETF Sample . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Anhang 6: ETF-Korrelationsmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Anhang 7: ETF-Verteilung der Stichprobe für die TD-Regression . . . . . . . . . . . . . . 263 Anhang 8: Verteilung der Investmentfonds-Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Anhang 9: Q-Q-Diagramme der Investmentfonds-Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Anhang 10: Boxplot Diagramme der Investmentfonds-Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . 266 Anhang 11: Korrelationsanalyse der Investmentfonds-Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Anhang 12: Fünfjährige deskriptive Statistik der Investmentfonds-Stichprobe . . . . . 268 Anhang 13: Histogramme 5-Jahreszeitraum der Investmentfonds-Stichprobe . . . . . . 269

12

Inhaltsverzeichnis Anhang 14: Boxplotts 5-Jahreszeitraum der Investmentfonds-Stichprobe . . . . . . . . . 270 Anhang 15: Active Share und Prädiktor-Variablen Streudiagramme (5Y) der Investmentfonds-Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Anhang 16: Korrelationsanalyse 5-Jahreszeitraum der Investmentfonds-Stichprobe . 272

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abbildung 1: Informationseffizienz auf Kapitalmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Abbildung 2: Aktives und passives Assetmanagement bei Unsicherheit über den Grad der Markteffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Abbildung 3: Weltweit in ETFs verwaltetes Vermögen (Mrd. USD) . . . . . . . . . . . . . . 87 Abbildung 4: Creation / Redemption-Prozess am Beispiel der Börse Frankfurt . . . . . . 93 Abbildung 5: Die Rolle der Authorized Participants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Abbildung 6: Unterschiedliche Arten aktiven und passiven Fondsmanagements . . . . . 128 Abbildung 7: Active Share und Tracking Error im Bondmanagement . . . . . . . . . . . . . 133 Abbildung 8: Performance DAX, MDAX & SDAX für die Kalenderjahre 2­ 014–2018 . 160 Abbildung 9: Performancevergleich DAX, MDAX & SDAX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Abbildung 10: Total Net Asset der ETFs nach Domizil 2013–2018 (in Mio. €) . . . . . . . 174 Abbildung 11: Nettoinventarwert der ETFs nach ETF-Anbieter 2013–2018 (in Mio. €) 175 Abbildung 12: Fonds- und Benchmarkperformance im Untersuchungszeitraum 2­ 013–2018 190 Abbildung 13: Gleichgewichteter vs. wertgewichteter Active Share . . . . . . . . . . . . . . . 196 Abbildung 14: Streudiagramm Active Share und benchmarkadjustierte Performance (1Y-lag) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Abbildung 15: Streudiagramm 5-Jahres Performance und Active Share . . . . . . . . . . . . 204 Abbildung 16: Active Share und Fondsgröße im 5-Jahreszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Abbildung 17: Active Share und TER im 5-Jahreszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Abbildung 18: Aktive und passive Fondsinvestmentstile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Abbildung 19: OGAW Fallbeispiel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Abbildung 20: OGAW Fallbeispiel 1: „Frühere Wertentwicklung“ . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Abbildung 21: OGAW Fallbeispiel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Tabelle 1:

Relevante Forschungsergebnisse zur Performance von Investmentfonds . 35

Tabelle 2:

Underperformance von aktiv gemanagten Aktienfonds . . . . . . . . . . . . . 41

Tabelle 3:

Survivorship bei Aktienfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

Tabelle 4:

Klassifizierung ausgewählter Informationseffizienztests . . . . . . . . . . . . 70

Tabelle 5:

Angewandte Heuristiken kognitiven und emotionalen Ursprungs und ihre Risiko-/Renditeschädlichkeit im Informations- und Entscheidungsprozess 74

Tabelle 6:

Bestimmung aktiver und passiver Fonds nach Demartini und Mosson (2018) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

Tabelle 7:

Closet Indexing Literature Review . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

14

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Tabelle 8:

Thesen und Hypothesen zum deutschen ETF-Aktienmarkt . . . . . . . . . . 149

Tabelle 9:

Thesen und Hypothesen zu Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt 153

Tabelle 10:

Replizierte deutsche Aktienindices . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

Tabelle 11:

KIID Benchmarks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

Tabelle 12:

Benchmark und Anzahl zugeordneter Fonds im Untersuchungszeitraum 2013–2018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Tabelle 13:

Residuenverhalten: Gründe, Probleme und Lösungen . . . . . . . . . . . . . . 169

Tabelle 14:

ETF-Anbieter für den deutschen Aktienmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

Tabelle 15:

Domizil der in der Forschungsarbeit untersuchten ETFs . . . . . . . . . . . . 172

Tabelle 16:

Total Expense Ratio der untersuchten ETFs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

Tabelle 17:

TER (in %) nach replizierten Indices 2013–2018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

Tabelle 18:

Total Net Asset der untersuchten ETFs 2013–2018 (in Mio. €) . . . . . . . 173

Tabelle 19:

KIID Analyse der ETF-Anbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

Tabelle 20:

Comstage 1 ETF Serie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

Tabelle 21:

Tracking Differenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

Tabelle 22:

Korrelationsmatrix zur Tracking-Differenz-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . 180

Tabelle 23:

Multikollinearität der exogenen Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

Tabelle 24:

Regression der Tracking Differenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Tabelle 25:

Forschungsergebnisse für den deutschen ETF-Aktienmarkt . . . . . . . . . . 188

Tabelle 26:

Total Expense Ratio der analysierten Investmentfonds 2013–2018 . . . . 188

Tabelle 27:

Unterschiede der TERs bei Large Cap vs. Mid-/Small Cap Fonds ­2013–2018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

Tabelle 28:

Nettoinventarwerte der untersuchten Publikumsaktienfonds 2013–2018 (in Mio. €) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

Tabelle 29:

Beispielberechnung Active Share und Active Fee . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

Tabelle 30:

Durchschnittlicher jährlicher Active Share mit n Anzahl an Fonds der Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

Tabelle 31:

Deskriptive Statistik der Active Share Terzilportfolios . . . . . . . . . . . . . . 198

Tabelle 32:

Terzilübergangsmatrix zur Persistenz von Active Share auf Fonds-Ebene 199

Tabelle 33:

3×3 Portfolios Active Share und TE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

Tabelle 34:

3×3 Portfolios Active Share und TER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202

Tabelle 35:

3×3 Portfolios Active Share und TNA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

Tabelle 36:

Deskriptive Statistik 5-Jahreszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

Tabelle 37:

Regression des durchschnittlichen Active Share auf die langfristige Fondsperformance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

Tabelle 38:

Regression zum mittel- bis langfristigen Active Share . . . . . . . . . . . . . . 209

Tabelle 39:

Closet-Indexing-Ebenen am deutschen Aktienmarkt . . . . . . . . . . . . . . . 212

Tabelle 40:

Durchschnittlicher Active Fee und Fünfjahres-Performance bei potenziellen Closet-Indexing-Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

15

Tabelle 41:

Forschungsergebnisse zu Closet-Indexing-Anlagestrategien am deutschen Aktienmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

Tabelle 42:

Beispiele von Flash-Crash- und Fire-Sales-Szenarien . . . . . . . . . . . . . . 234

Tabelle 43:

Closet-Indexing-Fonds am deutschen Aktienmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

Abkürzungsverzeichnis AF Active Fee AG Aktiengesellschaft AM Assetmanagement AMEX American Stock Exchange AMF Autorité des Marchés Financiers AP Authorised Participants AUM Assets Under Management Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin Bank für Internationalen Zahlungsausgleich BIZ / BIS basis points (Basispunkte) bps BVI Bundesverband Investment und Assetmanagement e. V. Capital Asset Pricing Model CAPM Credit Default Swap CDS Deutscher Aktienindex DAX Dow Jones Industrial Average DJIA DW-Test Durbin-Watson-Test EAFE Europe, Australasia and the Far East Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA EIOPA Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung EM Emerging Markets EMH Efficient Market Hypothesis ESFS Europäisches System der Finanzaufsicht Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA Exchange Traded Commodity ETC Exchange Traded Fund ETF ETN Exchange Traded Note Exchange Traded Product ETP Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG FSB Financial Stability Board GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung H Hypothese Internationaler Währungsfonds IMF KBV Kurs-Buchwert-Verhältnis KCV Kurs-Cashflow-Verhältnis KGV Kurs-Gewinn-Verhältnis Key Investor Information Document KIID KMU Kleine und mittlere Unternehmen KUV Kurs-Umsatz-Verhältnis Libor London Interbank Offered Rate Net Asset Value NAV

Abkürzungsverzeichnis Non-Governmental Organization NGO New York Stock Exchange NYSE Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren OGAW Official Liquidity Provider OLP Optimised Portfolio as Listed Securities OPALS OTC Over the Counter Real Estate Investment Trust REIT Société par actions (Aktiengesellschaft) S. A U. S. Securities and Exchange Commission SEC Systematically Important Financial Institution SIFI Standard & Poor’s Depository Receipts SPDR Single Resolution Mechanism SRM Single Supervisory Mechanism SSM T These Tracking Differenz TD Tracking Error TE Total Expense Ratio TER Toronto Index Participation Shares TIPS Total Net Asset TNA Undertakings for Collective Investments in Transferable Securities UCITS Unit Investment Trust UIT Varianz Inflation Factor VIF Chicago Board Options Exchange Volatility Index VIX

17

Symbolverzeichnis α Signifikanzniveau Jensen’s Alpha α J β Beta-Faktor Konstantes Glied β 0 Regressionskoeffizienten (k = 1, 2, …, K) βK Kovarianz zwischen den Renditen der Wertpapiere i und j Cov(ri, rj) D¯ Durchschnittsrendite Di Dummy-Variable DW Durbin-Watson-Test Erwartete Portfoliorendite E(rp) Erwartete Rendite des Wertpapiers i E(ri) ε Störterm F F-Test Nullhypothese H0 Zahl der Beobachtungen I Zahl der unabhängigen Variablen K P Terzilportfolio p p-Wert R² Bestimmtheitsmaß 2 Korrigiertes Bestimmtheitsmaß Rkorr R BM Benchmark-Rendite gemessene Überschussrendite der Benchmark R BMü Risikoloser Zins R f Portfoliorendite R PF Gemessene Überschussrendite des Portfolios R PFü Historische Sharpe Ratio Sh Standardfehler von ßk sßk t, T Zeitindex bzw. länge einer Anlageperiode t-Wert t emp σ Volatilität bzw. Standardabweichung Varianz σ2 Wertpapier i des Fonds wfund,i Wertpapier i des Index windex,i Portfolioanteil des Wertpapiers i xi x¯ Mittelwert Werte der unabhängigen Variablen (k = 1, 2, …, K; i = 1, 2, …, I) X Ki Ausprägung der Variablen n bei Objekt k, xkn y Wert der abhängigen Variablen Ermittelter Schätzwert der abhängigen Variablen ŷ i

1. Einleitung 1.1 Motivation, Problemstellung und Zielsetzung Trotz gut dokumentierter Nachweise, dass Nettorenditen aktiv verwalteter Publikumsfonds im Durchschnitt statistisch signifikant unter denen passiver Pendants (z. B. Exchange Traded Funds) liegen,1 nehmen aktiv verwaltete Investmentfonds seit Jahrzehnten eine zentrale Rolle in den Portfolios institutioneller und privater Investoren ein. Und dennoch gibt es jene Fondsmanager, denen es auch über Jahre hinweg gelingt, ihre Benchmark systematisch durch Stock-Picking- und TimingFähigkeiten zu übertreffen.2 Obgleich sehr hoher Informationseffizienz3 der meisten Kapitalmärkte ist es ausgeschlossen, die zukünftigen Kursentwicklungen von Wertpapieren vorherzusagen. Anlagestrategien, die in der Vergangenheit erfolgreich waren, garantieren keinen zukünftigen Erfolg. Folglich ist es trotz zahlreicher Modelle und Methoden der Performancemessung4 ebenso unmöglich die Erfolgswahrscheinlichkeit von Fondsmanagern im Vorfeld exakt zu prognostizieren. Jedoch liefern Wahrscheinlichkeitswerte zumindest Tendenzen, anhand derer sich Anlagestrategien im Vergleich zu einer adäquaten Benchmark kategorisieren lassen. Zu den Investmentfonds mit unterdurchschnittlichem Erfolg zählen solche, die sogenannte Closet-Indexing-Anlagestrategien verfolgen, bei denen für aktives Management Gebühren erhoben, aber Wertpapierportfolios gebildet werden, die sich stark mit Portfolios von wesentlich kostengünstigeren, passiv gemanagten Exchange Traded Funds (ETFs) überschneiden. Closet-Indexing-Fondsmanager bewegen sich mit ihrer erzielten Fondsrendite so nahe an einer passiven Benchmark, dass die Kosten einen möglichen Mehrwert zumeist aufzehren. Umso mehr stellt sich die Frage, welche Faktoren es gibt, anhand derer sich eine positive Performance von Fondsmanagern statistisch signifikant mit möglichst hoher Eintrittswahrscheinlichkeit prognostizieren lässt. Gerade deshalb spielt die Wahl einer adäquaten Benchmark5 bei der Bewertung von Fondsmanagern eine 1

Vgl. Kapitel 2.2. Vgl. Kacperczyk / Sialm / Zheng (2005), S.  1983. 3 Vgl. Kapitel 2.5.2. 4 Aufgrund des begrenzten Umfangs dieses Forschungsvorhabens, können im Verlauf der Arbeit nur einzelne, ausgewählte Performancemaße vorgestellt werden. Vgl. Kapitel 2.2. 5 Die Bedeutung der Wahl der adäquaten Benchmark wird im Verlauf dieser Forschungsarbeit ausführlich diskutiert. Ihr kommt auch in der empirischen Analyse des deutschen Fondsmarktes hinsichtlich Closet-Indexing-Anlagestrategien eine entscheidende Rolle zu. 2

20

1. Einleitung

entscheidende Rolle. Aufgrund dessen wird die Performance – und damit der Erfolg eines Investmentfonds – in der vorliegenden Forschungsarbeit an der Rendite­ differenz zu einer passiven Benchmark bemessen. Neben gängigen Aktienindices sticht dabei insbesondere ein Finanzprodukt als Anlagealternative und zugleich Benchmark zu aktiv gemanagten Investment­ fonds heraus: ETFs. Sie sind, gemessen am Wachstum des Marktes,6 die vielleicht wichtigste Finanzinnovation der letzten 20 Jahre und gehören heute sowohl für institutionelle als auch für private Investoren zu relevanten Produkten zur Diversifikation ihrer Portfolios. Institutionelle Investoren nutzen ETFs für ein verbessertes Portfoliomanagement. Sie verwenden ETFs, um mit großen Positionen ganze Branchen, Länder oder Regionen abzudecken, für Hedging-Strategien, als Ersatz für Index-Futures oder als kurzfristiges Investment, um liquide Mittel schnell, einfach und kostengünstig zu investieren. Kleinanlegern werden ETFs aufgrund der niedrigen Gebühren und dem simplen standardisierten Börsenhandel in der Finanzpresse geradezu euphorisch empfohlen. Dabei wirken global zu beobachtende Trends wie das derzeitige Niedrigzinsniveau, Regulierungsbemühungen zu nachhaltigen, transparenten und kosteneffizienten Investmentvehikeln, die Digitalisierung sowie die allgemeine Medienpräsenz rund um das Thema „passives Investieren“ als zusätzliche Treiber.7 Die zunehmende Beliebtheit passiver Anlagestrategien und die steigende Präsenz von ETFs an den internationalen Kapitalmärkten werfen neue Forschungs­ fragen auf: Während ETF-Anbieter das Retailgeschäft weiter stärken wollen, sollten Aufsichtsbehörden hinterfragen, ob die medial hochgesetzten Erwartungen von (Privat)-Investoren mit der Performance und dem Risiko von ETFs in schwierigen Marktphasen konform gehen. Denn neben zahlreichen Vorteilen treten sowohl systematische als auch systemische Risiken vermehrt in den Vordergrund.8 Verschiedene renommierte Institutionen warnten erstmals in den Jahren 2010 und 2011 vor möglichen Finanzmarktstabilitätsrisiken, ausgelöst durch Kontrahentenrisiken bei Swap-basierten synthetischen ETFs, vor Liquiditätsengpässen und möglichen Risiken der Wertpapierleihe.9 6

Vgl. Abbildung 3. Vgl. Ernst & Young (2017), S. 5. 8 Anzumerken sind hier vor allem nahezu zeitgleich erschienene Publikationen der Bank of England (vgl. Bank of England (2010), S. 40–41), der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) (vgl. Ramaswamy (2011), S. 2 ff.), des Financial Stability Boards (FSB) (vgl. Financial Stability Board (2011), S. 1 ff.), sowie des Internationalen Währungsfonds (IMF) (vgl. International Monetary Fund (2011), S. 68 ff.) in den Jahren 2010 und 2011. Alle vier Institutionen warnen darin erstmals vor möglichen Finanzmarktstabilitätsrisiken ausgelöst durch Kontrahentenrisiken bei Swap-basierten synthetischen ETFs, vor Liquiditäts­engpässen und der Wertpapierleihe. 9 Diese Risiken haben sich in den letzten Jahren zum Teil marginalisiert. Zu nennen ist hier beispielsweise der Rückgang des Marktanteils synthetischer ETFs (vgl. Deutsche Bundesbank [2018a], S. 88) und damit der Umfang möglicher von synthetischen ETFs ausgehender Risiken. 7

1.1 Motivation, Problemstellung und Zielsetzung

21

Einen ersten Versuch, die Risiken von ETFs zu systematisieren, unternahm die Central Bank of Ireland (2017). Sie hebt dabei hervor, dass insbesondere die Bedeutung der Liquidität von ETFs sowohl Marktteilnehmer als auch Regulierer in Zukunft vor Herausforderungen stellen wird und das auf diesem akademischen Forschungsfeld Nachholbedarf besteht.10 Bisherige Studien haben zudem häufig einen Emittentenhintergrund,11 sodass Interessenskonflikte nicht auszuschließen sind. Vor diesem Hintergrund ist ein wesentliches Ziel des Autors, in einer Literaturanalyse sowohl systematische Risiken auf ETF-Märkten, die vor allem Entscheidungsgrundlagendiskussionen im aktiven und passiven Assetmanagement betreffen als auch systemische Risiken, die neuen Regulierungsbedarf von Finanzinstitutionen hervorrufen, zusammenzutragen, negative Folgen für Finanzmärkte und Volkswirtschaften aufzuzeigen und in theoretischer Hinsicht zu erweitern.12 Dem begrenzten Erklärungsgehalt vorheriger Arbeiten in diesem Forschungs­ bereich wird entgegengewirkt, indem die Analyse einen ganzheitlichen Überblick über tatsächliche und potenziell mögliche ETF-Marktrisiken zeichnet. Zugleich wird in einer empirischen Analyse des deutschen Aktienmarktes die Güte der Replikationsmethodik von ETFs aufgezeigt und evaluiert, ob diese eine geeignete Anlagealternative zu aktiv gemanagten Investmentfonds darstellen. Unter Berücksichtigung neuer passiver Anlagealternativen stellt sich ferner die Frage, inwieweit aktives Assetmanagement ökonomisch nach wie vor sinnvoll ist. Die Mehrzahl der aktiven Fondsmanager erzielt Fondsrenditen, die nahe an denen passiver Benchmarks liegen, sodass Transaktions- und Managementkosten einen möglichen Mehrwert häufig aufzehren.13 Der messbare Erfolg aktiver und passiver Kapitalanlagen ist deshalb zentraler Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Forschungsarbeit. Die Auswahl eines Fondsmanagers ist insbesondere für institutionelle Investoren mehr denn je zu einer komplexen Aufgabe geworden. Im Fokus dieser Arbeit steht deswegen die konkrete Zusammenstellung aktiv gemanagter Investmentfonds-Portfolios. Eine der wichtigsten wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre über die Bedeutung aktiven Managements stammt aus der Forschungsarbeit von Cremers und Petajisto (2009). Sie entwickelten mit „Active Share“ ein Maß zur Bestimmung der Differenz zwischen dem Wertpapierbestand eines aktiven Investmentfonds und dem Wertpapierbestand eines ETFs oder Indexfonds.14 Ist diese Differenz gering, werden Fonds, die für aktives Management Gebühren erheben, jedoch Wertpapiere im Portfolio halten, die sich stark mit den Wertpapierbeständen eines wesentlich preiswerteren ETFs überschneiden, als sogenannte „Closet-Indexing-Fonds“ 10

Vgl. Central Bank of Ireland (2017), S. 5.­ Diese Studien sind in der Regel von großen Finanzdienstleistern (beispielsweise ­BlackRock oder Vanguard) herausgegeben oder von diesen finanziert. 12 Vgl. Kapitel 2, 3 und 5. 13 Vgl. Kapitel 2.2. 14 Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3335. 11

22

1. Einleitung

bezeichnet.15 Internationale Forschungsarbeiten zu diesem Thema bauen überwiegend auf den Grundlagen von Cremers und Petajisto (2009) auf. Das gilt auch für die empirische Analyse der vorliegenden Arbeit über den deutschen Aktienmarkt. Trotz der hohen Relevanz für Investoren, Assetmanager und Regulatoren liegen weder aus der akademischen Kapitalmarktforschung noch von der deutschen (BaFin) oder europäischen Aufsichtsbehörde (ESMA) Analysen vor, die Aufschluss zum Aufkommen von Closet-Indexing-Fonds am deutschen Aktienmarkt geben. Die bisherige Forschung zur Thematik untersucht bis auf wenige Ausnahmen den US-Aktienmarkt. Die vorliegende Forschungsarbeit soll diese Forschungslücke schließen. Ziel auf diesem Teilgebiet ist es, den Forschungszweig zu Closet-Indexing-Strategien sowohl in theoretischer als auch empirischer Hinsicht zu erweitern, um so Rückschlüsse auf die Managementaktivität von Investmentfonds mit Fokus auf den deutschen Aktienmarkt ziehen zu können. Damit wird einer wesentlichen Limitation bisheriger Forschungsvorhaben, die hauptsächlich den US-Aktienmarkt analysieren, entgegengewirkt. Für das Forschungsvorhaben wird zunächst ein ganzheitlicher Untersuchungsrahmen geschaffen. Bisherige Forschungsarbeiten zielen in der Regel entweder auf die isolierte Analyse von ETFs oder aktiver Investmentfonds als Pendants für passive bzw. aktive Kapitalanlagestrategien ab. Diese Forschungsarbeit ist hingegen interdisziplinär aufgebaut, sodass aktive und passive Kapitalanlageprodukte und -strategien gleichermaßen kritisch hinterfragt werden. Das theoretische Grundgerüst der vorliegenden Forschungsarbeit bilden die klassischen und die neoklassischen Kapitalmarkttheorien. Diese werden auf unterschiedliche Problemstellungen aktiver und passiver Kapitalanlagestrategien hin dargestellt. Ein Hauptziel der Arbeit ist dabei aufzuzeigen, dass die übliche Fokussierung auf gängige Performancemaße im aktiven Fondsmanagement zu eng gefasst ist. Denn Forschungsarbeiten über Investmentfonds analysieren traditionell die Fondsperformance, das Generieren von „Alpha“,16 seltener jedoch die Aktivitäten der Fondsmanager und damit die Zusammensetzung der Investmentfonds-Portfolios per se.17 Stattdessen wird in diesem Forschungsvorhaben die konkrete Portfoliozusammenstellung von Investmentfonds in den Fokus gestellt, da es oft jene aktiven Handlungen18 des Fondsmanagers sind, die schlussendlich bedeutend zur Fondsperformance beitragen, positiv als auch negativ. Als entscheidend wird dabei in dieser Forschungsarbeit die Differenz des Portfolios eines aktiven Investmentfonds

15

Vgl. Cremers / Curtis (2016), S. 33. Vgl. Kapitel 2.2. 17 Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3333. 18 Mit aktiven Handlungen ist in der vorliegenden Forschungsarbeit die Differenz der Portfoliozusammensetzung zur passiven Vergleichsbenchmark gemeint. 16

1.1 Motivation, Problemstellung und Zielsetzung

23

zu einer adäquaten Vergleichsbenchmark angesehen. Ist diese Differenz schwach ausgeprägt, verfolgen aktive Fondsmanager potenziell Closet-Indexing-Strategien. Dabei werden Auswirkungen des Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt auf die Performance der untersuchten Aktienfonds aufgezeigt. Zur Bewertung werden Aktien-Investmentfonds adäquate passive Benchmark Indices gegenübergestellt. Ausdrücklich wird in dieser Forschungsarbeit darauf Wert gelegt, dass diese Vergleichsindices reale Anlagealternativen in Form von ETFs darstellen. Denn aktuelle Brisanz erfährt Closet Indexing auch durch den in den letzten Jahren wachstumsstarken ETF-Markt. Aktive Fondsmanager geraten durch die preisgünstige, passive Index-Tracking-Alternative vermehrt unter Druck. Die Ausführungen der vorliegenden Arbeit zeigen zudem auf, wie wichtig die Regulierung der Fondsindustrie ist. Diese Regulierung muss nicht zum Nachteil der Fondsanbieter sein. Strengere Regeln und Vorschriften im Rahmen eines stabilen Rechtssystems, das die Rechte der Investoren stärkt, können Entwicklung und Wachstum der Fondsbranche positiv beeinflussen. Zugleich wird mit der Forschungsarbeit offengelegt, dass das derzeitige Regelwerk der EU stellenweise ungenügend ist. Beispielhaft dafür werden standardisierte Informationsdokumenten, wie die wesentlichen Anlegerinformationen (KIID), ausgewertet. Ferner wird aufgezeigt, dass fehlende Transparenzbestimmungen für europäische Investmentfonds auch die Analyse hinsichtlich Closet-Indexing-Aktivitäten erschweren. Aufgrund einer fehlenden Closet-Indexing-Legaldefinition ist gemäß dem europäischen Rechtsrahmen der Ermessensspielraum bei der Identifizierung von Closet-Indexing-Fonds groß. Feste Grenzwerte zur Definition aktiven Portfoliomanagements wurden bisher nicht in das europäische Regelwerk implementiert. Das hat bisher erhebliche Folgewirkungen auf Rechtsverfahren, die auf Closet-Indexing-Anlagestrategien von aktiven Investmentfonds gründen. Für europäische Gerichte bleibt es bisweilen nahezu unmöglich, Urteile zu Gunsten von Investoren zu fällen, solange sie damit gleichzeitig Präzedenzfälle für Folgeverfahren und damit indirekt feste Grenzwerte für Kennzahlen des aktiven Fondsmanagements schaffen. Diese äußerst komplexe Aufgabe sollte nicht von Gerichten, sondern von den europäischen Regulierungs- und Aufsichtsbehörden erfüllt werden. Die vorliegende Forschungsarbeit richtet sich deshalb nicht nur an institutionelle und private Investoren, sondern auch an Regulierungs- und Marktaufsichtsbehörden innerhalb der EU. Diese Vorüberlegungen werfen zwei wesentliche, interdisziplinäre Forschungsfragen auf: 1. Für passive Investments: Wie unterscheiden sich ETFs in der Funktionsweise von klassischen Investmentfonds und inwiefern gelingt die Replikation am deutschen Aktienmarkt? Welche Risiken sind zudem durch das rasante Wachstum des ETFMarktes in der Vergangenheit entstanden und welche Implikationen hat das für potenziell evolvierende Risiken?

24

1. Einleitung

2. Für aktive Investments: Wie verbreitet sind Closet-Indexing-Anlagestrategien bei aktiv gemanagten Investmentfonds, insbesondere jener Fonds, deren Portfolios im Wesentlichen den deutschen Aktienmarkt fokussieren? Um dies umfassend zu beantworten, werden folgende Forschungsfragen detailliert analysiert: – Welche Wirkung haben steigende Marktanteile von ETFs auf die Effizienz der Wertpapiermärkte?19 – Welche Risiken systematischer und systemischer Art können durch den wachsenden ETF-Markt entstehen?20 – Welche Variablen beeinflussen die Tracking Differenz und damit die Replika­ tionsgüte von ETFs?21 – Ist Closet Indexing eine weit verbreitete Anlagestrategie von aktiv gemanagten Investmentfonds am deutschen Aktienmarkt?22 – Welche Variablen beeinflussen den Active Share von Investmentfonds und welche Auswirkungen hat dies auf die Fondsperformance?23 – Welche Implikation haben die Forschungsergebnisse für europäische Marktaufsichtsbehörden?24 Dazu werden in der vorliegenden Forschungsarbeit einzelne Investmentfonds und ETFs im Detail analysiert. Bei den untersuchten aktiv gemanagten Fonds handelt es sich nicht notwendigerweise um Closet-Indexing-Fonds, auch wenn diese beispielsweise den in dieser Forschungsarbeit festgelegten Grenzwert von 50 % Active Share zu verschiedenen Zeitpunkten unterschreiten.25 Stattdessen erlaubt die Detailbetrachtung dieser Fonds, die Schwierigkeiten der Investoren bei der Berechnung des Active Share eines Fonds auf Basis der derzeitigen Transparenzvorschriften hervorzuheben. Des Weiteren werden Theorien über die Verantwortlichkeit und Haftung für besonders ausgeprägte Beispiele von möglichen ClosetIndexing-Fonds sowie der Darstellung der wesentlichen Anlegerinformationen von Fonds / ETFs angeführt. Der Autor erhebt keinen Anspruch auf eine rechtswissenschaftliche Ausarbeitung der Thematik. Die empirische Analyse der vorliegenden Datenbasis stellt zudem keine Grundlage zur Beweiserhebung gegenüber einzelnen analysierten Fonds hinsichtlich Closet Indexing dar.

19

Vgl. Kapitel 2.5.2. und 2.5.3. Vgl. insbesondere Kapitel 3 und Kapitel 5. 21 Vgl. insbesondere Kapitel 3.3.2 und Kapitel 4.6. 22 Vgl. insbesondere Kapitel 4.7. 23 Vgl. insbesondere Kapitel 4.7. 24 Vgl. insbesondere Kapitel 5.3 und Kapitel 4.1.2. 25 Vgl. Kapitel 4.7. 20

1.2 Gang der Untersuchung

25

1.2 Gang der Untersuchung Die vorliegende Forschungsarbeit ist, ausgehend von der Motivation, Problemstellung und Zielsetzung, in sechs Kapitel gegliedert. Im Anschluss an die Einleitung folgt im zweiten Kapitel eine finanzmarkttheoretische Einordnung aktiver und passiver Kapitalanlageformen. Davon ausgehend werden in Kapitel drei ETFs als Anlagevehikel der passiven Kapitalanlage vorgestellt und bereits hinsichtlich systematischer Produkt- als auch systemischer Marktrisiken analysiert. Im anschließenden Kapitel vier erfolgt die empirische Analyse von UCITS26 Investmentfonds mit Anlagefokus auf den deutschen Aktienmarkt hinsichtlich Closet Indexing und von ETFs, die einen deutschen Aktienindex replizieren, hinsichtlich der Güte der Replikation. Bevor die Arbeit mit einem Resümee schließt, wird in Kapitel fünf auf weitere potenziell evolvierende systemische Risiken auf den ETF-Märkten geblickt. Im Einzelnen ist die Arbeit wie folgt gegliedert: Kapitel zwei beinhaltet die Begriffsbestimmung und Abgrenzung aktiver und passiver Kapitalanlagestrategien (vgl. Kapitel 2.1), bevor auf den Performancevergleich aktiver und passiver Anlageformen eingegangen wird. In Kapitel 2.2 steht dabei die Aufarbeitung des bisherigen Forschungsstandes zu aktiv gemanagten (Aktien)-Investmentfonds im Fokus. Gesondert wird dann auch die Closet-Indexing-Problematik aufgegriffen (vgl. Kapitel 2.3). Kapitel 2.4 rundet den Einstieg in diese Forschungsarbeit mit einer Aufarbeitung des Benchmark-Konzeptes ab, sodass dessen Relevanz für die abschließende empirische Analyse herausgestellt wird. Nachdem wichtige finanzmarkttheoretische Grundlagen dargestellt werden, folgt in Kapitel  2.5 die Aufarbeitung der Entwicklung der wichtigsten Kapitalmarkttheorien. ETFs kombinieren die Vorzüge von klassischen Investmentfonds und börsengehandelten Wertpapieren. Um die Funktionsweise von ETFs und davon ausgehend potenzielle Risiken zu verstehen, ist folglich zunächst ein grundlegendes kapitalmarkttheoretisches Vorwissen nötig. Zunächst wird die klassische Portfoliound Kapitalmarkttheorie vorgestellt, die den Status quo in der akademischen Lehre und Forschung beinhaltet. Gemeint sind damit insbesondere Modelle zur Preis-, Risiko-, und Performancebewertung von Wertpapieren und Wertpapierportfolios. Es folgt eine kritische Analyse der Theorie effizienter Kapitalmärkte, bei der insbesondere die Auswirkungen des Wachstums des ETF-Marktes auf die Markteffizienz beleuchtet werden (vgl. Kapitel 2.5.2 und 2.5.3). Abschließend werden Heuristiken von Marktakteuren anhand von Behavioral-Finance-Theorien vorgestellt. Diese beleuchten tatsächlich zu beobachtendes irrationales Verhalten von Marktteilnehmern (vgl. Kapitel 2.5.4). Die vorliegende Forschungsarbeit hat nicht den Anspruch die Entwicklungen aller Kapitalmarkttheorien und -modelle allumfassend aufzuzeigen. Vielmehr werden im begrenzten Umfang relevante Aspekte

26

Undertakings for Collective Investments in Transferable Securities.

26

1. Einleitung

für die finanzmarkttheoretische Bewertung aktiver und passiver Kapitalanlage­ formen dargestellt und kritisch hinterfragt, sodass bereits in Kapitel 3 auf potenzielle Risiken des ETF-Marktes eingegangen werden kann. Kapitel  3 schafft eine Überleitung zur Analyse möglicher Risiken des ETFMarktes. Zunächst wird die geschichtliche Entwicklung des Produktes ETF vorgestellt (vgl. Kapitel  3.1) und der daraus resultierende Wandel von Geschäftsmodellen von Stakeholdern des ETF-Marktes hervorgehoben (vgl. Kapitel  3.2). Kapitel 3.3 bis 3.6 über die Funktionsweise, Replikationsmethoden, Ratings und Alternativen von Plain-Vanilla-Aktien-ETFs27 zeigen bereits von ETFs ausgehende Risikopotenziale auf. Abschließend wird dann in einem Ausblick in Kapitel 5 detaillierter auf potenzielle systemische Risiken des ETF-Marktes eingegangen. Fokussiert werden Liquiditäts- und Volatilitätsrisiken (vgl. Kapitel 5.1). Anhand von historischen Flash Crashes und Fire-Sale-Szenarien können diese Risiken anschaulich dargestellt werden (vgl. Kapitel 5.2). Daraus implizieren sich neue Notwendigkeiten der Finanzmarkt- und Finanzproduktregulierung, die in Kapitel 5.3 thematisiert werden und mit der die Analyse von potenziellen ETF-Marktrisiken abgeschlossen wird. Zuvor umfasst Kapitel 4 jedoch den Hauptteil der vorliegenden Arbeit: Die empirische Untersuchung von Investmentfonds und ETFs mit Anlagefokus auf den deutschen Aktienmarkt, die darauf abzielt, Schlussfolgerungen zur Replikationsgüte von ETFs und zu Closet-Indexing-Strategien aktiv gemanagter Investmentfonds am deutschen Aktienmarkt zu ziehen. Begonnen wird mit der Aufarbeitung des bisherigen internationalen Forschungsstandes über Closet Indexing sowie Reaktionen europäischer Aufsichtsbehörden auf Closet-Indexing-Aktivitäten aktiver Investmentfonds (vgl. Kapitel 4.1). Es folgt Kapitel 4.2, in dem Thesen und Hypothesen für die empirische Untersuchung entwickelt werden. Ausgangsbasis für diese bilden die bis dato in dieser Arbeit erfolgten Darstellungen und Analysen zu ETFs als auch Closet Indexing. Bevor Kapitel 4.4 auf die Datenbasis und insbesondere auf die Zusammensetzung der Stichprobe, Herkunft der Daten und die Wahl des Untersuchungszeitraums eingeht, wird in Kapitel 4.3 der Status quo des deutschen offenen Investmentfondsmarktes dargestellt. Anschließend wird die Methodik und das Untersuchungsdesign der empirischen Analyse präsentiert, indem explizit das Verfahren der folgenden Regressionsanalysen erläutert wird (vgl. Kapitel 4.5), sodass im darauf folgenden Kapitel der empirischen Untersuchung nicht erneut im Detail darauf eingegangen werden muss. Die empirische Untersuchung des ETF-Marktes und des Investmentfondsmarktes hinsichtlich Closet-Indexing-Strategien wird in zwei Abschnitte untergliedert (vgl. Kapitel 4.6 und Kapitel 4.7). Die zuvor aufgestellten Thesen und Hypothesen werden überprüft und die Ergebnisse dargestellt und interpretiert.

27

Plain Vanilla ist die Bezeichnung für die Standardform eines Finanzinstruments.

1.2 Gang der Untersuchung

27

Die Forschungsarbeit schließt mit einem Resümee in Kapitel 6. Dort werden die zentralen Ergebnisse, die zuvor zum Teil auch bereits in Zwischenfazits gewürdigt wurden, zusammengefasst und in den Gesamtkontext des Forschungsvorhabens eingeordnet und Handlungsempfehlungen für Investoren, Regulierer und Marktaufsichtsbehörden aufgestellt. Forschungslücken, die diese Arbeit nicht schließen kann, und weiterführende Forschungsmöglichkeiten werden aufgezeigt.

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung aktiver und passiver Kapitalanlagestrategien 2.1 Begriffsbestimmung und Abgrenzung aktiver und passiver Kapitalanlagestrategien Bevor konkrete Anlageentscheidungen getroffen werden, stellt sich für jeden Investor die grundsätzliche Frage, ob die Portfoliozusammenstellung durch aktive oder passive Kapitalanlagestrategien umgesetzt werden soll. Möglich ist auch eine Mischung beider Investmentstile. Erfolgreiches aktives Anlagemanagement setzt die Fähigkeiten des Assetmanagers voraus, über- und unterbewertete Wertpapiere durch Stock Picking zu selektieren oder wechselnde Markttrends mit dem richtigen Timing zu identifizieren.1 Fama (1972) ist Wegbereiter für die Unterteilung in diese zwei Kategorien, woraufhin in den Folgejahrzehnten die Forschung diesbezüglich intensiviert wurde. Mit gezielter Wertpapierauswahl unternehmen Assetmanager den Versuch, jene Wertpapiere mit der voraussichtlich besten Wertentwicklung relativ zu einem Benchmark-Portfolio mit ähnlichen systematischen Risiken zu selektieren.2 Aktiv gemanagte Portfolios können sich folglich in zwei Formen von einem passiv gemanagten Portfolio beziehungsweise einer Benchmark3 unterscheiden: Durch die Auswahl der Wertpapiere und durch Timing beispielsweise der Kauf- und Verkaufszeitpunkte der Wertpapiere oder dem Wechsel der gesamten Anlagestrategie, basierend auf der Auswertung von Risiko-Faktoren.4 Ist objektiv weder die adäquate Bewertung von Wertpapierpreisen, noch die Implementierung des richtigen Timings in die Anlagestrategie möglich, sodass keine Überrenditen5 zum Marktdurchschnitt bzw. der Benchmark erzielt werden können, empfiehlt es sich 1

Vgl. Fama (1972), S. 566. Stock-Picking- und Timing-Fähigkeiten sollten im besten Fall kombiniert werden. 2 Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3336. 3 Vgl. Kapitel 2.4 zur Erläuterung des Benchmark-Konzeptes im Anlagemanagement. 4 Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3329. 5 Mit Überrenditen sind im Folgenden jene Renditen gemeint, die ein Fondsmanager im Vergleich zu einer passiven Anlagealternative oder Benchmark erzielt. Fondsmanager gehen systematische Risiken (s. u.) gezielt ein, um an den Risikoprämien zu partizipieren. Diese aus systematischen Risikofaktoren erzielten Renditen werden in der Asset-Pricing-Theorie auch als „Beta“ bezeichnet. Als Alpha werden in der Asset-Pricing-Theorie hingegen erzielte Überrenditen bezeichnet, die nicht auf zusätzlich eingegangene systematische Risiken zurückzuführen sind. Alpha spiegelt folglich eines Fondsmanagers Fähigkeit den „Markt zu schlagen“ wider. Solche Überrenditen können entweder über Timing (Zeitpunkt des Kaufs und Verkaufs von Wertpapieren) oder Stock Picking (Wertpapierauswahl) erzielt werden.

2.1 Begriffsbestimmung und Abgrenzung 

29

für Investoren, durch passive Investments die Marktrendite möglichst exakt zu replizieren und somit zugleich Kosten6 zu minimieren.7 Dies ist für Aktien, Anleihen, als auch Rohstoffe über Indexfonds oder Exchange Traded Products (ETPs), die alle relevanten Indices replizieren, umsetzbar. Der Vergleich von aktivem Portfoliomanagement mit einer Benchmark ist spätestens seit Sharpe (1966) im wissenschaftlichen Diskurs angelangt. Die Unterscheidung in aktive und passive Kapitalanlagestrategien wird daraufhin in den 1970er-Jahren in wissenschaftlichen Publikationen etabliert.8 Treynor und Black (1973) nennen die Annäherung an ein Marktportfolio zur Erreichung des gewünschten systematischen Risikos „passives Portfolio“, wenn die im Markt bestehenden Wertpapiere entsprechend ihrer Marktkapitalisierung zu einem Portfolio addiert werden.9 Diese Methodik gilt bis heute als Standard bei Indices und wird in der Regel bei ETFs und Indexfonds zur exakten Replizierung marktgewichteter Indices umgesetzt. Nach Sharpe (1992) stellt der Assetmanager eines passiven Wertpapierfonds dem Investor lediglich einen Investmentstil10 zur Verfügung, während der Assetmanager eines aktiven Fonds dem Investor zusätzlich eine aktive Wertpapierselektion bietet.11 Diese Selektion im aktiv gemanagten Portfolio hat eine Abweichung der Gewichtung der Wertpapiere in Vergleich zum Referenzportfolio (Benchmark) zur Konsequenz. Sowohl für die Abgrenzung als auch für das Zusammenwirken aktiver und passiver Kapitalanlagestrategien ist im Verlauf der vorliegenden Forschungsarbeit zu klären, inwieweit die Märkte für passive und aktive Kapitalanlagen vernetzt sind. Die naheliegende These ist, dass der wachsende Markt der ETFs direkte Auswirkungen auf aktiv gemanagte Investmentfonds hat, da ETFs durchaus als nahes Substitut für klassische Investmentfonds angesehen werden können. Zunehmender Wettbewerb sollte folglich zu besseren Konditionen für Investoren führen, die sich beispielsweise in niedrigeren Fondsgebühren und besserer Fondsperformance widerspiegeln.12 Aktiv gemanagte Investmentfonds sollten durch innovative Anlagestrategien stärker von passiven Indexprodukten abgegrenzt werden. Demgegen­ über wäre es möglich, dass ETFs und andere passive Indexprodukte aktive Fondsmanagementmandate nach und nach substituieren, wenn diese Investoren keinen messbaren nachhaltigen Mehrwert bieten.13 6

Transaktionskosten, Verwaltungsgebühren, Managementvergütung etc. Vgl. Wallmeier (2016), S. 413. 8 Vgl. Krautbauer (2015), S. 16. 9 Vgl. Treynor / Black (1973), S. 73. 10 In dem Fall ein passiver Investmentstil. 11 Vgl. Sharpe (1992), S. 16. 12 Vgl. Cremers et al. (2016), S. 540. 13 Die Gebühren aktiv gemanagter Investmentfonds sind in der Regel signifikant höher als die ihrer passiven Pendants. Ist die Wertpapierauswahl aktiver Fonds zu stark mit der einer passiven Benchmark korreliert (Closet Indexing), ist der Nutzen für Investoren nicht mehr gegeben. 7

30

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

Ziel aktiver Fondsmanager sollte es daher sein, ihr Produkt stark von passiven Alternativen abzugrenzen. Wenn passive und aktive Fondsprodukte divergieren, sehen Investoren diese nicht als direkte Substitute zueinander an. Höhere Gebühren bei aktiv gemanagten Investmentfonds wären dann durch maßgeschneiderte Produkte und der Erzielung einer Überrendite im Vergleich zum Marktdurchschnitt zu begründen. Der stetig wachsende Markt für ETFs (vgl. Kapitel 3.1) würde dann weder zu niedrigeren Gebühren noch zu einer Schwächung der Marktposition klassischer Investmentfonds führen.14 Nach einem Modell von Grossman und Stiglitz (1980) müssten aktive und passive Kapitalanlagemöglichkeiten koexistieren können und jederzeit am Markt ein Gleichgewicht bilden.15 Die Marktanteile richten sich dabei nach den Informationsbeschaffungskosten und der Kapitalmarkteffizienz. Verschärfter Wettbewerb, hervorgerufen von passiven Indexfonds und ETFs, muss demnach bei aktiv gemanagten Fonds zu niedrigeren Gebühren sowie Produktverbesserungen führen. Aktiv gemanagte Investmentfonds sollten sich dann stärker vom Vergleichsindex abgrenzen. Investoren profitieren auf direktem Wege von niedrigeren Gebühren und indirekt durch stärkere Anreize für qualifizierte Assetmanager Informationsvorsprünge zu generieren um Überrenditen zu erzielen.16 Das dies am Kapitalmarkt jedoch nicht zu beobachten ist, wird zunächst in Kapitel 2.3 thematisiert und folgend umfangreich in Kapitel 4 analysiert. Gemeint sind sogenannte Closet-­ Indexing-Anlagestrategien aktiver Investmentfonds. Anstatt einer klaren Abgrenzung zur Benchmark (Vergleichsindex), ist die Anlagestrategie des Fondsmanagers nahezu kongruent zu dieser, ohne die Investoren darüber explizit (z. B. in den wesentlichen Anlegerinformationen und sonstigen Fondsprospekten) zu informieren. Die vermeintlich aktive Anlagestrategie des Fondsmanagers weicht dann nur noch schwach von einer passiven Anlagealternative (z. B. ein ETF) ab. Mit seinem Aufsatz über „The Arithmetic of Active Management“ leistet Sharpe (1991) wichtige theoretische Argumentationsstränge zur Begriffsbestimmung und Abgrenzung aktiver und passiver Anlagestrategien als auch aktiver und passiver Investoren. Auf dessen Analysen basiert eine Vielzahl empirischer Forschungsarbeiten.17 Nach Sharpe (1991) lassen sich Investoren unabwendbar entweder als aktiv oder passiv klassifizieren: „A passive investor always holds every security from the market, with each represented in the same manner as in the market. (…) An active investor is one who is not passive. His or her 14

Cremers et al. (2016), S. 560 vergleichen dies mit einem Phänomen in der Pharmabranche: Die Markteinführung eines Generikums führt nicht zwangsläufig zum erwartbaren Preissturz des bereits unter einem Markennamen auf dem Markt etablierten Medikaments. Vergleichbares ist auch am deutschen Aktienmarkt zu beobachten. Kapitel 4 zeigt dafür unter anderem die Kostenentwicklung aktiver und passiver Fonds und ETFs anhand der Total Expense Ratio (TER) auf. 15 Vgl. Grossman / Stiglitz (1980), S. 393 ff. 16 Vgl. Cremers et al. (2016), S. 540. 17 Vgl. Schmitz (2015), S. 8.

2.2 Performancevergleich 

31

portfolio will differ from that of the passive managers at some or all times. Because active managers usually act on perceptions of mispricing, and because such perceptions change relatively frequently, such managers tend to trade fairly frequently -hence the term ‚active‘.“18

Bleiben Ereignisse wie Unternehmenszusammenschlüsse, Kapitalerhöhungen oder thesaurierte Dividenden unberücksichtigt, dann kann die Marktrendite als gewichtete Durchschnittsrendite aller Wertpapiere des betrachteten Marktes definiert werden. Durch Informationsbeschaffungskosten, Analyseaufwendungen, Trans­ aktionskosten als auch Aufwandsentschädigungen für Assetmanager entstehen im aktiven Assetmanagement wesentlich höhere Kosten im Vergleich zum passiven Assetmanagement. Unter Berücksichtigung von Kostenfaktoren deduzieren sich die durchschnittlichen Renditen aktiver und passiver Anlagestrategien dann aus folgenden zwei Thesen:19 1. Die durchschnittliche Rendite eines aktiv gemanagten Portfolios entspricht vor Kosten der durchschnittlichen Rendite eines passiv gemanagten Portfolios. 2. Hingegen liegt die durchschnittliche Rendite eines aktiv gemanagten Portfolios nach Kosten unter der durchschnittlichen Rendite eines passiv gemanagten Portfolios. Aus den Überlegungen von Sharpe (1991) kann geschlussfolgert werden, dass die höhere Kostenbelastung durch aktives Fondsmanagement zu einer geringeren durchschnittlichen Rendite im Vergleich zur Marktrendite als auch im Vergleich zu passiven Investmentopportunitäten führt, da bei diesen die Gesamtkostenquoten durchschnittlich niedriger sind. Auf dieser Grundlage basierende Performancemessungen aktiv gemanagter Investmentfonds gehören zu den Hauptfeldern wissenschaftlicher Forschungsarbeiten der letzten Jahrzehnte. Ergebnisse wissenschaftlicher Studien diesbezüglich werden im Folgekapitel näher beleuchtet.

2.2 Performancevergleich aktiver und passiver Kapitalanlagestrategien Risiko- und Renditeunterschiede zwischen aktiven und passiven Kapitalmarktanlagen beschäftigen sowohl Wissenschaft als auch Praxis seit Jahrzehnten. Aus ihnen resultieren wichtige Implikationen für das Anlageverhalten von institutionellen und privaten Investoren. Umfassende Untersuchungen und Vergleiche von aktiven und passiven Portfolios sind in den vergangenen Jahrzehnten zahlreich veröffentlicht worden. Die folgenden Abschnitte zeigen auf, dass die meisten Studien eine beständige Outperformance von aktiven Kapitalmarktanlagen gegenüber dem Marktdurchschnitt, einer adäquaten Benchmark oder passiven Kapitalmarktanlagen nicht nachweisen können. 18 19

Vgl. Sharpe (1991), S. 7. Vgl. ebd., S. 7 f.

32

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

Ein Großteil der Transaktionen im Direkthandel und an Börsen wird von institutionellen Investoren und Assetmanagern getätigt, die durch den elektronischen Wertpapierhandel schnell und effizient auf Veränderungen am Kapitalmarkt reagieren können. Konsequenterweise stehen diese Marktakteure anderen ähnlich gut informierten Kapitalmarktakteuren mit vergleichbaren Zielen entgegen. Assetmanager eint, das sie, sofern sie eine aktive Anlagestrategie verfolgen, besser performen wollen als die Konkurrenz (die Benchmark). Mit dem Übergang ins digitale Zeitalter lässt sich die Erfolgskontrolle durch intelligente IT-Lösungen standardisieren und vereinfachen. Damit wächst für Fondsmanager der Druck, erfolgreicher als der Marktdurchschnitt zu sein. Da diese jedoch größtenteils selbst, also gemeinsam im Kollektiv, diesen Markt bilden und die Preise bestimmen, erklärt sich, warum an den Kapitalmärkten beispielsweise der um Kosten bereinigte Ertrag von aktiv gemanagten Investmentfonds im Vergleich zu relevanten Benchmarks häufig ernüchternd ausfällt.20 Das gesamte aktive Fondsmanagement könnte folglich auf ein theoretisches Nullsummenspiel hinauslaufen. Verlierer wären institutionelle als auch private Investoren, die die Kosten tragen und damit dieses Nullsummenspiel finanzieren. Gleichwohl gibt es Fondsmanager, denen es auch über mehrere Jahre hinweg gelingt, ihre Benchmark zu übertreffen (vgl. Tabelle 2). Gerade deshalb spielt die Wahl einer adäquaten Benchmark bei der Identifizierung und Bewertung (erfolgreicher) Fondsmanager eine bedeutende Rolle. Die Relevanz des Benchmark-Konzeptes wird in Kapitel 2.4 gesondert hervorgehoben. Der nachfolgende Literaturüberblick umreißt den historischen und aktuellen Forschungsstand und dient als Einführung in die finanzmarkttheoretische Einordnung von aktiven und passiven Kapitalanlagestrategien. Die wissenschaftliche Diskussion und zahlreiche Forschungsarbeiten konzentrierten sich in den letzten Jahrzehnten auf Performanceunterschiede passiver und aktiver Anlagestrategien. Aufgrund der Vielzahl an Studien ist dieses Forschungsfeld sehr gut erschlossen. Hierbei werden vor allem die bedeutendsten empirischen Ergebnisse akademischer Forschungsarbeiten anschaulich zusammengefasst. Kritisch zu sehen ist, dass ein Großteil der Studien auf US-amerikanischen Finanzmarktdaten beruht. Diese Problematik wird bei der später folgenden Analyse von Closet-IndexingAnlagestrategien umso deutlicher. Diese Forschungsarbeit trägt dazu bei, eine Forschungslücke für den europäischen und insbesondere deutschen Aktienmarkt zu schließen. Pionierarbeit in der Bewertung aktiven Assetmanagements leistete bereits in den 1930er-Jahren Cowles (1933),21 der für den Zeitabschnitt von 1928 bis 1932 unter anderem 7500 Finanzanalysen und Kaufempfehlungen für Aktien von 45 Finanzdienstleistern analysiert. Cowles stellt in seiner Studie für Marktvorhersagen fest, 20 21

Vgl. Günther et al. (2012), S. 156 f. Vgl. Schmitz (2015), S. 8.

2.2 Performancevergleich 

33

dass eine rein zufällige Selektion von Aktientiteln nicht schlechter abschneidet als die Kaufempfehlungen der professionellen Finanzdienstleister.22 Es vergingen jedoch Jahrzehnte, bis nachhaltig wegweisende Forschungsergebnisse auf dem Feld der Performancemessung von Wertpapierportfolios folgten. Bis heute relevant ist das als Jensen’s Alpha bekannte Performancemaß. Jensen (1968) analysiert für den Zeitraum von 1945 bis 1964 die Performance von 115 Investmentfonds. Diese können im Durchschnitt eine simple Buy-and-Hold-Strategie eines Marktportfolios weder vor noch nach Berücksichtigung von Managementkosten outperformen.23 Jensen’s Performancemaß dient heute als klassisches Maß zur Beurteilung der Selektionsfähigkeit von Assetmanagern. Basierend auf dem CAPM (vgl. Kapitel 2.5.1) misst es mittels linearer Regression den Part der Gesamtrendite eines Portfolios, der nicht mit einer spezifischen Benchmark-Rendite korreliert ist:24 αJ = RPFü − RBMü ∙ βPF − εPF

(2.1)

mit R PFü = Überschussrendite des Portfolios R BMü = Überschussrendite der Benchmark βPF = konstante Sensitivität der Portfolio-Überschussrenditen im Zeitablauf der Regression in Bezug auf die Überschussrendite der Benchmark ε PF = stochastischer Störterm der Regressionsgleichung

Jensen’s Alpha kann auch angelehnt an das CAPM dargestellt werden, wobei sich die obige Formel von der Folgenden lediglich in der Berücksichtigung des Störterms unterscheidet:25 αJ = RPF − [Rf + (Rm − Rf) ∙ βPF]

(2.2)

Anhand der genannten Formeln wird die Bedeutung der Wahl einer adäquaten Benchmark verdeutlicht. Denn von Jensen’s Alpha (α J) hängt stark von der zugrunde liegenden Benchmark ab.26 Fällt die Wahl auf eine inadäquate Benchmark, verzerrt dies das Resultat der Performancemessung. Die Relevanz des Benchmark-Konzeptes in der Performancemessung wird hier schon deutlich. Dass Fondsmanager aktiver Investmentfonds dies häufig bewusst oder unbewusst vernachlässigen, hebt die spätere Analyse des deutschen Investmentfondsmarktes hervor (vgl. Kapitel 4).

22

Vgl. Cowles (1933), S. 323 f. Vgl. Jensen (1968), S. 415. 24 Vgl. Bruns / Meyer-Bullerdiek (2013), S. 745. 25 Vgl. Bruns / Meyer-Bullerdiek (2013), S. 746. 26 Vgl. ebd., S. 747. 23

34

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

Viel beachtete Abhandlungen zur Performancemessung publizierte auch Sharpe (1966, 1991, 1994). Sharpe (1966) führt durch seine sogenannte reward-to-variability-ratio ein neues Maß für die Performance von Investmentfonds ein. Sie zeigt die (jährliche)  durchschnittliche Rendite in Abhängigkeit vom Risiko auf, die einen risikofreien Zinssatz oder eine Benchmark übersteigt.27 Das heute besser als (ex-post) Sharpe Ratio bekannte Performancemaß ist wie folgt definiert:28

mit

𝑠𝑠𝑠𝑠ℎ =

� 𝐷𝐷𝐷𝐷 𝜎𝜎𝜎𝜎𝐷𝐷𝐷𝐷

(2.3)

σ D = Standardabweichung der Periode, D¯ = durchschnittliche Überrendite von Dt über die historische Periode von t=1 bis T 𝑇𝑇𝑇𝑇 � )2 �𝑡𝑡𝑡𝑡=1(𝐷𝐷𝐷𝐷𝑡𝑡𝑡𝑡 − 𝐷𝐷𝐷𝐷 � 𝜎𝜎𝜎𝜎𝐷𝐷𝐷𝐷 = 𝑇𝑇𝑇𝑇 − 1

�= 𝐷𝐷𝐷𝐷

𝑇𝑇𝑇𝑇

1 ⋅ � 𝐷𝐷𝐷𝐷𝑡𝑡𝑡𝑡 𝑇𝑇𝑇𝑇

(2.4)

(2.5)

𝑡𝑡𝑡𝑡=1

Dabei bildet Dt die Differenz aus der Portfoliorendite (R PF) in Periode t und der Rendite des risikolosen Zinses oder einer anderen Benchmark (R BM) in Periode t:29 Dt = RPF − RBM

(2.6)

Die Sharpe Ratio (Sh) lässt sich folglich als Überschussrendite interpretieren, die pro Einheit an eingegangenem Risiko (Volatilität) erzielt wurde.30 Im Gegensatz zu Jensen’s Alpha, in seiner Form ein absolutes Performancemaß, lässt sich mit Hilfe der Sharpe Ratio eine Rangfolge im Vergleich eines Portfolios mit Benchmark oder anderen Portfolios festlegen. Allerdings ist die Verwendung der Sharpe Ratio zur Messung der um das Risiko bereinigten Performance nur dann sinnvoll, wenn ein Investor sein gesamtes Kapital ausschließlich in das zu bewertende Portfolio investiert hat, also das Gesamtrisiko das für den Investor relevante Risiko ist.31 Aufbauend auf den in den 1960er-Jahren neu entwickelten Performancemaßen, sind in den folgenden Jahrzehnten zahlreiche Studien zur US-amerikanischen und

27

Vgl. Sharpe (1966), S. 123. Vgl. Sharpe (1994), S. 51. 29 Vgl. Sharpe (1994), S. 51. 30 Vgl. Bruns / Meyer-Bullerdiek (2013), S. 740. 31 Vgl. ebd., S. 740 ff. 28

2.2 Performancevergleich 

35

internationalen Investmentfondsperformance veröffentlicht worden. Die Risikoadjustierung in der Performancemessung wird dabei im Zeitverlauf spezifischer. Dadurch steigt auch die Aussagekraft der Forschungsarbeiten. Statt eindimensionaler Performancemaße wie Jensen’s Alpha oder Sharpe Ratio verwenden Autoren späterer Studien zur Performancebewertung häufig Multifaktormodelle oder ähnliche Verfahren, die auf dem klassischen CAPM (vgl. Kapitel 2.5.1) basieren. Auszüge der Ergebnisse relevanter Forschungsarbeiten sind in Tabelle 1 zusammenfassend dargestellt.32 Tabelle 1 Relevante Forschungsergebnisse zur Performance von Investmentfonds33 Autoren

Untersuchungszeitraum; Anzahl Fonds; Benchmark; Zentrale Ergebnisse und Aussagen

Sharpe (1966)

1954–1963; 34; DJIA; „The average mutual fund manager selects a portfolio at least as good as the Dow-Jones Industrials. […] The smaller a fund’s expense ratio, the better the results obtained by its stockholders. […] Performance can be evaluated with a simple yet theoretically meaningful measure that considers both average return and risk.“34

Jensen (1968)

1945–1964; 115; CAPM; „These 115 mutual funds were on average not able to predict security prices well enough to outperform a buy-the-market-andhold policy.“35

Grinblatt und Titman (1989)

1975–1984; 279; Jensen Measures mit vier verschiedenen Benchmark-Port­ folios36; „Jensen Measures […] indicate that superior performance may in fact exist, particularly among aggressive-growth and growth funds and those funds with the smallest net asset values. It is interesting that these funds also have the highest expenses so that their actual returns, net of all expenses, do not exhibit abnormal per- formance. This indicates that investors cannot take advantage of the superior abilities of these portfolio managers by purchasing shares in their mutual funds.“37

32

Forschungsarbeiten zur Performance und Persistenz der Performance aktiver Investmentfonds im Vergleich zu passiven Benchmarks sind zahlreich vorhanden. Relevante Forschungsarbeiten zeichnen sich an dieser Stelle durch häufiges zitieren in der einschlägigen Literatur aus. 33 Eigene Darstellung. Wenn nicht anders gekennzeichnet, beziehen sich die Studien auf den US-Kapitalmarkt. 34 Sharpe (1966), S. 137. 35 Jensen (1968), S. 415. 36 „The monthly rebalanced equally weighted portfolio of all CRSP (New York and American Stock Exchange) secu-rities, the CRSP value-weighted index, 10 factor portfolios created with factor-analytic procedures […] and the eight-portfolio benchmark, formed on the basis of firm size, dividend yield, and past returns.“ Grinblatt / Titman (1989), S. 395. 37 Grinblatt / Titman (1989), S.  415.

36

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

Malkiel (1995)

1971–1991; Alle diversifizierten Aktien Investmentfonds38; S&P 500, CAPM; „We not only fail to document any evidence of excess returns but also fail to verify the risk return relationship posited by the capital asset pricing model. […] Strategies based on the persistence phenomenon […] are able to produce well above average returns during the1970s. During the 1980s, however, we find no evidence that investors could earn extraordinary returns following a strategy based on persistence. Moreover, we do not find that mutual fund investors get their money’s worth from the expenditures incurred in the management of mutual funds. […] This study of mutual funds does not provide any reason to abandon a belief that securities markets are remarkably efficient. Most investors would be considerably better off by purchasing a low expense index fund.39

Elton, ­Gruber und Blake (1996)

1977–1993; 188; 4-Faktoren-Modell40; „Funds that did well in the past tend to do well in the future on a risk-adjusted basis.“41

Carhart (1997)

1962–1993; 1892; 4-Faktoren-Modell; „Survivor bias in an important issue in mutual fund research.“42„(1) Avoid funds with persistently poor performance; (2) funds with high returns last year have higher-than-average expected returns next year, but not in years thereafter; and (3), the investment costs of expense ratios, transaction costs, and load fees all have a direct, negative impact on performance.“43

Daniel et al. (1997)

1975–1994; >2500; 125 Benchmark Faktor-Portfolios44; „We find that the amount by which the average mutual fund beats a mechanical strategy is fairly small […] and is approximately equal to the average management fee. […] We find no evidence that funds are successful style timers.45

Wermers (2000)

1975–1994; 1788; Verschiedene, s. u. a. Daniel et al. (1997); „Mutual funds held stock portfolios that outperform a broad market index […] by 1.3 percent per year. About 60 basis points is due to the higher average returns associated with the characteristics of stocks held by the funds, whereas the remaining 70 basis points is due to talents in picking stocks that beat their characteristic Benchmark-Portfolios. […] On a net-return level, the funds underperform broad market indexes by one percent per year. Of the 2.3 percent difference between the returns on stock holdings and the net returns of funds, 0.7 percent per year is due to the lower average returns of the nonstock holdings of the funds during the period (relative to stocks). The remaining 1.6 percent per year is split almost evenly between the expense ratios and the transactions costs of the funds.“46

38 Daten entstammen Lipper Analytic Services. Ausgenommen sind reine Sektorfonds und Fonds, die in nicht US-Aktien investieren. Vgl. Malkiel (1995), S. 552. 39 Vgl. Malkiel (1995), S. 571. 40 Das 4-Faktoren Modell von Elton / Gruber / Blake (1996) ist dem von Carhart (1997) ähnlich. 41 Elton / Gruber / Blake (1996), S.  156. 42 Carhart (1997), S. 60. 43 Ebd., S. 81. 44 Die Faktoren sind Unternehmensgröße, Kurs-Buchwert-Verhältnis und Momentum. 45 Daniel et al. (1997), S. 1056. 46 Wermers (2000), S. 1689 f.

2.2 Performancevergleich 

37

Kacperczyk, Sialm und Zheng (2005)

1984–1999; CRSP Datenbank47; 4-Faktoren-Modell & Branchen-Benchmarks; „Mutual funds with above-median industry concentration yield an average abnormal return of 1.58 % per year before deducting expenses and 0.33 % per year after deducting expenses, whereas mutual funds with below-median industry concentration yield an average abnormal return of 0.36 % before and −0.77 % after expenses.“48

French (2008)

1980–2006; CRSP Datenbank; Verschiedene49; „If a representative investor switched to a passive market portfolio, he would increase his average annual return by 67 basis points over the 1980–2006 period.“50

Fama und French (2010)

1984–2006; CRSP Datenbank: 3156 Fonds; 3-Faktoren-Modell & 4-Faktoren-Modell; „For 1984 to 2006, when the CRSP database is relatively free of biases, mutual fund investors in aggregate realize net returns that underperform CAPM, three-factor, and four-factor benchmarks by about the costs in expense ratios.“51

Dyck, Lins und Pomorski (2013)52

1993–2008 (EM & EAFE); CEM Datenbank: 492 US & 226 Kanadische Pensionfonds; Verschiedene; „We find that active management in emerging market equity outperforms passive strategies by more than 180 bps per year. […] In EAFE equities […] active management also outperforms, but only by about 50 bps per year, consistent with these markets being relatively more competitive and efficient, with the outperformance becoming insignificant with some risk corrections.“53

Cuthbertson und Nitzsche (2013)

1990–2009 (Deutschland); 555; 3-Faktor-Modell; „When using the Fama –  French three factor (3F) model (with no market timing) we find less than 1 % of funds (i. e. 6 out of 555) have truly positive alpha-performance, about 27 % (150 funds) have truly negative-alpha performance and the majority have zero-alpha performance.“54

Petajisto (2013)

1980–2009; 2740 Fonds, u. a. CRSP Datenbank; 19 Indices; „Although the average actively managed mutual fund has underperformed its benchmark index, […] the most active stockpickers have been able to add value for their investors, beating their benchmark indices by about 1.26 % a year after all fees and expenses.“55

Pástor, Stambaugh und Taylor (2014)

1979–2011; CRSP & Morningstar: 3126 Fonds; Morningstar Benchmark-Portfolios; „We find that the active management industry has become more skilled over time. Despite this rise in skill, average fund performance has failed to improve. […] We find that young funds tend to outperform their older peers.56

47

Umfasst alle in den USA zugelassene Publikumsfonds. Kacperczyk / Sialm / Zheng (2005), S.  1985. 49 Quelle: CEM Benchmarking. 50 French (2008), S. 1561. 51 Fama / French (2010), S.  1941. 52 Diese Studie hat statt Investmentfonds Pensionsfonds zum Gegenstand. 53 Dyck / Lins / Pomorski (2013), S.  225. 54 Cuthbertson / Nitzsche (2013), S.  99. 55 Petajisto (2013), S. 92. 56 Pástor / Stambaugh / Taylor (2014), S.  30 f. 48

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2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

Studien, die eine durchschnittliche Outperformance von Investmentfonds im Vergleich zu einer adäquaten Benchmark aufweisen, sind rar. Grinblatt und Titman (1989) zeigen beispielhaft auf, dass Growth-Fonds dazu in der Lage sein können. Gleichzeitig schränken Sie jedoch ein, dass eben jene Fonds die höchsten Gesamtkosten für Investoren aufweisen, sodass diese schlussendlich von der positiven Bruttoperformance nicht profitieren können.57 Zusätzlich führt Malkiel (1995) die positive Performance in Grinblatt und Titman (1989) auf falsche Untersuchungs­ methoden (Unterschätzung der Verzerrung der durchschnittlichen Fondsperformance durch Survivorship Bias) zurück. Der Grundtenor der meisten in Tabelle 1 zusammengefassten Forschungsarbeiten, die hauptsächlich den amerikanischen Kapitalmarkt untersuchen, lautet wie folgt: Unter Berücksichtigung von Risikoaspekten, Transaktionskosten und sonstigen Gebühren ist die langfristige Performance von aktiv gemanagten Investmentfonds durchschnittlich schlechter als die einer adäquaten, passiven Benchmark. Fonds, die in der Vergangenheit eine Überperformance zur Benchmark aufzeigen, sind zwar durchaus in der Lage das Momentum kurzfristig zu nutzen und die positive Performance zu bestätigen, allerdings ist die Persistenz des Erfolgs überschaubar und langfristig nicht stabil.58 Die historische Performance ist keine Garantie für die zukünftige Performance eines Investmentfonds. Obwohl diese allgemeine Aussage in der Finanzwelt durchweg Zustimmung findet, ist das Verhalten von Investoren nicht immer rational zu erklären (vgl. Kapitel 2.5.3). Die Verfolgung historischer Renditen ist jedoch kein einseitiges Phänomen bei aktiv gemanagten Investmentfonds. Selbst bei ETFs beeinflusst die vergangene Rendite die zukünftigen Nettomittelzuflüsse. Das Investoren damit keinen Erfolg haben, zeigen Clifford, Fulkerson und Jordan (2014). Mittelzuflüsse in ETFs sind kein Indikator für die zukünftige Performance dieser. Investoren sind folglich nicht in der Lage, die Performance eines ETFs zu antizipieren.59 Ausschlaggebend für die unterdurchschnittliche Performance aktiv gemanagter Investmentfonds im Vergleich zu einer adäquaten Benchmark ist häufig die hohe Gesamtkostenbelastung. Dies bestätigt die zuvor thematisierte „Arithmetic of Active Management“ nach Sharpe (1991): Die durchschnittliche Rendite eines aktiv gemanagten Portfolios entspricht vor Kosten der durchschnittlichen Rendite eines passiv gemanagten Portfolios.60 Folglich nimmt die Gesamtkostenbelastung oder Total Expense Ratio (TER) in der Bemessung der Fondsperformance eine entscheidende Rolle ein. Hinzu kommt, dass in der Regel aus methodischen Gründen Transaktionskosten auf Investorenseite als auch Steuern in Forschungsarbeiten selten berücksichtigt 57 Vgl. Grinblatt / Titman (1989), S. 415. Daniel et al. (1997) bestätigen dies durch ähnliche Forschungsergebnisse. 58 Vgl. Carhart (1997), S. 60 oder Malkiel (1995), S. 571. 59 Vgl. Clifford / Fulkerson / Jordan (2014), S.  641. 60 Vgl. Sharpe (1991), S. 7.

2.2 Performancevergleich 

39

werden. Da aktives Investieren in den meisten Jurisdiktionen nicht nur die Summe der Transaktionskosten, sondern auch die Steuerlast im Vergleich zu passiven Buyand-Hold-Strategien erhöht,61 würde sich unter Berücksichtigung dieser Faktoren die Fondsperformance aktiver Investoren und Assetmanagern sehr wahrscheinlich zusätzlich verschlechtern. Die bisher in diesem Kapitel aufgezeigten internationalen Forschungsergebnisse werden im Folgenden mit einer deskriptiven Darstellung einer empirischen Analyse untermauert. Dabei wird auch die Bedeutung des Survivorship Bias aufgezeigt, da in Forschungsarbeiten mit Survivorship Bias die Performance der aktiven Fonds positiv verzerrt wird.62 Seit 2002 bringt S&P DJI63 regelmäßig sogenannte SPIVA (S&P Indices Versus Active) Scorecards heraus, die laut S&P DJI als de facto Aufsicht über eine „Aktivversus-Passiv-Debatte“ dienen. Anhand von fünf Faktoren wird die Performance von aktiv gemanagten Wertpapierfonds mit einer adäquaten Benchmarks verglichen:64 1. Survivorship Bias Correction: SPIVA Scorecards schließen Fonds ein, die während des Untersuchungszeitraums aufgelöst oder zusammenführt wurden. 2. Apples-to-Apples Comparison: Fonds werden nicht einer beliebigen „populären“65 Benchmark gegenübergestellt, sondern entsprechend ihres Investmentstils mit einer adäquaten Benchmark verglichen. 3. Asset-Weighted Returns: SPIVA Scorecards zeigen sowohl gleich- als auch marktgewichtete Durchschnittswerte der einzelnen Fondsgruppen. 4. Style Consistency: SPIVA Scorecards bemessen die sogenannte InvestmentstilKonsistenz, da Fondsgesellschaften die Tendenz aufzeigen, von ihren ursprünglichen Strategien abzuweichen.66 Das kann einen signifikanten Einfluss auf die Wertpapierallokation haben. 5. Data Cleaning: Nur die Hauptanteilsklasse eines Fonds wird in der Analyse verwendet.67 ETFs, Indexfonds, gehebelte (leveraged) oder inverse Fonds werden außerdem von der Analyse ausgeschlossen. 61

Vgl. Kommer (2012), S. 23. Das hat folgenden Hintergrund: Selten werden gut performende Fonds aufgelöst. Hingegen werden Fonds, die eine schlechte Performance aufweisen und deren Nachfrage schwach ausgeprägt ist, häufig liquidiert. Diese sollten dann dennoch in der Datenbasis von Forschungsarbeiten enthalten sein, da ansonsten das Gesamtergebnis der durchschnittlichen Fondsperformance positiv verzerrt ist. Die in Kapitel 4 folgende empirische Analyse des deutschen Aktienmarktes umfasst deshalb auch inaktive / liquidierte Fonds, die während des Untersuchungszeitraums zusammengeschlossen oder aufgelöst wurden. 63 Hier und im Folgenden abgekürzt für Standard &Poor’s Dow Jones Indices LLC. 64 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017g), S. 3. 65 Mit einer populären Benchmark ist bspw. der DAX, S&P 500 oder EuroStoxx 50 gemeint. 66 Zu beobachten ist das insbesondere bei ausbleibendem Erfolg. 67 Data Cleaning wird ebenfalls in der empirischen Analyse des deutschen ETF- und Investmentfondsmarktes angewandt (vgl. Kapitel 4.4). 62

40

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

Tabelle 2 liefert einen Überblick über den Performancevergleich aktiv gemanagter Aktienfonds und deren Benchmarks und zeigt zudem länderspezifische Differenzen auf. So performten beispielsweise 60,49 % der US-Aktienfonds im Jahr 2016 schlechter als der S&P 1500 Composite Index. Über einen Zeitraum von 15 Jahren (2002–2016) schnitten sogar 82,23 % der US-Aktienfonds schlechter ab als der S&P 1500 Composite Index (vgl. Tabelle 2). Werden die Fonds nach Größe (Large Cap, Mid Cap und Small Cap) differenziert und und mit adäquaten Benchmarks (S&P 500, S&P Mid Cap 400 und S&P 600) verglichen, fallen die Ergebnisse für die aktiven Fondsmanager noch schlechter aus. Über 90 % der Fonds können über einen Zeitraum von 15 Jahren die Performance ihrer Benchmark nicht übertreffen. Ein noch schwächeres Bild zeichnet sich ab, wenn Fonds und Benchmarks in Value-, Growth- und Core-Kategorien unterteilt werden.68 Ein ähnliches Bild liefern die Ergebnisse aus Europa, Australien, Japan, Südafrika und Lateinamerika. Je länger der Untersuchungszeitrum, desto schlechter schneiden die aktiven Aktienfonds im Vergleich zur passiven Benchmark ab. Folglich schaffen es zwar einige Fondsmanager kurzfristig einen passiven Vergleichsindex zu schlagen, das stabile, langfristige Gesamtbild, welches beispielsweise in der Lage ist Performanceunterschiede basierend auf Marktzyklen auszuschließen, deutet jedoch bis auf wenige Ausnahmen auf eine signifikant unterdurchschnittliche Performance von aktiv gemanagten Fonds im Vergleich zu einer adäquaten Benchmark hin. Einzig Indien sticht mit einer etwas besseren aktiven Fondsperformance heraus. Immerhin fast jeder zweite aktiv gemanagte indische Large-Cap-Aktienfonds kann die Benchmark, den S&P BSE 100, übertreffen (vgl. Tabelle 2). Allerdings könnten für diesen eher exotischen Aktienmarkt höhere Illiquiditätsprämien oder eine schwache Informationseffizienz ausschlaggebend für positive aktive Fondsperformances sein und ein Vergleich zu traditionellen Märkten in Europa oder Amerika daher eher unpassend sein. Das Beispiel Indien deutet darauf hin, dass auf vermeintlich weniger informationseffizienten Märkten die Suche nach „Alpha“ erfolgreicher sein kann. Folglich sollte in der Praxis nicht grundsätzlich die Gültigkeit der Informationseffizienzhypothese (vgl. Kapitel  2.5) auf allen Märkten angenommen werden. Stattdessen sollte jeweils im konkreten Einzelfall entschieden werden, ob ein gegebenes Marktumfeld mit den vorhandenen Informationen und dem geplanten Aufwand des Investors zur Erzielung von Überrenditen durch aktives Portfoliomanagement hinreichend ineffizient ist.69 An dieser Stelle muss jedoch mit Blick auf passive Anlagealternativen, wie beispielsweise ETFs oder Indexfonds hinzugefügt werden, dass auch diese in der 68 69

Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017g), S. 8. Vgl. Günther et al. (2012), S. 165.

41

2.2 Performancevergleich 

Regel eine leicht negative Performance gegenüber dem Vergleichsindex aufweisen. Für den deutschen Aktienmarkt wird diese sogenannte Tracking Differenz in Kapitel  4.6 detailliert analysiert. Darüber hinaus wird mit der Entscheidung für passives Investieren von vornherein die Chance auf mögliche Überrenditen (Alpha) im Vergleich zur Benchmark aufgegeben. Tabelle 2 Underperformance von aktiv gemanagten Aktienfonds70 Prozentsatz aller Aktienfonds in ihrer Heimatwährung, die durch Benchmarks übertroffen wurden (31. 12. 2016) Fonds-Land

Benchmark

1-Jahr (%)

3-Jahre (%)

5-Jahre (%)

10-Jahre (%)

15-Jahre (%)

US-Fonds71 Globale72 Aktienfonds (€)

S&P 1500

60,49

92,91

85,82

82,87

82,23

S&P Global 1200

88,52

90,47

97,95

98,45



Europa73

S&P Europe 350

80,41

73,64

74,17

88,25



Eurozone74

S&P Eurozone BMI

79,96

84,46

87,84

90,41



Deutschland75

S&P Germany BMI

87,91

78,02

79,55

82,30



Australien76

S&P / ASX 200

76,38

67,76

69,88

74,27



Japan

S&P Japan 500

58,20

62,88

69,33

69,06



Indien78 (Large Cap)

S&P BSE 100

66,29

30,52

54,60

54,95



Südafrika79

S&P South Africa DSW Index

72,47

80,14

76,98





Brasilien80

S&P Brazil BMI

81,95

70,02

72,29





Chile81

S&P Chile BMI

85,71

86,05

88,89





Mexiko82

S&P Mexiko BMI

75,51

85,11

69,77





70

77

Eigene Darstellung. Die Werte sind den SPIVA Year-End 2016 Scorecards entnommen. Die Quellenangaben gelten jeweils für die gesamte Zeile. 71 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017g), S. 8. 72 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017b), S. 4. 73 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017b), S. 4. 74 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017b), S. 4. 75 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017b), S. 4. 76 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017a), S. 4. 77 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017d), S. 4. 78 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017c), S. 4. 79 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017f), S. 3. 80 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017e), S. 3. 81 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017e), S. 3. 82 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017e), S. 3.

42

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

Bemerkenswert ist außerdem, dass eine signifikant hohe Rate an Aktienfonds im Untersuchungszeitraum vom Markt genommen wird, häufig aufgrund schlechter Fondsperformance. Diese Fonds werden in der Regel entweder zusammengeschlossen oder liquidiert. Das unterstreicht die Bedeutung der Berücksichtigung des Survivorship Bias in umfassenden Marktanalysen von Investmentfonds. Konkret zeigt Tabelle 3, dass mehr als 58 % aller US-Aktienfonds im Untersuchungszeitraum (15 Jahre) vom Markt genommen worden. Ähnliches gilt für europäische Aktienfonds. Ca. die Hälfte dieser Fonds sind nicht einmal zehn Jahre auf dem Markt, bevor sie aufgelöst werden. Auch in anderen Regionen der Welt zeichnet sich ein ähnliches Bild ab, wenngleich nicht für alle Länder langfristige Studien über zehn oder mehr Jahre vorliegen (vgl. Tabelle 3). Die hohe Ausfallrate an Fonds macht es für Investoren schwer, langfristig zu planen. Für das Vertrauen in die aktiv gemanagte Fondsbranche ist es sicherlich nicht förderlich, wenn ständig neue Produkte vermarktet werden, von denen zahlreiche schon nach wenigen Jahren aufgrund mangelnden Erfolgs wieder liquidiert oder zusammengeschlossen werden müssen. Aus Sicht der Fondsanbieter gilt es also finanziell abzuwägen, ob weiterhin aktives Portfoliomanagement angeboten wird, mit dem potenziell hohe Einnahmen über Management und Performance Fee erzielt werden können, und auch in Zukunft zahlreiche neue, vermeintlich innovative Produkte vermarktet werden, oder ob eine stetige Konsolidierung des Marktes langfristig unvermeidbar ist. Solange jedoch genügend Investoren bereit sind in aktive Mandate ihr Kapital zu allokieren, werden die von aktiven Fondsmanagern verwalteten Assets weiterhin die Majorität des Gesamtmarktes ausmachen und aktive Investmentfonds weiterhin, zumindest für die Fondsgesellschaften, erfolgsversprechend sein.83 Abseits der Performance- und Gebührenkomponente gibt es für aktives Assetmanagement im Zuge steigender Marktanteile der passiven ETFs und Indexfonds auch aus makroökonomischer Sicht zunehmend gute Gründe. Denn nur über aktive Assetmanager wird Kapital gezielt in die vermeintlich besten Unternehmungen allokiert. ETFs hingegen investieren über einen Index, der lediglich einen Gesamtoder Teilmarkt repliziert. Kapital wird dann aus ökonomischen Beweggründen nicht mehr nur in die innovativsten, effizientesten, rentabelsten oder ökologischsten Unternehmen investiert. Angesichts der in diesem Kapitel analysierten Studien und Forschungsarbeiten hinsichtlich der Performance aktiver und passiver Kapitalanlagestrategien, ist es durchaus bemerkenswert, dass aktive Investoren ein vermeintliches Nullsummenspiel führen. Zwar kristallisiert sich die Erkenntnis heraus, dass passives Investieren die Portfolioperformance verbessern kann, dennoch ist der Fondsmarkt weiterhin deutlich von aktiven Mandaten dominiert. Das zeigt allein ein Blick von

83

Vgl. Bruns / Meyer-Bullerdiek (2013), S. 184–185.

43

2.2 Performancevergleich  Tabelle 3 Survivorship bei Aktienfonds84

Prozentsatz aller Aktienfonds in ihrer Heimatwährung, die seit ihrer Markteinführung nicht liquidiert wurden. (31. 12. 2016) Fonds-Land

1-Jahr (%)

3-Jahre (%)

5-Jahre (%)

10-Jahre (%)

US-Fonds85

94,73

88,12

78,68

57,13

Globale Aktienfonds (€)

95,05

81,93

68,69

43,66



Europa87

94,80

82,75

70,01

47,66



Eurozone

95,49

84,50

69,70

47,53



Deutschland89

93,81

84,69

75,79

53,39



Australien

96,15

91,23

81,96

67,52



91

Japan

96,29

88,63

78,57

70,18



Indien92 (Large Cap)

94,38

85,06

78,53

66,67



Südafrika93

98,36

91,45

82,96





Brasilien

84,81

65,45

61,28





86

88

90

94

Chile

95

Mexiko96

92,86 100

15-Jahre (%) 41,84

90,70

82,22





91,49

88,64





Berthon und Konqui (2019) auf den europäischen Fondsmarkt. 2018 lag der Anteil der in passiven Fonds investierten AUM in Europa bei 17 %.97 Resümierend für dieses Kapitel besitzt auch noch heute – nach über zehn Jahren und unabhän 84 Eigene Darstellung. Die Werte sind den SPIVA Year-End 2016 Scorecards entnommen. Die Quellenangaben gelten jeweils für die gesamte Zeile. 85 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017g), S. 8. 86 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017b), S. 4. 87 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017b), S. 4. 88 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017b), S. 4. 89 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017b), S. 4. 90 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017a), S. 4. 91 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017d), S. 4. 92 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017c), S. 4. 93 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017f), S. 3. 94 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017e), S. 3. 95 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017e), S. 3. 96 Vgl. S&P Dow Jones Indices LLC (2017e), S. 3. 97 Vgl. Berthon / Konqui (2019), S. 20. Der Anteil passiver Investments bei Aktienfonds ist mit 28 % dabei wesentlich höher als der Anteil passiver Investments bei Fixed-Income-Fonds (14 %).

44

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

gig des rasanten Wachstums passiver Indexprodukte – eine Aussage von French (2008) ihre Gültigkeit: „Many are unaware that the average active investor would increase his return if he switched to a passive strategy. Financial firms certainly contribute to this confusion. Although a few occasionally promote index funds as a better alternative, the general message from Wall Street is that active investing is easy and profitable. This message is reinforced by the financial press, which offers a steady flow of stories about undervalued stocks and successful fund managers.“98

Zwar sind einige Fondsmanager in der Lage, Überrenditen im Vergleich zu einer adäquaten Benchmark zu erzielen (vgl. Tabelle 2). Das erklärt jedoch nicht das Verhalten des durchschnittlichen institutionellen als auch privaten Investors. Entscheidungen dieser können teilweise nicht durch die von neoklassischen Kapitalmarktmodellen (vgl. Kapitel  2.5.1) angenommenen rationalen Verhaltens­ weisen erklärt werden. Dass Investoren irrationales Verhalten offenbaren, zeigen neuere Forschungsfelder der sogenannten Behavioral Finance. Diese werden in Kapitel  2.5.3 detailliert beleuchtet und können das Investieren in vermeintlich schlechtere, aktive Fondsmandate zumindest teilweise erklären.

2.3 Closet Indexing bei aktiv gemanagten Investmentfonds Forschungsarbeiten über Investmentfonds fokussieren traditionell die Fonds­ performance (vgl. Kapitel 2.2), seltener jedoch die Managementaktivitäten per se.99 Dabei sind es meist erst jene aktiven Handlungen des Fondsmanagers, die schlussendlich bedeutend zur Fondsperformance beitragen, positiv als auch negativ. Die von S&P DJI regelmäßig veröffentlichten SPIVA (S&P Indices Versus Active) Score­cards (vgl. Kapitel 2.2) zeigen, dass Assetmanager häufig daran scheitern, die Performance einer adäquaten Benchmark langfristig zu überbieten. Um die durchschnittliche Marktperformance übertreffen zu können, müssen Fondsmanager per Definitionem Kapital aktiv allokieren. Das heißt, die Komposition des Fondsportfolios muss sich signifikant von der des Marktes (bzw. der Benchmark) unterscheiden.100 Aktivität kann fälschlicherweise als Turnover der Wertpapiere im Fondsportfolio verstanden werden. Gemeint ist jedoch hier und im Folgenden die Abweichung der Wertpapiere des Fondsportfolios von den im Benchmark Index enthaltenen Wertpapieren. Fondsmanager bilden häufig Portfolios, die nahe an der für sie relevanten Benchmark liegen, beispielsweise um das Risiko der Underperformance im Vergleich 98

French (2008), S. 1562. Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3333. 100 Vgl. Cremers / Curtis (2016), S. 35. 99

2.3 Closet Indexing bei aktiv gemanagten Investmentfonds 

45

zur Benchmark zu minimieren.101 Und obwohl diese Fondsmanager sehr stark an ihrer Benchmark orientiert sind, nehmen sie in Anspruch aktiv zu Handeln und verlangen entsprechend hohe Performance- und Management-Gebühren.102 Dieses illegitime Ausnutzen von Indices wird in der Literatur für gewöhnlich als „Closet Indexing“, „Index Hugging“ oder „Closet Index-Tracking“ bezeichnet. Closet-Indexing-Anlagestrategien betreiben Fondsmanager wie folgt: Sie investieren den Großteil des Kapitals in die wichtigsten Wertpapiere des relevanten Vergleichsindex. Zur Diversifikation im Vergleich zur Benchmark investieren Sie einen kleineren Teil des Portfolios in andere Wertpapiere oder ändern die Indexgewichtung, indem sie einzelne Wertpapiere über- oder Untergewichten. Trotz geringer Abweichungen zur Benchmark verlangen sie die eines aktiven Fonds üblichen Gebühren, ohne jedoch in angemessenem Umfang gezieltes Stock Picking oder Timing auszuüben. Die ausgewiesenen Kosten liegen meist deutlich über denen vergleichbarer passiver Indexfonds oder ETFs. Die daraus resultierende Fondsperformance ist aufgrund der höheren Gebühren und kostenverursachenden Portfolioumschichtungen meist der Benchmark als auch den passiv gemanagten Produkten unterlegen. Da jedoch der Großteil des vermeintlich aktiv gemanagten Fonds eng mit der Benchmark verknüpft ist, wird die Performance des Fonds selten signifikant schlechter sein als die Performance der Benchmark. Kalkül dahinter ist, dadurch Investoren davon abzuhalten, ihr investiertes Kapital dem Fonds zu entziehen.103 Es handelt sich dabei um kein gänzlich neues Phänomen. Bereits zu Beginn der 1990er-Jahre berichtet die internationale Finanzpresse rudimentär über Closet Indexing.104 Größere Aufmerksamkeit erfährt die Problematik jedoch erst mit einer Forschungsarbeit von Cremers und Petajisto (2009). Sie zeigen auf, dass insbesondere ab Mitte der 90er-Jahre Closet Indexing stark zugenommen hat. Der aggregierte Investmentfondssektor bietet Investoren ab den 2000er-Jahren nicht mehr als 30 % Active Share105.106 Das heißt, ca. 70 % des investierten Kapitals (AuM) repliziert eine Benchmark, obwohl der Großteil dieser 70 % eigentlich aktiv mandatiert wurde. Damit könnten sich unter Berücksichtigung von Kosten überdurchschnittlich häufig zu beobachtende negative Fondsperformances im Vergleich zur Benchmark erklären, denn lediglich mit den 30 % aktiv investierten Kapitals können passive Benchmarks übertroffen werden.

101

Vgl. Shleifer (2000), S. 12. Vgl. Petajisto (2013), S. 78. 103 Vgl. Oppel (1999). 104 Vgl. Taylor (2004), S. 437. 105 Active Share definiert den Part eines Fondsportfolios, der keine Schnittmenge mit den in der Benchmark enthaltenen Wertpapieren hat. Die detaillierte Definition von Active Share folgt in Kapitel 4. Die Analyse von Cremers / Petajisto (2009) schließt ausschließlich aktive Fonds ein, die den S&P 500 als Benchmark haben. 106 Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3348 f. 102

46

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

Aktuelle Brisanz erfährt Closet Indexing durch den in den letzten Jahren wachstumsstarken ETF-Markt. Aktive Fondsmanager geraten durch die preisgünstige, passive Index-Tracking-Alternative vermehrt unter Druck. Verstärkt wird dies durch ein typisches verhaltenswissenschaftliches Phänomen. Fähigkeiten von Asset­managern, die ähnliche Handlungen wie ihre Konkurrenten vollziehen, werden positiver wahrgenommen.107 Eine im Vergleich zur Benchmark wesentlich schlechtere Fondsperformance gilt es mehr denn je unbedingt zu vermeiden. Bogle (2010) fasst ein zentrales Problem der Fondsbranche treffend zusammen: „If you can’t beat ’em, join ’em. […] [S]omething will turn up.“108 Ähnlich dem „sharing-the-blame“-Effekt, dem Kopieren von Anlagestrategien anderer (erfolgreicher) Assetmanager,109 imitieren Fondsmanager bei Closet-Indexing-Anlagestrategien die populärsten Indices. Das hat zur Folge, dass die Fondsperformance stark mit der des Vergleichsindex korreliert. In schlechten Jahren kann somit einfach auf die ungünstige Marktlage verwiesen werden, sodass Fondsmanager mit ihren vermeintlich schlechten Entscheidungen und daraus resultierenden negativen Fondsperformances nicht isoliert dastehen. Dieses von Bogle (2010) als neuer Relativismus bezeichnete Phänomen, kann auf zunehmend aggressives Marketing zurückgeführt werden, wonach kurzfristiger Erfolg als bester Weg zur Gewinnung neuer Kunden gesehen wird. Folglich steht nicht länger der im eigentlichen Sinne des Kunden langfristige Erfolg im Vordergrund der Geschäftspolitik, sondern der kurzfriste Vergleich zur Benchmark.110 Dieser kurzfristige „Erfolg“ lässt sich für die Fondsgesellschaft sicher durch ­Closet-Indexing-Strategien erreichen. Eine langfristige Outperformance gegenüber der Benchmark ist damit jedoch äußerst unwahrscheinlich. Hinzu kommt, dass die Position des Fondsmanagers häufig ein asymmetrisches Risiko-Chancen-Verhältnis offenbart. Beeinflusst von internen als auch externen Stakeholdern, neigen Fondsmanager dazu, die Portfolioaktivität in unsicheren Zeiten zu verringern. Sie reduzieren damit die Gefahr, entlassen zu werden, da größere Verluste im Vergleich zur Benchmark insbesondere in Abwärtsmärkten tendenziell stärker wahrgenommen werden als Gewinne.111

2.4. Relevanz des Benchmark-Konzeptes In diesem Kapitel wird die Relevanz der Wahl einer adäquaten Benchmark im Fondsmanagement hervorgehoben und zudem Kritik an der in der internationalen Forschungsliteratur beliebten Anwendung von Multifaktormodellen (vgl. Kapitel 2.5.1) 107

Vgl. Scharfstein / Stein (1990), S. 465. Vgl. Bogle (2010), S. 342. 109 Vgl. Scharfstein / Stein (1990), S. 465. 110 Vgl. Bogle (2010), S. 342. 111 Vgl. Caquineau / Möttölä / Schumacher (2016), S.  21. 108

2.4. Relevanz des Benchmark-Konzeptes

47

als Benchmark in der Performancemessung geübt. Unter einer Benchmark wird hier und in folgenden Kapiteln ein Index oder Indikator verstanden, der durch Finanzinstrumente (z. B. ETFs) repliziert oder zur Bewertung der Performance von Investmentfonds herangezogen werden kann. Auch hier kommt ETFs ein entscheidender Faktor zu. War es vor Markteinführung von Indexfonds und ETFs noch kompliziert und kostenintensiv Benchmarks maßgeschneidert nachzubilden, machen es solche Produkte heutzutage Investoren einfach, ihre Investitionen indexreplizierend unter geringen Kosten zu tätigen. Durch die praktikable Anwendbarkeit stehen indexreplizierende ETFs durchaus in direkter Konkurrenz zu aktiven Investmentfonds. Im Gegensatz Benchmarks können Risikofaktoren in Multifaktormodellen zwar Teile der Performance von aktiven Fondsmanagern erklären, aber weder sind sie Form von Finanzmarktprodukten handelbar noch unter geringen Kosten replizierbar.112 In den folgenden Abschnitten wird die Relevanz von Benchmarks in der Performancemessung detailliert beschrieben und die Bedeutung der Praktikabilität von Benchmarks in den Vordergrund gestellt. Die Einführung von Wertpapierindices hatte beinah eine revolutionäre Wirkung auf die Investmentmärkte. Die Indexierung von Wertpapierkörben ermöglicht Anlegern eine größere Kontrolle bei der Überwachung des Risikomanagements, der Renditen und der Kosten ihrer Portfolios. Gleichzeitig wächst durch vergleiche mit Benchmarks seitens der Investoren der Anspruch an aktive Fondsmanager. Durch die Etablierung transparenter Benchmarks dienen Indices als Tool zur Performancemessung, fördern Klarheit in der Bewertung von Fondsmanagern und erhöhen dadurch die Wahrscheinlichkeit, dass Investoren qualitativ hochwertige Assetmanager identifizieren können, um somit langfristig den Investmenterfolg zu steigern.113 Dabei haben Benchmarks im Laufe der letzten Jahrzehnte einen Wandel von einst theoretischen Konstrukten hin zu transparenten und effizienten Bewertungsmaßstäben und praktikablen Investmentalternativen über alle Asset Klassen hinweg vollzogen.114 Benchmarks erfüllen heute folglich mehrere Zwecke. Schoenfeld (2004a) arbeitet vier Hauptmerkmale von adäquaten Benchmarks heraus: Sie dienen zur Messung der Markt- und Anlegerstimmung, sind wichtige Werkzeuge beim Research und der Asset Allokation, sind Vergleichsmaßstäbe in der Performancemessung von Investmentfonds und gleichzeitig Basis für Investmentvehikel.115 Benchmarks ermöglichen es, die Preise von diversen Wertpapieren eines Marktes auf eine einzige statistische Kennzahl zu reduzieren, die sowohl Hoffnungen als auch Sorgen der Investoren bezüglich der im Index enthaltenen Unternehmen 112

Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3357. Vgl. Phillips (2004), XI. 114 Vgl. Schoenfeld (2004b), S. 1. 115 Vgl. Schoenfeld (2004a), S. 59. 113

48

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

widerspiegelt. Darüber hinaus werden auch breitere makroökonomische und politische Faktoren inkludiert, die Wertpapierpreise beeinflussen können. Dazu gehört beispielweise die konjunkturelle Entwicklung als auch die politische Stabilität einer Volkswirtschaft. In all diesen Fällen betrachten Investoren Benchmarks als Indikatoren für stabile oder wechselnde Preisniveaus. Zusätzlich können spezielle Marktbarometer wie beispielsweise Volatilitätsindices die Börsenstimmung auf eine einzige Kennzahl reduzieren und dadurch möglicherweise irrationales Anlegerverhalten und Marktübertreibungen sichtbar machen.116 Gemäß Sharpe (1992) sollte eine Benchmark zur optimalen Performancemessung folgende vier Aspekte abdecken: Ein Benchmarkportfolio sollte eine reale Anlagealternative darstellen, nicht leicht zu schlagen, zu geringen Kosten zu erwerben und bereits vor dem Treffen der Anlageentscheidung verfügbar sein.117 An dieser Stelle werden Auswahl, Auswertung und Interpretation geeigneter Benchmarks bereits problematisch. Folgt man der intuitiven und plausiblen Definition von Sharpe (1992), eignen sich die gängigen Indices wie beispielsweise der S&P 500 oder DAX hervorragend als Benchmarks. In der Praxis werden Fonds­ manager in der Regel auch auf diese Weise bewertet. Ihre erzielte Fondsperformance wird mit der eines passenden Index verglichen. Investmentfonds sind darüber hinaus je nach Jurisdiktion verpflichtet einen adäquaten Index als Benchmark auszuweisen, wenn der Fonds an der Performance dieses Index orientiert ist. Der Auftrag des Fondsmanagers liegt in der Regel darin, jenen Index durch aktives Fondsmanagement zu übertreffen.118 Ein Blick auf die einschlägigen Forschungsergebnisse (vgl. Tabelle 1) verdeutlicht jedoch, dass in akademischen Forschungsarbeiten zur Performancemessung und -bewertung mehrheitlich Multifaktormodelle statt realer Benchmarks (Indices) verwendet werden.119 Vorteile in der Performancemessung von Investmentfonds anhand passiver Benchmark Indices im Vergleich zu Multifaktormodellen haben ihren Ursprung in der Praxis. Die Benchmark-Leitlinien von Sharpe (1992) oder Schoenfeld (2004a) werden bei alleiniger Verwendung von Multifaktormodellen missachtet, da diese Modelle keine realen Anlagealternativen darstellen. Darüber hinaus interessieren in der Regel weder Fondsmanager noch Investoren mögliche abstrakte Multifaktor-Alphas. Stattdessen ist meist die Fondsperformance im Vergleich zu einem adäquaten Benchmark Index entscheidend.120

116

Vgl. Cloyd / Siegel / Schoenfeld (2004), S.  65 f. Vgl. Sharpe (1992), S. 16. 118 Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3357. 119 Multifaktor-Regressions-Modelle, basierend auf Fama / French oder Carhart, werden im Verlauf der Arbeit kurz erläutert. 120 Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3357. 117

2.4. Relevanz des Benchmark-Konzeptes

49

Cremers, Petajisto und Zitzewitz (2013) kritisieren eben jenes Vorgehen in akademischen Studien. Sie zeigen auf, dass die unterschiedlichen Ansätze von Praktikern und Akademikern zu divergierenden Ergebnissen führen können, da Multifaktormodelle selbst passiven Benchmark Indices sogenanntes nonzero Alpha121 zuweisen. Das bedeutet, dass zum Beispiel auch der S&P 500 Index im Carhart Vier-Faktoren-Modell eine positive jährliche Rendite aufweist.122 Das führt dazu, dass in Multifaktormodellen konsequenterweise selbst jene als passiv definierte ETFs oder Indexfonds nonzero Alpha aufweisen. Und das, obwohl eigentlich intuitiv davon ausgegangen werden sollte, dass ETFs als passive Alternative zu aktiven Investmentfonds kein Alpha aufweisen sollten.123 Im Gegenteil sollten bei passiven Benchmarks, beispielsweise Indices wie dem DAX oder S&P 500 nonzero Alpha geradezu per Definition ausgeschlossen sein.124 Hier ist jedoch auch zu beachten, dass eine zu einhundert Prozent exakte Indexreplikation nahezu ausgeschlossen ist. Gründe dafür werden im Verlauf dieser Forschungsarbeit erläutert (vgl. z. B. Kapitel 3.3.2). Abweichungen in der Indexreplikation führen bei ETFs zu Tracking Error im Vergleich zum Index. Dieser kann positiv als auch negativ sein, sodass auch ETFs bei falscher Interpretation nonzero Alpha gegenüber dem replizierten Benchmark Index aufweisen können. Am 30. Juni 2016 verabschiedeten das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die sogenannte „EU-Benchmark-Verordnung“, die eine höhere Transparenz hinsichtlich der Indices vorschreibt, die als Benchmark unter anderem zur Messung der Wertentwicklung von Investmentfonds verwendet werden.125 Grundsätzlich eine erfreuliche Entwicklung hinsichtlich des Verbraucherschutzes. Diese Maßnahme stärkt das Bewusstsein für die Relevanz adäquater Benchmarks bei Investoren als auch Fondsmanagern. Allerdings weist bereits Petajisto (2013) darauf hin, dass die Entscheidung der U. S. Securities and Exchange Commission (SEC) im Jahr 1998, nach der alle Investmentfonds im Wertpapierprospekt eine Benchmark ausweisen müssen,126 dafür gesorgt haben könnte, dass der Anreiz für Fondsmanager, das Risiko zur Benchmark zu minimieren, zugenommen hat.127 Dadurch gehen wiederum Anreize für Fondsmanager verloren, durch aktives Fondsmanagement (z. B. mit AbsoluteReturn-Strategien) klare Unterschiede zur Benchmark herauszubilden. Das Pro­ blem von Closet Indexing könnte dadurch verstärkt werden. 121 Nonzero Alphas können sowohl positiv als auch negativ sein. Sie dürfen lediglich nicht null betragen. 122 Im Zeitraum von 1980 bis 2005 beträgt die durchschnittliche Überrendite des S&P 500 im Carhart Vier-Faktoren-Modell 0,82 % pro Jahr. Vgl. Cremers / Petajisto / Zitzewitz (2013), S. 2. 123 Vgl. Cremers / Petajisto / Zitzewitz (2013), S.  46. 124 Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3357. 125 Vgl. Europäische Union (2016), S. 1 ff. Die Verordnung trat in Kraft am 01. 01. 2018. 126 Vgl. Securities and Exchange Commission (1998), S. 1 ff. 127 Vgl. Petajisto (2013), S. 82.

50

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

Mit der EU-Verordnung soll sichergestellt werden, dass in der EU aufgelegte und verwendete Benchmarks robust, zuverlässig, integer, repräsentativ sowie für ihren jeweiligen Einsatzzweck geeignet sind und nicht Gegenstand von schweren Manipulationsskandalen sein können, wie es beispielsweise bei Referenzzinssätzen wie dem LIBOR und EURIBOR in der Vergangenheit der Fall war.128 Abschließend bleibt jedoch die Problematik der Wahl der „adäquaten“ Benchmark bestehen, sollten Fondsgesellschaften in den wesentlichen Anlegerinformationen (KIID) eine Benchmark für den jeweiligen Investmentfonds ausweisen. Sie verpflichten sich quasi mit Publikmachen, die Performance des angegeben passiven Vergleichsindex mit ihrem aktiv gemanagten Fonds zu übertreffen. Petajisto (2013) hält aufgrund dessen für die Performancemessung jene vom Fondsmanager ausgewählte Benchmark für relevanter als Multifaktormodelle, da sowohl der Fondsmanager als auch der Investor den Fokus in der Regel auf die Fondsperformance im Verhältnis zu jener Benchmark legen.129 Andererseits sollte die von der Fondsgesellschaft selbstdeklarierte Benchmark immer kritisch hinterfragt werden. Sensoy (2009) zeigt, dass 31,2 % der von ihm untersuchten US-Aktienfonds eine Benchmark ausweisen, die nicht dem Investmentstil des Fonds entspricht.130 Diese Problematik wird nach detaillierter Analyse der wesentlichen Anlegerinformationen ebenfalls für die in dieser Forschungsarbeit analysierten europäischen UCITS-Investmentfonds131 nachgewiesen (vgl. Kapitel 4). 2010 wurde durch die Verordnung Nr. 583/2010 der EU die Regulierung der wesentlichen Anlegerinformationen überarbeitet. Zwar heißt es in Artikel 18 dieser Verordnung: Wenn „der Abschnitt ‚Ziele und Anlagepolitik‘ des Dokuments mit wesentlichen Informationen für den Anleger auf einen Referenzwert Bezug [nimmt], so wird ein Balken mit der Wertentwicklung dieses Referenzwerts im Diagramm neben jedem Balken mit der früheren Wertentwicklung des OGAW aufgenommen.“132 Das verpflichtet Fondsgesellschaften jedoch nicht dazu, Referenzindices angeben zu müssen.133 Die Nichtregierungsorganisation „Better Finance“ stellt dazu in einer umfangreichen Studie über mehr als 2000 Fonds heraus, dass ca. 30 % aller untersuchten benchmarkorientierten OGAW-Aktienfonds nicht den KIID Benchmark Offenlegungsregeln entsprechen.134

128

Vgl. Europäische Union (2016), S. 1 ff. Vgl. Petajisto (2013), S. 78. 130 Vgl. Sensoy (2009), S. 38. 131 Undertakings for Collective Investments in Transferable Securities. 132 Europäische Union (2010b), S. 8. 133 Kritisch betrachtet wird in Kapitel 4, dass viele Fonds der untersuchten Stichprobe keinen Referenzindex als Benchmark angeben. 134 Vgl. Better Finance (2018), S. 2. 129

2.5 Portfoliotheorie

51

Dass die Wahl der korrekten Benchmark nicht nur ein Problem bei aktiv gemanagten Fonds darstellt, sondern auch ein komplexes Thema für ETFs ist, zeigt die empirische Analyse des deutschen ETF-Marktes (vgl. Kapitel 4.6). Nicht immer werden Vergleichsindices einheitlich gewählt und umgesetzt, sodass es zu unterschiedlichen Performancebewertungen kommen kann. Uneinheitliche und intransparente Angebote erschweren den Qualitätsvergleich für Investoren bei der Auswahl der besten aktiven Investmentfonds als auch passiven ETFs. Regulierungsbehörden sollten an den offengelegten Schwachstellen nachbessern, damit zukünftig die Wahl einer adäquaten Benchmark für Investmentfonds einheitlich reguliert ist.

2.5 Portfoliotheorie, Kapitalmarkttheorien und die Verhaltensökonomie Erfolgreiches aktives Assetmanagement setzt die Fähigkeiten des Assetmanagers voraus, Wertpapiere durch Stock Picking zu selektieren und wechselnde Kurstrends mit dem richtigen Timing zu identifizieren.135 Die akademische Literatur verwendet traditionell Multi-Faktoren-Modelle basierend auf Fama und French (1993) und Carhart (1997), um Portfolio- oder Wertpapierüberrenditen zu erklären. Dabei ist jedoch zu beachten, dass diese Risikofaktoren, wie im vorherigen Kapitel erläutert, nicht unmittelbar investierbar sind, sondern nur hinreichend gute Proxies zu investierbaren Assets darstellen.136 Nach den bisher erfolgten einleitenden Kapiteln zur Begriffsbestimmung aktiver und passiver Kapitalanlagestrategien, zur Performancemessung, der Einführung zur Problematik des Closet Indexing bei aktiven Investmentfonds und der Relevanz des Benchmarkkonzeptes, schließt die Einführung der vorliegenden Forschungsarbeit mit einem kurzen Überblick über die wichtigsten Kapitalmarkttheorien. Zunächst wird der historische Fortgang der klassischen zur neoklassischen Kapitalmarkttheorie beschrieben, bevor der Fokus auf die Behavioral Finance und die Abgrenzung dieser von der neoklassischen Kapitalmarkttheorie fällt. Sowohl die wichtigsten Portfolio-, Kapitalmarkt- und verhaltensökonomischen Modelle werden diskutiert, als auch die Effizienz der Wertpapiermärkte thematisiert. Das geschieht jeweils vor dem Hintergrund aktiver und passiver Kapitalanlagestrategien. Grundlagenkenntnisse der hier thematisierten Theorien sind wichtig, um zentrale Probleme aktiver und passiver Anlagestrategien im Verlauf dieser Forschungsarbeit diskutieren zu können.

135 136

Vgl. Fama (1972), S. 566. Vgl. Madhavan (2016), S. 171.

52

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

Beispielsweise ist nicht abschließend geklärt, ob ETFs die Preisfindung an Wertpapiermärkten effizienter gestalten. Es gibt sowohl Studien, die eine verbesserte Informations- und Preisfindungseffizienz belegen, als auch Studien, die einen gegenteiligen Effekt aufzeigen.137 Auch Heuristiken im Anlegerverhalten betreffen sowohl aktive als auch passive Investments und müssen deshalb verhaltenswissenschaftlich (Behavioral Finance) erläutert werden. Heuristiken sind zwar bei aktiven Anlagestrategien häufiger zu beobachten, aber beispielsweise auch durch ausgeprägtes Herdenverhalten passiver Investoren auf ETF-Märkten zu beobachten.138 Andererseits könnten sich insbesondere passive Anlagestrategien eignen, um Heuristiken entgegenzuwirken. Denn durch passives Investieren rückt die Analyse- und Prognosefähigkeit des Investors in den Hintergrund. Dadurch können typische Fehler aktiver Anlagestrategien vermieden werden. Die im Folgenden kurz dargestellten Modelle der modernen Kapitalmarkt­ theorie befassen sich hauptsächlich mit der Preisbildung auf Kapitalmärkten unter Beachtung unsicherer Erwartungen der Marktteilnehmer. Andererseits werden je nach Risiko ebenso Aussagen über Kapitalkosten und realistische Kalkulationszinsfüße bei unsicheren Umweltzuständen abgeleitet. Insofern sind diese Modelle und Theorien sowohl explikativ als auch normativ, sobald Handlungsempfehlungen bezüglich der zu kalkulierenden Kapitalkosten bei Unsicherheit gegeben werden.139

2.5.1 Portfolio-, Kapitalmarkt- und Faktormodelle Noch in den 50er-Jahren fehlten Assetmanagern bei Betrachtung des Portfoliorisikos das vollständige Verständnis für die Zusammenhänge und Wechselwirkungen verschiedener Asset Klassen auf das Gesamtportfolio.140 Markowitz (1952)141 zeigte erstmals auf, dass durch Diversifikation, d. h. Kombination von Investments, die möglichst schwach miteinander korreliert sind, ein Portfolio erstellt werden kann, das trotz identischer Rendite ein geringeres Risiko aufweist als die Summe der Risiken der Einzelwerte.142 Er verdeutlicht, dass Renditen verschiedener Anlagealternativen und damit auch die Portfoliorenditen aufgrund unbekannter Wahrscheinlichkeitsverteilungen der zufälligen Renditen nicht mit Sicherheit bekannt 137 Vgl. Central Bank of Ireland (2017), S. 65. Diese und weitere Fragestellungen zu ETFs und Closet-Indexing-Strategien werden im folgenden Kapiteln detailliert analysiert. 138 Vgl. Bhattacharya / O’Hara (2016), S. 5. 139 Vgl. Perridon / Steiner / Rathgeber (2012), S.  270. 140 Vgl. George / Schoenfeld / Wiandt (2004), S.  15. 141 Harry M. Markowitz legte 1952 als Student an der University of Chicago mit seinem Aufsatz „Portfolio Selection“ die Grundlagen für die nachfolgenden wissenschaftlichen Publikationen zur Portfolio- und Kapitalmarkttheorie. Er zweifelte daran, dass bei der Wahl der Wertpapiere der Fokus primär und ausschließlich auf der Rendite liegen sollte. Für seine Forschungsarbeit erhielt er im Jahr 1990 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. 142 Vgl. Bruns / Meyer-Bullerdiek (2013), S. 78.

2.5 Portfoliotheorie

53

sind, sondern Zufallsvariablen darstellen.143 Dabei ist das Portfolio mit der maxi­ malen Rendite nicht zwangsläufig das Portfolio mit der minimalen Varianz.144 Die erwartete Portfoliorendite (E(rp)) ergibt sich dann aus dem Mittelwert der realisierten Renditen der Einzelwerte:145 𝑛𝑛𝑛𝑛

𝐸𝐸𝐸𝐸�𝑟𝑟𝑟𝑟𝑝𝑝𝑝𝑝 � = � 𝑥𝑥𝑥𝑥𝑖𝑖𝑖𝑖 ⋅ 𝐸𝐸𝐸𝐸(𝑟𝑟𝑟𝑟𝑖𝑖𝑖𝑖 ) 𝑖𝑖𝑖𝑖=1

(2.7)

Der Diversifikationseffekt wird bei Betrachtung des Risikos, dargestellt als Varianz des Portfolios (σp2), die von der Portfoliogewichtung und der Varianz-Kovarianz-Matrix der einzelnen Wertpapiere abhängt, verdeutlicht:146 𝑛𝑛𝑛𝑛

𝑛𝑛𝑛𝑛

𝑛𝑛𝑛𝑛

𝜎𝜎𝜎𝜎𝑝𝑝𝑝𝑝2 = � 𝑥𝑥𝑥𝑥𝑖𝑖𝑖𝑖2 𝜎𝜎𝜎𝜎𝑖𝑖𝑖𝑖2 + � � 𝑥𝑥𝑥𝑥𝑖𝑖𝑖𝑖 𝑥𝑥𝑥𝑥𝑗𝑗𝑗𝑗 cov�𝑟𝑟𝑟𝑟𝑖𝑖𝑖𝑖 , 𝑟𝑟𝑟𝑟𝑗𝑗𝑗𝑗 � 𝑖𝑖𝑖𝑖=1

𝑖𝑖𝑖𝑖=1 𝑗𝑗𝑗𝑗=1 𝑖𝑖𝑖𝑖≠𝑗𝑗𝑗𝑗

(2.8)

Das Gesamtrisiko des Portfolios lässt sich ferner in ein unsystematisches und systematisches Risiko aufteilen. Der Diversifikationseffekt entsteht durch die Aufnahme weiterer Wertpapiere in das Portfolio, wodurch das unsystematische Risiko des Portfolios minimiert werden kann.147 Das Risiko, dass selbst nach maximaler Diversifikation bleibt, wird Marktrisiko oder systematisches Risiko genannt. Es betrifft alle Wertpapiere und führt zu einer leicht positiven Korrelation dieser, wobei der Investor für das übernehmen des systematischen Risikos mit einer Risikoprämie entschädigt wird.148 Anhand der Renditen und Risiken sämtlicher erreichbarer Kombinationen von Wertpapieren können jene Portfolios ermittelt werden, die hinsichtlich der Dimensionen Rendite und Risiko effizient sind. Portfolios gelten als effizient, wenn bei identischer Rendite kein Portfolio konstruiert werden kann, welches ein geringeres Risiko aufzeigt. Oder wenn bei identischem Risiko kein Portfolio konstruiert werden kann, welches eine höhere Rendite aufweist. Die Renditen effizienter Portfolios können folglich nur durch eingehen höherer Risiken gesteigert werden. Grafisch lassen sich effiziente Portfolios in einem Rendite-Risiko-Diagramm an einer Effizienzlinie (Efficient Frontier) ablesen.149 Alle auf der Effizienzlinie liegenden Portfolios weisen jeweils die minimal mögliche Varianz für eine gegebene Portfoliorendite auf.150

143

Vgl. Specht / Gohout (2009), S. 10–11. Vgl. Markowitz (1952), S. 79. 145 Vgl. Perridon / Steiner / Rathgeber (2012), S.  262. 146 Vgl. ebd., S. 262. 147 Vgl. Bruns / Meyer-Bullerdiek (2013), S. 81 f. 148 Vgl. Daxhammer / Facsar (2012), S. 47. 149 Vgl. Bruns / Meyer-Bullerdiek (2013), S. 83. 150 Vgl. Bodie / Kane / Marcus (2014), S.  220. 144

54

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

Rationale Investoren erwerben gemäß Portfolio-Selection-Modell von Markowitz entsprechend ihrer individuellen Risikoneigung ausschließlich Portfolios, die auf der Effizienzlinie liegen. Die Effizienzlinie unterliegt wiederum konkreter Annahmen:151 Ein entscheidender Schwachpunkt des Portfolio-Selection-Modells von Markowitz liegt in der praktischen Umsetzung, da sich das Modell nur unter Verwendung historischer Daten anwenden lässt. Für einen Investor bedeutende Erkenntnisse über zukünftige effiziente Portfolios und das Timing optimaler Kauf- und Verkaufszeitpunkte bleiben dabei unbeantwortet.152 Über Backtesting können dennoch Handlungsempfehlungen für aktive als auch passive Kapitalanlagestrategien getroffen werden. Die Portfoliotheorie trägt dann dazu bei, ein Wertpapierportfolio unter Rendite-Risiko-Aspekten optimal auszurichten. Trotz der Annahme, dass zukünftige Ereignisse eine große Vergleichbarkeit zu vergangenen Ereignissen besitzen, garantiert Backtesting jedoch nicht, dass in der Vergangenheit erfolgreiche Handelsstrategien auch in Zukunft erfolgsbringend sind. Zudem ist es aufgrund der Komplexität der Portfoliotheorie beispielsweise für private Investoren nahezu unmöglich, Portfolios durch den Erwerb von Einzeltiteln gemäß der Theorie von Markowitz optimal auszurichten. Zur Portfoliodiversifikation kann stattdessen sowohl auf bereits diversifizierte Produkte wie aktiv gemanagte Investmentfonds oder passiv gemanagte ETFs zurückgegriffen werden. Basierend auf der Portfoliotheorie von Markowitz ergänzt Tobin (1958) die Möglichkeit einer risikofreien Kapitalanlage, was später in der Literatur als Separationstheorem bezeichnet wurde.153 Durch die Hinzunahme einer risikolosen Anlagemöglichkeit können Investoren neue Portfolios als Mischung aus dem risikobehafteten, effizienten Portfolio (Tangentialportfolio / Marktportfolio) mit der risikolosen Anlagemöglichkeit erstellen.154 Diese sogenannte Kapitalmarktlinie wird durch den Ordinatenabschnitt der 151 Anleger sind risikoavers; Wertpapiere sind beliebig teilbar; keine Transaktionskosten, erwartete Anlagerückflüsse am Periodenende werden mit subjektiven Wahrscheinlichkeiten unterlegt, wobei eine Normalverteilung unterstellt wird; die Standardabweichung um den Erwartungswert bildet das Risikomaß; Zielgrößen entsprechen der Standardabweichung und dem Erwartungswert, vgl. Bruns / Meyer-Bullerdiek (2013), S. 84. 152 Vgl. Bruns / Meyer-Bullerdiek (2013), S. 85. 153 Vgl. Specht / Gohout (2009), S. 38. Neben den Prämissen der Portfoliotheorie nach Markowitz werden folgende Annahmen hinzugefügt: Es existiert ein risikoloser Zinssatz, zu dem jederzeit nach Belieben Geld geliehen und angelegt werden kann. Zudem haben Anleger bezüglich des Risikos und der Rendite der Wertpapiere homogene Erwartungen. Vgl. Steiner / Bruns (2002), S. 22–23. 154 Dabei entsteht eine effiziente Gerade mit der höchsten Steigung, die gerade noch als Kombination von risikoloser Anlage mit einem effizienten Portfolio erreichbar ist und die alle anderen Geraden um die Rendite-Risiko-Effizienz übertrifft. Vgl. Bruns / Meyer-Bullerdiek (2013), S. 85 f.

2.5 Portfoliotheorie

55

risikolosen Anlagemöglichkeit sowie durch den Tangentialpunkt mit der Effizienz­ kurve riskanter Portfolios, dem Marktportfolio, determiniert:155 𝐸𝐸𝐸𝐸(𝑟𝑟𝑟𝑟𝑃𝑃𝑃𝑃 ) = 𝑅𝑅𝑅𝑅𝑓𝑓𝑓𝑓 +

𝐸𝐸𝐸𝐸(𝑅𝑅𝑅𝑅𝑚𝑚𝑚𝑚 ) − 𝑅𝑅𝑅𝑅𝑓𝑓𝑓𝑓 𝜎𝜎𝜎𝜎𝑝𝑝𝑝𝑝 𝜎𝜎𝜎𝜎𝑚𝑚𝑚𝑚

(2.9)

Dabei weist das Marktportfolio, bei dem es sich um die optimale, marktwertgewichtete Zusammensetzung aller Wertpapiere handelt, eine maximale Sharpe Ratio auf.156 Entsprechend lässt sich daraus ableiten, dass Investoren bei homogenen Erwartungen anstatt individueller Portfolios identische Portfoliozusammensetzungen anstreben, die sich abhängig von der individuellen Risikoeinstellung der Anleger lediglich in den Anteilen des Marktportfolios und der risikolosen Anlage voneinander unterscheiden.157 Die individuellen Aufteilungen in risikolosen Zins und Marktportfolio ergeben sich durch die Risikopräferenzen, die sogenannten Nutzenindifferenzkurven, der Anleger.158 Auf Grundlage dieser Theorie wäre es für einen Investor optimal, den Gesamtmarkt beispielsweise durch einen breiten Marktindex zu kaufen und das Portfolio passiv zu managen.159 Realisieren ließe sich das durch den Erwerb von ETFs, die den für den Investor relevanten Gesamtmarkt abbilden. CAPM Das Capital Asset Pricing Model (CAPM) ist seit seiner Entwicklung in den 1960er-Jahren das bekannteste Kapitalmarktgleichgewichtsmodell und hat sich nicht nur in der Kapitalmarktforschung als Grundpfeiler für zahlreiche weiterführende Kapitalmarktmodelle, sondern auch in der Praxis, beispielsweise zur Ermittlung unternehmerischer Eigenkapitalkosten oder zur Identifikation unterbewerteter Aktien, etabliert.160 Entworfen wurde das CAPM, aufbauend auf der Portfoliotheorie von Markowitz161, nahezu zeitgleich und unabhängig voneinander von Sharpe (1964), Lintner (1965) und Mossin (1966).162

155

Vgl. Steiner / Bruns (2002), S. 23. Vgl. Albrecht / Maurer (2008), S. 309. 157 Vgl. Bruns / Meyer-Bullerdiek (2013), S. 86. Falls dem Anleger das Risiko des Marktportfolios zu hoch ist, investiert er nur einen Teil in dieses und legt den Rest des Vermögens zum risikolosen Zins an. Ist im Gegenteil die gewünschte Rendite höher als die des Marktportfolios, kann der Investor zum risikolosen Zins zusätzliches Kapital aufnehmen und mehr als sein Anfangsvermögen in das Marktportfolio investieren. 158 Vgl. Specht / Gohout (2009), S. 39. 159 Vgl. Albrecht / Maurer (2008), S. 309. 160 Vgl. Hull (2014), S. 30. 161 Ausgangspunkt der Erwägungen der Autoren Sharpe, Lintner und Mossin sind die Überlegungen in Markowitz’s Portfolio-Selection-Modells. 162 Vgl. Bodie / Kane / Marcus (2014), S.  291. 156

56

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

Die für das Modell in der Praxis gängige Form der theoretischen Gleichgewichtsdarstellung bildet das CAPM aus empirischer Sicht als Einfaktormodell ab. In der Literatur wird es auch als Wertpapierlinie (Security Market Line) bezeichnet, die aussagt, dass im Marktgleichgewicht die erwartete Rendite (E(Ri)) eines einzelnen Wertpapiers linear mit dem Risikomaß (Beta-Faktor) ansteigt und beantwortet damit die Frage, wie ein einzelnes Wertpapier im Marktportfolio zu bewerten ist, um somit analytisch die Quantifizierung einer Rendite-Risiko-Beziehung am Kapitalmarkt zu ermöglichen.163 Diese Linearitätseigenschaft zwischen der risikolosen Anlagemöglichkeit und dem Marktportfolio ist aus den Prämissen homogener Erwartungen und eines vollkommenden Kapitalmarktes deduktiv abgeleitet.164 Die Renditeerwartung für ein einzelnes Wertpapier ergibt sich folglich aus einem risikolosen Zins zuzüglich einer Risikoprämie und dem systematischen Risikoverhältnis (Beta) des Wertpapiers im Vergleich zum Marktrisiko. Die neoklassische Kapitalmarkttheorie impliziert, dass entwickelte Finanzmärkte nahezu effizient sind und somit maximal die Marktrendite erzielt werden kann. Demnach sind dauerhafte Überrenditen auf effizienten Märkten nicht möglich. Da ferner das unsystematische Risiko durch Diversifikation eliminiert werden kann, wird die Übernahme dieses nicht durch eine Risikoprämie kompensiert.165 Prämiert wird lediglich das systematische Risiko des Wertpapiers im Verhältnis zum Marktrisiko, welches als Beta (β) bezeichnet wird und die Sensitivität der Wertpapierrendite gegenüber der Marktrendite aufzeigt:166

𝛽𝛽𝛽𝛽

𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖=

𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐𝑐(𝑟𝑟𝑟𝑟𝑖𝑖𝑖𝑖 ,𝑟𝑟𝑟𝑟𝑀𝑀𝑀𝑀 ) 2 𝜎𝜎𝜎𝜎𝑀𝑀𝑀𝑀

(2.10)

Daraus ergibt sich unter Verwendung des Beta-Faktors und einer risikolosen Kapitalanlage folgende geläufige Sharpe-Lintner-CAPM-Gleichung:167 E(ri) = rf + βi[E(rM) − rf]

(2.11)

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Existenz eines Kapitalmarktgleichgewichts ist die Informationseffizienz des Marktes.168 Genauso wie die Effizienzmarkthypothese (vgl. Folgekapitel) keinem eigenständigen Test unterzogen werden kann, sondern immer nur in Verbindung mit einem Asset Pricing Modell überprüft werden kann,169 ist andererseits auch für die Entwicklung des CAPM die Existenz eines informationseffizienten Marktes eine notwendige Bedingung.170

163

Vgl. Steiner / Bruns (2002), S. 22 ff. Vgl. Wilhelm (2001), S. 89. 165 Vgl. Kiehling (2000), S. 160. 166 Vgl. Fama / French (2004), S. 28. 167 Vgl. ebd., S. 29. 168 Vgl. Wilhelm (2001), S. 88. 169 Vgl. Mülhaupt (2014), S. 76. 170 Vgl. Wilhelm (2001), S. 88. 164

2.5 Portfoliotheorie

57

Diese in der Literatur als Joint-Hypothesis bekannte Verbindung zwischen Kapitalmarktgleichgewichtsmodellen und der Theorie effizienter Märkte wird in Kapitel 2.5.1 vertieft. Gemäß dem CAPM müssten alle Investoren in der Praxis einstimmig das Marktportfolio anstreben. Das dies in der Realität nicht der Fall ist, liegt an einigen Parametern, die in der Portfolio- und Kapitalmarkttheorie nicht berücksichtigt werden. So sind die Renditen vieler Portfolios nicht normalverteilt, Schiefe und Kurtosis bleiben unberücksichtigt, Wertpapierrenditen sind nicht unabhängig voneinander, Anlagehorizonte von Investoren variieren, genau wie risikofreie Zinssätze, Steuern bleiben unberücksichtigt und schlussendlich sind homogene Erwartungen von Anlegern in der Praxis nicht zu beobachten.171 Viele der oben genannten Para­ meter sind auch in der empirischen Analyse dieser Forschungsarbeit zu beobachten (vgl. Kapitel 4). Multifaktormodelle Aufbauend auf dem CAPM, das nur anhand einer Variablen (beta) die Aktien-/ Portfoliorendite zur Marktrendite erklärt, identifizieren Fama und French (1993) den Value Effekt172 als auch den Kleinfirmeneffekt173 als zusätzliche systematische Risikofaktoren. Sie erweitern das CAPM um diese zwei Variablen, sodass das Risiko von Aktien anhand der drei genannten Faktoren erklärt werden kann. Das ursprüngliche Fama / French-Dreifaktorenmodell wird in zahlreichen Studien überprüft und zum Teil durch zusätzliche Faktoren erweitert. Zu den bekanntesten Ergänzungen zählt der Momentum-Faktor im Vierfaktorenmodell von Carhart (1997). Alleine die hier genannten Faktormodelle, die einen oder mehrere systematische Risikofaktoren voraussetzen, rufen plausible Zweifel an rationalen Kapitalmarktakteuren und der Existenz des Random-Walk-Prozesses oder der Effizienzmarkthypothese auf (vgl. Folgekapitel). Andererseits zeigen die Multifaktormodelle auch die Unfähigkeit des eindimensionalen CAPM auf, Wertpapierrenditen adäquat zu erklären.174 Systematische Risikofaktoren spielen auch bei ETFs eine zunehmend wichtige Rolle. Sogenannte Smart Beta ETFs zielen auf verschiedene Risikofaktoren ab, sodass diese über ETFs systematisch ausgenutzt werden können (vgl. Kapitel 3.5.2).

171

Vgl. Hull (2014), S. 29 f. Dieser besagt, dass die Rendite von Aktien mit einem hohen Verhältnis von Buchwert und Marktwert des Eigenkapitals höher ist als bei Aktien mit einem niedrigen Verhältnis von Buchwert und Marktwert des Eigenkapitals. 173 Besagt, dass die Aktienperformance von Unternehmen mit kleiner Marktkapitalisierung größer ist als bei Unternehmen mit großer Marktkapitalisierung. 174 Vgl. Malkiel (2003), S. 69 f. 172

58

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

Andererseits sind auch diese komplexeren Multifaktormodelle Kritik ausgesetzt. Gegenstand ist häufig die praktikable Anwendung und die Eignung als Benchmark zur Spezifikation der Fondsperformance (vgl. Kapitel 2.4).175 Investoren können z. B. aufgrund von Liquiditätsproblemen und geringem Angebot nicht beliebig in Kleinstunternehmen investieren.176 Ein weiteres Problem ergibt sich, wenn passive Indices auf Risikofaktoren der Multifaktormodelle hin überprüft werden. Cremers und Petajisto (2009) weisen für Indices wie dem S&P 500 und dem Russel 2000 statistisch signifikante Überrenditen im Carhart-Vierfaktorenmodell nach.177 Dabei wäre es jedoch völlig unangebracht solchen passiven, rein mechanisch konzipierten Indices / Benchmarks positive Alphas, also Fähigkeiten in der Wertpapierauswahl (Stock Picking) zu unterstellen. Und dennoch zeigen empirische Tests für Multifaktormodelle genau solche Ergebnisse auf, was durchaus berechtigte Zweifel an der praktischen Relevanz dieser Modelle, die in der akademischen Forschung und Lehre seit Jahren den Status quo darstellen, aufkommen lässt.

2.5.2 Die Effizienzmarkthypothese und Effekte des ETF-Marktes auf die Markteffizienz Das folgende Kapitel umreißt zunächst die Diskussion um die Existenz effizienter Wertpapiermärkte, bevor auf mögliche und bereits zu beobachtende Effekte passiven Investierens via ETFs auf die Effizienz der Märkte eingegangen wird. Der Grad der Markteffizienz spielt vor dem Hintergrund alternativer Kapitalanlagestrategien (aktiv vs. passiv) eine entscheidende Rolle. Aktive Kapitalanlagestrategien basieren auf der Erwartung, dass durch Ausnutzen von Ineffizienzen auf Wertpapiermärkten Überrenditen erzielt werden können. Sind Märkte jedoch streng informationseffizient, dann sind aktive Anlagestrategien nicht profitabel zu realisieren, sodass passive Pendants die bessere Wahl darstellen. Überlegungen und Theorien dazu werden im Folgenden im Zeitverlauf der Theorieentstehung aufgearbeitet, um die vorliegende Forschungsarbeit weiter kapitalmarkttheoretisch zu untermauern. Das 18. Jahrhundert markiert im Rahmen der klassischen Nationalökonomie den Beginn der verhaltenswissenschaftlichen Forschung, in der Wirtschaftswissen­ schaftler begannen, die menschlichen Einflüsse auf die Entscheidungsfindung zu

175 Die Faktoren basieren in der Regel auf der Auswertung des Gesamtmarktes. Bestimmte Wertpapiere, die in die Berechnung der Faktoren einbezogen werden, können daher illiquide und von Investoren selten nachgefragt sein. Deshalb können die Fama-French Faktoren und andere Multifaktormodelle außerhalb der akademischen Forschung impraktikabel werden. 176 Vgl. Demartini / Mosson (2018), S. 18. 177 Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3356.

2.5 Portfoliotheorie

59

studieren.178 Adams Smith Hauptwerk „Der Wohlstand der Nationen“179 von 1776 wird dabei als Grundstein der klassischen Nationalökonomie angesehen.180 Mit Beginn des 20. Jahrhunderts löst die neoklassische Ökonomie die klassische Nationalökonomie ab und die Intention, das Verhalten der Marktteilnehmer durch die Psychologie zu erklären, nimmt ab.181 Louis Bacheliers Doktorarbeit aus dem Jahr 1900, in der dieser erstmals Aktienkurse mithilfe von stochastischen Prozessen bewertet, markiert den Beginn der Neoklassik. Die Doktorarbeit stellt zwar die erste echte wissenschaftliche Analyse des Aktienmarktes dar, war aber ihrer Zeit weit voraus und stieß in der zeitgenössischen Wissenschaft und Praxis auf kein Interesse.182 Bachelier (1900) und wenig später Einstein (1905) modellieren erstmals mathematisch die sogenannte Brownsche Bewegung. Nach dieser Logik folgen Wertpapierkurse einem reinen Zufallsprozess und sind nicht berechenbar. Zur Beschreibung des zu beobachtenden Phänomens verwenden beide Wissenschaftler bereits die Normalverteilung nach Carl Friedrich Gauß als adäquates Modell.183 Pearson (1905) prägte wenige Jahre später unabhängig von Bacheliers Werk den Begriff „Random Walk“, wonach sich Wertpapierkurse unvorhersehbar und unabhängig oder zumindest unkorreliert von den bereits realisierten Kursen nach oben oder unten bewegen. Das Random-Walk-Modell basiert auf der Annahme, dass Wertpapiermärkte effizient sind.184 Folgen Renditen einem RandomWalk-Prozess, ändert sich deren Erwartungswert im Zeitablauf nicht. Analysen von Kursbewegungen zeigen jedoch immer wieder auf, dass Random-Walk-Prämissen verletzt werden.185 Die neoklassische Finanzierungstheorie hat die moderne Finanzwirtschaft über Jahrzehnte geprägt und bis heute viele Anhänger in Wissenschaft und Praxis. Sie gilt immer noch als wichtigstes Grundkonzept in der Wirtschafts­ wissenschaft, wenn es um Entscheidungsfindung an Kapitalmärkten geht.186 Grundlage der neoklassischen Finanzmarkttheorie bildet die klassische Entscheidungstheorie, nach der rationale Marktteilnehmer alle praktikablen Alternativen bewerten und schließlich die optimale nutzenmaximierende Alternative wählen.187 Dieser nutzenmaximierende sogenannte Homo Oeconomicus, der schon auf die Denker des 18. Jahrhunderts um Adam Smith zur Zeit der klassischen National-

178

Vgl. Daxhammer / Facsar (2012), S. 16. Vgl. Smith (1776). 180 Smith vertritt die Meinung, dass Märkte frei von staatlichen Einflüssen sein sollten und stattdessen die Selbstregulierung des Marktes automatisch zu Marktgleichgewichten und Vollbeschäftigung führt. 181 Vgl. Daxhammer / Facsar (2012), S. 17. 182 Vgl. Günther et al. (2012), S. 19. 183 Vgl. Specht / Gohout (2009), S. 10 f. 184 Vgl. Fabozzi (2007), S. 118. 185 Vgl. Perridon / Steiner / Rathgeber (2012), S.  219. 186 Vgl. Kottke (2005), S. 7. 187 Vgl. Schneider (2017), S. 10. 179

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2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

ökonomie zurückgeht,188 wurde von Vilfredo Pareto189 im Jahr 1906 erstmals beschrieben.190 Aus dem Prozess dieser Nutzenmaximierung unter Unsicherheit,191 gründet sich die objektive Erwartungsnutzentheorie von Morgenstern und Neumann (1947), deren zentrales Element eine Nutzenfunktion darstellt, über deren Erwartungswert Präferenzen dargestellt werden können. Somit lässt sich auch bei Unsicherheit192 rationales Verhalten unter Einbeziehung der Risikopräferenzen193 des Entscheiders definieren. Wie in der Erwartungsnutzentheorie bilden auch beim sogenannten Bayes Theorem194 a priori bekannte Umweltzustände und entsprechende Eintrittswahrschein­ lichkeiten die Grundlage rationalen Verhaltens.195 Gewählt wird nach der Entscheidungsregel von Bayes diejenige Alternative, bei der der mathematische Erwartungswert der Zielgröße ein Maximum aufzeigt.196 Die Random-Walk-Theorie bildet zusammen mit der Erwartungsnutzentheorie und dem Bayes-Theorem der Informationsverarbeitung die Grundlage für die im 188

Vgl. Daxhammer / Facsar (2012), S. 22. Vgl. Pareto (1906). 190 Dass Marktteilnehmer jedoch tatsächlich häufig begrenzt rational agieren und sich dadurch vom rational handelnden Homo Oeconomicus unterscheiden, zeigt das Konzept des Homo Oeconomicus Humanus. 191 Vgl. Schneider (2017), S. 11 f. Grundsätzlich muss jedes Individuum sich ständig zwischen mehreren Handlungsalternativen entscheiden. Die Entscheidungssituation ist dabei durch individuelle Präferenzen, die sich aus den Wertvorstellen ergeben sowie Restriktionen geprägt, die den Handlungsspielraum begrenzen. So sind beispielsweise nicht alle Handlungsmöglichkeiten und Handlungskonsequenzen bekannt. Folglich muss jedes Individuum vor der Entscheidungsfindung Prognosen erstellen, um seine bedingten Erwartungen zu schätzen. Vorund Nachteile, Kosten sowie persönlicher Nutzen werden gegenübergestellt und abgewogen, bevor schlussendlich diejenige Handlungsmöglichkeit gewählt wird, die den individuellen Präferenzen am nächsten kommt. 192 Bei unsicheren Umweltzuständen gilt das sogenannte Bernoulli-Prinzip als das wichtigste normative Entscheidungskriterium. Entscheidungen werden dabei in zwei Schritten getroffen. Zunächst wird eine Nutzenfunktion gewählt, die den Ergebnissen reelle Nutzenwerte zuweist, ehe anschließend diejenige Alternative gewählt wird, die den höchsten Erwartungswert des Nutzens aufweist. Vgl. Schneider (2017), S. 12. 193 Damit rationales Verhalten auf die jeweiligen Präferenzen folgt, müssen diese drei wesentliche Axiome erfüllen. Als zentral gelten die Axiome der Vollständigkeit (wenn a > b, dann ist b < a), der Transitivität (wenn a > b und b > c, dann ist auch a > c), der Stetigkeit (wenn a > b > c mit p[pЄ0,1], dann gilt: p * a + (1 – p) * c = b) und der Unabhängigkeit (wenn a > c, ergänzt durch die Alternative c mit p[pЄ0,1] für alle Wahrscheinlichkeiten, dann gilt: p * a + (1 – p) * c > p * b + (1 – p) * c). Vgl. Daxhammer / Facsar (2012), S. 30–31. 194 Entwickelt im Jahre 1763 vom englischen Mathematiker Thomas Bayes. 195 Vgl. Kottke (2005), S. 10. Verändert sich die ursprüngliche Informationslage und kommen nun neue Informationen hinzu, die verarbeitet werden müssen, zeigt das Bayes Theorem den Übergang von a priori zu a posteriori Wahrscheinlichkeiten auf, die die Wahrscheinlichkeitseinschätzung des Empfängers verändern. 196 Vgl. Perridon / Steiner / Rathgeber (2012), S.  114. 189

2.5 Portfoliotheorie

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Folgenden detaillierter betrachtete Effizienzmarkthypothese, die ebenfalls insbesondere auf rationalem Informations- und Entscheidungsverhalten basiert.197 Die Aufsätze Samuelson (1965),198 Fama (1965) und Fama (1970) kennzeichnen den Beginn der Effizienzmarkthypothese. Trotzdem können, je nach Definition und Auslegung, die ersten Einflüsse auf die EMH noch deutlich weiter zurückverfolgt werden.199 Die Arbeiten vor 1965 überprüfen dabei vor allem, ob Kapitalmarktpreise einem Random Walk folgen.200 Eugene Fama (1965) prägte jedoch als Erster die Begriffe „effizienter Markt“ und „Informationseffizienzhypothese“ und läutete damit eine Hochphase der Akzeptanz der EMH ein. Noch heute geht die geläufigste Definition eines informationseffizienten Marktes auf Fama zurück: „A market in which prices always ‚fully reflect‘ available information is called ‚efficient‘.“201 In einem solchen Markt existieren keine Transaktionskosten, Informationen stehen allen Marktteilnehmern kostenlos zur Verfügung und sämtliche Marktteilnehmer sind sich in der Bewertung über die Auswirkungen der verfügbaren Informationen auf die Preisbildung der Wertpapiere einig. Sollten diese Bedingungen auf einem Markt ihre Gültigkeit verlieren, kann das zu einem ineffizienten Marktzustand führen.202 Laut der Informationseffizienzhypothese oder Effizienzmarkthypothese (Engl.: Efficient Market Hypothesis (EMH)) geben Preise sowohl Kapitalanbietern als auch -nachfragern jederzeit die richtigen Signale und führen dadurch zu einer effizienten Allokation des Kapitals.203 Außerordentliche, unerwartete und zum 197 Für eine weitaus detailliertere Analyse sei auf die einschlägige Fachliteratur zur EMH verwiesen. Dazu zählen Fama (1998) der eine Übersicht zur Behavioral Finance Literatur und der Rolle der EMH zu langfristigen Renditeanomalien liefert, oder Sewell (2011) der die wichtigsten Beiträge zur EMH chronologisch auflistet. Einen umfassenden Überblick über die Informationseffizienz von Aktienmärkten gibt außerdem der in dieser Schriftenreihe erschienene Band 22 Mülhaupt (2014). Die Einteilung und Gliederung dieses Kapitels orientiert sich an Mülhaupt (2014). 198 Samuelson (1965) wies nach, dass die Renditen auf informationseffizienten Märkten einem Martingal-Prozess entsprechen (und nicht wie u. a. von Fama aufgezeigt einem Random Walk Prozess). 199 Sewell (2011) geht in einem Literaturrückblick sogar bis ins 16. Jahrhundert zum Mathematiker Cardono und seinen Aufzeichnungen über Chancengleichheiten bei Wetten zurück. Es folgen Ausführungen über die nach ihrem Entdecker Robert Brown (1773–1858) benannte Brownsche Molekularbewegung. Die Brownsche Bewegung beschreibt die vom Botaniker ­Robert Brown (1927) entdeckte unregelmäßige und ruckartige Wärmebewegung mikroskopisch sichtbarer kleiner Teilchen in Flüssigkeiten und Gasen. die weit über das Gebiet der Botanik hinausgreifen, bis hin zu den ersten bedeutenden Forschungen zu Kapitalmarktpreisbewegungen von Louis Bachelier (1900). 200 Vgl. Mülhaupt (2014), S. 26. 201 Fama (1970), S. 383. 202 Vgl. Fama (1970), S. 387. 203 Demnach spiegeln Kapitalmarktpreise, hier in ihrer einfachsten Form, alle verfügbaren Informationen zu jeder Zeit korrekt wider. Die Informationseffizienz von Aktienmärkten und deren Einflussfaktoren sind in wissenschaftlichen Untersuchungen fortwährend erforscht

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2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

Teil unerklärliche Kursverläufe an den Börsen, zuletzt unter anderem im Laufe der Finanzkrise zu beobachten, bestätigen jedoch Kritiker der These, dass Finanz­ märkte in volatilen Marktphasen zu Übertreibungen neigen. So hat in der aktuelleren Forschung ein neuer, weniger dogmatischer Ansatz zur Messung der Informationseffizienz Anklang gefunden. Einflussfaktoren der Markteffizienz und politische Implikationen zur Erhöhung dieser stehen bei dieser pragmatisch orientierten Methode im Fokus.204 An dieser Stelle wird die unterschiedliche Bedeutung von „effizienten“ und „vollkommenen“ Kapitalmärkten deutlich. Ein in der Theorie vollkommener Kapitalmarkt zeichnet sich durch keinerlei Transaktionskosten, unendlich teilbare Wertpapiere, vollkommener Konkurrenz und kostenlosen Zugang aller Marktteilnehmer zu sämtlichen Informationen aus. Auf einem vollkommenen Kapitalmarkt sind alle Marktteilnehmer rational handelnde, erwartungsnutzenmaximierende Individuen.205 Um die Markteffizienzhypothese an reale Umweltbedingungen anzupassen, konkretisiert Fama (1970) deshalb den Zustand von Markteffizienz: „[…] the market may be efficient if ‚sufficient numbers‘ of investors have ready access to available information.“206 Mülhaupt (2014) nennt an dieser Stelle zur theoretischen Fundierung des Rationalitätsprinzips und der Rolle von Arbitrageuren zur Preisfindung drei schrittweise schwächer werdende Annahmen nach Shleifer (2000), die verdeutlichen, dass Märkte nicht gleich als informationsineffizient gelten, sobald einige wenige Marktteilnehmer irrational handeln207: 1. Es wird angenommen, dass Investoren rational handeln und in Folge dessen Wertpapiere rational bewerten. 2. Für den Fall, dass einige Investoren nicht rational handeln, sind ihre Handels­ aktivitäten zufällig und heben sich gegenseitig auf, sodass sie keine Auswirkungen auf den Wertpapierpreis haben. 3. Sollten Investoren in gleicher Art und Weise irrational handeln, wird ihr Einfluss auf Wertpapierpreise umgehend von rational handelnden Arbitrageuren eliminiert.208

worden. Die Aussagekraft der Informationseffizienzhypothese bleibt aber trotz der zahlreichen Tests im Verlauf der letzten Jahrzehnte stark umstritten. Fand die EMH in ihrer Hochphase in den 1960er- und 1970er-Jahren durch die akademische Forschung noch breite Akzeptanz, steht ihre theoretische Fundierung spätestens seit Beginn der 1980er-Jahre durch die zunehmende Bedeutung der Behavioral Finance sowie in empirischen Tests wiederholt bestätigten Finanzmarktanomalien, die nicht mit einem Asset Pricing Model und der EMH zu vereinbaren sind, in der Kritik. Auf die Anomalien wird im Folgekapitel detaillierter eingegangen. 204 Vgl. Mülhaupt (2014), S. 1 ff. 205 Vgl. Daxhammer / Facsar (2012), S. 39. 206 Fama (1970), S. 388. 207 Vgl. Mülhaupt (2014), S. 44 f. 208 Vgl. Shleifer (2000), S. 2.

2.5 Portfoliotheorie

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Fama (1970) fügt ferner zu seiner Argumentation informationseffizienter Märkte hinzu, dass sich seine Definition lediglich auf eine ex-ante Betrachtung des Wertpapiermarktes bezieht und damit nicht automatisch auf eine Unfehlbarkeit in der Informationsverarbeitung. Investoren ist es folglich nicht möglich im Voraus eine Über- oder Unterbewertung von Wertpapieren zu erkennen. Erst in der ex-post Betrachtung ließe sich eine Abweichung der Wertpapierpreise vom Fundamentalwert beobachten.209 Famas These ist entscheidend in der Beurteilung aktiver und passiver Anlagestrategien. Fama folgend sind passive Kapitalanlagen die bessere Wahl, da sie unter Berücksichtigung von Kosten auf effizienten Wertpapiermärkten langfristig eine höhere Rendite aufweisen müssen. Jedoch ist zu beachten, dass die Aufteilung der Informationen („available information“) durch Fama (1970) in drei Effizienzformen erfolgt: schwach („weak“), halbstreng („semi-strong“) und streng („strong“):210 – Bei der Hypothese der schwachen Informationseffizienz ist die gesamte Informationsmenge der historischen Preise in den gegenwärtigen Preisen der gehandelten Wertpapiere enthalten. Dies entspricht im Grunde der Random Walk Theory. Historische Preise liefern keine Anhaltspunkte über die zukünftige Preisentwicklung. Damit wäre es mit Hilfe technischer Analyse unmöglich, risikoadjustierte Überrenditen zu erzielen. – Bei der Hypothese der halbstrengen Informationseffizienz sind zusätzlich alle sonstigen öffentlich zugänglichen Informationen in den Wertpapierkursen ein­ gepreist. Dazu zählen auch die historischen Preisentwicklungen. Folglich impliziert die Gültigkeit der halbstrengen Informationseffizienz die Gültigkeit der schwachen Informationseffizienz. Demnach wäre es weder durch technische noch durch fundamentale Wertpapieranalyse möglich eine risikoadjustierte Überrendite zu erzielen. Rational handelnde Investoren müssten in Folge dessen auf passive Anlagestrategien zurückgreifen. – Bei der Hypothese der strengen Informationseffizienz umfasst die Informationsmenge zusätzlich alle nicht öffentlichen (Insider-) Informationen. Die strenge Form der Informationseffizienz umfasst sowohl die halbstrenge als auch die schwache Form (vgl. Abbildung 1). Folglich ist ein Markt streng informationseffizient, wenn alle – sowohl öffentlichen als auch nicht öffentlichen – Informationen bei der Preisfindung berücksichtigt werden. Eine bedeutende Rolle für die Entwicklung der EMH spielt das Capital Asset Pricing Model (CAPM) und die darauf aufbauenden Asset Pricing Modelle. Empirische Tests der EMH konnten durch die Quantifizierung des Zusammenhangs

209 210

Vgl. Fama (1970), S. 396. Vgl. hier und im Folgenden Fama (1970), S. 388. und Daxhammer / Facsar (2012), S. 38–39.

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2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

Strenge Informationseffizienz

Halbstrenge Informationseffizienz Schwache Informationseffizienz

Abbildung 1: Informationseffizienz auf Kapitalmärkten.211

von Rendite und Risiko signifikant verbessert werden.212 „Market efficiency per se is not testable.“213 Demnach ist es nahezu unmöglich die Hypothese eines effizienten Marktes zu überprüfen, da die EMH nicht eigenständig, sondern immer nur in Verbindung mit einem Asset Pricing Modell getestet werden kann.214 Es ist folglich unmöglich zu bestimmen, ob Anomalien durch ein unzureichendes Asset Pricing Modell oder ein Versagen der EMH zu beobachten sind.215 Ein weiteres wichtiges Maß der Informationseffizienz von Aktienmärkten ist der Gleichlauf von Aktienkursen. Eine geringe Korrelation von Aktienpreisen deutet auf einen höheren Anteil unternehmensspezifischer Informationen hin.216 Zunehmendes passives Investieren in indexreplizierende ETFs oder Indexfonds könnte zu einer steigenden Synchronität von Wertpapierpreisen und damit zu einer Fehlallokation von Kapital führen. Marktsignale an Investoren bleiben dann aus. Aktienkurse entwickeln sich unspezifischer und können zunehmend korrelieren. Wurgler (2011) bestätigt diesen Effekt für Aktien, die im S&P 500 gelistet sind und rechnet jenen Effekt zum Teil dem Einfluss passiver Indexfonds und ETFs zu. Unternehmen, die neu in den S&P 500 aufgenommen werden, verzeichnen in den Folgemonaten einen starken Anstieg in der Korrelation der Aktienkurse mit anderen im S&P 500 notierten Unternehmen und zugleich eine starke Abnahme 211

Eigene Darstellung in Anlehnung an Steiner / Bruns (2002), S. 42. Vgl. Mülhaupt (2014), S. 31. Ein empirischer Nachweis der EMH ohne einen Referenzwert, der als angemessene Risikoprämie angesehen werden kann, ist nicht möglich. 213 Fama (1991), S. 1575. Diese Unumgänglichkeit der Verwendung eines Asset Pricing Modells zur Quantifizierung einer fairen Entlohnung für das eingegangene Risiko führt zum sogenannten Joint-Hypothesis Problem (Verbundhypothese). 214 Gründe für eine systematische Abweichung (Anomalie) können folglich fehlerhafte Asset Pricing Modelle als auch Marktineffizienzen sein. Die EMH kann dann nicht eindeutig abgelehnt werden, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Asset Pricing Modell den Rendite-Risiko-Zusammenhang falsch wiedergibt. 215 Vgl. Fama (1991), S. 1575 f. 216 Vgl. Roll (1988). 212

2.5 Portfoliotheorie

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in der Korrelation der Aktienkurse mit Unternehmen, die nicht im S&P 500 gelistet sind.217 Aktienkurse sind dann nicht länger eine Funktion ihrer Fundamentalwerte, sondern maßgeblich beeinflusst durch die zufällige Zugehörigkeit zu einem populären Index. Dies könnte der veritablen Funktionsweise eines Marktes langfristig erheblich schaden. Auch DeLisle, French und Schutte (2017) finden einen direkten Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Korrelation von Aktienkursen und dem zunehmenden Marktanteil von passiven Investitionen der Finanzinstitute, mit der Folge, dass die steigende Korrelationen der Aktienkurse zu abnehmender Preiseffizienz führt.218 Da und Shive (2017) bestätigen: Je größer der Anteil von ETF-Investments an der Marktkapitalisierung eines Index ist, desto größer ist der Gleichlauf der Aktien dieses Index.219 Sollte abnehmende Preiseffizienz an den Kapitalmärkten zu beobachten sein, wäre dies eine Chance für aktive Anlagestrategien. Bereits Grossman und Stiglitz (1980) leiteten Jahre vor dem Boom passiver Investmentvehikel her, dass passive Investitionen weiter wachsen werden, bis die Gewinnmöglichkeiten durch Fehlpreisbildung die Kosteneinsparungen des passiven Indextracking übersteigen. Aktive Anlagestrategien würden dann wieder an Attraktivität gewinnen. Zu den Verlierern könnten dann auch Closet-IndexingFonds zählen, da Investoren verstärkt nach Fonds suchen sollten, die sich klar von der passiven Benchmark (Index) abgrenzen, wodurch die Chance auf Überrenditen im Vergleich zum Index größer wird. Ob ETFs hingegen die Preisfindung an Wertpapiermärkten effizienter gestalten können, ist nicht abschließend geklärt. Es gibt sowohl Studien, die eine verbesserte Informations- und Preisfindungseffizienz belegen, als auch Studien, die einen gegenteiligen Effekt aufzeigen.220 Von Interesse ist diese Fragestellung insbesondere in weniger informationseffizienten, schwer zugänglichen Märkten. Eine signifikante Rolle in der Preisfindung wird ETFs zugerechnet, wenn Marktteilnehmer nur erschwerten Zugang zu den Basiswerten haben. In solchen Szenarien können ETF-Preise als Informationsquelle z. B. für Market Maker dienen.221 Tucker und Laipply (2013) stützen diese These in Untersuchungen von Rentenmärkten. Auch dort können liquide Anleihen-ETFs als Vehikel zur Preisfindung in den Basiswerten dienen, weil sich der Handel weg von Over-theCounter-Kontrakten (OTC) hin zu Wertpapierbörsen verschiebt. Die Liquidität und Informationseffizienz individueller Anleihen nimmt zu und ETF Kursbewe 217

Vgl. Wurgler (2011), S. 5. Vgl. DeLisle / French / Schutte (2017), S.  655. 219 Vgl. Da / Shive (2017), S. 165. Allerdings ist diese Korrelation statistisch nicht signifikant, sobald Kontrollvariablen in das Modell integriert werden. 220 Vgl. Central Bank of Ireland (2017), S. 65. 221 Vgl. Bhattacharya / O’Hara (2016), S. 3. 218

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2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

gungen führen dann zu Kursbewegungen auf Indices-Level und auf Ebene der im Index enthaltenen Einzeltitel.222 Auf ähnliche Ergebnisse kommen Glosten, Nallareddy und Zou (2016) in Analysen über kleine und mittlere Unternehmen sowie Unternehmen mit einer stark konzentrierten Eigentümerstruktur. Hingegen konnten sie keine informations­ steigernden Effekte für große, häufig im Streubesitz befindende und von Analysten stark frequentierte Unternehmen feststellen.223 Israeli, Lee und Sridharan (2017) argumentieren hingegen, dass durch zunehmende Nachfrage nach ETFs die Anzahl der im Umlauf befindenden Aktien­ einzeltitel abnimmt, da von den ETF-Anbietern erworbene Anteile nicht länger für potentielle Investoren zur Verfügung stehen, die diese aufgrund firmenspezifischer Informationen handeln würden. Zudem würden viele nicht institutionelle Investoren zunehmend in ETFs investieren, die zuvor noch Stock Picking betrieben haben. Dadurch sinkt die Liquidität auf Ebene der Underlyings weiter, was wiederum professionelle Kapitalmarktakteure zögern lassen könnte, weiterhin Ressourcen in firmenspezifische Analysen zu allokieren. Die Informationseffizienz nimmt dann weiter ab.224 Demnach können ETFs kurzfristig die Liquidität und Preisfindung an weniger effizienten Kapitalmärkten fördern. Langfristig kann der Boom an den ETF-Märkten jedoch auch zu negativen Effekten in der Informations- und damit Preisfindung von Wertpapieren führen, denn Kapital wird innerhalb der von ETFs nachgebildeten Marktsegmente ungezielt -nämlich in der Regel nach Marktkapitalisierung der Unternehmen – allokiert. Problematisch kann dies insbesondere in ineffizienten Wertpapiermärkten werden, da die Gewichtung nach Marktkapitalisierung grundsätzlich zyklisch wirkt. Wertpapiere, die in der Vergangenheit stark gestiegen und womöglich überwertet sind, nehmen im Vergleich zu möglicherweise unterbewerteten Wertpapieren eine höhere Gewichtung im Index ein.225 Die nach Marktkapitalisierung gewichtete Allokation von ETF-Investments kann diesen Effekt dann zusätzlich verstärken. Ein Ergänzendes aktiv-passives Hybrid-Produkt, die sogenannten Smart Beta ETFs, könnten durch Alternative Indexgewichtung diesem Problem entgegenwirken (vgl. Kapitel 3.5.2).

2.5.3 Kritik an der Effizienzmarkthypothese Ende der 1970er-Jahre endete die Hochphase der Akzeptanz der EMH und es kam vermehrt zu Kritik an der Annahme rationaler Erwartungen, allen voran durch den Einfluss der an Bedeutung gewinnenden Behavioral Finance und de 222

Vgl. Tucker / Laipply (2013), S. 60. Vgl. Glosten / Nallareddy / Zou (2016), S.  2 f. 224 Vgl. Israeli / Lee / Sridharan (2017), S.  1048 f. 225 Vgl. Franzen (2018), S. 434. 223

2.5 Portfoliotheorie

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ren prominentesten Vertreter Amos Tversky und Wirtschafts-Nobelpreisträger226 Daniel Kahneman. Zahlreich veröffentlichte Publikationen zur Übertragung psychologischer Erkenntnisse auf Kapitalmärkte und Erklärungsansätzen für Kapital­ marktanomalien (z. B. zur Erklärung von Über- und Unterreaktion von Aktienkursen) hat der Behavioral Finance den Ruf der Antithese zur EMH eingebracht.227 Anhänger der EMH halten dagegen, dass Über- und Unterreaktionen bei Wertpapierpreisen ungefähr gleich häufig beobachtet werden können und deshalb als zufällig auftretende, nicht prognostizierbare Ereignisse eingestuft werden können. Fama (1998) führt den Gedanken weiter und argumentiert, dass ungefähr gleichhäufig zu beobachtende Unter- und Überreaktionen von Wertpapierpreisen die These eines effizienten Marktes unterstreichen und keinen verhaltensorientierten Modellen der Behavioral Finance zugerechnet werden können. Er zeigt auf, dass ex-post entdeckte Kapitalmarktanomalien fälschlicherweise dazu genutzt werden, zukünftige Wertpapierpreisentwicklungen zu prognostizieren.228 Irrationales Verhalten („noise“) einzelner Investoren findet in der Theorie der effizienten Märkte insofern Berücksichtigung, als das davon ausgegangen wird, dass dieses durch rationales Verhalten von hinreichend gut informierten („sophisticated“) Investoren durch Arbitrage-Geschäfte ausgeglichen wird.229 Kritik an der Theorie dieser Arbitrage-Geschäfte kam in den 90er-Jahren auf. Shleifer und Vishny (1997) machen darauf aufmerksam, dass professionelle Arbitrageure Positionierungen in stark volatilen Marktphasen meiden, da das einzugehende Risiko nicht im Verhältnis zum möglichen Ertrag stehe, obwohl diese Positionen durchaus profitable Renditen versprechen. Professionelle Arbitrageure ziehen sich also gerade dann aus dem Markt zurück, wenn diese am dringendsten für die Preisfindung und Aufrechterhaltung ausreichender Liquidität benötigt werden.230 Dieses Problem ist insbesondere auch auf ETF-Märkten in der Vergangenheit zu beobachten gewesen und wird im Verlauf dieser Forschungsarbeit analysiert. Ab den 90er-Jahren findet diese sogenannten Limits-to-Arbitrage-Theorie breite Akzeptanz und auch in den Forschungsarbeiten der EMH-Anhänger ihre Berücksichtigung.231 226

Eine offizielle deutsche Bezeichnung für den Preis existiert nicht. Er könnte als „Preis der schwedischen Reichsbank in Wirtschaftswissenschaften zur Erinnerung an Alfred Nobel“ bezeichnet werden, da er erstmals 1969 von der schwedischen Reichsbank anlässlich ihres 300-jährigen Bestehens vergeben wurde. Da er jährlich zusammen mit den fünf Nobelpreisen gestiftet wird, ist im Allgemeinen Sprachgebrauch vom Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften die Rede. 227 Vgl. Mülhaupt (2014), S. 35. 228 Vgl. Fama (1998), S. 285. 229 Vgl. Fama (1965), S. 40. 230 Vgl. Shleifer / Vishny (1997), S. 37. 231 Vgl. Mülhaupt (2014), S. 36. Fama und French entwickelten beispielsweise ein Modell, bei dem sophisticated Investoren die von noise Tradern hervorgerufenen Preiseffekte aufgrund zu hohen Risikos nicht vollständig ausgleichen. [Vgl. Fama / French (2007): Disagreement, tastes, and asset prices. In: Journal of Financial Economics 83 (3), S. 667 ff.]

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2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

Fundamental nicht erklärbare Preisänderungen bei Aktienkursen, die in empirischen Tests zur EMH wiederholt beobachtet werden können, sind häufig Gegenstand der Kritik an der EMH.232 Beispielsweise dokumentiert Shiller (1981), dass die tatsächliche Volatilität des S&P 500 im Vergleich zur erwarteten Volatilität fünf bis dreizehnmal höher ist, als sie durch Änderungen in der Erwartung von zukünftigen Dividenden gerechtfertigt wäre.233 Trotz zahlreicher empirischer Studien gibt es unter Wirtschaftswissenschaftlern bis heute einen Dissens in der Frage, ob Kapitalmärkte informationseffizient sind oder nicht.234 Der Dissens um informationseffiziente Märkte wird besonders deutlich bei Tests der halbstrengen Markteffizienz, da bereits die Definition „öffentlich zugängliche Informationen“ großen Interpretationsspielraum lässt. Einigkeit herrscht lediglich bei der strengen Form der Markteffizienz, die in so gut wie allen empirischen Tests widerlegt wird. Die Erkenntnisse legen nahe, dass das theoretische Modell einer absoluten Markteffizienz nicht auf eine Welt mit Informationskosten übertragen werden kann.235 Dies verdeutlicht sich bei der Betrachtung von Extremsituationen an den Finanzmärkten. Kontrovers diskutiert wird die Gültigkeit der EMH im Kontext der Finanzkrise.236 Aber auch in vorherigen Krisenzeiten (z. B. Platzen der dot-comBlase) kam wiederholt Kritik an der EMH auf. Viele Ökonomen argumentieren 232 Ein prominenter Kritiker der EMH ist Shiller (1981) mit seinen Arbeiten zur „excess volatility“. „Excess volatility“ besagt, dass die Volatilität und damit zu starke Veränderungen von Aktienpreisen nicht im Verhältnis zur fundamentalen Wertentwicklung (z. B. Gewinne, Dividendenzahlungen oder Zinsentwicklungen) der Wertpapiere steht. 233 Vgl. Shiller (1981), 433 f. Weitere, je nach Betrachtungsperspektive entweder als irrationale Überreaktionen von Investoren (Behavioral Finance) oder als Missspezifikation des CAPM (EMH) auslegbare empirische Studien über die Konsistenz des CAPM kommen seit Ende der 70er-Jahre auf. Diese spielen vor allem bei der Debatte um eine schwache Markteffizienz eine bedeutende Rolle. Unter anderem konnte durch den sogenannten Momentum-Effekt nachgewiesen werden, dass zukünftige Renditen kurzfristig von früheren Renditen abhängen. Vgl. Carhart (1997) zum Momentum-Effekt, der das Fama-French-3-Faktoren-Modell zur Erklärung von Wertpapierrenditen um einen weiteren Faktor (Momentum) erweitert. (Zuvor wiesen auch schon Jegadeesh / Titman (1993) eine funktionierende „Buying Winners and Selling Losers“ Strategie für eine drei bis zwölf Monatige Haltedauer der Wertpapiere nach. 234 Das spiegelt sich unter anderem auch bei der Auswahl der Preisträger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften im Jahr 2013 wider, als Eugene Fama als Vertreter der EMH und Rober Shiller als Vertreter der Behavioral Finance gemeinsam ausgezeichnet wurden. Lars Peter Hansen bekam im Jahr 2013 ebenfalls den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. 235 Vgl. Mülhaupt (2014), S. 38 f. Die EMH sollte daher eher als eine Art Benchmark (relative Markteffizienz) betrachtet werden, mit welcher Abweichungen in Relation gesetzt und gemessen werden können. Informationseffizienz wäre folglich kontextabhängig und einer ständigen Veränderung ausgesetzt. 236 Am Beispiel der Finanzmarktkrise wird wiederum die Hypothese im Sinne von Fama (1970) deutlich. Erst in der ex-post Betrachtung lässt sich eine Abweichung der Wertpapierpreise vom Fundamentalwert ausmachen. Folglich ist es ex-ante nicht möglich zu beurteilen, ob ein Wertpapier zu hoch oder zu niedrig bewertet wird. Wertpapierblasen können nicht im Voraus mit Sicherheit bestimmt werden.

2.5 Portfoliotheorie

69

sogar, dass der Glauben an effiziente Märkte die Finanzkrise (mit) ausgelöst hat, wenigstens jedoch die Gültigkeit der EMH widerlegt habe.237 Wenn jedoch die EMH für Wertpapierblasen verantwortlich sein soll, ist es zumindest verwunderlich wie vor der wegweisenden Forschungsarbeit von Fama (1965) zahlreiche Wertpapierblasen entstehen konnten. In der langen Geschichte der Finanzmärkte sind Blasen fest verwurzelt,238 im Gegensatz zu der noch relativ jungen Idee der EMH.239 Solchen Ökonomen, die mehr oder weniger regelmäßig vor dem Platzen einer Blase warnen, wird deshalb vorgehalten, dass früher oder später zwangsläufig einen (Glücks)-Treffer landen.240 Zur Überprüfung der EMH gibt es verschiedene Methoden, die Mülhaupt (2014) in statistische Analysen von Wertpapierpreisen und Handelsstrategien zur Ausnutzung von Ineffizienzen unterteilt und unter anderem nach Famas Effizienzstufen241 (schwach, halbstreng und streng), der angewandten Methodik und möglichen methodischen Problemen klassifiziert.242 Einen Überblick über einige der gängigsten Forschungsansätze gibt Tabelle 4. Einige dieser Forschungsansätze finden in der später folgenden empirischen Analyse (vgl. Kapitel 4) Beachtung. Forschungsfragen zur Informationseffizienz folgen normativen Implikationen für die Investitionsentscheidungen von rational handelnden Anlegern. Unter der Voraussetzung eines informationseffizienten Marktes ist die Frage für die vorliegende Forschungsarbeit relevant, ob es als aktiver Investor auf Dauer realistisch ist, eine bes-

237

Vgl. Mülhaupt (2014), S. 41. Angefangen beim Platzen der holländischen Tulpenmanieblase im Jahr 1637. 239 Vgl. Ball (2009), S. 8. Ball nennt explizit die Holländische Tulpenmanie (1637), die South Sea Company Blase (1720), die Eisenbahnmanie der 1840er Jahre, die Florida Land Blase von 1926 und den großen Marktcrash von 1929. Ball (2009) verteidigt die in der Finanzkrise in die Kritik geratene EMH: „In sum, the EMH says nothing about the stationarity over time of return distributions. There is no deus ex machina in securities markets that ensures the stability of such variables, no economic forces that mechanically draw security returns like lottery numbers every day from the same barrel. Quite the contrary: there is considerable evidence that risk in particular is ‚non-stationary‘ to an important degree. So if financial economists – or math and physics majors with little appreciation of long-term economic history posing as financial economists – calculate future risks entirely from recent historical data, they do so as an act of belief rather than theory, and they ignore evidence contrary to that belief. One cannot blame the EMH for such practices.“ Ball (2009), S. 11. 240 Vgl. Mülhaupt (2014), S. 42. Mülhaupt weist darauf hin, dass in diesem Zusammenhang häufig Rober Shiller genannt wird. Shiller wurde unter anderem dadurch populär, dass er auf dem Höhepunkt der dot-com-Blase (2000) vor einem Einbruch des Aktienmarktes warnte und fünf Jahre später frühzeitig auf Überbewertungen am US-Immobilienmarkt aufmerksam machte. Cochrane (2014) fügt ferner hinzu, dass Informationseffizienz nicht gleichzusetzen ist mit dem Ausbleiben von volatilen Marktphasen. Informationseffiziente Märkte können ökonomisch ineffiziente Hausses und Baisses aufweisen, solange diese nicht vorhersagbar sind. Regelmäßige Gewinne ohne entsprechendes Risiko wären ferner nicht mit effizienten Wertpapiermärkten vereinbar. 241 Vgl. Fama (1970), S. 383. 242 Vgl. Mülhaupt (2014), S. 70 f. 238

70

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

sere Performance zu erzielen als der durchschnittliche Marktteilnehmer. Nur unter Bestätigung dieser Prämisse wären aktive Anlageentscheidungen zweckmäßig.243 Tabelle 4 Klassifizierung ausgewählter Informationseffizienztests244 Art der Effizienz

Weitere ­Unterscheidung

Methodik

Rendite-Vorhersehbarkeit/Schwache Informations­ effizienz

Vergangene Rendite

Autokorrelation

Methodische ­Probleme

Variance Ratio Tests Runs Tests / Sequences and Reversals

Querschnitts­ renditen

Handelsstrategien

Mangelnde Daten zu Transaktionskosten

CAPM

Keine ausreichende Zahl an Aktien

Weitere Asset ­Pricing ­Modelle Anomalien basierend auf Firmencharakteristika Momentum-/Contrarian Strategien

Weitere Tests

Vorhersagevariablen für den Gesamtmarkt

Keine ausreichend langen Zeitreihen

Volatilitäts-/Present ­Value-/Bubble Tests Saisonalitäten Halbstrenge Informations­ effizienz

Event Studien Persistenz in der Per­ formance von Fonds /  Investoren

Mangelnde Datenbasis

Strenge Informationseffizienz

Insider Trading

Mangelnde Datenbasis

Ansonsten könnten passive, im Vergleich zu aktiven Investments oft kosten­ günstigere, breit gestreute Investmentvehikel die bessere Wahl sein; insbesondere im Hinblick auf den aus der klassischen Finanztheorie bekannten Diversifikationseffekt effizienter Portfolios nach Markowitz, wenn durch passives Investieren dem theoretischen Konzept des Marktportfolios gefolgt wird.

243 244

Vgl. Bundesbank (2011), S. 45. Darstellung in Anlehnung an Mülhaupt (2014), S. 81.

71

2.5 Portfoliotheorie

Andererseits sind passive Investoren verstärkt Kritik ausgesetzt. Da passive Anleger von den Analysen aktiver Anleger profitieren, indem sie Kosten zur Informationsbeschaffung sparen und damit nicht zur Informationsanalyse und -auswertung von Einzeltiteln beitragen, bezeichnet beispielsweise Wallmeier (2016) sie als „Trittbrettfahrer“.245 Ob passive Anlageprodukte wie beispielsweise ETFs und damit dann auch indirekt passive Anleger die Preisfindung von Wertpapieren effizienter gestalten und die Informationseffizienz der Wertpapiermärkte steigern können oder nicht, wird in den Folgeabschnitten diskutiert. Vor dem Hintergrund, dass für Investoren der Grad der Markteffizienz für jeden einzelnen Markt ex-ante nicht zweifelsfrei zu bestimmen ist, müssen diese über Annahmen des Markteffizienzgrades Implikationen für ihr Portfoliomanagement treffen. Gleichzeitig werden Investoren nur in solche Fonds investieren, von deren Managementqualität sie überzeugt sind. Folglich sollte das Mischungsverhältnis in den Portfolios der Investoren umso mehr Richtung passives Fondsmanagement tendieren, je höher der angenommene Grad der Markteffizienz und je kleiner die Erfolgsaussichten auf der Suche nach erfolgreichen Assetmanagern ist (vgl. Abbildung 2).246 Unsicherheit über den Grad der Markteffizienz

Annahme des Investors: Hinreichend große Markteffizienz

Annahme des Investors: Hinreichend große Marktineffizienz

Kein hinreichend gutes Instrumentarium zur Managerselektion

100% Passives Management

Hinreichend gutes Instrumentarium zur Managerselektion

Mischung Aktives/ Passives Management

Abbildung 2: Aktives und passives Assetmanagement bei Unsicherheit über den Grad der Markteffizienz.247

245

Vgl. Wallmeier (2016), S. 414. Vgl. Leser (2006), S. 72. 247 Darstellung in Anlehnung an Leser (2006), S. 73. 246

72

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

Die Ergebnisse akademischer Forschung sind bezüglich der Effekte von ETFs auf die Informationseffizienz der Underlyings divergierend. Einerseits existieren Studien, die aufzeigen, dass ETFs die Preisfindung bei den Underlyings fördern. Dem halten andere Studien entgegen, dass ETFs die Preiseffizienz des Underlyings beeinträchtigen.248 So können ETFs als Werkzeug zur Preisfindung in sehr volatilen und durchaus unübersichtlichen Marktphasen für Market Maker als Informationsquelle für die An- und Verkaufskurse der Basiswerte dienen. Dies gilt insbesondere für diffizil zu handelnde illiquide Märkte249, deren Zugang für Marktteilnehmer durch ETFs vereinfacht wird.250 Auf der Ebene eines aggregierten Wertpapierkorbes kann der ETF-Handel die Informationseffizienz der Under­lyings verbessern, sodass sich die Preise der Basiswerte näher an ihren Fundamentalwerten bewegen.251 Aus Sicht der Aufsichtsbehörden könnte es hilfreich sein, wenn die Qualität der Informationseffizienz der Basiswerte im Allgemeinen verbessert würde, sodass bestehende Differenzen zwischen Märkten verringert werden. Hierzu wären insbesondere ein höheres Transparenzlevel und ein besserer Zugang für Marktteilnehmer zu bisweilen illiquiden Märkten notwendig.252

2.5.4 Behavioral Finance und Heuristiken aktiver und passiver Kapitalmarktakteure Bis in die späten 70er-Jahre war die Akzeptanz des CAPM und der Effizienzmarkthypothese allgemein sehr hoch. Psychologische Einflussfaktoren für die Preisbildung an den Finanzmärkten haben bis dato lediglich eine Nebenrolle eingenommen. Die neoklassische Annahme der vollkommenen Rationalität aller Marktteilnehmer, mit dem weiterhin vielfach verwendeten Konzepts des rational handelnden Homo Oeconomicus, der seine Erwartungshaltung an neue Informationen nutzenmaximierend anpasst,253 bildete lange den Grundstein der modelltheoretischen Kapitalmarktforschungen. Aus zunehmend in Teilgebiete der Wirtschaftswissenschaften integrierten naturwissenschaftlichen, soziologischen und psychologischen Aspekten entwickelte sich eine neue Verhaltensökonomie, die heute unter dem Namen Behavioral Finance 248

Vgl. Central Bank of Ireland (2017), S. 65. Hierzu zählen allen voran Aktien und Anleihen aus Schwellenländern, aber auch Rohstoffe, KMUs, REITs und High-Yield-Bonds. 250 Vgl. Bhattacharya / O’Hara (2016), S. 3 f. 251 Vgl. ebd., S. 5. Auf individueller Wertpapierebene kann es jedoch zu persistenten Abweichungen der Wertpapierpreise von ihren Fundamentalwerten kommen. Aktien mit hohem Beta-Faktor und überproportionaler Marktkapitalisierung im ETF sind dafür besonders anfällig. Märkte könnten folglich im Gesamten fragiler werden. 252 Vgl. Bhattacharya / O’Hara (2016), S. 38. 253 Vgl. Bruns / Meyer-Bullerdiek (2013), S. 156. 249

2.5 Portfoliotheorie

73

bekannt ist. Sie rückt die Erkundung kognitiver und emotionaler Verhaltensweisen in den Fokus der Finanzmarktforschung.254 Blieb beim Modell des Homo Oeconomicus die Komplexität der Realität und irrationales Verhalten noch unberücksichtigt, trifft die Behavioral Finance alternative Annahmen, durch die das tatsächlich beobachtbare Verhalten von nicht oder nur bedingt rational handelnden Kapitalmarktakteuren erklärt werden soll.255 Folglich soll durch die Behavioral Finance Theorie das tatsächlich beobachtbare Anlegerverhalten erklärt und Schwachstellen in den Annahmen der neoklassischen Kapitalmarkttheorie korrigiert werden, sodass auf Basis dieser neuen Erkenntnisse wiederkehrende Anlagefehler langfristig vermieden werden können.256 Ohnehin machen sich Kapitalmarktteilnehmer Heuristiken zunutze, die es ihnen ermöglichen in unterschiedlichsten Situationen effizient und praktikabel zu Investieren und auf heterogene Umweltzustände schnell reagieren zu können, um die Flut an Informationen an den Kapitalmärkten verarbeiten zu können. Dem zu Folge würde es Investoren nicht einmal dann gelingen gemäß dem Wesen eines Home Oeconomicus zu handeln, wenn diese sich bewusst dazu entscheiden würden.257 Investoren treffen Entscheidungen unter Zuhilfenahme von Faustregeln, lassen sich von irrelevanten Begleitumständen lenken und sind durch ethische oder emotionale Beweggründe beeinflusst.258 Die bereits kurz diskutierte Limits-to-­ Arbitrage-Theorie zeigt, dass rationale Investoren häufig nicht dazu in der Lage sind, die von irrationalen Investoren hervorgerufenen Abweichungen vom Fundamentalwert eines Wertpapiers auszugleichen. Verhaltenswissenschaftliche Modelle integrieren spezifische Formen von Irrationalität, um die wiederkehrenden Abweichungen eines Wertpapiers von seinem Fundamentalwert zu analysieren.259 Von Marktteilnehmern angewandte Heuris­ tiken vereinfachen zwar häufig die Entscheidungsfindung, führen andererseits nicht selten zu systematischen Verfälschungen im Informations- und Entscheidungsprozess, weil sie eine objektive Sicht auf den Kapitalmarkt behindern. Typische, bei der Wahrnehmung, Verarbeitung und Bewertung von Informationen sowie schlussendlich bei der Investitionsentscheidung auftretende Heuristiken sind

254

Vgl. Daxhammer / Facsar (2012), S. 20. Vgl. Barberis / T haler (2003), S. 1054. Aus dem ohnehin in der Praxis nicht zu beobachtenden Homo Oeconomicus wird ein durch kognitive und emotionale Aspekte beeinflusster Homo Oeconomicus Humanus, der aufgrund der enormen Komplexität der global vernetzten Kapitalmärkte nur ein begrenzt rationales Anlageverhalten zeigt. 256 Vgl. Daxhammer / Facsar (2012), S. 76. 257 Vgl. Heuser (2008), S. 50. Wiederkehrende Verhaltensmuster von begrenzt rationalen Anlegern, die zum Zwecke der wirtschaftswissenschaftlichen Modellbildung vom rational agierenden Homo Oeconomicus nicht erfasst werden können, lassen sich hingegen häufig in der Praxis beobachten. 258 Vgl. Bundesbank (2011), S. 46. 259 Vgl. Barberis / T haler (2003), S. 1063. 255

74

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

in Tabelle 5 aufgelistet und nach ihrer Risiko-/Rendite-Dysfunktionalität sortiert (Werte in Klammern).260 Tabelle 5 Angewandte Heuristiken kognitiven und emotionalen Ursprungs und ihre Risiko-/Renditeschädlichkeit im Informations- und Entscheidungsprozess261 Informationswahrneh­ mung

Informationsverarbeitung/ -bewertung

Investitionsentscheidung

Heuristiken kognitiven Ursprungs: – Risikowahrnehmung (2) – Selektive Wahrnehmung (4) – Verfügbarkeit (5) – Darstellungs-Effekt (5)

Heuristiken kognitiven Ursprungs: – Konservatismus (2) – Repräsentativität (3) – Selbstüberschätzung (4) – Kontrollillusion (5) – Rezenz-Effekt (5) – Verankerung & Anpassung (5) – Mentale Buchführen (7) – Ambiguitätsaversion (8)

Heuristiken kognitiven Ursprungs: – Rückschau-Effekt (3) – Selektive Entscheidung (5) – Selbstattribution (7)

Heuristiken emotionalen Ursprungs: – Herdenverhalten (5)

Heuristiken emotionalen Ursprungs: – Umkehr der Risikobereitschaft (3)

Heuristiken emotionalen Ursprungs: – Selbstkontroll-Effekt (4) – Dispositions-Effekt (4) – Besitztums-Effekt (5) – Status-Quo-Effekt (7) – Optimismus-Effekt (8) – Reueaversion (10)

Im Folgenden werden die wichtigsten der in Tabelle 5 dargestellten Heuristiken erläutert und auf die Diskussion um aktive und passive Kapitalanlagestrategien bezogen.262 260

Vgl. Daxhammer / Facsar (2012), S. 178. Daxhammer und Facsar (2012) unterscheiden dabei nach Heuristiken kognitiven und emotionalen Ursprungs. Die Risiko-/Rendite-Dysfunktionalität stellt keine ordinale Messgröße dar, sondern soll dem geneigten Leser die Auswirkungen der einzelnen Heuristiken auf die Verhaltensweise der Marktteilnehmer didaktisch aufbereitet veranschaulichen. 261 Vgl. Daxhammer / Facsar (2012), S. 178. Daxhammer / Facsar (2012) stellen neben der Prozess-Kategorisierung der Heuristiken auch deren Portfoliodysfunktionalität auf einer Skala von 0 bis 10 dar (Werte in Klammern). Ihr sogenannter Risiko-/Renditeschädlichkeits-Index (RSS-Index) orientiert sich an den Auswirkungen der einzelnen Heuristiken auf die Verhaltensweise der Marktteilnehmer und misst deren Rendite-/Risikoschädlichkeit. Daxhammer / Facsar (2012) verstehen den Wert nicht als eindeutige, ordinale Messgröße, sondern eher als Instrument der didaktischen Aufbereitung. 262 Einen weitaus detaillierteren Einblick in die Theorie und Praxis der Behavioral Finance und die dazugehörigen Heuristiken kognitiven und emotionalen Ursprungs im Informations-

2.5 Portfoliotheorie

75

Eine in der Praxis gängige Heuristik ist die Anomalie der Reueaversion im Investitionsverhalten der Marktteilnehmer Diese tendieren dazu, möglichst keine Fehlentscheidungen zu treffen, die retrospektiv Reuegefühle hervorrufen könnten. Dies wiederum löst durch die Beachtung des Verhaltens der Masse263 Herden­ verhalten aus.264 Dieses Herdenverhalten lässt sich auch in ETF-Märkten beobachten.265 Können ETF Market Maker ihre Preise nicht in Echtzeit mit den Preisen der Underlyings synchronisieren, führt dies zwangsläufig zu einem gestaffelten Preisbildungsmechanismus. Diese Verzögerung in der Preisfindung öffnet Marktteilnehmern kurzfristig die Möglichkeit Positionen zu schließen, ohne auf die eigentliche Realisierung des fundamentalen Liquidationswertes zu warten, wenn sie die voraussichtliche Informationsverarbeitung aus anderen (Teil-)Märkten korrekt ableiten können. Dies passiert z. B., wenn viele Marktteilnehmer über ein einheitliches Signal (systematischer Faktor) verfügen über welches sie den Handel koordinieren können. Daraus kann ein Gleichgewicht entstehen, in dem Marktteilnehmer im ETF-Markt über das Handeln eines systematischen Signals zu Herdenverhalten neigen. Marktteilnehmer steigern die Gewichtung dieses Signals folglich nicht mehr, weil es den erwarteten fundamentalen Wert eines Wertpapiers vorhersagen kann, sondern weil andere Marktteilnehmer ihre kurzfristigen Strategien auf denselben systematischen Faktor stützen. Dem ließe sich seitens der Wertpapieraufsichtsbehörden entgegentreten, indem ETFs entweder nur noch für hoch liquide Märkte angeboten werden dürften oder aber die Wertpapierkörbe auf ein beschauliches Maß beschränkt blieben.266 Beide Optionen erscheinen nicht nur mit Blick auf das gegenwärtige Marktwachstum unwahrscheinlich. Ganze Marktsegmente für ETFs zu verbieten wäre mit gewisser Willkür verbunden und würde sowohl den betroffenen inländischen Investoren als auch ausländischen Investoren den Zugang zu einem wichtigen Börsen­segment verschließen. ETF-Wertpapierkörbe zu regulieren erscheint ebenfalls unrealistisch und nicht zielführend. Nachgefragte ETFs folgen in der Regel beliebten Indices großer Indexanbieter. Dass ETFs fortan nicht mehr auf diese Indices aufgelegt werden, sonund Entscheidungsprozess gewähren unter anderem Barberis und Thaler (2003) sowie Daxhammer und Facsar (2012). 263 Durch Beobachtung des Verhaltens der Masse lassen sich beispielsweise Informationskaskaden erklären, bei denen sich Anleger auf zuvor getroffene Entscheidungen anderer Marktteilnehmer verlassen und diese dann kopieren. Sie sparen Informationskosten und folgen dabei unreflektiert den Kauf- oder Verkaufentscheidungen anderer Marktteilnehmer. Durch das irrationale Handeln dieser Marktteilnehmer spiegeln Preisentwicklungen dann nicht veränderte Informationen im engeren Sinne wider, sondern nur die imitierten Kauf- oder Verkaufentscheidungen einiger Anleger (vgl. Bundesbank (2011), S. 52. 264 Vgl. Daxhammer / Facsar (2012), S. 247. 265 Vgl. hier und im gesamten Abschnitt Bhattacharya / O’Hara (2016), S. 5. 266 Vgl. Bhattacharya / O’Hara (2016), S. 37–38.

76

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

dern auf Underlyings mit kleineren Wertpapierkörben, würde das gesamte Konzept der kostengünstigen, breit diversifizierten Abdeckung ganzer Wertpapiermärkte torpedieren. Herdenverhalten wiederum kann zu Konservatismus im Anlegerverhalten führen.267 Barasinska, Schäfer und Stephan (2008) weisen für deutsche Privatanleger nach, dass entgegen der Portfoliotheorie eine erhöhte Risikoaversion nicht zwangsläufig zu einer höheren Portfoliodiversifikation führt. Hervorgerufen durch konservatives Anlegerverhalten bestehen über 80 % der nicht diversifizierten Portfolios deutscher Privatanleger aus rein risikolosen Kapitalanlagen.268 Zu stark ausgeprägtes konservatives Anlageverhalten – die Neigung zu ausschließlich risikolosen Kapitalanlagen – kann folglich zu stark negativen Entscheidungen der Portfoliozusammensetzung führen und den Anlageerfolg nachdrücklich mindern. Benartzi und Thaler (2001) sprechen im Zusammenhang mit der Portfoliozusammenstellung von naiver Diversifikation. Dabei spielt die Darstellung und Verfügbarkeit von Investitionsalternativen eine wichtige Rolle. Privatanleger neigen dazu, konservativer anzulegen, je größer die Auswahl an risikolosen Anlagen ist (z. B. festverzinsliche Anlagen). Andersherum besteht die Portfoliozusammensetzung zunehmend aus riskanten Kapitalanlagen, je mehr risikoreiche Investmentmöglichkeiten wahrgenommen werden (z. B. Aktienfonds).269 Hoffnung könnten hier sogenannte ETF-Sparpläne im Retail-Geschäft der in Deutschland präsenten Vertriebswege machen. Diese ermöglichen es Privatanlegern auch schon mit kleinen Summen in regelmäßigen Zeitabständen Kapital in risikobehaftete aber gleichzeitig meist gut diversifizierte Aktien- und RentenETFs zu investieren. Überdies könnten Fondssparpläne einem weiteren Grund geringer Portfoliodiversifikation entgegenwirken: dem sogenannten Home-Bias-Effekt. Trotz der Liberalisierung der Kapitalmärkte, der Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung und der Vielzahl an im Ausland ansässiger Investmentfonds, was dazu beigetragen hat, dass der Anteil der Anlagen im Heimatmarkt abgenommen hat, stammen überproportional viele Portfoliotitel aus dem Inland.270 Aufgrund der unausgewogenen regionalen Verteilung (Verfügbarkeitsheuristik) der Wertpapierauswahl kann es zu Klumpenrisiken im Portfolio kommen.271

267

Vgl. Daxhammer / Facsar (2012), S. 247. Vgl. Barasinska / Schäfer / Stephan (2008), 12, Table 3. Barasinska et al. definieren ein voll diversifiziertes Portfolio als Mischung aus sicheren, relativ sicheren und riskanten Anlagen. 269 Vgl. Benartzi / T haler (2001), S. 98. Die Autoren sprechen von der sogenannten 1/n-Heuristik, bei der Anleger zur Altersvorsorge ihr Vermögen gleichmäßig auf die Anlagemöglichkeiten (Fondssparpläne) aufteilen, die ihnen geläufig sind. 270 Vgl. Bundesbank (2011), S. 50. 271 Dieses Verhalten der Investitionsauswahl auf Basis kategorischer Eigenschaften kann ebenso auf Basis persönlicher Eigenschaften und Ansichten beobachtet werden. 268

2.5 Portfoliotheorie

77

Marktteilnehmer neigen dazu, die Bedeutung von Informationen von ihrer Vorstellungskraft abhängig zu machen. So führt die regionale Orientierung auf dem Heimatmarkt zum Home-Bias-Effekt, oder eine risikoaverse Lebensweise zur Auswahl risikoarmer Titel, sodass andere Anlagen, die eine höhere Diversifikationsmöglichkeit aufweisen nicht berücksichtigt werden.272 Diesen Effekten könnten ETFs auf lange Sicht entgegenwirken. Denn je stärker diese in den Fokus von Privatanlegern rücken, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass Privatanleger (statt in Einzeltitel) über diversifizierte Indices nicht nur in nationale, sondern auch in internationale Kapitalmärkte investieren. Grund dafür ist, dass sie fortan für aktiv gemanagte Investmentfonds eine adäquate Alternative in Form der ETFs vorfinden. Zahlen von der Frankfurter Börse verdeutlichen, dass ETFs für Privatanleger eine echte Alternative zu klassischen Investmentfonds oder Einzeltiteln darstellen. An der Frankfurter Wertpapierbörse sind bereits ca. 35 % der ETF-Orders von Privatanlegern. Diese machen jedoch nur 5 % des Ordervolumens aus.273 Eine weitere häufig auftretende Heuristik kognitiven Ursprungs ist die Selbstüberschätzung, die sich darin äußert, dass Menschen bei Prognosen den Grad der Unsicherheit unterschätzen. Selbstüberschätzung kann zu häufige Handelsaktivität durch verfolgen aktiver Strategien erklären. Hohe Handelskosten mindern dann oftmalig den langfristigen Erfolg.274 Eine Lösung des Problems der Selbstüberschätzung können wiederum passive Investmentprodukte bieten. Durch passives Investieren rückt die Analyse- und Prognosefähigkeit des Investors in den Hintergrund und es fallen im Vergleich zum aktiven Investieren deutlich weniger Handels- und Transaktionskosten an. Der Dispositionseffekt und zahlreiche andere Heuristiken können anhand der Wertfunktion („value function“) aus der Prospect Theory beschrieben werden.275 Die Prospect Theory von Kahneman und Tversky (1979) ist die wahrscheinlich sowohl bekannteste als auch anerkannteste verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie, für die Daniel Kahneman im Jahr 2002 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt. Kahneman und Tversky sehen die Prospect Theory als Alternative zur klassischen Erwartungsnutzentheorie.276 Die Prospect Theorie unterteilt die Entscheidungsfindung unter Unsicherheit in zwei Phasen. Erstens in die „editing“ Phase, in der Entscheidungssituationen vereinfacht und organisiert werden. Und zweitens in die „evaluation“ Phase, in der die zuvor gewählten Entscheidungsalternativen bewertet und schlussendlich eine Alternative gewählt

272

Vgl. Daxhammer / Facsar (2012), S. 182 f. Vgl. Borse et al. (2013), S. 1. 274 Vgl. Bundesbank (2011), S. 51. 275 Vgl. Daxhammer / Facsar (2012), S. 177 ff. 276 Vgl. Kahneman / Tversky (1979), S. 363. 273

78

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

wird.277 Gewinne und Verluste im Verhältnis zu einem Referenzwert bestimmen den Nutzen. Dieser hängt folglich nicht länger vom Endvermögen ab.278 Anhand der Wertfunktion lassen sich drei Schlussfolgerungen ziehen:279 – Anleger zeigen häufig die Tendenz an Verliereraktien festzuhalten, während sie Gewinneraktien frühzeitig veräußern.280 – Gewinne und Verluste entstehen erst durch Festlegen eines Bezugspunktes. Die Wertfunktion ist folglich durch die Abweichungen vom Bezugspunkt definiert.281 Somit könnte beispielsweise für das aktive Management ein passiver Aktienindex als rationaler Referenzpunkt (Benchmark) dienen. – Verluste wiegen für Marktteilnehmer stärker als Gewinne.282 Neben der Wertfunktion beschreiben Kahneman und Tversky (1979) die sogenannte Gewichtungsfunktion („weighting function“). Sie zeigen, dass Investoren Entscheidungspräferenzen nicht an objektiv messbaren Wahrscheinlichkeiten festmachen, sondern über eigene Bewertungen individuell transformieren. Insbesondere neigt das menschliche Verhalten dazu, sehr hohe sowie sehr niedrige Eintrittswahrscheinlichkeiten in der „editing“ Phase falsch einzuschätzen. Ereignisse mit niedriger Eintrittswahrscheinlichkeit werden überbewertet, während Ereignisse mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit unterbewertet werden.283 Abschließend lässt sich festhalten, dass die Prospect Theory zwar einige, aber längst nicht alle relevanten Investitions- und Entscheidungssituationen erklären kann. Bisher fehlt der Behavioral Finance Theorie für die zahlreichen Verhaltensanomalien ein eindeutiges theoretisches Grundgerüst oder Erklärungsmodell. Außerdem gibt es Zweifel am systematischen Bestand einiger Marktanomalien.284 Um einige offensichtliche Erklärungsdefizite zu überwinden gehen alternative Forschungsrichtungen neue Wege. Beispielhaft zu nennen ist an dieser Stelle die 277

Vgl. Forbes (2009), S. 165. Vgl. Mülhaupt (2014), S. 53. 279 Vgl. Kahneman / Tversky (1979), S. 279. 280 Vgl. Daxhammer / Facsar (2012), S. 167 ff. Erstens ist die Wertfunktion im Gewinnbereich konkav (Marktteilnehmer verhalten sich hier risikoavers) und im Verlustbereich konvex gekrümmt (Marktteilnehmer verhalten sich hier risikoaffin). Diese Krümmung wird als abnehmende Sensitivität bezeichnet, sowohl bei zunehmenden Gewinnen als auch bei zunehmenden Verlusten. Die Sensitivität ist also abhängig von der Entfernung zum Bezugspunkt (s. u.). Beim Übergang von Gewinnen zu Verlusten findet eine Umkehr der Risikobereitschaft statt. Der Dispositionseffekt verdeutlicht hier die Verhaltensweise der Marktteilnehmer. 281 Vgl. Kahneman / Tversky (1979), S. 279. Werden Referenzpunkte allerdings mehrfach verändert hat dies häufig begrenzt rationale Entscheidungsfindungen zur Folge. Vgl. Daxhammer / Facsar (2012), S.  170. 282 Vgl. Daxhammer / Facsar (2012), S. 169. Die Wertfunktion ist im negativen, dritten Quadranten des Koordinatensystems steiler als im positiven Bereich des ersten Quadranten. 283 Vgl. Kahneman / Tversky (1979), S. 280 ff. 284 Vgl. Daxhammer / Facsar (2012), S. 299. 278

2.5 Portfoliotheorie

79

„­Cognitive Finance“, in der Informationsökonomie, Behavioral Finance sowie Kognitionsforschung und Neurowissenschaft interdisziplinär erforscht werden sollen.285 Viele der in diesem Kapitel nur kurz behandelten Heuristiken emotionalen und kognitiven Ursprungs, die zu suboptimalen Entscheidungen führen, sind für Investoren vermeidbar. Sie helfen zwar einerseits die Entscheidungsfindung effizient zu gestalten, führen andererseits aber häufig zu systematischen Verzerrungen und Fehlentscheidungen, da nicht alle verfügbaren Informationen in den Entscheidungsprozess integriert werden.286 Der Selbstkontroll-Effekt, die Schwäche des Investors nicht konsequent ein Investitionsziel (z. B. Altersvorsorge) zu verfolgen287, soll an dieser Stelle als weiteres Beispiel für eine Diskussion um aktive und passive Kapitalanlagen dienen. Während aktives Investieren das renditeschädliche Verhalten des Selbstkontroll-Effekts verstärken kann, reduziert passives Investieren häufige Handelsaktivitäten deutlich. Insbesondere für Privatanleger könnte passives Investieren das konsequente Festhalten an einer langfristigen Strategie (z. B. für die Altersvorsorge)  vereinfachen. Kommer (2015) schlägt hierfür die Bildung eines breit diversifizierten „Weltportfolios“ vor, bestehend aus einem Mix aus ETFs.288 Für ein regelmäßiges Investieren bieten viele Depotbanken mittlerweile kostengünstige Fondssparpläne an, die das Anlegerverhalten automatisieren und dadurch kontrollieren lassen. Irrationales Verhalten ist jedoch nicht allein auf Privatinvestoren beschränkt, sondern betrifft ebenso institutionelle Investoren. Auch professionelle Fondsmanager wenden Heuristiken an.289 Ein häufig zu beobachtendes Phänomen ist das Kopieren oder Imitieren von Anlagestrategien anderer (erfolgreicher) Fondsmanager, um im direkten Vergleich nicht schlechter als die Konkurrenz abzuschneiden.290 Falls dies nicht zum Erfolg führt, weil der gesamte Markt und damit die Mehrzahl der Investmentfonds schlecht abschneiden, führt die korrelierte Wertpapierauswahl der einzelnen Fondsmanager zum sogenannten „sharing-the-blame“-Effekt.291 Fondsmanager stehen dann mit ihren schlechten Entscheidungen und daraus resultierender schlechter Investmentfonds-Performance nicht alleine da. Ebenso zahlreich bilden professionelle Assetmanager Portfolios, die nahe an der für sie relevanten Benchmark liegen, um das Risiko der Underperformance im Vergleich zur Benchmark zu minimieren.292 Vermehrt fallen aktive Fondsmanager

285

Vgl. FERI Cognitive Finance Institute, recherchiert am 14. 12. 2019. Vgl. Daxhammer / Facsar (2012), S. 176. 287 Vgl. ebd., S. 242. 288 Vgl. Kommer (2015), S. 273 ff. 289 Vgl. Shleifer (2000), S. 12. 290 Vgl. Scharfstein / Stein (1990), S. 465. 291 Vgl. ebd., S. 478. 292 Vgl. Shleifer (2000), S. 12. 286

80

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

dadurch auf, dass sie im Kern ihrer Anlagestrategie lediglich einen Vergleichsindex nachbilden, ohne den Indexanbieter für die Indexbildung zu entgelten. Dieses bereits zuvor beschriebene Problem des Closet Indexing wird in Kapitel 4 genauer betrachtet und zudem für den deutschen Aktienmarkt empirisch überprüft.

2.6 Zwischenfazit Kapitel 2 ordnet aktive und passive Kapitalanlagestrategien finanzmarkttheoretisch ein. Begriffe werden abgegrenzt und wichtige akademische Forschungsergebnisse aufgearbeitet. Im Vordergrund steht dabei die divergierende langfristige Performance aktiver und passiver Kapitalanlagen, die Einführung in die Problematik von Closet-Indexing-Strategien aktiver Fondsmanager und die Relevanz einer Vergleichsbenchmark für Investmentfonds. Die Entwicklung der Kapitalmarkttheorien wird hinsichtlich aktiver und passiver Anlagestrategien bewertet. Ausschlaggebend für die oftmals schwache, langfristige Performance aktiv gemanagter Investmentfonds im Vergleich zu einer adäquaten Benchmark ist häufig die hohe Gesamtkostenquote. Die Auswertung relevanter Forschungsergebnisse sowie die deskriptive Darstellung und Analyse einiger SPIVA Scorecards zeichnet ein stabiles, langfristiges Gesamtbild. Resultat ist eine signifikant unterdurchschnittliche Performance von aktiv gemanagten Fonds gegenüber einer adäquaten Benchmark bzw. ETFs. Investoren können stattdessen durch passive Investments Kosten minimieren, um somit die Marktrendite, repliziert durch einen Index, möglichst exakt nachzubilden.293 Hinzu kommt, dass aktive Fondsmanager vermehrt dadurch auffallen, dass sie im Kern ihrer als aktiv ausgewiesenen Anlagestrategie lediglich einen Vergleichsindex passiv nachbilden. Dieses sogenannte Closet Indexing ist in der akademischen Forschungsliteratur als auch von internationalen Kapitalmarktinstitutionen und Aufsichtsbehörden insbesondere in Europa unzureichend analysiert worden. Inwiefern Closet-Indexing-Strategien eine relevante Größe am deutschen Aktienmarkt eingenommen haben und die Performance aktiver Investmentfonds negativ beeinflussen, wird in Kapitel 4 ausführlich diskutiert und empirisch überprüft. Erfolgreiches aktives Anlagemanagement setzt die Fähigkeiten des Assetmanagers voraus, Wertpapiere durch Stock Picking zu selektieren und wechselnde Kurstrends mit dem richtigen Timing zu identifizieren.294 Die akademische Literatur verwendet traditionell Multi-Faktoren-Modelle basierend auf Fama und French (1993) und Carhart (1997), um Portfolio- oder Wertpapierüberrenditen zu erklären. Dabei ist jedoch zu beachten, dass diese Risikofaktoren nicht unmittelbar

293 294

Vgl. Wallmeier (2016), S. 413. Vgl. Fama (1972), S. 566.

2.6 Zwischenfazit

81

investierbar sind, sondern nur gute Proxies zu investierbaren Assets darstellen.295 Als Alternative zu diesen Risikofaktoren, werden mit Blick auf die Praxis Überrenditen in dieser Forschungsarbeit anhand adäquater Benchmarks bewertet und die Relevanz des Benchmark-Konzeptes ausführlich erläutert. Allerdings bleibt festzuhalten, dass Vergleichsindices nicht immer einheitlich gewählt und umgesetzt werden, sodass es zu unterschiedlichen Performancebewertungen kommen kann. Uneinheitliche und intransparente Angebote erschweren den Qualitätsvergleich für Investoren bei der Auswahl der besten aktiven Investmentfonds als auch passiven ETFs. Deutlich wird dieses Problem in der Auswertung des deutschen Investmentfonds- und ETF-Marktes in Kapitel 4. Regulierungsbehörden sollten an den offengelegten Schwachstellen nachbessern, damit zukünftig die Wahl einer adäquaten Benchmark für Investmentfonds einheitlich reguliert ist. Auch mehr als 50 Jahre nach Aufstellen der Effizienzmarkthypothese bleibt die Existenz effizienter Wertpapiermärkte stark umstritten. Ob ETFs beispielsweise die Preisfindung an Wertpapiermärkten effizienter gestalten können, ist nicht abschließend geklärt. Es gibt sowohl Studien, die eine verbesserte Informations- und Preisfindungseffizienz belegen, als auch Studien die einen gegenteiligen Effekt aufzeigen.296 ETF-Preise können als Informationsquelle für Market Maker dienen und umgekehrt.297 ETF Kursbewegungen führen dann zu Kursbewegungen auf Indices-Level und auf Ebene der im Index enthaltenen Einzeltitel.298 Andererseits kann durch zunehmende Nachfrage nach ETFs die Anzahl der im Umlauf befindenden Aktieneinzeltitel abnehmen. Dadurch sinkt die Liquidität auf Ebene der Underlyings weiter, was wiederum professionelle Kapitalmarktakteure zögern lassen könnte, weiterhin Ressourcen in firmenspezifische Analysen zu allokieren. Die Informationseffizienz der Wertpapiermärkte könnte dadurch weiter abnehmen.299 Zuletzt bleibt einleitend festzuhalten, dass Investoren Entscheidungen unter Zuhilfenahme von Heuristiken treffen, sich von irrelevanten Begleitumständen lenken lassen und durch ethische oder emotionale Beweggründe beeinflusst sind.300 Verhaltenswissenschaftliche Modelle integrieren spezifische Formen von Irrationalität, um die wiederkehrenden Abweichungen eines Wertpapiers von seinem Fundamentalwert zu analysieren.301 Von Marktteilnehmern angewandte Heuristiken vereinfachen zwar häufig die Entscheidungsfindung, führen andererseits nicht selten zu systematischen Verfälschungen im Informations- und Entscheidungsprozess, weil sie eine objektive Sicht auf den Kapitalmarkt verhindern. Diese Heuristiken sind zwar bei aktiven Anlagestrategien häufiger zu beobachten, treten

295

Vgl. Madhavan (2016), S. 171. Vgl. Central Bank of Ireland (2017), S. 65. 297 Vgl. Bhattacharya / O’Hara (2016), S. 3. 298 Vgl. Tucker / Laipply (2013), S. 60. 299 Vgl. Israeli / Lee / Sridharan (2017), S.  1048 f. 300 Vgl. Bundesbank (2011), S. 46. 301 Vgl. Barberis / T haler (2003), S. 1063. 296

82

2. Finanzmarkttheoretische Einordnung von Kapitalanlagestrategien

aber auch auf ETF-Märkten auf, beispielsweise in Form von Herdenverhalten der Marktakteure.302 Andererseits eignen sich insbesondere passive Anlagestrategien via ETFs, Heuristiken entgegenzuwirken. Denn durch passives Investieren rückt die Analyse- und Prognosefähigkeit des Investors in den Hintergrund. Dadurch können typische Fehler aktiver Anlagestrategien vermieden werden. Zudem fallen im Vergleich zu aktiven Investments weniger Handels- und Transaktionskosten an. Einen Blick auf mögliche Vor- und Nachteile bietet das Folgekapitel, in denen ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage detailliert hinsichtlich Chancen und Risiken analysiert werden.

302

Vgl. Bhattacharya / O’Hara (2016), S. 5.

3. ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage  3.1 Die Entwicklung des ETF-Marktes Im folgenden Abschnitt wird die historische Entwicklung von den Anfängen der Indexfonds bis hin zu den innovativen und facettenreichen ETFs der Gegenwart dargestellt. ETFs erfahren in den letzten Jahren weltweit einen regelrechten Boom. Regelmäßig werden neue Produktformen emittiert. Dabei gibt es neben den gängigen passiven Managementstrategien auch ETFs mit aktiven Elementen. Diese verfolgen nicht mehr nur die klassische Nachbildung der Wertentwicklung eines Index, sondern versuchen durch eine systematische Wertpapierauswahl die Wertentwicklung der Benchmark zu übertreffen.1 Dabei waren die heutigen ETFs und deren Vorgängerprodukte zunächst wenig gefragt. Entscheidend für den Erfolg passiver Investment-Produkte sind die heute zum Teil äußerst populären (Aktien)-Indices. Die Geschichte der Aktienindices geht zurück bis ins späte 19. Jahrhundert. Im Jahr 1884 listen Charles Dow, Gründer des Wall Street Journals und Edward Davis Jones den Dow Jones Average, einen preisgewichteten Index, der anfänglich elf Eisenbahnunternehmen umfasst. Es dauert fast ein Jahrhundert, bis in den 1960er-Jahren die Weiterentwicklung der Computer ermöglicht, marktkapitalisierungsgewichtete Indices wie den S&P 500 erstmals in Echtzeit zu berechnen.2 An Popularität gewinnt der Indexgedanke 1973 durch Burton Malkiels Buch „A Random Walk Down Wall Street“.3 Weitere renommierte Wirtschaftswissenschaftler unterstützten den Ruf nach passiven Portfoliostrukturen. Samuelson, Träger des Preises für Wirtschaftswissenschaften der schwedischen Reichsbank in Gedenken an Alfred Nobel von 1970, forderte beispielsweise große Vermögensverwalter dazu auf, Portfolios zu bilden, die den S&P 500 replizieren.4 Erste große institutionelle Anleger können ab Beginn der 70er-Jahre in Port­ folios zu investieren, die den S&P 500 abbilden. Bahnbrechende Arbeit im Fondsmanagement leistete allen voran die Finanzanalystenabteilung der Wells Fargo 1

Vgl. hierzu u. a. Kapitel 3.5.2 zu Smart Beta ETFs. Vgl. George / Schoenfeld / Wiandt (2004), S. 14. In den siebziger Jahren nimmt die Idee Gestalt an, dass Investoren durch „den Kauf des Marktes“ möglicherweise eine bessere Performance erzielen können als durch einzelnes Stock Picking. Vorangetrieben wurde der Index­ gedanke durch die Portfoliotheorie von Markowitz, Samuelson und Sharpe sowie die Effi­ zienzmarkthypothese von Fama. 3 Vgl. Hill et al. (2015), S. 12. 4 Vgl. Samuelson (1974), S. 18. 2

84

3. ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage  

Bank unter John McQuown, William Fouse, und James Vertin.5 Der erste Indexfonds mit einem Volumen von 6 Millionen USD wurde 1971 durch die Bank Wells Fargo im Auftrag des Pensionsfonds des Kofferherstellers Samsonite aufgesetzt.6 Im Jahr 1975 öffnet sich auch für Privatanleger die Welt der Indexfonds. John Bogle gründet seine Investmentgesellschaft Vanguard und legt den am S&P 500 orientierten Vanguard 500 Indexfonds auf.7 Auslösende Kraft für den Entschluss den ersten Index-Investmentfonds zu gründen, war laut Bogle mitunter der Leitartikel von Paul Samuelson in der ersten Ausgabe des Journals of Portfolio Manage­ ment (s. o.).8 Anders als erwartet, ist die Kritik von Kapitalmarktexperten und Fachzeitschriften zunächst verheerend. In Indexfonds anzulegen heißt schon im vornherein auf Mittelmäßigkeit zu setzen, war nur eines von vielen Vorurteilen. Die US-Zeitschrift „Money“ nannte beispielsweise Bogles Fonds „Bogles Folley“ (Bogles Narrheit).9 Der Erfolg sollte sich für Vanguard und Andere erst Jahre später einstellen. Bis Indexfonds (und später ETFs) den Weg nach Europa fanden, vergingen ­einige Jahre. Der erste Indexfonds („CB German Index Fund“) für institutionelle Investoren in Deutschland kommt 1988 durch die luxemburgische Commerzbank-Tochter „CB German Index Fund Company“ auf den Markt.10 Zunächst konnten Anleger nur über Indexfonds passive Investitionen tätigen. Investoren und Anbieter verspürten jedoch schnell den Wunsch, Indexfonds handelbar zu gestalten. Dazu müssten Indexfonds, die nur einmal am Tag zum Net Asset Value gekauft oder verkauft werden können, jedoch innerhalb eines Börsentages auch bei größeren Mittelzu- und -abflüssen bewertbar und zu verwalten sein.11 Besser eignen sich dafür ETFs. Die Wurzeln der heutigen ETFs gründen auf dem Konzept des „program tra­ ding“ der 1980er Jahre. Dieses ermöglichte Investoren, computergesteuert alle Wertpapiere eines Index mit einem Trade zu kaufen und zu verkaufen.12 Der weltweit erste ETF wird 1990 in Kanada an der Toronto Stock Exchange auf den Markt gebracht.13 Ein Jahr zuvor wurde dafür durch die Emission von so-

5

Vgl. George / Schoenfeld / Wiandt (2004), S.  18. Vgl. Philips (1999), S. 51. 7 Vgl. Krautbauer (2015), S. 46. 8 Vgl. Bogle (2014), S. 44. Vanguard zählt heute weltweit zu den größten Investmentgesellschaften. Die Gesellschaftsgründung mit der Emission des ersten Indexfonds verlief hingegen holprig. Lediglich 11,3 Millionen USD an Kapital waren Anleger zum Emissionszeitpunkt bereit zu investieren. Das eigentliche Ziel von 150 Millionen USD wurde deutlich verfehlt. 9 Vgl. Götte (2010), S. 130. 10 Vgl. Etterer / Wambach (2007), S. 15. 11 Vgl. Niedermayer / Wagner (2012), S. 12. 12 Vgl. Hill et al. (2015), S. 14. 13 Vgl. Huang / Guedj (2009), S. 7. 6

3.1 Die Entwicklung des ETF-Marktes

85

genannten Toronto Index Participation Shares (TIPS), dem ersten aktienähnlichen Instrument zum Indexhandel, der Grundstein gelegt.14 Der eigentliche Erfolg setzt jedoch erst ein paar Jahre später in den USA ein. Den ersten US-amerikanischen ETF, der an der American Stock Exchange (AMEX) am Sekundärmarkt handelbar ist, emittiert 1993 State Street Global Advisors.15 Der SPDR (Standard & Poor’s Depository Receipts), auch „Spiders“ genannt, trackt den S&P 500 Index und zählt bis heute weltweit zu den am höchsten kapitalisierten ETFs.16 1996 folgte Barclays mit der iShares ETF-Serie, die später an BlackRock verkauft wurde.17 Am 31. 07. 2001 beginnt an der New York Stock Exchange (NYSE) zum ersten Mal in ihrer Geschichte der Handel von drei nicht börsennotierten Wertpapieren: Der Nasdaq-100 Trust Series I („QQQ“), der Standard & Poor’s Depository Receipt Trust Series I („SPY“) und der Dow Jones Industrial Average Trust Series I („DIA“) sind zu jener Zeit mit einem täglichen Handelsvolumen von ca. fünf Milliarden USD die drei meist gehandelten US-ETFs. Am 15. 04. 2002 folgen 27 weitere ETFs die fortan an der NYSE gehandelt werden. Vor dem NYSE Eintritt fokussierte sich der ETF-Handel auf die American Stock Exchange (AMEX), sowie den Nasdaq InterMarket und einige kleinere Regionalbörsen.18 Der Markteintritt der NYSE erhöht die Liquidität am ETF-Markt enorm. Market Maker Gebühren und Spreads sinken. Große Handelsvolumina konnten fortan kosteneffizienter gehandelt werden.19 Im Juni 2006 werden die ersten gehebelten ETFs von der amerikanischen Investment-Gesellschaft ProShares emittiert, sodass Investoren fortan Leveraged, Short und Leveraged Short ETFs auf US-Indices erwerben konnten.20 Das schnell steigende Interesse an ETFs in den USA weckt auch bei europäischen Investoren den Wunsch nach neuen Investitionsmöglichkeiten. Morgan Stanley emittiert im Jahr 1993 an der luxemburgischen Börse die ersten europäischen ETF-ähnlichen Konstruktionen, sogenannte Optimised Portfolio as Listed Securities (OPALS).21 In Deutschland ist der Indexing-Gedanke unter institutionellen als auch privaten Anlegern zunächst weniger verbreitet. Die zunehmende Effizienz der Märkte macht sich unterdies 1991 in der Jahresstatistik des BVI bemerkbar: Kein Aktienfonds mit dem Anlageschwerpunkt Deutschland konnte zum damaligen Zeitpunkt die Performance des DAX übertreffen.22 Das Bankhaus 14

Vgl. Etterer / Wambach (2007), S. 16. Vgl. Krautbauer (2015), S. 47. 16 Vgl. Huang / Guedj (2009), S. 7. 17 Vgl. Bogle (2014), S. 50. BlackRock hält heute weltweit den mit Abstand größten Anteil am ETF-Markt. 18 Vgl. Boehmer / Boehmer (2003), S. 1668 f. 19 Vgl. ebd., S. 1696 f. 20 Vgl. Schmitz (2015), S. 99. 21 Vgl. Krautbauer (2015), S. 47. 22 Vgl. Ebertz / Ristau (1992), S. 157. Dazu investiert Sal. Oppenheim jr. & Cie. teile des Fondsvermögens in DAX-Futures, Optionen auf DAX-Futures und DAX-Optionen. Der restliche Geldbetrag, der über die Marginverpflichtungen hinausgeht, wird am Geldmarkt investiert. 15

86

3. ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage  

Sal. Oppenheim jr. & Cie. ergreift als erste Bank in Deutschland die Chance auf einen neuen Absatzmarkt und legt 1992 mit dem „Oppenheim DAX-Werte Fonds“ den ersten Indexfonds in Deutschland auf, der das Zielt hat, den DAX möglichst genau zu replizieren. ETFs werden in Europa erstmals im Jahr 2000 angeboten. Vorreiter ist unter anderem die Deutsche Börse mit zwei ETFs auf den Euro Stoxx 50. Zwölf Jahre später sind es dann schon über 1000 ETFs die alleine an der Börse Frankfurt gehandelt werden.23 Begünstigt wird die Entwicklung in Europa durch die „UCITS III“ Richtlinie (Undertakings for Collective Investments in Transferable Securities), die eine größere Flexibilität in der Fondsverwaltung ermöglicht, indem sie beispielsweise den Einsatz von Derivaten erweiterte. Daraufhin ist es ETF-Anbietern möglich, Swap-basierte Produkte anzubieten. Die Ablösung von „UCITS III“ durch „UCITS IV“ im Jahr 2011 vereinfacht den länderübergreifenden Vertrieb von Investmentfonds und führte zu zusätzlichem Wachstum.24 Das starke Marktwachstum ruft zunehmend jedoch auch kritische Stimmen hervor. Für weltweites Aufsehen sorgen im Jahr 2011 nahezu zeitgleich erschienene Publikationen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ)25, des Financial Stability Boards (FSB)26 sowie des Internationalen Währungsfonds (IMF)27. Alle drei Institutionen warnen vor möglichen Finanzmarktstabilitätsrisiken, ausgelöst durch Kontrahentenrisiken bei Swap-basierten synthetischen ETFs, durch mögliche Qualitätsmängel der hinterlegten Sicherheiten sowie vor Liquiditätsengpässen und der Wertpapierleihe. Dennoch setzte sich der Verkaufserfolg von ETFs in den Folgejahren ungebrochen fort. Deshalb können ETFs als eines der erfolgreichsten Finanzprodukte der letzten Jahre angesehen werden. Abbildung 3 zeigt das starke weltweite Wachstum des in ETFs verwalteten Vermögens auf. Verglichen mit dem weltweit verwalteten Gesamtvermögen in regulierten, offenen Investmentfonds (dieses lag im Jahr 2018 bei 46,7 Billionen USD)28 ist der Marktanteil der ETFs noch immer gering. ETFs haben folglich im Jahr 2018 einen Marktanteil von ca. 10 % erreicht. Einzig der weltweite Abschwung der Börsen in den USA, Europa und Asien sorgt im Jahr 2018 für einen leichten Rückgang des in ETFs verwalteten Vermögens.

23

Vgl. Borse et al. (2013), S. 5. Vgl. Niedermayer / Wagner (2012), S. 13. 25 Vgl. Ramaswamy (2011). 26 Vgl. Financial Stability Board (2011). 27 Vgl. International Monetary Fund (2011), S. 68 ff. 28 Vgl. Investment Company Institute (2019), S. 11. Abbildung 1.1. Die 46,7 Billionen USD teilen sich auf in 19,9 Billionen USD in Aktienfonds, 10,1 Billionen USD in Anleihefonds, 6,1 Billionen in Geldmarktfonds und 10,6 Billionen USD in sonstigen Fonds (z. B. Mischfonds oder Immobilienfonds). 24

87

3.1 Die Entwicklung des ETF-Marktes

7.000 6.181

6.000

Mrd. USD

5.000

4.690 4.683

4.000

3.423

3.000 2.283

2.000 1.000

0

417

580

807 716

1.313 1.355 1.041

2.674

2.898

1.771

2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019

Abbildung 3: Weltweit in ETFs verwaltetes Vermögen (Mrd. USD).29

Der Rückgang des ETF-Nettovermögens im Jahr 2018 wird durch mehrere Faktoren verursacht, die die globalen Aktien- und Devisenmärkte, insbesondere im vierten Quartal, belasteten.30 Dass exogene Faktoren das Wachstum des ETFMarktes im Jahr 2018 vorläufig gebremst haben, lässt jedoch darauf schließen, dass zukünftig das weltweit in ETFs verwaltete Vermögen wieder steigen könnte. Ein wichtiger Wachstumstreiber des ETF-Marktes sind Altersvorsorgeaufwendungen. Ausgaben für die Altersvorsorge nehmen in den meisten OECD Ländern in den zurückliegenden Dekaden zu. Hauptgrund hierfür ist der demografische Wandel, der dafür sorgt, dass auch zukünftig Aufwendungen für die Altersvorsorge ansteigen werden.31 Cremers et al. (2016) zeigen auf, dass Reformen und Gesetzesänderungen bezüglich der Pensions- und Rentenpläne eines Landes, die zu vermehrt privaten Vorsorgeaufwendungen führen, den Markt für Indexfonds und ETFs begünstigen, sodass in diesem steigende Nettozuflüsse und eine höhere Fondsdichte und damit stärkerer

29

Eigene Darstellung mit Daten aus Thomson Reuters; Lipper; Bloomberg; ETFGI. Vgl. Investment Company Institute (2019), S. 12. Dazu gehört die Aufwertung des USD gegenüber dem Euro und anderen Währungen. Durch die Aufwertung des USD gegenüber dem Euro, ist in Euro verwaltetes Vermögen in Statistiken, die in USD ausgegeben sind, weniger wert. Hinzu kommen vor allem die Angst vor einer starken Verlangsamung des Weltwirtschaftswachstums, zurückzuführen auf ein geringeres als zu erwartendes Wirtschaftswachstum in China und verschlechterte Handelsbeziehungen zwischen China und den USA. 31 Vgl. OECD (2017), S. 146. Zu beobachten ist außerdem, dass seit Anfang der 1990er-Jahre die private Altersvorsorge an Bedeutung zunimmt, häufig steuerlich begünstigt. 30

88

3. ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage  

Wettbewerb zu beobachten sind, was wiederum zu sinkenden durchschnittlichen Gesamtkostenquoten beiträgt.32 Die bisherige Erfolgsgeschichte der ETFs, getragen durch geringe Gesamt­ kostenquoten, Börsennotierung und Transparenz, könnte zukünftig dazu beisteuern, dass in Deutschland eine neue Aktienkultur entsteht und die bisherige „Aktienphobie“ zum Teil überwunden wird. Sowohl deutsche Privatanleger als auch institutionelle Anleger sind im internationalen Vergleich am Aktienmarkt stark unterinvestiert. Das erschwert nicht nur die Eigenkapitalbildung der heimischen Wirtschaft, da Börsengänge schwieriger werden, sondern senkt auch die Qualität der Anlageentscheidungen, da Investoren in ihren Möglichkeiten zum Vermögensaufbau eingeschränkt sind. Erschwerend kommt die ultraexpansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank hinzu. Die historische Niedrigzinsphase hält die Rendite festverzinslicher Anlagen vermutlich auch in naher Zukunft auf einem äußerst niedrigen Niveau. Das hat zur Folge, dass deutsche Sparer aus ihrer hervorragenden Ausgangs­ situation  – hohes Einkommen sowie eine hohe Sparquote  – im internationalen Vergleich zu wenig machen, solange die Aktienquote nicht gesteigert wird.33 ETFs könnten dabei helfen, die Skepsis von privaten Anlegern gegenüber Investitionen in den Aktienmarkt zu nehmen.

3.2 Geschäftsmodelle von Kapitalverwaltungsgesellschaften und Indexanbietern im Wandel Die zunehmende Beliebtheit passiver Anlagestrategien und die steigende Präsenz der ETFs an den internationalen Kapitalmärkten werfen weitere Forschungsfragen auf. Während im Jahre 1980 noch nahezu alle Investmentfonds aktiv gemanagt wurden,34 lag der Marktanteil von aktiv gemanagten Investmentfonds Ende 2016 bei nur noch 78 %. 22 % entfallen auf passiv gemanagte Fonds.35 Mit dem wachsenden ETF-Markt entstehen parallel neue, hybride Investmentstrukturen. Assetmanager verfolgen indexähnliche Strategien und Fondsmanager mischen ETF-Anteile in ihre eigentlich aktiv gemanagten Portfolios. Dieser Wandel in der Fondsindustrie übt enormen Druck auf Investmentfondsmanager aus. Sie müssen effizienter werden und allen voran Gebühren senken. Allein im Zeitraum von 1980

32

Vgl. Cremers et al. (2016), S. 552. Belastend ist bis heute außerdem, dass fast ein Fünftel der deutschen Bevölkerung Jahrzehntelang nicht die Möglichkeit hatte, Privatvermögen aufzubauen, sodass selbst über 25 Jahre nach der Wiedervereinigung Vermögenswerte in Ostdeutschland durchschnittlich nur halb so hoch sind wie in Westdeutschland (vgl. Brandmeir et al. [2017], S. 92). 34 Vgl. Stambaugh (2014), S. 1416. 35 Vgl. Ernst & Young (2017), S. 7. 33

3.2 Geschäftsmodelle im Wandel

89

bis 2012 sind die durchschnittlich von Investoren bezahlten Gebühren für Investmentfonds um mehr als die Hälfte gesunken.36 Der wachsende Markt für passive Anlageprodukte hat nicht nur Auswirkungen auf die Kapitalmärkte und das Anlegerverhalten, sondern beeinflusst auch die Geschäftsmodelle von Kapitalgesellschaften. ETF-Investoren und Kapitalsammelstellen nehmen durch große Stimmrechtsblöcke erheblichen Einfluss auf die Unternehmensführung. So haben beispielsweise die US-Vermögensverwalter BlackRock, Vanguard und State Street, die weltweit drei größten Anbieter von ETFs, in den letzten Jahren signifikante Anteile von tausenden Unternehmen angekauft. 2015 sind sie bereits gemeinsam bei 1662 börsennotierten US-Unternehmen größte Aktionäre mit durchschnittlich 17,6 % der gehaltenen Stimmrechte.37 Im Jahr 2016 hält BlackRock bei 375 börsennotierten US-Unternehmen mehr als 10 % der Stimmrechtsanteile. Dass große Kapitalverwaltungsgesellschaften durch ihre zum Teil komplexen Firmengeflechte selbst den Überblick -ob wissentlich oder unwissentlich – verlieren, zeigt ein Beispiel aus Deutschland. Die BaFin verordnet im Jahr 2015 ein Rekordbußgeld in Höhe von 3,25 Mio. Euro an BlackRock, da Mitteilungen über gehaltene Stimmrechtsanteile und Finanzinstrumente nicht korrekt oder verspätet abgegeben wurden und damit gegen Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes (§§ 21, 22, 25) verstoßen wurde.38 Generell üben BlackRock und andere (passive) Vermögensverwalter ihre Stimmrechte sehr managementfreundlich aus und sind hingegen eher geneigt über andere informelle Kanäle Einfluss auf die Unternehmen auszuüben.39 Fenn und Robinson (2009) zeigen, dass die großen ETF-Anbieter seltener gegen das Management bei Shareholder- und Management-Anträgen stimmen als kleinere Kapitalverwaltungsgesellschaften. Unzufriedenheit mit der Geschäftsführung wird hingegen eher durch Verweigerung der Stimmabgabe bei der Wiederwahl der amtierenden Geschäftsführung zum Ausdruck gebracht.40 Passiv gemanagte Aktienanteile können jedoch auch positive Effekte auf die Geschäftsmodelle von Unternehmen entfalten. Unternehmen, die einen relativ hohen Anteil passiver institutioneller Investoren dokumentieren, weisen häufiger unabhängig handelnde Geschäftsführungen auf, investieren weniger Mittel in die Abwehr einer Unternehmensübernahme und zeigen eine gerechtere Stimmrechtsverteilung durch einheitlichere Ausgabe von Aktiengattungen auf. Zudem korreliert das vornehmlich auf langfristige Zeiträume ausgerichtete Anlageziel passiver Investoren mit der Zunahme des langfristigen Geschäftserfolgs der Aktiengesellschaften.41 36

Vgl. Stambaugh (2014), S. 1417. Vgl. Fichtner / Heemskerk / Garcia-Bernardo (2017), S.  312. 38 Vgl. BaFin (2015). 39 Vgl. Fichtner / Heemskerk / Garcia-Bernardo (2017), S.  318. 40 Vgl. Fenn / Robinson (2009), S. 27. 41 Vgl. Appel / Gormley / Keim (2016), S.  140 f. 37

90

3. ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage  

Andererseits fehlt den passiven Assetmanagern ein wichtiges Druckmittel. Anders als aktive Manager können sie die Unternehmensanteile nicht beliebig am Markt verkaufen, wenn sie mit der Firmenpolitik unzufrieden sind und somit Druck auf die Unternehmensführung ausüben, da sie durch die passive Indexierung der Fonds zwangsläufig an die Aktienpakete gebunden sind.42 Doch nicht nur Kapitalsammelstellen tangiert die wachsende Bedeutung passiver Anlagestrategien. Anbietern häufig replizierter Indices wie beispielsweise MSCI, STOXX, FTSE Russel oder Standard & Poor’s eröffnen sich durch den ETFBoom neue Märkte. Während global an den Börsen kaum mehr als 50.000 Aktien gehandelt werden, können 2018 schon mehr als 3,7 Millionen Indices weltweit gezählt werden.43 Diese enorme Anzahl an Indices wirft die Frage auf, ob die überwiegende Mehrheit dieser tatsächlich notwendig ist. Problematisch wird es dann, wenn Investoren darauf vertrauen, dass beispielsweise der von einem ETF replizierte Index eine Art Gütesiegel für das Investmentprodukt ist. Es gibt jedoch keine einheitlichen Standards für Indices. Selbst wenn sie denselben Markt replizieren, können sie sich deutlich voneinander unterscheiden.44 Aufgrund verschiedener und zum Teil äußerst komplexer Berechnungsmethoden45 der Index-Anbieter, wird im Folgenden darauf verzichtet dieses Forschungsgebiet weiter zu thematisieren. Auf dieses äußerst umfangreiche Themengebiet kann aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Forschungsarbeit an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden.46 Indices erfüllen mehrere Zwecke. Sie dienen als Benchmark zur Messung der Markt- und Anlegerstimmung und sind damit wichtige Werkzeuge im Research und der Asset-Allokation sowie Vergleichsmaßstäbe in der Performancemessung von Investmentfonds. Gleichzeitig sind Sie jedoch auch Basis für viele Investment­ vehikel.47 Die großen Finanzdienstleister wie MSCI Inc., FTSE Russell oder Stan 42

Vgl. Fichtner / Heemskerk / Garcia-Bernardo (2017), S. 307. Ihnen bleibt lediglich die Möglichkeit, Aktien für Leerverkäufe zu verleihen und somit temporär aus dem Unternehmen auszusteigen. 43 Vgl. Zdrzalek (2019), S. 98. Z. B. berechnet allein die Deutsche Börse mehr als 3000 Indices, die das Kürzel DAX im Namen tragen. 44 Vgl. Wiesner (2008), S. 55. 45 Dabei ist nicht die Berechnungsmethodik des Index, beispielsweise nach Laspeyre oder Paasche entscheidend, sondern die indexindividuelle Methode zur Auswahl der im Index enthaltenen Wertpapiere. Während es noch simpel nachzuvollziehen ist, welche Wertpapiere in Standardindices wie den S & P 500 einfließen, wird es bei Indices die beispielsweise als Underlying für Smart Beta ETFs dienen äußerst komplex. Risikofaktoren wie beispielsweise Value- oder Growth-Effekte werden je nach Indexanbieter unterschiedlich bewertet, sodass sich die Methodik zur Berechnung der Indices zwischen den Anbietern stark unterscheidet. 46 Für Details zur Indexberechnung sei an dieser Stelle z. B. auf die Dissertation über Aktienindices im Portfoliomanagement von Schmitz-Esser (2001) oder Wiesner (2008). 47 Vgl. Schoenfeld (2004a), S. 59.

3.3 Die Funktionsweise von ETFs  

91

dard & Poor’s haben das wachsende Marktsegment der ETFs längst erkannt und bedienen weltweit die große Nachfrage nach traditionellen und exotischen Indices, die als Underlyings passiver Investmentprodukte dienen. Häufig mangelt es bei vielen Anbietern an Transparenz im Regelwerk. Sie geben Dritten nur eingeschränkt Einblick in ihre Methodik zur Bildung von Indices. Dabei haben Sie heutzutage eine nicht zu unterschätzende Dominanz und Macht an den internationalen Kapitalmärkten gewonnen. Indexanbieter entscheiden über wirtschaftliche und politische Schicksale und Entwicklungen von Unternehmen sowie Ländern, indem Sie durch ihre Indexierungsmethodik indirekt Geldströme quer durch die internationalen Finanzmärkte lenken. Sollte beispielsweise MSCI Inc. ein Schwellenland aus dem MSCI Emerging Markets Index streichen, könnten binnen weniger Tage Milliarden aus dem betroffenen Land desinvestiert werden, einhergehend mit umfangreichen Folgen für Finanzmarkt und Wirtschaft des Landes. Mit dem Delisting oder der Aufnahme eines Landes können Indexanbieter Geldströme von Investoren in Billionenhöhe beeinflussen.48 Daraus können erhebliche volkswirtschaftliche Schäden resultieren. Und dennoch werden Indices und ihre Anbieter selten hinterfragt. Dabei wächst mit zunehmender Nachfrage nach passiven Anlageprodukten auch die Macht der Indexanbieter weiter. Aufsichtsbehörden sollten in Zukunft verstärkt die Regulierung dieser Indexanbieter im Blick behalten, bevor deren Marktmacht Grenzen überschreitet, die nur noch schwer zu regulieren sind.

3.3 Die Funktionsweise von ETFs  Bisher wurde in diesem Kapitel die zeitgeschichtliche Entwicklung des ETFMarktes abgehandelt und die Marktmacht der ETF- und Index-Anbieter thematisiert. Bevor jedoch die immanenten Risiken von ETFs diskutiert werden können, werden in den Folgekapiteln ETFs von klassischen offenen Investmentfonds abgegrenzt und die Funktionsweise von ETFs erläutert. ETFs sind Anlagevehikel, die im Gegensatz zu klassischen, offenen Investmentfonds auf Innertagesbasis an Wertpapiermärkten gehandelt werden können. Während in Europa ETFs in der Regel als UCITS reguliert sind, sind am amerikanischen ETF-Markt neben den „open-end investment companies“ auch als „Unit Investment Trust“ (UIT) klassifizierte ETFs vertreten.49 Die überwiegende Mehrheit der ETFs in den USA ist damit unter dem Investment Company Act von 48

Vgl. Zdrzalek (2019), S. 98. Vgl. Ben-David / Franzoni / Moussawi (2017), S. 171. Einer der Hauptunterschiede zu UCITS ETFs besteht darin, dass UITs keine Wertpapierleihgeschäfte betreiben können. Zu den UITs ETFs gehört u. a. auch der SPY ETF von State Street aufgelegt auf den S&P 500. Dieser wird als meist gehandeltes Wertpapier der Welt angesehen, mit einem durchschnitt­ lichen Tagesvolumen von mehr als 115 Millionen Anteilen pro Tag im Jahr 2017.

49

92

3. ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage  

1940 registriert und von der SEC reguliert.50 Damit unterliegen ETFs in Europa und den USA den gleichen aufsichtsrechtlichen Anforderungen wie traditionelle Investmentfonds. Zwei Ausprägungen von ETFs dominieren den Markt, die sich in ihrer Replikationsmethodik unterscheiden: Physische ETFs, die Indices exakt oder repräsentativ replizieren und synthetische ETFs, die die Indexperformance durch derivative Geschäfte abbilden. Konstruktionsunterschiede und ebenso damit einhergehende unterschiedliche Risiken, beispielsweise durch Wertpapierleihgeschäfte und den Einsatz derivativer Finanzinstrumente, werden in den Folgekapiteln neben der Funktionsweise ebenso beleuchtet.

3.3.1 Creation / Redemption-Prozess, ETF-Handel und Preisbildung Der ETF-Markt ist unterteilt in einen Primär- und Sekundärmarkt (vgl. Abbildung 4). ETF-Anbieter und Investoren stehen in der Regel nicht im direkten Handel miteinander. Als Bindeglied zwischen Primär- und Sekundärmarkt treten sogenannte Autorisierte Teilnehmer (Authorised Participants: APs) auf. In der Regel sind dies große Finanzinstitute oder spezialisierte Market Maker.51 Neben den Authorised Participants, die als Vermittler zwischen Primär- und Sekundärmarkt fungieren, gibt es Market Maker, die je nach Arbitragemöglichkeiten regelmäßig Angebote zum Kauf oder Verkauf von ETF-Anteilen abgeben und so zur Erhöhung der Liquidität auf dem Sekundärmarkt beitragen. Während alle APs Market Maker sind, sind nicht alle Market Maker notwendigerweise APs, da nicht alle Zugang zum Primärmarkt haben.52 Aus regulatorischer Sicht ist zudem wichtig, dass Authorised Participants in der Regel große Finanzdienstleister oder Investmentbanken sind (z. B. JP Morgan oder Goldman Sachs), die als Systematically Important Financial Institutions (­SIFIs) eingestuft sind.53 Authorised Participants sind dazu autorisiert, direkt mit dem ETF-Anbieter auf dem Primärmarkt zu handeln. Für die exklusiven Rechte ETF-Anteile zu kreieren, müssen Authorised Participants an die ETF-Provider Gebühren bezahlen, die durchschnittlich über 1000 USD pro Creation Unit betragen.54 Wertpapiere werden gegen ETF-Anteile getauscht. Diese Interaktion findet in unregelmäßigen Zeitabständen statt und ist bedingt durch den Handel auf dem Sekundärmarkt.

50

Vgl. Antoniewicz / Heinrichs (2014), S. 1. Vgl. Deutsche Bundesbank (2018a), S. 86. 52 Vgl. Autorité des Marchés Financiers (2017), S. 28. 53 Vgl. Madhavan (2016), S. 209. 54 Vgl. Ben-David / Franzoni / Moussawi (2017), S.  174. 51

3.3 Die Funktionsweise von ETFs   ETF-Anleger (Käufer) KaufOrder (Cash)

Creation-Prozess Wertpapierkörbe ETF

ETF-Anteile Liquidität

Börse Frankfurt

VerkaufOrder (ETF)

93

Cash

Designated Sponsors (Market Maker)

Kapitalanlagegesellschaft (ETF-Anbieter)

ETF-Anteile Wertpapierkörbe

ETF-Anleger (Verkäufer)

Redemption-Prozess

Sekundärmarkt

Primärmarkt

Abbildung 4: Creation / Redemption-Prozess am Beispiel der Börse Frankfurt.55

Im Durchschnitt macht der tägliche, aggregierte Creation / Redemption-Prozess weniger als 0,5 % des gesamten Nettovermögens der ETFs aus und damit nur einen Bruchteil (10 %) der gesamten Primär- und Sekundärmarktaktivitäten.56 Ben-David, Franzoni und Moussawi (2017) geben an, dass mehr als 70 % der in den USA gehandelten ETFs in Blöcken (Creation Units) zu 50.000 Stück ausgegeben werden, wobei dies auch zu 100.000 oder mehr Anteilen erfolgen kann.57 Petajisto (2017) weist für den US-Markt nach, dass Ausgabe und Rücknahme von ETF-Anteilen durchschnittlich nur an 13 % der Handelstage erfolgt. Dabei wechseln im Durchschnitt 257.000 Anteile im Wert von 11,2 Millionen USD den Besitzer.58 Die Zahlen verdeutlichen, dass das Ausnutzen von Arbitragemöglichkeiten für Authorised Participants ein erhebliches Zeitrisiko beinhaltet, da Sie für die meisten ETFs einige Tage zur Akkumulierung aller für den Creation / Redemption-Prozess benötigten Wertpapiere brauchen könnten. Folglich werden nicht jegliche (minimale) Preisunterschiede unverzüglich ausgeglichen. Deshalb liegt nahe, dass sich der Nettoinventarwert (Net Asset Value: NAV) und der Börsenwert eines ETFs häufig im Ungleichgewicht befinden. Ein Grund dafür, dass vor allem institutionelle Investoren den direkten Weg über Banken und Broker wählen und dem Börsenhandel ausweichen, um Preisbeeinflussungen zu vermeiden und Spreads niedrig 55

Borse et al. (2013), S. 76. Vgl. Antoniewicz / Heinrichs (2014), S. 2. 57 Vgl. Ben-David / Franzoni / Moussawi (2017), S.  173. 58 Vgl. Petajisto (2017), S. 31. Im Zeitraum von Januar 2007 bis Dezember 2014 in den USA. Allerdings liegt der Median aller ETFs bei lediglich 6 % bzw. 100.000 Anteilen und 3,4 Millionen USD. Das zeigt, dass vor allem kleine ETFs, bei denen wenige Aktivitäten zu verzeichnen sind, das Gesamtbild verzerren. 56

94

3. ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage  

zu halten.59 Anders als der Name Exchange Traded Fund vermuten lässt, findet nämlich ein Großteil des Handels Over-The-Counter (OTC) statt. Authorised Participants helfen, durch den Kauf günstiger und Verkauf teurer Wertpapiere, Preisunterschiede auf Wertpapiermärkten zu eliminieren und Preisdiskrepanzen auf ein kleines Level zu begrenzen. Weichen ETF-Preise stark von ihrem Nettoinventarwert ab, besteht potentiell die Gefahr, dass ein schleichender Vermögenstransfer von weniger versierten Privatinvestoren zu professionellen institutionellen Investoren stattfindet, die solche Kursdifferenzen ausnutzen können.60 Marktaktivitäten von Authorised Participants üben Abwärtsdruck auf teure und Aufwärtsdruck auf günstige Wertpapiere aus: Vereinfacht gesagt kauft der AP die im abgebildeten Index enthaltenen Wertpapiere und tauscht diese gegen neue ETFAnteile, wenn der Kurs des ETFs über seinem (NAV) liegt. Liegt der ETF-Kurs unter dem Nettoinventarwert erwirbt der AP ETF-Anteile und löst diese gegen die zugrunde liegenden Wertpapiere ein. Am Sekundärmarkt verkaufen Authorised Participants dann entweder die erhaltenen Wertpapiere oder die neu ausgegebenen ETF-Anteile.61 Abbildung 5 stellt die Rolle der Authorised Participants in vereinfachter Form grafisch dar. Authorised Participants nehmen auch bei der Bewertung möglicher Liquiditätsrisiken eine wichtige Rolle ein. Dies wird in Kapitel 5.1 diskutiert. Anteile halten Creation Unit (z. B. 100.000 ETF-Anteile)

Anteile OTC verkaufen

AP

ETF-Anbieter Creation Basket

Anteile über Börse handeln

Investoren

Abbildung 5: Die Rolle der Authorized Participants.62

59

Vgl. Borse et al. (2013), S. 77. Vgl. Petajisto (2017), S. 50. 61 Vgl. Ben-David / Franzoni / Moussawi (2017), S.  173. 62 Eigene Darstellung in Anlehnung an Antoniewicz / Heinrichs (2014), S. 7. 60

3.3 Die Funktionsweise von ETFs  

95

Es ist zu beobachten, dass die Börsenkurse der ETFs um ihren Nettoinventarwert fluktuieren. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % werden ETFs im Bereich von ±0,96 % um ihren NAV gehandelt.63 ETFs, die illiquide Märkte abbilden, können durchaus auch höhere Schwankungen aufweisen. Verglichen mit den sonst sehr niedrigen ETF-Gebühren, können diese Schwankungen um den Nettoinventarwert einen erheblichen Kostenfaktor beim ETF-Erwerb darstellen, den insbesondere private Investoren schnell übersehen oder überhaupt nicht berücksichtigen. Dennoch ist eines der vielleicht wichtigsten Produktmerkmale von ETFs die hohe Kosteneffizienz. Während für aktive Mandate, wie z. B. bei klassischen offenen Investmentfonds, größtenteils eminente Gebühren bezahlt werden müssen, fallen diese bei ihren passiven Pendants wesentlich geringer aus. Wie bei traditionellen Investmentfonds fallen auch bei ETFs sowohl explizite als auch implizite Kosten an. Explizite Kosten, wie beispielsweise Fondsgebühren und Handelskosten, werden den Investoren ausdrücklich in Rechnung gestellt, während sich implizite Kosten, wie beispielsweise Spreads und Timingkosten, schwerer beziffern lassen.64 Während für traditionelle Investmentfonds in der Regel ein Ausgabe- und Rücknahmeaufschlag anfällt, der bis zu 5 % betragen kann, fallen diese Kosten bei börsengehandelten ETFs weg.65 Kosteneffizientes Investieren sollte seitens der Investoren durch die im Niedrigzinsumfeld zu erwartenden Renditedefizite (zumindest im festverzinslichen Bereich) zunehmend an Bedeutung gewonnen haben, da der Anteil der Kosten an der zu erwartenden Bruttorendite in solchen Anlageklassen prozentual wesentlich höher ins Gewicht fällt.66 Die Gesamtkostenquote (Total Expense Ratio: TER) für ETFs liegt in der Regel zwischen 0,1 und 0,5 Prozent. Für sehr liquide und beliebte Indices kann die TER jedoch auch unter 0,1 % im Jahr betragen. 2018 lagen die durchschnittlichen TERs für Large Cap UCITS-ETF bei 0,26 %. Im Vergleich dazu betrugen die durchschnittlichen TERs für aktiv gemanagten Large Cap UCITS-Investmentfonds 2018 0,82 %.67 Wiederum kann für Small Caps oder illiquide Märkte die TER von ETFs auch über den hier genannten 0,5 % liegen.68 Höhere Gebühren für illiquidere Märkte treffen auch für aktiv gemanagte Fonds zu. Die Ergebnisse der empirischen Analyse in Kapitel 4 für deutsche Aktien-ETFs decken sich mit den an dieser Stelle genannten durchschnittlichen TERs. TERs stellen eine entscheidende Größe für Investoren in der Auswahl eines ETFs dar. Clifford, Fulkerson und Jordan (2014) zeigen, dass Nettomittelzuflüsse in ETFs mit 63

Vgl. Petajisto (2017), S. 33. Im Zeitraum von Januar 2007 bis Dezember 2014 in den USA. Vgl. Wiesner (2008), S. 161 f. 65 Vgl. Borse et al. (2013), S. 7. 66 Vgl. Deutsche Bundesbank (2018a), S. 92. 67 Vgl. Berthon / Konqui (2019), S. 21. 68 Vgl. Borse et al. (2013), S. 8. 64

96

3. ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage  

steigenden TERs abnehmen.69 Das spiegelt das rationale Verhalten von Marktteilnehmern wider. Denn die empirische Analyse über den deutschen ETF-Markt in Kapitel 4.6 zeigt, dass eine hohe TER der hauptsächliche Faktor für eine schwache Tracking Differenz zum Index darstellt. Neben der TER haben jedoch noch andere Faktoren Auswirkungen auf die Gesamtkostenbelastung bei ETF-Investments. Entscheidend ist beispielsweise auch der Spread bei Kauf und Verkauf von ETF-Anteilen. Der gleichgewichtete durchschnittliche Spread bei ETFs beträgt 39 Basispunkte70 (bps). Hingegen beträgt der durchschnittliche nach Marktwert gewichtete Spread bei ETFs lediglich 5 bps, also 0,05 %.71 So kann es auch bei sehr liquiden ETFs vorkommen, dass der Spread sogar bei unter 4 bps liegt.72 ETF-Investoren ähneln im Verhalten den Investoren traditioneller Investmentfonds. Nettomittelzuflüsse in ETFs sinken mit zunehmender ETF-Größe. Noch entscheidender ist jedoch die Performance der ETFs. Wie bei klassischen Investmentfonds entscheiden sich Investoren für ETFs, die in der Vergangenheit die beste Performance aufweisen konnten.73 Henderson und Buetow (2014) bestätigen diese Ergebnisse. Sie analysieren den Einfluss des Creation / Redemption-Prozesses auf die Wertentwicklung der ETFs, finden jedoch keinen Beweis dafür, dass fondsbasierte Mittelzuflüsse Renditen vorhersagen können. Hingegen verfolgen Investoren mit ihren Mittelzuflüssen jedoch sehr wohl historische Renditen.74 Dieses Verhalten der Investoren ist insofern verwunderlich, da ETFs passiv verwaltet werden und die Qualität des Fondsmanagers zur Erzielung von Überrenditen zum Markt irrelevant sein sollte. Die Jagd nach Rendite kann folglich nicht die Suche nach qualifizierten Assetmanagern widerspiegeln.75 Sehr wohl ausschlaggebend für die Wahl eines ETFs sind jedoch Tracking Error und Tracking Differenz, die im Folgekapitel analysiert werden.

3.3.2 Tracking Error und Tracking Differenz Zu den sowohl wichtigsten produktspezifischen Indikatoren, um die Güte passiven Managements von ETFs zu messen, zählen der Tracking Error (TE) und die Tracking Differenz (TD).76 Für den Tracking Error tauchen in der Literatur immer 69

Vgl. Clifford / Fulkerson / Jordan (2014), S.  641. Der Begriff Basispunkt ist ein gebräuchliches Maß in der Finanzwelt, um die prozentuale Veränderung eines Finanzinstruments anzugeben. Die Beziehung zwischen der prozentualen Veränderung und einem Basispunkt ist wie folgt definiert: Ein Basispunkt = 0,01 %. Folglich entspricht 1 % Veränderung = 100 Basispunkten. 71 Vgl. Petajisto (2017), S. 37. Im Zeitraum von Januar 2007 bis Dezember 2014 in den USA. 72 Vgl. Borse et al. (2013), S. 8. Für ETFs die an der Frankfurter Börse gehandelt werden. 73 Vgl. Clifford / Fulkerson / Jordan (2014), S.  641. 74 Vgl. Henderson / Buetow (2014), S. 111. 75 Vgl. Clifford / Fulkerson / Jordan (2014), S.  361. 76 Auf weitere produktspezifische Indikatoren, die Nischenprodukte betreffen, wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen. Zu erwähnen sind hier insbesondere komplexe Probleme der Renditeerzielung bei inversen und gehebelten ETFs aufgrund ihrer Pfadabhängigkeit. 70

3.3 Die Funktionsweise von ETFs  

97

wieder unterschiedliche Definitionen auf. Einige verwenden bisweilen den Begriff TE, um auf die absolute Differenz der Performance zwischen ETF und Benchmark in einem bestimmten Zeitraum zu verweisen. Demgemäß wird die Wertentwicklung des ETFs von der Wertentwicklung des Vergleichsindex subtrahiert, wobei die Differenz den Tracking Error ergibt. Diese Definition ist mit Problemen behaftet und deshalb weniger verbreitet.77 Genau jene beschriebene Differenz ist in der Regel als Tracking Differenz definiert. In dieser Forschungsarbeit bezeichnet im Folgenden die Tracking Differenz die absolute Differenz der Performance zwischen ETF (Rfunds NAV,t) und Vergleichsindex (Rindex,t) im Zeitraum t:78 TD = Rfunds NAV,t − Rindex,t

(3.1)

Die Tracking Differenz kann sowohl ein positives als auch negatives Vorzeichen aufweisen und zeigt an, in welchem Ausmaß ein ETF den Benchmarkindex im Zeitraum t über- oder unterschritten hat. Sie wird als Nettoinventarwertrendite des ETFs abzüglich Benchmark-Rendite berechnet. Da die NAV-Gesamtrendite eines Fonds die Fondsausgaben beinhaltet, ist die Tracking Differenz für Indexfonds und ETFs in der Regel negativ.79 Tatsächlich besteht ein Zusammenhang zwischen der Gesamtkostenquote (TER) und der Tracking Differenz eines ETFs. Johnson et al. (2013) weisen in ihrer 65 ETFs umfassenden Studie sowohl eine positive Korrelation nach (71 %) als auch einen Determinationskoeffizienten R² in Höhe von 0,505, sodass über 50 % der ETF Tracking Differenz von der TER erklärt sein könnte.80 Die in Kapitel  4.6 folgende Analyse des deutschen Aktien-ETF-Marktes bestätigt das Ergebnis von Johnson et al. (2013). Positive TDs entstehen beispielsweise durch ungenaue Replikation bei physisch optimierten ETFs, können aber auch bei physisch vollständig replizierenden ETFs auftreten, wenn die Fondseinnahmen z. B. durch Wertpapierleihgeschäfte die Fondsausgaben übersteigen. Aber auch Dividendenausschüttungen stellen eine Herausforderung für die Indexreplikation dar. Performanceindices berechnen die Dividendenzahlung in der Regel am ex-Tag in die Indexperformance ein. Dividenden werden jedoch erst mit Verzug mehrerer Tage oder Wochen ausgezahlt. Besonders in steigenden Märkten führt dies zu Performancenachteilen gegenüber dem Index was durchschnittlich zu einem Tracking Error (TE) von 0,08 % führt.81

77

Vgl. Johnson et al. (2013), S. 5. Vgl. Johnson et al. (2013), S. 29. 79 Vgl. Vanguard (2014), S. 1. 80 Vgl. Johnson et al. (2013), S. 20. Johnson et al. (2013) zeigen zudem für ETFs für europäische Indices auf, dass positive TDs häufig um den Monat Mai herum auftreten aufgrund von Dividenden- und Steueroptimierungsstrategien. Vgl. Johnson et al. (2013), S. 16. 81 Vgl. Heidorn / Winker / Löw (2010), S.  18. 78

98

3. ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage  

Der zuvor bereits angesprochene Tracking Error ist das traditionelle Maß zur Bestimmung aktiver Management Handlungen. Der Tracking Error gibt die Volatilität der Differenz aus Portfoliorendite und Benchmark-Rendite wieder:82 TE = Stdev(Rfund,t − Rindex,t)

(3.2)

Während für aktive Assetmanager ein hoher Tracking Error durchaus als Gütesiegel gesehen werden kann,83 sollte es folglich das Ziel von ETFs sein, den Tracking Error und damit die Volatilität der Differenz des ETFs zum Vergleichsindex möglichst gering zu halten. Je geringer der TE, desto besser bildet der ETF den Referenzindex ab. Der Tracking Error eines ETFs wird durch zahlreiche Faktoren beeinflusst. Dazu zählen unter anderem Rebalancing-Kosten bei physisch replizierenden ETFs, Geldbestände, die gehalten werden müssen, Dividenden, die nicht unmittelbar ausgezahlt oder wiederangelegt werden, Steuern, Wertpapierleihgeschäfte, IndexOptimierungen sowie operationelle Risiken.84 Osterhoff und Kaserer (2016) stellen für DAX ETFs fest, dass der tägliche Tracking Error zusätzlich von der Liquidität der Aktien im zugrunde liegenden Portfolio sowie vom Creation / Redemption-Prozess abhängt. Mittelzuflüsse und -abflüsse z. B. in Form von Dividenden sind die Faktoren, die den größten Einfluss auf den Tracking Error für ETFs im DAX-Universum haben.85 Jene Faktoren beeinflussen die Fondsperformance und damit natürlich nicht nur den Tracking Error sondern auch die TD. Meinhardt und Müller (2012) weisen für den deutschen Wertpapiermarkt nach, dass die dort gelisteten ETFs im Zeitraum von 2010 bis 2011 durchaus hohe TEWerte aufweisen. Aktien-ETFs schneiden schlechter ab als Renten-ETFs. Insbesondere das Handelsvolumen, die Managementgebühren sowie die Volatilität der Fondsrendite haben signifikanten Einfluss auf den TE.86 Da das Handelsvolumen in den vergangen Jahren stetig zugenommen hat und aufgrund des ausgeprägten Konkurrenzkampfes unter den ETF-Anbietern die Gebühren stetig abnehmen, sollte sich dies positiv auf den Tracking Error von ETFs auswirken. Johnson et al. (2013) untersuchen Tracking Error von europäischen ETFs und kommen zu dem Ergebnis, dass physische ETFs für Indices bestehend aus wenigen Unternehmen (z. B. DAX) und / oder hoher Liquidität der Wertpapiere (z. B. S&P 500) wesentlich niedrigere Tracking Error aufweisen als physische ETF für 82

Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3330. Ein hoher Tracking Error spricht nicht zwangsläufig für erfolgreiches aktives Management, deutet aber auf ein aktives, auf bestimmte Sektoren oder Risikofaktoren ausgerichtetes Stock Picking hin. Vgl. hierzu auch die Closet-Indexing-Problematik und empirische Analyse des deutschen Aktienmarktes in Kapitel 4. 84 Vgl. Johnson et al. (2013), S. 5 ff. 85 Vgl. Osterhoff / Kaserer (2016), S. 417 ff. 86 Vgl. Meinhardt / Müller (2012), S. 21. 83

3.3 Die Funktionsweise von ETFs  

99

Indices mit vielen, teils illiquiden Einzeltiteln (z. B. Emerging Markets Indices).87 Einzelne Indizes wie DAX und EURO STOXX 50 werden von ETFs sehr gut repliziert, während weniger nachgefragte Spezial-Indices wie beispielsweise STOXX Europe 600 Media und STOXX Europe 600 Oil & Gas durch Indexzertifikate besser abgebildet werden können.88 Ein signifikanter Unterschied in der Qualität des Trackings bezüglich der Tracking Differenz zwischen synthetischen und physischen ETFs lässt sich jedoch nicht feststellen. Hinzu kommt, dass die Verknüpfung von Tracking Error und Tracking Differenz mit einem Korrelationskoeffizienten von 0,55 zwar allgemein vorhanden, aber nicht besonders stark ausgeprägt ist.89 Grundsätzlich ist der Tracking Error häufig höher als die TD.90 Meinhardt (2015) findet dafür jedoch keine statistische Signifikanz. Das bestätigt auch die in Kapitel 4.6 folgende empirische Analyse des deutschen ETF-Marktes. Tracking Error ist jedoch nicht nur bei Aktien-ETFs zu beobachten. Auch andere Asset Klassen wie beispielsweise Bond-ETFs weisen statistisch signifikante, performancerelevante Tracking Error auf.91 Der Tracking Error aber vor allem auch die Tracking Differenz sind zwei wichtige Bewertungsindikatoren für passives Fondsmanagement. Die beiden Kennzahlen helfen Investoren bei der Auswahl zu investierender ETFs. Andere Finanzkennziffern und Faktoren, die die Handelskosten beeinflussen, wie z. B. Bid-Ask-Spreads, ETF- und Indexkonstruktion, Steuereffekte sowie weitere Risiken wie z. B. das Kontrahentenrisiko sollten ebenfalls in die Gesamtbewertung einfließen.92 Drenovak, Urošević und Jelic (2014) heben hervor, dass Fonds nur sehr wenige Details über TE- Ziele und -Methoden in ihren Prospekten festhalten. Bei der Offenlegung scheinen die selbstgesteckten Ziele der ETFs eher großzügig zu sein.93 Der Tracking Error spielt jedoch auch im aktiven Management eine wichtige Rolle. Primäres Ziel aktiver Assetmanager ist es, die Benchmark-Rendite durch aktives Handeln zu übertreffen. Gleichzeitig ist jedoch häufig zu beobachten, dass aktive Fonds einen niedrigen Tracking Error aufweisen, da Fondsmanager versuchen das Risiko, wesentlich schlechter als der Vergleichsindex abzuschneiden, zu minimieren.94 Deshalb fließt der Tracking Error als wichtige Variable auch in die noch folgende Analyse des Fondsmanagements aktiver Investmentfonds hinsichtlich Closet-Indexing-Anlagestrategien ein (vgl. Kapitel 4.7).

87

Vgl. Johnson et al. (2013), S. 13. Vgl. Meinhardt (2015), S. 33. 89 Vgl. Johnson et al. (2013), S. 20. 90 Vgl. Meinhardt (2015), S. 24. 91 Vgl. Drenovak / Urošević / Jelic (2014), S.  992. 92 Vgl. Johnson et al. (2013), S. 3. 93 Vgl. Drenovak / Urošević / Jelic (2014), S.  966 f. 94 Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3334. 88

100

3. ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage  

3.4 Physische vs. synthetische Replikation: Methoden des Indextrackings Bei der Methodik des Indextrackings von ETFs wird grundsätzlich in zwei Kategorien unterschieden: Der physischen und der synthetischen Replikation (s. u.). Die physische Nachbildung von Indices kann einerseits vollständig, andererseits optimiert erfolgen. Durch Optimierung eines Index enthält der ETF nur einen ausgewählten Warenkorb der im abzubildenden Index beinhalteten Wertpapiere. In Europa lassen sich für die letzten zehn Jahre zwei Trends herausfiltern. Zunächst wurden physische Replikationsmethoden zu Beginn der 2010er-Jahre mehr und mehr von synthetischen Varianten (Swap-Konstruktionen, s. u.) abgelöst. So waren laut einer Vanguard-Studie von Dickson, Mance und Rowley Jr. (2013) im Jahr 2013 68,9 % der ETFs in Europa synthetisch konstruiert. Im Kontrast dazu waren in den USA im Jahr 2013 83,1 % der ETFs physisch repliziert. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass physische ETFs von Investoren häufig auch damals bevorzugt wurden, was sich im Nettovermögenswert der ETFs widerspiegelt. Trotz der absolut geringeren Anzahl an physischen ETF-Konstruktionen, betrug schon damals der prozentuale Vermögenswert der physischen ETFs in Europa 65 % im Vergleich zu den synthetischen Varianten (35 %). In Nordamerika ließen sich sogar 97,1 % der ETF-Buchwerte in physischen Konstruktionen nachweisen.95 Der hohe physische Anteil am US-Markt hängt wesentlich mit strikteren regulatorischen Anforderungen für synthetische ETFs zusammen. Der Investment Company Act von 1940 limitiert den Einsatz von derivativen Handelsstrategien.96 Die Bedeutung der synthetischen Replikationsform ist in Europa seit 2016 jedoch eindeutig rückläufig, sodass im Jahr 2018 sowohl in den USA als auch in Europa die physische Replikationsform in der Anzahl der ETFs als auch im Nettovermögenswert führend ist97. Das spiegelt auch die empirische Analyse des deutschen Aktienmarktes in Kapitel  4 wider. Synthetische ETFs sind für den deutschen Aktienmarkt nahezu bedeutungslos geworden. In den folgenden Kapiteln werden die unterschiedlichen Replikationsmethoden und deren Chancen und Risiken der Vollständigkeit halber dennoch detaillierter beleuchtet.

3.4.1 Physische Replikation Bei der physisch vollständigen Replikation (Full Replication) investiert die ETF auflegende Fondsgesellschaft in alle im abzubildenden Index enthaltenen Wertpapiere, gewichtet nach der Gewichtungsmethodik des entsprechenden Index – in 95

Vgl. Dickson / Mance / Rowley Jr. (2013), S.  2. Vgl. Autorité des Marchés Financiers (2017), S. 29. 97 Vgl. Deutsche Bundesbank (2018a), S. 88. 96

3.4 Physische vs. synthetische Replikation 

101

der Regel die Marktkapitalisierung der Wertpapiere. Jene Art der Indexreplikation führt im Vergleich zu anderen Replikationstechniken häufig zu höheren Trans­ aktionskosten, da bei Änderung der Indexzusammensetzung und Gewichtung auch der Wertpapierkorb des abbildenden ETFs angepasst werden muss. Außerdem müssen ausgeschüttete Dividenden reinvestiert werden, wobei wiederum Trans­ aktionskosten und Verluste durch den Zeitabstand der Dividendenausschüttung und der Reinvestition dieser entstehen. Gelegentlich kann es sogar mehrere Wochen dauern, bis sich Dividendenzahlungen im ETF wiederfinden.98 Die oben genannten Punkte führen zu einer ungewollten negativen Performanceabweichung des ETFs vom Referenzindex. Insbesondere bei wenig liquiden Assets und großen Indices, die teilweise mehrere hundert Wertpapiere enthalten, stößt diese Replikations­ methodik schnell an ihre Grenzen.99 Lässt sich der DAX 30 enthaltenen Unternehmen noch einfach physisch exakt replizieren, ist es nahezu unmöglich den MSCI Emerging Markets Index mit seinen über 800 Unternehmen aus 23 Schwellenländern100 vollständig nachzubilden. Viele dieser Schwellenländer Wertpapiere sind illiquide und deren Spreads dementsprechend hoch. Auch die große Anzahl an Wertpapieren macht eine physisch vollständige Index-Nachbildung unter der Prämisse der Kostenoptimierung und damit einhergehender Optimierung des Tracking Error und der Tracking Differenz nahezu unmöglich. Hinzu kommen mögliche rechtliche und regulatorische Einschränkungen für den Besitz bestimmter Wertpapiere.101 Fondsgesellschaften greifen in solchen Fällen bei physischen ETFs auf eine sogenannte optimierte Indexreplikation zurück.102 Kurzgefasst setzt sich das typische Kontrahentenrisikoprofil eines physischen ETFs aus folgenden Einzelrisiken zusammen:103 1. Aus dem mit Investitionen verbundenen Risiken (Emittentenrisiken). 2. Aus den Kontrahentenrisiken durch Portfoliohedgingstrategien und ähnlichen Maßnahmen zur Portfoliooptimierung. 3. Aus den ertragsteigernden Wertpapierleihgeschäften. 4. Aus zusätzlichen Kontrahentenrisiken durch Geschäftsverbindungen von den in den Punkten 1.–3. genannten Kontrahenten mit Authorised Participants (APs)104.

98

Vgl. Heidorn / Winker / Löw (2010), S.  18. Vgl. Drewer (2010), S. 43. 100 Vgl. MSCI Inc., September 2016. 101 Vgl. Johnson et al. (2013), S. 13. 102 Vgl. Autorité des Marchés Financiers (2017), S. 27. 103 Vgl. Central Bank of Ireland (2017), S. 42. 104 Eine detaillierte Analyse der Rolle der Authorised Participants folgt im Verlauf dieser Forschungsarbeit. Punkt 3, die Wertpapierleihgeschäfte, werden im Folgekapitel detaillierter analysiert. 99

102

3. ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage  

3.4.2 Chancen und Risiken der Wertpapierleihe Anbieter physischer ETFs leihen teilweise die im ETF enthaltenen Wertpapiere vorübergehend an Dritte. Diese nutzen die Wertpapiere z. B. für Leerverkäufe.105 Diese Wertpapierleihgeschäfte führen zu einem zusätzlichen Kontrahentenrisiko für die ETF-Investoren. Hinzu kommen weitere derivative Transaktionen durch Währungsabsicherungen und andere Wertpapierinvestments.106 Kontrahentenrisiko ist in der UCITS-Richtlinie definiert als „das Verlustrisiko für den [ETF], das aus der Tatsache resultiert, dass die Gegenpartei eines Geschäfts vor der Schlussabrechnung des mit dem Geschäft verbundenen Cashflows ihren Verpflichtungen möglicherweise nicht nachkommen kann.“107 Laut Hurlin et al. (2015) verleihen europäische Fondsgesellschaften täglich im Durchschnitt 7,5 % ihrer Assets under Management (AUM). Bei StaatsanleihenETFs spielt die Wertpapierleihe im Durchschnitt eine noch größere Rolle (17,2 % der AUM).108 Madhavan (2016) bestätigt jene Größenordnung für den US-Markt. Weniger als 10 % der in ETFs enthaltenen Wertpapiere werden verliehen. Zudem ist die Maximalgrenze je ETF auf 50 % gesetzlich festgelegt.109 Um das Verlustrisiko zu reduzieren, muss die Gegenpartei beim ETF-Anbieter Sicherheiten hinterlegen. Es kann z. B. zu Verlusten kommen, wenn der Nettovermögenswert des ETFs nicht mehr vollständig durch die hinterlegten Sicherheiten gedeckt ist und die Gegenpartei die ausgeliehenen Wertpapiere nicht rechtzeitig oder gar nicht zurückgeben kann. In diesem Fall kann die ETF-Gesellschaft nicht mehr der Forderung aller Investoren zur Tilgung des ETFs nachkommen. Um dieses Szenario zu vermeiden, liegt der Wert der hinterlegten Sicherheiten mit durchschnittlich 109,1 %.110 deutlich über dem Wert der verliehenen Wertpapiere. Auf der anderen Seite erwirtschaftet die Fondsgesellschaft durch die Wertpapierleihe zusätzliche Einkünfte, die bestenfalls sogar die anfallenden Gesamtkosten des Fonds übertreffen. Nach einer Studie von Blocher und Whaley generieren US-amerikanische ETFs pro Jahr durchschnittlich 23 bis 28 Basispunkte (bps) 105

Die Wertpapierleihe ist zunächst kein ungewöhnlicher Vorgang. Zahlreiche, insbesondere große Kapitalverwaltungsgesellschaften verleihen ihre gehaltenen Wertpapiere (z. B. Aktien) um zusätzliche Erträge zu erzielen. Das Leihgeschäft wird in der Regel über Service Provider wie beispielsweise Prime Broker ausgeführt. Diese Prime Broker dienen als Schnittstelle zu Drittparteien, die die Wertpapiere ausleihen. Das können z. B. Hedgefonds sein, die die geliehen Wertpapiere zur Deckung ihrer Leerverkaufsgeschäfte benötigen. Nach Ablauf der Leihfrist werden die geliehen Wertpapiere an die Verleiher (hier: ETFs) zurückgegeben einschließlich einer Kompensation. 106 Vgl. Central Bank of Ireland (2017), S. 41. 107 Europäische Union (2010a), S. 46. 108 Vgl. Hurlin et al. (2015), S. 11. Die Stichprobe umfasst 218 ETFs aller Asset Klassen (164 Synthetische von db X-trackers & 54 Physische von iShares). 109 Vgl. Madhavan (2016), S. 224. 110 Vgl. Hurlin et al. (2015), S. 6 f.

3.4 Physische vs. synthetische Replikation 

103

nur durch die Wertpapierleihe. Der Wert kann bestenfalls sogar 100 bps übersteigen. Demgegenüber steht eine Kostenquote von durchschnittlich 26 bps je ETF.111 Die Kapitalverwaltungsgesellschaft ist jedoch nicht wirtschaftlicher Eigentümer der Wertpapiere oder finanziellen Vermögenswerte des Fonds. Die wirtschaftlichen Eigentümer des Fonds und seines Portfolios sind die institutionellen oder privaten Anteilinhaber. Sie finanzieren die Wertpapierleihe und gehen zusätzliche Risiken ein und sollten deshalb auch dafür entgeltet werden, sodass Gewinne aus der Wertpapierleihe an die Investoren fließen.112 Alle Erträge aus effizienten Portfoliomanagement-Techniken, wie beispielsweise der Wertpapierleihe, sollten, abzüglich der direkten und indirekten opera­ tiven Kosten, an die Anteilshaber des ETF weitereicht werden. Dies ist in den ESMA „Guidelines for competent authorities and UCITS management com­panies“ in Artikel 29 festgehalten.113 Eine aktuelle Studie von Better Finance über die Wertpapierleihgeschäfte der zehn größten europäischen ETF-Anbieter, die zusammen 93 % des Marktes ausmachen (nach AUM) zeigt jedoch auf, dass dies von fast allen Anbietern ungenügend umgesetzt wird. Stattdessen fließen je nach Anbieter 5 % bis 49 % der durch Wertpapierleihe erzielten Bruttoumsätze nicht in den UCITS.114 Fragwürdig ist, weshalb die angefallenen Kosten je nach ETF-Anbieter so stark divergieren. Aus den Richtlinien der ESMA schlussfolgernd, dass Erträge aus Port­foliomanagement-Techniken dem UCITS zufließen müssen, besteht hier dringender Handlungsbedarf seitens der Regulierer. Es gilt zu ermitteln, ob und wieso nicht jegliche Erträge aus den Wertpapierleihgeschäften den Anteilseignern zukommen.

3.4.3 Synthetische Replikation Kosteneffizienz, Steueroptimierung und hohe Anforderungen insbesondere institutioneller Anleger nach neuen ETFs auf teilweise exotische Referenzindices, inverse sowie gehebelte Produkte, führten Mitte der 2010er-Jahren dazu, dass physische ETFs zunächst nach und nach durch synthetische Replikationstechniken abgelöst wurden. Diese replizieren die Performance eines Index durch SwapGeschäfte.115 Dies ließ sich auch daran festmachen, dass synthetische ETF-Kon­ strukte Mitte der 2010er-Jahre gegenüber physischen ETFs eine Kombination aus einer geringeren Gesamtkostenquote (TER)116 und exakteren Replikation der Bench 111

Vgl. Blocher / W haley (2014), S. 2. Vgl. Voicu / Prache (2019), S. 2. 113 Vgl. ESMA (2014), S. 8. 114 Vgl. Voicu / Prache (2019), S. 5. 115 Vgl. Drewer (2010), S. 43. Dieser Trend hat sich, wie zuvor aufgezeigt, in den letzten Jahren eindeutig umgekehrt, sodass physische ETFs weltweit heutzutage die klare Vormachtstellung am ETF-Markt eingenommen haben. 116 Vgl. Johnson et al. (2012), S. 5. 112

104

3. ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage  

mark (geringerer Tracking Error) aufwiesen.117 Erst später kam es zu einer Trendumkehr, sodass synthetische ETFs heute nur noch eine untergeordnete Rolle am ETF-Markt einnehmen. Trotzdem wird der Vollständigkeit halber die synthetische Indexreplikation im Folgenden dargestellt und potenzielle Risiken werden diskutiert. Synthetische ETFs bergen durch die Swap-Geschäfte, die in der Regel Overthe-Counter (OTC, außerbörslich) gehandelt werden, im Vergleich zu physisch replizierenden ETFs zusätzliche Risiken. Dazu zählen insbesondere Kontrahentenrisiken,118 die in den folgenden Abschnitten beleuchtet werden. Bevor die Risiken erläutert werden, sollen zunächst mögliche Benefits der synthetischen Indexreplikation aufgezeigt werden. Hurlin et al. (2015) nennen fünf Vorteile der synthetischen Index-Replikation. aus Sicht der Fondsgesellschaft, Swap-Partner und Investoren:119 1. Indem die Fondsgesellschaft die Index-Replikation an den Swap-Partner outsourct, spart sie Kosten und umgeht zusätzlichen Aufwand (z. B. Dividendenzahlungen, Hauptversammlungen, Veränderungen in der Index-Zusammensetzung). 2. Der durchschnittliche Tracking Error ist bei synthetischen ETFs (13 bps) im Vergleich zu physischen ETFs (96 bps)120 geringer. Das heißt, dass Aufnehmen zusätzlicher Risiken wird für die Investoren mit einer womöglich besseren ETFPerformance kompensiert. 3. Die synthetische Replikation ermöglicht die Replikation illiquider Indices und das Auflegen inverser und gehebelter ETFs (vgl. Kapitel 3.5.1). 4. Die Swaps bilden eine wichtige Finanzierungsquelle für die Finanzinstitute und ermöglichen z. B. Synergieeffekte und Kosteneinsparungen bei ihren Investment Banken, die große Bestände an Wertpapieren halten. 5. Banken die als Swap-Gegenpartei auftreten, können ihre regulatorischen Eigenkapitalanforderungen verringern, indem sie die mit einem hohen Risiko gewichteten Aktiva als Sicherung bei der ETF-Gesellschaft hinterlegen. Unfunded-Swap-Model Für das synthetische Index-Tracking wurde in Europa 2001 zunächst die Methode des Unfunded-Swap-Model eingeführt und in den UCITS-Rechtsmantel integriert.121 Bei Unfunded-Swap-Konstruktionen kommen sogenannte Total Return Swaps zum Einsatz. Diese stellen eine bilaterale Finanztransaktion dar, bei der die Gegenparteien die Gesamtrendite eines einzelnen Vermögenswertes oder die Gesamtrendite eines Portfolios an Vermögenswerten gegen periodische Zah 117

Vgl. Autorité des Marchés Financiers (2017), S. 29. Vgl. ebd., S. 28. 119 Vgl. Hurlin et al. (2015), S. 7 f. 120 Vgl. ebd. (2015), S. 17. Die Stichprobe umfasst 218 ETFs aller Asset Klassen (164 synthetische ETFs von db X-trackers & 54 physische ETFs von iShares). 121 Vgl. Meinhardt / Müller (2012), S. 20. 118

3.4 Physische vs. synthetische Replikation 

105

lungsströme tauschen, typischerweise gekoppelt an einen variablen Zinssatz wie den Libor.122 Bei Unfunded-Swap-Transaktionen kauft die Fondsgesellschaft mit dem von den Investoren zur Verfügung gestelltem Kapital einen Korb an Wertpapieren von der Swap-Gegenpartei. In den meisten Fällen ist die Muttergesellschaft (Bank) des Fondsproviders der Swap-Kontrahent, sodass oftmals keine externen Swap-Gebühren anfallen. Der Swap-Partner des Fonds verpflichtet sich, die Performance eines Referenzindex abzüglich der Swap-Kosten zu liefern. Dafür bekommt die SwapGegenpartei im Gegenzug die Rendite des von der Fondsgesellschaft ursprünglich gekauften Portfolios an Wertpapieren.123 Dieses Portfolio kann unter Beachtung der UCITS-Richtlinien (Wertpapiertyp, Liquidität, Diversifikation) eine hohe Korrelation zum getauschten Referenzindex aufweisen, muss aber nicht dessen Wertpapierbestände enthalten. Vielmehr umfasst es häufig solche Wertpapiere, die das Stammhaus der Bank (die Swap-Gegenpartei) im Bestand hält. Diese Wertpapiere werden dann in einer separaten Depotstelle verwahrt, geprüft und überwacht, bleiben jedoch durchgängig in Besitz der Fondsgesellschaft.124 Sollte es beim Swap-Partner zu Zahlungsausfällen kommen, kann der ETFAnbieter seine bis dato verwahrten Assets getreu den gesetzlichen Rahmenbedingungen sofort liquidieren. Dieses sogenannte Ausfallrisiko besteht durch die mögliche Zahlungsunfähigkeit des Swap-Partners. Er kann folglich die benötigte Performance des abzubildenden Referenzindex nicht liefern. Die Differenz zwischen dem Buchwert (NAV) des Fonds und dem Wert des substituierenden Wertpapierkorbs (Bewertung des Swaps) bemisst das Ausfallrisiko. Dabei dürfen laut UCITS-Richtlinien die offenen Positionen des Swaps nicht stärker als 10 % vom Nettoinventarwert des ETFs abweichen.125 Dies soll sicherstellen, dass im Fall eines Ausfalls des Swap-Providers mindestens 90 % des ETF Wertes gesichert ist. Viele ETF-Anbieter halten intern sogar noch strengere Reset-Regeln für ihre Swaps ein, als die 10 % UCITS-Vorgabe verlangt, um das Kontrahenten-Risiko auf ein Minimum zu reduzieren. Es bietet sich außerdem an, Verträge mit verschiedenen Swap-Partnern zu schließen, um das Risiko eines Ausfalls offener Positionen zu minimieren.126 Funded-Swap-Model Das Funded-Swap-Model wurde Anfang 2009 in Europa eingeführt. Bei dieser Methode kauft die Fondsgesellschaft vom Geld der Investoren keinen Wertpapierkorb (s. Unfunded-Swap-Model), sondern investiert auf direktem Wege in einen Swap. Der Swap-Kontrahent liefert als Gegenleistung für die liquiden Mittel der 122

Vgl. Johnson et al. (2012), S. 7 f. Vgl. Schmitz (2015), S. 38. 124 Vgl. Johnson et al. (2012), S. 7. 125 Vgl. Schmitz (2015), S. 38. 126 Vgl. Johnson et al. (2012), S. 7 f. 123

106

3. ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage  

Fondsgesellschaft die Performance des ETF-Referenzindex abzüglich der SwapKosten und muss zeitgleich bei einem Treuhänder Sicherheiten hinterlegen. Dieses separate Treuhänderkonto kann im Namen der Fondsgesellschaft laufen (vertraglich dem ETF zugesprochen) oder auf den Namen des Swap-Kontrahenten und dann dem ETF als Pfandrecht zugeschrieben sein.127 Die bei dem Treuhänder hinterlegten Sicherheiten müssen den Richtlinien der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) entsprechen. Häufig sind diese Wertpapiere sehr liquide Aktien, Bonds oder Geldmarktpapiere. Je nach Volatilität der Assets, müssen diese mit einem bis zu 30 prozentigen Sicherheitsabschlag (Haircut) bewertet werden, um Risiken der Wertveränderung vorzubeugen.128 Folglich übersteigen in der Regel die hinterlegten Sicherheiten den Buchwert des ETFs. Allerdings gibt es an dieser Stelle nicht einmal innerhalb Europas einheitliche Standards.129 Der Einsatz angemessener Sicherheitsabschläge auf hinterlegte Wertpapiere bleibt in der Verantwortung der Fondsmanager und Treuhänder. Identisch zum Unfunded-Swap-Model dürfen laut UCITS-Richtlinien die offenen Positionen des Swaps nicht stärker als 10 % vom Rechenwert des ETFs abweichen, um das Kontrahenten-Risiko einzugrenzen.130 Letztendlich hängt die Höhe des Abschlags sowohl von der Liquidität, Volatilität, Kreditwürdig­keit des Emittenten, vom Fondsdomizil als auch von der Korrelation mit der Benchmark ab.131 Konstruktionsbedingte Risiken Für Investoren ist das größte Risiko bei Investments in synthetische ETFs, neben dem Investmentrisiko, das Kontrahentenrisiko.132 Die Fondsgesellschaft kann ihre Zahlungsverpflichtungen nur dann garantieren, wenn der Swap-Partner seine Zahlungsverpflichtungen aus dem Swap-Vertrag einhält. Sollte es zu einem Ausfall des Swap-Kontrahenten kommen, ist die Gefahr eines Wertverlusts für die Investoren groß. Eine Analyse des Online-Dienstes „Google Trends“133 zeigt, dass sich viele Investoren des konstruktionsbedingten Kontrahentenrisikos bei synthetischen ETFs anfangs nicht bewusst waren. Erst zur Mitte des Jahres 2011 kommt erstmals 127

Vgl. ebd., S. 9. Vgl. Johnson et al. (2012), S. 9 f. 129 Vgl. Schmitz (2015), S. 45. 130 Vgl. Johnson et al. (2012), S. 9 f. 131 Vgl. Schmitz (2015), S. 45. 132 Vgl. Johnson et al. (2012), S. 4. 133 Zur Erinnerung: Google Trends ist ein Online-Dienst des Unternehmens Google Inc., der Informationen darüber bereitstellt, welche Suchbegriffe von Nutzern der Suchmaschine Google wie oft eingegeben wurden. Die Ergebnisse werden in Relation zum totalen Suchaufkommen gesetzt. Mit Hilfe von Google Trends lässt sich die Popularität einzelner Begriffe im Zeitablauf analysieren, was Rückschlüsse auf sich formierende Trends in der Gesellschaft erlaubt. Die Ergebnisse werden dann basierend auf dem Verhältnis eines Themas zu allen Suchanfragen für alle Themen auf einer Skala von 0 bis 100 aufgeführt. 128

3.4 Physische vs. synthetische Replikation 

107

scharfe Kritik von internationalen Aufsichtsbehörden auf, was sich folglich auch in den Google-Suchanfragen widerspiegelt. Der Suchanfragen-Index von Google für den Begriff „synthetic ETF“ steigt Mitte September 2011 um das Fünffache auf den bis heute höchsten Wert (100).134 Eine empirische Untersuchung des Kontrahentenrisikos bei Swap-basierten sowie physischen ETFs führen Hurlin et al. (2015) durch, indem Sie die Zusammensetzung der als Sicherheiten hinterlegten Wertpapierkörbe der beiden ETFAnbieter „BlackRock“ und „DWS“ analysieren. Dabei heben die Autoren drei Hauptmerkmale dieser hinterlegten Sicherheiten hervor:135 1. Die Portfolios sind gut diversifiziert und übertreffen den Wert des verwalteten Vermögens (AUM) im Durchschnitt um 108,4 % 2. Die hinterlegten Sicherheiten sind gut auf die Anlageklasse des jeweiligen ETFs (z. B. Aktien oder Staatsanleihen) abgestimmt. 3. Die Sicherheiten sind von hoher Qualität und Liquidität (z. B. Blue Chips oder Anleihen hoher Bonität). Ein häufig genannter Kritikpunkt bei ETFs auf Swap-Basis ist die unzureichende Korrelation zwischen dem vom ETF getrackten Index und den hinterlegten Sicherheiten des Swap-Kontrahenten. Hurlin et al. (2015) zeigen für synthetische ETFs jedoch auf, dass die Korrelation oftmals stark positiv ist. 92,5 % der Aktien-ETFs werden mit Aktien abgesichert und 96,5 % der Staatsanleihen-ETFs sind durch Staatsanleihen besichert.136 Swap-Partner von DWS ist dabei z. B. die Deutsche Bank AG. Auffällig ist, dass ein relativ starker Home Bias innerhalb der hinterlegten Sicherheiten auftritt. 66 % dieser haben ihr Domizil in Europa. Dadurch sind z. B. auch ETFs, die asiatische oder amerikanische Indices abbilden, überproportional mit europäischen Wertpapieren besichert.137 Fraglich bleibt, inwiefern Investoren konkret auf auftretende Kontrahentenrisiken bei ETFs reagieren. Zumindest institutionelle Anleger sollten in der Lage sein, die Kreditwürdigkeit von Swap-Kontrahenten am CDS-Markt138 zu überwachen und schnell auf Veränderungen zu reagieren, indem Sie Gelder aus gefährdeten Fonds abziehen.139 Beispielhaft dafür steht die negative Entwicklung von Geldmarktfonds im Rahmen der Finanzkrise 2008. Geldmarktfonds tragen ein Kreditrisiko des Emitten 134

Danach pendelt sich der Wert bis 2019 auf einen Korridor zwischen 0 und 30 Punkten

ein.

135

Vgl. Hurlin et al. (2015), S. 3. Vgl. ebd., S. 11. 137 Vgl. Hurlin et al. (2015), S. 37, Table 3, Panel A. 138 Ein Credit Default Swap ist ein Kreditderivat (ein Vertrag zwischen zwei Parteien) das Bezug auf einen Referenzschuldner (als Basiswert) nimmt und ermöglicht, Ausfallrisiken von Krediten, Anleihen oder Schuldnernamen zu handeln. 139 Vgl. Hurlin et al. (2015), S. 18. 136

108

3. ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage  

ten und so kam es nach der Insolvenz der Lehman Brothers Investmentbank zu einem „run“ auf institutionelle Geldmarktfonds. Innerhalb weniger Tage wurden mehr als 400 Milliarden USD abgezogen. Die Einlagen einiger Geldmarktfonds wurden in dieser Zeit mehr als halbiert. Schmidt, Timmermann und Wermers (2016) zeigen auf, dass sich solche „runs“ auf Fonds innerhalb weniger Tage entwickeln und es im Voraus nahezu unmöglich ist, diese vorherzusehen, obwohl institutionelle Investoren jederzeit in der Lage sind, die Qualität der Fondsbestandteile und hinterlegten Sicherheiten zu überwachen und zu beurteilen.140 Ebenso gut erscheint es im Bereich des Möglichen, dass in Zukunft Szenarien auftreten, in denen Bankrisiken auf ETF-Märkte durchschlagen könnten. Je mehr Partner und Prozessschritte für ein Geschäft benötigt werden, desto intransparenter und komplexer wird dieses. Das könnte zu geringerem Risikobewusstsein unter den handelnden Akteuren führen. Unabhängig des gewählten Swap-Modells ist ein synthetischer ETF immer von der Swap-Gegenpartei abhängig, die die vertraglich festgelegte Rendite zuverlässig liefern muss. Dabei besteht die Gefahr, dass entweder die hinterlegten Sicherheiten oder die erworbenen Wertpapiere einen möglichen Ausfall des Kontrahenten nur unzureichend abdecken.141 Finanzinstitute die als Gegenpartei in Swap-Geschäften fungieren, treten häufig auch als Authorised Participant (AP) des ETFs auf. Darüber hinaus ist der ETF oft in derselben Konzernstruktur wie der Swap-Kontrahent und der AP angesiedelt. Dies kann zwar einerseits zur Effizienzsteigerung der Überwachung und Steuerung der Risiken führen. Durch diese Risikokonzentration steigt jedoch auch das Gesamtrisiko für Investoren, da Krisensituationen in einer der handelnden Einheiten Dominoeffekte auf die Funktionsweise des gesamten ETFs und Interessenskonflikte innerhalb der handelnden Einheit auslösen können.142

3.5 Alternativen zu Plain-Vanilla-Aktien-ETFs Vorwiegend wurden in der vorliegenden Forschungsarbeit bisher Aktien-ETFs thematisiert. Auch weil sich die in Kapitel  4 folgende empirische Analyse auf den deutschen Aktienmarkt konzentriert. Dort werden Plain-Vanilla-Aktieninvestmentfonds und Aktien-ETFs143 analysiert. Neben Plain-Vanilla-Aktien-ETFs nehmen insbesondere Anleihen-ETFs einen relevanten Anteil des globalen ETFMarktes ein.144 Die intransparente und illiquide Struktur des (OTC)-Marktes für Anleihen führt zu hohen Transaktionskosten, sodass ETFs in diesem Markt­ 140

Vgl. Schmidt / Timmermann / Wermers (2016), S.  2. Vgl. Central Bank of Ireland (2017), S. 43. 142 Vgl. Madhavan (2016), S. 225. 143 Plain Vanilla ist die Bezeichnung für die Standardform eines Finanzinstruments. 144 Der Marktanteil von Fixed Income ETFs lag im Jahr 2015 bei 16 % der AUM. Vgl. ­Meziani (2016), S. 10. 141

3.5 Alternativen zu Plain-Vanilla-Aktien-ETFs 

109

segment durch Standardisierung eine große Chance zur Verbesserung der Transparenz, Kosteneffizienz und Diversifikation bieten.145 So ist fehlende Transparenz und Illiquidität des (OTC)-Bond-Marktes sicherlich ein Grund, dass 2002 der erste Bond-ETF auf den Markt kam und dieses ETF-Segment seitdem starkes Wachstum zeigt.146 Weniger relevant sind hingegen Geldmarkt- oder Währungs-ETFs. Sie nehmen nur einen Bruchteil des gesamten ETF-Marktanteils ein. Neben den klassischen Plain Vanilla ETFs für unterschiedliche Asset Klassen gibt es auch sogenannte Exchange Traded Commodities (ETCs) sowie Exchange Traded Notes (ETNs). Dabei handelt es sich um spezielle Schuldverschreibungen und nicht um Anteile an einem Sondervermögen wie bei ETFs. Sie gehören übergeordnet, ebenso wie ETFs, der Gruppe der Exchange Traded Products (ETPs) an. Mittels ETCs können Anleger direkt in Rohstoffe investieren. Sie sind häufig physisch besichert, indem die entsprechenden Rohstoffe vom Emittenten hinterlegt sind. Der ETC-Preis orientiert sich an einem oder mehreren Basiswerten. Sollte es zur Insolvenz des Emittenten kommen, haben Anleger das Recht, den Gegenwert der physisch hinterlegten Besicherung bar ausgezahlt zu bekommen.147 Ivanov (2013) stellt fest, dass es durch die Einführung der ETCs eine Verschiebung der Preisfindungsprozesse für Gold und Silber gibt. Zuvor traditionell im Terminmarkt zu beobachtende Preisfindung hat sich teilweise auf den ETF-Markt verlagert.148 Theoretisch bieten ETCs Investoren einen kostengünstigen und praktischen Zugang zu Rohstoffen. Dabei sind jedoch einige Subtilitäten zu beachten. Viele ETCs halten Rohstoffe aufgrund der Lagerhaltungskosten nicht in physischer Form, sondern greifen auf Futures zurück. Dadurch kann einerseits der Tracking Error verstärkt werden und andererseits entstehen zusätzliche Kosten durch das Rollen der Future-Kontrakte in Contango-Märkten149, sodass die Performance häufig schlechter ausfällt als beim Underlying.150 Zudem spielen bei ETCs wie auch bei anderen Rohstoffspekulationsvehikeln ethische Fragestellungen eine entscheidende Rolle. Zuletzt kritisierten viele zivilgesellschaftliche Institutionen wie Misereor, Foodwatch, Oxfam oder auch die Welthungerhilfe die Terminmarktgeschäfte von Indexfonds,151 die womöglich für starke Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln mitverantwortlich sind.152 Andererseits könnten eben jene passiven long-only Investmentvehikel zur Preis 145

Vgl. Madhavan (2016), S. 104. Vgl. Fulkerson / Jordan / R iley (2014), S.  50. 147 Vgl. Borse et al. (2013), S. 14. 148 Vgl. Ivanov (2013), S. 461. 149 Bei Contango liegt der Terminkurs über dem aktuellen Kassakurs. Regelmäßig notwendiges Rollen der Futurekontrakte führt dann zu Rollverlusten. 150 Vgl. Madhavan (2016), S. 111 f. 151 Vgl. Prehn et al. (2013a), S. 8. 152 Auf dieses sehr komplexe Thema kann aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Forschungsarbeit nicht näher eingegangen werden. Ausführlich diskutiert wird die Agrarspekulation von Indexfonds beispielsweise von Prehn et al (2013a) und Prehn et al. (2013b). 146

110

3. ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage  

stabilität von Agrarrohstoffen beisteuern, da beispielsweise saisonal bedingte Angebots- und Preisschwankungen gedämpft werden könnten.153 Im Gegensatz zu ETCs sind ETNs hingegen häufiger unbesichert. Als börsengehandelte Schuldverschreibungen sind sie an die Wertentwicklung eines Marktindikators gekoppelt. Beliebt sind hier beispielsweise Volatilitätsindices oder exotische Wertpapiere.154 Auch hier ist zu beachten, dass es beispielsweise bei Vola­ tilitäts-ETPs zu Rollverlusten in Contango-Märkten kommt, da auch diese ETPs Future-Kontrakte zur Replikation eines Volatilitätsindex handeln müssen.155 Buyand-Hold-Strategien, wie sie für ETFs durchaus typisch sind, können dadurch mit Volatilitäts-ETPs nicht umgesetzt werden. So hätte beispielsweise eine Position in einem Volatilitäts-ETP, der den VIX156 repliziert, von Januar 2009 bis April 2014 über 99,5 % ihres Wertes verloren.157 Das könnte ein möglicher Grund sein, warum sich diese Form der ETPs bislang nicht wirklich am Markt behaupten kann. Optionen könnten für solche speziellen, tendenziell kurzfristigen Anlagestrategien nach wie vor die bessere Wahl sein. Volatilitätsprodukte eignen sich dadurch auch nicht zur strategischen Portfoliodiversifikation. Alexander, Kapraun und Korovilas (2015) zeigen jedoch, dass trotzdem viele traditionelle Kapitalanlageinvestoren diese Volatilitätsprodukte als Diversifikationsmittel über mehrere Wochen im Portfolio halten, obwohl Future-Terminkurven in den vergangenen Jahren fast ausschließlich in Contango notierten.158

3.5.1 Leveraged und inverse ETFs Gehebelte und inverse ETFs geben auf kurze Sicht die Indexrendite multipliziert mit dem Leverage-Faktor wieder. Damit können sie für taktische, kurzfristige Strategien verwendet werden. Sie eignen sich jedoch weniger für langfristige Anlagestrategien, da dann ihre Rendite insbesondere in volatilen Märkten wegen des täglich notwendigen Rebalancings159 deutlich schlechter ausfällt.160 Weitere produktspezifische Risiken treten bei levereged und inversen ETFs auf, deren Struktur durch die Investition in Derivate (insbesondere Total Return Swaps) und Futures generiert wird, einhergehend mit den entsprechenden Kontrahenten- und Besicherungsrisiken (s. synthetische Replikation). Sie wurden in den Medien schon als neue „Massenvernichtungswaffen“ der Finanzindustrie bezeichnet, die den Markt 153

Vgl. Prehn et al. (2013b), S. 17. Vgl. Borse et al. (2013), S. 14. 155 Vgl. Madhavan (2016), S. 134. 156 VIX ist der Volatilitätsindex des S&P 500 Aktienindex. 157 Vgl. Bordonado / Molnár / Samdal (2017), S.  182. 158 Vgl. Alexander / Kapraun / Korovilas (2015), S.  344. 159 Tägliche Hebelanpassung bei leveraged ETFs und tägliche Anpassung der Leerverkäufe bei inversen ETFs. 160 Vgl. Niedermayer / Wagner (2012), S. 101. 154

3.5 Alternativen zu Plain-Vanilla-Aktien-ETFs 

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in ein „Kasino auf Steroiden“ verwandeln würden.161 Da sie, um einen konstanten Hebelfaktor zu verfolgen, tägliches Portfoliorebalancing in dieselbe Richtung wie die zugrunde liegenden Underlyings betreiben müssen, werden sie für verschärfte Volatilität an den Finanzmärkten verantwortlich gemacht.162 Die Kopplung ergibt sich, da Kontrahenten ihr Exposure gegenüber den Total Return Swaps mit den ETF-Anbietern am Ende eines jeden Handelstages absichern müssen. Insbesondere in volatilen Marktphasen könnten diese Handelsaktivitäten theoretisch zu einem erheblichen Prozentsatz des Tagesendumsatzes beitragen. Zudem sind diese Trades vorhersehbar, weil sie innerhalb eines bestimmten Fensters ausgeführt werden. Diejenigen, die dann versuchen, strategisch gegen sie zu handeln, könnten diese Volatilität noch verstärken. Rodier et al. (2012) zeigen in ihrer Forschungsarbeit, dass die Neugewichtung von gehebelten ETFs am Tagesende statistisch signifikante Auswirkungen auf die Volatilität der Underlyings hat.163 Dies könnte jedoch nur dann Gültigkeit besitzen, wenn tägliche Kapitalflüsse in und aus ETFs unberücksichtigt bleiben. Unter der Prämisse, dass gehebelte und inverse ETFs insbesondere darauf ausgerichtet sind, die Intraday- und nicht die langfristige Indexperformance zu tracken, eignen sich diese Produkte vor allem für kurzfristige Portfoliooptimierungen auf Tagesbasis. Sie können zudem Investoren nützen, um taktische „Absolute Return“ Asset-Allokationsstrategien zu kalibrieren und durch höheres Exposure gegenüber dem zugrunde liegenden Index, sowie durch positive Renditeabweichung, Erträge generieren.164 Ivanov und Lenkey (2014) berücksichtigen deswegen in ihrer Analyse zusätzlich den täglichen Mittelzu und -abfluss bei inversen und gehebelten ETFs. Sie zeigen, dass der Kapitalfluss die Notwendigkeit zur Portfolio-Neugewichtung reduziert und somit die Auswirkungen auf die Volatilität abschwächt. Insbesondere in sehr volatilen Marktphasen, die von inversen und gehebelten ETFs zusätzlich verschärft werden könnten, kommt es jedoch häufig zu größeren Kapitalflüssen, da dann nicht nur Kapitalverwaltungsgesellschaften, sondern auch andere Investoren ihre ETF-Positionen umschichten.165 Fragwürdig ist sicherlich, ob die Aktivitäten dieser speziellen ETFs tatsächlich einen signifikanten Einfluss auf die Wertpapiermärkte haben. ETF-Anbieter und Analysten widersprechen nämlich mit der Begründung, dass die verwalteten Nettovermögen nicht groß genug sind, um die Volatilität zu beeinflussen.166 Fraglich ist zudem, ob es gehebelten ETFs gelingt, den deklarierten Hebelfaktor zu realisieren. Traditionelle Performance- und Tracking-Messmethoden (wie z. B. der Tracking

161

Vgl. Sorkin (2011). Vgl. Bai / Bond / Hatch (2012), S.  25 f. 163 Vgl. Rodier et al. (2012), S. 24 f. 164 Vgl. Tang / Xu (2013), S. 339. 165 Vgl. Ivanov / Lenkey (2014), S. 2. 166 Vgl. Rodier et al. (2012), S. 25. 162

112

3. ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage  

Error) stoßen bei gehebelten ETFs an ihre Grenzen. Charupat und Miu (2014) empfehlen eine alternative Methode zur Messung des Tracking Errors bei gehebelten ETFs. Sie zeigen, dass mit zunehmendem Hebel und steigender Haltedauer die Tracking Fähigkeit dieser ETFs abnimmt. Insbesondere ein starker Trendverlauf im167 Basisindex mit geringer Volatilität erhöht die Performance der gehebelten ETFs; während ein „seitwärts“ gerichteter, volatiler Markt die Performance der gehebelten ETFs negativ beeinflusst.168 Abweichungen vom Index respektive des erwartbaren Hebels sind, neben dem Zinseszinseffekt durch täglich notwendiges Rebalancing, vor allem durch zwei weitere Faktoren zu erklären: Eine Abweichung vom NAV, die auf den Tracking Error des Fondsmanagements bei der Erreichung der Zielrendite zurückzuführen ist und die Ineffizienz des Marktes.169 Tang und Xu (2013) zeigen dabei, dass die LIBOR-Zinsen der swapbezogenen Haltedauer Haupttreiber für die täglichen NAV-Abweichungen sind.

3.5.2 Smart Beta ETFs Neben den zuvor vorgestellten ETPs ist in den letzten Jahren ein anfängliches Nischenprodukt vermehrt in den Fokus von Investoren gerückt. Sogenannte faktorbasierte Smart Beta ETFs sollen den Kostenvorteil klassischer ETFs mit dem Rendite-Potential eines positiven Alpha-Faktors von aktiv gemanagten Investmentprodukten kombinieren.170 Durch diese alternative Art der Indexkonstruktion versuchen Index- und Fondsanbieter durch eine vermeintlich bessere RenditeRisiko-Allokation Investoren eine Outperformance gegenüber den klassischen marktkapitalisierungsgewichteten Indices zu bieten, ohne dabei die Grundpfeiler der streng regelbasierten und transparenten ETF-Konstruktionen zu verletzen.171 Seit der Markteinführung des ersten faktorgewichteten ETFs im Mai 2000, sind zahlreiche Formen hinzugekommen die nicht-marktkapitalisierungsgewichtete Indices tracken. Rydex führte 2003 den ersten gleichgewichteten ETF auf den S&P 500 Equal Weight Index ein. Ossiam und iShares zogen 2011 mit zahl­reichen weiteren gleichgewichteten ETFs nach. WisdomTree startete 2006 eine Serie verschiedener faktorgewichteter ETFs, die die Gewichtung der Wertpapiere beispielsweise nach der Dividende oder dem Gewinnwachstum ausrichten. RevenueShares brachte 2008 umsatzgewichtete ETFs auf den Markt. Im Mai 2011 emittierte ­PowerShare die ersten Beta und Low Volatility ETFs.172 Bis heute sind weitere ETF-Produktformen hinzugekommen, die alle unter dem Sammelbegriff Smart

167

Das kann ein Aufwärts- oder Abwärtstrend sein. Vgl. Charupat / Miu (2014), S. 762. 169 Vgl. Tang / Xu (2013), S. 338. 170 Vgl. Meziani (2016), S. 133. 171 Vgl. Franzen (2018), S. 433 f. 172 Vgl. Amenc et al. (2015), S. 39. 168

3.5 Alternativen zu Plain-Vanilla-Aktien-ETFs 

113

Beta zusammengefasst werden können und das Ziel verfolgen, risiko­bereinigt eine höhere Rendite als vergleichbare marktkapitalisierungsgewichtete ETFs zu erzielen.173 Marketingaktionen von ETF-Anbietern stellen diese möglichen Überrenditen gezielt in den Vordergrund, wodurch Smart Beta ETFs zunehmend an Popularität gewinnen. Die Risiko-Rendite Beziehung und die tatsächliche Zuordnung sowohl der Rendite als auch des Risikos zu klar definierten Risikofaktoren wird hingegen nur bedingt von den Indexanbietern adressiert. Zusätzlich birgt die immense Anzahl verschiedener Smart-Beta-Strategien im Zusammenspiel mit intransparenten Information über ihre Leistungsquellen das Risiko von Verwechslungen und Verallgemeinerungen unterschiedlicher Strategien.174 Ob die potenzielle Überrendite von Smart Beta ETFs als Alpha oder Beta ausgelegt werden kann, hängt vor allem von der Interpretation der Quelle der FaktorPrämien ab, die diese ETFs versuchen zu erfassen.175 Wenn Investoren die Existenz von Faktor-Prämien als Ergebnis von systematischen Fehlbewertungen anderer nicht rationaler Marktteilnehmer ansehen, dann kann die potenzielle Überrendite von Smart Beta ETFs als generiertes Alpha interpretiert werden.176 Das Forschungsfeld zu Smart Beta ETFs ist ebenso wie das Produkt selbst relativ jung und folglich noch recht übersichtlich. Hingegen stehen die unterschiedlichen Risikofaktoren, auf die sich Smart-Beta-Strategien stützen, seit Jahrzehnten im Fokus der internationalen Kapitalmarktforschung. Die Faktoren können sowohl fundamentale Kennzahlen (z. B. Dividendenrendite oder Kurs-Gewinn-Verhältnis) als auch technische Indikatoren (z. B. Volatilität oder Momentum) sein.177 Kapitalmarktanomalien, auf die sich Smart-Beta-Strategien stützen, zeigen Möglichkeiten zu risikoadjustierten Überrenditen auf und stehen damit im Widerspruch zur neoklassischen Kapitalmarkttheorie. Im Folgenden werden einige populäre Smart Beta-Strategien und die zugrundeliegenden Risikofaktoren exemplarisch vorgestellt:

173

Vgl. ebd., S. 39. Vgl. Amenc / Goltz / Lodh Ashish (2016), S.  12. 175 Zur Erinnerung: Mit Überrenditen sind jene Renditen gemeint, die ein Fondsmanager im Vergleich zu einer passiven Anlagealternative oder Benchmark erzielt. Fondsmanager gehen systematische Risiken gezielt ein, um an Risikoprämien zu partizipieren. Diese aus systematischen Risikofaktoren erzielten Renditen werden in der Asset-Pricing-Theorie auch als „Beta“ bezeichnet. Als Alpha werden in der Asset-Pricing-Theorie hingegen erzielte Überrenditen bezeichnet, die nicht auf zusätzlich eingegangene systematische Risiken zurückzuführen sind. Alpha spiegelt folglich eines Fondsmanagers Fähigkeit den „Markt zu schlagen“ wider. Solche Überrenditen können entweder über Timing (Zeitpunkt des Kaufs und Verkaufs von Wertpapieren) oder Stock Picking (Wertpapierauswahl) erzielt werden. 176 Vgl. Glushkov (2015), S. 6. 177 Vgl. Franzen (2018), S. 435. 174

114

3. ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage  

Value versus Growth Benjamin Graham und David Dodd haben bereits in den 1930er-Jahren den Grundstein für die Idee des Value-Investing mit ihrem Buch „Security Analysis“ gelegt.178 Damit sind Sie auch Vorreiter für die Wertpapier- bzw. Fundamentalanalyse und den heutigen Beruf des Finanzanalysten.179 Aktien von Unternehmen mit niedrigen Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV),180 niedrigem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV),181 niedrigem Kurs-Cashflow-Verhältnis (KCV),182 niedrigem Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV) oder einer hohen Dividendenrendite werden den ValueWertpapieren zugeordnet.183 Hingegen werden Wertpapiere von Unternehmen als Growth-Aktien kategorisiert, wenn sie ein hohes Wachstum sowie eine hohe Bewertung der oben genannten Multiplikatoren (z. B. hohes KBV) aufzeigen.184 Dividendenrendite Besonders populär sind Dividendenindices als Grundlage für Smart Beta ETFs. Diese enthalten Unternehmen mit hohen Dividendenrenditen. Je nach Index­ anbieter kann sich die Vorgehensweise bei der Konstruktion eines Dividendenindex erheblich unterscheiden. Der einzige in der empirischen Analyse in Kapitel 4 auftretende Smart Beta ETF verfolgt eine solche Dividendenmaximierungsstrategie.

178

Siehe hierzu Graham / Dodd (1934). Vgl. Schneider (2017), S. 79. Für eine detaillierte Analyse der Kapitalmarktanomalie ­Value vs. Growth ist die in dieser Schriftenreihe veröffentlichte Dissertationsschrift von Schneider (2017) zu empfehlen. Der Autor zeigt, dass unternehmensspezifische Charakteristika einen signifikanten Einfluss auf die Rendite von Wertpapieren haben. 180 Unter anderem zeigen Rosenberg / Reid / Lanstein (1985), dass Aktienportfolios mit einem niedrigem Kurs-Buchwert-Verhältnis besser performen als solche mit einem hohen KBV. 181 Nicholson (1960) gehört zu den ersten Wissenschaftlern, die empirische nachweisen, dass Aktien mit einem niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnis durchschnittlich höhere Renditen erzielen als Aktien mit einem hohen KGV. Basu (1977) bestätigt in seiner Arbeit, dass mit zunehmendem KGV die Durchschnittsrendite von Aktien abnimmt. 182 Zu den wichtigsten Value-Faktoren zählen sicherlich das KBV und KGV. Wilson (1986), Chan / Hamao / Lakonishok (1991) und Lakonishok / Shleifer / Vishny (1994) zeigen jeweils auf, dass sich Aktienrenditen auch durch einen Kurs-Cashflow-Faktor erklären lassen. Chan /  Hamao / Lakonishok (1991) weisen darüber hinaus nach, dass eine positive Korrelation zwischen den einzelnen Unternehmenskennzahlen (KBV, KGV und KCV) besteht und damit Querschnittsanalysen zwischen Wertpapierrenditen und den unterschiedlichen Einflussgrößen nicht vollständig unabhängig voneinander erfolgen können. 183 Vgl. Fama / French (1998), S. 1975, und Jaunich (2008), S. 44 f. und Chan / Hamao / Lakonishok (1991). 184 Vgl. Schneider (2017), S. 77. Neben den genannten Multiplikatoren treten häufig weitere Kapitalmarktanomalien gemeinsam mit dem sogenannten Value-Effekt auf. Dazu zählen insbesondere der Kleinfirmeneffekt, aber auch der Momentum und Contrarian Effekt (vgl. Schneider [2017], S. 126.). 179

3.6 Rating von ETFs 

115

Size Hier steht der Größeneffekt oder auch Kleinfirmeneffekt im Investitionsfokus. Diese Smart Beta ETFs fokussieren kleine und mittlere Unternehmen. Low Volatility Diese Smart Beta ETFs versuchen die Volatilität des ETFs zu minimieren. Darüber hinaus existieren zahlreiche weitere Produktformen wie beispielsweise „Quality“ oder „Momentum“ Smart Beta ETFs. Die beiden letztgenannten Beispiele machen deutlich, dass an den Begriffen dieser ETFs, die viel Interpretationsspielraum lassen, die tatsächliche Handelsstrategie häufig nicht abzuleiten ist. Schon die große Auswahl verschiedener ETF-Produktformen kann insbesondere Privatinvestoren überfordern. Zudem kann speziell unter Nischen-ETFs185 oder Smart Beta ETFs der Diversifikationseffekt von ETFs für das Gesamtportfolio abgeschwächt werden, da normalerweise keine vergleichsweise breite Marktabdeckung, wie bei Plain Vanilla ETFs, vorhanden ist. Intraday-Liquidität könnte zudem uninformierte Privatinvestoren dazu verleiten zunehmend ETFs aktiv zu handeln, sodass der passive und kostengünstige Effekt dieser Produktform verloren geht und die langfristige Performance sinkt.186 Es lässt sich festhalten, dass Smart-Beta-Strategien einen Zusatznutzen bieten, wenn alternative Gewichtungsschemata erfolgreicher sind als die klassischen und seit Jahrzenten dominierende Dogmen in der Indexkonstruktion: Die Gewichtung nach Marktkapitalisierung, die auf die Grundsätze des Marktportfolios im CAPM (vgl. Kapitel 2.5.1) zurückgeht.187 Im weiteren Verlauf der Arbeit, der empirischen Analyse des deutschen ETF-Marktes, werden Smart-Beta-Strategien jedoch nicht weiter vertieft. Grund dafür ist, dass schlichtweg (fast) keine ETFs für den deutschen Aktienmarkt existieren, die Smart-Beta-Strategien anwenden und einen relevanten Nettoinventarwert aufweisen können.

3.6 Rating von ETFs Anders als bei traditionellen Investmentfonds macht bei einem ETF-Rating die Beurteilung der absoluten Rendite und des Risikos in Form der Standard­ abweichung wenig Sinn.188 Dennoch ist es wichtig, insbesondere im Hinblick auf die zunehmende Beliebtheit von ETFs bei privaten Investoren, dass einheitliche, transparente und klare Rating-Kriterien die Entscheidungsfindung beim ETF-Er 185

Gemeint sind ETFs die beispielsweise einzelne Branchen eines Landes fokussieren. Vgl. Madhavan (2016), S. 16. 187 Vgl. Franzen (2018), S. 434. 188 Vgl. Niedermayer / Wagner (2012), S. 340. 186

116

3. ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage  

werb vereinfachen. Hummel und Mülhaupt (2011) haben bereits Jahre vor dem heutigen ETF-Boom ETF-spezifische Ratings im Einklang mit informationseffizienten Kapitalmärkten gefordert, die es Anlegern ermöglichen, die Auswirkungen von Portfoliobeimischungen einzelner ETFs auf das Gesamtportfolio beurteilen zu können. Dazu gehört neben der Implementierung der Diversifikationseigenschaften des Index als Rating-Kriterium die Berücksichtigung der Kosten, der Liquidität, des Tracking Errors, des Emittentenrisikos sowie der Informationsverfügbarkeit und Transparenz.189 Eine umfangreiche Bewertung von Rating-Prozessen für Produkte wie ETFs oder auch klassische aktiv gemanagte Investmentfonds bietet Potenzial zur tiefgehenden Analysen, liegt aber außerhalb der Zielsetzung dieser Forschungsarbeit. Dennoch wird, exemplarisch für den deutschen Markt, das Investmentfonds-Rating der in Deutschland äußerst populären gemeinnützigen Verbraucherschutzorganisation „Stiftung Warentest“ kritisch beleuchtet. In einer Studie des Forsa Instituts aus dem Jahr 2007 geben 96 % der über 18-jährigen Deutschen an, die Stiftung zu kennen, 81 % halten die Testergebnisse für äußerst zuverlässig und 30 % nutzen die Testergebnisse zur Orientierung beim Erwerb von Konsumgütern und Dienstleistungen.190 Finanztest, eine Marke der Stiftung Warentest, testet jeden Monat rund 19.000 in Deutschland zugelassene Investmentfonds.191 Müller und Weber (2014) stellen dem Rating-Prozess von Stiftung Warentest ein gutes Zeugnis aus und zeigen in ihrer Forschungsarbeit einen signifikant positiven Zusammenhang zwischen dem Fondsrating von Stiftung Warentest und der zukünftigen Fondsperformance auf.192 Positiv zu bewerten ist, dass Stiftung Warentest auch die Problematik der Benchmarknähe aktiv gemanagter Investmentfonds aufgreift, die im empirischen Teil dieser Arbeit detailliert beschrieben wird (vgl. Kapitel 4). Dazu wird die Marktnähe mittels des Bestimmtheitsmaß R² bezogen auf die jeweilige Fondsgruppenbenchmark berechnet. Aktiv gemanagte Investmentfonds werden nach ihrem 5-jährigen Chance-Risiko-Verhältnis in fünf Gruppen von stark unterdurchschnittlich bis stark überdurchschnittlich eingeordnet. ETFs hingegen werden automatisch in eine 6. Gruppe eingeordnet, die an oberster Stelle, noch über der ersten Gruppe der aktiv gemanagten Fonds steht: „Finanztest ermittelt für jede Fondsgruppe markttypische ETF (Indexfonds). […] Diese ETF haben nicht immer die beste Rendite, sind aber, unabhängig von ihrem aktuellen Chance-Risiko-Verhältnis, in ihrer Fondsgruppe ‚1. Wahl‘.“193 Verbrauchern wird damit suggeriert, dass ETFs grundsätzlich den aktiv gemanagten Fonds vorzuziehen sind.

189

Vgl. Hummel / Mülhaupt (2011), S. 190 f. Vgl. Müller / Weber (2014), S. 209. 191 Vgl. Stiftung Warentest (2019). 192 Vgl. Müller / Weber (2014), S. 231. 193 Stiftung Warentest (2019). 190

3.7 Zwischenfazit 

117

Zwar zeigt der Vergleich aktiv und passiv gemanagter Fonds in dieser Forschungs­ arbeit auf, dass aktive Investmentfonds im Vergleich zu passiven Benchmarks häufig schlechter abschneiden, dennoch ist es zumindest fragwürdig, ob ETFs auf diese Weise in ein gemeinsames Rating für aktive und passive Fonds unkritisch einsortiert werden sollten. Dass auch ETFs negativ von der Benchmark in Form der Tracking Differenz abweichen, findet keine Berücksichtigung. Für die Bewertung und den Vergleich der Performance aktiver und passiver Fonds / ETFs ist das jedoch entscheidend, wie das Ergebnis der empirischen Analyse in Kapitel 4 zeigt. In der empirischen Analyse dieser Forschungsarbeit wird in Kapitel  4.4 zur Gewinnung der Datenbasis der Lipper Fund Screener verwendet. Lipper bewertet im Rahmen des Investmentfonds-Ratings (Lipper Leaders) ebenfalls ETFs.194 Lipper klassifiziert ETFs und klassische Investmentfonds anhand eines Ratings in fünf Kategorien, von 1 (niedrigste) bis 5 (höchste): Gesamtertrag, konsistenter Ertrag, Kapitalerhalt, Kosten und Steuervorteile (nur USA).195 Weitere Anbieter für ETF-Ratings sind beispielsweise Morningstar, Scope Analysis, Standard & Poor’s oder auch FERI.196 Die Bedeutung neuer, innovativer Rating Prozesse ist nicht zu unterschätzen. Klassische Performancemaße wie z. B. die Sharpe Ratio sind nicht nur für die Bewertung von ETFs sondern auch für die Beurteilung von klassischen Investmentfonds kontraproduktiv. Investoren neigen dazu, Fonds irrational zu bewerten, was von Performancemaßen, die das idiosynkratische Volatilitätsrisiko von Fonds in den Vordergrund stellen, zusätzlich verstärkt wird.197 Hintergrund ist, das insbesondere solche Fondsmanager erfolgreich sind, die anstatt auf eine diversifizierte, benchmarknahe Portfoliozusammensetzung auf ihre Stock-Picking-Fähigkeiten setzen.

3.7 Zwischenfazit Der Markt für ETFs boomt. ETFs haben im Jahr 2018 weltweit unter regulierten, offenen Investmentfonds einen Marktanteil von ca. 10 % erreicht.198 Ein wichtiger Wachstumstreiber des ETF-Marktes, um nur einen zu nennen, sind Altersvorsorge­ aufwendungen. Auf der einen Seite könnte Kapital in Zukunft von institutionellen Anlegern, wie Pensionskassen oder Pensionsfonds, verstärkt über ETFs allokiert werden, auf der anderen Seite könnte über ETFs vielen Privatanlegern ein neuer, einfacher und transparenter Zugang zum Aktienmarkt eröffnet werden. So könnte das Wachstum des ETF-Marktes, getragen durch geringe Gesamtkostenquoten, 194 Die Ratings lassen sich unter http://www.lipperleaders.com/abrufen. Zuletzt recherchiert am 10. 12. 2019. 195 Vgl. http://www.lipperleaders.com/. Zuletzt recherchiert am 10. 12. 2019. 196 Vgl. Niedermayer / Wagner (2012), S. 342. 197 Vgl. Cohen / Polk / Silli (2010), S.  33. 198 Vgl. Investment Company Institute (2019), S. 12.

118

3. ETFs als Instrument der passiven Kapitalanlage  

Börsennotierung und Transparenz, zukünftig dazu beisteuern, dass in Deutschland eine neue Aktienkultur entsteht und die bisherige „Aktienphobie“ zum Teil überwunden wird. Das Wachstum des ETF-Marktes hat nicht nur Auswirkungen auf die Kapitalmärkte und das Anlegerverhalten, sondern beeinflusst auch die Geschäftsmodelle von Kapitalgesellschaften, Service Providern und anderen Marktteilnehmern. Kapitalsammelstellen nehmen durch große Stimmrechtsblöcke erheblichen Einfluss auf Unternehmensführungen. So haben beispielsweise die weltweit drei größten Anbieter von ETFs, die US-Vermögensverwalter BlackRock, Vanguard und State Street, signifikante Anteile von tausenden Unternehmen angekauft. Zugleich eröffnen sich Anbietern der replizierten Indices, wie beispielsweise MSCI, STOXX, FTSE Russel oder Standard & Poor’s, durch den ETF-Boom neue Märkte. Häufig mangelt es bei vielen dieser Anbieter jedoch an Transparenz im Regelwerk. Dabei haben Sie heutzutage eine nicht zu unterschätzende Dominanz und Macht an den internationalen Kapitalmärkten entwickelt. Und dennoch werden Indices und ihre Anbieter selten hinterfragt. Aufsichtsbehörden sollten in Zukunft verstärkt die Regulierung dieser Indexanbieter im Blick behalten, bevor deren Marktmacht Grenzen überschreitet, die nur noch schwer zu regulieren sind. Zwei Ausprägungen von ETFs prägen den Markt, die sich in ihrer Replikationsmethodik unterscheiden: Physische ETFs, die Indices exakt oder repräsentativ nachbilden und synthetische ETFs, die die Indexperformance durch derivative Geschäfte abbilden. Konstruktionsunterschiede und ebenso damit einhergehende unterschiedliche Risiken, beispielsweise durch Wertpapierleihgeschäfte und dem Einsatz derivativer Finanzinstrumente, wurden in dem Kapitel zuvor ebenso beleuchtet wie die Funktionsweise des Creation / Redemption-Prozesses und die Besonderheiten der Tracking Differenz und des Tracking Errors. Neben den klassischen Plain Vanilla ETFs für unterschiedliche Asset Klassen gibt es auch sogenannte Exchange Traded Commodities (ETCs) sowie Exchange Traded Notes (ETNs). Besonderheiten und mögliche Risikopotenziale dieser wurden erläutert. Da Future-Märkte in den vergangenen Jahren jedoch meist in Contango notierten, eigneten sich diese ETPs weniger für klassische ETF-Strategien. Ebenso wie gehebelte oder inverse ETFs sind sie für kurzfristige Handelsstrategien ausgelegt. Fragwürdig ist sicherlich, ob die Aktivitäten dieser speziellen ETFs tatsächlich einen signifikanten Einfluss auf die Volatilität und Liquidität von Wertpapiermärkten haben. Die geringe Größe des gesamten Marktes dieser speziellen ETFs lässt am Impact möglicher Risiken berechtigte Zweifel zu. Neben den erwähnten alternativen ETPs sind in den letzten Jahren Smart Beta ETFs vermehrt in den Fokus von Investoren gerückt. Diese faktorbasierten ETFs sollen den Kostenvorteil klassischer ETFs mit dem Renditepotential eines positiven Alpha-Faktors von aktiv gemanagten Investmentprodukten kombinieren.199 199

Vgl. Meziani (2016), S. 133.

3.7 Zwischenfazit 

119

Die immense Anzahl verschiedener Smart-Beta-Strategien im Zusammenspiel mit intransparenten Informationen über ihre Leistungsquellen bergen neue Risiken.200 Der Sinn dieser nicht mehr eindeutig passiven ETFs ist zu Hinterfragen. Aufgrund der Vielzahl unterschiedlichster ETP Formen ist auch die Bedeutung neuer, innovativer Rating Prozesse nicht zu unterschätzen. Der Fokus dieses Kapitels lag, neben der Funktionsweise von ETFs, auf der qualitativen Analyse produktspezifischer, systematischer ETF-Risiken. Nur vereinzelt wurden systemische Risiken genannt, die vom starken Wachstum des ETF-Marktes ausgehen könnten. Systemische Risiken auf ETF-Märkten sind bis heute rein theoretischer Natur. Nur vereinzelt konnten bisher beispielsweise Liquiditätsrisiken oder temporäre Flash Crashes beobachtet werden (vgl. Kapitel 5). Bevor jedoch abschließend in dieser Forschungsarbeit ein Ausblick auf mögliche (zukünftige) systemische Marktrisiken erfolgt, fügt im nächsten Kapitel der Hauptteil der Arbeit an: die empirische Analyse von ETFs und Closet Indexing bei aktiv gemanagten Investmentfonds am deutschen Aktienmarkt. Aktive Investmentfonds und passive ETFs können dadurch objektiv gegenübergestellt und anhand ausgewählter Kriterien verglichen werden, da ETFs als adäquate Benchmark und Anlagealternative aktiver Investmentfonds angesehen werden können. Aktive Investmentfonds bieten Investoren nur einen Mehrwert, wenn diese tatsächlich aktiv gemanagt werden. Sind diese stattdessen zu nah an einem Index orientiert (sogenanntes Closet Indexing), sollten ETFs die bessere Alternative für private als auch institutionelle Investoren darbieten. Inwiefern Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt vorkommt und wie gut ETFs die klassischen deutschen Indices (DAX, MDAX, SDAX) replizieren können und eine adäquate Anlagealternative darstellen, wird im Folgekapitel empirisch analysiert.

200

Vgl. Amenc / Goltz / Lodh Ashish (2016), S.  12.

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing aktiver Investmentfonds am deutschen Aktienmarkt Das Hauptziel der folgenden empirischen Untersuchung besteht darin, aktiv gemanagte Publikumsinvestmentfonds am deutschen Aktienmarkt in Bezug auf Closet-Indexing-Aktivitäten zu analysieren.1 Darauf aufbauend werden Auswirkungen des Closet Indexing auf die Performance der untersuchten Aktienfonds aufgezeigt. Die aktiv gemanagten Aktienfonds werden zudem mit ETFs, die deutsche Aktienindices replizieren, verglichen, sodass objektive Rückschlüsse auf die Vor- und Nachteile aktiver und passiver Anlagestrategien gezogen werden können. Entgegen der bisherigen Fokussierung in der Wissenschaft auf die Performancebewertung von Aktienportfolios anhand von Multifaktor-Modellen liegt der Fokus dieser Arbeit auf der Messung und Bewertung von Managementaktivitäten im Vergleich zu adäquaten passiven Benchmarks, die in Form von ETFs eine reale Anlagealternative darstellen.2 Bisherige Forschungsarbeiten konzentrieren sich überwiegend auf den US-amerikanischen Aktienmarkt. Dazu einleitend wird im Rahmen eines Literature Review in Kapitel 4.1 zunächst ein Überblick zu bisherigen Studien und wissenschaftlichen Fachbeiträgen geboten. Es folgt die Darstellung bisheriger Aktivitäten von europäischen Aufsichtsbehörden hinsichtlich der Problematik des Closet Indexing bei aktiv gemanagten Aktienfonds. Darauf aufbauend werden in Kapitel 4.2 Thesen und Hypothesen zum deutschen Investmentfondsmarkt aufgestellt. Diese zielen sowohl auf aktiv gemanagte Aktienfonds bezüglich Closet-Indexing-Aktivitäten als auch auf den deutschen ETF-Markt ab. Bevor in Kapitel 4.5 die methodische Vorgehensweise der empirischen Analyse erläutert wird, gibt Kapitel  4.3 einen kurzen Überblick über den deutschen offenen Investmentfondsmarkt und Kapitel 4.4 liefert Hinweise zur Datenbasis. Es folgt die empirische Untersuchung in Kapitel 4.6 und Kapitel 4.7, deren Ergebnisse vorgestellt und im Kontext zu den bisherigen Ausführungen dieser Forschungsarbeit interpretiert werden. Die zuvor aufgestellten Thesen und Hypothesen werden dabei auf ihre Gültigkeit hin überprüft. 1 Mit der Analyse des deutschen Aktienmarktes ist hier und im weiteren Verlauf der Arbeit Deutschland als Zielinvestmentland gemeint. Das heißt, dass die analysierten ETFs und klassischen Investmentfonds den Hauptteil ihrer Investments in deutsche börsennotierte Aktiengesellschaften tätigen, unabhängig vom Domizil des Fondsmanagers oder der Fondsgesellschaft. 2 Mit adäquat ist hier und im Folgenden der Benchmark Index mit dem für einen Aktienfonds niedrigsten berechneten Active Share gemeint. Active Share wird in den Folgeabschnitten erläutert.

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing 

121

Aus welchen Gründen Fondsmanager Closet-Indexing-Anlagestrategien verfolgen, ist nicht abschließend geklärt. Erste Forschungsergebnisse internationaler Studien und wissenschaftlicher Fachbeiträge geben Hinweise auf mögliche Beweggründe. Die später folgende empirische Analyse des deutschen Aktieninvestmentfondsmarktes soll zur Aufklärung beitragen und diesbezüglich eine Forschungslücke am deutschen Kapitalmarkt schließen. Cremers und Curtis (2016) arbeiten fünf Anreize heraus, die Fondsmanager dazu bewegen könnten, potenziell Closet-Index-Tracking-Strategien anzuwenden:3 1. Informationsbeschaffung verursacht Kosten im aktiven Fondsmanagement. Es ist daher ökonomisch, mit einem Großteil des Fondsvolumens einer passiven Benchmark zu folgen und damit Kosten einzusparen. 2. Große Investmentfonds haben es aufgrund großer Ticket-Volumina schwer, potenzielle Investmentchancen zu finden, die einen bedeutenden Einfluss auf die Fondsperformance bewirken. 3. Fondseinnahmen durch Management-Gebühren richten sich in der Regel prozentuell nach dem Volumen des Fonds. Das setzt Anreize, dass große Investmentfonds die Priorität auf Erhaltung von Bestandskunden statt Gewinnung neuer Kunden legen. Stark negative Abweichungen von der Benchmark müssen unter dieser Prämisse vermieden werden. 4. Closet Indexing ist parallel mit dem zunehmenden Einsatz von Computertechnologie angestiegen. Automatisierte Handelssysteme vereinfachen dem Fondsmanager die Volatilität des Fondsportfolios im Vergleich zur Benchmark zu minimieren. 5. Sollten sich keine Investmentmöglichkeiten erschließen, könnten Fondsmanager ein benchmarknahes Portfolio als optimal ansehen. Erfolgt diese Strategie temporär, handelt es sich nicht um Closet Indexing. Die Verbreitung von ETFs trägt dazu bei, dass die Umsetzung dieser Strategie in den letzten Jahren vereinfacht wurde. In der folgenden empirischen Untersuchung des deutschen Aktienmarktes fällt auf, dass einige Fondsmanager auch ETFs, die deutsche Aktienindices replizieren, in ihr Fondsportfolio mischen. Dies sollte jedoch keine dauerhafte Investmentstrategie eines aktiv gemanagten Fonds darstellen, sondern nur temporär zur Überbrückung diffiziler Marktphasen oder zur Liquiditätssteuerung eingesetzt werden. Zusammenfassend lässt sich zunächst festhalten, dass Closet Indexing exemplarisch das Moral-Hazard-Problem in der Fondsindustrie aufzeigt: Fondsmanager, die Closet Indexing betreiben, verlangen hohe Management-Gebühren als Kompensation für den Aufwand, Überrenditen zu erzielen. Anstatt jedoch ihre Fonds aktiv zu managen, bilden sie Portfolios, die mehr oder weniger mit der Benchmark 3

Vgl. Cremers / Curtis (2016), S. 45 f.

122

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

gleichzusetzen sind.4 Wenn Anleger in der Lage wären, die Qualität der Dienstleistungen ihrer Fondsmanager korrekt zu beurteilen, würden sie sich nicht dafür entscheiden, hohe aktive Fondsverwaltungsgebühren für das in Wirklichkeit passive Fondsmanagement zu bezahlen. Geschäftsgrundsätze zielen darauf ab, die Interessenkonflikte in der Prinzipal-Agenten-Beziehung zwischen Finanzdienstleistern und Investoren zu begrenzen. Daraus ergibt sich die Verpflichtung der Fondsmanager (Agenten), im besten Interesse der Anleger (Prinzipale) zu handeln.5 Dabei ist Closet Indexing nicht per se als schlecht anzusehen. Denn passives Folgen einer Benchmark (Index) ist der Kerngedanke erfolgreicher ETFs. Außerdem können Investoren theoretisch ihren individuellen Portfolios beliebig viele aktive Investmentfonds und ETFs hinzufügen und somit im Ergebnis ein Portfolio erreichen, welches Closet-Indexing-Fonds ähnelt. Problematisch sind jedoch insbesondere für Investoren die hohen Gebühren für vermeintlich aktives Fondsmanagement bei Closet-Indexing-Fonds. Folgendes Beispiel verdeutlicht die Kostenintensität: Angenommen ein Closet-Indexing-Fonds verlangt eine Fondsgebühr in Höhe von 2 %, investiert jedoch nur ein Drittel aktiv6 und zwei Drittel passiv (im Vergleich zur Benchmark). In diesem Fall wäre der aktiv gemanagte Teil des Fondsportfolios effektiv mit einer Kostenquote von 6 % belastet, da lediglich mit den aktiven Fondspositionen die Benchmark übertroffen werden kann.7 Das Beispiel zeigt auf, dass es für Closet-Indexing-Fonds annähernd unmöglich ist, mit dem geringen Anteil aktiven Managements die hohen Kosten durch Erzielen von Überrenditen (im Vergleich zur Benchmark) auszugleichen. Somit ist es für diese Fonds langfristig schwierig, die Performance einer kostengünstigen passiven Investmentalternative, wie z. B. ETFs, zu übertreffen.

4.1 Closet Indexing Literature Review Zu Beginn der Forschungsarbeit erfolgte die finanzmarkttheoretische Einordnung aktiver und passiver Kapitalanlagestrategien, bei der neben den klassischen Portfolio- und Kapitalmarkttheorien insbesondere der Stand der bisherigen Forschung der historischen Performance aktiv gemanagter Investmentfonds und der Vergleich zu einer adäquaten Benchmark im Vordergrund standen. In den Folgekapiteln spielt die Relevanz der Wahl einer adäquaten Benchmark weiterhin eine entscheidende Rolle. Dort ansetzend haben ETFs in diesem Jahrzehnt eine neue Möglichkeit der Kapitalanlage eröffnet. Investoren können mittlerweile alle relevanten Benchmark Indices transparent und kostengünstig über ETFs replizieren. 4

Vgl. Taylor (2004), S. 432. Vgl. Kjørven (2019), S. 127. 6 Mit aktiv ist hier das Maß „Active Share“ gemeint (s. u.). 7 Vgl. Petajisto (2013), S. 79. 5

4.1 Closet Indexing Literature Review 

123

ETFs haben sich somit als passive Anlagealternative zu aktiv gemanagten Investmentfonds etabliert. Im Einklang mit der zweigeteilten empirischen Untersuchung umreißen die nachfolgenden Ausführungen abschließend den derzeitigen Forschungsstand aktiv gemanagter Aktienfonds. Der Fokus liegt dabei ausschließlich auf der Closet-Indexing-Problematik. Die im Folgenden ausgewerteten Studien und wissenschaftlichen Fachbeiträge dienen als Ausgangsbasis für das eigene Untersuchungsdesign. Zudem wird die Notwendigkeit der Annahme und Bearbeitung des Themenkomplexes Closet Indexing durch die europäischen Aufsichtsbehörden erörtert.

4.1.1 Studien und wissenschaftliche Fachbeiträge Sämtliche Fachbeiträge zur Closet-Indexing-Thematik können im Folgenden nicht aufgezeigt werden. Um jedoch im Rahmen dieser Forschungsarbeit einen Überblick über die wesentlichen Erkenntnisse bisheriger empirischer Untersuchungen zu erlangen, werden nachstehend die relevantesten Forschungsergebnisse präsentiert und abschließend in Tabelle 7 zusammengefasst. Relevanz bekommen hat die Diskussion um Closet-Indexing-Fonds8 mit der Veröffentlichung eines wissenschaftlichen Fachbeitrages von Cremers und Petajisto (2009) und deren Einführung der Kennzahl „Active Share“ (s. u.). Zuvor und auch parallel zur ­Active-Share-Kennzahl entwickelten sich alternative Forschungszweige, die ebenfalls wichtige Erkenntnisse für die Diskussion der Closet-Indexing-Problematik beitragen und im Folgenden deshalb ebenso erläutert werden. Taylor (2004) untersucht in den USA9 die Fondsbranche auf Closet-IndexingFonds10 für den Zeitraum von 1991 bis 2000. Fonds mit einem hohen Determinationskoeffizienten11 R² im Verhältnis zur Performance des S&P 500 verdächtigt Taylor des Closet Indexing. Ausgenommen sind Fonds, die ausdrücklich darauf hinweisen, passive Indexfonds zu sein. Taylor kommt zu dem Ergebnis, dass Fonds mit hohem R² nicht notwendigerweise im Folgejahr ebenfalls ein hohes R² auf-

8

Zur Einführung in die Thematik sei an dieser Stelle erneut auf Kapitel 2.3 verwiesen. Referenzindex ist der S&P 500. 10 Die Definition von Closet-Indexing-Fonds weicht zum damaligen Zeitpunkt noch von der in dieser Forschungsarbeit verwendeten Definition ab, die auf der Arbeit von Cremers und Petajisto (2009) und der dort eingeführten Kennzahl Active Share beruht (s. u.). Dennoch kann auch in den Forschungsarbeiten vor Cremers und Petajisto (2009) bereits von sogenannten Closet-Indexing-Fonds gesprochen werden, wenngleich die Identifikation dieser noch nicht mittels Activer Share sondern beispielsweise anhand R² und dem Tracking Error ermittelt wird. 11 Determinationskoeffizienten oder Bestimmtheitsmaße geben den Anteil der Gesamt­ streuung der yi an, der durch die Regression von Y auf X erklärt wird. Das Bestimmtheitsmaß R² nimmt Werte zwischen null und eins an, wobei ein Wert von null, bedeutet, dass die erklärte Streuung gleich null ist. Ein Wert von eins drückt aus, dass die Residualstreuung null ist, sodass die gesamte Streuung durch die Regression erklärt wird. 9

124

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

weisen. Ein hohes R² ist bei jährlicher Betrachtung folglich eine notwendige, aber nicht ausreichende Bedingung für die Identifikation von Closet-Indexing-Fonds.12 Ebenfalls auf R² als leicht kalkulierbares Maß für aktives Fondsmanagement und Prädiktor von Fondsperformance setzen Amihud und Goyenko (2013). Mittels Regressionsanalyse wird der Zusammenhang von Fondsrendite und Rendite eines Multifaktor Benchmark-Modells (vgl. Carhart 1997) geschätzt. R² ist der Anteil der Varianz der Fondsrendite, der durch die Variation der Modellfaktoren erklärt werden kann, sodass bei hohem R² die Fondsrenditen nahe am Benchmark-Modell liegen. Aktivität von Fondsmanagern in Form von Selektivität in der Wertpapierauswahl wird dann durch 1-R² ermittelt.13 Niedrige R² Werte weisen auf eine Abweichung der Fondsrenditen von den erklärenden Modellfaktoren hin und somit auf eine hohe Aktivität der Fondsmanager. Amihud und Goyenko (2013) zeigen auf, dass Wertpapierfonds mit niedrigem R² signifikant höhere risikogewichtete Renditen aufweisen. Dabei erklären die vier Regressoren Fondsgröße, Fonds­kosten, Fondsmanageramtszeit und Fondsinvestmentstil nahezu 40 % des Effekts von R² auf die Überrendite (Alpha) eines Fonds im Vergleich zur Benchmark.14 Der Tracking Error (TE) ist die traditionelle Methode zur Messung aktiven Managements (s. Kapitel 3.3.2). Wermers (2003) geht der Frage nach, ob Fondsmanager, die Portfolios mit hoher Gesamtvolatilität im Vergleich zur Benchmark halten, sowohl den Index selbst als auch aktive Fondsmanager mit geringem Tracking Error zum Index übertreffen. Die Ergebnisse zeigen, dass nur wenige Fonds im Untersuchungszeitraum 1975–2000 die Benchmark übertreffen konnten. Die wenigen erfolgreichen Fondsmanager zeichnen sich durch vergleichsweise hoch eingegangene Risiken aus, die sich in einem hohen Tracking Error gegenüber dem Index konkretisieren.15 Ein hoher Tracking Error im Vergleich zu einer passiven Benchmark deutet auf Managementaktivitäten zur Erzielung von Alpha hin (abweichen von der passiven Benchmark). Abbildung 6 zeigt jedoch, dass Tracking Error nicht immer das geeignete Maß ist: Auch mit niedrigem Tracking Error können Fondsmanager positive Alphas generieren. Sollten sie beispielsweise eine breit diversifizierte Wertpapierauswahl treffen, wäre der Tracking Error substanziell geringer als bei Konzentration auf einzelne Branchen. Nur durch einen niedrigen Tracking Error auf geringere Managementaktivitäten oder sogar auf Closet Indexing zu schließen, wäre dann falsch. Zudem können auch Veränderungen der Korrelation zwischen Risikofaktoren Auswirkungen auf die TE-Werte haben, sodass der Tracking Error insbesondere in Krisensituationen und turbulenten Börsenzeiten sowohl stark über- als auch unterschätzt werden könnte.16

12

Vgl. Taylor (2004), S. 439. Vgl. Amihud / Goyenko (2013), S. 667. 14 Vgl. ebd., S. 691. 15 Vgl. Wermers (2003), S. 9 ff. 16 Vgl. Cameron et al. (2016), S. 34. 13

125

4.1 Closet Indexing Literature Review 

Demartini und Mosson (2018) präsentieren eine alternative Methode der französischen Aufsichtsbehörde Autorité des Marchés Financiers (AMF), die zum Teil auch von der ESMA verwendet wird, um mögliche Closet-Indexing-Fonds zu eruieren. Sie kombinieren die drei Kriterien Style-Shifting-Aktivität17, Tracking Error und R² eines Fonds, die sich aus der Verwendung von Carharts‘ (1997) Faktoranalysen auf die Portfoliozusammensetzung ergeben und analysieren diese für in Frankreich domizilierte Fonds im Zeitraum von 2006 bis 2015.18 Passive und aktive Fonds lassen sich dann nach folgenden Kriterien (vgl. Tabelle 6) einteilen. Tabelle 6 Bestimmung aktiver und passiver Fonds nach Demartini und Mosson (2018)19 Style-ShiftingAktivität

Tracking Error



Passive Fonds

Niedrig

Niedrig

Hoch

Aktive Fonds

Hoch

Hoch

Niedrig

Ein weiteres Maß zur Bestimmung aktiver Managementaktivitäten ist der Turnover, also die Fluktuation der Wertpapiere innerhalb eines Fonds. Obwohl der Turnover Managementaktivitäten impliziert, kann er, isoliert betrachtet, dem Portfolio keinen Mehrwert hinzufügen. Weder sagt der Turnover etwas über die Qualität der Managementhandlungen noch über die wirkliche Aktivität aus. Auch passive Portfolios können einen hohen Turnover aufweisen, wenn beispielsweise der zugrunde liegende Index umgeschichtet wird.20 Darüber hinaus existieren erfolgreiche aktive Buy-and-Hold-Strategien, die konsequenterweise einen niedrigen Turnover im Portfolio aufweisen. Folglich sollte der Turnover in der Messung von Managementaktivitäten und zur Identifikation von Closet-Indexing-Fonds eine eher untergeordnete Rolle spielen. In der folgenden empirischen Untersuchung wird aufgrund der obigen Ausführung auf die Einbindung des Turnovers von Investmentfonds als mögliche Prädiktor-Variable verzichtet. Um die Identifikation von Closet-Indexing-Fonds zu verbessern, führen Cremers und Petajisto (2009) ein bis dato neues Maß zur Determination von aktivem Port­ foliomanagement ein: Active Share. Active Share misst den Anteil eines Portfolios, der sich vom Benchmark Index unterscheidet und ist definiert als

17

Im Verlauf der vorliegenden Arbeit wird nicht weiter auf dieses Kriterium eingegangen. Vgl. Demartini / Mosson (2018) für eine detaillierte Definition des Kriteriums „Style-ShiftingAktivität“. 18 Vgl. Demartini / Mosson (2018), S. 9. Neben den Fama / French bzw. Carhart-Faktoren führen die Autoren zusätzliche Faktoranalysen basierend auf STOXX und MSCI Faktoren durch. 19 Eigene Darstellung. Vgl. Demartini / Mosson (2018), S. 12. 20 Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3363.

126

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing   𝑁𝑁𝑁𝑁

1 𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴 𝑆𝑆𝑆𝑆ℎ𝑎𝑎𝑎𝑎𝑎𝑎𝑎𝑎𝐴𝐴𝐴𝐴 = ��𝑤𝑤𝑤𝑤𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓,𝑖𝑖𝑖𝑖 − 𝑤𝑤𝑤𝑤𝑖𝑖𝑖𝑖𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖,𝑖𝑖𝑖𝑖 � 2 𝑖𝑖𝑖𝑖=1

(4.1)

mit wfund,i als Gewichtung des Wertpapiers i im Fondsportfolio und windex,i als Gewichtung desselben Wertpapiers im entsprechenden Benchmark Index des Fonds.21 Wenn ein Assetmanager ein Wertpapier im Vergleich zur Benchmark übergewichtet, hält er eine aktive Long-Position für jenes Wertpapier. Wenn er ein Wertpapier im Vergleich zur Benchmark untergewichtet oder gänzlich aus dem Portfolio lässt, dann impliziert dies eine aktive Short-Position für jenes Wertpapier. Sind Leerverkäufe ausgenommen, muss der Active Share eines Investmentfonds immer zwischen null und 100 % liegen. Somit bietet der Active Share Informationen darüber, mit welchem Part des Portfolios ein Fondsmanager den Vergleichsindex potenziell übertreffen kann.22 Die Formel der Kennzahl Active Share lässt sich durch Umformung intuitiver gestalten:23 𝑁𝑁𝑁𝑁

𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴 𝑆𝑆𝑆𝑆ℎ𝑎𝑎𝑎𝑎𝑎𝑎𝑎𝑎𝐴𝐴𝐴𝐴 = 100% − � 𝑀𝑀𝑀𝑀𝐴𝐴𝐴𝐴𝑀𝑀𝑀𝑀�𝑤𝑤𝑤𝑤𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓,𝑖𝑖𝑖𝑖 − 𝑤𝑤𝑤𝑤𝑖𝑖𝑖𝑖𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖,𝑖𝑖𝑖𝑖 � ⋅ 𝑑𝑑𝑑𝑑[ 𝑤𝑤𝑤𝑤𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓,𝑖𝑖𝑖𝑖 > 0]

mit

(4.2)

𝑖𝑖𝑖𝑖=1

N = Anzahl der im Fonds enthaltenen Wertpapiere, d [wfund,i > 0] = Indikatorvariable gleich 1 für alle Long-Positionen; ansonsten 0.

Der Active Share eines Fonds verringert sich also nur, wenn sich die Wertpapiergewichtung des Fonds mit der Wertpapiergewichtung der Benchmark überschneidet. Potenzielle Closet-Indexing-Fonds werden in der folgenden empirischen Analyse über den Active Share auf Basis der zuvor genannten Formel ermittelt. Unter der Prämisse, dass 50 % der Werte eines Index überdurchschnittliche Renditen und 50 % der Indexwerte unterdurchschnittliche Renditen relativ zu allen Index-Positionen aufweisen müssen, sollte ein Fondsmanager nicht mehr als die Hälfte der im Index enthaltenen Wertpapiere in das aktiv gemanagte Portfolio integrieren. Hält er mehr als 50 %, reduzieren die zusätzlichen Positionen zwar das Risiko der Performancedivergenz zur Benchmark (Index), jedoch auf Kosten der absoluten Fondsperformance.24

21

Vgl. Petajisto (2013), S. 74. Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3330. 23 Vgl. Cremers (2018), S. 64. Die Ergebnisse jener Formel sind mit der vorherigen Active Share Formel identisch, solange Investmentfonds weder Short-Positionen noch „gehebelte“ Positionen eingehen. 24 Vgl. Petajisto (2013), S. 78. 22

4.1 Closet Indexing Literature Review 

127

Da Investoren die Wahl haben zwischen aktiven und passiven Investmentfonds / ​ ETFs, können sie die höchste Sharpe Ratio erreichen, wenn sie aktiv gemanagte Fonds mit höchstem Alpha pro „TE-Einheit“ wählen. Aus den vorherigen Über­ legungen schlussfolgernd, stellt ein Active Share in Höhe von 50 % das theoretische Minimum dar, welches ein aktiv gemanagter Fonds aufweisen sollte.25 Aktiv gemanagte Fonds, die Werte unter 50 % aufzeigen, wären folglich zwangsläufig eine Mischung aus aktiv und passiv gemanagten Fonds. Diese Mischung können Investoren jedoch effizienter und kostengünstiger selbstbestimmt vornehmen, indem sie beispielsweise ETFs in ihr Gesamtportfolio integrieren und somit die passive Seite des Gesamtportfolios steuern können. Wichtig für die Aussagekraft des Active Share ist außerdem die Zusammensetzung des Benchmark-Portfolios, da diversifizierte Benchmarks per se Fondsmanagern einen höheren Active Share ermöglichen.26 Es ist wesentlich einfacher durch aktives Handeln von einer Small Cap Benchmark, die zahlreiche Titel enthält, abzuweichen als beispielweise von einem Large Cap Index wie dem DAX, der lediglich 30 Unternehmen umfasst. In der folgenden empirischen Analyse sollten demnach Large Cap Investmentfonds mit dem DAX als Vergleichsindex durchschnittlich einen niedrigeren Active Share aufweisen als Small oder Mid Cap Investmentfonds mit dem SDAX oder MDAX als Vergleichsindex.27 Ein hoher ausgewiesener Active Share ist folglich eine notwendige, wenn auch nicht ausreichende Bedingung für erfolgreiches28 Fondsmanagement. Abbildung 6 zeigt zudem auf, dass die beiden Maße für aktives Management, Active Share und TE, im Zusammenspiel ein noch umfassenderes Gesamtbild abgeben. Dabei ist der Active Share ein Proxy für eine diversifizierte Wertpapierauswahl und Tracking Error ein Proxy für die Konzentration auf einzelne systematische Risikofaktoren.29 Während der Tracking Error die Kovarianz-Matrix der Renditen einbezieht und somit mehr Gewicht auf die korrelierte aktive Auswahl (systematische Risikofaktoren) legt, wird diese beim Active-Share-Maß gleichgewichtet (relativ zum Vergleichsindex).30 Der Active Share hat sich seit der Einführung von Cremers und Petajisto (2009) auch aufgrund der Intuitivität zu einer wichtigen Kennzahl in der modernen Performancemessung aktiven Managements entwickelt.31 Neben passiven Produkten wie beispielweise ETFs, die einen Tracking Error und Active Share nahe Null an-

25

Vgl. Treynor / Black (1973) in Petajisto (2013), S. 78. Vgl. Cameron et al. (2016), S. 36. 27 Hinzu kommen anderweitige, hier nicht näher betrachtete, Restriktionen und Auflagen im Investmentprozess für Fondsmanager, die die Kennzahl Active Share negativ beeinflussen und damit auch deren Aussagekraft. 28 Erfolgreich im Sinne des Übertreffens einer adäquaten Benchmark. 29 Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3331. 30 Vgl. ebd., S. 3336. 31 Vgl. Rekenthaler (2014). 26

128

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

streben, weisen auch Closet-Indexing-Fonds niedrige Werte für beide Maße auf. Der Active Share, insbesondere in Kombination mit dem TE, ist auch über lange Zeiträume persistent und eignet sich folglich gut zur Identifikation von ClosetIndexing-Fonds.32 Fonds mit niedrigem Active Share und hohem Tracking Error weisen in der Forschungsarbeit von Cremers und Petajisto (2009) die schlechteste Performance auf. Es folgen Closet-Indexing-Fonds33. Hingegen zeigen Fonds mit einer auf wenige Wertpapiere konzentrierten Auswahl (Active Share hoch & Tracking Error hoch) durchschnittlich eine positive Performance auf, gefolgt von diversifizierten Fonds mit hohem Active Share.34 Diversifizierte Wertpapierauswahl

Konzentrierte Wertpapierauswahl

Closet Indexing

Konzentration auf Risikofaktoren

Active Share

Hoch

Niedrig

Index/ETF 0 0

Hoch

Niedrig Tracking Error

Abbildung 6: Unterschiedliche Arten aktiven und passiven Fondsmanagements.35

In ihrer Studie für den Zeitraum von 1980 bis 2003 analysieren Cremers und Petajisto (2009) den US-amerikanischen Markt für Aktieninvestmentfonds hinsichtlich der Managementaktivitäten mit Hilfe des Active-Share-Maßes in Kombination mit dem TE. Sie untersuchen den Zusammenhang zwischen Active Share und typischen Fondscharakteristika, wie z. B. Fondsvolumen, Portfolio Turnover oder Gesamtkostenquote, sowohl hinsichtlich adäquater Benchmark Indices als auch dem Carhart 4-Faktoren-Modell. Dabei zeigen sie unter anderem auf, dass Fonds mit dem höchsten Active Share ihre Benchmark vor Kosten jährlich um durchschnittlich 1,51 % bis 2,40 % übertreffen, kleine Fonds einen höheren A ­ ctive Share aufweisen als große Fonds und Closet-Indexing-Fonds (niedriger Active

32

Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3332. Closet-Indexing-Fonds ordnen Cremers / Petajisto (2009) durch sowohl niedrig ausgewiesenen Tracking Error als auch Active Share ein (vgl. Abbildung 6). 34 Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3351. 35 Eigene Darstellung in Anlehnung an Cremers / Petajisto (2009), S. 3331. 33

4.1 Closet Indexing Literature Review 

129

Share) im Vergleich zum Benchmark Index aufgrund der hohen Kostenbelastung schlechter abschneiden.36 Petajisto (2013) baut in seiner Analyse auf den Daten und Ergebnissen von Cremers und Petajisto (2009) auf und erweitert die Zeitreihe um sechs Jahre ­(1980–2009), ändert jedoch die Methodik der empirischen Analyse. Zum einen dient in der Performancemessung als Benchmark der vom Fonds im Prospekt selbst angegebene Vergleichsindex und nicht der Index mit dem niedrigsten ermittelten Active Share. Zum anderen weicht die Methodik zur Ermittlung des Tracking Error von jener bei Cremers und Petajisto (2009) ab.37 Investmentfonds mit einem Active Share niedriger als 60 % definiert Petajisto (2013) als Closet-Indexing-Fonds.38 Er kommt zu dem Ergebnis, dass aktiv gemanagte Investmentfonds im Durchschnitt keinen Mehrwert gegenüber einer passiven Benchmark bieten. Fonds mit hohem Active Share zeigen jedoch Stock-Picking-Fähigkeiten auf und können ihre Benchmark jährlich um durchschnittlich 1,26 % nach Abzug von Kosten übertreffen.39 Folglich sind Aktienmärkte nicht vollkommen effizient, da es mit sorgfältiger Wertpapierauswahl erfolgreichen Fondsmanagern durchaus gelingt, systematisch besser abzuschneiden als ihr Vergleichsindex. Khusainova und Mier (2013) bestätigen die Ergebnisse bezüglich Active Share von Cremers und Petajisto (2009) und Petajisto (2013) in ihrer Studie über USdomi­zilierte globale Aktieninvestmentfonds, weisen aber darauf hin, dass die Wahl und Struktur der Benchmark einen entscheidenden Einfluss auf die Ergebnisse hat.40 Cremers et al. (2016) untersuchen die Investmentfondsbranche in 32 Ländern im Zeitraum von 2002 bis 2010 auf drei verschiedene Arten von Aktienfondsstrategien: passive Strategien, vermeintlich aktive Closet-Index-Tracking-Strategien und tatsächlich aktive Strategien. Dabei finden sie heraus, dass implizit passive Strategien (Closet Indexing) wesentlich häufiger vorkommen als tatsächlich passive Strategien: Ca. 20 % der weltweit in Investmentfonds angelegten Gelder werden mit Closet-Indexing-Anlagestrategien verwaltet.41 Der Anteil der in Deutschland

36

Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3332. Vgl. Petajisto (2013), S. 78. 38 Vgl. ebd., S. 78. 39 Vgl. Petajisto (2013), S. 92. 40 Vgl. Khusainova / Mier (2013), S. 7. 41 Vgl. Cremers et al. (2016), S. 541. Cremers et al. (2016) definieren Closet-Indexing-Fonds wie folgt: Fonds, deren aktiv gemanagter Aktienanteil unter 60 % beträgt, sind Closet Index Fonds. Ein aktiver Aktienanteil von 60 % bedeutet, dass 40 % der gewichteten Anteile des Fondsportfolios mit den gewichteten Anteilen der Benchmark übereinstimmen. Der aktiv gemanagte Aktienanteil wird proportional aus der Differenz der im Fonds enthaltenen und der in der Benchmark enthaltenen Aktien berechnet: 37

𝑛𝑛𝑛𝑛

Active share = 1/2 � | 𝑤𝑤𝑤𝑤fund ,i − 𝑤𝑤𝑤𝑤benchmark,i |. 𝑖𝑖𝑖𝑖=1

130

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

verwalteten Fonds liegt mit 34 % Closet-Indexing-Fonds sogar noch deutlich über dem Marktdurchschnitt.42 Der eigentliche Wettbewerbsdruck, der zu durchschnittlich niedrigeren Fondsgebühren in der Branche führt, geht jedoch von kostengünstigen explizit passiven Anlagestrategien aus und nicht von Closet-Indexing-Fonds, bei denen Anleger hohe Gebühren für vermeintlich aktives Management zahlen. In Märkten mit einem hohen Anteil an passiven Indexfonds und ETFs tritt Closet Indexing seltener auf und aktiv gemanagte Fonds weisen zudem durch den wettbewerblichen Preisdruck der Indexfonds und ETFs durchschnittlich niedrigere Gebühren auf (s. z. B. USA).43 Fondsmanager reagieren demnach auf die relativ neuen Wettbewerber aus dem Segment des passiven Aktienmanagements mit zusätzlichen Bemühungen, ihre Fonds aktiv zu managen, um einen deutlichen Unterschied zum Vergleichsindex herauszuarbeiten. Dies unterstreicht, dass Sie die Konkurrenz der ETFs und Indexfonds als Bedrohung auf dem Fondsmarkt wahrnehmen.44 Folglich kann Closet Indexing die Wettbewerbssituation und damit auch die Gebührenstruktur der Fondslandschaft eines Kapitalmarktes (hier auf Länderebene) widerspiegeln.45 Wettbewerbsdruck drängt Closet Index Manager aus dem Markt und senkt gleichzeitig die durchschnittliche Kostenquote sowohl passiv als auch aktiv gemanagter Aktienfonds. Müller und Weber (2014) bestätigen, dass die Kennzahlen TE, R² und Active Share zur Messung von Portfoliomanagementaktivitäten auch außerhalb der USA Gültigkeit besitzen. Sie vereinfachen es für Investoren, erfolgreiche Fondsmanager zu identifizieren und sind gute Prädiktoren für die zukünftige Fondsperformance, da diese Kennzahlen ermöglichen, zwischen Glück und Fähigkeit des Fondsmanagers zu differenzieren. Müller und Weber (2014) empfehlen überdies, dass Rating-Agenturen diese Kennzahlen in den Rating-Prozess für Investmentfonds integrieren sollten, sodass Investoren besser über die Managementaktivitäten des Fondsmanagers informiert sind.46 Cremers und Pareek (2016) verbinden die Kennzahl Active Share mit Anlage­ strategien von Fondsmanagern. Sie zeigen auf, dass hohe Active Share Port­folios per se nicht unbedingt gut performen, sondern nur in Kombination mit einer geduldigen

42 Von 356 untersuchten Aktienfonds im Dezember 2010 mit Domizil in Deutschland weisen 34 % der als aktiv deklarierten Fonds einen aktiv gemanagten Aktienanteil von unter 60 % auf. Vgl. Cremers et al. (2016), S. 543. 43 Zu beachten ist hier, dass der Untersuchungszeitraum (2002 bis 2010) vor dem eigentlichen Boom der ETFs liegt. Der Markt für passive beta-Strategien hat sich seitdem so stark gewandelt, dass die Ergebnisse von Cremers et al. (2016) mit Blick auf die heutigen Marktstrukturen nur noch beschränkte Gültigkeit besitzen können. Vgl. Cremers et al. (2016), S. 541. 44 Vgl. Cremers et al. (2016), S. 549. 45 Vgl. ebd., S. 550. 46 Vgl. Müller / Weber (2014), 231 f.

4.1 Closet Indexing Literature Review 

131

Buy-and-Hold-Anlagestrategie.47 Sogenannte Value-Strategien, bei denen unterbewertete Aktien gekauft und langfristig gehalten werden, lassen sich beispielsweise hier einordnen (vgl. 3. 5. 2).48 Allerdings weisen nur wenige Fonds sowohl eine hohe Divergenz zur Benchmark als auch langfristig ausgerichtete Anlagestrategien auf. Auch die Mehrzahl der Fonds mit langfristigem Anlagehorizont tendiert eindeutig zu geringen Benchmark Abweichungen (niedriger Active Share). Closet Indexing erweist sich auch in diesem Fall als schlechte Wahl.49 Bereits Shleifer und Vishny (1997) hinterfragen, warum nur wenige Fondsmanager den scheinbar erfolgreichen Weg langfristiger Anlageziele einschlagen. Dies hängt insbesondere mit einem risikoaversen Verhalten der Fondsmanager zusammen. Diese gehen mit langfristig ausgerichteten Anlagestrategien, in denen durchaus länger anhaltende negative Marktphasen überwunden werden müssen, höhere Risiken ein. In solchen Marktphasen besteht das erhöhte Risiko, dass entweder Investoren ihr investiertes Kapital zurückfordern oder die Fondsmanager von der Fondsgesellschaft freigestellt werden, bevor ein langfristiger Erfolg einsetzen kann.50 Hierbei zeigt sich, dass langfristig erfolgreiche Investments nicht nur von den Fähigkeiten der Fondsmanager, sondern auch von der Geduld ihrer Arbeitgeber und Investoren abhängen. Über dies hinaus ist bemerkenswert, dass sich geduldiges, aktives Investieren insbesondere in turbulenten Börsenzeiten (z. B. Nasdaq Crash 1999–2001, Finanzkrise 2007–2009) auszahlt. Fonds, die einen hohen Active Share und einen geringen Turnover aufweisen, konnten hauptsächlich in diesen Börsenphasen Alpha generieren.51 Gerade in solchen Marktphasen ist es folglich wichtig, dass Investoren Ihre Gelder nicht überhastet dem Fonds entziehen, sondern geduldig auf den langfristigen Erfolg des aktiven Fondsmanagers setzen. Caquineau, Möttölä und Schumacher (2016) untersuchen 456 aktiv gemanagte europäische Large Cap Investmentfonds. 20,2 % der in der Stichprobe analysierten Fonds weisen über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren einen Active Share unter 60 % auf und zeichnen sich zudem durch eine schlechtere Performance im Vergleich zu Fonds mit hohem Active Share aus. Insbesondere während der Finanzkrise 2008/2009 weisen viele Fonds einen niedrigen Active Share auf. Auch weil viele Fonds ihre Investments von kleinen und mittleren Unternehmen in große Unternehmen umschichten und dadurch der jeweiligen Indexgewichtung (nach Marktkapitalisierung) näher kommen.52 Die zunehmende Marktmacht von passiven, kostengünstigen ETFs scheint jedoch den Druck auf aktive Fonds­ manager zu erhöhen. Anleger investieren in den Jahren nach der Finanzkrise

47

Vgl. Cremers / Pareek (2016), S. 288. Für eine detaillierte Analyse von Value-Strategien ist die, in dieser Schriftenreihe veröffentlichte, Dissertationsschrift von Schneider (2017) zu empfehlen. 49 Vgl. Cremers / Pareek (2016), S. 306. 50 Vgl. Shleifer / Vishny (1997), S. 48. 51 Vgl. Cremers / Pareek (2016), S. 298. 52 Vgl. Caquineau / Möttölä / Schumacher (2016), S.  1. 48

132

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

zunehmend in solche Fonds, die einen überdurchschnittlich hohen Active Share aufweisen.53 Cremers und Curtis (2016) führen mit dem „Active Fee“ (AF) ein neues Maß ein. Active Fee setzt die Fondsgebühren ins Verhältnis zum Active Share des Fonds und berechnet vergleichbare Kosten passiver Fonds mit ein, sodass ermittelt werden kann, wieviel Investoren für den Teil des Fonds bezahlen, der sich von der Benchmark unterscheidet:54 𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴 𝐹𝐹𝐹𝐹𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴 =

𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐴𝐴𝐴𝐴𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐴𝐴𝐴𝐴 𝑅𝑅𝑅𝑅𝑅𝑅𝑅𝑅𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝑅𝑅𝑅𝑅 − (1 − 𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴 𝑆𝑆𝑆𝑆ℎ𝑅𝑅𝑅𝑅𝑎𝑎𝑎𝑎𝐴𝐴𝐴𝐴) ⋅ 𝐼𝐼𝐼𝐼𝐸𝐸𝐸𝐸𝐼𝐼𝐼𝐼𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴 𝐹𝐹𝐹𝐹𝐹𝐹𝐹𝐹𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸 𝐹𝐹𝐹𝐹𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴 𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴 𝑆𝑆𝑆𝑆ℎ𝑅𝑅𝑅𝑅𝑎𝑎𝑎𝑎𝐴𝐴𝐴𝐴

(4.3)

Die Einführung der Kennzahl Active Fee ermöglicht erstmals den Vergleich von Fondsgebühren zwischen Fonds mit unterschiedlichem Level aktiven Managements.55 Hoher Active Fee geht 0in der Regel mit niedrigem Active Share einher. Ob die beiden Maße adäquate Indikatoren für die Qualität des Fondsmanagements auch für den deutschen Aktieninvestmentfondsmarkt sind, wird in der empirischen Analyse der vorliegenden Forschungsarbeit untersucht. Cremers (2018) untersucht im Zeitraum von 1990–2015 ähnlich wie Cremers und Pareek (2016) und Cremers und Curtis (2016) US-Investmentfonds hinsichtlich der Performance basierend auf dem Active Share, der Fonds-Holding-Duration und dem Active Fee. Die empirische Analyse bestätigt, dass Active Share und Active Fee die Performance von Investmentfonds vorhersagen kann. Niedriger Active Share respektive hoher Active Fee sind signifikant gute Prädiktoren für schwache Fondsperformance. Geduldige Buy-and-Hold Strategien, die sich durch hohe Fonds-Holding-Duration auszeichnen, erhöhen durchschnittlich die langfristige Fondsperformance.56 Überwiegend konzentrieren sich Studien über Active Share bisweilen auf den Aktienmarkt. Die Kennzahl lässt sich jedoch auch auf Anleiheportfolios anwenden. In Rentenportfolios und insbesondere im High-Yield-Bereich geht es anders als bei Aktienportfolios mehr um die Einzelwertauswahl und weniger um systematische Abweichungen von der Benchmark. Zudem steht das Kreditrisiko im Vordergrund, sodass Kennziffern, die auf einzelwertspezifische Risiken abzielen (wie z. B. Active Share), sinnvoller sein können als Maß für potenziell erzielbare Überrenditen als beispielsweise der Tracking Error.57

53

Vgl. ebd., S. 4. Vgl. Cremers / Curtis (2016), S. 51. 55 Der zur Berechnung des Active Fee herangezogene Index Fund Fee spiegelt die Gebühren für einen vergleichbares passives Investmentprodukt wider. Das sind in der Regel ETFs oder passiv gemanagte Indexfonds. 56 Vgl. Cremers (2018), S. 77. 57 Vgl. Cameron et al. (2016), S. 34. 54

4.1 Closet Indexing Literature Review 

Credit-Manager

Credit-/MakroManager

Niedrig

Closet-Indexing

Makro-Manager

Active Share

Hoch

133

Index/ETF 0

0

Niedrig

Hoch Tracking Error

Abbildung 7: Active Share und Tracking Error im Bondmanagement.58

Wird der Tracking Error als Maß für die systematischen Faktorgewichte und der Active Share als Maß für die aktive Anleiheauswahl betrachtet, lassen sich ähnlich wie bei Aktien (vgl. Abbildung 6) auch für Anleihen die verschiedene Fondsmanagementstile in einer Matrix abbilden (vgl. Abbildung 7). Es gilt jedoch zu beachten, dass es bei Anleiheportfolios Besonderheiten gibt, die bei Aktien nicht vorzufinden sind. So ist es z. B. wichtig zu unterscheiden, ob eine einzelne Emission oder ein Emittent betrachtet wird. Der Active Share eines Bondport­ folios bestehend aus US-Staats- und Hypothekenanleihen wäre beispielsweise allein aufgrund der Homogenität der Emittenten wesentlich niedriger als bei einem diversifizierten High Yield Portfolio. Hinzu kommen weitere von der Benchmark abweichende wichtige Faktoren wie die Portfolioduration, Wechselkursrisiken, Swap Spreads, Sektorgewichte und die Volatilität.59 Neben Aktien und Anleihen kann auch der Erfolg von Immobilieninvestments über den Active Share prognostiziert werden. Cremers und Lizieri (2015) zeigen für Immobilienfonds auf, dass auch in dieser Asset Klasse Fonds mit hohem Active Share eine signifikante Überperformance im Marktvergleich aufweisen.60 Real Estate Fonds mit hohem Active Share halten durchschnittlich sowohl weniger als auch kleinere Objekte. Allerdings kann die Outperformance zum Marktdurch 58

Eigene Darstellung in Anlehnung an Cameron et al. (2016), S. 36. Diversifizierte CreditManager können trotz niedrigen TEs aktiv sein (hoher aktiv Share), weil sie z. B. bei Duration, Volatilität und Sektorgewichten nur wenige Benchmarkabweichungen aufweisen. Umgekehrt weisen Makro-Manager mit Fokus auf systematische Risikofaktoren und ohne große Abweichungen von der Benchmark einen niedrigen Active Share, jedoch einen hohen Tracking Error auf. Ein Credit-/Makro-Manager kombiniert die beiden Ansätze. 59 Vgl. Cameron et al. (2016), S. 35. 60 Vgl. Cremers / Lizieri (2015), S. 24.

134

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

schnitt nicht mit der Fondsgröße erklärt werden, unabhängig davon, ob es sich um kleine oder große Fonds handelt.61 Kritik an der Performancekennzahl Active Share bleibt nicht aus. Diese ist jedoch häufig in von der Fondsbranche finanzierten Studien zu finden, in denen die Problematik des Closet Indexing relativiert wird.62 Caquineau, Möttölä und Schumacher (2016) weisen in ihrer Studie auf einige limitierende Faktoren des Active Share Maßes hin, die bei dessen Verwendung in der Fondsanalyse Beachtung finden sollten:63 1. Active Share ist nur indikativ für Long-Only-Fonds, die nicht in Derivate investieren. 2. Die Höhe des Active Share hängt stark von der gewählten Benchmark ab. Benchmarks können in der Anzahl der enthaltenen Wertpapiere und dem Gewichtungsmechanismus stark variieren. 3. Ein hoher Active Share könnte lediglich eine Verzerrung oder Divergenz im Portfolioinvestmentstil signalisieren. 4. Ein Wechsel des Assetmanagers oder der Strategie kann zu großen Verschiebungen in der Höhe des Active Share führen. Wechselnde Markt- und Unternehmenssituation können die Bereitschaft der Assetmanager zum aktiven Portfoliomanagement beeinflussen. 5. Ein hoher Active Share allein ist nicht ausreichend, um Alpha zu generieren. Dabei sollte es eine Grundeigenschaft sein, die gute Fondsmanager beherrschen: chancenreiche Wertpapiere durch sogenanntes Stock Picking gezielt auswählen zu können. Active Share ermöglicht jedoch nicht, Fondsmanager in gute und schlechte „Stockpicker“ zu selektieren. Die Kennzahl misst lediglich die Differenz zur Benchmark. Um diese Differenz zu erreichen, bedarf es keinerlei besonderer Fähigkeiten des Fondsmanagers. Deshalb spricht ein hoher Active Share nicht direkt dafür, dass ein Fondsmanager gute Arbeit leistet. Nur in Kombination mit guten Wertpapierselektionsfähigkeiten eines Fondsmanagers bildet dieses Maß einen anerkannten Indikator für erfolgreiches Fondsmanagement.64 Das bestätigen auch Schlanger, Philips und Peterson LaBarge (2012) in einer Vanguard Studie über 903 Investmentfonds, von denen sie 100 Fonds als ClosetIndexing-Fonds einstufen. Im Gegensatz zu früheren Forschungsergebnissen, nach denen Active Share signifikant mit der zukünftigen Outperformance des Fonds zusammenhängt, fanden sie im Analysezeitraum 2001–2011 keinen solchen Zu­

61

Vgl. ebd., S. 35. Vgl. hier und im Folgenden Cremers / Curtis (2016), S. 43. 63 Vgl. Caquineau / Möttölä / Schumacher (2016), S.  36 f. 64 Vgl. Cremers (2018), S. 62. 62

4.1 Closet Indexing Literature Review 

135

sammenhang.65 Allerdings könnte die Studie einem Survivorship Bias unterliegen, da liquidierte und zusammengeschlossene Fonds, die mehr als ein Drittel der gesamten Stichprobe ausmachen, aus der Analyse ausgeschlossen wurden.66 Cohen et al. (2014) merken an, dass ein hoher Active Share (Benchmark-Abweichungen) durch Investmentstilabweichungen oder dem Größeneffekt bei Wertpapieren erklärt werden kann. Das wiederum kann für Investoren unerwartete (Faktor)Risiken bedeuten, sollten Fonds allein auf der Grundlage der Active-Share-Kennzahl ausgewählt werden. Die historisch positive Korrelation zwischen Active Share und Fondsalpha in den letzten 15 Jahren kann durch deutliche Benchmark-Abweichungen von Large-Cap-Portfolios erklärt werden. Sobald Large Caps durch Small Caps substituiert werden, profitieren Fonds vom sogenannten Kleinfirmeneffekt.67 Die Fondsperformance steigt und gleichzeitig der Active Share, da Fonds nach Portfolioumschichtungen von Large Cap Benchmarks stärker abweichen. Dieser Kritikpunkt von Cohen et al. (2014) ist auch für die später folgende empirische Analyse des deutschen Aktienmarktes relevant. Der Kleinfirmen­effekt ist im Untersuchungszeitraum (2013–2018) in Deutschland stark ausgeprägt. MDAX und SDAX weisen eine deutlich bessere Performance auf als der Large Cap Index DAX (vgl. Abbildung 9). Frazzini, Friedman und Pomorski (2016) finden in einer Studie für AQR Capital Management beim Kontrollieren auf Unterschiede in Benchmark-Renditen keinen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Active Share und der Performance eines Fonds. Fonds mit hohem Active Share (vornehmlich Small-Cap-Fonds) haben Benchmarks, die durchschnittlich eine schlechtere Rendite aufweisen als Benchmarks von Fonds mit niedrigem Active Share (vornehmlich Large-Cap-Fonds).68 Demartini und Mosson (2018) kritisieren, dass es anders als in den USA in Europa keine regulatorische Anforderung an die Transparenz der Fonds hinsichtlich eines Marktvergleiches gibt. Daten werden daher in der Regel deklarativ und freiwillig von den Fonds an Datenanbieter weitergegeben, wobei das Fehlen einer Transparenzanforderung den Umfang dieser erheblich reduzieren kann. Dadurch kann es zu Selektionsbias kommen, da nur die transparentesten Fonds analysiert werden können, sodass die Repräsentativität von Studien und deren Ergebnisse verzerrt und damit angezweifelt werden können.69 Aufbauend auf der Überlegung, dass Closet-Indexing-Fonds aufgrund ihrer Kostenstruktur im Vergleich zu echten Indexfonds oder ETFs durchschnittlich eine schlechtere Performance aufweisen, sollte eine profitable Handelsstrategie möglich 65

Vgl. Schlanger / Philips / Peterson LaBarge (2012), S.  7. Vgl. ebd., S. 9. 67 Vgl. Cohen et al. (2014), S. 8. 68 Vgl. Frazzini / Friedman / Pomorski (2016), S. 15. Large Cap Benchmarks konnten in den USA im Studienzeitraum 1990–2009 Small Cap Benchmarks auf Grundlage des Carhart4-Faktoren-Modells outperformen. In der folgenden empirischen Analyse des deutschen Aktienmarktes ist das Gegenteil zu beobachten. 69 Vgl. Demartini / Mosson (2018), S. 8. 66

136

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

sein. Marktineffizienzen werden ausgenutzt, indem Investoren Closet-IndexingFonds leerverkaufen und in ihren Pendants, den passiven Indexfonds (oder ETFs) long positioniert sind. Taylor (2004) zeigt, dass eine solche Strategie signifikantes Alpha generiert. Passive Indexfonds übertreffen Closet-Indexing-Fonds mit 10 Basispunkten pro Monat. Andererseits ist die Markt Sharpe Ratio und die Sharpe Ratio dieser Handelsstrategie statistisch nicht zu unterscheiden, was ein Indikator dafür sein könnte, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung wenige Fonds ClosetIndexing-Anlagestrategien verfolgten.70 Vor allem junge unerfahrenere Fondsmanager könnten zum Closet Indexing verleitet sein. Sie gehen im Vergleich zu ihren älteren Kollegen weniger Risiken ein, da sie bei negativer Abweichung zu ihrer Peergroup schneller um ihren Job fürchten müssen als langgediente Fondsmanager.71 Folglich ist es unwahrscheinlicher, dass sich junge Fondsmanager durch unkonventionelle Entscheidungen von der Masse abheben. Sie könnten also eher dazu neigen ihren Fonds nahe an einem Vergleichsindex auszurichten. Taylor (2004) findet jedoch keine Evidenz dafür, dass Closet-Indexing-Fondsmanager überdurchschnittlich jung sind beziehungsweise am Anfang ihrer Karriere stehen und deshalb ihren Fonds risikoärmer managen, aus Angst den Job zu verlieren.72 Mit der Einführung des Performancemaßes „Active Share“ zeigen Cremers und Petajisto (2009), dass Fondsmanager mit Stock-Picking-Fähigkeiten in der Lage sind, durch aktive Selektion von Wertpapieren eine passive, breit gestreute Benchmark zu schlagen. Cohen, Polk und Silli (2010) kommen auf ähnliche Ergebnisse für ihren „best ideas“ Ansatz. Eine stark konzentrierte Wertpapierauswahl – eine Portfoliozusammensetzung aus den „besten Ideen“ der Fondsmanager – schneidet in der Regel besser ab als das Gesamtportfolio. Die Autoren führen deshalb das schlechte Abschneiden von Fondsmanagern nicht auf schwache Stock-Picking-Fähigkeiten, sondern auf (institutionelle) Einflüsse von außen zurück. Diese exogenen Einflüsse bieten Fondsmanagern Anreize, ihre Portfolios zu stark zu diversifizieren.73 Zu diesen Einflüssen zählt beispielsweise der Wunsch sowohl von Investoren als auch Fondsmanagern die idiosynkratische Volatilität des Fonds zu minimieren. Ihre Auswahl an Alpha-generierenden Wertpapieren (best ideas) wird dann durch Hinzunahme von weiteren Wertpapieren verwässert, sodass schlussendlich mögliches Alpha verloren geht.74 Berthon und Konqui (2019) stützen diese These, indem sie für das Kalenderjahr 2018 zeigen, dass Fondsmanager im Vergleich zum Markt durchschnittlich keine zusätzlichen Risiken eingehen.75 70 Vgl. Taylor (2004), S. 439. An der praktischen Umsetzung dürfte diese Handelsstrategie scheitern, da es so gut wie unmöglich ist, Investmentfonds (kostengünstig) leer zu verkaufen. 71 Vgl. Chevalier / Ellison (1999), S. 430. 72 Vgl. Taylor (2004), S. 438. 73 Vgl. Cohen / Polk / Silli (2010), S.  33. 74 Vgl. ebd., S. 33. 75 Vgl. Berthon / Konqui (2019), S. 10. Gemessen anhand der Sharpe Ratio des Fonds im Vergleich zur Benchmark.

4.1 Closet Indexing Literature Review 

137

Im Folgenden fasst Tabelle 7 die zuvor aufgezeigten Ergebnisse der wissenschaftlichen Fachbeiträge und Studien komprimiert zusammen. Der Überblick über die relevantesten Forschungsergebnisse zur Closet-Indexing-Thematik zeigt die Relevanz weiteren Forschungsbedarfs auf. Die überwiegende Mehrheit der Studien analysiert ausschließlich den US-amerikanischen Kapitalmarkt. Der europäische und im Speziellen der deutsche Aktienmarkt sind unterrepräsentiert und bislang nur unzureichend erforscht. Tabelle 7 Closet Indexing Literature Review76 Autoren

Zeitraum & Region

Methodik

Zentrale Aussage der Forschungsergebnisse

Wermers (2003)

1975–2000, USA

Tracking Error

„[A]ctively managed funds underperform indexing, on average, but […]  a substantial minority outperform.“77

Taylor (2004)

1991–2000, USA

R² der Fonds zum S&P 500

„Closet-indexing is less likely to be an industry-wide ‚bad-practice‘ and more likely to be an instance of few funds ‚acting badly‘.“78

Cremers und Petajisto (2009)

1980–2003, USA

Active Share & TE

„Active management, as measured by Active Share, significantly predicts fund performance relative to the benchmark. Funds with the highest Active Share outperform their benchmarks […]. In contrast, active management as measured by tracking error does not predict higher returns.“79

Schlanger, Philips und Peterson LaBarge (2012)

2001–2011, USA

Active Share

„Contrary to earlier research findings that high levels of active share were significantly related to subsequent fund outperformance, we found no such relationship during our analysis period.“80

Amihud und ­Goyenko (2013)

1988–2010, USA

R² zu „We find that funds with lower R² have sub­ Multifaktor-­ sequently higher risk-adjusted excess return (alpha) after controlling for fund characteristics Modellen and past performance.“81

76

Eigene Darstellung. Wermers (2003), S. 10. 78 Taylor (2004), S. 440. 79 Cremers / Petajisto (2009), S.  3362. 80 Schlanger / Philips / Peterson LaBarge (2012), S.  7. 81 Amihud / Goyenko (2013), S.  691. 77

138

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

Autoren

Zeitraum & Region

Methodik

Zentrale Aussage der Forschungsergebnisse

Petajisto (2013)

1980–2009, USA

Active Share & TE

„Closet indexing has been increasing in popularity since 2007 […]. The average level of active management is low when volatility is high. […] The performance of closet indexers has been predictably poor. […] High Active Share is most strongly related to future returns among small-cap funds, but its predictive power within large-cap funds is also both economically and statistically significant.82

Khusainova und Mier (2013)

2007–2011, global (Domizil: USA)

Active Share

„[T]he pattern of results in global and international funds is consistent, at least on the surface, with active share findings in the US mutual fund universe.“

Cohen et al. (2014)

1997–2013, USA

Active Share

„[Active Share] may reveal out-of-mandate holdings, style drift, and / or a size bias, any of which may impart unexpected risk or factor exposures on investors who select managers on the basis of active share and mandate alone. […] [H]istorical active share measures for large-cap portfolios may be correlated with  a distinct smaller-cap bias, which may explain the relationship between active share and excess return over the past 15 years.“83

Müller und Weber (2014)

2001–2008, 6 Regionen weltweit

Active Share, TE, R²

[M]easures of fund activity (Active Share, Tracking Error, and R²) also predict future fund performance outside the US fund market.“84

Cremers und Lizieri (2015)

2002–2011, UK

Active Share, Size

„[W]e find that real estate funds in the highest Segment Active Share quintile significantly outperform. […] [T]heir outperformance cannot be explained by the size of the fund […].“85

Cremers et al. (2016)

2002–2010, 32 Länder

Active Share

„[I]n countries in which investors have limited options of paying lower fees for beta exposure through passive management, many active fund managers are effectively closet indexers who charge higher fees and underperform.“86

82

Petajisto (2013), S. 73 f. Cohen et al. (2014), S. 8. 84 Müller / Weber (2014), S.  231. 85 Cremers / Lizieri (2015), S.  34 f. 86 Cremers et al. (2016), S. 558. 83

4.1 Closet Indexing Literature Review 

139

Autoren

Zeitraum & Region

Methodik

Zentrale Aussage der Forschungsergebnisse

Cremers und Curtis (2016)

1990–2014, USA

Active Share, Active Fee

„Closet indexing in U. S. mutual funds is  a problem that harms investors through high costs and low returns.“87

Cremers und Pareek (2016)

1990–2013, USA

Active Share, Fund Holding Duration

„[W]e find that among high Active share portfolios only those with patient investment strategies are able to outperform their benchmarks on average. […] This means that among funds that infrequently trade, it is crucial to separate closet index funds […] from truly active funds.“88

Caquineau, Möttölä und Schumacher (2016)

2005–2015, Europa

Active Share

„The percentage of funds with a three-year average active share below 60 % […] was 20.2 %. […] [W]hen price is measured per unit of active share, European investors are overpaying for low active share funds.“89

ESMA (2016a)

2012–2014, Europa

Active Share, TE, R²

„The results of the study underline the need for additional supervisory work in this area.“90

Frazzini, Friedman und ­Pomorski (2016)

1980–2009, USA

Active Share & TE

„Controlling for differences in benchmark returns, we found no significant relationship between the active share measure and fund returns.“91

Cremers (2018)

1990–2015, USA

Active Share, Fund Holding Duration, Active Fee

„Among the patient funds, only those that also had high Active Share outperformed […]. Among high Active Share funds, only those funds that also pursued patient strategies outperformed.“92

Demartini und Mosson (2018)

2006–2016, Europa (Domizil: Frankreich)

R², TE, Style-Shifting Aktivitäten

„[N]one of the three models can identify closet index funds if they are focused on a particular country or sector.“93

87

Vgl. Cremers / Curtis (2016), S. 88. Vgl. Cremers / Pareek (2016), S. 304 f. 89 Caquineau / Möttölä / Schumacher (2016), S.  1. 90 ESMA (2016a), S. 4. 91 Frazzini / Friedman / Pomorski (2016), S.  15. 92 Cremers (2018), S. 71. 93 Demartini / Mosson (2018), S.  23. 88

140

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

4.1.2 Closet Indexing im Fokus der europäischen Aufsichtsbehörden Die bisherige Forschungslücke in Europa und im Speziellen in Deutschland zum Thema Closet Indexing zeigt sich auch in den folgenden Abschnitten. Europäische Aufsichtsbehörden reagieren bislang nur schleppend und unzureichend auf die zuvor aufgezeigte Problematik bei aktiv gemanagten Investmentfonds. Diskussionen rund um das Thema Closet Indexing nehmen mittlerweile so große Ausmaße an, dass sich die europäische Finanzmarktaufsicht ESMA sowie die nationalen Aufsichtsorgane, wie beispielsweise in Deutschland die BaFin, des Themas annehmen.94 So untersuchte die ESMA EU-weit 2600 Investmentfonds für den Zeitraum von 2010 bis 2014 auf Closet Indexing.95 Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde geht davon aus, dass 5 bis 15 Prozent der untersuchten UCITs-Fonds potentiell Closet Indexing betreiben könnten.96 Die von der ESMA 2016 angewandte Methode bezieht sich überwiegend auf das Untersuchungsdesign von Cremers und Petajisto (2009). Die ESMA definiert einen Fonds als potenziellen Closet Index Tracker, wenn dieser über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren, (innerhalb der fünf Jahre während des Untersuchungszeitraums 2010–2014) einen Active Share von unter 60 % und einen Tracking Error von unter 4 % aufweist.97 In einer zweiten Phase war es dann Aufgabe der nationalen Aufsichtsbehörden mögliche Closet-Indexing-Fonds in ihrer nationalen Gerichtsbarkeit weiter zu untersuchen. Die für Frankreich zuständige AMF konnte die Ergebnisse der ESMA nicht bestätigen, sodass in Frankreich bis dato keine Fonds des Closet Indexing überführt wurden.98 Auch die BaFin konnte in ihrer Untersuchung von 2016 keinen als aktiv deklarierten Fonds in Deutschland ausfindig machen, der den internen Closet-Indexing-Kriterien entspricht. Hingegen zeigte sich jedoch, dass sich einige Fondsanbieter durchaus sehr nahe am Indexmuster bewegen.99 Gegenstand der Untersuchung waren 290 deutsche Aktienfonds. Daraus resultierend sieht die BaFin Verbesserungspotenzial bei der Information der Anleger. Im Rahmen einer Transparenzlösung sind Kapitalverwaltungsgesellschaften seit dem 31. 12. 2017 verpflichtet, sich verbindlich festzulegen, ob der von ihnen aufgelegte Fonds aktiv oder passiv verwaltet wird, und ihre Strategie im Verkaufsprospekt zu erläutern.100 Diese Verpflichtung zur Offenlegung der Anlagestrategie geht jedoch

94

Vgl. Hermann (2018), S. 1. Vgl. ESMA (2016a), S. 3. Fonds, die in die Analyse einbezogen wurden, mussten vor 2005 aufgelegt sein, mehr als 50 Mio. AUM und Fondsgebühren größer als 0,65 % auf den NAV aufweisen. Viele der in dieser empirischen Analyse integrierten Fonds, tauchen aufgrund der oben genannten Kriterien nicht in der ESMA Studie auf. 96 Vgl. ESMA (2016b). 97 Vgl. Demartini / Mosson (2018), S. 8. 98 Vgl. ebd., S. 4. 99 Vgl. BaFin (2016). 100 Vgl. BaFin (2017b). 95

4.1 Closet Indexing Literature Review 

141

nicht weit genug und ist teilweise rein kosmetischer Natur. Letztendlich hält es keinen Fondsmanager davon ab, weiterhin Closet-Indexing-Strategien zu verfolgen. Andere europäische Länder sind in der Verfolgung von Closet-Indexing-Strategien bereits weiter. 2017 veröffentlichte die Aufsicht in Schweden eine Liste mit 25 Assetmanagern, die des Closet Index-Tracking verdächtigt werden und im Nachbarland Norwegen verklagte die Behörde für Verbraucherschutz stellvertretend für weit mehr als 100.000 Kleinanleger und Investoren die größte Bank des Landes DNB wegen mehrerer vermeintlicher Closet-Indexing-Fonds. Für jene vermeintlich aktiven Fonds bezahlten Anleger in über zehn Jahren mehr als 73 Millionen Euro an überhöhten Fondsgebühren.101 Allerdings entschied das zuständige Gericht in erster Instanz pro DNB und das, obwohl einer der betroffenen Fonds „Verdipapirfondet“ der DNB Assetmanagement AS über einen Fünfjahreszeitraum einen Tracking Error zwischen 1,72 % und 3,18 % sowie einen Active Share zwischen 9,2 % und 16,9 % aufwies.102 Ein Auftrag zur Korrektur der norwegischen Aufsichtsbehörde FSA führte zumindest zu Veränderungen in der tatsächlichen Verwaltung des betroffenen Fonds. Eine Berufung über die Forderung nach Rückzahlung von 690 Millionen norwegischen Kronen Fondsgebühr ist jedoch eingelegt.103 In Schweden wurde Ende 2014 eine Beschwerde gegen die Bank „Swedbank Robur“ wegen missbräuchlicher Verkäufe von Closet-Indexing-Fondsanteilen an Investoren eingereicht, die jedoch bereits 2015 zurückgewiesen wurde.104 Die Diskussionen über Closet Indexing in Schweden führte jedoch zu einer Selbstregulierung der Fondsbranche durch Überarbeitung der Richtlinien für Marketing und Informationsbereitstellung der Fondsgesellschaften und fand sogar im offiziellen schwedischen Staatsreport „Statens offentliga utredningar“ von 2016 bezüglich eines nachhaltigeren, transparenteren und wettbewerbsfähigeren Fondsmarktes Berücksichtigung. Das schwedische Justizministerium beschloss jedoch, den Vorschlag nicht weiter zu verfolgen.105 In Großbritannien zeigt eine erste Analyse der Financial Conduct Authority (FCA) im Jahr 2016, dass fünf Fonds potentiell Closet Index Tracker sind und diese Nähe zur Benchmark nicht in den KIID’s gekennzeichnet wurde.106 2018 gab die britische Regulierungsbehörde in einer Pressemitteilung bekannt, dass 96 weitere Fonds untersucht wurden. Resultierend aus dem Druck der FCA auf die Fondsgesellschaften wurden 34 Mio. £ an freiwilligen Entschädigungszahlungen

101

Vgl. Hermann (2018), S. 2. Zur Einordnung dieser äußerst kritischen Closet-Indexing-Werte vgl. die folgende empirische Analyse über Closet Indexing bei Aktieninvestmentfonds am deutschen Aktienmarkt. 103 Vgl. Kjørven (2019), S. 126. 104 Vgl. Demartini / Mosson (2018), S. 4. 105 Vgl. Kjørven (2019), S. 130 f. 106 Vgl. FCA (2016), S. 7. 102

142

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

an Investoren geleistet und unabhängig davon laufen zwei weitere Ermittlungsverfahren gegen Fondsgesellschaften.107 Die dänische Finanzaufsichtsbehörde Finanstilsynet (2016) untersuchte Ende 2013 188 heimische Aktienfonds hinsichtlich Closet Indexing. 22 Fonds wurden dabei als potenzielle Closet-Indexing-Fonds identifiziert und die Management Boards kontaktiert. Diese wiesen die Vorwürfe mit der Begründung zurück, dass niedrige Active-Share-Werte am dänischen Aktienmarkt aufgrund der starken Marktkonzentration (wenige Aktiengesellschaften werden im dänischen OMX abgebildet) nicht ungewöhnlich seien. Die dänische Aufsichtsbehörde sah daraufhin bisweilen keinen Bedarf, die potenziellen Closet-Indexing-Fonds weiter zu untersuchen und mögliche Rechtswege einzuleiten.108 Der wichtigste dänische Aktienindex OMX Copenhagen beinhaltet 20 Unternehmen und ist somit vergleichbar mit dem wichtigsten deutschen Aktienindex DAX. Folglich könnten Investmentfonds mit Fokus auf den deutschen Aktienmarkt eine ähnliche Begründung für mögliches Closet Indexing abgeben. Die Indexstruktur des DAX erschwert sicherlich, zukünftig Fondsgesellschaften aufgrund von Closet-Indexing-Aktivitäten in Haftung zu nehmen. Closet Indexing tritt in der Praxis häufiger auf, als die offiziellen Mitteilungen europäischer Aufsichtsbehörden vermuten lassen. Das vorige Kapitel über internationale Forschungsergebnisse macht dies deutlich. Die später folgende empirische Analyse des deutschen Aktienmarktes wird dies ebenso hervorheben. Der tatsächliche Befund von potenziellen Closet-Indexing-Strategien ist jedoch auch eine Frage der Bewertungs- und Toleranzgrenzen der Aufsichtsorgane. Trotz zahlreicher oben aufgelisteter Befunde seitens der nationalen Aufsichtsbehörden hatten diese bisher nahezu keine Konsequenzen für die Closet Indexing betreibenden Fondsgesellschaften. Und das, obwohl die ESMA bereits 2016 ankündigte, dass Investmentfonds mit aufsichtsrechtlichen Konsequenzen rechnen sollten, wenn Beweise für fehlerhafte Veröffentlichungspflichten in Bezug auf aktives Fondsmanagement nachgewiesen werden.109 Dass Closet Indexing von den Aufsichtsorganen stärker in den Fokus gerückt wird, sollte auch im Interesse der meisten Fondsgesellschaften sein. Schließlich zeigen bisherige Forschungsergebnisse (s. o.) auf, dass Closet-Indexing-Fonds durchschnittlich schlechter performen als tatsächlich aktiv gemanagte Fonds. Da Closet-Indexing-Fonds für Investoren jedoch nicht immer einfach zu identifizieren sind, ziehen sie mit der unterdurchschnittlichen Performance die gesamte aktive Fondsbranche in Misskredit. Die überwiegende Mehrheit internationaler wissenschaftlicher Fachbeiträge weist seit Jahrzehnten aktiven Investmentfonds schwache langfristige Performances nach (vgl. Kapitel 2.2). Die Folgen davon sind für aktive Fondsmanager schon längst zu spüren. Wie in dieser Forschungsarbeit bereits dis 107

Vgl. FCA (2018). Vgl. Finanstilsynet (2016), S. 2. 109 Vgl. ESMA (2016a), S. 2. 108

4.1 Closet Indexing Literature Review 

143

kutiert, verliert die aktive Fondsbranche zunehmend das Vertrauen potenzieller Investoren, die stattdessen ihre Gelder vermehrt in passiv gemanagte Indexfonds und ETFs investieren. Damit dieser Trend aus Sicht aktiver Fondsmanager verlangsamt oder umgekehrt werden kann, müssen unter anderem auch Closet-Index­ ing-Aktivitäten effizienter identifiziert und anschließend rechtlich verfolgt und geahndet werden. Ohne den Druck der Aufsichtsbehörden werden Closet-Index­ ing-Anlagestrategien nicht aufhören zu existieren. Ein europaweit koordiniertes Vorgehen der Regulierungsbehörden steht laut ESMA mindestens seit 2016 auf dem Plan,110 wurde aber auch im Jahr 2019 noch nicht hinreichend gut umgesetzt. Mehr Druck übt hingegen die Nichtregierungsorganisation „Better Finance“ aus. Diese replizierte die quantitative Studie der ESMA und machte die Ergebnisse im Gegensatz zur ESMA öffentlich, sodass fortan die Möglichkeit besteht, auf der Website http://checkyourfund.eu/jegliche in der Studie vorkommenden Investmentfonds auf fehlerhafte Benchmark Reportings, mögliches Closet Indexing oder mangelnde Datentransparenz hin zu überprüfen. Von den 2332 untersuchten Fonds deklarieren 6 % keine Benchmark, 50 % veröffentlichen ungenügende Datensätze, sodass insgesamt fast 57 % der Fonds der Stichprobe nicht auf mögliches Closet Indexing untersucht werden können. Schlussendlich zeigen im Ergebnis 16 % der übrigen 43 % der Stichprobe mögliche Closet-Indexing-Anlagestrategien auf.111 Bemerkenswert ist zudem, dass die zunehmende Popularität der Kennzahl Active Share bereits Auswirkungen auf das Mandantenverhalten hat. Institutionelle Investoren wie beispielsweise Pensionsfonds haben zum Teil Active-Share-Grenzwerte in ihre Anlagerichtlinien aufgenommen. Assetmanager, die sich um ein Mandat bemühen, müssen dann garantieren, dass sie diese Active-Share-Grenzwerte einhalten oder bei Unterschreiten der Grenzwerte zufriedenstellend begründen, warum der vereinbarte Grenzwert nicht eingehalten werden konnte.112 Die zunehmende Marktmacht von ETFs und der daraus resultierende Druck auf die Preispolitik aktiver Fonds hat ebenfalls Auswirkungen auf das Anlageverhalten von aktiven Fondsmanagern, wie Brown und Davies (2017) aufzeigen. Ökonomische Fehlanreize können in Moral-Hazard-Verhalten bei Fondsmanagern resultieren. Geringere Gebühren im Assetmanagement führen zu weniger Aufwendungen in der Informationsbeschaffung. Dieser Effekt könnte durch weiter sinkende Fondsgebühren und verschärftes Moral-Hazard-Verhalten unter Fondsmanagern verstärkt werden.113 Weniger wirklich aktive Fondsmanager manifestieren sich dann wiederum in verstärkt auftretenden Closet-Indexing-Anlagestrategien. Marktineffizienzen könnten dadurch verstärkt werden, die ansonsten durch aktives Stock Picking ausgeglichen würden. Andererseits bleibt Fondsgesellschaften aufgrund zunehmenden Wettbewerbs mit passiven ETFs häufig keine Alternative, als 110

Vgl. ebd., S. 5. Vgl. Better Finance (2017), S. 1 f. 112 Vgl. Frazzini / Friedman / Pomorski (2016), S.  14. 113 Vgl. Brown / Davies (2017), S. 311 ff. 111

144

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

die Kosten für aktiv gemanagte Investmentfonds weiter zu senken. Insbesondere in Europa ist dafür noch genügend Spielraum vorhanden. Wie die folgende empirische Analyse zeigen wird, divergieren die durchschnittlichen Kosten für ETFs und aktiv gemanagte Aktienfonds nach wie vor stark. Internationale Studien zeigen, dass insbesondere Fonds in den USA für Investoren wesentlich attraktivere Gesamtkostenquoten anbieten.114

4.1.3 Zwischenfazit Fehlende Transparenzbestimmungen für europäische Investmentfonds erschweren die Analyse hinsichtlich Closet-Indexing-Aktivitäten. In den USA unterliegen bei der SEC registrierte Fonds einer Transparenzpflicht hinsichtlich der Zusammensetzung ihrer Portfolios, die auch für europäische Fonds mit Blick auf den Verbraucherschutz sinnvoll wäre. Eine Überarbeitung der Transparenzbestimmungen seitens der europäischen Aufsichtsbehörde wäre wünschenswert. Da es jedoch bislang keine festgeschriebenen, verbindlichen Richtlinien darüber gibt, welche Kriterien für die aktive Verwaltung eines Fonds erfüllt sein müssen, steht den nationalen Aufsichtsbehörden nach dem europäischen Rechtsrahmen ein hohes Maß an Ermessensspielraum bei der Identifizierung von Closet-Indexing-Fonds zur Verfügung.115 Offen bleibt damit zunächst auch, ob und wenn ja zu welchen rechtlichen Konsequenzen die aufkommende Debatte um Closet Indexing in den nächsten Jahren führen wird. An dieser Stelle müsste weitere Forschungsarbeit geleistet werden, in die juristische Expertise einfließt. Cremers und Curtis (2016) fassen zumindest Möglichkeiten zusammen, wie Fondsgesellschaften in den USA für Closet ­Indexing haftbar gemacht werden könnten. Rechtsansprüche könnten Investoren entweder über irreführende Fondsprospekte oder über überhöhte Fondsgebühren geltend machen.116 Auf das US-amerikanische Rechtssystem und mögliche Closet Indexing Verfahrensstrategien wird an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingegangen. Sollten Verluste jedoch auf überhöhte Fondsgebühren zurückgeführt werden, halten sich andererseits die daraus eventuell resultierenden Kompensationen in möglichen Rechtsprozessen in Grenzen.117 Schwierig wird es jedoch sein, Verluste direkt auf Closet-Indexing-Anlagestrategien zurückzuführen, unabhängig vom Rechtssystem eines Landes. Ein Grund dafür ist, dass die Qualität einer Dienstleistung grundsätzlich schwer messbar ist, solange keine eindeutigen und objektiven Kriterien vorliegen. Zudem hat eines der ersten europäischen Gerichtsverfahren in Norwegen gezeigt, dass Gerichte davon Abstand nehmen, Urteile bezüglich ­Closet Indexing selbst in scheinbar offensichtlichen Fällen zu Ungunsten der Fondsgesell­ 114

Vgl. Cremers et al. (2016), S. 543, Table 1. Vgl. Kjørven (2019), S. 129. 116 Vgl. Cremers / Curtis (2016), S. 68. 117 Cremers / Curtis (2016), S.  74. 115

4.1 Closet Indexing Literature Review 

145

schaften zu fällen.118 Aufsichtsbehörden haben es bisweilen schlichtweg versäumt, feste Grenzwerte zur Definition aktiven Portfoliomanagements in das europäische Regelwerk zu implementieren. Für Gerichte bleibt es somit nahezu unmöglich, Urteile zu Gunsten der Verbraucher zu fällen, solange sie damit gleichzeitig Präzedenzfälle für Folgeverfahren und damit indirekt feste Grenzwerte für Kennzahlen des aktiven Fondsmanagements schaffen.119 Diese äußerst komplexe Aufgabe sollte nicht von Gerichten, sondern von den europäischen Regulierungs- und Aufsichtsbehörden erfüllt werden. Regulatoren und Aufsichtsbehörden sind deshalb mehr denn je angehalten, Closet Indexing stärker zu überwachen und bei Verdachtsfällen zu handeln. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass durch die Wettbewerbssituation am Investment­ fondsmarkt die „unsichtbare Hand des Marktes“ nicht dazu in der Lage ist, das Problem des Closet Indexing zu beheben. Weder Active Share noch Active Fee müssen derzeit von Fondsgesellschaften transparent gemacht werden. Zwar können beide Kennzahlen zumindest an bestimmten Stichtagen, zu denen Investmentfondsportfolios veröffentlicht werden, berechnet werden, allerdings ist dieser Vorgang komplex. Und zweitens ist die Datenbeschaffung zum Teil zeit- und kostenintensiv. Häufig sind Datensätze gar nicht erst verfügbar. Das zeigt nicht nur die oben genannte Better Finance Studie, sondern auch die folgende empirische Analyse der vorliegenden Forschungsarbeit. Die Asymmetrie in der Prinzipal-Agenten-Beziehung am Investmentfondsmarkt wird auch in Zukunft bestehen bleiben. Fondsgesellschaften halten berechtigterweise ihre Anlagestrategie geheim und veröffentlichen Portfoliozusammensetzungen nur an vereinzelten Stichtagen. Sie schützen sich damit vor unrechtmäßiger Kopie ihrer Anlagestrategie. Andererseits können Investoren durch die vorhandene Intransparenz des Systems die Arbeit der Fondsgesellschaft nicht hinreichend gut auf aktive Managementqualität überprüfen. Aufgeklärte Investoren würden ansonsten ihr Geld nicht in teure Closet-Indexing-Fonds investieren. Cremers und Curtis (2016) schlagen deshalb für US-amerikanische Investmentfonds die Einarbeitung des Active-Share-Konzepts in die Veröffentlichung von Fondsgebühren und -performance vor.120 Ähnliches ließe sich auch für UCITS Investmentfonds in Europa umsetzen. Active Share und Fondsgebühren als auch zukünftige Fondsperformance sind eng miteinander verknüpft und das fundierte theoretische Konzept dahinter ist durch empirische Tests bestätigt. Im Sinne des Verbraucherschutzes wäre es wünschenswert, dass Informationen über die tatsächlichen Managementaktivitäten und Kosten für den aktiven Teil eines Fonds in die Prospektpflicht mit einfließen. Gleichzeitig kann dadurch die Relevanz des Benchmark-Konzeptes in den Vordergrund rücken. Durch die Kennzahl Active Share 118

Siehe oben Verfahren der norwegischen Verbraucherschutzagentur gegen mehrere Fonds der DNB. 119 Vgl. Kjørven (2019), S. 133. 120 Vgl. Cremers / Curtis (2016), S. 83.

146

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

kann die tatsächliche Benchmark eines Fonds ermittelt werden, sodass Fondsgesellschaften fortan nicht konsequenzlos eine falsche selbstdeklarierte Benchmark veröffentlichen können. Andererseits ist es fragwürdig, ob dies für die in dieser Arbeit untersuchten Publikumsinvestmentfonds einen erheblichen Unterschied machen würde. Problematisch könnte sein, dass ein Großteil der Privatinvestoren Kennzahlen, wie den Active Share, Active Fee oder Tracking Error nicht interpretieren kann. Kennzeichnungspflicht für aktives Portfoliomanagement in den wesentlichen Anlegerinformationen müsste folglich verbraucherfreundlich dargestellt werden. KIIDs sind bereits jetzt voller Informationen, die der Durchschnittsanleger womöglich nicht imstande ist zu überschauen. Zusätzliche Kennzahlen sind zwar wünschenswert, das Konzept der wesentlichen Anlegerinformationen sollte allerdings dafür überarbeitet werden. Die Darstellung von Benchmark, Performance, Active Share und sonstigen Kennziffern muss intuitiver dargestellt werden, sodass auch Privatanleger diese innerhalb kürzester Zeit verstehen können. Ein Ampelsystem, wie es beispielsweise in der Lebensmittelindustrie für viele Produkte bereits eingeführt wurde, könnte eine mögliche Lösung darstellen. An dieser Stelle wäre zukünftige interdisziplinäre Forschungsarbeit wünschenswert.

4.2 Thesen- und Hypothesenentwicklung In Anlehnung an die Ausführungen in den vorherigen Kapiteln, sowohl zu den Chancen und Risiken von ETFs als auch den Erläuterungen zu den bisherigen internationalen Forschungsergebnissen zur Closet-Indexing-Problematik, werden nachstehend sowohl Thesen als auch Hypothesen zu beiden Themengebieten entwickelt. Der Fokus wird hierbei auf der Closet-Indexing-Thematik liegen. Mit der empirischen Analyse des deutschen ETF-Marktes, insbesondere hinsichtlich der Tracking Differenz dieser ETFs, zeigt diese Forschungsarbeit jedoch nicht nur eine passive Anlagealternative zu aktiv gemanagten Fonds auf, sondern betrachtet diese auch kritisch hinsichtlich der Performance im Vergleich zu den Benchmark Indices. Alles in allem zielen sowohl die Thesen als auch die Hypothesen darauf ab, die zu Beginn dieser Arbeit gestellten Forschungsfragen im Rahmen einer empirischen Analyse des deutschen Aktienmarktes zu überprüfen. Kurzgefasst werden, aufbauend auf der zuvor thematisierten internationalen wirtschaftswissenschaftlichen Literatur, folgende Forschungsfragen analysiert: – Welche Auswirkungen hat der weltweite Aufstieg der passiven Fondsbranche auf den deutschen Fonds- und Aktienmarkt? – Welche Variablen beeinflussen die Tracking Differenz und damit die Replikationsgüte von ETFs? – Ist Closet Indexing ein weit verbreitetes Problem am deutschen Aktienmarkt? – Welche Variablen beeinflussen den Active Share von Fondsmanagern und welche Auswirkungen hat dies auf die Fondsperformance?

4.2 Thesen- und Hypothesenentwicklung 

147

Zur Beantwortung der Forschungsfragen werden neben den Thesen im Rahmen der empirischen Untersuchung Hypothesen zu möglichen Einflussfaktoren auf die Replikationsgüte von ETFs und Closet Indexing bei aktiv gemanagten Investmentfonds untersucht. Die Hypothesen wurden auf ihre Plausibilität anhand theoretischer und sachlogischer Überlegungen sowie den Ergebnissen früherer internationaler Forschungsarbeiten geprüft. Es wird im weiteren Verlauf der Arbeit zwischen ETF-spezifischen (TETF / H ETF) und Closet Indexing-spezifischen (TCI / HCI) Thesen (T) und Hypothesen (H) unterschieden.

4.2.1 Thesen und Hypothesen: ETFs Luxemburg hat sich in Europa als Standort für Kapitalgesellschaften in den letzten Jahren zunehmen etabliert. Auch für ETFs ist Luxemburg als Domizilland historisch gewachsen. So emittierte bereits Morgan Stanley im Jahr 1993 an der luxemburgischen Börse die ersten europäischen ETF-ähnlichen Konstruktionen, sogenannte Optimised Portfolio as Listed Securities (OPALS).121 Auch 2019 werden UCITS-konforme ETFs vorwiegend in Irland, Frankreich und Luxemburg aufgelegt. Der Fondsstandort Deutschland nimmt eine untergeordnete Rolle ein.122 Insbesondere Luxemburg und Irland, die sich nicht nur gegenwärtig stark vermarkten, haben in der Vergangenheit von einem Regulierungsgefälle zwischen den EU-Standorten profitiert.123 Entsprechend lautet die erste ETF-spezifische These: TETF -1: Deutsche Aktien-ETFs haben ihr Domizil vorwiegend in Luxemburg oder Irland. Getrieben wird das ETF-Marktwachstum durch lokal wie auch global zu beobachtende Faktoren. Entscheidend für den europäischen und damit auch deutschen Kapitalmarkt sind das derzeitige Niedrigzinsniveau und auch Regulierungsbemühungen hinsichtlich nachhaltiger, transparenter und kosteneffizienter Investmentvehikel. Hinzu kommt als zusätzlicher Treiber die allgemeine Medienpräsenz rund um das Thema „passives Investieren“ im Zuge der Aktienhausse der vergangenen Jahre. Folglich sollte dieser Trend auch bei deutschen Aktien-ETFs zu beobachten sein, sodass These zwei lautet: TETF -2: Im Zuge des weltweiten ETF-Booms wächst der Markt für deutsche Aktien-ETFs. Exchange Traded Funds sind börsengehandelte Publikumsfonds und werden dementsprechend in Europa durch die UCITS-Richtlinie reguliert. Ziel ist dabei, 121

Vgl. Krautbauer (2015), S. 47. Eine detailliertere Betrachtung dieser Thesenentwicklung findet in Kapitel 4.3 statt. 123 Vgl. BVI (2018), S. 36. Die europaweit divergierende nationale Regulierung der Fondsbranche wird in der vorliegenden Arbeit nicht im Detail besprochen. Ein Grund, der gegen die Auflage eines Publikumsinvestmentfonds in Deutschland sprechen könnte, ist die nationale Umsetzung der OGAW-Richtlinie. 122

148

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

neben dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit auch die Einhaltung des Verbraucherschutzes durch standardisierte Informationsdokumente sicherzustellen. Die Anlagestrategie muss den Investoren gemäß den Offenlegungsregeln klar kommuniziert werden.124 Abgeleitet aus der UCITS-Richtlinie lautet die dritte These: TETF -3: Hohe Transparenzvorschriften bringen Klarheit und Sicherheit für ETF-Investoren. Wie bei klassischen Investmentfonds spielen auch bei passiv gemanagten ETFs Gebühren eine entscheidende Rolle. Höhere Kosten schlagen sich häufig in einer schlechteren Performance nieder. Tatsächlich besteht ein Zusammenhang zwischen der Gesamtkostenquote (TER) und der Tracking Differenz (TD) eines ETFs. Johnson et al. (2013) weisen beispielsweise für die TER und die Tracking Differenz sowohl eine positive Korrelation als auch einen hohen Determinationskoeffizienten nach, sodass über 50 % der Tracking Differenz durch die TER zu erklären sein könnte.125 Daraus resultierend ergibt sich für deutsche Aktien-ETFs die erste Hypothese: H ETF -1: ETFs mit hohen Total Expense Ratios tendieren zu höheren Tracking Differenzen. Während für aktive Assetmanager ein hoher Tracking Error wünschenswert sein kann, sollte es das Ziel von ETFs sein, den Tracking Error und damit die Volatilität der Differenz des ETFs zum Vergleichsindex möglichst gering zu halten. Je geringer der TE, desto besser bildet der ETF den Referenzindex ab. Faktoren wie Rebalancing-Kosten bei physisch replizierenden ETFs, Geldbestände, Dividenden, Index-Optimierungen oder operationelle Risiken beeinflussen die Fonds­performance und damit nicht nur den Tracking Error sondern auch die TD. Meinhardt et al. (2012) weisen in einer früheren Studie für den deutschen Wertpapiermarkt nach, dass die dort gelisteten ETFs durchaus einen hohen Tracking Error aufweisen.126 Dementsprechend lautet die zweite ETF-spezifische Hypothese: H ETF -2: Der Tracking Error eines ETFs ist ausschlaggebend für die langfristige Replikationsgüte. Fondsgesellschaften erwirtschaften durch die Wertpapierleihe zusätzliche Einkünfte. Blocher und Whaley (2014) zeigen, dass diese bestenfalls sogar die anfallenden Gesamtkosten des Fonds übertreffen.127 Verleihen ETF-Anbieter Wertpapiere, sollte sich das positiv auf die TER und damit positiv auf die Tracking Differenz auswirken, sodass die dritte Hypothese lautet: HETF -3: Die Wertpapierleihe ist eine zusätzliche Einnahmequelle und wirkt positiv auf die Tracking Differenz. 124

Vgl. Kjørven (2019), S. 127. Vgl. Johnson et al. (2013), S. 20. 126 Vgl. Meinhardt / Müller (2012), S. 21. 127 Vgl. Blocher / W haley, S.  2. 125

4.2 Thesen- und Hypothesenentwicklung 

149

Ferner wird überprüft, welche Auswirkungen die Größe eines ETFs auf die Tracking Differenz hat. Hier könnte die Skalierbarkeit der Indexreplikation ausschlaggebend sein, sodass Große ETFs Kostenvorteile gegenüber kleinen ETFs besitzen, die wiederum positiv auf die Tracking Differenz wirken. Daraus leitet sich die vierte Hypothese ab: H ETF -4: ETFs tendieren mit zunehmendem Nettoinventarwert zu niedrigeren Tracking Differenzen. Da nicht alle ETFs der vorliegenden Forschungsarbeit in Euro notieren, lässt sich abschließend ein weiterer möglicher Einflussfaktor auf die Tracking Differenz analysieren: Hedgegeschäfte. Die Währungsabsicherung einer Fremdwährung zum Euro verursacht Kosten. Deshalb lautet die finale ETF-spezifische Hypothese: H ETF -5: Hedging ist ein wichtiger Kostenfaktor und wirkt negativ auf die Tracking Differenz. Tabelle 8 fasst folgend die zuvor aufgestellten Thesen und Hypothesen zusammen. Tabelle 8 Thesen und Hypothesen zum deutschen ETF-Aktienmarkt128 Nr.

ETF-spezifische Thesen und Hypothesen

TETF-1

Deutsche Aktien-ETFs haben ihr Domizil vorwiegend in Luxemburg oder Irland.

TETF-2

Im Zuge des weltweiten ETF-Booms wächst der Markt für deutsche Aktien-ETFs.

TETF-3

Hohe Transparenzvorschriften bringen Klarheit und Sicherheit für ETF-Investoren.

HETF-1

ETFs mit hohen Total Expense Ratios tendieren zu höheren Tracking Differenzen.

HETF-2

Der Tracking Error eines ETFs ist ausschlaggebend für die langfristige Replika­ tionsgüte.

HETF-3

Die Wertpapierleihe ist eine zusätzliche Einnahmequelle und wirkt positiv auf die Tracking Differenz.

HETF-4

ETFs tendieren mit zunehmendem Nettoinventarwert zu niedrigeren Tracking Differenzen.

HETF-5

Hedging ist ein wichtiger Kostenfaktor und wirkt negativ auf die Tracking Differenz.

4.2.2 Thesen und Hypothesen: Closet Indexing Cremers et al. (2016) untersuchen in einer Forschungsarbeit für den Zeitraum von 2002 bis 2010 unter anderem auch den deutschen Investmentfondssektor hinsichtlich Closet Indexing. Demnach verfolgen 34 % der in Deutschland verwalte 128

Eigene Darstellung.

150

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

ten Fonds Closet-Indexing-Anlagestrategien, sodass Deutschland deutlich über dem internationalen Marktdurchschnitt liegt.129 Allerdings fokussiert die Forschungsarbeit Fonds inländischer (deutscher) Provenienz. Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht der deutsche Aktienmarkt, unabhängig vom Domizil der Investmentfonds. Im Vergleich zu Cremers et al. (2016) entschärfen Untersuchungen europäischer Aufsichtsbehörden die Closet-Indexing-Problematik. So untersuchte die ESMA EU-weit 2600 Investmentfonds für den Zeitraum von 2010 bis 2014 auf Closet-Indexing130. Die ESMA kommt zum Ergebnis, dass nur 5 bis 15 Prozent der UCITsFonds potenziell Closet Indexing betreiben könnten.131 In Folgestudien von nationalen Aufsichtsbehörden können Closet-Indexing-Strategien fortan gar nicht mehr nachgewiesen werden. Die für Frankreich zuständige AMF konnte z. B. die Ergebnisse der ESMA nicht bestätigen, sodass in Frankreich keine Fonds des Closet Indexing verdächtigt werden.132 Auch die BaFin konnte in ihrer Untersuchung von 2016 keinen als aktiv deklarierten Fonds in Deutschland ausfindig machen, der potenziell eine Closet-Indexing-Anlagestrategie verfolgt. Lediglich wurde bemerkt, dass einige Investmentfonds-Portfolios nahe an einem Indexmuster aufgestellt sind.133 Folgend der Ergebnisse nicht öffentlicher Studien der Aufsichtsbehörden Zentraleuropas, sind Closet-Indexing-Anlagestrategien weit weniger verbreitet, als wissenschaftliche Fachbeiträge zuvor aufgezeigt hatten. Demgemäß leitet sich die erste These zu Closet-Indexing-Anlagestrategien ab: TCI-1: Closet-Indexing-Anlagestrategien treten bisher nur sporadisch am deutschen Aktienmarkt auf. Active Share hat sich in den letzten 10 Jahren auch aufgrund der intuitiven Interpretation der Kennzahl zu einem wichtigen Standardmaß in der modernen Performancemessung aktiven Portfoliomanagements entwickelt.134 Cremers und Petajisto (2009) zeigen für US-amerikanische Investmentfonds, dass Active Share, insbesondere in Kombination mit dem Tracking Error eines Fonds, auch über lange Zeiträume persistent ist und sich folglich gut zur Identifikation von Closet-Index­ ing-Fonds eignet.135 Daraus kann induziert werden, dass auch Investmentfonds mit Fokus auf den deutschen Aktienmarkt persistente Anlagestrategien verfolgen. 129 Vgl. Cremers et al. (2016), S. 543. Von 356 untersuchten Aktienfonds im Dezember 2010 mit Domizil in Deutschland weisen 34 % der als aktiv deklarierten Fonds einen aktiv ge­ managten Aktienanteil von unter 60 % auf. 130 Vgl. ESMA (2016a), S. 3. Fonds, die in die Analyse einbezogen wurden, mussten vor 2005 aufgelegt sein, mehr als 50 Mio. AUM und Fondsgebühren größer als 0,65 % auf den NAV aufweisen. Viele der in dieser empirischen Analyse integrierten Fonds tauchen aufgrund der oben genannten Kriterien nicht in der ESMA Studie auf. 131 Vgl. ESMA (2016b). 132 Vgl. Demartini / Mosson (2018), S. 4. 133 Vgl. BaFin (2016). 134 Vgl. Rekenthaler (2014). 135 Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3332.

4.2 Thesen- und Hypothesenentwicklung 

151

Potenzielle Closet-Indexing-Fonds sind demnach über längere Untersuchungszeiträume zu identifizieren. Dadurch wird zudem unwahrscheinlicher, dass Fonds fälschlicherweise einer Closet Indexing Strategie zugeordnet werden. Die zweite These lautet dementsprechend: TCI-2: Potenzielle Closet-Indexing-Fonds zeigen eine persistente Anlagestrategie auf. Investmentfonds nehmen in der Regel Gebühren basierend auf dem Volumen des Fonds ein. Das bedeutet, je größer der Fonds, desto höher sind die Einnahmen durch die entsprechende Gebührenstruktur. Fonds konkurrieren folglich um die Mittel potenzieller Kunden. Während kleine Fonds also zunächst durch außergewöhnlich gute Performance neue Kunden gewinnen müssen, kann sich die Anlagestrategie ändern, sobald der Fonds eine kritische Größe erreicht hat. Primäres Ziel ist fortan nicht mehr, neue Kunden durch Performanceerfolge zu gewinnen. Das Halten der Bestandskunden rückt in den Vordergrund und damit auch eine Verlustaversion. Risiken und damit einhergehend große Verluste gegenüber der Benchmark sollen vermieden werden.136 Zudem zeigen bereits Cremers und Petajisto (2009) auf, dass große Fonds tendenziell eher Closet-Indexing-Anlagestrategien verfolgen als kleine Fonds. Daraus lässt sich die dritte These zu Closet-Index­ ing-Aktivitäten am deutschen Aktienmarkt ableiten: TCI-3: Fonds mit überdurchschnittlich hohem Nettoinventarwert sind vergleichsweise häufiger potenzielle Closet-Indexing-Fonds. Trotz sehr hoher Informationseffizienz an vielen Kapitalmärkten (vgl. Kapitel 2.5.2) ist es nahezu unmöglich die zukünftigen Kursentwicklungen vorhersagen zu können. Dennoch gibt es (zumindest vorübergehend) immer wieder Strategien, die eine überdurchschnittliche Rendite ermöglichen. Problematisch ist, dass diese Strategien in der Regel auf Backtesting basieren. Anlagestrategien, die in der Vergangenheit erfolgreich waren, können jedoch nicht automatisch auch zukünftig Erfolg garantieren. Auch diese Forschungsarbeit basiert auf historischen Kapitalmarktdaten. Vergleichbare wissenschaftliche Fachbeiträge zeigen, dass Investmentfonds mit hohem Active Share häufig überdurchschnittlich gute Renditen aufweisen (vgl. Tabelle 7). Folglich sollte auch für den deutschen Aktienmarkt Active Share und auch unter Berücksichtigung der Fondsgebühren Active Fee bei der Auswahl eines Investmentfonds unter Performancegesichtspunkten einbezogen werden. Wenn Fonds mit hohem Active Share, Fonds mit niedrigem Active Share durchschnittlich übertreffen, kann die finale Closet Indexing These aufgestellt werden: TCI-4: Mittels Active Share und Active Fee ist die zukünftige Performance eines Investmentfonds prädiktabel.

136

Vgl. Sirri / Tufano (1998), S. 1589 ff.

152

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

Active Share gewinnt an Aussagekraft, wenn das Maß mit anderen Kennzahlen kombiniert wird. Insbesondere der Tracking Error hat sich zusammen mit dem ­Active Share zur Einordung von Fonds in potenzielle Closet-Indexing-Fonds eta­ bliert (vgl. Tabelle 7). Folglich sollte der Tracking Error eines Fonds einen statistisch signifikanten Einfluss auf dessen Active Share haben, sodass die erste Hypothese zum Active Share lautet: HCI-1: Fonds mit hohem Tracking Error tendieren zu hohem Active Share. In den Fokus rückt Closet Indexing auch durch den in den letzten Jahren wachstumsstarken ETF-Markt. Aktive Fondsmanager geraten durch die preisgünstige Index-Tracking-Alternative vermehrt unter Druck. Eine im Vergleich zur Benchmark wesentlich schlechtere Fondsperformance gilt es mehr denn je unbedingt zu vermeiden. In schlechten Börsenjahren kann somit zudem auf die ungünstige Marktlage verwiesen werden, sodass Fondsmanager auch hier mit ihren vermeintlich schlechten Entscheidungen und daraus resultierenden negativen Fondsperformances nicht isoliert dastehen. Folglich steht nicht länger der im eigentlichen Sinne des Kunden langfristige Erfolg im Vordergrund der Geschäftspolitik, sondern der kurzfriste Vergleich zur Benchmark.137 Cremers und Petajisto (2009) zeigen für den US-Markt, dass insbesondere in schwachen Börsenjahren, in denen der Vergleichsindex unter durchschnittlich performt, Index-Tracking verbreiteter ist als in guten Börsenjahren. Daraus deduziert, lautet die zweite Hypothese für den deutschen Aktienmarkt: HCI-2: Aus der Wertentwicklung des Index lässt sich der Active Share eines Fonds ableiten. In zahlreichen internationalen Forschungsarbeiten (vgl. Tabelle 7) ist bestätigt, dass aktive Anlagestrategien im Durchschnitt besser abschneiden als Fonds, die Closet-Indexing-Strategien verfolgen. Folglich sollten Fonds, die eine vergleichsweise hohe benchmarkadjustierte Performance aufweisen wollen, sich in der Portfoliozusammenstellung grundlegend vom Vergleichsindex unterscheiden. Hypothese drei zur Prädiktion des Active Share lautet deshalb: HCI-3: Je besser die benchmarkadjustierte Performance, desto höher ist der ausgewiesene Active Share. Fondsgesellschaften, die tatsächlich aktive Strategien umsetzen, benötigen für langfristigen, nachhaltigen Erfolg dementsprechend sehr gut qualifizierte Mitarbeiter. Hinzu kommen weitere Kostenfaktoren, die an Investoren über die Fondsgebühren weitergegeben werden. Aktives Fondsmanagement kostet schließlich Geld. Aufgrund dessen könnte die TER ein guter Prädiktor für den Active Share darstellen. Schließlich sind passiv gemanagte Produkte, wie beispielsweise ETFs, deutlich günstiger als aktiv gemanagte Fonds. Hypothese Nr. 4 lautet dann: HCI-4: Fonds weisen mit steigenden TERs aktivere Anlagestrategien auf. 137

Vgl. Bogle (2010), S. 342.

4.3 Der deutsche offene Investmentfondsmarkt 

153

Abschließend wird eine zuvor ähnlich lautend aufgestellte These auch als Hypothese überprüft. Hat der NAV einen statistisch signifikanten Einfluss auf den Active Share eines Fonds? Um das zu überprüfen, wird folgende, abschließende Hypothese aufgestellt: HCI-5: Große Fonds tendieren zu niedrigerem Active Share. Tabelle 9 fasst folgend die zuvor aufgestellten Thesen und Hypothesen zu Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt zusammen. Tabelle 9 Thesen und Hypothesen zu Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt138 Nr.

Thesen und Hypothesen zu Closet Indexing

TCI-1

Closet-Indexing-Anlagestrategien treten bisher nur sporadisch am deutschen Aktienmarkt auf.

TCI-2

Potenzielle Closet-Indexing-Fonds zeigen eine persistente Anlagestrategie auf.

TCI-3

Fonds mit überdurchschnittlich hohem Nettoinventarwert sind vergleichsweise häufiger potenzielle Closet-Indexing-Fonds.

TCI-4

Mittels Active Share und Active Fee ist die zukünftige Performance eines Investmentfonds prädiktabel.

HCI-1

Fonds mit hohem Tracking Error tendieren zu hohem Active Share.

HCI-2

Aus der Wertentwicklung des Index lässt sich der Active Share eines Fonds ableiten.

HCI-3

Je besser die benchmarkadjustierte Performance, desto höher ist der ausgewiesene Active Share.

HCI-4

Fonds weisen mit steigenden TERs aktivere Anlagestrategien auf.

HCI-5

Große Fonds tendieren zu niedrigerem Active Share.

4.3 Der deutsche offene Investmentfondsmarkt Deutschland steht als Auflagestandort für Investmentfonds im Wettbewerb mit anderen europäischen Standorten. Dazu zählen insbesondere Luxemburg und Irland, die sich nicht nur gegenwärtig stark vermarkten, sondern auch in der Vergangenheit von einem Regulierungsgefälle zwischen den Standorten profitiert haben.139 Die Standorte Luxemburg und Irland besitzen heute eine Vormachtstellung im europäischen Investmentfondsmarkt. Für die Darstellung und Analyse des deutschen offenen Investmentfondsmarktes werden Monatsberichtdaten aus der Statistik über Investmentvermögen und 138 139

Eigene Darstellung. Vgl. BVI (2018), S. 36.

154

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

der Statistik über Wertpapierinvestments der Deutschen Bundesbank von 2010 bis Ende September 2018 ausgewertet. Unbedingt zu beachten bei einer Analyse des deutschen Fondsmarktes sind die Verknüpfungen mit dem Ausland. Anders gesagt, der deutsche Investmentfondssektor ist auf beiden Seiten seiner Bilanz mit dem Ausland verbunden. Sowohl können ausländische Investoren deutsche Investmentfondsanteile als auch deutsche Investmentfonds Wertpapiere ausländischer Emittenten in ihren Portfolios halten. Daher sind auch deutsche offene Investmentfonds äußerst sensitiv gegenüber Entwicklungen an den globalen Kapitalmärkten.140 Deutsche offene Investmentfonds verwalten Ende September 2018 ein Gesamtvermögen von 2.119 Mrd. Euro. Davon fallen ca. drei Viertel (1.610 Mrd. Euro) in den überwiegend institutionellen Investoren zugänglichen Spezialfondsbereich. Offene Publikumsinvestmentfonds verwalten Ende September 2018 ein Vermögen von rund 509 Mrd. Euro. Durch zahlreiche Finanzmarktförderungsgesetze in den 90er-Jahren und 2002 erfuhr Deutschland als Auflagestandort einen signifikanten Aufschwung. Zuletzt jedoch haben sich deutsche Fondsgesellschaften unter anderem wegen Regulierungsgefällen innerhalb der EU und den daraus resultierten Standortvorteilen (vgl. Irland oder Luxemburg) sowie den Regulierungsumsetzungen in Deutschland verstärkt für ausländische Auflagestandorte entschlossen.141 Dennoch verzeichnet der gesamte deutsche offene Investmentfondssektor in den vergangenen zehn Jahren ein starkes Wachstum. Während die Anzahl der vorhandenen Fonds von 2010 bis Ende 2015 nur geringen Schwankungen unterworfen war, lässt sich von 2016 bis Ende September 2018 eine absolute Zunahme um 521 Fonds (8,6 %) beobachten. Sowohl Spezialfonds- als auch Publikumsfonds verzeichnen im gesamten Zeitraum starke Nettomittelzuflüsse. Darüber hinaus profitiert die Fondsbranche von einer langanhaltenden Hausse an den Aktienmärkten sowie Kursgewinnen an den Anleihenmärkten aufgrund der expansiven ultralockeren Geldpolitik der EZB. Zu nennen sind hier die Leitzinssenkungen und das laufende Anleihekaufprogramm. So stieg das Fondsvolumen seit 2010 um 106 % von 1.027 Mrd. Euro auf 2.119 Mrd. Euro. Größter Treiber hierbei sind die Spezialfonds mit einem Wachstum von 125 % (von 716 Mrd. Euro auf 1.610 Mrd. Euro). Aber auch die Publikumsfonds entwickelten sich positiv. Ihr Volumen wuchs im Zeitraum von 2010 bis Ende September 2018 um 63 % (von 312 Mrd. Euro auf 509 Mrd. Euro). Das folgende Kapitel zur Datenbasis und die darauf aufbauende empirische Analyse bestätigt die in diesem Kapitel skizzierte Marktsituation. Die Analyse dieser Arbeit fokussiert ausschließlich den deutschen Aktienmarkt. Dennoch sind 12 der 27 deutschen Aktien-ETFs im Ausland domiziliert (vgl. Tabelle 15). Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei den klassischen Investmentfonds ab. Knapp die Hälfte dieser 140 141

Vgl. Deutsche Bundesbank (2018b), S. 104. Vgl. BVI (2018), S. 36.

4.4 Datenbasis 

155

mit Fokus auf den deutschen Aktienmarkt ist im Ausland ansässig. Die meisten davon in Luxemburg. Allerdings handelt es sich dabei häufig um kleine Fonds, gemessen am Fondsvolumen. So haben beispielsweise die zehn größten deutschen Aktienfonds ihr Domizil in Deutschland. Eine später folgende Portfolioanalyse zeigt, dass seit 2013 durchschnittlich nur 10,33 % des Kapitals in ausländischen Investmentfonds angelegt war (vgl. Tabelle 31). Die Nähe zum heimischen Aktienmarkt und damit verknüpfte Standortvorteile, beispielsweise in der Marktexpertise, werden bei aktiv gemanagten Aktienfonds von Investoren geschätzt. Insbesondere Large-Cap-Fonds (Benchmark: DAX) sind in Deutschland domiziliert. Nischenfonds, die in kleine und mittlere Unternehmen investieren, sind dagegen häufiger im Ausland angesiedelt.

4.4 Datenbasis Für die Forschungsarbeit werden sowohl Kapitalmarkt- als auch Berichterstattungsdaten aus Geschäftsberichten von UCITS-Investmentfonds ausgewertet. Die Datensätze stammen überwiegend aus „Thomson Reuters Eikon“ (folgend kurz „Eikon“). Eikon bietet verschiedene Applikationen, um Daten zu Indices als auch Investmentfonds herauszufiltern, sodass systematisch Daten aus deren Tätigkeitsberichten, Vermögensaufstellungen sowie Ertrags- und Aufwandsrechnungen gewonnen werden können. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich vom 31. 12. 2013 bis zum 31. 12. 2018 und umfasst somit bei jährlicher Portfoliobildung fünf Perioden zur Performancemessung bzw. sechs Stichtage (jeweils der 31. 12. eines Jahres) für die Untersuchung eines Fonds hinsichtlich Closet Indexing.

4.4.1 Publikumsinvestmentfonds Die Analyse der Investmentfonds basiert primär auf der „Lipper“ Datenbank für Investmentfonds von Eikon. Diese bietet eine umfassende Auswahl an weltweit aufgelegten Investmentfonds und wird in der internationalen akademischen Kapitalmarktforschung häufig verwendet. Diese Forschungsarbeit fokussiert sich auf offene UCITS-Aktien-Investmentfonds im Zeitraum von 2013–2018, deren Anlagestrategie sich hauptsächlich auf den deutschen Aktienmarkt erstreckt. Zur Eingrenzung der zu untersuchenden Investmentfonds wird der „Lipper Fund Screener“ verwendet.142 Der Untersuchungszeitraum, der unterschiedliche Börsenphasen einschließt, spielt eine wichtige Rolle, da die Auswertung wissenschaftlicher Literatur zeigt, dass es für Fondsmanager durchaus rational ist, sich dem Referenzindex anzunä 142 Die An- und Auswertung des Lipper Fund Screener basiert auf gemeldeten Fondsdaten bis Mai 2019.

156

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

hern und somit indexnah aufgestellt zu sein, wenn der Aktienmarkt im Abschwung ist.143 Der Untersuchungszeitraum deckt jedoch größtenteils positive Marktverläufe ab, da lediglich das Kalenderjahr 2018 negative Indexverläufe für die drei Benchmarks aufweist (vgl. Abbildung 8). Somit sollte der Active Share tendenziell höher ausfallen als in langfristigen Abschwungphasen. Anhand der Lipper Fund Screener Applikation wird die Lipper Fund Datenbank hinsichtlich deutscher Aktienfonds gefiltert.144 Im Folgenden werden die vom Autor durchgeführten Schritte zur Nachverfolgung detailliert erläutert.145 Drei Kriterien schränken die Stichprobe an Investmentfonds in der Lipper Fund Screener Applikation auf zunächst 533 weltweit aktive Aktieninvestmentfonds mit Fokus auf den deutschen Aktienmarkt ein: – Asset Status: Active – Geographical Focus: Germany – Asset Type: Equity Da sich die Forschungsarbeit vorwiegend auf den europäischen Fondsmarkt fokussiert, wird auch in der empirischen Analyse der Fokus auf EU-regulierte Investmentfonds gelegt. Dies grenzt die Stichprobe auf 286 aktive deutsche Aktienfonds ein: – UCITS: Yes Die Untersuchung hinsichtlich Closet Indexing soll auf aktiv gemanagte Fonds gerichtet sein. Dazu müssen beispielsweise ETFs an dieser Stelle146 aus der Stichprobe aussortiert werden, sodass sich diese auf 242 Fonds verringert: – Asset Universe: Mutual Funds Des Weiteren tauchen Fonds mit unterschiedlichen Anteilsklassen mehrfach in der Stichprobe auf. Obwohl diese gesondert in der Lipper Datenbank gelistet sind, haben sie die gleichen Wertpapierbestände und Renditen vor Kosten. Über den Lipper Fund Screener lassen sich jedoch 96 primäre Anteilsklassen herausfiltern, auf die sich die Analyse dieser Arbeit fokussiert: – Primary Flag (Lipper Designated): Yes 143

Vgl. Demartini / Mosson (2018), S. 8. Zur Erinnerung: Mit der Analyse des deutschen Aktienfondsmarktes ist hier und im weiteren Verlauf der Arbeit Deutschland als Zielinvestmentland gemeint. Das heißt, dass die analysierten ETFs und klassischen Investmentfonds den Hauptteil ihrer Investments in deutsche börsennotierte Aktiengesellschaften tätigen, unabhängig vom Domizil des Fondsmanagers oder der Fondsgesellschaft. 145 Dargestellt und erläutert werden die vorgenommenen Filtereinstellungen in der Datenbank, sodass durch die hier offengelegte Transparenz, die Stichprobe bei Bedarf nachgebildet werden kann. 146 Das gilt nur für die Analyse des deutschen Investmentfondsmarktes hinsichtlich Closet Indexing in Kapitel 4.7 und nicht für die ETF-Analyse in Kapitel 4.6. 144

4.4 Datenbasis 

157

Zudem sollen sehr kleine Investmentfonds die Ergebnisse der Forschungsarbeit nicht verzerren. Fonds, die am Tag des Fund Screenings einen Nettoinventarwert (TNA) kleiner als 10 Millionen Euro aufweisen, werden aussortiert.147 Somit verbleiben 82 aktive Fonds in der Stichprobe: – TNA > 10 Mio. € Damit die Daten frei von Survivorship Bias sind, werden zusätzlich zu den aktiven Fonds im Untersuchungszeitraum liquidierte und zusammengeführte Fonds, die die oben genannten Kriterien erfüllen, manuell hinzugefügt. Fehlende regulatorische Anforderungen an die Fondstransparenz erschweren die empirische Analyse im Vergleich zu den US-Studien (vgl. Kapitel 4.1). Durch fehlende Transparenzanforderungen der Aufsichtsorgane in Europa sind die von den Fondsanbietern zur Verfügung gestellten Datensätze nicht standardisiert. Portfoliozusammensetzungen werden unregelmäßig veröffentlicht und sind zudem teilweise unvollständig, da außerbilanzielle Positionen, insbesondere Derivate, in der Regel bei der Portfoliozusammensetzung nicht berücksichtigt werden. Dadurch kann es zu Verzerrungen bei der Bestimmung des Active Share kommen, sodass dieser eventuell zu hoch und damit positiv für die Fondsgesellschaft ausfällt. Schlussendlich werden die Fonds deswegen einer individuellen Überprüfung unterzogen, sodass in diesem letzten Schritt beispielsweise Indexfonds oder Fonds mit fehlenden oder fehlerbehafteten Angaben aussortiert werden können. Schlussendlich werden nach Anwendung der oben genannten Kriterien 82 Aktieninvestmentfonds hinsichtlich Closet Indexing analysiert. Bias können in der Analyse dennoch nicht ausgeschlossen werden, da äußerst intransparente Fonds durch fehlende Datensätze aufgrund fehlender Transparenzbestimmungen aus der Analyse ausgeschlossen werden müssen. Diese Problematik wurde zuvor am Beispiel der ESMA replizierenden Better Finance Studie aufgezeigt. Dennoch gelingt es mit dieser Forschungsarbeit, den Großteil der UCITS-Aktieninvestmentfonds mit Fokus auf den deutschen Aktienmarkt auf Closet-Indexing-Anlagestrategien hin zu analysieren. Viele Fonds, die in der ESMA bzw. Better Finance Studie aufgrund mangelnder Daten nicht untersucht werden konnten, sind in der folgenden empirischen Analyse inkludiert (vgl. Anhang 1 bis 4). Von den 82 analysierten Fonds sind während des Untersuchungszeitraums 73 durchgängig aktiv. Neun Fonds sind entweder geschlossen oder mit anderen Fonds zusammengeführt worden. Von den 73 während des Untersuchungszeitraums aktiven Fonds sind drei weitere bis Ende August 2019 geschlossen oder zusammengeführt worden. Damit liegt der Prozentsatz der Fonds dieser Stichprobe, die im Untersuchungszeitraum nicht aufgelöst wurden, bei 89,16 % und somit deutlich 147

Inkludiert sind Fonds, die während der Suchabfrage TNA > 10 Mio. € aufweisen. Eine manuelle Korrektur ist notwendig, um Fonds zu identifizieren, die zum Zeitpunkt der Suchabfrage TNA < 10 Mio. € aufweisen, aber zu einem früheren Zeitpunkt (während des Untersuchungszeitraums 2013–2018) das Kriterium TNA > 10 Mio. € erfüllen.

158

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

über dem Marktdurchschnitt in den Untersuchungen von S&P (vgl. Tabelle 3). Die zuvor genannten Kriterien zur Stichprobenauswahl könnten die Abweichung zu den Analysen von S&P erklären. Beispielsweise sind sehr kleine Fonds von der Analyse ausgeschlossen, die tendenziell häufiger liquidiert werden. Von den 82 untersuchten Fonds wurden ebenfalls neun Fonds während des Untersuchungszeitraums gegründet, sodass sich Neugründungen und Auflösungen die Waage halten. Viele der aufgelösten Fonds wurden im Untersuchungszeitraum mit anderen Fonds zusammengeführt. Die Konzentration auf den deutschen Aktienmarkt wurde von diesen Fonds meist zugunsten eines europäischen Aktienportfolios aufgegeben.

4.4.2 ETFs ETFs nehmen in der Forschungsarbeit die Rolle der Anlagealternative zu den klassischen Publikumsinvestmentfonds ein (vgl. Kapitel  2.4 zur Relevanz des Benchmark-Konzeptes). Zur Identifikation aller UCITS-ETFs, die einen Index des deutschen Aktienmarktes nachbilden, werden die folgenden Kriterien über den Lipper Fund Screener angewendet, die im Wesentlichen den oben genannten Kriterien zur Fondsauswahl entsprechen: – Asset Status: Active – Geographical Focus: Germany – Asset Type: Equity – UCITS: Yes – Asset Universe: ETFs – Primary Flag (Lipper Designated): Yes – TNA > 10 Mio. €148 Insgesamt gibt der Lipper Fund Screener 27 UCITs-Aktien-ETFs aus, die den oben genannten Kriterien für den Untersuchungszeitraum 2013–2018 entsprechen. Darunter sind 26 „passive“ ETFs sowie ein aktiv gemanagter ETF. Von den 26 passiven ETFs sind 25 physisch vollständig repliziert. Lediglich ein ETF repliziert einen Index synthetisch über Swaps. Dies verdeutlicht, dass synthetische ETFKonstrukte in jüngster Vergangenheit an Bedeutung verloren haben und zumindest für den äußerst liquiden deutschen Aktienmarkt nahezu vollständig durch physisch replizierende ETFs substituiert wurden.

148

ETFs die während der Suchabfrage TNA > 10 Mio. € aufweisen. Eine händische Korrektur ist auch hier notwendig, um ETFs zu identifizieren, die während der Suchabfrage TNA < 10 Mio. € aufweisen, aber zu einem früheren Zeitpunkt (während des Untersuchungszeitraums 2013–2018) das Kriterium erfüllen.

159

4.4 Datenbasis  Tabelle 10 Replizierte deutsche Aktienindices149 Replizierter Index

Anzahl ETFs

DAX

11

MDAX

5

SDAX

2

TecDAX

2

DivDAX

2

DAXPlus Maximum Dividend

1

DAX ex Financials

1

F. A.Z. Index

1

Solactive Mittelstand & MidCap Deutschland

1

Die Mehrzahl der ETFs repliziert den DAX oder DAX-verwandte Indices. Zudem sind fünf MDAX und zwei SDAX ETFs verfügbar. Investoren haben folglich die Möglichkeit sowohl Large Cap als auch Mid und Small Cap fokussierte Invest­ ments am deutschen Aktienmarkt über ETFs zu realisieren. Zudem sind einige ETFs für spezielle Nischenindices verfügbar.

4.4.3 Benchmarks Da sich die Forschungsarbeit auf den deutschen Kapitalmarkt150 konzentriert, müssen die Benchmarks einen deutschen Aktienindex abbilden. Hier kommt den ETFs ein entscheidender Faktor zu, der bereits in Kapitel 2.4 erläutert wurde. Nach Sharpe (1992) sollte eine Benchmark zur optimalen Performancemessung folgende vier Aspekte abdecken: Ein Benchmarkportfolio sollte eine reale Anlagealternative darstellen, nicht leicht zu übertreffen, zu geringen Kosten zu erwerben und bereits vor dem Treffen der Anlagewahl verfügbar sein.151 War es vor Markteinführung der ETFs noch relativ kompliziert und kostenintensiv Benchmarks maßgeschneidert nachzubilden, machen es diese heutzutage Investoren einfach, ihre Investitionen indexreplizierend unter geringen Kosten zu tätigen. Zudem ähnelt das Produkt ETF stark den untersuchten Publikumsinvestmentfonds. Diese Parallelen inklusive der 149

Eigene Berechnung. ETFs mit einem Nettoinventarwert < 10 Mio. €, die in dieser Forschungsarbeit nicht berücksichtigt werden, replizieren weitere deutsche Aktienindices. 150 Zur Erinnerung: Mit der Analyse des deutschen Kapitalmarktes ist hier und im weiteren Verlauf der Arbeit Deutschland als Zielinvestmentland gemeint. Das heißt, dass die analysierten ETFs und klassischen Investmentfonds den Hauptteil ihrer Investments in deutsche börsennotierte Aktiengesellschaften tätigen, unabhängig vom Domizil des Fondsmanagers oder der Fondsgesellschaft. 151 Vgl. Sharpe (1992), S. 16.

160

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

geringen Kosten und hohen Transparenz im Vergleich zu klassischen Investmentfonds machen ETFs zu einer beliebten passiven Anlagealternative. Um sowohl Marktsegmente für große, mittlere als auch kleine Unternehmen abzubilden als auch die Kriterien nach Sharpe (1992) zu erfüllen, kommen drei Benchmarks für die zu untersuchenden Investmentfonds in Frage: – DAX Performanceindex – für Large-Cap-Fonds – MDAX Performanceindex – für Medium-Cap-Fonds – SDAX Performanceindex – für Small-Cap-Fonds Alle drei Benchmarks stellen eine reale Anlagealternative in Form der ETFs dar152 (vgl. Tabelle 10), sind nicht leicht in der Performance zu überbieten, zu geringen Kosten zu erwerben (vgl. Tabelle 16) und überdies seit Jahren etablierte Indices für den deutschen Aktienmarkt. 30,00%

20,00%

10,00%

0,00%

-10,00%

-20,00%

-30,00% DAX MDAX SDAX

2014 2,65% 2,17% 5,85%

2015 9,56% 22,67% 26,61%

2016 6,87% 6,81% 4,63%

2017 12,51% 18,08% 24,87%

2018 -18,26% -17,61% -20,00%

Abbildung 8: Performance DAX, MDAX & SDAX für die Kalenderjahre 2014–2018.153

Abbildung 9 stellt die Performance der drei Vergleichsindices dar. Der sogenannte Kleinfirmeneffekt ist im Untersuchungszeitraum am deutschen Aktienmarkt zu 152 Eine Ausnahme bildet der SDax. Dieser ist zwar im gesamten Untersuchungszeitraum über ETFs zu erwerben, allerdings existiert erst seit dem Jahr 2016 durch einen COMSTAGE SDAX UCITS ETF eine physische Variante. Zuvor wurde dieser Index synthetisch repliziert. Die damit hervorgehenden zusätzlichen Risiken (vgl. Kapitel 3.4) könnte Investoren abgeschreckt haben. 153 Eigene Berechnung. Die Indices der Dax-Familie werden -wie auch hier- für gewöhnlich als Performanceindices dargestellt.

161

4.4 Datenbasis 

beobachten. SDAX und MDAX weisen im Vergleich zum DAX eine bessere Performance auf. Fondsmanager, deren Vergleichsbenchmark der DAX ist, hatten während des Untersuchungszeitraums gute Chancen, die Portfolioperformance durch Beimischung mittlerer und kleiner Unternehmen zu steigern. Fonds mit einem hohen Active Share im Vergleich zum DAX sollten deshalb tendenziell eine bessere Performance im Vergleich zur Benchmark DAX aufweisen können als Fonds mit niedrigem Active Share zum DAX. 200

180

160

140

120

100

80

Dez. Feb. Apr. Jun. Aug. Okt. Dez. Feb. Apr. Jun. Aug. Okt. Dez. Feb. Apr. Jun. Aug. Okt. Dez. Feb. Apr. Jun. Aug. Okt. Dez. Feb. Apr. Jun. Aug. Okt. Dez. 13 14 14 14 14 14 14 15 15 15 15 15 15 16 16 16 16 16 16 17 17 17 17 17 17 18 18 18 18 18 18

DAX

MDAX

SDAX

Abbildung 9: Performancevergleich DAX, MDAX & SDAX.154

Nicht immer lässt sich den Fonds aus der Stichprobe eindeutig eine der drei Benchmarks zuordnen. Beispielsweise kann die in dieser Analyse verwendete Benchmark, von der selbst deklarierten Benchmark der Fonds abweichen. Der Grund hierfür ist, dass die von den Fonds selbst deklarierten Benchmarks dann in der Regel nicht den Kriterien nach Sharpe (1992) entsprechen. Zudem geben viele Fondsgesellschaften keine Benchmark in den wesentlichen Anlegerinformationen an (vgl. Tabelle 11). Im Zweifel sind der ermittelte Active Share155 und die Tech 154

Eigene Berechnung. Benchmarks, die über den Active Share ermittelt werden, können während des Untersuchungszeitraums wechseln. Das passiert beispielsweise bei Fonds, die sowohl in kleine als auch mittlere Unternehmen investieren. Zeitweise können dann kleine Unternehmen überwiegen, sodass der Active Share den SDAX als Benchmark ausweist, während in anderen Jahren mittlere Unternehmen, die im MDAX gelistet sind, überwiegen, sodass der Active Share dann den Mdax als Benchmark ausweist. In solchen Fällen wird unter Berücksichtigung der Technical Indicator Benchmark von Lipper die für den gesamten Untersuchungszeitraum funktionalste Benchmark ausgewählt. 155

162

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

nical Indicator Benchmark der Lipper Fondsdatenbank ausschlaggebend für die Bestimmung der individuellen Benchmark jedes Fonds für den Untersuchungszeitraum 2013–2018. Tabelle 11 KIID Benchmarks156 KIID Benchmark

Anzahl Fonds

Ohne Benchmark

33

DAX

11

HDAX

7

CDAX

5

MSCI Germany

4

Individuelle Benchmark

4

MDAX

3

SDAX

1

MSCI Germany Small Cap

1

S&P Germany BMI Value

1

aufgelöst / zusammengeführt

157

12

Von den 82 analysierten Fonds sind zum Zeitpunkt der KIID-Analyse noch 70 aktiv. Von diesen 70 weisen 33 keinen Vergleichsindex in den wesentlichen Anlegerinformationen (KIID) aus. Auffälligkeiten sind im Domizilland der Fonds auszumachen. Von den 33 Fonds haben 20 ihr Domizil in Luxemburg, 10 in Deutschland und jeweils ein Fonds in Großbritannien, Irland und Liechtenstein.158 Dass die meisten dieser Fonds in Luxemburg ansässig sind, deckt sich mit einer umfangreichen „Better Finance“ Studie, deren Ergebnis ist, dass 66 % der potenziellen Closet-Indexing-Fonds und 43 % aller OGAW-Aktienfonds mit Domizil Luxemburg die Benchmark-Performance in ihrem KIID nicht angeben.159 Die Ergebnisse zeigen auf, dass zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden offensichtlich eine starke Divergenz hinsichtlich der Umsetzung ihrer Aufsichtsmandate herrscht. In einem folgenden Abschnitt dieser Forschungsarbeit wird die Problematik von nicht oder falsch ausgewiesenen Benchmarks in Kombination mit möglichem Closet Indexing anhand von Fallbeispielen detailliert diskutiert. 156

Eigene Berechnung. Fonds, die vor September 2019 (dem letztmaligen Zeitpunkt der KIID Analyse der vorliegenden Forschungsarbeit) geschlossen oder zusammengeführt wurden, müssen keine KIIDs mehr veröffentlichen und werden deshalb an dieser Stelle von der Analyse ausgenommen. 158 Insgesamt haben von den 70 Fonds 38 ihr Domizil in Deutschland, 27 in Luxemburg, 2 in Dänemark und jeweils einer in Großbritannien, Irland und Liechtenstein. 159 Vgl. Better Finance (2018), S. 2. 157

4.5 Empirisches Untersuchungsdesign 

163

Tabelle 12 Benchmark und Anzahl zugeordneter Fonds im Untersuchungszeitraum 2013–2018160 Benchmark

Anzahl Fonds

DAX

60

MDAX

12

SDAX

10

In dieser Forschungsarbeit werden von den 82 analysierten Fonds 60 dem DAX, 12 dem MDAX und 10 dem SDAX zugeordnet (vgl. Tabelle 12). Diese Zuordnung erfolgt individuell für jeden analysierten Fonds, um eine möglichst exakte Benchmark festlegen zu können. Zu beachten ist jedoch, dass insbesondere die Grenzen zwischen MDAX und SDAX fließend sind, da Fonds häufig eine Strategie hinsichtlich kleiner und mittlerer Unternehmen verfolgen und nicht zwischen MDAX- und SDAX-Zuordnung differenzieren. Ausschlaggebend für die Wahl der adäquaten Benchmark ist dann der ermittelte Active Share im Vergleich zu den potenziellen Benchmarks. Die Wahl fällt auf den Index, zu dem der Active Share eines Fonds den niedrigsten Wert aufweist. Dabei kann es vorkommen, dass während des Untersuchungszeitraums der Index mit dem niedrigsten ermittelten Active Share eines Fonds je nach Kalenderjahr wechselt. Trifft dies zu, wird im Einzelfall individuell und unter Berücksichtigung aller Faktoren entschieden, welcher Index für den Fonds in den einzelnen Kalenderjahren als auch im gesamten Untersuchungszeitraum die adäquate Benchmark darstellt.

4.5 Empirisches Untersuchungsdesign Primäres Ziel der empirischen Untersuchung ist die Ursachenanalyse und Wirkungsprognose von zwei Kausalbeziehungen für den deutschen Aktien-Invest­ mentfondsmarkt: Erstens wird die Replikationsgüte von ETFs anhand der Tracking Differenz (TD) analysiert. Zweitens werden mögliche Ursachen für Closet Index­ ing und dessen Auswirkungen im aktiven Fondsmanagement herausgearbeitet, sodass die zuvor aufgestellten Thesen und Hypothesen beantwortet werden können. Dafür wird neben der deskriptiven Statistik im Zuge des empirischen Teils der Forschungsarbeit auf ökonometrische Modelle zurückgegriffen. Da dabei sowohl passiv als auch aktiv verwaltete Investmentfonds / ETFs in die Analyse einbezogen sind, werden im Anschluss der Erläuterung des Untersuchungsdesigns beide Teilbereiche gesondert dargestellt.

160

Eigene Berechnung.

164

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

Für die Analyse des ETF- und Investmentfondsmarktes werden zunächst jeweils die Marktentwicklungen im Untersuchungszeitraum (Kalenderjahre 2014–2018) anhand deskriptiver Statistiken dargestellt. Mittels Korrelationsanalyse wird die Quantifizierung von Beziehungen zwischen einer endogenen Variablen161 und einer oder mehrerer exogenen Variablen162 ermöglicht. Zudem kann die Korrelation zwischen den exogenen Variablen überprüft werden. Gemessen wird die Intensität statistischer Zusammenhänge, wobei zudem die Signifikanz dieser bestimmt wird, um Aussagen zur Irrtumswahrscheinlichkeit treffen zu können. Eine Aussage über das Vorliegen kausaler Zusammenhänge ist mit der Korrelationsanalyse jedoch nicht möglich. Dies gilt auch für sonstige statistische Verfahren, wie beispielsweise der später folgenden Regressions­analysen. Auch dort lassen sich Kausalitäten niemals zweifelsfrei nachweisen.163 Im Fall der hier angewandten Korrelationsanalyse mittels Berechnung von Korrelationskoeffizienten kann lediglich die Stärke der Beziehungszusammenhänge ermittelt werden:164 𝑟𝑟𝑟𝑟𝑥𝑥𝑥𝑥1,𝑥𝑥𝑥𝑥2 =

mit:

∑𝐾𝐾𝐾𝐾 𝑘𝑘𝑘𝑘=1(𝑥𝑥𝑥𝑥𝑘𝑘𝑘𝑘1 − 𝑥𝑥𝑥𝑥̅ 2 ) ⋅ (𝑥𝑥𝑥𝑥𝑘𝑘𝑘𝑘2 − 𝑥𝑥𝑥𝑥̅2 )

𝐾𝐾𝐾𝐾 �∑𝐾𝐾𝐾𝐾 𝑘𝑘𝑘𝑘=1(𝑥𝑥𝑥𝑥𝑘𝑘𝑘𝑘1 − 𝑥𝑥𝑥𝑥̅ 2 )² ⋅ ∑𝑘𝑘𝑘𝑘=1(𝑥𝑥𝑥𝑥𝑘𝑘𝑘𝑘2 − 𝑥𝑥𝑥𝑥̅ 2 )²

(4.4)

Wertebereich: −1 ≤ rx1,x2 ≤ 1, xkn = Ausprägung der Variablen n bei Objekt k, x¯n = Mittelwert der Ausprägung von Variablen n über alle Objekte k.

Mit Blick auf die Korrelationsmatrix können die Variablen auf Multikollinearität überprüft werden. Hohe Korrelationskoeffizienten zwischen den einzelnen exogenen Variablen können ernsthafte paarweise Multikollinearität bedeuten.165 Um Multikollinearität auszuschließen, kann des Weiteren eine Regression jeder unabhängigen Variablen auf die übrigen unabhängigen Variablen durchgeführt und das jeweilige Bestimmtheitsmaß R² ermittelt werden:166 𝑅𝑅𝑅𝑅 2 =

∑𝐾𝐾𝐾𝐾 �𝑘𝑘𝑘𝑘 − 𝑦𝑦𝑦𝑦)² 𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒ä𝑒𝑒𝑒𝑒𝑟𝑟𝑟𝑟𝑒𝑒𝑒𝑒 𝑆𝑆𝑆𝑆𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆 𝑘𝑘𝑘𝑘=1(𝑦𝑦𝑦𝑦 = ∑𝐾𝐾𝐾𝐾 𝐺𝐺𝐺𝐺𝑒𝑒𝑒𝑒𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝑟𝑟𝑟𝑟𝐺𝐺𝐺𝐺𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟 (𝑦𝑦𝑦𝑦 𝑘𝑘𝑘𝑘=1 𝑘𝑘𝑘𝑘 − 𝑦𝑦𝑦𝑦)²

(4.5)

Mit Wertebereich: 0 ≤ R2 ≤ 1.

161 Andere geläufige Begriffe für endogene Variablen, die in dieser Forschungsarbeit verwendet werden: Regressand, abhängige Variable, erklärte Variable oder Prognose Variable. 162 Andere geläufige Begriffe für exogene Variablen, die in dieser Forschungsarbeit verwendet werden: Regressor, unabhängige Variable, erklärende Variable oder Prädiktor-Variable. 163 Vgl. Backhaus et al. (2018), S. 60. 164 Vgl. ebd., S. 369. 165 Vgl. Backhaus et al. (2018), S. 99. 166 Vgl. Fahrmeir et al. (2011), S. 161.

4.5 Empirisches Untersuchungsdesign 

165

Große Werte nahe eins deuten auf eine hohe Multikollinearität der exogenen Variablen hin.167 Das Verfahren der linearen168 Regressionsanalyse zielt auf die Beschreibung der zu beobachtenden Realität durch quantitative Analyse von Zusammenhängen zwischen Variablen ab. Mittels Tests der zuvor aufgestellten Hypothesen wird die empirische Gültigkeit überprüft, sodass schlussendlich über das Modell ausgesagt werden kann, ob es die Realität hinreichend gut beschreibt und zur Prognose dienen kann.169 Für gewöhnlich lässt sich der Ablauf bei einer Regressionsanalyse in fünf Arbeitsschritte einteilen:170 1. Modellformulierung 2. Schätzung der Regressionsfunktion 3. Prüfung der Regressionsfunktion 4. Prüfung der Regressionskoeffizienten 5. Prüfung der Modellprämissen. 1. Modellformulierung Regressionsmodelle sollten möglichst so gebildet werden, dass sämtliche Aspekte der zu untersuchenden Kausalbeziehungen eingebunden sind. Dazu sind anfänglich Vermutungen und Vorüberlegungen zu formulieren, die auf rein fachlicher Expertise beruhen.171 Zur Orientierung dienen bereits veröffentlichte internationale Forschungsarbeiten über den ETF-Markt sowie vor allem der Problematik des Closet Index-Tracking. Dazu sind Hypothesen in Kapitel 4.2 formuliert worden. Erst nach der Modellbildung können dann im nächsten Schritt auf Grundlage der vorhandenen Datenbasis die Parameter des Modells geschätzt werden.172 2. Schätzung der Regressionsfunktion Die Regressionsanalyse versucht die Veränderung einer sogenannten abhängigen oder endogenen Variablen (Regressand) über die Veränderungen einer oder mehrerer sogenannter unabhängiger oder exogener Variablen (Regressoren) durch Quantifizierung einer einzelnen Gleichung zu erklären:173 Yi = β0 + β1 · X1i + β2 · X2i + … + βK · XKi + εi 167

(4.6)

Vgl. Hackl (2013), S. 181. Neben der linearen Form existieren weiter Formen der Regressionsanalyse, wie beispielsweise logarithmische, inverse oder polynome. Diese werden in der vorliegenden Forschungsarbeit jedoch nicht weiter berücksichtigt. Vgl. Auer / Rottmann (2015), S. 594 ff. 169 Vgl. Auer / Rottmann (2015), S. 419 f. 170 Vgl. Backhaus et al. (2018), S. 63. 171 Vgl. Wazynski (2016), S. 201. 172 Vgl. Backhaus et al. (2018), S. 67. 173 Vgl. Auer / Rottmann (2015), S. 421. und Backhaus et al. (2018), S. 72. 168

166

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

mit εi = yi − ŷi

(4.7)

εi Residualwert yi Wert der abhängigen Variablen ŷi ermittelter Schätzwert der abhängigen Variablen β0 konstantes Glied βK Regressionskoeffizienten (k = 1, 2, …, K) XKi Werte der unabhängigen Variablen (k = 1, 2, …, K; i = 1, 2, …, I) K = Zahl der unabhängigen Variablen I = Zahl der Beobachtungen

Regressionskoeffizienten kommt die Bedeutung zu, den marginalen Effekt der Änderung einer exogenen Variablen auf die endogene Variable Y auszudrücken.174 Der Störterm εi ist eine nicht zu beobachtende Zufallsvariable,175 und bildet die Differenz zwischen den beobachteten und geschätzten Y-Werten ab, dem Schlüssel zur Schätzung der Regressionsgeraden.176 Nicht sämtliche relevanten Regressoren können in den in dieser Forschungsarbeit gewählten Modellen berücksichtigt werden, weil beispielsweise für möglicherweise relevante Datensätze keine geeigneten Quellen verfügbar sind. Diese nicht zu beobachtenden Modellauswirkungen fließen in die Störgröße ein. Bei der Form der Schätzung handelt es sich um das Prinzip der kleinsten Quadrate. Für die Regressionskoeffizienten werden solche Zahlen als Schätzwerte verwendet, für die die Summe der quadrierten Abweichungen zwischen den Beobachtungen der Regressoren und den entsprechenden Werten des Modells minimiert wird.177 Damit in die Regressionsanalyse nicht nur metrische Variablen einfließen können, sondern ebenso qualitative (nominalskalierte)  Variablen, werden letztere durch die sogenannte Dummy-Variablen-Technik in binäre Variablen umgewandelt und dann wie metrische Variablen behandelt. Nominalskalierte Variablen mit n Ausprägungen werden durch n−1 Dummy-Variablen (Di) ersetzt.178 Diese können nur die Werte 1 und 0 annehmen. Dadurch kommt es in Abhängigkeit von der Dummy-Variablen zu einer Veränderung des Y-Achsenabschnitts der Regressionsfunktion bei unveränderter Steigung:179 Yi = β0 + β1 · Xi + β2 · Di + εi

174

Vgl. Backhaus et al. (2018), S. 73. Vgl. Auer / Rottmann (2015), S. 443. 176 Vgl. Backhaus et al. (2018), S. 68. 177 Vgl. Hackl (2013), S. 43. 178 Vgl. Backhaus et al. (2018), S. 61. 179 Vgl. Auer / Rottmann (2015), S. 501. 175

(4.8)

4.5 Empirisches Untersuchungsdesign 

167

Das Beispiel dieses einfachen linearen Regressionsmodells zeigt, dass die Konstante des Modells bei β2 > 0 um β2 auf β0 + β2 erhöht wird,180 wenn die Dummy-Variable den Wert 1 annimmt.181 3. Prüfung der Regressionsfunktion Im nächsten Schritt ist die Güte der Regressionsfunktion zu prüfen: Eignet sich die aufgestellte Funktion zur Erklärung der endogenen Variablen Yi? Jene sogennante globale Güte kann anhand des Bestimmtheitsmaßes R² (s. o.) getestet werden. Da dieses jedoch weder die Größe der Stichprobe I noch die Komplexität bei 2 die vielen Variablen K berücksichtigt, ist das korrigierte Bestimmtheitsmaß Rkorr 182 bessere Wahl: 2 𝑅𝑅𝑅𝑅𝑘𝑘𝑘𝑘𝑘𝑘𝑘𝑘𝑘𝑘𝑘𝑘𝑘𝑘𝑘𝑘 = 𝑅𝑅𝑅𝑅 2 −

𝐾𝐾𝐾𝐾(1 − 𝑅𝑅𝑅𝑅 2 ) 𝐼𝐼𝐼𝐼 − 𝐾𝐾𝐾𝐾 − 1

(4.9)

2 I − K − 1 berücksichtigt die Zahl der Freiheitsgrade183, sodass Rkorr bei Hinzufügen weiterer Regressoren ab- oder zunimmt, je nachdem, ob der durch die Hinzunahme von neuen Variablen verbundene Verlust an Freiheitsgraden überwiegt oder 2 nicht.184 Bei konstantem I ist Rkorr immer kleiner oder maximal gleich R², sodass übergroße Modellkomplexität durch mögliche Überparametrisierung bei Regressionen durch die Korrektur von R² berücksichtigt wird.185

Um jedoch auch zu klären, ob die Regressionsfunktion über die Strichprobe hinaus für die Grundgesamtheit Signifikanz besitzt, wird der sogenannte F-Test angewandt:186 𝐹𝐹𝐹𝐹 =

𝑅𝑅𝑅𝑅² 𝐾𝐾𝐾𝐾 (1 − 𝑅𝑅𝑅𝑅 2 ) (𝐼𝐼𝐼𝐼 − 𝐾𝐾𝐾𝐾 − 1)

(4.10)

Mittels F-Test wird die Nullhypothese H0 getestet, die besagt, dass zwischen der abhängigen Variablen und den unabhängigen Variablen kein statistisch signifikanter Zusammenhang besteht.187

Verringerung bei β2 < 0. Vgl. Auer / Rottmann (2015), S. 501. 182 Vgl. Backhaus et al. (2018), S. 78. 183 Freiheitsgrade: Werteanzahl, die frei variiert werden kann, ohne den interessierenden statistischen Parameter zu ändern. R² wird umso mehr um eine Größe korrigiert, je größer die Zahl der Regressoren und je kleiner die Zahl der Freiheitsgrade ist: I − K − 1. 184 Vgl. Auer / Rottmann (2015), S. 437. 185 Vgl. Backhaus et al. (2018), S. 79. 186 Vgl. ebd., S. 79 f. 187 Vgl. Auer / Rottmann (2015), S. 471. 180

181

168

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

Die Ausführung des Tests lässt sich durch Ermittlung des p-Wertes (probability value) des F-Tests vereinfachen. Dieser drückt die Wahrscheinlichkeit aus, dass eine F-verteilte Zufallsvariable größer ist als der empirisch berechnete F-Wert:188 p < α -> H0 wird verworfen.189 4. Prüfung der Regressionskoeffizienten Ist die Güte des Modells zur Erklärung der endogenen Variablen Yi bestätigt, folgt daraufhin die Überprüfung der Regressionskoeffizienten XKi im Einzelfall: Eignen sich diese, die endogene Variable zu erklären, und wenn ja, in welchem Ausmaß? Dies erfolgt deckungsgleich zum F-Test mit dem sogenannten t-Wert temp:190 𝑡𝑡𝑡𝑡𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒 =

Mit

ß𝑘𝑘𝑘𝑘 𝑠𝑠𝑠𝑠ß𝑘𝑘𝑘𝑘

(4.11)

H0: ßk = 0 ßk = Regressionskoeffizient des k-ten Regressors sßk = Standardfehler von ßk

Die Durchführung des t-Tests lässt sich analog zum F-Test vereinfachen, indem der p-Wert der zweiseitigen t-Statistik verwendet und das Entscheidungskriterium p < α zur Verwerfung der Nullhypothese angewandt wird.191 5. Prüfung der Modellprämissen Zuletzt ist zu prüfen, ob die Prämissen des linearen Regressionsmodells erfüllt sind. Dazu zählt die Annahme der linearen funktionalen Form des Modells. Sofern Nichtlinearität vorliegt, kann die Beziehung der unabhängigen und abhängigen Variablen, wenn möglich, in ein lineares Modell transformiert werden.192 Zudem weisen die Störgrößen den Erwartungswert Null, vorliegende Homoskedastizität, keine Autokorrelation, Normalverteilung sowie keine Korrelation zu den erklärenden Variablen auf.193 Außerdem besteht keine perfekte Multikollinearität zwischen den erklärenden Variablen. Tabelle 13 fasst mögliche Probleme und Verletzungen der Modellprämissen zusammen. Grundsätzlich ist die Regressionsanalyse jedoch relativ robust gegenüber kleineren Verletzungen der genannten Annahmen und erweist sich deshalb als flexibles und brauchbares Analyseverfahren in der empirischen Analyse. 188

Vgl. Backhaus et al. (2018), S. 83. In der vorliegenden Forschungsarbeit werden Signifikanzen auf dem Niveau α von 0,1 %/​ 1 %/5 % getestet und statistische Signifikanz dann mit ***/**/* in den Ergebnissen ausgewiesen. 190 Vgl. Backhaus et al. (2018), S. 84 f. 191 Vgl. Backhaus et al. (2018), S. 87. 192 Vgl. Hackl (2013), S. 65. 193 Vgl. hier und im Folgenden Backhaus et al. (2018), S. 90. 189

4.5 Empirisches Untersuchungsdesign 

169

Tabelle 13 Residuenverhalten: Gründe, Probleme und Lösungen194 Problem

Vorkommen

Gründe

Visuelle Beobach­ tung

Formale Beobach­ tung

Behebung

Multi­ kollinearität

Querschnitts und Zeit­ reihendaten

Lineare Abhängigkeit der Regressoren

Residuen Plot zeigt einen oder mehrere Ausreißer

– Korrelationsmatrix – Regressionsanalyse der erklärenden Variablen mit Varianz Inflation Factor (VIF)

– Weitere Variablen ins Modell integrieren – Anzahl der Beobachtungen erhöhen

Auto­ korrelation

Zeitreihendaten

Beziehung zwischen den Werten eines Residuums im Zeitpunkt t und t−1

Plot: Aufeinanderfolgende Werte der Residuen liegen nahe beieinander

– DurbinWatson Test – Lagrange Multiplier Test

– Erste Differenz beider Seiten der Gleichung nehmen und neue Gleichung ausführen

Hetero­ skedastizität

Querschnittsdaten

Unterschiede in der Varianz der Residuen

Plot zeigt eine weite Streuung der Residuen­ varianz

– GoldfeldQuandtTest – White’s Test

– Log Regression ausführen

Normal­ verteilung

Querschnitts und Zeit­ reihendaten

Fehlspezifikation des Modells

Residuen Histogramm zeigt abnormale Verteilung

– JarqueBera-Test

– Weitere relevante Variablen ins Modell inte­grieren und größere Grund­ gesamtheit wählen

Einige der in Tabelle 13 erwähnten Testverfahren werden in der vorliegenden empirischen Analyse angewandt und deswegen im Folgenden genauer definiert. 194

Eigene Darstellung in Anlehnung an Aljandali / Tatahi (2018), S. 29.

170

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

Für Hinweise auf Multikollinearität werden Indikatoren verwendet, mit denen Abhängigkeiten zwischen den exogenen Variablen aufgedeckt werden. Zuvor wurde bereits gezeigt, dass die Bestimmtheitsmaße R² der Hilfsregression für die einzelnen exogenen Variablen Multikollinearität aufdecken können.195 Zudem sind Korrelationsmatrizen der Variablen im Anhang dieser Forschungsarbeit zu finden. Sind die Residualwerte korreliert, wird von Autokorrelation gesprochen. Um diese bei Zeitreihendaten auszuschließen, kann der nach seinen Autoren benannte Durbin-Watson-Test (DW-Test) durchgeführt werden:196 𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷𝐷 =

∑𝐼𝐼𝐼𝐼𝑖𝑖𝑖𝑖=2(𝜀𝜀𝜀𝜀𝑖𝑖𝑖𝑖 − 𝜀𝜀𝜀𝜀𝑖𝑖𝑖𝑖−1 )² ∑𝐼𝐼𝐼𝐼𝑖𝑖𝑖𝑖=1 𝜀𝜀𝜀𝜀𝑖𝑖𝑖𝑖2

(4.12)

Der DW-Test prüft die Hypothese H0, die besagt, dass keine lineare Autokorrelation erster Ordnung bei den Residualwerten vorliegt.197 H0 wird bestätigt bei einem DW-Wert nahe 2 und abgelehnt bei DW-Werten nahe 0 (extrem positive Autokorrelation) oder nahe 4 (extrem negative Autokorrelation).198 Der DW-Wert wird in dieser Arbeit in den Resultaten der Regressionsanalysen ausgewiesen. Homoskedastizität der Residualwerte ist eine weitere Annahme des Modells. Das bedeutet, dass die Störgrößen nicht von den Regressoren und nicht von der Reihenfolge der Beobachtungen abhängig sein dürfen. Bei Heteroskedastizität liegt diese Abhängigkeit vor (Verteilungen der εi unterscheiden sich in ihrer Varianz), was zu Ineffizienz der Schätzung und Verfälschung der Standardfehler führt.199 Die Prüfung auf Heteroskedastizität erfolgt visuell. Tatsächlich tritt Heteroskedastizität häufig in Querschnittsregressionen auf, aber auch bei Zeitreihenregressionen von Finanzmarktdatensätzen.200 Auch in Regressionen dieser Forschungsarbeit tritt zum Teil Heteroskedastizität der Residualwerte auf. Mit Heteroskedastizitätkonsistenten Standardfehlern nach White (1980) lässt sich dieses Problem lösen. Tritt dieser Fall ein und werden die Standardfehler korrigiert, wird im Folgenden explizit darauf hingewiesen. Die letzte wichtige Annahme des linearen Regressionsmodells zur Durchführung statistischer Tests ist die der Normalverteilung der Störgrößen. Jedoch kann diese Annahme bei Verwendung der kleinsten-Quadrate-Methode vernachlässigt werden. Relevant für die Durchführung statistischer F- und t-Tests ist die Annahme der Normalverteilung nur, wenn die Zahl der Beobachtungen kleiner als etwa 40

195

Vgl. Hackl (2013), S. 180. Vgl. Durbin / Watson (1951), S. 159 ff. 197 Vgl. Backhaus et al. (2018), S. 97. 198 Vgl. Auer / Rottmann (2015), S. 554. Zur Testdurchführung sind unter Berücksichtigung des Stichprobenumfangs und der Anzahl der Regressoren der untere und obere kritische Wert den Tabellen der DW-Statistik abzulesen. 199 Vgl. Backhaus et al. (2018), S. 94 f. 200 Vgl. Auer / Rottmann (2015), S. 524. 196

4.6 Analyse der ETFs am deutschen Aktienmarkt 

171

ist. Im Folgenden ist die Zahl der Beobachtungen jedoch größer und die Tests auf Signifikanz sind damit unabhängig von der Verteilung der Störgrößen gültig.201 Üblicherweise wird bei Datenanalysen zwischen Querschnittsdaten, die bei verschiedenen Untersuchungsobjekten zu einem Zeitpunkt erhoben werden, und Zeitreihendaten unterschieden, die an unterschiedlichen Zeitpunkten ermittelt werden.202 In der vorliegenden Forschungsarbeit werden beide Formen der Datenanalyse kombiniert.

4.6 Analyse der ETFs am deutschen Aktienmarkt 4.6.1 Entwicklung des deutschen ETF-Marktes Sechs Anbieter teilen den Markt für ETFs, die den deutschen Aktienmarkt abbilden, quasi unter sich auf. Zwar stehen Anlegern für deutsche Aktien weitere Anbieter zur Verfügung, deren ETFs weisen jedoch während des Untersuchungszeitraums einen Nettoinventarwert von weniger als zehn Millionen Euro auf, sodass diese in der Forschungsarbeit nicht berücksichtigt werden. Tabelle 14 ETF-Anbieter für den deutschen Aktienmarkt203 ETF Management Company

Anzahl ETFs

BlackRock AM Deutschland AG

4

DWS Investment S. A.

4

Commerz Funds Solutions S. A.

204

11

Deka Investment GmbH205

5

Lyxor International AM

2

Amundi Assetmanagement S. A.207

1

206

201 Vgl. Backhaus et al. (2018), S. 102. In der Literatur finden sich Grenzwerte für T = 0,2, womit der VIF 5 beträgt oder T = 0,1, womit der VIF dann 10 beträgt. 202 Vgl. Backhaus et al. (2018), S. 126. 203 Eigene Berechnung. 204 Eine ehemalige Tochter der Commerzbank AG, jedoch seit dem 27. 05. 2019 eine 100-prozentige Tochtergesellschaft von Lyxor International Assetmanagement. 205 100-prozentige Tochtergesellschaft der DekaBank Deutsche Girozentrale, dem Wertpapierhaus der deutschen Sparkassen-Finanzgruppe. 206 Lyxor International Assetmanagement ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der französischen Großbank Société Générale. 207 Gemeinschaftsunternehmen der französischen Banken Crédit Agricole und Société ­Générale. Mehrheitsaktionär ist die Crédit Agricole S. A.

172

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

Auffällig ist, dass die Commerz Funds Solutions S. A. im Vergleich zu den anderen Anbietern sehr viele ETFs für den deutschen Aktienmarkt anbietet. Nahezu jeder Index ist zwei- bis dreifach im Angebotsportfolio zu finden. Die Commerz Funds Solutions S. A. möchte mit ihrer „ComStage 1 ETFs“ Serie Investoren vermeintlich besondere Sicherheit bieten, indem alle ETFs dieser Serie vollreplizierend sind, die Wertpapierleihe ausgeschlossen und Deutschland das Domizilland ist.208 Eventuelle Vor- und Nachteile dieser Commerz Funds Solutions S. A. Strategie werden im Verlauf des Kapitels diskutiert. Tabelle 15 Domizil der in der Forschungsarbeit untersuchten ETFs209 ETF Domizil

Anzahl ETFs

Deutschland

15

Luxemburg

9

Frankreich

2

Irland

1

Der Großteil, der für den deutschen Aktienmarkt relevanten ETFs, ist in Deutschland domiziliert. Neben Deutschland zeichnet sich Luxemburg als wichtiges Domizilland für ETFs ab (vgl. Tabelle 15). Tabelle 16 Total Expense Ratio der untersuchten ETFs210 Jahr

Anzahl ETFs

Ø TER (%)

Median TER (%)

2013

13

0,23

0,15

2014

17

0,26

0,16

2015

20

0,27

0,28

2016

24

0,26

0,25

2017

26

0,28

0,28

2018

26

0,27

0,23

Die Total Expense Ratio der 26 untersuchten ETFs variiert stark unter den einzelnen Anbietern. Die replizierten Indices nehmen dabei eine zentrale Rolle ein. Grundsätzlich hat sich die TER der ETFs in den letzten Jahren konsolidiert. Ein leichter Rückgang zeichnet sich nur bei einigen wenigen ETFs ab. Durch die Neuauflegung vieler ETFs auf deutsche Mid- und Small-Cap-Indices in den vergan­ 208

Vgl. Commerzbank AG, recherchiert am 12. 11. 2019. Eigene Berechnung. 210 Eigene Berechnung. 209

173

4.6 Analyse der ETFs am deutschen Aktienmarkt 

genen Jahren sind die Kosten für ETFs durchschnittlich gestiegen (vgl. Tabelle 16), da die Replikation dieser tendenziell illiquideren Marktsegmente kostenintensiver ist im Vergleich zu DAX ETFs. Tabelle 17 TER (in %) nach replizierten Indices 2013–2018 211 Index

Ø TER

Median TER

Minimum TER

Maximum TER

DAX

0,14

0,15

0,08

0,25

MDAX

0,36

0,3

0,2

0,51

Sonstige

0,39

0,31

0,15

0,71

Tabelle 17 bestätigt, dass die Replikation von Mid- und Small-Cap-Indices kosten­intensiver ist, was sich in einer durchschnittlich höheren Gesamtkostenquote bei solchen ETFs niederschlägt. Ein Vergleich von synthetischen und vollreplizierenden ETFs ist schwierig. Synthetische ETFs wurden in den letzten Jahren von allen Fondsanbietern durch vollreplizierende ETFs ersetzt. Lediglich Lyxor International AM verwaltet einen synthetischen ETF mit einem Nettoinventarwert größer als 10 Millionen Euro. Dieser ist im Jahr 2018 zugleich der günstigste MDAX ETF mit einer TER von 0,2 %. Die selbst deklarierten, vermeintlichen Vorteile des „Comstage 1“ DAX ETF im Vergleich zum Standard DAX ETF von Commerz Fund Solutions bezahlen Investoren mit einer leicht höheren TER. Die Wertpapierleihe stellt für Investmentfonds wie auch ETFs eine wichtige Einnahmequelle dar. Fällt diese weg, verwundert es nicht, dass ETFs mit einer höheren TER angeboten werden. Tabelle 18 Total Net Asset der untersuchten ETFs 2013–2018 (in Mio. €)212 Jahr

Anzahl ETFs

TNA Gesamt (Mio. €)

Ø TNA (Mio. €)

Median TNA (Mio. €)

2013

16

24.422,81

1.526,43

261,30

2014

20

16.965,44

848,27

206,43

2015

23

22.811,11

991,79

175,73

2016

26

20.874,40

802,86

118,20

2017

26

23.360,70

898,49

157,31

2018

27

19.244,22

712,75

110,40

211 212

Eigene Berechnung. Eigene Berechnung.

174

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

Die Markteinführung zahlreicher neuer ETFs in den vergangenen Jahren hat den durchschnittlichen und mittleren Nettoinventarwert der ETFs gesenkt. Ins­ gesamt stieg zwar die Anzahl der ETF-Auswahl für Investoren, diese waren jedoch nicht gewillt, zusätzliche Investitionen in den deutschen Aktienmarkt über ETFs zu tätigen. Ein leichter Rückgang im Nettoinventarwert von 2013 bis 2018 ist zu verzeichnen, obwohl das Sentiment am deutschen Aktienmarkt positiv war (ausgenommen das Kalenderjahr 2018). Nettomittelabflüsse müssen folglich die Ursache für den Rückgang des ETF-Volumens am deutschen Aktienmarkt sein. Insbesondere BlackRocks „iShares Core Dax ETF“ weist im Zeitraum von 2013 bis 2018 einen starken Rückgang der Total Net Asset (TNA) von 16,7 Mrd. Euro auf 6,6 Mrd. Euro auf. TNA nach ETF Domizil (in Mio. €) 25000,00

20000,00

15000,00

10000,00

5000,00

0,00 Irland Frankreich Luxemburg Deutschland

2013 0,00 98,80 4049,63 20274,39

2014 14,44 197,60 4644,78 12108,63

2015 45,56 100,14 7966,98 14698,43

2016 50,25 76,93 6568,95 14178,28

2017 94,95 225,25 7043,61 15996,89

2018 96,37 150,74 6109,60 12887,51

Abbildung 10: Total Net Asset der ETFs nach Domizil 2013–2018 (in Mio. €).213

Der Großteil des aufgelegten ETF-Volumens für den deutschen Aktienmarkt ist in Deutschland domiziliert. Ausschlaggebend ist hier insbesondere der Markt­ führer BlackRock, dessen ETFs ihr Domizil in Deutschland haben. Zudem ist Luxemburg ein wichtiges Domizilland für ETF-Anbieter. Insbesondere DWS Investment und Commerz Fund Solutions (vgl. Abbildung 10) nutzen Luxemburg als Domizil für ihre ETF-Produktpalette.

213

Eigene Berechnung.

4.6 Analyse der ETFs am deutschen Aktienmarkt 

175

TNA nach ETF Fund Management Company (in Mio. €)

20000

16000

12000

8000

4000

0 BlackRock DWS Commerz F. S. Deka Lyxor Amundi

2013 18820,56 2445,81 937,48 1453,83 666,34 98,80

2014 10427,81 3207,76 612,10 1680,82 844,52 192,44

2015 12099,16 5912,35 979,48 2539,79 1192,09 88,25

2016 10847,44 4542,45 1179,10 3223,90 1015,91 65,60

2017 12000,03 4674,94 1417,29 3802,90 1406,37 59,16

2018 9435,88 4168,87 1473,27 3188,30 867,50 110,40

Abbildung 11: Nettoinventarwert der ETFs nach ETF-Anbieter 2013–2018 (in Mio. €).214

Trotz des starken Volumenrückgangs von BlackRocks „iShares Core Dax ETF“ in den Jahren 2013 bis 2018 ist BlackRock weiterhin unangefochtener Marktführer für deutsche Aktien-ETFs, gefolgt von DWS und Deka (vgl. Abbildung 11). Während BlackRock in den vergangenen Jahren Marktanteile verlor, konnten alle anderen ETF-Anbieter die Nettoinventarwerte ihrer ETFs insgesamt steigern.

4.6.2 Index-Tracking der ETF-Anbieter im Vergleich Um die Performance eines ETFs bewerten zu können, muss zunächst festgelegt werden, welche Parameter zur Beurteilung der Performance analysiert werden. Entscheidend ist schlussendlich der Vergleich des ETFs mit seiner Benchmark, dem zugrunde liegenden Index. Ziel sollte es sein, diesen möglichst genau abzubilden. Das heißt, die Tracking Differenz sollte minimiert werden, wobei als Nebenbedingung auch der Tracking Error möglichst klein ausfallen sollte (vgl. Kapitel 3.3.2). Die Berechnung der ETF-Performance erfolgt auf Basis des NAVs zum Börsenschluss. Die 26 passiven ETFs für den deutschen Aktienmarkt, die in der vorliegenden Forschungsarbeit analysiert werden, weisen nach stichprobenartiger Untersuchung für DAX und MDAX einige Differenzen in der ausgewiesenen Benchmark-Rendite auf, die im Folgenden kurz erläutert werden (vgl. Tabelle 19).

214

Eigene Berechnung.

176

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing   Tabelle 19 KIID Analyse der ETF-Anbieter215

ISIN

Jahr

Anbieter

Index

RI

RI (KIID)

Diskrepanz

DE000ETFL441216

2018

Deka

MDAX

−17,61 %

−18,1 %

−0,49 %

DE0005933923217

2018

BlackRock

MDAX

−17,61 %

−18,1 %

−0,49 %

DE0005933931

2018

BlackRock

DAX

−18,26 %

−18,8 %

−0,54 %

219

2018

Deka

DAX

−18,26 %

−18,9 %

−0,64 %

DE000ETFL060220

2018

Deka

DAX

−18,26 %

−18,9 %

−0,64 %

218

DE000ETFL011 LU0274211480

221

LU0274211480

2017

DWS

DAX

12,51 %

13,1 %

0,59 %

2018

DWS

DAX

−18,26 %

−18,7 %

−0,44 %

LU1221102491222

2017

DWS

DAX

12,51 %

12,5 %

−0,01 %

LU1221102491

2018

DWS

DAX

−18,26 %

−18,7 %

−0,44 %

2017

DWS

DAX

12,51 %

13,1 %

0,59 %

2018

DWS

DAX

−18,26 %

−18,7 %

−0,44 %

LU0838782315 LU0838782315

223

Erstens weisen die Indexanbieter für die Kalenderjahre 2017 und 2018 zum Teil unterschiedliche Index-Berechnungen auf, die von der gängigen Berechnungspraxis abweichen.224 So gibt beispielsweise BlackRock für seine iShares ETFs für das Kalenderjahr 2018 in den wesentlichen Anlegerinformationen zum Teil Benchmark-Renditen an, die von der korrekten Indexperformance des Kalenderjahres abweichen. Statt mit −18,26 % gibt BlackRock die DAX-Performance mit −18,8 % an. Diskrepanzen in den Index-Renditen sind auch bei Deka im Jahr 2018 sowie bei DWS für die Jahre 2017 und 2018 auszumachen. Besonders auffällig ist bei DWS die unterschiedliche Bewertung der DAX-Rendite für das Jahr 2017. Bei zwei DAX ETFs (LU0274211480 und LU0838782315) ist der Vergleichsindex mit einer Rendite von 13,1 % für das Jahr 2017 ausgewiesen. Hingegen ist beim iden-

215

Eigene Berechnung. RI (KIID) ist den wesentlichen Anlegerinformationen entnommen. RI stellt die Rendite der Performanceindices dar. Quelle ist die Datenbank Thomson Reuters Datastream. 216 Vgl. Deka Investment GmbH (2019b). 217 Vgl. BlackRock (2019b). 218 Vgl. BlackRock (2019a). 219 Vgl. Deka Investment GmbH (2019c). 220 Vgl. Deka Investment GmbH (2019a). 221 Vgl. DWS Investment S. A. (2019b). 222 Vgl. DWS Investment S. A. (2019c). 223 Vgl. DWS Investment S. A. (2019a). 224 Spalte RI in Tabelle 19 weist die Total Return Rendite für DAX und MDAX aus, wie sie üblicherweise berechnet wird. Basis ist hier das volle Kalenderjahr, wobei der Schlusskurs des letzten Handelstages eines jeden Jahres zur Berechnung herangezogen wird.

4.6 Analyse der ETFs am deutschen Aktienmarkt 

177

tischen Pendant (LU1221102491)225 die DAX-Rendite mit 12,5 % vermerkt. Auf Nachfrage teilte DWS mit, dass nur die für DWS zur Berechnung des NAV-relevanten Tage zur Performanceermittlung herangezogen werden, sodass für das Jahr 2017 die Performance des Index und des ETF vom 30. 12. 2016 bis zum 28. 12. 2017 ausgewiesen wird. Für 2018 wurden entsprechend Daten vom 28. 12. 2017 bis 28. 12. 2018 ausgewertet. Das der 28. 12. 2017 Stichtag zur Bestimmung des NAV war, und nicht der 29. 12. 2017, erklärt die Abweichung bei der Benchmark-Rendite.226 Warum jedoch diese ungewöhnlichen und unterschiedlichen Stichtage zur Berechnung gewählt wurden, bleibt unschlüssig. Ebenso ist fragwürdig, dass nicht auf einheitliche Berechnungsmethoden zurückgegriffen wird. Ein Vergleich der unterschiedlichen ETFs, die jedoch eigentlich den identischen Index (DAX) replizieren, ist mit den von DWS zur Verfügung gestellten und in den KIIDs veröffentlichten Daten nicht möglich. Zweitens weisen die oben bereits behandelten „Comstage 1“ ETFs Besonderheiten bei der Auswahl der Vergleichsindices auf, die im Folgenden kurz erläutert werden. Vier von fünf analysierten „Comstage 1“ ETFs verwenden Preisindices227 als Benchmark. Und das, obwohl die Performance dieser absolut vergleichbar ist mit der Performance der übrigen Comstage ETFs, die konsequenterweise Performance Indices nachbilden und diese auch als Benchmark ausweisen. Dadurch entstehen große (im Vergleich zum Index vorteilhafte) Tracking Differenzen, insbesondere bei Indices mit Unternehmen, die hohe Dividendenrenditen aufweisen. (vgl. Tabelle 20, DivDAX Index). Warum bei vier von fünf ETFs hier auf Preisindices zurückgegriffen wird, bleibt unschlüssig. Positive Tracking Differenzen bringen für den ETF-Anbieter zumindest eine willkommene Außenwirkung, suggerieren sie doch, dass der Vergleichsindex übertroffen wurde. Erstens sollte dies jedoch nicht das Ziel eines ETFs sein und zweitens handelt es sich darüber hinaus schlicht um eine kosmetische Korrektur der wesentlichen Anlegerinformationen, da unter Berücksichtigung der Dividendenausschüttungen, die in die Performance der ETFs einfließen, die jeweiligen Performanceindices die korrekte Benchmark darstellen würden. Auf schriftliche Nachfrage bei Comstage bezüglich der unein-

225 Dieser DAX Income UCITS ETF notiert in Schweizer Franken (CHF) und ist CHF-­ hedged, um die Auswirkungen von Wechselkursschwankungen auf Anteilsklassenebene zu verringern. 226 28. 12. 2017 war ein Donnerstag. Am folgenden Freitag, den 29. 12. 2017, fand der Börsenhandel regulär statt. 227 Beim Preisindex wird der Indexstand ausschließlich auf Grund der Aktienkurse ermittelt und meist nur um Erträge aus Bezugsrechten und Sonderzahlungen bereinigt. Dividendenzahlungen und Kapitalveränderungen sind nicht im Kurs enthalten und führen somit zu einem Kursrückgang, bei ETFs werden sie i. d. R. ausgeschüttet. Ein Performanceindex wird inklusive aller Dividenden und sonstigen Einnahmen aus dem Besitz der Aktien berechnet. Indizes werden sowohl als Performance- als auch als Kursindex berechnet. Unter der Bezeichnung „DAX“ wird der Performanceindex verstanden, während international üblicherweise Preisindices verwendet werden.

178

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

heitlich gewählten Benchmarks wurde darauf verwiesen, dass noch im Jahr 2019 alle Vergleichsindices auf Performanceindices umgestellt werden sollen.228 Tabelle 20 Comstage 1 ETF Serie229 ISIN

Index

Jahr

RI NAV (KIID)

DE000ETF9017

DAX

2016

6,8 %

6,9 %

−0,1 %

2017

12,4 %

12,5 %

−0,1 %

2018

−18,7 %

−18,3 %

−0,4 %

2016

11,5 %

7,8 %

3,7 %

2017

13,6 %

10,0 %

3,6 %

2018

−16,4 %

−19,1 %

2,7 %

2016

6,3 %

4,1 %

2,2 %

2017

17,7 %

15,5 %

2,2 %

2018

−18,1 %

−19,7 %

1,5 %

2017

39,0 %

37,7 %

1,4 %

2018

−3,6 %

−4,3 %

0,7 %

2017

23,8 %

22,4 %

1,4 %

2018

−20,8 %

−21,3 %

0,5 %

DE000ETF9033

DE000ETF9074

DE000ETF9082

DE000ETF9058

DivDAX

MDAX

TecDAX

SDAX

RI Index (KIID)

TD

Trotz dieser Auffälligkeiten in den unterschiedlichen Herangehensweisen zur Performanceberechnung muss im Folgenden auf die veröffentlichten Daten der ETF-Anbieter zurückgegriffen werden, da Thomson Reuters Datastream NAVKurse von ETFs nur vereinzelt anbietet und diese zudem Plausibilitätsprüfungen nicht standhalten. Nur so können konsistente Ergebnisse der Tracking Differenzen gewährleistet werden. Die Vergleichsindices der vier „Comstage 1“ ETFs sowie ein weiterer Comstage DAX ETF werden manuell von Kursindices auf die jeweiligen Performanceindices umgestellt, sodass eine vergleichbare Analyse gewährleistet ist. Zudem wird der Comstage ETF, der den FAZ-Kursindex repliziert und somit nicht mit den gewöhnlichen DAX-Indices vergleichbar ist, ausgeschlossen. Ebenfalls wird für die deskriptive Analyse ein DWS DAX ETF ausgeschlossen, der in Schweizer Franken (CHF) notiert und CHF-hedged ist.

228 Nach erneuter Überprüfung der KIIDs konnte bisweilen keine Umstellung auf Performanceindices nachgewiesen werden (Stand: KIIDs Oktober 2019). 229 Eigene Berechnung.

179

4.6 Analyse der ETFs am deutschen Aktienmarkt 

4.6.3 Die Tracking Differenz deutscher Aktien-ETFs Tabelle 21 Tracking Differenzen230 Jahr

TD

TD DAX ETFs

TD Sonstige ETFs

2013

−0,46 %

−0,34 %

−0,62 %

2014

−0,34 %

−0,26 %

−0,43 %

2015

−0,35 %

−0,26 %

−0,41 %

2016

−0,38 %

−0,42 %

−0,35 %

2017

−0,47 %

−0,43 %

−0,50 %

2018

−0,28 %

−0,12 %

−0,38 %

Ø 2013–2018

−0,38 %

−0,31 %

−0,43 %

Die durchschnittliche jährliche Tracking Differenz (TD) eines UCITS ETF für den deutschen Aktienmarkt liegt im Untersuchungszeitraum bei −0,38 % (vgl. Tabelle 21). Das heißt, dass der Nettoinventarwert eines ETFs im Durchschnitt pro Jahr um 0,38 % gegenüber der Performance des nachgebildeten Index einbüßt. Die Tracking Differenz niedrig zu halten und damit die Performance besser abzubilden, gelingt ETF-Anbietern für den DAX im Vergleich zu anderen Indices des deutschen Aktienmarktes besser. Dies könnte damit zusammenhängen, dass die TER für DAX ETFs im Durchschnitt niedriger (vgl. Tabelle 17) und der Netto­ inventarwert höher ist als bei sonstigen ETFs. Zudem haben Dividenden- und Steueroptimierungsstrategien sowie das Wertpapierleihgeschäft Auswirkungen auf die Tracking Differenz der ETFs.231 Im nächsten Schritt werden mögliche Einflüsse auf die Tracking Differenz analysiert. Die Tracking Differenz ist hierbei die Prognose Variable. Mögliche Prädiktor-Variablen können zunächst der nachgebildete Index und dessen Performance, die TER sowie der Nettoinventarwert des ETFs sein. In der Korrelationsanalyse (vgl. Tabelle 22) wird die Quantifizierung von Beziehungen zwischen der endogenen Tracking Differenz und möglichen exogenen Variablen sowie dieser untereinander ermöglicht. Beim Blick auf die Korrelationsmatrix können die Variablen auf Multikol­ linearität überprüft werden. Hohe Korrelationskoeffizienten zwischen den einzelnen exogenen Variablen würden ernsthafte paarweise Multikollinearität bedeuten,232 was jedoch hier nicht der Fall ist. Um Multikollinearität auszuschließen, 230

Eigene Berechnung. Unter sonstige Tracking Differenz fallen alle ETFs, die einen anderen Index als den DAX nachbilden. 231 Vgl. Johnson et al. (2013), S. 16. 232 Vgl. Backhaus et al. (2018), S. 99.

180

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing   Tabelle 22 Korrelationsmatrix zur Tracking-Differenz-Analyse233

Korrelation

TD 

TD 

INDEX 

TER 

TNA 

1

INDEX 

−0,2885**

1

TER 

−0,4373***

0,1478

TNA 

0,1545

0,0325

1 −0,2408**

1

***/** t-Test ist signifikant auf 0,1 %-/ 1 %-Niveau.

wurde des Weiteren eine Regression jeder unabhängigen Variablen auf die übrigen unabhängigen Variablen durchgeführt und das jeweilige Bestimmtheitsmaß R² ermittelt.234 Dies wird im Folgenden einmal exemplarisch dargestellt, darauf im weiteren Verlauf der Forschungsarbeit jedoch verzichtet: 𝑅𝑅𝑅𝑅 2 =

∑𝐾𝐾𝐾𝐾 �𝑘𝑘𝑘𝑘 − 𝑦𝑦𝑦𝑦)² 𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒𝑒ä𝑒𝑒𝑒𝑒𝑟𝑟𝑟𝑟𝑒𝑒𝑒𝑒 𝑆𝑆𝑆𝑆𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆𝑆 𝑘𝑘𝑘𝑘=1(𝑦𝑦𝑦𝑦 = ∑𝐾𝐾𝐾𝐾 𝐺𝐺𝐺𝐺𝑒𝑒𝑒𝑒𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝐺𝑟𝑟𝑟𝑟𝐺𝐺𝐺𝐺𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟𝑟 𝑘𝑘𝑘𝑘=1(𝑦𝑦𝑦𝑦𝑘𝑘𝑘𝑘 − 𝑦𝑦𝑦𝑦)²

(4.13)

mit Wertebereich: 0 ≤ R2 ≤ 1.

Tabelle 23 Multikollinearität der exogenen Variablen235 R²

INDEX 

INDEX 

1

TER 

TNA 

TER  TNA 

0,0218

1

0,0011

0,0580

1

Ein ebenfalls signifikanter Einfluss auf die Tracking Differenz könnte vom Tracking Error des ETFs zum Index ausgehen. Der Tracking Error wurde bis dato in dieser Analyse nicht berücksichtigt. Problematisch an dem vorliegenden Datensatz von Thomson Reuters Eikon (Datastream) ist, dass NAV-Daten nur unzureichend zur Verfügung stehen. Stattdessen muss zur Berechnung des Tracking Error auf Performance-Daten zurückgegriffen werden. Der Kurswert eines ETFs weicht jedoch in der Regel mal leicht positiv, mal leicht negativ vom Nettoinventarwert des ETFs ab. Die Varianz in der Streuung der Überschussrendite des ETFs zum Index ist bei Performance-Daten größer. Das bedeutet, der TE, basierend auf Monatsschlusskursen der ETFs, ist tendenziell höher als der TE, basierend auf dem Nettoinventarwert des ETFs. Folglich weicht der in dieser Arbeit verwendete Tracking 233

Eigene Berechnung. Vgl. Fahrmeir et al. (2011), S. 161. 235 Eigene Berechnung. 234

181

4.6 Analyse der ETFs am deutschen Aktienmarkt 

Error von den TE-Angaben der ETF-Anbieter ab. Die Abweichung ist insbesondere bei illiquideren Indices größer. ETFs, die nicht den DAX, MDAX oder SDAX replizieren, werden im Folgenden von der empirischen Analyse ausgeschlossen. Im Rahmen der nächsten Abschnitte werden Einflussfaktoren auf die ­Tracking Differenz von den untersuchten ETFs, die DAX, MDAX und SDAX replizieren, untersucht. Die Vorgehensweise der Regressionsanalyse ist in Kapitel 4.5 beschrieben. Tabelle 24 Regression der Tracking Differenz236 Dependent Variable: TD Method: Least Squares Included observations: 62 Das Regressionsmodell nimmt folgende Form an: TDi = β0 + β1TERi + β2TEi + β3TNAi + β4Hedgingi + β5Wertpapierleihei + β6Indexrenditei + ϵi Variable

Coefficient

t-Statistic

C

-0.003442***

(−3.811126)

TER

−0.975453***

(−5.871226)

TE TNA Hedging Wertpapierleihe Indexrendite R-squared Adjusted R-squared F-statistic

0.085030

(1.609282)

1.72E-07

(1.406622)

−0.006960**

(−2.882664)

0.001616

(1.838362)

−0.006488**

(−3.278108)

0.552686 0.503888 11.32602

Mean dependent var

−0.003984

S. D. dependent var

0.002907

Durbin-Watson stat

1.447968

*** Signifikanz auf 0,1 %-Niveau, ** Signifikanz auf 1 %-Niveau, * Signifikanz auf 5 %-Niveau Die abhängige Variable ist die Tracking Differenz eines ETFs im Vergleich zum abzubilden­ den Index über ein Kalenderjahr hinweg. C ist die Konstante (β0). Die unabhängigen Variablen werden ebenfalls für jedes Kalenderjahr des Untersuchungszeitraums ermittelt: Der Tracking Error (TE) und die Performance der Benchmark (Benchmark) werden annualisiert. TER und TNA (in Mio. €) werden jeweils zum Jahresende ermittelt. Die Wertpapierleihe und ­Hedging einer Fremdwährung fließen jeweils als Dummy-Variable in das Modell ein. T-­Statis­tiken stehen in Klammern. Eine negative Tracking Differenz steht für Unterperformance des ETFs gegenüber dem Index. Eine positive Tracking Differenz steht für Überperformance des ETFs gegenüber dem Index.

236

Eigene Berechnung.

182

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

Tabelle 24 veranschaulicht die Ergebnisse der Schätzung der Tracking Differenz von ETFs, die während des Untersuchungszeitraums 2013–2018 mindestens ein volles Kalenderjahr am Markt aktiv waren. Die Korrelationsmatrix (vgl. Anhang 6) zeigt, dass Multikollinearität der unabhängigen Variablen ausgeschlossen werden kann. Visuelle Überprüfung und Jarque-Bera-Test zeigen eine Normalverteilung der Residuen auf. Zudem bestätigt der noch akzeptable Durbin-Watson Wert nahe 1,5 (vgl. Tabelle 24), dass keine Autokorrelation der Residuen vorliegt. Gleiches gilt für die visuelle Überprüfung der Residuen, sodass Heteroskedastizität ausgeschlossen werden kann. Es fließen sowohl endogene als auch exogene Variablen in das Modell ein. Diese Faktoren sind zum einen Teil ETF-spezifisch und zum anderen Teil Kapitalmarktspezifisch. Tracking Error als auch TER sind endogen, da beide von Fondsmanagern eindeutig kontrolliert werden können. Ebenfalls endogen sind die beiden Dummy-Variablen zur Wertpapierleihe und zum Hedging einer Fremdwährung, da es sich wiederum um aktive Entscheidungen des Fondsmanagements handelt. Hingegen kann die Fondsgröße (TNA) und die Performance der Benchmark von Fondsmanagern nicht direkt beeinflusst werden. Die TER liefert bei Weitem den stärksten Erklärungsgehalt für die TD. Diese erklärt über ein Drittel der Varianz der TD. Ein Anstieg von 1 % der jährlichen ETF-Gebühren erhöht die negative Tracking Differenz des ETFs zum Index um ca. 1 %. Dies ist statistisch hoch signifikant, lässt aber immer noch ca. zwei Drittel der Varianz der Tracking Differenz unerklärt. Es ist schlüssig, dass ETF-Gebühren einen großen Einfluss auf die Performance und damit auch die negative Abweichung zum Index haben. Preiskämpfe zwischen den Anbietern resultieren in sinkenden Gebühren für ETF-Investoren. Insbesondere ETFs auf sehr liquide Aktienindices, wie beispielsweise den DAX werden mittlerweile, wie zuvor gezeigt, mit sehr geringen TERs von ETF-Providern angeboten. Kein statistisch signifikanter Zusammenhang besteht hingegen zwischen dem Tracking Error und der TD. Grund hierfür könnte die spezielle Berechnungsmethode des Tracking Error in der vorliegenden Arbeit sein, bei der nicht wie üblich der NAV als Basis für die Bestimmung der ETF-Performance verwendet werden kann. Ein hoher Tracking Error sollte jedenfalls grundsätzlich absolute Werte der Tracking Differenz beeinflussen. Allerdings kann ein hoher Tracking Error auch PerformanceVorteile für Investoren bedeuten. Dies ist dann der Fall, wenn durch den hohen Tracking Error die Tracking Differenz des ETFs zum Index positiv wird. Der ETF weist dann eine bessere Performance als der Vergleichsindex auf. Das sollte jedoch nicht das Ziel einer passiven Indexreplikation sein. Mit hohem Tracking Error nimmt nicht nur die Chance auf Kursgewinne, sondern auch das Risiko auf Kursverluste zu. Ziel eines ETFs sollte immer die Minimierung des Tracking Error sein, sodass der Vergleichsindex möglichst exakt und unter geringer Volatilität repliziert wird. Ebenfalls nicht signifikant ist der Zusammenhang zwischen der Wertpapierleihe und der Tracking Differenz eines ETFs. Ob ein ETF-Anbieter Wertpapierleihe be-

4.6 Analyse der ETFs am deutschen Aktienmarkt 

183

treibt und dadurch zusätzliche Einnahmen erwirtschaftet oder nicht, hat keinen signifikanten Einfluss auf die TD. Dies lässt vermuten, dass entweder die Einnahmen durch die Wertpapierleihe insgesamt unbedeutend sind oder aber diese zusätzlichen Erträge durch beispielsweise höhere ETF-Gebühren marginalisiert werden, sodass Investoren davon nicht profitieren. Immer mehr ETF-Provider verzichten mittlerweile teilweise oder ganz auf die Wertpapierleihe. Beispielsweise hat neben der Comstage 1 Serie (s. o.) auch Lyxor verkündet, dass bei den sogenannten „Lyxor Core ETFs“, die die wichtigsten Indices replizieren, auf Wertpapierleihe verzichtet wird.237 Trotzdem können diese konkurrenzfähig günstig angeboten werden. Für Investoren fällt somit ein potenzielles Kontrahentenrisiko weg. Statistisch sehr signifikant ist hingegen die Auswirkung der Absicherung von Fremdwährungsrisiken auf die TD. Hedging verursacht zusätzliche Kosten, die negativ auf die ETF-Performance wirken, sodass die Differenz der ETF-Rendite und der Index-Rendite zunimmt. Allerdings inkludiert die vorliegende Untersuchung nur einen ETF, der nicht in Euro, sondern Schweizer Franken notiert. Zudem ist der Effekt gering (Koeffizient = −0,007). Interessant ist zudem, dass die Performance des Index in Beziehung zur Tracking Differenz steht. Je höher die jährliche Indexperformance, desto negativer fällt die Tracking Differenz aus. Zwar ist auch dieser Effekt gering (Koeffizient = −0,0065), aber statistisch sehr signifikant. Volatile Börsenphasen erhöhen für ETFAnbieter das Tracking-Risiko, da kleine Abweichungen in der Zusammensetzung des ETFs im Vergleich zum Index dann stärker ins Gewicht fallen. Statistisch nicht signifikant ist hingegen der Einfluss der ETF-Größe auf die Tracking Differenz zum Index. Skaleneffekte sollten großen ETFs grundsätzlich einen Vorteil bieten können. Dies hat jedoch offensichtlich keine Auswirkungen auf die Tracking Differenz der Stichprobe für den deutschen Aktien-ETF-Markt. Generell ist die Güte der Regression positiv zu bewerten. Alles in allem ist das Bestimmtheitsmaß dieser Regression mit 55 % zufriedenstellend. Dies gilt auch für das adjustierte R² (50 %). Die positive Güte entsteht insbesondere durch den hohen Erklärungsgehalt der TER. Allerdings zeigt das Ergebnis auch, dass die Tracking Differenz mit den übrigen in diesem Regressionsmodell integrierten Variablen nicht oder nur geringfügig zu erklären ist. Nahezu die Hälfte der Varianz der Tracking Differenz bleibt unerklärt. Zudem zeigt der globale F-Test auf die Gesamtsignifikanz dieses Modells, dass die Nullhypothese auf dem 0,1 % Signifikanzniveau verworfen werden kann. Die Nullhypothese des F-Tests besagt, dass sämtliche erklärenden Variablen keinen Einfluss auf die abhängige Variable haben. Somit kann der geforderte Wirkungszusammenhang der Regressionsgleichung insgesamt als hoch signifikant eingestuft werden kann.

237

Vgl. Lyxor International Asset Management (2018), recherchiert am 18. 11. 2019.

184

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

4.6.4 Interpretation der Ergebnisse Durch zahlreiche Finanzmarktförderungsgesetze in den 90er-Jahren und 2002 erfuhr Deutschland als Auflagestandort für Investmentfonds einen signifikanten Aufschwung. Zuletzt haben sich jedoch deutsche Fondsgesellschaften unter anderem wegen Regulierungsgefällen innerhalb der EU und den daraus resultierenden ausländischen Standortvorteilen sowie den Regulierungsumsetzungen in Deutschland verstärkt für außerdeutsche Auflagestandorte entschlossen.238 Das spiegelt sich auch in den rückläufigen aggregierten TNAs von ETFs mit Domizil Deutschland wider (vgl. Abbildung 10). Zudem sind 12 der 27 deutschen Aktien-ETFs im europäischen Ausland (vorwiegend in Luxemburg) domiziliert (vgl. Tabelle 15). Die Mehrzahl der für den deutschen Aktienmarkt relevanten ETFs ist demnach aber in Deutschland ansässig. Das gilt insbesondere für das aggregierte ETFVolumen. Ausschlaggebend ist hier insbesondere Marktführer BlackRock, dessen ETFs für den deutschen Aktienmarkt ihr Domizil im Inland haben. These TETF -1 kann somit nicht bestätigt werden. Deutschland ist für den heimischen Aktienmarkt immer noch wichtigstes Domizilland für ETFs, obgleich das aggregierte ETF-Volumen rückläufig ist. Die Folgekapitel werden zeigen, dass sich ein ähnliches Bild bei den klassischen Investmentfonds abzeichnet. Knapp die Hälfte, der in dieser Forschungsarbeit untersuchten Investmentfonds mit Fokus auf den deutschen Aktienmarkt, ist im Ausland ansässig. Die meisten davon haben ihren Sitz in Luxemburg. Allerdings handelt es sich dabei häufig, gemessen am Fondsvolumen, um kleine Fonds. So haben beispielsweise die zehn größten deutschen Aktienfonds auch ihr Domizil in Deutschland. Die Fondsbranche profitierte in den vergangenen Jahren von einer langfristigen Hausse an den Aktienmärkten sowie Kursgewinnen an den Anleihenmärkten, auch aufgrund der expansiven ultralockeren Geldpolitik der EZB. Zu nennen sind hier die Leitzinssenkungen und das laufende Anleihekaufprogramm. Hinzu kommt die weltweit gestiegene Nachfrage nach kostengünstigen, passiv gemanagten Index­produkten. Gegenläufig zum weltweiten Trend ist die Situation am Markt für deutsche Aktien-ETFs. Insgesamt stieg zwar die ETF-Auswahl für Investoren, diese waren jedoch nicht gewillt, zusätzliche Investitionen in den deutschen Aktienmarkt über ETFs zu tätigen. Ein leichter Rückgang im Nettoinventarwert von 2013 bis 2018 ist zu verzeichnen (vgl. Tabelle 18), obwohl die Stimmung am deutschen Aktienmarkt im Untersuchungszeitraum bis auf das Jahr 2018 positiv war. Nettomittelabflüsse müssen folglich die Ursache für den Rückgang des ETFVolumens am deutschen Aktienmarkt sein. These TETF -2 kann somit nur teilweise bestätigt werden. Zwar steigt die Anzahl der ETFs in Deutschland, das durchschnittliche ETF-Volumen geht jedoch zurück. Positiv hervorzuheben aus Verbrauchersicht ist sicherlich, dass die Marktkonzentration abnimmt. Abbildung 10

238

Vgl. BVI (2018), S. 36.

4.6 Analyse der ETFs am deutschen Aktienmarkt 

185

zeigt, dass BlackRock einen leichten Rückgang an Marktanteilen, gemessen anhand der TNA, hinnehmen muss. Hingegen können andere Anbieter ihr ETFVolumen steigern. Dennoch bleibt BlackRock unangefochtener Marktführer auch bei deutschen Aktien-ETFs. ETFs sind in Europa durch die UCITS-Richtlinie reguliert. Ein Ziel dabei ist, Transparenzvorschriften vorzugeben, die Investoren Klarheit und damit Sicherheit bei ETF-Investments ermöglichen sollen. Die Analyse der wesentlichen Anlegerinformationen der ETFs für den deutschen Aktienmarkt zeigt jedoch auf, dass bislang keine einheitlichen Standards existieren. Unter den gegenwärtigen Voraussetzungen sind aussagekräftige Vergleiche von ETFs verschiedener Anbieter nur unter großem Aufwand möglich. Erstens zeigt die Analyse, dass Indexanbieter für die Kalenderjahre 2017 und 2018 zum Teil unterschiedliche Index-Berechnungen aufweisen, die zum Teil von der gängigen Berechnungspraxis abweichen. Hinzu kommt, dass wesentliche Anlegerinformationen zum Teil nicht aktualisiert und an Marktänderungen angepasst werden. Stichprobenartige Untersuchungen im Zuge der empirischen Analyse des deutschen ETF-Marktes zeigen, dass z. B. bei ­Comstage ETFs nicht auf Indexanpassungen reagiert wurde, sodass die in den KIID genannte Anzahl der enthaltenen Titel nicht mit der Anzahl der im Index enthaltenen Werte übereinstimmt. Diese wurden erst auf Hinweis des Autors angepasst. Zweitens verwenden vier von fünf analysierten „Comstage 1“ ETFs Preisindices als Benchmark. Dadurch entstehen große und im Vergleich zum Index vorteilhafte Tracking Differenz (vgl. Tabelle 20). Positive Tracking Differenzen suggerieren, dass der Vergleichsindex übertroffen wurde. Erstens sollte dies jedoch nicht das Ziel eines ETFs sein und zweitens handelt es sich darüber hinaus schlicht um eine kosmetische Korrektur der wesentlichen Anlegerinformationen, da unter Berücksichtigung der Dividendenausschüttungen, die in die Performance der ETFs einfließen, die jeweiligen Performanceindices die korrekte Benchmark darstellen würden. Auf schriftliche Nachfrage bei Comstage bezüglich der uneinheitlich gewählten Benchmarks wurde darauf verwiesen, dass noch im Jahr 2019 alle Vergleichsindices auf Performanceindices umgestellt werden sollen.239 Dass höhere Transparenzvorschriften automatisch mehr Klarheit und Sicherheit für Investoren bedeuten, kann damit nicht bestätigt werden. Insbesondere die Güte des Indextracking und damit folglich die Tracking Differenz von ETFs ist nicht ohne weiteres vergleichbar. Damit ist es für Investoren zum Teil kompliziert, die Performance eines ETFs adäquat bewerten und einordnen zu können. Im nächsten Schritt wird der Einfluss von unterschiedlichen Faktoren auf die Tracking Differenz zusammengefasst, sodass die zuvor aufgestellten Hypothesen beantwortet werden können.

239 Entsprechend dem Stand der wesentlichen Anlegerinformationen der Comstage 1 ETFSerie wurde dies bis zum 25. 10. 2019 nicht umgesetzt.

186

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

Im Rahmen der Regressionsanalyse zeigt sich, dass mehrere exogene Faktoren die Tracking Differenz von ETFs beeinflussen, jedoch nicht alle zuvor aufgestellten Hypothesen für den deutschen ETF-Aktienmarkt bestätigt werden können. Eindeutig ist die Wirkung der TER. Diese liefert bei Weitem den stärksten Erklä­ rungsgehalt für die TD. Hypothese H ETF -1 kann somit bestätigt werden. ETFGebühren haben einen großen Einfluss auf die Performance und damit auch die negative Abweichung zum Index. Somit können ETF-Anbieter die Tracking Differenz insbesondere über die ETF-Gebühren steuern. Zusätzliche Investoren lassen sich langfristig folglich über niedrige TERs gewinnen. Es ist damit zu erwarten, dass auch in den kommenden Jahren ein starker Preiskampf zwischen den ETFAnbietern stattfinden wird und ETF-Gebühren deshalb langfristig weiter sinken könnten. Exemplarisch dafür steht der Markteintritt von Vanguard, weltweit einer der größten Vermögensverwalter, in den deutschen ETF-Aktienmarkt. Vanguard legte am 17. 07. 2018 einen DAX ETF auf, der mit laufenden Kosten von 0,1 % p. a. ausgewiesen ist.240 Allerdings zeigt die deskriptive Auswertung der TER für den deutschen Markt auch, dass für große liquide Indices, im deutschen Kontext der DAX, nicht mehr viel Spielraum für weitere Kostenreduzierung besteht. Hingegen sind ETFs auf kleinere und weniger nachgefragte Indices, wie den MDAX oder SDAX, bislang noch deutlich teurer (vgl. Tabelle 17), sodass bei diesen in Zukunft noch mehr Potenzial in der Kosteneinsparung besteht und Tracking Differenzen zukünftig geringer ausfallen könnten. Kein signifikanter Zusammenhang besteht hingegen zwischen dem Tracking Error und der TD, sodass H ETF -2 abgelehnt werden muss. Grund hierfür könnte die spezielle Berechnungsmethode des Tracking Error in der vorliegenden Arbeit sein, bei der nicht wie üblich der NAV als Basis für die Bestimmung der ETFPerformance verwendet werden kann. Andererseits wird das Ergebnis dieser Forschungsarbeit von den Resultaten von Johnson et al. (2013) gestützt. Diese untersuchen den Tracking Error von europäischen ETFs und kommen zu dem Ergebnis, dass physische ETFs für Indices bestehend aus wenigen Unternehmen (z. B. DAX) und / oder hoher Liquidität der Wertpapiere wesentlich niedrigere Tracking Error aufweisen als physische ETF für Indices mit vielen, teils illiquiden Wertpapieren (z. B. Emerging Markets).241 Über dies hinaus zeigen sie, dass die Verknüpfung von Tracking Error und Tracking Differenz mit einem Korrelationskoeffizienten von 0,55 zwar allgemein vorhanden, aber nicht besonders stark ausgeprägt ist.242 Ebenfalls nicht signifikant ist der Zusammenhang zwischen der Wertpapierleihe und der Tracking Differenz eines ETFs, sodass auch Hypothese H ETF -3 nicht bestätigt werden kann. Ob ein ETF-Anbieter Wertpapierleihe betreibt und dadurch

240

Vgl. Vanguard (2019), S. 1. Vgl. Johnson et al. (2013), S. 13. 242 Vgl. ebd., S. 20. 241

4.6 Analyse der ETFs am deutschen Aktienmarkt 

187

zusätzliche Einnahmen erwirtschaftet oder nicht, hat keinen signifikanten Einfluss auf die TD. Dies lässt vermuten, dass entweder die Einnahmen durch die Wertpapierleihe insgesamt unbedeutend sind oder aber diese zusätzlichen Erträge beispielsweise durch höhere ETF-Gebühren marginalisiert werden. Grundsätzlich sollten alle Netto-Erträge aus effizienten Portfoliomanagement-Techniken, wie beispielsweise der Wertpapierleihe, in den NAV des ETFs fließen und damit der Anteilswert gesteigert werden. Dies ist in den ESMA „Guidelines for competent authorities and UCITS management companies“ in Artikel 29 festgehalten.243 Eine Studie von Better Finance über die Wertpapierleihgeschäfte der zehn größten europäischen ETF-Anbieter, zeigt auf, dass dies von fast allen Anbietern ungenügend umgesetzt wird.244 Das Ergebnis der Studie stützt das Resultat der Regressionsanalyse der vorliegenden Forschungsarbeit und liefert eine mögliche Erklärung, warum die Wertpapierleihe keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die Tracking Differenz hat. Jedoch geben die Richtlinien der ESMA ausdrücklich vor, dass Erträge aus Portfoliomanagement-Techniken dem OGAW zufließen müssen. Folglich besteht hier dringender Handlungsbedarf seitens der europäischen Aufsichtsbehörden. Es gilt zu ermitteln, ob und wieso nicht jegliche Erträge aus den Wertpapierleihgeschäften den Anteilseignern von ETFs zukommen. Andererseits zeigt diese Forschungsarbeit auch auf, dass immer mehr ETF-Anbieter teilweise oder ganz auf die Wertpapierleihe verzichten. Für Investoren fällt somit ein potenzielles Kontrahentenrisiko weg. Nicht bestätigt werden kann außerdem Hypothese H ETF -4. Es liegt kein statistisch signifikanter Wirkungszusammenhang zwischen der ETF-Größe und der Tracking Differenz des ETFs zum Index vor. Ob Skaleneffekte großen ETFs einen Vorteil in Bezug auf die Replikationsgüte bieten können, kann anhand dieser Forschungsarbeit nicht geklärt werden. Abschließend kann Hypothese H ETF -5 bestätigt werden. Hedging verursacht zusätzliche Kosten für den ETF-Anbieter, die negativ auf die ETF-Performance wirken, sodass die Differenz der ETF-Rendite und der Index-Rendite zunimmt. Allerdings ist die Aussagekraft dieser Hypothese mit Vorsicht zu bewerten, da der Datensatz an Aktien-ETFs, die Währungshedging betreiben, zu gering ist, um aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung zum deutschen ETF-Aktienmarkt werden in Tabelle 25 zusammengefasst.

243 244

Vgl. ESMA (2014), S. 8. Vgl. Voicu / Prache (2019), S. 5.

188

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing   Tabelle 25 Forschungsergebnisse für den deutschen ETF-Aktienmarkt245

Nr.

ETF-spezifische Thesen und Hypothesen

Ergebnis

TETF-1

Deutsche Aktien-ETFs haben ihr Domizil vorwiegend in Lu- Nicht bestätigt xemburg oder Irland.

TETF-2

Im Zuge des weltweiten ETF-Booms wächst der Markt für deutsche Aktien-ETFs.

Teils bestätigt

TETF-3

Hohe Transparenzvorschriften bringen Klarheit und Sicherheit für ETF-Investoren.

Nicht bestätigt

HETF-1

ETFs mit hohen Total Expense Ratios tendieren zu höheren Tracking Differenzen.

Bestätigt

HETF-2

Der Tracking Error eines ETFs ist ausschlaggebend für die langfristige Replikationsgüte.

Nicht bestätigt

HETF-3

Die Wertpapierleihe ist eine zusätzliche Einnahmequelle und Nicht bestätigt wirkt positiv auf die Tracking Differenz.

HETF-4

ETFs tendieren mit zunehmendem Nettoinventarwert zu niedrigeren Tracking Differenzen.

Nicht bestätigt

HETF-5

Hedging ist ein wichtiger Kostenfaktor und wirkt negativ auf die Tracking Differenz.

Bestätigt

4.7 Analyse von Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt 4.7.1 Publikumsinvestmentfonds am deutschen Aktienmarkt Analog zur empirischen Analyse des deutschen ETF-Marktes werden im Folgenden zunächst die Ergebnisse der Analysen zum deutschen Investmentfondsmarkt deskriptiv dargestellt. Tabelle 26 Total Expense Ratio der analysierten Investmentfonds 2013–2018246 Jahr

Anzahl Fonds

Ø TER (%)

Median TER (%)

2013

70

1,70

1,63

2014

73

1,69

1,64

2015

76

1,73

1,64

2016

73

1,71

1,65

2017

74

1,77

1,70

2018

74

1,71

1,70

245 246

Eigene Darstellung. Eigene Berechnung.

4.7 Analyse von Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt 

189

Die Gesamtkostenquote der in dieser Forschungsarbeit untersuchten Publikums­ investmentfonds erweist sich im Untersuchungszeitraum als stabil (vgl. Tabelle 26). Die Schwankungen sind marginal. Die zunehmende weltweite Nachfrage nach vergleichsweise günstigeren ETFs scheint zunächst auf die Gebührenstruktur von Publikumsinvestmentfonds keinen Einfluss genommen zu haben. Preis­ anpassungen in Reaktion auf die niedrigeren TERs der ETFs haben nicht stattgefunden. Tabelle 27 Unterschiede der TERs bei Large Cap vs. Mid-/Small Cap Fonds 2013–2018247 Jahr

Ø TER DAX (%)

Ø TER MDAX / SDAX (%)

2013

1,64

1,84

2014

1,64

1,80

2015

1,64

1,95

2016

1,66

1,83

2017

1,73

1,86

2018

1,69

1,76

Die durchschnittlichen Gesamtkostenquoten für Large und Small-/Mid-CapFonds zeichnen sich nur durch geringfügige Unterschiede aus (vgl. Tabelle 27). Der Mehrkostenaufwand für die Akquisition von Informationen und deren Aufbereitung über kleine und mittlere Unternehmen am deutschen Aktienmarkt sollten sich folglich in Grenzen halten. Im Vergleich dazu sind die Kostenunterschiede bei ETFs zwischen den Segmenten zwar absolut vergleichbar, in Relation gesetzt jedoch wesentlich höher. (vgl. Tabelle 17). Die hohen durchschnittlichen Gesamtkosten für aktiv gemanagte Large-Cap-Fonds deutscher Aktien sind erstaunlich, in Anbetracht dessen, dass beispielsweise im wichtigsten deutschen Large-CapIndex DAX lediglich 30 Unternehmen gelistet sind. Da die Informationseffizienz von Unternehmen, gelistet in populären Indices, grundsätzlich als hoch eingeschätzt wird (vgl. Kapitel 2.5.2), sollte der Informationsbeschaffungsaufwand für Fondsmanager gering sein. Die hohen Gesamtkosten für aktiv gemanagte LargeCap-Aktienfonds lassen sich damit nicht begründen. Hinzu kommt die erwähnte hohe Informationseffizienz für diese Aktien, was die langfristige Erzielung von Überrenditen zusätzlich erschwert.

247

Eigene Berechnung.

190

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

Tabelle 28 Nettoinventarwerte der untersuchten Publikumsaktienfonds 2013–2018 (in Mio. €)248 Jahr

Anzahl Fonds

TNA (in Mio. €)

Ø TNA (in Mio. €)

Median TNA (in Mio. €)

2013

74

32.499,67

439,18

100,83

2014

76

30.741,03

404,49

86,60

2015

79

36.112,54

457,12

94,23

2016

76

33.468,85

440,38

101,08

2017

75

38.602,10

514,69

123,92

2018

74

30.054,56

406,14

87,05

Wie schon bei den ETFs zu beobachten, verzeichnen auch die in dieser Forschungsarbeit untersuchten aktiv gemanagten Publikumsaktienfonds im Zeitraum von 2013 bis 2018 einen Rückgang des verwalteten Vermögens, trotz insgesamt positiver Marktentwicklung. Einzig im Kalenderjahr 2018 verzeichneten die Börsenbarometer marktübergreifend eine negative Performance, was sich folglich auch im starken Rückgang des Nettoinventarwertes der Fonds widerspiegelt (vgl. Tabelle 28). Sowohl die durchschnittliche als auch die mittlere Fondsgröße ist bei den aktiv gemanagten Aktienfonds kleiner als bei den ETFs (vgl. Tabelle 18). Durch Skaleneffekte könnten dadurch Kostenvorteile für ETF-Anbieter bestehen. Fonds- und Benchmarkperformance 45,00% 35,00%

Return

25,00% 15,00% 5,00% -5,00% -15,00% -25,00%

Mittelwert Fondsperformance DAX MDAX SDAX Anzahl Fonds

2014 1,86% 2,65% 2,17% 5,85% 74

2015 13,98% 9,56% 22,67% 26,61% 77

2016 2,92% 6,87% 6,81% 4,63% 74

2017 19,62% 12,51% 18,08% 24,87% 74

2018 -20,59% -18,26% -17,61% -20,00% 73

Gesamt 12,98% 10,54% 30,25% 40,07% 66

Abbildung 12: Fonds- und Benchmarkperformance im Untersuchungszeitraum 2013–2018.249 248 249

Eigene Berechnung. Eigene Berechnung.

4.7 Analyse von Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt 

191

Die Performance der in dieser Forschungsarbeit betrachteten Publikums­ aktienfonds wird im Folgenden detaillierter analysiert, bevor im letzten Schritt der empirischen Analyse das Fondsmanagement bezüglich möglicher Closet-Indexing-Aktivitäten untersucht wird. Die durchschnittliche Fondsperformance der einzelnen Kalenderjahre sowie für den gesamtem Untersuchungszeitraum ist Abbildung 12 zu entnehmen. Da die Fonds überwiegend den DAX als Benchmark aufweisen (vgl. Tabelle 12), folglich also in deutsche Standardwerte (Blue Chips) investieren, kommt der Mittelwert der Fondsperformance dem Vergleichsindex DAX am nächsten (vgl. Abbildung 12). Die deutlich bessere Performance der deutschen Nebenwerte (MDAX & SDAX) im Untersuchungszeitraum schlägt damit nicht auf den gesamten Fondsmarkt durch.

4.7.2 Identifizierung potenzieller Closet-Indexing-Fonds Um die Verbreitung und die Auswirkungen des Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt zu analysieren, müssen zunächst Closet-Indexing-Fonds identifiziert werden. Die empirische Analyse der Aktieninvestmentfonds hinsichtlich ClosetIndexing-Aktivitäten mittels Active Share in Kombination mit dem Tracking Error und dem Bestimmtheitsmaß R² orientiert sich am Forschungsdesign der empirischen Analyse von Cremers und Petajisto (2009) und Folgestudien, die auf deren Forschungsarbeit aufbauen. Zwar wurden neben der Ermittlung von Closet-Index­ ing-Fonds via Active Share auch weitere Forschungsmethoden parallel entwickelt, wie beispielsweise die Methodik der französischen Aufsichtsbehörde AMF 250. Allerdings zeigte sich, dass diese Studien Closet-Indexing-Fonds nur unzureichend identifizieren können. Insbesondere bei der Fokussierung auf ein bestimmtes Land oder einen bestimmten Sektor zeigen die Ergebnisse von Demartini und Mosson (2018), dass keines der Alternativmodelle in der Lage ist, selbst eindeutig passive Indexfonds oder ETFs als solche einzustufen.251 Für die Bestimmung potenzieller Closet-Indexing-Fonds mit Investment-Fokus auf den deutschen Aktienmarkt sind diese Alternativen zum Active Share Kriterium folglich nicht anwendbar. Vorwiegend konzentrieren sich öffentlich zugängliche Studien und Forschungsarbeiten über Closet Indexing auf den US-Aktienmarkt. Zwar gibt es internationale Forschungsergebnisse, die den deutschen Aktieninvestmentfondsmarkt zum Teil abdecken, allerdings analysieren diese das Domizilland der Fonds und fokussieren nicht einen regionalen Aktienmarkt unabhängig vom Fondsdomizil.252 250

Vgl. Demartini / Mosson (2018). Vgl. ebd., S. 20. 252 Die bisweilen umfassendste internationale empirische Forschungsarbeit zum Thema Closet Indexing veröffentlichten Cremers et al. (2016). Diese schließt auch Deutschland als Fondsdomizil mit ein. 251

192

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

Selbst die bisher umfangreichste Studie bezüglich Closet Indexing am europäischen Aktienmarkt, durchgeführt von der ESMA (2016a), deckt den deutschen Investmentfondsmarkt nur unzureichend ab. Die ESMA Studienergebnisse sind durch die Replikation der Studie von Better Finance öffentlich und kostenfrei abrufbar.253 Von den 82 in dieser Forschungsarbeit untersuchten Fonds sind lediglich vier ebenfalls in der ESMA bzw. Better Finance Studie in Bezug auf Closet Index­ ing analysiert worden. Von den vier untersuchten Fonds sind drei Fonds als potenzielle Closet-Indexing-Fonds gekennzeichnet. 36 der übrigen 78 Fonds sind zwar Bestandteil der Studie, allerdings aufgrund unzureichender Datenverfügbarkeit seitens ESMA bzw. Better Finance nicht hinsichtlich Closet Indexing untersucht worden. Die übrigen 42 Fonds waren von vornherein nicht Bestandteil der Studie. Zur Berechnung des Active Share der in dieser Forschungsarbeit analysierten Investmentfonds wird folgende Formel von Cremers und Curtis (2016) verwendet:254 𝑁𝑁𝑁𝑁

𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴 𝑆𝑆𝑆𝑆ℎ𝑎𝑎𝑎𝑎𝑎𝑎𝑎𝑎𝐴𝐴𝐴𝐴 = 100% − � 𝑀𝑀𝑀𝑀𝐴𝐴𝐴𝐴𝑀𝑀𝑀𝑀�𝑤𝑤𝑤𝑤𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓,𝑖𝑖𝑖𝑖 − 𝑤𝑤𝑤𝑤𝑖𝑖𝑖𝑖𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖𝑖,𝑖𝑖𝑖𝑖 � ⋅ 𝑑𝑑𝑑𝑑[ 𝑤𝑤𝑤𝑤𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓𝑓,𝑖𝑖𝑖𝑖 > 0]

(4.14)

𝑖𝑖𝑖𝑖=1

Erster Schritt zur Berechnung des Active Share ist die Ermittlung einer adäquaten Benchmark. In der vorliegenden Arbeit wurde für jeden untersuchten Investmentfonds der Active Share zu den drei Benchmarks DAX, MDAX und SDAX berechnet. Dadurch kann jener Index, der den niedrigsten Active Share für den jeweiligen Fonds aufweist, als tatsächlich adäquate Fondsbenchmark ermittelt werden. Die vom Fonds selbstdeklarierte Benchmark wie auch der Lipper Benchmark Indikator können von der durch diese Methodik ermittelten Benchmark abweichen. Die in dieser Arbeit gewählte Methode bedingt einen erheblichen Mehraufwand, garantiert dafür aber genauere Ergebnisse, die zudem unabhängig von den Angaben der Fondsgesellschaften sind. Zudem zeigt die Detailanalyse der einzelnen Investmentfonds auf, dass diese häufig keine Benchmark in den wesentlichen Anlegerinformationen aufweisen. Und das obgleich die Berechnung des Active Share teilweise eine unzweifelhafte Nähe zu einer der drei Benchmarks DAX, MDAX oder SDAX aufzeigt. Zur Bestimmung des Active Fee (AF) wird auf folgende Formel von Cremers und Curtis (2016) zurückgegriffen:255 𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴 𝐹𝐹𝐹𝐹𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴 =

𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐴𝐴𝐴𝐴𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐴𝐴𝐴𝐴 𝑅𝑅𝑅𝑅𝑅𝑅𝑅𝑅𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝑅𝑅𝑅𝑅 − (1 − 𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴 𝑆𝑆𝑆𝑆ℎ𝑅𝑅𝑅𝑅𝑎𝑎𝑎𝑎𝐴𝐴𝐴𝐴) ⋅ 𝐼𝐼𝐼𝐼𝐸𝐸𝐸𝐸𝐼𝐼𝐼𝐼𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴 𝐹𝐹𝐹𝐹𝐹𝐹𝐹𝐹𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸𝐸 𝐹𝐹𝐹𝐹𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴 𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴𝐴 𝑆𝑆𝑆𝑆ℎ𝑅𝑅𝑅𝑅𝑎𝑎𝑎𝑎𝐴𝐴𝐴𝐴

(4.15)

Index-Fund-Fee-Werte werden über die durchschnittlichen TER der ETFs für die deutschen Leitindices abgeleitet. In der vorliegenden Forschungsarbeit beträgt der Index Fund Fee für Large-Cap-Fonds 0,14 % und für Mid- und Small-Cap-Fonds 0,36 % (vgl. Tabelle 17). 253

Die Ergebnisse aller untersuchten Investmentfonds sind zugänglich unter https:// checkyourfund.eu/all/. Zuletzt geprüft am 26. 09. 2019. 254 Vgl. Cremers (2018), S. 64. 255 Vgl. Cremers / Curtis (2016), S. 51.

193

4.7 Analyse von Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt 

Folgendes fiktives Beispiel (vgl. Tabelle 29) soll exemplarisch die Berechnung des Active Share und Active Fee für zwei Fonds sowie einen ETF gegenüber einer Benchmark erläutern. Jene Methode wird für jeden Investmentfonds der Stichprobe am Ende jedes Kalenderjahres für den Zeitraum von 2013–2018 ausgeführt. Sollte für einen Investmentfonds für den Monat Dezember eines Jahres keine Portfoliozusammensetzung verfügbar sein, so wird der Active Share jenes Jahres mit der Portfoliozusammensetzung des zuletzt verfügbaren Monats berechnet. Nicht auszuschließen ist mit dieser Stichtagsmethodik, dass der Active Share während einer Periode (eines Jahres) schwanken kann. Die Bestimmung des Active Shares eines Tages im Kalenderjahr würde sicherlich nicht dazu reichen, um rechtliche Schritte wegen Closet-Indexing-Aktivitäten gegen Fondsgesellschaften einzuleiten.256 Andererseits kann durch die Stichtagsbetrachtung über mehrere Perioden (Jahre) hinweg durchaus ein stabiles Gesamtbild gezeichnet werden, sodass Fonds, die Closet Indexing über mehrere Perioden (Jahre)  hinweg betreiben, identifiziert werden können. Die später folgende empirische Analyse wird zudem aufzeigen, dass der jährlich ermittelte Active Share zudem äußerst persistent ist (vgl. Tabelle 32). Fonds, die einen hohen (niedrigen) Active Share aufzeigen, weisen sehr wahrscheinlich auch im Folgejahr einen hohen (niedrigen) Active Share auf. Diese Persistenz in der Methodik des Investmentstils ist über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg stabil. Tabelle 29 Beispielberechnung Active Share und Active Fee257 Portfolio Gewichtung (in %) Wertpapier

Index (Benchmark)

ETF (TER: 0,2 %)

Fonds 1 (TER: 1,5 %)

Fonds 2 (TER: 1,5 %)

A

10

10

15

40

B

20

20

20

10

C

30

30

25

0

D

5

5

15

40

E

35

35

25

15

Der Active Share für den ETF und die zwei Fonds aus dem fiktiven Beispiel (vgl. Tabelle 29) wird wie folgt ermittelt: ASETF = 100 % − (10 % + 20 % + 30 % + 5 % + 35 %) = 0 % ASFonds 1 = 100 % − (10 % + 20 % + 25 % + 5 % + 25 %) = 15 % ASFonds 2 = 100 % − (10 % + 10 % + 0 % + 5 % + 15 %) = 60 %

256 257

Vgl. ebd., S. 70. Eigene Berechnung.

194

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

Der fiktive ETF folgt dem Index und hat deshalb den optimalen Active Share für einen ETF von 0 %. Der aktiv gemanagte Fonds 1 könnte ein potenzieller ClosetIndexing-Fonds sein, da das Portfolio eine ähnliche Struktur wie der Index aufweist und der Active Share mit 15 % äußerst niedrig ist. Fonds 2 weicht hingegen eindeutig von der Benchmark ab und hat einen für einen aktiv gemanagten Fonds nicht untypischen Active Share in Höhe von 60 %. Es ist wichtig zu erkennen, dass jeglicher Performanceunterschied zur Benchmark, sei er positiv oder negativ, lediglich von dem Teil des Fonds ausgehen kann, der sich von der Benchmark unterscheidet und durch den Active Share messbar ausgewiesen wird. Fonds 1 aus dem obigen Beispiel muss folglich mit dem aktiven Teil des Portfolios (15 %) eine vierfach höhere Rendite erwirtschaften als Fonds 2 (60 % Active Share), um eine identische Rendite für das Gesamtportfolio aufzubringen. Dies schlägt sich auch in der Auswertung des Active Fee für beide Fonds nieder: AFFonds 1 = (1,5 % − 0,85 % · 0,2 %) / 0,15 % = 8,87 % ASFonds 2 = (1,5 % − 0,4 % · 0,2 %) / 0,6 % = 2,37 %

Obgleich beide fiktiven Fonds identische Fondsgebühren aufweisen (1,5 %), spiegelt sich der unterschiedliche Managementansatz in der Kennzahl Active Fee deutlich wider. Der potenzielle Closet-Indexing-Fonds weist durch den geringen Anteil aktiven Managements einen wesentlich höheren Active Fee auf als Fonds 2. Investoren zahlen folglich 8,87 % (Fonds 1) bzw. 2,37 % (Fonds 2) für die tatsächlich aktiv gemanagten Anteile beider Fonds.258 Die Definition und empirische Analyse der Aktieninvestmentfonds hinsichtlich Closet-Indexing-Aktivitäten folgt größtenteils früheren internationalen Forschungsarbeiten von Cremers und Petajisto (2009), Petajisto (2013), Cremers und Pareek (2016), Cremers und Curtis (2016), Cremers et al. (2016) sowie Cremers (2018). Abweichungen werden im Folgenden erläutert und begründet. In der vorliegenden Forschungsarbeit liegt der Grenzwert zur Identifikation möglicher Closet-Indexing-Fonds bei einem Active Share von 50 %. Das heißt, dass alle Fonds der Stichprobe, die einen Active Share kleiner als 50 % aufweisen, als potenzielle Closet-Indexing-Fonds kategorisiert werden. Dieser Wert weicht von den in der internationalen Literatur üblichen 60 % ab.259 Die Wahl des Grenzwertes von 50 % für den deutschen Aktieninvestmentfondsmarkt basiert auf folgenden drei Gründen: 1. Angesichts der historisch positiven Schiefe der Verteilung von Aktienrenditen wird höchstens die Hälfte der in der Benchmark enthaltenen Wertpapiere die BenchmarkRendite übertreffen, während mindestens die Hälfte der Benchmark-Vermögenswerte unterdurchschnittlich abschneiden wird. In der vorliegenden Forschungs 258

Der tatsächlich aktiv gemanagte Teil eines Fonds ist gleich 1-Active Share, also der Part, der nicht mit der Benchmark übereinstimmt. 259 Vgl. beispielsweise Cremers (2018); Cremers / Petajisto (2009); Cremers / Curtis (2016); Cremers et al. (2016); Cremers / Lizieri (2015); Cremers / Pareek (2016); Petajisto (2013).

4.7 Analyse von Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt 

195

arbeit ist die benchmarkadjustierte Performance der untersuchten Investmentfonds ebenfalls linkssteil verteilt (vgl. Anhang 8). Folglich beträgt der minimale Active Share im Einklang mit aktivem Portfoliomanagement 50 %. Bis zum Grenzwert (50 %) bewahrt ein Fonds die theoretische Chance, lediglich Positionen in jenen Wertpapieren (50 % der Grundgesamtheit aller Wertpapiere) einzugehen, die eine Outperformance gegenüber der Benchmark ermöglichen können.260 2. Die internationale Forschungsliteratur zum Thema Closet Indexing adressiert hauptsächlich den US-Aktienmarkt. Die typischen Benchmark Indices für den US-Aktienmarkt, wie beispielsweise der S&P 500 enthalten jedoch wesentlich mehr Unternehmen als der DAX, MDAX oder SDAX. Für Fondsgesellschaften ist es folglich bedeutend einfacher durch aktives Management einen hohen Active Share gegenüber einer US-Benchmark im Vergleich zum DAX, MDAX oder SDAX zu erreichen. Die Anzahl und damit Auswahl deutscher Aktiengesellschaften ist schlichtweg deutlich begrenzter.261 Diese Besonderheit des deutschen Aktienmarktes findet in dem niedrigeren Active Share Grenzwert in Höhe von 50 % Berücksichtigung. 3. Der Autor folgt damit auch der Argumentation der dänischen Aufsichtsbehörde Finanstilsynet (2016). Diese senkt für dänische UCITS-Fonds die kritische Grenze für Active Share auf 50 % und den kritischen Wert für den Tracking Error auf 3 % ab.262 Der dänische Aktienmarkt ist stark konzentriert auf wenige große Unternehmen. Der wichtigste dänische Aktienindex OMX Copenhagen umfasst beispielsweise lediglich 20 Unternehmen. Da der deutsche Aktienmarkt dem dänischen ähnlicher ist als dem US-amerikanischen, ist die Anpassung der Grenzwerte auch in dieser empirischen Analyse sinnvoll.

4.7.3 Active Share von Investmentfonds am deutschen Aktienmarkt Tabelle 30 Durchschnittlicher jährlicher Active Share mit n Anzahl an Fonds der Stichprobe263 Jahr

AS Gesamt

n

AS DAX

n

AS MDAX / SDAX

n

2013

45,95 %

72

36,97 %

55

74,98 %

17

2014

45,87 %

73

37,19 %

56

74,47 %

18

2015

49,76 %

77

41,31 %

58

75,52 %

19

2016

49,72 %

72

41,45 %

54

74,54 %

18

2017

54,16 %

71

45,17 %

51

77,06 %

20

2018

52,00 %

64

45,16 %

48

72,52 %

16

260

Vgl. Cremers / Curtis (2016), S. 52. Vgl. Demartini / Mosson (2018), S. 9. 262 Vgl. Finanstilsynet (2016), S. 2 f. 263 Eigene Berechnung. 261

196

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

Tabelle 30 gibt den durchschnittlich ermittelten Active Share für die Kalender­jahre 2013–2018 wieder. Aus der deskriptiven Darstellung des Active Share erge­ben sich für den deutschen Aktienmarkt zunächst folgende länderspezifische Beobachtungen: 1. Der durchschnittliche Active Share liegt in den Jahren 2013–2018 zwischen 45,87 % und 54,16 % und ist damit deutlich niedriger als in international vergleichbaren Forschungsarbeiten.264 2. Large-Cap-Fonds, mit dem DAX als Vergleichsindex machen den Großteil des deutschen Aktieninvestmentfondsmarktes aus. Für die Jahre 2013–2018 liegt deren Active Share durchschnittlich zwischen 36,97 % und 45,17 %. Diese Werte sind außerordentlich niedrig, aber dadurch zu erklären, dass sich die Anzahl deutscher Large-Cap-Aktien auf wenige Unternehmen erstreckt und diese meistens in der Benchmark DAX gelistet sind. Eine deutliche Differenzierung ist für Fondsmanager deshalb nur durch eine mit höheren Risiken verbundener, konzentrierter Wertpapierauswahl möglich. Abbildung 13 belegt, dass große Investmentfonds durchschnittlich niedrigere Active-Share-Werte aufweisen als kleine Fonds. Der durchschnittliche wertgewichtete Active Share ist im Untersuchungszeitraum durchgängig niedriger als der zuvor bereits ermittelte gleichgewichtete Active Share. Dies hängt damit zusammen, dass Fonds mit sehr hohem Volumen, welche die wertgewichtete Berechnung des Active Share dominieren, in der Regel LargeCap-Fonds sind, die überwiegend in DAX-gelistete Unternehmen investieren. Wie oben gezeigt, weisen DAX-Fonds im Vergleich zu MDAX- oder SDAXFonds deutlich geringere Benchmarkabweichungen auf. 60,00%

54,16%

50,00%

49,76% 45,95%

41,74%

40,55% 36,13%

30,00%

52,00%

45,87%

40,00% Active Share

49,72%

37,38%

35,52%

32,55%

20,00%

Gleichgewichtet

10,00%

0,00%

2013

2014

Wertgewichtet

2015

2016

2017

Jahr

Abbildung 13: Gleichgewichteter vs. wertgewichteter Active Share.265 264 265

Vgl. z. B. Cremers / Petajisto (2009), S. 3348. Eigene Berechnung.

2018

4.7 Analyse von Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt 

197

3. Der durchschnittliche Active Share für Mid- und Small Cap Fonds (Benchmark: MDAX oder SDAX) bewegt sich im Untersuchungszeitraum in einem konstanten Korridor zwischen 72,52 % und 77,06 % und ist vergleichbar mit den Resultaten internationaler Forschungsarbeiten (vgl. Kapitel 4.1.1). 4. Active Share und TER sind schwach positiv korreliert. Fondsmanager verlangen für zusätzliche Risiken in Form von Benchmarkabweichungen höhere Managementgebühren. Dennoch profitieren Investoren, da trotz höherer TER, bei stärker aktiv gemanagten Fonds, Active Share und Active Fee negativ korrelieren (vgl. Anhang 16). Active Share und TNA korrelieren schwach negativ. Ein Grund dafür ist, dass insbesondere Large-Cap-Fonds häufig höhere Fondsvolumina und gleichzeitig einen durchschnittlich niedrigeren Active Share als Small- oder MidCap-Fonds aufweisen. Zudem ist die Verteilung der TNA für Investmentfonds mit Fokus auf den deutschen Aktienmarkt durch extreme Ausreißerwerte geprägt (vgl. Anhang 10). Auch bestätigt werden kann für den deutschen Aktienmarkt, dass zwischen dem Active Share und dem Tracking Error ein positiver Zusammenhang und zwischen dem Active Share und R² ein negativer Zusammenhang besteht. Ein hoher Tracking Error zur Benchmark ergibt sich meist durch starke Portfolioabweichungen im Vergleich zur Benchmark. Dementsprechend niedriger ist folglich meist auch das Bestimmtheitsmaß R² für den Vergleich der Performance des Fonds zur Benchmarkperformance. Alle zuvor genannten Korrelationen sind zudem hoch signifikant (vgl. Anhang 11 und Anhang 16). 5. Die durchschnittliche Differenz zur Benchmark, gemessen anhand des Active Share des Fondsportfolios, hat in den letzten Jahren zugenommen. Diese aus Sicht des aktiven Managements positive Entwicklung ist getrieben durch LargeCap-Fonds, deren Active-Share-Werte seit 2013 kontinuierlich steigen. Die zunehmende Popularität der Kennzahl Active Share könnte dazu beigetragen haben, dass Assetmanager ihre Portfolios mit Blick auf den Active Share optimieren, indem sie diese stärker von der Benchmark DAX abgrenzen. Im nächsten Schritt der empirischen Analyse des deutschen Investmentfondsmarktes hinsichtlich der Management Aktivität werden drei Segmentportfolios gebildet, indem am Ende jedes Kalenderjahres alle Fonds mit verfügbaren Daten in Terzilportfolios nach Höhe ihres Active Share sortiert werden. Investmentfonds fließen gleichgewichtet in die Portfolioanalyse ein. Die Verteilung der TNA der Stichprobe ist stark linkssteil geneigt (vgl. Anhang 8). Diese positive Schiefe ist typisch für die Fondsindustrie. Vorteil der Gleichgewichtung im Vergleich zur Gewichtung nach Fondsvolumen (TNA) ist, dass die Ergebnisse der empirischen Analyse von großen Fonds nicht verzerrt werden können.266 Das Marktportfolio spiegelt den Durchschnitt aller Fonds mit verfügbaren Daten wider, gewichtet nach den TNA der Fonds. Die Performance der Fonds basiert auf der kumulierten

266

Vgl. Cremers / Curtis (2016), S. 89.

198

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

Netto-Performance des Kalenderjahres t, während Active Share, TNA und sonstige Variablen zum Ende des Kalenderjahres der Vorperiode t−1 gemessen werden. Tabelle 31 Deskriptive Statistik der Active Share Terzilportfolios267 Markt­ portfolio

P1-Highest Segment

P2-Middle Segment

P3-Lowest Segment

38,25 %

80,39 %

42,46 %

25,64 %

Ø Active Share Ø Yearly Return

2,08 %

5,45 %

3,06 %

1,74 %

−0,10 %

0,01 %

−0,05 %

−0,91 %

6,38 %

8,94 %

4,86 %

4,16 %

StDev Yearly Return (Benchmark adjusted)

4,15 %

7,87 %

4,59 %

3,77 %

Ø TE Ø R²

0,96

0,87

0,93

0,94

482,42

161,67

618,65

672,85

Ø Yearly Return (Benchmark adjusted)

Ø TNA (in Mio. €) Ø Active Fee

4,17

2,37

3,78

6,50

93,21 %

44,35 %

88,18 %

97,39 %

Benchmark = DAX

10,33 %

73,04 %

35,45 %

33,04 %

Domizil = Ausland

Tabelle 31 zeigt die deskriptive Statistik der drei Active Share Segmentportfolios und des Gesamtmarktes. Das Terzilportfolio mit dem höchsten Active Share weist eine deutlich höhere jährliche Performance auf (5,45 %), als das Terzil mit dem niedrigsten Active Share (1,74 %). Der Performanceunterschied relativiert sich etwas, wenn die Fondsperformance um die Performance der Benchmark bereinigt wird, sodass schlussendlich das Terzilportfolio mit hohem Active Share das Terzilportfolio mit niedrigem Active Share um jährlich 0,92 % outperformt. Zu beachten ist jedoch, dass Portfoliomanager für die zusätzliche Rendite ein höheres Risiko eingehen. Die Standardabweichung der Rendite von P1 liegt über dem Marktdurchschnitt. Zudem könnte die Outperformance durch den Kleinfirmeneffekt beeinflusst sein. Fonds im Segmentportfolio (P1) investieren häufiger in deutsche Small- und Mid-Cap-Unternehmen. Die Bereinigung der Fonds­performance um die Performance der Benchmark wirkt einem Kleinfirmenbias in der Forschungs 267

Eigene Berechnung. Zur Berechnung des Tracking Error und R² dient die jeweilige Bench­ mark der Fonds. Active Fee wird über vergleichbare ETFs berechnet. Yearly Return gibt die Performance des Folgejahres wieder. Benchmark adjusted Return = Fondsperformance  – Bench­markperformance.

199

4.7 Analyse von Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt 

arbeit jedoch entgegen. Auffällig ist zudem, dass Fonds mit hohem Active Share ihr Domizil überwiegend im Ausland haben (73,04 %). Hingegen liegt das Fondsdomizil von Investmentfonds mit niedrigem Active Share größtenteils in Deutschland (66,96 %). Die Benchmark von Fonds mit niedrigem Active Share (P3) ist vorwiegend der DAX (97,39 %). Seltener hingegen ist der DAX die Benchmark bei Fonds mit hohem Active Share (44,35 %). Die unterschiedliche Ausrichtung der Fonds kann zum Teil die Differenz des Active Share plausibilisieren. Fonds, die in deutsche Large Caps investieren, haben einen sehr eingeschränkten Investmenthorizont. In der Regel sind diese Unternehmen im DAX gelistet, sodass eine Abweichung zur Benchmark grundsätzlich schwerer zu erzielen ist als bei Fonds, die in Small- und Mid-Caps investieren. Die Mehrzahl der deutschen kleinen und mittleren Unternehmen ist weder im MDAX noch im SDAX gelistet, sodass eine Differenzierung im Vergleich zum Index für Fondsmanager einfacher zu realisieren ist.

4.7.4 Persistenz von Active Share Active Share ist auf Fondsebene über den Untersuchungszeitraum hinweg sehr persistent. 70 % der Fonds, die zu Beginn des Untersuchungszeitraums im Terzilportfolio mit dem niedrigsten Active Share (P3) gelistet sind, sind es auch noch nach fünf Jahren. Lediglich zwei Fonds weisen nach fünf Jahren einen signifikant höheren Active Share auf, sodass diese von P3 ins Terzilportfolio P1 aufsteigen. 75 % der aktivsten Fonds (P1) zu Beginn des Untersuchungszeitraums zählen auch nach fünf Jahren noch zu den Fonds mit dem höchsten Active Share. Tabelle 32 Terzilübergangsmatrix zur Persistenz von Active Share auf Fonds-Ebene268 1. Jahr

2. Jahr

3. Jahr

4. Jahr

5. Jahr

Segment P3 Niedriger AS

3

2,91

2,76

2,74

2,60

Segment P2 Mittlerer AS

2

1,91

2,19

2,35

2,35

Segment P1 Hoher AS

1

1,18

1,18

1,22

1,30

268

Eigene Berechnung. Beispiel / Hinweis zum Verständnis der Tabelle: Fonds, die im 1. Jahr zu Terzil P3 zählen, sind im 3. Jahr der Untersuchung durchschnittlich in Terzil P2,76 einzuordnen. Das bedeutet, dass einige Fonds den Active Share steigern konnten, sodass sie im 3. Jahr nicht mehr im schlechtesten Terzilportfolio (P3) einsortiert werden.

200

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

Tabelle 32 spiegelt die Persistenz der Fonds über einen Zeitraum von fünf Jahren wider. Jedes Jahr werden die Fonds in Active-Share-Terzile sortiert. Für alle Fonds in den Terzilportfolios wird der durchschnittliche Terzilrang vom 1. bis zum 5. Jahr ermittelt. Die Rankings schwanken von Jahr zu Jahr nur sehr schwach. Fonds, die im ersten Jahr zu den aktivsten zählen (P1), fallen nach einem Jahr vom besten Terzil Rang 1 im Durchschnitt auf 1,18, während die Fonds im Terzil mit dem niedrigsten Active Share (P3) nach einem Jahr im Durchschnitt lediglich von 3 auf 2,91 aufsteigen. Selbst im 5. Jahr sind Fonds, die anfänglich in P3 gerankt sind, durchschnittlich lediglich von Portfolio 3 auf 2,6 gestiegen. Folglich ist Active Share im Jahr t ein guter Prädiktor für Active Share in den Folgejahren t+n.

4.7.5 Active Share und die Fondsperformance Im nächsten Schritt werden für die zuvor am Ende jedes Kalenderjahres gebilde­ ten Terzilportfolios, basierend auf dem Active Share, jeweils drei weitere Terzilportfolios, basierend auf dem Tracking Error, gebildet. Nach dieser doppelten Einteilung entstehen 3 × 3 = 9 Portfolios, deren Performance über die nächsten zwölf Monate getrackt wird. Jedes Portfolio enthält also ca. 11 % aller Investmentfonds der zu untersuchenden Stichprobe. Dieser Prozess wird für jedes Jahr des Untersuchungszeitraums 2013–2018 wiederholt, sodass die Performance von neun Portfolios, die sich durch die Gesamtkostenquote und den Active Share der Investmentfonds unterscheiden, über den gesamten Zeitraum analysiert werden kann. Die Performance der Investmentfonds wird um die Performance der Benchmark, mit dem für den jeweiligen Fonds niedrigsten ermittelten Active Share, korrigiert. Die benchmarkbereinigte Performance stellt eine adäquate Alternative zur Performancekontrolle durch Multifaktormodelle269 dar, die zudem ein Großteil der Varianz in den Renditen nicht erklären kann. Als nächstes wird die durchschnittliche benchmarkadjustierte, gleichgewichtete Performance aller Fonds eines Portfolios für den gesamten Untersuchungszeitraum ermittelt. Die Fonds fließen gleichgewichtet in die Portfolios ein, damit die zuvor aufgezeigte Problematik der starken, positiven Schiefe der Fondsgrößen die Portfolioperformance nicht verzerrt.

269 Exemplarisch genannt sei hier das Fama-French 3-Faktoren-Modell, in das die Unternehmensgröße und das Kurs-Buchwert-Verhältnis einfließen.

201

4.7 Analyse von Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt  Tabelle 33 3×3 Portfolios Active Share und TE270 Active Share Terzile

  TE Terzile Low   Middle   High   All  

Low

Middle

High

All

−0,94*

−0,48

0,56

−0,71*

(−2,64)

(−0,80)

(0,43)

(−2,42)

−0,71

0,77

0,07

0,52

(−1,42)

(0,97)

(0,04)

(0,98)

−0,9

−0,23

−1,14

−0,7

(−0,90)

(−0,25)

(−0,77)

(−0,84)

−0,91*

−0,05

0,01

−0,32 

(−2,34)

(−0,11)

(0,01)

(−0,93) 

Tabelle 33 gibt die annualisierte benchmarkadjustierte Performance der 3 × 3 = 9 nach Active Share und Tracking Error doppelt sortierten Terzilportfolios wieder. Zudem ist auch die annualisierte benchmarkadjustierte Performance der separat sortierten Active-Share- und TE-Terzilportfolios abgebildet. Die durchschnittliche jährliche benchmarkadjustierte Performance ist negativ (−0,32 %) und schlechter als der zuvor ermittelte Durchschnitt nach Marktkapitalisierung (−0,1 %, Tabelle 31). Investmentfonds mit Fokus auf den deutschen Aktienmarkt gelingt es während des Untersuchungszeitraums (2013–2018) im Durchschnitt nicht, ihre adäquate passive Benchmark zu übertreffen. Fonds, die einen niedrigen Tracking Error aufweisen, zeigen im Folgejahr eine statistisch signifikant schlechte Performance auf (−0,71 %). Allerdings gilt das auch für Fonds mit hohem TE. Das Ergebnis ist jedoch wie die überwiegende Mehrheit der Portfolioperformances aus Tabelle 33 statistisch nicht signifikant. Fonds mit niedrigem Tracking Error sind häufig nah an der Benchmark und können diese dann aufgrund der Fondsgebühren nicht übertreffen. Fonds mit hohem Tracking Error wiederum gehen im Vergleich zur Benchmark höhere Risiken ein, schaffen es jedoch häufig nicht, diese Risiken in zusätzliche Performance umzusetzen. Solche Risiken im Vergleich zur Benchmark basieren beispielsweise auf einer Strategie der konzentrierten Wertpapierauswahl (−1,14 %), die durch hohen Tracking Error und hohen Active Share geprägt ist. Hingegen weisen moderat aktive Fonds (0,77 %) als auch Stockpicker (0,56 %) eine positive, jedoch statistisch nicht signifikante Performance auf.271

270 Eigene Berechnung; t-Statistik in Klammern; *** Signifikanz auf 0,1 %-Niveau, ** Signifikanz auf 1 %-Niveau, * Signifikanz auf 5 %-Niveau. 271 Die hier getroffene Einteilung in verschiedene Typen des aktiven Assetmanagements anhand der Kriterien Active Share und Tracking Error basiert auf der Definition von Petajisto (2013), S. 82.

202

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing   Tabelle 34 3×3 Portfolios Active Share und TER272 Active Share Terzile

  TER Terzile Low   Middle   High   All  

Low

Middle

High

All

−0,36

−0,06

−0,12

−0,15

(−0,70)

(−0,07)

(−0,07)

(−0,32)

−1,27*

0,78

0,6

−0,12

(−2,68)

(0,83)

(0,42)

(−0,17)

−0,95

−0,58

−1,08

−0,67

(−0,92)

(−0,94)

(−0,77)

(−1,05)

−0,91*

−0,05

0,01

−0,32 

(−2,34)

(−0,11)

(0,01)

(−0,93) 

Tabelle 34 gibt die annualisierte benchmarkadjustierte Performance der 3 × 3 = 9 nach Active Share und TER doppelt sortierten Terzilportfolios wieder. Zudem ist auch die annualisierte benchmarkadjustierte Performance der separat sortierten Active-Share- und TER-Terzilportfolios abgebildet. Besonders schlecht performen die Portfolios mit Fonds, deren Active Share niedrig und TER mittel (−1,27 %) bis hoch (−0,95 %) ist. Niedriger Active Share durch geringe Abweichungen zur Benchmark und zugleich dennoch hohe Fondsgebühren erschweren es Fondsmanagern, eine positive, um die Performance der Benchmark bereinigte, Nettorendite zu erzielen. Die TER ist grundsätzlich ein guter, wenn auch statistisch nicht signifikanter Indikator für die Performance von Investmentfonds. Denn selbst wenn Fonds starke Abweichungen zur Benchmark aufweisen, performen diese unterdurchschnittlich schlecht, wenn die Fondsgebühren überdurchschnittlich hoch sind (−0,67 %). Die Portfolios mit Fonds, deren Active Share mittel bis hoch ausfällt und die zugleich eine niedrige bis mittlere TER aufweisen, zeigen durchschnittlich die besten annualisierten Renditen auf. Tabelle 35 gibt abschließend die annualisierte benchmarkadjustierte Performance der 3x3 = 9 nach Active Share und TNA doppelt sortierten Terzilportfolios wieder. Zudem ist auch die annualisierte benchmarkadjustierte Performance der separat sortierten Active-Share- und TNA-Terzilportfolios abgebildet. Kleine Fonds (0,21 %) performen besser als mittlere (−0,5 %) und große (−0,62). Die Ergebnisse weisen jedoch keine statistische Signifikanz der Mittelwerte auf. In Kombination mit dem Active Share der Fonds ist die Fondsgröße außerdem wenig aussagekräftig. Entscheidend für die Fondsperformance ist dann wiederum der Active Share. Sobald dieser niedrig ist, weisen die Terzilportfolios eine deutlich negative annualisierte Performance auf. 272 Eigene Berechnung; t-Statistik in Klammern; *** Signifikanz auf 0,1 %-Niveau, ** Signifikanz auf 1 %-Niveau, * Signifikanz auf 5 %-Niveau.

203

4.7 Analyse von Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt  Tabelle 35 3×3 Portfolios Active Share und TNA273 Active Share Terzile TNA Terzile

Low

Low Middle High All

Middle

High

All

−0,87

−0,24

−0,83

0,21

(−0,88)

(−0,37)

(−0,64)

(0,32)

−0,83

0,63

0,19

−0,5

(−1,5)

(0,7)

(0,13)

(−0,95)

−0,92

−0,32

0,11

−0,62

(−1,78)

(−0,4)

(0,07)

(−1,09)

−0,91*

−0,05

0,01

−0,32 

(−2,34)

(−0,11)

(0,01)

(−0,93) 

Performance Benchmark adjusted

.3 .2 .1 .0 -.1 -.2 -.3

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

Active Share Abbildung 14: Streudiagramm Active Share und benchmarkadjustierte Performance (1Y-lag).274

Anders als in Studien für den US-amerikanischen Aktienmarkt (vgl. Kapitel 4.1.1) kann für Deutschland anhand des Active Share die Performance (benchmarkad 273 Eigene Berechnung; t-Statistik in Klammern; *** Signifikanz auf 0,1 %-Niveau, ** Signifikanz auf 1 %-Niveau, * Signifikanz auf 5 %-Niveau. 274 Eigene Berechnung.

204

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

justiert) des Folgejahres nur unzureichend prognostiziert werden. Abbildung 14 zeigt die Streuung der Wertepaare für den Active Share (in t0) und der benchmarkadjustierten Performance der Folgeperiode (in t1). Die Grafik zeigt eine deutliche Trichterform. Je höher der Active Share, desto stärker positiv als auch negativ streut die Performance eines Investmentfonds im Vergleich zur Performance der Fondsbenchmark. Bereits Shleifer (2000) stellt dar, dass Fondsmanager zunehmend benchmarknah investieren, um das Risiko zu minimieren, im Vergleich zur Konkurrenz signifikant schlechter zu performen.275 Zwei Jahrzehnte später kann dies in der vorliegenden empirischen Analyse bestätigt werden. Fondsmanager, die einen hohen Active Share erzielen, gehen damit durch ihre Abweichung in der Wertpapierauswahl im Vergleich zur Benchmark große Risiken ein, da die Wahrscheinlichkeit extremer Abweichungen zum Benchmark Index mit steigendem Active Share erheblich zunimmt – insbesondere dann, wenn der Active Share die kritische Schwelle von 50 % übersteigt. 80 70

Performance (%)

60 50 40 30 20 10 0 -10

10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Active Share (%)

Abbildung 15: Streudiagramm 5-Jahres Performance und Active Share.276

Das langfristige Performancebild der analysierten Investmentfonds zeigt jedoch auch, dass hohe absolute Renditen mit sehr niedrigem Active Share im Untersuchungszeitraum nicht erzielt werden konnten (vgl. Abbildung 15). Dies hängt auch damit zusammen, dass Fonds, die einen niedrigen Active Share aufweisen, meistens in Large Caps investieren. Im selben Zeitraum legte der DAX insgesamt um 10,54 % zu. Fonds mit einem niedrigen Active Share (in der Regel im Vergleich zum DAX) können dann folglich nur in Ausnahmefällen einen signifikanten Performanceunterschied im Vergleich zum DAX erzielen. 275 276

Vgl. Shleifer (2000), S. 12. Eigene Berechnung.

205

4.7 Analyse von Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt 

Schlussendlich bleibt jedoch festzuhalten, dass keine Korrelation zwischen dem Active Share und der Performance des Folgejahres eines Aktieninvestmentfonds mit Fokus auf den deutschen Kapitalmarkt besteht (vgl. Anhang 11). Folglich kann nicht deduziert werden, dass über den Active Share die Fondsperformance vorhergesagt werden könnte. Auch die mittel-bis langfristige Fondsperformance kann nicht auf Grundlage des Active Share prognostiziert werden. Zwar besteht eine statistisch signifikant positive Korrelation zwischen Active Share und langfristiger Fondsperformance. Sobald die Performance jedoch um die Performance der Benchmark bereinigt wird, wechselt die Korrelation in einen statistisch signifikant schwach negativen Zusammenhang. Wiederum streuen die Wertepaare umso stärker, je größer die Anlagestrategie des Fondsmanagers von der Benchmark abweicht (hoher Active Share, vgl. Anhang 15). Allein auf Basis des Active Share sollte folglich keine eindimensionale Fondsauswahl getroffen werden. Dennoch zeigt Abbildung 14 auch, dass die Chance auf signifikant höhere Renditen im Vergleich zur Benchmark mit zunehmendem Active Share steigt.

4.7.6 Mittel- bis langfristige Active-Share-Analyse Im nächsten Schritt der empirischen Analyse werden die mittel- bis langfristigen Auswirkungen der Benchmarknähe der Aktieninvestmentfonds mit Fokus auf den deutschen Kapitalmarkt untersucht. Tabelle 36 Deskriptive Statistik 5-Jahreszeitraum277

Active Share R²

Mean

StDev.

Median

Min.

Max.

50,24 %

24 %

41,78 %

13,98 %

96,03 %

0,96

0,52

0,99

0,92

Tracking Error

0,10

5,47 %

3 %

4,80 %

1,54 %

19,29 %

5Y-Performance

12,98 %

15 %

10,19 %

−8,96 %

71,09 %

5Y-Performance (Benchmark ­adjusted)

−4,28 %

12 %

−5,41 %

−34,67 %

31,02 %

TER TNA (in Mio.) Active Fee

1,71 % 503,27 3,88 %

0,41 % 964,28 1,86 %

1,64 % 119,34 3,83 %

0,92 % 1,41 1,34 %

3,66 % 4567,13 12,28 %

Tabelle 36 und Anhang 12 zeigen die deskriptiven Statistiken aller analysierten Aktienfonds, die während des Untersuchungszeitraums (2013–2018) durchgängig 277

Eigene Berechnung, StDev. = Standardabweichung.

206

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

aktiv waren. Der Fünfjahreszeitraum ermöglicht Langzeitauswirkungen der Marktnähe von 66 Investmentfonds zu ihren Benchmarks zu analysieren, da der Untersuchungszeitraum sowohl steigende, stagnierende als auch sinkende Marktphasen am deutschen Aktienmarkt beinhaltet. Die Mehrzahl der Stichprobe weist einen Active Share kleiner als der gesetzte Grenzwert in Höhe von 50 % auf. Diese Fonds können demnach potenziell Closet-Indexing-Anlagestrategien verfolgen. Unterstrichen wird das Ergebnis der Active-Share-Analyse von hohen R²-Werten sowie häufig niedrigem Tracking Error der Investmentfonds zur Benchmark. Auffällig sind zudem die hohen Gebühren für deutsche Aktieninvestmentfonds im internationalen Vergleich, insbesondere im Vergleich zum US-amerikanischen Markt. Aus den niedrigen Active-Share-Werten, hohen TERs sowie günstigen Alternativprodukten (ETFs) ergeben sich folglich ebenfalls sehr hohe Active-Fee-Werte. Die deskriptive Beschreibung der Langzeitstatistik zeigt, dass Investoren für den aktiv gemanagten Teil, der von der Benchmark abweicht, im Durchschnitt sehr hohe Gebühren bezahlen müssen. Diese fixen Kosten müssen zunächst von den Fondsmanagern in Form einer überdurchschnittlichen Performance im Vergleich zur Benchmark erwirtschaftet werden, damit die Investition in jene Aktienfonds für Investoren langfristig von Erfolg ist. Dass dies der Mehrzahl der analysierten Aktienfonds nicht gelingt, zeigt die im 5-Jahres-Durchschnitt negative benchmarkadjustierte Performance in Tabelle 36.

4.7.7 Sind kleinere Fonds aktiver? 10.000

TNA (Mio. €)

1.000

100

10

1

10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Active Share (%)

Abbildung 16: Active Share und Fondsgröße im 5-Jahreszeitraum.278

Bestätigt werden können die Forschungsergebnisse aus den USA von Cremers und Petajisto (2009) bezüglich eines möglichen Zusammenhangs der Fondsgröße 278

Eigene Berechnung.

4.7 Analyse von Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt 

207

und der Aktivität des Fondsmanagers.279 Fonds mit hohem Active Share tendieren dazu, kleiner zu sein, während große Investmentfonds eher benchmarknah investieren und einen niedrigeren Active Share aufweisen. Abbildung 16 veranschaulicht dieses Ergebnis mit einer logarithmierten Darstellung der TNAs der Investmentfonds. Zudem zeigt bereits zuvor Tabelle 31 folgendes Ergebnis auf: Das Terzil der Fonds mit hohem Active Share weist durchschnittlich 161,67 Mio. € an TNA auf, während das Terzil mit niedrigem Active Share mit durchschnittlich 672,85 Mio. € an TNA deutlich größere durchschnittliche Fondsvolumina aufweist. Active Share korreliert schwach negativ mit der Fondsgröße. Das Ergebnis ist sowohl bei jährlicher Betrachtung als auch im Zeitraum von fünf Jahren hoch signifikant (vgl. Anhang 11 und Anhang 16).

4.7.8 Aktives Fondsmanagement und Fondsgebühren 4,0 3,5

TER (%)

3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5

10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Active Share (%)

Abbildung 17: Active Share und TER im 5-Jahreszeitraum.280

Fonds mit hohem Active Share weisen durchschnittlich etwas höhere TERs auf als Fonds mit niedrigem Active Share (vgl. Abbildung 17). Active Share und TER sind schwach positiv korreliert. Das Ergebnis ist statistisch signifikant (vgl. Anhang 16) und vergleichbar mit den Resultaten von Cremers und Petajisto (2009) für den US-amerikanischen Kapitalmarkt.281 Auch am deutschen Investmentfondsmarkt ist jedoch die ökonomische Differenz der Fondsgebühren für respektive große Active-Share-Abweichungen gering. Zudem sind die in dieser Forschungsarbeit untersuchten UCITS-Fonds durchschnittlich deutlich teurer als US-ame-

279

Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3342. Eigene Berechnung. 281 Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3343. 280

208

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

rikanische Investmentfonds.282 Das spiegelt sich auch in den Berechnungen des Active Fee wider (vgl. Tabelle 31). Active Fee wird aus dem Active Share und der TER eines Fonds mit Hinzunahme des Index Fee kalkuliert. Zur Approximation des Index Fee werden die durchschnittlichen Gebühren für DAX- und MDAX ETFs herangezogen (vgl. Tabelle 17). Fonds im Terzil mit dem höchsten Active Share weisen durchschnittlich einen Active Fee von 2,37 % auf, während Fonds im Terzil mit dem niedrigsten Active Share einen Active Fee von 6,5 % aufzeigen. Diese zum Teil hohen Gebühren für den aktiv gemanagten Teil des Fondsportfolios könnten erklären, warum Fondsmanager häufig nicht in der Lage sind, eine adäquate, passive Benchmark zu übertreffen. Allerdings zeigt die Regression der unabhängigen Variablen Active Fee auf die abhängige Variable Performance (vgl. Tabelle 37), dass der Active Fee im 5-Jahreszeitraum nur einen kleinen Teil der Fondsperformance erklären kann (R² = 0,062). Der Großteil der Varianz der Performance bleibt unerklärt. Zudem sind die Residualwerte nicht normalverteilt. Die restlichen Modellprämissen sind erfüllt. Der Erklärungsgehalt der Regression fällt gänzlich weg, sobald die Performance des Fonds um die Performance der Benchmark bereinigt wird. Wie auch schon zuvor für den Active Share aufgezeigt, lässt sich auch über den Active Fee die Performance eines Investmentfonds nur bedingt prognostizieren. Tabelle 37 Regression des durchschnittlichen Active Share auf die langfristige Fondsperformance283 Dependent Variable: Performance Method: Least Squares Included observations: 66 Das Regressionsmodell nimmt folgende Form an: Performancei = β0 + β1Active Feei + ϵi Variable

Coefficient

t-Statistic

C

0.208874***

(4.906613)

Active Fee

−2.037515*

(−2.059446)

R-squared

0.062152

    Mean dependent var

0.129777

Adjusted R-squared

0.047498

    S. D. dependent var

0.152834

F-statistic

4.241318*

    Durbin-Watson stat

1.705502

*** Signifikanz auf 0,1 %-Niveau, ** Signifikanz auf 1 %-Niveau, * Signifikanz auf 5 %-Niveau Die abhängige Variable ist die fünfjährige Performance der Investmentfonds. C (β0) ist die Konstante. Die unabhängige Variable Active Fee wird ebenfalls mit 5-JahresDurchschnittswerten ermittelt. T-Statistiken stehen in Klammern. 282 283

Vgl. das Kapitel zum Literature Review. Z. B. Cremers / Petajisto (2009), S. 3343. Eigene Berechnung.

4.7 Analyse von Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt 

209

4.7.9 Einflussfaktoren auf den Active Share Im Rahmen der nächsten Abschnitte werden Einflussfaktoren auf den Active Share von den untersuchten Fonds mit Investmentfokus auf den deutschen Aktienmarkt untersucht. Die Vorgehensweise der Regressionsanalyse ist in Kapitel 4.5 beschrieben. Ähnliche Analysen für den US-Kapitalmarkt sind beispielsweise von Cremers und Petajisto (2009) veröffentlicht und in Kapitel 4.1.1 ausführlich vorgestellt worden. Die Ergebnisse dieser Analyse des deutschen Aktienmarktes werden denen des US-Marktes exemplarisch gegenübergestellt. Tabelle 38 Regression zum mittel- bis langfristigen Active Share284 Dependent Variable: Active Share Method: Least Squares Included observations: 66 White heteroskedasticity-consistent standard errors & covariance Das Regressionsmodell nimmt folgende Form an: Active Sharei = β0 + β1TEi + β2Benchmarki + β3Performance BAi + β4TERi + β5log(TNA)i Variable

Koeffizient

t-Statistik

C

0.108327

(0.877617)

TE

4.070730***

(3.943679)

Benchmark

0.900288***

(4.646220)

Performance BA

−0.365098*

(−2.292724)

TER

1.199378

(0.206154)

Log (TNA)

−0.004111

(−0.386490)

R-squared

0.719239

    Mean dependent var

0.502405

Adjusted R-squared

0.695842

    S. D. dependent var

0.238637

F-statistic

30.74101***

    Durbin-Watson stat

1.872800

*** Signifikanz auf 0,1 %-Niveau, ** Signifikanz auf 1 %-Niveau, * Signifikanz auf 5 %-Niveau Die abhängige Variable ist der Active Share im 5-Jahres-Durchschnitt für jeden Fonds. C (β0) ist die Konstante. Die unabhängigen Variablen werden ebenfalls mit 5-Jahres-Durchschnittswerten wie folgt ermittelt: Der Tracking Error (TE), die Performance der Benchmark (Benchmark) und die benchmarkadjustierte Performance der Fonds (Performance BA) werden annualisiert. TER und TNA (in Mio. €) werden jeweils zum Jahresende ermittelt, bevor 5-Jahres-Durchschnittswerte gebildet werden. T-Statistiken stehen in Klammern.

Tabelle 38 veranschaulicht die Ergebnisse der mittel- bis langfristigen Schätzung des Active Share für Investmentfonds, die während des Untersuchungszeitraums 2013–2018 durchgängig am Markt aktiv waren. Die Korrelationsmatrix (vgl. An 284

Eigene Berechnung.

210

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

hang 16) zeigt, dass Multikollinearität der unabhängigen Variablen ausgeschlossen werden kann. Visuelle Überprüfung und Jarque-Bera-Test zeigen eine Normalverteilung der Residuen auf. Zudem bestätigt der Durbin-Watson Wert nahe zwei, dass keine Autokorrelation der Residuen vorliegt. Die visuelle Überprüfung der Residuen deutet jedoch auf Heteroskedastizität hin. Deshalb werden die Standardfehler nach White (1980) geclustert, um Ineffizienzen und Verfälschungen dieser zu vermeiden.285 Es fließen sowohl endogene als auch exogene Variablen in das Modell ein. Diese Faktoren sind zum einen Teil fondsspezifisch und zum anderen Teil kapital­ marktspezifisch. Tracking Error als auch TER sind endogen, da beide von Fondsmanagern eindeutig kontrolliert werden können. Hingegen kann die Fondsgröße (TNA), die Performance der Benchmark als auch die benchmarkadjustierte Fondsperformance von Fondsmanagern nicht direkt und zielgerichtet beeinflusst werden. Zudem wurde die Regression mit Hilfe von Dummy-Variablen auf mögliche Einflussfaktoren des Fondsdomizils und der Benchmark kontrolliert. Das Fondsdomizil286 hat keinen Einfluss auf den Active Share eines Fonds. Die gewählte Fondsbenchmark liefert einen Erklärungsgehalt, korreliert jedoch stark mit der Benchmarkperformance, sodass beide Variablen nicht zusammen in das Regressionsmodell einfließen können. Grund hierfür ist, dass MDAX und SDAX den DAX im Untersuchungszeitraum deutlich outperformen. Zudem könnte noch das Bestimmtheitsmaß R² der Performance des Fonds zur Benchmarkperformance in die Regression integriert werden. Jedoch sind Tracking Error und R² zu stark korreliert, als dass die Aufnahme von R² als weitere unabhängige Variable ökonomisch als auch statistisch einen Mehrwert für die Erklärung des Active Share beisteuert. Der Tracking Error liefert bei weitem den stärksten Erklärungsgehalt für den Active Share. Dieser erklärt ca. die Hälfte der Varianz des Active Share. Ein Anstieg von 1 % des annualisierten Tracking Error erhöht den Active Share um ca. 4 %. Dies ist statistisch hoch signifikant, lässt aber dennoch ca. die Hälfte der Varianz des Active Share unerklärt. Es ist schlüssig, dass Fondsmanager, die ihr ökonomisches Risiko und damit den Tracking Error erhöhen, häufig eine Strategie basierend auf einer konzentrierten Wertpapierauswahl (vgl. Abbildung 18) umsetzen. Diese Portfolios weisen eine geringere Schnittmenge der Wertpapiere mit der Benchmark auf, sodass der Active Share steigt. Für den deutschen Investmentfondsmarkt übertrifft dieses Ergebnis deutlich die Resultate aus US-amerikanischen Vergleichsstudien, in denen der Tracking Error ebenfalls den stärksten Erklärungsgehalt aufzeigt.287 Fonds sind aktiver, wenn der Benchmark Index im Untersuchungszeitraum andere Indices übertrifft. Das Ergebnis ist statistisch hoch signifikant und liefert neben dem Tracking Error zudem einen hohen Erklärungsgehalt für die Prognos­ 285

Vgl. White (1980), S. 817 ff. Tests erfolgten mittels einer Dummy-Variablen. 287 Vgl. Cremers / Petajisto (2009), S. 3345. 286

4.7 Analyse von Closet Indexing am deutschen Aktienmarkt 

211

tizierung des Active Share. Einfluss darauf könnte die Zusammensetzung der Indices am deutschen Aktienmarkt haben. Hinzu kommt, dass Indices für kleine und mittlere Unternehmen (MDAX und SDAX) im Untersuchungszeitraum eine bessere Performance als der DAX aufweisen. Aufgrund dessen wurde die Regression ebenfalls anhand einer DAX-Dummy-Variable überprüft, um auszuschließen, dass der Effekt auf die Marktkapitalisierung der Indices zurückzuführen ist. Tatsächlich ist die t-Statistik der Benchmark-Rendite wahrscheinlich zu hoch, da diese benchmarkspezifische Differenzen im Active Share erfasst. Cremers und Petajisto (2009) stützen das Ergebnis dieser Forschungsarbeit jedoch mit vergleichbaren Resultaten für den US-Markt.288 Die benchmarkadjustierte Performance der Fonds steht signifikant in Beziehung zum Active Share. Das Vorzeichen des Koeffizienten ist negativ. Dieses Resultat unterscheidet sich von denen der Vergleichsliteratur aus den USA (vgl. Kapitel 4.1.1). Die allgemeine Marktentwicklung im Untersuchungszeitraum könnte das Ergebnis zum Teil erklären: ETFs, Indexfonds und benchmarknahe Investments zeigen eine positive Performance auf. Fondsmanager, die zusätzliches Risiko durch Benchmarkabweichungen eingegangen sind, weisen in der Folgeperiode wesentlich häufiger stark negative Performances auf als potenzielle Closet-Indexing-Fonds (vgl. Abbildung 14). Zudem steigt mit der Aktivität eines Fonds durchschnittlich dessen TER, was wiederum die Performance negativ beeinflusst. Um den negati­ven Effekt der benchmarkadjustierten Performance auf den Active Share zu überprüfen, wird eine zusätzliche Regression ausschließlich mit Daten aus dem Baisse-Jahr 2018 berechnet. Auch in fallenden Märkten bestätigt sich dabei der hier gezeigte Einfluss der benchmarkadjustierten Performance auf den Active Share. Die Total Expense Ratio weist einen schwachen Einfluss auf die Varianz des Active Share auf. Ein ökonomisch starker Anstieg von 1 % der TER führt ebenfalls lediglich zu einem ca. 1 % Anstieg des Active Share. Allerdings ist der Einfluss der TER statistisch nicht signifikant. Die Fondsgröße (TNA) korreliert negativ mit dem Active Share (vgl. Abbildung 16). Kleinere Fonds weisen im Durchschnitt einen höheren Active Share auf. Allerdings zeigt die Regressionsanalyse, dass die Fondsgröße weder ökonomisch noch statistisch einen signifikanten Einfluss auf den Active Share hat, sobald zusätzliche unabhängige Variablen in das Modell integriert werden. Zudem ist die Beziehung nicht linear. Generell ist die Güte der Regression positiv zu bewerten. Allerdings zeigt sich, dass der Active Share mit anderen in diesem Regressionsmodell integrierten Variablen außer dem Tracking Error zum Teil nur geringfügig zu erklären ist. Die hier vorgestellten Ergebnisse für den deutschen Aktienmarkt decken sich mit denen aus den USA. Alles in allem ist das Bestimmtheitsmaß dieser Forschungsarbeit mit 72 % deutlich größer als das einer vergleichbaren US-Studie (32 %), in die oben 288

Vgl. ebd., S. 3346.

212

4. Empirische Untersuchung von ETFs und Closet Indexing  

drein deutlich mehr Variablen eingeflossen sind.289 Dies gilt auch für das adjustierte R². Die positive Güte entsteht insbesondere durch den hohen Erklärungsgehalt des Tracking Error sowie der Benchmarkperformance. Trotz des hohen Einflusses des Tracking Error kann festgehalten werden, dass der Active Share eine neue Dimension in der Messung und Bewertung der Performance eines Investmentfonds darstellt. Zudem zeigt der F-Test, dass die Nullhypothese auf dem 0,1 % Signifikanzniveau verworfen werden kann, sodass der geforderte Wirkungszusammenhang der Regressionsgleichung als hoch signifikant eingestuft werden kann.

4.7.10 Der Grad aktiven Managements Angelehnt an die Closet-Indexing-Kriterien der ESMA (2016a)  werden im nächsten Schritt zur Identifikation von potenziellen Closet-Indexing-Fonds die 66 Fonds für den gesamten Untersuchungszeitraum 2013–2018 in drei ClosetIndexing-Gruppen untergliedert, deren Closet-Indexing-Grad von eins bis drei zunimmt. Tabelle 39 Closet-Indexing-Ebenen am deutschen Aktienmarkt290 Gruppierung potenzieller Closet-Indexing-Fonds

Potenzielle Closet-Indexing-Fonds

Potenziell aktiv gemanagte Fonds

1. Grades: Active Share