Finanzkontrolle Im Wandel: Vortrage Und Diskussionsbeitrage Der 15. Verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung 1988 Des Forschungsinstituts Fur ... Speyer (German Edition) 3428067320, 9783428067329

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Finanzkontrolle Im Wandel: Vortrage Und Diskussionsbeitrage Der 15. Verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung 1988 Des Forschungsinstituts Fur ... Speyer (German Edition)
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Finanzkontrolle im Wandel

Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 105

Finanzkontrolle im Wandel Vorträge und Diskussionsbeiträge der 15. Verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung 1988 des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer

herausgegeben von

Hans Herbert von Arnim

Duncker ·& Humblot · Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

FiDanzkontroUe im Wandel: Vorträge und Diskussionsbeiträge der 15. Verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung 1988 des Forschungsinstituts fur öffentliche Verwaltung bei der Hochschule fur Verwaltungswissenschaften Speyer I hrsg. von Hans Herbert von Arnim.- Berlin: Duncker u. Humblot, 1989 (Schriftenreihe der Hochschule Speyer; Bd. 105) ISBN 3-428-06732-0 NE: Arnim, Hans Herbert von [Hrsg.]; Verwaltungswissenschaftliche Arbeitstagung ; Forschungsinstitut fur öffentliche Verwaltung ; Hochschule ftir Verwaltungswissenschaften : Schriftenreihe der Hochschule ...

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1989 Duncker & Humb1ot GmbH, Berlin 41 Satz: Hagedornsatz, Berlin 46 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0561-6271 ISBN 3-428-06732-0

Inhaltsverzeichnis Vorwort des Herausgebers, Universitätsprofessor Dr. Hans Herbert von Arnim, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer . . . . . ... . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .

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Begrüßung durch den Geschäftsführenden Direktor des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Universitätsprofessor Dr. Willi Blümel, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Erster Teil

Einführung, Status, Maßstäbe 1. Einführung Von der Rechnungsprüfung zur Finanzkontrolle Von Dr. Heinz Günter Zavelberg, Präsident des Bundesrechnungshofs, Frankfurt am Main . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Status der Rechnungshöfe Finanzkontrolle in der Demokratie. Einordnung der Rechnungshofkontrolle in das politisch-administrative System der Bundesrepublik Deutschland Von Universitätsprofessor Dr. Hans Herbert von Arnim, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer

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3. Maßstäbe Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit als Kontrollmaßstäbe des Rechnungshofs Von Universitätsprofessor Dr. Walter Krebs, Universität Münster Diskussion. Leitung: Universitätsprofessor Dr. Heinrich Reinermann, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer . . . . . . .. .. .............. .. . . . .. . . . . . . . . . . . ...

65 83

6

Inhaltsverzeichnis

Zweiter Teil

Möglichkeiten der Verbesserung der Finanzkontrolle 4. Wie kann die Rechnungshofkontrolle intensiviert werden? Von Ernst Heuer, Vizepräsident des Bundesrechnungshofs, Frankfurt am Main

111

5. Öffentliches Rechnungswesen und Finanzkontrolle Von Universitätsprofessor Dr. Klaus Lüder, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer . .. . . . . . . . . . ... . . .. . . . .. .. . . . .. . . .. . . . .. . . . .. . . . ... .. . . . . . . . 6. Das Personal des Rechnungshofs -

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Voraussetzungen für seine Wirksamkeit

Von Dr. Otto Runde/, Präsident des Rechnungshofs Baden-Württemberg, Kailsruhe .. . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . .. . . . . . . . . . .. . . .. . . . . .. . . . .. .. . .. . .. .

151

Diskussion. Leitung: Universitätsprofessor Dr. Klaus Grupp, Universität Saarbrücken .. . . .. .. . .. . . .. . . . .. .. . . .. . . . .. . . . . . . .. . . . .. . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. .. . .. . . . .

171

7. Rechnungshof und Politik Von Universitätsprofessor Dr. Gunter Kisker, Universität Gießen.............

195

8. Finanzkontrolle in der Europäischen Gemeinschaft Von Universitätsprofessor Dr. Siegtried Magiera, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Diskussion. Leitung: Universitätsprofessor Dr. Dr. Klaus König, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer .. . . . . .. . . . .. . . .. . .. .. . . . . . .. . . .. . . . . .. . .. .. . . . ..

243

Dritter Teil

Prüfungsfreiräume? 9. Kontrolle autonomer Einrichtungen (Universitäten, Rundfunkanstalten, Fraktionen, Kommunen) Von Universitätsprofessor Dr. Franz Knöpfte, Universität Augsburg ...... .. . 259

Inhaltsverzeichnis

7

Podiumsdiskussion. Leitung: Universitätsprofessor Dr. Hans Herbert von Arnim Teilnehmer: Dr. Hans Blasius, Ministerialrat, Landesrechnungshof NordrheinWestfalen, Düsseldorf, Dr. Armin Feit, Präsident des Bundes der Steuerzahler, Wiesbaden, Ernst Heuer, Vizepräsident des Bundesrechnungshofs, Frankfurt am Main, und Universitätsprofessor Dr. Franz Knöpfte, Universität Augsburg.... ... 285 Zusammenfassung einiger Ergebnisse und Verabschiedung. Schlußwort des Tagungsleiters, Universitätsprofessor Dr. Hans Herbert von Arnim

323

Verzeichnis der Redner . . . ... .. . . . .... .. . ... . .. ... . . . . . . . . .. .. . . .. ... . ..... . .. . . .. . . . 329

Vorwort des Herausgebers Nachdem die Finanzkontrolle jahrzehntelang ein Stiefkind der Wissenschaft war, zeigt sich in jüngerer Zeit ein deutlicher Wandel. Die gewaltige Zunahme des Staatsanteils und die "Subventions- und bewilligungsfreudige Ausgabenneigung" (Ulrich Scheuner) von Parlamenten und Verwaltungen haben die Suche nach Kontrollen verstärkt. Dabei geraten auch die Rechnungshöfe zunehmend in den Blick der Wissenschaft. In der Bundesrepublik gibt es zwar ein Übermaß an "Rechtskontrolle", aber ein Defizit an "Sachkontrolle", das nach Möglichkeit auch durch verstärkte Wirtschaftlichkeitskontrolle der Rechnungshöfe ausgeglichen werden sollte. Eine der Speyerer vergleichbare Tagung unter aktiver Teilnahme der Spitzen der Rechnungshöfe, des Präsidenten des Bundes der Steuerzahler und renommierter Vertreter der Wissenschaft hat es in Deutschland lange nicht mehr gegeben. In den neun Referaten, einer Podiumsdiskussion und mehreren Pienardehatten wurden neben Grundfragen zahlreiche aktuelle Probleme der Finanzkontrolle erörtert. Den Referaten sind Kurzfassungen in deutscher, englischer und französischer Sprache beigegeben. Die Diskussionsbeiträge sind in vollem Wortlaut abgedruckt. Dieser Band erscheint im Jubiläumsjahr der deutschen Finanzkontrolle. Im Jahre 1714 wurde nach offizieller Zeitrechnung die Preußische Oberrechnungskammer gegründet. Der Bundesrechnungshof, der sich in ihrer Tradition sieht, feiert deshalb 1989 seinen 275jährigen Geburtstag. Wurde der preußische Vorfahr aber nicht in Wahrheit schon 1713 geschaffen? Diese These vertrat der Direktor des Forschungsinstituts zu Beginn der Tagung. Tatsächlich wurde von Creutz, der Chef der Preußischen Oberrechnungskammer, schon 1713 vom Großen Kurfürst bestellt und mit seinem vollen Auftrag versehen. Dann wäre also die Speyerer Tagung die eigentliche Jubiläumstagung gewesen. Meinen Dank an die Referenten, Diskussionsleiter und Tagungsteilnehmer sowie alle diejenigen, die zum Gelingen der Tagung beigetragen haben, habe ich bereits im Schlußwort zum Ausdruck gebracht. An dieser Stelle möchte ich zusätzlich Herrn Assessor Bernhard Bösherz für die tatkräftige Unterstützung bei der Herausgabe dieses Bandes danken. Speyer, im Februar 1989

Hans Herbert v. Arnim

Begrüßung durch den Geschäftsführenden Direktor des Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Universitätsprofessor Dr. Willi Blümel, Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer Meine sehr verehrten Damen und Herren, unter den vom Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer seit 1977 jeweils im Herbst durchgeführten Verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagungen nimmt die heute beginnende Veranstaltung einen herausragenden Rang ein. Mit der Verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung 1986 über die "Herausforderungen an die Innovationskraft der Verwaltung" feierte das Forschungsinstitut sein zehnjähriges Bestehen. Im Herbst 1987 fand hier die vielbeachtete, von den Kollegen Magiera und Merten geleitete Arbeitstagung "Bundesländer und Europäische Gemeinschaft" statt. Die diesjährige Herbsttagung nun ist nicht nur gekennzeichnet durch die Aktualität des Themas -"Finanzkontrolle im Wandel" -und die wissenschaftliche Reputation des Leiters der Tagung, sondern auch und vor allem durch die Prominenz der Referenten und Teilnehmer. Ich begrüße Sie alle sehr herzlich: für das Forschungsinstitut in meiner Eigenschaft als erst kürzlich gewählter Geschäftsführender Direktor- in der Nachfolge von Frido Wagener und Carl Böhret - , für die Hochschule als noch bis Freitag amtierender Prorektor. Daß ich Sie nicht alle namentlich begrüßen kann, zeigt schon ein Blick in die Ihnen vorliegende Teilnehmerliste. Sie werden es mir aber sicher nicht verübeln, wenn ich gleichwohl einige wenige persönliche Begrüßungsworte anfüge. Für die ausländischen Teilnehmer begrüße ich den Präsidenten des Österreichischen Rechnungshofes, Herrn Dr. Broesigke. Wir empfinden es als besondere Auszeichnung, daß der Präsident und der Vizepräsident des Europäischen Rechnungshofes, die Herren Mart und Haase, teilnehmen. Herzlich willkommen heißen und zugleich danken für ihre aktive Beteiligung und Förderung dieser Veranstaltung möchte ich dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes, Herrn Dr. Zavelberg und Herrn Heuer.

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Begrüßung

Sie, meine Herren, waren bzw. sind dem Forschungsinstitut als Vertreter des Bundes im Institutsverwaltungsrat in besonderer Weise verbunden. Mit Herrn Vizepräsident Heuer habe ich noch als Rektor der Hochschule Formen der Zusammenarbeit besprochen. Deshalb freue ich mich sehr, daß diese wichtige Veranstaltung in den Räumen der Hochschule stattfindet. Herr Ministerialrat Dr. Dommach, der die Festschrift des Bundesrechnungshofes vorbereitet, hat uns wissen lassen, daß es in der Bundesrepublik Deutschland bisher keine einzige Tagung gegeben hat, welche die Thematik "Finanzkontrolle" so grundsätzlich in den Blick genommen hat wie unsere Herbsttagung. Vergleichbar sei allenfalls eine Tagung im Jahre 1939. Ich begrüße nicht minder herzlich die so zahlreich erschienenen Präsidenten und Vizepräsidenten der Rechnungshöfe der Länder. Stellvertretend für sie alle gilt mein Gruß Herrn Dr. Munzert, der sich- als Staatssekretär im Innenministerium des LandesNordrhein-Westfalen- sehr nachdrücklich um das Ergänzungsstudium der nordrhein-westfälischen Referendare an der Hochschule Speyer gekümmert hat. Ich denke gern an unsere gute Zusammenarbeit zurück. Mein besonderer Gruß gilt noch zwei Herren: einmal dem Präsidenten des Bundes der Steuerzahler, Herrn Dr. Feit. Zum anderen Herrn Ministerialdirigent Scheidt als Vertreter der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz. Ihnen, Herr Scheidt, möchte ich nicht nur im Namen des Forschungsinstituts für die Unterstützung dieser Tagung danken, sondern zugleich betonen, wie sehr wir uns freuen, daß Sie nach Ihrer Genesung zum ersten Mal wieder an einer Veranstaltung bei uns teilnehmen können. Diese Verwaltungswissenschaftliche Arbeitstagung über "Finanzkontrolle im Wandel" ist als Auftaktveranstaltung zum Jubiläumsjahr 1989 konzipiert. Der Bundesrechnungshof, der sich in der Tradition der von König Friedrich Wilhelm I. geschaffenen .,General-Rechen-Kammer" sieht, feiert 1989 sein 275jähriges Bestehen. Zu diesem Jubiläum wird der Bundesrechnungshof eine Festschrift herausgeben. Außerdem findet im Juni 1989 in Berlin- wie ich der von Herrn Dr. Zavelberg am 17. 5. 1988 im Schloß Charlottenburg gehaltenen Ansprache entnommen habe - der XIII. Kongreß der Internationalen Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden statt. Damit dürfte das Jahr 1989 zu einem Jahr der Finanzkontrolle werden. Gleichwohl möchte ich die ketzerische Frage aufwerfen, ob nicht unsere Verwaltungswissenschaftliche Arbeitstagung 1988 die eigentliche Jubiläumstagung ist. Der Bundesrechnungshof führt seine Geschichte bis in das Jahr 1714 zurück und feiert deshalb 1989 das 275jährige Bestehen. Herrn Kollegen Grupp verdanke ich jedoch den Hinweis, daß Hans Haase im Finanz-Archiv 1922 (S. 1 ff.) dargelegt hat, daß bereits die Bestallung des Generalkontrolleurs von Creutz im Jahre 1713 als Gründungsdatum der preußischen General-RechenKammer anzusehen ist, auch wenn diese Behörde erst 1714 mit weiteren Räten ausgestattet worden ist. Aber auch dies hatte Friedrich Wilhe1m I. schon 1713

Begrüßung

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angekündigt. Legt man das Jahr 1713 zugrunde, dann erscheint es recht angemessen, daß hier bei uns in Speyer 1988 eine Verwaltungswissenschaftliche Arbeitstagung über Finanzkontrolle stattfindet. Als Geschäftsführender Direktor des Forschungsinstituts möchte ich bei dieser Eröffnung zu dem Tagungsthema nicht Stellung nehmen. Ich erlaube mir jedoch den Hinweis, daß an unserem Forschungsinstitut schon zahlreiche Untersuchungen zu Fragen durchgeführt worden sind, die Bezug zur Finanzkontrolle haben. Die Veröffentlichungen sind in unserer kleinen Schrift "Forschung über und für die öffentliche Verwaltung" aufgeführt. Im übrigen sieht auch unser Forschungsprogramm 1989 - 1993 mehrere einschlägige Projekte vor. Sollten Sie Interesse an Publikationen über das Forschungsinstitut haben, können Sie diese über das Tagungsbüro oder direkt beim Sekretariat des Forschungsinstituts anfordern. Auf diese Publikationen verweise ich auch deshalb, weil ich Sie an dieser Stelle nicht mit längeren Ausführungen über die Organisation des Forschungsinstituts und sein Verhältnis zur Hochschule Speyer behelligen will. Es wird Sie jedoch z. B. interessieren, daß die unterschiedlichen Finanzierungsgrundlagen bei den verbundenen Neubauten der Hochschule (Lehrstuhlgebäude) und des Forschungsinstituts- hier im Rahmen des Art. 91 b GG, dort nach Art. 91 a GG- meinem Vorgänger Frido Wagener vor ein paar Jahren nicht unerhebliches Kopfzerbrechen bereiteten. Nicht zuletzt mit Blick auf den Rechnungshof war nämlich zunächst daran gedacht worden, das Forschungsinstitut weniger tief zu bauen als das Lehrstuhlgebäude. Da man einen Ausweg fand, merken Sie von diesen Schwierigkeiten heute nichts mehr, wenn Sie sich das Gesamtgebäude auf dem Weg zur Taberna ansehen. Daß die Finanzierung des Forschungsinstituts im Rahmen des Art. 91 b GG - zu 50 Prozent vom Bund und zu 50 Prozent von allen Ländern - allerdings auch noch andere Tücken hat (etwa bei der Nutzung der Räume), brauche ich gerade Ihnen nicht zu sagen. Ich möchte meine Ausführungen nicht beenden ohne einige Worte des Dankes. Ich danke im Namen des Forschungsinstituts allen Referenten und allen Kollegen, welche die Diskussionsleitung übernommen haben. Ganz besonders bedanken möchte ich mich bei Herrn Kollegen von Amim, dem wissenschaftlichen Leiter, für die Vorbereitung und Durchführung dieser anspruchsvollen Verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung. Herr Kollege von Amim hat sich schon seit Jahren mit Finanzkontrollfragen beschäftigt und dabei auch den Bundesrechnungshof - z. B. in seinem dort 1983 gehaltenen Vortrag "Grundprobleme der Finanzkontrolle" (DVBI. 1983, 664 ff.) -mit harscher Kritik nicht verschont. Ob Herr Kollege von Arnim weiß, daß schon vor über 300 Jahren- genauer: im Jahre 1652- ein (Bernd) von Amim zum Präsidenten der märkischen Amtskammer bestellt wurde und u. a. die Ausgaben zu kontrollieren hatte? (vgl. Werner Vogel, in: Jeserich/Pohl/von Unruh [Hrsg.], Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. I, 1983, s. 858 ff. [879]). Ich darf diese Tagung eröffnen und wünsche ihr einen guten Verlauf.

ERSTER TEIL

Einführung, Status, Maßstäbe

Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe nur eine technische Überleitung zu machen. Wir hören nun zunächst alle drei im J?rogramm angekündigten Vorträge. Deren Diskussion soll sich dann anschließen. Um die Diskussion einerseits ein wenig strukturieren zu können, sie andererseits aber auch nicht durch zu viel vorab ausgedachter Struktur fremdzusteuem, möchte ich Ihnen folgendes Verfahren vorschlagen: Bitte bedienen Sie sich der auf Ihren Tischen ausliegenden Diskussionskärtchen und geben Sie darauf in Form eines Stichworts an, zu welchem Thema welches Vortrags Sie sich äußern möchten. Ich. werde dann versuchen, daraus Schwerpunkte zu bilden und Sie entsprechend um Ihren Diskussionsbeitrag bitten. Soweit ich sehe, sind Sie mit diesem Verfahren einverstanden. Das Wort hat nun der Präsident des Bundesrechnungshofs, Herr Dr. Zavelberg.

Von der Rechnungsprüfung zur Finanzkontrolle· Von Heinz Günter Zavelberg

I. Meilensteine auf dem Weg zur Finanzkontrolle Als Vertreter des Bundesrechnungshofes, einer Institution, die in der Tradition der preußischen Rechnungsprüfung steht, möchte ich mich bei der Darstellung des Weges von der Rechnungsprüfung zur Finanzkontrolle auf die Entwicklung in Preußen sowie später im Reich und im Bund konzentrieren, dagegen auf Besonderheiten in der Geschichte der Finanzkontrolle in den übrigen deutschen Ländern nicht weiter eingehen. Ausgangspunkt der Betrachtung ist daher die Gründung der Preußischen Generalrechenkammer und späteren Oberrechnungskammer im Jahre 1714 durch König Friedrich Wilhelm I. 1• 1. Unabhängigkeit von der Verwaltung Das erste Jahrhundert der neugeschaffenen Kontrollbehörde war gekennzeichnet durch eine wechselvolle Auseinandersetzung um Unabhängigkeit von der Verwaltung. Die bei der Errichtung vorgesehene Unabhängigkeit ging in den Folgejahren durch Unterordnung unter das Generaldirektorium verloren, wurde 1786 wiederhergestellt und dann durch die Königliche "lnstruction für die Oberrechnungskammer" vom 18. Dezember 1824 2 endgültig gesichert. Zu Recht wird das institutionelle Verhältnis der Rechnungshöfe zur Verwaltung als ,,zentralfrage"3 in der Entwicklung der Rechnungsprüfung bezeichnet. Daß diese Frage • Schriftliche Fassung des Einführungsvortrages anläßlich der verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung "Finanzkontrolle im Wandel" vom 28. bis 30. September 1988 am Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. t Vgl. hierzu von Pfuhlstein, Der Weg von der Preußischen Generalrechenkammer zum Bundesrechnungshof, in: 250 Jahre Rechnungsprüfung, Frankfurt am Main 1964, S. 7 ff. (14 ff.) sowie von Ditfurth, Zur Geschichte der Königlich-Preußischen Oberrechnungskammer, Berlin 1909, S. 8 ff. 2 Abgedruckt als Anlage (A) zu Nr. 148 der Drucksachen des preußischen Abgeordnetenhauses während der 2. Session der 11. Legislaturperiode (1871n2) S. 868 ff.; ferner in: Bestimmungen über das Rechnungswesen in Preußen und in dem Deutschen Reich, Potsdam 1914 (vorhanden in der Bibliothek des Bundesrechnungshofes). 2 Speyer !05

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Heinz Günter Zavelberg

in Preußen bereits relativ früh zugunsten der Finanzkontrolle entschieden werden konnte, dürfte ein wesentlicher Grund für das Ansehen und die Wirksamkeit der Preußischen Oberrechnungskammer gewesen sein.

2. Von der Verwaltungskontrolle zur Verfassungskontrolle In der absoluten Monarchie hatte die Rechnungsprüfung die Aufgabe, im Auftrag des Königs die Verwaltung zu kontrollieren, Mängel in der öffentlichen Finanzwirtschaft aufzudecken und dadurch zu ihrer Behebung beizutragen. In der konstitutionellen Monarchie trat eine weitere, als Verfassungskontrolle 4 bezeichnete Funktion hinzu: die Prüfung auch im Dienste der parlamentarischen Kontrolle der Exekutive 5 • Seit der Gründung des Preußischen Abgeordnetenhauses im Jahre 1848 ist die Bedeutung der Rechnungshöfe als "Helfer bei der Budgetkontrolle"6 ständig gewachsen.

3. Prüfungsmaßstäbe: Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit Rechnungsprüfung bedeutete zunächst Prüfung der Rechnungen und der zugehörigen Belege auf formale Korrektheit, rechnerische Richtigkeit und Vollständigkeit. Die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Rechnungen umfaßte schließlich auch deren materielle Richtigkeit, d. h. die Einhaltung der bestehenden Gesetze und Vorschriften 7 • In Preußen und auch im Deutschen Reich wurde schon früh die Forderung nach Prüfungen mit der Zielrichtung erhoben, zu--einem wirtschaftlicheren Verwaltungshandeln zu kommen 8• Im Deutschen Reich begründete die Reichshaus3 So Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, München 1980, S.411. 4 Vgl. Stern, a. a. 0., S. 440; auch Schulze-Wagner, Reichshaushaltsordnung, 3. Aufl. 1934, Anm. 1 zu § 96. s Vgl. Heinig, Das Budget, Bd. 1, Tübingen 1949, S. 121. 6 Vgl. Haaser, Die Rechnungshöfe und ihre Beziehungen zu Exekutive und Legislative, in: Der öffentliche Haushalt 1954, S. 115 ff. (117). 7 Vgl. § 12 des Preußischen Gesetzes betreffend die Einrichtung und die Befugnisse der Oberrechnungskammer vom 27. März 1872 (Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, S. 375). s § 10 der Königlichen Instruction für die Oberrechnungskammer vom 18. Dezember 1824 bestimmte, daß bei allen Ausgaben jede Unwirtschaftlichkeit vermieden werden muß. Dieses Postulat hat aber wohl keine praktische Bedeutung im Sinne einer Wirtschaftlichkeitsprüfung erlangt. In den Ausführungsbestimmungen· des Rechnungshofes des Deutschen Reichs zum Reichskontrollgesetz vom 21. März 1910 heißt es nämlich mahnend: ,,Nicht bei einer kleinlichen Rechnungsprüfung, sondern nur bei vertiefter Prüfung kann die Kontrollbehörde der ihr angewiesenen großen Aufgabe gerecht werden, ihrer Verantwortlichkeit genügen und in wirksamer Weise auch zur wirtschaftlichen Verwendung der bewilligten Mittel und zur Besserung der ungünstigen finanziellen Verhältnisse

Von der Rechnungsprüfung zur Finanzkontrolle

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haltsordnung vom 31. Dezember 1922 9 in § 96 die gesetzliche Verpflichtung zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit, und zwar als gleichrangiger Prüfungsmaßstab mit der Ordnungsmäßigkeit Damit übernahm die deutsche Rechnungsprüfung im internationalen Vergleich eine Vorreiterrolle. Der Prüfungsmaßstab der Wirtschaftlichkeit eröffnet der Finanzkontrolle eine neue Dimension: anders als die traditionelle Rechnungsprüfung beschränkt sie sich nicht mehr auf die Feststellung von Mängeln in der Vergangenheit, sondern dient in gleicher Weise der zukunftsgerichteten Information der Entscheidungsträger über finanzrelevante Tatsachen und Problemzusammenhänge. Der Rechnungshof wurde viel mehr als nur "Helfer bei der Budgetkontrolle", seine Prüfungstätigkeit immer stärker handlungs- und entscheidungsbezogen im Blick auf die Zukunft. Allerdings kann die Alternative nicht lauten: Wirtschaftlichkeitsprüfung statt Ordnungsmäßigkeitsprüfung. Denn nur auf der Grundlage eines ordnungsgemäßen, formal korrekten Zahlenwerks lassen sich verläßliche Aussagen über die Wirtschaftlichkeit treffen. Die Konzentration auf Fragen der Wirtschaftlichkeit wurde möglich, weil wir über eine hohe Verwaltungskultur und eine -bei allem Fehlverhalten in Einzelfällen- insgesamt korrekte, saubere Bürokratie verfügen. Wo in einer Verwaltung allerdings Korruption nicht Ausnahmeerscheinung ist, gelten zwangsläufig andere Prioritäten. 4. Örtliche Erhebungen

Die Prüfung fand ursprünglich am Sitz des Rechnungshofes statt. Das Bild, das sich heute noch dem Besucher in manchem ausländischen Rechnungshof bietet, wo Berge von Akten in den Fluren lagern und auf Prüfung warten, mag die damalige Art der Rechnungsprüfung veranschaulichen. Anlaß für die Einführung örtlicher Prüfungen boten die deutschen Kolonien. Da es allzu aufwendig erschien, die "der Erledigung harrenden Rechnungen" der Kolonialverwaltung an den Sitz des Rechnungshofes nach Potsdam zu transportieren, wurden erstmals im Jahre 1905 zwei "Kommissare des Rechnungshofes" nach Deutsch-Südwestafrika entsandt 10• Während des Ersten Weltkrieges wurden die Prüfungen an Ort und Stelle weiter ausgedehnt. 1922 wurde dann die Möglichkelt von Erhebungen bei den geprüften Stellen in § 90 Abs. 1 RHO gesetzlich abgesichert und zunehmend genutzt. Durch örtliche Erhebungen erhält die Prüfung eine neue Qualität. Die Möglichkeit einer Prüfung (und Erörterung) vor Ort ist in aller Regel Voraussetzung für im Reich beitragen". (Quelle: Bestimmungen über das Rechnungswesen in Preußen und in dem Deutschen Reich, Potsdam 1914, vorhanden in der Bibliothek des Bundesrechnungshofes). 9 RGBl. 1923 II S. 17. 10 Vgl. v. Ditfurth, a. a. 0., S. 72. 2*

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eine vertiefte Prüfung auf Wirtschaftlichkeit und Gesetzmäßigkeit. Die unmittelbare Anschauung - verbunden mit der Möglichkeit eingehender mündlicher Befragungen an Ort und Stelle - ersetzt zwar nicht das Aktenstudium, eröffnet jedoch unverzichtbare zusätzliche Erkenntnisquellen und gibt zugleich vielfältige Anregungen über prüfungswürdige Sachverhalte und Themen. Das Prinzip der örtlichen Erhebungen ist deshalb aus einer modernen Finanzkontrolle nicht mehr wegzudenken. 5. Unmittelbare Berichterstattung an das Parlament Die Haushaltsrechtsreform von 1969 brachte mit der Änderung des Art. 114 des Grundgesetzes dem Rechnungshof endlich das Recht, den gesetzgebenden Körperschaften unmittelbar zu berichten 11 und nicht mehr auf dem Umweg über den Finanzminister; dieser bestimmte bis dahin allein den Zeitpunkt der Vorlage an das Parlament und behielt damit die Möglichkeit des "letzten Wortes". Die unmittelbare Berichterstattung an das Parlament gibt dem Rechnungshof außerdem die Möglichkeit, seine Berichte zugleich über die Medien der Öffentlichkeit vorzustellen, was die Durchsetzung seiner Anregungen zweifelsfrei erleichtert.

6. Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung Die Haushaltsrechtsreform des Jahres 1969 brachte einen weiteren entscheidenden Fortschritt: der neugefaßte Art. 114 des Grundgesetzes unterwarf nämlich nicht nur die Rechnung, sondern die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes der Prüfung durch den Bundesrechnungshof. Damit wurde der letzte Schritt von der Rechnungsprüfung zu einer umfassenden Finanzkontrolle 12 getan. Die rechnungsunabhängige Prüfung eröffnete dem ·Bundesrechnungshof das breite Feld der Organisation und der Personalwirtschaft; sie brachte zudem einen Gewinn an Zeitnähe. Noch immer (und aus guten Gründen) erfolgt die Prüfung ex post, kann also erst nach getroffener Entscheidung der Exekutive einsetzen. Aber das Vorliegen einer Rechnung braucht nicht mehr abgewartet zu werden. Eine finanzwirksame Entscheidung kann sogar bereits geprüft werden, bevor sie zu einer Ausgabe geführt hat (sog. Maßnahmenprüfung) 13. 11 In Hessen wurde die unmittelbare Berichterstattung an den Landtag erst durch § 128 Nr. 1 des Gesetzes über den Hessischen Rechnungshof vom 18. Juni 1986 eingeführt (GVBI. I S. 157). 12 § 1 Satz 1 des Gesetzes über den Bundesrechnungshof vom 11. Juli 1985 (BGBI. I S. 1445) hat den Begriff "Finanzkontrolle" dann auch in die Gesetzesterminologie übernommen. n § 89 Abs. 1 Nr. 2 BHO/LHO; vgl. Heuer/Dommach, Handbuch der Finanzkontrolle, Frankfurt 1981 ff. einseht. 10. Lieferung 1988, Art. 114 GG RN 74 und§ 89 BHO RN 3, 4.

Von der Rechnungsprüfung zur Finanzkontrolle

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7. Lückenlosigkeit der Finanzkontrolle Bis 1969 konnte nach § 89 RHO im Haushaltsplan angeordnet werden, daß Haushaltsmittel mit Rücksicht auf ihren Verwendungszweck der Prüfung durch den Rechnungshof nicht unterlagen. Hiervon wurde in der Weimarer Republik für Bewilligungen zugunsten des Reichskanzlers, des Reichswehrministers und des Auswärtigen Amtes Gebrauch gemacht 14• Nach 1949 waren von der Prüfung durch den Bundesrechnungshof z. B. ausgeschlossen der Fonds für Verfassungsschutz, der Geheimfonds des Auswärtigen Amtes, der Fonds für In- und Auslandsinformationen und der allgemeine Verfügungsfonds des Bundeskanzlers 15 • Noch der Regierungsentwurf eines Haushaltsgrundsätzegesetzes von 1969 sah eine entsprechende Möglichkeit vor 16. Eine weitere Einschränkung des Prüfungsrechts ergab sich bis 1969 daraus, daß der Rechnungshof nicht ohne weiteres die Vorlage von Akten der Ministerien verlangen konnte; die Einsicht in solche Akten war von der Zustimmung des zuständigen Ministers abhängig 17• Auch dieser Zustand ändert sich mit dem lokrafttreten der Bundeshaushaltsordnung im Jahre 1970. Die Haushaltsrechtsreform von 1969 legte die Lückenlosigkeit der Finanzkontrolle für die unmittelbare Bundesverwaltung sogar verfassungsrechtlich fest 1s. Die Zulassung prüfungsfreier Räume ist seitdem "nicht mehr statthaft" 19. Daher unterliegen seit 1970 auch Ausgaben des höchsten Geheimhaltungsgrades der Prüfung durch den Rechnungshof. Lediglich der Kreis der beteiligten Entscheidungsträger und Prüfungsbeamten wird aus Gründen der Geheimhaltung enger festgelegt 20 bis hin zu dem Fall, wo der Präsident des Bundesrechnungshofes die Prüfung allein vornimmt 2 '.

8. Beratung durch den Rechnungshof Bereits in der Weimarer Republik gab es Anfänge einer nicht nur prüfenden, sondern auch beratenden Tätigkeit des Reichsrechnungshofs 22 • Vgl. Schulze-Wagner, a. a. 0., Anm. 2 zu§ 89. Vgl. Via/on, Haushaltsrecht, 2. Aufl., Berlin/Frankfurt a. M . 1959, Erl. 2 zu § 89 RHO. 16 Drucksache V/4379, § 40 Abs. 4. 11 Vgl. § 98 RHO. 18 Vgl. Heuer!Dommach, a. a. 0., Art. 114 GG RN 78; Stern, a. a. 0., S. 429. 19 So Bericht des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, zu Drucksachen V/4378, V/4379, S. 7. 20 Vgl. § 19 BRHG. 21 § 19 Satz I Nr. 2 BRHG. Hiervon wird zur Zeit in zwei Fällen Gebrauch gemacht, nämlich bei den Mitteln "zur Verfügung des Bundeskanzlers zu allgemeinen Zwecken" (Kap. 0401 Tit. 529 04 des Bundeshaushalts) und bei den Geheimen Ausgaben des Auswärtigen Amtes (Kap. 0502 Tit. 529 02 des Bundeshaushalts). 14

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Gesetzlichen Niederschlag und zunehmende praktische Bedeutung hat die Beratung als eigenständige Funktion der Finanzkontrolle durch die Haushaltsrechtsreform von 1969 gefunden. Die Bundeshaushaltsordnung mißt der Verwertbarkeit von Pliifungserkenntnissen für künftige Entscheidungen besondere Bedeutung zu und hat konsequenterweise der Rechnungspliifung die zusätzliche Aufgabe übertragen, Parlament und Regierung aufgrund von Pliifungserfahrungen zu beraten 23. Seitdem hat die Beratung an Umfang und Intensität erheblich zugenommen. Dies gilt insbesondere für die Beratung bei der Aufstellung der Jahreshaushaltspläne. Der Bundesrechnungshof sitzt bei den Verhandlungen des Bundesfinanzministers mit den Ressorts über die Haushaltsvoranschläge mit am Tisch und kann sich jederzeit zu Wort melden. Das gleiche gilt für den Haushaltsausschuß und vor allem für die bedeutsamen Berichterstattergespräche des Haushaltsausschusses. Für jeden Bereich des Bundeshaushalts (in der Regel den Einzelplan eines Ressorts) werden mehrere Ausschußmitglieder, Repräsentanten der verschiedenen Fraktionen, als (Haupt-)Berichterstatter und Mitberichterstatter bestellt, die Ausschußentscheidung im Detail vorzubereiten. Sie beraten in den Berichterstattergesprächen den Regierungsentwurf des Haushalts mit der Leitung des betroffenen Ressorts und den zuständigen Vertretern des Bundesfmanzministers und des Bundesrechnungshofes in allen Einzelpositionen und schlagen als Ergebnis dieser Gespräche in den sog. Berichterstattervorschlägen gegebenenfalls Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf vor. Soweit sie über Einzelfragen Einigung erzielen, wird das Ergebnis in der Regel vom Ausschuß ohne Diskussion übernommen 24• Erkenntnisse aus Pliifungen des Bundesrechnungshofes können auf diese Weise unmittelbar bei der Aufstellung des neuen Haushalts umgesetzt werden, ohne den Jahresbericht abwarten zu müssen. Nur ein Beispiel: Der Bundesrechnungshof wies bei den Verhandlungen über den Haushaltsvoranschlag 1986 des Bundesverteidigungsministers daraufhin, daß die Zahnbehandlungen in bundeswehreigenen Einrichtungen wesentlich erhöht werden könnten. Der Ausgabenansatz bei dem Titel "zahnärztliche Behandlungen durch zivile Zahnärzte" wurde daraufhin im Haushaltsentwurf 1986 um 5 Mio. DM reduziert 25 • 22 Auf die umfangreiche gutachterliehe Tätigkeit des Präsidenten des Reichsrechnungshofs in seiner Eigenschaft als Reichssparkommissar wird hier nicht eingegangen. Die von Dommach, Von Potsdam nach Frankfurt, Berlin 1988, S. 25 f., wiedergegebene Auffassung über die Beratungstätigkeit des Reichsrechnungshofs selbst dürfte deren Ausmaß und Bedeutung wohl überschätzen. Vgl. auch den Hinweis von Heinig, a. a. 0., S. 122, daß die in der Weimarer Republik gewachsene Bedeutung des Reichsrechnu~gs­ hofs nicht von ihm selbst ausging, sondern vom Reichstag, der "den Rechnungshof aus seiner splendid isolation" stieß. 23 § 88 Abs. 2 BHO/LHO. 24 Vgl. Gerster, Der Berichterstatter im parlamentarischen Haushaltsverfahren, Regensburg 1984, S. 17 ff.

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Zur Beratung im Haushaltsaufstellungsverfahren tritt mit zunehmender Tendenz die Beratung bei wichtigen Gesetzgebungsvorhaben und bei finanziell bedeutsamen Einzelmaßnahmen (z. B. Bericht an den Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages über die Wirtschaftlichkeit öffentlicher Breitbandverteilnetze26 oder Bericht zum Rüstungsvorhaben Jagdflugzeug 90 27) . In den Bundesländern scheint allerdings eine so extensive Beratungspraxis der Rechnungshöfe noch nicht überall selbstverständlich zu sein.

9. Funktionswandel der Bemerkungen Mit dem Übergang von einer entlastungsbezogenen Rechnungsprüfung zu einer umfassenden Finanzkontrolle der Haushalts- und Wirtschaftsführung hat sich auch der Charakter der Bemerkungen gewandelt. Die in den Bemerkungen zusammengefaßten Prüfungsergebnisse sind nur noch zum Teil auf das Haushaltsjahr bezogen, für das der Finanzminister Rechnung gelegt und die Entlastung beantragt hat 28 • Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, daß in die Bemerkungen Feststellungen auch über spätere oder frühere Haushaltsjahre aufgenommen werden können 29 • Die Ergebnisse umfassender Organisations- oder Personalwirtschaftsuntersuchungen lassen sich überhaupt nicht mehr einzelnen Haushaltsjahren zurechnen. Ebenso beziehen sich festgestellte Mängel in Systemen, Verfahren und Vorschriften regelmäßig auf einen längeren Zeitraum, zumal die beschränkten Erkenntnisse eines einzelnen Haushaltsjahres meist keine verläßlichen Aussagen ermöglichen. Der geänderte zeitliche und inhaltliche Bezug kommt seit 1983 in der geänderten Überschrift der Bemerkungen zum Ausdruck, die nicht länger als .,Bemerkungen zur Bundeshaushaltsrechnung" für ein bestimmtes, in der Regel zwei Jahre zurückliegendes Haushaltsjahr bezeichnet werden, sondern als .,Bemerkungen ... zur Haushalts- und Wirtschaftsführung" nach dem Jahr ihrer Vorlage unterschieden werden 30• Diesem Beispiel ist eine Reihe von Landesrechnungshöfen gefolgt. 25 Vgl. Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1985 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung, Bundestags-Drucksache 10/4367, Nr. 1.6. 26 Vgl. Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1984 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung, Bundestags-Drucksache 10/2223, Nr. 1.7. 27 Vgl. Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1988 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung, Bundestags-Drucksache 11/3056, Nr. 65.4. 28 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Kommentar, 1969 ff. einschl. 24. Lieferung 1988, § 97 BHO Erl. 2, geht noch von der überholten Annahme aus, die Bemerkungen seien auf das Haushaltsjahr zu konzentrieren, für das Entlastung beantragt wird. 29 § 97 Abs. 3 BHO!LHO. 30 Vgl. Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1983 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung, Bundestags-Drucksache 10/574; zur Begründung siehe auch die Ausführungen des Präsidenten des Bundesrechnungshofes vor der Presse, in: Bulletin Nr. 128 vom 24. November 1983, S." 1170.

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In die Bemerkungen werden in zunehmendem Umfang Priifungserkenntnisse aufgenommen, die nur mittelbaren oder gar keinen Bezug zum Haushalt haben, auf die sich also die parlamentarische Entlastung nicht beziehen kann3 1,32.

Der gewandelte Inhalt der Bemerkungen ist Ausdruck eines Funktionswandels der Bemerkungen. Sie dienen nicht mehr nur der Vorbereitung der parlamentarischen Entscheidung über die Entlastung der Regierung für ein bestimmtes Haushaltsjahr, sondern haben daneben die Aufgabe, den Gesetzgeber über finanzwirksame Tatbestände als Grundlage für künftige gesetzgebensehe Entscheidungen zu informieren 33. Dieser Aspekt der Bemerkungen gewinnt heute zunehmende Bedeutung. Dem Informationsbedarf des Gesetzgebers könnte übrigens noch wirksamer und zeitnäher Rechnung getragen werden, wenn die Rechnungshöfe häufiger als bisher von der Möglichkeit eines Sonderberichts nach § 99 BHO/LHO Gebrauch machen würden34. II. Schwachstellen der Finanzkontrolle

Vor dem Hintergrund der bedeutsamen Verbesserungen, die die Finanzkontrolle in der Bundesrepublik Deutschland (vor allem wohl in den letzten beiden Jahrzehnten) erzielt hat, wird um so deutlicher, daß die Finanzkontrolle in wichtigen Bereichen des öffentlichen Gesamthaushalts - gemessen an den für den Bund geltenden Maßstäben - noch unzulänglich ist. Das gilt an erster Stelle für die kommunale Rechnungspriifung in den weitaus meisten Flächenländern. Dies gilt auch für den Bereich der Sozialversicherung, wo insbesondere bei den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung eine externe Finanzkontrolle im31 Z. B. Prüfungsfeststellungen über Sondervermögen oder bundesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts. 32 In seinen Bemerkungen I985 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung (a. a. 0., Nr. 90) hat der Bundesrechnungshof über Mängel bei einem landesunmittelbaren Sozialversicherungsträger berichtet, der nicht der Fach- oder Rechtsaufsicht eines Bundesministers untersteht, aber wegen der gewährten Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt nach § 55 Abs. I S. I HGrG der Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterliegt. 33 Vgl. Piduch, a. a. 0., § I05 BHO Erl. 2 sowie§ II2 BHO Erl. 2; Heuer/Dommach, a. a. 0 ., § 97 BHO RN 4, zieht aus der Berichterstattung nach § 99 BHO den zutreffenden Schluß, daß auch für die Berichterstattung im Rahmen der Bemerkungen allein maßgebend sei, "ob der Berichtsgegenstand für die Berichtsempranger Bedeutung hat". 34 Beispiele aus der Tätigkeit des Bundesrechnungshofes der letzten Jahre sind der "Bericht des Bundesrechnungshofes gemäß § 99 BHO über häufige und wiederkehrende Mängel bei der Vorbereitung und Durchführung von Bauaufgaben des Bundes im fachlichen Zuständigkeitsbereich der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sowie der Verteidigung" vom 18. September I985 (Bundestags-Drucksache 10/ 3847) sowie der "Bericht des Bundesrechnungshofes gemäߧ 99 BHO über Risiken für den Bundeshaushalt aufgrund neuerer Entwicklungen beim Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes (Drittes Verstromungsgesetz)" vom 2. September 1988 (Bundestags-Drucksache Il/2858).

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mer noch fehlt. Und schließlich führt die zunehmende internationale Zusammenarbeit - auch für den Bund - zu neuen Prüfungslücken. 1. Kommunale Rechnungsprüfung

Die kommunalen Gebietskörperschaften haben im Jahre 1987 Ausgaben von fast 180 Mrd. DM geleistet 35. Das entspricht rd. 28% des Gesamthaushalts der Gebietskörperschaften in der Bundesrepublik Deutschland und knapp 9 % unseres Bruttosozialprodukts. Der Haushalt einer Großstadt wie Frankfurt am Main ist ebenso groß wie der des Saarlandes. Der Bedeutung der Kommunen innerhalb der öffentlichen Finanzwirtschaft wird das bestehende - freilich von Land zu Land, ja von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedliche- System der kommunalen Finanzkontrolle nicht voll gerecht: Der kommunalen Rechnungsprüfung fehlt bis heute weitgehend eine echte institutionelle und persönliche Unabhängigkeit. Zwar sehen fast alle Gemeindeordnungen vor, daß das Rechnungsprüfungsamt im Hinblick auf seine Prüfungstätigkeit an Weisungen nicht gebunden ist; das ändert jedoch nichts daran, daß in den meisten Bundesländern der Hauptgemeindebeamte Dienstvorgesetzter und Vorgesetzter der Bediensteten des Rechnungsprüfungsamtes ist. Das heißt, die geprüfte Verwaltung entscheidet über das weitere berufliche Fortkommen der Prüfer. Auch dort, wo das Rechnungsprüfungsamt der Gemeindevertretung unmittelbar verantwortlich oder unterstellt ist 36, fehlt eine den staatlichen Rechnungshöfen vergleichbare Unabhängigkeit von der Verwaltung. Denn die kommunalen Vertretungskörperschaften nehmen in erheblichem Umfang Verwaltungsfunktionen wahr37. Visaprüfungen, vorgängige Prüfungen bei Bau- und Datenverarbeitungsvorhaben - die wohl eher als gutachterliehe denn als Prüfungstätigkeit zu charakterisieren sind-, Auftragsprüfungen, umfangreiche Ordnungsprüfungen als Pflichtaufgabe führen dazu, daß selbstbestimmte Wirtschaftlichkeits- und Rechtmäßigkeitsprüfungen die Ausnahme bleiben. Das Rechnungsprüfungsamt wird zu 35 Ohne Stadtstaaten. Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Finanzbericht 1989, Bonn 1988, Tz. 5.4.3.2. Zum Vergleich: Die Ausgaben aller Bundesländer lagen 1987 bei gut 250 Mrd. DM, vgl. Finanzbericht 1989, Tz. 5.4.1.2. 36 Bayern ("bei der örtlichen Rechnungsprüfung dem Gemeinderat . . . unmittelbar verantwortlich ... Im übrigen bleiben die Befugnisse des ersten Bürgermeisters unberührt, dem das Rechnungsprüfungsamt unmittelbar untersteht." Vgl. Art. 104 Abs. 2 S. 1 und 4 GO), Niedersachsen ("dem Rat unmittelbar unterstellt und nur diesem verantwortlich", vgl. § 118 Abs. 1 S. 1 NGO), Nordrhein-Westfalen ("dem Rat unmittelbar verantwortlich und in seiner sachlichen Tätigkeit ihm unmittelbar unterstellt", vgl. § 101 Abs. 1 S. 1 GO) und Schleswig-Holstein ("der Gemeindevertretung unmittelbar verantwortlich", vgl. § 115 Abs. 1 S. 1 GO). 37 "Eine Trennung zwischen Legislative und Exekutive gibt es nicht." So ein Bericht über die Beckumer Hochschultage zu Problemen der Gemeindeordnung NordrheinWestfalen, in: Handelsblatt vom 27. September 1988, S. 6.

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Recht im Schrifttum als Teil der Gemeindeverwaltung gesehen 38, als eine Art kommunaler Innenrevision. In Frankfurt am Main ist das "Revisionsamt" sogar in eines der Dezernate der Verwaltung eingegliedert 39• Viele Gemeinden 40 besitzen noch nicht einmal eine professionelle örtliche Rechnungsprüfung. Der ehrenamtlich tätige Gemeinderat oder ein Ausschuß des Gemeinderates prüft die Rechnung. Angesichts der Komplexität der heute von den Kommunen anzuwendenden Rechtsvorschriften und der Höhe des Finanzvolumens, das auch von kleineren Gemeinden bewegt wird, kommt eine solche Lösung einem Prüfungsvakuum nahe 41 • Diese offensichtlichen Unzulänglichkeiten der örtlichen Rechnungsprüfung kann die sog. überörtliche Rechnungsprüfung nur zum Teil kompensieren. Die in vielen Ländern bestehende Verknüpfung zwischen überörtlicher Prüfung 42 und Kommunalaufsicht 43 führt dazu, daß die Ordnungsprüfung (Gesetz- und Weisungsmäßigkeit der kommunalen Haushalts- und Wirtschaftsführung) im Vordergrund steht, da Beanstandungen nur insoweit mit aufsichtsrechtlichen Mitteln durchgesetzt werden können 44• In Hessen fehlt es sogar an einer gesetzlichen Regelung 45 der überörtlichen Prüfung, was u. a. zur Folge hat, daß eine Stadt wie Frankfurt am Main, die nicht der Aufsicht des Regierungspräsidenten unterliegt, bisher keinerlei überörtliche Prüfung erfahren hat.

38 Vgl. hierzu ausführlich Siedentopf/Grunwald, Die kommunale Rechnungsprüfung, Wiesbaden 1977, S. 27 ff. und68ft 39 Neitz, Die kommunale Rechnungsprüfung, Diss. Göttingen 1969, S. 102, hält "die hessische Regelung, die dem Rechnungsprüfungsamt keine besondere organisatorische Stellung in der Gemeindeverwaltung verleiht, am wenigsten für eine unabhängige Prüfungsstelle geeignet". 40 In der Regel Gemeinden unter 20 000 Einwohnern, zum Teil aber auch größere Gemeinden. 41 Klappstein betont, daß mit der ehrenamtlichen Prüfung eine wesentliche Komponente der Finanzkontrolle, die Sachkunde, ausgeschaltet wird. Vgl. Klappstein, Kommunale Selbstverwaltung und Finanzkontrolle, in: von Mutius, Selbstverwaltung in der Industriegesellschaft, Heidelberg 1983, S. 479 ff. (494). 42 Durch Gemeindeprüfungsämter der Kreise, Regierungspräsidenten oder des Innenministers. Nach Siedentopf/Grunwald, a. a. 0., S. 58 ist auch die überörtliche Prüfung durch die Gemeindeprüfungsanstalt in Baden-Württemberg "ihrer Funktion nach ein Instrument der Kommunalaufsicht". 43 Kritisch zur "Identität" von überörtlicher Prüfung und Kommunalaufsicht auch Siedentopf/Grunwald, a. a. 0 ., S. 89; vgl. auch Neitz, a. a. 0 ., S. 422 ff. 44 Das Bundessozialgericht sieht allerdings den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit als unbestimmten Rechtsbegriffan-mit einem gehörigen Beurteilungsspielraum der Verwaltung. Verstöße gegen das allgemeine Rechtsgebot der Wirtschaftlichkeit könnten daher als Rechtsverletzungen Gegenstand aufsichtsbehördlicher Maßnahmen sein, vgl. BSGE 55, 277; 56, 197; 61, 235. 45 Das in § 132 Abs. 1 der hessischen Gemeindeordnung vorgesehene besondere Gesetz zur Regelung der überörtlichen Prüfung ist bisher nicht erlassen worden. Vgl. auch Klappstein, a. a. 0., S. 484.

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In Nordrhein-Westfalen sind Fragen der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit ausdrücklich von der überörtlichen Prüfung ausgenommen 46• Die kommunale Rechnungsprüfung, gleich ob örtlich oder überörtlich, kann indessen nur dann berechtigten Mindestanforderungen der Steuer- und Beitragszahler genü,gen, wenn sie die Prüfung der Wirtschaftlichkeit mitumfaßt. Eine Prüfung der Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der kommunalen Haushalts- und Wirtschaftsführung durch eine unabhängige Institution dürfte - abgesehen von den Stadtstaaten --:- am besten in SchleswigHolstein und Rheinland-Pfalz gewährleistet sein, wo die überörtliche Prüfung dem Landesrechnungshof obliegt 47 • Die Prüfung durch ein unabhängiges Organ der externen Finanzkontrolle dient nicht nur der Kontrolle der Kommunalaufsicht, sondern liegt im wohlverstandenen Interesse der geprüften Kommunen selbst. Den kommunalen Rechnungsprüfungsämtern fehlt nämlich weitgehend, insbesondere bei kostenaufwendigen Maßnahmen, ein wirksames Instrument der Rechnungsprüfung: die Möglichkeit des Vergleichs. Auch ein großes Rechnungsprüfungsamt kann allenfalls einmal den Neubau eines Rathauses oder Opernhauses prüfen; die Landesrechnungshöfe verfügen dagegen, je nach Größe des Landes, über ein breiteres Prüfungswissen aufgrund von Vergleichsobjekten. Prüfung lebt vom Vergleich. Auch der gezielte Einsatz von Spezialisten (z. B. im Bauwesen, in der Informationstechnik, in der Organisation) ist nur einer größeren Prüfungsbehörde möglich. Besonders bedeutsam ist die Beteiligung der Landesrechnungshöfe an der Finanzkontrolle der Kommunen für die Berichts- und Beratungsfunktion der Rechnungshöfe gegenüber den Landesparlamenten im Hinblick auf finanzwirksame Entscheidungen zugunsten oder zulasten der Kommunen. Bei der Prüfung erkannte Mängel im kommunalen Bereich können in den Bericht des Landesrechnungshofes an den Landtag eingehen, zumal wenn diese Mängel zugleich ein Versagen der staatlichen Kommunalaufsicht darstellen 48 • Das dadurch bedingte größere Durchsetzungsvermögen der Landesrechnungshöfe gegenüber der Kommunalaufsicht ist übrigens ein Vorzug gegenüber der baden-württembergischen und bayerischen Lösung einer überörtlichen Prüfung durch die Gemeindeanstalt bzw. durch den Bayerischen kommunalen Prüfungsverband49. § 103 Abs. 2 der nordrhein-westfalischen Gemeindeordnung. § 2 Abs. 1 des schleswig-holsteinischen Kommunalprüfungsgesetzes vom 25. Juli 1977 (KPG); § 111 Abs. 1 der LHO Rheinland-Pfalzsowie § 110 Abs. 4 der rheinland46 47

pfalzischen Gemeindeordnung. Allerdings ist in Schleswig-Holstein die Stellung des Landesrechnungshofes bei der Prüfung der Kommunen schwächer als bei der Prüfung der staatlichen Verwaltung. So nimmt beispielsweise die kommunale Körperschaft zu dem Prüfungsergebnis nicht gegenüber dem Landesrechnungshof, sondern nur gegenüber der Kommunalaufsichtsbehörde Stellung (§ 7 Abs. 3 S. 1 KPG). Anders dagegen in Rheinland-Pfalz (§ 96 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 111 Abs. 1 S. 2 LHO). 48 Vgl. z. B. Jahresbericht 1987 des Rechnungshofes Rheinland-Pfalz, LandtagsDrucksache 11/180, Tz. 38 (Nr. 2.9).

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Eine wesentliche Schwäche der kommunalen Rechnungsprüfung liegt in ihrer ganz überwiegend unzureichenden Öffentlichkeit 50• Die wesentliche Bedeutung des Rechnungshofberichts liegt nämlich "in seiner Öffentlichkeitswirkung, die Parlament und Regierung zwingen, seine Folgerungen nicht einfach zu den Akten zu legen" 51 • Die Möglichkeit, auf diese Weise Prüfungsergebnisse in einer Parlamentsdrucksache allgemein zugänglich zu machen und über die Medien einer breiten Öffentlichkeit mitzuteilen, ist eine entscheidende Voraussetzung für die Effizienz der Prüfung 52• Wo gar - wie ich es als Mitglied des Rates einer Mittelstadt in Nordrhein-Westfalen erlebt habe- die Berichte des kommunalen Rechnungsprüfungsamtes oder der überörtlichen Prüfungsbehörde als Verschlußsachennicht einmal allen Mitgliedern der kommunalen Vertretungskörperschaft zugänglich sind und nur in vertraulicher Sitzung behandelt werden, braucht man sich über unzureichende Wirksamkeit der kommunalen Rechnungsprüfung nicht zu wundem. Die restriktive Öffentlichkeit der kommunalen Rechnungsprüfung ist übrigens auch eine Folge mangelnder Unabhängigkeit. So bestimmt in mancher Kommune die geprüfte Verwaltung allein den Grad der Öffentlichkeit, ja sogar die Frage, ob Vertreter des Rechnungsprüfungsamtes an der Erörterung der Prüfungsberichte im zuständigen Ausschuß der Kommune beteiligt werden. Die gegen eine stärkere Öffentlichkeit häufig vorgebrachten Einwände überzeugen nicht. Die Berichte des Bundesrechnungshofes und der Landesrechnungshöfe zeigen, daß die wesentlichen Prüfungsergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können, ohne daß dadurch wirklich schutzwürdige Belange beeinträchtigt würden. Für die Berichterstattung über die Prüfung geheimer Ausgaben des Bundes gelten Sonderregelungen 53• Die Berichterstattung über Mängel bei der Betätigung des Bundes in Unternehmen, bei der das Verschwiegenheilsgebot des § 395 des Aktiengesetzes zu beachten ist, erfolgt in anonymisierter Form 54.

49 Die von Siedentopf/Grunwa/d, a. a. 0., S. 90 befürchtete Gefahr einer Abhängigkeit des Bayerischen kommunalen Prüfungsverbandes von den ihn finanzierenden Mitgliedskörperschaften sehe ich dagegen weniger. 50 Hierzu ausführlich von Arnim,die Öffentlichkeit kommunaler Finanzkontrollberichte als Verfassungsgebot, Wiesbaden 1981. 51 Stern, a. a. 0., S. 442. 52 Vgl. auch die Ausführungen des Verfassersanläßlich der Vorstellung der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1985, in: Bulletin Nr. 137 vom 5. Dezember 1985, s. 1201. 53 §§ 10 a Abs. 3, 97 Abs. 4 BHO; vgl. ferner§ 19 BRHG. 54 Vgl. z. B. Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1987 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung, Bundestags-Drucksache 11/872, Nr. 49-51.

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2. Prüfung der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und Unfallversicherung Eine weitere Schwachstelle der Finanzkontrolle sehe ich im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Aufgrund der Sonderregelung des § 112 Abs. 1 Satz 1 BH0 55 unterliegen die Sozialversicherungsträger nur dann der Prüfung durch den Rechnungshof, wenn sie aufgrund Gesetzes vom Bund Zuschüsse erhalten oder eine Garantieverpflichtung des Bundes gesetzlich begründet ist. Anders als bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung entfällt damit bei den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung, die im Jahre 1987 Ausgaben in Höhe von rd. 125 Mrd. DM 56 geleistet haben,- von wenigen Ausnahmen abgesehen 57 -eine externe Finanzkontrolle. Gleiches gilt für die gesetzliche Unfallversicherung mit einem Ausgabevolumen von rd. 14 Mrd. DM 58 • Was nachfolgend zu den Krankenkassen gesagt wird, gilt für die Unfallversicherungsträger entsprechend. Die Sonderregelung zugunsten der Sozialversicherungsträger wurde bei der Haushaltsrechtsreform des Jahres 1969 mit der Begründung getroffen, der im Rahmen des Sozialversicherungsrechts beabsichtigten Neuregelung des Haushaltsrechts der Sozialversicherungsträger nicht vorgreifen zu wollen und insbesondere eine unterschiedliche Rechtslage im Bund und in den Ländern zu vermeiden 59 • Inzwischen ist mit dem Vierten Buch des Sozialgesetzbuches60 ein einheitliches Haushaltsrecht für die Sozialversicherung geschaffen worden. Es trifft jedoch keine Bestimmung über die staatliche Rechnungsprüfung. Nachdem der früher angegebene Grund für die prüfungsrechtliche Privilegierung insbesondere der Krankenkassen entfallen ist, scheint mir eine Beseitigung dieser systemwidrigen Sonderregelung dringend geboten. Auszugehen ist von der Norm des § 111 Abs. 1 BHO. Danach wird die Haushalts- und Wirtschaftsführung der bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts durch den Bundesrechnungshof geprüft 61 ·62• Dabei 55 Die Landeshaushaltsordnungen enthalten entsprechende Sonderregelungen für die landesunmittelbaren Sozialversicherungsträger. 56 Das entspricht mehr als 6 % des Bruttosozialprodukts und mehr als der doppelten Höhe der Ausgaben des Bundes für Arbeit und Sozialordnung (1987: rd. 59 Mrd. DM). 57 Betriebskrankenkassen des Bundes, landwirtschaftliche Krankenkassen, Bundesknappschaft. 58 Gewerbliche, landwirtschaftliche und Eigenunfallversicherung. Vgl. Bundesversicherungsamt, Geschäfts- und Rechnungsergebnisse 1987/88, Berlin 1988, Nr. 3.1. 59 Vgl. Begründung zu§ 110 des Regierungsentwurfs einer Bundeshaushaltsordnung vom 21. Juli 1968, Drucksache V/3040, Tz. 455; vgl. auch Eickenboom/Heuer, Das neue Bundesrechnungshofgesetz, DÖV 1985, S. 997 (1002). 60 Vgl. §§ 67 ff. SGB IV. 61 Die Regelung geht zurück auf§ 4 Abs. l Satz l der Verordnung über die Rechnungslegung und Rechnungsprüfung während des Krieges vom 5. Juli 1940 (RGBI.lll S. 139), sog. Kriegskontrollgesetz (KKG).

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kommt es nicht darauf an, ob das Finanzgebaren der betroffenen Körperschaft den Haushalt des Bundes oder des Landes berührt 63. Ratio legis ist vielmehr, daß die Körperschaften des öffentlichen Rechts ihren Status und ihre hoheitlichen Befugnisse (z. B. Erhebung von Zwangsbeiträgen von Zwangsmitgliedern) dem Staat verdanken, ja daß sie in vielen Fällen sogar als Träger mittelbarer Staatsverwaltung staatliche Aufgaben wahrnehmen 64 • Die von den Körperschaften des öffentlichen Rechts verwalteten finanziellen Mittel sind öffentliche Mittel, die von den Beitragsverpflichteten aufgebracht werden; deren Beitragspflicht wird durch staatliche Normen begründet oder ermöglicht6s. Für den Bürger macht es im übrigen keinen wesentlichen Unterschied, ob er einen Teil seines Einkommens als Steuer oder als Zwangsbeitrag an die Sozialversicherungsträger abführen muß. In beiden Fällen sollte er beanspruchen können, daß die Verwendung der durch einen Hoheitsakt in Anspruch genommenen Mittel durch ein unabhängiges Organ der externen Finanzkontrolle geprüft wird. Der Ausschluß der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung von der Finanzkontrolle muß um so mehr verwundern, als § 111 Abs. 2 BHO/LHO in allen Fällen die Zulässigkeil einer Ausnahme von der Rechnungsprüfung davon abhängig macht, daß "kein erhebliches finanzielles Interessse" des Staates besteht 66• Diese Voraussetzung "wird um so eher erfüllt sein, je geringer das Haushaltsvolumen der Körperschaft ist, je weniger diese mit hoheitlichen Befugnissen, etwa zur Beitrags- oder Gebührenerhebung, ausgestattet ist und je weniger damit zu rechnen ist, daß im Fall ihres finanziellen Zusammenbruchs der Staat ihre Aufgabe selbst übernehmen muß" 67. Gemessen an diesen Maßstäben ist die externe Finanzkontrolle der gesetzlichen Krankenkassen ein rechtspolitisches und finanzpolitisches Gebot: rd. 90 % der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland genießen ihren Versicherungsschutz68; ihre Mitglieder entrichten monatliche Beiträge von maximal bis zu mehr als 600 DM 69; im Falle ihres Zusammenbruchs müßte der Sozialstaat ihre 62 Entsprechende Bestimmungen der Landeshaushaltsordnungen gelten für die landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Mit diesen Vorschriften haben Bundes- und Landesgesetzgeber dem Grundsatz des § 48 Abs. 1 HGrG entsprochen. 63 Vgl. Piduch, a. a. 0 ., Vorbemerkung l zu§ 111 BHO. 64 Ausführlich hierzu Knöpfte, Die Zuständigkeit der Rechnungshöfe ftir die Prüfung der Körperschaften des öffentlichen Rechts, Köln/Berlin/Bonn/München 1987. 65 Vgl. Knöpfte, a. a. 0., S. 53. 66 Nach Piduch, a. a. 0., § 111 BHO Erl. 4, ist an die Zulassung von Ausnahmen ein strenger Maßstab anzulegen. 67 Knöpfte, a. a. 0., S. 73 f .; vgl. auch Heuer!Dommach, a. a. 0., § 111 BHO RN 7. 68 Quelle: Bundesversicherungsamt, a. a. 0., Nr. 1.1. 69 Einschließlich Arbeitgeberbeitrag. Einige AOK sind inzwischen bei einem Beitragssatz von mehr als 15% angekommen. Vgl. Die Welt vom 18. August 1988, S. 14.

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Aufgaben übernehmen - wobei der Bund nach der Lastenverteilungsregelung des Grundgesetzes 70 für die Finanzierung aufzukommen hätte. Die anstehende Strukturreform des Gesundheitswesens sollte deshalb genutzt werden, um diese auch nach Auffassung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages .,regelungsbedürftige Frage" 71 zu lösen. 3. Finanzkontrolle im internationalen Bereich

Die Bundesrepublik Deutschland leistet jährlich knapp 5 Mrd.DM an rund 250 internationale Organisationen 72• Die Situation der Finanzkontrolle in diesem Bereich 73 mag folgendes Beispiel einer kleinen internationalen Organisation veranschaulichen: Der Bund leistet - ebenso wie die französische Regierung - einen jährlichen Beitrag in Höhe von derzeit rund 19 Mio. DM an das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW). Die Prüfung durch den Bundesrechnungshof und das Kontrollrecht des Parlaments enden mit der Hingabe der Mittel an das DFJW 74• Dagegen obliegt die Prüfung der vom DFJW durchgeführten Maßnahmen den ad personambestellten Rechnungsprüfern des DFJW 75 , die dem Kuratorium der Organisation über das Ergebnis ihrer Prüfung berichten. Das Kuratorium, dem ausschließlich von den nationalen Regierungen ernannte Mitglieder angehören, entscheidet abschließend über etwaige Folgerungen aus den Prüfungsberichten und erteilt die Entlastung. Den nationalen Rechnungshöfen geht der Prüfungsbericht der externen Prüfer nicht unmittelbar zu 76• Direkten Einfluß auf die Prüfung (Themenauswahl, Prüfungsmethodik, Bewertung) haben sie nicht. 70 So die herrschende Meinung zu Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG; vgl. Maunz in Maunz/ Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, München 1987, Art. 120 Rdnr. 23- 25; Schäfer in von Münch, Grundgesetz-Kommentar, 2. Auflage München 1983, Art. 120 Rdnr. 17; Piduch, a. a. 0., § 112 BHO Erl. 2; siehe auch Urteil des Bundessozialgerichts vom 24. Mai 1972-3 RK 9/71 - , BSGE 34, 177 (178 f.). 11 So ausdrücklich der Bericht des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines Bundesrechnungshofgesetzes vom 19. Juni 1985, Bundestags-Drucksache 10/351, S. 6. n Ohne EG; Quelle: Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992, Bundestags-Drucksache 11/2701, Nr. 1.9.2. 73 Zur Rechnungsprüfung in zwischenstaatlichen Einrichtungen ausführlich Heuer/ Dommach, a. a. 0 ., Teil VII/1. 74 So ein Rechtsgutachten der Bundesregierung über das Prüfungsrecht des Bundesrechnungshofs beim Deutsch-Französischen Jugendwerk und ein entsprechendes Kontrollrecht des Deutschen Bundestages vom 29. Februar 1972 (unveröffentlicht). 75 Vgl. Artikel9 Abs. 2 des Abkommens über das Deutsch-Französische Jugendwerk in der Fassung vom 25. November 1983 (BGBI. II 1984, S. 121). 76 Der nationale Rechnungshof kann sich allerdings im Rahmen einer Prüfung der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte im DFJW vom zuständigen Minister den Bericht der externen Prüfer vorlegen lassen.

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Die nationale Rechnungsprüfung verkümmert damit insoweit weitgehend zu einer bloßen Ordnungsmäßigkeitsprüfung hinsichtlich der Höhe und des Zahlungszeitpunkts der Beiträge aus dem nationalen Haushalt. Im übrigen ist hier lediglich eine Art mediatisierte Finanzkontrolle möglich, indem der nationale Rechnungshof die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte im Lenkungsgremium der Organisation durch den zuständigen Minister prüft 77 • Daß eine solche mittelbare Finanzkontrolle in Prüfungstiefe, Prüfungsumfang und Durchsetzungsvermögen hinter dem Regelfall der Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes zurückbleibt, liegt auf der Hand. Problematisch aber sind vor allem folgende Konsequenzen: -

Die Prüfungserkenntnisse der externen Rechnungsprüfer, aus denen sich unter Umständen wichtige Anhaltspunkte für die Höhe des Mittelbedarfs und damit für die Höhe der vom Parlament zu bewilligenden Beiträge ergeben können, werden den nationalen Parlamenten nicht bekannt und haben somit weder Einfluß auf das Entlastungsverfahren noch auf die Bewilligung neuer Mittel.

-

Die eigentliche Entlastung hinsichtlich der Verwendung der von den beiden Regierungen. aufgebrachten Mittel ist von den nationalen Parlamenten auf ein Gremium übergegangen, dessen Zusammensetzung von der Exekutive bestimmt wird und in dem gerade die zu kontrollierende Exekutive maßgeblichen Einfluß besitzt. Dieses Gremium ist Lenkungs- und Kontrollorgan zugleich 78 , ein Widerspruch zum Gedanken einer unabhängigen Finanzkontrolle.

-

Erschwerend kommt hinzu, daß bei der externen Rechnungsprüfung internationaler Organisationen im allgemeinen die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit im Vordergrund steht und Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht das Gewicht haben wie bei uns 79.

Die am Beispiel aufgezeigten Probleme der Finanzkontrolle im internationalen Bereich finden sich - in unterschiedlicher Ausgestaltung und Intensität - in beinahe allen internationalen Organisationen wieder. Das heißt, die zunehmende internationale Zusammenarbeit bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben - von gemeinsamen Entwicklungshilfeprojekten über gemeinsame Raumfahrtvorhaben bis zur gemeinsamen Planung und Beschaffung von Rüstungsgütern - führt dazu, daß sich ein wachsender Anteil des Haushalts der nationalen Finanzkontrolle und der parlamentarischen Kontrolle entzieht. Die geschilderten immanenten 77 Der Große Senat des Bundesrechnungshofes hat mit Beschluß vom 8. März 1971 klargestellt, daß die ,,Ausübung der Mitgliedsrechte des Bundes in zwischenstaatlichen Einrichtungen nach§§ 88 Abs. I, 89 Abs. 1 Ziff. 2 BHO der Prüfung durch den Bundesrechnungshof' unterliegt; zitiert bei Heuer!Dommach, a. a. 0., VII/I RN 7. 78 So auch Heuer!Dommach, a. a. 0., VII/I RN 7. 79 Zu den Gründen siehe auch Heuer!Dommach, a. a. 0 ., VII/I RN 7.

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Schwächen der Finanzkontrolle im internationalen Bereich betreffen keineswegs Randbereiche des Haushalts: mehr als ein Viertel der deutschen Entwicklungshilfe erreicht die Entwicklungsländer über multilaterale Organisationen 80; rund 70% der im Bundeshaushalt verfügbaren Investitionsmittel für Waffensysteme fließen in multilaterale Rüstungsprojekte. Auf die besonderen Probleme bei der gemeinsamen Beschaffung von Waffensystemen durch multilaterale Beschaffungsagenturen möchte ich hier nicht eingehen. 111. Schlußbemerkung Wenn ich am Beginn einer verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung zum Thema "Finanzkontrolle" auf Prüfungslücken und Schwachstellen der Finanzkontrolle in der Bundesrepublik Deutschland hingewiesen habe, dann in der Hoffnung, daß diese Fragen nicht nur Gegenstand politischer Diskussionen und Entscheidungen werden, sondern auch eine vertiefte wissenschaftliche Behandlung erfahren. Eine solche wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den angeschnittenen Problemen könnte dazu beitragen, die bisher stark von unterschiedlichen Interessengruppen bestimmte Diskussion zu versachlichen und rechtssystematisch und finanzwirtschaftlich überzeugende Lösungen zu finden. Dabei bin ich mir bewußt, daß zwar die Probleme im Bereich der kommunalen Rechnungsprüfung und der Sozialversicherung durch entsprechende Entscheidungen des Bundes- oder Landesgesetzgebers gelöst werden könnten, daß jedoch im internationalen Bereich die Grenzen der staatlichen Hoheitsgewalt zu beachten sind. So unterschiedlich die rechtlichen Voraussetzungen sind- die zu überwindenden politischen Widerstände sind in allen drei Bereichen gleich groß. Kurzfassung Von der Rechnungsprüfung zur Finanzkontrolle In den nunmehr fast 275 Jahren seit Gründung der Preußischen Generaireehenkammer haben sich Rechtsstellung und Kompetenzen, Aufgaben und Funktion, Methoden und Maßstäbe der Rechnungsprüfung in Bund und Ländern tiefgreifend gewandelt: aus der Prüfung der Rechnungen im Wortsinne ist eine Kontrolle der öffentlichen Finanzwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland geworden. Mit der institutionellen Unabhängigkeit der Rechnungsprüfungsbehörden von der geprüften Verwaltung wurde schon früh das Fundament für eine sachlich unabhängige, effiziente Finanzkontrolle gelegt. Als Grundlage des parlamentari8o

Quelle: Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992, a. a. 0 ., Nr. 1.4.

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sehen Entlastungsverfahrens hat die Finanzkontrolle eine unverzichtbare staatsrechtliche Funktion übernommen, die inzwischen in der Verfassung garantiert ist. Die Prüfungsmaßstäbe wurden von der formalen Ordnungsmäßigkeit (Belegprüfung) auf Rechtmäßigkeit und schließlich -bereits seit den frühen zwanziger Jahren - auf Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit erweitert. Damit gewann die Finanzkontrolle eine neue Dimension: anders als die traditionelle Rechnungsprüfung beschränkt sie sich nicht mehr auf die Feststellung von Mängeln in der Vergangenheit, sondern dient in gleicher Weise der zukunftsgerichteten Information der Entscheidungsträger über finanzrelevante Tatsachen und Problemzusammenhänge. Konsequenterweise wurde durch die Haushaltsrechtsreform von 1969 die Beratung von Parlament und Regierung bei finanzwirksamen Entscheidungen als Aufgabe der Rechnungshöfe gesetzlich verankert. Die gleichzeitige Einführung (auch) der rechnungsunabhängigen Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung, d. h. die Lösung der Prüfung aus der starren Bindung an die Rechnung, hat eine zeitnähere Kontrolle ermöglicht und den Zugang zu modernen Prüfungsschwerpunkten (wie Organisation oder Personalwirtschaft) eröffnet. Mit der Erstreckung der Prüfung über den unmittelbaren Staatsbereich hinaus auf Sondervermögen, Körperschaften des öffentlichen Rechts und staatliches Handeln in privatrechtlicher Form (einschließlich der Beteiligung des Staates an Unternehmen) und der Beseitigung prüfungsfreier Räume ist heute das gesamte Finanzgebaren des Staates, gleich in welcher Form, der externen Finanzkontrolle grundsätzlich zugänglich. Die großen Fortschritte auf dem Weg von der Rechnungsprüfung zur Finanzkontrolle haben die Rechnungshöfe in der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Vergleich auf eine~ Spitzenplatz geführt. Das darf jedoch den Blick auf einige Schwachstellen der Finanzkontrolle in unserem Staat nicht verstellen. Diese können zu Informationsdefiziten der Parlamente führen und damit unter Umständen deren Wirkungsmöglichkeiten beeinträchtigen. So weist die kommunale Rechnungsprüfung Mängel auf und wird dem Gewicht der Kommunen innerhalb der öffentlichen Finanzwirtschaft nicht gerecht. Andere Schwachstellen liegen im Fehlen einer externen Finanzkontrolle bei den Trägem der gesetzlichen Krankenversicherung und in der nicht zureichenden Kontrolle unserer Leistungen an internationale Organisationen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Die Tagung könnte Anstoß sein, diese Fragen in der Wissenschaft zu vertiefen, um bessere Lösungen im Interesse der Steuer- und Beitragszahler herbeizuführen.

Summary From the Audit of Accounts to Comprehensive Government Auditing In the course of the almost 275 years since the foundation of the Prussian General Chamber of Accounts there has been a fundamental change not only

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in the legal status, responsibilities, tasks and funktions of the audit institutions of the Federation and its constituent states, but also in the audit methods and criteria applied by them. Audit work, once confined to the examination of accounts, now extends to the whole ambit of public finance in the Federal Republic of Germany. The institutional independence of the audit offices from the audited administrative bodies, a prerequisite to independent government auditing, enjoys a long tradition. As the basis of the parliamentary discharge procedure, comprehensive government auditing has assumed an indispensable function of public accountability, which has been laid down in the Constitution. The audit criteria have been extended from formal regularity (voucher audit) to include compliance andsince the early twenties- economy, efficiency and effectiveness. Thus government auditing has gained a new dimension. Whereas the traditional audit of accounts was confined to the investigation of deficiencies relating to the past, modern auditing serves as a major source of information for the decision-making bodies supplying them with relevant data on measures having financial implications and special problern areas. Consequently the budgetary law reform of 1969 confers specific statutory authority on the audit institutions to advise Parliament and the executive branch on financial matters. It also provides for audit investigations of financial management aspects not reflected in the accounts, thus facilitating more topical audit work and paving the way for modern government auditing with audit emphasis on such areas as organizational structure and personnet management. The audit mandate also includes separate property funds, entities under public law and government activities under private law (such as government participations in enterprises) ensuring an appropriate cycle of audit coverage, so that practically the entire financial management of the public sector is subject to external audit. Due to the substantial progress made from the audit of accounts to comprehensive government auditing, the audit institutions of the Federal Republic of Germany now hold a leading position in the international audit community. However, it should not be ignored, that some weakness still exist. As a result, information provided to the legislative bodies may be inadequate, harnperlog effective parliamentary work. At the local Ievel, for example, audit work still has some shortcomings and does not pay due regard to the weight of the local authorities in the sphere of public finance. Other deficiencies refer i. a. to the Iack of an external audit of statutory health insurance and insufficient audit coverage of our contributions to international organizations. This conference may provide added impetus to research in this field so that better solutions will be achieved in the taxpayer' s interest. 3*

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Resurne De Ia verification des comptes au contröle des finances publiques Depuis Ia fondation de Ia Chambre generale des comptes prussienne il y a pres de 275 ans, le statut juridique, les competences, les täches et les fonctions des institutions de contröle aux niveaux de Ia Federation et des Länder ainsi que les methodes et les criteres de Ia verification des comptes appliques par elles, ont connu un changement fondamental. En Republique federale d' Allemagne, Ia verification des comptes, jadis limitee aI'examen des pieces justificatives, s'etend aujourd'hui a l'ensemble des finances publiques. L'independance institutionnelle des cours des comptes des administrations soumises a leur contröle, premisse d'un contröle financier independent, est le fruit d'une tradition tres ancienne. En tant que base de Ia decharge parlementaire, le contröle financier a assume une fonction indispensable de Ia comptabilite publique, fonction garantie par la constitution. Les criteres de Ia verification ont ete etendus en incluant au dela du contröle de Ia regularite formelle (enquete sur pieces) Ia sincerite des comptes et - depuis le debut des annees vingt 1'efficacite et I' efficience. Cette extension a confere une nouvelle dirnension au contröle des comptes. Tandis que la verification traditionneUe s'est bornee a constater les defaillances du passe, la verification moderne sert plutöt de base d'inforrnation aux pouvoirs publies au regard des projets ayant une implication financiere et de problemes y afferents. Par consequent, la reforrne du droit budgetaire de 1969 prevoit des dispositions legislatives perrnettant aux cours des comptes de conseiller le parlement et l'executive dans toutes les decisions susceptibles d'avoir des effets financiers et instituant le contröle des aspects de Ia gestion budgetaire et economique non decrits dans les comptes. Ceci a perrnis de realiser des investigations plus actuelles et de centrer davantage les travaux sur de nouveaux champs d'activite tels que l'organisation et Ia gestion du personnel. La domaine des competences couvre aussi des patrimoines a affectation speciale, des organismes de droit public et des activites de 1'Etat sous droit prive (y compris les participations publiques), le but etant d'eviter toute faille ou risquent de se glisser des irregularites soustraites au contröle, de sorte qu'aujourd'hui toute Ia vie financiere de l'Etat soit soumise au contröle financier externe. Gräce aux progres substantiels envers le contröle integre des finances publiques, les cours des comptes de la Republique federale d' Allemagne occupent un des premiers rangs a l'echelon international. Neanmoins le contröle financier a encore des defauts qui pourraient compromettre l'inforrnation adequate des organismes legislatifs retirant ainsi a l'activite parlementaire sa pleine efficacite. Sur le plan local, la verification des comptes de communes n'est pas entierement satisfaisante et ne reflete pas I'importance des collectivites locales au sein

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des finances publiques. D'autres defaillances concernent l'absence complete d'un contröle externe a l'egard de l'assurance obligatoire maladie et le contröle insuffisant de nos contributions a des organisations internationales. Ce congres pourrait stimuler une reflexion approfondie dans ce domaine afin que de meilleures solutions soient trouvees dans l'interet du contribuable.

Finanzkontrolle in der Demokratie Einordnung der Rechnungshotkontrolle in das politischadministrative System der Bundesrepublik Deutschland Von Hans Herbert von Arnim Herzlichen Dank, Herr Zavelberg, für Ihren interessanten Vortrag. Vielleicht vorab noch eine kurze Bemerkung zur Einführung der überörtlichen kommunalen Prüfung. Sie sagten, Herr Zavelberg, es würde nur eines Federstrichs bedürfen, um sie in Hessen einzuführen. Aufschlußreich ist nun, daß vor einigen Jahren in Wiesbaden ein Parlamentshearing stattgefunden hat, an dem fünf Sachverständige teilnahmen, ich auch, und in dem alle Sachverständigen übereinstimmend sagten, daß die überörtliche Prüfung erforderlich und verfassungsrechtlich unbedenklich sei. Sie ist dennoch nicht eingeführt worden. Es gibt ein Gutachten eines Kollegen, das aber nicht veröffentlicht ist, das zu dem Ergebnis kommt, die Einführung der überörtlichen Prüfung der Kommunen durch die Rechnungshöfe sei verfassungswidrig. Und die kommunalen Spitzenverbände, die im hessischen Parlament außerordentlich stark vertreten sind, haben dieses von ihnen bestellte Gutachten zum Anlaß genommen, den •.Federstrich" des Gesetzgebers zu verhindern. Soweit dieser Hinweis auf den Hintergrund, der zeigt, wieviel machtpolitische Schwierigkeiten da tatsächlich bestehen. Nun zu meinem Vortrag.

I. Theorie der Finanzkontrolle als Teil der Verfassungstheorie Mein Anliegen geht dahin, einige Elemente einer Theorie der Finanzkontrolle (durch Rechnungshöfe) zu skizzieren, die ihrerseits in eine übergreifende Verfassungstheorie der Bundesrepublik Deutschland eingebettet sein muß. Die Schwierigkeit liegt darin, daß es eine fertige, anerkannte Verfassungstheorie, die einfach auf Rechnungshöfe angewendet werden könnte, nicht gibt, ihre Entwicklung und Durchsetzung vielmehr der Staatslehre, Politikwissenschaft und Finanzwissenschaft erst noch aufgegeben ist. Die einzelnen Bausteine müssen deshalb erst herausgearbeitet und auf die Finanzkontrolle zugeschnitten werden. Verfassungstheorie hat eine empirische Seite und eine normative. Sie setzt eine Gesamtvorstellung der gesellschaftlichen und politischen Wirklichkeit vor-

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aus, zugleich aber auch einen Gesamtentwurf nonnativen Charakters 1• Beide Seiten stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern sind wechselseitig aufeinander bezogen und miteinander verbunden. Verfassungstheorie muß die Ziele des Grundgesetzes, die Akteure und die Entscheidungsverfahren zusammenfügen, ihr Wirken erklären und begründen, Probleme und drohende Fehlentwicklungen aufzeigen und zugleich die Richtung weisen, in der mögliche Verbesserungen zu suchen sind. Um zu venneiden, daß man vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht, sind Einzelheiten wegzulassen und das Ganze, seine Struktur und die darin angelegten Entwicklungstendenzen in den Blick zu nehmen 2• Das Anliegen einer Theorie der Finanzkontrolle müßte es an sich sein, ein stimmiges Vorverständnis über Sinn und Funktion der Rechnungshöfe zu entwikkein, das ( 1) Hilfe bei der Auslegung einschlägiger Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen gibt, (2) die Richtung für mögliche verfassungs-und rechtspolitische Fortentwicklungen des einschlägigen Rechts weist und (3) den Rechnungshöfen die Selbstbesinnung auf ihre Rolle, die gezielte Rekrutierung und Ausbildung ihres Personals und die Bestimmung der Intensität der Wahrnehmung ihrer Kompetenzen erleichtert. Angesichts der generalklauselartigen Weite ihrer Befugnisse, Maßstäbe und Kontrollbereiche haben die Rechnungshöfe die Chance, ihren Status und ihre Wirkungsmöglichkeiten bis zu einem gewissen Grad selbst zu bestimmen; ihre Mitglieder haben eine "lnterpretationschance hinsichtlich ihres eigenen Amtes" 3• - Das anspruchsvolle Programm einer Theorie der Finanzkontrolle kann hier und heute natürlich nicht abgearbeitet werden. Es wäre schon viel, wenn es gelänge, treffende Fragen zu stellen und den Scheinwerfer der theoretischen Neugier und des praktischen Interesses in eine Richtung zu lenken, die die weitere Diskussion befruchtet.

II. ,,Der Staat" als Prozeß Die folgenden Überlegungen gehen realistischerweise davon aus, daß "der Staat"- entgegen im Staatsrecht vorherrschender Perspektive- in Wahrheit kein monolithischer Block ist, keine kompakte Entscheidungseinheit, sondern eine polyzentrische Vielheit von Entscheidungsträgern4, die in einer Art arbeitsI Martin Drath, Veröffentlichungen der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer (im folgenden: VVDStRL), Bd. 20 (1963), S. 106- 109. 2 Hans Herbert von Arnim, Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, 1984, S. 1 - 13. Staatslehre der Bundesrepublik ist gleichbedeutend mit Verfassungstheorie der Bundesrepublik, da "der Staat" heute nicht mehr der Verfassung vorgegeben, sondern allein durch sie konstituiert ist. 3 Vgl. Ellwein, in: Ellwein/Hesse, Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, 6. Auf!., 1988, S. 335. 4 Johannes Popitz sprach insoweit von ,,Polykratie", ein Ausdruck, den Ernst Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, 1971, S. 17, wieder aufgegriffen hat. Vgl. jetzt auch J. J. Hesse, Aufgaben einer Staatslehre heute, in: Ellwein/Hesse/Mayntz (Hrsg.),

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teiligen prozeßhaften Zusammenwirken ihre Produkte zustande bringen 5• Im Untertitel dieses Vortrags habe ich deshalb statt von ,.Staat" vom "politischadministrativen System" gesprochen. Dadurch soll der prozeßhafte Ablauf der Willensbildung unter Mitwirkung einer Vielzahl staatlicher Akteure auch verbal zum Ausdruck gebracht werden. Zugleich umfaßt der Begriff ,.politisch- administratives System" (so wie ihn die Politikwissenschaft gebraucht 6) nicht nur den Staat im juristischen Sinne und seine Organe, sondern auch andere politische Akteure wie Parteien, Verbände und Medien, die großen Einfluß auf Art und Inhalt der Entscheidungen der eigentlichen Staatsorgane haben und deshalb bei der allein angebrachten prozeßhaften Betrachtungsweise - nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Die Vielheit der Akteure verlangt gleichwohl keinen Verzicht auf eine einheitliche Richtigkeitskonzeption. Das sei schon hier gesagt. Richtigkeit soll vielmehr dadurch gefördert werden, daß die verschiedenen Teile des gegliederten Gemeinwesens in ihren unterschiedlichen Rollen - je entsprechend ihrer strukturellen Eignung - zusammenwirken. Hier kommt der überzeitliche Sinn des Gewaltenteilungsgrundsatzes zum Tragen, der ja nicht nur defensiv Machtmißbrauch verhindern, sondern auch konstruktiv möglichst richtige Entscheidungen fördern soll 7 • Dieser Ansatz erlaubt erst, die Rolle der Rechnungshöfe im richtigen Licht zu sehen. Sie sollen, wie ich zeigen möchte, einen Beitrag zur Wahrung sonst leicht zu kurz kommender wichtiger allgemeiner Belange und damit zur Entzerrung administrativer und politischer Willensbildungsprozesse leisten. Die Frage nach der Rolle, ~ie Rechnungshöfe zu spielen haben, setzt einerseits eine gründliche Kenntnis des tatsächlichen Ablaufs ihrer Arbeit 8 und der für sie geltenden Rechtsnormen 9 voraus, andererseits aber auch eine gesicherte Vorstellung von den normativen Vorgaben und dem tatsächlichen Funktionieren der administrativen und politischen Prozesse, auf die Finanzkontrolle sich bezieht. Jahrbuch für Staats- und Verwaltungswissenschaften, Bd. 1/1987, S. 55 (78 f.); Brohm, Die Öffentliche Verwaltung 1987, 265 ("polyzentrisches System"). 5 Vgl. v. Arnim, Staatslehre (FN 2), durchgehend. 6 Statt vieler Carl Böhret!Werner Jann!Eva Kronenwetter, Innenpolitik und politische Theorie, 3. Aufl., 1988, S. 276 ff. 7 v. Arnim, Staatslehre (FN 2), S. 500 ff. m. w. N.; Jürgen Becker, Gewaltenteilung im Gruppenstaat, 1986, durchgehend. s Vgl. dazu vor allem die einschlägigen Beiträge in den jüngsten Jubiläumsschriften von Rechnungshöfen: Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit (Hrsg.), Dem Staat in die Kasse geschaut. 175 Jahre Oberster Rechnungshof, 1987; Präsident des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), 40 Jahre Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen 1948- 1988, 1988; Präsident des Rechnungshofs des Saarlandes (Hrsg.), Finanzkontrolle im Saarland. 25 Jahre Rechnungshof des Saarlandes, 1988. 9 Dazu Susanne Tiemann, Die staatsrechtliche Stellung der Finanzkontrolle des Bundes, 1974; Klaus Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. Il, 1980, § 34 (S. 410 ff.); Kommentare zum Haushaltsrecht, insbes. Ernst HeuertHermann Dommach, Handbuch der Finanzkontrolle, Loseblatt-Kommentar zum Bundeshaushaltsrecht

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In diesem Kreise hochkarätiger Kenner bin ich aber in der glücklichen Lage, alle Einzelheiten voraussetzen und mich auf einige übergreifende Gedanken konzentrieren zu können, die ihrerseits aber auf die Beurteilung der Einzelfragen zurückstrahlen. 111. Die demokratische Legitimation des Rechnungshofs Die Theorie der Finanzkontrolle hat von dem Fundamentalprinzip des Grundgesetzes auszugehen, daß alle Staatsgewalt der demokratischen Legitimation bedarf, also auf den Willen des Volkes rückführbar sein muß. Es könnte zwar zweifelhaft sein, ob Rechnungshöfe überhaupt Staatsgewalt in diesem Sinne ausüben, weil sie nur Informationen und Ratschläge geben und selbst keine verbindlichen Entscheidungen treffen. Gleichwohl nehmen sie auf die Entscheidung anderer Einfluß - darin besteht geradezu ihr Daseinszweck - , so daß sich auch für sie Legitimationsfragen stellen, wenn auch vielleicht nicht in gleicher Intensität wie bei verbindlich entscheidenden Staatsorganen. Das Grundgesetz kennt (ebenso wie die Landesverfassungen) zwei unterschiedliche Ebenen demokratischer Legitimation. Die erste Ebene ist die Legitimation durch das Volk als Verfassungsgeber (Art. 20 II 1 GG) 10• Die Verfassung begründet alle Staatsgewalt, überträgt sie auf bestimmte Institutionen und weist diesen regelmäßig bestimmte Funktionen zu. Da die Verfassung ihrerseits auf dem Willen des Volkes beruht 11 , erhalten auch die Einrichtungen, die die Verfassung schafft und denen sie Funktionen zuweist, verfassungsunmittelbare institutionelle und funktionelle demokratische Legitimation 12• Davon zu unterscheiden ist die Legitimation durch das Volk als von der Verfassung konstituiertes Organ. Diese Form der Legitimation beruht vor allem auf den periodisch wiederkehrenden Wahlen (Art. 20 II 2 GG), die die Ausübung der Staatsgewalt - direkt oder durch Zwischenstationen vermittelt - an das 10 Vgl. neben Art. 20 II 1 GG ("Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.") die Präambel, wonach "das Deutsche Volk ... kraftseiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beschlossen hat". Zum Volk als Verfassungsgeber, als pouvoir constituant, allgemein Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die verfassungsgebende Gewalt des Volkes- ein Grenzbegriff des Verfassungsrechts, 1986; Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl., 1984, S. 145 ff.; ders., Staatsrecht II (FN 9), S. 17 ff.; jeweils m. w. N. 11 Zur demokratischen Legitimation des Grundgesetzes und der Länderverfassungen vgl. Reinhard Mußgnug, Zustandekommen des Grundgesetzes und Entstehen der Bundesrepublik Deutschland, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 1, 1987, § 6, Rn. 96-103; Gerhard Maunz/Reinhold Zippelius, Staatsrecht, 27. Aufl., 1988, § 6 (S. 33 - 36); jew. m. w. N. 12 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, 196 ff.; Böckenförde/ Grawert, Sonderverordnungen zur Regelung besonderer Gewaltverhältnisse, AöR 1970, 1 (26 f.); jew. m. w. N.

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Volk binden soll. Sie hat eine personelle und eine sachlich-inhaltliche Komponente 13• Die Unterscheidung beider Legitimationsebenen ist gerade für das Verständnis der Stellung der Rechnungshöfe besonders relevant. Auch der Bundesrechnungshof, von dem hier beispielhaft ausgegangen werden soll, besitzt institutionelle und funktionelle demokratische Legitimation, weil der Verfassungsgeber ihn durch Art. 114 II GG als Institution eingesetzt, die richterliche Unabhängigkeit seiner Mitglieder und damit auch des Rechnungshofs insgesamt garantiert und ihm die Funktion übertragen hat, "die Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung" zu prüfen, wobei "das Nähere über Stellung und Aufgaben des Rechnungshofs ... durch Gesetz geregelt" wird. Darüber hinaus besitzt der Rechnungshof eine - wenngleich mittelbare personelle demokratische Legitimation, da seine Spitze von Regierung und Bundestag gemeinsam bestimmt (und vom Bundespräsidenten ernannt) wird. Eine Abwählbarkeit seiner Mitglieder aber besteht nicht. Eine inhaltlich-sachliche Rückbindung an den Willen des Volkes, wie sie etwa bei der Regierung (und der weisungsgebundenen Verwaltung) durch die Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament - verbunden mit der Abwählbarkeit - besteht, gibt es beim unabhängigen Rechnungshof nicht. Dies hat in der Vergangenheit immer wieder dazu geführt, dem Rechnungshof die demokratische Legitimation überhaupt abzusprechen (und damit die Ausübung seiner Kompetenzen tendenziell zu begrenzen). Diese einseitige Betrachtung wurde dadurch erleichtert, daß die institutionelle und funktionelle demokratische Legitimation als Kategorie lange fast in Vergessenheit geraten war, bevor das Bundesverfassungsgericht sie in jüngerer Zeit wieder in Erinnerung gerufen hat 14• Für das Verständnis der Stellung der Rechnungshöfe ist sie, wenn ich recht sehe, bisher noch nicht nutzbar gemacht worden. Tut man dies aber, so läßt sich die Pauschalthese von der fehlenden demokratischen Legitimation des Rechnungshofs nicht mehr halten. Das Volk selbst- als Verfassungsgeber-istes ja, das den Rechnungshof unabhängig gestellt hat, damit er unbefangen und sachverständig Informationen und Ratschläge erarbeiten und weitergeben und so die Basis für Entscheidungen der Verwaltung, der Regierung und des Parlaments (und nicht zuletzt des Volkes selbst) verbessern kann.

13 Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 20 GG, Abschn.II (1987), Rn. 50 ff.; Bökkenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: lsensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts I, 1987, § 22, Rn. 16 ff.; Oebbecke, Weisungs- und unterrichtungsfreie

Räume in der Verwaltung, 1986, S. 67 ff. 14 BVerfGE 49, 89 (125); 68, 1 (88).

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IV. Entscheidung durch das Volk und für das Volk In der Einrichtung Rechnungshofberühren sich Fragen demokratischer Selbst· bestimmung und inhaltlicher Richtigkeit. Da das Verhältnis beider Begriffe für das Verständnis der Finanzkontrolle grundlegend ist, muß es noch etwas traktiert werden. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, daß es in der Demokratie des Grundgesetzes nicht nur darum gehen kann, durch das Volk zu entscheiden, sondern auchfür das Volk, d. h. in seinem Interesse 15• Das von den Staatsorganen Ent· schiedene muß als vom Volk gewollt vorgestellt werden können. In dieser Sicht erhält die staatsrechtliche Verpflichtung aller Amtsträger auf das Gemeinwohl, die das Bundesverfassungsgericht immer wieder hervorgehoben hat 16, ihren Sinn. Das Gemeinwohlgebot ergibt sich ausdrücklich aus den Vorschriften des Grundgesetzes und der Beamtengesetze: für Bundespräsident, Kanzler und Minister kommt es im Amtseid (Art. 56, 64 II GG) zum Ausdruck, für Abgeordnete ergibt es sich aus der Verpflichtung auf das "ganze Volk" (Art. 38 I 2 GG) und für Beamte aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtenturns (Art. 33 V GG) und den Beamtengesetzen (§ 35 BRRG). Daß Volksvertreter ihren Entscheidungsspielraum gemeinwohlorientiert, d. h. im Interesse des Volkes, auszuüben haben, ist ein wesentlicher Inhalt des sog. Repräsentationsprinzips 11• Dabei darf man aber nicht dem obrigkeitsstaatliehen Dünkel erliegen und Gemeinwohl bzw. inhaltliche Richtigkeit gegen den Willen des Volkes ausspielen. Dieser geht in der Demokratie vielmehr vor. Inhaltliche Richtigkeilsfragen stellen sich deshalb nur subsidiär, also nur, wenn und soweit der Volkswille nicht zu ermitteln ist. Da die wiederkehrenden Volkswahlen das Hauptinstrument sind, um den jeweiligen Willen des Volkes (als Verfassungsorgan) zu ermitteln, richtet der Blick sich auf sie. Das offizielle Demokratiemodell, wie es sich meist noch in den Schulbüchern des Sozialkundeunterrichts findet, geht von einer Art Richtigkeitsautomatismus aus: Das Volk, das in periodischen Wahlen die Macht vergibt, bringt mit Mehrheit diejenigen an die Regierung, von denen erwartet werden kann, daß sie den Willen des Volkes verwirklichen; die gewählten Repräsentanten bemühen sich ihrerseits, dieser Erwartung auch zu entsprechen, schon um wieder· gewählt zu werden. Treten Mißstände auf, so ist es Sache der Bürger, mit dem 1s Konrad Hesse, Die verfassungsrechtliche Stellung der Parteien im modernen Staat, VVDStRL 17, 11 (19 f.); Martin Kriele, Das demokratische Prinzip im Grundgesetz, VVDStRL 29, 46 (60); Roman Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 20 GG, Abschn. n, Rn.46. 16 Z. B. BVerfGE 12, 354 (364); 42, 312 (332); 44, 125 (143); 49, 89 (132); 50, 50 (51). 17 Dazu Hans Herber! von Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen. Die Durchsetzungsschwäche allgemeiner Interessen in der pluralistischen Demokratie, 1977, S. 388 ff.; ders., Die Öffentlichkeit kommunaler Finanzkontrollberichte als Verfassungsgebot, 1981, 35- 37; jew. m. w. N.

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Stimmzettel eine Korrektur herbeizuführen 18• In dieser Sicht verwirklicht die Demokratie sozusagen automatisch den Willen des Volkes. (Jedenfalls ergibt sich keine systematische Tendenz zur Abweichung.) Für die (mit Anspruch auf Objektivität vorgetragene) Charakterisierung einer im demokratischen Verfahren zustande gekommenen Politik als unrichtig bleibt kein Raum mehr - sie ist quasi kraft Definition richtig. Über das Medium der allgemeinen Wahl wird das Gemeinwohl verwirklicht -jedenfalls das, was die Bürger dafür halten - und darauf kommt es in der Demokratie eben an. Die Frage aber ist, ob dieses Demokratiemodell noch haltbar oder ob nicht eine Revision überfällig ist. Die Schwäche des offiziellen Demokratiemodells liegt in der Gleichsetzung von Entscheidungen der Repräsentanten mit solchen des Volkes. In Wahrheit sind die Transformationsmechanismen, mit denen eine Rückbindung an das Volk erfolgen soll, derart grob und lose, daß den Repräsentanten in der Praxis ein weiter Spielraum bleibt. Dies hat viele Gründe, von denen hier nur das sog. Ostrogorski-Paradoxon genannt sei. Ostrogorski hat den Nachweis erbracht, daß bei den demokratischen Wahlen nicht unbedingt diejenigen Parteien die Mehrheit erhalten, die die verbreitetsten Anliegen auf ihre Fahnen geschrieben haben 19. Besitzen die Repräsentanten aber einen Spielraum, so lassen sich ihre Entscheidungen insoweit nicht mehr als solche des Volkes ausgeben und damit gegen Kritik immunisieren. Dann kommt es darauf an, daß die Repräsentanten ihren Spielraum für inhaltlich möglichst richtige Entscheidungen nutzen. Jetzt erhält der erwähnte Grundsatz Aktualität, daß es in der Demokratie nicht nur darum geht, durch das Volk zu entscheiden, sondern - subsidiär- auch für das Volk. Es entspricht einem bewährten Grundsatz, daß dann, wenn und soweit ein autonomes Rechtssubjekt seinen Willen nicht mehr zu artikulieren vermag, sein Interesse maßgeblich sein muß: "Stat pro voluntate ratio". Und muß dies nicht auch im Falle des Souveräns Volk gelten?

V• .,Pluralistische Harmonie" oder ,,Staatsversagen"? Keine Richtigkeitsprobleme ergeben sich allerdings für die sog. pluralistische Harmonielehre. Sie geht davon aus, alle Interessen könnten sich entsprechend ihrem Gewicht organisieren; aus dem Parallelogramm der Kräfte ergebe sich 18 Vgl. z. B. ReinhardMußgnug, VVDStRL, Bd. 29 (1982), S. 382: Voreinerverfehlten Politik müssen wir uns in der Demokratie des Grundgesetzes "mit dem Stimmzettel selbst schützen". 19 Vgl. Rae/Daud, The Ostrogorski Paradox: A Peculiarity of Compound Majority Decision, European Journal of Political Research 1976, S. 391; vgl. auch Claus Ojfe, Politische Legitimation durch Mehrheitsentscheidung? in: Guggenberger/Offe, An den Grenzen der Mehrheitsdemokratie, 1984, S. 150 (163 f.).

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ein ausgewogenes Ganzes 20• In dieser Sicht wird Repräsentation im Interesse des Ganzen überfüssig. Der einzelne Abgeordnete kann sich sogar mit Interessenverbänden identifizieren, in der Erwartung, daß sich andere Abgeordnete mit anderen identifizieren und aus dem Zusammenwirken aller ein ausgewogenes Ganzes resultiere. Freiheit des Mandats zur Repräsentation des Ganzen durch den einzelnen Abgeordneten wird ebenso funktionslos wie die- auf das Verhalten des einzelnen Abgeordneten bezogene- Gemeinwohl- Vorstellung 21 • Dann wird die Freiheit des Mandats in der Tat zu einem Relikt aus der verfassungsrechtliehen Steinzeit. Die Sicherung von Richtigkeit aber wird zum prekären Problem, wenn Tendenzen erkennbar werden, daß der Druck der organisierten Interessen eine Schlagseite aufweist und die Akteure ihren Spielraum falsch, d. h. nicht im Interesse der Gemeinschaft, sondern zu ihrem Schaden nutzen. Vor diesem Hintergrund können die Thesen der modernen (politikwissenschaftlichen) Pluralismuskritik und der (politikökonomischen) Theorie des Staatsversagens in ihrer verfassungstheoretischen Relevanz gar nicht überschätzt werden. Sie laufen im Kern darauf hinaus, daß der politischen Willensbildung in der pluralistischen Demokratie eine spezifische Asymmetrie der Interessenwahrnehmung und -durchsetzung innewohnt: Da sich zwar enge Partikularinteressen, nicht aber allgemeine Interessen in ausreichender Stärke organisieren lassen, und, was unorganisiert, in der pluralistischen Demokratie auch weitgehend ungeschützt ist, kommen allgemeinste, weiteste Bevölkerungskreise umfassende Interessen paradoxerweise am ehesten zu kurz, eine Erscheinung, die demokratische Vorstellungen geradezu auf den Kopf stellt; nian könnte sie "Pluralismus-Paradoxon" 22 nennen. Der Wähler kann mit dem Stimmzettel nichts Durchgreifendes ändern, weil beide parteipolitischen Alternativen dem gleichen asymmetrischen Kräfteparallelogramm unterliegen, die berühmte Frage "Do parties matter?'' (von Beyme) also tendenziell verneint werden muß. Schaut man genauer hin, so ergibt sich allerdings ein differenziertes Bild. Sonderinteressen lassen sich in der Regel schlagkräftiger organisieren als allgemeine Interessen, Gegenwartsinteressen sind politisch virulenter als Zukunftsinteressen, wirtschaftliche sind stärker als ideelle, die Interessen an der Erhöhung von Einkommen werden nachdrücklicher vertreten als die an der Senkung von Ausgaben. Da aber auch die wichtigsten Interessen auf der Ausgabenseite solche der Allgemeinheit (der Konsumenten, Sparer und Steuerzahler) sind und man auch Zukunftsinteressen in einem weiteren Sinn als allgemeine Interessen ansehen kann, bleibt die Feststellung von der organisatorischen und politischen Schwäche von Allgemeininteressen typischerweise riGhtig 23 • Dazu v. Arnim, Gemeinwohl (FN 17), S. 148 ff. Dazu v. Arnim, Gemeinwohl (FN 17), S. 388 ff. m. w. N. 22 Dazu v. Arnim, Gemeinwohl (FN 17), S. 151 ff. und durchgehend; ders., Staatsversagen: Schicksal oder Herausforderung?, Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament B 48/1987, S. 17 ff. 20 21

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Die Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel hat in ihrem Gutachten aus dem Jahre 1976 wie folgt formuliert: "In der Bundesrepublik Deutschland bestehen vielfältige Einflußmöglichkeiten organisierter gesellschaftlicher Gruppen. Dies begünstigt im Zusammenhang mit dem . . . Mangel an Langzeitorientierung eine Konzentration staatlicher Aktivitäten auf manifeste Probleme einzelner Gruppen, wodurch tendenziell eine kurzfristige partikulare ... Orientierung begünstigt wird ... Die Überzeugungskraft schneller und sichtbarer Erfolge beim Wähler veranlaßt Politiker in vielen Fällen dazu, langfristige . . . Maßnahmen immer wieder zurückzustellen ... Je kürzer der Abstand zwischen Wahlterminen ist, die zu wahltaktischem Verhalten verleiten, um so schwieriger wird es, langfristige Maßnahmen überhaupt zu verwirklichen. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, daß die Landtagswahltermine über die vierjährige Legislaturperiode des Bundestags verstreut liegen" 24•

Soweit diese Thesen zutreffen, helfen abstrakte Verpflichtungen auf Gemeinwohl nur noch begrenzt. Wer ihnen trotz widriger politischer Tendenzen freiwillig folgt, riskiert politischen Mißerfolg und gefahrdet persönlich seine politische Karriere. Solche fast schon heroische Pflichtauffassung kann man jedenfalls nicht voraussetzen. VI. Rechnungshöfe als (partielle) Gegengewichte Dennoch bleibt die Gemeinwohlvorstellung unverzichtbar. Es verschiebt sich allerdings das Problem. Es geht nicht mehr nur um Fragen seiner inhaltlichen Ermittlung, sondern auch um die Sicherung der politischen Durchsetzbarkeil gegen Widerstand. Dies ist, wie ich meine, die Verfassungsfrage unserer Zeit 25; sie muß auf vielen Ebenen angegangen werden. Nicht zuletzt kommt es darauf an, funktionsadäquate Organisations- und Verfahrensformen zu schaffen 26• Auch das Bundesverfassungsgericht hat den Begriff der Richtigkeit mit Fragen der Organisation und Kompetenzverteilung verknüpft. Das Gericht hat im Nachrüstungsbeschluß hervorgehoben, die Teilung der Gewalten und die Zuweisung verschiedener Funktionen an verschiedene Organe ziele darauf ab, daß staatliche Entscheidungen "möglichst richtig, d. h. von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen" 27 • Dem Gericht ging es primär um die Frage, wer für den Nachrüstungsbeschluß zuständig ist, die Regierung oder (auch) das Parlament. Es liegt aber in der Logik dieses Gedankenganges, den 23 Dazu v. Arnim, Staatslehre (FN 2), S. 272 ff., 304 ff.; Reinhold Zippelius, Allgemeine Staatslehre (Politikwissenschaft), 10. Aufl., 1988, § 26 V (S. 235 - 239). 24 Gutachten der Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, 1976, Kap. I,

Rn.36. 25

26 21

von Arnim, Staatsversagen: Schicksal oder Herausforderung? (FN 22), S. 17 (27 f.). Zippelius, Staatslehre (FN 23), § 31 II 3 (S. 305 f.). BVerfGE 68, 1 (86).

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Ablauf des Willensbildungsprozesses möglichst so zu organisieren, daß Schlagseiten ausgeglichen werden und die Suche nach Richtigkeit sich ohne systematische Verzerrungen entfalten kann 2s. Fritz Scharpfhat in seiner berühmten Konstanzer Antrittsvorlesung über "Demokratie zwischen Utopie und Anpassung" die Anforderungen an die moderne Demokratie dahin formuliert: Der politische Prozeß müsse so ausgestaltet werden, "daß die Entscheidungen in relativer Unabhängigkeit von Pressionen der organisierten Interessengruppen ... durchgesetzt werden können" und "die Politik . . . gerade auf jene Bedürfnisse, Interessen, Pobleme und Konflikte reagieren kann, die innerhalb der pluralistischen Entscheidungsstrukturen nicht ausreichend berücksichtigt werden"29. Schaut man genauer hin, so stellt man fest, daß es in der Bundesrepublik bereits einige einschlägige Ansätze gibt: die Rechtsprechung mit dem Bundesverfassungsgericht an der Spitze, den Bundespräsidenten, die unabhängige Bundesbank, die unabhängige Wissenschaft, Sachverständigengremien, etwa den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, und last but not least - die unabhängigen Rechnungshöfe. Alle diese Einrichtungen sind dadurch gekennzeichnet, daß sie in Distanz zu den von Parteien und Verbänden beherrschten Organen Parlament und Regierung gesetzt sind, so daß sie gegen daher rührende Fehlentwicklungen ausschwenken können3o. Allerdings haben Staatsrechtslehre und Politikwissenschaft diese Einrichtungen noch nicht ausreichend zur Kenntnis genommen, geschweige denn verarbeitet. Statt sie als mögliche Gegengewichte gegen strukturbedingte Fehlentwicklungen zu erkennen, werden sie auch heute noch oft als irreguläre, mehr oder weniger problematische (und in ihren Kompetenzen rückzuschneidende) Ausnahmen von der demokratischen Norm betrachtet, wobei die institutionelle und funktionelle demokratische Legitimation regelmäßig ganz ausgeblendet wird. Es gibt immer wieder Stimmen, die derartige Institutionen sogar (wie die Bundesbank und der Sachverständigenrat) als verfassungswidrig bezeichnen 31 , ohne zu fragen, ob die gegenüber der frühliberalen Demokratie verschobene Gefahrenlinie in der pluralistischen Demokratie nicht solche Institutionen zur Förderung des Gemeinwohls verlangt. Will man die Situation mit einem Satz charakterisieren, so kann man ohne allzu große Übertreibung sagen: Die Rechtsordnung verfügt bereits über 2s Hans Herbert von Arnim, Zur "Wesentlichkeitstheorie" des Bundesverfassungsgerichts, Deutsches Verwaltungsblatt 1987, S. 1241 (1248 f.). 29 Fritz Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, 1970, S. 75. 30 v. Arnim, Gemeinwohl (FN 17), S. 190 ff.; ders., Staatslehre (FN 2), S. 503 f.; Zippelius, Staatslehre (FN 23), § 27 II 3 (S. 252 f.). 31 Für die Bundesbank z. B. Faber, Wirtschaftsplanung und Bundesbankautonomie, 1969, S. 14, 69; Eckart Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, 1974, S. 215. Für den Sachverständigenrat Ernst Wolfgang Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 255 ff.

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gewisse Gegengewichte gegen Pluralismusdefizite, bloß hat die Theorie sie noch nicht als solche erkannt und verarbeitet32 • In dieser Sicht kann aus der fehlenden parlamentarischen Verantwortlichkeit des Rechnungshofs (wie auch anderer unabhängiger Instanzen) kein Argument gegen seine Legitimation abgeleitet werden. Er ist von der Verfassung, vom Volk als Verfassungsgeber, unabhängig gestellt, um seine Willensbildung von Verzerrungen freizuhalten und dadurch die Willensbildung solcher Einrichtungen bis zu einem gewissen Grade auszutarieren, die spezifischen Verzerrungen unterliegen.

VII. Ausgleich von (finanzwirtschaftlichen) Informationsdefiziten Bei Untersuchung der Rolle der Rechnungshöfe muß man vorweg fragen, welchen Defiziten sie begegnen sollen: was fehlen würde, wenn es sie nicht gäbe. So sind wir auch bisher schon vorgegangen, nur auf ziemlich abstrakter Ebene. Ich möchte nunmehr versuchen, etwas konkreter zu werden. Rechnungshöfe haben (neben der Sicherung der rechnungsmäßigen Korrektheit) zu mehr Rechtmäßigkeit (i. e. S.) und Wirtschaftlichkeit finanzwirtschaftlieber staatlicher Entscheidungen beizutragen. Über den Inhalt der Begriffe Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit und ihre Abgrenzung wird Herr Krebs sprechen. Hinsichtlich der Rechtsvorschriften kann ich mich deshalb auf den Hinweis beschränken, daß diese überwiegend dem staatlichen Innenrecht und dem objektiven Recht angehören 33 und ihre Einhaltung in einem gerichtlichen Rechtsschutzsystem, das sich auf die Kontrolle von Außenrechtsnormen, die in subjektive Bürgerrechte eingreifen, konzentriert, notlitte, wenn es die Rechnungshöfe nicht gäbe. 1. Wirtschaftlichkeit

Interessanter, weil ungeklärter, ist die Wirtschaftlichkeitskontrolle. (Auch hier nur einige wenige Bemerkungen, soweit sie für die Erfassung der Stellung der Rechnungshöfe unverzichtbar sind.) Kennzeichen der Wirtschaftlichkeit (und 32 Dieser schon 1977 von mir formulierte Satz (v. Arnim, Gemeinwohl [FN 17], 187) hat inzwischen allerdings etwas an Berechtigung verloren. Eine Reihe neuerer Habilitationsschriften hat die zugrundeliegende Betrachtungsweise übernommen: Gunnar Folke Schuppert, Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch verselbständigte Verwaltungseinheiten, 1981, 352 ff.; Jürgen Becker, Gewaltenteilung im Gruppenstaat Ein Beitrag zum Verfassungsrecht des Parteien- und Verbändestaates, 1986, durchgehend; Oebbecke, (FN 13), S. 173 ff. Vgl. auch Zippelius, Staatslehre (FN 23), § 26 V 2; VI;§ 27 II; § 31 II 3. 33 Hans Herbert von Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, 1988, S. 96 ff., 102 ff.

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ihres Synonyms Rationalität) ist, daß sie nichts über die Ziele oder den Inhalt von Entscheidungen aussagt, wohl aber darüber, auf welche Weise Entscheidungen herbeizuführen sind. Wirtschaftlichkeit ist eine Maximierungstechnik 34• John Bernhard Shaw hat dies aphoristisch formuliert: .,Economy is the art to make the most of life." Was immer man erreichen will, bei Beachtung der Regeln der Wirtschaftlichkeit kann man mehr davon erreichen. Übertragen auf Staatsorgane bedeutet Wirtschaftlichkeit ein methodisches Vorgehen, das es diesen erlaubt, das meiste aus den anvertrauten Mitteln zu machen oder: die anvisierten Ziele mit den geringsten Kosten zu erreichen. Die Vor- und Nachteile der möglichen Alternativen sind zu diesem Zweck gegeneinander abzuwägen, schlechte auszusondern und die relativ beste oder bei mehreren gleichwertig guten: eine davon zu wählen. Bezogen auf die Aufstellung des Haushalts (und die damit verfolgten Gemeinschaftsziele) verlangt Wirtschaftlichkeit idealiter (u. a.), die finanziellen Mittel so zu verteilen, daß der daraus für die Gemeinschaft zu erwartende Gesamtnutzen möglichst groß ist. Dies setzt im theoretischen Idealfall einen Ausgleich der Grenznutzen voraus. Die verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten sind zu vergleichen, und finanzielle Mittel da abzuziehen, wo sie niedrigen Nutzen bringen, und dahin umzuleiten, wo der Nutzen hoch ist. Darin besteht im Kern die übergreifende Koordinationsaufgabe bei der Haushaltsaufstellung. Die exakte Durchführung ist in der Praxis natUrlieh nur begrenzt möglich. Wir brauchen uns mit den vielen Problemen, die sich bei Anwendung der Wirtschaftlichkeitsformel ergeben, hier aber nicht weiter aufzuhalten, sondern können es bei zwei Feststellungen belassen. Erstens: Wie der Praktiker weiß, gibt es nur allzu häufig eindeutige Fälle von Verschwendung, über deren Einschätzung kaum Zweifel bestehen können. Zweitens: Welche Probleme sich in Grenzfällen auch ergeben, klar ist jedenfalls, daß bei wirtschaftlichem Vorgehen alle relevanten Informationen herangezogen werden müssen. Die Koordinationsinstanzen- Finanzminister, Regierung, Haushaltsausschüsse, Parlament - können sich die benötigten Informationen regelmäßig nicht selbst beschaffen. Sie sind weit weg von der Front, die sie in ihrer tausendfachen Vielgestaltigkeit nicht aus eigener Wahrnehmung kennen können. Sie sind deshalb auf die Akteure vor Ort angewiesen, um zu erfahren, wo einerseits besonders dringender Bedarf besteht und andererseits Mittel erübrigt werden können, etwa weil Personal überflüssig, Investitionen unnötig oder weil Sozialleistungen die Falschen begünstigen oder Subventionen das angestrebte Ziel nicht fördern.

2. Typische Widerstände der Verwaltung Wie die Erfahrung lehrt, weisen nun aber die Informationen, die bei Vorbereitung des Haushalts von unten nach oben gegeben werden, eine typische Schlagsei34

v. Arnim, Wirtschaftlichkeit (FN 33), S. 33 ff.: .,Wirtschaftlichkeit als Methode".

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te auf. Gründe für benötigte Mehrausgaben werden ausführlich dargelegt, nicht aber die Gründe, die umgekehrt für Minderausgaben und eine entsprechende Verringerung der Haushaltsansätze sprechen. Das liegt einmal daran, daß untere Verwaltungseinheiten meist gar nicht wissen können, ob ihre Mittel, falls sie woanders eingesetzt würden, dort höheren Nutzen brächten, weil sie die anderweitigen Möglichkeiten nicht übersehen. Vor allem aber rührt die Informationsasymmetrie daher, daß Mittelkürzungen den Interessen der Betroffenen zuwiderlaufen. Je mehr Mittel, desto mehr Einfluß, Ansehen und Status. Hier wirkt der alte Parkinson-Effekt, der inzwischen auch von der F~nanzwissenschaft und der Verwaltungswissenschaft voll vereinnahmt und von der ökonomischen Theorie der Bürokratie verfeinert worden ist 35. Einsparungsmöglichkeiten werden deshalb nur widerwillig preisgegeben 36. Insoweit sind Verwaltungsleute nicht mehr unbefangen, sondern selbst Partei. Die asymmetrische Informationspolitik der Administration ist, bezogen auf das Ziel, Status und Renommee zu mehren, zwar durchaus wirtschaftlich ebenso wirtschaftlich wie das Verhalten eines homo oeconomicus, der seinen Gewinn oder Nutzen zu maximieren trachtet. Hier bestätigt sich drastisch, daß der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit noch nichts über die Ziele aussagt und deshalb - je nach den verfolgten Zielen - ganz unterschiedliche Resultate zeitigen kann. Der Verwaltungsmann, der Einsparungsmöglichkeiten in seiner Abteilung "abdunkelt", handelt- bezogen auf sein individuelles Interessejedenfalls so lange wirtschaftlich, als für dieses Verhalten keine merklichen Sanktionen zu erwarten sind. Diese Art von Wirtschaftlichkeit aber mißbilligt das Grundgesetz. Es verlangt von den Staatsorganen nicht Wirtschaftlichkeit bei der Verfolgung irgendwelcher - möglicherweise höchst eigennüt;z;iger - Ziele, sondern die wirtschaftliche Förderung von Gemeinschaftsbelangen. Amtsträger dürfen sich - anders als ein homo oeconomicus - nicht von ihren Eigeninteressen leiten lassen37. 3. Luhmann auf Abwegen

Diese Aussage ist durchaus nicht mehr selbstverständlich. Gewisse Zweige der Soziologie - ich nenne nur den wortgewaltigen Niklas Luhmann und seine Schule - , von denen auch die Rechtswissenschaft mehr und mehr infiziert wird, weisen die Vorstellung, dem Grundgesetz lägen bestimmte Gemeinschaftszwekke zugrunde, rundheraus als "denkunmöglich" zurück 38. Dadurch verschaffen 35 Dazu statt vieler v. Arnim, Staatslehre (FN 2), S. 356 ff. m. w. N. 36 Daß Behörden auch bei rückläufigem Aufgabenbestand dazu tendieren, weiter vor

sich hinzuarbeiten, ohne von sich aus die nötigen Einsparungen zu initiieren, hat der RechnungshofRheinland-Pfalz in den letzten Jahren an den Beispielen der Wiedergutmachungs-, der Lastenausgleichs- und der Straßenbauverwaltungen sowie der Kulturämter dargelegt. 37 v. Arnim, Staatslehre (FN 2), S. 128 - 130. 4•

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sie sich verfassungsrechtliche Rückendeckung bei ihrem Versuch, die Verwaltungen inhärente Tendenz, sich unabhängig von ihren Aufgaben aufzublähen, als "organisationserhaltend" zu verklären und per soziologischer Magie den Mangel in ein Positivum zu wenden 39. Der Asymmetrie des Informationsflusses von unten nach oben entgegenzuwirken und dadurch die Aufgabe der Koordinationsgremien zu erleichtern, ist Sache des Rechnungshofs: Er soll - angesichts der Befangenheit der Verwaltungen -als sachverständiger Zeuge sozusagen an den Verwaltungen vorbei ein unverzerrtes Bild vom Sachverhalt liefern. Daneben soll sich die Möglichkeit einer Prüfung durch den Rechnungshof im Wege des Präventiveffekts dahin auswirken, daß die Verwaltungen Informationen über Einsparungsmöglichkeiten von sich aus eher zur Verfügung stellen. 4. Kontrolle der Kontrolle

Nun wäre der Rechnungshof - schon angesichts der Größenordnungen überfordert, wenn er alle Informationsdefizite selbst ausgleichen wollte. Eine Aufgabe des Rechnungshofs besteht deshalb auch darin, dafür zu sorgen, daß dies möglichst durch die verantwortlichen Instanzen selbst geschieht. Dies kommt auch in dem Wort Zavelbergs zum Ausdruck, eine wichtige Aufgabe der Rechnungshöfe sei nicht nur die Kontrolle, sondern auch die ,,Kontrolle der Kontrolle" 40 • Der Rechnungshof sollte sich weniger auf die Kontrolle des Inhalts von Entscheidungen verlegen, als vielmehr auf Organisation und Verfahren der Entscheidungsfindung, von denen der Inhalt mitabhängt Dieser Gedanke, den Heinrich Reinermann 41 ausgebreitet hat, ist auch von finanzwissenschaftlicher 42 und rechtswissenschaftlicher43 Seite aufgegriffen worden. Er ist in der Tat bestechend und hat für die Kontrolle besondere Relevanz. Die Kriterien für die angemessene Ausgestaltung der Verfahrensordnung bzw. die Nichteinhaltung dieser Kriterien sind oft leichter 38 Dazu näher v. Arnim, Wirtschaftlichkeit (FN 33), S. 41 ff. m. w. N. 39 Hans Herbert von Arnim, Steuerung durch Recht, in: v. Amim/K.lages (Hrsg.), Probleme der staatlichen Steuerung und Fehlsteuerung in der Bundesrepublik Deutschland, 1986, S. 51 (60 - 63 m. w. N.). 40 Heinz Günter Zavelberg, Staatliche Rechnungsprüfung und Erfolgskontrolle Möglichkeiten, Grenzen, in: Eichhorn/von Kortzfleisch (Hrsg.), Erfolgskontrolle bei der Verausgabung öffentlicher Mittel, 1986, S. 103 (109 f.). 41 Heinrich Reinermann, Messungsprobleme der Rechnungskontrolle, in: Letzelter/ Reinermann (Hrsg.), Wissenschaft, Forschung und Rechnungshöfe. Wirtschaftlichkeit und ihre Kontrolle, 1981, S. 225 (240 ff.). 42 Karl-Heinrich Hansmayer, Methoden der Subventionskritik und Subventionskontrolle, in: Präsident des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Steuerung und Kontrolle als Instrumente wirtschaftlicher Haushaltsführung, 1986, 167 (182). 43 Bernd Wintrich, Rechtspflicht zu Erfolgskontrollen bei der Vergabe staatlicher Mittel, NVwZ 1988, S. 895.

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feststellbar (und damit auch leichter kontrollierbar) als die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidungen selbst. Sie wirken sich zudem auf eine Vielzahl von Entscheidungen aus, multiplizieren also den Kontrolleffekt 44• Um ein Beispiel zu nennen: die strategische Bedeutung der Organisations- und Verfahrensadäquanz für die Kontrolle müßte den Rechnungshof vielleicht auch darauf drängen lassen, daß ein aussagekräftiges öffentliches Rechnungswesen installiert wird. (Ich darf dazu auf den Vortrag von Herrn Lüder verweisen.) Ein zweites Beispiel betrifft die Kontrolle von Subventionen. Neben der Überprüfung ausgewählter exemplarischer Subventionen dürfte es auch hier Hauptaufgabe des Rechnungshofs sein, das Verfahren der Entscheidungsfmdung zu überprüfen. Der Rechnungshof wird zum Beispiel kontrollieren müssen, ob die Ziele der Subvention konkretisiert, Zweck-Mittel-Analysen angestellt und Erfolgskontrollen durchgeführt worden sind 45 • Fehlt es daran, muß er darauf dringen, daß die Subvention umgestaltet oder aufgehoben wird.

5. Typische Widerstände der Politik Zu einer einäugigen Darstellung der Wirklichkeit pflegen nicht nur Verwaltungsleute, sondern auch Politiker zu tendieren. (Das versteht sich, soweit es auf unzureichenden Informationen der Verwaltung beruht. Politikern ist darüber hinaus aber auch von sich aus eine Tendenz zur Asymmetrie eigen.) So sind die Initiatoren einer Maßnahme, etwa eines Gesetzes, erfahrungsgemäß versucht, die Beschlußfassung über ihr Projekt dadurch zu erleichtern, daß sie die Kosten möglichst verharmlosen und im Dunkeln lassen, mag der Initiator nun ein Fachminister, ein Fachausschuß des Parlaments oder ein Interessenverband sein. Die moderne Interessenverbandslehre hat ergeben, daß es zu den wichtigsten Transmissionsriemen des Verbandseinflusses gehört, der auf Informationen seitens der Verbände angewiesenen Politik diese interessengefärbt, also selektiv, zu geben 46• Auch hier bestätigt sich: Wissen ist Macht. Ein Parlament, das auf dem Kostenauge geblendet ist, kann aber keine ausgewogenen Entscheidungen treffen. Denn dafür ist die Abwägung des Nutzens und der Kosten erforderlich. Deshalb schreiben Haushalts- und Parlamentsrecht vor, daß die Kosten eines beantragten Gesetzes im Vorblatt des Entwurfs genannt werden müssen. Dadurch soll auch die - nur allzu gerne ausgeblendete - Kehrseite des gewünschten politischen Erfolges in die Abwägungsbilanz mit hineingezwungen werden. v. Arnim, Staatslehre (FN 2), S. 195 - 196. Die Erfüllung dieser Anforderungen gehört zu den Voraussetzungen rationaler staatlicher Subventionierung. Diese und andere Rationalitätskriterien sind in einer von den Wirtschaftsministerien aller Bundesländer verabschiedeten Leitlinie, dem sog. Subventionskodex v. 7. 7. 1982, zusammengefaßt. Der Subventionskodex ist wiedergegeben z. B. in: Neunter Subventionsbericht der Bundesregierung, Bundestags-Des. 10/352, S. 310 (Anlage). 46 v. Arnim, Gemeinwohl (FN 17), S. 136 ff. 44 45

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Hans Herbert von Arnim Was aus diesen berechtigten Anforderungen unter der Hand in der Praxis geworden ist, hat der ,,hessische Diätenfall" im Juli dieses Jahres auch einem breiten Publikum vor Augen geführt. Aus dem Gesetzentwurf der Februar-Novelle zum Hessischen Abgeordnetengesetz ergaben sich für den Vierjahreszeitraum, auf den sich die gestaffelten Erhöhungen der Entschädigung bezogen, Mehraufwendungen von insgesamt 3,5 Mio. DM 47 • In Wahrheit waren Mehraufwendungen von an die 15 Mio. DM zu erwarten. Aufschlußreich ist, daß die Angaben im Vorblatt nicht etwa eine einmalige manipulative Entgleisung waren. Die Kostenangabe wurde vielmehr von Fraktionssprechern des Landtags damit gerechtfertigt, die Berechnungsmethode entspreche genereller Praxis. Es würden eben nicht die Gesamtkosten, sondern nur die Mehrkosten gegenüber dem Vorjahr berücksichtigt48.

Alle Kosten zu berücksichtigen und in die Abwägung einzubeziehen, entspricht einem zentralen Gebot rationaler Politik, das im übrigen nicht nur für die finanzielle Seite, sondern für sämtliche "social costs" gilt, z. B. auch für Umweltbelastungen. Dadurch sollen negative Neben- und Fernfolgen bei der Entscheidungsbildung einbezogen werden, die der politische Pragmatiker nur allzu gerne ausblenden möchte. Ihm geht es oft gar nicht um eine sachliche Abwägung des Pro und Contra, sondern etwa um die Befriedigung von Gruppenwünschen, mit der man sich politische Unterstützung verschaffen oder erhalten kann, oder darum, den Anschein zu erwecken, man habe etwas gegen Mißstände unternommen. "Symbolische" Politik nennt man das wohl. Die tatsächlichen Wirkungen interessieren dann kaum noch. Es scheint sich für Politiker nicht zu lohnen, sich um die Kosten von Gesetzen zu kümmern, weder um die Kosten selbstinitiierter Gesetze (um den Erfolg nicht zu erschweren) noch um die Kosten der von anderen initiierten (weil man sich dann mit allen zugleich anlegen müßte). Sich um die Kosten zu kümmern und Verschwendungen aufzudecken, gilt deshalb als undankbare Aufgabe 49• Die Steuerzahler (und damit eigentlich fast alle Bürger) sollten solchen Versuchen zwar applaudieren. Allgemeine Interessen aber sind eben durchsetzungsschwach, siehe das Paradoxon der pluralistischen Demokratie. Nötig sind deshalb Institutionen, die es sich leisten können, für allgemeine Interessen einzutreten, auch wenn sie dabei administrativen und politischen Funktionären wehtun müssen. Eben das ist die Aufgabe u. a. der Rechnungshöfe 50. Sie sollten Politikern bei ihrer Entscheidung das volle Kostenbewußtsein förmlich aufdrängen und so einseitigen Entscheidungen möglichst vorbeugen 51•

47 Im Vorblatt hieß es zu den Kosten: ,,Die Mehraufwendungen betragen für 1988 ca. 1,8 Mio. DM, für die folgenden Jahre jeweils ca. 570 000 DM." 48 v. Arnim, Macht macht erfmderisch. Der Diätenfall: ein politisches Lehrstück, 1988, s. 130 ff., 191 f. 49 v. Arnim, Staatslehre (FN 2), S. 483 ff. m. w. N. 5o v. Arnim, Gemeinwohl (FN 17), S. 369 ff.; ders. , Staatslehre (FN 2), S. 394 ff.; jeweils m. w. N. 51 Becker, Gewaltenteilung (FN 7), S. 81 ff.; 250 ff.: ,,Kontrollen als Kompensation für mangelndes Gleichgewicht".

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Gemeinwohlorientierte Politiker müßten an solchen Informationen ein gesteigertes Interesse haben 52•

VIII. Vom Wandel der Stellung des Parlaments Dem Rechnungshof werden gemeinhin zwei Aufgabenfelder zugeschrieben: die alte Verwaltungskontrolle, die er schon im Absolutismus ausgeübt hatte, und die Verfassungskontrolle, die später im Zuge der Entstehung der konstitutionellen Monarchie hinzu kam. Die Verfassungskontrolle sollte nur prüfen, ob der Haushalt (und die sonstigen finanzrelevanten Gesetze) eingehalten sind. Das entsprach dem Anliegen ihrer Entstehungszeit. Der Kampf um die Demokratie war im Deutschland des 19. Jahrhunderts ein Kampf um die Mitwirkung des Parlaments an der staatlichen Willensbildung (besonders an der Steuer-, Kredit- und Haushaltsfestsetzung, ein Kampf, der schließlich auch Erfolg hatte, was seinen Ausdruck in der Verankerung der Gesetzesvorbehalte für diese drei Bereiche fand). Es ging den liberalen deutschen Verfassungen darum, das Parlament (als Drehund Angelpunkt der bürgerlich-liberalen Staats- und Verfassungstheorie) zu installieren und die staatliche Willensbildung an seine Zustimmung zu binden. Die Aufgabe der Verfassungskontrolle der Rechnungshöfe-erschöpfte sich demgemäß in der Überwachung der Einhaltung dieser Bindung. Inzwischen haben sich Sinn und Funktion der Verfassung fortentwickelt. Das Grundgesetz beschränkt sich nicht auf die Errichtung des Parlaments, sondern ist zugleich immer mehr auch zum Schutzwall gegen das Parlament geworden. Dies kommt besonders in der Bindung auch des Parlaments an die Verfassung (Art. 1 III und 20 III GG) und in der Errichtung der Verfassungsgerichtsbarkeit zur Überwachung dieser Bindung (Art. 92-94 GG) zum Ausdruck. Die gewandelte Funktion der Verfassung, die dem Parlament nunmehr kritischer gegenübersteht als die frühliberale Demokratietheorie, hat auch Auswirkungen auf das Verständnis der Verfassungskontrolle durch den Rechnungshof (Stichwort: "Finanzkontrolle im Wandel"). Der Wandel zeigt sich, wenn es um die Kontrolle des Parlaments selbst geht. Durch die Brille der überkommenen Verfassungskontrolle ist das Parlament nur Adressat der Kontrollberichte des Rechnungshofs, nicht ihr Objekt. In Wahrheit hat diese Auffassung heute ihre verfassungstheoretische Grundlage verloren. Die Souveränitätsfrage, die im 19. Jahrhundert zwischen Monarch und Parlament 52 Vgl. auch Fritz Neumark: "Eine rational denkende Regierung müsse froh sein, ... , wohlbegründeten Rat von einer unabhängigen Institution zu erhalten, die es ihr erleichtern könnte, sich fiskalisch, ökonomisch und gerechtigkeitspolitisch bedenklichen Forderungen einer Anzahl wirtschaftlicher und sozialer Gruppen zu widersetzen". Zitiert nach Franz-0. Gilles!Gerhard Otto!Rainer Weinert, Vergaugene und aktuelle Probleme der Budget- und Finanzkontrolle in Deutschland, Bericht über ein Symposium vom 27. und 28. 11. 1986 an der Freien Universität Berlin (hektografiert), S. 44.

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umstritten war, ist heute eindeutig geklärt: Unter dem Grundgesetz ist nicht das Parlament der Souverän, sondern letztlich allein das Volk 53 • Das Volk hat Parlament und Rechnungshof im Zuge der Verfassungsgebung erst eingesetzt. Das Volk ist normativer und ideeller Ausgangspunkt und Bezugspunkt aller Staatsorgane, auch des Parlaments und des Rechnungshofs. Beide leiten ihre Legitimation vom Volke ab.

IX. Finanzkontrolle und Öffentlichkeit Die Ausrichtung des Rechnungshofs auf die Wertgrundlagen des Grundgesetzes hat natürlich Auswirkungen auf das Thema "Rechnungshof und Politik". Hier kann ich auf das Referat von Herrn Kisker verweisen. Sie hat aber auch Auswirkungen auf das Thema "Finanzkontrolle und Öffentlichkeit". Da das dazu ursprünglich vorgesehene Referat wegen der Erkrankung von Herrn Neumark leider ausfällt, erlaube ich mir, auf diesen Bereich noch kurz einzugehen. Auch hier muß die Betrachtung davon ausgehen, daß das Volk der Souverän ist, nicht das Parlament. Öffentlichkeit leitet ihren Wert da her, daß sie den Bezug zum Bürger herstellt, indem sie es ihm erleichtert, mitzudenken, zu kritisieren und bis zu einem gewissen Grad auch bei Wahlen Konsequenzen zu ziehen. Es wäre deshalb - unter der Wertordnung des Grundgesetzes - ein arges Mißverständnis, wenn man Öffentlichkeit dem Parlament vorbehalten wollte. Parlamentsöffentlichkeit ist kein Eigenwert, sondern besteht um der Bürger willen. Öffentlichkeit ist etwas Urdemokratisches. Gewiß, die öffentliche Meinung hat leicht etwas Flatterhaftes. Sie kann manipuliert werden, auch vom Parlament selbst. Sie kann aber auch zu einem mächtigen Mittel zur Verstärkung andernfalls leicht zu kurz kommender Belange werden. Beide Seiten hat der "hessische Diätenfall" deutlich gemacht 54• Auch wenn die öffentliche Meinung nicht unbedingt immer eine Tendenz zur Richtigkeit besitzt, wie dies das 19. Jahrhundert noch angenommen hat, so handelt es sich bei den Rechnungshofberichten doch nicht um irgendwelche spontanen Äußerungen, sondern um sorgfältig recherchierte und abgewogene Sachberichte einer dafür von der Verfassung eingerichteten Institution. Von solchen Berichten kann es eigentlich gar nicht genug geben. Die darin enthaltenen 53 Daß diese Feststellung sich auch in den Rechnungshöfen erst noch durchsetzen muß, zeigt ein Wort des Präsidenten des Rechnungshofs Berlin, Ulrich Müller, das als Beleg hier angeführt sei: "Wir leben in einer Demokratie und das Parlament ist der oberste Souverän. Im Grunde genommen ist die Funktion des Rechnungshofs doch, dem Souverän, dem Parlament zu berichten. Die Kontrolle des Parlaments vorzunehmen, fällt einem Rechnungshof naturgemäß schwer. Dies ist Sache der Öffentlichkeit". Zitiert nach Gilles!Otto!Weinert (FN 52), S. 41. 54 v. Arnim, (FN 48), S. 175 ff.

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Informationen, die die Betroffenen nur allzu leicht abdunkeln wollen, bedürfen des (tatsächlichen oder potentiellen) Lichtes der Öffentlichkeit, um die Chance ihrer Berücksichtigung zu verbessern. Öffentlichkeit ist des Rechnungshofs Schwert (Dreßler). Durch Öffentlichkeit wird Druck ausgeübt, die gegebenen Informationen auch zu berücksichtigen. Öffentliche Beratung ist zugleich demokratische Beratung 55• Die Veröffentlichung sachverständiger Berichte macht den Souverän souveräner (Peter Noll). Angesichts der engen Zusammengehörigkeit von Demokratie und Öffentlichkeit kann es in der Demokratie auch nicht die Frage sein, ob ein Staatsorgan Öffentlichkeit herstellen darf. Fraglich kann umgekehrt nur sein, ob und unter welchen Umständen man Öffentlichkeit ausnahmsweise ausschließen darf. Das gilt gerade auch für den Rechnungshof. Nicht die Veröffentlichung seiner Berichte hat er zu rechtfertigen, sondern nur die Nichtveröffentlichung. Gleiches gilt auch für die kommunalen Prüfungsberichte, die gleichwohl bisher in aller Regel noch nicht veröffentlicht werden 56• Aber auch hier hängt die Öffentlichkeitswirkung von der Güte der Berichte ab. Ganz generell wird man sagen können: Die Legitimation des Rechnungshofs hängt wesentlich davon ab, inwieweit es ihm gelingt, Beiträge zur Richtigkeit zu leisten. Dabei kann es nicht auf irgendwelche Einzelfälle ankommen. Auch der Rechnungshof hat das "Recht" auf Irrtum. Seine Legitimation hängt vielmehr davon ab, inwieweit der Rechnungshof nach Organisations-, Verfahrens- und Personalstruktur gerüstet ist, richtigkeitsfördemde Beiträge zu leisten. So gesehen ist der Rechnungshof bis zu einem gewissen Grade selbst seiner Legitimation Schmied.

X. Gesetz der verzögerten Anpassung? Lassen sie mich mit einer - vielleicht etwas provokativen - Bemerkung schließen: Die Kernfrage einer Theorie der Finanzkontrolle ist, mit welcher Blickrichtung und in wessen Interesse der Rechnungshof seine Kontrolltätigkeit wahrzunehmen hat 57• Die alte Verwaltungskontrolle erfolgte "im Interesse des Königs" 58, die in der konstitutionellen Monarchie hinzugekommene Verfassungskontrolle war ganz auf das Parlament bezogen. Es dauerte freilich lange, ehe daraus alle Konsequenzen gezogen waren. Die Zuleitung der Rechnungshofbe55 Fritz Neumark, in: Gilles!Otto/Weinert, (FN 52), S. 46 f.: "Demokratie ist die Garantie .. . einer realen Demokratie". Und: "Les tenebres et l'obscurite favorisent Ia nonchalance (Necker) ... und Nonchalance ist die kleine Tochter der Verschwendung." 56 v. Arnim, Öffentlichkeit kommunaler Finanzkontrollberichte (FN 17). 57 Joachim Hirsch, Parlament und Verwaltung, 2. Teil: Haushaltsplanung und Hanshaltskontrolle in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart u. a., 1968, S. 146. 58 Hans Haase, Die Errichtung und die erste Instruktion der Preussischen OberRechnungskammer, Finanz-Archiv 1922, S. 1 (6 f.).

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richte an das Parlament wurde erst in zähem Ringen durchgesetzt; der Kampf dauerte in Preußen das ganze 19. Jahrhundert fort. Die Immediatvorlage der Rechnungshofberichte unmittelbar an Bundestag und Bundesrat wurde gar erst im Jahre 1969 eingeführt. Hier scheint so etwas wie ein Gesetz der Verzögerung, des Hinterherhinkens der Rechnungshofkontrolle hinter der verfassungsmäßigen Staatsform zu wirken. Man fühlt sich an Otto Mayers berühmtes Wort "Verfassungsrecht vergeht - Verwaltungsrecht besteht" erinnert. Damit wollte Mayer zum Ausdruck bringen, daß das unter monarchischem Vorzeichen entstandene Verwaltungsrecht auch in der Demokratie fast unverändert fortgelte. Eine derartige Auffassung ist heute unhaltbar. Die Verfassung strahlt vielmehr in sämtliche Rechtsgebiete aus und verlangt ihre Ausrichtung nach den verfassungsrechtlichen Grundwerten. Das gilt auch für die Finanzkontrolle. Ein Satz "Verfassungsrecht vergeht - Finanzkontrolle besteht" könnte nicht akzeptiert werden, mag eine Art "Gesetz von der zunächst immer unangepaßten Finanzkontrolle an die Staatsform" auch hier noch wirksam sein. Diese Feststellung ist sicher überspitzt, wie überspitzt, muß sich daran erweisen, inwieweit heute die vollen Konsequenzen aus unserer Verfassung, in deren Zentrum das Volk steht, gezogen sind oder erst noch ihrer Durchsetzung harren.

Kurzfassung Finanzkontrolle in der Demokratie Einordnung der Rechnungshofkontrolle in das politisch-administrative System der Bundesrepublik Deutschland 1. Ziel des Vortrages ist es, einige Elemente einer Theorie der Finanzkontrolle (durch Rechnungshöfe) zu skizzieren, die ihrerseits in eine übergreifende Verfassungstheorie der Bundesrepublik Deutschland einzubetten ist. 2. Alle Staatsgewalt bedarf nach dem Grundgesetz der demokratischen Legitimation, wobei Le~itimation durch das Volk als Verfassungsgeber und durch das Volk als von der Verfassung geschaffenes Organ zu unterscheiden sind. Der Rechnungshof besitzt zwar eine durch Nichtabwählbarkeit seiner Mitglieder beschränkte personelle demokratische Legitimation, aufgrund seiner Unabhängigkeit aber keine sachlich-inhaltliche Rückbindung an den Willen des Volkes. Andererseits besitzt er institutionelle und funktionelle demokratische Legitimation, weil das Volk als Verfassungsgeber ihn eingerichtet und ihm Funktionen zugewiesen hat. Die übliche Pauschalthese von der fehlenden demokratischen Legitimation des Rechnungshofs ist deshalb nicht haltbar. 3. In der Demokratie des Grundgesetzes geht es nicht nur darum, durch das Volk, sondern subsidiär auch darum,für das Volk zu entscheiden.

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4. Fragen der inhaltlichen Richtigkeit kommen in den Blick, soweit die wiederkehrenden Volkswahlen nicht mehr als hinlängliches Instrument zur Ermittlung des Volkswillens angesehen werden können. 5. Die Sicherung der Richtigkeit wird zum prekären Problem, soweit die Thesen der modernen Pluralismuskritik und der Theorie des Staatsversagens zutreffen und gerade allgemeine Interessen tendenziell zu kurz kommen. Dann helfen abstrakte Gemeinwohlverpflichtungen nur noch begrenzt. 6. Nunmehr muß es darum gehen, die Durchsetzbarkeil von Allgemeininteressen zu erhöhen u. a. durch Entwicklung funktionsadäquater Organisations- und Verfahrensformen. 7. In der Bundesrepublik bestehen bereits einschlägige Ansätze wie die unabhängige Bundesbank, der unabhängige Sachverständigenrat und die Rechnungshöfe, die alle nur als Gegengewichte gegen typische Fehlentwicklungen zu verstehen sind. Die Verfassungstheorie hat diese Einrichtungen bisher allerdings noch nicht erfaßt und verarbeitet. 8. Rechnungshöfe liefern Informationen für die, die es angeht. Defizite, denen Rechnungshöfe entgegenzuwirken haben, sind folglich vornehmlich Informationsdefizite. 9. Verwaltungen tendieren bei der Haushaltsaufstellung zur systematischen Ausblendung von Informationen, die ihnen "schaden" können. 10. Ähnliches gilt für politische Initiativen; hier versuchen die Initiatoren oft, die Kosten "abzudunkeln". 11. Es ist Sache des Rechnungshofs, die fehlenden Informationen notfalls auch aufzudrängen und so zum Gegengewicht (bzw. zum Medium für die Entfaltung von Gegengewichten) zu werden. 12. Die sog. Verfassungskontrolle des Rechnungshofs ist herkömmlicherweise darauf beschränkt, ob der Haushaltsplan (und die sonstigen finanzrelevanten Gesetze) eingehalten ist; sie ist von ihrer frühliberalen Entstehungszeit geprägt, als es ausschließlich darum ging, die staatliche Willensbildung an die Zustimmung des Parlaments zu binden. 13. Inzwischen hat sich die Verfassung gewandelt. Das Grundgesetz soll auch vor dem Parlament schützen. Dieser Wandel muß Auswirkungen auch auf die Finanzkontrolle haben. 14. Der Wandel äußert sich z. B. beim Verständnis der Öffentlichkeit, die Medium zur Erleichterung der Mitwirkung des Bürgers und - soweit es um die Berichte des Rechnungshofs geht- zur Verbesserung der administrativen und politischen Willensbildung ist. Nicht die Veröffentlichung seiner Berichte hat der Rechnungshof zu rechtfertigen, sondern ihre ausnahmsweise Nichtveröffentlichung. Das gilt auch hinsichtlich der kommunalen Prüfungsberichte.

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15. Die Legitimation des Rechnungshofs hängt wesentlich davon ab, inwieweit es ihm gelingt, Beiträge zur Förderung der RichtigkC?it zu leisten. Er ist also bis zu einem gewissen Grad selbst seiner Legitimation Schmied.

Summary Financial Control in Democracy Integration of the Financial Control Performed by the Federal Court of Audit into the Political and Administrative System of the Federal Republic of Germany 1. The aim of this lecture is to point out some elements of a theory offinancial control (by Courts of Audit), which are to be integrated into a generat constitutional theory of the Federal Republic of Germany. 2. According to the Bonn Basic Law all public authority needs democratic Iegitimation, at which Iegitimation by the people being the creator of the constitution must be distinguished from Iegitimation by the people being an entity created by the constitution. The Court of Audit disposes of personneI democratic Iegitimation, though limited, since its members cannot be voted out of office, but due to its judicial independence it disposes of no substantial commitment to the will of the people. On the other side, it disposes of institutional at)d functional democratic Iegitimation, since the people being the creator of the constitution has founded the Court of Audit and has allocated special functions to it. The usual thesis of a missing democratic Iegitimation of the Court of Audit is therefore not tenable. 3. The democratic principle ofthe Bonn Basic Law requires not only decisions tobe taken by the people, but also subsidiarily decisions tobe takenfor the people. 4. Questions of justice and efficiency (Richtigkeit) in substance become important, as far as the recurring public elections cannot be considered as a sufficient instrument in order to determine the will of the people. 5. The preservation of Richtigkeit becomes a delicate problem, as far as the thesis of the modern pluralism critics and the theory of a failure of the state are right and general interests are not sufficiently taken into account in the political process. In this case abstract commitments to the common welfare are only of limited utility.

6. At this point it must be the task to increase the political strength of general interests, e. g. by the development of adequate organizational and procedural forms and institutions.

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7. In the Federal Republic there are already some institutions such as the independent West German Central Bank, the independentGerman Council of Economic Advisors, and the Court ofAudit, which must be interpreted as counterweights to typical erroneous trends. However, constitutional theory has not yet taken notice of these institutions. 8. The Courts of Audit provide informations for everybody to whom it may concem. Deficits which are to be counteracted by the Courts of Audits ate mainly information deficits. 9. Administrations show a trend to neglect systematically those informations, which may "affect" their intentions, when drafting a new budget. 10. Political initiatives show a similar behaviour; in this case the initiators often try to obscure costs. 11. It is the task of the Court of Audit to provide such missing information, if necessary to force such information, and thus to become a Counterbalance (resp. a medium for development of counterbalances). 12. The so-called constitutional control (Verfassungskontrolle) of the Court of Audit is usually limited to the study, whether the budget (and all other budgetary laws) have been complied with; this task has been shaped during the early liberal times, when it was the only aim to subject the political process to the approval of parliament. 13. In the meantime the constitution has changed. The Bonn Basic Law shall also protect against parliament. This change must also have effects on the financial control. 14. This change is also shown e. g. in the attitude towards publicity, which is the medium to facilitate the participation of the citizens and - as far as the report of the Court of Audit is concemed - to improve the functioning of the administrative and the political process. The Court of Audit has not to justify the publication of its reports, but has to justify whenever a report is not published. This applies also to municipal control reports. 15. The Iegitimation of the Court of Audit is mainly depending on the fact, whether it succeeds to provide contributions to improve the administrative and political process. As a consequence the Court of Audit itself is responsible for its Iegitimation to a certain degree.

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Resurne Contröle Financier en Democraties Classitication du contröle tinancier par les Cours des comptes dans le systeme politique et administratif de Ia Republique federale d' Allemagne 1. Le but de cette conference est d' accentuer quelques elements de la theorie du controle financier (par les Cours des comptes), qui elle-meme doit etre classifiee dans la theorie generale constitutionelle de la Republique federale d' Allemagne. 2. Tout pouvoir public a besoin d'une Iegitimation democratique comme prevu par la Loi fondamentale de Ia Republique federale d •Allemagne, pourtant que la Iegitimation par le peuple en tant qu'organisme constituant doit etre distingue de la Iegitimation par le peuple en tant qu 'organisme cree par la constitution. La Cour des comptes dispose d'une Iegitimation limitee democratique en vue de son personnet parce que les membres ne peuvent pas etre releves par vote; neanmoins, la Cour n'est pas Soumiseades Obligations reelles de fond envers la volonte du peuple a cause de son independance. D'autre part elle dispose d'une Iegitimation institutionelle et fonctionelle democratique, parce que le peuple en tant que createur de la constitution a fonde la Cour des comptes et lui a assigne des fonctions speciales. Donc, la these forfaitaire de l'absence d'une Iegitimation democratique de Ia Cour des comptes n 'est pas soutenable. 3. Dans Ia democratie de Ia Loi fondamentale il ne s'agit pas de decider par le peuple, mais subsidiairement de decider pour le peuple. 4. Des questions d' exactitude substantielle deviennent importantes, autant que les elections periodiques ne puissent pas etre considerees comme un instrument suffisant pour determiner la volonte du peuple.

5. La garantie de l'exactitude devient un problerne bien precaire, autant que la these de la critique moderne du pluralisme et la tbeorie d'une defaillance de I' etat soient juste et que l'interet general ne soit pas assez pris en consideration. Dans ce cas des obligations abstraites d' interet public n 'ont qu 'une utilite limitee. 6. Dans ce contexte il s'agit d'ameliorer l'acceptance de l'interet general, p. e. par le developpement des formes organisatoires et fonctionelles de fonction adequate. 7. Dans Ia Republique Federale d'Allemagne nous trouvons deja quelques indices, comme par exemple la Banque de la Federation allemande independante, le Conseil d 'experts ainsi que les Cours des comptes, qu 'on peut tous bien considerer comme contrepoids contre des developpements faux typiques. Neanmoins, la theorie constitutionelle n' a pas encore remarque ces institutions.

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8. La Cour des comptes proeure des informations pour toutes les collectivites concemees. Les deficits a contrebalancer par la cour des comptes sont surtout des deficits d'information. 9. En etablissant les budgets, les administrations montrent la tendance de negliger systematiquement toute information qui pourrait leur "nuire". 10. Des initiatives politiques montrent une attitude pareille, dans ce cas les initiateurs essayent souvent de »maquiller« les frais. 11. 11 est donc la täche de la Cour des comptes de proeurer les informations manquantes, eventuellement meme forcement, et de devenir le contrepoids (ou bien le medium de developpement d'un contrepoids). 12. Le controle dit constitutionel par la Cour des comptes est normalement limite a l'etude si le budget (et toutes autres lois budgetaires) a ete respecte; cette täche a ete empreinte par son temps de developpement dans les debuts du liberalisme lorsqu'il s'agissait surtout de lier la formation de la volonte d'Etat au consentement du parlement. 13. Entretemps la constitution a change. La Loi fondamentale de la Republique federale d' Allemagne doit proteger aussi contre le parlement. Ce changement a donc aussi des effets sur le contröle financier. 14. Ce changement se montre p. e. dans la comprehension du public, qui est le medium de faciliter la cooperation des citoyens et - autant que le rapport de la Cour des comptes soit conceme - d 'ameliorer Ia formation administrative et politique des objectifs. La Cour des comptes n'est pas obligee de justifier la publication de ses rapports, mais elle est bien obligee de donner une justification, lorsqu 'elle ne publie pas un rapport. Cela applique aussi pour les rapports de contröle des communes. 15. La Iegitimation de la Cour des comptes depend surtout du fait, si elle reussit acontribuer a1'encouragement de 1'exactitude. Donc, la Cour des comptes elle-meme est responsable de sa Iegitimation a un certain degre.

Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Meine verehrten Damen und Herren, wir kommen nunmehr im zweiten Teil des ersten Nachmittags zum Vortrag von Herrn Prof. Krebs zu den Prüfungsmaßstäben Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Universitätsprofessor Dr. Krebs: Vorweg - angesichts der Pause nicht ganz spontan, aber noch ein bißchen spontan- eine Bemerkung zu dem Vorwurf, Herr von Arnim, daß die deutschen Staatsrechtslehrer mit den Rechnungshöfen nicht so recht etwas anzufangen wissen. Angesichts des Umstandes, daß ein Teil der deutschen Staatsrechtslehrer hier anwesend ist, unterstelle ich mal einfach, sie meinen die Abwesenden.

Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit als Kontrollmaßstäbe des Rechnungshofs Von Walter Krebs In den nachfolgenden Überlegungen geht es zunächst um die Begriffe "Rechtmäßigkeit" und "Wirtschaftlichkeit" (I.), sodann um deren Verhältnis zueinander (II.) und schließlich um den Begriff der Wirtschaftlichkeit als Kompetenzbegriff (III.).

I. Zu den BegritTen "Rechtmäßigkeit" und "Wirtschaftlichkeit" 1. Rechtmäßigkeit Im Gegensatz zu den Begriffen der Ordnungsmäßigkeit, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit nennen weder Art. 114 Abs. 2 GG noch§ 90 BHO den Begriff der "Rechtmäßigkeit". Stattdessen spricht§ 90 BHO davon, daß sich die Prüfung "auf die Einhaltung der für die Haushalts- und Wirtschaftsführung geltenden Vorschriften und Grundsätze, insbesondere darauf (erstreckt), ob das Haushaltsgesetz und der Haushaltsplan eingehalten worden sind." Die gesetzliche Formulierung zeigt insbesondere mit der Nennung von Haushaltsgesetz und Haushaltsplan, daß auch Innenrechtsnormen für die Rechnungshöfe prüfungsrelevant sind. Von den restriktiven Auswirkungen der Impermeabilitätstheorie 1, die das Verwaltungsinternum vor einer externen Rechtskontrolle abschirmte, waren die Rechnungshöfe schon immer ausgenommen.

. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob nicht die gesetzliche Nennung einer bestimmten Gruppe von Rechtsnormen auf eine quantitativ eingeschränkte Rechtmäßigkeitskontrolle deutet, also gleichsam auf eine Beschränkung der Rechtmäßigkeitsprüfung auf einen Teilbereich, für die die Mitglieder des Rechnungshofes qua Amt Spezialisten sind 2 • Die Antwort darauf ist schon deshalb von Interesse, I Dazu Walter Krebs, Verwaltungsorganisation, in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, III, 1988, § 68 Rdnr. 26 ff. 2 In dieser Richtung Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, II § 34 III 3 c (S. 434).

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weil angesichts der Rechtsbindung aller staatlichen Funktionsträger (Art. 20 Abs. 3 GG) einer Feststellung der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit einer staatlichen Handlung unabhängig von den fehlenden eigenen Durchsetzungsbefugnissen der Rechnungshöfe ein hoher Verbindlichkeitswert zukommt. Wenn eine Handlungsalternative als rechtswidrig festgestellt wird, ist sie nicht nur untunlich, sondern unzulässig. Ob einem Wirtschaftlichkeitsurteil derselbe Verbindlichkeitswert eignet, sei zunächst noch dahingestellt 3• Man mag den Verzicht der gesetzlichen Regelung darauf, "Rechtmäßigkeit" pauschal als Kontrollmaßstab des Rechnungshofs zu nennen, als Indikator dafür nehmen, daß die umfassende Feststellung der Rechtmäßigkeit bzw. -widrigkeit der überprüften Entscheidungen, insbesondere in materiell-rechtlicher Hinsicht, nicht die Hauptaufgabe der Rechnungshöfe sein soll. Möglicherweise ist sie aber "bei Gelegenheit" der genuinen Prüfungstätigkeit der Rechnungshöfe, insbesondere bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung mitzuleisten. Die Frage nach dem Umfang der Rechtmäßigkeilsprüfung leitet damit schon zum Begriff der Wirtschaftlichkeit über. 2. Wirtschaftlichkeit

a) Auf hochabstrakter Ebene besteht über den Begriff der Wirtschaftlichkeit wohl noch Einigkeit 4 • Er bezeichnet ein positives Werturteil über die Kausalbeziehung zwischen einer Handlung und den von ihr hervorgerufenen Wirkungen. Wirtschaftlich ist eine Handlung, wenn deren günstige und ungünstige Wirkungen in einem optimalen Verhältnis zueinander stehen, m. a. W. wenn die Relation von Nutzen bzw. Zwecken zu den Kosten bzw. Mitteln optimal ausfällt 5• Das Wirtschaftlichkeitsprinzip ist für den Entscheider ein Hilfsmittel zur rationalen Alternativenauswahl bzw. für den Kontrolleur ein Hilfsmittel zur rationalen Überprüfung von Entscheidungen. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip wird im allgemeinen als Minimal- und Maximalprinzip ausformuliert, also zum einen als Gebot, bei gegebenem Zweck so wenig Mittel wie möglich zu verbrauchen, und zum anderen als Gebot, Mittel in gegebener Höhe so einzusetzen, daß sie die größtmögliche Zweckerfüllung bewirken 6• Gelegentlich wird darauf aufmerksam gemacht, daß diese Grundsätze 3

Dazu unter II. 1.

Zum Wirtschaftlichkeitsprinzip vgl. jüngst insbesondere Hans Herbert von Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, 1988 sowie Peter Eichhorn, Verwaltungshandeln und Verwaltungskosten, 1979, S. 11 ff.; Heinrich Reinermann, Wirtschaftlichkeitsanalysen, in Ulrich Becker/Wemer Thieme, Handbuch der Verwaltung, 4.6., 1974; Kurt Reding, Die Effizienz staatlicher Aktivitäten, 1981. W. Nachw. bei v. Arnim, a. a. 0. s Reinermann (FN 4), S. 2; ders., Messungsprobleme der Rechnungskontrolle, in Franz Letzelter/Heinrich Reinermann, Wissenschaft, Forschung und Rechnungshöfe, 1981, S. 225 (233 f.); Niklas Luhmann, Kann die Verwaltung wirtschaftlich handeln?, VerwArch. Bd. 51 (1960), S. 97 (98). 4

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das Wirtschaftlichkeitsprinzip nicht erschöpfen. Es läßt sich zusätzlich als Gebot präzisieren, die Differenz zwischen Nutzen und Lasten zu maximieren (Differenzansatz), oder als Gebot, den Quotienten aus Nutzen und Lasten zu maximieren (Quotientenansatz) 7 • Diese Ansätze erlauben es, Nutzen und Kosten zu variieren. Da auch sie auf eine Optimierung der Nutzen-Kosten-Relation zielen und eine rationale Beurteilung von Entscheidungen ermöglichen, ist nicht ersichtlich, warum sie nicht auch als Prüfungskriterien im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung der staatlichen Haushalts- und Wirtschaftsführung herangezogen werden sollten. Davon zu unterscheiden ist die Frage ihrer rechtlichen Verbindlichkeit. Insofern ist wie bei dem Wirtschaftlichkeitsprinzip allgemein - eher Vorsicht geboten 8 • b) Die eigentlichen theoretischen wie praktischen Probleme mit dem Wirtschaftlichkeitsprinzip beginnen mit seiner Anwendung. Diese Schwierigkeiten sind häufig beschrieben worden 9 und brauchen hier daher nur angedeutet zu werden. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip ist treffend mit der Formulierung charakterisiert worden, daß es "anspruchsvoll an Voraussetzungen" 10 sei. Die geforderte Gegenüberstellung von Nutzen und Kosten erfordert im Idealfall die Erfassung und Bewertung aller Handlungsfolgen und ist daher schon theoretisch nur begrenzt möglich. Daß mit Hilfe des Wirtschaftlichkeitsprinzips keine optimale, sondern nur eine sub-optimale, oder - anders ausgedrückt - teil-rationale Entscheidung getroffen werden kann, istangesichtsunendlich komplexer Wirklichkeit nicht überraschend, sondern zwangsläufig 11 • Deshalb besteht aber kein Grund, es zu verwerfen. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip ist von Natur aus ein inhaltsarmes, wenn nicht inhaltsleeres Prinzip. So bedarf die Selektion der zu berücksichtigenden Handlungsfolgen eines Anwendungskriteriums, das nicht schon im Prinzip selbst enthalten ist. Auch die für die Herstellung einer Nutzen-Kosten-Relation erforderliche Einteilung der Handlungsfolgen in günstige und ungünstige ist nicht vorgegeben, ergibt sich oft auch nicht aus der Natur der Sache. Insofern werden Entscheidungen und damit Entscheidungskriterien erforderlich, die das Prinzip selbst nicht mitliefert. Erschwerend kommt hinzu, daß Zweck und Mittel keine absoluten, sondern relative Kategorien bezeichnen, da angesichts eines nahezu endlosen Zweckregresses der jeweils erreichte oder zu erreichende Zweck das Mittel zur Erreichung eines Zweckes auf höherem Abstraktionsniveau sein kann, so daß sich ein und dieselbe Handlung als wirtschaftlich und unwirtschaftlich Statt vieler Eichhorn (FN 4), S. 14 f. v. Arnim (FN 4), S. 21 ff.; Reinermann, Wirtschaftlichkeitsanalysen (FN 4), S. 2 f. 8 Vgl. noch unter II. 1. 9 Z. B. Andreas Greifeld, Der Rechnungshof als Wirtschaftlichkeitsprüfer, 1981, s. 7 ff. 10 Greifeid (FN 9), S. 10. 11 Dazu Luhmann (FN 5), S. 99 ff. 6

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zugleich darstellen kann. Die Subventionierung eines Unternehmens kann aus Gründen seiner Existenzsicherung wirtschaftlich sein; gehört das Unternehmen einem zukunftslosen Industriezweig an, kann die Subventionierung unter strukturpolitischer Zwecksetzung unwirtschaftlich sein. Die Anwendung des Wirtschaftlichkeitsprinzips verlangt daher Entscheidungskriterien, mit deren Hilfe die Betrachtungsebene - und im übrigen auch der Beurteilungszeitpunkt - zu wählen ist. Schließlich setzt die Verhältnisbestimmung von Nutzen und Kosten voraus, daß sich diese überhaupt in ein rechtes Maß zueinander setzen lassen. Es bedarf keiner ausführlichen Begründung 12, daß die Meßbarkeit und Quantifizierbarkeit staatlichen Handeins und die Herausbildung geeigneter Parameter zur Beurteilung der Nutzen-Kosten-Relation im staatlichen Bereich in rationaler Weise nur begrenzt möglich ist. c) Angesichts dieser erkennbaren Operationahlen Grenzen fragt man sich, ob nicht die bisherige Fassung des Wirtschaftlichkeitsprinzips etwas zu abstrakt geraten ist. Immerhin ist Wirtschaftlichkeit nicht nur nach Art. 114 Abs. 2 GG Kontrollmaßstab für die Rechnungshöfe. Wirtschaftlichkeit wird von zahlreichen Rechtsvorschriften auch als rechtsverbindlicher Entscheidungsmaßstab ausgewiesen 13 • Es muß sich also um einen anwendbaren Grundsatz handeln. Muß man angesichts dieses Umstandes nicht das Wirtschaftlichkeitsprinzip in einer Art und Weise- und zwar konkreter- definieren, daß seine rationale Anwendbarkeit noch gewährleistet ist? So richtig es ist, daß der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz jenseits seiner intersubjektiv nachvollziehbaren Anwendung keine entscheidungsbestimmende Kraft und erst recht keine normative Wirkung mehr haben kann, so gewichtig sind aber die Einwände dagegen, ihn schon auf Begriffsebene zu reduzieren, ihn also enger zu fassen. Angenommen, man wollte das Wirtschaftlichkeitsprinzip nur insoweit als Entscheidungs- und Kontrollmaßstab anerkennen, als sich die wirtschaftliche Richtigkeit staatlicher Entscheidungen in einem wörtlichen Sinne "ausrechnen" läßt, dann wäre sein Anwendungsbereich sehr schmal, wohl zu schmal ausgelegt. Die Zurücknahme des Wirtschaftlichkeitsprinzips auf gleichsam vollständige Rationalität würde den Grundsatz ungerechtfertigt minimalisieren. Wollte man alle Subjektivismen bei der Anwendung von Geboten wirtschaftlichen Handeins und Entscheidens entfernen, bliebe von dem Grundsatz nicht viel übrig. Das gilt nicht nur für das Prinzip im allgemeinen, sondern von seiner Anwendung im staatlichen Bereich im besonderen Maße. Schon angesichts des Umstandes, daß der Staat viele Güter produziert, die nicht marktgängig sind, kann sein Handeln 12

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Dazu Reinermann, Messungsprobleme (FN 5). Z. B. § 6 Abs. 1 HGrG; § 7 Abs. 1 BHO; § 62 Abs. 2 GO NW.

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nur begrenzt exakt vermessen, muß also bewertet und geschätzt werden. Darüber hinaus ist es dem staatlichen Entscheider weniger als dem privaten erlaubt, Handlungsfolgen bei seiner Wirtschaftlichkeitsüberlegung unberücksichtigt zu lassen, also Entscheidungskomplexität zu reduzieren. Teil-rationale Entscheidungen und Gewißheilsdefizite bei Entscheidungen sind dem staatlichen Handeln immanent. Daß Subjektivismen und Ungewißheiten bei seiner Anwendung einem Entscheidungs- und Kontrollmaßstab aber dennoch nicht seine handlungsleitende Wirkung nehmen, lehrt ein Blick auf das Handwerk der Juristen, die ihr Geschäft auch nach dem erkenntnistheoretischen Abschied von der "einzig richtigen Entscheidung" unverdrossen weiter verrichten 14• Daß eine große Abstraktionshöhe einem Grundsatz nicht ohne weiteres seine normative Kraft nimmt, beweist der dem Wirtschaftlichkeitsprinzip strukturverwandte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dem einmütig Rechtsgeltung zugeschrieben wird. Noch ein anderer Einwand spricht dagegen, den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz schon aufBegriffsebene zu reduzieren. Mit Hilfe einer derartigen Vorgehensweise würde man Wirtschaftlichkeit als ein einheitliches Prinzip definieren, obwohl der Grundsatz in unterschiedlichen Entscheidungsprozessen unterschiedliche Funktionen hat und es keineswegs eo ipso feststeht, daß er ungeachtet seiner unterschiedlichen Anwendungsfelder identische Inhalte h!lt. Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz ist nicht nur Kontrollmaßstab für die Rechnungshöfe, sondern gelegentlich auch für die Gerichte 15• Er ist zumindest in gewissem Umfang rechtsverbindlicher Entscheidungsmaßstab für die Verwaltung, möglicherweise auch für den Gesetzgeber. Es spricht einiges dafür, daß angesichtsdes Unterschiedes von rechtsverbindlichem Gerichtsurteil und rechtsunverbindlicher Feststellung der Rechnungshöfe das Ausmaß der jeweils zulässigen Kontrolldichte unterschiedlich angesetzt werden muß. Auch kann es für das jeweils gültige Verständnis des Grundsatzes Bedeutung haben, inwieweit das Wirtschaftlichkeitsprinzip Rechtscharakter hat. Bei einer derart differenzierten Auffassung vom Wirtschaftlichkeitsgrundsatz ist es vorstellbar, daß Wirtschaftlichkeit als rechtsnormativer Entscheidungsmaßstab inhaltliche Dimensionen aufweist, hinter denen Wirtschaftlichkeit als gerichtlicher Kontrollmaßstab zurückbleibt, wohingegen Wirtschaftlichkeit als Kontrollmaßstab der Rechnungshöfe über seine rechtsnormativen Dimensionen hinausgreifen kann. Die Untersuchung dieser These erfordert eine Verhältnisbestimmung zwischen Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit.

14 Zum Problem Kar/ Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983, S. 118 ff.; zum "unbestimmten Rechtsbegriff' im VerwaltungsrechtHans-Uwe Erichsen, Das Verwaltungshandeln, in Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 1988, § 12 n 1 b. 1s Beispiele bei v. Arnim (FN 4), S. 28 ff.

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II. Das Verhältnis der Kontrollmaßstäbe zueinander 1. Ist unwirtschaftliches Handeln rechtswidrig? Die Annahme eines je nach Anwendungsbereich differenzierten Verständnisses des Wirtschaftlichkeitsprinzips müßte um einiges zurückgenommen werden, wenn Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip in gleicher Weise alle staatlichen Entscheider bis hin zum Gesetzgeber binden würde und auch inhaltlich als vollständig "verrechtlicht" anzusehen wäre. Dies unterstellt, wäre nicht nur Wirtschaftlichkeit rechtsverbindlicher Entscheidungsmaßstab, sondern notwendig auchjede Wirtschaftlichkeitskontrolle eine Rechtskontrolle. Die Kontrollkompetenz der Rechnungshöfe könnte dann zwar immer noch hinter den Entscheidungskompetenzen von Gesetzgebung und Verwaltung zurückbleiben, denknotwendig nicht aber über die rechtsnormativen Gehalte des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes hinausgreifen, weil unwirtschaftliches Handeln stets auch rechtswidriges Handeln wäre. Nun ist es hier nicht meine Aufgabe, die Rechtsverbindlichkeit des Wirtschaftlichkeitsprinzips als Entscheidungsmaßstab zu untersuchen 16. Deshalb darf ich mich auch darauf beschränken, an der Annahme vollständiger Verrechtlichung des Prinzips einige Fragezeichen anzubringen. Die Bedenken beruhen nur zum Teil darauf, daß, wie gezeigt, Wirtschaftlichkeitsentscheidungen je nach Abstraktionsstufe unterschiedliche Rationalitätsgrade aufweisen und sich die Entscheidungsrationalität in gleitenden Übergängen bis zur intuitiven Entscheidung verflüchtigen kann. Das kann die normative Kraft des Grundsatzes nicht ganz unberührt lassen. Man mag dem Erbauer eines Rathauses vorrechnen, daß er dasselbe Gebäude hätte wesentlich billiger bauen können, und ihm vorwerfen, er habe deshalb rechtswidrig gehandelt. Mit wieviel Rechtsverbindlichkeit soll man aber dem Planer vorschreiben, wie rC'rräsentativ das Rathaus sein darf? Mit diesen Problemen mag man rechl!>Lheoretisch noch fertig werden 17• Gewichtiger sind indes rechtsdogmatische Bedenken. Dazu zwei Beispiele: Es wird ganz überwiegend davon ausgegangen, daß der Begriff der "Sparsamkeit" im Begriff der Wirtschaftlichkeit mitenthalten ist 18• Er wird mit dem Kostenminimierungsgrundsatz gleichgesetzt. Das Gebot der Sparsamkeit kann die gesellschaftliche Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe wirtschaftlicher erscheinen lassen als i~e W ahmehmung durch den Staat. Soll man in diesen Fällen von einer normativen Entscheidung zugunsten der ersten Alternative ausgehen 19? Die verDazu ausführlich v. Arnim (FN 4). Zur Nonnativität vager Rechtsbegriffe Walter Krebs, Kontrolle in staatlichen Botscheidungsprozessen, 1984, S. 74 ff. 18 Vgl. nur Klaus Vogel!Paul Kirchhof, Kommentierung zu Art. 114 GG (1973/1974), in Bonner Kommentar (1987), Art. 114 Rdnr. 101; Hans Herbert von Arnim, Grundprobleme der Finanzkontrolle, DVBI. 1983, S. 664 (665); Ernst Heuer, in Ernst Heuer/ Hermann Dommach, Handbuch der Finanzkontrolle, Stand 1988, Art. 114 GG Rdnr. 70. 16 17

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fassungsrechtliche Diskussion um den Subsidiaritätsgrundsatz 20 hat zu einer ganz herrschenden Meinung geführt, daß es diesen Grundsatz als allgemeinen Rechtsgrundsatz nicht gibt 21 • Man sollte ihn dann auch nicht via Wirtschaftlichkeitsprinzip, sozusagen durch die "rechtliche Hintertür", einschmuggeln. · Und noch auf einen anderen Aspekt sei hingewiesen: Oben wurde darauf aufmerksam gemacht, daß Wirtschaftlichkeit nicht nur gebieten kann, Nutzen zu maximieren und Kosten zu minimieren, sondern auch, den Nutzen/KostenQuotienten so günstig wie möglich zu gestalten 22• Das kann im Einzelfall auf die Forderung eines höheren Mitteleinsatzes hinauslaufen. Soll zu einer derartigen Mittelerhöhung auch der Haushaltsgesetzgeber verpflichtet sein? Oder muß es ihm nicht rechtlich freigestellt bleiben, eine Mittelobergrenze festzusetzen, selbst wenn er damit die günstigste Nutzen/Kosten-Relation verfehlt? Und: Ist der Mittelverwender bei Ausschöpfung der angesichts des Quotientenansatzes unzureichenden Mittel einer Normkollision zwischen Haushaltsrecht und Wirtschaftlichkeit ausgesetzt? Mit diesen Fragen, insbesondere mit der einer möglichen Kollision zwischen ,,Rechtmäßigkeit" und "Wirtschaftlichkeit" zeichnet sich ab, daß deren Verhältnisbestimmung zueinander von beiden Seiten der Beziehung angegangen werden kann. Statt zu fragen, ob unwirtschaftliches Handeln immer rechtswidrig ist, läßt sich auch fragen, ob ~echtmäßiges Handeln überhaupt unwirtschaftlich sein kann. 2. Kann rechtmäßiges Handeln unwirtschaftlich sein? Nach landläufiger Meinung handelt die Verwaltung zwar nicht durchweg rechtswidrig, aber wohl überwiegend "unwirtschaftlich". Demnach müßte rechtmäßiges Handeln auch unwirtschaftlich sein können. Nun geht wohl die landläufige Meinung vom Alltagssprachgebrauch aus, der mit dem Begriff "Wirtschaftlichkeit" inhaltliche Wertvorstellungen assoziiert. Demgegenüber ist hier Wirtschaftlichkeit bislang als ein formales oder modales Prinzip dargestellt worden. Der Befehl: "Handle wirtschaftlich!" geht- für sich genommen - ins Leere, weil er nicht sagt, was man tun soll, sondern wie man es tun soll, wenn man etwas tut. Für seine Anwendung ist der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz auf materiale Vorgaben angewiesen. Ohne eine inhaltliche Entscheidung darüber, welche Handlungsfolgen als Nutzen, welche als Kosten zu gelten 19 Dazu Martin-Peter Buch, Zur Bestimmung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit im öffentlichen Haushaltder Bundesrepublik Deutschland, 1976, s. 82 ff. 2o Zum Zusammenhang von Subsidiarität und Sparsamkeit auch v. Arnim (FN 4), s. 51 f. 21 Hans J. Wolff!Otto Bachof, Verwaltungsrecht III, 4. Aufl. 1978, § 138 II b; Dirk Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 98 ff. m. w. N. 22 Zur Verrechtlichung v. Arnim (FN 4), S. 25 f.

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haben, können beide Größen nicht in ein rationales Verhältnis zueinander gebracht werden. Das Maximalprinzip erfordert vorweg eine Festsetzung der Mittel, das Minimalprinzip eine Vorgabe der Zwecke. Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz bedarf also materialer Anreicherung oder Ergänzung, um wirken zu können. Soweit Rechtssätze materiale Gehalte transportieren, enthalten sie diese inhaltlichen Entscheidungen, die die unumgänglichen Anwendungsvoraussetzungen des Wirtschaftlichkeitsprinzips sind. Das macht gegenüber der Annahme einer möglichen Gegensätzlichkeit von Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit skeptisch. Als sogleich noch näher zu untersuchende These soll daher behauptet werden, daß bei strikter Rechtsgebundenheit der Entscheidung ein Auseinanderfallen von Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit nicht möglich und im übrigen eine Kollision zwischen Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit 23 ausgeschlossen ist. Rechtssätze, die staatliche Entscheidungen binden, werden ihrer Struktur nach gelegentlich in Konditional- und Finalprogramme unterteilt 24• Diese Unterteilung ist unzulänglich, weil sie die Verklammerung zwischen beiden Programmarten vernachlässigt und über Entscheidungsspielräume bei konditionaler Programmierung hinwegtäuscht, kann aber als Grobraster für unsere Überlegungen ausreichen. Bei konditionaler Programmierung sind die Mittel festgeschrieben und ist die Zweckerreichung für den rechtsgebundenen Entscheider fraglos gestellt. Damit ist die Herstellung der rechtmäßigen Entscheidung für den Entscheider einem zusätzlichen und möglicherweise abweichenden Wirtschaftlichkeitsurteil entzogen. Daraus folgt, daß seine programmgemäße Entscheidung auch nicht unwirtschaftlich sein kann. Oder anders ausgedrückt: Da die konditionale Programmierung der rechtliche Ausdruck einer vorweggenommenen Wirtschaftlichkeitsentscheidung ist, muß die programmgemäße Entscheidung zugleich rechtmäßig und wirtschaftlich sein. Bei finaler Programmierung ist die Zweckerreichung rechtsverbindlich, so daß eine Handlung, die den vorgeschriebenen Zweck optimal verwirklicht, zugleich rechtmäßig wie wirtschaftlich ist, wie umgekehrt eine Handlung, die den Zweck verfehlt, zugleich rechtswidrig und unwirtschaftlich ist. Ist bei einem Finalprogramm der Mitteleinsatz rechtlich nicht vorgegeben, können allerdings zusätzlich Sparsamkeitsüberlegungen angestellt werden. Ist auch der Zweckerreichungsgrad disponibel, können noch weitergehende Nutzen-Kosten-Relationen erstellt werden 25. Diese Überlegungen verdeutlichen, daß um so weniger Raum für eine "zusätzliche" Wirtschaftlichkeitsprüfung durch den Entscheider bleibt, je mehr er rechtlich gebunden ist. Die Wirtschaftlichkeitskontrolle strikt rechtsgebundener Ent23 v. Arnim (FN 4), S.'92 geht von einem "Vorrang des Rechts i. e. S. vor dem Wirtschaftlichkeitsprinzip" aus. 24 Werner Hoppe, Zur Struktur von Normen des Planungsrechts, DVBI. 1974, S. 641 (643) m. w. N. 25 Dazu auch v. Arnim (FN 4), S. 33 ff.

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scheidungen läuft damit auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle hinaus. Das beantwortet die oben 26 offengelassene Frage, ob sich die Rechtsprüfung durch die Rechnungshöfe auf eine haushaltsrechtliche Kontrolle beschränken muß. Sie ist zu verneinen. Darüber hinaus wird die Erkenntnis bestätigt, daß der genuine Anwendungsbereich des Wirtschaftlichkeitsprinzips dort liegt, wo der staatliche Entscheider nach seinem Ermessen zu entscheiden befugt ist 27 • Geht man nun aber nach klassischer Ermessenslehre davon aus, daß alle Entscheidungen innerhalb des Ermessensspielraums rechtmäßig sind und die Ausfüllung des Ermessensspielraums rechtsungebunden-eben nach Zweckmäßigkeitsmaßstäben- erfolgt 28, dann ist zwar eine zweckwidrige und damit auch unwirtschaftliche Entscheidung denkbar, aber es kann zu keiner Kollision zwischen Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit kommen, weil innerhalb des Ermessensrahmens die wirtschaftliche wie die unwirtschaftliche Entscheidung rechtmäßig ist. Faßt man demgegenüber das Wirtschaftlichkeitsprinzip durchgängig als Rechtsprinzip auf, dann ist der Entscheider rechtlich verpflichtet, innerhalb seines Ermessensspielraums wirtschaftlich zu entscheiden. Bei dieser Annahme ist aber der Ermessensspielraum beseitigt, so daß der Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsprinzip zugleich die Rechtswidrigkeit der Entscheidung begründet. Für diesen Fall läßt sich unsere These sogar noch radikaler formulieren: Rechtmäßige Entscheidungen sind immer wirtschaftlich. Die Richtigkeit dieser Überlegungen wird durch einen Seitenblick auf das dem Wirtschaftlichkeitsprinzip strukturverwandte Übermaßverbot bestätigt: Die These, daß es rechtmäßige, aber unverhältnismäßige Entscheidungen gebe, ist m. W. noch nicht vertreten worden. Materiale Aussagen können eben nicht in einen Konflikt mit modalen Prinzipien geraten. Die Aussage, daß eine Entscheidung, soweit ihre Rechtsgebundenheit reicht, nicht unwirtschaftlich sein kann, wenn sie rechtmäßig ist, trifft allerdings nur die halbe Wahrheit. Sie gilt nämlich nur für den rechtsgebundenen Entscheider, für den Mittel und Zwecke rechtlich vorgegeben sind oder dem die Bindung an ein Entscheidungsprogramm keine selbständige Verhältnisbestimmung von Nutzen zu Kosten erlaubt. Wechselt man die Betrachtungsebene und beurteilt dieselbe Entscheidung etwa aus der Sicht desjenigen, der über Fortbestand, Wegfall oder Änderung der rechtlichen Vorgaben zu befinden hat, ändert sich das Bild 29• Soweit für ihn die im Entscheidungsprogramm getroffenen Mittel- und Zweckfestsetzungen rechtlich disponibel sind, hat er über das Programm selbst ein Unter I. 1. Vgl. auch Greifeid (FN 9), S. 37; ~faus Grupp, Steuerung des Verwaltungshandeins durch Wirtschaftlichkeitskontrolle?, DOV 1983, S. 661 (663). 2s Vgl. Erichsen (FN 14), § 12 IT 2 b. 29 Vgl. auch Greifeid (FN 9), S. 37. 26 27

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Wirtschaftlichkeitsurteil zu fällen- und dies kann eben richtig oder falsch sein. Um an das schon einmal gewählte Subventionsbeispiel anzuknüpfen: Wenn bestimmte Wirtschaftsbetriebe nach einem rechtsverbindlichen Konditionalprogramm subventioniert werden, dann ist die programmgemäße Subventionsleistung aus der Sicht des rechtsgebundenen Entscheiders ebenso rechtmäßig wie wirtschaftlich; von einer übergeordneten Betrachtungsebene aus kann aber das ganze Programm unwirtschaftlich sein. Als Zwischenbilanz können wir daher festhalten: -

Inwieweit unwirtschaftliches Handeln auch rechtswidrig ist bzw. umgekehrt rechtmäßiges Handeln unwirtschaftlich sein muß, hängt vom Grad der Verrechtlichung der Entscheidung ab. Eine Kollision von Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit kann es nicht geben.

-

Bei Rechtsgebundenheit der Entscheidung müssen Wirtschaftlichkeitsurteile auf die jeweilige Entscheidungs- und Beurteilungsebene bezogen werden; sie sind damit auch nur ebenenspezifisch, d. h. relativ richtig.

111. Eingrenzung des Kontrollmaßstabes Wirtschaftlichkeit (Kontrolldichte) 1. Das Kompetenzproblem

Aus dieser Zwischenbilanz ergeben sich für das nun zu erörternde Kompetenzproblem schon gewisse Vorgaben. Da ein Wirtschaftlichkeitsurteil für den Urteilenden die Disponibilität von Mittel- und Zweckfestsetzungen erfordert, entscheidet die Unabhängigkeit gegenüber den rechtlichen Vorgaben über das Ausmaß der zulässigen Wirtschaftlichkeitsfeststellungen. Die Kontrollkompetenzen des Rechnungshofs wären also inhaltlich unbegrenzt, wenn er über die von ihm im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung heranzuziehenden Beurteilungsmaßstäbe souverän verfügen dürfte. Die Annahme ist nicht so abenteuerlich, wie sie zunächst scheint. So gehört die Haushaltskontrolle, also die Überprüfung des Vollzugs des Haushaltsplans, zu den klassischen Rechnungshofaufgaben. (lnnen-)rechtliche Zweck-/Mittelfestsetzungen unterhalb dieser Programmebene entziehen sich schon daher nicht der Rechnungshofkontrolle. Wenn ich es recht sehe, ist es auch gar nicht mal so umstritten, daß auch einzelne Festsetzungen im Haushaltsplan selbst der Rechnungshofprüfung unterzogen werden dürfen. Der Streit geht eher darüber, ob die Überprüfung des Haushaltsplans nur außerhalb 30 oder auch innerhalb der Rechnungsprüfung stattfinden darf31 • Also auch das Programm selbst kann zulässiger Gegenstand der Kontrolle sein. 30

Greifeid (FN 9), S. 80 ff.

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Eine ähnliche Aussage läßt sich auch über andere finanzwirksame Gesetze machen. Zumindest darf wohl in negativer Formulierung gesagt werden, daß Legislativakte nicht schon deshalb von der Rechnungshofkontrolle rechtlich ausgenommen sind, weil es sich um Gesetze handelt 32• Von ausnahmsweisen Prüfungsfreiräumen einmal abgesehen, ist das Kompetenzproblem weniger ein solches der Prüfungsgegenstände. Das Schlagwort von der "Lückenlosigkeit" 33 der Finanzkontrolle verdeutlicht diesen Befund. Vielmehr handelt es sich eher um ein Problem der zulässigen Kontrolldichte. Es manifestiert sich in Fragestellungen wie der, ob der Rechnungshof zur politischen Kontrolle befugt sei 34, oder auch in der immer wieder - auch von den Rechnungshöfen selbst - getroffenen Feststellung, daß der Rechnungshof politische Vorgaben hinzunehmen habe 35• Aus der Sicht meines Themas lautet die Frage, inwieweit der Maßstab der Wirtschaftlichkeit überhaupt zur politischen Kontrolle taugt. Da diese Frage in die Kompetenzproblematik eingebunden ist, kann sie nur unter Berücksichtigung der Funktion der Rechnungshofkontrolle beantwortet werden. 2. Funktion der Rechnungshofkontrolle a) Die Funktionsbestimmung von Kontrolle im allgemeinen 36 wie die der Kontrolle durch Rechnungshöfe im besonderen hat an der Entscheidung als Grundkategorie staatlichen Handeins anzusetzen. In Entscheidungsprozessen werden staatliche Zwecke herausgebildet, konkretisiert und zu Verhaltensanweisungen umgeformt. Mit Hilfe von Entscheidungen erfüllt der Staat seine Aufgaben. Daß er insbesondere Entscheidungen trifft, ist sein Charakteristikum. Krebs, Kontrolle (FN 17), S. 192 ff. Vgl. auch Ernst Heuer, in Ernst HeuertHermann Dommach, Handbuch der Finanzkontrolle, Stand 1988, Art. 114 GG Rdnr. 67. Aus der Praxis des BRH vgl. etwa die Bemerkungen zur Jahresrechnung des Bundes 1984 (BT-Drucks. 10/6138) unter 12. Dort setzt sich der BRH kritisch mit Vorschriften der RVO auseinander. 33 Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, II, 1980, § 34 III 2 c (S. 424); Hans Reger, Bemerkungen zur Finanzkontrolle, VerwArch. Bd. 66 (1975), S. 195 (238) "Ausschließlichkeit und Lückenlosigkeit". 34 Herbert Sauer/Hans Blasius, Politik und Finanzkontrolle durch Rechnungshöfe, DVBI. 1985, S. 548 ff.; Herbert König, Wirtschaftlichkeitsgebot und allgemeine Politik, ZBR 1984, S. 261 ff.; v. Arnim, Wirtschaftlichkeit (FN 4), S. 107 ff.; Ernst Heuer, in Ernst HeuertHermann Dommach, Handbuch der Finanzkontrolle, Stand 1988, Art. 114 GG Rdnr. 79 ff. m. w. N. Vgl. auch den Beitrag von Gunter Kisker in diesem Band. 35 Vgl. z. B. Bemerkungen des BRH zur Bundeshaushaltsrechnung für das Haushaltsjahr 1979, BT-Drucks. 9/978, EinleitungS. 6; Kar/ Wittrock, Über Grundprobleme der Finanzkontrolle, DVBI. 1983, S. 883 (885); Walter Spaeth, Finanzkontrolle in Bayern, in Dem Staat in die Kasse geschaut, 175 Jahre Bayerischer Oberster Rechnungshof, 1987, S. 9 (16 f.); Alois Schreiner, Finanzkontrolle als Instrument rationaler Haushaltsführung, in Hans Herben v. Arnim/Konrad Littmann, Finanzpolitik im Umbruch: Zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte, 1984, S. 223 (232). 36 Dazu ausführlich Krebs, Kontrolle (FN 17), S. 18 ff. ·1 '

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Als Eigenart staatlicher Entscheidungsprozesse kann gesehen werden, daß sie -

zum einen permanent verlaufen, also praktisch nie oder allenfalls vorläufig enden und

-

zum anderen, daß sie vielgliedrig gestaltet, also arbeitsteilig organisiert sind. Das beschreibt schon das Funktionengliederungsprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG.

Die Permanenz staatlicher Entscheidungsprozesse kommt - auch vom bildhaften Begriff her- schön im "Haushaltskreislauf" zum Ausdruck: Nach Haushaltsplanaufstellung, -festsetzung und-vollzugmündet mit der Haushaltskontrolle der eine "Kreislauf' in den nächsten. Der Umstand, daß sich einzelne Stationen zeitlich verschieben und auch schon mal unpünktlich erreicht werden können, ändert nichts an der GrundstruktUr des Verlaufs. Die arbeitsteilige Organisation staatlicher Entscheidungsprozesse wird besonders an der Gesetzgebung und ihrer Ausführung deutlich. Schon am Gesetzgebungsverfahren sind alle staatlichen Funktionsträger beteiligt - bis auf die Gerichtsbarkeit. Allerdings mehren sich auch die Gesetzgebungsverfahren, die erst mit den Prüfungsfeststellungen des Bundesverfassungsgerichts- vorläufig- abgeschlossen sind. Die gesetzgebensehen Impulse werden von der Verwaltung aufgenommen, deren Tätigkeit wiederum von den Fachgerichten mit der gesetzlichen Vorgabe verglichen wird. Die Erfahrungswerte beider Funktionsträger fließen wieder in neue Gesetzgebungsverfahren. b) Wegen ihrer allgemeinen Bedeutung sollten staatliche Entscheidungen möglichst sachrichtig sein, aus demokratischen wie rechtsstaatliehen Gründen möglichst rational. Die Funktion der Kontrolle ist es, hierzu einen Beitrag zu leisten. Der Kern jeder Kontrolle besteht in einem Soll-Ist-Vergleich, dessen Ergebnis den Inhalt von Entscheidungen mitbestimmt. Entscheiden bedeutet Wählen zwischen Alternativen und wird - wenn Entscheidung nicht als dezisionistischer Machtausspruch oder "innerer Ruck" 37 verstanden werden soll- mit Hilfe eines rationalen Soll-Ist-Vergleiches vorgenommen. Permanentes Entscheiden erfordert demnach permanentes Kontrollieren. Vielgliedrigkeil der Entscheidungsprozesse macht organisatorisch ausdifferenzierte Kontrollen notwendig. Kontrollen mögen selbständig oder unselbständig, als Fremd- oder als Eigenkontrolle organisiert sein, ihrer Funktion nach sind sie immer in staatlichen Entscheidungsprozessen angesiedelt. Das erklärt u. a., warum sich Kontrolle.nicht als eine eigenständige, materielle Staatsfunktion neben anderen nachweisen läßt. Z. B. lassen sich nicht Gesetzgebung und parlamentarische Kontrolle einander gegenüberstellen. Kontrolle findet im Gesetzgebungsverfahren statt, und in der politischen Wirklichkeit ist Gesetz37 Niklas Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft, 1966, S. 51 mit Kritik an diesem Entscheidungsbegriff.

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gebung wahrscheinlich die praktisch wichtigste parlamentarische Regierungskontrolle. Die hier zugrunde gelegte Funktionsbestimmung von Kontrolle erklärt auch, warum Wesen und Eigenart der Kontrolle nur unzulänglicherfaßt werden, wenn man sie als "nachträglichen Vorgang" beschreibt. Richtig ist, daß Kontrolle immer etwas zu Kontrollierendes voraussetzt, insofern also "nachträglich" stattfindet, wobei der Kontrollgegenstand aber z. B. schon eine Planung sein kann. Andererseits ist Kontrolle aber stets auch "zukunftsorientiert", weil sie auf die Determination einer künftigen Entscheidung gerichtet ist. Kontrollen, die nicht zumindest potentiell Einfluß auf Entscheidungen nehmen, sind funktionslos und damit sinnlos und überflüssig. c) Das hier skizzierte Kontrollverständnis erklärt schließlich auch, warum die Versuche, Rechnungshofkontrollen einer der staatlichen Hauptfunktionen exklusiv zuzuordnen oder gar als Vierte Gewalt auszuweisen, zwar zahlreich waren, aber erfolglos bleiben mußten 38 • Rechnungshoftätigkeit ist weder Gesetzgebung noch Verwaltung noch gar ein Drittes oder Viertes. Rechnungshöfe sind zwar organisatorisch aus der Exekutive und Legislative ausgegliedert, ihre Funktion haben sie als Kontrollen aber in administrativen und legislativen Entscheidungsprozessen. Ich habe sie daher "institutionell verselbständigte Elemente des funktionengegliederten Verfassungsprozesses" 39 genannt. Ganz allgemein läßt sich die Funktion der Rechnungshöfe dahingehend umschreiben, daß sie durch ihre Kontrollfeststellungen einen Beitrag zur Rationalität und Sachrichtigkeit staatlicher Entscheidungen erbringen. Sie leisten, um es auf einen Begriff zu bringen, in unterschiedlichen Modalitäten Entscheidungsberatung.

3. Wirtschaftlichkeit als Maßstab rationaler Kontrollen Wenn Art. 114 Abs. 2 GG den Rechnungshof beauftragt, die Wirtschaftlichkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung zu prüfen, so muß angesichts der Funktion der Rechnungshofkontrollen davon ausgegangen werden, daß ihre zulässige Kontrolldichte so weit reicht, wie mit Hilfe des Wirtschaftlichkeitsmaßstabes rationale Aussagen getroffen werden können. Die zuvor beschriebene Problematik des Verhältnisses von Wirtschaftlichkeitsurteil und Rationalität erklärt damit zugleich, warum die Kompetenzbestimmung im einzelnen so schwierig ist. Angesichts dessen wird man die hierzulande gepflegte Tradition, den Rechnungshöfen rechtliche Entscheidungsverbindlichkeiten zu versagen, als weise empfinden. Als Entscheidungsberater sind sie zwar nicht ,,Ritter ohne Schwert" 40, stehen Nachw. bei Krebs, Kontrolle (FN 17), S. 178 f. Ebd. S. 181. 40 Karl Dreßler, Stellung und Aufgabe des Bundesrechnungshofs, in Bundesrechnungshof (Hrsg.), 250 Jahre Rechnungsprüfung, 1964, S. 157 (172), fügt hinzu, daß sie aber ,,nicht zur Ohnmacht" verurteilt sind. 38 39

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aber unter heilsamem Überzeugungszwang und können daher, je nach rationaler Argumentationskraft, "graue Eminenz" sein. Man wird dem Verweis auf Entscheidungsrationalität als Kompetenzkriterium den Vorwurf der Vagheit machen. Allerdings ist diese Vagheit in der Kompetenzbestimmung kein Unikum des Rechnungshofs. Dasselbe gilt auch bei Kontrollinstitutionen, die mit rechtsverbindlicher Entscheidungskraft kontrollieren. Man denke etwa an die Geschichte des wechselseitigen Leidens bei der gerichtlichen Kontrolle kommunaler Pläne 41 • Mit Hilfe des Rationalitätskriteriums kann das Kompetenzproblem auch nicht bewältigt, aber aufgedeckt werden. Es handelt sich weniger um einen Ansatz zur Problemlösung als vielmehr einen zum Problemverständnis. So legt dieser Ansatz die Vermutung nahe, daß es ein allgemeingültiges Kriterium, das eine trennscharfe Kompetenzbestimmung in jedem Einzelfall erlaubt, nicht geben kann. Wenn Teil-Rationalität Charakteristikum jeder Kontrolle ist, wird der Anteil des Rationalen bzw. Irrationalen je nach Kontrollgegenstand und Kontrollmethoden variieren. Z. B. werden sich rationale und damit zulässige Wirtschaftlichkeitsfeststellungen angesichts vorhandener Prüfungserfahrungen über die Wahrnehmung traditioneller Verwaltungsaufgaben eher machen lassen als über die Übernahme neuer Staatsaufgaben. Dieser Ansatz erklärt auch die sich jedenfalls dem Außenstehenden so darstellende Dominanz der Sparsamkeitsprüfung der Rechnungshöfe und das häufig relativ niedrige Zweckniveau und den begrenzten Zweckhorizont, die den Wirtschaftlichkeitsprüfungen zugrunde gelegt werden 42 • Über die Frage, ob ein Haus, so wie es gebaut wurde, hätte billiger gebaut werden können, läßt sich eben rationaler urteilen als darüber, ob das neue Rathaus als Stadtsymbol einer Integrationsfunktion gerecht wird oder ob insofern nicht besser eine neue Stadthalle gebaut worden wäre. Die Beschränkung der Rechnungshöfe auf rationale Kontrollfeststellungen erklärt schließlich auch das stets problematische Verhältnis von politischer Entscheidung und Rechnungshofkontrolle 43 • Wir haben gesehen, daß die rationale Anwendung des Wirtschaftlichkeitsprinzips die Reduktion des Entscheidungsstoffes erfordert, er muß meß- und bewertbar zugeschnitten werden; mögliche Alternativen müssen ausgeschieden werden; mögliche Handlungsfolgen müssen unberücksichtigt bleiben; unter den möglichen Zwecken muß selektiert werden. 41 Vgl. Hermann Fechtrup/Wilhelm Wiedemeier, Vergerichtlichung der Verwaltung aus kommunaler Sicht, in System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Festschrift für Menger, 1985, S. 797 ff. m. w. N. 42 Vgl. auch Reding (FN 4), S. 187; Gunnar Folke Schuppert, Die Steuerung des Verwaltungshandeins durch Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle, VVDStRL 42 (1984), s. 216 (260 f.). 43 Dazu die Nachw. oben FN 34.

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Die politische Entscheidung wirkt in der Wirklichkeit und muß oft notgedrungen eine Reduktion der Komplexität als Luxus empfinden. Politische Entscheidungen werden oft an ganzen Zweckbündeln gemessen, unbeabsichtigte Handlungsfolgen werden zugerechnet, und zwar durchaus auch solche, deren Eintritt im Entscheidungszeitpunkt nicht absehbar war. Unter Zeit- und Entscheidungsdruck werden politische Entscheidungen zu einem unvermeidbar riskanten Geschäft. Sie sind daher auch anders legitimiert als die Tätigkeit der Rechnungshöfe. Von daher ist es durchaus zutreffend, wenn gesagt wird, daß es nicht Aufgabe des Rechnungshofs sei, politische Bewertungen abzugeben 44 • Um denkbaren Mißverständnissen vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, daß aus diesen Überlegungen nicht folgt, daß die Rechnungshöfe "unpolitisch" seien. Das können sie schon deshalb nicht sein, weil es ihre Funktion ist, in politischen Entscheidungsprozessen mitzuwirken. Den Rechnungshöfen ist es auch nicht verwehrt, zu Themen Stellung zu nehmen, die politisch diskutiert werden, sofern sie einen rationalen Beitrag zur Diskussion leisten können. So dürften die Rechnungshöfe z. B. in die Entstaatlichungsdiskussion eingreifen, unter der Voraussetzung, daß sie dazu rationale Aussagen treffen können. Die Vagheit der Kompetenzbestimmung kann nicht nur negativ als Unbestimmtheit kritisiert, sondern auch vorteilhaft als Offenheit gesehen werden. Die Rechnungshöfe sind bei ihren Prüfungen offen für Erkenntnisfortschritte über die Durchführung rationaler Wirtschaftlichkeitsanalysen 45 • Das dient der Erhaltung der für ihren Einsatz notwendigen Flexibilität.

Kurzfassung Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit als Kontrollmaßstäbe des Rechnungshofs 1. Der gesetzliche Prüfungsauftrag (§ 90 BHO) erteilt dem Rechnungshof nicht pauschal den Auftrag, die Rechtmäßigkeit des Staatshandeins zu prüfen. Eine umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung steht daher auch nicht im Zentrum der Kontrollaufgaben. Daraus kann aber keine Eingrenzung der Kontrollkompetenzen gefolgert werden. Eine Untersuchung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandeins kann vielmehr auch im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung erforderlich werden. Vgl. erneut die Nachw. in FN 34. Vgl. etwa die Habilitationsschrift von Kurt Reding, Die Effizienz staatlicher Aktivitäten, Probleme ihrer Messung und Kontrolle, 1981. Zur Prüfungspraxis H arald Volkmar, Methoden der Finanzkontrolle - dargestellt an Beispielen von Prüfungen des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen, in 40 Jahre Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen, 1988, S. 71 ff. Vgl. auch die Beiträge in Peter Eichhorn!Gert v. Kortzfleisch (Hrsg.), Erfolgskontrolle bei der Verausgabung öffentlicher Mittel, 1986. 44

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2. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip ist ein Hilfsmittel zur rationalen Bestimmung eines möglichst optimalen Verhältnisses von Nutzen und Kosten. Seine Anwendung im staatlichen Bereich wird dadurch erschwert, daß sich staatliches Handeln häufig nicht "ausrechnen" läßt. Auch deshalb ist ein rationales Wirtschaftlichkeitsurteil nur begrenzt möglich. 3. Entgegen dem Alltagssprachgebrauch, der (Un-)Wirtschaftlichkeit als (Un-)Werturteil versteht, enthält das Wirtschaftlichkeitsprinzip im wissenschaftlichen Sinn keine Wertvorstellungen. Es ist für seine Anwendung aber auf vorgegebene Werte angewiesen. Derartige Werte enthält die Rechtsordnung. "Wirtschaftlichkeit" und "Rechtmäßigkeit" können daher auch nicht in Widerstreit geraten. Allerdings kann das Gesetz selbst Ausdruck einer "unwirtschaftlichen" Entscheidung sein. 4. Ihrer Funktion nach haben Rechnungshöfe dazu beizutragen, daß Gesetzgebung, Regierung und Verwaltung bei ihren Entscheidungen den Aspekt der Wirtschaftlichkeit mitbedenken. Ihre Tätigkeit zielt darauf ab, den Grad an Sachrichtigkeit und Rationalität der staatlichen Entscheidung zu erhöhen. Sie dürfen dabei auch zu politischen Themen Stellung nehmen, solange sie dazu einen rationalen Beitrag aufgrund ihrer Prüfungserfahrungen leisten können.

Summary Legality and Economy as Criteria of Control of the Audit Office 1. The law (§ 90 BHO) doesn't globally give the Audit Office the order to verify the legality of the state's actions. A total control of legality therefore isn't in the centre of the duties to control. Butthat doesn't mean a restriction of the competences for control. On the contrary, the verification of the economy of administrative action may require the control of legality.

2. The principle of economy is an aid to the rational determination of the most favourable proportion between benefit and cost. The fact that the activity of the state often cannot be "calculated" renders its use in the state' s sector difficult. Hence a rational judgement on economy is only possible with restrictions. 3. Opposite to the everyday usage, which understands (non-)economy as a (non-)value-judgement, the principle of economy in a scientific meaning doesn't include a concept of values. However, its use depends on given values. The legal system contains such values. "Economy" and "legality" therefore can't come into contradiction. The law itself, though, can express an uneconomical decision.

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4. According to their function the Audit Offices are responsible for seeing that Iegislation, government and administration consider the aspect of economy in their actions. Their activity aims at an increase in correctness and rationality of the state' s decisions. The Audit Offices are also permitted to comment on political subjects as far as they can offer a rational contribution to those questions on the basis of their experiences of control.

Resurne Legalite et economie comme criteres de contröle de Ia Cour de comptes 1. La loi (§ 90 BHO) n'ordonne pas forfaitairement la Cour de comptes d'examiner la legalite des actions de l'Etat. C'est pourquoi un contröle complet de Ia Iegalite ne se trouve pas au centre des devoirs de contröle. Toutefois on ne peut pas en deduire une Iimitation des competences de contröle. Une verification de la Iegalire d'activite administrative peut bien etre necessaire si l'economie est examinee.

2. Le principe d 'economie est un moyen de determiner rationellement une relation optimale entre des avantages et des frais. Le fait que souvent on ne peut pas »calculer« l'activite de l'Etat rend son usage dans le domaine de l'Etat difficile. A cause de cela un jugement rational sur le principe d'economie n'est possible qu 'avec des restrictions. 3. Contrairementa l'usage quotidien, qui entend (non-)economie comme jugement de (non-)valeur, le principe d'economie dans le sens scientifique n'inclut pas d'idees de valeurs. Son emploi depend neansmoins des valeurs donnees. L'ordre juridique contient telles valeurs. Pour cela l'economie ne peut pas etre en contradiction avec la legalite. Cependant la loi peut exprimer une decision non-economique. 4. D'apres leur fonction les Cours de comptes doivent faire avancer que la legislation, le gouvernement et l'administration publique considerent l'aspect d'economie a leurs actions. Leur activite vise a augmenter Ie degre de justesse et de rationaHte d'une decision de l'Etat. Les Cours de comptes ont aussi Ie droit de prendre position sur des sujets politiques, tant qu'ils peuvent apporter une contribution rationale a cela sur la base de leur experience de contröle.

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Diskussion Leitung: Univ.-Prof. Dr. Heinrich Reinermann Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Herr Kollege Krebs, im Anschluß an den Beifall der Zuhörer auch von dieser Stelle Dank für Ihren Vortrag. Mit der These, Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit könnten niemals kollidieren, haben Sie dabei sicher den überrascht, der häufig die Praxis sagen hört, sie könne nicht wirtschaftlich handeln, weil sie durch Vorschriften daran gehindert werde. Die Lösung liegt natürlich in dem von Ihnen gewählten Begriff der Wirtschaftlichkeit, den Sie an die Existenz eines Handlungsspielraums knüpfen. Dann kann eben, wer sich an die Vorschriften hält, nicht anders, als zu handeln wie er handelt; und das ist dann stets wirtschaftlich. Der Steuerzahler sieht das möglicherweise aus einer ganz anderen Warte und nicht so differenziert. Aber auf Grundlage Ihrer Begriffe ist dies folgerichtig. Meine Damen und Herren, die Auswertung Ihrer Diskussionskarten ist so ausgegangen wie eine Geschichte, die Herr Professor Mösbauer, Nobelpreisträger und Physiker, vor genau 8 Jahren hier in diesem Raume bei einer Tagung über Finanzkontrolle im wissenschaftlichen Bereich erzählt hat.·Die Geschichte ging so: Man bemühte sich an der Universität München, einen bestimmten Betrag auf acht Fakultäten möglichst wirtschaftlich, also im Sinne des höchsten Nutzens, zu verteilen. Man bildete Kommissionen, die auch lange tagten. Das Ergebnis? Man verteile den Betrag so, daß jeder ein Achtel bekommt. Hier ist es ähnlich: Ich habe mich bemüht, Ihre Diskussionswünsche ein wenig zu sortieren. Das Ergebnis ist, wir dritteln sie und machen für jeden Vortrag eine gesonderte Diskussion. Alle Meldungen lassen sich genau einem Vortrag zuordnen, so daß es das einfachste ist, wenn wir in der Reihenfolge der Vorträge vorgehen. Wenn Sie damit einverstanden sind, eröffne ich die Diskussion und möchte dabei wie folgt vorgehen: Zum Vortrag von Herrn Präsidenten Dr. Zavelberg habe ich die Meldungen von Herrn Vizepräsident Lebmann zur Frage prüfungsfreier Räume und Art. 5 GG, von Herrn Prof. Kisker zur Prüfung internationaler Organisationen, von Herrn Ministerialdirigent Klappstein zur Kommunalprüfung und von Frau Dr. Haag zu Einnahmenkontrolle als Teil des Funktionswandels der Rechnungshöfe. Danach werde ich Sie fragen, ob noch jemand zu dem Vortrag von Herrn Dr. 6*

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Zavelberg Stellung nehmen möchte, und werde dann in einer Schlußrunde zum ersten Vortrag das Wort allen drei Referenten geben, insbesondere dem Vortragenden. Zum Vortrag von Herrn Kollegen von Arnim zu Statusfragen der Rechnungshöfe und zu einer neuen Theorie der Finanzkontrolle liegen mir Meldungen vor von Herrn Dr. Feit zur Frage Rechnungshof als Vierte Gewalt, von Prof. Kisker zur Frage Richtigkeit durch Distanz und zur Frage der Öffentlichkeit von Rechnungskontrolle und von Prof. Lange zur Frage der Legitimation und Schranken der Rechnungskontrolle. Das weitere Procedere ergibt sich wie zum ersten Vortrag. Wir könnten dann die Wortmeldungen zum Vortrag von Herrn Kollegen Krebs einfach in der Reihenfolge aufnehmen, wie sie sich hier ergibt und wieder eine Schlußrunde absolvieren. Wir können nun eintreten in die Diskussion des ersten Vortrags von Herrn Präsidenten Dr. Zavelberg "Von der Rechnungsprüfung zur Finanzkontrolle". Ich bitte Herrn Vizepräsidenten Lebmann um seinen Beitrag. Vizepräsident Lehmann: Herr Dr. Zavelberg, Sie haben in Ihrem Vortrag darauf hingewiesen, daß es für die Rechnungshöfe keine prüfungsfreien Räume gebe. Ich teile diese Auffassung nicht. Seit Jahren habe ich den Eindruck, daß einige Rechnungshöfe von Art. 5 Abs. 3 GG keine Kenntnis nehmen. Kunst und Wissenschaft, Lehre und Forschung sind frei. So heißt es in unserer Verfassung. Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß es wegen dieser Verfassungsbestimmung einen Kernbereich gibt, z. B. bei den Theatern, bei den Universitäten (aber auch bei den Rundfunkanstalten wegen Art. 5 Abs. 1 GG), der von den Rechnungshöfen bei seinen Püfungen nicht angetastet werden darf. Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin hat in einer Entscheidung zum Prüfungsrecht des niedersächsischen Rechnungshofs bei der Stiftung Volkswagenwerk auf diesen Punkt hingewiesen, und ich bin sicher, daß auch das Bundesverfassungsgerichtaufgrund der Klage des Süddeutschen Rundfunks gegen den baden-württembergischen Rechnungshof ebenfalls zu dieser Frage Stellung nehmen wird und ganz sicher in meinem Sinne entscheiden dürfte. Sie haben nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, aber ich weiß, daß Sie bzw. der Bundesrechnungshof die Auffassung vertreten, der Bundesrechnungshofhabe ein unmittelbares Prüfungsrecht, wenn Bundesmittel über die Landeshaushalte an Dritte weitergegeben werden. Ich vermag nicht zu erkennen, auf welche rechtliche Bestimmung Sie diese Forderung stützen. Mittel vom Bund oder von Dritten, die in den Haushalt des Landes einfließen, sind Landesmittel; und für die Prüfung der Landesmittel sind allein die Landesrechnungshöfe zuständig. Ich stehe zwar auch auf dem Standpunkt, daß Vertrauen gut, Kontrolle besser sei; in diesem Falle sollte aber der Bundesrechnungshof bzw. der Präsident des

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Bundesrechnungshofs den Landesrechnungshöfen mehr Vertrauen entgegenbringen. Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Vielen Dank, Herr Lehmann. Wenn Sie einverstanden sind, Herr Dr. Zavelberg, sammeln wir die Beiträge und gehen zunächst zum zweiten Diskussionsbei~ trag über? Herr Prof. Kisker, bitte. Universitätsprofessor Dr. Kisker: Herr Dr. Zavelberg, können Sie aus der Praxis über die Methoden berichten, die sich bei der Überprüfung internationaler Organisationen eingebürgert haben? Es läßt sich vorstellen, daß diese Überprüfung ähnlich läuft wie etwa bei Gemeinschaftseinrichtungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland, daß also der Rechnungshof des Landes kontrolliert, wo die Einrichtung ihren Sitz hat oder daß die Zuständigkeit zur Kontrolle unter den Trägern der internationalen Organisation rotiert. Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Vielen Dank, Herr Kollege Kisker. Bitte, Herr Ministerialdirigent Klappstein. Ministerialdirigent Klappstein: Herr Präsident, zur Kommunalen Finanzkontrolle möchte ich einige Anmerkungen zu Ihren Ausführungen machen und dabei die Reihenfolge so wählen, wie Sie die Fragen angesprochen haben, beginnend mit dem Umfang der kommunalen Haushalte. Hier möchte ich das Bild, das Sie dargestellt haben, voll bestätigen. Es wird noch wesentlich deutlicher, wenn man das Verhältnis der kommunalen Haushalte mit den Länderhaushalten in bezug setzt: Ihre Größenordnung wird noch wesentlich stärker sichtbar; sie wird geradezu frappierend, wenn man auf die Investitionen blickt. Dabei stellt sich nämlich heraus, daß die Kommunen etwa zwei Drittel mehr investieren als Bund und Länder. Und gerade die Investitionen sind ein außerordentlich prüfungsträchtiger Bereich, wie ein Blick in die Bemerkungen der Stadtstaaten-Rechnungshöfe zeigt. Zur Tätigkeit der Rechnungsprüfungsämter möchte ich meinen, daß man der Wirklichkeit vielleicht am ehesten nahekommt, wenn man die örtliche Prüfung bei der theoretischen Einordnung nicht als eine Form der Finanzkontrolle wertet. Abgesehen von der Problematik einer Sicherung der Unabhängigkeit bin ich der Meinung, daß sie nach ihrer historischen Entwicklung und den Rechtsgrundlagen,

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nach denen sie arbeitet, nicht zur Finanzkontrolle im verfassungsrechtlichen Sinne gezählt werden kann. Man kann dies auch daran erkennen, wie sie ihre Prüfungsaufträge entgegennehmen muß und wem sie berichtsmäßig zugeordnet ist. Es zeigt sich nämlich, daß es Länder gibt, in denen Auftraggeber und Empfänger der Bürgermeister ist. Jedenfalls in diesen Ländern sind die Rechnungsprüfungsämter substantiell eine Führungshilfe. So werden sie auch finanzwissenschaftlich allgemein definiert: als eine Form der Innenrevision. Damit konzentriert sich die Finanzkontrolle bei den Kommunen voll auf die überörtliche Prüfung, bei der die notwendige Unabhängigkeit uneingeschränkt gesichert werden kann. Die Notwendigkeit einer überörtlichen Prüfung wird man noch stärker verfassungsrechtlich begründen müssen. Ich sehe dafür einige Ansätze: Die Finanzkontrolle ist ganz allgemein auf die Überlegung zurückzuführen, daß die öffentliche Verwaltung fremdes Gut verwaltet. Es ist seit dem römischen Recht ein im bürgerlichen Recht ausgeprägter Grundsatz, daß jemand, der fremdes Gut verwaltet, rechenschaftspflichtig ist, und daß er sich auch gefallen lassen muß, daß seine Rechenschaft überprüft wird. Ich meine, daß dieses, im bürgerlichen Recht völlig selbstverständliche Prinzip auch im öffentlichen Recht seinen Platz hat, und daß es auch in der jetzigen Fassung des Art. 114 GG seinen verfassungsrechtlichen Rang erhalten hat. Es muß dann aber auch für alle öffentlichen Hände gelten, also auch für die Kommunen. Ich möchte daher so weit gehen, zu sagen: Nicht die überörtliche Prüfung ist verfassungsrechtlich wegen einer Kollision mit Art. 28 GG fragwürdig, wie beim Versuch ihrer Einführung in Hessen behauptet wurde, sondern das Nichtvorhandensein einer Finanzkontrolle ist verfassungsrechtlich bedenklich. Die Notwendigkeit einer überörtlichen Prüfung wird man auch damit begründen müssen, daß sich die Struktur der kommunalen Finanzen nachhaltig verändert hat. Es geht dort nicht mehr nur um die Verausgabung "eigener Mittel". Man kann deutlich verfolgen, daß zu einem erheblichen Teil Mittel aus dem Finanzausgleich eingesetzt werden, die aus staatlichen Steuern aufgebracht werden. Die Finanzkontrolle ist im staatlichen Bereich auch ein Gegenstand des Haushaltsrechts. Die Haushaltsreform, die 1969 zunächst Bund und Länder, dann aber in einem weiteren Akt in der Form der Parallelgesetzgebung der Länder auch das kommunale Haushaltsrecht erfaßte, hat die kommunalen Haushalte an den Rechtsgrundsätzen orientiert, die auch für das staatliche Haushaltsrecht gelten. Nur der Bereich der Prüfung ist ausgeklammert geblieben, was um so weniger verständlich ist, als man in anderen Bereichen nicht gezögert hat, die Kontrollen, die das Wesen des Rechtsstaates ausmachen, auch auf die kommunale Verwaltung auszudehnen. Niemand würde heute auf die Idee kommen, die Frage zu stellen, ob denn eigentlich mit der Selbstverwaltung vereinbar sei, daß die Verwaltungsakte der kommunalen Behörden von den Verwaltungsgerichten

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überprüft werden. Ich meine also, daß es notwendig ist, die Kontrollinie, die für Bund und Länder besteht, auch zu den kommunalen Haushalten durchzuziehen. Dabei muß dann eben auch die Unabhängigkeit der Prüfung gesichert sein, denn sie gehört zum Wesen der Finanzkontrolle. Das besagt allerdings nicht, daß diese Kontrolle unbedingt durch die Rechnungshöfe ausgeübt werden muß. Aus dieser Sicht halte ich das bayerische und das baden-württembergische Modell durchaus für verfassungsrechtlich tragfähig; es bietet sogar in mancher Hinsicht · Vorteile. Ich stimme Ihnen gern und voll zu in der These, daß es jedenfalls dem Landesgesetzgeber nicht erlaubt sein sollte, den Prüfungshorizont der überörtlichen Prüfung zu beschränken, also- wie in Nordrhein-Westfalen-diePrüfung von Fragen der Zweckmäßigkeit und der Organisation auszuschließen. Letztlich liegt dies auch nicht im Interesse der geprüften Kommunen, denen die aus einem Vergleich gewonnenen Erfahrungen der Prüfungsbehörde verlorengehen. Was die unzureichende Öffentlichkeit angeht, so wird man allerdings dabei nicht weiter gehen können, als bis zu einem Gleichstand mit dem staatlichen Bereich. Ich meine nicht, daß es richtig wäre, alle kommunalen Prüfungsmitteilungen zu veröffentlichen. Dies würde auch die Tendenze!l verstärken können, die Vollständigkeit der Prüfung sogar bei den staatlichen Rechnungshöfen aus der Sicht bestimmter Geheimhaltungspflichten in Frage zu stellen. Es gibt z. B. eine Initiative des niedersächsischen Datenschutzbeauftragten mit dem Ziel einer Einschränkung der Befugnisse der überörtlichen Kommunalprüfung für bestimmte geschützte Gegenstände, z. B. im Bereich des Datenschutzes. Diese Überlegungen könnten auch auf die Einwirkungsbereiche des Sozial- oder des Steuergeheimnisses ausgedehnt werden. Es schwebt auch ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, das sich - auch in Niedersachsen - mit den Prüfungsbefugnissen des Rechnungshofs im Gesundheitswesen beschäftigt. Die Prüfungsbehörde muß die ihr bei der Prüfung bekannt werdenden geschützten Geheimnisse ebenso wahren, wie die geprüfte Verwaltungsbehörde. Aus diesen Erwägungen sollte man eine vollständige Veröffentlichung der Prüfungsmitteilungen nicht fordern. Es wäre aber sicher richtig, allen Prüfungseinrichtungen der überörtlichen Prüfung, also auch der Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg oder dem Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband den Bemerkungen der Rechnungshöfe vergleichbare Veröffentlichungsmöglichkeiten zu geben, mit denen sie das Parlament und die Öffentlichkeit über ihre Prüfungserfahrungen unterrichten können. Zur Frage des Federstrichs des Gesetzgebers: Sie haben Ihre These wohl am Ende selbst ein wenig relativiert. Sicher ist es aus unserer heutigen Sicht eine zweifelhafte Entscheidung gewesen, daß man bei der Haushaltsrechtsreform vor dem kommunalen Prüfungsrecht haltgemacht hat. Wie weit es möglich gewesen wäre, hier - mit Rücksicht auf die angesprochene verfassungsrechtliche Dirnen-

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sion der Finanzkontrolle- eine rahmenrechtliche Bindung der Länder einzuführen, ist sicher eine schwierige Rechtsfrage. Man hätte sie aber wohl wenigstens einmal bedenken müssen. In der Phase, in der die Haushaltsrechtsreform stattfand (1969 ff.), wurde aber kaum ein Sensorium für die kommunalen Haushalte erkennbar. Dies zeigt sich auch daran, welche rechtlichen Schwierigkeiten sich für die Transformation der ohnehin unzureichenden§§ 53 und 54 des Haushaltsgrundsätzegesetzes in den kommunalen Bereich ergeben. Bei der Einfügung des § 44 a der Bundeshaushaltsordnung hat man überhaupt nicht daran gedacht, daß auch die Kommunen Subventionen in reichem Maße vergeben. Erst jetzt, wo man daran geht, diese Regelung in das Verwaltungsverfahrensgesetz einzufügen, ergibt sich die Chance, für kommunale Subventionen die gleichen Rechtsgrundsätze zum Tragen zu bringen wie für die staatlichen. Es wird sicher ein hartes Brot sein, die Landesgesetzgeber jedenfalls in einigen wesentlichen Grundfragen des Verfahrens, der Sicherung der Unabhängigkeit und des Prüfungsumfanges zu einer einigermaßen homogenen Ordnung der überörtlichen Kommunalprüfung zu bewegen. Das Beispiel Hessens zeigt es. Diese Bemühungen sind aber gerade auch im wohlverstandenen Interesse der Kommunen selbst des Schweißes der Edlen wert. Dabei die Hilfe des Bundesrechnungshofs zu haben, halte ich für einen großen VorteiL

Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Vielen Dank, Herr Ministerialdirigent Klappstein. Ich glaube, jetzt muß Herr Dr. Zavelberg zunächst antworten, sonst wird der Abstand auch für uns Zuhörer zu groß. Präsident Dr. Zavelberg: Bei Herrn Klappstein habe ich es relativ einfach. Mit ihm bin ich weitestgehend einig, auch was die Frage der Veröffentlichung betrifft. Natürlich kann und sollte nicht jede Prüfungsmitteilung veröffentlicht werden. Die Kommunen sollten da nicht anders behandelt werden als andere staatliche Stellen. Der Bundesrechnungshof beschreibt pro Jahr etwa 10 000 Seiten weißes Papier mit Prüfungsmitteilungen und Ähnlichem; die Bemerkungen machen hinterher nur 200 oder 300 Seiten aus. Man soll auch als Rechnungshof Kleines vom Großen trennen. Deshalb kommt in die Bemerkungen nicht alles hinein, was wir in PrüfungsmitteiIungen schreiben. Man muß als Rechnungshof in dem, was man berichtet, auch mal eine Eins gerade sein lassen. Das ist auch deshalb notwendig, um sich in den wirklich wichtigen Sachen durchzusetzen. Aber über die wichtigen Probleme sollte man auch hinsichtlich der Kommunen öffentlich berichten und auch und gerade den Gesetzgeber im Blick auch auf mögliche künftige Entscheidungen informieren.

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In einem anderen Punkt bin ich allerdings etwas skeptischer als Herr Klappstein, nämlich hinsichtlich der Ausführungen zur überörtlichen Prüfung. Zugegebenermaßen ist das, was in Bayern und Baden-Württemberg gemacht wird, viel mehr als das, was etwa in Hessen oder Nordrhein-Westfalen geschieht. Bayern und Baden-Württemberg sind demgegenüber vorbildlich, wenn auch noch nicht - das würde ich sagen - ideal. Hier fehlt nämlich eine Funktion, die Funktion der Transformation der Prüfungserkenntnisse hin zu den Entscheidungsträgern im Parlament. Das ist für mich der entscheidende Punkt, und deshalb meine ich, die Landesrechnungshöfe sollten eine ergänzende Zuständigkeit für die Gemeinden erhalten, wo diese noch nicht besteht. Die Frage von Herrn Kisker betrifft die Prüfung von internationalen Organisationen. Das ist natürlich ein Thema für sich. Ich habe in meinem Vortrag nur die Bereiche behandelt, wo wir an internationale Organisationen Beiträge leisten und die nationale Rechnungsprüfung und damit auch das nationale Parlament letztlich nicht ohne weiteres erfährt, was damit geschieht. Wie im Einzelfall geprüft wird, das ist überaus unterschiedlich. Ich habe den Fall des DeutschFranzösischen Jugendwerkes erwähnt, wo zwei Rechnungsprüfer tätig sind: der eine kommt von der Cour des Comptes, der andere kommt vom Bundesrechnungshof. Beide berichten aber nicht an uns, sondern an das Kuratorium des Jugendwerkes. Und sie legen die Prüfungsmaßstäbe der Cour des Comptes an - und die sind nun einmal in erster Linie rechtlich. Die UNO etwa wird von drei Rechnungshöfen geprüft: der eine ist z. Z. der Rechnungshof der Philippinen, der zweite der Rechnungshof von Ghana und der dritte der französische Rechnungshof; derzeit ist man bestrebt, dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes diese Aufgabe als Nachfolger der Cour des Comptes zu übertragen. Die Prüfungsberichte gehen an die zuständigen Gremien in New York und werden dort behandelt; den Mitgliedstaaten, insbesondere deren Parlamenten, wird nicht bekannt, was dort alles geschieht. Bei der NATO - darüber wird Herr Heuer morgen sprechen - sieht die Rechnungsprüfung wieder anders aus. Da wird zwar kontrolliert, aber die Hauptzahler gehören nicht unbedingt zu den Kontrolleuren. Das ist ein ganz schwieriges -abendfüllendes- Thema. Bei der NATO könnte man etwa daran denken, daß zumindest die Hauptzahler im Rechnungsprüfungsamt vertreten sind. Es gibt ein Sprichwort: "Wer die Musik bestellt, soll sie bezahlen." Ich möchte hinzufügen: "Wer zahlt, sollte auch eine Möglichkeit haben, zu kontrollieren." Und zwar so, daß die verantwortlichen nationalen Kontrollorgane, insbesondere die Parlamente und die nationalen Rechnungshöfe, über die Ergebnisse zeitgerecht informiert werden. Damit bin ich gleichzeitig schon bei Herrn Lehmann: Wir haben das Problem des Auseinanderfallens von Finanz- und Kontrollzuständigkeit auch im Verhältnis zu anderen Institutionen, z. B. im Verhältnis zur EG. Wenn ein Staat gegen

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die EG-Bestimmungen bei der Verausgabung der Mittel verstößt, dann gibt es unter Umständen eine sog. Anlastung, d. h., es muß an die EG zurückgezahlt werden. Das ist für die nationalen Rechnungshöfe problematisch; sollen sie dazu beitragen, daß ihr Staat zurückzahlen muß? Und ein Zweites: Der Bund gewährt den Ländern Mittel in einer Größenordnung von bis zu 70 % der Kosten einzelner Maßnahmen, und es ist natürlich, daß der Rechnungshof eines Landes in erster Linie das prüft, was das Land finanziell besonders betrifft. Das sind aber nicht die Maßnahmen, zu denen das Land nur 30 % beiträgt, sondern die, wo höhere Anteile gezahlt werden. Das ist nicht Ausdruck von Mißtrauen gegenüber den Landesrechnungshöfen, sondern die Berücksichtigung normaler Verhaltensweisen. Deshalb erwartet das Parlament, der Bundestag, von uns, daß wir auf diesem Sektor eher ein bißeben mehr tun als bisher. Auch wenn wir im Kreise der Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder nicht immer ganz einig werden, finden wir in dieser Frage immer noch pragmatische Lösungen - bisher jedenfalls. Am meisten habe ich mich gewundert, daß Sie mit Sicherheit voraussagen wollen, wie das Bundesverwaltungsgericht entscheidet. Ich war früher einmal Richter und kenne noch das alte Wort "Bei Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand". Und ich würde empfehlen, da nicht vorschnell zu urteilen, zumal Sie in diesen Fragen, Herr Lehmann, im Kreise der Rechnungshöfe wohl eindeutig in der Minderheit sind. Natürlich dürfen und können Rechnungshöfe nicht über den künstlerischen Wert der Fernseh- und Rundfunkprogramme urteilen. Ich würde mich auch nicht äußern über den künstlerischen Wert bestimmter Theatervorführungen, obwohl ich dazu meine private Meinung habe. Das ist nicht die Funktion des Rechnungshofes. Aber Aufgabe des Rechnungshofes kann es natürlich sein, etwa beim Theater - und da wäre bei einer überörtlichen Prüfung viel, viel Stoff - vergleichend festzustellen, wie hoch die Honorare hier und dort sind. Da hat der Rechnungshof seine Aufgabe. Und man kann nicht sagen, weil es Kunst ist, kann der Intendant oder Schauspieler bekommen, was man gerade aushandelt oder was man gerade noch im Topf hat. Ähnliches gilt auch für die Hochschulen. Auch da kann eine Menge geprüft werden. Man kann doch nicht die Hochschulen von der Prüfung ausnehmen. Ich glaube auch nicht, daß die Hochschullehrer selbst das letztlich wollen; sie sind ja auch Steuerzahler. Man kann sich z. B. darüber unterhalten- und wir haben eine Menge Prüfungen dieser Art durchgeführt-, wie die Werkstätten vorgehalten werden. Hält jedes Institut seine eigene Werkstatt vor oder lassen sich mehrere zusammenlegen? Das hat mit der Unabhängigkeit der Wissenschaft überhaupt nichts zu tun. Mit derselben Begründung könnte ich als unabhängiges Mitglied des Rechnungshofes sagen, es geht keinen etwas an, ob ich arbeite oder nicht. So weit geht meine Unabhängigkeit nicht, so weit geht auch die Unabhängigkeit bei den Hochschulen nicht. Ich kann ohne weiteres prüfen, wieviel Vorlesungsstunden der eine und wieviel der andere gibt. Es gibt doch Pflichtstunden, es

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gibt doch ein Minimum, das man als Hochschullehrer leisten muß. Über das Thema ließe sich viel reden. Natürlich gibt es Grenzen. Auch über politische Fragen kann der Rechnungshof nicht entscheiden. Der Rechnungshof kann nicht sagen- ich überspitze jetzt bewußt-, ein Beitritt zum Warschauer Pakt wäre billiger als die Kosten der NATO. Das ist nicht Sache des Rechnungshofes. Hier geht es um politische Fragen. Ähnliches gilt im Hochschulbereich. Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Vielen Dank, Herr Dr. Zavelberg. Ich darf dann Frau Dr. Haag um ihren Diskussionsbeitrag bitten. Dr. Haag: Ich möchte ein Stichwort in die Diskussion werfen, das bisher noch nicht gefallen ist, aber m. E. für die Thematik Finanzkontrolle im Wandel wichtig ist, nämlich die Frage der Einnahmenkontrolle. Gegenstand der Kontrolle ist die Haushalts- und Wirtschaftsführung. Der Haushalt besteht aber aus Einnahmen und aus Ausgaben gleichermaßen. Oder wie Fritz Neumark zugespitzt formulierte: "Die BHO heißt nun einmal Bundeshaushaltsordnung und nicht Bundesausgabenordnung." Daß die Einnahmenkontrolle faktisch unbedeutend wäre, dagegen spricht eigentlich, daß sie vom Bundesrechnungshof selber in den letzten Jahren ausgebaut und aufgewertet worden ist. Wir kommen in unserer Untersuchung über den Bundesrechnungshof zu dem Schluß, daß die Erkennung der Bedeutung der Einnahmenkontrolle einen wichtigen Aspekt des Funktionswandels des Rechnungshofs selbst ausmacht. Daß sie problemlos oder leicht sei, dagegen sprechen eigentlich die Prüfungsmaßstäbe: neben die Ordnungsmäßigkeit tritt die Gleichmäßigkeit der Besteuerung, was sicher, wie Herr Dommach ausführen kann, genauso schwierig ist wie die Wirtschaftlichkeit. Von daher wäre eher zu fragen, ob sie nicht eine weitere Schwachstelle der Finanzkontrolle darstellt, auch und vor allem aus Gründen, die der Bundesrechnungshof nicht zu vertreten hat, Stichwort: Abgabe der Weisungskompetenz vom BMF. Wenn sie trotzdem so wenig in der Diskussion auftaucht, sie ist ja auch bei den anderen Referaten bisher nicht aufgetaucht, dann wäre zu fragen, inwieweit auf sie nicht etwas zutrifft, was Herr von Amim angesprochen hat, nämlich daß sie zum politischen Tabu-Bereich gehört und es eigentlich A~fgabe der Finanzkontrolle und der anderen unabhängigen Kontrollinstitutionen wäre, ihr in der öffentlichen Diskussion zur nötigen Aufmerksamkeit zu verhelfen. Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Vielen Dank, Frau Dr. Haag. Darf ich fragen, ob es weitere Wortmeldungen zum ersten Vortrag gibt? Das scheint mir nicht der Fall zu sein. Ich darf deshalb

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die beiden anderen Referenten fragen, ob sie zu dem bisherigen Komplex Stellung nehmen möchten? Universitätsprofessor Dr. Krebs: Ja, an einer Bemerkung liegt mir, die zwar nicht unmittelbar mit meinem Thema zusammenhängt, aber eine Fragestellung betrifft, die hier mehrfach angeklungen ist. Und zwar zu dem Problem der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Kommunen. Der Satz: "Wer mit fremden Geldern und Vermögen umgeht, ist rechenschaftspflichtig" ist plausibel, schlichthin widerspruchsfrei, und deshalb mag er meinetwegen sogar verfassungsrechtlich abgesichert sein. Nur erlaubt er keinerlei Rückschluß darauf, wer wen kontrolliert. Ebensowenig kann man einen Rückschluß aus der möglicherweise plausiblen Erkenntnis ziehen, daß es sehr sinnvoll wäre, eine überörtliche Prüfung der Kommunen anzuordnen. Daraus lassen sich keine Folgerungen auf die verfassungsrechtlich zulässige Gestaltung dieser überörtlichen Prüfung herleiten. Hier muß man sehen, daß Kontrolle Entscheidungssteuerung bedeutet, Fremdkontrolle also auf Fremdbestimmung hinausläuft, und insofern stellt sie natürlich eine gegenläufige Tendenz zu Art. 28 Abs. 2 GG dar. Und deshalb meine ich, müßte man dieses Problem differenziert dahingehend diskutieren, ob man eine überörtliche Prüfung in Verbindung etwa mit den Aufsichtsbefugnissen und Aufsichtsrechten einrichtet oder unabhängig von Aufsichtsinstanzen. Das macht einen riesigen Unterschied. Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Vielen Dank, Herr Krebs. Herr Kollege von Arnim, bitte. Universitätsprofessor Dr. v. Arnim: Zu diesem Thema nur ganz kurz eine Bemerkung. Herr Klappstein hat auf den schlichten, aber wahren Satz hingewiesen: "Wer über fremdes Gut verfügt, ist rechenschaftspflichtig, und zwar demjenigen, über dessen Gut er verfügt." Er muß also auch der Kontrolle im Interesse dessen, dessen Gut es ist, unterliegen. Daß daraus nicht ganz harte rechtliche Konsequenzen in jedem Fall fließen, ist klar. Dieses Prinzip ergibt aber m. E. nicht nur ein rechtspolitisches Tendenzurteil in Richtung Einführung der Prüfung da, wo sie noch nicht existiert, also überörtliche Prüfung etwa in Hessen, sondern es ergibt m. E. auch eine tendenzielle Wertung in Richtung auf Veröffentlichung. Denn das fremde Gut, über das man verfügt, ist ja letztlich das Gut des Steuerzahlers, des Volkes, wenn Sie so wollen. Das verlangt Öffentlichkeit. Daß das auch wieder nicht ganz harte Konsequenzen hat in dem Sinne, daß man alles, was die Rechnungshöfe machen, 20 000 Seiten, veröffentlicht, ist selbstverständlich. Da stehen ja so viele PersonaHa drin, im

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kommunalen Bereich z. B., wer Sozialhilfe kriegt undalldiese Dinge, die natürlich nicht veröffentlicht werden können. Aber doch ein Tendenzurteil in die Richtung, daß zusammenfassende Berichte, die der Kommunalbevölkerung und dem Kommunalwähler einen Überblick über Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Finanzen in seiner Kommune geben, veröffentlicht werden. Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Vielen Dank. Herr Dr. Zavelberg möchte dazu etwas sagen. Präsident Dr. Zavelberg: Uneingeschränkte Zustimmung zu Herrn von Arnim. Zu Herrn Krebs nur die Antwort, die ich schon im Vortrag gegeben habe: Für mich hängt die überörtliche Prüfung nicht nur mit der Kommunalaufsicht zusammen. Für mich steht die Information der politischen Entscheidungsträger auf der höheren Ebene im Vordergrund. Und die politischen Entscheidungsträger für die Zuweisung der Mittel an die Kommunen wie auch für die Zuweisung der Befugnis, selbst Steuern zu erheben, sind nun einmal die Landtage und die Landesregierungen, partiell auch Bundestag und Bundesregierung. Dieser Informationsfunktion muß die überörtliche Prüfung genügen können, daneben natürlich auch die Kommunalaufsicht kontrollieren, insofern also Kontrolle der Kontrolle sein. Sodann zu der Bemerkung von Frau Haag über die Prüfung der Einnahmen: Ich bin völlig Ihrer Meinung, daß auf dem Einnahmesektor eher zu wenig geprüft wird. Ich habe bereits bei meiner Amtsübernahme gesagt, daß ich dort einen Schwerpunkt sehe; denn es kann nicht richtig sein, daß der Bundesrechnungshof insgesamt 50 Prüfungsgebiete hat und daß sich damals nur anderthalb Prüfungsgebiete mit Steuern befaßten. Die eine Seite des Haushalts ist ja genauso groß wie die andere Seite; also muß da eine Verhältnismäßigkeit bestehen. Wir haben inzwischen zweieinhalb Prüfungsgebiete für Steuern- das ist immer noch nicht sehr viel- und werden, das ist mein Streben, für das nächste Jahr ein weiteres Prüfungsgebiet einrichten, das sich mit Steuerfragen befaßt, und zwar durch Umschichtungen, Herr Overhaus, nicht durch Stellenmehrungen. Man sollte vor allem dort prüfen, Herr Feit, wo es um hohe Beträge geht. Es geht dabei auch und gerade um das Interesse des Steuerzahlers - das ist mit Recht herausgestellt worden - an einer Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Wie scharf ich zur Steuer herangezogen werde, darf beispielsweise nicht davon abhängen, ob ich in einem (vielleicht finanzschwächeren) oder in einem anderen (vielleicht finanzstärkeren) Bundesland lebe. Und deshalb glaube ich, der Bundesrechnungshof muß auch und gerade auf diesem Sektor prüfen. Im übrigen ergibt sich das natürlich auch aus der Verpflichtung zur Prüfung der Rechtmäßigkeil finanzwirksamen Verwaltungshandelns.

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Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Vielen Dank, Herr Dr. Zavelberg. Ich darf damit die Diskussion des ersten Vortrags abschließen. Ich habe zum zweiten Vortrag von Herrn Kollegen von Arnim zur Finanzkontrolle in der Demokratie drei Wortmeldungen, nämlich der Herren Dr. Feit, Prof. Kisker und Prof. Lange vorliegen. Herr Dr. Feit, bitte. Dr. Feit: Ich glaube, das meiste ist schon gesagt worden inzwischen. Ich wollte mich beschäftigen mit dem Problem der Stellung der Rechnungshöfe oder des Bundesrechnungshofes in unserer Verfassung. Mir scheint, daß das nicht hinlänglich ausgebaut ist. Man könnte noch mehr tun, als diese mehr oder weniger schlappe Erwähnung im Art. 114 GG. Was zur Begründung zu sagen ist, hat Herr Prof. von Arnim gesagt und Herr Klappstein auch schon. Dem kann ich mich nur anschließen. Dieses Problem weitet sich ja aus, dieses Problem des Anvertrauens von Geld usw. Wir werden ja noch darauf zu sprechen kommen und ich meine, daß die heutige Stellung des Bundesrechnungshofes dem noch nicht gerecht wird, der Rechnungshöfe allgemein. Es war, glaube ich, Theodor Heuß, der mal früher gesagt hat, die Presse sei die vierte Gewalt im Staate. Ich möchte das ergänzen. Ich möchte sagen, die kontrollierende Gewalt, also die Rechnungshöfe im Verein mit der Presse, sind die vierte Gewalt im Staate. Wir sollten viel mehr daran denken, welche Funktion aus der Sicht des Zensiten, aus der Sicht der misera plebs contribuens, diese Rechnungshöfe denn nun wahrnehmen. Sie sind ja im Grunde das letzte Bollwerk gegen ein mehr oder weniger tollwütig gewordenes Parlament bei der Ausgabenwirtschaft- Es ist kein Wort von mir und ich habe etwas Neues gelernt, Herr Prof. Krebs, daß die Kontrolle im Gesetzgebungsverfahren stattfinden soll. Das sage ich jetzt ganz prononciert im Hinblick auf die Rechnungshöfe, die ich mir mit noch viel mehr Rechten wünschte. Da ist was Neues und wissen Sie, worin das besteht? Ich habe es in vielen Gesprächen jetzt zur Steuerreform erlebt, daß diese Kontrolle so aussieht: Die ballen zwar die Hand in der Tasche, lassen sie dann aber da drin. Es geschieht geradezu nichts. Abgeordnete haben mir - und das sollten Sie bei den Rechnungshöfen ruhig mal wissen- ein- übers anderemal gesagt, da sind 5, 6 Mann, die beschließen, und wir haben abzustimmen. Das ist die ganze Kontrolle, Herr Professor. Und ich glaube, da müssen wir viel mehr dran tun. Also, worum es mir mit meinem Beitrag eigentlich geht, ist, auch in dieser Tagung darüber nachzudenken, welche Wünsche die Rechnungshöfe vielleicht an einen Verband haben, der sich öffentlich betätigt, um ihre Möglichkeiten weiter auszubauen. Wir wollen das tun. Denn bitte bedenken Sie, das Vertrauen des Bürgers in seinen Staat hängt nicht zuletzt vom Vertrauen in die Arbeit der Rechnungshöfe ab.

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Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Danke schön. Herr Prof. Kisker, Sie haben das Wort. Universitätsprofessor Dr. Kisker: Eine Bemerkung, Herr von Amim, zum Stichwort ,,Rechnungshof und Öffentlichkeit", das ja bedauerlicherweise hier nicht mehr in einem besonderen Referat behandelt werden kann. Ihre Thesen zu diesem Stichwort haben meine volle verfassungspolitische Sympathie. Es bleibt aber zu fragen, ob sie verfassungsrechtlich zu halten sind: In Art. 114 GG ist leider eben nicht von Öffentlichkeit, sondern vom Bundestag und Bundesrat die Rede. Und in der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift ging es immer nur darum, den Rechnungshof "näher an das Parlament" heranzurücken. Sie müssen deshalb wohl mit rechtlichen Einwendungen rechnen, wenn Sie dafür plädieren sollten, dem Rechnungshof ein umfassendes Recht zum Immediatvortrag beim "Souverän" zuzugestehen. Zumindest sind dem Hof hier doch wohl Grenzen gesetzt. Aber wo? Soll es bei dem bleiben, was schon jetzt praktiziert wird: daß nämlich der Präsident des Rechnungshofes gelegentlich der Übergabe des Berichts an das Parlament sich im Rahmen einer Pressekonferenz zu den Ergebnissen des Berichts äußert, und bei den weiteren Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, daß Parlamentsdrucksachen allgemein zugänglich sind? Oder kann man, ausgehend von Ihrer Auffassung, dem Rechnungshof mehr an Öffentlichkeitsarbeit zugestehen; etwa die Befugnis, das, was er an Beanstandenswertem entdeckt hat, nach Anhörung der verantwortlichen Stellen, alsbald der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen, z. B. durch eine Presseerklärung.

Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Danke schön. Herr Prof. Lange, bitte.

Universitätsprofessor Dr. Lange: Herr von Amim hat überzeugend die personelle, institutionelle und funktionelle demokratische Legitimation des Rechnungshofs dargelegt. Ich meine, das gilt nicht nur für die Aufgaben, die dem Bundesrechnungshof unmittelbar durch die Verfassung zugewiesen sind, sondern diese demokratische Legitimation hat er auch insofern, als der Gesetzgeber ihm zusätzliche Aufgaben zuweist. Was Sie weniger angesprochen haben, Herr von Amim, sind die Schranken der demokratischen Legitimation des Bundesrechnungshofs. Man kann es sicherlich nicht so sehen, daß das Volk seine Repräsentanten wählt und das Feld der dann zu treffenden Sachentscheidungen geöffnet sein sollte für Richtigkeitskon-

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trollen und Einwirkungen von Sachverständigengremien, sondern zunächst einmal ist die demokratische Legitimation ja nicht nur bezogen auf die Wahl des einzelnen Abgeordneten, sondern auch darauf, daß er selbst Entscheidungen trifft, daß er seinen Entscheidungsspielraum nutzt im Interesse der Wähler. Von daher gesehen wäre ich etwas zurückhaltend hinsichtlich der Frage der Einwirkungsmöglichkeiten der Rechnungskontrolle auf diese Entscheidungsspielräume. Auch die Verwaltung hat natürlich ihre eigene demokratische Legitimation aufgrund ihrer parlamentarischen Verantwortlichkeit. Da entstehen nun wohl auch die hauptsächlichsten konkreten Probleme. Ich denke etwa an den einen Bereich, den Herr Präsident Dr. Zavelberg angesprochen hat, nämlich die Beratungsfunktion. Ich bin nicht ganz sicher, ob die Beratung im Gesetzgebungsverfahren durch den Rechnungshof sich völlig widerspruchsfrei vereinbaren läßt mit der Auffassung, daß die Prüfung durch den Bundesrechnungshof jeweils erst nach abgeschlossenen Verwaltungsentscheidungen erfolgen soll. Mir scheint, gerade wenn man berücksichtigt, daß die Rechnungshöfe davon ausgehen, daß ihre Beratungstätigkeit aus eigener Initiative erfolgen kann, hier von seiten der Rechnungshöfe auf Entscheidungsprozesse eingewirkt zu werden, während in der Position zu der Beschränkung der Prüfungsbefugnis auf abgeschlossene Vorgänge eine ganz andere Konzeption zum Ausdruck kommt. Ich halte diese Beratungstätigkeit auch unter dem Aspekt, daß die Rechnungshöfe sich damit möglicherweise bereits in gewisser Weise in die Verantwortung nehmen lassen und Möglichkeiten späterer distanzierter Prüfung einbüßen könnten, für nicht ganz unproblematisch. Ähnliche Überlegungen zu Legitimationsschranken drängen sich hinsichtlich des offensichtlich brisanten Themas der Kontrolle der Kommunen auf. Art. 28 Abs. 2 GG gibt den Kommunen eine starke, verfassungsrechtlich abgesicherte eigene demokratische Legitimation. Das Argument, wer Mittel zu verwalten habe, der müsse darüber auch Rechenschaft ablegen - da schließe ich mich ganz Herrn Krebs an - , sagt noch nichts darüber aus, wem gegenüber diese Rechenschaft abzulegen ist. Ich halte es auch für angreifbar, eine staatliche Rechnungskontrolle hinsichtlich des kommunalen Bereichs mit der Begründung zu fordern, daß die Mittel der Kommunen zu einem erheblichen Teil aus dem Finanzausgleich stammen. Es ist nicht unproblematisch, inwieweit dieses hohe Maß an Abhängigkeit von staatlichen Mitteln mit der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie vereinbar ist. Ich bezweifle auch, daß der Aspekt, daß die Länder ja darüber entscheiden, welche Steuern die Kommunen erheben könnten und welche Mittel sie aus dem Finanzausgleich erhielten, ein starkes Argument zugunsten einer Rechnungskontrolle durch die Länder ist. Denn die Länder sind schließlich verfassungsrechtlich verpflichtet, den Kommunen ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen. Ich sehe Probleme bei der Kontrolle der Kommunen durch die Rechnungshöfe der Länder vor allen Dingen unter den folgenden Aspekten: Einmal läßt sich

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sehr schwer ein Bereich abgrenzen, der den Kommunen vorbehalten bliebe, weil der Wirtschaftlichkeitsbegriff eben sehr weit ist. Das ist anders als bei der Kontrolle etwa von Universitäten, wo mit der Wissenschaftsfreiheit, oder bei der Kontrolle von Rundfunkanstalten, wo mit der Rundfunkfreiheit doch eher abgrenzbare Freiräume bei der Rechnungskontrolle bestehen. Ich sehe die Gefahr, daß fast grenzenlos in die Verwaltung der Kommunen hineinkontrolliert werden könnte, weil der Aspekt Wirtschaftlichkeit für die gesamte kommunale Tätigkeit eine Rolle spielt. Und ich bin auch nicht so ganz sicher, ob man die Funktion und die Auswirkungen der Prüfungstätigkeit der Landesrechnungshöfe nicht vielleicht unterschätzt, wenn man sie auf die Kommunen erstreckt. Wenn die Entscheidungen einer kleinen Kommune, die mit begrenzter Kapazität von Experten und Spezialisten ihre Selbstverwaltungsaufgaben zu bewältigen versucht, von einem Landesrechnungshof mit möglicherweise sehr viel Spezialisierterem und erfahrenerem Personal überpüft werden, dann kann diese Kommune dadurch unter einen politischen Druck geraten, der nicht unproblematisch ist. Ich sehe bei alledem, daß die Informationstätigkeit des Rechnungshofs doch wohl auch ein starkes politisches Gewicht hat. Sie ist ja nicht nur eine abstrakte intellektuelle Leistung, sondern ich meine, daß sie auch im politischen Raum, gerade in den Kommunen, erheblichen Einfluß nehmen kann. Daher meine Bedenken. Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Vielen Dank, Herr Lange. Ich darf fragen, ob es weitere Wortmeldungen zum Thema 2 gibt? Herr Kollege Magiera meldet sich zu Wort.

Universitätsprofessor Dr. Magiera: Im Unterschied zu einschränkenden Bemerkungen einiger Vorredner möchte ich mich für eine - sachlich und zeitlich - umfassende Kontrolle durch die Rechnungshöfe aussprechen. Ich sehe zwar auch mögliche Gefahren einer verstärkten Einschaltung der Rechnungshöfe, etwa im Hochschulbereich - Herr Präsident Zavelberg hat darauf hingewiesen; doch sollte es keinem Zweifel unterliegen, daß auch in diesem Bereich über die Verwendung der zur Verfügung gestellten Finanzierungsmittel voll Rechenschaft abzulegen ist. Die Aufgabe der Rechnungshöfe besteht darin, die ordnungsgemäße Verwendung der Finanzierungsmittel zu überprüfen und etwaige Mängel an die, vor allem parlamentarische, Öffentlichkeit zu bringen, nicht aber weitergehende Entscheidungen zu treffen. Deshalb bestehen auch keine grundlegenden Bedenken gegen die beratende Einbeziehung der Rechnungshöfe in den Entstehungsprozeß finanzwirksamer Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen. Die Verantwortung bleibt insofern stets bei den entscheidenden Gesetzgebungs- und Verwaltungsorganen, die zudem nicht nur die finanziellen Auswirkungen ihrer Maßnahmen zu berücksich7 Speyer 105

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tigen haben. Eine dadurch mögliche ,,Befangenheit" der Rechnungshöfe bei der späteren Prüfung der durchgeführten Maßnahmen läßt sich zwar nicht völlig ausschließen, erscheint jedoch angesichts der Unabhängigkeit seiner Mitglieder weniger schwerwiegend als die sonst gegebene Gefahr irreversibler Fehlfinanzierungen. Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Danke sehr. Ich frage die beiden nicht unmittelbar angesprochenen Referenten, ob sie sich äußern wollen. Ich habe gesehen, daß Herr Dr. Zavelberg sich sehr viele Notizen gemacht hat. Bitte. Präsident Dr. Zavelberg: Ich habe schon so viel geredet, ich lasse den anderen gern den Vortritt. Ich komme dann hinterher, sozusagen als "Libero". Universitätsprofessor Dr. Krebs: Ich habe nur eine kurze Bemerkung zu Herrn Feit, zur Problematik der Kontrolle im Gesetzgebungsverfahren. Wohlgemerkt, ich habe in erster Linie nicht die Wirklichkeit beschrieben, sondern ein normatives Modell entworfen. Gleichwohl möchte ich erneut betonen: Parlamentarische Kontrolle findet entweder im Gesetzgebungsverfahren statt oder sie ist nicht. Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Vielen Dank, Herr Krebs. Herr von Amim, bitte. Universitätsprofessor Dr. v. Arnim: Geht man davon aus, daß die heutige Stellung und Praxis der Rechnungshöfe dem Grundgesetz und der darin angelegten Grundwertung noch nicht voll gerecht wird, so bedeutet dies natürlich noch nicht, daß man daraus fertige Lösungen entnehmen könnte. Es handelt sich um ein eigentlich erst aufgegebenes Programm. Der Hinweis auf die natürliche Bundesgenossenschaft zwischen den Rechnungshöfen und dem mehr politisch agierenden Bund der Steuerzahler, der auch mal auf den Putz haut, scheint mir interessant. Auf diese Bundesgenossenschaft hat, glaube ich, ein Vorgänger von Ihnen, Herr Präsident, Dr. Blessing, einmal hingewiesen. Herr Kisker hat auf die Öffentlichkeit abgehoben. Vielen Dank für Ihre verfassungspolitische Zustimmung zu meinen Thesen. Die Grenze zwischen Verfassungspolitik und Verfassungsdogmatik ist, darüber sind wir uns sicher eiriig, schwer festzulegen. Da bestehen weite Übergänge. Das sieht man

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an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ja ganz deutlich. Wenn Sie, ich greife Ihren Ausdruck einmal auf, dem unmittelbaren Vortragsrecht des Rechnungshofs gegenüber der Öffentlichkeit entgegenhalten, das sei bei der Änderung des Art. 114 GG im Jahre 1969 nicht die Absicht des Parlaments gewesen, wie sich aus den Materialien zur Haushaltsrechtsreform ergebe, so scheint mir das kein zwingender Einwand. Natürlich war es nicht die Absicht des Parlaments, daß der Rechnungshof am Parlament vorbei jemanden informiert, und sei es auch das Volk selbst, das überhaupt erst die Quelle aller demokratischen Legitimation ist, weil dadurch die Stellung des Parlaments relativiert wird. Ist es aber nicht gerade die Funktion des Grundgesetzes, auch gegen Institutionsinteressen des Parlaments, auch solchen des Parlaments, etwas zugunsten des Volkes als eigentlichem Souverän zu tun? Meine These ist, man muß auch die diesbezüglichen Auffassungen des Parlaments kritisch sehen, wenn es um die Grundwerte geht, die in Art. 1 und 20 GG niedergelegt und wegen Art. 79 Abs. 3 dem Parlament auch mit 2/3-Mehrheit nicht zugänglich sind. Die unmittelbare Bezüglichkeit auf den Souverän, das Volk, scheint mir aber eine solche unabänderliche Wertung, die auch das Parlament bindet. Billigt man deni Rechnungshof aus eigenem Recht die Befugnis zu, an die Öffentlichkeit zu gehen, liegt darin nicht die Begründung einer irgendwie gearteten absoluten Gewalt. Denn der Rechnungshof kann ja nichts entscheiden. Er wirkt durch die Qualität seiner Berichte. Gibt er schlechte Berichte, nimmt er sich selbst die Wirkungsmöglichkeit; darin liegt eine automatische Bremse. Die Frage, inwieweit die Gemeinden durch den Rechnungshof oder überhaupt durch überörtliche Prüfung kontrolliert werden sollten, kann man - glaube ich - am besten von den Extremen her entwickeln. In dem von mir eingangs erwähnten Gutachten, wonach die Einführung der überörtlichen Prüfung in Hessen der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden widerspräche, befindet sich der Satz: "Es ist das Recht der Gemeinden, auf eigene Kosten Dummheiten zu machen". Das folge aus Art. 28 Abs. 2 GG. Da liegt m. E. ein Wertungsfehler insofern zugrunde, als die Mittel der Gemeinden eben nicht eigene Mittel sind, sondern das ihnen von den Gemeindebürgern anvertraute Gut, und teilweise, was die Zuschüsse des Staates anlangt, auch von anderer Seite. Von daher ergibt sich dann die Zulässigkeit der Kontrolle. Daß sich Grenzen ergeben, vor allen Dingen in der Kombination zwischen überörtlicher Rechnungsprüfung der Gemeinden und der gleichzeitig bestehenden Rechtsaufsicht, gerade wenn man Wirtschaftlichkeit auch als Rechtsprinzip ansieht, ist klar. Wenn dann noch Öffentlichkeit hinzu kommt, können die Gemeindeorgane ganz schön in die Zange geraten. Gerade im gemeindlichen Bereich gibt es deshalb sicher Grenzen, die es wohl rechtfertigen, hier nur eine Vertretbarkeilskontrolle anzunehmen. Demgegenüber tendieren Herr Krebs und Herr Kisker im staatlichen Bereich mit guten Gründen dahin, dem Rechnungshof nicht nur eine Vertretbarkeilskontrolle im Wirtschaftlichkeitsbereich zu geben, sondern eine intensivere.

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Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Vielen Dank, Herr von Amim. Jetzt Herr Dr. Zavelberg.

Präsident Dr. Zavelberg: Zu einigen Punktentrotz der fortgeschrittenen Stunde noch ein paar Anmerkungen: Herr Lange, ich weiß, daß das Nebeneinander von Beratung und nachkontrollierender Prüfung nicht unproblematisch ist. Der Gesetzgeber hat deshalb in § 88 Abs. 2 BHO formuliert: "Beratung auf Grund von Prüfungserfahrungen". Die damit verbundenen Schwierigkeiten sind bei der Diskussion über die Fassung der Vorschrift eingehend erörtert worden. Man hat damals Gefahren gesehen. In der Praxis allerdings- das kann ich nach mehr als fünf Jahren Arbeit beim Bundesrechnungshof sagen- hat die Beratungsfunktion keine Schwierigkeiten aufgeworfen. Im Gegenteil, sie wird vom Parlament, aber auch von der Verwaltung als hilfreich angesehen. Wenn der Rechnungshof auf einen Fehler hinweist, so ist klar, daß derjenige, der den Fehler gemacht hat, das selbst nicht stets als hilfreich ansieht. Aber die Stelle, die zu entscheiden hat, der Vorgesetzte und vor allem das Parlament, sehen es als hilfreich an. Deshalb glaube ich auch, daß es gerade für die kleinen Kommunen eine Hilfe wäre, wenn sie in vielen Fragen den Rat des Rechnungshofes auf Grund von Prüfungserfahrungen in vergleichbaren Fällen in Anspruch nehmen könnten. Was die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 betrifft, so schließt Selbstverwaltung eine Kontrolle nicht aus. Und eine Kontrolle der Selbstverwaltung ist nur durch den möglich, der nicht an den Entscheidungen beteiligt ist. Da die Kommune die Entscheidung trifft, muß eben ein anderer, ein Außenstehender, die Entscheidung kontrollieren. Wer das sein sollte, darüber wird man sicherlich noch ausgiebiger reden können. Hinsichtlich der Öffentlichkeit, Herr Kisker, teile ich die Meinung, die hier in der Diskussion geäußert wurde. Ich sehe ein Recht des Rechnungshofes, an die Öffentlichkeit zu treten als gegeben an, ohne daß es unbedingt in der Verfassung stehen müßte. Dieses Recht ist dem Bundesrechnungshof bisher nicht bestritten worden. In einzelnen Ländern, so meines Wissens im Saarland, gibt es allerdings Schwierigkeiten hinsichtlich des Zeitpunktes einer Veröffentlichung. Aber in den meisten Ländern sieht sich der Rechnungshof - ebenso wie im Bund - berechtigt, die Öffentlichkeit zu informieren. Allerdings gibt es Grenzen: So müssen wir das Gebot der Fairneß oder des rechtlichen Gehörs oder wie auch immer Sie es nennen wollen, beachten, d. h. nichts veröffentlichen, was nicht zuvor mit der geprüften Stelle erörtert worden ist. Erst dann können wir an die Öffentlichkeit treten. Wir haben auch jederzeit die Möglichkeit, außerhalb des Bemerkungsverfahrens zu veröffentlichen, nämlich im Rahmen eines Sonderberichts nach§ 99 BHO bzw. LHO. Dagegen wäre ich mit laufenden

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Interviews etwas vorsichtiger, es sei denn, es ist etwas bekanntzugeben, was bereits mit den geprüften Stellen erörtert ist und auch den anderen Adressaten bereits vorliegt. Zu Ihrem Einwand, Herr Feit: Ich halte den Art. 114 nicht für "schlapp". Im internationalen Vergleich werden Sie kaum irgendwo etwas ähnlich Weitgehendes finden: verfassungsrechtlich abgesicherte Rechnungsprüfung, ein verfassungsrechtlich abgesichertes Recht zur Prüfung nicht nur der Rechtmäßigkeit, sondern auch der Wirtschaftlichkeit, verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit und Lückenlosigkeit der Prüfung als verfassungsrechtlicher Grundsatz. Die meisten ausländischen Rechnungshöfe wären glücklich, wenn sie wenigstens zwei Drittel des Haushalts prüfen könnten; ein Drittel oder mehr ist dort häufig in Sonderfonds usw. ausgelagert, die einer Prüfung nicht zugänglich sind. Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Danke schön. Wir haben damit die Diskussion des zweiten Themas abgeschlossen. Ich fürchte, im Unterschied zu der Geschichte von Herrn Mösbauer wird hier nun doch nicht jeder Vortrag ein Drittel der Zeit in der Diskussion bekommen können. Ich habe zur Diskussion des Vortrages von Herrn Kollegen Krebs über Prüfungsmaßstäbe eine Wortme~dung von Herrn Vizepräsident Heuer vorliegen. Bitte. Vizepräsident Heuer: Ich wollte mich in der Hauptsache an Herrn Krebs wenden, aber ich darf vielleicht zwei Vorbemerkungen machen, die die anderen Themen betreffen. Das eine eigentlich nur, weil Sie "angedroht" haben, die Diskussionsbeiträge zu Protokoll zu nehmen. Man kann sie dann nachlesen. Deshalb vielleicht doch noch einen Satz zu Herrn Lehmann. Herr Lehmann, Sie haben vorhin gesagt, es sei ganz klar, daß, wenn das Geld in den Landeshaushalt käme, es nur vom Landesrechnungshof geprüft werden könne. Ich würde sagen, das ist Ihre Meinung. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es dafür eine Mehrheitsauffassung gibt. Nicht einmal bei den Landesrechnungshöfen, ich will es ja gerade begründen, und zwar deshalb, dann müssen Sie das nämlich konsequenterweise auch im Verhältnis Land - Gemeinden machen. Wenn ich mich aber richtig informiert habe, sind Sie alle der Auffassung, daß, wenn das Landesgeld in den Gemeindehaushalt geht, Sie auch dann natürlich als Landesrechnungshof die vollen Prüfrechte haben. Im übrigen ist es doch so, die Frage, ob das Geld in den Haushalt der Länder kommt, war ursprünglich allein eine Entscheidung von - ich sage vereinfacht- Kassen- und Haushaltsreferenten. Es ging um verwaltungsmäßige Zweckmäßigkeit ohne rechtliche Motive. Damit können doch keine Prüfungskompetenzen von Rechnungshöfen entfallen oder geschaffen werden, je nach-

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dem, wie man das sieht. Das halte ich für ganz ausgeschlossen oder, um es zuzuspitzen: Dieselbe Situation haben Sie beim Wohngeld, der Bund bezahlt hier 50 %, es handelt sich um eine Bundesauftragsangelegenheit, die bisher ganz unstrittig in Literatur und auch in Ihrer Praxis so gesehen wird, daß wir, Bundesrechnungshof, voll und uneingeschränkt prüfen, obwohl das Bundesgeld im Landeshaushalt mitveranschlagt wird. Ganz unstrittig. Sie müßten also da den Hebel ansetzen und da kann ich Ihnen versprechen, da werden wir sehr schnell, wenn Sie das durchhalten wollen, streiten und zwar wirklich streiten müssen bis zum letzten. Da gibt es überhaupt keine Kompromißmöglichkeit. Ich wollte es Ihnen nur rechtlich vorhalten. Wir sind, Sie weisen zu Recht darauf hin, im Normalfall sehr weit in den Kompromissen gegangen, hier würde die Grenze überschritten sein. Aber mir geht es ja auch nicht um den Kompromiß, den Herr Dr. Zavelberg auch für die Praxis angedeutet hat. Ich wollte nur widersprechen, weil es hier zu Protokoll genommen wird. In der Rechtsauffassung können wir Ihnen überhaupt nicht folgen. Das ist absolut unmöglich. Ich habe es am Beispiel Wohngeld gezeigt, wir können das gar nicht machen, selbst wenn wir Ihnen irgendwo entgegenkommen wollten, rechtlich können wir das nicht anerkennen. Ein ganz kurzes Wort, Herr von Arnim, zu einer Frage, die bei Ihnen aufgetaucht ist, weil wir leider Herrn Neumark hier nicht sehen, und die jetzt auch hier ein bißeben in der Diskussion eine Rolle gespielt hat, zur Öffentlichkeitsarbeit der Rechnungshöfe. Sie haben angesetzt und haben gesagt, die Legitimation der Rechnungshöfe stammt vom Volk, aus der Verfassung, die das Volk über Repräsentanten schließlich gewollt hat. Ich würde hinzufügen, Rechnungshöfe müssen sich bewähren durch Leistung. Ich wollte es noch ein bißeben vertieft sagen, wir müssen uns bewähren eigentlich in mehreren Ebenen. Gegenüber der Verwaltung im ständigen Klein-Klein, da müssen wir sehen, daß wir uns durchsetzen, daß die uns akzeptieren. Wir müssen uns bewähren - eine weitere Stufe - im Gespräch mit den Abgeordneten, also mit den Parlamenten, mit dem Gesetzgeber; und ich würde hinzufügen wollen in Ihrem Sinne, wir müssen uns bewähren, und das ist letzten Endes gar nicht so unwichtig, gegenüber der Öffentlichkeit. Wenn Sie so wollen, auch eine Repräsentation der Volkesmeinung. Wobei ich offenlasse, wer wen da mehr treibt. Also, ich halte das schon für ganz gut, zu sagen, man sollte ruhig möglichst aufdecken, was wir tun, offenlegen auch in dem Sinne, wir werden ja nicht geprüft, daß dieses feed-back stattfindet und uns bedeutet wird, das wird akzeptiert als wie immer definiertes Allgemeinwohl oder nicht. Wenn ich an die Diskussion denke bei der berühmten Quellensteuer, da haben wir das erfahren, wie das ist, und wir haben uns, glaube ich, insofern nachher wohlfühlen dürfen, weil es eine Pro- und Kontra-Diskussion war. Aber jetzt meine Hauptfrage, Herr Krebs, an Sie, Sie haben über verschiedene Varianten gesprochen der Beziehung zwischen Wirtschaftlichkeit und Rechtmäßigkeit Ich habe eine Beziehung vermißt, die wollte ich Ihnen doch ans Herz legen und fragen, weil ich da schon lange auf eine Antwort warte. Herr von Arnim kennt die Frage schon, die für uns in der Praxis eine große Rolle spielt. Vielleicht

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kann ich es am besten am Beispiel sagen. Nehmen Sie an, sehr realitätsnah, man denkt darüber nach, aus dem Vier-Augen- Prinzip bei der Bearbeitung von, ich sage jetzt z. B. Rentenanträgen, ein Zwei-Augen-Prinzip zu machen, evtl. in Verbindung mit Einsatz von Datenverarbeitung. Oder man dünnt die Endkontrolle aus, auch alles sehr lebensnah, man prüft nicht mehr jeden 5. Fall, sondern vielleicht nur noch jeden 20. Fall. Dann führt das dazu, daß dieses Verfahren, jetzt aus dieser Blickrichtung gesehen, sehr viel wirtschaftlicher ist. Mindestens in dem Sinne, daß es sparsamer ist - Sparsamkeit ist ja eine Variante der Wirtschaftlichkeit -; hat aber zur Folge im allgemeinen, daß sich die Fehler mehren, genauer gesagt, daß das Maß der Rechtmäßigkeit sinkt. Und das wird also oft, meine ich, nicht so betrachtet. Wir neigen vor allem als Juristen zur Einzelfallbetrachtung. Wir vergleichen nicht ein Verfahren, wenn es gerade unter dem Blickwinkel Wirtschaftlichkeit betrachtet werden kann, mit den Auswirkungen, ich sage jetzt mal summarisch gesehen, für die Rechtmäßigkeit des Verfahrens. Da fehlt uns irgendwie ein Begriff, da fehlt uns der Maßstab. Der von Ihnen vorhin genannte Herr Luhmann, ich habe leider nichts Jüngeres gefunden, hat irgendwann einmal um 1960 das so in eine Fußnote verbannt und hat da aus Amerika übernommen gesagt, na ja, so ein Fehlerquotient von 3 %, der würde dann, bezogen hier auf das Verfahren, sowohl den Maßstab der Wirtschaftlichkeit wie noch den Maßstab Rechtmäßigkeit erfüllen:Bei uns, soweit ich es sehe, gibt es nichts Eigenständiges hierzu. Wir wissen nur, daß in vielen Verfahren der Fehlerquotient viel höher ist, 10 %, 15 %. Wir tun uns als Rechnungshof immer sehr schwer, solche Fehlerquoten auf den offenen Markt zu bringen, weil das meistens erhebliche Wirren und Schwierigkeiten bringt. Aber es wäre einmal interessant zu wissen, wie Sie das beurteilen. Wenn ich es richtig sehe, gibt es dazu nichts Faßbares. Die Verwaltung ist sich selbst überlassen, die Rechnungshöfe sind es auch. Methodische Arbeiten gibt es nicht, obwohl es vor zwei Jahren anläßlich des Juristentages sehr nahe gelegen hätte, sich mit der Frage zu befassen - und zwar bei der Diskussion über den Haftungsmaßstab im Arbeitsrecht. Die Problematik ergibt sich ständig für uns im Alltagsleben. Ein Bearbeiter macht etwas falsch. An sich, summarisch gesehen, einkalkuliert. Die Verwaltung sagt, wenn wir 10 % falsch haben, ist das für uns akzeptabel. Wie immer, von wem auch immer akzeptiert. Aber jetzt kommt der konkrete Fall und jetzt stellt sich bei uns die Frage, wir sagen dazu Regreß- oder Schadensersatzanspruch gegen den Bediensteten, soll Fahrlässigkeit oder grobe Fahrlässigkeit maßgebend sein? Das wird also in eine Einzelfallbetrachtung umgemünzt. Mit dem Ergebnis meist, daß da mehr oder weniger lange Entschuldigungsbriefe geschrieben werden, völlig sinnlos in aller Regel, weil, ich nehme an, mehr als 99 % aller Fälle, vielleicht zum Ärger von Herrn Feit, nachher damit enden, da kommt nichts bei raus. Wobei Sie, Herr Dr. Feit, manchmal vielleicht ein bißeben zu wenig einschätzen, was übrigens die Privatindustrie natürlich anders hält, daß, wenn man haftbar machen würde, der Schaden, jetzt summarisch gesehen, viel größer werden könnte. Dann entsteht nämlich, was Sie anderweitig kritisie-

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ren, daß jeder sich absichert, Dienst nach Vorschrift macht. Wenn Sie das in Geld umrechnen, in eine Endzahl umrechnen würden, jetzt nicht in dem einen Fall, sondern in den Fällen insgesamt, ist das Verfahren womöglich teurer, als wenn Sie auf Schadensersatz verzichten. Also, das sind Probleme, ich wollte sie Ihnen ans Herz legen, deren Behandlung uns einfach in der Wissenschaft fehlt und wo wir eine Aufarbeitung erwarten würden.

Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Vielen Dank, Herr Vizepräsident Bevor ich frage, ob es weitere Wortmeldungen gibt, weise ich darauf hin, daß am Freitagmorgen noch Gelegenheit im Rahmen der Generaldiskussion besteht, Fragen auch zu diesem Thema zu stellen und Kommentare abzugeben. Herr Dr. Overhaus, bitte.

Ministerialdirigent Dr. Overhaus: Aus der Sicht des Bundesfinanzministeriums kann ich Herrn Heuer nur unterstützen: Natürlich ist der Bundesfinanzminister- zumindest in seiner Eigenschaft als Etatminister - immer daran interessiert, den Bundesrechnungshof an seiner Seite zu wissen, wenn es darum geht, die öffentlichen Finanzen "unter Kontrolle" zu halten. Selbstverständlich gilt das auch für die Verwendung von Bundesgeld im Bereich der Länder und Gemeinden. Ich möchte das gern an einem Beispiel verdeutlichen, das uns in diesen Tagen im Bundesfinanzministerium sehr intensiv beschäftigt. Aufgrund der sogenannten Niedersachsen-Initiative wird im Bundesfinanzministerium der Entwurf eines Gesetzes zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft in den Ländern vorbereitet, mit dem der Bund 10 Jahre lang jeweils rund 2,5 Milliarden DM an die Länder zur Förderung bestimmter Strukturverbesserungsinvestitionen leisten wird. Die ursprüngliche Zielsetzung des Landes Niedersachsen, die auf eine Budgethilfe durch Bundesbeteiligung an den Sozialhilfeausgaben gerichtet war, wjrd nicht weiterverfolgt Stattdessen sollen bestimmte Einzelvorhaben im Rahmen eines gesetzlichen Maßnahmenkatalogs auf der Grundlage des Artikels 104 a Absatz 4 des Grundgesetzes gefördert werden. Die Länder legen dabei im einzelnen fest, welche Vorhaben aus den im Gesetz für sie festgelegten Jahresbeträgen gefördert werden sollen. Die sich so ergebenden Förderlisten werden dem Bund mit dem Antrag auf Gewährung von Finanzhilfen vorgelegt. Aufgabe des Bundesfinanzministeriums ist es dann zu prüfen, ob die in den Förderlisten enthaltenen Projekte den gesetzlichen Kriterien tatsächlich auch entsprechen. Da wir nur bestimmte im Gesetz festgelegte Projektinformationen erhalten, wird unsere Prüfung in der Praxis wohl eher darauf hinauslaufen festzustellen, welche Vorha-

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ben ganz offensichtlich nicht mit den Förderkriterien übereinstimmen. Eine vollständige positive Feststellung der Förderfähigkeit aller Vorhaben wird faktisch kaum zu erreichen sein. In dieser schwierigen Situation sehen sich die für die Prüfung zuständigen Beamten im Bundesfinanzministerium sehr wohl im Blickwinkel wachsamer Rechnungsprüfer des Bundes. Und wir wären sehr froh, wenn der Bundesrechnungshof die gesetzeskonforme Verwendung der Bundesmittel im Einzelfall nicht nur bei uns, sondern auch bei den Ländern und Gemeinden überprüfen würde. Bei dem großen Volumen dieser im Regelfall90prozentigen (!)Bundesförderung dürfte es aller Lebenserfahrung entsprechen, daß der Kontrollblick des Bundesrechnungshofs noch etwas ausdauernder und zielgerichteter ist als der Kontrollblick der Landesrechnungshöfe. Leitender Ministerialrat Hesch: Soweit ich sehe, bin ich der einzige Vertreter eines Landesfinanzressorts hier in diesem Kreis. Die Äußerungen, die Herr Heuer hier getan hat und Sie eben, deuten darauf hin, daß wir in dieser Frage der Verwendung von Bundesmitteln, die den Ländern zufließen und die die Länder über ihre Landeshaushalte als Landesmittel dann wieder ausgeben, noch erhebliche Meinungsverschiedenheiten haben. Wir werden, soweit ich das bisher sehe, dem Bund hier nicht diese weitgehenden Kontrollrechte einräumen, auch nicht dem Bundesrechnungshof. Das ist ein alter Streit, aber daß der Bund, der BMF, gerade in diesem aktuellen Fall diesen Standpunkt hier vertritt, das wundert mich doch, denn eigentlich war daran gedacht, diese Mittel als allgemeine Haushaltshilfen zu bekommen. Das ist nicht so gelaufen. Es bestand dann ein politischer Konsens, das anders zu machen. Und jetzt läuft das über Art. 104 a, wobei eben nicht eine bis ins Letzte gehende Finanzkontrolle des Bundes gegenüber den Ländern besteht, sondern die Länder diese Mittel nach den Kriterien des beabsichtigten Bundesgesetzes zur Erfüllung ihrer eigenen Aufgaben verwenden. Daß wir, wie es abgesprochen ist in einer Grundvereinbarung über solche Finanzhilfen, dem Bund anzeigen, was konkret gemacht wird, ist eine ganz andere Frage. Aber hier besteht kein verfassungsrechtlicher Zwang, so zu verfahren. Ich glaube, in dieser Frage wird noch erheblicher Streit entstehen. Präsident Dr. Zavelberg: Diese Aussage reizt mich nun doch noch zu einer Erwiderung, nicht mehr als wenige Wörter, nämlich: "Verwirklichung des ursprünglichen, nicht erreichten Ziels mit anderen Mitteln."

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Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Danke schön. Herr Krebs, Thr Replik bitte. Universitätsprofessor Dr. Krebs: Zu Herrn Heuer. Die Frage, die Sie da angesprochen haben, ist genauso schwierig wie reizvoll. Und weil sie schwierig ist, kann man sie natürlich nicht aus dem Stand erschöpfend beantworten. Ich werde mich aber bemühen zu erklären, warum sie schwierig ist. Der Grund liegt darin, daß mehrere Problemschichten ineinander verwoben sind. Die eine Problemschicht - mit der habe ich mich im Vortrag beschäftigt - liegt im hochabstrakten Verhältnis zwischen Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit. Hier bin ich nach wie vor sehr nachhaltig der Auffassung, daß es da keine Kollisionen geben kann. Im übrigen bin ich nicht der Ansicht, daß der Rechnungshof ausschließlich der Advokat des Steuerzahlers sei, weil ich nicht meine, daß ich als Bürger nur Steuerzahler bin. Es ist zwar richtig, daß der Rechnungshof der Advokat des Bürgers ist, aber er ist dies nicht nur. Ich empfinde das Bild des Steuerzahlers als verkürzte Sicht. Der Staat hat für mich nicht nur die Aufgabe, möglichst wenig von meinem Geld auszugeben, sondern auch die Aufgabe, möglichst gut bestimmte Aufgaben für mich zu erledigen, also einen positiven Akzent. Und derartige Werte werden natürlich auch von Rechtsnormen verkörpert, und deshalb hüte ich mich, Wirtschaftlichkeit und Rechtmäßigkeit in Kollision zu bringen. Das zweite Problem, was Sie angesprochen haben, ist das Problem - Herr Luhmann hat es wohl pragmatische Illegalität oder pragmatische Legalität genannt - , daß es in der Wirklichkeit eine gewisse Prozentrate an Rechtswidrigkeit in den Verwaltungsentscheidungen gibt. Das betrifft nicht die normative Ebene, sondern die Wirklichkeitsebene. Normativ gilt Art. 20 Abs. 3 GG: die Verwaltung muß rechtmäßig handeln. Insofern ist das Problem des Wirklichkeitsbefunds als verwaltungswissenschaftliches Problem aufzufassen. Wenn der Beamte gleichzeitig fünfhundert Normen beachten muß, dann kann es sein, daß ihm fünf durchrutschen. Oder allgemein gesprochen: Das ist ein Problem der Informationsverarbeitungskapazität. Wenn ich die zu groß ansetze, muß ich ein bestimmtes Maß an pragmatischer Illegalität hinnehmen. Die dritte eingewobene Frage ist die der Bedeutung dieses Problems für die Zielrichtung des Rechnungshofes. Und da würde ich meinen, gilt auch für die Kapazitätsauslastung des Rechnungshofes das Wirtschaftlichkeitsgebot Auch die Kapazitäten des Rechnungshofes stehen unter den Geboten des Wirtschaftlichkeitsprinzips, und es ist durchaus legitim, daß der Rechnungshof sagt, angesichts bestimmter Felder, die einer intensiveren Durchleuchtung bedürfen, ziehe ich an anderer Stelle ein paar Kontrollen ab, obwohl ich riskiere, daß sich das Ausmaß der pragmatischen Illegalität ein bißeben vergrößert.

Diskussion

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Universitätsprofessor Dr. Reinermann: Vielen Dank, Herr Krebs. Damit sind wir am Ende unserer Diskussion angekommen. Meine Damen und Herren, vor rund 70 Jahren ist die Pfalz, insbesondere ihre damalige Bezirkshauptstadt Speyer, bei den Rechnungshöfen ein wenig in Mißkredit geraten, und das kam so: 1919 bis 1924 gab es hier politische Unruhen im Rahmen einer separatistischen Bewegung, die auf eine sog. freie Pfalz-Republik gerichtet war. Das hatte ziemliche Konsequenzen. So mußte die Bezirksregierung nach Ludwigshafen umziehen, weil das Gebäude der bayerischen Bezirksregierung durch eine Gegenregierung besetzt war; es gab auch Tote. Unter anderem führten diese Verwicklungen zu Verzögerungen in der Rechnungsprüfung und in der parlamentarischen Entlastung der bayerischen Staatsregierung, was den bayerischen obersten Rechnungshof veranlaßte, auf diesen destruktiven Beitrag aus der Pfalz mehrfach hinzuweisen. Vielleicht kann man diese von Herrn Kollegen von Arnim organisierte Tagung über Finanzkontrolle im Wandel auch ein wenig unter dem Aspekt einer späten Wiedergutmachung sehen, weil damit aus der Pfalz, aus Speyer, konstruktive Beiträge für die Arbeit der Rechnungshöfe kommen. Ich danke den Referenten des ersten Tages, ich danke den Diskussionsteilnehmern und schließe diese Diskussion.

ZWEITER TEIL

Möglichkeiten der Verbesserung der Finanzkontrolle

Universitätsprofessor Dr. Grupp: Ich darf Sie zu unserer morgendlichen Sitzung sehr herzlich begrüßen. Während es im ersten Teil am gestrigen Nachmittag darum ging, die Grundlagen der Finanzkontrolle, also gleichsam das geistige Fundament zu errichten, auf dem unsere Erörterungen nun aufbauen können und aufbauen sollen, geht es am heutigen Vormittag in dem zweiten Teil unserer gemeinsamen Tagung um Verbesserungen der Finanzkontrolle. Schon ein Blick auf die Kurzfassungen oder Zusammenfassungen der Referate der beiden ersten Referenten läßt es aber als sicher erscheinen, daß wir jetzt nicht in die Niederungen des rein Technischen hinabsteigen müssen. Ich bin vielmehr überzeugt, daß wir nicht lediglich erfahren werden, wie denn die bekannten Erbsen, die ja nach immer noch weit verbreiteter Meinung von den Rechnungshöfen gezählt werden, nun sortiert werden müssen, sondern daß wir uns mit wesentlichen Problemen der Finanzkontrolle beschäftigen können. Und dazu darf ich Herrn Heuer jetzt das Wort erteilen.

Wie kann die Rechnungshofkontrolle intensiviert werden? Von Ernst Heuer

I. Ziel und Zweck der Rechnungshofkontrolle Wer eine Aufgabenerfüllung intensivieren will, der muß sich über den Aufgabenzweck und damit über das Ziel der Tätigkeit im klaren sein. Welche Intensivierung gibt Sinn? Sicher nicht die, die den Kontrollaufwand nur quantitativ verstärken und den Entscheidungsspielraum der Verwaltung mit Reglementierungen und Besserwisserei einengen will. Im wesentlichen gehen die Rechnungshöfe so auch davon aus, daß eine Personalvermehrung lediglich in geringem Umfang oder punktuell - z. B. für Datenverarbeitung oder beim Bundesrechnungshof für die Bonner Dienststelle - sinnvoll ist und im übrigen eher strukturelle Verschiebungen in Betracht kommen 1• Zum anderen ist zu berücksichtigen, daß es nicht nur um Mehrarbeit der Rechnungshöfe, sondern auch um die Belastung der betreffenden Verwaltung und die Aufnahmefähigkeit und Aufnahmebereitschaft anderer Beteiligter geht, insbesondere um die des Parlaments und der Regierung. Ein Zuwachs an Prüfungsergebnissen, insbesondere wenn es sich um Einzelfeststellungen handelt, kann vom Wesentlichen ablenken und so eher kontraproduktiv wirken. Blinder Eifer würde also schaden.

I Stellenausschreibung der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder: 1975 BRH 1980 1985 insgesamt 513 520 534 davon 114 119 höherer Dienst 136 gehobener Dienst 256 252 252

LR.He insgesamt davon höherer Dienst gehobener Dienst

1988 550

147 259

1059

1089

1 214

1232

289 601

380 557

423 544

455 539

(ohne Arb.)

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Ernst Heuer

II. Intensivierung für die Empfänger (Kunden) der Prüfungsergebnisse Aus der in diesem Kreise bekannten Aufgabenbeschreibung der Rechnungshöfe möchte ich für mein Thema - trivial klingend - als grundlegende Elemente herausheben, daß die Rechnungshöfe mit ihrer Tätigkeit Informationen gewinnen und vermitteln. Informationsempfänger sind die geprüften Stellen, die Regierungen, die Parlamente und ihre Ausschüsse sowie im weiteren Sinne die Öffentlichkeit. Deren Informationsinteressen müssen mithin letztlich Leitlinie sein, wobei sicherlich nicht jeder subjektive Geschmack eines Informationsempfängers zugrunde gelegt werden kann, es auf Dauer aber keinen Sinn gibt, ohne wechselseitige Beeinflussung an diesem naturgemäß subjektiv gefärbten Informationsbedarf vorbeizuarbeiten. Eine Intensivierung der Kontrolltätigkeit durch die Rechnungshöfe muß sich im Nutzen für diese Informationsempfänger, der amerikanische Rechnungshof sagt "Kunden", niederschlagen. Die für deutsche Ohren etwas despektierliche Vokabel "Kunden" halte ich als Denkmodell für hilfreich, weil sie einer Mißdeutung der Unabhängigkeit der Rechnungshöfe entgegenwirkt, die natürlich nicht Unabhängigkeit von den sachlichen Erfordernissen der Finanzkontrolle bedeutet, sondern lediglich Entscheidungsautonomie unter Berücksichtigung dieser kundenorientierten Erfordernisse. Die Rechnungshöfe müssen sehen, daß sie mit unterschiedlichen Kunden zu tun haben, und daß darüber hinaus je nach Sachlage unterschiedliche Informationsbedürfnisse bestehen können. Diese Einschätzung der Bedeutung eines Prüfungsergebnisses ist bei der Arbeitsplanung, bei der Durchführung der Prüfung und letztlich bei der Darstellung der Ergebnisse wichtig. Die Routineprüfung einer nachgeordneten Behörde ist anders auszulegen, als die Prüfung, die von vornherein auf die Unterrichtung oder Beratung des Parlaments, insbesondere des Haushaltsausschusses, ausgerichtet ist. Der Einwand, dies sei vorher nicht bekannt, greift nur teilweise. Richtig ist, daß die Berichterstattung, die zum klassischen vergangenheitsorientierten Entlastungsverfahren gehört, meist als Nebenprodukt einer Prüfungstätigkeit anfällt, die zunächst vor allem die Verwaltung und die Regierung als Betroffene und Informationsempfänger sieht. Selbst in diesen Fällen ist es jedoch häufig möglich und nötig, während der Prüfung zu erkennen, daß eine Prüfung einen anderen Rang bekommen wird und dementsprechend der Informationslevel anderer Empfänger zu berücksichtigen ist. Nicht selten ist es leider heute noch so, daß vorliegende Prüfungsergebnisse bei der Aufarbeitung für die Berichterstattung an das Parlament in entscheidenden Punkten unvollständig sind, was letztlich zu Verzögerungen führt oder die Qualität der Berichterstattung beeinträchtigt. Der Bedarf der Kunden der Rechnungshöfe äußert sich seit längerem wachsend in dem Postulat, die Rechnungshöfe sollen mehr gegenwarts- und zukunftsbezogen prüfen, gezielt informieren und bei anstehenden Entscheidungen beraten. Insbesondere die Parlamente sehen hier die Hauptaufgabe der Rechnungshöfe 2 • 2

Siehe Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zum Entwurf

Wie kann die Rechnungshofkontrolle intensiviert werden?

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Die mit dieser Entwicklung zusammenhängenden Probleme werden bei den Rechnungshöfen unterschiedlich eingeschätzt. Besonderes Gewicht haben wohl die Bedenken, daß die Rechnungshöfe ihren breiten unbefangenen Erfahrungshorizont verlieren und von der Beratungsaufgabe ohne festes Fundament überfordert werden 3 • Hinzu kommt die Sorge, daß der Ruf und die Glaubwürdigkeit der Finanzkontrolle letztlich Schaden nehmen könnten, wenn die Rechnungshöfe unter Zeitdruck im Tagesgeschehen wie andere agieren müssen. Ich meine, daß sich die Rechnungshöfe dennoch diesem Trend nicht entziehen, sondern ihn in Zusammenarbeit mit deri Parlamenten und den Regierungen so gestalten sollten, daß die Gefahren beherrschbar bleiben und der Nutzen für die Informationsempranger im gewünschten Sinne gesteigert wird. Eine wesentliche Voraussetzung ist, daß - bildlich gesprochen - die Geschäftsbedingungen für die Art und Qualität der Informationen, die dem Parlament oder der Regierung zur Verfügung gestellt werden, festgelegt werden. Es gibt dafür Vorbilder bei ausländischen Rechnungshöfen, die die Intensität ihrer Tätigkeit von vomherein auf den Informationsbedarf des Parlaments abstimmen. Beispielsweise kennt der Rechnungshof der USA, das General Accounting Office, in Abstimmung mit dem Kongreß verschiedene Kategorien der Informationen für das Parlament, die sich im notwendigen zeitlichen Vorlauf und in der Qualität des Inhalts unterscheiden 4• In Berichten, die schnell verfügbar sein sollen, kann auf eine vorherige Abklärung aufgrund einer Stellungnahme der eines Gesetzes über den Bundesrechnungshof- BRHG, BT-Drucksache 10/3510, S. 4; Abgeordneter Dr. Friedmann in der 148. Sitzung des Deutschen Bundestages am 26. Juni 1985, Plenarprotokoll, S. 11 012. 3 Reger, Bemerkungen zur Finanzkontrolle, VerwArchiv 1975/195 ff., 229, 252, 319 ff., 365; Böninglvon Mutius/Schlegelberger, Finanzkontrolle im föderativen Staat, s. 48 ff., 1982. 4 Das General Accounting Office der USA stellt in seiner Broschüre- GAO Serving the Congress- Herausgeber Charles A. Bowsher, Comptroller General of the United States, seine "Produkte" dar. Bei den schriftlichen Berichten wird unterschieden (S. 15/ 16): - Detailed Report. Contains information on the background and operation of the program reviewed, as weil as detailed data on the review results. These reports are usually based on broad-scoped assignments with agencywide applicability and, for the most part, contain conclusions and recommendations. - Briefing report. Formalizes information provided at a briefing. Briefmg reports usually contain Iess background data than detailed reports. They usually offer conclusions and sometimes recommendations. Normally, briefing reports are used to provide the results of narrow-scoped reviews, or when urgency will not permit the time necessary to prepare a detailed report. - Fact sheet. States facts that answer specific questions. Fact sheets usually do not contain much background information and most frequently are limited to specific information and facts without conclusions. - Staff study. Summarizes information already available on a subject. Staff studies pull together key studies performed by others on the subject as weH as those by GAO. Staff studies include no opinions, conclusions, recommendations, or matters for congressional consideration unless already published. 8 Speyer 105

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Ernst Heuer

Verwaltung oder Regierung verzichtet werden. Es gibt ferner Berichte, bei denen nur die Darstellung eines Sachverhaltes und der erkennbaren Probleme verlangt, also keine Vorschläge oder Empfehlungen erwartet werden. Derartige Abstufungen mit klaren Abgrenzungen für das, was gewünscht und geboten wird, würden auch bei uns helfen, die Leistungsmöglichkeiten der Rechnungshöfe möglichst intensiv auszuschöpfen, ohne sie zu überfordern und ohne ihre Sachkompetenz in Streit zu bringen. Gegen solche Verfahrensweisen wird möglicherweise geltend gemacht werden, daß die deutsche Rechnungsprüfung herkömmlich kontradiktorisch abläuft, d. h. ein vorläufiges Prüfungsergebnis wird nach § 96 BHO/ LHO zunächst der geprüften Stelle zur Äußerung vorgelegt; erst dann wird das Prüfungsergebnis gegenüber dem Parlament verwertet. Auch der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages und der Rechnungsprüfungsausschuß legen in der Regel Wert darauf, im Sachverhalt unstreitige Berichte zu erhalten. Aus der Sicht der Rechnungshöfe bietet das kontradiktorische Verfahren den Vorteil, daß die eigenen Erhebungen nicht auf völlige Gewißheit abstellen müssen was unnötig aufwendig ist - , sondern die Gegenkontrolle der geprüften Stelle einrechnen können. Ein Verzicht auf deren Stellungnahme wird demnach nur sinnvoll sein, wenn eine hinreichende Abklärung des Sachverhalts bereits anderweitig gewährleistet ist oder überhaupt nur eine vorläufige Information oder ein Problemaufriß gewünscht wird oder die Eilbedürftigkeit der Information die Abweichung vom normalen Verfahren gebietet. Der Bundesrechnungshof hat eine entsprechende Regelung für anstehende Haushaltsentscheidungen getroffen5. Noch größere Bedeutung für eine Intensivierung der Kontrolltätigkeit der Rechnungshöfe hätte in geeigneten Fällen die bewußte Beschränkung der Informationsvermittlung auf Fakten und das Aufzeigen von Problemen, also der Verzicht auf eine abschließende eigene Bewertung und auf Vorschläge. Damit würde nicht nur Aufwand gespart, der für eine Intensivierung der Prüftätigkeit an anderer Stelle gebraucht wird, sondern die Reichweite der Kontrolle könnte ausgedehnt werden. Manche Streitfrage, die auch hier auf dieser Tagung eine Rolle spielt, würde möglicherweise an Gewicht verlieren 6• Ich denke beispielsweise an die Probleme der Prüfungskompetenz der Rechnungshöfe im Bereich der Wissenschaft, der Rundfunkanstalten und der militärischen Grundlagen für s Die im Jahre 1972 getroffene Regelung sieht vor, daß der Haushaltsausschuß bei der Beratung von Finanzvorlagen über ein vorliegendes Prüfungsergebnis zu unterrichten ist, wenn es einschlägig und für die Entscheidung des Ausschusses von Bedeutung sein

kann.

Wird über ein Ergebnis aus einem nicht abgeschlossenen Prüfungsverfahren berichtet, zu dem das Ressort noch nicht Stellung genommen hat, wird der Ausschuß bei der Mitteilung darauf hingewiesen. 6 Knöpfte, Die Zuständigkeit der Rechnungshöfe für die Prüfung der Körperschaften des öffentlichen Rechts, S. 117, 121; Heuer!Dommach, Handbuch der Finanzkontrolle, Rdnr. 79 u. 82 zu Art. 114 GO; Knöpfte, Kontrolle autonomer Einrichtungen, in diesem Werk.

Wie kann die Rechnungshofkontrolle intensiviert werden?

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Verteidigungsausgaben. Der Bundesrechnunghof kann wahrscheinlich nicht bewerten, ob die Bundeswehr Jagdflugzeuge braucht, der Bundesrechnungshof kann aber und hat das kürzlich getan, darauf hinweisen, daß bei einem geplanten Flugzeug technische Entwicklungsschwierigkeiten denkbar sind, die die Erfüllung der militärischen Aufgabe beeinträchtigen können 7 • Der Versuch des Verteidigungsrninisters, dem Bundesrechnungshof wegen fehlenden Fachwissens die Prüfungskompetenz zu bestreiten, ist in diesem Rahmen dankenswerterweise im Haushaltsausschuß zurückgewiesen worden 8 • Dies war deshalb wichtig und bemerkenswert, weil in früheren Jahren gelegentlich im Parlament die Äußerung gefallen ist, der Bundesrechnungshof solle nur berichten, wenn er sich seiner Sache sicher sei. An möglichen oder mehr oder weniger wahrscheinlichen Entwicklungen oder Problernen bestehe kein Interesse. Eine derartige im Einzelfall vielleicht politisch motivierte Abgrenzung des Informationsbedarfs, insbesondere des Parlaments und der Regierung, entspricht nicht rationaler Entscheidungsfindung. Gerade hierin, in der Unterstützung dieser Entscheidungsfindung, soweit eben möglich, liegt die Funktion der Rechnungshöfe in einem modernen Staatssystem 9 • Unentbehrlich ist der informatorische Beitrag der Rechnungshöfe, sie haben und brauchen deshalb lückenlose Erhebungsrechte. Fakten und Problerne müssen auf den Tisch. Die Meinung der Rechnungshöfe hat hierbei nur den Rang eines Ratgebers und ein kluger Ratgeber weiß sich zu beschränken. Hinderlich für dieses Verständnis ist allerdings die hergebrachte Definition des Begriffs des Prüfens, die dahingeht, daß Prüfen die Feststellung eines Sachverhaltes und die an Sollvorgaben orientierte Bewertung urnfaßt 10• Rechtlich könnte für diese Auslegung sprechen, daß sich nach § 90 BHO!LHO die Prüfung auf die Einhaltung der für die Haushalts- und Wirtschaftsführung geltenden Vorschriften und Grundsätze erstreckt, also darauf, ob ordnungsgemäß und wirtschaftlich verfahren worden ist. Andererseits ist zu bedenken, daß die Rechnungshöfe keinerlei Befugnis besitzen, die Ordnungsmäßigkeit oder Wirtschaftlichkeit verbindlich festzustellen. Parlament und Regierung sind frei in ihrer Würdigung der Prüfungsergebnisse 11 • Sie können auch Gesichtspunkte aufgreifen, die der Rechnungshof gar nicht gesehen oder angesprochen hat. Es wäre deshalb nicht einzusehen, warum Prüfungen nur insoweit zulässig und eine Weitergabe von Ergebnissen nur dann möglich sein sollten, wenn eine Bewertung im Sinne der Kriterien 1 Wehrdienst, Hrsg. Hans-Joachim Griephan, 24. Jahrgang, Ausgabe 1127 u. 1129/ 1988. 8 27. Sitzung des Haushaltsausschusses vom 4. Mai 1988, Protokoll Nr. 27, S. 30 ff. (32). 9 Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, Heidelberg, 1984, S. 181 ff., insbesondere S. 194, 199 und S. 204 f.; Blasius, Recht und Finanzkontrolle in den Gestaltungsräumen von Politik und Verwaltung, DÖV 1988, 819, 823, 827. 10 Piduch, Kommentar zum Bundeshaushaltsrecht, Rdnr. 20 zu Art. 114 GG; v. Wysocki, Grundlagen des betriebswirtschaftliehen Prüfungswesens, 3. Auflage, Seite 1 ff.; Heuer!Dommach, Handbuch der Finanzkontrolle, Rdnr. 63 zu Art. 114 GG. 11 Vogel/Kirchhof, Bonner Kommentar, Rdnr. 151 zu Art. 114 GG.

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Ordnungsmäßigkeit oder Wirtschaftlichkeit durch den Rechnungshof geleistet wird. Weitere Argumente für eine weniger enge Auslegung des Begriffes "prüfen" folgen aus §§ 89, 94 Abs. 1 BHO/LHO. Nach§ 89 Abs. 1 Nr. 2 BHO/LHO prüfen die Rechnungshöfe Maßnahmen, die sich finanziell auswirken können, die also mit Abläufen mindestens teilweise erst in der Zukunft liegen und für die eine Bewertung insoweit häufig nicht oder nur spekulativ möglich ist. Beispiele aus dem Bereich des Bundesrechnungshofes sind Prüfungen moderner Investitionsvorhaben der Deutschen Bundespost. Im übrigen können die Rechnungshöfe nach § 89 Abs. 2 BHO/LHO Prüfungen beschränken und nach § 94 Abs. 1 BHO/LHO die Art der Prüfung bestimmen. Der Gesetzgeber hat den Rechnungshöfen weitestgehend Autonomie hinsichtlich ihres Vorgehens eingeräumt. Es ist danach und mit Blick auf die Unabhängigkeit der Rechnungshöfe nicht anzunehmen, daß eine Prüfung mit einer Bewertung abschließen muß und Untersuchungen unzulässig sind, die nicht auf eine Bewertung abzielen. Die Prüfungskriterien Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit sind viehnehr lediglich die Blickwinkel und die möglichen Maßstäbe der Finanzkontrolle. Das heißt: Gegenstand und Inhalt der Prüfung darf das sein, was ein gesetzlich vorgesehener Informationsempfänger für Entscheidungen anhand dieser Maßstäbe nutzen kann 12• Hier sind die Grenzen der Unterstützung von Parlament und Regierungen durch die Rechnungshöfe 13•

111. Verlagerung von Schwerpunkten in finanziell bedeutende, bisher nicht ausreichend kontrollierte Bereiche Ein weiterer Grundansatz für das hier behandelte Thema ist die Frage, in welchen Bereichen besteht ein grundsätzliches oder besonders großes Defizit an Finanzkontrolle und wie läßt es sich beseitigen. Aus der Sicht des Bundes sind in diesem Zusammenhang vor allem Ausgaben im internationalen Bereich und für Rüstungsvorhaben sowie die Steuereinnahmen zu nennen 14• Was die Ausgaben im internationalen Bereich anlangt, möchte ich mich hier auf den Hinweis beschränken, daß es um Beträge in Milliardenhöhe geht 15 , über deren Verwendung Vertreter der Bundesregierung mitentscheiden oder jedenfalls 12 Richten sich die Prüfungsergebnisse an einen Minister oder an den Gesetzgeber, sind deren Verwertungs- und Entscheidungsschranken maßgebend, bei einem Bericht an Gremien der geprüften Stelle deren Möglichkeiten und Grenzen. 13 Außerdem muß natürlich generell die Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes in Betracht kommen; vergl. auch Knöpfte, Die Zuständigkeit der Rechnungshöfe für die Prüfung der Körperschaften des öffentlichen Rechts, 1988, S. 111. 14 Siehe Zavelberg, Von der Rechnungsprüfung zur Finanzkontrolle, in diesem Werk. 1s Die Bundesrepublik Deutschland leistet jährlich knapp 5 Mrd. DM an rd. 250 internationale Organisationen. Quelle: Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992, Drucksache 11/2701, Nr. 1.9.2.

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Rechenschaft erhalten, das Parlament aber kaum etwas davon erfährt. Der Bundesrechnungshof sieht hier deshalb eine Aufgabe, auf die möglichst effiziente Finanzkontrolle in den internationalen Organisationen hinzuwirken und sich in Abstimmung mit der Bundesregierung und dem Haushaltsausschuß für die Prüfung internationaler Organisationen zur Verfügung zu stellen. 1. Nationale Rüstungsvorhaben I Erhebungsrechte in Unternehmen der Rüstungsindustrie

Bei den Rüstungsvorhaben sind zu unterscheiden solche, die ausschließlich national und andere, die im Ralunen der NATO oder auf andere Weise international durchgeführt werden. Nationale Rüstungsvorhaben, die nach Selbstkostenpreisen abgewickelt werden, werden gegenwärtig zwar durch Stellen der Exekutive bei den Auftragnehmern der Privatindustrie nach öffentlichem Preisrecht geprüft, eine Kontrolle der Verwaltungstätigkeit und eine Information des Paria-. ments durch den Bundesrechnungshof über die Probleme der Kostenentwicklung finden aber nicht statt. Anders als der amerikanische Rechnungshof 16 besitzt der Bundesrechnungshof nämlich in derartigen Fällen keine Erhebungsrechte bei den privaten Unternehmen. In trauter Einigkeit haben Industrie und Exekutive diesen prüfungsfreien Raum verteidigt, wobei die Hauptargumentation, eine Prüfung durch den Bundes:. rechnungshofverstoße gegen die marktwirtschaftliche Ordnung und sei im übrigen wegen der Prüfungen durch die Preisprüfer der Länder oder des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung überflüssig, merkwürdig anmutet. Die Produktion von Rüstungsgütern zu Selbstkostenpreisen mit garantierten Gewinnmargen ist wahrlich nicht vom marktwirtschaftliehen Geist geprägt und es ist auch nicht einzusehen, wieso die marktwirtschaftliche Ordnung nur durch die Prüfungen des Bundesrechnungshofes gestört würde, nicht dagegen durch die des Bundesamtes oder die Preisprüfer der Länder. Die Behauptung, die Exekutive bedürfe keiner Kontrolle, weil sie offenbar keine Fehler mache, spricht in ihrer Selbstgerechtigkeit für sich. Übersehen wird hierbei auch, daß es um den Bedarf des Parlaments an unabhängig gewonnener Information geht. Der weitere Hinweis, dem Bundesrechnungshof fehle es an Können und an Erfahrungen für derartige Prüfungen, geht in die falsche Richtung. Dem Bundesrechnungshof muß natürlich Gelegenheit gegeben werden, das Know-how und die Erfahrungen für diese Prüfungen zu erwerben, so wie das in anderen Feldern ebenfalls erforderlich ist. Der Bundesrechnungshof mit seinem begrenzten Potential kann nicht in allen Bereichen aus dem Stand das gleiche Wissen vorrätig haben wie die Verwaltung. Ein Ausgleich ergibt sich schon daraus, daß der Prüfer von der Vorarbeit der Verwaltung ausgehen und sich auf bestimmte Problemfelder beschränken kann. 16 1962 Truth in Negotiations Act (P. L. 87-653); General Accounting Office Act of 1980 (P. L. 96-226); Federal Acquisition Regulations (P. L. 52-215).

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Der Bundesrechnungshof hat mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, daß der Rechnungsprüfungsausschuß des Deutschen Bundestages der ablehnenden Haltung der Bundesregierung nicht gefolgt ist, sondern verlangt hat, daß dem Bundesrechnungshof auf vertraglicher Grundlage Erhebungsrechte bei auftragnehmenden Rüstungsfirmen eingeräumt werden 17; wenn auch der Bundesverwaltung solche Informationsrechte zustehen. Rechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht, denn die Bundesverwaltung bleibt Prüfungsadressat, so daß die organisationsrechtliche Kompetenz des Bundesrechnungshofes nicht erweitert wird. Die Vereinbarung von Informationsrechten zur Wahrung finanzieller Interessen des Bundes bedarf im Verhältnis zu den privaten Unternehmen nach dem Grundsatz volenti non fit iniuria keiner gesetzlichen Ermächtigung 18; für einen Verstoß gegen § 138 BGB gibt es keinen Anhaltspunkt. Im übrigen zeigt § 104 Abs. 1 Nr. 3 BHO/LHO, der hilfsweise Anwendung finden könnte, daß der Gesetzgeber Prüfungen des Bundesrechnungshofes auf vertraglicher Grundlage für zulässig gehalten hat 19• 2. Multilaterale Rüstungsvorhaben

Komplizierter und noch unbefriedigender ist die Situation bei der Hauptmasse der Rüstungsvorhaben, die als NATO-Projekte oder internationale Vorhaben mit deutscher Beteiligung betrieben werden. Bei NATO-Projekten, wie dem Kampfflugzeug TORNADO oder dem Jäger 90, gilt an sich die alleinige Prüfungszuständigkeit des NATO-Rechnungsprüfungsamtes, des International Board of Auditors 20• Aus der Sicht der nationalen Finanzkontrolle, insbesondere auch aus der des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, ergeben sich hier folgende Nachteile: 17 Der Haushaltsausschuß hat aufgrundder Empfehlung des Rechnungsprüfungsausschusses in seiner Sitzung am 29. 9. 1988 folgenden Beschluß gefaßt: "Der Haushaltsausschuß fordert die Bundesregierung auf, 1. darauf hinzuwirken, daß der Bundesrechnungshof in den Fällen von Selbstkostenpreisen bei Auftragnehmern Erhebungen vornehmen kann, 2. die dafür erforderlichen Regelungen in Abstimmung mit dem BRH zu treffen, und zwar zunächst für Aufträge, bei denen das BWB selbst ein vertragliches Preisprüfungsrecht hat, ..." . 18 BVerwG, Urteil vom 28. 2. 1986 zur Rechnungsprüfung bei Stiftung Volkswagenwerk in NJW 1986, S. 2843 ff.; Heuer, ~ur Prüfungsbefugnis der Rechnungshöfe gegenüber der Stiftung Volkswagenwerk, DOV 1986, S. 516. 19 Beispiele hierfür sind die Vereinbarung zwischen dem Bundesrechnungshof und der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH vom Juli 1976 und der Rahmenvertrag zwischen Bundesrepublik Deutschland und DEO-Deutsche Finanzierungsgesellschaft für Beteiligungen in Entwicklungsländern GmbH vom 22. 8. 1986, nach denen der BRH die Durchführung öffentlicher Aufträge bei diesen Einrichtungen prüft. 2o In Artikel 28 der "Financial Regulations of the NATO" in Verbindung mit ANNEX IV, Artikel I der "Charter of the International Board of Auditors for NATO" heißt es: "Externat audit of the annual accounts of the Nato bodies subject to these Regulations

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1. Das NATO-Rechnungsprüfungsamt berichtet ausschließlich an Vertreter der Exekutive, entweder an die Steuerungsgremien der NATO-Agentur, die zum Teil selbst für die beanstandeten Entscheidungen verantwortlich sind, oder an den NATO-Rat als Entlastungsorgan der NATO, der, abgesehen von seiner Besetzung mit Vertretern der Exekutive, meist an den Prüfungsberichten für diese Rüstungsvorhaben kaum Interesse nimmt. Die Finanzierung liegt nämlich gesondert bei den beteiligten NATO-Mitgliedern, z. B. beim TORNADO bei den Ländern Großbritannien, Bundesrepublik Deutschland und Italien; ähnlich beim Jäger 90. 2. Die fünf entscheidungsbefugten Mitglieder des Rechnungsprüfungsamtes werden umschichtig aus den Mitgliedsländern der NATO für drei Jahre gestellt. Unter diesen Umständen läßt es sich nicht gewährleisten, daß überhaupt Mitglieder mit der Erfahrung oder wenigstens dem methodischen Know-how für die Prüfung derartiger Vorhaben nach den Maßstäben der Ordnungsmäßigkeil und Wirtschaftlichkeit zur Verfügung stehen. Ähnliches gilt für das kleine Potential von 16 oder 17 Prüfungsbeamten, die weitgehend mit der Rechnungsprüfung im engeren Sinne befaßt sind. Seit Jahren wird ergebnislos diskutiert, wie die wenig befriedigenden Arbeitsergebnisse auf diesem Sektor verbessert werden können. 3. Das NATO-Rechnungsprüfungsamt hat ebenfalls keinerlei Erhebungsrechte bei den Privatfirmen, die Auftragnehmer der NATO-Agenturen sind, und es hat selbstverständlich kein Prüfungsrecht gegenüber den Verteidigungsministerien, die ihrerseits in den Steuerungsgremien der jeweiligen NATO-Agenturen vertreten sind. Berücksichtigt man ferner, daß bei derartig großen Rüstungsvorhaben private Firmen teilweise sogar wesentliche Verwaltungsaufgaben übernelunen, so wird deutlich, welch enger unzureichender Rahmen der Finanzkontrolle bei derartigen Projekten gesetzt ist. Das NATO-Rechnungsprüfungsamt selbst wird hierzu, auch wenn eine Reform stattfinden sollte, kaum wesentliche Verbesserungen anbieten können. Schon aus der Besetzung des Prüfungsamtes werden sich in der Praxis unüberwindbare Restriktionen ergeben. Beispielsweise ist eine in die Tiefe gehende gehaltvolle Prüfung durch ein amerikanisches Mitglied des Rechnungsprüfungsamtes schwer vorstellbar, wenn es sich um ein Rüstungsvorhaben mit technisch oder kalkulatorisch hochinteressanten Details handelt, an dem die USA nicht beteiligt sind. Der Bundesrechnungshof ist mit diesem Problem selbst schon konfrontiert, nachin accordance with Article 1 shall be perforrned by a Board of Auditors appointed by the Council ..." und in Annex IV, Artikel 1 "The accounts relating to NATO bodies, as defined below, and to commonly financed NATO Infrastructure works shall be audited on behalf of the Council by the International Board of Auditors (herein after referred to as the Board). The Board shall also audit non-appropriated funds".

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dem der Haushaltsausschuß beim Jäger 90-Projekt durchgesetzt hat, daß die nationalen Rechnungshöfe der beteiligten Länder bei der zuständigen NATOAgentur Erhebungen durchführen dürfen 21 • Die Partnerstaaten haben in dem entsprechenden Ermächtigungsdokument ausdrücklich festgelegt, daß spezifische national-relevante Informationen ausschließlich dem jeweiligen nationalen Rechnungshof offenbart werden dürfen. Die Folgerungen für die Prüfungsverfahren müssen erst noch theoretisch durchdacht und praktisch erprobt werden. Ferner wird auch die Frage zu beantworten sein, ob nicht folgerichtig bei derartigen supra- oder internationalen Projekten Erhebungsrechte in der Rüstungsindustrie unumgänglich sind und wie dann gemeinschaftliche und nationale Interessen angemessen berücksichtigt werden. Vorteilhaft wäre es dann, wenn sich die Parlamente systematisch mit diesen Problemen befaßten und den Rechnungshöfen den Rücken stärkten.

3. Steuereinnahmen

Die Einnahmenseite ist allgemein gesehen eine Schwachstelle der externen Finanzkontrolle. Das ist zunächst schon quantitativ augenfallig. Insgesamt ist das Prüfungspotential für die Ausgaben mehr als 20 mal größer als das für die Einnahmen 22• Vor allem fallt ins Gewicht, daß die die Rechnungshofkontrolle ergänzende und unterstützende Vorprüfung bei der Steuerverwaltung weitgehend fehlt. Ausnahmen sind die Länder Baden-Württemberg, Hessen und NordrheinWestfalen, die in mehr oder weniger großem Umfang eine Vorprüfung unterhalten. Bei den Ausgaben wird vieles bis ins Kleinste geprüft und bei Entscheidungen verfahrensmäßig bedacht. Bei den Einnahmen dagegen vollzieht sich vieles im Dunkeln; auch finanziell erhebliche Entscheidungen und dadurch bedingte Entwicklungen geraten verhältnismäßig selten in das Rampenlicht der parlamentarischen Diskussion in der Öffentlichkeit. Notwendig wären breit angelegte und deshalb aussagekräftige Prüfungen mit Schwerpunktthemen, die für eine parlamentarische Beratung und Entscheidung geeignet sind, Prüfungen, wie sie beispielsweise der Bundesrechnungshof organisieren kann, wenn ihm ein entspreBeschluß des Haushaltsausschusses in seiner 27. Sitzung am 4. Mai 1988. Personal für Ausgabenprüfung für Einnahmeprüfung Rechnungshöfe: 1 120 62' etwa 80 Vorprüfungsstellen: 4 800" 21

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'Die Zahl ist nicht ganz exakt, da die Prüfer zum Teil in unterschiedlichen Aufgabenbereichen eingesetzt sind. "Die Zahl beruht teilweise auf Schätzungen, da die Zahl der in den Gemeinden nach § 56 Abs. 3 HGrG tätigen Vorprüfungsbeamten nicht bekannt ist, sie dürfte jedoch etwas höher liegen.

Der BRH führte im Jahr 1986 insgesamt 437 Prüfungen durch, davon 20 bei den Finanzämtern. Im Jahr 1987 gab es insgesamt 412 Prüfungen, davon 22 im Einnahmenbereich.

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ehendes Vorprüfungspotential zur Verfügung steht - ich verweise auf die erfolgreiche Prüfungsarbeit bei der Deutschen Bundespost. Der Einwand, die Prüfung der Einnahmen wäre deshalb nicht so wichtig und vernachlässigungswert, weil sie letztlich den Bürger treffe, mag emotional gut klingen, hält aber einer rationalen Betrachtung nicht stand. In erster Linie ist eine willkürliche Großzügigkeit schon wegen des Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht tragbar. Was dem ein~n geschenkt wird, müssen die anderen mehr bezahlen. Auch die Philosophie, den Staat durch Versagung von Einnahmen zum Sparen zu zwingen, muß doch, abgesehen davon, daß sie erfahrungsgemäß nur in Grenzen praktikabel ist, die Gleichbehandlung zugrunde legen. Die Wettbewerbsfähigkeitvon Unternehmen hängt nicht nur davon ab, mit welcher Steuerbelastung sie rechnen müssen, sondern auch davon, wie der Konkurrent belastet wird. Die Auswirkungen steuerlicher Entscheidungen sind von großer betrieblicher und gesamtwirtschaftlicher Bedeutung. Ob die Transparenz des Verwaltungsgeschehens und der Informationsstand der Parlamente, insbesondere auch der des Bundestages, dem entspricht, möchte ich bezweifeln. Mitursächlich ist möglicherweise, daß sich der Haushaltsausschuß, zu dem der Bundesrechnungshof in enger, ständiger Arbeitsbeziehung steht, fast ausschließlich mit der Ausgabenseite des Haushalts befaßt, während der für das Steuerrecht zuständige Finanzausschuß die Nutzung von Informationen der externen Finanzkontrolle für seine Arbeit und darüber hinaus die gezielte Anregung von Prüfungen kaum praktiziert. Ich räume dabei ein, daß sich die Rechnungshöfe bisher nicht gerade um die Beratungsaufgabe gedrängt haben und möglicherweise qualitativ geeignete Prüfungserfahrungen nur begrenzt zur Verfügung standen. Das hängt auch damit zusammen, daß der in der Regel zuständige Bundesgesetzgeber im wesentlichen nur die Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofes aufgreift, während das Prüfungspotential weitgehend bei den Landesrechnungshöfen liegt. Koordinierte Prüfungsaktionen mit breit fundierten Prüfungsergebnissen lassen sich jedoch in der Zusammenarbeit unabhängiger Rechnungshöfe nur schwer gewinnen. Eine dauerhafte Intensivierung der Zusammenarbeit und damit der Prüfungstätigkeit im Steuerbereich überhaupt ließe sich am besten durch die in § 56 Abs. 3 HGrG vorgesehene Einrichtung von Vorprüfungsstellen in der gesamten Steuerverwaltung mit Zuständigkeit für die Gemeinschaftsteuern erreichen. Im Wege der Vereinbarung müßten Bundesrechnungshof und Landesrechnungshöfe eine gemeinsame Linie für die Steuerung der Vorprüfungsstellen festlegen.

IV. Interne Maßnahmen (Methoden, Arbeitshilfen und Sachverständige) Abschließend will ich auf die internen Möglichkeiten der Rechnungshöfe eingehen, die Rechnungsprüfung zu intensivieren.

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1. Methodik und Arbeitshilfen Wer als Neuling in einem Rechnungshof beginnt oder sich mit den Verfahrensweisen des Rechnungshofs befaßt, der wird vielleicht erstaunt sein, wie wenig Geschriebenes er in der Regel über die Methoden und Verfahrensweisen der Prüfung und Beratung vorfindet. Einige Landesrechnungshöfe haben zwar Prüfungsordnungen oder allgemeine Richtlinien für die Rechnungsprüfung erlassen23, zuletzt 1984 der Bayerische Oberste Rechnungshof und 1987 der Rechnungshof Baden-Württemberg. Die Regelungen sind in ihrer Systematik nicht einheitlich und enthalten unterschiedliche Schwerpunkte, die aber - abgesehen von konkreten Bestimmungen zur engeren Rechnungsprüfung - meist mehr allgemeine Verfahrenshinweise darstellen. Der Bundesrechnungshofhat nur Teile einer geplanten Prüfungsordnung als vorläufige Richtlinien in Kraft gesetzt 24• Der wesentliche Abschnitt zur Durchführung des Prüfungsverfahrens fehlt noch. Manche Rechnungshöfe arbeiten offenbar auch noch mit der Prüfungsordnung des alten Reichsrechnungshofes und den dazu gehörenden Mustern und Anlagen; Unterlagen, die zu ihrer Zeit technisch eine große Leistung waren, aber zu der modernen Finanzkontrolle überwiegend nicht mehr passen und sogar in eine falsche Richtung weisen können. So sehr die neueren Prüfungsordnungen und Richtlinien zu begrüßen sind und wesentliche Fortschritte darstellen, es ist doch noch vieles offen oder bedarf jedenfalls der Ergänzung. Dem wird vielfach mit der Argumentation widersprochen 25 , die Prüfungsarbeit soll nicht unnötig reglementiert werden und die gewachsenen Erfahrungen der Mitglieder und Prüfungsbeamten der Rechnungshöfe sichere auch so die Qualität der Prüfungstätigkeit Die Argumentation erscheint mir mindestens bei einem größeren Rechnungshof aus verschiedenen Gründen nicht überzeugend: Die Nachwuchsgewinnung und Ausbildung wird erschwert; die Einstimmung auf neuere Methoden und eine bedarfsgerechte Aufgabenerfüllung dauern zu lang, bei Umsetzungen innerhalb des Rechnungshofes entstehen Anlaufschwierigkeiten, für Außenstehende ist die Arbeit des Rechnungshofes schwer durchschaubar und kalkulierbar und somit kann sich die notwendige Eigen- und Fremdkritik nicht rational an bestimmten Regelungen oder Grundsätzen orientieren. 23 Prüfungsordnung des Rechnungshofs der Freien und Hansestadt Harnburg (1970), Prüfungsordnung für den Rechnungshof Rheinland-Pfalz (1978), Rechnungsprüfungsordnung des Saarlandes (1979), Bayerischer Oberster Rechnungshof, Allgemeine Richtlinien für die Rechnungsprüfung (1984), Rechnungshof Baden-Württemberg, Allgemeine Richtlinien für die Rechnungsprüfung (1987). 24 Heuer!Dommach, Handbuch der Finanzkontrolle, VIII/5-8. 25 Volkmar, Methoden der Finanzkontrolle, S. 78; in: "40 Jahre Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen 1948- 1988", hrsg. vom Präsidenten des Landesrechnungshofes Nordrhein-Westfalen.

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Für den Bundesrechnungshof hat sich die Notwendigkeit, seine Methoden und Verfahrensweisen darzustellen, auch deshalb verstärkt ergeben, weil die deutsche Finanzkontrolle international gefordert wird. Dabei geht es nicht so sehr um die Reputation des Bundesrechnungshofes, sondern darum, für die Bundesrepublik ein Qualitätsmerkmal effizienter Verwaltung geltend zu machen 26. Die Ausstrahlung ist nicht gering. Die Rechnungshöfe im angelsächsischen Raum, der amerikanische Rechnungshof, insbesondere der kanadische und der britische Rechnungshof, haben diese Bedeutung klar erkannt und geben ihre Methoden und Standards auf der ganzen Welt mit entsprechender Aufmachung heraus 27 • Auch wenn man diesen Aspekt beiseite läßt, kann aus der angelsächsischen Art, mit der Finanzkontrolle umzugehen, doch manche Lehre entnommen werden. Die wichtigste habe ich schon angedeutet, nämlich den Informationsbedarf in den Vordergrund zu stellen. Wichtig erscheint mir auch der Sinn der Angelsachsen für die Darstellung und Verpackung einer Information. Deramerikanische Rechnungshof leistet sich ein eigenes Referat für die Endfassung und Endkontrolle von Berichten. Der britische Rechnungshof hat hierfür eine besondere, natürlich gut dargestellte Anleitung herausgebracht. Dies sind praktische Schritte, die sich letztlich im Gebrauchswert der Rechnungsprüfung für die Nutzer niederschlagen. Ich wünsche mir, daß die Rechnungshöfe mehr als bisher die Grundlagen ihrer Arbeit und ihr Handwerkszeug zweckbezogen untersuchen und darstellen. Eine solche Investition ist für eine intensivere Rechnungsprüfung notwendig und rentabel. Die Wissenschaft, insbesondere auch die Wirtschaftswissenschaften, könnten hier helfen. Wichtig sind außerdem klärende Diskussionen mit 26 Der Bundesrechnungshof ist Mitglied der Internationalen Organisation der Obersten Rechnungskontrollbehörden (INTOSAI), in der die meisten obersten Kontrollinstitutionen der Mitgliedsstaaten der UN zusammengeschlossen sind. Diese Organisation hat zur Zeit etwa 160 Mitglieder. Sie fördert den internationalen Gedanken- und Erfahrungsaustausch auf dem Gebiet der öffentlichen Finanzkontrolle. Ihr Generalsekretariat hat seinen Sitz in Wien. Alle drei Jahre treffen sich die Mitglieder von INTOSAI, um im Rahmen eines Kongresses Fragen der Finanzkontrolle weltweit aufzuarbeiten und Perspektiven für die Zukunft aufzuzeigen. 1986 war dieser Kongreß in Sydney. 1989 wird er in Berlin (West) stattfinden. Der Präsident des Bundesrechnungshofes ist zur Zeit Vizepräsident von INTOSAI. Ab 1989 wird er die Präsidentschaft übernehmen. Beamte des Bundesrechnungshofes beteiligen sich als Referenten an internationalen Fortbildungsseminaren, die die Deutsche Stiftung für internationale ·Entwicklung in Berlin (West) für Mitarbeiter der Rechnungshöfe der afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Länder veranstaltet. Die Seminare fördern die Entwicklung und den Ausbau der gerade in diesen Ländern so bedeutsamen nationalen Finanzkontrolle. 27 Auf Vorschlag des kanadischen Auditor General wurde IDI (INTOSAI-Entwicklungsinitiative) auf der 2. Allgemeinen Plenarsitzung des INTOSAI-Kongresses in Sydney 1986 ins Leben gerufen. IDI steht unter gemeinsamer Leitung der Rechnungshöfe Kanadas und der USA und hat die Aufgabe, das staatliche Rechnungswesen und die staatliche Finanzkontrolle insbesondere in den Entwicklungsländern durch Informationsaustausch sowie durch Schulung von Rechnungsprüfern und Ausbildern an den Rechnungshöfen zu fördern.

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Vertretern der Gremien der Parlamente, die die Information und die Beratung durch den Rechnungshof benötigen. Eine inhaltliche Beschreibung der Beratungstätigkeit für Parlament und Regierung fehlt in den Prüfungsordnungen oder Prüfungsrichtlinien überhaupt. 2. Einsatz von Sachverständigen Auch Hinweise für den Einsatz von Sachverständigen sind bislang nicht für erforderlich gehalten worden. Die meisten Rechnungshöfe haben von dieser seit fast 20 Jahren gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit kaum Gebrauch gemacht. Wenn ich richtig sehe, sind es gegenwärtig nur drei Rechnungshöfe, die in beachtlichem Umfang Sachverständige bei Prüfungen einsetzen 28 • Schwerpunkte sind dabei Prüfungen im Bereich der Datenverarbeitung, der Organisation und der betrieblichen Wirtschaftsführung. Der Verzicht auf Sachverständige wird vor allem damit begründet, daß private Unternehmensberater und andere Sachverständige mit den Eigenheiten der öffentlichen Verwaltung nicht genügend vertraut seien, so daß die Einarbeitung und Steuerung zuviel Aufwand erfordere. Bei hinreichender Personalausstattung könnten die Rechnungshöfe die Aufgaben wirtschaftlicher und qualitativ besser selbst erfüllen. Zum ersten Argument ist zu sagen, daß in der Tat das Fehlen klarer Vorstellungen und Verfahrensregeln für den Einsatz von Sachverständigen den Aufwand und das Risiko für beide Seiten erhöht. Bei eigenkritischer Betrachtung müssen die Rechnungshöfe aber einräumen, daß auch sie bei mancher eigenen Prüfung Lehrgeld bezahlen mußten. Die Zusammenarbeit mit Sachverständigen bedarf der Erprobung und der Entwicklung. Hierzu gehört, daß die Rechnungshöfe mit der Zeit einen Überblick gewinnen und entsprechende Informationen austauschen, in welchen Bereichen sich Sachverständige bewährt haben. Hierdurch ließe sich auch der Einarbeitungsaufwand verringern. Richtig ist, daß der Einsatz von Sachverständigen wegen des notwendigen Steuerungs- und Ein!lfbeitungsaufwandes nicht ohne weiteres zu einer Ausweitung der Prüfungskapazität führt. Ein solcher Vorteil ist am ehesten auf Gebieten zu erwarten, bei denen die jeweils relevanten Verhältnisse in der Privatwirtschaft und in der öffentlichen Verwaltung weitgehend 28 Die Ansätze im Haushaltsplan für externe Gutachter bei den Landesrechnungshöfen betrugen für das Haushaltsjahr 1988 in Baden Württemberg . . 18 000,- DM Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 000,- DM Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 000,- DM Nordrhein-Westfalen . 44 000,- DM Rheinland-Pfalz . . . . . . . 20 000,- DM Schleswig-Holstein . . . 300 000,- DM sowie für den BRH . . . 400 000,- DM Die Rechnungshöfe des Saarlandes, Niedersachsens, Hamburgs, Bremens sowie Bayerns sehen keine Ausgaben für Gutachter vor.

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vergleichbar sind. Dies gilt vielfach für Prüfungen in der Datenverarbeitung und in Aufgabenbereichen, die sowohl privatwirtschaftlich wie öffentlich-rechtlich organisiert sind. In Betracht kommen hier beispielsweise auch technische Prüfungsaufgaben bei Hoch- und Tiefbauten. Auch in solchen Fällen bedarf es aber der sorgfältigen Arbeitsplanung und der genauen Beschreibung der geforderten Leistung. Dieser Aufwand, der vielleicht in der Praxis der Rechnungshöfe manchmal etwas zu kurz kommt, und die notwendige Disziplin im Arbeitsablauf bei der Zusammenarbeit mit Sachverständigen sind nicht als unwirtschaftliche Negativposten zu werten. Bei einem kritischen Leistungsvergleich sollten nicht von vomherein die Usancen und der Blickwinkel des Rechnungshofes als unbedingt gültiger Maßstab zugrunde gelegt werden. Die Rechnungshöfe können jedenfalls nicht für alle Fragen einer hochkomplizierten, technisierten und wissenschaftlich gestützten Verwaltungswelt eigenen Sachverstand vorrätig halten. Fortbildung und methodische Hilfen mögen diesen Mangel mindern helfen. Die weitere Entwicklung wird die Lücke zwischen Prüfungspotential und Verwaltungswirklichkeit aber letztlich vergrößern. Die Einarbeitung in qualitativ anspruchsvolle Prüfungsfelder ohne beratende Mitwirkung von Spezialisten wird immer unwirtschaftlicher werden. Bei derartigen qualitativ anspruchsvollen Bereichen auf tiefergehende sachliche Prüfung zu verzichten und bloße, von der Verwaltung festgelegte Verfahrensschritte abzuhaken, ist keine Lösung und würde die Rechnungsprüfung auf einen überholten Stand zurückwerfen. Ein Beispiel ist die Sicherheitsproblematik in der Datenverarbeitung29, die qualitativ weit über die geläufigen, organisatorisch und verfahrensmäßig eingegrenzten Gefahren hinausgeht. Eine Prüfung in dieser Hinsicht setzt hochkarätiges Spezialwissen voraus, das die Rechnungshöfe kaum erwerben, auf dem laufenden halten und in ihrem Personal marktangemessen bezahlen können. Der Bundesrechnungshof wird über die qualitative Intensivierung seiner Prüfung unter Einbeziehung von Sachverständigen beispielsweise auch im Verteidigungsbereich nachdenken müssen. Zur Durchdringung militärtechnischer Konzeptionen und rüstungswirtschaftlicher Kostenstrukturen könnte die Beratung und Unterstützung durch Sachverständige hilfreich sein. Mit diesem Plädoyer für einen erweiterten Einsatz von Sachverständigen möchte ich aber nicht verdecken, daß der Sachverständige Gehilfe der Rechnungshöfe bleiben muß; d. h. eine eigenverantwortliche Steuerung und Bewer29 In den USA wird der Sicherung der DV-Verfahren besondere Bedeutung zugemessen. Eine staatliche Stelle, die ,,National Security Agency" ist für die Begutachtung und Bewertung aller DV-Software unter sicherheitsmäßigen Aspekten auch für den privaten Bereich zuständig. Grundlage ist die im September 1984 in Kraft gesetzte ,,National Security Decision Directive". Auch die Bundesregierung ist derzeit bemüht, ihre Anstrengungen auf diesem Gebiet zu verstärken und zu organisieren. Der BRH hat seit Januar 1988 ein Prüfungsgebiet "Sicherheit der Informationsverarbeitung, Datenschutz" eingerichtet.

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tung durch die Rechnungshöfe muß gewährleistet werden. Andernfalls könnte die innere Unabhängigkeit der Rechnungshöfe ausgehöhlt werden. V. Zusammenfassung

Ich fasse zusammen: Eine Intensivierung der Rechnungshofkontrolle muß auf die wohlverstandenen Informationsinteressen der Beteiligten, insbesondere der Parlamente und der Regierungen, abheben. Absprachen über Formen und Inhalte der Informationsvermittlung können den Aufwand bei allen Beteiligten vermindern, die Reichweite der Finanzkontrolle vergrößern und die Nutzung der Prüfungsergebnisse verbessern. Eine Intensivierung der Kontrolltätigkeit läßt sich auch durch Verlagerung der Schwerpunkte in Aufgabengebiete erreichen, die bisher nicht oder nur unzureichend geprüft werden. Beim Bundesrechnungshof gehören hierzu Ausgaben im Rüstungsbereich und für internationale Einrichtungen. Unzureichend ist die Prüfung der Steuerverwaltung und insbesondere auch die Beratung des Gesetzgebers auf diesem Gebiet. Die hierfür notwendigen Schwerpunkt- und Querschnittsprüfungen setzen voraus, daß alle Bundesländer die gesetzlich vorgeschriebenen Vorprüfungsstellen einrichten, damit die Rechnungshöfe in kooperativer Nutzung dieses Potentials zu tragfähigen Aussagen und zu einer besseren Unterstützung des Gesetzgebers kommen. Die Intensivierung der Rechnungsprüfung ist ein Prozeß, der die kritische Analyse der Aufgabenerfüllung anband der Zielsetzung und der Erfordernisse der Finanzkontrolle voraussetzt. Wissenschaft und Praxis müßten hierbei zusammenarbeiten. Methodische Grundlagen und handwerkliche Hilfen dürfen nicht vernachlässigt werden - auch deshalb nicht, damit Dritten Anhaltspunkte für die Beurteilung und Berechenbarkeil der Arbeit der Rechnungshöfe vorliegen. Der Einsatz von Sachverständigen darf nicht die Ausnahme bleiben. Zwar können Sachverständige nicht notwendiges Personal für Daueraufgaben der Rechnungshöfe ersetzen, jedoch helfen, qualitative Lücken zu füllen und vorübergehende Engpässe zu überbrücken. Leistungsvergleich, das Wechselgespräch mit Kunden und Wissenschaft, die kritische Analyse der Aufgabenschwerpunkte und der Verfahren müssen bewußt gepflegt werden, damit sich die Finanzkontrolle nicht verkrustet, sondern der Entwicklung und dem Wandel anpaßt.

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Kurzfassung Wie kann die Rechnungshofkontrolle intensiviert werden?

Die Intensivierung der Rechnungshofkontrolle muß zunächst bei Zweck und Nutzen der Kontrolle ansetzen. Sie darf in erster Linie nicht eine quantitative ErhÖhung des Kontrollaufwandes bedeuten. Vielmehr erscheint es erforderlich, die Aufgabenerfüllung der Rechnungshöfe - bei Wahrung ihrer Unabhängigkeit - verstärkt auf die Bedürfnisse und Interessen der Informationsempfanger, z. B. des Parlaments, auszurichten. Beispiele für eine ,,kundenorientierte" Informationsvermittlung bietet der Rechnungshof der USA, der seine Prüfungen und Berichte nach unterschiedlichen Kategorien gestaltet. Die gezielte Ausrichtung auf den Informationszweck verlangt eine Anpassung der Prüfungsverfahren und der Berichtsinhalte; dabei kann es in Abstimmung mit den Informationsempfangern sinnvoll sein, bei den Prüfungsaussagen auf abschließende Bewertungen und auf Vorschläge zu verzichten. Der wesentliche Kern der Aufgabe der Rechnungshöfe ist es, Fakten und Probleme auf den Tisch zu bringen und den Entscheidungsträgern, insbesondere dem Parlament, aber auch der Öffentlichkeit, eine Beurteilung zu ermöglichen. Eine solche Selbstbeschränkung in der Bewertung kann die Rechnungshöfe entlasten und dennoch die externe Finanzkontrolle insgesamt stärken. Eine Intensivierung der Kontrolltätigkeit ist darüber hinaus durch eine Verlagerung der Aufgabenschwerpunkte in Bereiche von erheblicher finanzieller Bedeutung zu erreichen, die bisher nicht oder nur unzureichend kontrolliert werden. Aus der Sicht des Bundes gilt dies insbesondere für nationale und internationale Rüstungsvorhaben sowie die Steuereinnahmen. Bei den Rüstungsvorhaben fehlt es bisher an zureichenden Kontrollkompetenzen des Bundesrechnungshofes und damit an einer objektiven Information und Beratung des Parlaments. Besondere Schwierigkeiten bestehen bei den bedeutsamen Projekten, die im Rahmen der NATO und in internationaler Zusammenarbeit abgewickelt werden (z. B. beim Jäger 90). Hier ist eine Zusammenarbeit der betroffenen nationalen Rechnungshöfe und supranationaler Prüfungseinrichtungen gefordert. Voraussetzung ist, daß die nationalen Rechnungshöfe hinreichende Kompetenzen erhalten und die Parlamente das Feld nicht allein der Exekutive überlassen. Eine verstärkte Information und Beratung des Parlaments aufgrund entsprechender Schwerpunkt- und Querschnittsprüfungen im Steuerbereich ließen sich am besten erreichen, wenn die Rechnungshöfe - wie im Gesetz vorgesehen allgemein in der Steuerverwaltung auf Vorprüfungsstellen zurückgreifen könnten, die bisher überwiegend fehlen.

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Methoden und Verfahren der Rechnungsprüfung sollten überprüft, kritisch gewürdigt und in der Form konkreter Arbeitshilfen für alle Nutzer und Interessenten zur Verfügung gestellt werden. Dazu gehören insbesondere auch Hinweise zum Einsatz von Sachverständigen; in der bisherigen Praxis der Rechnungshöfe werden externe Spezialisten zu wenig eingesetzt. Die Rechnungshöfe müssen sich bewußt werden, daß in einer hochkomplizierten Verwaltungswelt die Einbindung von Sachverständigen für die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Prüfungsverfahren unabdingbar ist.

Summary How can Government Auditing be Enhanced? An approach to enhancing govemment auditing must at the outset consider the purpose and extent of the control exercised by Supreme Audit Institutions (SAis). Improving financial control should however not necessarily imply an increase in audit resources. However, it seems to be necessary for SAis (without in the least impairlog their independence) to explore opportunities for conducting more audits with an eye to the needs and interests of the users of audit results, e. g. Parliament. A good example for this is the General Accounting Office in the United States which applies different standards to investigations and reports thus making audit information more responsive to user needs. Audit procedures and subjects are to be adjusted in order to reach a stronger "customer satisfaction" of the information services. In this respect it may be more appropriate, after due consideration of the users' views, not to present the audit findings with conclusions and specific recommendations for action. The SAis' work ist predominantly concerned with bringing to notice facts and problems and providing the decision-making bodies, notably Parliament, but also the public with a reasonable basis for judgement on the matters raised. Self-imposed constraints regarding the final evaluation can reduce the burden placed on SAis, and can at the same time help to improve external financial control as a whole. Control activities can also be enhanced by putting greater emphasis on major fields of revenue and expenditure which so far have either not or only insufficiently been covered by audits. From the Federation's point of view, this applies in particular to national and international defence projects and tax revenues. As far as defence projects are concerned, the Federal Court of Audit does not yet possess adequate audit rights. Owing to this it cannot supply Parliament with independent information and advice. This is especially worrisome in the case of important NATO projects which are planned and carried out in international co- operation (e. g. European Fighter Aircraft). Such tasks require the co-opera-

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tion of the national and the supranational audit institutions, which can only be efficient, if the SAis concemed are granted adequate rights of access and inspection, and if the national parliaments do not leave the field completely to the executive branch. An increased information and consultation of Parliament relating to results of selective and cross-sectional investigations into tax issues would be best achieved if SAis could - as statutorily required - rely upon the work of preaudit offices in the tax administration which, however, up to now have been generally nonexistent Audit techniques and procedures should be reviewed, critically evaluated and be made available to all users and parties interested in the form of specific audit manuals. Guidance on the use of experts should also be included. In current practice extemal experts are rarely engaged to perform audit services. SAis must realize that in a highly sophisticated administration specialist help from outside consultants is indispensable .for ensuring audit quality and efficiency.

Resurne Comment le contröle des finances publiques peut-il etre renforce? Afili de renforcer le contröle exerce par Ia Cour des Comptes il faut d'abord centrer le travail sur le but et l'utilite du contröle. Cela ne doit pas en premier lieu se traduire par une augmentation des depenses en matiere de contröle. II faut plutöt que les Cours des Comptes - tout en conservant leur independance - remplissent leurs taches en mettant l' accent sur les besoins et interets des destinataires d'informations (p. ex. le Parlement). La Cour des Comptes des Etats Unis qui execute ses contröles et dresse ses rapports d'apres differents points de vue donne une idee comment les informations peuvent etre »orientees vers Ia clientele«. Une orientation pointee vers le but que poursuivent les informations presuppose une adaptation des procedures de contröle et des contenus des rapports; quant aux Observations formulees, les Cours des Comptes peuvent choisir- apres deliberation avec les destinataires d'informations- de ne pas faire figurer dans les rapports des evaluations et recommendations. Tache essentielle des Cours des Comptes est de reveler des faits et problemes et de permettre un jugement a tous ceux ayant le pouvoir de decision, c'est-a-dire tout d'abord au Parlement, mais aussi au public. Le jugement ainsi Iimite peut en meme temps decharger les Cours des Comptes mais pourtant renforcer le contröle financier externe dans son ensemble. Au dela, le contröle peut etre renforce en portant plus specialement l' attention sur les domaines de grande portee financiere. qui, jusqu •a present, ne sont soumis 9 Speyer 105

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a aucune verification ou bien a une verification insuffisante. Du point de vue

de la Federation c 'est tout particulierement le cas pour les projets d 'armement nationaux et intemationaux et les recettes fiscales.

Quant aux projets d' armements, la Cour des Comptes federale ne dispose pas encore de competences suffisantes en matiere de contröle et ne peut donc pas informer et conseiller le Parlement de fa~on objective. Ce genre de difficultes se presente notamment quand il s'agit de projets importants au niveau de la cooperation internationale comme dans le cadre de l'OTAN (p. ex. l'Avion Chausseur des annees 90). Ce domaine exige une cooperation des Cours des Comptes nationales concemees avec les institutions supranationales. Dans ce contexte il faut que les Cours des Comptes nationales obtiennent assez de competences et que les Parlements ne laissent pas le champ libre au pouvoir executif. L'information et le conseil rendus au Parlement sur les verifications mettant l'accent sur les sujets d'importance particuliere et des contröles horizontaux dans 1e domaine fiscal pourraient etre ameliores si 1es Cours des Comptes comme prevu par la loi - disposaient des bureaux de verification prealab1e dans 1'administration fiscale. Mais, dans 1a p1upart des cas, il manque de telles institutions jusqu. a present. Des methodes et procedures du contrö1e des comptes devraient etre verifiees, considerees d'un oeil critique et mises a 1a disposition de tous des usagers et personnes interessees SOUS forme de guides de verification y inclus notamment 1es indications pour 1'emp1oi d' experts; jusqu 'a present, 1es Cours des Comptes n'emp1oient pas assez de specialistes externes. Afin de garantir 1'efficienye et une qualite appropriee des procedures de verification 1es Cours des Comptes doivent se rendre compte qu 'une administration extremement compliquee exige l'emp1oi d'experts.

Universitätsprofessor Dr. Grupp: Herr Heuer, herzlichen Dank für Ihr Referat, das ja mit Sicherheit noch mehr Widerspruch herausfordern wird, als es das schon getan hat.

9*

Öffentliches Rechnungswesen und Finanzkontrolle Von Klaus Lüder

I. Problemstellung (1) Wenn ein Betriebswirt sich mit der Beziehung zwischen dem öffentlichen Rechnungswesen und der Finanzkontrolle auseinandersetzt -

öffentliches Rechnungswesen verstanden als finanzielles Rechnungswesen der (staatlichen) Gebietskörperschaften 1,

-

Finanzkontrolle verstanden als die von den obersten staatlichen Rechnungsprüfungsbehörden (Rechnungshöfen) ausgeübte Kontrolle der öffentlichen (staatlichen) Finanzen2,

dann wird vielleicht erwartet, daß er sich vor allem den neueren Funktionen der Finanzkontrolle widmet: den sog. rechnungsunabhängigen Prüfungen im allgemeinen und den Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Erfolgskontrollen (EEE-audits, value-for-money audits) im besonderen. In diesem Zusammenhang könnte beispielsweise den Beziehungen zwischen der Ausgestaltung des internen Rechnungswesens und Wirtschaftlichkeitsprüfungen oder der Prüfbarkeit von NutzenKosten-Untersuchungen nachgegangen werden. Diese Probleme sollen jedoch nicht aufgegriffen werden. Im Mittelpunkt des Interesses steht vielmehr die klassische Aufgabe der Finanzkontrolle, nämlich die Rechnungsprüfung und hier wiederum die Ordnungsmäßigkeitsprüfung, die traditionell die Rechtmäßigkeit sowie die buchhalterisch ordnungsgemäße Aufstellung von Haushalts- und Vermögensrechnung zum Gegenstand hat 3 und t Außer acht bleiben hier das kommunale Rechnungswesen und das Rechnungswesen der verselbständigten Verwaltungseinheiten des öffentlichen Bereichs. In der Terminologie von Eichhorn wird das "einzelwirtschaftliche externe Rechnungswesen staatlicher Verwaltungen" diskutiert. Vgl. Eichhorn, P.: Öffentliche Verwaltung, Rechnungswesen, ders., in: Kosiol, E./Chmielewicz, K./Schweitzer, M. (Hrsg.): Handwörterbuch des Rechnungswesens, 2. Aufl., Stuttgart 1981, Sp. 1223 ff. 2 Zur Definition der Finanzkontrolle vgl. z. B. Vogel, K.!Kirchhof, P.: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Loseblatt, Heidelberg, seit 1950, Stand: Nov. 1988, Art. 114, Rdn{. 65 ff.; v. Arnim, H. H.: Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, München

1984, s. 394.

3 Vgl. Heuer, E.!Dommach, H.: Handbuch der Finanzkontrolle- Kommentar zum Bundeshaushaltsrecht, Loseblatt, Frankfurt, seit 1982, Stand: April 1988, § 90 BHO, Rdnr. 2 ff.; v. Arnim, H. H., a. a. 0 ., S. 395.

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von der ein ehemaliger Rechnungshofpräsident sagt, daß sie ". . . sich kaum fortentwickelt hat und ... weitgehend im Formalen und Kleinen steckengeblieben ist ..." 4 • Den weiteren Überlegungen liegt die These zugrunde, daß die klassische Ordnungsmäßigkeilsprüfung erweitert werden sollte: ordnungsmäßig in diesem erweiterten Sinne bedeutet nicht mehr ausschließlich rechtmäßig und noch weniger nur Beachtung tradierter Buchhaltungsregeln, sondern auch Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes ("true and fair view") der ,,Lage" einer Gebietskörperschaft - hier speziell der Finanzlage. Eine so erweiterte Ordnungsmäßigkeilsprüfung muß sich an allgemein anerkannten Regeln für die Erstellung derartiger Rechnungen orientieren (government accounting principles = Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und Rechnungslegung für staatliche Gebietskörperschaften). Schlagwortartig verkürzt lautet die Ausgangsthese also: "Von der Rechtmäßigkeilsprüfung der Jahresrechnung zur finanziellen Lageprüfung". Ausgehend von dieser These wird zu belegen und zu erläutern sein, -

weshalb es einer Rechenschaftslegung staatlicher Gebietskörperschaften über ihre finanzielle Lage bedarf,

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wie ein die finanzielle Lage zuverlässig darstellendes staatliches Rechnungswesen ausgestaltet werden müßte und schließlich

-

welche Rolle den obersten Rechnungsprüfungsbehörden bei der Fortentwicklung des staatlichen Rechnungswesens zukommt. II. Begründung für eine Rechenschaftslegung über die Finanzlage

(2) Zentrale Überlegung für die Begründung einer Rechenschaftslegung über die Finanzlage ist die Forderung nach stärkerer Öffentlichkeitsorientierung (Bürgerorientierung) staatlicher Rechnungslegung, in einer Reihe von Ländern u. a. ausgelöst durch ein außergewöhnliches Anwachsen der Kapitalmarktschulden des Staates und auf das durch "Finanzkrisen" geweckte Interesse der Öffentlichkeit an finanziellen Informationen. In einer Studie des bureau du verificateur general du Canada wird dazu festgestellt: "Tous (les groupes d'utilisateurs, K. L.) ont indique qu'ils desireraient obtenir chaque annee un document complet, mais succinct qui leur donnerait un aper