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German Pages 274 [276] Year 2006
Hallesche Beiträge zur Europäischen Aufklärung Schriftenreihe des Interdisziplinären Zentrums für die Erforschung der Europäischen Aufklärung Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
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Andre Rudolph
Figuren der Ähnlichkeit Johann Georg Hamanns Analogiedenken im Kontext des 18. Jahrhunderts
Max Niemeyer Verlag Tübingen
Wissenschaftlicher Beirat: W o l f g a n g A d a m , Roger Bartlett, M a n f r e d Beetz, G u n n a r Berg, R e i n h a r d B r a n d t , L o r r a i n e D a s t o n , R a i n e r E n s k a t , J ö r n G a r b e r , A n d r e a s Kleinert, Wilhelm Kühlm a n n , G a b r i e l a L e h m a n n - C a r l i , W o l f g a n g L e v e r m a n n , Jean M o n d o t , M o n i k a N e u g e b a u e r - W ö l k , Jürgen O s t e r h a m m e l , A l b e r t o Postigliola, Paul Raabe, Peter H a n n s Reill, Heiner Schnelling, J ü r g e n Stolzenberg, H e i n z T h o m a , Sabine VolkBirke R e d a k t i o n : Ulrich Diehl Satz: Kornelia G r ü n
Die vorliegende Arbeit wurde im Jahr 2004 vom Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg als Dissertation angenommen. Für den Druck wurde sie leicht überarbeitet.
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN-13: 978-3-484-81029-7
ISBN-10: 3-484-81029-7
ISSN 0948-6070
© M a x Niemeyer Verlag, Tübingen 2006 Ein Unternehmen der K. G. Saur Verlag G m b H , München http://www.niemeyer.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. Druck: L a u p p & Göbel G m b H , Nehren Einband: Geiger, Ammerbuch
Inhalt
I. Einleitung 1. Motivische Exposition: Goethe, Herder, Hamann 2. Nach dem Ende der Ähnlichkeit? - Forschungsprobleme; Foucault 3. Prospekt der Darstellung
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II. Analogie / Ähnlichkeit: Terminologische Vorstudien 1. Forschungsfeld Analogie 2. Analogie als Verhältnisähnlichkeit 3. Vergleich - Analogie - Metapher 4. Historische Unschärferelation: Analogie und Ähnlichkeit 5. Analogien als Argumente 6. Funktionen der Analogie 7. Analogiemodelle der platonisch-aristotelischen Tradition 7.1 Platonisch-neuplatonische Kosmologie 7.2 Analogia nominum
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III. Analogiemodelle im 18. Jahrhundert 1. Problemskizze 1.1 Der britische Analogiediskurs von Bacon zu Hume 1.2 Leibniz und Leibnizianismus 2. Einträge in Zedlers Universallexikon 2.1 Scholastische Systematik, aristotelische Logik 2.2 Analogia fidei als Instrument der Bibelhermeneutik 2.3 Anwendungsbereiche der Analogie; Lemmata in weiteren Wörterbüchern 3. „The rule of analogy": Analogie bei John Locke 3.1 Analogie und Wahrscheinlichkeit 3.2 Analogische Heuristik 3.3 Chain of being 4. Leibniz und Analogie (,Nouveaux Essais') 5. ,Ähnlichkeit' in Christian Wolffs Metaphysik 5.1 Witz und empirische Findekunst 5.2 Erwartung ähnlicher Fälle 5.3 Analogie und Wahrscheinlichkeit in den Vernunftlehren
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6. Poetische und ästhetische Analogiemodelle (Breitinger, Baumgarten) 6.1 Johann Jacob Breitingers ,Logik der Phantasie' 6.2 Baumgarten: Ästhetik als ars analogi rationis 7. Analogie, rationale Theologie und Apologetik: zwei Lockeianische Modelle 7.1 Peter Browne 7.2 Joseph Butler IV. Analogie bei Hamann 1. Hinfiihrung 1.1 Forschungsfeld Hamann 1.2 Bisherige Deutungsansätze zur Analogie bei Hamann 1.3 Textauswahl und Interpretationsziele 2. Analogien der Offenbarung:,Londoner Schriften' 2.1 Die ,Londoner Schriften'und ihre britischen Quellen 2.1.1 Aspekte zur Forschung 2.1.2 Die ,Londoner Schriften' als Beitrag zur antideistischen Apologetik 2.1.3 Poetisch-apologetische Analogiediskussion (James Hervey) 2.2 Das Analogiemodell der doppelten Offenbarung bei Hamann 2.2.1 Analogisch-harmonisches Modell: Natur und Geschichte . . . . 2.2.2 Plan der Natur und Plan der Gnade (Hamann und Leibniz) 2.2.3 Physikotheologische Aspekte 2.2.4 Christozentrische Analogien 2.2.5 Ambivalenzen und Grenzen des Analogiemodells 2.3 Poetisch-rhetorische Aspekte zur Kondeszendenz 2.3.1 Hamann und die rhetorica sacra 2.3.2 Gott ein Schriftsteller! 2.3.3 Analogie zwischen Knechtgestalt und Schrift 2.3.4 Charles Rollin: ,De l'Eloquence de l'Ecriture sainte' 2.3.5 Eine Longin-Analogie bei Martin Knutzen 2.3.6 Sensualistische Epistemologie und Bibelrhetorik 3. Analogische Figurenkunst: ,Sokratische Denkwürdigkeiten' 3.1 „Die Analogie war die Seele seiner Schlüsse" 3.1.1 Sokratische Mimik 3.1.2 Performative Analogien und textuelles Ironieverfahren 3.1.3 Wechselnde Zuschreibungen 3.1.4 Figurentheater
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3.2 Typologische Analogien: die ,Hauptfiguren' des Textes 3.2.1 Analogie und Typologie 3.2.2 Sokrates - Christus - Paulus - Hamann 3.3 Zeitgenössische Kontexte für das Analogiedenken in den Denkwürdigkeiten' 3.3.1 Philosophiehistorische Aspekte zu Hamanns Sokrates 3.3.2 Der ciceronianische Sokrates: Analogie / Induktion und Ironie 3.3.3 „Analogy, man's surest guide below" (Edward Young) 3.4 Metaphorologie, Erkenntnistheorie und Anthropologie 3.4.1 Erkenntniswert von Metaphern und Analogien 3.4.2 Verborgenheit und Offenbarung 3.4.3 Mit Sokrates gegen den Skeptizismus Humes 3.4.4 Philosoph und Dichter unter dem Gesetz der Nachahmung . . . 4. Analogieargumente im Gespräch zwischen Hamann und Herder (1770-1772) 4.1 Hamann, Herder und die Analogie 4.1.1 Hamann und Herder im Sprachursprungsstreit 4.1.2 Funktionen der Analogie bei Herder 4.2 Analogiefiguren in Herders Preisschrift 4.2.1 Naturlaut-Hypothese (Herder-Condillac) 4.2.2 Reimarus über Analogie und die Vorstellungstriebe der Tiere 4.2.3 Sphären von Mensch und Tier: Analogie der Natur 4.2.4 Analogische Heuristik 4.2.5 Sprache nach Analogie der Sinne 4.3 Hamanns „Decomposition" von Herders Preisschrift 4.3.1 Kritik an Herders Beweisanspruch 4.3.2 Kritik an Herders Analogiemethode 4.3.3 Communicatio idiomatum 4.3.4 Parodie eines Beweises ,nach der Analogie' 4.3.5 Analogie der tierischen und geistigen Ökonomie 5. Hume - Hamann - Kant 5.1 Kants Kritik an Herders Analogiegebrauch in den ,Ideen' 5.2 Humes Analogie-Kritik in den .Dialogues' (1779) und Hamann . . . 5.3 Kant und Hamann V.Zusammenfassung 1. Terminologie: Analogie und Ähnlichkeit 2. Analogie und Ähnlichkeit im 18. Jahrhundert 3. Analogie bei Hamann
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VI. Literaturverzeichnis 1. Quellen 1.1 Johann Georg Hamann 1.2 Sonstige Quellen 2. Forschungsliteratur 2.1 Johann Georg Hamann 2.2 Sonstige Forschungsliteratur
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VII. Personenregister
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I. Einleitung
1. Motivische Exposition: Goethe, Herder, Hamann Mittheilung durch Analogieen halt ich für so nützlich als angenehm; der Analoge Fall will sich nicht aufdringen, nichts beweisen, er stellt sich einem andern entgegen, ohne sich mit ihm zu verbinden. Mehrere analoge Fälle vereinigen sich nicht zu geschlossenen Reihen sie sind wie gute Gesellschaft die immer mehr anregt als giebt. 1
(1) Goethes Spruch stellt das prodesse et delectare der Analogie heraus und sichert ihr mit dieser konventionellen Autorisierung einen scheinbar akzeptierten Ort nicht allein innerhalb der Dichtung, sondern im figuralen Spektrum vernünftiger Kommunikation überhaupt. Die Reflexion enthält hier ein apologetisches Moment, das sich in einer thematischen Variation dieses Spruchs noch deutlicher ablesen läßt: Nach Analogien denken ist nicht zu schelten; die Analogie hat den Vortheil, daß sie nicht abschließt und eigentlich nichts Letztes will; dagegen die Induction verderblich ist, die einen vorgesetzten Zweck im Auge trägt und, auf denselben losarbeitend, Falsches und Wahres mit sich fortreißt. 2
Die Analogie soll also verteidigt werden. Sind die Argumente für diese Absicht gut gewählt? Ein übereinstimmender Akzent beider Aussagen lautet: Das Analogiedenken ermöglicht kreative, kombinatorische Freiheit, stellt keine Beweisansprüche, fesselt nicht durch Definitionen. Aufgerufen werden im Horazzitat stattdessen philanthropische Heiterkeit und der praktisch-didaktische Wert des (dichterischen) Spiels. Die durch Analogie aufgefundenen Ähnlichkeitsformationen bilden keine kriegerisch „geschlossenen" Angriffsreihen, fordern keine abschließende Identifikation, sondern arbeiten der kulturalen Gesprächssituation des homo ludens zu: antithetisch, aber nicht agonal, uninteressiert, doch nicht beliebig, in anregender Offenheit. 3 Im ersten der beiden zitierten Sprüche liegt das Gewicht auf „Mittheilung": Die Analogie ist im Zusammenhang von Poetik und Rhetorik eine tropische Ähnlich1
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Johann Wolfgang Goethe, Sprüche in Prosa. Sämtliche Maximen und Reflexionen, hg. von Harald Fricke. Frankfurt/M. 1993, S. 77. (= Frankfurter Goethe-Ausgabe I, 13). Vgl. zum Analogiedenken Goethes jetzt Armin Westerhoff, Zwischen Ganzheits- und Differenzdenken. Goethes Analogie-Verständnis mit Blick auf,Wilhelm Meisters Wanderjahre', in: Hans-Jürgen Schräder / Katharine Weder (Hg.): Von der Pansophie zur Weltweisheit. Goethes analogischphilosophische Konzepte. Tübingen 2004, S. 129-145. Goethe, Sprüche in Prosa, S. 44. Vgl. Johannes Huizinga, Homo ludens. Versuch einer Bestimmung des Spielelements der Kultur. Amsterdam 1939.
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keitsfigur, die ihren Gegenstand auf angenehme, sinnfällige Weise ins Gespräch bringt - und in der Dichtung als das Auffinden von Ähnlichkeiten wichtige inventorische Aufgaben übernimmt. 4 In der zweiten Äußerung geht es um die logische Valenz der Analogie, die Goethe auf etwas eigenwillige Weise von der Induktion abhebt und als heuristische Operation mit offenem Ausgang bevorzugt. Mindestens eine dritte, naturphilosophische Facette hat schließlich der Analogiegebrauch Goethes: Jedes Existirende ist ein Analogon alles Existirenden; daher erscheint uns das Daseyn immer zu gleicher Zeit gesondert und verknüpft. Folgt man der Analogie zu sehr, so fallt alles identisch zusammen; meidet man sie, so zerstreut sich alles in's Unendliche. In beiden Fällen stagnirt die Betrachtung, einmal als überlebendig, das andere Mal als getödtet. 5
Mit der Mikro-Makrokosmos-Analogie ruft Goethe eine Ähnlichkeitsfigur aus dem Bereich neuplatonischer Naturphilosophie und Erkenntnistheorie in Erinnerung, die er als Modell in seinem ,holistischen' Naturdenken noch zu integrieren vermag. 6 Zugleich artikuliert er eine gewisse Beunruhigung über das destabilisierende Potential des Analogiedenkens: Analogische Ordnungsoperationen entfalten ihre Erkenntnisfunktionen nur dann auf vitale Weise, wenn sie die Gleichzeitigkeit von Verknüpfung und Trennung der Dinge gewährleisten; andernfalls (so könnte man paraphrasieren) droht entweder die schwärmerische Synthese einer vitalistischen Einheitsphilosophie oder aber das analytische Gerippe einer bloßen Zergliederung der Natur. Die Analogie erweist sich damit als Ähnlichkeitsfigur, die ein konstitutives Spannungsmoment und Elemente der Gleichzeitigkeit enthält; Identität und Differenz, Ordnung und Dissoziation werden in schwebenden, spielerischen, experimentellen Anordnungen jeweils neu, situativ ausgemittelt. 7 (2) Herder ist mit den poetisch-rhetorischen, logisch-metaphysischen und naturgeschichtlichen Gebrauchsweisen der Analogie, wie sie in den Maximen und Reflexionen Goethes erkennbar werden, gleichfalls vertraut; sie durchziehen seit den
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Vgl. zur romanpoetischen Anwendung analogischer Verweistechniken in Goethes Wanderjahren, zu denen die hier zitierten Sprüche einen methodisch-reflexiven Kommentar darstellen, die Hinweise von Westerhoff, S. 138f. Goethe, Spruche in Prosa, S. 46. Vor allem auf Plotins Analogieverständnis hebt Westerhoff ab (S. 135f.), diese Bezüge wurden auch schon in der älteren Goethe-Forschung akzentuiert (etwa von Hermann Schmitz); vgl. zum komplexen Gebilde von Goethes Naturdenken: Alfred Schmidt, Art. Natur, in: GoetheHandbuch, Bd. 4/2. Stuttgart / Weimar 1998, Sp. 755-777, sowie, mit speziellerem Fokus auf die Naturgeschichte, die Beiträge des Sammelbands von Peter Matussek (Hg.), Goethe und die Verzeitlichung der Natur. München 1998. Vgl. einen Vorstoß zur Variationsbreite von Ähnlichkeitsformationen anhand von Paul Valery durch Gert Mattenklott, Ähnlichkeit: Jenseits von Expression, Abstraktion und Zitation, in: Gerald Funk u.a. (Hg.), Ästhetik des Ähnlichen. Zur Poetik und Kunstphilosophie der Moderne. Frankfurt/M. 2000, S. 167-183.
1770er Jahren sein Werk. 8 In der Abhandlung Über Bild, Dichtung und Fabel (1787) entwirft Herder eine Synthese verschiedener Gebrauchsweisen der Analogie in einer anthropologisch ausgerichteten Poetik. „Unser ganzes Leben ist also gewissermaßen eine Poetik: wir sehen nicht, sondern wir erschaffen uns Bilder". 9 Der für die Erschaffung solcher aisthetischer Bildähnlichkeit zuständige „Habitus unsrer Bilder-schaffenden Seelenkraft" stellt innere Bilder oder Gestalten zur Verfügung. Empfindung und Denken generieren aus diesen Bildern unter Verwendung analogischer Verfahren Dichtung: Wir dichten nämlich nichts, als was wir in uns fühlen: wir tragen, wie bei einzelnen Bildern unsern Sinn, so bei Reihen von Bildern unsre Empfindungs- und Denkart in die Gegenstände hinüber und dies Gepräge der Analogie, wenn es Kunst wird, nennen wir Dichtung.10
Das Vermögen zur Erstellung von Bildern eines inneren Sinns ist für Herder anthropologisches Signum schlechthin (homo pictor), eine poetisch-hermeneutische Operation wird zur gegenstandskonstituierenden Größe. Hinsichtlich der objektiven Relevanz dieser Operation trifft Herder allerdings eine charakteristische Einschränkung: Eigentlich und absolut kann der Mensch weder dichten, noch erfinden; er würde damit der Schöpfer einer neuen Welt. Was er tun kann, ist, Bilder und Gedanken paaren, sie mit dem Stempel der Analogie, insonderheit aus sich selbst, bezeichnen; dieses kann und darf er. Denn alles was Bild in der Natur heißt, wird solches nur durch die Empfängnis und Wirkung seiner bemerkenden, absondernden, zusammensetzenden, bezeichnenden Seele. 11
Nicht zum primus inventor sondern allenfalls zum second maker nach göttlichem Vorbild 12 taugt der Mensch - oder immerhin, denn Herder veranschlagt das bezeichnende Ähnlichkeitshandeln der Seele sehr hoch: „Ich kenne keine nützlichere Bildung menschlicher Seelenkräfte, als diese Übung der Analogie, ähnliche Fälle zu entdecken und in ihnen das Ähnliche auf treffende Art genau zu bezeichnen." 13 Als Belege führt Herder die analogische Methodik in den Wissenschaften an, die daher ebenfalls an dichterischen Verfahren partizipierten, 14 schließlich aber auch das eigentliche Thema seiner Abhandlung über Bild, Dichtung und Fabel. Mit
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Vgl. hier vorläufig Hans-Dietrich Irmscher, Beobachtungen zur Funktion der Analogie im Denken Herders, in: DVjs 55 (1981), S. 64-97; Herders Analogiedenken ist in der vorliegenden Arbeit ein eigenes Kapitel gewidmet, siehe dort weitere Belege. Johann Gottfried Herder, Über Bild, Dichtung und Fabel, in: ders., Werke in zehn Bänden, hg. v. Günter Arnold u.a., hier Bd. 4. Frankfurt/M. 1994, S. 635 (= Frankfurter Herder-Ausgabe). Herders Schriften, soweit sie in der Frankfurter Ausgabe vorliegen, werden im folgenden nach dieser Ausgabe, mit der Sigle FA, sowie Band- und Seitenzahl nachgewiesen. Beide Zitate Herder, FA 4, S. 642. Herder, FA 4, S. 645. Vgl. zu diesem Gedanken bei Herder etwa die Passage zu Analogie und Imago Dei in Herder, FA 4, S. 330 (Vom Erkennen und Empfinden der menschlichen Seele). Herder, F A 4 , S. 660f. Vgl. Herder, FA 4, S. 644 und S. 661.
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A r i s t o t e l e s erklärt s i c h H e r d e r ü b e r d e n m e n s c h l i c h e n Grundtrieb der N a c h a h m u n g , d e n er w i e f o l g t präzisiert: Aus diesem so oft mißverstandenen Begriff der Nachahmung d.i. der künstlichen Darstellung und Übung unsrer Vernunft in Anerkennung der Gegenstände, in freudiger Anschauung des Ähnlichen u. f. bauet der philosophische Grieche sein Gebäude der Dichtkunst; und könnte der Ursprung aller menschlichen Dichtung, jener wirksame Trieb in uns, Analogien zu schaffen, mit innerem Vergnügen sie anzuerkennen und jedesmal dadurch seine Begriffe zu erweitern, zu üben, zu stärken, in einer allgemeinern Quelle gesucht werden? Auch der äsopischen Fabel ist also Analogie die Mutter; nicht Abstraktion, nicht eine leere Reduktion vom Allgemeinen aufs Besondre. Fabeln, die auf dem letztern Wege erfunden wurden, sind meist tote Fabeln; dagegen die Dichtungen der Analogie in jedem Gliede leben. 15 B e r e i t s in e i n e m der o b e n zitierten S p r ü c h e G o e t h e s e n t s c h i e d d i e A n a l o g i e g l e i c h s a m ü b e r L e b e n o d e r T o d ; hier b e i H e r d e r w i r d s i e z u m K r i t e r i u m g e l i n g e n d e r D i c h t u n g . W a r b e i G o e t h e d i e I n d u k t i o n in d i e Kritik g e r a t e n , s c h i l t H e r d e r d a s d e d u k t i v e V e r f a h r e n , b z w . A b s t r a k t i o n überhaupt. Für d i e D i c h t u n g m a g s o l c h e ,Rationalismuskritik' notfalls noch hinzunehmen sein, legt Herder doch zugleich a l l e n N a c h d r u c k a u f d i e a u s g e s p r o c h e n e Produktivität a n a l o g i s c h e r , d.h. i m w e i t e sten S i n n e a u f der H e r s t e l l u n g v o n B i l d ä h n l i c h k e i t b e r u h e n d e r V e r f a h r e n i m p o e t i s c h - p h i l o s o p h i s c h e n G e b r a u c h . H i n s i c h t l i c h der d a b e i a k z e n t u i e r t e n a n t h r o p o l o g i s c h e n D i m e n s i o n ist e s v o n hier a u s z u W a l t e r B e n j a m i n s Lehre
vom
Ähnlichen
n i c h t w e i t : „ D i e a l l e r h ö c h s t e F ä h i g k e i t i m P r o d u z i e r e n v o n Ä h n l i c h k e i t e n aber hat der M e n s c h . Ja v i e l l e i c h t gibt e s k e i n e s e i n e r h ö h e r e n F u n k t i o n e n , d i e nicht ents c h e i d e n d d u r c h m i m e t i s c h e s V e r m ö g e n m i t b e s t i m m t ist." 1 6
( 3 ) Hamann
notiert in e i n e m B r i e f a n Jacobi:
Wenn ich schwach bin, so bin ich stark. Verstand und Erfahrung ist im Grunde einerley: wie Verstand und Anwendung einerley sind. Woher komt die Verschiedenheit des Gegensatzes. Beruht das ganze Geheimnis unserer Vernunft, ihrer Antithesen und Analogien in nichts als einer licentia poetica zu scheiden, was die Natur zusammengefügt, und zu paaren, was sie hat scheiden wollen, zu verstümmeln und wider [!] zu flicken. Der auf dem Stuhl saß, kann allein die wahrhaftige und gewiße Worte .sagen' sprechen: Siehe, ich mache alles neu! All unser Lallen und Nachahmen ist Non-sense. 17 Γη d i e s e n S ä t z e n w i r d e i n e f r a g m e n t a r i s c h e s e n s u a l i s t i s c h e P o e t i k e n t w i c k e l t u n d z u g l e i c h e i n c h r i s t l i c h e s B e k e n n t n i s a b g e l e g t . - V e r s t a n d u n d Erfahrung ist i m G r u n d e e i n e r l e i . D a s w i e d e r h o l t e „ e i n e r l e y " in H a m a n n s B r i e f deutet a u f d e n G e 15
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Herder, FA 4, S. 673. Vgl. zur Interpretation von Herders Poetik der Fabel: Ralf Simon, Das Gedächtnis der Interpretation. Gedächtnistheorie als Fundament für Hermeneutik, Ästhetik und Interpretation bei Johann Gottfried Herder. Hamburg 1998, S. 288-316. Walter Benjamin, Lehre vom Ähnlichen, in: ders., Gesammelte Schriften. Bd. II.l, hg. v. Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt/M. 1991, S. 204-210, hier S. 204. ZH VI, 534: 14-22 (An F. H. Jacobi, 23.8.1786). Wie in der Hamannforschung üblich, werden hier und im folgenden alle Briefzitate mit der Sigle ZH nachgewiesen nach der Ausgabe: Johann Georg Hamann, Briefwechsel, hg. v. Walther Ziesemer und Arthur Henkel. 7 Bde. Frankfurt / Wiesbaden 1955-1979.
danken einer Einheit der Gegensätze, etwa das Cusanische principium coincidentiae oppositorum, von dem Hamann geäußert hat, daß es für wesentliche Intentionen seines Denkens stehe. 18 Grundlage dieser philosophischen Figur ist, jedenfalls hier, der metaphysische Gedanke eines durch ihren Schöpfer garantierten universalen Zusammenhangs der kreatürlichen Welt; lies: Natur. Der menschliche Verstand begegnet diesem wohlgefügten „Einerley" allerdings vorzugsweise so, daß er seine Ordnung umstößt und in ihr Gegenteil verkehrt. Er verstümmelt, um anschließend wieder zu flicken. Grundlegende und traditionelle Tätigkeiten des Philosophen, auf die auch Goethe und Herder in ihren Reflexionen über die Analogie abheben: die Verknüpfung und Unterscheidung von Begriffen durch Antithesen und Analogien, erweisen sich in Hamanns Sicht als destruktives und selbstbezügliches, ja kindisches Spiel; die Operationen des Verstandes stehen für eine nachträgliche, mutwillige Fügung der Dinge. In der gereimten Variante von Richard Blackmores physikotheologischem Gedicht Creation (1712), das keineswegs außerhalb der Reichweite des EnglandSpezialisten und Young-Verehrers Hamann lag, hört sich diese anscheinend skeptische Beschreibung der Verstandestätigkeiten so an: [The Mind] By her abstracting Powr's in Pieces takes / The Mixt and Compound Whole, which Nature makes. / On Objects of the Senses she refines, / Beings in Nature separated joins, / And severs Qualities, which that combines. / The Mind from Things repugnant, some Respects / In which their Natures are alike, selects, / And can some Difference and Unlikeness see, / In Things, which seem entirely to agree; / She does Distinguish here, and there Unite, / The Mark of Judgment That, and This of Whit. / As she can reckon, sep'rate and compare, / Conceive what Order, Rule, Proportion are, / So from one Thought she still can more infer. 1 9
Aus den letzten Versen spricht Optimismus. Die Operationen der Trennung und Verbindung (separate-join, sever-combine, distinguish-unite) haben trotz ihrer unnatürlichen' Willkür dennoch eine bestimmte Form von Naturerkenntnis zum Ergebnis, für die hier mit Anklängen an ein im 18. Jahrhundert gängiges kosmologisches Analogiemodell die Begriffe Ordnung, Gesetz und Proportion stehen. Allerdings ist diese Ordnung ein Spaltungsprodukt des menschlichen Verstandes. Sie stellt daher zuerst die Basis für Gedankenfolgen nach seinen Gesetzen dar. Dies akzentuieren auf verschiedene Weise auch Herder und Hamann, indem sie die Konstruiertheit menschlicher Naturerkenntnis hervorheben. Der Mensch zerstört die vollkommene Komposition der Natur, um dann die Glieder des zerstückelten Leibes, die disiecti membra poetae neu anzuordnen. 18
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Vgl. die Diskussion und zahlreiche Textbelege bei Erwin Metzke, J. G. Hamanns Stellung in der Philosophie des 18. Jahrhunderts. [Halle/Saale 1934] Darmstadt 1967, S. 173f. Richard Blackmore, Creation. A Philosophical Poem. Demonstrating the Existence and Providence of God. London, 2 1712, S. 326f. Vgl. zu Hamanns Kenntnis von physikotheologischer und sonstiger englischer Dichtung (u.a. Milton, Thomson, Young) die zahlreichen Biga-Einträge Ν V, 105ff. (172/685-175/724). Hamanns Schriften werden (mit Ausnahme der Londoner Schriften) hier und im folgenden mit der Sigle Ν zitiert nach: Johann Georg Hamann, Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe von Josef Nadler. 6 Bde. Wien 1949-1957.
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„Diese zu sammeln ist des Gelehrten; sie auszulegen, des Philosophen; sie nachzuahmen - oder noch kühner! - sie in Geschick zu bringen des Poeten bescheiden Theil" 20 heißt es in einer berühmten Sequenz von Hamanns Aesthetica in nuce. Im Rahmen einer solchen translatio, der Hamann im übrigen nicht besonders viel zutraut, 21 kommt der Trennkunst der Antithese und der Paarungskunst der Analogie - Figuren der Ähnlichkeit und der Spannung - entscheidende Bedeutung zu. Allem Anschein nach deutet die Analogie auf einen defizitären Modus menschlicher Erkenntnis- und Sprachtätigkeit. Bereits in Hamanns Brocken (1758) heißt es in diesem Sinne, „daß die Vernunft nichts als eine Analogien [!] auffassen kann, um ein sehr undeutlich Licht zu erhalten". 22 Diese Überzeugung ist das Ergebnis einer Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Konzepten der Erkenntnisleistung des Verstandes. Als logische Operation ist die Analogie nicht satisfaktionsfähig. Sie ergibt lediglich ein „sehr undeutlich Licht". Wie Hamann an gleicher Stelle von „Muthmassung[en]" spricht, so z.B. der im 18. Jahrhundert noch überall präsente John Locke vom Zwielicht der Wahrscheinlichkeit. 23 Dennoch nimmt diese erkenntnistheoretische Skepsis im diskutierten Kontext eine positive Wendung. Wenn dem Verstand Grenzen gesetzt sind, was bei Locke wie Hamann häufig genug der Fall ist, so bleibt immerhin der Weg der Analogie. Während diese allerdings für Locke, epistemologisch betrachtet, einen Havariefall demonstrativisch gesicherter Erkenntnis darstellt, behaupten Hamann und Herder in einem radikalen Sinne, daß die Vernunft mit nichts als Analogien arbeite und kein anderes Licht als ein sehr undeutliches zur Verfugung habe; Goethes Äußerungen sind hier moderater. Wenn „das ganze Geheimnis unserer Vernunft" nach Hamanns Überzeugung auf „Antithesen und Analogien" beruht, so stellen diese beiden Spannungsfiguren dennoch Operationen mit einer nahezu unvermeidlichen Dignität dar. Der erste Satz des Zitats - „Verstand und Erfahrung ist im Grunde einerley: wie Verstand und Anwendung einerley sind." - ist nichts anderes als eine Analogie zweier Antithesen. Er demonstriert also bereits, performativ und ironisch, was im nächsten Satz als erkenntnistheoretische Aussage erst noch formuliert werden wird. Immerhin soviel Kohärenz besteht also, daß die defizitären Signifikationsmodi der Antithese (die unnütz scheidet) und der Analogie (die falsch verbindet) zu einer ad-
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Ν II, 199: 1 - 3 (Aesthetica in nuce). „Reden ist Übersetzen - aus einer Engelsprache in eine Menschensprache [...] Diese Art der Übersetzung (verstehe Reden) kommt mehr, als irgend eine andere, mit der verkehrten Seite von Tapeten überein. / And shews the stuff, but not the workman's skill" (Ν II 199: 4—10; Aesthetica in nuce). BW 409, 3If. (Brocken)·, Hervorhebung im Original. Hamanns Londoner Schriften werden nach der kritischen Neuausgabe mit der Sigle BW zitiert: Johann Georg Hamann, Londoner Schriften. Historisch-kritische Neuedition von Oswald Bayer und Bernd Weißenbora. München 1993. Vgl. John Locke, An Essay concerning Human Understanding, ed. with an Introduction by Peter Η. Nidditch. Oxford 1975, S. 652.
äquaten Selbstthematisierung fähig sind, und am Ende sogar über sich selbst hinaus auf ein .natürliches Einerley' verweisen. Schließlich signalisiert der Text Hamanns, abermals unter Verwendung von Begriffen aus antiken und zeitgenössischen Poetiken, religiöse Bezugsebenen. Mit Horaz ist von einer licentia poetica zu dieser Verstümmelungs- und Flickkunst die Rede. Zugleich wird deutlich, daß diese Lizenz wertlos ist: „All unser Lallen und Nachahmen ist Non-sense" heißt es im letzten Satz, der auf die Sprachskepsis der Moderne vorausweist. Umsonst sind aber auch die po(i)etischen Flickversuche des Menschen. „Alles neu", so erläutert Hamann mit einem Zitat aus der JohannesOffenbarung, macht allein „der auf dem Stuhl sitzt" (Off 21, 5). Wie im Bibelzitat anklingt, besteht, trotz oder wegen der endlichen und endzeitlichen Schatten über diesem Szenario, Hoffnung auf eine höhere Fügung des zerstückelten und wieder zusammengeflickten Wissens. Einstweilen bleibt der sinnlose und selbstbezügliche Kreislauf der Verstümmelung der Natur durch falsche Antithesen und der Flickversuche durch verkehrte Analogien die einzige verfügbare Technik und das ernstzunehmende, gültige Verfahren. Dieses Verfahren zeitigt, worauf das Paulus-Zitat 24 des ersten Satzes verweist, nicht zuletzt Paradoxien.
2. Nach dem Ende der Ähnlichkeit? - Forschungsprobleme; Foucault Auch wenn hier bisher lediglich einige Motive aus dem Komplex des Analogiedenkens bei Hamann, Herder und Goethe präsentiert wurden, sollte die ermittelte emphatische Wertschätzung der Analogie vorläufig davon überzeugen, daß die Methode ebenso wie konkrete Figurationen von Ähnlichkeit bei einigen wichtigen Autoren der Spätaufklärung hoch im Kurs standen. Die beobachtete apologetische Tendenz besonders der Äußerungen Goethes indiziert jedoch zugleich, daß es sich um polemisches Terrain handelt: die Valenz des Analogiedenkens scheint bei den Zeitgenossen in Frage zu stehen. Welcher Status kommt der Analogie im Diskurs des 18. Jahrhunderts zu? Die Aufklärungsforschung hat sich mit dieser Frage bislang eher beiläufig auseinandergesetzt; in den vorliegenden Einzelstudien, die sich diesem Thema überhaupt stellen (vorwiegend systematisch interessierte Beiträge zu Leibniz, Wolff oder Kant blenden sie beispielsweise aus), 25 überwiegt die Einschätzung, daß das Zeitalter der Vernunft mit Analogie und Ähnlichkeit im Ganzen nicht viel 24 25
„[...] denn, wenn ich schwach bin, so bin ich stark" (2 Kor 12, 10). Vgl. z.B. Lois Frankel, Causation, Harmony and Analogy, in: Nicholas Rescher (Hg.), Leibnizian Inquiries. A Group of Essays. Lanham u.a. 1989, S. 57-70; Hans Poser, Die Bedeutung des Begriffs Ähnlichkeit' in der Metaphysik Christian Wolffs, in: Studia Leibnitiana 11 (1979), S. 62-81; Annemarie Pieper, Kant und die Methode der Analogie, in: Gerhard Schönrich / Yasushi Kato (Hg.), Kant in der Diskussion der Moderne. Frankfurt/M. 1996, S. 92-112.
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zu tun haben wollte. Profiliert, und nachhaltig wirksam vertreten, wurde diese Einschätzung von Michel Foucault in seinem Buch Les mots et les choses (1966). Die These Foucaults, soweit sie sich auf die hier diskutierte Epoche bezieht, besagt: Zwischen Renaissance und Aufklärung hätte ein fundamentaler Umbau innerhalb der ,epistemischen' Organisationsstrukturen des zeitgenössischen Wissens stattgefunden. Ein in der Renaissance gültiges, auf vier Ähnlichkeitsformationen basierendes universales System von Korrespondenzen wäre durch eine semiotische und taxonomische Mathesis der Repräsentation' ersetzt worden. Dabei wäre die Ähnlichkeit als Wissensform marginalisiert, d.h. genauer: als Operationsgröße in das neue Denken eingetragen, im übrigen aber an die Ränder des Wissens abgedrängt worden. [I]m sechzehnten Jahrhundert anerkannte man zunächst das globale System der Entsprechungen (der Himmel und die Erde, die Planeten und das Gesicht, der Mikrokosmos und der Makrokosmos), und jede besondere Ähnlichkeit fand ihren Platz im Innern dieser Gesamtbeziehung. Danach wird jede Ähnlichkeit dem Beweis des Vergleiches unterworfen, das heißt, sie wird nur noch anerkannt, wenn die gemeinsame Einheit durch das Maß oder, noch radikaler, durch die Ordnung, durch die Identität und die Serie der Unterschiede gefunden worden ist. 26
Das universale Zeichensystem der Renaissance, ihre „gleichzeitig unbegrenzte und geschlossene, volle und tautologische Welt der Ähnlichkeiten" 27 würde nach Foucault mit der .klassischen' Episteme in eine Ordnung überfuhrt, die durch Analyse und Vergleich gekennzeichnet ist und deren Aufgabe eine Identifizierung der Dinge im Dienst ihrer differenzierenden Erfassung wäre. In den semiotisch und klassifikatorisch operierenden Systemen von Linne, Buffon und Bonnet, Condillac und Hume weicht die Ähnlichkeit, so Foucault, einer Repräsentationsordnung noematischer, auf Dispersivität und Arbitrarität angelegter Zeichensysteme. 28 Sie findet ihr letztes Refugium an den Grenzen des Wissens, in der Imagination, welche die totale Dispersion der Dinge aussetzt und so „das Verschiedene sichert". 29 Im ,klassischen Repräsentationswissen' wird die Ähnlichkeit für die Ordnungsstrukturen einer messenden und vergleichenden neuen ,Mathesis' in Dienst genommen. Aus mindestens zwei Richtungen kann diese These historisch befragt werden: Wie steht es um die hier angebotene Konstruktion der Renaissance? Welches Bild zeichnet Foucault von Barock und Aufklärung? Die erste dieser beiden Fragen qualifiziert zu beantworten, liegt außerhalb der Zuständigkeit der vorliegenden Studie; eine bedenkenlose Adaption 30 scheint jedoch nach der weitgehenden Demontage von Foucaults Konstruktion durch Ste26 27 28 29 30
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Foucault, Ordnung der Dinge, S. 88. Ebd., S. 91. Vgl. näheres ebd., S. 92-96. Ebd., S. 104. Eine solche Adaption findet sich z.B. bei Peter-Andre Alt, Begriffsbilder. Studien zur literarischen Allegorie zwischen Opitz und Schiller. Tübingen 1995, S. 134-140.
phan Otto kaum noch möglich. Otto (dessen Ausführungen hier auch deshalb Raum gegeben wird, weil sie eine erste Skizze zur Problemgeschichte der Analogie vor der hier untersuchten Epoche bieten) ist der Auffassung, daß Foucault zwar „tatsächlich, wenngleich traumwandlerisch, einen Zipfel des Ähnlichkeitsdenkens erwischt hat, wie wir es in bestimmten Strömungen des Philosophierens in der Renaissance vor uns haben." 31 Jedoch habe Foucault diese Episteme keineswegs getroffen, sondern lediglich einige „Aussage- oder Diskursformationen über Ähnlichkeit" 32 aufgewiesen. Otto weist Foucaults Analysen dieser Formationen in fast allen Punkten zurück, moniert perspektivische Verkürzungen und Trivialisierungen der Renaissancephilosophie. Im Zug seiner Kritik liefert er zugleich einen Umriß zum Problem der Ähnlichkeit in der Renaissance: Weil er [Foucault, A.R.] kein Ideengesehichtler sein will, übersieht er dabei, daß auf weiten Strecken des Denkens und Sprechens dieser Zeit .Ähnlichkeit' überhaupt kein Thema ist: nämlich im aristotelisierenden Philosophieren an den Universitäten. [...] Aber die Renaissance ist nun ebenfalls tief geprägt durch den Streit um ,Aristoteles oder Piaton', und da, wo man es vorzog, Piaton zu studieren und mit ihm die Schriften des Hermes Trismegistos, die Werke des Pseudo-Dionysios und die Kirchenväter, mit anderen Worten, wo man Piaton mit der christlichen Tradition zu verschmelzen suchte (Ficino nannte das daraus zu erstellende Ganze die theologia platonica), da wurden die Begriffe Urbild, Abbild, Ähnlichkeit zu Leitbegriffen. Sie wurden es umso mehr, als sie es möglich machten, auch fremde oder zumindest eigenwillige Denkströmungen mit dem sogenannten ,Renaissancepiatonismus' zu vereinbaren - beispielsweise die Philosophie des Ramon Lull und die Kabbala. Mit der Vertreibung der Juden aus Spanien am Ende des 15. Jahrhunderts wurde die Kabbala [...] in den humanistischen Zentren der europäischen Renaissance präsent. Platoniker, Lullisten und Kabbalisten bildeten jene gelehrten Kreise, in denen die Ähnlichkeit' von Wort und Welt zum Leitmotiv werden konnte.
Neben einer unzulässigen Homogenisierung der Diskurse kritisiert Otto Foucaults verfehlte Vorstellungen von einer unmittelbar sprachlichen signatura rerum (die nicht zuletzt eine bildliche gewesen sei), schließlich aber Foucaults Analysen zur Struktur des Ähnlichkeitsdenkens selbst. So sei Foucault in seiner Darstellung nicht auf die „geometrische Diskursebene über Ähnlichkeit" 34 eingegangen, die jedoch als geometria imaginaria eine entscheidende Formation des Ähnlichkeitsdenkens bei Cusanus, im Florentiner Piatonismus und bis hin zu Leibniz darstelle. Weitab von dem Versuch Michel Foucaults, das Ähnlichkeitswissen der Renaissance in murmelnden Aussagen und auf anonymen Diskursfeldern zu fassen, fuhrt uns der geometrische Ähnlichkeitsdiskurs des Bovillus direkt in das Zentrum dieses Wissens: Ähnlichkeit ist die Verknüpfung des Ähnlichen an Gegensätzen; Ähnlichkeit haftet auch nicht an Dingen, an ihrer natürlichen Zwillingshaftigkeit: sie erschließt sich der geometrischen Konstruktion ,nach
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32 33 34
Stephan Otto, Das Wissen des Ähnlichen. 1992, S. 36. Ebd. Ebd., S. 3Of. Ebd., S. 98.
Michel Foucault und die Renaissance. Frankfurt/M.
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Breite und Länge'. Ähnlichkeit bleibt damit auch nicht mehr epistemisch, sich allererst der Epistemologie?5
sondern sie erschließt
Nicht plane Ähnlichkeiten und Reflexe einer universalen Spiegelung bestimmen das Ähnlichkeitsdenken der Epoche, sondern eine durch das Subjekt geleistete erkenntnistheoretische Schau, die das Ähnliche des Gegensätzlichen erkenne. Dabei gilt nach Otto: Das System der gespiegelten Ähnlichkeiten schließt sich keineswegs, wie Foucault vermeint. Es hat seinen geometrischen Augen- oder Perspektivpunkt im Subjekt, das nur auf einer seiner Seiten der Welt ähnlich ist; auf der anderen ist es das Nichts der Ähnlichkeiten: denn sonst könnte es diese weder sehen noch spiegeln. Auf der geometrischen Diskursebene über Ähnlichkeit entdeckt die Renaissance das Subjekt als Scheitelpunkt, und gerade das mußte Foucault wohl verschweigen. 3 6
Gegen Foucault gerichtet lautet also die Pointe: Foucaults Destruktion der Subjektphilosophie hätte mit der Renaissance und deren erkenntnistheoretischer Subjektzentrierung einen ausgesprochen schlechten Gegenstand zu ihrer Erprobung gewählt. Nicht eine universale „empirische und murmelnde Ähnlichkeit der Dinge", 37 sondern eine imaginative „Epistemologisierung der Ähnlichkeitsepisteme" 38 bezeichnet nach Otto ein wichtiges Moment im Ähnlichkeitsdenken in der Renaissance. A m Rande interessant ist auch die Frage nach Motiven für Foucaults reduzierte Zeichnung der Renaissance. Peter Bürger hat die universale Sprachlichkeit der Foucaultschen ,Ähnlichkeitsepisteme' als ein Modell identifiziert, das Korrespondenzen zu Foucaults eigener (u.a. an Mallarme gewonnener) Vorstellung von einer subjektlosen, selbstreferentiellen Literatur aufweist. Auf die Renaissance gewendet lautet die nicht ganz unplausible These: Foucault hätte diese Epoche für das (ihm selbst als das heimliche Zentrum seines Diskurses verborgen gebliebene!) Projekt einer gegen die Subjekt-Objekt-Spaltung der nachkantischen Philosophie gerichteten Verklammerung von vormodernen und postmodernen Zeichenauffassungen vereinnahmt. 39 Ruft man sich in Erinnerung, daß es der Renaissanceforschung 35 36 37 38 39
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Ebd., S. 105. Ebd., S. 107. Foucault, Ordnung der Dinge, S. 91. Otto, S. 124 (zu Campanella). Peter Bürger, Die Wiederkehr der Analogie. Ästhetik als Fluchtpunkt in Foucaults ,Die Ordnung der Dinge', in: Jürgen Fohrmann / Harro Müller (Hg.), Diskurstheorien und Literaturwissenschaft. Frankfurt/M. 1988, S. 45-53: „In der ,vorklassischen' wie in der Mallarmeschen Sprachauffassung - und das scheint uns die verborgene (wahrscheinlich auch dem Bewußtsein des Autors verborgene) Pointe des Foucaltschen Gedankens zu sein - ist die Subjekt-ObjektOpposition getilgt, zugunsten eines homogenen Netzes substantieller Analogiebeziehungeh." (S. 49); mit der etwas überzogenen Pointe, hinter Foucaults Denken sei „nichts anderes" verborgen, als die ,,idealistische[n] Sehnsucht nach der Aufhebung des Gegensatzes von Subjekt und Objekt" (S. 50). Daß es gleichsam ,antimodernistische' Motivlagen der von Bürger unterstellten Art gibt, sich mit Analogiedenken zu befassen, bestätigen Arbeiten Karen Gloys. Gloy betreibt (mit im übrigen beeindruckenden Ergebnissen) die Erforschung des Analogiedenkens
sonst, etwa in der Spur Ernst Cassirers, gerade um die Genese des Individuums und der Rationalität in den komplexen Konstellationen der Renaissance zu tun ist, erscheinen hier Kollisionen in der Tat unvermeidlich. 40 Seitens der (deutschen) Aufklärungsforschung liegt eine vergleichbar einläßliche Auseinandersetzung mit Foucaults , archäologischer' Epochenkonstruktion bisher nicht vor. Seine These wurde gleichwohl erprobt, wobei sich, wie der Blick auf die Herderphilologie zeigt, 41 ein uneinheitliches Bild ergibt. Wolfgang Proß, der bei seiner Kontextualisierung von Herders Werk seit zwei Jahrzehnten die zeitgenössische naturgeschichtliche Szenerie in Frankreich ausfuhrlich einbezieht, versucht bereits in seinem Kommentar zu Herders Sprachursprungsschrift die Auffassung Foucaults anhand von Charles Bonnet und Herder zu widerlegen. Dabei formuliert Proß eine übergreifende These: Im letzten Drittel des 18. Jahrhundert hätten sich, als Reaktion auf die rationalistischen Tendenzen vorausgegangener Dekaden, erneut platonisierende Ordnungssysteme etablieren können. 42 Dieser Einwand trifft Foucaults These vom Ende der Ähnlichkeit nicht genau genug. Denn Foucault notiert sehr wohl, daß Bonnet auf das Ordnungsmodell der chain of being zurückgreift (das als ,platonisch' zu bezeichnen er allerdings vermeidet), und kommt zu dem Ergebnis, daß Bonnets Interpretation der Wesenskette genau im Sinne seiner These auf eine verallgemeinerte Taxinomie hinauslaufe. 43 Welche Funktionen in diesen Modifikationen harmonikaler Piatonismus, Vitalismus u.a. haben, müßte hier näher bestimmt werden. Und nennt Proß nicht auch, wenn er schließlich auf die Begrenzung der Analogiemethode durch Haller, Reimarus und Bonnet hinweist, 44 einen zentralen Topos zeitgenössischer Analogiekritik, der Foucaults Diagnose sogar bestätigt?
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unter dem Label der Rationalitätstheorie, und will dabei durchaus „angesichts der Krise unseres westlichen Rationalitätstypus Wege zu anderen Denkformen weisen, die wie der analogische umfassender und holistischer sind und die Zersplitterungen unseres Weltverständnisses zu beheben versprechen." (Karen Gloy, Vernunft und das Andere der Vernunft. Freiburg / München 2001, S. 328). Für die Gültigkeit dieser Auffassung in der Renaissanceforschung vgl. z.B. Paul Richard Blum, Philosophieren in der Renaissance. Stuttgart 2004, S. 14: „Das von den Renaissancedenkern intendierte und vom Historiker zu verstehende Ergebnis ist die flir die Zukunft folgenreiche Innenbetrachtung des menschlichen Denkens, d.h. die Begründung der Subjektivität und Autonomie des Denkens." Gerade der seit den 1980er Jahren als Analogiedenker par excellence entdeckte Herder muß an Foucaults These natürlich als widerständig erscheinen, so daß der Gegenstand Herder kein zufalliger ist; vgl. zum Thema auch die etwas ausführlichere Aufarbeitung der Diskussion bei Caroline Torra-Mattenklott, Metaphorologie der Rührung. Ästhetische Theorie und Mechanik im 18. Jahrhundert. München 2002, S. 51-55. Vgl. Wolfgang Proß, Kommentar, in: Johann Gottfried Herder, Abhandlung über den Ursprung der Sprache. Text, Materialien, Kommentar, hg. v. Wolfgang Proß. München o.J. [1978], S. 111-178, hier S. 150-153. Vgl. Foucault, Ordnung der Dinge, S. 195-197. Vgl. Proß, Kommentar, S. 177.
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Auch wenn hier Unscharfen verbleiben, ist die These von der antirationalistischen Pointe bestimmter Formen des Analogiedenkens in der Spätaufklärung festzuhalten; ein Indiz für ihre Relevanz bietet auch die oben zitierte Deduktions- und Abstraktionskritik Herders. Allerdings ist die Prägnanz dieser These von einem vereinfachenden Rationalismus-Irrationalismus-Schema bedroht, das auch in der Tat Alfred Bäumler 45 in der Nachbemerkung zum Neudruck seines Buchs 1967 in knappen Bemerkungen aktiviert hat: Die metaphorische Redeweise ist universal, sie bringt die verborgene Einheit aller Dinge ans Licht. In dem scheinbar schulmäßigen Reden von dem Entdecken der ,Ähnlichkeiten', d.h. von unbekannten Beziehungen zwischen Dingen, Vorgängen oder Ausdrücken ist nichts Geringeres enthalten als eine Andeutung des Weltbilds der Analogie, das dem Weltbild des Rationalismus entgegengesetzt ist. [...] Das System der Monaden geht unter, das Weltbild der Analogie, dem es entstammt, bleibt erhalten. Auf diese Weise ist durch Leibniz das antike Weltbild in das moderne Denken hinübergerettet worden. Dem witzigen Kopf, dem genialen Menschen enthüllt die Welt, die dem Verstände in isolierte Dinge auseinanderzufallen scheint, die Wahrheit der großen Harmonie. Ein Denken, dem die Ähnlichkeiten zwischen den Dingen sich offenbaren, steht mit der Einheit des Ganzen in geheimer Verbindung. Goethes Weltbild entspricht dem ingenium. Kant hat mit seinem ungeheuren acumen Goethe gedacht, als er durch die Kritik der Urteilskraft den Begriff des Genies in den Entwurf der Transzendentalphilosophie einfügte. 4 6
Zieht man das esoterische Pathos ,geheimer Verbindungen' und ,großer Harmonien' und die irreführende Entgegensetzung zweier ,Weltbilder' der Analogie und des Rationalismus ab - ,verkörpert' Leibniz sie nicht beide? - so bleibt unter Rückgriff auf Proß eine historische Linie hier ins Kalkül zu ziehen: diejenige einer zweiten Leibnizrezeption nach 1750, für die u.a. Bonnet, Herder, Tetens und Goethe in Anspruch genommen werden können. Mit Blick auf Foucaults These ergibt sich dann allerdings, bei durchaus vergleichbaren (vermutlich beiderseits auf Cassirer gründenden) 47 Voraussetzungen eines vormodernen ,Weltbilds der Analogie', für das 18. Jahrhundert die völlig konträre Behauptung einer Persistenz des harmonikalen Analogiedenkens von Leibniz zu Goethe und bis in die Romantik. Eine echte Kontinuitätshypothese bringt, unter Verweis auf Proß, auch Ulrich Gaier gegen Foucault in Stellung. Gaier rügt die mit Blick auf das Jahrhundert stark reduzierte Anlage von Foucaults ,klassischer Episteme', welche zwar auf den „Sprachrationalismus und Teilaspekte des Empirismus [...] keinesfalls aber auch 45
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Bäumlers sachliche Anregungen sollen hier nicht übergangen werden, auch wenn der heutige Leser die beachtliche Forschungsleistung dieses Gelehrten angesichts der katastrophalen ideologischen Verschuldungen Bäumlers in der NS-Zeit mit Bitterkeit zur Kenntnis nimmt. Alfred Bäumler, Das Irrationalitätsproblem in der Ästhetik und Logik des 18. Jahrhunderts. [Tübingen 2 1967] Darmstadt 1981, S. 354. Vgl. Ernst Cassirer, Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance. [Berlin 1927] Darmstadt 1994, S. 156-159; ders., Philosophie der symbolischen Formen. Bd. 2, Das mythische Denken. Darmstadt 1973. Bäumler hatte Cassirer natürlich im Blick; Foucault handhabt den Ausweis von Forschungsliteratur recht sparsam, im fraglichen Kapitel von Die Ordnung der Dinge würdigt er Cassirer keiner Erwähnung.
die Traditionen der Logosmystik und des Sprachhumanismus" 48 anwendbar sei, deren Nachwirkungen Gaier wiederum bei Herder am Werk sieht. Sowohl auf ästhetischem Gebiet (einer neuen Ästhetik der Einbildungskraft seit Addison, Muratori, Dubos und Breitinger; soweit wie bei Bäumler), als auch in der Erkenntnistheorie („das im Zusammenhang mit dem relationalen Vergleich wieder ,zugelassene' Denken in Analogien") 49 erkennt Gaier im 18. Jahrhundert Tendenzen eines neuen Analogiedenkens. Einen absoluten Höhepunkt erreicht das neue Analogiedenken, das im zentraleuropäischen Kontext besonders auch durch die okkasionalistischen und idealistischen (Leibniz' prästabilierte Harmonie) Analogien verstärkt wird, in David Hartleys ,Observations on Man [...]'; dort wird ein analogischer Kosmos aufgebaut, in dem ,all things become comments upon each other in an endless reciprocation'. 5 0
Der britisch-deutsche Debattenkonnex liefert eine wichtige Ergänzung der Hypothese, auch wenn Gaier für Hartley sicher zuviel behauptet, wenn er das ,neue Analogiedenken' gerade mit ihm seinen .absoluten Höhepunkt' finden läßt. 51 Daß die ,Episteme' des 18. Jahrhunderts weitaus komplexer sei, als Foucault unterstellt, wird hier aber jedenfalls noch an einem anderen Autor deutlich. In zwei jüngeren Arbeiten fallen die Foucault-Referenzen weniger kritisch aus. Andreas Herz verortet die Methode der Analogie bei Herder innerhalb von dessen Hypothesen- und Wahrscheinlichkeitsdenken. Es ist die Analogie, „die aufgrund von Ähnlichkeiten Zusammenhänge stiftet und Wahrscheinlichkeit begründet, ohne einem Ableitungsprozeß im strengen Sinne zu gehorchen." 52 Mit Bezug auf Wolfgang Kluxen ist Herz jedoch der Auffassung, daß die inventorische Analogie „spätestens mit der Aufklärung (in den fortgeschrittenen Naturwissenschaften bereits im Laufe des 17. Jahrhunderts) aus den zugelassenen Operationen wissenschaftlicher Methodik verschwand". 53 Dieses Urteil ist falsch, das Gegenteil der Fall: Die analogische Heuristik wird im Kontext der Royal Society überhaupt erst wiederentdeckt und, wie hier ausführlich zu zeigen, im 18. Jahrhundert erkenntnistheoretisch vor allem durch Locke popularisiert. - Ohne das Skandalon auch nur 48
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Ulrich Gaier, Herders Sprachphilosophie und Erkenntniskritik. Stuttgart-Bad Cannstatt 1988, S. 15f. Ebd., S. 22. Ebd. Auch wenn Gaier damit eine Art Signaturenlehre auch noch bei Hartley nachweist, sollte diese Tatsache nicht davon ablenken, daß der Bau eines ,analogischen Kosmos' insgesamt nicht das Hauptinteresse David Hartleys darstellt. Interessant ist Hartley insofern, als er mehrere konventionelle Analogiemodelle seiner Zeit zuverlässig aufnimmt, so etwa den Newtonschen Gedanken einer „whole analogy of nature" (David Hartley, Observations on Man, his Frame, his Duty, and his Expectations. In two Parts. London [1748] 6 1834, S. 332), der von Leibniz bis Herder Gemeingut des Jahrhunderts ist und bei Hartley im Rahmen einer rational-theologischen Apologie zum Einsatz kommt. Andreas Herz, Dunkler Spiegel - helles Dasein. Natur, Geschichte, Kunst im Werk Johann Gottfried Herders. Heidelberg 1996, S. 447. Ebd., S. 448.
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zu erwähnen, daß Herder in diesem Fall in der ,Episteme' seines Jahrhunderts gar nichts verloren hätte, schließt Herz seinen Autor im weiteren bruchlos mit Foucault zusammen. Herder stehe mit seiner analogischen Epistemologie und Hermeneutik in einer Tradition, die in die griechische Wissenschaft und das mittelalterliche Denken, besonders aber in die ,episteme' der Renaissance (Foucault) zurückverweist, welche in hohem Maße durch ein komplexes Verweisungsgefüge der Ähnlichkeiten charakterisiert war. 5 4
Der Foucaultbezug ist in diesem Statement geradezu paradox. Die implizite und als solche gegen Foucault gerichtete These von einem ,Überdauern' des Renaissancedenkens bei Herder bleibt zwar zu überdenken - als bloßer Verweis auf Traditionen' erklärt sie noch nicht viel. Mit Blick auf die gegenüber der Renaissance veränderten geistesgeschichtlichen Koordinaten des 18. Jahrhunderts müßten neue Kontexte mindestens kenntlich gemacht werden. Was schließlich den zeitgenössischen Status von Herders Analogiedenken betrifft, so hat Caroline Torra-Mattenklott zuletzt das Urteil gewagt, daß Herder einen Ausnahmefall darstelle: „Zweifellos bezieht Herder in der Analogiediskussion des 18. Jahrhunderts eine Extremposition, wenn auch keine ganz isolierte." 55 Ähnliches behauptet übrigens Armin Westerhoff über Goethe, wenn er schreibt, daß dieser sich mit seinem positiven Bezug auf die Analogie „von den meisten Autoren seiner Epoche unterscheidet". 56 Torra-Mattenklott bezieht zu Foucault keine eindeutige Position, sondern plädiert salomonisch für jeweils „individuell und relational" zu bestimmende Zwischenstufen auf dem Weg des im 18. Jahrhundert im Ganzen umstrittenen Analogiedenkens. In ihrer Rekonstruktion fuhrt dieser Weg vom Rationalisten Wolff über Sulzer zum psychologisch-ästhetischen Metatheoretiker Herder. 57
3. Prospekt der Darstellung Indem Foucault das Analogiedenken im 18. Jahrhundert für marginal hält (und es damit seinerseits marginalisiert), ist seine Studie zwar für die Entwicklung der Fragestellung produktiv, trägt jedoch für deren Bewältigung nichts aus. Will man mit dem ideengeschichtlichen Horizont etwa von Proß und Gaier von einer Wiederkehr platonischer Ordnungssysteme oder gar einem neuen Analogiedenken ausgehen, so stellt sich zuerst die Frage nach der Materialbasis für solche Hypothesen. Und hier scheint der Blick in einschlägige Wörterbücher eher davon überzeugen zu wollen, daß die Bedeutung des Themas für die ,Neuzeit' insgesamt tatsächlich nicht sehr groß ist: Nach Mittelalter und Renaissance nimmt die Dichte der 54 55 56 57
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Ebd., S. 449. Torra-Mattenklott, S. 55. Westerhoff, S. 138. Torra-Mattenklott, S. 56.
Belege deutlich ab. Auch bei der Bestandsaufnahme der Forschungsliteratur fallt anhand der gleichfalls nach Epochen gegliederten Bibliographie von Manuel Bachmann die gegenüber Renaissance und Barock vergleichsweise kurze Liste ins Auge. Es gibt keine Überblicksdarstellung und keine eigens dem Analogiedenken im 18. Jahrhundert gewidmete Studie. Allerdings liegt eine Reihe von Beiträgen zu einzelnen Autoren vor, aus denen einzelne Entwicklungslinien rekonstruiert werden können. 58 Angesichts dieses Befundes ergibt sich für die vorliegende Studie zunächst die Aufgabe, wesentliche Züge des Analogiediskurses im 18. Jahrhundert neu zu erschließen, bevor anschließend in die Auseinandersetzung mit Hamanns Analogiedenken eingetreten werden kann. Im einzelnen ergibt sich folgende Darstellung: Die Untersuchung führt zunächst vom 18. Jahrhundert weg und unternimmt eine historisch-systematische Klärung der Begriffe Analogie und Ähnlichkeit (II.). Angesichts einer Denkfigur, die seit Homer und der vorsokratischen Philosophie in reflektiertem Gebrauch ist, und der entsprechend reichen Forschungslandschaft zum Analogieproblem, kann es dabei nur um eine beschränkte, völlig auf die Bedürfnisse der Arbeit zugeschnittene Versuchsanordnung gehen: Anhand einer Passage aus Piatons Gorgias werden historische und systematische Linien skizziert, die als Theoriefragmente und Transformationsstufen platonisch-aristotelischer Traditionen auch noch im 18. Jahrhundert von Bedeutung sind und, womöglich mit neuen funktionalen Kontexten, identifiziert werden sollen. Anschließend (III.) erfolgt eine ausfuhrliche Auseinandersetzung mit wichtigen Analogiemodellen des im weitesten Sinne philosophischen 18. Jahrhunderts. Nach einer systematischen Problemskizze beginnt die in diesem Kapitel durchgeführte Verbreiterung der Materialgrundlage für die Eruierung der Valenz des Analogiedenkens im 18. Jahrhundert mit den relevanten Einträgen zu Analogie in Zedlers Universal-Lexikon sowie weiteren zeitgenössischen Wörterbüchern. Ein maßgebliches Modell einer Aufwertung des Analogiedenkens wird mit Lockes Essay concerning Human Understanding untersucht. Dieser rezeptionsgeschichtlich bedeutsame Text wird im Zusammenhang der Analogieproblematik hier neu ins Spiel gebracht, anschließend auf Leibniz bezogen. Die dann folgende Erörterung des Ähnlichkeitsbegriffs bei Christian Wolff sowie geläufiger Aspekte zeitgenössischer Poetik- und Ästhetikdiskussionen greift auf Vorarbeiten zurück; im Kontext des Locke-Textes zeigt sie, daß es vergleichbare Elemente einer Philosophie der Erfahrung sind, die in der Philosophie Wolffs für den hohen systemischen Wert der Ähnlichkeit sorgen. Mit zwei ganz weitgehend unberücksichtigten, jedoch hinsichtlich Hamanns und Herders aufschlußreichen Modellen antideistischer Apologetik, die sich auf Locke beziehen, wird schließlich der Blick auf den britischen Analogiediskurs zurückgelenkt.
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Siehe im einzelnen unten, S. 41 ff. 15
Die Untersuchung britischer Kontexte von Hamanns Londoner Schriften, mit denen das IV. Kapitel der Arbeit nach einer allgemeinen Hinfuhrung zum Thema Hamann beginnt, nimmt diesen thematischen Bogen auf, indem sie über den reformierten Theologen James Hervey Anschlüsse zur britischen Analogiediskussion nachweist und anhand von Hamanns ,Theologie' sowie deren Bezügen zur Bibelrhetorik weiterverfolgt. Die anschließende Darstellung zu Sokratische Denkwürdigkeiten erörtert strukturelle und textuelle Zusammenhänge der Analogie. Mit Edward Young kommt dabei eine weitere englische Bezugsquelle ins Spiel, jedoch auch ältere poetisch-rhetorische Modelle. Anschließend wird die Diskussion zwischen Hamann und Herder auf ihren argumentativen sowie naturgeschichtlichen Gebrauch der Analogie hin untersucht. Dabei erscheinen um 1770 eine Vielzahl zeitgenössischer Aspekte der Analogiethematik gebündelt. Schließlich kommen ausblickweise, anhand von Hamanns Exzerpt aus Humes postum erschienenen Dialogues sowie Beobachtungen zur Verwendung der Analogie bei Kant, Konstellationen der 80er Jahre zur Darstellung. Es wird in diesem zweiten Hauptteil der Arbeit nicht darum gehen, Hamanns Gesamtwerk auf analogische Argumentationsformen und Analogiefiguren hin zu untersuchen. Durch die Konzentration auf einzelne Texte liegt stattdessen ein Schwerpunkt auf den jeweiligen Zeit- und Forschungskontexten, mit deren Aufarbeitung die Gefahren isolierender Stellenlektüren vermieden werden. Ausschlaggebend für die Auswahl der Texte waren thematische Erwägungen sowie Fragen der Darstellung. Anhand der Londoner Schriften (1758) werden vor allem theologische bzw. genauer religionsphilosophische Analogiefiguren untersucht. Die Analyse der Sokratischen Denkwürdigkeiten (1759) stellt argumentative und strukturelle Aspekte der Analogie als Text- und Figurensystem in den Vordergrund. Anhand der Diskussion zwischen Hamann und Herder (1770-1772) kommen zeitgenössische methodische Probleme des Analogiedenkens hinzu. Mit diesen Einsatzpunkten spannt die Arbeit einen historischen Bogen des Analogiedenkens, der von den Debatten am Beginn des 18. Jahrhunderts, wie sie anhand von Zedlers Universallexikon zu beobachten sind, über die auf Bacon und Locke zurückgehende ,Analogie-Renaissance' in britischen Theorien der 1730er Jahre sowie deren Rezeption in Deutschland, bis zu den Diskussionen der 70er und 80er Jahre (Herder, Hume und Kant) reicht. Im Ergebnis sollen wesentliche Fluchtlinien des Analogiethemas im 18. Jahrhundert ebenso analysiert sein, wie die zahlreichen Formen, Figuren und Funktionen der Analogie in den Texten Hamanns, deren Untersuchung die Arbeit schließlich vor allem gilt. Die vorliegende Studie bietet im ersten Hauptteil eine begriffsgeschichtliche Untersuchung zu Analogie und Ähnlichkeit im 18. Jahrhundert. Anhand der Interpretation von Texten eines einzelnen Autors der Spätaufklärung, des Königsberger Publizisten Johann Georg Hamann, wird dieser begriffsgeschichtliche Rahmen im zweiten Hauptteil umgesetzt und verifiziert, wobei die Fragestellung um intertextuelle, strukturale, figurale, strategische Aspekte erweitert wird. Beide Teile 16
bauen thematisch und chronologisch aufeinander auf, bilden jedoch in der Darstellung jeweils geschlossene Einheiten, die separate Lektüren erleichtern sollen. Auch wenn es hier nicht vordergründig um die Herstellung eines ideengeschichtlichen Kontinuums geht, generiert die Fragestellung nahezu unvermeidlich eine konstruierte thematische Erzählung entlang der untersuchten Begriffe. Allerdings geht es dabei nicht in erster Linie um ein historisches Gesamtbild. Vielmehr werden in einer Reihe von Studien Beobachtungen zur jeweiligen Verwendung der Begriffe Analogie und Ähnlichkeit, bzw. zum Gebrauch bestimmter Analogiemodelle angestellt. Der Foucaultschen Hypothese von den Diskontinuitäten der Wissensgeschichte ist kein polemisches Kontinuum entgegenzusetzen, sondern möglichst differenzierte und individuelle Befunde, aus denen sich am Ende ein komplexeres Bild des Analogiedenkens im 18. Jahrhundert zusammensetzen soll, als es die (trotz gegenteiliger methodischer Absichten) allenthalben reduzierende und nivellierende ,Archäologie der Humanwissenschaften' zu zeichnen - vermieden hat.
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II. Analogie / Ähnlichkeit: Terminologische Vorstudien
1. Forschungsfeld Analogie Wie die Analogie als Methode zu freien Assoziationen und kombinatorischen Extensionen innerhalb der verschiedensten Gebiete sowie quer durch die Gattungen des Wissens einlädt, so bietet auch das Analogiedenken als Gegenstand historischer und systematischer Forschung vielfältige Möglichkeiten. 1 Seit Piaton und Aristoteles als philosophischer Terminus etabliert, durchzieht der Begriff Analogie bereits in der Antike die heterogensten Diskurse. Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit dient die Analogie als Strukturgröße für theologische und kosmologische Modelle von großer Tragweite. Sie bleibt im 18. Jahrhundert als naturgeschichtliches Modell sowie heuristische Methode ebenso von Bedeutung wie als rhetorische und poetische Argumentations- und Redefigur. 2 Allerdings ist die Analogie zugleich seit jeher Gegenstand von kontroversen Diskussionen. Schon bei Aristoteles schwankt ihr logischer und argumentativer Wert erheblich. 3 Insbesondere im Ausgang von den theologischen Kontexten des Mittelalters ist die Analogie bis heute vieldiskutiert und umstritten, und zwar sowohl unter Theologen als auch in der analytischen Philosophie. 4 Auch die philosophische Frage nach der Analogie als Rationalitätstypus wurde in den letzten Jahren mehrfach gestellt, wobei zugleich wissenschaftstheoretische Aspekte erörtert wurden. 5 Schließlich ist die Analogie als Sprach- und Denkfigur in Betracht zu ziehen; in Sprach- und Literaturwissenschaften gab es hierzu in den letzten Jahren 1
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Vgl. die nach Epochen gegliederte „Bibliographie" von Manuel Bachmann, in: Karen Gloy und Manuel Bachmann (Hg.), Das Analogiedenken. Vorstöße in ein neues Gebiet der Rationalitätstheorie. Freiburg / München 2000, S. 24-34, die einen guten Überblick über die vielfaltigen Forschungsbereiche gibt. Die bisher umfassendste Überblicksdarstellung bietet M[aarten] J. F. M. Hoenen, Art. Analogie, in: Gert Ueding (Hg.), Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 1, Α-Bib. Tübingen 1992, Sp. 498-514. Vgl. ausfuhrlich Detlef Otto, Wendungen der Metapher. Zur Übertragung in poetologischer, rhetorischer und erkenntnistheoretischer Hinsicht bei Aristoteles und Nietzsche. München 1998, S. 169-182 („Analogie und Ähnlichkeit als logisch-semantisches Problem"). Vgl. Hampus Lyttkens, The Analogy between God and the World. An Investigation of its Background and Interpretation of its Use by Thomas of Aquino. Uppsala 1953; Rudolf Teuwsen, Familienähnlichkeit und Analogie. Zur Semantik genereller Termini bei Wittgenstein und Thomas von Aquin. Freiburg / München 1988; Eberhard Jüngel, Gott als Geheimnis der Welt. Zur Begründung der Theologie des Gekreuzigten im Streit zwischen Theismus und Atheismus. Tübingen 5 1995. Vgl. z.B. Karen Gloy, Versuch einer Logik des Analogiedenkens, in: Gloy, Analogiedenken, S. 298-324.
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eine Reihe von Vorstößen.6 Ob angesichts dieser interdisziplinären Forschungslandschaft insgesamt von einem neuerdings wiederentdeckten Gegenstand gesprochen werden kann (und was dies bedeuten würde?), muß hier nicht entschieden werden; ältere vorzügliche Studien etwa von Bruno Snell, Harald Höffding oder Erich Przywara überzeugen von einem lange etablierten Forschungsinteresse, das im vergangenen Jahrhundert nie wirklich abgerissen ist.7 Für die hinsichtlich einer Analogietheorie vergleichsweise bescheidenen Absichten der vorliegenden Studie geht es im folgenden zum einen um die Gewinnung eines hinreichend profilierten Verständnisses von Analogie als eines Begriffs, der nicht nur im Alltag, sondern auch in geisteswissenschaftlichen Kontexten meist ebenso selbstverständlich wie vage gebraucht wird. Zum anderen sind rezeptionshistorisch entscheidende Linien des Analogiedenkens in platonisch-aristotelischer Tradition soweit aufzuarbeiten, daß Bezüge und Transformationen dieser Tradition im 18. Jahrhundert als solche identifizierbar werden.
2. Analogie als Verhältnisähnlichkeit In Piatons Gorgias findet sich folgende, für den hier untersuchten Sachverhalt paradigmatische Passage: Um nun nicht weitläuftig zu werden, will ich es dir ausdrücken wie die Meßkünstler (hösper hoi geömetrai), denn nun wirst du ja wohl schon folgen können, nämlich daß wie die Putzkunst zur Turnkunst, so die Kochkunst zur Heilkunst, oder vielmehr so wie die Putzkunst zur Tumkunst, so die Sophistik zur Gesetzgebung, und wie die Kochkunst zur Heilkunst, so die Redekunst zur Rechtspflege. 8
Was hier vorgeführt wird, ist die bereits in der älteren griechischen Naturphilosophie bekannte, von Piatons Sokrates gebrauchte und vor allem in den Beispielen des Aristoteles zum Tragen kommende Methode der Techne-Analogie, d.h. der Formulierung von Vergleichen zwischen verschiedenen Künsten und Wissen-
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Vgl. Hans Georg Coenen, Analogie und Metapher. Grundlegung einer Theorie der bildlichen Rede. Berlin / New York 2002; Gerald Funk u.a. (Hg.), Ästhetik des Ähnlichen. Zur Poetik und Kunstphilosophie der Moderae. Frankfurt/M. 2000. Bruno Snell, Gleichnis, Vergleich, Metapher, Analogie. Die Entwicklung vom mythischen zum logischen Denken, in: ders., Die Entdeckung des Geistes. Studien zur Entstehung des europäischen Denkens bei den Griechen. Hamburg 2 1948, S. 181-216; Harald Höffding, Der Begriff der Analogie. Leipzig 1924; Erich Przywara, Analogia entis. Metaphysik. München 1932. Piaton, Gorgias 465 b 6 - c 5 (Piaton, Werke in acht Bänden, hg. von Gunther Eigler. Darmstadt 1973, hier Bd. 2, S. 323; Übersetzung von Friedrich Schleiermacher).
Schäften zu explikatorischen, epistemologischen und methodologischen Zwecken. 9 Im thematischen Kontext dieser Passage will Sokrates die Reichweite der sophistischen Redekunst limitieren, indem er diese als eine Technik der Seelentäuschung denunziert. 10 Diese Denunziation ist im Dialog jedoch ihrerseits auf eine Weise rhetorisch inszeniert, die keinen Zweifel daran läßt, daß Sokrates von den Sophisten einiges gelernt hat; hier im einzelnen folgendes: Sokrates hat die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer durch lange Monologe bereits sehr strapaziert. Er entschuldigt sich daher für seine rednerische Unhöflichkeit und signalisiert, zum Ende zu kommen. Damit bringt er sich unter Zeitdruck. Den Erfordernissen der Situation entsprechend (rhetorisch: brevitas)" wählt er eine Abkürzung. Ein Verlust wesentlicher Informationen steht trotz dieser Abkürzung nicht zu befürchten, denn die Eigenschaften der genannten Künste und ihre Verhältnisse wurden bereits diskutiert und sind daher bekannt. Um seine Ausführungen also abzukürzen, wählt Sokrates eine Figur übertragender, übersetzender Rede: Nicht wie bisher, nach der philosophischen Art dialogischer und dialektischer Ermittlung von Begriffen und Sachen, sondern wie die Geometer, d.h. nach Art der Landvermesser will er sprechen. Zumindest für den Redezweck der Kürze bietet sich die genannte Kunst offensichtlich an, denn sie kommt (beispielsweise) ohne Verben aus: „wie die Putzkunst zur Turnkunst, so die Kochkunst zur Heilkunst". Sokrates formuliert hier Verhältnisgleichungen nach dem mathematischen Modell a:b = c:d. Zunächst vier, schließlich acht Künste werden in drei aufeinanderfolgenden Perioden zueinander ins Verhältnis gesetzt und auf diese Weise korrelativ bestimmt. Die an dieser Stelle Sokrates in den Mund gelegte Redefigur wird seit Piaton in philosophischen Kontexten als Analogie bezeichnet. 12 Der Begriff stammt aus der musikalischen Harmonielehre der pythagoreischen Schule, wo er in drei mathematischen Figuren überliefert ist, von denen hier die sog. geometrische Analogie infrage kommt. 13 9
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Vgl. hierzu ausführlich: Wilfried Fiedler, Analogiemodelle bei Aristoteles. Untersuchungen zu den Vergleichen zwischen den einzelnen Wissenschaften und Künsten. Amsterdam 1978, insb. S. 13-46. Paul Ricoeur versteht die Passage im Sinne einer „Verurteilung der Rhetorik als einer zur Welt der Lüge, des Pseudos gehörigen Disziplin" (Paul Ricoeur, Lebendige Metapher. München 2 1991, S. 16). Vgl. Heinrich Lausberg, Elemente der literarischen Rhetorik. Eine Einführung für Studierende der klassischen, romanischen, englischen und deutschen Philologie. Ismaning lo 1990, §§ 4 0 7 411. Vgl. W[olfgang] Kluxen, Art. Analogie 1, in: Joachim Ritter / Karlfried Gründer (Hg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1, A-C. Stuttgart/ Basel 1971, Sp. 214-227, hier Sp. 215. Im einzelnen definiert Archytas von Tarent die arithmetische Analogie (Gleichheit von Differenzen: 10-6 = 6-2), die geometrische Analogie (Gleichheit von Teilungsverhältnissen: 8:4 = 4:2) und die harmonische Analogie (6—4:4—3=6:3). „Letztere heißt harmonische Α., weil sie die arithmetische Α., die aus Substraktion hervorgeht, und die geometrische Α., die auf Division beruht, verbindet." (Hoenen, Analogie, Sp. 500, vgl. auch Sp. 501).
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Von ihren mathematischen Wurzeln her ist diese Figur der Analogie eindeutig bestimmt: Sie besteht formal in einer vierstelligen Verhältnisgleichung des Typs a:b = c:d und kann als Relation zwischen zwei Verhältnissen interpretiert werden. Diese viergliedrige Proportion ist bei Piaton und Aristoteles die gebräuchlichste Form der Analogie. Bei Aristoteles wird sie quantitativ auch wie folgt definiert: „Proportionalität ist Gleichheit der Verhältnisse und verlangt mindestens eine Vierheit, worin sie sich finde."14 Auch die dreistellige Proportion läßt sich nach Aristoteles auf eine vierstellige zurückführen, indem ihr verbindendes Mittelglied verdoppelt wird. Gegenüber einer diskreten Analogie (a:b = c:d) kann sie als kontinuierliche Analogie (a:b = b:c) bezeichnet werden. 15 Das somit bezeichnete Verhältnis zweier Verhältnisse, in der Tradition der Scholastik als Proportionalitätsanalogie16 bezeichnet, stellt eine im folgenden bei der Klassifikation von Analogien bewährte terminologische Basisbestimmung dieses Begriffs dar. Was bedeutet es jedoch, daß Sokrates wie die Landvermesser redet? Worin besteht der Beitrag der hier als Verhältnisgleichung bestimmten und für den philosophischen Gebrauch lizensierten Analogie über den Vorteil ihrer Kürze hinaus, die zwar für den eilenden Sokrates vorteilhaft sein mag, jedoch im übrigen wenig kommunikativ zu sein scheint, weil sie voraussetzt, daß man über die einzelnen Glieder des Verhältnisses und ihre Relationen Bescheid wisse - oder aber im Dunkeln zurückbleibt?
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Aristoteles, Eth. Nie. 1131a 33f. (Aristoteles, Philosophische Schriften in sechs Bänden. Hamburg 1995. Bd. 3, Nikomachische Ethik, nach der Übersetzung von Eugen Rolfes bearbeitet von Günther Bien, S. 107). Auch das Beispiel für die kontinuierliche Proportionalität, das Aristoteles gibt, verweist auf deren geometrische Herkunft: „in ihr wird eins wie zwei verwandt und zweimal gesetzt, z.B. in der Proportion: wie die Linie a zu b so verhält sich die Linie b zu c. Hier wird b zweimal genannt, und so bekommt man, wenn man b doppelt zählt, vier Glieder." (ebd.). Wie dieses Beispiel zeigt, ist damit über Verhältnisse noch gar nichts gesagt, sondern lediglich eine vierstellige Form analysiert. Eine qualifizierte Analyse dieser Stelle bietet Rudolf Brandner, Aristoteles, Sein und Wissen. Phänomenologische Untersuchungen zur Grundlegung wesenslogischen Seinsverständnisses. Würzburg 1997, S. 88-95. Ein weiteres Beispiel für die kontinuierliche Analogie stellt die unten, S. 33-36 diskutierte Passage aus Piatons Timaios dar. Der Terminus Proportionalitätsanalogie ergibt sich aus der in Auseinandersetzung mit Thomas v. Aquin getroffenen Unterscheidung zwischen analogia proportionalitatis (Verhältnisanalogie) und analogia proportionis (einfache Bezugsanalogie), bzw. Proportionalitäts- und Attributionsanalogie. Vgl. dazu z.B. Jüngel, Gott als Geheimnis, S. 367-369, sowie zu weiteren Analogietypen und ihrer Systematik im Thomismus: Teuwsen, S. 129ff. u. 142ff. Der Begriff der Proportionalitätsanalogie wird im folgenden nur in der bedeutungsstiftenden Nachbarschaft der theologischen Sonderform der Attributionsanalogie benutzt (vgl. zu dieser unten; S. 36-39).
3. Vergleich - Analogie - Metapher 17 Wenn Sokrates ankündigt, sich nach Art der Geometer ausdrücken zu wollen, und sprachliche Verhältnisgleichungen mit quasi-mathematischen Strukturen formuliert, so handelt es sich dabei um eine unausdrückliche Thematisierung der analogischen Methode. Bedeutsam ist darüber hinaus, daß Sokrates zu erkennen gibt, die Kunst der Geometer nicht selbst ausüben, sondern lediglich nachahmen zu wollen. Wenn er wie die Geometer spricht, so gebraucht er ja nicht deren Meßwerkzeuge, sondern überträgt bestimmte andere Kennzeichen von deren Handwerk auf das seinige. Daher kann er in Anspruch nehmen, neben seiner Kennzeichnung als Philosoph auch den Namen eines Geometers zu führen. Dieser Vorgang kann mit einem locus classicus aus der Poetik der Aristoteles als die Bildung einer Metapher bezeichnet werden: „Eine Metapher (metaphora) ist die Übertragung eines anderen Wortes (onomatos allotriou epiphora)".18 Die Formulierung wie die Geometer wäre somit nicht allein als die Ankündigung einer analogischen Verhältnisgleichung zu verstehen, sondern zugleich als Figur übertragender Rede, die ,irgendwie' dem Handwerk des Philosophen gilt. Ein Grund dafür, weshalb der Landvermesser als Namensgeber für dessen Tätigkeit in Frage kommt, wurde bereits angegeben: er berechnet Verhältnisse. Der Philosoph ist ihm darin vergleichbar, weil er Verhältnisse zwischen Begriffen berechnet. Dieser Vergleich kann, nach Art der Geometer, wie folgt in eine Analogie gefaßt werden: Landvermesser : Zahlen = Philosoph : Begriffe. Aus den semantischen Kontexten des Bildspenders bzw. des Bildempfangers19 kann wie folgend ergänzt werden: Ebenso wie der Geometer Verbindungen zwischen Punkten herstellt und Entfernungen berechnet, um sein Gebiet auszumessen, so bestimmt der Philosoph seinen Gegenstand durch die Verbindung und Unterscheidung der Begriffe. Damit wäre die sokratische Rede vom Geometer als Aussage über das Handwerk des Philosophen schlechthin gedeutet. Als Metapher läßt sich mit diesem Material nun z.B. formulieren: 17
Vgl. einführend zur Diskussion um die Metapher: Eckhart Eggs, Art. Metapher, in: Gert Ueding (Hg.), Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 5, L-Musi. Tübingen 2001, Sp. 1099-1183. 18 Aristoteles, Poet. 1457a 7f. (Aristoteles, Poetik, übers, u. hg. v. Manfred Fuhrmann. Stuttgart 1991, S. 69). In der Übersetzung Fuhrmanns steht statt „anderen" als Einklammerung der interpretierende Zusatz: „(das somit in uneigentlicher Weise verwendet wird)" (S. 67). Dies ist irreführend: In unserem Beispiel wird der Name des Geometers nicht auf uneigentliche Weise verwendet, sondern übertragen. Diese Übertragung erfordert, daß der Name gerade mit seiner .eigentlichen' Bedeutung in den neuen Kontext übersetzt wird. Siehe zur aristotelischen Metapherntheorie ausfuhrlich: D. Otto, S. 53-222. " Siehe zu diesen Begriffen Harald Weinrich, Semantik der kühnen Metapher, in: Anselm Haverkamp, Theorie der Metapher. Darmstadt 2 1996, S. 316-339, hier S. 329.
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Der Philosoph ist ein Meßkünstler des Geistes. Folgender Weg, dessen Rekapitulation die Unterschiede, aber auch den Zusammenhang dieser drei Begriffe verdeutlicht, führte hier vom Vergleich über die Analogie zur Metapher: Der Ausgangspunkt war ein durch die Partikel „wie" ausgewiesener Vergleich: Sokrates redet wie die Geometer. Bei diesem Vergleich handelt es sich um einen unvollständigen und metaphorischen Vergleich. Seine Bildung erfordert seitens des Interpreten eine Übertragungsleistung. 20 Aufgrund der im Text folgenden Analogien könnte als tertium comparationis ergänzt werden: ,beide arbeiten mit Verhältnissen'. Mit der anschließend gebildeten Analogie wurde der Vergleich zu einer vierstelligen Relation erweitert, in die das tertium einging und sich verdoppelte (Zahlenverhältnis = Begriffsverhältnis). Die Metapher schließlich, die in einer heute meist kritisch reflektierten Tradition bis ins 19. Jahrhundert auch als verkürztes Gleichnis (brevior similitudo) bezeichnet wurde, 21 erweist sich in diesem Fall als eine Art verkürzte Analogie. Abhängig von der Blickrichtung kann hier die Metapher als Interpretament der Analogie erscheinen oder aber aus der Metapher eine Analogie als deren Deutung gebildet werden. Wie dieses Produktionsverfahren verdeutlicht, liefert die Analogie die Bausteine für die Bildung der Metapher und begründet das Ähnlichkeitsverhältnis, das in der aus ihr gebildeten Metapher dann schließlich zurücktritt. Aristoteles führt zur metaphorischen Namensübertragung, bei der er neben drei Formen der Synekdoche eine Übertragung (epiphora) kata to analogon unterscheidet, folgendes aus: Unter einer Analogie verstehe ich eine Beziehung, in der sich die zweite Größe zur ersten ähnlich (homoiös) verhält wie die vierte zur dritten. Dann verwendet der Dichter statt der zweiten Größe die vierte oder statt der vierten die zweite [...]. 22
Eines der beiden Beispiele an gleicher Stelle lautet: „das Alter verhält sich zum Leben wie der Abend zum Tag; der Dichter nennt also den Abend »Alter des Tages«, oder, wie Empedokles, das Alter »Abend des Lebens«". Für Aristoteles ist die Analogie ein Spezialfall der metaphorischen Namensübertragung, bei der er die Form: ,Das Alter ist der Abend des Lebens' als überkreuzende Vertauschung und
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Es handelt sich in beiden Fällen um einen Vergleich des Typs α ist wie b wegen c. Vgl. zu diesem Modell, sowie den Varianten offener und geschlossener Vergleich: Christian Strub, Kalkulierte Absurditäten. Versuch einer historisch reflektierten sprachanalytischen Metaphorologie. Freiburg, München 1991, S. 303. Im Gegensatz zum gewöhnlichen' basiert der metaphorische Vergleich, wie er hier verstanden ist, auf einer Übertragungsleistung, also nicht, um Strubs Beispiel auszuschreiben: ,Peter ist wie Paul (weil beide gerne Käse essen)', sondern: ,Peter ist wie eine Maus (weil beide Käse essen)'. Vgl. zur Geschichte der Metaphemtheorie im 20. Jahrhundert in weitgehender Abkehr von der Rhetorik die beiden Sammelbände von Anselm Haverkamp, Theorie der Metapher. Darmstadt 2 1996, sowie ders. (Hg.), Die paradoxe Metapher. Frankfurt/M. 1998. Aristoteles, Poet. 1457 b 17ff. (Aristoleles, Poetik, S. 69).
poetische Ausdeutung („der Dichter verwendet") der zugrundeliegenden vierstelligen analogischen Struktur versteht. Diese heute gewöhnlich allein als Metapher bezeichnete Form der Übertragung, deren Alleinstellungsmerkmal nach diesem Verständnis die prädikative „ist"-Struktur darstellt, 23 entsteht hier aus einem vierstelligen analogischen Vergleich (,wie der Abend zum Tag: so das Alter zum Leben'). Die Überführung dieses Ähnlichkeitsverhältnisses in die erstgenannte Form ist nicht zwingend, sondern Folge eines spezialisierten Gebrauchs. Gegenüber der Analogie kann die solchermaßen ,überführte' Metapher insofern als verkürzend bezeichnet werden, als in unserem Beispiel das Relationsglied ,Leben' entfallt und zum Verständnis der Metapher interpretativ ergänzt werden muß. Die Analogie wäre aus diesem Grund gegenüber der Metapher .vollständiger'. Auch die Analogie bedarf jedoch einer komplexen Deutungsleistung, indem sowohl die Einzelverhältnisse der jeweiligen Analogate, als auch deren Verhältnis, das Analogon, bestimmt werden müssen. Mindestens eines der beiden Verhältnisse muß dabei in der Regel bekannt sein. Folgende Ergebnisse sind mit Blick auf den Begriff der Analogie festzuhalten: 24 Sowohl die Analogie als auch die Metapher beruhen im kognitiven Sinne auf Vergleichs- und Ähnlichkeitsrelationen. 25 Es gibt Fälle, in denen aus der Analogie eine Metapher und umgekehrt aus der Metapher eine Analogie entwickelt werden kann. Während die Metapher nicht selten eine prädikative ,Ist'-Behauptung darstellt, werden in der Analogie zwei Verhältnisse zueinander ins Verhältnis gesetzt, ohne daß dabei eine metaphorische Identifikation impliziert ist. Die Analogie beruht zwar in der Regel ebenfalls auf einer (metaphorischen) Übertragung und erfordert eine entsprechende Interpretationsleistung. Sie stellt aber, im heutigen Sinne von Metapher und im strengen Verstand von Analogie, selbst keine Metapher dar.
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Vgl. im Sinne dieser Tradition Gerhard Kurz, Metapher, Allegorie, Symbol. Göttingen 1982, S. 19-21: „Die Metapher artikuliert nicht eine Ähnlichkeit, sie sagt vielmehr ,dies ist das'"; zur gesamten Diskussion: Haverkamp, Einleitung, in: Haverkamp, Theorie, S. 1-27. Methodische Bemühungen bzw. ungelöste Probleme der Forschung bezüglich des Verhältnisses zwischen Analogie und Metapher berücksichtigt der Überblick von Eggs, Metapher. Diese Behauptung ist vom alltäglichen Verständnis her so trivial, wie sie mit Blick auf die Metapherntheorie streitbar ist; ,auf Seiten der Metapher' kann z.B. bei Max Black Rückhalt gesucht werden: „Folglich läßt sich von jeder Metapher sagen, sie vermittle eine Analogie oder eine strukturelle Korrespondenz. [...] Folglich läßt sich auch von jeder metaphorischen Aussage sagen, sie schließe eine Ähnlichkeitsaussage [likeness-statement] und eine Vergleichsaussage [comparison-statement] ein, die jeweils schwächer als die ursprüngliche metaphorische Aussage sind." (Max Black, Mehr über die Metapher, in: Haverkamp, Theorie, S. 3 7 9 ^ 1 3 , hier S. 396). Black behauptet, „daß sich eine Metapher auf Ähnlichkeit und Analogie gründet" (ebd., S. 397). Vgl. auch, von einem anderen strukturalistischen Ansatz her, die Kritik an der Alleinstellung der Metapher und die Engfuhrung zwischen analogischem Vergleich und Metapher, die Gerard Genette, Die restringierte Rhetorik, in: Haverkamp, Theorie, S. 229-252, hier S. 241, in einer Tabelle zu verschiedenen analogischen Funktionen durchfuhrt. Siehe zum Problem der Ähnlichkeit hinsichtlich der Metapher schließlich Paul Ricoeurs „Plädoyer fur Ähnlichkeit": Ricoeur, S. 181-191.
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4. Historische Unschärferelation: Analogie und Ähnlichkeit Die Analogie ist also keine Metapher, sondern ein vierstelliger, übertragender, und nur in diesem Sinne metaphorischer Vergleich, der die Ähnlichkeit von zwei Verhältnissen darstellt (vierstellige Proportion). Mit dieser versuchsweisen Definition können Analogie und Metapher zumindest von Seiten der Analogie schlüssig voneinander abgegrenzt werden. Ein Folgeproblem dieser Definition, wie auch ein generelles terminologisches und begriffsgeschichtliches Problem stellt dabei der Begriff der Ähnlichkeit bzw. das Verhältnis zwischen den Begriffen Analogie und Ähnlichkeit dar. Nach den bisherigen Ausführungen kann Ähnlichkeit als ein entscheidendes Bestimmungsmoment von Analogie gelten: Sie bildet als Übertragungsleistung aufgrund von Ähnlichkeit die Grundlage des metapherein und stellt somit eine Funktion des Analogon dar, welches die Verhältnisrelation zwischen den Gegenständen des Vergleichs regelt. Nun stellt allerdings diese Zuordnung von Analogie und Ähnlichkeit im Blick auf die Texte, die hier untersucht werden, ein Problem dar. In diesen Texten erfolgt gewöhnlich keine Fixierung auf einen strengen Begriff von Analogie: wo Ähnlichkeit behauptet wird, steht oftmals Analogie, umgekehrt steht Ähnlichkeit, wo aus historischen oder sachlichen Gründen Analogie stehen sollte. Hinzu kommt, daß im Bedeutungsfeld von Analogie und Ähnlichkeit weitere Begriffe gruppiert sind, die Bedeutungsnuancen mit sich bringen. Neben den als lateinische Lehnwörter durchgesetzten analogia und proportio verwendet z.B. allein James Hervey in seinen Dialogen simility, likeness, convenience und ressemblance. Deutsche Äquivalente für diese Begriffe lauten etwa Ähnlichkeit, Übereinstimmung und Entsprechung. Bei proportio ist immer auch das deutsche Verhältnis zu erwägen, und das englische analogy schließlich erscheint im Deutschen auch als Gleichförmigkeit. Dieses Begriffsmaterial dürfte auch ohne detaillierte Analyse davon überzeugen, daß Analogie hier im weiteren Bezugsfeld von Ähnlichkeit zu verstehen ist. Die semantische Varianz und mangelnde Trennschärfe der Begriffe in den Texten legt also eine Auffacherung der Terminologie nahe. Die Definition der Analogie allein im Sinne proportionaler Verhältnisähnlichkeit allein genügt für den phänomenalen Horizont' des Analogiedenkens im 18. Jahrhundert nicht. Welche Gründe hat dieser unscharfe Gebrauch, bzw. haben die anhand der Texte zu beobachtenden terminologischen Interferenzen zwischen Analogie und Ähnlichkeit? Sieht man von der systematischen Unschärfe einmal ab, daß die jeweilige Analogiefigur von der zwischen den Analogaten waltenden Ähnlichkeit meist nicht unterschieden wird, so kommen für eine Antwort auf diese Frage allgemeine historische Erwägungen in Betracht: Für eine Kontinuität systematischer Analo-
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gietheorien, die sich historisch vor allem dem Aristotelismus der mittelalterlichen Scholastik verdanken, kommen nach den (im weitesten Sinne) antischolastischen Umbrüchen der Reformation, des Cartesianismus und des Empirismus im 18. Jahrhundert nicht viele Ansatzpunkte infrage.26 Darüber hinaus, und etwas konkreter, scheint es auch Gründe für eine Vermischung von Analogie und Ähnlichkeit zu geben, die auf die historische Entwicklung des Analogiedenkens insbesondere innerhalb der Rhetorik zurückzufuhren sind. Hier ist darauf zu verweisen, daß es neben der musikalisch-mathematischen Verhältnisgleichung der Pythagoreer eine Entwicklungslinie gibt, die über die Gleichnisse Homers in die vorsokratische Philosophie und also - mit der älteren These Bruno Snells - vom Mythos zum Logos fuhrt. 27 Nach dieser These wäre die Gleichnisrede der antiken Dichtung, beginnend mit den häufig als Analogien formulierten Gleichnissen Homers, dem philosophischen Analogiegebrauch vorausgegangen und bildete dessen Grundlage. In der Tat gibt es Anhaltspunkte dafür, daß die Analogie (analogia, proportio) mit der Ähnlichkeit und dem Gleichnis (simile, similitudo) zumindest partiell zusammenfallen konnte und somit über ihre bei Aristoteles beobachtete Funktion als Proportionsmetapher hinaus auf metaphorische Ähnlichkeit überhaupt bezogen wurde. Unter den Anwendungsgebieten der Analogie in rhetorischen Kontexten28 kommt damit an dieser Stelle vornehmlich die Stiltheorie infrage. In einer jüngst erschienenen Arbeit über Analogien als Argumentationstyp kommt Martin Paul Schnittko nach einer ausfuhrlichen Analyse der maßgeblichen antiken Rhetoriken seit Aristoteles zu Ergebnissen, die diese Beobachtung historisch zu erhellen vermögen.29 In der aristotelischen Rhetorik sind Analogien dem26
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Es wird sich noch zeigen, daß das scholastische Modell in einigen Logiken des 17. Jahrhunderts sowie der .irischen Schule' Peter Brownes zumindest bruchstückweise, also ohne den systemischen Zusammenhang fortgeschrieben wurde; als paradigmatischer Fall kann hier auch Christian Wolff gelten, in dessen Werk sich ältere Analogiemodelle wie die analogia entis finden, jedoch ohne konzeptionelle Wirkung auf seine Philosophie; siehe zu Wolff unten, S. 6 6 72. Vgl. den bereits zitierten Aufsatz Snells. Von Snells These zu unterscheiden ist der bekanntere Weg Ernst Cassirers in der Philosophie der symbolischen Formen, der ebenfalls vom Mythos zum Logos fuhrt, allerdings mit Blick auf Alchemie, Astrologie und Renaissancemagie; vgl. Ernst Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen. Zweiter Teil: Das mythische Denken. Darmstadt "1987, siehe zur Denkform der Analogie insb. S. 87ff. „In der Rhetorik spielt die A. eine Rolle 1. bei der Bildung von uneigentlichen, originellen oder treffenden Ausdrücken (Tropen), bei denen Attribute gemäß der A. [...] getauscht werden, 2. bei der Stoffauffindung (heuresis, inventio) und dem Beweis, wo A. als Gleichnis (parabole, similitudo) und Schluß verstanden wird, und 3. bei der Stilisierung (lexis, elocutio) und der Sprachrichtigkeit (hellenismos, latinitas), wo sie angewandt wird bei der Formenbildung und der Orthographie. Ferner wird in der Lehre von den Stilqualitäten die Angemessenheit (prepon, aptum) der oratio als ein analogon zwischen den Bestandteilen der Rede bestimmt und die innere Angemessenheit des orator als eine abgestimmte, harmonische Einheit von ingenium und iudicium im Autor." (Hoenen, Analogie, Sp. 499). Vgl. zum folgenden: Martin Paul Schnittko, Analogien als Argumentationstyp. Vom Paradeigma zur Similitudo. Göttingen 2003, S. 158-167. Die Arbeit schließt eine wichtige Forschungs-
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nach in der logischen Argumentationstheorie vor allem in der Funktion des paradeigma als nachgeordnete Form der Argumentation zugelassen, darüber hinaus kommen sie als metaphorischer Typ des Vergleichs (eikön) im Bereich der lexis / elocutio zur Anwendung. Schnittko unterscheidet bei Aristoteles einen probativen von einem ornativen Analogietyp. 30 In den Rhetoriken nach Aristoteles wird infolge der in nachhellenistischer Zeit aufkommenden Präferenzen für die Stiltheorie dieser Unterschied zwischen beweisenden und schmückenden Analogien zunehmend aufgehoben: Analogien beider Funktionen, die jetzt vor allem similitudo, imago, exemplum heißen, werden nun mehr oder weniger explizit unter Oberbegriffe wie comparabile, bzw. similitudo gefaßt, wobei der Ausdruck similitudo oft auch so allgemein verstanden wird, daß er jede Art von Ähnlichkeit bezeichnet. 31
Diese Beschreibung gilt auch fur das 18. Jahrhundert. Im semantischen Feld der similitudo hat die Analogie ihren poetischen und rhetorischen Platz als .Langform' von Vergleichs- bzw. Gleichnisfiguren. In dieser unscharfen Verwendung der Begriffe stehen Analogie und Ähnlichkeit somit tendenziell unterschiedslos für das weite Feld von Gleichnis bzw. Bild. Weitere Begriffe wie Gleichförmigkeit, Entsprechung oder Verhältnis verweisen ebenfalls auf Verbindungen zur Stiltheorie. Die Analogie gehört demnach in einem weiteren, im 18. Jahrhundert üblichen Gebrauch dieses Begriffs, zu den Figuren der Ähnlichkeit. Daß es hierbei Grenzstreitigkeiten gibt, und daß die Analogie darüber hinaus eine rhetorische und philosophische Argumentationsfigur sein kann, zeigte sich implizit schon an Piatons Gorgias und soll anhand von Aristoteles und Kant nunmehr auch explizit in den Blick kommen.
5. Analogien als Argumente Analogie meint, gewöhnlich vage und unbestimmt genug: Ähnlichkeit. So hat es auch Kant bereits 1783 beobachtet. In den Prolegomena (§ 58) definiert er daher: [...] Analogie, welche nicht etwa, wie man das Wort gemeiniglich nimmt, eine unvollkommene Ähnlichkeit zweener Dinge, sondern eine vollkommene Ähnlichkeit zweener Verhältnisse zwischen ganz unähnlichen Dingen bedeutet. 32
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lücke, findet sich doch in der umfangreichen Bibliographie zur Rhetorikforschung bis 1980 (Robert Jamison / Joachim Dyck, Rhetorik - Topik - Argumentation. Bibliographie zur Redelehre und Rhetorikforschung im deutschsprachigen Raum 1945-1979/80. Stuttgart-Bad Cannstatt 1983) kein Registereintrag ,Analogie'. Die oben zitierten Einlassungen zur Analogie in der Rhetorik im Artikel von Hoenen beziehen sich sämtlich auf Heinrich Lausbergs Handbuch der literarischen Rhetorik. Schnittko, S. 4 2 - 4 5 . Ebd., S. 159. Immanuel Kant, Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können (Riga 1783), in: I. Kant, Werke in sechs Bänden, hg. von Wilhelm Weischedel. Bd. 3, Schriften zur Metaphysik und Logik. Darmstadt 1958, S. 233.
Die „unvollkommene Ähnlichkeit" zielt auf die Vagheit, mit der die Analogieoperation offenbar „gemeiniglich" verbunden ist, während „zweener Dinge" darauf hinweist, daß dabei oftmals gerade keine vierstellige Relation gemeint ist. Mit der „Ähnlichkeit zweener Verhältnisse" definiert Kant den Begriff der Analogie hingegen präzise im Sinne der vierstelligen Proportion. Die letzte Bestimmung dieser Definition lautet: „zwischen ganz unähnlichen Dingen". Kant verdeutlicht dies durch eine naturrechtlich inspirierte Analogie zwischen der gegenläufigen Proportion der Kräfte und der rechtlichen Auswirkung menschlicher Handlungen: So ist eine Analogie zwischen dem rechtlichen Verhältnisse menschlicher Handlungen, und dem mechanischen Verhältnisse der bewegenden Kräfte: ich kann gegen einen anderen niemals etwas tun, ohne ihm ein Recht zu geben, unter den nämlichen Bedingungen eben dasselbe gegen mich zu tun, eben so wie kein Körper auf einen andern mit seiner bewegenden Kraft wirken kann, ohne dadurch zu verursachen, daß der andre ihm ebenso viel entgegen wirke. Hier sind Recht und bewegende Kraft ganz unähnliche Dinge, aber in ihrem Verhältnisse ist doch völlige Ähnlichkeit. 33
Das actio-reactio-Prinzip des Newtonschen Reaktionsgesetzes gibt hier das Analogon ab. Die argumentative und suggestive Kraft dieser Analogie besteht darin, daß sie die Rechtsbeziehungen zwischen den Individuen gleichsam in die Sphäre der Naturgesetze hinüberzieht und damit an deren Normativität teilhaben läßt, ohne deshalb expressis verbis eine ethische Gesetzmäßigkeit behaupten zu müssen. Der philosophische Veraunftgebrauch ist mit einer metaphorischen Leistung verbunden: Der Kraftbegriff der Mechanik hat der Sache nach mit normativer Ethik nichts zu tun, sondern dient, fraglos persuasiv, deren Plausibilisierung. Kants philosophischer Gebrauch der Analogie bezieht seine Lizenz aus der rhetorischen Argumentationstheorie. Im Dritten Buch von Aristoteles' Rhetorik, wo im übrigen als gängigste Form der Metapher wiederum die Analogie eingeführt wird, 34 heißt es: Man muß aber Metaphern bilden [...] von verwandten, aber auf den ersten Blick nicht offen zutage liegenden Dingen, wie es z.B. auch in der Philosophie Charakteristikum eines richtig denkenden Menschen ist, das Ähnliche (to homoion) auch in weit auseinander liegenden Dingen zu erkennen; so sagt beispielsweise Achytas, daß ein Richter und ein Altar dasselbe seien, zu beiden nämlich nehme, wer Unrecht erleide, seine Zuflucht?5
Gut übertragen heißt das Ähnliche zu erkennen (to homoion theörein), so lautet die klassische Passage in Aristoteles' Poetik,36 Es sind dabei gerade die „ganz unähnlichen Dinge" (Kant), deren Ähnlichkeit der richtig denkende Philosoph erkennt und die von der gelingenden Metapher ausgewertet, d.h. ,zusammengesehen' werden. 33 34
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Kant, Prolegomena, S. 233 (Anmerkung). Vgl. Aristoteles, Rhetorik. Übers., mit einer Bibliographie, Erläuterungen und einem Nachwort von Franz G. Sieveke. München "1993, S. 191. Aristoteles, Rhet. 1412 a 9 - 1 4 (Aristoteles, Rhetorik, S. 194). Aristoteles, Poet. 1459 a 7. Siehe dazu Ricoeur, S. 36, S. 168-208, sowie als kritisches Korrektiv: Gruber, Topographie des Ähnlichen, S. 90-102.
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Offensichtlich findet hier eine Engfiihrung von Philosophie und Rhetorik bzw. Poetik statt, deren Bedeutung als analogische Heuristik über rhetorische Kontexte hinaus im Hinblick auf das 18. Jahrhundert noch zu beobachten sein wird. Bei Aristoteles ist es das Arbeitsgebiet des Philosophen, sich um die besonders unähnlichen Gegenstände zu bemühen, während das gute Übertragen bei den Dichtern eher dann gelingt, wenn der Bildbereich eng gehalten wird und damit die Übertragung plausibel, d.h. wahrscheinlich' bleibt. 37 In der Rhetorik des Aristoteles besteht die Aufgabe des metaphorischen Vergleichs bzw. der analogischen Metapher darin, bei der Vermittlung von Wissen leichtes und angenehmes Lernen zu ermöglichen: sie erzeugt durch den Verfremdungseffekt der ,Verähnlichung des Unähnlichen' Aufmerksamkeit und erleichtert zugleich die Aufnahme von Erkenntnis, weil sie Ähnlichkeiten vor Augen flihrt,38 Wie das Beispiel Kants zeigt, kann sich der Philosoph dieser Figur in der Argumentation sehr geschickt und effektvoll bedienen. Zurückkehrend zum Ausgangszitat aus Piatons Gorgias sind abschließend weitere Funktionen der Analogie im Gebrauch des Redners und des Philosophen zu erörtern.
6. Funktionen der Analogie Aus der Ankündigung des Sokrates, wie die Meßkünstler reden zu wollen, war eine Thematisierung der Analogie als vierstelliger Proportion und eine Lizensierung ihres Gebrauchs für den Philosophen zu entnehmen. Dabei zeigte sich, daß die Übertragung der analogischen Methode von der Geometrie in die Philosophie mit einer sprachlich-metaphorischen Leistung korrespondierte, die sich ihrerseits in einer Analogie darstellen ließ. Die mimische Absicht des Sokrates, wie die Meßkünstler reden zu wollen, evozierte gleichsam .geistiges Terrain', nämlich das metaphorische Feld einer Vermessung von Verhältnissen zwischen Begriffen. 39 Der Vollzug der Sokratischen Rede ,nach Art der Meßkünstler' erwies sich als Kette von drei analogischen Relationen, mit denen verschiedene Künste ins Verhältnis zueinander gesetzt wurden. Welche Funktionen lassen diese Analogien erkennen? Zunächst ist daran zu erinnern, daß die Bildung der Analogie mit den Erfordernissen der Gesprächstugend und insofern rhetorisch begründet worden war. Ihrer Funktion nach ist sie dagegen zweifellos antirhetorisch. Sie dient der
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39
30
Vgl. Aristoteles, Rhetorik, S. 190. Siehe dazu den unmittelbaren Kontext: Aristoteles, Rhetorik, S. 189ff., sowie D. Otto, Metapher, S. 57-67. Im folgenden Satz heißt es in Schleiermachers Übersetzung im Sinne solcher Metaphorik: „Wie ich nun sage, so stehen sie ihrem Wesen (physis) nach auseinander; wie sie aber auch nahe sind, so werden sie untereinander gemischt und in Beziehung auf dasselbe" (Piaton, Gorgias, S. 323).
Denunziation der Rhetorik als einer Verführungskunst der Seele. Die Analogie wird von Sokrates als eine Figur der raffenden Verkürzung von bereits Gesagtem eingeführt, sie ist darüber hinaus als Figur der Argumentation ernstzunehmen. Noch einmal das Zitat: [...] nämlich daß wie die Putzkunst zur Turnkunst, so die Kochkunst zur Heilkunst, oder vielmehr so wie die Putzkunst zur Turnkunst, so die Sophistik zur Gesetzgebung, und wie die Kochkunst zur Heilkunst, so die Redekunst zur Rechtspflege. 4 0
Als Figur innerhalb der Argumentation hat die Analogie einen sowohl optisch wie thetisch pointierenden Effekt: Sie reduziert die beteiligten Größen auf ihre Namen. Die vorher mittels philosophisch-dialektischer Basisoperationen (Trennung und Verbindung von Begriffen) bestimmten Verhältnisse zwischen den einzelnen Sachen werden gleichsam in einen Satz zusammengezogen. Die jeweiligen Verhältnisse erscheinen dabei in einer strukturierten räumlichen Anordnung und werden so ,vor Augen geführt'. Auch insofern ist die Analogie, wie von Aristoteles gefordert, in der Tat anschaulich. Sie erlaubt eine Übersicht und eine Summe der im Gespräch verzweigten Argumentationslinien. Sie stellt dabei eine präzise korrelative und antithetische Zuordnung her, in der die im Gespräch nach ihre Nähe oder Entfernung zueinander vermessenen Dinge abgebildet werden. Im hier besprochenen Satz wird zuerst eine übergeordnete Analogie gebildet: Putzkunst : Turnkunst = Kochkunst : Heilkunst. Diese Analogie verzweigt sich schließlich in zwei weitere: Putzkunst : Turnkunst = Sophistik : Gesetzgebung, sowie: Kochkunst : Heilkunst = Redekunst : Rechtspflege. Erst im zweiten dieser Analogien-Paare kommt der eigentliche Untersuchungsgegenstand, die Sophistik und ihre Redekunst überhaupt zur Sprache. Sie werden auf Seiten der Koch- und der Putzkunst platziert. Worin dabei das Analogon besteht, führt Sokrates in einer weiteren Analogie aus: „Was ich nun meine, daß die Redekunst sei, hast du gehört, nämlich das Gegenstück (antistrophon) zur Kochkunst, fur die Seele, was diese für den Leib." 41 Mit der Einfuhrung des Begriffspaars Leib und Seele wird das analogisch hergestellte Beziehungsgeflecht hier weiter ausgebaut; die Antistrophe Seele und Leib bildet zugleich die Basisrelation der Analogien und damit einen entscheidenden Bezugspunkt der hier vorgeführten Zuordnung. Das analogische Verfahren hat dabei nicht nur exemplifizierenden, sondern klassifikatorischen Charakter: Der logos der sophistischen Redekunst wird ermittelt, indem durch Analogien die Stellung der Rhetorik im Verhältnis zu anderen Künsten bestimmt wird. Man könnte von einer Meß- oder Versuchsreihe sprechen, die aus einer Sukzession von analogischen Kontextualisierungen besteht und deren Ergebnis eine verhältnisweise Lokalisierung des diskutierten Gegenstandes ist.
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Piaton, Gorgias 465 b - c (ebd.). Piaton, Gorgias 465 e 1 (ebd, S. 325).
31
Dabei ist festzustellen, daß in der Analogie eine Verknüpfung von Sachen und Bezeichnungen quer durch verschiedene Gattungen erfolgt. Diese besteht im Zusammenhalten und Trennen von Verschiedenem und Ähnlichem somit nicht nur hinsichtlich der antistrophischen Spannung innerhalb der Einzelverhältnisse (LeibSeele, Kochkunst-Redekunst), sondern auch bezüglich des Verhältnisses der beiden Verhältnisse. Dies geschieht im vorliegenden Fall allerdings nicht in einer experimentellen und spielerischen Kombinatorik, sondern als rhetorisch pointiert vorgetragene Invektive gegen die Rhetorik: Wie der Leib nicht der Kochkunst überlassen werden darf, die ihm auf trügerische Weise schmeichelt, so die Seele nicht der Rhetorik! Für sich genommen schließlich, vom Kontext des Gorgias abstrahiert, ist die Interpretation dieser Analogie sehr aufwendig, weil weder über die einzelnen Analogate, noch über die Analoga irgendeine Bestimmung getroffen wird. Sie müssen aus dem Text bzw. aus dem kulturellen Wissen über Gymnastik und Kochkunst etc. ergänzt werden. Diese Verkürzung hat, insbesondere wenn die genannten Größen vom Produzenten der Analogie nicht eigens bestimmt werden, einen weiten kombinatorischen Deutungshorizont zur Folge. Die Kontextualisierung und Rekombination der Analogieglieder fuhrt zu einer Polyvalenz, die auf der Seite des Rezipienten inventorisches Potential freisetzt und kreativitätssteigernd wirken kann - wie sie andererseits Vagheit und Unschärfe der Deutung bzw. sogar Orientierungsverluste hervorruft. Sie ist, da in der Regel mindestens eins der beiden Verhältnisse produktiv ergänzt werden muß, ein philosophisches Rätsel und bezieht daraus einen Effekt der Spannung: Warum spricht der Philosoph wie ein Geometer? - Weil er ein Meßkünstler des Geistes ist!42
7. Analogiemodelle der platonisch-aristotelischen Tradition In der vorstehenden Begriffsklärung wurden klassische poetisch-rhetorische und philosophische Analogiekonzeptionen bereits miterörtert, die vor allem über die Vermittlung aristotelischer Rhetoriken auf der Linie Ciceros und Quintilians in der Epoche der Aufklärung zumindest als loci communes noch überall präsent sind. 43 Dies gilt, auch wenn eine Rekonstruktion der Rezeptionswege zumal für den Neuplatonismus mit Schwierigkeiten verbunden ist, gleichermaßen für zwei weitere Analogiemodelle in platonisch-aristotelischer Tradition: die kosmologische Proportionenlehre des Platonischen Timaios sowie das auf Thomas von Aquin zurückgehende scholastische Prädikationsmodell der analogia nominum.
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43
32
Vgl. zum Thema des Rätsels: Gottfried Gabriel, Logik und Rhetorik der Erkenntnis. Zum Verhältnis von wissenschaftlicher und ästhetischer Weltauffassung. Paderborn u.a. 1997, S. 78—98 („Das Rätsel als Erkenntnisform"). Vgl. hierzu die Ausführungen zu Wolff sowie zu Poetik und Ästhetik, unten, S. 66-81.
7.1
Platonisch-neuplatonische Kosmologie
In Piatons Dialog Timaios, dem „grundlegenden Physikbuch des Mittelalters und der Renaissance",44 wird die Welt als beseeltes und vernünftiges, nach mathematischen Regeln konzipiertes Wesen vorgestellt 45 Die Aufgabe, die der göttliche Demiurg bei der Erschaffung der Welt zu bewältigen hat, besteht darin, aus dem Chaos der Ursubstanzen eine intelligente Ordnung zu schaffen. Wie sich herausstellt, ist das einzige Modell, das dafür infrage kommt, eine harmonisch-symmetrische, mit mathematischen Mitteln beschreibbare Weltordnung. Der erste Schritt zur Herstellung dieser Ordnung besteht in einer Verknüpfung der Basiselemente Erde und Feuer durch das Band der Analogie: Aber nur zwei schön zusammenzufügen ohne ein Drittes, das ist nicht möglich; denn es muß doch zwischen beiden ein Band (desmos) sein, das sie zusammenhält. Das schönste aller Bänder aber ist das, welches aus sich selbst und den Teilen, die es verbindet, eine möglichst feste Einheit bildet; das aber kann die Proportion (analogia) am schönsten zustande bringen. 4 6
Nach Maßgabe dieses analogischen Bandes erschafft der göttliche Konstrukteur auch den Körper der Welt, wobei er die vier Elemente Feuer, Luft, Wasser und Erde in einer proportionalen Ordnung arrangiert: [...] die Körper aber hält nie nur ein Mittleres zusammen, sondern es sind immer deren zwei. So hat denn der Gott in die Mitte zwischen Feuer und Erde noch Wasser und Luft gesetzt und sie gegenseitig nach Möglichkeit in dasselbe Verhältnis gebracht: wie Feuer zu Luft, so Luft zu Wasser, und wie Luft zu Wasser, so Wasser zu Erde; dermaßen verband er sie miteinander und setzte einen Himmel zusammen, der tastbar und sichtbar ist. Deswegen also und mit Hilfe dieser Elemente und ihrer Vierzahl wurde der Leib der Welt geschaffen; dank der Proportion stand er mit sich selbst im Einklang, und es ergab sich daraus eine solche Befreundetheit (seiner Teile), daß er zu einer homogenen Einheit zusammenwuchs 4 7
Auf der Grundlage dieses Modells, einer kontinuierlichen Proportion nach dem Modell a:b = b:c, entsteht ein alle übrigen Formen einschließendes Ganzes, dem der Demiurg die Form einer Kugel, als der vollkommensten und harmonischsten aller Gestalten, gibt. Diese Kugel durchdringt und umfaßt alle anderen geschaffenen Körper. Der Weltkörper und die Weltseele sind so im Schöpfungsmythos des Timaios nach dem Prinzip größtmöglicher Wohlgeordnetheit und Einheit konstru44
45
46 47
Karen Gloy, Das Analogiedenken der Renaissance. Seine Herkunft und seine Strukturen, in: Gloy / Bachmann (Hg.), Analogiedenken, S. 215-255, hier S. 231. Vgl. Piaton, Tim. 2 7 - 3 6 (Piaton, Spätdialoge, eingeleitet v. Olof Gigon, übertragen v. Rudolf Rufener, 2 Bde. Zürich 1969, hier Bd. 2, S. 191-217). Die Darstellung orientiert sich an folgenden Forschungsbeiträgen: Giovanni Reale, Piatons protologische Begründung des Kosmos und der idealen Polis, in: Enno Rudolph (Hg.), Polis und Kosmos. Naturphilosophie und politische Philosophie bei Piaton. Darmstadt 1996, S. 3-25, insb. S. 17-21; Jens Atzpodien, Philosophischer Mythos (eikös mythos) und mathematische Metaphorik in Piatons Timaios. Bonn 1985 (vgl. dort weitere Literatur); Lyttkens, S. 19-22 (mit einer kritischen, auf Inkonsistenzen von Piatons Analogiegebrauch verweisenden Diskussion von Timaios 3 Iff.). Piaton, Tim. 31 b 9 - c 4 (Piaton, Timaios, S. 211). Piaton, Tim. 32 b 2 - c 3 (Piaton, Timaios, S. 212).
33
iert, ebenso wie die von diesem einheitsstiftenden Prinzip umfaßten Einzelkörper und Einzelseelen, die in sich selbst jeweils wiederum auch vollkommen sind.48 Diese Konstruktion entsteht durch das , schönste Band' der mathematischen Proportion, mittels derer die einzelnen Elemente zusammengebunden werden. Die Analogie fungiert hier als Prinzip der harmonischen Einung des Verschiedenen.49 Die Bildung der Einzelformen und der sie umwölbenden Kugelgestalt beschreibt Timaios als die Verbindung des Unteilbaren mit dem Beständigen, des Teilbaren mit dem Werdenden, des Identischen mit dem Verschiedenen. Dabei bringt der Demiurg erneut mathematische Proportionen in Anwendung, durch deren Gesetzmäßigkeit es ihm gelingt, eine vollkommen harmonische Welt zu erschaffen. Wie diese Verhältnisse im einzelnen beschaffen sind, ist hier nicht von Interesse.50 Von Belang ist, daß die Proportionenordnung, die Piaton ausarbeitet, einem musikalischen Tonhöhenprinzip entspricht und wahrscheinlich neben anderen Quellen auf die Harmonielehre der Pythagoreer zurückverweist.51 Die in Piatons Timaios entwickelte symmetrisch-harmonische, auf einer proportionalen Ordnung beruhende Kosmologie findet sich verschiedentlich im Neuplatonismus wieder,52 so z.B. in der Timaios-Deutung des Proklos, wo die Analogie als „Struktur- und Bewegungsprinzip von Welt"53 die Ein(s)heit und die Vielheit zu einem Ganzen verbindet und so ebenfalls als pankosmisches Prinzip - Alles in Allem - fungiert. Die Analogie vereint in dieser Funktion die Extreme der Welt. Werner Beierwaltes fuhrt hierzu aus: In Rücksicht auf die Struktur von Welt ist sie der Grund dafür, daß diese eine mit sich selbst vermittelte Einheit ist. Diese mit sich selbst vermittelte Einheit vermag Welt jedoch nur zu sein, da sie nach Vollendung strebend »analogisch« in die ursprunghafte Einheit, das Eine selbst, zurückgeführt und von ihr her begriffen wird. Analogie ist also der Grund der einheitlichen Struktur und ebenso der einheitlichen Bewegtheit von Welt in ihren Ursprung. 54
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34
Vgl. zur logischen Paradoxie dieser Konstruktion, die noch bei Leibniz aufgenommen ist, Gloy, Analogiedenken, S. 231-235. ,„Zusammenbinden', ein Schlüsselbegriff des kosmologischen Dialogs, steht immer für die weitestmögliche Realisierung von Einheit, also für die Annäherung an das Prinzip, dem die Dinge ihr Gutsein verdanken. Dieses , schönste' Band nun, die Analogie, bewirkt durch die Austauschbarkeit der mittleren und äußeren Glieder, daß die Teile miteinander identisch werden und so ,alles eins sein wird'." (Thomas Szlezäk, Psyche - Polis - Kosmos. Bemerkungen zur Einheit des platonischen Denkens, in: Enno Rudolph [Hg.], Polis und Kosmos. Naturphilosophie und politische Philosophie bei Piaton. Darmstadt 1996, S. 2 6 ^ 3 , hier S. 35). Vgl. Anne Eusterschulte, Analogia entis seu mentis. Analogie als erkenntnistheoretisches Prinzip in der Philosophie Giordano Brunos. Würzburg 1997, S. 148-155. Vgl. das Forschungsreferat Atzpodien, S. 25f. Eine neuere Aufarbeitung der neuplatonischen Analogie-Tradition anhand von Giordano Bruno findet sich bei Eusterschulte, S. 171-276; vgl. zu älteren Analogiekonzepten nach Piaton und Aristoteles und vor der Scholastik auch Lyttkens, S. 110-163. Vgl. Werner Beierwaltes, Proklos. Grundzüge seiner Metaphysik. Frankfurt/M. 1965, S. 153158, hierS. 153. Ebd., S. 154.
Varianten dieser platonisch-neuplatonischen, kosmologischen bzw. metaphysischspekulativen, gelegentlich pantheistischen Einheitsphilosophie finden sich auch im Mittelalter und der Renaissance. Vermittelt über die lateinische Timaios-Übersetzung des Chalcidius und den Kommentar des Proklos, z.B. bei Pseudo-Dionysos Areopagita, werden entsprechende Vorstellungen im christlichen Mittelalter als Hierarchie von Wirkungen gedeutet, die durch die sich selbstlos verströmende und in sich selbst zurückkehrende göttliche Liebe hervorgebracht werden. 55 Als entscheidende Station für das neuplatonische Analogiedenken in der Renaissance kann die Seelenlehre in Marsilio Ficinos Theologia Platonica gelten, in der es um die Bänder zwischen Kosmos und Seele ebenso geht wie um den weitreichenden Gedanken einer „Analogisierung zwischen den produktiven Tätigkeiten von Mensch und Gott". 56 Bei Ficino ist neben der aus Piatons Timaios entlehnten Vorstellung der körperlichen Natur als Mischung und Verbindung der vier Elemente vor allem die Vorstellung von Bedeutung, daß die Seele das Band zwischen Gott und der körperlichen Welt darstellt. Die Seele steht also [...] auf der Grenzscheide zwischen Zeit und Ewigkeit, und so erscheint sie zuletzt als das ausgezeichnete Mittelwesen, das die Extreme der Welt zusammenbindet und das durch seine bloße Existenz die innere Einheit des Seins unmittelbar zur Darstellung bringt. 57
Dieser Gedanke spielt im 17. und 18. Jahrhundert, in der kosmologisch-naturgeschichtlichen Figur der Kette der Wesen ebenso wie in der Physikotheologie, und bis zu Herder und Goethe eine wichtige Rolle, wobei jedoch hinsichtlich der Kontinuität des „hermetischen Wissenschaftsparadigmas" 58 über die Renaissance hinaus noch Fragen offen bleiben. 59 Darüber hinaus ist auf die wissenschaftshistorische Entwicklungslinie von Keplers Harmonia mundi bis hin zu Newtons Principia hinzuweisen. 60 Neben anderen neuplatonischen Analogie- und Spiegeifiguren 55
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Vgl. Werner Beierwaltes, Dionysios Areopagites - ein christlicher Proklos?, in: Theo Kobusch / Burkhard Mojsisch (Hg.), Piaton in der abendländischen Geistesgeschichte. Darmstadt 1997, S. 71-100; entsprechende Fundstellen zur Analogie in Schriften von Pseudo-Dionysios bietet Kluxen, Sp. 505. Enno Rudolph, Die Krise des Piatonismus in der Renaissance-Philosophie, in: Enno Rudolph (Hg.), Polis und Kosmos. Naturphilosophie und politische Philosophie bei Piaton. Darmstadt 1996, S. 108-122, hier S. 119. Paul Oskar Kristeller, Die Philosophie des Marsilio Ficino. Frankfurt/M. 1972, S. 89. Siehe zum ,hermetischen Wissenschaftsparadigma' mehrere Beiträge in: Gloy / Bachmann (Hg.), Analogiedenken, S. 86-255. Gemeint ist insbesondere das Analogieproblem; zum übergeordneten Thema gibt es zahlreiche Arbeiten, so z.B. Rolf-Christian Zimmermann, Das Weltbild des jungen Goethe. Studien zur hermetischen Tradition des deutschen 18. Jahrhunderts, Bd. 1. München 1969; Hans-Georg Kemper, Gottebenbildlichkeit und Naturnachahmung im Säkularisierungsprozeß. Problemgeschichtliche Studien zur deutschen Lyrik in Barock und Aufklärung, 2 Bde. Tübingen 1981; sowie Monika Neugebauer-Wölk (Hg.), Aufklärung und Esoterik. Hamburg 1999. Vgl. zu Kepler, mit vielen Verweisen auf den Neupythagoreismus, auf Proklos, die Renaissance-Philosophie und die Hermetik, die ausfuhrliche Darstellung von Siegfried Wollgast, Philosophie in Deutschland zwischen Reformation und Aufklärung (1550-1650). Berlin 2 1993, S. 220-262. Zu Newtons mutmaßlichem oder angeblichem Piatonismus: Ed Dellian,
35
wird hier im folgenden vor allem das naturphilosophische Prinzip der Kette der Wesen zu erörtern sein, in dem Transformationsbestände dieser platonischen Harmonielehre im 18. Jahrhundert aufgehoben sind.
7.2
Analogia nominum
Als weiteres einflußreiches Modell neben dem kosmologisch-spekulativen Analogiedenken kommt ein theologisches Sondermodell infrage. Die auf Thomas von Aquin zurückgehende sog. analogia nominum bildet heute nicht nur in der Theologie, sondern auch in der analytischen Philosophie einen vieldiskutierten Gegenstand.61 Für eine reduzierte Skizze soll hier Thomas' Summa theologiae dienen. 62 Die Verwendung der Analogie bei Thomas von Aquin steht im Zusammenhang der Frage nach der Erkennbarkeit Gottes. In der Quaestio 13 wird diese Frage explizit mit der Benennbarkeit Gottes verbunden. Inwiefern, so lautet die Frage, trifft für die Benennungen Gottes zu, daß sie dessen selbständiges Sein und Eigenschaften adäquat bezeichnen? Im Verfolg dieser Frage wird zunächst in der Tradition negativer Theologie jede Erkenntnis und Benennung Gottes verneint, insofern sie sich auf Gottes Wesen bezieht: „nullum nomen Deo conveniat". 63 Es folgt jedoch das Postulat einer theologia naturalis: Die Erkenntnis Gottes ist nicht schlechthin unmöglich, sondern kann, wenn auch in unvollkommener Weise, aus der Schöpfung erfolgen. Da wir aber die Substanzen und Eigenschaften der Kreatur erfolgreich benennen, so können durchaus auch Gott Bezeichnungen beigelegt werden. Hierbei gilt nach Thomas: Die Namen Gottes bezeichnen ihn so, wie unser Verstand ihn erkennt. Dieser erkennt nun Gott aus den Geschöpfen, erkennt ihn also soweit, als die Geschöpfe ihn darstellen. Nun hat Gott als schlechthin und allseitig vollkommenes Wesen alle Vollkommenheiten der Geschöpfe ureigen vor ihnen in sich. Daher ist jegliches Geschöpf insofern ein Abbild von ihm und ihm ähnlich (est ei similis), als es irgendeine Vollkommenheit hat. 6 4
Von der Erkenntnis und der Bezeichnung Gottes gilt gleichermaßen: So wie Gottes Vollkommenheit in der Kreatur nur unvollkommen repräsentiert wird, so bezeichnen auch die Benennungen für Gott seine perfectio nur in unvollkommener Weise.
61 62
63 64
36
Einleitung, in: Isaac Newton, Mathematische Grundlagen der Naturphilosophie, ausgew., übers, u. hg. von Ed Dellian. Hamburg 1988, S. VII-XXXIII. Vgl. einen Abriß der Kontroverse bei Teuwsen, S. 120-126. Thomas von Aquin, Summa theologiae /; im folgenden (etwas vereinfacht) zitiert nach: Die deutsche Thomas-Ausgabe, hg. v. Heinrich M. Christmann. Bd. 1, Gottes Sein und Wesen. Graz 2 1933. Aus der Fülle der Literatur sei auf die bereits zitierten Beiträge von Lyttkens, Teuwsen und Jüngel verwiesen; vgl. darüber hinaus zur Summa contra gentiles die Einfuhrung von Rolf Schöneberger, Thomas von Aquins , Summa contra gentiles'. Darmstadt 2001, S. 5 0 58. Thomas, Summa theol. I, S. 254. Ebd., S. 261.
,Unvollkommen' bedeutet dabei zum einen, daß die Vollkommenheit der Kreatur eine solche ist, die von Gott abgeleitet ist: sie kommt zuerst Gott, und der Kreatur nur insofern zu, als sie an Gottes Vollkommenheit abbildlich teilhat (prius-et-posterius-Relation). Die zweite Bestimmung lautet, daß Gott die bezeichnete perfectio in unendlich höherer Weise zukommt als der Kreatur.65 Die Gott beigelegten Benennungen sind deshalb unvollkommen, weil sie nicht Gottes ganze Vollkommenheit zur Sprache bringen, sondern eine abgeleitete, sekundäre Vollkommenheit bezeichnen. Dies bedeutet nicht, daß es sich deshalb um uneigentliche oder unangemessene Bezeichnungen handeln würde. Thomas unterscheidet sowohl eine Ordnung des Erkennens von einer Ordnung des Seins, als auch zwischen perfectiones significatas und dem modus significandi: Wenn Gott gut genannt wird, so kommt ihm dies zuerst, vollkommen und eigentlich (proprie) zu. Unvollkommen ist hingegen die Art und Weise: „denn diese entspricht den Geschöpfen". 66 Der hermeneutische Weg verläuft dabei zwar von den Geschöpfen zu Gott, der prioritäre ontologische jedoch in umgekehrter Richtung. Der kreatürliche Modus der Benennung schlägt sich in den Bezeichnungen Gottes unterschiedlich nieder: wenn sie auf der Basis von geschöpflichen Dingen gebildet werden, dann bezeichnen sie nur metaphorice (,Gott ist ein Fels'), in anderen Fällen hingegen proprie (,Gott ist gut'). Wenn Thomas schließlich fragt: „Werden die Gott und den Geschöpfen gemeinsamen Namen von beiden im Sinne voller Bedeutungsgleichheit (univoce) ausgesagt?",67 so geht es um eine prädikationstheoretische Untersuchung dieser vollkommen gültigen, jedoch unvollkommen bezeichnenden Benennungen Gottes in der Weise der Eigentlichkeit (proprium). Die Frage lautet hierbei: Wenn wir Gott und die Geschöpfe „gut" nennen, meinen wir dann dasselbe, oder etwas völlig verschiedenes? Thomas bezieht sich zur Beantwortung dieser Frage auf die Kategorienschrift des Aristoteles, und zwar auf dessen Unterscheidung der drei Prädikationsmodi Univozität (Eindeutigkeit), Äquivozität (verschiedene Begriffsinhalte bei bloßer Wortgleichheit) sowie Analogie.68 Auf dieser Grundlage untersucht Thomas sowohl die Univozität als auch die Äquivozität. Beide Prädikationsweisen scheiden jedoch im Hinblick auf die Benennungen Gottes aus. Univok kann das Prädikat ,gut' von Gott und den Geschöpfen deshalb nicht ausgesagt werden, weil dies einen unzulässigen Anthropomorphismus zur Folge hätte: Gottes ,Gutsein' ist auf eine inkommensurable Weise vollkommener als das Gutsein der Kreatur. Aber 65 66 67 68
Vgl. ebd., S. 262. Ebd., S. 265. Ebd., S. 270. Vgl. Aristoteles, Cat. 1,1 (Aristoteles, Kategorien, in: ders., Philosophische Schriften in sechs Bänden. Bd. 1, übers, v. Eugen Rolfes. Hamburg 1995, S. 1); die aristotelischen Termini lauten Homonymie, Synonymie und Paronymie; vgl. dazu Teuwsen, S. 103ff.
37
auch die äquivoke Prädikation scheidet aus. Wäre der Begriff „gut" fur Gott und die Geschöpfe in jeweils völlig verschiedener Weise ausgesagt, so wären die Geschöpfe überhaupt keiner Gotteserkenntnis fähig. Dies ist aber auszuschließen, weil „zwischen Gott und den Geschöpfen eine gewisse Ähnlichkeit (aliqua similitudo)" besteht, „denn Gen. 1, 26 heißt es: Lasset uns den Menschen machen nach unserem Bilde und Gleichnisse." 69 Die Gottebenbildlichkeit (imago Dei) garantiert also, daß Gott und die Kreatur nicht in völlig verschiedener Weise „gut" genannt werden. Weder univok noch äquivok ist Gott folglich zu bezeichnen: „Dicendum ergo quod huiusmodi nomina dicuntur de Deo et creaturis secundum analogiam, idest proportionem." 70 Wenn Gott „gut" genannt wird, dann wird dieses Wort analogisch verwendet. Die von Gott gestiftete Teilhaberelation ermöglicht es, unvollkommen von Gottes Güte zu sprechen, ohne dabei die Vollkommenheit seiner Güte zu verfehlen. Thomas präzisiert die Prädikationsweise secundum analogiam wie folgt: Das eine steht im Verhältnis zum andern (unum habet proportionem ad alteram); so nennt man die Medizin .gesund' und den Körper ,gesund', insofern nämlich die Medizin die Ursache der Gesundheit im Körper ist. 71
Das hier zugrundeliegende, samt seinen Beispielen aus der aristotelischen Metaphysik genommene Modell ist auf der Basis der sog. Pros-hen-Aussage gebildet. 72 Nicht eine vierstellige Relation steht hier zur Rede, sondern ein Verhältnis zwischen nur zwei Gegenständen: proportio unum ad alterum. Es handelt sich also nicht um eine Proportionalitätsanalogie. Darüber hinaus scheint dieses Verhältnis auch keinen Vergleich zu implizieren. Stattdessen werden zwei Dinge gleichermaßen als ,gesund' bezeichnet, jedoch in verschiedener Hinsicht und in einer Relation kausaler Abhängigkeit: Gesund ist nicht die Medizin selbst, sondern nur insofern, als sie sich verursachend auf die Gesundheit des Körpers bezieht. Der hier vorliegende Typ von Analogie wird im scholastischen System als Attributionsanalogie bezeichnet. Es handelt sich nicht um ein Verhältnis von Verhältnissen, sondern um eine Prädikationsform, bei der mehrere Gegenstände in verschiedener Hinsicht auf ein übergeordnetes Prinzip bezogen werden. 73
69 70 71
72
73
38
Thomas, Summa theol. I, S. 270f. Ebd., S. 275. Ebd. Thomas prüft an dieser Stelle zuerst eine andere Variante der Aussage: multa habent proportionem ad unum. Das Beispiel lautet mit Aristoteles: Die Medizin kann, wie auch der Urin, gesund genannt werden. Die Benennung erfolgt dabei auf verschiedene Weise, jedoch beide Male ,auf ein Drittes hin'. Vgl. zu Thomas' Umgang mit diesem Grundproblem der Aristotelischen Metaphysik, das trotz seiner Bedeutung für Thomas hier ausgeblendet werden soll: Jüngel, Gott als Geheimnis, S. 366f., Teuwsen, S. 108-114. Vgl. zu verschiedenen Aussagemodi innerhalb dieses Typs anhand von Cajetan: Teuwsen, S. 132f., zur Unterscheidung beider Analogieformen: Jüngel, Gott als Geheimnis, S. 368f.
Im theologischen Sonderfall der Attributionsanalogie geht es nicht um eine Verhältnisähnlichkeit zwischen Verhältnissen, sondern um eine Hierarchie von Attributen. Die Analogie ist ein Prädikationsmodus. Ihre wichtigsten Bestimmungen lauten: Die Vollkommenheitsprädikate (perfectiones) kommen Gott und der Kreatur, dabei jedoch zuerst und in vollkommener Weise Gott zu, der Kreatur hingegen nur in abgeleiteter Weise und insofern, als sie dieser Prädikate qua einer durch Gott verursachten Ähnlichkeit teilhaftig ist. Diese Ähnlichkeit (similitudo) trägt bei Thomas allerdings das Signum der maior dissimilitudo. Sie ist eine Ähnlichkeit Gottes und der Kreatur bei zugleich überwiegender Unähnlichkeit. 74 Die analogia nominum wurde von dem Dominikaner Thomas Cajetan (1469 1534) in ein System gebracht und zu Beginn des 17. Jahrhunderts von Jesuiten und Franziskanern kontrovers diskutiert. 75 Sie löste sogar noch im 20. Jahrhundert erneut weitreichende kontroverstheologische Debatten aus. 76 Dies interessiert hier im einzelnen nicht. Auf Rezeptionsspuren des scholastischen Analogietyps wird im folgenden mehrfach zu verweisen sein, jedoch nunmehr endgültig in Kontexten des 18. Jahrhunderts.
74
75 76
So die Formel des 4. Laterankonzils (1215), die auch Thomas verwendet, vgl. Schöneberger, S. 55. Vgl. Lyttkens, S. 205-243. In Auseinandersetzung mit Erich Przywaras analogia entis wurde das protestantische Gegenmodell einer analogia fidei diskutiert. Vgl. den Abriß dieser Diskussion bei Jüngel, Gott als Geheimnis, S. 383-390.
39
III. Analogiemodelle im 18. Jahrhundert
1.
Problemskizze
Wenn die Begriffsgeschichte der Analogie nunmehr für das 17. und 18. Jahrhundert fortgeschrieben wird, so soll hier zunächst ein grober Umriß des Forschungsgebiets insgesamt gegeben werden. Eine eingangs gestellte Frage ist dabei erneut aufzunehmen: Welcher Stellenwert wird dem Analogiedenken in der Epoche der Aufklärung zugemessen? Relativ begrenzte Auskunft geben die Lemmata in den einschlägigen Wörterbüchern. Sie sind durchgehend auf Kant konzentriert, relevante Daten über Kant hinaus sind aber aus den Beiträgen von Joachim Track und Wolfgang Kluxen zu erheben. Track erwähnt die Analogie als heuristisches Verfahren sowie das analogon rationis bei Leibniz und Baumgarten. 1 Kluxen umreißt den Analogiegebrauch der Neuzeit wie folgt: Außerhalb der Tradition der scholastischen Metaphysik kennt die neuzeitliche Philosophie die A.[nalogie] meist in dem Sinne, wie ihn die Spätantike tradiert hat: als ,Entsprechung', die Wahrscheinlichkeit begründet. So erscheint sie bei Hume als eine von drei Arten der .probability', und in diesem Sinne sucht Bischof Butler Entsprechungen' zwischen Naturerkenntnis und geoffenbarter Religion aufzuzeigen, um letztere wahrscheinlich' zu machen. Als Schlußverfahren zur Erweiterung unserer Erkenntnis wird sie eher kritisch bewertet, so bei Kant und Hegel. Selbst dann kann sie noch als Vorstufe der Wissenschaft positiv genommen werden [...] und bei Kant selbst ist der Terminus ,A.[nalogien] der Erfahrung' - Zeugnis positiver Wertung. 2
Auf alle von Kluxen genannten Punkte wird hier ausfuhrlich zurückzukommen sein, wobei sich Ergänzungen und Korrekturen ergeben: Butler greift nicht auf Hume zurück (das Verhältnis müßte ohnedies umgekehrt werden), sondern auf Locke und vielleicht auch s'Gravesande, die Kluxen beide nicht erwähnt. Und indem Kluxen mit Kant und Hegel vor allem das Ende des Jahrhunderts anvisiert, gewichtet er die Bedeutung der analogischen Heuristik falsch: Analogien zur „Erweiterung unserer Erkenntnis" erfreuen sich fast durchgehend zeitgenössischer Wertschätzung, wie Kluxen anhand von Kant ja schließlich auch befindet, der hierin keineswegs eine Ausnahme bildet.
2
Vgl. Joachim Track, Art. Analogie, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. II. Berlin / New York 1978, S. 625-650, hier S. 637f. W[olfgang] Kluxen, Art. Analogie I, in: Joachim Ritter / Karlfried Gründer (Hg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1, A-C. Stuttgart / Basel 1971, Sp. 214-227, hier Sp. 226.
41
Ein relativ schmales Personaltableau und schwankende Beurteilungen hinsichtlich der Valenz des Analogiedenkens sind für zahlreiche Beiträge zum Thema bis in die jüngste Zeit hinein charakteristisch; 3 auf diesem Forschungsgebiet bleibt also einiges zu tun. Im folgenden soll zunächst versucht werden, Eckdaten des Diskursfelds zu ermitteln und wesentliche systematische Linien zu ziehen.
1.1
Der britische Analogiediskurs von Bacon zu Hume
Die Generalthese des vorliegenden Umrisses lautet wie folgt: Die im 18. Jahrhundert diskutierten Analogiemodelle verdanken sich, neben bzw. zusammen mit tradierten Theorieelementen antiker Mathematik und Transformationsbeständen (neu)platonischer und aristotelischer Naturphilosophie vor allem erkenntnistheoretischen Impulsen des Empirismus aus dem britischen Raum, die zu einer neuen Profilierung philosophischen Analogiedenkens seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert mit erheblicher Ausstrahlung auch nach Deutschland führten. Der Hauptzeuge für diese in ihren Details scharfzustellende und teilweise zu modifizierende These wird im folgenden John Locke, bzw. die Locke-Rezeption des 18. Jahrhunderts sein. Bei der Frage nach möglichen ,Vorläufern' ist vor allem an Francis Bacon zu denken, innerhalb der Royal Society auch an Robert Boyle. 4 Aus Bacons Novum Organum (1620) jedenfalls stammt der Haupttopos für den erkenntnisfördernden Gebrauch der Analogie in der Naturgeschichte, auf den noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zurückgegriffen wird. Darum soll vielmehr alle Mühe und Sorgfalt auf die Ermittlung und Untersuchung der Ähnlichkeiten und Gleichförmigkeiten (similitudines et analoga) in der Gesamtheit wie in den einzelnen Teilen der Natur verwendet werden. Das ist es, womit man die Einheit in der Natur und die Unterlage für die Wissenschaft begründet. Doch große und strenge Vorsicht ist Voraussetzung. Man darf nur die Fälle als gleichförmig und einander entsprechend nehmen, die physische Ähnlichkeiten (similitudines physicas) aufweisen. [...] In der Sache selbst begründete, nicht bloß zufällige Ähnlichkeiten gilt es zu aufzudecken, aber keine abergläubischen oder merkwürdigen, wie sie von Schriftstellern der ,Natürlichen Magie' - einem leichtsinnigen oberflächlichen Menschenschlag [...] überall gezeigt werden. 5
Für Foucault ist Bacon neben Descartes der Kronzeuge für den Untergang des Ähnlichkeitswissens der Renaissance: „Bei Bacon findet man bereits eine Kritik
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Vgl. für die aktuelle Forschungslage die bereits genannte Arbeit von Caroline Torra-Mattenklott; konzise Beiträge wie etwa die hier ebenfalls schon genannten von Irmscher über Herder und Westerhoff über Goethe bilden Ausnahmen. Diese Spur wird hier nicht weiter verfolgt; siehe jedoch ein Beispiel für Analogie bei Boyle unten, S. 115f. Francis Bacon, Neues Organen. Hg., u. mit einer Einleitung von Wolfgang Krohn. 2 Bde. Hamburg 1990, hier Bd. 2, S. 405 (II, 27).
der Ähnlichkeit." 6 Die Magie-Kritik im hier zitierten Aphorismus 27 im 2. Buch des Novum Organum (auch wenn Foucault sie nicht einmal anführt, sondern sich allein auf Bacons Idolenlehre kapriziert) scheint diese Diagnose durchaus zu bestätigen. Allerdings ist die Kritik der Analogie, hier im übrigen eher eine streng formulierte Warnung vor Mißbrauch, nur eine Seite dieser Äußerung. Die andere bildet einen Einwand gegen Foucault: Bacon akzeptiert und legitimiert die Analogie als „Hilfsmittel für den Verstand, um eine wahre Interpretation der Natur und eine echte und vollkommene Induktion zu gründen". 7 Bacon steht hier in aristotelischer Tradition, wo die Analogie bereits auch in zoologischem Gebrauch gewesen ist, und zwar nicht im magischen, sondern in einem dezidiert klassifikatorischen Diskurs. Formal ist die Valenz der Analogie dabei fraglich, ihre modellbildenden Funktionen werden jedoch mit Gewinn eingesetzt.8 Bacon hält die Beobachtung von Ähnlichkeiten für eine konstitutive Operation auch der neu zu entwickelnden Wissenschaft der Natur. Selbst die „alte Analogie zwischen Pflanze und Tier (das Gewächs ist ein Tier, das seinen Kopf nach unten richtet, den Mund in die Erde eingegraben hat)", von der Foucault „sich alle Gestalten in der Welt einander annähern" sieht, 9 beruht für Bacon noch auf funktionalen Überlegungen. Er findet sie völlig plausibel: „Item non absurda est Similitudo et Conformitas illa". 10 Nicht zu bestreiten ist hinsichtlich dieses Analogiegebrauchs in der Naturgeschichte freilich die Tatsache, daß die Forderung empirischer Genauigkeit auf ihr lastet und die Akzeptanz der Analogie in den einhundertfünfzig Jahren bis zu Hume und Kant auf diesem Feld abnimmt. Und doch: Sie wird auch in der Spätaufklärung, wie anhand von Bonnet und Herder bereits angedeutet, nicht verworfen, in der romantischen Naturphilosophie sogar nochmals aufgewertet. Schon für Bacon ist also hinsichtlich des Analogiegebrauchs zu differenzieren; daß Foucault die Kritik der Ähnlichkeit erwähnt, die Lizensierung der Analogie hingegen unterschlägt, nimmt für seine Konstruktion nicht ein. In Herbert von Cherburys De veritate (1624), einem weiteren englischen Grundtext neuzeitlicher Erkenntnistheorie neben Bacon, werden Analogiemodelle konstruiert, die vom Aristotelismus der Scholastik noch ebenso profitieren wie von Korrespondenzvorstellungen neuplatonischer und paracelsistischer Provenienz
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Foucault, Ordnung der Dinge, S. 84. Bacon, Neues Organon, Bd. 2, S. 375 (II, 21). Vgl. ausführlich Fiedler, S. 2 1 ^ 6 , sowie Geoffrey Ε. R. Lloyd, Aristotelian Explorations. Cambridge 1996, S. 138-159 („The unity of Analogy"), zur Zoologie insb. S. 148-151. Beide Autoren weisen auf Inkonsistenzen dieses klassifikatorischen Gebrauchs hin, die hier nicht zu interessieren brauchen: zu notieren ist lediglich das Verfahren der Herstellung funktionaler Relationen selbst. Beide Zitate: Foucault, Ordnung der Dinge, S. 51. Bacon, Neues Organon, Bd. 2, S. 404 (II, 27).
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oder der Kabbala." Herbert formuliert etwa eine systematische Aussage zum Terminus Analogie, in der die drei wichtigsten theologischen, erkenntnistheoretischen und naturphilosophischen Problemkreise des Analogiedenkens zusammengefaßt und aufeinander bezogen werden, die seit dem Mittelalter und der Renaissance diskutiert wurden: „There are three analogies; the analogy of God with man, of man with things, and that which holds between things themselves". 12 Für das 18. Jahrhundert sind so umfassende ontologisch-epistemologische Systeme nicht mehr anzusetzen, jedoch dauern die Transformationsprozesse sehr lange, wie der Blick auf das Ende des Jahrhunderts und John Lockes Essay concerning Human Understanding (1689) beweist. Auch hier ist eine relativ komplexe Anordnung zu beobachten, die zwar (bereits?) ohne die Analogie zwischen Gott und Mensch auskommt, dafür jedoch auf eine analogische Geisterkunde, eine Wahrscheinlichkeitslehre und eine Verbindung von Mechanizismus und neuplatonischer Proportionen-Metaphysik setzt. 13 Da dieses Theoriekonglomerat Modellcharakter hat, wird ihm im folgenden ein eigenes Kapitel gewidmet. Die vielfältigen Wirkungen Lockes werden hier anhand von zwei britischen apologetischen Analogiemodellen untersucht. Gerade in und im Umkreis der Royal Society kann das Thema, zumal mit seinen wissenschaftshistorischen Konturen, an dieser Stelle keinesfalls erschöpft werden: Newton etwa muß gänzlich außer Betracht bleiben. 14 Genaueres Interesse verdient in diesen Zusammenhängen auch der holländische Physiker Willem Jacob s'Gravesande, der vor allem als mathematischer Wahrscheinlichkeitstheoretiker bekannt ist,15 jedoch im Theorem der ,moralischen Gewißheit' auch eine theologisch-handlungspragmatische Analogieformation konstruiert. In seiner Introductio ad Philosophiam (1705) vertritt s'Gravesande eine (anticartesianische und ,epikureische') sensualistische Beobachtungslehre, in welcher die Analogie sowohl die Gesetze von Ursache und Wirkung bzw. die Eigenschaften der Körper zu erkennen hilft, als auch zuverlässige Handlungsorientierung im Alltag erlaubt. Wir haben gesehen daß auch die Schlüsse, welche sich auf die Analogie gründen, uns zu einer richtigen Erkenntniß der Dinge fuhren. Wir bemercken bey derselben nunmehr, daß sie sich gar weit erstrecke, und auf diesem einfachen Grundsatz beruhe: Die Welt werde nach allgemeinen und unveränderlichen Gesetzen regieret.
' 1 Vgl. Herbert von Cherbury, De veritate. Translated with an Introduction by Meyrick Η. Carre. [Bristol 1937] London 1992. Hinweise auf die Verbindung der hier genannten Traditionselementc gibt die Einleitung des Herausgebers, ebd., S. 7 - 6 6 , insb. S. 16-20. Eine Spezialuntersuchung zum Analogiedenken Lord Herberts fände einen interessanten Gegenstand vor. 12 Ebd., S. 193. 13 Vgl. im einzelnen unten, S. 52-60. 14 Vgl. zu Newton neben der bereits angeführten Platonismus-These von Ed Dillian auch Marty, S. 25ff., 112ff. und passim. 15 Vgl. z.B. Alexander Altmann, Moses Mendelssohns Frühschriften zur Metaphysik. Tübingen 1969, S. 213-240.
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Man siehet leicht, daß alle Analogie wegfalle, wenn man diesen Satz nicht vor wahr hält. Wir haben aber die Gültigkeit desselben aus dem Willen Gottes hergeleitet. Also ist klar, daß Gott den Zusammenhang der körperlichen Dinge an gewisse beständige Gesetze habe binden wollen, und man kan an denen Sätzen, die aus diesem Grundsatze folgen, nicht zweifeln. 1 6
Die Geltung analogischer Schlußregeln wird hier providentiell abgesichert, was Moses Mendelssohn fünfzig Jahre später zu Bedenken herausfordern wird; 17 gleichwohl behält die Analogie Gültigkeit im Bereich ethisch-pragmatischer Konzepte bei Josef Butler oder in der Common-sense-Philosophie bei Thomas Reids. Abseits dieses Diskurses, jedoch ebenfalls auf der Linie Lockescher Erkenntnistheorie operieren in der Schule des irischen ,Counter-Enlightenment' Peter Browne, William King und Philip Skelton mit religiösen Analogiemodellen. Prominente Kritik erfahren diese Modelle durch Berkeley und schließlich Hume, ohne daß freilich auch hier vom völligen Ende des Analogiedenkens im 18. Jahrhundert gesprochen werden kann. 18
1.2
Leibniz und Leibnizianismus
Der britische Debattenkontext ist nicht der einzig mögliche Weg der ( R e k o n struktion einer Geschichte des Analogiedenkens im 18. Jahrhundert. Diese kann versuchsweise auch von Leibniz und dem Leibnizianismus her geschrieben werden, wobei sich eine Konkurrenzthese daraus allerdings nicht ergibt, da Leibniz bekanntlich in engem Kontakt mit der englischen Szenerie stand, so daß besser von regionalen Modifikationen der Diskussion zu sprechen ist. Die Bedeutung Leibniz' für die Piatonismusrezeption in der Naturforschung vom 17. bis ins 18. Jahrhundert kann hier nicht ausfuhrlich besprochen werden. Wie Bernhard Sticker erläutert hat, setzt Leibniz sein Prinzip Naturam cognosci per Analogiam, das er u.a. von Aristoteles und Kepler bezieht, vor allem in Zusammenhängen der Physik und Astronomie ein. 19 Eine in methodischer Hinsicht zentrale, aus dem Mikro-Makrokosmos-Gedanken gewonnene Analogie ist diejenige zwischen natura und ars, die es Leibniz z.B. ermöglicht, erdgeschichtliche Theorien mit Hilfe von konkreten Laborexperimenten zu untermauern. 20 Ein Weg auf der Linie der Astronomie fuhrt von Leibniz zu Kants Allgemeiner Naturgeschichte und Theorie des Himmels (1755). Der französische Kant-Forscher Francois Marty hat diese Schrift vor dem Hintergrund der Analogiekonzepte von
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Willem Jacob s'Gravesande, Einleitung in die Weltweisheit worinn die Grundlehre samt der Vernunftlehre vorgetragen wird. Aus der zweyten Leydenschen Auflage getreulich übersetzt. Halle 1755, S. 160f. Vgl. zu Mendelssohn (ohne Bezug auf das Analogie-Problem) Hans Blumenberg, Paradigmen zu einer Metaphorologie. Frankfurt/M. 1998, S. 132-135. Siehe zu diesen Modellen im einzelnen unten, S. 81-92. Sticker, S. 156. Vgl. ebd., S. 160-162; zu Leibniz sogleich mehr.
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Leibniz und Newton untersucht und darüber hinaus Hume einbezogen. 21 Kant bezieht sich auf Newtons kosmologische Analogie zwischen den Systemen der Fixsterne und der Planeten, aber auch auf die epistemologische Prämisse wahrscheinlicher Urteile aus der Analogie, „welche uns allemal, in solchen Fällen, leiten muß, wo dem Verstände der Faden der untrüglichen Beweise mangelt." 22 Auch noch der kritische Kant greift, wie Annemarie Pieper in ihrer pointierten Studie über die Methode der Analogie bei Kant nachgewiesen hat, mehrfach auf das Analogieprinzip zurück. 23 Ein weiterer Weg fuhrt von Leibniz über den Ähnlichkeitsbegriff zur Metaphysik Christian Wolffs. Die über Leibniz' Fassung dieses Begriffs signifikant hinausreichende konzeptionelle Bedeutung der Ähnlichkeit fur Wolff ist von Hans Poser herausgearbeitet, 24 sowie zuletzt von Caroline Torra-Mattenklott ergänzt worden, die als weiteren Ähnlichkeitsdenker Johann Georg Sulzer ins Spiel gebracht hat.25 Das Thema Wolffs wird auch an dieser Stelle aufgenommen und auf zeitgenössische Poetiken, sowie die Ästhetik Baumgartens bezogen. Als eine dritte, ebenfalls leibnizsche Linie ergibt sich schließlich die schon erwähnte Konstellation Herder - Bonnet. Beide beziehen sich auf das von Leibniz vertretene Prinzip der Kette der Wesen, wie Hans-Dietrich Irmscher in seinem grundlegenden Beitrag zum Thema der Analogie bei Herder nachgewiesen hat. Das Problem von Analogien der Natur wird hier anhand der Auseinandersetzung zwischen Hamann und Herder gleichfalls weiterverfolgt. 26 Vorher geht es jedoch um Konturen der Thematik in der ersten Hälfte des Jahrhunderts.
2.
Einträge in Zedlers Universallexikon
Für einen ersten genaueren Blick auf Figuren und Formationen der Analogie bietet sich ein zeitgenössischer Wissensspeicher an, das Große Vollständige Universal-
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Francois Marty, La naissance de la metaphysique chez Kant. Une etude sur la notion kantienne de l'analogie. Paris 1980, vgl. insb. S. 27-31. Marty ergänzt das Standardwerk von HansJoachim Waschkies um die dort ausgelassene Analogieproblematik. Immanuel Kant, Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels [...], in: Immanuel Kant, Werke in sechs Bänden, hg. von Wilhelm Weischedel, Bd. 1, Vorkritische Schriften bis 1768. Wiesbaden 1960, S. 255-396, hier S. 336. Vgl. Annemarie Pieper, Kant und die Methode der Analogie, in: Gerhard Schönrich / Yasushi Kato (Hg.), Kant in der Diskussion der Moderne. Frankfurt/M. 1996, S. 92-112. Siehe zu Kant auch die in Manuel Bachmanns Bibliographie angeführten weiteren Beiträge der Kantforschung. Vgl. zu Hamann und Kant unten, S. 229-238. Hans Poser, Die Bedeutung des Begriffs ,Ähnlichkeit' in der Metaphysik Christian Wolffs, in: Studio Leibnitiana 11 (1979), S. 62-81. Vgl. Torra-Mattenklott, S. 47-59 („Spielarten der Analogie"). Hans Dietrich Irmscher, Beobachtungen zur Methode der Analogie im Denken Herders, in: DV/s55 (1981), S. 64-97.
Lexikon Johann Heinrich Zedlers, dessen erster Band 1732 erschien und der zumindest für dieses Thema in erster Linie über das Wissen des 17. Jahrhunderts orientiert. Drei Lemmata sind im Zedier relevant: Analoga, Analogia fidei und Analogia.
2.1
Scholastische Systematik, aristotelische Logik
Im Artikel, Analoga' wird mit dem Etikett dreier ,,Logische[r] Analogen" 27 die von Cajetan entwickelte thomistische Unterscheidung zwischen analogia inaequalitatis, analogia attributionis und analogia proportionalitatis eingeführt. 28 Als Gewähr für diese Unterscheidung werden Aristoteles' Lehre von den Anteprädikamenten 29 sowie eine Reihe von zeitgenössischen Logik-Lehrbüchern genannt. Als Quelle des Zedler-Eintrags erweist sich das gleichlautende Lemma in Johann Georg Walchs Philosophischem Lexicon (1726). Dort heißt es unter Rekurs auf die scholastische analogia nominum: [Analoga, A.R.] [n]ennen die Aristotelicker in ihrer Logic bey der Lehre von den Anteprädicamenten dasjenige, da gewisse Sachen, davon eine vortrefflicher, als die andere, zwar mit einerley Nahmen, aber in ungleicher Würde belegt werden, so daß die Benennung einer mehr als der andern zukomme, z.E. das Wort Herr kommt sowohl dem Landesfursten, als einem HausVater wahrhafftig zu; doch im vornehmsten Verstände schickte sich dieser Nähme wohl vor den Fürsten [...]. 30
Auch Walch erläutert die genannte begriffliche Trias Cajetans, weist auf weitere Unterscheidungen der Scholastik hin und gibt Logikbücher an, mit deren Hilfe die Vermittlungswege dieses Analogiebegriffs seit dem 16. Jahrhundert ausführlich verfolgt werden könnten. Das scholastische Prädikationsmodell der analogia nominum hinterläßt zumindest in einigen aristotelischen Logiken des 17. und frühen 18. Jahrhunderts Spuren, allerdings nicht als theologisches, sondern als logisches
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Johann Heinrich Zedier, Großes Vollständiges Universal-Lexicon, Bd. 1 (1732), Sp. 33. Diese Cajetansche Trias, die für das 18. Jahrhundert im einzelnen keinerlei Bedeutung mehr hat, bespricht ausfuhrlich Teuwsen, S. 129-135. Anteprädikamente (,vor den Kategorien'): „In dieser Bedeutung bezeichnet der Ausdruck ,A.' kollektiv wie distributiv die sog. Prädikabilien: genus, species, differentia specifica, proprium, accidens, also jene das Thema der ,Isagoge' bildenden universalen Prädikate, die als logische Grundbegriffe zu Verständnis und wissenschaftlichem Gebrauch der Kategorien nicht weniger notwendig sind als zu Definition, Division und Beweisführung." (Η. M. Baumgartner, Art. Anteprädikamente, in: Joachim Ritter / Karlfried Gründer (Hg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1, A-C. Stuttgart / Basel 1971, Sp. 359-360, hier Sp. 360). Die beiden Bezugspunkte sind hier die Kategorienschrift des Aristoteles und Porphyrius' Einleitung in die Kategorien. Johann Georg Walch, Philosophisches Lexicon, Darinnen Die in allen Theilen der Philosophie, als Logic, Metaphysic, Physic, Pneumatic, Ethik, natürlichen Theologie und Rechts-Gelehrsamkeit, wie auch Politic fürkommenden Materien und Kunst-Wörter erkläret [...] werden. Leipzig 2 1740, Sp. 92.
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Modell. 3 ' Gleichsam purifiziert, nämlich als Interpretament des aristotelischen Organon, sowie mitunter profanisiert (anstelle Gottes der Landesfurst), im übrigen jedoch zumindest bei Walch und Zedier ohne signifikante Distinktionsverluste findet die scholastische Systematik auf diese Weise Eingang in die zeitgenössische Logik, sowie auch in die Hermeneutiktheorie. 32 Für die weitere Entwicklung der Vernunftlehre im 18. Jahrhundert kommt diesem System der Analogie dann allerdings keine Bedeutung mehr zu.
2.2
Analogia fidei als Instrument der Bibelhermeneutik
Der Artikel ,Analogia Fidei' beginnt mit einer Begriffsklärung, die zugleich erneut über die terminologische Varianz von ,Analogie' anhand der Tradition informiert: „Analogia ist sonst nur bey denen Mathematicis bekant, wird auch beym Cicerone Tusc. Quaest. Lib. I. cap. XXXII. Similitudo, und beym Fabio Quintiliano Inst. Orat. Lib. I. cap. 6 . Proportio genennet." 33 Nachdem der Verfasser noch eine Passage aus Euklids Elementen ergänzt hat, wechselt er schließlich zur Theologie über: Aus der Schule der Mathematicorum nun ist es [analogia, A.R.] in die heiligen Disciplinen gebracht worden, wie denn der Heilige Apostel Paulus selbst sich dieses Wortes Rom X1I.6. bedienet. Es ist aber Analogia Fidei nichts anderes, als die reine, ordentliche und ungemeine Übereinstimmung derer Himmlischen Wahrheiten, wie solche aus der Heil. Schrifft genommen worden.
Die analogia fidei ist in diesem Verständnis ein exegetisches Instrument, das in der protestantischen Hermeneutik des 17. und noch etwa bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts die hermeneutische Einheit der Offenbarungswahrheiten sichern sollte. Der Ze