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German Pages 534 Year 1997
UTZ SCHLIESKY
Öffentliches Wettbewerbsrecht
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 732
• ·
Öffentliches Wettbewerbsrecht Verhaltensrechtliche Determinanten von wirtschaftsbezogenem Staatshandeln
Von U t z Schliesky
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Schliesky, Utz: Öffentliches Wettbewerbsrecht : verhaltensrechtliche Determinanten von wirtschaftsbezogenem Staatshandeln / von Utz Schliesky. Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 732) Zugl.: Kiel, Univ., Diss., 1996/97 ISBN 3-428-09129-9
Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-09129-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Meinen Eltern
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1996/97 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen. Sie ist das Endprodukt fast vieijähriger Arbeit und gleichzeitig Gelegenheit, all denjenigen zu danken, die - jeder auf seine Weise - ihren bedeutsamen Anteil am Entstehen des vorliegenden Buches hatten. Allen voran ist mein Doktorvater, Herr Bundesjustizminister Prof. Dr. Schmidt-Jortzigy zu nennen. An seinem Lehrstuhl durfte ich von frühen Studientagen an die menschliche und fürsorgliche Betreuung erleben, aus der sich wissenschaftliche Neigungen entwickeln konnten. Diese Begleitung durch einen Mentor im besten Sinne, der gesprächsbereiter Zuhörer war, wenn man ihn brauchte, und einem zugleich die Freiheit gewährte, die zur Entwicklung eines eigenständigen Geistes erforderlich war, bedeutete mir nicht nur Antrieb und Motivation zur Bearbeitung dieses Themas; diese Erfahrung hat zugleich meinen Lebensweg geprägt. Für all dieses sage ich von tiefem Herzen Dank. Meinem Zweitgutachter, Herrn Prof. Dr. von Mutius, schulde ich Dank nicht nur für die prompte Erstellung des Zweitgutachtens. Auch Herr von Mutius hat meinen juristischen Weg von dem ersten Semester über die Erste Juristische Staatsprüfung bis zur Mündlichen Doktorprüfung begleitet und war mir stets ein hilfsbereiter Gesprächspartner, dessen Anregungen und Hilfestellungen weit über das an den Zweitgutachter zu stellende Maß hinausgingen und mich in dem eingeschlagenen Weg bestärkt haben. Hierfür herzlichen Dank. Diese Arbeit wäre aber auch nicht möglich gewesen ohne die liebevolle Zuneigung meiner Eltern, denen ich diese Arbeit widme. Sie haben mir nicht nur die Möglichkeiten bis zu diesem Werk eröffnet, sondern mich vor allem in einem freiheitlichen Geiste erzogen, der kritisches und eigenständiges Denken erst ermöglicht. Ihnen verdanke ich viel. Für das "seelische Gleichgewicht", ohne das die fachliche Konzentration kaum möglich ist, habe ich meiner Freundin Heike Peter von Herzen zu danken. Sie mußte nicht nur die anstrengende Endphase ertragen, sondern hat mich immer in dem Glauben an das Vorhaben bestärkt. Ein Dankeschön gilt auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Lehrstuhls von Prof. Dr. Schmidt-Jortzig, in deren Mitte ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter diese Arbeit anfertigen durfte. Dank gebührt auch Frau Brigitte
8
Vorwort
Wagner y die es in ihrer unnachahmlichen Art geschafft hat, meine Arbeit in das vorliegende Druckformat zu bringen. Dem Bundesministerium des Innern danke ich fur die Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Und last but not least, danke ich Herrn Prof. Dr. Simon für die Aufnahme meiner Arbeit in die "Schriften zum Öffentlichen Recht".
Altenholz, im Mai 1997
Utz Schliesky
Inhaltsverzeichnis
Α. Einführung in den Untersuchungsgegenstand I. II.
Problemstellung
19
Gang der Untersuchung
21
B. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit I.
Erscheinungsformen wirtschaftlicher Tätigkeit (nach herkömmlicher Betrachtungsweise) 1. Kein "typisches" öffentliches Unternehmen
II. III.
19
22 22 22
a) Gesetzliche Ansätze
22
b) Begriffsbestimmungen in Rechtsprechung und Literatur
24
2.
Regiebetrieb
28
3.
Eigenbetrieb
29
4. Sondervermögen
31
5.
Anstalt
31
6.
Körperschaft
33
7. Stiftung
35
8.
Eigengesellschaft
36
9.
Gemischt-wirtschaftliches Unternehmen
38
10. Beteiligung
43
11. Zwischenergebnis
43
Wirtschaftslenkung
44
Abgrenzung der Wirtschaftslenkung gegenüber der wirtschaftlichen Tätigkeit
45
1. Zielsetzung
46
a) Versorgung oder Entsorgung
47
b) Sozialpolitik (i.e.S.)
48
c) Strukturpolitik
48
10
Inhaltsverzeichnis d) Wettbewerbspolitik und Monopolkontrolle
49
e) Wahrnehmung vitaler Staatsinteressen
50
f) Konjunkturpolitik
50
g) Gewinnerzielung
51
h) Zwischenergebnis
52
2. Rechts- und Handlungsformen
52
3. Struktur
53
4. Rechtsbetroffenheit
54
a) Anwendbarkeit des grundrechtlichen Maßstabes aa) Auslegung des Art. 1 Abs. 3 GG
57 58
(1) Grammatikalisch
58
(2) Historisch
59
(3) Systematisch
60
(4) Teleologisch
61
bb) Unterschiedliche Lösungsansätze
61
(1) Keine Grundrechtsbindung
61
(2) Mittelbare Grundrechtsbindung
65
(3) "Verwaltungsprivatrecht"
66
(4) Umfassende Grundrechtsbindung
69
b) Rechtsbetroffenheit durch Wirtschaftslenkung aa) Unmittelbar
76 76
(1) Klassischer Eingriffsbegriff
76
(2) Fehlende Imperativität
77
(3) Kein Rechtsakt
78
bb) Mittelbar cc) Ergebnis c) Rechtsbetroffenheit bei wirtschaftlicher Tätigkeit des Staates aa) Unmittelbar
78 83 83 83
(1) Klassischer Eingriffsbegriff
83
(2) Fehlende Imperativität
84
(3) Kein Rechtsakt
85
bb) Mittelbar
86
(1) Kein Eingriff durch Konkurrenz
86
(2) Eingriff erst ab hoher Eingriffsschwelle
88
(3) Eingriff durch Konkurrenz
88
Inhaltsverzeichnis cc) Ergebnis
IV.
5. Ergebnis: Abgrenzung nicht möglich
92
Wettbewerbs Verhältnisse im Rahmen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
94
1. Das Wettbewerbsverhältnis
94
2. Darstellung der einzelnen Wettbewerbs Verhältnisse
96
a) Unmittelbare Konkurrenzsituation (Verwaltungsträger beeinflußt die Wettbewerbssituation durch eigenes unternehmerisches Tätigwerden)
96
aa) Zwei Verwaltungsträger
97
bb) Verwaltungsträger und Privater
97
cc) Öffentliches Unternehmen in privatrechtlicher Organisationsform und Privater
99
dd) Kunde begehrt Unterlassung
99
b) Verwaltungsträger beeinflußt Wettbewerb s Stellung des Unternehmers durch Einflußnahme auf den Nachfrager
100
c) Verwaltungsträger beeinflußt durch belastende Maßnahme gegenüber dem Unternehmer dessen Wettbewerb s Stellung
102
d) Verwaltungsträger beeinflußt durch begünstigende Maßnahme gegenüber einem Mitbewerber die Wettbewerbsstellung des Unternehmers
102
3. Das Wettbewerbsverhältnis bei Wettbewerb s relevanter Staatstätigkeit (abstrakt)
103
a) Vorgaben durch die Rechtsverhältnis lehre ?
104
b) Bedeutung des subjektiven öffentlichen Rechts
108
c) Das subjektive öffentliche Recht als Mittelpunkt des Wettbewerbsverhältnisses
109
d) Bedeutung der Handlungsformen der Verwaltung im Wettbewerbsverhältnis
110
e) Bedeutung des Wettbewerb s Verhältnis ses im hier verwandten Sinne
111
C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit I.
91
112
"Wirtschaftsfreiheit" des Staates
112
1. Vorgaben einer Wirtschaftsverfassung
112
a) Der Ansatz des Bundesverfassungsgerichts
114
b) Die Literatur
117
Inhaltsverzeichnis
12
2. Einzelaussagen des Grundgesetzes
125
a) Subsidiaritätsprinzip
125
b) Rechtsstaatsprinzip
130
c) Sozialstaatsprinzip
132
d) Art. 28 Abs. 2 GG
134
e) Art. 30, 83 ff. GG
137
aa) Grundsatzregelung Art. 30 GG
137
(1) Geltung des Art. 30 GG bei wirtschaftlicher Tätigkeit des Staates
138
(2) Bedeutung des Art. 30 GG für die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates
141
bb) Art. 83 ff. GG (1) Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG
142 143
(a) Wortlaut
146
(b) Historische Auslegung
147
(c) Systematische Auslegung
147
(d) Teleologische Auslegung
148
(e) Ergebnis
150
(2) Art. 87 Abs. 2 GG
150
(3) Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG
151
(4) Art. 87 d GG
152
(5) Art. 87 e GG
153
(6) Art. 87 f GG
156
f) Art. 70 ff. GG
160
g) Art. 88 GG
161
h) Art. 91 a GG
162
i) Abgabenhoheit des Staates
164
j) Art. 109 Abs. 2 GG
167
k) Art. 110 Abs. 1 GG
169
1) Ait. 130, 133, 134, 135 GG
169
aa) Art. 130 GG
169
bb) Art. 133 GG
170
cc) Art. 134 GG
170
dd) Art. 135 GG
170
ee) Zusammenfassung
171
Inhaltsverzeichnis m) Grundrechte
171
bb) Begründung der Wirtschaftsfreiheit
172
(1) Juristische Personen des öffentlichen Rechts
173
(2) Juristische Personen des Privatrechts
177
(3) Art. 15 GG
180
cc) Ergebnis
II. III.
II.
181
3. Allgemeine Legitimation wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
181
Zusammenfassung Wirtschaftsfreiheit
187
Wettbewerbsfreiheit
188
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates I.
171
aa) Begrenzung der Wirtschaftsfreiheit
189
Wettbewerb als Institut
189
Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
194
1. Art. 12 Abs. 1 GG
195
a) Schutzbereich
195
b) Eingriff
202
aa) Neue Konturen des Eingriffsbegriffes
203
(1)
Zurechenbarkeit
203
(2)
Eingriffsgleiche Beeinträchtigung
205
(3)
Grundrechtsspezifische Einwirkung
205
(4)
Vorhersehbarkeit
206
(5)
Finalität
207
(6)
Soziale Adäquanz
208
(7)
Schutzzweck der Norm bzw. funktionaler Schutzbereich
209
(8)
Schutzbereichsabhängiger Eingriffsbegriff
210
(9)
Intensität
(10) Konturen eines neuen Eingriffsbegriffes bb) Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit
211 213 215
c) Rechtfertigung des Eingriffs; Gesetzes vorbehält
216
aa) Haushaltsgesetz i.V.m. Haushaltsplan . . .
218
bb) Aufgabenzuweisungsnormen
220
cc) Grundrechtliche Schutzpflichten
224
dd) Randnutzung
227
Inhaltsverzeichnis
14
ee) Allgemeine Anforderungen an eine hinreichende Rechtsgrundlage
ff)
232
(2) Problem der Vorhersehbarkeit
233
(3) Lösung: Modifizierung der Anforderungen an die Bestimmtheit der Norm (Regelungsdichte)
236
(4) Struktur einer Rechtsgrundlage für wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit
242
Beispiele für taugliche Rechtsgrundlagen
243
(1) § 4 Abs. 1 S. 5 PostVerfG a.F
244
(2) § 39 b ArzneimittelG a.F
244
(3) Polizeiliche Generalklausel
248
gg) Beurteilung bei Fehlen einer einfachgesetzlichen Grundlage . . . .
248
hh) Exkurs: Anderweitig begründeter Gesetzesvorbehalt
255
2. Art. 14 Abs. 1 GG a) Schutzbereich
III.
231
(1) Problem der Eingriffsstruktur
257 258
aa) Warnungen
263
bb) Wirtschaftliche Tätigkeit des Staates
265
cc) Subventionen
268
b) Abgrenzung zu Art. 12 Abs. 1 GG
269
c) Eingriff
271
d) Rechtfertigung
271
3. Art. 2 Abs. 1 GG
272
4. Art. 3 Abs. 1 GG
274
Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerb s freiheit
278
1. UWG
278
a) Anwendbarkeit
278
aa) Begründung des Bundesgerichtshofs
279
bb) Kritik
281
(1) Gleichordnungsverhältnis
281
(2) Maßgeblichkeit des Leistungs- oder Wettbewerbsverhältnisses
284
(3) Rechtsnatur des § 1 UWG
290
(4) These von der Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen
296
(5) Trennung zwischen "Ob" und "Wie" wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
304
Inhaltsverzeichnis cc) Ergebnis
310
b) Verhältnis des verhaltensrechtlichen Maßstabes nach § 1 UWG zu dem grundrechtlichen Verhaltensmaßstab
311
c) § 1 UWG
313
aa) "Wer"
313
bb) "Handeln im geschäftlichen Verkehr"
314
(1) Unmittelbare Konkurrenzsituation: Zwei Verwaltungsträger
317
(2) Unmittelbare Konkurrenzsituation: Verwaltungsträger bzw. öffentliches Unternehmen und Privater
318
(3) Unmittelbare Konkurrenzsituation: Öffentliches Unternehmen in privatrechtlicher Organisationsform und Privater
318
(4) Unmittelbare Konkurrenzsituation: Kunde begehrt Unterlassung
319
(5) Verwaltungsträger beeinflußt Wettbewerbsstellung des Unternehmers durch Einflußnahme auf Kunden
319
(6) Verwaltungsträger beeinflußt durch hoheitliche Maßnahme gegenüber einem privaten Unternehmer dessen Wettbewerbsstellung
320
(7) Verwaltungsträger beeinflußt durch begünstigende hoheitliche Maßnahme gegenüber Mitbewerber die Wettbewerbsstellung des Unternehmers
321
(8) Ergebnis
321
cc) "Zu Zwecken des Wettbewerbs"
322
(1) Objektive Komponente: Wettbewerbseignung
323
(2) Subjektive Komponente: Wettbewerbsabsicht
323
(3) Wettbewerbsverhältnis
324
(4) Untersuchung der Fallgruppen auf ein "Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs
331
(a) Unmittelbare Konkurrenzsituation: Zwei Verwaltungsträger (b) Unmittelbare Konkurrenzsituation: Verwaltungsträger bzw. öffentliches Unternehmen und Privater
331 ....
332
(c) Unmittelbare Konkurrenzsituation: Öffentliches Unternehmen in privatrechtlicher Organisationsform und Privater
333
(d) Unmittelbare Konkurrenzsituation: Kunde begehrt Unterlassung
335
Inhaltsverzeichnis (e) Verwaltungsträger beeinflußt Wettbewerbsstellung des Unternehmers durch Einflußnahme auf Kunden . . . .
336
(f) Verwaltungsträger beeinflußt durch hoheitliche Maßnahme gegenüber einem privaten Unternehmer dessen Wettbewerbsstellung
339
(g) Verwaltungsträger beeinflußt durch begünstigende hoheitliche Maßnahme gegenüber Mitbewerber die Wettbewerbsstellung des Unternehmers
341
(5) Ergebnis dd) "Verstoß gegen die guten Sitten"
342 343
(1) Maßstab
343
(2) Weitere Fallgruppen
352
(a) Kundenfang
353
(aa) Täuschung
353
(bb) Mißbrauch der Hoheitsstellung
357
(cc) Erschleichen von Vorteilen
364
(dd) Irreführende Werbung
365
(ee) Belästigung
367
(b) Behinderung
370
(aa) Absatzbehinderung
372
(bb) Boykott
373
(cc) Preisunterbietung
376
(dd) Vergleichende Werbung
382
(ee) Geschäftsehrverletzung
386
(c) Ausbeutung
387
(d) Vorsprung durch Rechtsbruch
389
(e) Marktstörung
397
ee) Ergebnis zu § 1 UWG
404
d) Weitere UWG-Vorschriften
405
GWB
408
a) Anwendbarkeit
408
b) Verhältnis zum UWG
411
c) Maßstab
413
d) Einzelvorschriften
415
aa) § 1 i.V.m. § 35 Abs. 1, 3 GWB
416
bb) § 26 Abs. 1 i.V.m. § 35 Abs. 1, 3 GWB
417
cc) § 26 Abs. 2 i.V.m. § 35 Abs. 1, 3 GWB
418
Inhaltsverzeichnis e) Zusammenfassung 3. Haushaltsgrundsätzegesetz; Bundeshaushaltsordnung und Haushaltsordnungen der Länder
421 422
a) § 6 HGrG und § 7 BHO
423
b) § 65 Abs. 1 BHO
428
4. Gemeindewirtschaftsvorschriften a) Zulässigkeit wirtschaftlicher Unternehmen
433 434
aa) Wirtschaftliches Unternehmen
435
bb) Öffentücher Zweck (§ 101 Abs. 1 Nr. 1 GO SH)
439
cc) Verhältnis zu Leistungsfähigkeit und Bedarf (§ 101 Abs. 1 Nr. 2 GO SH) dd) Sog. Funktionssperre (§ 101 Abs. 1 Nr. 3 GO SH)
II. III.
442
(1) Grammatische Auslegung
443
(2) Historisch-genetische Auslegung
444
(3) Systematische Auslegung
445
(4) Teleologische Auslegung
445
(5) Ergebnis
447
ee) Verhältnis zu § 1 UWG
I.
441
447
b) Beteiligung an privatrechtlichen Gesellschaften (§ 102 GO SH)
449
c) Sonstige Bindungen
453
E. Rechtsweg bei Streitigkeiten im Öffentlichen Wettbewerbsrecht
455
Situationsaufnahme
455
Zivilrechtsweg
457
Stichhaltigkeit der Argumente
461
1. Trennung zwischen Leistungs- und Wettbewerbs Verhältnis
461
2. Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen
462
3. Anwendung der Subjektionstheorie
463
4. Keine Bedeutung der Untersagung von Staatshandeln
463
5. Öffentliches Recht als bloß notwendige Vorfrage
465
6. Größere Sachkunde und Sachnähe der Zivilgerichte
467
7. "Rechtsschutzverweigerung" durch Verwaltungsgerichte
468
2 Schliesky
18 IV.
Inhaltsverzeichnis Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
471
1. Methodische Herleitung
471
2. Rechtsstaatliche Erforderlichkeit
475
F. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse in Thesen
478
Anhang I
485
Gemeinsame Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung vom 3. November 1994
Anhang I I
495
Synopse der Gemeindewirtschaftsvorschriften
Literaturverzeichnis
503
Sachwortverzeichnis
529
Α. Einführung in den Untersuchungsgegenstand Ι . Problemstellung Klagen aus der Privatwirtschaft sind in Abschwungphasen konjunktureller Zyklen an der Tagesordnung. Diese Klagen betreffen nicht nur die schlechtere Umsatz- oder Ertragslage, sondern richten regelmäßig auch den Blick auf die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens in der Bundesrepublik. In den Mittelpunkt der Kritik gerät dabei regelmäßig auch die sog. " Staatsquote unter der an sich das Verhältnis der Staatsausgaben zum Bruttosozialprodukt verstanden wird, das aber gleichzeitig als Indikator der gesamtwirtschaftlichen Aktivität angesehen wird 1 . Mit konstanter Regelmäßigkeit werden volkswirtschaftliche Abschwungphasen daher von Privatisierungsdiskussionen und Forderungen nach einer Aufgabenkritik des Staates begleitet. Ohne auf einzelne Gründe wie etwa die Globalisierung der Wirtschaftsräume oder den einige Branchen betreffenden Strukturwandel eingehen zu können, ist die Feststellung eines rauher werdenden Wirtschaftsklimas einfach zu treffen. Dementsprechend überraschen die derzeit erneut geführte Privatisierungsdiskussion sowie die Forderungen nach einem Rückzug des Staates aus der Wirtschaft bzw. einer Vereinfachung der Rahmenbedingungen des Wirtschaftens nicht so sehr. Ernüchtert muß der Beobachter aber erkennen, daß die Vorgängerdiskussionen offenbar keinen wesentlichen Ertrag gebracht haben. Zwar hat sicherlich keine Bundesregierung so viel privatisiert wie die jetzige, doch war der Staat auch noch niemals in der Geschichte der Bundesrepublik so stark in die Wirtschaft involviert wie unmittelbar nach der Wiedervereinigung 2. Dem Beobachter drängt sich aber gleichzeitig der Eindruck auf, daß nicht unbedingt die volkswirtschaftliche Präsenz des Staates das Hauptproblem ist, sondern die bis heute nicht bestehende Einigkeit über die verhaltensrechtlichen Grenzenffir wirtschaftsbezogenes Staatshandeln. Trotz aller Diskussionen ist ein dem Staat bei wirt-
1 Vahlens Großes Wirtschaftslexikon, S. 1955. Die Aussagekraft liegt demnach darin, daß die Staatsquote ausdrückt, in welchem Umfang der Staat - in welcher Erscheinungsform auch immer - die Finanzströme kontrolliert und damit am volkswirtschaftlichen Geschehen teilnimmt. In der Tat weist die Statistik langfristig einen Anstieg der Staatsquote aus: 1960: 32,9 %; 1970: 39,1 %; 1980: 48,9 %; 1990: 45,8 %; 1992: 49,3 % (Statistisches Jahrbuch 1993, S. 697). 2 Vgl. Bundesministerium fllr Wirtschaft (Hrsg.), Jahreswirtschaftsbericht 1995 der Bundesregierung, S. 41 ff.
20
Α. Einführung
schaftlichen Ingerenzen zu präsentierendes einheitliches Verhaltensrecht nicht entwickelt worden. In einigen Rechtsbereichen scheint es vielmehr so, als würde wirtschaftsbezogenes Staatshandeln aus der Entwicklung der Dogmatik bewußt ausgelassen, um vielmehr mit der floskelhaften Wiederholung altbekannter Standardformeln die Problematik möglichst ruhig schlummern zu lassen. So verwundert es denn nicht, daß dem öffentlichen Recht - nach herkömmlichem Verständnis das "Sonderrecht" des Staates - zum Teil keine hinreichende verhaltenssteuernde Funktion, die auch einen ausreichenden Schutz der Mitbewerber gewährleistet, zugetraut wird 3. Bestätigt wird dieser Eindruck durch eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen aus den verschiedenen Gerichtsbarkeiten, die sich zum Teil diametral widersprechen, jeweils unterstützt durch entsprechende Literaturstimmen. Als Einzelprobleme seien hier nur die Frage nach der Geltung der Grundrechte, und, falls diese bejaht wird, nach dem Maßstab für die Grundrechtsrelevanz staatlicher Wirtschaftsingerenz genannt. Offene Fragen gibt es auch noch im Hinblick auf "das Wettbewerbsrecht" bzw. zumindest die "allgemeinen Grundsätze" desselben und insbesondere bezüglich der zur Beurteilung berufenen Gerichtsbarkeit. Die nachfolgende Untersuchung unternimmt den Versuch, wirtschaftsbezogenes Staatshandeln möglichst einheitlich zu erfassen, allgemeingültige verhaltensrechtliche Grenzen aufzuzeigen und der zuständigen Gerichtsbarkeit zwecks effektiver Überwachung ihrer Einhaltung zuzuweisen. Dabei liegt dieser Arbeit letztlich der Gedanke zugrunde, daß ein Wettbewerb, der aufgrund fur alle Marktteilnehmer erkennbarer und effektiv durchsetzbarer verhaltensrechtlicher Grenzen funktioniert, auch wirtschaftsbezogenes Staatshandeln am effektivsten und sachgerechtesten begrenzt4. Das Phänomen wirtschaftsbezogënen Staatshandelns soll dabei sowohl aus der Sicht des agierenden Staates als auch aus der Sicht der davon berührten Privaten beleuchtet werden, so daß tragfahige Ergebnisse unter Berücksichtigung aller beteiligten Interessen erzielt werden können. Untersuchungsgegenstand ist demnach die Erfassung wirtschaftsbezogenen Staatshandelns und die Entwicklung verhaltensrechtlicher Grenzen fur den Staat. Dabei soll sich die Untersuchung auf den aktiv agierenden Staat beschränken, d.h. als Akteur, der wirtschaftslenkend die Rahmenbedingungen für privates Wirtschaften setzt oder als Anbieter auf einem Markt wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet. Ausgeklammert bleibt die - verhaltensrechtlich allerdings ebenfalls bedeutsame - Nachfragemacht des Staates. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu
3
Deutlich etwa Niederleithinger, in: FIW (Hrsg.), Staat als Wettbewerber, S. 45. Belegt sei diese Idee mit einem Zitat von Franz Böhm (Demokratie und wirtschaftliche Macht, Vortrag auf der Internationalen Kartellkonferenz, Frankfurt a.M. 1960, Bd. I, S. 22): "Der Wettbewerb ist das großartigste und genialste Entmachtungs instrument der Geschichte. " 4
II. Gang der Untersuchung
21
sprengen, erscheint auch eine Beschränkung auf den nationalen Rechtskreis angezeigt.
IL Gang der Untersuchung Den Anfang machen eine Darstellung der Erscheinungsformen wirtschaftsbezogenen Staatshandelns und der Versuch einer Abgrenzung derselben. Zugrunde gelegt wird dabei ein weiter Begriff des wirtschaftlichen Wettbewerbs, und zwar im Sinne eines Konkurrierens mehrerer Wirtschaftssubjekte auf einem Markt 5 . Um zu einer verbindlichen Klärung des Begriffes der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit zu kommen, muß von den vorfindbaren Erscheinungsformen wirtschaftsbezogenen Staatshandelns ausgegangen werden, da all diesen staatlichen Verhaltensweisen gemein ist, daß sie unmittelbar oder mittelbar den Wettbewerb betreffen und so fur den Untersuchungsgegenstand Bedeutung gewinnen. Zu nennen6 sind hier vor allem die eigene wirtschaftliche Tätigkeit des Staates und die Wirtschaftslenkung 7. Diesem folgt eine Kategorienbildung, mit deren Hilfe häufig wiederkehrende Arten der Einwirkung des Staates auf den Wettbewerb erfaßt werden können. Nach dieser "Bestandsaufnahme" gilt es, die Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit zu untersuchen und damit die Frage nach einer eventuell bestehenden "Wirtschafts- bzw. Wettbewerbsfreiheit" des Staates und deren Herkunft zu klären. Kann eine Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit bejaht werden, so sind einheitliche verhaltensrechtliche Grenzen zu entwickeln, wobei die Frage nach einer möglichen Aktualisierung der Grundrechte sowie des "klassischen" Wettbewerbsrechts im Mittelpunkt stehen soll. Den Abschluß bildet dann die Rechtswegproblematik.
5
Ähnlich Kluthy S. 7; zu den Schwierigkeiten bei Definitionsversuchen Rittner, Wirtschaftsrecht, § 14 Rn. 21 ff. 6 Vgl. allgemein zur staatlichen Einflußnahme auf die Wirtschaft Stober, WiVerwR, S. 161 ff. Die Bezeichnung der einzelnen wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Kategorien wird im Schrifttum nicht einheitlich vorgenommen, vgl. nur Püttner, WiVerwR, S. 26; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rn. 797 ff.; Stober, WiVerwR, S. 161 ff.; Weimar/ Schimikowskiy Grundzüge, S. 154 ff. 7 Zur Terminologie s. nur Stober, Handbuch, S. 574 ff., 595 f., 652 ff.
Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit I. Erscheinungsformen wirtschaftlicher Tätigkeit (nach herkömmlicher Betrachtungsweise) Unter wirtschaftlicher Tätigkeit ist die eigene Teilnahme des Staates oder seiner Untergliederungen am Wettbewerb auf einem Markt als Anbieter zu verstehen1. Seine Tätigkeit als wirtschaftendes Subjekt nimmt der Staat insbesondere durch "öffentliche Unternehmen" wahr 2. Zu klären ist daher zunächst einmal, was sich hinter diesem Begriff verbirgt und ob eventuell schon die Begriffsklärung wettbewerbsrechtliche Grenzziehungen zuläßt oder zumindest andeutet3.
1. Kein "typisches" öffentliches Unternehmen Sieht man sich allein die Vielfalt der Rechts- und Erscheinungsformen an4, ahnt man bereits die Schwierigkeiten, die eine einheitliche und doch alle Erscheinungsformen umfassende Begriffsbildung bereitet.
a) Gesetzliche Ansätze Dem nationalen Recht ist eine einheitliche Legaldefinition fremd, so daß wenigstens dahin gehend Einigkeit besteht, daß es keinen fur alle Rechtssubjekte einheitlichen Begriff des öffentlichen Unternehmens gibt5. Während sich das Grundgesetz zu diesem generellen Begriff ausschweigt, findet sich ein (erster) Hinweis dafür im supranationalen Recht, und zwar in Art. 90 Abs. 1 EG-Vertrag 6. Zwar enthält diese Norm ebenfalls keine näherere Be-
1
Badura, in: von Münch/Schmidt-Aßmann, BesVerwR, 3. Abschn., Rn. 109; ders., FS Schlochauer, S. 3 f.; Schock, DÖV 1993, 377 (379); vgl. auch R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 505. 2 Ehlers, JZ 1990, 1089 (1092). 3 Diesen Ansatz verfolgt auch Schachtschneider, Staats unternehmen, S. 291 ff. 4 Vgl. dazu nur den Überblick bei Janson y Rechtsformen, S. 140 ff. 5 Ehlers, JZ 1990, 1089 (1092). 6 EGV i.d.F. v. 7.2.1992, BPA-Bull. Nr. 16/1992, S. 113 ff.
I. Erscheinungsformen wirtschaftlicher Tätigkeit
23
griffsbestimmung und betrifft öffentliche Unternehmen nur mittelbar, indem den europäischen Mitgliedstaaten Maßnahmen nach den Art. 7, 85-94 EG-Vertrag 7 untersagt werden, doch hilft Art. 2 der zu Art. 90 E(W)G-Vertrag ergangenen Transparenzrichtlinie 8 dem Rechtsanwender mit einer Begriffsbestimmung: Danach ist "öffentliches" Unternehmen jedes Unternehmen, auf das eine Gebietskörperschaft "aufgrund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß ausüben kann". Bei aller - ständig zunehmenden - Durchdringung des nationalen Rechts von EG-rechtlichen Vorschriften besitzt dieser Art. 2 der Transparenzrichtlinie weder Verbindlichkeit, noch bietet er bereits einen brauchbaren Begriff für die nachfolgende Untersuchung, da beispielsweise die wettbewerbsrelevante Tätigkeit von Nichtgebietskörperschaften ebensowenig wie die nicht von der öffentlichen Hand beherrschten Unternehmen9 Berücksichtigung fände. Erfolgversprechender scheint ein Blick auf nationale einfachgesetzliche Erwähnungen. Dieses "Gestrüpp verschiedenartigster Regeln und Ausnahmen"10 bietet nur selten einen Anhaltspunkt, was denn unter einem öffentlichen Unternehmen zu verstehen sein soll. An dieser Stelle sollen lediglich zwei neuere Gesetze zu diesem Begriff ein wenig näher befragt werden. In § 1 Abs. 2 Postverfassungsgesetz 11 findet der Begriff "öffentliches Unternehmen" Verwendung, und in Zusammenschau mit § 2 Abs. 1 S. 2 PostVerfG läßt sich erschließen, daß der Begriff die Teilsondervermögen des Sondervermögens Deutsche Bundespost meint. Interessanterweise finden sich in den §§12 ff., 16 ff. PostVerfG auch Organisationsgrundsätze für diese öffentlichen Unternehmen. Angesichts der Beschränkung des Gesetzes auf das Gebiet des Post- und Fernmeldewesens (§ 1 Abs. 1 S. 1 PostVerfG) und nicht zuletzt aus kompeten-
7
Art. 7: Übergangszeit für Gemeinsamen Markt; Art. 85 ff.: Wettbewerb s regeln. Richtlinie v. 25.6.1980 (80/723 EWG), ABl. Nr. L 195/35. 9 Also die bloßen Vermögensbeteiligungen, derer sich allein im Berich des Bundesministers der Finanzen über die Beteiligungen des Bundes reichlich finden. 10 Püttner y Die öffentlichen Unternehmen, S. 22; Püttner bietet - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - einen Überblick über die öffentliche Unternehmen betreffende Gesetzgebung (S. 16-22). 11 Gesetz über die Unternehmens Verfassung der Deutschen Bundespost - PostVerfG - v. 8.6.1989, BGBl. I S. 1026. Dieses Gesetz ist im Zuge der Postreform II und der damit verbundenen Neustrukturierung der Postunternehmen durch Art. 13 § 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz - PTNeuOG) v. 14.9.1994, BGBl. I S. 2325, bereits wieder aufgehoben worden. 8
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
tiellen Gründen12 sind Verallgemeinerungen und die Gewinnung charakterisierender Merkmale nicht möglich. Auch ein anderes neueres Bundesgesetz, das Bundesdatenschutzgesetz13, enthält in §§ 2 Abs. 4, 12 Abs. 2 Nr. 1, 27 Abs. 1 Nr. 2 begriffliche Anhaltspunkte. Spricht das BDSG von "öffentlich-rechtlichen Unternehmen", so meint das Gesetz nur öffentlich-rechtlich organisierte Unternehmen, wie sich aus der Gegenüberstellung von nichtöffentlichen und öffentlichen Stellen in § 27 Abs. 1 BDSG unter Heranziehung der Legaldefinition in § 2 Abs. 4 S. 1 BDSG ergibt. Der Gesetzgeber hat hier also ersichtlich auf die Organisationsform für seine Kategorisierung abgestellt. Des weiteren sieht der Gesetzgeber die Teilnahme am Wettbewerb offensichtlich als konstituierendes Merkmal an (vgl. § 27 Abs. 1 Nr. 2 a und b BDSG). Schließlich läßt sich aus der Normsystematik noch ableiten, daß der Gesetzgeber von einer Gleichstellung bzw. Gleichbehandlung öffentlicher und privater Unternehmen ausgeht, da der dritte Abschnitt des BDSG nichtöffentliche Stellen 14 und "öffentlich-rechtliche Wettbewerbsunternehmen" einem einheitlichen Regime unterwirft. Für ein öffentliches Unternehmen im Sinne des BDSG ist somit die Organisationsform sowie die Teilnahme am Wettbewerb begriffskonstituierend. Diese Aussagen haben jedoch wiederum sehr begrenzte Geltungskraft, da sie nur auf den in § 1 Abs. 2 BDSG normierten Bereich (Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten) bezogen werden können und ohnehin keine wettbewerbsrelevanten Vorgaben machen. Festzuhalten bleibt bei einem Blick auf die gesetzlichen Ansätze, daß eine allgemeingültige gesetzliche Begriffsbestimmung nicht existiert15.
b) Begriffsbestimmungen
in Rechtsprechung und Literatur
In einem weiteren Schritt ist nun darzulegen, inwieweit es Rechtsprechung und Literatur gelungen ist, einen möglichst einheitlichen Begriff des öffentlichen Unternehmens herauszubilden.
12
Vgl. dazu unten C I 2 e. BDSG v. 20.12.1990, BGBl. I S. 2954. 14 Vgl. die Legaldefinition in § 2 Abs. 4 S. 1 BDSG; gemeint sind also im hier interessierenden Zusammenhang private Unternehmen, sofern sie nicht als "Beliehene" tätig werden, § 2 Abs. 4 S. 2 BDSG. 15 Ein Faktum, das auch Janson y Rechtsformen, S. 336, in seinem Entwurf eines eigenen Gesetzes für öffentliche Unternehmen veranlaßt, in § 1 Abs. 2 eine Legaldefinition zu verankern. 13
I. Erscheinungsformen wirtschaftlicher Tätigkeit
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Bereits bei einem Blick auf den täglichen Sprachgebrauch deutet sich angesichts der Vielgestaltigkeitdes Unternehmensbegriffes eine dementsprechende Begriffs· und Meinungsvielfalt an: Die Verwendung des Wortes in Begriffen wie Unternehmensform, Unternehmensstruktur, Unternehmerrisiko, Unternehmenspolitik oder Unternehmensphilosophie bereitet auch bei rechtlich unbefangenem Verständnis große Schwierigkeiten beim Auffinden einer einheitlichen, allen Verwendungen zugrundeliegenden Definition. So verwundert es nicht, daß rechtswissenschaftliche Erfassungsbemühungen nach Anleihen in wirtschaftswissenschaftlichen Begriffsbestimmungen suchten16, schnell jedoch feststellen mußten, daß wirtschaftswissenschaftliche Bemühungen um modellhafte Formulierungen der Interdependenzen von Entscheidungs- und Handlungsträgern wenig fruchtbar waren 17. Denn diese enthalten nur wenige, zumeist sehr allgemeine Aussagen und genügen daher dem rechtswissenschaftlichen Streben nach größtmöglicher Begriffsschärfe - dem Mittel zur richtigen Rechtsfolgeentscheidung nicht18. Ist somit zwar die Unbrauchbarkeit eines rein wirtschaftswissenschaftlichen Begriffes schnell erkannt 19, bereitet das Bestimmen eines rechtswissenschaftlichen Begriffes noch nicht weniger Schwierigkeiten. Bereits der Sinn der Bemühungen um einen einheitlichen Begriff wird in Frage gestellt und verneint 20. Andere Stimmen hingegen teilen zwar die Bemühungen, leugnen aber im Ergebnis die Existenz eines einheitlichen Begriffes der öffentlichen Unternehmen21. Becker beispielsweise lehnt eine allgemeingültige Definition mangels Präzision ab, da dabei nicht mehr als eine "inhaltsarme Umschreibung" herauskäme22, ordnet dafür aber öffentliche Unternehmen als eigenständige Handlungsform ein, wenn die öffentliche Hand sie als Instrument zur Verwirklichung ihrer Politik einsetze23. Für die rechtliche Erfassung ist damit jedoch nichts gewonnen, da der phänotypische Begriff "öffentliche Unternehmen" durch eine Handlungsformenkategorie ersetzt wird, die aus sich heraus ebensowenig verständlich ist und keinerlei bessere Handhabbarkeit aufweist. Mit der überwiegenden Ansicht teilt Schachtschneider den Ausgangspunkt, einen Begriff des öffentlichen Unternehmens als Ansatz für eine Eingrenzung des
16
Gandenberger, Unternehmen, S. 25. Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 14; Gandenberger, Unternehmen, S. 25; Weber, S. 7 f. 18 Backhaus y Öffentliche Unternehmen, S. 14; Gandenberger, Unternehmen, S. 25. 19 Emmerich y Wirtschaftsrecht, S. 49 f. 20 Steindorff y Wirtschaftsrecht, S. 57. 21 Becker y DÖV 1984, 313 (321); Schachtschneider y Staats unternehmen, S. 463. 22 Beckery DÖV 1984, 313 (321). 23 Becker, DÖV 1984, 313 (317). 17
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
staatlichen Verhaltens, das dem Wettbewerbsrecht unterliegt, fruchtbar zu machen24. Anhand einer beispielhaften Auseinandersetzung mit den von Püttner 25 entwickelten Merkmalen eines Unternehmensbegriffes gelangt er aber zu dem Ergebnis, daß ein einheitlicher Begriff nicht zu finden sei26, aus einem solchen Begriff aber ohnehin kein Kriterium für eine wettbewerbsrechtliche Beurteilung dieses spezifischen Staatsverhaltens herzuleiten sei27. Sieht man diese Begründung vor dem Hintergrund von Schachtschneiders Prämisse, daß mangels Gleichberechtigung am Markt und fehlender Zielkongruenz ein Wettbewerbsverhältnis28 zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen ohnehin ausgeschlossen sei29, ist die Verneinung wettbewerbsrechtlicher Auswirkungen eines Unternehmensbegriffes nur konsequent, mit der Folge, daß Schachtschneider auf weitere Definitionsbemühungen verzichten kann. Der überwiegende Teil der Literatur hingegen bemüht sich um eine Bestimmung des Begriffes. Kluth 30 meint sogar ein allen Definitionsversuchen gemeinsames Element entdeckt zu haben: die organisatorische Verselbständigung der Wirtschaftseinheit 31. Doch finden sich ohne weiteres Stimmen, die eine derartige Eigenständigkeit gerade nicht als begriffskonstituierend ansehen32. Im übrigen bietet sich ein diffuses Bild. Gefordert wird eine wertschöpfende Tätigkeit in einem Wirtschaftszweig 33, innerhalb des Unternehmens eine wirtschaftliche Arbeitsmethode sowie nach außen die Teilnahme am geschäftlichen Verkehr 34. Diese Wirtschaftseinheit soll
24 Schachtschneider y Staats unternehmen, S. 291; so auch Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 23 ff. 25 Püttner y Die öffentlichen Unternehmen, S. 23 ff. 26 Schachtschneider y Staatsunternehmen, S. 463. 27 Schachtschneider y Staatsunternehmen, S. 302. 28 I.S.d. § 1 UWG; zu diesem Begriff noch näher unten Β IV 1. 29 Schachtschneider y Staatsunternehmen, S. 302 und 465. 30 Grenzen kommunaler Wettbewerbsteilnahme, S. 6. 31 Ebenso Püttner y Die öffentlichen Unternehmen, S. 34; Janson y Rechtsformen, S. 19; Wenger y S. 263 ff., insbes. S. 294 f.; Eichhorny in: Brede/von Loesch (Hrsg.), Unternehmen, S. 15 f.; Lindner, S. 22; Schricker, S. 4; Schmidt- J or tzig, Kommunalrecht, Rn. 664; Rocke y S. 34; Müller-Henneberg y NJW 1971, 113 (117); Gusy y JA 1995, 166 (167). 32 Emmerichy in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 98 Rn. 45; anders aber ders.y Wirtschaftsrecht, S. 63; Weber, S. 21; wohl auch Badura y FS Schlochauer, S. 3. 33 Püttner y Die öffentlichen Unternehmen, S. 32; Janson y Rechtsformen, S. 20 f.; Wenger y S. 323 ff., insbes. S. 347 f.; Badura y FS Schlochauer, S. 3 f.; Schricker, S. 4; Schmidt-Jortzigy Kommunalrecht, Rn. 665; Rocke, S. 32. 34 BGHZ 43, 108 (111); Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 32; Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 63; Janson y Rechtsformen, S. 21; Badura t FS Schlochauer, S. 4;
I. Erscheinungsformen wirtschaftlicher Tätigkeit
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ein Leistungsangebot an die Allgemeinheit erbringen 35 bzw. Fremdbedarf dekken 3 6 . Ob dies begriffskonstituierend entgeltlich zu geschehen hat 3 7 oder gerade nicht 3 8 , beides wird vertreten. Als wesentlich wird angesehen, daß ein kaufmännischer Geschäftsbetrieb mit entsprechender Risikobehaftung besteht 39 , wobei es nicht auf eine bestimmte Rechtsform ankommen soll 40 . Eine größere Rolle wird der Dauerhaftigkeit der Unternehmung zugemessen41. Heftig gestritten wird um die Frage, ob Gewinnerzielung bzw. wenigstens die Eignung dazu unternehmensbildendes Merkmal ist 4 2 oder gerade nicht 4 3 , ohne an diesem Punkt Aussagen über die Zulässigkeit einer solchen Gewinnerzielung(sabsicht) zu machen 44 . Gleiches gilt für das Problem, ob eine besondere (öffentliche) Zielsetzung erforderlich ist 4 5 . Teilweise wird auch auf das sog. Popitz-Kriterium zurückgegriffen 46 . Darunter versteht man die vom ehemaligen preußischen Finanzminister Johannes Popitz aufgestell-
Riechmann, AfK 22 (1983), 226 (227); Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 665; Weber, S. 21 f.; Lindner, S. 22. 35 Wenger, S. 348 ff., insbes. S. 368; Müller-Henneberg, NJW 1971, 113 (116). 36 Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 665; Rocke, S. 35 f. 37 Rocke, S. 35 m.w.N.; Wenger, S. 323 und 347. 38 Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 665. 39 Wenger, S. 295 ff., insbes. S. 311; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 665; Rocke, S. 37 f. 40 Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 98 Rn. 44; Janson, Rechts formen, S. 19 f.; Βadura y FS Schlochauer, S. 3; Riechmann, AfK 22 (1983), 226 (227); Weber, S. 21 f.; Scholz, ZHR 132 (1969), 97 (127). 41 Wenger, S. 312 ff., insbes. S. 321; Schricker, S. 4; Kluth, S. 6; Rocke, S. 33; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 664; ders., Eildienst LKT NRW 1989, 73 (74); ablehnend Müller-Henneberg y NJW 1971, 113 (115); Gandenberger, Unternehmen, S. 106; Schwarz, S. 73. 42 BVerwGE 39, 329 (333); Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 121; Schnettler, Öffentliche Betriebe, S. 21 m.w.N.; Steenbock, in: Klein (Hrsg.), Lehrbuch des öffentlichen Finanzrechts, VIII Rn. 282. 43 Riechmann, AfK 22 (1983), 226 (227); Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 665; ders. f Eildienst LKT NRW 1989, 73 (74); Weber, S. 22 f.; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 29; Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 53 f.; Rocke, S. 44; //.//. Klein, Teilnahme, S. 80; S. 323 f.; Müller-Henneberg, NJW 1971,113 (115); LiWn^r, S. 22; differenzierend Schwarz, S. 88. 44 Dazu unten C I 3. 45 Bejahend: Wenger, S. 400 ff., insbes. S. 412 ff.; verneinend: Janson, Rechtsformen, S. 23; Schricker, S. 4. 46 BVerwGE 39, 329 (333); BayVGH DÖV 1958, 216 (218); Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 88, 121; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 665.
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatsttigkit
te 47 und in § 86 Abs. 1 Preußisches Gemeindefinanzgesetz 48 übernommene Definition, nach der ein (öffentliches bzw. gemeindliches) wirtschaftliches Unternehmen dann vorliege, wenn es auch von einem Privaten mit Aussicht auf Erfolg betrieben werden könnte. Weiterhin werden die Ausstattung mit Eigenkapital und eine eigene Buchführung, d.h. also finanzwirtschaftliche Verselbständigung als ein Wesensmerkmal angesehen49, ebenso eine gewisse Eigenverantwortlichkeit und Weisungsfreiheit bei betrieblichen Entscheidungsabläufen50. Ebenso soll es auf die organisatorische Beherrschung51, eine öffentlich-rechtliche Kontrolle 52 und die Unterstellung unter ein öffentliches Budgetrecht ankommen53.
2. Regiebetrieb Nur in Gemeinden anzutreffen ist der Regiebetrieb, der organisatorisch lediglich eine Unterabteilung der allgemeinen Gemeindeverwaltung darstellt54. Angesichts dieser fehlenden ausreichenden organisatorischen Verselbständigung wird zum Teil die Eigenschaft als wirtschaftliches Unternehmen bestritten55, doch wird man bei Zugrundelegung eines funktionalen Unternehmensbegriffes auch den Regiebetrieb aufgrund seiner wirtschaftlichen Aufgaben und seiner zumindest innerbehördlichen Abtrennung von der übrigen Verwaltung als wirtschaftliches Unternehmen verstehen dürfen 56. Durch die Eingliederung in den regulären Verwaltungsablauf besteht allerdings kein wesentlicher Unterschied zum bloßen Mitvollzug einer wirtschaftlichen Betätigung im Rahmen der normalen Verwaltungsgeschäfte 57, so daß man auch eher von einem modifizierten Verwalten denn einem unternehmerischen
47
Popitz, S. 46 ff. PrGFG v. 15.12.1933, GS S. 442. 49 Eichhorn, in: Brede/von Loesch (Hrsg.), Unternehmen, S. 15; Κ luth, S. 105. 50 Wenger, S. 295; Eichhorn, in: Brede/von Loesch (Hrsg.), Unternehmen, S. 15. 51 Wenger, S. 434 ff., insbes. S. 471; Rocke, S. 42. 52 Wenger, S. 471 ff., insbes. S. 485 f. 53 Wenger, S. 414 ff., insbes. S. 433 f. 54 Pagenkopf, Wirtschaftsrecht, S. 160; Schmidt-]ortzig, Kommunalrecht, Rn. 672; Schmidt-Aßmann, in: von Münch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, 1. Abschn., Rn. 124. 55 Rocke, S. 54; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 696; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 510 f. 56 So auch BVerwGE 39, 329 (333); Pagenkopf, Wirtschaftsrecht, S. 160; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 59. 57 Kluth, S. 13 f. 48
I. Erscheinungsformen wirtschaftlicher Tätigkeit
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Wirtschaften sprechen kann58. Die Modifikation wird haushaltsrechtlich dadurch deutlich, daß dem Regiebetrieb die Mittel global durch den Haushaltsplan zur Verfügung gestellt werden, nicht im Wege der Einzelveranschlagung59. Der Verwaltungseinbindung entsprechend gibt es keine Spezialvorschriften, die wettbewerbliche Verhaltensanforderungen aufstellen. Wirtschaftlich gesehen ist der Regiebetrieb als Rechtsform heute weitgehend bedeutungslos60, da die wegen der engen Versvaltungseinbindung fehlende betriebliche Entscheidungs- und Finanzautonomie ein unternehmerisches Wirtschaften stark erschwert 61 und ein Bestehen in der Konkurrenz mit privaten Mitbewerbern so nicht möglich ist. Deshalb findet man den Regiebetrieb als Rechtsform - mit weiterhin rückläufiger Tendenz - nur noch für kleine Versorgungsund Hilfsbetriebe sowie Teile öffentlicher Einrichtungen wie z.B. Schwimmbäder, gemeindeeigene Fuhrparks und Werkstätten etc.
3. Eigenbetrieb Auch diese öffentlich-rechtliche Sonderform eines nicht-rechtsfahigen Unternehmenstyps62 kommt nur im kommunalen Bereich vor, ist dort sogar als Standardform wirtschaftlicher Betätigung gedacht63. Kennzeichen des Eigenbetriebs sind die rechtliche Unselbständigkeit und die damit wiederum verbundene Einordnung in die Verwaltungshierarchie, andererseits aber - und hier liegt der wesentliche Unterschied zu dem Regiebetrieb - auch eine vermögensmäßige, rechnungsmäßige und haushaltsrechtliche Selbständigkeit, die eine gewisse Autonomie in Entscheidungsfindung und Betriebsfuhrung zulassen64. Die Gemeinde bleibt somit zwar Träger von Rechten und Pflichten, organisatorisch und finanzwirtschaftlich ist aber eine deutliche Trennung von der Gemeindeverwaltung festzustellen 65.
58
Janson, Rechts formen, S. 152. Janson, Rechts formen, S. 152. 60 Janson, Rechtsformen, S. 152; Kluth, S. 14; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 59. 61 Janson, Rechts formen, S. 152. 62 R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 510; Schmidt-Aßmann, in: von Münch/SchmidtAßmann (Hrsg.), BesVerwR, 1. Abschn., Rn. 126. 63 Schmidt-Aßmann, in: vonMünch/Schmidt-Aßmann(Hrsg.), BesVerwR, 1. Abschn., Rn. 124; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 702. 64 Pagenkopf\ Wirtschaftsrecht, S. 161 f.; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 60. 65 Kluth, S. 14; Schmidt-Aßmann, in: von Münch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, 1. Abschn., Rn. 126; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 697. 59
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
Je nach Sichtweise wird der Eigenbetrieb wegen seiner vermögensrechtlichen Verselbstandigung teilweise dem finanzrechtlichen Begriff der "Sondervermögen" zugeordnet66, während überwiegend aufgrund der Ansammlung von Sachund Personalmitteln der Eigenbetrieb organisationsrechtlich als unselbständige öffentliche Anstalt der Gemeinde begriffen wird 67 . Das Kommunalrecht definiert die Eigenbetriebe als wirtschaftliche Unternehmen der Gemeinde ohne Rechtspersönlichkeit68 und gestaltet ihre Organisation näher in Eigenbetriebsgesetzen und -Verordnungen aus69. Diese Spezialvorschriften regeln Organisation, Kontrolle, Rechnungslegung - teilweise in Anlehnung an das HGB - und schaffen so die gewisse Selbständigkeit gegenüber der Gemeindeverwaltung70, enthalten aber keine Aussagen über wettbewerbsrechtliche Grenzen, die den Eigenbetrieben zu ziehen wären. Zu finden ist diese Rechtsform insbesondere bei Verkehrs- und Versorgungsbetrieben auf kommunaler Ebene. Doch auch bei den Eigenbetrieben nimmt die praktische Relevanz dieser Rechtsform ständig ab, da ein ungebrochener Trend der Umwandlung zu privatrechtlichen Gesellschaften zu beobachten ist 71 . Angenähert sind den Eigenbetrieben auf Bundesebene die Bundesbetriebe gem. § 26 Abs. 1 BHO 72 , von denen das wohl bekannteste Beispiel die Bundesdruckerei war 73 .
66
Janson y Rechtsformen, S. 152; Steenbock, in: Klein (Hrsg.), Lehrbuch des öffentlichen Finanzrechts, VIII Rn. 275 und 285. 67 Rocke, S. 53; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 510; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 697; Wolff/Bachof/Stober, VwR II, § 98 Rn. 26. 68 Z.B. § 106 GO SH; für die anderen Bundesländer vgl. die Nachweise bei SchmidtAßmann, in: von Münch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, 1. Abschn., Rn. 126 Fn. 413. 69 Näher dazu mit Nachweisen für die landesrechtlichen Regelungen Zeiss, Das Eigenbetriebsrecht kommunaler Betriebe, passim. 70 Janson, Rechtsformen, S. 153 f.; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 510. 71 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 60; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 510 m.w.N. in Fn. 52; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 702. 72 Witke/Schachel, WiVerw. 1978, 95 (100). 73 Die Bundesdruckerei ist mittlerweile als GmbH organisiert; Alleingesellschafter ist derzeit noch der Bund. Lt. Jahreswirtschaftsbericht 1995 der Bundesregierung, S. 44, wird aber mittelfristig auch eine materielle Privatisierung, d.h. ein Anteils verkauf an Private, angestrebt. Zu diesem Privatisierungsvorhaben ausfuhrlich Laux, in: Biernat u.a. (Hrsg.), Grundfragen, S. 285 ff. - Weitere Beispiele bei Dommach, in: Heuer (Hrsg.), KHR, § 26 BHO Rn. 1.
I. Erscheinungsformen wirtschaftlicher Tätigkeit
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4. Sondervermögen Ähnlichkeiten mit den kommunalen Eigenbetrieben weisen - insbesondere aufgrund der vermögensrechtlichen Verselbständigung74 - die Sondervermögen auf 75 , die auf Bundes- und Landesebene anzutreffen sind. Bei diesen handelt es sich um abgesonderte Teile des Bundes- bzw. Landesvermögens als selbständige Wirtschaftseinheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die allerdings - insoweit anders als Eigenbetriebe - durch gesonderte Parlamentsgesetze geschaffen werden können76. In Rede steht damit aber lediglich eine gesonderte finanz- bzw. haushaltsrechtliche Kategorie, keine eigenständige organisationsrechtliche Kategorie 77. Aus organisationsrechtlichem Blickwinkel wird es sich in der Regel um eine Anstalt handeln78. Aufgrund der nicht eben geringen Bedeutung dieser Unternehmen rechtfertigt es sich, die Sondervermögen als einen eigenen Bereich zu verstehen. Auf Bundesebene fanden sich im Jahre 1990 16 Sondervermögen79, von denen die Deutsche Bundespost und die Deutsche Bundesbahn die wohl bekanntesten waren. Da die Errichtung eines Sondervermögens in der Regel durch ein Gesetz erfolgt, existiert zu den Sondervermögen in der Regel ein Errichtungsgesetz, das die nähere Ausgestaltung (Bezeichnung, Aufgabe, Finanzierung, Bewirtschaftung, Rechnungslegung, Kontrolle usw.) übernimmt80. Dabei finden sich zum Teil auch wettbewerbsbezogene Verhaltensanforderungen, so z.B. in § 4 Abs. 1 PostVerfG.
5· Anstalt Eine typische öffentlich-rechtliche Organisationsform fur ein öffentliches Unternehmen stellt die Anstalt des öffentlichen Rechts dar. Herkömmlich wird die Anstalt als Bestand von persönlichen wie sachlichen Mitteln verstanden, die in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung liegen und einem bestimmten
74
Janson, Rechts fo rmen, S. 152. Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 210; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 60; Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 84 Rn. 20. 76 Dommach, in: Heuer (Hrsg.), KHR, § 26 BHO Rn. 3; Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, Rn. 20; Vogt, in: Klein (Hrsg.), Lehrbuch des öffentlichen Finanzrechts, III Rn. 104. 77 Rudolf ; in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 56 Rn. 23. 78 Wolff/Bachof/Stober, VwR II, § 98 Rn. 12, zum Beispiel Bundespost. 79 Auflistung bei Heuer, in: ders. (Hrsg.), KHR, § 113 BHO Rn. 2. 80 Fundstellen bei Heuer, in: ders. (Hrsg.), KHR, § 113 BHO Rn. 2. 75
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
öffentlichen Zweck dauernd zu dienen bestimmt sind81. Es handelt sich also um einen von dem sog. Anstaltsträger gegründeten eigenständigen - bei der rechtsfähigen Anstalt auch rechtlich selbständigen - Verwaltungsträger, der nicht verbandsmäßig organisiert ist und zur dauerhaften Verfolgung konkreter öffentlicher Aufgaben bestimmt ist82. Neben der organisatorischen Zusammenfassung von Verwaltungsmitteln ist fur die Anstalt kennzeichnend, daß sie Benutzer und keine - wie die Körperschaft - Mitglieder hat83. Anstaltsträger ist deijenige Träger hoheitlicher Gewalt, der durch oder aufgrund eines Gesetzes die Anstalt errichtet, den Zweck der Anstalt bestimmt und die von ihm verfolgten öffentlichen Zwecke mit Hilfe der Anstalt in die Rechtswirklichkeit umsetzt84. An dieser Auslagerung von Verwaltungstätigkeit wird auch deutlich, warum die Anstalt als Organisationsform für öffentliche Unternehmen geeignet ist: Sie ist ausreichend von ihrem Träger verselbständigt, um im wirtschaftlichen Verkehr dementsprechend verhältnismäßig flexibel handeln zu können, andererseits ist sie von ihrem Träger voll Steuer- und kontrollierbar und kann so auf die Verwaltungszwecke verpflichtet werden. In organisatorischer Hinsicht ähnelt sie den kommunalen Eigenbetrieben, weist aber in der Regel einen höheren Grad an Selbständigkeit auf 85. Je nach rechtlicher Selbständigkeit, Organisation, Zweck, Nutzbarkeit oder anderen Kategorisierungskriterien läßt sich eine Vielzahl von wirtschaftlichen Unternehmungen dem Anstaltsbegriff zuordnen, und auch bei einer Unterscheidung nach dem Träger findet sich eine größere Anstaltsvielfalt, beispielsweise auf der Bundesebene die Bundesbank86, auf Länderebene die Landesbanken oder auf kommunaler Ebene die kommunalen Sparkassen87.
81
So die klassische Definition von Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht II, S. 468; Hatscheky Institutionen, S. 432. Dieser folgend auch Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 212; Rüfiier, Formen, S. 113 ff., 252 f., 344 f. 82 Janson, Rechtsformen, S. 165; Rudolf \ in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 56 Rn. 15; Wolff/BachofYStober, VwR II, § 98 Rn. 6. Zu beachten ist, daß der Anstaltsbegriff verschieden weit gezogen wird. Ganz anders Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 61, der Anstalten und Körperschaften gleichsetzt. 83 BVerfGE 10, 354 (362); Rudolf in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 56 Rn. 15; Wolff /Bachof/Stob er y VwR II, § 98 Rn. 13; Maurer, AllgVerwR, § 23 Rn. 47. 84 BGHL 24, 83 (88 f.); Rudolf in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 56 Rn. 16; Wolff/Bachof/Stober, VwR II, § 98 Rn. 8. 85 Püttner y Die öffentlichen Unternehmen, S. 61. 86 Vgl. Art. 88 GG und das die Bundesbank errichtende Gesetz über die Deutsche Bundesbank - BBankG - i.d.F.v. 22.10.1992, BGBl. I S. 1782. 87 Vgl. die Sparkassengesetze der Länder sowie ausfuhrlich Claussen, S. 21 ff.; Weber y S. 147 ff.
I. Erscheinungsformen wirtschaftlicher Tätigkeit
33
Im Gemeindewirtschaftsrecht könnte eine "Renaissance" der Anstalt bevorstehen: Der bayerische Gesetzgeber hat mit den Art. 96 ff. GO Bay n.F. 88 einen neuen Unternehmenstyp bereitgestellt, der als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts konzipiert ist89. Erstmalig in der Nachkriegsgeschichte90 wird damit eine neue öffentlich-rechtliche Organisationsform generell eingeführt, die - wie ihre rechtliche Ausgestaltung zeigt (vgl. insbes. Art. 96 Abs. 1 S. 3, Abs. 2, Abs. 3, Art. 97 GO Bay n.F.) - die an privatrechtlichen Organisationsformen gerühmte Selbständigkeit und Flexibilität mit öffentlich-rechtlichen Vorzügen wie etwa besserer Steuerungs- und Kontrollmöglichkeit kombiniert 91. Hervorzuheben ist insoweit insbesondere die in Art. 96 Abs. 2 GO Bay geregelte Möglichkeit, dem Kommunalunternehmen92 Aufgaben der Gemeinde ganz oder teilweise zu übertragen und ihm sogar die Satzungs- und Verordnungsbefugnis der Gemeinde einzuräumen. Mit Recht fuhrt aber Janson 93 aus, daß der organisationsrechtliche Begriff der Anstalt zwar eine Subsumtion zahlreicher staatlicher Unternehmungen im Bereich der Wirtschaft erlaubt, eine solche Zusammenfassung jedoch angesichts der begrifflichen Weite und zahlreichen Variationsmöglichkeiten nur zur "Abstraktion auf hoher Ebene" fuhrt, vor allem aber eben eine organisationsrechtliche, keine organisatorische Kategorie bildet. So lassen sich nicht einmal Grundsätze zu den inneren Kompetenz- und Funktionswirkungskreisen aufstellen angesichts der Ausgestaltungsfreiheit des Anstaltsträgers, geschweige denn nach außen wirkende allgemeine wettbewerbsrechtliche Grenzen. Es bleibt nur, den gleichen Befund wie bei den Sondervermögen zu konstatieren: Von einigen Spezialvorschriften abgesehen, gibt es kein allgemeines anstaltliches Verhaltensrecht.
6. Körperschaft Eine weitere öffentlich-rechtliche Organisationsform bei der wirtschaftlichen Betätigung des Staates steht mit der Körperschaft des öffentlichen Rechts zur Verfügung. Wird die Körperschaft in der Regel im Rahmen einer Erörterung der
88 89
Eingefügt durch G. v. 26.7.1995, GVB1. S. 376. Zur Neuregelung Mann, NVwZ 1996, 557 f.; Schulz, BayVBl. 1996, 97 ff.,
129 ff. 90
Der bayerischen Regelung vorausgegangen sind allerdings Umwandlungen bestimmter Eigenbetriebe in rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts, und zwar in Berlin (GVB1. 1993 S. 319) und Hamburg (GVB1. 1994 S. 79 und 435). 91 S. zu den Beweggründen für die neue Regelung sowie zur Einzelausgestaltung ausführlich Schulz, BayVBl. 1996, 129 ff. 92 So die offizielle Bezeichnung, Art. 96 Abs. 1 S. 1 GO Bay. 93 Rechtsformen, S. 165. 3 Schliesky
34
Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
Verwaltungsorganisation als Verwaltungsträger dargestellt94, so besteht doch bei Zugrundelegung eines funktionalen Unternehmensbegriffes kein Zweifel, daß auch Körperschaften bei entsprechender Ausrichtung als öffentliche Unternehmen anzusehen sind95. Definiert wird die Körperschaft des öffentlichen Rechts als mitgliedschaftlich verfaßter und vom Mitgliederwechsel unabhängig bestehender, mit Hoheitsgewalt ausgestatteter Verwaltungsträger 96, der durch Hoheitsakt errichtet wird 97 . Beispiele für sich wirtschaftlich betätigende Körperschaften sind auf Bundesebene die Krankenkassen98, auf Landesebene die Industrie- und Handelskammern 99 sowie auf kommunaler Ebene die wirtschaftlichen Zweckverbände, deren Organisation, Betriebsführung und Rechnungslegung zum Teil den kommunalen Eigenbetrieben nachgebildet ist 100 . Die wirtschaftlichen Zweckverbände sind ein Zusammenschluß von Gemeinden, Ämtern und/oder Kreisen in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit101, denen einzelne oder mehrere zusammenhängende (wirtschaftliche) Aufgaben der öffentlichen Verwaltung übertragen sind102. Im Gegensatz zu den übrigen öffentlich-rechtlichen Rechtsformen wirtschaftlicher Staatstätigkeit ist den Zweckverbänden zumindest hinsichtlich der potentiellen Mitglieder ein nicht unerheblicher Freiraum eingeräumt, da auch natürliche Personen und/oder juristische Personen des Privatrechts Mitglieder sein können, wenn die Erfüllung der Verbandsaufgaben dadurch gefördert wird und Gründe des öffentlichen Wohls nicht
94
Vgl. nur Rudolf in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 56 Rn. 6 ff. Dies wird auch in Rechtsprechung und Literatur unproblematisch so gesehen: BGHL 67, 81 (84); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 914; Badura, ZHR 132 (1969), 448 (448 f.); Gandenberger, Unternehmen, S. 43; Scholz, ZHR 132 (1969), 97 (128). 96 Rudolf in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 56 Rn. 11; Wolff/Bachof/ Stober, VwR II, § 84 Rn. 12. 97 Rudolf in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 56 Rn. 10; Wolff/Bachof/ Stober, VwR II, § 84 Rn. 14, mit einer Auflistung der möglichen verschiedenen Hoheitsakte bei Rn. 15. 98 Aufzählung bei Ruland y in: von Münch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, 7. Abschn., Rn. 219 f. 99 Vgl. Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern - IHKG - v. 18.12.1956, BGBl. I S. 920. 100 Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 707 f. mit landesrechtlichen Nachweisen; Wolff/Bachof/Stober, VwR II, § 91 Rn. 1, 5; Ehlers, JZ 1990, 1089 (1092). 101 S. § 4 Gesetz über kommunale Zusammenarbeit Schleswig-Holstein - GkZ SH i.d.F. d. Bek. v. 2.4.1990, GVOB1. S. 216. 102 § 2 Abs. 1 GkZ SH. S. dazu Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 708; Stober, Kommunalrecht, S. 170 ff.; Waechter y Kommunalrecht, Rn. 86. 95
I. Erscheinungsformen wirtschaftlicher Tätigkeit
35
entgegenstehen103, wodurch ein unangemessener Einfluß privater Interessen verhindert werden soll104. Letztlich haben aber wohl die Bindung der Haushaltsund Wirtschaftsführung an die Vorschriften des Gemeinderechts, insbesondere an die gemeinhin als zu "starr" empfundenen Vorschriften für Eigenbetriebe105, dazu geführt, daß der wirtschaftliche Zweckverband eher ein Schattendasein in der kommunalen Wirtschaft führte 106. Ein Bedeutungszuwachs könnte allerdings im Zusammenhang mit der Regionalisierung des Öffentlichen Personennahverkehrs anläßlich der "Bahnreform" 107 eintreten - erste Anzeichen deuten darauf hin 108 . Wenn nicht gerade ein Spezialgesetz die Errichtung und die Rechtsstellung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts regelt, dem wettbewerbliche Verhaltensanforderungen zu entnehmen sind109, so ist ein spezielles körperschaftliches Wettbewerbsrecht nicht auszumachen. Besonderheiten in haushaltsrechtlicher Hinsicht regeln lediglich die §§ 105 ff. BHO.
7. Stiftung 110
Eher selten anzutreffen sind bei öffentlichen Unternehmen die Stiftungen des öffentlichen Rechts. Diese sind selbständige Verwaltungsträger, die mit einem Kapital- oder Sachbestand zweckgebunden Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfüllen 111. Als charakteristische Wesensmerkmale der Stiftung lassen sich demnach das Stiftungsvermögen, der (öffentliche) Stiftungszweck sowie die organisatorische Selbständigkeit anführen 112. In der Existenz eines fest umrissenen Stiftungszwecks ist auch die Ursache fur die seltene Verwendung dieser Rechtsform im Bereich der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates zu sehen: Die Erträge des Stiftungsvermögens sind ausschließlich für den Stiftungszweck zu
103
§ 2 Abs. 2 S. 2 GkZ SH. Von Mutius/Rentschy KommunalverfassungsrechtSH, § 2 GkZ Rn. 2. 105 §§ 14 Abs. 1, 15 Abs. 3 S. 1 GkZ SH. 106 S. Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 708. 107 S.u. C I 2 e bb (5). 108 Vgl. Süddeutsche Zeitung v. 20./21.1.1996, S. 21. 109 BVerwGGRUR 1992,453 (454), zu § 1 Abs. 1IHKG (Existenzgründungsberatung einer IHK); OLG Stuttgart WRP 1991, 531 (533), zum baden-württembergischen Kammergesetz (Rechtsweg für Klagen gegen Apothekerkammer). Die Vorschriften über kommunale Zusammenarbeit liefern insofern allenfalls mit dem Verweis auf das Gemeindewirtschaftsrecht einen Beitrag. 110 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 61 Fn. 62. 111 § 46 LVwG SH; Rudolf, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 56 Rn. 20; Maurer, AllgVerwR, § 23 Rn. 55. 112 Backhaus y Öffentliche Unternehmen, S. 259; Janson } Rechts formen, S. 150. 104
36
Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
verwenden 113, wobei der Stiftunszweck enger umrissen und bindender vorgegeben ist als beispielsweise der öffentliche Zweck bei der Anstalt114. Dies bedeutet konkret also, daß Gewinnabführungen an den Stifter oder andere Verwaltungsträger nicht möglich sind und deshalb die Stiftung als Rechtsform uninteressant machen. Ein weiterer Nachteil ist, daß der Stiftungszweck nur durch einen dem Errichtungsakt gleichrangigen, u.U. also sogar gesetzgeberischen Akt geändert werden kann115 und so - wirtschaftlich betrachtet - eine Reaktion auf veränderte Marktanforderungen nur in sehr begrenztem Umfang zuläßt und damit wirtschaftlich flexibles Verhalten quasi unmöglich macht116. Weitere Kritik an der Stiftung als Rechtsform fur ein öffentliches Unternehmen wird wegen der fehlenden Kontrollierbarkeit geübt117. An diesen Schwachpunkten ändert sich auch bei der Gründung einer privatrechtlichen Stiftung nichts, die immerhin theoretisch denkbar ist 118 . Marginale Bedeutung erlangt die Stiftung noch am ehesten auf kommunaler Ebene als örtliche Stiftung, die auch als nicht-rechtsfähige Einheit denkbar ist 119 .
8. Eigengesellschaft Bei dieser Unternehmensform handelt es sich um eine von einem Verwaltungsträger gegründete juristische Person des Privatrechts, vor allem in der gesellschaftsrechtlichen Form der Aktiengesellschaft oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung 130. Das Präfix "eigen" bezieht sich also auf den staatlichen
1,3
Rudolf in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 56 Rn. 22. Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 261. 115 Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 261. 116 Die Eignung der Stiftung als Rechtsform für ein wirtschaftliches Unternehmen ist sowohl im Privatrecht als auch im öffentlichen Recht umstritten, vgl. Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 262 ff. m.w.N. 1,7 Janson y Rechts formen, S. 150 f., bemerkt, daß aufgrund der fehlenden Publizitätserfordernisse sowie unzureichender Kontrollmöglichkeiten gegenüber der Geschäftsführung die Stiftung eher ein Mittel zur Umgehung unerwünschter wirtschaftlicher Folgen einer gesellschaftsrechtlichen Rechtsform denn eine geeignete Unternehmensform sei; in diesem Sinne auch Backhaus f Öffentliche Unternehmen, S. 263 f. 118 Janson y Rechtsformen, S. 150. 119 Vgl. z.B. § 96 GO SH; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 677, sieht diese Stiftungen als "nichtwirtschaftlich" an. 120 Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 225 f.; Kluth y S. 16; Pagenkopf\ Wirtschaftsrecht, S. 179. 114
I. Erscheinungsformen wirtschaftlicher Tätigkeit
37
Träger, d.h. einen Verwaltungsträger als alleinigen Gesellschafter, Aktionär etc. 1 2 1 . Sind noch weitere Rechtssubjekte beteiligt, handelt es sich um ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen oder eine Beteiligung 122 . Wohl nicht zuletzt wegen der gesetzlich geforderten Begrenzung der EinZahlungsverpflichtung in § 65 Abs. 1 Nr. 2 B H O sind A G und G m b H die am häufigsten anzutreffenden Gesellschaftsformen 123 , denkbar und - wenn auch selten - anzutreffen sind aber auch andere Gesellschaftsformen wie z.B. die G m b H & Co. K G , die K G a A , Genossenschaften 124 u . a . 1 2 5 . Voraussetzung ist bei diesen Gesellschaftsformen dann aber jeweils, daß die Haftung des sich beteiligenden Verwaltungsträgers im voraus auf einen bestimmten Betrag begrenzt w i r d 1 2 6 . D i e Eigengesellschaft läßt sich als Ergebnis des Trends zur sog. "Flucht ins Privatrecht" bezeichnen 127 . Für diese "Organisationsprivatisierung " 1 2 8 und die konkrete Wahl der Gesellschaftsform spielen verschiedene Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte eine Rolle, die zum Teil aber auch auf Fehlvorstellungen des Verwaltungsträgers beruhen 129 . Z u beobachten ist jedenfalls eine "technisch
121
Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 39; Nesselmüller, S. 25; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 62; Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR III, § 84 Rn. 24 m.w.N. in Fn. 81; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 724. 122 Dazu sogleich unten 9 und 10. 123 Janson, Rechts formen, S. 142; Schmidt-Aßmann y in: von Münch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), 1. Abschn., Rn. 125. 124 Vgl. § 65 Abs. 5 BHO. 125 Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 227; Loeser, System des Verwaltungsrechts II, § 10 Rn. 146; Rudolf, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 56 Rn. 24; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 717; a.A. für die OHG Stober, NJW 1984, 449 (451). 126 Schmidt-Aßmann, BB 1990 (Beil. 34), 1 (2); Soldner, in: Heuer (Hrsg.), KHR, § 65 BHO Rn. 19. 127 Ehlers, JZ 1990, 1089 (1092); Janson, Rechtsformen, S. 140 f.; kritisch zu diesem Begriff von Gamm, WRP 1984, 303 (303), unter Hinweis auf Grupp, ZHR 140 (1976), 367 (377). - Der Begriff ist von Fleiner, Institutionen, S. 326, geprägt worden. - Die Möglichkeiten einer privatisierenden Umwandlung sind durch die §§ 168 ff. Umwandlungsgesetz - UmwG - v. 28.10.1994, BGBl. I S. 3210, noch verbessert worden, vgl. Steuck, NJW 1995, 2887 (2887). - Der bayerische Gesetzgeber hat für den Bereich der Gemeindewirtschaft den Versuch unternommen, mit dem "Kommunalunternehmen" (Art. 96 ff. GO Bay n.F.) einen Unternehmenstyp bereitzustellen, der als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts die privatrechtlichen Vorzüge größerer Selbständigkeit und Flexibilität mit den öffentlich-rechtlichen Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten kombiniert. 128
Zu diesem Begriff Schoch, DÖV 1993, 377 (378). Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 62; Wilke/Schachel y WiVerw. 1978, 95 (101); zu den Gründen Ehlers, JZ 1990, 1089 (1092); Engellandt, S. 6 ff.; Grätzel, NJW 1995, 373 (374); Stober, NJW 1984, 449 (452). 129
38
Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatsttigkeit
motivierte" 130 Verselbständigung innerhalb der Verwaltungsorganisation. Dabei findet zwar keine Kompetenz-, wohl aber eine Aufgabenwahrnehmungsverlagerung in eine privatrechtlich organisierte Einheit statt131. Deshalb bleibt die Tätigkeit der Eigengesellschaft auch Verwaltung im funktionellen Sinn, die aber eben durch privatrechtlich organisierte Einheiten durchgeführt wird 132 . Organisation und Rechnungswesen unterliegen aber als Folge der privatrechtlichen Gesellschaftsform den Bestimmungen des Gesellschaftsrechts, das allerdings einige wenige Besonderheiten aufweist 133. Ob diese privatrechtlich organisierte Verwaltung auch den gleichen wettbewerblichen Verhaltensanforderungen unterliegt wie jede andere (rein) privatrechtliche Gesellschaft, bleibt aber gerade zu untersuchen. Ein spezielles Wettbewerbsrecht nur für Eigengesellschaften gibt es jedenfalls nicht.
9· Gemischt-wirtschaftliches Unternehmen Auch in dieser Kategorie bedient sich ein Verwaltungsträger für seine wirtschaftliche Tätigkeit einer privatrechtlichen Gesellschaftsform. Anders als bei der Eigengesellschaft befindet sich jedoch das Gesellschaftsvermögen nicht allein in der Hand des Verwaltungsträgers, sondern auch in der von Privatleuten 134. Die Besonderheit liegt hier also in der Zusammenarbeit von öffentlichem und privatem Kapital unter einem durch die Rechtsform bestimmten gemeinsamen Dach 135 . Dabei steht der schon bei den Eigengesellschaften erwähnte Fächer gesellschaftsrechtlicher Formen auch bei der Gründung gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen zur Verfügung, so daß das gemischt-wirtschaftliche Unternehmen zwischen einer rein privatrechtlichen Gesellschaft und einer Eigengesellschaft anzusiedeln ist 136 . Wegen der Beteiligung privaten Kapitals sind öffentlichrechtliche Rechtsformen nicht möglich - mit einer Ausnahme, der Beteiligung Privater in kommunalen Zweckverbänden137.
130
Kluth, S. 21. Kluth, S. 20. 132 Rudolf,; in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 56 Rn. 24; Stober, NJW 1984, 449 (454). 133 Nesselmüller y S. 26; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 61 f.; Sonderbestimmungen bilden z.B. die §§ 122 Abs. 2 S. 2, 101 Abs. 2, 359, 394 f. AktG. Vgl. auch § 53 HGrG. 134 Statt vieler Emmerich, Wirtschafts recht, S. 39; Schmidt-Aßmann y BB 1990 (Beil. 34), 1 (2). 135 Rüfher y Formen, S. 186. Zur historischen Entwicklung vgl. Fett, S. 24 ff. 136 Schmidt-Aßmann, BB 1990 (Beil. 34), 1 (2). 137 Vgl. z.B. § 2 Abs. 2 S. 2 GkZ SH. Der Zweckverband ist gem. § 4 GkZ SH Körperschaft des öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit. 131
I. Erscheinungsformen wirtschaftlicher Tätigkeit
39
Je nach beteiligten Subjekten und deren Einflußmöglichkeiten läßt sich eine weitere Unterteilung der gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen vornehmen138: Ist ein Verwaltungsträger zusammen mit Privatpersonen Eigentümer des Gesellschaftskapitals, spricht man von einem gemischt-privaten Unternehmen 139, teilen sich mehrere juristische Personen des öffentlichen Rechts das Gesellschaftskapital, läßt sich dies als gemischt-öffentliches Unternehmen bezeichnen 140 . Ein Konzern schließlich ist die Zusammenfassung mehrerer Beteiligungs- und/oder Eigengesellschaften unter einem gesellschaftsrechtlichen Dach 141 . Beipiele für derartige Konzerne der öffentlichen Hand 142 finden sich insbesondere auf Bundesebene143, z.B. die Saarbergwerke AG, die allein 20 wesentliche Beteiligungen des Bundes verwaltet 144, oder die Industrieverwaltungsgesellschaft AG (IVG) mit zehn wichtigen unmittelbaren Beteiligungen145. Ausgangspunkt der Betrachtungen war und ist aber das "öffentliche Unternehmen"; es stellt sich daher die Frage, bis zu welcher Beteiligungsquote noch von einem gemischt-privaten Unternehmen gesprochen werden kann und ab wann es sich nur noch um eine bloße Kapitalbeteiligung handelt146. Für die Antwort ist richtigerweise auf die Art des Einflusses der öffentlichen Hand abzustellen. Von staatlichem Einfluß läßt sich nur dann sprechen, wenn der Verwaltungsträger die
138 Hier herrscht z.T. einige Begriffsverwirrung, vgl. nur Fett, S. 12 ff.; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 26; Stober, NJW 1984, 449 (452). 139 Kluth, S. 21; Stober, NJW 1984, 449 (452); anders Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 26: gemischt-wirtschaftlich. 140 Kluth, S. 21; Nesselmüller, S. 25; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 26; Schmidt-Aßmann, BB 1990 (Beil. 34), 1 (2); Stober, NJW 1984, 449 (452). 141 Stober, NJW 1984, 449 (452). 142 Eine andere Frage ist es, ob auch der Staat als solcher ein Konzern i.S.d. Rechts der verbundenen Unternehmen ist. Zu dieser Problemstellung vgl. nur Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, S. 47 ff.; Hohrmann, Der Staat als Konzernunternehmer, passim. 143 Einen Überblick über die gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen unter Beteiligung des Bundes kann man dem regelmäßig erscheinenden "Bericht über die Beteiligungen des Bundes im Jahre 19.." entnehmen, der aber nur eine Übersicht über unmittelbare und bedeutendere mittelbare Beteiligungen des Bundes und der Sondervermögen ERP, Deutsche Bundespost TELEKOM, Deutsche Bundespost POSTDIENST, Deutsche Bundespost POSTBANK, Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn bietet - vgl. Bericht über die Beteiligungen des Bundes 1991, S. IV. Auf Länderebene gibt es vergleichbare Berichte teilweise, obwohl auch hier die öffentliche Hand z.T. an bedeutenden Unternehmen Beteiligungen besitzt, die eine Qualifizierung als öffentliches Unternehmen - dazu gleich im Text - nach den hier vertretenen Kriterien erlauben. Als Beispiel sei nur auf die Landesbanken verwiesen. 144 Bericht über die Beteiligungen des Bundes 1991, S. 35. 145 Bericht über die Beteiligungen des Bundes 1991, S. 37. 146 Dazu unten 10.
40
Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
Unternehmensziele maßgeblich (mit)bestimmen kann. Ein dem Begriff "öffentliches Unternehmen" unterfallendes gemischt-wirtschaftliches - genauer: gemischtprivates - Unternehmen liegt daher nur dann vor, wenn die öffentliche Hand eine juristische Person oder auch mehrere zusammen - einen beherrschenden Einfluß auf das Unternehmen aufgrund der Beteiligungsverhältnisse ausüben kann. Dafür ist in der Regel die Kapitalmehrheit erforderlich, es genügt aber auch eine Minderheitsbeteiligung, wenn eine faktische Beherrschung gewährleistet ist 147 . Um eine praktikable Abgrenzung zwischen einem gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen und einer bloßen Beteiligung zu ermöglichen, bedarf es aber noch präziserer Kriterien 148. Ausgangspunkt ist - wie eben schon angedeutet - die Mehrheit an einem Unternehmen im Sinne einer die Unternehmenspolitik bestimmenden Einflußmöglichkeitoder - mit anderen Worten - eines beherrschenden Einflusses. Der Grundgedanke fur die Zuordnung einer Kapitalbeteiligung des Staates oder eines anderen Verwaltungsträgers zu der Kategorie eines "öffentlichen Unternehmens" ist nach hier vertretener Auffassung, daß eine maßgebliche Einflußnahme wenigstens im Sinne einer faktischen Autonomie erforderlich ist, um letztlich das Handeln einer juristischen Person des Privatrechts einem Verwaltungsträger zurechnen zu können149. Dies ergibt sich aus einer einfachen Überlegung: Nur dort, wo der Staat etwaige Einwirkungsverpflichtungen 150 kraft Verfassung oder Gesetzes auch tatsächlich umsetzen und objektiv erfüllen kann, läßt sich das Handeln einer juristischen Person des Privatrechts
147
BGHZ 69, 334 (347); Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 59; Gusy, JA 1995, 166 (168): Mehrheit der Stimmrechte, wenn die Kapitalbeteiligungsverhältnisse davon abweichen; Janson y Rechts formen, S. 24; Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 84 Rn. 28 f.; im Erg. auch Wilke/Schachely WiVerw. 1978, 95 (102). 148 § 271 Abs. 1 S. 3 HGB liefert zwar eine Definition, wonach eine Beteiligung erst Anteile an einer Kapitalgesellschaft sind, deren Nennbeträge insgesamt 20 % des Nennkapitals dieser Gesellschaft überschreiten. Diese Definition kann hier aber keinen Geltungsanspruch erheben, da sie nur für die Bilanzerstellung gilt und ihr Sinn sich darin erschöpft, daß klargestellt wird, welche Kapitalanteile bei der Bilanzerstellung nach § 266 Abs. 2 HGB unter diesem eigenständigen Posten der Bilanz aufzuführen sind. 149 Kochy S. 152; R. Schmidt y Wirtschaftsrecht, S. 504. Insoweit ist die staatliche Beherrschung eben auch konstitutives Begriffsmerkmal eines "öffentlichen Unternehmens". 150 Ob bei einem gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen eine Einwirkungsverpflichtung auch aus Grundrechten von betroffenen Konkurrenten oder Kunden in Betracht kommen kann oder ob das gemischt-wirtschaftliche Unternehmen vielmehr selbst grundrechtsberechtigt ist, bedarf erst später der Erörterung. Die phänotypische Frage der Erscheinungsformenöffentlicher Unternehmen und die damit verbundene (formale) Kategorisierung sind von der Frage nach der (materiellen) Grundrechtsfahigkeit oder Grundrechtsbindung - entgegen Kochy S. 145 ff. - zu trennen.
I. Erscheinungsformen wirtschaftlicher Tätigkeit
41
dem Staat zurechnen und - nach der hier vorgenommenen Begriffsbildung - von einem öffentlichen Unternehmen sprechen. Für die Umsetzung einer solchen Einwirkungsverpflichtung ist ein beherrschender Einfluß - aufgrund welcher rechtlichen Stellung auch immer - erforderlich 151, um die Geschäftspolitik beeinflussen zu können und das Handeln als Staatshandeln erscheinen zu lassen. Bei der näheren Bestimmung des beherrschenden Einflusses hilft das Aktienund Konzernrecht weiter 152: Die Begriffe der Mehrheitsbeteiligung, des beherrschenden Einflusses und der Abhängigkeit sind im Aktiengesetz enthalten (§§16 ff., 308 ff. AktG) und auf das engste miteinander verknüpft 153. Legt man den aktienrechtlichen Maßstab zugrunde, so ergibt sich folgendes: Ein beherrschender Einfluß besteht bei abhängigen Unternehmen, § 17 Abs. 1 AktG. Dabei ist unerheblich, ob der beherrschende Einfluß unmittelbar oder mittelbar ausgeübt werden kann. Das Gesetz selbst knüpft in § 17 Abs. 2 AktG eine Vermutung für die Abhängigkeit an das Bestehen einer Mehrheitsbeteiligung. Eine solche kann nach § 16 Abs. 1 AktG eine Kapitalmehrheits- oder eine Stimmrechtsmehrheitsbeteiligung sein154. Eine exakte Kapital- oder Stimmrechtsquote läßt sich nicht angeben, da der Zusammenhang von der entsprechenden Quote zu dem beherrschenden Einfluß je nach Rechtsform des Unternehmens variieren kann 155 . Allgemein kann ein beherrschender Einfluß daher dann angenommen werden, wenn es dem herrschenden Teilhaber möglich ist, die gesetzlichen oder satzungsmäßigen Organe des Unternehmens zu besetzen und mittels dieser über die Unternehmens· und Geschäftspolitik zu bestimmen156. Hinsichtlich des beherrschenden Einflusses sind allerdings die Möglichkeiten und Grenzen der Einflußnahme aufgrund des Rechts der jeweiligen Gesellschafts-
151
Ähnlich die überwiegende Meinung in Frankreich, vgl. Jarass, AöR 106 (1981), 403 (407). Zutreffend der Hinweis von Loeser y System des Verwaltungsrechts II, § 10 Rn. 147, auf den weiten gesellschaftsrechtlichen Organisationsrahmen, dessen Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf den Gesellschaftsvertrag einen starren Blick auf die formalen Beteiligungsverhältnisse nicht zulassen. 152 Zur Anwendbarkeit des Konzernrechts auch auf juristische Personen des öffentlichen Rechts BGHL 69, 334 ff.; Hohrmann, Der Staat als Konzernunternehmer, passim; von Mutius/Nesselmüller y NJW 1976, 1878 ff. 153 Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, S. 58. 154 Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, S. 53; Geßler, in: ders u.a. (Hrsg.), AktG, § 16 Rn. 4 ff. 155 Emmerich/Sonnenschein y S. 56; Geßler y in: ders u.a. (Hrsg.), AktG, § 17 Rn. 25 f. Bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung sind etwa Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag denkbar. 156 Emmerich/Sonnenschein y Konzernrecht, S. 58 f.; Geßler, in: ders. u.a. (Hrsg.), AktG, § 17 Rn. 27.
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
form und des Konzernrechts (etwa § 311 Abs. 1 AktG) zu beachten157. Der beherrschende Einfluß kann auch aus einem Beherrschungsvertrag resultieren 158 oder sich nach den Regeln über den faktischen Konzern richten. Unerheblich ist bei alledem, ob sich der beherrschende Einfluß auf eine unmittelbare oder nur eine mittelbare Beteiligung zurückfuhren läßt, wie sich aus § 53 Abs. 2 S. 2 HGrG, §§ 65 Abs. 3, 67 S. 2 BHO ergibt 159, solange nur eine rechtliche Sicherung des beherrschenden Einflusses existiert 160. Das Abstellen auf den beherrschenden Einfluß, der in der Regel mit einer Mehrheitsbeteiligung verbunden ist, ermöglicht eine praktikable Feststellung, wann ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen noch als öffentliches Unternehmen angesehen werden kann. Unterstützt wird der Praktikabilitätsgedanke durch die Mitteilungspflichten der §§20 ff. AktG, wonach bei dem Erwerb von Anteilen in bestimmter Höhe der eintretende Aktionär oder Gesellschafter dies der Gesellschaft mitteilen muß. Da die Mitteilungspflicht bereits bei 25 % der Anteile einsetzt, besteht darin auch eine Regelung, die publizitätswirksam Rechtsklarheit fur die Frage der Eigenschaft als öffentliches Unternehmen schafft. Eine Kapitalquote, die unter den genannten Kriterien zurückbleibt, ist dann eine bloße (Kapital-)Beteiligung161. Zu den wettbewerbsrechtlichen Grenzen, die gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen gezogen sind, läßt sich das gleiche wie zu den Eigengesellschaften feststellen: Ein spezielles Unternehmensrecht nur fur diese Rechtsform sucht man vergebens, und ob die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Grenzen allein aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Form uneingeschränkte Anwendung wie bei
157
Zu den diesbezüglichen Unterschieden zwischen AG und GmbH: Janson, Rechtsformen, S. 142 ff.; Koch, S. 153 ff., 188 f.; Rüfner, Formen, S. 257 ff. 158 Rüfner, Formen, S. 261, bewertet diese Möglichkeit allerdings sehr zurückhaltend, da er unter Hinweis auf § 308 Abs. 1 S. 2 AktG Weisungen zur Durchsetzungeines öffentlichen Interesses, die fur die angewiesene Gesellschaft nachteilig ist, für nicht möglich hält. Andere Bewertung bei Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 135 ff., 144. 159 Ebenso Schmidt-Aßmann, BB 1990 (Beil. 34), 1 (2). 160 Ebenso Schricker, S. 12; im Erg. auch Koch, S. 188 f. Zu einer Übersicht der möglichen Beherrschungsmittel s. Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, S. 61 ff.; Geßler, in: ders. u.a. (Hrsg.), AktG, § 17 Rn. 38 ff. 161 A.A. Niehuhr, S. 6 f.; Schmidt-Aßmann, BB 1990 (Beil. 34), 1 (2), der auch Beteiligungen dem Begriff des gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens zuordnen will, "um die ganze Breite der sich in gemeinsamen Unternehmen vollziehenden Begegnungen von Privatwirtschaft und öffentlicher Hand rechtlich angemessen zu erfassen". Dabei übersieht er jedoch, daß bei unterbleibender Zuordnung nicht die rechtliche Faßbarkeit i.S.d. wirtschaftlichen Tätigkeit verlorengeht. Vielmehr hat die Höhe der Beteiligung durchaus Konsequenzen für die rechtliche Behandlung, was auch eine differenzierte Kategorisierung gebietet.
I. Erscheinungsformen wirtschaftlicher Tätigkeit
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rein privaten Unternehmen finden, wird sich erst im Laufe der Untersuchung beantworten lassen.
10. Beteiligung Unterschiedlich vorgenommen wird die Abgrenzung des gemischt-wirtschafitlichen Unternehmens von einer bloßen Kapitalbeteiligung eines Verwaltungsträgers an einem Unternehmen. Eine Beteiligung wird zum Teil sogar angenommen, wenn dem Staat sämtliche Anteile eines Unternehmens gehören (nach hier vertretener Begriffsbildung eine Eigengesellschaft) oder er über 50 % des Grundoder Stammkapitals hält (hier als gemischt-wirtschaftliches Unternehmen verstanden), solange die Kapitaleinlage eine Dauerbeziehung zu dem Unternehmen begründet162. Ausgehend von den zu dem gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen genannten Kriterien und der hier vorgenommenen Einordnung des gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens als "öffentliches Unternehmen" liegt eine Beteiligung vor, wenn der Staat oder ein sonstiger Verwaltungsträger Eigentum am Kapital einer privatrechtlichen Gesellschaft hat, das keine Mehrheit bildet - auch nicht zusammen mit anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder anderen öffentlichen Unternehmen - und auch keine faktische Beherrschung als Minderheitsbeteiligter erlaubt 163. Eine Beteiligung läßt sich mangels nachweisbaren Einflusses des Verwaltungsträgers somit nicht mehr als öffentliches Unternehmen bezeichnen. Allerdings bleibt der Akt der Kapitalbeteiligung selbst Teilnahme am Wirtschaftsverkehr. Bei der Kaufentscheidung (eines Verwaltungsträgers oder eines öffentlichen Unternehmens) wie auch bei ihrer Umsetzung in die Rechtswirklichkeit handelt es sich jedoch um Nachfragetätigkeit, die angesichts des Untersuchungsgegenstandes nicht näher beleuchtet werden muß.
11. Zwischenergebnis Die Betrachtung der einzelnen organisationsrechtlichen Erscheinungsformen wirtschaftlicher Staatstätigkeit hat ergeben, daß für die einzelnen Rechts- und Organisationsformen keine spezifischen, an die einzelnen Erscheinungsformen knüpfenden verhaltensrechtlichen Grenzen gelten.
162
Soldner, in: Heuer (Hrsg.), KHR, § 65 Rn. 12. In diesem Sinne auch Janson, Rechtsformen, S. 24; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 26. Ohne näheres Eingehen auf die Problematik auch VGH Kassel DÖV 1996, 476 (477) = NVwZ 1996, 816 (817). 163
44
Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatsttigkeit
IL Wirtschaftslenkung Eine weitere wirtschaftsverwaltungsrechtliche Kategorie, in der staatliche Einwirkungen auf den Wettbewerb zu beobachten sind und die damit dem Untersuchungsgegenstand unterfallt, ist die sog. Wirtschaftslenkung. Der Begriff der Wirtschaftslenkung ist zwar allgemein gebräuchlich, doch über den Inhalt des Begriffes und seine Weite gehen die Meinungen auseinander. Ein weiter Definitionsansatz faßt in dieser Kategorie alle staatlichen Maßnahmen zusammen, die eine Einwirkung auf den wirtschaftlichen Prozeß hervorrufen sollen, um einen insbesondere wirtschafts- oder sozialpolitisch erwünschten Zustand des Wirtschaftslebens zu erreichen oder zu erhalten 164. Bei dieser Begriffsweite ergibt sich zwangsläufig eine Vermischung mit den teilweise ebenfalls eigenständig geführten Kategorien Wirtschaftsüberwachung bzw. -aufsieht und dem Subventionswesen165, die zwanglos als staatliche Maßnahmen zwecks Einwirkung auf den wirtschaftlichen Prozeß anzusehen sind und auch zur Erreichung oder Erhaltung eines wirtschafts-, gesellschafts- oder sozialpolitisch erwünschten Erfolges dienen sollen. Um dem Begriff der Wirtschaftslenkung wenigstens in Abgrenzung zur Wirtschaftsüberwachung eine gewisse Konturenschärfe zu verleihen, wird teilweise die Wirtschaftslenkung auf Maßnahmen mit gesamtwirtschaftlicher Zielrichtung beschränkt166. Ein anderer Begrenzungsversuch sieht nur staatliche Maßnahmen, durch die unmittelbar in Wirtschaftsprozesse steuernd eingegriffen wird, als Wirtschaftslenkung an 167 . Bei der begrifflichen Unschärfe verwundert es nicht, daß auch über die zur Verfugung stehenden Mittel der Wirtschaftslenkung keine abschließende Klarheit
164 BVerwGE 71, 183 (190); Badura, in: von Münch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, 3. Abschn., Rn. 77; Stober, WiVerwR, S. 182; Weimar/Schimikowski, Grundzüge, S. 154. 165 Badura, in: von Münch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, 3. Abschn., Rn. 71, 79, führt diese Bereiche trotz der weiten Definition der Wirtschaftslenkung gesondert auf; ebenso unterscheidet Stober y Handbuch, Wirtschaftslenkung (S. 654 f.) und Wirtschaftsförderung (S. 680) nach der Ausgestaltung als Eingriffs- oder LeistungsVerwaltung, grenzt von diesen aber die Wirtschaftsüberwachung (S. 619 f.) ab. 166 Gröschner, S. 66; Rittner, Wirtschaftsrecht, § 22 Rn. 1. 167 Rinck/Schwarky Wirtschaftsrecht, Rn. 797. Trotz dieser Definition werden von Rinck/Schwark y Wirtschaftsrecht, Rn. 915 ff., auch Unternehmensbeteiligungen und nach der hier vertretenen Terminologie - gemischt-wirtschafliche Unternehmen als Mittel der Wirtschaftslenkung angesehen, obwohl dem Staat hier nur die Möglichkeit mittelbarer Beeinflussung an die Hand gegeben ist.
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
45
besteht168. Eindeutig zuordnen lassen sich finale Instrumente wie Gesetz (insbesondere in Form der sog. Marktordnungen) und Verwaltungsakt169. Schwierigkeiten bereiten aber die - gerade zunehmend gewählten170 - Formen mittelbarer Beeinflussung, vor allem öffentliche Unternehmen. Ob diese zu dem Instrumentarium wirtschaftslenkender Maßnahmen zählen171 oder nicht 172 , wird nicht einheitlich beantwortet. Da beide Verhaltensweisen des Staates sich auf den Wettbewerb auswirken, stellt sich die Frage nach dem genauen Verhältnis der Wirtschaftslenkung zur wirtschaftlichen Tätigkeit durch öffentliche Unternehmen. Diese kann hinsichtlich des Untersuchungsgegenstandes nicht unbeantwortet bleiben, denn läßt sich eine trennscharfe Abgrenzung vornehmen, bleibt dies möglicherweise nicht ohne Auswirkung auf die wettbewerbsrechtliche Behandlung der Kategorien. Eine klare Abgrenzung und Kategorisierung könnte dementsprechend Grenzziehungen fur staatliche Verhaltensweisen in Bezug auf den Wettbewerb finden helfen. Der Versuch einer Abgrenzung ist daher in einem nächsten Schritt zu unternehmen.
I I I . Abgrenzung der Wirtschaftslenkung gegenüber der wirtschaftlichen Tätigkeit Eine eindeutige Trennung der beiden Bereiche wird nur selten vorgenommen 173 ; überwiegend sieht man öffentliche Unternehmen auch als Mittel der Wirtschaftslenkung an, das eingesetzt wird, um in marktwirtschaftlich problematischen Bereichen überhaupt Marktwirtschaft bzw. Wettbewerb zu ermöglichen oder zu gewährleisten, insbesondere also den "Ausfall" von Privatunternehmen und der damit verbundenen wettbewerblichen Steuerungsmechanismen zu kompensieren174. Bildlich dargestellt scheinen der herrschenden Meinung damit
168
Vgl. aber die umfangreiche Übersicht und die Kategorisierungsbemühungen bei Stober, Handbuch, S. 658 ff. 169 Die Figur eines "wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Verwaltungsaktes" hebt besonders Badura, in: von Münch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, 3. Abschn., Rn. 87 ff., hervor. 170 Weimar/Schimikowski, Grundzüge, S. 154. 171 So Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 42; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 127; Rinck/Schwark y Wirtschaftsrecht, Rn. 915 ff.; Schricker, S. 216; Stober, Handbuch, S. 674; ders. y WiVerwR, S. 187; Weimar/Schimikowski, Grundzüge, S. 234; je nach Einwirkungseffekt des Staates differenzierend Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 27. 172 So Rittner y Wirtschaftsrecht, § 22 Rn. 12. 173 Rittner y Wirtschaftsrecht, § 22 Rn. 12, der allerdings einräumt, daß die Grenzziehung Schwierigkeiten bereitet und bislang nicht zufriedenstellend geleistet wurde ( § 1 0 Rn. 4). 174 Etwa Stober, Handbuch, S. 674.
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
zwei sich überschneidende Kreise vorzuschweben, die sich jedoch nicht decken, da die wirtschaftliche Betätigung durch öffentliche Unternehmen weiterhin als eigenständige wirtschaftsverwaltungsrechtliche Kategorie gefuhrt wird.
1. Zielsetzung Ein Anhaltspunkt für eine Rechtfertigung der Unterscheidung kann in der unterschiedlichen Zielsetzung, die der Staat oder seine Untergliederungen mit der Wahl der einen oder anderen Kategorie verfolgen, gesucht werden. Doch auch hier beginnen die Schwierigkeiten, eine griffige Zusammenfassung der Zielsetzungen beider Bereiche zu finden. Die Wirtschaftslenkung zielt - von wirtschaftswissenschaftlicher Warte aus - auf die Beeinflussung von Produktion und Distribution der Volkswirtschaft ab 175 . Diese sehr allgemein gehaltene Zielsetzung beschreibt eher die tatsächliche Auswirkung als denn eine Ziel- oder Zwecksetzung, die in der Vorstellung von einem gesamtwirtschaftlichen Idealzustand besteht, den es mit den Mitteln der Wirtschaftslenkung zu gestalten oder zu erhalten gilt. Dieser gesamtwirtschaftliche Idealzustand wiederum wird durch wirtschafts-, gesellschafts- und soùaìpolitische Vorstellungen, insbesondere der Regierungsverantwortung tragenden Kräfte, bestimmt. Als Rahmen sind dabei nur wenige rechtliche Vorgaben einzuhalten176. Da jedenfalls die wirtschaftspolitische Wirklichkeit nicht die Erreichung dieses wie auch immer definierten gesamtwirtschaftlichen Idealzustandes durch eine zentrale Lenkung anstrebt177, findet die Ansteuerung des gesamtwirtschaftlichen Idealzustandes durch der Wirtschaftslenkung vorgegebene konkrete, verhältnismäßig eng gefaßte Zielvorstellungen statt178. Diese Zielvorstellungen umsetzende konkrete Maßnahmen sollen - wobei auch die Erzielung lediglich kurzfristiger Effekte durchaus beabsichtigt sein kann - die Wirtschafts-
175
E.-R. Huber, WiVerwR II, S. 197; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 299. Inwieweit das Grundgesetz "wirtschaftspolitisch neutral" ist oder doch dem sich wirtschaftlich oder wirtschaftslenkend betätigenden Staat Grenzen zieht, soll an dieser Stelle nicht vertieft werden. Darauf ist später noch zurückzukommen. Eine rechtliche gesamtwirtschaftliche Vorgabe besteht jedenfalls in der Verpflichtung auf die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts i.S.d. Art. 109 Abs. 2 GG bzw. zur möglichst optimalen Verwirklichung des "magischen Vierecks" i.S.d. § 1 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft - StWG - v. 8.6.1967, BGBl. I S. 582. 177 Ob dieses überhaupt möglich wäre, ist gerade die Frage nach der wirtschaftspolitischen Aussage des Grundgesetzes, vgl. unten C I. 178 Vgl. R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 298 ("teleokratischerProgrammstaat") unter Berufung auf von Hayek . 176
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
47
Wirklichkeit einer länger berechneten Planung anpassen und so dem gesamtwirtschaftlichen Idealzustand annähern179. Dabei lassen sich deskriptiv verschiedene Gruppen derartiger Zielvorstellungen herausarbeiten, anhand derer die Abgrenzung zur wirtschaftlichen Tätigkeit durch öffentliche Unternehmen versucht werden kann.
a) Versorgung
oder Entsorgung
In einigen Bereichen hat der Staat ein Interesse daran, den Wettbewerb derart zu beeinflussen oder sogar außer Kraft zu setzen, um ein ständig gleichbleibendes Angebot bestimmter Güter oder Dienstleistungen fur seine Bürger zu garantieren oder Preise stabil zu halten. Diese Ausschaltung des Wechselspiels von Angebot und Nachfrage erzielt der wirtschaftslenkende Staat insbesondere durch Marktordnungen 180. Ob es gesetzliche Vorschriften oder konkrete Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit einwandfreier Milch 181 , die Reglementierung des Verkehrsmarktes 182 oder die vielfaltigen Pflichten für die Betreiber atomarer Entsorgungsanlagen183 sind, der Staat hat in Friedensund insbesondere in Krisenzeiten ein vitales Interesse daran, für eine gleichmäßige Ver- und Entsorgung der Bevölkerung Sorge zu tragen. Lenkt man den Blick auf die Kategorie der wirtschaftlichen Tätigkeit durch öffentliche Unternehmen, so findet man diese Zwecksetzung auch dort. Vor allem auf kommunaler Ebene findet sich eine Vielzahl öffentlicher Unternehmen, die sich der Energieversorgung, Wasserversorgung und -entsorgung, Abfallentsorgung oder dem Verkehrswesen widmen und primär einen derartigen Ver-/ Entsorgunszweck verfolgen 184.
179
Stober, Handbuch, S. 654 f. Vgl. dazu Stober, Handbuch, S. 658 ff. 181 Vgl. BVerfGE 18, 315 (327). 182 Vgl. dazu Güterkraftverkehrsgesetz - GüKG - i.d.F. v. 10.3.1983, BGBl. I S. 256; sowie BVerwGE 3, 21 ff. 183 Z.B. § 9 a des Gesetzes über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) - AtG - i.d.F. v. 15.7.1985, BGBl. I S. 1565. 184 S. dazu bereits Staudinger, Der Staat als Unternehmer, S. 107 ff. Unter Berufung auf die Zugehörigkeit dieser Organisationseinheiten zum Sektor der sog. Daseins vorsorge und die dieses in den Mittelpunkt rückende Systematisierung der Gemeindewirtschaftsvorschriften wird vielfach die Eigenschaft als wirtschaftliches Unternehmen verneint, vgl. nur Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 666 f. 180
48
Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
b) Sozialpolitik
(i.e.S.)
Auch der Ver- und Entsorgungszweck, den der Staat mit wirtschaftslenkenden Mitteln zu verwirklichen sucht, entspringt letztlich einem sozialstaatlichen Auftrag 185 , doch steht dahinter nur ein globaler sozialpolitischer Ansatz. Gerade konkrete sozialpolitische Anliegen können aber den Staat ebenfalls veranlassen, wirtschaftslenkend tätig zu werden. Als Beispiel mag hier nur die Zahlung von Lohnzuschüssen in Ostdeutschland zwecks Vermeidung von Arbeitslosigkeit dienen 186 . Konkrete sozialpolitische Zielsetzungen sind jedoch auch öffentlichen Unternehmen nicht fremd. So dienen beispielsweise kommunale Sparkassen vor allem auch der Förderung des Sparsinns und der Vermögensbildung der örtlichen Bevölkerung 187.
c) Strukturpolitik Sozialpolitische Erwägungen spielen häufig auch mit eine Rolle, wenn es um wirtschaftslenkende Maßnahmen mit strukturpolitischem Einschlag geht. Dem Staat geht es darum, wirtschaftsschwachen Bereichen mit gezielten Maßnahmen (bestenfalls) die nötigen Impulse für eine eigenständige Weiterentwicklung zu geben oder (schlechtestenfalls) die Einheitlichkeit der Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse im Bundesgebiet zu wahren. Strukturpolitisch lenkende Maßnahmen können regional oder sektoral bezogen erfolgen; die Bereitstellung von Mitteln für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen beispielsweise oder generell die Subventionierung kann für einen wirtschaftsschwachen Raum (Beispiel: Zonenrandförderung) oder für einen in einer Strukturkrise befindlichen Wirtschaftszweig (Beispiel: Kohle- oder Werftindustrie) vorgesehen sein. Doch auch hier kann der Staat seine strukturpolitischen Zielvorstellungen mit der Hilfe öffentlicher Unternehmen umsetzen188: Regional tut er es mit Wirtschaftsförderungsgesellschaften oder kommunal wiederum durch die Sparkassen189, sektoral vor allem durch die Beteiligung an Unternehmen190. Es fin-
185
Stober, Handbuch, S. 658 ("Konkretisierung sozialer Verantwortung"). Dazu aber auch sogleich unten c. Gusy> JA 1995, 166 (167), rechnet auch die Sozialversicherungsträger in diese Kategorie - nicht zu Unrecht. 187 Diese sog. Förderungsfunktion findet sich als gesetzlicher Auftrag in den Sparkassengesetzen der Länder, s. statt vieler nur § 2 S. 2 Sparkassengesetz für das Land Schleswig-Holstein - SparKG SH - i.d.F. v. 13.2.1986, GVOB1. S. 45; vgl. auch Claussen, S. 30; Weber, S. 165. 188 Für Baden-Württemberg ausführlich Schröder, ZögU 1994, 328 ff., der die erhebliche struktur- und regionalpolitische Bedeutung der Landes unternehmen betont (S. 342). 189 Claussen, S. 30. 186
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
49
den sich also auch bei einer strukturpolitischen Zielsetzung beide Erscheinungsformen, so daß gerade die strukturpolitisch motivierte Wirtschaftslenkung durch Subventionen in der Wirkungsweise staatlichen Beteiligungen oder öffentlichen Unternehmen nahekommt. Es verwundert dann auch nicht, daß der Übergang von der Wirtschaftslenkung zur wirtschaftlichen Tätigkeit durch öffentliche Unternehmen fließend ist; so wurden und werden einmal gewährte Subventionen (insbes. in Form von Krediten) teilweise in staatliche Beteiligungen umgewandelt 191 .
d) Wettbewerbspolitik
und Monopolkontrolle
Insbesondere aus der Sicht der neo- bzw. ordoliberalen wirtschaftswissenschaftlichen Lehre hat der Staat Wirtschaftslenkung dort zu betreiben, wo der Wettbewerb nicht mehr ungehindert funktioniert, also Monopol- oder Kartellbildung das freie Spiel der wettbewerblichen Kräfte hemmt192. Typische Instrumente sind daher die kartellrechtliche Mißbrauchs- und Fusionskontrolle. Die gleiche Zielsetzung verfolgt der Staat wiederum durch öffentliche Unternehmen; deren Betrieb kann dazu beitragen, monopolistische oder oligopolistische Strukturen aufzusprengen 193. Öffentliche Unternehmen können also dazu dienen, in bestimmten Bereichen Marktwirtschaft überhaupt erst zu ermöglichen, indem sie den Ausfall von Privatunternehmen kompensieren194. Eng verbunden mit der wettbewerbspolitischen Zielsetzung sind auch die Verund Entsorgungsaufgabe sowie die Sozialpolitik i.e.S. Denn die neoliberale Vorstellung sieht auch sozialpolitische Ziele am besten dadurch verwirklicht, daß möglichst großer Wettbewerb die fur den Bürger optimalen Angebote hervorbringt 195. 190
Als Beispiel sei hier die Beteiligung des Bundes an der Saarbergwerke AG mit 74 % des Nennkapitals als Engagement im Kohlebergbau genannt. Die Beteiligung kann aber durchaus auch regional-strukturpolitische Gründe haben, wie sie die (mittlerweile verkaufte) Beteiligung des Bundes an der Volkswagen AG zwecks Unterstützung der Zonenrandregion hatte. 191
Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 43. Stober y Handbuch, S. 83 m.w.N. Zur jüngeren deutschen Wettbewerbspolitik Schlecht y ORDO 43 (1992), 319 ff. 193 Püttner y Die öffentlichen Unternehmen, S. 53 f.; Weber y S. 28 f.; die neoliberale Lehre hat wegen der Ausweitung des Staatssektors gegen diese Art der Wettbewerbs- und Monopolkontrolle allerdings Bedenken, vgl. die Nachweise bei Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 54 Fn. 35. 194 Stober y Handbuch, S. 674. 195 In diesem Sinne auch Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 54 m.w.N. Gusy r JA 1995,166(167), faßt Verso rgungs unternehmen unter dem Begriff "Monopolkontrolle" 192
4 Schliesky
50
Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
e) Wahrnehmung vitaler Staatsinteressen Auch aus wichtigen staatspolitischen Zielsetzungen heraus greift der Staat lenkend in die Wirtschaft ein. Ob es sich um Exportbeschränkungen durch das Kriegswaffenkontrollgesetz 196 oder das Außenwirtschaftsgesetz handelt, ob Beschränkungen zum Zwecke der Verhütung atomarer Unfälle ergehen, nicht selten ist es die Sorge um vitale Staatsinteressen, die den Staat zum Eingreifen oder vorherigen Reglementieren veranlaßt. In die gleiche Kategorie lallt das Wirtschaftssicherstellungsgesetz, das dem Staat in Krisenzeiten die Inpflichtnahme privater Unternehmen erlaubt. Das gleiche Ziel kann er erreichen, indem er derartige Lebensbereiche mit Hilfe öffentlicher Unternehmen unter seine Kontrolle bringt. So ist z.B. der Rüstungssektor lange Jahre ein Betätigungsfeld für öffentliche Unternehmen oder wenigstens staatliche Beteiligungen gewesen. Das gesteigerte staatliche Interesse liegt hier in der Sicherstellung der Produktion in Krisenzeiten und der Gewährleistung einer ausreichenden Geheimhaltung. Letzteres Interesse findet sich auch als (Mit-)Grund fur den Betrieb der Bundesdrucke-
f) Konjunkturpolitik Konjunkturpolitische Beweggründe veranlassen den Staat ebenfalls zu wirtschaftslenkenden Maßnahmen. Ins-Gewicht fällt hier besonders das Instrumentarium der Deutschen Bundesbank, die nach hier vertretener Ansicht allerdings zugleich ein öffentliches Unternehmen darstellt198. Aber auch öffentlichen Unternehmen sind konjunkturpolitische Zielsetzungen nicht fremd; vom staatlichen Träger veranlaßtes antizyklisches Verhalten wie z.B. erhöhte Nachfrage, Preissenkungen der Angebotspalette oder stärkere Auftragsvergabe in konjunkturell schwachen Zeiten können zumindest im kleinen Rahmen konjunkturpolitischen Zielen dienen. Diese Zielsetzung wird allerdings
zusammen, was angesichts der dort angeführten Beispiele doch zu undifferenziert erscheint. 196 Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen) - KriegswaffKG - i.d.F. v. 22.11.1990, BGBl. I S. 2506. 197 Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 78; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 56; Weber, S. 31. Dieses öffentliche Interesse hinderte den Bund allerdings nicht, die Bundesdruckerei in eine GmbH umzuwandeln und mittelfristig eine materielle Privatisierung anzustreben, vgl. Bundesministerium für Wirtschaft (Hrsg.), Jahreswirtschaftsbericht 1995, S. 46. 198 Wie hier Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 38.
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
51
in der Regel fiir öffentliche Unternehmen nur ein Nebenzweck sein199 - im Gegensatz zu entsprechenden wirtschaftslenkenden Maßnahmen. Trotzdem läßt sich auch anhand dieser Zwecksetzung eine Abgrenzung von Wirtschaftslenkung und öffentlichen Unternehmen nicht vornehmen.
g) Gewinnerzielung Als (Haupt-)Zweck fur wirtschaftslenkende Maßnahmen ausscheiden läßt sich die Absicht der Gewinnerzielung, die dafür bei öffentlichen Unternehmen (und insbes. bei staatlichen Industriebeteiligungen, die es hier aber mangels Unternehmenseigenschaft nicht abzugrenzen gilt) um so häufiger anzutreffen ist. Ob dieser Zweck fur öffentliche Unternehmen überhaupt zulässig ist, ist ein Einwand, der an dieser Stelle nicht zu erheben ist 200 . Tatsache ist jedenfalls, daß dieser Zweck real anzutreffen ist - ob es sich nun um die Saarbergwerke AG oder um eine kommunale Gärtnerei, Ziegelei, Brauerei oder Porzellanmanufaktur handelt. Tatsache ist aber auch, daß die Gewinnerzielung angesichts der heutigen primären Staatsfinanzierung durch Steuern und sonstige Abgaben nicht mehr den Hauptzweck bildet, sondern neben anderen Zielsetzungen als Nebenzweck anzutreffen ist 201 . Nun taugt aber auch die Gewinnerzielung nicht als Kriterium fur die Abgrenzung der Wirtschaftslenkung von der wirtschaftlichen Tätigkeit durch öffentliche Unternehmen. Zum einen ist die Gewinnerzielung weder begriffskonstituierendes Merkmal fur ein öffentliches Unternehmen, noch ist sie bei jedem öffentlichen Unternehmen als Zweck anzutreffen. Zum anderen aber trifft man auf einen gewinnerzielerischen Nebenzweck - wenn auch nur marginal - auch bei Maßnahmen, die der Wirtschaftslenkung zuzuordnen sind: Die Zinseinnahmen bei der Gewährung von subventionierenden Krediten oder die Bürgschaftsprovisionen, die von den Kreditgarantiegemeinschaften der Länder für die Verbürgung unternehmerischer Risiken erhoben werden, dienen nebenher einer geringfügigen Einnahmenerzielung, aus der nicht zuletzt die wirtschaftslenkende Einrichtung finanziert wird 202 .
199
So zu Recht Weber, S. 31; vgl. auch R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 505 f. Darauf wird später noch zurückzukommen sein. 201 Gusy, JA 1995, 166 (167); von Mutius/Nesselmüller, NJW 1976, 1878 (1879); Weber, S. 33. Vor gut 20 Jahren waren allerdings Beispiele anzutreffen, bei denen diese Beurteilung durchaus schwerer fiel, vgl. Fett, S. 250 ff. 202 Die Erträge aus der 1 % p.a. betragenden Bürgschaftsprovision werden zur Ausfallsicherung, Abdeckung der Verwaltungskosten sowie - nach Möglichkeit - sogar zur Erhöhung des Eigenkapitals verwandt, vgl. Giebitz, S. 25. So trugen beispielsweise bei der Landesgarantiekasse Schleswig-Holstein GmbH die Provisionen und anderen Erträge 200
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
h) Zwischenergebnis Bei einem Vergleich der Zielsetzungen von Wirtschaftslenkung und wirtschaftlicher Betätigung durch öffentliche Unternehmen fällt auf, daß beide Bereiche - wenn auch partiell in anderer Gewichtung - den gleichen Zwecken zu dienen bestimmt sind. Eine Abgrenzung nach den Zielsetzungen läßt sich also nicht leisten. Zudem läßt sich in beiden Kategorien eine Bündelung bzw. Uberschneidung von Zwecksetzungen feststellen. Angesichts der staatlich definierten Zwecke beider Bereiche läßt sich sowohl fur die Wirtschaftslenkung als auch fur die öffentlichen Unternehmen eine instrumentale Funktion konstatieren. Dabei fällt auf, daß öffentliche Unternehmen durchaus häufig wirtschaftslenkende Aufgaben wahrnehmen. Ob eine Abgrenzung anhand anderer Unterscheidungskriterien möglich ist, bleibt zu untersuchen.
2. Rechts- und Handlungsformen Ein Blick auf die Vielzahl der im Bereich der Wirtschaftslenkung anzutreffenden Rechts- und Handlungsformen läßt bereits ahnen, daß auch hierin kein geeignetes Unterscheidungskriterium liegen kann. Der wirtschaftslenkende Staat bedient sich des gesamten Formenspektrums des öffentlichen Rechts sowie ausgewählter Instrumente des Privatrechts 203; das öffentliche Unternehmen handelt als Marktteilnehmer zwar vorwiegend privatrechtlich, doch kann - je nach Organisationsform - auch öffentlich-rechtliches Handeln zu beobachten sein. Gewisse öffentlich-rechtliche Handlungsformen, wie z.B. das Gesetz, stehen nur dem wirtschaftslenkenden Staat zur Verfugung und kommen fur öffentliche Unternehmen nicht in Betracht. Insoweit ist eine Abgrenzung sicherlich möglich. Unmöglich wird die Abgrenzung aber vor allem bei privatrechtlichen Handlungsformen, die sowohl dem Bereich der Wirtschaftslenkung als auch der wirtschaftlichen Tätigkeit durch öffentliche Unternehmen zugordnet werden können. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Alle Bundesländer verbürgen ungesicherte und riskante Kredite privater Unternehmen, wenn ein förderungswürdiges Konzept des privaten Unternehmers vorliegt. Eine derartige Bürgschaft kann das Land unmittelbar übernehmen, fur die Bürgschaft kann aber auch eine dem Land (evtl.
aus Dienstleistungsgeschäften im Geschäftsjahr 1985 zu gut 14,5 % zur Summe der Erträge bei, vgl. Geschäftsbericht 1985, S. 55. 203 E.-R. Huben WiVerwR II, S. 200 f.; Überblick bei Stober, Handbuch, S. 652 f.
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
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zusammen mit privaten Kreditinstituten) gehörende204 Bürgschaftsbank, ein öffentliches Unternehmen205, einstehen. Beide Male ist Instrument die privatrechtliche Bürgschaft. Handelt es sich im ersten Fall um Wirtschaftsförderung, also Wirtschaftslenkung durch das Land, so stellt sich die Bürgschaft im zweiten Fall nach der Eingangsdefinition als wirtschaftliche Tätigkeit durch ein öffentliches Unternehmen dar. Eine Abgrenzung anhand der Handlungsform ist jedenfalls nicht möglich. Daran ändert sich auch nichts, wenn man den zweiten Fall vornehmlich als Wirtschaftslenkung durch ein öffentliches Unternehmen auffassen will. Bei einer derartigen Betrachtung wird dann nur noch deutlicher, daß eine Abgrenzung nicht möglich ist, weil der Staat öffentliche Unternehmen auch zur Wirtschaftslenkung einsetzt. Zugegebenermaßen liegt diese fehlende Abgrenzbarkeit auch im funktionalen Unternehmensbegriff begründet, der viele staatliche Handlungsweisen dem Bereich der wirtschaftlichen Tätigkeit durch öffentliche Unternehmen zuschlägt. Doch auch bei Zugrundelegung aller anderen Unternehmensbegriffe läßt sich eine Abgrenzung nach der Rechts- oder Handlungsform nicht leisten. Das Engagement des Bundes bei der Saarbergwerke AG beispielsweise stellt nun einmal sowohl Wirtschaftslenkung als auch wirtschaftliche Tätigkeit durch ein öffentliches Unternehmen dar. Im übrigen ergeben sich Unterschiede zwischen beiden Bereichen hinsichtlich der Rechts- oder Handlungsform nur aus dem Zielansatz des Staates, der differieren kann und - je nach angestrebtem Erfolg - eine andere Rechts- oder Handlungsform bedingt. Die jeweilige Wahl hängt somit - insoweit also "erfolgsintendiert " - von der Einschätzungsprärogative des Staates oder seiner Untergliederungen ab. Eine strukturpolitische Maßnahme kann z.B. durch ein Gesetz angestrebt werden und durch befehlendes Verwaltungshandeln umgesetzt werden, ebenso aber durch den Anreiz zu freiwilliger Befolgung (Steueranreiz, Subvention) oder durch eigene Teilnahme am Wettbewerb durch öffentliche Unternehmen, die eine Marktreaktion der privaten Konkurrenten herausfordert.
3. Struktur Es wird auch versucht, einen strukturellen Unterschied zwischen Wirtschaftslenkung und wirtschaftlicher Tätigkeit durch öffentliche Unternehmen festzu-
204
Dies stellt sich von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich dar; in SchleswigHolstein betrug der Landesanteil am Gesamtkapital am 31.12.1987 54,66 %. 205 Die Kreditgarantiegemeinschaften der Länder stellen gemischt-wirtschaftliche Unternehmen dar, die vorwiegend in der Rechtsform der GmbH geführt werden. Sie erfüllen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 8 KWG und sind somit Kreditinstitute, vgl. Giebitz, S. 19.
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
machen. Wirtschaftslenkung läßt sich danach als interventionistisches System betrachten, in dem die private Wirtschaftstätigkeit der administrativen Aufsicht, Weisung oder sonstigen Einwirkung unterstellt ist 206 . Zur Abgrenzung der wirtschaftlichen Tätigkeit wird vorgeschlagen, auf den Inhalt, das Wirtschaften als solches, abzustellen, also auf die Tätigkeit, die Waren produziert oder Dienstleistungen anbietet207. Mehr als eine formell-phänotypische bzw. deskriptive Einteilung läßt sich mit diesem Kriterium aber auch nicht gewinnen, vor allem keine Hilfestellung fur die Gewinnung konkreter verhaltensrechtlicher Grenzen. Denn dieses Abgrenzungskriterium greift zu kurz, da nur auf äußere, tatsächlich wirkende und erkennbare Verhaltensweisen abgestellt wird. Rechtlich u.U. differenziert zu behandelnde Motive, Ziel- und Zwecksetzungen, aber andererseits gerade auch gleiche rechtliche und tatsächliche Auswirkungen können mit Hilfe einer strukturellen Argumentation weder innerhalb der jeweiligen Kategorie noch im Verhältnis der Bereiche zueinander angemessen erfaßt werden, wie bereits die Heterogenität der Zielsetzungen verdeutlicht hat. Ein strukturelles Kriterium taugt daher ebenfalls nicht zur Unterscheidung beider Bereiche.
4. Rechtsbetroffenheit An diesem Punkt erscheint eine Besinnung auf den Untersuchungsgegenstand angebracht: Die wirtschaftliche Betätigung des Staates auf jeder Ebene soll hinsichtlich seiner Auswirkungen auf den Wettbewerb untersucht werden mit dem Ziel, diesen Einwirkungen möglichst klare und einheitliche Grenzen zu ziehen. Dabei erschien es angebracht, die Wirtschaftslenkung von der wirtschaftlichen Tätigkeit (insbes. durch öffentliche Unternehmen) abzugrenzen, wie dies in wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Darstellungen gemeinhin getan wird. Dabei zeigte sich bislang, daß dies anhand der bislang erörterten Differenzierungskriterien nicht möglich war. Eine Rückbesinnung auf den Untersuchungsgegenstand bedeutet daher, nun die Auswirkungen beider staatlicher Verhaltensweisen zu betrachten, um angesichts möglicher Unterschiede doch noch eine Trennung vornehmen und gesonderte verhaltensrechtliche Grenzen entwickeln zu können. Auswirkungen auf den Wettbewerb unter einem verhaltensrechtlichen Blickwinkel zu betrachten, bedeutet vor allem, die Situationsveränderung bei dem oder den Konkurrenten zu untersuchen. Dies kann sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht geschehen.
206 207
E.-R. Huber, WiVerwR II, S. 201. R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 503.
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
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In tatsächlicher Hinsicht läßt sich als Auswirkung des Auftretens eines neuen Konkurrenten - ob es der Staat oder ein privater Unternehmer ist, spielt dabei keine Rolle - in der Regel eine Umsatzeinbuße bei dem bereits existenten Wettbewerbsteilnehmer feststellen. Diese tatsächliche Folge kann, wenn der Staat als hinzutretender Konkurrent in Rede steht, allerdings auch durch eine Maßnahme der Wirtschaftslenkung bewirkt werden. So ist es für den auf seinen Umsatz bedachten privaten Unternehmer zunächst einmal unerheblich, ob seine Umsatzeinbuße durch eine wirtschaftslenkende Maßnahme des Staates verursacht wird oder durch die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates. Dies sei an zwei Beispielen aus der Rechtsprechung verdeutlicht: Bundesregierung und Bundestag beschlossen 1975/76 mit dem Ziel einer Senkung des Arzneimittelpreisniveaus die Einrichtung einer sog. Transparenzkommission. Diese Kommission hatte die Aufgabe, Arzneimittel nach Indikationen geordnet aufzulisten und dabei u.a. die Preisunterschiede zwischen den Arzneien herauszuarbeiten. Gegen die Veröffentlichung einer derartigen "Transparenzliste" ging die Klägerin, ein pharmazeutisches Unternehmen, vor 208 . Die Wirkung der Veröffentlichung einer derartigen Liste wäre eindeutig gewesen: Ein nach der Liste zu teures Produkt wird - bei gleichwertigem Ersatzprodukt - von Ärzten, Krankenkassen und Verbrauchern zurückhaltend bis gar nicht nachgefragt, was merkliche Umsatzeinbußen bei dem Hersteller zur Folge hat, und zwar verursacht durch eine wirtschaftslenkende Maßnahme209. In einem anderen Rechtsstreit ging es um die Selbstabgabe von Brillen durch eine gesetzliche Krankenkasse210. Ebenfalls zur Einsparung von Kosten im Gesundheitswesen wollte eine Allgemeine Ortskrankenkasse von der bisherigen Praxis, ihre Versicherten allein durch private Augenoptiker mit Brillen zu versorgen, abrücken und dazu übergehen, die Versicherten selbst mit Brillen zu versorgen. Gegen diese Praxis wandten sich die Kläger, selbständige Augenoptiker und deren Landesinnungsverband. Auch hier liegt die potentielle Umsatzeinbuße auf der Hand: Jede von einer gesetzlichen Krankenkasse selbst abgegebene Brille bedeutet eine weniger verkaufte Brille für das private Augenoptikergewerbe. In diesem Fall ist der Umsatzrückgang aber nicht auf eine lenkende Maßnahme des Staates zurückzuführen, sondern auf die wirtschaftliche Betätigung des Staates oder seiner Untergliederungen (hier: AOK als Körperschaft des öffentlichen Rechts), auf die staatliche Teilnahme am Wettbewerb um Kunden für Brillen 211 .
208
Sachverhalt nach BVerwGE 71, 183 (184 f.). So ausdrücklich BVerwGE 71, 183 (190). 210 BGHL 82, 375 (376). 211 Der BGH bejaht ausdrücklich ein "Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs" i.S.d. § 1 UWG, vgl. BGHL 82, 375 (395). 209
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
In beiden Fällen war also die tatsachliche Auswirkung auf den privaten Unternehmer die gleiche: Der Umsatz verringerte sich durch das staatliche Engagement 212 . Diese Identität der tatsächlichen Auswirkungen ist sicherlich ein Indiz fur die fehlende Unterscheidbarkeit der beiden Bereiche und möglicherweise die gleiche verhaltensrechtliche Beurteilung. Eine andere, von den tatsächlichen Auswirkungen zu unterscheidende und hier entscheidende Frage ist aber, ob auch die rechtlichen Auswirkungen fur den privaten Unternehmer bei wirtschaftslenkenden Maßnahmen und wirtschaftlicher Tätigkeit des Staates die gleichen sind, ob also auch die Betroffenheit in eigenen Rechten identisch ist. Diese Frage ist deswegen entscheidend, weil verhaltensrechtliche Grenzen einem am Wettbewerb beteiligten Subjekt nur dort zu setzen sind, wo rechtlich geschützte Interessen anderer (privater) Wirtschaftssubjekte beginnen oder wo der Wettbewerb als solcher, quasi als Institut, gefährdet ist. Aus dem durch den Untersuchungsgegenstand vorgegebenen verhaltensrechtlichen Blickwinkel bietet es sich also geradezu an, zu untersuchen, ob wenigstens hinsichtlich der Rechtsbetroffenheit Unterschiede bestehen oder ob sich der bisherige Befund - keine rechtlich relevante Unterscheidbarkeit - bestätigt. Maßstab für eine Untersuchung der Rechtsbetroffenheit sind zweckmäßigerweise die Grundrechte; denn wenn ein Grundrechtsschutz dem Bürger zur Verfugung steht, so ist dieser hinsichtlich der geschützten Lebensbereiche lückenlos. Der Grundrechtsmaßstab gewährleistet somit überhaupt nur Vergleichbarkeit und erlaubt eine generelle Behandlung der Frage der Rechtsbetroffenheit, hilft also zu verhindern, die Frage der Anwendbarkeit eines subjektiven Rechts als Maßstab für die Rechtsbetroffenheit des Bürgers bei jedem Eingriff erneut zu stellen. Zu betonen ist allerdings, daß es damit an dieser Stelle nicht um das Problem geht, inwieweit der konkreten staatlichen Tätigkeit konkrete Grenzen durch Grundrechte des Bürgers gezogen sind, sondern die Betrachtung vielmehr aus einem umgekehrten Blickwinkel erfolgt: Es geht allein darum, ob und wenn ja, inwieweit der Staat durch sein Handeln die grundrechtliche Freiheit des Bürgers begrenzt. Anders ausgedrückt: Es gilt zu untersuchen, ob Wirtschaftslenkung und wirtschaftliche Tätigkeit durch öffentliche Unternehmen die gleiche Rechtsbetroffenheit auslösen, ob bei beiden Verhaltensweisen des Staates ein Eingriff in Grundrechte möglich ist. Die Frage der Rechtfertigung potentieller Eingriffe ist bereits die Frage nach der verhaltensrechtlichen Grenze der staatlichen Tätigkeit - und damit wieder die andere, erst später zu erörternde Sichtweise.
2,2 Im übrigen war auch die staatliche Zielsetzung in beiden Fällen die gleiche: Kostendämpfung im Gesundheitswesen.
57
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
a) Anwendbarkeit
des grundrechtlichen
Maßstabes
Vor Aussagen zur Rechtsbetroffenheit ist aber die Frage der Anwendbarkeit der Grundrechte aufzuwerfen 213. Ausgehend von der klassischen Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat und der Vorstellung eines mit Befehl und Zwang final eingreifenden Staates, bereitet es keine Probleme, dem betroffenen wirtschaftenden Bürger bei gezielt wirtschaftslenkenden Maßnahmen Grundrechtsschutz zu eröffnen und die Grundrechte damit fur anwendbar zu erklären 214 . Differenzierter wird aber bereits die Grundrechtsrelevanz von Subventionen beurteilt 215, insbesondere dann, wenn die Abwicklung in privatrechtlichen Formen erfolgt. Auch die Grundrechtsgeltung gegenüber der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates wird sehr unterschiedlich gesehen. Zumeist unter Berufung - inwiefern berechtigt, sei hier dahingestellt - auf das Bundesverwaltungsgericht ist die These zu finden, die Grundrechte schützten nicht vor Konkurrenz, auch nicht vor dem Wettbewerb der öffentlichen Hand, da das Grundgesetz der privaten Wirtschaft nicht die Ausschließlichkeit wirtschaftlichen Handelns garantiere 216. Ein nur noch recht schwer zu durchschauendes Gestrüpp unterschiedlicher Ansichten tritt dann auf, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit in privatrechtlicher Form erfolgt. Dies liegt daran, daß sich in diesem Bereich die Streitfrage der Grundrechtsgeltung für wirtschaftliche Tätigkeit des Staates mit einer anderen "ewigen" Streitfrage vermengt, und zwar der Frage nach der Grundrechtsbindung des privatrechtlich handelnden Staates. Dieses Konglomerat wird gemeinhin unter dem Begriff "Fiskalgeltung der Grundrechte" behandelt217. Zu betonen ist, daß die Frage nach der Fiskalgeltung der Grundrechte nur Verhaltensweisen des Staates betrifft, bei denen er in privatrechtlichen Handlungsformen wirtschaftlich
213
Die Frage der Anwendbarkeit ist methodisch vorrangig zu prüfen, vgl. Schmalz, Methodenlehre, Rn. 69 ff. 214 Vgl. nur allgemein Stober, Handbuch, S. 397 ff. 2,5 S. etwa BVerfGE 80,124 (132); Badura, in: von Münch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, 3. Abschn., Rn. 85, 89; Ehlers, DVB1. 1993, 861 (865); Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 293 ff. 216 BVerwGE 39, 329 (336); diesem folgend Dickersbach, WiVerw. 1981, 187 (208); Papier, DVB1. 1984, 801 (809); Stober, ZHR 145 (1981), 565 (578 f.); ders., NJW 1984, 449 (456). 2,7 Zu diesem Begriff und der - hier nicht näher zu untersuchenden - Bedeutung des Wortes "fiskalisch" s. Kluth, S. 57.
58
Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
tätig wird 218 . Dies ist insofern auch fur den Untersuchungsgegenstand relevant, da nach der Eingangsdefinition die Rechtsnatur von Organisations- und Handlungsform fur den Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit unerheblich ist. Die Fiskalgeltung der Grundrechte betrifft daher an dieser Stelle nur einen Ausschnitt der hier umfassend verstandenen wirtschaftlichen Tätigkeit, eben die wirtschaftliche Tätigkeit in privatrechtlicher Handlungsform. Diese wird bei einer quantitativen Betrachtung sicherlich vorherrschend sein, doch ist sie nicht allein begriffsbildend. Die Frage der Fiskalgeltung der Grundrechte ist trotzdem vorrangig zu entscheiden, denn sollte die Fiskalgeltung in der Tat zu verneinen sein, fehlt es bereits an dem hier angestrebten durchgängigen Maßstab fur die Untersuchung der Rechtsbetroffenheit - ein Unterscheidungskriterium zwischen Wirtschaftslenkung und wirtschaftlicher Tätigkeit wäre dann zumindest hinsichtlich der staatlichen Betätigung in privatrechtlichen Handlungsformen gefunden. Methodisch zu verankern ist die Frage der Fiskalgeltung der Grundrechte bei Art. 1 Abs. 3 GG 2 1 9 . Die Frage der Anwendbarkeit der Grundrechte wandelt sich zur Frage nach der Reichweite des Art. 1 Abs. 3 GG, wobei in unlösbarem Zusammenhang zu diesem Problem die Frage steht, ob die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates "Verwaltung" bzw. Ausübung vollziehender Gewalt ist.
aa) Auslegung des Art. 1 Abs. 3 GG (1) Grammatikalisch Der Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG deutet mit seiner Aufzählung der drei Staatsgewalten vor dem Hintergrund eines gewaltenteiligen Staatsverständnisses zwar auf eine umfassende Grundrechtsbindung aller Staatsfunktionen hin, läßt aber gerade nicht erkennen, was denn alles dem Begriff "vollziehende Gewalt" zu subsumieren ist. Vereinzelt wird allerdings versucht, aus der Wortwahl "vollziehende Gewalt" abzuleiten, der Grundrechtsschutz setze nur bei staatlichen Zwangsakten, also einem Handeln öffentlicher Gewalt ein 220 . Doch wird bei der angebotenen Begründung, die Grundrechte setzten prinzipiell ein Subjektionsverhältnis voraus 221 , die Fragwürdigkeit dieser Auslegung deutlich: Es dürfte als heute allge-
218
Vgl. statt vieler von Münch, in: ders./Kunig (Hrsg.), GGK I, Vorb. Art. 1-19, Rn.
34. 219
Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 214; Kluth, S. 57; Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V, § 117 Rn. 39 f. 220 Bettermann, FS Hirsch, S. 1 (19); in diese Richtung auch Ronellenfitsch, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 84 Rn. 46. 221 Bettennann, FS Hirsch, S. 1 (19).
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
59
mein anerkannt gelten, daß der Staat sich zur Umsetzung seiner Macht nicht unbedingt final eingreifender Mittel bedienen muß, sondern dies vielmehr auch mit flexiblen Formen der Einflußnahme erreichen kann (schlichtes Verwaltungshandeln/Realakt), sogar auf dem Boden der Gleichordnung (öffentlich-rechtlicher Vertrag) 222. Abschließende Klarheit vermag demnach der Wortlaut nicht zu vermitteln.
(2) Historisch Uneinheitliche Auslegungsergebnisse werden auch bei der historischen Auslegung erzielt. Zum Teil wird die Entstehungsgeschichte als unergiebig angesehen 223 . Sie wird aber auch als Argument gegen eine umfassende Grundrechtsbindung des Staates gewertet: Der im Rahmen der Einfügung der Wehrverfassung in das Grundgesetz224 erfolgte Austausch des Begriffes der "Verwaltung" gegen "vollziehende Gewalt" sollte nur klarstellen, daß auch die Bundeswehr an die Grundrechte gebunden ist 225 . Damit werde deutlich, daß der Verwaltungsbegriff von vornherein begrenzt gewesen sei 226 . Doch läßt sich dieser Begriffswechsel auch anders deuten, und zwar als deklaratorische Herausstellung, daß auch die neu geschaffenen Streitkräfte als "Verwaltung" und damit als grundrechtsgebunden zu betrachten sind227. Und selbst wenn der Verwaltungsbegriff als nicht umfassend zu verstehen gewesen wäre, so war doch spätestens mit dieser Grundgesetzänderung eine Erweiterung des Bereichs der grundrechtsgebundenen "vollziehenden Gewalt" verbunden. Letzte Sicherheit, ob die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates in privatrechtlichen Handlungsformen aber nun "Verwaltung" bzw. "vollziehende Gewalt" ist, bietet also auch die historische Auslegung nicht228.
222
Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 214 f. m.w.N.; Gusy, DÖV 1984, 872 (878); Kluth, S. 58. Als gesetzliches Indiz mag hier der Hinweis auf § 54 S. 2 VwVfG ("anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen") genügen. - Zu Recht hat überdies Zeidler, VVDStRL 19 (1961), 208 (226), daraufhingewiesen, daß einem derartigen Verständnis des Begriffes "Gewalt" ein an sich als überwunden geltender dualistischer Staatsbegriff (Staat als Hoheitsträger und Staat als Fiskus) zugrunde liegt. Darauf ist noch zurückzukommen. 223 Rüfiter, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V , § 117 Rn. 40. 224 Durch G. v. 19.3.1956, BGBl. I S. 111. 225 W. Martens, Grundgesetz und Wehrverfassung, S. 107 f.; insoweit unbestritten. 226 Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 84 Rn. 46 Fn. 204. 227 Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 215; Kluth, S. 58. 228 Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 215 f.; Stern, Staatsrecht I I I / l , S. 1409 f.
60
Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
(3) Systematisch Die nun gewählte Formulierung "vollziehende Gewalt" läßt aber systematische Rückschlüsse zu: Die Bezeichnung der Exekutive deckt sich nunmehr mit deqenigen des Art. 20 Abs. 2 GG. Art. 20 Abs. 2 GG stellt die drei Gewalten in den untrennbaren Zusammenhang "aller Staatsgewalt". Versteht man "vollziehende Gewalt" in Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG gleich, und für eine von Artikel zu Artikel unterschiedliche Deutung ist nichts ersichtlich 229, so binden die Grundrechte "alle Staatsgewalt"230. Die Grundrechtsbindung knüpft also an das "Insgesamt der Staatsgewalt"231, an den Staat als handelndes Subjekt an 232 . Nicht die Art und Weise der jeweiligen Maßnahme, nicht die bei der Aufgabenerfüllung gewählte Organisationsform ist entscheidend für die Grundrechtsgeltung, sondern allein die Tatsache, daß es der Staat ist, der handelt 233 . Auf ein weiteres gewichtiges systematisches Argument hat Zeidler 234 hingewiesen, und zwar auf den unlösbaren Zusammenhang zwischen Art. 1 Abs. 3 und Art. 1 Abs. 1 GG. Zeidler legt dar, daß die in Art. 1 Abs. 3 GG angesprochenen Grundrechte Ausgestaltungen der in Art. 1 Abs. 2 GG erfaßten Menschenrechte sind, die wiederum Ausfluß der in Art. 1 Abs. 1 GG verankerten Menschenwürde sind235. Akzeptiert man diesen Zusammenhang, stellen sich die in Art. 1 Abs. 3 GG Grundrechtsverpflichteten als die in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG verpflichtete "staatliche Gewalt" dar, es handelt sich also um denselben Adressaten236. Dies zieht aber auch eine umfassende Grundrechtsbindung nach sich, da der Staat sich sonst durch Auswechseln seiner Handlungsform der strikten Bindung an die Menschenwürde entziehen könnte, wenn er sich der Folge der
229
Im Zweifel ist davon auszugehen, daß der Verfassungs-/Gesetzgeber einen einheitlichen Sprachgebrauch wählen wollte, vgl. Zippelius y Methodenlehre, § 10 III a. 230 Die Begriffe "Gesetzgebung" und "Rechtsprechung" sind unstreitig identisch in Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG, vgl. Erichsen, Staatsrecht I, S. 99, 112 f. Im übrigen entkräftet dieses systematische Argument auch das begrenzte "Gewalt"-Verständnis, da Art. 20 Abs. 2, 3 GG anerkanntermaßen nicht nur "obrigkeitliches" Staatshandeln erfassen will, vgl. nur Κ luth } S. 58 f.; Niebuhr, S. 64 f. 231 Kluthy S. 58 f. 232 Gusy y DÖV 1984, 872 (878). 233 Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 216; Erichsen, Staatsrecht I, S. 112 ff.; Gusy y DÖV 1984, 872 (878); Kluth y S. 58 f.; von Mutius y JuS 1977, 99 (101); Zeidler, W D S t R L 19 (1961), 208 (226). 234 W D S t R L 19 (1961), 208 (226 f.). 235 Zeidler, W D S t R L 19 (1961), 208 (226); ebenso Häberle y in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR I, § 20 Rn. 57; Kunig y in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 1 Rn. 68. 236 Zeidler, W D S t R L 19 (1961), 208 (227).
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
61
Bindung an die Menschenwürde, der Grundrechtsbindung, entledigen könnte. Ist demnach alle Staatsgewalt der Menschenwürde verpflichtet, so ist auch alle Staatsgewalt der Grundrechtsbindung unterworfen. Staatsgewalt ist staatliches Handeln schlechthin237; dieses Auslegungsergebnis deckt sich mit der Auslegung des Art. 1 Abs. 3 GG in Zusammenschau mit Art. 20 Abs. 2 GG. Die systematische Auslegung des Art. 1 Abs. 3 GG spricht somit für eine umfassende Grundrechtsbindung aller Staatsgewalt, also auch der Ausübung von Staatsgewalt durch wirtschaftliche Tätigkeit in privatrechtlichen Handlungsformen. (4) Teleologisch Das im Regelfall sehr ergiebige Auslegungskriterium, den Normzweck unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden Interessenlage und deren Bewertung durch den Verfassungs-/Gesetzgeber zu ermitteln 238, fuhrt bei der Frage nach der Grundrechtsgeltung auch für die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates in privatrechtlichen Handlungsformen nicht weiter. Denn gerade um diesen Normzweck, ob der Staat auch bei einem derartigen Tätigwerden einer Grundrechtsbindung ausgesetzt sein soll, wird erbittert gestritten. Die einzelnen am Normzweck orientierten Argumente sollen daher im folgenden - der besseren Übersichtlichkeit wegen - nach den verschiedenen Lösungsansätzen geordnet erörtert werden.
bb) Unterschiedliche Lösungsansätze (1) Keine Grundrechtsbindung Eine unmittelbare Grundrechtsbindung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates in privatrechtlichen Handlungsformen wird mit der Erwägung abgelehnt, die "Fiskalgeltung" der Grundrechte bedeute eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte zwischen Privatrechtssubjekten, die zu Recht überwiegend abgelehnt werde 239. Bei seiner Teilnahme am Wettbewerb in privatrechtlicher Form (als "Fiskus") sei der Staat gleichberechtigtes Privatrechtssubjekt und damit nicht weniger "Dritter" als jeder Mitbürger des (möglicherweise) betroffenen Grund-
237 Zeidler y VVDStRL 19 (1961), 208 (226). Das BVerfG ist hier etwas zurückhaltender: Als Ausübung von Staatsgewalt wird jedenfalls alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter verstanden, E 83, 60 (73); BVerfG DVB1. 1995, 1291 (1292). 238 Vgl. Schmalz, Methodenlehre, Rn. 251; Zippelius, Methodenlehre, § 10 II. 239 Bettermann, FS Hirsch, S. 1 (19); Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 127; ders. y JuS 1970, 332 (334).
62
Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
rechtsträgers, eine stärkere Bindung als seine Mitbewerber sei angesichts der gleichen Rechtsmacht nicht erforderlich 240. Die Inpflichtnahme durch Grundrechte würde damit in diesem Bereich eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte bedeuten, die eine Bedrohung der Privatautonomie darstelle241. Die damit angestrebte Herauslösung der öffentlichen Unternehmen aus dem allgemeinen Wettbewerbs- und Privatrecht führe zu einer ernsthaften Bedrohung für die Wettbewerbsordnung und damit letztlich zu einer Gefahr fur die gesamte Privatrechtsordnung 242. Gestützt wird die Ablehnung der unmittelbaren Grundrechtsbindung außerdem auf den Gedanken, daß die Gestattung der Teilnahme am Wettbewerb für den Fiskus nur Sinn habe, wenn er wettbewerbsfähig sei, d.h. nicht mit einer Grundrechtsbindung belastet "an den Start gehe", insbesondere nicht uneingeschränkt an den Gleichheitssatz gebunden sei 243 . Kurzgefaßt lautet die Argumentation so: Wer eine Drittwirkung der Grundrechte ablehnt, muß auch die Grundrechtsbindung der wirtschaftlichen Tätigkeit in privatrechtlichen Handlungsformen ablehnen244. Die Lösung für die im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Macht des Staates auftretenden Probleme sei vielmehr im Privat- und Wettbewerbsrecht zu suchen, so daß eine Fiskalgeltung sogar entbehrlich werde 245. Dieser Argumentation ist entschieden entgegenzutreten. Ohne an dieser Stelle im einzelnen auf die Geltung wettbewerbsrechtlicher Normen eingehen zu wollen, kann das letztgenannte Argument einer Entbehrlichkeit der Fiskalgeltung bei genauerem Hinsehen nicht Bestand haben: Die Bejahung einer umfassenden Problemlösungskompetenz des Zivilrechts basiert auf der Anwendung des Diskriminierungverbots des § 26 Abs. 2 GWB, das sich jedoch nur an marktbeherrschende Unternehmen i.S.d. § 22 GWB richtet. Um nun einen dem Grundrechtsschutz gleichen, umfassenden Schutz der Kunden und Konkurrenten konstruieren zu können, will Emmerich die öffentliche Hand
240
Bettermann, FS Hirsch, S. 1 (19). Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 131. 242 Emmerich, JuS 1970, 332 (333); ders. y Wirtschaftsrecht, S. 133. Dazu sei an dieser Stelle nur angemerkt, daß eine unmittelbare Grundrechtsbindung keineswegs eine Herauslösung aus dem Wettbewerbsrecht bedeuten muß, wie unten noch zu zeigen sein wird. 243 Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 132 f.; ders. y JuS 1970, 332 (335). 244 Bettermann y FS Hirsch, S. 1 (19 f.); Emmerich, JuS 1970, 332 (334 f.). 245 Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 133; ders., JuS 1970,332 (337). Dagegen deutlich Stern y Staatsrecht I I I / l , S. 1414, der zu Recht darauf hinweist, daß die grundsätzliche Grundrechtsgeltung nicht durch Privatrecht verdrängt sein kann. 241
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
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bei ihrer wirtschaftlichen Betätigung immer als marktbeherrschend behandeln, wenn sie nicht ausnahmsweise in einem voll wirksamen Wettbewerb tätig wird 246 . Der Einwand liegt auf der Hand: Marktbeherrschung soll allein aus dem Gesichtspunkt der Zugehörigkeit zum staatlichen Sektor folgen, die als gesetzliche Voraussetzung von § 22 GWB nicht existiert. Im Rahmen des § 22 GWB kommt es vielmehr zunächst auf eine sachliche, örtliche und eventuell zeitliche Abgrenzung des zu beurteilenden Marktes und dann auf die Beurteilung des Beherrschungsgrades des Unternehmens aufgrund einer Kombination von Marktstruktur- und Marktverhaltenserforschung an 247 . Eine derartige Verallgemeinerung der Feststellung einer Marktbeherrschung ist mit dem eine normative Wertung im Einzelfall erfordernden 248 § 22 GWB nicht vereinbar 249. Zwar können auch öffentliche Unternehmen marktbeherrschend i.S.d. § 22 GWB sein, doch bedarf auch dies der gesonderten Feststellung anhand der Besonderheiten des Einzelfalles. Nur wird bereits deutlich, daß ein lückenloser Kunden- und Konkurrentenschutz durch §§ 26 Abs. 2, 22 GWB nicht zu leisten ist. Eine Entbehrlichkeit der Fiskalgeltung läßt sich mit dem Hinweis auf diese Vorschriften jedenfalls nicht begründen. Doch auch die übrigen Argumente der Verfechter einer Freistellung von den Grundrechten unterliegen Bedenken. Dies gilt vor allem fur die These, die Fiskalgeltung der Grundrechte bedeute bei der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates in privatrechtlichen Handlungsformen eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte zwischen Privatrechtssubjekten 250. Ausgangspunkt für die Aufstellung dieser These ist die Frage, ob nicht überhaupt alle Privatrechtssubjekte einschließlich der öffentlichen Unternehmen den Grundrechten unterworfen sind 251 , was auf den ersten Blick zu der Frage nach der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte führt. Diese unmittelbare Drittwirkung wird bekanntlich von der ganz überwiegenden Meinung abgelehnt252, so daß die fatale Konsequenz aufgezeigt werden soll, mit der Befürwortung der Grundrechtsbindung öffentlicher Unternehmen in privatrechtlicher Handlungsform gelange man doch
246
Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 317 ff., 325; ders., JuS 1970, 332 (337); ders., in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 98 Abs. 1 Rn. 81. 247 Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 22 Rn. 18; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 370. 248 Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 22 Rn. 19. 249 Ebenso Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (493). 250 Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 131. 251 Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 129. 252 Zu Nachweisen s. von Münch, in: ders./Kunig (Hrsg.), GGK I, Vorb. Art. 1-19 Rn. 30.
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
zu der so verpönten unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte, die das Ende jeglicher Privatautonomie und damit der persönlichen Freiheit bedeute253. Diese Fragestellung beruht aber auf der verkürzten Sichtweise, daß sich mit öffentlichen Unternehmen in Privatrechtsform und Konkurrent bzw. Kunde zwei typische Privatrechtssubjekte gegenüberstehen. Eine derartige Sichtweise vernachlässigt, daß der privatrechtlich organisierte Staat zwar Privatrechtssubjekt, aber kein privates Rechtssubjekt ist 254 . Es ist nun einmal der Staat, der hinter dem öffentlichen Unternehmen steht. Den Staat in Privatrechtsform aber als Dritten gegenüber dem Staat als Hoheitsträger und gegenüber dem Privatrechtssubjekt Bürger (Kunde oder Konkurrent) anzusehen, ist gerade der Inhalt der als überwunden geltenden sog. Fiskustheorie, nach der Fiskus und Staat verschiedene Rechtspersonen sein sollten oder wenigstens der Fiskus das vermögensrechtliche alter ego des Staates im Sinne eines Dualismus sein sollte?55. Ist nun anerkannt, daß Fiskus und Staat identisch sind, also das gleiche Rechtssubjekt sind 256 , so sind doch die Folgen und Nachwirkungen dieser Theorie noch nicht endgültig überwunden: Denn wenn man nur auf die privatrechtliche Handlungsund/oder Organisationsform abstellt, gelangt man dazu, daß man die Grundrechtsbindung von der Rechtsform abhängig macht. Abgesehen davon, daß sich für eine derartige Unterteilung keinerlei Anhaltspunkte im Grundgesetz finden, würde dies dazu fuhren, daß sich der Staat durch Auswechselung der Rechtsund/oder Handlungsform seiner insbesondere verfassungsrechtlichen Bindungen entledigen könnte, der vielbeschworenen "Flucht (...) in das Privatrecht" 257 also geradezu Vorschub geleistet würde. Diese Möglichkeit soll dem Staat aber nach Möglichkeit verwehrt sein, weshalb an sich Einigkeit darüber besteht, daß die Rechtsform für die Grundrechtsbindung gerade nicht maßgebend sein soll 258 .
253
Emmerich y Wirtschaftsrecht, S. 129 f.; ders. überträgt sein Ergebnis sodann auch noch auf die übrigen Erscheinungsformen wirtschaftlicher Tätigkeit des Staates und setzt angesichts fehlender Grundrechtsbindung auf das Privatrecht als Lösungsmaßstab für die Beherrschung der wirtschaftlichen Macht des Staates (S. 132 f.). 254 Kluth, S. 19; a.A. Wolff/Bachofy VwR I, § 23 II a 2, allerdings mit deutlichen Anklängen an die Fiskustheorie. 255 Vgl. Hatscheky VerwArch. 7 (1899), 424 (428); dens. y Verwaltungsrecht, S. 43 ff., 47; zur Entwicklung anschaulich Fleiner, Institutionen, S. 33 ff.; Erichs en y Staatsrecht I, S. 112 ff. 256 Bethgey AöR 104 (1979), 265 (270); Burmeister, DÖV 1975, 695 (700); Ehlers y Verwaltung in Privatrechtsform, S. 77 f.; Stern, Staatsrecht I I I / l , S. 1400. 257 Fleiner y Institutionen, S. 326. 258 S. nur Ehlersy DVB1. 1983, 422 (425); Niebuhr y S. 65; so im übrigen auch Emmerichy Wirtschaftsrecht, S. 128, der ausdrücklich bemerkt, daß es unbefriedigend wäre, die Grundrechtsbindung an die Rechts form zu knüpfen.
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
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Ist also bereits die Fragestellung nach der Grundrechtsbindung aller Privatrechtssubjekte verkürzt, so wird deutlich, daß die Gleichsetzung einer Fiskalgeltung der Grundrechte mit unmittelbarer Drittwirkung der Grundrechte nur aufrechterhalten werden kann, wenn der privatrechtsformig handelnde Staat als Dritter gegenüber dem Staat als Hoheitsträger und gegenüber den Kunden/Konkurrenten gesehen wird. Gerade diese Prämisse ist aber mit Ablehnung der Fiskustheorie unzulässig. Vielmehr ist und bleibt der Staat unabhängig davon, in welcher Rechts- oder Handlungsform er auftritt, Staat259. Für eine Drittwirkung ist überhaupt kein Raum, da es hinsichtlich der Grundrechtsgeltung (Staat als Adressat der Grundrechte) keinen Dritten gibt. Mit der Ablehnung eines dualistischen Staatsbegriffes kann sich bei einer Fiskalgeltung der Grundrechte das Problem einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte demnach gar nicht stellen260. (2) Mittelbare Grundrechtsbindung Nach einem anderen Ansatz soll die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit des Staates zwar ebenso behandelt werden wie der sonstige Privatrechtsverkehr 261, doch soll dies keine generelle Freistellung von jeglicher grundrechtlicher Bindung bedeuten. Vielmehr wird die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte vorgeschlagen, d.h., die Grundrechte sollen über die wertausfüllungsfahigen und wert-
259
Malimann, W D S t R L 19 (1961), 165 (197), der auch ausdrücklich herausstellt, daß alle gegenteiligen Auffassungen die Konsequenzen aus der Identität von Staat und Fiskus nicht zu Ende gedacht haben; Gusy, DÖV 1984, 872 (878), unter Hinweis auf die immer bestehende Hoheitsgewalt des Staates; Niebuhr, S. 68; Zeidler, W D S t R L 19 (1961), 208 (229), unter Hinweis auf das fehlende Risiko des Staates. 260 Nicht verkannt werden darf, daß viele Probleme und MißVerständnisse im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates - und auch mit der Frage der Grundrechtsgeltung - in den doch sehr unterschiedlichen Blickrichtungen der einzelnen Autoren begründet sind. Stellt man ein marktwirtschaftliches Wettbewerbssystem privater Anbieter in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen, so erscheint der wirtschaftende Staat als Fremdkörper in diesem System und bedarf anscheinend als untypisches Privatrechtssubjekt einer anderen Behandlung ob seiner besonderen Voraussetzungen, die er in seinem Wettbewerbsverhalten mitbringt. Diese mühsam erarbeiteten Verhaltensmaßstäbe auch auf öffentlich-rechtlich organisierte Unternehmen zu übertragen, liegt dann nicht fern. Sieht man hingegen die handelnde Instanz "Staat" im Mittelpunkt des Interesses, erscheint die wirtschaftliche Betätigung eher als besondere Form des Verwaltungshandelns, die eine Einordnung in das sonstige System von Verhaltensmaßstäben des Staates erfordert. Zwar sind sicherlich beide Betrachtungsweisen vertretbar, doch spricht für letztere die Tatsache, daß "der Staat" bzw. die ihm zugrundeliegende Staatsform die Bedingungen für das Wettbewerbssystem Privater vorgibt und dieser Hintergrund angesichts eigener Wettbewerbshandlungen nicht komplett ausgeblendet werden sollte. 261 Diirigy in: M./D./H./S., GG, Art. 1 Rn. 135. 5 Schliesky
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
ausfullungsbedürftigen Begriffe und Generalklauseln des Zivilrechts auf das Rechtsverhältnis zwischen dem in privatrechtlichen Formen organisierten Staat und seinem Kunden/Konkurrenten einstrahlen262. Auch diese Konzeption ist aber Bedenken ausgesetzt: Sie geht von einer bis heute unbewiesenen und angesichts der Auslegung von Art. 1 Abs. 3 GG wohl auch unbeweisbaren Freiheit des Staates als "Fiskus" aus263, die es aber unter dem Grundgesetz nicht geben kann, da das Grundgesetz nur rechtlich konstituierte Staatsgewalt und keine "Privatsphäre" des Staates kennt264. Bei diesem Gegenargument deutet sich bereits eine weitere Schwachstelle der Dürigschen Konzeption einer mittelbaren Grundrechtsbindung an: Der Boden der Fiskustheorie ist nach wie vor nicht verlassen. Der Fiskus wird weiterhin als privatrechtliches "alter ego" des hoheitlich handelnden Staates gesehen265, was verständlicherweise dazu verleitet, die Beteiligung des Staates wie den sonstigen Privatrechtsverkehr zu behandeln. Die Fiskustheorie ist unter dem Grundgesetz aber - wie oben gezeigt - nicht mehr haltbar, so daß auch die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte aus den gleichen Erwägungen wie die Verneinung jeglicher Grundrechtsbindung abzulehnen ist.
(3) "Verwaltungsprivatrecht" Eine vermittelnde Linie hinsichtlich der Grundrechtsgeltung verfolgt die wohl immer noch herrschende Meinung. Die sog. Lehre vom Verwaltungsprivatrecht 266 erkennt zwar an, daß auch in privatrechtlichen Formen stattfindende Verwaltungstätigkeit "öffentliche Verwaltung" ist 267 , doch hinsichtlich der Grundrechtsgeltung differenziert sie nach der Art des Handelns, dabei wiederum besonders nach der Art der erfüllten Aufgabe. Erfüllt der Staat mit Mitteln des Pri-
262
Dürig, in: M./D./H./S., GG, Art. 1 Rn. 132; OLG Düsseldorf y DÖV 1981, 537 (539); Rinck/Schwarky Wirtschaftsrecht, Rn. 83, mit dem Argument, wegen fehlender Übermacht des Staates verlören die Grundrechte ihren Geltungsgrund. 263 Zeidler, W D S t R L 19 (1961), 208 (228). 264 Hesse, VerfR, Rn. 348; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 207; Zeidler, W D S t R L 19 (1961), 208 (229). 265 Dürig y in: M./D./H./S., GG, Art. 1 Rn. 135. Die notwendige Fortsetzung der Fiskustheorie ist Dürig durchaus bewußt (Rn. 135 Fn. 2). Er weist ausdrücklich darauf hin, daß eine unmittelbare Grundrechtsbindung "die Fiskustheorie als solche an der Wurzel" treffen würde. Dies will Dürig offensichtlich nicht, wobei auch er einräumt, daß es nicht "schlimm wäre", "wenn man dergestalt der reichlich antiquierten Doppelgesichtigkeit des Staates ein Ende bereitet". 266 Grundlegend Siebert y FS Niedermeyer, S. 221 ff.; Wolff/Bachof VwR I, § 23 II. 267 Wolff/Bachof VwR I, § 23 II.
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
67
vatrechts unmittelbar öffentliche Aufgaben, gelten die Grundrechte. Das vom Staat verwandte Privatrecht wird dann durch verschiedene öffentlich-rechtliche Bindungen überlagert, es entsteht also ein besonderes Privatrecht, das Verwaltungsprivatrecht. Beteiligt sich der Staat aber am wirtschaftlichen Wettbewerb ohne einen unmittelbar dahinterstehenden öffentlichen Zweck, soll lediglich das allgemeine Privatrecht gelten268. Von einer Grundrechtsbindung ausgeschlossen sind damit die sog. fiskalischen Hilfsgeschäfte des Staates (Beschaffungs-, Vergabe· und Investitionswesen) sowie die erwerbswirtschaftliche Tätigkeit des Staates. Ein an öffentlichen Zwecken orientiertes Handeln ist demnach nur formell fiskalische Tätigkeit; stehen Erhalt, Vermehrung oder Veräußerung des Finanz- oder Verwaltungsvermögens des Staates im Vordergrund, so soll das Handeln auch materiellfiskalisch sein mit der Folge, daß die Grundrechte nicht gelten269. Ausgehend von dieser Leitlinie gibt es eine Reihe von Spielarten des Verwaltungsprivatrechts, die in der Regel die Grundrechtsbindung erweitern 270 und sich so schon einer unmittelbaren Grundrechtsbindung stark annähern. Der Hauptvorwurf, der gegen die Lehre vom Verwaltungsprivatrecht zu erheben ist, liegt in der bislang nicht gelungenen und wohl auch nicht durchfuhrbaren Abgrenzung unmittelbarer öffentlicher Aufgaben. Problematisch ist bereits das Kriterium der öffentlichen Aufgabe 271, doch dürfte diese Zuordnung mit Hilfe von Verfassungszielen oder gesetzgeberischen Aufträgen noch zu leisten sein. Allerdings muß auch betont werden, daß der Staat und seine Untergliederungen zumeist öffentliche Aufgaben erfüllen, sei es mittelbar oder unmittelbai272. Als Korrektiv wird daher die Unmittelbarkeit der öffentlichen Aufgabe angeführt, auf
268
BGHZ 29, 76 ( 79 ff.); 33, 230 (233); 36, 91 (96); 52, 325 (327 ff.); 65, 284 (287); Leisner, BB 1970,405 (406); Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 84 Rn. 47; Siebert, FS Niedermeyer, S. 240; Wolff/Bachof, VwR I, § 23 II. 269 Wolff/Bachof, VerwR I, § 23 II a und b. 270 Z.B. Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 84 Rn. 47, der auch die sog. fiskalischen Hilfsgeschäfte dem Verwaltungsprivatrecht und damit der Grundrechtsbindung zuordnen will; ebenso Stober, WiVerwR, S. 199 ff. - Ronellenfitsch nimmt in der Tat ausnahmsweise eine unmittelbare Grundrechtsbindung an, wenn ein "Eingriff durch Konkurrenz" vorliege (Rn. 49). Dies ist dogmatisch aber bedenklich, wenn die logisch vorrangige Frage, ob die Grundrechte überhaupt gelten, von der nachrangigen Feststellung eines Eingriffs in die Grundrechte abhängig gemacht wird. 27 1 Emmerich, JuS 1970, 332 (335); Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V , § 117 Rn. 43. 27 2 Kluth, S. 57 Fn. 45; Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V , § 117 Rn. 43 m.w.N. Zutreffend folgert Kluth, S. 57 Fn. 45, daraus, daß die Ausgrenzung von fiskalischen Hilfsgeschäften und der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates daher an sich "keine sachliche und dogmatische Rechtfertigung" besitze.
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
eine genaue Anleitung, wann denn eine öffentliche Aufgabe unmittelbar erfüllt wird, wird verzichtet. Es dürfte auch kaum möglich sein, mit letzter Sicherheit zu bestimmen, ob ein öffentliches Unternehmen beispielsweise nur aus strukturpolitischen Gründen besteht (Bekämpfiing der Arbeitslosigkeit = unmittelbarer öffentlicher Zweck, vgl. § 1 Abs. 1 StabG) oder ob es (auch) der Erzielung entsprechender Absatzzahlen (Gewinnerzielung = mittelbarer Zweck, nämlich Auffüllung des Haushalts seines Trägers, um dann mit diesen Mitteln strukturpolitisch [etwa Subventionen] tätig werden zu können) dient. Da in der Regel beide Zwecke zusammen auftreten werden, müßte dann auch noch eine Gewichtung zwischen den beiden Zwecken vorgenommen werden. Dieser Schwierigkeit entgeht die Lehre vom Verwaltungsprivatrecht überwiegend, indem die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates aus der Grundrechtsbindung und damit aus der Betrachtung herausgenommen wird. Die Lehre vom Verwaltungsprivatrecht weiß um dieses Dilemma und räumt eine gewisse Unbestimmtheit des Begriffes der öffentlichen Aufgabe auch durchaus ein, doch sei sie eben in Kauf zu nehmen273. Die Lösung fur die Ausfüllung des Begriffes der öffentlichen Aufgabe wird aber auch noch präsentiert: Der Begriff der "Daseinsvorsorge" soll die "stringente Rechtfertigung" einer Grundrechtsbindung sein274. Alle für seine Bürger existenznotwendigen Leistungen, die der Staat übernehme, würden zwangsläufig zu einer öffentlichen Aufgabe, mit der der Staat automatisch aber auch seinen Machtbereich erweitere, weswegen dem Bürger grundrechtlicher Schutz auch gegen diese Art staatlicher Machtentfaltung gewährt werden müsse275. Nun kann und soll an dieser Stelle nicht ausfuhrlich Kritik 276 am Begriff der Daseinsvorsorge, der im übrigen - anders als die Konzeption vom Verwaltungsprivatrecht - auch für die Legitimation staatlicher Wirtschaftstätigkeit herangezogen wird 277 , geübt werden. Der Blick soll nur auf ein Bedenken gelenkt werden: Die Folge der Verwendung dieses Begriffes ist, daß Daseinsvorsorge betreibende öffentliche Wirtschaftsunternehmen in privater Rechtsform aus der sonstigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates ausgegliedert werden müssen278, die wiederum nach der Eingangsthese gerade per definitionem aus der Grund-
273
Beispielsweise Ronellenfitsch,
in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 84 Rn.
47. 27 4
Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 84 Rn. 47; ders., DÖV 1996, 1028 (1028): "originäre Staatsaufgabe". 275 Grundlegend Forsthoff, Rechtsfragen der leistenden Verwaltung, S. 15 ff., 28 ff., 42 f.; Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 84 Rn. 48. 276 Vgl. dazu Stern, Staatsrecht I I I / l , S. 1397 f. 27 7 Grätzel, NJW 1995, 373 (374); Scholz/Pitschas, Gemeindewirtschaft, S. 13 f. 27 8 Wolff/Bachof, VwR I, § 23 II b.
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
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rechtsbindung entfernt worden war. Auch kommunale Verkehrsbetriebe erbringen eine wirtschaftliche Tätigkeit bzw. Dienstleistung wie jedes private Verkehrsunternehmen auch. Nur die Bindungen des öffentlichen Unternehmens sind andere - dies ist auch die Ansicht der Lehre vom Verwaltungsprivatrecht. Dies rechtfertigt aber noch nicht, derartige Unternehmen nicht dem Bereich der wirtschaftlichen Tätigkeit zuzuordnen. Auch Daseinsvorsorge betreibende Unternehmen üben eine wirtschaftliche Tätigkeit aus 279 , und auch die Rechtsbetroffenheit des Kunden oder Konkurrenten ändert sich nicht. Eventuell ändert sich das Erduldenmüssen bei der Beurteilung des Umfangs der Rechtsbetroffenheit, weil ein in der Tat zu respektierender öffentlicher Zweck verfolgt wird. Nicht ausgeschlossen ist damit eine besondere Gewichtung und Berücksichtigung des daseinsvorsorgenden Zwecks bei der Rechtfertigung des möglichen Grundrechtseingriffs. Nur ist es eben keine Frage der Grundrechtsgeltung, sondern eine Frage der möglichen Rechtfertigung des potentiellen Eingriffs. Einerseits den Maßstab des Erduldenmüssens seitens des betroffenen Bürgers mit dem Begriff der Daseinsvorsorge bestimmen zu wollen, andererseits aber bereits das Gelten des grundrechtlichen Maßstabs überhaupt von dem Begriff der Daseinsvorsorge ebenso abhängig machen zu wollen, hieße einen Zirkelschluß zu propagieren. Im übrigen ist auch der Lehre vom Verwaltungsprivatrecht vorzuhalten, daß sie in dem Bereich, in dem ausschließlich Privatrecht gelten soll, die Fiskustheorie ebenfalls noch nicht überwunden hat. Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß der Lehre vom Verwaltungsprivatrecht weder eine praktisch zu handhabende noch eine dogmatisch befriedigende Lösung der Frage nach der Fiskalgeltung der Grundrechte gelungen ist und sie daher nicht mehr aufrechterhalten werden sollte?80.
(4) Umfassende Grundrechtsbindung Für eine umfassende Grundrechtsbindung spricht bereits, daß Staat und Fiskus identisch sind. Der Fiskus ist eben keine andere Rechtsperson, sondern nur ein anderer Name für den privatrechtlich handelnden Staat281. Der Besonderheit, Staat zu sein, entledigt er sich nicht dadurch, daß er privatrechtlich handelt oder marktwirtschaftlich Leistungen anbietet; er tritt dadurch nicht in den Bereich
27 9
Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 128, 133. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 246; ders., DVB1. 1983, 422 (424 f.); Gusy, DÖV 1984, 872 (881); P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 316; Zeidler, W D S t R L 19 (1961), 208 (225); von Zezschwitz, NJW 1983, 1873 (1877 f.). 281 Mallmann, W D S t R L 19 (1961), 165 (196 f.); Niebuhr, S. 68. 280
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
der Privatwirtschaft über 282. Vielmehr bleibt er seinen öffentlichen Zwecken verhaftet und kann auch seine rechtlichen Bindungen nicht einfach abstreifen, da sonst das Privatrecht Mittel zur Aushöhlung der Verfassung wäre 283 . Die privatrechtliche Organisationsform einer Aufgabe bewirkt nicht, daß auch die Aufgabe selbst privatisiert wird 284 . Wie schon oben dargelegt, ist für die Grundrechtsbindung allein die Ausübung von Staatsgewalt entscheidend285. Ob diese öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ausgeübt wird, ist angesichts des in jedem Fall hinter der Handlung stehenden Staates unerheblich286. Die Grundrechte gelten vielmehr, weil es der Staat ist, der handelt, aber auch immer dann, wenn es der Staat ist, der handelt 287 . Entscheidend ist allein die Zurechnung der Handlung zu einem Träger hoheitlicher Gewalt; jede einem solchen Verwaltungsträger zuzurechnende Handlung ist öffentliche Verwaltung 288. Nicht die Rechts- oder Handlungsform ist entscheidend, sondern das die Handlung verantwortlich initiierende Subjekt - die Grundrechte wie auch das gesamte öffentliche Recht stellen ein System von Verhaltens- und Handlungsmaßstäben dar, nicht aber ein System von Handlungs/ormmaßstäben 289. Öffentliche Verwaltung ist somit - kurz gefaßt - das Handeln der Verwaltungsträger 290, bereits die staatliche Entscheidung zur Aufgabenübernahme qualifiziert die Tätigkeit als öffentliche Verwaltung 291.
282
Badura, FS Schlochauer, S. 6; Stern, Staatsrecht I I I / l , S. 1407; so auch schon Haenel, Staatsrecht, S. 161. 283 Badura, FS Schlochauer, S. 6; Stern, Staatsrecht I I I / l , S. 1410 f.; Zeidler, W D S t R L 19 (1961), 208 (230). 284 Stober, NJW 1984, 449 (450). 285 Gusy, DÖV 1984, 872 (878); Kluth, S. 59. 286 Brohm, NJW 1994,281 (284); Gusy, DÖV 1984, 872 (878); Mallmann, W D S t R L 19 (1961), 165 (197). - Auch das BVerfG dürfte auf dieser Linie liegen, denn in E 10, 302 (327), heißt es - wenn auch in anderem Zusammenhang - dazu: "Der Staat kann sich von der Grundrechtsbindung nicht dadurch befreien, daß er einen Privatmann zur Wahrung einer öffentlichen Aufgabe bestellt und ihm die Entscheidung über den Einsatz staatlicher Machtmittel überläßt." Eine Übertragung des Gedankens dahin gehend, daß dies dann erst recht bei eigenem Handeln in privatrechtlichen Formen gelten muß, liegt nicht fern. 287 In diesem Sinne auch Gusy, DÖV 1984, 872 (878) m.w.N.; Niebuhr, S. 74; Stern, Staatsrecht I I I / l , S. 1411. 288 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 247 ff.; ders., in: Ehlers (Hrsg.), Kommunale Wirtschaftsförderung, S. 124; Zeidler, W D S t R L 19 (1961), 208 (218 mit Fn. 39). 289 Denninger, in: AK-GG, Art. 1 Abs. 2, 3 Rn. 28; Gusy, DÖV 1984, 872 (881); Isensee, DB 1979, 145 (145). 290 Stern, Staatsrecht I I I / l , S. 1412; Zeidler, W D S t R L 19 (1961), 208 (211).
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
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Unterstützt wird dieses Verständnis durch die Beobachtung, daß auch die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates immer die Ausübung von Macht bedeutet 292 , wenn man nur an monopolistische Staatsbetriebe denkt oder an die Möglichkeit, wirtschaftspolitische Zielsetzungen mit Hilfe von öffentlichen Unternehmen umzusetzen. Dabei soll allerdings noch einmal betont werden, daß es bei der Ausübung staatlicher Macht nicht auf die Anwendung obrigkeitlicher Gewalt ankommt. Ist der Begriff der "Verwaltung" somit weit zu verstehen, ist "vollziehende Gewalt" i.S.d. Art. 1 Abs. 3 GG jegliche staatliche Tätigkeit, die nicht Gesetzgebung und Rechtsprechung ist 293 . Ausübung vollziehender Gewalt ist demnach auch die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates, in öffentlich-rechtlicher wie in privatrechtlicher Handlungsform. Daraus folgt schließlich, daß angesichts der abschließenden Fassung des Art. 1 Abs. 3 GG auch die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates in privatrechtlicher Handlungsform einer umfassenden Grundrechtsbindung unterliegt 294. Auch der vielfach gegen diese Ansicht vorgetragene Einwand, eine Grundrechtsbindung mache eine Wettbewerbsteilnahme letztlich unmöglich, da sie die nötige Flexibilität im Marktgeschehen unterbinde295, kann entkräftet werden. Gerade die in diesem Zusammenhang angeführten Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz296 verfangen nicht, da Art. 3 Abs. 1 GG keine unterschiedslose "Gleichmacherei" gebietet, sondern nur verbietet, wesentlich Gleiches ohne sachlichen Grund ungleich zu behandeln und damit kein Differenzierungs-, sondern lediglich ein Willkürverbot statuiert297. Liegt ein zu verfolgender öffentlicher
291 Denninger, in: AK-GG, Art. 1 Abs. 2, 3 Rn. 29. Zutreffend daher BSG SGb. 1986, 570 (571), das maßgeblich auf gesetzlich übertragene öffentlich-rechtliche Aufgaben abstellt. 292
Malimann, W D S t R L 19 (1961), 165 (202); dies konzediertauch Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 144, von seinem anderen Standpunkt aus. 293 Denninger, in: AK-GG, Art. 1 Abs. 2, 3 Rn. 27; Kluth, S. 58 f. 294 Denninger, in: AK-GG, Art. 1 Abs. 2, 3 Rn. 30; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 217 f.; Erichsen, Staatsrecht I, S. 116; Gusy, DÖV 1984, 872 (878); Hesse, VerfR, Rn. 347 f.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 315, der die Fiskalgeltung - wohl noch etwas verfrüht - als anerkannt bezeichnet; Isensee, DB 1979, 145 (148); Kluth, S. 58 f.; Kunig, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 1 Rn. 60; Mallmann, W D S t R L 19 (1961), 165 (202); Niebuhr, S. 76; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 207; Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V, § 117 Rn. 45; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 523, 525; Weber, S. 105 f. m.w.N. in Fn. 478; Zeidler, W D S t R L 19 (1961), 208 (230 f.). 295 Vgl. nur Emmerich, Wirtschafts recht, S. 132 f. 296 Emmerich, JuS 1970, 332 (335), befürchtet einen Anspruch aller Geschäftspartner des öffentlichen Unternehmens auf Gleichbehandlung.
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
Zweck vor, der unter Umständen auch in der Wettbewerbsteilnahme selbst liegen kann, ist eine Ungleichbehandlung angesichts des rechtfertigenden sachlichen Grundes durchaus möglich. Bereits aus der Eigenart der verfolgten Aufgabe kann also durchaus eine jeweils unterschiedliche Interpretation des Gleichheitssatzes folgen 298. Dies bedeutet keine Rücknahme der Grundrechtsbindung, nur ist wie bei jedem finalen staatlichen Eingriff auch - der von den Grundrechten zugelassene Handlungsspielraum insbesondere von der Intensität des Eingriffs abhängig und daher in jedem Einzelfall erneut zu bestimmen299. Die zudem gegen die Grundrechtsbindung vorgebrachte Befürchtung 300, das Ausmaß privatrechtlicher Staatstätigkeit könnte stark beschnitten werden, überzeugt ebensowenig. Wie noch zu zeigen sein wird, ändern sich u.U. die rechtlichen Grundlagen, auf denen der Staat tätig wird, sowie die Basis der Grenzziehungen, nicht aber die Beweglichkeit und Effektivität der Verwaltung 301. Es gilt insoweit das zu Art. 3 GG Gesagte: Die Intensität der durch die Grundrechte ausgelösten Bindung der Verwaltung steht im wechselseitigen Verhältnis zur Grundrechtsbetroffenheit des Bürgers, die die konkrete Verwaltungsmaßnahme auslöst. Eine finale Maßnahme der Ordnungsverwaltung unterliegt weitergehenderen Beschränkungen als eine Handlung der wirtschaftenden Verwaltung, die zwar der Grundrechtsbindung unterliegt, im konkreten Fall aber möglicherweise den Schutzbereich des Grundrechts nicht oder nur geringfügig verletzt. Dementsprechend verengt oder erweitert sich auch der Spielraum, der der Verwaltung zum Handeln zur Verfügung steht. Dieser wird in der Regel bei der wirtschaftlichen Tätigkeit größer sein als bei klassischer Ordnungsverwaltung und so dem wettbewerblich motivierten Bedürfnis nach mehr Flexibilität ohne weiteres genügen. Letztlich hat es der Staat sogar in der Hand, bei optimaler Wahrung der Grundrechte seiner Bürger sich im wirtschaftlichen Bereich einen möglichst großen Handlungsspielraum zu verschaffen. Auf Einzelheiten wird aber noch zurückzukommen sein.
297
BVerfGE 17, 122 (130); 24, 220 (228); Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 218; ders., DVB1. 1983, 422 (425); Niehuhr, S. 69 f. 298 Ehlers, DVB1. 1983, 422 (425); Erichsen, Staatsrecht I, S. 115; Hesse, VerfR, Rn. 347; Stern, Staatsrecht I I I / l , S. 1422. Die Frage nach den einzelnen Eingriffsrechtfertigungen gehört systematisch allerdings nicht zu der hier untersuchten Frage nach der generellen Grundrechtsgeltung und soll daher erst später bei der Aufstellung konkreter verhaltensrechtlicher Grenzen wieder aufgenommen werden. 299 In diesem Sinne auch Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 218. 300 Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 133; ders., JuS 1970, 332 (334); H. Klein, Teilnahme, S. 166; Rüfner, Formen, S. 405 ff. 301 Ehlers, DVB1. 1983, 422 (425); Hesse, VerfR, Rn. 347; Mallmann, W D S t R L 19 (1961), 165 (198).
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
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Anzusprechen bleibt noch ein Sonderproblem, und zwar das der Fiskalgeltung der Grundrechte bei gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen302. Diese Frage ist deswegen so problematisch, weil neben dem Staat in der Regel noch wenigstens ein anderes von Bürgern getragenes Privatrechtssubjekt bzw. wenigstens ein Bürger unmittelbar beteiligt ist - abhängig auch von der Gesellschaftsform. Auch hier wird eine Reihe verschiedenartiger Konstruktionen vorgeschlagen, doch überwiegend läßt sich - auch bei Vertretern der Fiskalgeltung der Grundrechte - die Tendenz feststellen, gemischt-wirtschaftliche Unternehmen aus der Grundrechtsbindung herauszunehmen303. Dem ist entgegenzutreten: Auch für gemischt-wirtschaftliche Unternehmen gilt eine umfassende Grundrechtsbindung 304 , wobei noch einmal an die zugrunde gelegte Definition erinnert werden muß, nach der von einem gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen nur gesprochen werden soll, wenn der Staat oder seine Untergliederungen einen beherrschenden Einfluß auf das Unternehmen ausüben können - meist, aber nicht notwendig, aufgrund der Beteiligungsverhältnisse?05. Dagegen wird argumentiert, daß es unüberwindliche Schwierigkeiten bereite, die Beherrschungsverhältnisse genau zu bestimmen306, um herauszufinden, ob nun eher ein öffentliches oder eher ein privatwirtschaftliches Unternehmen vorliege. Schwierigkeiten bei der Ermittlung tatsächlicher Verhältnisse vermögen allerdings kaum überzeugendes rechtliches Gewicht zu erlangen. Die genaue Ermittlung der Beherrschungsverhältnisse wird im Regelfall erst bei gerichtlichen Auseinandersetzungen relevant werden, wenn über die Frage der Grundrechtsbindung zu entscheiden ist. Dann können die tatsächlichen Mühen der Ermittlung wohl durchaus verlangt werden, die sich im übrigen in anderem Zusammenhang - beispielsweise bei Verkaufsverhandlungen - ebenso stellen können und auch dort zu lösen sind. Im übrigen läßt sich neben der Geltung zivilrechtlicher Publizitätsvorschriften durchaus diskutieren, ob nicht der Staat nach dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip
302 Diese Problematik wird häufig auch (nur) bei der Frage nach der Grundrechtsfcerechtigung der gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen angesprochen. Die Grundrechtsberechtigung spielt an dieser Stelle noch keine Rolle, doch können die Argumentationen herangezogen werden, da die Grundrechtsberechtigung - zumindest teilweise - die Kehrseite der hier zu erörternden Frage nach der Grundrechtsbindung ist. 303 Dürig, in: M./D./H./S., GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 488; Emmerich, JuS 1970, 332 (334); Kluth, S. 59; Rüfiier, Formen, S. 418. 304 So auch Niebuhr, S. 234; Stern, Staatsrecht I I I / l , S. 1421 f.; Wolff/Bachof, VwR I, § 23 II b - von der Lehre des Verwaltungsprivatrechts ausgehend; Zeidler, W D S t R L 19 (1961), 251 f. (Diskussionsbeitrag). 305 Noch einmal ausdrücklich: (Minderheits-)Kapitalbeteiligungen des Staates werden von der Grundrechtsbindung nicht erfaßt. 306 Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 248; Emmerich, JuS 1970, 332 (335); Stober, NJW 1984, 449 (450).
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
besonders verpflichtet ist, Beteiligungs- und/oder Beherrschungsverhältnisse transparent zu machen307. Die unmittelbare Grundrechtsbindung der gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen bedeutet auch nicht als Konsequenz - wie vielfach befurchtet 308 - eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte in diesem Bereich, da aufgrund des beherrschenden Staatseinflusses weder auf das Privatrechtssubjekt Unternehmen noch auf den beteiligten Bürger abzustellen ist. Entscheidend ist auch hier wieder der Staat, der hinter der Unternehmung steht. Insofern ist der Blick auf die staatliche Zweckverfolgung zu lenken, die sich des Unternehmens bedient, es für öffentliche Zwecke instrumentalisiert, nicht aber auf den Bürger, der ja - mangels beherrschenden Einflusses - nicht selbst wirtschaftet, sondern nur seinerseits Kapital angelegt hat. Dieses private Kapital also mittelbar einer Grundrechtsbindung zu unterwerfen, ist nicht unbillig, sondern vom sich beteiligenden Bürger in Kauf zu nehmen und ihm ja auch bekannt. Diese potentielle Einschränkung korrespondiert u.U. mit Vorteilen, wie z.B. dem, daß ein potenter und weitestgehend insolvenzunfahiger Partner an der Seite steht. Maßgeblicher Grund für das Unterstellen unter die Grundrechtsbindung ist zunächst einmal - wenn der Staat sich in ein bestehendes Unternehmen "einkauft" - die Beteiligungsentscheidung als solche309, weniger zunächst das Handeln des gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens. Soll nun aber das Handeln des gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens beurteilt werden, kann nicht außer acht gelassen werden, daß der Staat mehrheitlich, beherrschend und damit die Unternehmenspolitik mit seinen Zielsetzungen bestimmend die Handlungsweisen vorgibt. Die Zielsetzung des "Sich-Beteiligens" setzt sich unmittelbar im Handeln des gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens fort, so daß auch hier eine unmittelbare Grundrechtsbindung angezeigt ist, damit nicht der Staat auf diesem Wege seiner zuvor begründeten Grundrechtsbindung ausweichen kann310. Es kann nun einmal nicht überzeugen, eine Eigengesellschaft (also zu 100 % beherrscht) an Grundrechte zu binden, den Staat aber von den Grundrechten freizustellen, sobald 5, 10 oder 15 % der Anteile dieser Gesellschaft an einen Privaten übertragen sind. Ein praktisches Beispiel mag dies noch illustrieren: Die Organisa-
307
Darauf weist Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 248 Fn. 442, zu Recht hin, obwohl er "praktische Schwierigkeiten bei der Ermittlung eines solchen Beherrschungsverhältnisses" befurchtet. Beispiel für eine derartige Offenlegung ist der "Bericht über die Beteiligungen des Bundes". 308 Z.B. Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 249; Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 144 Fn. 417. 309 Badura, FS Schlochauer, S. 3; Denninger, in: AK-GG, Art. 1 Abs. 2, 3 Rn. 29; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 26; Stober, NJW 1984, 449 (450). 310 So auch Bachof y W D S t R L 19 (1961), 252 (Diskussionsbeitrag).
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
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tionsprivatisierung 311 der Deutschen Bundesbahn ist zum 1.1.1994 erfolgt 312, die Anteile der Deutschen Bahn AG bleiben zunächst zu 100 % in öffentlicher Hand. Erfolgt nun, wie nach und nach geplant, eine materielle Privatisierung 313 in Teilbereichen, z.B. im Fernverkehr, und dies auch nur auf einzelnen profitablen Strecken, müßte die Grundrechtsbindung der Deutschen Bahn AG bereits entfallen, weil die Strecke Hamburg-München auch von privaten Anteilseignern mitbetrieben wird. Eine derartige Sichtweise würde die milliardenschwere wirtschaftliche Macht des Staates mit dem Verkauf einer einzigen Aktie komplett ausblenden. Aus den vorstehenden Ausführungen ist bereits deutlich geworden, daß nur eine umfassende Grundrechtsbindung - auch für die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates in privatrechtlichen Handlungsformen - der Bedeutung und Auslegung des Art. 1 Abs. 3 GG gerecht wird. Ist Art. 1 Abs. 3 GG also verfassungsrechtlich unbegrenzt314 oder gibt es, anders ausgedrückt, "kein Reservat staatlichen Wirkens, das, weil es sich in privatrechtlichen Formen vollzieht, dem Geltungsanspruch der Verfassung nicht untersteht"315, so ist nicht nur die Frage der Grundrechtsbindung beantwortet, sondern auch die eingangs aufgeworfene, zweite Frage: Die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates ist "Verwaltung" bzw. Ausübung vollziehender Gewalt316. Damit ist also der Maßstab für die Untersuchung der Rechtsbetroffenheit bei Wirtschaftslenkung und wirtschaftlicher Tätigkeit des Staates derselbe: Beide müssen sich als Verwaltungshandeln i.S.d. Art. 1 Abs. 3 GG an den Grundrechten messen lassen. Es ist nun zu fragen, ob angesichts desselben Maßstabes auch die Rechtsbetroffenheit identisch ist. In einem nächsten Schritt sind daher Wirtschaftslenkung und wirtschaftliche Tätigkeit des Staates auf ihre Eignung zur Grundrechtsverletzung zu überprüfen. Nach wie vor geht es nicht um den Maßstab, wann genau eine Verletzung der Grundrechte vorliegt, sondern um die Frage der Eingriffsqualität der jeweiligen staatlichen Handlung in bezug auf die Grundrechte des betroffenen Bürgers bzw. Konkurrenten. In Anlehnung an die verwaltungsprozessuale Klagebefugnis ist bei dem Vergleichsmerkmal "Rechtsbetroffenheit"
311
Zum Begriff vgl. Schock, DÖV 1993, 377 (378). Vgl. hierzu und zum folgenden Süddeutsche Zeitung v. 3.1.1994, "Freie Fahrt für die privatisierte Bahn", S. 17. 313 Auch zu diesem Begriff Schock, DÖV 1993, 377 (378). 314 Kunig, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 1 Rn. 60. 315 Hesse, VerfR, Rn. 348; ebenso Niebuhr, S. 72; Schmittat, ZHR 148 (1984), 428 (446). 316 Ebenso deutlich Isensee, DB 1979, 145 (145); Rittner, Wirtschaftsrecht, § 10 Rn. 9. 3,2
76
Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
die Möglichkeit der Rechtsverletzung zu untersuchen. Die ebenfalls mögliche Betroffenheit einfachgesetzlicher Rechte soll dabei zunächst außer Betracht bleiben.
b) Rechtsbetroffenheit
durch Wirtschaftslenkung
Wirtschaftslenkende Maßnahmen sind in vielfältiger Gestalt denkbar. Aus diesem Grund läßt sich auch nicht ein allgemeines Verdikt über die generelle Eingriffsgeeignetheit aussprechen. Vielmehr ist angesichts des hier zum Vergleich herangezogenen grundrechtlichen Maßstabes auf die in der Grundrechtsdogmatik verwandten Betroffenheitskategorien zurückzugreifen.
aa) Unmittelbar Eine wirtschaftslenkende Maßnahme kann unmittelbar Betroffenheit in Grundrechten auslösen, d.h. ohne Dazwischentreten weiterer Ursachen als der Maßnahme selbst bzw. anderer Personen. Angesprochen sind also die zweipoligen Beziehungen Staat - Bürger, die auch den Vorstellungen einer typischen grundrechtlichen Gefahrdungslage zugrunde liegen.
(1) Klassischer Eingriffsbegriff Unproblematisch ist die Rechtsbetroffenheit, wenn eine wirtschaftslenkende Maßnahme den grundrechtlichen sog. klassischen Eingriffsbegriff erfüllt. Nach diesem liegt ein Eingriff in ein Grundrecht vor, wenn eine Maßnahme sich als finaler, unmittelbarer Rechtsakt darstellt, der mit hoheitlich-imperativen Mitteln angeordnet bzw. durchgesetzt wird 317 . Der wirtschaftende Bürger kann Adressat von wirtschaftslenkenden Rechtssätzen sein, die keiner Umsetzung mehr bedürfen 318. Er ist dann durch Gesetze, Rechtsverordnungen oder Satzungen unmittelbar betroffen, die ihm bestimmte Verhaltensweisen unmittelbar auferlegen und in seine rechtlich geschützte Sphäre eingreifen können. Diese Art der Rechtsbetroffenheit ist unproblematisch, da derartige wirtschaftslenkende Normen in der Regel auch Grundrechtsschranken im Sinne der grundrechtlichen Eingriffsvorbehalte darstellen.
317
Bleckmann, Grundrechte, S. 336 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 256; zur historischen Entwicklung Bleckmann/Eckhoff\ DVB1. 1988, 373 (375 f.). 318 Dazu Badura, in: von Münch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, 3. Abschn., Rn. 87; Stober, WiVerwR, S. 220 ff.; ders., Handbuch, S. 824 ff.
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
77
Ein Beispiel dafür war das nach § 1 Abs. 2 GastG a.F. 3 1 9 bestehende Erfordernis eines "Bedürfnisses" fur die Erteilung einer Schankerlaubnis, das dem Bundesverwaltungsgericht 320 zur Beurteilung vorlag, ebenso die Marktordnung für das Güterkraftverkehrsgewerbe und seine Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 GG 3 2 1 . Bedeutsamer für den Grundrechtsträger sind aber in der Regel Einzelakte, insbesondere der Verwaltungsakt, der häufig auch als Wirtschaftsverwaltungsakt Erwähnung findet 322. Typische Beispiele sind die Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 S. 1 GewO oder Genehmigungen für die Aufnahme eines bestimmten Gewerbes, z.B. eines neuen Linienverkehrs mit Kraftomnibussen gem. § 13 Abs. 2 PBefG. Die Feststellung einer Rechtsbetroffenheit des Grundrechtsträgers bereitet in derartigen Fällen keine Probleme, da diese gezielt gegenüber einem bestimmten Adressaten(kreis) vorgenommenen Maßnahmen alle Merkmale des klassischen Eingriffsbegriffes im Sinne der Grundrechtsdogmatik erfüllen. Die Grundrechtsdogmatik ist jedoch bekanntermaßen nicht bei dem klassischen Eingriffsbegriff stehengeblieben, sondern hat an allen Begriffsmerkmalen Erweiterungen zugelassen, wenn nicht gar sie aufgegeben 323. Zwar ist nach wie vor eine Maßnahme, die alle Merkmale des klassischen Eingriffsbegriffes erfüllt, ein Grundrechtseingriff, doch kann eben auch anderes, bislang ausgegrenztes Staatshandeln Eingriffsqualität besitzen.
(2) Fehlende Imperativität Erforderlich ist beispielsweise nicht mehr, daß Verwaltungshandlungen zur Bejahung der Eingriffsgeeignetheit unbedingt imperativen Charakter aufweisen
3,9
Gaststättengesetz - GastG - v. 28.4.1930, RGBl. I S. 146. BVerwGE 1, 48 ff. Das Gericht bejahte nicht nur die Rechtsbetroffenheit, sondern erklärte die Norm im übrigen wegen Verstoßes gegen das Grundrecht des Klägers aus Art. 12 Abs. 1 GG für verfassungswidrig (S. 53 f.). Da es sich um vorkonstitutionelles Recht handelte, durfte das BVerwG die Norm für verfassungswidrig und nicht mehr anwendbar erklären; eine Vorlage an das BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG kam nicht in Betracht, vgl. auch BVerwGE 1, 48 (54). 321 BVerwGE 3, 21 (23 ff.). 322 E.-R. Huber, WiVerwR I, S. 55 f.; Stober, WiVerwR, S. 206; "wirtschaftsverwaltungsrechtliche Verwaltungsakte" : Badura, in: von Münch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, 3. Abschn., Rn. 87; Stober, Handbuch, S. 756 ff. 323 Siehe nur Bleckmann, Grundrechte, S. 337 f.; Eckhoff\ S. 173 ff.; Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 69 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 259; Schulte, DVB1. 1988, 512 (517). 320
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
müssen. Gerade im Hinblick auf die Wandlung vom obrigkeitlichen zum leistenden und verteilenden Staat ist darauf verzichtet worden, eine mit Befehl und Zwang angeordnete bzw. durchgesetzte Handlung fur einen Eingriff zu fordern, so daß auch mit wirtschaftslenkendem Hintergrund abgegebene Zusagen324 oder abgeschlossene öffentlich-rechtliche Verträge 325 einen Eingriff in die Grundrechte des Bürgers darstellen können. Festzuhalten ist, daß die anderen Begriffsmerkmale (Rechtsakt, Finalität, Unmittelbarkeit) durchaus vorliegen können, wie gerade bei einem öffentlich-rechtlichen Vertrag deutlich wird.
(3) Kein Rechtsakt Ein Eingriff kam nach klassischem Eingriffsmodell nur in Betracht, wenn es sich um eine rechtliche Maßnahme handelte. Grundrechtsschutz gegen rein tatsächliches Handeln des Staates, mochte es auch noch so unmittelbar und final sein, schied aus326. Daher war mit der Aufgabe des Erfordernisses eines Rechtsaktes als Maßnahme eine sehr wesentliche Erweiterung des Eingriffsbegriffes verbunden. Die Abwehrmöglichkeit des Grundrechtsträgers erstreckte sich nun auch auf Realhandeln des Staates bzw. schlichtes Verwaltungshandeln, das im Verwaltungsalltag eine zunehmend größere Rolle spielte. Allerdings waren es weniger wirtschaftslenkende Maßnahmen, deren Diskussion diese Erweiterung mit sich brachten, sondern vor allem von staatlichem Handeln ausgehende (Lärm-)Emissionen 327. Erleichtert wurde der Rechtsprechung die Aufgabe dieses Merkmals dadurch, daß man zunächst in der Regel wenigstens an der "Finalität" festhalten konnte328.
bb) Mittelbar Ursprünglich wurde das Merkmal der "Unmittelbarkeit" zur Erweiterung des Eingriffsbegriffes herangezogen; die "Unmittelbarkeit" erweiterte bei objektivem Verständnis (in Abgrenzung zu einem subjektiven Vorhersehbarkeitsverständnis)
324 Badura, in: von Münch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, Rn. 84; Stob er, WiVerwR, S. 215 f.; ders., Handbuch, S. 803 ff. 325 Bleckmann/Eckhoff, DVB1. 1988, 373 (377); Stober, WiVerwR, S. 216 ff.; ders., Handbuch, S. 807 ff. 326 Bleckmann, Grundrechte, S. 336. So z.B. noch E.-R. Huber, WiVerwR I, S. 53. 327 BVerwGE 68, 62 (66) - Liturgisches Glockengeläut; OVG Münster NJW 1984, 1982 (1983 f.) - Feuerwehrgerätehaus. 328 BVerwGE 75, 109 (115) - Agrarstruktur und Küstenschutz; vgl. dazu auch Bleckmann/Eckhoff, DVB1. 1988, 373 (377).
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
79
das Merkmal der "Finalität"329. Bald wurde aber deutlich, daß auch bei "Zwischenschaltung" weiterer Ursachen bzw. Glieder in einer Kausalkette eine dem klassischen Eingriffsbegriff vergleichbare Rechtsbetroffenheit möglich war. Hinzu kam, daß eine griffige Definition der "Unmittelbarkeit der Betroffenheit" nicht zu finden war, auch nicht im Zivilrecht, das sich im Rahmen des Eingriffs in ein geschütztes Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB mit der gleichen Problematik auseinanderzusetzen hatte330. Zunehmend war man daher bereit, auch die "Unmittelbarkeit" als begriffskonstituierendes Merkmal aufzugeben 331. Verbunden war damit in der Regel die Preisgabe des Merkmals "Finalität"332 Der Weg war nun frei, sowohl nicht intendierte Beeinträchtigungen als auch rein faktische Nebenwirkungen bei Dritten erfassen zu können. Diese nun endgültig vom klassischen Eingriffsbegriff losgelöste, "wirklichkeitsoffenere" Grundrechtsinterpretation 333 führte zu der Erkenntnis, daß eine zweipolige Rechtsbeziehung Staat-Bürger durchaus Rechtsbetroffenheit bei einem Dritten auszulösen vermag. Wegbereitend für diese Erweiterung waren - gerade auch in der Rechtsprechung - die unter dem Stichwort "Konkurrentenrechtsschutz" behandelten Fälle, in denen die einem Bürger gewährte Begünstigung sich als belastende, Grundrechtsbetroffenheit auslösende Maßnahme für einen Dritten darstellte334. Hatte das Bundesverwaltungsgericht die Rechtsbetroffenheit des Unterlegenen bei dem Konkurrieren um eine Erlaubniserteilung zunächst noch verneint 335, so Schloß es im Jahre 1968 eine Rechtsbetroffenheit von nicht berücksichtigten Weinbauunternehmen durch die Subventionierung eines Konkurrenten nicht mehr aus336. Das Bundesverwaltungs-
329
GallwaSy Beeinträchtigungen, S. 23. Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 24 m.w.N. 331 Ramsauer, Beeinträchtigungen, S. 84 m.w.N. Allerdings darf nicht übersehen werden, daß ein jeweils differenziert zu verstehendes "Unmittelbarkeitskriterium" eine Rolle bei der Beschwerdebefugnis im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde sowie als haftungsbegrenzendes Tatbestandsmerkmal bei enteignungsgleichem und enteignenden Eingriff [vgl. dazu Lübbe-Wolff y Grundrechte, S. 42 f.; Schoch, Jura 1990, 140 (145 f.)] spielt - aber jeweils mit anderen Inhalten. 332 BVerfGE 46, 120 (137); BVerwGEl\ y 183 (191); Eckhoff y S. 190 ff.; darauf noch beharrend OVG Münster NJW 1986, 2783 (2783). 333 Schenke, NVwZ 1993, 718 (719). 334 Vgl. Frers y DÖV 1988, 670 (674 ff.); P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 6 ff., 60 ff.; Schenke, NVwZ 1993, 718 (719). 335 BVerwGE 16, 187 (189) - Kraftdroschke; Fall des sog. positiven Konkurrentenrechtsschutzes, vgl. zur Terminologie Schenke, NVwZ 1993, 718 (719). 336 BVerwGE 30, 191 (197 f.) - Winzergenossenschafts-Subvention; Fall des sog. negativen Konkurrentenrechtsschutzes, vgl. Erichsen, Jura 1994, 385 (385 f.); Rittner/ Stephan, GewArch. 1985, 177 (182 f.); Schenke, NVwZ 1993, 718 (719). In BVerwGE 330
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatsttigkeit
gericht verzichtete zwar auf jegliche Ausführung zum Eingriffsbegriff, hielt aber einen Eingriff in die durch Art. 2 GG geschützt gesehene Wettbewerbsfreiheit für möglich, was zur Bejahung der Klagebefugnis genügte337. Entscheidende Erwägung war dabei, daß der Staat durch die Subventionierung möglicherweise die Chancengleichheit zerstöre und die Wettbewerbslage dadurch derartig verzerrt werde, daß der Nichtbegünstigte nicht mehr existenzfähig sei 338 . Beachtenswert ist, daß die Anforderungen an den klassischen Eingriffsbegriff völlig aufgegben worden sind; das Bundesverwaltungsgericht stellt nur noch auf die Grundrechtsgefahrdung ab, für die es als Maßstab - unausgesprochen - die potentielle Eingriffsintensität der staatlichen Maßnahme heranzieht. Allerdings waren bereits vorher Ansätze in der Rechtsprechung sichtbar. So hat der Bundesgerichtshof schon 1955 eine Rechtsbetroffenheit bei der Warnung einer Handelskammer, also schlichtem Verwaltungshandeln, nicht ausgeschlossen339. Diese Rechtsprechung fand eine Fortsetzung in weiteren Urteilen auch des Bundesverwaltungsgerichts y die hier aufzuzählen, nicht möglich ist. Erwähnt werden sollen aber noch zwei Entscheidungen: Bedeutsam für die Einbeziehung drei- oder mehrpoliger Beziehungen war auch das eingangs schon erwähnte Urteil, in dem das Bundesverwaltungsgericht die Rechtsbetroffenheit (hier sogar die Grundrechts Verletzung) eines Pharmaherstellers durch die von der sog. Transparenzkommission herausgegebene Liste mit kostengünstigen Arzneimitteln bejahte 340 . In einem Urteil aus dem Jahre 1986 schließlich sah das Bundesverwaltungsgericht ein Siedlungsunternehmen in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG durch Subventionsrichtlinien, eine Verwaltungsvorschrift, verletzt. Besonderheit des Falles war jedoch, daß zwischen Verwaltung und dem Siedlungsunternehmen kein "Subventionsverhältnis" bestand, sondern die Subventionsrichtlinien die Beziehungen zwischen Verwaltung und dem Begünstigten determinierten 341. Das Bundesverwaltungsgericht betonte unter Berufung auf das vorgenannte Ur30, 347 (348 f.), bejahte das Gericht die Möglichkeit der Rechtsbetroffenheit dann auch bei einem Fall positiven Konkurrentenrechtsschutzes. 337 BVerwGE 30, 191 (198). Im Erg. war die Klage dann allerdings unbegründet. Gegen eine Verankerung der Wettbewerbsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG z.B. Papier, DVB1. 1984, 801 (809). 338 BVerwGE 30, 191 (197). 339 BGH NJW 1956, 711 (712): Der BGH verneinte allerdings den Zivilrechtsweg und sah sich daher an Ausführungen zur konkreten Rechtsbetroffenheit gehindert, machte aber deutlich, daß er die Eingriffsgeeignetheit des schlichten Verwaltungshandelns für durchaus gegeben hielt. 340 BVerwGE 71, 183 (189 ff.). 341 BVerwGE 75, 109 (115).
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
81
teil, daß je nach Art und Ausmaß auch tatsächliche Auswirkungen staatlicher Maßnahmen einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG darstellen können, sofern sie in engem Zusammenhang zur Berufsausübung stehen und eine objektiv und deutlich erkennbare berufsregelnde Tendenz aufweisen 342. Dieser Befund, daß eine grundrechtsrelevante Maßnahme nicht mehr an den Betroffenen "adressiert" zu sein braucht343 und auch tatsächliche Auswirkungen staatlicher Maßnahmen bei Dritten, die eventuell noch dazu über weitere Glieder einer Kausalkette der angegriffenen staatlichen Maßnahme zugerechnet werden können, einen Eingriff darstellen können, darf heute wohl als anerkannt gelten 344 . Allerdings spielt - gerade in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - das Merkmal "Finalität" immer wieder einmal eine Rolle 345 . Zwar taucht das eine oder andere Merkmal des klassischen Eingriffsbegriffes in der einen oder anderen Definition wieder auf, doch spielen die klassischen Merkmale des Eingriffsbegriffes für die Eingriffsgeeignetheit einer staatlichen Maßnahme keine Rolle mehr, so daß auch z.B. informelle Absprachen zwischen Verwaltung und Bürger einen Dritten betreffen können346. Somit haben sich nicht nur die Handlungsformen vom Verwaltungsakt als einzig möglicher Maßnahme gelöst, auch der Eingriff hat sich dementsprechend von den Rechtsformen des Verwaltungshandelns gelöst347. Die Folgen dieser dogmatischen Entwicklung werden auch wieder in der Rechsprechung deutlich. Die Abwehr des klassischen wirtschaftslenkenden Verwaltungsaktes steht nicht mehr im Mittelpunkt, sondern die zunehmend von der Verwaltung gewählten Formen sog. schlichten Verwaltungshandelns, die in der Regel flexibler, für den Betroffenen häufig verhältnismäßiger und allerdings auch weniger rechtlich normiert sind. Zu nennen sind hier nur Warnungen 348 oder Beratungen349. Die Frage der Rechtsbetroffenheit ist nicht mehr problematisch350. Jedoch ist es bisher nicht gelungen, einheitliche Maß-
342
BVerwGE 75, 109 (115), wobei bei dieser Definition die "Finalität" wieder eindeutig eine tragende Rolle spielt. 343 Bleckmann/Eckhoff, DVB1. 1988, 373 (377 f.). 344 BVerfGE 13, 181 (185 f.); BVerwGE 75, 109 (115); Bleckmann/Eckhoff, DVB1. 1988, 373 (378); Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 125; Ramsauer, Beeinträchtigungen, S. 81 ff., 127. 345 Z.B. BVerwGE 75, 109 (115); BVerwG NVwZ 1984, 514 (515); vgl. auch OVG Münster NJW 1986, 2783 (2783 f.). 346 Beispiel bei Henneke, NuR 1991, 267 (275). 347 Badura, JZ 1993, 37 (38); Bleckmann/Eckhoff, DVB1. 1988, 373 (382). 348 BVerwGE 87, 37 ff. - Glykolwein; OLG Stuttgart NJW 1990, 2690 ff. - FlüssigeiSkandal. Auch die Veröffentlichung von Warentests durch einen Verwaltungsträger ist hier anzuführen, s. etwa BVerwG NJW 1996, 3161 f. 349 BVerwG GRUR 1992, 451 f. - Existenzgründerberatung. 6 Schliesky
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
stäbe und genaue Zulässigkeitsgrenzen solchen Handelns aufzustellen. Die Diskussion hat sich daher auf zwei andere Bereiche verlagert. Zum einen wird untersucht, welche tatsächlichen Auswirkungen denn noch einem staatlichen Handeln zugerechnet werden können351. Ein anderer Schwerpunkt liegt bei dem Merkmal der "Intensität", mit dessen Hilfe versucht wird, dem der Gefahr der Ausuferung unterliegenden Eingriffsbegriff neue Grenzen zu ziehen352. Dies bedeutet auch, daß wegen der vielfältigen rechtlich relevanten Auswirkungen wirtschaftslenkenden Staatshandelns das möglicherweise verletzte Recht im Einzelfall genau zu untersuchen ist; ob eine eingriffsbezogene Schutzbereichsdefinition der Grundrechte unter funktionalen Gesichtspunkten dabei hilft, wird noch zu klären sein353. Deshalb sei auch noch einmal betont, daß die Erweiterung auf drei- oder mehrpolige Beziehungsgeflechte nur eine Erweiterung des Eingriffsbegriffes darstellt, zunächst fur sich aber nichts über eine konkrete Rechtsbetroffenheit aussagt. Die Feststellung, daß auch die faktische Auswirkung eines adressatenbezogenen Verhaltens der Verwaltung (grund)rechtlich relevant ist, bedeutet zunächst nur eine Aussage über die Möglichkeit der Rechtsbetroffenheit und damit zugleich über den Verzicht von Kriterien wie "Finalität" und "Unmittelbarkeit". Einen derartigen "Verwaltungsakt mit Dritt- bzw. Doppelwirkung" zu konstatieren, bedeutet noch nicht, die Rechtsbetroffenheit zu bejahen354. Eine derartige Qualifizierung bedeutet eben nur, dafür aber durchgängig, die Möglichkeit der Rechtsbetroffenheit. Welches Recht in Betracht kommt und ob es in (insbes. prozeßrechtlich) relevanter Weise betroffen ist, kann mit der Qualifizierung als "Verwaltungsakt mit Doppel Wirkung" noch nicht gesagt werden und muß daher immer in einem gesonderten Schritt untersucht werden.
350
So verwendet das OLG Stuttgart NJW 1990, 2690 (2694), nur einen Halbsatz für die Feststellung eines Eingriffs. 351 Bleckmann/Eckhoff, DVB1. 1988, 373 (378); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 259. 352 Bleckmann/Eckhoff,; DVB1. 1988, 373 (380); Eckhoff, S. 252 ff.; Scherzberg, S. 222; vgl. dazu auch Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 190 ff., 305 ff. 353 BVerwGE 71, 183 (191 f.): "Wann und in welchem Ausmaß gewisse tatsächliche Einwirkungen eine relevante Beeinträchtigung des Grundrechts darstellen, ist in Ermangelung einheitlicher formaler Eingriffskriterien materiell nach Maßgabe des Schutzzwecks des jeweiligen Grundrechts zu ermitteln." Auch Badura, in: von Münch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, 3. Abschn., Rn. 89. 354 So aber die h.M., z.B. BVerwGE 60, 25 (30); Achterberg, AllgVerwR, § 21 Rn. 90; Erichsen, in: ders./Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 18 Rn. 1; Laubinger, Verwaltungsakt, S. 11 ff.; a.A. - wie hier - P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 60 f.; Schulte, DVB1. 1988, 512 (518). - Umgekehrt erlaubt im übrigen nicht erst die Rechtsbetroffenheit eine Qualifizierung als Verwaltungsakt mit Dopelwirkung.
83
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
cc) Ergebnis Mit dem umfassenden Grundrechtsschutz des Bürgers bei Maßnahmen der Wirtschaftslenkung geht die durchgängige Möglichkeit der Rechtsbetroffenheit des Grundrechtsträgers einher. Unabhängig von der Handlungsform der Verwaltung oder der Art und Weise der Auswirkungen beim Grundrechtsträger kann die Eingriffsgeeignetheit wirtschaftslenkender Maßnahmen ausnahmslos bejaht werden.
c) Rechtsbetroffenheit
bei wirtschaftlicher
Tätigkeit
des Staates
Mit dem Schlagwort "Grundrechte schützen nicht vor Konkurrenz" wird die Eingriffsgeeignetheit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates zum Teil nach wie vor pauschal abgelehnt355. Bei einer derart verkürzten Darstellung wird der Blick von dem Befund abgelenkt, daß es - wie bei der Wirtschaftslenkung auch - völlig verschiedenartige Konstellationen sein können, die für die Auslösung einer Rechtsbetroffenheit in Frage kommen. Es sind daher noch einmal die soeben erörterten Eingriffs- bzw. Betroffenheitskategorien im Hinblick auf die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates aufzugreifen.
aa) Unmittelbar Stellt man sich das Konkurrenzverhältnis zwischen Staat und privatem Unternehmer bildlich vor, so wird sofort deutlich, daß eine unmittelbare Betroffenheit des Konkurrenten durch eine staatliche Wirtschaftstätigkeit kaum in Betracht kommt, da die staatliche Maßnahme nicht in Zielrichtung auf den Konkurrenten ergeht, sondern zielgerichtet gegenüber einem Kunden. Eine Rechtsbetroffenheit des Konkurrenten wird in der Regel also nur mittelbar, nach Dazwischentreten weiterer Ursachen bzw. bei der Kausalität zu berücksichtigender Faktoren, eintreten. In dieser bildlichen Konstellation kann eine unmittelbare Rechtsbetroffenheit nur bei dem Nachfrager bzw. umworbenen Kunden vorkommen.
(1) Klassischer Eingriffsbegriff Ein finaler, unmittelbarer Rechtsakt, der mit hoheitlich-imperativen Mitteln angeordnet bzw. durchgesetzt wird und gleichzeitig sich als wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, ist zwar selten356, kommt aber dennoch vor. So hat der Bundesgerichtshof jüngst die öffentlich-rechtliche Gebührenauskunft eines staatlichen
355 356
BVerwGE 39, 329 (337); zuletzt BVerwG NJW 1995, 2938 (2939). Weber, S. 107.
84
Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
Vermessungsamtes in Baden-Württemberg als im Wettbewerb mit einem Vermessungsingenieur relevantes Handeln qualifiziert 357, also als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Eingangsdefinition 358. Geht man davon aus, daß die Gebührenfestsetzung gegenüber dem Kunden durch Verwaltungsakt erfolgt, so kann hier eine Rechtsbetroffenheit des Kunden durch eine wirtschaftliche Tätigkeit des Vermessungsamtes vorliegen, die - weil Verwaltungsakt - alle Merkmale des klassischen Eingriffsbegriffes erfüllt 359. Dieser Kategorie kann auch die Errichtung von staatlichen Monopolen zugerechnet werden, wenn also ein wirtschaftliches Betätigungsfeld einem in diesem Bereich bislang tätigen Unternehmer entzogen wird 360 . So stellte beispielsweise die Übertragung der Abfallbeseitigung auf öffentlich-rechtliche Körperschaften durch § 3 Abs. 2 AbfG 361 einen Eingriff in die Berufsfreiheit der privaten Altunternehmer dar 362 . Der Eingriff erfolgt hier strenggenommen allerdings nicht durch die aus dem Monopol resultierende wirtschaftliche Tätigkeit, sondern durch den gesetzlichen Errichtungsakt, der die klassischen Eingriffsmerkmale erfüllt. Jedenfalls löst eine der konkreten wirtschaftlichen Tätigkeit vorgelagerte staatliche Handlung unmittelbar die Rechtsbetroffenheit des Konkurrenten aus.
(2) Fehlende Imperativität Verzichtet man bei dem klassischen Eingriffsbegriff auf das Merkmal der "Imperativität", so war man bei den wirtschaftslenkenden Maßnahmen zur Einbeziehung von Verträgen gelangt. Im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates geschlossene Verträge oder Vereinbarungen können ebenfalls eine (Grundrechts-)Betroffenheit auslösen. Ein Beispiel aus der jüngeren Rechtspre-
357 BGHL 121, 126 (129) = DÖV 1993, 573 f. = NJW 1993, 1659 f. = ZIP 1993, 531 ff. - Rechtswegprüfung II; vgl. zu diesem Urteil Schliesky, DÖV 1994, 114 ff. 358 Vgl. oben Β I: eigene Teilnahme des Staates oder seiner Untergliederungen am Wettbewerb als Anbieter. 359 Der BGH hatte allerdings das Wettbewerbsverhältnis zwischen Vermessungsamt und Vermessungsingenieur zu beurteilen, genauer: dessen rechtliche Qualifizierung und die Auswirkungen auf die Rechtswegfrage. Denkbar ist aber eben auch eine Rechtsbetroffenheit des Kunden, falls die Gebührenauskunft - wie vom klagenden Vermessungsingenieur gerügt - oder die spätere Gebührenfestsetzung fehlerhaft wären. 360 Stober, Handbuch, S. 464 f. 361 Abfallbeseitigungsgesetz - AbfG - i.d.F. v. 5.1.1977, BGBl. I S. 41. 362 BVerwGE 62, 224 (230). Diesen Eingriff sah das Gericht dann aber im Erg. als gerechtfertigt an.
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
85
chung des Bundesgerichtshofs 363 : Das Gericht untersagte einem Sozialhilfeträger, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die Verwendung einer in der Gestaltung von Pflegesatzvereinbarungen mit privaten Heimträgern benutzte Klausel, nach der die privaten Heimträger bei der Abrechnung mit privaten Selbstzahlern nur die Pflegesätze in Anschlag bringen dürfen, die in ihrer Höhe den von den Trägern der Sozial- und Jugendhilfe zu zahlenden Pflegesätzen entsprechen. Der Kläger, ein Verband zur Interessenwahrnehmung der privaten Heimträger, hatte Teile dieser Pflegesatzvereinbarungen, öffentlich-rechtlicher Verträge 364, angegriffen. Der Bundesgerichtshof sah den Unterlassungsanspruch - soweit er seine Zuständigkeit bejahte - gem. §§ 15, 35 Abs. 1 GWB begründet an. Er hielt das Marktverhalten der privaten Heimträger gegenüber selbstzahlenden Dritten unzulässig beschränkt365 und bejahte dadurch die Verletzung von § 15 GWB, wobei der Bundesgerichtshof noch betonte, daß § 15 GWB gerade dem Individualschutz des gebundenen Wettbewerbers diene366. Vernachlässigt man einmal die Anwendung des Wettbewerbs- bzw. Kartellrechts, so bleibt folgender Befund: Ein Träger hoheitlicher Gewalt hat durch eine mit privaten Wettbewerbsteilnehmern geschlossene Vereinbarung Einfluß auf deren künftiges Marktverhalten genommen und so durch eine finale, unmittelbare, öffentlichrechtliche Maßnahme in ihre Wettbewerbs-, Berufsausübungs- und/oder Vertragsfreiheit eingegriffen. In diesem konkreten Fall war daher nicht nur die Eingriffsgeeignetheit, sondern - im Verhältnis zu dem vom Bundesgerichtshof mit wettbewerbsrechtlichen Maßstäben ermittelten Ergebnis - sogar eine Grundrechtsverletzung zu bejahen.
(3) Kein Rechtsakt Wirtschaftliche Tätigkeit des Staates kann auch durch tatsächliches Handeln stattfinden, das dennoch das Merkmal der Unmittelbarkeit aufweist. Angesprochen ist hier der Verzicht auf das Erfordernis einer rechtlichen Maßnahme beim Eingriffsbegriff. Beispielhaft dafür ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu Werbebeilagen in Kontoauszugsbriefen an Teilnehmer des Postgiro-
363
BGHZ 119, 93 ff. = NJW 1993, 789 ff. BGH NJW 1993, 789 (790, 791), m.w.N. aus der eigenen Rechtsprechung Grundsätzlich sieht der BGH daher die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für Streitigkeiten über Pflegesatzvereinbarungen gegeben (S. 790). Da der BGH den Unterlassungsanspruch gegen die eine genannte Klausel jedoch dem GWB zuordnet, gelangt er zum ordentlichen Rechtsweg. Inwieweit der Anwendung des GWB und der daraus gefolgerten Zuständigkeit der Zivilgerichte zugestimmt werden kann, bedarf noch der - späteren - Erörterung. 365 BGH NJW 1993, 789 (791 li.Sp.). 366 BGH NJW 1993, 789 (791 re.Sp.) m.w.N. 364
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
dienstes367. Der Kläger wehrte sich, nachdem er erfolglos "Widerspruch" erhoben hatte, gegen die Beifügung postfremder Werbebeilagen mit der Begründung, sie störten den Betrieb seiner Rechtsanwalts- und Notariatskanzlei. In allen drei Instanzen wurde allerdings nicht ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit diskutiert, sondern gleich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers abgestellt368. Ubereinstimmend wurde ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bejaht369. Während das VG Hannover jedoch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Mißachtung seines Widerspruchs annahm370, hielten das OVG Lüneburg 371 und das Bundesverwaltungsgericht 372 den Eingriff für sehr geringfügig und im übrigen für gerechtfertigt. Auch hier war jedenfalls die seltene, aber denkbare Grundrechtsbetroffenheit des Kunden, und nicht etwa des Konkurrenten, durch die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates gegeben.
bb) Mittelbar Angesprochen sind hier vor allem wirtschaftliche Verhaltensweisen des Staates, die gegenüber einem Kunden bzw. Nachfrager vorgenommen werden - in welcher Form auch immer - und sich bei einem Konkurrenten faktisch auswirken. Maßgebend ist, ob diese faktische Auswirkung auch rechtlich faßbar ist, ob m.a.W. die faktische Auswirkung in der Konkurrentensphäre als Grundrechtsbetroffenheit zu qualifizieren ist. Nach den Ausführungen zum mittelbaren Eingriff durch Wirtschaftslenkung sollten an sich keine Probleme bestehen, einen "Eingriff durch Konkurrenz" - so das Schlagwort373 für die Grundrechtsbetroffenheit des privaten Mitbewerbers in diesen dreipoligen Beziehungen - anzunehmen. Gleichwohl wird eine derartige Grundrechtsbetroffenheit noch vielfach abgelehnt.
(1) Kein Eingriff durch Konkurrenz Wer die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates - zumindest in privatrechtlicher Handlungsform - als nicht grundrechtsgebunden ansieht, die Fiskalgeltung der
367
BVerwGE 82, 29 ff. = JZ 1989, 688 f. VG Hannover NJW 1986, 1630 (1630); OVG Lüneburg NJW 1988, 1867 (1869); BVerwGE 82, 29 (30 f.). 369 Vgl. vorige Fn. 370 VG Hannover NJW 1986, 1630 (1631 f.). 371 OVG Lüneburg NJW 1988, 1867 (1869 f.). 372 BVerwGE 82, 29 (31). 373 Zurückgehend auf Scholz, ZHR 132 (1969), 97 (107); ders., NJW 1974, 781 (781). 368
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
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Grundrechte also ablehnt, wird konsequenterweise auch einen Eingriff durch Konkurrenz ablehnen374. Die fehlende Überzeugungskraft einer derartigen Ablehnung wurde oben schon nachgewiesen und braucht hier nicht wiederholt zu werden. Doch gibt es darüber hinaus ablehnende Stimmen zum Eingriff durch Konkurrenz auch unabhängig von der Haltung zur Fiskalgeltung oder ohne nähere Auseinandersetzung mit ihr. So wird vor allem vorgebracht, ein grundrechtlicher Maßstab für die Konkurrenz des Staates überspanne den Schutzbereich der Grundrechte 375. Hintergrund dieses Arguments ist letztlich das Wettbewerbsverständnis der Autoren: Konkurrenz wird als einem Wettbewerbssystem immanente (und letztlich auch erwünschte) "Belästigung" betrachtet376. Bestätigt wird dies durch die immer wieder einmal vom Bundesverwaltungsgericht gebrauchte These, Grundrechte schützten nicht vor Konkurrenz 377. So betont das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zum kommunalen Bestattungswesen378, daß das Grundgesetz der Privatwirtschaft nicht die Ausschließlichkeit wirtschaftlichen Handelns garantiere und daher auch nicht vor dem Wettbewerb der öffentlichen Hand schütze379. Die Teilnahme des Staates am Wettbewerb vermindere lediglich als "natürliche Folge jeden Wettbewerbs" - die Erwerbschancen der privaten Unternehmen, wodurch die Wettbewerbsfreiheit nicht verletzt werden könne, da Erwerbschancen nicht grundrechtlich abgesichert seien380. Jedenfalls solange der Staat mit marktkonformen, allen Wettbewerbern zugänglichen Mitteln am Wirtschaftsverkehr teilnehme, komme danach ein Eingriff nicht in Betracht 381.
374 Daß dies nicht immer so ist, darauf weist Schachtschneider, Staats unternehmen, S. 347 m.w.N., hin. 375 Bull, Staatsaufgaben, S. 280. 376 Bull, Staatsaufgaben, S. 280; Hidien, Unternehmen, S. 128; ähnlich auch Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 133. 377 BVerwGE 39, 329 (336 f.); BVerwG NJW 1978, 1539 (1540). Diesem folgend etwa VG Münster NVwZ 1982, 522 (523). 378 BVerwGE 39, 329 ff. 379 BVerwGE 39, 329 (336 f.). Die dort erfolgte Berufung auf BVerfGE 24, 236 (251) - Lumpensammler, ist nicht korrekt, da nicht der Staat, sondern eine kirchliche Stelle der Konkurrent war. - Auf der gleichen Linie liegt BVerwG NJW 1978, 1539 (1540) - Kommunale Wohnungs Vermittlung. 380 BVerwGE 39, 329 (337). Das dort angeführte Urteil des gleichen Senats aus dem Jahre 1963 [E 17, 306 (309) - Gebäude-Feuerversicherungsanstalt] paßt ebenfalls nicht als Beleg, da dort die Eingriffsgeeignetheit der wirtschaftlichen Tätigkeit bejaht wird und nur eine Verletzung der geprüften Grundrechte verneint wurde. Auf dieses Urteil wird daher noch zurückzukommen sein. Wie das BVerwG VG Münster NVwZ 1982, 522 (523); Bull, Staatsaufgaben, S. 280; Hidien, Unternehmen, S. 129. 381 Hidien, Unternehmen, S. 128 f. Dieses Ergebnis teilen die Vertreter der unter (2) behandelten vermittelnden Ansicht, die einen Eingriff durch Konkurrenz erst bei einer
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
(2) Eingriff erst ab hoher Eingriffsschwelle Unter Berufung auf die neuere Grundrechtsdogmatik, die mittelbare Eingriffe anerkennt, wird überwiegend heute auch ein Eingriff durch Konkurrenz fur möglich gehalten382. Allerdings ist auch bei Anerkennung des Eingriffs durch Konkurrenz noch eine Uneinheitlichkeitbei der Beurteilung der Eingriffskriterien festzustellen, indem die "Eingriffsschwelle" verschieden hoch angesetzt wird. Das Bundesverwaltungsgericht gewährt erst in gravierenden Fällen grundrechtlichen Schutz, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates zum Verdrängungswettbewerb oder zur Schaffung eines Monopols fuhrt 383. Diese zurückhaltende Linie wird in der Literatur zum Teil unterstützt384: Eine "normale" wirtschaftliche Tätigkeit des Staates ist demnach nicht grundrechtsrelevant und daher als dem Wettbewerbsprinzip immanente Verschärfung des Konkurrenzdrucks nicht eingriffsgeeignet.
(3) Eingriff durch Konkurrenz Demgegenüber verstärkt sich die Tendenz im Schrifttum, den Eingriff durch Konkurrenz nicht anders als andere Grundrechtsbeeinträchtigungen zu behandeln, also die faktische Beschneidung grundrechtlich geschützter Individualinteressen durch die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates als Eingriff aufzufassen und so die Grundrechtsrelevanz wirtschaftlicher Handlungsweisen des Staates anzuerkennen385.
höheren als der gewöhnlichen Eingriffsschwelle anerkennen, vgl. Badura, FS Steindorff, S. 839; Lindner, S. 110. 382 Statt vieler Krölls, GewArch. 1992, 281 (283 f.). Jetzt auch anerkannt von Emmerich, AG 1985, 293 (295). 383 BVerwGE 17, 306 (314); 39, 329 (337); BVerwG NJW 1978, 1539 (1540); NJW 1995,2938 (2939) ("lediglich eine weitgehend systemimmanente Verschärfung des marktwirtschaftlichen Konkurrenzdrucks"); ebenso VGH Kassel DÖV 1996, 476 (477). Für Wirtschaftslenkung vgl. auch BVerwG NJW 1982, 2513 (2515). 384 F. Kirchhof, Tätigkeitsfelder, S. 104; Lindner, S. 110; Papier, DVB1. 1984, 801 (809); Rinck/Schwarck, Wirtschaftsrecht, Rn. 173; ähnlich Badura, FS Steindorff, S. 839 f. ; ders., in: von Münch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR,3. Abschn., Rn. 113. Auch Schachtschneider, Staats unternehmen, S. 353 f., sieht nicht jede Konkurrenz, sondern erst die Vernichtung des privaten Wettbewerbers als Eingriff an. Dabei beschränkt er sich allerdings auf die Anerkennung des klassischen Eingriffsbegriffes und geht von seiner These aus, der Staat dürfe weder Wettbewerb lieh erscheinen noch so behandelt werden (S. 361). 385 Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 100 f.; Hubmann, WiVerw. 1982, 41 (45); Kirchhof, Verwalten, S. 370 f.; Kluth, S. 66, 76; Krölls, GewArch. 1992, 281
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
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Dies bedeutet nicht, jede wirtschaftliche Tätigkeit des Staates als Grundrechtseingriff oder gar als (also rechtswidrige) Grundrechtsverletzung aufzufassen, um auf diesem Wege dem Staat die Wettbewerbsteilnahme unmöglich zu machen386. Die Feststellung eines Eingriffs wird nach wie vor in jedem Einzelfall vorzunehmen sein, denn nicht jede Wettbewerbshandlung muß einen grundrechtlich geschützten Freiheitsbereich eines privaten Konkurrenten beeinträchtigen nur die Eingriffsgeeignetheit ist klar hervorzuheben 387. Entscheidend ist eben die Verminderung der grundrechtlich geschützten Freiheitssphäre, die bei staatlicher Konkurrenz durch den Staat möglich ist. Wer am wirtschaftlichen Wettbewerb teilnimmt, begibt sich zwar auch bei der Konkurrenz privater Unternehmer nicht in einen rechtsfreien Raum - der Hinweis auf UWG und GWB mag hier genügen - , doch können die aus der Privatautonomie folgenden Freiräume privater Konkurrenten nicht ohne weiteres auf den Staat übertragen werden. Die Handlungen des Staates im Wettbewerb sind eben keine Handlungen eines beliebigen privaten Konkurrenten, sondern staatliches Einmischen in grundrechtlich geschützte soziale Handlungs- und Lebensräume388. Macht man ernst mit der Aufgabe des klassischen grundrechtlichen Eingriffsbegriffes, kann die Eingriffsgeeignetheit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates nicht mehr bezweifelt werden. Die Grundrechtsbetroffenheit des privaten Konkurrenten wird durch eine staatliche Handlung ausgelöst, die über das Dazwischentreten eines weiteren Kausalfaktors - der Nachfrageentscheidung des Kunden - erfolgt. Wird bei der wirtschaftslenkenden Subventionierung eines privaten Konkurrenten der Empfänger staatlicher Hilfe für den (anerkannten) Grundrechtseingriff instrumentalisiert, so ist es bei der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates die Instrumentalisierung der Konsumenten, deren Nachfrageausfall die Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten Rechtsposition vermitteln kann. Die Ablehnung des Eingriffs durch Konkurrenz kann aus zwei weiteren Gründen nicht überzeugen: Zum einen wird bei einer derartigen Sichtweise völlig ausgeblendet, daß der Staat mit seinem gesamten Machtpotential der Konkurrent ist. Das schon bei der Begründung der Fiskalgeltung der Grundrechte angeführte Argument der Besonderheit staatlicher Wirtschaftsteilnahme gilt auch hier.
(284); von Mutius, JuS 1979, 342 (345); R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 523 ff.; Scholz, in: M./D./H./S., GG, Art. 12 Rn. 401 ff.; Stober, ZHR 145 (1981), 565 (579); ders., Handbuch, S. 582 f.; ders., DÖV 1995, 125 (131); Weber, S. 109 f. 386 Um die Befürchtung von Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 133, zu entkräften. 387 Nach welchen Kriterien denn nun ein Eingriff zu beurteilen ist, wird unten noch darzustellen sein. Derart generell auch zustimmend P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 325 f.; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 526. 388 Kluth, S. 65.
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
Zum anderen wird die Bedeutung der faktischen Einwirkung der staatlichen Wettbewerbshandlung auf die Wettbewerbsstellung des Konkurrenten unterschätzt. Eine für das unternehmerische Handeln des privaten Konkurrenten relevante Einwirkung beginnt lange vor seiner Vernichtung. Die Auswirkungen staatlicher Wettbewerbsteilnahme sind die gleichen wie bei einer staatlichen Wirtschaftslenkung, eventuell sogar noch gravierender - zumal der Staat, wie oben nachgewiesen, beide Wege zur Umsetzung ein und der gleichen Zielsetzung gehen kann. Für den privaten Unternehmer kommt es nicht darauf an, ob er durch eine vom Staat verhängte Herstellungsbeschränkung, durch die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit eines anderen Konkurrenten mittels staatlicher Subvention oder durch das Auftreten des Staates als potentem Konkurrenten in seiner Wettbewerbsstellung betroffen wird 389 . Wollte man dem privaten Unternehmer im letzteren Falle keinen Grundrechtsschutz gewähren oder diesen erst bei der Gefahr seiner wirtschaftlichen Vernichtung einsetzen lassen, würde man den Grundrechtsschutz unerträglich verkürzen. Denn der vorausschauende Unternehmer wird es nach Möglichkeit gar nicht erst zu seiner "Vernichtung" kommen lassen, sondern auf andere Produkte oder Angebotsstrategien ausweichen. Selbst wenn man dies fur die Feststellung eines unzulässigen Verdrängungswettbewerbs genügen lassen wollte 390 , wäre die Abwehrfunktion der Grundrechte ausgehöhlt, da die in diesem Stadium nun doch als schützenwert anerkannte ursprüngliche Wettbewerbsstellung des Unternehmers unwiederbringlich verloren wäre und den Grundrechten höchstens durch einen Folgenbeseitigungs- oder Schadensersatzanspruch zu nachträglicher Geltung verholfen werden könnte. Überdies wird bei einer Ablehnung des Eingriffs durch Konkurrenz vernachlässigt, daß auch die Wettbewerbsteilnahme als Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) und Betätigung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), möglicherweise auch als Eigentümerposition (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) geschützt ist; wenn nun im wirtschaftslenkenden Bereich und anderswo faktische Eingriffe gerade auch vom Bundesverwaltungsgericht - für möglich gehalten werden, dann darf die Grundrechtsrelevanz staatlichen Konkurrenzdrucks zumindest nicht ohne ausführliche Begründung für die Abweichung von sonst verwandten dogmatischen Strukturen verneint werden. Auch die Bejahung der Eingriffsgeeignetheit erst ab einer gewissen Schwelle kann nicht überzeugen. Das Erfordernis einer derartigen Eingriffsschwelle bedeutet eine schutzbereichsbezogene Eingriffsdefinition, die zunächst eine genaue
389
So auch P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 312; Kirchhof; Verwalten, S. 370. Zu zurückhaltend W. Henke, Recht der Wirtschaftssubventionen, S. 119 f. 390 Das BVerwG sieht die Grundrechte im Falle einer staatlichen Monopolstellung dann doch noch aktiviert, vgl. E 17, 306 (314); 39, 329 (337); BVerwG NJW 1978, 1539 (1540); GewArch. 1995, 329 (330).
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
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Bestimmung der dem jeweiligen Grundrecht eigentümlichen Schutzschwelle erfordert 391. Ein Überschreiten dieser Schwelle soll dann vorliegen, wenn der Staat sich bei seiner Wettbewerbsteilnahme nicht mehr marktkonform verhält 392 oder "das öffentliche Interesse mit dem Ziel einer den marktwirtschaftlichen Wettbewerb überschreitenden Wirtschaftsbeeinflussung" aktiviert 393. Den Anforderungen an eine hinreichende Rechtssicherheit kann eine derart verschwimmende Eingriffsdefinition nicht genügen, wenn sie noch dazu von sonst verwandten Eingriffsstrukturen abweicht. Eine bloße Leerformel ist zunächst der Begriff des "marktkonformen Verhaltens". Schon die Bestimmung der im jeweiligen Marktsegment gerade noch tolerierbaren Verhaltensweisen ist kaum noch möglich. Gravierender ist aber, daß wiederum die Besonderheit der Staatsteilnahme nicht mehr erfaßbar ist, wenn die Frage nach einem Grundrechtseingriff an ein äußerlich marktkonformes Verhalten geknüpft wird. Die Besonderheiten staatlicher Wirtschaftsteilnahme können einen Grundrechtseingriff auch bei äußerlich noch marktkonformem Verhalten begründen. Außerdem kommt diese schutzbereichsbezogene Eingriffsdefinition nicht ohne wertende Gesichtspunkte aus394, die besser bei der Frage nach der Rechtfertigung des Eingriffs zu erörtern sind, nicht aber schon bei der Feststellung eines Eingriffs. Ohne Wertungen ist zwar bei faktischen Grundrechtseingriffen kaum noch auszukommen, doch sollte darauf geachtet werden, nicht auch noch Fragen der Eingriffsrechtfertigung in den Schutzbereich vorzuverlagern und so die Grundrechtsdogmatik preiszugeben.
cc) Ergebnis Es hat sich gezeigt, daß eine staatliche Handlung sich als wirtschaftliche Tätigkeit darstellen und dabei durchaus den Anforderungen des klassischen Eingriffsbegriffes genügen kann. M.a.W.: Die Eingriffsgeeignetheit steht beim Tätigwerden in einer derartigen Erscheinungsform außer Frage. Eine Grundrechtsbetroffenheit kann aber nach neuerer Grundrechtsdogmatik auch dadurch ausgelöst werden, daß eine - von der Zielrichtung her zunächst
391
Badura, FS Steindorff, S. 840. P.-M. Huber t Konkurrenzschutz, S. 317 f.; ders.y in: Stober (Hrsg.), Rechtsschutz, S. 59; Lindner, S. 110. 393 Baduray FS Steindorff, S. 840. 394 Baduray FS Steindorff, S. 840 ("öffentliches Interesse"); Emmerichy AG 1985, 293 (295) (Eingriff "immer schon dann anzunehmen, wenn der Staat seine besondere, mit der keines Privaten vergleichbare Qualität zum Einsatz bringt"); Lindner, S. 110 (kein Eingriff, "wenn die öffentliche Hand sich mit vergleichbaren Mitteln und auf derselben Ebene wie die Privatwirtschaft wirtschaftlich betätigt"). 392
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
indifferente - wirtschaftliche Handlung tatsächlich das Wettbewerbsumfeld derart verändert, daß ein Konkurrent in seiner grundrechtlich geschützten Wettbewerbsteilnahme oder anderen spezifischen Ausprägungen nicht unerheblich beeinträchtigt wird. Hier löst dann eine faktische Beeinträchtigung, die bloß mittelbare Nebenfolge eines zumindest primär auf andere Ziele gerichteten Tätigwerdens ist, den grundrechtlichen Schutz aus.
5. Ergebnis: Abgrenzung nicht möglich Die vorstehenden Erörterungen haben ergeben, daß eine Abgrenzung zwischen Wirtschaftslenkung und wirtschaftlicher Tätigkeit des Staates, die mehr als nur eine deskriptive Kategorisierung ist, nicht möglich ist. Es hat sich gezeigt, daß die bislang vorgenommene Kategorisierung auf einer letztlich historisch überholten Einordnung "typischer" Fälle beruhte, also von der Häufigkeit bestimmter Erscheinungsformen ausging und diese mit den herkömmlichen Beurteilungskriterien zu erfassen suchte. "Typisch" war das finale Handeln für die Wirtschaftslenkung, vorwiegend durch Gesetz oder Verwaltungsakt, dementsprechend konnte man auf die bekannten Anforderungen aus dem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt zurückgreifen. "Typisch" war auch für die wirtschaftliche Tätigkeit, daß sie in den verschiedensten privat- und öffentlich-rechtlichen Handlungsformen stattfand, sich überwiegend nicht-final abspielte und daher - was die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit anging - in einer Grauzone zwischen Zulässigkeit und Unzulässigkeit angesiedelt wurde. Geahndet wurden nur besonders gravierende Übergriffe auf den Wettbewerb, die dann ausnahmsweise als grundrechtsrelevant anerkannt wurden. Nun ist jedoch die Zeit der "typischen" Handlungs- und Erscheinungsformen vorbei: Zum einen steht dem Staat - wie gezeigt - in beiden Bereichen eine Handlungsformenvielfalt zur Verfügung, die eine daran orientierte Zuordnung nicht mehr zuläßt. Von diesen verschiedenen Handlungsformen macht der Staat auch kräftig Gebrauch, je nachdem, welchen Ertrag er sich von der Wahl verspricht und wie er sein verfolgtes Ziel am besten verwirklicht sieht. Entscheidend ist aber auch das neue Grundrechtsverständnis gewesen, das die Grundrechte als umfassendes Abwehrmittel gegen staatliche Freiheitsbeschneidungen jeglicher Art versteht. Diesem Verständnis kann sich auch die Beurteilung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates nicht mehr verschließen. Damit ist der unterscheidende Gesichtspunkt der vorgeblich unterschiedlichen Auswirkungen, die beide Kategorien auslösen, hinfällig geworden. Gerade der Gesichtspunkt der Rechtsbetroffenheit ist aber für eine verhaltensrechtliche Beurteilung staatlicher Tätigkeit entscheidend, denn aus dieser Rechtsbetroffenheit ergeben sich Grenzen und Freiräume staatlichen Handelns. Sind aber die Auswirkungen von Wirtschaftslenkung und wirtschaftlicher Tätigkeit des Staates die gleichen, ist also die Eingriffsgeeignetheit und demzufolge die mögliche Rechtsbetroffenheit identisch, kann die
III. Abgrenzung der Wirtschaftslenkung
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konkrete phänotypische Art der Tätigkeit sowie die Hechts- oder Handlungsform nicht mehr entscheidend sein fur die verhaltens-/wettbewerbsrechtlichen Grenzen, die dem Staat zu ziehen sind395. Das (Öffentliche) Wettbewerbs- bzw. Verhaltensrecht hat dem Verhalten der staatlicherseits am Wirtschaftsleben beteiligten Subjekte Grenzen zu ziehen, um den Wettbewerb als solchen zu sichern und Konkurrenten - Grundrechtsträger! - , aber auch Kunden, Reklameangesprochene und andere Marktteilnehmer vor unlauteren Methoden zu schützen. Die Ausrichtung dieser Grenzen erfolgt an den zu schützenden Interessensphären der Konkurrenten, an deren Rechtsbetroffenheit. Zu messen ist also jedes Verhalten, das diese Rechtsbetroffenheit auslösen kann. Da Wirtschaftslenkung und wirtschaftliche Tätigkeit des Staates in gleichem Maße dazu geeignet sind, macht ihre Unterscheidung fur den Untersuchungszweck - wie überhaupt für ihre rechtliche Erfassung - keinen Sinn und ist im übrigen - wie gezeigt - nicht sauber möglich. Diese beiden phänotypischen Kategorien gehen daher in einer gemeinsamen Kategorie "wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit" auf. Alles, was bislang den Bereichen "Wirtschaftslenkung" oder "wirtschaftlicher Tätigkeit des Staates" subsumiert wurde, unterfällt dem Begriff der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit. Mit Hilfe dieser Kategorie staatlichen Handelns kann nun versucht werden, der staatlichen Einwirkung auf den Wettbewerb - in welcher Handlungs- oder Rechtsform auch immer - einheitliche Grenzen zu setzen. Mit der im Begriff herausgestellten Bezugnahme auf den Wettbewerb ist auch verdeutlicht, worauf es für verhaltensrechtliche Anforderungen vor allem ankommt: auf eine Sichtweise, die die Rechtsbetroffenheit der Konkurrenten bzw. überhaupt am Wettbewerb teilnehmenden Subjekte in den Vordergrund stellt. Nur so kann es gelingen, ein modernen rechtsstaatlichen Anforderungen genügendes Verhaltensrecht zu erarbeiten, das umgekehrt auch dem Staat verläßliche und erkennbare Vorgaben für sein Tätigwerden bietet. Festzuhalten bleibt demnach folgende Arbeitsdefinition für die vorliegende Untersuchung: Wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit ist jede Ingerenz des Staates selbst, eines unterstaatlichen Verwaltungsträgers oder eines sonstigen Trägers hoheitlicher Gewalt in einen wirtschaftlichen Markt - unabhängig von der Rechts- oder Handlungsform des staatlichen Akteurs. Weil wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit qua definitione die Freiheitssphären der den privatwirtschaftlichen Wettbewerb bildenden Unternehmer tangiert, ist sie geeignet, Rechtsbetroffenheit anderer (u.U. auch nur potentieller) Marktteilnehmer auszulösen.
395
So auch P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 331.
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
IV. Wettbewerbsverhältnisse im Rahmen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit Nachdem die durchgängig bestehende Möglichkeit der Rechtsbetroffenheit bei wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit festgestellt worden ist und insoweit eine materiell-phänotypische Betrachtungsweise zugrunde gelegt wurde, sollen nun vor diesem Hintergrund formell-phänotypisch die Wettbewerbsverhältnisse dargestellt werden, die bei wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit entstehen und deren einheitliche Beurteilung später versucht werden soll.
1. Das Wettbewerbsverhältnis Der Begriff des Wettbewerbsverhältnisses spielt vorwiegend eine Rolle im Zusammenhang mit dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Ansprüche nach § 1 oder § 14 UWG beispielsweise setzen nach herrschender Meinung jeweils - festgemacht am Tatbestandsmerkmal "Handlung zu Zwecken des Wettbewerbs" - ein konkretes Wettbewerbsverhältnis voraus396. Ausgehend von der strafrechtlichen Definition des Reichsgerichts397, die vom Bundesgerichtshof bestätigt wurde 398 , liegt ein Wettbewerbsverhältnis vor, wenn zwischen den aus einer Wettbewerbshandlung resultierenden Vorteilen und den daraus bei einem anderen resultierenden Nachteilen eine derartige Wechselbeziehung besteht, daß der eigene Wettbewerb gefördert und der des anderen beeinträchtigt werden kann 399 . Dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal dient der Begrenzung der nach dem UWG Anspruchsberechtigten; ein Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruch nach § 1 UWG soll nur einem Wettbewerber zugebilligt werden, der in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zu dem unlauter Handelnden steht, nicht aber jedem Marktteilnehmer 400. Es genügt für die Auslösung des UWGSchutzes also in objektiver Hinsicht nicht bereits ein Verhalten, das äußerlich geeignet ist, den Absatz oder Bezug einer Person zum Nachteil einer anderen zu fördern 401. Neben der subjektiven Förderungsabsicht402 wird also vielfach zu-
396
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 214, 216; Ber lit, Wettbewerbsrecht, Rn. 11; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 9 Rn. 4; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 33; vgl. auch Wilhelm, ZIP 1992, 1139 (1139). Sack, FS von Gamm, S. 175 f., hat deutlich gemacht, daß dieses geforderte Wettbewerbsverhältnis sich nicht aus dem Tatbestandsmerkmal "Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs" ableiten läßt, sondern von der h.M. zusätzlich gefordert wird. 397 Beispielsweise RGSt 32, 27 (28 f.); 58, 429 (430 f.). 398 BGH GRUR 1951, 283 (284); GRUR 1989, 430 (430). 399 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 216. 400 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbs recht, Einl. UWG, Rn. 214.
IV. Wettbewerbserhältnisse
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sätzlich ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen Verletzer und Verletztem erforderlich, damit die Wettbewerbshandlung UWG-relevant wird. Dabei muß die Wettbewerbshandlung aber nicht notwendig die eigene Wirtschaftstätigkeit fordern; die Förderung fremder Wettbewerbsteilnahme genügt403. Neben den Mindestanforderungen an ein Wettbewerbsverhältnis, zwei Wettbewerbern als Anbieter (oder Nachfrager) und einem Dritten als Kunden (oder Lieferanten) 404, bleiben nicht viele Vorgaben, die bei der Fallgruppenbildung im Rahmen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit aus dem UWG-Begriff des Wettbewerbsverhältnisses zu berücksichtigen sind. Und auch diese wenigen Begriffsvorgaben sind mittlerweile zunehmend in Frage gestellt, da eine im Vordringen befindliche Ansicht die Aufgabe des Merkmals "Wettbewerbsverhältnis" als Voraussetzung von § 1 UWG fordert: Hintergrund ist die richtige Erkenntnis, daß der Wettbewerb nicht nur die Interessen der direkt und konkret miteinander konkurrierenden Wettbewerber berührt, sondern aller sich am Markt betätigenden Subjekte405. Dies entspricht auch eher der hier vertretenen Konzeption, alle staatlichen Einwirkungen auf den Wettbewerb einem einheitlichen Verhaltensrecht zu unterstellen. Inwieweit daher die im Rahmen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit herauszuarbeitenden Fallgruppen den soeben skizzierten Anforderungen an ein Wettbewerbsverhältnis im Sinne des UWG entsprechen, wird daher noch zu überprüfen sein. Für die Darstellung der bei wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit entstehenden Wettbewerbsverhältnisse kann es aber auf den Begriff des Wettbewerbsverhältnisses i.S.d. § 1 UWG nicht ankommen, da die Relevanz des § 1 UWG für die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit erst noch zu untersuchen ist. Angesichts der unterschiedlichen Stimmen in Rechtsprechung und Literatur zu der Anwendbarkeit des § 1 UWG und den damit verbundenen Folgeproblemen wie der Rechtswegfrage darf hier nicht über die Zugrundelegung des Begriffes des Wettbe401 So die Definition der h.M. zum "Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs"; BGH in st.Rspr., z.B. BGHL 3, 270 (277); 19, 299 (303); Berlit, Wettbewerbsrecht, Rn. 6; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 33. 402
BGH in st.Rspr., z.B. BGHL 3, 270 (277); BGH GRUR 1986, 898 (899); Baumbach/Hefermehl y Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 232; Berlit, Wettbewerbsrecht, Rn. 6; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 33. 403 RGSt 32, 27 (29); BGHZ 67, 81 (84); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. U W G , Rn. 215; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 33. Zusammenfassend Sack, FS von Gamm, S. 164 ff. 404 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rn. 9. 405 Vertiefend Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. U W G , Rn. 247 f.; Hefermehly FG Kummer, S. 355 ff.; Wilhelniy ZIP 1992, 1139 (1141 ff.). Die Lösung wird daher zunehmend nicht mehr im Vorliegen oder Nichtvorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses gesucht, sondern bei der Bestimmung der Aktivlegitimation des Klägers, vgl. Hefermehly FG Kummer, S. 357 ff.; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 9 Rn. 4.
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
werbsverhältnisses eine Anwendbarkeit des § 1 UWG ohne nähere Auseinandersetzung unterstellt werden. Auszugehen ist vielmehr von dem bislang verwandten materiellen Ansatz: Die darzustellenden Wettbewerbsverhältnisse geben die Situation wieder, die bei der Ingerenz des Staates in den wirtschaftlichen Wettbewerb entsteht. Dabei ist die Stellung der Beteiligten zueinander zu beschreiben, die gerade auch durch den Reaktionsanspruch des beeinträchtigten Wettbewerbers auf das staatliche Tätigwerden gekennzeichnet ist.
2· Darstellung der einzelnen Wettbewerbsverhältnisse Die Einteilung in die verschiedenen Kategorien basiert primär auf der angegriffenen Handlung des Staates bzw. seiner Untergliederungen, sekundär auf den beteiligten Subjekten. Zur Illustrierung der folgenden Einteilung dienen in der Vergangenheit von den Gerichten beurteilte Sachverhalte. Dies dient nicht nur der besseren Übersichtlichkeit, sondern hilft auch bei der späteren Beurteilung der konkreten verhaltensrechtlichen Grenzen, die von der Rechtsprechung in den aufgeführten Beispielen gezogen wurden.
a) Unmittelbare Konkurrenzsituation (Verwaltungsträger beeinßußt die Wettbewerbssituation durch eigenes unternehmerisches Tätigwerden) In der ersten Kategorie befinden sich zwei Akteure in der "klassischen" Wettbewerbssituation: Verwaltungsträger und Drittunternehmer konkurrieren auf einem gemeinsamen Markt um einen Kunden. Innerhalb dieser Konkurrenzsituation sind - je nach den beteiligten Subjekten - mehrere Varianten denkbar. Der handelnde Verwaltungsträger kann in Konkurrenz zu einem anderen Verwaltungsträger treten, der sich ebenfalls auf dem fraglichen Markt befindet. Konkurrent kann - dies ist der Regelfall - ein privater Unternehmer sein. Der Staat handelt aber auch durch ein öffentliches Unternehmen in Privatrechtsform. Angesichts der mit diesen verschiedenen Konstellationen verbundenen Vielzahl von in der Gerichtspraxis erörterten Unterlassungsansprüchen, die zu sehr unterschiedlichen Verhaltensgrenzen führen und nicht zuletzt divergierende Rechtswegentscheidungen nach sich ziehen, erscheint eine Differenzierung nach den beteiligten Subjekten in dieser Wettbewerbsverhältniskategorie angebracht.
IV. Wettbewerbserhältnisse
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aa) Zwei Verwaltungsträger Auf einem gemeinsamen Markt können durchaus zwei Verwaltungsträger in Konkurrenz zueinander treten. Ein Beispiel, das die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang immer wieder beschäftigt hat, ist der Wettbewerb der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung um neue Mitglieder. Hier hat zuletzt der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes das Konkurrenzverhältnis bei der Mitgliederwerbung ausdrücklich anerkannt, es aber angesichts des sozialversicherungsrechtlichen Sonderrechts dem allgemeinen Wettbewerbsrecht entzogen406 und den streitigen Unterlassungsanspruch einer Verletzung der Zusammenarbeitspflicht der gesetzlichen Krankenkassen nach § 86 SGB X entnommen407. In diese Richtung tendiert auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, das hinsichtlich der Mitgliederwerbung ein öffentlich-rechtliches Wettbewerbsverhältnis zwischen den gesetzlichen Krankenkassen (AOK und Ersatzkasse) vorliegen sieht408. Interessant ist an dieser Fallkonstellation, daß das Bundessozialgericht den geltend gemachten Unterlassungsanspruch gegen die angegriffenen Werbemaßnahmen in den allgemeinen Grundsätzen des UWG begründet sieht (insbes. § § 1 , 3 UWG) und diese Grundsätze im Verfahren vor den Sozialgerichten entsprechend anwendet409. In § 1 UWG sehen auch einige Obergerichte den richtigen Unterlassungsanspruch; anders als das Bundessozialgericht sehen diese Gerichte das Wettbewerbsverhältnis zwischen den Verwaltungsträgern aber als privatrechtlich an und wenden § 1 UWG daher direkt und unmittelbar an 410 .
bb) Verwaltungsträger und Privater In dieser Konstellation tritt ein Verwaltungsträger bzw. ein öffentliches Unternehmen in öffentlich-rechtlicher Organisationsform in Konkurrenz zu einem privaten Unternehmer.
406
BGHZ 108, 284 (287). BGHZ 108, 284 (288 f.). 408 BSGE 36, 238 (240); 56, 140 (141). 409 BSGE 56, 140 (144). 4,0 OLG Düsseldorf GRUR 1973, 487 (488); OLG Celle WRP 1984, 328 (328 f.); a. A. OLG Koblenz WRP 1985, 358 (360), das ein öffentlich-rechtliches Wettbewerbsverhältnis annimmt und § 1 UWG als Maßstab für die Werbung von Ersatzkassen nicht genügen lassen will, da es einen höheren öffentlich-rechtlichen Maßstab für gegeben hält. 407
7 Schliesky
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Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
Auch hier handelt es sich in der Regel um die typische Wettbewerbssituation: Zwei Anbieter befinden sich im Wettbewerb um einen Nachfrager. Einer der Anbieter ist in dieser Konstellation ein privater Unternehmer, der einen Unterlassungsanspruch gegen seinen Konkurrenten, einen Verwaltungsträger, geltend macht411. Die Beispiele aus der Judikatur sind zahlreich und spielen sich in den verschiedensten Angebotsbereichen ab: Konkurrenten können der Staat und ein privates Unternehmen auf dem Gebiet der Wohnungsvermittlung sein412, wobei in diesem Verhältnis nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts Unterlassungsansprüche nur aus den Grundrechten des privaten Konkurrenten (Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG) denkbar sind413. Wettbewerbsrelevant ist auch immer wieder die Tätigkeit der gesetzlichen Krankenkassen, Körperschaften des öffentlichen Rechts: Ob es sich um die Abgabe von Rollstühlen414 oder von Brillen 415 durch eine AOK handelt, in beiden Fällen wirkte sich das Verhalten des Hoheitsträgers nachfragemindernd bei dem privaten Konkurrenten aus. Der Unterlassungsanspruch wurde - im ersten Fall ohne416, im zweiten Fall mit Erfolg 417 - auf § 1 UWG gestützt. Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen war auch schon mehrfach der Wettbewerb im Bestattungswesen, wenn sich ein privater Bestattungsunternehmer gegen die Konkurrenz eines kommunalen Bestattungswirtschaftsbetriebes wehrt 418 . War, wie aus den Nachweisen ersichtlich, der Rechtsweg in diesen Fällen kein einheitlicher, so gilt dies auch für die zugrunde gelegten Unterlassungsansprüche: Grundrechtliche Abwehransprüche (Art. 12 Abs. 1, 3 Abs. 1,
411
Die Frage, was genau der private Unternehmer bekämpft, ist häufig nur schwer herauszuarbeiten und braucht hier auch noch nicht vertieft zu werden. Denkbar sind jedenfalls sowohl Unterlassungsbegehren gegen das "Ob" der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit (Darf der Staat überhaupt tätig werden?) als auch gegen die konkrete Art und Weise der wettbewerbsrelevanten Staatstatigkeit. 4.2 BVerwG NJW 1978, 1539 f. 4.3 BVerwG NJW 1978, 1539 f. Ein subjektives öffentliches Recht aus Art. 89 Abs. 3 S. 3 GO Bay im Wege einer Drittschutz vermittelnden Auslegung lehnt das BVerwG NJW 1978, 1539 (1539), unter Berufung auf die Vorinstanz ab. 4.4 BSG NJW 1989, 2773 f. 415 BGHZ 82, 375 ff. 416 BSG NJW 1989, 2773 (2774). 417 BGHZ 82, 375 (395). 418 BVerwGE39, 329 ff.; BGH NJW 1987, 60 ff.; GRUR 1989, 603 ff.; VGHMannheim GewArch. 1969, 141 ff.
IV. Wettbewerbs Verhältnisse
99
14 Abs. 1 GG) wurden geprüft, aber verneint 419; § 1 UWG wurde mal für auf öffentlich-rechtliche Streitigkeiten anwendbar erklärt 420, in der Regel aber von den ordentlichen Gerichten im Zivilrechtsweg geprüft 421.
cc) Öffentliches Unternehmen in privatrechtlicher Organisationsform und Privater Das Wettbewerbsverhältnis bleibt das gleiche, nur ist das neben dem privaten Unternehmer am Konkurrenzkampf beteiligte Subjekt ein öffentliches Unternehmen in privatrechtlicher Organisationsform. Damit sind also nach der eingangs festgelegtenBegriffsbestimmungEigengesellschaftenundgemischt-wirtschaftliche Unternehmen gemeint. Das wirtschaftliche Betätigungsfeld des Staates reicht hier von der Veranstaltung von Ausstellungen (Unterlassungsanspruch des Konkurrenten: § 1 UWG) 4 2 2 über den Wohnungsbau (Unterlassungsanspruch: Art. 14 Abs. 1, 12 Abs. 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG) 423 bis hin zum Speditionsunternehmen (Unterlassungsanspruch: § 1 UWG) 4 2 4 .
dd) Kunde begehrt Unterlassung In dieser eher unüblichen Kategorie wird zwar auch das wettbewerbsrelevante Staatshandeln angegriffen. Doch der Unterlassung Begehrende ist nicht der Konkurrent, sondern der Kunde bzw. Nachfrager. Der Unterlassungsanspruch stammt also in diesem Wettbewerbsverhältnis aus einer anderen Richtung. Es soll trotzdem im Rahmen der unmittelbaren Konkurrenzsituation erörtert werden, da der Lebenssachverhalt sich im übrigen wie in den zuvor beschriebenen Situationen verhält. Beispielsfall ist die Übersendung von postfremden Werbebeilagen zusammen mit Postgirobriefen seitens der Deutschen Bundespost an einen Postgiroteilnehmer, deren Unterlassung der Teilnehmer begehrte425. Der im Ergebnis unter-
4,9
BVerwGE 39, 329 (336 f.). VGH Mannheim GewArch. 1969, 141 (142). 421 BGH NJW 1987, 60 (61); GRUR 1989, 603 (604). 422 BGH MDR 1964, 210. 423 VGH Mannheim NJW 1984, 251 (252 f.). 424 OLG Karlsruhe BB 1976, 101 (102). S. auch den Fall der von einer Handwerkskammer getragenen Baugesellschaft bei OVG Koblenz GewArch. 1980, 339 ff. 425 BVerwGE 82, 29 ff.; OVG Lüneburg NJW 1988, 1867 ff.; VG Hannover NJW 1986, 1630 ff. 420
100
Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
schiedlich beurteilte grundrechtliche Abwehranspruch gegen die sog. Randnutzung wurde unter dem Gesichtspunkt des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht) geprüft 426. Ebenfalls in diese Fallgruppe gehört die von Kunden beanstandete Übersendung der sog. Postbank Card und persönlichen Geheimzahl im Rahmen des Vertrages zwischen Postbank und Kunden; der auf § 1 UWG gestützte Unterlassungsanspruch hatte keinen Erfolg; 427.
b) Verwaltungsträger beeinflußt Wettbewerbsstellung des Unternehmers durch Einflußnahme auf den Nachfrager In der hier vorliegenden Konstellation geht es um ein wettbewerbsrelevantes Staatshandeln, das ebenfalls gegenüber dem Bürger stattfindet. Der private Unternehmer wird aber nicht durch ein konkurrierendes Mitangebot des Staates betroffen; seine Wettbewerbsstellung wird vielmehr dadurch berührt, daß der Staat gegenüber dem (potentiellen) Kunden des privaten Unternehmers tatig wird und durch diese Handlung die Wettbewerbsstellung des privaten Unternehmers beeinträchtigt. Eine derartige Handlung kann in einer Warnung vor dem Produkt des privaten Unternehmers liegen, die zu Umsatzeinbußen des Unternehmers führt 428. Der Abwehranspruch wurde in diesen Fällen in den Grundrechten (Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) gesucht429. Auch im Bereich der medizinischen Versorgung ist es schon zu derartigen gerichtlich zu beurteilenden Wettbewerbsverhältnissen gekommen, beispielsweise bei der Veröffentlichung von Arzneimittel-Richtlinien430, die für die Verschrei-
426 VG Hannover NJW 1986, 1630 (1631); OVG Lüneburg NJW 1988, 1867 (1868 f.); BVerwGE 82, 29 (30 f.). 427 LG Berlin ArchivPT 1993, 80 f. 428 BVerwGE 87, 37 (39 f.) - Glykolwein; OLG Stuttgart NJW 1990, 2690 (2694) Flüssigei-Teigwaren. Vergleichbar ist die Veröffentlichung von Warentests durch eine Landwirtschaftskammer, vgl. BVerwG NJW 1996, 3161 (3161). 429 BVerwGE 87, 37 (40 f., 51); vgl. dazu auch kritisch Schoch, DVB1. 1991, 667 (668 f.); BVerwG NJW 1996, 3161 (3161); OLG Stuttgart NJW 1990, 2690 (2694). 430 BVerwGE 58, 167 (169); 71, 183 (190); BSG NJW 1989, 2771 (2773). Zu beachten ist, daß in den drei den Urteilen zugrundeliegenden Sachverhalten in aller Regel der verschreibende Arzt als der Nachfrager zu betrachten sein wird. Dies hat aber keine weiteren Konsequenzen für dieses Wettbewerbsverhältnis. - Welche Brisanz in derartigen Listenveröffentlichungen liegt, zeigte jüngst die Diskussion um die sog. "Positivliste" der künftig noch auf Kassenkosten verordnungsfähigen Arzneimittel. Das nach dem Gesundheitsstrukturgesetz mit der Erstellung der Liste beauftragte Institut hatte - entgegen politi-
IV. Wettbewerbs Verhältnisse
101
bungspraxis der Ärzte erhebliche Bedeutung haben und so mittelbar starke Auswirkungen auf die Wettbewerbsstellung der Arzneimittelproduzenten bedeuten. Der Reaktionsanspruch wurde hier ebenfalls den Grundrechten (Art. 12 Abs. 1 GG) entnommen431. In dem zuletzt geschilderten Beispiel ist allerdings von den Gerichten ein Wettbewerbsverhältnis i.S.d. § 1 UWG verneint worden 432; fur den hier benutzten Begriff des Wettbewerbsverhältnisses ist dies aber ohne weitere Bedeutung. Überdies hat der Bundesgerichtshof in einer vergleichbaren Konstellation ein Wettbewerbsverhältnis auch i.S.d. § 1 UWG angenommen433: In diesem Rechtsstreit wehrte sich ein privater Bestattungsunternehmer gegen Äußerungen bzw. Empfehlungen, die Bestattungsordner der beklagten Stadt während der Erfüllung ihrer hoheitlichen Auskunftspflichten gegenüber "nachfragenden" Bürgern abgaben434. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgte aus § 1 UWG, war aber mangels Unlauterkeit unbegründet. Ebenfalls auf § 1 UWG war die Klage eines selbständigen Augenoptikermeisters gestützt, mit der er Äußerungen eines Landesinnungsmeisters - einem Organ der Handwerksinnung, die gem. § 53 HandwO eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist - angriff, die eine vom Kläger für seine Brillengestelle abgegebene Garantie kritisierten 435.
sehen Wünschen - die Liste zu früh in die Öffentlichkeit gebracht (vgl. Süddeutsche Zeitung v. 8./9.4.1995, S. 31). Obwohl man sich noch weit im Vorfeld einer Veröffentlichung befand, führte die Diskussion des Entwurfs in der Öffentlichkeit zu vehementen Protesten insbes. der Pharmaindustrie, die - wohl nicht zu Unrecht - befürchtete, daß allein die Diskussion über (nicht) benannte Arzneimittel zu einem veränderten Verordnungsverhalten und letztlich zu Markteinbußen führen könne. 431 BVerwGE 58, 167 (169); 71, 183 (193 f.). 432 BVerwGE 58, 167 (169); BSG NJW 1989, 2771 (2773). Die ausdrückliche Verneinung des Wettbewerb s Verhältnisses hat ihren Grund vermutlich in dem Willen, über die Streitigkeit auch in der Sache entscheiden zu können. Daran hätten sich die Verwaltungs- und Sozialgerichte bei Bejahung eines Wettbewerbsverhältnisses offensichtlich durch die Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der Obersten Bundesgerichte zum Rechtsweg bei Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses i.S.d. § 1 UWG unter staatlicher BeteUigung gehindert gesehen. 433 BGH NJW 1987, 62 (62), dort mit Hinweis auf BGH NJW 1987, 60 (61). 434 In dem Rechtsstreit BGH NJW 1987, 62 f., ging es nicht um die Konkurrenztätigkeit selbst der beklagten Stadt auf dem Gebiet des Bestattungswesens, die Gegenstand des Rechtsstreits in BGH NJW 1987, 60 ff. war. 435 BGH GRUR 1985, 1063 (1064).
102
Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
c) Verwaltungsträger beeinflußt durch belastende Maßnahme gegenüber dem Unternehmer dessen Wettbewerbsstellung In dieser Kategorie geht es um wettbewerbsrelevantes Staatshandeln, das der Staat gezielt gegenüber dem betroffenen Unternehmer ergreift. Dessen Wettbewerbsstellung wird durch die ihn belastende Maßnahme beeinträchtigt. Eine Förderung oder Begünstigung seiner Konkurrenten findet - wenn überhaupt mittelbar dadurch statt, daß der Betroffene belastet wird. Typische Beispiele sind aufsichtsrechtliche oder standesrechtliche Maßnahmen. Ein derartiger Fall betraf die Aufforderung einer Landesapothekerkammer an einen Apotheker, eine bestimmte Anzeigenwerbung zu unterlassen436. Das Gericht prüfte und verneinte Unterlassungsansprüche aus §§35 Abs. 3, 25 Abs. 2 GWB und § 1 UWG, sah vor allem kein Wettbewerbsverhältnis (i.e.S.) gegeben 437 . In einem anderen Fall bestand das wettbewerbsrelevante Staatshandeln eines Trägers der Sozialhilfe im Abschluß einer sog. Pflegezusatzvereinbarung gem. § 93 Abs. 2 BSHG mit privaten Alten- und Pflegeheimen 438. Das beanstandete Verhalten lag hier in der Verwendung bestimmter Vertragsklauseln, deren Unterlassung ein Zusammenschluß der privaten Alten- und Pflegeheime gem. §§15, 35 Abs. 1, 3 GWB begehrte439.
d) Verwaltungsträger beeinflußt durch begünstigende Maßnahme gegenüber einem Mitbewerber die Wettbewerbsstellung des Unternehmers An der Situation des Wettbewerbs zwischen zwei Marktteilnehmern hat sich in dieser Kategorie nichts geändert. Nur die beanstandete Wettbewerbshandlung ist eine andere. Der Staat oder eine seiner Untergliederungen wird begünstigend gegenüber einem der beiden Wettbewerber tätig, wodurch sich die Wettbewerbsstellung des anderen Wettbewerbers verschlechtert. So verhielt es sich beispielsweise mit den Äußerungen einer Handwerkskammer (durch ihren Präsidenten), die auf die Gründung neuer bzw. die Erweiterung
436
OLG Stuttgart WRP 1991,531 ff. Der Antragsteller in diesem Verfahren war nicht der Apotheker, sondern ein Verein zur Förderung gewerblicher Interessen und zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Dies ist nur ein Problem der prozessualen Aktivlegitimation, ändert aber nichts an dem hier bestehenden Wettbewerbsverhältnis. 437 OLG Stuttgart WRP 1991, 531 (533). Zu diesem Fall dezidiert a. A. Kramm, WRP 1992, 365 (370). 438
BGHZ
439
BGHZ 119, 93 (100).
119, 93 ff.
IV. Wettbewerbs Verhältnisse
103
bestehender Innungskrankenkassen abzielten440. Das Wettbewerbsverhältnis besteht hier zwischen AOK und Innungskrankenkasse, der Unterlassungsanspruch wird aus § 1 UWG hergeleitet441. Das begünstigte Unternehmen kann also dem staatlichen Sektor zuzurechnen sein, wie es auch bei der Genehmigung zur Erweiterung des Geschäftsbereiches einer öffentlichen Feuerversicherungsanstalt der Fall war 442 , die sich nachteilig auf den Geschäftsbetrieb des klagenden privaten Konkurrenten auszuwirken drohte 443. Nicht selten mischt sich der Staat aber auch in den Wettbewerb zweier privater Unternehmer ein und begünstigt einen der beiden. Klassischer Fall insoweit ist die Subventionierung einzelner Firmen seitens des Staates. Beispielhaft zu nennen sind hier Presseunternehmen444 oder Winzergenossenschaften 445. Abwehransprüche folgten aus dem Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit 446 oder die Pressefreiheit 447. Auch bei privaten Unternehmen kann die Begünstigung in einer anderen als einer finanziellen Bevorteilung durch den Staat liegen - erwähnt werden sollen hier nur Ausnahmebewilligungen für verlängerte Ladenöffhungszeiten 448.
3. Das Wettbewerbsverhältnis bei wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit (abstrakt) Resümiert man die vorstehend skizzierten Wettbewerbsverhältnisse, so lassen sich folgende Grundmuster der Wettbewerbsingerenz ausmachen: Die Einwir-
440
OLG Karlsruhe WRP 1984, 340 ff.; BGH GRUR 1986, 905 ff. Die Revisionsentscheidung des BGH ist insofern beachtlich, als sie in der Sache eine völlig andere Bewertung des angegriffenen Verhaltens des Präsidenten der Handwerkskammer enthält und im Erg. Ansprüche nach § 1 UWG oder § 26 Abs. 1 GWB verneint werden. 441 Vgl. BGH GRUR 1986, 905 (907); OLG Karlsruhe WRP 1984, 340 (343 f.). 442 BVerwGE 17, 306 ff. 443 Prüfungsmaßstab des BVerwG waren die Grundrechte Art. 2, 12, 3, 14, 15 GG, vgl. E 17, 306 (308 ff.). 444 OVG Berlin DVB1. 1975, 905 ff.; OLG Frankfurt NVwZ 1993, 706 f. 445 BVerwGE 30, 191 ff. 446 BVerwGE 30, 191 (198) - in Art. 2 GG verankert gesehen; OLG Frankfurt, NVwZ 1993, 706 (707). 447 OVG Berlin DVB1. 1975, 905 (908); VG Berlin DVB1. 1975, 268 (270); OLG Frankfurt NVwZ 1993, 706 (707). 448 BVerwGE 65, 167 ff.; das BVerwG prüft Abwehransprüche aus § 3 LSchlG und Art. 14, 12, 3 und 2 GG, E 65, 167 (171 ff.). Beispiele aus der jüngeren BGH-Rspr. führt Broß, FS Piper, S. 107 (115 ff.), an.
104
Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
kung kann der Staat selbst als Konkurrent zu einem Mitbewerber unternehmen, sei es als Hoheitsträger oder als öffentliches Unternehmen; die Einwirkung kann aber auch mittelbar durch Förderung eines eigenen oder eines anderen Unternehmens erfolgen oder durch direkte Benachteiligung des Konkurrenten. Betroffener Wettbewerbsteilnehmer kann wiederum ein öffentliches oder ein privates Unternehmen sein. Entscheidend ist, daß ein Träger hoheitlicher Gewalt wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit ausübt; maßgebend ist also die Einwirkung auf "den Wettbewerb" (als Marktzustand). Gekennzeichnet sind die Wettbewerbsverhältnisse des weiteren dadurch, daß die Interessen eines weiteren Marktteilnehmers als Folge der wettbewerbsrelevanten Staatshandlung betroffen sind und die Möglichkeit einer unzulässigen Beeinträchtigung besteht, fur die ein subjektiver Reaktionsanspruch zur Verfugung steht. In den zitierten Beispielen war dieser Anspruch vorwiegend § 1 UWG oder ein den Grundrechten entnommener Abwehranspruch, es wurden vereinzelt aber auch einfachgesetzliche, Drittschutz vermittelnde Normen geprüft. Vor einer abschließenden Definition des Wettbewerbsverhältnisses ist allerdings noch zu fragen, inwieweit das öffentliche Recht besondere Vorgaben aufstellt, die bei der Bildung von Wettbewerbsverhältnissen zu berücksichtigen sind.
a) Vorgaben durch die Rechtsverhältnislehre? Der Begriff des Wettbewerbsverhältnisses, für die Erfassung wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit fruchtbar gemacht, weckt leicht Assoziationen zu einer in der verwaltungsrechtlichen Dogmatik neu entwickelten Konzeption, der Rechtsverhältnislehre 449. Es soll daher kurz untersucht werden, inwieweit der Figur des Verwaltungsrechtsverhältnisses Vorgaben fur Wettbewerbsverhältnisse unter Beteiligung des Staates zu entnehmen sind. Mittelpunkt der Rechtsverhältnislehre ist das in allen Bereichen der Rechtsordnung anzutreffende Rechtsverhältnis, das als von einer Rechtsnorm gestaltete Beziehung zwischen zwei oder mehreren Subjekten definiert wird 450 . Es soll das in der bisherigen Verwaltungsrechtsdogmatik bedeutsame subjektive öffentliche Recht wie auch die Orientierung an den Handlungsformen der öffentlichen Verwaltung ersetzen und so die Abkehr von einem durch Über-/Unterordnung
449
Vgl. nur Achterberg, GS Küchenhoff, S. 13 ff.; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 455 ff.; jeweils m.umfangr.N. 450 Achterberg, GS Küchenhoff, S. 13 (15); ders., AllgVerwR, § 20 Rn. 14; Ehlers, DVB1. 1986, 912 (912 f.); Erichsen, in: ders./Martens, AllgVerwR, § 10 Rn. 26; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 455; Wolff/Bachof, VwR I, § 32 V a 1.
IV. Wettbewerbs Verhältnisse
105
geprägten Staat-Bürger-Verhältnis verdeutlichen451. Gerade das subjektive öffentliche Recht soll als Orientierungspunkt verabschiedet werden, da es in der konstitutionellen Monarchie wurzele und seine damit verbundene Uber-/Unterordnungskonstruktionden heutigen Anforderungen der Staatsform, die durch auf der gleichen rechtlichen Ebene liegende Beziehungen zwischen Staat und Bürger gekennzeichnet sei, nicht gerecht werde 452. Fragt man jedoch nach grundlegend neuen inhaltlichen Folgerungen, bleibt die Rechtsverhältnislehre Antworten schuldig. Vielmehr endet die inhaltliche Substanz bei der Erkenntnis, daß es Beziehungsgeflechte mehrerer Beteiligter gibt 453 . Ist die Feststellung drei- und mehrpoliger Rechtsbeziehungen (Rechtsverhältnisse) zutreffend, wird mit dieser Beschreibung doch noch nicht der dogmatische Rahmen vorgegeben, innerhalb dessen nur dieses Beziehungsgeflecht rechtmäßig ist. Anhaltspunkte, wo die konkreten Grenzen eines zulässigen Rechtsverhältnisses liegen, welche Abwehrmöglichkeiten der Beteiligten es gibt, die dem Staat verhaltensrechtliche Grenzen setzen, bietet diese "neue Konzeption" nicht 454 . Gerade für die vorliegende Untersuchung ist es aber unerläßlich, konkrete Anspruchsberechtigungen eines Subjekts herauszuarbeiten, um dem Staat verhaltensrechtliche Grenzen zu setzen. Konkrete Abwehrberechtigungen ergeben sich nicht aus einem Konglomerat verschiedenster rechtlicher Reflexe oder einem Beziehungsgeflecht verschiedener Beteiligter im Sinne der Rechtsverhältnislehre 455, sondern aus einem subjektiven öffentlichen Recht. Diese Abwehrberechtigung kann zwar rechtlich mehrfach abgesichert sein (Nebeneinander mehrerer Anspruchsgrundlagen, einfachgesetzliches und grundrechtliches Abwehrrecht), doch muß eben diese konkrete Einzelberechtigung eruiert werden, um dem in Anspruch genommenen Gegenüber eine konkrete Verhaltensgrenze zu ziehen. Unterstützt wird diese Sichtweise durch das Prozeßrecht: Für die prozessual erfolgreiche Geltendmachung eines geschützten Lebensbereiches auch innerhalb eines mehrpoligen Rechtsverhältnisses - ist ein konkreter Anspruch zu benennen, da dieser den Streitgegenstand bildet456.
451
Henke, DÖV 1980, 621 (623). Henke y DÖV 1980, 621 (623). 453 P.-M. Huber y Konkurrenzschutz, S. 169; Meyer, W D S t R L 45 (1987), 272 (Diskussionsbeitrag). 454 Zutreffend P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 170; zweifelnd auch Ehlers, DVB1. 1986, 912 (912); Erichsen y in: ders./Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 10 Rn. 29; Maurer, W D S t R L 45 (1987), 280 f. (Diskussionsbeitrag). 455 Dies wäre aber gerade die Konsequenz der Rechtsverhältnislehre, z.B. bei J. Martens, Praxis des Verwaltungsverfahrens, Rn. 31; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 457. 456 Deutlich etwa BVerwG NJW 1984, 2174 (2174): "Streitgegenstand ist in allen Instanzen das subjektive Abwehrrecht des Anfechtungsklägers gegen eine Verletzung 452
106
Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
Nicht zu leugnen ist, daß angesichts zunehmend komplexerer Lebenssachverhalte mit in der Regel mehreren Beteiligten das subjektive öffentliche Abwehrrecht nicht unbeeinflußt bleibt von entgegenstehenden Berechtigungen oder (öffentlichen) Interessen. Die Lösung kann aber nicht in einer unterschiedslosen Vermengung unter Preisgabe der in einem Jahrhundert erarbeiteten Strukturen liegen, sondern in dogmatisch sauberer Arbeit an einer Norm, an einer Einzelberechtigung, an einem subjektiven öffentlichen Recht. Im übrigen müssen auch die Vertreter der Rechtsverhältnislehre immer wieder auf das vom Grundgedanken her so verpönte subjektive öffentliche Recht zurückkommen - auch wenn es dann teilweise in ein anderes terminologisches Kleid gehüllt wird 457 . Insofern steht auch hier in der Regel das subjektive öffentliche Recht im Mittelpunkt der Betrachtungen. Es gibt auch Kritik an der Schutznormtheorie458 und ihrem subjektiven öffentlichen Recht: R. Schmidt 459 beispielsweise vermißt verläßliche dogmatische Vorgaben, was zu einer Stützung auf schwankende Kasuistik gefuhrt habe. Die damit verbundene Kritik an der Rechtsprechung ist sicherlich teilweise berechtigt, doch ist dies nur ein Einwand, der den Rechtsanwender trifft, nicht aber die grundsätzliche Konzeption als ungeeignet qualifiziert. Jedenfalls bietet die Rechtsverhältnislehre hier keine Lösung, vielmehr führt eine Fixierung auf ein Rechtsverhältnis als dogmatischer Struktur ebenfalls zu einer nur schwer zu überschauenden Kasuistik, wie die Rechtsprechung zu § 1 UWG beweist. Hier wurde jahrzehntelang das Erfordernis eines Rechtsverhältnisses - des Wettbewerbsverhältnisses - praktiziert, ohne daß dies mehr Klarheit in die Auseinandersetzung zwischen Verletztem und unlauterem Wettbewerber gebracht hätte 4 ". Berechtigt ist Kritik an der Schutznormtheorie aber auch insoweit, als eine stärkere Rolle des Verfassungsrechts, insbesondere der Grundrechte, bei der Ermittlung des subjektiven öffentlichen Rechts angemahnt wird 461 . Dies ist aber
seiner Rechte. " Der Streit um den Streitgegenstand der Anfechtungsklage (vgl. nur Kopp, VwGO, § 90 Rn. 7 f. m.w.N.) wirkt sich hier nicht aus. 457 Achterberg, GS Küchenhoff, S. 13 (15): "rechtsnormgestaltet"; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 455: "wesentlichste Bestandteile" des Rechtsverhältnisses; S. 457: "konkreten Einzelberechtigungen ... bleiben also normabhängig". 458 Dazu BVerfGE 27, 297 (307); BVerwGE 81, 329 (334); BVerwG DVB1. 1995, 793 (794); Wolff/Bachof/Stober, VwR I, § 43 Rn. 12; Schmalz, AllgVerwR, Rn. 855 f. 459 Wirtschaftsrecht, S. 451-453. 460 Einen Überblick über die teilweise schwankende Rechtsprechung zum Wettbewerbsverhältnis bei § 1 UWG bietet Sack, FS von Gamm, S. 164 ff. 461 R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 457 Fn. 147.
IV. Wettbewerbs Verhältnisse
107
ohne weiteres und ohne eine Rechtsverhältnislehre mit einer verfassungskonformen Auslegung zu leisten. Entschieden entgegenzutreten ist aber dem Grundansatz der Rechtsverhältnislehre, von einer Gleichordnung zwischen Staat bzw. Verwaltung und dem Bürger als Grundrechtsträger auszugehen und so schließlich auch dem Staat subjektive öffentliche Rechte zuzugestehen462. Fundamentalprinzipien der Verfassung wie Art. 1 und 20 GG verdeutlichen gerade, daß ein Gleichordnungsprinzip unserem Staatsaufbau nicht zugrunde liegt, vielmehr Art. 20 Abs. 2 GG ein "Stufenmodell der Legitimation und Ausübung staatlicher Herrschaft" 463 aufstellt. Die Einbindung des einzelnen - ursprünglich als Teil des Volkes Träger der Staatsgewalt - in ein von u.a. der Verwaltung ausgeübtes System von Staatsgewalt funktioniert nur in einem Uber-/Unterordnungsverhältnis. Nur so wird erklärbar, warum der einzelne Beeinträchtigungen seiner durch die Grundrechte verfassungsfest abgesicherten Individualinteressen zugunsten öffentlicher Belange hinnehmen muß - weil er in diese Beschränkung durch die Übertragung der Staatsgewalt auf die zur Ausübung berufenen Staatsorgane eingewilligt hat 464 . Es ist dies eine Einbindung in eine Herrschaftsorganisation 465 und nicht ein "Austausch" von Berechtigungen auf einer Gleichordnungsebene. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, daß die Entwicklung der Rechtsverhältnislehre auch positive Funktionen hatte: Als Erklärungshilfe für mehrpolige Rechtsbeziehungen ist sie durchaus brauchbar 466, da die so erfolgende Beleuchtung der Gesamtheit der Rechtsbeziehungen zur Gesamterfassung und -Würdigung des konkreten Lebenssachverhaltes Anlaß gibt 467 . Schließlich hat diese komplexe Betrachtungsweise sicherlich dazu beigetragen, die rechtliche Befindlichkeit des Bürgers im Verwaltungsverfahren stärker als zuvor zu betonen468. Fazit: Mit der Rechtsverhältnislehre wird zwar der Blick für komplexe Beziehungsgeflechte unter Staat-Bürger-Beteiligung geschärft - diese deskriptive
462
Henke, DÖV 1980, 621 (623, 625 f.); Scherzberg, DVB1. 1988, 129 (131); R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 455. 463 Schmidt-Aßmann, DVB1. 1989, 533 (539) m.w.N. 464 P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 168; Schmidt-Aßmann, DVB1. 1989, 533 (539). 465 Kirchhof; in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 59 Rn. 87. 466 Erichs en y in: ders./Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 10 Rn. 29; P.-M. Huber y AllgVerwR, S. 20; ders., Konkurrenzschutz, S. 171; R. Schmidt, Wirtschafts recht, S. 456 f. 467 Schmidt-Aßmann, DVB1. 1989, 533 (540). 468 Schmidt-Aßmann, DVB1. 1989, 533 (540).
108
Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
Hilfsfunktion ist dann aber auch schon alles, was die Rechtsverhältnislehre mehr als das subjektive öffentliche Recht zu leisten vermag. Dogmatische Vorgaben oder Strukturen sind allein schon deshalb nicht zu erwarten, weil bei einer derart generalisierenden Betrachtungsweise - sozusagen aus größerer Höhe herab - der Blick für die konkrete Individualberechtigung verlorengeht und dogmatisch saubere Arbeit erschwert wird. Konkrete Vorgaben fur die Fallgruppenbildung der Wettbewerbsverhältnisse bei wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit sind daher aus der Rechtsverhältnislehre nicht zu gewinnen. Dies hat dann aber auch zur Folge, daß verhaltensrechtliche Schlußfolgerungen aus der Bildung von Wettbewerbsverhältnissen allein noch nicht gezogen werden können.
b) Bedeutung des subjektiven
öffentlichen
Rechts
Alle Bemühungen um eine Fruchtbarmachung des Verwaltungsrechtsverhältnisses kommen ohne das im Verwaltungsrecht grundlegende Bedeutung469 beanspruchende Institut des subjektiven öffentlichen Rechts nicht aus. Von seinen Ursprüngen im Zivilrecht wurde das subjektive öffentliche Recht zu dem entscheidenden Instrument entwickelt, das die Beziehungen zwischen Staat und Bürger rechtlich regelt. Vor allem mit den Namen von Jellinek, Bühler und Bachof ist die Transformation in das öffentliche Recht verbunden; der Begriff soll so die dem einzelnen durch das objektive Recht eingeräumte Willensmacht oder Rechtsmacht bezeichnen, mit Hilfe der Rechtsordnung gegenüber dem Staat eigene Interessen zu verfolgen 470. Oder, anders ausgedrückt, in den Worten von Bühler 41]: Ein "subjektives öffentliches Recht ist diejenige rechtliche Stellung des Untertanen zum Staat, in der er auf Grund eines Rechtsgeschäfts oder eines zwingenden, zum Schutz seiner Individualinteressen erlassenen Rechtssatzes, auf den er sich der Verwaltung gegenüber soll berufen können, vom Staat etwas verlangen kann oder ihm gegenüber etwas tun darf". Mit dieser Definition ist der Zusammenhang zur Jellinekschen Statuslehre angesprochen, indem die subjektiven öffentlichen Rechte als rechtliche Beweh-
469
P.-M. Huber, AllgVerwR, S. 89; Loeser, System des Verwaltungsrechts I, § 7 Rn. 50 ("integrativer Bestandteil des Rechtsstaates der Bundesrepublik Deutschland"); Wahl, DVB1. 1996, 641 (641) ("von zentraler Bedeutung"); Wolff/Bachof/Stober, VwR I, § 43 Rn. 23 ("unentbehrlich"); a.A. Achterberg, AllgVerwR, § 20 Rn. 68 ("schlicht überflüssig"). 470 Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 41 ff.; Bühler, FS Fleiner, S. 35 f.; Bachof GS Jellinek, S. 287 ff.; Loeser, System des Verwaltungsrechts I, § 7 Rn. 52; Schmidt-Aßmann, in: M./D./H./S., GG, Art. 19 IV Rn. 118; vgl. auch Erichsen, in: ders./Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 10 Rn. 52; Scherzberg, DVB1. 1988, 129 (131). 471 FS Fleiner, S. 36.
IV. Wettbewerbserhältnisse
109
rungen den status negativus, status positivus und status activus absichern sollen 472 . Das subjektive öffentliche Recht ist also das Mittel, die rechtlich geschützten Freiheits- und Interessensphären des einzelnen abzusichern. Es richtet sich gegen den Staat, sei es auf Abwehr, Leistung oder Teilhabe. So determiniert es also das Verhältnis des einzelnen Bürgers zum Staat. Hier liegt denn auch die Bedeutung des subjektiven öffentlichen Rechts, vornehmlich auch für den Untersuchungsgegenstand. Das subjektive öffentliche Recht hat also eine Funktion objektiver Verhaltenslenkung, die mit Hilfe der subjektiven Berechtigung durchgesetzt wird 473 . Mit diesen auf Abwehr, Leistung oder Teilhabe gerichteten subjektiven Rechten des einzelnen werden dem Staat für sein Verhalten Grenzen gezogen. Diesen Gedanken gilt es nun für den Bereich der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit umzusetzen.
c) Das subjektive öffentliche Recht als Mittelpunkt des Wettbewerbsverhältnisses Überträgt man das Gesagte auf den Bereich der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit, so wird deutlich, daß dem Träger eines subjektiven öffentlichen Rechts ein Mittel in die Hand gegeben ist, mit dem er wettbewerbsrelevantem Staatshandeln im konkreten Einzelfall eine Grenze setzen kann. Typischer Fall wird insoweit ein Abwehr-/Unterlassungsanspruch sein, der bei Verletzung eines im status negativus angelegten Freiheitsrechtes entsteht. Wo immer also eine Wettbewerbsfreiheit dem einzelnen individualisiert zugewiesen ist, steht ihm ein Unterlassungsanspruch gegen den Staat zur Verfügung, wenn dieser im Rahmen seiner wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit die Grenze des dem Bürger eingeräumten Freiheitsraumes überschreitet. Genauso denkbar sind allerdings dem status positivus zuzurechnende Leistungsrechte oder aus dem status activus resultierende Teilhaberechte, die durch wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit beschnitten werden können. Insofern entscheidet - neben objektiv-verhaltensrechtlichen Normen - maßgeblich das subjektive öffentliche Recht des Kunden wie vor allem des Konkurrenten im Rahmen des damit dem einzelnen zugewiesenen Inhalts darüber, was der Staat wettbewerbsrelevant unternehmen darf. Es wird
472
Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 86; Fleiner, Institutionen, S. 177 f.; P.-M. Huber, AllgVerwR, S. 90; Loeser, System des Verwaltungsrechts I, § 7 Rn. 59. 473 Scherzberg, DVB1. 1988, 129 (132). Wenn Scherzberg das subjektive öffentliche Recht dennoch nicht als Mittel gegenseitger Verhaltenssteuerung ansieht, sondern als Instrument zur Wahrung der generell-abstrakten normativen Kriterien der Konfliktlösung, also zur Durchsetzung des objektiven Normbefehls, so dürfte dies letztlich einem verhaltensrechtlichen Ansatz auch nicht widersprechen, da der objektive Normbefehl ja gerade die subjektive Interessen Währung dem einzelnen zuweist.
110
Β. Erscheinungsformen wettbewerbsrelevanter Staatsttigkeit
damit deutlich, daß das Wettbewerbsverhältnis nur die Situation beschreibt, in der sich die Marktbeteiligten befinden, das subjektive öffentliche Recht aber erst rechtliche Maßstäbe setzt, indem mit konkreten Abwehrberechtigungen dem Staat bei seinem Handeln Grenzen gesetzt werden. Der Staat darf bei seinen Wettbewerbsaktivitäten verständlicherweise den Raum nicht mehr beanspruchen, den er zuvor dem einzelnen im Wege subjektiver öffentlicher Berechtigungen zugewiesen hat. Damit steht das subjektive öffentliche Recht auch im Mittelpunkt des Wettbewerbsverhältnisses 474, da es gerade das Wettbewerbsverhältnis ausgestaltet und die Konturen des Wettbewerbsverhältnisses sichtbar macht.
d) Bedeutung der Handlungsformen der Verwaltung im Wettbewerbsverhältnis Angesichts der potentiellen Grundrechtsbetroffenheit des einzelnen durch jede Art von wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit ist - wie schon oben gezeigt - die Handlungsform fur die Qualifizierung eines staatlichen Handelns als wettbewerbsrelevant nicht entscheidend. Damit ist die Handlungsform ebensowenig ausschlaggebend fur die Bejahung einer Beteiligung des Staates an einem Wettbewerbsverhältnis. Ob die Beeinträchtigung des im Wettbewerb geschützten Freiraums eines Bürgers von einem Verwaltungsakt, schlichtem Verwaltungshandeln oder einem Vertrag herrührt - es liegt wettbewerbsrelevantes Staatshandeln in einem Wettbewerbsverhältnis vor. Auch aus umgekehrter Sichtweise ist der durch ein subjektives öffentliches Recht verkörperte Reaktionsanspruch bei Beeinträchtigung eines status des Rechtsträgers nicht von der im jeweiligen Fall gewählten Handlungsform des Staates abhängig. Aus dieser Entbehrlichkeit der Handlungsformen für die an einer Rechtsbetroffenheit orientierten verhaltensrechtlichen Grenzen darf jedoch nicht der Schluß gezogen werden, die Kategorisierung des Verwaltungshandelns in Handlungsformen sei überhaupt entbehrlich. Auch wenn die konkret gewählte Handlungsform keine Aussagen über die einzuhaltenden Grenzen zuläßt, die aus materiellen Auswirkungen resultieren, so legt die Handlungsform doch das einzuhaltende Verwaltungsverfahren, zu wahrende Fristen u.ä. fest 475; sie bedeutet, wie Schmidt-Aßmann 476 es ausgedrückt hat, einen Teil "rechtsstaatlicher Disziplinierung durch Formung".
474
H Bauer, AöR 113 (1988), 582 (610 ff.); im Erg. auch Krause, W D S t R L 45 (1987), 212 (221); Wolff/Bachof'/Stober, VwR I, § 43 Rn. 26. 475 P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 76; Schmidt-Aßmann, DVB1. 1989, 533 (533). 476 DVB1. 1989, 533 (534).
IV. Wettbewerbserhältnisse
e) Bedeutung des Wettbewerbsverhältnisses
111
im hier verwandten
Spezielle Vorgaben fur das Wettbewerbsverhältnis sind somit nicht zu beachten. Es wird vielmehr sichtbar, daß angesichts der Bedeutung des subjektiven öffentlichen Rechts eine Einordnung der Wettbewerbsverhältnisse bei wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit in herkömmliche dogmatische Strukturen des öffentlichen Rechts erlaubt ist. Nicht entscheidend ist dabei die Organisationsoder Handlungsform des Hoheitsträgers, mit deren Hilfe die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit in den Wettbewerb transformiert wird, da - wie oben gezeigt - wenigstens die Grundrechte umfassend gegen rechtswidriges Staatshandeln schützen, ebenfalls unabhängig von Rechts- oder Handlungsform. Entscheidend ist fur die Begründung eines Wettbewerbsverhältnisses nur, daß sich eine wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit als dem Staat zurechenbare Verhaltensweise auf dem Markt auswirkt und die zuvor bestehende Wettbewerbssituation verändert. Die "Momentaufnahme" einer dergestalt veränderten Wettbewerbssituation ist das Wettbewerbsverhältnis. Für die Auslösung einer verhaltensrechtlichen Grenze in Form eines subjektiven Abwehrrechts eines anderen Marktteilnehmers ist die Beeinträchtigung einer dem anderen Marktteilnehmer rechtlich zugewiesenen Wettbewerbsposition erforderlich. Das Wettbewerbsverhältnis wird damit nicht nur durch die zu beurteilende wettbewerbsrelevante Staatshandlung geprägt, sondern auch durch das Reaktionsrecht eines betroffenen Marktteilnehmers. Erst dieses subjektive öffentliche Recht erlaubt eine über die bloße Beschreibung der Situation hinausgehende Beurteilung und Bewertung der Wettbewerbssituation, da es von dem subjektiven Recht abhängt, ob die vorgefundene Wettbewerbssituation nach der wettbewerbsrelevanten Staatshandlung Bestand haben wird oder den Rahmen des Zulässigen überschritten hat und daher rückgängig zu machen oder wenigstens zu ändern ist. So wird aber auch das subjektive Reaktionsrecht essentiell für das Wettbewerbsverhältnis und für dieses begriffsnotwendig, um einen rechtlichen Gewinn aus dieser Konstruktion zu ziehen. Ein Wettbewerbsverhältnis im hier verwandten Sinn entsteht also, wenn ein wettbewerbsrelevantes Staatshandeln die Wettbewerbssituation beeinflußt und ein potentieller subjektiver Abwehranspruch wenigstens einem Marktteilnehmer zur Verfügung steht.
Sinne
C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates Im Rahmen des Versuchs, ein Öffentliches Wettbewerbsrecht zu entwickeln, soll jetzt der Frage nach der Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit nachgegangen werden. Der Schwerpunkt der Betrachtung wird daher im folgenden Abschnitt auf der generellen Befugnis zum Handeln liegen. Es geht noch nicht um konkrete Verhaltensweisen, die auf den Prüfstand gestellt werden sollen. Kommt es auch noch auf die Befugnis des Staates zur Wettbewerbsingerenz an, unabhängig von der Handlungsform, muß vorab geklärt werden, ob und falls ja - inwieweit der Staat sich in wirtschaftlich relevante Sachverhalte einmischen darf. Es gilt, den generellen wirtschaftlichen Handlungsspielraum des Staates abzumessen. Vor der Erarbeitung eines Verhaltensrechts bedarf es also der Klärung, ob der Staat sich überhaupt "verhalten darf", inwieweit es eine Art wirtschaftlicher Handlungsfreiheit für den Staat gibt. Zwar finden sich vereinzelte einfachgesetzliche Hinweise für oder auch gegen eine (zumeist bestimmte) Wirtschaftstätigkeit 1, doch helfen diese Aussagen angesichts des generell gefaßten Ansatzes nicht weiter. Die hier aufgeworfene Frage muß vielmehr das typisch Staatliche berücksichtigen und ist somit eine verfassungsrechtliche; deshalb muß auch - wenn möglich - die Antwort aus der Verfassung gegeben werden. In einem ersten Schritt ist daher die Frage nach der Wirtschaftsverfassung der Bundesrepublik Deutschland zu stellen: Denn wenn dem Grundgesetz eine bestimmte Wirtschaftsverfassung zugrunde liegt, dann sind dieser auch die Vorgaben fur wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit zu entnehmen2.
1. Vorgaben einer Wirtschaftsverfassung Der Streit um derartige Vorgaben beginnt in der Regel bei der Terminologie und der damit verbundenen inhaltlichen Auswirkung, welchen Bereich man mit
1
Vgl. nur § 65 BHO oder die Vorschriften in den Gemeindeordnungen der Länder über die wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinden. 2 So auch Stober, ZHR 145 (1981), 565 (574).
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
113
dem jeweiligen Begriff abzudecken beabsichtigt; er endet bei der Frage, ob er überhaupt noch geführt werden sollte3. Als Begriffe tauchen hier Wirtschaftsverfassung, Wirtschaftsordnung und Wirtschaftssystem auf. Wirtschaftsverfassung wird dabei in mehrdeutiger Weise gebraucht: Der Begriff wird formell für die Bestimmungen des Grundgesetzes verwandt, die die Ordnung des Wirtschaftslebens regeln4. Zum Teil wird "Wirtschaftsverfassung " aber auch materiell als Summe aller das Wirtschaftsleben regelnden Normen verstanden, gleich auf welcher Hierarchieebene5. Letztere Ansicht vermischt aber Normen des einfachen Rechts mit Verfassungsrecht, so daß neben der Gefahr der Aufwertung wirtschaftspolitischer Konzepte, die ihre Ausformung in einfachen Gesetzen gefunden haben, der (falsche) Eindruck vermittelt wird, für das tatsächliche Phänomen "Wirtschaft" existiere eine normative Entsprechung auf Grundgesetzebene6. Dieser terminologische Ansatz ist daher abzulehnen. Gleichbedeutend wird der Begriff "Wirtschaftsordnung" benutzt, mal mit materiellem Begriffsgehalt 7, mal im formellen Sinne auf das Grundgesetz bezogen8. Schließlich findet sich noch der Begriff "Wirtschaftssystem", der auch für eine formelle Wirtschaftsverfassung Verwendung findet 9. Wegen der Verwechslungsgefahr mit volkswirtschaftlichen Denkmodellen erscheint auch dieser Begriff nicht sonderlich glücklich gewählt. Im folgenden wird der Begriff "Wirtschaftsverfassung" in seiner formalen Ausprägung gewählt. Wirtschaftsverfassung ist demnach die Summe der verfassungsrechtlichen Bestimmungen, die wirtschaftlichen Aussagegehalt haben und so die Ordnung der Wirtschaft determinieren.
3
Vgl. einerseits Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 123 ("Beschäftigung mit der Zulässigkeitsfrage erübrigt sich dennoch nicht"), andererseits R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 67 ("abgestanden"), der die einzelnen Ergebnisse nur noch punktuell bei konkreten, aktuellen Grenzziehungen repetiert wissen will. Zum Begriff vgl. Rittner, Wirtschaftsrecht, § 2 Rn. 1 ff. 4 Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rn. 60; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 67, 70 f. 5 Vgl. Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, S. 18, der die fehlende selbständige juristische Bedeutung betont; Hirtz, GRUR 1986, 110 (113). 6 Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rn. 60; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 70. 7 Rebe y Privatrecht und Wirtschaftsordnung, S. 33 f. 8 BVerfGE 50, 290 (336 f.); OLG Saarbrücken WRP 1988, 328 (329); Tietmeyer, in: Duwendag (Hrsg.), Staatssektor, S. 23. 9 Gubelty in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 12 Rn. 3; ablehnend Rinck/ Schwarky Wirtschafts recht, Rn. 51 ("nie eine normative Bedeutung"). 8 Schliesky
114
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wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
a) Der Ansatz des Bundesverfassungsgerichts Schon in den Anfangsjahren der Bundesrepublik hat das Bundesverfassungsgericht seine Antwort auf die Frage nach der Wirtschaftsverfassung formuliert. In seinem insoweit grundlegenden "InvestitionshilfeurteiP 10 hat das Gericht die Formel von der wirtschaftspolitischen Neutralitat des Grundgesetzes geprägt11. Das Bundesverfassungsgericht sieht im Grundgesetz weder eine wirtschaftspolitische Wertfreiheit der jeweiligen Regierungs- bzw. Gesetzgebungsgewalt noch - als Wirtschaftssystem - eine soziale Marktwirtschaft garantiert 12. Der Verfassungsgeber habe sich nicht ausdrücklich fur ein bestimmtes Wirtschaftssystem entschieden, so daß die bestehende Wirtschafts- und Sozialordnung nur eine nach dem Grundgesetz mögliche, keineswegs aber die allein zulässige Wirtschaftsordnung sei13. Die jeweilige Wirtschaftspolitik ist daher nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nur an die allgemeinen Aussagen des Grundgesetzes gebunden14. Die leicht mißverständliche15 Formel von der wirtschaftspolitischen Neutralität hat das Bundesverfassungsgericht wenig später noch einmal definiert: Wirtschaftspolitisch neutral bedeutet danach, daß der Gesetzgeber jede ihm sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik verfolgen darf, sofern er dabei das Grundgesetz, insbesondere die Grundrechte beachtet16. Dieser Definition hinzuzufügen ist, daß das Bundesverfassungsgericht nur die Einzelaussagen des Grundgesetzes meint, da es, wie es im "Mitbestimmungsurteir 17 noch einmal ausdrücklich betont hat, im Grundgesetz keine zusammenhängende, bestimmte Wirtschaftsverfassung gewährleistet sieht18. Dementsprechend zurückhaltend ist das Bundesverfassungsgericht mit einer Klassifizierung der Wirtschaftsverfassung. Vielmehr begnügt es sich mit einer Beschreibung des Zustandes des praktizierten wirtschaftlichen Systems, das mal als grundsätzlich freie Wirtschaft 19 oder als grundsätzlich marktwirtschaftlich geordnete Wirtschaft 20 bezeichnet wird. An anderer Stelle betont das Bundesverfassungsgericht die grundsätzliche Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung und
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
BVerfGE 4, 7 ff. BVerfGE 4, 7 (17). BVerfGE 4, 7 (17). BVerfGE 4, 7 (18). BVerfGE 4, 7 (18). Zur MißVerständlichkeit s. nur Hoffmann , S. 14 ff. BVerfGE 7, 377 (400). BVerfGE 50, 290 ff. BVerfGE 50, 290 (337). BVerfGE 18, 315 (327). BVerfGE 30, 292 (312).
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
115
sieht die Auslese der leistungsfähigen Unternehmen durch den freien Wettbewerb bewirkt 21. Als zurückhaltend ist auch der Maßstab der verfassungsrechtlichen Beurteilung von wirtschaftsbeeinflussenden Maßnahmen des Staates zu werten. Das Bundesverfassungsgericht trennt zunächst klar zwischen Wirtschaftspolitik und im Grundgesetz verankert gesehenen Einzelbestimmungen mit wirtschaftlichem Aussagegehalt. Letztere sind vom Gesetzgeber zu beachten und vom (Verfassungs-)Richter auf ihre Einhaltung zu überprüfen. Die maßgebende Rolle spielen hierbei die Grundrechte 22. Die Wirtschaftspolitik dagegen, die das Bundesverfassungsgericht zurückschauend als grundsätzlich marktwirtschaftlich orientiert beschreibt23, ist hingegen Sache der jeweiligen Regierung bzw. des jeweiligen Gesetzgebers. Der Gesetzgeber ist befugt, ordnend und klärend in das Wirtschaftsleben einzugreifen 24, ohne dabei seinerseits Neutralität an den Tag legen zu müssen25. Vielmehr ist die beabsichtigte Ordnung des Wirtschaftslebens dem Gesetzgeber überlassen, der über diese Ordnung innerhalb der ihm durch das Grundgesetz gezogenen Grenzen frei entscheiden kann, ohne dazu mehr als seine allgemeine demokratische Legitimation zu benötigen26. Hin und wieder ist aber auch ein anderer Anklang in Richtung auf ein geschlossenes Wirtschaftssystem zu finden 27: "Die bestehende Wirtschaftsverfassung enthält den grundsätzlich freien Wettbewerb der als Anbieter und Nachfrager auf dem Markt auftretenden Unternehmer als eines ihrer Grundprinzipien. " Allerdings rekurriert das Gericht auch hier wieder schnell auf ein Einzelgrundrecht, in diesem Fall auf Art. 12 Abs. 1 GG, durch das das Bundesverfassungsgericht das Wettbewerbsverhalten der Unternehmer geschützt sieht28. Auch die einmal generell postulierte, auf dem Prinzip des freien Unternehmertums beruhende Wirtschaftsordnung 29 erweist sich als Schlußfolgerung des maßstäblich verwandten Grundrechts Art. 12 Abs. 1 GG 30 .
21 22 23 24 25 26 27 28 29 30
BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE
25, 1 (23). 7, 377 (400); 50, 290 (337). 38, 348 (361). 18, 315 (329). 12, 341 (347). 50, 290 (337). 32, 311 (317) - Hervorh.v.Verf. 32, 311 (317). 30, 292 (311). 30, 292 (312).
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wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
Diese Nuancierung, die einen Systemzusammenhang vermuten lassen könnte, ist aber auf den grundsätzlich vom Bundesverfassungsgericht bei den Grundrechten benutzten systematischen Auslegungsmaßstab zurückzuführen: Danach dürften die Grundrechte nicht isoliert betrachtet und nur aus sich heraus ausgelegt werden. Vielmehr stehe jedes Grundrecht in einem Sinnzusammenhang zu den übrigen Bestimmungen der Verfassung, die eine innere Einheit aufweise 31. So beruht also der angedeutete Systemzusammenhang (zunächst) nicht auf bestimmten wirtschaftsverfassungsrechtlichen Vorstellungen, sondern auf dem Gesamtkontext des Grundgesetzes als einer freiheitlich verfaßten Grundordnung, beeinflußt durch liberales Gedankengut. Die Grundrechte stellen insoweit die primär zu berücksichtigenden Einzelaussagen des Grundgesetzes dar, wenn es um die Beurteilung wirtschaftlicher Maßnahmen des Staates geht, da diese besonders zur Freiheitsverkürzung im wirtschaftlichen Tätigsein des einzelnen geeignet sind. Doch dürfen sie "nicht ohne Berücksichtigung der Überschneidungen, Ergänzungen und Zusammenhänge zwischen ihrem Schutzbereich und dem anderer Grundrechte und nicht ohne Rücksicht auf die das Grundgesetz tragenden Prinzipien" 32 ausgelegt werden. Insoweit kann mit R. Schmidt resümiert werden: "Die Freiheit des einzelnen Bürgers und der Schutzbereich des einzelnen Grundrechts gegenüber dem die Wirtschaft ordnenden Gesetzgeber ist damit vom Bundesverfassungsgericht an die Stelle des Phantoms 'Wirtschaftsverfassung' gerückt worden. " Wie schon bei derartigen Formulierungen nicht ganz von der Hand zu weisen ist, kann stellenweise doch eine gewisse Ausrichtung des Grundgesetzes auf eine bestimmte Wirtschaftsordnung der Interpretation des Bundesverfassungsgerichts beobachtet werden. Insoweit hervorstechendes Urteil ist die Entscheidung zur Kreditaufnahme 34. In dieser Entscheidung stellt das Bundesverfassungsgericht bei der Überprüfung des Haushaltsplanes für das Haushaltsjahr 1981 maßgebend auf die Auslegung des 1967 in das Grundgesetz eingefügten Art. 109 Abs. 2 ab. Dieser legt Bund und Länder bei ihrer Haushaltswirtschaft auf eine Ausrichtung am gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht fest. Diese Verpflichtung der Haushalts· und Finanzpolitik beruht auf der ökonomischen Theorie von Keynes , die wiederum ein marktwirtschaftliches Modell voraussetzt35. Der Einfügung dieser Vorschrift liegt also eine bestimmte wirtschaftspolitische Auffassung zugrun-
31
BVerfGE 1, 14 (32); 34, 165 (183); 39, 334 (368). BVerfGE 50, 290 (336). 33 Wirtschaftsrecht, S. 77. 34 BVerfGE 79, 311 ff. 35 Ebenso Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rn. 162; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 109 Allg.; Stober, Handbuch, S. 260. 32
GG,
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de 36 . Soll aber eine Verfassungsänderung "funktionieren", so muß und darf dem Verfassungsgesetzgeber wohl auch unterstellt werden, daß er ein bestimmtes System installiert wissen wollte37. Es handelt sich bei dieser Vorschrift also um Verfassung gewordene Wirtschaftspolitik. Mögen bestimmte wirtschaftspolitische Vorstellungen bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates aus politisch-pragmatischen Erwägungen noch keine bestimmende Wirkung gehabt haben, so zeigen die späteren Verfassungsänderungen doch eine deutlichere wirtschaftspolitische Handschrift. Dies bedeutet nun aber - wie es auch das Bundesverfassungsgericht anspricht - , daß die verfassungsrechtliche Überprüfung einer wirtschaftspolitischen Maßnahme nun (mittelbar) doch von einem bestimmten wirtschaftspolitischen Konzept auszugehen hat 38 , das jetzt nicht mehr nur als aktuell vorgefundene wirtschaftliche Situation eine (rechtlich) untergeordnete Argumentationshilfe darstellt39, sondern als Verfassungsrecht eine in jedem Fall zu beachtende Vorgabe enthält. Man mag daher nun das beispielhaft angeführte gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht als "Fremdkörper" im Grundgesetz bezeichnen oder als ersten Ansatz zur rechtlichen Verankerung sozial-marktwirtschaftlicher Prinzipien, de constitutione lata geht das Grundgesetz jedoch über punktuelle Aussagen nicht hinaus. Ein geschlossenes System gibt es weiterhin nicht. Das Grundgesetz ist insoweit neutral, als es dem Gesetzgeber einen weitestgehenden politischen Gestaltungsspielraum beläßt, welche Wirtschaftspolitik er verfolgt.
b) Die Literatur In der Literatur hat die These von der wirtschaftspolitischen Neutralität überwiegend Zuspruch gefunden 40, wenn man diese Formel wie das Bundesverfas-
36
BVerfGE 79, 311 (331, 335). BVerfGE 79, 311 (332): "Funktionswandel der öffentlichen Haushalte"; "wirtschaftspolitische Funktion". 38 BVerfGE 79, 311 (336), in Zusammenschau mit S. 331 ff. 39 Dies ist nun in der Tat eine - wenn auch vielleicht noch nicht genügend herausgearbeitete - Änderung in der Haltung des BVerfG. In E 14, 19 (23), hatte das Gericht doch unmißverständlich klargestellt, "daß das Bundesverfassungsgerichtnur zu entscheiden hat, ob eine Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist, nicht aber darüber, ob sie den Grundsätzen der staatlichen Wirtschaftspolitik oder bestimmten wirtschaftspolitischen Auffassungen und Lehrmeinungen entspricht" - Hervorh.v.Verf. 40 Vgl. aus der zahlreichen Literatur nur Badura, in: von Münch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, 3. Abschn., Rn. 19; Berg, JuS 1993, L 65 (L 66); Brohm, NJW 1994, 281 (282); Ehlers, in: ders. (Hrsg.), Kommunale Wirtschaftsförderung, S. 123; Friauf/Wendt, Eigentum am Unternehmen, S. 10 f.; F. Kirchhof Tätigkeitsfelder, S. 111; 37
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wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
sungsgericht interpretiert: Wirtschaft ist zwar kein "verfassungsfreier Raum" 41 , doch ist dem Grundgesetz keine Entscheidung fur oder gegen ein bestimmtes Wirtschaftssystem zu entnehmen42. Autoren, die diesen Konsens, die einzelne Grundgesetzbestimmung als Maßstab zu nehmen43, aufgekündigt haben, indem sie einen darüber hinausgehenden Systemzusammenhang konstruieren wollten, haben keine nennenswerte Gefolgschaft gefunden. Zu erwähnen sind hier die Ansätze von Nipperdey, Krüger und E.-R. Huber. Krüger sieht - um dies schlagwortartig in Abgrenzung zur These von der wirtschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes laut Bundesverfassungsgericht darzustellen - im Grundgesetz eine wirtschaftsverfassungsrechtliche NichtEntscheidung garantiert: Da das Grundgesetz keine Festlegung auf ein bestimmtes wirtschaftspolitisches System enthalte, sei damit Gesetzgebung und Regierung jegliche wirtschaftstheoretisch geleitete Maßnahme verboten. Wirtschaftspolitik habe wertneutral zu sein und sich nur an anderen - wirtschaftstheoretisch neutralen - Staatsinteressen zu orientieren 44. Neben der praktischen Gefahr einer "Entstaatlichung" oder "Entrechtlichung" der Wirtschaft 45 ist Krüger entgegenzuhalten, daß das Schweigen des Grundgesetzes überinterpretiert wird, wenn man daraus auf eine Systementhaltsamkeit schließen will 46 . Eine strikte Verpflichtung zur wirtschaftstheoretischen Neutralität müßte angesichts der Systematik der gesetzgeberischen Ermächtigungen (insbes. Art. 74 Nr. 11 GG) ausdrücklich verankert sein. Im übrigen ist eine Wirtschaftsgesetzgebung ohne dahinterstehendes Konzept kaum machbar und auch nicht wünschenswert. Diesem Ansatz folgende Stimmen sind - soweit ersichtlich - nicht mehr zu verzeichnen.
Püttner y WiVerwR, S. 23; Scholz, in: Duwendag (Hrsg.), Staatssektor, S. 116; Scholz/ Aulehner, ArchivPT 1993, 221 (252 f.); Stober, ZHR 145 (1981), 565 (575); Tietmeyer, in: Duwendag (Hrsg.), Staatssektor, S. 23. Ablehnend etwa Thieme, in: Biernat u.a. (Hrsg.), Grundfragen, S. 337. 41 Gubelty in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 12 Rn. 3; W. Thiele, Wirtschaftsverfassungsrecht, S. 97. 42 Baduray Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, S. 19 f.; Fezer, JZ 1990, 657 (661); Friauf/Wendt, Eigentum am Unternehmen, S. 9; Isensee, DB 1979,145 (150). Treffend ist insoweit auch die Charakterisierung des Grundgesetzes als "offen", z.B. Berg, GewArch. 1990, 225 (227). 43 R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 74. 44 Krüger, in: Scheuner (Hrsg.), Einwirkung, S. 130. 45 E.-R. Huber y DÖV 1956, 97 (98). 46 In diese Richtung auch R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 72 f.
I.
Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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Einen anderen Ansatz wählt E.-R. Huber. Die Freiheitsverbürgungen der Art. 2-19 GG sieht er als Normenkomplex mit wirtschaftsverfassungsrechtlicher Ordnungsfunktion. Anders als Nipperdey sieht er diese - von ihm so zusammengefaßte - "Wirtschaftsfreiheit" noch nicht als alleinige wirtschaftsverfassungsrechtliche Entscheidung, sondern will diese mit einer Reihe von verfassungsrechtlichen Sozialbindungen in ein Gleichgewicht bringen, welches dann erst das geltende Wirtschaftsverfassungsrecht ergibt 47. Unter Einbeziehung der Grundsätze der Subsidiarität und Proportionalität gelangt E.-R. Huber zur Rechtfertigung von Eingriffen in die Wirtschaftsfreiheit nur, aber auch immer dann, "wenn und soweit überragende Forderungen des Gemeinwohls durch die wettbewerbswirtschaftliche Selbstregulierung des Marktes nicht erfüllt werden können"48. Viele Aussagen Hubers, gerade zu verfassungsmäßig angelegten Bindungen, die ein Spannungsverhältnis zu den grundrechtlich verbürgten Freiheitsgarantien zu erzeugen imstande sind49, können systematisch nachvollzogen werden. Das Bedenkliche und letztlich Abzulehnende ist die Verschmelzung der einzelnen Freiheitsverbürgungen, die dazu führt, die Selbstregulierung des Marktes als Prinzip zum Schutzgut zu erklären 50. Ein derartiges Vorgehen wird aber den ausdifferenzierten, durchaus heterogenen Schutzbereichen der einzelnen Grundrechte nicht gerecht und entnimmt dem Grundgesetz wieder eine durch eine bestimmte (Auslegungs-)Blickrichtung implantierte Gesamtaussage, die das Grundgesetz nun einmal so nicht enthält. Den Grundansatz, eine Gesamtschau der freiheitsverbürgenden Grundrechte, teilte E.-R. Huber mit Nipperdey. Dieser leitete aus den Grundrechten sowie weiteren institutionellen Garantien oder Institutsgarantien die Verankerung der Sozialen Marktwirtschaft im Grundgesetz ab 51 . Im Mittelpunkt steht dabei Art. 2 Abs. 1 GG, den er wirtschaftsbezogen auslegt und so zur "Magna Charta der Markt- oder Wettbewerbswirtschaft" erhebt 52. Die Konsequenz dieses so gewonnenen verfassungsrechlichen Strukturprinzips liegt auf der Hand: Wenn Art. 2 Abs. 1 GG die Entfaltungsfreiheit im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet, die verfassungsmäßige Ordnung aber der Sozialen Marktwirtschaft verpflichtet ist 53 , dann sind grundsätzlich nur noch marktkonforme Ein-
47
48
E.-R. Huber, DÖV 1956, 97 (98, 101).
E.-R. Huber, DÖV 1956, 200 (205). Vgl. insbes. E.-R. Huber, DÖV 1956, 200 (201 ff.). 50 R. Schmidt, Wirtschafts recht, S. 72. 51 Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft, S. 3 f.; ahnlich auch Engel, AöR 118 (1993), 169 (235). Herzog, in: M./D./H./S., GG, Art. 20 Rn. 60, hält Nipperdeys These für "nicht widerlegbar". 52 Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft, S. 16. 53 Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft, S. 19. 49
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wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
griffe seitens des Staates erlaubt, die der Sicherung der Marktwirtschaft dienen54. Auch hier ist vor allem mit dem Argument zu widersprechen, daß im Wege der Auslegung bestimmte wirtschaftspolitische Ideen, die notwendig unbestimmt sind, in das Grundgesetz hineingelesen werden, die diesem so nicht zu entnehmen sind55. Schließlich spricht bereits die Entstehungsgeschichte gegen die Festlegung des Grundgesetzes auf ein bestimmtes Wirtschaftssystem: In den Beratungen des Parlamentarischen Rates prallten insbesondere die ideologischen Gegensätze von CDU und SPD aufeinander. Aufgrund des Stimmenpatts gelang keine Entscheidung fur oder gegen ein bestimmtes Wirtschaftssystem. Diese sollte einer späteren Entscheidung vorbehalten bleiben, wohl in der stillen Erwartung beider Parteien, bei der in nicht ferner Zukunft erwarteten Entscheidung über eine gesamtdeutsche Verfassung eine bessere Ausgangsposition für den eigenen Systemvorschlag zu haben. Angesichts der späteren wirtschaftspolitischen Realitäten in den Aufbaujahren und den damit verbundenen Änderungen in den Parteiprogrammen wurde die Kompromißhaftigkeit der wirtschaftlich relevanten Verfassungsbestimmungen zum über Parteigrenzen hinaus akzeptierten, ja sogar begrüßten Dauerzustand, über den zu streiten nicht mehr lohnte56. Ein derartiger Verfassungskonsens bestand bis zur Wiedervereinigung Deutschlands. Im Zusammenhang mit dem Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18.5.1990 57 hat die Diskussion um eine bestimmte Wirtschaftsverfassung neuen Nährboden erhalten. Ausgangspunkt ist Art. 1 Abs. 3 S. 1 StV, in dem es heißt: "Grundlage der Wirtschaftsunion ist die Soziale Marktwirtschaft als gemeinsame Wirtschaftsordnung beider Vertragsparteien. " Die wesentlichen Bestandteile einer derartigen Wirtschaftsordnung werden in S. 2 des Art. 1 Abs. 3 StV beschrieben: Kennzeichnend sind danach Privateigentum, Leistungswettbewerb, freie Preisbildung und grundsätzlich volle Freizügigkeit von Arbeit, Kapital, Gütern und Dienstleistungen58. Bevor S. 3 noch ver-
54
Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft, S. 21. Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rn. 61; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 71 f., der zu Recht auf die mangelnde rechtliche Faßbarkeit hinweist, wann nun ein marktkonformer oder ein marktinkonformer Eingriff vorliegt. 56 Vgl. hierzu auch Tietmeyer, in: Duwendag (Hrsg.), Staatssektor, S. 22. 57 BGBl. II S. 518; im folgenden: StV. 58 Hinzuweisen ist neben Art. 1 Abs. 3 StV noch vor allem auf Art. 1 Abs. 4, 2, 4, 11, 14, 16, 17 StV, in denen deutlich wird, was die Vertragsparteien unter "Sozialer Marktwirtschaft" verstehen. 55
I. " Wirtschafts freiheit" des Staates
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langt, den Erfordernissen des Umweltschutzes Rechnung zu tragen, klingt in Art. 1 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 StV noch der Vorrang privaten Wirtschaftens vor staatlichem Tätigwerden an 59 . Diese Lesart bestätigt sich bei einem Blick auf die Leitsätze, die in Ergänzung zu dem Staatsvertrag von den vertragschließenden Seiten vereinbart wurden, gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 StV Vertragsbestandteil geworden sind und damit ebenfalls Verbindlichkeit beanspruchen: Nach Leitsatz A I I 1 sollen wirtschaftliche Leistungen vorrangig privatwirtschaftlich und im Wettbewerb erbracht werden 60. Dieses recht unverhohlen ausgesprochene Subsidiaritätsprinzip, das den Nachrang staatlicher Wirtschaftsaktivitäten statuiert, hätte fur die hier untersuchte Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit gravierende Bedeutung, allerdings nur unter einer Voraussetzung: Dieses Subsidiaritätsprinzip müßte Bestandteil einer bislang nicht vorhandenen Wirtschaftsverfassung sein. Mit anderen Worten: Der Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion müßte verfassungsrechtliche Qualität besitzen und so die bisherige Neutralität des Grundgesetzes in bezug auf eine bestimmte Wirtschaftsverfassung durch ein verfassungsfestes Bekenntnis zur Sozialen Marktwirtschaft abgelöst haben. Zum Teil wird der Staatsvertrag denn auch als "verfassungsgestaltende Entscheidung über die Wirtschaftsordnung" 61 gesehen, oder es wird behauptet, daß "damit zum ersten Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte die Wirtschaftsverfassung im einzelnen vorgegeben worden " 6 2 sei. Derart weitreichende Folgen mißt die Mehrzahl literarischer Stimmen dem Staatsvertrag nun nicht zu; erste Feststellung muß aber doch sein, daß wieder eine neue Diskussion um die Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes losgetreten worden ist 63 , denn schon werden die Stimmen lauter, die Zweifel an der These
59
"...; hierdurch wird die gesetzliche Zulassung besonderer Eigentumsformen für die Beteiligung der öffentlichen Hand oder anderer Rechtsträgeram Wirtschaftsverkehr nicht ausgeschlossen, soweit private Rechtsträger dadurch nicht diskriminiert werden." 60 Noch deutlicher die BReg. in der Amtl. Begr. ihres Gesetzentwurfs, BT-Drs. 11/7350, S. 113 f.: "In der Sozialen Marktwirtschaft gebührt grundsätzlich privater Initiative und privatem Eigentum Vorrang vor staatlicher Tätigkeit und staatlichem Eigentum. (...) Es gilt der Grundsatz der Subsidiarität unternehmerischen Handelns durch den Staat." 61 Badura, in: von Münch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, 3. Abschn., Rn. 21 a.E. 62 Von Schlabrendorff/de Vasconcellos, DtZ 1990, 142 (142); diese Aussage wird sogleich relativiert, indem unter Berufung auf das BVerfG betont wird, daß das Grundgesetz den Gesetzgeber nicht auf eine bestimmte Wirtschaftsverfassung festgelegt habe (S. 142 f. Fn. 3). 63 Vgl. die dahin gehende Befürchtung bei Tettinger, BB 1992, 2 (3).
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wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
des Bundesverfassungsgerichts Grundgesetzes anmelden64.
von der wirtschaftspolitischen Neutralität des
Die wohl bislang ausfuhrlichste Auseinandersetzung mit der Bedeutung des Staatsvertrages fur eine/"die" Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes stammt von Schmidt-Preuß^ 5. Dieser betont zunächst, daß die Kernbestandteile einer Sozialen Marktwirtschaft im Grundgesetz garantiert seien, und weist diese primär in den Grundrechten, dem Sozialstaatsprinzip sowie Art. 88 GG nach66. Zwar hebt er hervor, daß die einzelnen Grundrechte oder anderen einschlägigen Verfassungsbestimmungen der Prüfungsmaßstab blieben, eine explizit niedergelegte Institutsgarantie "Soziale Marktwirtschaft H gerade nicht existiere67. Sodann folgt aber doch ein "Kunstgriff": Aus der "wirtschaftsverfassungsrechtlichen Signalfunktion des Staatsvertrages" folgert er im Wege "methodisch-systematisierender Gesamtschau" ein "Verfassungsprinzip freiheitlich-sozialer Wirtschaftsordnung" 68. Damit wird zwar (noch) nicht die Soziale Marktwirtschaft als solche zum Verfassungsprinzip erhoben, doch bekommen die einfachgesetzlichen 69 Aussagen des Staatsvertrages zur Sozialen Marktwirtschaft über den Umweg der methodischsystematisierenden Gesamtschau der wirtschaftsrelevanten Grundgesetzbestimmungen letztlich doch noch eigenständigen verfassungsrechtlichen Rang, der vor allem darin bestehen soll, den Grundrechten in ökonomisch interdependenten Konfliktlagen erhöhte Effektivität zu verleihen, Gestaltungsdirektive für Gesetzgeber und Exekutive zu sein umd Leitlinienfunktion bei der Auslegung einfachen Rechts zu haben70. Sind die Folgerungen möglicherweise erstrebenswert und (verfassungs)politisch wünschenswert71, so rechtfertigen sie aber keine systematischen Verbie-
64 65 66
67
Häberle, JZ 1990, 358 (361); Schmidt-Preuß, DVB1. 1993, 236 ff. Schmidt-Preuß,
DVB1. 1993, 236 (240).
DVB1. 1993, 236 (239 f.).
Schmidt-Preuß, DVB1. 1993, 236 (241): "Aus der Garantie der - isolierten Einzelelemente kann nicht mehr gewonnen werden, als diese je für sich gewähren. Geben die Einzelgrundrechte die Soziale Marktwirtschaft als eigenständigen Prüfungsmaßstab nicht her, ist auch auf den Kunstgriff zu verzichten, ihnen gleichsam auf höherer Ebene ein gemeinsames Ganzes zu entnehmen, das dann wieder auf die Einzelgrundrechte abstrahlen und ihren Bedeutungsmaßstab erweitern könnte" (Hervorh. im Original). 68
69
Schmidt-Preuß,
DVB1. 1993, 236 (241, 247).
Darauf weist auch Schmidt-Preuß, DVB1. 1993, 236 (238), hin. 70 Schmidt-Preuß, DVB1. 1993, 236 (241). 71 Richtig daher Häberle, JZ 1990, 358 (361), der aus der Beobachtung, daß die Soziale Marktwirtschaft unter dem Grundgesetz gelebt wird, die Forderung nach "verfassungspolitischen Konsequenzen" ableitet, indem die Soziale Marktwirtschaft im Grundgesetz verankert werden sollte.
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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gungen. Zu bedenken ist zu geben, daß Schmidt-Preuß seine Gesamtschau unter maßgeblicher Berücksichtigung einfachen Rechts anstellt, das sich gerade seinerseits erst an der Verfassung messen lassen müßte. Fehl geht insoweit der Hinweis auf die "dogmatische Parallele" der Wirkungsweise spezieller Freiheitsrechte im System demokratischer Willensbildung72; bei diesen gesamtbetrachtenden Systematisierungen des Verfassungstextes geht es allein um Verfassungsrecht und eben nicht um einfaches Gesetzesrecht. Der hier angestellte Versuch tendiert in die Richtung, eine nicht mehr abgrenzbare Wirtschaftsordnung unter Einbeziehung aller wirtschaftsrelevanten Bestimmungen des Grundgesetzes und des einfachen Rechts zu kreieren. Es besteht die Gefahr, daß so ein tatsächlicher Zustand des Wirtschaftssystems als Auslegungshintergrund der wirtschaftsrelevanten Verfassungsbestimmungen benutzt wird, der zwar eine Staatszielbestimmung "Soziale Marktwirtschaft" 73 durchscheinen läßt, der aber so im Grundgesetz nicht verankert ist. Der von Schmidt-Preuß abgelehnte "Kunstgriff", aus den Einzelbestandteilen der Sozialen Marktwirtschaft, die sicherlich im Grundgesetz ihren Platz gefunden haben, eine Festlegung der Wirtschaftsverfassung auf die Soziale Marktwirtschaft im Sinne von Nipperdey zu konstruieren, darfauch nicht über den Rückgriff auf einfaches Recht erfolgen, selbst wenn dieses vorher ein Höchstmaß parlamentarischer Zustimmung erfahren haben sollte74. Der tatsächliche Zustand der Sozialen Marktwirtschaft ist ja durchaus geeignet, Auslegungsdirektive einfachen Rechts zu sein (im Wege historischer und teleologischer Auslegung) und auch die Verwaltung bei ihren Entscheidungen zu binden. Der Wirtschaftsgesetzgeber kann allerdings so nicht gebunden werden, da dessen weiter Ordnungs- und Lenkungsspielraum75 nur durch das Grundgesetz mit seinen formell verfassungsrechtlichen Aussagen seine Grenzen findet. Eine Inkor76 poration eines tatsächlichen Zustandes in den normativen (Verfassungs-)Befund kann aber nicht mehr als eine rechtliche Wunschvorstellung bleiben.
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Schmidt-Preuß,
DVB1. 1993, 236 (241 Fn. 71 und 79).
Eine so formulierte Staatszielbestimmung ist dann letztlich auch die Forderung de constitutione ferenda von Schmidt-Preuß, DVB1. 1993, 236 (247). 74 Das Zustimmungsgesetz zum Staats vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion fand in Bundestag und Bundesrat zwar eine Zwei-DrittelMehrheit. Aber - und das ist das Entscheidende - der Staats vertrag hat keine Verfassungs(text)änderungbewirkt, vgl. nochmals ausführlich Schmidt-Preuß, DVB1. 1993,236 (238). 75 Vgl. BVerfGE 55, 274 (309). 76 Im übrigen steht eine radikale Änderung der Wirtschaftspolitik, die der in den vergangenen Jahrzehnten überaus erfolgreich praktizierten Sozialen Marktwirtschaft den Rücken kehren würde, nicht zu befürchten. Dies um so weniger, als die bundesdeutsche Version Anziehungsfunktion und derzeit Modellcharakter für verschiedene osteuropäische Staaten hatte und hat.
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wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
Art. 1 Abs. 3 StV ist demnach nicht in das Grundgesetz eingegangen und hat auch sonst keine formell verfassungsrechtliche Qualität - er hat wie der gesamte Staatsvertrag einfache Gesetzesqualität durch das ihn transformierende Zustimmungsgesetz nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG erhalten77. Da im übrigen das gesamte Wiedervereinigungsverfahren nach Art. 23 S. 2 GG a.F. betrieben wurde, die neuen Länder also dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beigetreten sind und das Grundgesetz beitrittsbedingt zunächst einmal unverändert blieb, gelten auch die Aussagen über seine wirtschaftspolitische Neutralität weiter 78. Soweit der verfassungsrechtliche Befund. Die durch jahrzehntelange erfolgreiche praktische Anwendung sich im Verfassungswerdungsprozeß befindliche Soziale Marktwirtschaft bleibt aber trotzdem "nur" der v/iTtschaftspolitische Ist-Zustand. In der Tat lassen sich viele Elemente einer Marktwirtschaft mit sozialer Ausrichtung im Grundgesetz wiederfinden 79, aber dies doch vor allem, weil die Soziale Marktwirtschaft dem Grundgesetz entspricht (und nicht umgekehrt), weil es die wohl beste wirtschaftstheoretische Umsetzung des freiheitlich und sozial konzipierten Grundgesetzes ist. Sie ist aber verfassungsrechtlich nicht als Institutsgarantie verankert. So erklärt sich dann auch Art. 1 Abs. 3 StV. Er spiegelt die wirtschaftspolitischen Anschauungen der den Vertrag aushandelnden Bundesregierung wider. Das Bekenntnis zur Sozialen Marktwirtschaft und der Versuch ihrer räumlichen Erstreckung wie auch rechtlichen "Verzurrung" sind in dem durch die wirtschaftspolitische Neutralität des Grundgesetzes eröffneten weiten Gestaltungsspielraum durchaus legitim und zur Wahrung der Lebensverhältnisse (vgl. Art. 72 Abs. 2 GG) erstrebenswert. Die gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 StV verbindlichen Leitsätze des Gemeinsamen Protokolls, die diese wirtschaftspolitischen Vorstellungen recht präzise verdeutlichen, bleiben damit auch die Beschreibung der als notwendig erachteten Vorgaben, um ein der zentralen Verwaltungswirtschaft verhaftetes Wirtschaftssystem auf die Soziale Marktwirtschaft "umzurüsten"80. Art. 4 Abs. 1 StV macht zudem deutlich, daß primär die Deutsche Demokratische Republik zur Rechtsanpassung aufgerufen war. Betrachtet man die in Art. 4 Abs. 2 StV i.V.m. Anlage V für die Bundesrepublik zur Pflicht gewordenen Rechtsänderungen, so wird schon
77 Horn, Zivil- und Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 49; Schmidt-Bleibtreu, DtZ 1990, 138 (139); Schmidt-Preuß, DVB1. 1993, 236 (238); a.A. - ohne nähere Begründung - Kloepfer, Jura 1993, 583 (584): "... zwar unterhalb des Verfassungsrechts, aber oberhalb einfachen Gesetzesrechts ...". 78 Bryde, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 14 Rn. 2 a. 79 Schmidt-Preuß, DVB1. 1993, 236 (239 f.); Tietmeyer, in: Duwendag (Hrsg.), Staatssektor, S. 23. 80 Ebenso Schmidt-Bleibtreu, DtZ 1990, 138 (138); Tettinger, BB 1992, 2 (3).
I. " Wirtschafts freiheit" des Staates
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auf den ersten Blick deutlich, daß keine Verfassungsänderung angestrebt war. Die Leitsätze sind gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 StV zwar auch fur den Vertragspartner Bundesrepublik bindend, haben aber - wie der gesamte Staatsvertrag - nur die Qualität einfachen Gesetzesrechts und können daher keine wirtschaftsverfassungsrechtliche Bedeutung erlangen. Gestützt wird diese Deutung schließlich noch durch die Amtliche Begründung, welche die Bedeutung fur die DDR betont und die Leitsätze generell als Orientierung, Handlungsanweisung und Entscheidungshilfe für rechtsetzende, ausfuhrende und richterliche Gewalt in der DDR versteht81. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß weder 45 Jahre erfolgreiche Anwendung noch der Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts· und Sozialunion mit der DDR die Soziale Marktwirtschaft zu "der Wirtschaftsverfassung M des Grundgesetzes gemacht haben. Eine Festlegung auf ein bestimmtes Wirtschaftssystem im Sinne eines bestimmten volkswirtschaftlichen Modells ist dem Grundgesetz nicht zu entnehmen, auch wenn derartige Versuche in der Wissenschaft immer wieder zu beobachten sind. Das bedeutet - um dies nochmals zu betonen - nicht, daß im Grundgesetz keine wirtschaftsrelevanten Aussagen enthalten wären oder die Verfassung gar wirtschaftsrechtliches Niemandsland wäre. Nur ein bestimmtes geschlossenes System existiert nicht, und angesichts dieses Fehlens können auch keine systembedingten Vorgaben für die Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit gewonnen werden. "Die" Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit gibt es nicht; staatliches Tätigwerden ist vielmehr in jedem Einzelfall an der jeweils einschlägigen grundgesetzlichen Einzelbestimmung zu messen.
2. Einzelaussagen des Grundgesetzes Im folgenden sollen nun die wirtschaftlich relevanten Normen und Grundaussagen des Grundgesetzes schlaglichtartig vorgestellt werden, denen möglicherweise Anhaltspunkte fur oder gegen staatliches Tätigwerden im wirtschaftlichen Bereich, mithin Aspekte einer staatlichen "Wirtschaftsfreiheit" zu entnehmen sind. a) Subsidiaritätsprinzip Mit Hilfe des sog. Subsidiaritätsprinzips wird von einigen Autoren versucht, wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit wenigstens teilweise, vor allem in Form der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates, für unzulässig zu erklären.
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Amtl. Begr. der BReg., BT-Drs. 11/7350, S. 113.
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wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
Das aus der katholischen Soziallehre82 stammende Prinzip propagiert im Hinblick auf die gesellschaftliche Ordnung - kurz gefaßt - den Vorrang der jeweils kleineren Einheit; die größere Einheit darf eine Aufgabe danach erst dann an sich ziehen, wenn die kleinere Einheit zur ordnungsgemäßen Erfüllung nicht mehr in der Lage ist83. Dieses Prinzip soll nicht nur zwischen Hoheitsträgern, sondern auch zwischen Staat und Gesellschaft gelten, so daß auch der Vorrang privater Aufgabenerfüllung und Interessenverfolgung vor staatlichem Tätigwerden festgeschrieben wird 84 . Auf den Wirtschaftssektor bezogen hieße dies, daß die wirtschafliche Tätigkeit des Staates unzulässig wäre, solange die am Markt tätigen privatwirtschaftlichen Kräfte den angestrebten Zweck ebensogut erfüllen können85, und auch für wirtschaftslenkende Maßnahmen wäre die Zulässigkeit erst dann zu bejahen, "wenn und soweit überragende Forderungen des Gemeinwohls durch die wettbewerbswirtschaftliche Selbstregulierung des Marktes nicht erfüllt werden können"86. Da es - wenn es auf eine derartige Beurteilung des "Ob" staatlichen Tätigwerdens ankommt - in der Regel um eine Prognose im Vorfeld des staatlichen Tätigwerdens geht, spielt auch der ordnungspolitisch-theoretische Hintergrund des Betrachters eine nicht zu vernachlässigende Rolle: Je nach Ausprägung des marktwirtschaftlichen Standpunktes wird die private Wirtschaftstätigkeit im Sinne eines nicht existierenden Modellsystems ohnehin immer als leistungsfähiger und vorrangig angesehen werden. Die Folge wäre dann eine weitgehende Unzulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit - erreicht durch die "Hintertür" des Subsidiaritätsprinzips, nachdem der direkte Weg über eine Verankerung der Marktwirtschaft in der Wirtschaftsverfassung als versperrt nachgewiesen wurde 87 . Damit sind bereits die Bedenken gegen das Subsidiaritätsprinzip angesprochen, die zu einer ganz überwiegenden Ablehnung durch Rechtsprechung und Lehre fuhren. Das Subsidiaritätsprinzip wird als zu vage empfunden, als daß
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Vgl. zur Herleitung Diekmann, ORDO 45 (1994), 195 (196 f.); Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 18 ff.; Oppermann, JuS 1996,569 (569 f.); Schmidt-Jortzig, Organisationshoheit, S. 97 ff.; Stober, Handbuch, S. 286 f.; jeweils m.w.N. 83 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 98; Hoffmann-Becking , FS Wolff, S. 450; Scholz, in: Duwendag (Hrsg.), Staatssektor, S. 123; Stober, Handbuch, S. 287. 84 Diekmann y ORDO 45 (1994), 195 (243); Hoffmann-Becking , FS Wolff, S. 450; E.R. Huber, DÖV 1956, 200 (205). 85 So Dürig, in: M./D./H./S., GG, Art. 2 I Rn. 52; vgl. auch Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 98. 86 E.-R. Huber, DÖV 1956, 200 (205). 87 Dieser Weg ist deutlich zu verfolgen bei Tietmeyer, in: Duwendag (Hrsg.), Staatssektor, S. 26 f.
I. "Wirtschaftfreiheit" des Staates
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daraus verläßliche Beurteilungsmaßstäbe hergeleitet werden könnten88. Diese Unsicherheit beginnt bereits begrifflich bei dem Inhalt des Subsidiaritätsprinzips: So gibt es angesichts unterschiedlicher Auffassungen in der Literatur und der Ableitung aus dem notwendig breit angelegten Fundament der katholischen Soziallehre keine Einigkeit darüber, ob denn ein staatsorganisatorisches Subsidiaritätsprinzip ohne weiteres auf einen anderen Bereich, das Verhältnis Staat-Gesellschaft, übertragen werden kann89, inwieweit Effizienzgesichtspunkte bei der Aufgabenerfüllung eine Rolle spielen90 oder ob das Subsidiaritätsprinzip seine Sperrwirkung erst bei besserer oder bereits bei gleich guter Aufgabenerfüllung durch Private entfaltet 91. Vor allem aber bestehen erhebliche Zweifel an der Festschreibung des Subsidiaritätsprinzips im Grundgesetz, die aber für ein in der Wirtschaftsverfassung zu beachtendes Prinzip unabdingbar ist. Sucht man nach ausdrücklichen Anhaltspunkten, so fällt lediglich Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG n.F. 92 auf, der für die hier interessierende Frage allerdings keine Schlußfolgerungen zuläßt, da er nur festlegt, daß die Europäische Union, der sich die Bundesrepublik Deutschland angeschlossen hat, dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet sein muß. Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG gibt lediglich Markierungen vor, die auf dem Weg der Entwick-
88
Wilke/Schachel, WiVerw. 1978,95 (103); auch Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 84 Rn. 33, der im übrigen aber das Subsidiaritätsprinzip zumindest als "zusätzliches Argument für den Ausnahmecharakter der Staatswirtschaft" verstanden wissen will. 89 Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 98 f.; Schmidt-Jortzig, Organisationshoheit, S. 117; Zweifel auch bei Scholz, in: Duwendag (Hrsg.), Staatssektor, S. 123; Stober, Handbuch, S. 287 f. 90 Dieses Kriterium spielt eine Rolle bei den Gemeindewirtschaftsvorschriften, z.B. Art. 89 Abs. 1 GO Bay, § 108 Abs. 1 GO Nds, § 85 Abs. 1 GO RhPf, § 106 Abs. 1 KSVG Sld, § 101 Abs. 1 GO SH. Dazu Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 692 m.w.N. 91 Uneinheitlich insofern auch die Vorschriften des Gemeindewirtschafts rechts, in denen z.T. als Nachfolgevorschriften zu § 67 Abs. 1 DGO das Subsidiaritätsprinzip auf kommunaler Ebene verankert gesehen wird: dazu noch unten D III 4. Vgl. dazu auch Schmidt-Jortzigy Kommunalrecht, Rn. 686, 692, der zu Recht darauf hinweist, daß die Vorschriften - mit Ausnahme von Art. 89 Abs. 2 GO Bay - das Ergebnis ökonomischer Zweckmäßigkeitserwägungen sind, nicht aber im Sinne eines Subsidiaritätsprinzips dem Schutz der Privatwirtschaft dienen sollen. Dazu noch ausführlicher unten D III 4 a dd. - Der Nutzen der Betrachtung der gemeindewirtschaftlichen Vorschriften für die Gewinnung eines verfassungsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips kann ohnehin wohl nur in dem Aufschluß über die mögliche Gestalt und Wirkungsweise des Subsidiaritätsprinzips gesehen werden, vgl. Hoffmann-Becking , FS Wolff, S. 446 f.; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 74-85; Schmidt-Jortzig, Organisationshoheit, S. 117. 92 Der sog. Europaartikel wurde durch G. ν. 21.12.1992, BGBl. I S. 2086, eingefügt.
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
lung der Europäischen Union als supranationaler Organisation zu beachten sind93, entfaltet insoweit aber keine über den Integrationsprozeß hinausgehenden innerstaatlichen Wirkungen. Weitere ausdrückliche Verortungen fehlen. Zwar läßt sich das Subsidiaritätsprinzip an einigen Stellen des Grundgesetzes Herahnen H94 - so aus der Regelung des Bund-Länder-Verhältnisses (Art. 30, 83 ff. GG), der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG) 95 oder Art. 9 Abs. 3 GG 96 . Aus all diesen Andeutungen läßt sich aber kein durchgängiges Subsidiaritätsprinzip ableiten, weder aus staatsorganisatorischer Sicht zwischen einzelnen Verwaltungsträgern noch als Vorrang privater Initiative97. Auch die Grundrechte sind nicht für die Herleitung eines allgemeinen Subsidiaritätsprinzips fruchtbar zu machen98; die Grundrechte begrenzen zwar die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit, stellen aber in Form eines Subsidiaritätsprinzips keine gleichsam unüberwindbare Mauer, sondern ein System differenziert zu beurteilender Elemente des punktuellen Individualschutzes dar. Es sollte vermieden werden, im Wege einer "Gesamtschau" der Grundrechte ein Subsidiaritätsprinzip entwickeln zu wollen, das zunächst nicht mehr leisten kann, als die Summe verschiedener Einzelentscheidungen bei der Anwendung einzelner Grundrechte zu sein. Eine nivellierende Zusammenfassung läuft vielmehr Gefahr, maßgebend von anderen Vorstellungen - wie z.B. der Sozialen Marktwirtschaft - mitgeprägt zu werden, ohne daß dies bei der einzelnen Grundrechtsanwendung rechtlich relevant gewesen wäre 99. Aus diesem Grund sind gerade auch Versuche abzulehnen, das Subsidiaritätsprinzip aus dem wirtschaftstheoretischen Konzept der Sozialen Marktwirtschaft abzuleiten, weil das Modell Soziale Marktwirtschaft selbst nicht im Grundgesetz
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Vgl. auch Art. 3 b EGV sowie von Münch, Staatsrecht I, Rn. 991 ff. m.w.N. zu der Fülle neuerer Literatur im Hinblick auf das europarechtliche Subsidiaritätsprinzip. 94 Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 99; Stober, Handbuch, S. 288; ders., ZHR 145 (1981), 565 (577). 95 So z.B. Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 240 ff., 253; dagegen überzeugend Schmidt-Jortzig, Organisationshoheit, S. 113 ff., 121. 96 Andeutungsweise ΒVerfGE 44, 322 (348 f.); vgl. auch Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 283. - In E 10, 59 (83), hat das BVerfG das Subsidiaritätsprinzip aber in Art. 6 Abs. 2 GG für den Bereich der Kindererziehung verankert gesehen. 97 BVerwGE 23, 304 (306); 39, 329 (338); Badura, Staatsrecht, I Rn. 106; Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 98 f.; Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 109; Rinck/ Schwark, Wirtschafts recht, Rn. 170; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 520; SchmidtJortzig, Organisationshoheit, S. 112 f.; Scholz, in: Duwendag (Hrsg.), Staatssektor, S. 123; Stober, ZHR 145 (1981), 565 (577). 98 So aber Dürig, in: M./D./H./S., GG, Art. 2 I Rn. 52; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 281 ff., 313, 315. 99 Auf diese Gefahr weist Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 99, hin.
I. " Wirtschafts freiheit" des Staates
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verankert ist - wie oben nachgewiesen. Insofern würde eine derartige Ableitung des Subsidiaritätsprinzips auch der gezeigten Neutralität bzw. Offenheit des Grundgesetzes widersprechen 100. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist ebenfalls - über seine Bedeutung bei der Grundrechtsanwendung hinaus - nicht geeignet, das Subsidiaritätsprinzip zu begründen, auch wenn der enge Zusammenhang zwischen Subsidiaritätsprinzip und Grundsatz der Verhältnismäßigkeit immer wieder betont worden ist 101 . Neben der untragbaren praktischen Folge, daß der Handlungsspielraum des Staates unerträglich eingeengt werden würde 102, vernachlässigt ein derartiges Verständnis des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einen wesentlichen Bestandteil dieses Prinzips, nämlich den öffentlichen Zweck, an dem sich gerade die Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der zu beurteilenden Maßnahme messen lassen müssen. Verlagert man den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nun sozusagen vor den öffentlichen Zweck, um gerade zur Beurteilung seiner Zulässigkeit zu gelangen, so ist das strenggenommen keine Verhältnismäßigkeitsprüfung, da ein Teil dieser Prüfung fehlt. Somit ist dann auch jede Schlußfolgerung, eine Erforderlichkeitsprüfung ergebe den Vorrang des Privaten, eine bloße Behauptung - der erforderliche Zweck wird ja gerade erst beurteilt. Ist der vom Staat angestrebte Zweck aber nun nicht "erforderlich H in eigener Regie zu verfolgen, wird auch keine wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit in der nun folgenden Verhältnismäßigkeitsprüfung bestehen - der Zirkelschluß ist eröffnet. Schließlich hat auch der Staatsvertrag zur Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion im Zuge der Wiedervereinigung das Subsidiaritätsprinzip nicht im Grundgesetz festgeschrieben - die Ausführungen zur Sozialen Marktwirtschaft gelten entsprechend. Damit läßt sich festhalten, daß im Grundgesetz kein allgemeines Subsidiaritätsprinzip nachweisbar ist, das auch in der Wirtschaftsverfassung Geltungsanspruch erheben könnte. Das Grundgesetz weist keinem Teil des Gemeinwesens einen Zuständigkeits- oder Handlungsvorrang zu - weder staatsorganisatorisch noch im Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft. Demzufolge unterliegt auch
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Stober, Handbuch, S. 288. Auch hier herrscht keine Einigkeit, wie dieser Zusammenhang denn nun beschaffen sein soll. Vorherrschend dürfte bei den Vertretern eines Subsidiaritätsprinzips die Auffassung Isensees sein, wonach mit Hilfe des Subsidiaritätsprinzips die Ziele staatlichen Handelns, das "Ob", bewertet werden, während der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zur Überprüfung der Mittel, des "Wie", dienen soll. Vgl. Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 88 ff., 314; Hoffmann-Becking , FS Wolff, S. 448 ff. Wie hier F. Kirchhof,\ Tätigkeitsfelder, S. 111 f. 102 Stober, Handbuch, S. 581 f. 101
9 Schliesky
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit keinerlei Beschränkung aus einem allgemeinen Subsidiaritätsprinzip.
b) Rechtsstaatsprinzip Anhaltspunkte fur die Wirtschaftsfreiheit des Staates aus dem Rechtsstaatsprinzip zu erhalten, erscheint angesichts der Vielschichtigkeit dieses Prinzips und der nach wie vor im Gang befindlichen Diskussion um den Begriffsgehalt 103 auf diesem Abstraktionsniveau unmöglich. Bei einer Definition, die formelle und materielle Begriffsmerkmale vereint und den Rechtsstaat als Staat versteht, in dem - formell - staatliche Machtäußerungen an Gesetzen meßbar sein müssen und der - materiell - auf die Vorstellung von Menschenwürde, Freiheit, Rechtssicherheit und Gerechtigkeit bezogen ist 104 , verwundert dies nicht. Das derart "floskelhafte" 105 Rechtsstaatsprinzip muß aber angesichts der beabsichtigten Durchdringung aller staatlicher Bereiche notwendigerweise so unbestimmt bleiben; in den Blickpunkt müssen daher auch hier die Einzelaspekte rücken 106. Zu nennen ist hier zunächst der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in Art. 20 Abs. 3 GG mit seinen Ausprägungen vom Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes. Der Vorrang des Gesetzes, nach dem Verwaltungshandeln nicht gegen bestehende höherrangige Rechtsnormen verstoßen darf 107, ist auf der Verfassungsebene angesichts des Fehlens einer ausdrücklichen Aussage zur Zulässigkeit unergiebig. Mehr Ertrag verspricht das Prinzip vom Vorbehalt des Gesetzes, wonach wenigstens belastendes - Verwaltungshandeln einer ausdrücklichen einfachgesetzlichen Grundlage bedarf 08 . Hieraus ergeben sich Beschränkungen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit zumindest bei Grundrechtseingriffen 109. Jedoch stellt der Gesetzesvorbehalt kein generelles Verbot wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit auf, sondern beschränkt nur einzelne staatliche Verhaltensweisen, die
103
Vgl. nur R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 172 f. m.w.N. Von Münch, Staatsrecht I, Rn. 328; Stern, Staatsrecht I, S. 781. 105 Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 233 ff. 106 R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 174. 107 Bull, AllgVerwR, Rn. 302 f.; Erichsen, in: ders. (Hrsg.), AllgVerwR, § 15 Rn. 14; Schmalz, AllgVerwR, Rn. 89. 108 Bull, AllgVerwR, Rn. 305 ff., 312 ff.; Erichsen, in: ders. (Hrsg.), AllgVerwR, § 15 Rn. 14 ff.; Schmalz, AllgVerwR, Rn. 91 ff. 109 Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 84 Rn. 38; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 174 f. 104
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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einem rechtsstaatlichen bzw. grundrechtlichen Maßstab nicht mehr entsprechen. Damit ist die Frage nach dem im Einzelfall bestehenden Gesetzesvorbehalt aber keine Frage nach der generellen Wirtschaftsfreiheit des Staates, sondern nach der konkret zu bestimmenden Wettbewerbsfreiheit in der zur Beurteilung anstehenden Situation. Anders wäre nur zu entscheiden, wenn man dem Rechtsstaatsprinzip einen Verfassungsvorbehalt entnehmen will 1 1 0 , also eine ausdrückliche verfassungsunmittelbare Ermächtigung fur wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit in allen Ausprägungen fordert und im Umkehrschluß - bei Fehlen einer ausdrücklichen Ermächtigung - die Unzulässigkeit annimmt111. Die Forderung nach einer derartig speziellen Funktionsermächtigung für den Staat auf Verfassungsebene kann aber nicht überzeugen, da dies eine absolute Aufgabentrennung zwischen Staat und Bürgern voraussetzen würde, die das Grundgesetz gerade nicht aufweist 112 - nur dann kann man auf einer jeden Einzelfall regelnden Ermächtigung bestehen. Die Konsequenz wäre dann das Verbot jeglicher Inpflichtnahme Privater bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben - ein Ergebnis, das kaum ernsthaft angestrebt werden dürfte. Hinzu kommt, daß die Auswirkungen (Grundrechtsbetroffenheit der Wettbewerbsteilnehmer), die ja einen ausdrücklichen Verfassungsvorbehalt rechtfertigen könnten, bei der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates zwecks Gewinnerzielung keine anderen sind als bei anderen Formen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit, wie oben nachgewiesen wurde. Insofern hätte das Grundgesetz, wollte es einen ausdrücklichen Vorrang der privaten Wirtschaftstätigkeit statuieren113, dies ausdrücklich tun müssen. So widerspricht das Verlangen eines ausdrücklichen Verfassungsvorbehaltes der einhellig festgestellten Neutralität bzw. Offenheit des Grundgesetzes betreffend eine Wirtschaftsverfassung 114: Zwar lassen sich dem Grundgesetz eindeutige Aufgabenzuweisungen und auch Funktionsbegrenzungen entnehmen, doch darf aus dem Schweigen des Grundgesetzes im Hinblick auf eindeutige wirtschaftsverfassungsrechtliche Stellungnahmen nicht der Schluß gezogen werden, daß dieses Schweigen ein Verbot wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit bedeutet, auch nicht ein Verbot staatlicher Wirtschaftstätigkeit zum Zwecke der Gewinnerzielung115. Überdies scheint nur
110
So Stober, ZHR 145 (1981), 565 (585), allerdings nur bezogen auf die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates mit dem alleinigen Zweck der Gewinnerzielung. 111 Stober, ZHR 145 (1981), 565 (586); etwas abgeschwächt ders., Handbuch, S. 580, 588. 112 Dickersbach, WiVerw. 1983, 187 (198); Scholz, in: Duwendag (Hrsg.), Staatssektor, S. 114, 120, 122. 113 Dies behauptet Stober, ZHR 145 (1981), 565 (585). Insoweit kann auch auf die Aussagen zum Subsidiaritätsprinzip verwiesen werden. 1,4 Dickersbach, WiVerw. 1983, 187 (198). 115 Im Erg. ebenso Badura, Staatsrecht, I Rn. 106.
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
ein materieller Maßstab geeignet, diese Frage befriedigend zu beantworten; der rein formale Maßstab des Verfassungsvorbehaltes bietet angesichts der analysierten Neutralität des Grundgesetzes in Fragen einer Wirtschaftsverfassung gerade keinen Aufschluß. Auch der mit Verfassungsrang ausgestattete116, aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitete Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hilft bezüglich der Wirtschaftsfreiheit des Staates nicht weiter; er spielt eine wesentliche Rolle bei der Überprüfung einer konkreten wettbewerbsrelevanten Maßnahme im Zusammenhang mit dem ausgelösten Grundrechtsschutz. Eine übersteigerte Bedeutung in Form eines die gesamte Verfassung durchziehenden Subsidiaritätsprinzips hat der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit jedenfalls nicht117. Dem Rechtsstaatsprinzip und seinen Einzelausprägungen ist somit nichts zu entnehmen, was für oder gegen die generelle Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit in Form einer Wirtschaftsfreiheit des Staates spricht. Eine derartige Aussage ist wohl von der Zielrichtung des Rechtsstaatsprinzips her auch gar nicht möglich. Zumindest in materieller Hinsicht zielt das Rechtsstaatsprinzip auf die Gewährleistung eines am Gerechtigkeitsprinzip orientierten Zustandes des Gemeinwesens; dieser ist nicht durch staatliches Tätigwerden überhaupt, sondern nur durch eine bestimmte Art und Weise des Tätigwerdens in Gefahr zu bringen. Insofern kann das Rechtsstaatsprinzip allenfalls Maßstäbe für die Art und Weise wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit liefern; darauf wird noch zurückzukommen sein.
c) Sozialstaatsprinzip Auch das in Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 S. 1 GG verankerte Sozialstaatsprinzip ist von hohem Abstraktionsniveau und angesichts der begrifflichen Weite 118 für konkrete Aussagen zur Zulässigkeitsfrage nur bedingt geeignet. Neben Problemen bei der normativen Einordnung119 bereitet auch das Auffinden einer griffigen Definition Schwierigkeiten. Kurz gefaßt, läßt sich das Sozialstaatsprinzip
116 BVerfG in st.Rspr., E 6, 389 (439); 16, 194 (201 f.); 17, 108 (117 f.); 17, 306 (313 f.); 19, 342 (348 f.); 20, 45 (49 f.); 23, 127 (133); 90, 145 (173). Zur Herleitung Bleckmann, JuS 1994, 177 (178 f.). 117 S. vorstehend aa. 118 Stern, Staatsrecht I, S. 891, 914; Überblick über die Einzelelemente bei Stober, Handbuch, S. 163 ff. 119 Vgl. Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 191 f. Fn. 40, zu den Ansätzen einer Einordnung der Sozialstaatsklausel. Über die RechtsqusMtàt des Sozialstaatsprinzips besteht heute aber Einigkeit, Stern, Staatsrecht I, S. 914.
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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als Verpflichtung, fur eine gerechte Sozialordnung zu sorgen120, oder als verfassungsrechtliche Verankerung der Idee der sozialen Gerechtigkeit121 verstehen. Bei aller Unbestimmtheit kennzeichnet das Sozialstaatsprinzip als Verfassungsnorm eine maßgebende Staatsaufgabe der demokratischen Industriegesellschaft 122 und läßt sich auch in der hier interessierenden wirtschaftsverfassungsrechtlichen Fragestellung fruchtbar machen. Das Sozialstaatsprinzip gebietet es unter diesem Blickwinkel beispielsweise, volkswirtschaftlich die Rahmenbedingungen zu setzen oder zu erhalten, unter denen privates Wirtschaften zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz ermöglicht wird 123 . Diese Rahmenbedingungen sind ihrerseits wiederum so vielschichtig wie der Bereich der Wirtschaft selbst und können daher in der Sicherstellung der Energieversorgung 124 ebenso liegen wie in der Sicherung wirtschaftlichen Wettbewerbs schlechthin125 oder einer gezielten Arbeitsmarktpolitik 126. Damit folgt aus dem Sozialstaatsprinzip geradezu ein verfassungsrechtlich abgesichertes Gebot der gesamtwirtschaftlichen Beeinflussung oder, anders ausgedrückt, ein Verbot, den Wirtschaftsablauf ausschließlich sich selbst zu überlassen127. Zwar ist dem Staat bei der Wahl der anzuwendenden Mittel ein weiter Gestaltungsspielraum einzuräumen, doch kann sich im Einzelfall ein sozialstaatliches Anliegen derart verdichten, daß der Staat geradezu verpflichtet ist, sich beispielsweise auch gewerblich zu betätigen128. Zu beachten ist bei alledem, daß sich das Sozialstaatsprinzip primär an den Gesetzgeber als Adressaten richtet129, als unmittelbare Handlungsermächtigung für die Verwaltung mangels Bestimmtheit aber nicht taugt130. Da das Sozialstaatsprinzip gerade keinen genau bestimmten Aufgabenkatalog bietet, aus dem sich für jeden Fall Gewicht und Rechtfertigung staatlicher Aktivität herauslesen lassen, ist der sozialstaatliche Auftrag in hohem Maße konkretisierungsbedürftig;
120
Von Münch, Staatsrecht I, Rn. 288. Baäura, DÖV 1989, 491 (492 f.); Stober, Handbuch, S. 165. 122 Baäura, DÖV 1989, 491 (492). 123 Badura, DÖV 1989, 491 (492 f.); Stober, Handbuch, S. 163 f. 124 BVerfGE 66, 248 (258). 125 Stober, Handbuch, S. 163. 126 BVerfGE 21, 245 (251); Badura, DÖV 1989, 491 (494). 127 Stern, Staatsrecht 1, S. 905. 128 Stober, ZHR 145 (1981), 565 (583). 129 P.-M. Huber, AllgVerwR, S. 74; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 185; Scholz, in: Duwendag (Hrsg.), Staatssektor, S. 120; Stern, Staatsrecht I, S. 915. 130 BVerfGE 22, 180 (204); 65, 182 (193). Das Sozialstaatsprinzip bestimmt nur das Ziel, eine gerechte Sozialordnung, läßt aber alle zur Erreichung des Ziels möglichen Wege offen, vgl. Herzog, in: M./D./H./S., GG, Art. 20 Rn. 25 ff., 46 f. 121
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
er stellt einen "permanenten Konkretisierungsauftrag" an den Gesetzgeber dar 131 . Damit entscheidet also der einfache Gesetzgeber maßgebend über die Grenzen zwischen staatlicher und privater Wirtschaft 132, eine genaue verfassungsrechtliche Grenzziehung für wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit läßt sich so dem Sozialstaatsprinzip nicht entnehmen. Grenzen ergeben sich allenfalls aus dem Gesagten dahin gehend, daß - der Auftrag lautet ja auch auf Gewährleistung und Förderung privater Wirtschaftstätigkeit - eine "Vergesellschaftung der individuellen Daseinsverantwortung" unzulässig ist 133 . Als Grenzziehung in Gestalt individueller Freiheitsbereiche sind erneut die Grundrechte angesprochen134; Eingriffe aus sozialstaatlichem Anliegen sind erlaubt, aber in gewohntem Maße rechtfertigungsbedürftig 135. Angesichts der primären Bedeutung als Auftragsnorm für den einfachen Gesetzgeber enthält auch das Sozialstaatsprinzip keine eindeutige Aussage über die Wirtschaftsfreiheit des Staates136, sondern läßt sich allenfalls als Erlaubnis für wirtschaftliche Aktivitäten jeglicher Art als Mittel zum sozialstaatlichen Zweck in die Pflicht nehmen137. Eine endgültige Rechtfertigung bestimmter Formen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit, beispielsweise der wirtschaftlichen Tätigkeit, ergibt sich nicht aus dem Sozialstaatsprinzip. Als entscheidendes Rechtfertigungskriterium der "Einmischung" des Staates in die Wirtschaft deutet sich aber bereits ein vom Staat zu verfolgender öffentlicher Zweck an - darauf wird ebenfalls noch zurückzukommen sein.
d) Art. 28 Abs. 2 GG Anhaltspunkte für eine Wirtschaftsfreiheit zumindest der Gemeinden und Gemeindeverbände könnten auch Art. 28 Abs. 2 GG zu entnehmen sein. Zwar hat Art. 28 Abs. 2 GG zunächst einmal eine kompetenzabgrenzende Funktion zwischen einzelnen Hoheitsträgern 138. Nach richtiger Ansicht stellt
131 132
Scholz, in: Duwendag (Hrsg.), Staatssektor, S. 120. Badura, DÖV 1989, 491 (494); Scholz, in: Duwendag (Hrsg.), Staatssektor, S.
120. 133
Badura, DÖV 1989, 491 (493). Stern, Staatsrecht I, S. 905. 135 Badura, DÖV 1989, 491 (494). 136 Dies dürfte Dickersbach, WiVerw. 1983, 187 (202), zu der Aussage verleiten, aus dem Sozialstaatsprinzip könnten für die Zulässigkeitsfrage keine Erkenntnisse gewonnen werden (bezogen auf die wirtschaftliche Tätigkeit). 137 Berg, GewArch. 1990, 225 (230); Stober, Handbuch, S. 167 f. 138 Kluth, S. 47; Stober, ZHR 145 (1981), 565 (575). Wenn Kluth, S. 47, jedoch bei dieser rein kompetentiellen Funktion verharren will, indem er betont, daß nur von der 134
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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Art. 28 Abs. 2 GG aber zugleich eine institutionelle Garantie dar 139 . Diese dogmatische Figur hat die Aufgabe, eine besondere Absicherung des in ihr festgelegten Gegenstandes zu bewirken 140. Bezogen auf den "Prototyp" der institutionellen Garantien des Grundgesetzes141 ist die Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 GG die Garantie zur Erledigung von Selbstverwaltungsaufgaben 142. Und zu diesen Selbstverwaltungsaufgaben sind beispielsweise wirtschaftsfördernde Maßnahmen143 und die Führung typischer Gemeindeunternehmen zu zählen144 wie auch das Recht der Selbstorganisation und damit die Wahl privatrechtlicher Organisationsformen 145. Inwieweit gewisse wirtschaftliche Tätigkeiten, die z.B. der Grundversorgung der Gemeindebevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern dienen, sogar dem weitgehend unantastbaren Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie zuzurechnen sind, kann hier dahinstehen. Auch braucht nicht der Frage nachgegangen zu werden, ob jegliche Art der wirtschaftlichen Tätigkeit der Gemeinden den Schutz des Art. 28 Abs. 2 GG genießt oder ob sich vielleicht sogar ein Gebot wirtschaftlicher Betätigung146 aus dem Gebot der Leistungseffektivierung 147 ableiten läßt. Festzuhalten ist zunächst einmal, daß die Selbstverwaltungsgarantie
Rechtsordnung in die Zuständigkeitssphäre des Staates gewiesene Aufgaben die von Art. 28 Abs. 2 GG garantierten örtlichen Angelegenheiten sein können, greift er zu kurz. Das Selbstverwaltungsrecht wäre dann ohne jeglichen Kernbereich dem Zugriff des einfachen Gesetzgebers ausgesetzt, und ein Aufgriff neu anstehender Aufgaben durch die Gemeinde bzw. den Gemeindeverband wäre danach nicht möglich. Eine derartige Interpretation wird aber nicht zuletzt nach der "Rastede"-Entscheidung des BVerfG (E 79, 127 ff.) der Selbstverwaltungsgarantie nicht mehr gerecht. Zu den Selbstverwaltungsaufgaben und damit zu dem durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Bereich gehört es gerade, kraft der Allzuständigkeit der Gemeinde fur die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft jede bislang unbesetzte Aufgabe in ihrem Bereich an sich zu ziehen, solange der Gesetzgeber diese nicht förmlich anderweitig zugeordnet hat, vgl. BVerfGE 79, 127 (146 f.); 83, 363 (385); Schmidt-Jortzig, DÖV 1993, 973 (975). 139 Schmidt-Jortzig y Einrichtungsgarantien, S. 32; ders., DÖV 1993, 973 (975); Stern Staatsrecht I, S. 408 f. 140 Ausführlich Schmidt-Jortzig y Einrichtungsgarantien, S. 33 und passim. 141 Schmidt-Jortzig y Kommunalrecht, Rn. 513. 142 Vgl. zu den Arten der kommunalen Aufgaben zuletzt Schmidt-Jortzig, DÖV 1993, 973 (975 ff.). 143 VGH Kassel DÖV 1989, 34 (35) - Praxisgründungsdarlehen. 144 Erichseriy Gemeinde und Private, S. 12 f.; Pagenkopf Wirtschaftsrecht, S. 146; Püttner y Die öffentlichen Unternehmen, S. 165; R. Schmidt y Wirtschaftsrecht, S. 528; ScholZy DÖV 1976, 441 (442); Stern y AfK 3 (1964), 81 (93). 145 Erichs en y Gemeinde und Private, S. 13; Stober y NJW 1984, 449 (453). 146 Vgl. dazu - verneinend - Erichsen y Gemeinde und Private, S. 14. 147 Vgl. Schmidt-Jortzig y Kommunalrecht, Rn. 365 ff., 474.
y
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
des Art. 28 Abs. 2 GG auch die wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinden umfaßt. Grenzen ergeben sich - soweit die wahrgenommene Tätigkeit nicht gerade zu dem Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie gehört - aus den aufgrund des Begrenzungsvorbehaltes in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ("im Rahmen der Gesetze") erlassenen Vorschriften über die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden in den Gemeindeordnungen der Bundesländer148. Maßgebend ist hier aber auch die Schutzrichtung der Selbstverwaltungsgarantie. Denn die Frage nach der Wirtschaftsfreiheit ist primär auf das Verhältnis Staat-Bürger gerichtet, der Staat müßte für seine wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit also die Wirtschaftsfreiheit gegenüber dem Bürger beanspruchen können. Liegt die Bedeutung der Selbstverwaltungsgarantie nur in der Absicherung des Aufgabenkanons gegenüber anderen Trägern hoheitlicher Gewalt, so kann die Selbstverwaltungsgarantie für die Wirtschaftsfreiheit des Staates gegenüber dem Bürger kaum fruchtbar gemacht werden 149. Die primäre Stoßrichtung der institutionellen Garantie des Art. 28 Abs. 2 GG liegt in der Tat in der Schaffung gewisser Freiräume innerhalb der Staatsorganisation und wendet sich damit zunächst an Träger hoheitlicher Gewalt150. Insoweit schlägt also die strukturelle Ähnlichkeit zu den Grundrechten voll durch 151. Damit ist der Sinn der institutionellen Garantie jedoch noch nicht erschöpfend erfaßt: Als verfassungsrechtliche Grundentscheidung entfaltet sie Geltungsanspruch in allen Bereichen des Rechts und damit auch in allen Bereichen von Staat und Gesellschaft 152. Die institutionelle Garantie wirkt also umfassend und legitmiert die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde demnach auch im Staat-Bürger-Verhältnis. Die wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinde besitzt somit eine verfassungsrechtliche Grundlage, die auch dem Bürger gegenüber in Anschlag gebracht werden darf 5 3 . Allerdings bedarf diese wegen ihrer Grundrechtsrelevanz gegenüber dem Bürger einer einfachgesetzlichen Ausgestaltung, da insoweit Art. 28 Abs. 2 GG als Ermächtigung für Grundrechtseingriffe zu unbestimmt ist 154 . Als Ab-
148
Vgl. dazu Schmidt-Jortzig, in: Püttner (Hrsg.), HkWP V , § 93 B, S. 50 ff.; und unten D III 4. 149 So denn auch Kluth, S. 47 f. 150 Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 251; Schmidt-Jortzig, Einrichtungsgarantien, S. 35. 151 Schmidt-Jortzig y Einrichtungsgarantien, S. 34. 152 Schmidt-Jortzig y Einrichtungsgarantien, S. 35 m.w.N.; ders., Kommunalrecht, Rn. 523. 153 Erichsen, Gemeinde und Private, S. 30 f.; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 523. 154 BVerwG NJW 1993, 411 (412); Erichsen, Gemeinde und Private, S. 13; ders., JK 93, GG Art. 12 1/3 I. Zu weitgehend Stern, AfK 3 (1964), 81 (93), der Akteuren der
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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wägungsposten, der die wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinden auch gegenüber wirtschaftlicher Tätigkeit Privater und damit Grundrechtsausübung rechtfertigen kann, ist die Selbstversvaltungsgarantie aber nicht zu vernachlässigen.
e) Art. 30, 83ff. GG Eine Grenzziehung oder - umgekehrt - eine ausdrückliche Legitimation fur wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit könnte sich auch aus der grundgesetzlichen Kompetenzordnung ergeben, zumindest hinsichtlich der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern.
aa) Grundsatzregelung Art. 30 GG Ausgangspunkt ist hier vor allem Art. 30 GG, demzufolge Ausübung staatlicher Befugnisse und Erfüllung staatlicher Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder ist - abweichende Regelungen des Grundgesetzes vorbehalten. Sollte die Wendung "Erfüllung der staatlichen Aufgaben" die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit erfassen, so könnten zumindest dem Bund mit Hilfe von Art. 30 GG auf der Verfassungsebene Grenzen gezogen werden. Unproblematisch ist die Geltung der Kompetenzregelungen für wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit in Form von Gesetzgebung - hier gelten die Art. 70 ff. GG als Spezialregelungen. Die gleiche Aussage kann auch für Wirtschaftslenkung in Gestalt gesetzesakzessorischer Verwaltung getroffen werden: Hier gelten die Verteilungsregelungen der Art. 83 ff. GG sowie Art. 30 GG für die Verwaltungskompetenzen. Schwieriger zu beurteilen scheint die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates zu sein, die sich häufig unter dem Stichwort "gesetzesfreie Verwaltung" erörtert findet 155. Diesem Problemkreis läßt sich die wirtschaftliche Tätigkeit angesichts fehlender normativer Regelungen auf den ersten Blick unschwer zuordnen, doch hat sich die Frage nach der Anwendung des Art. 30 GG auf die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates in privatrechtlichen Erscheinungsformen zu einer eigenständigen Streitfrage entwickelt. Wird die gesetzesfreie Verwaltung heute doch
Privatwirtschaft die Berufung auf die Grundrechte der Art. 2 und 12 GG verwehren will, soweit der Wesensgehalt des Art. 28 Abs. 2 GG reicht. 155 Vgl. nur BVerfGE 12, 205 (246); Gubelt, in: von Münch (Hrsg.), GGK II, Art. 30 Rn. 4 f.
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
ganz überwiegend von Art. 30 GG erfaßt gesehen156, so besteht diese Einigkeit hinsichtlich der Erfassung der wirtschaftlichen Staatstätigkeit noch nicht. Für die derzeit untersuchte Wirtschaftsfreiheit des Staates bedeutet dies die Frage, ob der Staat bei seiner wirtschaftlichen Tätigkeit die grundsätzliche Kompetenzverteilungsregel des Art. 30 GG beachten muß oder ob sich ein Teilbereich der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit außerhalb dieser Regelungen bewegt.
(1) Geltung des Art. 30 GG bei wirtschaftlicher Tätigkeit des Staates So wird die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates von einem Teil der Literatur aus dem Anwendungsbereich der Art. 30, 83 ff. GG ausgeklammert gesehen 157 . Es wird damit versucht, die wirtschaftliche Tätigkeit von Verwaltungstätigkeit klar abzugrenzen, was auch dazu führt, daß Art. 30 GG für sog. "verwaltungsersetzende Unternehmen" Gültigkeit beanspruchen soll 158 . Neben den wohl unüberwindlichen Schwierigkeiten, eine Grenzziehung zwischen "Verwaltungsergänzung" und "Verwaltungsersetzung" durchzuführen 159, bestehen weitere Bedenken gegen diese Ansicht. Die als Prämisse angenommene traditionelle Befugnis des Staates zu einer selbständigen Vermögenswirtschaft als Voraussetzung zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, die daher nicht als Aufgabenerfüllung selbst zu gelten habe160, findet so im Grundgesetz keine Stütze - "vorkompetentielle" Befugnisse, auf einer zweifelhaften Verfassungstradition beruhend, können nicht überzeugen. Hinzu kommt, daß diese Sichtweise zu einem statischen Verständnis der Kompetenzregelungen fuhrt, da nur dann eine derartig dauerhafte Ausklammerung zu halten ist. Dies mißachtet aber die relativ offene Kompetenzordnung des Grundgesetzes, die - wie beispielhaft an den große Spielräume lassenden Gesetzgebungskompetenzen sichtbar - "Zuweisungsvorkehrungen"161 für zukünftige staatliche Aufgaben enthält. Eine andere Ansicht richtet sich an den Handlungsformen aus: Privatrechtliche wirtschaftliche Tätigkeit wird den bundesstaatlichen Verwaltungskompe-
156
BVerfGE 12, 205 (246); 22, 180 (217); Bothe y in: AK-GG, Art. 30 Rn. 17; Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 114; Gubelt, in: von Münch (Hrsg.), GGK II, Art. 30 Rn. 4. 157 Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 119 Fn. 318; H. Klein, Teilnahme, S. 195 f.; vor allem Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 162 ff. 158 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 164. 159 Kritisch hierzu auch Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 84 Rn. 4. 160 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 162. 161 Dickersbach, WiVerw. 1983, 187 (193).
I.
Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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tenzen entzogen, während die gesamte öffentlich-rechtliche Tätigkeit dem Geltungsbereich des Art. 30 GG unterstellt wird 162 . Diese Lösung hat zunächst den Charme des Pragmatischen fur sich, denn Art. 30 GG stellt so kein Hindernis fur die wirtschaftliche Tätigkeit des Bundes dar, die sich fast ausschließlich in privatrechtlich organisierten Unternehmen abspielt163. Aller Pragmatismus kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die (tatsächliche) Handlungsform als Kriterium fur eine Zuständigkeitszuweisung willkürlich anmutet164. Ungelöst bleibt auch das Abgrenzungskriterium, wann denn noch eine öffentliche Aufgabe in privatrechtlicher Handlungsform erledigt wird oder schon einer rein "fiskalischen" Tätigkeit nachgegangen wird. Vor allem aber bleiben Bedenken, den Staat bei Nutzung privatrechtlicher Handlungsmittel aus dem staatlichen Kompetenzbereich auszugliedern, Bedenken in Richtung Fiskustheorie. Denn eine derartige Ausgliederung müßte den Staat jenseits des Art. 30 GG durch die Privatautonomie legitimieren, die der Staat - auch in privatrechtlicher Organisationsform - nicht für sich in Anspruch nehmen kann 165 , wenn man seine Grundrechtsträgerschaft verneint. Ahnliche Ergebnisse erzielt der Vorschlag, am Gewinnzweck orientierte wirtschaftliche Tätigkeit des Staates von Art. 30 GG auszunehmen, sozialwirtschaftlich 166 ausgerichtete Unternehmungen hingegen Art. 30 GG zu unterstellen167. Der Unterschied zu der vorgenannten Auffassung besteht vor allem darin, daß Organisations- bzw. Handlungsform allenfalls Indizien für eine Zuordnung sein können, entscheidendes Gewicht aber dem Begriff der öffentlichen Aufgabe zukommt168. Einwände bestehen auch hier: Der Gesichtspunkt des Gewinnstrebens als Unterscheidungskriterium erscheint fragwürdig 169, und die trennscharfe Unterscheidung "erwerbswirtschaftlich" - "sozialwirtschaftlich" anhand der öffentlichen Aufgabe dürfte undurchführbar sein. Realer Betrachtungsgegenstand sind im Zusammenhang mit Art. 30 GG vor allem die im Bericht über die Beteili-
162
Gubelt, in: von Münch (Hrsg.), GGK II, Art. 30 Rn. 5; Broß, in: von Münch (Hrsg.), GGK III, Art. 83 Rn. 2. - Art. 30 GG soll aber für den Bereich des "Verwaltungsprivatrechts " gelten. 163 Vgl. den Bericht über die Beteiligungen des Bundes 1991, passim. 164 Dickersbach, WiVerw. 1983, 187 (193). 165 Bleckmann, DVB1. 1985, 832 (835). Näher zur Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen des öffentlichen Rechts noch unter C I 2 m bb. 166 Zu diesem Begriff vgl. Scholz, in: Duwendag (Hrsg.), Staatssektor, S. 115. 167 Dickersbach y WiVerw. 1983, 187 (194). 168 Dickersbachy WiVerw. 1983, 187 (194), unter Berufung auf BVerfGE 12, 205 (244, 246); 31, 314 (329). 169 Dies räumt Dickersbachy WiVerw. 1983, 187 (194 Fn. 48), selbst ein.
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
gungen des Bundes aufgeführten Unternehmen des Bundes - dies wurde schon hervorgehoben. Für diese läßt sich in aller Regel ein öffentlicher Zweck bzw. eine zu verfolgende öffentliche Aufgabe finden, auch wenn dies im Einzelfall nur ein mittelbarer öffentlicher Zweck bzw. eine mittelbar erfüllte öffentliche Aufgabe sein wird. Inwieweit eine derartige Mittelbarkeit genügen soll, bedarf angesichts verschiedener Auffassungen dazu auch noch der näheren Untersuchung, doch soll nur darauf hingewiesen werden, daß auch die Grenzziehung zwischen Unmittelbarkeit und Mittelbarkeit nicht ohne Schwierigkeiten ist und stark vom Betrachter abhängt. Die öffentliche Aufgabe ist für die Zulässigkeit bzw. Rechtfertigung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates sicherlich von herausragender Bedeutung. Jedoch sollte sie - wie sich schon bei der Untersuchung des Sozialstaatsprinzips gezeigt hat - mehr als eine allgemeine Legitimationsvoraussetzung staatlichen Handelns verstanden werden 170, nicht aber als Abgrenzungskriterium zwischen gleichartigen Erscheinungsformen des Staates. Der Begriff der öffentlichen Aufgabe dürfte hierfür überfordert sein und kann daher eine Ausgliederung bestimmter Erscheinungsformen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates aus dem Geltungsbereich des Art. 30 GG nicht rechtfertigen. Zustimmung verdient vielmehr die Ansicht, nach der die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dem Anwendungsbereich des Art. 30 GG unterfallt 171. Damit ist hervorzuheben, daß Art. 30 GG die Tätigkeitsbereiche von Bund und Ländern lückenlos abgrenzt und den Staat in allen seinen Erscheinungsformen bindet172. Angesichts der oben bereits nachgewiesenen Zielgleichheit von "normaler" Wirtschaftslenkungsverwaltung und wirtschaftlicher Tätigkeit des Staates müßte eine Trennung beider Bereiche, d.h. eine Ausgliederung bestimmter Teile der wirtschaftlichen Tätigkeit aus dem Anwendungsbereich des Art. 30 GG um so merkwürdiger anmuten. Zudem wurde oben nachgewiesen, daß wirtschaftliche Tätigkeit auch Verwaltung i.S.d. Art. 1 Abs. 3 GG ist. Bei der weiten Fassung des Art. 30 GG, der nach anerkannter Interpretation die Gesamtheit staatlicher Tätigkeit erfassen soll 173 , ist ein sachlicher Grund für die Ausklammerung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates an dieser Stelle nicht zu finden.
170
Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 86 f., 114. Berg, GewArch. 1990, 225 (229); Bothe, in: AK-GG, Art. 30 Rn. 17; Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 114 f.; Lerche, in: M./D./H./S., GG, Art. 83 Rn. 42; Lerche/von Pestalozza, Bundespost, S. 106; Stober, Handbuch, S. 326. 172 BVerfGE 12, 205 (246); 22, 180 (217); Bull, Staatsaufgaben, S. 54; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 115; Mallmann, W D S t R L 19 (1961), 165 (199 f.). 173 Bothe, in: AK-GG, Ait. 30 Rn. 17; Gubelt, in: von Münch (Hrsg.), GGK II, Art. 30 Rn. 4. 171
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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Dem gegen diese Ansicht erhobenen Vorwurf, sie führe zur Verfassungswidrigkeit all der genannten Bundesunternehmen, muß in jedem Einzelfall nachgegangen werden; in der Tat sind noch erhebliche Differenzen bei der tatsächlichen Handhabung dieses Verständnisses von Art. 30 GG zu beobachten.
(2) Bedeutung des Art. 30 GG fur die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates Die mögliche Folge der umfassenden Geltung des Art. 30 GG wurde soeben angedeutet: Es droht die Verfassungswidrigkeit weitgehender Teile der wirtschaftlichen Tätigkeit des Bundes. Diesem - vor allem nicht erwünschten - Ergebnis zu entgehen, widmen sich mehrere Vorschläge. Voranzustellen ist, daß Art. 30 GG selbst keinen materiellen Gehalt hat 174 , sondern lediglich die Tätigkeitsbereiche zwischen Bund und Ländern absteckt175. Es kommt fur den Bund also, um nicht schon an der Hürde des Art. 30 GG zu scheitern, auf eine entsprechende materielle Kompetenzbegründung an anderer Stelle im Grundgesetz an. Und genau hierin liegt angesichts des Schweigens der Wirtschaftsverfassung das Problem. Die Lösung wird überwiegend in ungeschriebenen Verwaltungskompetenzen des Bundes gesehen, die - wie bei Gesetzgebungskompetenzen anerkannt - die wirtschaftliche Tätigkeit des Bundes kraft Natur der Sache176, kraft Sachzusammenhangs177 oder aufgrund von Annexkompetenzen178 legitimieren sollen. Nach einem anderen Vorschlag genügt das Sozialstaatsprinzip als ausreichende Ermächtigung für den Bund, sich wirtschaftlich zu betätigen, sofern nur die Zielsetzungen im gesamtstaatlichen Interesse liegen179. Wo und wie genau die Kompetenz des Bundes zu finden ist, kann an dieser Stelle letztlich offenbleiben, da es dabei schon um die Rechtfertigung der einzelnen, zur Beurteilung anstehenden Erscheinungsform geht. Festzuhalten bleibt nur der Grundansatz, nach dem in der Tat der Bund einen materiellen Kompetenztitel aufweisen muß, mag dieser geschrieben oder ungeschrieben sein, um der
174 175
Bothe, in: AK-GG, Art. 30 Rn. 18. Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 115; Stober, ZHR 145 (1981), 565
(575). 176
Lerche, in: M./D./H./S., GG, Art. 83 Rn. 43. Lerche, in: M./D./H./S., GG, Art. 83 Rn. 43; Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 84 Rn. 4. 178 Bleckmann, DVB1. 1985, 832 (837); Lerche, in: M./D./H./S., GG, Art. 83 Rn. 43. 179 Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 115. 177
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
Schranke des Art. 30 GG zu entgehen. Ansatzpunkte (ur eine materielle Rechtfertigung des Tätigwerdens des Bundes finden sich vielfaltige im Grundgesetz; zu denken ist nur an Art. 72 Abs. 2 GG oder Art. 91 a Abs. 1 Nr. 2 GG. Dies soll hier aber nicht weiter vertieft werden, sondern gehört bereits in den Zusammenhang der Ermittlung öffentlicher Aufgaben und der Ermittlung des Verwaltungsträgers, der diese zu erfüllen hat. Als Fazit läßt sich festhalten, daß Art. 30 GG auch die wirtschaftliche Tätigkeit des Bundes in privatrechtlichen Erscheinungsformen und somit die wettbewerbsrelevante Tätigkeit des Staates lückenlos erfaßt. Art. 30 GG verbietet aber keineswegs "die" wettbewerbsrelevante Tätigkeit des Staates, auch nicht "die" wirtschaftliche Tätigkeit des Bundes180, sondern kann nur im Einzelfall einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Bundes Grenzen setzen. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, daß das Grundgesetz eine Reihe materieller Kompetenzen fur den Bund bereithält. Für die praktische Handhabung des Art. 30 GG im Zusammenhang mit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit bedeutet dies folgendes: 1. Sämtliche wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit (auch wirtschaftliche Tätigkeit des Bundes) fällt unter die Zuständigkeitsverteilungsregel Art. 30 GG. 2. Wirtschaftliche Tätigkeit von Ländern und Gemeinden wird wegen der grundsätzlichen Vermutung des Art. 30 GG und der ausdrücklichen Kompetenz in Art. 28 Abs. 2 GG in der Regel keine Probleme bereiten. 3. Da Art. 30 GG keine materielle Kompetenzverteilung enthält, muß eine öffentliche Aufgabe zu erfüllen sein, die der Bund erfüllen muß oder darf.
bb) Art. 83 ff. GG Für die Frage nach der Wirtschaftsfreiheit des Staates Bedeutung besitzende Aussagen finden sich auch in den Art. 83 ff. GG, die für den Bereich der Verwaltungskompetenzen die Grundsatzentscheidung des Art. 30 GG verfeinern bzw. abändern. Wie Art. 30 GG enthält Art. 83 GG eine widerlegbare Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Länder, jetzt aber ausschließlich bezogen auf die Verwaltungszuständigkeit181 .
180 181
Kurz und prägnant Stober, ZHR 145 (1981), 565 (575). BVerfGE 1 1 , 6 (15); Hornig, in: Seifert/Hömig (Hrsg.), GG, Art. 83 Rn. 1.
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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Können angesichts der Ausführungen zu Art. 30 GG die Art. 83, 84, 85 GG fur die Frage nach der Wirtschaftsfreiheit ohne nähere Betrachtung bleiben182, liegt das Schwergewicht der bereits angestellten Überlegungen auf den Regelungen über die bundeseigene Verwaltung und ihrem wirtschaftsrechtlichem Gehalt.
(1) Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG Im Mittelpunkt steht dabei Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG, der dem Bund bestimmte Materien zur obligatorisch bundeseigenen Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau zuweist. Hervorzuheben in wirtschaftlichem Zusammenhang war hier bis zur Einführung des Art. 87 f GG und der damit einhergehenden Änderung des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG insbesondere der Bereich "Bundespost". Unproblematisch erscheint noch die Aussage, daß - über die Zuständigkeitsaussage hinaus - damit auch ein materieller Kompetenztitel für den Bund geschaffen worden ist 183 . Betrachtet man aber in Zusammenschau der Art. 83 ff. GG den Wortlaut der Regelungen, so erwähnt das Grundgesetz nur Behörden, Zentralstellen, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, kurzum nur öffentlich-rechtlich organisierte Einheiten. Dementsprechend stellt sich erneut das Problem, wie es sich mit der Erfassung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Bundes in privatrechtlicher Organisationsform verhält. Läßt sich gerade Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG positiv die Legitimierung bestimmter Teilbereiche wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit entnehmen, so bereitet negativ die genaue Grenzziehung der Zulässigkeit Schwierigkeiten. Auch wenn zuvor bereits die grundsätzliche Erfassung durch Art. 30 GG festgestellt wurde, so bleibt doch offen, inwieweit die wirtschaftliche Tätigkeit des Bundes in privatrechtlichen Organisationsformen 184 von Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG erfaßt ist 185 und welche Folgerungen sich daraus für die Wirtschaftsfreiheit des Bundes ergeben. Auf diese Frage werden unterschiedliche Antworten gegeben. Angesichts der generellen Tragweite des Streits können hier nur die wesent-
182 Allerdings können auch diese im Einzelfall eine Grenze darstellen. Da das Grundgesetz sich zum Vollzug von Landesgesetzen in den Art. 83 ff. ausschweigt, kann die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit der Länder und Gemeinden hier einmal außer Betracht bleiben. 183 Broß, in: von Münch (Hrsg.), GGK III, Art. 87 Rn. 3; Hömig, in: Seifert/Hornig (Hrsg.), GG, Art. 87 Rn. 2. 184 Also Eigengesellschaften und gemischt-wirtschaftliche Unternehmen. 185 Verneinend etwa Lerche, in: M./D./H./S., GG, Art. 86 Rn. 55 und Art. 87 Rn. 39.
1
C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
liehen Leitlinien nachgezeichnet und ein Vorschlag fur die Handhabung unterbreitet werden. Unter Betonung der Merkmale "bundeseigen" und "eigener Verwaltungsunterbau" wird teilweise dem Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG überhaupt keine Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Organisationsform entnommen. Die in den Art. 83 ff. GG aufgezählten Verwaltungsträger werden als nicht abschließend angesehen, und im übrigen wird betont, die Art. 83 ff. GG dienten ganz primär der Verteilung der Organisationsgewalt zwischen Bund und Ländern 186. Mangels organisationsrechtlicher Aussagen könnten daher auch selbständige Personen des Privatrechts die in Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG genannten wirtschaftlichen Bereiche wahrnehmen, solange sie zwecks Beherrschbarkeit Bundesunternehmen bleiben 187 . Ist es sicherlich zu weitgehend, den Art. 83 ff. GG jeglichen organisationsrechtlichen Aussagegehalt absprechen zu wollen, so überzeugt eine zu enge Auslegung des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG ebenfalls nicht. Danach müsse angesichts der Formulierung "mit eigenem Verwaltungsunterbau" die bundeseigene Verwaltung zwingend in öffentlich-rechtlichen Organisationsformen geführt werden; eine privatrechtliche Organisationsform sei ebenso unzulässig wie eine Auslagerung der Aufgabenerfüllung auf Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts, da es sich dann um mittelbare Bundesverwaltung handele188. Die zur Begründung angeführte Schutzfunktion des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG 1 8 9 ist aber ohne Abstriche auch bei privatrechtlichen Organisationsformen zu wahren 190. Die Konstruktion, eine Übertragung von Teilaufgaben auf belie-
186
Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 86 f.; Stober, NJW 1984, 449 (452). Für die seinerzeit noch in Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG aufgeführte Bundesbahn Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 87; Stober, NJW 1984, 449 (452). Die Länder dürften allerdings auch nach dieser Ansicht nicht beteiligt werden, da dies der Zuständigkeitsverteilung der Art. 83 ff. GG widersprechen würden. A.A. - statt vieler - für die Bundespost Plagemann, S. 151. 188 Maunz, FS Scupin, S. 623; Reuss, DVB1. 1953, 684 (685 f.). 189 Maunz, in: M./D./H./S., GG, Art. 87 (Erstbearb.) Rn. 31 f.: Nur bei den genannten öffentlich-rechtlichen Organisations formen sei die politische Verantwortlichkeit des Ministers, gewährleistet. 190 Solange der Bund beherrschenden Einfluß behält, es sich m.a.W. um ein öffentliches Unternehmen im hier verstandenen Sinne handelt. Selbstverständlich darf auch die ZuständigkeitsveTteilung der Art. 83 ff. GG nicht umgangen werden; Länder-oder Mischunternehmen sind im Bereich der bundeseigenen Verwaltung unzulässig. 187
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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hene Unternehmer 191 anzunehmen, erweist sich daher als überflüssig 192 und im übrigen auch sehr zweifelhaft 193. Vermittelnd dagegen der Ansatz von Ehlers 194, der eine Wahrnehmung des Kerns der Sachmaterien in den Art. 87 ff. GG durch privatrechtlich organisierte Einheiten ausgeschlossen wissen will. Periphere, abgrenzbare Aufgaben sollen auf Eigengesellschaften oder gemischt-wirtschaftliche Unternehmen übertragbar sein, für die Verwaltungskernbereiche soll eine privatrechtliche Organisationsform hingegen unzulässig sein. Zuzustimmen ist dem Ausgangspunkt, nach dem die Art. 83 ff. GG - ebenso wie Art. 30 GG - zwar die Kompetenzfrage abschließend geregelt haben, die Organisationsfrage aber nur eine partielle Regelung hinsichtlich der öffentlichrechtlichen Organisationsformen gefunden hat 195 . Dies bedeutet nicht, daß die Art. 83 ff. GG keinen organisationsrechtlichen Gehalt aufweisen würden, sondern kennzeichnet die primäre Aufgabe der Art. 83 ff. GG, als Spezifizierung des Art. 30 GG die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern abzustekken 196 . Eine Trennung zwischen Peripherie und Kernbereich dürfte allerdings nicht nur praktisch schwierig sein197, sie entspricht auch nicht unbedingt der Auslegung des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG, die angesichts der unterschiedlichen Deutungen erforderlich ist. Angesichts der hier interessierenden Frage nach der Wirtschaftsfreiheit erfolgt die Auslegung angesichts verschiedener, in Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG genannter Materien anhand der in Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. genannten Bundespost, da diese für die Wirtschaftsfreiheit am anschaulichsten ist 198 .
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Maunz, in: M./D.H./S., GG, Art. 87 (Erstbearb.) Rn. 32. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 87, weist zu Recht darauf hin, daß diese Verbiegung pragmatischer Natur ist, um für einzelne Unternehmen das "Verdikt der Verfassungswidrigkeit" zu vermeiden. 193 Das für eine Beleihung z.B. der von Maunz y in: M./D.H./S., GG, Art. 87 (Erstbearb.) Rn. 32, angeführten Deutschen Schlafwagen und Speisewagen GmbH erforderliche Gesetz fehlt. Zum Erfordernis der gesetzlichen Übertragung von Hoheitsgewalt im Falle einer Beleihung Erichsen, in: ders. (Hrsg.), AllgVerwR, § 12 Rn. 14; P.-M. Huber, AllgVerwR, S. 133; Wolff/Bachof/Stober, VwR II, § 104 Rn. 6. 194 Verwaltung in Privatrechtsform, S. 117 f. 195 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 117 f. Fn. 46; Plagemann, S. 112 f. 196 Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 116. 197 Dies räumt Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 117 Fn. 46, auch freimütig ein; der Vergleich mit der ebensowenig überzeugenden Konzeption von Maunz y FS Scupin, S. 619, "entlastet" ihn in diesem Fall allerdings nicht. 198 Die Ergebnisse gelten aber entsprechend für die heute noch in Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG n.F. verbliebenen Materien. Die wirtschaftliche Tätigkeit in privatrechtlichen Organisationsformen findet sich hier seltener, kommt aber dennoch vor. Als Beispiel mag 192
10 Schliesky
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
(a) Wortlaut Anhaltspunkte fur den begrifflichen Inhalt der Wendung "bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau" ergeben sich bei der Gegenüberstellung mit den in Art. 86 S. 1 GG zusätzlich erwähnten "bundesunmittelbaren Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts", also Formen der mittelbaren Bundesverwaltung. Diese vom Verfassungsgeber gewählten Begriffe lassen sich dahin gehend deuten, daß die Aufgabe Bundespost keinem aus dem hierarchischen Staatsaufbau ausgegliederten Verwaltungsträger übertragen werden darf; im Wege eines "ErstRecht-Schlusses" wäre dann auch eine privatrechtliche Verselbständigung ausgeschlossen199. Der Wortlaut des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG kann aber auch als nicht obligatorisch verstanden werden, so daß beispielsweise eine Übertragung auf selbständige Körperschaften des öffentlichen Rechts systemkonform wäre - nicht aber eine Verlagerung auf privatrechtliche Organisationsformen 200. Sieht man bereits eine derartige Auslagerung als zulässig an, ist der Weg zur Anerkennung privatrechtlicher Organisationsformen nicht mehr weit 201 . Läßt der Wortlaut also mehrere Deutungen zu, so bereitet insbesondere die Definition des Begriffes "Unterbau" Schwierigkeiten202. Angesichts tatsächlich praktizierter privatrechtlicher Erscheinungsformen im "Unterbau" der Bundespost läßt sich der Begriff also ohne weiteres weit interpretieren 203. Hervorzuheben ist aber bereits an dieser Stelle der Wortlautbetrachtung, daß nur die Einbeziehung privatrechtlicher Organisationsformen in den Begriff "Verwaltungsunterbau" dem oben ermittelten Gehalt des Begriffes "Verwaltung" gerecht wird 204 .
die in die Ressortzuständigkeit des Auswärtigen Amtes fallende "Gästehaus Petersberg GmbH, Königswinter" fallen, vgl. Beteiligungsbericht des Bundes 1991, S. 158 f. 199 Plagemann, S. 151. 200 Bull, in: AK-GG, Art. 87 Rn. 20. 201 Für die seinerzeit noch in Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG aufgeführte Deutsche Bundesbahn Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 87; Stober, NJW 1984, 449 (452). 202 Vgl. dazu Plagemann, S. 153. 203 E.-R. Huber, WiVerwR I, S. 540 f.; Plagemann, S. 153 f. 204 S.o. Β III 4 a bb.
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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(b) Historische Auslegung Privatrechtliche Organisationsformen im "Verwaltungsunterbau" wurden bereits unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung praktiziert und als zulässig anerkannt 205, waren dem Verfassungsgeber also durchaus bekannt. Das Schweigen des Parlamentarischen Rates206 kann daher durchaus als stillschweigende Akzeptanz privatrechtlicher Organisationsformen auch unter der Geltung des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG gedeutet werden. Wäre etwa ein Verbot privatrechtlicher Organisationsformen gewollt gewesen, hätte dies in Beratungen und vor allem in den Regelungen der Art. 83 ff. GG deutlich werden müssen207.
(c) Systematische Auslegung Die Regelungssystematik der Art. 83 ff. GG, insbesondere in Zusammenschau mit den Art. 30, 70 ff. GG, gibt keine letzte Klarheit über die Einbeziehung privatrechlicher Organisationsformen. Sie deutet lediglich auf die bereits angesprochene primäre Regelungsabsicht hin: die Aufteilung der Verwaltungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern 208, bezüglich Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG die Zuweisung der Verbandskompetenz an den Bund im Sinne eines Ausschlusses der Länder 209. Unterstützung erfahrt diese Auslegung auch durch das Bundesverfassungsgericht y das den Art. 83 ff. GG keine ins Detail gehende Regelung der organisatorischen Ausgestaltung der bundeseigenen Verwaltung entnehmen will und den weiten Gestaltungsspielraum der zuständigen Organe des Bundes betont210. Die Einfügung der Art. 87 d, 87 e, 87 f GG spricht wohl mehr für die weite Auslegung im Sinne einer Erfassung privatrechtlicher Organisationsformen 211.
205
Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 116; Plagemann y S. 156. Vgl. aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht für kommunale Versorgungsunternehmen Ambrosius y Die öffentliche Wirtschaft in der Weimarer Republik, S. 68 ff. 206 Dazu Lerche /von Pestalozza, Bundespost, S. 55 f. 207 Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 116; Plagemann, S. 156, 166 f. 208 BVerfGE 14, 197 (214); 32, 145 (156); 39, 96 (109); 41, 291 (311); 63, 1 (39); Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 224; Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 116. 209 Plagemanny S. 157, 167. 210 BVerfGE 63, 1 (34). 2,1 Zu den Schwierigkeiten der dies ablehnenden Ansicht s. etwa Lerche, in: M./D./ H./S., GG, Art. 87 Rn. 40.
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
(d) Teleologische Auslegung Angesichts des weiten Spielraumes, den das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber212 und den Verwaltungsträgern 213 gleichermaßen einräumt, deutet sich auch hier eine weite Auslegung an, die auch privatrechtliche Organisationsformen zuläßt. Das Bestimmungs- und Aufsichtsrecht des zuständigen Exekutivorgans, bei dem Beispiel der Bundespost der Bundesminister fur Post und Telekommunikation, läßt sich auch bei privatrechtlichen Organisationsformen durch gesellschaftsrechtliche Mittel und die Kontrolle des Aufsichtsrates gewährleisten - eine ernsthafte Aufgabenerfullung der Kontrollorgane ist hierfür allerdings genauso Voraussetzung wie bei einem öffentlich-rechtlichen Verwaltungsunterbau mit typischer Behördenstruktur 214. Der dem Bund eingeräumte weite Gestaltungsspielraum läßt überdies eine Berücksichtigung von Effektivitätsgesichtspunkten zu; so sprechen auch größere Kundennähe und einfachere Befriedigung der aus der Infrastrukturaufgabe der Bundespost folgenden Bedürfnisse des Bürgers für eine Zulässigkeit der privatrechtlichen Organisationsform 215. Ob man nun einen bestimmten Infrastruktur- bzw. Grundversorgungskernbestand als obligatorisch in öffentlich-rechtlichen Organisationsformen zu erbringen ansieht und eine vollständig privatrechtliche Organisationsform erst nach einer Verfassungsänderung für möglich hält 216 oder ob bereits unter der Geltung des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG eine vollständig privatrechliche Organisationsform möglich ist 217 , mag hier letztlich dahinstehen218. Für erstere Deutung spricht die mittlerweile in der Praxis durchgeführte Verfassungsänderung zur Ermöglichung der Privatisierung von Bundes- und
212
BVerfGE 37, 1 (20). BVerfGE 63, 1 (34). 214 Die Frage der möglichen Einflußnahme des Staates auf privatrechtlich organisierte Einheiten wird allerdings seit jeher unterschiedlich beurteilt; vgl. etwa BGHZ 36, 296 (307 f.); und zuletzt Engellandt, S. 23 ff. und passim; Janitschek, VR 1993, 115 ff. 215 Vgl. Plagemann, S. 158 ff. m.w.N. Deutlich auch § 4 Abs. 1 PostVerfG a.F., der als Leitungsgrundsätze für die Unternehmen der Deutschen Bundespost sowohl die nachfragebefriedigende Funktion der Bundespost als auch die Beteiligung am Wettbewerb bei Wahrnehmung der Aufgaben postulierte. 2,6 Plagemann, S. 158 ff., 167 f. 217 Für die Bundesbahn Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 87; Stober, NJW 1984, 449 (452). 218 Der Verfassungsgeber hat sich - allerdings auch unter dem Gesichtspunkt seiner weitergehenden wirtschafts- und ordnungspolitischen Vorstellungen - für den Weg der Verfassungsänderung entschieden. Dazu mehr unten (6). 213
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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Reichsbahn. Angesichts der Kontroverse verstandigte man sich auf die Einfuhrung des Art. 87 e GG 2 1 9 . Entscheidendes Kriterium ist aber - wie Art. 87 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Art. 86 S. 1 GG zeigt - die bei bundeseigener Verwaltung beabsichtigte Staatsnähe220. Die in Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG zugewiesene eigentliche Aufgabe "Bundespost", deren genauer Umfang durch Auslegung zu ermitteln ist, muß extrem staatsnah gefuhrt werden; dies wird dadurch deutlich, daß Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG im Gegensatz zu Art. 87 Abs. 2 und 3 GG keine mittelbare Bundesverwaltung erlaubt. Damit ist eine privatrechtliche Organisationsform fur die Aufgabenerfüllung im Bereich "Bundespost" nicht per se ausgeschlossen. Entscheidend ist nur eine vergleichbare Zugriffsmöglichkeit des zuständigen Bundes wie bei eigenem Behördenunterbau. Wenn dies gewährleistet ist - dies setzt allerdings eine eindeutige Beherrschung der privatrechtlichen Gesellschaft voraus - , ist eine privatrechtliche Organisationsform auch für einen derartigen "Kernbereich" durchaus vorstellbar. Je gewichtiger das staatliche Interesse an der Aufgabenerfüllung ist, desto staatsnäher muß die Einflußmöglichkeit ausgerichtet sein, dementsprechend die Organisationsform 221. Unproblematischer wird es, wenn man sich von diesem Kernbestand an Aufgaben entfernt und sich beispielsweise "Randnutzungen" - die finanziell durchaus lukrativ sein können - betrachtet. Die Deutsche Postreklame GmbH beispielsweise222 erfüllt keine Grundversorgungsaufgabe, die eine absolute Staatsnähe voraussetzt; ihre privatrechtliche Organisationsform unterliegt daher keinerlei Bedenken, da sie zwar Aufgaben der "Bundespost" miterfüllen hilft und insoweit Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG unterfällt, ihr Tätigkeitsbereich aber keine absolute Staatsnähe voraussetzt. Insoweit wäre sogar die Führung als gemischt-wirtschaftliches Unternehmen durchaus denkbar 223.
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Zu Art. 87e GG s. unten (5). Zu diesem Kriterium vgl. auch Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 87; Plagemann, S. 157; Scholz/Aulehner, ArchivPT 1993, 221 (251). 221 Ebenso Scholz/Aulehner, ArchivPT 1993, 221 (251). Das staatliche Interesse kann sich im Laufe der Zeit allerdings ändern; der Verfassungsgeber hat hier eine Prognoseund Einschätzungsprärogative. Aktuelles Beispiel ist gerade die Postreform II, mit der "eine jahrhundertealte Tradition der Post als Staatsverwaltung zu Ende" geht [Rottmann, ArchivPT 1994, 193 (193)]. Art. 87 f Abs. 1 GG gibt beredtes Zeugnis darüber ab, daß sich das staatliche Interesse des Jahres 1995 auf eine bestimmte Infrastrukturgewährleistung beschränkt. 222 1991 wurde ein Umsatz von 410 Mio. D M und ein Gewinn von immerhin 8,3 Mio. D M erzielt, vgl. Bericht über die Beteiligungen des Bundes 1991, S. 175. 223 Bei der Herausgabe von Telefonbüchern kooperiert die Deutsche Postreklame GmbH in der Tat z.T. mit privaten Verlegern in BGB-Gesellschaften; vgl. Bericht über die Beteiligungen des Bundes 1991, S. 175. 220
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
(e) Ergebnis Die Auslegung von Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG hat ergeben, daß auch privatrechtliche Organisationsformen dem Begriff der "bundeseigenen Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau" unterfallen und also entsprechend zulässig sind. Damit muß sich die wirtschaftliche Tätigkeit des Bundes in privatrechtlichen Organisationsformen als bundeseigene Verwaltung an Art. 83 ff. GG messen lassen, ist aber im Umkehrschluß bei Beachtung der Grenzen in kompetentieller Hinsicht zulässig. Bestätigt wird diese Auslegung durch den tatsächlich zu beobachtenden Wandel der Art der Aufgabenerfullung (Beispiel Bahn). Die zu erfüllende Aufgabe bleibt dennoch eine öffentliche, und der gesamte Bereich ist in funktioneller Hinsicht Verwaltung. Strikt zu beachten, weil abschließend, ist die Zuständigkeitsverteilung der Art. 83 ff. GG; diese dürfen nicht durch den "Einstieg" der Länder in eine privatrechtliche Gesellschaft umgangen werden. Somit ist ein weiterer Mosaikstein für die Herausarbeitung der Wirtschaftsfreiheit des Staates gewonnen.
(2) Art. 87 Abs. 2 GG Eine ausdrückliche Regelung der staatlichen Wirtschaftsfreiheit enthält für einen Teilbereich Art. 87 Abs. 2 GG, der die Kompetenz- und Organisationsnorm für überregionale Versicherungsträger darstellt 224. Art. 87 Abs. 2 GG, dem der gleiche Begriff der "Sozialversicherung" zugrunde liegt wie Art. 74 Nr. 12 GG 2 2 5 , erlaubt auch die Gründung neuer bundesunmittelbarer Sozialversicherungsträger 226. Für die Wirtschaftsfreiheit des Staates, hier des Bundes, gilt also für den Bereich überregionaler Sozialversicherungsträger, daß grundsätzlich nur der Bund für ihren Betrieb die Verbandskompetenz besitzt und die Organisationsform hierfür - bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts - bindend vorgeschrieben ist 227 . Mit der 42. Grundgesetzänderung wurde noch ein S. 2 eingefügt, der nun unter bestimmten Voraussetzungen auch landesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts erlaubt 228.
224
BVerfGE 63, 1 (34 f.); Hornig, in: Seifert/Hömig (Hrsg.), GG, Art. 87 Rn. 6. Beispiele für derartige Versicherungsträger bei Bull, in: AK-GG, Art. 87 Rn. 100. 225 BVerfGE 63, 1 (35). 226 Bull, in: AK-GG, Ait. 87 Rn. 101. 227 BVerfGE 63, 1 (36). 228 G. v. 27.10.1994, BGBl. I S. 3146; vgl. dazu Sannwald, NJW 1994, 3313 (3320).
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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(3) Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG Ein (vermeintliches) Folgeproblem, das die oben gefundene Auslegung des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG nach sich zieht, ist die Geltung des institutionellen Gesetzesvorbehaltes. Aus der weiten Auslegung des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG könnte folgen, daß neben den in Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG genannten Behörden und Verwaltungsträgern auch die Errichtung privatrechtlicher Einheiten eines Errichtungsgesetzes bedürfe 229. Auf den ersten Blick hat das Argument, daß eine Aussetzung des Gesetzesvorbehaltes fur privatrechtlich organisierte Gesellschaften zur Umgehung des Gesetzesvorbehaltes fuhren könnte230, einiges an Schlagkraft. Doch weder dieses Argument noch die Heranziehung des Demokratiegebots, mit dessen Hilfe eine demokratische Legitimation auch fur privatrechtlich organisierte Gesellschaften des Staates gefordert wird 231 , können überzeugen. Eine derartige Betrachtungsweise würde nämlich zu einer Überdehnung des institutionellen Gesetzesvorbehaltes führen. Der institutionelle Gesetzesvorbehalt als eine spezielle Ausprägung für die Errichtung bestimmter öffentlich-rechtlicher Verwaltungseinheiten stellt den Zweck des Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG dar 232 . Der Gesetzesvorbehalt knüpft nicht an die Erfüllung öffentlicher Aufgaben an, sondern verlangt nur rein institutionell-organisatorisch ein Errichtungsgesetz für bestimmte, nämlich öffentlich-rechtliche Formen der Emanation hoheitlicher Gewalt. Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG kommt ohnehin nicht in Betracht, wenn der Bund - wie beispielsweise in den Fällen des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG - eine Verwaltungskompetenz schon besitzt und damit die Berechtigung zur Errichtung des "Verwaltungsunterbaus" hat 233 . Bereits die Formulierung "außerdem" am Anfang der Vorschrift sowie Sinn und Zweck der Art. 83 ff. GG - Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern - zeigen an, daß es sich hier nicht um einen allgemeinen Gesetzesvorbehalt handelt, sondern lediglich um eine Ausführungsmodalität für die Eröffnung einer zusätzlichen Verwaltungskompetenz 234 .
229
So beispielsweise Stober, NJW 1984, 449 (453). Lerche/von Pestalozza, Bundespost, S. 106, 108; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 527 f.; Stober, NJW 1984, 449 (453). 231 Stober, NJW 1984, 449 (453). 232 Bull, in: AK-GG, Art. 87 Rn. 69; Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 156 f. 233 OVG Koblenz AS 10, 353 (355); Hömig, in: Seifert/Hornig (Hrsg.), GG, Art. 87 Rn. 7; Maunz, in: M./D./H./S., GG, Art. 87 (Erstbearb.) Rn. 24. 234 Vgl. BVerfGE 14, 197 (210); Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 120 Fn. 57. 230
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
Dieses Ergebnis wird auch nicht bei einer Heranziehung des Demokratieprinzips verändert; inwieweit allerdings grundrechtliche Erwägungen - es handelt sich ja um wettbewerbsrelevantes Staatshandeln, das grundrechtsrelevant ist - ein Gesetz erforderlich machen, darauf wird an geeigneter Stelle noch zurückzukommen sein. Ergebnis ist damit, daß der institutionelle Gesetzesvorbehalt des Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG keine privatrechtlichen Organisationsformen erfaßt und damit die Gründung von Eigengesellschaften des Staates nicht durch das Erfordernis eines Errichtungsgesetzes reglementiert 235.
(4) Art. 87 d GG Materielle Verwaltungskompetenzen enthält auch Art. 87 d GG, der die Luftverkehrsverwaltung der bundeseigenen Verwaltung zuweist. Gegenstand der Luftverkehrsverwaltung ist die Regelung des Verkehrs mit Luftfahrzeugen unter Einbeziehung der dafür erforderlichen Bodenanlagen im Sinne einer "technischen Sicherheitsverwaltung" 236. Nicht erfaßt ist der Betrieb von Luftverkehrsunternehmen im Sinne einer "Betriebsverwaltung" 237; für die Deutsche Lufthansa AG ist eine anderweitige Legitimation erforderlich. Art. 87 d Abs. 1 S. 2 GG 238 erlaubt nun auch ausdrücklich privatrechtliche Organisationsformen, damit beispielsweise die Flugsicherung von einer verselbständigten Gesellschaft des Privatrechts, die sich im Eigentum des Bundes befindet, wahrgenommen werden kann. Diese ausdrückliche Befugnis zur Verwendung privatrechtlicher Organisationsformen spricht im Vergleich zu Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG nicht gegen die dort vorgenommene Auslegung, sie kann vielmehr als Argument für eine grundsätzlich mögliche Verwendung privatrechtlicher Organisationsformen im Rahmen bundeseigener Verwaltung verstanden werden. In Art. 87 d Abs. 1 S. 2 GG ist nur eine ausdrückliche Klarstellung erfolgt, die den
235
Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 69; Plagemann, S. 204. Bull, in: AK-GG, Art. 87 d Rn. 5 f.; von Münch, in: ders. (Hrsg.), GGK III, Art. 87 d Rn. 3; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 87 d Rn. 2. 237 Bull, in: AK-GG, Art. 87 d Rn. 6; von Münch, in: ders. (Hrsg.), GGK III, Art. 87 d Rn. 3; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 87 d Rn. 2. 238 Art. 87 d Abs. 1 S. 2 GG wurde durch G. v. 14.7.1992, BGBl. I S. 1254, in das Grundgesetz eingefügt. Mit dieser Regelung dürfte sich auch der Streit, ob lediglich unmittelbare Bundesverwaltung (so Maunz, in: M./D./H./S., GG, Art. 87 d Rn. 14) oder auch mittelbare Bundesverwaltung (so von Mangoldt/Klein, GG, Art. 87 d Anm. IV 3 a) zulässig ist, zugunsten letzterer Ansicht erledigt haben. 236
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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ohnehin zu beobachtenden Trend, bundeseigene Verwaltung in privatrechtlichen Organisationsformen durchzufuhren, unzweifelhaft legitimiert 239.
(5) Art. 87 e GG Neben der Erwähnung einer weiteren materiellen Verwaltungskompetenz in dem neu eingefugten Art. 87 e Abs. 1 S. 1 GG 2 4 0 verdient vor allem Art. 87 e Abs. 3 S. 1 GG fur die Frage nach der Wirtschaftsfreiheit des Staates größere Aufmerksamkeit. Art. 87 e Abs. 3 S. 1 GG erklärt nicht nur - wie aus Art. 87 d Abs. 1 S. 2 GG bekannt - privatrechtliche Organisationsformen fur bundeseigene Verwaltung zur zulässigen Organisationsform, sondern erlaubt auch ausdrücklich die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates, wenn der Verfassungsgesetzgeber davon spricht, daß die Eisenbahnen des Bundes "als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt" werden. Mit dieser Festschreibung ist aber über die bloße Statuierung einer Wirtschaftsfreiheit des Bundes im Bereich der Eisenbahnen des Bundes hinausgegangen worden: Art. 87 e Abs. 3 S. 1 GG enthält die verfassungsrechtliche Verpflichtung, die Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form zu führen 241. Eine derart detaillierte Regelung ist für die Verfassung ungewöhnlich und entspricht eher der Regelungsdichte des einfachen Gesetzgebers; entsprechende Kritik ist auch bereits laut geworden 242. Andererseits war eine verfassungsrechtliche Absicherung und Festschreibung der "für wirtschaftende Unternehmen gebotenen Organisationsform" gerade gewollt243.
239
Vgl. nur die sogleich anzusprechenden Art. 87 e GG [unten (5)] und Art. 87 f GG [unten (6)]. 240 Eingefügt durch G. v. 20.12.1993, BGBl. I S. 2089. Hervorzuheben sind auch die in Art. 87 e Abs. 1 S. 2 GG dem (einfachen) Bundesgesetzgeber eingeräumte Möglichkeit, Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung den Ländern als eigene Angelegenheit zu übertragen, sowie die Verwaltungskompetenzendes Bundes in Art. 143 a Abs. 2 und 3 GG, welcher zeitgleich mit Art. 87 e GG als Teil der Strukturreform des Eisenbahnwesens in das Grundgesetz eingefügt wurde. 241 Heinze, BayVBl. 1994, 266 (268 f.). Art. 87 e Abs. 3 S. 2-4 GG enthält ergänzende Bestimmungen und regelt u.a., daß der Bund bei den sog. Infrastrukturunternehmen Mehrheitseigentümer bleiben muß. Vgl. dazu Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (581 f.). 242 Vgl. Fromm, DVB1. 1994, 187 (191) m.w.N.; Heinze, BayVBl. 1994, 266 (269 f.). 243 So die Amtl. Begr. zum Gesetzentwurf der BReg., BT-Drs. 12/5015, S. 7. Auf verwaltungspraktische Probleme des Zusammenwirkens zwischen dem privatrechtlichen
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
Es wird damit eine bestimmte, marktwirtschaftlichem Gedankengut verpflichtete, ordnungspolitische Vorstellung deutlich: Die Deutsche Bahn AG soll langfristig wirtschaftlich arbeiten und sich vom Subventionsempfänger zum Gewinn erwirtschaftenden Verkehrskonzern wandeln; die dafür erforderliche verfassungsrechtliche Erlaubnis zur Gewinnerzielung ist ihr mit Art. 87 e GG eindeutig erteilt worden und kann so angesichts bislang unterschiedlicher Ansichten nicht mehr zweifelhaft sein. Hatte die Bundesregierung zunächst geplant, daß es dem Bund auch möglich sein soll, das Eigentum an der privatrechlich organisierten Gesellschaft eines Tages ganz aufzugeben 244, so wurde hier durch den Bundesrat noch eine Grenze eingezogen: Art. 87 e Abs. 3 S. 2 und 3 GG legen fest, daß der Bund jedenfalls im Hinblick auf Schienenwege mehrheitlicher Eigentümer bleiben muß 245 . Mit der Neuregelung verbunden ist auch ein radikaler weitgehender Verzicht auf den bislang angenommenen "Daseinsvorsorge"- Auftrag der Deutschen Bundesbahn246. Wie Art. 87 e Abs. 4 S. 1 GG eindeutig festlegt, ist jedenfalls die privatrechtlich organisierte Eisenbahngesellschaft nicht mehr Träger der Daseinsvorsorge, sondern - organisatorisch getrennt - der Bund247. Ohne dies an dieser Stelle vertiefen zu wollen, wird doch wieder einmal - zumindest aus heutiger Sicht - die Fragwürdigkeit des schillernden Begriffes der "Daseinsvorsorge" deutlich; rechtliche Folgerungen sollten daher mit diesem Begriff nicht mehr verbunden werden 248. Jedenfalls ist damit aber auch klar, daß der Bund als obligatorischer Mehrheitseigentümer qua Grundgesetz verpflichtet wird, betriebswirtschaftlich bedingte Schienennetzstillegungen im Fernverkehr, die seinem ausdrücklichen Gemein-
Unternehmen Deutsche Bahn AG und den nach dem Eisenbahnneuordnungsgesetz ν. 27.12.1993, BGBl. I S. 2378, neu errichteten Behörden (Bundeseisenbahnvermögen, Eisenbahnbundesamt) weist Kunz y VR 1995, 268 ff., hin. 244 Vgl. den Regierungsentwurf, BT-Drs. 12/5015, S. 4, 7. 245 Vgl. Heinze, BayVBl. 1994,266 (269 Fn. 10); Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (582). Vgl. auch die Gegenäußerung der BReg. zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 12/5015, S. 14. Etwas anderes gilt für andere Unternehmen, die nicht dem Infrastrukturauftrag des Art. 87 e Abs. 3 S. 2 GG verpfliehtet sind; hier ist auch eine vollständige materielle Privatisierung möglich. 246 Fromm, DVB1. 1994, 187 (191); kritisch hierzu Ronellenfitsch, DÖV 1996, 1028 (1029). 247 Fromm, DVB1. 1994, 187 (191); Heinze, BayVBl. 1994, 266 (269 Fn. 12): dort allerdings fälschlich Art. 87 e Abs. 5 GG genannt; Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577 (583 ff.). 248 Vgl. zur Kritik - statt vieler - Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 31 f.; Siedentopf\ Grenzen, S. 52 f.
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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wohlauftrag zuwiderlaufen, durch "Einkauf' bzw. Subventionierung zu verhindern 249. Diese Verpflichtung hat eine weitergehende Folge für den Untersuchungsgegenstand: Ein derartiges Verhalten darf dem Bund nicht als wettbewerbswidrige Subventionierung ausgelegt werden, da er in der Verfassung - Art. 87 e Abs. 4 S. 1 GG - auf diesen bestimmten Gemeinwohlauftrag festgelegt wird. Ein solches wettbewerbsrelevantes Staatshandeln muß - auch bei möglicher Benachteiligung privater Konkurrenten auf der Schiene oder auf der Straße - im Lichte dieses Verfassungsauftrages gesehen werden. Eine weitere Folge der Bahnreform ist die Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs (Art. 87 e i.V.m. Art. 143 a Abs. 3 GG), mit der eine finanziell sehr belastende Aufgabe auf die Länder übertragen wurde. Die Zustimmung der Länder im Bundesrat war nur über die Zusage finanzieller Leistungen des Bundes zu erhalten 250. Daher sieht der ebenfalls neu eingefügte Art. 106 a S. 1 GG vor, daß der Bund aus seinem Steueraufkommen den Ländern einen Betrag für den Öffentlichen Personennahverkehr bereitstellt. Diese Leistungen sind zweckgebunden für den Personennahverkehr 251, dabei aber auch auf den Straßenpersonennahverkehr bezogen252. Nach § 3 RegionalisierungsG ist zur Stärkung der Wirtschaftlichkeit der Verkehrsbedienung im Öffentlichen Personennahverkehr anzustreben, die Zuständigkeiten für Planung, Organisation und Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs zusammenzuführen. Da dies angesichts der angesprochenen Bereiche wohl am besten in öffentlich-rechtlichen Organisationsformen erfolgen sollte, mag hier durchaus eine "Renaissance" des kommunalen (wirtschaftlichen) Zweckverbandes erwartet werden, der ein gutes Instrument für eine regionale Zusammenarbeit mehrerer öffentlich-rechtlicher Beteiligter darstellt; aktuelle Beispiele aus Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz deuten in diese Richtung253. Die Bedeutung des neuen Art. 106 a GG liegt nun aber nicht nur darin, daß der Öffentliche Personennahverkehr im Grundgesetz erwähnt und - letztlich, indem er vorausgesetzt wird - legitimiert wird, sondern vor allem auch darin,
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Fromm, DVB1. 1994, 187 (191 f.); Heinze, BayVBl. 1994, 266 (268 f.); Jarass/ Pieroth, GG, Art. 87 e Rn. 4. Für eine zurückhaltendere Interpretation ( = geringere Gewährleistungspflicht im Vergleich zu Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F.) Schmidt-Aßmann/ Röhl, DÖV 1994, 577 (584). 250 Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 106 a Rn. 2. 251 Personennahverkehr ist nach dem Ausführungsgesetz i.S.d. Art. 106 a S. 2 GG als "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt ist, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen", zu verstehen, vgl. § 2 Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs - RegionalisierungsG-, BGBl. I 1993 S. 2378. 252 Jarass/Pierothy GG, Art. 106 a Rn. 1. 253 Vgl. Süddeutsche Zeitung v. 20./21.1.1996, S. 21.
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
daß wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit erlaubt wird: Zum einen wird die nicht unerhebliche Subventionierung des Öffentlichen Personennahverkehrs der Länder durch den Bund 254 , zum anderen die Durchführung dieses subventionierten Öffentlichen Personennahverkehrs durch die Länder erlaubt, was nicht ohne Bedeutung für die Beurteilung im Verhältnis zu Privatunternehmern bleiben kann. Für die Wirtschaftsfreiheit des Staates bleibt festzuhalten, daß Art. 87 e GG eine eindeutige Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit festschreibt. Auch wenn es sich wiederum nur um eine Teilregelung für den Bereich der Eisenbahnen des Bundes handelt, wird doch die Ausrichtung des Grundgesetzes hin zur Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit ein Stück deutlicher 255.
(6) Art. 87 f GG Weitere Unterstützung findet diese Aussage in Art. 87 f GG 2 5 6 . Diese zentrale Verfassungsnorm für die "Postreform II" des Jahres 1994 257 modifiziert die ehemalige, nunmehr aufgehobene Verwaltungskompetenz des Bundes für "die Bundespost" in Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG a.F. zu einem Infrastruktursicherungsauftrag im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation (Art. 87 f Abs. 1 GG) 2 5 8 und beschränkt die in obligatorischer Bundesverwaltung auszuführenden Hoheitsaufgaben auf eben diesen Bereich des Postwesens und der Telekommunikation, umfaßt also auch den Infrastruktursicherungsauftrag nach Abs. I 2 5 9 . Die Dienstleistungen zur Umsetzung des Infrastrukturauftrages nach Abs. 1 werden gem. Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG "als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und durch andere private Anbieter erbracht" 260. Damit wird in or-
254 Im Jahre 1996 immerhin 8,7 Mrd. D M , ab 1997 jährlich 12 Mrd. D M mit Steigerungsraten entsprechend dem Wachstum der Umsatzsteuer, § 5 RegionalisierungsG. 255 Vgl. auch die Stellungnahme der BReg., die staatliche Wirtschaftstätigkeit als den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen entsprechend ansieht, BT-Drs. 12/5015, S. 7. 256 Eingefügt durch G. v. 30.8.1994, BGBl. I S. 2245. 257 Dazu ausführlich Grämlich, NJW 1994, 2785 ff.; Rottmann, ArchivPT 1994, 193 ff.; Scherer, CR 1994, 418 ff.; vorbereitend Scholz/Aulehner, ArchivPT 1993, 221 ff. 258 Dieser Infrastruktursicherungsauftrag wird als Staatsziel verstanden, vgl. Amtl. Begr. der BReg., BT-Drs. 12/6717, S. 4; Rottmann, ArchivPT 1994, 193 (194); s. auch Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 87 f Rn. 3. 259 J arassi Pier oth, GG, Art. 87 f Rn. 1; Rottmann, ArchivPT 1994, 193 (194 f.).
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates ganisatorischer Hinsicht eine negative Kompetenzschranke errichtet 261 .
15 Der
Bund darf danach die fur die Infrastruktursicherung erforderlichen Dienstleistungen nicht durch seinen eigenen Verwaltungsunterbau erbringen; dies ist allein Sache der aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen oder anderer privater Anbieter (Art. 87 f Abs. 2 S. 1 G G ) 2 6 2 . Wohl aber 2 6 3 besitzt der Bund gem. Art. 87 f Abs. 2 S. 2 G G die Verwaltungskompetenz, durch bundeseigene Verwaltung die Erfüllung des Infrastruktursicherungsauftrages
zu überwachen und gem. Art. 87 f Abs. 3 G G in fakul-
tativer mittelbarer Bundesverwaltung einige an sich durch Art. 87 f Abs. 2 S. 1 G G der Privatwirtschaft zugewiesene Aufgaben als "klassische" Verwaltungstätigkeit durch eine Anstalt des öffentlichen Rechts wahrnehmen zu können 2 6 4 . Z u beachten ist bei dieser Systematik des Art. 87 f G G aber, daß derzeit vom Verfassungsgeber gebilligt - die Dienstleistungen als privatwirtschaftliche Tätigkeiten vom Bund selbst mittels seiner (noch ihm gehörenden) Postunternehmen erbracht werden. Auch wenn in der Zukunft die Wahrnehmung der Dienstleistungsverpflichtung als Verwaltungsaufgabe (in öffentlich-rechtlicher oder
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Diese Formulierung erscheint durchaus problematisch: Die Verpflichtung, den Infrastruktursicherungsauftrag durch Dienstleistungserbringung der Nachfolgeunternehmen sicherzustellen, mag angehen und ist jedenfalls unproblematisch, solange der Bund beherrschender Eigentümer ist. Im gleichen Atemzug aber "andere private Anbieter" zu nennen, unterliegt Bedenken, da sicherlich nicht gewollt ist, die privaten Anbieter von Post- und Telekommunikationsdienstleistungen verfassungsunmittelbar auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu verpflichten. Da auch die Amtl. Begr. die besonderen Beziehungen des Bundes zu den aus dem Sondervermögen hervorgegangenen Unternehmen betont (BT-Drs. 12/6717, S. 4 - allerdings noch zu dem anderslautenden Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P.), wird man nicht umhinkönnen, Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG mit unterschiedlicher Verbindlichkeit für die Post-Nachfolgeunternehmen und die anderen privaten Wettbewerber zu interpretieren. Für die Formulierung "und durch andere private Anbieter" mag dann die Deutung von Rottmann, ArchivPT 1994, 193 (194), zutreffen, die gleichzeitige Erwähnung spreche für eine grundsätzlich anzustrebende Wettbewerbsgleichheit. 261 Rottmann, ArchivPT 1994, 193 (194). 262 Grämlich, NJW 1994, 2785 (2787 f.); Jarass/Pieroth, GG, Art. 87 f Rn. 3. 263 Die sehr formale, sich allein an der privat- oder öffentlich-rechtlichen Organisationsform orientierende Unterscheidung von "privatwirtschaftlicher Tätigkeit" und der Erfüllung von "Hoheitsaufgaben" durch bundeseigene Verwaltung oder z.T. (fakultative) mittelbare Bundesverwaltung in Art. 87 f GG wirkt doch ein wenig befremdlich und wird - wie noch zu zeigen sein wird - inhaltlich-systematisch nicht durchgehalten. 264 Jarass/Pieroth, GG, Art. 87 f Rn. 2; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 87 f Rn. 5. Kritisch zu letzterem Rottmann, ArchivPT 1994, 193 (195); Scherer, CR 1994, 418 (421). - Das Errichtungsgesetz für die "Bundesanstalt für Post und Telekommunikation" findet sich in Art. 1 PTNeuOG v. 14.9.1994 (BGBl. I S. 2325).
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
privatrechtlicher Organisationsform) ausgeschlossen sein soll 265 , so bleiben die aus den Teilsondervermögen hervorgehenden Nachfolgeunternehmen so lange öffentliche Unternehmen, wie der Bund beherrschenden Einfluß behält266. Bestätigung fmdet diese Sichtweise durch Art. 143 b GG 2 6 7 , der die Umwandlung des Sondervermögens Deutsche Bundespost in "private Unternehmen" näher ausgestaltet. Art. 143 b Abs. 1 S. 1 GG ordnet zwar die Umwandlung des Sondervermögens Deutsche Bundespost nach Maßgabe eines Bundesgesetzes in "Unternehmen privater Rechtsform" an, ordnet mithin eine Organisationsprivatisierung an 268 . Der materiellen Privatisierung wird aber - wohl nicht zuletzt gerade wegen des (öffentlichen) Infrastrukturauftrages - eine Grenze gesetzt, Art. 143 b Abs. 2 S. 2 GG: Die Kapitalmehrheit âm Nachfolgeunternehmen des Teilsondervermögens Deutsche Bundespost Postdienst darf der Bund frühestens nach Inkrafttreten des in Art. 143 b Abs. 2 S. 3 GG vorgesehenen Bundesgesetzes mit Zustimmung des Bundesrates aufgeben 269. Darüber hinaus erlaubt Art. 143 b Abs. 2 S. 1 GG "fur eine Übergangszeit" die Beleihung der Nachfolgeunternehmen von Deutsche Bundespost Postdienst und Deutsche Bundespost Telekom mit den vor der Umwandlung bestehenden Monopolrechten. Daß hier noch keine veritable Privatisierung stattgefunden hat, liegt auf der Hand; eine solche wäre allerdings ohne diese "sanften" Übergangsregelungen nur mit erheblichen
265
Amtl. Begr. der BReg., BT-Drs. 12/6717, S. 4. Nach hier vertretener Auffassung bleibt es daher dabei, daß die Post-Nachfolgeunternehmen materielle Verwaltungstätigkeit ausüben. Sicherlich ist dem Wort "privatwirtschaftlich" in Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG ein Bekenntnis zur Aufgabenprivatisierung entnehmbar [Grämlich, NJW 1994, 2785 (2787 f.); Jarass/Pieroth, GG, Ait. 87 f Rn. 1, 3; Rottmann, ArchivPT 1994, 193 (194)], aber daraus bereits ein Entfallen der unmittelbaren Grundrechtsbindung aus Art. 1 Abs. 3 GG zu entnehmen [so Königshofen, ArchivPT 1995, 112 (119); Rottmann, ArchivPT 1994, 193 (194)], geht zu weit. Die Grundrechtsbindung entfällt erst bei materieller, d.h. vollzogener Aufgabenprivatisierung. Denn durch die noch vollständige Beherrschung der Nachfolgeunternehmen durch den Bund hat sich derzeit hinsichtlich der Möglichkeiten der Einflußnahme (und damit Ausübung von Staatsgewalt) materiell nichts geändert [dies muß auch Königshofen, ArchivPT 1995, 112 (127) einräumen]. Bislang hat nur eine Organisationsprivatisierung stattgefunden. S. dazu auch sogleich im Text. 267 Eingefugt durch G. v. 30.8.1994, BGBl. I S. 2245. 268 Amtl. Begr. der BReg., BT-Drs. 12/6717, S. 4; Grämlich, NJW 1994, 2785 (2788); Rottmann, ArchivPT 1994, 193 (196); Scherer, CR 1994, 418 (426). 269 Grämlich, NJW 1994, 2785 (2788); Jarass/Pier oth, GG, Art. 143 b, Rn. 1; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 143 b Rn. 3; kritisch zu dem Zustimmungserfordernis Rottmann, ArchivPT 1994, 193 (197). - Grämlich weist zutreffend daraufhin, daß für die Deutsche Telekom AG und die Postbank AG zwar keine derartige verfassungsrechtliche Privatisierungsbarriere besteht, wohl aber einfachgesetzliche Bindungen die materielle Privatisierung wenigstens verzögern werden. 266
I. " Wirtschaftsfreiheit
des Staates
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Reibungsverlusten in personeller Hinsicht sowie Einbußen bei der Erfüllung des Infrastruktursicherungsauftrages aus Art. 87 f Abs. 1 GG über die Bühne gegangen 270 . Am weitesten ist das Privatisierungsvorhaben insoweit bei der Postbank AG gediehen. Wie schwer sich der Bund aber auch hier mit einer echten Privatisierung tut, zeigt die zuletzt sowohl hinter den Kulissen als auch in der Öffentlichkeit geführte Diskussion um "dierichtigen"Partner bzw. künftigen Anteilseigner der Postbank271. Während die Postbank AG ein eigenes Konsortium vorstellte, das nach Auffassung der Unternehmensleitung die besten Partner für eine strategische Allianz und auch noch den größeren Privatisierungserlös für den Bund vorsah, favorisierten Postministerium und bestimmte Kreise in der Privatwirtschaft eine mehrheitliche Beteiligung von Deutscher Post AG und Deutscher Bank AG. Der Einstieg eines nach wie vor vom Bund beherrschten Unternehmens kann angesichts der Privatisierungs- und Deregulierungsabsicht nur Kopfschütteln auslösen272, vermag auch vor dem Hintergrund einer angestrebten Kooperation zwischen Postbank AG und Deutscher Post AG zwecks besserer Schalterauslastung bei der "Gelben Post" nicht zu überzeugen und begegnet angesichts der in Art. 87 f GG verbliebenen Verwaltungskompetenz verfassungsrechtlichen Bedenken, solange der Bund Eigentümer der Deutsche Post AG ist. Faßt man die wesentlichen Inhalte des Art. 87 f GG zusammen, so ergibt sich folgendes für die Wirtschaftsfreiheit des Staates: Da die Sicherstellung des Infrastrukturauftrages aus Art. 87 f Abs. 1 GG eine "Hoheitsaufgabe" ist, die ausweislich Art. 87 f Abs. 2 S. 2 GG in bundeseigener Verwaltung auszuführen ist, und die Umsetzung der Sicherstellung durch Dienstleistungen der Post-Nachfolgeunternehmen erbracht werden soll, legitimiert Art. 87 f Abs. 2 S. 2 GG auch und eben gerade die wirtschaftliche Tätigkeit der Nachfolgeunternehmen im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation, solange diese öffentliche Unternehmen sind. Damit ist nicht nur wieder ein Baustein staatlicher Wirtschaftsfreiheit gefunden, sondern auch das zu Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG gefundene
270 Zu den personal- und beamtenrechtlichen Problemen der Postreform II vgl. Benz, DÖV 1995, 679 ff.; zu den Problemen hinsichtlich Schuldübergang und Haftung bei der Privatisierung der Postunternehmen vgl. F. Kirchhof \ NVwZ 1994, 1041 ff. 271 Vgl. dazu Süddeutsche Zeitung v. 2./3.10.1995, S. 25; v. 4.10.1995, S. 25; v. 5.10.1995, S. 24; v. 9.10.1995, S. 19; v. 11.10.1995, S. 23; v. 16.10.1995, S. 19, 27; v. 24.10.1995, S. 21; v. 27.10.1995, S. 25; v. 17.1.1996, S. 24; v. 27.11.1996, S. 25; und Wirtschaftswoche Nr. 41 v. 5.10.1995, S. 87 f.; Nr. 42 v. 12.10.1995, S. 56 f. Eindrucksvoll auch die (jeweils ganzseitige) Anzeigenkampagne der Postbank AG als Reaktion auf die Übernahmepläne der Deutsche Post AG und Deutsche Bank AG, etwa in Süddeutsche Zeitung v. 21./22.10.1995, S. 23; v. 24.10.1995, S. 9. 272 Die Beteiligung des Branchenprimus der privaten Kreditinstitute löst auch wettbewerbsrechtliche, wenigstens aber wettbewerbspolitische Zweifel aus.
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
Ergebnis bestätigt, daß bundeseigene Verwaltung auch durch Unternehmen in privatrechtlichen Organisationsformen ausgeübt werden kann.
f) Art. 70 ff. GG Aussagen über die Wirtschaftsfreiheit des Staates sind auch den Art. 70 ff. GG zu entnehmen. Diese enthalten - unproblematisch - die Legitimation für wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit in Form von Gesetzen. Der Bund kann sich dabei auf ausschließliche Gesetzgebungskompetenzen in Art. 73 Nr. 1, 3, 4, 5, 6, 6 a, 7, 9, 11 GG und konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeiten in Art. 74 Nr. 4 a, 11, 11 a, 15, 16, 17, 19, 19 a, 20, 21, 22, 23, 24 GG stützen273. Zentrale Bedeutung hat hier für wirtschaftsordnende und wirtschaftslenkende Gesetze Art. 74 Nr. 11 GG, der als Regelungsgegenstand das "Recht der Wirtschaft" nennt274. Fraglich ist im Zusammenhang mit Art. 74 Nr. 11 GG, ob aufgrund dieser Gesetzgebungzuständigkeit der Bund die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates regeln dürfte 275 , also beispielsweise ein Gesetz über öffentliche Unternehmen erlassen könnte. Richtig dürfte ein weites Verständnis des Art. 74 Nr. 11 GG sein, wie es auch das Bundesverfassungsgericht formuliert hat 276 : "Er umfaßt nicht nur die Vorschriften, die sich in irgendeiner Form auf die Erzeugung, Herstellung und Verteilung von Gütern des wirtschaftlichen Bedarfs beziehen, sondern auch alle anderen das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftliche Betätigung als solche regelnden Normen." Demnach umfaßt Art. 74 Nr. 11 GG öffentliches und privates Wirtschaftsrecht 277; der Bundesgesetzgeber darf sich neben Gegenständen der Wirtschaftslenkung und Vorstellungen der Wirtschaftspolitik auch mit einem Gesetz über öffentliche Unternehmen beschäftigen, sofern nicht eine
273
Vgl. dazu Stober, Handbuch, S. 307 ff. Nicht zu vernachlässigen sind die weiteren speziellen Gesetzgebungskompetenzen,die über das gesamte Grundgesetz verstreut sind. 274 Inwieweit ein materielles Verständnis der Gesetzgebungskompetenzen möglich ist und damit eine generelle Befugnis für staatliches Handeln, also überhaupt wettbewerbsrelevantes Staatshandeln, und für Grundrechtseingriffe zur Verfügung steht, ist eine Frage der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen und daher an der entsprechenden Stelle (s.u. D II 1 c) zu behandeln. 275 Verneinend Knemeyer/Emmert, JZ 1982, 284 (285); Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 144 ff.; Stober, Handbuch, S. 307; jeweils mit unterschiedücher Begr. - Janson, Rechts formen, S. 335 f., hält aber ein Gesetz über öffentliche Unternehmen und Beteiligungen des Bundes für möglich und sieht darüber hinaus die Rahmenkompetenz für die Regelung der Rechts form von Landesunternehmen gegeben. 27 6 BVerfGE 29, 402 (409); 55, 274 (308); zuvor bereits E 8, 143 (148 f.); 28, 119 (146); vgl. auch BVerfG NVwZ 1982, 306 (307); BVerwG NVwZ 1986, 754 (755). 27 7 Von Münch, in: ders. (Hrsg.), GGK III, Art. 74 Rn. 40.
I. " Wirtschaft freiheit" des Staates
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andere ausdrückliche Kompetenz besteht278 oder andere Bestimmungen des Grundgesetzes die diesbezügliche Wirtschaftsfreiheit des Bundesgesetzgebers beschränken. Denn auch der Gesetzgeber muß bei seinem Tätigwerden das gesamte Grundgesetz beachten279. Erwähnenswert ist auch noch Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 GG a.F. Das Verfassungsgebot "Wahrung der Wirtschaftseinheit, insbesondere Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" gibt dem Bundesgesetzgeber im Rahmen des Katalogs des Art. 74 GG den Auftrag und die Befugnis, sich um ein relatives Gleichgewicht in der regionalen Wirtschaftsstruktur zu kümmern 280. Dies bedeutet eine ausdrückliche Legitimation zu staatlicher Strukturpolitik durch Gesetze, allerdings nur im Rahmen der Kompetenzbereiche des Art. 74 GG 2 8 1 . Hier bestand dann aber ein weiter gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum; das Vorliegen eines Bedürfnisses nach bundesgesetzlicher Regelung wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht nachgeprüft 282. Dabei darf der Bundesgesetzgeber auch bislang nicht bestehende einheitliche Lebensverhältnisse anstreben283, m.a.W. aktive Sozialpolitik durch Gesetz betreiben284. Der weite Gestaltungsspielraum des Bundesgesetzgebers ist nunmehr in Art. 72 Abs. 2 GG n.F. zugunsten der Länder beschränkt worden 285; an der (ausdrücklichen) Legitimation zu staatlicher Strukturpolitik hat sich inhaltlich jedoch nichts geändert.
g) Art. 88 GG Die Deutsche Bundesbank übt als bundesunmittelbare juristische Person des öffentlichen Rechts (§ 2 S. 1 BBankG) ebenfalls wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit aus. Neben der Wahrnehmung von hoheitlichen Aufgaben wirtschafts-
278 Überschneidungen der Sachbereiche in den einzelnen Gesetzgebungskompetenzen sind unschädlich, solange das Zuordnungssubjekt dasselbe bleibt. 27 9 BVerfGE 4, 7 (18); von Münch, in: ders. (Hrsg.), GGK III, Art. 74 Rn. 40. 280 Tietmeyer, in: Duwendag (Hrsg.), Staatssektor, S. 34. 281 Vgl. dazu auch von Münch, in: ders. (Hrsg.), GGK III, Art. 72 Rn. 13. Beachte aber auch Art. 91 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 GG. 282 St.Rspr. seit BVerfGE 2, 213 (224 f.); Hesse, VerfR, Rn. 240; von Münch, in: ders. (Hrsg.), GGK III, Art. 72 Rn. 17. 283 BVerfGE 13, 230 (233). 284 Vgl. von Münch, in: ders. (Hrsg.), GGK III, Art. 72 Rn. 23. 285 Durch G. v. 27.10.1994, BGBl. I S. 3146, wurde Art. 72 Abs. 2 GG neugefaßt und in den Zuständigkeitskatalog des Art. 93 GG ein neuer Abs. 1 Nr. 2 a eingefügt, der auf Antrag des Bundesrates, einer Landesregierung oder der Volksvertretung eines Landes die Überprüfung durch das BVerfG ermöglicht, ob ein Gesetz den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG entspricht. Vgl. zur Neuregelung etwa G. Schmidt, DÖV 1995, 657 ff. 11 Schliesky
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
politischer und auch wirtschaftslenkender Natur wird sie auch als öffentliches Unternehmen 286 am (Geld-)Markt wirtschaftlich tätig. Primäres Ziel dieser wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit ist die Währungssicherung 287. Art. 88 GG selbst begründet aber dem Wortlaut nach zunächst einmal die Verpflichtung 288 des Bundes, eine Währungs- und Notenbank zu errichten. Die nähere Ausgestaltung - z.B. Organisationsform, Befugnisse, Instrumentarium - obliegt dem Bundesgesetzgeber, der auf der Grundlage seiner Gesetzgebungskompetenz nach Art. 73 Nr. 4 GG diesem Verfassungsauftrag längst nachgekommen ist 289 . Die Bedeutung des Art. 88 GG beschränkt sich damit hinsichtlich der Wirtschaftsfreiheit auf die Aussage, daß der Bund mittels einer Währungs- und Notenbank wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit zum Zwecke der Währungssicherung ausüben darf 290 .
h) Art. 91 a GG Eine Vorschrift mit primär strukturpolitischer Bedeutung ist Art. 9 1 a GG. Mit der Schaffung der neuen Aufgabenkategorie "Gemeinschaftsaufgaben" durch die Einführung des Art. 91 a in das Grundgesetz291 ist dem Bund nun das Tätigwerden auch bei bestimmten Aufgaben der Länder erlaubt, sofern die Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist 292 . Sinn der Vorschrift ist damit der Ausgleich bestehender Ungleichgewichte unter strukturpolitischem
286
Püttner y Die öffentlichen Unternehmen, S. 38 f. BVerfGE 14, 197 (217); deutlich auch BVerwGE 41, 334 (349 f.): Aus dem Begriff "Währungs- und Notenbank" ergebe sich bereits die allgemeine Aufgabenstellung, und zwar die Sorge für das Geld und damit sowohl die Versorgung der Volkswirtschaft mit Geldmitteln als auch die Sicherung des Geldwertes. Vgl. ferner Hömig y in: Seifert/Hömig (Hrsg.), GG, Art. 88 Rn. 3; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 88 Rn. 2, 4; Tilmann y Wirtschaftsrecht, S. 165 f. - Einfachgesetzlich ist dieser Auftrag in § 3 BBankG verankert. 288 BVerwGE 41, 334 (349); Bauer, in: von Münch (Hrsg.), GGK III, Art. 88 Rn. 4; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 88 Rn. 4. 289 Gesetz über die Deutsche Bundesbank ν. 26.7.1957, BGBl. I S. 745, i.d.F. der Bek. v. 22.10.1992, BGBl. I S. 1782. 290 Vgl. BVerwGE41, 334 (349 f.); Bauer, in: von Münch (Hrsg.), GGK III, Art. 88 Rn. 10; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 88 Rn. 4. 291 Eingefügt durch G. v. 12.5.1969, BGBl. I S. 1161. 292 Zu derartigen unbestimmten Rechtsbegriffen vgl. BVerfGE 13, 230 (233 f.); 39, 96 (115); Liesegang, in: von Münch (Hrsg.), GGK III, Art. 91 a Rn. 9 f.; Maunz, in: M./D./H./S., GG, Art. 91 a Rn. 23. 287
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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Blickwinkel durch staatliches Tätigwerden 293. Es besteht damit auch eine ausdrückliche Befugnis zu wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit als Mittel zu einem im Vordergrund stehenden öffentlichen Zweck. Die durch Art. 9 1 a GG legitimierten öffentlichen Zwecke sind in Art. 91a Abs. 1 Nr. 1-3 GG abschließend aufgezählt 294 und haben damit Verfassungsrang. Mit dieser Festschreibung ist nicht nur eine materielle Kompetenzzuweisung verbunden, sondern auch ein Verfassungsauftrag 295. Die nähere Ausgestaltung dieses Verfassungsauftrags erfolgt gem. Art. 9 1 a Abs. 2 GG durch ein Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates296. Ein Blick auf das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" verdeutlicht die Wettbewerbsrelevanz der Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben. Im Mittelpunkt stehen zwar Vorschriften über den gemeinsamen Rahmenplan (§§ 4 ff.) 297 - die Rahmenplanung wird bereits durch Art. 91 a Abs. 3 GG als wesentliches Instrument zur Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben angesprochen - , doch verdienen auch § § 1 , 3 des Gesetzes Beachtung, die die zulässigen Maßnahmen auffuhren. Hierbei fällt insbesondere § 1 Abs. 1 Nr. 1 auf, der die Förderung der gewerblichen Wirtschaft für zulässig erklärt, also die Subventionierung298. § 1 Abs. 1 Nr. 2 b erlaubt auch die Förderung des Ausbaus der Infrastruktur durch "öffentliche Fremdenverkehrseinrichtungen", spricht also auch einen ei-
293
Vgl. Liesegang, in: von Münch (Hrsg.), GGK III, Art. 91 a Rn. 2; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 332. 294 Hesse, VerfR, Rn. 251; Liesegang, in: von Münch (Hrsg.), GGK III, Art. 91 a Rn. 8; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 91 a Rn. 5. 295 Liesegang, in: von Münch (Hrsg.), GGK III, Art. 91 a Rn. 5; Schmidt-Bleibtreu/ Klein, GG, Art. 91 a Rn. 3. 296 Die entsprechenden Gesetze bestehen: Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe "Ausbau und Neubau wissenschaftlicher Hochschulen" v. 1.9.1969, BGBl. I S. 1556; Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" v. 6.10.1969, BGBl. IS. 1861; Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserungder Agrarstruktur und des Küstenschutzes" i.d.F. v. 21.7.1988, BGBl. I S. 1055, erstmals v. 3.9.1969, BGBl. I S. 1573. 297 Der Rahmenplan hat keine Gesetzesqualität und kann nur innerhalb des staatlichen Bereiches, nicht aber gegenüber außenstehenden Dritten Wirkung entfalten, vgl. BVerwGE 75, 109 (116); Liesegang, in: von Münch (Hrsg.), GGK III, Art. 91 a Rn. 30; von Mangoldt/Klein, GG, § 91 a Anm. V I 2 b. 298 § 3 führt die Arten der finanziellen Förderung auf: Gewährung von Investitionszuschüssen, Darlehen, Zinszuschüsse und Bürgschaften. - § 2 Abs. 2 S. 1 engt den Kreis der Zuwendungsempfangerauf Start- und Anpassungshilfen für Gewerbebetriebe ein, von denen "zu erwarten ist, daß sie sich im Wettbewerb behaupten können".
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
genwirtschaftlichen Aspekt an 299 . Hauptzweck bei allen Tätigkeiten muß aber die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur sein, also die Verfolgung der verfassungsrechtlich zugewiesenen öffentlichen Aufgabe. Wie wettbewerbsrelevant die aufgrund von Art. 91 a GG entfaltete Staatstätigkeit sein kann, verdeutlicht auch ein Beispiel aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes"300. Die Klägerin, eine von Privaten getragene GmbH, ging gegen das Land Niedersachsen vor, da ihrer angestrebten Tätigkeit als Betreuer für einzelbetriebliche Förderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe die Ausgestaltung des Subventionsverhältnisses Land-Subventionsempfänger seitens des Landes entgegenstand. In den oben gebildeten Kategorien von Wettbewerbsverhältnissen findet sich dieses Beispiel in der Gruppe "Verwaltungsträger beeinflußt durch belastende Maßnahme gegenüber dem Unternehmer dessen Wettbewerbsstellung"301. Das Land konnte sich in diesem Fall für seine wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit - hier: Subventionierung - zwar auf eine Rechtsgrundlage stützen. Für die Art und Weise, wie es diese wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit ausgestaltete, gab es aber angesichts des vom Bundesverwaltungsgericht festgestellten Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG beim Kläger keine hinreichende Rechtsgrundlage?02. Beschreiben diese Beispiele auch schon mehr die Wettbewerbsfreiheit des Staates in den konkreten Fällen, so machen sie doch die - wiederum nur partielle - Bedeutung für die Wirtschaftsfreiheit des Staates deutlich. An Art. 9 1 a GG ist sehr schön zu erkennen, daß dem Staat eine Wirtschaftsfreiheit gewährt wird - für die in der jeweiligen Grundgesetzbestimmung abgesteckten Bereiche. Wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit ist somit jedenfalls fur diese Bereiche erlaubt, wobei auch immer deutlicher wird, daß sie in den bislang untersuchten Beispielen nur Mittel zum Zweck, nämlich zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe war.
i) Abgabenhoheit des Staates Die aus den Art. 105 ff. GG abzulesende Grundentscheidung der Verfassung für einen "Steuerstaat" wird zum Teil der Zulässigkeit wirtschaftlicher Tätigkeit des Staates entgegengehalten. Die Zuweisung der Abgabenhoheit an den Staat verdeutliche, wie der Staat sich seine Einnahmen zu beschaffen habe, nämlich
299
A.A. Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 91 a Rn. 3, die - ohne nähere Begründung - eine wirtschaftliche Tätigkeit als nicht mehr von Art. 9 1 a GG erfaßt ansehen. 300 BVerwGE 75, 109 ff. 301 S.o. Β IV 2 c. 302 BVerwGE 75, 109 (115 f.).
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
15
mittels der Steuer durch die hoheitliche Teilnahme am wirtschaftlichen Erfolg von privaten Rechtssubjekten, nicht aber durch eigenes Tätigwerden am Markt 303 . Die bereits nachgewiesenen Möglichkeiten, die das Grundgesetz dem Staat fur wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit eröffnet, werden zwar nicht geleugnet, doch wird aus der Abgabenhoheit des Staates als Privileg der öffentlichen Hand gefolgert, daß die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates als Form wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit jedenfalls dann unzulässig sei, wenn sie nur um der Gewinnerzielung willen bzw. zur Deckung des Finanzbedarfs erfolgt 304. Danach wäre dann beispielsweise der Verkauf von Kfz-Kennzeichen durch eine Zulassungsstelle305 unzulässig306. Hier wäre durch die Entscheidung des Grundgesetzes fur den Steuerstaat also der Wirtschaftsfreiheit des Staates wieder eine konkrete Grenze gezogen. Diese Grenzziehung ist aber abzulehnen. Die Frage nach der erlaubten Eigennützigkeit des Staates bei wirtschaftlicher Tätigkeit zum alleinigen oder primären Zweck der Gewinnerzielung gehört zur Fragestellung nach dem legitimierenden Zweck für wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit307. Die Abgabenhoheit des Staates würde aber überinterpretiert, wollte man aus ihr so weitreichende Konsequenzen wie ein Verbot wirtschaftlicher Tätigkeit ableiten. Sicherlich lag bei der Einräumung des Abgabenprivilegs und der Schaffung des Steuerstaates die Vorstellung zugrunde, daß Steuern und Abgaben die entscheidende Rolle bei der Einnahmebeschaffung spielen sollen308. Richtig ist sicherlich auch, daß der Staat von den Unsicherheiten des Marktes bei der Einnahmebeschaffung für die Erfüllung der ihm zugewiesenen veritablen Staatsaufgaben von den Unsicherhei-
303
Isensee, DB 1979, 145 (149); Stober, Handbuch, S. 586; ders., DÖV 1995, 125
(131). 304 Emmerich, AG 1985, 293 (295); Stober, Handbuch, S. 587; ders., ZHR 145 (1981), 565 (588 f.). Im Erg. ebenso für ausschließliches oder primäres Gewinnstreben - allerdings mit richtiger Einordnung des Problems bei der Frage nach einem legitimierenden öffentlichen Zweck - Badura, FS Schlochauer, S. 6 m.w.N.; Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 93; Janson, Rechts formen, S. 86. 305 Vgl. BGH NJW 1974, 1333 ff., mit anderem Ergebnis. 306 Stober, Handbuch, S. 588. 307 Dort wird die Fragestellung dann auch in der Regel behandelt, vgl. nur Badura, FS Schlochauer, S. 6; Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 93; Janson, Rechtsformen, S. 86. Auf dieses Problem wird daher an geeigneter Stelle noch zurückzukommen sein. 308 Dickersbach, WiVerw. 1983, 187 (202); Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 27 Rn. 69 f.; sehr viel weitergehender Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 198, der unter Berufung auf die Systematik der Art. 105 ff. GG keinen Vorrang der Einnahmebeschaffung durch Steuern statuiert sieht.
1
C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
ten des Marktes freigestellt sein soll309. Doch ein Ausschluß (bestimmter) wirtschaftlicher Tätigkeit des Staates ist der Abgabenhoheit des Staates nicht zu entnehmen, die Finanzierung durch Gewinne, die aus wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit erzielt worden sind, ist nicht verboten310. Bei aller gebotenen Vorsicht mit einem Vergleich zur kommunalen Ebene311 wird dieses Ergebnis durch die Grundsätze der Einnahmebeschaffung der Kommunen bestätigt: Die Kommunen - Träger staatlicher Gewalt - müssen sich gerade auch durch sog. nichthoheitliche Einnahmen finanzieren 312. Die Gemeindeordnungen aller Bundesländer enthalten eine grundsätzlich zwingende Reihenfolge der Einnahmebeschaffung, derzufolge die Aufgabenfinanzierung regelmäßig vorrangig aus sonstigen Einnahmen, dann Entgelten fur Leistungen und an dritter Stelle erst aus Steuern erfolgen soll 313 . Und zu den "sonstigen Einnahmen" zählen auch Erträge aus Beteiligungen an Gesellschaften sowie die Ablieferungen der gemeindeeigenen Unternehmen314. Somit ist wenigstens auf der untersten staatlichen Ebene die Einnahmebeschaffung auch durch wirtschaftliche Tätigkeit erlaubt, ja sogar gesetzlich vorgesehen. Da die Verfassungsmäßigkeit dieser kommunalrechtlichen Vorschriften wohl nicht ernstlich bezweifelt werden kann, muß auch der Steuerstaat des Grundgesetzes die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates und damit verbundene Einnahmenerzielung zumindest tolerieren. Aus dem Prinzip des Steuerstaates läßt sich daher nur eine allgemeine, sehr weit gezogene Grenze folgern: Würde der staatliche Finanzbedarf nicht mehr überwiegend durch Steuern, sondern durch andere Einnahmen - wie z.B. Gewinne aus wirtschaftlicher Tätigkeit - finanziert werden, wäre das System "auf den Kopf gestellt"315. Eine derartige Grenze ergibt sich in der Tat aus dem Grund-
309
Dickersbach, WiVerw. 1983, 187 (202); Isensee, DB 1979, 145 (149). Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 198; Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 27 Rn. 70; Vogel/Walter, in: BK, Art. 106 GG Rn. 42. 311 Die Vergleichbarkeit ist deshalb nur bedingt gewährleistet, weil Gemeinden und Kreise nur im Rahmen des Art. 106 Abs. 5, 6,1 GG an den Steuereinnahmen beteiligt werden und ihnen selbst wenig nennenswerte originäre Steuereinnahmen garantiert sind (vgl. Art. 106 Abs. 6 S. 1 GG). S. dazu ausführlich Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 753 ff. 312 Vgl. zu diesem Begriff Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 752, 801. 313 BaWü § 78 Abs. 2 GO; Bay Art. 62 Abs. 2 GO; He § 93 Abs. 2 GO; Nds § 83 Abs. 2 GO; NRW § 63 Abs. 2 GO; RhPf § 94 Abs. 2 GO; Sa § 73 Abs. 2 GO; SaAh § 91 Abs. 2 GO; Sld § 83 Abs. 2 KSVG; SH § 76 Abs. 2 GO; Thür § 54 Abs. 3 KommunalO. Die Formulierungen weichen aber teilweise voneinander ab. 314 Vgl. nur Galette /Laux, GO, § 76 Anm. 3 a. 315 Dickersbach, WiVerw. 1983, 187 (202); Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 207; Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 27 Rn. 70. Auch aus ökonomischer Sicht unterliegt die Einnahmebeschaffung durch wirtschaftliche Tätigkeit keinen Beden310
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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gesetz, da bei einem "Umschlagen" der grundsätzlichen Einnahmebeschaffungspolitik die Kompetenzverteilung der Finanzverfassung sowie die Finanzausgleichsregelungen ausgehebelt würden 316. Bei welcher Höhe der Einnahmen durch wirtschaftliche Tätigkeit sich diese aus dem System des Steuerstaates ergebende Grenze aktualisieren würde, ist abstrakt nur schwer zu beurteilen. Dies hat unter anderem seinen Grund auch darin, daß nicht alle Gewinne aus der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates gleichzeitg Einnahmen darstellen, die wie Steuern zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs zur Verfugung stehen. Vielmehr haben diverse Unternehmen bei Gewinneinbehalt oder Abfuhrung an das Muttergemeinwesen gesetzliche Vorgaben zu beachten, nach denen ein Gewinn (z.T. auch erst ab einer gewissen Höhe) auf bestimmte Art und Weise zu verwenden ist. So muß z.B. die Kreditanstalt fur Wiederaufbau ihren Gewinn einer Sonderrücklage zuweisen; der Bund als Anteilseigner mit 71 % des Grundkapitals kann diesen Gewinn also nicht seinem Haushalt zufuhren 317. Auch die Deutsche Bundesbank fuhrt gem. § 27 Nr. 4 BBankG nur einen Teil des Reingewinns an den Bund ab. Insoweit ist das durch ausgefeilte Regelungen der Finanzverfassung gewährleistete Verteilungssystem zwischen Bund, Ländern und Gemeinden durch Erträge aus wirtschaftlicher Tätigkeit überhaupt nicht in Gefahr. Jedenfalls die in den letzten Jahrzehnten vorgefundene wirtschaftliche Tätigkeit des Staates ist nicht dazu geeignet, die aus der Abgabenhoheit des Staates resultierenden weiten Grenzen für die Wirtschaftsfreiheit des Staates aktuell werden zu lassen, und ist auch noch weit davon entfernt 318. Somit beinhaltet auch die Entscheidung des Grundgesetzes für einen grundsätzlichen Steuerstaat kein Verbot wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit.
j) Art. 109 Abs. 2 GG Von Bedeutung für die Wirtschaftsfreiheit des Staates ist auch Art. 109 GG, vor allem dessen Abs. 2. Die Einfügung 519 der Staatszielbestimmung320 des Art. 109 Abs. 2 GG, Bund und Länder bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfor-
ken, vgl. Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 33 f.: Insbes. die verteilungspolitische Komponente, ein Angebot öffentlicher Güter vorzuhalten sowie Mittel für eine sozialstaatlich motivierte Umverteilung zur Verfügung zu haben, wird mit Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit sogar ohne negative Begleiteffekte gewährleistet. 316 Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 27 Rn. 70. Vgl. auch Vogel/ Walter, in: BK, Art. 106 GG Rn. 168 f. 317 Vgl. Bericht über die Beteiligungen des Bundes, S. 4, 50 f. 3,8 Ebenso Dickersbach, WiVerw. 1983, 187 (202). 319 Eingefügt durch G. v. 8.6.1967, BGBl. I S. 581. 320 R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 303.
168
C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
dernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung tragen zu lassen321, zog einige Stimmen in der Literatur nach sich, die durch Art. 109 Abs. 2 GG die wirtschaftspolitische Neutralität des Grundgesetzes aufgegeben 322 und die Soziale Marktwirtschaft als nunmehr einzig zugelassene Wirtschaftsordnung inkorporiert sahen323. Damit verbunden wäre dann eine starke Betonung des Wettbewerbs als Ordnungsprinzip, und der Staat wäre zwar zur wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit berechtigt, aber dies nur subsidiär bei Marktversagen und zur Wahrung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Zwar ist ein bestimmter wirtschaftspolitischer Hintergrund dieser Vorschrift nicht zu leugnen324, doch ist eine so weitgehende Aussage "Verankerung der Sozialen Marktwirtschaft im Grundgesetz" nur unter Rückgriff auf das sog. Stabilitätsgesetz325 möglich, dem die Konkretisierungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts im Sinne einer sozialmarktwirtschaftlichen Lehre entnommen werden. Eine solche Vorgehensweise, eine Sinngehaltsanreicherung auf der Grundlage einfachgesetzlicher Aussagen, ist unzulässig326. Mehr als eine punktuelle Aussage im zunächst einmal offenen System der Wirtschaftsverfassung trifft Art. 109 Abs. 2 GG nicht. Selbst wenn man Art. 109 Abs. 2 GG noch Aussagen über den haushaltswirtschaftlichen Anwendungsbereich hinaus entnehmen wollte, so ist noch keine Aussage über das zulässige Instrumentarium getroffen 327. Neben der primären konjunkturpolitischen Steuerung durch Gesetze und Verordnungen (vgl. Art. 109 Abs. 3 und 4 GG) kann der Staat zur Erreichung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts durchaus seine Unternehmen einsetzen328 - dies verdeutlicht auch § 13 Abs. 2, 3 StabG. Insofern kann Art. 109 Abs. 2 GG allenfalls unterstützend für eine Wirtschaftsfreiheit des Staates, also eine Handlungsbefugnis zu wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit herangezogen werden - wenn im Hinblick
321 Zu dem Begriff "gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht" vgl. § 1 StabG sowie Fischer-Menshausen, in: von Münch (Hrsg.), GGK III, Art. 109 Rn. 10; Rittner, Wirtschaftsrecht, § 3 Rn. 62. 322 Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 27 Rn. 71; Zuck, NJW 1967, 1301 (1303 f.). 323 Schmidt-Bleibtreu, GG, Art. 109 Rn. 9; Vogel/Wiebel, in: BK, Art. 109 GG Rn. 100. 324 S.o. C I 1 a. 325 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft - StabG v. 8.6.1967, BGBl. I S. 582. 326 Kritisch auch Weber, S. 56. 327 Fischer-Menshausen, in: von Münch (Hrsg.), GGK III, Art. 109 Rn. 10; Weber, S. 56. 328 Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 299 f.; Bull, in: AK-GG, vor Art. 83 Rn. 67.
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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auf Art. 109 Abs. 2 GG der Hauptzweck das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht ist.
k) Art. 110 Abs. 1 GG Sondervermögen und Bundesbetriebe finden Erwähnung in Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG; mit dieser Erwähnung ist aber kein Kompetenztitel o.ä. verbunden. Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG enthält nur die Regelung, daß die haushaltsrechtlichen Prinzipien der Vollständigkeit und Einheit des Haushaltsplanes fur Sondervermögen und Bundesbetriebe329 nicht gelten, sondern nur Zufuhrungen oder Ablieferungen in den Haushaltsplan eingestellt zu werden brauchen330. Die Erwähnung zeigt, daß das Grundgesetz die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates tolerierend zur Kenntnis nimmt (wenigstens in bezug auf Sondervermögen und unselbständige Bundesbetriebe)331. Versuche, daraus eine generelle Zulässigkeit wirtschaftlicher Tätigkeit und eine grundgesetzliche Billigung aller mit wirtschaftlicher Tätigkeit tatsächlich verfolgter Zwecke herzuleiten 332, gehen angesichts der haushaltsrechtlichen Zielsetzung allerdings zu weit 333 .
I) Art. 130 1 133, 134, 135 GG Unter den Übergangs- und Schlußbestimmungen des XI. Abschnitts des Grundgesetzes finden sich ebenfalls noch einige Bestimmungen, die - wenn auch geringen - Aussagegehalt fur die Wirtschaftsfreiheit des Staates besitzen.
aa) Art. 130 GG In Art. 130 Abs. 1 S. 1 GG findet sich die Befugnis zur Wetterführung der südwestdeutschen Eisenbahnen334; für wirtschaftsverfassungsrechtliche Aussagen ist die Vorschrift heute bedeutungslos.
329
Bundesbetriebe i.S.d. Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG sind nur die rechtlich unselbständigen Betriebe des Bundes, also die Eigenbetriebe des Bundes (s.o. Β I 3), nicht aber verselbständigte juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, also keine Anstalten, Körperschaften, Stiftungen, Eigengesellschaften oder Beteiligungen. Vgl. Amtl. Begr. der BReg. zu den Gesetzentwürfen zur Haushaltsreform, BT-Drs. V/3040, S. 44 Tz. 104. 330 Vgl. dazu Heuer, in: ders. (Hrsg.), Haushaltsrecht, Art. 110 GG Rn. 7. 331 Berg, GewArch. 1990, 225 (227); von Gamm, WRP 1984, 303 (303). 332 So Jarass, WiVerwR (1. Aufl.), S. 148. 333 Stober, ZHR 145 (1981), 565 (570 f.); Weber, S. 53 f. 334 Vgl. dazu Holtkotten, in: BK, Art. 130 GG Anm. II 2 g.
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
bb) Art. 133 GG Der gleiche Befund gilt fur Art. 133 GG, der das Eintreten des Bundes in die Rechte und Pflichten des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, der organisatorischen Vorform der Bundesrepublik Deutschland335, regelt. Angesichts der Regelung des Art. 134 GG besaß Art. 133 GG allerdings nur als Kompetenzzuweisung fur die Wirtschaftslenkung Bedeutung.
cc) Art. 134 GG Das Betriebs- und Anlagevermögen des Deutschen Reiches hat als Grundlage der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates seine Verankerung in Art. 134 GG gefunden 336. Damit enthält Art. 134 GG die Befugnis zur Weiterfuhrung der Wirtschaftsbetriebe des Reiches sowie zur Weiterverwaltung der Beteiligungen des Reiches an Unternehmen.
dd) Art. 135 GG Zu nennen ist im Rahmen des Art. 135 GG insbesondere dessen Abs. 6, der - abweichend von den übrigen Absätzen - den Übergang der Beteiligungen des Landes Preußen an Unternehmen des privaten Rechts auf den Bund anordnet 337 . Hier findet sich also eine ausdrückliche Legitimation zur Fortführung dieser Unternehmen338. Ein Teil dieser Unternehmen befand sich längere Zeit im Bundeseigentum, so z.B. die VEBA 339 . Durch das Reichsvermögen-Gesetz340 mit z.T. ausdifferenzierten Regelungen, welche Beteiligungshöhe dem Bund noch verbleiben sollte, wurde eine Vielzahl von Unternehmen auf die Länder übertragen, die teilweise noch heute Anteilseigner sind. Von den nach § 12 Abs. 1 RVermG i. V.m. einer Anlage auf die Länder übertragenen Gesellschaften seien hier nur einige genannt, um die Wirtschaftszweige, in denen das Land Preußen tätig war, vorzustellen: Kieler Flughafen GmbH, Kiel; Wohnungsbaugesellschaft Nordmark mbH, Kiel; Bad Wildunger Heilquelle AG, Bad Wildungen;
335
Ausführlich Zieger, in: von Münch (Hrsg.), GGK III, Art. 133 Rn. 1 ff. Vgl. Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 134 Rn. 2; Zieger, in: von Münch (Hrsg.), Art. 134 Rn. 1 ff. 337 Ausführlich Holtkotten, in: BK, Art. 135 GG, passim. 338 Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 207; H. Klein, Teilnahme, S. 146; Weber, S. 52 f. 339 Dazu Holtkotten, in: BK, Art. 135 GG Anm. II 8 a. 340 Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen - RVermG - v. 16.5.1961, BGBl. I S. 597. 336
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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Seefischmarkt Cuxhaven GmbH, Cuxhaven; Kaolinwerk Oberwinter GmbH, Oberwinter. Jedoch kann auch Art. 135 Abs. 6 GG keine Befugnis zur Erweiterung bestehender, Gründung neuer öffentlicher Unternehmen oder zur generellen wirtschaftlichen Tätigkeit entnommen werden 341, nicht zuletzt wegen der Wortlautbeschränkung auf privatrechtlich organisierte Unternehmen.
ee) Zusammenfassung Die soeben genannten Vorschriften zeigen an, daß die Bundesrepublik Deutschland bei Inkrafttreten des Grundgesetzes wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit vorgefunden hat. Der Parlamentarische Rat hat die Fortfuhrung des status quo ab Geltung des Grundgesetzes ausdrücklich zugelassen, sich aber weiterer Äußerungen zu Erweiterung oder Neubeginn insbesondere der wirtschaftlichen Tätigkeit enthalten. Über eine Befugnis zur Weiterfuhrung des Vorgefundenen gehen die Art. 130, 133, 134, 135 GG daher nicht hinaus, helfen daher fur die heutige Wirtschaftsfreiheit des Staates nur hinsichtlich des Bestands bei Inkrafttreten des Grundgesetzes.
m) Grundrechte Der Grundrechtskatalog des Grundgesetzes könnte in zweierlei Hinsicht fur die Wirtschaftsfreiheit des Staates relevant sein. Die Grundrechte könnten begrenzende Wirkung entfalten (sogleich aa), sie könnten aber - sollte der Staat Grundrechtsträger sein - auch legitimierende Funktion haben.
aa) Begrenzung der Wirtschaftsfreiheit Bei der Feststellung der Eingriffsgeeignetheit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit wurde bereits angedeutet, daß die Grundrechte der am Markt tätigen Wirtschaftssubjekte begrenzende Wirkung haben können. Dies gilt jedoch vor allem für die konkrete Art und Weise wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit; damit ist eine Grenze der Wettbewerbsfreiheit gefunden. Auch die Entscheidung über die Aufnahme wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit, das "Ob" und damit die Betätigung der Wirtschaftsfreiheit, kann bereits eine Grundrechtsverletzung
341
Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 86; von Gamm, WRP 1984, 303 (303); Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 207; Schricker, S. 27; Stober, ZHR 145 (1981), 565 (571); Weber, S. 53. A.A. Jarass, WiVerwR, 1. Aufl., S. 148.
12
C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
darstellen, wenn dies auch eher selten vorkommen dürfte 342, da eine derartige Betätigung der Wirtschaftsfreiheit den status quo des Wettbewerbs in der Regel noch nicht verändert oder gar beeinträchtigt, sondern allenfalls vorausschauende Reaktionen der Wettbewerbsteilnehmer nach sich zieht. Bedeutung können die Grundrechte aber z.B. erlangen, wenn der Gesetzgeber die Art und Weise wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit vorbereitet; bei dieser Ausübung der Wirtschaftsfreiheit hat er die Einzelgrundrechte zu beachten343. Die Grundrechte in Gesamtschau, also der Grundrechtskatalog als ganzes, stellen aber kein Verbot wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit auf. Auch eine in Art. 2 Abs. 1 GG verankert gesehene Wettbewerbsfreiheit verbietet nicht den Neubeginn oder die Erweiterung wirtschaftlicher Tätigkeit des Staates, der in Bereichen aktiv wird, in denen bereits die Privatwirtschaft Anbieter ist 344 . Ein solch generelles Verbot ist zu undifferenziert, legitime öffentliche Aufgaben bleiben unberücksichtigt. Der zum entscheidenden Merkmal avancierende Begriff der "ausreichenden Marktversorgung durch Private 345" ist ein in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht kaum faßbares Merkmal 346 , das in der Sache auf ein allgemeines Subsidiaritätsprinzip hinausläuft 347. Ein Subsidiaritätsprinzip ist aber - wie oben gezeigt - nicht überzeugend begründbar, auch nicht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Festzuhalten ist damit, daß die Grundrechte als Gesamtheit keine generelle Beschränkung der Wirtschaftsfreiheit darstellen, unverhältnismäßige Eingriffe in die Einzelgrundrechte bei der Betätigung der Wirtschaftsfreiheit aber zu unterlassen sind.
bb) Begründung der Wirtschaftsfreiheit Die Grundrechte könnten, da sie keine generelle Begrenzung der Wirtschaftsfreiheit des Staates darstellen, u.U. die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit sogar legitimieren. Ausgehend von der Vorschrift des Art. 19 Abs. 3 GG wird bereits lange diskutiert, ob sich eine Freiheit zur wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates
342
Ein Beispiel liefert - der Sache nach - die Entscheidung BGHZ 82, 375 ff. Inwieweit das Ergebnis und der Lösungsweg über § 1 UWG zutreffend waren, wird später noch zu erörtern sein. 343 Engel, AöR 118 (1993), 169 (193); Papier, in: M./D./H./S., GG, Art. 14 Rn. 32. 344 So aber Dürig y in: M./D./H./S., GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 52. 345 Dürig, in: M./D./H./S., GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 52. 346 Es fragt sich, wer und nach welchen Maßstäben das Ausreichen beurteilen soll. 347 So denn auch Dürig, in: M./D./H./S., GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 52.
I. " Wirtschafts freiheit" des Staates
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durch juristische Personen aus den Grundrechten ergeben kann 348 . Als notwendige Vorfrage ist damit die Frage einer möglichen Grundrechtsträgerschaft des Staates bzw. wenigstens der unterstaatlichen juristischen Personen angesprochen. Angesichts der Unklarheit, ob Art. 19 Abs. 3 GG nur juristische Personen des Privatrechts oder auch juristische Personen des öffentlichen Rechts erfaßt, ist eine Differenzierung zwischen diesen Organisationsformen angebracht.
(1) Juristische Personen des öffentlichen Rechts Die Frage nach der Grundrechtsfahigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts ist seit jeher lebhaft umstritten349. Das Bundesverfassungsgericht nimmt in dieser Frage eine relativ deutliche Position ein und lehnt die Grundrechtsfahigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich ab 350 . Es begründet diese ablehnende Haltung vor allem mit der generellen Schutzrichtung der Grundrechte. Die Grundrechte sichern die Entfaltung der privaten natürlichen Person und schützen daher vor allem die Freiheitssphäre des einzelnen gegen hoheitliche Übergriffe 351. Der Staat kann nicht gleichzeitig Adressat und Berechtigter der Grundrechte sein352; unerheblich ist dabei, ob der Staat unmittelbar als Bund oder Land in Erscheinung tritt oder sich verselbständigter Einheiten in öffentlich-rechtlicher Rechtsform bedient. Denn für den Bürger als ursprünglichen Inhaber der Grundrechte handelt es sich lediglich um verschiedene Erscheinungsformen einer einheitlichen Staatsgewalt, immer aber um ausgeübte Staatsgewalt353. Ausnahmen in Form der Einbeziehung juristischer Personen in den Schutzbereich materieller Grundrechte läßt das Bundesverfassungsgericht nur zu, wenn gerade Bildung und Betätigung der juristischen Personen Ausdruck der freien
348
Nicht zutreffend ist die Fragestellung von Weber, S. 39, "ob der Staat, weil ihm Privatautonomie zukommt, sich auch auf die diese sichernden Grundrechte berufen kann". Der Staat hat keine aus der Menschenwürde folgenden vorrechtlichen Freiheiten, zu deren Sicherung er sich dann eventuell auf Grundrechte berufen kann. Diese Sichtweise kann nur für die Bürger gelten. Der Staat genießt "Freiheiten", richtiger: Kompetenzen, Befugnisse und Handlungsermächtigungen nur in dem durch die Verfassung gewährten Rahmen. Richtig daher der von Weber, S. 39, kritisierte Ansatz bei Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 78. 349 Vgl. nur die umfangr. Nachweise bei Bethge, AöR 104 (1979), 54 (89 ff.); Broß y VerwArch. 77 (1986), 65 (65 Fn. 4); von Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 GG Rn. 78 ff. 350 BVerfGE 21, 362 (369 ff.); 45, 63 (78 f.); 61, 82 (101); 75, 192 (196); st.Rspr. 351 BVerfGE 61, 82 (101). 352 BVerfGE 21, 362 (369 f.). 353 BVerfGE 4, 27 (30); 6, 445 (448); 21, 362 (370).
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
Entfaltung privater natürlicher Personen ist, so daß ein "DurchgrifF auf die hinter ihnen stehenden Menschen sinnvoll und erforderlich erscheint354. Dies ist bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts in der Regel nicht der Fall, da hinter diesen häufig ein Träger hoheitlicher Gewalt steht. Nur sehr selten kommen daher juristische Personen des öffentlichen Rechts zur Anerkennung der Grundrechtsträgerschaft, nämlich dann, wenn der betreffende Rechtsträger oder seine Teilgliederungen von der ihnen durch die Rechtsordnung übertragenen Aufgaben her unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zuzuordnen sind oder diesem kraft ihrer Eigenart von vornherein angehören 355. Dies ist der Fall bei Kirchen 356, Universitäten357 und Rundfunkanstalten358, nicht aber bei Gemeinden359 oder bei kommunalen Sparkassen in Form von Anstalten des öffentlichen Rechts360. Diese Ausnahmen sind hier aber nicht von Interesse, da sie ihrerseits das Verhältnis der ausnahmsweise grundrechtsfähigen juristischen Personen zum Staat betreffen; für die positive Berechtigung des Staates hinsichtlich seiner wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit ist damit noch nichts gewonnen361. Einigkeit besteht wohl lediglich dahin gehend, daß juristische Personen (auch des öffentlichen Rechts) sich ausnahmslos auf die sog. Prozeßgrundrechte der Art. 101 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG berufen können, da es sich - wenn sie auch grundrechtsgleich ausgestaltet sind - letztlich nur um objektive Verfahrensgrundsätze handelt362. In der Literatur hat das Bundesverfassungsgericht Gefolgschaft gefunden, vielfach aber auch Widerspruch erfahren. Die Meinungen363 reichen von einer grundsätzlichen Bejahung der Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts364 bis zu einer - dem Bundesverfassungsgericht zustimmen-
354
BVerfGE 21, 362 (369); 61, 82 (101); 68, 193 (205 f.); BVerwG JZ 1990, 335. BVerfGE 21, 362 (373); 61, 82 (102); vgl. dazu auch von Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 GG Rn. 107 ff. 356 BVerfGE 19, 1 (5); 30, 112 (119 f.); 70, 138 (160 f.). 357 BVerfGE 15, 256 (262); 21, 362 (373 f.). 358 BVerfGE 31, 314 (322); 35, 202 (223). 359 BVerfGE 61, 82 (100 ff.). 360 BVerfGE 75, 192 (195 ff.). 361 Stober 9 ZHR 145 (1981), 565 (580). 362 BVerfGE 6, 45 (49 f.); 13, 132 (139 f.); 61, 82 (104); 75, 192 (200); Broß, VerwArch. 77 (1986), 65 (66); Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 80; Weber, S. 40. 363 Vgl. hierzu Bethge, AöR 104 (1979), 54 (97 ff.); Broß y VerwArch. 77 (1986), 65 (66); und vor allem von Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 GG Rn. 78 ff. m.umfangr.N. 364 Wernicke , in: BK (Erstbearb.), Art. 19 Abs. 3 GG Anm. II 3 a. 355
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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den - grundsätzlichen Verneinung der Grundrechtsfahigkeit 365. Dazwischen finden sich differenzierende Losungsvorschläge, die z.B. die Rechtsform des Tätigwerdens366 oder ein grundrechtstypisches Unterworfensein gegenüber hoheitlicher Gewalt 367 fur maßgeblich erachten. Ohne die einzelnen Ansichten hier vertiefend gegeneinander abwägen zu können, sollen doch einige Argumente genannt werden, die den grundsätzlichen Ansatz des Bundesverfassungsgerichts unterstützen. So lapidar der Ausgangspunkt des Gerichts klingen mag, so richtig ist er doch: Der Staat ist Schuldner von Grundrechten, nicht deren Inhaber 368. Eine Grundrechtsberechtigung juristischer Personen des öffentlichen Rechts als zwangsläufige Folge der Grundrechtsfahigkeit würde Sinn und Zweck der Grundrechte nicht mehr gerecht werden 369 : Bei allen den Grundrechten über eine reine Abwehrfunktion hinaus beigelegten Deutungen steht doch die Gewährleistung von Würde, Gleichheit sowie bestimmter Freiheitsbereiche des Menschen als natürlicher Person im Vordergrund 370. Dieser Sinn und Zweck bestimmt auch das Wesen der Grundrechte i.S.d. Art. 19 Abs. 3 GG 3 7 1 , so daß eine Grundrechtsfahigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts im Regelfall gar nicht in Frage kommen kann372.
365
Z.B. Schricker, S. 28 f. Fuß, DVB1. 1958, 739 (740 ff.); H. Klein, Teilnahme, S. 234 f. 367 Bettermann, FS Hirsch, S. 1 (6 ff.); ders., NJW 1969, 1321 (1323 f., 1326 ff.). 368 Rupp, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 28 Rn. 32. Vgl. auch Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 80 Fn. 41, der zu Recht darauf hinweist, daß eine Grundrechtsfahigkeit der juristischen Personen des öffentlichen Rechts sich im Grunde nur im Verhältnis zum Staat auswirken kann, der potentielle Grundrechtsschutz sich aber nicht gegen die Bürger richten kann. 369 Brenner, BB 1962, 727 (728); Räfrier, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V , § 116 Rn. 64. 370 BVerfGE 61, 82 (100 f.); vgl. auch Krebs, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 19 Rn. 37. 371 BVerfGE 21, 362 (369); Badura, DÖV 1990, 353 (356 f.); Isensee, in: ders./ Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V , § 118 Rn. 4; Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V , § 116 Rn. 64; Stern, Staatsrecht I I I / l , S. 1110 ff. 372 Krebs, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 19 Rn. 41. Ausnahmen gelten für die vom BVerfG herausgearbeiteten - insoweit atypischen - juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die zur Wahrnehmung ihrer grundgesetzlich garantierten Aufgaben berufen sind; hier rechtfertigt es die ausdrückliche Zuweisung einer ansonsten dem gesellschaftlichen Bereich zugehörigen Materie an eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die Grundrechte der mitgliedschaftlich verfaßten natürlichen Personen auch durch die juristische Person wahrnehmen zu lassen. Zutreffend stellt das Gericht bei der Beantwortung der Frage nach dem "Wesen" des jeweiligen Grundrechts auf die Funktion ab, in der die juristische Person des öffentlichen Rechts von dem beanstandeten Akt der öffentlichen Gewalt betroffen wird. Eine Grundrechtsfahigkeit scheidet in jedem Fall aus, 366
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
Organisations- oder Handlungsformen sind dabei fur eine Differenzierung unerheblich, denn beides sagt fur sich betrachtet noch nichts über die Staatsnähe aus373. Maßgebend ist vielmehr, ob es sich um die Ausübung von Staatsgewalt oder um die freiheitliche Betätigung einer naturlichen Person handelt. Denn der "Primat der Grundrechtszuständigkeit1* liegt bei den natürlichen Personen; die juristische Person kann ihre Grundrechte - sofern ihr überhaupt welche zustehen können - immer nur von den sie tragenden natürlichen Personen ableiten374. Daher wird eine von natürlichen Personen des Privatrechts getragene juristische Person des Privatrechts in der Regel grundrechtsfahig sein, während die juristische Person des öffentlichen Rechts, hinter der ein Träger hoheitlicher Gewalt steht, die Grundrechtsfähigkeit mangels Grundrechtsträgerschaft ihres Trägers nicht aufweist. Die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen erweist sich damit nur als Verstärkung der Grundrechte der Bürger 375; von Trägern hoheitlicher Gewalt beherrschte juristische Personen können von dieser Basis nicht zehren. Der Staat hat eben keine originären Freiheiten, sondern lediglich Kompetenzen, die ihm in der Verfassung zugestanden sind376. Und mit den Kompetenzen ist auch schon der entscheidende Punkt angesprochen, warum es auf die Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts für die Frage nach der Wirtschaftsfreiheit letztlich gar nicht ankommt. Denn selbst wenn man entgegen der soeben vorgetragenen Argumente einen über Art. 19 Abs. 3 GG vermittelten Grundrechtsschutz annehmen wollte, können die Grundrechte nicht kompetenzbegründend oder kompetenzerweiternd sein, sondern allenfalls kompetenzabsichernd377. Eine Umdeutung der primär staatsbegrenzenden und freiheitswahrenden Grundrechte zu staatsberechtigenden Kompetenznormen, die über das in der Verfassung gewährte Maß an organisationsrechtlichen Wahrnehmungszuständigkeiten hinausgeht, kann nicht in Betracht kommen378. Erforderlich fur staatsgetragene juristische Personen ist immer eine von der Rechtsordnung, im Regelfall von der Verfassung zugewiesene
wenn die Funktion in der Wahrnehmung gesetzlich zugewiesener und geregelter öffentlicher Aufgaben besteht, vgl. BVerfGE 68, 193 (207 f.). 373 BVerfGE 68, 193 (207); Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V , § 116 Rn. 64, 67, 80. 374 BVerfGE 21, 362 (369); 61, 82 (101); 68, 193 (206); Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V , § 118 Rn. 4. 375 Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V , § 116 Rn. 66. 376 Rupp, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 28 Rn. 31 f. 377 Dürig, in: M./D./H./S., GG, Art. 19 III Rn. 40; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 82 f.; Kluth, S. 50; von Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 GG Rn. 105; Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V, § 116 Rn. 68. 378 Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 83; von Mutius, in: BK, Art. 19 Abs. 3 Rn. 105; Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V , § 118 Rn. 68.
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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Aufgabe - dies gilt auch fur die vom Bundesverfassungsgericht anerkannten Fälle einer Grundrechtsfahigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Eine Wahrnehmungszuständigkeit juristischer Personen kann es also nur im Rahmen der Kompetenzen geben; Auseinandersetzungen zwischen staatlichen Organen um die Reichweite dieser Kompetenzen sind möglich, aber ein Problem des Staatsorganisationsrechts. Dieses ist ausreichend justitiabel bis hin zu intraorganschaftlichen Streitverfahren; eine generelle Absicherung derartiger Kompetenzen durch die Grundrechte, um mit der Verfassungsbeschwerde über den Ausnahmefall des § 91 BVerfGG hinaus weitere prozessuale Möglichkeiten zu gewinnen, ist weder erforderlich noch sinnvoll379. Damit kann es keine der Privatautonomie des Bürgers vergleichbare oder gar identische Wirtschaftsfreiheit des Staates oder seiner juristischen Personen des öffentlichen Rechts geben, die sich aus den Grundrechten ergibt. Elemente einer gewissen Wirtschaftsfreiheit wurden bereits nachgewiesen; diese ergeben sich aus den einzelnen Kompetenzzuweisungen des Grundgesetzes. Ob diese nochmals grundrechtlich abgesichert werden können oder sollen380, kann hier zwar letztlich dahinstehen, ist nach dem Gesagten aber zu verneinen. Auf jeden Fall kann die Rechtfertigung, die der Staat fur seine wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit aufgrund von kompetentiellen Wahrnehmungszuständigkeiten besitzt, durch die Grundrechte keinesfalls verstärkt oder gar erweitert werden.
(2) Juristische Personen des Privatrechts Im Gegensatz zu juristischen Personen des öffentlichen Rechts besitzen juristische Personen des Privatrechts grundsätzlich Grundrechtsfähigkeit (Art. 19 Abs. 3 GG) - dies erkennt auch das Bundesverfassungsgericht an 381 . Nach dem oben Gesagten muß allerdings für staatsgetragene juristische Personen des Privatrechts etwas anderes gelten, da Art. 19 Abs. 3 GG die Geltung
379
Bethge, AöR 104 (1979), 265 (274 f.); Rüfher, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V , § 116 Rn. 68 f. 380 Brenner, BB 1962, 727 (729 f.), will der öffentlichen Hand zwar keinen unmittelbaren Grundrechtsschutz zubilligen, dafür aber die Grundrechte "ihrem allgemeinen Rechtsgedanken" nach anwenden. Auch dieser Gedanke ist aber zurückzuweisen. Da das Grundgesetz hinreichende Kompetenzaussagen zur staatlichen Wirtschaftsfreiheit enthält, verbietet sich bereits methodisch ein Rückgriff auf derartige "allgemeine Rechtsgedanken". Vor allem aber gilt der - auch von Brenner (S. 728) anerkannte - Gedanke, daß die Grundrechte ihrem Wesen nach (Gewährung individueller Freiheit, Abwehrrechte gegen den Staat) eben nicht auf die öffentliche Hand anwendbar sind, unabhängig davon, ob dies unmittelbar oder dem Rechtsgedanken nach geschieht. 381 BVerfGE 21, 362 (368 f.); 39, 302 (312); 68, 193 (206). 12 Schliesky
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
der Grundrechte nur zuläßt, "soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind". Genau dieses ist bei staatsgetragenen juristischen Personen des Privatrechts grundsätzlich nicht der Fall. Dabei ist jedoch angesichts potentiell unterschiedlicher Beteiligungsverhältnisse weiter zu differenzieren. Bei Eigengesellschaften y also juristischen Personen des Privatrechts, die sich in alleiniger Trägerschaft des Staates befinden, muß es bei der prinzipiellen Nichtgeltung der Grundrechte bleiben382. Denn hier bleibt das entscheidende Kriterium die Ausübung von Staatsgewalt - es kommt eben nicht auf die Rechtsform an, sondern auf den handelnden Hoheitsträger im Hintergrund 383. Anderenfalls wäre mit der "Flucht in die privatrechtliche Organisationsform" gleich noch eine "Flucht aus der Kompetenz in die Grundrechte" zu befürchten. Die Grundrechtsfähigkeit gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen wird hingegen unter Betonung der privaten Kapitalbeteiligung überwiegend bejaht384. Doch wird diese Sichtweise nicht der Tatsache gerecht, daß im gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen der Staat maßgebend beteiligt ist und es sich damit auch um eine Ausübungsform staatlicher Gewalt handelt. Das Problem bei der Behandlung der gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen liegt, worauf Krebs 385 zu Recht hingewiesen hat, gerade bei der Frage nach der Grundrechtsfähigkeit darin, daß je nach Lösungsvorschlag der staatliche oder der gesellschaftliche Anteil in der Betrachtung vernachlässigt wird. Vermittelnde Lösungen etwa in Form einer Verneinung oder Bejahung der Grundrechtsfahigkeit je nachdem, ob das gemischt-wirtschaftliche Unternehmen mehr als Teil des Staates oder mehr als privat getragene Einheit erscheint386, versagen hier, da sie keinerlei praktikable Kriterien anbieten können, mit deren Hilfe eine Entscheidung für oder gegen die Grundrechtsfähigkeit zu treffen ist 387 . Maßgebend muß vielmehr auch hier - wie bei der Entscheidung, ob gemischt-wirtschaftliche Unternehmen der Verwaltung zuzurechnen sind - der beherrschende Einfluß des Staates sein. Ist der Staat oder eine seiner Unterglie-
382
BVerfGE45, 63 (79 f.); BVerfG NJW 1980,1093; Badura, DÖV 1990, 353 (354); Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 84; Krebs, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 19 Rn. 42. 383 Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V, § 116 Rn. 80. 384 Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 85; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 120 f.; Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V , § 116 Rn. 81; Stern, Staatsrecht I I I / l , S. 1169 f.; ausführlich Schmidt-Aßmann, BB 1990 (Beil. 34), 1 (insbes. 10 ff.). 385 Krebs, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 19 Rn. 45. 386 So etwa Emmerich, Wirtschafts recht, S. 93. 387 Ablehnend auch Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 85 Fn. 52.
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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derungen der maßgebende Träger des gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens, weil die Beteiligungsverhältnisse einen beherrschenden Einfluß erlauben 388, kann eine Grundrechtsfahigkeit nicht in Betracht kommen389. Nach dem oben Gesagten bleibt die Ausübung von Staatsgewalt das maßgebliche Kriterium, denn die Organisations- und Handlungsform ist fur die Grundrechtsfahigkeit nicht entscheidend. Entscheidend ist aber der Träger des Unternehmens, von dessen grundrechtlichen Befugnissen her sich auch die juristische Person legitimieren muß. Von staatlicher Seite läßt sich dabei nichts einbringen. Zuzugeben ist, daß das von privaten Anteilseignern eingebrachte Kapital über die juristische Person des Privatrechts keinen Grundrechtsschutz genießt390. Doch erscheint dieses Ergebnis gerechtfertigt, da das über das Staatskapital eingebrachte Übergewicht staatlicher Befugnisse und Möglichkeiten die privaten Grundrechte innerhalb der juristischen Person überwiegt. Es handelt sich dabei - und dies darf nicht übersehen werden - nicht um einen Grundrechtsausschluß für den Privaten, da er hinsichtlich seines eingebrachten Kapitals weiterhin umfassenden Grundrechtsschutz genießt. Inwieweit die doppelte Absicherung über die hier fehlende Grundrechtsfahigkeit der juristischen Person durch Einwirkungsrechte gegenüber dem mehrheitlichen Anteilseigner Staat ausgeglichen werden können, die mit Einwirkungspflichten des Staates auf "sein" gemischt-wirtschaftliches Unternehmen korrespondieren, kann hier nicht vertieft werden. Auch in tatsächlicher Hinsicht erscheint diese Lösung nicht "ungerecht", da ein sich beteiligender Privater weiß (oder wissen kann), daß er seine Grundrechte hier mittels Kapitals nicht übertragen kann. Ausgeglichen wird dies aber durch potentielle Vorteile, die der Staat als "Partner" mitbringt. Anders verhält es sich nur bei bloßen Beteiligungen des Staates. Hier überwiegt der Einfluß Privater aufgrund des überwiegenden Kapitals und der Staat hat folglich aufgrund seiner geringeren Beteiligungsquote entsprechend geringeren Einfluß. Dies rechtfertigt es konsequenterweise, die Stellung des privaten Kapitals als stärker anzusehen und die Grundrechtsfähigkeit der juristischen Person des Privatrechts als von ihren privaten Trägern vermittelt anzunehmen.
388
Nach der obigen Definition (s.o. Β I 9)) handelt es sich auch nur dann um ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen. 389 Ebenso BVerfG JZ 1990, 335, für ein Unternehmen, das sich zu 72 % in öffentlicher Hand befand. Das Gericht betont zu Recht, daß auch bei diesem BeteiligungsVerhältnis der staatliche Träger die Möglichkeit hat, entscheidenden Einfluß auf die Geschäftsführung zu nehmen. Zustimmend auch Niebuhr, S. 195 ff., 228, der sich ausführlich mit dem genannten Beschluß des BVerfG und der Kritik aus der Literatur auseinandersetzt. 390 Hier setzt denn in der Regel auch die Kritik ein, vgl. Kühne, JZ 1990, 335 (336); Schmidt-Aßmann, BB 1990 (Beil. 34), 1 (10 ff.); Scholz!Aulehner, ArchivPT 1993, 221 (241).
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
Eine damit verbundene Teilhabe des Staates an der Grundrechtsfähigkeit ist hier ohne weiteres hinzunehmen, da der Staat aufgrund seiner geringen Beteiligungsquote keinen erheblichen Einfluß auf die Geschäftspolitik nehmen kann. Zudem wird es dem Staat bei einer derartigen Beteiligung häufig nicht um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben gehen, sondern lediglich um eine gute Verzinsung des Kapitals. Inwieweit ein derartiges Verhalten des Staates überhaupt zulässig ist, ist allerdings wieder eine andere Frage.
(3) Art. 15 GG Auch aus der Vorschrift des Art. 15 GG ist keine Legitimation wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit zu gewinnen391. Die in der Praxis bislang noch nicht zur Anwendung gekommene Regelung eröffnet die Möglichkeit 92 der Vergesellschaftung privaten Eigentums aufgrund eines qualifizierten Gesetzes. Daraus läßt sich aber nicht die generelle Zulässigkeit von Wettbewerbsingerenz herleiten, denn die Vergesellschaftung und die daraus resultierende Gemeinwirtschaft ist nicht mit der Teilnahme an oder der Beeinflussung einer noch nicht sozialisierten Wirtschaft vergleichbar 393. Die Bedeutung der Vorschrift liegt vielmehr in ihrer historischen Dimension: Sie verdeutlicht den bei der Beratung des Grundgesetzes eingegangenen Kompromiß zwischen verschiedenen wirtschaftspolitischen Auffassungen 394. Nach den Verankerungen marktwirtschaftlicher Komponenten wie Privateigentum und Unternehmensfreiheit stellte Art. 15 GG zumindest die Option fur die Schaffung einer anderen Wirtschaftsordnung dar und war als Korrektiv in den Augen der SPD von 1949 unbedingt erforderlich. Damit kann er auch heute noch als Indiz für die grundsätzliche wirtschaftspolitische Neutralität des Grundgesetzes verstanden werden 395, auch wenn das Grundgesetz - gerade durch nachträglich eingefügte Regelungen wie Art. 109 Abs. 2 GG - deutliche Komponenten einer (sozialen) Marktwirtschaft enthält. Eine darüber hinausgehende Bedeutung im Sinne einer Legitimation wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit ist Art. 15 GG aber nicht zu entnehmen.
391
Dickersbach, WiVerw. 1983, 187 (197); F. Kirchhof, Tätigkeitsfelder, S. 112 f.; Stober, ZHR 145 (1981), 565 (570); Wilke/Schachel, WiVerw. 1978, 95 (111); a.A. Bettermann, FS Hirsch, S. 17. 392 BVerfGE 12, 354 (363 f.): "kein Verfassungsauftrag zur Sozialisierung". 393 Dickersbach, WiVerw. 1983, 187 (197); H Klein, Teilnahme, S. 187. 394 Vgl. dazu Bryde, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 15 Rn. 1. 395 Bryde, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 15 Rn. 24.
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
1
cc) Ergebnis Bezüglich der unter bb diskutierten Begründung der Wirtschaftsfreiheit ist festzustellen, daß der Staat in all seinen Erscheinungsformen prinzipiell keine Grundrechtsfahigkeit besitzt und sich seine Wirtschaftsfreiheit damit nicht aus den Grundrechten legitimieren kann, die den Bürgern vorbehalten sind. Der gleiche Befund gilt fur Art. 15 GG. Die Grundrechte können aber durchaus die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit begrenzen. Darauf wird noch zurückzukommen sein.
3. Allgemeine Legitimation wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit Da das Grundgesetz hinsichtlich einer eindeutigen Grundentscheidung "wirtschaftspolitisch neutral" ist, die generelle Zulässigkeitsfrage bezüglich wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit also offengelassen ist, muß die Legitimationsfrage auf ein allgemeineres Niveau zurückgenommen werden. Gestellt ist damit die Frage nach dem legitimierenden Grund von Staatshandeln überhaupt. Die als Antwort in der Regel gegebene Sorge um ein wie auch immer zu verstehendes "öffentliches Interesse" oder die Verfolgung eines bestimmten "öffentlichen Zwecks" ist bereits bei dem Versuch der Abgrenzung von Wirtschaftslenkung und wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit angeklungen, auch bei der Untersuchung der einzelnen Elemente der Wirtschaftsverfassung wurde schon mehrfach auf das Staatshandeln zugunsten eines bestimmten öffentlichen Zwecks hingewiesen. Ohne den staatstheoretischen Hintergrund des angesprochenen öffentlichen Interesses bzw. Zwecks im Rahmen dieser Arbeit vertiefen zu können, müssen doch einige für die Rechtfertigung staatlichen Handelns wichtige Leitlinien nachgezeichnet werden. Staatliches Handeln ganz allgemein ist die Emanation staatlicher Macht. Diese Macht darf nicht um des reinen Selbstzwecks willen ausgeübt werden, sondern nur zur Verwirklichung bestimmter Ziele. Aus diesem Grund ist letztlich das staatliche Gemeinwesen gebildet worden, nur deshalb ist dem Staatsgebilde Macht verliehen worden. Aus diesem Grund hat Staatshandeln an bestimmten Zielen orientiert zu sein, es ist also in der Regel final programmiert. Im Verfassungsstaat ist das Gemeinwohl die allgemeinste, vor-verfassungsmäßige Rechtfertigung der Macht des Staates396. Die dem Staatsgebilde eingeräumte Macht wird diesem zur optimalen Verwirklichung des Gemeinwohls
396
Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 57 Rn. 1 f., 134.
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
eingeräumt; die Machtausübung darf daher keine selbstzweckhaften Züge annehmen, sondern muß sich immer an dem Wohl des Volkes orientieren und so vor dem Gemeinwohl rechtfertigen lassen397. Im demokratischen Verfassungsstaat, den das Grundgesetz vorgibt, erfahrt dieses Legitimationsbedürfhis eine nähere Ausgestaltung in Art. 20 Abs. 2 GG. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG beschreibt, woher Innehabung und Ausübung der Staatsgewalt konkret kommen und kommen müssen - vom Volk als ursprünglichem Träger und Inhaber der Staatsgewalt 398 . Damit wird bereits angedeutet, daß der demokratische Verfassungsstaat nicht das Gemeinwesen bildet, sondern - unter Hinzuziehung des Grundrechtskatalogs - als Gegenüber der Grundrechtsträger erscheint399, von denen er sich ohne Unterbrechung demokratisch legitimieren muß400. Daß dies nicht nur bei der Bildung der Staatsorgane aufgrund einer ununterbrochenen Legitimationskette erfolgen muß, sondern auch immer bei der Ausübung der Staatsgewalt, verdeutlicht Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG: Nur bei ständig bestehender demokratischer Legitimation übt das Volk durch diese Organe die Staatsgewalt aus401. Der Staat bedarf demnach bei jeder beliebigen Ausübung von Staatsgewalt einer lückenlosen demokratischen Legitimation und der Orientierung am Gemeinwohl402. Somit bedeutet bereits die Übertragung von Staatsgewalt, die im Grundgesetz durch das Demokratieprinzip näher ausgestaltet ist, daß sich der Staat bei all seinem Handeln von der Sorge um das Gemeinwohl leiten lassen muß. Rechts- und Handlungsformen des staatlichen Tätigwerdens sind dabei unerheblich; die Ausübung von Staatsgewalt kann viele Erscheinungsformen annehmen, immer hat sie sich aber am Gemeinwohl und damit an der Gewährleistung der besten Bedingungen zur Freiheitsentfaltung der Grundrechtsträger zu orientieren, von denen sie ihre Legitimation ableitet403.
397
BVerfGE 10, 89 (102); Badura, FS Schlochauer, S. 8 f.; Berg, GewArch. 1990, 225 (228); Bull, Staatsaufgaben, S. 105; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 87; Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 57 Rn. 8; Janson, Rechtsformen, S. 40; Ossenbühly AöR 115 (1990), 1 (30); Stober, ZHR 145 (1981), 565 (583). 398 Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rn. 11; Czybulka, BB 1988, 2321 (2322); ausführlich Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (337 ff., 355). Vgl. allgemein zur Legitimation von Herrschaftsgewalt im demokratischen Verfassungsstaat Zippelius, Legitimation, S. 84 ff., insbes. S. 87 ff. 399 Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 57 Rn. 12. 400 BVerfGE 47, 253 (275); BVerfG DVB1. 1995, 1291 (1291 f.). 401 BVerfG DVB1. 1995, 1291 (1291 f.); Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rn. 11; Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (348 ff.). 402 BVerfG DVB1. 1995, 1291 (1291 f.); Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rn. 11; Janson, Rechtsformen, S. 40. 403 Böckenforde y in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 22 Rn. 13; Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 57 Rn. 134.
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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Ist mit der Orientierung am Gemeinwohl der große Hintergrund staatlichen Handelns nachgezeichnet worden, so fehlt es angesichts der begrifflichen Unschärfe und notwendigen staatstheoretischen Vagheit an einer praktikablen Handhabbarkeit zur Beurteilung konkreten Staatshandelns. Hier ist die Verortung der öffentlichen Interessen bzw. (Einzel-)Zwecke zu sehen, die die jeweils konkreten Ziele und Gründe staatlichen Tätigwerdens darstellen404. Die beabsichtigte Gemeinwohlwahrung muß sich im konkreten Handeln in einem konkret zu benennenden öffentlichen Interesse artikulieren. Denn das Tätigwerden des Staates und damit die Ausübung von Staatsgewalt ist im Hinblick auf die grundrechtlich geschützten Freiheitsräume der Bürger nur legitim, wenn der Staat dabei ein bestimmtes Ziel in Form eines öffentlichen Interesses verfolgt, das sich als Mosaikstein zur Wahrung des Gemeinwohls darstellt. Es ist dies die einen bestimmten Handlungsbereich legitimierende (geschriebene oder ungeschriebene) Kompetenz 405 . Die Privatnützigkeit ist als Ausübung grundrechtlicher Freiheiten den Bürgern vorbehalten; der Staat bedarf mangels eigener Grundrechtsfähigkeit und angesichts der von den Bürgern abgeleiteten Staatsgewalt eines rechtfertigenden öffentlichen Interesses, wenn er die übertragene Staatsgewalt ausüben will. Dieses öffentliche Interesse muß um so gewichtiger sein, wenn dabei in die grundrechtlich geschützte Sphäre der Bürger eingegriffen wird, die eingeräumte Macht also zur Freiheitsverkürzung gebraucht werden soll. Die rechtliche Relevanz eines öffentlichen Interesses kann daher vor dem eben skizzierten Hintergrund nicht geleugnet werden 406, vielmehr ist für jegli-
404
Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 57 Rn. 135. Der Tätigkeitsbereich, der mit dem öffentlichen Interesse korrespondiert, läßt sich mit Isensee (Rn. 136) als "öffentliche Aufgabe" bezeichnen, wobei hier in der Terminologie vieles unklar und umstritten ist, vgl. die Nachweise bei Isensee (Rn. 136 Fn. 226); und Bull, Staatsaufgaben, S. 47 ff.; ebenso Leisner, Werbefernsehen und öffentliches Recht, S. 26. 405 Lerche, in: M./D./H./S., GG, Art. 83 Rn. 42; Lerche/von Pestalozza, Bundespost, S. 106; Scholz, in: M./D./H./S., GG, Art. 12 Rn. 105, 404. 406 Dies tut aber beispielsweise R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 506. Gänzlich anders Czybulka, BB 1988, 2321 ff., der mit seiner "Theorie der gestuften Legitimation" (S. 2322, 2327) auf die bislang angestrebte Gesamtlegitimation des Staates, die dann auch das dem Gemeinwohl verpdichtete Tätigwerden rechtfertigt, verzichten will. Dieser Verzicht ist doch sehr bedenklich, weil eine im Einzelfall nicht gleich gelingen wollende Legitimation auf Dauer jegliche Legitimation eines Gemeinwesens aushöhlt. Die - z.T. sicherlich nachvollziehbare - Kritik an Verwaltungsverfahren oder (politischen) Einzelproblemen darf nicht dazu führen, das ganze Fundament, das Staatswesen als solches in Frage zu stellen. Akzeptiert man den Staatsaufbau des Grundgesetzes, so muß nach einer Gesamtlegitimation (Gemeinwohl) gesucht werden, aus der sich Einzelfallegitimationen (öffentliche Interessen) ableiten lassen. Eine Gesamtlegitimation nach Czybulka wäre wohl nur im Wege einer Basisdemokratie herzustellen, die aber nun einmal nicht dem Grundgesetz entspricht.
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
ches staatliche Handeln als (rechtliche) Zulässigkeitsvoraussetzung ein öffentliches Interesse zu fordern. Zuzugeben ist, daß angesichts der Abstraktheit des Begriffes eine praktische Handhabung im Einzelfall schwierig sein mag, doch rechtfertigt dies nicht einen Verzicht auf dieses Kriterium 407. Problematisch ist das öffentliche Interesse aber vor allem deshalb, weil es keine kodifizierte, erschöpfende Staatsaufgaben- oder Staatszwecklehre gibt 408 . Auch eine abschließende Herausarbeitung der öffentlichen Interessen ist nicht möglich409, da der Staat eine Zwecksetzungskompetenz besitzt. Für die Sorge um das Gemeinwohl hat der Staat eine grundsätzliche Allzuständigkeit und damit eine sog. Kompetenz-Kompetenz410. Dies leuchtet ohne weiteres ein, denn eine statische Aufzählung öffentlicher Interessen könnte neuen Herausforderungen für das Gemeinwohl nicht gerecht werden. Angesichts eines ständig stattfindenden gesellschaftlichen Wandels kann ein öffentlicher Zweck nicht für ewig vorherbestimmt werden. Ein legitimes öffentliches Interesse kann sich dabei durchaus zu einem nicht mehr verfolgungswürdigen oder gar illegitimen öffentlichen Interesse wandeln, ebenso ist eine Wandlung der verfolgten Zielsetzungen bei Fortbestand des Instrumentariums (insbes. öffentliche Unternehmen) denkbar 411. Solange das Gemeinwohl bestimmende Triebfeder ist, darf der Staat seine zu verfolgenden öffentlichen Interessen selbst bestimmen; dabei ist ihm auch die Wahl der Mittel freigestellt, wenn er dabei die übrigen Vorgaben der Verfassung beachtet. Auch wie global- oder feinsteuernd er die Interessenverfolgung angeht, ist sozusagen der Zweckausfüllungskompetenz des Staates vorbehalten, solange die Grenzen der Verfassung - und hier wiederum besonders der Grundrechte - beachtet werden. Probleme bereitet in diesem Zusammenhang immer wieder die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates, gerade auch durch gemischt-wirtschaftliche Unterneh-
407
Richtig daher Badura, FS Schlochauer, S. 8 f. Die Kritik von Grätzel, NJW 1995,
373 (374), greift zu kurz. Das "öffentliche Interesse" dient nicht bloß der "Kennzeichnung des Handelnden", sondern kennzeichnet gerade die Besonderheit des Akteurs und verdeutlicht den Unterschied zu privaten Wettbewerbsteilnehmern, der sich auch in einer differenzierten Behandlung niederschlägt. 408 Vgl. zu einem Versuch Bull, Staatsaufgaben, S. 211 ff. 409 Es läßt sich daher beispielsweise nur der Bestand existierender öffentlicher Unternehmen auf die verfolgten öffentlichen Interessen untersuchen, wie dies Janson, Rechtsformen, S. 53 ff., unternimmt. 410 Badura, FS Schlochauer, S. 6; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 314; Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 57 Rn. 156. 411 Janson, Rechts formen, S. 85.
I. "Wirtschaftsfreiheit" des Staates
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men 412 . Die wirtschaftliche Tätigkeit wird überwiegend dann für unzulässig erklärt, wenn bloße Gewinnerzielung als verfolgtes Interesse ausgemacht wird 413 . Dies wird damit begründet, daß Gewinnerzielung eine typisch privatnützige Verhaltensweise sei, die dem Staat nicht erlaubt sei414. Dieser Auffassung ist nach dem zuvor Gesagten grundsätzlich beizupflichten, wenn denn Gewinnerzielung tatsächlich das einzige Motiv staatlichen Handelns ist. Zwar steht die grundsätzliche Entscheidung des Grundgesetzes für einen Steuerstaat - wie oben gezeigt einer Gewinnerzielung nicht im Wege, doch wäre eine derartige Zielverfolgung allein um der ökonomischen Gewinnmaximierung willen mangels Gemeinwohlorientierung unzulässig. Eine derartige Betrachtungsweise greift in der Regel jedoch zu kurz. Ausgeblendet wird dabei meist, daß wenigstens mittelbar ein öffentlicher Zweck verfolgt wird, den es beispielsweise mit dem Gewinn zu finanzieren gilt. Eine Verfolgung eines mittelbaren öffentlichen Zwecks genügt aber 415 , da dem Staat neben der Zwecksetzungskompetenz - wie bereits erwähnt - auch die Zweckausfüllungs- und Zweckausführungskompetenz zukommt, die ihm zunächst einmal einen Entscheidungsspielraum verschafft, wie er denn das öffentliche Interesse zu verfolgen gedenkt. Eingeschränkt wird dieser Entscheidungsspielraum allerdings durch die sonstigen verfassungsrechtlichen Bindungen, namentlich die Grundrechte. Ob der Staat aber strukturpolitische Zielsetzungen mit Hilfe von Subventionen oder mittels eines öffentlichen Unternehmens umsetzt, ist unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses und der Gemeinwohlorientierung allein seine Sache. Nach alledem wird auch die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates in der Regel einem öffentlichen Interesse dienen und ist auch bei nebenbei beabsichtigter Gewinnerzielung insoweit gerechtfertigt. So dürften an der Zulässigkeit des Gewinns in Höhe von 30 000 Schweizer Franken im Jahre 1991 durch die "Ge-
412 Auch in der Weimarer Zeit wurde die Ausrichtung der staatlichen Wirtschaftstätigkeit auf die Allgemeinheit betont; die Legitimation wurde seinerzeit in der wesentlichen volkswirtschaftlichen Funktion der öffentlichen Unternehmung gesehen, vgl. Staudinger, Der Staat als Unternehmer, S. 101 ff. In der NS-Zeit veränderten sich dann die öffentlichen Interessen entsprechend dem nationalsozialistischen Staatsverständnis, s. etwa Vetter, S. 24 f., 40 ff. 413 Badura, FS Schlochauer, S. 6; Berg, GewArch. 1990, 225 (228); Leisner, Werbefernsehen und öffentliches Recht, S. 46; Püttner, GRUR 1964,359 (360); Vogel, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR I, § 27 Rn. 71. Zutreffend differenzierend (Gewinnerzielung als Sekundärzweck zulässig) von Mutius /Nesselmüller, NJW 1976, 1878 (1879). 4,4 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 128 ff.; ders., JuS 1995, 1069 (1072); Schmalz, AllgVerwR, Rn. 10. 415 Gusy, JA 1995, 166 (167); P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 314; Janson, Rechtsformen, S. 86; H. Klein, Teilnahme, S. 140 ff., 278.
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
nossenschaft Höhenklinik Valbella" in Davos, die der Bund als alleiniger Genossenschafter als Spezialklinik fur medizinische Rehabilitation und Prävention, insbesondere fur Leistungsberechtigte nach dem Recht der sozialen Entschädigung, betreibt, keine ernsthaften Zweifel bestehen416. Zweifelhaft im Hinblick auf ein öffentliches Interesse sind allerdings die bloßen Kapitalbeteiligungen des Bundes. Nach einem öffentlichen Zweck muß hier besonders intensiv gesucht werden, denn die Verfolgung des öffentlichen Interesses wird hier häufig in Ermangelung hinreichenden Einflusses aufgrund der Beteiligungsverhältnisse nicht gewährleistet sein. Beispielhafte Bedenken bestehen bei dem Betrieb der "Reisebüro Rominger GmbH" und insbesondere bei den diversen Schachtelbeteiligungen417. An den öffentlichen Zweck sind insgesamt keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Ein öffentlicher Zweck muß der staatlichen Aktivität nachweisbar sein, wobei der mittelbar verfolgte öffentliche Zweck ausreichend ist. Dementsprechend dürfen keine zu hohen Erwartungen an eine Begrenzungsfunktion des öffentlichen Interesses gestellt werden. Dieses kann der Begriff des öffentlichen Interesses allein nicht leisten. Genausowenig kann das Gemeinwohl über eine allgemeine Legitimation staatlichen Handelns hinaus konkret etwas über die Wirtschaftsfreiheit des Staates sagen. Der öffentliche Zweck und vor allem sein Gewicht können aber wertvolle Beurteilungshilfe leisten, wenn es im konkreten Fall um die Abwägung gegenüber einem grundrechtlich geschützten Interesse eines vom staatlichen Tätigwerden betroffenen Marktteilnehmers geht. Für den dann in Rede stehenden Grundrechtseingriff besteht dann nicht nur Rechtfertigungszwang durch ein öffentliches Interesse. Das öffentliche Interesse muß in dem konkreten Fall auch noch genügend Gewicht besitzen, um in der Abwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gegenüber dem rechtlich geschützten Interesse des Bürgers bestehen zu können. Damit ist bereits ein weiterer, später wieder aufzugreifender Gedanke angesprochen: Die Sorge um das Gemeinwohl legitimiert die Wirtschaftsfreiheit des Staates. Das aus der Sorge um das Gemeinwohl resultierende öffentliche Interesse, das der Staat bei einer konkreten Handlung verfolgt, legitimiert seine Wettbewerbsfreiheit, kann aber, falls es für zu leicht befunden wird, auch das Urteil über die Wettbewerbswidrigkeit der in Rede stehenden wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit begründen.
416 417
S. Beteiligungsbericht des Bundes, S. 159. Vgl. Beteiligungsbericht des Bundes, S. 226 f.
II. Zusammenfassung Wirtschafts freiheit
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II. Zusammenfassung Wirtschaftsfreiheit Da dem Grundgesetz keine Festlegung auf ein bestimmtes Wirtschaftssystem zu entnehmen ist, kann auch kein systembedingtes generelles Verbot wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit dem Grundgesetz entnommen werden. Eine Wirtschaftsverfassung als Summe verfassungsrechtlicher Bestimmungen mit wirtschaftlichem Aussagegehalt existiert durchaus, doch läßt sich auch aus den fur die Beurteilung maßgeblichen Einzelaussagen kein generelles Verbot ableiten. Eine pauschale Bestands- oder Fortentwicklungsgarantie läßt sich allerdings insbesondere fur die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates ebensowenig finden 418 . Damit ergibt sich die Wirtschaftsfreiheit des Staates zunächst einmal aus dem Fehlen insoweit entgegenstehender Bindungen der öffentlichen Hand 419 . Es handelt sich um ein Konglomerat wirtschafts- und wettbewerbsrelevanter Kompetenzen, in denen verschiedene Träger hoheitlicher Gewalt verschieden ermächtigt werden 420. Der wettbewerbsrelevant tätige Staat wird dabei nicht durch ein allgemeines Subsidiaritätsprinzip beschränkt, und auch die Entscheidung des Grundgesetzes fur die grundsätzliche Einnahmebeschaffung durch Steuern hindert nicht das "Geldverdienen" mittels wirtschaftlicher Tätigkeit. Das Rechtsstaatsprinzip ist fur die Wirtschaftsfreiheit relativ unergiebig, während Elemente des Sozialstaatsprinzips immerhin als öffentlicher Zweck fruchtbar gemacht werden können, an dem der Staat sich bei all seinem Handeln zu orientieren hat. Ausdrückliche Ermächtigungen finden sich durchaus; hervorzuheben sind vor allem Art. 74 Nr. 11 GG fur den Gesetzgeber und Art. 28 Abs. 2 GG fur die Gemeinden und Gemeindeverbände. Zu beachten ist in jedem Fall die Kompetenzverteilung des Art. 30 GG. Kompetenzen wie auch Begrenzungen finden sich in den Art. 83 ff. GG. Bund und Länder dürfen zu strukturpolitischen Zwecken i.S.d. Art. 91 a GG sogar zusammen tätig werden. Auch zur Wahrung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nach Art. 109 Abs. 2 GG darf oder muß sogar wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit entfaltet werden. Schließlich setzen auch die Art. 110 Abs. 1, 130, 133, 134, 135 GG die Wirtschaftsfreiheit des Staates voraus oder eröffnen sie - wie Art. 135 Abs. 6 GG - ausdrücklich fur einen bestimmten Bereich. Damit ist eine Wirtschaftsfreiheit des Staates nachgewiesen. Sie unterscheidet sich stark von der grundrechtlich abgesicherten wirtschaftlichen Handlungsfrei-
418 Dickersbach, WiVerw. 1983, 187 (197); Ronellenfitsch, (Hrsg.), HdbStR III, § 84 Rn. 32. 4,9 P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 314. 420 Ebenso Lerche/von Pestalozza, Bundespost, S. 107.
in: Isensee/Kirchhof
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C. Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
heit der Bürger, da sie sich gänzlich anders herleitet 421. Im Gegensatz zu den Bürgern, bei denen die Grundrechte gerade die Privatnützigkeit absichern, kann der Staat nur tätig werden, soweit er ein Gemeinwohlinteresse verfolgt. Mangels Grundrechtsfahigkeit genießt der Staat eben keine "Freiheit" im Sinne der Grundrechte 422. Abstrakt gesehen ist die Wirtschaftsfreiheit des Staates daher der Spielraum, den das Grundgesetz dem Staat für wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit läßt. Sie wird begründet wie auch begrenzt durch die Einzelbestimmungen des Grundgesetzes.
III. Wettbewerbsfreiheit Nachdem eine Wirtschaftsfreiheit des Staates bejaht und damit verfassungsrechtlich das "Ob" eines wettbewerbsrelevanten Verhaltendürfens positiv beantwortet werden konnte, sind nun die konkreten Wettbewerbseinmischungen des Staates zu untersuchen. Die rechtliche Stellung, die der Staat bei einer bestimmten, konkret zu beurteilenden Verhaltensweise im Wettbewerb innehat, kann als Wettbewerbsfreiheit verstanden werden. Diese muß sich aus einer bestehenden Wirtschaftsfreiheit ableiten, wird nun aber konkret begrenzt sowohl durch die Rechtsstellung anderer Marktteilnehmer als auch durch objektive Verhaltensregeln, die entweder für alle Marktteilnehmer oder nur speziell für den Staat als Teilnehmer gelten. Der Eintritt in den Wettbewerb ist damit durch die Wirtschaftsfreiheit des Staates legitimiert, die allerdings im Einzelfall - insbesondere im Hinblick auf das öffentliche Interesse - jeweils nachzuweisen ist. Das "Wie" der Teilnahme und somit das konkrete Verhaltensrecht bestimmt sich aus den Grenzen der Wettbewerbsfreiheit, die nun zu untersuchen sind.
421 Konstruktiv ähnlich fur eine staatliche Meinungsfreiheit Heintzen, VerwArch. 81 (1990), 532 (548). 422 Vgl. nur nochmals Bethge, AöR 104 (1979), 265 (274).
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates Die grundsätzliche Wettbewerbsfreiheit des Staates wurde nachgewiesen; Konturen erhält sie jedoch erst durch die verhaltensrechtlichen Grenzen, die ihr zu ziehen sind. Diesen ist nun im folgenden Teil nachzugehen.
I. Wettbewerb als Institut Zu prüfen ist zunächst, ob der Wettbewerb als Institut - wie immer es rechtlich einzuordnen sein mag - Grenzen aufstellt. Denkbar wäre, daß bereits das Eintreten des Staates in den Wettbewerb mittels wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit verhaltensrechtliche Grenzen aktualisiert. Grenzziehungen könnten sich demnach aus dem bloßen Bestehen, dem Vorfinden von Wettbewerb ergeben. Dies setzt allerdings erst einmal voraus, daß Wettbewerb als Institut rechtlich faßbar ist. Bei der rechtlichen Erfaßbarkeit beginnen denn auch die Probleme. Bei der Betrachtung von Wettbewerb1 stößt man auf einen tatsächlichen Befund, und zwar auf einen höchst dynamischen Prozeß des Konkurrierens mehrerer Anbieter auf einem Markt sowie als Zielsubjekt der Bemühungen auf potentielle Nachfrager und eventuell weitere ingerierende Subjekte wie den hier zu beurteilenden Staat. Eine statische Fixierung dessen, was Wettbewerb ist, läßt sich also nur durch eine Momentaufnahme eines bestimmten Marktes leisten. Da es sich aber gerade um einen dynamischen Prozeß handelt2, kann das, was als Wettbewerb festgestellt wurde, wenige Augenblicke später ganz anders aussehen, im schlimmsten Fall findet sich auf dem zuvor betrachteten Marktsegment kein Wettbewerb mehr3. Dies setzt dabei noch voraus, daß sich überhaupt das betrachtete Marktsegment in dieser Form noch wiederfinden läßt.
1
Wettbewerb kann in vielen Lebensbereichen auftreten, z.B. in Schule, Sport, Wissenschaft oder eben auf wirtschaftlichem Sektor. Wenn im folgenden von "dem Wettbewerb" gesprochen wird, so ist stets der wirtschaftliche Wettbewerb gemeint. 2 Vgl. auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rn. 18 ff., die den Wettbewerb als Verhaltensprozeß sowie einige seiner Erscheinungsformen beschreiben. Ebenso Lukes , FS Böhm, S. 217. 3 Zu dieser Problematik Lukes , FS Böhm, S. 217 ff.
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D. Grenzen der Wettbewerb s freiheit des Staates
Bei diesem Problem hilft auch der Blick auf die wirtschaftswissenschaftlichen Bemühungen nur wenig bis gar nicht4. Der Streit um "die richtige" Wettbewerbspolitik bzw. -theorie5 ist nach wie vor nicht entschieden, und ebenso herrscht noch Unklarheit über das Wesen des Wettbewerbs. Insoweit kann die Wirtschaftswissenschaft mit einer Definition dessen, was denn genau rechtlich als Institut zu erfassen sein soll, nicht dienen. Dennoch besteht wirtschaftswissenschaftlich wie juristisch Einigkeit darüber, daß ein Institutionsschutz zu erfolgen hat6. Wenn man denn - jetzt von der juristischen Seite aus - das Institut "Wettbewerb" unter Schutz stellen will, ist die geeignete Kategorie zu benennen. Zu denken ist an eine Einrichtungsgarantie "Wettbewerb", sei es als privatrechtlich ausgestaltete Institutsgarantie oder als öffentlich-rechtliche institutionelle Garantie7. Aufgrund der grundsätzlichen Schutzrichtung einer Einrichtungsgarantie gegen den Staat8 liegt eine Fruchtbarmachung dieser dogmatischen Figur nahe. Schwierigkeiten bereitet aber bereits eine Subsumtion, wenn man die Einrichtungsgarantie als erkennbar gesteigerte, verfassungsrechtliche Fixierung bestimmter, rechtlich wie tatsächlich determinierter Faktoren versteht, die eine grundlegend und eigenständig ordnende Funktion für das Gemeinwesen aufweisen 9. Auf das wesentliche tatsächliche Element ist bereits hingewiesen worden, und die grundlegende Ordnungsfunktion im Rahmen konkurrierender Grundrechtsbetätigungen leuchtet ohne weiteres ein, wird aber gleich noch vertieft. Jedoch fehlt es an der ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Fixierung, die wohl bei einem Vergleich zu den übrigen anerkannten Einrichtungsgarantien10 wie Eigentum oder freier Presse gefordert werden muß. "Der Wettbewerb" ist ausdrücklich nirgends im Grundgesetz verankert, mag er auch für das Beamtenrecht aufgrund der Verankerung des Leistungsgrundsatzes in Art. 33 Abs. 2 GG vorgesehen sein11. Eine ausdrückliche Verankerung des wirtschaftlichen Wettbewerbs als Institut fehlt dem Grundgesetz.
4
Dazu Lukes y FS Böhm, S. 201 ff. Vgl. dazu H. Berg y Wettbewerbspolitik, S. 245 ff.; /. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 1 ff. S. dazu etwa auch die Kontroverse zwischen Gotthold, ZHR 145 (1981), 286 ff., und Möschely ZHR 145 (1981), 590 ff. 6 H. Bergy Wettbewerbspolitik, S. 260; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 3; Rittner y Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 143. 7 Zur Terminologie vgl. Schmidt-Jortzig, Einrichtungsgarantien, S. 32 f. m.w.N. 8 Isensee y Subsidiaritätsprinzip, S. 249 f.; Schmidt-Jortzig, Einrichtungsgarantien, S. 35. 9 Schmidt-Jortzig, Einrichtungsgarantien, S. 31 f. 10 Aufzählung bei Schmidt-Jortzig, Einrichtungsgarantien, S. 32. 11 Darauf weist P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 3, hin. 5
I. Wettbewerb als Institut
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Ist dieses Argument noch eher formaler Natur, so läßt doch aber die dogmatische Struktur der Einrichtungsgarantie ein derartiges Verständnis des Wettbewerbs nicht zu 12 . Eine Einrichtungsgarantie "Wettbewerb" müßte einen grundsätzlich unantastbaren Kern aufweisen, der substantiellen Zugriffen entzogen ist 13 . Ein derartiger Kern setzt aber einen faßbaren, festen Bestand voraus, der nach dem oben Ausgeführten bei dem Wettbewerb gerade nicht ermittelbar ist. Der Wettbewerb als dynamischer Prozeß verbietet schon aufgrund des tatsächlichen Befunds die Erfassung in einem festen, dauerhaften Kern. Überhaupt nur einen Kern des Wettbewerbs zu entdecken, verhindert bereits das Wesen des Wettbewerbs14: Denn wo Wettbewerb überhaupt besteht, sind die wesentlichen Umstände nicht bekannt, die das Handeln der Wettbewerbsteilnehmer bestimmen, ebensowenig das konkrete Ergebnis. Würden Ergebnis und "Sieger" bereits feststehen, wäre es sinnlos, einen Wettbewerb überhaupt erst zu veranstalten15. Ein derartiges Verständnis müßte darüber hinaus begriffslogisch die unbedingt zu gewährleistende Freiheit der Marktteilnehmer aus ihren Grundrechten, die sie ja gerade zu Wettbewerbs- und marktverändernden Interaktionen berechtigt, ausschließen. Somit ist eine Einrichtungsgarantie, die notwendig statische Züge aufweist, hinsichtlich des Wettbewerbs nicht denkbar - dies verbieten schon die Grundrechte der Wettbewerbsteilnehmer. Bleibt man dennoch mit der herrschenden Meinung der Auffassung, daß der Wettbewerb sowohl des Individual- als auch des Institutionsschutzes bedarf 16, muß der richtige Ansatzpunkt im Individualschutz liegen. Entscheidendes Kriterium ist die Sicherung der Stellung des einzelnen im Wettbewerb, denn von seinem Verhalten hängt der Fortbestand des Wettbewerbs mit ab. Diese Stellung des Marktteilnehmers im Wettbewerb ist verfassungsrechtlich abgesichert, namentlich über die Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 S. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG. Rechtlich gesehen ist Wettbewerb dann die konkurrierende Grundrechtsausübung der privaten Marktteilnehmer, die Ausübung ihrer Wettbewerbsfreiheit. Die Konkurrenz durch einen anderen Grundrechtsträger verleitet dabei den einzelnen bei den richtigen Rahmenbedingungen zur jeweils intensiveren Grundrechtsbetätigung. Dieser Wettbewerb ist damit das Instrument zur optima-
12
Als institutionelle Garantie sehen aber Lerche /von Pestalozza, Bundespost, S. 123, den Wettbewerb geschützt, ohne dies näher zu begründen. 13 Schmidt-Jortzig, Einrichtungsgarantien, S. 37 f. 14 Über dieses ist allerdings trefflich zu streiten, vgl. Fezer, JZ 1990, 657 (659); Lehmann, JZ 1990, 61 (62). 15 Von Hayek , Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S. 3, 10. 16 H Berg, Wettbewerbspolitik, S. 260; von Gamm, NJW 1980, 2489 (2489); Koenigs, NJW 1961, 1041 (1041); /. Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 76.
192
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
len Freiheitsverwirklichung 17. Seine beste Ausprägung erfährt er bei möglichst starker Grundrechtsbetätigung. Optimale Grundrechtsausübung bedeutet dabei nicht maximale Grundrechtsausübung. Denn maximale Grundrechtsausübung hieße absolute Marktmacht, die eine konkurrierende Grundrechtsbetätigung wiederum verhindert. Eine derartige Marktmacht kann vielmehr staatliches Tätigwerden gebieten; ist wettbewerbspolitisch die Schwächung dieser Marktmacht angezeigt, so kann die Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit und Wettbewerbsstellung des einen staatlicherseits durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt sein, und zwar hier die Wettbewerbssicherung. Dieses öffentliche Interesse folgt unmittelbar aus der Aufgabe des Staates, die Grundrechtsvoraussetzungen zu wahren und sicherzustellen18. Diese Verpflichtung zur Wahrung der Grundrechtsvoraussetzungen kann sich im Extremfall zu einer grundrechtlichen Schutzpflicht verdichten, wenn die Marktmacht eines privaten Konkurrenten zu groß wird oder das Marktverhalten unerträglich erscheint. Diese Schutzpflicht enthält jedoch für den angesprochenen Staat wegen der grundsätzlichen Gleichwertigkeit der grundrechtlichen Freiheiten ein Gebot zur Neutralität 19, so daß staatliche Interventionen zugunsten bestimmter Konkurrenten in der Regel problematisch sein werden. Die Sicherstellung der Grundrechtsvoraussetzungen erfolgt hier durch wettbewerbssichernde Gesetze, namentlich durch GWB und UWG. Ausgehend vom Individualschutz der grundrechtlichen Wettbewerbsstellung erfolgen hier ein verfeinerter einfachgesetzlicher Individualschutz sowie - insbesondere durch Normen des GWB 2 0 - ein Institutionsschutz des Wettbewerbs. Der Institutionsschutz folgt also dem Individualschutz21. Der Ansatz für den rechtlichen Schutz des Wettbewerbs liegt demnach im Individualschutz. Berufsfreiheit und mehr noch Wettbewerbsfreiheit entfalten sich überhaupt erst in der Konkurrenz 22; der Wettbewerb erscheint als Prinzip der Individualfreiheit 23 und als wesentliches Instrument zur Grundrechtsverwirklichung. Geschützt werden kann mangels rechtlicher Faßbarkeit nicht der Wettbewerb als Institut, sondern zunächst nur die Wettbewerbsstellung des einzelnen Marktteilnehmers. Aus diesem Individualschutz ergibt sich dann aber der Institutionsschutz des Wettbewerbs. Die Absicherung der Wettbewerbsstellung
17 Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V , § 115 Rn. 253; von Hayek , Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S. 7 ff. 18 Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V , § 115 Rn. 254. 19 Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V , § 111 Rn. 98; H.H. Klein, DVB1. 1994, 489 (494 Fn. 68); Scholz, in: M./D./H./S., GG, Art. 12 Rn. 137. 20 Beispiel: § 18 Abs. 1 c GWB. 21 Ebenso Scholz y in: M./D./H./S., GG, Art. 12 Rn. 79 f. S. auch Tilmann, Wirtschaftsrecht, S. 175 f., 194 ff. 22 Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V, § 111 Rn. 98, § 115 Rn. 253. 23 Fezer, JZ 1990, 657 (660); von Hayek, Die Verfassung der Freiheit, S. 46 f.
I. Wettbewerb als Institut
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über die Grundrechte fuhrt dazu, daß sich die Summe der Einzelabsicherungen zum Institutionsschutz wandelt. Der Staat hat dabei die Aufgabe, Rahmenbedingungen dieser wettbewerblichen Grundrechtsausübung sicherzustellen. Er kann sich dabei aber nur um Rahmenbedingungen bemühen und sich bei seinem gesetzgeberischen Handeln von bestimmten wirtschafts- und wettbewerbstheoretischen Erkenntnissen leiten lassen, die einen optimalen Wettbewerb zum Ziel haben. "Den Wettbewerb" mit einem festen Begriffskern kann er nicht unter Schutz stellen. Aus der eben dargestellten grundrechtlichen Dimension des Wettbewerbs folgt, daß der Staat den Wettbewerb einerseits aktiv zu schützen, d.h. bei Wettbewerbsgefährdungen sichernd tatig zu werden hat. Andererseits folgt aus der klassischen abwehrrechtlichen Dimension der Grundrechte, daß der Staat den Wettbewerb und die Wettbewerbsfreiheit des einzelnen zu respektieren hat24. Die Grundrechte haben damit eben auch in der gegen den Staat gerichteten Schutzrichtung wettbewerbssichernde Funktion und stellen die bislang vermiete 25 Vorkehrung dar, die gegenüber Wettbewerbsbeschränkungen wirksam ist, die aus staatlichem Handeln resultieren. Der Staat darf zwar aufgrund seiner eigenen Wirtschafts- und Wettbewerbsfreiheit den Wettbewerb beschränken, in ihm selbst aktiv werden, ihn u.U. ausschalten oder gar nicht erst zulassen26 - je nach Zielsetzung und Gewicht des ihn legitimierenden öffentlichen Interesses. Entscheidender Maßstab ist bei seiner wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit aber nicht der Wettbewerb als Selbstzweck27, sondern die hinter dem Wettbewerb stehenden Grundrechte der betroffenen Marktakteure. Damit hat auch die Kategorie der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit weitere Konturen gewonnen: Sie nimmt alle Einwirkungen des Staates auf den Wettbewerb im Sinne eines tatsächlichen Befundes auf. Dies bietet zunächst den Vorteil, verschiedenartigste Handlungsweisen anhand ihres gemeinsamen Merkmales Wettbewerbsingerenz zu untersuchen. Die bei der ersten Definition geforderte Möglichkeit der Auslösung von Rechtsbetroffenheit erklärt sich nun von selbst. Denn wenn Wettbewerb herrscht, folgt er aus der Grundrechtsbetätigung der Marktteilnehmer. Läßt sich eine Einwirkung auf den Wettbewerb feststellen, so ist damit notwendigerweise eine Rechtsbetroffenheit verbunden, da es sich beim Wettbewerb eben nur um konkurrierende (Grund-)Rechtsbetätigungen handelt. Eine abschließende Anmerkung ist noch zu machen: Ohne den wirtschaftswissenschaftlichen Streit um "dierichtige"Wettbewerbstheorie vertiefen oder gar
24 25 26 27
Zu einer derartigen Konzeption auch Liibbe-Wolff\ Grundrechte, S. 297 f., 309 f. Vermißt z.B. von H Berg, Wettbewerbspolitik, S. 298. P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 3; Rittner, Wirtschafts recht, § 3 Rn. 24. Vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rn. 25.
13 Schliesky
194
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
entscheiden zu wollen, ist hier doch "Stellung zu beziehen". Das eigene Modell orientiert sich im Ansatz an der neoklassischen Wettbewerbstheorie 28. Ausgehend von den Überlegungen von Hayeks 79, nach denen der Wettbewerb als Verfahren zur Entdeckung bis dahin unbekannter Tatsachen und somit als nicht vorhersehbarer dynamischer Prozeß zu begreifen ist, steht die Wettbewerbsfreiheit des einzelnen im Mittelpunkt der neoklassischen Wettbewerbstheorie 30. Der optimale Gebrauch dieser Wettbewerbsfreiheit fuhrt bei Fehlen von Beschränkungen zur optimalen Wettbewerbsintensität, die wiederum zum ökonomischen Optimum und der bestmöglichen Schaffung und Nutzung neuer Problemlösungen fuhrt 31. Die Aufgabe des Staates beschränkt sich in diesem System auf die Aufgabe, den Wettbewerb gegen Beschränkungen zu schützen32. Dies korrespondiert in dem hier entwickelten Modell mit einer öffentlichen Aufgabe "Wettbewerbssicherung", die bereits aus der Wettbewerbsfreiheit der Grundrechtsträger herzuleiten ist. Inwieweit nun die gesamte wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit mit durchaus anderen legitimen Zielen in dieses System einzuordnen ist und mit der Wettbewerbsfreiheit des einzelnen zu vereinbaren ist 33 , muß nun anhand des für den Staat primären Verhaltensrechts, der Grundrechte, überprüft werden.
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer Bei der Ausübung wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit sind - wie im Verlauf der Untersuchung gezeigt - vor allem die Grundrechte maßgebend, die für jede Art von Staatshandeln gelten. Damit aktualisieren sich die Grundrechte vor allem
28
Maßgeblich begründet von Hoppmann, SNSt 179 (1966), 286 ff., und dems., Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, passim. Vgl. zur kurzen Einführung H. Berg, Wettbewerbspolitik, S. 256 ff. - Bryde, NJW 1984, 2177 (2179 f.), weist auf das neoliberale Vorverständnis des BVerfG im Apothekenurteil hin und warnt vor den Gefahren, die ein zu großer Einfluß ökonomischer Lehrmeinungen auf die Rechtsanwendung haben kann. 29 Von Hayek y Der Wettbewerb als Entdeckungs verfahren, passim; ders., Die Verfassung der Freiheit, S. 37 ff. - Fezer, JZ 1990, 657 (661), weist daraufhin, daß die systemtheoretischen Evolutionsüberlegungen von Popper auch einen nicht zu übersehenden Einfluß genommen haben; vgl. nur Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 390. 30 Hoppmann y Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 388 f. 31 Hoppmann y Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 390. Vgl. auch - kurz und prägnant - H. Berg y Wettbewerbspolitik, S. 256 f.; Fezer, JZ 1990, 657 (660). Ebenso Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rn. 25. 32 Hoppmanny Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 298. 33 Hoppmanny Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S. 302 f., sieht Wettbewerbsfreiheit als durch Abwesenheit von Zwang, Betrug und Irreführung gekennzeichnet an und hebt als wesentliche Quelle des Zwangs den Staat hervor.
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
195
in ihrer freiheitsrechtlichen Abwehrdimension zu einem Verhaltensrecht für den Staat. Anders als private Konkurrenten, für die angesichts fehlender unmittelbarer Drittwirkung der Grundrechte allein einfachgesetzliche Verhaltensregeln maßgebend sind, muß der Staat die über die Schutzbereiche der Freiheitsrechte geschützten Freiheitssphären seiner Bürger respektieren. Sie begrenzen seinen Handlungsspielraum, setzen damit ein Verhaltensrecht. Da Wettbewerbsrecht Verhalten am Markt regelt, stehen die Grundrechte im Mittelpunkt eines öffentlichen Verhaltens- und damit - wirtschaftsbezogen - Wettbewerbsrechts. Zu betonen ist dabei aber, daß die Grundrechte erst dann ein verhaltensrechtliches Datum setzen, wenn sie verletzt sind. Eine derartige Feststellung erfordert nach herkömmlicher Dogmatik ein schrittweises Vorgehen: Zunächst ist der Schutzbereich des einschlägigen Grundrechts genau abzumessen; anschließend ist das staatliche Verhalten auf seine Eingriffsqualität zu untersuchen, bevor im entscheidenden Schritt - sofern Einschlägigkeit des Schutzbereichs und Eingriff bejaht werden konnten - eine Rechtfertigung des staatlichen Eingriffshandelns zu prüfen ist 34 . Diesem System folgend sollen daher nun die maßgebenden Grundrechte untersucht werden.
1. Art. 12 Abs. 1 GG a) Schutzbereich Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG schützt als eine Zentralnorm des Berufsverfassungsrechts35 und der Wirtschaftsordnung des Grundgesetzes36 die Berufsfreiheit. Schon früh hat das Bundesverfassungsgericht Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG als einheitliche Grundrechtsgewährleistung der Berufsfreiheit verstanden37, in der Berufswahl und Berufsausübung als Abschnitte eines einheitlichen Lebensvorganges aufgehen 38. Beruf wird dabei als jede auf Dauer berechnete und nicht nur vorübergehende, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Tätigkeit ver-
34
Ein derartiges Vorgehen ist bei unmittelbaren ( = klassischen) wie bei mittelbaren oder faktischen Eingriffen geboten, vgl. nur Ehlers, JZ 1991, 231 (232 f. mit Fn. 14); Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 278 f. 35 Scholz, in: M./D./H./S., GG, Art. 12 Rn. 6. 36 Scholz, in: Duwendag (Hrsg.), Staatssektor, S. 124. 37 BVerfGE 7, 377 (397 ff.), st.Rspr.; vgl. Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V I , § 147 Rn. 32; Scholz, in: M./D./H./S., GG, Art. 12 Rn. 14. 38 BVerfGE 33, 303 (329 f.).
196
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
standen39. Zum Teil wird noch gefordert, daß es sich um eine erlaubte Tätigkeit handeln muß40 - diese Kontroverse braucht hier nicht vertieft zu werden. Die Berufsfreiheit wird gemeinhin nach der Reihenfolge der typischen Lebensabläufe in vier Teilgarantien unterteilt41: Der freien Wahl der Ausbildungsstätte folgt die Freiheit der Berufswahl, anschließend die freie Wahl des Arbeitsplatzes, die in der Freiheit der Berufsausübung endet. Diese Teilaspekte des Schutzbereiches lassen sich fraglos weiter vertiefen, brauchen aber ebenfalls nicht in allen Facetten beleuchtet zu werden42. Von Bedeutung ist der Zusammenhang zur freien Entfaltung der Persönlichkeit, den das Bundesverfassungsgericht sieht - er verdeutlicht die Bedeutung und weitreichende soziale Dimension des Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG. Das Bundesverfassungsgericht versteht die Berufsfreiheit als Konkretisierung der freien Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich der individuellen Leistung und Existenzsicherung 43. Die Berufsfreiheit sichert dem einzelnen die notwendige Freiheit im Wirtschafts- und Sozialsystem, von der er nach eigenen Vorstellungen und in beliebigem Ausmaß Gebrauch machen kann, um sich eine autonome Existenz zu sichern und seinen persönlichen gesellschaftlichen Status zu erarbeiten 44. Sie ist also die unabdingbare Basis, von der aus der einzelne seine Persönlichkeit in den gesellschaftlichen Markt einbringen und nach eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten sich seine Stellung am Markt sichern kann, damit aber aufgrund der garantierten wie geforderten Eigenverantwortlichkeit ein wichtiger Bestandteil freiheitlicher und sozialer Persönlichkeitsbildung. Demnach ist die Berufsfreiheit die
39
BVerfGE 7, 377 (397); 9, 73 (78); 13, 97 (106); 50, 290 (362); 54, 301 (313); BVerwGE 22, 286 (287), 96, 293 (296); Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 12 Rn. 8; Jahn, JuS 1993, 643 (644); Jarass/Pieroth, GG, Art. 12 Rn. 4; Kluth, S. 59; Pitschasy Berufs freiheit und Berufslenkung, S. 36, 52; Scholz, in: M./D./H./S., GG, Art. 12 Rn. 18; Stober y Handbuch, S. 459. 40 BVerfGE 7, 377 (397); 68, 272 (281); 78, 179 (193); Gubelt y in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 12 Rn. 8; Pitschas y Berufs freiheit und Berufslenkung, S. 36. A.A. BVerwGE 96, 293 (296 f.); Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V I , § 147 Rn. 43 f.; Jarass/Pieroth, GG, Art. 12 Rn. 6; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 120; Schoch y DVB1. 1991, 667 (669). 41 Breuer y in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR VI, § 147 Rn. 32; Scholz, in: M . / D./H./S., GG, Art. 12 Rn. 14. 42 Eine Aufstellung zu der Regalwände füllenden Literatur findet sich vor der Kommentierung von ScholZy in: M./D./H./S., GG, Art. 12. 43 BVerfGE 30, 292 (334); 54, 301 (313); 59, 302 (315); 75, 284 (292); ebenso BVerwGE 87, 37 (39); Kluth y S. 60 f.; Papier, DVB1. 1984, 801 (806); ScholZy in: M./D./H./S., GG, Art. 12 Rn. 9. 44 Vgl. BVerfGE 7, 377 (397); ScholZy in: M./D./H./S., GG, Art. 12 Rn. 9.
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
197
Startbedingung fur den Wettbewerb auf wirtschaftlichem Gebiet und zugleich Ausprägung des Persönlichkeitsrechts in diesem Bereich. Mit diesem Zusammenhang zum Persönlichkeitsrecht ist zunächst einmal der hier interessierende Ausschnitt des Schutzbereichs der Berufsfreiheit, die Wettbewerbsfreiheit, angesprochen. Die Wettbewerbsfreiheit ist der hier zu untersuchende Teil der Berufsfreiheit, denn dieser Schutzbereich hat Bedeutung fur die verhaltensrechtliche Beurteilung der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit. Mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts gesprochen bedeutet dies, daß das Verhalten der Marktteilnehmer Bestandteil ihrer Berufsausübung ist45. Damit ist aber auch schon Position bezogen in der Frage, wo denn die Wettbewerbsfreiheit zu verankern ist. Richtigerweise muß sie mit der heute herrschenden Meinung in Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG verankert gesehen werden46 und nicht in Art. 2 Abs. 1 GG 47 . Denn die Berufsfreiheit ist gegenüber der allgemeinen Handlungsfreiheit, die für die Wettbewerbsfreiheit fruchtbar zu machen wäre, das speziellere Grundrecht 48. Da beide Grundrechte Ausfluß des Persönlichkeitsrechts sind, überzeugt es dogmatisch mehr, die freie Entfaltung der Persönlichkeit im Berufsleben und damit im wirtschaftlichen Wettbewerb als durch Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG geschützt zu sehen. Ist die Wettbewerbsfreiheit in Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG verankert, so muß der genauere Gehalt der Wettbewerbsfreiheit noch bestimmt werden. Ausgangspunkt ist auch in der Rechtsprechung die Unternehmerfreiheit, die von der Berufsfreiheit umfaßt wird. Die Unternehmerfreiheit gewährleistet das Recht der freien
45
BVerfGE 32, 311 (317); 46, 120 (137). Ebenso BVerwGE 87, 37 (39); 89, 281 (283); BVerwG NJW 1996, 3161 (3161); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 880. 46 BVerfGE 32, 311 (317); 46, 120 (137); 65, 237 (247 f.); 82, 209 (223 f.); BVerfG GRUR 1993, 751 (751); BVerwGE 71, 183 (189); 87, 37 (39); 89, 281 (283); BVerwG NJW 1996, 3161 (3161); Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V I , § 147 Rn. 63; Bryde, NJW 1984, 2177 (2180); Burmeister, in: Püttner (Hrsg.), HkWP V , S. 43; Di Fabio , JZ 1993, 689 (694); Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 102 f.; Engel, AöR 118 (1993), 169 (221 Fn. 260); Kluth, S. 60 f.; Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (23); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 880; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 120, 122; Scholz, in: M./D./H./S., GG, Art. 12 Rn. 115, 124; Stober, Handbuch, S. 463; Weber, S. 118. A.A. Gusy, JA 1995, 253 (253), der eine grundrechtliche Verankerung der Wettbewerbsfreiheit grundsätzlich ablehnt. 47
So noch BVerwGE 17, 306 (309); 30, 191 (198); 60, 154 (159); 65, 167 (174); BSGE 63, 173 (179); VGMünster NVwZ 1982, 522 (523); Hoffmann, S. 145; Kunig, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 2 Rn. 29; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rn. 148, 911; Stober, Grundrechtsschutz, S. 35. 48 Scholz, in: M./D./H./S., GG, Art. 12 Rn. 114 f.
198
D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
Gründung und Führung von Unternehmen49. Schutzgut der Berufsfreiheit ist also auch die Erwerbszwecken dienende freie unternehmerische Betätigung50; damit wird das Verhalten des Unternehmers im Wettbewerb als Bestandteil dieser unternehmerischen Betätigung geschützt51. Wettbewerbsfreiheit ist dann die Freiheit zum Wettbewerb und im Wettbewerb52. Die über Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Wettbewerbsfreiheit gewährleistet den Zugang zu den Märkten und deren Wettbewerb53 und sichert die Stellung des Unternehmers im Wettbewerb. Fraglich ist, wie diese Sicherung aussieht. Zunächst einmal ist es das berufsbezogene Verhalten des Unternehmers im Wettbewerb, das einen Schutz durch Art. 12 Abs. 1 GG genießt, also die Berufsausübung selbst. Die Wettbewerbsfreiheit als eigenständiges Schutzgut hat aber nur eine Daseinsberechtigung, wenn sie eine wettbewerbsbezogene besondere Ausprägung der Berufsfreiheit darstellt. Geschützt wird mit dem Verhalten im Wettbewerb auch die Teilnahme am Wettbewerb. Diese Teilnahme läßt sich jedoch nur schützen und überhaupt erfassen, wenn zugleich die aktuelle Stellung des Unternehmers im Wettbewerb geschützt wird. Diese Stellung im Wettbewerb ist die notwendige Grundlage für das Verhalten im Wettbewerb, ohne die kein Verhalten effektiv geschützt werden kann, wenn die Ausgangsbasis des Verhaltens ohne Schutz ist und ohne Hindernisse beeinträchtigt werden kann. Die Stellung im Wettbewerb ist die Stellung des Unternehmers auf einem bestimmten Markt und damit der Marktanteil. Damit ist die Antwort auf die Frage, wie die Sicherung aussieht, gegeben: Sachlicher Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Wettbewerbsfreiheit ist neben dem Verhalten im Wettbewerb der konkrete Marktanteil des Unternehmers. Es wird also der im Zeitpunkt des abzuwehrenden staatlichen Verhaltens aktuelle - und im übrigen auch jederzeit aktualisierbare, um ein praktisches Problem anzusprechen - Anteil am Markt geschützt. Dieser läßt sich mit Hilfe des Umsatzes bestimmen54. Zur
49
BVerfGE 50, 290 (363); Papier, DVB1. 1984, 801 (806); Scholz, in: M./D./H./S., GG, Art. 12 Rn. 123 f. 50 BVerwGE 87, 37 (39). 51 BVerfGE 46, 120(137); BVerwGE 11, 183 (189); 87, 37(39); 89, 281 (283); Hoffmann, BB 1995, 52 (53). 52 Vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rn. 27. 53 Di Fabio, JZ 1993, 689 (694); Rittner, Wirtschaftsrecht, § 3 Rn. 36. 54 A.A. - allerdings dann schon im Hinblick auf den Eingriff - Albers, DVB1. 1996, 233 (236). Ihre zur Begründung angeführte Erwägung (unter Berufung auf Philipp, S. 139), der Grundrechtsschutz greife dann um so eher, je schlechter das Produkt und je berechtigter und wirksamer eine Warnung vor diesem sei, enthält eine für die Bestimmung des sachlichen Gewährleistungsbereiches der Wettbewerbs freiheit unzulässige Wertung. - Wie hier jetzt BVerwG NJW 1996, 3161 (3161): Der 3. Senat des BVerwG sieht nun
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
199
genauen Bestimmung des Schutzbereiches ist damit eine Gesamtbetrachtung der Marktstruktur erforderlich, die beispielsweise Zahl und Größe der übrigen Anbieter, den Gesamtumsatz der Branche, örtliche Marktbesonderheiten und/oder besonderes Konsumentenverhalten berücksichtigt55. Dagegen läßt sich nicht mit einer älteren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 56 einwenden, ein verfassungskräftiges Recht auf Erhaltung des Geschäftsumfanges und die Sicherung weiterer Erwerbsmöglichkeiten in der freien Wettbewerbswirtschaft bestehe nicht. Dieses gilt nur im Hinblick auf konkurrierende Privatpersonen und ist damit im Hinblick auf die abzulehnende unmittelbare Drittwirkung eine Selbstverständlichkeit57; hier kann es schon wegen der grundsätzlichen Schutzrichtung des Art. 12 Abs. 1 GG gegen den Staat nicht richtig sein. Mit der durch den Marktanteil charakterisierten Stellung im Wettbewerb wird auch keine nicht greifbare Hoffnung eines Unternehmers im Hinblick auf ersehnte Markt- und Umsatzentwicklungen geschützt, sondern eine in Zahlen faßbare Stellung am Markt, die in untrennbarem Zusammenhang zur bisherigen Tätigkeit steht, weil sie auf eigener bisheriger Tätigkeit beruht und Ausdruck der Ausübung privater Gestaltungsmacht im sozialen Leben ist58. Diese durch eigene Arbeit erworbene Stellung am Markt ist damit in den Freiheitsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG eingegliedert worden und stellt die Startposition für die weitere berufliche Entfaltung dar. Art. 12 Abs. 1 GG schützt damit auch die Erwerbschance59, die unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung des Berufs ist. Zu betonen ist dabei - gerade im Hinblick auf die Abgrenzung gegenüber Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, auf die noch zurückzukommen sein wird - , daß Art. 12 Abs. 1 GG einen zukunftsgerichteten Schutzbereich aufweist 60. Geschützt ist der Erwerbsvorgang, auch der künftige - dies ist ein Element des Schutzbereiches, das vor allem im Hinblick auf die Konkurrenz durch wirtschaftliche Tätig-
auch die Wettbewerbsposition des privaten Unternehmers von Art. 12 Abs. 1 GG geschützt und hält diese mit Hilfe der Absatzzahlen am Markt für hinreichend beschreibbar. Die nächste Stufe der Prüfung - die Feststellung eines Eingriffs in diese Wettbewerbsposition - läßt sich dann mit einer Feststellung von Absatzeinbußen bewältigen. 55 Ähnlich Kluth, S. 70. 56 BVerwGE 39, 329 (336); ebenso Hoffmann , S. 53; ders. y BB 1995, 53 (54). 57 Eine derartige Konstellation lag auch dem Beschluß des BVerfG [E 24, 236 (251)] zugrunde; die Berufung des BVerwG auf diese Textstelle ist daher unzutreffend und unzulässig, vgl. auch Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 102 mit Fn. 148. 58 Vgl. Kluth, S. 65. 59 Di Fabio , JZ 1993, 689 (694). 60 BVerfGE 30, 292 (334); BVerwGE 75, 109 (114). Dies verkennt aber Hoffmann, S. 53.
200
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
keit des Staates von Bedeutung ist. Maßgebend ist fur den geschützten Erwerbsvorgang, daß er auf einer bestimmten Marktposition basiert, die das Verhalten des Akteurs bestimmt und determiniert. Wollte man diese Wettbewerbsstellung aus dem Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit herausnehmen, wäre der Schutz lückenhaft. Nicht überzeugend ist daher auch der Ansatz, die Wettbewerbsfreiheit mit Hilfe eines den Grundrechten als objektiver Wertordnung zugeschriebenen Wettbewerbsmodells zu bestimmen und so als Schutzgut der Wettbewerbsfreiheit den "funktionsfähigen, transparenten Wettbewerb" zu begreifen 61. Damit würde auf dem Umweg über die Grundrechte der Wettbewerb doch institutionalisiert und vergleichbar einer Einrichtungsgarantie nur objektiv geschützt. Nicht der Wettbewerb insgesamt ist jedoch Schutzgut62, sondern die aktualisierbare Stellung des einzelnen Teilnehmers am Wettbewerb im Moment der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit, sozusagen das dem einzelnen Marktteilnehmer zugewiesene Segment des Wettbewerbs, das insoweit subjektivrechtlich abgesichert ist. Die Reduzierung der Wettbewerbsfreiheit auf das objektive Ordnungsziel eines funktionsfähigen, transparenten Wettbewerbs würde den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG auf eine marktwirtschaftskonforme unternehmerische Betätigung zurücknehmen63, was mit dem vom Bundesverfassungsgericht betonten Persönlichkeitsbezug der Berufs- bzw. Wettbewerbsfreiheit unvereinbar wäre. In der herkömmlichen Systematik der Berufsfreiheit wird sich die Teilnahme eines etablierten Unternehmers am Wettbewerb eines bestimmten Marktes in der Regel als Berufsausübung darstellen, während sich der erstmalige Schritt in einen Wettbewerb durchaus als Betätigung der Berufswahlfreiheit darstellen kann - mit allen Konsequenzen für mögliche Beschränkungen staatlicherseits. Die abstrakte Analyse des sachlichen Schutzbereiches der Wettbewerbsfreiheit soll noch einmal an Beispielen aus der Rechtsprechung verdeutlicht werden: Hervorhebung verdient das sog. "Glykolwein"-Urteil des Bundesverwaltungsgerichtsin dem es um die vom Bundesminister fur Jugend, Familie und Gesundheit veröffentlichte Liste mit Weinen, in denen das Frostschutzmittel und chemische Lösungsmittel Diethylenglykol festgestellt worden war, geht. Unabhängig von der noch zu erörternden Frage, ob in der Warnung mittels Liste ein Eingriff liegt, war zunächst abzustecken, ob der Schutzbereich des Art. 12 Abs.
61
So aber Lübbe-Wolff,
NJW 1987, 2705 (2711); vgl. auch OVG Berlin, OVGE 15,
120 (128). 62
Dies wurde soeben nachgewiesen, vgl. D I. So mit Recht Schuhe, DVB1. 1988, 512 (517); kritisch auch Di Fabio , JZ 1993, 689 (696). 64 BVerwGE 87, 37 ff. 63
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
201
1 GG einschlägig ist. Das Gericht definiert die Berufsfreiheit des einzelnen zunächst als "das Recht, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, als Beruf zu ergreifen und zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen"65. Es betont den Zusammenhang zur freien Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich der individuellen Leistung und Existenzerhaltung und stellt dann fest, daß Schutzgut des Art. 12 Abs. 1 GG auch die Erwerbszwecken dienende freie unternehmerische Betätigung ist. Dieser freien unternehmerischen Betätigung ordnet das Gericht im Rahmen der bestehenden Wirtschaftsordnung auch das Verhalten des Unternehmers im Wettbewerb zu und unterstellt es damit dem Freiheitsbereich, der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt wird. Methodisch nicht ganz sauber vermischen sich nun Erörterungen von Schutzbereich und Eingriff 366, wobei sich anhand der Ausführungen zum Eingriff die vom Bundesverwaltungsgericht geschützt gesehenen sachlichen Gewährleistungen gut erkennen lassen. Neben der "Wettbewerbsposition", die mehrfach angesprochen wird 67 , betont das Gericht die Absatzmöglichkeit des Unternehmers 68. Es ordnet die künftigen Absatzchancen ausdrücklich der beruflichen Betätigungsfreiheit des betroffenen Unternehmers zu 69 . Es ist also nicht nur die im Wettbewerb typische Verhaltensweise des Absatzes selbst, also die aktuelle Tätigkeit, die den durch Art. 12 Abs. 1 GG vermittelten Schutz genießt70, sondern auch die Absatzmöglichkeit, die künftige Erwerbschance, die dem Schutzbereich der Wettbewerbsfreiheit unterfällt. Ähnliche Inhalte lassen sich einem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zu einem Krankenhausplan aufgrund des Krankenhausfinanzierungsgesetzes 71 entnehmen. Im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer die Ablehnung der Aufnahme seiner Privatklinik in den Krankenhausplan des betreffenden Bundeslandes. Die Bedeutung des Krankenhausplanes liegt darin, daß er die versorgungstechnischen Zielvorgaben enthält und die Aufnahme eines Krankenhauses in diesen Plan Voraussetzung für eine öffentliche Förderung ist. Ausgehend von der bekannten Definition, daß Art. 12 Abs. 1 GG dem einzelnen das Recht gewährleistet, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, als
65
BVerwGE 87, 37 (39) - wie auch die folgenden Ausführungen. Vgl. zur Kritik Schoch, DVB1. 1991, 667 (669). S. auch Albers t DVB1. 1996, 233 (234 m. Fn. 13). 67 BVerwGE 87, 37 (39, 41). Auf der gleichen Linie liegt die Entscheidung des BVerwG NJW 1996,3161 (3161), in der das Gericht die Veröffentlichung von Warentests durch eine Landwirtschaftskammer zu beurteilen hatte. 68 BVerwGE 87, 37 (40); ebenso BVerwG NJW 1996, 3161 (3161). 69 BVerwGE 87, 37 (42; 44). 70 Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR VI, § 147 Rn. 63. 71 BVerfGE 82, 209 ff. 66
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Beruf zu ergreifen und zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen72, betont auch das Bundesverfassungsgericht die durch den Art. 12 Abs. 1 GG erfolgende Konkretisierung des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, und zwar bezogen auf den Bereich der individuellen Leistung und Existenzerhaltung. Die Erwähnung der Existenzerhaltung deutet aber darauf hin, daß auch das Bundesverfassungsgericht die durch eigene Tätigkeit aktuell erreichte Position im Wettbewerb als mitgeschützt ansieht. Bestätigt wird dieses Verständnis durch eine Aussage des Gerichts im Zusammenhang zum Eingriff: "Krankenhäuser, die nicht in den Krankenhausplan aufgenommen sind, werden dadurch einem erheblichen Konkurrenznachteil ausgesetzt"73. Damit ist die Stellung im Wettbewerb angesprochen, denn ein Konkurrenznachteil läßt sich nur im Hinblick auf die derzeit erreichte Position im Wettbewerb beurteilen. Ist der Konkurrenznachteil maßgebend für das Vorliegen eines Eingriffs, muß zunächst einmal der Schutzbereich die Stellung im Wettbewerb umfassen.
b) Eingriff Nach der Herausarbeitung des Schutzbereiches der Wettbewerbsfreiheit stellt sich nun die Frage, ob jede Art von wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit auch einen Eingriff in diesen Schutzbereich darstellt. Eine Überprüfung bereitet Schwierigkeiten, da der alte "klassische" Eingriffsbegriff - wie oben gezeigt74 - sich aufgelöst hat. Die Begrenzungen des klassischen Eingriffsbegriffes sind aufgrund neuer Handlungs- und Betätigungsformen des Staates gefallen; entfallen ist damit weitestgehend auch die Filterfunktion 75, die der "klassische" Eingriffsbegriff wahrgenommen hat. Fraglich ist nun, ob dem Eingriffsbegriff neue Konturen verliehen werden können, die eine abstrakte Definition hervorbringen, mit der das Vorliegen eines Eingriffs wieder problemloser überprüft werden kann. Ohne dieser Frage mit der sicherlich gebotenen Tiefe nachgehen zu können76, sollen im folgenden doch einige in der Diskussion befindliche neue Eingriffskriterien kurz erörtert werden, um möglichst eine für den Untersuchungsgegenstand taugliche Definition zu erhalten.
72
BVerfGE 82, 209 (223) - wie auch die folgenden Ausführungen. BVerfGE 82, 209 (224). 74 Vgl. oben Β III 4 b. 75 Vgl. Bleckmann, Grundrechte, S. 335 ff.; Eckhoff, S. 232 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 257 ff. 76 Das Thema ist kürzlich Gegenstand einer umfangreichen Untersuchung gewesen, vgl. Eckhoff, S. 236 ff. 73
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aa) Neue Konturen des Eingriffsbegriffes Einigkeit ist zur Zeit in Rechtsprechung und Literatur nur dahin gehend zu finden, daß der klassische Eingriffsbegriff noch "Indizwirkung " besitzt. Bei Erfüllung aller Kriterien des klassischen Eingriffsbegriffes stellt eine staatliche Maßnahme auch weiterhin einen Eingriff in einen grundrechtlichen Schutzbereich dar. Darüber hinaus liegt ein Konsens findendes Ergebnis noch nicht vor. Erörtert werden folgende Kriterien:
(1) Zurechenbarkeit Erforderlich ist zunächst eine Verursachung im Sinne der allgemeingültigen "conditio-sine-qua-mnT-Formel77. Die Beeinträchtigung der grundrechtlichen Freiheit muß auf ein staatliches Verhalten zurückzuführen sein, eine Kausalkette muß von der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit zur Schutzbereichsbeeinträchtigung nachweisbar sein. Da jedoch Einigkeit besteht, daß im Sinne der "conditio-sine-qua-non"-Formel letztlich fast jedes Verhalten kausal ist, andererseits aber eine Beschränkung gerade nicht mehr über ein Kriterium der Unmittelbarkeit erfolgen kann, weil faktische und mittelbare Eingriffe dann nicht zu erfassen sind, genügt die bloße Verursachung nicht78. Erforderlich ist also ein Zurechnungskriterium, mit dessen Hilfe der Eingriffsbegriff wertend beschränkt wird 79 . Die dafür vorgeschlagene Übernahme der Figur der objektiven Zurechnung?0 unterliegt aber Bedenken, sofern nicht besondere Zurechnungskriterien für das öffentliche Recht entwickelt werden. Denn die Anwendung einer "Theorie der objektiven Zurechnung", wie sie im Strafrecht verwandt wird 81 , würde bedeuten, daß sich in dem Erfolg (hier: die Beeinträchtigung des Schutzbereiches) gerade die durch die Handlung geschaffene Gefahr realisieren muß. Insbesondere der im Strafrecht bezweckte Ausschluß atypischer Kausalverläufe von der Tatbestandsmäßigkeit müßte im öffentlichen Recht bedeuten, daß atypische, nicht vorhersehbare Kausalverläufe, die aber eine schwerwiegende Grundrechtsbeeinträchtigung zur Folge haben, keinen Eingriff darstellen. Der Gewinn, den die Aufgabe des klassischen Eingriffsbegriffes mit der Erfassung der faktischen Auswirkungen eines staatlichen Handelns für den Grundrechtsschutz gebracht hatte, wäre auf
77
BVerfGE 66, 39 (60); Eckhoff, S. 236, 278; Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 21. Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 21 f. 79 Eckhoff, S. 236, 271; P.-M. Huber/Kohnen, ZG 1994, 63 (75 Fn. 63); Schuhe, DVB1. 1988, 512 (517); ders., WUR 1991, 231 (231). 80 Eckhoff, S. 271. 81 Vgl. nur Roxin, Strafrecht AT I, § 11 Rn. 36 ff. 78
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einen Schlag verspielt. Überhaupt paßt jedenfalls die Übernahme der strafrechtlichen Vorstellung einer Kausalitätsbegrenzung nicht fur den Grundrechtsschutz: Geht es im Strafrecht darum, eine übermäßige Tatbestandsmäßigkeit (und damit in letzter Konsequenz als Rechtsfolge die Verurteilung zu einer Strafe, also einen Grundrechtseingriff) zu vermeiden, also einer restriktiven Anwendung das Wort zu reden, soll der Grundrechtsschutz gerade möglichst umfassend sein und vor nicht zu duldendem staatlichen Handeln schützen. Andererseits ist ein Korrekturkriterium durchaus wünschenswert und auch erforderlich, um Kausalverläufe auszuscheiden, zu denen der Staat zwar einen, aber nicht den maßgebenden Beitrag geleistet hat. Ein (konstruiertes) Beispiel mag dies verdeutlichen: Betätigt sich der Staat wirtschaftlich durch Eröffnung eines Unternehmens, muß damit nicht automatisch ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit verbunden sein. Denkbar wäre es, daß ein Unternehmer als Reaktion auf den Markteintritt des öffentlichen Unternehmens eine völlig verfehlte Geschäftspolitik betreibt, die Nachfrager aus diesem Grund abwandern und die Wettbewerbsstellung des privaten Unternehmers stark beeinträchtigt wird. Hier haben der Markteintritt und die Konkurrenztätigkeit des öffentlichen Unternehmens zwar eine Ursache fur die Beeinträchtigung der Wettbewerbsfreiheit gesetzt, doch mag man Zweifel haben, ob es sich hier um einen staatlichen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit handeln soll. Wie dieses Beispiel schon andeutet, wird man eine grundrechtliche Verantwortlichkeit eines Trägers öffentlicher Gewalt fur die Beeinträchtigung des Schutzbereiches fordern müssen82, um eine Zurechenbarkeit anzunehmen. Es muß also zunächst eine schutzbereichsbeeinträchtigende Wirkung festgestellt werden. Diese muß kausal auf ein staatliches Verhalten zurückzuführen sein. Der staatliche Akteur muß grundrechtlich verantwortlich sein, was bei der Ausübung hoheitlicher Gewalt wegen Art. 1 Abs. 3 GG regelmäßig der Fall sein wird. Zurechenbar ist die beeinträchtigende Wirkung des Verhaltens dem Träger staatlicher Gewalt aber nur dann, wenn der Träger staatlicher Gewalt maßgeblichen Einfluß auf den Eintritt der schutzbereichsbeeinträchtigenden Wirkung hat83. Diese Feststellung fordert wertende Erwägungen, erlaubt aber, die Verursachungsbeiträge anderer Akteure, z.B. des betroffenen Grundrechtsträgers selbst oder eines anderen privaten Konkurrenten, auszuscheiden oder als allein maßgeblich zu betrachten. Eine derartige Zurechnung kann auch problemlos unmittelbare, faktische oder mittelbare Beeinträchtigungen als Eingriff erklären 84. Allerdings läßt sich nicht abstrakt festlegen, wieviele Zwischenglieder oder Unterbrechungen die Kausalkette aufweisen darf, um noch
82
So BVerfGE 66, 39 (60); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 259; Schulte, DVB1. 1988, 512 (517). 83 Bleckmann/Eckhoff, DVB1. 1988, 373 (378). 84 Schuhe, DVB1. 1988, 512 (517).
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zurechenbar zu sein. Diese Entscheidung ist nur im Einzelfall aufgrund einer Wertung zu treffen, indem die Maßgeblichkeit des Verursachungsbeitrages gewichtet wird.
(2) Eingriffsgleiche Beeinträchtigung Ein in der Diskussion befindliches Begrenzungskriterium ist das Erfordernis einer "eingriffsgleichen Beeinträchtigung", wonach einer staatlichen Maßnahme dann Eingriffscharakter zukommen soll, wenn ihre Wirkung auf den Schutzbereich der Wirkung eines klassischen Eingriffs gleichkommt85. Gegen ein derartiges Kriterium müssen dogmatische Bedenken erhoben werden, da es die Struktur des klassischen Eingriffsbegriffes verkennt86. Der klassische Eingriffsbegriff stellte gerade nicht auf die Wirkung einer Maßnahme ab, sondern erkannte einer staatlichen Maßnahme Eingriffsqualität aufgrund ihrer besonderen Struktur zu. Der Vergleich ist daher methodisch sehr fragwürdig, unterliegt angesichts des Fehlens einer "typischen" Wirkung des klassischen Grundrechtseingriffes zudem auch Bedenken in der Handhabung.
(3) Grundrechtsspezifische Einwirkung Vereinzelt findet sich auch die Forderung, daß die in Rede stehende staatliche Maßnahme "grundrechtsspezifisch" sein muß, um Eingriffscharakter zu besitzen87. Dabei wird jedoch nicht klar, was denn unter diesem Merkmal zu verstehen sein soll. Definitionen fehlen in der Regel, auch eine Subsumtion findet nur selten statt. So läßt sich dem "Glykolwein"-Urteil des OVG Münster** entnehmen, daß eine Maßnahme sich dann grundrechtsspezifisch auswirken soll, wenn die grundrechtsbeeinträchtigende Wirkung nicht der bloße Reflex der staatlichen Maßnahme ist, sondern das Ergebnis einer zielgerichteten Änderung gewisser Rahmenbedingungen, mit der der Staat zu Lasten bestimmter Unternehmen einen im öffentlichen Interesse liegenden Erfolg herbeiführen will - was mit einer objektiv berufsregelnden Tendenz gleichgesetzt wird 89 . Neben einem gewissen Anklang an das Merkmal der "Finalität" läßt sich dieser Aussage nur entnehmen,
85
BVerwGE 71, 183 (195); Hoffmann-Riem, in: AK-GG, Art. 5 I, II Rn. 31 und Art. 8 Rn. 28. 86 Eckhoff,; S. 237 f. 87 BVerwGE 71, 183 (194); OVG Münster GewArch. 1988, 11 (13 f.). 88 GewArch. 1988, 11 ff. 89 OVG Münster GewArch. 1988, 11 (13).
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daß es auf die Wirkung der staatlichen Maßnahme bei dem betroffenen Grundrechtsträger ankommt. Dies ist jedoch nur Altes in neuem Gewände. Lilbbe-Wolff hat daher zutreffend herausgearbeitet, daß es sich bei der "grundrechtsspezifischen Einwirkung" um eine inhaltsleere Formel oder - bei einem Verständnis des Merkmals "grundrechtsspezifisch" als diejenigen Einwirkungen, die in den Schutzbereich eines Grundrechts eingreifen 90 - um eine bloße Wiederholung des Problems handelt91. Dem ist nichts hinzuzufügen.
(4) Vorhersehbarkeit Ausgehend von der imperativen Struktur des kassischen Eingriffsbegriffes ist das Kriterium der "Vorhersehbarkeit" entwickelt worden92. Um die Handlungsfähigkeit der Exekutive zu gewährleisten93, soll die Vorhersehbarkeit der Beeinträchtigung gefordert sein, damit die Auslösung der Geltung des Gesetzesvorbehaltes gerechtfertigt erscheint94. Doch auch dieses Kriterium ist kritisch zu betrachten. Ist doch anerkanntermaßen die Wirkung einer staatlichen Maßnahme auf einen grundrechtlichen Schutzbereich im Mittelpunkt der Betrachtung, so erscheint es wenig überzeugend, mit der Vorhersehbarkeit nicht den Effekt des staatlichen Handelns, sondern die Art und Weise der Vornahme zu beleuchten95. Die Gefahr, daß die Grundrechte bei einem Erfordernis der Vorhersehbarkeit zu einem - bezogen auf das Staatshandeln - "ex-ante-Schutz" degenerieren, ist ebenfalls nicht zu mißachten. Dies wäre aber die Konsequenz, wollte man die nicht vorhersehbaren Konsequenzen des Staatshandelns, die eben erst nach Abschluß der staatlichen Maßnahme sichtbar werden, nicht mehr an den Grundrechten messen96. Schließlich ist zu betonen, daß Beurteilungen wie die Vorhersehbarkeit einer Maßnahme rechtfertigenden Charakter andeuten. Die Prüfimg, inwieweit ein Staatshandeln legitim ist, umfaßt auch die Prüfung der Vorhersehbarkeit seiner Auswirkungen. Die Vorhersehbarkeit beeinflußt die Gewichtung des öffentlichen Anliegens in der Abwägung mit den grundrechtlich geschützten Interessen des betroffenen Bürgers, spielt also eine Rolle bei der Frage, ob der vorher festgestellte Eingriff
90
Ossenbühl y Umweltpflege, S. 31. Lübbe-Wolffy NJW 1987, 2705 (2709); ebenso Schuhe y DVB1. 1988, 512 (517); ders. y Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 91 f. 92 GallwaSy Beeinträchtigungen, S. 95 f. 93 GallwaSy Beeinträchtigungen, S. 94. 94 GallwaSy Beeinträchtigungen, S. 95 f.; vorsichtig auch Schulte y DVB1. 1988, 512 (518); ders. y WUR 1991, 231 (231). 95 Eckhoff y S. 247. 96 Vgl. ebenfalls Eckhoff t S. 247. 91
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gerechtfertigt ist. Dann sollte dieses Kriterium aber auch auf der Rechtfertigungsebene geprüft werden. Die Probleme bei der Bestimmung eines Eingriffs sollten nicht dazu fuhren, jede dogmatische Struktur preiszugeben, sondern vielmehr Anlaß bieten, neben der Entwicklung neuer Eingriffsstrukturen die beiden anderen Ebenen - Schutzbereich und Eingriffsrechtfertigung - um so genauer zu bearbeiten und bewährte dogmatische Vorgaben stärker zu beachten.
(5) Finalität Trotz der Auflösung des klassischen Eingriffsbegriffes wird auch ab und zu noch die Finalität der Maßnahme als wesentliches Eingriffskriterium gesehen97. Als unabdingbares Kriterium für das Vorliegen eines Eingriffs ist die Finalität abzulehnen, da es ein Strukturmerkmal der staatlichen Maßnahme beschreibt, das auf die vor allem wirkungsbezogen erfaßbare Schutzbereichsbeeinträchtigung mittelbarer und faktischer Eingriffe nicht paßt98. Richtig verstanden kann das Finalitätskriterium aber einen "idealtypischen Grenzfall 11 der Zurechnung staatlicher Maßnahmen im Sinne eines Grundrechtseingriffs darstellen99, und zwar in dem eingangs erwähnten Sinne, daß die klassischen Eingriffsmerkmale einen Grundrechtseingriff beschreiben, aber eben nicht mehr abschließend. Handelt der Staat bewußt und zielgerichtet im Hinblick auf ein grundrechtlich geschütztes Gut, liegt es nahe, ohne weitere Prüfung die Zurechenbarkeit zu bejahen und einen Eingriff anzunehmen100. Dies kann aber ohne Zuhilfenahme weiterer Wertungsgesichtspunkte nur gelten, wenn der bewußte und Zielgerichte Zugriff gerade auf das grundrechtliche Schutzgut erfolgt 101 . Als festes Begriffskriterium taugt die Finalität jedenfalls nicht mehr.
97
BVerwGE 71, 183 (194); OVG Münster GewArch. 1988, 11 (13). Kritisch auch Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 93-95. 98 Lübbe-Wolff, NJW 1987, 2705 (2710), hat nicht zu Unrecht darauf hingewiesen, daß das vom BVerwG nicht durchgängig verwandte Finalitätserfordernis weniger auf dogmatischen Gründen als vielmehr auf Ergebniswünschen beruht. 99 Di Fabio , JZ 1993, 689 (695). Als "Komplementärmerkmal" nennt Di Fabio die Schwere bzw. Intensität der Beeinträchtigung; auf dieses Merkmal ist noch zurückzukommen. 100 Ebenso Discher, JuS 1993, 463 (465). 101 A.A. Di Fabio , JZ 1993, 689 (695), der Finalität schon dann bejahen will, "wenn die Grundrechtsauswirkung das planvoll eingesetzte Mittel ist, um einen öffentlichen Zweck zu erreichen". Dies dürfte jedoch zu weitgehend sein, da mit dieser Anforderung nicht mehr als nur die Kausalität der staatlichen Handlung für die Grundrechtsbeeinträchtigung beschrieben ist.
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(6) Soziale Adäquanz Wenig überzeugend ist auch der Gedanke, die insbesondere im Strafrecht bekannte102 soziale Adäquanz der Beeinträchtigung eines Rechtsgutes für das Nichtvorliegen eines Eingriffs fruchtbar zu machen103. Danach würden dann staatliche Verhaltensweisen, die in der gegenwärtigen Gesellschaft sozialadäquate Risiken darstellen, nicht als Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts gewertet. Bei der Prüfung, inwieweit ein staatliches Verhalten den Schutzbereich im Sinne eines Eingriffs beeinträchtigt, darf jedoch nicht auf typisch gesellschaftliche Maßstäbe abgestellt werden, da das typisch Staatliche dabei zu kurz kommt 104 . Neben einer zu bezweifelnden tatsächlichen Identität der staatlichen und gesellschaftlichen Sphäre werden so die besonderen staatlichen Bindungen vernachlässigt, vor allem die Grundrechte. Von der Gesellschaft ausgehende Beeinträchtigungen von Rechtsgütern sind in Ermangelung einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte eher hinzunehmen. Das Zusammenleben von Privaten erfordert gerade bei Zunahme der gegenseitigen Abhängigkeit und bei dichterem Zusammenleben das Dulden bestimmter, eben aus dem Zusammenleben resultierender Risiken. Diese Risiken müssen aber anders beurteilt werden als die gesellschaftlichen Risiken, da eben das Verhältnis des Privaten zur Gesellschaft ein anderes als jenes zum Staat ist. Wollte man auch dem Staat sozialadäquate Verhaltensweisen zubilligen, würde dies einen faktischen Ausschluß der Grundrechtsgeltung in diesen Fällen bedeuten. Dies ist mit der umfassenden Grundrechtsbindung jeder Ausübung von Staatsgewalt nach Art. 1 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren. Hieran zeigt sich dann auch, daß die Lehre von der sozialen Adäquanz nicht ohne weiteres aus dem Strafrecht übernommen werden darf: Im Hinblick auf den an einzelnen Rechtsgütern orientierten Schutz des Strafrechts kann es ohne weiteres angehen, daß bestimmte typische Verhaltensweisen von Privaten (!), also Mitgliedern der Gesellschaft, als nicht tatbestandsmäßig ausgegliedert werden 105, da es ohnehin (bewußte) Lücken im strafrechtlichen Rechtsgüterschutz gibt. Auf die grundrechtlichen Schutzbereiche kann dieses System so aber nicht übertragen werden, da der Grundrechtsschutz gerade umfassend und lückenlos sein soll. Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht läßt keine Lücken zwischen den Schutzbereichen106 und er-
102
S. hierzu Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 33 ff. Diesen Ansatz verfolgen beispielsweise BVerwGE 54, 211 (223); BVerwG N V w Z 1984, 514 (515). Vgl. auch BVerfGE 49, 89 (143). 104 S. dazu vertiefend Eckhoff, S. 251 f. 105 Vgl. Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 33, 41. 106 Vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 421 ff. 103
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faßt damit alle vom Staat (!) ausgehenden Beeinträchtigungen, die nicht einem speziellen Schutzbereich unterfallen. Auch die soziale Adäquanz ist daher fur einen neuen Eingriffsbegriff ungeeignet.
(7) Schutzzweck der Norm bzw. funktionaler Schutzbereich Vorgeschlagen wird auch, in Anlehnung an die zivilrechtliche Normzwecktheorie 107 nur solche Verhaltensweisen des Staates als Eingriff anzuerkennen, die materiell nach Maßgabe des Schutzzwecks des Grundrechts zugerechnet werden können108. Im Mittelpunkt auch des Eingriffsbegriffes steht die Bestimmung des funktionalen Schutzbereiches. Dieser jeweils spezielle Schutzbereich wird mit Hilfe von einfachgesetzlichen Normen herausgearbeitet 109, die den Schutzbereich materiell ausfüllen. Hier liegt bereits der Ansatzpunkt einer grundsätzlichen Kritik: Eine Ausfüllung grundrechtlicher Schutzbereiche mit einfachgesetzlichen Vorschriften, die ja ihrerseits an dem grundrechtlichen Schutzbereich, den sie ausfüllen sollen, zu messen sind, endet im Zirkelschluß. Auf die Wettbewerbsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG bezogen würde dies bedeuten, daß UWG und GWB als einfachgesetzliche Normen die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährte Wettbewerbsfreiheit ausprägen110. Dem ist zuzustimmen, soweit die Aussage dahin gehend verstanden wird, daß diese einfachgesetzlichen wettbewerbsrechtlichen Normen im Lichte der grundgesetzlich garantierten Wettbewerbsfreiheit zu sehen und anzuwenden sind. Diese Notwendigkeit ergibt sich aber ohnehin aus dem Vorrang des Gesetzes. Die Ausfüllung eines grundrechtlichen Schutzbereiches durch einfachgesetzliche Vorschriften, die dann durch einen derart bestimmten Schutzbereich wieder ihrerseits kontrolliert werden, bringt aber keine hilfreichen Ergebnisse. Unabhängig vom Regelungsvorbehalt, dem gerade die Wettbewerbsfreiheit unterliegt, würden die Grundrechte bei diesem funktionalen Schutzbe-
107 Vgl. dazu Deutsch, Haftungsrecht, S. 234 ff.; Wolf\ Der Normzweck im Deliktsrecht, passim. Zur Übertragung von Gedanken der zivürechtlichen Normzwecklehre in das Öffentliche Recht Ramsauer, Beeinträchtigungen, S. 161 ff. 108 BVerwGE 71, 183 (192); Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 278; Lübbe-Wolff, NJW 1987, 2705 (2710 f.); Ramsauer, Beeinträchtigungen, S. 54 f., 121 ff., 161 ff., 171 ff.; Schuhe, DVB1. 1988, 512 (517); ders., Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 96 f. 109 Schuhe, DVB1. 1988, 512 (517); ders., Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 96 mit Fn. 59. 1,0 So auch Schuhe, DVB1. 1988, 512 (517); ders., Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 96 f. Fn. 59. 14 Schliesky
210
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reichsverständnis der Disposition des einfachen Gesetzgebers anheimgestellt111 und die grundrechtlichen Schutzbereiche jeweils nach Eingriffsnotwendigkeit zugeschnitten112. Schließlich ist neben den Bedenken, die gegen die Übernahme einer zivilrechtlichen Unrechtslehre erhoben wurden 113, noch auf das zuvor schon geäußerte Unbehagen hinzuweisen, das die Vorverlagerung von wertenden Rechtfertigungselementen auf die Eingriffsebene hervorruft.
(8) Schutzbereichsabhängiger Eingriffsbegriff Der Gegenvorschlag zu einer eingriffsbezogenen Schutzbereichsdefinition, wie sie die Ansicht vom funktionalen Schutzbereich vornimmt, ist ein schutzbereichsabhängiger Eingriffsbegriff. Für die Feststellung eines Eingriffs soll eine Wertung erforderlich sein, bei der einerseits das Ausmaß der Beeinträchtigung und andererseits der Gegenstand der Beeinträchtigung, also das grundrechtliche Schutzgut, zu beachten sind114. Die zwei zu berücksichtigenden Kriterien "Sensibilität des Schutzgutes" und "Beeinträchtigungsintensität" bedürfen der wertenden Betrachtung, wobei die Eingriffsschwelle um so geringer anzusetzen sein soll, je sensibler das Schutzgut ist. Den oben schon geäußerten Bedenken soll hier nur noch eines hinzugefügt werden: Die im Rahmen der Wertung erforderliche Beurteilung der Sensibilität eines Schutzgutes muß im Grunde genommen eine abstrakte Bewertung der Grundrechte vornehmen, eine Rangfolge festzulegen. Anders als die Gewichtung des betroffenen Schutzgutes im Rahmen der Prüfung, inwieweit der festgestellte Eingriff gerechtfertigt ist, bei der das Gewicht des betroffenen Schutzgutes im konkreten Einzelfall zu bestimmen ist, muß auf der Eingriffsebene eine abstrakte Bewertung des grundrechtlichen Schutzbereiches im Vergleich zu den anderen Schutzbereichen erfolgen, um die angestrebte grundrechtsspezifische Eingriffsschwelle festzulegen, anhand derer dann die Beeinträchtigung gemessen wird. Eine solche Rangfolge ist den Grundrechten des Grundgesetzes aber nicht zu entnehmen. Die Religionsfreiheit des Art. 4 GG ist nicht von vornherein höher zu bewerten als die Wettbewerbsfreiheit 115. Richtig erscheint demgegenüber der Ansatz, der Intensität der Beeinträchtigimg eine maßgebende Rolle bei der Feststellung eines Eingriffs zuzuschreiben.
1,1 112 113 1.4 1.5
Ähnlich kritisch Di Fabio , JZ 1993, 689 (696 f.). Eindeutig ablehnend daher BVerfGE 85, 386 (397). Vgl. Eckhoff, S. 266 ff. Badura, FS Steindorff, S. 840; Eckhoff, S. 243. Anders offensichtlich Heintzen, VerwArch. 1990, 532 (544).
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(9) Intensität Nachdem man den Blick von den Strukturen der eingreifenden Maßnahme mit Aufgabe des klassischen Eingriffsbegriffes gelöst und dafür die Wirkung der Maßnahme in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt hat, ist es nur folgerichtig, fur die zurechnende Bewertung einer staatlichen Maßnahme auf die Intensität der Beeinträchtigung abzustellen. Ein Eingriff in einen grundrechtlichen Schutzbereich liegt demnach nur vor, wenn die zu beurteilende staatliche Maßnahme einen grundrechtlichen Schutzbereich berührt und diese Beeinträchtigung von einer gewissen Intensität ist 116 . Die Intensität ist also nach der tatsächlichen freiheitsvermindernden Wirkung der staatlichen Maßnahme zu bestimmen. Eine fur einen Eingriff ausreichende Intensität ist zu bejahen, wenn eine deutlich erkennbare und subjektiv von dem Betroffenen spürbare Veränderung hinsichtlich der Freiheitsbetätigung zu registrieren ist 117 . Ausgeschieden werden damit Beeinträchtigungen unterhalb einer gewissen Bagatellgrenze; unterhalb dieser Intensitätsstufe liegende staatliche Maßnahmen, die sich auf einen grundrechtlichen Schutzbereich auswirken, stellen keinen Eingriff, sondern bloße Belästigungen dar 118 . Das Erfordernis der über die Bagatellgrenze hinausgehenden Intensität verhindert die Gefahr der Uferlosigkeit des Eingriffsbegriffes. Dabei darf die Bagatellgrenze aber nicht so hoch angesetzt werden, daß auf diese Weise die Grundrechtsbindung nach Art. 1 Abs. 3 GG umgangen wird. Lediglich evident geringfügige Belästigungen sind hier auszuscheiden 119 .
116
BVerfGE 86, 28 (38 f.); BVerwGE 87, 37 (39 f.); BVerwG NJW 1996, 3161 (3161); Bleckmann/Eckhoff, DVB1. 1988, 373 (380); Di Fabio , JZ 1993, 689 (695); Eckhoff; S. 252 ff., 255, 285; Ehlers, in: ders. (Hrsg.), Kommunale Wirtschaftsförderung, S. 125 (Einschränkung "in erheblichem Maße"); Meyn, JuS 1990, 630 (633); Ossenbühly Umweltpflege, S. 31; Pieroth/Schlinky Grundrechte(9. Aufl.), Rn. 218; Roth, S. 231; Scherzbergy S. 74 ff., 205 ff., 208 ff.; Schoch y DVB1. 1991, 667 (670); Sodan y DÖV 1987, 858 (864). Vgl. auch P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 234 ff. 117 Di FabiOy JZ 1993, 689 (695); Haverkate y in: R. Schmidt (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht BT 1, § 4 Rn. 79. A.A. Albers y DVB1. 1996, 233 (236), die an dieser Stelle Erwägungen zu "Schutzbereich" und "Eingriff' nicht hinreichend trennt. 118 Di Fabio, JZ 1993, 689 (695); Eckhoff S. 255 ff.; Ehlers, DVB1. 1993, 861 (865); Pieroth/Schlinky Grundrechte (9. Aufl.), Rn. 278. A.A. Sachs y in: Stern, Staatsrecht III/2, S. 209 f., der eine "allgemeine Geringfugigkeitsgrenze als Eingriffskriterium ablehnt, mit Hilfe der Intensität aber einzelne Schutzgegenstande aus dem grundrechtlichen Schutzbereich aussondern will. 119 Ebenso Di Fabio , JZ 1993, 689 (695); Eckhoff; S. 257. Ob die Forderung nach einem "schweren und unerträglichen Betroffensein" (z.B. bei Klagen in Dreieckskonstellationen) zu rechtfertigen ist, erscheint vor diesem Hintergrund sehr fraglich. Eckhoff y S. 257, versucht dies damit zu rechtfertigen, daß die Schwere des Eingriffs das Fehlen
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
Beschränkt man sich bei dem Eingriffsbegriff neben der Zurechenbarkeit einer staatlichen Maßnahme auf die Intensität als begriffsbildendes Kriterium, so ist zuzugeben, daß eine Zunahme der eingreifenden Maßnahmen im Vergleich zum klassischen Eingriffsbegriff stattfinden wird (und bereits stattgefunden hat). Dies ist jedoch gerade beabsichtigt, da sich der klassische Eingriffsbegriff angesichts neuer grundrechtlicher Gefahrdungslagen durch neuartige staatliche Aktivitäten als zu eng erwiesen hat. Schwerer wiegt die Kritik, die dem Kriterium der Intensität Konturenlosigkeit und die Provokation richterlicher Kasuistik vorwirft 1 2 0 . Dem ist einzuräumen, daß ein Abstellen auf die Intensität in der Tat in jedem Einzelfall eine Weitung erfordert. I m Zweifelsfall hat der Richter die Aufgabe, das Überschreiten der Bagatellgrenze festzustellen. Wertungen haben naturgemäß etwas Ungewisses, etwas nur schwer Abstrahierbares. Insofern liegt der Vorwurf der Konturenlo-
einer Titel- und Vollstreckungsfunktion im Vergleich zum klassischen Eingriff in Form des belastenden Verwaltungsakts kompensieren soll. Dies klingt jedoch sehr nach einer Argumentation im Sinne einer eingriffsgleichen Beeinträchtigung, s.o. (2). - Lübbe-Wolff y Grundrechte, S. 293 ff., hat vielmehr eindrucksvoll nachgewiesen, daß die von der h.M. verlangten Kriterien für das Vorliegen eines Eingriffs in die Wettbewerbs freiheit zu hoch sind und den Schutzbereich der Wettbewerbs freiheit unzulässig auf den effektiven Gewährleistungsbereich verkürzen. Lilbbe-Wolff gelangt daher konsequent zu einem sehr weiten Eingriffsbegriff, der "jede beeinträchtigende Ingerenz in den Schutzbereich eines Freiheitsgrundrechts durch positives staatliches Handeln" erfaßt (S. 315). Auf die Wettbewerbsfreiheit bezogen bedeutet dies, daß sie einen Eingriff in diese - am Beispiel der Subvention - bereits annimmt, wenn ein unmittelbares Konkurrenzverhältnis zum Empfänger der Subvention besteht (S. 307). Dies erscheint jedoch zu weitgehend. Sieht man einmal von den - von Lilbbe-Wolff selbst eingeräumten (S. 307 Fn. 263) - praktischen Schwierigkeiten bei der Ermittlung eines unmittelbaren Konkurrenzverhältnisses ab, so geht dennoch die Handhabbarkeit des Eingriffsbegriffes verloren. Denn ein Wettbewerbsbzw. Konkurrenzverhältnis besteht gerade durch das eigene Tätigwerden der privaten Grundrechtsträger, ohne jegliches staatliche Tätigwerden. Die Feststellung eines Eingriffs in den Schutzbereich nur allein an das staatliche Tätigwerden zu knüpfen, ist zu wenig, da nach hier zugrunde gelegter Vorstellung "Eingriff' immer die Verkürzung grundrechtlicher Freiheit bedeutet. Diese Verkürzung muß aber tatsächlich vorhanden und festgestellt worden sein, und sie kann - schon vom Wirkungsgrund der Grundrechte her - nicht allein durch die Tatsache der Konkurrenz eines anderen Privaten vermittelt sein. Dementsprechend liegt nach hier vertretener Auffassung kein Eingriff vor, wenn eine Subvention keinerlei Auswirkungen auf die Wettbewerbsstellung des einzelnen hat, etwa weil der Markt so groß ist, daß die Subvention allenfalls existenzerhaltend wirkt. Auf ein materielles Kriterium (hier vorgeschlagen: Intensität) kann daher nicht verzichtet werden, wenn ein an Eingriffsmaßstäben orientierter grundrechtlicher Schutz der Wettbewerbsfreiheit angestrebt wird (was auch Lübbe-Wotff y Grundrechte, S. 309 f., will). 120
Schulte, DVB1. 1988, 512 (517); ders., WUR 1991, 231 (231). Kritisch auch Lübbe-Wolff, NJW 1987, 2705 (2710).
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
213
sigkeit nahe; er wird aber bei verantwortungsvoller Rechtsprechung und dem Bemühen um eine differenzierte Intensitätsskala leerlaufen. Das Intensitätskriterium bietet dafür jedoch den Vorteil, daß es eine Auflösung der bislang anerkannten Grundrechtsprüfung (Schutzbereich - Eingriff - Rechtfertigung des Eingriffs) vermeidet - ein Vorwurf, der den anderen - im übrigen auch nicht ohne Wertungen auskommenden - Vorschlägen zu machen ist. Schließlich kann auch der Einwand, die Intensität als Beurteilungskriterium entziehe sich der von der Verwaltung zu verlangenden ex-ante-Betrachtung121, nicht verfangen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß es auf die Vorhersehbarkeit des Eingriffs nicht ankommt. Überdies kann es auf eine ex-ante-Betrachtung nicht ankommen, wenn die Wirkung einer staatlichen Maßnahme im Mittelpunkt stehen soll. Daß die Verwaltung sich die potentiellen Auswirkungen eines Handelns im Wege einer ex-ante-Betrachtung überlegen sollte, steht allerdings außer Frage.
(10) Konturen eines neuen Eingriffsbegriffes Die in der Diskussion befindlichen Eingriffskriterien sind damit auf ihre Tauglichkeit untersucht worden. Zwei Begriffsbestandteile können danach Geltung beanspruchen: Die staatliche Maßnahme muß zurechenbar sein, und sie muß den grundrechlichen Schutzbereich mit einer gewissen Intensität beeinträchtigen. Entscheidend ist - im Gegensatz zum klassischen Eingriffsbegriff - die Wirkung der staatlichen Maßnahme, bezogen auf den grundrechtlichen Schutzbereich122. Aus diesem Wechselspiel zwischen der staatlichen Maßnahme und ihrer Wirkung ergibt sich auch ein korrespondierendes Verhaltensrecht, das dem staatlichen Handeln eben aufgrund seiner Auswirkungen in grundrechtlichen Schutzbereichen Grenzen setzt. Maßgebend ist die Beeinträchtigung eines Verhaltens im Schutzbereich, das von ausreichendem Gewicht ist, eine Freiheitsentfaltung des betroffenen Grundrechtsträgers zu behindern. Der Eingriff läßt sich demnach abstrakt wie folgt definieren: Eingriff ist jedes staatliche Verhalten, welches in zurechenbarer Weise das durch einen grundrechtlichen Schutzbereich erfaßte Verhalten beeinträchtigt, sofern es eine gewisse, eine Bagatellgrenze überschreitende Intensität aufweist 123. Darüber hinaus sollte auf weitere (einschränkende) Begriffskriterien verzichtet werden, um den mit der Auflösung des klassischen Eingriffsbegriffes gewon-
121
Schuhe, WUR 1991, 231 (231). Vgl. nur BVerwGE 75, 109 (115); 87, 37 (41 f.); Pieroth/Schlink, Rn. 259; Schoch, DVB1. 1991, 667 (670). 123 In diesem Sinne auch Jahn, JuS 1993, 643 (644). 122
Grundrechte,
214
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
nenen Freiraum nicht wieder aufzugeben. Die Flexibilität, die ein zugegebenermaßen weiter Eingriffsbegriff bietet, dürfte angesichts immer wieder neuer "Herausforderungen" in Form der Erfassung staatlicher Verhaltensweisen nicht zu unterschätzen sein. Eine erneute Einengung des Eingriffsbegriffes ist daher nicht anzustreben und dürfte auch nicht geboten sein. Die Befürchtung, daß der Eingriffsbegriff seine klare dogmatische Funktion einbüßen könnte124, kann in dieser Strenge nicht geteilt werden, zumal da die dogmatische Funktion des Schutzbereiches und der Rechtfertigungsebene schärfere Konturen aufgrund verstärkter Beschäftigung mit diesen Ebenen erhält. Den partiellen Ausfall filternder Funktion können der Schutzbereich und die Eingriffsrechtfertigung ohne weiteres kompensieren. Wertende Betrachtungen, die das grundrechtliche Schutzgut im Verhältnis zum Eingriff zum Gegenstand haben, gehören - unter Einbeziehung des öffentlichen Interesses - zur Frage nach der Eingriffsrechtfertigung, also auf die "dritte Ebene". Ein Verlust an abstrakter Begriffsschärfe beim Eingriffsbegriff erfordert allerdings genaueres Arbeiten auf den anderen beiden Ebenen. Auch das sicherlich gewichtige Bedenken, daß mit einer Erweiterung des Eingriffsbegriffes eine Ausweitung des gerichtlichen Rechtsschutzes und damit eine Verschiebung des grundgesetzlichen Machtgefüges verbunden ist 125 , vermag eine Zurücknahme des weiten Eingriffsbegriffes nicht zu rechtfertigen. Denn diese faktische Machtverschiebung kann seitens des Gesetzgebers durch eigenes Tätigwerden ausgeglichen werden. Der Machtverlust an die Judikative kann verhindert werden, indem die Legislative neue Eingriffsrechtfertigungen schafft, die auch neuen Handlungsformen der Verwaltung und damit neuen Beeinträchtigungsarten gerecht werden. Ebenso kann an prozeßrechtliche Regelungen, die den Zugang beispielsweise zur Verfassungsgerichtsbarkeit differenzieren und höheren Zugangshürden unterwerfen, als es in der Fachgerichtsbarkeit der Fall ist, gedacht werden. Die Erweiterung des Spielraums der Judikative im Verhältnis zur Exekutive hingegen ist nicht nur legitim, sondern sogar erforderlich. Schließlich hat sich die Exekutive - ausgehend von der stärkeren Ausprägung der Sozialstaatlichkeit in den vergangenen Jahren - neue Tätigkeitsfelder erschlossen, wenn sie nicht von der Legislative erschlossen wurden. Das Aufgreifen neuer Handlungsformen tat ein übriges, den Handlungsspielraum zu erweitern. Um nun Art. 1 Abs. 3 GG, hinsichtlich des Verhältnisses der Staatsgewalten zueinander vor allem dem Art. 20 Abs. 3 GG Rechnung zu tragen, ist eine Ausweitung der gerichtlichen Kontrollbefugnis geradezu geboten.
124
Eckhoff,
125
Eckhoff,
S. 235. S. 154, 171, 241, 243 ff.
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
215
bb) Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit Zu den soeben herausgearbeiteten Kriterien des Eingriffsbegriffes wird zum Teil fur einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG eine weitere Anforderung aufgestellt. Insbesondere in der älteren Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgerichts wird eine Prüfung mittelbarer Regelungen, die infolge ihrer tatsächlichen Auswirkungen geeignet sind, die Berufsfreiheit zu beeinträchtigen, sowie tatsächlicher Auswirkungen staatlicher Maßnahmen an Art. 12 Abs. 1 GG nur vorgenommen, wenn sie in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lassen126. Ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG läge demnach nur vor, wenn die zur Beurteilung anstehende Maßnahme neben der Zurechenbarkeit und einer gewissen Intensität noch eine objektiv berufsregelnde Tendenz aufwiese. Aufschlußreich sind aber neuere Entscheidungen, in denen das Merkmal der objektiv berufsregelnden Tendenz nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr gefordert wird. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgesprochen, daß die Überprüfung einer Verbotsnorm an Art. 12 Abs. 1 GG nicht von vornherein ausgeschlossen ist, wenn das Verbot keine bestimmte berufsregelnde Tendenz enthält 127 ; ausreichend können danach Vorschriften sein, die ohne berufsregelnde Zielrichtung ergehen, dafür aber infolge ihrer tatsächlichen Auswirkungen geeignet sind, die Berufsfreiheit zu beeinträchtigen. Die gleiche Linie verfolgt das Gericht in einem späteren Beschluß128: "Der besondere Freiheitsraum, den das Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG sichern will, kann jedoch auch dann berührt sein, wenn die Auswirkungen hoheitlichen Handelns geeignet sind, die Berufsfreiheit zu beeinträchtigen. Das ist insbesondere bei staatlicher Planung und Subventionierung mit berufsregelnder Tendenz möglich (...)"· Aus der Formulierung "insbesondere" wird deutlich, daß die berufsregelnde Tendenz kein zwingendes Kriterium sein kann. In einem Beschluß aus dem Jahre 1992 schließlich findet die berufsregelnde Tendenz keine Erwähnung mehr; ausreichend soll sein, daß die staatliche Maßnahme den Wettbewerb beeinflußt und die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit dadurch behindert wird 129 . Auch das Bundesverwaltungsgericht hält die objektiv berufsregelnde Tendenz in neueren Entscheidungen nicht mehr für eingriffskonstituierend. Im Glykol-
126
BVerfGE 16, 147 (162); 29, 327 (333); 37, 1 (17); 49, 24 (47 f.); 52, 42 (54); 70, 191 (214); BVerwGE 71, 183 (191); 75, 109 (115); Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 12 Rn. 43, 43 a. 127 BVerfGE 61, 291 (308). Aus früherer Zeit bereits BVerfGE 13, 181 (185 f.); 46, 120 (137 f.). 128 BVerfGE 82, 209 (223 f.). 129 BVerfGE 86, 28 (37).
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
wein-Urteil 130 betont das Gericht, daß das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht nur bei Vorliegen einer berufsregelnden Tendenz beeinträchtigt sein könne. Vielmehr kann nach Ansicht des Gerichts die Intensität der Beeinträchtigung das Fehlen einer objektiv berufsregelnden Tendenz kompensieren. Diese Linie hat das Gericht 131 bestätigt, indem es die Alternativität zwischen einer deutlich erkennbaren berufsregelnden Tendenz und der Intensität der Beeinträchtigung hervorhebt 132. Dieses schrittweise Aufgeben des Erfordernisses der objektiv berufsregelnden Tendenz erscheint nur konsequent, wenn bei der Beurteilung der Eingriffsqualität einer staatlichen Maßnahme auf ihre tatsächliche Wirkung abgestellt wird und es eben - wie oben gezeigt - nicht mehr auf die Struktur des Eingriffsaktes ankommt133. Denn letztlich ist das Merkmal der objektiv berufsregelnden Tendenz nur der Versuch, das auf den Handelnden abstellende und damit subjektive Merkmal der Finalität aus dem klassischen Eingriffsbegriff zu verobjektivieren. Wenn es aber nicht mehr auf das subjektive Beabsichtigen einer Berufsregelung und damit einer Grundrechtsbeeinträchtigung ankommt, sondern auf die objektiv berufsregelnde Tendenz, kann dies nur bedeuten, daß, wenn nun objektiv auf die Wirkung bzw. Tendenz abgestellt wird, eine gewisse Wirkung quantifizierbar sein muß. Diese Wirkung läßt sich aber nur bezogen auf das Schutzgut der Wettbewerbs« bzw. Berufsfreiheit in einer gewissen Intensität ausdrücken. Es ist m.a.W. eine derartige Intensität der Beeinträchtigung gefordert, daß eine Berufsregelung objektiv wahrnehmbar ist. Die objektiv berufsregelnde Tendenz ist demnach nur eine auf Art. 12 Abs. 1 GG bezogene Wiederholung des Merkmals der Intensität; sie ist verzichtbar. Wegen des Abstellens auf die Wirkung einer staatlichen Maßnahme bei der Beurteilung ihrer Eingriffsqualität ist das Merkmal der objektiv berufsregelnden Tendenz überflüssig geworden und braucht nicht mehr geprüft zu werden 134.
c) Rechtfertigung
des Eingriffs;
Gesetzesvorbehalt
Mit der Feststellung eines Eingriffs in den Schutzbereich eines Grundrechts ist regelmäßig der grundrechtliche Gesetzesvorbehalt ausgelöst, nach dem ein solcher Eingriff zu seiner Rechtfertigung einer verfassungsgemäßen einfachgesetzlichen Rechtsgrundlage bedarf 135. Nach anfänglichem Zögern ist jetzt doch
130 131 132 133 134
BVerwGE 87, 37 (43 f.). Nach dem dritten nun auch der erste Senat. BVerwGE 89, 281 (283); wiederholt in BVerwG NJW 1996, 3161 (3161). Vgl. auch Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR VI, § 148 Rn. 31. Ebenso Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR VI, § 148 Rn. 32.
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
217
überwiegend anerkannt, daß auch für faktische, mittelbare, durch schlichtes oder informelles Verwaltunghandeln vermittelte Grundrechtseingriffe, kurz: auch fur alle nicht-klassischen Eingriffe der Gesetzesvorbehalt gilt 136 . Um den mit der Eingriffserweiterung weiterhin gewährleisteten umfassenden Schutz der Grundrechte zu bewahren, kann die Entscheidung wohl auch nicht anders lauten. Um die grundrechtlichen Sicherungen nicht preiszugeben, ist auch allen Versuchen, die Geltung des Gesetzesvorbehaltes von der Eingriffsfeststellung abzulösen, eine eindeutige Absage zu erteilen 137. Es bleibt festzuhalten, daß auch weiterhin der staatliche Eingriff in einen grundrechtlichen Schutzbereich den Gesetzesvorbehalt auslöst. Problematisch ist aber, ob eine ausreichende Zahl diesem Gesetzesvorbehalt genügender Rechtsgrundlagen vorhanden ist. Es stellt sich außerdem die Frage, ob die Anforderungen an den Gesetzesvorbehalt angesichts eines anderen Eingriffsbegriffes nicht zu modifizieren sind, und - falls dies der Fall sein sollte wie die gesetzlichen Grundlagen für wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit auszusehen haben. Es geht dabei um verhaltensrechtliche Grundlagen für den Staat, die ihm ein Eindringen in die Schutzbereiche der ebenfalls Verhaltensrecht bildenden Grundrechte erlauben. Die Rechtsgrundlagen, die Eingriffe legitimieren, setzen den grundrechtlichen Schutzbereichen Schranken, ziehen aber andererseits auch die Grenzen zulässiger Verhaltensweisen des Staates nach, die dieser gegenüber den Grundrechtsträgern nicht überschreiten darf. Insoweit handelt es sich bei den nun zu untersuchenden Eingriffsrechtfertigungen sozusagen um korrespondierendes Verhaltensrecht. Wegen der strukturellen wie auch wirkungsbezogenen Ähnlichkeit138 zu der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit sollen hier auch andere Bereiche staatlicher Aktivität in die Betrachtung einbezogen werden, vor allem die sog. Jugendsekten-Rechtsprechung und die entsprechenden Stellungnahmen in der Literatur, da die (auch hier beabsichtigte) Behandlung von Auswirkungen auf die grundrechtlichen Freiheitsbereiche noch sehr stark kasuistisch geprägt ist.
135
Discher, JuS 1993, 463 (467); Heintzen, VerwArch. 81 (1990), 532 (549); Kluth,
S. 66; Schoch, WUR 1990, 45 (46). So jetzt auch BVerwG NJW 1996, 3161 (3161). 136 VGH Mannheim DÖV 1989, 169 (170); Ehlers, JZ 1991, 231 (234); Gusy y JZ 1989, 1003 (1004); P.-M. Huber, AllgVerwR, S. 204 f.; Kirchhof Verwalten, S. 251 f.; Ossenbühl, Umweltpflege, S. 38; Schoch, DVB1. 1991, 667 (673); Schulte, WUR 1991, 231 (232); Weber, S. 134. 137 Vgl. dazu überzeugend Eckhoff> S. 40-45. Ebenso Albers, DVB1. 1996, 233 (236, 237, 241). 138 Vgl. P.-M. Huber/Kohnen, ZG 1994, 67 (77); Schoch, WUR 1990, 45 (46).
218
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
aa) Haushaltsgesetz i.V.m. Haushaltsplan Als potentielle Rechtsgrundlage fur Eingriffe durch wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit in die Wettbewerbsfreiheit kommt das Haushaltsgesetz i.V.m. dem Haushaltsplan in Betracht. Zu denken ist dabei in erster Linie an wettbewerbsrelevante Staatstatigkeit in Form von Subventionen, aber auch an das Tätigwerden bestimmter öffentlicher Unternehmen139, deren Zufuhrungen im Haushaltsplan ausgewiesen sind. Die vielfach bezweifelte 140 Eingriffsqualität dieser staatlichen Verhaltensweisen kann nach den oben dargelegten Grundsätzen keinem Zweifel unterliegen, wenn eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsfreiheit des (bei Subventionen: nicht begünstigten) Konkurrenten vorliegt. Dann ist auch der Gesetzesvorbehalt ausgelöst, und es fragt sich nun, ob das Haushaltsgesetz i.V.m. dem Haushaltsplan eine ausreichende Ermächtigung fur derartige Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit darstellt 141. Dies ist angesichts der Mindestanforderungen an ein eingriffsregelndes Gesetz zu verneinen: Die Mittelaufschlüsselungen erfolgen nicht detailliert für die einzelnen Maßnahmen, vielmehr werden allenfalls schlagwortartig Förderungskreis und Förderungszweck genannt142. Dies ist wegen des sog. Bepackungsverbotes nach Art. 110 Abs. 4 S. 1 GG auch gar nicht anders denkbar 143. Vor allem aber entfaltet inbesondere der Haushaltsplan keine Außenwirkung 144; Wirkung besitzen Haushaltsgesetz und Haushaltsplan nur im innerorganschaftlichen Rechtskreis, dem Verhältnis zwischen Parlament und Regierung, nicht aber zwischen Bund bzw. Ländern und Dritten 145 . Wenn aber das Haushaltsgesetz gerade diese außenwirksame Beziehung nicht regeln soll und auch nicht regeln kann, so ist das Haushaltsgesetz als Rechtsgrundlage für Grundrechtseingriffe undenkbar.
139
Vgl. § 26 BHO. Etwa BVerwGE 6, 282 (287); 30, 191 (198). 141 Dies ist äußerst streitig; vgl. zu diesem Streitstand Bauer, DÖV 1983, 53 ff.; Patzig, Haushaltsrecht I, Rn. 228 ff.; Schnapp, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Ait. 20 Rn. 45; Stober, Handbuch, S. 177 ff. 142 Bauer, DÖV 1983, 53 (58); vgl. auch § 13 BHO. 143 Bauer, DÖV 1983,53 (58); Ossenbühl, in: Erichsen/Martens(Hrsg.), AllgVerwR, § 5 Rn. 14. 144 BVerfGE 38, 121 (126); Badura, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverwaltung, S. 54; Fischer-Menshausen, in: von Münch (Hrsg.), GGK III, Art. 110 Rn. 4. 145 § 3 BHO, § 3 HGrG sowie die entsprechenden Landeshaushaltsordnungen. Vgl. auch Fischer-Menshausen, in: von Münch (Hrsg.), GGK III, Art. 110 Rn. 4; Ossenbühl, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 5 Rn. 14. 140
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
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Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht sind diesai Anforderungen noch nicht explizit gefolgt; vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahre 1979 146 nur sehr zurückhaltende Anforderungen aufgestellt: Das Gericht verlangt zwar eine gesetzliche Grundlage für die Subventionierung, läßt dafür aber die Bereitstellung im Haushaltsgesetz einschließlich Bundeshaushaltsplan genügen147. Die weitergehende Normierung, unter welchen Voraussetzungen eine Förderung erfolgen darf und damit auch, unter welchen Voraussetzungen ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit eines Konkurrenten zulässig ist, hält das Gericht fur nicht erforderlich. Bedeutsam erscheint daher ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1992 zur Subventionierung eines privaten Vereins, der die Öffentlichkeit vor dem Wirken bestimmter Religionsgemeinschaften warnt 148 . Zwar geht es hier nicht um wirtschaftlich relevante Subventionen und die Beeinträchtigimg der Wettbewerbsfreiheit eines Konkurrenten, doch ist die strukturelle Ähnlichkeit mit dem Wettbewerbsverhältnis " Verwaltungsträger beeinflußt durch begünstigende hoheitliche Maßnahme gegenüber Mitbewerber die Wettbewerbsstellung des Unternehmers 1,149 augenscheinlich. Insbesondere ist die für den Grundrechtseingriff erforderliche Auswirkung der staatlichen Maßnahme in Form einer grundrechtlichen Freiheitsverkürzung vergleichbar. Fördert der Staat in dieser Fallgruppe einen am Markt tätigen Unternehmer (typisches Beispiel: Subventionen) und beeinträchtigt dadurch die Wettbewerbsstellung des Konkurrenten, so fördert der Staat in dem diesem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt einen auf dem "Religionsmarkt" tätigen privaten Verein und bewirkt dadurch einen Nachteil der bekämpften Religionsgemeinschaft im "Wettbewerb um Anhänger", der sich als Eingriff in die Religions- und Weltanschauungsfreiheit des Art. 4 GG darstellt. In diesem Urteil sieht das Bundesverwaltungsgericht in der Subventionierung einen Grundrechtseingriff bei der bekämpften Religionsgemeinschaft und dadurch den Gesetzesvorbehalt ausgelöst150. Neben anderen - nicht einschlägigen - Rechtsgrundlagen greift das Gericht auch den Bundeshaushaltsplan i.V.m. dem Haushaltsgesetz auf, hält diese aber ausdrücklich nicht für eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für einen Grundrechtseingriff 51. Die bislang vertretene Linie wird nun dahin gehend modifiziert, daß Haushaltsgesetz und Haushaltsplan nur für den "Normalfall der Subventionierung" ausreichen, soll heißen, solche Geldleistungen an Private, die "keine besonderen Grundrechtsprobleme
146 147 148 149 150 151
BVerwGE BVerwGE BVerwGE S.o. Β IV BVerwGE BVerwGE
58, 58, 90, 2 d. 90, 90,
45 ff. 45 (48); noch offengelassen in E 6, 282 (287). 112 ff. ("3. Jugendsekten-Entscheidung"). 112 (122). 112 (126).
220
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
aufwerfen " 1 5 2 . Auch das Bundesverwaltungsgericht betont nun den auf das Verhältnis von Parlament und Regierung begrenzten Regelungsgehalt des Haushaltsplans, seinen Charakter als reine Ausgaben- und Verpflichtungsermächtigung sowie die nur erfolgende Angabe des Förderungszwecks ohne nähere Regelung der Tatbestände, an die die Subventionierung geknüpft wird 153 . Aufgrund der Übertragbarkeit dieser Entscheidung auf wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit sollte nun auch das Bundesverwaltungsgericht in die Front derer einbezogen werden können, die das Haushaltsgesetz i.V.m. dem Haushaltsplan als Grundlage für grundrechtseingreifende Subventionen nicht ausreichen lassen wollen. Verallgemeinernd ist daher festzuhalten, daß das Haushaltsgesetz den Anforderungen an die gesuchte Rechtsgrundlage für wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit nicht genügt.
bb) Aufgabenzuweisungsnormen Wohl nicht zuletzt aus der Not, nämlich dem Fehlen konkreter Ermächtigungsgrundlagen, geboren, wird vertreten, daß Aufgabenzuweisungsnormen 154 eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für nicht-klassische Eingriffe darstellen 155 . Nun existiert aber die auf das Polizeirecht rückführbare 156 Trennung von Aufgabenzuweisungs- und Befugnisnorm, eine Unterscheidung, die nach der überwiegenden Auffassung auch nach der Erweiterung des Eingriffsbegriffes aufrechterhalten werden soll. Danach wird durch eine Aufgabenzuweisungsnorm einem Verwaltungsträger eine spezielle Aufgabe zur Erledigung zugewiesen; ihm wird ein Betätigungsfeld mitsamt Entscheidungskompetenz in einem sachlich abgegrenzten Bereich eröffnet 157. Die Befugnisnorm hingegen enthält eine konkrete Handlungsermächtigung, in der auch die Voraussetzungen geregelt sind,
152
BVerwGE 90, 112 (126). BVerwGE 90, 112 (126). 154 Die Terminologie ist uneinheitlich: Zuständigkeitsnormen bzw. -Vorschriften, Kompetenzzuweisungen, Aufgabennormen bezeichnen i.d.R. dasselbe. 155 BVerwGE 82, 76 (80 f.); Gallwas, Beeinträchtigungen, S. 100 f.; Götz, Polizeirecht, Rn. 143 a; Sodan, DÖV 1987, 858 (866). 156 Vgl. nur Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 129, 407; Götz, Polizeirecht, Rn. 139. 157 Vgl. Ossenbühly Umweltpflege, S. 39; Schuhe, DVB1. 1988, 512 (518). 153
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
221
unter denen der Verwaltungsträger zu Übergriffen in den Rechtskreis des Bürgers, also zu Grundrechtseingriffen ermächtigt ist 158 . Die Ansicht, nach der diese Unterscheidung hier keine Rolle mehr spielen soll, hat vor allem durch das Bundesverwaltungsgericht in seiner ersten "Jugendsekten"-159 und " Gly kol wein"-1 Entscheidung Auftrieb erhalten. Das Bundesverwaltungsgericht sieht einen Eingriff (hier: in Art. 4 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) durch "die verfassungsrechtliche Aufgabenstellung der Bundesregierung und deren Befugnisse zur Information und Aufklärung der Öffentlichkeit hinreichend gerechtfertigt" 161. Das Gericht legt in diesem Zusammenhang die Aufgabe zur Beobachtung der gesellschaftlichen Entwicklung näher dar und folgert daraus die Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit, die Warnungen, Empfehlungen und damit verbundene Beeinträchtigungen von Grundrechten umfassen soll 162 . Da sich diese Befugnis aus der Verfassung selbst ergebe, sei eine weitergehende einfachgesetzliche Regelung dieser Befugnis nicht erforderlich 163 . Die gleiche Linie verfolgt das Gericht im "Glykolwein"-Urteil: Aus der Aufgabe der Bundesregierung, "die gesellschaftliche Entwicklung ständig zu beobachten, Fehlentwicklungen oder sonst auftretende Probleme möglichst rasch und genau zu diagnostizieren, Möglichkeiten ihrer Verhinderung oder zumindest Behebung zu erdenken und die dazu erforderlichen Maßnahmen in die Wege zu leiten, gleichgültig, ob es dazu noch der Beschlußfassung durch den Gesetzgeber bedarf oder nicht" 164 , wird die Befugnis gefolgert, die Information der Öffentlichkeit durch sachgerechte Aufklärungsarbeit zu betreiben und dadurch auch in grundrechtliche Schutzbereiche einzugreifen 165. 158
Vgl. Ossenbühl, Umweltpflege, S. 39; Schulte, DVB1. 1988, 512 (518). BVerwGE 82, 76 ff. 160 BVerwGE 87, 37 ff. In diesem Urteil wird die verfassungsrechtliche Aufgabenzuweisung zunächst nicht als Eingriffsermächtigung, sondern bereits als Schutzbereichsbegrenzung bemüht. 161 BVerwGE 82, 76 (80); im Anschluß daran etwa auch OVG Münster NJW 1996, 2114 (2114). 162 BVerwGE 82, 76 (80 f.); bestätigt in der "2. Jugendsekten-Entscheidung" ΒVerwG NJW 1991,1770 (1771). Auch das BVerfG NJW 1989,3269 (3270), hat diese Ausführungen gebilligt. 163 BVerwGE 82, 76 (81); ebenso BVerfG NJW 1989, 3269 (3270). 164 BVerwGE 87, 37 (46). . 165 BVerwGE 87, 37 (47). Diese Erwägungen zur Eingùffsrechtfertigung erfolgen allerdings nur hilfsweise, da das Gericht mit Hilfe der Aufgabe "Politische Krisenbewältigung" bereits den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG begrenzt und daher einen Eingriff verneint hat (nachdem zuvor jedoch ein Eingriff in den Schutzbereich bejaht worden war, vgl. BVerwGE 87, 37 (39-44). S. dazu die berechtigte Kritik von Schoch, DVB1. 1991, 667 (673). 159
D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
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Etwas zurückhaltender zeigt sich das Bundesverwaltungsgericht in einem neueren "Jugendsekten "-Urteil 166 : Eine verfassungsunmittelbare Eingriffsermächtigung aufgrund einer Aufgabenzuweisungsnorm soll nur noch ausnahmsweise in Betracht kommen und nur für Regierungs-, nicht aber für Verwaltungstätigkeit denkbar sein. Das in der Literatur unterstützend zu findende Argument, der Gesetzesvorbehalt in Ausgestaltung von Aufgaben- und Befugnisnorm sei auf den klassischen Eingriff zugeschnitten und passe daher nicht für faktische bzw. mittelbare Grundrechtsbeeinträchtigungen167, hält näherem Hinsehen nicht stand; ein eventueller Modifizierungsbedarf an der Ausgestaltung des Gesetzesvorbehaltes und den Anforderungen an eine Eingriffsermächtigung rechtfertigt es nicht, ohne weiteres rechtsstaatliche Sicherungen über Bord zu werfen 168. Vielmehr muß der Gesetzesvorbehalt auch bei neuartigen staatlichen Handlungs- und Beeinträchtigungsformen ernst genommen werden; eine staatliche Aufgabenwahrnehmung darf ohne Befugnisnorm erfolgen, solange sie nicht in Grundrechte eingreift. Für Grundrechtseingriffe hingegen ist eine Befugnisnorm unabdingbar; eine Aufgabenzuweisungnorm genügt diesen Anforderungen nicht. Und der Schluß von einer Aufgabe auf die Befugnis ist ebenso unzulässig169.
166
BVerwGE 90, 112 (123) ("3. Jugendsekten-Entscheidung"). In der neueren Judikatur des BVerwG wird deutlich, daß das Gericht diesen Rechtfertigungsgedanken zwar nicht gänzlich aufgeben will, jedoch nur noch sehr zurückhaltenden Gebrauch von ihm macht. So führt der 3. Senat in BVerwG NJW 1996, 3161 (3162), diese Rechtsprechung noch an, betont aber für den Fall der Veröffentlichung von Warentests durch eine Landwirtschaftskammer: "Der Schluß von dieser sehr allgemein gehaltenen Kompetenznorm auf die Eingriffsbefugnis ist nicht gerechtfertigt. " 167
GallwaSy Beeinträchtigungen, S. 100; Götz, Polizeirecht, Rn. 143, 143 a, 147; ebenso BVerwG NJW 1991, 1770 (1771). 168 Roth, S. 266; Schochy DVB1. 1988, 667 (673). 169 Dischery JuS 1993, 463 (468); Ehlers, JZ 1991, 231 (234); Gusy t JZ 1989, 1003 (1004); Heintzeny VerwArch. 81 (1990), 532 (533, 551); Läbbe-Wolffy NJW 1987, 2705 (2707); Ossenbühly Umweltpflege, S. 38 f.; Philipp, S. 202; Schoch, DVB1. 1991, 667 (672); Schultey DVB1. 1988, 512 (518); ders.y WUR 1991, 231 (232). - In einem gewissen Sinne "vermittelnd" Discher, JuS 1993, 463 (468): Eine besondere Befugnisnorm soll überflüssig sein, wenn sie auch nicht mehr und anderes regeln kann als die Aufgabenzuweisungsnorm. Dann soll Identität zwischen beiden bestehen, der Gesetzgeber brauche dann nicht mehr tätig zu werden. Konsequenterweise müßte dies aber bedeuten, daß nur wettbewerbsrt£w/rû/£ Staatstätigkeit mit einer Aufgabenzuweisungsnorm auskommt, weil dann noch kein Grundrechtseingriff vorliegt. Dies entspricht auch der hier vertretenen Auffassung. Bei den von Discher (S. 468 f.) gegebenen Beispielen erscheint die Schwelle, die er für einen durch eine Befugnisnorm zu rechtfertigenden Eingriff anlegt, unberechtigt hoch. Dies kann auch nach seinem Konzept nicht überzeugen, da eine Befugnisnorm in
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
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An der Trennung von Aufgabenzuweisungs- und Befugnisnorm ist festzuhalten, auch wenn über mögliche Modifizierungen der Anforderungen an die Ermächtigungsnorm noch zu reden sein wird. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses ergibt sich auch bei einer Betrachtung aus anderem Blickwinkel, und zwar den zwei Funktionen, die der Gesetzesvorbehalt - entsprechend seiner Herleitung aus Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip erfüllt 170 . Zum einen soll die Grenzziehung zwischen Grundrechten und Verwaltungsbefugnissen ( = Eingriffsbefugnisse) durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber erfolgen. Eine Eingriffsbefugnis aufgrund einer verfassungsunmittelbaren Aufgabenzuweisung umgeht aber gerade den (einfachen) Gesetzgeber und damit die aus dem Demokratieprinzip folgende Funktion. Zum anderen erfüllt der Gesetzesvorbehalt die rechtsstaatliche Funktion, daß Zugriffe auf grundrechtlich geschützte Freiheitsbereiche vorhersehbar, berechenbar und (insbesondere im Hinblick auf eventuellen Rechtsschutz) meßbar werden 171 . Ohne hinreichend konkrete Befugnisnorm kann auch diese Funktion nicht gewährleistet werden. Vor allem Aufgabenzuweisungsnormen sind hierfür ungeeignet, da sie nur ein Endsubjekt haben, den Aufgabenträger. Im Gegensatz zur Befugnisnorm ist bei der Aufgabenzuweisungsnorm der "Adressat" der Norm nicht der Bürger. Eine Aufgabenzuweisungsnorm genügt überdies nicht den vom Bundesverfassungsgericht geforderten Anforderungen an die Bestimmtheit einer Eingriffsermächtigung; dieses Bestimmtheitsgebot ist als notwendige Ergänzung und Konkretisierung des Gesetzesvorbehaltes zu verstehen172. Es verlangt von einer Eingriffsermächtigung eine klare und hinreichend bestimmte Fassung, insbesondere in bezug auf die Eingriffsvoraussetzungen, damit der möglicherweise in seinen Grundrechten betroffene Bürger einen eventuellen Eingriff vorhersehen kann 173 . Gerade diese Vorhersehbarkeit fehlt aber bei einer Aufgabenzuweisungsnorm, da der einzelne nur vorhersehen kann, mit welchem Bereich sich ein Verwaltungsträger befassen wird, die Norm aber keinerlei Aufschluß darüber bietet, mit welchen Handlungen staatlicherseits er zu rechnen hat, die sich nachteilig auf seinen geschützten Rechtskreis auswirken können. Neben tatsächlichen Zweifeln an der Argumentation der oben zitierten Rechtsprechung174 bleiben große rechtliche Zweifel: Die mit der Erweiterung des Em-
den von ihm genannten Beispielen durchaus mehr als nur den Inhalt der Aufgabenzuweisungsnorm regeln könnte. 170 Vgl. Ossenbühl, Umweltpflege, S. 39; Philipp, S. 203; Roth, S. 264 f. 171 BVerfGE 21, 73 (79); 31, 255 (264); 37, 132 (142); 59, 104 (114). 172 BVerfGE 58, 257 (278). 173 BVerfGE 65, 1 (44); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 339. 174 Es stellt sich die Frage, ob die im "Glykolwein "-Urteil in Rede stehende wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit tatsächlich einer "politischen Krisenbewältigung" diente
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
griffsbegriffes heraufbeschworene Gefahr ausufernder, unstetiger Kasuistik wird bei derartigen wie den oben nachgewiesenen Judikaten leider Realität. Die Ausweitung des Eingriffsbegriffes muß insbesondere dazu fuhren, die Rechtfertigungsebene sehr ernst zu nehmen. Untauglich ist es da, mit sehr zweifelhaften, ungeschriebenen Aufgabenzuweisungen Schutzbereiche zu begrenzen oder Eingriffe verfassungsunmittelbar zu rechtfertigen. Als Resultat ist demnach festzuhalten, daß grundsätzlich eine Befugnisnorm erforderlich ist, um dem Gesetzesvorbehalt zu genügen. Über deren Aussehen ist allerdings noch nachzudenken.
cc) Grundrechtliche Schutzpflichten Zur Rechtfertigung nicht-klassischer Eingriffe ist auch an grundrechtliche Schutzpflichten zu denken, in deren Erfüllung der Eingriff stattfindet 175. Ausgehend von der objektivrechtlichen Dimension der Grundrechte ist die Idee einer Schutzpflicht anerkannt. Danach hat der Staat die Pflicht, die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter vor Beeinträchtigungen durch Dritte, vor allem durch Private, aber auch durch andere Staaten zu schützen1767177. Es geht also typischerweise um die Abwehr von Gefahren, die durch einen Akteur hervorgerufen werden, der selbst nicht Adressat (im Sinne von: Verpflichteter) der Grundrechte des Grundgesetzes ist 178 . Eine häufig zu beobachtende Konstellation ist folgende: Ein Grundrechtsträger ist durch das Verhalten eines anderen Grundrechsträgers in seiner Freiheitssphäre beeinträchtigt. Wird nun der Staat zum Schutz der bedrohten Grundrechtspositionen tätig, so kann dies mit einem Grundrechtseingriff bei dem beeinträchtigenden Grundrechtsträger verbunden sein. In dieser Konstellation, die hier
oder ob ein derartiges Tatbestandsmerkmal nicht zu hoch gegriffen ist, insoweit auch die gesamte Argumentation fehlerhaft ist. Vgl. dazu die Befürchtung Schocks, DVB1. 1991, 667 (674 Fn. 58), daß man sich angesichts einer derartigen Subsumtion noch auf einiges gefaßt machen dürfe. 175 So BVerwGE 82, 76 (82 f.); 87, 37 (47); dazu sogleich im Text. 176 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 410 f.; Dreier, Jura 1994, 505 (512); Hesse, VerfR, Rn. 349 f.; Isensee y in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HbdStR V , § 111 Rn. 77 ff.; E. Klein, NJW 1989, 1633 (1633); H.H. Klein, DVB1. 1994, 489 (490); Kopp, NJW 1994, 1753 (1753); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 103 ff.; Sachs, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht I I I / l , S. 728 ff. 177 Streitig ist, ob auch durch Naturereignisse hervorgerufene Gefahren hier zu erfassen sind; vgl. dazu Sachs, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht I I I / l , S. 733 ff. 178 E. Klein, NJW 1989, 1633 (1633). Überblick über die Entwicklung bei Pietrzak, JuS 1994, 748 ff.
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II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
vor allem in den oben gebildeten Wettbewerbsverhältnissen "Verwaltungsträger beeinflußt Wettbewerbsstellung des Unternehmers durch Einflußnahme auf den Kunden" und "Verwaltungsträger beeinflußt durch belastende hoheitliche Maßnahme gegenüber dem Unternehmer dessen Wettbewerbsstellung" vorkommt, stellt sich nun die Frage, ob das Tätigwerden des Staates direkt auf die Schutzpflicht gestützt werden kann oder ob eine gesetzliche Grundlage zu schaffen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat in derartigen Konstellationen die grundrechtliche Schutzpflicht als unmittelbare Eingriffsrechtfertigung - zumindest ergänzend179 - herangezogen; angesprochen sind wiederum die erste "Jugendsekten"- sowie die "Glykolwein"-Entscheidung. Unter Berufung auf das Bundesverfassungsgericht sieht das Bundesverwaltungsgericht den Staat aus dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG nicht nur dazu verpflichtet, eigene Eingriffe zu unterlassen, sondern auch dazu verpflichtet, seine Bürger vor Beeinträchtigungen durch andere zu schützen180: "Als geeignete und erforderliche Schutzmaßnahmen kommen - über das von der Rechtsordnung im übrigen bereitgehaltene Schutzinstrumentarium hinaus - auch staatliche Warnungen in Betracht. " Auch (oder gerade) bei einem vorbehaltlosen Grundrecht soll es danach möglich sein, zur Erfüllung einer grundrechtlichen Schutzpflicht einen Eingriff ohne weitere Rechtsgrundlage vorzunehmen. Das "Glykolwein"-Urteil bestätigt diese Aussage, indem das Gericht betont, "insbesondere die in den Grundrechtsgewährleistungen eingeschlossene Verpflichtung des Staates, seine Bürger auch vor einer Verletzung der grundrechtlich geschützten Güter und Freiheiten durch Dritte zu schützen, die Regierung zum Handeln zwingen" könne181. Auch dieser Versuch einer Eingriffsrechtfertigung unter Umgehung des Gesetzesvorbehaltes ist zu Recht auf heftige Kritik gestoßen182. Neben der schlichten Nichtberücksichtigung des Gesetzesvorbehaltes ist zu bemängeln, daß mit dem Verzicht auf eine möglichst präzise Rechtsgrundlage genaue Eingriffsvoraussetzungen nicht mehr bestehen und auch nicht mehr überprüfbar sind - dem Be-
179
In der "2. Jugendsekten-Entscheidung" geht das BVerwG NJW 1991, 1770 (1770), ausdrücklich auf die Kritik aus dem Schrifttum ein und möchte klargestellt wissen, daß es die grundrechtliche Schutzpflicht lediglich zur weiteren Rechtfertigung herangezogen und sich mit ihr keineswegs als Eingriffstitel begnügt habe. Wenn dies auch aus der "1. Jugendsekten-Entscheidung" BVerwGE 82, 76 (82 f.), nicht zweifelsfrei hervorgeht, so ändert dies aber nichts am dogmatischen Ansatz und dessen gleich vorzunehmender Bewertung. Die andere vom BVerwG angeführte Eingriffsermächtigung, die von der Aufgabe zur Befugnis mutierende "Öffentlichkeitsarbeit" der Bundesregierung, ist - wie gerade gezeigt - ohnehin nicht haltbar. Wie das BVerwG aber OVG Münster NJW 1996, 2114 (2114); NJW 1996, 3355 (3355 f.). 180 181 182
BVerwGE 82, 76 (82 f.). BVerwGE 87, 37 (47). Vgl. nur Schoch, DVB1. 1991, 667 (668); Wahl/Masing
15 Schliesky
y
JZ 1990, 553 (555 f.).
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
stimmtheitsgebot wird so nicht genügt183. Auf diese Weise wird letztlich eine schrankenlose Disposition des Staates (vor allem der Verwaltung) über die grundrechtlichen Freiheitsbereiche möglich, da sich für beinahe jedes Staatshandeln eine grundrechtliche Schutzpflicht konstruieren läßt 184 . Der auch hier erfolgende Schluß von der Aufgabe auf die Befugnis fällt da kaum noch ins Gewicht. Schließlich ist noch auf die Aufgabe des rechtsstaatlichen Verteilungsprinzips 185 sowie die Durchbrechung der bundesstaatlichen Kompetenzordnung hinzuweisen186. Dieser Kritik aus der Literatur, der nur zugestimmt werden kann, ist noch ein Gedanke hinzuzufügen: Direktes Handeln (insbesondere der Verwaltung) auf der Grundlage einer Schutzpflicht würde zu einer Instrumentalisierung des Staates in einem Rechtsverhältnis zwischen Privaten führen; der Private könnte sich ein direktes Vorgehen gegen den anderen Privaten sparen und müßte sich statt dessen nur dem Staat gegenüber auf eine Schutzpflicht berufen, die der Staat mit der gewünschten Maßnahme (beispielsweise einer Untersagungsverfugung) beantwortet. Der nächste - nur konsequente - Schritt wäre daher, die Schutzpflicht für direkt verwaltungsgerichtlich einklagbar zu erklären, da es ja einer einfachgesetzlichen Grundlage für das gewünschte staatliche Handeln, deren Drittschutz mühsam zu ermitteln wäre, nicht mehr bedarf. Zu einem derartigen "Szenario" darf es aber in öffentlich-rechtlich determinierten Dreiecksverhältnissen nicht kommen. Der "Gestörte" kann den Staat zu legislativem Tätigwerden anhalten und eventuell verfassungsgerichtlich eine mißachtete Schutzpflicht in Form von legislativem Unterlassen anmahnen, er hat aber keinen Anspruch auf konkretes Tätigwerden unter Umgehung des Gesetzesvorbehaltes. Hinsichtlich der anderen "Achse" im Dreieck hat der Staat - ohne seinerseits durch den "Gestörten" umfassend kontrollierbar zu sein - darauf zu achten, inwieweit der "Störer" sich öffentlich-rechtlich rechtskonform verhält. Das Fazit dieser Kritik kann nur lauten, daß eine grundrechtliche Schutzpflicht durch den Gesetzgeber umgesetzt werden muß 187 . So weit der Gesetzesvorbehalt reicht, dessen Umgehung zu verhindern ist, ist die grundrechtliche Schutzpflicht notwendig "gesetzesmediatisiert"188.
183
Heintzen, VerwArch. 81 (1990), 532 (553); Wahl/Masing, JZ 1990, 553 (555). Vgl. die Befürchtung bei Discher, JuS 1993, 463 (469). 185 Vgl. dazu Discher, JuS 1993, 463 (469); Wahl/Masing, JZ 1990, 553 (555). 186 Gusy, JZ 1989, 1003 (1004); Wahl/Masing, JZ 1990, 553 (555). 187 Statt vieler Dreier, Jura 1994, 505 (513); Heintzen, VerwArch. 81 (1990), 532 (553); Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 203; Wahl/Masing, JZ 1990, 553 (557 ff.). 188 BVerfG NJW 1989, 3269 (3270); Heintzen, VerwArch. 81 (1990), 532 (553); Wahl/Masing, JZ 1990, 553 (559 Fn. 66). 184
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
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Dieser grundsätzlichen Kritik - dies sei hier noch nachgetragen - hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner dritten "Jugendsekten"-Entscheidung denn auch Rechnung getragen189: "Die Wahrnehmung einer grundrechtlichen Schutzpflicht entbindet den Staat freilich nicht von der Notwendigkeit einer gesetzlichen Eingriffsermächtigung, weil die freiheitssichernden Garantien des Rechtsstaatsprinzips und der Grundrechte auch gegenüber dem - im Verhältnis zu anderen Bürgern - grundrechtsschützend tätigen Staat Geltung beanspruchen. " Die unmittelbare Eingriffsrechtfertigung durch grundrechtliche Schutzpflichten in den anderen beiden "Jugendsekten"-Entscheidungen wird zwar nicht zurückgenommen, aber doch als hinter der verfassungsunmittelbaren Ermächtigung zur "Öffentlichkeitsarbeit" zurücktretend behandelt. Die grundrechtliche Schutzpflicht hilft demnach nicht über das Fehlen einer gesetzlichen Eingriffsermächtigung hinweg190; die Erfüllung einer Schutzpflicht suspendiert nicht den Gesetzesvorbehalt für Grundrechtseingriffe bei anderen betroffenen Grundrechtsträgern. Die grundrechtliche Schutzpflicht hat ihre Bedeutung für das Tätigwerden des Gesetzgebers und dürfte auch noch bei der Frage nach dem öffentlichen Interesse, das bei der Abwägung mit der betroffenen Grundrechtsposition im Rahmen einer Eingriffsrechtfertigung zu prüfen ist, relevant werden 191. Eine verfassungsunmittelbare Eingriffsrechtfertigung ist eine grundrechtliche Schutzpflicht aber nicht.
dd) Randnutzung Verschiedentlich wird auch versucht, mit Hilfe der Figur der "Randnutzung" Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen 192. Unter "Randnutzung" wird gemeinhin die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates verstanden, die der Staat bei Gelegenheit der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe betreibt, um seine Einrichtungen und sein Verwaltungspotential möglichst optimal auszunutzen und ein Brachliegen dieses Wirtschaftspotentials, das im übrigen aber öffentlichen Zwecken dient, zu verhindern 193. Die Rechtfertigung für die Existenz dieser Figur, die ihrerseits rechtfertigende Wirkung haben
189
BVerwGE 90, 112 (122 f.); vgl. dazu P.-M. Huber/Kohnen, ZG 1994, 63 (76 f.). Heintzen, VerwArch. 81 (1990), 532 (554). 191 Di Fabio , JZ 1993, 689 (696 f.). 192 BVerwGE 82, 29 (34); OVG Lüneburg NJW 1988, 1867 (1868). 193 BVerwGE 82, 29 (34); OVG Lüneburg NJW 1988, 1867 (1868); Ehlers, JZ 1991, 231 (234); Isensee, DB 1979, 145 (147); F. Kirchhof, Tätigkeitsfelder, S. 69; Leisner, Werbefernsehen und Öffentliches Recht, S. 70 m.w.N.; Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 137; Stober, Handbuch, S. 578 f.; ders., WiVerwR, S. 156. 190
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
soll, wird in dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit194, der in Art. 114 Abs. 2 GG angedeutet ist, sowie in Art. 110 Abs. 1 GG gesehen; denn der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verpflichte die Verwaltung gerade zu ökonomisch sinnvollem Wirtschaften und damit zur optimalen Ausnutzung ihres Wirtschaftspotentials 195. Unter Berufung auf diese Herleitung aus dem Wirtschaftlichkeitsprinzip erhebt die ganz herrschende Meinung zumindest gegen die Legitimierung staatlicher Wirtschaftstätigkeit durch die Figur der Randnutzung keine Einwände, ohne dabei allerdings auf die grundrechtliche Legitimationsproblematik einzugehen196. Voraussetzung einer zulässigen Randnutzung soll das Vorliegen einer durch eine öffentliche Aufgabe legitimierten Haupttätigkeit und das Erscheinen der in Rede stehenden wirtschaftlichen Tätigkeit als Nebentätigkeit dazu sein, wobei die Nebentätigkeit nicht mehr unbedingt unmittelbar der Verfolgung des öffentlichen Zwecks der Haupttätigkeit dienen müssen soll 197 . Grenzen werden dort gezogen, wo der Funktionsbereich des Verwaltungsträgers überschritten wird, die Nebentätigkeit mit dem öffentlichen Zweck der Haupttätigkeit nicht mehr vereinbar ist oder gar die sachgerechte Aufgabenerledigung bei der Haupttätigkeit beeinträchtigt wird 198 . Als typische Beispiele derartiger Randnutzungen wurden die Eisenbahn- und Postreklame genannt, als die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Bundespost noch als Sondervermögen organisiert waren 199. Ein konkretes Beispiel aus der jüngeren Rechtsprechung ist die Beifügung von postfremden Werbebeilagen zu den Kontoauszugsbriefen der Deutschen Bundespost200, bei dem Berufungs- und
194
Ausführlich dazu von Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 18 ff. BVerwGE 82, 29 (34); OVG Lüneburg NJW 1988, 1867 (1868); Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 95; ders., JZ 1991, 231 (234); F. Kirchhof\ Tätigkeitsfelder, S. 68 f.; Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 137; Stober, Handbuch, S. 579. 196 OVG Münster GewArch. 1986, 157 (158); OLG Saarbrücken WRP 1988, 328 (329); Badura, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, 3. Abschn., Rn. 113; Ehlers, JZ 1991, 231 (234); Schricker, S. 62, 77, der aber Grundrechtseingriffe von der Legitimationswirkung ausdrücklich ausnimmt; Stober, Handbuch, S. 578. 197 Ehlers, JZ 1991, 231 (234); Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 137. 198 BVerwGE 82,29 (34); Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 95; F. Kirchhof Tätigkeitsfelder, S. 69. 199 Ausführlich für die Eisenbahnreklame Kaiser, NJW 1976, 87 (89): von der (seinerzeitigen) Kompetenz des Art. 87 Abs. 1 GG erfaßt; Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 137. Ob Art. 87 f Abs. 2 S. 2, Abs. 3 GG die Tätigkeit der Postreklame heute noch erfaßt, ist doch eher zweifelhaft. Eher kann dies noch für die Eisenbahnreklame und Art. 87 e Abs. 3 S. 1 GG gelten. 200 BVerwGE 82, 29 ff.; OVG Lüneburg NJW 1988, 1867 ff.; VG Hannover NJW 1986, 1630 ff. 195
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
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Revisionsgericht den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers als durch die Randnutzung gerechtfertigt ansahen301. Eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Randnutzung wird häufig pauschal gerechtfertigt mit dem zusätzlichen Argument, eine isolierte Betrachtung der Randnutzungstätigkeit sei schon deshalb nicht angebracht, weil sie ja der Haupttätigkeit untergeordnet sei 202 . Dem ist heftigst entgegenzutreten: Eine isolierte Betrachtung ist nicht nur durchaus angebracht, sondern vielmehr erforderlich, weil gerade diese (Randnutzungs-)Tätigkeit - und zwar ohne die Haupttätigkeit - isoliert Rechte beeinträchtigen kann. Maßgebend ist fur die verhaltensrechtliche Beurteilung allein eine auswirkungsorientierte Betrachtung; das Kriterium der Unterordnung ist dabei rechtlich unergiebig, allenfalls deskriptiv. Zutreffend ist dieser Ansatz allenfalls dahin gehend, daß der öffentliche Zweck der Haupttätigkeit - soweit die Randnutzungstätigkeit nicht durch einen eigenen öffentlichen Zweck legitimiert werden kann203 - auch die Zulässigkeit der Randnutzung mitabdeckt204. Festzuhalten bleibt erneut, daß ohne Vorliegen eines öffentlichen Zwecks eine Rechtfertigung der Randnutzungstätigkeit nicht erfolgen kann. Existiert ein solcher und erstreckt er seine rechtfertigende Wirkung auch auf die Randnutzungstätigkeit, so wird die Randnutzung aufgrund des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit regelmäßig auch geboten sein. Denn der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit als Optimierungsgebot205 verlangt auch, daß das Verwaltungsvermögen so intensiv wie möglich genutzt wird 206 . Andererseits darf die Figur der Randnutzung nicht zur Verschleierung der Rechtfertigungsebene fuhren, indem zwei (vorgebliche) Rechtfertigungselemente vermischt werden, und zwar der eigentliche öffentliche Zweck und die Wirtschaftlichkeitsüberlegungen.
201
BVerwGE 82, 29 (31, 34); OVG Lüneburg NJW 1988, 1867 (1868); a.A. VG Hannover NJW 1986, 1630 (1632). Zum maßgebenden Entscheidungszeitpunkt war die Deutsche Bundespost noch öffentlich-rechtlich organisiert. Nach der hier vertretenen Ansicht ist die Organisations form allerdings unerheblich, so daß die Entscheidungen weiterhin grundsätzliche Bedeutung behalten, solange der Staat die für die Charakterisierung als öffentliches Unternehmen erforderliche Mehrheit hält. 202 BGH NJW 1974, 1333 (1334 f.); OVG Münster GewArch. 1986, 157 (158); Stob er y Handbuch, S. 579. 203 Nur in diesem Fall kann von Randnutzung gesprochen werden; das Fehlen eines eigenen öffentlichen Zwecks ist ja gerade Definitionsmerkmai. 204 Schmidt-Jortzig y Eüdienst LKT NRW 1989, 73 (75); Schricker y S. 77 m.w.N. 205 Von Arnim t Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 36 f. 206 F. Kirchhofy Tätigkeitsfelder, S. 69.
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Das Erfordernis der öffentlichen Aufgabe bzw. des öffentlichen Zwecks drückt den Legitimationsbedarf fur jede wettbewerbsrelevante Staatstatigkeit aus207. Diese Voraussetzung regelt das "Ob" eines staatlichen Tätigwerdens. Existiert eine solche Aufgabe, ist das Tätigwerden hinsichtlich der Hauptaufgabe erlaubt - ohne daß damit eine Aussage über die Zulässigkeit von Grundrechtseingriffen getroffen wäre. Die Figur der Randnutzung lenkt aber nun den Blick auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und verstellt so den Blick auf die eigentliche Rechtfertigung für das "Ob" des Tätigwerdens. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit kann nämlich eine Rechtfertigung des Tätigwerdens nicht leisten; er kann nicht das "Ob" staatlichen Handelns legitimieren 208, da er als "modaler Grundsatz der Aufgabenerfüllung" 209 nur die Art und Weise des Tätigwerdens ausgestalten kann, wenn zuvor das "Ob" durch eine öffentliche Aufgabe oder wenigstens ein öffentliches Interesse gerechtfertigt ist. Vor allem aber ist es nicht zulässig, unter Berufung auf das Wirtschaftlichkeitsprinzip zu einer Kompetenz- bzw. Aufgabenerweiterung zu gelangen210. Denn bei einem derartigen Verständnis der Figur würde ein Umgehen von Aufgaben· bzw. Kompetenzgrenzen drohen; die Folge wäre, daß nicht nur die Figur der Randnutzung konturenlos werden würde 211, sondern die gesamte Kompetenzordnung. Schon aufgrund dieser Befürchtung muß betont werden, daß die Randnutzung nichts an allgemeinen Legitimationsgrundsätzen zu ändern vermag und für diese Figur keine anderen Maßstäbe gelten können. Auch für die Randnutzungstätigkeit ist die Rechtfertigung durch einen öffentlichen Zweck erforderlich. Eine Besonderheit liegt allenfalls darin, daß die Rechtfertigung durch den Zweck der Haupttätigkeit erfolgt. Bezüglich der Zulässigkeit von Grundrechtseingriffen durch eine
207
Dazu oben C I 3. In jenem Falle wäre zumindest jede wirtschaftliche Tätigkeit des Staates problemlos legitimiert. 209 Hidien, GewArch. 1983, 177 (180). 210 Zutreffend F. Kirchhof \ Tätigkeitsfelder, S. 69 f. Problematisch erscheint daher die Auffassung von Ehlers, JZ 1991, 231 (234), derzufolge sich im Falle der Wahrnehmung einer Randnutzung "der Aufgabenkreis des Verwaltungsträgers kraft Sachzusammenhang " erweitert. Wenn man denn die Randnutzung - trotz der sogleich im Text geschilderten Bedenken - als Figur erhalten will, erscheint folgende Vorstellung angebracht: Randnutzung und damit noch von der Legitimation der Haupttätigkeit gedecktes Staatshandeln liegt nur dann vor, wenn innerhalb der Haupttätigkeit-Aufgabenerfüllung nicht benötigte Verwaltungsmittel noch genutzt werden. Nicht gemeint und nicht als Randnutzung legitimiert ist hingegen das außerhalb der Kompetenz für die Haupttätigkeit angesiedelte Handeln, auch wenn es unmittelbar an den Rand dieser Kompetenz angrenzt. 211 So ohnehin die Kritik von Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 94. 208
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
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Randnutzungstätigkeit kann dann ebenfalls nichts anderes gelten als bei sonstiger wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit: Sie bedarf aufgrund des grundrechtlichen Gesetzesvorbehaltes einer einfachgesetzlichen Rechtsgrundlage; die Einordnung wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit als Randnutzung vermag diese Rechtfertigung nicht zu leisten. Die Figur der Randnutzung ist damit letztlich - wie etwa der Begriff der HDaseinsvorsorgeH - ein rein deskriptiver Begriff, der keine rechtlichen Wirkungen auf der Rechtfertigungsebene bereithält. Wendet man die soeben erarbeiteten Maßstäbe auf den Fall der Übersendung postfremder Werbebeilagen zusammen mit den Kontoauszugsmitteilungenan, ergibt sich folgendes: Die maßgeblich zu beurteilende Randnutzungstätigkeit ist die Übersendung von Werbebeilagen. Die Nichtbeachtung des entgegenstehenden Willens des Kontoinhabers, die hinsichtlich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bedeutsam ist 212 , spielt dabei keine Rolle; maßgebend ist allein die Frage der Zulässigkeit der Übersendung der Werbebeilagen. Orientierungspunkt ist der rechtfertigende öffentliche Zweck der Haupttätigkeit, der hier in der Erfüllung der (seinerzeitigen) öffentlichen Aufgabe aus § 13 Abs. 1 Postgiroordnung lag, dem Kontoinhaber Änderungen seines Kontostandes schriftlich mitzuteilen. Da also eine postalische Zusendung ohnehin erfolgte, war es unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine durchaus angebrachte Ausnutzung einer ohnehin erfolgenden Verwaltungstätigkeit. Dies galt jedenfalls so lange, wie die Benutzung der Briefjpost fur den Postgirodienst kostenfrei war. Die Beurteilung wird heute differenzierter ausfallen müssen, da die Deutsche Postbank AG fur den gleichen Service Entgelte an die Deutsche Post AG entrichten muß. In die Beurteilung einzustellen ist also zudem, ob das gewichtsabhängige Portoentgelt durch die Beilage steigt, da höhere Kosten zusätzliche Verwaltungsmittel in Anspruch nehmen. In diesem Fall müssen die Einnahmen aus der Werbematerialversendung die zusätzlichen Kosten auf jeden Fall decken. Ist die Versendung der postfremden Werbebeilagen damit noch vom öffentlichen Zweck der Haupttätigkeit gedeckt, so kann ein Grundrechtseingriff (hier: allgemeines Persönlichkeitsrecht) in Ermangelung einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage nicht für zulässig erklärt werden.
ee) Allgemeine Anforderungen an eine hinreichende Rechtsgrundlage Die Erweiterung des Eingriffsbegriffes und die aufrechterhaltene Verknüpfung mit der Auslösung des Gesetzesvorbehaltes hat zwangsläufig zur Folge, daß auch die Reichweite des Gesetzesvorbehaltes sich vergrößert hat. Konnte sich bei der früheren Beschränkung grundrechtsrelevanter staatlicher Verhaltensweisen
212
Vgl. Ehlers, JZ 1991, 231 (233).
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
auf die klassischen Eingriffe auch der Gesetzgeber mit einer Regelung dieser Maßnahmen begnügen, so erschließen sich nun weite neue Felder, die der Regelung bedürfen 213. Nicht die Befürchtung möglicherweise fehlender Rechtsgrundlagen, sondern die Neubestimmung des Eingriffsbegriffes sowie die vielfache Andersartigkeit von Grundrechtsbeeinträchtigungen rechtfertigt die Frage, ob Modifikationen bei den Anforderungen an eine ausreichende einfachgesetzliche Grundlage erforderlich sind.
(1) Problem der Eingriffsstruktur Auf die anders gelagerte Struktur des Eingriffs im Vergleich zum klassischen Eingriffsbegriff braucht nach den bisherigen Ausführungen nur noch kurz hingewiesen zu werden. Kennzeichen der neuerfaßten Grundrechtsverkürzungen ist es gerade, daß nicht mehr nur finale und unmittelbare Zugriffe auf grundrechtliche Schutzgüter erfaßt werden, sondern auch mittelbare Eingriffe und faktische Verkürzungen der Schutzsubstanz. Diesem Wandel muß sich konsequenterweise auch der Gesetzesvorbehalt anpassen, und zwar nicht nur in bezug auf seine Reichweite bzw. Erstreckung, sondern auch hinsichtlich der Anforderungen an die diesem Gesetzesvorbehalt genügende Norm 214 . Maßgebend für die Normstruktur ist also die Eingriffsstruktur. Bei einem klassischen Eingriff ist die Verkürzung der grundrechtlich geschützten Interessen die Kehrseite der staatlichen Maßnahme. Dementsprechend muß die Norm die Voraussetzungen für das staatliche Tätigwerden und als Rechtsfolge die staatliche Maßnahme regeln, womit gleichzeitig der Eingriff angesprochen und dem betroffenen Bürger vorhersehbar gemacht worden ist. So wird beispielsweise bei einer Gewerbeuntersagung die Berufsfreiheit final und unmittelbar durch die staatliche Maßnahme beschnitten. Dieser Struktur bedient sich auch die Rechtsgrundlage der Gewerbeuntersagung, § 35 Abs. 1 S. 1 GewO.
213
Vgl. zu dieser Frage nach der Reichweite des Gesetzesvorbehaltesßrö/im, DVB1. 1994, 133 (135), mit allerdings nicht überzeugenden Schlußfolgerungen, was die Beschaffenheit der Rechtsgrundlage angeht; Ρ.-Λί. Huber, Konkurrenzschutz, S. 484 ff.; Ossenbühl, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 5 Rn. 10 ff.; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 438 ff. 2,4 Vgl. P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 486 f.
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
233
Der rechtsstaatlich gebotene Zweck des Gesetzesvorbehaltes wird problemlos erfüllt: Wenn die staatliche Maßnahme unmittelbar den Eingriff bewirkt, ist mit der gesetzlichen Regelung der Maßnahme der Eingriff fur den Bürger hinreichend vorhersehbar 215. Anders stellt es sich dar, wenn wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit mittelbar oder faktisch in den grundrechtlichen Schutzbereich eingreift. Die staatliche Maßnahme selbst ist in der Regel "grundrechtsneutral ". Hier ist die Maßnahme mangels Unmittelbarkeit gerade nicht mit der Rechtsverkürzung gleichzusetzen. Die Lösung für die Feststellung des Eingriffs wurde bereits dargestellt; die Auswirkung der staatlichen Maßnahme im grundrechtlichen Schutzbereich ist maßgebend. Das Dazwischentreten weiterer Kausalfaktoren ist unerheblich. Doch ist damit, wenn der Eingriff in der Rechtsgrundlage normiert werden soll, zwangsläufig eine andere Struktur der Norm erforderlich. Es muß die Auswirkung der staatlichen Maßnahme Eingang in die Norm finden. Damit stellt sich jedoch ein weiteres Problem: die Vorhersehbarkeit. Unter anderem charakteristisch für eine Reihe neuerdings miterfaßter Grundrechtseingriffe ist, daß sie fernliegende Folgen eines staatlichen Handelns sind, die bei Normierung noch nicht unbedingt vorhersehbar sind216.
(2) Problem der Vorhersehbarkeit Eine einfachgesetzliche Rechtsgrundlage, die einen Grundrechtseingriff erlaubt, hat - betont man zudem die rechtsstaatliche Funktion des Gesetzesvorbehaltes217 - auch den Sinn, für den Bürger Grundrechtseingriffe vorhersehbar und berechenbar zu machen; vorhersehbar soll insbesondere sein, unter welchen Voraussetzungen welche staatlichen Maßnahmen ergriffen werden können, damit der Bürger sich in seinem Verhalten auf einen möglichen Grundrechtseingriff einrichten kann 218 . Diese Garantiefunktion des Gesetzesvorbehaltes weist also eine klare Einzelfallbezogenheit auf. Genau hier liegt ein wesentliches Problem für den normierenden Gesetzgeber; gerade faktische Eingriffe sind oft nur schwer oder gar nicht vorhersehbar. Ist der beispielsweise mit einer gewerberechtlichen Untersagungsverfügung nach § 35 GewO verbundene Eingriff in Art. 12 GG als klassischer Eingriff ohne Frage vorhersehbar, stellt sich die Beurteilung der Vorhersehbarkeit bei der wirt-
215
Vgl. Ossenbühl, Umweltpflege, S. 39; Roth, S. 268. P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 486. 2.7 S. dazu Krebs, Jura 1979, 304 (304 f.); Roth, S. 264 f. 2.8 BVerfGE 21, 73 (79); 31, 255 (264); 37, 132 (142); P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 489; Ossenbühl, Umweltpflege, S. 39; Roth, S. 265. 216
234
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
schaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand schon ganz anders dar. Der Eingriff liegt nicht schon ohne weiteres in der Aufnahme dieser Form wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit, sondern muß erst nach Untersuchung der Wettbewerbsstellung des Konkurrenten festgestellt werden. Dies hängt nicht zuletzt von den Gegebenheiten des Marktes und dem Käuferverhalten ab. Diese schon im Einzelfall nicht einfache Eingriffsbeurteilung stellt sich fur den eine Prognoseentscheidung treffenden Gesetzgeber ungleich schwieriger dar: Das Marktverhalten, das ohnehin noch einer Vielzahl weiterer nicht zu steuernder Einflüsse ausgesetzt ist (z.B. Auslandsnachfrage; Zustand der Weltwirtschaft; Umwelteinflüsse), vorherzusagen und daran eine Rechtsgrundlage in Form bestimmter Tatbestandsvoraussetzungen auszurichten, erscheint unmöglich. So ist die Vorhersehbarkeit denn auch schon zum Gegenstand kontroverser Stellungnahmen geworden, dahin gehend, ob dieses Kriterium bei den Anforderungen an den Gesetzesvorbehalt überhaupt berücksichtigt werden soll 219 . Die Richtigkeit der Feststellung, es komme auf die Vorhersehbarkeit einer Grundrechtsbeeinträchtigung nicht an, weil die öffentliche Hand auch die Verantwortung fur nicht vorhersehbare Eingriffe trage 220, wurde schon oben beim Eingriffsbegriff nachgewiesen - doch ist damit nur die Frage nach der Zurechenbarkeit einer Grundrechtsverkürzung zu einem staatlichen Verhalten und damit nach dem Vorliegen eines Eingriffs beantwortet. Ein Argument fur oder gegen die Modifizierung der Anforderungen an den Gesetzesvorbehalt ist damit noch nicht verbunden. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch der Ansatz von P. -M. Huber, der zu Recht das Spannungsverhältnis zwischen (eingangs gezeigter) Einzelfallbezogenheit und (notwendiger) gesetzgeberischer Abstraktion betont, dem sich der Gesetzesvorbehalt ausgesetzt sieht221. War der Bezugspunkt der eben gemachten Ausführungen der individuelle Betroffene, so darf auch der andere Bezugspunkt, der zum vorherigen Erlaß des Gesetzes aufgeforderte Gesetzgeber nicht vernachlässigt werden; auch seine Perspektive und seine bei der vor einem Eingriff notwendigen Prognoseentscheidung möglichen Erkenntnisfähigkeiten müssen berücksichtigt werden 222. Schon wegen Art. 1 Abs. 3 GG hat der Gesetzgeber bei Schaffung der Rechtsgrundlage die möglichen Folgen für die Grundrechte zu berücksichtigen. Dabei
2,9 Dafür: Ossenbühl, Umweltpflege, S. 38; Roth, S. 268 ff.; der Sache nach auch BVerwG NJW 1996, 3161 (3162); dagegen: Ehlers, JZ 1990, 1089 (1097); P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 492; Ramsauer, Beeinträchtigungen, S. 102 f. 220 Ehlers, JZ 1990, 1089 (1097). 221 P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 488. 222 P. -M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 491.
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
235
leuchtet ohne weiteres ein, daß der Gesetzgeber nur die voraussichtlich zu erwartenden Verkürzungen grundrechtlich geschützter Interessen berücksichtigen kann, insoweit also eine Prognoseentscheidung treffen muß, bei der nicht jeder Grundrechtseingriff vorherbestimmt werden kann223. Würde man letzte Sicherheit über die zu erwartenden Auswirkungen verlangen, wären gesetzliche Grundlagen nur nach erfolgtem Eingriff zu verabschieden. Soll es den Vorbehalt des Gesetzes, also die notwendigerweise vorherige Schaffung einer Rechtsgrundlage überhaupt geben, müssen die prognosehaft ermittelten Auswirkungen der zu regelnden Materie für das Urteil des Gesetzgebers genügen224. Insofern kommt es primär auf die Gültigkeit der Prognose an, die vor der Verfassung zu bestehen hat, und erst sekundär ist die inhaltliche Richtigkeit von Bedeutung225. Aus gesetzgeberischer Sicht heißt dies, daß es erstes Anliegen sein muß, eine gültige Rechtsgrundlage zu schaffen. Eventuell nicht vorhergesehene Auswirkungen lassen sich dann - sofern sie nicht absolut atypisch und mit der Intention des Gesetzes nicht in Einklang zu bringen sind - im Wege verfassungskonformer Auslegung erfassen 226. Wegen des Spannungsverhältnisses zwischen Einzelfall und gesetzgeberischer Abstraktion ist aber neben diesem "Gültigkeitsinteresse" auch die Vorhersehbarkeit zu berücksichtigen. Noch nicht beantwortet ist die Frage, inwieweit die für den Gesetzgeber bei nicht-klassischen Eingriffen besonders signifikanten Probleme der Vorhersehbarkeit angegangen werden müssen und wie dies zu erfolgen hat. Hier ist ein Argument von Bedeutung, das bei der Struktur des Eingriffs nur angerissen wurde: Anders als beim klassischen Eingriff, bei dem die Verkürzung der grundrechtlich geschützten Interessen gleichsam die Kehrseite der gesetzlich geregelten staatlichen Maßnahme ist 227 , kommt es bei dem neuen Eingriffsbegriff lediglich auf die - möglicherweise über mehrere Kausalfaktoren vermittelten - Auswirkungen an, die in einer gewissen Intensität im Schutzbereich meßbar sind228. Das staatliche Handeln löst nun im Regelfall nur eine Kausalkette aus,
223
BVerfGE 56, 1 (12 f.): "An die tatbestandliche Fixierung dürfen aber auch keine nach der konkreten Sachlage unerfüllbaren Anforderungen gestellt werden" ; P. -M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 492. 224 BVerfGE 50, 290 (332): "Ungewißheit über die Auswirkungen eines Gesetzes in einer ungewissen Zukunft kann nicht die Befugnis des Gesetzgebers ausschließen, ein Gesetz zu erlassen, auch wenn dieses von großer Tragweite ist." 225 P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 492. 226 P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 493. 227 Deswegen ist der Grundrechtseingriff wesentlich einfacher normierbar. Die Handlung ist das Mittel, das unmittelbar in den grundrechtlichen Schutzbereich eingreift. 228 Roth, S. 268; Sodan, DÖV 1987, 858 (866).
236
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
die im Endeffekt eine Verkürzung grundrechtlich geschützter Interessen bewirkt. Das auslösende Moment wird vom Staat gesetzt, das Ergebnis wird dem Staat zugerechnet, doch die dazwischen liegenden Ursachen hat der Staat nicht "in der Hand". Diese Zwischenursachen - beispielsweise das Nachfrageverhalten auf dem Markt - gehen häufig, aber nicht notwendig von Privaten aus; die Kausalkette hat in diesem Fall also wenigstens ein Zwischenglied. Weitere Zwischenglieder sind denkbar, ohne daß die Zurechenbarkeit entfallen muß. Bereits diese Tatsache, die unterschiedliche Länge der Kausalkette im Vergleich zum klassischen Eingriff, rechtfertigt eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt. Denn vorhersehbar ist für den Gesetzgeber nicht mehr der gesamte Kausalverlauf, sondern nur die staatliche Maßnahme und allenfalls die Auswirkung in den Grundrechten der Bürger. Die Kausalkette ist aber nicht vorherzusehen und schon gar nicht normierbar. Die daraus resultierende Frage lautet nunmehr, welche Regelungsdichte denn dem "neuen" Gesetzesvorbehalt abverlangt werden muß. Maßgebendes Kriterium muß dabei sein, was dem Gesetzgeber zum Regelungszeitpunkt vorhersehbar ist. Ohne Frage vorhersehbar, weil Gegenstand der gesetzgeberischen Bemühungen und daher unbedingt zu regeln, ist die staatliche Maßnahme, die eine mögliche Kausalkette auslöst. Schwierigkeiten bereiten die Zwischenursachen, in der Regel aber durchaus auch die Folgen des staatlichen Handelns, also die abstrakt vorhersehbaren Grundrechtseingriffe. Eine "Alles-oder-nichts"-Lösung würde der Komplexität denkbarer Fallgestaltungen und unterschiedlichen Vorhersehbarkeit nicht gerecht werden. Anzustreben ist vielmehr eine Lösung, die der unterschiedlichen Vorhersehbarkeit Rechnung trägt und diese in konkrete Maßstäbe, die an den Gesetzesvorbehalt anzulegen sind, umsetzt. Das einzig geeignet erscheinende Kriterium, diesem Anliegen Rechnung zu tragen, ist das Bestimmtheitsgebot. Die Lösung liegt demnach darin, je nach Vorhersehbarkeit bei der Prognoseentscheidung des Gesetzgebers die Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot zu modifizieren 229.
(3) Lösung: Modifizierung der Anforderungen an die Bestimmtheit der Norm (Regelungsdichte) Das Bestimmtheitsgebot im Sinne eines Gebotes der Normenklarheit besagt, daß sich Voraussetzungen und Umfang der Beschränkungen aus der gesetzlichen
229
Ebenso Ossenbühl, Umweltpflege, S. 38; Roth, S. 269 f.; im Erg. auch Sodan, DÖV 1987, 858 (866); P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 492 a.E., der allerdings etwas widersprüchlich - diese Lösung kurz zuvor allein im Spannungsverhältnis zwischen Richtigkeit und Gültigkeit der gesetzgeberischen Prognose verorten wollte.
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
237
Grundlage klar und fur den Bürger erkennbar ergeben müssen230. Das Verwaltungshandeln soll für den Bürger voraussehbar und in der Tendenz berechenbar werden 231. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird dieses Gebot der Normenklarheit als notwendige Ergänzung und Konkretisierung des Grundsatzes des Vorbehaltes des Gesetzes verstanden232. Damit sind die Regelungsanforderungen umrissen: Voraussetzungen und Umfang der Beschränkungen. Die Beschränkungen des Grundrechts sind die tatsächlichen Auswirkungen des staatlichen Handelns, deren Umfang laut Bundesverfassungsgericht in der Rechtsgrundlage zu regeln ist. Die Voraussetzungen für die Beschränkungen sind ebenfalls anzugeben. Dies ist dem Gesetzgeber ohne weiteres möglich, solange die Beschränkungen der Maßnahme entsprechen, also bei einem klassischen Eingriff. Schwieriger gestaltet sich die Regelung der Voraussetzungen bei einer dazwischengeschalteten Kausalkette, also den hier in Rede stehenden mittelbaren und faktischen Grundrechtseingriffen. Diese Kausalfaktoren sind - dies wurde schon erwähnt - gesetzlich nicht regelbar, weil sie bei einer ex-ante-Prognose, die der Gesetzgeber anzustellen hat, in der Regel bereits aus tatsächlichen Gründen unmöglich bestimmbar sind233. Ob man dies in der Heranziehung des allgemeinen Rechtsgrundsatzes "ultra posse nemo obligatur" begründet sieht oder den absoluten Verzicht auf Bestimmtheit mit einer absolut fehlenden Vorhersehbarkeit begründet, ist letztlich unerheblich. Entscheidend ist nur, daß diese "Voraussetzungen" der Beschränkung nicht regelbar sind und auch nicht vom Gesetzgeber geregelt werden müssen, solange sie nicht in seiner Hand liegen. Insbesondere die von Privaten vermittelten Zwischenursachen sind vom Staat nicht zu regeln 234 . Vielmehr ist auch hier die Gesetzesanforderung der Eingriffsstruktur anzupassen: Kommt es bei einem Eingriff auf die zurechenbare staatliche Handlung an, so muß diese zurechenbare staatliche Handlung auch Berücksichtigung in der den Eingriff legitimierenden Norm finden. Mit welcher Art von Maßnahme der Staat tätig wird, welcher Rechts- und Handlungsform er sich dabei be-
230
BVerfGE 20, 150 (158); 31, 255 (264); 65, 1 (44); Stober, Handbuch, S. 202. BVerfGE 48, 210 (226). 232 BVerfGE 56, 1 (13); 58, 257 (278). 233 Bei fern liegenden Kausalfaktoren ist durchaus auch eine rechtliche Unmöglichkeit zu befürchten, z.B. aus kompetentiellen Gründen. 234 Zu welch absonderlichen Ergebnissen eine derartige Sichtweise fuhren würde, mag ein einfaches Beispiel verdeutlichen: Der durch die Konkurrenz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates vermittelte Eingriff müßte, um gerechtfertigt werden zu können, auf einer Rechtsgrundlage beruhen, die das Nachfrageverhalten der Marktteilnehmer gesetzlich determiniert. Eine solche Vorstellung ist in einer Wettbewerbswirtschaft nicht nur absurd, sondern auch unter der Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes mit den Grundrechten der Marktteilnehmer unvereinbar. 231
238
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
dient, ist unerheblich. Daß der Vorbehalt des Gesetzes nicht auf die konkrete Form des Tätigwerdens des Staates rekurriert, war auch schon fur den klassischen Eingriff überwiegende Auffassung 235. Regelungsbedürftig waren und sind vielmehr die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen der Staat zum Handeln ermächtigt ist. Zu normieren sind demnach die Voraussetzungen für das staatliche Handeln, das die zur Grundrechtsbeeinträchtigung führende Kausalkette auslöst 236 . Daran zeigt sich bereits, daß das Bestimmtheitserfordernis an eine hinreichende Rechtsgrundlage abnimmt, je weniger vorhersehbar die Auswirkungen der Maßnahme und damit auch der Eingriff selbst sind. Umgekehrt muß die Norm desto klarer und bestimmter sein, je vorhersehbarer ein Eingriff ist 237 . Auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist das Vorhersehbarkeitserfordernis als Maßstab für die Regelungsdichte anerkannt238. Das Gericht sieht Bestimmtheitsmodifizierungen dadurch gerechtfertigt, daß bestimmte Lebenssachverhalte einer bestimmt gefaßten Regelung weniger zugänglich sind. Die Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse und der rasche Anpassung erfordernde Wandel dieser Verhältnisse sind für den Gesetzgeber kaum vorhersehbar, insbesondere in wirtschaftlichen Situationen239. Auch wenn den Äußerungen des Gerichts in der Regel keine mittelbaren oder faktischen Eingriffe zugrunde lagen, so sind diese Aussagen doch übertragbar, weil schon bislang unterschiedliche Bestimmtheitsanforderungen an Normen gestellt wurden, und zwar in Abhängigkeit von der Art der geregelten Materie240. Dies bedeutet für die Bestimmtheit der Norm: Da aufgrund der in der Regel vorab nicht bestimmbaren Kausalkette die Art und Weise, wie die eingriffsbegründende Auswirkung zustande kommt, nicht vorhersehbar ist, sind im Regelfall die Voraussetzungen für das staatliche Handeln und die erlaubte Auswirkung zu normieren.
235
Beispielsweise Maurer, AllgVerwR, § 10 Rn. 5 m.w.N. zur Gegenansicht; Osterloh, JuS 1983, 280 (284 f.). Als Beispiel für diese Praxis können die polizeirechtlichen Generalklauseln der Länder angesehen werden, die von "Maßnahmen" sprechen, so § 174 LVwG SH. 236 Insoweit übereinstimmend Roth, S. 270; Sodan, DÖV 1987, 858 (866). Deutlich jetzt auch BVerwG NJW 1996, 3161 (3162). 237 P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 492; Stober, Handbuch, S. 202. 238 S. nur BVerfGE 8, 274 (311). 239 BVerfGE 8, 274 (311); 11, 234 (237); 14, 245 (251); 21, 1 (4); 28, 175 (183); 33, 358 (366 f.); 48, 210 (226); 49, 89 (133). Vgl. auch Roth, S. 110 f. m.w.N.; Stober, Handbuch, S. 202 f. 240 BVerfGE 49, 89 (137); vgl. dazu Geitmann, S. 136 (ff.).
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
239
Dabei müssen die Praktikabilität und die in gewissem Rahmen mögliche Anpassungsfähigkeit einer Norm, gerade auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts, gewahrt bleiben241. Der eine Prognoseentscheidung treffende Gesetzgeber242 kann und muß sich hier insbesondere mit unbestimmten Rechtsbegriffen behelfen 243 . Die somit bestehende Notwendigkeit der Auslegung nimmt der Norm nicht die erforderliche Bestimmtheit244. Zu betonen ist, daß die Vorhersehbarkeit keine Voraussetzung fur die Anwendung des Gesetzesvorbehaltes, also das "Ob" des Eingreifens ist, ebensowenig wie die Vorhersehbarkeit Eingriffskriterium ist 245 . War ein Eingriff nicht vorhersehbar, so entfällt deswegen noch nicht die Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage. Anzumerken ist auch, daß die Unbestimmtheit, die dem Merkmal der Vorhersehbarkeit bei losgelöster Betrachtungsweise eigen ist, kein Argument bietet, die Vorhersehbarkeit als Bestimmtheitsanforderung auszusondern246. Um die Vorhersehbarkeit handhabbar zu gestalten, wird man vernünftigerweise eine verobjektivierte Sichtweise anlegen müssen. Für den Gesetzgeber gilt bei seiner Prognoseentscheidung hinsichtlich der Auswirkungen seiner beabsichtigten Maßnahmen also das Maß an Vorhersehbarkeit, das sich einem unbefangenen, objektiven Dritten bietet, der mit den zu regelnden Verhältnissen vertraut ist. Für die an einem konkret betroffenen Einzelfall später vorzunehmende Beurteilung, ob die Norm den Anforderungen an eine taugliche Rechtsgrundlage tatsächlich genügt, ist allerdings der Erkenntnisstand maßgebend, der sich zur Zeit der Prüfung einem verständigen Dritten darbietet 247. Nur so kann ein Gesetz unter Umständen "schlauer sein als seine Väter", indem nun nach Auslegung bei Gesetzesschaffung noch nicht vorhersehbare Auswirkungen eventuell von der Norm miterfaßt werden. Dies kann jedoch ebenso bedeuten, daß aufgrund der mittlerweile gewonnenen Erfahrungen mit derartigen Eingriffen die Vorhersehbarkeit
241
BVerfGE 33, 358 (367). Zu dieser Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und den Grenzen deren verfassungsgerichtlicher Nachprüfbarkeit s. Hesse, VerfR, Rn. 320. 243 BVerfGE 8, 274 (326); 21, 73 (79); 31, 255 (264); 37, 132 (142); 49, 89 (133); Stober, Handbuch, S. 203. 244 BVerfGE 21, 245 (261); 31, 255 (264); 37, 132 (142); 45, 400 (420). 245 S.o. D II 1 b aa (4). 246 Dies will Roth, S. 352 f., mit dem Argument tun, weder ein subjektives noch ein objektives Verständnis des Merkmals könnte die Frage nach dem Vorbehaltsbereich hinreichend deutlich beantworten. Hervorzuheben ist nochmals, daß es nicht um die Geltung des Gesetzes Vorbehaltes an sich geht, sondern um die Bestimmtheitsanforderungen, für die die Vorhersehbarkeit durchaus brauchbare Ergebnisse liefern kann; s. dazu im Text. 247 Dies übersieht Roth, S. 353. 242
240
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
gänzlich anders zu beurteilen ist und der Gesetzgeber daher zur Nachbesserung aufgerufen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat noch ein weiteres Kriterium, das Modifizierungen hinsichtlich der Regelungsdichte erlaubt 248, herausgearbeitet. Danach soll auch die Intensität der Auswirkungen eine Rolle spielen fur die Anforderungen, die an die Bestimmtheit der Norm zu stellen sind249. Welche Anforderungen im Einzelfall an die Rechtsgrundlage zu stellen sind, hängt von der jeweiligen Intensität des Eingriffs ab 250 : Je schwerwiegender die Intensität der Auswirkungen ist, desto höhere Anforderungen sind an die Bestimmtheit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage zu stellen251. Das zulässige Maß des Eingriffs in den grundrechtlichen Schutzbereich muß um so deutlicher in der gesetzlichen Ermächtigung bestimmt werden, je empfindlicher der Eingriff ist 252 . So können die Anforderungen an das Maß der gesetzlichen Bestimmtheit von Ermächtigungen zu begünstigenden Verwaltungsakten in der Regel geringer sein als bei klassischen Eingriffsermächtigungen 253. Mit der aus der Betroffenenperspektive zu messenden Intensität des Eingriffs spielt also auch ein materielles Kriterium eine Rolle bei den Anforderungen an die Bestimmtheit der Norm. Die vom Gesetzgeber vorab zu beurteilende Intensität der zu erwartenden Beeinträchtigungen, die aber einer nachträglichen verfassungsgerichtlichen Überprüfung zugänglich ist, ist naturgemäß eng verknüpft mit der Vorhersehbarkeit der Beeinträchtigung; beide Kriterien sind bei der Beurteilung, ob die in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage den Bestimmtheitsanforderungen genügt, heranzuziehen. Wendet man diese Grundsätze verallgemeinert auf die Bestimmtheitsanforderungen an eine Rechtsgrundlage für wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit an, ergibt sich folgendes: Die durch wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit ausgelösten Grundrechtseingriffe beruhen häufig auf einer längeren Kausalkette und sind nicht unmittelbare Folge eines Verwaltungshandelns. Das Verwaltungshandeln löst vielmehr nur die Kausalkette aus, die in einem Eingriff in einen grundrecht-
248
Vgl. auch die Übersicht bei Geitmann, S. 136 ff. BVerfGE 33, 125 (160); 48, 210 (222); 49, 89 (133); 56, 1 (13); 59, 104 (114); vgl. auch Geitmann, S. 145 f. 250 BVerfGE 33, 125 (160). 251 BVerfGE 56, 1 (13). 252 BVerfGE 33, 125 (160). 253 BVerfGE 48, 210 (222, auch LS 2). Das BVerfG betont dabei ausdrücklich, daß diese Faustformel nur gilt, solange keine Wettbewerbsverzerrungenauftreten. Dies bestätigt den hier vertretenen Ansatz, wonach die Qualifizierung eines Verwaltungshandelns als begünstigend oder belastend unerheblich ist, es vielmehr auf die Auswirkungen einer staatlichen Maßnahme bei einem Betroffenen ankommt. 249
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
241
liehen Schutzbereich endet. Die Auswirkungen sind daher fur den Gesetzgeber weniger vorhersehbar, atypisch und aufgrund der längeren Kausalkette häufig auch weniger intensiv als ein klassischer Eingriff, der das grundrechtlich geschützte Substrat unmittelbar entzieht. In einem solchen Fall sind an die Normen, die derartige Eingriffe legitimieren sollen, geringere Anforderungen zu stellen als an Vorschriften, die einen klassischen Eingriff legitimieren 254. Gerade der wirtschaftliche Wettbewerb ist ein Paradebeispiel für die vom Bundesverfassunsgericht angeführte Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse, die sich rasch verändern. Zudem (bzw. deshalb) sind Auswirkungen nur schwer vorhersehbar. Regelmäßig werden daher geringere Anforderungen an die Regelungsdichte zu stellen sein, wobei dies letztlich immer im konkreten Einzelfall zu entscheiden ist. Die Voraussetzungen für das staatliche Handeln sind, wenn eindeutig vorhersehbar, in der Norm so konkret wie möglich zu regeln 255. Gleiches gilt für den öffentlichen Zweck, dem das staatliche Handeln dienen soll, da der öffentliche Zweck für die Einzelfallabwägung mit den Interessen des Betroffenen gebraucht wird. Der öffentliche Zweck muß entweder der Norm oder - zumindest durch Auslegung - dem Gesetz entnehmbar sein. Hinsichtlich der fehlenden oder nur beschränkten Vorhersehbarkeit der Auswirkungen einer Maßnahme wird man einen auslegungsfähigen und -bedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff genügen lassen können. Für die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit bedeutet dies, daß ein Rechtsfolgeausspruch wie "Einwirkung auf Wettbewerb" oder "Teilnahme am Wettbewerb" 256 genügt. Wird unter bestimmten Voraussetzungen einem Verwaltungsträger eine Handlung erlaubt, mit der er am Wettbewerb teilnehmen soll, so ist hinreichend deutlich angesprochen, daß er zur Einwirkung auf einen Wettbewerb befugt ist, die notwendigerweise mit einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung anderer Marktteilnehmer verbunden ist oder sein kann. Damit ist noch nicht jede Handlung vorab für rechtens erklärt, sondern im Einzelfall - insbesondere dem gerichtlich zu beurteilenden kommt es noch auf die Vereinbarkeit mit der über Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Wettbewerbsfreiheit des Betroffenen an, wie es bei herkömmlich strukturierten Normen, die Ermessen eröffnen, schon lange der Fall ist.
254
Im Erg. ebenso Roth, S. 112. Auch hier können im Einzelfall geringere Anforderungen gestellt werden, wenn nämlich der zu regelnde Sachbereich einer genaueren begrifflichen Umschreibung nicht zugänglich ist, vgl. BVerfGE 56, 1 (13). 256 Diese Formulierung hatte § 4 Abs. 1 S. 5 PostVerfG a.F. gewählt, auf den noch zurückzukommen ist. Dabei wird die Frage, ob denn Wettbewerb neben seiner sozialwissenschaftlichen Komponente auch ein Rechtsbegriff sein kann, bejaht. Vgl. zur Problematik des Wettbewerbsbegriffs nur Rittner, Wirtschafts recht, § 14 Rn. 20 ff. 255
16 Schliesky
242
D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
(4) Struktur einer Rechtsgrundlage für wettbewerbsrelevante Staatstatigkeit Aus dem Gesagten ergibt sich, daß die zu erwartende Beschaffenheit einer hinreichenden Rechtsgrundlage fur wettbewerbsrelevante Staatstatigkeit eng mit dem Grundrechtseingriff verbunden ist, den es zu rechtfertigen gilt. Insoweit ist zu differenzieren zwischen einem klassischen Eingriff, bei dem der Eingriff die Kehrseite der in der Rechtsgrundlage zu regelnden Maßnahme ist, und einem "sonstigen" Eingriff nach neuer Eingriffsdefinition, der erst durch die Auswirkungen einer staatlichen Maßnahme vermittelt wird. Wird der Eingriff in den grundrechtlichen Schutzbereich durch die Intensität der Auswirkungen vermittelt, so sind die Anforderungen an die hinreichende Rechtsgrundlage dahin gehend zu modifizieren, daß - abgestuft wiederum nach Vorhersehbarkeit - die erlaubten Auswirkungen in die Rechtsgrundlage mitaufzunehmen sind. Die Auswirkung wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit liegt zum einen in der Beeinflussung des Wettbewerbs, zum anderen in der (potentiellen) Beeinträchtigung von Grundrechten der Marktteilnehmer. Die Einwirkung auf den Wettbewerb charakterisiert wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit, sie ist begriffsbildend. Begriffsnotwendig damit verbunden ist aber auch die potentielle Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung der in diesem Marktsegment Tätigen257. Demzufolge genügt es, wenn die "Einwirkung auf den Wettbewerb" oder die "Teilnahme am Wettbewerb" normiert wird, da sich durch Auslegung hinreichend deutlich ergibt, daß der mögliche Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der privaten Marktteilnehmer erlaubt sein soll. Aus deklaratorischen Gründen ist es aber durchaus möglich, den Eingriff in die Rechte anderer mit als Normbestandteil aufzunehmen. Wie bislang üblich, sind weiterhin die Voraussetzungen für das staatliche Tätigwerden zu normieren, u.U. auch die Art der Maßnahme. In der Regel wird die Regelung der Handlungsform allerdings entfallen, da das heutige Staats- und Verwaltungshandeln gerade durch eine zunehmende Flexibilisierung der Handlungsformen gekennzeichnet ist. Gerade die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates ist einer Beschränkung auf bestimmte Handlungsformen kaum zugänglich, so daß ein Erlauben von "Maßnahmen" oder überhaupt nur die der Norm zu entnehmende Befugnis zum Tätigwerden ausreicht. Es ist dabei daran zu erinnern, daß die Maßnahme in den hier behandelten Fällen regelmäßig nur noch das die Kausalkette auslösende Moment ist, in der Regel nicht mehr unmittelbar zur Rechtsbeeinträchtigung führt. Schließlich ist der öffentliche Zweck zu regeln, dem die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit zu dienen bestimmt ist. Da sich das gesamte Staatshandeln auf einen öffentlichen Zweck zurückverfolgen lassen muß 258 , bedarf auch die öf-
257 258
Diese Eingriffsgeeignetheit wurde oben nachgewiesen, vgl. Β III 4. S.o. C I 3.
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
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fentliche Aufgabe, die durch eine konkrete Rechtsgrundlage umgesetzt werden soll, der gesetzlichen Fixierung. Die Normierung des öffentlichen Zwecks ist vor allem fur die Abwägung mit den grundrechtlich geschützten Interessen der Betroffenen von Bedeutung: Nur wenn das öffentliche Interesse, das ja in der Abwägung den konkreten Einzelfall entscheidet, hinreichend deutlich wird, genügt die Ermächtigungsgrundlage den Anforderungen an eine aus Betroffenensicht zu beurteilende Berechenbarkeit und so dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot. Dabei genügt es, wenn sich die mit der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit verfolgte öffentliche Aufgabe aus dem Gesetzeszusammenhang oder hinreichend deutlich durch Auslegung ergibt. Daraus folgt die allgemein zu fordernde Struktur für eine hinreichende Rechtsgrundlage: "Bei Vorliegen eines [zu benennenden] öffentlichen Interesses kann der [zu benennende] Verwaltungsträger am Wettbewerb teilnehmen." Zu betonen ist dabei aber, daß dieses letztlich die abstrakten Mindestanforderungen an eine hinreichende Rechtsgrundlage sind. Je nach Vorhersehbarkeit der Auswirkungen, zu erwartender Intensität der Beeinträchtigungen sowie überhaupt der Überschaubarkeit des zu regelnden Sachbereiches sind die Bestimmtheitsanforderungen zu erhöhen. Aus diesem Grund und angesichts der Vielgestaltigkeit der Erscheinungsformen ist auch eine Generalklausel für wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit insgesamt wertlos; bei der notwendig fehlenden Bestimmtheit liefe eine derartige Normierung auf eine einfachgesetzliche Wiederholung des grundrechtlichen Gesetzesvorbehaltes hinaus. Gerade im Bereich der Wirtschaftslenkung, in dem Voraussetzungen und Ziele des staatlichen Tätigwerdens regelmäßig näher bekannt sind, müssen die Bestimmtheitsanforderungen höher geschraubt sein. Für die Normierung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates, die unter anderem durch die schwer vorhersehbaren Auswirkungen gekennzeichnet ist, könnte eine derartige Rechtsgrundlage genügen. Sollte es jemals zu einem Gesetz über öffentliche Unternehmen kommen, wäre die Aufnahme einer derartigen Generalklausel durchaus empfehlenswert 259.
ff) Beispiele für taugliche Rechtsgrundlagen Im folgenden sollen kurz einige Rechtsgrundlagen vorgestellt werden, die den herausgearbeiteten Anforderungen genügen.
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Vgl. zu den Bemühungen um ein derartiges Gesetz Janson, Rechtsformen, S. 325 ff.
244
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
(1) § 4 Abs. 1 S. 5 PostVerfG a.F. Der oben nachgezeichneten allgemeinen Struktur entspricht § 4 Abs. 1 S. 5 PostVerfG a.F. 2 6 0 , der unter der Überschrift "Leitungsgrundsätze" fur die Unternehmen der Deutschen Bundespost anordnet: "In Wahrnehmung ihrer Aufgaben beteiligen sich die Unternehmen am Wettbewerb/ Der öffentliche Zweck, dem die wirtschaftliche Tätigkeit der Postunternehmen zu dienen hat, ist mit der Wendung "in Wahrnehmung ihrer Aufgaben" hinreichend umschrieben, da die von den Postunternehmen zu erfüllenden öffentlichen Aufgaben in §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 S. 1 PostVerfG genannt sind. Das Tätigwerden wird mit dem Verb "beteiligen" erlaubt und nicht von weiteren Voraussetzungen als der Auftragserfüllung abhängig gemacht. Da die Postunternehmen sich "am Wettbewerb" beteiligen dürfen, ist die tatsächliche Folge wie auch die Rechtsfolge hinreichend deutlich angesprochen: Die Unternehmen dürfen im Wettbewerb tätig werden und durch ihr Tätigwerden auch die Wettbewerbsstellung der Konkurrenten beeinträchtigen; letzteres ergibt sich notwendigerweise aus der Teilnahme am Wettbewerb 261. Angebracht ist allerdings noch der Hinweis, daß sich das auf § 4 Abs. 1 S. 5 PostVerfG gestützte Handeln - wie Staatshandeln üblicherweise - am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen lassen muß.
(2) § 39 b ArzneimittelG a. F. Die Konsequenz aus dem sog. "Transparenzlisten"-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 262, das Empfehlungen der Transparenzkommission im Hinblick auf die Preisdifferenzen gleichartiger Arzneimittel ohne gesetzliche Grundlage als nicht gerechtfertigten Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit angesehen hatte,
260
Gesetz über die Unternehmens Verfassung der Deutschen Bundespost (Postverfassungsgesetz) v. 8.6.1989, BGBl. I S. 1026; verkündet als Art. 1 des Gesetzes zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der Deutschen Bundespost (Poststrukturgesetz). Im Zuge der Postreform II wurde die Vorschrift aufgehoben durch Art. 13 § 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (PTNeuOG) v. 14.9.1994, BGBl. I S. 2325. 261 Davon gedeckt sind dann auch Werbemaßnahmen im Wettbewerb s rechtlich sonst zulässigen Rahmen, OLG Düsseldorf ArchivPT 1994, 157 (159 f.). - F. Kirchhof Tätigkeitsfelder, S. 109, sieht in § 4 Abs. 1 5. 7 PostVerfG eine hinreichende formalgesetzliche Grundlage. Dies unterliegt Bedenken, da diese Vorschrift die Aufgaben der Postunternehmen definiert (Deckung der Nachfrage nach Leistungen der Post-, Postbank- und Fernmeldedienste). Es handelt sich also um eine Aufgaben(zuweisungs)norm, von deren Existenz noch nicht auf die Befugnis zu Beeinträchtigungen der Wettbewerbs freiheit der Marktteilnehmer geschlossen werden darf. Vgl. dazu oben D U 1 c bb. 262 BVerwGE 71, 183 ff.
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
245
war die Schaffung des § 39 b ArzneimittelG (und weiterer Vorschriften) 263. § 39 b Abs. 1 S. 1 ArzneimittelG enthält die Aufgabenzuweisung an die Transparenzkommission, und S. 2 stellt die Befugnisnorm dar: "Zu diesem Zweck erstellt sie für Teilmärkte, die durch Anwendungsgebiete abgegrenzt sind, Übersichten (Transparenzlisten), die Arzneimittel nach Stoffen und Stoffgruppen geordnet auflisten und Aussagen zu ihren Wirkungen treffen. " Der Bezug zu der öffentlichen Aufgabe hätte deutlicher kaum geregelt werden können, auch die zum Tätigwerden berufene Verwaltungseinheit ist genau bezeichnet. Als weitere Voraussetzung fur das Tätigwerden wird das Vorliegen eines "Teilmarktes, der durch Anwendungsgebiete abgegrenzt ist", verlangt. Bedenken unterliegt aber der Rest der Regelung: Die Norm orientiert sich in ihrer Struktur an einem klassischen Eingriff, indem sie handlungsorientiert das "Erstellen von Übersichten" in Form von "Transparenzlisten" erlaubt. Nun war aber das Kennzeichnende des vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Falles gerade, daß kein klassischer Eingriff vorlag. Der Eingriff lag vielmehr in der Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung bestimmter pharmazeutischer Unternehmer, die aufgrund einer negativen Erwähnung in der Transparenzliste Umsatzeinbußen und damit eine Verminderung ihres Marktanteils erlitten. Der Eingriff wurde jedoch nicht durch die Transparenzliste unmittelbar herbeigeführt, sondern durch das veränderte Verschreibeverhalten der Ärzte sowie die veränderte Käufernachfrage. Legt man nun die herausgearbeiteten Maßstäbe fur die einen derartigen mittelbaren Eingriff rechtfertigende Norm an, so hätte die Auswirkung einer zusätzlichen Normierung bedurft. Dies gilt um so mehr, als die Vorschrift die Folge des "Transparenzlisten"-Urteils ist, die in die Grundrechte eingreifende Auswirkung der Listenveröffentlichung also eindeutig vorhersehbar war. Aufgrund der Vorhersehbarkeit sind an § 39 b Abs. 1 S. 2 ArzneimittelG demnach gesteigerte Bestimmtheitsanforderungen zu stellen, und die Aufnahme eines Hinweises auf die wettbewerbsbeeinflussenden Auswirkungen ist geboten264. Nun gebietet dieser Hinweis auf normative Unzulänglichkeit allerdings nicht ohne weiteres den Schluß, die Veröffentlichung von Transparenzlisten weiterhin mangels hinreichender Rechtsgrundlage als rechtswidrig anzusehen. Vielmehr ist eine Auslegung der Norm geboten. Neben der angedeuteten historischen Auslegung - der Wille des Gesetzgebers ging erkennbar dahin, die vom Bundesver-
263
Eingefügt in das Arzneimittelgesetz durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes v. 16.8.1986, BGBl. I S. 1296. Interessant ist insoweit auch noch § 39 e ArzneimittelG a.F., der ein Anhö rungs recht betroffener pharmazeutischer Unternehmer statuiert. 264 Auch Roth, S. 269 Fn. 166, vermißt beispielsweise eine ausdrückliche Bestimmung, nach der mit den Transparenzlisten mittels Verschreibungsverhalten der Ärzte unternehmerische Umsatzeinbußen verursacht werden dürfen.
246
D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
waltungsgericht als fehlend gerügte Rechtsgrundlage zu schaffen - sprechen systematische und teleologische Gesichtspunkte dafür, § 39 b Abs. 1 S. 2 ArzneimittelG als Rechtsgrundlage für den Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der betroffenen pharmazeutischen Unternehmer genügen zu lassen. Systematisch insoweit geboten ist der Blick auf S. 3, der die Preisbezogenheit der Transparenzliste hervorhebt. Der Schluß von einem angeordneten Preisvergleich auf mögliche Umsatzeinbußen im Vergleich zu preiswerteren Anbietern muß zwar erst gezogen werden, doch dürfte diese Anforderung sich noch im Rahmen der nötigen Bestimmtheit bewegen. Auch das Anhörungsrecht des § 39 e ArzneimittelG erlaubt den Rückschluß auf eine möglicherweise eingreifende Wirkung der Listenveröffentlichung, denn es darf als - in § 28 VwVfG niedergelegter Grundsatz des Verwaltungsverfahrensrechts gelten, daß der Bürger vor einer ihn belastenden Maßnahme anzuhören ist 265 . Schließlich spricht auch der Zweck der Regelung für das Genügenlassen dieser Norm: Die Aufgabenstellung der Transparenzkommission, eine pharmakologisch-therapeutische und preisliche Transparenz herbeizuführen (§ 39 b Abs. 1 S. 1 ArzneimittelG), macht vor dem Hintergrund der angestrebten Kostendampfung im Gesundheitswesen hinreichend deutlich, daß ein verändertes Verschreibeverhalten der Ärzteschaft geradezu beabsichtigt wird und damit einhergehende Umsatzeinbußen, die eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung darstellen, in Kauf genommen werden. Im Wege der Auslegung erweist sich § 39 b Abs. 1 S. 2 ArzneimittelG als hinreichende Rechtsgrundlage266. Zu kritisieren bleibt allerdings, daß angesichts der zur Zeit der Verabschiedung gegebenen Vorhersehbarkeit der Auswirkungen die Norm noch bestimmter hätte gefaßt werden können267.
265 Außerhalb des Handelns in Form des Verwaltungsaktes ist dies allerdings umstritten, vgl. nur Kopp, VwVfG, § 28 Rn. 3 m.w.N. - Ossenbühl, Umweltpflege, S. 69 f., verlangt zutreffend eine Anhörung vor jeder Verwaltungsmaßnahme, die zielgerichtet in den Rechtskreis des Bürgers eingreift. 266 Ebenso Roth, S. 270 Fn. 174. 267 Kritik und Ergebnis gelten im wesentlichen auch für § 9 Abs. 1 Strahlenschutzvorsorgegesetz (Gesetz zum vorsorgenden Schutz der Bevölkerung gegen Strahlenbelastung v. 19.12.1986, BGBl. I S. 2610), der in der Folge der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl geschaffen wurde. Auch hier fehlt der Hinweis auf die Auswirkungen, die eine Folge der in § 9 Abs. 1 StrlSchVG zugelassenen Empfehlungen des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sind und den Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit darstellen. Überdies ist diese Vorschrift aber aus kompetentiellen Gründen kritisiert worden, vgl. Schulte, WUR 1991, 231 (232 Fn. 23) m.w.N.
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
247
Mittlerweile ist die Vorschrift wieder aufgehoben worden. Das Arzneimittelgesetz ist vollständig neugefaßt worden 268; der Bereich der preislichen sowie pharmakologisch-therapeutischen Transparenz von Arzneimitteln wurde ausgegliedert und eigenständig neu geregelt269. Hinzuweisen ist insoweit auf die neue Befugnis der zuständigen Bundesoberbehörde zu öffentlichen Warnungen gem. § 69 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 S. 3 ArzneimittelG n.F., wenn der begründete Verdacht besteht, daß das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Anzumerken ist, daß der Gesetzgeber im Bereich der Gesundheitsvorsorge und Umweltpflege - wie an diesem Beispiel gezeigt - doch verstärkt tätig wird und auch die Literatur sich um entsprechende Vorarbeiten bemüht. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang noch der Professorenentwurf eines Umweltgesetzbuches (Allgemeiner Teil) 270 , der ebenfalls eine Generalklausel für Warnungen, Hinweise und Empfehlungen im Umweltsektor bereithält. § 107 UGB-AT enthält eine besondere Ermächtigung für behördliche Warnungen, Hinweise und Empfehlungen 271, weil - so die Begründung - derartige Maßnahmen Eingriffe in die wirtschaftliche Betätigung bestimmter Unternehmen nach sich ziehen können, die deren Absatzmöglichkeiten auf dem Markt beeinträchtigen272. Aus diesem Grund ist in die Vorschrift auch ein Abwägungsvorbehalt aufgenommen worden, der die - allerdings im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfungohne-
268
Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) ν. 27.10. 1994, BGBl. I S. 3019. 269 Als Übergangsregelung zunächst Art. 31 des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz- GSG) v. 21.12.1992, BGBl. I S. 2266; sowie nun vor allem durch §§ 34 Abs. 2 und 3, 34 a, 92 a SGB V i.d.F. der Art. 1, 2 GSG. Nunmehr erstellt das Institut "Arzneimittel in der Krankenversicherung" gem. § 92 a Abs. 5 SGB V eine wirkstoffbezogene Vorschlagsliste verordnungsfähiger Fertigarzneimittel fur die Anwendung in der vertragsärztlichen Versorgung, die vom Bundesminister für Gesundheit gem. § 34 a SGB V als Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates erlassen wird. § 92 a Abs. 12 S. 1 SGB V schließt interessanterweise Klagen gegen die Vorschlagsliste aus. Gegen die schließlich - nach Erlaß der Rechtsverordnung- gem. § 92 a Abs. 8 SGB V am Ende stehende Veröffentlichung der Arzneimittelzusammenstellung - versehen mit einem Preis vergleich! - durch das Institut wird die Anfechtungsklage nach § 92 a Abs. 12 S. 2 SGB V eingeräumt, die aber nach S. 3 keine aufschiebende Wirkung besitzt und nach S. 4 keines Vorverfahrens bedarf. 270 UGB-AT; vgl. dazu Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann, UBG-AT, passim. 271 § 107 UGB-AT: "Die zuständige Behörde ist befugt, Warnungen, Hinweise und Empfehlungen für umweltgerechtes Verhalten auszusprechen, soweit überwiegende Gründe des Gemeinwohls dies erfordern." 27 2 Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann, UGB-AT, S. 410.
248
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
hin notwendige - Berücksichtigung der Wettbewerbsfreiheit des betroffenen Unternehmers anordnet. Von Wettbewerbsrelevanz ist auch § 108 UGB-AT, der die Verleihung eines Umweltsiegels regelt 273.
(3) Polizeiliche Generalklausel Für bestimmte Ausschnitte wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit wie Warnungen, Empfehlungen oder andere Handlungen zur Gefahrenabwehr mit wettbewerbsrelevanten Folgen kommt auch die Generalklausel zur Gefahrenabwehr in den Polizeigesetzen der Länder als Rechtsgrundlage in Betracht 274. So genügen beispielsweise die §§ 174, 176 LVwG Schleswig-Holstein den genannten Anforderungen, da diese Generalklausel "Maßnahmen" zur Gefahrenabwehr und ausdrücklich auch Eingriffe "in die Rechte der einzelnen Person" erlaubt. Allerdings hat diese Rechtsgrundlage ihren "kompetentiellen Preis" 275: Zuständig sind nur die Ordnungsbehörden der Länder, so daß im "Glykolwein"-Fall wie in den "Jugendsekten"-Fällen Bundesbehörden ihr Handeln nicht auf diese Rechtsgrundlage stützen können276.
gg) Beurteilung bei Fehlen einer einfachgesetzlichen Grundlage Die Beispiele haben gezeigt, daß es durchaus eine Reihe tauglicher Rechtsgrundlagen für wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit gibt. Auch für nicht-klassische Eingriffe werden die Gesetzgeber zunehmend tätig bzw. sind durch die Literatur zumindest aufgefordert, dies zu tun. Es erhebt sich nun aber die Frage, wie die Beurteilung der Fälle auszusehen hat, in denen eine einfachgesetzliche Grundlage fehlt. Zu klären ist, wie der "Glykolwein"-Fall behandelt werden muß, wenn man - entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts - einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der betroffenen Unternehmer annimmt.
273
S. auch dazu Kloepfer/Rehbinder/Schmidt-Aßmann, UGB-AT, S. 410. Zur Frage des Gesetzes Vorbehaltes bei der Verleihung des Umweltzeichens ("Blauer Engel") ausführlich Ossenbühl, Umweltpflege II, S. 33 ff. 27 4 Brohm, DVB1. 1994, 133 (135); Gusy, JZ 1989, 1003 (1005); Heintzen, VerwArch. 81 (1990), 532 (556); Philipp, S. 213, 217 ff.; Roth, S. 271; Schoch, WUR 1990, 45 (46); ders., DVB1. 1991, 667 (671). In diese Richtung auch VGH Mannheim DÖV 1989, 169 (170). 275
So die Formulierung von Schoch, WUR 1990, 45 (46). Gusy, JZ 1989, 1003 (1005); Schoch, WUR 1990, 45 (46); ders., DVB1. 1991, 667 (674). A.A. Brohm, DVB1. 1994, 133 (135 f.), der die Generalklausel für den Bund im Wege gewohnheitsrechtlicher Geltung anwenden will; Philipp, S. 229 f., die eine Bundeskompetenz aus der Natur der Sache herleiten will. 27 6
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
249
Oder wie das Urteil über das Tätigwerden einer MARBETON Kies- und Betonwerk Marstetten GmbH auszufallen hat, deren Alleingesellschafter die Deutsche Bundesbahn Holding GmbH ist. An dieser Stelle ist noch einmal ein bereits herausgearbeitetes Ergebnis wiederaufzugreifen: Es wurde oben nachgewiesen, daß wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit nur zulässig ist, wenn sie einem öffentlichen Interesse dient. Wird das Vorliegen eines solchen öffentlichen Interesses einmal unterstellt 277, so zeigt sich das hier behandelte Problem der Rechtfertigung eines Eingriffs aus einem anderen Blickwinkel: Da ein hinreichendes öffentliches Interesse auf ein Verfassungsgut rückführbar sein muß, handelt es sich um ein Problem der Kollision von Verfassungsgütern 278. Wie bei der Kollision von Grundrechten stellt die Kollision von staatlicher Wirtschafts-/Wettbewerbsfreiheit einen Konflikt dar, der sich bei wildwüchsigem " Freiheitsgebrauch " 2 7 9 ergibt 280. Derartige Kollisionen aufzulösen, ist zunächst der einfache Gesetzgeber im Rahmen der Gesetzesvorbehalte aufgerufen 281. Schwieriger und uneinheitlicher beurteilt ist die Lösung, wenn die Auflösung der Kollision mit einem Eingriff in ein vom Wortlaut her vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht verbunden ist 282 . Problematisch ist vor allem die damit verbundene und hier einschlägige Frage, ob auch die vorbehaltlich garantierten Grundrechte bei Fehlen einer einfachgesetzlichen Eingriffsermächtigung (zusätzlich) einer Beschränkung durch verfassungsimmanente Schranken unterliegen. Unter den verfassungsimmanenten Schranken eines Grundrechts sind andere Grundrechte und Verfassungsgüter zu verstehen, die einen Eingriff in das Grundrecht dann verfassungsunmittelbar rechtfertigen, wenn dieser Eingriff die Kollision zwischen dem betroffenen Grundrecht und dem anderen Verfassungsgut im
277
Im Einzelfall ist es jeweils präzise nachzuweisen. Von Stern, Staatsrecht III/2, S. 657, zutreffend als "unechte" Grundrechtskollision bezeichnet. Eine "echte" Kollision liegt demnach vor, wenn zwei konfligierende Grundrechte in Ausgleich gebracht werden müssen. 279 Es sei noch einmal betont, daß die Wirtschafts freiheit des Staates selbstverständlich keine "Freiheit" im grundrechtlichen Sinne darstellt. 280 Vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 341. 281 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 341. 282 Überhaupt wird dieses Problem i.d.R. bei der Kollision von Grundrechten behandelt, vgl. nur Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 5 ff., 133 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 341 ff.; Stern, Staatsrecht I I I / l , S. 928 ff. Die Problematik im Zusammenhang mit vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten bedarf hier keiner gesonderten Vertiefung, da bei der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit primär Grundrechte zur Beurteilung anstehen, die einen Gesetzes vorbehält aufweisen, vor allem Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG. 278
250
D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
Sinne praktischer Konkordanz ausgleicht283. Nach richtiger, wenn auch bestrittener 284 Ansicht gelten diese Beschränkungen durch verfassungsimmanente Schranken fur alle Grundrechte 285. Nur diese Lösung wird der notwendigen Begrenztheit sämtlicher Freiheiten in einem staatlichen Gemeinwesen gerecht, das rechts- und sozialstaatlichen Prinzipien verpflichtet ist 286 . Dies bedeutet konkret, daß ein Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit, für den eine hinreichende einfachgesetzliche Rechtfertigung fehlt, ausnahmsweise verfassungsunmittelbar gerechtfertigt sein kann, wenn ein Verfassungsgut (im Einzelfall) eine verfassungsimmanente Schranke bildet, die nach Herstellung praktischer Konkordanz eine Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit des Privaten rechtfertigt. Wie die Herstellung praktischer Konkordanz und damit die Beurteilung einer Beschränkung durch eine verfassungsimmanente Schranke erfolgt, bedarf näherer Beleuchtung. Zunächst einmal ist der in Betracht kommende kollidierende Verfassungswert zu ermitteln. Als derartige Verfassungswerte kommen die Grundrechte anderer 287 , grundrechtliche Schutzpflichten 288 oder Gemeinschaftsinteressen (Rechtsgüter; Grundentscheidungen) von Verfassungsrang 289 in Betracht. Das als verfassungsimmanente Schranke herangezogene Verfassungsgut ist aber konkret herauszuarbeiten 290. Es ist also die konkrete Bedeutung des verfassungsrechtlichen Schutzgutes im untersuchten Einzelfall herauszuarbeiten; dies hat den Sinn, sich bei der für die Herstellung praktischer Konkordanz erforderlichen
283
K. Fehn/B.J. Fehn, VR 1994, 413 (420); Hesse, VerfR, Rn. 72, 318; Pieroth/ Schlinky Grundrechte, Rn. 354. 284 Die Gegenansicht will verfassungsimmanente Schranken nur bei vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten anerkennen, etwa Pieroth/Schlinky Grundrechte, Rn. 354, 360; Stern y Staatsrecht I I I / l , S. 930. 285 BVerfG NJW 1984, 1741 (1742); BVerwGE 87, 37 (45 f.); Boy VerfGH VerfGHE 30, 109 (119 f.); Krebs y Vorbehalt des Gesetzes, S. 115; Lerche y in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR V , § 122 Rn. 14, 23; Maunz/Zippelius, Staatsrecht, S. 144; Schulte, DVB1. 1988, 512 (518). 286
BVerfGE 77, 240 (253); Krebs y Vorbehalt des Gesetzes, S. 114; Lerche, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V , § 122 Rn. 3; Schuüe y DVB1. 1988, 512 (518). 287 BVerfGE 77, 240 (255); Ossenbühl y Umweltpflege, S. 51; Stern, Staats recht III/2, S. 629 f.; Schulte y DVB1. 1988, 512 (518). Es handelt sich dann um "echte" Grundrechtskollisionen. 288
289
Di
FabiOy
J Z 1 9 9 3 , 6 8 9 ( 6 9 6 f.).
BVerfGE 28, 243 (261); 69, 1 (21 f.); BVerfG NJW 1989, 3269 (3270); Alexy t Theorie der Grundrechte, S. 262 f.; Lerche, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR V , § 122 Rn. 23; Ossenbühly Umweltpflege, S. 51; Stern t Staatsrecht III/2, S. 671. 290 BVerfGE 77, 240 (255); 81, 278 (293); Hesse, VerfR, Rn. 72; Stern y Staatsrecht I I I / l , S. 929 f.
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
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Abwägung nicht mit abstrakten Erwägungen begnügen zu müssen, bei denen vorschnell einem der kollidierenden Güter eine abstrakte Bedeutung zugemessen wird, die das andere Gut unangemessen zurückdrängt 291. Dies würde nicht nur dem konkreten Betroffenen nicht gerecht werden, sondern die Gefahr einer abstrakten Wertordnung des Grundgesetzes heraufbeschwören, die diesem fremd ist. Ist auch das andere kollidierende Verfassungsgut - in diesem Falle also die private Wettbewerbsfreiheit - konkret herausgearbeitet, so müssen die beiden kollidierenden Verfassungswerte in einen Zustand praktischer Konkordanz gebracht werden. Dies bedeutet eine konkrete Problemlösung mit dem Ziel der Optimierung, nicht der Maximierung beider Güter; beide Verfassungsgüter müssen zurückweichen, beiden müssen Grenzen gezogen werden, damit sie zu optimaler Wirksamkeit gelangen292. Wie eben schon betont, müssen die beiden kollidierenden Verfassungsgüter konkret herausgearbeitet werden, damit sie nun konkret im zu beurteilenden Einzelfall zu einem für beide Seiten möglichst schonenden Ausgleich gebracht werden. Dieser Ausgleich und damit die Lösung des Konflikts erfolgt im Wege einzelfallbezogener Abwägung zwischen den beiden Verfassungsgütern 293. Im Wege dieser Abwägung ist nur für den konkreten Einzelfall zu ermitteln, welches Verfassungsgut in dem zu beurteilenden Fall das höhere Gewicht hat 294 . Diese Beurteilung erfolgt mit Hilfe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit; auch hier also keine abstrakte Gewichtung, sondern die Herstellung eines verhältnismäßigen Ausgleichs295. Dabei versteht es sich dann von selbst, daß keines der Schutzgüter so weit zurückgedrängt werden kann, daß von seinem Wesensgehalt nichts mehr übrig bleibt. Verhältnismäßigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang vielmehr, keines der kollidierenden Verfassungsgüter mehr als notwendig zu beeinträchtigen, um auch dem anderen Verfassunsgut einen hinreichenden Wirkungsspielraum zu belassen. Was dies für die verfassungsimmanente Schranke und ihre Prüfung bedeutet, hat Konrad Hesse 296 deutlich zum Ausdruck gebracht: "Die Grundrechtsbegrenzung muß daher geeignet sein, den Schutz des Rechtsgutes zu bewirken, um dessentwillen sie vorgenommen wird. Sie muß hierzu erforderlich sein, was nicht der Fall ist, wenn ein
291
Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 151 f.; Hesse, VerfR, Rn. 72; Stern, Staatsrecht I I I / l , S. 930. 292 BVerfGE 81, 278 (292); Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 146; Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 366; Hesse, VerfR, Rn. 72; Stern, Staatsrecht I I I / l , S. 930. 293 BVerfGE 81, 278 (293); BVerwG NJW 1996, 3161 (3161); Hesse, VerfR, Rn. 72. 294 K. Fehn/BJ. Fehn, VR 1994, 413 (420); Stern, Staatsrecht I I I / l , S. 930. 295 BVerfGE 44, 353 (373); 51, 324 (346); 63, 131 (144); 77, 240 (257); 81, 278 (292); BVerfG NJW 1989, 3269 (3270); Hesse, VerfR, Rn. 72, 318; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes, S. 115; Stern, Staatsrecht III/2, S. 676 f. 296 VerfR, Rn. 318 (Hervorhebungen im Original).
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
milderes Mittel ausreichen würde. Sie muß schließlich im engeren Sinne verhältnismäßig sein, d.h. in angemessenem Verhältnis zu dem Gewicht und der Bedeutung des Grundrechts stehen. " Für die Rechtfertigung wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit, die in die Wettbewerbsfreiheit eines Bürgers eingreift, bedeutet dies folgendes: Die "Wirtschaftsfreiheit H des Staates, also dasjenige verfassungsrechtlich verankerte öffentliche Interesse, auf das sich der Staat bei seinem Tätigwerden stützt, ist für den konkreten Eingriff so präzise wie möglich herauszuarbeiten. Der durch die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit vermittelte Eingriff in die private Wettbewerbsfreiheit, die ebenfalls genauestens zu eruieren ist, muß der Erreichung des verfolgten öffentlichen Interesses dienen, also geeignet sein, und nicht mit einem für den betroffenen Grundrechtsträger milderen Mittel erreichbar sein. Schließlich ist die praktische Konkordanz zwischen staatlicher Wirtschaftsfreiheit und privater Wettbewerbsfreiheit dadurch herzustellen, daß die staatliche Beeinträchtigung im konkreten Fall eine angemessene Zurückdrängung der privaten Wettbewerbsfreiheit bedeutet. Nur dann ist der Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit ausnahmsweise ohne einfachgesetzliche Rechtsgrundlage gerechtfertigt. Es soll nicht verschwiegen werden, daß diese Eingriffsrechtfertigung aufgrund verfassungsimmanenter Schranken einigen gewichtigen Bedenken ausgesetzt ist. Kritisiert wird einmal die mögliche Umgehung des Gesetzesvorbehaltes bei den hier in Rede stehenden vorbehaltlich gewährleisteten Grundrechten 297. In der Tat besteht die Gefahr, daß die Funktion der Gesetzesvorbehalte unklare Konturen bekommt, wenn auch jenseits dieser abgesteckten Bereiche Eingriffe aufgrund verfassungsimmanenter Schranken zulässig sein sollen. Dieser Gefahr kann nur dadurch begegnet werden, daß von der eben skizzierten Eingriffsrechtfertigung nur restriktiv Gebrauch gemacht wird. Zu betonen ist insoweit, daß auch die Konkretisierung verfassungsimmanenter Schranken grundsätzlich der Umsetzung durch den einfachen Gesetzgeber bedarf. Kollidierende Verfassungsgüter bedürfen grundsätzlich der einfachgesetzlichen Grenzziehung298, eine verfassungsunmittelbare Umsetzung durch den Rechtsanwender bzw. Richter muß die Ausnahme bleiben. Weiterhin wird gegen die eingriffsrechtfertigende Wirkung verfassungsimmanenter Schranken vorgebracht, daß sie zum Teil grundsätzlich eine andere Regelungsfunktion verfolgen; insoweit besteht die Gefahr, daß das Grundgesetz
297
Vgl. zu dieser Kritik Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 356. F. Kirchhqf,\ Tätigkeitsfelder, S. 102 f.; Krebs y Vorbehalt des Gesetzes, S. 117 f.; Ossenbühl, Umweltpflege, S. 55; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 362; Roth, S. 240; Schulte, DVB1. 1988, 512 (519 f.); Stern, Staatsrecht I I I / l , S. 942. 298
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
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- bildhaft gesprochen - als "Steinbruch" für jedes beliebige Gemeinschaftsinteresse herhalten muß, das - ein wenig "zurechtgehauen und paßbar gemacht" - ein breites und unbestimmtes Arsenal möglicher Grundrechtseinschränkungen rechtfertigen kann299. Auch diese Bedenken sind sicherlich gerechtfertigt, wenn es beispielsweise um die Ableitung verfassungsimmanenter Schranken aus Gesetzgebungskompetenzen geht300. Die Bedenken gegen eine derartige Herleitung aus Gesetzgebungskompetenzen sind umfassend von Michael Seile 101 dargelegt worden; dies soll und kann hier nicht wiederholt werden. Neben der gänzlich anderen Regelungsfunktion der Gesetzgebungskompetenzen302 braucht nur deren fehlende inhaltliche Klarheit erwähnt zu werden 303. Überdies wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Art. 70 ff. GG die Wirtschaftsfreiheit nur für den Gesetzgeber zu begründen vermögen 304. Den Bedenken kann aber insoweit Rechnung getragen werden, als nicht nur die Rückführbarkeit auf eine ausdrückliche Vorschrift im Grundgesetz zu fordern ist 305 , sondern auch eine Vorschrift, die einen entsprechenden materiellen Mindestgehalt aufweist, wie z.B. Art. 91 a Abs. 1 GG oder Art. 109 Abs. 2 GG. Die Befürchtung, das im Wege der verfassungsimmanenten Schranke eingeschränkte Grundrecht dürfe nicht zum bloßen Abwägungsgesichtspunkt mutieren 306, kann daher als berechtigte Warnung fungieren. Ebenso ist nochmals zu betonen, daß nur ein verfassungrechtlich geschütztes Rechtsgut eine verfassungsimmanente Schranke bilden kann307, nicht aber einem verfassungstextlich nicht geschützten, irgendwie konstruierten "höheren Gemeinschaftsgut" der Vorrang vor einem Grundrecht gegeben werden kann, wodurch letztendlich das Grundgesetz ausgehebelt würde 308 . Unbedingt erforderlich ist ein gleichermaßen verfassungsrechtlich geschütztes öffentliches Interesse309, das konkret anhand einzelner Grundgesetzbestimmungen herausgear-
299 Abweichendes Votum der Richter Mahrenholz und Böckenförde, BVerfGE 69, 57 (62); Ossenbühl, Umweltpflege, S. 53 f. 300 Etwa BVerfGE 69, 1 (21): Art. 73 Nr. 1 GG. 301 Selk, Asylrecht und Verfassung, S. 108 ff.; ders. y JuS 1990, 895 ff. 302 Neben der Ermächtigung an den Bundesgesetzgeber ist auch die bundesstaatlichkompetenzverteilende Funktion zu erwähnen, vgl. etwa Ossenbühl, Umweltpflege, S. 53. 303 Sondervotum der Richter Mahrenholz und Böckenßrde, BVerfGE 69, 57 (63). 304 S.o. C I 2 f. 305 Roth, S. 240. 306 Sondervotum der Richter Mahrenholz und Böckenßrde, BVerfGE 69, 57 (64); Selk, Asylrecht und Verfassung, S. 116. 307 BVerfGE 81, 278 (293). 308 Hesse, VerfR, Rn. 72 Fn. 31; Schulte, DVB1. 1988, 512 (519). 309 Allerdings kann es erforderlich sein, dieses durch Auslegung zu ermitteln.
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
beitet werden kann und sich nicht in unscharfen Direktiven oder Wünschbarkeiten erschöpft 310. Schließlich bedeutet eine verfassungsunmittelbare Eingriffsrechtfertigung im Einzelfall mit Hilfe einer verfassungsimmanenten Schranke letztendlich eine Einzelfallabwägung durch den Richter; abstrakt begründet dies die Gefahr einer Kompetenzverlagerung vom parlamentarischen Gesetzgeber hin zur Rechtsprechung311. Eine gewisse Verlagerung ist fur die Übergangszeit, in der der Gesetzgeber bezüglich der Schaffung der erforderlichen Rechtsgrundlage untätig bleibt, unausweichlich312 und hinzunehmen313. Diese Art der Eingriffsrechtfertigung muß dabei die Ausnahme sein und darf daher nur fur eine Übergangszeit hingenommen werden. Eine Beschränkung fur eine jeweilige Übergangszeit ist schon deshalb geboten, da - anders als bei vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten - keine Vorbehaltlosigkeit eine dauernde und abstrakte Beschränkung grundsätzlich sperrt. Eine derartige Karenzfrist fur den Gesetzgeber, innerhalb derer sogar an sich verfassungswidrige Zustände hingenommen werden sollen, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt 314. Begründet hat das Gericht dies mit der Vermeidung einer sonst eintretenden Funktionsunfahigkeit staatlicher Einrichtungen, die der verfassungsmäßigen Ordnung noch ferner stünde als der "gesetzlose" Zustand315. Dieses Kriterium wird regelmäßig erfüllt sein, wenn die beanstandete wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit sich auf ein derartiges öffentliches Interesse stützen kann, das sogar eine verfassungsimmanente Schranke rechtfertigt. Die Frist für eine einfachgesetzliche Regelung kann frühestens ab Vorhersehbarkeit des Eingriffs laufen, u.U. sogar erst ab Gewißheit eines Eingriffs, der zunächst durch die verfassungsimmanente Schranke gerechtfertigt wird, also ab Auftreten eines konkreten Falles. Trägt man diesen Bedenken im geschilderten Rahmen Rechnung, so sind Grundrechtseingriffe durch wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit für eine Übergangszeit ausnahmsweise ohne einfachgesetzliche Ermächtigung erlaubt, sofern
310
BVerfGE
81, 278 (292 f.); Lerche, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V , § 122
Rn. 23. 3,1
Sondervotum der Richter Mahrenholz und Böckenförde, BVerfGE 69, 57 (63); Roth, S. 240; Schulte, DVB1. 1988, 512 (519). 312 Lerche y in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V , § 122 Rn. 24. 313 Wenn das BVerfG die Verwerfungskompetenz im Hinblick auf verfassungswidrige Gesetze hat [vgl. Stuth, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), BVerfGG, vor §§ 76 ff. Rn. 9], dann ist eine "Verwerfungskompetenz fur einzelfallbezogene Maßnahmen" im hier propagierten Ausnahmefall durchaus hinnehmbar. 314 Etwa BVerfGE 33, 1 (12 f.); 33, 303 (347 f.); 41, 251 (266 f.); 45, 400 (420). 315 BVerfGE 41, 251 (267).
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
255
sie sich auf eine verfassungsimmanente Schranke stützen können und die angegriffene Maßnahme bei Herstellung praktischer Konkordanz zwischen den kollidierenden Verfassungsgütern im Einzelfall von höherem Gewicht als die beeinträchtigte private Wettbewerbsfreiheit ist.
hh) Exkurs: Anderweitig begründeter Gesetzesvorbehalt In dem erörterten Zusammenhang bleibt noch die Frage zu klären, ob möglicherweise aus einem anderweitig begründeten Gesetzesvorbehalt noch weitergehendere Anforderungen an das Tätigwerden des Gesetzgebers zu stellen sind. Der allgemeine rechtsstaatlich begründete Gesetzesvorbehalt (Art. 20 Abs. 3 GG) 3 1 6 geht über die hier vertretene weite Erstreckung des grundrechtlichen Gesetzesvorbehaltes, die mit der Neubestimmung des Eingriffsbegriffes verbunden ist, nicht hinaus, da der grundrechtliche Gesetzesvorbehalt als speziellere Ausprägung eines rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehaltes begriffen werden kann 317 . Aufschlußreicher erscheint die demokratische Ableitung des Gesetzesvorbehaltes. Wenn auch im einzelnen vieles umstritten ist, so darf doch eine in das Demokratieprinzip führende Wurzel des Gesetzesvorbehaltes als anerkannt gelten 318 . Danach fallen alle Angelegenheiten, die für den Staat und das Wohl der Allgemeinheit von grundlegender Bedeutung sind, in die Regelungskompetenz des parlamentarischen Gesetzgebers319. Bei einer konsequenten Anwendung dieser Prämisse ist die Schlußfolgerung ein "Totalvorbehalt"320, der aber aus guten Gründen von der herrschenden Meinung abgelehnt wird 321 . Zur Korrek-
316
Vgl. zur Ableitung etwa P.-M. Huber, AllgVerwR, S. 69 f.; Ossenbühl, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 5 Rn. 7 ff.; Stober, Handbuch, S. 176. 317 Dies verdeutlichen Entstehung und historische Entwicklung dieser Komponenten des Gesetzes Vorbehaltes: Seit dem Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts darf als anerkannt gelten, daß jeder Eingriff in die Individualsphäre (ursprünglich nur: in Freiheit und Eigentum) zum Schutz vor der monarchischen Exekutive nur durch oder aufgrund eines parlamentarischen Gesetzes erfolgen darf. Vgl. P.-M. Huber, AllgVerwR, S. 70; Krebs y Jura 1979, 304 (304 f.); Ossenbühl, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 5 Rn. 10. 3,8 Hierzu Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 108 ff. 319 Vgl. P.-M. Huber, AllgVerwR, S. 71. 320 So in der Tat Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 205, 227. Vgl. auch die Nachweise bei Stern, Staatsrecht I, S. 808 Fn. 262. 321 BVerfGE 68, 1 (109); P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 483 ff.; ders., Allg VerwR, S. 22; Loese, System des Verwaltungsrechts I, § 7 Rn. 44 ff.; Ossenbühl, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 5 Rn. 11, 14; Schmalz, AllgVerwR, Rn. 94.
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
tur wird vielfach die sog. "Wesentlichkeitstheorie" des Bundesverfassungsgerichts gebraucht: Losgelöst vom Merkmal des Eingriffs soll der Gesetzgeber bei allen Regelungsgegenständen zum eigenen Tätigwerden veranlaßt sein, die "wesentlich" sind. "Wesentlich" ist dabei alles, was fur die Ausübung und Verwirklichung der Grundrechte oder fur das Gemeinwesen als solches von Bedeutung ist 322 . Demnach wäre also wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit wesentlich, wenn sie grundrechtsrelevant ist. Dieser Bereich ist jedoch nach der hier vertretenen Ansicht bereits mit dem grundrechtlichen Gestzesvorbehalt komplett abgedeckt323. Steht beispielsweise kein klassischer Eingriff in Rede, sondern etwa die Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage fur eine Subvention324, so genügt angesichts des neuen Eingriffsbegriffes auch dafür der grundrechtliche Gesetzesvorbehalt. Wer darüber hinaus noch auch bei grundrechtsneutraler wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit eine gesetzliche Grundlage fordert, sei auf das Haushaltsgesetz verwiesen 325. Solange es nicht um Grundrechtseingriffe, sondern nur um die Bereitstellung öffentlicher Mittel und um die Verwendung von Steuergeldern geht, wird das Haushaltsgesetz den Anforderungen des Gesetzesvorbehaltes gerecht 326. Anzumerken ist dabei allerdings, daß es auch hier einen speziellen Gesetzesvorbehalt in Art. 110 Abs. 2 S. 1 GG gibt, der Rückgriff auf die "Wesentlichkeitstheorie" also keine weitergehenden Erkenntnisse bringt. Neben der generell geäußerten Kritik an der "Wesentlichkeitstheorie"327 kann deshalb mit Berechtigung die Frage erhoben werden, ob der Anwendungsbereich der Wesentlichkeitstheorie nicht schon mit den herkömmlichen Funktionen des Gesetzesvorbehaltes abgedeckt ist und die Theorie somit überflüssig wird. Zu erwähnen bleibt schließlich noch der institutionelle Gesetzesvorbehalt, wonach Errichtung, Einrichtung und Organisation von (insbesondere) verselb-
322
BVerfGE 34, 165 (192 f.); 40, 237 (248 ff.); 41, 251 (259 f.); 45, 400 (417); 47, 46 (78 f.); 48, 210 (221); 49, 89 (126 f.); 53, 30 (56); 57, 295 (326 f.); 58, 257 (268 f.); 62, 169 (182 f.). 323 S. auch Roth, S. 275 (konkret bezogen auf grundrechtliche Schutzpflichten). 324 Hierzu Badura, FS Schlochauer, S. 22 f.; H Bauer, DÖV 1983, 53 (55 ff.); P.M. Huber y Konkurrenzschutz, S. 485 ff.; Jooss y in: Klein (Hrsg.), Lehrbuch des öffentlichen Finanzrechts, V I Rn. 77 ff.; Papier, in: M./D./H./S., GG, Art. 14 Rn. 218; Stober y Handbuch, S. 179 f. 325 Ebenso Ehlers y JZ 1990, 1089 (1097). 326 S. etwa Joossy in: Klein (Hrsg.), Lehrbuch des öffentlichen Finanzrechts, V I Rn. 83 ff. 327 Etwa Krebsy Jura 1979, 304 (308 f.); Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR I, § 24 Rn. 64 f.; Stern y Staatsrecht I, S. 808 ff.
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
257
standigten Verwaltungsstrukturen einer gesetzlichen Grundlage bedürfen 328. Insbesondere also die Errichtung öffentlicher Unternehmen unterfallt diesem institutionellen Gesetzesvorbehalt; erforderlich ist ein Errichtungsgesetz fur das betreffende Unternehmen, nicht aber fur bloße Kapitalbeteiligungen329. Dieser Spielart des Gesetzesvorbehaltes genügt dann aber eine andere Qualität von Rechtsgrundlage: Erforderlich ist nur die Normierung von Gegenstand und Zielsetzung (öffentliches Interesse) des öffentlichen Unternehmens330. Für die Großzahl öffentlich-rechtlich organisierter Unternehmen bestehen derartige Errichtungsgesetze331, bei privatrechtlich organisierten Unternehmen ist die Regelungsdichte lückenhafter 332. Allerdings ist das Fehlen eines Errichtungsgesetzes im hier behandelten verhaltensrechtlichen Zusammenhang zunächst einmal folgenlos. Hinzuweisen ist aber darauf, daß die dem institutionellen Gesetzesvorbehalt entspringenden Anforderungen in den aus dem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt resultierenden Erwartungen an eine hinreichende Rechtsgrundlage ohnehin enthalten sind: Das verfolgte öffentliche Interesse und der zur Wahrnehmung berechtigte Verwaltungsträger waren auf jeden Fall in einer grundrechtlichen Eingriffsermächtigung zu regeln. Wenn eine derartige Rechtsgrundlage besteht, verliert der institutionelle Gesetzesvorbehalt für den Untersuchungsgegenstand jegliche Bedeutung.
2. Art. 14 Abs. 1 GG Wie schon zu Art. 12 Abs. 1 GG ist häufig die Behauptung anzutreffen, Art. 14 Abs. 1 GG schütze nicht vor dem Wettbewerb der öffentlichen Hand 333 . Die Einschlägigkeit bei Maßnahmen der Wirtschaftslenkung hingegen steht außer Frage 334. Nun wurde zudem bereits gezeigt, daß die Art der staatlichen Maß-
328
P.-M. Huber, AllgVerwR, S. 71; Loeser, System des Verwaltungsrechts I, § 7 Rn. 43; Stober, Handbuch, S. 190; Weber, S. 137 Fn. 616 m.w.N. 329 Zur Erinnerung: Diese stellen kein öffentliches Unternehmen im hier vertretenen Sinne dar. 330 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 123 f.; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 530; Weber, S. 136 f. 331 Gesetz über die Deutsche Bundesbank; Sparkassengesetze der Länder; Gesetze über Wohnungsbauförderungsanstalten etc. 332 Immerhin: Postneuordnungsgesetz; Sparkassengesetze der Länder hinsichtlich der ausnahmsweise in privatrechtlicher Rechts form geführten Sparkassen. 333 BVerwGE 17, 306 (314); 39, 329 (337); BVerwG NJW 1978, 1539 (1540); NJW 1988, 1277 (1278); BVerwG GewArch. 1995, 329 (330); Badura, in: von Münch/ Schmidt- Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, 3. Abschn., Rn. 113; teilweise auch Stober, Grundrechtsschutz, S. 103. 334 Vgl. nur Badura, in: von Münch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, 3. Abschn., Rn. 113. 17 Schliesky
258
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
nähme keinen Unterschied im Hinblick auf eine mögliche Rechtsbetroffenheit macht, die Grundrechte vielmehr umfassend vor jeder Art von wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit schützen. Im folgenden sollen daher kurz die Substrate aufgezeigt werden, die bei Art. 14 Abs. 1 GG im Hinblick auf wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit von Bedeutung sind.
a) Schutzbereich Gesicherter Ausgangspunkt fur die Bestimmung des Schutzbereiches ist, daß als Eigentum i.S.d. Art. 14 Abs. 1 GG alles das zu verstehen ist, was das einfache Recht zu diesem Zeitpunkt als Eigentum definiert 335. Weitergehend dürfte auch nicht mehr bestritten sein, daß jedenfalls alle Vermögenswerten Rechte des Privatrechts dem verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff unterfallen 336. Damit ist der Schutzbereich aber noch nicht hinreichend beschrieben. Erster Markierungspunkt muß sein, daß die erfaßten Substrate über die vom einfachen Gesetzgeber definierten hinausgehen, sofern man der zutreffenden Auffassung ist, daß die Bestimmung der Substanz des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums nicht dem einfachen Gesetzgeber anheimgegeben ist, da sich die Eigentumsgarantie sonst in einem formalen Gebot gesetzgeberischer Kontinuität erschöpfen würde 337 . Zur Eigentumssubstanz zählen unter bestimmten Voraussetzungen auch Vermögenswerte subjektiv-öffentliche Rechte338. Allgemein als nicht geschützt wird dagegen das Vermögen als solches angesehen339. Insgesamt lassen sich viele spezifische Eigentumsgegenstände herausarbeiten 340, ohne daß damit schon geklärt wäre, welche Bedeutung Art. 14 Abs. 1 GG im Hinblick auf wettbewerbsrelevante Staatstägigkeit zukommt. Ergiebiger für die verhaltensrechtliche Steuerung wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit ist der Gedanke, daß es sich bei Art. 14 Abs. 1 GG um ein (klas-
335
BVerfGE 58, 300 (336); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 966. Bryde, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 14 Rn. 11 m.w.N.; Hesse, VerfR, Rn. 444; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 970. 337 BVerfGE 58, 300 (335); Engel, AöR 118 (1993), 169 (195). 338 BVerfG in st.Rspr., etwa E 18, 392 (397); 72, 175 (193); Engel, AöR 118 (1993), 169 (187); Pieroth/Schlinky Grundrechte, Rn. 975. 339 BVerfGE 27, 326 (343); 65, 196 (209); 74, 129 (148); 77, 84 (118); Bryde, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK 1, Art. 14 Rn. 23; Papier t in: M./D./H./S., GG, Art. 14 Rn. 150; Pieroth/Schlinky Grundrechte, Rn. 974 m.w.N.; Ramsauer y Beeinträchtigungen, S. 133 ff., 142; Rittstieg, in: AK-GG, Art. 14 Rn. 125; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 133; Stober y Grundrechtsschutz, S. 106 f. 336
340 Aufzählung etwa bei Engely AöR 118 (1993), 169 (175 ff.); Stober, Handbuch, S. 488 ff.
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
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sisches) Freiheitsrecht handelt, das dem einzelnen einen Freiheitsraum i m vermögensrechtlichen Bereich sichern soll 3 4 1 . Dieser innere Zusammenhang zur Garantie der persönlichen Freiheit 3 4 2 muß - wie bei Art. 12 Abs. 1 G G - gesehen werden, um die personale und gegenstandsbezogene Ausrichtung des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes zu begreifen. V o m Schutzbereich umfaßt ist dann nämlich auch die Verwendungs- bzw. Verfügungsbefugnis ; diese umfaßt das Recht zur wirtschaftlichen Nutzung, also das Recht, die i m Eigentum verkörperten Vermögenswerte durch eigenbestimmte Verwendung zu nutzen und die Befugnis, jede nicht gerechtfertigte staatliche Einwirkung auf den Bestand der geschützten Güter abzuwehren 343 . Damit ist die Frage aufgeworfen, inwieweit (auch) Art. 14 Abs. 1 G G die Wettbewerbsstellung des privaten Unternehmers schützt. Beantworten läßt sich die Frage nur im Zusammenhang mit dem Problem, ob auch die Unternehmensgesamtheit als solche in den Schutzbereich des Eigentums fällt; angesprochen ist die - aufgrund der personalen wie gegenstandsbezogenen Ausrichtung des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes umstrittene - Frage, ob das sog. "Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" den Schutz des Art. 14 Abs. 1 S. 1 G G genießt 344 .
341 BVerfG DVB1. 1991, 1253 (1253); BGH DVB1. 1996, 797 (799); Bryde, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 14 Rn. 12; Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (27); Ramsauer y Beeinträchtigungen, S. 132; Stober, Grundrechtsschutz, S. 89. 342 BVerfGE 24, 367 (389); 50, 290 (339); BVerwGE 30, 235 (238); Bryde, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 14 Rn. 3; Hesse, VerfR, Rn. 442; Ramsauer, Beeinträchtigungen, S. 26; Rittstieg, in: AK-GG, Art. 14 Rn. 74. 343 BVerfGE 24, 367 (400); 37, 132 (140 f.); 42, 263 (294 f.); 50, 290 (339); BVerfG DVB1. 1991, 1253 (1253); Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (27); Scheuner, in: ders. (Hrsg.), Einwirkung, S. 49 f. Wenn Kluth, S. 83, die Verwendungsbefugnis als Inhalt des Eigentümerrechts auf die Möglichkeit der wirtschaftlich sinnvollen Verwendung beschränken will, so verkürzt dies den Schutzbereich unangemessen. Auch die wirtschaftlich sinnlose Nutzung wird vom Schutzbereich erfaßt; das Grundrecht schützt nicht nur das Wirtschäften im Sinne neuester betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse. Ohne Frage hat der sein Unternehmen herabwirtschaftende Grundrechtsträger keinen Abwehr- oder gar Entschädigungsanspruch, wenn er sich in einem Wettbewerbs Verhältnis mit einem staatlichen Akteur befindet, die Betriebseinstellung jedoch auf eigene Fehlleistungen zurückzuführen ist. Dies bedeutet aber noch lange nicht, daß man ihm den Grundrechtsschutz für seine Tätigkeit absprechen muß. 344 Die Begriffe "Betrieb" und "Unternehmen" werden hier - wie in der Rechtsprechung des BVerfG- synonym gebraucht, vgl. £ 5 1 , 193 (221 f.); Engel, AöR 118 (1993), 169 (207); Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (28). Dadurch läßt sich die - berechtigte Kritik von Stober y Grundrechtsschutz, S. 100, umgehen, die Konzentration auf den Gewerbebetrieb versperre den Blick auf andere ebenso geschützte Unternehmens formen. Um dem herkömmlichen Sprachgebrauch Rechnung zu tragen, wird zur Kennzeichnung
260
D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
Die ursprünglich im Zivilrecht geprägte Konstruktion des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wird hinsichtlich ihres Schutzbereiches wie folgt verstanden: "der Betrieb mit all seinen Ausstrahlungen, d.h. die den Betrieb bildende Sach- und Rechtsgesamtheit, die gesamte Erscheinungsform und der Tätigkeitskreis, die geschäftlichen Verbindungen und der Kundenstamm, kurz alles, was in seiner Gesamtheit den Wert des konkreten Gewerbebetriebes ausmacht"345. Das Institut wurde auch in das Öffentliche Recht übernommen und wird von einer überwiegenden Auffassung als Schutzgut des Art. 14 Abs. 1 GG anerkannt 346. Diese zivilrechtlich geprägte Definition läßt sich jedoch nicht ohne weiteres auch öffentlich-rechtlich als Schutzgegenstand i.S.d. Art. 14 Abs. 1 GG begreifen: Dies liegt schon darin begründet, daß das Institut des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eine unternehmensschützende Generalklausel im zivilrechtlichen Deliktsrecht darstellt 347, für dessen Verletzung - anders als bei den in § 823 Abs. 1 BGB geschützten absoluten Rechten - eine Beeinträchtigung noch nicht die Rechtswidrigkeit indiziert, diese vielmehr positiv festgestellt werden muß 348 . Die im Zivilrecht erfolgende Eingrenzung des weiten Schutzgegenstandes durch eine wertende Beurteilung der Rechtswidrigkeit kann nun auf Verfassungsrechtsebene nicht im Rahmen des Schutzbereiches erfolgen; erforderlich ist daher eine andere Form der Bestimmung des Schutzgutes und der Eingrenzung zwecks Konturenschärfung.
des Instituts aber auch im Text vom "Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" gesprochen. 345 BGHZ 23, 157 (163); 45, 83 (87); 55, 261 (263); 92, 34 (37, 46); Bryde, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 14 Rn. 18. Der BGHbcmüht sich um eine einzelfallorientierte Grenzziehung des Schutzbereiches. Nach BGH DVB1. 1996, 797 (799), gehören betriebsbezogene Vorgänge, die der Erweiterung des Geschäftsbetriebes, also der Expansion dienen, nicht zum Schutzbereich des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes, sondern zum Schutzbereich der Berufsfreiheit des Art. 12 GG. 346 BVerfGE 1, 264 (277 f.); 13, 225 (229); kritisch erstmals BVerfGE 51, 193 (221 f.); dann auch zurückhaltend BVerfGE 58, 300 (353); 66, 116 (145); 68, 193 (222 f.); vom Ansatzpunkt her wieder eher befürwortend BVerfGE 77, 84 (118); 81, 40 (51); befürwortend auch mit unterschiedlicher Emphase BVerwGE 81, 49 (54); BGHZ 92, 34 (37); OVG Hamburg DVB1. 1994, 1367 (1368); Bryde, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 14 Rn. 18 f.; Friauf/Wendt, Eigentum am Unternehmen, S. 29; Jarass/ Fierothy GG, Art. 14 Rn. 8; Krohn/Löwischy Eigentumsgarantie, Rn. 152; Pieroth/ Schlinky Grundrechte, Rn. 972; R. Schmidt y Wirtschaftsrecht, S. 134 f.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 101 f.; ablehnend Kutscher a y Bestandsschutz, S. 43 f.; Rittstieg, in: AKGG, Art. 14 Rn. 100. 347 Bryde, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 14 Rn. 18; Mertens MünchKomm, BGB, § 823 Rn. 484 ff. 348 Mertensy in: MünchKomm, BGB, § 823 Rn. 484 m.w.N.
y
in:
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
261
Die Problematik der unscharfen Weite und Konturenlosigkeit dürfte auch das Bundesverfassungsgericht veranlaßt haben, nach der anfänglichen Übernahme des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb das Institut in jüngerer Zeit in Frage zu stellen und offenzulassen, ob das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb "die konstituierenden Merkmale des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffes aufweist" 349. Das Bundesverfassungsgericht untermauert seine kritische Haltung wie folgt 350: "Eigentumsrechtlich gesehen ist das Unternehmen die tatsachliche - nicht aber die rechtliche - Zusammenfassung der zu seinem Vermögen gehörenden Sachen und Rechte, die an sich schon vor verfassungswidrigen Eingriffen geschützt sind. Nach allgemeiner Auffassung werden dagegen bloße Chancen und tatsachliche Gegebenheiten nicht dem geschützten Bestand zugerechnet. " Das Gericht betont, daß der Schutz des Unternehmens nicht weiter gehen könne als seine Grundlagen351 und läßt offen, ob ein (zusätzlicher) eigener Schutz des Unternehmens geboten sei 352 . Maßgebend für die hier interessierende Frage nach dem Schutz der Wettbewerbsstellung wird damit, ob das Unternehmen rechtlich mehr ist (oder gar sein muß) als die Summe der Einzelrechte am Betriebskapital, und falls ja, ob dieses Institut schon anderweitig geschützt wird oder des Schutzes als Unternehmen über Art. 14 Abs. 1 GG bedarf 353. Nun leuchtet es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ohne weiteres ein, daß gerade das Ergebnis eines an bestimmten Betriebsabläufen - technisch und betriebswirtschaftlich geprägt - orientierten Zusammenwirkens verschiedener Gegenstände und Rechte mehr darstellt als die isolierte Summe der Einzelgegenstände. Dies zeigt sich im Wirtschaftsverkehr insbesondere an dem für den Verkauf einer Unternehmensgesamtheit erzielbaren Preis. Dies besagt allerdings noch nicht, daß das Unternehmen auch rechtlich mehr ist oder sein muß als die tatsächliche Zusammenfassung seiner Bestandteile, wohl aber, daß es angesichts der nicht geringen Bedeutung im Wirtschaftsverkehr mehr sein sollte als bloß die Beschreibung tatsächlicher Gegebenheiten. Entscheidend dürfte dabei sein, daß das von diesem betriebswirtschaftlichen Zusammenwirken geprägte Umfeld ein "Mehr" darstellt, dessen wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung sich mit dem Abstellen allein auf die Einzelberechtigungen nicht erfassen läßt 354 . Dogmati-
349
BVerfGE 51, 193 (221 f.); 66, 116 (145); 68, 193 (223 f.); gänzlich ablehnend Rittstieg, in: AK-GG, Art. 14 Rn. 100. 350 BVerfGE 51, 193 (221 f.); ebenso Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 8. 351 BVerfGE 58, 300 (353). 352 BVerfG DVB1. 1991, 1253 (1253). 353 So im Ansatz auch Stober, Grundrechtsschutz, S. 101 f. 354 BGHZ 23, 157 (162 ff.); Bryde, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 14 Rn. 19; Erichsen, Jura 1994, 385 (386 f.); Friauf/Wendt, Eigentum am Unternehmen, S.
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
scher Anhaltspunkt dafür ist der auch vom Bundesverfassungsgericht immer wieder aufgegriffene Gedanke, daß Art. 14 Abs. 1 GG den Bestand des durch eigene Leistung Erworbenen schützt355. In dem von Art. 14 Abs. 1 GG zu gewährenden Bestandsschutz für die durch eigene unternehmerische Leistung erworbenen Verdienste liegt der richtige Ansatzpunkt für einen Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Hier wird die Verbindungslinie zum Freiheitsrecht und dem Sinn eines eigenständigen Schutzbereiches des Eigentums deutlich: Verteidigt werden kann nur der bereits vorhandene Bestand an existierenden Gütern und Rechten, die durch eine irgendwie geartete eigene Leistung in die Verfügungsbefugnis des Grundrechtsträgers gelangt sind. Die Verteidigung erfolgt durch die grundgesetzlich eingeräumte Befugnis, jede ungerechtfertigte staatliche Einwirkung auf den Bestand der geschützten Güter mit Hilfe des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG abzuwehren356. Um diesen so skizzierten Schutzbereich zu beschreiben, darf jedoch nicht auf den rein wirtschaftlich erzielbaren Wert des Unternehmens aufgrund einer betriebswirtschaftlichen Unternehmensbewertung abgestellt werden 357. Ein solches Verständnis liefe auf einen - nicht gewollten - Schutz des Vermögens als solchem hinaus, da der so ermittelte Firmenwert nichts anderes als der in diesem Moment erzielbare Vermögenswert ist und damit lediglich den aktuellen Vermögensstand des Eigentümers beschreibt, der noch dazu nicht beeinflußbaren Störfaktoren wie etwa der Inflation unterliegt. Der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistet aber eben keine Eigentumswertgarantie, sondern eine Bestands- und Rechtsträgergarantie 358. Nun ist hier kein Raum, diese Problematik im letzten Detail darzulegen. Hinsichtlich einer Erfassung durch Art. 14 Abs. 1 GG sollen hier nur einmal die Fälle überprüft werden, die unter dem Gesichtspunkt wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit besonders interessieren: Es sind dies die Wettbewerbsbeeinflussung
29 f.; Leisner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR VI, § 149 Rn. 109; Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (28); ders., ZHR 155 (1991), 329 (347); Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rn. 130; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 135; Stober, Grundrechtsschutz, S. 102. Engel, AöR 118 (1993), 169 (175 ff.), hat kürzlich ausführlich nachgewiesen, daß über den Eigentumsschutz an spezifischen Gegenständen und Betriebsteilen hinaus ein weitergehender Bedarf an isoliertem Unternehmensschutz besteht, da sonst schutzbedürftige Fallkonstellationen unerfaßt bleiben. 355 BVerfG DVB1. 1991, 1253 (1253); BGH DVB1. 1996, 797 (799); Kimminich, in: BK, Art. 14 GG Rn. 99; Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 13 f.; Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (28). 356 BVerfGE 24, 367 (400); Erichsen, Jura 1994, 385 (387); Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (27). 357 So aber Engel, AöR 118 (1993), 169 (204). 358 Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (27).
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durch staatliche Warnungen (aa), wirtschaftliche Tätigkeit des Staates (bb) und staatliche Subventionen (cc).
aa) Warnungen Bei staatlichen Warnungen vor einem bestimmten Hersteller oder einzelnen Produkten eines Herstellers wird der Schutzbereich des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als betroffen angesehen359. Nun liegt die Problematik bei staatlichen Warnungen, Empfehlungen etc. gerade darin, daß Produkte nicht etwa beschlagnahmt werden oder die Verfügungsbefugnis durch ein Verkaufsverbot beschränkt wird, sondern die Schutzbereichsbeeinträchtigung durch Dritte, die Verbraucher, vermittelt wird und damit im Hinblick auf die staatliche Verantwortlichkeit zunächst eine rein faktische ist. Die Verfugungsbefugnis des Unternehmers wird von staatlicher Seite überhaupt nicht tangiert. Die Absatzmöglichkeit fur den Unternehmer wird faktisch ausgeschlossen, nicht aber seine Verwendungs- und Verfugungsbefugnis für die Produkte 360. Die Absatzmöglichkeit - eng verwandt mit oder genauer: Bestandteil der Wettbewerbsstellung - ist aber nichts hinreichend Statisches, um ein faßbares Eigentumssubstrat i.S.d. Art. 14 GG sein zu können. In Rede stehen hier rechtlich abgesicherte Erwerbschancen, die zum Teil auf eigener Leistung, zum Teil auf den Marktgegebenheiten, also der Wettbewerbssituation beruhen. Will man aber mit dem Bundesverfassungsgericht den Gedanken des Bestandsschutzes als maßgebendem Gesichtspunkt fur Art. 14 GG ernst nehmen, können Chancen, Hoffhungen und Erwartungen nicht von Art. 14 GG geschützt werden 361. Es bleibt nur der Schutz über Art. 12 Abs. 1 GG 3 6 2 , denn der der Wettbewerbsstellung entsprechende Marktanteil ist nur zu einem bestimmten Zeitpunkt etwas Statisches. Maßgebend ist für den Erhalt des Marktanteils, daß der Unternehmer und Grund-
359
Engel, AöR 118 (1993), 169 (222); Ossenbühl, ZHR 155 (1991), 329 (346). Ossenbühl, ZHR 155 (1991), 329 (346), will aber auch die Verfügungsbefugnis über Sachen in einem tatsächlichen wirtschaftlichen Sinne über die "Unternehmerfreiheit" schützen, die er in Art. 12 und Art. 14 GG verankert sieht. Dies ist sicherlich vertretbar, doch ist nach hier vertretener Ansicht noch eine genauere Abgrenzung möglich. Die Erweiterung des Grundrechtsschutzes auf faktische Zugriffe von staatlicher Seite macht es erforderlich, Schutzbereich und - am Ende insbesondere - die Rechtfertigung als Prüfungspunkte ernst zu nehmen, um eine Uferlosigkeit und damit letztlich eine Aushöhlung des Grundrechtsschutzes zu verhindern. 361 BVerfG in st.Rspr., etwa E 28, 119 (142); 39, 210 (237); 45, 142 (173); 51, 193 (221 f.); 68, 193 (223); 74, 129 (148); BGH DVB1. 1996, 797 (799). 362 Anders Engel, AöR 118 (1993), 169 (217), der dem Gedanken des BVerfG dadurch Rechnung tragen will, daß er über Art. 14 GG nicht der Chance selbst, sondern vor der staatlichen Vereitelung ihrer Realisierung Schutz gewähren will. 360
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D Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
rechtsträger ständig selbst etwas tun muß, um diese Wettbewerbsstellung zu erhalten. Dieses Dynamische schützt aber Art. 12 GG, während Art. 14 GG nur auf Dauer zugewiesene Substrate als Ergebnis dieses dynamischen wirtschaftlichen Prozesses schützt, die vom Erwerb an ohne weiteres Zutun geschützt sind. Überspitzt formuliert schützt Art. 14 GG die im wirtschaftlichen Wettbewerb erworbenen Lorbeeren, während Art. 12 GG die vorangeschaltete Erwerbstätigkeit schützt. Damit ist im Grunde auch schon das wesentliche Abgrenzungskriterium zwischen Art. 12 und Art. 14 GG angesprochen. Art. 14 GG knüpft zwar wie Art. 12 GG an die persönliche Freiheitsgewährung an, indem dem einzelnen ein Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich eröffnet wird, der ihm - in bestimmten Grenzen (insbesondere: Sozialbindung, Art. 14 Abs. 2 GG) - die Möglichkeit zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit mittels des bereits erarbeiteten Bestandes an Gütern und Rechten bietet363. Die Wettbewerbsteilnahme hingegen als die dynamische Stellung im Wettbewerbsprozeß ist als Wettbewerbsfreiheit primär durch Art. 12 GG gewährleistet364. Es ist dennoch nicht ausgeschlossen, daß bestimmte wettbewerbsrelevante Tatbestände privater Unternehmertätigkeit auch duch andere Grundrechtsgewährleistungen erfaßt werden; aus der Summe der Einzelschutzkomponenten bei Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, insbesondere dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, kann sich ebenfalls partiell ein Schutz der Wettbewerbsteilnahme ergeben, primär aber eben ein Schutz des vorhandenen Bestandes an Betriebsmitteln oder bestimmter Produktionsfaktoren, die zur Betätigung im Wettbewerb benötigt werden. Maßgebend ist neben einer präzisen Analyse des Schutzbereiches der einzelnen Grundrechtsgewährleistungen auch das Schwergewicht der Beeinträchtigung bzw. Rüge des Betroffenen 365. Aus all diesem folgt, daß die Absatzmöglichkeit und damit die Wettbewerbsstellung des privaten Unternehmers nicht von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, sondern von Art. 12 Abs. 1 GG erfaßt sind, der die Wettbewerbsfreiheit primär gewährleistet366. Zu diskutieren wäre in diesem Zusammenhang allenfalls, ob bei derartigen Warnungen der "Ruf des Unternehmens" als auf eigener Leistung beruhendes Substrat von gewisser Dauer einschlägig ist und den Schutz des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG auslöst367.
363
BVerfGE 30, 292 (334); 50, 290 (339); Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (27). S.o. D U 1 a; ebenso BVerfGE 32, 311 (316); Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (23). 365 BVerfGE 81, 12 (16); Engel, AöR 118 (1993), 169 (192); Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (23 f.). 366 Dies wird auch an der schon analysierten "Glykolwein "-Warnung deutlich. 367 Denkt man etwa an den "Birkel-Fall", so erscheint dies durchaus angezeigt. Befürwortend auch Ossenbühl, ZHR 155 (1991), 329 (346 f.); ablehnend Philipp, S. 175 ff. 364
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
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Denkbar wäre auch eine Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch staatliche Warnungen, wenn der "KundenstammM geschütztes Eigentumssubstrat wäre 368 . In diesem Falle hätte man weitaus weniger Mühe, eine Betroffenheit des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu konstatieren als etwa bei den eben angestellten Überlegungen zur Absatzmöglichkeit bzw. Wettbewerbsstellung, wendet sich der warnende Hoheitsträger doch schließlich gerade an die Verbraucher und damit an Teile des Kundenstamms. Ein Schutz des Kundenstamms über Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ist aber abzulehnen 369 . Denn auch hier fehlt es bereits an dem statischen Element, da der Kundenstamm sich ständig verändert und massiv durch die wettbewerblichen Gegebenheiten wie etwa das Auftreten eines neuen, preiswerteren und/oder besseren Konkurrenzproduktes beeinflußt wird. Vor allem aber würde eine bestimmte psychologische Befindlichkeit bei Dritten dem Unternehmer als Schutzgut zugerechnet werden. Der "good wilP der Nachfrager basiert sicherlich auch auf der Leistung des Unternehmers in der Vergangenheit, die in der Marktwirtschaft maßgebende (Nachfrage-)Entscheidungsmöglichkeit kann aber rechtlich keinem anderen als dem mündigen Verbraucher selbst zugewiesen werden 370, jedenfalls nicht als vermögenswertes Recht dem Träger des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zugeschlagen werden. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ist aber nur dann betroffen, soweit staatliche Tätigkeit eine Schmälerung oder Beeinträchtigung der bestehenden vermögensrechtlichen Stellung hervorruft 371. Eine Beeinträchtigung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch staatliche Warnungen in Form des Zugriffs auf den Kundenstamm ist daher abzulehnen.
bb) Wirtschaftliche Tätigkeit des Staates Soweit die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates als Beeinträchtigungsmodalität in Frage kommt, gilt für die eben getroffenen Aussagen zum Kundenstamm
368 So Engel, AöR 118 (1993), 169 (216 m.w.N. in Fn. 231); Stober, Grundrechtsschutz, S. 106. Offengelassen für derartige Fälle von Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 105. 369 BVerfGE 68, 193 (222 f.); 77, 84 (118); OLG Saarbrücken WRP 1988, 328 (331); Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 124, will nach der Art und Weise des Eingriffs differenzieren, ob der Kundenstamm den Schutz des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG genießt. 370 Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 125 f., stellt zu Recht den fehlenden adäquaten Kausalzusammenhang heraus, verneint damit aber erst den "Eingriff'. 371 Scheuner y in: ders. (Hrsg.), Einwirkung, S. 50; Stober, Grundrechtsschutz, S. 106.
266
D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
nichts anderes372. Tatsächlich betroffen im Sinne der Auswirkungen staatlicher Wirtschaftstätigkeit sind neben dem Kundenstamm des privaten Konkurrenten insbesondere dessen Wettbewerbsstellung, seine Erwerbschancen und Gewinnerwartung. Die häufig wiederholte, aber zu vereinfachende Feststellung, daß es keinen Grundrechtsschutz vor Wettbewerb geben könne373, wurde im Rahmen der Arbeit schon widerlegt. Sicherlich und unstreitig gibt es keinen Grundrechtsschutz, der jede Form von Konkurrenz oder nur von staatlicher Konkurrenz ausschließt. Hingegen schützen die Grundrechte vor staatlichem Wettbewerb, dem die Legitimation fehlt oder der mit unlauteren Mitteln betrieben wird. Allerdings schützt nicht Art. 14 GG die Wettbewerbsstellung374, sondern - wie schon gezeigt Art. 12 Abs. 1 GG, da dieses Grundrecht das dynamische Element der Unternehmertätigkeit erfaßt und mit der Betätigung im Wettbewerb auch die gerade besetzte Wettbewerbsstellung schützt. Dieser Schutz erfaßt auch die aus der Wettbewerbsstellung folgenden Erwerbschancen vor nicht legitimierter oder überzogener staatlicher Vereitelung, nicht hingegen die abstrakte Gewinnerwartung, die in der Tat eine ungeschützte Hoffnung darstellt. Das Vertrauen in das Ausbleiben rechtlich möglichen und zulässigen Staatshandelns wird nicht geschützt375. Schutz bietet Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG vielmehr erst dann, wenn der Bestand des Betriebes des privaten Wettbewerbsteilnehmers durch staatliche Konkurrenz betroffen ist - mit Sicherheit, aber nicht erst bei monopolistischer Verfestigung der staatlichen Wirtschaftstätigkeit 376.
372
Einen Schutz über Art. 14 GG lehnen ebenfalls ab Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 105; Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 124, der darauf abstellt, daß Schmälerungen des Kundenstammes regelmäßig die "Prämien des erfolgreicheren Konkurrenten im wirtschaftlichen Wettbewerb" sind. 373 Unzutreffend etwa BVerwGE 17, 306 (314), wo die Verwechselung von "Eingriff in den Schutzbereich" und "Verletzung des Grundrechts" deutlich wird; zumindest mißverständlich Engel, AöR 118 (1993), 169 (219), der - unausgesprochen - offensichtlich verschiedene Kriterien für die Feststellung eines Eingriffs anlegt. 374 Nur dies sagt auch BVerfGE 77, 84 (118): Der Schutz der Marktstellung wird explizit nur im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG ausgeschlossen. Auch die Entscheidungen BVerfGE68, 193 (223), und BVerfGDVBL 1991,1253 (1254), verneinen den Schutz von (Umsatz- und Gewinn-)Chancen nur im Hinblick auf Art. 14 GG. Ebenso BVerwGE 39, 329 (337); Jarass/Pier oth, GG, Art. 14 Rn. 19. 375 Bryde, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 14 Rn. 20; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 979. 376 Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 105; Friehe, JuS 1981, 867 (869); Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (28); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 979; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 135; Stober, Grundrechtsschutz, S. 103, 108 f., der aber auch wieder die Wettbewerbsstellung über Art. 14 GG schützen will.
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
267
Problematisch erscheint aber - insoweit bei der Erörterung des Schutzbereichs bereits vorweggenommen - die Feststellung eines Eingriffs in den Bestand des Unternehmens. Die Auswirkung - der Bestandsschaden - läßt sich zwar bei Betriebseinschränkungen ohne weiteres feststellen (z.B. Schließung von Produktionsstätten; Entlassung von Personal)377. Dieser Schaden muß jedoch auch der staatlichen Aktivität anzulasten sein; diese erforderliche Kausalität des staatlichen Handelns festzustellen, wird häufig unlösbare Schwierigkeiten bereiten, da Fehlreaktionen und sonst falsches Verhalten des Managements im Wege "überholender Kausalität" oder gar allein zu dem Bestandsschaden geführt haben können. Einfacher ist es hier, auf den Marktanteil und damit die Wettbewerbsstellung abzustellen, also Schutz über Art. 12 GG zu gewähren, da eine Wettbewerbsverzerrung dort leichter ablesbar ist. Ein mögliches Folgeproblem bei einem Unternehmensschutz über Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ruft die Behandlung gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen und staatlicher Beteiligungen hervor. Die Lösung bereitet jedoch kaum Schwierigkeiten, wenn man der oben378 vorgeschlagenen Abgrenzung zwischen gemischtwirtschaftlichen Unternehmen und Beteiligungen folgt. Gemischt-wirtschaftliche Unternehmen scheiden dann als Grundrechtsträger und damit als Inhaber des Grundrechts des Art. 14 Abs. 1 GG aus. Die privaten Minderheitsbeteiligten an dem gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen werden trotzdem hinreichend dadurch geschützt, daß anerkannt ist, daß auch Aktien oder andere Beteiligungsrechte Gegenstand des Eigentumsschutzes von Art. 14 GG sind379. Der vermeintliche "Nachteil" im Sinne keines doppelten Schutzes über Art. 14 GG (Eigentum am Anteil + (Teil-)Eigentum am "Institut Gewerbebetrieb") ist hinzunehmen, da auf der anderen Seite faktische Vorteile (Know-how und Liquidität des Staates) zu Buche schlagen. Für diese "Ungleichbehandlung" gibt es zudem einen sachlich rechtfertigenden Grund: Das Element unternehmerisch-personaler Betätigung, das neben der Gegenstandsbezogenheit der Eigentumsgewährleistung wesentlicher Schutzgrund ist, fehlt bei dem bloßen Anteilseigentümer380. Handelt es sich hingegen um eine bloße staatliche Beteiligung, so genießt das Unternehmen Grundrechtsschutz über Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, nicht aber der Staat für sein Anteilseigentum.
377
Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 105; Friehe, JuS 1981, 867 (869). S.o. Β I 9, 10. 379 BVerfGE 14, 263 (276 f.); 25, 371 (407); 50, 290 (341-351); Engel, AöR 118 (1993), 169 (193); Leisner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR VI, § 149 Rn. 116; Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (29). 380 Darauf weist Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (29), zu Recht hin; ähnlich Engel, AöR 118 (1993), 169 (233). 378
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
cc) Subventionen Rückt man den Bereich des Subventionswesens in den Blickpunkt, so sind im Zusammenhang mit Art. 14 GG vor allem zwei Fragen von Interesse. Zum einen geht es um die Eigentumsqualität "der Subvention", zum anderen darum, ob Art. 14 GG Schutz vor der Subventionierung anderer bietet. Die Frage nach der Eigentumsqualität des Anspruchs auf Subventionierung 381 ist entsprechend den schon angedeuteten Grundsätzen zu beantworten: Die Zuordnung zum Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ist regelmäßig zu verneinen, da (und wenn) die Subvention auf einseitiger staatlicher Gewährung und gerade nicht auf einer eigenen Leistung des Subventionsempfangers beruht. Anderenfalls würde eine Eigentumsposition allein durch den Erhalt staatlicher Zuwendungen aus Haushaltsmitteln entstehen, sobald der Subventionsempfanger die Förderungsvoraussetzungen erfüllt 382. Maßgebend für die Eigentumsqualität ist eben, inwieweit eine derartige Rechtsstellung sich als Äquivalent eigener Leistung erweist oder nur auf staatlicher Gewährung beruht; eine Subvention beruht aber gerade nicht auf eigener Leistung, sondern ersetzt sie regelmäßig383. Der Subventionsvorteil betrifft vielmehr nur das - von Art. 14 GG nicht geschützte - Vermögen des Empfangers 384. Eine andere Beurteilung ist allenfalls dann möglich, wenn der Gedanke des Vertrauensschutzes, der in Art. 14 GG eine wesentliche Verankerung hat, überwiegt385 oder der in Rede stehen-
381
Dazu umfassend Stücke, Eigentum an Wirtschaftssubventionen, passim. BVerfGE 72, 175 (193); Stober, Grundrechtsschutz, S. 113 f. So aber Stücke, Eigentum an Wirtschaftssubventionen, S. 98, wenn die Mittel in der ausschließlichen Dispositionsbefugnis des Empfangers liegen; ähnlich lpsen y in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR IV, § 92 Rn. 75. 383 BVerfGE 48, 403 (412 f.); 72, 175 (195). 384 BVerfGE 72, 175 (195). Das BVerfG argumentiert zudem noch, die Funktion der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG sei hier nicht betroffen. Damit ist aber nicht eine Übernahme eines neueren dogmatischen Ansatzes verbunden, der mit der Funktion des Eigentums das Wesen der Eigentumsgarantie genauer bestimmen will. Danach soll der Schutzbereich des Eigentums von den Zwecken abhängig sein, zu deren Verfolgung es garantiert sei; diese Reichweite sei durch das Grundgesetz in Form von mit Hilfe des Eigentums zu erfüllenden Aufgaben vorgegeben. Vgl. dazu etwa Ramsauer, Beeinträchtigungen, S. 143 ff. Zusammenfassend und ablehnend Leisner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR V I , § 149 Rn. 39 ff. - Das BVerfG [E 72, 175 (195)] versteht die Funktion vielmehr allein im Sinne des klassischen freiheitssichernden Abwehrrechts dahin gehend, "den Bestand der durch die Rechtsordnung anerkannten einzelnen Vermögensrechte gegenüber Maßnahmen der öffentlichen Gewalt zu bewahren". Ebenso bereits BVerfGE 24, 367 (397); 51, 193 (216 ff.). 385 Bryde, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 14 Rn. 28; lpsen y in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, § 92 Rn. 75; Stober, Grundrechtsschutz, S. 114; weitergehend Stücke, Eigentum an Wirtschaftssubventionen, S. 98. 382
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
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de öffentlich-rechtliche Anspruch gerade eine Kompensation fur einen vorhergegangenen staatlichen Eingriff ist und nur die finanzielle Kompensation die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme retten konnte386. Zu unterscheiden ist davon die Frage, inwieweit Art. 14 GG Schutz vor der Subventionierung eines Konkurrenten bietet. Angesprochen sind damit (prozessual) die Konstellationen der sog. negativen Konkurrentenklage 387 bzw. der sog. Begünstigungsabwehrklagen388. Ob Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG aber die zutreffende wehrfähige Rechtsposition abgibt, ist umstritten. Die Antwort hängt maßgeblich wiederum davon ab, ob die Stellung des Unternehmers im Wettbewerb - wie erörtert - über Art. 14 GG 3 8 9 geschützt werden soll oder nicht390. Da es auch hier grundsätzlich um die Beeinträchtigung der Ausgangsposition im Konkurrenzkampf, also die Wettbewerbsstellung, geht, greift nach hier vertretener Ansicht wieder Art. 12 GG ein. Eine Ausnahme kann nur gelten, wenn die Subventionierung als wirtschaftslenkende Maßnahme derartige Auswirkungen zeitigt, daß der Bestand des nicht geförderten Betriebes gerade als Folge der Subvention gefährdet oder vernichtet wird 391 . Eine solche Konstellation dürfte aber nur selten auftreten, nicht zuletzt schon allein deshalb, weil die staatliche Fördersumme schon sehr hohe Ausmaße annehmen müßte, um eine derart wettbewerbsverzerrende Wirkung zu erzielen.
b) Abgrenzung zu Art. 12 Abs. 1 GG Die hier vertretene und schon skizzierte Abgrenzung zwischen den Schutzbereichen des Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG orientiert sich an der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, daß Art. 14 GG das Erworbene, auch oder gerade als Ergebnis einer beruflichen Betätigung, Art. 12 GG hingegen den
386
Engel, AöR 118 (1993), 169 (187); Kutschern, Bestandsschutz, S. 63. Erichsen, Jura 1994, 385 (385); Rittner/Stephan, GewArch. 1985, 177 (177); Schenke, NVwZ 1993, 718 (719 f.). 388 P.-M. Huber, in: Stober (Hrsg.), Rechtsschutz, S. 62 f. 389 Engel, AöR 118 (1993), 169 (220 f.) m.w.N. zum Streitstand; Scholz/Aulehner, BB 1993, 2250 (2260); Stober, Grundrechtsschutz, S. 108 f. 390 BGH WM 1968, 1280 (1282); Badura, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, 3. Abschn., Rn. 85; Erichsen, Jura 1994, 385 (387); Friehe, JuS 1981, 867 (869 f.); Haverkate, in: R. Schmidt (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht BT/1, § 4 Rn. 79. 391 Engel, AöR 118 (1993), 169 (187); Erichsen, Jura 1994, 385 (387); Frers, DÖV 1988, 670 (676 f.); Friehe, JuS 1981, 867 (870); ähnlich zurückhaltend P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 382. 387
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Erwerbsvorgang, die Betätigung selbst, schützt392. So trifft die Auferlegung von Pflichten bei wirtschaftlicher Tätigkeit jemanden regelmäßig in seiner Eigenschaft als Unternehmer, nicht als Eigentümer des Unternehmens. Da es sich bei den beiden Grundrechten um elementare Ausprägungen der wirtschaftlichen Freiheit des einzelnen handelt, ist allerdings zu konzedieren, daß die Schutzbereiche nicht nur funktional aufeinander bezogen sind, sondern sich partiell auch sachlich überschneiden393. Auch Art. 14 GG weist einen zukunftsgerichteten Schutz auf, indem das Grundrecht nicht nur den (in der Vergangenheit erworbenen) Bestand, sondern auch den aktuellen und künftigen Umgang mit diesem Bestand, nämlich die Dispositionsbefugnis, schützt394. Damit ist die Abgrenzungsproblematik vor allem in diesem "Sich-überschneiden-können", also der möglichen Idealkonkurrenz der Schutzbereiche bei derselben (wirtschaftlichen) Betätigung begründet395. Daraus sollte aber nicht voreilig der Schluß gezogen werden, eine Abgrenzung sei bei dem - in der Tat problematischen Unternehmensschutz nicht möglich396; ebensowenig ist es empfehlenswert, wenn auch möglich, der Abgrenzungsschwierigkeit zu entgehen, indem man die Wettbewerbsfreiheit als "Unternehmerfreiheit" versteht und sowohl in Art. 12 als auch in Art. 14 GG verankert 397. Hierbei besteht nämlich die Gefahr, den Grundrechtsschutz als Folge bislang noch fehlender Harmonisierung der Schutzbereiche und der Rechtfertigungssystematik zu nivellieren. Auch um der Klarheit bei der Beurteilung einer potentiellen Eingriffsrechtfertigung willen sollte vielmehr in jedem Einzelfall versucht werden, den Schutzbereich und das einschlägige Grundrecht exakt zu bestimmen; anderenfalls drohen generalklauselartige Erwägungen mit einem Verlust an erforderlicher Beurteilungssicherheit. So ist das jeweils sachnähere Grundrecht danach zu bestimmen, ob die beanstandete Maßnahme der öffentlichen Gewalt mehr in die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungsfähigkeit eingreift oder mehr die Innehabung und
392
BVerfGE 30, 292 (334 f.); 31, 8 (32); 65, 237 (248); 81, 70 (96); 84, 133 (157); BVerfG DVB1. 1991, 1253 (1253); BGH DVB1. 1996, 797 (799); Papier, in: M./D./ H./S., GG, Art. 14 Rn. 208; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 130. 393 BVerfGE 50, 290 (365); Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (25). 394 Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (25); Scheuner, in: ders. (Hrsg.), Einwirkung, S. 39 f. 395 Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR VI, § 147 Rn. 100; Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (25). 396 Engel, AöR 118 (1993), 169 (191-193). 397 So Ossenbühl, ZHR 155 (1991), 329 (346); Papier, in: M./D./H./S., GG, Art. 14 Rn. 216; Schulte, DVB1. 1988, 512 (516).
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
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Verwendung vorhandener Vermögensgüter begrenzt 398. Im ersteren Falle ist Art. 12, im letzteren Art. 14 GG primär zu püfen. Abzuheben ist ergänzungsweise auf die eher dynamische oder eher statische Rechtsposition, die es zu schützen gilt. Die Wettbewerbsstellung, aktualisierbar als Marktanteil, wird daher als Ausdruck des dynamischen Konkurrenzprozesses über Art. 12 GG geschützt. Darin liegt kein Widerspruch, daß "Erworbenes" von Art. 14 GG geschützt wird - erfaßt ist nur "statisch", dauerhaft Erworbenes, das als Vermögenswerte Position einen Eigentumsbestand bildet. Dies ist bei der Wettbewerbsstellung, die für einen bestimmten Augenblick ermittelbar ist, im nächsten Moment aufgrund einer Nachfragerumorientierung aber schon völlig verändert sein kann, nicht der Fall. Sie beschreibt nur die aktuelle Position im Wettbewerb, derer es als Ausgangsbasis für die Fortsetzung der beruflichen Betätigung bedarf.
c) Eingriff Entsprechend der anerkannten Eigentumsdogmatik lassen sich - bereits aus dem Grundgesetz abgeleitet - zwei verschiedene Eingriffsarten bzw. Zugriffsmöglichkeiten des Staates auf das Privateigentum unterscheiden: Es sind dies einmal Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG 3 9 9 und Enteignungen i.S.d. Art. 14 Abs. 3 GG, die sich wiederum in Legal- und Administrativenteignungen unterteilen lassen400. Darüber hinaus sind aber - in Entsprechung zu den schon bei Art. 12 Abs. 1 GG erörterten neuen Grundlinien der Grundrechtsdogmatik infolge der Auflösung des klassischen Eingriffsbegriffes - auch andere Eingriffe, insbesondere faktische Eingriffe durch Realakte usw. denkbar 401. Zu dieser Kategorie zählen denn auch in der Regel Beeinträchtigungen durch wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit, sofern der Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG überhaupt betroffen ist, was nach hier vertretener Ansicht eher selten der Fall sein wird.
d) Rechtfertigung Auch die am Beispiel des Art. 12 Abs. 1 GG angestellten Überlegungen zu einer Rechtfertigung des Eingriffs und der grundsätzlich umfassenden Geltung
398
BVerfGE 84, 133 (157); BGH DVB1. 1996, 797 (799). BVerfGE 52, 1 (27); 58, 300 (330); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 987. 400 BVerfGE 24, 367 (395 f.); 45, 297 (325 f.); 52, 1 (27); 58, 300 (331); Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 989 ff. 401 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 992; Ramsauer, Beeinträchtigungen, S. 30 f.; Stober y Grundrechtsschutz, S. 120. 399
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
des Gesetzesvorbehaltes können hier - wie schon hinsichtlich des Eingriffs - Geltung beanspruchen. Um verfassungsrechtlich gerechtfertigt zu sein, müssen sowohl Inhalts- und Schrankenbestimmungen (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) als auch Enteignungen durch oder zumindest aufgrund Gesetzes (Art. 14 Abs. 3 GG) erfolgen 402. Gleiches gilt fur sonstige - etwa faktische - Eingriffe. Ausnahmen sind in dem zu Art. 12 GG skizzierten Rahmen denkbar, gleichfalls spielt die Intensität des Eingriffs eine Rolle bei den Anforderungen an die Rechtfertigungsebene. Als Besonderheit des Art. 14 GG kommt als rechtfertigendes Element ausdrücklich die Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) in Betracht 403. Maßgebend ist bei alledem, daß die Beeinträchtigung - um verfassungsgemäß zu sein - dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen muß. Die Grundrechtsnorm des Art. 14 GG gibt dabei auch Leitlinien fur die Handhabung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes an die Hand, die insbesondere helfen, den relativ weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zu begrenzen404; es sind dies Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG, die Anerkennung und Bestandsgarantie des Privateigentums, seiner Privatnützigkeit einerseits und der Gemeinwohlbindung andererseits. Zwischen diesen beiden Polen ist ein angemessener Ausgleich bei einer staatlichen Beeinträchtigung des Eigentums zu finden 405. Zur Erreichung eines derartigen Ausgleichs wird in Anlehnung an die "Dreistufentheorie H bei Art. 12 GG eine differenzierte Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Form eines gestuften Eigentumsschutzes vorgeschlagen406.
3. Art. 2 Abs. 1 GG Durch wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit beeinträchtigt kann auch Art. 2 Abs. 1 GG sein. Nach noch verbreiteter Auffassung ist die Wettbewerbsfreiheit denn auch in diesem Grundrecht verankert 407. Dem kann nicht gefolgt werden; es wurde oben schon gezeigt, daß zutreffenderweise Art. 12 Abs. 1 GG der rich-
402
Papier, in: M./D./H./S., GG, Art. 14 Rn. 279 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 995. 403 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 1016. 404 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 998; Stober, Grundrechtsschutz, S. 116. 405 BVerfGE 52, 1 (29); 53, 257 (292 f.); 87, 114 (138); Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 31; Pieroth/Schlinky Grundrechte, Rn. 996; Stober, Grundrechtsschutz, S. 116. 406 BVerfGE My 263 (295); 50, 290 (339 ff.); BGH NJW 1986,2499 (2500); Häberle, AöR 109 (1984), 36 (68 f.); Ossenbühly AöR 115 (1990), 1 (27 f.; 31); Papier, in: M./D./H./S., GG, Art. 14 Rn. 208; Stober y Grundrechtsschutz, S. 116 ff. 407 Exemplarisch Stober t Grundrechtsschutz, S. 35 m.w.N.; vgl. die Nachweise zu Art. 12 Abs. 1 GG.
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
273
tige Standort ist, da das Verhalten der Marktteilnehmer Bestandteil ihrer Berufsausübung ist 408 . Somit verbleibt hinsichtlich Art. 2 Abs. 1 GG ohnehin nur geringe Bedeutung für den Untersuchungsgegenstand, da die Wettbewerbsfreiheit bei wettbewerbsrelevanter Staatstatigkeit das thematisch schlechthin einschlägige Schutzsubstrat darstellt. Hinzu kommt die Subsidiarität des Art. 2 Abs. 1 GG gegenüber den speziellen Freiheitsverbürgungen der Art. 12 und 14 GG 4 0 9 . Übrig bleibt bei einer derartigen Betrachtungsweise für Art. 2 Abs. 1 GG - mit eigenem Anwendungsbereich - nur allgemein die Handlungsfreiheit auf wirtschaftlichem Gebiet, die einen angemessenen Spielraum zur Entfaltung der Unternehmerinitiative sichert 410. Erwähnenswert, weil möglicherweise im Einzelfall von wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit betroffen, sind noch die Vertragsfreiheit 411 und die Konsumfreiheit 412. Letztlich kommt dem Art. 2 Abs. 1 GG für den Untersuchungsgegenstand keine besondere Bedeutung zu, da Art. 12 und Art. 14 GG mit ihren Schutzbereichen zumindest die hier einschlägigen Schutzsubstrate weitestgehend abdecken, so daß Art. 2 Abs. 1 GG entweder schon nicht mehr einschlägig ist und als Prüfungsmaßstab ausscheidet413 oder der Norm nur noch geringe Bedeutung in Randbereichen zukommt414, was im Ergebnis auch durch die weite staatliche Beeinträchtigungsmöglichkeit im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung bewirkt wird 415 .
408
Dazu ausführlich oben D II 1 a. BVerfGE 68, 193 (223 f.); 77, 84 (118); Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rn. 150; Scholz, in: M./D./H./S., GG, Art. 12 Rn. 114 f. 410 BVerfGE 50, 290 (366); BVerfG NJW 1994, 1784 (1784); Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 106; Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 126; Stober, Grundrechtsschutz, S. 36. M. Hoffmann, S. 274, will diese "Unternehmensfreiheit" in Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG gemeinsam verankern. 411 BVerfGE 12, 341 (347); 70, 115 (123); Kunig, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 2 Rn. 16; Stober, Grundrechtsschutz, S. 35. 412 Stober, Grundrechtsschutz, S. 36 f. 4,3 BVerfGE 77, 84 (118); Scheuner, in: ders. (Hrsg.), Einwirkung, S. 42 f., 51; Schulte, DVB1. 1988, 512 (515). 414 BVerfGE 50, 290 (366); Jarass, WiVerwR, S. 67; Rinck/Schwark, Wirtschaftsrecht, Rn. 150. 415 BVerfGE 25, 371 (407 f.); 50, 290 (366); Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 106; Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 127. 409
18 Schliesky
274
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
4. Art. 3 Abs. 1 GG Bedeutung kann schließlich auch der allgemeine Gleichheitssatz erlangen 416. Er besagt, daß wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches nicht willkürlich gleich behandelt werden darf 417 . Art. 3 Abs. 1 GG erscheint somit als Willkürverbot; er statuiert das Verbot sachlich unbegründeter rechtlicher Differenzierungen zum Vorteil staatlicher Einheiten oder bevorzugter einzelner Wettbewerbsteilnehmer 418. Dabei gewährt Art. 3 Abs. 1 GG allerdings keinen generellen Anspruch auf Chancengleichheit, mit dem schon gar nicht allgemein die Unzulässigkeit etwa der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates begründet werden könnte419. Das Verbot willkürlicher Differenzierungen verlangt vom Staat zunächst einmal nur sachlich begründete Differenzierungen 420. Für die eigene wirtschaftliche Tätigkeit des Staates folgt daraus ein Begründungs- bzw. Legitimationszwang421. Mit anderen Worten: Die Bedeutung des Art. 3 Abs. 1 GG erschöpft sich für die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates darin, daß ein öffentliches Interesse vorliegen muß, das die Tätigkeit rechtfertigt 422 . Das Verbot sachlich unbegründeter Differenzierungen gilt auch für sonstige wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit, insbesondere für die Fallgruppen, in denen die Wettbewerbsstellung eines privaten Unternehmers auf Kosten eines anderen verbessert wird; Musterbeispiel sind insoweit ungleichmäßig verteilte Subventionen. Auch hier kann die Ungleichbehandlung des einen Wettbewerbers gegenüber
416
Ausführlich etwa Gusy, NJW 1988, 2505 ff.; Huster, Rechte und Ziele, passim; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 471 ff. 4,7 BVerfGE 4, 144 (155) ; 35, 263 (272); Gallwas, Grundrechte, Rn. 219, 227. 418 BVerwGE 17, 306 (311); 39, 329 (337); Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 106; Hesse, FS Lerche, S. 121 (122 f.); Kirchhof FS Lerche, S. 133 (134); Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 127; Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR III, § 84 Rn. 37; Weber, S. 128. 4,9 BVerfGE 4, 7 (19, 24); 12, 354 (367); BVerwGE 17, 306 (311); 39, 329 (337); Bettermann, FS Hirsch, S. 1 (21 f.); Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 106 Fn. 169; Emmerich, Wirtschafts recht, S. 113 f.; Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR III, § 84 Rn. 37. 420 Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 113 f.; Kirchhof in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR V , § 124 Rn. 237 f. 421 BVerwGE 39, 329 (337); Isensee, DB 1979, 145 (150); H Klein, Teilnahme, S. 228 ff. 422 BVerwGE 17, 306 (311); VG Münster NVwZ 1982,522 (523); Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 106; Isensee, DB 1979, 145 (150); Ronellenfitsch, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HbdStR III, § 84 Rn. 37.
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
275
dem anderen vor Art. 3 Abs. 1 GG nur Bestand haben, wenn sie sachlich begründet ist. Wiederum m.a.W.: Es muß ein überwiegendes öffentliches Interesse an dieser Wettbewerbsverzerrung bestehen423. Die Überprüfung des Vorliegens - und Ausreichens - des öffentlichen Interesses kann von dem betroffenen Wettbewerbsteilnehmer initiiert werden, indem er mit Hilfe des Art. 3 Abs. 1 GG als subjektiv-öffentlichem Recht die Gerichte anruft; insoweit ist dem privaten Wettbewerbsteilnehmer wieder ein Wettbewerbssegment zur subjektivrechtlichen Verteidigung zugewiesen, um nicht hinreichend legitmierte Wettbewerbsbeeinträchtigungen abzuwehren. Art. 3 Abs. 1 GG gewährt demnach ein subjektiv-öffentliches Recht auf Abwehr sachlich unbegründeter (Un-)Gleichbehandlungen424, das allerdings einen andersgearteten Inhalt hat als die Abwehransprüche aus den Freiheitsrechten 425. Dieses Verständnis des allgemeinen Gleichheitssatzes findet Unterstützung in Art. 1 Abs. 3 GG 4 2 6 . So gewährt Art. 3 Abs. 1 GG als Abwehrrecht einen "Anspruch auf Unterlassung einer Ungleichbehandlung"427, was insbesondere in den Fällen negativer Konkurrentenklagen von Bedeutung ist 428 . Häufig wird Art. 3 Abs. 1 GG aber auch als Teilhaberecht erscheinen, etwa als Anspruch auf Teilhabe an Subventionierung429. Immer aber ist Art. 3 Abs. 1 GG - und dies unterscheidet ihn von den aus der Sicht der betroffenen Bürger absolut anzuwendenden Ab-
423
Frers y DÖV 1988, 670 (677); Gubelt y in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 3 Rn. 72 m.w.N. 424 BVerwGE 55, 349 (351) - hier allerdings als Leistungsanspruch; Alexy y Theorie der Grundrechte, S. 389 ff.; Frers y DÖV 1988, 670 (677); Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 1; Kirchhof y in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR V , § 124 Rn. 274; Knobbe-Keuk y BB 1982, 385 (386); Sachs, DÖV 1984, 411 (416 f.); konsequent und zutreffend daher Huster, Rechte und Ziele, S. 225 ff., der die Systematik des Gleichheitssatzes der Eingriffsdogmatik der Freiheitsrechte annähert. A.A. die wohl h.M.: Art. 3 Abs. 1 GG setze rechtliche Betroffenheit voraus, da er nur Rechtsgleichheit gewähre; erforderlich sei demnach eine eigene rechtliche Betroffenheit aus einem anderen Recht, etwa Art. 12 Abs. 1 GG; so Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 106; Erichsen, Jura 1994, 385 (387); Friehe, JuS 1981, 867 (871); offengelassen bei VGH Mannheim NJW 1984, 251 (253). 425 Erichsen, VerwArch. 71 (1980), 289 (295); Kirchhof in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR V , § 124 Rn. 276; Lübbe-Wolff y Grundrechte, S. 258 f. 426 Gubelt y in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 3 Rn. 2; Hesse, FS Lerche, S. 121 (121); Stober, Grundrechtsschutz, S. 125. 427 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 391 f.; Kirchhof in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR V , § 124 Rn. 276; Rittner/Stephan, GewArch. 1985, 177 (183). 428 Dazu P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 84 f., 372. 429 Kirchhof in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR V, § 124 Rn. 280; Rittner/Stephan, GewArch. 1985, 177 (179).
276
D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
wehransprüchen aus den Freiheitsrechten - ein relativ zu verstehendes subjektivöffentliches Recht auf Gleichbehandlung durch den Staat430. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet bei alledem keine schematische Gleichbehandlung, da es vollständige Gleichheit, die Identität bedeuten würde, in der Realität ohnehin nicht geben kann und diese vom Grundgesetz auch nicht angestrebt wird 431 . Daher kann vom Staat mit Hilfe von Art. 3 Abs. 1 GG nur verlangt werden, daß - hinsichtlich des Wettbewerbs zwischen Privaten - rechtliche Gleichheit im Sinne von Startgleichheit und - hinsichtlich staatlicher Eigenbetätigung - keine ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteile des Staates bestehen, vor allem aber jede Wettbewerbsingerenz eines rechtfertigenden öffentlichen Interesses bedarf. Art. 3 Abs. 1 GG gewährleistet somit nicht die Wettbewerbsfreiheit 432, sondern die "hoheitliche Respektierung der wettbewerblichen Ausgangslage"433. Abwehren kann der private Wettbewerbsteilnehmer damit jede staatliche Veränderung seiner Wettbewerbslage, die ohne sachlich rechtfertigenden Grund erfolgt oder die in bezug auf das verfolgte öffentliche Interesse unverhältnismäßig ist 434 . Zu beachten ist dabei aber, daß bei den in Rede stehenden staatlichen Verhaltensweisen regelmäßig auch ein Eingriff in die Wettbewerbsstellung vorliegen wird, der den Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG auslöst435. Dieser klassische Abwehranspruch ist auch vorrangig, da er seinem Inhalt nach weitergehend, nämlich auf Abwehr der gesamten belastenden Maßnahme gerichtet ist, während Art. 3 Abs. 1 GG nur ein Unterlassen der Ungleichbehandlung oder eine Gleichbehandlung gewährt. Aber noch aus einem weiteren Grund darf die Bedeutung des Art. 3 Abs. 1 GG für wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit nicht überschätzt werden. Denn auch bei einem eingriffsorientierten Strukturverständnis des Art. 3 Abs. 1 GG kommt der Norm Bedeutung für die Kontrolle wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit nur dann zu, wenn die staatliche Einheit dem betroffenen Bürger gegenüber
430
Erichsen, VerwArch. 71 (1980), 289 (294 ff.) m.w.N.; Frers, DÖV 1988, 670 (677); Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK 1, Art. 3 Rn. 2. 431 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 360; Gusy, JA 1991, 286 (290); Huster, Rechte und Ziele, S. 466; Stober, Grundrechtsschutz, S. 127. 432 Diese ist in Art. 12 Abs. 1 GG verankert. 433 So die zutreffende Formulierung von Η Ρ. lpsen t W D S t R L 25 (1967), 257 (303). 434 Zu dieser Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei Art. 3 Abs. 1 GG ausführlich Huster, Rechte und Ziele, S. 67 ff. Zu den gemeinsamen Wurzeln von Gleichheitssatz und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Kirchhof FS Lerche, S. 133 (137 ff.). 435 Ausnahmsweise kann die Wettbewerbsstellung auch durch ein spezielleres Grundrecht mitgewährleistet sein, so etwa durch die Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Einschlägiges Beispiel sind die Pressesubventionsfälle, vgl. OVG Berlin DVB1. 1975, 905 (908); OLG Frankfurt NVwZ 1993, 706 (707).
II. Grundrechte der privaten Marktteilnehmer
277
zur Ermessensausübung berechtigt oder verpflichtet ist. Art. 3 Abs. 1 GG ist nämlich kein Auffanggrundrecht wie Art. 2 Abs. 1 GG, das bei jeder tatsächlichen Veränderung der Wettbewerbslage eingreift; damit wäre der Popularklage und einem allgemeinen Verwaltungskontrollanspruch Tür und Tor geöffnet. Vielmehr ist nur dort, wo der Exekutive ein Spielraum für Entscheidungen und damit ein Spielraum für potentielle Ungleichbehandlungen verbleibt, auch Raum für die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG. Zu Recht wird daher betont, daß die herausragende Bedeutung des Art. 3 Abs. 1 GG in der Konkretisierung des Verwaltungsermessens liegt436. Damit ist nun nicht zwangsläufig verbunden, daß immer erst eine rechtliche Betroffenheit vorliegen muß, bevor Art. 3 Abs. 1 GG zur Anwendung kommt; wohl aber ist zu beachten, daß Art. 3 Abs. 1 GG nur rechtliche Gleichheit sichern soll, und dies bedeutet, daß der wirtschaftende Bürger sich nur dann auf Art. 3 Abs. 1 GG berufen kann, wenn er in die rechtliche Entscheidung mit einzubeziehen ist. Er muß also an dem "Rechtsverhältnis" beteiligt sein, was dann der Fall ist, wenn seine Interessen in eine Ermessensentscheidung einzubeziehen sind, das Ermessen mithin wenigstens auch ihm gegenüber auszuüben ist. Als Beispiele hierfür mögen die Entscheidungen über die Subventionierung zweier Unternehmer oder Konzessionsvergaben dienen, bei denen im Rahmen einer Ermessensbetätigung auch die Interessen von Altunternehmern zu berücksichtigen sind437. Gibt es hingegen für die Exekutive keinen eigenen Beurteilungs- oder Ermessensspielraum, wird Art. 3 Abs. 1 GG als Verhaltensmaßstab jedenfalls bei normgeleitetem Verwaltungshandeln regelmäßig ausfallen, da bei einer vollständig ausgefüllten Norm nur die Norm selbst an Art. 3 Abs. 1 GG überprüft werden kann438. Die falsche Anwendung eindeutiger gesetzlicher Vorgaben ohne Eröffnung eines Handlungsspielraumes ist kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, sondern bloß eine falsche Anwendung und Verletzung einfachen Rechts439, die grundsätzlich nur mit Hilfe von Art. 2 Abs. 1 GG gerügt werden kann.
436 BVerfGE 69, 161 (169); BVerwG NVwZ 1987, 809 (810); Frers, DÖV 1988, 670 (677); Gubelt y in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 3 Rn. 37; Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 23; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 546 f.; Stober, Grundrechtsschutz, S. 133. 437 Rittner/Stephan, GewArch. 1985, 177 (183 ff.) m.w.N. zum Meinungsstand; a.A. - dabei differenzierend zwischen Subventionierung und Konzessionserteilung Frers, DÖV 1988, 670 (677 f.). 438 BVerwGE 34, 278 (281 f.); Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GGK I, Art. 3 Rn. 37 m.w.N.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 546. 439 Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 23; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 546.
278
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
I I I . Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit Wenn der Staat in das Marktgeschehen eingreift, noch dazu durch eigene wirtschaftliche Tätigkeit, liegt es nahe, ihn wie einen "normalen" Wettbewerber zu behandeln440. Demnach würden fur den Staat als Wettbewerber auch alle einfachgesetzlichen Grenzen gelten, hier in erster Linie interessierend also auch das Wettbewerbsrecht i.e.S. 441 , das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) 4 4 2 . Nach uneinheitlicher Beurteilung in Rechtsprechung und Literatur wird dies heute ganz überwiegend auch so gesehen443. Es fragt sich aber, ob ein undifferenziertes Gleichstellen mit privaten Mitbewerbern den zuvor herausgearbeiteten Besonderheiten wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit gerecht wird 444 .
1. UWG a) Anwendbarkeit Zunächst ist daher die Frage der generellen Anwendbarkeit des UWG näher zu beleuchten. Die Anwendbarkeit des UWG wird hier getrennt von der Frage nach dem einschlägigen Rechtsweg bei der Geltendmachung von Wettbewerbsverstößen durch die öffentliche Hand behandelt445, da die Anwendbarkeit einer bestimmten Norm noch keine zwingende Schlußfolgerung hinsichtlich des zu verfolgenden Rechtsweges zuläßt, wenn auch Auswirkungen nicht zu leugnen sind 446 .
440
So geschah es bereits in den Anfangsjahren der Geltung des UWG, vgl. etwa Rosenthal, Wettbewerbsgesetz, S. 23 f. - Heutzutage etwa Wilke/Schachel, WiVerw. 1978, 95 (115). 441 Zu dieser Unterscheidung vgl. etwa Rittner y Wettbewerbs-und Kartellrecht, S. 13. 442 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. 7.6.1909, RGBl. S. 499, zuletzt geändert durch G. v. 25.10.1994 (BGBl. I S. 3082). Zur historischen Entwicklung Wädle, JuS 1996, 1064 ff. 443 Vgl. etwa die Darstellungen bei Pinger, GRUR 1973, 456 (456 f.); Schricker, S. 91 ff.; Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (467 ff.). 444 Kritisch in diesem Sinne auch von Gamm, UWG, § 1 Rn. 12; Kopp, GewArch. 1988, 353 (356 ff.). 445 So aber Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 914 ff.; wie hier Bork, Werbung im Programm, S. 40 f.; von Gamm, WRP 1984, 303 (307). 446 Die Frage der Anwendbarkeit ist schon logisch vorrangig; über die Anwendbarkeit einer Norm ist zu entscheiden, bevor ihre Voraussetzungen geprüft werden, vgl. Schmalz, Methodenlehre, Rn. 69. Der Rechtsweg wird gesondert behandelt, vgl. den letzten Abschnitt dieser Arbeit. S. auch Scholz, NJW 1978, 16 (17).
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
279
Es handelt sich bei der Frage nach der Anwendbarkeit des UWG auch nicht um ein Tatbestandsproblem447; die Frage nach der generellen Anwendbarkeit einer Norm ist zu unterscheiden von der konkreten Subsumtion bei den einzelnen Tatbestandsmerkmalen448. Ergebnisorientiert betrachtet wird - dies wurde schon erwähnt - die Anwendbarkeit des UWG auf staatliches Wettbewerbshandeln von der ganz herrschenden Meinung bejaht, wobei insbesondere die öffentlich-rechtliche Literatur doch auch modifizierende und kritische Stellungnahmen hervorbringt 449. Motor der Entwicklung war dabei die Rechtsprechung der Zivilgerichte. Daher soll nun in einem ersten Schritt die heute gültige Begründung des Bundesgerichtshofs dargestellt und anschließend kritisch hinterfragt werden.
aa) Begründung des Bundesgerichtshofs Der Bundesgerichtshof versteht § 1 UWG als privatrechtliche Norm 450 und sah sich daher veranlaßt, deren Anwendbarkeit auf wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit451 zu begründen. Vorausgeschickt wird die Prämisse, daß Wettbewerb Gleichordnung bedeute452. Begebe sich der Staat in den Wettbewerb, so begebe er sich demzufolge auf den Boden der Gleichordnung453. An dieser Stelle wird eine weitere Prämisse als Selbstverständlichkeit nachgeschoben: Gleichordnung sei kennzeichnend für Privatrecht 454.
447 So aber Kluth, S. 96, mit unzutreffendem Hinweis auf Scholz; auch Rosenthal, Wettbewerbsgesetz, S. 23 f. Dagegen mit Recht Schricker, S. 116. Wie hier Bork, Werbung im Programm, S. 41 f. 448 Vgl. dazu etwa Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 31 ff.; wie hier von Gamm, WRP 1984, 303 (306). 449 Gänzlich ablehnend Schachtschneider, Staatsunternehmen, S. 281 ff., 302 ff.; eingeschränkt befürwortend etwa P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 332 ff.; Kopp, GewArch. 1988, 353 (357). 450 BGHZ 66, 229 (235); 121, 126 (128); ebenso OLG Köln WRP 1985, 511 (512); Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 35; Köhler/Piper, UWG, Einf., Rn. 26; Wollmar, S. 64. 451 Im Mittelpunkt der BGH-Rspr. steht dabei die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates. 452 BGHZ 66, 229 (233); 67, 81 (84, 86); 82, 375 (382 f.); ebenso von Gamm, WRP 1984, 303 (306); Pinger, GRUR 1973, 456 (458); Popel, JA 1988, 127 (132). 453 BGHZ 66, 229 (233); 67, 81 (88); 82, 375 (382 f.); ebenso von Gamm, WRP 1984, 303 (306); Piper, GRUR 1986, 574 (576); Pinger, GRUR 1973, 456 (458); Popel, JA 1988, 127 (132). 454 BGHZ 66, 229 (233); 67, 81 (86); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 919; von Gamm, WRP 1984, 303 (306). Verkürzend etwa BGHZ 110, 371 (381): "auf dem Boden des Privatrechts".
280
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Diese Argumentationsschiene verläßt der Bundesgerichtshof zunächst, um anschließend zwischen den Leistungs- und Wettbewerbsbeziehungen zu differenzieren: Das Wettbewerbsverhältnis des Staates zu den privaten Konkurrenten am Markt sei danach streng von den Leistungsbeziehungen zu seinen Bürgern bzw. Kunden {Leistungsverhältnis) zu unterscheiden455. Dabei sei die Rechtsnatur der Leistungsbeziehung unerheblich456; maßgebend fur die Beurteilung der Anwendbarkeit des § 1 UWG sei das Wettbewerbsverhältnis 457. An dieser Stelle erfolgt der Rückgriff auf den ersten Argumentationsstrang: Ausschlaggebend für die Anwendung privaten Rechts ist, ob ein Gleichordnungsverhältnis zwischen dem Staat und seinem privaten Mitbewerber bestehe458, oder, anders ausgedrückt, ob das maßgebliche Wettbewerbsverhältnis privatrechtlicher Natur sei. Bei Zugrundelegung der vom Bundesgerichtshof erzielten Zwischenergebnisse liegt die Schlußfolgerung nahe: Wettbewerb bedeutet Gleichordnung, Gleichordnung bedeutet Privatrecht - also ist das Wettbewerbsverhältnis privatrechtlich. Dann unterfallt es einer privatrechtlichen Beurteilung, Privatrecht in Form von § 1 UWG ist anwendbar. Die Folge, die eine derartige Argumentation hervorruft, ist die Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen; eine im Leistungsverhältnis vom Staat vorgenommene öffentlich-rechtliche Handlung wirkt sich im Wettbewerbsverhältnis privatrechtlich aus. Dieselbe Maßnahme soll demnach sowohl öffentlich-rechtlicher als auch privatrechtlicher Natur sein, abhängig jeweils von der Beziehung, in der sie sich auswirkt 459. Um der Problematik des Staates als Wettbewerber (und dem Einsatz von Hoheitsgewalt) gerecht zu werden, betont der Bundesgerichtshof schließlich, daß grundsätzlich nur eine Überprüfung der Art und Weise, des "Wie" einer wett-
455
BGHZ 66, 229 (233 f.); 67, 81 (86); 82, 375 (383); Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 280 f.; Pinger, GRUR 1973, 456 (457, 459). 456 BGHZ 66, 229 (237); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 U W G Rn. 919. 457 BGHZ 67, 81 (86); 82, 375 (383 f.); 110,278 (284); behauptet auch in BGHZ 121, 126 (130) = DÖV 1993, 573 (574), obwohl der BGH im Erg. maßgeblich auf das Leistungsverhältnis (des Konkurrenten zu seinen Kunden!) abhebt - vgl. dazu ablehnend Schliesky, DÖV 1994, 114 (116). Anders zuvor BGHZ 119, 93 (99) = NJW 1993, 789 (790). Wie im Text skizziert auch OLG Karlsruhe WRP 1984, 340 (342); Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 919, 925. 458
BGHZ 66, 229 (235). BGHZ 66, 229 (237); 67, 81 (89); 82, 375 (383); zustimmend Baumbach/Hefermehly Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 919; von Gammf WRP 1984, 303 (307); ders.y U W G , § 1 Rn. ly Pinger y GRUR 1973, 456 (458 f.). Auf die Kritik an dieser Sichtweise wird noch einzugehen sein. 459
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
281
bewerblichen Maßnahme in Betracht komme460, das "Ob" des staatlichen Tätigwerdens aber grundsätzlich der zivilgerichtlichen Beurteilung entzogen sei461. Das "Ob" der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit, also letztlich die Frage nach der Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit, sowie andere öffentlichrechtliche Aspekte werden vom Bundesgerichtshof nur als öffentlich-rechtliche "Vorfragen" behandelt; die Entscheidung hierüber erwächst dementsprechend nicht in Rechtskraft 462.
bb) Kritik Die Begründung des Bundesgerichtshofs kritischen Hinterfragen.
bietet an einigen Stellen Anlaß zum
(1) Gleichordnungsverhältnis Zunächst einmal ist die These des Bundesgerichtshofs zu überprüfen, wonach der Staat sich auf den Boden der Gleichordnung begibt, sobald er am Wettbewerb teilnimmt. Um zu klären, ob der Staat sich bei einer Wettbewerbseinwirkung in einem Gleichordnungsverhältnis zu den anderen Marktteilnehmern befindet, bedarf es einer Definition des Begriffes "Gleichordnung". Unter "Gleichordnung" ist in Abgrenzung zum "Über-/Unterordnungsverhältnis" das rechtlich gleichberechtigte Neben- und Miteinander zweier Subjekte im Rechtsverkehr zu verstehen463. Diese Unterscheidung ist Bestandteil der sog. Subjektionstheorie zur Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht464. Das typische Beispiel für ein Gleichordnungsverhältnis ist der Vertrag. Über-/ Unterordnung liegt hingegen vor, wenn ein Rechtssubjekt rechtlich befähigt ist,
460
BGH NJW 1974, 1333 (1333); BGHZ 67, 81 (87 f.); dem Sinn nach auch BGHZ 66, 229 (232, 234); 82, 375 (383 f.), hier aber bereits mit der erweiternden Option, daß faktisch durchaus eine Untersagung des "Ob" in Betracht kommen kann; BGH NJW 1987, 60 (61); BGH GRUR 1991, 53 (56); anders BGH NJW 1993, 789 (791). 461 Wie Fn. 460; außerdem Badura, in: von Münch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), BesVerwR, 3. Abschn., Rn. 115; von Gamm, WRP 1984, 303 (307); Grupp, ZHR 140 (1976), 367 (376). 462 BGHZ 67, 81 (88); zustimmend von Gamm, WRP 1984, 303 (306); kritisch Schmittat, ZHR 148 (1984), 428 (462 Fn. 169). 463 RGZ 167, 281 (284); BGHZ 14, 222 (226 f.); vgl. Wolff/Bachof VwR I, § 22 II a 7. 464 Zur berechtigten Kritik an dieser Theorie vgl. nur Wolff/Bachof VwR I, § 22 II a 7.
282
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
einseitig in den Rechtsbereich eines anderen Rechtssubjekts einzugreifen 465. Im Hinblick auf die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit mag hier Wirtschaftslenkung per Verwaltungsakt als Beispiel dienen. Dieser Bereich müßte demzufolge aus dem Begründungsansatz des Bundesgerichtshofs ausscheiden, da hier kein Gleichordnungsverhältnis vorliegt 466. Doch auch für den Bereich der wirtschaftlichen Tätigkeit könnte dann nicht ohne weiteres ein Gleichordnungsverhältnis angenommen werden 467, und hier liegt die erste Unstimmigkeit in der Argumentation des Bundesgerichtshofs. Das zur Feststellung der Gleichordnung herangezogene Wettbewerbsverhältnis hat eine andere Qualität468 als das klassische vertragliche Gleichordnungsverhältnis - insofern wäre ein Abstellen auf eine vertraglich geregelte Leistungsbeziehung eindeutiger. Das Wettbewerbsverhältnis erscheint bei räumlicher Betrachtung eher als ein Verhältnis der "Nebenordnung da es durch die Parallelität bestehender oder erstrebter Leistungsverhältnisse entsteht. Allenfalls bei einer dreidimensionalen Betrachtungsweise läßt sich eine Koordination auf der "Ebene" Wettbewerb ausmachen. Diese Koordination, entstanden aus dem beiderseitigen Streben um die Begründung einer Leistungsbeziehung mit dem umworbenen Kunden, ist aber rein tatsächlicher Natur 469 - dies gilt es schon einmal festzuhalten. Zudem ist eine sozusagen vorgegebene Ungleichgewichtigkeit zwischen dem Staat und einem privaten Mitbewerber hervorzuheben 470. Diese ist gar nicht so sehr in der immer wieder betonten unterschiedlichen wirtschaftlichen Macht der Konkurrenten zu sehen471 als vielmehr in der öffentlich-rechtlichen Aufgabenstellung, der der Staat bei seinem Tätigwerden am Markt zu genügen hat. Die Unterschiedlichkeit äußert sich im Verhältnis zu den privatnützig agierenden Konkurrenten nicht nur in der zuvor als "Wirtschaftsfreiheit" bezeichneten öffentlichen Aufgabe, die der Staat zu erfüllen hat, sondern durchaus auch in Form von möglicherweise bestehenden Befugnisnormen, die Eingriffe in die Wettbewerbsfreiheit der übrigen Marktteilnehmer gerade ausdrücklich vorsehen und insoweit nun jegliche rechtliche Gleichordnung beseitigen.
465
Redeker/von Oertzen, VwGO, § 40 Rn. 8. Damit ist aber, um dies hervorzuheben, nichts über das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses gesagt. 467 Zweifelnd auch Bettermann, DVB1. 1977, 180 (181). 468 Kritisch auch Renck, BayVBl. 1978, 692 (692). 469 Vgl. dazu ScholZy NJW 1978, 16 (17). 470 Eventuell bestehende oder nicht bestehende Wettbewerbsvorteile für den Staat können aber kein Indiz für die Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts sein, sondern nur ein Kriterium für die Beurteilung der Lauterkeit der Wettbewerbshandlung. 471 Vergleicht man die angespannte Finanzlage öffentlicher Haushalte mit den finanziellen Möglichkeiten großer privatwirtschaftlicher Unternehmen, so wird die Fragwürdigkeit dieser These deutlich. Vgl. auch MelulliSy WRP 1988, 228 (229). 466
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
283
Diese "Staatseigenschaften" bedingen es, daß es an der rechtlichen Gleichordnung fehlt und strenggenommen auch an einem Gleichordnungsverhältnis i.S.d. Subj ektionstheorie. Damit ist aber auch die weitere Schlußfolgerung des Bundesgerichtshofs in Frage gestellt, der Schluß vom Gleichordnungsverhältnis auf den privatrechtlichen Charakter des Wettbewerbsverhältnisses. Erscheint schon die Wahl des Begriffes "Gleichordnung" fur die Konkurrenzbeziehung ungeeignet, so kann - wenn man den Begriff denn verwenden will die bloß faktische Natur des Wettbewerbsverhältnisses nicht übersehen werden. Durch das Streben der Konkurrenten um einen Kunden entsteht allenfalls tatsächliche Koordination, oder in den Worten von Scholz 472 ausgedrückt: "Der Wettbewerb 'koordiniert' zwar; er tut dies aber nicht rechtlich, sondern allein faktisch. Die soziologisch-ökonomische Verhaltens- oder (institutionelle) Marktform 'Wettbewerb' impliziert die tatsächliche Koordination kraft realer (wettbewerblicher) Marktteilhabe einzelner Wirtschaftssubjekte (Unternehmen). " Diese tatsächliche Koordination genügt aber noch nicht für die Folgerung einer privatrechtlichen Rechtsnatur, denn auch die Subjektionstheorie verlangt eine rechtliche Koordination für den Schluß vom Gleichordnungsverhältnis auf die privatrechtliche Rechtsnatur desselben473. Angemerkt sei in diesem Zusammenhang die generelle Fragwürdigkeit einer Unterscheidung von Privatrecht und öffentlichem Recht mit Hilfe der Kriterien Gleichordnung, Uber-/Unterordnung; zu erinnern ist nur an den öffentlich-rechtlichen Vertrag, der deutlich macht, daß auch ein Koordinationsverhältnis sehr wohl öffentlich-rechtlich sein kann474. Nur durch ein tatsächliches Konkurrenzverhältnis zu einem Privaten verliert ein öffentlich-rechtlich geprägtes Verwaltungshandeln noch nicht seine Rechtsnatur 475. Verdeutlicht man sich zudem, daß im Ergebnis ein Verhaltensrecht gesucht wird, das dem Staat bestimmte Handlungs- und Vorgehensweisen untersagen soll, so wird die These des Bundesgerichtshofs noch fragwürdiger; denn eine Untersagung hoheitlichen Verhaltens ist nur innerhalb eines öffentlich-recht-
472
NJW 1978, 16 (17). Vgl. Scholz, NJW 1978, 16 (17); Schricker, S. 103 f.; Wolff/Bachof AllgVerwR, § 22 II a 7. 474 Kritisch etwa Bettermann, DVB1. 1977, 180 (181); Kopp, VwGO, § 40 Rn. 11; Menger, VerwArch. 68 (1977), 293 (296); Renck, BayVBl. 1978, 692 (693); Schricker, S. 104, 119. 475 Scholz, ZHR 132 (1969), 97 (131 f. Fn. 180). 473
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
liehen Streitverhältnisses möglich476. Die Fehlerhaftigkeit der Gleichung "Wettbewerb = Gleichordnung = Privatrecht" ist damit nachgewiesen.
(2) Maßgeblichkeit des Leistungs- oder Wettbewerbsverhältnisses Die Prämisse des Bundesgerichtshofs vom zwingend privatrechtlichen Wettbewerbsverhältnis konnte erschüttert werden; überprüfungsbedürftig ist freilich auch die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Differenzierung zwischen Leistungs- und Wettbewerbsverhältnis. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang ein Blick auf die Rechtsprechung der Zivilgerichte 477. In der Rechtsprechung des Reichsgerichts und den früheren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs wurde das Leistungsverhältnis als entscheidend für das Wettbewerbsverhältnis und damit für die Anwendbarkeit des UWG betrachtet478. Für die Anwendung des Wettbewerbsrechts 479 sollte danach nur Raum sein, wenn der Hoheitsträger im Verhältnis zu seinen Benutzern und Abnehmern privatrechtlich organisiert war; waren die Leistungsbeziehungen hingegen hoheitlich gestaltet, wurde dies auf das Wettbewerbsverhältnis zum Konkurrenten übertragen. Damit wird deutlich, daß die Rechtsprechung in dieser Zeit noch nicht streng zwischen Leistungs- und Wettbewerbsbeziehungen unterschieden und im übrigen die Trennung zwischen "Ob" und "Wie" staatlicher Wettbewerbsteilnahme ernst zu nehmen versuchte. Als Wendepunkt mag das sog. AKI-Urteil des Bundesgerichtshofs 480 angesehen werden: Der Bundesgerichtshof hielt zwar offiziell noch an seiner alten Rechtsprechung fest, doch gelangte er mittels einer sehr feinsinnigen Unterscheidung im Ergebnis zu einem privatrechtlichen Wettbewerbsverhältnis. Die Ausstrahlung des Programms einer öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt mittels Hertzscher Wellen war danach zwar öffentlich-rechtlich, die gewerbsmäßige Wahrnehmbarmachung des Sendeguts sollte hingegen privatrechtlich sein, so daß das Wettbewerbsverhältnis zu einem Privaten, der die Sendungen der Anstalt im
476
Bettermann, DVB1. 1977, 180 (180); Redeker/von Oertzen, VwGO, § 40 Rn. 6. Diesbezügliche Ausführungen der Gerichte finden sich i.d.R. im Zusammenhang zum Rechtsweg; dies schadet hier aber nicht, da die Rechtsnatur des Leistungs- oder Wettbewerbsverhältnisses die maßgebende Rolle bei der ohnehin später (E) noch vorzunehmenden Rechts wegbeurteilung spielt. 478 Nur andeutungsweiseRGZ 116, 1 (2); eindeutig dagegen RGZ 116, 28 (31); BGHZ 19, 299 (303 ff.); 37, 1 (15 f.); BGH GRUR 1956, 227 (227); NJW 1956, 711 (711); OLG München WRP 1956, 15 (16 f.). 479 In Gedanken ist zu ergänzen, daß § 1 UWG als privatrechtliche Norm verstanden wird. 480 BGHZ 37, 1 ff. 477
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
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Wege der Großprojektion seinem Kinopublikum öffentlich zugänglich machte, privatrechtlicher Natur sein sollte. Mit dieser Differenzierung war die selbständige Betrachtung des Wettbewerbsverhältnisses bereits angedeutet; fortan fand eine Abkehr von dem Leistungsverhältnis hin zur selbständigen Beurteilung der Wettbewerbsbeziehungen statt. Von nun an wurde das Wettbewerbsverhältnis losgelöst vom Leistungsverhältnis betrachtet und als allein maßgebend fur die Frage der Anwendbarkeit des § 1 UWG 4 8 1 angesehen482. Es ist dies die oben bereits skizzierte Begründung des Bundesgerichtshofs y eindeutig formuliert in einer Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen zur Werbung einer Ersatzkasse für die Krankenversicherung der Studenten483: "Vielmehr muß zwischen den öffentlichrechtlichen Leistungsbeziehungen zu den Mitgliedern und den wettbewerbsrechtlichen Beziehungen zu privaten Unternehmen unterschieden werden. Beide sind voneinander unabhängig. Insbesondere vermag die öffentlichrechtliche Gestaltung der Leistungsbeziehungen das zu den privaten Mitbewerbern auf der Ebene der Gleichordnung bestehende Wettbewerbsverhältnis seinem Wesen nach nicht zu verändern." Doch auch dies ist offensichtlich noch nicht der Endpunkt in der Rechtsprechungsentwicklung. In jüngeren Judikaten ist wiederum eine Abkehr vom Wettbewerbsverhältnis und eine neuerliche Hinwendung zu der Berücksichtigung des Leistungsverhältnisses zu beobachten. Noch hat zwar keine ausdrückliche Distanzierung von der bisherigen Rechtsprechung stattgefunden, doch wird die Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts 484 der Sache nach überwiegend mit dem Leistungsverhältnis begründet. Da der Bundesgerichtshof aber spätestens seit dem Urteil zu den Brillenselbstabgabestellen485 keinerlei "Hemmungen" hat, in den öffentlich-rechtlichen Tätigkeitsbereich eines Hoheitsträgers einzudringen, diesen zu beurteilen und eventuell auch zu untersagen, verwundert diese Entwicklung nicht so sehr. Die völlig isolierte Betrachtung des Wettbewerbsverhältnisses unter Zugrundelegung der bereits widerlegten Gleichung "Wettbewerb = Gleichordnung = Privatrecht" ist letztendlich das Resultat einer gewissen "Rechtsschutz-
481
Und - weil die Norm ja privatrechtlich sein soll - für den Zivilrechtsweg! BGHZ 39, 352 (356); BGH GRUR 1968, 314 (316); GRUR 1973, 530 (530); BGHZ 66, 229 (233 f.); 67, 81 (86); 82, 375 (383 f.); BGH GRUR 1985, 1063 (1064); GRUR 1986, 905 (907); BGHZ 110, 278 (284); BGH GRUR 1992, 518 (519); OLG Karlsruhe WRP 1984, 340 (342); OLG DässeldorfWRP 1997, 42 (42). Aus der Literatur Emmerich y Wirtschaftsrecht, S. 280 f.; ders.y Unlauterer Wettbewerb, S. 17; Pinger, GRUR 1973, 456 (459); Wilde, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 5 Rn. 5. 483 BGHZ 66, 229 (233 f.). 484 Und entsprechend wiederum die Eröffnung des Zivilrechtsweges. 485 BGHZ 82, 375 (384). 482
286
D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
Verweigerung" durch die Verwaltungsgerichte 486. Es war nicht nur die unterlassene Anwendung wettbewerbsrechtlicher Normen durch die Verwaltungsgerichte487, sondern vor allem auch die im Ergebnis überwiegend unbefriedigenden Ergebnisse verwaltungsgerichtlicher Judikate, die private Konkurrenten zu den Zivilgerichten trieben und den Bundesgerichtshof zur Schließung einer vermeintlichen Rechtsschutzlücke veranlaßten, indem er mit dogmatisch fragwürdigen Konstruktionen letztlich jegliche staatliche Tätigkeit einem vorgeblich privatrechtlichen Wettbewerbsrecht unterstellte. Ist das Wettbewerbsverhältnis kraft eigener Dogmatik zwingend privatrechtlich und der Eingriff in hoheitliche Tätigkeitsbereiche nicht mehr tabu, besteht für den Bundesgerichtshof offenbar keine Veranlassung, sich bei öffentlich-rechtlichen Leistungsbeziehungen weiterhin zurückzuhalten. Vielmehr bietet sich die Gelegenheit, generell auf die Leistungsbeziehungen zurückzugreifen und insbesondere privatrechtlich ausgestaltete Leistungsbeziehungen zur argumentativen Unterstützung der privatrechtlichen Beurteilung des Wettbewerbsverhältnisses heranzuziehen. Beispielhaft seien nur zwei jüngere Entscheidungen vorgestellt: In dem unter dem Namen "Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb III" bekannt gewordenen Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11.5.1989 488 fehlt jeglicher Hinweis auf die sonst vorgenommene Trennung von Wettbewerbs- und Leistungsbeziehung, und auch die Anwendbarkeit von § 1 UWG wird nicht problematisiert. In der Sache ging es um die konkrete Tätigkeit einer städtischen Bestattungsanstalt, einer Einrichtung ohne eigene Rechtspersönlichkeit, im Zusammenhang mit privatrechtlich ausgestalteten bestattungswirtschaftlichen Aufgaben. Der Bundesgerichtshof untersucht in diesem Urteil ausführlich die konkrete räumliche und personelle Ausgestaltung der Leistungserbringung seitens der städtischen Bestattungsanstalt, m.a.W., die Modalitäten der Leistungsbeziehung zu den Kunden. Im Ergebnis verneint er einen Verstoß gegen § 1 UWG und §§ 26 Abs. 2, 35 GWB. Das gesamte Urteil beruht aber auf Erwägungen zum Leistungsverhältnis. In seinem Beschluß vom 14.1.1993 489 ("Rechtswegprüfung II") setzt sich der Bundesgerichtshof mit der Konkurrenz zwischen einem selbständigen öffentlich bestellten Vermessungsingenieur und einem Staatlichen Vermessungsamt am
486 Harms, BB 1986 (Beil. 17), 1 (4); Schmittat, ZHR 148 (1984), 428 (437 f.); Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (471 f.). 487 Vgl. etwa BVerwGE 39, 329 (337 f.); Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 364 Fn. 368; Scholz, NJW 1974, 781 (781). Ausnahme insoweit VGH Mannheim GewArch. 1969, 141 (142). 488
BGH GRUR 1989, 603 ff. - Ein eindeutiges Abstellen auf die Leistungsbeziehungen findet sich auch bei KG GRUR 1991, 618 (618). 489 BGHZ 121, 126 ff. = NJW 1993, 1659 f. = DÖV 1993, 573 f.; vgl. dazu ablehnend Schliesky, DÖV 1994, 114 ff.
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
287
Beispiel der Auftragsvergabe bezuglich der Vermessung eines Baugebiets in einer Gemeinde auseinander. Der Bundesgerichtshof wiederholt in diesem Beschluß ausdrücklich, daß es für die Beurteilung auf das Wettbewerbsverhältnis ankomme, die Leistungsbeziehungen hingegen unerheblich seien490. So kann der Bundesgerichtshof zuvor ohne weiteres den öffentlich-rechtlichen Charakter des Leistungsverhältnisses des Staatlichen Vermessungsamtes zu seinen Kunden einräumen, ohne daraus Schlußfolgerungen für die Qualifizierung des Wettbewerbsverhältnisses zu ziehen. Insoweit verfolgt der Bundesgerichtshof in der Tat die Linie seiner bisherigen Rechtsprechung. Insoweit verwundern auch die Ausführungen zu dem Leistungsverhältnis zwischen Vermessungsingenieur und dessen Kunden noch nicht allzu sehr 491, wohl aber die Schlußfolgerungen 492: "Mit Blick auf diese privatrechtliche Ausgestaltung der Auftragsbegründung und -Ve gütung der öffentlich bestellten Vermessungsingenieure unterfallen diejenigen Rechtsbeziehungen, die sich aus der Konkurrenzsituation im Zusammenhang mit der Erlangung von Vermessungsaufträgen ergeben und die von den Vermessungsämtern und den öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren gleichermaßen durchgeführt werden können, der Beurteilung durch die ordentlichen Gerichte. " Obwohl also eindeutig das Leistungsverhältnis - und noch dazu dasjenige des (privaten) Mitbewerbers! - zur Qualifizierung des Wettbewerbsverhältnisses und damit der Streitigkeit als bürgerlich-rechtlich herangezogen wird, wiederholt der Bundesgerichtshof im Anschluß daran seine strikte Trennung zwischen Wettbewerbs» und Leistungsverhältnis, um das öffentlich-rechtliche Leistungsverhältnis des Staatlichen Vermessungsamtes unberücksichtigt lassen zu können. Nach diesem kurzen Überblick darf durchaus festgestellt werden, daß die Rechtsprechung der Zivilgerichte inkonsequent und schwankend ist 493 . Angesichts der wieder zunehmenden Berücksichtigung des Leistungsverhältnisses drängt sich die Frage auf, ob es überhaupt auf das Wettbewerbsverhältnis ankommt 494 oder, etwas moderater formuliert, ob eine isolierte Betrachtung überhaupt zulässig ist. Eine Unterscheidung zwischen Leistungs- und Wettbewerbsverhältnis hat nun durchaus seinen deskriptiven Sinn, zumal sie rechtliche Beziehungen zu verschiedenen Rechtssubjekten verdeutlicht. Das Leistungsverhältnis besteht zwischen Staat (als Anbieter) und einem Nachfrager auf dem Markt. Das Wettbewerbsverhältnis hingegen beschreibt - im vereinfachten Regelfall - die Beziehung
490
BGHZ 121, 126 (130). Auch hier ist nicht alles stimmig, vgl. Schliesky, DÖV 1994, 114 (116). 492 BGHZ 121, 126 (130) - Hervorh.v.Verf. 493 Auch BGH NJW 1995, 2295 (2296), vermischt ohne weiteres Erwägungen zum Wettbewerbsverhältnis mit solchen zum Leistungs Verhältnis. 494 Zweifelnd etwa Menger, VerwArch. 68 (1977), 293 (296). 491
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
zwischen Staat und einem Mitbewerber im Konkurrenzkampf um den gleichen Kunden. Allein die unterschiedlichen Beteiligten, aber auch die unterschiedliche Pflichtenbeziehung rechtfertigen eine Aufrechterhaltung der Trennung von Leistungs· und Wettbewerbsverhältnis. Doch rechtfertigt dies nicht eine völlige Loslösung des Wettbewerbsverhältnisses vom Leistungsverhältnis und umgekehrt, erst recht nicht eine isolierte Betrachtung. Eine isolierte Betrachtung, wie sie nach bislang nicht zurückgenommener Rechsprechung durch den Bundesgerichtshof erfolgt, mißachtet die wechselseitige Abhängigkeit beider "Verhältnisse11. Denn das Wettbewerbsverhältnis existiert nicht unabhängig von einem Leistungsverhältnis 495; das Wettbewerbsverhältnis entsteht erst durch die Anbahnung oder Begründung eines Leistungsverhältnisses und aktualisiert sich bei jeder im Leistungsverhältnis vorgenommenen Handlung. Erst in dem Moment, in dem der Staat sich auf einen Markt begibt, um ein Leistungsverhältnis zu einem Nachfrager zu begründen, entsteht ein Wettbewerbsverhältnis zu den Mitbewerbern auf diesem Markt. Dieses endet auch, sobald der Staat sich als Anbieter von diesem Markt zurückzieht. Diese Abhängigkeit des Wettbewerbsverhältnisses von der Leistungsbeziehung wird bei einer isolierten Betrachtung des Wettbewerbsverhältnisses unterschlagen. Doch es werden noch mehr Dinge unterschlagen, und zwar all die Besonderheiten, die mit dem Auftreten des Staates als Wettbewerbsteilnehmer verbunden sind. Denn durch die Inanspruchnahme seiner "Wirtschaftsfreiheit", die allerdings unabdingbare Voraussetzung ist, erscheint die Leistungsbeziehung ohnehin als öffentlich-rechtlich geprägt. Die rechtliche Qualifizierung der Handlungsform im Leistungsverhältnis ist dabei unerheblich, denn die Wahlfreiheit der Verwaltung bezüglich ihrer Handlungsformen bei Erfüllung ihrer Aufgaben darf als anerkannt gelten; insofern verliert Staatshandeln nicht seine Qualität als Emanation hoheitlicher Gewalt durch die Wahl einer privatrechtlichen Handlungsform im Leistungsverhältnis. Ist aber nun das Leistungsverhältnis öffentlich-rechlich geprägt, so kann dies nicht ohne Auswirkungen auf das Wettbewerbsverhältnis bleiben. Denn das Wettbewerbsverhältnis besteht in den untersuchten und vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen gerade in dem Verlangen eines (in der Regel privaten) Konkurrenten, die durch den staatlichen Mitbewerber in einem Leistungsverhältnis vorgenommene oder gar erst ein Leistungsverhältnis begründende Handlung zu unterlassen. Das Wettbewerbsverhältnis wird also im Streitfall durch den Anspruch des Konkurrenten auf Unterlassung einer staatlichen Handlung gekennzeichnet. Diese Handlung ist aber, um es nochmals deutlich herauszustellen, ein staatliches Tätigwerden zur Erfüllung eines öffentlichen Zwecks. Dieses staatli-
495
Zutreffend auf dieser Linie OLG Köln NJW 1974, 802 (803); nicht geteüt jedoch von der Revisionsinstanz BGHZ 66, 229 (233 f.).
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
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che Tätigwerden ist öffentlich-rechtlich programmiert; der Konkurrent begehrt ein Unterlassen staatlichen und durch die staatliche Wirtschafts- und Wettbewerbsfreiheit öffentlich-rechtlich geprägten Handelns. Selbst wenn also ein Wettbewerbsverhältnis grundsätzlich privatrechtlich wäre (was, wie oben gezeigt, eben nicht der Fall ist), müßte dieses Wettbewerbsverhältnis durch die im Leistungsverhältnis angegriffene öffentlich-rechtliche Maßnahme öffentlich-rechtlich überlagert werden 496 - öffentliches Recht ist nun einmal Sonderrecht, das bei Einschlägigkeit das Zivilrecht verdrängt. Daraus folgt dann bei konsequentem Weiterdenken, daß ein Wettbewerbsverhältnis nur dann privatrechtlicher Natur sein kann, wenn das Leistungsverhältnis rein zivilrechtlich ist, d.h. kein Handeln in Erfüllung eines öffentlichen Zwecks vorliegt oder das Leistungsverhältnis sonst öffentlich-rechtlich geprägt ist. Als Zwischenergebnis ist also zunächst festzuhalten, daß eine völlig isolierte Betrachtung des Wettbewerbsverhältnisses unzulässig ist. Vielmehr darf der Einfluß des Leistungsverhältnisses auf das Wettbewerbsverhältnis nicht übersehen werden. Damit ist aber von entscheidender Bedeutung, was mittels Wettbewerbsverhältnisses untersagt werden soll. Die Untersagung eines bestimmten Verhaltens ist die Rechtsfolge eines darauf gerichteten Anspruchs. Im Mittelpunkt des Wettbewerbsverhältnisses steht demnach ein Anspruch. Soll hoheitliches Tätigwerden untersagt werden - und dies ist bei jeder wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit der Fall - , bedarf es eines darauf gerichteten Anspruchs, der die begehrte Untersagung als Rechtsfolge bewirken kann 497 . Ein derartiger Anspruch kann aber nur ein öffentlich-rechtlicher sein498, also ein auf Unterlassung gerichtetes subjektives öffentliches Recht. Auch auf diesem Wege bestätigt sich das oben bereits gefundene Ergebnis: Das subjektive öffentliche Recht steht im Mittelpunkt des Wettbewerbsverhältnisses.
496
Melullis, WRP 1988, 228 (230); Menger, VerwArch. 68 (1977), 293 (296). Nebenbei bemerkt: Hier zeigt sich wieder einmal die Schwäche der Rechtsverhältnislehre. Ein Konglomerat verschiedenartiger Rechte, Pflichten und Ansprüche läßt sich spätestens dann nicht mehr eindeutig beurteilen, wenn öffentliches und privates Recht nebeneinander vorkommen. Eine Fixierung auf das Rechtsverhältnis als Ganzes stiftet eher Verwirrung, da die maßgeblichen Handlungen und Ansprüche nicht mehr auseinandergehalten werden können. Eine Beurteilung des Leistungs Verhältnisses würde bei einer globalen Betrachtung vollends unmöglich werden, wenn man nur das Leistungsverhältnis heranziehen würde. Es macht eben einen großen Unterschied, ob beispielsweise ein Kunde das staatliche Tätigwerden im Leistungs Verhältnis angreift (vgl. BVerwGE 82, 29 ff.) oder nur eine konkrete Abwicklungsmodalität rügt, also etwa einen Nachbesserungsanspruch geltend macht. 498 Bettermann, DVBl. 1977, 180 (181); Kopp, GewArch. 1988, 353 (355); Melullis, WRP 1988, 228 (230); Mengen VerwArch. 68 (1977), 293 (295). 497
19 Schliesky
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
Somit gilt fur die Bestimmung der Rechtsnatur des Wettbewerbsverhältnisses folgendes: Nicht eine isolierte Betrachtung des Wettbewerbsverhältnisses ist maßgebend, ebensowenig ein alleiniges Abstellen auf die Leistungsbeziehung und ihre rechtliche Ausgestaltung. Maßgebend ist vielmehr die wirkliche Natur des geltend gemachten Anspruchs499 - und dies ist dann auch in der Tat das Kriterium fur die Rechtswegbestimmung. Wird nun der grundsätzlich zur Verfugung stehende grundrechtliche Abwehranspruch geltend gemacht, dürfte an dessen öffentlich-rechtlicher Natur nicht gezweifelt werden. Damit muß nun festgestellt werden, welche Rechtsnatur § 1 UWG aufweist. Denn wäre der aus § 1 UWG resultierende Anspruch - wie der Bundesgerichtshof behauptet - immer zivilrechtlich, dann könnte er - mangels geeigneter Rechtsfolge - nicht als tauglicher Abwehr- und Unterlassungsanspruch dienen.
(3) Rechtsnatur des § 1 UWG Die Ansicht, das Wettbewerbsrecht sei immer privatrechtlich 500, darf angesichts der Fehlerhaftigkeit der Gleichordnungsthese und der unnatürlichen, jedem Lebenssachverhalt widersprechenden isolierten Betrachtung von Wettbewerbsund Leistungsverhältnis als widerlegt gelten. Eine allein öffentlich-rechtliche Qualifizierung des UWG kommt allerdings, ohne dies bei einem Blick auf den Wettbewerb zweier natürlicher Personen näher begründen zu müssen, ebenfalls nicht in Betracht. So verwundert denn auch die Vielzahl der vertretenen Ansichten zur Anwendbarkeit des UWG auf die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit, die untrennbar mit der Rechtsnatur des UWG verbunden ist, nicht weiter: Von der widerlegten privatrechtlichen Auffassung reicht der Bogen bis hin zu der Ansicht, das UWG sei als Autonomierecht überhaupt nicht anwendbar501. Dazwischen liegen die
499
GmS-OGB BGHZ 97, 312 (313 f.); 108, 284 (286); BGH GRUR 1956, 711 (712); BGHZ 67, 81 (85); 82, 375 (382); BGH GRUR 1985, 1063 (1063); BGHZ 119, 93 (95); 121, 126 (128); Kopp, GewArch. 1988, 353 (355); Menger, VerwArch. 68 (1977), 293 (295). 500 BGHZ 66, 229 (235); 121, 126 (128); OLG Köln WRP 1985, 511 (512); Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 35; Grundmann, S. 79; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 338; Jüttner-Kramny, in: FIW (Hrsg.), Staat als Wettbewerber, S. 89; Mestmäcker, NJW 1969, 1 (3); Piper, GRUR 1986, 574 (577); Wollmar, S. 64. Ausdrücklich dagegen Scholz, ZHR 132 (1969), 97 (131 Fn. 180); Schricker, S. 119. 501 Schachtschneider, Staats unternehmen, S. 438 ff. Auch Renck, BayVBl. 1978, 692 (693), lehnt die Anwendung des Wettbewerbsrechts mit dem Argument ab, dem Bund fehle die Gesetzgebungskompetenz für eine derartige Reglementierung der Verwaltungs-
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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Versuche, die Grundsätze des U W G 5 0 2 , das (als privatrechtlich verstandene) Wettbewerbsrecht sinngemäß 503 oder die wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche bei hoheitlichen Wettbewerbshandlungen analog anzuwenden 504 . Diese Stellungnahmen verzichten aber regelmäßig auf Aussagen zur Rechtsnatur des U W G , so daß derartige Anwendungsregeln nicht dogmatisch abgesichert sind. Konsequenter verfahren daher die Autoren, die das Wettbewerbsrecht entweder als eigenständiges Gemeinrecht ansehen wollen 5 0 5 oder als grundsätzlich neutral verstehen 506 . Diese Unklarheit gibt Anlaß, die Rechtsnatur des (§ 1) U W G einmal mit Hilfe der allgemeinen Kriterien für die Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht zu bestimmen, um so Aufschluß über die Anwendbarkeit zu erhalten.
tätigkeit. Art. 74 Nr. 11 oder Nr. 16 GG scheide als Kompetenzgrundlage aus, da der Staat bei der Ausübung von Verwaltungstätigkeit nicht wirtschafte. Dies kann nicht überzeugen, da das Merkmal des "Wirtschaftens" einen tatsächlichen Lebens Vorgang i.S.d. Teilnahme am Wettbewerb beschreibt. Wenn der Staat sich mit einem Angebot auf einen Markt begibt, nimmt er am Wirtschaftsverkehr teil. Welche Befugnisse und Begrenzungen für ihn dabei gelten, steht auf einem anderen Blatt. "Wirtschaft" i.S.d. Art. 74 Nr. 11 GG ist jedenfalls in einem weiten Sinn zu verstehen [vgl. BVerfGE 5, 25 (28 f.); 28, 119 (146); 29, 402 (409); 41, 344 (352); 55, 274 (308); 68, 319 (330); BVerfG NVwZ 1982, 306 (307); BVerwG NVwZ 1986, 754 (755)], so daß Art. 74 Nr. 11 GG das gesamte öffentliche, private und neutrale Wirtschaftsrecht erfaßt, vgl. auch R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 190 f. - Maßgebend ist jedenfalls das "Dabeisein" im Wettbewerb, unerheblich, ob es durch Verwaltungstätigkeit oder durch private Handlungen erfolgt. 502
BSG NJW 1985, 1420 (1422); Hubmann, WiVerw. 1982, 41 (46); H Klein, Teilnahme, S. 245; für die Anwendbarkeit als allgemeinen Rechtsgedanken Zuleeg, Verw Arch. 73 (1982), 384 (403). 503 VGH Mannheim GewArch. 1969, 141 (142); Papier, DVB1. 1984, 801 (809). 504 Schricker, S. 249. Für eine Analogie auch Menger, VerwArch. 68 (1977), 293 (298), sofern die Interessenlage dies erlaubt; im übrigen soll an die Anwendung der in UWG und GWB enthaltenen allgemeinen Rechtsgrundsätze zu denken sein. 505 Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 101 f. Dagegen Bettermann, DVB1. 1977, 180 (183). 506 Bettermann, DVB1. 1977, 180 (182); Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 364 Fn. 368; Scholz, ZHR 132 (1969), 97 (123); ders., NJW 1978, 16 (17); Scholz/ Aulehner, ArchivPT 1993, 221 (241); ähnlich auch Püttner, GRUR 1964, 359 (363). Grundsätzlich zur Möglichkeit eines "gemeinsamen Rechts", das je nach Sachzusammenhang privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich wird, Ehlers, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 2 Rn. 19.
292
D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
Dabei ist es verfehlt, im Sinne der Subjektionstheorie?07 und damit von Teilen der Rechtsprechung508 öffentliches Recht bei Vorliegen eines Uber-/Unterordnungsverhältnisses, Privatrecht hingegen bei einem Gleichordnungsverhältnis anzunehmen. Denn neben der grundsätzlichen Ungeeignetheit dieser Kriterien, mit denen sich privatrechtliche Subordiationsverhältnisse (Eltern-Kind-Verhältnis) ebensowenig wie öffentlich-rechtlicheGleichordnungsverhältnisse (öffentlich-rechtlicher Vertrag) erklären lassen509, taugt gerade bei § 1 UWG die angebliche Gleichordnung zwischen Staat und privatem Wettbewerber nicht zur Abgrenzung und rechtlichen Qualifizierung der Norm, die dem Wettbewerbsverhältnis maßgeblich zugrunde liegt. Rekurriert man hingegen auf die modifizierte Subjekts- bzw. Sonderrechtstheorie, die als ganz überwiegend anerkannt gelten darf 510 , ergibt sich folgendes: Maßgebendes Unterscheidungskriterium sind die Zuordnungssubjekte, so daß öffentliches Recht dann vorliegt, wenn das durch einen Rechtssatz berechtigte oder verpflichtete Zuordnungssubjekt ausschließlich ein Träger hoheitlicher Gewalt ist 511 . Das öffentliche Recht erscheint so als Sonderrecht des Staates, das eben nicht jedermann, sondern nur einen Träger hoheitlicher Gewalt zum Normadressaten hat. Betrachtet man demnach bei § 1 UWG den Normadressaten, so läßt sich als berechtigtes bzw. - hier - verpflichtetes Zuordnungssubjekt nicht allein ein Träger hoheitlicher Gewalt ausmachen. § 1 UWG untersagt eben nicht nur, sondern vielmehr auch dem Staat Handlungen, die gegen die guten Sitten verstoßen. Insoweit läßt sich § 1 UWG bei rein normorientierter Betrachtung keinesfalls als "Sonderrecht" des Staates und als rein öffentlich-rechtlich verstehen. Daraus jedoch sogleich ein "Jedermanns-" und damit Privatrecht zu folgern, wäre verfrüht, da dann der zuvor herausgearbeitete Befund wieder übergangen würde, daß mit Hilfe dieser Norm in den hier interessierenden Anwendungsfällen ein staatliches Handeln untersagt werden soll. Überdies ist es für das heutige öf-
507 Auch Subordinationstheorie genannt; vgl. die (kritischen) Darstellungen bei Achterbergy in: von Mutius (Hrsg.), H Ö V I, S. 100 Rn. 12; Ehlers, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 2 Rn. 14; Wolff/Bachof,\ VwR I, § 22 II a 7. 508 BGHZ 14, 222 (227); 66, 229 (233 ff.); 67, 81 (84 ff.); BVerwGE 14, 1 (4); 29, 159 (161 f.); 37, 243 (245). 509 Vgl. die Nachweise in Fn. 507. 510 Vgl. nur P.-M. Huber, AllgVerwR, S. 2. Allerdings mehren sich die kritischen Stimmen: Die Subjektstheorie Wolffscher Prägung versagt bei Organisationsnormen, weil sie dort den Träger hoheitlicher Gewalt als Zuordnungssubjekt bereits voraussetzt, obwohl erst die zuzurechnende Norm öffentlich-rechtlich sein soll und damit den Träger hoheitlicher Gewalt konstituieren kann, vgl. Achterbergy in: von Mutius (Hrsg.), H Ö V I, S. 101 Rn. 14; Ehlers f in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 2 Rn. 17. 5,1
Wolff/Bachof
VwR I, § 22 II c.
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
293
fentliche Recht geradezu typisch, daß seine Vorschriften sowohl den Staat als auch den Bürger ansprechen512. Ausreichend ist daher, wenn eines der von einem Rechtssatz angesprochenen Zuordnungssubjekte ausschließlich ein Träger hoheitlicher Gewalt ist. Dieser aufgezeigten Anwendungsschwierigkeit der Subjektstheorie wird eine materiell geprägte Fassung gerecht: Öffentlich-rechtlich ist danach ein Rechtssatz, bei dem mindestens ein Zuordnungssubjekt ein Träger von Staatsgewalt als solcher ist, d.h. er als solcher (also als Träger von Staatsgewalt) berechtigt, verpflichtet oder organisiert wird 513 . "Träger der Staatsgewalt" ist dabei unabhängig von der Organisations- oder Handlungsform entsprechend den oben herausgearbeiteten Ergebnissen jede Organisation, hinter der unmittelbar oder mittelbar der Staat mit beherrschendem Einfluß steht514. Ob der Träger hoheitlicher Gewalt "als solcher" angesprochen ist, wird dem Rechtssatz - wie bei § 1 UWG - nicht immer direkt zu entnehmen sein; in diesen Fällen sind weitere anerkannte Kriterien zu Hilfe zu nehmen, denen Indizwirkung anzuerkennen ist. Zu nennen sind hier das Vorliegen eines Subordinationsverhältnisses im Sinne der Subjektionstheorie515 oder das Vorliegen öffentlicher Interessen, die Indizien für eine öffentlich-rechtliche Natur liefern können. Im Sinne der Interessentheorie ist dabei wesentliches Anzeichen für öffentliches Recht, wenn die angegriffene Tätigkeit in Erfüllung der Wirtschaftsfreiheit des Staates erfolgt; maßgebend zu berücksichtigen ist für diese Beurteilung insoweit wieder das jeweilige konkrete Leistungsverhältnis. Hervorzuhebendes Indiz für die Auslegung des Rechtssatzes ist außerdem die Rechtsfolge bei Anspruchsnormen. Es wurde schon ausgeführt, daß Maßstabsnorm für die Beurteilung hoheitlichen Verhaltens nur eine öffentlich-rechtliche sein kann, insbesondere wenn es um die Untersagung staatlichen Tätigwerdens geht 516 . Zielt die Rechtsfolge einer Norm auf die Untersagung staatlichen Tätigwerdens ab, muß die Norm demnach - jedenfalls in diesem konkreten Fall öffentlich-rechtlich zu qualifizieren sein.
512
Ehlers, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 2 Rn. 17. Bachof, FG BVerwG, S. 20; Ehlers, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 2 Rn. 21. 514 Vgl. BVerfG JZ 1990, 335 (335); Ehlers, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), Allg VerwR, § 2 Rn. 22, allerdings modifizierend bei gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen; Erichsen, Gemeinde und Private, S. 27. 5,5 Angesichts der angeführten Bedenken gegen die Subjektionstheorie ist die Indizwirkung zurückhaltend zu bewerten. 516 Brohm, NJW 1994, 281 (288); Menger, VerwArch. 68 (1977), 293 (295). 5,3
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
Es kommt bei der Qualifizierung der Rechtsnatur einer Norm - dies dürfte deutlich geworden sein - entscheidend auf den einzelnen Anwendungsfall an 517 ; ferner ist die gedankliche Möglichkeit vorauszusetzen, daß ein Rechtssatz sowohl dem öffentlichen als auch dem privaten Recht angehören kann. Rechtssätze dieser Art lassen sich bei losgelöster Betrachtung nicht qualifizieren, sie können sowohl öffentlich-rechtlich als auch privatrechtlich sein. Dieses "Sowohl...als auchRecht" bildet allerdings keine eigenständige Kategorie 518 neben öffentlichem Recht und Privatrecht; für eine derartige dritte Kategorie ist nach dem Grundgesetz und den Rechtswegsystemen kein Raum. Es handelt sich vielmehr um einen Rechtssatz, der zunächst neutral ist, dessen privatrechtliche oder öffentlichrechtliche Rechtsnatur sich erst durch ein konkretes Zuordnungssubjekt und den Sachzusammenhang im Einzelfall aktualisiert519. Bestätigt wird dieses Ergebnis, wenn man als weiteres Abgrenzungskriterium das von der Norm geschützte Rechtsgut in Betracht zieht 520 und damit § 1 UWG letztlich teleologisch auslegt. Das UWG, hier konkret die Generalklausel des § 1, schützt die Lauterkeit des Wettbewerbs, bezweckt also unter anderem einen anständigen Wettbewerb als solchen521. Geschützt sind dabei das Interesse am Wettbewerb als solchem, die Interessen der Konkurrenten, der Verbraucher 522 und der Allgemeinheit an lauterem Wettbewerb 523. § 1 UWG soll Aus517
Vgl. etwa Ehlers, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 2 Rn. 19. A.A. hinsichtlich der Verwendung im Einzelfall passender Kriterien anderer Theorien - Achterberg, in: von Mutius (Hrsg.), HÖV I, S. 101 Rn. 15; P.-M. Huber, AllgVerwR, S. 2. 518 Im Sinne Bullingers, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 81, 101 f. 519 Ehlers, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 2 Rn. 19; Scholz, ZHR 132 (1969), 97 (122 f.). 520 Diese Vorgehensweise findet sich bei Scholz, ZHR 132 (1969), 97 (109 ff.). 521 BVerfGE 32, 311 (316); 51, 193 (215); Kehl, Wettbewerbsrecht, § 3 Rn. 3; Rittner y Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 17 f. - Titmann, Wirtschaftsrecht, S. 185, betont den - im Gegensatz zum Privatrecht - medial ausgerichteten Schutz von UWG und GWB. 522 Die sich auf den Verbraucherschutz erstreckende Schutzfunktion hat sich erst im Laufe der Geltung des UWG entwickelt, vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 42, 55; Hefermehl, FG Kummer, S. 352 ff. Zwar enthielt schon die Begründung eines Entwurfs zum UWG v. 3.12.1895 den Gedanken, "einen Schutz auch gegen ... Mißbräuche einzuführen, welche ... geeignet sind, ... das Publikum über die Herkunft, über die Beschaffenheit und den Wert von Waren irrezuführen" (vgl. Lobe, Materialien, S. 46). Doch wird der Wandel der Schutzfunktion deutlich, wenn man eine andere Stelle der Begründung ("Eine Klage im Sinne des § 1 steht nur dem Mitbewerber, nicht aber dem durch die trügerischen Vorspieglungen geschädigten Käufer zu. Die Ansprüche des letzteren zu regeln, liegt nicht im Rahmen des Entwurfs"; vgl. Lobe, Materialien, S. 59) liest und mit der heute geregelten Aktivlegitimation von Verbraucherschutzverbänden nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG vergleicht. 523 BVerfGE 51, 193 (215); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 50 f.; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 3 Rn. 4.
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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wüchse des Wettbewerbs bekämpfen und die Grenzen zwischen lauteren/unlauteren bzw. erlaubten/unerlaubten Wettbewerbshandlungen aufzeigen 524. Unerheblich ist, wer an dem Wettbewerb teilnimmt; Zuordnungssubjekt im Sinne des Normadressaten ist jeder Wettbewerbsteilnehmer ("wer"). Es wird damit ein Verhaltensrecht statuiert, das an die Teilnahme an der objektivrechtlichen Institution des wirtschaftlichen und sozialen Lebens525, der renalen Marktfunktion 526 "Wettbewerb" anknüpft 527. Der Schutz der Institution "Wettbewerb" hängt also weder von der Rechtsform des Teilnehmers noch von der Ausgestaltung des Leistungs- oder Wettbewerbsverhältnisses ab 528 , sondern bezieht sich objektivrechtlich zunächst allein auf die Einhaltung der verhaltensrechtlichen Regeln, die Wahrung der "Lauterkeit" bzw. der "guten Sitten" bei allen Wettbewerbshandlungen529. Dabei gilt zu beachten, daß derartige Verhaltensregeln ("Lauterkeit"; "gute Sitten") wertausfullungsbedürftige normative Begriffe sind. Sie kommen im Privatrecht wie im öffentlichen Recht vor und haben angesichts ihrer ethischen Wertungsabhängigkeit in beiden Rechtsgebieten die gleiche Bedeutung530. Dies bedeutet aber, daß derartige Normen - abstrakt betrachtet - wiìder als eindeutig privatrechtlich noch als eindeutig öffentlich-rechtlich qualifizierbar sind. Sie sind als abstrakte Verhaltensnormen auch aufgrund der wertausfüllungsbedürftigen Begriffe, die sie umfassen, juristisch neutral 531. Die grundsätzliche Neutralität des § 1 UWG hat zur Folge, daß eine öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche
524 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rn. 77; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 331. 525 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 51 f.; Scholz/Aulehner, ArchivPT 1993, 221 (242): "bestimmte soziale Verhaltensweise". 526 Scholz, ZHR 132 (1969), 97 (121). 527 BVerfGE 51, 193 (215); Scholz, NJW 1978, 16 (17); Tilmann, Wirtschaftsrecht, S. 185. 528 Scholz y NJW 1978, 16 (17); Scholz/Aulehner, ArchivPT 1993, 221 (241 Fn. 146); Schricker, S. 117; Olmer, ZHR 146 (1982), 466 (474). 529 Vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 50 f. 530 VGH Mannheim GewArch. 1969,141 (142); EhlerSy in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 2 Rn. 19; ScholZy ZHR 132 (1969), 97 (122); Schricker, S. 117 f. - Ehlers nennt als weitere Beispiele § 242 BGB, § 3 AbgG und § 70 Abs. 1 GewO; Schricker führt §§ 823 ff. BGB an. 531 Die Begriffe "allgemein-rechtlich" [Scholz^ ZHR 132 (1969); 97 (122); Scholz/ Aulehner, ArchivPT 1993, 221 (242)], "gemeinsames Recht" [Ehlers, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 2 Rn. 19] oder "neutral" [Schoky ZHR 132 (1969), 97 (123); ders., NJW 1978, 16 (17)] bezeichnen dasselbe. Sie sind allerdings von dem "Gemeinrecht" [Bullinger y Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 81 ff.] zu unterscheiden, das eine angeblich eigenständige Kategorie bezeichnen soll.
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Qualifizierung erst bei einem konkreten Wettbewerbsverhältnis möglich wird. Die Bestimmung der Rechtsnatur des § 1 UWG muß jeweils im Einzelfall geschehen, es ist die Prägung des Wettbewerbsverhältnisses, in dem § 1 UWG Anwendung finden soll, herauszuarbeiten 532. Maßgebende Kriterien sind dabei das Leistungsverhältnis und der dieses möglicherweise prägende öffentliche Zweck sowie die Frage, wer der vorgeblich unlautere Wettbewerber ist, wem also etwas untersagt werden soll und was ihm untersagt werden soll. Die Untersuchung der Rechtsnatur hat gezeigt, daß § 1 UWG ein grundsätzlich neutraler Rechtssatz ist. Die Qualifikation als öffentlich-rechtlich oder als privatrechtlich kann nur im Einzelfall erfolgen. Dann ergibt sich - unter Zugrundelegung einer materiell verstandenen Subjektstheorie - , daß § 1 UWG öffentlich-rechtlich ist, wenn mindestens ein Zuordnungssubjekt ein Träger von Staatsgewalt als solcher ist. Da jegliche wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit die Ausübung von Staatsgewalt darstellt, wird der staatliche Akteur auch als solcher angesprochen. Dieses Ergebnis wird bestätigt durch den öffentlichen Zweck, der bei der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit verfolgt wird, sowie die Rechtsfolge, die § 1 UWG bei Vorliegen seiner Voraussetzungen anordnet, nämlich die Untersagung einer wettbewerbsrelevanten Bautätigkeit. Immer dann, wenn öffentlich-rechtliche Normen oder ein öffentlicher Zweck das Staatshandeln bestimmen, wird § 1 UWG in diesem konkreten Einzelfall zu einer öffentlichrechtlichen Norm. Somit ist § 1 UWG uneingeschränkt auf die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit anwendbar und als verhaltensrechtliche Maßstabsnorm zu beachten. Das öffentliche Recht, das die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit lenkt, prägt als Sonderrecht insoweit auch das Wettbewerbsverhältnis, das bei dem Wettbewerb zwischen privaten Marktteilnehmern durch Eigennützigkeitsstreben gekennzeichnet ist. Auch das Wettbewerbsverhältnis wird somit zu einem öffentlich-rechtlichen, in dessen Mittelpunkt der öffentlich-rechtliche Anspruch nach § 1 UWG steht.
(4) These von der Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen Nachdem sich die strikte Trennung von Wettbewerbs- und Leistungsbeziehung als unhaltbar erwiesen hat, bedarf auch die Schlußfolgerung der herrschenden Meinung, die These von der Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen, einer kritischen Hinterfragung.
532
Ehlers, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 2 Rn. 19; Scholz, ZHR 132 (1969), 97 (123); ders. y NJW 1978, 16 (17).
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Ausgehend von gerade dieser Trennung von Wettbewerbs- und Leistungsverhältnis sowie der These, daß ein Wettbewerbsverhältnis durch Gleichordnung gekennzeichnet und dadurch privatrechtlich sei, steht die herrschende Meinung vor dem Problem, daß sie eine u.U. öffentlich-rechtliche Leistungsbeziehung und ein privatrechtliches Wettbewerbsverhältnis erklären muß, die jedoch beide durch dieselbe staatliche Handlung ausgelöst werden. Diese Me rkwürdigkeit wird mit einer doppelten Qualifizierung hoheitlicher Maßnahmen zu erklären versucht, wobei maßgeblich auf die Auswirkungen der staatlichen Maßnahme abgestellt wird. Deutlich hat dies der Große Senat fur Zivilsachen am Bundesgerichtshof in seinem Beschluß vom 22.3.1976 zur Krankenversicherung der Studenten formuliert 533: "Ein und dieselbe Handlung kann je nach der Beziehung, in der sie Wirkungen äußert, einmal als hoheitlich, zum anderen als privatrechtlich zu qualifizieren sein. Eine privatrechtliche Qualifizierung ist geboten, wenn die öffentliche Hand, wie hier, zu privaten Mitbewerbern in einem echten Wettbewerbsverhältnis steht, beide sich also als Anbieter auf dem Boden der Gleichordnung gegenüberstehen und besondere öffentlichrechtliche Beziehungen zwischen ihnen nicht gegeben sind. " Das Problem liegt also in der Auflösung der Einheitlichkeit des Verwaltungshandelns534; dieselbe staatliche Handlung - häufig, aber nicht notwendig ein Realakt - soll also einerseits als öffentlich-rechtlich, andererseits aus vorgeblich anderem Blickwinkel als privatrechtlich anzusehen sein535. An dieser Stelle ist daran zu erinnern, daß die wesentlichen Prämissen dieser These von der Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen bereits widerlegt worden sind. Die vom Leistungsverhältnis völlig isolierte Betrachtung des Wettbewerbsverhältnisses reißt einen natürlichen Lebensvorgang unnatürlich auseinander, Gleichordnung bedeutet mitnichten immer Privatrecht, und das Wettbewerbsrecht ist gerade nicht von vornherein und immer privatrechtlich. Schon aufgrund des erschütterten Fundaments vermag das Vorgehen der herrschenden Meinung, angeführt von der zivilrechtlichen Rechtsprechung, ein und dieselbe staatliche
533
BGHZ 66, 229 (237). Als Konkurrenten standen sich private Krankenkassen und eine Ersatzkasse gegenüber. Eine derartige Lösung wurde bereits von Gütebier, S. 26 ff., im Jahre 1934 vorgeschlagen. 534 Dazu Scherer, NJW 1989, 2724 (2724). 535 GmS-OGB NJW 1988, 2295 (2297); BGHZ 66, 229 (237); 67, 81 (89); 82, 375 (383); BGH GRUR 1985, 1063 (1063); aus der Literatur Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 919; Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 2:85 ff.; von Gamm, WRP 1984, 303 (307); ders., Kartellrecht, § 87 Rn. 7; ders., UWG, § 1 Rn. 7; Köhler/ Piper, UWG, Einf., Rn. 148, § 1 Rn. 217; Piper, GRUR 1986, 574 (576 f.); Pinger, GRUR 1973, 456 (458 f.); Mestmäcker, NJW 1969, 1 (3 f.); Scholz, NJW 1974, 781 (782); ders., NJW 1978, 16 (16 f.).
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Handlung durch die Schablone des als privatrechtlich eingestuften Wettbewerbsverhältnisses zu betrachten und so auf einmal als wettbewerblich-privatrechtliche Maßnahme erscheinen zu lassen, nicht zu überzeugen. Doch es sprechen noch weitere gewichtige Gründe gegen die angebliche Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen. Die gedankliche Aufspaltung zwischen einer (im Einzelfall angegriffenen) Wettbewerbshandlung und einer hinter dem Wettbewerbsverhalten stehenden hoheitlichen Maßnahme 536 überdehnt die Lebenswirklichkeit; es handelt sich um eine identische Handlung, die sicherlich aus zwei Blickrichtungen, nämlich aus der des Kunden und der des Konkurrenten, betrachtet werden kann, die aber dennoch eine einzige Handlung bleibt und nicht in Abhängigkeit von der Betrachtungsweise ihre rechtliche Natur verändert 537. Unabhängig von der noch zu erörternden Frage, ob eine Unterscheidung zwischen "Ob" und "Wie" wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit noch Sinn hat, geht es hier eben nicht um zwei verschiedene Handlungen, sondern um ein und dieselbe staatliche Aktivität. Im Grunde genommen ist eine derartige Aufspaltung die Wiederholung des Fehlers bei strikter Trennung von Wettbewerbs- und Leistungsverhältnis: Die übrigen Rechtsbeziehungen des Verwaltungsträgers, in denen das Handeln ja gerade seinen Mittelpunkt hat, lassen sich nicht einfach absondern und aus der weiteren Betrachtung ausscheiden. Ein weiterer Einwand richtet sich gegen das Abstellen auf die Auswirkungen der staatlichen Maßnahme 538 . Zwar wirkt sich wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit in der Tat in der - wenn man so will - "zivilrechtlichen" Sphäre eines betroffenen privaten Konkurrenten aus, doch ist dies bei jedem bürgergerichteten Verwaltungshandeln, namentlich bei Grundrechtseingriffen der Fall. Aus der überwiegenden Rechtsnatur des Umfeldes 539 oder der "Privatsphäre" des Betroffenen Rückschlüsse auf die Rechtsnatur einer Norm oder eines abzuwehrenden Verhaltens zu ziehen, ist nicht nur ungewöhnlich, sondern auch unzulässig. Denn, wie Schricker 540 zu Recht herausgestellt hat, es gibt keinen Grundsatz, der öffentlich-rechtliches Verwaltungshandeln in privatrechtliches umwandelte, sobald eine Privatperson davon betroffen wird. Vor allem aber spielen das Umfeld und die Auswirkungen keine Rolle in bezug auf die abzuwehrende Hand-
536
So etwa von Gamm, WRP 1984, 303 (307). Schricker, S. 107; ebenso H. Klein, Teilnahme, S. 245. 538 Besonders deutlich beispielsweise GmS-OGB NJW 1988, 2295 (2296 f.). 539 Wollte man eine Quantifizierung der Rechtsbeziehungen auf einem Markt vornehmen, so käme man sicherlich zu einem großen Übergewicht privatrechtlicher Rechtsbeziehungen, was angesichts der Mehrzahl privater Nachfrager und Anbieter kaum verwundert. 540 Wirtschaftliche Tätigkeit, S. 110. 537
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
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lung. Entscheidend ist vielmehr, welchem Rechtsbereich die abzuwehrende Handlung zuzuordnen ist 541 . Aufschlußreich ist insoweit der Vergleich mit dem grundrechtlichen Abwehranspruch: Dem Anspruchsgegner "Staat" wird nicht die Auswirkung untersagt, sondern die Handlung, die zu den Auswirkungen fuhrt, oft über eine mehrgliedrige Kausalkette. Die (Aus-)Wirkung ist, wie oben gezeigt wurde, nach neuem Eingriffsverständnis durchaus maßgebend für die Feststellung der Rechtsbeeinträchtigung, also des Grundrechtseingriffes, nicht aber für die Qualifizierung der gesamten rechtlichen Beziehung und den Rückschluß auf die Rechtsnatur des Abwehranspruchs bis hin zum Rechtsweg542. Abgesehen davon wäre eine Untersagung der Auswirkungen häufig auf etwas rechtlich wie tatsächlich Unmögliches gerichtet, denn die erst über eine Kausalkette vermittelten Auswirkungen sind für den staatlichen Akteur kaum steuerbar, wohl aber sein eigenes Tätigwerden. Entscheidend muß also sein, was untersagt wird und wem gegenüber dies geschieht543, denn es kommt auf die Funktion der Verwaltungshandlungen an, nicht auf die Funktion oder überwiegende rechtliche Prägung des Marktes, auf den sich die Handlungen auswirken544. Die Doppelqualifizierung hoheitlicher Maßnahmen ist aber nicht nur dogmatisch unhaltbar, sondern auch inkonsequent in den Fällen der Konkurrenz zweier Verwaltungsträger 545. Denn käme es hier auf die Auswi rkungen bei dem Konkurrenten an, die ja nur öffentlich-rechtlich sein können, müßte auch das Wettbewerbsverhältnis in diesen Fällen öffentlich-rechtlich geprägt erscheinen. Doch wird diese Folgerung von Teilen der Zivilgerichte nicht mitgemacht, sondern die Maßnahme mit Hilfe der Schablone des gleichgeordneten und daher privatrechtlichen Wettbewerbsverhältnisses mit einer Doppelnatur versehen, um zur Anwendbarkeit des angeblich immer privatrechtlichen § 1 UWG und zum Zivilrechtsweg zu gelangen546. Bei dieser Fallgruppe zeigt sich besonders deut-
541
Brohm, NJW 1994, 281 (289). Vgl. Brohm, NJW 1994, 281 (288). 543 Deshalb ist es nur folgerichtig, wenn der Staat (privatrechtliche) Wettbewerbsverstöße von privaten Konkurrenten vor den Zivilgerichten geltend macht, da er dann die Unterlassung eines privatrechtlichen Verhaltens begehrt. Dies ist auch weitgehend unstreitig, vgl. etwa BGHZ 37, 1 (15 ff.). 544 Brohm, NJW 1994, 281 (288). 545 Beispiele für die Konkurrenz zweier Verwaltungsträger finden sich bei GmS-OGB BGHZ 108, 284 ff.; BSGE 56, 140 ff.; OLG Celle WRP 1984, 328 f ; OLG Düsseldorf GRUR 1973, 487 ff.; OLG Koblenz WRP 1985, 358 ff. 546 Vgl. etwa OLG Celle WRP 1984, 328 (328); OLG Düsseldorf GRUR 1973, 487 (488). Richtig hingegen jetzt GmS-OGB BGHZ 108, 284 (287 f.), dort wird ein öffent542
300
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
lieh, wie überflüssig und dogmatisch unhaltbar die These von der Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen ist, da die sich von der BGH-Rechtsprechung gebunden fühlenden Obergerichte rechtliche Verbiegungen vornehmen müssen, um den Prämissen des Bundesgerichtshofs zu genügen. Das OLG Celle* 41 beispielsweise sieht fraglos die vorherrschende öffentlich-rechtliche Prägung des Verhältnisses zwischen einer (öffentlich-rechtlichen) Allgemeinen Ortskrankenkasse und einer (öffentlich-rechtlichen) Ersatzkasse durch das (öffentlich-rechtliche) Sozialversicherungsrecht, gelangt aber unter Hinweis auf die BGH-Rechtsprechung von der Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen zu dem überraschenden Ergebnis, daß die Verwendung bestimmter Vordrucke durch die AOK im Rahmen der Mitgliederwerbung im Verhältnis zur Ersatzkasse privatrechtlich zu werten sei. Die offenbar auch beim Gericht nicht ganz ausgeräumten Bedenken gegen das Ergebnis werden durch den Hinweis auf ähnlich gelagerte Fälle und die angebliche Funktionsgerechtigkeit des Zivilrechtsweges zu entkräften versucht548. Bezug genommen wird unter anderem auf ein Urteil des OLG Düsseldorf 49 , in dem es ebenfalls um einen Streit zwischen einer AOK und einer Ersatzkasse um die Mitgliederwerbung geht. Auch dessen Ausführungen zu Wettbewerbs· und Leistungsverhältnis können nicht überzeugen, da aus den angeblich "typisch privatrechtlichen Zügen" des Handelns der Ersatzkasse auf ein privatrechtliches Wettbewerbsverhältnis geschlossen wird 550 . Der im Ergebnis bereits hier vorgenommenen Doppelqualifizierung hoheitlicher Maßnahmen "entgeht" das OLG Düsseldorf \ indem es auch das schlichte Verwaltungshandeln in Form der Mitgliederwerbung als privatrechtlich qualifiziert. Anmerkenswert erscheint noch das Unterstützungsargument des Gerichts, die Anwendung der Interessentheorie 551. Das für die Bestimmung der Rechtsnatur der Abwehrnorm maßgebende Interesse der Klägerin sieht das Gericht in "der Erhaltung ihres Mitgliederbestands, den sie zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben benötigt".
lich-rechtliches Wettbewerbsverhältnis anerkannt. Ebenso für ein öffentlich-rechtliches Wettbewerbsverhältnis BSGE 36, 238 (240); 56, 140 (140 f.). 547 WRP 1984, 328 (328). 548 Die angebliche Funktionsgerechtigkeit des Zivilrechtsweges "wegen der besonderen Sachkunde" der Zivilgerichte konnte vom OLG Celle [WRP 1984, 328 (328)] nur bedingt nachgewiesen werden: Die Bezeichnung der AOK als "Ersatzkasse" im Leitsatz und die Behauptung, es könne keinen Unterschied machen, "ob der klagende Verband (...) ein Zusammenschluß von privaten Wettbewerbern oder von öffentlich-rechtlichen Versicherungsträgern" sei, tragen zu diesem Eindruck sicherlich nicht bei. 549 GRUR 1973, 487 ff. 550 OLG Düsseldorf GRUR 1973, 487 (488); zustimmend Pinger, GRUR 1973, 456 (456). 551 Vgl. zur Interessentheorie Wolff/Bachof VwR I, § 22 II a 6.
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301
Liegt nun wegen der skizzierten öffentlichen Aufgabe (vgl. nur §§ 4, 20 ff., 63 ff., 140 SGB V) der Rückschluß auf ein öffentliches Interesse nahe, so fallt die Subsumtion des OLG Düsseldorf überraschend anders aus: "Deshalb dient die Rechtsnorm dem Individualinteresse der Ast. und allenfalls mittelbar auch noch ihrer Mitglieder. Deshalb ist das Rechtsverhältnis privatrechtlicher Natur. " Eine derartige Anwendung der Interessentheorie und die Konstruktion eines Individualinteresses eines Verwaltungsträgers verwundern denn doch. Sehr fragwürdige Ergebnisse entstehen, wenn man den Gedanken einer doppelten Qualifizierung einer hoheitlichen Maßnahme bei der Handlungsform "Rechtsnorm" anwendet. Denkt man beispielsweise an eine Satzung einer Gemeinde552 mit der Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwangs und dadurch wettbewerbsbeeinflussendem Charakter, so mutet es merkwürdig an, einerseits alle Gemeindeeinwohner dieser Rechtsnorm öffentlich-rechtlich zu unterwerfen, einem Mitbewerber der Gemeinde gegenüber die Satzung aber auf einmal als wettbewerblich-privatrechtliche Maßnahme zu begreifen. Da § 1 UWG als Maßstabsnorm - wie gezeigt - auch im öffentlichen Recht zur Verfügung steht, erscheint es widersinnig, nur um der Anwendarkeit eines privatrechtlichen § 1 UWG willen dogmatisch unhaltbare Konstruktionen zu wählen. Schließlich vermag nicht einmal eine ergebnisorientierte Betrachtung ein Argument für die These von der Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen beizusteuern 553 . Neben der schon angeführten Rechtsprechung mag em plastisches Beispiel von Brohm 554 dies verdeutlichen: Ein konsequentes Weiterdenken der These von der Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen müßte dazu fuhren, die der Gefahrenabwehr dienende Überwachungstätigkeit der Polizei, an deren öffentlichrechtlicher Qualifizierung gegenüber dem Bürger kein Zweifel bestehen dürfte, im Verhältnis zu privaten Mitbewerbern von Wach- und Schließgesellschaften, Sicherheitsdiensten etc. als privatrechtlich zu qualifizieren. Resümiert man die bisherige Rechtsprechung der Zivilgerichte, die sich in der Mehrzahl durch ein sehr geringes Gewichten der öffentlichen Aufgabe und ein häufiges Überbewerten der aus der Zugehörigkeit zum Staat folgenden Leistungslfähigkeit und Finanzkraft konkurrierender Verwaltungsträger auszeichnet, so läge es nicht einmal fern, diese staatliche Tätigkeit als wettbewerbswidrig zu untersagen555. Ein solches Ergebnis wäre absurd und dürfte von niemandem gewollt werden. Es ergibt sich aber bei Fortfuhrung der These von der Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen und zeigt sehr deutlich, woran auch die übrige Argumentation der
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Schricker y S. 108, nennt Gebuhrenverordnungen sowie Satzungen von Gemeinden und Sozialversicherungsträgern als Beispiele. 553 Vgl. ausführlich Schricker, S. 109 ff. 554 NJW 1994, 281 (288). 555 Ebenso Brohm y NJW 1994, 281 (288).
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herrschenden Meinung krankt: Die strikte Fixierung des Wettbewerbsverhältnisses und der Auswirkungen bei dem Konkurrenten fuhren dazu, daß die öffentlich-rechtliche Aufgabenstellung völlig aus dem Blickwinkel verloren und bei der Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit regelmäßig zu gering veranschlagt oder sogar ganz vergessen wird. Die Beurteilung des soeben konstruierten Falles stellt sich doch gänzlich anders dar, wenn man nicht nur die Gewichtigkeit des öffentlichen Interesses an staatlicher Gefahrenabwehr, sondern auch die Tatsache berücksichtigt, daß es staatlicherseits wesentlich besser dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit556 genügt als die Aufrechterhaltung eines Monopols. Bei der Analyse der Rechtsprechung fällt auf, daß die große Mehrzahl der doppelt qualifizierten staatlichen Maßnahmen Realakte waren 557 . Nun setzt sich doch im Öffentlichen Recht zunehmend die Erkenntnis durch, daß diese nur eine weitere, den heutigen tatsächlichen Anforderungen entsprechende Handlungsform darstellen, fur die hinsichtlich Rechtmäßigkeit und Rechtsschutzes des Bürgers keine Besonderheiten gelten558. Gleiches gilt für die Bestimmung der Rechtsnatur. Demnach erscheint eine Besinnung auf allgemeine Kriterien angebracht, und dabei zeigt sich, daß es sich bei der Entdeckung der Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen durch die herrschende Meinung lediglich um falsche Zuordnungsentscheidungen bei der Einordnung des in Rede stehenden wettbewerbsrelevanten Realhandelns handelt559. Die Problematik liegt darin, daß Realakte als Handlungskategorie im Zivilrecht wie im Öffentlichen Recht vorkommen, zunächst also rechtlich indifferent sind. Es bedarf daher einer Zuordnungsentscheidung, welches der anzuwendende Beurteilungsmaßstab ist 560 . In einem ersten Schritt muß es daher um die Zuordnung des Realaktes zu einer Norm gehen, in einem zweiten Schritt erfolgt die Qualifikation der Rechtsnatur dieser Norm, und daraus läßt sich dann die Rechtsnatur des Realaktes folgern 561. Eine unmittelbare Zuordnung eines Realaktes ist in der Regel nicht möglich, da dieser seinem - isoliert betrachteten - Erscheinungsbild nach gerade sowohl privatrechtlich als auch öffentlich-rechtlich sein
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Vgl. dazu jüngst ausführlich Bleckmann, JuS 1994, 177 ff. GmS-OGB NJW 1988, 2295 ff.: Abgabe von Rollstühlen an Versicherte; BGHZ 66, 229 ff.: Werbung einer Ersatzkasse; BGHZ 67, 81 ff.: Rundschreiben; BGHZ 82, 375 ff.: Selbstabgabe von Brillen an Versicherte; BGH GRUR 1985, 1063 ff.; vgl. auch Scherer, NJW 1989, 2724 (2724 f.). - Seltener geht es auch um Verträge, etwa GmSOGB BGHZ 97, 312 ff. - In BGHZ 121, 126 ff., wird die These von der Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen auch auf einen Verwaltungsakt angewandt; vgl. dazu Schliesky, DÖV 1994, 114(118). 557
558 559 560 561
Bezüglich des Grundrechtsschutzes wurde dies ja bereits ausführlich dargelegt. Ausführlich hierzu Scherer, NJW 1989, 2724 (2727 f.). Vgl. Erichsen, Jura 1982, 537 (543 f.). Christ, S. 40 f.; Erichsen, in: ders./Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 34 Rn. 3.
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kann. Die erste Zuordnungsentscheidung fallt verhältnismäßig leicht bei sog. normgeleiteten Realakten, die unmittelbar der Wahrnehmung einer dem handelnden Subjekt eingeräumten Kompetenz dienen562. Ist die Kompetenz sonderrechtlich begründet und dem Staat oder einer seiner Untergliederungen zugewiesen, handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Realakt. Komplizierter stellt sich die Lage bei nicht-normgeleiteten Realakten563 dar, bei denen die unmittelbar zuzuordnende Kompetenzzuweisung oder konkret-positivierte Handlungsbefugnis fehlt. Hier ist der Bezug zu der Erfüllung öffentlicher oder privatnütziger Aufgaben herzustellen, um eine Zuordnungsentscheidung zu treffen. Allerdings verhindert die Wahlfreiheit der Verwaltung bei Erfüllung ihrer Aufgaben 564 eine eindeutige Zuordnungsentscheidung in diesen Fällen. Hier hilft nur eine Vermutung, daß Verwaltungsträger die ihnen zugewiesenen Aufgaben im Zweifel mit den Mitteln und unter dem Maßstab des öffentlichen Rechts erfüllen wollen, solange der Wille, sich privatrechtlich zu verhalten, nicht offenkundig nach außen hervortritt 565. Mit diesen Kriterien erfolgt eine eindeutige rechtliche Qualifizierung der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit auch in Form von Realakten, und zwar im Leistungsverhältnis zu den Kunden des Verwaltungsträgers. Genau hier liegt der Fehler in den Zuordnungsentscheidungen der herrschenden Meinung. Selbst auf der Basis der vom Bundesgerichtshof angewandten Subjektionstheorie müßte erst der Normbezug der untersuchten Handlung zu den das Rechtsverhältnis bestimmenden Rechtsnormen hergestellt werden. Der Bundesgerichtshof nimmt als Grundlage seiner Qualifizierungsentscheidungenjedoch jeweils direkt den Wirklichkeitsbezug der zu beurteilenden Handlung - eben das oben schon kritisierte "Auftreten von Auswirkungen" - und entzieht so der Anwendung der Subjektionstheorie den "Boden", nämlich den Normbezug. Die Bezugnahme auf das "Äußern von Auswirkungen" ist verfehlt und als Grundlage für die Ermittlung der Rechtsnatur einer Handlung methodisch unzulässig. Normgeleitetes Verwaltungshandeln wird so willkürlich aus seinem Ursprungszusammenhang gerissen und mit einer "Doppelnatur" versehen, die dem Bundesgerichtshof zum erwünschten Ergebnis verhilft. Vielmehr kann es nur eine einheitliche Beurteilung geben, wenn die Zuordnung einer Handlung zu einer Norm
562
Vgl. Scherer, NJW 1989, 2724 (2726 f.). Die Unterscheidung ist nach der Nähe zu öffentlich-rechtlichen Normen vorzunehmen. Ein Realakt ist normgeleitet, wenn er einer öffentlich-rechtlichen Norm unmittelbar zuzuordnen ist und zu ihrer unmittelbaren Umsetzung in die Wirklichkeit ergangen ist. 564 Vgl. hierzu Ehlers, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 2 Rn. 26 ff.; Erichsen, in: Erichsen/Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 31 Rn. 1 ff. 565 Erichsen, in: ders./Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 34 Rn. 5 m.w.N.; Scherer, NJW 1989, 2724 (2727). 563
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vorgenommen worden ist. Ist diese Norm sonderrechtlich, so ist auch der Realakt sonder- bzw. öffentlich-rechtlich. Nach allem ist die angebliche Doppelnatur einer hoheitlichen Maßnahme abzulehnen566. Neben den dargelegten Gründen spricht zuletzt noch gegen diese Ansicht, daß eine derartige unnatürliche Aufspaltung der Ausübung einer einheitlichen hoheitlichen Gewalt den Grundlagen des Staatsverständnisses eindeutig widerspricht 567.
(5) Trennung zwischen "Ob" und "Wie" wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit Schließlich gehört eine weitere tragende Aussage, die sich in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs immer wieder findet, auf den Prüfstand, und zwar die Trennung zwischen "Ob" und "Wie" wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit 568 . Offensichtlich in Anlehnung an die sog. Zweistufenlehre 569 soll die Entscheidung über das "Ob" der Wettbewerbsteilnahme öffentlich-rechtlich zu beurteilen sein, die konkrete Art und Weise der Wettbewerbsteilnahme, das "Wie", hingegen privatrechtlich, nämlich wettbewerbsrechtlich-privatrechtlich. Nun läßt sich ohne weiteres feststellen, daß wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit, vor allem die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates, häufig in privatrechtlichen Handlungsformen und durch privatrechtlich organisierte Einheiten erfolgt. Eines der wesentlichen Zwischenergebnisse war aber gerade, daß es auf die
566
Ebenso Brohm, NJW 1994, 281 (288); Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 363; ders., JZ 1990, 1089 (1098); Ronellenfitsch, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR III, § 84 Rn. 52; Renck, BayVBl. 1978, 692 (692); Scherer, NJW 1989, 2724 (2729); Schricker, S. 103, 106 f. 567 Zu dieser Argumentation Bettermann, DVB1. 1977,180 (181); Brohm, NJW 1994,
281 (288). 568
BGH NJW 1974, 1333 (1333); BGHZ 67, 81 (89); 82, 375 (383 f.); BGH NJW 1987, 60 (61); GRUR 1991, 53 (56); OLG Hamm GRUR 1993, 840 (843); LG Stuttgart DZWir 1993, 80 (83); Püttner, GRUR 1964, 359 (361). 569 Grundlegend etwa lpsen, FS Wacke, S. 140 ff. Die Zweistufenlehre, die vor allem bei Subventionen und der Nutzung öffentlicher Einrichtungen Anwendung findet, soll in komplexeren Rechtsbeziehungen zwischen Verwaltung und Bürger erklären, warum sowohl öffentliches als auch privates Recht zur Anwendung kommen. Danach soll die Entscheidung der Verwaltung, oh eine bestimmte Leistung gewährt wird, auf einer ersten Stufe stattfinden und notwendig nach öffentlichem Recht zu beurteilen sein. Die Abwicklung, d.h. die konkrete Gewährung der Leistung, kann dann entweder privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich ausgestaltet sein. Vgl. - auch zur Kritik an der Zweistufenlehre Kopp, VwGO, § 40 Rn. 15 ff.; Maurer, AllgVerwR, § 17 Rn. 14 ff.; Ossenbühl, DVB1. 1973, 289 (291 ff.); R. Schmidt, in: Achterberg/Püttner (Hrsg.), Bes VerwR I, 1. Abschn., Rn. 148 ff.; Stober, Handbuch, S. 710 ff., 1232 f.; jeweils m.w.N.
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Handlungs- oder Organisationsform nicht ankommt, daß der Staat bei all seinem Handeln seinen (öffentlich-rechtlichen) Bindungen unterliegt. Eine isolierte privatrechtliche Beurteilung des "Wie" würde diese Bindung wieder aushebeln570, zumal die Unterscheidung zwischen "Ob" und "Wie" wegen der neutralen und im Einzelfall öffentlich-rechtlichen Natur des UWG ohnehin fragwürdig geworden ist. Die strikte Trennung ist aber noch aus anderen Gründen nicht überzeugend: Die der Zweistufenlehre zugrundeliegende Vorstellung vom zweiaktigen Handeln paßt bei wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit in der Regel nicht. Denn für wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit sind die Auswirkungen in Form der Veränderung der Wettbewerbslage entscheidend, die auf einer einheitlichen Kausalkette beruhen, die auf das "Ob" zurückführt. "Ob" und "Wie" stellen regelmäßig allenfalls verschiedene Glieder der einheitlichen Kausalkette dar; ein Einschnitt im Sinne des Einfügens einer "Stufe" wirkt da lebensfremd. Diese Vorstellung mag bei dem klassischen Anwendungsfall der Zweistufenlehre, der Subventionsvergabe, gerade noch angehen, wenn für die Abwicklung, die Vollziehung des "Ob", ein weiterer Akteur eingeschaltet wird und damit zurechenbares eigenes Verhalten in den Lebenssachverhalt einbringt. Doch sogar bei den Subventionsfällen, die nach hier vertretener Ansicht zur wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit zählen, läuft die angebliche Zweistufigkeit auf eine reine Fiktion hinaus, wenn die "Ob" und "Wie" umsetzende Stelle ein und derselbe Verwaltungsträger ist 571 . Dies gilt erst recht für die wirtschaftliche Tätigkeit, bei der die Entscheidung zum Tätigwerden nicht nur unmittelbar umgesetzt wird, sondern für einen Außenstehenden überhaupt nicht von der Umsetzung in die Wirklichkeit zu unterscheiden ist. Eine hinreichend deutliche Trennung, die die Konsequenz sehr unterschiedlicher Rechtsfolgen rechtfertigt, ist nicht möglich; die Grenze ist fließend und nicht einmal in jedem Einzelfall bestimmbar 572 . Bei einer strikten Trennung zwischen "Ob" und "Wie" würde ein einheitlicher Lebensvorgang erneut willkürlich zerrissen, wie es bei einer isolierten
570
Vgl. Brohm, NJW 1994, 281 (284); Erichsen, in: ders./Martens (Hrsg.), Allg VerwR, § 31 Rn. 3. Dieses Ergebnis versucht die herrschende Meinung mit ihrer Lehre vom Verwaltungsprivatrecht zu vermeiden. Konsequenter ist es aber, den Staat bei seinem Handeln umfassend seinen öffentlich-rechtlichen Bindungen und Pflichten zu unterwerfen. 57 1 Ehlers, VerwArch. 74 (1983), 112 (117); R. Schmidt, in: Achterberg/Püttner (Hrsg.), BesVerwR I, 1. Abschn., Rn. 150. Beispiel: OVG Koblenz GewArch. 1980, 339 ff. 57 2 Brohm, NJW 1994, 281 (284); Ehlers, VerwArch. 74 (1983), 112 (117). 20 Schliesky
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Betrachtung von Leistungs- und Wettbewerbsverhältnis ebenfalls geschieht573. Dies verdeutlicht folgendes Beispiel: In seinem Urteil zu der Brillenselbstabgabestelle einer Allgemeinen Ortskrankenkasse574 hat der Bundesgerichtshof noch einmal herausgestellt, daß "nach der Rechtsprechung § 1 UWG nicht den Zugang der öffentlichen Hand zum Wettbewerb regelt, also nicht das "Ob" ihrer wirtschaftlichen Betätigung, sondern nur das "Wie", d.h. ihr Verhalten und die Art und Weise ihrer Beteiligung am Wettbewerb" 575. Unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung dieser Rechtsprechung - der Hinweis wird allerdings eher unauffällig am Ende des Urteils piaziert - prüft das Gericht aber keineswegs nur die Modalitäten der Selbstabgabe von Brillen, etwa in dem Sinne, daß ein Hinweis seitens der gesetzlichen Krankenkassen an die Versicherten zu erfolgen habe, daß sie auch weiterhin einen Optiker ihrer Wahl aufsuchen können576 oder daß sich die Selbstabgabe auf bestimmte Modelle zu beschränken habe. Vielmehr stellt der Bundesgerichtshof fest, daß die Selbstabgabe von Brillen wettbewerbswidrig i.S.d. § 1 UWG sei, und untersagt daher der beklagten AOK diese Tätigkeit577. Mit diesem Richterspruch wird nun de facto die gesamte Tätigkeit als solche untersagt, mithin das "Ob". Den Weg für dieses Ergebnis hat sich der Bundesgerichtshof zuvor mit folgendem Hinweis geebnet: "Auch ein Verwaltungsträger hat bei seinem Verwaltungshandeln die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beachten, für deren Beurteilung die ordentlichen Gerichte zuständig sind. In einem solchen Fall können vom ordentlichen Gericht, dem an sich ein Eingriff in hoheitliche Handlungen versagt ist, auch solche Entscheidungen getroffen werden, die der Sache nach nicht nur auf das Verbot von Wettbewerbsmaßnahmen hinauslaufen, sondern - wegen der privat-rechtlichen Auswirkungen des beanstandeten Verwaltungshandelns - auch den öffentlich-rechtlichen Tätigkeitsbereich des Verwaltungsträgers berühren." 578 Neben der fehlerhaften Vorstellung, daß das Wett-
57 3
Kopp, GewArch. 1988, 353 (356). BGHZ 82, 375 ff. 57 5 BGHZ 82, 375 (397); vgl. auch bereits RGZ 138, 174 (176 f.); BGH GRUR 1971, 168 (169); GRUR 1974, 733 (734). 576 In Anlehnung an BGH NJW 1974,1333 (1334; sowie LS). Der Leitsatz des Urteils lautet: "Es ist wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn ein Landkreis vorgefertigte Kfz-Kennzeichenschilderin den Diensträumen seiner Kfz-Zulassungsstellezum Verkauf bereithält, er aber den Kfz-Haltern die Wahl eines Erwerbs der Schilder bei einem privaten Unternehmen läßt und er auf die am Ort vorhandenen privaten Bezugsquellen in geeigneter Weise hinweist. " 57 7 BGHZ 82, 375 (395). 57 8 BGHZ 82, 375 (384). Ebenso bereits BGHZ 66, 229 (232); 67, 81 (85). Danach etwa BGH GRUR 1985, 1063 (1063); BGHZ 110, 371 (381), dort aber bereits mit deutlicherer Akzentuierung: "selbst dann anzuwenden, wenn dadurch auch ihr öffentlich-recht57 4
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bewerbsrecht immer privatrechtlich sei und die Auswirkungen von wettbewerbsrelevanter Staatstatigkeit ebenfalls privatrechtlich sein sollen, fallt auf, daß der Bundesgerichtshof stint Beurteilungskompetenz auf ein weiteres Glied der Kausalkette erweitert hat, eben das "Ob". Nun ist gegen eine einheitliche Gesamtbeurteilung wettbewerbsrelevanter Staatstatigkeit überhaupt nichts einzuwenden, nur erhebt sich wiederum die Frage, ob es denn die Zivilgerichte sind, die dazu berufen sind. Schließlich geht es jedesmal um ein Untersagen staatlichen Tätigwerdens, welches sich nach öffentlichem Recht bestimmt, genauso wie es nun einmal einer öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundlage fur das Handeln bedarf. Es ist dann aber unehrlich, mit der Behauptung, es gehe um das "Wie", das "Ob" zu untersagen, weil es nicht um die Art und Weise der Wettbewerbsteilnahme, sondern um das Ausschalten der unliebsamen staatlichen Konkurrenz geht579. Nun ist das Festhalten an der angeblichen Trennung von "Ob" und "Wie" wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit insoweit verständlich, als die Zivilgerichte wissen, daß sie mit der Untersagung des "Ob" an sich ihre Entscheidungszuständigkeit überschreiten. Dies ergibt sich nicht allein aus der Tatsache, daß es um die Untersagung von Staatshandeln geht, worauf bereits mehrfach hingewiesen wurde. Dies ergibt sich vielmehr auch aus einem anderen Aspekt der Entscheidungszuständigkeit und wurde unter Heranziehung des Gedankens der Naturalrestitution i.S.d. § 249 BGB von den Zivilgerichten schon offen angesprochen. Schon das Reichsgericht betonte im Jahre 1936 580 im Hinblick auf wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit581, daß die ordentlichen Gerichte Schadensersatz durch Herstellung des Zustands, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, nur insoweit zusprechen können, als ihre Befugnisse überhaupt reichen 582. Überschreitet das Klagebegehren die Entscheidungszuständigkeit des Gerichts, so kann allenfalls Schadensersatz in Geld in sinngemäßer Anwendung des § 251 Abs. 1 BGB verlangt werden 583.
licher Tätigkeitskreis berührt wird"; BGHZ 119, 93 (101); OLG Hamm GRUR 1993, 840 (843). 579 Deutlich etwa auch OLG Köln WRP 1985, 511 (513): Ohne überhaupt auf die Problematik einer Trennung von "Ob" und "Wie" einzugehen, wird das gesamte von einem öffentlichen Unternehmen angebotene Maßnahmenpaket zur Heizungsmodernisierung untersagt. 580 RGZ 150, 140 ff. 581 Gegenstand des Rechtsstreits waren Teile eines Gutachtens, das ein Beamter der Technischen Prüfungs- und Lehranstalt der Reichszollverwaltung über ein Produkt der Klägerin, der Betreiberin einer Margarinefabrik, erstattet hatte. Nach Ansicht der Klägerin waren die angegriffenen Passagen unsachlich und dazu geeignet, die Wettbewerbsstellung der Klägerin zu schädigen. 582 RGZ 150, 140 (143).
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Dieser Rechtsprechung Schloß sich der Bundesgerichtshof fixt die Warnung einer Handelskammer an und präzisierte sie584: "Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich das Verbot gegen den Staat selbst, gegen einen Beamten oder gegen eine öffentlich-rechtliche Körperschaft richtet, sofern dieser die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben vom Staat übertragen worden ist, denn insoweit tritt sie an die Stelle des Staates (...), und ebenso ist es, wie bereits ausgeführt, nicht entscheidend, ob es sich um das Verbot einer obrigkeitlichen oder einer sonstigen Betätigung im Rahmen des öffentlichen Rechts handelt (...). Vielmehr ist allein maßgebend, daß das Gericht nicht in die (nicht fiskalische) öffentlich-rechtliche Tätigkeit einer der genannten Rechtspersonen durch Verbote eingreifen darf." Diesen Ausführungen ist allenfalls noch anzufügen, daß sie später vom Bundesgerichtshof nicht mehr berücksichtigt werden 585. Und noch ein weiteres - durchaus pragmatisches - Argument spricht gegen die von der Zivilrechtsprechung gehandhabte Trennung von "Ob" und "Wie". Die Beurteilung der Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit, also die öffentlich-rechtlichen Regelungen des "Ob", werden als "öffentlich-rechtliche Vorfragen" mitbeurteilt, können aber - mangels Entscheidungszuständigkeit nicht in Rechtskraft erwachsen586. Unabhängig von der Rechtswegfrage erscheint der Rechtsschutz vor den Zivilgerichten insoweit ineffektiv, als die den privaten Konkurrenten eigentlich interessierende Frage nach dem "Ob" der konkurrierenden Wettbewerbsteilnahme587 durch den Staat nicht rechtskräftig entschieden werden kann. Denn man muß sich bei der Beurteilung der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit vergegenwärtigen, daß es auch bei der konkreten Art und Weise der Wettbewerbsteilnahme immer um Aufgaben, Befugnisse und Pflichten der Verwaltungsträger geht, die eine isolierte Betrachtung nun einmal nicht zulassen588. Die öffentlich-rechtlich veranlaßte Kausalkette endet nicht auf einmal vor dem Beginn bzw. Abschluß eines privatrechtlichen Rechtsgeschäfts, ebensowenig können öffentlich-rechtliche Beziehungen zu Mitgliedern, Kunden oder Nutzern eines Verwaltungsträgers außer Betracht bleiben, sobald nur die Handlungsform privatrechtlich wird 589 . Dies kann auch nicht damit gerechtfer583
RGZ 150, 140 (143). Im zitierten Fall führte dies dazu, daß das RG den ordentlichen Rechtsweg für das Begehren des Klägers, ein staatliches Handeln zu widerrufen und künftig zu unterlassen, zu Recht verneinte (S. 144). 584 BGH NJW 1956, 711 (712). 585 So bereits im Urteü über die Beteiligung einer Landwirtschaftskammer an einer Ausstellungsgesellschaft, BGH GRUR 1964, 210 (213). 586 BGHZ 67, 81 (88); BGH NJW 1982, 2125 (2127); von Gamm, WRP 1984, 303 (306). 587 Unzutreffend insoweit Schultz-Süchting, GRUR 1974, 700 (701). 588 Brohm, NJW 1994, 281 (284); Erichsen, in: ders./Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 31 Rn. 3; Kopp, GewArch. 1988, 353 (356). 589 Vgl. Ehlers, VerwArch. 74 (1983), 112 (117).
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tigt werden, indem der das gesamte Handeln bestimmende staatliche Auftrag zu einer "öffentlich-rechtlichen Vorfrage" zurückgestuft wird 590 . Ein allein wettbewerbsrechtlicher Blickwinkel, wie er von den Zivilgerichten verstanden wird, kann den öffentlich-rechtlichen Vorgaben und damit der Gemeinwohlbindung überhaupt nicht gerecht werden 591. Wenn die öffentliche Aufgabe es etwa erfordert, ein Produkt oder eine Dienstleistung zu einem "Sozialtarif" anzubieten, so wird ein derartiger Dumpingpreis bei isolierter wettbewerbsrechtlicher Betrachtung eher als wettbewerbswidrig i.S.d. § 1 UWG einzustufen sein592. Aus dem Blickwinkel der optimalen öffentlich-rechtlichen Aufgabenerfüllung ist dieser Preis hingegen nicht zu beanstanden. Vernachlässigt wird bei dieser einseitigen Betrachtungsweise allerdings häufig, daß neben einem Eingriff durch Konkurrenz auch andere wettbewerbsrechtliche Grenzen überschritten sein können. Die richtige Lösung liegt wieder einmal in der Mitte: Öffentliche Aufgabe und Wettbewerbsfreiheit der privaten Konkurrenten sind in ein Verhältnis praktischer Konkordanz zu bringen. Dieser Aufgabe kann aber eine getrennte Betrachtung von "Ob" und "Wie" ebensowenig gerecht werden wie die isolierte Betrachtung von Wettbewerbs- und Leistungsverhältnis. Wie unnatürlich die (von ihm selbst allerdings auch nur auf dem Papier durchgehaltene) Aufspaltung von "Ob" und "Wie" samt isolierter Betrachtung durch den Bundesgerichtshof ist, zeigt auch ein Vergleich mit einer anderen mehrpoligen Rechtsbeziehung, dem Nachbarstreit im öffentlichen Baunachbarrecht. Unabhängig davon, ob der Nachbar nun das "Wie", also die Ausführung eines Bauvorhabens durch den Bauherrn (etwa dreigeschossige statt zweigeschossiger Bauweise), oder das "Ob", also das Bauen überhaupt, rügt, gemeinsame Maßstabsnormen bleiben §§30 ff. BauGB, BauNVO und die Landesbauordnungen. Vor allem aber wird bei beiden Varianten die Befugnis des Bauherrn zum Tätigwerden mit in die Entscheidung einbezogen, d.h. die zuvor erteilte Bauerlaubnis sowie seine aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG folgende Baufreiheit. Es kommt darauf an, die Handlungsbefugnis desjenigen, dessen Verhalten abgewehrt werden soll, genau abzustecken. Eine städtebauliche Unzufriedenheit mit dreigeschossigen Einfamilienhäusern läßt sich bei bestehender Baubefugnis nicht mit einer isolierten Betrachtung und Untersagung der Art und Weise der Bauausführung handhaben. Ebensowenig kann dem Staat eine existierende, aber natürlich im Einzelfall auf ihr Bestehen zu überprüfende Befugnis zu wettbewerbsrelevanter Staatstätig-
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Kopp, GewArch. 1988, 353 (355); SchuUz-Süchting, GRUR 1974, 700 (701). Brohm, NJW 1994, 281 (285). 592 BGH NJW 1982,2125 (2127); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 252 ff., 944; Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 38, 82; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 263 f. 591
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keit mit der vorgeschobenen Begründung einer Überprüfung des "Wie" streitig gemacht werden. Diese Entscheidung ist neben wirtschaftspolitischen Entscheidungsorganen vor allem dem Verfassungsgeber sowie dem einfachen Gesetzgeber vorbehalten593. Aus all diesen Gründen ist die Unterscheidung zwischen "Ob" und "Wie" wettbewerbsrelevanter Staatstatigkeit häufig entbehrlich594 oder zumindest nicht durchführbar 595, wenn dies nämlich zu einer Vernachlässigung oder Nichtbeachtung der öffentlich-rechtlichen Bindungen führt. Die Unterscheidung mag beibehalten werden, wenn "Ob" und "Wie" zwei unterschiedliche Kausalketten meinen (etwa bei bestimmten Formen der Subventionsvergabe) oder die Differenzierung zur Verdeutlichung beiträgt, welches Verhalten der öffentlichen Hand konkret untersagt werden soll (z.B. die Entscheidung über die Beteiligung an einem wirtschaftlichen Unternehmen oder eine bestimmte Form der Werbung dieses Unternehmens); sie ist aber immer nur dann zulässig, solange ein einheitlicher Lebenssachverhalt mit seinem öffentlich-rechtlichen Hintergrund nicht willkürlich auseinandergerissen wird. Da im Regelfall die Überprüfung des Gesamtkomplexes erforderlich ist, wird häufig auf die Trennung verzichtet werden können. Die Vorgehensweise des Bundesgerichtshofs jedenfalls, unter Betonung einer Überprüfungskompetenz für das "Wie" wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit das "Ob" zu untersagen, ist unzulässig.
cc) Ergebnis Als Ergebnis ist festzuhalten, daß § 1 UWG als öffentlich-rechtliche Norm auf wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit anwendbar ist 596 . Vollends unproblematisch ist die Anwendbarkeitsfrage dann, wenn der Gesetzgeber die Geltung des Wettbewerbsrechts ausdrücklich anordnet, wie dies in § 37 Abs. 4 S. 5 PostVerfG a.F. der Fall war 597 .
593
Dies erkennt im Grundsatz auch der BGH an, vgl. etwa BGHZ 82, 375 (397). Ebenso P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 334 f.; noch deutlicher Kopp, Gew Arch. 1988, 353 (356). 595 Brohm, NJW 1994, 281 (284); der Sache nach deutlich OVG Koblenz GewArch. 1980, 339 (339 f.). 596 Seit 3.10.1990 gilt das UWG auch in den neuen Bundesländern, vgl. § 8 EV. Die Modifizierung des § 27 a Abs. 2 S. 1 UWG kann hier außer Betracht bleiben. Interessanterweise ist das UWG in der ehemaligen DDR nie außer Kraft gesetzt worden, doch war es in der sozialistischen Wirtschaftsordnung bedeutungslos, vgl. Horn, Zivil- und Wirtschaftsrecht, § 22 Rn. 36. 597 Dazu etwa OLG Düsseldorf ArchivPT 1994, 157 (159). 594
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
311
b) Verhältnis des verhaltensrechtlichen Maßstabes nach § 1 UWG zu dem grundrechtlichen Verhaltensmaßstab Die bisherige Untersuchung hat ergeben, daß sowohl die Grundrechte als auch das UWG als einfachgesetzliches Verhaltensrecht dem Staat bei seiner wettbewerbsrelevanten Staatstatigkeit verhaltensrechtliche Grenzen setzen. Es muß daher noch die Frage beantwortet werden, in welchem Verhältnis diese verhaltensrechtlichen Normen zueinander stehen. Im Sinne der Schutznormlehre 598 lautet die Antwort, daß die Grundrechte und die Vorschriften des UWG als Verhaltensrecht nebeneinander bestehen. Die Grundrechte treten als subjektivrechtliche Abwehr- und Unterlassungsansprüche neben eine auf der Ebene des einfachen Gesetzes eingeräumte weitere subjektivrechtliche Rechtsposition599. Dabei gilt allerdings ein Anwendungsvorrang des einfachen Gesetzesrechts600. Die einfachgesetzliche Vorschrift, die dem betroffenen Wettbewerbsteilnehmer einen Schutz seiner Wettbewerbsstellung in Form einer subjektivrechtlichen Position einräumt, geht in der Anwendung dem grundrechtlichen Schutz der Wettbewerbsstellung vor. Zum einen konkretisieren die einfachgesetzlichen Vorschriften die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und enthalten für den geregelten Lebensausschnitt die speziellere Verhaltensregelung; das UWG konkretisiert insofern als einfachgesetzliche Norm die verfassungsrechtlich garantierte Wettbewerbsfreiheit 601. Zum anderen ist dieser Anwendungsvorrang letztlich wesentlicher Bestandteil der Schutznormlehre; die notwendige Weite der grundrechtlichen Schutzbereiche würde bei einer gleichzeitigen Anwendung von einfachem Gesetz und Grundrecht dazu führen, daß die Schutznormlehre und letztlich auch der konkrete Schutz des Betroffenen ausgehöhlt würden 602. Die konkreten Begrenzungen der einfachgesetzlichen Normen und die Abgrenzbarkeit der Anspruchsberechtigten gingen sonst verloren, dem allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch, der dem System eines subjektivrechtlich ausgeprägten Rechtsschutzsystems widerspräche, wäre das Tor geöffnet. Der Anwendungsvorrang bedeutet also, daß bei Vorhandensein einer einfachgesetzlichen Verhaltensnorm der Rückgriff auf das einschlägige Grundrecht verwehrt ist. Im baurechtlichen Nachbarschutz, der insofern wieder als Ver-
598 Vgl. dazu P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 107 ff.; Schmidt-Aßmann, in: M./D./H./S., GG, Art. 19 IV Rn. 127 ff. m.w.N. 599 Erichsen, in: ders./Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 10 Rn. 53; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 115 f.; Kopp, GewArch. 1988, 353 (361). 600 BVerwGE 89, 69 (78); Erichsen, in: ders./Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 10 Rn. 53, 57; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 116; Kopp, GewArch. 1988, 353 (361); Wahl, DVB1. 1996, 641 (650). 601 Schuhe, DVB1. 1988, 512 (517). 602 P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 116.
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
gleichsmaßstab herangezogen werden kann603, darf dies bereits als anerkannt gelten604. Auch das Bundesverwaltungsgericht ist kürzlich nun eindeutig auf diese Linie eingeschwenkt605: "Soweit drittschützende Regelungen des einfachen Rechts vorhanden sind, kann aber ein weitergehender unmittelbar auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG beruhender Anspruch nicht bestehen. Denn durch eine den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG genügende gesetzliche Regelung werden Inhalt und Schranken des Eigentums dergestalt bestimmt, daß innerhalb des geregelten Bereichs weitergehende Ansprüche aus Art. 14 Abs.l Satz 1 GG ausgeschlossen sind." Überträgt man dies auf das hier zu ermittelnde Öffentliche Wettbewerbsrecht, so bestätigt sich der zuvor bereits angedeutete Gedanke: Die einfachgesetzlichen Verhaltensvorschriften gestalten die verfassungsrechtlich garantierte Wettbewerbsfreiheit näher aus und sind damit Ausdruck des Regelungsvorbehaltes in Art. 12 Abs. 1 S. 2 und Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Soweit sie aber auch den subjektiven Interessen und dem Schutz des Marktteilnehmers, dessen Wettbewerbsfreiheit in Rede steht, dienen sollen, sind sie die einfachgesetzliche Konkretisierung der verfassungsrechtlich garantierten Wettbewerbsfreiheit 606. Die gerade einschlägige Vorschrift ist dann, sofern sie den aktuellen Sachverhalt erfaßt, vorrangig anzuwenden, da sie häufig bereits die vom parlamentarischen Gesetzgeber vorgenommene Wertung enthält, welchem Verfassungsgut im Einzelfall der Vorzug zu geben ist. Ist dies nicht der Fall, so zeigt sich die Parallelität des Grundrechtsschutzes in der Möglichkeit verfassungskonformer Auslegung der einfachgesetzlichen Verhaltensvorschrift. Insbesondere bei Generalklauseln und wertausfüllungsbedürftigen Begriffen sind die Grundrechte als Abwägungsposten miteinzubeziehen. Angesichts der " Realkonkurrenz H von grundrechtlichem und einfachgesetzlichem Verhaltensrecht muß eine wertungsmäßige Identität der Schutzbereichsweite hergestellt werden 607. Die einfachgesetzliche Norm muß daher im Lichte der verfassungsrechtlichen Wertungen ausgelegt werden und ist so anzuwenden, daß eine Schutzidentität im Sinne der Grundentscheidungen des Grundgesetzes zustande kommt. Die praktische Konkordanz, die bei Fehlen einfachgesetzlicher Verhaltensregeln unmittelbar zwischen den gegenläufigen Verfassungswerten "Wirtschaftsfreiheit des Staates" und "privater Wettbewerbsfreiheit" herzustellen ist, muß nun im Rahmen der Handhabung der einfachgesetzlichen Norm gefunden werden.
603
Kopp, GewArch. 1988, 353 (361). Krebs y in: von Münch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, 4. Abschn., Rn. 238 f.; VechtritZy Öffentliches Baurecht, S. 164. 605 BVerwGE 89, 69 (78). 606 Ebenso Schulte, DVB1. 1988, 512 (517). 607 In der Sache ebenso LG Stuttgart DZWiR 1993, 80 (83). 604
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
313
Unmittelbar anwendbar sind die Grundrechte als Verhaltensrecht immer dann, wenn keine einschlägige einfachgesetzliche Norm existiert, die Norm nicht anwendbar ist oder der Tatbestand nicht erfüllt ist. Auch die Auslegung vorhandener Bestimmungen muß ergeben, daß dem Betroffenen keine geschützte Rechtsstellung vermittelt wird 608 . Dann stellen die Grundrechte das unmittelbar anzuwendende Verhaltensrecht für den Staat dar. Festzuhalten ist aber, daß grundsätzlich neben einer einfachgesetzlichen Verhaltensnorm kein weitergehender Anspruch aus Grundrechten bestehen kann.
c) § 1 UWG Mit der Bejahung der generellen Anwendbarkeit des UWG ist eine neue Kategorie von Verhaltensrecht für den Staat gefunden worden. Damit ist aber noch keine Aussage darüber getroffen worden, ob denn all die verschiedenen Konstellationen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit auch den verschiedenen Tatbestandsmerkmalen der UWG-Vorschriften subsumiert werden können. Eine pauschale Beurteilung wird den in Rechtsprechung und Lehre entwickelten Besonderheiten - gerade zu § 1 UWG - nicht gerecht609. Anhand der Generalklausel des § 1 UWG werden im folgenden exemplarisch die Tatbestandsmerkmale untersucht610, wobei zugleich jede der oben herausgearbeiteten Fallgruppen von Wettbewerbsverhältnissen darauf untersucht wird, ob sie über § 1 UWG lösbar ist.
aa) "Wer" Das erste Tatbestandsmerkmal des § 1 UWG bezeichnet die handelnde Person und damit den möglichen Anspruchsverpflichteten. Das Merkmal betrifft somit den persönlichen Anwendungsbereich, trägt aber angesichts seiner weiten Fassung nicht zur Ausgrenzung bestimmter Akteure bei 611 . Vielmehr kann "wer" jedermann sein, also jede natürliche und juristische Person, auch jede juristische Person des öffentlichen Rechts612.
608
Kopp, GewArch. 1988, 353 (361). Zu ungenau daher die Behandlung der Tatbestandsmerkmale bei Kluth, S. 96; Weber, S. 100 f. 610 Die Mehrzahl der Tatbestandsmerkmale des § 1 UWG findet sich noch mehrfach in anderen Normen des Gesetzes. 611 Von Gamm, UWG, § 1 Rn. 6 f.; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 31. 612 Piper, GRUR 1986, 574 (575); Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 31; Schmidt, Unlauterer Wettbewerb und Wettbewerbsprozeß, S. 1. 609
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Ohne nähere Vertiefung, in welcher Organisationsform der Staat jeweils tätig geworden ist, kann daher festgestellt werden, daß alle Fallgruppen hinsichtlich des handelnden Akteurs unter "wer" zu fassen sind.
bb) "Handeln im geschäftlichen Verkehr" Unter "Handeln im geschäftlichen Verkehr" 613 versteht man jede Tätigkeit, die der Förderung eines beliebigen Geschäftszwecks dient, der ein eigener oder ein fremder sein kann 614 . Die entsprechende Handlung darf sich nicht als rein private oder rein amtliche Handlung darstellen615 und nicht als betriebsinterner Vorgang zu werten sein616. Auch dieses Merkmal ist im weiten Sinn zu verstehen617, seine Filterfunktion ist dementsprechend gering. Die Bedeutung des Merkmals liegt vor allem in der Klarstellung, daß das UWG sich allein auf geschäftlichen bzw. wirtschaftlichen Wettbewerb bezieht, also in der Abgrenzung zu Sport, Spiel, Ausbildung, Politik etc. 618 Die begriffliche Weite des "Handelns im geschäftlichen Verkehr" und die nur gering zu veranschlagende Abgrenzungsfunktion fuhren zum Teil dazu, daß das Merkmal nicht mehr gesondert geprüft wird, sondern im Merkmal "Wettbewerbshandlung" bzw. - genau gefaßt - "(Handeln) zu Zwecken des Wettbewerbs" aufgeht 619. Das erscheint vertretbar, da das Merkmal nur selten zu verneinen sein wird und, falls dies einmal der Fall sein sollte, es dann auch an einer
613 Das Tatbestandsmerkmal wiederholt sich in den §§ 3, 6 a, 6 b, 6 c, 6 d (a.F.), 6 e (a.F.), 12, 13, 16, 18, 19 UWG. §§ 6 d, 6 e wurden aufgehoben durch G. ν. 25.7.1994, BGBl. I S. 1738. 6,4 BGH WRP 1964, 237 (238); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 208, 211; Berlit, Wettbewerbsrecht, Rn. 1, 3; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 14; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 1; Köhler/Piper, UWG, Einf., Rn. 156 f.; Kreft, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 11 Rn. 3 ff.; Piper, GRUR 1986, 574 (575). 615 Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 25; R. Schmidt, Unlauterer Wettbewerb und Wettbewerbsprozeß, S. 1. 616 BGH GRUR 1971, 119 (119); OLG Stuttgart WRP 1983, 446 (446); Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 25; Schmidt, Unlauterer Wettbewerb und Wettbewerbsprozeß, S. 2. 617 BGHZ 42, 210 (218); von Gamm, UWG, § 1 Rn. 14. 618 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 208; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 25. 619 BGH GRUR 1985, 1063 (1064); OLG Karlsruhe WRP 1984, 340 (342 f.); LG Berlin ArchivPT 1993, 80 (80); LG Stuttgart DZWiR 1993, 80 (82); Kehl, Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 4; Kreft, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 11 Rn. 6 m.w.N.; Vogt, Lexikon des Wettbewerbsrechts, S. 123.
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
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Wettbewerbshandlung fehlt. Wegen der Achtung des Gesetzeswortlauts, der systematischen Genauigkeit sowie der noch zu vertiefenden Problemfelder erscheint eine Aufrechterhaltung des Merkmals aber geboten. Einen solchen Problemfall bilden betriebsinterne Vorgänge wie etwa Rundschreiben an Mitarbeiter 620 oder innerdienstliche Weisungen621, die nach der eingangs genannten Definiton kein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" darstellen sollen. Hier wird es häufig zu Abgrenzungsproblemen kommen, wann noch ein "betriebsinterner Vorgang" oder schon ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" anzunehmen ist. In der Rechtsprechung ist dazu anerkannt, daß ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" erst vorliegt, wenn das Verhalten in der Außenwelt in Erscheinung tritt und sich auf gegenwärtige oder mögliche Mitbewerber auswirken kann 622 . Allerdings erschöpft sich der geschäftliche Verkehr nicht in Maßnahmen, die sich direkt an die Verbraucher wenden623. Entscheidend ist vielmehr das Hinaustreten in die Außenwelt, so daß bereits die Auswirkungen der ursprünglich betriebsinternen Maßnahme im wettbewerblichen Umfeld dazu fuhren können, ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" anzunehmen624, u.U. aber erst nach Umsetzung durch eine weitere Handlung oder einen weiteren Akteur. Zeitigt die interne Maßnahme aber unmittelbar Auswirkungen im Wettbewerb, so liegt ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" vor. Von Interesse im Hinblick auf ein Öffentliches Wettbewerbsrecht ist daher, daß das OLG Karlsruhe etwa der brieflichen Aufforderung eines Präsidenten einer Handwerkskammer an andere Handwerkskammern, sich bei den ihnen unterstellten Handwerksinnungen zugunsten der Innungskrankenkassen zu verwenden, eine solche "Außenwirkung" zugestanden hat 625 . Die Anweisung einer Stadt an die von ihr betriebenen Krankenanstalten, alle anfallenden Krankentransportaufträge an die Rettungsleitstelle, an der die Stadt beteiligt ist, weiterzuleiten, hat der Bundesgerichtshof hingegen nicht als "Handeln im geschäftli-
620 Vgl. BGH GRUR 1971, 119 f.; OLG Koblenz WRP 1988, 557 f.; OLG Stuttgart WRP 1983, 446 f. 621 Vgl. BGHZ 101, 72 ff. 622 BGH GRUR 1971, 119 (119); OLG Stuttgart WRP 1983, 446 (446). 623 OLG Stuttgart WRP 1983, 446 (447). 624 BGHZ 101, 72 (76); BGH WRP 1964, 237 (238); GRUR 1971, 119 (120); OLG Stuttgart WRP 1983, 446 (447). Daher wohl zu Unrecht verneint bei einem Gemeinderatsbeschluß von OLG Koblenz WRP 1983, 225 (226). Obwohl sogar die Tagespresse von sich aus über den Beschluß berichtet hatte, sah das Gericht die erforderliche Auswirkung im Wettbewerb noch nicht gegeben. Dies ist unzutreffend; ein Gemeinderatsbeschluß hat grundsätzlich bereits per se Außenwirkung, die sich durchaus im Wettbewerb auswirken kann. Wie das OLG Koblenz aber Köhler/Piper, UWG, § 1 Rn. 223. 625 OLG Karlsruhe WRP 1984, 340 (342 f.).
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
chen Verkehr" aufgefaßt 626. Als Auswirkung wird in diesem Fall noch nicht die Veränderung der Wettbewerbslage angesehen, sondern zunächst nur das durch die interne Anweisung angeordnete und der Stadt zuzurechnende Verhalten des Klinikpersonals627. Ob angesichts der Verbindlichkeit der Anweisung fur das Klinikpersonal nicht bereits die innerbehördliche Anweisung als "Handeln im geschäftlichen Verkehr" zu werten ist, zumal die zukünftige Wettbewerbslage von dem Moment der Weisung an unmittelbar verändert ist, erscheint doch zumindest fraglich. Diese Frage stellt sich vor allem auch wertungsmäßig, wenn man bedenkt, daß bereits die Beteiligung der öffentlichen Hand an einer erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Kapitalgesellschaft das Merkmal des "Handelns im geschäftlichen Verkehr" (zutreffenderweise) erfüllen soll, ohne daß die Kapitalgesellschaft ihre Tätigkeit aufgenommen hat 628 . Ein weiteres Problemfeld bildet die hoheitliche bzw. rein amtliche Tätigkeit des Staates. In der wettbewerbsrechtlichen Literatur wird hoheitliches Handeln ganz überwiegend und pauschal nicht als "Handeln im geschäftlichen Verkehr" angesehen629. Die genauen Abgrenzungskriterien, wann eine staatliche Handlung denn noch "hoheitlich" ist, werden allerdings nicht genannt. So wird die "erwerbswirtschaftliche Tätigkeit" regelmäßig noch im gleichen Atemzug doch als "Handeln im geschäftlichen Verkehr" angesehen630. Derartige Abgrenzungsversuche können jedoch nicht überzeugen. Neben den praktischen Schwierigkeiten, die vom Staat verfolgten Zwecke zu gewichten, ist bereits herausgearbeitet worden, daß jede Handlung, die einen öffentlichen Zweck verfolgt, zulässig ist, sich aber wettbewerbsrechtlich messen lassen muß, wenn sie sich im wirtschaftlichen Wettbewerb auswirkt. Auch die Gleichordnung ist - wie bereits gezeigt und angesichts des öffentlich-rechtlichen Vertrages ohne weiteres einleuchtend - kein Kriterium für eine differenzierte Behandlung im Vergleich zum übrigen Staatshandeln. Entscheidend ist allein, ob es sich um ein Staatshandeln dreht, das wettbewerbliche Auswirkungen hat. Ist dies der Fall, so unterliegt der Staat einem entsprechenden Marktverhaltensrecht, eben einem Öffentlichen Wettbewerbsrecht. Also entscheiden die Auswirkungen auch hier
626
BGHZ 101, 72 (75 f.). BGHZ 101, 72 (76). 628 BGH MDR 1964, 210 (210); OLG Karlsruhe BB 1976, 101 (102). 629 Vgl. etwa von Gamm, UWG, § 1 Rn. 14; Kreft, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 11 Rn. 5. Köhler/Piper, UWG, § 1 Rn. 223 ff., differenzieren danach, ob das Handeln in Erfüllung gesetzlicher Vorgaben oder ohne solche erfolgt. 630 Vgl. wiederum von Gamm, UWG, § 1 Rn. 14, 7, der auf den verfolgten Hauptzweck abstellen will; Kreft y in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 11 Rn. 5, der danach abgrenzen will, ob sich die öffentliche Hand mit privaten Wettbewerbern auf die gleiche Ebene stellt. 627
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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darüber, ob ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" vorliegt 631. Es wäre auch nicht einzusehen, warum die wettbewerblichen Auswirkungen durchgehend der "Auslöser" des UWG sein sollen, wie zuletzt gerade bei der Abgrenzung von "betriebsinternen Vorgängen" und einem "Handeln im geschäftlichen Verkehr", nur bei wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit dieser Maßstab nicht gelten soll. Vielmehr ist es naheliegend, bei staatlicher Wettbewerbsteilnahme den aus der "Wirtschaftsfreiheit" des Staates resultierenden und sein Handeln legitimierenden öffentlichen Zweck als "Geschäftszweck" im Sinne der Merkmalsdefinition zu verstehen. Dies ist nur folgerichtig, wenn man den Staat einem (öffentlichen) Wettbewerbsrecht unterwerfen will. Daß ein solches angesichts der staatlichen Besonderheiten zu modifizieren ist, wurde schon mehrfach hervorgehoben und ergibt sich an dieser Stelle bereits aus der Überlegung, daß dem Staat privatnütziges Verhalten verboten ist. Der "Geschäftszweck" wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit ist der öffentliche Zweck, den der Staat bei seinen jeweiligen "Unternehmungen" verfolgt. Zwar kann die "Handlung im geschäftlichen Verkehr" darin liegen, daß der Staat den Geschäftszweck eines privaten Wettbewerbers fordert, sei es durch eine Subvention oder eine Empfehlung gegenüber den Verbrauchern - die Förderung eines fremden Geschäftszwecks genügt ja für ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr". Jedoch wäre ein solches Verhalten auf jeden Fall rechts- und auch wettbewerbswidrig, wenn kein zusätzlicher öffentlicher Zweck vorliegt. Ohne öffentlichen Zweck würde eine Subventionierung eine private Bevorzugung darstellen, die dem Staat verwehrt ist 632 . Maßgebend ist für ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" nur, daß es sich um eine staatliche Tätigkeit in Verfolgung eines öffentlichen Zwecks handelt, die sich nach außen im Wettbewerb auswirkt. Der Versuch, bestimmte "hoheitliche" Handlungen von diesem Tatbestandsmerkmal auszunehmen, kann daher nicht überzeugen. Wie die folgenden Beispiele zeigen werden, wird dieser Grundsatz in der Rechtsprechung auch nicht durchgehalten.
(1) Unmittelbare Konkurrenzsituation: Zwei Verwaltungsträger In dieser Wettbewerbssituation finden sich als Beispiel immer wieder öffentlich-rechtliche Krankenkassen. So hat das OLG Düsseldorf 33 ohne weitere ausdrückliche Prüfung ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" bei einer Werbung
631
Der Sache nach auch Jacobs, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 49 Rn. 6, 11. Insoweit käme es für die Rechtswidrigkeit der Maßnahme noch nicht einmal auf die Verzerrung der Wettbewerbslage an; allein das Fehlen des öffentlichen Zwecks begründet die Rechtswidrigkeit. Darauf ist noch zurückzukommen. 633 GRUR 1973, 487 (488). 632
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
mit herabsetzenden, vergleichenden und irreführenden Angaben bejaht. Der gleichen Ansicht war das OLG Celle 634 bei der Verwendung bestimmter Beitrittserklärungen durch eine Allgemeine Ortskrankenkasse. Auch das Bundessozialgericht 635 hat keine Bedenken, die Werbung zweier öffentlich-rechtlicher Krankenkassen als "Handeln im geschäftlichen Verkehr" anzusehen und die Grenzen der Werbung mit Hilfe der § § 1 , 3 UWG zu bestimmen - in einem Verfahren auf dem Sozialrechtsweg.
(2) Unmittelbare Konkurrenzsituation: Verwaltungsträger bzw. öffentliches Unternehmen und Privater Der Bundesgerichtshof 36 hat die Selbstabgabe von Brillen an ihre Versicherten durch eine Allgemeine Ortskrankenkasse als "Handeln im geschäftlichen Verkehr" angesehen, gleiches tat der VGH Mannheim 631 bei der Verkaufstätigkeit einer Stadt auf dem Gebiet des Bestattungswesens. Eines der jüngsten Beispiele aus der Rechtsprechung ist die Angebotspalette der Postbank, die von privaten Kreditunternehmen angegriffen wurde 638.
(3) Unmittelbare Konkurrenzsituation: Öffentliches Unternehmen in privatrechtlicher Organisationsform und Privater Unproblematisch erfüllt - auch nach Ansicht des VGH Mannheim 639 - die Tätigkeit einer privatrechtlich organisierten städtischen Wohnungsbaugesellschaft die Anforderungen an ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr". Der Bundesgerichtshof 40 und das OLG Karlsruhe 641 haben ein "Handeln im geschäftlichen
634
WRP 1984, 328 (329); das OLG Koblenz WRP 1985, 358 (359), nimmt zwar bei einem ähnlich gelagerten Sachverhalt offensichtlich ebenfalls ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" an, hat aber Zweifel hinsichtlich eines "Wettbewerbsverhältnisses" i.S.d. § 1 UWG. 635 BSGE 56, 140 (144). 636 BGHZ 82, 375 (395). 637 GewArch. 1969, 141 (142). 638 LG Stuttgart DZWiR 1993, 80 (82). Die klagenden privaten Banken waren nach ihrer Niederlage in der ersten Instanz in die Berufung gegangen. Nach einer Berufungsverhandlung vor dem OLG Stuttgart stimmten die Parteien einer Anregung des Gerichts zu, den Prozeß angesichts der anstehenden Privatisierung der Postunternehmen ruhen zu lassen, vgl. die Mitteilung in ArchivPT 1994, 85. - Seit 1.1.1995 gehört dieser Fall in die folgende Kategorie, da die Postbank aufgrund der "Postreform II" privatrechtlich als Aktiengesellschaft organisiert ist. 639 NJW 1984, 251 (253). 640 GRUR 1964, 210 (212).
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
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Verkehr" schon hinsichtlich der Beteiligung des Staates an einer privatrechtlich organisierten Kapitalgesellschaft bejaht. Nach den Ausführungen zu "betriebsinternen Vorgängen", die kein Handeln im geschäftlichen Verkehr darstellen, mag eine nach außen wirkende Handlung auf den ersten Blick problematisch erscheinen, wenn man die Entscheidung über die Beteiligung als "betriebsinternen Vorgang" innerhalb der staatlichen Sphäre wertet. Jedoch hat die Rechtsprechung hier zu Recht ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" angenommen, da durch die Beteiligung selbst schon auf die Wettbewerbslage eingewirkt wird, anders als bei einer innerbetrieblichen Weisung, die keinerlei Auswirkung auf das Wettbewerbsverhalten der staatlichen Organisationseinheit hat. Dieses Ergebnis wird auf anderem Wege bestätigt, wenn man nämlich zwischen der Entscheidung bezüglich der Beteiligung und der Ausführung der Entscheidung im Sinne eines Kaufens der Anteile differenziert, wobei die Gefahr besteht, einheitliche Lebensvorgänge erneut auseinanderzureißen.
(4) Unmittelbare Konkurrenzsituation: Kunde begehrt Unterlassung Auch bei dem Ausrichten des Blickwinkels auf die Leistungsbeziehung ändert sich die Beurteilung des eigenen Anbieterverhaltens in bezug auf ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" nicht. So stellt etwa die Versendung einer "Postbank Card" mitsamt Geheimzahl eine Tätigkeit der Postbank zur Förderung ihres Geschäftszwecks dar, über die das LG Berlin 1642 zu urteilen hatte.
(5) Verwaltungsträger beeinflußt Wettbewerbsstellung des Unternehmers durch Einflußnahme auf Kunden Der Bundesgerichtshof 43 hat ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" für möglich gehalten bei der Äußerung eines Landesinnungsmeisters des Augenoptikerhandwerks über einen Vertrag zwischen Dritten in einem Zeitungsinterview. Auch die Auskunftserteilung über die eigene Angebotspalette erfüllt die Kriterien, wie z.B. die Auskunft, daß für die Vorbereitungen einer Bestattung die Bestattungsordner der Stadt zur Verfügung stehen644. Fraglich ist allerdings, ob auch staatliche Warnungen oder Empfehlungen, die wettbewerbliche Auswirkungen haben, ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" darstellen. Dies erscheint jedoch nur dann problematisch, wenn man bei
641 642 643 644
BB 1976, 101 (102). ArchivPT 1993, 80 (80). GRUR 1985, 1063 (1064). BGH NJW 1987, 62 (62).
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der Handlungsmotivation des Staates zwischen Haupt- und Nebenzwecken differenzieren will 6 4 5 . Daß ein solches Vorgehen nicht überzeugen kann, wurde eingangs bereits dargelegt. Vielmehr entscheiden nur die Auswirkungen in Form der Veränderung der Wettbewerbslage darüber, ob ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" vorliegt 646. Ob mit der Warnung bzw. Empfehlung nun die Förderung des Geschäftszwecks eines dritten privaten Unternehmers oder das Abwenden von Gefahren für andere Güter (Volksgesundheit; Umweltschutz) beabsichtigt ist, ist unerheblich. Ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" liegt vor, wenn sich die staatliche Warnung nur im wirtschaftlichen Wettbewerb auswirkt 647 . Daher ist die Warnung des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit vor dem Genuß (möglicherweise) mit Diethylenglykol kontaminierter Weine 648 ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr". Auch die Benennung von Unternehmensberatern durch eine Industrie- und Handelskammer gegenüber Nachfragern nach staatlichen Existenzgründungsprogrammen 649 erfolgt im geschäftlichen Verkehr, wobei die letzten beiden Fälle vom Bundesverwaltungsgericht nicht über § 1 UWG gelöst wurden.
(6) Verwaltungsträger beeinflußt durch hoheitliche Maßnahme gegenüber einem privaten Unternehmer dessen Wettbewerbsstellung Bei dieser Fallgruppe ist das "Handeln im geschäftlichen Verkehr" sorgfältig zu untersuchen, da es sich um Maßnahmen handeln kann, die nicht unbedingt Auswirkungen im wirtschaftlichen Wettbewerb haben. Das OLG Stuttgart 50 beispielsweise hat bei einer standesrechtlichen Maßnahme einer Apothekerkammer gegenüber einzelnen Mitgliedern ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" verneint.
645
Vgl. nochmals von Gamm, UWG, § 1 Rn. 7. Der BGH WRP 1964, 237 (238), hat dies - allerdings im Zusammenhang mit einem Fernsehinterview eines privaten Unternehmers - schon einmal deutlich hervorgehoben: "Erst recht ist dies der Fall [seil.: Eine Tätigkeit fällt in den Bereich des geschäftlichen Verkehrs, ...], wenn es sich um eine Äußerung im Rahmen eines Rundfunköder Fernsehinterviews handelt, die schon wegen ihrer weiten Verbreitung keinen privaten Charakter trägt und, sofern damit - sei es auch neben anderen Zwecken - ein geschäftliches Ziel verfolgt wird, in ihrer Wirkung einer öffentlichen Werbung sehr nahekommt. " 647 In der Regel werden Wirkungen im Wettbewerb mit der Maßnahme ohnehin beabsichtigt sein. 648 BVerwGE 87, 37 ff. 649 BVerwGE 89, 281 ff. 650 WRP 1991, 531 (533). 646
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Die Abwicklung der Kostenerstattung mit privaten Rettungsdiensten durch eine Allgemeine Ortskrankenkasse hingegen erfüllt die Kriterien; der Bundesgerichtshof hat hier eine Teilnahme am Geschäftsverkehr i.S.d. § 26 Abs. 2 GWB bejaht, die auch ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" darstellt 652. Die entsprechende Auswirkung im Wettbewerb begegnet aber keinen Bedenken bei dem Erlaß von Subventionsrichtlinien, die bestimmte private Unternehmer von einer Subventionsbetreuertätigkeit ausschließen653, oder bei der Zulassung einer staatlichen Gebäude-Feuerversicherungsanstalt zur Mobiliarfeuerversicherung654, auch wenn das Bundesverwaltungsgericht die Fälle nicht über § 1 UWG gelöst hat.
(7) Verwaltungsträger beeinflußt durch begünstigende hoheitliche Maßnahme gegenüber Mitbewerber die Wettbewerbsstellung des Unternehmers In diese Fallgruppe fallen insbesondere die Subventionsfalle, bei denen auf jeden Fall der Geschäftszweck des Subventionsempfängers gefordert wird. Daher ist bereits der Magistratsbeschluß über die Subventionierung eines Anzeigenblattes ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" 655. Aber auch die briefliche Aufforderung des Präsidenten einer Handwerkskammer an seine Kollegen, sich bei den ihnen unterstellten Handwerksinnungen zugunsten der Innungskrankenkassen zu verwenden, hat nach Ansicht des Bundesgerichtshofs 656 und des OLG Karlsruhe 657 die für ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" erforderliche Außenwirkung.
(8) Ergebnis Die erwähnten Beispiele haben gezeigt, daß wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit durchgehend das Tatbestandsmerkmal des "Handelns im geschäftlichen Verkehr" erfüllt, weil es für die Zuordnung zu beiden Begriffskategorien auf die Auswirkungen im wirtschaftlichen Wettbewerb ankommt, die ein staatliches Handeln hervorruft. Im Einzelfall muß unter Umständen genauer untersucht werden, ob denn eine Maßnahme unmittelbare Folgen im Wettbewerb bewirkt,
651 652 653 654 655 656 657
NJW 1991, 2963 (2965 f.). Vgl. Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 26 Rn. 318. Vgl. BVerwGE 75, 109 (115). Vgl. BVerwGE 17, 306 (313). OLG Frankfurt NVwZ 1993, 706 (707). GRUR 1986, 905 (907). WRP 1984, 340 (342 f.).
21 Schliesky
3
D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
doch kann dies nur ausnahmsweise bei "betriebsinternen Vorgängen" problematisch werden. In der Regel ist jede staatliche Handlung, die Auswirkungen auf Bestand und Funktion des Wettbewerbs hat, eine wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit im Sinne der Untersuchung und erfüllt zugleich das Merkmal "Handeln im geschäftlichen Verkehr" in § 1 UWG.
cc) "Zu Zwecken des Wettbewerbs" Das Merkmal "(Handeln) zu Zwecken des Wettbewerbs" besitzt eine zentrale Bedeutung im UWG. Das auch als "Wettbewerbshandlung" bezeichnete Kriterium dient - im Wettbewerb zwischen Privaten - insbesondere dem Zweck, die Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts auf Handlungen im geschäftlichen Verkehr von der Anwendbarkeit allgemeiner zivilrechtlicher Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche abzugrenzen658. In Ubereinstimmung von ständiger Rechtsprechung und Literatur liegt ein "Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs" vor, wenn in objektiver Hinsicht ein Tun vorliegt, das geeignet ist, den Absatz oder Bezug einer Person zum Nachteil desjenigen einer anderen Person zu fördern und wenn zusätzlich in subjektiver Hinsicht die Absicht vorliegt, den eigenen oder fremden Wettbewerb zum Nachteil eines anderen zu fördern, sofern diese Absicht nicht völlig hinter die eigentlichen Beweggründe zurücktritt 659. Erfaßt sind mit dieser Definition auch Handlungen Dritter, die selbst kein Gewerbe betreiben oder keine Mitbewerber des Betroffenen sind, sich aber in den Wettbewerb anderer einschalten, indem sie etwa fremden Wettbewerb fördern 660. Der angesichts der Definition weite Fächer in Betracht kommender Wettbewerbshandlungen führt dazu, daß heute auch die Nachfragerseite erfaßt wird 661 und vor allem die Feststellung der definitionsentsprechenden Benachteiligung des Mitbewerbers regelmäßig nur wenig Probleme bereitet 662. Im Zuge einer näheren Betrachtung des Merkmals ist zwischen der objektiven und subjektiven Komponente zu unterscheiden:
658
Kreft, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 11 Rn. 2. BGHZ 3, 270 (277); 19, 299 (303); BGH GRUR 1981, 658 (659 f.); Baumbach/ Hefermehly Wettbewerb s recht, Einl. UWG, Rn. 215,232; HirtZy GRUR 1988,173 (175); Kehl, Wettbewerbsrecht, § 8 Rn. 1; Kreft y in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 11 Rn. 7; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 19. 660 BGH GRUR 1953, 293 (294); BGHZ 19, 299 (303); Kreft, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 11 Rn. 8. 661 Kreft, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 11 Rn. 7 m.w.N. 662 Kehl, Wettbewerbsrecht, § 8 Rn. 2 f. 659
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
3
(1) Objektive Komponente: Wettbewerbseignung Die objektive Seite der Wettbewerbshandlung verlangt ein Verhalten, das geeignet ist, den Absatz oder Bezug einer Person zum Nachteil desjenigen einer anderen Person zu fordern 663; erforderlich ist also ein zweckbestimmtes Marktverhalten, das objektiv wettbewerbsgeeignet ist 664 . Dafür genügt auch die Förderung fremden Wettbewerbs665. Die hier interessierende Frage, ob Handlungen des Staates diese Wettbewerbseignung aufweisen können, kann angesichts der weiten Definition unproblematisch bejaht werden. Ob es sich nun um eine wirtschaftliche Tätigkeit oder sonstige Ingerenz des Staates, etwa in Form der Wirtschaftslenkung, handelt, ist hier zunächst unerheblich. Denn wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit ist gerade dadurch gekennzeichnet, daß der Absatz eines Mitbewerbers durch das staatliche Tätigwerden vermindert wird. Daher ist die Wettbewerbseignung entsprechender staatlicher Handlungsweisen auch allgemein anerkannt. Bei wirtschaftlicher Tätigkeit des Staates wird sogar eine derartige Wettbewerbseignung wie bei privaten Gewerbetreibenden bereits aufgrund des Tätigwerdens im geschäftlichen Verkehr vermutet 666. Aber auch eine sonstige hoheitliche Tätigkeit braucht das Vorliegen einer Wettbewerbshandlung nicht auszuschließen667.
(2) Subjektive Komponente: Wettbewerbsabsicht Als subjektiven Bestandteil verlangt die Wettbewerbshandlung die Absicht, eigenen oder fremden Wettbewerb zum Nachteil eines anderen Mitbewerbers zu fördern 668. Das bloße Bewußtsein der Förderung genügt nicht 669 , die Absicht meint einen über das Bewußtsein der Förderung hinausgehenden Beweggrund 670. Dabei braucht die Wettbewerbsabsicht nicht das einzige oder nur wesentliche Handlungsziel zu sein, solange sie nicht völlig hinter anderen Beweg-
663
Vgl. nur nochmals Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 215; von Gamm, in: FIW (Hrsg.), Staat als Wettbewerber, S. 36. 664 Federer, Wettbewerbsverhältnis, S. 255; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 19, 24. 665 BGH WRP 1981, 457 (458); OLG München WRP 1988, 194 (194); Baumbach/ Hefermehly Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 215; Berlit, Wettbewerbsrecht, Rn. 8; von Gamm, in: FIW (Hrsg.), Staat als Wettbewerber, S. 36. 666 BGH GRUR 1962, 159 (161); von Gamm, UWG, § 1 Rn. 27. 667 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 245. 668 Vgl. nur nochmals Baumbach/Hefermehl, Wettbewerb s recht, Einl. UWG, Rn. 232. 669 BGH GRUR 1981, 658 (660). 67 0 Berlit, Wettbewerbsrecht, Rn. 6 f.
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
gründen zurücktritt 671. Auch hier sind die Anforderungen nicht übermäßig streng; eine Gewinnerzielungsabsicht etwa ist nicht erforderlich 672. Bei Gewerbetreibenden besteht grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung 673 für das Vorliegen der Wettbewerbsabsicht674. Das Vorliegen der Wettbewerbsabsicht wird also als Regelfall vermutet, das Fehlen bedarf des gesonderten Nachweises. Diese Annahme gilt auch bei der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates675, der ebenfalls regelmäßig seinen eigenen Wettbewerb fordern will 6 7 6 , auch wenn er daneben andere Ziele verfolgt und - wie gezeigt - verfolgen muß. Aus dem Erfordernis, daß die Wettbewerbsabsicht nicht das einzige Handlungsziel sein muß, ergibt sich bereits, daß es gleichgültig ist, ob etwa bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben gehandelt wurde; somit ist auch bei sonstiger wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit die Wettbewerbsabsicht nicht unbedingt zu verneinen 677. Allerdings gilt die tatsächliche Vermutung für eine Wettbewerbsabsicht dann nicht; diese muß sorgfältig herausgearbeitet werden 678.
(3) Wettbewerbsverhältnis Als Zwischenergebnis läßt sich festhalten, daß die objektive und die subjektive Komponente der Wettbewerbshandlung bei wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit vorliegen können, wenn dies auch im Einzelfall - insbesondere hinsichtlich der Wettbewerbsabsicht - exakt zu überprüfen ist.
67 1
BGHZ 3, 270 (277); 19, 299 (303); BGH GRUR 1964, 210 (212); OLG Karlsruhe BB 1976, 101 (102); Kreft, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 11 Rn. 9; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 24. 67 2 Kreft, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 11 Rn. 9; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 24; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 32. 673 Es handelt sich dabei um eine echte Vermutungsregel und nicht etwa um einen Fall des Anscheinsbeweises, vgl. J. Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, S. 65. 67 4 Kreft, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 11 Rn. 10; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 24. 67 5 Köhler/Piper, UWG, § 1 Rn. 230; Kreft, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 11 Rn. 10; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 27. 67 6 Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 32. 67 7 BGH GRUR 1990, 463 (464); von Gamm, UWG, § 1 UWG Rn. 24; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 35; zu weitgehend aber OLG Karlsruhe WRP 1983, 223 (224), wonach die Wettbewerbsabsicht bei Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses vermutet werden kann. 67 8 BGHZ 19, 299 (303); BGH GRUR 1990, 463 (464); Köhler/Piper, UWG, § 1 Rn. 231; Kreft, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 11 Rn. 10; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 24; a.A. OLG München WRP 1988, 194 (194).
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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Es stellt sich nun aber das Problem, inwieweit zusätzlich zu den Voraussetzungen der Wettbewerbshandlung eine weitere Voraussetzung in Form des Vorliegens eines Wettbewerbsverhältnisses gegeben sein muß. Die Problematik wurde oben bereits angesprochen679, jetzt bedarf es der Erörterung, was das Wettbewerbsverhältnis nun eigentlich bedeutet bzw. erfordert und ob es überhaupt erforderlich ist. Diese Erörterung muß sich allerdings angesichts der Zielsetzung der Untersuchung und der insoweit gegenläufigen Vielfalt an Meinungen zu dem Merkmal "Wettbewerbsverhältnis" auf die wesentlichen Grundzüge beschränken. Der heftige Streit um das Merkmal "Wettbewerbsverhältnis" hat seinen Ursprung zumindest zum Teil auch in den verschiedenen Problemdimensionen, die im Begriff des Wettbewerbsverhältnisses zusammentreffen. Schwierigkeiten resultieren beispielsweise aus einer "Doppelfunktion" des Wettbewerbsverhältnisses680: Das Wettbewerbsverhältnis soll zum einen eine Rolle als Bestandteil der objektiven Komponente des Tatbestandsmerkmals "Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs" spielen, andererseits aber maßgebend für die (prozessuale) Aktivlegitimation bzw. Klagebefugnis sein, wobei dann bereits § 13 Abs. 2 UWG in die Überlegungen einzubeziehen ist. Zu Problemen für das Wettbewerbsverhältnis hat auch die Erweiterung des Schutzzwecks des UWG auf den Konsumentenschutz geführt 681, und auch die potentielle Erfassung von Monopolisten durch den Anwendungsbereich des UWG bereitet Probleme 682, da es an aktuellem Wettbewerb fehlt. So verwundert es nicht, daß die Stimmen mit der Forderung nach einem Verzicht dieses Merkmals lauter werden 683. Noch überwiegend wird das Wettbewerbsverhältnis im Tatbestand des § 1 UWG geprüft 684, doch auch diesbezüglich bestehen Unterschiede: Das Wettbewerbsverhältnis wird zum Teil mit der unter ( 1 ) beschriebenen objektiven Komponente der Wettbewerbshandlung gleich-
679
S.o. Β IV 1. J. Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, S. 15 f.; Hinz, GRUR 1988, 173 (177). 681 J. Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, S. 18 m.w.N. in Fn. 33; Federer, Wettbewerbsverhältnis, S. 5. 682 Vgl. 7. Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, S. 23 f. 683 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 247; Federer, Wettbewerbsverhältnis, S. 314; Kummer, S. 1, 24 ff.; Sack, WRP 1985, 1 (10, Fn. 118) m.w.N.; Wilhelm, ZIP 1992, 1139 (1142 f.); vorsichtig auch Hefermehl, FG Kummer, S. 361. 684 Insbes. durch die Rechtsprechung, wobei das Verhältnis zwischen "Wettbewerbshandlung" und "Wettbewerbsverhältnis" nicht geklärt wird: BGHZ 86, 90 (96); 93, 96 (98); BGH GRUR 1986, 812 (813). 680
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
gesetzt685, als (weiterer) Bestandteil der Wettbewerbshandlung686 oder als eigenständiges ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal687 gesehen. Weiterhin fällt auf, daß Erörterungen in Rechtsprechung und Literatur zum Wettbewerbsverhältnis häufig nur schwer den Unterschied zu Begriffen wie "Wettbewerbshandlung" bzw. "Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs" erkennen lassen und auch die prozessuale Verortung nicht immer einheitlich erfolgt 688 . Dies verwundert aber nicht so sehr, wenn man sich die Definition vergegenwärtigt: Ein "Wettbewerbsverhältnis" liegt nach allgemeingültiger Definition vor, wenn zwischen den Vorteilen, die jemand durch eine Maßnahme für sein Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die ein anderer dadurch erleidet, eine derartige Wechselbeziehung besteht, daß der eigene!Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann689. Ähnlichkeiten mit der Definition des objektiven Teils des "Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs" sind in der Tat kaum zu übersehen. Es wird des weiteren allgemein zwischen einem konkreten und einem abstrakten Wettbewerbsverhältnis unterschieden. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis soll die Beziehung zwischen dem durch das Vorgehen Geförderten und dem Betroffenen kennzeichnen und - neben der Bedeutung im Tatbestand - für die Klagebefugnis unmittelbar aus § 1 UWG uabdingbare Voraussetzung sein690. Das abstrakte Wettbewerbsverhältnis hingegen bezeichnet die Voraussetzung im Rahmen der erweiterten Klagebefugnis des § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG, für die bereits die - wenn auch nicht ganz unwahrscheinliche - Möglichkeit der Beeinträchtigung genügt691. Eine Schlußfolgerung läßt sich aus dem Geschilderten bereits ziehen: Das Wettbewerbsverhältnis beschränkt mittels seiner Definition den Kreis der po-
685
Ber lit, Wettbewerbsrecht, Rn. 11. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 216; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 19, bei dem aber die Trennlinie zwischen Bestandteil eines Tatbestandsmerkmals und Erfordernis für die Klagebefugnis verschwimmt; Hirtz, GRUR 1988, 173 (177). 687 Kehl, Wettbewerbsrecht, § 9 Rn. 2; Kreft, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 10 Rn. 1. 688 Vgl. Federer, Wettbewerbsverhältnis, S. 4; Hirtz, GRUR 1988, 173 (173 f.). 689 BGH GRUR 1951, 283 (284); GRUR 1986, 898 (899); GRUR 1989, 430 (430); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 216; Federer, Wettbewerbsverhältnis, S. 2; Hirtz, GRUR 1988, 173 (173). 690 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 216 f.; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 19. 691 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 219; Kreft, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 10 Rn. 1. Vgl. auch Wilhelm, ZIP 1992, 1139 (1140 f.), der zu Recht auf die kaum lösbaren Probleme bei der Abgrenzung zwischen den beiden Spielarten des Wettbewerbsverhältnisses hinweist. 686
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
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tentiellen Gläubiger eines Anspruchs nach § 1 UWG; die wesentliche Bedeutung des Wettbewerbsverhältnisses liegt in der Beschränkung des Kreises der Anspruchsberechtigten692. Von diesem Ansatzpunkt her hat Hirtz m sich mit dem Wettbewerbsverhältnis auseinandergesetzt und folgende Bedeutung des Merkmals nachgewiesen: Das Wettbewerbsverhältnis ist zunächst einmal Bestandteil der Definition der Wettbewerbshandlung, also des Tatbestandsmerkmals "Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs". Es wird dort nämlich definitionsgemäß ein Handeln zum Nachteil eines anderen gefordert, d.h. eine Wechselbeziehung zwischen Förderung des eigenen und Beeinträchtigung des fremden Wettbewerbs. Diese Wechselbeziehung beschreibt der Begriff "Wettbewerbsverhältnis". Würde sich der Sinn des Merkmals in dieser Bedeutung erschöpfen, wäre es im Begriff der Wettbewerbshandlung bereits enthalten und damit in der Tat überflüssig. Jedoch hat das Wettbewerbsverhältnis noch eine darüber hinausgehende Funktion: Die Umschreibung des Wettbewerbsverhältnisses in der Wettbewerbshandlung setzt die Wechselbeziehung zwischen Handelndem und Betroffenem in dem Sinne voraus, daß der Nachteil des Betroffenen unmittelbar durch das Verhalten des Akteurs hervorgerufen wird. Der in § 1 UWG nicht expressis verbis erwähnte Gläubiger des Unterlassungsbegehrens kann demnach nur der unmittelbar Betroffene sein; es muß sich bei dem Handelnden und dem Betroffenen also um Wettbewerber handeln. Kann Gläubiger (und damit Kläger) des Unterlassungsbegehrens nur der unmittelbar Betroffene sein, dann macht das Wettbewerbsverhältnis über die bereits nachgezeichnete Funktion hinaus deutlich, daß die Wechselbeziehung gerade zwischen Handelndem und Betroffenen bestehen muß, wobei genügend ist, wenn erst bzw. gerade durch die Wettbewerbshandlung die Wechselbeziehung begründet wird 694 . Hier wird die Doppelfunktion des Wettbewerbsverhältnisses also ganz deutlich: Das Wettbewerbsverhältnis dient der näheren Charakterisierung der Wechselbeziehung zwischen Vorteil und Nachteil, die aus einer Handlung resultieren und diese dadurch zur Wettbewerbshandlung machen; insoweit hat das Wettbewerbsverhältnis keine eigenständige Bedeutung und ist verzichtbar. Die weitergehende Funktion liegt in der Bezugnahme auf den Gläubiger, die maßgebende Bedeutung für die Klagebefugnis hat. Hier ist nun die Vorschrift des § 13 Abs. 2 UWG heranzuziehen, insbesondere dessen Nr. 1. Die Bedeutung des § 13 Abs. 2 UWG liegt in der Regelung des Personenkreises, der zur Geltendmachung
692
Ebenso Federer, Wettbewerbsverhältnis, S. 4. GRUR 1988, 173 ff. 694 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 216; Hirtz, GRUR 1988, 173 (177). 693
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
von Ansprüchen auf Unterlassung befugt ist 695 . Dem § 13 Abs. 2 UWG kommt insoweit keine eigenständige materiellrechtliche Bedeutung zu; er gewährt keinen eigenständigen (materiellen) Unterlassungsanspruch, sondern erweitert den Kreis der u.a. nach § 1 UWG Anspruchsberechtigten696. Im Verhältnis zu § 13 Abs. 2 UWG wird nun die Bedeutung des (konkreten) Wettbewerbsverhältnisses deutlich. Klagebefiigt ist - unmittelbar aus § 1 UWG - der unmittelbar durch eine Wettbewerbshandlung nachteilig Betroffene, kurz deijenige, der in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zum Handelnden steht. Klagebefugt kann aber auch deijenige sein, dem in § 13 Abs. 2 UWG die Klagebefugnis ausdrücklich eingeräumt wird. In diesen Fällen wird auch ein Wettbewerbsverhältnis vorausgesetzt - nur muß dieses Wettbewerbsverhältnis nicht mehr unbedingt zwischen Anspruchsteller und Anspruchsgegner bestehen, wie der erweiterte Kreis der Anspruchsberechtigten zeigt697. Für die Anspruchstellung eines der in § 13 Abs. 2 UWG bezeichneten Gläubiger ist vielmehr nur noch " irgendein" Wettbewerbsverhältnis erforderlich 698. Das Erfordernis reduziert sich damit auf ein "abstraktes" Wettbewerbsverhältnis 699. Als Zwischenergebnis läßt sich daher festhalten, daß die Systematik des UWG im Hinblick auf ein Unterlassungsbegehren nach § 1 auf zwei Wegen den Kreis der Anspruchsberechtigten beschränkt und so die Popularklage ausschließt700. Erforderlich ist eine Klagebefugnis, die sich entweder aus einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zwischen Handelndem und Betroffenem oder aus der Gewährung über § 13 Abs. 2 UWG ergibt. Damit wird aber deutlich, daß sich die eigenständige Bedeutung eines Wettbewerbsverhältnisses erst bei der Begrenzung der Klagebefugnis ergibt oder, anders gewendet, eine eigenständige Tatbestandsbedeutung im Sinne einer materiellen Anspruchsvoraussetzung nicht mehr besteht. Die über den schon in der Definition einer Wettbewerbshandlung hinausreichende Bedeutung des Wettbewerbsverhältnisses liegt nur noch in der Klagebefugnis, indem der Kreis der Anspruchsteller eingegrenzt wird 701 .
695
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 13 UWG Rn. 1. Zu der - streitigen - Frage der Einordnung des § 13 UWG als Zulässigkeits- oder Begründetheitsmerkmal vgl. die Nachweise bei Götze, JuS 1996, 59 (62 Fn. 22). 696 Hirtz, GRUR 1988. 173 (174 f.); Kehl, Wettbewerbsrecht, § 30 Rn. 3; a.A. hinsichtlich der materiellrechtlichen Eigenständigkeit von Gamm, UWG, § 13 Rn. 3. 697 Hirtz, GRUR 1988, 173 (178). 698 Köhler, NJW 1992, 137 (142); Wilhelm, ZIP 1992, 1139 (1139). 699 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 225; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 10 Rn. 1. 70 0 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 13 UWG Rn. 2; von Gamm, UWG, § 13 Rn. 3. 70 1 Hirtz, GRUR 1988, 173 (174); Kehl, Wettbewerbsrecht, § 8 Rn. 3; Sack, FS von Gamm, S. 175 f.; noch restriktiver Wilhelm, ZIP 1992, 1139 (1142), der den einzigen
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
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Hat das Merkmal "WettbewerbsverhältnisH eigenständige Bedeutung nur noch fur die Klagebefugnis, genügt fur den Tatbestand und insbesondere fur das Tatbestandsmerkmal "Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs" irgendein Wettbewerbsverhältnis im Sinne der Wechselbeziehung zwischen einer auf den Markt einwirkenden Handlung und der daraus resultierenden Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung eines anderen Marktteilnehmers. Dieses Wettbewerbsverhältnis muß nicht notwendig zwischen Kläger und Gefordertem bestehen702. Es genügt daher ein nur potentielles Wettbewerbsverhältnis, so daß auch Handlungen von Monopolisten703 oder auch Handlungen zur Vorbereitung künftigen Wettbewerbs erfaßt werden können704. Die Bedeutung des Wettbewerbsverhältnisses reduziert sich darauf, daß es für den objektiven Teil der Wettbewerbshandlung nur Verhaltensweisen maßgebend sind, die sich im Wettbewerb nachteilig für einen anderen auswirken705. Nur eine derartige Betrachtungsweise wird dem gewandelten Schutzzweck des UWG gerecht; im Rahmen des wirtschaftlichen Wettbewerbs sind eben längst nicht mehr allein die Beziehungen zwischen unmittelbaren Mitbewerbern Regelungsgegenstand des UWG. Vielmehr sind auch die Interessen der Allgemeinheit (des Wettbewerbs) und der Verbraucher in die Betrachtung miteinzubeziehen 706 . So muß der richtige Ansatz für die Bestimmung der für § 1 UWG relevanten Wettbewerbshandlungen in einer Gesamtschau von Ziel und Zweck des heutigen Wettbewerbsrechts unter Berücksichtigung des modernen Wirtschaftslebens erfolgen 707. Dies bedeutet folgendes: Angesichts der heutigen Aufgabe des UWG, neben dem Schutz der Lauterkeit der individuellen Wettbewerbsverhältnisse zwischen zwei Mitbewerbern auch den Schutz des Wettbewerbs insgesamt und zusätzlich Verbraucherschutz zu gewährleisten, kann eine Wettbewerbshandlung sich nicht in dem Synonym eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses erschöpfen oder durch das zusätzliche Erfordernis eines solchen begrenzt werden. Eine Wettbewerbshandlung ist demnach jedes Verhalten am Markt, das sich beabsichtigt
Anhaltspunkt für das Erfordernis eines Wettbewerbsverhältnisses in § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG sieht. 70 2 J. Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, S. 18, 24; Feder er, Wettbewerb s Verhältnis, S. 255 f., 312 ff.; Hirtz, GRUR 1988, 173 (178). 70 3 Hirtz, GRUR 1988, 173 (178); str., vgl. J. Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, S. 20 ff. 70 4 Kreft, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 11 Rn. 7 m.w.N. 70 3 Federer, Wettbewerbsverhältnis, S. 7, 258, 314; Hirtz, GRUR 1988, 173 (178); Wilhelm, ZIP 1992, 1139 (1141). 70 6 Federer, Wettbewerbs Verhältnis, S. 255 ff., 312 ff.; Hefermehl, FG Kummer, S. 352; Hirtz y GRUR 1988, 173 (178). 70 7 Kehl, Wettbewerbsrecht, § 9 Rn. 8.
330
D. Grenzen der Wettbewerb s freiheit des Staates
nachteilig auf die Wettbewerbsstellung eines Marktteilnehmers auswirkt, u.U. die Benachteiligung auch beim Verbraucher hervorruft 708. Aus der Tatsache, daß es hier nur um Verhaltensweisen im (wirtschaftlichen) Wettbewerb geht, folgt auch, daß ein Wettbewerbsverhältnis im Sinne einer unmittelbaren Wechselbeziehung (Förderung eines Marktteilnehmers und als Kehrseite Nachteil eines anderen) zumindest möglich sein muß 709 . Die Bedeutung des Wettbewerbsverhältnisses hingegen liegt bei der Klagebefugnis. Die Konsequenz für die Untersuchung liegt darin, daß in einer mehrpoligen Beziehung (den hier so bezeichneten "Wettbewerbsverhältnissen") hinsichtlich der Klagebefugnis ein Wettbewerbsverhältnis im Sinne einer Wechselbeziehung zwischen Gefördertem und unmittelbar Betroffenem vorliegen muß - dann ergibt sich die Klagebefugnis aus § 1 UWG - , oder es muß ein Fall der Klagebefugnis(erweiterung) des § 13 Abs. 2 UWG vorliegen, bei der ein abstraktes Wettbewerbsverhältnis, also die bloße Möglichkeit einer Absatzbehinderung710 genügt. Zu beachten ist im Zusammenhang mit der Klagebefugnis nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG die Ergänzung der Vorschrift durch das UWG-Änderungsgesetz vom 25.7.1994 711 . § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG n.F. verlangt von Individualklägern die Erfüllung von zwei weiteren Voraussetzungen, die einschränkende Wirkung haben. Zunächst muß der Kläger seine Waren oder Leistungen "auf demselben Markt" vertreiben, was vor allem eine örtliche Beschränkung bedeutet712. Das zweite neue Merkmal verlangt die Eignung des Verstoßes, "den Wettbewerb auf diesem Markt wesentlich zu beeinträchtigen". Ob damit eine quantitative713 oder eher qualitativ714 zu verstehende Ausgrenzung bestimmter Auswirkungen auf den Wettbewerb verbunden ist, wird die Auslegung in der Praxis zeigen müssen. Jedenfalls ist die Wesentlichkeit in jedem Einzelfall zu prüfen und nur bei potentiellen Wettbewerbsbeeinträchtigungen zu verlangen 715.
708
Vgl. zu einer derartigen Fallkonstellation etwa LG Berlin ArchivPT 1993, 80
(80 f.). 70 9
J. Bauer, Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, S. 20 ff., insbes. S. 23 f., sowie
S. 111. 710
Vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 225. BGBl. I S. 1738. Vgl. zu der Novelle G. Schricker, ZRP 1994, 430 ff.; Vogt, NJW 1995, 2819 (2820, 2824 f.). 712 Amtl. Begr. der BReg., BT-Drs. 12/7345, S. 11; G. Schricker, ZRP 1994, 430 (434). 713 In diese Richtung geht das - soweit ersichtlich - erste Judikat zur neuen Vorschrift, vgl. OLG Hamm MDR 1994, 899 (900). 714 So G. Schricker, ZRP 1994, 430 (434), der die Formulierung als Ausgrenzung der zu Mißbräuchen Anlaß gebenden Bagatellfälle verstanden wissen will. 7,5 Vogt, NJW 1995, 2819 (2825). 711
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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(4) Untersuchung der Fallgruppen auf ein "Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs" In einem nächsten Schritt sind nun wieder die zur Untersuchung stehenden Fallgruppen auf das Vorliegen einer Wettbewerbshandlung zu untersuchen, wobei zwecks besserer Vergleichbarkeit auf die bereits beim "Handeln im geschäftlichen Verkehr" erörterten Beispiele zurückgegriffen wird. Das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses soll - obwohl es kein Tatbestandserfordernis ist - im Hinblick auf die Klagebefugnis ebenfalls geklärt werden. (a) Unmittelbare Konkurrenzsituation: Zwei Verwaltungsträger Das OLG Düsseldorf 16 bejahte bei der Mitgliederwerbung einer öffentlichrechtlichen Ersatzkasse ohne Zögern Wettbewerbshandlung inklusive Wettbewerbsabsicht. Das Handeln stellt sich nach Auffassung des Gerichts als Wettbewerb um Kunden dar; ein "typischer Wettbewerbstatbestand" sei erfüllt. Auch das OLG Celle 717 sieht in einem vergleichbaren Sachverhalt ein "Wettbewerbsverhältnis" als gegeben an - das "Wettbewerbsverhältnis" ist in diesem Urteil wieder einmal Synonym für die Wettbewerbshandlung. Allerdings ordnen beide Gerichte die Wettbewerbsbeziehungen - wie oben gezeigt - unzutreffend dem Zivilrecht zu. Es sei daher an dieser Stelle noch einmal betont, daß der Wettbewerb und diesem folgend das Wettbewerbsrecht neutral sind. Das Konkurrieren öffentlich-rechtlicher Organisationseinheiten und das Bestehen öffentlich-rechtlicher Leistungsbeziehungen zwischen dem jeweiligen Konkurrenten und den Nachfragern erlauben eine eindeutige Zuordnung der Wettbewerbsbeziehung zum öffentlichen Recht. Die knappen Ausführungen der Gerichte zu der Wettbewerbshandlung, insbesondere der Wettbewerbsabsicht, bestätigen die Aussage, daß die Wettbewerbsabsicht bei dem unmittelbaren Konkurrieren von Marktteilnehmern vermutet werden kann. Dies gilt unabhängig von der rechtlichen Organisationsform des Marktteilnehmers oder der Ausgestaltung der Leistungsbeziehungen. Angesichts der unmittelbaren Konkurrenzsituation bereitet auch das Feststellen eines Wettbewerbsverhältnisses in den ersten vier Fallgruppen keine Probleme; der unmittelbare Wettbewerb enthält systembedingt die unmittelbare Wechselbeziehung, daß die Förderung der Wettbewerbsstellung des einen den Nachteil des anderen Marktteilnehmers bedeutet.
716 717
GRUR 1973, 487 (488). WRP 1984, 328 (328).
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Unzutreffend erscheint daher die Entscheidung des OLG Koblenz 718 zu einem gleichen Lebenssachverhalt. Das Gericht leugnet nicht eine Art Wettbewerb, verneint aber ein "Wettbewerbsverhältnis im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb" mangels Gewinnstrebens. Zwar ist daran richtig, daß Gewinnstreben regelmäßig nicht der bestimmende Antriebsgrund fur das Handeln eines Verwaltungsträgers ist und angesichts der Verpflichtung auf das Gemeinwohl auch nicht sein kann719. Jedoch verkennt das Gericht zweierlei: Bei staatlicher Wettbewerbsteilnahme ist das privatnützige Interesse an Gewinnerzielung bzw. Profìtmaximierung einem öffentlichen Zweck gewichen - Gewinnerzielung ist u.U. lediglich notwendiges Zwischenziel zur mittelbaren Erfüllung des öffentlichen Zwecks. Zum anderen ist eine Gewinnerzielungsabsicht unerheblich im Hinblick auf die Wettbewerbsabsicht. Das "Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs" und konkret die Wettbewerbsabsicht werden dadurch nicht ausgeschlossen; die konkrete Zielsetzung, sich am Wettbewerb zu beteiligen, genügt720. Die Werbung um neue Mitglieder bzw. Kunden ist nicht nur objektiv geeignet, die Vertragsabschlüsse bei der handelnden Krankenkasse zum Nachteil der konkurrierenden Krankenkasse zu fördern, sondern impliziert auch die Absicht, sich in eben diesem Wettbewerb zu behaupten. Anders als ein Teil der Zivilgerichte hat das Bundessozialgericht 721 die Bestandteile der Wettbewerbshandlung bei der Mitgliederwerbung zwischen Ersatzkasse und Allgemeiner Ortskrankenkasse sorgfaltig herausgearbeitet: Zunächst stellt das Gericht das Spannungsfeld zwischen dem Vorteil des Werbenden und dem Nachteil des Konkurrenten und damit die objektive Wettbewerbseignung der Werbung dar. Die Wettbewerbsabsicht wird dadurch festgestellt, "daß (...) Werbetätigkeit (...) darauf gerichtet ist, beitrittsberechtigte Versicherte dazu zu bewegen, anstelle der gesetzlich - also ohne ihr Zutun - zustande gekommenen Mitgliedschaft bei einer gesetzlichen Krankenkasse diejenige bei einer Ersatzkasse zu wählen".
(b) Unmittelbare Konkurrenzsituation: Verwaltungsträger bzw. öffentliches Unternehmen und Privater Diese Fallgruppe ist nach den vorstehenden Ausführungen unproblematisch. So beschränkt sich der Bundesgerichtshof 22 in seinem Urteil zu den Brillen-
7,8
WRP 1985, 358 (359 f.). Ebenso BSGE 36, 238 (240 f.). 72 0 BGHZ 82, 375 (395); BGH NJW 1974, 1333 (1333); Baumbach/Hefermehl, bewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 232. 72 1 BSGE 56, 140 (143). 72 2 BGHZ 82, 375 (395). 719
Wett-
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
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selbstabgabestellen der Allgemeinen Ortskrankenkassen auf die Feststellung, daß die beklagte AOK mit den freiberuflich tätigen Augenoptikern um Brillenaufträge konkurriert. Deutlich herausgestellt wird lediglich, daß ein Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht der Annahme eines "Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs" nicht entgegensteht. Der VGH Mannheim 723 sieht die Wettbewerbshandlung als offensichtlich gegeben an und beschränkt sich auf den Hinweis, daß die angegriffene Verkaufstätigkeit der Stadt im Bereich des Bestattungswesens "auf dem Gebiet des Wettbewerbs" erfolge. Das LG Stuttgart 724 übergeht dieses Kriterium hinsichtlich des neuartigen Dienstleistungsangebots der Postbank völlig, da weder objektive Wettbewerbseigung noch Wettbewerbsabsicht einem Zweifel unterliegen können. Anzumerken ist noch, daß die Wettbewerbsabsicht bei der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates als Zwischenziel genügt. Allein anzustrebendes Endziel muß allerdings der öffentliche Zweck sein, auf den der staatliche Akteur verpflichtet ist, und der wohl nur in Fällen eines monopolistischen Marktes mit der Wettbewerbsabsicht zusammenlallt, wenn nämlich der Aufbruch der monopolistischen Strukturen bezweckt ist. Dies verkennt das OLG Karlsruhe 72 5, wenn es die Wettbewerbsabsicht stets dann verneinen will, "soweit eine Körperschaft des öffentlichen Rechts durch ihr Handeln allein eine ihr gesetzlich obliegende Pflicht zu erfüllen trachtet. " Die Wettbewerbsabsicht ist hier notwendiges Antriebsmoment auf dem Weg zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe. Aufgrund seiner Wirtschafts- und Wettbewerbsfreiheit besitzt der Staat die Möglichkeit, seine Aufgaben im Wettbewerb oder mit Hilfe des Wettbewerbs zu erfüllen. Wettbewerbsabsicht und Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe sind keine Gegensatzbegriffe; sie schließen sich nicht aus, sondern können vielmehr gleichzeitig und nebeneinander bestehen. Die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe muß aber der "Endzweck" sein; die Wettbewerbsabsicht wird hingegen regelmäßig nur Mittel zum Zweck sein - was nach der These des Gerichts gar nicht möglich wäre.
(c) Unmittelbare Konkurrenzsituation: Öffentliches Unternehmen in privatrechtlicher Organisationsform und Privater Auch die Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft ist objektiv geeignet, die Baunachfrage zu Lasten anderer Bauunternehmer an die neue Ge-
723
GewArch. 1969, 141 (142). DZWiR 1993, 80 (82). 725 WRP 1983, 223 (224). Die Lösung hätte hier im Rahmen des Tatbestandsmerkmals "Sittenwidrigkeit" erfolgen müssen, wäre dort aber vom Ergebnis her ebenso zugunsten eines Überwiegens des öffentlichen Interesses ausgefallen. 724
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
sellschaft umzulenken, und erfolgt in der entsprechenden Wettbewerbsabsicht726. Die Beteiligung einer Landwirtschaftskammer, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, an einer Ausstellungs-GmbH stellt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs 727 ebenfalls eine Wettbewerbshandlung dar: Die Beteiligung ist objektiv wettbewerbsgeeignet, weil die Unterstützung der Ausstellungs-GmbH durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft "werbungsmäßiges Ansehen" mit sich bringe. Auf die Wettbewerbsabsicht wird bereits aus einer Verlautbarung über die unterstützende Mithilfe im Amtsblatt der Landwirtschaftskammer geschlossen. Damit sieht der Bundesgerichtshof die Absicht, die AusstellungsGmbH zu unterstützen und deren Wettbewerbslage zu fordern, als bewiesen an. Zwar erkennt das Gericht die Zielsetzung der Landwirtschaftskammer an, mit der Beteiligung eine wirksame Durchsetzung ihrer hoheitlichen Aufgaben sicherzustellen, doch betont es gleichzeitig, daß die Wettbewerbsabsicht mitnichten alleinbestimmend für den Handelnden sein muß, solange die Wettbewerbsabsicht nicht völlig hinter sonstigen Beweggründen zurücktritt. Interessant an diesem Urteil ist, daß der öffentliche Zweck, den die Landwirtschaftskammer zu verfolgen hat 728 , seitens des Bundesgerichtshof stillschweigend als Geschäftszweck anerkannt wird. Der öffentliche Zweck vermag allerdings nicht die Wettbewerbsabsicht zu überlagern, sondern kann neben dieser bestehen; beide schließen sich als Handlungsmotivation nicht aus. Die Wettbewerbsabsicht wird dabei in der Regel das Zwischenziel auf dem Weg zur ordnungsgemäßen, wenn nicht häufig sogar optimalen Erfüllung der öffentlichen Aufgabe sein. Zu dem gleichen Ergebnis gelangte das OLG Karlsruhe 729 hinsichtlich der Beteiligung einer städtischen Verkehrsgesellschaft an einem mit privaten Speditionsfirmen gegründeten Speditionsunternehmen. Durch die Beteiligung sowie die Überlassung eines Grundstücks und die Übernahme einer Ausfallbürgschaft sah das Gericht der neuen Transportgesellschaft eine günstige Ausgangsposition im
726
Vgl. VGH Mannheim NJW 1984, 251 (253). GRUR 1964, 210 (212). 728 Im referierten Fall ergab sich die öffentliche Aufgabe aus § 2 Errichtungsgesetz der Landwirtschaftskammer Bremen - LwKG - v. 20.3.1956, BremGBl. S. 13. Die Landwirtschaftskammer hat die Aufgabe, im Einklang mit den Interessen der Allgemeinheit die Landwirtschaft und die in ihr Berufstätigen in fachlicher Hinsicht zu fördern und ihre fachlichen Belange wahrzunehmen. Des weiteren gehörten die landwirtschaftliche Wirtschaftsberatung, Wirtschaftsbetreuung, Beratung der Landwirtschaft und Werbung für alle der Produktionssteigerung dienenden Maßnahmen zum Aufgabenkatalog der Landwirtschaftskammer. 729 BB 1976, 101 (102). 727
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Wettbewerb verschafft. Die Wettbewerbsabsicht der beklagten Stadt bejahte das Gericht mit der Erwägung, daß die Maßnahmen dazu bestimmt seien, die neue Transportgesellschaft und damit die stadteigene Verkehrsgesellschaft "gegenüber den übrigen Unternehmen zu fordern und ihren Anteil am Speditionsaufkommen zu sichern und zu vergrößern". Auch hier mag zwar die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe, erwünschte verkehrspolitische Auswirkungen einer Zusammenfassung der Transportunternehmen zu erreichen, für das Handeln bestimmend gewesen sein. Die Wettbewerbsabsicht in Form der Umsatzförderung für die neue Transportgesellschaft trat aber nicht als völlig nebensächlich hinter der öffentlichen Aufgabe zurück.
(d) Unmittelbare Konkurrenzsituation: Kunde begehrt Unterlassung Eine Wettbewerbshandlung verneinte das LG Berlin 730 bei der Versendung der "Postbank Card" von Seiten der Postbank an ihre vertraglich verbundenen Kunden. Hier fehlte es bereits an der objektiven Eignung zur Absatzförderung. Der Versand erfolgte lediglich im Rahmen bestehender Vertragsverhältnisse, eine Eignung der Versendung an Kunden zur Werbung von neuen Kunden kann fast ausgeschlossen werden. Es lag damit nur ein Handeln im geschäftlichen Verkehr vor, nicht aber eine Wettbewerbshandlung. Wäre es allerdings nicht um das bestimmte Verfahren bei der Übersendung der neuen "Postbank Card" gegangen, sondern um die erstmalige Ausgabe derartiger Karten, mithin das "Ob" einer derartigen Ausgabe, wäre die Eignung, den Absatz der eigenen Dienstleistung zum Nachteil von Konkurrenten zu fördern, gegeben. Passender ist daher die Übersendung von Werbebeilagen zusammen mit der Versendung der (damaligen) Postgirobriefe, mit denen sich das VG Hannover 731 , das OVG Lüneburg 732 und schließlich das Bundesverwaltungsgericht zu beschäftigen hatten, wobei die Fälle allerdings nicht über § 1 UWG gelöst wurden. Das Mitversenden von Werbebeilagen ist objektiv wettbewerbsgeeignet, und die Absicht, den eigenen Wettbewerb zum Nachteil anderer Werbeträger dadurch zu fördern 734, daß auch potentielle Werbekunden an die Vorzüge einer
730
ArchivPT 1993, 80 (80 f.). NJW 1986, 1630 (1631). 732 NJW 1988, 1867 (1868). 733 BVerwGE 82, 29 (34). 734 Die Absicht, den Wettbewerb des werbenden Unternehmens zu fordern, kann zusätzlich noch vorliegen. Hier ist aber genau zu untersuchen, ob eine Wettbewerbsförderungsabsicht vorliegt oder ob nur eine Verbesserung der Wettbewerbsstellung des Werbekunden in Kauf genommen wird; das bloße Bewußtsein der Förderung genügt bekanntlich nicht. Die Rechtsprechung legt allerdings in derartigen Fällen eine tatsäch731
733
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Werbung mittels Postgirobeilage erinnert werden, liegt nahe. Die Problematik entspricht in etwa deijenigen der Werbetätigkeit der Massenmedien, bei der wenigstens die eigene Wettbewerbsforderungsabsicht mittlerweile anerkannt sein dürfte 735. Hinsichtlich der Klagebefugnis aus § 1 UWG würde es in dieser Konstellation aber an einem konkreten Wettbewerbsverhältnis des die Werbesendung übermittelnden Postgiroamtes zum Unterlassung begehrenden Kunden fehlen, nicht aber an einer potentiellen oder aktuellen Wettbewerbsbeziehung zu anderen Werbeträgern.
(e) Verwaltungsträger beeinflußt Wettbewerbsstellung des Unternehmers durch Einflußnahme auf Kunden Bei der abwertenden Äußerung eines Vorstandsmitglieds einer Handwerksinnung des Augenoptikerhandwerks über die Garantiegewährung eines Konkurrenten der von ihm vertretenen Augenoptiker hat der Bundesgerichtshof 36 die objektive Wettbewerbseignung der umstrittenen Äußerung nicht weiter untersucht; diese darf auch unproblematisch unterstellt werden. Der Bundesgerichtshof hat nur ein "Wettbewerbsverhältnis um den Abschluß von Verträgen mit den Kassen" zwischen dem Kläger und den von dem Landesinnungsmeister vertretenen Innungsmitgliedern festgestellt, um dann die Wettbewerbsabsicht zu problematisieren. Es bestätigt sich die bereits erwähnte Leitlinie, daß in derartigen Konstellationen keine Vermutung für die Wettbewerbsabsicht besteht, diese vielmehr sorgfaltig herausgearbeitet werden muß. Dies erfordert ausführliche tatrichterliche Feststellungen, die dem Bundesgerichtshof im Falle des Landesinnungsmeisters fehlten. Es bedurfte vielmehr genauerer Ausführungen, inwieweit die umstrittene Äußerung standespolitischen Interessen, also der Verfolgung seiner öffentlichen Aufgabe diente oder Ausdruck einer Wettbewerbsabsicht (hier: Förderung fremden Wettbewerbs) war. Die Auskunft von Bestattungsordnern einer Stadt gegenüber den Hinterbliebenen eines Sterbefalles, für die Vorbereitungen der Bestattung stünden die Bestattungsordner der Stadt zur Verfügung, erfüllt hingegen ohne aufwendige Un-
liehe Vermutung zugrunde, daß der Handelnde nicht nur das eigene Werbegeschäft, sondern auch den Wettbewerb des Auftraggebers unterstützen will, vgl. BGH GRUR 1973, 201 (204); GRUR 1990, 1012 (1013). 735
Vgl. jüngst BGH GRUR 1992, 518 (520), zur Nennung eines Sponsors in einer redaktionellen Fernsehsendung über ein bestimmtes Ereignis durch eine öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 239; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 8 Rn. 11. 736 GRUR 1985, 1063 (1064).
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tersuchung die Kriterien einer Wettbewerbshandlung. Die Auskunft ist geeignet, die Nachfrage nach Bestattungsleistungen der Stadt zum Nachteil privater Bestattungswirtschaftsbetriebe zu fordern. Die darauf gerichtete Wettbewerbsabsicht unterliegt hier ebenfalls keinen Bedenken. Die gleichzeitige Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe der " Daseinsvorsorge " ändert angesichts des möglichen Nebeneinanders von Wettbewerbsabsicht und dem Willen zur öffentlichen Aufgabenerledigung nichts an der Beurteilung als Wettbewerbshandlung, hat aber noch wichtige Konsequenzen bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit. Die Nennung eines privaten Bestattungsunternehmers als "Bereitschaftsdienst" auf dem Anrufbeantworter einer Gemeinde außerhalb der Dienstzeiten ist ebenfalls objektiv geeignet, den Wettbewerb zu beeinflussen, hier durch Förderung fremden Wettbewerbs (des privaten Bestattungsunternehmers) zu Lasten des Wettbewerbs der privaten Konkurrenten 737. Das OLG München vermutete insoweit auch das Vorliegen der Wettbewerbsabsicht738. Dies begegnet zwar nicht im Ergebnis, wohl aber in der Vorgehensweise Bedenken. Da es sich nicht um (eigene) wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinde handelte, muß die Wettbewerbsabsicht nach hier vertretener Auffassung exakter untersucht werden 739. Sie ergibt sich im Ergebnis daraus, daß die Gemeinde mit dem auf dem Anrufbeantworter genannten Unternehmen einen Vertrag über die Erledigung von Bestattungsaufträgen geschlossen hatte und mithin aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung ein erhebliches Interesse daran hatte, daß auch außerhalb der Dienstzeiten Bestattungsaufträge möglichst unmittelbar an das Vertragsunternehmen gelangten. Maßgebender Beweggrund war demnach das (öffentliche) Interesse an der einfachen, effizienten Erledigung der an sich eigenen Aufgaben; die Wettbewerbsförderungsabsicht tritt nur als insoweit notwendige Begleiterscheinung hinzu und hätte daher einiger Worte mehr bedurft. Der Fall wäre anders bzw. hinsichtlich der Wettbewerbsabsicht deutlicher zu beurteilen, wenn kein Vertrag zwischen Gemeinde und Bestattungsunternehmen bestanden hätte: Die Nennung auf dem Anrufbeantworter wäre dann als "Realsubvention" zu werten; die "Wettbewerbs(förderungs)absicht" würde dann noch deutlicher zutage treten 740.
737
OLG München WRP 1988, 194 (194). OLG München WRP 1988, 194 (194). 739 Ebenso das Revisionsurteil, BGH GRUR 1990, 463 (464). Aufgrund der insoweit nicht getroffenen besonderen Feststellungen hat der BGH das Urteil aufgehoben und an das OLG München zurückverwiesen. 740 Konsequenz wäre dann auch eine Einordnung in Fallgruppe IV (Verwaltungsträger beeinflußt durch begünstigende hoheitliche Maßnahme gegenüber Mitbewerber die Wettbewerbsstellung des Unternehmers). 738
22 Schliesky
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
Schwieriger ist in dieser Fallgruppe die Beurteilung von staatlichen Warnungen und Empfehlungen. Wenn eine Industrie- und Handelskammer bei Nachfragen gründungswilliger, zukünftiger Unternehmer hinsichtlich eines Beraters fur Existenzgründungsprogramme nur ihr geeignet erscheinende Berater benennt741, ist dieses Verhalten objektiv geeignet, den "Absatz" der benannten zum Nachteil des nicht benannten Beraters zu fördern. Problematisch ist auch hier die Wettbewerbsabsicht, denn die Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit wurde nicht unmittelbar bezweckt742, wenn auch Zweifel seitens der Industrie- und Handelskammer an der Geeignetheit des ausgeschlossenen Beraters bestanden743. Jedoch ist die Absicht, dem benannten Berater zu einem Auftrag des Nachfragers zu verhelfen, eindeutig. Hinzu kommt hinsichtlich der nicht genannten Berater eine Nachteilszufugungsabsicht - eine Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich 744: "Die Beklagte will, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, durch die Nichtbenennung der ihr ungeeignet erscheinenden Beratungsunternehmen diese von den Berateraufträgen fernhalten, um das Ansehen der Wirtschaftsberater in der Bevölkerung zu erhalten, und im Interesse potentieller Auftraggeber sowie im öffentlichen Interesse an der effektiven Vergabe öffentlicher Mittel ihrer Auffassung nach schlechte Beratungsleistungen verhindern. " 7 4 5 An diesem Zitat wird deutlich, daß die Wettbewerbsabsicht hier jedenfalls nicht als völlig nebensächlich hinter die Beratungsabsicht und damit hinter die Aufgabenerfullungsabsicht zurücktritt. Auch die Veröffentlichung einer Liste DEG-haltiger Weine durch den Bundesminister fur Jugend, Familie und Gesundheit746 ist objektiv geeignet, den Absatz eines in der Liste nicht genannten Winzers zum Nachteil desjenigen eines in der Liste aufgeführten Winzers zu fordern. Bedenken bestehen aber hinsichtlich der Wettbewerbsabsicht: Nicht zu widerlegen ist jedenfalls die Absicht, den Absatz des genannten Weinherstellers möglichst auf Null zu bringen. Unerheblich ist dabei, daß diese Absicht nur "notwendiges Zwischenziel " auf dem Weg zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe "Schutz der Volksgesundheit" ist. Es müßte von dem warnenden Staatsorgan aber auch die Förderung eines unbelasteten Herstellers beabsichtigt sein. Nötig ist eine
741
Sachverhalt von BVerwGE 89, 281 ff. BVerwGE 89, 281 (283). Aus diesem Grund lag kein unmittelbarer, sondern nur ein mittelbarer Eingriff in das Grundrecht der Wettbewerbsfreiheit vor. 743 BVerwGE 89, 281 (281). 744 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 232. 745 BVerwGE 89, 281 (284). 746 BVerwGE 87, 37 (39). 742
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Förderungsabsicht, das bloße Bewußtsein der Förderung genügt nicht 747 . Und an dieser Förderungsabsicht fehlt es in diesem Fall. Die Absicht des Ministers, den Absatz einer bestimmten Gruppe von Winzern zu fordern - wenigstens als nicht völlig unbeachtliches Nebenziel - kann nicht vermutet werden, und fur einen exakten Nachweis fehlt es an hinreichenden tatsachlichen Anhaltspunkten. Das Vorliegen einer Wettbewerbsabsicht könnte aber anders beurteilt werden, wenn beispielsweise der Landwirtschaftsminister die Warnung ausgesprochen hätte, um nicht primär den Schutz der Bevölkerung zu erreichen, sondern um "schwarze Schafe" zugunsten der ordnungsgemäß agierenden Winzer zu eliminieren. Die letzten beiden Beispiele zeigen deutlich, wie hinsichtlich der Wettbewerbsabsicht in dieser Fallgruppe exakt zu arbeiten und zwischen primärer Wettbewerbsverhinderungs- und Wettbewerbsförderungsabsicht zu unterscheiden ist. Die Wettbewerbsabsicht ist dabei jeweils Tatfrage, die objektive Wettbewerbseigung hingegen Rechtsfrage 748. Kann die Wettbewerbsabsicht bejaht werden, so besteht in dieser Fallgruppe aber problemlos das fur die Klagebefugnis geforderte Wettbewerbsverhältnis.
(f) Verwaltungsträger beeinflußt durch hoheitliche Maßnahme gegenüber einem privaten Unternehmer dessen Wettbewerbsstellung In dieser Fallgruppe ist bereits das "Handeln im geschäftlichen Verkehr" im Zweifel genauer zu untersuchen749. Liegt ein solches vor, wird regelmäßig nur noch die Wettbewerbsabsicht näher zu untersuchen sein. So ist in dem einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs 750 zugrundeliegenden Sachverhalt die Bevorzugung des öffentlichen Rettungsdienstes bei der Kostenerstattung durch vereinfachte Abrechnung objektiv geeignet, den Umsatz des öffentlichen Rettungsdienstes zum Nachteil des privaten Krankentransportunternehmers zu fördern. Der Bundesgerichtshof führt zutreffend aus, daß die abrechnende AOK ihre Versicherten durch das lästigere Kostenerstattungsverfahren von der Beauftragung des privaten Krankentransportunternehmens abschreckt. Auch an der Wettbewerbsabsicht ist nicht zu zweifeln, denn der Wunsch nach vermehrter Benutzung des geförderten öffentlichen Krankentransporteurs zum Nach-
747
BGH GRUR 1981, 658 (660); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 232. 748 BGH GRUR 1982, 234 (235); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 232. 749 S.o. das Beispiel OLG Stuttgart WRP 1991, 531 (533). 750 NJW 1991, 2963 (2966).
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
teil des privaten Unternehmers wird bei der Einführung eines unterschiedlichen, für den Privaten komplizierteren Abrechnungsverfahrens sehr deutlich. Die beklagte AOK hat den Wunsch nach einer Verlagerung der Krankentransporte von privaten Unternehmern hin zu öffentlichen Krankentransportdiensten auch unumwunden eingeräumt und mit einer für sie günstigeren Gesamtkostenabrechnung begründet751. Das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses ist bei der Förderung fremden Wettbewerbs nicht zweifelhaft. Das Handeln des niedersächsischen Finanzministers in dem Sachverhalt des unter dem Stichwort "Gebäude-Feuerversicherungsanstalt" bekanntgewordenen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts 752 stellte ebenfalls eine Wettbewerbshandlung dar. Die erteilte Genehmigung war objektiv geeignet, den Wettbewerb der bisherigen Gebäude-Feuerversicherungsanstalt nun auch bei der Mobiliarfeuerversicherung zu fördern, zu der sie mittels der Genehmigung zugelassen wurde. Bedenken könnte allenfalls die Wettbewerbsabsicht des die Genehmigung erteilenden Ministers unterliegen. Berücksichtigt man, daß - wie schon mehrfach betont - die Wettbewerbsabsicht nicht alleiniger und wesentlicher Beweggrund sein muß 753 und die Förderungsabsicht auch nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß der Wettbewerb erst künftig aufgenommen wird 754 , wie es bei der Feuerversicherungsanstalt der Fall war, treten die Bedenken zurück. Es gilt zwar keine Vermutung, doch zeigt die Genehmigungserteilung den Willen, ein Nebeneinander von öffentlichen und privaten Feuerversicherern, eben einen Wettbewerb zwischen beiden Arten zu erreichen. Dieser "Wille zum Wettbewerb" muß nicht ausdrücklich seitens des beklagten Ministers geäußert werden, sondern kann bereits mittels historischer Auslegung dem § 32 des Preußischen Gesetzes betreffend die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten 755 entnommen werden, wie es das Gericht auch getan hat 756 , ohne allerdings auf § 1 UWG abzustellen. Daraus ergibt sich ein neuer Gedanke hinsichtlich der Feststellung der Wettbewerbsabsicht bei wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit: Ist die Wettbewerbsabsicht dem handelnden Verwaltungsträger vom Gesetzgeber bereits vorgegeben worden, so gilt bei der konkret umsetzenden Verwaltungshandlung ebenfalls eine Vermutung für die Wettbewerbsabsicht, sofern sie dem gesetzlichen Auftrag oder der Zuständigkeit nur wenigstens im Wege der Auslegung zu entnehmen ist.
75 1
BGH NJW 1991, 2963 (2966). BVerwGE 17, 306 ff. 75 3 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 234. 75 4 BGH GRUR 1955, 342 (344 f.); GRUR 1961, 535 (537); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 232. 755 G. v. 25.7.1910, GS S. 241. 75 6 BVerwGE 17, 306 (309 f.). 75 2
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Der Ausschluß bestimmter privater Unternehmer von einer Subventionsbe: treuertätigkeit durch den Erlaß von Subventionsrichtlinien ist - wie das BundesVerwaltungsgericht 757 anhand der Auswirkungen feststellte - objektiv wettbewerbsgeeignet. Da der Erlaß der Subventionsrichtlinien bezweckt, daß die namentlich genannten Unternehmen als Subventionsbetreuer genommen werden sollen, und es gleichzeitig Sinn der Richtlinien ist, andere Unternehmen von der Tätigkeit als Betreuer auszuschließen758, kann die Wettbewerbsabsicht nicht fraglich sein. Ein (konkretes) Wettbewerbsverhältnis besteht ebenfalls, weil die Subventionsbetreuer unmittelbare Konkurrenten sind und die Richtlinien den Wettbewerb der genannten Unternehmen zum Nachteil der nicht genannten fördern.
(g) Verwaltungsträger beeinflußt durch begünstigende hoheitliche Maßnahme gegenüber Mitbewerber die Wettbewerbsstellung des Unternehmers Typisches Beispiel für diese Fallgruppe ist die Subventionierung. Die finanzielle Unterstützung eines Wettbewerbers durch den Staat stellt ein Verhalten dar, die Wettbewerbsfähigkeit, die Wettbewerbsstellung und damit wenigstens mittelbar den Absatz des geförderten Wettbewerbers zum Nachteil des nicht geforderten Wettbewerbers zu fördern. Genau darauf ist auch die Absicht des subventionierenden staatlichen Organs gerichtet, so daß bereits der Magistratsbeschluß über die Subventionierung eines Anzeigenblattes die Kriterien einer Wettbewerbshandlung erfüllt 759. Ein Wettbewerbsverhältnis ist hier unproblematisch; dessen Vorliegen wird bereits bei einem Hinweis auf die hier einschlägige Konstellation einer Konkurrentenklage im öffentlichen Recht deutlich. Eine Wettbewerbshandlung liegt auch bei der brieflichen Aufforderung des Präsidenten einer Handwerkskammer an seine Kollegen, sich bei den ihnen unterstellten Handwerksinnungen zugunsten der Innungskrankenkassen zu verwenden, vor, wie der Bundesgerichtshof 60 und das OLG Karlsruhe 761 zutreffend dargelegt haben. Die betreffenden Äußerungen waren objektiv geeignet, "die Handwerksinnungen über die angeschriebenen Präsidenten der Handwerkskammern im Sinne der Gründung neuer Innungskrankenkassen oder der Erweiterung des
75 7
BVerwGE IS, 109 ff. BVerwGE 75, 109 (115). 75 9 OLG Frankfurt NVwZ 1993, 706 (707). S. auch OLG Stuttgart (102); Köhler/Piper, UWG, § 1 Rn. 234. 76 0 BGH GRUR 1986, 905 (907). 761 WRP 1984, 340 (343 f.). 758
WRP 1980, 101
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
Bezirks bereits bestehender zu beeinflussen und damit zugunsten des Wettbewerbs der Innungskrankenkassen und zum Nachteil der Ortskrankenkassen diese in ihrem Mitgliederbestand und Beitragsaufkommen zu schmälern h762. Hinsichtlich der Wettbewerbs(förderungs)absicht gingen die Gerichte davon aus, daß dem beklagten Präsidenten die objektive Bedeutung seiner Erklärungen bewußt war und daß er, berücksichtigt man Art und Inhalt seiner Ausführungen, die von seinen Äußerungen hervorgerufenen Auswirkungen zugunsten der Förderung der Innungskrankenkassen auch beabsichtigt hatte763. Ohne Bedeutung ist dabei, daß die Äußerung nicht unmittelbar auf die Förderung fremden Wettbewerbs gerichtet war, indem der beklagte Kammerpräsident zur Umsetzung seiner Vorstellungen erst andere Kammerpräsidenten einschalten mußte und wollte. Ausreichend ist vielmehr bereits die Eignung und Bestimmung, mittelbar auf den Wettbewerb Einfluß zu nehmen764. Das Wettbewerbsverhältnis schließlich besteht aufgrund der unmittelbaren Konkurrenzsituation zwischen Innungskrankenkassen und Allgemeinen Ortskrankenkassen.
(5) Ergebnis Die Wettbewerbshandlung erweist sich als strengerer "Filter" bei der Beurteilung wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit als das Merkmal "Handeln im geschäftlichen Verkehr". Die objektive Wettbewerbseigung wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit zu bejahen, bereitet in der Regel keine Probleme. Dies verwundert angesichts des hier vertretenen Verständnisses von wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit nicht weiter. Schwierigkeiten können allenfalls bei der Prüfung einer Wettbewerbsabsicht auftreten. Diese Schwierigkeiten sind allerdings von der untersuchten Fallgruppe abhängig. Treten staatliche Einheiten wie private Gewerbetreibende in den Wettbewerb ein, liegt die Wettbewerbsabsicht regelmäßig vor. Ihr Vorliegen darf dann auch wie im Wettbewerb zwischen Privaten vermutet werden; das Nichtvorliegen bedarf eines gesonderten Nachweises. Anders als im Wettbewerb zwischen Privaten, weil dort nicht möglich, spricht auch eine Vermutung für die Wettbewerbsabsicht, wenn diese vom Gesetzgeber mit der gesetzlichen Festlegung eines öffentlichen Zwecks gleichsam
76 2
BGH GRUR 1986, 905 (907); so zuvor auch OLG Karlsruhe
WRP 1984, 340
(343 f.). 76 3 76 4
(343).
BGH GRUR 1986, 905 (907); OLG Karlsruhe WRP 1984, 340 (344). BGH WRP 1960,157 (160); DB 1980, 582 (582); OLG Karlsruhe WRP 1984, 340
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vorgeschrieben wird, wie es etwa § 4 Abs. 1 S. 5 PostVerfG a.F. tat. Diese Vorschrift zeigte mit ihrer gleichzeitigen Festlegung auf die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben auch, daß das Nebeneinander von öffentlicher Aufgabenerffillung und Wettbewerbsabsicht unproblematisch ist, da die Wettbewerbsabsicht nicht der alleinige und bestimmende Beweggrund fur das Handeln sein muß.
dd) "Verstoß gegen die guten Sitten" Die letzte Tatbestandsvoraussetzung des § 1 UWG setzt einen "Verstoß gegen die guten Sitten" bzw. - kurz gefaßt - die "Sittenwidrigkeit" der betreffenden Wettbewerbshandlung voraus. Tauchten bei der Behandlung der untersuchten Tatbestandsmerkmale bereits einige Probleme auf, so läßt sich mit Recht behaupten, daß hinsichtlich der Sittenwidrigkeit fast alles streitig ist 765 . Es spiegeln sich bei dem Umgang mit diesem Tatbestandsmerkmal die Probleme wider, die bereits zuvor angeklungen sind, wie etwa die Frage nach dem Schutzzweck des UWG oder den einzubeziehenden Schutzsubjekten766. Vor allem aber bereitet der Begriff der "guten Sitten" selbst Probleme 767. Im Rahmen dieser Untersuchung können wiederum nur die wesentlichen Leitlinien nachgezeichnet und die Besonderheiten eines Öffentlichen Wettbewerbsrechts herausgearbeitet werden.
(1) Maßstab Der Bestandteil des Tatbestandsmerkmals "Verstoß gegen" ist unproblematisch und erklärt sich von selbst. Bei den "guten Sitten" hingegen handelt es sich um einen auslegungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff 768. Um eine rechtspraktische Anwendbarkeit zu gewährleisten, bedarf es einer Definition des Begriffes 769. Ausgangspunkt dieser Bemühungen war die Definition der "guten Sitten" in den Materialien zum BGB 770 : "...; ein Mißbrauch ist es aber, wenn seine Hand-
76 5
Nordemann, GRUR 1975, 625 (625). Vgl. nur van Dorp, S. 2, 108 ff.; Sack, GRUR 1970, 493 (493 f.). 76 7 Van Dorp, S. 1; Mayer-Maly, JuS 1986, 596 (597 f.); Nordemann, GRUR 1975, 625 (625). 76 8 BVerfGE 32, 311 (318); van Dorp, S. 1; Hirtz, GRUR 1986, 110 (110 f.); Vogt, Lexikon des Wettbewerbsrechts, S. 285. 769 Zu den methodischen Fragen hinsichtlich der "guten Sitten" in § 1 UWG vgl. Hirtz, GRUR 1986, 110 ff. 77 0 Mugdan, Motive, Bd. II, S. 727. 766
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
lungsweise den in den guten Sitten sich ausprägenden Auffassungen und dem Anstandsgefühle aller billig und gerecht Denkenden widerspricht. " Diese Formel wurde von der Rechtsprechung aufgegriffen und in ständiger Praxis verwandt 771 . Später setzte sich dann die Auffassung durch, daß der Inhalt der "guten Sitten" in § 1 UWG nicht gleichbedeutend mit dem in §§ 138, 826 BGB ist 772 . Vielmehr erfolgte nun ein Abstellen auf das "Anstandsgefühl des verständigen Durchschnittsgewerbetreibenden" 773. Unter - heute der herrschenden Meinung entsprechenden - Einbeziehung weiterer Schutzsubjekte neben den unmittelbar beteiligten Wettbewerbern wie etwa den Verbrauchern und der Allgemeinheit findet sich heute häufig auch ein Abstellen auf die beteiligten Verkehrskreise und deren Anstandsgefühl 774. Die Arbeit mit der skizzierten Definition ist seit jeher heftiger Kritik ausgesetzt gewesen. Hingewiesen wird vor allem auf die große Unbestimmtheit der Definition und die schwierige tatsächliche Nachprüfbarkeit ihrer Bestandteile 775 . In der Rechtsprechung lassen sich in der Tat keine Versuche finden, eine gerichtsfeste und gerichtseinheitliche Definition des "verständigen Durchschnittsgewerbetreibenden" oder des "Anstandsgefühls" zu entwickeln; stattdessen rettet man sich in Fallgruppen, die das Reichsgericht und den Bundesgerichtshof im Laufe der Jahrzehnte entwickelt haben. Dieser Befund führt in der Literatur zur Bewertung als "unbrauchbar" 776 bzw. zur überspitzten Definition "... gegen die guten Sitten verstößt, was dem Anstandsgefühl des zuständigen BGH-Senats zuwiderläuft" 777.
771
Etwa RGZ 48, 114 (124); 80, 219 (221); 150, 1 (5); BGHZ 10, 228 (232); 17, 327 (332). Zur Entwicklung vgl. den Überblick bei Nordemann, GRUR 1975, 625 (625 ff.). 77 2 BGH GRUR 1990, 522 (528); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 69; Kehl, Wettbewerbs recht, § 13 Rn. 2; Köhler/Piper, UWG, Einf., Rn. 177; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 35. 77 3 BGHZ 15, 356 (364 f.); 81, 291 (296); Hirtz, GRUR 1986, 110 (112); Köhler/ Piper, UWG, Einf., Rn. 178; Nordemann, GRUR 1975, 625 (626); ders., Wettbewerbsrecht, Rn. 39. 77 4 BGH GRUR 1972, 553 (553); der Argumentation nach auch BGHZ 81, 291 (295 f.); von Gamm, UWG, § 1 Rn. 30. 77 5 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 71 ; Nordemann, GRUR 1975, 625 (626). 77 6 Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 40; Böttner, WRP 1989, 433 (433): "unzureichend". 77 7 Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 41. Der Hinweis von Nordemann (Rn. 42), daß eine derartige Definition einer Willküijustiz wie in der NS-Zeit die Arbeit erleichtert, ist zwar nicht aktuell, aber durchaus berechtigt. Ein Beispiel des derartigen Mißbrauchs bietet RGZ 150, 1 (4-6), wo die "guten Sitten" mit dem "gesunden Volksempfinden" gleichgesetzt werden. Der Begriff der "guten Sitten" erhalte "seinem Wesen nach den
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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In diesem Zusammenhang ist auch problematisch, welcher Maßstab zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit herangezogen werden soll. Unklar ist, ob Ethik und Moral die bestimmenden Faktoren sind778, sittlich-rechtliche Faktoren maßgebend sind779 oder die Beurteilung völlig losgelöst von außerrechtlichen absoluten Wertvorstellungen erfolgen soll780. Jedenfalls die ersten beiden Maßstabsvorschläge können fur die Beurteilung wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit nicht überzeugen: Das hier interessierende Bezugssubjekt ist der Staat. Ein moralischethischer Maßstab der Sittenwidrigkeit ist aber menschlichem Verhalten vorbehalten; menschliche Verhaltenskategorien können dem typisch Staatlichen nur bedingt gerecht werden, da bereits die zum Handeln antreibende Motivation eine gänzlich andere ist. Der Staat ist auf öffentliche Interessen verpflichtet, der private Bürger ist in seinem (wirtschaftlichen) Handeln von eigennützigen Gewinninteressen bestimmt. Auch die Entwicklung einer spezifischen "Wettbewerbsethik 1,781 hilft da nicht weiter. Der Staat kann angesichts der von ihm zu verfolgenden Interessen nicht an einem "Anstandsgefühl" oder an einem "verständigen Durchschnittsgewerbetreibenden" gemessen werden, sondern für ihn ist hinsichtlich Berechtigung als auch Verpflichtung - primär die Verfassung maßgebend. Zwar beruht auch eine Verfassung regelmäßig auf ethischen Anschauungen, die von der Mehrheit der Staatsbürger geteilt werden, doch stimmen diese nicht unbedingt mit dem ethischen Durchschnittsmaßstab verständiger Gewerbetreibender überein. Die ethischen Grundlagen der Verfassung sind vielmehr übergreifend - eben "staatstragend" - gefaßt und spiegeln den generellen Versuch eines Interessenausgleichs zwischen polaren Gruppen- und Einzelinteressen auf höchster staatsrechtlicher Ebene wider. Sie erschöpfen sich aber auf keinen Fall in der ethischen oder moralischen Fixierung des Anstandsgefühls eines verständigen Durchschnittsgewerbetreibenden oder anderer am Wettbewerb beteiligter Verkehrskreise. Die Beurteilung kann sich daher nicht allein am skizzierten Anstandsgefühl orientieren, sondern muß die Wertungen der Verfassung, des Grundgesetzes, einbeziehen. Für die Bewertung der Sittenwidrigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit ist vielmehr das oben bereits mehrfach beschriebene Spannungsfeld zwischen staatlicher Wirtschafts-/Wettbewerbsfreiheit und privater Wettbewerbsfreiheit bzw. den Interessen anderer Wettbewerbsbeteiligter aufzulösen. Erforderlich ist also eine Interessenabwägung 78 2.
Inhalt durch das seit dem Umbruch herrschende Volksempfinden, die nationalsozialistische Weltanschauung". Der Beschluß datiert vom 13.3.1936. 77 8 Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 35; s. auch Mayer-Maiy, JuS 1986, 596 (599). 77 9 Von Gamm, UWG, § 1 Rn. 30, 38. 78 0 Kraft, Interessenabwägung, S. 118 f., 128. Weitere Nachweise zu dem Meinungsstand bei Hirtz, GRUR 1986, 110 (112); Sack, GRUR 1970, 493 (494). 781 So etwa Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 35.
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
Die Richtigkeit dieser Überlegung bestätigt sich auch, wenn man aus wettbewerbsrechtlicher Sicht an die Problematik herangeht. Ansatzpunkt ist die teleologische Betrachtungsweise der "guten Sitten" in § 1 UWG, mithin der Normzweck der Vorschrift 783. Zum einen dient die Vorschrift dem Schutz der Interessen der am Wettbewerb beteiligten Gruppen 784, zum anderen ist der Bestand des Leistungswettbewerbs zu schützen beabsichtigt785. Greift man sich den Interessenschutz heraus, so ist "klassisch" und unstreitig die Wettbewerbsfreiheit des/der Konkurrenten erfaßt 786. Ist demnach die Wettbewerbsfreiheit Zweck des Schutzes, muß eine - nach welchem Maßstab auch immer - nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung des Konkurrenten und damit der Wettbewerbsfreiheit sittenwidrig sein. Die Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung durch eine Wettbewerbshandlung des Mitbewerbers ist nun aber gerade wettbewerbstypisch, sie entspricht dem Wesen des Wettbewerbs 787. Kann die Handlung für sich betrachtet also noch nicht sittenwidrig sein, weil es sonst überhaupt keinen Wettbewerb geben könnte, ist grundsätzlich eine Gesamtwürdigung des komplexen Lebensvorgangs erforderlich 788. Dies schließt eine Interessenabwägung, insbesondere auch grundrechtlicher Positionen, ein 789 . "Kollidieren" nun derart die Wettbewerbsfreiheiten zweier privater Unternehmer, so heben sich, da die Grundrechte prinzipiell gleichrangig sind 790 , die Positionen angesichts Gleichrangigkeit auf 9 1 . 782
Im Ansatz ebenso BGHZ 81, 291 (295); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 106; Köhler/Piper, UWG, Einf., Rn. 176, 184; Kreft, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 13 Rn. 9. 783 Ebenso van Dorp, S. 1 ; Hirtz, GRUR 1986,110 (112 f.); Kehl, Wettbewerbsrecht, § 13 Rn. 5. 78 4 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 76 ff.; Sack, GRUR 1970, 493 (500 f.). 78 5 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 73 f., 82; Köhler/Piper, UWG, Einf., Rn. 178; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 3, 45; Sack, GRUR 1970, 493 (501). 786 Vgl. bereits Lobe, Materialien, S. 2 f., 13; Rosenthal, Wettbewerbsgesetz, S. 117. 78 7 Van Dorp, S. 3; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 35; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 13 Rn. 5. 78 8 Von Gamm, UWG, § 1 Rn. 37. 78 9 BGHZ 81, 291 (296); von Gamm, UWG, Einf., Rn. 10 f., § 1 Rn. 35, 37, 39; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 13 Rn. 11 f.; Kraft, Interessenabwägung, S. 119. 790 BVerfGE 34, 269 (282); 35, 202 (221, 223); von Gamm, UWG, Einf., Rn. 10. 791 Zur Verdeutlichung sei noch einmal darauf hingewiesen, daß die Wettbewerber sich natürlich angesichts fehlender unmittelbarer Drittwirkung der Grundrechte nicht unmittelbar gegeneinander auf ihre Wettbewerbs freiheit stützen können, sondern ihre Grundrechte zwischen Privaten nur eine mittelbare Drittwirkung haben und im Rahmen der Interessenabwägung bei den "guten Sitten" berücksichtigt werden. Dazu gleich noch im Text.
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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Da nun aber jede Wettbewerbshandlung den/die Mitbewerber beeinträchtigt, muß die Grenze der "guten Sitten" dort verlaufen, wo der Nachteil des anderen nicht mehr allein als Folge freien Wettbewerbs eintritt, sondern ein willkürliches Korrektiv hinzutritt 792. Dieses Korrektiv wird dann konkret der Sittenwidrigkeitsbeurteilung unterzogen und in den Zusammenhang von Inhalt, Zweck und Beweggrund des Handelns gestellt793. Als Hilfe fur diese Beurteilung und letztlich als antizipierte Interessenabwägung sind die bereits angesprochenen Fallgruppen in der Rechtsprechung gebildet worden, wobei auf die Gefahr hinzuweisen ist, daß angesichts des Vorhandenseins einer Fallgruppe die Gesamtwürdigung des komplexen Lebensvorgangs vernachlässigt wird 794 . Auch bei Einschlägigkeit einer Fallgruppe ist also unter Berücksichtigung der Verfassung eine Wertung und Abwägimg der im Wettbewerb beteiligten und vom Wettbewerb betroffenen Interessen vorzunehmen795. Überwiegen die von der Wettbewerbshandlung beeinträchtigten Interessen derart, daß die Wettbewerbshandlung nicht hinzunehmen ist, so verstößt sie gegen die "guten Sitten" i.S.d. § 1 UWG. Die Sittenwidrigkeit ist immer dann erreicht, wenn die Handlung Interessen dient, deren Verwirklichung im Einzelfall von der Rechtsordnung als weniger wichtig bewertet wird als die beeinträchtigten Interessen796. Die beanstandete Handlung wird damit im konkreten Fall als unzulässig bewertet; es ist damit aber nichts über eine generelle "Unsittlichkeit" der Handlung nach ethischen Maßstäben ausgesagt. Damit wird deutlich, daß die Feststellung des Verstoßes gegen die guten Sitten in § 1 UWG nichts anderes als eine Feststellung der Rechtswidrigkeit aufgrund des Überwiegens entgegenstehender Interessen ist 797 . Die Sittenwidrigkeit i.S.d. § 1 UWG ist demnach eine Form der Rechtswidrigkeit, und zwar eine wettbewerbsspezifische Rechtswidrigkeit, da nur die Interessen der vom Schutzzweck des § 1 UWG umfaßten Beteiligten in die Abwägung einfließen. Der "Verstoß gegen die guten Sitten" ergibt sich - wie auch sonst die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verhaltens - aus einer umfassenden Interessenabwägung. Damit ist das Vorgehen bei der Feststellung eines derartigen Verstoßes aber kein anderes als bei der Überprüfung, ob ein Grundrechtseingriff gerechtfertigt ist oder aber das Grundrecht verletzt. Es zeigt sich wieder einmal, daß § 1 UWG eben die einfachgesetzliche Ausprägung der grund-
792
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 70; vgl. auch Kraft, Interessenabwägung, S. 119. 793 Von Gamm, UWG, § 1 Rn. 37. 794 Van Dorp, S. 3; Hirtz, GRUR 1986, 110 (110). 795 Kraft, Interessenabwägung, S. 119 f.; Sack, GRUR 1970, 493 (500). 796 Kraft, Interessenabwägung, S. 119. 797 Kraft, Interessenabwägung, S. 119 f.; Sack, GRUR 1970, 493 (501).
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
gesetzlichen Wettbewerbsfreiheit ist 798 -der Verletzungsmaßstab ist der gleiche. Nicht anders erfolgt das Vorgehen - immer noch im Hinblick auf den Interessenschutz - , wenn einer der Wettbewerber ein weiteres Rechtsgut "auf seiner Seite" hat, etwa die Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 1. Alt. GG 7 9 9 . Das Ergebnis wird aber u.U. ein anderes sein; eine Wettbewerbshandlung, die etwa im Hinblick auf die Wettbewerbsfreiheit eines gleichgearteten Konkurrenten durchaus die Interessenabwägung bestehen kann, erscheint im Lichte der Pressefreiheit vermutlich anders. Der Gedanke der Abwägung kollidierender Interessen ist dem öffentlichen Recht nicht fremd, vielmehr im Zusammentreffen staatlicher und privater Interessen an der Tagesordnung. Jedoch ist die Abwägung auch dem Zivilrecht und auch dem Wettbewerbsrecht nicht unbekannt. In Ermangelung einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte zwischen Privaten ist anerkannt, daß die Grundrechte eine mittelbare Drittwirkung in dem Sinn entfalten 800, daß sie bei der Auslegung zivil- und wettbewerbsrechtlicher Vorschriften zu beachten sind und so eine Kollisionsauflösung insbesondere im Rahmen von unbestimmten Rechtsbegriffen bei Generalklauseln bewirken 801. Das Bundesverfassungsgericht hat dies fur § 1 UWG bereits ausdrücklich ausgesprochen: Bei der Auslegung des Begriffs "Sittenwidrigkeit" muß die "besondere Art des Wettbewerbs" berücksichtigt werden, die dadurch entsteht, daß das Wettbewerbsinteresse eines Gewerbetreibenden und das - in diesem Fall höherwertige - Grundrecht eines Mitbewerbers zusammentreffen 802. An anderer Stelle803 hat das Bundesverfassungsgericht betont, daß die Auslegung des Begriffs der Sittenwidrigkeit unter Beachtung der Wertvorstellungen des Grundgesetzes zu erfolgen habe. Wann ein bestimmtes Verhalten im Einzelfall als sittenwidriger Wettbewerb i.S.d. § 1 UWG anzusehen sei, müsse unter steter Beachtung des Freiheitsgehalts des Art. 12 Abs. 1 GG entschieden werden. Dabei sei denkbar, daß die Auslegung des
798
Schulte, DVB1. 1988,512 (517); vgl. auch Nordemann, Wettbewerbrecht, Rn. 46, der allerdings die Wettbewerbsfreiheit - anders als hier vertreten - in Art. 2 Abs. 1 GG verankert. 799 Vgl. die Beispiele bei Kehl, Wettbewerbsrecht, § 13 Rn. 12. 800 Vgl. allgemein dazu von Münch, in: ders./Kunig (Hrsg.), GG, Vorbem. Art. 1-19, Rn. 28 ff., insbes. Rn. 31 m.umfangr.N. 801 BVerfGE 7, 198 (205 f.); 24, 236 (251 f.); 32, 311 (317 f.); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 83; von Gamm, UWG, Einf., Rn. 10 f., § 1 Rn. 35, 37, 39; Hirtz, GRUR 1986, 110 (114); Kehl, Wettbewerbsrecht, § 13 Rn. 10 ff. 802 BVerfGE 24, 236 (251 f.). Im konkreten Fall war es die Religionsaus üb ungs freiheit des Art. 4 Abs. 2 GG. 803 BVerfGE 32, 311 (317 f.).
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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Begriffs der Sittenwidrigkeit durch die Ausstrahlungswirkung eines anderen Grundrechts in einschränkender Weise beeinflußt werde. Diese Ausführungen galten fur den Wettbewerb unter Privaten. Die Frage, wie die Bewertung der Sittenwidrigkeit zu erfolgen hat, wenn der Staat unter Stützung auf ein öffentliches Interesse Wettbewerber ist, ist jedoch nun nicht mehr schwer zu beantworten. Die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, daß unter Beachtung der Wertvorstellungen des Grundgesetzes zu entscheiden sei 804 , ist eindeutig. Es ist ebenfalls eine Abwägung durchzuführen. Nur werden jetzt nicht die Interessen zweier Privatpersonen gegeneinander abgewogen, sondern die staatliche "Wirtschafts-/Wettbewerbsfreiheit" in Form des öffentlichen Interesses contra private Wettbewerbsfreiheit im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände. Die Befürchtung, daß auch bei einer derartigen Interessenabwägung der Maßstab der Sittenwidrigkeit nicht nach objektiven Kriterien beurteilt, sondern richterlichem Ermessen preisgegeben wird 805 , darf wohl angesichts der vielen und eindeutigen Vorgaben aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG als widerlegt gelten. Doch auch über den Weg des zweiten Schutzzwecks von § 1 UWG, dem "Bestand des Leistungswettbewerbs", gelangt die teleologische Auslegung der "guten Sitten" zu dem Ergebnis, daß wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit eine Interessenabwägung verlangt. Unter der Zielsetzung einer Sicherung des freien Leistungswettbewerbs verstößt gegen die guten Sitten im Wettbewerb, was den freien Leistungswettbewerb verfälscht oder ausschließt806. Für das Verdikt der Sittenwidrigkeit genügt es, daß die in Rede stehende Wettbewerbshandlung geeignet ist, eine Veränderung der Wettbewerbslage zuungunsten von Mitbewerbern herbeizuführen, und dies nicht durch im konkreten Fall überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigt wird, oder sonst gegen zu beachtende Rechtsnormen verstößt. Es ist dies die oben807 schon beschriebene Situation beim "Eingriff durch Konkurrenz"; die Wettbewerbsfreiheit des einzelnen schützt eben seine aktuelle Wettbewerbsstellung und damit ein Marktsegment als Teil des Leistungswettbewerbs. Dieser Eingriff muß durch überwiegende öffentliche Interessen im Einzelfall gerechtfertigt sein, sonst verletzt er die Wettbewerbsfreiheit des privaten Konkurrenten und stellt sich als sittenwidrig i.S.d. § 1 UWG dar.
804
BVerfGE 32, 311 (318); ebenso Baumbach/Hefermehl, UWG, Rn. 71, 92; Kraft, Interessenabwägung, S. 122. 805 Nordemann, GRUR 1975, 625 (629). 806 Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 46 m.w.N. 807 S.o. Β III 4 c bb (3).
Wettbewerbsrecht, Einl.
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Der wesentliche Unterschied zum Wettbewerb zweier Privater in der Beurteilung der Sittenwidrigkeit liegt bei wettbewerbsrelevanter Staatstatigkeit darin, daß zwei von vornherein verschiedene und nicht unbedingt gleichwertige Rechtsgüter kollidieren. Es ist zwingend eine Interessenabwägung vorzunehmen, die häufig bereits zu einer Entscheidung über die Sittenwidrigkeit führt. Eines Korrektivs, dessen Beurteilung erst eine Aussage über die Sittenwidrigkeit zuläßt, bedarf es dann nicht mehr in jedem Fall. Bereits die Abwägung der widerstreitenden Interessen führt dann zu einem Ergebnis bezüglich der Sittenwidrigkeit 808 . Sittenwidrig und damit wettbewerbsrechtlich rechtswidrig ist eine wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit dann, wenn bereits ein öffentliches Interesse fehlt 809 oder das öffentliche Interesse nach einer Abwägung mit den kollidierenden Interessen, regelmäßig also der privaten Wettbewerbsfreiheit, zurückweichen muß. Da es weiterer Untersuchungen dann nicht mehr bedarf, läßt sich auch von einer neuen Fallgruppe im Rahmen des § 1 UWG sprechen, die "Zurücktreten des öffentlichen Interesses" genannt werden kann. Als Kollisionsgut auf staatlicher Seite wird dabei regelmäßig die staatliche "Wirtschaftsfreiheit" zu Tage treten, da es in dieser Fallgruppe letztlich um das "Ob" wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit geht. Liegt eine den im Verlaufe der Untersuchung herausgearbeiteten Anforderungen genügende Rechtsgrundlage vor, so existiert zunächst einmal ein Indiz für ein ausreichendes öffentliches Interesse. Diese Indizwirkung kann zwar im Einzelfall widerlegt werden, doch muß die vorweggenommene Interessenabwägung durch den Gesetzgeber berücksichtigt werden. Festzuhalten bleibt aber, daß - ebenso wie bei den in der Rechtsprechung gebildeten Fallgruppen - eine weitere Überprüfung nicht mehr geboten ist, wenn ein "Zurücktreten öffentlicher Interessen" festgestellt ist. Andererseits ist eine Fortsetzung der Prüfung geboten, wenn die Interessenabwägung kein eindeutiges Ergebnis bzw. eine Interessenparität hervorbringt. Es ist dann die konkrete wettbewerbsrelevante Staatshandlung auf die Vereinbarkeit mit den zu § 1 UWG entwickelten Fallgruppen zu untersuchen, um herausfinden zu können, ob die konkrete Handlung eine wettbewerbsverzerrende Aktion ist, die von der privaten Wettbewerbsfreiheit nicht mehr als marktkonformer Wettbewerb hinzunehmen ist. Es sei aber gleich an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die Interessenabwägung nicht immer schon zum Beurteilungsergebnis führt. Die Fallgruppe etwa, in der sich zwei Verwaltungsträger in unmittelbarer Konkurrenzsituation
808
Insoweit unzutreffend Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 83 a.E.; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 36, die der Abwägung nur eine Bedeutung im Vorfeld der Entscheidung bzw. als Vorarbeit zumessen wollen. 809 Das Fehlen des öffentlichen Interesses kann sich sowohl auf das "Ob" als auch auf das "Wie" wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit beziehen. Denkbar ist auch - wie bereits oben gezeigt - ein Rückschluß vom "Wie" auf das "Ob"; ein interessantes Beispiel bietet insoweit OVG Koblenz GewArch. 1980, 339 ff.
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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befinden, wird häufig zwei identische öffentliche Interessen aufweisen, die kollidieren. So verfolgen eine Allgemeine Ortskrankenkasse und eine Ersatzkasse den gleichen öffentlichen Zweck, die Sicherstellung von Krankenversicherungsdienstleistungen für die bei ihnen Versicherten und damit zusammenhängend die Erhaltung ihres Mitgliederbestandes810. In solchen Fällen muß ein wettbewerbsbeeinflussendes Korrektiv hinzukommen, wenn eine Sittenwidrigkeit festgestellt werden soll. In dem genannten Beispiel war es die Form der Werbung, konkret u.a. die Bezeichnung der AOK als "Zwangskasse", die die Sittenwidrigkeit begründete 811 . Dann ist die Einordnung in eine bestehende Fallgruppe nicht nur hilfreich, sondern auch angebracht (hier: Kundenfang 812). Die Argumentation betraf zwar bislang nur die Fallgruppen einer unmittelbaren Konkurrenzsituation von zwei Wettbewerbern, doch gilt in den anderen Fallkonstellationen grundsätzlich das gleiche: Maßgebend für die Entscheidung über die Sittenwidrigkeit einer wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit ist die Abwägung der kollidierenden Interessen der Beteiligten. In die Interessenabwägung sind nur u.U. andere Interessen einzustellen, etwa die der Verbraucher. Nicht selten wird es auch vorkommen, daß mehr als zwei gegenläufige Interessen a b zugleichen sind, etwa bei der staatlichen Förderung fremden Wettbewerbs. Auch in diesen Fällen ist die Lösung zunächst in einer Interessenabwägung zu suchen; die Abwägung gestaltet sich zwar komplizierter, bereitet aber letztlich unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur grundrechtlichen Gemengelage813 keine größeren Probleme. Schließlich ist noch anzumerken, daß es im Rahmen des "Verstoßes gegen die guten Sitten" keines besonderen Bewußtseins der Sittenwidrigkeit bedarf 14 . Begründet ist dies nicht nur in der Schwierigkeit, dem Staat als Zurechnungssubjekt ein "Bewußtsein" nachzuweisen; es ergibt sich schon daraus, daß die Sittenwidrigkeit in § 1 UWG als wettbewerbsrechtliche Form der Rechtswidrigkeit rein objektiv durch eine Interessenabwägung festgestellt wird 815 . Für § 1 UWG als Unterlassungsanspruch, um den es bei der Ermittlung eines öffentlichen Verhal-
810
Beispiel nach OLG Düsseldorf G RUR 1973, 487 (487). OLG Düsseldorf GRUR 1973, 487 (489). 812 Vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 161; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 13 Rn. 23. 8,3 BVerfGE 57, 295 (319-327); vgl. auch Κ Fehn/B. J. Fehn, VR 1994, 413 (419 f.). 814 Allg. Meinung; BGH GRUR 1955, 411 (414); GRUR 1988, 652 (654); GRUR 1991, 769 (771); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbs recht, Einl. UWG, Rn. 125, 128; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 50 f.; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 13 Rn. 19; Kreft, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 13 Rn. 7; Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 47; Sack, GRUR 1970, 493 (502). 8,5 Vgl. dazu Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 47; Sack, GRUR 1970, 493 (502). 811
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
tens- und Wettbewerbsrechts hier geht, ist daher nicht das Bewußtsein der Sittenwidrigkeit oder die Kenntnis von der Wirkung einer Wettbewerbshandlung erforderlich 816. Es bedarf auch keines Verschuldens817 oder der Kenntnis aller die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände818. Zu erinnern ist nur daran, daß die Kenntnis von den Auswirkungen oder der zum Verdikt der Sittenwidrigkeit führenden Umstände eine Rolle bei der Beurteilung des staatlichen Eingriffs in die Wettbewerbsfreiheit spielt, da die Vorhersehbarkeit eines der Bewertungskriterien ist 819 .
(2) Weitere Fallgruppen Der bislang skizzierte Maßstab fur die Unlauterkeitsbeurteilung ist ein recht weiter. Angesichts der Vielgestaltigkeit zu erfassender Wettbewerbshandlungen, nicht zuletzt aber auch aus Gründen der Rechtssicherheit haben Rechtsprechung und Literatur Fallgruppen entwickelt, die ein praktisches Arbeiten mit engeren Begriffen erlauben820. Diese Fallgruppen dienen als "Erkenntnishilfe" fur die Ermittlung des Unwerts einer Wettbewerbshandlung, als feineres Raster bei der Erfassung verhaltensrechtlich zu beanstandender Maßnahmen821. Allerdings bestehen in den Einzelheiten der Einteilung und den Bezeichnungen diverse Unterschiede822, wobei systematisch im wesentlichen übereinstimmend einige Hauptgruppen gebildet werden, die sich wiederum aus Untergruppen zusammensetzen. In dieser Untersuchung wird dem von breiter Zustimmung getragenen System von Hefermehf 23 gefolgt, der unter Berücksichtigung der Funktionen des Wettbewerbs nach der Art und Richtung eingesetzter Wettbewerbsmittel sowie der durch sie betroffenen Interessen (Mitbewerber, Marktpartner, Allgemeinheit) fünf
8,6
BGH GRUR 1967, 596 (597); Kreft, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 13 Rn. 7 m.w.N. In der Form eines Schadensersatzanspruchs setzt § 1 UWG allerdings ein (subjektives) Verschulden voraus. Dies folgt aber nicht aus dem Merkmal der Sittenwidrigkeit, sondern aus allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsätzen, vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 128; Sack, GRUR 1970, 493 (502). 8,8 Baumbach/Hefermehl Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 128; Kraft, Interessenabwägung, S. 147. 819 S.o. D II 1 c ee (2). 820 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 157 ff.; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 13 Rn. 21. 821 Tilmann, GRUR 1991, 796 (796). 817
822
Vgl. nur die Aufstellung bei Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 159. 823 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 160 ff.
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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Fallgruppen unterscheidet: Kundenfang (a), Behinderung (b), Ausbeutung (c), Rechtsbruch (d) und Marktstörung (e). Diese Fallgruppen werden im folgenden kurz definiert und auf ihre Verwendbarkeit in einem Öffentlichen Wettbewerbsrecht überprüft, und zwar anhand einer Zuordnung der bereits bei den anderen Tatbestandsmerkmalen angeführten sowie weiterer Beispiele aus der Rechtsprechung.
(a) Kundenfang Die Fallgruppe erfaßt die Beeinträchtigung der Kundeninteressen durch den Einsatz unsachlicher Werbemittel 824. Dabei ist vorauszuschicken, daß die Kundenbeeinflussung zwecks besseren Absatzes des eigenen Angebots auf dem Markt wettbewerbseigen und wettbewerbsrechtlich zulässig ist. Gerade das Einwirken auf die freie Willensentschließung des Kunden bezüglich der Kaufentscheidung für ein bestimmtes Produkt ist zulässig, doch darf dies nicht mit sachfremden oder unwahren Momenten erreicht werden. Sittenwidrig ist somit der Einsatz von Mitteln, die dem Leitbild des Leistungswettbewerbs widersprechen und angesichts der zu schützenden Interessen der Marktgegenseite nicht zu billigen sind825.
(aa) Täuschung Als Untergruppe sind die Fälle der Täuschung herausgearbeitet worden. Die Täuschung im Sinne des Hervorrufens einer falschen, der Wirklichkeit nicht entsprechenden Vorstellung ist als Wettbewerbshandlung grundsätzlich wettbewerbsfremd und begründet ohne weiteres das Unlauterkeitsurteil 826. Dies ist unmittelbarer Ausfluß des Wahrheitsgrundsatzes, der das Wettbewerbsrecht beherrscht und allein dem Prinzip des Leistungswettbewerbs entspricht827. Maßnahmen gegenüber den Verbrauchern, insbesondere die Werbung, müssen daher wahr sein. Verstöße sind vor allem in zwei Varianten denkbar: Es können unwahre Behauptungen über das eigene Produkt oder über das Produkt eines Mitbewerbers aufgestellt werden.
824
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 161; § 1 UWG Rn. 4; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 13 Rn. 23. 825 Ausführlicher Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 4. 826 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 5; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 14 Rn. 3. 827 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 96 ff. 100, § 1 UWG Rn. 5. 23 Schliesky
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Auch der Staat kann in dieser Fallgruppe erfaßt sein. Zu denken ist neben der Täuschung über eigene Produkte, die sicherlich seltener vorkommt, vor allem an die Information über fremde Produkte eines Wettbewerbers, also die sog. Warnungen und Empfehlungen. Sofern für diese staatlichen Maßnahmen eine Wettbewerbsabsicht bejaht werden konnte, sind sie in diese Kategorie einzuordnen, wie etwa das Beispiel der Warnung vor glykolhaltigen Weinen828 zeigt. Eine lautere - wettbewerbsrelevante - Warnung oder Empfehlung setzt damit voraus, daß die Tatsache, vor der oder mit der gewarnt wird, der Wahrheit entspricht. Unabhängig von § 1 UWG und dessen Sittenwidrigkeitsurteil findet man hin und wieder die Forderung, daß staatliche Warnungen und Empfehlungen der Wahrheit entsprechen müssen829. Begründungsansätze sind schon weniger häufig zu finden. Angedacht wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Grundlage 830 oder die Ableitung aus dem Neutralitätserfordernis, das die Rechtsprechung für Warenvergleiche durch Verbraucheraufklärungsinstitute aufgestellt hat 831 . Dabei ist allerdings die Vergleichbarkeit mit Vorsicht zu betrachten: Die Eigenart eines - etwa von der "Stiftung Warentest" - durchgeführten sorgfältigen, also neutralen Warentests liegt darin, daß es dem Veranstalter des Warentests an der Wettbewerbsabsicht fehlt 832. Wie bereits oben gezeigt, ist dies bei staatlichen Warnungen und Empfehlungen nicht immer der Fall. Die Neutralität und das Bemühen um Objektivität sind bei Warentests vielmehr die "Weiche" zum Tatbestandsmerkmal der "Wettbewerbshandlung" in § 1 UWG; fehlt es dem Warentest an diesen beiden Kriterien, so wird die Wettbewerbsabsicht regelmäßig zu bejahen sein und die Unzulässigkeit der Testveröffentlichung aus einem Verstoß gegen § 1 UWG folgen 833. Zu Warnungen oder Empfehlungen besteht aber noch ein weiterer Unterschied: Die Neutralität des Warentests spielt eine Rolle für das Tatbestandsmerkmal "Wettbewerbsabsicht" im Rahmen der Wettbewerbshandlung. Die Sittenwidrigkeit ergibt sich dann aus einer Einordnung in die Fallgruppen "irreführende Werbung" (Oberbegriff: Kundenfang) oder unzulässige "vergleichende Werbung" (Oberbegriff: Behinderung). Bei Warnungen
828
BVerwGE 87, 37 ff. Lübbe-Wolffy NJW 1987, 2705 (2711); Ossenbühl, S. 75; Philipp, S. 186; ansatzweise auch BVerwGE 82, 76 (83). 830 BVerwGE 82, 76 (83). 831 BGHZ 65, 325 (334); Lübbe-Wolffy NJW 1987, 2705 (2711); Ossenbühl, S. 75. Nicht zwingend ist aber der Schluß, den Lübbe-Wolff (S. 2711 Fn. 66), von dem Neutralitätserfordernis zum Fehlen einer Wettbewerbsabsicht zieht. 832 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 U W G Rn. 404 m.w.N. 833 Dieses Ergebnis deutet auch BGHZ 65, 325 (334) an. Ebenso Baumbach/Hefermehl y Wettbewerbsrecht, § 1 U W G Rn. 408 m.w.N. 829
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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und Empfehlungen dient das Kriterium der Wahrheit aber zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit. Diese unterschiedliche Verortung des Neutralists- und Wahrheitserfordernisses ergibt sich aus einem strukturellen Unterschied: Bei dem Warentest wird über die Testveröffentlichung letztlich die Testdurchführung beanstandet834. Warnungen und Empfehlungen beruhen hingegen nicht zwingend auf eigenen Erhebungen und Untersuchungen des Staates; hier werden vielmehr verfugbare Informationen in einer bestimmten Tenorierung dem breiten Publikum zugänglich gemacht. Und genau dieser Informationsakt wird aufgrund seiner wettbewerbsrelevanten Auswirkungen angegriffen. Damit hat er als Wettbewerbshandlung aber eine andere Qualität und wird in den Fallgruppen "Täuschung" (Oberbegriff: Kundenfang) oder "Boykott" (Oberbegriff: Behinderung) zu erfassen sein. Es wird auch vorgebracht, das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Willkürverbot gebiete nur wahre Tatsachenbehauptungen; Art. 3 Abs. 1 GG vebiete es, ein einzelnes Produkt willkürlich herauszugreifen, wenn der behauptete Sachverhalt auf andere Produkte in gleicher Weise zutrifft 835. Diese Formel müßte aber versagen, wenn - wie bei der Glykolwein-Warnung - alle Hersteller und Produkte genannt werden; die zu fordernde Wahrheit darf nicht davon abhängen, ob die Zahl der Benannten lückenlos recherchiert wurde oder nicht. Das Erfordernis der Wahrheit ergibt sich für wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit vielmehr aus § 1 UWG und der Androhung der Sittenwidrigkeit in der Fallgruppe "Kundenfang" durch "Täuschung". Das Verbot unlauteren Wettbewerbs bedeutet auch, daß ein Marktteilnehmer den einzelnen Kunden oder das Publikum nicht über die geschäftliche Sphäre eines anderen Marktteilnehmers irreführen darf, indem er über Waren, Leistungen, persönliche oder geschäftliche Verhältnisse dieses Wettbewerbers unrichtige Behauptungen aufstellt und dadurch dessen Absatz beeinträchtigt836. Im Falle der Glykolwein-Warnung fehlte es nach der hier vertretenen Auffassung an der Wettbewerbsabsicht. Wie oben gezeigt, ist bei nur leicht gewandelter Motivationslage des warnenden Verwaltungsträgers die Wettbewerbsabsicht durchaus vorstellbar, so daß die Wettbewerbsabsicht einmal unterstellt werden soll, um zur Bewertung der Sittenwidrigkeit zu kommen, die dann wie folgt aussieht.
834
Vgl. BGHZ 65, 325 (334): "Die Untersuchung muß neutral vorgenommen werden ..." (erste Hervorh.v.Verf., zweite Hervorh. im Original). Vgl. auch den der Entscheidung BVerwG NJW 1996, 3161 f., zugrundeliegenden Sachverhalt. 835 Philipp, S. 186. 836 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 7.
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Der warnende Bundesgesundheitsminister konnte sich nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf mehrere öffentliche Interessen stützen; das Gericht sah das Tätigwerden im Interesse der körperlichen Unversehrtheit der Verbraucher und damit aufgrund der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG fur die "Volksgesundheit" sowie im Interesse "des mit der Produktion und dem Absatz von Wein befaßten Wirtschaftszweiges", das das Gericht durch Art. 12 Abs. 1 GG ebenfalls verfassungsrechtlich geschützt sah837. Angesichts des auf der anderen Seite einzubringenden Verfassungsrechtsgutes, der Wettbewerbsfreiheit der von der Warnung betroffenen Unternehmer 838, konnte ein Zurücktreten öffentlicher Interessen mit Sicherheit nicht festgestellt werden. Einschlägig könnte daher noch die Fallgruppe "Täuschung" sein. Demnach müßten die Angaben in der staatlichen Warnung der Wahrheit entsprechen839. Die Untersuchung der in der Liste bezeichneten Weine hatte nun aber tatsächlich eine Glykolbelastung ergeben; die Angaben entsprachen also der Wahrheit. Überdies hatte der Bundesgesundheitsminister auf der ersten Seite der veröffentlichten Liste deutlich gemacht, daß die Aussagen der Liste nur für die untersuchten Proben gelten: "Die in der Liste aufgeführten Untersuchungsergebnisse beziehen sich lediglich auf den jeweils untersuchten Wein. Es kann also Wein gleicher Bezeichnung und Aufmachung desselben Abfullers im Verkehr sein, der nicht mit Diethylenglykol versetzt ist. Aus der Angabe einer Lagebezeichnung bei den in dieser Liste aufgeführten deutschen Weinen darf nicht geschlossen werden, daß alle Weine dieser Lage Diethylenglykol enthalten können. Nur wenn auf dem Etikett neben der Lagebezeichnung auch der in der Liste angegebene Name des Abfüllers und die in der Liste angegebene Amtliche Prüfungsnummer (A.P.Nr.) stehen, handelte es sich um Wein, bei dessen Untersuchung Diethylenglykol festgestellt worden ist. M 8 4 ° Wesentlich deutlicher kann der Hinweis nicht gefaßt werden; da die Angaben der Liste der Wahrheit entsprechen, wäre der Tatbestand der "Täuschung" der Verbraucher nicht erfüllt. Die Warnung ist nach § 1 UWG nicht zu beanstanden. Noch einmal betont werden muß aber, daß trotzdem ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG vorlag, der der Sache nach durch überwiegende öffentliche Interessen
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BVerwGE 87, 37 (49 f.). Das BVerwGE 87, 37 (39 f.), konstatierte zwar eine nachhaltige Einwirkung auf die Wettbewerbsposition der Klägerin sowie eine massive Absatzerschwerung, doch verneinte es am Ende überraschend und wenig konsequent einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG (S. 50). 839 Auch BVerwGE 87, 37 (47), stellt ähnliche Anforderungen auf: "sachgerechte Aufklärungsarbeit"; "die Tatsachen offenlegende Informationen"; "umfassend über die gegebene Sachlage zu informieren". 840 Zitiert nach BVerwGE 87, 37 (38). 838
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
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gerechtfertigt ist. Die Kritik am Urteil bleibt daher bestehen; neben der verfehlten Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts zu dem Grundrechtseingriff ist auch die Zuständigkeit des Bundesgesundheitsministers zu Unrecht bejaht worden, und das Fehlen der einfachgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage ist ebenfalls zu schnell "überspielt11 worden 841. Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, daß eine Täuschung nur über Tatsachen möglich ist. Werturteile werden von dieser Fallgruppe nicht erfaßt. Es läßt sich zwar mit Hilfe von Werturteilen, aber eben nur über Tatsachen täuschen. Werturteile können von der Fallgruppe "Mißbrauch der Hoheitsgewalt" (Oberbegriff: Kundenfang) oder von Fallgruppen im Rahmen der "Behinderung" erfaßt werden.
(bb) Mißbrauch der Hoheitsstellung Eine Untergruppe der Fallgruppe "Kundenfang" bilden die Fälle, in denen ein Mißbrauch von Autorität stattfindet. Auf wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit bezogen läßt sich plakativ von "Mißbrauch der Hoheitsstellung" sprechen. Gemeint sind damit unsachliche, auf wettbewerbsfremdem Einsatz amtlicher Autorität beruhende Beeinflussungen der Nachfrageseite, vorgenommen durch einen Träger staatlicher Gewalt 842 . Die Beurteilung einer staatlichen Wettbewerbshandlung als unlauter wegen Mißbrauchs der Hoheitsstellung stellt allerdings - wie so häufig - eine Gratwanderung dar. Denn die staatliche Wettbewerbshandlung ist nicht per se unlauter 843 , obwohl sie immer in irgendeiner Form auf einer hoheitlichen Machtstellung beruht, die gerade das "Staatliche" an dieser Handlung vermittelt. Andererseits bestehen für den Staat u.U. Zugriffsmöglichkeiten, die ein privater Wettbewerber nicht hat und die dem Wesen des Leistungswettbewerbs nicht entsprechen. Zwischen diesen beiden Polen ist die Lösung anzusiedeln. Zwei Handlungskomponenten sind es insbesondere, die diese Fallgruppe einschlägig erscheinen lassen: Zum einen ist es die Verwendung von Machtmitteln, staatlichen Ressourcen, amtlichen Beziehungen und Kenntnissen bei der Vornahme einer Wettbewerbshandlung, die einen Mißbrauch dieser Hoheitsstellung darstellen und die Unlauterkeit der Wettbewerbshandlung begründen kann844.
841
S. auch die vehemente Urteilskritik von Schoch, DVB1. 1991, 667 ff. Köhler/Piper, UWG, § 1 Rn. 248 f.; Popel, JA 1988, 127 (132 f.); Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (481). 843 BGH GRUR 1959, 244 (246); OLG Saarbrücken WRP 1988, 328 (330); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 928. 842
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
Z u m anderen kann es das Ausnutzen einer Vertrauensposition sein, die der Staat aufgrund seines Wesens in den Augen der Nachfrager besitzt und zur Unlauterkeit des so erreichten Wettbewerbsvorsprungs fuhrt 8 4 5 . D i e Grenzen sind fließend; es ist daher nur zu befürworten, diese Fälle in einer Fallgruppe abzuhandeln, da der gemeinsame Anknüpfungspunkt fur die Unlauterkeitsbeurteilung das typisch Staatliche ist 8 4 6 . Nun würde aber eine pauschale Bewertung des Ausnutzens eines staatlichen Vorteils als unlauter zu kurz greifen 847 . Nicht jeder Vorsprung eines Wettbewerbers ist unlauter 848 , auch nicht, wenn es sich um einen Vorteil des Staates 844
Baumbach/Hefermehl Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 928, 937; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 11; Schricker, S. 197 ff.; Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (483 f.); Weber, S. 193. 845
BGH GRUR 1971, 168 (169); OLG Saarbrücken WRP 1988, 328 (330); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 928, 937; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 11; Kluth, S. 101; Pöpel, JA 1988, 127 (132 f,); Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (481 f.); Weber, S. 194. 846 Zutreffend Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 937. Die Fallgruppe "Mißbrauch der Hoheitsstellung" weist auch Überschneidungen zur Fallgruppe "Marktstörung" auf, da sich die eingesetzten Vorteile als "leistungsfremd" und damit marktstörend erweisen können, vgl. Harms, BB 1986 (Beil. 17), 1 (16 f.); Weber, S. 196. Die Überschneidungsmöglichkeitbestehtauch zur Fallgruppe "Preisunterbietung", s. etwa Piper, GRUR 1986, 574 (579); Schricker, S. 207 ff. 847 So aber ansatzweise Piper, GRUR 1986, 574 (578 f.), unter Berufung auf die BG//-Rechtsprechung. BVerwG GewArch. 1995, 329 (330), betont zutreffend, daß die "Doppelfunktion" einer staatlichen Stelle nicht zwangsläufig unlauterkeitsbegründend ist, solange mit Personalauswahl, Dienstanweisungen, Kontrollen oder sonstigen Aufsichtsmaßnahmen geeignete Instrumentarien zur Beachtung der Grenzen zur Verfügung stehen. Ebenso VGH Mannheim DÖV 1995, 120 (121). 848 BGH GRUR 1973, 530 (532), hinsichtlich der Mehrsvertsteuerfreiheit einer Stadtgemeinde bei dem Anzeigengeschäft mit ihrem Amtsblatt. Der BGH betont ausdrücklich, daß das Wettbewerbsrecht keinen Grundsatz kenne, wonach jeder Wettbewerbsvorsprung rechtswidrig sei. Insbesondere ein aus dem Steuerrecht herrührender Vorteil sei ein dem gesetzten Recht entsprechender Vorteil, der nicht auf dem Umweg über das Wettbewerbsrecht entzogen werden könne. Eine Korrektur sei Sache des Gesetzgebers; vgl. dazu Leisner, BB 1970, 405 ff. Ebenso BGH NJW 1987, 60 (61), wonach Vorteile der öffentlichen Hand, die diese im Rahmen der Gesetze und weiterer sie bindender Rechtsvorschriften nutzt, wettbewerbsrechtlich grundsätzlich hingenommen werden müssen. - Im übrigen ist auch die immer wieder geäußerte Forderung nach einer steuerrechtlichen Gleichbehandlung öffentlicher Unternehmen in dieser Pauschalität erstens nicht unbedingt zutreffend und zweitens eine sehr zweischneidige Angelegenheit: Für die Umsatzsteuer- und Körperschaftssteuerpflichtigkeit beispielsweise ist maßgebend, ob es sich um einen "Betrieb gewerblicher Art" i.S.d. § 4 KStG (Körperschaftssteuergesetz 1991 BGBl. I S. 639) handelt und ein Befreiungstatbestand des § 5 KStG eingreift. Ein Blick in das Gesetz verdeutlicht, daß die Steuerpflichtigkeit eher der Regelfall ist. Auch wenn
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handelt. Insoweit ist der Staat nicht anders zu behandeln als andere Wettbewerbsteilnehmer auch. Dem Wettbewerbsrecht ist aber nicht zu entnehmen, daß einzelne Wettbewerber nicht einen Vorteil vor anderen haben dürfen. Identische Startbedingungen hat das Wettbewerbsrecht nicht zu leisten. Wenn ein Wettbewerber kapitalkräftiger als der andere ist, womöglich noch durch bessere Leistungen in der Vergangenheit, so ist es nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts, denjenigen zu schützen, der am Markt gerade nicht den erwünschten Erfolg gehabt hat. Das Wettbewerbsrecht greift, vor allem in Form des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, erst dann ein, wenn eine kapital- und/oder machtmäßige Konzentration eintritt, die den freien Wettbewerb als solchen gefährdet. Eine sachgerechte Beurteilung der Lauterkeit muß auch bei staatlichen Besonderheiten weiter differenzieren. Es macht einen Unterschied, ob ein verselbständigtes öffentliches Unternehmen in Privatrechtsform auf staatliche Ressourcen zurückgreift oder ob dies eine warnende Behörde tut. Differenzierungskriterien sind also die Zugriffsmöglichkeit und der Zugriffszweck. Des weiteren ist der mögliche Verstoß gegen den Leistungsgrundsatz, der mit dem Vorwurf des Mißbrauchs der Hoheitsstellung verbunden ist, unter Blick auf das öffentliche Interesse, das die Wettbewerbshandlung rechtfertigt, zu bewerten. So kann das Ausnutzen der Hoheitsstellung angesichts eines gravierenden öffentlichen Interesses als hinnehmbar erscheinen; die Verhaltenspflicht für den Staat kann dementsprechend mal strenger, mal großzügiger als für einen privaten Mitbewerber sein849. Kurz gefaßt bedeutet dies, daß ein Ausnutzen der Hoheitsstellung, das dem wettbewerblichen Leistungsgrundsatz widerspricht und nicht durch eine Wertentscheidung des Gesetzgebers gerechtfertigt ist, grundsätzlich unlauter ist und daher einen Mißbrauch der Hoheitsstellung darstellt. Die Bewertung muß aber in jedem Einzelfall gesondert erfolgen und Zugriffsmöglichkeit wie Zugriffszweck der staatlichen Ressourcen berücksichtigen. Ist der Einsatz öffentlicher Ressourcen oder amtlicher Autorität hingegen durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigt, kann er nicht als unlauter beanstandet werden.
man die Ausnahmetatbestände für "daseinsvorsorgerische" öffentliche Unternehmen abschaffen will, die i.d.R. auf kommunaler Ebene anzutreffen sind, so darf man eine Folgeproblematik nicht ausblenden. Die zur Steuerzahlung herangezogenen Betriebe werden - und zwar zum Teil schon aus gesetzlicher Verpflichtung aufgrund der Kommunalabgabengesetze - ihre Gebühren oder Entgelte entsprechend erhöhen, womit der Bürger letztlich die Steuer zahlt und dieses Geld für den privaten Konsum fehlt, was wiederum zu Nachfrageeinbußen führt, die sich negativ auf die Privatwirtschaft auswirken. Vgl. zu dem letzteren - leider aktuellen - Szenario Wirtschaftswoche Nr. 7 v. 8.2.1996, S. 17. 849 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 937; von Gamm, WRP 1984, 303 (309); Schricker, S. 205 f.; prinzipiell ebenso Popel, JA 1988, 127 (134).
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Unter Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, daß die vorrangige Nennung staatseigener Hotelbetriebe durch eine Staatliche Kurverwaltung bei der Beantwortung der Anfragen von Kurinteressenten unlauter war, da kein dies rechtfertigendes öffentliches Interesse vorlag 850. Die unlauterkeitsbegründende Handlung der Kurverwaltung lag darin, unter Nichtwahrung der ihr von den Interessenten zugedachten Objektivität und Neutralität sowie unter Mißbrauch des Vertrauens in eine staatliche Stelle staatseigene Hotels bevorzugt zu empfehlen 851. Die Entgegennahme privatrechtlicher Bestattungsaufträge während der Erfüllung hoheitlicher Bestattungsaufgaben ist nach Ansicht des VGH Mannheim* 52 sittenwidrig i.S.d. § 1 UWG. Das Gericht sah darin einen Mißbrauch der amtlich erlangten Kenntnis von dem Todesfall sowie eine unzulässige Verquickung von hoheitlicher und wirtschaftlicher Tätigkeit. Der erhebliche Wettbewerbsvorsprung beruhte demzufolge allein auf der öffentlich-rechtlichen Rechtsstellung und nicht auf Leistung. Als wesentliches Indiz dafür nahm das Gericht das einheitliche Formular, mit dem die Bestattungsordner die hoheitlich erforderlichen Angaben über den Verstorbenen sowie die zur Wirtschaftstätigkeit zu rechnenden Aufträge, etwa über die Lieferung von Bestattungsartikeln, entgegennahm. Zu weitgehend dürfte es aber sein, die Entgegennahme gewerblicher Bestattungsaufträge durch die Leichenschauer auch dann als unlauter zu werten, wenn diese ausdrücklich auf private Bestattungsunternehmer und die freie Wahlmöglichkeit der Hinterbliebenen hinweisen853. Auf dieser Linie liegend hat auch der Bundesgerichtshof 54 es nicht als sittenwidrig i.S.d. § 1 UWG beanstandet, wenn die Bestattungsordner einer Gemeinde bei ihrer hoheitlichen Tätigkeit dahin gehende Auskünfte erteilen, daß für die nicht hoheitlichen Bestattungstätigkeiten die Bestattungsordner der Gemeinde zur Verfügung stehen, solange sie nicht etwa den Anschein erwecken, es gebe keine privaten Mitbewerber 855.
850 BGHZ 19, 299 (304 ff.). Auch der BGH differenziert aber und stellt heraus, daß nicht jede Empfehlung der staatseigenen Hotelbetriebe durch die Kurverwaltung Wettbewerb s rechtlich unzulässig ist (S. 307). 851 BGHZ 19, 299 (305); zustimmend etwa Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 939; Schricker, S. 182 f.; Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (482); Weber, S. 194. 852 GewArch. 1969, 141 (143). 853 So VGH Mannheim GewArch. 1969, 141 (143); ähnlich VGH Mannheim GRUR 1973, 82 (83). Zutreffend dagegen BGH NJW 1987, 60 (61); NJW-RR 1989, 1120 (1121 f.). 854 NJW 1987, 62 (62 f.). 855 Diesen Gedanken des "Schilderverkaufs"-Urteils (BGH NJW 1974, 1333 ff.) greift der BGH immer wieder einmal auf, so etwa in BGH NJW-RR 1989, 1120 (1122 - "Kommunaler Bestattungswirtschaftsbetrieb III"). Ein wesentliches Kriterium für die Wett-
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Der Bundesgerichtshof 56 hat die Beteiligung der Landwirtschaftskammer Bremen an einer privatrechtlichen Ausstellungsgesellschaft unter diese Fallgruppe eingeordnet. Der Bundesgerichtshof v/eist darauf hin, daß die Landwirtschaftskammer wirtschaftslenkende Aufgaben zu erfüllen und an Entscheidungen über die Vergabe landwirtschaftlicher Ausstellungsflächenmitzuwirkenhat. Angesichts dieser Aufgaben lasse die Beteiligung die Wahrung der für eine Körperschaft des öffentlichen Rechts erforderlichen Objektivität und Neutralität fraglich erscheinen und die jederzeitige Gefahr eines Interessenwiderstreits befürchten. Der Bundesgerichtshof läßt interessanterweise die Entscheidung, ob diese Gefahr für ein Unlauterkeitsurteil bereits genügt, offen. Es wäre sonst in der Tat zu fragen gewesen, ob nicht die Absicht der Landwirtschaftskammer, durch die Beteiligung auf die Gestaltung der Ausstellungen im Sinne der ihr übertragenen Aufgaben Einfluß zu nehmen, ein hinreichendes öffentliches Interesse gewesen wäre. Ein Einwirken der Landwirtschaftskammer auf die das Ausstellungsgelände vergebende Stadt zum Erlaß von Auflagen o.ä. ist jedenfalls nicht weniger eingriffsintensiv, dafür u.U. aber nicht einmal gleich geeignet. Der Bundesgerichtshof umgeht diese Hürde, indem er auf zwei andere Wettbewerbshandlungen abstellt, die von der beklagten Landwirtschaftskammer im Zusammenhang mit der Beteiligung vorgenommen worden waren. Zum einen hatte die Landwirtschaftskammer in ihrem Amtsblatt bekanntgegeben, daß sie der Ausstellungsgesellschaft beigetreten sei und dieser ihre unterstützende Mitarbeit nicht versagen wolle. Außerdem hatte der Präsident der Kammer Rundschreiben der Gesellschaft unter Hinzuffigung seiner Amtsbezeichnung "Präsident der Landwirtschaftskammer" unterzeichnet. In diesen Verhaltensweisen sah der Bundesgerichtshof nun zu Recht einen Mißbrauch der amtlichen Autorität; die Kammer trat mit ihrem amtlichen Ansehen unter Verletzung ihrer Verpflichtung zu Objektivität und Neutralität nach außen zwecks Wettbewerbsförderung. Für diese Verhaltensweisen gab es in der Tat kein rechtfertigendes öffentliches Interesse. Allerdings mutet es merkwürdig an, daß der Bundesgerichtshofes Ausgangspunkt die Beteiligung an der privatrechtlichen Gesellschaft prüft, ein Lauterkeitsurteil über diese Tatsache nicht fällt, um dann zwei andere Wettbewerbshandlungen herauszugreifen, mit deren Hilfe im Ergebnis die Beteiligung als ganze als unlauter bewertet und der Landwirtschaftskammer das Ausscheiden aus der Gesellschaft aufgegeben wird, m.a.W., das
bewerbswidrigkeit ist danach, ob der Hoheitsträger im Rahmen seiner wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit dem potentiellen Kunden gegenüber die privaten Mitbewerber ausdrücklich benennt bzw. zumindest auf sie hinweist. 856 GRUR 1964, 210 (213).
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
"Ob" der wirtschaftlichen Tätigkeit untersagt wird 857 . Diese Schlußfolgerung ist zu weitgehend. Entsprechend anders hat denn auch das OLG Karlsruhe 858 einen vergleichbaren Sachverhalt gewürdigt. Das Gericht sieht keinen Mißbrauch der "Vorzugsstellung" als öffentliche Hand durch die sich beteiligende Stadt, obwohl die Beteiligung den potentiellen Kunden durchaus bekannt war. Auch konnte das Gericht in der Beteiligung keine unzulässige Verquickung amtlicher und wirtschaftlicher Interessen entdecken. Schließlich beanstandete es auch nicht die Überlassung eines Grundstücks an die Gesellschaft sowie die Übernahme einer Ausfallbürgschaft als unlauter, sondern stellte heraus, daß der Einsatz öffentlicher Mittel zu Wettbewerbszwecken nicht schon an sich wettbewerbswidrig sei 859 . Diese Bewertung verdient Zustimmung860 und verdeutlicht die zuvor angesprochene Gratwanderung bei der Lauterkeitsbeurteilung. Festzuhalten bleibt indes, daß der Rückgriff auf staatliche Ressourcen die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit nicht unlauter macht, sondern ein dem wettbewerblichen Leistungsgrundsatz widersprechendes Ausnutzen dieser Mittel hinzukommen muß. Die briefliche Aufforderung des Präsidenten einer Handwerkskammer an seine Kollegen, sich bei den ihnen unterstellten Handwerksinnungen zugunsten der Innungskrankenkassen zu verwenden, hat das OLG Karlsruhe 861 als Mißbrauch hoheitlicher Autorität gewertet und eine unzulässige Verquickung hoheitlicher Befugnisse mit "sozialwirtschaftlichen Interessen" angenommen862. Wen-
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Nicht zutreffend ist es daher, wenn Kluîh , S. 100 f., die BGH-Rspr. dahin gehend interpretiert, sie untersage nur das "Wie" der Wettbewerbsteilnahme des Staates. Zwar dürften die Zivilgerichte aufgrund ihrer Entscheidungskompetenzeinen derart weitreichenden Eingriff in die Tätigkeit des Staates nicht aussprechen, doch folgt dies nicht aus § 1 UWG, sondern eben nur aus ihrer Entscheidungszuständigkeit. Versteht man § 1 UWG bei wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit - wie hier - als öffentlich-rechtliche Norm, so wird die - insoweit ist Kluth zuzustimmen - wenig hilfreiche Unterscheidung zwischen "Ob" und "Wie" ohnehin hinfällig. Andere öffentlich-rechtliche Fragen, wie insbesondere die nach der im Einzelfall existierenden "Wirtschaftsfreiheit", lassen sich dann problemlos im Rahmen von § 1 UWG prüfen. 858 BB 1976, 101 (102 f.). 859 OLG Karlsruhe BB 1976, 101 (103). 860 Ebenso Heinz Bauer, Anm. zu OLG Karlsruhe, BB 1976, 103 f. 861 WRP 1984, 340 (345 f.). 862 Das OLG Karlsruhe WRP 1984, 340 (345), untersucht die Aussage "Die Innungskrankenkasse ist für das Handwerk besser als jede andere Krankenkasse, weil nur sie auf die speziellen Gegebenheiten im Handwerk ausgerichtet ist" zunächst so, als wäre die Äußerung an die umworbenen Innungen gerichtet gewesen. Erst anschließend (S. 346) prüft das Gericht die tatsächlich vorgenommene Äußerung gegenüber den Präsidenten der anderen Handelskammern (und nicht gegenüber den umworbenen Innungen!), um diese
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det man nun die oben aufgestellten Grundsätze an, so ist zunächst ein Einsatz amtlicher Autorität bei dem Schreiben festzustellen. Um als unlauter bewertet zu werden, müßte dieser Einsatz der amtlichen Autorität dem Leistungsgrundsatz widersprechen und nicht etwa durch eine Aufgabenzuweisung des Gesetzgebers gerechtfertigt sein. Untersucht man nun die gesetzlichen Zuständigkeiten des Präsidenten der Handwerkskammer (§§ 109, 91 Abs. 1 Nr. 1, 9, 13 HandwO), so ergibt sich ein anderes Ergebnis: Da der Präsident der Handwerkskammer u.a. "die wirtschaftlichen Interessen des Handwerks und die ihnen dienenden Einrichtungen zu fördern" hat (§91 Abs. 1 Nr. 9 HandwO), dürfte der Präsident hier im Rahmen seiner Kompetenzen und daher keinesfalls sittenwidrig gehandelt haben. Der Bundesgerichtshof als Revisionsinstanz hat denn auch die Befugnis der Handwerkskammern bestätigt, "im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben das Innungskrankenkassenwesen einschließlich der Gründung neuer Innungskrankenkassen zu fördern" 863. War die Äußerung demnach gesetzlich zulässig, konnte sie auch nicht als wettbewerbswidriger Mißbrauch hoheitlicher Befugnisse zugunsten der Belange der Innungskrankenkassen angesehen werden 864. Das OLG Karlsruhe hatte - trotz sehr ausführlicher Prüfung - die Frage der öffentlichrechtlichen Berechtigung nur ganz kurz gestreift 865 und ohne Subsumtion verneint. Diese Entscheidung zeigt wieder einmal deutlich, daß die Besonderheiten eines Öffentlichen Wettbewerbsrechts in der ordentlichen Gerichtsbarkeit häufig übersehen oder vernachlässigt werden. Die Äußerung eines Landesinnungsmeisters des Augenoptikerhandwerks über einen Vertrag zwischen Dritten in einem Zeitungsinterview866 ist ähnlich zu behandeln. Maßgebend ist auch hier, ob der Landesinnungsmeister im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeit (§§ 81, 82 bzw. § 54 Abs. 3, 4 HandwO) gehandelt hat. Der Bundesgerichtshof kormit dies nicht abschließend entscheiden, da es noch an tatsächlichen Feststellungen fehlte. Am Ende dieser Fallgruppe sei noch ein Beispiel erwähnt, bei dem deutlich kein Mißbrauch der Hoheitsstellung vorliegt: bei der Vermietung staatseigener
"mittelbare Einflußnahme" nicht anders zu bewerten. - Die zitierte Äußerung ist später noch einmal unter dem Gesichtspunkt der "Vergleichenden Werbung" zu untersuchen. 863 BGH GRUR 1986, 905 (907). 864 BGH GRUR 1986, 905 (908). 865 OLG Karlsruhe WRP 1984, 340 (346 re.Sp.). 866 BGH GRUR 1985, 1063 (1064). Die Frage, ob der Landesinnungsmeister als Organ des Landesinnungsverbandes (§ 80 HandwO: juristische Person des privaten Rechts) oder als Organ einer Handwerksinnung (§ 53 HandwO: Körperschaft des öffentlichen Rechts) gehandelt hat, ist hier angesichts der in beiden Fällen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben nur zweitrangig.
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
Werbeflächen. Aus dem Eigentum des Staates an einer derartigen Reklamefläche wird nach der Ansicht eines verständigen Durchschnittsgewerbetreibenden nicht auf amtliche Autorität und eine von dieser unterstützte Empfehlung geschlossen867. Anders gewendet: Die Nutzung dieser staatlichen Ressource, häufig als "Randnutzung" bezeichnet868, liegt schon deshalb innerhalb des Zugriffszwecks, weil der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung die Nutzung wenigstens ausdrücklich erlaubt, wenn nicht gar fordert. Und ein dem Leistungsgrundsatz widersprechendes Ausnutzen des staatlichen Ansehens etc. läßt sich nicht feststellen.
(cc) Erschleichen von Vorteilen Auch in dieser Unter-Fallgruppe ist - wie generell bei "Kundenfang" - der Verstoß gegen den Wahrheitsgrundsatz kennzeichnend. Der Handelnde erlangt einen geschäftlichen Vorteil dadurch, daß er die Verkehrserwartung täuscht, insbesondere etwa dem Kaufentschluß des Kunden, der auf eine bestimmte Ware oder Leistung gerichtet ist, scheinbar entspricht, in Wirklichkeit aber andere Bedingungen herrschen, von denen der Handelnde hofft, der Kunde werde den Unterschied nicht merken oder sich zumindest mit der erhaltenen Leistung abfinden 869. Das in diese Kategorie passende Beispiel betrifft auch die öffentliche Hand als Nachfrager: Eine fur öffentliche Büchereien tätige Einkaufsstelle gab gegenüber Verlegern und Grossisten vor, eine Versandbuchhandlung zu sein. Der Bundesgerichtshof 70 hielt das Auftreten als Versandbuchhandlung für eine unrichtige Bezeichnung, mit der die Einkaufsstelle den falschen Eindruck erwecke, die Merkmale aufzuweisen, die im Geschäftsverkehr den Grund für die Einräumung besonderer Vorteile an (Versand-)Buchhandlungen darstellen. Damit war das Auftreten als Versandbuchhandlung als "Erschleichung von Vorteilen" wettbewerbswidrig i.S.d. § 1 UWG.
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Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (482); vgl. auch BGH GRUR 1973, 530 (531). Allgemein zu staatlichen Verkehrsanlagen als Werbeträger auch Kaiser, NJW 1976, 87 ff. 868 Ausführlich dazu oben D II 1 c dd. 869 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbs recht, § 1 UWG Rn. 23 f.; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 188. 870 GRUR 1959, 244 (246). Die endgültige Entscheidung in der Sache war allerdings angesichts fehlender Feststellungen dem Berufungsgericht vorzubehalten.
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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(dd) Irrefuhrende Werbung Richtet sich das Unterlassungsbegehren gegen eine bestimmte Form der Werbung, so ist regelmäßig die sog. "kleine" Generalklausel des § 3 UWG einschlägig. Bei der Vorschrift des § 3 UWG steht der Schutz der Interessen der Allgemeinheit im Vordergrund 871. Der Schutz der Mitbewerber ist damit aber nicht ausgeschlossen; er kann sowohl über § 3 als auch über § 1 UWG erfolgen. Eine trennscharfe Abgrenzung zwischen beiden Vorschriften ist damit nicht möglich; es ist daher anerkannt, daß beide nebeneinander anwendbar sind und § 1 UWG auch dann noch bejaht werden kann, wenn die beanstandete Werbung von § 3 UWG nicht erfaßt wird 872 . Das Verbot der irreführenden Werbung besitzt einen hohen Stellenwert im Recht des unlauteren Wettbewerbs, dies verdeutlicht schon der Schutz über § 1 und § 3 UWG. Der Hintergrund ist aber vor allem die herausragende Bedeutung der Werbung in einem marktwirtschaftlichen Wettbewerbssystem. Um die - erlaubte - Beeinflussung der Kaufentscheidung der Kunden aber nicht zum "Kundenfang" ausarten zu lassen, muß Werbung unzulässig sein, wenn sie geeignet ist, die angesprochenen Kundenkreise irrezuführen 873. Die zu verhindernde Irreführung kann dabei ebenso in einer Täuschung über Art oder Inhalt des Angebots wie in dem Einsatz unsachlicher Werbemittel liegen. Von den hier behandelten Beispielsfallen gehören die Fälle der Werbung öffentlich-rechtlicher Krankenkassen in diese Kategorie. Das OLG Celle 874 sah in der Verwendung des Textes "Ich möchte mit Beginn meiner Berufsausbildung Mitglied der AOK V. werden" in einer Werbeschrift einen solchen Verstoß gegen das Verbot irreführender Werbung. Das Gericht sah den unrichtigen Eindruck vermittelt, der Geworbene sei bereits mit seiner Unterschriftsleistung fest an die AOK gebunden, obwohl dies tatsächlich - trotz vorheriger Unterschriftsleistung - erst mit Aufnahme der versicherungspflichtigen Tätigkeit der Fall ist. Dadurch sei zudem ein gegen § 1 (und § 3) UWG verstoßender Wettbewerbsvorsprung erreicht worden. Das Bundessozialgericht 75 hat die Bezeichnung "Pflichtkrankenkasse" für eine Allgemeine Ortskrankenkasse sowie die Aussage "Ihre Berufskrankenkasse bietet mehr" in einer Werbeschrift als zulässige Werbung angesehen. Das Gericht
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Baumbach/Hefermehl f Wettbewerbsrecht, § 3 UWG Rn. 4; von Gamm, UWG, § 3 Rn. 1; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 20 Rn. 2. 87 2 BGH GRUR 1977, 257 (259); GRUR 1989, 754 (756); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbrecht, § 3 UWG Rn. 4; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 188. 87 3 Von Gamm, UWG, § 1 Rn. 135 f., 188; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 20 Rn. 1. 874 WRP 1984, 328 (329). 87 5 BSGE 56, 140 (144 ff.).
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
hat der werbenden Ersatzkasse das Recht zugestanden, in der Werbung über die reine Selbstdarstellung hinauszugehen und Besonderheiten darzustellen, die der Umworbene als Vorteil verstehen darf. Die Grenze wird erst dort gezogen, wo die gesetzlichen Krankenkassen diskriminiert werden 876. Die Wertungen des zuletzt genannten Urteils haben auch Eingang gefunden in die "Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung" vom 3.11.1994 877 . Darin werden den gesetzlichen Krankenkassen Vorgaben für ihr Wettbewerbsverhalten gemacht, die insbesondere auch die erlaubten "Allgemeinen Werbemaßnahmen"878 regeln. Danach muß die Werbung einen sachlichen Informationsgehalt über den Auftrag der gesetlichen Krankenversicherung aufweisen, wobei die Besonderheiten der werbenden Kasse herausgestellt werden dürfen 879. Negative Behauptungen, die zur Diskrimierung oder Diffamierung anderer Krankenkassen geeignet sind, sind zu unterlassen880. Neben der Verpflichtung der Werbung auf eine "einer öffentlich-rechtlichen Institution" angemessene Form 881 werden die Werbemittel unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch finanziell begrenzt: Die jährlichen Ausgaben je Mitglied dürfen 0,15 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV nicht übersteigen882. Erfaßt von dem Verbot irreführender Werbung ist auch die Irreführung über den Charakter einer Werbung als solcher883. Dies bedeutet etwa für das öffentlich-rechtliche Fernsehen, daß Wirtschaftswerbung vom eigentlichen Programm deutlich zu trennen, als solche zu kennzeichnen ist und das übrige Programm inhaltlich nicht beeinflussen darf 884.
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BSGE 56, 140 (144). Abgedruckt im Anhang I. 878 "Allgemeine Werbemaßnahmen" sind nach Rn. 7 der WettbewerbsgrundsätzeMaßnahmen, die auf Gewinn und Halten von Mitgliedern gerichtet sind und die weder der Leistungserbringung noch der allgemeinen oder präventiven Aufklärung dienen. 879 Wettbewerbsgrundsätze, Rn. 8. 880 Wettbewerbsgrundsätze, Rn. 10; vgl. auch BSGE 56, 140 (144). 881 Wettbewerbsgrundsätze, Rn. 16. 882 Wettbewerbsgrundsätze, Rn. 17. Nach aktuellem Stand sind dies 6 D M pro Mitglied in Westdeutschland und 4,50 D M pro Mitglied in Ostdeutschland. 883 BGH GRUR 1962, 461 (464 f.); von Gamm, UWG, § 1 Rn. 188. 884 BGHZ 110, 278 (286 ff.). Der BGH hat in dieser Entscheidung zur "Werbung im Programm" die Grundsätze seiner Rechtsprechung zur getarnten Wirtschaftswerbung im redaktionellen Teil von Presseerzeugnissen auf vergleichbare Werbemaßnahmen im Fernsehen übertragen - hier auf das öffentlich-rechtliche Fernsehen, also auf wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit. Vgl. auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerb s recht, § 1 UWG Rn. 40, 43. 877
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
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(ee) Belästigung Wie eben schon betont wurde, gehört Werbung unabdingbar zu einer Wettbewerbswirtschaft 885. Die Anbieter auf dem Markt benötigen dieses Medium, um ihre Produkte und Dienstleistungen den Verbrauchern bekannt zu machen oder in Erinnerung zu rufen. Es bleibt dabei nicht aus, daß einige Verbraucher die mögliche Überflutung mit Werbung als Belästigung empfinden. Ein gewisses Maß an Belästigung im Sinne eines "Nicht-Entgehen-Könnens" muß jedoch als systemimmanent hingenommen werden. Ab einer gewissen - im Einzelfall zu bestimmenden Grenze - kann die Aufdringlichkeit jedoch einen Grad erreicht haben, ab dem die Werbung als sittenwidrig zu beurteilen ist. Dieses Stadium ist erreicht, wenn die Intensität der Werbung eine ruhige, sachliche Prüfung des Umworbenen nicht mehr zuläßt und der Kaufentschluß aus dem Grund gefaßt wird, der Belästigung aufgrund des "Nachgebens" zu entgehen886. Der Verstoß gegen die guten Sitten liegt bei dieser Fallgruppe schon in der Belästigung an sich, die den Bereich einer wettbewerbsgerechten Werbung schon überschritten hat und die Individualsphäre des Umworbenen verletzt. Hintergrund des Sittenwidrigkeitsurteils ist damit eine Interessenabwägung zwischen der Wettbewerbsfreiheit des Werbenden und dem Persönlichkeitsrecht des Umworbenen. Sittenwidrig ist demnach genaugenommen jede Werbung, die das Persönlichkeitsrecht unerträglich verletzt und nicht mehr durch die Wettbewerbsfreiheit des Werbenden gerechtfertigt wird. Also besteht der Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG dann, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen des Persönlichkeitsrechts ergibt und die Unterlassung der Werbung zur Beseitigung der Verletzung des Persönlichkeitsrechts erforderlich ist. Das - soweit ersichtlich - jüngste Beispiel wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit, das in diese Kategorie einzuordnen ist, handelt von der Übersendung der sog. Postbank Card und persönlichen Geheimzahl ohne Aufforderung durch die Postbank an ihre Kunden887. Das LG Berlin hat in diesem Fall eine Belästigung i.S.d. § 1 UWG verneint und völlig zu Recht dargelegt, daß die Postbank die Übersendung von Geheimzahl und Postbank Card nicht vorgenommen hat, um Kunden zu werben, sondern nur, um die bereits vorhandenen Kunden, mit denen ein Vertragsverhältnis besteht, mit einer neuen Karte zu versorgen. Das Gericht beendet sein Urteil mit der zutreffenden Feststellung, daß - im Falle eines Verlustes bei der Übersendung - "die erheblichen Unannehmlichkeiten, die sich im
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Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 57; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 14 Rn. 37. 886 Vgl. hierzu unter Darstellung der verschiedenen Fallkonstellationen Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 57 ff.; Kehl, Wettbewerb s recht, § 14 Rn. 37 ff. 887 LG Berlin ArchivPT 1993, 80 f. m.zust.Anm. Engelbracht.
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
Einzelfall auf Seiten des Kunden ergeben können, (...) nicht mit den Bestimmungen des Wettbewerbsrechts zu beseitigen" seien888. Derartige Probleme sind in der Tat innerhalb des (zivilrechtlichen) Vertragsverhältnisses zu klären. Als Schutzposition, die der staatlichen Wirtschafts- und Wettbewerbsfreiheit gegenüberzustellen ist, wird in den Fällen der Übersendung unerwünschter Werbung regelmäßig das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Umworbenen zu beachten sein. So war es auch in dem Fall der Versendung postfremder Werbung mit den Kontoauszugsbriefen der Deutschen Bundespost, den das Bundesverwaltungsgericht 89 zu entscheiden hatte890. Der Kläger, ein Rechtsanwalt und Notar, fühlte sich durch die postfremde Werbung, die ihm mit seinen Kontoauszügen übersandt wurde, belästigt, und zwar im Hinblick auf seine Betriebs- und Geschäftsräume wie auch auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht. Wie die Vorinstanzen auch stellte das Bundesverwaltungsgericht kurz fest, daß die Übersendung als solche weder Eigentums- und Besitzrechte noch die Berufsfreiheit verletze 891. Als maßgebliches Grundrecht wird nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geprüft, und als verletzendes Moment komme nur die Nichtbeachtung des zuvor vom Kläger deutlich geäußerten Willens, von derartiger Werbung verschont zu werden, in Betracht 892. Das Gericht sieht in der Mißachtung dieses Willens noch kein Indiz für eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Es nimmt eine Güter- und Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles vor, wobei insbesondere der Grad der Belästigung berücksichtigt wird. Das Gericht sieht in diesem Fall die Grenze des Zumutbaren noch nicht überschritten, sondern gelangt zu einem Vorrang der wirtschaftlichen Interessen der Bundespost vor dem Wunsch des Postgiroteilnehmers, von Werbung verschont zu bleiben893. Das OVG Lüneburg als Vorinstanz hatte ebenfalls eine Interessenabwägung durchgeführt und das Überwiegen des wirtschaftlichen Interesses der Deutschen Bundespost vor allem mit der geringen Intensität der Belästigung und dem un-
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LG Berlin ArchivPT 1993, 80 (81). BVerwGE 82, 29 ff. 890 Das Urteil stammt vom 21.4.1989, also noch vor Inkrafttreten der Postreform I. Die Bundespost war als Zweig der unmittelbaren, dekonzentrierten Bundesverwaltung noch anstaltsähnlich organisiert; das Benutzungsverhältnis zwischen Post und Postgirokunde war öffentlich-rechtlich organisiert, § 1 Nr. 4 PostG a.F. i.V.m. PostgiroO. 891 BVerwGE 82, 29 (29 f.); OVG Lüneburg NJW 1988, 1867 (1868, 1870); VG Hannover NJW 1986, 1630 (1632). 892 BVerwGE 82, 29 (30). 893 BVerwGE 82, 29 (30-33). 889
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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verhältnismäßigen Arbeits- und Kostenaufwand fur die Post bei dem verlangten Aussortieren der Werbung begründet894. Die Eingangsinstanz hatte ein anderes Ergebnis erzielt, und zwar eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts, weil kein überwiegendes öffentliches Interesse der Deutschen Bundespost ersichtlich sei895. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip sei lediglich eine "postinterne Verpflichtung" und könne diesen Eingriff nicht rechtfertigen. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit diesem Fall stammt von Ehlers**, der zu Recht die fehlende Unterscheidung von Grundrechtseingriff und Grundrechtsverletzung durch das Bundesverwaltungsgericht rügt 897 . Die vom Gericht sogleich vorgenommene Güter- und Interessenabwägung ist daher vorschnell. Zunächst wäre ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch die Nichtbeachtung des ausdrücklich erklärten entgegenstehenden Willens zu prüfen und zu bejahen gewesen, bevor dann die Rechtfertigung dieses Eingriffs zu erörtern gewesen wäre, die hier angesichts einer fehlenden Rechtsgrundlage zumindest Schwierigkeiten bereitet 898. Nach dem hier vertretenen eigenen Ansatz899 muß für die Übergangszeit, die dem Staat ab erstmaliger Kenntnis einer derartigen Fallkonstellation bis zur Möglichkeit der Verabschiedung einer hinreichenden Rechtsgrundlage einzuräumen ist, eine unmittelbare Interessenabwägung stattfinden. Bei dem Bemühen um das Herstellen praktischer Konkordanz sind das Persönlichkeitsrecht des Klägers und das wirtschaftliche Interesse der Bundespost in Einklang miteinander zu bringen. Dabei sind einerseits die Intensität des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht, das Betroffensein als Freiberufler in seiner beruflichen Tätigkeit und andererseits der Aufwand und die Kosten fur die Bundespost, die Werbung bei bestimmten Empfängern auszusortieren, zu berücksichtigen 900. Die Güterabwägung führt zu dem Ergebnis, daß das wirtschaftliche Interesse der Bundespost das Persönlichkeitsrecht in diesem Fall so weit zurückdrängt, daß der Kläger eine gelegentliche und leicht als solche zu erkennende Übersendung von Werbebeilagen hinzunehmen hat.
894
OVG Lüneburg NJW 1988, 1867 (1869). VG Hannover NJW 1986, 1630 (1632). 896 JZ 1991, 231 ff. 897 Ehlers, JZ 1991, 231 (232 f.). 898 Ehlers, JZ 1991, 231 (233 f.). 899 Vgl. oben D II 1 c gg. 900 Es sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalles maßgebend, vgl. nur BVerwGE 82, 29 (30). 895
24 Schliesky
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Diese Lösung ergibt sich bei der Anwendung der Grundrechte als Verhaltensrecht. Es fragt sich aber, ob man nicht auf § 1 UWG als einfachgesetzliche Verhaltensregel hätte rekurrieren müssen. Die generelle Anwendbarkeit steht nach dem oben Gesagten außer Zweifel, und auch die Tatbestandsmerkmale liegen vor - zu untersuchen bleibt nur die Sittenwidrigkeit. Ein Fall des (offensichtlichen) Zurücktretens des öffentlichen Interesses ist nicht gegeben, dafür könnte die Fallgruppe "Belästigung" hier einschlägig sein. Ein solcher Fall läge vor, wenn die Willensentschließungsfreiheit des Umworbenen in erheblichem Maße beeinträchtigt werden und der Vertragsschluß als Befreiung von der Belästigung gesehen würde. Dies ist hier ausdrücklich zu verneinen, da die Intensität der Beeinträchtigung nicht so gravierend und die Post überdies nicht der potentielle Vertragspartner ist. Eine derartige Briefpostwerbung ist auch bei ausdrücklich erklärtem Widerspruch des Empfängers zulässig, wenn die Beachtung des Widerspruchs mit Kosten und Mühen verbunden ist, die in keinem angemessenen Verhältnis zu der Verärgerung und Belästigung des Umworbenen stehen901. Das gleiche Ergebnis erzielt man bei einer (u.U. zusätzlichen) Güterabwägung der kollidierenden Interessen, wie zuvor unter grundrechtlicher Perspektive gezeigt. Damit wird deutlich, daß der grundrechtliche und der UWG-Maßstab das gleiche Ergebnis erzielen, wobei - darauf weist Ehlers 902 zu Recht hin - bei der grundrechtlichen Prüfung vor der Interessenabwägung Eingriff und Vorhandensein einer rechtfertigenden Rechtsgrundlage vorab zu überprüfen sind. Der vermeintliche Unterschied im Maßstab erklärt sich leicht bei einem genaueren Blick auf die Definition der Fallgruppe "Belästigung". Es wird eine erhebliche Beeinträchtigung und unzumutbare Einflußnahme auf die Persönlichkeitssphäre verlangt; die Kriterien, die zur Feststellung eines Eingriffs in ein Grundrecht dienen, haben somit bereits Eingang in die Definition der Fallgruppe "Belästigung" gefunden. Insoweit darf man - wenn § 1 UWG als verhaltensrechtlicher Maßstab geprüft wird - problemlos zur Güterabwägung übergehen, wenn denn die Belästigung und damit ein Eingriff in das abwägungsrelevante Persönlichkeitsrecht festgestellt wurde.
(b) Behinderung In der Fallgruppe "Kundenfang" standen insbesondere die Beziehungen des Staates als Anbieter zu seinen (potentiellen) Kunden im Mittelpunkt. Die Kategorie "Behinderung" hingegen beleuchtet vor allem das Verhältnis zu den Mitbewerbern.
901 BGHZ 60, 296 (300 f.); OVG Lüneburg NJW 1988, 1867 (1868 f.); von Gamm, UWG, § 1 Rn. 149, 151. 902 JZ 1991, 231 (232 f.).
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
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Kennzeichen einer "Behinderung" ist, daß der Anbieter sich nicht auf die Anpreisung der eigenen Leistung beschränkt, sondern Mitbewerber in die eigenen Absatzbemühungen einbezieht und sie dabei in einer dem Leistungsgedanken widersprechenden Art und Weise beeinträchtigt, sie also - pointiert ausgedrückt - vom Leistungsvergleich ausschaltet903. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß eine Behinderung des Konkurrenten durch eigene erfolgreiche Absatzbemühungen mit wettbewerbskonformen Mitteln wiederum wettbewerbsimmanent ist und daher nicht beanstandet werden kann904. Ansatzpunkte der Lauterkeitsbeurteilung sind das eingesetzte Mittel und der damit verfolgte Zweck unter Berücksichtigung des Leitgedankens vom Leistungswettbewerb905. Der hinter dieser Fallgruppe stehende Schutzgedanke gilt also dem Bestand des freien Wettbewerbs 906; es soll verhindert werden, daß ein Mitbewerber vom Leistungsvergleich durch eine Wettbewerbshandlung des Konkurrenten ausgeschaltet wird und jener dadurch einen Vorteil erlangt. Es kann schließlich noch differenziert werden zwischen der Behinderung eines bzw. mehrerer bestimmter Mitbewerber oder einer Behinderung der Gesamtheit der Konkurrenten. Letztere Fälle werden gemeinhin in der Fallgruppe "Marktstörung" behandelt907. In Fällen der Behinderung ist auch eine Überschneidung mit dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen denkbar, insbesondere mit § 26 Abs. 2 und § 22 GWB 9 0 8 . § 26 Abs. 2 GWB etwa verbietet explizit die "unbillige Behinderung". Die Frage der Abgrenzung zu § 1 UWG wird noch zu erörtern sein, doch mag hier der Hinweis genügen, daß die Vorschriften durchaus nebeneinander anwendbar sein können, die GWB-Vorschriften aber primär das Ziel haben, die Freiheit des Wettbewerbs als solche zu schützen, während § 1 UWG in dieser Fallgruppe das Schwergewicht des Schutzes auf den individuellen Mitbewerber legt. Auch in dieser Fallgruppe ist längst weitere Systematisierungsarbeit geleistet worden; es können beispielsweise folgende Unterfallgruppen einschlägig sein:
903 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 208; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 13 Rn. 24. 904 Von Gamm, UWG, § 1 Rn. 199. 905 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 208; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 13 Rn. 24, § 15 Rn.l; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 50. 906 BGHZ 81, 291 (295); 82, 375 (397); von Gamm, UWG, § 1 Rn. 200. 907 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 208; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 217. 908 Von Gamm, UWG, § 1 Rn. 193 ff.; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 15 Rn. 2; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 388 ff.
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
(aa) Absatzbehinderung Der Name dieser Kategorie ist beinahe Erklärung genug: Dem Handelnden ist vorzuwerfen, durch nicht wettbewerbskonforme Maßnahmen den Absatz des Konkurrenten zu stören und sich so nicht leistungsgerechte Vorteile zu ermöglichen909. Dieser Vorwurf kann auch der öffentlichen Hand als Wettbewerber gegenüber erhoben werden, wenn sie durch wettbewerbsfremde Mittel und Methoden einen Konkurrenten behindert, um sich oder einem anderen einen Vorteil zu verschaffen. In der beanstandeten Handlung wird dann allerdings häufig zugleich ein "Mißbrauch der Hoheitsstellung" liegen. Der Bundesgerichtshof hat keine Behinderung angenommen, wenn eine Stadt die im Bereich ihrer Krankenhäuser anfallenden Transportaufträge ausschließlich an die örtliche Rettungsleitstelle weiterleitet 910. Die schon traditionelle Weiterleitung der Krankentransportaufträge, durch die wiederum die Stadt über die dann eingeschalteten Rettungsfahrzeuge der Berufsfeuerwehr partizipierte, hielt das Gericht für wettbewerbskonform und sachgerecht. Eine andere Beurteilung hielt der Bundesgerichtshof in dem Fall für geboten, daß der Patient ausdrücklich den Transport durch ein konkurrierendes privates Transportunternehmen verlangt hatte; dann sei die Weiterleitung des Auftrags an die örtliche Rettungsleitstelle eine wettbewerbswidrige Behinderung des privaten Konkurrenten 911. Unter Anwendung von § 26 Abs. 2 GWB hat der Bundesgerichtshof das Kostenerstattungsverfahren einer Allgemeinen Ortskrankenkasse bei Krankentransportfahrten beanstandet, das ein privates Krankentransportunternehmen einem schwierigeren Verfahren aussetzte als bei der Abrechnung mit einem Träger des öffentlichen Rettungsdienstes912. Die Verweigerung der Direktabrechnung wertete das Gericht zu Recht als Behinderung des privaten Unternehmers. Die nachteiligen Auswirkungen auf den Wettbewerb des Privaten liegen auf der Hand: Die nachfragenden Patienten werden regelmäßig Fahrzeuge des öffentlichen Rettungsdienstes ordern, da diese direkt mit der Allgemeinen Ortskrankenkasse abrechnen durften und der Nachfrager so bargeldlos die Leistung in Anspruch
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Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 220; Köhler/Piper, UWG, § 31 Rn. 79, 84. 910 BGHZ 101, 72 (78); der BGH sah in der Weiterleitung auch keine wettbewerbswidrige Ausnutzung des faktischen Vermittlungsmonopols und keinen Mißbrauch der Hoheitsstellung. 911 BGHZ 107, 40 (43). Der BGH betont ausdrücklich den Unterschied zu BGHZ 101, 72 ff., der in der konkreten Nachfrageentscheidung des Patienten besteht, an die das Krankenhaus gemäß § 665 BGB gebunden sein soll. 912 BGH NJW 1991, 2963 (2966).
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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nehmen konnte. Der Bundesgerichtshof wertet diese Behinderung als unbillig i.S.d. § 26 Abs. 2 GWB 9 1 3 . Unbillig ist zwar nicht dasselbe wie wettbewerbswidrig 914 , doch ist die fur § 1 UWG relevante Behinderung hier klar ersichtlich. Die Erschwerung des Absatzes bei dem privaten Konkurrenten wird durch wettbewerbswidrige Methoden erreicht, und die Interessenabwägung zwischen der privaten Wettbewerbsfreiheit und einem möglicherweise rechtfertigenden öffentlichen Interesse bereitet bereits bei der Suche nach einem öffentlichen Interesse Schwierigkeiten. Die Allgemeine Ortskrankenkasse hat nicht die Aufgabe, den Wettbewerb der Träger des öffentlichen Rettungsdienstes zu fordern. Sie besitzt zwar in § 133 Abs. 1 SGB V eine Rechtsgrundlage fur das Tätigwerden auf dem Markt des Krankentransportwesens, diese erlaubt jedoch nicht die Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung eines privaten Unternehmers in Form der Behinderung.
(bb) Boykott Unter Boykott im wettbewerbsrechtlichen Sinn ist die organisierte Absperrung bestimmter Unternehmer vom üblichen Geschäftsverkehr zu verstehen915. Erforderlich ist wenigstens ein Dreipersonenverhältnis: Der Boykottierer muß einen anderen, den Adressaten, zur Sperre des Boykottierten (oder Verrufenen) auffordern 916. Diese Aufforderung muß geeignet sein, den freien Willen des Adressaten zu beeinflussen, der wiederum eine im Wettbewerb derart selbständige Stellung einnimmt, die ihm eine hinreichende Entscheidungsfreiheit einräumt 917. Im Wettbewerb zwischen Privaten ist die als Boykottaufruf verstandene Äußerung exakt zu untersuchen, da sie - trotz nachteiliger Auswirkungen für den Verrufenen - durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) gerechtfertigt sein kann. Die Äußerung ist dann nicht wettbewerbswidrig, da § 1 UWG im Sinne der sog. Wechselwirkungstheorie wiederum restriktiv im
913 NJW 1991, 2963 (2966 f.). Der BGH äußert am Ende des Urteils, daß sich angesichts der eindeutigen Sachlage die Prüfung eines Unterlassungsanspruchs aus § 1 UWG erübrige. Der BGH hätte angesichts der neugefaßten Rechtswegzuweisungdes § 51 Abs. 2 SGG aber auch Anlaß gehabt, Ausführungen zum Rechtsweg zu machen - darauf ist noch zurückzukommen. Im entschiedenen Fall war die Unterlassungsklage allerdings schon vor der Gesetzesänderung rechtshängig, so daß der BGH nach seiner st.Rspr. konsequent den ordentlichen Rechtsweg annahm. 914 Von Gamm, UWG, § 1 Rn. 198. 915 Baumbach/Hefermehl t Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 276; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 212; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 51. 916 BGHZ 19, 72 (77); Baumbach/Hefermehl Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 277; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 212; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 51. 917 Typisches, aber nicht zwingendes Beispiel: der Verbraucher.
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Lichte des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG ausgelegt werden muß 918 , obwohl die Vorschrift ein allgemeines Gesetz im Sinne der Grundrechtsschranke des Art. 5 Abs. 2 GG ist 919 . In diesem Punkt ist ein Öffentliches Wettbewerbsrecht wiederum zu modifizieren. Eine Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG kann dem Staat nicht zugestanden werden, so daß die Frage entsteht, inwieweit der Rahmen, innerhalb dessen eine aus einer Meinungsäußerung resultierende Behinderung zwischen Privaten hingenommen werden muß, noch übertragbar ist. Beispiele zur Beantwortung der Frage sind insbesondere bei den Wettbewerbsverhältnissen "Verwaltungsträger beeinflußt Wettbewerbsstellung des Unternehmers durch Einflußnahme auf Kunden" anzutreffen. In diese Kategorie fällt ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 920 zur Nichtbenennung von zwar bekannten, aber nicht für geeignet befundenen Unternehmensberatern durch eine Industrie- und Handelskammer. Das Gericht sah in dieser Praxis, mit der die IHK eine "Reinhaltung des Berufsstandes" bezweckte, eine wettbewerbsausschaltende Zuteilungspraxis, die zu einem Wettbewerbsnachteil und einer Behinderung der Wettbewerbsstellung des Nichtbenannten führte 921. Diese zutreffende Beurteilung, zu der das Gericht über die Anwendung von Art. 12 Abs. 1 GG gelangte, erfüllt auch die Kriterien eines Boykotts i.S.d. § 1 UWG. Die Nichtbenennung eines vorhandenen und bekannten Beraters entspricht der Aufforderung, den nicht genannten Berater mangels Eignung nicht mit der Beratung im Rahmen eines Existenzgründungsprogrammes zu beauftragen. Für diese (konkludente) Boykottaufforderung besitzt die IHK keine hinreichende Rechtfertigung: Die Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG kann sie nicht für sich in Anspruch nehmen, und die allgemeine Aufgabenzuweisungsnorm des § 1 Abs. 1 IHKG genügt nicht den Anforderungen an eine Eingriffsrechtfertigung und gewährt damit nicht das Recht, gerade den Kläger, einen privaten Unternehmensberater, nicht zu benennen922. Vielmehr besteht die Verpflichtung aus Art. 3 Abs. 1 GG, auch ihn zu benennen, solange kein überzeugender sachlicher Grund existiert, der eine Ungleichbehandlung rechtfertigt. Die mangelnde Eignung kann ein solcher Grund sein; bloße Zweifel an der Geeignetheit genügen dafür jedoch noch nicht.
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BVerfGE 7, 198 (208 f.); 62, 230 (244); 66, 116 (150); 69, 257 (269 f.); BVerfG GRUR 1984,357 (359); Schmidt-Jortzig, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR VI, § 141 Rn. 42. 919 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 283 f.; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 213. 920 BVerwGE 89, 281 ff. 921 BVerwGE 89, 281 (284). 922 Ebenso BVerwGE 89, 281 (285).
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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Ahnlich gelagert war der Fall des Erlasses von Subventionsrichtlinien durch den Niedersachsischen Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, in denen private Unternehmen von einer Tätigkeit als Subventionsbetreuer ausgeschlossen wurden 923. Die im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes"924 Geforderten wurden - um überhaupt in den Genuß der Förderung zu kommen - durch die Subventionsrichtlinien dahin gehend bestimmt, nur die aufgeführten Betreuungsunternehmen in Anspruch zu nehmen. Das für einen Boykott erforderliche Dreipersonenverhältnis besteht somit. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Fall über Art. 12 Abs. 1 GG gelöst, indem es den Ausschluß aller anderen Personen von der Betreuertätigkeit als Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit wertete und die diesen rechtfertigende Rechtsgrundlage vermißte 925. Bei einer Bewertung nach § 1 UWG fällt das Ergebnis nicht anders aus: Der Boykottierer bezweckte den Ausschluß der privaten Unternehmen von der Tätigkeit als Betreuer, und die prinzipiell existierende Auswahlfreiheit des Adressaten wurde nicht nur beeinflußt, sondern bereits faktisch auf ein Minimum reduziert, indem im betreffenden Fall dem Adressaten lediglich die Wahl zwischen einer landeseigenen Gesellschaft und einem weiteren gemeinnützigen Unternehmen blieb. Für die Interessenabwägung926 fehlt es wiederum an einem öffentlichen Interesse; ein solches besteht zwar an dem grundsätzlichen Tätigwerden (Förderung) sowie dem Erlaß von Subventionsrichtlinien927; für beides besteht auch eine gesetzliche Ermächtigung in §§ 3, 5, 9 des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes"928. Der konkrete Inhalt dieser Subventionsrichtlinie in Form der Boykottaufforderung wird von dieser Rechtsgrundlage jedoch nicht mehr gedeckt.
923
BVerwGE 75, 109 ff. Vgl. Art. 91 a Abs. 1 Nr. 3 GG und oben C I 2 h. 925 BVerwGE 75, 109 (114 f.). 926 Es ist wettbewerbsrechtlich anerkannt, daß ein vorrangiges öffentliches Interesse des Boykottierers zum Entfallen der Unlauterkeit (und Unbilligkeit i.S.d. § 26 Abs. 1 GWB) fuhren kann, vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 286. Vgl. auch BVerfG GRUR 1984, 357 (359), das als maßgebend - im Hinblick auf Art. 5 GG - Motiv, Ziel und Zweck der Aufforderung des Boykottierers untersucht. 927 Angesichts dieses grundsätzlich hinreichenden öffentlichen Interesses ist dieser Fall in dieser Fallgruppe zu prüfen und nicht in der Fallgruppe "Zurücktreten des öffentlichen Interesses", denn das öffentliche Interesse deckt grundsätzlich die Wettbewerbshandlungen des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, nicht aber diese konkrete. 928 V. 3.9.1969, BGBl. I S. 1573. 924
D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
Einzuordnen in die Fallgruppe "Boykott" wäre schließlich auch die Warnung vor Glykolwein 929 bei Bejahung der Wettbewerbsabsicht. Kein Boykott i.S.d. § 1 UWG ist ein Sperraufruf aus politischen, gesellschaftlichen oder sozialen Motiven 930 ; es fehlt dann in der Regel bereits an der Wettbewerbsabsicht. Dementsprechend wurde ein Boykott i.S.d. § 1 UWG bei der Aufforderung des Präsidenten einer Handwerkskammer an seine Kollegen, auf ein Unterlassen der Kandidatur bei Sozialwahlen für Ortskrankenkassen von Repräsentanten des Handwerks hinzuwirken, verneint 931. Abschließend bleibt noch auf eine Anspruchskonkurrenz hinzuweisen: Auch § 26 Abs. 1 GW^B kann (und wird häufig) in Boykottfällen verletzt sein932.
(cc) Preisunterbietung Auch diese Unterfallgruppe ist dem Kreis der behindernden Maßnahmen zuzurechnen, doch bedeutet der Tatbestand einer Preisunterbietung noch längst kein Unterlassungsgebot. Vielmehr ist von einer grundsätzlichen Preisfreiheit auszugehen933, die - plakativ gesprochen - das "Herz der Marktwirtschaft" 934 bildet. Daher ist jede Form der Preisunterbietung grundsätzlich erlaubt 935. Dies gilt auch fur die öffentliche Hand, wenn sie am Wettbewerb teilnimmt936. Wettbewerbswidrig wird eine Preisunterbietung im Ausnahmefall dann, wenn der Handelnde in "Vernichtungsabsicht" vorrangig die Verdrängung eines oder
929
BVerwGE 87, 37 ff. BVerfG GRUR 1984, 357 (359); OLG Karlsruhe WRP 1984, 340 (344); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 284; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 51. 931 BGH GRUR 1986, 905 (908); OLG Karlsruhe WRP 1984, 340 (344), das allerdings eine boykottähnliche Maßnahme annahm und diese unter allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten für sittenwidrig hielt. 932 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 281, 285; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 193, 215. 933 LG Düsseldorf m 1962,778; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 251; Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 76 f.; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 15 Rn. 18. 934 Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 77. 935 RGZ 134, 342 (349 ff.); BGHZ 28, 54 (60); 44, 288 (302); 85, 84 (95); 120, 320 (326 f.); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 252; Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 82; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 50. 936 OLG Köln WRP 1985, 511 (514); OLG Saarbrücken WRP 1988,328 (3Ì0); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 944; Schricker, S. 207; Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (488). 930
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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mehrerer Konkurrenten vom Markt anstrebt, es ihm also nicht mehr um eine Etappe in seiner kaufmännischen Kalkulation auf dem Weg zum Gewinn geht, sondern die Schädigung und Vernichtung des Mitbewerbers der eigentliche Zweck ist 937 . Die Unlauterkeit liegt dabei nicht in der Preisunterbietung per se, sondern in den Gefahren, die sie hervorruft: Es kann die Gefährdung des Bestands des Wettbewerbs drohen, es kann die Gefahr gemeinschaftsschädlicher Nachahmung durch andere Konkurrenten bestehen, oder es kann eine Irreführung der Verbraucher über die sonstige Preisstellung des Anbieters den unlauteren Begleitumstand darstellen938. Erst zusätzliche äußere Umstände erlauben das Urteil über die Unlauterkeit 939, denn die Problematik der Preisunterbietung liegt darin begründet, daß die Preisbestimmung - abgesehen von einigen Preisbindungen940 - grundsätzlich frei ist, der Preis sich vielmehr durch das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage und mittels gegenseitiger Unterbietung der Konkurrenten am Markt bilden soll941. Ein "gerechter" Preis, der also allen Marktteilnehmern gerecht werden soll und festgesetzt werden müßte, benachteiligt immer den Leistungsfähigeren und -willigeren. Eine derartige Preisentstehung ist mit einer auf wettbewerblichen Grundsätzen beruhenden Marktwirtschaft nicht vereinbar. Zwischenergebnis ist insoweit, daß auch bei wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit zusätzliche besondere Umstände hinzutreten müssen, um die Preisunterbietung unlauter erscheinen zu lassen. Dieses Unlauterkeitsmoment könnte im Rückgriff auf staatliche Ressourcen - etwa Steuermittel942 - liegen. Nun ist
937
RGZ 134, 342 (355); BGHZ 96, 337 (346); 111, 188 (190); 116, 47 (55); LG Düsseldorf^ 1962, 778; Böttner, WRP 1989, 433 (438); Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 84; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 15 Rn. 21; Köhler/Piper, UWG, § 1 Rn. 240; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 50. 938 BGH GRUR 1974,344 (345); LG Düsseldorf^ 1962,778; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 254 ff.; Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 85; Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (488). 939 Deutlich Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 85; Piper, GRUR 1986, 574 (579); a.A. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 253, 261, der die Begleitumstände möglichst sauber trennen und in der jeweiligen Fallgruppe abhandeln will. Allerdings ist einzuräumen, daß die Berücksichtigung zusätzlicher Umstände häufig die ohnehin fließenden Grenzlinien zu anderen Fallgruppen noch undeutlicher werden läßt. Überschneidungen zu Fallgruppen wie Mißbrauch der Hoheitsstellung, Marktstörung oder irreführende Werbung lassen sich dann nicht vermeiden, sind im Ergebnis aber unschädlich. 940 Vgl. etwa §§ 16, 17 GWB. 941 Dazu aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht Siebke, Preistheorie, S. 63 ff. 942 So offensichtlich Pöpel, JA 1988, 127 (133), der das "quasi unerschöpfliche Reservoir der öffentlichen Haushalte" anfuhrt. Der ungezügelte Rückgriff staatlicher Einheiten auf Finanzmittel aus Steuereinnahmen ist angesichts der allerorts beklagten
D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
aber in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, daß der durch Zuschüsse der Muttergesellschaft finanzierte Preiskampfeines konzernabhängigen Unternehmens wettbewerbsrechtlich unbedenklich ist 943 . Würde man diesen Gedanken übertragen, dürfte der Bezuschussung von öffentlichen Unternehmen durch ihre Träger oder überhaupt der beliebigen Finanzierung von wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit aus Steuereinnahmen kein Hindernis entgegenstehen. An dieser Stelle gebietet die Besonderheit staatlicher Wettbewerbsteilnahme jedoch eine Modifizierung des Verhaltensrechts: Der staatliche Teilnehmer am Wettbewerb wird - wie gezeigt - nicht durch eigennütziges Gewinnstreben geleitet 944 , sondern durch einen gemeinwohlorientierten öffentlichen Zweck. Dementsprechend dürfen bereitgestellte Mittel nur im Rahmen des öffentlichen Zwecks, dem zu dienen sie bestimmt sind, eingesetzt werden. Eine Preisunterbietung ist also - unabhängig von Vernichtungsabsicht o.ä. - zulässig, solange sie (wenigstens längerfristig) dem öffentlichen Zweck dient und mit Mitteln betrieben wird, die dieser staatlichen Einheit zu diesem öffentlichen Zweck überlassen wurden 945. Werden hingegen zweckfremde allgemeine Steuermittel in den Preiskampf eingeführt, so ist die Preisunterbietung wettbewerbswidrig. Eine dahin gehende Überprüfung ist anhand des Haushaltsrechts möglich, dem die Zweckbindung der in Rede stehenden öffentlichen Mittel großenteils entnommen werden kann946.
leeren Kassen nicht nur tatsächlich undurchführbar, sondern - wie gleich auch gezeigt wird - aus rechtlichen Gründen unmöglich und daher ein unberechtigter Vorwurf. Wie Pöpel zuvor bereits Jüttner-Kramny, in: FIW (Hrsg.), Staat als Wettbewerber, S. 92 f.; H. Klein, Teilnahme, S. 231. 943 S. nur BGHZ 85, 84 (95); Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 82. 944 Er ^//jedenfalls nicht dadurch geleitet sein; wenn dies doch einmal der Fall sein sollte, so ist bereits die Fallgruppe "Zurücktreten des öffentlichen Interesses" einschlägig, und das Handeln ist als Wettbewerbs widrig zu beurteilen. 945 BVerwG NJW 1978, 1539 (1540); RGZ 138, 174 (178); BGH NJW 1982, 2125 (2127); OLG Saarbrücken WRP 1988, 328 (330); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 944; Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 38; Köhler/ Piper, UWG, § 1 Rn. 239 f.; Piper, GRUR 1986, 574 (579); im Erg. letztlich auch Schricker, S. 214 f. 946 Nicht überzeugen kann die gegenteilige Auffassung von H. Klein, Teilnahme, S. 249, und Schricker, S. 212, wonach in der zweckwidrigen Verwendung öffentlicher Mittel lediglich ein Verstoß gegen haushaltsrechtliche Vorschriften vorliege, der unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten belanglos sei. Dabei wird verkannt, daß es allein der öffentliche Zweck ist, der die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit legitimiert. Mit der Verknüpfung bestimmter finanzieller Mittel mit einem öffentlichen Zweck macht der Staat deutlich, in welchem Umfang wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit beabsichtigt ist. Diese Grenze ist ernst zu nehmen, da sonst einem Niederkonkurrieren bestimmter Konkurrenten unter Einsatz aller Steuermittel zumindest theoretisch kein Einhalt geboten werden könnte.
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
37
Durch den haushaltsrechtlichen Kontrollmaßstab wird die Preisunterbietung einfacher nachweisbar als im Wettbewerb zwischen Privaten. Gleichzeitig wird auch deutlich, daß an dieser Stelle das Öffentliche Wettbewerbsrecht der wettbewerbsrelevanten Staatstatigkeit engere Grenzen setzt als privaten Wettbewerbern 947 . Die Verschärfung der Verhaltensgrenzen leuchtet aber auch im Ergebnis ohne weiteres ein, wenn man sich die rechtliche Gratwanderung verdeutlicht, die der Staat bei einer Preisunterbietung unternimmt: Die öffentlichen Mittel, mit denen die Preisunterbietung u.U. finanziert wird, stammen letztlich auch aus den Steuern, die die unterbotenen Konkurrenten gerade abgeführt haben. Es ist aber unbillig, private Unternehmer mit von ihnen erwirtschafteten Mitteln zu unterbieten und gleichzeitig noch das Insolvenzrisiko des staatlichen Konkurrenten wiederum den privaten Steuerzahlern aufzubürden 948. Die Rechtfertigung für Dumpingpreise kann nur in einem hinreichend gewichtigen öffentlichen Zweck liegen, der gleichzeitig die Grenze für den erlaubten Mittelaufwand markiert. Bislang keine Beachtung hat eine vergleichbare Grenze gefunden 949, die sich unmittelbar aus öffentlichem Recht ergibt: Gestaltet ein Träger hoheitlicher Gewalt die Leistungsbeziehung zu seinen Kunden mittels Gebührenerhebung aus, so folgt bereits aus dem Äquivalenz- und Kostendeckungsprinzip, daß eine Preisunterbietung bereits in einem frühen Stadium unzulässig ist 950 . Denn Wesensmerkmal von Gebühren, die besonders auf kommunaler Ebene Bedeutung erlangen 951 , ist gerade, daß sie nur eine Gegenleistung für die Inanspruchnahme einer besonderen Leistung darstellen können952. Damit ist das Äquivalenzprinzip angesprochen, nach dem hinsichtlich der quantitativen Gebührenbemessung die erhobene Gebühr und der tatsächliche Wert der in Anspruch genommenen Leistung einander entsprechen müssen953. Das Kostendeckungsprinzip besagt als
Der Verstoß gegen das Haushalts recht ist allerdings nicht das maßgebende Kriterium für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit im Sinne der noch zu erörternden Fallgruppe "Vorsprung durch Rechtsbruch", sondern die Zweckbindung mittels Haushaltsplans ist das entscheidende Hilfsmittel für die Beurteilung der Lauterkeit im Einzelfall der Preisunterbietung. 947 Ebenso Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (488). 948 Zu dieser Argumentation RGZ 138,174 (178); OLG Saarbrücken WRP 1988, 328 (330). 949 Ansatzweise lediglich Schricker, S. 215. 950 An diesem Gedanken zeigt sich - nebenbei bemerkt - wieder einmal, daß die Leistungsbeziehung - entgegen der BGH-Rspr. - eine wesentliche Bedeutung für die verhaltensrechtliche Beurteilung hat. 951 Klein, in: ders. (Hrsg.), Lehrbuch des öffentlichen Finanzrechts, I Rn. 132. 952 In Abgrenzung zu Steuern und Beiträgen, vgl. Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 796; Wolff/Bachof/Stober, VwR I, § 42 Rn. 14 ff.
D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
negative Grenze, daß das Gebührenaufkommen den Verwaltungsaufwand nicht übersteigen darf, und positiv gewendet, daß die Gebühren die Kosten der laufenden Verwaltung und Unterhaltung der öffentlichen Einrichtung decken sollen 954 . Bietet eine derartige öffentliche Einrichtung nun ihre Leistung zu einem Preis an, der unter den Selbstkosten liegt, so widerspricht dies beiden Prinzipien. Normiert sind diese Grenzen in den Kommunalabgabengesetzen der Lander 955 . Zu beachten ist allerdings, daß die Vorschriften der Kommunalabgabengesetze keine subjektiv-öffentlichen Unterlassungs- und Abwehrrechte für Konkurrenten im Wettbewerb einräumen. Es handelt sich um objektives Verhaltensrecht, zu dessen Überwachung die Kommunalaufsicht angehalten ist. Der Verstoß gegen eine Vorschrift des Kommunalabgabenrechts stellt zwar einen Rechtsbruch dar, hat aber für die Fallgruppe "Vorsprung durch RechtsbruchM keine Bedeutung 956 . Entsprechend den zuvor herausgestellten Problemkreisen gibt es nicht viele Beispiele aus der Rechtsprechung zu einer wettbewerbswidrigen Preisunterbietung im Rahmen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit. Eine nach § 1 UWG zu beanstandende Preisunterbietung könnte in der Selbstabgabe von Feinbrillen durch eine Allgemeine Ortskrankenkasse liegen957; die Preise sollen bis zu 50 % unter denen von privaten Optikern gelegen haben958. Der Bundesgerichtshof 59 sieht in dieser Selbstabgabe eine nicht unerhebliche Gefahr einer Ausschaltung des Leistungswettbewerbs und damit eine Gefahr für den Bestand des Wettbewerbs. Das Gericht sieht als faktische Folge auch die Gefahr der Verdrängung der privaten Augenoptiker-Konkurrenten, doch fehlt es in diesem Beispiel an der Vernichtungsabsicht. Die AOK hatte die Versorgung ihrer Versicherten bei privaten Optikern weiterhin anerkannt; vor allem konnte ihr nicht widerlegt werden, daß es ihr nur um eine wirtschaftliche und effektive Versorgung ihrer Versicherten ging. Der Sachverhalt ist daher eher in die Fallgruppen "Mißbrauch der Hoheitsstellung"960 und "Marktstörung" einzuordnen. 953
BVerfGE 20, 257 (270); 42, 223 (228); BVerwGE 13, 214 (222 f.); 26, 305 (308 ff.); Schmidt-Jortzig y Kommunalrecht, Rn. 798; Wolff/Bachof/Stober y VwR 1, § 42 Rn. 24. 954 Schmidt-Jortzig y Kommunalrecht, Rn. 798; Wolff/Bachof'/Stober, VwR I, § 42 Rn. 25. - Zu den berücksichtigungsfähigen Kosten zählen auch die Verzinsung des aufgewandten Kapitals sowie die mutmaßliche Abschreibung, vgl. § 6 Abs. 2 S. 2 Kommunalabgabengesetz Schleswig-Holstein - KAG SH - i.d.F. v. 29.1.1990, GVOB1. S. 51. 955 Vgl. etwa für Schleswig-Holstein § 4 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1, 2 KAG SH. 956 Dazu unten (d). 957 BGHZ 82, 375 ff. 958 Nach Harms, BB 1986 (Beil. 17), S. 18. 959 BGHZ 82, 375 (397). 960 So auch der Klägervortrag, BGHZ 82, 375 (377).
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
3
Auch nach dem hier entwickelten Kriterium ist die Selbstabgabe unter dem Aspekt einer wettbewerbswidrigen Preisunterbietung nicht zu beanstanden. Die AOK hat öffentliche Mittel, die Beiträge ihrer Versicherten, aufgewandt. Zweck dieser Mittel ist die wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit Behandlungsleistungen, Heil- und Hilfsmitteln 961. Aus § 27 S. 2 Nr. 3 SGB V folgt ein Anspruch der Versicherten auf Hilfsmittel, und die §§ 126 f. SGB V schließen die Selbstabgabe von Hilfsmitteln nicht aus. Die Mittel wurden also zweckentsprechend verwandt; unter dem Gesichtspunkt der Preisunterbietung ist die Selbstabgabe von Feinbrillen nicht zu beanstanden. Unter diesem Gesichtspunkt der zweckwidrigen Verwendung von Mitteln aus dem Beitragsaufkommen hielt der Bundesgerichtshof 62 die Beitragsgestaltung einer Ersatzkasse fur wettbewerbswidrig i.S.d. § 1 UWG. Die Ersatzkasse hatte nicht kostendeckende Tarife fur freiwillig versicherte Kinder angeboten, die nur gewährt werden konnten, wenn der Fehlbetrag mit Mitteln aus dem Beitragsaufkommen der Solidargemeinschaft der Versicherten abgedeckt wurde 963. Das wettbewerbswidrige Moment liegt darin, daß fur die begünstigte Personengruppe der gesetzliche Versicherungsauftrag fehlte und die Preisunterbietung mit Hilfe der aus dem Kreise der gesetzlich Versicherten stammenden Finanzmittel somit eine zweckwidrige Verwendung öffentlicher Mittel darstellte964. Das Reichsgericht 965 nahm eine unlauterere Preisunterbietung bei einem von einer Stadtgemeinde betriebenen "Haus der Jugend" an, das entgegen der Zweckbestimmung seiner öffentlichen Mittel außer Jugendlichen auch Erwachsene aufnahm und diesen so Preise anbieten konnte, die unter den üblichen Hotelpreisen lagen.
961
Vgl. heute §§ 11-68 SGB V. BGH NJW 1982, 2125 (2127). 963 BGH NJW 1982, 2125 (2128), stellt die Feststellung einer wettbewerbswidrigen Preisunterbietung allerdings unter einen Erheblichkeitsvorbehalt im Hinblick auf die Differenz zwischen subventioniertem und unsubventioniertem Preis. 964 Zustimmend Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 944; Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 38; Scholz, in: M./D./H./S., GG, Art. 12 Rn. 411; a.A. Schricker, S. 211 f. - In Anlehnung u.a. an diesen Fall wollen Köhler/ Steindorff, NJW 1995, 1705 (1708), öffentliche Beihilfen und Subventionen beurteilen, die ein (privates) Unternehmen zur Preisunterbietung von Mitbewerbern einsetzt. Dem zweckwidrigen Mitteleinsatz wollen Köhler/Steindorff darüber hinaus den Einsatz jener Mittel gleichstellen, die dem Unternehmen zu Unrecht vom Staat, etwa unter Verstoß gegen das Beihüfeverbot des Art. 93 Abs. 3 EGV, zur Verfügung gestellt wurden. Ein Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG soll nach ihrer Ansicht (S. 1710), auch gegen den beihilfegewährenden Staat bestehen. Der Ansicht ist im Ansatz zuzustimmen. 965 RGZ 138, 174 (178 f.). 962
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Verneint hat das LG Düsseldorf 66 eine sittenwidrige Preisunterbietung durch ein öffentliches Unternehmen, das - zusammen mit einem privaten Konkurrenten - der einzige Hersteller fur eine bestimmte Sorte von Fußbodenbelägen war. Obwohl ein Verkauf unter Selbstkosten in Rede stand, sah das Gericht keinen Grund zur Beanstandung, nachdem es eine Vernichtungsabsicht verneint hatte. Auf mögliche Fälle einer unlauteren Preisunterbietung bleibt noch im Zusammenhang mit der Privatisierung ehemals staatseigener Betriebe der DDR hinzuweisen. Wenn noch nicht privatisierte Unternehmen die besonderen Vorzüge einer Subventionierung durch die Treuhandanstalt oder ihre Nachfolger nutzen, um damit Preisunterbietungen zu finanzieren, liegt unter dem Gesichtspunkt der Verfehlung des Zwecks der öffentlichen Subventionen unlauterer Wettbewerb
(dd) Vergleichende Werbung Unter dem Gesichtspunkt des "Kundenfangs" war bereits die Werbung mit unwahren bzw. unrichtigen Tatsachen behandelt worden. Werbung mit wahren Tatsachen kann ebenfalls unlauter sein, wenn sie vergleichend betrieben wird und sich als Behinderung des Mitbewerbers begreifen läßt 968 . Denn eine dem Gedanken des Leistungswettbewerbs entsprechende Werbung soll primär das eigene Angebot des Werbenden und dessen Vorteile herausstellen, nicht aber bestimmte Mitbewerber oder deren Produkte zum Gegenstand machen, sie herabsetzen und dadurch behindern 969. Präzise Angaben dazu, was als vergleichende Werbung noch zulässig ist, sind nur schwer möglich, da dieser Bereich noch zu den ungeklärten des Wettbewerbsrechts gehört. Die Rechtsprechung ist insgesamt sehr restriktiv und läßt vergleichende Werbung nur in eng begrenzten Ausnahmefallen zu 970 , während die Literatur teilweise vehement die Zulassung von vergleichender Werbung
966
BB 1962, 778. Vgl. Horn, Zivil- und Wirtschaftsrecht, § 22 Rn. 37. 968 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 331; Berlit, Wettbewerbsrecht, Rn. 126; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 52, 53 f. 969 Kehl y Wettbewerbsrecht, § 16 Rn. 1; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 52. 970 BGHZ 42, 134 (147 f.); 49, 325 (329 f.); BGH GRUR 1962, 45 (48); GRUR 1969, 283 (285); NJW 1989, 2326 (2327); zustimmend Böttner y WRP 1989, 433 (437). 967
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
3
fordert, lediglich begrenzt durch die pauschale Herabsetzung des Konkurrenten 971 . Der Bundesgerichtshof geht von einer grundsätzlichen Wettbewerbswidrigkeit der kritisierenden vergleichenden Werbung aus972. Allerdings hat er auch einen Ausnahmegrundsatz entwickelt: Die vergleichende Werbung ist ausnahmsweise zulässig, wenn der Werbende einen hinreichenden Anlaß hat, d.h. in Wahrnehmung berechtigter Interessen handelt, und wenn sich die Äußerungen nach Art und Ausmaß in den Grenzen des Erforderlichen und der wahrheitsgemäßen sachlichen Erörterung halten973. Damit ist letztlich eine Interessenabwägung maßgebend fur die Entscheidung über die Zulässigkeit einer vergleichenden Werbung im Einzelfall 974. Bei dieser Interessenabwägung ist im Wettbewerb zwischen Privaten vor allem die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG als Schutzgut einzustellen975. An dieser Stelle ist das Öffentliche Wettbewerbsrecht nun wieder zu modifizieren. Da die staatlichen Einheiten sich nicht auf die Grundrechte berufen können976, ist ein entsprechend hinreichendes öffentliches Interesse erforderlich, das nicht nur die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit als solche legitimiert, sondern auch noch die vergleichende Werbung und damit eine (gewisse) Behinderung des Mitbewerbers deckt. Insofern ist der Maßstab für ein lauteres Verhalten der öffentlichen Hand wiederum ein schärferer. Das OLG Karlsruhe 977 hielt die Äußerung des Präsidenten einer Handwerkskammer "Die Innungskrankenkasse ist für das Handwerk besser als jede andere Krankenkasse, weil nur sie auf die speziellen Gegebenheiten im Handwerk aus-
971
Insbes. Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 118 f. ; Sedelmeier, ZRP 1991, 370 (373 f.). De lege ferenda dürfte sich die letztere Linie durchsetzen: Die für Verbraucherfragen zuständigen EU-Minister haben sich mittlerweile auf einen Richtlinienentwurf geeinigt, wonach vergleichende Werbung europaweit zulässig sein soll, sofern sie wahrheitsgetreu und nicht irreführend ist und eingetragene Markenzeichen nicht schädigt, vgl. Süddeutsche Zeitung v. 10.11.1995, S. 25. 972 BGH GRUR 1971,159 (160); GRUR 1981,748 (749). Sedelmeier, ZRP 1991,370 (370 f.), zeichnet die Entwicklung der Rechtsauffassung in der Bundesrepublik nach. 973 BGHZ 49, 325 (329); BGH GRUR 1969, 283 (285); GRUR 1971, 159 (160); GRUR 1986, 618 (620); NJW 1989,2326 (2327); OLG Karlsruhe WRP 1984, 340 (345). 974 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 335; Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 114; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 16 Rn. 17. 975 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 336; Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 113, 118 f.; allgemein zu dieser mittelbaren Drittwirkung Schmidt-Jortzig, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR VI, § 141 Rn. 25. 976 S.o. C I 2 m. 977 WRP 1984, 340 (345).
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
gerichtet ist" fur eine unzulässige Werbung. Der Bundesgerichtshof 78 beanstandete das Urteil auch unter diesem Gesichtspunkt und sah zu Recht eine unzulässige kritisierende vergleichende Werbung nicht gegeben. Wie bereits an anderer Stelle gezeigt, konnte der Präsident der Handwerkskammer sich fur seine wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit auf Bestimmungen der Handwerksordnung sowie der Reichsversicherungsordnung stützen. Vor allem aber gab es ein besonderes öffentliches Interesse, das die Förderung der Innungskrankenkassen mittels vergleichender Werbung rechtfertigte. Der Präsident der Handwerkskammer konnte sich nicht nur auf seine gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben gem. § 91 Abs. 1 Nr. 1, 9, 13 HandwO berufen; vielmehr hat er gem. § 75 S. 2 HandwO als Aufsichtsbehörde der Handwerksinnung insbesondere zu überwachen, daß die der Handwerksinnung übertragenen Aufgaben erfüllt werden. Zu diesen Aufgaben gehört gem. § 54 Abs. 5 HandwO i.V.m. § 157 SGB V auch die Errichtung von Innungskrankenkassen, auf die sich dann die Aufsicht des Präsidenten der Handwerkskammer ebenfalls erstreckt 979. Der Präsident der Handwerkskammer hatte zudem einen hinreichenden sachlichen Grund, gerade den Vergleich zu anderen Krankenkassen zu wählen, da die Innungskrankenkassen sich als besondere Berufsgruppenversicherung nach den speziellen Anforderungen des Handwerks ausrichten können980. Die Äußerungen waren schließlich auch wahr und sachlich zutreffend, so daß sie unter dem Gesichtspunkt der kritisierenden vergleichenden Werbung nicht beanstandet werden konnten. Im Wettbewerb zwischen einer Allgemeinen Ortskrankenkasse und einer Ersatzkasse hat das OLG Düsseldorf 81 die Wendungen "zur Zeit noch bei der AOK versichert", "Zwangskasse" und "Wer liebt schon Zwang?" als kritisierende vergleichende Werbung bewertet und diese für unlauter i.S.d. § 1 UWG gehalten. Für derartige Herabsetzungen besteht in der Tat kein öffentliches Interesse; dieser Maßstab hat daher auch Eingang gefunden in die "Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung". Gegenüberstellungen oder Vergleiche von Beiträgen und Leistungen unter konkreter Benennung anderer Krankenkassen dürfen nicht verwendet werden 982 . Ebenso sind negative Behauptungen über andere Krankenkassen generell
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GRUR 1986, 905 (908). Es handelt sich zwar um eine freiwillige Aufgabe der Innungen, doch wenn sie sich dieser Aufgabe - in der Satzung - angenommen haben, erstreckt sich die Aufsicht der Handwerkskammer auf die Erfüllung der freiwilligen Aufgaben ebenso wie auf die Erfüllung der Pflichtaufgaben. Vgl. Honig, HandwO, § 75 Rn. 3; Siegert/Musielak, Recht des Handwerks, § 75 Rn. 3. 980 Ebenso BGH GRUR 1986, 905 (908). 981 GRUR 1973, 487 (489). 982 Wettbewerbsgrundsätze, Rn. 9. 979
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
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zu unterlassen983; Ausnahmen werden der werbenden Kasse nur bei Auskunftsverlangen oder im sog. Abwehrvergleich zugestanden984. Öffentliche Warentests werden in dieser Kategorie nur selten zu erfassen sein, da ihnen regelmäßig die Wettbewerbsabsicht fehlt 985. Die Veröffentlichung von sog. Transparenzlisten, in denen Arzneimittel mit allgemeinen Angaben zu Wirkungen, Nebenwirkungen, Qualitätssicherungskennzeichen und vor allem mit ihrem Preis aufgeführt werden 986, stellt hingegen eine vergleichende Werbung dar. Die Voraussetzungen von § 1 UWG waren erfüllt, insbesondere war die Wettbewerbsabsicht hier zu bejahen, da Ziel der Veröffentlichung die Kostendämpfung im Gesundheitswesen mittels Senkung des Arzneimittelpreisniveaus war 987 . Es sollte - mit anderen Worten - die Verschreibung von preiswerteren Arzneimitteln zu Lasten der teureren Präparate gefordert werden. Maßgebend ist nun, ob dies eine die Unlauterkeit begründende kritisierende vergleichende Werbung darstellt. Mit der Listenveröffentlichung werden wahre Tatsachen verbreitet - die Angaben beruhten im wesentlichen auf Herstellerangaben. Die Behinderungswirkung bedarf keiner ausführlichen Begründung: Entsprechend der Wettbewerbsabsicht des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit werden die Produzenten der teureren Arznei in ihrem Wettbewerb und Absatz behindert. Für diese Behinderung besteht jedoch - bei der nach den oben herausgearbeiteten Grundsätzen erforderlichen Interessenabwägung - ein hinreichendes öffentliches Interesse. Neben der pharmakologisch-therapeutischen Transparenz der auf dem Markt befindlichen Arzneimittel ist auch die preisliche Transparenz zwecks Kostendämpfung ein öffentliches Anliegen, um ein bezahlbares und effektives Gesundheitswesen zu gewährleisten. Die Behinderung der Wettbewerbsstellung des einzelnen Unternehmers ist somit nicht unlauter i.S.d. § 1 UWG.
983
Wettbewerbsgrundsätze, Rn. 10. Wettbewerbsgrundsätze, Rn. 11; vgl. dazu allgemein Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 115 f. 985 S.o. D III 1 c dd (2) (a) (aa) und Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 404. Dementsprechend hat das BVerwG (NJW 1996, 3161 f.) die Veröffentlichung von Warentests durch eine Landwirtschaftskammer zutreffend über Art. 12 Abs. 1 GG gelöst und deren Zulässigkeit wegen Fehlens einer hinreichenden einfachgesetzlichen Grundlage, die den Eingriff in die Wettbewerbsposition des betroffenen Unternehmers rechtfertigen könnte, verneint. 986 Der BVerwGE 71, 183 ff., zugrundeliegende Sachverhalt. 987 BVerwGE 71, 183 (184 f.). 984
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Das Bundesverwaltungsgericht 988 hat in seinem "Transparenzlisten-Urteil " diesen Gedankengang ansatzweise herangezogen, indem es den Vergleich zu öffentlichen Warentests zieht und das Erfordernis einer Interessenabwägung herausstellt. Zu Recht lehnt das Gericht eine unbesehene Übernahme der Maßstäbe ab und verneint dabei richtigerweise, daß der Minister sich für die Listenveröffentlichung auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen könnte. An dieser Stelle bleibt das Gericht jedoch auf halbem Wege stehen: Es wendet bereits wettbewerbsrechtliche Maßstäbe an 989 , versäumt es aber, den Schritt einer Modifizierung dieser Kriterien zu machen. Das Gericht brauchte allerdings auf die wettbewerbsrechtliche Beurteilung auch nicht abzustellen, da sowohl der im vorgeschalteten Verfahren begründete (faktische) Auskunftszwang als auch die eigentliche Veröffentlichung der Transparenzliste Grundrechtseingriffe waren, die in Ermangelung einer Rechtsgrundlage rechtswidrig waren 990. Allein der Verstoß gegen den grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt führte demnach schon zur Begründetheit der Klage.
(ee) Geschäftsehrverletzung Ähnlichkeiten zur kritisierenden vergleichenden Werbung weisen auf den ersten Blick die Fälle der Geschäftsehrverletzung und der Anschwärzung auf. Man versteht darunter die Verbreitung von Behauptungen und Meinungsäußerungen, die einen Mitbewerber herabzusetzen geeignet sind, etwa in Form einer Gefährdung seines geschäftlichen Rufs oder seiner Erzeugnisse991. Hintergrund ist - wie eingangs zu allen Fällen der Behinderung ausgeführt - einmal mehr, daß es dem Leistungswettbewerb widerspricht, den Mitbewerber zur Förderung des eigenen Wettbewerbs herabzusetzen. Die Abgrenzung zur kritisierenden vergleichenden Werbung erfolgt über das Bezugsobjekt der Äußerung: Wird zusammen mit der Herabsetzung des Konkurrenten das eigene Produkt oder die
988
BVerwGE 71, 183 (195 f.). BVerwGE 71, 183 (196): Das Gericht beruft sich auf BGHZ 65, 325 ff. ("Stiftung Warentest"). Der BGH wendet in seiner Entscheidung zwar § 823 Abs. 1 BGB mangels Vorliegens von Wettbewerbsabsicht an, betont jedoch, daß sich bei Vorliegen von Wettbewerbsabsicht die Überprüfung nach § 1 UWG richten müßte, BGHZ 65, 325 (328, 334). 990 BVerwGE 71, 183 (198 f.). Anschließend erfüllten §§ 39 b Abs. 1 S. 2 und 39 e S. 2 ArzneimittelG, die bereits gut ein Jahr nach dem Urteil verabschiedet wurden, die Anforderungen des BVerwG. Das öffentliche Interesse an derartigen Listen war damit in einer Rechtsgrundlage verankert. Vgl. zur Kritik an dieser Norm und der jetzigen Rechtslage oben D II 1 c ff (2). 991 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 317, 327; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 15 Rn. 36; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 87. 989
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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eigene Leistung besonders - u.U. noch unzutreffend - hervorgehoben, so liegt vergleichende Werbung vor. Die Geschäftsehrverletzung hingegen hat primär die Verhältnisse des Mitbewerbers zum Gegenstand992. Für die Geschäftsehrverletzung gibt es als "Anschwärzung" und "Verleumdung" Sondervorschriften in §§ 14, 15 UWG; § 1 UWG greift nur ergänzend ein 993 , insbesondere fur wahre Tatsachen994. Wie bei vergleichender Werbung ist auch bei Fällen der Geschäftsehrverletzung eine Interessenabwägung geboten995; hinsichtlich eines Öffentlichen Wettbewerbsrechts gilt erneut die Besonderheit, daß als Abwägungsposten fur den staatlichen Akteur nicht Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, sondern nur ein hinreichendes öffentliches Interesse in Betracht kommt. Die negative Äußerung eines Vorstandsmitglieds einer Handwerksinnung über die Garantiegewährung eines Augenoptiker-Konkurrenten stellt einen Fall möglicher Geschäftsehrverletzung dar 996 . Die Bezeichnung einer zweijährigen Garantiezusage auf Brillengestelle als "Strohfeuer" erscheint zur Herabwürdigung des Konkurrenten durchaus geeignet. Die für die Lauterkeitsbeurteilung entscheidende Frage des rechtfertigenden öffentlichen Interesses konnte der Bundesgerichtshof in diesem Fall nicht abschließend beurteilen, da es dafür an ausreichenden tatsächlichen Feststellungen mangelte. Denkbar sind solche Interessen, da es im konkreten Fall um bevorstehende Verhandlungen zwischen Innungen und Krankenkassen ging und die Förderung der gewerblichen Interessen des Handwerks gem. §§ 52 Abs. I S . 1, 54 HandwO zu den gesetzlichen Aufgaben der Innungen zählt. Ob allerdings eine Äußerung wie "Strohfeuer" gerechtfertigt sein kann, muß der Beurteilung des Einzelfalles vorbehalten bleiben.
(c) Ausbeutung Eine weitere große Fallgruppe stellen die zu einer sog. Ausbeutung führenden Wettbewerbshandlungen dar. Erfaßt werden alle Fälle eines unmittelbaren Ein-
992
Emmerich y Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 140 f.; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 15 Rn. 36. 993 BGH GRUR 1967,596 (597); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 317. 994 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 320; Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 141; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 87. 995 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 320, vor §§ 14, 15 UWG Rn. 5. 996 Vgl. BGH GRUR 1985, 1063 (1063 f.). Da es hier um ein Werturteil ging, waren die §§ 14, 15 UWG nicht anwendbar - von diesen werden nur Tatsachen erfaßt, vgl. nur Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 142.
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
setzens fremder Leistung fur eigene Zwecke. Ansatzpunkt ist wiederum der Leistungswettbewerb; im Mittelpunkt des Schutzinteresses steht der Leistungsschutz fur den Mitbewerber 997. Als unlauter wird eine Wettbewerbshandlung beurteilt, die sich die Leistung eines Mitbewerbers für den eigenen Wettbewerbsvorteil zunutze macht. Dabei ist wiederum zu beachten, daß die Benutzung fremder Arbeitsergebnisse nicht nur typisch, sondern geradezu unabdingbar Voraussetzung für wirtschaftliches Leben und damit auch Lebensnerv des Wettbewerbs ist. Es müssen daher wieder besondere Umstände hinzutreten, die unlauterkeitsbegründend sind; maßgebend ist die Art und Weise, in der fremde Leistungen genutzt werden 998. Hervorzuheben ist auch noch, daß es sich bei dem Schutz über § 1 UWG nur um einen ergänzenden, zusätzlichen Leistungsschutz handelt, der unbefriedigende Lücken bei der Gewährung von Ausschließlichkeitsrechten (etwa Patent-, Gebrauchsmuster-, Geschmacksmuster- und Urheberrechtsgesetz) schließen soll, nicht aber zu einem wettbewerbshemmenden Bestandsschutz führen soll 999 . Auf die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit ist diese Fallgruppe problemlos anwendbar. Beispiele aus der Judikatur zu Fällen der "Ausbeutung" sind jedoch relativ rar. Ob dies darin begründet ist, daß der Staat - insoweit dem Wettbewerbsideal entsprechend - vor allem auf seine eigenen Leistungen setzt, mag dahingestellt bleiben. Häufiger dürfte aber der umgekehrte Fall eintreten, in dem ein Privater den guten staatlichen Ruf oder die Bekanntheit seiner Leistungen oder Produkte ausnutzen möchte1000. In einem der wenigen Beispiele aus der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit geht es um die Unterfallgruppe der unzulässigen Kündigungshilfe, für die kennzeichnend ist, daß sich der Handelnde mit unlauteren Mitteln um das Ausspannen von Kunden des Mitbewerbers bemüht1001. Das OLG Düsseldorf 002 hat die Zusendung nicht angeforderter Aufhahmeantragsformulare 1003 durch eine Ersatz997 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 438; Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 159; Kehl, Wettbeweibsrecht, § 13 Rn. 25; Rittner, Wettbewerbsund Kartellrecht, S. 55 f. 998 OLG Düsseldorf GRVR1973,487(488); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 163, § 1 UWG Rn. 438; Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 160; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 13 Rn. 25, § 17 Rn. 2. 999 Dezidiert Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 159 f. 1000 Vgl. etwa BGHZ 37, 1 ff.; BGH GRUR 1977, 543 ff. 1001 Baumbach/Hefermehl, Wettbeweibsrecht, § 1 UWG Rn. 597; Rittner, Wettbewerbsund Kartellrecht, S. 58. 1002 GRUR 1973, 487 (488 f.). 1003 Die Formulare enthielten zusätzlich noch eine vorgedruckte Erklärung des Unterzeichners, daß er das Recht in Anspruch nehme, von der Pflichtversicherung bei der Pflichtkrankenkasse befreit zu werden.
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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kasse an Versicherte einer Allgemeinen Ortskrankenkasse in diese Kategorie eingeordnet, die Entscheidung über die Unlauterkeit aber offengelassen, weil es noch andere Fallgruppen des § 1 UWG als erfüllt ansah. Diese Entscheidung ist - auch generell - nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles möglich, da das Abwerben von Kunden den Wettbewerb gerade ausmacht1004. In dem zitierten Fall dürfte die Unlauterkeit zu bejahen sein, da die "Kündigungshilfe" über die bloße Information der Austrittsmöglichkeit aus der Pflichtkrankenkasse weit hinausgeht. Diesen Maßstab legen heute auch die "Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung" zugrunde. Danach ist die Kündigungshilfe unzulässig (und unlauter i.S.d. § 1 UWG), wenn die Unterstützung sich als konkret fördernde Aktivität, die über die bloße Aufklärung hinausgeht, darstellt, etwa durch Überlassung vorgedruckter Kündigungsschreiben1005.
(d) Vorsprung durch Rechtsbruch Kennzeichnend für diese Fallgruppe ist, daß der Handelnde eine bestehende Rechtsvorschrift mißachtet und dadurch einen Vorteil gegenüber seinen Mitbewerbern erzielen kann 1006 . Hintergrund ist wiederum, daß ein Verhalten des Wettbewerbers nur dann als Leistungswettbewerb zu charakterisieren ist, wenn der Handelnde dieses Ergebnis mit lauteren Mitteln, d.h. in dieser Fallgruppe unter Beachtung der rechtlichen Schranken erzielt 1007 . Am Tatbestandsmerkmal "Sittenwidrigkeit" stellt sich § 1 UWG insoweit als Transformationsnorm dar, mit der Rechts- und Gesetzesverstöße auch wettbewerbsrechtlich geahndet werden. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß nicht jeder Gesetzesverstoß eines Marktteilnehmers sogleich die Unlauterkeit begründet - Hürde ist insofern meist schon das Handeln "zu Zwecken des Wettbewerbs". Vielmehr ist ein bestimmter Wettbewerbsbezug erforderlich 1008. In der wettbewerbsrechtlichen Praxis ist eine Differenzierung zwischen wertbezogenen und wertneutralen Normen gängig1009. Wertbezogen 1010 sind dabei al-
1004
Dazu ausführlich Kehl, Wettbewerbsrecht, § 17 Rn. 4 ff. Wettbewerbsgrundsätze, Rn. 37-39. 1006 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 608, 662; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 13 Rn. 27. 1007 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 608. 1008 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerb s recht, § 1 UWG Rn. 609. 1009 Vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § UWG 1 Rn. 612 ff., 630 ff.; Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 366 f.; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 19 Rn. 2 ff. 1005
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
le Vorschriften, die selbst eine Ordnung des Wettbewerbs bezwecken oder denen eine sittlich fundierte Wertung zugrunde liegt; die Sittenwidrigkeit soll sich bei diesen Normen regelmäßig bereits aus dem Verstoß an sich ergeben 1011. Wertneutral sind hingegen alle sonstigen Vorschriften, die öffentlichen Interessen zu dienen bestimmt sind, dabei jedoch keine sittlichen Gebote aufstellen, sondern auf Gründen ordnender Zweckmäßigkeit beruhen; ein Verstoß gegen diese Normen ist erst dann sittenwidrig, wenn zusätzliche wettbewerbsrelevante Umstände hinzutreten, und zwar die Absicht des Handelnden, dadurch einen Vorsprung vor den anderen Konkurrenten zu erzielen 1012. Die Abgrenzung ist dabei fließend, so daß bis heute noch keine letzte Klarheit herrscht, anhand welcher Kriterien genau zwischen wertbezogenen und wertneutralen Vorschriften unterschieden werden soll 1013 . Hervorzuheben ist zunächst einmal, daß nicht jede Rechts- bzw. Gesetzeswidrigkeit der Handlung bereits die Sittenwidrigkeit i.S.d. § 1 UWG bedeutet 1014 . Das Sittenwidrigkeitsurteil bedarf vielmehr der Feststellung einer wettbewerbsspezifischen Rechtswidrigkeit, die bei der Verletzung "irgendwelcher" Vorschriften nicht ohne weiteres bejaht werden kann. Unbedingt zu betonen ist daher der Grundgedanke dieser Fallgruppe: Der zu beanstandende und erfaßte Wettbewerbsverstoß liegt noch nicht im Rechtsbruch allein, sondern erst in der Verbindung mit dem unter Ausnutzung der Vertrags- und Gesetzestreue der Mitbewerber erzielten Vorsprung im Wettbewerb 1015. Dabei kann Maßstab nicht eine Gleichgewichtslage zwischen den Marktteilnehmern sein, da es diese nicht gibt und auch nicht geben soll, weil Wettbewerb ja gerade das Streben nach Ungleichgewicht, nämlich dem Vorteil gegenüber den Mitbewerbern in Form eines größeren Marktanteils ist. Maßstab können hier nur die rechtlichen Schranken
1010 "Wertbezogen" geht über die Rechtsprechung des RG hinaus, die nur einer sittlichen Auffassung Ausdruck verleihende Normen neben den wertneutralen berücksichtigte, vgl. etwa RGZ 115, 319 (325 f.); 166, 315 (319 f.). Erfaßt sind nun auch Vorschriften, deren Einhaltung - aufgrund ihres wertbezogenen Normzwecks - einem sittlichrechtlichen Gebot gleichkommt, vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 612. 1011 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 Rn. 613; Berlit, Wettbewerbsrecht, Rn. 81, 87; Kehl, Wettbewerbsrecht, Rn. 3. 1012 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 Rn. 630, 646; Berlit, Wettbewerbsrecht, Rn. 81; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 19 Rn. 4 f. 1013 Kritisch daher Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 382; Sack, WRP 1985, 1 (9 f.); Stolterfoht, FS Rittner, S. 695 (702 ff.). 1014 BGH GRUR 1965, 373 (375); Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 366; a.A. Sack, WRP 1985, 1 (10). 1015 BG//GRUR 1965,373 (375); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbs recht, § 1 UWG Rn. 608; Berlit, Wettbewerbsrecht, Rn. 81, 84; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 19 Rn. 1.
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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sein, die für alle Mitbewerber gleich sind. Es geht nur um die gleichen Bedingungen, die allen Wettbewerbern den gleichen Rahmen setzen, eben die par condicio concurrentium 1016. Als unlauter wird also die Wettbewerbshandlung gewertet, die diesen Rahmen überschreitet und dadurch einen Vorteil im Wettbewerb gegenüber den gesetzestreuen Mitbewerbern erzielt oder wenigstens erzielen kann. An dieser Stelle muß bereits die für das Öffentliche Wettbewerbsrecht notwendige Modifikation ansetzen: Voraussetzung für diesen Vorsprungsgedanken ist, daß sich wenigstens ein nennenswerter Teil der Konkurrenten an die Vorschriften hält; ansonsten ist kein Vorsprung mehr zu erzielen 1017. Geht man gedanklich einen Schritt zurück, so ist erst recht Voraussetzung, daß die in Betracht zu ziehenden Vorschriften auch für alle Mitbewerber gleichermaßen gelten. Denn gilt die Vorschrift nicht für den möglicherweise benachteiligten Mitbewerber, so läßt sich der Vorsprungsgedanke nicht überprüfen. Ein Vorsprung durch Rechtsbruch ist nur möglich, wenn die Vorschrift alle Mitbewerber gleichermaßen bindet 1018 . Nun bildet aber die Mehrzahl der den Staat bindenden Vorschriften ein Sonderrecht, das öffentliche Recht. Dieses gilt - betrachtet man den jeweiligen Normadressaten hinsichtlich der Berechtigung oder Verpflichtung, die eine Norm ausspricht - grundsätzlich gerade nicht für alle Mitbewerber gleichermaßen, wenn wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit in Rede steht. Daher wird die Anwendbarkeit dieser Fallgruppe auf wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit auch grundsätzlich abgelehnt1019. Es kann daher auch der Vorschlag von Emmerich 1020 nicht überzeugen, bei Wettbewerbshandlungen der öffentlichen Hand Gesetzeswidrigkeit generell mit Sittenwidrigkeit gleichzusetzen, weil es in besonderem Maße anstößig sei, die von ihr selbst gesetzten Normen für die Regelung des wirtschaftlichen Verkehrs zu mißachten. Diese Argumentation ist in den Fällen der fehlenden par condicio concurrentium aus eben dem genannten Grund des Fehlens gleicher rechtlicher Schranken nicht haltbar. Wenig Überzeugungskraft besitzt auch die Begründung, es würden die selbst gesetzten Normen mißachtet: Die Exekutive, der die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit zuzurechnen ist, kann nicht fur von der Legislative erlassene Normen verantwortlich gemacht werden. Entscheidendes Argument
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Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 608; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 19 Rn. 5; Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (497). 10.7 Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 373 m.w.N. 10.8 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 647. 10.9 Kluth, S. 102 f.; Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (497); Weber, S. 192 f.; vgl. auch LG Stuttgart DZWiR 1993, 80 (82). Fur die Anwendbarkeit nur bei Verletzung einer öffentlich-rechtlichen Schutznorm P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 336. 1020 Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 382; ders., AG 1985, 293 (298).
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
gegen diesen Vorschlag ist aber vor allem, daß bei der Gleichsetzung von Gesetzeswidrigkeit und Sittenwidrigkeit bei wettbewerbsrelevanter Staatstatigkeit über den Umweg des § 1 UWG ein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch eröffnet würde 1021 . Es kann - wie bei privaten Wettbewerbern - für den Konkurrenten nicht erheblich sein, ob der Staat irgendeinen für ihn und seine Wettbewerbsstellung unbeachtlichen Gesetzesverstoß begeht. Die Fallgruppe "Vorsprung durch Rechtsbruch" kann nur nach folgenden Modifikationen auf die wettbewerbsrelevante Staatstatigkeit herangezogen werden: Die Fallgruppe ist immer dann anwendbar, wenn die mißachtete Vorschrift für alle Marktteilnehmer gilt, sie also Ausdruck der par condicio concurrentium ist 1022 . Dabei genügt die Feststellung einer Gesetzesverletzung, also die Feststellung der Rechtswidrigkeit allein noch nicht, da für das Sittenwidrigkeitsurteil auch der wettbewerbsrechtliche Bezug der jeweiligen Handlung vorliegen und in die Beurteilung einbezogen werden muß 1023 . Vielmehr ist im Sinne des Ursprungsgedankens dieser Fallgruppe die Feststellung eines Vorsprungs im Wettbewerb unbedingt erforderlich, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine wertbezogene oder wertneutrale Vorschrift handelt. Das Erfordernis der Vorsprungsfeststellung ergibt sich nicht nur aus dem Ursprungsgedanken der Fallgruppe, sondern zwingend aus der verwaltungsrechtlichen Dogmatik. Denn § 1 UWG ist - als öffentlich-rechtliche Vorschrift bei der Anwendung auf wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit - eine drittschützende Vorschrift 1024. Das Tatbestandsmerkmal "zu Zwecken des Wettbewerbs" macht deutlich, daß § 1 UWG nicht nur dem Schutz der Allgemeinheit, sondern gerade auch dem Schutz des einzelnen Konkurrenten zu dienen bestimmt ist 1025 . Das Vorliegen einer dritt-
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Auf diesen Punkt wird gleich zurückzukommen sein; eine derartige Kontrollberechtigung hinsichtlich jeglichen Handelns für jedermann widerspricht eklatant dem System subjektiven Rechtsschutzes; vgl. statt vieler Schmidt-Aßmann, in: M./D./H./S., GG, Art. 19 IV Rn. 122. 1022 Unter dieser Voraussetzung enthält etwa auch Standesrecht maßgebliche Vorschriften für diese Fallgruppe, vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerb s recht, § 1 UWG Rn. 936; Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 377 ff.; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 45; Kehl, Wettbewerbs recht, § 19 Rn. 6. 1023 Kehl, Wettbewerbsrecht, § 13 Rn. 27. 1024 Zu beachten ist dabei, daß § 1 UWG in dem Wettbewerbsverhältnis "Verwaltungsträger beeinflußt durch hoheitliche Maßnahme gegenüber Unternehmer dessen Wettbewerbsstellung" auch einmal unmittelbare Schutznorm sein kann. In allen anderen Wettbewerbsverhältnissen stellt sich aber die Drittschutzproblematik. 1025 Allgemein zu den Anforderungen an ein subjektives öffentliches Recht BVerfGE 51, 193 (211); Erichsen, in: ders./Martens (Hrsg.), AllgVerwR, § 10 Rn. 58 ff.; P.-M. Huber, AllgVerwR, S. 91 ff.; Wolff/Bachof/Stober, VwR I, § 43 Rn. 10 ff., 27 ff.
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
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schützenden Vorschrift reicht im Einzelfall jedoch noch nicht aus, um ein subjektiv-öffentliches Abwehrrecht aktualisieren zu können. Vielmehr muß der Drittschutz gerade im konkreten Fall verletzt sein, um dem einzelnen Bürger ein Abwehrrecht zuzugestehen. Ohne diese Anforderung gäbe es für den Bürger einen allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch, der jedem Bürger das Rügen eines jeglichen Rechts- und Gesetzesverstoßes erlauben würde. Ein derartiges Recht folgt - abgesehen von den jegliche staatliche Aktivität lähmenden Konsequenzen - nicht aus dem Gesetzmäßigkeitsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG; vielmehr verdeutlicht die Systemgrundentscheidung des Art. 19 Abs. 4 GG, daß Rechtsschutz grundsätzlich nur bei der Verletzung in subjektiven Rechten eröffet wird, es also gerade keinen allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch geben soll 1026 . Daher wird dem privaten Konkurrenten die Vorgehensbefugnis gegen wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit nur bei einem Betroffensein in eigenen Rechten ermöglicht, weil die Transformation von Vorschriften in das Tatbestandsmerkmal " Sittenwidrigkeit" des § 1 UWG nicht dazu führen darf, daß objektive Verhaltensvorschriften über § 1 UWG zu einem subjektiven Recht für den Mitbewerber und letztlich zu einem allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch führen. Es muß also ein Betroffensein in eigenen Rechten vorliegen, um den Drittschutz zu eröffnen und einen Unterlassungsanspruch mittels der Fallgruppe "Vorsprung durch Rechtsbruch" zu begründen. Das "Betroffensein in eigenen Rechten" muß dabei den entsprechenden Wettbewerbsbezug aufweisen und sich somit als Kehrseite des Vorsprungs erweisen, den der handelnde Hoheitsträger durch seinen Rechtsbruch erzielt hat 1027 . Dieser Vorsprung korrespondiert mit dem Nachteil, den der Mitbewerber in seiner Wettbewerbsstellung als gesetzestreuer Marktteilnehmer erleidet. Damit ist auch der Maßstab deutlich, der bei dem Betroffensein in eigenen Rechten zu fordern ist: Es muß wenigstens ein faktischer Eingriff in die Wettbewerbsstellung des Konkurrenten vorliegen, um das nötige Betroffensein in eigenen Rechten als Kehrseite des Vorsprungs durch Rechtsbruch bejahen zu können. Bei dieser Sichtweise wird deutlich, daß das Vorsprungskriterium im öffentlichen Recht bereits existiert: Die unter grundrechtlichem Blickwinkel als relevant herausgearbeitete Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung des Privaten durch den Staat stellt sich in dieser Fallgruppe als Kehrseite des Vorsprungs durch Rechtsbruch dar 1028 .
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BVerwGE 53, 122 (128); BVerwG NJW 1984, 2174 (2175); BGHZ 86, 356 (361); Loeser, System des Verwaltungsrechts I, § 7 Rn. 52, 55; Wolff/Bachof/Stober, VwR I, § 43 Rn. 10. 1027 Vergleichbar Preu y S. 184, der eine subjektivrechtlich erhebliche Positionsveränderung annimmt, wenn "eine besondere wertungsmäßige Nähe des verbotswidrigen Verhaltens zur Wettbewerbsposition des Gestörten" vorliegt. 1028 Im Erg. gleich, aber in der Begr. maßgeblich auf das für "das Staatshandeln als Ganzes" geltende Gleichbehandlungsgebot abstellend Preu, S. 185 f.
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Anders muß die Anwendbarkeitsfrage aber in den Fällen entschieden werden, in denen eine Vorschrift mißachtet wird, die nur fur den Staat gilt, in denen demnach keine par condicio concurrentium besteht. Ein Vorsprung durch Rechtsbruch kommt hier nicht in Betracht, weil eben der den Vorsprungsgedanken tragende gleiche Rahmen für alle Wettbewerber fehlt. Schutz für den privaten Konkurrenten kann hier nur gewährt werden, wenn eine Norm Drittschutz gewährt. Bei drittschützenden Normen wird § 1 UWG nicht benötigt, da die Geltendmachung mittels der drittschützenden Norm selbst erfolgen kann. § 1 UWG ist in diesen Fällen nicht nur überflüssig, sondern geradezu hinderlich, da zusätzliche - vom Gesetzgeber nicht gewollte - Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein müßten, um das Verhaltensrecht für den Staat aktivieren zu können1029. Für den Staat lediglich objektiv verhaltenssteuernde Normen können hier erst recht nicht maßgebend sein, da sonst wieder ein allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch entstehen würde. Faßt man die vorstehenden Erwägungen zusammen, so ergibt sich diese Prüfungsfolge: Zunächst ist zu untersuchen, ob die durch die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit verletzte Vorschrift für alle Marktteilnehmer gleichermaßen gilt, insbesondere für den Handelnden und den Unterlassung Begehrenden. Falls dies zu verneinen ist, ist die Fallgruppe "Vorsprung durch Rechtsbruch" nicht anwendbar. Ein Abwehranspruch kann für den betroffenen Konkurrenten nur aufgrund einer anderen drittschützenden Norm aus dieser Norm selbst erfolgen. Wenn hingegen die Vorschrift für alle Marktteilnehmer gleichermaßen gilt, ist ihre Verletzung festzustellen. Diese Feststellung allein genügt jedoch - wie gezeigt - noch nicht für das Sittenwidrigkeitsurteil. Vielmehr ist ein Vorsprung des Verwaltungsträgers aufgrund des Rechtsbruchs erforderlich. Aus der Drittschutzdogmatik ergibt sich, daß ein derartiger Vorsprung bejaht werden kann, wenn als Kehrseite des Vorteils wenigstens ein faktischer Eingriff in die Wettbewerbsstellung eines oder mehrerer Konkurrenten ermittelt werden kann. Der Drittschutz folgt in diesem Fall aus § 1 UWG, so daß ausnahmsweise auch objektiv verhaltenssteuernde Normen, sofern sie für alle Wettbewerber gleichermaßen gelten, bei ihrer Verletzung zu einem Abwehr- und Unterlassungsanspruch führen können. Das Tatbestandsmerkmal "zu Zwecken des Wettbe-
1029 Hier nicht vertieft werden kann die Frage, ob etwa § 23 Ladenschlußgesetz eine derartige drittschützende Vorschrift darstellt. Das BVerwG hat dies in NJW 1982, 2513 (2515), verneint. Jedenfalls handelt es sich bei dieser Vorschrift, die Ausnahmegenehmigungen bezüglich der Ladenschlußzeiten durch die Verwaltung erlaubt, um eine Norm, die nicht das Wettbewerbsverhalten aller Marktteilnehmer regelt, sondern den betreffenden Verwaltungsträger einseitig berechtigt und verpflichtet. Insoweit kann eine Ausnahmegenehmigung durch die Behörde nicht wegen eines Vorsprungs durch Rechtsbruch gegen § 1 UWG verstoßen.
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
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werbs" eröffnet diesen Drittschutz im Einzelfall; die gegen eine Rechtsvorschrift verstoßende Handlung eines Verwaltungsträgers muß also eine Wettbewerbshandlung sein, d.h. in Wettbewerbsabsicht erfolgen. Die Bedeutung der Fallgruppe "Vorsprung durch Rechtsbruch" liegt daher vor allem in der Erfassung der in § 1 UWG hineinzutransformierenden Normen, die selbst keinen Drittschutz gewähren, fur den Staat aber objektiv verhaltenssteuernden Charakter besitzen. Zu betonen ist aber nochmals, daß in Aufrechterhaltung des Vorsprungsgedankens der Gesetzesverstoß geeignet sein muß, die Wettbewerbslage zugunsten des "Gesetzesbrechers " nennenswert zu beeinflussen 1030. Der Bundesgerichtshof 031 sah in dem Verkauf von Blockeis durch einen städtischen Schlachthof einen Verstoß gegen § 69 Abs. 1 GO NRW, der die Sittenwidrigkeit der Wettbewerbshandlung begründen sollte. Die besagte Vorschrift, die die Errichtung, Übernahme oder wesentliche Erweiterung wirtschaftlicher Unternehmen der Gemeinden regelt, gilt jedoch nicht fur alle Mitbewerber. Sie kann damit keine für die Fallgruppe "Vorsprung durch Rechtsbruch" maßgebende Norm der par condicio concurrentium sein. Der Bundesgerichtshof erwähnt dieses Bedenken im Rahmen des streitigen Beklagtenvortrags, vertieft es jedoch nicht, weil er maßgeblich auf den Schutzzweck der verletzten Norm abstellt1032. Der Schutzzweck der verletzten Norm ist hier aber unerheblich, da der Drittschutz des § 1 UWG nicht aus dieser verletzten Norm, sondern - wie oben dargelegt - aus § 1 UWG selbst folgt. Ob die Vorschriften des Gemeindewirtschaftsrechts überhaupt drittschützend sind, wird noch zu erörtern sein; sollte dies der Fall sein, kann der Abwehr- und Unterlassungsanspruch aber nur auf der drittschützenden Norm selbst beruhen. Die Sittenwidrigkeit kann sich in dem besprochenen Fall durchaus aus den Fallgruppen "Preisunterbietung" oder "Zurücktreten des öffentlichen Interesses" ergeben 1033; unter dem Gesichtspunkt des "Vorsprungs durch Rechtsbruch" ist sie jedenfalls unzutreffend festgestellt worden. In einem anderen Fall beurteilte der Bundesgerichtshof die Werbung für den Kauf einer auf ein Fernsehspiel bezogenen Druckschrift im Programmteil des Zweiten Deutschen Fernsehens unter dem Blickwinkel des "Vorsprungs durch Rechtsbruch"1034. Das maßgebliche Verhaltensrecht erblickte das Gericht in § 22 Abs. 3 ZDF-Staatsvertrag und Art. 3 Abs. 2 Rundfunk-Staatsvertrag, die
1030
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 656 m.w.N.; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 19 Rn. 4 f. 1031 GRUR 1965, 373 (374). 1032 BGH GRUR 1965, 373 (375). 1033 Beachte insoweit den streitigen Klägervortrag, BGH GRUR 1965, 373 (374 li.Sp. oben). 1034 BGHZ 110, 278 ff.
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
das Gebot der Trennung von Werbung und Programm aufstellen. Der Bundesgerichtshof Almert zunächst dieses Gebot näher und erläutert Sinn und Zweck der Regelung1035, bevor er einen diesbezüglichen Rechtsbruch feststellt 1036. Auf die Feststellung eines daraus resultierenden Vorsprungs verzichtet der Bundesgerichtshof\ weil der Verstoß ein derart wichtiges Gemeinschaftsgut - den Schutz der Rundfunkfreiheit vor Eingriffen der werbetreibenden Wirtschaft in das Programm - betreffe, so daß es auf das Vorliegen weiterer Umstände nicht ankomme1037. Nach der hier vertretenen Auffassung ist zunächst zu differenzieren: § 22 Abs. 3 ZDF-Staatsvertrag 1038 normiert ein Verhaltensrecht ausschließlich fur das Zweite Deutsche Fernsehen, enthält also objektiv verhaltenssteuernde Regeln fur einen Verwaltungsträger 1039. Da die Regelung demnach nicht fur alle Wettbewerber gleichermaßen gilt, kommt ein fur § 1 UWG relevanter Vorsprung durch Rechtsbruch " von vornherein nicht in Betracht. Für die Einhaltung dieser Vorschrift ist zunächst die Rechtsaufsicht des ZDF verantwortlich 1040. Anders sieht die Beurteilung hinsichtlich der Mißachtung des Art. 3 Abs. 2 Rundfunk-Staatsvertrag 1041 aus: Ausweislich der Präambel des Staatsvertrages gelten dessen Regelungen "für den öffentlich-rechtlichen und den privaten Rundfunk in einem dualen Rundfunksystem ", so daß mit dieser Regelung ein für alle Wettbewerber geltendes Verhaltensrecht aufgestellt wird. Der erforderliche Vorsprung durch den Rechtsbruch1042 wäre hier auch gegeben, da das ZDF auf die-
1035
BGHZ 110, 278 (285 ff.). BGHZ 110, 278 (278 LS c), 288). 1037 BGHZ 110,278 (290); ebenso Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 626; Bork, Werbung im Programm, S. 80 f.; Emmerich, AG 1985, 293 (300). 1038 g 22 Abs. 3 ZDF-Staatsvertrag lautet: "Das Werbeprogramm ist vom übrigen Programm deutlich zu trennen. (...) Jeder Einfluß von Werbeveranstaltern oder -trägem auf das übrige Programm ist auszuschließen." Die gleiche Verpflichtung soll gem. 1.1. des Schlußprotokolls zu dem ZDF-Staatsvertrag auch für die in der ARD zusammengeschlossenen Anstalten gelten; umgesetzt durch Art. 3 Abs. 4 S. 1 Rundfunk-Staatsvertrag ν. 12.3.1987. 1039 Zu der Organisationsform des ZDF ausführlich Winter, in: Fuhr, ZDF-Staatsvertrag, § 1 Erl. II 1. 1040 Vgl. § 25 ZDF-Staatsvertrag. 1041 Art. 3 Abs. 2 Rundfunk-Staatsvertrag hat folgenden Wortlaut: "Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist vom übrigen Rundfunkprogramm deutlich zu trennen und als solche zu kennzeichnen. Sie darf das übrige Rundfunkprogramm inhaltlich nicht beeinflussen. Werbung, die sich auch an Kinder oder Jugendliche richtet, darf nicht deren Unerfahrenheit ausnutzen." 1042 pQ r eif^ Gleichsetzung von Gesetzeswidrigkeit und Sittenwidrigkeit in den Fällen eines Verstoßes gegen den Rundfunk-Staatsvertrag U. Becker, Existenzgrundlagen, S. 217. 1036
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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se Weise derart attraktive Werbeplätze zur Verfugung stellt, die den gesetzestreuen Mitbewerbern verschlossen bleiben, die Werbekunden aber insbesondere auf derartige Plazierungsmöglichkeiten zurückgreifen werden. Unzutreffend war die Beurteilung einer Anzeigenschaltung in einem Amtsblatt als "Vorsprung durch RechtsbruchH durch das OLG Frankfurt 1043. Die zur Begründung herangezogene "Verordnung über öffentliche Bekanntmachungen der Gemeinden und Landkreise" gilt nicht für alle Wettbewerber; die Beanstandung unter dem Blickwinkel eines wettbewerbsrelevanten Rechtsbruchs ist daher nicht zutreffend. Zumindest im Ergebnis zutreffend war die Beurteilung der Angebotspalette der Postbank durch das LG Stuttgart 044. Das Gericht sah in dem Dienstleistungsangebot der Postbank keinen Verstoß gegen Art. 87 Abs. 1 GG, dem es wettbewerbsregelnden Charakter absprach, sowie gegen § 4 PostVerfG. Da kein alle Wettbewerber gleichermaßen bindendes Verhaltensrecht vorlag, fehlte es schon an der ersten Voraussetzung dieser Fallgruppe.
(e) Marktstörung Nicht nur generell im Wettbewerbsrecht, sondern gerade auch als besondere Kategorie für das Wettbewerbsverhalten des Staates wird die Fallgruppe der "Marktstörung" gebraucht. Die Konturen und genauen Voraussetzungen sind noch nicht übereinstimmend geklärt 1045; gedanklicher Anknüpfungspunkt ist aber die Behinderung des Wettbewerbs. War es in der Fallgruppe "Behinderung" die konkrete Erschwerung des Wettbewerbs eines bestimmten Konkurrenten, so soll hier die allgemeine Behinderung im Mittelpunkt stehen1046. Es erfolgt eine Veränderung des Blickwinkels, weg von konkreten Auswirkungen auf bestimmte Marktbeteiligte, hin zu den Auswirkungen auf den Gesamtmarkt 1047. Eine nach § 1 UWG sittenwidrige Marktstörung soll demzufolge vorliegen, wenn die Auswirkungen einer Wettbewerbshandlung eine den Allgemeininteressen zuwiderlaufende Beeinträchtigung der Freiheit von Angebot und Nachfrage befürchten läßt,
1043
NVwZ 1993, 706 (707). Ebenso Püttner, JuS 1995, 1069 (1070). Allgemein zu wettbewerbsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Amtsblättern Fuhrmann, der städtetag 1995, 623 (627 f.). 1044 DZWiR 1993, 80 (82 f.). 1045 Kluth, S. 103; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 63; Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (499). 1046 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 832; Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 357; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 62 f. 1047 Kehl, Wettbewerbsrecht, § 18 Rn. 1; Schmittat, ZHR 148 (1984), 428 (440).
D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
durch sie also der Bestand des Leistungswettbewerbs in Gefahr ist 1048 . Geschützt wird das Interesse aller Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit an der Erhaltung eines funktionsfähigen Wettbewerbs 1049. Damit liegt diese Fallgruppe im Grenzbereich zwischen Wettbewerbs- und Kartellrecht; Vorschriften wie § 26 Abs. 2 GWB und § 1 UWG sind - nach allerdings bestrittener Ansicht nebeneinander gleichrangig anwendbar1050. Es liegt der Gedanke nahe, als kurz formuliertes Schutzgut den "Wettbewerb als solchen" zu benennen, doch wird damit die Problematik übersehen, daß der Wettbewerb als Institution nicht geschützt wird 1051 . Berücksichtigt man zudem, daß die Beeinträchtigung von Konkurrenten dem Leistungswettbewerb wesenseigen ist 1052 , so führt dies dazu, daß diese Fallgruppe vielfach abgelehnt wird, weil sie § 1 UWG entgegen Wortlaut sowie Sinn und Zweck überdehne 1053. Nimmt man hingegen mit der überwiegenden Meinung die Geltung einer Fallgruppe "Marktstörung" an, so ergibt sich bereits aus der dem Wettbewerb immanenten Verpflichtung, Beeinträchtigungen der eigenen Wettbewerbsstellung durch den - mit lauteren Mitteln - leistungsfähigeren und besseren Konkurrenten hinzunehmen, daß zu der möglicherweise marktstörenden Wettbewerbshandlung noch ein weiteres Kriterium kommen muß, das dann das Unlauterkeitsurteil tragen kann 1054 . Es ist vielmehr eine Gesamtwürdigung der Wettbewerbshandlung vorzunehmen, in die der Wettbewerbshandlung vorausgehende und nachfolgende Umstände einzubeziehen sind; maßgebend für das Unlauterkeitsurteil ist somit wiederum eine Abwägung der beteiligten Interessen1055. Für die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit gilt dann folgendes:
1048
BGHZ 81, 291 (295); 82, 375 (395); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einl. UWG, Rn. 165; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 13 Rn. 5, 26. 1049 BGHZ 81, 291 (295); Kluth, S. 103; Schmittat, ZHR 148 (1984), 428 (440 f.); Weber, S. 196. 1050 Vgl. nur - jeweils m.w.N. - Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 833 f., 855; von Gamm, NJW 1980, 2489 (2492); Ubner, ZHR 146 (1982), 466 (485). 1051 S.o. D I. 1052 Van Dorp, S. 87 f. 1053 Ygj n u r v a n p o r p f passim, insbes. S. 7 ff., und die Zusammenfassung des Meinungsstandes auf S. 142 ff. Van Dorp sieht die Möglichkeit einer Erfassung von Beeinträchtigungen des Wettbewerbs nur durch eine Gesetzesänderung zu leisten, die er aber gesetzestechnisch für bedenklich hält (S. 157). 1054 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 832; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 216. 1055 BGHZ 81, 291 (295 f.); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 832; von Gamm, UWG, § 1 Rn. 216; Kluth, S. 103; Schmittat, ZHR 148 (1984), 428 (441); Olmer, ZHR 146 (1982), 466 (500).
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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Nicht schon die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates verstößt gegen § 1 UWG 1 0 5 6 - dieses resultiert bereits aus den bisherigen Ergebnissen dieser Untersuchung. Die Wettbewerbshandlung ist insbesondere nicht schon deshalb unlauter, weil der Staat sie vorgenommen hat 1057 . § 1 UWG schützt unter keinem Gesichtspunkt nur einen Wettbewerb unter Privaten und wertet dementsprechend nicht bereits das Erscheinen des Staates auf dem Markt als sittenwidrig i.S.d. § 1 UWG. Ein Unlauterkeitsurteil kann nur dann gefällt werden, wenn die Abwägung des öffentlichen Interesses mit der konfligierenden privaten Wettbewerbsfreiheit erfolgt ist. Dabei sind aber auch die im Vorfeld der Wettbewerbshandlung liegenden Umstände - etwa der Rückgriff auf öffentliche Ressourcen - wie auch die Auswirkungen der Wettbewerbshandlung auf die Mitbewerber zu berücksichtigen1058. Dabei ist - um die eigene Fallgruppe zu rechtfertigen - der Bestand des Leistungswettbewerbs im Auge zu behalten. Es muß dabei berücksichtigt werden, daß nicht der Wettbewerb als solcher geschützt wird und nicht jeder Marktteilnehmer bei einer Marktstörung o.ä. einen Unterlassungsanspruch eingeräumt bekommt, obwohl er nicht betroffener Konkurrent des Staates im konkreten Fall war; ansonsten wäre dem allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch wieder Tür und Tor geöffnet 1059. Vielmehr muß in dem zu beurteilenden Sachverhalt die Wettbewerbsstellung des abwehrenden Konkurrenten konkret betroffen sein. Der Schutz des Wettbewerbsbestandes kann aufgrund der individualrechtlichen Schutzsystematik des UWG nur über die Wettbewerbsstellung einzelner Marktteilnehmer als Segment des gesamten Marktes erfolgen. Die Messung der negativen Marktwirkungen 1060 hat über die Einbußen der konkreten Wettbewerbsstellung zu erfolgen 1061. Bei Zugrundelegung dieses Ansatzes relativiert sich auch die Bedeutung dieser Fallgruppe: Die meisten Fälle werden durch die übrigen Fallgruppen schon erfaßt, und die Marktstörung stellt sich bei Ausrichtung auf den Maßstab der einzelnen Wettbewerbsstellung nicht als dem UWGSystem fremd dar.
1056
BGH GRUR 1973, 530 (531); Schmittat, ZHR 148 (1984), 428 (444 f.). BGH GRUR 1959, 244 (246); GRUR 1964, 210 (212); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 928. lose Sollte man lediglich das öffentliche Interesse und die Wettbewerbs freiheit des einzelnen Konkurrenten miteinander abwägen, so wäre die Fallgruppe "Zurücktreten des öffentlichen Interesses" der richtige Prüfungsort. 1059 Zu diesem Bedenken s.o. (d) - Vorsprung durch Rechtsbruch. 1060 Ansatzweise auch Harms, BB 1986 (Beil. 17), 1 (15). 1061 Deutlich OLG Naumburg LKV 1995, 229 (230), für den Fall der Herausgabe von kostenlosen Amts- und Informationsblättern. Im Ansatz ebenso Fuhrmann, der städtetag 1995, 623 (627). 1057
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Bei dieser Sichtweise wird auch die Übereinstimmung mit dem grundrechtlichen Verhaltensmaßstab nach Art. 12 Abs. 1 GG deutlich1062. Die Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung stellt sowohl einen Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG dar als auch eine Marktstörung. Ist das wettbewerbsrelevante Staatshandeln nicht gerechtfertigt, so liegen eine Verletzung des Grundrechts sowie - bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen von § 1 UWG - eine unlautere Marktstörung vor. Dabei wird die Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung häufig als "Eingriff durch Konkurrenz" erfolgen, doch ist die Marktstörung auch durch wirtschaftslenkende Maßnahmen denkbar. Sieht man sich die Judikatur auf diese Fallgruppe hin an, so verdient insbesondere die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu der Brillen-Selbstabgabestelle einer Allgemeinen Ortskrankenkasse 1063 als "leading case" Beachtung. Der Bundesgerichtshof untersagte in diesem Rechtsstreit der beklagten AOK die Selbstabgabe von Brillen, da er diese als "Marktstörung" wertete und für sittenwidrig i.S.d. § 1 UWG befand 1064. Als "entscheidend" sah das Gericht an, daß keine gleiche wettbewerbliche Ausgangslage und keine gleichen Wettbewerbsbedingungen bestünden, was zu einer ungleichen Wettbewerbslage führe 1065 . Diese begründet der Bundesgerichtshof mit der Finanzierung der AOK durch Beiträge, dem daraus resultierenden fehlenden unternehmerischen Risiko sowie Steuervorzügen 1066. Aus dieser ungleichen Wettbewerbslage folgert das Gericht "die Gefahr eines ruinösen Konkurrenzkampfs mit der Möglichkeit ihrer [seil. : der Augenoptiker] Ausschaltung als selbständige Gewerbetreibende aus dem Wirtschaftsleben. Zumindest kann aber die Gefahr einer erheblichen Beeinträchti-
1062
Ebenso P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 336; Kluth, S. 104. Nach der hier vertretenen Auffassung von § 1 UWG als neutraler und partiell öffentlich-rechtlicher Norm sowie dem hier zugrunde gelegten Konkurrenzverständnis zwischen den Grundrechten und § 1 UWG ist die Schlußfolgerung von Kluth, S. 104, unzutreffend. § 1 UWG ist danach als einfachgesetzliches Verhaltensrecht vorrangig anzuwenden. Eine eventuell bestehende gesetzliche Ermächtigung zu wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit ist dabei als Ausdruck gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit vorrangig zu beachten, sofern die Norm drittschützenden Charakter aufweist. 1063 BGHZ 82, 375 ff. Diese Entscheidung betraf die AOK Leer. Eine weitgehend identische Entscheidung vom gleichen Tag betraf die AOK Düsseldorf. Stellungnahmen zu der Entscheidung etwa von Harms, BB 1986 (Beil. 17), 1 ff.; Krause, ZfS 1983, 132 ff.; Rohwer-Kahbnann, SGb. 1983, 373 ff.; Schmittat, ZHR 148 (1984), 428 (439 ff.); Schricker, S. 146 ff.; Spieß, SGb. 1984, 56 ff. 1064 BGHZ 82, 375 (395 ff.). Vgl. damit das die gleiche Rechtsfrage betreffende, widersprechende Urteil BSGE 63, 173 ff. 1065 BGHZ 82, 375 (396). 1066 BGHZ 82, 375 (396). Bei näherem Hinsehen liegt der einzige Steuervorzug in der Gewerbesteuerfreiheit, weil der Betrieb von Selbstabgabestellen gerade nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist, vgl. Spieß, SGb. 1984, 56 (63).
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
gung der freien Berufstätigkeit der Augenoptiker und anderer auf diesem Gebiet freiberuflich Tätiger nicht verneint werden" 1067 . Es sei "vielmehr zu befürchten, daß die Tätigkeit der freien Berufe insoweit durch die Selbstabgabestellen der gesetzlichen Krankenkassen in weitem Umfang verdrängt werden wird ..." 1 0 6 8 . Aus dieser Gefahr schließt das Gericht dann: "Ein Wettbewerb, der in dieser Weise an die Grundlagen der Existenz eines vorhandenen und nach Herkommen und Gesetz anerkannten selbständigen Berufsstandes rührt, fuhrt in einem nicht unerheblichen Umfang zu einer Ausschaltung des Leistungswettbewerbs und damit zu einer ernsthaften Gefahr fur dessen Bestand. Das aber ist mit § 1 UWG nicht zu vereinbaren ..." 1 0 6 9 . An diesen Formulierungen wird deutlich, daß der Bundesgerichtshof nicht nur das "Ob" wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit über § 1 UWG beurteilt hat 1070 , sondern vor allem die Schwelle zur Wettbewerbswidrigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit sehr früh angesetzt hat. Maßstab des Bundesgerichtshofs für eine Marktstörung ist, daß bereits eine nur theoretisch denkbare Gefahr für den Bestand des Leistungswettbewerbs genügt. Ähnlichkeiten zu einem "(Grundrechts-)Eingri ff durch Konkurrenz" sind zwar nicht zu leugnen1071, doch ist der Maßstab ein gänzlich anderer: Die Grundrechtsbeeinträchtigung wird nicht erst bei der Vernichtung oder Verdrängung des Konkurrenten 1072 oder - wie hier vertreten - bei einer spürbaren Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung gesehen, sondern schon bei einer bloß denkbaren Gefahr aufgrund einer abstrakten Prognose. Und diesem Maßstab ist entschieden entgegenzutreten: Eine abstrakt denkbare Gefahr ist nicht geeignet, einen tauglichen oder nur verläßlichen Maßstab für das Vorliegen einer Marktstörung zu liefern. Vor allem übergeht der Bundesgerichtshof darmi die von ihm selbst kurz zuvor aufgestellten Kriterien; in dem von ihm in Bezug genommenen Urteil zur Gratisverteilung von Bäckerfachzeitschriften 1073 hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, daß für die Annahme einer (Lei-
1067
BGHZ 82, 375 (396 f.). BGHZ 82, 375 (397). 1069 BGHZ 82, 375 (397). 1070 Trotz eines anderslautenden Lippenbekenntnisses, BGHZ 82, 375 (397). 1071 Was Stimmen in der Literatur dazu verleitet, von dessen "Anerkennung" durch den BGH zu sprechen, vgl. etwa P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 336, 340 Fn. 138; Kirchhof DVB1. 1982, 933 (937); vgl. auch Schricker, S. 31 mit Fn. 30; Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (499 f.). Auch BSGE 63, 173 (177 f.), versteht den BGH so. A.A. Harms, BB 1986 (Beil. 17), 1 (13). 107 2 BVerwGE 17, 306 (314); 39, 329 (337); BVerwG NJW 1978, 1539 (1540); dieser Rechtsprechung folgend VGH Mannheim NJW 1984,251 (253); DÖV 1995, 120(120 f.). 107 3 BGHZ 81, 291 ff. 1068
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
stungswettbewerbs-)Bestandsgefahrdung nicht eine abstrakte Gefahrdung oder die Möglichkeit rechtspolitisch unerwünschter Entwicklungen ausreicht, sondern es vielmehr einer konkreten erasten Gefahr fur den Bestand des Wettbewerbs bedarf, die an den Auswirkungen der beanstandeten Maßnahme zu messen ist 1074 . Trotz des Zitats dieser Passage läßt der Bundesgerichtshof nun auf einmal eine abstrakte Gefahr fur das Sittenwidrigkeitsurteil genügen1075. Nur mit Hilfe einer abstrakten Gefährdung konnte der Bundesgerichtshof hier allerdings überhaupt zu seinem Ergebnis kommen, denn wie Spieß 1076 anhand von Zahlenmaterial nachgewiesen hat, war tatsächlich bzw. konkret noch keine Gefährdung existent. Es fehlte nämlich nicht nur der vom Bundesgerichtshof drohend ausgemalte Anhaltspunkt für eine bundesweite Nachahmung und Ausdehnung1077. Vielmehr stützte sich die Beurteilung mehr auf Mutmaßungen als auf Marktstrukturdaten, die verfügbar gewesen wären 1078 . Jedenfalls konnte eine konkrete ernste Gefahr fiir den Bestand des Leistungswettbewerbs verneint werden 1079 , eine konkrete Beeinträchtigung der Wettbewerbsstellung fehlt, so daß nach dem hier vorgeschlagenen Maßstab eine Marktstörung zu verneinen gewesen wäre. Der Bundesgerichtshof behilft sich an dieser Stelle mit einer abstrakten Prognose. Sieht man einmal von generellen Bedenken gegenüber einem so weiten richterlichen Beurteilungsspielraum ab 1080 , so stellt sich die Prognose des Bundesgerichtshofs nicht nur gewagt, sondern als sehr fragwürdig dar. In der 30jährigen Existenz der Selbstabgabestellen hatte sich die vom Bundesgerichtshof
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BGHZ 81, 291 (295). Der Verdacht, daß dies an der Beurteilung wettbewerbsrelevanter Staa/5tätigkeit liegen könnte, liegt angesichts der überwiegenden BGH-Rspr. nahe, soll an dieser Stelle aber nicht weiter vertieft werden. 1076 SGb. 1984, 56 (63 ff.). 1077 Vgl. Spieß, SGb. 1984, 56 (63). Zumal jede AOK ihre Selbstabgabestelle selbständig betreiben müßte; ein "Filialsystem" stieße auf organisations- und finanzrechtliche Bedenken. 1078 Es existierten eine vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegebene Studie sowie ein Gegengutachten des Verbandes der Deutschen Feinmechanischen und Optischen Industrie, vgl. Spieß, SGb. 1984, 56 (64 mit Fn. 97). 1079 Ebenso Spieß, SGb. 1984, 56 (65); Rohwer-Kahimann, SGb. 1982, 373 (381); ähnlich Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (500). BSGE 63, 173 (184), führt in einem anderen Verfahren eine seit 1932 bestehende Selbstabgabestelle an, "die offensichtlich trotz langjährigen erfolgreichen Betriebes keine entsprechenden Auswirkungen auf den Wettbewerb gezeigt" habe. loeo Hinsichtlich des öffentlichen Zwecks, den der BGH in dieser Entscheidung für das Sittenwidrigkeitsurteil kaum berücksichtigt, hatte BVerwGE 39, 329 (334), entschieden, daß dessen Beurteilung dem Richter weitgehend entzogen sei. 1075
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gesehene Gefahr noch nicht realisiert, doch durch eine zusatzliche Selbstabgabestelle sollte nun der Berufsstand der Augenoptiker in Gefahr sein - dies noch vor dem Hintergrund, daß der Aufwand der Krankenkassen fur die Optiker in diesen Jahrzehnten standig steigend war 1081 ! Indem der Bundesgerichtshof aus der bloß theoretisch denkbaren Geiährdung des Wettbewerbs den Schluß einer ernstlichen Gefahr für den Bestand des Leistungswettbewerbs zieht und damit die Wettbewerbswidrigkeit des Betriebs von Selbstabgabestellen feststellt, macht er zudem deutlich, daß er an dieser Stelle auch keine Abwägung mit dem öffentlichen Interesse vornimmt, wie er aber unter - feigenblattartiger - Bezugnahme auf § 182 RVO vorgibt 1082. Es bleibt festzuhalten, daß die "ungleiche Wettbewerbslage" bzw. die "ungleiche wettbewerbliche Ausgangslage"1083 für sich allein noch kein Kriterium für die Wettbewerbswidrigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit sein kann. Es würde dann jede Aufnahme einer wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit beruhend auf einer abstrakten Prognose und damit letztlich auf einer unbewiesenen Prämisse - gegen § 1 UWG verstoßen - eine Annahme, die im Verlauf dieser Untersuchung bereits widerlegt worden ist 1084 . Auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bezogen, bedeutet dies, daß eine Marktstörung i.S.d. § 1 UWG zu veraeinen ist und das Sittenwidrigkeitsurteil zu Unrecht gefällt worden ist. Eine Maßstabsverschärfung in die andere Richtung nimmt der VGH Mannheim 1085 vor, wenn er eine Marktstörung der Sache nach erst bei einem Verdrängungswettbewerb oder einer Auszehrung der Konkurrenz durch eine marktbeherrschende Stellung der öffentlichen Hand annehmen will. Diese Grenze erscheint zu weitgehend, weil eine die Wettbewerbsstellung einzelner Konkurrenten berührende Marktstörung schon wesentlich früher vorliegen kann, über deren Zu-
1081 Ausführlich Spieß, SGb. 1984, 56 (64). Der Gesetzgeber hat nunmehr deutlich zugunsten der Selbstabgabestellen Stellung bezogen. § 140 Abs. 1 SGB V erlaubt die Fortführung von der Versorgung der Versicherten dienenden Einrichtungen, die am 1.1.1989 schon bestanden. § 140 Abs. 2 SGB V erlaubt den Krankenkassen die Neuerrichtung nur, "soweit sie die Durchführung ihrer Aufgaben bei der Gesundheitsvorsorge und der Rehabilitation auf andere Weise nicht sicherstellen können". 1082 BGHZ 82, 375 (397 f.); zur Auslegung des § 182 RVO durch den BGH sehr kritisch Rohwer-Kahlmann, SGb. 1982, 373 (380). 1083 BGHZ 82, 375 (396). 1084 Wie hier Schricker, S. 147 f.; ähnlich Schmittat, ZHR 148 (1984), 428 (444 f.); a. A. Harms, BB 1986 (Beil. 17), 1 (14 f.), der mit dem BGH die Wettbewerbswidrigkeit in dem "Wettbewerbsvorsprung" bei Tätigkeitsaufnahme sieht. 1085 NJW 1984, 251 (253). Die Grundsätze hält der VGH Mannheim auch in DÖV 1995, 120 (121), aufrecht.
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
lässigkeit dann unter Abwägung der beteiligten privaten und öffentlichen Interessen zu entscheiden ist. Unter dem Aspekt der "Marktstörung" können auch die Beteiligungen der öffentlichen Hand an einer landwirtschaftlichen Ausstellungsgesellschaft 1086 oder an einem Speditionsunternehmen1087 überprüft werden. In den beiden zitierten Fällen war dies noch nicht möglich, da der Bundesgerichtshof diese Fallgruppe erst später entwickelt hat, insbesondere in dem eben besprochenen Urteil zu den Brillen-Selbstabgabestellen. Die Beteiligung des Staates an gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen kann zwar ebenso wie die sonstige wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit in dieser Fallgruppe kategorisiert werden, doch kann nicht ohne weiteres eine wettbewerbswidrige Marktstörung festgestellt werden. Diese liegt erst dann vor, wenn bei Hinzutreten weiterer Umstände die Wettbewerbsstellung der privaten Marktteilnehmer derart beeinträchtigt wird, daß öffentliche Interessen dies nicht mehr rechtfertigen können - anhand des grundrechtlichen Verhaltensmaßstabs also eine "Verletzung durch Konkurrenz" vorliegt. Ein Beispiel für eine andere Form der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit, die eine "Marktstörung" auslösen kann, ist die Subventionierung, insbesondere von Presseerzeugnissen1088. Die wettbewerbsbeeinträchtigende Wirkung wird hier angesichts gezielter Besserstellung einzelner Marktteilnehmer häufig wesentlich erheblicher sein als bei der wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates, so daß auf eine sorgfältige Abwägung der beteiligten Interessen - bei Presseerzeugnissen insbesondere die Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG - besonders zu achten ist. Der Rechtfertigungsbedarf des die Wettbewerbslage verzerrenden Staates wird hier regelmäßig höher ausfallen als bei wirtschaftlicher Tätigkeit 1089 .
ee) Ergebnis zu § 1 UWG Die Untersuchungen haben nicht nur die generelle Anwendbarkeit des § 1 UWG als verhaltensrechtliche Norm ergeben, sondern auch gezeigt, daß wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit den Tatbestandsvoraussetzungen der Norm zu subsumieren ist. Die zu § 1 UWG im Rahmen der Sittenwidrigkeitsbeurteilung
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BGH GRUR 1964, 210 ff. OLG Karlsruhe BB 1976, 101 ff. 1088 Beispiele: OVG Berlin DVB1. 1975, 905 (906 f.); OLG Frankfurt NVwZ 1993, 706 (707). In diese Fallgruppe - wie auch zum "Mißbrauch der Hoheitsstellung" - läßt sich auch die Herausgabe von kostenlosen Amts- und Informationsblättern einordnen, s. etwa OLG Naumburg LKV 1995, 229 (230); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 859 ff. m.w.N. 1089 Dies hängt allerdings auch von Faktoren wie der Marktstruktur und der Subventionssumme ab. Vgl. dazu auch Püttner, JuS 1995, 1069 (1070 f.). 1087
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
entwickelten Fallgruppen sind grundsätzlich anwendbar; einer Bildung besonderer Fallgruppen nur fur wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit bedarf es dabei regelmäßig nicht 1090 . Dabei hat sich herausgestellt, daß ein Öffentliches Wettbewerbsrecht nicht aus der unkritischen Übernahme zivilgerichtlicher Rechtsprechungsergebnisse bestehen kann. Die Erkenntnisse der wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur bilden vielmehr eine wertvolle Grundlage fur die Beurteilung wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit; diese Grundlage bedarf aber insbesondere hinsichtlich des öffentlichen Interesses, das die Staatstätigkeit legitimiert, einer Modifikation. Daher erscheint es auch angezeigt, lur wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit eine zusätzliche Fallgruppe einzuführen, die durch das "Zurücktreten des öffentlichen Interesses" gekennzeichnet ist. Diese Fallgruppe steht auch in einem besonderen Verhältnis zu den übrigen Fallgruppen, die regelmäßig nebeneinander erfüllt sein können; sie ist vor den anderen Fallgruppen zu prüfen, da sie staatlicherseits bereits auf die "Wirtschaftsfreiheit" rekurriert. Kann ein "Zurücktreten des öffentlichen Interesses" ohne weiteres festgestellt werden, bedarf es keiner weiteren Fallgruppenprüfung 1091. Kann dies nicht ohne weiteres festgestellt werden, müssen weitere unlauterkeitsbegründende Kriterien hinzutreten. Dann kann als Ausgangspunkt auf die zu § 1 UWG entwickelten Fallgruppen zurückgegriffen werden. In jedem Fall aber hat eine Abwägung stattzufinden - unter Einschluß aller Unlauterkeitskriterien - , um den Ausgleich herbeizuführen, den § 1 UWG gewährleisten soll: den Ausgleich zwischen der privaten Wettbewerbsfreiheit und der staatlichen "Wirtschafts-" bzw. "Wettbewerbsfreiheit".
d) Weitere
UWG- Vorschriften
Neben der Generalklausel des § 1 UWG sind angesichts der zuvor bejahten generellen Anwendbarkeit des UWG auch andere Vorschriften des Unlauterkeitsrechts anwendbar, aus denen sich spezielle Verhaltensregeln ergeben. Nennenswerte Besonderheiten treten dabei nicht auf. Die im Hinblick auf die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit nicht ganz unproblematischen Tatbestandsmerkmale "Handeln im geschäftlichen Verkehr" und "zu Zwecken des Wettbewerbs" kehren als Tatbestandsbestandteil auch in anderen Vorschriften wieder, so daß auf die zu § 1 UWG erfolgten Ausführungen verwiesen werden kann. Als verhaltensrechtlich relevante Bestimmungen im Sinne des Untersuchungsgegenstandes kommen primär die Unterlassungsansprüche in Betracht, die sich
1090
So aber Gusy, JA 1995, 253 (254 f.); Schricker, S. 177 ff.; Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (481 ff.). Auswirkungen auf die Ergebnisse der Beurteilung hat dies jedoch nicht. 1091 S.o. D III 1 c dd (1).
4
D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
in § 3; § 4 i.V.m. § 13 Abs. 1; §§ 6, 6 a, 6 b, 6 c jeweils i.V.m. § 13 Abs. 1; § 7 i.V.m. § 13 Abs. 2; § 8 i.V.m. § 13 Abs. 2; § 12 i.V.m. § 13 Abs. 1; § 14 Abs. 1 S. 2; § 16 UWG finden. Die meisten dieser Ansprüche werden fur wettbewerbsrelevante Staatstatigkeit wenig Bedeutung erlangen; hervorhebenswert sind lediglich §§ 3 und 14 UWG. Die sog. "kleine Generalklausel" des § 3 UWG statuiert ein Irreführungsverbot hinsichtlich der Angaben über geschäftliche Verhältnisse 1092. Die Vorschrift ist neben § 1 UWG anwendbar 1093. Die selbständige Bedeutung der Vorschrift liegt vor allem darin, daß ein Sittenwidrigkeitsurteil nicht verlangt wird - dementsprechend ist für eine Interessenabwägung grundsätzlich auch kein Raum 1094 . Die Rechtsprechung zur wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit hat § 3 UWG bei der Mitgliederwerbung von Trägern de|* gesetzlichen Krankenversicherung geprüft 1095. Der sachliche Gehalt der Vorschrift hat zudem Ausdruck gefunden in den Wettbewerbsgrundsätzen der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung 1096, nach denen Werbemaßnahmen der Krankenkassen einen sachlichen Informationsgehalt aufweisen und der Wahrheit entsprechen müssen. Geprüft wurde § 3 UWG auch bei einem Gemeinderatsbeschluß, nach dem am Ortseingang und -ausgang Schilder mit dem Ortsnamen und dem Zusatz "schönster Aussichtspunkt der Mosel" aufgestellt werden sollten1097. Da es sich bei der Anpreisung um eine rein subjektive Wertung handelte, lag keine "Angabe" i.S.d. § 3 UWG vor - die Vorschrift erfaßt nur Aussagen, deren Inhalt objektiv nachprüfbar ist 1098 . Ein weiteres Beispiel ist die Nennung nur eines bestimmten Bestattungsunternehmers als Bereitschaftsdienst auf dem Anrufbeantworter einer Gemeindeverwaltung 1099 .
1092
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 3 Rn. 1; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 66 f. 1093 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 Rn. 9, § 3 Rn. 4; Emmerich, Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 224. 1094 Kehl, Wettbewerbsrecht, § 21 Rn. 1, 23 ff. 1095 BSGE 56, 140 (144); OLG Celle WRP 1984, 328 (329); OLG Koblenz WRP 1985, 358 (359 f.). 1096 Wettbewerbsgrundsätze, Rn. 4, 8, 11. 1097 OLG Koblenz WRP 1983, 225 (226). 1098 OLG Koblenz WRP 1983, 225 (226); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 3 Rn. 13. 1099 BGH GRUR 1990, 463 (464); OLG München WRP 1988, 194 (194).
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
7
Zu erwähnen bleibt noch § 14 UWG, der in Fällen der sog. "Anschwärzung" einen Unterlassungsanspruch gewährt. § 14 UWG soll - wie die Strafvorschrift des § 15 UWG - das Unternehmen vor unwahren Tatsachenbehauptungen schützen 1100 . Die Bedeutung der Vorschrift darf nicht überschätzt werden, da über § 1 UWG auch wahre Tatsachenbehauptungen erfaßt werden können1101. Für wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit kann die Vorschrift in dem Wettbewerbsverhältnis "Verwaltungsträger beeinflußt Wettbewerbsstellung des Unternehmers durch Einflußnahme auf Kunden" Bedeutung erlangen, insbesondere bei den staatlichen Warnungen und Empfehlungen. Wenn diese in Wettbewerbsabsicht erfolgen 1102, so müssen sie unbedingt wahr sein. Dies folgt bereits aus § 1 UWG, wie bei der Fallgruppe "Täuschung" dargelegt wurde, expressis verbis aber ebenfalls aus § 14 UWG. Beispiele für derartige wettbewerbsrelevante Staatstätigkeiten sind die Warnungen vor diethylenglykolhaltigem Wein oder vor Nudelprodukten, die aus verunreinigtem Flüssigei hergestellt wurden. Bei der Glykolweinwarnung war die Tatsache, vor der gewarnt wurde, allerdings erweislich wahr, so daß ein Unterlassungsanspruch nach § 14 UWG - unabhängig vom (Nicht-)Vorliegen der Wettbewerbsabsicht - mangels Tatbestandsmäßigkeit ausscheidet. Die Warnung vor Nudelprodukten beruhte zumindest teilweise auf unzutreffenden Aussagen 1103 , doch dürfte bei den beanstandeten Äußerungen des Regierungspräsidiums Stuttgart die Wettbewerbsabsicht gefehlt haben1104. 1100 Emmerich y Recht des unlauteren Wettbewerbs, S. 140 f.; Rittner, Wettbewerbsund Kartellrecht, S. 87. 1101 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 14 Rn. 1. In einer praxisorientierten Darstellung wie der von Ber lit y Wettbewerbsrecht, passim, wird die Vorschrift noch nicht einmal aufgeführt. 1102 Die folgenreiche Vorschrift legitimiert sich vor allem durch das Erfordernis einer üblen Nachrede in Wettbewerbsabsicht, vgl. RGZ 118, 133 (137 f.); Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 89. 1103 Vgl. ausführlich OLG Stuttgart NJW 1990, 2690 (2692 f.). 1104 Zu überlegen ist, ob nicht zumindest eine (verdeckte) Wettbewerbs förderungsabsicht im Hinblick auf die Hersteller unbelasteter Nudelprodukte anzunehmen ist. Die Förderung des fremden Wettbewerbs - also des Absatzes der Hersteller unbelasteter Produkte - ist letztlich ein ebenfalls erfolgversprechendes Mittel zur Umsetzung der öffentlichen Aufgabe, des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung. Denn mit der Förderung des Absatzes unbelasteter Produkte erledigt sich das Problem der beanstandenswerten Produkte "auf dem Markt", und die öffentliche Aufgabe wird zugleich "vom Markt" erledigt. Ob eine diesbezügliche Absicht nicht doch bei Verwaltungsträgern mitschwingt, die sich zur Aufgabenerledigung mittels schlicht-hoheitlichen bzw. informellen Verwaltungshandelns entschließen, muß in jedem Einzelfall genau untersucht werden. In den Urteilen zu derartigen Konstellationen fehlt es regelmäßig an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen, die eine Beurteilung erlauben, ob die Wettbewerbs(förderungs)absicht eine (nicht) untergeordnete Rolle spielt.
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
2. GWB Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) 1 1 0 5 stellt die zweite große Säule des Wettbewerbsrechts dar, indem es Vorschriften zur Bekämpfung von Beschränkungen des Wettbewerbs durch Wettbewerber bereithält 1106. Um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, sollen im folgenden nur einige wenige Gesichtspunkte, die fur ein Öffentliches Wettbewerbsrecht von Bedeutung sind, erörtert werden.
a) Anwendbarkeit Die Frage der Anwendbarkeit stellt sich nicht so problematisch dar wie bei § 1 UWG, denn § 98 Abs. 1 GWB macht deutlich, daß das Gesetz zumindest auf wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit in Form des Handelns durch öffentliche Unternehmen Anwendung findet - abgesehen von den sog. Bereichsausnahmen der §§ 99 ff. GWB. § 98 Abs. 1 GWB kommt dabei allerdings nur deklaratorische Bedeutung zu 1 1 0 7 , denn der Staat unterliegt - wie die bisherige Untersuchung gezeigt hat - bei seiner Teilnahme am Wettbewerb grundsätzlich den gleichen rechtlichen Bedingungen wie private Konkurrenten 1108. Wenn § 98 Abs. 1 GWB von "Unternehmen" spricht, so ist nach ganz überwiegender Auffassung ein funktionaler Unternehmensbegriff zugrunde zu legen, demzufolge jede selbständige Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr erfaßt wird 1109 . Diese Begriffsdefinition deckt sich mit dem eingangs ermittelten Ergebnis der Gleichsetzung von öffentlichen Unternehmen und wirtschaftlicher Tätigkeit 1110 .
1105
V. 27.7.1957, BGBl. I S. 1081, i.d.F. v. 20.2.1990, BGBl. I S. 235. Vgl. Burkhardt, Kartellrecht, Rn. 2 f.; von Gamm, NJW 1980, 2489 (2489); Immenga, NJW 1995, 1921 (1921); Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 127. 1107 Bechtold, GWB, § 98 Rn. 1; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 337; Kluth, S. 94; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 177. 1108 Bechtold, GWB, § 98 Rn. 1; Burkhardt, Kartellrecht, Rn. 104 f.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 337. Für den Staat gelten aber noch zusätzliche rechtliche Bindungen, wie schon gezeigt wurde. 1109 BGHZ 36, 91 (103); 67, 81 (84); 110, 371 (380); Bechtold, GWB, § 1 Rn. 2; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 362; Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 255; ders., in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 98 Abs. 1 Rn. 43; von Gamm, Kartellrecht, § 1 Rn. 8; Grundmann, S. 70; Immenga, NJW 1995, 1921 (1922); Kluth, S. 94 f.; Odersky, AG 1991, 281 (285); ders., FS Lerche, S. 951; Werner, Abwehr, S. 43. 11,0 S.o. Β I 1. 1106
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
Vielfach findet sich allerdings die These, daß hoheitliche Tätigkeit vom Anwendungsbereich des GWB nicht umfaßt sein soll, so daß GWB-Vorschriften nur auf diejenigen öffentlichen Unternehmen anwendbar sein sollen, die ihre Leistungsbeziehungen privatrechtlich gestalten1111. Zutreffend ist dagegen das alleinige Abstellen auf das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit, unabhängig von der Rechtsnatur der Leistungsbeziehungen1112. Denn das Abstellen auf die Rechtsnatur oder die Rechtsform des Handelns findet keinen Anhalt im Gesetz 1113 . Systematik sowie Sinn und Zweck des Gesetzes sprechen vielmehr für eine Einbeziehung auch öffentlich-rechtlich bzw. hoheitlich ausgestalteter Leistungsbeziehungen. Der Systematik des Gesetzes läßt sich entnehmen, daß mittels des zentralen Begriffes "Unternehmen" nicht jede Form wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit, sondern nur die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates als Ausschnitt wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit erfaßt sein soll. Auch nach Sinn und Zweck ergibt sich eine Beschränkung auf wirtschaftliche Tätigkeit, die jedoch unabhängig von der Rechtsnatur ist: Primär beabsichtigt ist der Schutz des Wettbewerbs als rechtliches Ordnungsprinzip vor einer den Wettbewerb behindernden oder gar ausschaltenden Marktmacht 1114. Der Wettbewerb wird also als Institut vor wettbewerbsgefahrdenden Marktteilnehmern geschützt, sekundär schützt das GWB dabei auch die Wettbewerbsfreiheit des einzelnen und gewährt damit Individualschutz1115. Um effektiven Schutz zu gewährleisten, muß jeder Marktteilnehmer 1111
Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (492); Werner, Abwehr, S. 44; andeutungsweise auch BGHZ 36, 91 (101). 1112 Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 98 Abs. 1 Rn. 35; von Gamm, Kartellrecht, § 1 Rn. 9; Odersky, FS Lerche, S. 952; Scholz, ZHR 132 (1969), 97 (127); Scholz/Aulehner, ArchivPT 1993, 221 (241); Schricker, S. 64; Wilde, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 5 Rn. 11; Schwarz, S. 238; im Erg. auch Bechtold, GWB, § 98 Rn. 3. 11,3 Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 286; Scholz, ZHR 132 (1969), 97 (122, 128); Schricker, S. 64; im Erg. ebenso Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 266 f., unter zutreffendem Hinweis auf § 103 GWB. 1114 Bechtold, GWB, Einf., Rn. 18 ff.; Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 254; von Gamm, Kartellrecht, Einf., A Rn. 12; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 127, 143; a.A. aus ökonomischer Sicht Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 340 f. Schutz der Konsumenten. Backhaus übersieht dabei jedoch die unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten eines Begriffs in Rechts- und Wirtschaftswissenschaften; der Gesetzgeber kann, muß aber nicht die oder eine bestimmte wirtschaftswissenschaftliche Deutung übernehmen. Spätestens seit den GWB-NoVellen ist der Wettbewerbsbegriff aber von bestimmten wirtschaftswissenschaftlichen Lehrmeinungen losgelöst, vgl. Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 141 ff., 159. 1115 BGHZ96, 337 (347 ff.); von Gamm, Kartellrecht, Einf., A Rn. 12; Rittner, Wettbewerbs· und Kartellrecht, S. 147 f. Hinsichtlich des Schutzzwecks des GWB gehen die Meinungen allerdings auseinander, vgl. van Dorp, Beeinträchtigungen, S. 96 ff. m.w.N. zum Streitstand.
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
erfaßt sein; andererseits setzen die Sanktionsmöglichkeiten einen existierenden Wettbewerb oder zumindest die denkbare Möglichkeit eines Wettbewerbs voraus. Durch wirtschaftslenkende Maßnahmen kann der Staat - als Gesetzgeber - aber durchaus den Wettbewerb in bestimmten Bereichen ausschließen1116; dagegen schützt das GWB nicht. Das GWB setzt vielmehr eine Wettbewerbsmöglichkeit voraus, nur dann kann der Schutz des Gesetzes greifen 1117. Damit wird deutlich, daß in erster Linie die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates als Teilnahmeform am wirtschaftlichen Wettbewerb durch das GWB erfaßt werden kann, wobei es dann unerheblich ist, ob diese Teilnahme am Wettbewerb in öffentlichrechtlichen oder privatrechtlichen Formen geschieht. Eine weitere noch nicht abschließend geklärte Frage ist die der Einschreitbefugnis der Kartellbehörden gegenüber wirtschaftlicher Tätigkeit des Staates1118. Die Lösung dürfte hier mit Hilfe der Grundsätze über "störende Hoheitsträger" 1119 zu finden sein1120: Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebietet es, daß jeder Hoheitsträger selbst sich an spezielles Ordnungsrecht hält. Aus kompetentiellen Gründen sind Sonderordnungsbehörden grundsätzlich nicht zum Vorgehen befugt. Vielmehr ist auch für die Beachtung der fachfremden Gesetze in seinem Tätigkeitsbereich zunächst einmal der Verwaltungsträger selbst verantwortlich, daran anschließend seine jeweilige Aufsichtsinstanz. Daher muß jede staatliche Einheit bei Wettbewerbsteilnahme die Vorschriften des GWTB selbständig beachten; soweit subjektive Rechte bereitstehen (dazu unten d), können auch private Konkurrenten die Einhaltung dieser Grenzen verlangen. Hinsichtlich der Rechtsnatur des GWB und dem Verhältnis zum grundrechtlichen Verhaltensmaßstab kann auf die Ausführungen zum UWG verwiesen werden; jedenfalls im Hinblick auf die von den Kartellbehörden anzuwendenden
1116
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rn. 31; van Dorp, Beeinträchtigungen, S. 93 f. 1.17 Vgl. auch Odersky, FS Lerche, S. 951; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 146 f. 1.18 Vgl. nur Niederleithinger, in: FIW (Hrsg.), Staat als Wettbewerber, S. 41 ff.; Odersky, AG 1991, 281 (insbes. 283 ff.); Rittner y Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 1820 f. 1119 Vgl. dazu Friauf in: von Münch/Schmidt-Aßmann, BesVerwR, 2. Abschn., Rn. 102 ff.; Scholz, DVB1. 1968, 732 ff. 1120 Grundsätzlich auch Odersky, AG 1991,281 (285); a.A. Rittner, Wettbewerbs-und Kartellrecht, S. 179 Fn. 46, ohne nähere Begründung. BGHZ 110, 371 (375 ff.), hat die Zuständigkeit des Bundeskartellamtes für eine Verfügung gegenüber öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bejaht, aber kein Wort zu der Problematik des "störenden Hoheitsträgers" verloren.
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
Vorschriften ist der Charakter als Wirtschaftsverwaltungsrecht ohnehin deutlich 1121 . Festzuhalten bleibt somit, daß das GWB auf die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates Anwendung findet, unabhängig von der Rechtsnatur der Wettbewerbshandlung. Anzumerken ist noch, daß es für die Anwendbarkeit des GWB unerheblich ist, ob der Staat als Anbieter oder Nachfrager auftritt 1122.
b) Verhältnis
zum UWG
Steht die Anwendbarkeit des GWB zumindest auf die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates fest, so stellt sich noch das Konkurrenzverhältnis zum UWG. Auch hierzu sind bereits umfangreiche und zum Teil kontroverse Diskussionen gefuhrt worden 1123 . Einerseits wird der enge sachliche Funktionszusammenhang im Hinblick auf den Schutz der Wettbewerbsordnung betont1124, andererseits wird herausgestellt, daß das ursprünglich im GWB vorgesehene Schutzinstrumentarium ein gänzlich anderes als dasjenige des UWG sei, da die Überwachung der Gesetzeswahrung primär den Kartellbehörden zugewiesen sei und es sich insoweit um Verwaltungsrecht handele1125. Betont man die Unterschiede zwischen beiden Gesetzen, so fällt trotz der gemeinsamen Wettbewerbsbezogenheit - zumindest ursprünglich - eine partiell andere Schutzrichtung auf: Das GWB soll den Schutz des freien Wettbewerbs sichern, während das UWG dem Schutz vor Auswüchsen im Wettbewerb zu dienen bestimmt ist 1126 . Die Anwendungspraxis sowie vor allem die Novellierungen des GWB 1 1 2 7 bewirkten aber eine zunehmende Annäherung der Anwendungsbereiche1128, was zunehmende Überschneidungen zur Folge hat; typische
1121
Vgl. etwa Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 148, 156 f. GmS-OGB BGHZ 97, 312 (314 ff.); 102, 280 (285 ff.); Burkhardt, Kartellrecht, Rn. 105. Plastisches Beispiel insoweit auch BGHZ 101, 72 (78 ff.). 1123 Greuner, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 3 Rn.l; ausführlich von Gamm, NJW 1980, 2489 (2489 ff.); Tilmann, GRUR 1979, 825 ff. 1124 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rn. 89 a; Rittner, Wettbewerbsund Kartellrecht, S. 26. 1125 Bechtold, GWB, Einf., Rn. 42; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 26. 1126 Von Gamm, NJW 1980, 2489 (2489 f.); Greuner, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 3 Rn. 1; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 26; insbes. zur Entwicklung Tilmann, GRUR 1979, 825 (826 ff.). 1,27 Überblick bei /. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 150 ff. 1128 Von Gamm, NJW 1980, 2489 (2489); Greuner, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 3 Rn. 1; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 26; Tilmann, GRUR 1979, 825 (828 f.). 1122
4 2
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Fallgruppen sind insoweit individuelle und allgemeine Marktbehinderung (Marktstörung), Diskriminierung und Boykott 1129 . Bei allen Anwendungsfragen im Einzelfall besteht aber weitestgehende Einigkeit, daß die Tatbestände des GWB eine Anwendung des UWG, insbesondere der Generalklausel des § 1, nicht ausschließen, die Vorschriften vielmehr gleichrangig und gleichwertig nebeneinander stehen1130. Die Gleichrangigkeit bringt es allerdings mit sich, daß die Wertungen des einen Gesetzes bei der Anwendung des anderen Gesetzes beachtet werden müssen1131. Dies bedeutet insbesondere, daß das UWG die im GWB enthaltene wirtschafte- und wettbewerbspolitische Wertung hinzunehmen hat, um keine Wertungswidersprüche zu provozieren 1132 . Eine nach dem GWB für zulässig erachtete Maßnahme kann demnach nur dann nach dem UWG untersagt werden, wenn weitere - vom GWB nicht abgedeckte - unlauterkeitsbegründende Umstände hinzutreten 1133. Bedeutung kann das GWB auch bei der Anwendung des § 1 UWG im Rahmen der Fallgruppe "Vorsprung durch Rechtsbruch" erlangen 1134, da das GWB - wie gezeigt - für alle Marktteilnehmer geltende Vorschriften enthält1135 und insoweit Ausdruck der "par condicio concurrentium" ist. Auch der Bundesgerichtshof prüft die Vorschriften gleichrangig nebeneinander, zieht § 1 UWG jetzt jedoch zumeist vor und verzichtet - da insoweit die gleichen Beurteilungskriterien maßgebend seien - auf längere Ausführungen zu § 26 Abs. 2 GWB, sofern der Anspruch aus § 1 UWG begründet ist 1136 .
1129 Von Gamm, NJW 1980,2489 (2491); ausführlich auch Greuner, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 3 Rn. 4 ff. 1130 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rn. 89; Burkhardt, Kartellrecht, Rn. 2; von Gamm, NJW 1980, 2489 (2492); Greuner, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 3 Rn. 1; Schwarz, S. 220; Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 26 Rn. 318; Tilmann, GRUR 1979, 825 (829). 1131 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Allg., Rn. 89a; von Gamm, NJW 1980, 2489 (2492); Greuner, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 3 Rn. 2; Immenga, NJW 1995, 1921 (1921), der allerdings eine "materielle Wertungsspezialität" des GWB in mit Marktmacht verbundenen Fragen sieht; Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 26 Rn. 317 m.w.N. zu der nicht einheitlich beurteilten Problematik. 1.32 BGHZ 56, 327 (336 f.); 96, 337 (351); BGH GRUR 1989, 603 (606); von Gamm, NJW 1980, 2489 (2492); Greuner, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 3 Rn. 2. 1.33 BGHZ 96, 337 (351); von Gamm, NJW 1980, 2489 (2492). 1.34 Vgl. etwa Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 35 Rn. 116 m.w.N. 1135 Dies gilt allerdings nicht, wenn eine der Bereichsausnahmen der §§ 99 ff. GWB eingreift. 1136 Beginnend in BGHZ 96, 337 (346 ff.); so etwa in BGHZ 107, 40 (41); BGH NJW 1987, 60 (61); NJW 1987, 62 (62); GRUR 1989, 603 (606).
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
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Letztendlich ist das Verhältnis zwischen GWB und UWG - bei grundsätzlich gleichrangiger Anwendbarkeit - bei jeder Norm im Einzelfall zu klären 1137 . Bedeutung erlangt die jeweilige Abgrenzung vor allem fur den im Einzelfall betroffenen Konkurrenten: § 1 UWG eröffnet in weitem Umfang Abwehransprüche gegen wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit, während das GWB individuelle Abwehransprüche nur über § 35 GWB in Verbindung mit einer Schutznorm des GWB eröffnet 1138.
c) Maßstab Für den im Rahmen eines Öffentlichen Wettbewerbsrechts anzulegenden Maßstab ist es nur zweitrangig, ob man den Institutionsschutz oder den Individualschutz betont. Denn betrachtet man noch einmal die eingangs dargelegten Grundsätze zum Schutz des Wettbewerbs als Institut1139, so gilt - prägnant zusammengefaßt: Der Institutionsschutz folgt dem Individualschutz. Auch im GWB bilden daher - von ebenfalls vorhandenen objektivrechtlichen Bindungen, die hier nicht vertieft werden sollen1140 - die Unterlassungsansprüche von betroffenen Marktteilnehmern die verhaltensrechtlichen Grenzen und damit einen Teil des Öffentlichen Wettbewerbsrechts. Stellt man hingegen den vom GWB beabsichtigten Institutionsschutz in den Vordergrund, so ergibt sich die folgende Funktion des GWB nach dem hier vertretenen Ansatz: Die im GWB genannten Marktbeschränkungen 1141 stellen
1137 Von Gamm, NJW 1980, 2489 (2492); dazu ausfuhrlich Greuner, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 3 Rn. 5 ff. 1,38 Bechtold, GWB, § 35 Rn. 2, 9; Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 35 Rn. 19, 116; von Gamm, Kartellrecht, § 35 Rn. 3; Beispiele für die häufigsten Abwehransprüche gegen die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates bei Werner, Abwehr, S. 42 ff. 1139 Oben D I. 1140 Deren Einhaltung größtenteüs von den Kartellbehörden überwacht werden. Für ein Öffentliches Wettbewerbs recht wäre hier vor allem die Vorschrift des § 22 Abs. 4 GWB zu nennen, die den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung untersagt; vgl. dazu Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (502 f.). Nach h.M. ist § 22 Abs. 4 GWB keine Schutzvorschrift i.S.d. § 35 GWB, vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 22 Rn. 189 f.; Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (492); a.A. Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 35 Rn. 49 ff.; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz,S. 339. Nach öffentlich-rechtlichen Maßstäben ist aber gerade auch dem § 22 Abs. 4 GWB Schutznormcharakter zuzusprechen, so daß auch diese Vorschrift für Unterlassungsansprüche fruchtbar gemacht werden kann, vgl. P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 339; Scholz, ZHR 132 (1969), 97 (147). 1141 Allen voran Kartelle, aber auch die Marktbeherrschung einzelner Unternehmen und Diskrimierungen.
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
schwerwiegende Eingriffe in den Wettbewerb und damit in die subjektivrechtlich geschützte Wettbewerbsstellung des einzelnen Konkurrenten dar. Für die wettbewerbsrelevante Staatstatigkeit bedeutet das GWB daher in seinem Anwendungsbereich die einfachgesetzliche Ausprägung der aus den Grundrechten folgenden Verpflichtung des Staates, die Wettbewerbsfreiheit des einzelnen zu wahren. Zwischen Privaten ist das GWB dementsprechend Ausdruck der Schutzpflicht für die Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und - jedenfalls hinsichtlich der individualrechtlichen Unterlassungsansprüche - Regelung der mittelbaren Drittwirkung der teilnehmenden Wettbewerbsfreiheiten. Das GWB dient damit sowohl zwischen Staat und wirtschaftendem Bürger als vor allem auch zwischen privaten Unternehmern dem Schutz des beeinträchtigten Konkurrenten 1142. Auch für die Anwendung des GWB gilt - wie für alle wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit - , daß die zu beurteilende wirtschaftliche Tätigkeit des Staates durch eine öffentliche Aufgabe legitimiert sein muß. Eine direkte Interessenabwägung zwischen der öffentlichen Aufgabe und den beeinträchtigten Interessen des betroffenen Konkurrenten ist überall dort möglich, wo Normen eine Interessenabwägung vorsehen 1143, z.B. § 26 Abs. 2 GWΈ mit seinen Tatbestandsmerkmalen "unbillige Behinderung" und "ohne sachlich gerechtfertigten Grund". Die Interessenabwägung hat dabei auch Ziel und Zweck des GWB, die Sicherung der Freiheit des Wettbewerbs, einzubeziehen1144. Im übrigen enthält das GWB auch Verbote ohne Wertungsmöglichkeit (z.B. § 1 oder § 15 GWB); hier kann die öffentliche Aufgabe mangels Möglichkeit einer Interessenabwägung keine Modifizierung bewirken 1145. Die öffentliche Aufgabe muß zwar zur Legitimation unbedingt vorhanden sein, da die wirtschaftliche Tätigkeit sonst bereits rechtswidrig wäre, doch kann von dem Verbot ohne Wertungsmöglichkeit nur der Gesetzgeber suspendieren1146. Unzutreffend ist die Ansicht, die grundsätzlich jede wirtschaftliche Tätigkeit des Staates als marktbeherrschend i.S.d. § 22 GWB ansehen will 1 1 4 7 . Eine derartige Zurechnung der geballten Finanzkraft des Staates zu einem öffentlichen
1142
Vgl. als Beispiel nur § 22 Abs. 1 Nr. 2 GWB. BGHZ 36, 91 (102); 101,72 (79 f.); von Gamm, NJW 1980,2489 (2496); Immenga, NJW 1995, 1921 (1923); Odersky, FS Lerche, S. 956. 1144 Von Gamm, NJW 1980, 2489 (2496); Odersky, FS Lerche, S. 956. 1145 Odersky, FS Lerche, S. 956. 1146 Mittels der Bereichsausnahmen der §§99 ff. GWB oder eines Spezialgesetzes; vgl. P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 340 Fn. 138; Schricker, S. 66. 1147 So aber Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 323, 325; ders., in: Immenga/Mestmäkker, GWB, § 98 Abs. 1 Rn. 81; ähnlich Pietzcker, DÖV 1981, 539 f., allerdings mit einer Lösung über Art. 3 Abs. 1 GG. 1143
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
Unternehmen ist zu ungenau1148. Bereits rein praktisch wird es in den heutigen Zeiten leerer öffentlicher Kassen nicht dazu kommen, daß eine wirtschaftende Staatseinheit wie aus einem Füllhorn bedacht wird, geschweige denn - allein schon wegen anderer Begehrlichkeiten eines jeden Verwaltungsträgers - eine derartige eigene Zugriffsmöglichkeit auf unbeschränkte Ressourcen eingeräumt bekommt. Vor allem aber sind es (haushalts)rechtliche Hinderungen, die zudem noch parlamentarisch kontrolliert werden, die eine derartige Annahme widerlegen. Derart generell läßt sich nur sagen, daß sich der Staat als Marktteilnehmer auch den Wertungen des GWB zu unterwerfen hat. Dabei genießt er von vornherein aber weder eine privilegierte Stellung1149, noch unterliegt er einer generellen Maßstabsverschärfung 1150. Eine Maßstabsverschärfung oder aber Privilegierung kann sich u.U. erst im Einzelfall ergeben, wenn eine Interessenabwägung vorgesehen ist und die Berücksichtigung der öffentlichen Aufgabe die Waagschale nach der Abwägung zu der einen oder anderen Seite neigen läßt. Also bedürfen auch die Vorschriften des GWB für ihre Anwendung im Öffentlichen Wettbewerbsrecht von Fall zu Fall der Modifikation angesichts der staatlichen Besonderheiten.
d) Einzelvorschriften Im Mittelpunkt von Abwehr- und Unterlassungsansprüchen nach dem GWB gegen wirtschaftliche Tätigkeit des Staates steht § 35 GWB, der Schadensersatzansprüche bei der Verletzung von Schutzvorschriften und - als minus - Unterlassungsansprüche im Vorfeld von schadensersatzpflichtigen Rechtsverletzungen gewährt 1151. Erforderlich ist demnach, daß bei der staatlichen Wirtschaftstätigkeit eine Norm mißachtet wird, die - zumindest auch - dem Schutz von anderen Marktteilnehmern zu dienen bestimmt ist. Bei der Bestimmung des
1148
Zu Recht ablehnend daher Autenrieth, in: GK-GWB, § 98 Rn. 82; Hannamann, der städtetag 1996, 738 (739); Harms, BB 1986 (Beil. 17), 1 (21); Kluth, S. 95; Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (493; 501). Der Sache nach auch BGHZ 36, 91 (105). 1149 So aber Schwarz, S. 6, 213. 1150 So im Ansatz Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 323, 325; weniger streng ders., Kartellrecht, S. 41. Wenn Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (493), im Regelfall eine Maßstabsverschärfung annimmt, so verkennt er dabei, daß die als alleiniges Legitimationskriterium - in der Tat - nicht anzuerkennende Gewinnerzielungsabsicht im Öffentlichen Wettbewerbs recht regelmäßig durch die öffentliche Aufgabe ersetzt wird. 1151 Bechtold, GWB, § 35 Rn. 9; Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 35 Rn. 10, 100; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 253; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S. 163.
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
Schutznormcharakters ist im Öffentlichen Wettbewerbsrecht auf die Ergebnisse der öffentlich-rechtlichen Schutznormtheorie zurückzugreifen. Diese werden weitgehend mit denen der zivilrechtlichen Schutzgesetzbestimmung1152 übereinstimmen, müssen dies aber nicht unbedingt1153.
aa) § 1 i.V.m. § 35 Abs. 1, 3 GWB Das Kartell verbot des § 1 GWB 1 1 5 4 kann - was allerdings bestritten ist auch Schutzgesetz für bestimmte Marktteilnehmer sein 1155 . Bei der Anwendung ist zu beachten, daß - nach allerdings ebenfalls bestrittener Auffassung - eine Rechtsgüterabwägung vorgenommen werden kann, die bei Überwiegen des kollidierenden Rechtsgutes zur Suspendierung des Kartellverbotes führen kann 1156 . Bei der Beurteilung sind die Umgehungsverbote der §§ 25 Abs. 1, 2 und 38 Abs. 1 Nr. 11 GWB zu beachten1157. Denkbar sind Verstöße gegen das Kartellverbot etwa durch Absprachen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten untereinander über Preise und Konditionen für die Durchführung von Werbeaufträgen oder Absprachen der Werbegesellschaften über die gemeinsame Beschaffung des Rahmenprogrammes für Werbesendungen sowie über die Aufteilung der Kosten1158. Angesichts des heute lebhaften Wettbewerbs auf dem Fernseh- und Rundfunkmarkt dürfte sich das Problem zumindest im Hinblick auf die öffentliche Hand entzerrt haben1159.
1152
Vgl. Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 35 Rn. 20 ff.; von Gamm, Kartellrecht, § 35 Rn. 3. 1153 p n t t n e r > pie öffentlichen Unternehmen, S. 277, betont, daß mit den Vorschriften der §§ 1, 15, 16, 18, 20 ff., 26 Abs. 2 GWB die Harmonisierung mit dem öffentlichrechtlichen Konkurrenzschutz gelungen sei. 1,54 Ausführlich zu allen Problemkreisen in diesem Zusammenhang Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 219 ff. 1155 Bechtold, GWB, § 35 Rn. 3; Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 35 Rn. 26 ff. m.w.N. 1156 Ausführlich dazu Immenga, in: ders./Mestmäcker, GWB, § 1 Rn. 374 ff. 1,57 Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 98 Abs. 1 Rn. 70 mit Beispielen; Werner, Abwehr, S. 63. 1158 Michel-Gutachten, BT-Drs. V/2120, S. 219. 1159 Dies gilt insbes. auch im Hinblick auf §§ 22 Abs. 4, 26 Abs. 2 GWB, da die öffentliche Hand ihre marktbeherrschende Stellung auf diesem Sektor verloren hat. Das setzt allerdings voraus, daß das GWB auf (öffentlich-rechtliche) Medienanstalten und privatrechtliche Medienunternehmen überhaupt pauschal anwendbar ist, was wiederum - angesichts spezieller Mediengesetze - umstritten ist; vgl. zu diesem Komplex als Einführung Herrmann, Rundfunkrecht, § 21 Rn. 13 ff. m.w.N. S. auch Burkhardt, Kartellrecht, Rn. 106.
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
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Der Bundesgerichtshof bejahte in einem Fall ein kartellrechtswidriges Handeln von zwei Ersatzkassen aufgrund der Zusammenarbeit dieser Ersatzkassen mit bestimmten Krankenversicherungsunternehmen unter Ausschluß anderer privater Krankenversicherer 1160. Er stellte dabei heraus, daß § 1 GWB jedenfalls insoweit Schutznormcharakter hat, als die Vorschrift denjenigen Wettbewerber schützen soll, der als Folge der verabredeten Beschränkung schon am Zutritt zum Markt gehindert werden soll 1161 .
bb) § 26 Abs. 1 i.V.m. § 35 Abs. 1, 3 GWB Aus diesen Vorschriften kann sich ein Unterlassungsanspruch ergeben, wenn der Staat bei seiner wirtschaftlichen Tätigkeit als Verrufer eines Boykotts auftritt 1162 . Zu beachten ist wiederum, daß der Staat im Rahmen wirtschaftlicher Tätigkeit gehandelt haben muß, um das Tatbestandsmerkmal "Unternehmen" zu erfüllen 1163. Innerhalb dieses - im Vergleich zu § 1 UWG beschränkten - Anwendungsbereiches können Ansprüche aus § 1 UWG - Fallgruppe "Behinderung", Unterfallgruppe "Boykott" - neben dem GWB-Anspruch bestehen1164. Die Bedeutung im Öffentlichen Wettbewerbsrecht darf eher gering eingeschätzt werden, da als wenigstens mitbestimmender Beweggrund die Absicht der unbilligen Beeinträchtigung hinzutreten muß, wobei unter Beeinträchtigung die Zufügung eines unternehmerischen Nachteils im geschäftlichen Verkehr verstanden wird 1 1 6 5 . Die staatliche Warnung vor diethylenglykolhaltigem Wein oder mit verunreinigtem Flüssigei verseuchten Nudeln läßt den Gedanken an eine Einordnung bei § 26 Abs. 1 GWB aufkommen, doch fehlt es hier an der Zuordnung zur wirtschaftlichen Tätigkeit des Staates1166.
1160 1161 1162
BGHZ 64, 232 ff. Weitere Beispiele bei Werner, Abwehr, S. 61. BGHZ 64, 232 (237 f.). Vgl. dazu Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 332 ff.; Werner,
Abwehr,
S. 64 ff. 1163
Werner, Abwehr, S. 65. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 281, 285; Kehl, Wettbewerbsrecht, § 15 Rn. 4; Markert, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 26 Rn. 49; Rinner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, S. 332 f. 1165 Markert, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 26 Rn. 36; Werner, Abwehr, S. 67. 1166 Fallbeispiele bei Werner, Abwehr, S. 68. 1164
27 Schliesky
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates cc) § 26 Abs. 2 i . V . m . § 35 Abs. 1, 3 G W B § 26 Abs. 2 GWTi enthält zwei Verbotstatbestände, die unbillige Behinde-
rung 1 1 6 7 sowie die Diskriminierung, bei denen eine identische Interessenabwägung durchzuführen ist 1 1 6 8 . Ein auf diese Vorschriften gestützter Unterlassungsanspruch ist in der Rechtsprechung im Vergleich zu anderen Behinderungstatbeständen wie etwa § 22 Abs. 4 G W B am häufigsten anzutreffen 1169 . Aber auch hier ist der im Verhältnis zum U W G oder dem grundrechtlichen Verhaltensmaßstab engere Anwendungsbereich zu beachten: Erfaßt werden nur die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates und nicht der Bürger als Letztverbraucher 1170 . Hervorhebenswert ist noch der Zusammenhang zu Art. 3 Abs. 1 GG: § 26 Abs. 2 GWTB stellt sich als Spezialfall des allgemeinen Gleichheitssatzes für einen bestimmten wettbewerbsrechtlichen Bereich dar 1 1 7 1 , der dem Staat bei seiner
1167
Vorrangig über § 26 Abs. 2 GWB und nicht mehr über § 1 UWG will Immenga, NJW 1995, 1921 (1922-1925), die Fälle mit Standortvorteilen der öffentlichen Hand, für die er beispielhaft den Eigenverkauf von Kfz-Kennzeichen durch Gebietskörperschaften nennt, lösen. Nicht überzeugen kann allerdings sein konkretes Ergebnis der Interessenabwägung, bei dem Immenga (S. 1925) zu einem generellen Verbot des Eigenverkaufs von Kfz-Schildern wegen unbilliger Behinderung nach § 26 Abs. 2 S. 1 GWB gelangt. Er berücksichtigt bei seiner Argumentation nicht, daß der Standortvorteil der öffentlichen Hand eine nicht abwendbare Folge der zwingenden gesetzlichen Aufgabenzuweisung ist. Der Staat kann sich diesem Standortvorteil nicht entziehen; unabhängig davon, an welchem abgelegenen Ort die staatliche Kfz-Zulassungstätigkeit angeboten wird, wird zwangsläufig immer dort der beste Platz zum Schilderverkauf sein. Die Untersagung jeglichen eigenen Schilderverkaufs [und - nach Immenga (S. 1926 f.) - auch der Vermietung behördeneigener Räume an Private zum Schilderverkauf] führt zu einer generellen Untersagung des "Ob" staatlicher Wirtschaftstätigkeit, die eine generelle staatliche "Wirtschaftsfreiheit" zu wenig berücksichtigt. Nebenbei sei die Frage erlaubt, wie der Staat auf seinem derzeit politisch gewollten Weg zum schlanken und kundenorientierten Dienstleistungsunternehmen vorankommen soll, wenn er nicht einmal eine derartige Serviceleistung, die obendrein noch die Wirtschaftlichkeit der Verwaltungstätigkeit unterstützt, anbieten darf - jedenfalls nicht, indem der Bürger für sein Kfz-Kennzeichen erst weite Wege in einen Gewerbepark zum billigsten Schilderanbieter unternimmt und der Zulassungsvorgang erst Stunden später fortgesetzt werden kann. Zutreffende Argumente gegen die Ansicht von Immenga auch bei Hannamann, der städtetag 1996, 738 ff. 1168
Markert, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 26 Rn. bewerbs- und Kartellrecht, S. 388 ff. 1169 Vgl. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 22 Entscheidungen nach § 22 Abs. 5 GWB; ebenso Schricker, tung"; Beispiele bei Werner, Abwehr, S. 77. 1170 Schricker, S. 65 m.w.N. 1171 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 217 f.; Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 98 Abs. 1 Rn. 90, 96.
182, 195 ff.; Rittner,
Wett-
Rn. 100 zum Vergleich mit S. 65: "besondere Bedeu-
Emmerich,
in: Immenga/
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
wirtschaftlichen Tätigkeit nur sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlungen erlaubt. Gerade an dieser Norm wird nicht nur das Verhältnis des GWB zu den Grundrechten deutlich, sondern auch die Unverzichtbarkeit verhaltensrechtlicher Bindungen aus den Grundrechten, wie Ehlers 1172 bereits nachgewiesen hat. Denn § 26 Abs. 2 GWB hat aufgrund seiner Tatbestandsfassung einen nur beschränkten Anwendungsbereich; als handelndes Subjekt wird ein "marktbeherrschendes Unternehmen" vorausgesetzt, das seine Tätigkeit in einem "gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr" ausübt1173. Angesichts zunehmender Privatisierungsbemühungen darf daher die Prognose gewagt werden, daß die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates jedenfalls in absehbarer Zeit zunehmend seltener von marktbeherrschenden Unternehmen ausgeübt wird und deshalb die Bedeutung der unmittelbaren Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG steigen wird. In der Praxis des Bundesgerichtshofs wird die Anwendung des § 26 Abs. 2 GWB im Hinblick auf die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates durchaus differenziert gehandhabt: Wenn eine Kommune die im Bereich ihrer Krankenhäuser anfallenden Transportaufträge ausschließlich an die örtliche Rettungsleitstelle weiterleitet, an der sie als Anbieterin beteiligt ist, so begründen die Doppelstellung und die damit unmittelbar verbundenen Vorteile nach Ansicht des Gerichts keine unbillige Behinderung i.S.d. § 26 Abs. 2 GWB 1 1 7 4 . Zu vermerken ist bei dieser Entscheidung, daß der Bundesgerichtshof für die Begründung seines Ergebnisses insbesondere die Erfüllung öffentlicher Aufgaben herangezogen hat. Damit hat auch der Bundesgerichtshof - zumindest in diesem Urteil - anerkannt, daß ein Verwaltungsträger als ein am Wettbewerb teilnehmender Anbieter grundsätzlich dem allgemeinen Wettbewerbsmaßstab unterliegt, der jedoch durch die im Einzelfall vorzunehmende Gewichtung des öffentlichen Interesses einer Modifzierung zugänglich ist. Der Bundesgerichtshof betont jedenfalls ausdrücklich, daß die im Wettbewerb um Krankentransportaufträge stehende Gemeinde nicht gehalten ist, Aufträge möglichst neutral zu behandeln und an Konkurrenten umzuleiten, sondern die Nachfrage in möglichst großem Umfang auf sich ziehen darf 1175 . Dieses Ergebnis entspricht im übrigen dem bei einer Bewertung nach § 1 UWG Fallgruppe "Absatzbehinderung" - gefundenen 1176.
1172
Verwaltung in Privatrechts form, S. 217 f. Vgl. zu diesen Tatbestandsmerkmalen Burkhardt, Kartellrecht, Rn. 387 ff.; Markert, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 26 Rn. 75 ff., 151 ff. 1174 BGHZ 101, 72 (80 f.). 1175 BGHZ 101, 72 (81). 1,76 S.o. D III 1 c dd (2) (b) (aa); zustimmend auch Odersky, FS Lerche, S. 956. 1173
42
D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
Anders fiel die Beurteilung des Bundesgerichtshofs aus, als ein hinsichtlich des Krankentransports auswahlberechtigter Patient die Benachrichtigung eines privaten Krankentransportunternehmens gewünscht hatte, das Krankenhaus einer Kommune aber trotzdem den Auftrag an das Unternehmen geleitet hatte, an dem die Kommune beteiligt war 1177 . Nicht beanstandet hat der Bundesgerichtshof die Mitwirkung von Beschäftigten des privatwirtschaftlichen Bestattungsbetriebes einer Gemeinde bei der Vereinbarung von Bestattungsmodalitäten; er sah darin keine unbillige Behinderung des klagenden privaten Bestattungsunternehmers1178. Interessant fur die Maßstabsbildung im Rahmen eines Öffentlichen Wettbewerbsrechts ist auch eine weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofs 1179, in der die kompliziertere Ausgestaltung des Kostenerstattungsverfahrens durch eine gesetzliche Krankenkasse fur private Krankentransportunternehmen im Vergleich zu Unternehmen des öffentlichen Rettungsdienstes anhand von § 26 Abs. 2 GWB beurteilt wurde. Der Bundesgerichtshof begründete eine Behinderung damit, daß Patienten durch das lästigere Kostenerstattungsverfahren von der Beauftragung des privaten Unternehmers abgeschreckt werden und dies nachteilige Auswirkungen auf den Wettbewerb des privaten Unternehmers zeitige1180. Diese Behinderung sieht er auch als unbillig an, weil es keinen sachlich gerechtfertigten Grund gebe: Die von der gesetzlichen Krankenkasse hier angeführten sachlichen Gründe "Kostendeckung und Kostendämpfung" im Rettungsdienstwesen seien hier unbeachtlich; die Krankenkasse könne sich auf diese Aufgabe nicht berufen, da sie nicht Trä-
1177
BGHZ 107, 40 (45) - auch in diesem Fall hat der BGH sein Urteil wieder allein auf § 1 UWG gestützt, dabei aber betont, daß bei einem Anspruch aus § 26 Abs. 2 GWB die gleichen Beurteilungskriterien maßgebend seien (S. 41). Ebenso wiederum Odersky, FS Lerche, S. 956. 1178 BGH GRUR 1989, 603 (606); in ähnlichen Fällen bereits BGH NJW 1987, 60 (61); NJW 1987, 62 (62). 1179 BGH NJW 1991, 2963 ff. Hier prüft der BGH § 26 Abs. 2 GWB ausführlich und verweist nur am Ende lapidar auf § 1 UWG (S. 2967). Dabei unterliegt die Anwendung des Anspruchs aus § 26 Abs. 2 i.V.m. § 35 GWB durchaus Bedenken: Das Berufungsgericht hatte einen solchen mangels Marktteilnahme der Krankenkasse abgelehnt. Der BGH (S. 2965 f.) muß die Marktteilnahme daher über den nicht überzeugenden Umweg einer Marktteilnahme mittels Rahmenvertrages nach § 133 SGB V konstruieren. Eine Anwendung von § 1 UWG hätte hier wohl näher gelegen, zumal da der Anspruch nach § 1 UWG ebenfalls begründet gewesen wäre, s.o. D III 1 c dd (2) (b) (aa). 1180 BGH NJW 1991, 2963 (2966). Der Sache nach ist damit ein Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Wettbewerbsstellung des privaten Unternehmers festgestellt.
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
ger der Aufgabe "Rettungsdienst" sei 1181 . Das Gericht stellt in diesem Zusammenhang noch einmal heraus, daß bei der im Rahmen des § 26 Abs. 2 GWB vorzunehmenden Interessenabwägung zwar auf die beteiligten Individualinteressen, nicht aber auf eine gesamtwirtschaftliche Betrachtungsweise abzustellen sei, da letztere auf allgemeine wirtschaftspolitische Überlegungen hinausliefe, fur die bei der Interessenabwägung kein Raum sei. Dafür ist bei der Interessenabwägung aber die auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichtete Zielsetzung des GWB zu beachten; daraus ergibt sich, daß wirtschaftliche Individualinteressen nur dann einbezogen werden, wenn sie von der Rechtsordnung anerkannt sind und nicht gegen die Wertungen des GWB, Gewährleistung der Voraussetzungen fur Leistungswettbewerb und Sicherung der Offenheit der Marktzugänge, verstoßen 1182 . In dem zu beurteilenden Sachverhalt war deutlich, daß die gesetzliche Krankenkasse durch das benachteiligende Kostenerstattungsverfahren beabsichtigte, private Unternehmer vom Markt zu drängen, was mit der an einem Leistungswettbewerb orientierten Wertung des § 26 Abs. 2 GWB nicht vereinbar ist. Den Ausführungen des Bundesgerichtshofs bleibt nur noch hinzuzufügen, daß bei der Interessenabwägung in jedem Fall die öffentliche Aufgabe des wirtschaftenden Verwaltungsträgers berücksichtigt werden muß 1183 . Zuvor ist zudem zu überprüfen, ob nicht kraft Gesetzes eine Wertung des GWB außer Kraft gesetzt wurde 1184 . Denn - wie bereits eingangs dargelegt - der Gesetzgeber hat die Möglichkeit, Verhaltensgrenzen des GWB für bestimmte Tätigkeiten des Staates zu suspendieren1185.
e) Zusammenfassung Auch das GWB bildet einen Teil des Öffentlichen Wettbewerbsrechts. Die Vorschriften stellen - soweit sie betroffenen Konkurrenten subjektive Abwehr-
1181
BGH NJW 1991, 2963 (2966). Dieser Argumentation ist zwar zuzustimmen. Allerdings vermißt man schon an dieser Stelle Ausführungen zur Aufgabe "Kostendämpfung im Gesundheitswesen"; hierzu hatte die gesetzliche Krankenkasse auch einiges vorgetragen. Der BGH erwähnt dies erst später (S. 2967) mit nur einem Satz und läßt auch diese Aufgabe - bei den dem Fall zugrundeliegenden Umständen sicherlich zu Recht - nicht als sachlich rechtfertigenden Grund ausreichen. 1182 BGH NJW 1991, 2963 (2967); vgl. auch von Gamm, Kartellrecht, § 26 GWB Rn. 6, 40. 1183 Vom Ansatz her, aber nicht im konkreten Erg. zutreffend auch Immenga, NJW 1995, 1921 (1923, 1924 f.). 1184 P. M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 340 Fn. 138 mit einem Beispiel. 1,85 Selbstverständlich muß auch der Gesetzgeber seine Ausnahmeregelung durch einen hinreichenden öffentlichen Zweck legitimieren, um vor der grundrechtlich geschützten Wettbewerbs freiheit bestehen zu können.
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
rechte einräumen - wiederum einfachgesetzliche Ausprägungen der grundrechtlich abgesicherten Wettbewerbsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG dar. § 26 Abs. 2 GWB kommt darüber hinaus die Rolle einer bereichsspezifischen Ausprägung des Gleichheitssatzes zu. Da grundrechtlicher und GWB-geprägter Verhaltensmaßstab übereinstimmen, bewirkt die Anwendung des GWB keine zusätzliche Maßstabsverschärfung, wie einigen Äußerungen immer wieder zu entnehmen ist. Wenn demgegenüber davon gesprochen wird, daß sich aus dem GWB keine besonderen Grenzen für die wirtschaftliche Betätigung herleiten lassen1186, so erscheint der Akzent auch nicht ganz richtig gesetzt. Trotz zunehmender Annäherung zwischen GWB und UWG haben die Wertungen des GWB - insbesondere im Hinblick auf den Institutionsschutz - durchaus eigenständige Bedeutung für die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates. Allerdings darf die Bedeutung für wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit angesichts einer Vielzahl eingrenzender Tatbestandsmerkmale generell nicht überschätzt werden; § 1 UWG ist zur verhaltensrechtlichen Grenzziehung bei weitem wertvoller.
3. Haushaltsgrundsätzegesetz; Bundeshaushaltsordnung und Haushaltsordnungen der Länder Geltung für wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit können auch das Haushaltsgrundsätzegesetz 1187 und die Haushaltsordnungen1188 des Bundes und der Länder beanspruchen, so daß auch in diesem haushaltsrechtlichen Bereich die Suche nach verhaltensrechtlichen Grenzen lohnt. Anknüpfungspunkt für das HGrG und die Haushaltsordnungen ist allerdings in der Regel nicht die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit, sondern die Hauhaltsplanung, Haushaltsführung und Haushaltskontrolle der Verwaltungsträger. Gelten die Haushaltsordnungen im jeweiligen Bereich der Finanzzuständigkeit des Verwaltungsträgers, so ist hinsichtlich der Anwendbarkeit des HGrG zu differenzieren: Teil I enthält Grundsatzregelungen i.S.d. Art. 109 Abs. 3 GG und damit Gesetzgebungsaufträge für die Gesetzgeber in Bund und Ländern 1189; die Vorschriften des II. Teils gelten ausweislich § 49 HGrG einheitlich und unmittelbar für Bund und Länder.
1,86
So Kluth, S. 96. Gesetz über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder HGrG - v. 19.8.1969, BGBl. I S. 1273. 1188 Bundeshaushaltsordnung- BHO - v. 19.8.1969, BGBl. I S. 1284; Nachweise über die Fundstellen der Haushaltsordnungen der Länder bei Patzig, Haushaltsrecht, Teil C/0/1 f. 1189 § 1 HGrG; Amtl. Begr., BT-Drs. V/3040, S. 44; Heuer, in: ders. (Hrsg.), KHR, Art. 109 GG Rn. 10. 1187
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
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An der haushaltsrechtlichen Zielsetzung wird jedoch deutlich, daß es sich regelmäßig nicht um das den Untersuchungszweck bildende Marktverhaltensrecht handelt. Auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates dominieren - wie das Beispiel § 53 HGrG zeigt - Vorschriften zur Haushaltskontrolle, also fur die staatsinternen Verpflichtungen im Umgang mit Geld 1190 . Damit läßt sich bereits generell feststellen, daß es sich bei diesem Normkomplex um objektives Recht handelt; die Vorschriften sind ausschließlich staatsgerichtet, so daß subjektivrechtliche Abwehrpositionen von betroffenen Marktteilnehmern nicht in Betracht kommen1191. Subjektive Abwehrrechte können auch nicht über § 1 UWG entstehen: Die haushaltsrechtlichen Vorschriften können nicht über die Fallgruppe "Vorsprung durch Rechtsbruch" erfaßt werden, da sie kein Ausdruck der für alle Wettbewerber geltenden "par condicio concurrentium" sind, ein Verstoß mithin nicht unlauterkeitsbegründend sein kann 1192 . Die Bedeutung als Afarfaverhaltensrecht darf damit eher gering eingeschätzt werden; einige insoweit aber interessante Gesichtspunkte sollen im folgenden dargelegt werden.
a) § 6 HGrG und § 7 BHO Die beiden Vorschriften stellen die Umsetzung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit dar. § 6 HGrG enthält dabei die haushaltsrechtlichen Grundsätze, § 7 BHO die verbindliche Umsetzung für die Aufstellung der Haushaltspläne. Inhalt des § 6 HGrG ist die Verpflichtung zur Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie die Anordnung einer Nutzen-Kosten-Untersuchung bei geeigneten staatlichen Maßnahmen von erheblicher finanzieller Bedeutung; § 7 BHO entspricht diesem insoweit wortlautgenau 1193 . Nun ist die Verpflichtung von Verwaltungsträgern auf Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit einerseits nichts Ungewöhnliches, weil es ein allgemeines Rechtsgebot darstellt 1194, andererseits in der praktischen Umsetzung keine besonders relevante Grenze 1195 . Die besondere Bedeutung als verhaltensrechtliche
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Ausführlicher Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 165 ff. Badura, in: von Münch/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, 3. Abschn., Rn.
113. 1192
S.o. D III 1 c dd (2) (d); ebenso OLG Saarbrücken WRP 1988, 328 (331); Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 932; Schricker, S. 158 f. 1193 Dazu Dommach, in: Heuer (Hrsg.), KHR, § 7 BHO Rn. 15 ff. 1194 Dommach, in: Heuer (Hrsg.), KHR, § 7 BHO Rn. 1 b. 1195 Verstöße werden, wenn sie überhaupt moniert werden, nur selten sanktioniert; ein solches Beispiel liefert BSGE 56, 197 ff.
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D. Grenzen der Wettbewerb s freiheit des Staates
Grenze in einem Öffentlichen Wettbewerbsrecht liegt in dem weitergehenden Inhalt des § 7 BHO und in den beabsichtigten Änderungen beider Vorschriften. § 7 BHO geht derzeit über die Anforderungen des § 6 HGrG hinaus, was angesichts der Ausfuhrungsfunktion der BHO im Verhältnis zu den Gesetzgebungsaufträgen des HGrG eher unüblich ist (vgl. § 1 HGrG) und vor allem mit politischem Widerstand der Länder im Bundesrat zu erklären ist. § 7 Abs. 1 S. 2 BHO normiert die zusätzliche Verpflichtung zur Prüfung, inwieweit staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten durch Ausgliederung und Entstaatlichung oder Privatisierung erfüllt werden können. Darüber hinaus sieht § 7 Abs. 2 S. 2 BHO in geeigneten Fällen ein sog. Interessenbekundungsverfahren vor, in dem festgestellt werden soll, inwieweit und unter welchen Bedingungen private Lösungen möglich sind. Damit werden Verwaltungsträger zur Beachtung wettbewerblicher Grundsätze bei der Planung oder Überprüfung von Maßnahmen oder Einrichtungen angemahnt 1196 , vor allem aber wird durch § 7 Abs. 1 S. 2 BHO eine Grenze für das "Ob" wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit aufgestellt. Damit ist allerdings kein allgemeines Subsidiaritätsprinzip ausgesprochen, da keine automatische Verpflichtung zur Aufgabenausgliederung nach erfolgter Wirtschaftlichkeitsprüfung besteht. Die Vorschrift soll aber den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit dahin gehend konkretisieren, daß dieser auch der Erhaltung der Leistungskraft dienen soll, indem - nicht zuletzt zur Vermeidung weiterer Staatsverschuldung - eine Prüfung erfolgen muß, inwieweit private Lösungen zur besseren Verwendung öffentlicher Mittel beitragen können1197. Diese "überschießende Tendenz" des § 7 BHO stammt aus dem "Ersten Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms" (1. SKWPG) und ist seit dem 1. Januar 1994 in Kraft 1198 . Vor zu großen Hoffhungen in der praktischen Umsetzung muß allerdings gewarnt werden, da auch hier die Sanktionsmöglichkeiten sehr begrenzt sind: Die Kontrolle der doch recht vagen und einen weiten Beurteilungsspielraum eröffnenden Wirtschaftlichkeitskontrolle findet im Aufsichtswege statt; Kontrollmöglichkeiten besitzt gemäß Art. 114 GG auch der Bundesrechnungshof. Privaten ist eine Einschreitmöglichkeit auf dem Klagewege aber verwehrt, da die Vorschriften mangels subjektivrechtlichen Gehaltes nicht drittschützend sind 1199 . Durch Gesetzentwurf der CDU/CSU- und F.D.P.-Fraktionen wurde noch in der 12. Legislaturperiode des Bundestages versucht, § 6 HGrG nachträglich
1196
Dommach, in: Heuer (Hrsg.), KHR, § 7 BHO Rn. 15; vgl. auch Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 7 BHO Rn. 5. 1197 Dommach, in: Heuer (Hrsg.), KHR, § 7 BHO Rn. 1 a. 1198 G. v. 21.12.1993, BGBl. I S. 2353. 1199 Ebenso Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 7 BHO Rn. 8 a.E.
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
anzupassen1200. Ein dem § 7 Abs. 1 S. 2 BHO entsprechender S. 2 sollte § 6 Abs. 1 HGrG angefügt werden. Darüber hinaus sollte folgende Legaldefinition des "Interessenbekundungsverfahrens" als neuer § 6 Abs. 2 S. 2 HGrG ergänzt werden: "In geeigneten Fällen ist privaten Anbietern die Möglichkeit zu geben darzulegen, ob und inwieweit sie staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten nicht ebenso gut oder besser erbringen können (Interessenbekundungsverfahren). " § 7 Abs. 2 S. 2 BHO sollte dieser Fassung wiederum wortlautgleich angepaßt werden. Jedoch scheiterten diese Gesetzgebungspläne zunächst einmal am Widerstand des Bundesrates1201 und dem Ende der Legislaturperiode. Die Regierungsfraktionen beabsichtigten mit diesen Ergänzungen eine Konkretisierung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit durch ein Signal an die Länder und die Gemeinden, "entschlossener als bisher zu prüfen, ob nicht weitere Aufgaben und Leistungen privatisiert werden könnten"1202. Es sollen also nach dem Willen der Regierungsfraktionen die Initiativen zur Privatisierung öffentlicher Unternehmen und Aufgaben verstärkt werden. Damit wird aus der Amtlichen Begründung und dem Kontext zu dem SKWPG deutlich, daß eine weitgehende Aufgabenpùvatisierung angestrebt wird, was sich dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 S. 2 BHO nicht zweifelsfrei entnehmen läßt - es könnte auch eine Organisationsprivatisierung gemeint sein 1203 . Der Anordnung bloßer Organisationsprivatisierungen in den Haushaltsordnungen hätte es auch kaum bedurft, da diese - insbesondere auf kommunaler Ebene - einem Trend der Zeit entsprechen, (vermeintliche) Vorteile privatrechtlicher Organisationsformen zu nutzen. Daß sich der Maßstab jedenfalls hinsichtlich verhaltensrechtlicher Grenzen nicht ändert, wurde im Verlauf der Untersuchung bereits gezeigt1204. Diese Zielsetzung ist bei einer marktwirtschaftlich-wettbewerbsfreundlichen Sichtweise grundsätzlich zu begrüßen, will man den Staat wieder aus einigen gesellschaftlichen Bereichen hinausdrängen, in die er sich - nicht zuletzt bei der Bewältigung der Wiedervereinigung zwangsläufig - hineinbegeben hat. Dennoch bedarf der mit den beabsichtigten Änderungen eingeschlagene Weg sehr kritischer Anmerkungen.
1200 Vgl. BT-Drs. 12/6720. Zu den beabsichtigten Änderungen ausführlich Schliesky, DÖV 1996, 109 ff. 1201 Vgl. BR-Drs. 326/94. 1202 Amtl. Begr., BT-Drs. 12/6720, S. 3. Zu dieser Politik s. bereits den Bericht von Freyend, in: FIW (Hrsg.), Beschränkung, S. 20 f. 1203 Dieses Verständnis legt auch Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 7 BHO Rn. 8, zugrunde. 1204 Zu erinnern ist nur an die umfassende Grundrechtsgeltung.
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Dabei fallt zunächst einmal das Interessenbekundungsverfahren auf: Es soll mit seiner Hilfe der Markt nach wettbewerblichen Grundsätzen erkundet werden 1205 . Angeordnet wird damit eine Suche nach privaten Lösungen in Anlehnung an § SS BHO, also an das Verfahren öffentlicher Ausschreibungen bei der Vergabe von Aufträgen 1206. Allerdings darf man die praktische Durchführbarkeit getrost in Frage stellen und nur einmal an die in diesem Bereich der Verwaltung beängstigend zunehmenden Korruptionsfälle erinnern. Nun sind Pervertierungen rechtlicher Verfahren und theoretischer Systeme, noch dazu im Zusammenhang mit menschlichen Schwächen, nicht zwangsläufig ein Einwand gegen das Verfahren als solches. Derartige Auswüchse lassen nur aufhorchen, ob nicht Verbesserungen möglich sind. Schwerer wiegt aber das Bedenken, daß hier letztlich "der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben" werden soll: Ein zusätzliches Verwaltungsverfahren soll die Wirtschaftlichkeit stärken! Es darf bezweifelt werden, daß der Sinn des Verfahrens, die wirtschaftliche Verwendung von Haushaltsmitteln, erreicht werden kann, wenn dies mittels eines neuen schematischen1207 Verwaltungsverfahrens geschehen soll, das wenigstens arbeits- und zeitaufwendig ist 1208 . Ein weiterer Einwand liegt darin, daß mit dem Interesssenbekundungsverfahren ein Subsidiaritätsprinzip quasi durch die Hintertür eingeführt wird. In der Regelung des § 7 Abs. 2 S. 2 BHO n.F. liegt eine potentielle einfachgesetzliche Grenze wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit mit dem Gehalt eines Subsidiaritätsprinzips. Oben wurde dazu 1209 schon nachgewiesen, daß jedenfalls dem Grundgesetz und auch der Gesamtrechtsordnung ein Subsidiaritätsprinzip als durchgängiges Prinzip fremd ist. Der Gesetzgeber kann ein solches zwar normieren, wie dies etwa in den Gemeindeordnungen der Länder mehrfach geschehen ist 1210 . Einem derartigen einfachgesetzlichen Subsidiaritätsprinzip kann allerdings nur eine bedingte Effektivität attestiert werden, da die grundgesetzlich verankerte "Wirtschaftsfreiheit" des Staates nachgewiesen wurde, die ein ein-
1205
Amtl. Begr., BT-Drs. 12/6720, S. 3. Dommach, in: Heuer (Hrsg.), KHR, § 7 BHO Rn. 15. Bedenken hiergegen bei Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 7 BHO Rn. 8. 1207 Eine gewisse Förmlichkeit und einheitliche Maßstabe wird man schon mit Rücksicht auf Art. 3 Abs. 1 GG fordern müssen. Diesbezügliche Kritik auch bei Osterloh, W D S t R L 54 (1995), 204 (221). 1208 Dies ist auch einer der Gründe, die den Bundesrat zur Ablehnung der Gesetzesinitiative veranlaßt haben, vgl. BR-Drs. 326/1/94, S. 2. Bedenken in diese Richtung auch bei Dommach, in: Heuer (Hrsg.), KHR, § 7 BHO Rn. 15; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 7 BHO Rn. 8; positive Erwartungen allerdings bei Ehlers, DVB1. 1997, 137 (138). 1209 S.o. C I 2 a. 1210 Wobei hier genau zu prüfen ist, ob es sich wirklich um ein Subsidiaritätsprinzip im eigentlichen Sinne handelt, s.o. C I 2 a. 1206
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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fachgesetzliches Prinzip überlagern kann. Im Einzelfall könnte daher eine verfassungskonforme Auslegung des § 7 Abs. 2 S. 2 BHO erforderlich sein, so daß das einfachgesetzliche Subsidiaritätsprinzip bei überwiegendem öffentlichen Interesse an wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit zurückzutreten hat. Vor allem aber wäre ein Subsidiaritätsprinzip im Haushaltsrecht systemfremd. Denn ein Subsidiaritätsprinzip müßte bei einer Verletzung zu Lasten eines privaten Konkurrenten gerade diesem eine subjektivrechtliche Abwehrposition einräumen, was dem objektivrechtlichen Charakter des Haushaltsrechts widersprechen würde. Schließlich sprechen auch gewichtige verfassungsrechtliche Bedenken gegen die geplante Neuregelung, und zwar im Hinblick auf Art. 109 Abs. 1, 3 und Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Durch die Verankerung des Interessenbekundungsverfahrens in § 6 Abs. 2 S. 2 HGrG werden der Bund und alle Länder verpflichtet, ihr Haushaltsrecht dieser für einen Haushaltsgrundsatz doch schon recht detaillierten Regelung anzupassen, da die Vorschrift in Teil I des HGrG steht; ein Spielraum für eigene Verfahrensvorschriften bleibt den Ländern kaum. Art. 109 Abs. 3 GG erlaubt jedoch nur Grundsatzregelungen, da die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern Ausdruck des Bundesstaatsprinzips und der daraus folgenden Eigenständigkeit der Gliedstaaten ist 1211 . Die in Art. 109 Abs. 3 GG aufgeführten Sachgebiete dürfen daher nicht erschöpfend vom Bundesgesetzgeber geregelt werden; den Landesgesetzgebern muß noch ein hinreichender eigenverantwortlicher Spielraum verbleiben 1212. Eine derart detaillierte Regelung eines Markterkundungs- und Vergleichsverfahrens überschreitet aber die Grenzen der Grundsatzgesetzgebungskompetenz des Bundes1213. Ob die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG unter dem Aspekt der Finanzautonomie nicht ebenfalls unzulässig beeinträchtigt wird, muß zur Debatte gestellt werden. Es erscheint daher als besserer Weg, anstelle eines zusätzlichen Verwaltungsverfahrens den Wettbewerb selbst entscheiden zu lassen. Diese - zugegebenermaßen beinahe als Platitüde aufzufassende - Forderung müßte nur ernst genommen werden, indem der Staat sich dann, wenn er als Wettbewerber tätig wird, richtig und vollständig dem Wettbewerb stellt. Die ihm dabei gezogenen und im Laufe dieser Untersuchung schon ermittelten Grenzen müssen zu diesem Zweck
12.1
Heuer, in: ders.(Hrsg.), KHR, Art. 109 GG Rn. 3; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 109 Rn. 1, 10. 12.2 Fischer-Menshausen, in: von Münch (Hrsg.), GGK III, Art. 109 Rn. 17; Heuer, in: ders. (Hrsg.), KHR, Art. 109 GG Rn. 10; Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 109 GG Rn. 34. 1213 So auch die Empfehlung des Finanzausschusses an den Bundesrat, BR-Drs. 326/ 1/94, S. 2. Bedenken auch bei Osterloh, W D S t R L 54 (1995), 204 (221).
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
sorgfaltig und effektiv überwacht werden. Hierzu gehört auch im Zweifel eine verstärkte gerichtliche Kontrolle der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit1214. Die Regulierung sollte durch den Markt erfolgen, wozu auch der weitere Abbau von Hemmnissen für private Anbieter gehört. Zu den Hemmnissen würde man ein zu durchlaufendes Interessenbekundungsverfahren zählen müssen. Ohnehin ist die Notwendigkeit dieses gesetzgeberischen Aktionismus nicht ganz nachzuvollziehen1215. Neben der ja schon bestehenden Verpflichtung zu Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit1216 drängen - ganz pragmatisch - die leeren Kassen öffentlicher - gerade der kommunalen - Haushalte die Überlegungen in Richtung Aufgabenprivatisierung 1217. Eines derart bedenklichen Instituts bedarf es daher im Haushaltsrecht nicht. Die gesetzgeberischen Überlegungen sollten sich daher lieber in eine andere Richtung orientieren, nämlich wie staatliche Interessen, insbesondere soziale Belange, bei einer Aufgabenprivatisierung gewahrt und rechtlich abgesichert werden können1218.
b) § 65 Abs. 1 BHO
§ 65 Abs. 1 BHO normiert Voraussetzungen und Grenzen staatlicher Beteiligung an pùvatrechtlichen Unternehmen 1219. Bereits bei einem ersten Blick auf den Wortlaut wird deutlich, daß die Vorschrift keine umfassende Regelung der Wettbewerbsteilnahme des Bundes enthält1220. Zudem gelten mehrere Ein-
1214
Z.B. BSGE 56, 197 ff. Piduchy Bundeshaushaltsrecht, § 7 BHO Rn. 8, spricht von einem "gesetzgeberischen Schnellschuß". 1216 Der Bundesrat weist zu Recht darauf hin, daß diese beiden Grundsätze ohnehin schon dazu verpflichten können, zur Erfüllung staatlicher Aufgaben u.U. Dritte heranzuziehen, BR-Drs. 326/1/94, S. 2. 12,7 Überdies kennt das Kommunalrecht der Länder die Verpflichtung der Gemeinden, vor der Erfüllung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben zu prüfen, ob die Aufgabe nicht ebensogut auf andere Weise, insbes. durch Private, erfüllt werden kann, vgl. etwa § 2 Abs. 1 S. 2, 3 GO SH. Nur ist hier kein lähmendes zusätzliches Verwaltungsverfahren vorgesehen. 1218 Auf die Folgeprobleme der Privatisierung weist Bull, VerwArch. 86 (1995), 621 (629 f.), deutlich hin. 12,9 Beachte aber § 112 Abs. 2 BHO, der § 65 Abs. 1 BHO zum Teil auch bei öffentlich-rechtlichen Organisations formen für anwendbar erklärt. 1220 Die Darstellung orientiert sich nur an § 65 ßwufcshaushaltsordnung; für die Länder existieren weitestgehend gleichlautende Vorschriften, vgl. Patzig, Haushaltsrecht, vor den Erläuterungen zu § 65 BHO. 12,5
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
schränkungen: Dies beginnt damit, daß es sich "nur" um eine "Soll"-Vorschrift handelt, demnach keine ausnahmslose Befolgensverpflichtung besteht1221. Des weiteren bezieht sich § 65 Abs. 1 BHO nur auf Unternehmen, wobei der Unternehmensbegriff wieder sehr weit und funktional verstanden wird 1222 . Dem Wortlaut zufolge erfaßt die Vorschrift auch nur Beteiligungen; zu verstehen ist unter einer Beteiligung nach den Vorläufigen Verwaltungsvorschriften des Bundes jede kapitalmäßige Beteiligung an einem Unternehmen, ohne Mindesteinlage, die eine Dauerbeziehung zu dem Unternehmen begründen soll 1223 . Damit erhebt sich die Frage, ob die Vorschrift auch bei alleiniger Trägerschaft des Bundes anwendbar ist oder ob lediglich Beteiligungen "im technischen Sinne" 1224 gemeint sind. Bei zutreffender Auslegung mit Hilfe eines "Erst-RechtSchlusses" und unter Berücksichtigung der Wertung des § 112 Abs. 2 BHO wird man auch an dieser Stelle eine weite Anwendbarkeit im ersteren Sinne annehmen müssen1225, so daß § 65 Abs. 1 BHO auf Eigengesellschaften, gemischt-wirtschaftliche Unternehmen und Beteiligungen anwendbar ist. Unter Beachtung dieser tatbestandlichen Einschränkungen ergeben sich folgende verhaltensrechtliche Grenzen, deren wichtigste Nr. 1 ist: Vorausgesetzt wird zunächst ein wichtiges Interesse des Bundes. Für dessen Vorliegen kann nicht ohne weiteres auf die wirtschaftlichen oder politischen Überlegungen der jeweiligen Bundesregierung abgestellt werden 1226. Vielmehr wird hier eine aus dem Verfassungsrecht hergeleitete Anforderung an wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit einfachgesetzlich normiert. Ossenbühl 1227 hat zutreffend herausgestellt, daß es sich bei diesem Verlangen eines öffentlichen Zwecks "um die einfachgesetzliche Ausprägung eines verfassungsrechtlichen Erfordernisses handelt". Das "Interesse des Bundes" ist also im Sinne der bisherigen Ergebnisse zum Vorliegen eines öffentlichen Interesses und damit zur "Wirtschaftsfreiheit" des Staates zu verstehen und anzuwenden. Das Attribut "wichtig" ist dahin zu verstehen, daß nicht irgendein öffentlicher Zweck, der mit der wirtschaftlichen Tätigkeit in keinem Zusammenhang steht, angeführt werden darf, sondern ein
1221
P.-M. Huber, AllgVerwR, S. 97 f.; Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 140; Soldner, in: Heuer (Hrsg.), KHR, § 65 Rn. 15. 1222 Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 121; Patzig, Haushaltsrecht, § 65 BHO Rn. 3; Soldner, in: Heuer (Hrsg.), KHR, § 65 BHO Rn. 11. 1223 Vorl. V V zu § 65 BHO Nr. 1.2., abgedruckt bei Heuer, in: ders. (Hrsg.), KHR, Teil V; Patzig, Haushaltsrecht, § 65 BHO Rn. 4. 1224 S.o. Β I 9. 1225 Ebenso Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 160 Fn. 282; Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 140; Soldner, in: Heuer (Hrsg.), KHR, § 65 BHO Rn. 12. 1226 So etwas unklar, später relativierend Soldner, in: Heuer (Hrsg.), KHR, § 65 BHO Rn. 16. 1227 Bestand und Erweiterung, S. 140.
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Interesse vorliegt, das gerade auch wettbewerbsrelevante Staatstatigkeit legitimiert, im Gegensatz etwa zu anderem Verwaltungshandeln. Der erste Halbsatz des § 65 Abs. 1 Nr. 1 BHO ist demzufolge nicht als neue Beschränkung, sondern als einfachgesetzliche Manifestierung eines öffentlichen Interesses zur wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit zu verstehen. Das "wichtige Interesse" kann dabei aus dem Grundgesetz unmittelbar zu entnehmen sein oder einfachgesetzlich positiviert sein. Zu betonen ist dabei, daß die Gewinnerzielungsabsicht nur dann als öffentlicher Zweck ausreicht, wenn ein wichtiger mittelbarer öffentlicher Zweck hinzutritt 1228. Dessen Beurteilung bereitet bei Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit meist keine gravierenden Probleme; anders sieht dies u.U. hinsichtlich der Kontrolle des wichtigen Interesses im Laufe der Tätigkeit aus1229. Hierzu ist nur zu bemerken, daß selbstverständlich zu jeder Zeit ein öffentliches Interesse die wirtschaftliche Tätigkeit legitimieren muß 1230 , wobei der öffentliche Zweck im Laufe der Zeit durchaus austauschbar ist, wenn er nur den dargestellten Anforderungen genügt. Der zweite Halbsatz des § 65 Abs. 1 Nr. 1 BHO verlangt als kumulative Voraussetzung, daß sich der vom Bund angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen läßt. Auch damit ist kein Subsidiaritätsprinzip für wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit ausgesprochen. Die Vorschrift erlaubt gerade öffentlich-rechtliche Alternativen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit1231. Die Bedeutung dieser Klausel liegt lediglich darin, daß es keine Präferenz privatrechtlicher Organisationsformen bei gleicher Zweckerreichung gibt. Die privatrechtliche Organisationsform soll nur dann ausgeschlossen sein, wenn der verfolgte Zweck auf andere Weise besser und wirtschaftlicher erfüllt werden kann. Bei Gleichwertigkeit der Resultate gilt dieses nicht; der Verwaltungsträger ist dann nicht gehalten, auf die privatrechtliche Lösung zu verzichten 1232 .
1228
Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 161. Dazu Patzig, Haushaltsrecht, § 65 BHO Rn. 7. 1230 Landesrechnungshof Schleswig-Holstein, Bemerkungen 1987, Rn. 25. Der 2. Beteiligungsbericht des Landes Schleswig-Holstein, LT-Drs. 13/2327, trägt - anders als der Beteiligungsbericht des Bundes - dieser Forderung nun Rechnung, indem bei jeder einzelnen Beteiligung das Landesinteresse i.S.d. § 65 Abs. 1 Nr. 1 LHO SH dargestellt und auf Fortbestehen sowie Zielannäherung überprüft wird. Die haushaltsrechtliche Kontrolle wird damit in beispielhafter Weise erleichtert. 1231 Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 161; Patzig, Haushaltsrecht, § 65 BHO Rn. 8. 1232 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 162; Erbguth/Stollmann, DÖV 1993, 798 (800). A.A. (für Vorrang öffentlich-rechtlicher Organisationsformen) Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 65 BHO Rn. 8. 1229
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
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§ 65 Abs. 1 Nr. 2 BHO sieht eine Begrenzung der EinZahlungsverpflichtung vor. Daraus wird die praktische Schlußfolgerung gezogen, daß nur Kapitalgesellschaften, nicht dagegen Personalgesellschaften fur ein Engagement des Staates in Betracht kommen1233. Dieser Schluß entspricht zwar in der überwältigenden Mehrheit der Fälle der Praxis, ist aber nicht zwingend. Wichtig ist eben nur die Begrenzung der EinZahlungsverpflichtung und damit der Haftung auf einen bestimmten Betrag. Wenn dieses Ziel auf anderen Wegen als über die Wahl der Gesellschaftsform erreicht wird, insbesondere etwa über entsprechend abgesicherte Haftungsbeschränkungen im Gesellschaftsvertrag, kann auch eine Personalgesellschaft wie etwa die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausnahmsweise in Betracht kommen1234. Maßgebend ist - entsprechend dem Sinn und Zweck der Regelung - eben nur, daß alle unbestimmten finanziellen Risiken ausgeschlossen sind und das Haftungsrisiko von vornherein geklärt ist und ein haushaltsrechtlich unkontrollierbares Ausweichen des Staates in privatrechtliche Gesellschaften verhindert wird 1235 . Nur wenig verhaltensrechtliche Bedeutung im Sinne der Untersuchung haben § 65 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 BHO, die sich mit den Kontrollmöglichkeiten für den staatlichen Träger beschäftigen 1236. Zu beachten ist bei allen von § 65 Abs. 1 BHO aufgestellten Voraussetzungen der Soll-Charakter der Vorschrift, der die Strenge der Bindung relativiert. Angesichts der verfassungsrechtlichen Herleitung eines ausnahmslos vorliegenden öffentlichen Interesses wird man aber verlangen müssen, daß von § 65 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 BHO keine Ausnahme zulässig ist 1237 . Die Bewertung der Bedeutung des § 65 Abs. 1 BHO als verhaltensrechtliche Grenze muß - allgemeinen juristischen Grundsätzen entsprechend - unbedingt dem Sinn und Zweck der Haushaltsordnungen angemessen erfolgen. Das Haushaltsrecht des Bundes und der Länder setzt als Ordnungs- und Verfahrensrecht die Vorgaben des Teil I des Haushaltsgrundsätzegesetzes um (vgl. § 1 HGrG). Diese einheitlichen Grundsätze sollen der parlamentarischen Steuerung und Kontrolle der staatlichen Finanzmittel dienen; beabsichtigt ist - für einen demokratischen Verfassungsstaat unabdingbar - die Transparenz finanzieller Daten,
1233
Badura, Staatsrecht, I Rn. 105; Gusy, JA 1995, 166 (170). Davon geht auch die Vorl. W zu § 65 BHO, Nr. 1.1., aus - abgedruckt bei Heuer, in: ders. (Hrsg.), KHR, Teil V. Ebenso Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 164 mit Fn. 297; Patzig, Haushaltsrecht, § 65 BHO Rn. 5. 1235 Erbguth/Stollmann, DÖV 1993, 798 (800); Soldner, in: Heuer (Hrsg.), KHR, § 65 BHO Rn. 19. 1236 Dazu ausführlich Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 165 ff.; Soldner, in: Heuer (Hrsg.), KHR, § 65 Rn. 20 ff. 1237 Ähnlich Ossenbühl, Bestand und Erweiterung, S. 140. 1234
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Informationen und Verhaltensweisen, die eine parlamentarische Kontrolle öffentlicher Finanzen ermöglicht 1238. Vor diesen Zielvorgaben enthält § 65 Abs. 1 BHO allgemeine Grundsätze fur unmittelbare und mittelbare Beteiligungen an privatrechtlich organisierten Unternehmen und Veränderungen bei diesen Beteiligungen. Die Vorschrift fordert nochmals ausdrücklich ein öffentliches Interesse; sie begrenzt aber weder generell wirtschaftliche Tätigkeit des Staates, noch normiert sie ein Subsidiaritätsprinzip mit einem Vorrang privatrechtlicher Organisationsformen. So wird die Begrenzungswirkung auch stark angezweifelt 1239. Der dabei erhobene Vorwurf, es werde trotz der Kontrolle nach der Bundeshaushaltsordnung (gesellschaftsrechtlich statuierte Prüfungen und Kontrolle des Bundesrechnungshofs nach § 92 BHO) nur eine sehr bescheidene Rendite erwirtschaftet 1240 , mag zwar zutreffen und betriebswirtschaftlich nachdenklich stimmen, rechtlich geht er aber ins Leere: Angesichts des fur den Staat geltenden Verbots eines Tätigwerdens allein aus Gewinnerzielungsabsicht kann eine bei ordnungsgemäßer Erfüllung des öffentlichen Auftrags eintretende Renditeschrumpfung dem Staat - rechtlich! - nicht nachteilig angelastet werden. Dabei soll nicht verkannt werden, daß die starke Vernetzung von Ministerialbürokratie und Aufsichtsräten oder gar Unternehmensleitung sowie die auf allen staatlichen Ebenen leider zu beobachtende "Versorgungsmentalität" bei Funktionsträgern der Politik und Verwaltung 1241 dazu fuhrt, daß wirtschaftlicher Sachverstand von öffentlichen Unternehmen eher ferngehalten wird, was sich naturgemäß im betriebswirtschaftlichen Ergebnis niederschlägt. Diese Problematik liegt aber auf einer anderen - wiederum rechtlichen - Ebene und läßt sich mit dem Haushaltsrecht und dessen Kontrollmöglichkeiten nicht verhindern. Positiv gewendet kann § 65 Abs. 1 BHO eine Erlaubnis zur Beteiligung an privatrechtlich organisierten Unternehmen entnommen werden, die an gewisse Bedingungen geknüpft ist. Errichtet wird damit aber ein (staats)internes Verhaltensrecht, das fur den Untersuchungsgegenstand - ein im Wettbewerb wirksames Verhaltensrecht - nur marginale Bedeutung besitzt, zumal da subjektivrechtliche Vorgehensbefugnisse fur private Mitkonkurrenten nicht einhergehen.
1238
Dommach, in: Heuer (Hrsg.), KHR, Vorbem. zu Teil I BHO, II, III 1; Heuer, DÖV 1995, 85 (90); Patzig, Haushaltsrecht, Vorbem. zur BHO, Rn. 3 f. 1239 Etwa R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 531. 1240 Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 161 mit Fn. 433; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 531. 1241 Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 308 m.w.N.; Erbguth/Stollmann, DÖV 1993, 798 (805); besonders prägnant Kronherger Kreis, Privatisierung auch im Westen, S. 24 ("subtile Form der Korruption").
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
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4. Gemeindewirtschaftsvorschriften Besondere Grenzen gelten fur die wirtschaftliche Tätigkeit der Kommunen 1 2 4 2 . D i e Gemeindeordnungen der Flächenländer enthalten allesamt einen Abschnitt "Wirtschaftliche Betätigung (und privatrechtliche Beteiligung) der Gemeinde". Es handelt sich aber dabei - um dies vorab zu betonen - lediglich um Grenzen fur die wirtschaftliche Tätigkeit 1 2 4 3 der kommunalen Gebietskörperschaften 1244 und der von ihnen losgelösten, aber sich in ihrem Einflußbereich befindenden wirtschaftenden Einheiten. Allgemeingültige Grenzen für wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit auf jeder staatlichen Ebene folgen daraus nicht; derartige ("Analogie"-)Versuche 1245 können schon angesichts der Regelungsvielfalt in den einzelnen Gemeindeordnungen nicht überzeugen. Darstellungen und Erörterungen der Gemeindewirtschaftsvorschriften existieren in erheblicher Anzahl. Grundlegende Darstellungen müssen und können angesichts des Untersuchungsgegenstandes hier nicht geleistet werden; insoweit ist auf die einschlägige Literatur zu verweisen 1246 . I m folgenden sollen nur ei-
1242
Ob es sich um zusätzliche oder alternative Grenzen handelt, wird nach der Darstellung der Gemeindewirtschaftsvorschriften noch zu beurteilen sein. 1243 Unmittelbare Bedeutung besitzen die Gemeindewirtschafts vorschriften schon ihrem Wortlaut nach nur für wirtschaftliche Tätigkeit. Mittelbare Bedeutung erlangen sie aber auch für wirtschaftslenkende Tätigkeiten, wenn eine Gemeinde etwa kommunale Wirtschafte förderung mittels einer privatrechtlichen Gesellschaft betreibt oder eine sog. Beschäftigungsgesellschaft zur Beschäftigung von Arbeitslosen gründet; vgl. dazu aus praktischer Sicht Freidinger y in: Dieckmann/König (Hrsg.), Kommunale Wirtschaftsforderung, S. 125 ff. - Die Beschäftigungsgesellschaften stellen für örtliche Handwerksbetriebe oftmals eine harte Konkurrenz dar, da den kommunalen Beschäftigungsgesellschaften keine oder nur sehr geringe Kosten für die Arbeitskraft entstehen, so daß die Preiskalkulation sehr günstig und mitunter wettbewerbsverzerrend erfolgen kann. Für die Überprüfung anhand von § 1 UWG sind hier die Fallgruppen "Preisunterbietung" und "Mißbrauch der Hoheitsstellung" einschlägig. 1244 Die Vorschriften des Gemeindewirtschaftsrechts werden in den Kreisordnungen regelmäßig für anwendbar erklärt: § 63 Abs. 1 KrO Bbg; § 52 Abs. 1 KrO He; § 122 Kommunalverf. M V ; § 65 KrO Nds; § 53 Abs. 1 KrO NRW; § 57 LKO RhPf; § 189 KSVG Sld; § 63 KrO Sa; § 65 KrO SaAh; § 57 KrO SH; § 114 KommunalO Thür; anders - ausdrückliche Regelung - Art. 77 ff. LKrO Bay. 1245 Etwa Isensee, DB 1979, 145 (150). Kritisch dagegen Schoch, DÖV 1993, 377 (379 f.). 1246 Exemplarisch Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 686 ff.; ders., in: Püttner (Hrsg.), HkWP V , S. 50 ff.; Schönershofen/Binder-Falcke t VR 1997,109 ff.; Siedentopf\ Grenzen und Bindungen, passim; Stober, Kommunalrecht, S. 237 ff.; Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), 580 ff.; Waechter, Kommunalrecht, Rn. 591 ff.; sowie die zahlr. Kommentierungen der Gemeindeordnungen. 28 Schliesky
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
nige Problemfelder aufgegriffen werden, die in das hier vorgeschlagene System verhaltensrechtlicher Grenzen einzuordnen sind.
a) Zulässigkeit
wirtschaftlicher
Unternehmen
Herausragende Stellung genießt die Vorschrift über die generelle Zulässigkeit kommunaler wirtschaftlicher Unternehmen, die sich in allen Gemeindeordnungen findet 1247. Systematisch wird dabei von den Gesetzgebern regelmäßig zwischen der alleinigen Trägerschaft einer Gemeinde, für die die soeben zitierten Vorschriften gelten, und der Beteiligung der Gemeinde an einem Unternehmen mit einem oder mehreren anderen Partnern unterschieden1248. Angesichts durchaus restriktiver Voraussetzungen wird häufig die Begrenzungsfunktion der Vorschriften herausgestellt. Unter Betonung der Beschränkungen handelt es sich um eine verhaltensrechtliche Grenze, und zwar für das "Ob" wirtschaftlicher Tätigkeit. Die praktische Wirkungslosigkeit dieser Grenze wird meist direkt im Anschluß genannt1249. In der Tat scheinen die Vorschriften bei einer Durchmusterung kommunaler Unternehmen keine nennenswerten praktischen Konsequenzen nach sich zu ziehen, wie die Vielzahl der Unternehmen auf kommunaler Ebene zeigt 1250 . Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die Voraussetzungen nur für die "Errichtung (Gründung), Übernahme oder (wesentliche) Erweiterung" gelten 1251 . Es existiert demnach ein erheblicher Altbestand, der wohl über Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, jedenfalls aber infolge der Nichterwähnung in der Zulässigkeitsklausel Bestandsschutz genießt1252.
1247 § 101 GO SH. Die Darstellung im Text orientiert sich an der Rechtslage in Schleswig-Holstein. Soweit Änderungen durch die Kommunalverfassungsreform 1995 (G. v. 22.12.1995, GVOB1. 1996 S. 33) zu beachten sind, werden alte und neue Rechtslage gegenübergestellt. Die Vergleichbarkeit mit anderen Bundesländern läßt sich anhand der Übersicht im Anhang II überprüfen; wesentliche Unterschiede werden aber auch im Text erwähnt. 1248 § 102 GO SH; s. i.ü. Übersicht in Anhang II; vgl. auch Rocke, S. 41; Schoch, Privatisierung, S. 135. 1249 R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 533; Schmidt-Jortzig, in: Püttner (Hrsg.), HkWP V , S. 62; ders., Eildienst LKT NRW 1989, 73 (74, 75). 1250 Vgl. Eichhorn/Schneider, Unternehmen und Beteüigungen der Landkreise, passim; Hidien, Unternehmen, S. 34 ff.; Rocke, S. 11 ff. Hierzu trägt allerdings auch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte bei; ein prägnantes Beispiel aus jüngster Zeit bietet VGH Kassel DÖV 1996, 476 f. 1251 Anders jetzt aber § 107 Abs. 1 S. 1 GO NRW ("darf sich ... wirtschaftlich betätigen"). 1252 BSGE 63,173 (179); Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 727; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 693; Stober, Kommunalrecht, S. 240. A.A. von Mutius/Rentsch, Kommunalverfassungsrecht SH, § 101 GO Rn. 8, die § 101 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 2
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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Hinzuzufügen ist aber noch ein "positiver" Aspekt: Die Zulässigkeitsklauseln bilden - eben unter einschränkenden Voraussetzungen - zugleich eine ausdrückliche einfachgesetzliche Rechtsgrundlage, die wirtschaftliche Tätigkeit erlaubt. Allgemein kann dies auch als Zulassung der Aufgabenerledigung in Form wirtschaftlicher Tätigkeit bezeichnet werden 1253 . Uneinheitlich wird im Hinblick auf die Zulässigkeitsklausel beurteilt, ob sie drittschützenden Charakter besitzt. Diese Frage wird erst nach einer Untersuchung der einzelnen Tatbestandsmerkmale zu beantworten sein. Daran anschließend ist ein Folgeproblem zu erörtern, und zwar das Verhältnis zu der verhaltensrechtlichen Grenze des § 1 UWG 1 2 5 4 .
aa) Wirtschaftliches Unternehmen Die Zulässigkeitsklausel gilt ausdrücklich nur für wirtschaftliche Unternehmen. Die Problematik des Unternehmensbegriffes ist bereits am Anfang der Untersuchung ausführlich dargestellt worden 1255; auf die Ergebnisse kann verwiesen werden. Eine Besonderheit besteht im Kommunalrecht allenfalls insoweit, als die kommunalen wirtschaftlichen Unternehmen dem Begriff der öffentlichen Einrichtungen zuzurechnen sind 1256 . Dies bewirkt keine andere Behandlung im Hinblick auf verhaltensrechtliche Grenzen, bedeutet aber im Bürger-GemeindeVerhältnis u.U. problematische Situationen, wenn es um den Zugangs- und Nutzungsanspruch des Bürgers geht und die Gemeinde gegenüber einer privatrechtlich organisierten öffentlichen Einrichtung diesen Anspruch gewährleisten muß 1257 .
Abs. 1 S. 2 GO SH eine objektivrechtliche Verpflichtung zur Aufgabenkritik entnehmen, die zu einer Privatisierung Anlaß geben kann. Fehlender Bestandsschutz muß nun auch in NRW konstatiert werden, da § 107 Abs. 1 GO NRW wirtschaftliche Betätigung an sich erfaßt und sich nicht mehr auf die Errichtung, Übernahme oder Erweiterung eines Unternehmens beschränkt. Hier dürfte in der Tat eine Überprüfungspflicht für den Altbestand normiert worden sein. 1253 BVerwGE 39, 329 (334). 1254 Diese Problematik wird nur selten - und wenn, uneinheitlich - behandelt: Erichsen, Gemeinde und Private, S. 35 ff., insbes. S. 40, verneint die Anwendbarkeit des § 1 UWG auf kommunale wirtschaftliche Tätigkeit, da er ausreichenden Schutz im Öffentlichen Recht, genauer in der von ihm als drittschützend angesehenen Zulässigkeitsklausel, erblickt. Kluth y S. 96 ff., kommt zu einer sehr differenzierten Anwendbarkeitsregelung, bei der § 1 UWG aber grundsätzlich anwendbar sein soll (S. 100). 1255 S.o. B I 1. 1256 VGH Kassel DÖV 1993, 206; VGH Mannheim DVB1. 1981, 220 (221 f.); Schmidt-Jortzig y Kommunalrecht, Rn. 649 ff.; Stober y Kommunalrecht, S. 238. 1257 Dazu Schmidt-Jortzig y Kommunalrecht, Rn. 741 ff.
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. Grenzen der Wettbewerbs freiheit
Das Augenmerk ist auch auf eine Ausnahmeklausel (§ 101 Abs. 2 GO SH) zu richten, die sich meist in Abs. 2 der Zulässigkeitsklausel findet. Unternehmen, zu denen die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist, sowie bestimmte Einrichtungen, die zumeist näher auf die Bereiche der "Daseinsvorsorge" und Eigenbedarfsdeckung spezifiziert werden, sollen nicht "als wirtschaftliche Unternehmen im Sinne dieses Abschnitts gelten"1258. Beachtenswert ist diese Vorschrift deshalb, weil sie zum Teil als Festschreibung der Unzulässigkeit einer Aufgabenerfüllung in den genannten Bereichen durch wirtschaftliche Unternehmen verstanden wird 1259 . Damit wäre eine veritable verhaltensrechtliche Grenze gewonnen, die fur nicht unerhebliche Teile kommunaler Aufgabenerledigung die Bewältigung in den privat- oder öffentlich-rechtlichen Organisationsformen eines wirtschaftlichen Unternehmens untersagen würde. Bedenken weckt diese - systematisch mögliche - Deutung aber bereits bei einem Blick auf § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GO SH: Wenn die Gemeinde zu einem Unternehmen gesetzlich verpflichtet ist, mutet es doch merkwürdig an, wenn ein entsprechendes (wirtschaftliches) Unternehmen unzulässig sein soll. Aber auch die anderen in der Ausschlußklausel genannten Einrichtungen sind entweder ebenfalls qua definitione Unternehmen oder können dies - bei entsprechender organisatorischer Verselbständigung - zumindest sein 1260 . Es handelt sich demnach nicht um eine Ausnahme vom Unternehmens begriff™. Vielmehr werden aufgrund einer gesetzlichen Fiktion die in der Ausschlußklausel aufgeführten (nichtwirtschaftlichen) Unternehmen von den Vorschriften über wirtschaftliche Unternehmen ausgenommen. Dann stellt sich die Regelung als Exemtionsvorschrift dar; der Gesetzgeber will lediglich diese besonderen Unternehmen anderen Regelungen unterwerfen als die wirtschaftlichen Unternehmen 1262 . Auch das gesetzestechnische Mittel der Fiktion deutet darauf hin, daß keine Aussage über die (Un-)Zulässigkeit, sondern über den Geltungsbereich
1258
Ausgangspunkt der im Text folgenden Darlegungen ist § 101 Abs. 2 GO SH. Zu den vergleichbaren Vorschriften in den anderen Bundesländern vgl. wiederum die Synopse im Anhang II. 1259 Schmidt-Jortzig, in: Püttner (Hrsg.), HkWP V, S. 55; ders., Komunalrecht, Rn. 667; von Scheliha, in: Galette/Laux, GO SH, § 101 Anm. 3.1; Schoch, Privatisierung, S. 65, 135 f. 1260 Kluth, S. 91; von Mutius/Rentsch, KommunalverfassungsrechtSH, § 101 GO Rn. 9; Siedentopft Grenzen, S. 36; a.A. wohl Hidien, Unternehmen, S. 45; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 726. 1261 So aber Gerke, Jura 1985, 349 (350). 1262 Ebenso Schönershofen/Binder-Falcke, VR 1997, 109 (110); Stober, Kommunalrecht, S. 239.
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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bestimmter Normen getroffen werden soll. Bestätigt wird diese Deutung durch einen Blick auf andere Gemeindeordnungen: § 104 GO BaWü oder § 108 Abs. 1 Nr. 2 GO NRW legen ein Zeugnis dafür ab, daß auch nichtwirtschaftliche Unternehmen durchaus in Privatrechtsform, also wie ein wirtschaftliches Unternehmen geführt werden können und sogar unter Beteiligung Privater denkbar sind. Auch ist die Vorschrift ein gutes Beispiel für die Abgrenzung von Zulässigkeit und Unzulässigkeit nichtwirtschaftlicher Unternehmen. Mit anderem, eine Unzulässigkeit stärker betonendem Aussagegehalt unterstützt auch die Regelung in Niedersachsen die hier vertretene Auffassung (§ 108 Abs. 2, 3 i.V.m. § 116 a GO Nds). Dann aber ist die Ausnahmeklausel dahin gehend zu verstehen, daß mittels einer gesetzlichen Fiktion bestimmte Aufgabenbereiche von den aus §§ 101 ff. GO SH folgenden Begrenzungen freigestellt werden, letztlich also andere finanzwirtschaftliche Kriterien gelten sollen1263. Eine derartige Freistellung leuchtet angesichts der Zulässigkeitskautelen in § 101 Abs. 1 GO SH und der Materien in § 101 Abs. 2 GO SH durchaus ein. Denn bei den dort aufgeführten Materien liegt ohnehin immer ein öffentlicher Zweck vor, und das Verhältnis des Unternehmens nach Art und Umfang zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde angesichts der elementaren Bedeutung der Aufgabenbereiche ist ebenso wie die Wirtschaftlichkeit und Effektivität der Leistungserbringung bei den aufgeführten Bereichen nur zweitrangig. In erster Linie soll die Aufgabenerfüllung durch die Gemeinde sichergestellt werden. Dies erklärt auch, daß die nichtwirtschaftlichen Unternehmen, weil sie von der Geltung der Vorschriften des gesamten dritten Abschnitts freigestellt sind, nicht auf eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals hinzuarbeiten haben (§ 107 S. 2 Hs. 2 GO SH) 1264 . Im Mittelpunkt soll eben die öffentliche Aufgabe stehen, so daß die Ausnahmeklausel als Ausdruck einer Präferenz des Gesetzgebers für öffentlich-rechtliche Organisationsformen gewertet werden kann. Es liegt der Regelung zudem wohl die gesetzgeberische Vorstellung zugrunde, daß die Erfüllung der erwähnten Aufgaben in gemeindlicher Verantwortung gewährleistet werden soll und dies besser oder zumindest besser kontrollierbar ist, wenn die Veranschlagung von Einnahmen und Ausgaben im Haushalt der Gemeinde erfolgt. Eine Konzession an den Gedanken der Wirtschaftlichkeit (im Sinne flexibleren Planens und Wirtschaftens) wird aber
1263
OVG Münster GewArch. 1986, 157 (158); Hidien, GewArch. 1983, 177 (178); Kluth, S. 91; von Mutius/Rentsch, Kommunalverfassungsrecht SH, § 101 GO Rn. 9; Stober, Kommunalrecht, S. 238. 1264 Von der Geltung ausgenommen ist auch § 109 GO SH, der das Verbot des Monopolmißbrauchs festschreibt. Eine Nichtanwendung dieser Vorschrift ist aber unschädlich, da diese Verhaltensgrenze bereits aus GWB und UWG folgt.
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
doch gemacht, indem eine Anwendung der Vorschriften der Eigenbetriebsverordnung zugelassen werden kann 1265 . Die Differenzierung zwischen wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Unternehmen ist - historisch gesehen - in § 67 Abs. 2 DGO angelegt gewesen1266 und hatte zum Hintergrund, die zwischen den Weltkriegen ausgeuferte wirtschaftliche Tätigkeit der Kommunen wieder einzudämmen, insbesondere die Gemeinden anzuhalten, sich auf ihren "klassischen** Aufgabenbestand zu besinnen und diesen nicht bei wirtschaftlichen Aktivitäten (als Bierbrauer etwa) aus den Augen zu verlieren 1267. Historischer Hintersinn der Ausnahmeklausel ist es also, die Gemeinden vor zu großen finanziellen Abenteuern aufgrund übermäßiger wirtschaftlicher Betätigung zu bewahren, nicht aber die in § 101 Abs. 2 GO SH erwähnten Materien von einer (wirtschaftlichen) Erledigung auszunehmen oder gar ihre Erledigung einzudämmen. Denn insbesondere bei den in § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GO SH aufgeführten Aufgaben handelt es sich um klassisch daseinsvorsorgende Tätigkeiten der Kommunen, an deren Erledigung auch der Gesetzgeber ein vitales Interesse hatte und hat. Das hier vorgeschlagene Verständnis der Ausnahmeklausel trägt schließlich auch dazu bei, daß mit der Vorschrift keine unüberwindliche Privatisierungshürde aufgebaut wird. Denn verstünde man die Ausschlußklausel - wie eingangs dargelegt - als Feststellung der Unzulässigkeit einer Aufgabenerledigung mittels wirtschaftlichen Unternehmens, so wären privatrechtliche Organisationsformen sowie eine Beteiligungsgesellschaft i.S.d. § 102 GO SH auf jeden Fall unzulässig 1268 . Gerade bei den zunehmend mehr Bedeutung erlangenden Materien der Abfall- und Abwasserbeseitigung wäre dann jede Privatisierungsinitiative zum Scheitern verurteilt 1269.
1265
Nach der hier vertretenen Sicht bedeutet auch dies nicht die Unzulässigkeit einer Organisation als Eigenbetrieb, sondern nur die haushaltsrechtlich bedeutsame Ausnahme, daß auch ohne organisatorische Verselbständigung ausnahmsweise die Eigenbetriebsvorschriften angewandt werden können. Vgl. dazu auch Amtl. Begr. zur GO-Novellierung 1977 Schleswig-Holstein, LT-Drs. 8/474, S. 113; ebenso Stober, Kommunalrecht, S. 239. - Anders aber Schoch, Privatisierung, S. 136, der die Vorschrift dahin gehend versteht, daß eine über das Eigenbetriebsrecht hinausgehende Entfernung von öffentlich-rechtlichen Handlungsformen nicht in Betracht kommt. 1266
Hidien, Unternehmen, S. 45; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 664 Fn. 25. «267 V g , n u r i s e n s e e y Subsidiaritätsprinzip, S. 75 f.; und sogleich im Text unter (dd). S. auch Gerke, Jura 1985, 349 (351). 1268 Konsequent Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 667; widersprüchlich Schoch, Privatisierung, S. 135 f. 1269 Es würde dann auch der in § 6 HGrG - geplanter Fassung - angelegte Privatisierungsanschub leerlaufen. - Nicht erklärbar wäre dann die zunehmende Zahl kommunaler Krankenhäuser in der Rechtsform einer GmbH, deren Zulässigkeit - trotz der Erwähnung
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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Eine veritable Verhaltensgrenze stellt hingegen das Verbot für die Gemeinde, Bankunternehmen zu errichten, dar (§ 101 Abs. 4 GO SH). Diese Grenze regelt eindeutig das "Ob" wirtschaftlicher Tätigkeit im ausschließenden Sinne. Praktische Bedeutung kommt dieser Vorschrift allerdings auch nicht zu, da die kommunalen Sparkassen ausdrücklich ausgenommen bleiben, diese sich aber in ihrer Geschäftspraxis nur mehr unwesentlich von einem Bankunternehmen unterscheiden 1270 .
bb) Öffentlicher Zweck (§ 101 Abs. 1 Nr. 1 GO SH) Mit dem Erfordernis eines öffentlichen Zwecks als Zulässigkeitsvoraussetzung findet sich auch hier - wie in § 65 Abs. 1 BHO - eine einfachgesetzliche Positivierung des verfassungsrechtlichen Erfordernisses einer Legitimation fur wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit. Rechtstechnisch gesehen handelt es sich um einen normativen bzw. wertausfüllungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff, für dessen Ausfüllung der Gemeinde ein Beurteilungsspielraum eingeräumt werden muß 1271 . Dieser Beurteilungsspielraum kann aber nur für (freiwillige und Pflichtige) Selbstverwaltungsaufgaben anerkannt werden und fallt als wichtige (vorbehaltene) Selbstverwaltungsaufgabe konsequenterweise in die Kompetenz der Gemeindevertretung 1272. Daß ein öffentlicher Zweck für ein wirtschaftliches Unternehmen nur aus dem Kanon der Selbstverwaltungsaufgaben stammen kann, ergibt sich aus zweierlei: Zum einen liegt die Zwecksetzungskompetenz im Rahmen der verfassungsmäßigen Wirtschaftsfreiheit grundsätzlich bei dem
des Gesundheitswesens in § 101 Abs. 1 Nr. 2 GO SH - in der Praxis kaum ernstlich bezweifelt wird; vgl. Poll, LKV 1995, 176 (177); Wohlfarth, VR 1991, 55 (57), der nur Niedersachsen wegen § 116 a Abs. 4 Nr. 1 GO Nds n.F. anders behandeln will. Die hier vorgeschlagene Sichtweise vermeidet denn auch einen Widerspruch zu den nach § 1 Abs. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz - KHG - v. 10.4.1991, BGBl. I S. 886, und § 1 AG-KHG SH v. 12.12.1986, GVOB1. SH S. 302, vorgesehenen Möglichkeiten. 1270 Vgl. etwa Claussen, S. 51 ff.; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 512 f. 127 1 BVerwGE 39, 329 (334); Adamska, S. 31; Engellandt, S. 17; Gern, Kommunalrecht BaWü, Rn. 212; Schmidt-Jortzig, in: Püttner (Hrsg.), HkWP V , S. 57 f.; ders., Eildienst LKT NRW 1989, 73 (74); Stober, Kommunalrecht, S. 240; Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), 580 (598), der allerdings - nach heutiger Terminologie unzutreffend - von (Tatbestands-)Ermessen spricht. Ebenso Püttner, GRUR 1964, 359 (361). 1272 § 39 Abs. 2 Nr. 11, 12 GO BaWü; Art. 32 Abs. 2 Nr. 7 GO Bay; § 35 Abs. 2 Nr. 23-28 Kommunalverf./GO Bbg; § 51 Nr. 11, 12 GO He; § 22 Abs. 3 Nr. 11 Kommunalverf. M V ; § 40 Abs. 1 Nr. 10 GO Nds; § 41 Abs. 1 j-1 GO NRW; § 32 Abs. 2 Nr. 14, 15 GO RhPf; § 35 Nr. 19, 20 KSVG Sld; § 41 Abs. 2 Nr. 11, 12 GO Sa; § 44 Abs. 3 Nr. 8, 9 GO SaAh; § 28 Abs. 1 Nr. 14-17 GO SH; § 26 Abs. 2 Nr. 11 KommunalO Thür.
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D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
Gesetzgeber; nur fur den Bereich der örtlichen Angelegenheiten i.S.d. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG hat der Verfassungsgeber diese Zwecksetzungskompetenz im Rahmen der eingeräumten Eigenverantwortlichkeit der Gemeinde übertragen. Aus diesem Gedanken heraus läßt sich dann auch der öffentliche Zweck so definieren, wie Schmidt-Jortzig 1273 dies zutreffend getan hat: Der öffentliche Zweck liegt vor, "wenn das betreffende Projekt (Unternehmen) nach rechtsbewußter Auffassung der die Menschen in ihrem Bereich repräsentierenden Kommunalvertretung dem Gemeinwohl der Einwohnerschaft dient". Der zweite Anhaltspunkt für die gegenständliche Beschränkung auf Selbstverwaltungsaufgaben findet sich in der schon erörterten Ausnahmevorschrift § 101 Abs. 2 GO SH. Laut § 101 Abs. 2 Nr. 1 GO SH werden "Unternehmen, zu denen die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist", mittels Fiktion von der Anwendung des § 101 Abs. 1 GO SH (und der §§ 102 ff. GO SH) ausgenommen. Damit sind diese Unternehmen auch von der Zwecksetzungskompetenz der Gemeindevertretung ausgenommen, was nur konsequent und erforderlich ist, da es sich um Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung1274 - u.U. sogar einmal um eine Aufgabenerfüllung als allgemeine untere Landesbehörde - handelt, bei denen die Gemeinde keinen Spielraum hinsichtlich des "Ob" und "Wie" der Aufgabenerfüllung hat. In einigen Gemeindeordnungen finden sich schließlich gesteigerte Anforderungen an den öffentlichen Zweck, der entweder ein "dringender" sein muß oder das wirtschaftliche Unternehmen nicht nur rechtfertigen, sondern auch "erfordern" muß 1275 . Für die Erfüllung dieser verschärften Anforderung genügt demnach nicht mehr jedes öffentliche Interesse, sondern nur noch ein solches von erheblicherem Gewicht 1276 . Allerdings darf die Maßstabsverschärfung nicht überbewertet werden; zumindest in Nordrhein-Westfalen kann sie als Ausgleich für das Fehlen der sog. Funktionssperre (§ 101 Abs. 1 Nr. 3 GO SH) verstanden werden 1277 .
1273
In: Püttner (Hrsg.), HkWP V , S. 58. Zu den kommunalen Aufgabenkategorien ausführlich Schmidt-Jortzig y Kommunalrecht, Rn. 459 ff. 127 5 BVerfGE 61, 82 (107); Erichsen, Gemeinde und Private, S. 33; Schmidt-Jortzig, in: Püttner (Hrsg.), HkWP V , S. 56 f.; Schoch, DÖV 1993, 377 (380); Stober, Kommunalrecht, S. 241. 1276 Zu den Anforderungen Pagenkopf Wirtschaftsrecht, S. 150; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 688; ders., in: Püttner (Hrsg.), HkWP V, S. 57; Graf Vitzthum, AÖR 104 (1979), 580 (597 f. mit Fn. 59). S. auch Gerke, Jura 1985, 349 (352). 1277 In diese Richtung auch Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 79; Schmidt-Jortzig, in: Püttner (Hrsg.), HkWP V , S. 61. 1274
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
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Drittschutzende Wirkung läßt sich aus dem Erfordernis eines öffentlichen Zwecks nicht herleiten, denn die Gemeinde wird damit gerade auf eine Gemeinwohlbindung festgelegt. In diesem Teil ist die Norm mithin ausschließlich dem Allgemeinwohl, nicht aber den Interessen einzelner bestimmbarer Personen zu dienen bestimmt1278. Hinzuweisen bleibt noch darauf, daß es sich bei dem öffentlichen Zweck entgegen verschiedentlich geäußerter Aufassung 1279 - nicht um ein Begriffsmerkmal des wirtschaftlichen Unternehmens handelt, sondern um eine Legitimationsfrage und im Kommunalwirtschaftsrecht kraft einfachgesetzlicher Statuierung um eine Zulässigkeitsvoraussetzung.
cc) Verhältnis zu Leistungsfähigkeit und Bedarf (§ 101 Abs. 1 Nr. 2 GO SH) Dieses weitere Erfordernis setzt die Art und den Umfang des Unternehmens in ein Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zu dem voraussichtlichen Bedarf an der Tätigkeit des Unternehmens. Nur wenn dieses Verhältnis angemessen ist, ist diese Zulässigkeitsvoraussetzung erfüllt. Das Kriterium der Leistungskraft der Gemeinde ist im Hinblick auf ihre Verwaltungs- und Finanzkraft zu sehen. Die Bindung an die Leistungskraft soll sicherstellen, daß die Gemeinde sich mit ihrem wirtschaftlichen Engagement nicht übernimmt, also vor Aktivitäten geschützt wird, die ihre Verwaltungs- und/oder Finanzkraft überfordern 1280. Gleichzeitig markiert dieses Kriterium die Leistungs· und Zulässigkeitsgrenze zum überörtlichen Bereich, also im Hinblick auf die Zuständigkeit der (Land-)Kreise 1281. Bei dem Kriterium der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf den voraussichtlichen Bedarf handelt es sich zum einen um einen Ausfluß des Grundsatzes der
1278
Nicht zugestimmt werden kann daher Gerke, Jura 1985, 349 (355 f.), der im Erfordernis des öffentlichen Zwecks das Subsidiaritätsprinzip verborgen sehen und schon daraus einen Drittschutz der Gemeindewirtschafts Vorschriften herleiten will. Bei einer derartigen Interpretation werden die Bedeutung und der Inhalt des Erfordernisses des öffentlichen Zwecks verkannt. Wie Gerke aber - ohne weitere Begr. - OLG Düsseldorf WRP 1997, 42 (44); zutreffend und deutlich dagegen Moraing, der städtetag 1997, 285 (287). 127 9 Schmid , in: Faiß u.a. (Hrsg.), Kommunales Wirtschaftsrecht BaWü, S. 480 f., unklar S. 486; zutreffend dagegen Hidien, Unternehmen, S. 45 f. 1280 BGH NJW 1987, 60; Erichsen, Gemeinde und Private, S. 33 f.; Kluth, S. 90; von Scheliha, in: Galette/Laux, GO SH, § 101 Anm. 2.3; Schmidt-Jortzig, in: Püttner (Hrsg.), HkWP V , S. 59; Stober, Kommunalrecht, S. 240. 1281 Pagenkopf Wirtschaftsrecht, S. 151; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 690.
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Mit der Ausrichtung am voraussichtlichen Bedarf wird der Gemeinde auferlegt, daß bei der Errichtung, Übernahme oder Erweiterung des wirtschaftlichen Unternehmens weder zu knapp geplant werden soll, noch Überkapazitaten angelegt werden sollen1282. Zum anderen wird man aus der Bedarfsorientierung ablesen dürfen, daß ein allgemeiner Schutz privater Wirtschaft durchaus intendiert ist, indem nur dann, wenn für die Gemeindeeinwohnerschaft auch Bedarf besteht, das Unternehmen zulässig sein soll. Dieser Schutz ist aber nur sehr allgemein als eine Art "Mittelstandsschutz" gehalten 1283 und wirkt lediglich als tatsächlicher Reflex objektiven Rechts. Ein Drittschutz ist dieser Zulässigkeitsvoraussetzung nicht zu entnehmen, und auch ein Subsidiaritätsprinzip wird damit nicht ausgesprochen, da ein "Bedarf" ja durchaus erst geweckt werden oder an einer besseren als der bisherigen Aufgabenerfüllung bestehen kann. Zudem wird man der Gemeinde - schon allein wegen der Festlegung auf einen "voraussichtlichen" Bedarf - auch hier einen Beurteilungsspielraum zubilligen müssen1284, was die Begrenzungswirkung dieser Voraussetzung wiederum stark relativiert.
dd) Sog. Funktionssperre (§ 101 Abs. 1 Nr. 3 GO SH) Mit verschiedenen Formulierungen (und graduell abweichenden Anforderungen) wird die Zulässigkeit eines kommunalen wirtschaftlichen Unternehmens in einer dritten Voraussetzung an andere Möglichkeiten der Aufgabenerledigung geknüpft 1285 . An dieser Formulierung 1286 entzündet sich immer wieder Streit, ob dieser dritten Klausel ein (zumindest also auf kommunaler Ebene geltendes) Subsidiaritätsprinzip zugunsten privatwirtschaftlicher Betätigung zu
1282
Gern, Kommunalrecht BaWü, Rn. 213; von Mutius/Rentsch, Kommunalverfassungsrecht SH, § 101 GO Rn. 7. 1283 Besonders deutlich wird dieser beabsichtigte Mittelstandsschutz in Art. 89 Abs. 2 GO Bay a.F.: "Gemeindliche Wirtschaftsunternehmen dürfen keine wesentliche Schädigung und keine Aufsaugung selbständiger Betriebe in Landwirtschaft, Handel, Gewerbe und Industrie bewirken." 1284
Adamska, S. 40; Engellandt, S. 19; Schmidt-Jortzig, in: Püttner (Hrsg.), HkWP V , S. 60. 1285 In einigen Bundesländern fehlt diese Funktionssperre: § 102 GO BaWü; § 121 GO He; § 107 GO NRW; § 97 GO Sa; auch § 100 Kommunalverf. Bbg, der dafür eine Privatisierungsprüfverpflichtung vorsieht. Dort sind die Anforderungen wohl schon in der Voraussetzung des "öffentlichen Zwecks" enthalten und deswegen ebenfalls einzuhalten, vgl. Schmidt-Jortzig y Organisationshoheit, S. 115 f.; ders.y in: Püttner (Hrsg.), HkWP V , S. 61. A.A. Schochy DÖV 1993, 377 (380) m.w.N. 1286 § 101 Abs. 1 Nr. 3 GO SH: "(wenn) der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erfüllt werden kann".
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
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entnehmen ist 1287 und ob es sich dabei um den Drittschutz gewährenden Teil einer Vorschrift handelt, die eine subjektivrechtliche Position vermittelt und als klagefähiges Abwehrrecht des privatwirtschaftlichen Konkurrenten zur Geltung kommt 1288 . Bei einem derartigen Verständnis der Norm wäre dann in der Tat eine interessante weitere verhaltensrechtliche Grenze im Staat-Bürger-Verhältnis gefunden. Da der Wortlaut insoweit nicht eindeutig Aufschluß gibt, bedarf die Vorschrift der Auslegung. Festzuhalten bleibt aber bereits an dieser Stelle, daß die Anforderungen an eine andere Zweckerreichung dort höher sind, wo das Gesetz die Unzulässigkeit schon dann normiert, wenn der Zweck nur "ebenso gut und wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann" 1289 . Die in der Praxis jedoch nur schwerlich spürbare Verschärfung ist wiederum auf das Vorhandensein eines Beurteilungsspielraums für die Gemeinde zurückzuführen 1290.
(1) Grammatische Auslegung Bei genauer Betrachtung der Vorschriften erhellt bereits die wortlautgetreue Sinnerfassung der Formulierungen, daß ein Subsidiaritätsprinzip zugunsten der Privatwirtschaft nicht haltbar ist. Formulierungen wie "andere Unternehmen", "ein anderer" oder "auf andere Weise" machen angesichts fehlender weiterer Einschränkung deutlich, daß auch andere öffentlich-rechtliche Alternativen gemeint sind, nicht allein zwangsläufig nur die wirtschaftliche Tätigkeit von Privatleuten. Ausreichende Alternativen sind demnach auch bereits bestehende öffentliche Einrichtungen, etwa über- oder zwischengemeindlicher Natur (in Trägerschaft des Kreises oder eines Zweckverbandes)1291. Ein ausdrücklicher Privatwirtschaftsschutz ist allein in Art. 89 Abs. 2 GO Bay, Art. 77 Abs. 2 KrO Bay und § 71 Abs. 2 KommunalO Thür verankert. Doch auch dieser Normierung kommt nachrichtiger Ansicht kein Drittschutz zu;
1287
So etwa Dürig, in: M./D./H./S., GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 52; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 729; Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), 580 (599); dagegen Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 75 ff.; Moraing, der städtetag 1997, 285 (287); Schmidt-Jortzig, Organisationshoheit, S. 176 ff. 1288 So etwa P.-M. Huber, in: Stober (Hrsg.), Rechtsschutz, S. 61; Püttner, GRUR 1964, 359 (361); ders., Die öffentlichen Unternehmen, S. 132. Zumindest für die Bundesländer, in denen der öffentliche Zweck "erfordert" oder "dringend erfordert" wird, auch Knemeyer, in: Biernat u.a. (Hrsg.), Grundfragen, S. 325. 1289 Etwa Art. 89 Abs. 1 Nr. 3 GO Bay; § 71 Abs. 1 Nr. 3 KommunalO Thür. 1290 Schmidt-Jortzig, in: Püttner (Hrsg.), HkWP V, S. 61 f. 1291 Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 692; Surén , Gemeindewirtschaftsrecht, S.
160.
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D. Grenzen der Wettbewerbs freiheit des Staates
dieser läßt sich jedenfalls der generell gehaltenen Formulierung nicht entnehmen 1292 . Insoweit dürfte am ehesten eine Charakterisierung als "kommunalverfassungsrechtlicher Programmsatz" zutreffen.
(2) Historisch-genetische Auslegung Die historisch-genetische Auslegung führt zu der Vorschrift des § 67 Abs. 1 Deutsche Gemeindeordnung1293, dessen Gedanken die Gemeindewirtschaftsvorschriften allesamt aufgegriffen haben. Historischer Anlaß für die Vorschrift des § 67 Abs. 1 DGO war die starke wirtschaftliche Expansion der Gemeinden in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und zwischen den Weltkriegen 1294. Aus aktuellem Anlaß war es der seinerzeitige rechtspolitische Wunsch, die von den Kriegsfolgen noch nicht erholte Privatwirtschaft, die man staatlicherseits ja für gezielte staatliche Leistungswünsche benötigte, zumindest dadurch zu unterstützen, daß man ihr - als genereller Einheit - die kommunalwirtschaftliche Konkurrenz fernhalten wollte, da die Konkurrenz mit den Gemeinden aufgrund diverser wettbewerblicher Vorteile der Gemeinden und dem privatwirtschaftlich anmutenden Geschäftsgebaren mancher kommunaler Einheit eine ungleiche war. Gleichberechtigter anderer Beweggrund war es, den Gemeinden gerade angesichts ihrer ausufernden Wirtschaftstätigkeit eine Rückbesinnung auf die vernachlässigten eigentlichen Aufgaben vorzuschreiben 1295. Mit diesen Beweggründen vefolgte man seinerzeit aber keinesfalls einen gezielten individualrechtlichen Privatwirtschaftsschutz; § 67 Abs. 1 DGO war also schon ursprünglich eine insofern wertfreie, begünstigungslose Vorschrift, die nur eine überbordende kommunale Wirtschaftstätigkeit zurückdrängen sollte und damit das Ergebnis rein ökonomischer Zweckmäßigkeitserwägungen war 1296 . Überdies wollte man den Vorrang der besseren Einheit, nicht der kleineren - was aber Inhalt des Subsidiaritätsprinzips wäre - , um zu einer möglichst
1292
Ebenso Schmidt-Jortzig, in: Püttner (Hrsg.), HkWP V , S. 61. DGO v. 30.1.1935, RGBl. I S. 49. 1294 Dazu auführlich Burmeister, in: Püttner (Hrsg.), HkWP V , S. 12 ff.; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 75 f.; Knemeyer, in: Biernat u.a. (Hrsg.), Grundfragen, S. 322 ff.; Pagenkopf\ Wirtschaftsrecht, S. 146 f.; Staudinger, Der Staat als Unternehmer, S. 52 ff., 119 f.; Stern, AfK 3 (1964), 81 (84 ff.). 1295 Burmeister, in: Püttner (Hrsg.), HkWP V , S. 12 f.; Gerke y Jura 1985, 349 (351); Isensee y Subsidiaritätsprinzip, S. 75 f.; Kluth y S. 88; Schmidt-Jortzig, in: Püttner (Hrsg.), HkWP V , S. 61. 1296 Gusy y JA 1995, 253 (254); lsensee y Subsidiaritätsprinzip, S. 82; Schmidt-Jortzig, in: Püttner (Hrsg.), HkWP V, S. 61; zum organisationsrechtlichen Hintergrund Mann y VR 1996, 230 (231 f.). 1293
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
445
zweckmäßigen und rationellen Organisation der Wirtschaft zu gelangen1297. In Übereinstimmung mit der herrschenden nationalsozialistischen Ideologie sollte zwar dem einzelnen ein wirtschaftlicher Freiraum belassen werden - jedoch nicht um seiner selbst, sondern um der Volksgemeinschaft willen 1298 . Schließlich zeigten noch die Amtliche Begründung zu § 67 Abs. 1 DGO und dessen Vorgängervorschrift, § 87 Abs. 1 PrGFG 1299 , daß kein privatwirtschaftlicher Individualschutz beabsichtigt war, indem dort deutlich herausgestellt wurde, daß "ein anderer" auch ein öffentlich-rechtlicher Rechtsträger sein und Vorrang genießen konnte.
(3) Systematische Auslegung In systematischer Hinsicht kann insbesondere die Stellung des § 101 GO SH in dem dritten Abschnitt innerhalb des mit "Gemeindewirtschaft" überschriebenen sechsten Teils der Gemeindeordnung herangezogen werden. In diesem sechsten Teil wird nicht das Verhältnis Bürger-Gemeinde geregelt, sondern der allgemeine Gedanke der §§ 2 Abs. 1, 8 GO SH, der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, wieder aufgegriffen und zu speziellen finanzwirtschaftlichen Regelungen im Hinblick auf die kommunale wirtschaftliche Tätigkeit ausgeprägt 1300. Angesichts des fehlenden konkurrenzschützenden Charakters der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit1301 läßt auch die systematische Auslegung keine Beabsichtigung eines Inidividualschutzes erkennen 1302, und für ein Subsidiaritätsprinzip gilt gleiches.
(4) Teleologische Auslegung Unter diesem Gesichtspunkt wird nun insbesondere die Frage relevant, ob ein (gesetzgeberischer) Begünstigungszweck bzw. eine Begünstigungsabsicht im Sinne der Schutznormtheorie 1303 zugunsten des berechtigten privaten Konkurrenten existiert. Bereits die historische Auslegung hatte gezeigt, daß ein Subsi-
1297
Burmeister, in: Püttner (Hrsg.), HkWP V , S. 13 f.; Kluth, S. 88; dazu auch Isensee y Subsidiaritätsprinzip, S. 82 Fn. 25. 1298 Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 81 ff. m.ausf.N. 1299 Nachweise bei Burmeister, in: Püttner (Hrsg.), HkWP V, S. 12 f. 1300 Kluth, S. 87 f.; von Mutius/Rentsch, KommunalverfassungsrechtSH, § 101 GO Rn. 7. 1301 Von Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 102. 1302 Ebenso Gusy, JA 1995, 253 (254). 1303 Zu den Anforderungen P.-M. Huber, AllgVerwR, S. 92; Wolff/Bachof/Stober, VwR I, § 43 Rn. 27.
446
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
diaritätsprinzip sowie Individualschutz nicht zu ermitteln sind. Insoweit ist der teleologische jedoch der maßgebende Auslegungskanon, da es fur die Zuerkennung des Schutznormcharakters entscheidend auf eine gegenwärtige Interessenbewertung und weniger auf den historischen Willen des Gesetzgebers ankommt 1304 . Dennoch ist der Gedanke der historischen Auslegung wieder aufzugreifen, da die Landesgesetzgeber bei der Schaffung ihrer kommunalrechtlichen Wirtschaftsklauseln den § 67 Abs. 1 DGO zugrundeliegenden wirtschaftspolitischen Zweck wieder aufgenommen und die diesbezüglichen Wertungen bewahrt haben 1305 . Es sollte und soll demnach einer ungehemmten wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden zu Lasten der Privatwirtschaft als ganzer vorgebeugt werden 1306 . Geschützt bleibt damit primär die ordnungsgemäße Sicherung und Verwaltung des Gemeindevermögens in Form einer Reduzierung kommunalwirtschaftlicher Initiativen der Gemeinde und einer damit einhergehenden Gewährleistung, daß die Gemeinde sich auf ihre eigentlichen Aufgaben besinnt und konzentriert. Erst sekundär bezweckt die Norm eine von übermäßiger Konkurrenz durch die Gemeinde verschonte Privatwirtschaft 1307. Versucht wird damit die Lösung einer abstrakten Konfliktsituation, die bei ungehemmter Konkurrenz entstehen könnte. Gewollt ist im Hinblick auf private Unternehmer nur ein Schutz der gesamten Gruppe als solcher; im Sinne eines Mittelstandsschutzes ist der Schutzzweck der Norm ausschließlich auf die Wahrung allgemeinwohlorientierter und damit öffentlicher Belange gerichtet. Die Konkurrenzbeschränkung zugunsten einzelner privater Unternehmer ist nur eine Nebenwirkung und tatsächlicher Reflex objektiven Rechts, nicht aber Begünstigungszweck der Norm 1308 .
1304
P.-M. Huber, AllgVerwR, S. 92. Schmidt-Jortzig y Organisationshoheit, S. 117 f. 1306 VGH Mannheim NJW 1984, 251 (252); Schmidt-Jortzig, in: Püttner (Hrsg.) HkWP V , S. 61; Stober, Kommunalrecht, S. 241. 1307 Dickersbachy WiVerw. 1983, 187 (210); Kluth, S. 87; von Mutius/Rentsch y Kommunalverfassungsrecht SH, § 101 GO Rn. 3; R. Schmidty Wirtschaftsrecht, S. 532; Stober y NJW 1984, 449 (454); ders.y BB 1989, 716 (722). 1308 BVerwGE 39, 329 (336); VGH Mannheim NJW 1984, 251 (252); Moraingy der stadtetag 1997, 285 (186); Schmidt-Jortzig y in: Püttner (Hrsg.), HkWP V , S. 61; Stober, Kommunalrecht, S. 241; Tettinger, BesVerwR I, Rn. 163; a.A. Püttner, GRUR 1964, 359 (361); BGH GRUR 1962, 159 (162), der dann aber für die Annahme eines Schutzgesetzes ein bestimmtes, dem Schutzzweck dienendes Ge- oder Verbot vermißt. Unklar BGH GRUR 1965, 373 (375). 1305
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
447
(5) Ergebnis Die Auslegung des § 101 Abs. 1 GO SH hat exemplarisch für die anderen Gemeindewirtschaftsvorschriften ergeben, daß die Herleitung eines Subsidiaritätsprinzips sowie die Charakterisierung als konkurrenzschützend im Hinblick auf die Vorschriften über die Zulässigkeit kommunaler wirtschaftlicher Betätigung nicht haltbar sind. Die Normen sind vielmehr Teil des objektiven Verhaltensrechts für den Staat, aus dem der konkurrenzbetroffene Private keine Abwehr- und Unterlassungsansprüche herleiten kann.
ee) Verhältnis zu § 1 UWG Dieses Ergebnis hat Auswirkungen auf das Verhältnis zu § 1 UWG. Die Relevanz des § 1 UWG für die kommunale wirtschaftliche Betätigung wird zwar vereinzelt in Frage gestellt1309, oder es wird die Anwendbarkeit des UWG auf das "Wie" der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinde beschränkt 1310. Nach den bisherigen Ausführungen kann die umfassende Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts auf alle Bereiche wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit nicht mehr in Zweifel gezogen werden. Dabei ist auch das "Ob" wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit, also die Zulässigkeit, am Maßstab des Wettbewerbsrechts überprüfbar, weil - wie gezeigt1311 - eine strikte Trennung zwischen Zulässigkeit sowie Art und Weise wirtschaftlicher Tätigkeit nicht durchführbar ist und dem Schutz der betroffenen Wettbewerber nicht gerecht würde. Es sind keine wesentlichen Gründe ersichtlich, warum für kommunale wirtschaftliche Tätigkeit etwas anderes gelten sollte1312. Zu berücksichtigen ist im Hin-
1309 Erichsen, Gemeinde und Private, S. 36 ff. Kluth, S. 100 f. 1311 S.o. D III 1 a bb (5). 1312 Daran ändert auch die Existenz einer ausdrücklichen Zulässigkeitsvorschrift wie § 101 Abs. 1 GO SH nichts. Die Rückwirkung einer bestimmten Art und Weise der Wettbewerbsteilnahme auf eine mögliche generelle Unzulässigkeit der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit, die hier vertreten wird, schließt nicht aus, daß es Normen gibt, die aus anderen Gründen Aussagen über die Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit enthalten. Dies ist hier der Fall, da § 101 GO SH die Zulässigkeit aus Gründen der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung des Gemeindevermögens schützt. Hier ist eine möglichst weitgehend durchzuhaltende Trennung von "Ob" und "Wie" wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit angebracht, da sich Regelungsebene und Regelungszweck jeweils voneinander unterscheiden. Daher ist es nur folgerichtig, daß Rechtsverletzungen auf der einen Ebene sich grundsätzlich nicht unmittelbar auf der anderen Ebene auswirken, weil ja bereits der Regelungszweck ein unterschiedlicher ist. Vgl. dazu Schmidt-Jortzig, in: Püttner (Hrsg.), HkWP V , S. 68; im Ansatz auch BGH NJW 1974, 1333 (1334). 1310
448
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
blick auf kommunale wirtschaftliche Tätigkeit allenfalls, daß im Rahmen der Anwendung des § 1 UWG auf ein Tätigwerden der Gemeinde Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Bedeutung bei der rechtfertigenden Abwägung im Hinblick auf die Sittenwidrigkeit gewinnt 1313 . Somit wird das Verhältnis zwischen § 1 UWG und § 101 GO SH relevant, und es muß die Frage geklärt werden, ob angesichts der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes fur das Wirtschafts- und Wettbewerbsrecht (Art. 74 Nr. 11, 16 GG) ein Leerlaufen der Gemeindewirtschaftsvorschriften wegen Art. 31 GG droht. Mag man die Existenz der vielen Gemeindewirtschaftsvorschriften angesichts der Kompetenz des Bundes ohnehin als Indiz fur ein Nebeneinanderbestehen der Vorschriften werten, so löst sich die vermeintliche Konkurrenzproblematik angesichts der bislang herausgearbeiteten Ergebnisse von alleine auf: § 101 GO SH (insbes. Abs. 1 Nr. 3) enthält kein Subsidiaritätsprinzip und besitzt auch keine dritt- bzw. konkurrenzschützende Wirkung; die Vorschrift ist vielmehr Ausdruck des Wirtschaftlichkeitsprinzips und kann demnach nur bei objektiven Verstößen gegen die Wirtschaftlichkeit verletzt sein. Eine Berücksichtigung der Belange von Konkurrenten findet dabei - wie gezeigt - nicht statt. Anders hingegen die Anwendung von § 1 UWG: Die Vorschrift schützt die Lauterkeit des Wettbewerbs dadurch, daß - insbesondere - den Konkurrenten ein Unterlassungsanspruch für die Fälle eingeräumt wird, in denen ihre Wettbewerbsstellung durch eine unlautere Handlung des (staatlichen) Akteurs beeinträchtigt wird. Finden hier also Schutz des Gemeindevermögens und der Wirtschaftlichkeit seiner Verwaltung statt, werden dort die Lauterkeit des Wettbewerbs und die Wettbewerbsstellung des einzelnen geschützt. Die unterschiedlichen Regelungszwecke werden somit deutlich, so daß Art. 31 GG angesichts dieses inkongruenten Regelungsbereiches gar nicht zur Anwendung kommen kann 1314 . Da die Normen trotz der unterschiedlichen Schutzgüter aber an gleiche Verhaltensweisen anknüpfen, können beide Normen durchaus durch ein und dieselbe staatliche Handlung betroffen sein. Die Vorschriften können somit nebeneinander zur Anwendung kommen. Aus der Sicht des betroffenen Wettbewerbers besteht aber keine Anspruchskonkurrenz, da ein Verstoß gegen die Gemeindewirtschaftsvorschriften der Geltendmachung durch die staatliche Auf-
1313
Dazu s.o. C I 2 d. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG legitimiert die Erfüllung der gemeindlichen Gemeinwohlaufgabe eben auch durch wirtschaftliche Tätigkeit, vgl. auch BVerwGE 39, 329 (334). 13,4 Allgemein dazu BVerfGE 36, 342 (363); Bothe, in: AK-GG, Art. 31 Rn. 15; Gubelt, in: von Münch (Hrsg.), GGK II, Art. 31 Rn. 3; von Mutius, VerwArch. 66 (1975), 161 (165 f.); Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 31 Rn. 5, 7.
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
449
sieht bedarf, während der Verstoß gegen § 1 UWG von dem betroffenen Wettbewerber zu rügen ist. In andere Kategorien eingeordnet, wird der Unterschied zwischen den Vorschriften auch noch einmal deutlich: § 1 UWG konkretisiert die grundrechtlich durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Wettbewerbsfreiheit und weist, da die UWG-Vorschrift insofern den "effektiven Schutzbereich" der Wettbewerbsfreiheit absteckt, eine normimmanente Grundrechtswirkung auf 3 1 5 . Die Gemeindewirtschaftsvorschriften hingegen erlauben in - aus Wirtschaftlichkeits- und Vermögensschutzerwägungen gezogenen - bestimmten Grenzen die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden; sie bilden eine einfachgesetzliche Rechtsgrundlage und erlauben auch Beschränkungen grundrechtlicher Schutzbereiche, insbesondere wiederum der Wettbewerbsfreiheit privater Konkurrenten. Sie sind aber nicht zugleich Ausdruck einer einfachgesetzlichen Umsetzung der grundrechtlichen Aussage, vermitteln daher auch keinen subjektiven Schutz, sondern bilden eine objektivrechtliche Grenze. Sieht man von § 1 UWG ab, so bleibt hier Raum für eine normexterne Wirkung der Grundrechte. Da die Gemeindewirtschaftsvorschriften objektivrechtliche Grenzen für die Gemeinden als einen bestimmten Träger von Staatsgewalt errichten, sind sie nicht Teil einer allgemeingültigen Wettbewerbsordnung, also nicht Ausdruck einer "par condicio concurrentium". Ein Verstoß kann daher auch nicht mittelbar konkurrenzschützend berücksichtigt werden, da eine Berücksichtigung im Rahmen von § 1 UWG innerhalb der Fallgruppe "Vorsprung durch Rechtsbruch" ausscheidet1316.
b) Beteiligung an privatrechtlichen
Gesellschaften
(§ 102 GO SH)
Keiner besonderen Hervorhebung bedarf es, daß die Gemeinde sich bei ihrer Aufgabenerfüllung mittels wirtschaftlicher Tätigkeit auch privatrechtlicher Organisationsformen und diesbezüglich auch des Zusammenwirkens mit Privaten in Beteiligungsgesellschaften bedienen darf. Ob diese Formenwahlfreiheit aus der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG folgt 1317 oder ledig-
1315
Vgl. hierzu und zum folgenden P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 200 ff., 284 ff.; ders., AllgVerwR, S. 64 f.; Schmidt-Preuß, S. 41 ff., 49 ff.; Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 162 f. 1316 Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 932; Schmidt-Jortzig, in: Püttner (Hrsg.), HkWP V , S. 67 f.; a.A. BGH GRUR 1965, 373 (375), unter Hervorhebung der besonderen Umstände des Einzelfalls. 1317 Ehlers, DÖV 1986, 897 (897 f.; 903); von Mutius/Rentsch, Kommunalverfassungerecht SH, § 108 GO Rn. 2; Stober, NJW 1984, 449 (453). 29 Schliesky
450
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
lieh auf einem überkommenen Dogma der Formenfreiheit der leistenden Verwaltung basiert 1 3 1 8 , braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden. D i e Gemeindeordnungen der Lander jedenfalls errichten fur die Beteiligung der Gemeinde an der Gründung einer Gesellschaft oder an einer bestehenden Gesellschaft zusätzlich zu den Voraussetzungen der Wirtschaftsklausel, die ebenfalls erfüllt
sein müssen 1 3 1 9 ,
weitere
Zulässigkeitshürden.
Dabei
sei vorausge-
schickt, daß die Vorschrift ihrem Sinn nach auch für die Gründung von Eigengesellschaften, also privatrechtlichen Gesellschaften, bei denen die Gemeinde alleiniger Träger ist, gelten m u ß 1 3 2 0 . Ist hierfür die für die Umwandlung eines Eigenbetriebs in eine andere Rechtsform ebenso wie für die Beteiligung an einer Gesellschaft früher gleichermaßen erforderliche Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde ein Indiz (§ 108 Abs. 2 Nr. 1, 2 G O S H a . F . ) 1 3 2 1 , so folgt dies auch noch aus einem anderen Element der Norm des § 102 G O SH: D i e hier statuierten zusätzlichen Restriktionen verdeutlichen unter anderem die Eigenbetriebsfreundlichkeit oder teilweise sogar die generelle Bevorzugung öffentlichrechtlicher Gestaltungsformen 1 3 2 2 des Kommunalrechts 1 3 2 3 ,
in Schleswig-
13,8
Schmidt-Jortzig y Kommunalrecht, Rn. 658; Schoch y DÖV 1993,377 (381). Dieser letztgenannte Ansatz weist wohl zu Recht daraufhin, daß die hier angesprochene Organisationshoheit der Kommune nur "im Rahmen der Gesetze" besteht. Das Kommunalrecht beschränkt diese Formen wahlfreiheit aber gerade durch die hier angesprochenen Vorschriften. Zur historischen Entwicklung dieser "Wahlfreiheit" für Rechts formen kommunaler Unternehmen vgl. Mann, VR 1996, 230 ff. 1319 Dabei handelt es sich nicht nur um eine Verschärfung der Anforderungen an die Gründung einer privatrechtlichen Gesellschaft oder die Beteiligung an einer solchen, sondern auch um einen "Umgehungsschutz", der ein Leerlaufen der Wirtschaftsklausel durch Ausweichen in das Privatrecht verhindern soll. Vgl. auch Schmidt-Jortzig, in: Püttner (Hrsg.), HkWP V , S. 65. Zu beachten ist das potentielle SpannungsVerhältnis zu den Vorschriften des Umwandlungsrechts. Gelöst wird dieses durch einen ausdrücklichen Vorrang des für die Körperschaft maßgebenden Bundes- oder Landesrechts, § 168, letzter Hs. UmwG 1994, vgl. dazu Steuck, NJW 1995, 2887 (2888). - Zu großzügig übergeht der VGH Kassel DÖV 1996, 476 (477), diese Zulässigkeitsvoraussetzungen. Der dort zu beurteilende Sachverhalt hätte durchaus Anlaß gegeben, das Vorliegen eines öffentlichen Zwecks, wie § 122 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 121 Abs. 1 Nr. 1 GO He ihn für die Beteiligung der beklagten Gemeinde an der "Deutsche Städte-Reklame GmbH" erfordert, näher zu prüfen. Der VGH Kassel erwähnt die Vorschriften, übergeht sie aber ohne nähere Prüfung. 1320
Ebenso Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 709. Jetzt explizit auch § 102 Abs. 1 S. 1 GO SH n.F. 1321 Nach § 108 Abs. 1 Nr. 1, 6 GO SH n.F. ist in beiden Fällen nunmehr nur noch eine unverzügliche schriftliche Anzeige an die Kommunalaufsichtsbehörde erforderlich. 1322 Die Regelungen sind in den einzelnen Bundesländern durchaus unterschiedlich. Grundsätzlich wird jedoch entweder ein Vorrang des Eigenbetriebs (z.B. § 103 Abs. 1
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbs freiheit
451
Holstein an § 102 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 a . F . 1 3 2 4 und § 101 Abs. 2 S. 3 G O zu erkennen. Betrachtet man wiederum beispielhaft die schleswig-holsteinische Regelung in § 102 Abs. 1 G O a.F., so läßt sich in den wesentlichen Punkten eine Übereinstimmung mit § 65 B H O / L H O feststellen. § 102 Abs. 1 Nr. 1 G O S H a.F. verschärfte
aber die Anforderung
im
Zusammenhang
mit dem öffentlichen
Z w e c k 1 3 2 5 , indem die privatrechtliche Aufgabenerfullung bereits dann unzulässig war, wenn der "damit angestrebte Zweck nicht ebensogut auf andere Weise erfüllt wird oder erfüllt werden kann". In seiner neuen Fassung verlangt § 102 Abs. 1 N r . 1 G O S H nunmehr nur noch, daß "die kommunale Aufgabe dauerhaft mindestens ebensogut wie in Organisationsformen des öffentlichen Rechts erfüllt
Nr. 1 GO BaWü) oder derjenigen Organisationsform, mit deren Hilfe der von der Gemeinde "angestrebte Zweck nicht ebenso gut auf andere Weise erfüllt wird oder erfüllt werden kann" (§ 102 Abs. 1 Nr. 1 GO SH a.F.) statuiert, womit "auf andere Weise" primär öffentlich-rechtliche Aufgabenerfüllungsmodelle meint, vgl. auch Ehlers, DÖV 1986, 897 (899). Eigengesellschaftsfreundlich hingegen ist die Regelung der §§ 107 Abs. 1, 108 Abs. 1 GO NRW. Einen partiellen Mittelweg geht § 73 Abs. 1 KommunalO Thür: Einerseits wird die Präferenz für öffentlich-rechtliche Gestaltungsformen und insbes. den Eigenbetrieb betont, andererseits wird ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen oder eine Beteiligung ausdrücklich erlaubt, wenn die Beteiligung des Privaten "wesentlich" sein soll. - Auch Art. 91 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GO Bay a.F. legte einen Vorrang der öffentlichen Rechtsform fest; die Vorschrift ist mit Wirkung vom 1.9.1995 ersatzlos aufgehoben worden (G. v. 26.7.1995, GVB1. S. 376). Die Bevorzugung öffentlich-rechtlicher Organisationsformen soll in der Praxis nunmehr dadurch erreicht werden, daß mit den neu einfgeführten "Kommunalunternehmen" (Art. 96 ff. GO Bay η.F.) ein neuer Unternehmenstyp bereitgestellt wird, der als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts konzipiert ist. Vgl. dazu Mann, NVwZ 1996, 557 f.; Schulz, BayVBl. 1996, 129 ff. 1323
Schmidt-Aßmann y in: von Münch/Schmidt-Aßmann, BesVerwR, 1. Abschn., Rn. 124, 126; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 710; Schoch, DÖV 1993, 377 (381 f.); Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), 580 (597). 1324 In § 102 Abs. 1 Nr. 1 GO SH n.F. ist der Vorrang von Eigen- und Regiebetrieb aufgehoben worden. Ein gesetzlicher Vorrang öffentlich-rechtlicher Organisations formen besteht nur noch, wenn der öffentliche Zweck besser und wirtschaftlicher durch diese Organisations form erreicht wird. 1325 Nicht ganz bedenkenfrei ist die Regelung des § 102 Abs. 3 GO SH, wonach die Gesellschaft durch Gesellschaftsvertrag oder Satzung auf den öffentlichen Zweck auszurichten ist, wenn der Gemeinde (notfalls zusammen mit anderen kommunalen Hoheitsträgern) mehr als 75 % der Anteile an der Gesellschaft gehören. Auf die Erfüllung des öffentlichen Zwecks, möglichst auch gesellschaftsrechtlich abgesichert, hat die Gemeinde auch schon bei einer geringeren Beteiligung hinzuwirken. Insofern ist die Vorschrift restriktiv dahin gehend auszulegen, daß ab 75 %iger Beteiligung mit der Verankerung des öffentlichen Zwecks im Gesellschaftsvertrag oder in der Satzung ein zusätzliches formales Kriterium besteht, das im Aufsichtswege einfacher kontrollierbar ist.
452
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
wird". Bedeutet diese Formulierung noch eine "Entschärfung", indem der Vorrang von Regie- oder Eigenbetrieb aufgehoben wird, so hat der schleswig-holsteinische Gesetzgeber doch eine neue formale Hürde errichtet, die in dieser Form in der Bundesrepublik einmalig ist: Das verwaltungsleitende Organ hat der Gemeindevertretung einen Bericht vorzulegen, in dem die Vor- und Nachteile der Beteiligung umfassend abgewogen werden, "die Angemessenheit und die soziale Ausgewogenheit von Gebühren- und Beitragsgestaltungen sowie die personalwirtschaftlichen, mitbestimmungsrechtlichen und gleichstellungsrechtlichen Änderungen" dargestellt werden 1326. § 102 Abs. 1 Nr. 2 GO SH verlangt zusätzlich eine Orientierung an der Leistungsfähigkeit der Gemeinde im Hinblick auf die Haftung und EinZahlungsverpflichtung der Gemeinde. Hier wird der Gedanke des "Schutzes der Gemeinde vor sich selbst" wieder aufgegriffen, der bereits den Zweck der Wirtschaftsklausel des § 101 GO SH prägte. Die Gemeinde soll - zum Schutz ihrer Aufgabenerfüllung - davor bewahrt werden, sich finanziell zu übernehmen. § 102 Abs. 1 Nr. 3 und 4 GO SH entsprechen wortlautgetreu der Regelung des § 65 BHO/ LHO. Auch die in § 102 Abs. 1 S. 2 GO SH angeordnete Ausnahmefähigkeit der Regelungen des § 102 Abs. 1 Nr. 2-4 GO SH ist der bundes-/landeshaushaltsrechtlichen Ausgestaltung entsprechend zu behandeln: Die verfassungsrechtliche Herleitung des Erfordernisses eines öffentlichen Zwecks zwingt zur ausnahmslosen Beachtung dieser Voraussetzung1327; diesem hat der Gesetzgeber Rechnung getragen. Hinzuweisen bleibt noch auf folgendes verhaltensrechtlich Bedeutsame: Die Erschwerung der Gesellschaftsgründung oder Beteiligung gilt auch für Tochterunternehmen oder eine Konzernbildung1328. Angemerkt sei auch noch, daß bei den von § 102 GO SH angesprochenen Rechtssubjekten im Hinblick auf den gemeinsamen Befund "kommunale Wirtschaftstätigkeit" ein formaler bzw. organisationsrechtlicher Unterschied zu der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen selbst besteht; Hoheitsträger und wirtschaftliches Unternehmen sind keine unmittelbare Einheit mehr 1329 . Dies ändert nichts an dem Befund wirtschaftlicher Tätigkeit und an der auswirkungsorientierten Einordnung in die Kategorie wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit
1326
Der Beschluß der Gemeindevertretung über die Beteiligung wird gem. § 108 Abs. 1 S. 3 GO SH n.F. erst wirksam, wenn die Kommunalaufsichtsbehörde nicht innerhalb von sechs Wochen nach Anzeige des Beteiligungsbeschlusses widerspricht oder vor Ablauf der Frist erklärt, daß sie nicht widersprechen wird. 1327 S.o. D III 3 b. 1328 Schmidt-Jortzig y in: Püttner (Hrsg.), HkWP V, S. 65. Allgemein zu kommunalen Unternehmen im Konzern Kochy DVB1. 1994, 667 ff. 1329 So auch Graf Vitzthum y AöR 104 (1979), 580 (597).
III. Einfachgesetzliche Grenzen der Wettbewerbsfreiheit
453
sowie der Geltung einheitlicher verhaltensrechtlicher Grenzen wie etwa des § 1 UWG. Wohl aber macht es einen Unterschied fur die Konstruktion zur "Bändigung der Staatsgewalt", der auch fur den Gesetzgeber nicht ohne Bedeutung ist. Kommunale Eigengesellschaften sind nicht etwa Träger von Staatsgewalt1330, wohl aber übt der hinter einer solchen Eigengesellschaft stehende Hoheitsträger mit Hilfe der Eigengesellschaft Staatsgewalt aus. Die Eigengesellschaft ist nicht Träger von Staatsgewalt, dafür aber Mittel zur Ausübung von Staatsgewalt1331. Folgen dieser Konstruktion sind beispielsweise auch die Vorschriften über die Vertretung der Gemeinde in den Gesellschaftsorganen (§ 102 Abs. 5 GO SH); hier muß aus Gründen der Sicherung der öffentlich-rechtlichen Zweckerfüllung und vor allem zur Kontrolle der Ausübung von Staatsgewalt eine ausreichende kommunale Einwirkungsmöglichkeit bestehen1332.
c) Sonstige Bindungen Verhaltensrechtliche Bedeutung im Gemeindewirtschaftsrecht kommt auch noch den §§ 107 und 109 GO SH zu. § 107 GO SH wiederholt noch einmal die Bindung kommunaler wirtschaftlicher Tätigkeit an einen öffentlichen Zweck und regelt das Verhältnis zu einem Streben nach Gewinnerzielung, indem dem öffentlichen Zweck ein Vorrang zukommt. Interessant ist die Vorschrift vor allem deshalb, weil mit der sekundären Verpflichtung, möglichst einen Jahresgewinn und eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals zu erwirtschaften, die Gewinnerzielungsabsicht vom Gesetzgeber nicht nur anerkannt, sondern geradezu angeordnet wird. Die Regelung
1330
Entgegen Kluth, S. 21. Dies führt nach der hier vertretenen Ansicht dazu, daß bei einer derartigen Auslagerung des Mediatisierungsinstruments - hier in Form der Gründung einer Eigengesellschaft - das Hilfsmittel den gleichen Bindungen unterliegen muß wie der Hoheitsträger selbst, der seine Hoheitsgewalt unmittelbar dem Bürger gegenüber ausübt. Dies wurde oben unter Β III 4 a aa bereits im Hinblick auf die aus Art. 1 Abs. 3 GG folgende umfassende Grundrechtsbindung dargelegt. 1332 Das hier bestehende Konfliktpotential bei dem Zusammentreffen von öffentlichrechtlichen Bindungen und Gesellschaftsrecht ist bekannt und wird seit langem diskutiert, vgl. zuletzt Engellandt, S. 23 ff.; Schwintowski, NJW 1995, 1316 ff. - Die beschränkte Einwirkungsmöglichkeit im Aktienrecht fuhrt dazu, daß in der Literatur teilweise von der Rechtsform der Aktiengesellschaft für ein öffentliches Unternehmen abgeraten wird, etwa Ehlers, DÖV 1986, 897 (905); ders., DVB1. 1997, 137 (139 f.); von Mutius/Rentsch, KommunalverfassungsrechtSH, § 102 GO Rn. 5. S. auch Koch, S. 153 ff. In der Praxis zeitigt diese Warnung jedoch kaum Wirkungen; wenn auch für die kommunale Ebene keine Zahlen vorliegen, so zeigt doch die starke Verbreitung der AG bei den Beteiligungen des Bundes ihre ungebrochene Beliebtheit. 1331
454
D. Grenzen der Wettbewerbsfreiheit des Staates
stimmt aber mit dem bereits für die gesamte wettbewerbsrelevante Staatstatigkeit ermittelten verfassungsrechtlichen Befund überein, solange die Gewinnerzielungsabsicht nicht die alleinige Handlungsmotivation ist. Verhaltensrechtlich auffallig ist noch das in den meisten Gemeindeordnungen der Länder enthaltene Verbot des Monopolmißbrauchs (§109 GO SH). Bei monopolistischen Unternehmen der Gemeinde dürfen Anschluß und Belieferung nicht davon abhängig gemacht werden, daß auch andere Leistungen oder Lieferungen abgenommen werden. Folge eines Verstoßes gegen die Vorschrift ist gemäß § 118 Abs. 2 GO SH die Nichtigkeit von (privatrechtlichen) Rechtsgeschäften, nicht aber die Einräumung eines Unterlassungsanspruchs des betroffenen Abnehmers oder eines Mitbewerbers. Die praktische Bedeutung der Vorschrift ist somit gering, da GWB (insbes. § 26 Abs. 2, 3) und UWG ausreichend Schutz vor derartigen Verhaltensweisen bieten1333.
1333
S. dazu auch Schmidt-Jortzig,
in: Püttner (Hrsg.), HkWP V , S. 69 f.
E. Rechtsweg bei Streitigkeiten im Öffentlichen Wettbewerbsrecht Abschließend bleibt nun noch zu klären, von welchen Gerichten die Einhaltung der herausgearbeiteten verhaltensrechtlichen Grenzen zu kontrollieren ist.
I. Situationsaufnahme Aus den dargebrachten Beispielen ist schon deutlich geworden, daß sich verschiedene Gerichtszweige mit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit befassen. Die herausragende Rolle spielt - quantitativ gesehen - die Zivilgerichtsbarkeit (die mit Wettbewerbs- und Kartellrecht befaßten Spruchkörper). Entscheidungen aus der allgemeinen und besonderen (Sozial-)Verwaltungsgerichtsbarkeit sind ebenfalls zahlreich, und selbst die Berufsgerichtsbarkeit ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Betrachtet man die Wettbewerbsverhältnisse im einzelnen, so ergibt sich auch kein klareres Bild; lediglich die Gewichtungen verschieben sich da und dort, wie folgender Überblick zeigt: Stehen sich zwei Verwaltungsträger als unmittelbare Konkurrenten gegenüber (Β IV 2 a aa), ist sowohl der Verwaltungs-/Sozialrechtsweg als auch der ordentliche Rechtsweg für zulässig gehalten worden1. Im Wettbewerbsverhältnis zwischen einem Verwaltungsträger bzw. einem öffentlichen Unternehmen in öffentlich-rechtlicher Organisationsform und einem Privaten (Β IV 2 a bb), bei dem es regelmäßig um die wirtschaftliche Tätigkeit des Staates geht, fanden die meisten Auseinandersetzungen im ordentlichen Rechtsweg statt; es existieren aber auch Judikate aus dem Verwaltungs- oder Sozialrechtsweg2. Die ebenfalls wirt-
1 Einerseits GmS-OGB BGHZ 108, 284 ff.; BSGE 36, 238 ff.; 56, 140 ff.; OLG Koblenz WRP 1985, 358 ff.; andererseits OLG Celle WRP 1984,328 f.; OLG Düsseldorf GRUR 1973, 487 ff. 2 Einerseits GmS-OGB BGHZ 102, 280 ff.; RGZ 132, 296 ff.; BGH G RUR 1962, 159 ff.; GRUR 1965, 373 ff.; GRUR 1973, 530 ff.; BGHZ 66, 229 ff.; 82, 375 ff.; BGH NJW 1995, 2352 ff.; OLG Frankfurt NVwZ 1993, 706 f.; OLG Karlsruhe WRP 1983, 223 ff.; LG Stuttgart DZWiR 1993, 80 ff.; andererseits VGH Mannheim GRUR 1973, 82 f.; OVG Hamburg DVB1. 1994, 1367 ff.; VG Bremen NJW 1988, 841 f.; BSG NJW 1989, 2773; differenzierend nach "Ob" und "Wie" der wirtschaftlichen Tätigkeit BGH
456
E. Rechtsweg bei Streitigkeiten im Öffentlichen Wettbewerbsrecht
schaftliche Tätigkeit betreffende Fallgruppe "Öffentliches Unternehmen in privatrechtlicher Organisationsform und Privater" (Β IV 2 a cc) beschäftigte ebenfalls sowohl Zivil- als auch Verwaltungsgerichte3. Gleiches gilt für die Fallgruppe "Kunde begehrt Unterlassung" (Β IV 2 a dd)4. In der Fallgruppe "Verwaltungsträger beeinflußt Wettbewerbsstellung des Unternehmers durch Einflußnahme auf Kunden" (Β IV 2 b) finden sich Entscheidungen aus dem Verwaltungs- und Zivilrechtsweg5, wobei hier die Trennlinie in der Regel durch die (Nicht-) Anwendung des § 1 UWG gebildet wird. Beeinflußt ein Verwaltungsträger durch eine hoheitliche Maßnahme gegenüber einem Unternehmer dessen Wettbewerbsstellung (Β IV 2 c), so waren sowohl Verwaltungsgerichte als auch ordentliche Gerichte und Berufsgerichte damit beschäftigt 6. Das Wettbewerbsverhältnis "Verwaltungsträger beeinflußt durch begünstigende hoheitliche Maßnahme gegenüber Mitbewerber die Wettbewerbsstellung des Unternehmers" (B IV 2 d) schließlich, in dem etwa die Konkurrentenklagen bezüglich Subventionierung oder die Verwendung staatlich verliehener Symbole im Wettbewerb7 zu beurteilen sind, wird ebenfalls im ordentlichen wie im Verwaltungsrechtsweg zur Diskussion gestellt8. In allen Fallgruppen geht es um wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit, die als Verwaltungshandeln qualifiziert werden konnte. Der Gedanke einer einheitlichen Behandlung und Überprüfung im Verwaltungsrechtsweg liegt dann nahe, da es nun einmal um Verwaltungs-/Staatshandeln geht. Statt dessen ist der unbefangene Beobachter erstaunt, selbst innerhalb der Wettbewerbsverhältnisse eine Rechtswegzergliederung mit daraus resultierenden unterschiedlichen Maßstäben für gleiche Tätigkeiten feststellen zu müssen. Zwar sind die Rechtswege prinzipiell
GRUR 1959, 244 ff.; NJW 1974, 1333 ff.; GRUR 1991, 53 ff.; BayObLG DÖV 1975, 394 ff. 3 Einerseits BGH MDR 1964, 210; GRUR 1995, 127 ff.; OLG Karlsruhe BB 1976, 101 ff.; OLG Köln WRP 1985, 511 ff.; andererseits BVerwG GewArch. 1995, 329 ff.; OVG Koblenz GewArch. 1980, 339 ff.; VGH Mannheim NJW 1984, 251 ff.; DÖV 1995, 120 f. 4 Einerseits BVerwGE 82, 29 ff.; OVG Lüneburg NJW 1988, 1867 ff.; VGHannover NJW 1986, 1630 ff.; andererseits LG Berlin ArchivPT 1993, 80 ff. 5 Einerseits BVerwGE 71, 183 ff.; 87, 37 ff.; 89, 281 ff.; BVerwG NJW 1996, 3161 (3161); BSG NJW 1989, 2771; andererseits BGH GRUR 1985, 1063 f.; NJW 1987, 62 f.; GRUR 1990, 463 ff.; OLG Koblenz WRP 1983, 225 f. 6 Einerseits BVerwGE 17, 306 ff.; 75, 109 ff.; teilweise BGH NJW 1993, 789 ff.; andererseits BGH NJW 1991, 2963 ff.; und OLG Stuttgart WRP 1991, 531 ff. 7 Zum Rechtsschutz und Rechtsweg bei Produktkennzeichnungen vgl. Ossenbühl, Umweltpflege II, S. 65 ff. m.w.N. 8 Einerseits BGH GRUR 1986, 905 ff.; OLG Karlsruhe WRP 1984, 340 ff.; andererseits BVerwGE 30, 191 ff.; 65, 165 ff.; OVG Berlin DVB1. 1975,905 ff.; OLGFranlfart N V w Z 1993, 706 f.
II. Zivilrechtsweg
457
gleichwertig vor Art. 19 Abs. 4 GG 9 , doch sind gravierende praktische Unterschiede fur den Rechtsschutzsuchenden festzustellen. Das Beispiel der Beweislast verdeutlicht dies: Es macht einen erheblichen Unterschied, ob der Kläger vor dem ordentlichen Gericht die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 UWG darlegen und beweisen muß oder ob der Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) dem Kläger das Vorgehen gegen einen Verwaltungsträger, dessen Entscheidungsabläufe er möglicherweise nicht so genau zu durchblicken vermag, erleichtert 10. Vor allem aber wäre es wünschenswert, eine Kategorie von Verwaltungshandeln - jedenfalls hinsichtlich Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit - in einem einheitlichen Rechtsweg beurteilen zu können. Ob dies möglich oder nicht vielleicht sogar zwingend ist, bedarf näherer Beleuchtung.
II. Zivilrechtsweg Zu diesem Zweck sollen erst einmal die Kriterien nachgezeichnet werden, mit denen der Bundesgerichtshof und der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes zum ordentlichen Rechtsweg gelangen. Systematisch zutreffend wird zunächst das Vorhandensein einer ausdrücklichen Rechtswegzuweisung abgefragt; da eine solche regelmäßig fehlt 11, greifen Bundesgerichtshof und Gemeinsamer Senat der Obersten Bundesgerichte auf in ständiger Rechtsprechung entwickelte Grundsätze zurück. Danach wird der Rechtsweg nach der Natur des Streitgegenstandes bestimmt; diese wiederum bestimmt sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird 12 . Maßgebend ist also die Natur des Klagebegehrens, die sich aus der wahren Natur des geltend gemachten Anspruchs ergibt 13 - un-
9
BVerfGE 31, 364 (368); BVerwG DÖV 1990, 977 (978); BGHZ 67, 81 (89); BSGE 56, 140 (141); BSG SGb. 1986, 570 (571); Grämlich, in: Stober (Hrsg.), Rechtsschutz, S. 275; Kissel, GVG, § 17 Rn. 2. 10 Vgl. Kopp, VwGO, § 86 Rn. 1. 11 An dieser Stelle wird allerdings nicht immer methodisch sauber gearbeitet. Abdrängende Sonderzuweisungen wie § 51 Abs. 2 SGG n.F. werden nicht immer hinreichend beachtet, und Regelungen über die sachliche Zuständigkeit wie § 87 Abs. 1 GWB werden schon einmal als Rechtswegzuweisung "mißbraucht" [etwa BGHZ 114, 218 (222 ff.); BGH NJW 1991, 2963 (2964 f.)]. 12 GmS-OGB BGHZ 97, 312 (313 f.); NJW 1988, 2295 (2296); NJW 1988, 2297 (2297); GmS-OGB BGHZ 108, 284 (286); BGHZ 89, 250 (251 f.); 121, 126 (128); BGH NJW 1995, 2295 (2296); ebenso BVerfGE 67, 100 (123); BVerwGE 75, 109 (112); 96, 71 (73). 13 GmS-OGB BGHZ 102, 280 (284); 108, 284 (286); BGHZ 66, 229 (232); 67, 81 (85; 88); BGH NJW 1995, 2295 (2296); ebenso BVerwGE 96, 71 (74). - Bereits hier
4 5 8 E .
Rechtsweg bei Streitigkeiten im Öffentlichen Wettbewerbsrecht
abhängig davon, ob er von demjenigen, der sich auf ihn beruft, dem öffentlichen oder privaten Recht zugeordnet wird 14 . Der angestrebten Rechtsfolge soll dabei keine besondere Bedeutung zukommen15, so daß auch der Gesichtspunkt, daß bei stattgebender Klage u.U. ein Eingriff eines Zivilgerichts in hoheitliche Tätigkeit erfolge, keine selbständige Bedeutung habe16. Stellt man also auf das Rechtsverhältnis ab, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, gelangt man zu der Differenzierung zwischen Leistungs- und Wettbewerbsverhältnis 17. Trotz dieser feinsinnigen Unterscheidung ist aber in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung keine klar durchgehaltene Linie zu erkennen, welches dieser zwei auseinanderdividierten Rechtsverhältnisse denn nun fur die Rechtswegbestimmung maßgebend sei18. Wird das Leistungsverhältnis als entscheidend erachtet, wird vielfach auf die Handlungsform abgestellt und aus einer zivilrechtlichen Abwicklung auf den Zivilrechtsweg geschlossen19. Stellen die Zivilgerichte auf das Wettbewerbsverhältnis ab, in dem es um die Auswirkungen eines Wettbewerbsverhaltens auf den Konkurrenten geht, wird maßgebend auf ein Gleichordnungsverhältnis rekurriert 20, das aber - wegen der Gleichordnung - privatrechtlich sein soll21. Die bekannten Bedenken, daß auch ein Gleichordnungsverhältnis öffentlich-rechtlich sein kann22, werden in der Regel übergan-
erfolgt im Grunde die entscheidende Weichenstellung: Wenn beispielsweise § 1 UWG als geltend gemachter Anspruch eine grundsätzlich neutrale Rechtsnatur besitzt und im zu prüfenden Einzelfall gar öffentlich-rechtlich ist [vgl. dazu oben D III 1 a bb (3)], gelangt man ohne weiteres zum Verwaltungsrechtsweg. In jedem Fall aber müßte eine exakte Untersuchung der Rechtsnatur des geltend gemachten Anspruchs erfolgen, was - wie im Text gleich zu zeigen ist - die Zivilgerichte jedoch vermissen lassen. 14 GmS-OGB BGHZ 97, 312 (313); 102, 280 (284); 108, 284 (286); BGHZ 119, 93 (95); BGH NJW 1995, 2295 (2296); ebenso BVerfGE 42, 103 (110 f.); 62, 295 (313); 67, 100 (123); BVerwGE 96, 71 (74). 15 BGHZ 67, 81 (85, 89); vehement dagegen Bettermann, DVB1. 1977, 180. 16 BGHZ 66, 229 (232 f.); 82, 375 (383, 384); der Sache nach bereits BGH GRUR 1973, 530 (530). 17 BGHZ 66, 229 (233). 18 Dazu ausfuhrlich bereits oben D III 1 a bb (2). 19 Etwa GmS-OGB BGHZ 97, 312 (316); NJW 1988, 2297 (2298); anders und zutreffend BGHZ 89, 250 (258). - Dieses Vorgehen kann nun angesichts der weitgehend anerkannten Formen wahlfreiheit der Verwaltung [vgl. dazu nur Ehlers, in: Erichsen (Hrsg.), AllgVerwR, § 2 Rn. 33 ff. m.w.N.] nicht überzeugen. 20 GmS-OGB NJW 1988,2295 (2296); BGHZ 66, 229 (233; 235 f.); BGH NJW 1995, 2295 (2296). 21 BGH GRUR 1973, 530 (530); BGHZ 66, 229 (235); 82, 375 (382). 22 Immer wieder genanntes Musterbeispiel: der öffentlich-rechtliche Vertrag.
II. Zivilrechtsweg
459
gen oder zumindest zurückgestellt23. Das Konzedieren eines "ausnahmsweise" öffentlich-rechtlichen Wettbewerbsverhältnisses24 bleibt regelmäßig nur abstrakt und spielt in der konkreten Anwendung meist keine Rolle, ist nun jüngst in einem obiter dictum des Bundesgerichtshofs auch wieder relativiert worden, indem selbst öffentlich-rechtliche Vorschriften, die den Zugang zu einer Wirtschaftstätigkeit regeln und deren Nichtbeachtung im konkreten Fall die Unlauterkeit begründen soll, nichts an dem ordentlichen Rechtsweg zu ändern vermögen 25 . Bedenken werden regelmäßig mit der Fiktion der "Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen"26 zu zerstreuen versucht, um in jedem Fall 27 den zivilrechtlichen Charakter des Wettbewerbsverhältnisses zu begründen28. Nach dieser Argumentation kann der Klageanspruch problemlos aus einem zivilrechtlichen Rechtsverhältnis hergeleitet werden, so daß eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt, für die gemäß § 13 GVG der ordentliche Rechtsweg als eröffnet angesehen wird. Bei dem maßgeblichen Abstellen auf ein Gleichordnungsverhältnis wird deutlich, daß die Zivilgerichte die Subjektionstheorie?9 zur Abgrenzung von Öffentlichem Recht und Privatrecht anwenden30. Neben der grundsätzlichen Kritik, der sich die Subjektionstheorie - insbesondere bei schlichtem Verwaltungshandeln - ausgesetzt sieht31, die hier indes nicht wiederholt werden soll, ist aber insbesondere die methodisch fehlerhafte Anwendung der Subjektionstheorie
23
GmS-OGB BGHZ 97, 312 (314). GmS-OGB BGHZ 108, 284 (287); BGHZ 121, 126 (128). 25 BGH NJW 1995, 2295 (2296 f.): "Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist danach vorliegend ebenso gegeben wie in den sonstigen Fällen, in denen die Beurteilung, ob ein i.S.d. § 1 UWG unlauteres Verhalten im Wettbewerb anzunehmen ist, davon abhängt, ob das beanstandete Verhalten gegen Vorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die den Zugang zu einer Wirtschaftstätigkeit regeln (wie z.B. die Vorschriften der Handwerksordnung, des Steuerberatungsgesetzes oder des Personenbeförderungsgesetzes)." 26 Also den bei dem Konkurrenten angeblich privatrechtlichen Auswirkungen einer öffentlich-rechtlichen Maßnahme, die dann daher im Verhältnis zum betroffenen Konkurrenten privatrechtlich zu qualifizieren sei. Ausführlich dazu oben D III 1 a bb (4). 27 Insbes. dann, wenn das Leistungsverhältnis öffentlich-rechtlich geprägt ist. 28 GmS-OGB NJW 1988, 2295 (2296); BGHZ 66, 229 (237); 67, 81 (89 f.); 82, 375 (383); 121, 126 (130). 29 Auch Subordinationstheorie genannt. 30 Besonders deutlich GmS-OGB BGHZ 97, 312 (314); BGHZ 82, 375 (382); OLG Koblenz WRP 1983, 225 (225). 31 Vgl. etwa Brohm, NJW 1994, 281 (288); Ehlers, in: Erichsen (Hrsg.), AllgVerwR, § 2 Rn. 16; Wolff/Bachof/Stob er, VwR I, § 22 Rn. 20. 24
4 6 0 E .
Rechtsweg bei Streitigkeiten im Öffentlichen Wettbewerbsrecht
durch die Zivilgerichte zu bemängeln. Regelmäßig wird als Grundlage der Qualifizierungsentscheidung der Wirklichkeitsbezug der zu beurteilenden Handlung genommen; die Subjektionstheorie wird auf die (tatsachliche) Auswirkung - einer staatlichen Handlung - im Wettbewerbsverhältnis zum privaten Konkurrenten angewandt. Die Subjektionstheorie vermag jedoch - wie die anderen Theorien zur Abgrenzung des Privatrechts vom Öffentlichen Recht - nur Rechtsnormen zu beurteilen, nicht aber rechtlich zunächst indifferente Realakte oder gar deren tatsächliche Auswirkungen; hierfür ist eine logisch vorrangige Zuordnungsentscheidung erforderlich, in der die zu beurteilende Maßnahme in Bezug zu einer Norm gesetzt wird, deren Rechtsnatur dann mit Hilfe einer der Abgrenzungstheorien beurteilt werden kann32. Die Kritik wird noch zu vertiefen sein; festzuhalten bleibt aber nach einer ersten Analyse, daß die zivilgerichtliche Rechtsprechung unter Führung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes und des Bundesgerichtshofs die Rechtswegzuweisung mit einigen sehr zweifelhaften Prämissen unternimmt, die letztlich in einen Zirkelschluß münden: Aus den Prämissen, daß ein Wettbewerbsverhältnis ein Gleichordnungsverhältnis sei und ein Gleichordnungsverhältnis eine privatrechtliche Natur besitze, folgt, daß ein Wettbewerbsverhältnis privatrechtlich und ein daraus resultierender Anspruch folglich ebenfalls privatrechtlich sei, so daß eine privatrechtliche Streitigkeit vorliege. Verkürzt man - ein wenig bösartig - die Herleitung, so gelangt man zu folgender Aussage: Die Streitigkeit ist bürgerlich-rechtlich, wenn das Wettbewerbsverhältnis privatrechtlich ist. Das Wettbewerbsverhältnis ist aber ohnehin (immer) privatrechtlich. Zu erwähnen für die Rechtswegentscheidung der Zivilgerichte ist noch, daß der Verfolgung einer öffentlichen Aufgabe keine entscheidende Bedeutung beigemessen wird 33 . Diese wird zwar - mitunter auch sehr ausführlich - in der Begründetheit geprüft, aber als bloße öffentlich-rechtliche Vorfrage behandelt, die mitbehandelt werden dürfe, da die Entscheidung darüber nicht in Rechtskraft erwachse34. Schließlich wird die Zuweisung in den ordentlichen Rechtsweg noch damit begründet, daß der Sachkunde und Sachnähe der Zivilgerichte besondere Bedeutung zukomme35 - darauf ist noch einzugehen.
32
Dazu etwa Schliesky, DÖV 1994, 114 (117 f.). GmS-OGB BGHZ 97, 312 (315); NJW 1988, 2297 (2298); BGHZ 82, 375 (384 ff.); mit anderer Gewichtung, aber zurückhaltend auch BVerwGE 96, 71 (74). 34 BGHZ 36, 91 (94); 66, 229 (238); 67, 81 (88); 82, 375 (384 ff.); BGH GRUR 1995, 127 (128); NJW 1995, 2295 (2296). 35 BGHZ 66, 229 (237); 67, 81 (87, 91); 89, 250 (252, 257, 260) - dort allerdings mit anderem Ergebnis (Sozialrechtsweg); OLG Celle WRP 1984, 328 (328). 33
III. Stichhaltigkeit der Argumente
461
I I I . Stichhaltigkeit der Argumente Skepsis erscheint angesichts des Argumentationsstranges der Zivilgerichtsbarkeit also angebracht; daher sollen die Argumente nun noch einmal aufgegriffen werden.
1· Trennung zwischen Leistungs- und Wettbewerbs Verhältnis Die Trennung zwischen Leistungs- und Wettbewerbsverhältnis ist durchaus erforderlich, um den zutreffenden Anspruch, dessen Rechtsnatur den Rechtsweg bestimmen soll, ermitteln zu können; insoweit kann auf die Darlegungen im Zusammenhang zu § 1 UWG verwiesen werden36. Es muß dann aber auch entgegen der zivilgerichtlichen Praxis - konsequent der Anspruch aus diesem Rechtsverhältnis untersucht werden. Eine je nach Fall zu treffende Auswahl aus Wettbewerbs- oder Leistungsverhältnis, um das angestrebte Ergebnis (Zivilrechtsweg) erreichen zu können, verbietet sich37. Regelmäßig wird daher das Wettbewerbsverhältnis maßgebend sein, ohne daß dabei - wie oben gezeigt - das Leistungsverhältnis außer acht gelassen werden darf. Eine Bestätigung dieses Gedankens liefert § 51 Abs. 2 S. 1 SGG n.F. 38 . Durch die sehr weitgehende Zuweisung von Streitigkeiten nach dem SGB V in den Sozialrechtsweg, die der Gesetzgeber ausdrücklich auch auf die Angelegenheiten, durch die Dritte betroffen werden, ausgedehnt hat, wird deutlich, daß Leistungs- und Wettbewerbsverhältnis nicht völlig isoliert betrachtet werden dürfen 39. Vielmehr hat der Gesetzgeber klargestellt, daß er - wegen der den Rechtsstreit maßgeblich prägenden öffentlich-rechtlichen Fragen - das Leistungsverhältnis als bestimmend angesehen und deswegen die Streitigkeit den Sozialgerichten zugewiesen hat40. Die "wettbewerblichen Auswirkungen" gegenüber Dritten - also insbesondere Wettbewerbern - sind somit von der (im Verhältnis zu § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO abdrängenden) Sonderzuweisung des § 51 Abs. 2 S. 1 SGG erfaßt. Der im Rahmen der Untersuchung herausgearbeitete Gedanke ist demnach für diesen Bereich der besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit gesetzlich festgelegt worden 41.
36
S.o. D III 1 a bb (2). Hier deutet sich die "Crux" der Rechtsverhältnislehre erneut an: Die Konstruktion des beizeiten nebulösen Rechtsverhältnisses verschleiert den Blick auf das letztlich allein maßgebliche subjektive öffentliche Recht, den einzelnen Anspruch. 38 Neugefaßt durch G. v. 20.12.1988, BGBl. I S. 2477. 39 Für den Sozialrechtsweg ist dies damit ausdrücklich gesetzlich angeordnet. 40 BT-Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drs. 11/3480, S. 77; Meyer-Ladewig, SGG, § 51 Rn. 36. 41 Dies wird allerdings auch unter Geltung des § 51 SGG n.F. immer noch bestritten, vgl. nur BGHZ 114, 218 (222 ff.); sowie unten E III 5. Kritisch zu der fehlenden Ak37
462
E. Rechtsweg bei Streitigkeiten im Öffentlichen Wettbewerbsrecht
Eine Ausnahme bildet aber die Fallgruppe Β IV 2 a dd (Unmittelbare Konkurrenzsituation: Kunde begehrt Unterlassung): Hier ist allein das Leistungsverhältnis maßgebend.
2. Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen Vehement zu widersprechen ist auch dem Versuch, die eindeutig öffentlichrechtliche Prägung eines Wettbewerbsverhältnisses mit der dogmatisch unhaltbaren Figur der "Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen" zu umgehen42. Es existiert nun einmal kein Grundsatz, nach dem öffentlich-rechtliches Verwaltungshandeln sich in privates Handeln umwandelt, sobald eine Privatperson davon betroffen wird 43 . Die Auswirkung wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit auf die Wettbewerbsstellung etwa eines privaten Konkurrenten ist zwar in der Tat die gleiche wie bei der Wettbewerbshandlung eines dritten privaten Konkurrenten; nun liegt dies aber daran, daß die faktische Auswirkung als solche rechtlich indifferent bzw. neutral ist. Um sie mit Hilfe eines Anspruchs abwehren zu können, ist aber eine rechtliche Qualifizierung erforderlich, die sich ohne eine Zuordnungsentscheidung nicht leisten läßt44. Diese Zuordnung muß gerade zu dem angegriffenen Handeln erfolgen, da eine Beseitigung bzw. Abwehr der nachteiligen Betroffenheit in der Wettbewerbsstellung mittels eines verhaltensrechtlichen Anspruchs nur möglich ist, wenn die Zuordnung zu einem bestimmten Verhalten gelingt. Und dafür macht es in der Tat einen großen Unterschied, ob eine staatliche Einheit oder ein privater Mitbewerber gehandelt hat, mithin die nachteilige Auswirkung auf die Wettbewerbsstellung des Betroffenen "staatlich" oder "privat" veranlaßt ist, da die Legitimation und damit die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Wettbewerbshandelns differieren. Dieser Unterschied darf nicht durch die ergebnisorientierte Schablone der "Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen" verdeckt werden 45.
zeptanz dieses eindeutigen gesetzgeberischen Tätigwerdens Brohm, NJW 1994, 281 (289 mit Fn. 73). 42 Auch hier sei auf die Ausführungen zu § 1 UWG verwiesen, oben D III 1 a bb (4). 43 Schricker, S. 110. 44 Auf den Verzicht einer korrekten Zuordnungsentscheidung läuft aber das Vorgehen Vollmars y S. 68, hinaus, der die Wirkungen im "zweitbetroffenen" Rechtsverhältnis nur nach den dort beteüigten Personen, dafür aber völlig unabhängig von den Wirkungen im "erstbetroffenen" Rechtsverhältnis und damit ohne Berücksichtigung des eigentlichen staatlichen Tätigwerdens beurteilen will. 45 Auch der Versuch von Pinger, GRUR 1973, 456 (458 f.), auf die Rechtsnatur der verletzten Pflicht abzustellen, um so die Doppelnatur zu begründen, vermag sein Ergebnis nicht zu begründen. Denn selbst wenn die - aus § 1 UWG folgende - Pflicht gegenüber dem Privaten privatrechtlich sein sollte, so bleibt unerklärlich, wie die parallel bestehende
III. Stichhaltigkeit der Argumente
463
3* Anwendung der Subjektionstheorie Die methodisch fehlerhafte Anwendung der Subjektionstheorie wurde bereits angesprochen46; da die Zivilgerichte gerade das Gleichordnungsverhältnis betonen47, das hier in der Regel öffentlich-rechtlich geprägt ist, wird die Theorie aber gerade in dem Ausschnitt angewandt, in dem sie nach ihrer Grundkonzeption versagen muß: Sie kann nicht erklären, daß auch auf der Ebene der Gleichordnung öffentlich-rechtliche Beziehungen und Streitigkeiten möglich sind48. Da Gleichordnung nach der Subjektionstheorie vielmehr immer Privatrecht bedeutet, kann man - wenn man sie in diesen Bereichen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit anwendet - nur zu dem gewünschten Ergebnis "Zivilrechtsweg" gelangen, das allerdings den Makel eines Zirkelschlusses in sich trägt.
4. Keine Bedeutung der Untersagung von Staatshandeln Zweifelhaft ist auch die Tatsache, daß der Untersagung von Staatshandeln keine (rechtswegbestimmende) Bedeutung zugemessen wird. Der Große Senatfür Zivilsachen hat sich immerhin ansatzweise mit diesem Gedanken auseinandergesetzt, ihm aber "keine selbständige Bedeutung" zugemessen49. Diesem Gedanken liege nur die Erwägung zugrunde, "daß häufig schon aus der begehrten Rechtsfolge und oft gerade aus dieser der öffentlichrechtliche Charakter der Streitsache zu erkennen" sei. Der Senat schiebt dann noch den Gedanken nach, daß aus Gründen prozessualer Zweckmäßigkeit und der Sachnähe die Zivilgerichte auch befugt seien, wegen der Doppelbedeutung der angegriffenen Maßnahmen (soll heißen: Doppelnatur der Maßnahmen) auch den öffentlich-rechtlichen Tätigkeitsbereich zu berühren 50. Anzumerken ist hier zunächst, daß diesen Erwägungen wieder die schon widerlegten Prämissen zugrunde liegen.
grundrechtliche Verhaltenspflicht aus Art. 12 GG einzuordnen sein soll. Da kaum jemand diese als privatrechtlich einordnen wird, zeigt sich nur erneut, daß die Prämisse, § 1 UWG sei privatrechtlich, in bezug auf wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit falsch ist. § 1 UWG teilt als - in diesem Wettbewerbssektor - einfachgesetzliche Ausprägung des grundrechtlichen Schutzes vielmehr die Rechtsnatur des grundrechtlichen Abwehranspruchs. 46 Zuvor II. 47 Das OLG Köln WRP 1985, 511 (512), leitet etwa aus der Wahl der Rechtsform für ein öffentliches Unternehmen (Aktiengesellschaft) das Gleichordnungsverhältnis her. 48 7. Ipse η/Koch, JuS 1992, 809 (811 f.); Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 47, 54; Wolff /Bachof/Stober, VwR I, § 22 Rn. 20. 49 BGHZ 66, 229 (232 f.). Auch Mestmäcker, NJW 1969, 1 (2 f.), greift den Gedanken auf, will maßgebende Bedeutung aber allein der Wettbewerb s Widrigkeit eines Verhaltens zukommen lassen. 50 BGHZ 66, 229 (237 f.).
464
E. Rechtsweg bei Streitigkeiten im Öffentlichen Wettbewerbsrecht
Auch der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes will den
Gesichtspunkt einer Untersagung hoheitlicher Tätigkeit "in den Hintergrund" treten lassen angesichts eines zivilrechtlichen Wettbewerbsverhältnisses, das mit Hilfe der Figur "Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen" begründet wird. Einer derartigen Vernachlässigung dieses Gesichtspunktes ist mit Entschiedenheit entgegenzutreten: Maßgebend für die Zuordnung eines Streitgegenstandes zu einem Rechtsweg ist die begehrte Rechtsfolge 51. Diese ist der wesentliche Bezugspunkt für den Anspruch, dessen (wahre) Rechtsnatur rechtswegbestimmend ist52. Dieser die rechtliche Natur des Klagebegehrens und damit den Rechtsweg bestimmende Bezugspunkt liegt aber nicht in dem mit Hilfe einer dubiosen "Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen" ermittelten nebulösen Wettbewerbsverhältnis, sondern - im Hinblick auf den allein maßgeblichen Anspruch - darin, daß einem Verwaltungsträger ein Verwaltungshandeln untersagt werden soll53. Ergibt sich daraus, daß das Klagebegehren und damit die Rechtsfolge auf die Einschränkung der Befugnisse abzielen, die ein Verwaltungsträger im Rahmen seiner Zuständigkeiten und Kompetenzen in Anspruch zu nehmen können glaubt, ist nach der Funktionsordnung des deutschen Prozeßrechts grundsätzlich die Verwaltungsgerichtsbarkeit dazu berufen, über einen solchen öffentlich-rechtlichen Anspruch zu entscheiden54. Denn nach dieser Funktionsordnung ist grundsätzlich kein bürgerlich-rechtlicher Rechtsstreit über Rechtmäßigkeit und Zulässigkeit staatlichen Verhaltens möglich; § 13 GVG eröffnet den Zivilgerichten nicht die Möglichkeit, ein öffentlich-rechtliches Verhalten zu untersagen, selbst wenn es wettbewerbswidrig ist55.
51
Bettermann, DVB1. 1977,180 (180); Brohm, NJW 1994,281 (288); Schellhammer, Zivilprozeß, Rn. 1370; Schenke, VerwProzeßR, Rn. 122; a.A. - unklar - Vollmar, S. 48 f. 52 Zu beachten ist, daß ein Anspruch sich auf mehrere Anspruchsgrundlagen stützen kann; in den Fällen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit wird es häufig die Anspruchs(grundlagen)konkurrenz zwischen Art. 12 GG und § 1 UWG sein; dazu oben D III 1 b. - Zur Klarstellung sei auch noch betont, daß die Rechtsnatur der mit der Klage angegriffenen oder geforderten Handlung nicht zwangsläufig mit der Rechtsfolge des Anspruchs identisch sein muß, denn ein Staatshandeln kann auch eine privatrechtliche Rechtsnatur - in bezug auf die Handlungsforml - haben. 53 BSGE 45, 109 (111); 56, 140 (142); OLG Köln NJW 1974, 802 (802 f.); Peters, ZfS 1980, 474 (491); Spieß, SGb. 1984, 56 (58). 54 OLG Köln NJW 1974, 802 (803); Dickersbach, in: Stober (Hrsg.), Rechtsschutz, S. 14; Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 364 Fn. 368; Spieß, SGb. 1984, 56 (58 f.). 55 Bettermann, DVB1. 1977, 180 (181); Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 364 Fn. 368; Schricker, S. 105.
III. Stichhaltigkeit der Argumente
465
5. Öffentliches Recht als bloß notwendige Vorfrage Das nach öffentlichem Recht zu beurteilende Verwaltungshandeln darf daher auch nicht als bloß notwendige Vorfrage abgetan werden. Zwar besitzt jeder Gerichtszweig notwendigerweise eine gewisse Vorfragenkompetenz, die es jedem Gericht grundsätzlich erlaubt, über alle fur die Entscheidung relevanten Vorfragen 56 in dem bei ihm anhängigen Verfahren mitzuentscheiden, auch wenn diese - wären sie alleiniger Streitgegenstand - in einen anderen Gerichtszweig gehörten57. Die Legitimation dieser Vorfragenkompetenz liegt angesichts der sonst eher strikten Rechtswegtrennung im Bereich von Prozeßökonomie bzw. Praktikabilitätserwägungen 58. Prozeßökonomische Erwägungen dürfen aber nicht zur Verwischung der gerichtlichen Funktionsordnung fuhren und die an sich strikte Abgrenzung der Rechtswege in Frage stellen59. Anerkannt ist daher, daß die Vorfragenkompetenz jedenfalls keine Befugnis zu einer abschließenden, der Rechtskraft fähigen Entscheidung über eine Handlung, die nur von einem Gericht eines anderen Gerichtszweiges aufgehoben werden könnte, enthält60. Nach zutreffender Ansicht wird man die Grenze der Vorfragenkompetenz aber früher ziehen müssen: Die Vorfragenkompetenz wird überschritten, wenn der Gegenstand der vermeintlichen Vorfrage sich bei objektiver Betrachtung als Kern des anhängigen Rechtsstreits herausstellt61. So stellt sich die Situation bei der Beurteilung wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit dar: In der Regel greift der private Kläger die Tatsache an, daß eine staatliche Einheit ihm überhaupt Konkurrenz macht. Es geht also im Kern um die staatliche Wirtschaftsfreiheit, eine ausschließlich nach öffentlichem Recht zu beurteilende Frage und somit eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Selbst wenn ausnahmsweise einmal nur die Modalitäten wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit angegriffen werden (Beispiel: Werbe-
56
Unter einer Vorfrage wird gemeinhin eine Rechtsfrage verstanden, die für den geltend gemachten Anspruch präjudiziell ist, vgl. Kopp, VwGO, § 40 Rn. 42; MeyerLadewig, SGG, § 51 Rn. 49. 57 BVerwG JZ 1990, 446 (446); BGHZ 16, 124 (134); 67, 81 (88); Dickersbach, in: Stober (Hrsg.), Rechtsschutz, S. 18; Kopp, VwGO, § 40 Rn. 42; Odersky, FS Lerche, S. 959; Ossenbühl, Umweltpflege II, S. 66. 58 Ossenbühl, Umweltpflege II, S. 66. 59 Vor diesem Hintergrund ist auch § 17 Abs. 2 S. 1 GVG n.F. nicht unbedenklich, vgl. nur Kissel, GVG, § 17 Rn. 36. 60 BGHZ 16, 124 (134); Kopp, VwGO, § 40 Rn. 43; Meyer-Ladewig, SGG, § 51 Rn. 49. 61 Albers, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 13 GVG Rn. 16; Meyer-Ladewig, SGG, § 51 Rn. 49; Ossenbühl, Umweltpflege II, S. 66; s. auch Peters, ZfS 1980, 474 (491). Im Ansatz zutreffend auch Broß, FS Piper, S. 107 (108 f., 112 Fn. 19), nachfolgend aber mit widersprüchlichen Ergebnissen bei der Beurteilung der jüngeren BGH-Rspr. 30 Schliesky
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E. Rechtsweg bei Streitigkeiten im Öffentlichen Wettbewerbsrecht
methoden), so spielt die öffentlich-rechtliche Legitimation auch hier die entscheidende Rolle für das Ausmaß der zu duldenden Beeinträchtigung und damit fur die Zulässigkeit der Wettbewerbshandlung. Denn anders als bei Privaten, bei denen das "Ob" in Form der grundrechtlichen Wettbewerbsfreiheit niemals in Frage zu stellen ist, spielt bei wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit der Umfang der Legitimation eine wesentliche Rolle. Dies zeigte sich ja bereits daran, daß "Ob" und "Wie" wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit nicht streng voneinander zu trennen sind62. Ist der Kern des Rechtsstreits, ja sogar der eigentliche Streitgegenstand die Frage nach der öffentlich-rechtlichen Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit, so handelt es sich nicht mehr um eine bloße Vorfrage, sondern um eine veritable öffentlich-rechtliche Streitigkeit, deren Entscheidung gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO grundsätzlich den Verwaltungsgerichten anheimfällt 63 . Für den Ausschnitt der Sozialgerichtsbarkeit hat der Gesetzgeber diesen Gedankengang durch die Neufassung des § 51 Abs. 2 S. 1 SGG64 bestätigt: Die Prüfung der öffentlich-rechtlichen Bindungen und Verpflichtungen bildet auch bei wettbewerblichen Auswirkungen auf Dritte den eigentlichen Streitgegenstand, so daß es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, hier speziell in Angelegenheiten der Sozialversicherung handelt65. Dies wird allerdings vom Bundesgerichtshof trotz der Neufassung des § 51 Abs. 2 SGG unter Berufung auf § 87 Abs. 1 GWB zumindest in Kartellsachen bestritten66. Doch auch § 87 Abs. 1 GWB vermag an dem hier gefundenen und durch § 51 Abs. 2 SGG bestätigten Ergebnis nichts zu ändern; denn nach zutreffender Ansicht handelt es sich bei § 87 Abs. 1 GWB lediglich um eine Regelung der sachlichen Zuständigkeit, nicht aber um eine Rechtswegzuweisung67. Denn auch die vom Bundesgerichts-
62
S.o. D III 1 a bb (5). Das Einschätzen als öffentlich-rechtliche Vorfrage ist um so widersprüchlicher, als die Ausführungen zu den öffentlich-rechtlichen Fragen häufig den größten Raum der Entscheidungsgründe einnehmen, so etwa in BGHZ 82, 375 ff. Vergleicht man diese Entscheidung mit BSGE 63, 173 ff., so wird besonders deutlich, daß der Streitgegenstand regelmäßig ein öffentlich-rechtlicher ist. BSGE 63, 173 ff., betrifft dieselbe öffentlichrechtliche "Vorfrage" wie BGHZ 82, 375 ff., nur in einer anderen Klagekonstellation (Aufsichtsklage gem. § 54 Abs. 3 SGG). 64 S. bereits oben unter E III 1. 65 BT-Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drs. 11/3480, S. 77; Meyer-Ladewig, SGG, § 51 Rn. 36. Vorher bereits BSG SGb. 1986, 570 (571). 66 Ausführlich BGHZ 114, 218 (222 ff.). 67 Baumgärtel/Prütting, Einführung in das Zivilprozeßrecht, S. 33; Meyer-Ladewig, SGG, § 51 Rn. 36. A.A. - Rechtswegzuweisung - BGHZ 114, 218 (222 ff.); bestätigt durch BGH NJW 1995, 2352 (2353) - wegen § 17 a GVG aber ohne weitere Begründung; von Gamm, Kartellrecht, § 87 Rn. 4, 7; Odersky, FS Lerche, S. 959 f. Widersprüchlich Langen/Bunte, Kartellrecht, § 87 Rn. 3, 5. 63
III. Stichhaltigkeit der Argumente
467
hof dargebotene ausfuhrliche Begründung68 ändert nichts daran, daß zwischen der Frage des Rechtswegs und der Frage der sachlichen Zuständigkeit zu unterscheiden ist. Vor der Frage der sachlichen Gerichtszuständigkeit ist logisch vorrangig zu klären, ob eine bürgerlich-rechtliche oder öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt 69. Auch wenn das GWB gemäß §§ 87 Abs. 1, 96 Abs. 1 ausschließliche (sachliche) Zuständigkeiten normiert, so greifen diese - wie § 96 Abs. 1 deutlich hervorhebt - eben nur ein, wenn es um "nach diesem Gesetz zur Entscheidung berufene Gerichte" geht, was gemäß § 87 Abs. 1 nur "für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten" gilt 70 .
6. Größere Sachkunde und Sachnähe der Zivilgerichte Gleichermaßen kritisch ist das Argument der größeren Sachnähe und Sachkunde der Zivilgerichte zu beurteilen. Selbst wenn die behauptete71 größere Sachkunde und Sachnähe vorläge, so wäre dies kein Gesichtspunkt, der angesichts der insoweit eindeutigen Rechtswegzuweisungen der §§ 40 VwGO, 13 GVG allein den Rechtsweg eröffnen könnte72. Unabhängig davon kann der Gesichtspunkt der Sachkunde und Sachnähe in den hier in Rede stehenden Fällen schon aufgrund des eben dargelegten Schwerpunktes der Streitigkeit nicht den Zivilrechtsweg begründen: Eine größere Sachnähe und Sachkunde darf ohne weiteres verneint werden, wenn das Schwergewicht der rechtlichen Beurteilung bzw. der Kern des Rechtsstreits bei öffentlichrechtlichen Fragestellungen liegt73. Vielmehr haben die Zivilgerichte aufgrund der prozeßrechtlichen Vorbedingungen nicht in der gleichen Weise wie die Verwaltungsgerichte die Möglichkeit, die bei wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit maßgeblichen Interessen der Beteiligten und der Allgemeinheit herauszuarbeiten
68
BGHZ 114, 218 (222 ff.), legt auf sechs Seiten die angebliche Spezialität des § 87 Abs. 1 GWB gegenüber § 51 Abs. 2 SGG dar. 69 So im Ansatz zutreffend GmS-OGB BGHZ 87, 312 (313 f.). Diesen Gedanken wiederholt auch BGHZ 114, 218 (221), greift ihn aber dann nicht auf, da der Senat eben in § 87 Abs. 1 GWB eine spezielle Rechtswegzuweisung erblickt. 70 Deutlich auch Bechtold, GWB, § 87 Rn. 1; K. Schmidt in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB, § 87 Rn. 2, der dann allerdings dennoch zum Zivilrechtsweg gelangt (Rn. 6). 71 Besonders deutlich BGHZ 67, 81 (88); ebenso OLG Celle WRP 1984, 328 (328); Grundmann, S. 79; Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (479 f.). 72 GmS-OGB BSGE 37, 292 (296); Schricker, S. 111 f.; a.A. Wollmar, S. 44, ohne nähere Begründung. Auch BGHZ 89, 250 (252, 257, 260), will der Sachkunde und Sachnähe "bei der Abgrenzung der Rechtswege besondere Bedeutung" zukommen lassen. 73 Zutreffend Schricker, S. 111, 114.
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E. Rechtsweg bei Streitigkeiten im Öffentlichen Wettbewerbsrecht
und bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen74; in concreto ist dies der Unterschied zwischen dem verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) und der zivilprozessualen Verhandlungsmaxime. Schließlich drückt sich die vorgeblich größere Sachnähe und Sachkunde auch nicht in größerer Einheitlichkeit der Rechtsprechung aus; ohne Häme läßt sich feststellen: "Was das Berufungsgericht fur sittenwidrig hält, läßt der Bundesgerichtshof anstandslos passieren und umgekehrt"75. Angesichts der Weite und Unbestimmtheit der Generalklausel des § 1 UWG und des Tatbestandsmerkmals der "guten Sitten im Wettbewerb" verwundert dies auch nicht. Richterliche Rechtsfortbildung ist hier vielmehr unbedingt erforderlich, doch gibt es insofern kein Entscheidungsmonopol des Bundesgerichtshofs 16. Es existiert aus den letzten Jahren nämlich eine Reihe beachtlicher Judikate aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die § 1 UWG schulmäßig durchprüfen 77.
7. "Rechtsschutzverweigerung11 durch Verwaltungsgerichte Insofern vermag auch das Argument der "Rechtsschutzverweigerung"78 durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht mehr zu überzeugen, wie die eben angeführten Beispiele zeigen79. In der Vergangenheit war dieser Vorwurf sicherlich nicht unberechtigt, und gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht muß
74
Schricker, S. 114; der Sache nach auch OLG Köln NJW 1974, 802 (804). Ein Gedanke von Kreft, in: Gloy (Hrsg.), HdWR, § 13 Rn. 4, zu den Anforderungen an einen Wettbewerbsjuristen unterstützt dies: Es sei permanente Aufgabe für Wettbewerbsjuristen, sich der Einbettung des Wettbewerbsrechts in die grundlegenden Wertentscheidungen und -Vorstellungen in Staat und Gesellschaft immer wieder zu vergewissern und das geltende Wettbewerbsrecht in Einklang mit ihnen zu halten. 75 Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 40. 76 Nicht zu Unrecht formuliert Nordemann, Wettbewerbsrecht, Rn. 41 a.E., im Hinblick auf die Bestimmung dessen, was den "guten Sitten" entsprechen soll, "daß gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstößt, was dem Anstandsgefühl des zuständigen BGHSenats zuwiderläuft". 77 BSGE 56, 140 (144 ff.), zu vergleichender Werbung; VGH Mannheim GewArch. 1969, 141 (142 ff.); GRUR 1973, 82 (82 f.); DÖV 1995, 120 (121), jeweüs zu der Fallgruppe "Mißbrauch der Hoheitsstellung". S. auch OVG Hamburg DVB1. 1994, 1367 (1370 f.), zum Gesichtspunkt des "Vernichtungswettbewerbs" einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt. 78 Hierzu Harms, BB 1986 (Beil. 17), 1 (4); Schmittat, ZHR 148 (1984), 428 (437 f.); Ulmer, ZHR 146 (1982), 466 (471 f.). 79 Hoffnungsvoll insofern auch Schricker, S. 111.
III. Stichhaltigkeit der Argumente
469
er wohl noch heute erhoben werden, da die Rechtsprechung noch nicht aufgegeben worden ist80. Die "Flucht in den Zivilrechtsweg" hat im wesentlichen zwei Gründe: Zum einen legt die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung eine sehr hohe Schwelle für Grundrechtseingriffe durch wettbewerbsrelevante Staatstatigkeit zugrunde. Erst bei Auftreten eines "Verdrängungswettbewerbs" 81, der Erlangung einer Monopolstellung82 oder einer unerträglichen Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit 83 wird ein Grundrechtseingriff angenommen84; vor Konkurrenz der öffentlichen Hand sollen die Grundrechte nicht schützen85. Zum anderen haben die Verwaltungsgerichte - von einigen Ausnahmen abgesehen - es abgelehnt, wettbewerbsrechtliche Normen, wie vor allem § 1 UWG, auf wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit anzuwenden und im Verwaltungsstreitverfahren zu prüfen. Dies hat wesentlich dazu beigetragen, daß der angesichts vielfach ausdifferenzierter Fallgruppen von § 1 UWG vermittelte Schutz vor den Zivilgerichten nachgesucht wurde. Die Zivilgerichte haben angesichts eines den privatwirtschaftlichen Wettbewerb in den Mittelpunkt stellenden wettbewerbspolitischen Hintergrundes das Ihrige dazu beigetragen, indem sie - bei einer Gesamtschau - doch eher zugunsten der privaten Wettbewerber entschieden und wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit zumindest de facto in ihre Entscheidungskompetenz eingegliedert haben86. War die Zurückhaltung der Verwaltungsge-
80
Das BVerwG hat jüngst eine "Bewährungschance" vertan, vgl. Beschl.v. 21.3.1995, GewArch. 1995, 329 ff. Allerdings klingen in den Urteilsgründen inhaltliche Maßstäbe der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel an (S. 330), ohne daß § 1 UWG explizit erwähnt wird. 81 OVG Münster GewArch. 1986, 157 (159). 82 BVerwGE 17, 306 (314); 39, 329 (337); BVerwG NJW 1978, 1539 (1540); GewArch. 1995, 329 (330); VGH Mannheim DÖV 1995, 120 (121). 83 BVerwGE 30, 191 (198); BVerwG GewArch. 1995, 329 (330); VGH Mannheim DÖV 1995, 120 (121). 84 Kritisch Hoffmann-Becking, FS Wolff, S. 459; R. Schmidt, Wirtschaftsrecht, S. 525 f. 85 BVerwG NJW 1978, 1539 (1540). Hier ist allerdings die vorsichtige Andeutung einer Maßstabs Veränderung in der Rechtsprechung des BVerwG zu beobachten: Die früher apodiktisch getroffene Aussage wird nun wie folgt formuliert: "Grundrechte eines privaten Anbieters schützen grundsätzlich nicht vor dem Hinzutreten des Staates oder von Gemeinden als Konkurrenten, solange die private wirtschaftliche Betätigung nicht unmöglich gemacht oder unzumutbar eingeschränkt wird oder eine unerlaubte Monopolstellung entsteht" (Hervorh.v.Verf.), BVerwG GewArch. 1995, 329 (329, LS). 86 Mit "Schutzbedürftigkeitserwägungen" und der "Neigung jedes Gerichtszweiges, (...) die vertrautere 'eigene* Teilrechtsordnung weiter auszubauen", erklärt auch Preu, S. 181, die vorzufindende Realität.
4 7 0 E .
Rechtsweg bei Streitigkeiten im Öffentlichen Wettbewerbsrecht
richte auch sicherlich zu groß, so muß doch aber differenziert werden zwischen fehlender oder fehlerhafter wettbewerbsrechtlicher Beurteilung durch die Verwaltungsgerichte einerseits und wirtschaftspolitisch 87 gewollter Untersagung von wettbewerbsrelevanter Staatstatigkeit durch die Zivilgerichte andererseits. Letztere mag - je nach Standpunkt - im Ergebnis zufriedenstellen, kann aber mangels tragfahiger Begründung bereits bei der Rechtswegzuweisung dogmatisch nicht überzeugen. Sieht man von der dogmatisch ebenfalls nicht haltbaren Zurückhaltung der Verwaltungsgerichte gegenüber der Anwendung des § 1 UWG ab, so dürfte heute nun auch § 17 Abs. 2 S. 1 GVG n.F. den Verwaltungsgerichten prozeßrechtlich die Anwendung des § 1 UWG erleichtern, da das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden hat. Eine neue "Bewährungsprobe" hat die Verwaltungsgerichtsbarkeit allemal verdient88. Ob diese Gelegenheit, die dogmatisch zutreffende Verortung im Verwaltungsrechtsweg angesichts der sicherlich vorhandenen faktischen Beharrungskräfte privater Kläger, die ergebnisorientiert vorgehen, sich überhaupt bietet, hängt maßgebend davon ab, ob den Verwaltungsgerichten die erforderliche und im Rahmen dieser Untersuchung versuchte Harmonisierung zwischen dem grundrechtlichen Schutz und dem Schutz durch § 1 UWG gelingt. Wenn dies geschafft wird, bietet der Verwaltungsrechtsweg nicht weniger Rechtsschutz als der Zivilrechtsweg. Vollstreckungsdefizite bei einer verwaltungsgerichtlichen Verurteilung bestehen nicht, da § 167 Abs. 1 VwGO auf das Instrumentarium der Zivilprozeßordnung verweist 89. Vielmehr muß demgegenüber im Bereich der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit der Zivilrechtsweg als mit Rechtsschutzeinbußen für den Bürger behaftet angesehen werden90: Neben der bereits angesprochenen Verhandlungsmaxime ist dies vor allem die Beweisführungslast: Im Rahmen des § 1 UWG muß im Zivilprozeß beispielsweise das Vorliegen der "Wettbewerbsabsicht" vom Kläger bewiesen werden; im Verwaltungsprozeß ist das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals von Amts wegen zu ermitteln. Zu diesem Zweck können auch in wesentlich größerem Umfang als im Zivilprozeß Akten und
87 S. etwa den Vorwurf von Spieß, SGb. 1984, 56 (58): "Mittelstandspolitik im Gewände von Rechtsprechung". 88 S. dazu auch Schliesky, DÖV 1994, 114 (118). 89 Ein Beispiel aus der Rechtsprechung [VGH Mannheim GewArch. 1969,141 (142)]: Unterlassungsklage verbunden mit dem Antrag auf Erlaß einer Strafandrohung i.S.d. § 890 Abs. 2 ZPO. 90 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 288 f.; ders., DVB1. 1983, 422 (428); Erbguth/Stollmann, DÖV 1993, 798 (809); Schricker, S. 115.
IV. Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
471
Urkunden beigezogen werden oder der Verwaltungsträger zu Auskünften verpflichtet werden, §§ 99, 100 VwGO.
I V . Öffentlich-rechtliche Streitigkeit 1. Methodische Herleitung Aus der Kritik an der bürgerlich-rechtlichen Qualifizierung der Streitigkeiten um wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit ist bereits deutlich geworden, daß letztlich nur eine öffentlich-rechtliche Qualifizierung zutreffend sein kann. Dieses Ergebnis bedarf jedoch noch einer tragfähigen Begründung. Anerkannter allseitiger Ausgangspunkt ist, daß sich die Rechtsnatur des Streitgegenstandes danach bestimmt, welchen Charakter das Rechtsverhältnis hat, in dem der geltend gemachte Anspruch wurzelt 91. Damit ist der Anspruch, der geltend gemacht wird, maßgeblich prägend für die Bestimmung der Rechtsnatur des Streitgegenstandes und des Rechtsweges. Maßgebend ist die wahre Rechtsnatur des Anspruchs, nicht die Zuordnung desjenigen, der ihn geltend macht92. Ist der geltend gemachte Anspruch der grundrechtliche Abwehranspruch, so besteht an der öffentlich-rechtlichen Qualifizierung des Anspruchs und damit der gesamten Streitigkeit kein Zweifel 93, was zur Folge hat, daß gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO grundsätzlich die Verwaltungsgerichte zur Entscheidung berufen sind. Schwierigkeiten bereitet die Qualifizierung des § 1 UWG, da die Norm grundsätzlich dem neutralen Recht zuzuordnen ist94. Die Bestimmung der im Einzelfall maßgeblichen Rechtsnatur mit Hilfe einer der hergebrachten Theorien zur Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht gelingt hier nicht. Die Subjektionstheorie versagt in den Fällen wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit völlig 95 , ein alleiniges Abstellen auf das hinter der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit stehende öffentliche Interesse im Sinne der Interessentheorie bzw. die damit verfolgte öffentliche Aufgabe wird gemeinhin als nicht ausreichend an-
91
BVerfGE 62, 295 (313); 67, 100 (123); GmS-OGB BGHZ 97, 312 (313 f.); NJW 1988, 2295 (2296); BGHZ 121, 126 (128); BVerwGE 75, 109 (112); 96, 71 (73); BSGE 56, 140 (140); Brohm y NJW 1994, 281 (289); Kopp, VwGO, § 40 Rn. 11. Kritisch Schellhammer y Zivilprozeß, Rn. 1370. 92 BVerfGE 62, 295 (313); 67, 100 (123); GmS-OGB BGHZ 102, 280 (284); BVerwGE 20, 199 (200); 96, 71 (74); Schellhammer, Zivilprozeß, Rn. 1370. 93 Vgl. etwa P.-M. Huber y in: Stober (Hrsg.), Rechtsschutz, S. 59 m.w.N. 94 Diese bestrittene Prämisse wurde oben ausfuhrlich begründet. 95 Bettermann y DVB1. 1977, 177 (180); Brohm y NJW 1994, 281 (288); Vollmary S. 77 f.
4 7 2 E .
Rechtsweg bei Streitigkeiten im Öffentlichen Wettbewerbsrecht
gesehen 96 , und die modifizierte Subjektstheorie Wolffscher Prägung hilft bei neutralem Recht ebenfalls nicht weiter 97 . Eine Beurteilung ist nur möglich mit Hilfe einer materiell verstandenen Subjektstheorie 98 : Öffentlich-rechtlich ist ein Rechtssatz, bei dem mindestens ein Zuordnungssubjekt ein Träger von Staatsgewalt als solcher ist, indem er als solcher (also als Träger von Staatsgewalt) berechtigt, verpflichtet oder organisiert w i r d 9 9 . Für neutrale Normen müssen jedoch zunächst verschiedene Zuordnungsentscheidungen vorgenommen werden, um die Theorie anwenden zu können. D i e immer wieder vorgefundene unmittelbare Anwendung auf Realakte kann zu keinen brauchbaren Ergebnissen führen, da eine unmittelbare Anwendung auf eben-
96 GmS-OGB BGHZ 97, 312 (315); BVerwGE 96, 71 (74); BVerwG DÖV 1990, 614 (615); anders Bachof FG BVerwG, S. 16 f., 19 f. 97 Bachof FG BVerwG, S. 15; Wolff/Bachof/Stober, VwR I, § 22 Rn. 27 ff. - Die Versuche, die Theorie dennoch anzuwenden, müssen daher zwangsläufig zu unrichtigen Ergebnissen führen. So will Vollmar, S. 71 f., die modifizierte Subjektstheorie auf das Rechtsverhältnis zwischen Staat und betroffenem Konkurrenten anwenden, die maßgebende Norm aber dem Leistungsverhältnis entnehmen und das Modell über den Verwaltungsakt mit Drittwirkung erklären. Die modifizierte Subjektstheorie kann jedoch nur bei der Bestimmung der Rechtsnatur von Normen helfen, nicht aber Auswirkungen eines normgeleiteten Handelns im Verhältnis zu einem dritten Rechtssubjekt unmittelbar qualifizieren. Wenn das von Vollmar, S. 71, erzielte öffentlich-rechtliche Ergebnis in diesem Fall auch zutrifft, so sind doch zunächst Zuordnungsentscheidungen vorzuschalten. - Nach Pinger, GRUR 1973, 456 (458), ist das Rechtsverhältnis unter Wettbewerbern (bei staatlicher Beteiligung) bei Anwendung sowohl der Subordinationstheorie als auch der modifizierten Subjektstheorie stets privatrechtlicher Natur; dies ergebe sich "aus der Funktion des Wettbewerbsrechts" und der Tatsache, daß Wettbewerbsrecht typisches Recht der Gleichordnung sei. Hier werden erneut unzulässigerweise Theorien auf ein Rechtsverhältnis ohne Normbezug! - angewandt, noch dazu mit der unbewiesenen Prämisse verknüpft, Wettbewerbs recht sei privatrechtlich. Ausgeblendet wird zudem, daß das Wettbewerbsverhältnis nicht nur durch die verhaltenssteuernden Normen des UWG geprägt ist, da die Handlungslegitimierung aus dem Leistungsverhältnis nicht außer acht bleiben darf. Nicht konsequent verfährt auch P.-M. Huber, in: Stober (Hrsg.), Rechtsschutz, S. 59 f., wenn er - zutreffend - bei einem grundrechtlichen Abwehranspruch eine öffentlichrechtliche Streitigkeit annimmt, eine Streitigkeit über § 1 UWG aber den ordentlichen Gerichten zuweisen will. Abgesehen von praktischen Schwierigkeiten, welcher Rechtsweg bei der Geltendmachung von beiden Ansprüchen, die ja grundsätzlich möglich ist, beschritten werden soll, kann die von P.-M. Huber, Konkurrenzschutz, S. 350, angeführte funktionale Konzeption des Wettbewerbsrechts nicht zu einer anderen Rechtswegzuweisung für § 1 UWG führen, da in diesem Fall wieder mit der unbewiesenen Prämisse von der zivilrechtlichen Rechtsnatur des § 1 UWG gearbeitet werden würde. 98
Vgl. nur Ehlers, in: Erichsen (Hrsg.), AllgVerwR, § 2 Rn. 26 ff. ; auch als "neuere Sonderrechtstheorie" bezeichnet, s. Kopp, VwGO, § 40 Rn. 11. 99 Bachof FG BVerwG, S. 20; Ehlers, in: Erichsen (Hrsg.), AllgVerwR, § 2 Rn. 26.
IV. Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
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falls neutrale Handlungen in der Regel zu dem auf einem Zirkelschluß beruhenden Wunschergebnis fuhren wird. Die zu untersuchende Norm (hier: § 1 UWG) muß vielmehr in Beziehung zu der mit dem aus der Norm resultierenden Anspruch angegriffenen Handeln gesetzt werden; denn nur wenn die Anspruchsnorm von ihrer Rechtsfolge her überhaupt eine Untersagungsmöglichkeit gegen gerade dieses Handeln bietet, kann der Anspruch im Ergebnis Erfolg haben und somit der das Rechtsverhältnis prägende Anspruch sein100. Handelt es sich - wie bei wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit häufig - um Realhandeln, so muß wiederum dieses in Beziehung zu einer Norm gebracht werden, wofür regelmäßig das Leistungsverhältnis näher zu untersuchen sein wird 101 . Die Handlungsform sowie die Organisationsform des Verwaltungsträgers sind fur die Bestimmung der Rechtsnatur unerheblich, da die Verwendung von Privatrecht nur die Form des Staatshandelns betrifft und die materiellen Bindungen sowie Pflichten, um die es bei der Untersagung wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit geht, unberührt läßt 102 . Insofern ist - gerade im Hinblick auf die Anwendung der neueren Sonderrechtstheorie - auf die angestrebte Rechtsfolge abzustellen: Soll die Ausübung öffentlicher Gewalt untersagt werden? Damit ist entscheidend, die Norm zwei Bezugspunkten zuzuordnen: Der eine Bezugspunkt lautet: Bezugssubjekt "Staat"103. Es muß also ein Hoheitsträger als solcher verpflichtet werden sollen. Damit einher geht der zweite Bezugspunkt: die angestrebte Rechtsfolge 104. Wenn ein Hoheitsträger "als solcher" verpflichtet werden soll, muß es um die Untersagung von Staatshandeln gehen. Zusätzlich kann hierbei - wenn dies nicht bereits zwecks Qualifizierung des Realhandelns geschehen ist - auf die Prägung des gesamten Rechtsverhältnisses
100
Darauf weist Brohm, NJW 1994, 281 (289), zu Recht deutlich hin. Brohm, NJW 1994, 281 (289); Ehlers, Verwaltung in Privatrechts form, S. 364 Fn. 368; Wolff/Bachof/Stober y VwR 1, § 22 Rn. 45, 52. Dies zeigt erneut, daß Leistungsund Wettbewerb s Verhältnis auf keinen Fall völlig losgelöst voneinander betrachtet werden dürfen, da Zuordnungsentscheidungen dann nicht mehr möglich sind. 102 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 84 f.; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 658. - Es ist bereits oben ausfuhrlich daraufhingewiesen worden, daß der Staat auch als Teilnehmer im Wettbewerb Staat bleibt, mithin all seine Aufgaben und Beschränkungen, die ihm die Verfassung und die sonstige Rechtsordnung auferlegen, erhalten bleiben. 103 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 85; Spieß, SGb. 1984, 56 (58); ähnlich Brackmann, NJW 1982, 84 (84 f.). Bei J. Ipsen/Koch, JuS 1992, 809 (811), als "institutionelles" Definitionsmerkmai bezeichnet. 104 Bettermann, DVB1. 1977, 177 (180); Brohm, NJW 1994, 281 (288); Schellhammer, Zivilprozeß, Rn. 1370; Schenke, VerwProzeßR, Rn. 122; Spieß, SGb. 1984, 56 (58 f.); a.A. Wollmar, S. 48 f. 101
4 7 4 E .
Rechtsweg bei Streitigkeiten im Öffentlichen Wettbewerbsrecht
zurückgegriffen werden, wobei die öffentliche Aufgabe nicht nur Berücksichtigung finden darf, sondern eine durchaus maßgebende Rolle spielt, wenn es um die Bestimmung von Staatshandeln geht. Soll demnach einem Hoheitsträger als solchem ein Verhalten untersagt werden, ist die Norm mit Hilfe der materiellen Subjektstheorie öffentlich-rechtlich qualifiziert. Der das Rechtsverhältnis prägende Anspruch ist also öffentlich-rechtlich; eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S.d. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO liegt vor. Für den mit einem solchen Anspruch verfolgten Eingriff in hoheitliche Tätigkeit sind primär die Verwaltungsgerichte zuständig105; da es um die Legitimation staatlicher Tätigkeit geht, ist es geradezu eine originäre öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Insoweit ist für die Rechtswegbestimmung auch maßgebend, ob ein öffentliches Interesse des Verwaltungsträgers geltend gemacht wird. Es darf damit nicht verkürzend von einer öffentlichen Aufgabe auf eine öffentlichrechtliche Streitigkeit geschlossen werden, da deren (behauptetes) Vorliegen nur eines von mehreren Kriterien ist. Vernachlässigt werden darf sie aber dennoch nicht: Die hinter der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit stehende öffentliche Aufgabe ist keine öffentlich-rechtliche Vorfrage, sondern zentrales Zulässigkeitskriterium im Öffentlichen Wettbewerbsrecht. Nun muß für die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges nicht das tatsächliche Vorliegen der öffentlichen Aufgabe geprüft werden; für diesen Punkt der Zulässigkeitsprüfung genügt es, wenn der beklagte Verwaltungsträger seine öffentlich-rechtliche Legitimation behauptet und sie nicht von vornherein auszuschließen ist - das tatsächliche Bestehen ist dann erst eine Frage der Begründetheit. Faßt man diese Erwägungen zusammen, so gilt für die Rechtswegbestimmung folgendes: Maßgebend ist zunächst, in welchem Rechtsverhältnis der Anspruch wurzelt. Sodann ist die Rechtsnatur des Anspruchs zu bestimmen. Handelt es sich bei der Anspruchsnorm um einen Rechtssatz des neutralen Rechts, ist mit Hilfe der materiell verstandenen Subjektstheorie die Rechtsnatur im Einzelfall zu bestimmen. Entscheidend ist dabei nicht die Handlungs- oder Organisationsform, sondern zwei Bezugspunkte: Bezugssubjekt muß der Staat sein und Bezugsobjekt ein Staatshandeln (Regelfall: Untersagung wird begehrt). Beide Kriterien sind regelmäßig dann erfüllt, wenn es sich um wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit handelt. Als weitere Kriterien kann noch auf das öffentliche Interesse abgestellt werden, das hinter der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit steht, und - insbesondere bei angegriffenen Realakten - auf die Prägung des Leistungsverhältnisses durch öffentlich-rechtliche Normen. Sind beide Bezugspunkte - wie dargestellt - er-
105
sieht.
Soweit ein Gesetz nicht eine ausdrückliche abdrängende Sonderzuweisung vor-
IV. Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
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füllt, soll ein Träger von Staatsgewalt (als solcher) zu der Unterlassung einer Tätigkeit (einseitig) verpflichtet werden, so daß die Kriterien der materiellen Subjektstheorie erfüllt sind und eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit zu bejahen ist.
2. Rechtsstaatliche Erforderlichkeit Ein einheitlicher (Verwaltungs-)Rechtsweg ist schließlich auch eine Forderung, die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und Art. 19 Abs. 4 GG herleiten läßt. Ausgangspunkt dieser Überlegung ist der Gedanke, daß Rechtsschutzgewährung eine "verfassungselementare Staatsaufgabe" ist 106 , die verfassungsrechtlich in Art. 19 Abs. 4 sowie Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip festzumachen ist 107 . Insoweit bestehen noch keine Bedenken gegen den ordentlichen Rechtsweg, da Zivil- und Verwaltungsrechtsweg prinzipiell gleichwertig sind 108 . Das Gebot effektiven Rechtsschutzes109 zwingt aber zu einer differenzierten Betrachtung: Dieses verlangt eine "möglichst sachlich vollständige, verfahrensmäßig sicher zu erreichende und resultatbezbgen wirkungsvolle Zielguterbringung" 110. Sachliche Vollständigkeit und eine - aus der Sicht des Rechtsschutzsuchenden - ergebnisorientierte Effektivität gebieten es aber geradezu, Streitigkeiten über wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit vor den Verwaltungsgerichten auszutragen. Der Rechtsstreit kann nur vollständig und damit schon aus diesem Grund effektiv entschieden werden, wenn rechtlich verbindlich über die Zulässigkeit der in Rede stehenden wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit geurteilt wird, m.a. W. eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Tätigkeit am Ende des Verfahrens steht, die der Rechtskraft fähig ist. Nur so kann einem Verwaltungsträger effektiv, weil rechtlich verbindlich, ein bestimmtes Tätigwerden untersagt werden. Effektivität bedeutet aus Sicht des Rechtsschutz nachfragenden privaten Unternehmers als Kläger eben auch, daß er rechtlich verbindlich nicht mehr mit der angegriffenen staatlichen Tätigkeit zu rechnen braucht. Denn ist die zentrale öffentlich-rechtliche Frage nach der Zulässigkeit des Verwaltungshandelns lediglich Gegenstand einer "Vorfrage", so kann diese zwar für den konkreten Rechtsstreit vom ordentlichen Gericht bewertet, nicht aber rechtskräf-
106
Schmidt-Jortzig, NJW 1994, 2569 (2571). BVerfGE 80, 103 (107); 81, 347 (356); 85, 337 (345); 88, 118 (123). 108 BVerwG DÖV 1990, 977 (978); Grämlich, in: Stober (Hrsg.), Rechtsschutz, S. 275; Kissel , GVG, § 17 Rn. 2. 109 Dieses folgt ebenfalls aus der Verfassung und geht über bloße Justizgewährleistung hinaus; BVerfGE 88, 118 (123); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 1092; Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR I, § 24 Rn. 74; Schmidt-Jortzig, NJW 1994, 2569 (2572). 1,0 Schmidt-Jortzig, NJW 1994, 2569 (2572). 107
4 7 6 E .
Rechtsweg bei Streitigkeiten im Öffentlichen Wettbewerbsrecht
tig entschieden werden 111. Somit unterstreicht die Effektivität des Rechtsschutzes, die als Forderung aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet werden kann, eine Zuweisung zu der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dem versucht die Zivilgerichtsbarkeit zu begegnen, indem darauf hingewiesen wird, daß eine Beurteilung wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit durch die ordentlichen Gerichte vermeide, die Rechtswegfrage je nach der prozessualen Stellung der öffentlichen Hand als Kläger oder Beklagter unterschiedlich zu beurteilen 1,2. Dieses Argument ist jedoch vordergründig; zu Recht ist auf die Möglichkeit einer Feststellungsklage durch den Verwaltungsträger zwecks Kontrolle seines eigenen Handelns hingewiesen worden 113, deren Zuweisung in den Verwaltungsrechtsweg wohl niemand ernstlich bezweifeln wird. Die unerwünschte Rechtswegspaltung läßt sich bei der Vorgehensweise des Bundesgerichtshofs überhaupt nicht vermeiden, führt vielmehr zu der erst recht unerwünschten Konsequenz, daß die Ordnungsgemäßheit des Rechtswegs primär nach der schnellsten Klageerhebung beurteilt werden muß114. Die Einheitlichkeit des Rechtswegs darf nicht im Sinne einer gleichmachenden, quantitativ zu beurteilenden Entscheidungskompetenz mißverstanden werden 115 . Die Einheitlichkeit des Rechtswegs darf nur soweit maßgebend sein, als sie im Sinne einer qualitativen Vervollkommnung zu verstehen ist 116 . Grundanliegen muß dabei die "Einheit des Rechts unter dem Aspekt unterschiedlicher Rechtswege" sein. Dieses Anliegen ist aber mit dem verfassungsrechtlich ebenfalls legitimen Anliegen in Einklang zu bringen, mit Hilfe einer "Spezialisierung" in verschiedenen Rechtswegen die bestmögliche Normanwendung für das zur Beurteilung anstehende Rechtsverhältnis zu bekommen, um eine möglichst hohe Qualität des "Endproduktes", des Rechtsschutzes, zu erreichen 117. Angesichts der Befassungskompetenz der Verwaltungsgerichte mit Staatshandeln und den dafür maßgeblichen öffentlichen Interessen spricht auch dieser Gesichtspunkt für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
111
Dies ist einhellige Meinung: BGHZ 66, 229 (238); 67, 81 (88); Kopp, VwGO, § 40 Rn. 43. Zu diesem Gesichtspunkt bereits oben unter E III 5. 112 BGHZ 66, 229 (236). 113 Peters, ZfS 1980, 474 (491); Spieß, SGb. 1984, 56 (58). Beispiel: BSG SGb. 1986, 570 ff. 1,4 Spieß, SGb. 1984, 56 (58). 115 In diese Richtung geht aber deutlich die auf "Prozeßökonomie" abzielende Argumentation von Pinger, GRUR 1973, 456 (459). 116 Hierzu und zum folgenden Schmidt-Jortzig, NJW 1994, 2569 (2572 f.). 117 Hier spielt der Gesichtspunkt der Sachkunde und Sachnähe des Spruchkörpers eine Rolle; s. dazu unter E III 6.
IV. Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
477
Zieht man einen weiteren rechtsstaatlichen Gesichtspunkt heran, so wird die Unabweisbarkeit einer verwaltungsgerichtlichen Befassung noch deutlicher: Eine rechtsstaatliche Ordnung verlangt als unabdingbare Anforderung auch die Klarheit und Bestimmtheit von Rechtswegvorschriften im Rahmen dessen, was generell-abstrakter Regelung praktisch möglich ist 118 . Zu dieser Klarheit gehört dann auch, daß der Bürger bei dem Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit um die Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit auf die Zuweisung des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO vertrauen darf. Eine "absolute" Einheitlichkeit läßt sich wegen der - mit Staat oder unterstaatlichen Verwaltungsträgern und Privaten heterogenen - Beteiligten und ihrer unterschiedlichen Legitimation nicht erzielen. Eine Rechtswegaufspaltung je nachdem, wer der Wettbewerber ist, dem ein Verhalten untersagt werden soll, kann nicht nur hingenommen werden, sondern ist durchaus sachlich gewichtig gerechtfertigt. Handelt der Staat im Wettbewerb, so findet das im Rahmen dieser Untersuchung herausgearbeitete Öffentliche Wettbewerbsrecht Anwendung, für dessen Beurteilung der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, weil im Ergebnis Staatshandeln untersagt werden soll. Begehrt hingegen eine staatliche Einheit die Unterlassung der Wettbewerbshandlung eines Privaten, so ist der ordentliche Rechtsweg einschlägig119, weil zum einen Privathandeln untersagt werden soll und zum anderen auf den Privaten nur das privatrechtliche Wettbewerbsrecht angewandt werden kann120.
1,8 BVerfGE 57, 9 (22); Schmidt-Jortzig, NJW 1994, 2569 (2573). Dieser Gedanke wird auch von GmS-OGB BVerwGE 37, 369 (372), und BVerwGE 58, 167 (170), angeführt. 119 Zutreffend daher BGHZ 37, 1 (17); BGH GRUR 1971, 168 (169); GRUR 1977, 543 (545); NJW 1995, 2295 ff.; Köhler/Piper, UWG, § 1 Rn. 211. 120 Anderes kann nur gelten, wenn der Private besonderen öffentlich-rechtlichen Bindungen unterliegt.
F. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse in Thesen 1. Wirtschaftliche Tätigkeit des Staates meint die eigene Teilnahme des Staates oder seiner Untergliederungen am Wettbewerb auf einem Markt als Anbieter. Sie erfolgt insbesondere durch öffentliche Unternehmen. 2. Der Begriff des öffentlichen Unternehmens ist bis heute ungeklärt. Zugrunde zu legen ist ein funktionaler Unternehmensbegriff, der die spezifisch ökonomische Handlungseinheit als Bezugspunkt einer entsprechenden sozialen Verhaltensweise der Produktion von Gütern und Dienstleistungen, des tatsächlichen Wirtschaftens beschreibt. "Öffentlich" definiert dann die Person des Unternehmers bzw. die Eigentumsverhältnisse an dieser ökonomischen Handlungseinheit. 3. Weder die Begriffsdefinition noch die phänotypische Betrachtung der einzelnen Erscheinungsformen öffentlicher Unternehmen lassen spezifische verhaltensrechtliche Grenzen erkennen. 4. Staatliche Wettbewerbsingerenz findet in erheblichem Umfang durch Maßnahmen der sog. Wirtschaftslenkung statt. Darunter fallen alle Maßnahmen, durch die auf den wirtschaftlichen Prozeß eingewirkt werden soll, um einen erwünschten Zustand oder Ablauf des Wirtschaftslebens herzustellen oder zu erhalten. 5. Wirtschaftliche Tätigkeit und Wirtschaftslenkung lassen sich anhand von deskriptiven Ziel Vorstellungen, der Rechts- und Handlungsformen oder der Struktur der Maßnahmen nicht voneinander abgrenzen. 6. Um die mögliche Rechtsbetroffenheit des Bürgers durch beide Kategorien des Staatshandelns untersuchen und vergleichen zu können, bedarf es eines einheitlichen Maßstabes, den die Grundrechte liefern. Die Auslegung von Art. 1 Abs. 3 GG ergibt dabei, daß die Grundrechte umfassend jegliches Staats- bzw. Verwaltungshandeln erfassen. 7. Beide Kategorien von Staatshandeln sind auch geeignet, die gleiche Rechtsbetroffenheit bei dem Bürger auszulösen. 8. Eine trennscharfe Abgrenzung von wirtschaftlicher Tätigkeit und Wirtschaftslenkung ist nicht möglich. Der Untersuchungsgegenstand umfaßt daher beide Kategorien von Staatshandeln, die als wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit bezeichnet werden können.
F. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse in Thesen
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9. Wettbewerbsrelevante Staatstatigkeit ist demzufolge jede Ingerenz des Staates selbst, eines unterstaatlichen Verwaltungsträgers oder eines sonstigen Trägers hoheitlicher Gewalt in einen wirtschaftlichen Markt - unabhängig von der Rechts- oder Handlungsform des staatlichen Akteurs. 10. Legt man eine formell-phänotypische Betrachtungsweise wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit zugrunde, so ergeben sich insgesamt sieben verschiedene Wettbewerbsverhältnisse mit staatlicher Beteiligung. 11. Die Erfassung in Wettbewerbsverhältnissen hat allein deskriptive Funktion. Vorgaben einer Rechtsverhältnislehre sind nicht zu beachten. Im Mittelpunkt des Wettbewerbsverhältnisses steht vielmehr das subjektive öffentliche Recht des betroffenen Marktteilnehmers, mit dem dieser einen Unterlassungsanspruch gegen den Staat geltend machen kann und das die eigentliche verhaltensrechtliche Grenze fur den wettbewerbsrelevant tätigen Staat bildet. 12. Bei der Frage nach der generellen Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit sind eventuell bestehende Vorgaben einer Wirtschaftsverfassung zu beachten. 13. Die vom Bundesverfassungsgericht vertretene These der wirtschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes verdient Zustimmung, wenn man sie dahin gehend versteht, daß das Grundgesetz kein geschlossenes Wirtschaftssystem im Sinne einer bestimmten Lehrmeinung vorgibt, dafür aber die durchaus vorhandenen Einzelaussagen des Grundgesetzes zur Wirtschaft zu beachten sind. 14. An diesem Befund hat auch der Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion mit der ehemaligen DDR nichts zu ändern vermocht. 15. Wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit ist demnach in jedem Einzelfall an der einschlägigen grundgesetzlichen Aussage zu überprüfen. 16. Ein allgemeines Subsidiaritätsprinzip, aus dem sich die generelle Unzulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit ergeben könnte, ist dem Grundgesetz fremd. 17. Dem Rechtsstaatsprinzip als solchem läßt sich aufgrund seiner Vielschichtigkeit und generellen Zielrichtung keine Aussage zur Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit entnehmen. 18. Das ebenfalls sehr unbestimmte Sozialstaatsprinzip trifft angesichts seiner primären Bedeutung als Auftragsnorm an den Gesetzgeber keine deutliche Aussage über die Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit, doch läßt sich diesem die Erlaubnis für wettbewerbsrelevante Aktivitäten des Staates als Mittel zur Erfüllung des sozialstaatlichen Zwecks entnehmen.
F. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse in Thesen
19. Die wettbewerbsrelevante Staatstatigkeit der Gemeinden findet ihre kompetentielle Legitimation in Art. 28 Abs. 2 GG. Als unmittelbare Ermächtigungsgrundlage fur Grundrechtseingriffe scheidet die kommunale Selbstverwaltungsgarantie aber regelmäßig aus. 20. Die Verwaltungskompetenzen der Art. 30, 83 ff. GG gelten auch fur wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit. Art. 30 GG enthält keine materielle Kompetenzaussage und hat insbesondere Bedeutung fur die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit des Bundes. Die Art. 83 ff. GG enthalten eine Reihe materieller Verwaltungskompetenzen fur den Bund und damit Aussagen über die Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit. 21. Aussagen zur Zulässigkeit wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit lassen sich auch den Art. 70 ff., 88, 91 a, 109 Abs. 2, 110 Abs. 1, 130, 133, 134, 135 GG entnehmen. 22. Die Grundrechte betroffener Bürger begrenzen die wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit im Einzelfall; ein generelles Verbot im Sinne eines Subsidiaritätsprinzips stellen sie nicht auf. Umgekehrt kann der Staat keine eigene Legitimation für seine wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit aus den Grundrechten herleiten, auch nicht aus Art. 15 GG. Diese Aussage gilt auch für gemischt-wirtschaftliche Unternehmen. 23. Aus der notwendigen Verpflichtung des Verfassungsstaates auf das Gemeinwohl folgt ein Legitimationsbedürfhis jeglichen staatlichen Handelns, und damit auch wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit, aus einem öffentlichen Interesse. Es genügt aber ein mittelbares öffentliches Interesse. 24. Bezeichnet die Wirtschaftsfreiheit des Staates die Legitimation zu wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit, kann mit staatlicher Wettbewerbsfreiheit diejenige rechtliche Stellung verstanden werden, die dem Staat bei einer konkret zu beurteilenden Verhaltensweise im Wettbewerb zukommt. Sie bestimmt sich nach den verhaltensrechtlichen Grenzen, die dem Staat bei seiner wettbewerbsrelevanten Tätigkeit zu ziehen sind. 25. Der Wettbewerb als Institution bildet keine solche Grenze, da er als statisches Institut nicht faßbar ist. Wettbewerb ist - aus rechtlicher Sicht - vielmehr die konkurrierende Grundrechtsausübung bzw. Kompetenzbetätigung der Marktteilnehmer. Rechtlich geschützt ist daher nur die Wettbewerbsstellung des einzelnen Marktteilnehmers. Aus der Summe dieser Einzelabsicherungen folgt dann auch ein Institutionsschutz. 26. Maßgebendes Verhaltensrecht sind zunächst einmal die Grundrechte, vor allem die in Art. 12 Abs. 1 GG zu verortende private Wettbewerbsfreiheit. Bedeutung erlangen auch Art. 14 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG.
F. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse in Thesen
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27. Zur Auslösung des grundrechtlichen Schutzes ist ein Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts erforderlich. Die komplette Erfassung wettbewerbsrelevanter Staatstatigkeit durch die Grundrechte verlangt einen neuen Eingriffsbegriff. 28. Eingriff ist jedes staatliche Verhalten, das in zurechenbarer Weise ein durch einen grundrechtlichen Schutzbereich erfaßtes Verhalten beeinträchtigt, sofern es von einer gewissen, eine Bagatellgrenze überschreitenden Intensität ist. 29. Trotz des neuen Eingriffsbegriffes bleibt es bei der überwiegend anerkannten Auffassung, daß mit der Feststellung eines Eingriffs in den Schutzbereich eines Grundrechts der grundrechtliche Gesetzesvorbehalt ausgelöst wird. 30. Angesichts der Weite des neuen Eingriffsbegriffes muß das Schwergewicht der Prüfung auf einer Rechtfertigung des staatlichen Verhaltens liegen. Probleme bereitet die Existenz diesem Gesetzesvorbehalt genügender Eingriffsermächtigungen. Haushaltsgesetz/-plan, Aufgabenzuweisungsnormen, grundrechtliche Schutzpflichten oder die Figur der Randnutzung genügen diesen Anforderungen nicht. 31. Die Erweiterung des Eingriffsbegriffes und die aufrechterhaltene Verknüpfung mit der Auslösung des Gesetzesvorbehaltes müssen konsequenterweise auch bei den Anforderungen an eine hinreichende Rechtsgrundlage berücksichtigt werden, da die Normstruktur unter der Herrschaft des klassischen Eingriffsbegriffes maßgebend durch die Eingriffsstruktur bestimmt wurde. Da Eingriffsstruktur und Vorhersehbarkeit sich nicht mehr in dem Maße wie bei dem klassischen Eingriffsbegriff in der Rechtsgrundlage umsetzen lassen, bedürfen die Anforderungen an die Bestimmtheit der Norm (Regelungsdichte) der Modifizierung. 32. Eine den neuartigen Anforderungen genügende Rechtsgrundlage muß verstärkt Vorhersehbarkeit und Intensität der Auswirkungen der staatlichen Maßnahme berücksichtigen. Die Norm muß weiterhin die Voraussetzungen für das staatliche Tätigwerden regeln, den öffentlichen Zweck erkennen lassen und eine Rechtsfolge aussprechen, die zulässige Auswirkungen der erlaubten Maßnahmen verdeutlicht. Die Bestimmtheitsanforderungen variieren dabei je nach Vorhersehbarkeit und Intensität der Auswirkungen. 33. Da derartige Rechtsgrundlagen noch nicht in ausreichender Zahl vorhanden sind, kann für eine Übergangszeit eine Rechtfertigung der wettbewerbsrelevanten Staatstätigkeit nach den Grundsätzen der unechten Grundrechtskollision durch Herstellung praktischer Konkordanz unmittelbar zwischen der kollidierenden staatlichen Wirtschaftsfreiheit und der grundrechtlich geschützten privaten Wettbewerbsfreiheit vorgenommen werden.
31 Schliesky
F. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnissein Thesen
34. Weitergehende Anforderungen aus einem anderweitig abgeleiteten Gesetzesvorbehalt bestehen nicht. 35. Als einfachgesetzliche Verhaltensgrenzen fur wettbewerbsrelevante Staatstatigkeit kommen insbesondere das UWG und das GWB in Betracht. 36. Das UWG ist auf wettbewerbsrelevante Staatstatigkeit anwendbar. Die diesbezügliche Begründung des Bundesgerichtshofs vermag aber nicht zu überzeugen. Insbesondere die strikte Trennung von Wettbewerbs- und Leistungsverhältnis sowie - zumindest verbal - von "Ob" und "Wie" wettbewerbsrelevanter Staatstatigkeit kann nicht überzeugen. Die These von der Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen beruht auf falschen Zuordnungsentscheidungen und ist nicht haltbar. 37. § 1 UWG gehört zum Bereich des neutralen Rechts, dessen Rechtsnatur sich nur im jeweiligen Einzelfall und Sachzusammenhang bestimmen läßt. 38. § 1 UWG ist bei der Anwendung auf wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit öffentlich-rechtlich zu qualifzieren und stellt sich als einfachgesetzliche Konkretisierung der verfassungsrechtlich garantierten Wettbewerbsfreiheit dar. 39. Eine Überprüfung der einzelnen Tatbestandsmerkmale von § 1 UWG anhand der herausgearbeiteten Wettbewerbsverhältnisse bei wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit zeigt, daß grundsätzlich auch die als Erkenntnishilfe in der Praxis entwickelten Fallgruppen zum Sittenwidrigkeitsmaßstab in § 1 UWG auf wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit anwendbar sind. 40. Die Besonderheiten wettbewerbsrelevanter Staatstätigkeit im Vergleich zu privatem Handeln im Wettbewerb bedingen aber einige die staatliche Wirtschaftsfreiheit berücksichtigende Modifizierungen. So muß die Sittenwidrigkeit als wettbewerbsspezifische Rechtswidrigkeit durch eine Abwägung zwischen staatlicher und privater Wettbewerbsfreiheit ermittelt werden. 41. Aus diesen Besonderheiten ergibt sich auch eine neue Fallgruppe: das Zurücktreten des öffentlichen Interesses. Diese ist vorrangig zu überprüfen: Fehlt es dem staatlichen Akteur an einer Legitimation durch eine entsprechende Wirtschaftsfreiheit oder tritt eine vorhandene deutlich hinter der privaten Wettbewerbsfreiheit zurück, so bedarf es der anderen Fallgruppen nicht. 42. Bei der Fallgruppe "Vorsprung durch Rechtsbruch" ist nicht jeder Rechtsverstoß sittenwidrigkeitsbegründend. Ein Verstoß gegen eine Vorschrift ist hier nur dann beachtlich, wenn sie Ausdruck der "par condicio concurrentium", mithin für alle Wettbewerber gleichermaßen gültig ist. 43. Auch das GWB ist als Teil des Öffentlichen Wettbewerbsrechts auf wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit anwendbar. Überschneidungen zum UWG sind
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möglich. § 1 UWG ist angesichts seiner größeren Tatbestandsweite als verhaltensrechtliche Grenze wertvoller. 44. Weitere, regelmäßig aber nicht so effektive Verhaltensgrenzen ergeben sich aus dem Haushaltsrecht und - fur die Kommunen - aus dem Gemeindewirtschaftsrecht. 45. Die in allen Gemeindeordnungen anzutreffenden Voraussetzungen fur die Zulässigkeit wirtschaftlicher Unternehmen vermitteln privaten Konkurrenten keinen Drittschutz. 46. Aufgrund inkongruenter Regelungsbereiche sind § 1 UWG und die kommunalrechtliche Wirtschaftsklausel nebeneinander anwendbar. 47. Eine Situationsaufnahme bietet ein nur schwer zu durchschauendes Rechtswegdurcheinander bei Streitigkeiten um wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit. 48. Die Argumentation der Zivilgerichte ist angreifbar und beruht auf zweifelhaften Prämissen: Leistungs- und Wettbewerbsverhältnis werden unnatürlich auseinandergerissen, die Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen wird konstruiert, die Subjektionstheorie wird fehlerhaft angewandt, der Untersagung von Staatshandeln wird keinerlei Bedeutung zugemessen, die den Rechtsstreit prägende öffentlich-rechtliche Frage nach der Wirtschafts- oder Wettbewerbsfreiheit des Staates wird zur bloßen Vorfrage degradiert, und eine größere Sachkunde und Sachnähe der Zivilgerichte wird teilweise anderslautenden gesetzgeberischen Entscheidungen zuwider behauptet. 49. Eine dogmatisch saubere Herleitung unter Verwendung der neueren Sonderrechtstheorie ergibt eine Zuweisung von Streitigkeiten um wettbewerbsrelevante Staatstätigkeit an die allgemeinen oder besonderen Verwaltungsgerichte. Die einheitliche Befassung der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit dieser Form von Staatshandeln ist auch unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten geboten, da nur so effektiver Rechtsschutz, ein einheitlicher Rechtsweg im Sinne qualitativer Vervollkommnung sowie Klarheit und Bestimmtheit von Rechtswegvorschriften gewährleistet werden. 50. Ist der Staat Kläger, so bleibt es bei dem Zivilrechtsweg. Diese partielle Rechtswegaufspaltung - je nachdem, ob der Staat Kläger oder Beklagter ist paßt sich in das bestehende Rechtsschutzsystem ein und kann hingenommen werden.
Anhang I
Gemeinsame Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung vom 3. November 1994
Anhang I
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Wettbewerbsgrundsätze I. Ausgangslage 1 In der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte, Versicherungspflichtige oder Versicherungsberechtigte können ab 1996 frei wählen, welcher Krankenkasse sie angehören wollen. Dies fuhrt zu einem verstärkten Wettbewerb der Krankenkassen um Mitglieder. 2 Der Wettbewerb der Krankenkassen ist jedoch nicht auf die Mitgliedergewinnung beschränkt. Wettbewerbs felder der Krankenkassen sind vielmehr insbesondere Innovations·, Beitragssatz- und Servicewettbewerb sowie Vertrags Wettbewerb um Vergütungsabschlüsse. 3 Möglichkeiten zur Gestaltung und mithin Wettbewerb liehe Auswirkungen ergeben sich auch auf dem Gebiet der allgemeinen Aufklärung (§13 SGB I) sowie auf dem Gebiet der Prävention (§ 20 SGB V). 4 Den Krankenkassen muß einerseits grundsätzlich die Möglichkeit offenstehen, sich und ihre Aktivitäten den potentiellen Versicherten darzustellen. Dabei haben sie die allgemeinen Wertmaßstäbe der § § 1 , 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb zu beachten, d.h., die Werbung der Krankenkasse darf weder sittenwidrig noch unwahr sein (vgl. BSGE 56, 140 ff., 144). 5 Andererseits sind die Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung im Wettbewerb untereinanderbesonderen Bedingungen unterworfen, die über jene des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb hinausgehen, da - ihre Ausgaben durch Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber finanziert werden, - sie gesetzlich zu sparsamer und wirtschaftlicher Mittelverwendung verpfliehtet sind, - ihr Wettbewerb ihrem sozialen Auftrag angemessen sein muß. 6 Die Wettbewerb liehen Aktivitäten der Krankenkassen und ihrer Verbände haben sich daher nach folgenden Grundsätzen zu richten:
II. Allgemeine Werbemaßnahmen 1. Definition 7 Maßnahmen, die auf Gewinnen und Halten von Mitgliedern gerichtet sind und die weder der Leistungserbringung noch der allgemeinen oder präventiven Aufklärung dienen, sind allgemeine Werbemaßnahmen.
2. Inhalt und Art 8 Die allgemeine Werbemaßnahme darf sich nicht auf eine Reklame beschränken, die lediglich auf den Namen der Kasse hinweist, sondern muß vielmehr einen sachlichen Informationsgehalt über den Auftrag der gesetzlichen Krankenversicherung aufweisen.
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Anhang I Die Werbung kann die Besonderheiten der Versicherung bei der Krankenkasse herausstellen. Es ist jedoch darauf zu achten, daß nur durch eine sachliche Darstellung der eigenen Besonderheiten aufgeklärt wird.
9 Gegenüberstellungen/Vergleichevon Beiträgen und Leistungen unter konkreter Benennung anderer Krankenkassen dürfen nicht verwendet oder verbreitet werden. 10 Negative Behauptungen über andere Krankenkassen sind zu unterlassen. Dies sind insbesondere negative Bemerkungen oder Vergleiche, die geeignet sind, die Verhältnisse bei anderen Kassen diskriminierend oder diffamierend darzustellen. 11 Bei Auskunftsverlangen und im Abwehrvergleich können im Einzelfall Vergleiche mit Tatsachenbehauptungen oder Werturteilen vorgenommen werden, soweit sich die Angaben in den Grenzen des Erforderlichen und der wahrheitsgemäßen und sachlich richtigen Darstellung halten. 12 Die Werbemaßnahmen dürfen keinen belästigenden Charakter haben. 13 Hausbesuche bei potentiellen oder zu haltenden Mitgliedern sind zulässig, sofern sie vorher vereinbart oder - unter Terminnennung - schriftlich angekündigt werden.
3. Mittel 14 Als Mittel allgemeiner Werbemaßnahmen kommen grundsätzlich alle zur Verfügung stehenden Medien in Betracht. Folgende Einschränkungen sind jedoch zu beachten: 15 - Es muß sichergestellt sein, daß durch das gewählte Mittel eine Sachinformation transportiert wird. 16 - Die Werbung hat in einer Form zu erfolgen, die einer öffentlich-rechtlichen Institution angemessen ist. 17 - Bei den Ausgaben für allgemeine Werbemaßnahmen ist das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. In der Regel ist dieser Grundsatz gewahrt, solange die jährlichen Ausgaben der einzelnen Krankenkasse für allgemeine Werbemaßnahmen - einschließlich der entsprechend auszuweisenden Verbandsbeitragsanteile - 0,15 % der monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 SGB IV je Mitglied nicht überschreiten. 18 - Das Verteilen von Werbegeschenken mit einem Wert über 0,2 % der monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 SGB IV ist nicht zulässig. 19 - Preisausschreiben sind nur zulässig, wenn ihr Inhalt einen Bezug zur Krankenversicherung aufweist und die Preise sich im Rahmen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit halten. Die ausgelobten Preise müssen darauf ausgerichtet sein, die Teilnehmer zu gesundheitsfördernden Aktivitäten zu veranlassen.
Anhang I
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III. Aufklärung nach § 13 SGB I 20 Die Krankenkassen sind verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über die Rechte und Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch aufzuklären (vgl. § 13 SGB
I). 21 Zu fördern sind Maßnahmen, mit denen mehr Menschen in die Lage versetzt werden, Rechte und Pflichten aus dem Sozialgesetzbuch zu erkennen und wahrzunehmen. Den Krankenkassen ist es daher z.B. gestattet, über Mitgliedschafts- und Versicherungsrechte, Beitragspflichten und Zugangsmöglichkeiten zur Versicherung zu informieren. Die ausführliche Darstellung von Rechten und Pflichten aus anderen Sozialleistungsbereichen ist statthaft, soweit Schnittstellen mit der Krankenversicherung bestehen; die Verpflichtung zu weitergehenden Auskünften an den einzelnen Bürger nach § 15 SGB I bleibt unberührt. 22 Die Aufklärungsmaßnahme kann als Nebeneffekt auch Werbecharakter für die Krankenkassen haben. Im Vordergrund muß jedoch eindeutig die Vermittlung einer Sachinformation stehen.
IV. Gesundheitsförderung und Krankheitsverhütung 1. Aufklärung und Beratung (§ 20 Abs. 1 Satz 1 SGB V) 23 Die Krankenkassen haben nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB V über Gesundheitsgefahrdungen und über die Verhütung von Krankheiten aufzuklären. Die Aufklärungsmaßnahmen haben sich an die Versicherten der jeweiligen Krankenkasse zu richten. 24 Richten sich Aufklärungsmaßnahmen der Natur der Sache nach an weitere Personenkreise, sind sie lediglich als allgemeine Werbemaßnahme oder Aufklärung nach § 13 SGB I zulässig. Soweit keine Umgehung von Satz 1 erfolgt, gilt dies nicht fur Mitgliedsbeiträge und mitgliederbezogene Umlagen an Landesarbeitsgemeinschaften der Gesundheitsförderung bzw. -erziehung und kommunale Arbeitsgemeinschaften, mit denen Maßnahmen der Gesundheitsförderung gem. § 20 Abs. 1 SGB V finanziert werden.
2. Gesundheitsförderung (§ 20 Abs. 3 SGB V) 25 Im Rahmen des § 20 Abs. 3 SGB V können die Krankenkassen in der Satzung Ermessensleistungen zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit und zur Verhütung von Krankenkassen vorsehen (z.B. Maßnahmengegen Bewegungsmangel, Kursprogramme gegen bestimmte Risikofaktoren, Ernährungsberatung). 26 Bei der Gewährung von Leistungen nach § 20 Abs. 3 SGB V ist folgendes zu beachten: Die Maßnahme muß - in den Zuständigkeitsbereich der Krankenversicherung fallen, - bei entsprechender Mitarbeit des Versicherten geneigt sein, seine Gesundheit zu fördern, zu erhalten oder Krankheiten bei ihm zu verhüten,
490
Anhang I
- einen unmittelbaren gesundheitlichen Bezug aufweisen. 27 Darüber hinaus sollten die Maßnahmen - zielgruppenorientierte Hilfen beim Abbau gesundheitsschädlichen und dem Erwerb gesundheitsgerechten individuellen Verhaltens leisten, - auf eine dauerhafte Änderung dieser Verhaltensweisen hinwirken, - dem Versicherten geeignete Hilfeleistungen bieten, das Erlernte unter Alltagsbedingungen zu praktizieren, - von qualifizierten Fachkräften durchgeführt werden, - einer Qualitätsprüfung zugänglich sein, - wissenschaftlich abgesichert und praktisch bewährt sein. 28 Unabhängig von der Erfüllung dieser Voraussetzungen fallen jedoch folgende Aktivitäten nicht in den Leistungskatalog des § 20 Abs. 3 SGB V: - Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten des täglichen Lebens, - Veranstaltung oder Unterstützung sportlicher Aktivitäten, es sei denn, präventive Elemente stehen im Vordergrund. 29 Die Krankenkassen haben ein Konzept aufzustellen, den Zeit- und Finanzrahmen festzulegen sowie die erforderlichen Mittel im Haushaltsplan auszuweisen. 30 Sie haben die Effektivität und Effizienz ihrer Gesundheitsförderungsmaßnahmen regelmäßig (insbesondere durch Überprüfung der Inhalte und Dauer der Veranstaltungen, Erfragung der Resonanz bei den Teilnehmern, Überwachung der Teilnehmerzahl, Teilnehmerkreis, Ergebniserfassung) zu kontrollieren (Erfolgskontrolle) und die Ergebnisse ebenso wie die Aufwendungen (Personal- und Sachkosten) zu dokumentieren. 31 Die Krankenkassen können auf die Leistungen aufmerksam machen. Sie dürfen sie indes lediglich ihren Versicherten gewähren. Nicht bei ihnen versicherte Personen dürfen nur dann an von ihnen organisierten und finanzierten Maßnahmen zur Gesundheitsförderung teilnehmen, wenn sie ein kostendeckendes Entgelt entrichten. Auf die Erhebung des Entgelts kann nur verzichtet werden, wenn dieses nicht mehr als 0,2 % der monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 SGB IV beträgt.
V. Leistungsgewährung und Beitragseinstufung 32 Den Krankenkassen ist es auch aus Wettbewerbsgründen nicht gestattet, Leistungen zu gewähren oder Beitragseinstufungen vorzunehmen, die über den gesetzlichen Rahmen hinausgehen.
Anhang I
491
VI. Verhalten der Krankenkassen 1. Verhalten intern 33 Mitarbeitern der Krankenkassen, die hauptamtlich Mitglieder zu werben haben, darf kein über die Dienstbezüge/Vergütung sowie die Reisekosten Vergütung hinausgehendes Entgelt gezahlt werden. Die jeweils geltenden dienst- und tarifrechtlichen Regelungen über Mehrarbeit/Überstunden bleiben unberührt. 34 Mitarbeitern, die im Rahmen einer Nebentätigkeit außerhalb der Dienst- oder Arbeitszeit Mitglieder werben, darf zusätzlich zu etwaigen Reisekosten Vergütungen eine angemessene Aufwandsentschädigung gewährt werden. 35 Eine entsprechende Aufwandsentschädigung kann auch Versicherten gewährt werden, die neue Mitglieder werben.
2. Verhalten untereinander 36 Die Krankenkassen können auf die Möglichkeit eines Austritts sowie auf die bei einem Austritt aus einer anderen Krankenkasse einzuhaltende Frist und Form hinweisen. 37 Kündigungshilfen, die nach den allgemeinen Grundsätzen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb rechtswidrig sind, sind zu unterlassen. 38 Eine solche unzulässige Kündigungshilfe liegt vor, wenn die gewährte Unterstützung sich als eine über die Aufklärung hinausgehende, die Beendigung der aktuellen Mitgliedschaft konkret fordernde Aktivität darstellt. 39 Daher ist eine Kündigungsunterstützung der Krankenkassen durch Überlassung oder Verwendung vorgedruckter, vorgefertigter bzw. vor- oder nachdatierter Kündigungsschreiben oder solcher mit offenen Daten nicht gestattet. 40 Die Krankenkassen dürfen sich auch nicht zur Abgabe von Kündigungserklärungen bevollmächtigen lassen.
3. Verhalten gegenüber Dritten 41 Die Autorität Dritter (Unternehmen, Behörden etc.) darf nicht zur Werbung eingesetzt werden. Damit soll sichergestellt werden, daß durch Dritte kein unzulässiger Druck auf potentielle Mitglieder bei der Kassenwahl ausgeübt wird. 42 Unzulässiger Einsatz der Autorität Dritter liegt dann vor, wenn damit zugunsten einer bestimmten Krankenkasse mißbräuchlich oder täuschend Einfluß genommen und insbesondere die freie Kassenwahl unterlaufen wird. Dagegen ist die Inanspruchnahme der Kompetenz Dritter zulässig, falls das potentielle Mitglied einen Informationsbedarf besitzt, den der Dritte sachlich korrekt und neutral befriedigen kann.
492
Anhang I
4. Datenschutz 43 Bei allen Werbeaktivitäten haben die Krankenkassen die für sie jeweils geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen strikt einzuhalten. 44 Es ist insbesondere unzulässig, Adressatenmaterial für Werbung und Aufklärung entgegenzunehmen und zu verwenden, das unter Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen offenbart wurde. Um einen Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen auszuschließen, sind die Krankenkassen verpflichtet, jedem Verdacht nachzugehen, der auf die unrechtmäßige Weitergabe oder Erlangung hindeutet. Erst wenn sich dieser Verdacht nicht erhärtet oder bestätigt hat - was zu dokumentieren ist - , kann das Adressenmaterial verwendet werden.
5. Beauftragung Dritter 45 Die Wettbewerbsgrundsätze sind unabhängig davon zu beachten, ob die Werbe- und Aufkärungsmaßnahmen unmittelbar durch die Krankenkassen durchgeführt werden oder ob die Kassen mit diesen Maßnahmen Dritte beauftragen. Ehrenamtlich tätige Versicherte gelten nicht als Dritte. Der Einsatz von Werbekolonnen ist nicht gestattet. Die Auftragnehmer sind vertraglich zur Einhaltung dieser Grundsätze zu verpflichten. Die Einhaltung dieser Verpflichtung haben die Kassen zu überwachen. Für den Fall des Zuwiderhandelns durch die beauftragten Dritten haben sich die Kassen das Recht zur sofortigen Kündigung vertraglich vorbehalten.
VII. Buchung 46 Die Krankenkassen haben sicherzustellen, daß Werbemaßnahmen und Aufklärungsund Präventionsaktivitäten buchungsmäßig voneinander abgegrenzt und den Bestimmungen des Kontenrahmens entsprechend verbucht werden. Die Kosten für allgemeine Werbemaßnahmen sind dabei gesondert zu erfassen. 47 Ausgaben für Maßnahmen, die primär der eigenen Werbung der Kasse sowie der Kontaktpflege dienen, sind in der Kontenklasse 7 als Verwaltungskosten zu buchen (z.B. Artikel wie Notizblöcke, Kugelschreiber, Schreibunterlagen, Spielgeräte, Tragetaschen usw., unabhängig von ihrem Aufdruck). Ebenso sind Aufwendungen für Aufklärung über Prävention zu behandeln, die der Natur der Sache nach weiteren Personenkreisen zugänglich gemacht wird (z.B. durch Tagespresse, Funk, Fernsehen, Kino). 48 Bei gedruckten Veröffentlichungen (z.B. Mitgliederzeitschriften), die sowohl der gesundheitlichen Aufklärung und Prävention als auch der Werbung dienen, sind die Kosten je zur Hälfte in Kontenklasse 5 und 7 zu buchen. Weicht die Auflage von der Versichertenzahl nach oben ab, ist der überschießende Teil in Kontenklasse 7 zu buchen.
Anhang I
493
49 Die Kosten von Maßnahmen, bei denen die gesundheitliche Aufklärung und Prävention im Vordergrund stehen (z.B. Informationsveranstaltungen für Kassenmitglieder über bestimmte Gesundheitsrisiken), sind hingegen in Kontenklasse 5 zu verbuchen.
VIII. Konfliktlösung 50 Bei Verstößen gegen diese Wettbewerbsgrundsätze wird die Aufsichtsbehörde tätig werden; dies gilt auch für die Prüfdienste der Krankenversicherung. 51 Den Krankenkassen und ihren Verbänden bleibt es unbenommen, über diese Wettbewerbsgrundsätze hinaus weitere Vereinbarungen über das wettbewerbliche Verhalten oder eine Schiedsvereinbarung zu treffen. 52 Darüber hinaus können die Verbände der Krankenkassen eine Schiedsstelle einrichten, deren Aufgabe es ist, die Einhaltung des Wettbewerbsrechts sowie dieser Grundsätze durch die Vertragsparteien zu kontrollieren. 53 Vor der Einleitung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen kann ein solches Schiedsverfahren abgewartet werden.
IX. Anwendung der Wettbewerbsgrundsätze 54 Sollte sich herausstellen, daß sich bei der Anwendung dieser Wettbewerbsgrundsätze eine unterschiedliche Aufsichtspraxis ergibt, werden die Aufsichtsbehörden darauf hinwirken, eine einheitliche Aufsichtspraxis zu gewährleisten.
Anhang Π
Synopse der Gemeindewirtschaftsvorschriften
32 Schliesky
89
I
100, 101
Brandenburg
Bremen
/
Berlin
I
I
( + ); rechtfertigt
/
( + ); erfordert
Art.
Bayern
öffentlicher Zweck
( + ); rechtfertigt
§
Baden102 Württemberg
Bundesland
(+)
(+)
(+)
/
—
Funktionssperre
§ 102 III (§ 104) - gesetzl. Verpflichtung - Daseinsvorsorge - Hilfsbetriebe
Ausnahmeklausel
I
-; dafür Privatisierungsprüfungsverpflichtung in § 100 III, sofern mit öff. Interesse vereinbar
/
/
ausdrückl. Gleichstellung in § 101 II - gesetzl. Verpflichtung - Daseinsvorsorge
/
Zweck nicht ebenso gut und s. aber Art. 91 I Nr. 1 wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt werden kann
Verhältnis zu Leistungsfähigkeit und Bedarf
Zulässigkeit wirtschaftlicher Unternehmen
Anhang II 497
NordrheinWestfalen
107
Niedersachsen
68
121
MecklenburgVorpommern
Hessen
Hamburg
(+) rechtfertigt
( + ); rechtfertigt
(+)
(+)
( + ); (+) rechtfertigt und Zweck durchdas Unternehmen wirtschaftlich erfüllt werden kann
/
dringender öffentlicher Zweck erfordert
108
/ §12111
die gemeindl. Aufgaben besser und § 68 II wirtschaftlicher als Dritte erfüllen kann
—
/
- gesetzl. Verpflichtung - Daseinsvorsorge - Hilfsbetriebe
- gesetzt. Verpflichtung - Daseinsvorsorge - Hilfsbetriebe
/
—
§10711 - gesetzl. Verpflichtung - Daseinsvorsorge - Umweltschutz/Soziales - Hilfsbetriebe
(+) Zweck nicht besser und wirtschaftlicher §108 111 durch einen anderen erfüllt wird oder - gesetzl. Verpflichtung erfüllt werden kann - Daseinsvorsorge - Hilfsbetriebe
/
Zulässigkeit wirtschaftlicher Unternehmen (Fortsetzung)
498 Anhang II
116
101
SachsenAnhalt
SchleswigHolstein
71
95,
Sachsen
Thüringen
108
Saarland
Rheinland85 Pfalz rechtfertigt
97
( + ); erfordert
( + ); rechtfertigt
( + ); rechtfertigt
( + ); rechtfertigt
( + ); rechtfertigt
(+)
(+)
(+)
(+)
(+)
§ 85 II - Umweltschutz/Soziales - Hilfsbetriebe
§9711 - gesetzl. Verpflichtung - Hilfsbetriebe
Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann; ggf. ist Markterkundungsverfahren durchzuführen
s. aber § 73 I Nr. 1
—
Zweck nicht besser und wirtschaftlicher § 101 II auf andere Weise erfüllt werden kann - gesetzl. Verpflichtung - Daseinsvorsorge - Hilfsbetriebe
Zweck nicht besser und wirtschaftlicher §116 111 durch einen anderen erfüllt wird oder - gesetzl. Verpflichtung erfüllt werden kann - Daseinsvorsorge - Hilfsbetriebe
—
Zweck nicht besser und wirtschaftlicher §108 11 durch einen anderen erfüllt werden - Daseinsvorsorge kann - Hilfsbetriebe
(+) (+) Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch einen anderen erfüllt wird oder - Daseinsvorsorge erfüllt werden kann
Anhang II 499
/
Hamburg
102
/
Hessen
( + ); (+) bei nichtwirtsch. Unternehmen "rechtfertigt"
( + );—
—
/
/
—
(+)
/
/
(+)
—
(+)
(+)
SicherStellung der Zweckerfüllung durch Gesellschaftsvertrag
( + ); (+) nicht ebenso gut durch E.
öffentl. Zweck; Verhältnis zum Eigenbetrieb
Beschluß des — Verf. Abgeordnetenhauses
Bremen
122
Art. 93
Berlin
Brandenburg
Art. 91
104
Baden103, Württemberg
Bayern
§
Bundesland
(+)
/
/
—
(+)
(+)
/
/
/
/
—
Unternehmen zusätzlich Art. 891
—
Sonstige Voraussetzungen
Jahresabschluß entspr. HGB
—
bei wirtsch.
Begrenzung der Haftung u./o. EinzahlungsVerpflichtung der Gemeinde
(+)
(+)
angemessener Einfluß der Gemeinde in den Gremien
Gründung oder Erweiterung oder Übernahme oder Beteiligung an privatrechtlichen Gesellschaften 500 Anhang I I
*
108 II Nr. 2, 110
( + ); nicht besser u. wirtschaftlicher durch einen anderen
109
( + ); — nicht besser u. wirtschaftl. durch einen anderen
wichtiges — Interesse; nicht ebenso gut auf andere Weise
87 (§ 85 115)
(+)
—
(+)
—
(+)
Einzahlungsverpflichtungen in angem. Verhältnis zur Leistungsfähigkeit
(+)
Jahresabschluß entspr. HGB
Bedarf
*
-keine unangemessene Verlustübernähme
(+) Verhältnis zu Leistungsfähigkeit u.
(+)
angemessenes Verhältnis zu Leistungsfähigkeit u. Bedarf
(+)
(+)
- Jahresabschluß etc. entspr. HGB o. Eigenbetriebsrecht; - Verhältnis zu Leistungsfähigkeit und Bedarf
Saarland
RheinlandPfalz
—
(+)
( + ); (+) nicht ebenso wirtschaftlich durch E.
Nordrhein- 108 dringender öff. Westfalen Zweck diese Betätigung erfordert
Niedersachsen
Mecklenburg- 69, Vorpommern 70
Anhang II 501
**
117, 118
SachsenAnhalt
(97)
73
(+)
( + );
erfordert/rechtfertigt; nicht ebensogut in öffentl.-rechtl. Rechtsform, insbes. E.
umfassende Abwägung der Vor- u. Nachteile ggü. Org.Formen d.ö.R.
"wichtiges
—
—
( + ); (+) nicht ebenso gut durch Eigenbetrieb
(+)
- alternativ: Beteiligung Privater beabsichtigt
Thüringen
Schleswig- 102 Holstein Interesse";
96,
Sachsen
—
(+)
(+)
(+)
Bedarf - ggf. Markterkundungsverfahren durchzuführen
Jahresabschluß u. Lagebericht entspr. HGB
—
Bedarf
- Verhältnis zu
(+) - Verhältnis zu Leistungsfähigkeit u.
(+)
(+)
(+) Leistungsfähigkeit u.
Gründung oder Erweiterung oder Übernahme oder Beteiligung an privatrechtlichen Gesellschaften (Fortsetzung)
502 Anhang I I
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Abgabenhoheit 164 ff. Absatz 201 f. Äquivalenzprinzip 379 allgemeiner Gesetzesvollziehungsanspruch 391 ff., 399 Anstalt 31 f. Aufgabenzuweisungsnormen 220 ff. Bahnreform 35, 153 ff. Bepackungsverbot 218 Berufsfreiheit 195 ff. - berufsregelnde Tendenz 215 Bestimmtheitsgebot 223, 225 f. Beteiligung 43 f., 267, 428 ff. - Abgrenzung zu gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen 40 ff. betriebsinterne Vorgänge 315 Bundesbahn 153 ff. Bundesbank 32, 50, 161 f. bundeseigene Verwaltung 142 ff. Bundeshaushaltsordnung 422 ff. Bundespost 143 ff., 229 ff. Daseinsvorsorge 68 f., 154 f., 337 Doppelnatur hoheitlicher Maßnahmen 296 ff., 459, 462 f. Eigenbetrieb 29 ff. Eigengesellschaft 36 ff. Eigentum 258 Eigentumsgarantie (grundgesetzliche) 258 ff. - Abgrenzung zu Art. 12 Abs. 1 GG 269 f. - Eingriff 271 - - Rechtfertigung 271 f. Eingriff 202 ff., 271 - Definition 213 f.
- Rechtfertigung 216 ff. allgemeine Anforderungen 231 ff. Eingriffsbegriff 203 ff. - Auswirkungen 242 - eingriffsgleiche Beeinträchtigung 205 - Finalität 207 - funktionaler Schutzbereich 209 f. - grundrechtsspezifische Einwirkung 205 f. - Intensität 211 ff., 240 - - Bagatellgrenze 211, 213 f. - Konturen eines neuen — 213 - schutzbereichsbezogene Eingriffsdefinition 90 f., 210 - Schutzzweck der Norm 209 f. - soziale Adäquanz 208 f. - Vorhersehbarkeit 206 f. - Zurechenbarkeit 203 ff. Eingriffsgeeignetheit 83, 89 ff. Fiskalgeltung der Grundrechte 57 f. - bei gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen 73 ff. Fiskustheorie 64, 67 Flucht in den Zivilrechtsweg 469 Funktionaler Unternehmensbegriff
28 Gebühren 379 Gemeindewirtschaftsvorschriften 433 ff. - Ausnahmeklausel 436 ff. - Beteiligung an privatrechtlichen Gesellschaften 449 ff. - Funktionssperre 442 ff.
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- nichtwirtschaftliches Unternehmen 438 ff. - öffentlicher Zweck 439 ff. - Verhältnis zu Leistungsfähigkeit und Bedarf 441 f. - Verhältnis zu § 1 UWG 447 ff. - wirtschaftliches Unternehmen 435 ff. Gemeinschaftsaufgaben 162 ff. Gemeinwohl 182 Gemischt-wirtschaftliches Unternehmen 38 ff., 267 - Abgrenzung zur Beteiligung 40 ff., 43 beherrschender Einfluß 40 ff., 179 - Grundrechtsfahigkeit 178 ff. gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht 116, 168 f. Gesetzes vorbehält 216 ff., 231 ff. - allgemeine Anforderungen an hinreichende Rechtsgrundlage 231 ff. Bestimmtheit der Norm (Regelungsdichte) 236 ff. - - Beispiele 243 ff. - - Eingriffsstruktur 232 f. Struktur einer hinreichenden Rechtsgrundlage 242 ff. - - Vorhersehbarkeit 233 ff. - anderweitig begründeter ~ 255 ff. - institutioneller — 151, 256 f. - Funktionen 223 Gesetzgebungszuständigkeiten 160 f. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb s. UWG Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen s. GWB Gewinnerzielung 51, 154, 185, 324, 332 f., 432, 453 f. Gleichheitssatz, allgemeiner 274 ff. Gleichordnungsverhältnis 281 ff. Grundrechte - Begrenzung der Wirtschaftsfreiheit 171 f.
- Begründung der Wirtschaftsfreiheit 172 ff. gute Sitten 343 ff. GWB 408 ff. - funktionaler Unternehmensbegriff 408 - - Rechtsnatur 410 f. - - Verhältnis zum UWG 411 ff. Haushaltsgesetz 218 ff. Haushaltsgrundsätzegesetz 422 ff. Haushaltsplan 169, 218 ff. hoheitliche Tätigkeit und UWG 316 f. Industrie- und Handelskammer Infrastruktursicherungsauftrag 156 ff. Interessenbekundungsverfahren 424 ff.
34
Kartellverbot 416 Körperschaft 33 f. Kommunalunternehmen 33, 37 Fn. 127 Kompetenz-Kompetenz 184 ff. Kompetenzordnung 137 ff. Konsumfreiheit 273 Kostendeckungsprinzip 379 Krankenkassen 34 Kreditgarantiegemeinschaften 51, 53 Fn. 205 Leistungs Verhältnis 284 ff., 458 ff. Luftverkehrs Verwaltung 152 f. Marktanteil 198 ff., 263, 267, 271 Marktversagen 168 Mitgliederwerbung gesetzlicher Krankenkassen 97 Neutrales Recht 471 f.
290 ff., 295 f.,
Öffentliche Unternehmen - Begriff 25 ff.
22 ff.
Sachwortverzeichnis - Rechts- und Erscheinungsformen 22 ff. Öffentlicher Personennahverkehr 155 f. öffentliches Interesse 181 ff., 230, 249, 474 öffentlicher Zweck 181 ff., 229 f., 242, 333 f., 439 ff. öffentlich-rechtliche Streitigkeit 465 f., 471 ff. Organisationsprivatisierung 37, 158 Par condicio concurrentium 391 ff., 412, 423, 449 Postreform 156 ff. praktische Konkordanz 251 f., 369 Privatisierung 19, 37 f., 424 ff. - Aufgabenprivatisierung 425 ff. - Organisationsprivatisierung 37 f. - Privatisierungsprüfverpflichtung 424 ff. Randnutzung 100, 149, 227 ff. Recht am eingerichteten und ausgeübübten Gewerbebetrieb 259 ff. Rechtsbetroffenheit (bei wettbewerbsrelevanter Staatstatigkeit) 54 ff. - durch wirtschaftliche Tätigkeit 83 ff. - durch Wirtschaftslenkung 76 f. Rechtsstaatsprinzip 130 ff., 475 ff. Rechtsverhältnislehre 104 ff. Rechtsweg (im Öffentlichen Wettbewerbsrecht) 455 ff. - rechtsstaatliche Erforderlichkeit 475 ff. - Verwaltungsrechtsweg 471 ff. - Zivilrechtsweg 457 ff. Regelungsdichte 236 ff. Regiebetrieb 28 f. Regionalisierung 155 Schutznormlehre 311 Schutzpflichten 224 ff. Selbstverwaltungsgarantie, kommunale 134 ff. Sittenwidrigkeit 343 ff.
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- Fallgruppen s. UWG - wettbewerbsspezifische Rechtswidrigkeit 390 Sonderrechtstheorie, neuere 292 f., 472 ff. Fn. 98 Sondervermögen 31 f. Soziale Marktwirtschaft 120, 122 Sozialstaatsprinzip 132 ff. Sozialversicherungsträger 150 f. Sparkassen 32 Staatsnähe 149 f. Staatsquote 19 Staats vertrag (Währungs-, Wirtschaftsund Sozialunion) 120 ff. Steuerstaat 164 Stiftung 35 f. Subjektionstheorie 281 ff., 292, 459 f., 463, 471 f. Subjektstheorie, modifizierte 292, 471 f. subjektives öffentliches Recht 105 ff. - Bedeutung 108 f. - im Wettbewerbs Verhältnis 110 f., 289 Subsidiaritätsprinzip 125 ff., 172, 424 ff., 442 ff. Subventionierung 103, 219, 268 ff., 341, 404 Transparenzlisten 244 ff., 385 f. Transparenzrichtlinie 23 Umsatz 198 ff. Unternehmensbegriff 408 Untersuchungsgrundsatz 457, 468 UWG 278 ff. - Anwendbarkeit 278 ff. - "Handeln im geschäftlichen Verkehr" 314 ff. - persönlicher Anwendungsbereich 313 - Rechtsnatur 290 ff. - Verhältnis zum grundrechtlichen Verhaltensmaßstab 311 ff. - "Verstoß gegen die guten Sitten" 343 ff. Absatzbehinderung 372 ff.
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Ausbeutung 387 f. - - Behinderung 370 ff. - - Belästigung 367 ff. - - Boykott 373 ff., 417 Erschleichen von Vorteilen 364 f. Geschäftsehrverletzung 386 f. Irreführenden Werbung 365 ff. - - Fallgruppen 350 ff. - - Kundenfang 353 ff. - - Marktstörung 397 ff. Mißbrauch der Hoheitsstellung 357 ff. Preisunterbietung 376 ff. - - Täuschung 353 ff. - - Vergleichende Werbung 382 ff. Vorsprung durch Rechtsbruch 389 ff., 449 - Wettbewerbshandlung 322 ff. - "zu Zwecken des Wettbewerbs" 322 ff. - - Definition 322 - - Wettbewerbsabsicht 323 f. - - Wettbewerbseigung 323 - - Wettbewerbsverhältnis 324 ff. Vereinigtes Wirtschaftsgebiet 170 Vergesellschaftung 180 Verhaltensrecht 20 Vertragsfreiheit 273 Verwaltungskompetenzen 142 ff. Verwaltungsprivatrecht 66 Vorfrage, öffentlich-rechtliche 308 f., 465 ff., 475 f. Vorfragenkompetenz der Gerichte 465 f. Warentests 385 Warnungen 263 ff. Wesentlichkeitstheorie 256 Wettbewerb 20, 104, 189 ff., 295 f. - als Einrichtungsgarantie 190 f. - als Institut 189 ff., 409 f. Wettbewerbs freiheit (private) 197 ff., 272 - berufsregelnde Tendenz 215 f.
- Eingriff 215 - - Rechtfertigung 216 ff., 232 ff. Wettbewerbsfreiheit (des Staates) 188, 189 - Grenzen der 189 ff. Wettbewerbsingerenz 103 Wettbewerbs relevante Staatstätigkeit 93 - Definition 93 - Grundrechtsbindung 57 ff. - Legitimation 181 ff. - Trennung zwischen "Ob" und "Wie" 304 ff. - Zulässigkeit 112 ff. Wettbewerbsstellung 191 f., 198 ff., 259, 266 f., 271 Wettbewerbstheorie 194 Wettbewerbsverhältnis 94 ff., 280 ff., 325 ff., 458 ff., 464 - abstraktes ~ 103 ff. - Darstellung der einzelnen ~ 96 ff. Wiedervereinigung Deutschlands 120 ff. Willkürverbot 274 ff. wirtschaftliche Tätigkeit 20, 46, 265 ff. - Geltung des Art. 30 GG 138 ff. - Grundrechtsbindung 57 ff. - Rechtsbetroffenheit 84 ff. Wirtschaftlichkeit (und Sparsamkeit, Grundsatz der) 228 ff., 423 ff. Wirtschaftsfreiheit (des Staates) 112 ff. - Zusammenfassung 187 f. Wirtschaftslenkung 44 ff. - Abgrenzung gegenüber wirtschaftlicher Tätigkeit 45 ff. - - Rechtsbetroffenheit 55 ff. Unmöglichkeit der — 93 f. - Grundrechtsbindung 57 ff. - Rechtsbetroffenheit 76 ff. - Rechts- und Handlungsformen 52 f. Wirtschaftsordnung 113 wirtschaftspolitische Neutralität (des Grundgesetzes) 114 ff.
Sachwortverzeichnis Wirtschaftssystem 113 Wirtschaftsverfassung 112 ff. Zurücktreten des öffentlichen Interesses 350 ff.
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Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse 478 ff. Zwecksetzungskompetenz 184 ff. Zweckverband 34, 38, 155 Zweistufenlehre 304 f.