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German Pages 457 [468] Year 1958
F E S T G A B E FÜR
ALEXANDER N.MAKAROV ABHANDLUNGEN ZUM INTERNATIONALEN PRIVATRECHT
Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht 23. Jahrgang 1958 Heft 3/4
W A L T E R D E G R U Y T E R & CO.
J . C . B . M O H R (PAUL S I E B E C K )
BERLIN
TÜBINGEN
© J . C . B . M O H R (PAUL S I E B E C K ) T Ü B I N G E N 1958 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlags ist es nicht gestattet, dieses Heft, einzelne Beiträge oder Teile daraus unter Verletzung des Urheberrechtsgesetzes auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Druck: H. Laupp jr Tübingen Einband: Großbuchbinderei Heinr. Koch Tübingen
INHALT Widmung Alexander
397 N.
Makarov
MAX GUTZWILLER, Fünfzig J a h r e Internationalprivatrecht SEVOLD BRAGA,
399
(PAUL HEINBICH NEUHAUS)
. . . .
403
Kodifikationsgrundsätze des Internationalen Privat-
rechts
421
Von der Zersplitterung des Privatrechts durch das Internationale Privatrecht u n d ihrer B e k ä m p f u n g . . 449
F R I T Z F R H R . V. S C H W I N D ,
PH. FRANCESCAKIS, Les questions préalables de s t a t u t personnel dans le droit de la nationalité 466 Zur kollisionsrechtlichen Behandlung eines Inländers mit zugleich ausländischer Staatsangehörigkeit 498
MURAD FERID,
JACQUES MAURY,
L'arrêt Nottebohm et la condition de nationalité
effective
515
WILHELM WENGLER,
Skizzen zur Lehre vom Statutenwechsel
.
.
KARL H . NEUMAYER,
Fremdes R e c h t und Normenkontrolle . . . .
.
535 573
Der Anteil der nordischen Länder an den Fragen des Internationalen Privatrechts 599
FRIEDRICH KORKISCH,
Zur Anerkennung der liechtensteinischen Treuunternehmen in Deutschland 624
R O L F SERICK,
KONRAD ZWEIGERT,
Das S t a t u t der Vertragsübernahme
Der Anknüpfungsrückgriff im deutschen Internationalen Familienrecht
643
BERNHARD AUBIN,
GÜNTHER BEITZKE,
Ausländern
659
Der deutsche Staatsanwalt im Statusprozeß von 708
Considerazioni comparative sulTadozione in diritto internazionale privato 730
RODOLFO D E NOVA,
Die Pflegekindschaft des italienischen Rechts u n d ihre Behandlung im Internationalen Privatrecht 764
GERHAKD LUTHER,
H E N R I BATIFFOL,
Réflexions sur la loi applicable aux successions .
.
791
8. M A B I D A K I S , Les bona vacantia d'après le droit international privé 802
GEORGES
FRANZ GAMILLSCHEG,
Gedanken zu einem System des Internationalen
Arbeitsrechts A. N. Makarovs Bücher und Aufsätze zum ausländischen und internationalen Privatrecht (einschließlich Staatsangehörigkeitsrecht)
819 851
FESTGABE FÜR ALEXANDER N. MAKAROV
Professor Dr. jur.h.c. Alexander N.Makarov begeht am 4. August 1958 in Heidelberg seinen 70. Geburtstag. Gleichzeitig vollendet er sein 30. J a h r als wissenschaftlicher Mitarbeiter in den beiden juristischen Instituten der früheren Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und jetzigen Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften : dem Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht und dem Institut für ausländisches und internationales Privatrecht. Aus diesem Anlaß widmen ihm Mitherausgeber, Freunde und Kollegen dieses erweiterte Doppelheft der Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht; es enthält Abhandlungen aus dem Internationalen Privatrecht einschließlich des Staatsangehörigkeitsrechts. Gleichzeitig wird dem Jubilar ein Heft (Band 19 Nr. 1-3) der Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht gewidmet. Buchausgaben der beiden Hefte erscheinen unter dem Titel „Festgabe für Alexander N. Makarov, Abhandlungen zum Internationalen Privatrecht" bezw. „ . . . Abhandlungen zum Völkerrecht".
ALEXANDER N. MAKAROY Es wäre voreilig, das Lebenswerk von Alexander N. Makarov zu würdigen ; denn seine gute Gesundheit, eine verstehende und Hebevolle Familie sowie günstige Schaffensbedingungen lassen uns noch manche Schrift aus seiner Feder erwarten. Doch ist seine wissenschaftliche Gestalt soweit geprägt - da Arbeitsgebiete, Methode und geistige Haltung seit langem feststehen - , daß wir versuchen dürfen, ein Bild des verehrten Meisters zu entwerfen. 1. Die Arbeitsgebiete Makarovs umfassen außer dem russischen öffentlichen Recht, dem vor allem seine frühen Schriften gewidmet waren, das Völkerrecht, das Staatsangehörigkeitsrecht und das Internationale Privatrecht. Dem Völkerrecht galt bisher der relativ größte Teil seiner Arbeitsleistung. Darüber zu sprechen ist hier nicht der Ort. Auf dem Gebiet des Staatsangehörigkeitsrechts hat Makarov seine eigenständigste und für die Wissenschaft bedeutsamste Leistung erbracht : nach monographischen Ansätzen wie den Haager Vorlesungen über „La nationalité de la femme mariée" (1931) hat er durch seine „Allgemeinen Lehren des Staatsangehörigkeitsrechts" (1947) die übernationale, systematische Bearbeitung des Staatsangehörigkeitsrechts (statt der bloßen Sammlung und Kommentierung einzelner Staatsangehörigkeitsgesetze) überhaupt erst zum Rang einer eigenen Disziplin erhoben und sogleich ein Standardwerk dieses Rechtsgebietes geschaffen. Außerdem hat er durch seine Studien zu aktuellen Einzelfragen des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts besonders zu den deutschen Zwangseinbürgerungen seit 1938 die Praxis und schließlich die Gesetzgebung entscheidend beeinflußt. Dem Internationalen Privatrecht aber gehört seit langem Makarovs Liebe. Schon in seiner Petersburger Zeit schrieb er einen Grundriß des russischen internationalen Privatrechts, worin er westeuropäische Lehren und die spärlichen Normen des russischen positiven 27*
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Rechts zu einem System vereinigte. I n Berlin begann er d a n n die Sammlung der „Quellen des internationalen Privatrechts", deren 1. Auflage (1929) seinen N a m e n allen Kollisionsrechtlern b e k a n n t m a c h t e u n d deren 2. Auflage, nach dem Verlust des bereits druckfertigen Manuskriptes im Kriege völlig neu begonnen u n d m i t unendlicher Geduld zu E n d e geführt, jetzt eben abgeschlossen ist. Daneben schrieb er - auch während seiner Zugehörigkeit zum Völkerrechtsinstitut - zahlreiche Aufsätze, Berichte, Urteilsanmerkungen u n d Rezensionen, von denen n u r zwei im Kriege erschienene u n d daher vielfach u n b e k a n n t gebliebene Arbeiten hervorgehoben seien : sein Beitrag zu den „Mélanges S t r e i t " über „Völkerrecht u n d Internationales P r i v a t r e c h t " (1939) und der in B a n d 55 der Zeitschrift f ü r vergleichende Rechtswissenschaft erschienene Aufsatz „Das Problem des anzuwendenden Kollisionsrechts". Von seiner Arbeit im I n s t i t u t f ü r ausländisches u n d internationales Privatrecht, dem er seit 1945 angehört u n d dem er auch jetzt noch als Wissenschaftliches Mitglied u n d Mitherausgeber der Zeitschrift durch R a t u n d T a t verbunden ist, zeugen vor allem drei B ä n d e der „Deutschen Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen P r i v a t r e c h t s " (1945—1953), während seine ungezählten R e c h t s a u s k ü n f t e u n d Gutachten gemäß der Tradition des I n s t i t u t s anonym herausgegangen sind. Eine systematische Gesamtdarstellung des deutschen I n t e r nationalen Privatrechts, vorbereitet durch die seit J a h r e n in Tübingen u n d Heidelberg gehaltenen Vorlesungen, erhoffen wir als sein nächstes Werk. - Soviel zu Makarovs Arbeitsgebieten. 2. Die wissenschaftliche Methode Makarovs läßt sich wohl am besten als „aufgeklärter Positivismus" bezeichnen. Entscheidungen bloß aus der „Tiefe des G e m ü t s " liegen ihm ebenso fern wie anderseits die ungeordnete, planlose A n h ä u f u n g von Stoff. Mit klarem Überblick über die Quellen u n d bewundernswertem Fleiß, unters t ü t z t durch seine Sprachbegabung u n d ein außergewöhnliches Gedächtnis, t r ä g t er ein möglichst vollständiges Material zusammen, das er d a n n mit seinem hellen Verstand so systematisch ordnet, d a ß die Resultate a m E n d e nicht als willkürlich aufgepfropfte Entscheidungen erscheinen, sondern sich wie von selbst ergeben. Musterbeispiele sind die eben genannten Aufsätze oder sein Beitrag zur Festschrift Perassi über „Die Vollmacht im Internationalen P r i v a t r e c h t " (1957). Auch wer K e n n t n i s des positiven Rechts u n d gedankliche Klarheit nicht als das Letzte in der Jurisprudenz gelten läßt, mag
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von Makarov - oft mit Beschämung - lernen, daß sie unersetzliche Voraussetzungen sind, wenn eine weitergreifende, soziologisch oder rechtsphilosophisch-wertende Methode nicht zum Gerede entarten soll. I n diesem Sinne war Makarov im Institut „unser positivistisches Gewissen". 3. Die geistige Haltung Makarovs bekundet sich in seinem wissenschaftlichen Werk. Freilich wird man in seinen Schriften wohl vergeblich nach ausdrücklichen Bekenntnissen politischer, ästhetischer oder religiöser Art suchen. Doch gerade in dem unauffälligen, streng sachlichen Charakter seiner Arbeiten kommen die besten Züge seiner menschlichen Einstellung zur Wirkung. Als gemäßigter Konservativer ist Makarov einer sinnvollen Evolution, aber keiner plötzlichen Revolution zugeneigt; darum hat er z. B. im Internationalen Privatrecht bei verschiedenen Gelegenheiten das Staatsangehörigkeitsprinzip gegen eine abrupte Ersetzung durch das Domizilprinzip verteidigt, jedoch einzelne, sachlich gebotene Ausnahmen (etwa für Staatenlose und Flüchtlinge) durchaus gebilligt. Daß er ein Freund maßvoller und heiterer Kunst ist - ein Freund des klassischen russischen Balletts mehr als etwa des modernen Ausdruckstanzes, der beruhigten, klaren Architektur- und Landschaftsbilder eines Canaletto mehr als des dramatisch-pathetischen Barocks, der klassischen und romantischen Musik Europas mehr als exotischer Rhythmen spiegelt sich das nicht im ausgeglichenen, mäßig bewegten Stil seiner Darstellung ? Der russisch-orthodoxe Christ schließlich ist nicht auf bestimmte theologisch oder naturrechtlich begründete Maximen eingeschworen; seine Religion bewährt sich vielmehr in Selbstbescheidung, Geduld und taktvoller Freundlichkeit gegenüber allen Menschen, vor allem gegenüber Jüngeren und Untergebenen. Makarov ist nicht Schüler eines einzelnen Lehrers, sondern seine Arbeitsgebiete, seine Methode und seine geistige Haltung sind durch innere Notwendigkeit bestimmt; erst in reiferen Jahren trat er dem Manne näher, den er als größten russischen Juristen und ob seiner menschlichen Vornehmheit als Vorbild verehrte und dem er seine schöne Schrift „Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung" (1948) gewidmet h a t : Baron Boris Nolde. Wie sehr Makarov zum Wissenschaftler bestimmt ist, zeigt sich auch daran, daß er nach eigenem Bekenntnis gerade in Zeiten größter politischer Spannungen und Sorgen am intensivsten arbeiten konnte. Die Freiheit zur wissenschaftlichen Arbeit hat er sich durch die Emigration teuer er-
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kauft. Dabei ist er seiner Heimat im Grunde stets treu geblieben. Diese Heimat ist nicht die eurasiatische Ebene, sondern Petersburg, die in ihrem architektonischen und geistigen Gepräge westlichste Stadt Rußlands, die gerade in den entscheidenden Bildungsjahren Makarovs vor dem ersten Weltkrieg eine Blüte des geistigen und künstlerischen Lebens erfuhr. Demgemäß glaubt er nicht an die vielberufene „russische Seele" - von der man sagt, sie sei von allem juristischen Denken tausend Meilen entfernt - , sondern auch als Russe ist er, was er von Freunden und Bekannten als besondere Anerkennung sagt: ein Europäer. Die zweite Heimat Makarovs, wenn man so sagen darf, wurden die beiden juristischen Institute der Max-Planck-Gesellschaft und das Institut de Droit international. Die Zugehörigkeit zu diesen Gelehrtenrepubliken und zu den Rechtsfakultäten von Tübingen und Heidelberg ist für ihn mehr als nur der Rahmen seiner wissenschaftlichen Arbeit: hier hat er nach der Emigration neue Kollegen und Freunde gefunden, internationale Begegnungen sowie im Rahmen der wissenschaftlichen Selbstverwaltung neue Bürgerrechte und -pflichten, wie es seiner geselligen und verantwortungsbewußten Art gemäß ist. Dabei hat Makarov trotz der Berührung mit vielerlei Menschen nie Feinde gehabt. Dies wiegt um so mehr, als auf ihn selbst zutrifft, was er im Nachruf auf Baron Nolde in der „FriedensWarte" (1948) schrieb: „Er blieb sich selbt unter allen Umständen treu. Sein Lebensweg war trotz aller Stürme, die seine Generation zu bestehen hat, ein gerader Weg." Und als wolle er im voraus jedes Lob von sich abwehren, fügt er hinzu: „Er selbst würde es bestimmt nicht als sein Verdienst betrachten: er gehörte zu jenen Menschen, welchen das Verlassen des geraden Weges viel schwerer wäre als seine hartnäckige Befolgung." So steht er vor uns, der Wissenschaftler und Mensch Alexander N. Makarov: klug, kultiviert, liebenswürdig und sich selber treu. Ich glaube, wir können ihm für die Zukunft nichts Besseres wünschen, als daß er so, wie er ist, aber hinfort unbeschwert von der mühseligen, undankbaren Arbeit für die „IP-Rechtsprechung" und für die „Quellen", an neuen, schöpferischen Aufgaben wirken kann - sich selbst und uns allen zur Freude. Paul Heinrich Neuhaus
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INTERNATIONALPRIVATRECHT
V o n MAX GUTZWILLER
Muntelier/Schweiz* I. Der Stand unserer Wissenschaft war in der ersten Dekade unseres Jahrhunderts durch Gegensätze grundsätzlichen Charakters gekennzeichnet: gewissermaßen durch Bodenrisse, welche die Landschaft als schwer zugänglich und unwirtlich erscheinen ließen. Die Legende, wonach Bismarck die trefflichen Gebhardschen Entwürfe zum Internationalprivatrecht (IPR) des Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich vom 18. 8. 1896 mit einem Blaustift erledigt hätte, machte in der Schweiz Schule: auch dort hatten die Eidgenössischen Räte die sachkundig-ausführlichen Vorschläge der bundesrätlichen Botschaft von 1905 mit der vagen Begründung abgelehnt, das „Kollisionsrecht" befinde sich noch zu sehr „im Flusse". In beiden Ländern war die gesetzliche Regelung auf das Nebengeleise der „Anwendungs-" bzw. „Einführungsbestimmungen" abgeschoben und auf einzelne Probleme des Personen-, Familien- und Erbrechts beschränkt worden, während das Sachen- und Obligationenrecht offenblieben, um dem „unstarren" „Imperium des Richters" anheimzufallen. In beiden Ländern eignete unter solchen Umständen auch dem Schrifttum ein zentrifugaler und gewissermaßen sektiererischer Charakter. So verschieden Friedrich Meilis großangelegtes Handbuch „Das internationale Civil- und Handelsrecht auf Grund der Theorie, Gesetzgebung und Praxis" (2 Bände 1902) und Theodor Niemeyers * Die folgenden Ausführungen entstammen zum Teil einem (ungedruckten) Vortrag „Quarante années de droit international privé", den der Verfasser am 25. 11. 1950 anläßlich des 40. Geburtstages der NederlandscheVereeniging voor Internationaal Recht im Haager Friedenspalast als Korreferent von Sir Arnold MacNair zu halten hatte. Der analoge englische Vortrag behandelte das Völkerrecht. - Im Interesse der Lesbarkeit mußte der (enorme) Apparat auf ein Minimum beschränkt werden.
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„Internationales Privatrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs" (1901) waren, sie erreichten nie auch nur eine zweite Auflage. Dasselbe Schicksal erfuhr auch Ernst Zitelmanns großes Gedankengebäude, welches im J a h r e 1897 zu erscheinen begann, u m 1912 mit einem zweiten Bande von 1025 Seiten seinen Abschluß zu finden. Meili, dessen zahlreiche, dem neuaufstrebenden Internationalismus des I P R im weitesten Sinne und der vergleichenden Rechtswissenschaft gewidmete Werke skizzenhaft unausgeführte Materialsammlungen waren, h a t sich zeitlebens als „Dilettant", als bescheidener Herold einer juristischen Zeitenwende gefühlt. Niemeyer, dem es im zivilrechtlichen Haushalt vermöge seines ins Weite strebenden Geistes bald zu eng wurde, wandte sich später bedeutenden Unternehmungen des Völkerrechts zu. Zitelmann, ein letztes Glied in der glänzenden K e t t e der verlöschenden deutschen Pandektentradition - sein Werk ist E. I. Bekker zum 70. Geburtstage gewidmet - , durch und durch Zivilist, empfand seine messerscharfe Anatomie u n d Histologie der Privatrechte als den Einbruch eines von seiner K u n s t besessenen Virtuosen in ein begrifflich noch unausgeschöpftes Präparat. I n beiden umfänglichen Bänden fehlen Zitate und Bezugnahmen fast ganz. „ I m landläufigen Sinne bin ich kein Gelehrter", konnte er von sich sagen (was heißen sollte „kein registrierender Sammler"): „ich komme mir vor wie ein Schütze, der von Zeit zu Zeit aus seinem Busche einen wohlgezielten Pfeil abschnellt". Wobei er in jenem Augenblicke kaum an die enorme geistige Leistung dachte, die sein opus darstellt. E r erzählte gern, wie er seinen Grundgedanken von der völkerrechtlich aufgeteilten Herrschaft über die einzelnen privatrechtlichen Befugnisse (die ausschließliche Maßgeblichkeit des von ihm sog. Wirkungsstatuts) dem österreichischen Zivilisten J. Unger vorgelegt habe mit der Bitte, ihm zu sagen, „ob etwas daran sei". Der ideologische Hintergrund, auf dem sich damals der K a m p f u m die Lösung des Internationalprivatrechtsproblems abspielte (d. h. t h e choice of law in Zivilrechtsfällen mit fremdländischen, mit „disnationalen" Elementen), war sonderbar genug, aber durchaus zeitgemäß: Nationalismus u n d Internationalismus. Als geheimer Schöpfer dieses neuzeitlichen Spannungsverhältnisses - einer eigentlichen Polarität - erscheint Pasquale Stanislao Mancini mit seiner berühmten Rede vom J a h r e 1851. Dort bezeichnete der neapolitanische Emigrant als „fatto primo della scienza nostra, la sua
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prima verità, la sua teoria fondamentale" „das Nebeneinanderbestehen der Volkszugehörigkeiten gemäß dem Rechtsgesetze". Allein diesem vincolo naturale di sudditanza giuridica steht ein vincolo attuale di sudditanza politica gegenüber : für Besitz, Eigentum und andere dingliche Rechte an Immobilien und Mobilien, für vertragliche Schuldverhältnisse unter Kontrahenten verschiedener Nationalität, für Deliktsobligationen, für gerichtliche Zuständigkeit und das Verfahren, endlich für alle „leggi penali e quelle di polizia e sicurezza pubblica" ist nicht die nazionalità, sondern - als ihr Widerpart - die territorialità maßgebend. Frankreich, Belgien, eine Reihe südamerikanischer Staaten und der Código Bustamante hatten sich diesem System angeschlossen. Aber auch die Haager Konferenzen seit 1893, das deutsche BGB und selbst einzelne Einfügungen in das schweizerische Zivilgesetzbuch von 1907 über Eheschließung und Ehescheidung sind von dem mächtigen Impuls aus dem Süden inspiriert worden. Es gab nun „Wohnsitzstaaten" und „Heimatstaaten", fast wie anno 1580 nach dem Auftreten Bernard, d'Argentrés Real- und Personalstatuten. Getreu nach Mancini spricht noch André Weiss in seinem großen Traité vom système du domicile als „directement issu du régime féodal qui faisait de l'homme l'accessoire du sol". Schon in seinen „Gesetzeskollisionen" von 1891 hatte Franz Kahn Listen von „Nationalisten" und „Internationalisten" aufgestellt: eine Einteilung, die allerdings bei einigen Betroffenen empfindlichen Widerspruch auslöste. Während sich aber in Deutschland, in der Schweiz und in Österreich vor dem ersten Weltkrieg das kritische Schrifttum auf wenige Personen konzentrierte, vollzog sich in den romanischen Ländern die Beschäftigung mit unserer Materie auf breiterer Basis. In Frankreich lag das u. a. an dem Einzug unserer Disziplin seit 1880 in die Hörsäle und Prüfungszimmer. Neben André Weiss treten Despagnet-de Boeck, F. Surville und F. Arthuys, E. Audinet, Jules Valéry und Antoine Pillet mit bedeutenderen Gesamtdarstellungen hervor. Immerhin ist auch dort die literarische Produktion noch durchaus übersehbar. Es mutet heute wie eine liebenswürdige francophile Simplifizierung an, wenn Kahn noch um die Jahrhundertwende das Journal de droit international privé (Journal Clunet) als „corpus iuris internationalis" bezeichnen konnte. Neben der Revue de droit international et de législation comparée (Revue de Gand) seit 1869 und der deutschen „Zeitschrift
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für internationales Privat- und Strafrecht" (seit 1891) war es tatsächlich (bis zur Gründung der Revue de droit international privé im Jahre 1905) mit der Internationalität seiner articles de fond und seiner Länderberichte das eigentliche Forum für die zwischenstaatliche Diskussion. An diesem Punkte unseres Berichtes mag auch auf die unvorstellbare Dürftigkeit an ausländischer juristischer Literatur hingewiesen werden. Selbst in der Schweiz war der Besitz eines französischen Code civil selten; die Seminarbibliotheken der juristischen Fakultäten befanden sich - mit wenigen rühmlichen Ausnahmen - in einem deplorablen Zustande der Veraltung und Unzulänglichkeit. So kamen etwa Suchkarten des Berliner Auskunftsbureaus deutscher Bibliotheken - noch heute im Besitze des Schreibenden - nach den „Elementos" von M. Torres-Campos, nach den grundlegenden Monographien von A. Cavaglieri und nach François Génys „Méthode d'interprétation et sources en droit privé positif" im Mai und Juni 1914 mit dem Bescheid zurück, die gewünschten Werke hätten sich „in keiner der angefragten größeren Bibliotheken" nachweisen lassen. In Bonn hatte Zitelmann ein bescheidenes „Institut für internationales Privatrecht" ins Leben gerufen. Seit 1914 war es an der Hauptfront gegen den Hofgarten in zwei Räumen ebener Erde untergebracht und beherbergte eine kleine, von dem Schreibenden als „Obmann" 1913-1917 mit geringen Mitteln geäufnete und katalogisierte Bücherei (sie ist später, mitsamt den mühsam gesammelten Kostbarkeiten, im allgemeinen juristischen Seminar aufgegangen). In dem früheren Lokal, ein einziges, in der Nähe der Amtsräume des Kurators gelegenes Zimmer umfassend, hielt ich im Sommersemester 1912 mein erstes Referat: über das IPR des schweizerischen Zivilgesetzbuches. Diesem Zustand entsprach der akademische Vortrag. Zitelmann selber hat sich zeitlebens mit Seminarübungen begnügt. Er erwähnte etwa seinen Schüler Heinrich Lehmann, der, als neuzeitlicher Tiberius Coruncianus, wohl als erster in Deutschland eine Sondervorlesung über IPR angekündigt hat. Auch die Möglichkeiten zwischenstaatlicher Begegnung, Kontaktnahme und Verständigung waren noch durchaus unentwickelt; studentischer Austausch und gegenseitige Einladungen unter Fakultäten und Dozenten so gut wie unbekannt. Und erst recht gebrach es an den Sprachkenntnissen. Junge Akademiker, die sich fließend englisch oder gar französisch
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oder italienisch ausdrücken konnten, waren selten wie weiße Raben. Im Sommersemester 1914 - auch der spätere Germanist Heinrich Mitteis nahm als junger Leipziger Doktor daran teil - hatte Zitelmann Übungen zu den Haager Abkommen abgehalten. Dabei erhellte, daß der französische Urtext nur gelegentlich herangezogen werden konnte. Der Siegeslauf der Mancini-Laurentschen Lehre - wie Zitelmann sie nannte - gemahnt an ein anderes Element in der Signatur jener ersten Jahrzehnte: den Glauben an die Möglichkeit einer einheitlichen Feld-Theorie. Auch andere Pioniere forschen nach einer Gesamtformel. Es soll bei jedem Rechtsverhältnis dasjenige Gebiet aufgesucht werden, welchem dieses Rechtsverhältnis seiner eigentümlichen Natur nach angehört oder unterworfen ist (Savigny). Oder es wird die „Natur der Sache" zu Rate gezogen (gleichgesetzt mit der „Konsequenz der Rechtsinstitutionen" und „innerer Vernunftsmäßigkeit" ; mit den „zwingenden Bedürfnissen des Verkehrs"): v. Bar. Bei Zitelmann heißt das Scheidewasser „Wirkungsstatut", bei Antoine Pillet ,,but social de la loi" (der Zweck des Gesetzes soll uns lehren, ob es territorial oder extraterritorial zu verstehen ist), bei Josephus Jitta „méthode universelle" und „méthode individuelle". Und eben dieser romantisme vertieft den Graben, der wiederum kontinentale und angelsächsische Doktrin (soweit von einer solchen gesprochen werden darf) voneinander scheidet. Wohl geht auch Joseph Story, der eigentliche Vater des neuzeitlichen Conflict of Laws, von drei „général maxims" aus. Allein diese Grundsätze sind nur feierliche „nationalistische" Vorbehalte. A. V. Dicey sieht insofern richtig, wenn er in der 2. Auflage seines bekannten Werkes (1908; 1. Aufl. 1896) Savigny und Story als die beiden Protagonisten der theoretical und der positive method of treatment gegenüberstellt. Die „positivistische" Richtung bestreitet die Möglichkeit „to discover by study and reflection the principles of a common law of Europe"; sie erblickt ihre Aufgabe lediglich darin, den Willen des souveränen Gesetzgebers of any given country zu erkennen und herauszustellen. Domicil, Marriages, Wills, Contracta, Torts usw. : das sind dann die lustlosen Kapitel von Darstellungen, wie sie in klassischer Weise noch J. Westlake (4. Aufl. 1905, 5. Aufl. 1912, in franz. Ausgabe von A. de Lapradelle, Paris 1914), J. A. Foote (4. Aufl. von C. Phillipson 1914) und W. N. Hibbert (1. Aufl. 1918) vertreten, während Dicey selber, infolge eben seines methodischen Verständnisses, den kontinentalen Anschauun-
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gen insofern entgegenkam, als er die Gliederung des Stoffes in ansprechender Weise aufzulockern verstand. II. Was nach dem Weltkrieg I ein langsames, sodann aber unaufhaltsames revirement bewirkt, sind zunächst politische Anliegen, welche auch die grundsätzliche Besinnung vorwärtstrieben und als notwendige Ergänzung einen kurz zuvor noch ungeahnten A u f b a u der Apparatur zur Folge h a t t e n . Es ging jetzt schon darum, die Nachkriegs jähre überhaupt zu organisieren, d. h. die zahllosen, im Gefolge der Friedensverträge erstellten Konventionen auszuschöpfen und in die juristische Wirklichkeit überzuführen. I n Deutschland m ü h t sich ein ganzer braintrust, zu dem J. Partsch, Erich Kaufmann, Heinrich Triepel u n d Ernst Babel gehören, um eine favorable Auslegung. Probleme der Staatsangehörigkeit im Zuge der Staatensukzessionen, des „interregionalen" Privatrechts im Elsaß, in Polen, in der Tschechoslowakei, der Nationalisierung der Handelsgesellschaften in Rußland und der russischen Nachlässe stellen auch die Zivilisten vor völlig ungepflügten Boden. I n den zehn Bänden mit der Rechtsprechung der Gemischten Schiedsgerichtshöfe (Tribunaux arbitraux mixtes) für die Bereinigung des durch den Krieg unterbrochenen zwischenstaatlichen Privatrechtsverkehrs erfolgen kühne grundsätzliche Stellungnahmen. Hier treffen sich internationale Theorie und Praxis unter völlig neuen Vorzeichen, wobei auch die stark mitbetroffene Industrie einzubeziehen w a r 1 . Zwischen den aus den verschiedensten Ländern stammenden Richtern und den Staatsvertretern sowie deren Beratern gibt es neue u n d fruchtbare Tuchfühlung; in den großen Fachorganen beginnt u m diese Kontroversen eine höchst animierte Diskussion; jetzt erschallt auch der Ruf nach Schrifttum; man versichert sich gegenseitig der wichtigsten literarischen Hilfsmittel: Entscheidungssammlungen, Zeitschriften und Monographien. I n diese Zeitspanne fallen das Erscheinen des „Auslandsrechts" 2, die Begründung des Instituts für Rechtsvergleichung an der Universität München und, seit 1925, die ersten Anfänge der bei1
M. Gutzwiller, Das Internationalprivatrecht der durch die Friedensverträge eingesetzten Gemischten Schiedsgerichtshöfe: Int. Jahrb. für Schiedsgerichtswesen (hrsg. von A. Nußbaum) 3 (1931) 123-152. 2 Auslandrecht, Blätter für Industrie und Handel, Organ des Instituts für ausländisches Recht beim Reichsverband der deutschen Industrie, 1 (1919/20) bis 7 (1926).
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den bedeutenden Berliner Parallelinstitute für Völkerrecht sowie ausländisches und internationales Privatrecht. Sehr vieles andere fügt sich diesen Anfängen eines neuen Internationalisme de l'Après-guerre an. Die Haager Konventionen, früher einem einseitigen familienrechtlichen Personalismus verschrieben, verlegen ihren Akzent fühlbar in die handelsrechtliche, d. h. rechtstatsächliche Hemisphäre 3 . Die Judikatur der neuen Haager Cour permanente de Justice internationale beginnt in grundsätzlichen Entscheidungen auch auf das I P R hinüberzuwirken 4 . Haager Konferenzen versuchen 1928 und 1930 eine Kodifikation des Staatsangehörigkeitsrechts. In Genf entstehen 1923 das Protocole relatif aux clauses d'arbitrage, 1927 das Abkommen über die Vollstreckung der ausländischen Schiedssprüche und 1930 die Konventionen zur Vereinheitlichung auch der Rechtsanwendung bei Wechsel und Scheck. Zu den charakteristischen Erscheinungen jener Rechtsgeschichte zwischen den beiden Weltkriegen gehören aber auch Währungszerfall und „Devisen"-Gesetzgebung. Im Herbst 1923 erreicht die deutsche Münzeinheit einen nie erlebten Tiefstand. Das französische Währungsgesetz vom 25. 6. 1928 definiert den neuen Goldfranken mit 65,5 Milligramm (statt 322), nimmt aber frühere „internationale Zahlungen" aus. Im September 1931 wertet England das Pfund und am 5. 6. 1933 die denkwürdige Joint Resolution des amerikanischen Congress den Dollar ab, letztere unter gleichzeitiger Aufhebung der Goldklauseln. Eine Flut von Gutachten und Abhandlungen beschäftigt sich seitdem mit dem Geltungsbereich dieser Maßnahmen, insonderheit mit dem Schicksal zahlloser auf Gold lautender internationaler Anleihen und mit den Schuldverschreibungen in verschiedenen Währungen (options de change, options de place). Am 26. und 27. 9. 1936 stellen die Abwertungen in Frankreich, Belgien, Holland und der Schweiz, einige Tage später die französische loi monétaire vom 2. 10. 1936 die Internationalisten vor neue grundsätzliche Probleme, wobei jede unter diesen Währungsmaßnahmen eine völlig verschiedene Struktur aufweist. Die 3 M. Gutzwiller, Das Internationalprivatrecht der Haager Konferenzen Vergangenheit und Zukunft: Schweiz. Jahrb. f. int. Recht 2 - 1945 (1946) 48-99. Dazu B. C.J. Loder, L'avenir du d . i . p.: Bulletin I. I. I. 15 (1926) 273-283. 4 Vgl. schon W. E. BecJcett, Décisions of the Permanent Court of International Justice . . .: Brit. Y . B. 11 (1930) 1-62 auf S. 17-21 (Questions of Private International Law and Municipal Law).
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deutsche Devisengesetzgebung, seit 1938 erheblich verschärft, provoziert die Vorbehaltsklausel der Nachbarländer. In all diesen Schwierigkeiten hat man bei uns „Technikern" angeklopft, um eine Interpretation, eine Theorie, eine geschichtliche Assoziation oder Parallele oder auch nur um einen guten Rat zu erbitten. Schließlich - auch daran sei erinnert - haben die italienischen Lateranverträge vom Jahre 1929 und ungleich mächtiger die Hitlerschen Rassengesetze seit 1933 das zwischenstaatliche Ehe- und Scheidungsrecht erschüttert. Nicht um des Reimes, vielmehr um der Vollständigkeit willen sei im gleichen Atemzuge auf ein Randgebiet aufmerksam gemacht, welches mehr und mehr auch unsere Teilnahme erheischte: das Luftrecht mit seinem eigenen IPR, wie es u. a. aus dem Warschauer Abkommen von 1929 hervorgeht6. III. Hand in Hand mit alledem kann auf eine Entwicklung der internationalprivatrechtlichen Gesetzgebung hingewiesen werden, wie sie in dieser Dichte und Ausweitung kaum eine frühere Zeitspanne aufzuweisen hat. Am 10. 12. 1907 das Schweizerische Zivilgesetzbuch mit seinen neuen Bestimmungen über Eheschließung und Ehescheidung; 1911 das Gesetz des Fürstentums Liechtenstein über die Behandlung auswärtiger Nachlässe; 1912 das schwedische Gesetz über die internationalen Beziehungen bei den Ehewirkungen; 1916 das brasilianische Zivilgesetzbuch; im gleichen Jahre das Zivilgesetzbuch von Panama; 1917 das norwegische Gesetz über die Adoption; 1918 das chinesische Gesetz über die Anwendung ausländischer Gesetze; 1922, 1923 und 1926 die sowjetrussischen Kodifikationen von wichtigen Teilen des Privatrechts und Prozesses; 1924 der berühmte tschechoslowakische Entwurf; 1922 und 1926 das Zivilgesetzbuch des Fürstentums Liechtenstein; 1926 das Zivilgesetzbuch von Guatemala; 1926 das polnische Gesetz über das in internationalen und interregionalen Privatrechtsverhältnissen anwendbare Recht; 1939 der Act on conflict of Laws in Siam; 1940 das griechische Zivilgesetzbuch; 1942 der neue italienische Codice civile; 1948 das tschechoslowakische Gesetz über IPR 6 . 6 Siehe hierzu A. N. Makarov, Die zwischenprivatrechtlichen Normen des Luftrechts: Z. für das gesamte Luftrecht 1 (1927) 150-187. 6 Bin ausführliches Verzeichnis der einschlägigen Gesetze bei Makarov, Quellen des IPR 2 (1953) Table chronologique S. 88ff. Dort auch Akte wie die Verordnung zur Regelung des österr. internationalen Familienrechts vom
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An gemeinsamen Zügen dieser Gesetzgebung darf man Folgendes festhalten. Zunächst die zunehmende Aufgabe der Hemmungen, welche den Gesetzgeber vor der Regelung einer zwischenstaatlich verwickelten Materie zurückhielten 7 . Sodann die merkliche Abnahme der Staatsangehörigkeit als Anknüpfungsbegriff gegenüber dem Wohnsitz 8 . Womit - wenigstens mittelbar - ein weiteres höchst bedeutsames Charakteristikum zusammenhängt, nämlich das Bestreben, für internationale Schuldverhältnisse - an Stelle der einheitlichen Anknüpfung am Abschlußort, Erfüllungsort oder Wohnsitz des Schuldners - konkrete Schwerpunkte zu bestimmen, welche ihrer „eigentümlichen N a t u r " entsprechen: für Geschäfte an Börsen und Märkten das Ortsrecht ; für Käufe en détail das Wohnsitzrecht des Verkäufers ; für Versicherungsverträge das Gesetz am Sitze des Versicherers; für Arbeitsverträge das Recht am Sitze des Unternehmens usw. Der österreichische Entwurf von 1913 und der tschechoslowakische Entwurf von 1924 sowie das polnische Gesetz von 1926 haben in dieser Richtung vorbildlich gewirkt. Die griechische Kodifikation von 1940 hat diesen Grundgedanken in eine bemerkenswerte Formel gefaßt: es soll (subsidiär) maßgebend sein ,,la législation qui d'après toutes les circonstances spéciales convient au contrat" (Art. 25). I n einer andern Fassung hat sich dieselbe (eigentlich Savignyache) Differenzierung das I P R der Beneluxländer (1951) zu eigen gemacht (Art. 17 II) : „Pour apprécier si un contrat appartient principalement à la sphère juridique d'un pays, on peut avoir égard au lieu où le contrat a été conclu, au lieu de son exécution, au domicile et à la nationalité des parties et à toutes autres circonstances pertinentes." Diese Feststellung ruft einer andern: nämlich der wachsenden Ubiquität, ja einer gewissen Annäherung der in den 15. 10. 1941, das schwedische Gesetz über die ausländischen Versicherungsgesellschaften (1950) und die neue Schweiz. YO über den Zivilstandsdienst (1953). - Über das IPR der südamerikanischen Staaten siehe jetzt die aufschlußreichen Vorlesungen von Haroldo Valladäo, Le d. i. p. des états américains: Bec. des cours 81 (1952 - II) 1-115 (mit Literaturverzeichnis). 7 Wie sehr sich in diesem Hinblick die Dinge seit dem Beginne des Jahrhunderts gewandelt haben, zeigen die beiden großen Projets: der österr. Entwurf von 1913 (in 59 Artikeln) und das Projet de loi relative au d. i. p. élaboré par la Commission de réforme du Code civil von 1948-1949 (in 81 Artikeln), beide abgedruckt bei Makarov (vorige Note). Vgl. dazu G. R. Delaume, A Codification of French Private International Law: Can. Bar Rev. 29 (1951) 721-747. 8 Vgl. einerseits schon C. v. Schilling, Wohnsitz- oder Heimatrecht ? : BabelsZ 5 (1931) 633-640; andererseits N. Bentwich, Becent Developments of the Principle of Domicile in English Law: Bec. des cours 87 (1955 - 1 ) 117-190.
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Gesetzgebungen postulierten Anknüpfungen. Gewisse grundlegende Lösungen findet m a n in China und in Siam wie in Italien u n d in der Schweiz. I m Abkommen von Montevideo 1940 (Artt. 36-42) sind die Vertragsobligationen zwar grundsätzlich dem Rechte des Erfüllungsortes unterstellt, aber von ausführlich geregelten Ausnahmen zugunsten von contracts concerning things usw. umgeben. Nicht nur die Vorbehaltsklausel, die „Selbstherrlichkeit des Parteiwillens", die Maxime locus regit actum, auch die Gültigkeitsvoraussetzungen der Ehe u n d das Scheidungsforum sind in einem bemerkenswerten Grade transnational geworden. U n d nun mag hier der Ort sein, eines Werkes zu gedenken, für welches das oft gebrauchte Bild wirklich zutrifft, daß es nämlich ein Markstein und gleichzeitig ein Eckstein geworden ist: die Quellen des I P R von A. N. lYakarov, 1. Aufl. 1929, 2. Aufl. 1953. Schon damals, vor nunmehr einer vollen Generation, begrüßten wir es freudig in einer begeisterten Rezension ( J W 1929, 1560f.). Es wird durch die neue Fassung mit ihrem Umfang, mit ihren Sprachen, Abteilungen, Literaturangaben u n d Registern - bei gleicher Zuverlässigkeit - bei weitem übertroffen: ein wahrer Weltatlas des I P R , den m a n nur irgendwo aufzuschlagen braucht, um sofort im Bilde zu sein. Dem droit international privé individuel steht das droit international privé collectif gegenüber. Schon die verheißungsvolle, vom American Law Institute unternommene Leistung eines Restatement of the Law of Conflict of Laws seit 1934 9 weist in die Richtung solch summierender Zusammenfassung. Von analogem Impuls getragen war in der Neuen Welt 45 J a h r e zuvor (1889) das Vertragswerk des Congreso sud-americano de derecho internacional privado zu Montevideo, wiederholt 1940 in einem ausführlichen Staatsvertrag von 68 Artikeln. Entsprechende Verbundenheit mit europäischer Tradition zeigt, anklingend an die italienische Schule, der Codigo Antonio Bustamante y Sirvén, mit seinen 437 Artikeln die umfänglichste Kodifikation des I P R . I m Gebiete der großen Politik h a t der Weltkrieg II höchst einschneidende Folgen gezeitigt, weit bedeutendere noch als die Aus9 P.Wigny, Le „restatement" américain de d. i. p.: R e v . crit. 31 (1936) 67-85. Über die Entwicklung in den U S A : E. G. Lorenzen, Development in t h e Conflict of Laws, 1902-1942 : Selected Articles on the Conflict of Laws (New H ä v e n 1947) 2 0 3 - 2 2 7 ; H. P. deVries, Recent developments in private international law in the U . S . : Ree. des cours 75 (1949 - II) 201-271.
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Wirkungen der Friedensverträge von 1918, in erster Linie eine nochmals weitreichende Verschiebung innerhalb des Konzertes der Mächte, ihrer Struktur und ihrer Einheiten. Andererseits waren die rein juristischen Entwicklungen, soweit sie die sog. „Freie Welt" betrafen, vergleichsweise weniger erregend, folgten sich in größeren Abständen und scheinen auf weitere Sicht abgestellt. Eine Renaissance der Human Rights wirkt nivellierend auch auf unser Gebiet hinüber. Die UNO wird eine neue Auflage des Genfer Völkerbunds, die Haager Cour permanente setzt ihr großes Prestige in der Cour internationale neuen Stils fort, und die Conférence de droit international privé sowie das Institut international pour l'unification du droit privé in Rom nehmen sogar ihre Vorkriegsentwürfe erfolgreich wieder auf. Dennoch darf diese letzte Dekade als eine Wegstrecke von unbestreitbarer Eigenart angesprochen werden; wobei es erlaubt sein mag, von gegenseitig zunehmender Kenntnisnahme, von dem Bedürfnis nach transnationaler coopération sowie von ernsthafter Bemühung um ein Verständnis des Nachbarn zu sprechen10. Es mag zunächst eine Bewegung erwähnt sein, besonders geeignet, diejenigen Länder, welche im römischen Stile „mit Begriffen rechnen" (Savigny), den Rechtsordnungen mit konkreter Ausrichtung näherzubringen. Schon der Bericht vom Jahre 1931 über die auf der Haager IPR-Konferenz von 1928 eingesetzte Kommission für das internationale Kaufrecht spricht allgemein vom Versuch „à éliminer toutes les solutions concernant les questions d'ordre théorique", ,,à débroussailler les textes". Man vermeidet, als mot à sens multiple, das „domicile" und sucht die Hauptanknüpfung an der résidence oder am établissement habituel (z. B. du vendeur). Oder man bezeichnet, um die. Rechtswahl wirklich auf ein intérêt légitime, auf eine raison sérieuse zu gründen, ausnahmsweise als maßgebend das Recht am Orte der Niederlassung des Käufers, ,,si c'est dans ce pays que la commande a été reçue par le vendeur". Man hatte damals noch geglaubt, den Eigentumsübergang an der gekauften Ware vom Abkommen fernhalten zu müssen, weil sich an denselben allzu intrikate Verschiedenheiten unter den Gesetzgebungen knüpfen. Die Session vom Jahre 1956 hat dann als er10 An dieser Stelle sei das am 18. 9. 1952 ins Leben gerufene englische „Private international Law Committee" (Lord Chancellors Committee) erwähnt, dessen erster Bericht (Cmd. 9068) im Februar 1954 in Her Majesty's Stationery Office zu London erschien. - Vgl. auch A. N. Makarov, Die Vereinheitlichung des I P R durch Staatsverträge: Friedenswarte 51 (1951-53) 340-354.
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wünschte Ergänzung zwar ein Projet de Convention gezeitigt, sah sich aber auch dort genötigt, dem système concret, wie es u. a. von den skandinavischen Delegierten vorgeschlagen worden war, erhebliche Zugeständnisse zu machen. Es ist wohl sicher, daß die Haager IPR-Konventionen von 1951 und 1956 auch zur Annäherung in den großen Problemen unserer Allgemeinen Lehren Erhebliches beigetragen haben. Einerseits geben sich schon der Entwurf der International Law Association vom Jahre 1928 und dann in überlegener Klarheit der Bericht Julliot de la Morandière (1931) als Anhänger einer grundsätzlichen „Selbstherrlichkeit des Parteiwillens". Andererseits gelingt es dem wiederum sehr weise auf die Kollision zwischen loi nationale und loi du domicile abgestellten Entwurf Meijers, den berüchtigten Renvoi wirksam zu entgiften. IV Die Doktrin hatte sich unterdessen ebenfalls mit Grundlagenwissenschaft abgegeben. Ihr bestimmender Zug ist das in steiler Kurve ansteigende Interesse an ihren Lebensfragen und entsprechend ein unwahrscheinliches Anwachsen des einschlägigen Schrifttums. I P R wird Modesache; bedeutende Magister versuchen sich an seinem Schachbrett. Eine neue Welle theoretischer Erkenntnis brandet über das weiträumige Feld: abstrakte Liminarprobleme und differenzierte Untersuchungen über Ausgangspositionen kommen neuerdings auf. Von W. Burckhardts Allgemeingültigkeit des I P R (1919) zu den Arbeiten D. Anzilottis, P. Arminjons, E. Bartins, W. E. Bechetts, E. Rabeis, E. Agos, B. Neuners, W. Wenglers, E. G. Lorenzens, L. De Vos', J. D. Falconbridges, W. Cooles, A. H. Robertsons und neuerdings H. Batiffols führt ein direkter Weg. Objet und méthode, logical und legal bases, teoria, Anknüpfung, Vorfrage, structure, aspects philosophiques sind einzelne Stichworte 11 . Von Autoren verschiedener Länder (H. Lewald, R. Ago, R. Maury, M. Trias de Bes, L. Davies) werden Règles générales herausgestellt. Die Rubriken der einleitenden Abschnitte in den Gesamtdarstellungen erfahren einläßliche Würdigungen, und, was wichtiger erscheint, werden zu pièces de résistance in al'en Sprachen. I n Frankreich übernehmen das Erbe von Weiss und Pillet die bekannten 11 Vgl. auch A. N. Makarov, Das Problem des anzuwendenden Kollisionsrechts: ZvglRW 55 (1944) 230-258.
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Traités von E. Bartin (1930), J.P.Niboyet (1924 und 1938ff.), P. Arminjon (1925ff.) und H. Batiffol (seit 1949). In Deutschland erscheinen nach F. Neubecker (1912) und K. Neumeyer (1923) in rascher Folge die Darstellungen von E. Frankenstein (1926 ff.), M.Gutzwiller (1931), J.Melchior (1932), A. Nussbaum (1932), M.Wolff (1933) und L. Baape (1938). Dazu kamen die glänzende Übersicht über die deutsche Rechtsprechung von H. Lewald (1931) sowie der große, höchst lebendige Kommentar von Baape (1931). In Italien bereichern nach Pasquale Fiore und Dionisio Anzilotti nun Giulio Diena (seit 1906), Arrigo Gavaglieri (2. Aufl. 1929), Giovanni Pacchioni (1930), Manlio Udina (1933) und Prospero Fedozzi (1935), Gaetano Morelli (1941), Biccardo Monaco (1949) und G. Balladore Pallien (2. Aufl. 1950) die Reihe der Lehrbücher. In England treten neben die neuen Auflagen von A.V. Dicey (7. Aufl. 1958) die Werke von C. G. Cheshire (5. Aufl. 1957), W.N.Hibbert (1918), M.Wolff (1945) und F. Graveson (1948) ; in den Vereinigten Staaten von Amerika folgen auf B. G.Minor (1901) und H.F. Goodrich (1927) die drei mächtigen Bände von Joseph Beule (1935), die Werke von A.K.Kuhn und G.W. Stumberg (beide 1937), die trefflichen Arbeiten von E. G. Lorenzen und neuerdings die große Leistung von Ernst Babel (1945ff.). Auch in den übrigen Ländern - in Rußland, Spanien, Belgien, den Niederlanden, in Schweden, Dänemark, in der Schweiz und neuerdings in zahlreichen südamerikanischen Staaten sowie in Jugoslawien - erhöht sich spürbar die Intensität der öffentlichen Mitarbeit. Diesen allgemeinen Werken tritt an die Seite eine Fülle unserer Disziplin gewidmeter Doktordissertationen, unter denen sich zahlreiche geschichtliche Einzelforschungen finden. Überhaupt wird auf solche Weise eine große Zahl von Materien des besonderen Teils zugänglich gemacht und erschlossen. Die gegenseitige Berücksichtigung der ausländischen Veröffentlichungen und Lehrmeinungen und die Auseinandersetzung mit ihnen wird sorgfältiger und eifriger. Bedeutende, z. T. neugeschaffene wissenschaftliche Gemeinschaftsunternehmungen - Sammelwerke, Zeitschriften, Institute und Seminare - in vielen Ländern tragen wesentlich zu diesem Gelingen bei. Die seit 1923 erscheinenden, höchst gewichtigen Cours de l'Académie de droit international de La Haye entwickeln sich zu einer allgemein beachteten internationalen Tribüne für wertvolle Länderberichte und ausführlich behandelte Spezialfragen. An die Seite der beiden hauptsächlichen französischen Fachorgane treten noch andere; in Deutschland beginnt 28*
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1927 die Tätigkeit des weit aufgeschlossenen Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht und seiner bedeutenden Zeitschrift; Italien eröffnet sein rühriges Istituto di studi legislativi; England und die USA folgen später mit ähnlich ansehnlichen Veranstaltungen, und der gleiche Vorgang vollzieht sich ebenso in Spanien, in Holland, in Griechenland, in der Schweiz und in Jugoslawien. Dabei berühren und ergänzen sich I P R und vergleichende Rechtswissenschaft in wesentlichen Punkten. Die „komparatistische" Erfassung des Forschungsgegenstandes wird selbstverständlich 12 . Die Nachbarschaft mit dem Völkerrecht findet aufmerksamere Beachtung 1 3 . Und schließlich nehmen auch persönlicher Kontakt und Meinungsaustausch in einem unvorstellbaren Maße ständig zu. Wer jetzt ausländische Universitäten betritt, wird einen Grundstock von Lehrbüchern und Zeitschriften sowie von maßgebenden Monographien überall entdecken können 1 4 . I n einer unter solchen Vorzeichen entwickelten Wissenschaft schrumpfen die Formeln vom Nationalismus und Internationalismus ein. Niemand bestreitet mehr, daß jeder Staat ,,maître du système de conflit" ist, „qu'il entend sanctionner sur son territoire et pour les juridictions dont les pouvoirs viennent de lui". Aber es dürfte sich auch kein ernstlicher Widerspruch mehr gegen eine Feststellung erheben, wie sie etwa 0. Kahn-Freund am Schlüsse der Diskussion über seine „Reflections on Public Policy in the English Conflict of Laws" in der Grotius-Society zu London 1953 machte: „Are we not, all of us", so führte er damals aus, „whether we realise it or not, as soon as we talk about private international law, making the tacit assumption made explicitly by Savigny that there exists a minimum of common ideas and institutions between the various legal systems concerned ?" Und wäre es auch nur die Tatsache einer internationalen Diskussion gemeinsam anerkannter Basis-Probleme. Es soll an dieser Stelle keineswegs verschwiegen werden, daß selbst die durch Chauvinismus und Weltkrieg I I veranlaßte Emigration in einem meßbaren Grade die Doktrin befruchtet und bereichert hat : Martin Wolff, Ernst Rabel, Arthur Nußbaum, F.A.Mann und An12 A. N. Makarov, IPR und Rechtsvergleichung (Recht und Staat 144 ; 1949). 13 B. A.Wortley, The Interaction of Public and Private International Law to-day : Ree. des cours 85 (1954 - I) 239-342. 14 C.W. Jenks, The impact of international organisations on public and private international law: Transactions of the Grotius Society 37 - 1951 (1952) 23-49.
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dere haben in ihren Werken in englischer Sprache manche Brücke zwischen kontinentaler „Begrifflichkeit" und angelsächsischer Konkretheit aufgerichtet. Man hat immer wieder von „Methoden", von „Schulen", von „Generalklauseln", von „Theorien" gesprochen. Für Ulricus Hubers gegen Ende des 17. Jahrhunderts aufgestellte Tria axiomata und Storys grundsätzliche statements wird man in Diceys vier General principles frappanten Analogien begegnen. Die ersten beiden regulae des Nicolaus Hertius (um 1700) decken sich überraschend mit den Haupt-„Axiomen" Ernst Frankensteins („Quando lex in personam dirigitur . . ."; ,,Si lex rei imponitur" . . .). Savignys in zahllosen Variationen aller Sprachen immer wiederkehrendes Bild vom Sitz der Rechtsverhältnisse im Raum ist eine einleuchtende Formulierung unserer Aufgabe und als solche noch immer unübertroffen. Mancinis „nazionalità come fundamento del diritto delle genti" hat in der territorialité des späten Niboyet ein ergreifendes Gegenstück gefunden. 1946 erklärte dem Schreibenden der scharfsinnige Pariser Meister: „Voyez-vous, en fin finale j'arrive à la conclusion que d'Argentré avait raison. Qu'y a-t-il de plus simple, de plus clair, de plus convainquant que la territorialité des lois? La lex rei sitae d'abord, peutêtre même en matière d'immeubles successoraux, la loi du lieu de la passation des contrats, le premier (ou si vous voulez le domicile actuel) des époux, la lex delicti commissi, le siège des grandes entreprises?" Also doch wieder das Aufflackern eines prinzipiellen, dem „Internationalismus" opponierenden „Nationalismus" ? Niboyets Lehrer Antoine Pillet hatte noch geglaubt, am „but social de la loi" ablesen zu können, ob ein Gesetz als „permanent" personam sequitur oder als „général" „porrigitur ad omnes qui in territorio sunt" : eine moderne Statutentheorie16. Die Quintessenz dieser Lagebetrachtung liegt in Folgendem. Es gibt wohl tatsächlich - und wird immer geben - zwei methods of treatment (die Engländer sprechen sehr plastisch von den verschiedenen Arten des approach). Einerseits eine grundsätzliche, in vielen Schattierungen: von Zitelmanns messerscharfer Scholastik bis zu Bartins überlegenen raisonnements über die caractères originaux unseres ordre de connaissances oder zu Niboyets rationalistisch inspirierter Geographie. Es kommt dabei zum Ausdruck eine natür18
H. Batiffol, Les tendances doctrinales actuelles en d. i. p. : Rec. des cours 72 (1948 - I) 1-66.
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liehe Charakterologie des Geistes. Andererseits die vorwiegend analysierende Durchdringung einzelner Phänomene an H a n d der „ N a t u r der Sache". N u n verkörpern aber eben diese beiden wissenschaftlichen Lager nur verschiedene Arten des Zugangs. Der Inhalt ihrer Katechismen ist damit noch keineswegs präjudiziert. So h a t etwa auch Bartin aussprechen können: „je veux rappeler que le droit international privé n'est pour moi que la forme juridique de l'idée de patrie, dans les relations de Droit privé". Frankensteins Einblick in die differenzierteste Wirklichkeit ist durch seine „Axiome" keineswegs versperrt worden. Sein Projet d'un Code européen ist ein bedeutsames Zeugnis f ü r die Annäherung bei der Auffindung der Anknüpfungspunkte. Umgekehrt lassen bei Dicey gewisse general définitions eine „begriffliche" Präzision erkennen, welche auch in einem deutschen Lehrbuch k a u m übertreffen werden könnte 1 6 . Diese Feststellungen gestatten den Schluß, daß sich auch in methodischer Richtung die Gegensätze angenähert haben. Mit der Zahl der Streitfälle wächst das Verständnis für die Internationalität der Tatbestände und der Hinblick auf die maßgebende - auch ausländische - Literatur u n d Rechtsprechung. Und schließlich ist die Empfindung für sachgemäße Entscheidung heute als rechtsstaatliche Notwendigkeit weithin anerkannt. Y Suchen wir zum Schlüsse die Entwicklung der J u d i k a t u r mit einigen Stichworten zu charakterisieren. Was hier in erster Linie auffällt, ist die enorme Zunahme der Entscheidungen. Die Register der amtlichen Sammlungen unserer Höchstgerichte geben ein sprechendes Bild davon. Demographische Veränderungen großen Stils, persönliche u n d rechtsgeschäftliche Verwicklungen infolge der beiden Weltkriege, Währungszerfall und Devisengesetzgebung haben auch dabei ihren Anteil. Diese Voraussetzungen boten zugleich den Anlaß zur Korrektur mancher früheren Errungenschaft. So war etwa die Doktrin des ordre public in manchen Ländern Gegenstand einer interessanten Fortbildung. Das Dogma von der autonomie de la volonté - welches immerhin schon im Projet Roguin der 3. Haager IPR-Konferenz vom J a h r e 1900 völlig klar hervort r i t t - erhält seinen festen Platz. Der Umfang der einschlägigen 16
B. A. Wortley, The general principles of Private international Law from t h e English standpoint: Rec. des cours 71 (1947 - II).
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Gebiete erweitert sich zusehends. Verwickelte, durch weitverzweigte Emigration hervorgerufene Erbrechtsfälle ; schwierige, bei Scheidung und Yerlassung entstehende obligations alimentaires ; das Kollisionsrecht der Rückerstattungsgerichte und der Schuldenabkommen sind Beispiele. Selbst die Fundamente unseres Baus - u. a. die Neuordnung der nationalité de la femme mariée und so peinliche Erscheinungen wie die statelessness of fact - verlangen unausgesetzte Aufmerksamkeit. Im internationalen Obligationenrecht, einschließlich der obligations délictuelles und quasi-délictuelles, bemerkt man auch in den Ländern ohne gesetzliche Regelung eine gewisse Auflockerung der Anknüpfungspunkte. Art. 17 der EenvormigeWet (Bénélux) von 1951 mit ihren drei Kulissen (autonomie de la volonté, rapport spatial le plus étroit, lex loci contractus) mag als Ausdruck dieses Vorgangs innerhalb der obligations conventionnelles gelten. Der allerdings nur einzelne Höchstgerichte erreicht hat ; unter ihnen besonders sichtbar die Schweiz, wo die seit Menschengedenkenfestgehaltene „Spaltung" in Entstehung und Wirkungen des Vertrags seit 1952 zugunsten der „engsten räumlichen Beziehung" aufgegeben ist, als welche - in Übereinstimmung mit den Haager Regeln oft der Schuldnerwohnsitz erscheint 17 . Auch im Gebiete der außervertraglichen Haftung sind die Erwägungen differenzierter geworden. Hingewiesen sei schließlich auf die Erstarkung des - gewissermaßen - internationalen Virus in den Entscheidungen. Nicht nur sind etwa Diskussionen um englische Cases wie Vita Food Products v. Unus Shipping Co. (1939) oder Boissevain v. Weil (1949) in einem 1910 unvorstellbaren Maße allgemein bekannt. Außerdem sind auch ausländisches Schrifttum und ausländische Gesetze keine Bücher mit sieben Siegeln mehr 18 . Die Erwägungen selber atmen nicht selten einen zwischenstaatlich aufgeschlossenen Geist und eine entsprechende Sprache. Ja, vielleicht ist sogar eine - gelegentlich nicht ungefährliche - Neigung zu lehrhafter Entwicklung allgemeiner Wahr17
Vgl. die Aufsätze von Bundesrichter W. Stauffer über diese neueste Fortbildung der bundesgerichtlichen Judikatur in ZbernJurV 89 (1953) 377 bis 397 und Festschrift Hans Lewald (1953) 393-406. 18 Es sei an dieser Stelle u. a. hingewiesen auf die Bilateral studies in Private International Law (1. Nußbaum, American-Swiss Private International Law, New York 1951), bisher 7 Bände. Als weiterer Beleg für die angedeutete Haltung sei angeführt das Gemeinschaftswerk Le droit international privé de la famille en France et en Allemagne (1954) - Das internationale Familienrecht Deutschlands und Frankreichs (1955).
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heiten zu spüren. Wenn es aber so ist, wie wiederum Julliot de la Morandière in einem jüngsten Aufsatz unter dem Titel „Le rôle du juge d'après le projet de réforme du code civil français" meint, daß nämlich ,,à côté et peut-être au-dessus de la loi il y a d'autres, et peut-être les vraies sources de droit", dann wollen wir auch in diesem Hinblick getrost auf die nächsten „Fünfzig Jahre Internationalprivatrecht" vertrauen.
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Saarbrücken Unser verehrter Jubilar, Alexandre Nikolajemtsch Malcarov, hat sich besonders um die Quellen des internationalen Privatrechts (IPR) verdient gemacht. Seine Untersuchungen beschränken sich dabei nicht auf das geltende Recht, sondern erstrecken sich auch auf die Reformarbeiten des In- und Auslandes. Gerade in den letzten Jahren ist hier die Entwicklung sowohl auf der einzelstaatlichen als auch auf der internationalen Ebene wieder in Fluß gekommen; erinnert sei nur an die Arbeiten der 7. und 8. Tagung der Haager IPRKonferenz 1951 und 1956, an das Abkommen der Benelux-Länder von 1951 über ein einheitliches IPR-Gesetz sowie an die Reformarbeiten in Frankreich, Österreich und D e u t s c h l a n d E i n i g e Fragen drängen sich dabei auf: Von welchen Gesichtspunkten lassen sich die einzelstaatlichen oder internationalen Gesetzgeber leiten 2, welches 1 I n Westdeutschland bereiten die verschiedenen Kommissionen des im H e r b s t 1953 gegründeten Deutschen Rates f ü r I P R - vgl. RabelsZ 18 (1953) 597 und 19 (1954) 597 - einen Entwurf f ü r die Neufassung der A i t t . 7 ff. E G B G B vor, der dem Bundesjustizministerium vorgelegt werden soll. Die erste Kommission f ü r Grundsatzfragen wird von A. N. Makarov geleitet. I n der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands ist ebenfalls eine bemerkenswerte Entwicklung im Gange. Allerdings wird dort - u n t e r dem Einfluß der sowjetischen Lehre vom I P R u n d seinen Quellen - das Gewicht auf die zweiseitigen Staatsverträge verlagert. So enthält z. B. der zwischen der D D R u n d Polen am 1. 2. 1957 abgeschlossene „Vertrag über den Rechtsverkehr in Zivil-, Familien- u n d Strafsachen" (GBl D D R 1957 I 414) in Artt. 21 ff. eine Teilkodifikation des Kollisionsrechts; ähnlich der entsprechende Vertrag mit der Tschechoslowakei vom 11. 9. 1956 (GBl I 1187) sowie neuestens die Verträge mit der Sowjetunion u n d Ungarn vom 28. 11. 1957 u n d 30. 10. 1957 (GBl 1958 1241, 277). 2 Mit „Gesetzgeber" meinen wir hier u n d im folgenden weniger den formellen Gesetzgeber, das Parlament, das über eine Gesetzesvorlage nur mit „ J a "
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sind ihre rechtspolitischen Zielsetzungen ? Und weiter: Gibt es allgemeine Grundsätze und Methoden, die jeder Gesetzgeber bei der Bildung von Kollisionsnormen zu beachten h a t ? Insbesondere dieser letzten Frage sind die folgenden Ausführungen gewidmet.
Vorbemerkung Jede Rechtsnorm, die in einem Land oder - auf Grund zwei- oder mehrseitiger Staatsverträge - in mehreren Ländern in K r a f t tritt, ist in ihrem Inhalt zugleich das Ergebnis einer Interessenabwägung und einer rein sachlichen, gesetzestechnischen Vorarbeit. Dieses Ergebnis ist gewissermaßen die Resultante des Parallelogramms jener Kräfte, die bei der Ausformung der betreffenden Rechtsnorm gewirkt haben. Nicht anders ist es im Falle einer Kollisionsnorm. Die wirkenden „Kräfte" können dabei sehr verschiedenartig sein. Es sind dies nicht nur etwa wirtschaftliche Interessen bestimmter sozialer Gruppen im nationalen und internationalen Leben, sondern auch staatspolitische Interessen, Verkehxsinteressen, Ordnungsprinzipien, bindende (?) Traditionen, rein sachlich methodische Gesichtspunkte und - soweit man die Existenz einer objektiven Gerechtigkeit zugeben w i l l - n i c h t zuletzt die aus der „Natur der Sache" abzuleitenden 3 Gerechtigkeitsvorstellungen 4 . Wenn also hier von „Kräften" und „Interessen" gesprochen wird, so ist dies nur im weiteren, übertragenen Sinne zu verstehen. Der Zweck der vorliegenden Untersuchung wird somit sein: einerseits solche „Interessen" in einem systematischen Zusammenhang hervorzuheben, die als besonders typisch erscheinen und überall gegenwärtig und zu beachten sind; so gesehen kann man von rechtspolitischen Prinzipien des I P R spreoder „Nein" befindet (vgl. dazu die bemerkenswerten Ausführungen von Rudolf Bruns, Lücken in der rechtlichen Wertung des körperschaftlichen Rechtsgeschäfts ?: Ann. Univ. Sarav., Abt. Rechts- und Wirtschaftswiss. 3 [1954] 137-145). Gemeint sind vielmehr die jeweils für die gesetzgeberischen Vorarbeiten zuständigen Gremien, die den zu erlassenden Kollisionsnormen das Gepräge geben. 3 Vgl. etwa Neuhaus, Savigny und die Rechtsfindung aus der Natur der Sache: RabelsZ 15 (1949/50) 364-381; Batiffol, Aspects philosophiques du d. i. p. (Paris 1956) 163 ff. 4 Für eine geltende Norm des IPR kann man - alle diese Zusammenhänge berücksichtigend - von „Kollisionsnormsituation" (im weiteren Sinne) sprechen. Auf der eingehenden Analyse dieser „Situation" beruht zum Teil auch die moderne Methode der Gesetzesauslegung.
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chen. Zum anderen wird es sich hier darum handeln, die diesen Prinzipien adäquaten Kodifikationsmethoden zu finden 5 . Dabei sind angesichts der besonderen Struktur der Kollisionsnormen methodisch zwei Fragenkomplexe zu trennen. Der eine bezieht sich auf die Umschreibung des Gegenstandes oder sachlichen Bereichs einer Kollisionsnorm durch den VerweisungsbegrifE (ihren Tatbestand) und ist mehr rechtstechnischer, systematischer Natur 6 . Der andere Fragenkomplex bezieht sich auf die Anknüpfung, also auf die Bestimmung des maßgebenden Rechts (die Rechtsfolge). Rechtspolitisch steht dieser zweite Komplex im Mittelpunkt. Aber auch der erste kann nicht unerwähnt bleiben, weil er für die Subsumtion entscheidend ist; er soll daher, auch wegen des engen Zusammenhangs mit der Anknüpfungsfrage, vorweg erörtert werden.
A. D I E B I L D U N G D E S
VERWEISUNGSBEGRIFFS
1. Allgemeines Die Umschreibung für den Gegenstand der einzelnen Kollisionsnorm - z. B. im E G B G B : Geschäftsfähigkeit, Eingehung der Ehe, eheliches Güterrecht, Beerbung - bezeichnen wir als „Verweisungsbegriff" 7 . Dieser kommt in den modernen Kodifikationen und Ent5 Über die eigentliche „Technik" der Kodifikation des I P R vgl. etwa Nolde, L a codiflcation du d. i. p.: Ree. des cours 55 (1936-1) 303-432, besonders 4 0 5 - 4 1 4 ; Aratö, Zur Kodifikationstechnik des I P R : RabelsZ 17 (1952) 1 - 1 9 . 6 Die alte Streitfrage, ob Gegenstand einer Kollisionsnorm Rechtsverhältnisse, Rechtsfragen, Lebenssachverhalte oder Rechtsnormen seien, soll hier nicht entschieden werden. Jede der genannten Antworten hat ihre Berechtigung. Auch die Ansicht, daß die Kollisionsnorm Rechtsverhältnisse zum Gegenstand hat, ist richtig, wenn wir - von rein positivistischen Vorstellungen befreit - davon ausgehen, daß Rechtsverhältnisse und Rechtspositionen auch außerhalb einer bestimmten staatlichen Rechtsordnung entstehen können, sobald die beteiligten Personen das „Verhältnis" oder die „Position" als rechtsverbindlich ansehen. Jedenfalls ist es nicht denknotwendig, hierfür eine bestimmte staatliche Rechtsordnung vorauszusetzen. Das Qualifikationsproblem wird dadurch allerdings nicht gelöst und bleibt bestehen ungeachtet der Ansicht, die man über den Gegenstand der Kollisionsnorm vertreten mag. 7 Dieser freilich irreführende Ausdruck wird in der letzten Zeit häufig gebraucht, z. B . Niederer, Einführung in die allgemeinen Lehren des I P R 2 (1956) 131 f. Eine international einheitliche Terminologie hat sich nicht herausgebildet. Die in der ausländischen Literatur gebrauchten Ausdrücke sind mehr oder minder abhängig von der Ansicht des jeweiligen Autors über den Gegenstand der Kollisionsnorm (vgl. dazu die vorige Note): ,,a given kind of ques-
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würfen lediglich durch einen rechtlichen Terminus technicus zum Ausdruck, der zwangsläufig derjenigen Rechtssprache entnommen wird, in welcher die ganze Kollisionsnorm abgefaßt ist. Das ist bekanntlich eine der Ursachen der Qualifikationsschwierigkeiten, die auch bei internationalen Verträgen und Abkommen auftauchen, weil eine universale Terminologie meistens fehlt. Selbst bei sorgfältigster Formulierung der Kollisionsnorm sind Qualifikationsschwierigkeiten dieser Art nicht zu vermeiden. Es genügt deshalb hier, den Gesetzgeber zur Vorsicht zu mahnen.
2.
Systembegriffe
Im geltenden IPR vieler Staaten sind Kollisionsnormen enthalten, die sich auf ganze Partien des Privatrechts beziehen 8 . Die betreffenden VerweisungsbegrifFe sind aus der Systematik des jeweiligen nationalen Zivilgesetzbuches entlehnt; wir nennen sie daher ,,Systembegriffe". Durch diese wird der Jurist gezwungen, bei der Anwendung der Kollisionsnorm die Systematik der eigenen Rechtsordnung in eine fremde (evtl. anzuwendende) Rechtsordnung hineinzuprojizieren. Als Hauptquelle der Qualifikationsschwierigkeiten sind die Systembegriffe bedenklich und grundsätzlich abzulehnen, weil die Systematik der nationalen Zivilgesetzbücher sehr unterschiedlich aufgebaut ist und weil erst recht das unkodifizierte Gewohnheitsrecht sich vielfach einem solchen Schema nicht fügt. Außerdem werden dadurch der Praktiker und auch der Theoretiker veranlaßt, begriffsjuristisch zu denken. Mit der systematisch-begrifflichen Methode wird dann versucht, unklare Kollisionsnormen auszulegen und die Lücken zu füllen 9 . Schließlich führt die Zution", „legal question", „notion rattachée", „rapport juridique" usw. Eine rechtsvergleichende, jedoch unvollständige Übersicht gibt Falcoribridge, Conflict Rule and Characterization of Question: Can. Bar Rev. 30 (1952) 103-118, insbes. 106-111. Rabel, Conflict of Laws I (1945) 43 und 48, gebraucht gelegentlich neutrale Ausdrücke wie „thing connected", „terms or concepts of the conflicts rule". Über die Unsicherheit der franz. Terminologie vgl. noch (ebenfalls unvollständig) Rigaux, La théorie des qualifications en d. i. p. (Brüssel sowie Paris 1956) 78 f. 8 So fast sämtliche Bestimmungen des deutschen EGBGB (Artt. 7 if.), des italienischen Codice civile (Artt. 17 ff. prel.) und des griechischen ZGB (Artt. 5 ff.); Art. 3 II, III Code civil; §§ 4, 34-37 ABGB. Zur weiteren Orientierung vgl. die Texte bei Makarov, Quellen des IPR 2 (1953). 9 Es werden z. B. die Schlüsselgewalt und die praesumtio muciana zu den „persönlichen Rechtsbeziehungen" der Ehegatten (Art. 14 EGBGB) gerech-
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sammenballung von ganzen Partien des Zivilrechts in einer Kollisionsnorm dazu, daß sehr verschiedene, ja heterogene Rechtsfragen und Rechtsinstitute einheitlich behandelt werden, ohne Rücksicht auf die Eigenart und soziologische Funktion des betreffenden einzelnen Rechtsinstituts. Ein eklatantes Beispiel hierfür bietet das im Gesetz zwar nicht ausdrücklich erwähnte10, im EGBGB dennoch genetisch verankerte und von der Lehre und Rechtsprechung immer wieder erwähnte sogenannte „Personalstatut" mit einer angeblich einheitlichen Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit oder an den Wohnsitz - ein Armutszeugnis des geltenden I P R ! Dem gegenüber besteht die Tendenz zu einer differenzierten Schwerpunktbildung. Auch im IPR bedarf das einzelne Rechtsinstitut - der typische Tatbestand - entsprechend seiner Funktion und soziologischen Eigenart einer individuellen Behandlung. Dies ist ein Gebot der Gerechtigkeit11 und zugleich - in vernünftigen Grenzen gehalten - ein Gebot der modernen Kodifikationstechnik. Aus allen diesen Gründen ist eine Auflockerung des bisherigen, an die Begriffswelt und Systematik einer einzelnen Rechtsordnung gebundenen Systems des IPR erforderlich 12 . Der sachliche Bereich einer Kollisionsnorm, der Verweisungsbegriff, muß enger gezogen sein als ein Systembegriff: er muß ein typisches Rechtsinstitut mit spezifisch eigener Funktion zum Gegenstand haben. 3. Funktionell-typisches
Rechtsinstitut
Für den Gesetzgeber stellt sich sogleich die Frage nach der Arbeitsmethode: Wie sollen solche „funktionell-typischen Rechtsinstitute" herausgestellt werden ? Die sehr weitreichende Frage kann hier nur kurz berührt werden. Auf den einzuschlagenden Weg hat bereits Rubel13 hingewiesen: die rechtsvergleichende Methode oder nefc, weil diese Fragen ebenso wie die Verpflichtung zur Lebensgemeinschaft und dgl. im 5. Titel des BGB (§§ 1353 ff.) normiert seien; vgl. statt vieler Palandt (-Lauterbach), BGB 1 7 (1958) Anm. 3 zu Art. 14 EGBGB. 10 Vgl. aber das Schlußprotokoll zu Art. 8 III des deutsch-persischen Niederlassungsabkommens vom 17. 2. 1929 (RGBl II 1012) sowie neuerdings Art. 12 des Genfer Flüchtlingsabkommens vom 28. 7. 1951 (BGBl 1953 II 559). 11 Darüber unten B 4 d, S. 437. 12 Vgl. vor allem Babel, Das Problem der Qualifikation: RabelsZ 5 (1931) 241-288, insbes. 258 und 267 f. (dazu meine Besprechung in FamRZ 1958, 75 f.). 13 Vgl. vorige Note.
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wie ich ergänzend hinzufügen möchte - die funktionell-rechtsvergleichende Methode. Denn der Verweisungsbegriff dient einerseits dazu, den Sachverhalt zwecks Subsumtion unter eine Kollisionsnorm international-rechtlich zu erfassen, andererseits bestimmt er den Umfang der Verweisung, d. h. den Umfang der Anwendung inländischen oder eines im voraus nicht näher bekannten ausländischen Rechts (Doppelfunktion des Verweisungsbegriffs). E r ist also mit einer offenen Tür zu vergleichen, die durch ihre Proportionen den Eintritt nur bestimmter (ausländischer) Rechtsnormen gestatt e t . Die Proportionen der Tür - die Verweisungsbegriffe - müssen demnach so gewählt werden, daß sie f ü r entsprechende Rechtsinstitute aus möglichst vielen Rechtsordnungen der Welt passen. Der gesuchte institutionelle R a h m e n k a n n sich nur auf Grund rechtsvergleichender Vorarbeit ergeben. Dabei reicht eine rein begriffsvergleichende Terminologie nicht aus ; vielmehr ist eine funktionelle Vergleichung erforderlich. Ich darf präzisieren: Nur solche Rechtsinstitute kommen als „Gegenstand" der Kollisionsnorm in Betracht, die in möglichst vielen Ländern der Erde bekannt sind und annähernd die gleiche soziologische u n d (was allerdings weniger ins Gewicht fällt) rechtstechnische Funktion zu erfüllen haben; auf ihre Stellung (und auf die Stellung der sie betreffenden - in Gesetzbüchern vielleicht verstreut liegenden - einzelnen Bestimmungen) innerhalb des einzelstaatlichen Rechtssystems kommt es daher nicht entscheidend an 14 . Von solchen Rechtsinstituten kann m a n sagen, daß sie „funktionell-typisch" seien. Beispiele: Eheschließung, Ehescheidung, Schlüsselgewalt, Adoption, Vollmacht, Bürgschaft, P f a n d (an beweglichen Sachen); nicht dagegen Kauf schlechthin (höchstensWarenkauf), nicht Geschäftsfähigkeit (höchstens : Schutz der Minderjährigen u n d Geisteskranken, Entmündigung, Volljährigkeitserklärung), nicht Eigentum, nicht ungerechtfertigte Bereicherung usw. Über Einzelpunkte mag m a n streiten, doch geht es hier nur u m die Methode, ohne daß deren Ergebnisse vorweggenommen werden sollen 15 . Diese Methode aber h ä t t e noch den Vorteil, die 14 Es handelt sich hier nicht u m eine „Klassifikation" des materiellen Rechts zum Zwecke seiner Verteilung auf die Kollisionsnormen, sondern u m eine Verteilung nach institutionell-funktionellen Schwerpunkten. Die von Wengler, Die Qualifikation der materiellen Rechtssätze im I P R : Festschrift f ü r Martin WolfF (1952) 337-374, insbes. 370 ff., vorwiegend gegen Röbel u n d Pillet erhobenen Bedenken treffen daher m. E. hier teilweise nicht mehr zu. 16 Eine zum Teil ähnliche Methode befolgt Lepaulle, Le d. i. p. - Ses bases, ses normes et ses méthodes (Paris 1948) 118 f., 121-124, 129 f. Doch legt er
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Wege zu der so oft geforderten „Internationalisierung" des IPR 16 zu ebnen17. Institute dagegen, die rechtsvergleichend nicht „funktionell typisch" sind, sollten aus einem geschlossenen System des IPR verbannt werden. Es hat keinen Sinn, allseitige Kollisionsnormen über eine Rechtsfigur aufzustellen, die vielleicht nur der einheimischen oder nur wenigen Rechtsordnungen bekannt ist18. Wenn überhaupt eine gesetzliche Normierung erforderlich ist, dürften einseitige Kollisionsnormen über die Anwendung dieser speziellen Bestimmungen genügen. Es wäre hier zu untersuchen, ob für diese Sonderrechtsinstitute nicht die Theorie von Pilenko in gewissem Umfang zu brauchbaren Ergebnissen führt 19 . 4. Kombinierte Methode als Übergangslösung Das System der Kollisionsnormen würde durch die Verwendung der institutionell-rechtsvergleichenden Methode weithin ein neues Gesicht erhalten. Das bedeutet jedoch keinen Bruch mit der bisherigen Entwicklung, die mit Story und Savigny ihren Anfang genommen hat. Dies wird besonders klar, wenn man die wenigen Kollisionsnormen des Code civil und des österreichischen ABGB mit den wesentlich differenzierteren Normen des EGBGB und der neueren Gesetze (Polen, Italien, Griechenland, Tschechoslowakei u. a.) verseiner Liste der „notions r a t t a c h é e s " (Verweisungsbegriffe) zwar soziologisch getönte, aber a n Systembegriffe erinnernde rechtliche Kategorien (oder besser gesagt: Querschnitte d u r c h d a s P r i v a t r e c h t ) zugrunde, ohne R ü c k sicht auf die institutionellen Schwerpunkte. Rechtspolitisch empfiehlt Lepaulle eine besondere B e a c h t u n g der (vergleichenden ? ) Rechtssoziologie u n d der sozialen Interessen. 16 Vgl. z. B. die Resolution des I n s t i t u t de Droit i n t e r n a t i o n a l auf seiner 45. T a g u n g in Siena: A n n u a i r e 44 (1952) I I 473, deutsche Übersetzung RabelsZ 17 (1952) 519. 17 Babel (oben N. 12) 287 f. 18 Solche Rechtsfiguren bilden i m deutschen R e c h t z. B. : H a u s r a t s t e i l u n g bei der Ehescheidung (6. DVO z u m EheG), H ö f e o r d n u n g , R ü c k e r s t a t t u n g , neuestens das ehegüterrechtliche E r b r e c h t des überlebenden E h e g a t t e n (§ 1371 B G B in der F a s s u n g des Gleichberechtigungsgesetzes v o m 18. 6. 1957, B G B l 1609). 19 Pilenko, Droit spatial e t D. i. p . : J u s G e n t i u m 5 (1953) 3 4 - 5 9 ; ders., L e droit spatial et le d. i. p. d a n s le p r o j e t d u n o u v e a u Code Civil f r a n ç a i s : R e v . Hellénique 6 (1953) 319-355. Vgl. hierzu Neuhaus, RabelsZ 20 (1955) 597 ff.; Wiethöller, Einseitige Kollisionsnormen als Grundlage des I P R (Berlin 1956); Trammer, Über die sogenannten „einseitigen N o r m e n " des I P R : RabelsZ 22 (1957) 401-408. Vgl. a u ß e r d e m die A u s f ü h r u n g e n von Nußbaum, Grundzüge des [amerik.] I P R (1952) 68-71, über die „räumlich bedingten S a c h n o r m e n " .
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gleicht. Man darf nur nicht bei den Systembegriffen der heute geltenden Kodifikationen stehenbleiben. Dem modernen Gesetzgeber steht schon ein reiches Material zur Verfügung, das ihm eine stufenweise Loslösung von den starren Systembegriffen erlaubt; die (materiell-) rechtsvergleichende Vorarbeit ist in manchen Punkten bereits geleistet worden. Vor allem kann der Gesetzgeber auf zahlreiche Einzeluntersuchungen zurückgreifen, welche die Erfahrungen der Praxis verwerten, denn gerade die Praxis hat uns gezeigt, daß mit den Systembegriffen im I P R nicht fruchtbar gearbeitet werden kann. Ein ganz nach institutionellen und funktionellen Gesichtspunkten ausgerichtetes, zudem lückenloses System von Kollisionsnormen kann freilich - soweit es überhaupt erreichbar ist - nicht auf einmal entstehen. Zu erwägen ist deshalb als Übergangslösung eine kombinierte Methode von generellen Grundsatz-Kollisionsnormen und besonderen, auf bestimmte typische Rechtsinstitute bezogenen Normen. Diese Methode hätte den Vorteil, daß sie die etwaigen Lücken im System schließen und eine nachträgliche Ergänzung durch neue „besondere" Kollisionsnormen ermöglichen würde. Freilich sollten dabei auch die „Grundsatznormen" nicht allein auf der gesetzlichen Systematik einer einzigen (der inländischen) Rechtsordnung fußen, sondern rechtsvergleichend formuliert werden. Erwägenswert wären z. B. eine Grundsatznorm - wie bisher - für die „Geschäftsfähigkeit" und besondere Normen (mit teilweise abweichender Anknüpfung) für Volljährigkeitserklärung, Entmündigung, Auswirkungen der Rechtshandlungen Schutzbedürftiger im Rechtsverkehr usw.; ebenso eine Grundsatznorm für „Ehewirkungen" und besondere (institutionelle) Kollisionsnormen für Unterhaltspflicht, Schlüsselgewalt, Eigentumsvermutung, Ehevertrag, Publizität des Güterstandes usw.; oder eine Grundsatznorm für „Schuldverträge", der eine Reihe von besonderen Kollisionsnormen für einzelne Vertragstypen folgen könnte usw.
B. DIE W A H L D E R A N K N Ü P F U N G
Ob die Anknüpfung bereits zur Rechtsfolge einer Kollisionsnorm gehört oder nicht, kann hier unerörtert bleiben 20 . Wichtig ist, daß 20 Vgl. über den Aufbau der Kollisionsnorm die Literatur bei Neuhaus, Besprechung Kegel u. a.: RabelsZ 17 (1952) 500-509.
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der Anknüpfungspunkt einerseits für die Rechtsfolge (die Bestimmung des anzuwendenden Rechts) entscheidend ist und daß er andererseits dem typischen Sachverhalt entnommen wird (der Anknüpfungspunkt als ein Element des Tatbestandes). Beides muß man im Auge behalten, wenn es um die Beantwortung der Frage geht, welche allgemeinen Prinzipien und Methoden der Gesetzgeber bei der Wahl der Anknüpfung zu beachten und zu verwenden hat. Ferner darf man nicht vergessen, daß die Wahl der Anknüpfung im einzelnen (selbstverständlich?) entscheidend vom Sachbereich der Kollisionsnorm - vom Verweisungsbegriff - abhängt. Das oben (A) berührte Problem ist daher für die Anknüpfung vorbestimmend, wie im folgenden neben anderem ausgeführt wird. Die für die Wahl der Anknüpfung maßgebenden Gesichtspunkte können einerseits sachlogischer (technischer) Natur sein; diese sind stets zu berücksichtigen. Eine Reihe von anderen, im engeren Sinne rechtspolitischen Faktoren liegen dagegen - obschon immer latent vorhanden - mehr am Rande und erhalten erst im Zusammenhang mit bestimmten Fragenkomplexen aktuelle Bedeutung; man kann sie teilweise als „Interessen" bezeichnen. Zwischen beiden Gruppen liegt die alte Frage nach der „richtigen" oder - wie ich noch sagen möchte - nach der „gerechten" Anknüpfung in dem für das I P R spezifischen Sinne, unabhängig von Rechtstechnik und Interessenabwägung. I. Allgemeine sachlogische 1. Einheitliche Kollisionsnorm
Gesichtspunkte
für zusammenhängende
Rechtsfragen?
Es kann sich für eine Reihe von selbständigen Rechtsinstituten dieselbe Anknüpfung ergeben, entweder rein zufällig oder auch zufolge eines engen sachlichen Zusammenhanges 21 oder als Ausdruck 21 Für einheitliche Anknüpfungen im Familienrecht (als ein Gebot der „Gerechtigkeit"): Neuhaus, Die Verpflichtungen des unehelichen Vaters im deutschen I P R (Stuttgart 1953) 12, 34; ders., RabelZ 18 (1953) 553; ders., Familieneinheit im I P R ? : RabelsZ 20 (1955) 52-65; Müller-Freienfels, FamRZ 1957, 150 f. Im übrigen vgl. Lepaulle (oben N. 15) 130;Wengler (oben N. 14) 358 f. und ders., Die allgemeinen Rechtsgrundsätze des I P R und ihre Kollisionen: (österr.) ZöffR 23 (1943/44) 473-509 auf S. 477 ff. = Les principes généraux du d. i. p. et leurs conflits: Rev. crit. 41 (1952) 595-622 und 42 ( 1953) 37-60, bes. S. 602 ff. (er spricht in diesem Zusammenhang vom Prinzip der „materiellen Harmonie") ; Horst Müller, Der Grundsatz des wohlerworbenen Rechts im I P R (Hamburg 1935) 337, der hier ein „Zusammenhanginteresse" sieht; Aratô (oben N. 5) 8 f. für den ungarischen Entwurf.
29 Zeitschrift für internat. Privatrecht. H. 3/4 (Jahrg. 23)
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eines einheitlichen „Prinzips", das angeblich weite Partien des Privatrechts erfaßt (z. B. des Staatsangehörigkeits- oder desWohnsitzprinzips). Deshalb ist aber nicht in allen diesen Fällen - etwa aus Sparsamkeitsgründen, um Wiederholungen zu vermeiden - eine einheitliche Kollisionsnorm zu bilden22. Das Gegenargument, das IPR sei eine noch verhältnismäßig junge Rechtsmaterie, deren Fortbildung nicht durch eine unnötige Vielzahl gesetzlicher Vorschriften behindert werden solle, überzeugt nicht; denn gerade durch die Zusammenfassung verschiedener und oft heterogener Rechtsinstitute in einer allgemeinen Kollisionsnorm23 wird die fruchtbare und freie Fortbildung des IPR in Einzelfragen gehemmt. Auch wenn dieselbe Anknüpfung für mehrere Rechtsinstitute wirklich angemessen ist, kann doch der Anknüpfungszeitpunkt verschieden sein24. Mit dem Bedürfnis, einen differenzierten Zeitpunkt zu wählen, muß man auch dann rechnen, wenn dies dem Gesetzgeber zunächst nicht sichtbar wird25. Notwendig sind aber getrennte Kollisionsnormen vor allem wegen der eventuellen Ausnahmeregelungen, die sich naturgemäß nur auf bestimmte einzelne Rechtsinstitute beziehen26. 22 Einigt m a n sich z. B . dahin, alle W i r k u n g e n der E h e n a c h einem einheitlichen R e c h t zu beurteilen, so wäre es naheliegend u n d verlockend, eine einzige Kollisionsnorm zu bilden u n d hierfür die „ E h e w i r k u n g e n " als Verweisungsbegriff zu gebrauchen. Gegen eine solche Methode s. oben A 2. (Vgl. a u c h u n t e n N . 26.) 23 Man d e n k e e t w a a n A r t t . 7 f., 14-16 u n d 24 f. E G B G B . 24 So ist z. B . n a c h A r t . 15 E G B G B die Staatsangehörigkeit des E h e m a n nes „ z u r Zeit der Eheschließung", n a c h A r t . 17 diejenige „ z u r Zeit der E r h e b u n g der K l a g e " , n a c h A r t . 18 die „ z u r Zeit der G e b u r t des K i n d e s " m a ß gebend. 26 Man d e n k e n u r a n die P r o b l e m a t i k des A r t . 7 E G B G B oder auch a n A r t . 13 (hinsichtlich der Heilung einer f e h l e r h a f t e n Eheschließung beim S t a t u t e n wechsel). Vgl. über die Zeitbestimmung a u c h u n t e n 7 b, S. 443 ff. 26 Die R ü c k s i c h t auf Ausnahmeregelungen ist im geltenden E G B G B n u r in geringem U m f a n g sichtbar. Vgl. dagegen die unglückliche Zusammenfassung v o n A u s n a h m e n in A r t . 16, die d a s Verhältnis zu A r t t . 14 u n d 15 völlig verdunkelt. Die P u b l i z i t ä t des Güterstandes, die Schlüsselgewalt u n d die Eigent u m s v e r m u t u n g e n im E h e r e c h t sind eben R e c h t s i n s t i t u t e , die selbständige, g e t r e n n t e Kollisionsnormen e r f o r d e r n ; die in A r t t . 14 u n d 15 v o r g e n o m m e n e K o n z e n t r a t i o n aller „ E h e w i r k u n g e n " erweist sich als n i c h t richtig (vgl. oben N . 9 u n d 22). - E s b e s t ä t i g t sich i m m e r wieder die Ansicht, d a ß die i m E G B G B e n t h a l t e n e n u n d von der R e c h t s p r e c h u n g weiterentwickelten A u s n a h m e b e s t i m m u n g e n den p r a k t i s c h wichtigsten Teil des deutschen I P R a u s m a c h e n (vgl. z. B . Braga, RabelsZ 18 [1953] 237 bei N . 2 bezüglich der Wohnsitzank n ü p f u n g e n des E G B G B ) . E i n e U n t e r s u c h u n g ü b e r diese in den A u s n a h m e b e s t i m m u n g e n des E G B G B e n t h a l t e n e „ z w e i t e " Regelung des deutschen I P R w ü r d e sich n i c h t n u r f ü r die gesetzgeberischen A r b e i t e n lohnen.
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Diese Überlegungen führen zu dem bereits oben (A) herausgestellten, jetzt unter dem Gesichtspunkt der Anknüpfung bestätigten Ergebnis: Jedes funktionell typische Rechtsinstitut soll - wenn die Zeit dafür reif ist - eine eigene Kollisionsnorm erhalten. 2. „Gleichgeschaltete" Anknüpfung auf Grund eines vorgefaßten, starren Prinzips? Die gesetzgeberische Reformarbeit ist vielleicht auf keinem anderen Rechtsgebiet so stark von Traditionen und Denkgewohnheiten vorbelastet wie auf dem Gebiete des IPR. Diesem Umstand ist es zuzuschreiben, daß die Gesetzgeber immer wieder bestrebt sind, die Anknüpfung für große Partien des Zivilrechts auf Grund des Staatsangehörigkeits- oder des Wohnsitzprinzips „gleichzuschalten". Getragen wird diese Tendenz von einer aus der Statutentheorie fortgeschleppten Vorstellung über den Anwendungsbereich der Gesetze (Personalität und Territorialität). Wer dagegen von den einzelnen Rechtsinstituten ausgeht, wird bald die allgemeine Richtigkeit und die Brauchbarkeit des Staatsangehörigkeits- wie des Wohnsitzprinzips in Zweifel ziehen27. Außerdem hat die Erfahrung der letzten Jahrzehnte, beginnend mit dem Haager Abkommen von 1902 und 1905, zur Genüge gezeigt, daß auf dem Boden dieser „Prinzipien" eine Vereinheitlichung des IPR nicht möglich ist. Der moderne Gesetzgeber darf also an die Reformarbeit nicht mit einer generell vorgefaßten Anknüpfungswahl als „Prinzip" herangehen28, mag er auch im einzelnen zu der Anknüpfung an den Wohnsitz oder die Staatsangehörigkeit neigen. 3. Anknüpfungsmöglichkeiten
-
Anknüpfungsformen
a) Beschränkte Wahlmöglichkeiten. - Die Zahl der möglichen Anknüpfungsmomente, die dem Gesetzgeber zur Verfügung stehen, ist theorethisch unbegrenzt. Aber im Einzelfall, bei der Wahl der Anknüpfung für eine zu bildende bestimmte Kollisionsnorm, deren Gegenstand (VerweisungsbegrifF) mehr oder minder genau festgelegt wird, ist der Kreis der möglichen Anknüpfungspunkte beschränkt. Auch bei 27
Andeutungsweise Braga, Staatsangehörigkeitsprinzip oder Wohnsitzprinzip? (Erlangen 1954) 55 ( = RabelsZ 18 [1953] 227-246 auf S. 239). 28 Dies betont z. B. auch Schnitzer, Handbuch des IPR 4 I (1957) 44 und 55 f. 29*
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den gesetzgeberischen Vorarbeiten konzentriert sich die Diskussion normalerweise auf zwei oder drei Anknüpfungsmöglichkeiten. Die Anknüpfungspunkte können nach der bisherigen Erfahrung entweder Rechtsinstitute sein (wie die Staatsangehörigkeit) oder Rechtstatsachen (z. B. gewöhnlicher Aufenthalt, Lageort, Ort einer Handlung). Aus der Perspektive des I P R betrachtet sind die Anknüpfungspunkte nur die rechtliche Ausdrucksform der soziologischen Beziehungen zwischen dem jeweils vom Verweisungsbegriff gemeinten typischen Lebenstatbestand und einer Rechtsordnung 29 . Bei der Eheschließung z. B. kommen als solche soziologischen Beziehungen in Betracht : Ort (Land) der Eheschließung, Staatsangehörigkeit undWohnsitz (Aufenthalt) jedes einzelnen Verlobten, u. U. die Auflösung einer früheren Ehe durch Scheidung oder Verschollenheit oder Todeserklärung. Der Gesetzgeber kann einen dieser Anknüpfungspunkte wählen oder mehrere miteinander kombinieren. Er kann aber vernünftigerweise nicht weitergehen und etwa an den Ort anknüpfen, wo das Vermögen der Verlobten oder gar ihrer Eltern belegen ist. Ein derartiges Verfahren würde dem Sinn des Rechtsinstituts der Eheschließung widersprechen. Die Zahl der möglichen Anknüpfungspunkte bleibt also jeweils beschränkt: einerseits durch die Eigenart des typischen Sachverhalts, der nur bestimmte Berührungspunkte als möglich enthält, andererseits durch die Eigenart und Funktion des (rechtsvergleichend) typischen Rechtsinstituts 2 9 a . b) Die Methode der gleitenden Anknüpfung. - Die so häufig an den einseitigen Kollisionsnormen geübte Kritik, daß sie nicht alle Fälle erfassen, trifft auch auf manche „vollkommenen" Kollisionsnormen zu, z. B. bei Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit und (seltener) an den Wohnsitz; denn in Fällen der Staatenlosigkeit undWohnsitz29
Soweit der Anknüpfungspunkt aus den Sachnormen (aus dem öffentlichen Recht, dem Privat- oder Verfahrensrecht) entlehnt wird, hat er also im Kollisionsrecht eine andere, ihm sonst nicht innewohnende Funktion zu erfüllen. Deshalb besteht auch die Tendenz, die Anknüpfungsfiguren teilweise abweichend vom materiellen Recht zu interpretieren. So schon Niemeyer, Das IPR des BGB (Berlin 1901) 69 ff. Weitere Hinweise bei Braga (oben N. 27) 60 f. ( = RabelsZ 242 f.). Aus den gleichen Erwägungen werden manche Anknüpfungsfiguren (z. B. der Wohnsitz) in den neueren Entwürfen besonders definiert: Artt. 45 ff. des französischen Entwurfs (Comité français de d. i. p., La codification du d. i. p. ; Paris 1956) ; Artt. 28 ff., 57 ff., 269, 532 von Frankensteins Projet d'un Code européen de d. i. p. (Leiden 1950). asa Darüber unten 4 d, S. 437 f.
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losigkeit ist die Subsumtion nicht möglich. Als Ersatz ist in solchen Fällen heute offenbar eine „gleitende" Anknüpfung beliebt: Staatsangehörigkeit - hilfsweise Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt hilfsweise Aufenthalt - äußerstenfalls lex fori 30 . Da die Anknüpfung bereits über das anwendbare Recht entscheidet, also über die Rechtsfolge der Kollisionsnorm (gleichviel ob man die Anknüpfung selbst nun zum Tatbestand der Kollisionsnorm rechnet oder zur Rechtsfolge 31 ), so ergeben sich hier verschiedene Rechtsfolgen für einen und denselben typischen Lebenstatbestand. Also ein Tatbestand und mehrere, differenzierte Rechtsfolgen! Verletzt ein solches System nicht den Gleichheitsgrundsatz ? Man wird einwenden, daß das Gesetz, wenn es an die Staatsangehörigkeit (oder an den Wohnsitz) anknüpfe, eben damit die Staatsangehörigkeit (den Wohnsitz) zu einem Merkmal des Tatbestandes erhebe, der dadurch von anderen Tatbeständen unterschieden werde 32 . Aber welche innere Berechtigung hat diese Unterscheidung, die zugleich auch eine Wertentscheidung (Vorwegnahme der Rechtsfolge) bedeutet ? Es fällt auf, daß gerade die vollständigsten, keiner Ersatzanknüpfung bedürftigen Kollisionsnormen - lex loci actus, lex loci delicti commissi, lex rei sitae (besonders für Grundstücke) - beinahe überall in der Welt gelten 33 . Die Tradition allein erklärt diese Uber30 H a n d e l t es sich u m die A n k n ü p f u n g a n die Staatsangehörigkeit v o n zwei Personen, wie z. B . im E h e r e c h t , so wird d a s System der gleitenden Ank n ü p f u n g noch komplizierter: gemeinsame S t a a t s a n g e h ö r i g k e i t ; f r ü h e r e gemeinsame S t a a t s a n g e h ö r i g k e i t ; gemeinsamer Wohnsitz; f r ü h e r e r gemeinsamer Wohnsitz; gemeinsamer A u f e n t h a l t usw. E i n relativ einfaches Beispiel b i e t e t A r t . 1 der E n t s c h l i e ß u n g I V des I n s t i t u t de Droit i n t e r n a t i o n a l v o n G r a n a d a 1956 (Annuaire 46 [1956] 362, deutsche Übersetzung RabelsZ 22 [1957] 197), wonach f ü r die W i r k u n g e n der Eheschließung auf die persönlichen Beziehungen der E h e g a t t e n m a ß g e b e n d sein sollen: gemeinsame Staatsangehörigkeit, gemeinsamer gewöhnlicher A u f e n t h a l t , letzter gemeinsamer gewöhnlicher A u f e n t h a l t , O r t der Eheschließung. 31 Vgl. oben N. 20. 32 Der A n f a n g des A r t . 21 E G B G B z. B . m ü ß t e d e m n a c h f o l g e n d e r m a ß e n gelesen w e r d e n : „ D i e U n t e r h a l t s p f l i c h t des Vaters gegenüber d e m unehelichen Kinde, dessen Mutter eine Staatsangehörigkeit besitzt ..." 33 Die b e s t e h e n d e n Unterschiede betreffen n i c h t den Grundsatz, sondern nur die Tragweite (den Verweisungsbegriif) u n d die I n t e r p r e t a t i o n dieser Kollisionsnormen (z. B . den A b s c h l u ß o r t brieflich geschlossener Verträge, den H a n d l u n g s o r t bei „gestreckten T a t b e s t ä n d e n " im Deliktsrecht, den Lageort der res in transitu). - Wenn f ü r die Deliktsobligationen eine Differenzier u n g u. U . erforderlich ist (vgl. Binder, Zur A u f l o c k e r u n g des D e l i k t s s t a t u t s : RabelsZ 20 [1955] 401-499, insbes. 498 f.), so liegt dies vielleicht d a r a n , d a ß es sich hierbei - rechtsvergleichend b e t r a c h t e t - nicht u m ein in sich geschlossenes R e c h t s i n s t i t u t h a n d e l t .
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einstimmung nicht. Offenbar haben diese Normen sich bewährt; bei ihnen kann die Anknüpfung nicht versagen, weil sie untrennbar mit dem typischen Sachverhalt verbunden, ja ihm entlehnt ist: Ein Rechtsgeschäft wird irgendwo vorgenommen, ein Vertrag irgendwo geschlossen; zum Deliktsbegriff gehört notwendigerweise eine Handlung (oder Unterlassung); eine Sache muß eine geographisch bestimmbare Lage haben. Dagegen ist die Staatsangehörigkeit bei Eheschließung oder Adoption, Ehevertrag oder Schlüsselgewalt keine begriffsnotwendige Voraussetzung ; vielmehr wird hier die Anknüpfung dem Tatbestand der Kollisionsnorm aufgepropft: der Tatbestand wird um dieses Element künstlich erweitert 34 . Im Ergebnis sehe ich in der Methode der gleitenden Anknüpfung eine Verlegenheitslösung und keinen Fortschritt. Dem Gesetzgeber kann man diese Methode grundsätzlich - für den Regelfall - nicht empfehlen. Der Gesetzgeber soll vielmehr bestrebt sein, nach Möglichkeit wahrhaft vollständige Kollisionsnormen zu bilden, indem er Anknüpfungspunkte wählt, die im typischen Sachverhalt wurzeln 35. I I . Die s p e z i f i s c h i n t e r n a t i o n a l p r i v a t r e c h t l i c h e n Gerechtigkeitsprinzipien Der Gedanke, daß durch die Anknüpfung, durch die Anwendung dieser oder jener Rechtsordnung u. a. (neben Zweckmäßigkeitserwägungen) ein Postulat der Gerechtigkeit verwirklicht werden solle, hat in der Geschichte des I P R nie ganz gefehlt. Er hat vermutlich Pate gestanden bei der Entstehung des IPR zur Zeit der Glossatoren, und auch die neuere Lehre erblickt hierin immer wieder ein rechtspoütisches Prinzip M . Aber wann eine Kollisionsnorm gerecht ist, läßt sich in allgemeingültiger Form nicht sagen. Es dürfte dies nicht zuletzt von der individualistischen oder sozialistischen Ausgangsposition abhängen 37. Die Entscheidung über die Anknüpfung 34
Vgl. die vorletzte Note. Vgl. auch unten 4 d, S. 437 f. 36 Vgl. z. B. O. Fischer, Die Methode der Rechtsfindung im internationalen Recht: Jh. Jb. 65 (1915) 125-160 auf S. 149 f.; Arminjon, L'objet et la méthode du d. i. p. : Ree. des cours 21 (1928-1) 433-509, insbes. 440, 478, 489; vgl. auch unten N. 41 und 49. Abgelehnt werden muß jedenfalls die Ansicht, daß die Kollisionsnormen lediglich neutrale Ordnungsvorschriften seien (vgl. die Hinweise von Bosch, FamRZ 1955, 14 und 1957, 193 auf die Rechtssprechung des BGH). 37 Vgl. etwa Neuhaus, Zeit- und Geiatesströmungen im IPR: ÖstZöffR IST. F. 6 (1953-55) 53-64, insbes. 56 ff. 36
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kann verschieden ausfallen, je nachdem ob man den Staat und seine Normen (in ihrem Geltungs- oder Anwendungsbereich) zum Ausgangspunkt nimmt oder ob man das soziologische Substrat und die privatrechtliche Punktion des I P R in den Vordergrund stellt 38 . Doch unabhängig davon bestehen zwei spezifisch internationalprivatrechtliche Grundsätze, die jeder Gesetzgeber berücksichtigen muß: der Schwerpunktgedanke und der Grundsatz des Entscheidungseinklangs. Sie können als (rechtspolitische) Gerechtigkeitsprinzipien des IPR angesehen werden 39, deren Allgemeingültigkeit, wenn man von der Rangordnung einmal absieht, wohl unbestritten ist 40 . 4. Der Schwerpunktgedanke Ob man vom „Sitz des Rechtsverhältnisses" oder vom „Schwerpunkt" spricht oder ein anderes Bild gebraucht, ist gleichgültig. Gemeint ist immer die Wahl desjenigen Anknüpfungsmomentes, das die intensivste (soziologische) Beziehung zwischen dem Sachverhalt und einer Rechtsordnung darstellt. Die so vorgenommene Anknüpfung ist gerecht in einem nur dem IPR eigenen Sinne41. Welches 38 Fragt man nach dem Geltungs- oder Anwendungsbereich der staatlichen Normen und erblickt man im I P R einen Teil des Völkerrechts, so erscheint eine Kollisionsnorm (die Anknüpfung) nur dann als „gerecht", wenn sie unter dem Aspekt der Verteilung der Souveränitätskompetenzen die Anwendungsbereiche der einzelstaatlichen Gesetze untereinander angemessen abgrenzt. Geht man dagegen von der privatrechtlichen Punktion des I P R aus, so verschieben sich die maßgebenden Kriterien wesentlich zugunsten der Einzelinteressen unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen typischen Situation (soziologische Betrachtungsweise). Richtiger erscheint mir die Auffassung, daß das I P R eine autonome Rechtsmaterie ist, in der sich das öffentliche Recht (Völkerrecht) und das Privatrecht wohl begegnen, ohne jedoch das Spezifische des I P R zu verdecken; so im Ergebnis z. B . auch Lepaulle (oben N. 15) 48. 39 Und als Auslegungsgrundsätze. Darüber (z. T. in anderer Sicht) Wengler (oben N. 21) ZöffR 473, 477 ff., 483 ff. = Rev. crit. 597, 602 ff., 610 ff. 40 Die Begründimg hierfür schwankt - wie bei allen fundamentalen, letzten Problemen des Rechts — zwischen reinen Zweckmäßigkeitserwägungen und den Fragen nach der „Natur der Sache", sie mündet schließlich auch in soziologische Gesichtspunkte. Wir können uns aber mit der Feststellung begnügen, daß die Beachtung dieser beiden Grundsätze durch den Gesetzgeber von der „Allgemeinheit" erwartet wird; vorausgesetzt natürlich, daß dies eine bereits ausreichende Begründung für tragende Prinzipien der Rechtsordnimg ist (so - wenn auch in anderem Zusammenhang - Maihof er, Die Natur der Sache: Arch. f. R.- u. Sozialph. 44 [1958] 145-174, insbes. 164 ff.). 41 Vgl. Beitzke, Betrachtungen zur Methodik im I P R : Festschrift Smend (Göttingen 1952) 1-22 auf S. 16 und 19; Braga (oben N. 27) 45-47 ( = RabelsZ 234 f.) mit weiteren Hinweisen; z. T. auch Kegel, Begriffs- und lnteressenjurisprudenz im I P R : Festschrift H. Lewald (Basel 1953) 261 und 270 mit
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Anknüpfungsmoment jeweils gewählt wird, ist eine vom Gesetzgeber zu treffende Wertentscheidung, bei der es, wie angedeutet, zum Teil auf die Ausgangsposition ankommt. Die Erörterung der letztgenannten Frage würde ins Uferlose führen. Nur auf einige Methodenfragen soll hier hingewiesen werden. a) Methode der freien richterlichen Rechtsfindung. - Man kann es dem Richter überlassen, ohne Bindung an gesetzliche (oder gewohnheitsrechtliche) Kollisionsnormen selbst die Rechtsordnung zu bestimmen, mit der der konkrete Sachverhalt in der engsten Beziehung steht. Diese Methode - obwohl sie dem Schwerpunktgedanken am besten entspricht - wird aus Gründen der Rechtssicherheit überwiegend abgelehnt. Nichtsdestoweniger wird sie auf dem Gebiet des Schuldrechts (Vertragrechts) mit Erfolg praktiziert, denn die Anknüpfung an den stillschweigenden und insbesondere an den hypothetischen Parteiwillen ist kaum etwas anderes als eine dem Richter überlassene Anknüpfung an den Schwerpunkt des Schuldverhältnisses 42. b) Methode der bedingt freien richterlichen Rechtsfindung. — Denkbar wäre eine Kollisionsnorm, die neben der Rechtsfrage (dem Verweisungsbegriff) einige Anknüpfungspunkte enthält, von denen der Richter für den konkreten Sachverhalt den schwerwiegendsten zu wählen hat. c) Methode der kombinierten Anknüpfung. - Der Richter könnte auch gehalten werden, falls zwei oder mehrere der vorgesehenen Anknüpfungsmomente auf dieselbe Rechtsordnung verweisen, diese anzuwenden 43. weiteren Hinweisen auf Habel, De Nova und Dolle (Kegel selbst spricht vom „örtlich besseren Recht"). — Lewald, Règles générales des conflits de lois (1941) 21 f., erblickt darin bereits eine Methode, obwohl es sich m. E. zunächst um einen allgemeinen IPR-Gedanken (den Schwerpunktgedanken) handelt, der erst für eine Methode ausgewertet werden soll. Der Unterschied zwischen der kollisionsrechtlichen und der materiellrechtlichen Gerechtigkeit wird im Rahmen der Vorbehaltsklausel (ordre public) besonders eindrucksvoll; vgl. z. B. Kegel a.a.O. 227 f.; Soergel(-Kegel), BGB 8 IV (1955) Anm. II 2 c zu Art. 30 E GB GB. - Wengler (oben N. 21) ZöfifR 476 f. und 498 = Rev. crit. 1952, 600 ff. und 1953, 46 f. will deshalb dem ordre public die Qualität eines obersten „Gerechtigkeits"-Prinzips (wohl im materiellrechtlichen Sinne) einräumen. 42 Schnitzer (oben N. 28) I 52 ff. und II (1958) 639 ff. spricht vom „Gesetz der charakteristischen Leistung". 43 Gemeint ist hier also nicht die kumulative Anwendung von zwei verschiedenen Rechtsordnungen (etwa im Sinne des Art. 13 I oder Art. 17 I und I V E G B G B ) ! Vgl. auch Lewald (oben N. 41) 31 f. und Braga (oben N. 27) 55 mit N. 102 (=RabelsZ 240 mit N. 1).
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Die ersten beiden Methoden setzen eine Richtertätigkeit voraus. Bedenklich wird es deshalb - abgesehen von Erwägungen der Rechtssicherheit wenn nicht der Richter, sondern eine Verwaltungsbehörde (z. B. der Standesbeamte) entscheiden soll. Außerdem haben diese Methoden den Nachteil, daß bei ihnen eine effektive Vereinheitlichung des IPR nicht möglich ist. Schließlich ist es die tägliche Praxis, die eine umfassende und für jeden Durchschnittsjuristen verständliche Kodifikation des IPR erforderlich macht. Immerhin können die zweite und dritte Methode für vereinzelte Kollisionsnormen u. a. zweckmäßig sein (z. B. im Rahmen einer „Grundsatznorm" 44 für Schuldverträge). d) Methode der funktionellen Anknüpfung. - Dieser Weg wurde oben mehrfach angedeutet und ist nur dann begehbar, wenn sich der Gesetzgeber von Staatsangehörigkeits- und Wohnsitzprinzip sowie von der Frage nach dem Geltungs- und Anwendungsbereich der Rechtsnormen gänzlich löst. Ausgangspunkt dieser Methode ist das rechtsvergleichend typische Rechtsinstitut 4 6 in seiner (ebenfalls rechtsvergleichend erkannten) Funktion für die zugrunde liegenden Lebenstatbestände. Erst unter dem Gesichtspunkt der Funktion eines Rechtsinstitutes kann auch der Schwerpunkt richtig erkannt und damit die gerechte Anknüpfung gewonnen werden 46 . 44
Vgl. oben A 4, S. 428. 46 ygi, oben A 3 . — Horst Müller (oben N. 21) spricht gelegentlich von „typischen Lebensfällen" (8. 326). 46 Ähnliches, wenn auch nicht ganz dasselbe, meinen Kahn, Bedeutung der Rechtsvergleichung mit Bezug auf das I P R : Abhandlungen zum I P R (1928) I 491-503 auf S. 495 u n d besonders S. 503 („die Vergleichung der Zwecke der verschiedenen materiellen Rechtsordnungen [ist] eine unentbehrliche Voraussetzung für die Bildung u n d Fortbildung aller Kollisionsnormen"), Zweigert, Die dritte Schule im I P R : Pestschrift f ü r R a a p e (Hamburg 1948) 35-52 auf S. 47, u n d vor allem Schnitzer (oben X. 28) 56, 182 ff., 189, wenn er von der „funktionellen A n k n ü p f u n g " spricht. Vgl. auch Neuhaus, RabelsZ 18 (1953) 553, der dem „Zweck der Sachnormen" besondere Bedeutung f ü r die Anknüpfungswahl beimißt. Ausgehend von der gemeinen Rechtslehre wurde die funktionelle Methode im Grunde genommen bereits von Savigny praktiziert, ja von ihm ins Leben gerufen, vgl. Neuhaus (oben N. 3) 373 ff. m i t S. 371 IST. 4 (die sinngemäß zu S. 373 N. 5 gehört). Dem schließt sich auch Lepaulle (oben N. 15) 143 a n ; er empfiehlt allerdings in erster Linie die Berücksichtigung der „sozialen Interessen". Skeptisch, ob der „Zweck" auf die richtige A n k n ü p f u n g hinweisen kann, äußert sich Wengler (oben N. 21) ZöffR 480 ff. = Rev. crit. 606 ff. E r bezieht sich allerdings auf den Zweck des einzelstaatlichen materiellen „Rechtssatzes" (vgl. auch oben N. 14), also nicht auf das rechtsvergleichend funktionell-typische Rechtsinstitut. Das gilt wohl noch ausgesprochener f ü r Babel (oben N. 12) 284 ff.
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Der Anknüpfungspunkt wird bei dieser Methode häufig dem typischen Lebenstatbestand unmittelbar entnommen werden müssen 47. 5. Der Grundsatz des Entscheidungseinklangs
(„Gesetzesharmonie")
Die unerfreulichen Folgen, die sich aus der Verschiedenheit des IPR von Staat zu Staat ergeben, haben bereits seit etwa hundert Jahren (man denke nur an Mancinis Bemühungen seit 1866148) zu der Forderung nach einer übereinstimmenden Gestaltung der internationalen Kollisionsnormen geführt, damit ein Sachverhalt möglichst in allen Ländern der Erde einheitlich beurteilt werde49. Zu erreichen ist das letztgenannte Ziel durch die Berücksichtigung fremden Kollisionsrechts60, durch möglichst unbeschränkte gegenseitige Anerkennung der gerichtlichen Entscheidungen und vor allem durch die Vereinheitlichung („Internationalisierung") des IPR 61 . Es handelt sich hier nicht nur um ein Gebot der Rechts47 Vgl. oben S. 434 (B 3 b). — I n einem Bericht an den „Deutschen R a t f ü r I P R " (vgl. oben N. 1) über das internationale Eheschließungs- u n d Ehescheidungsrecht (Gegenentwurf) habe ich versucht, die Methode der funktionellen A n k n ü p f u n g zugrunde zu legen; eine Veröffentlichung der dort vorgelegten Referate ist vorgesehen. 48 Nolde (oben N. 5) 351 f. 49 Wengler (oben N. 21) ZöffR 483 ff. = Rev. crit. 610 ff. spricht vom „Konfliktsminimum". Zweigert (oben N. 46) 51 bezeichnet den Grundsatz der Entscheidungsharmonie als das oberste Gerechtigkeitsprinzip des I P R , während Beitzke (oben N. 41) 18 darin nur ein „Hilfsprinzip" sieht. Leivald, Ziel u n d Grenzen der Gesetzesharmonie im I P R : ÖJZ 1951, 11-13, will wiederum der „Gesetzesharmonie" den Vorrang geben. Über Savigny u n d die internationale Rechtsgemeinschaft als „letztes Ziel" des I P R vgl. Neuhaus (oben N. 3) 367 f. u n d 380. 50 Vgl. f ü r die einzelnen F o r m e n : Makarov, Das Problem des anzuwendenden Kollisionsrechts: ZvglRWiss 55 (1942-44) 230-258 = Les cas d'application des règles de conflit étrangères: Rev. crit. 44 (1955) 431-457. 51 Vgl. z. B. Kahn, Die einheitliche Kodifikation des I P R durch Staatsverträge: Abhandlungen (oben N. 46) I I 1-36 u n d - f ü r die Gegenwart - Aubin, Europäisches Einheitsrecht oder innereuropäische Rechtsharmonie ? : Europäische Zusammenarbeit im Rechtswesen (1955) insbes. 48 ff. — Kahn, dessen Ideal der „Gesetzesharmonie" seine sämtlichen Schriften wie ein roter F a d e n durchzieht, hielt (1899) ein einheitliches Kollisionsrecht nur innerhalb „gewisser Gruppen" von Rechtsordnungen f ü r möglich u n d erreichbar, die ihrerseits nach außen (den übrigen Gruppen gegenüber) ein gleichartiges Verhalten anstreben sollten (Abhandlungen I 324). Dieser interessante Gedanke eines regional einheitlichen I P R u n d eines überregional zwar verschieden gearteten, jedoch ebenfalls gleichgeschalteten I P R ist heute besonders aktuell, wenn wir an den Zusammenschluß Westeuropas u n d a n das OstWest-Problem denken. Auch Frankenstein (oben N. 29) entwirft ein regionales (europäisches) IPR-Gesetzbuch. Neuestens betont den Gedanken, daß Privatrechtsgemeinschaften nur regional seien (im Gegensatz zur univer-
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Sicherheit, sondern zugleich um eine Gerechtigkeitsfrage. Ein dem Grundsatz ,,ne bis in idem" verwandter Rechtsgedanke verbietet, daß ein und derselbe Sachverhalt mehrmals zu einem bestimmten Zweck erfaßt wird und zu verschiedenen Rechtsfolgen führt. Zwar ist die Gesetzeskonkurrenz eine im Privatrecht alltägliche Erscheinung - eine Vertragsverletzung z. B. kann zugleich einen Deliktstatbestand erfüllen und dadurch inhaltlich verschiedene Schadensersatzansprüche und sonstige Rechtsfolgen nach sich ziehen doch werden die Rechtsfolgen notfalls aufeinander abgestimmt, z. B. wird Schadensersatz nur einmal gewährt. Auf der internationalen Ebene kann und darf dieser Gerechtigkeitsgedanke nicht an Wirksamkeit verlieren, auch wenn er zunächst ein materiellrechtliches Prinzip darstellt. Es hat sich in letzter Zeit die Auffassung durchgesetzt, daß auch der einzelstaatliche Gesetzgeber in der Lage ist, zur Internationalisierung des Kollisionsrechts beizutragenB2. Er soll nur solche Kollisionsnormen erlassen, die einer Internationalisierung fähig sind, d. h. die als Muster eines einheitlichen I P R dienen könnten. Dies bedeutet u. a., daß der nationale Gesetzgeber sich nicht auf das Staatsangehörigkeits- oder Wohnsitzprinzip und nicht auf die ihm geläufigen Konzeptionen (Denkgewohnheiten) versteifen und nicht die staatspolitischen Interessen über Gebühr betonen darf 83 . Positiv soll er die allgemeinen Tendenzen im I P R beachten, soweit sie rechtsvergleichend festzustellen sind. Doch möge er sich dabei nicht durch allzu große Rücksichtnahme auf andere Staaten zu einer traditionalistischen oder abwartenden Haltung führen lassen, sondern unter Umständen auch völlig neue Wege gehen und zu neuen Anknüpfungen greifen, wenn sie überall akzeptiert werden können64. salen Völkerrechtsgemeinschaft), Evrigenis (nach dem Bericht von Francescakis, Rev. crit. 46 [1957] 528). 52 Vgl. z. B. die Resolution des Instituts de Droit international (oben N. 16) und vor allem Neuhaus, RabelsZ 22 (1957) 748 zu meinen Bemerkungen über die Vereinheitlichung des I P R (Ann. Univ. Sarav. 4 [1955] 3-8). S. auch Schwind, (österr.) Jur. Blätter 1956, 33-38. 63 Vgl. hierzu Braga (vorige Note) 5 ff. 64 Beinahe wichtiger als diefcoMmonsrechtsvergleichendeVorarbeit scheint mir daher für jeden nationalen Gesetzgeber die bisher noch wenig praktizierte materiellrechtlich vergleichende Vorarbeit, die den Weg zu wirklich neuen Erkenntnissen eröffnet. Vgl. oben A3, S. 425 fi., und das unter B 4d, S. 437 f., über die funktionelle Anknüpfung Gesagte. In diesem Sinne schon Kahn (oben N. 46) I 316: „Die materielle Rechtsvergleichung ist und bleibt das Fundament des I P R . "
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I I I . Besondere rechtspolitische
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Gesichtspunkte
Dieser letzte Abschnitt hat lediglich einige besonders typische rechtspolitische Gesichtspunkte zum Gegenstand, die vom Gesetzgeber zu berücksichtigen sind. Ausscheiden müssen hier solche „Interessen", die aus besonderen Situationen erwachsen und einem ständigen Wandel unterworfen sind. Die nachfolgende Gruppierung - Verkehrsinteresse, Vertrauensschutz, staatspolitisches Interesse dient nur der besseren Übersicht; eine scharfe Abgrenzung ohne Überschneidungen ist kaum möglich. 6. Verkehrsinteresse
Daß allgemeine Rechtsgedanken und materiellrechtliche Grundprinzipien und -Vorstellungen unter gewisser Transformation in das IPR übersetzt werden, ist nichts Außergewöhnliches oder dem IPR gegenüber Zweckwidriges, wenn man sich vor Augen hält, daß auch das IPR einen soziologischen Hintergrund hat, nämlich das internationale Leben, die internationale (Rechts-)Gemeinschaft, „(legal) Community of mankind", „société internationale" oder wie man dafür auch immer sagen mag. Zwar ist dieser soziologische Hintergrund, bezogen auf die wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Vorzeichen, teilweise verschieden geartet im Vergleich zu dem auf das Gebiet eines Landes beschränkten Leben, doch können jedenfalls die Belange des internationalen Rechts- und Geschäftsverkehrs grundsätzlich keine anderen sein als die des innerstaatlichen Verkehrs ; auch die rechtlichen Ausdrucksformen (Kategorien) sind ja hier wie dort dieselben: Rechtsgeschäft, Vertrag, Eigentum usw. Auch im internationalen Verkehr handelt es sich um Fragen der Rechtssicherheit, der Stabilität der Rechtsverhältnisse, der Voraussehbarkeit in bezug auf die maßgebenden Rechtsnormen, des Vertrauensschutzes und des Schutzes der wohlerworbenen Rechte. Eine Kollision zwischen den Interessen des inländischen und des internationalen Rechtsverkehrs ist daher - obwohl die rechtstechnischen Mittel im materiellen Recht und im IPR grundverschieden sind - in der Regel nicht ersichtlich 65. 65
Der besondere Fall, daß ein Land am internationalen Verkehr vorwiegend als Käufer oder Verkäufer, als Schuldner oder Gläubiger, als Abnehmer oder Erbringer von Dienstleistungen interessiert ist, soll hier noch nicht berücksichtigt werden (vgl. dazu unten N. 81). Der wirtschaftliche Konkurrenzkampf (einschließlich der Außenhandelspolitik der Staaten) kann und darf jedenfalls nicht auf der Ebene des I P R ausgetragen werden.
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Nun zeigt aber eine aufmerksame Analyse des geltenden, z.B. des deutschen IPR, daß der Gesetzgeber zahlreiche Ausnahmen von grundsätzlichen Entscheidungen (von den Grund-Kollisionsnormen des EGBGB) zugunsten der Rechtssicherheit im inländischen Rechts- und Geschäftsverkehr gemacht hat. Man denke nur an Artt. 7 III, 8, 15 II 2 oder 16 EGBGB 56 . Dadurch wird ein sonst nicht bestehender Gegensatz zwischen dem inländischen und dem „internationalen" Rechtsverkehr künstlich herbeigeführt, zumal eine entsprechende Rücksichtnahme auf die Rechtssicherheit im Ausland wegen der gebotenen einschränkenden Auslegung von Ausnahmen nicht möglich ist 67 . Der Fehler hegt hauptsächlich in der Wahl eines Anknüpfungspunktes ohne Rücksicht auf die Belange des Rechtsverkehrs; daß die sofort erforderliche Korrektur (die Ausnahme) dann nur den inländischen Rechtsverkehr begünstigt, ist unvermeidlich, wenn der falsche Grundsatz nicht völlig aufgegeben werden soll. Aber solche mit einseitigen Ausnahmen versehenen Kollisionsnormen verstoßen gegen das Prinzip der Entscheidungsharmonie, sie sind nicht „internationalisierbar"58. Außerdem sollte man bedenken, daß die Sicherheit des internationalen Rechtsverkehrs ebenfalls schutzwürdig ist, daß ihr Schutz sogar das Hauptanliegen des Gesetzgebers auf dem Gebiete des IPR sein muß. Welche Anknüpfungspunkte im einzelnen die Sicherheit des Rechts- und des Geschäftsverkehrs am besten gewährleisten, kann hier nicht erörtert werden. Nur die zu beschreitenden Wege sollen markiert werden: a) Grundsätzlich muß von den zur Verfügung stehenden Anknüpfungsmomenten jeweils dasjenige gewählt werden, das im Rahmen der zu bildenden (Grund-)Kollisionsnorm die wenigsten Ausnahmen zugunsten der Sicherheit des inländischen Rechtsverkehrs macht. Auf diese Weise wird zugleich die Rechtssicherheit im internationalen Verkehr gefördert und eine Gleichbehandlung aller Fälle erreicht. b) Die nicht zu umgehenden Ausnahmebestimmungen sollen möglichst auch die Rechtssicherheit im Ausland (im internationalen Rechtsverkehr) berücksichtigen, und zwar in Gestalt einer zusätz66
Vgl. oben N. 26. Zusammenhänge und weitere Beispiele bei Braga (oben N. 27) 48-52 ( = RabelsZ 235-238). 58 Vgl. oben B 5, S. 438. 67
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liehen allseitigen Kollisionsnorm. Dies wird häufig zur alternativen Anknüpfung führen nach dem Muster des Art. 11 EGBGB oder des Art. 91 WechselG (ohne dessen letzten Satz). c) Zur Erleichterung des Geschäftsverkehrs kann auch eine bedingt freie Anknüpfung 89 mit favor negotii vorgesehen werden, d. h. eine Kollisionsnorm mit mehreren Anknüpfungsmomenten, von denen im Einzelfall dasjenige zu wählen ist, das „die Gültigkeit des Geschäftes am meisten begünstigt" (so § 35 ABGB). 7. Vertrauensschutz Nicht nur in der Kautelarjurisprudenz, sondern praktisch in allen Bereichen des Privatrechts ist die Voraussehbarkeit der rechtlichen Entscheidung wichtig, damit der auf das Gesetz vertrauende Bürger geschützt wird. Auf dem Gebiete des IPR setzt dies bei Verschiedenheit der in Betracht kommenden materiellen Normen die Kenntnis des anzuwendenden Rechts voraus60. Da den Beteiligten oft nicht im voraus bekannt ist, in welchem Land und damit nach welchem nationalen Kollisionsrecht ihr Fall entschieden werden wird, hat der Grundsatz der Gesetzesharmonie auch hier eine wichtige Aufgabe, nämlich diesen Unsicherheitsfaktor nach Möglichkeit auszuschalten. Doch selbst wenn man von einem bestimmten (nationalen) IPR ausgeht, wird die anzuwendende Rechtsordnung nur dann hinreichend erkennbar sein, wenn die in der Kollisionsnorm enthaltene Anknüpfung eindeutig formuliert und das zeitliche Moment angemessen berücksichtigt ist. a) Eindeutigkeit der Anknüpfung: Hilfsnormen-Methode. - Es empfiehlt sich allgemein, die in den Kollisionsnormen verwendeten Anknüpfungspunkte durch besondere „Hilfsnormen" näher zu umschreiben61. Dafür sprechen die bisherigen Erfahrungen, nämlich die Schwierigkeiten, mit denen die Praxis bei der Interpretation der Anknüpfungsbegriffe zu kämpfen hatte und deren sie nie ganz Herr geworden ist 62 . Hinzu kommt die in der modernen Lehre des IPR 58
Vgl. oben B 4 b, S. 436. Horst Müller (oben N. 21) 329 ff. spricht von „Berechenbarkeitsinteressen" und vom „Kontinuitätsinfceresse". 61 Über die Hilfsnormtheorien, insbes. hinsichtlich der Wohnsitzbestimmung, vgl. Braga (oben N. 27) 61-64. 62 Wann ist z. B. ein Ausländer wohnsitzlos (im Sinne des Art. 8 EGBGB), wann haben ausländische Ehegatten ihren Wohnsitz im Inland (Art. 15 II EGBGB), welches ist das Heimatrecht bei mehrfacher Staatsangehörigkeit ? Vgl. auch oben N. 33. 60
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nicht nur de lege ferenda, sondern auch de lege lata berechtigterweise erhobene Forderung nach einer vom materiellen inländischen Recht abweichenden funktionellen (oder „autonomen") Interpretation der Anknüpfungsbegriffe63; das macht die Lage für einen Durchschnittspraktiker vollends unüberschaubar. Im übrigen entspricht es überhaupt der modernen Kodifikationstechnik, die im Gesetzestext verwendeten besonderen Termini ausdrücklich zu definieren. In neueren IPR-Entwürfen werden bereits entsprechende Hilfsnormen verwendet 64 . Die klärende Hilfsnorm kann verschieden gestaltet werden: sie kann eine selbständige Definition des Anknüpfungsbegriffes enthalten (z. B. für den Wohnsitz, Aufenthalt, Abschlußort bei Verträgen, Deliktsort); sie kann sich mit einer Verweisung auf andere gesetzliche Vorschriften der eigenen Rechtsordnung begnügen (z. B. für den Erfüllungsort) 86 ; oder sie kann mittels einer zusätzlichen Kollisionsnorm auf eine andere Rechtsordnung verweisen (z. B. für die - auch mehrfache - Staatsangehörigkeit). b) Das zeitliche Moment. - Zur Voraussehbarkeit des anzuwendenden Rechts gehört nicht nur die inhaltliche, sondern auch die zeitliche Bestimmtheit der Anknüpfung. Die Beteiligten können erst dann die Rechtslage überschauen, wenn einerseits der Zeitpunkt der Anknüpfung eindeutig in der Kollisionsnorm fixiert ist 66 (Problem des Statutenwechsels) und wenn für den Fall einer inhaltlichen Änderung des anzuwendenden materiellen Rechts der maßgebende Zeitpunkt klar bestimmt ist. Die beiden Fragen sind vielschichtig und um so bedeutungsvoller, als viele „Statute" im IPR wandelbar sind und auch die materiellen Rechtsordnungen sich gerade in unserer Zeit vielfach ändern67. Bisher ist m. E. nicht einmal die Problemstellung völlig erkannt - trotz der verhältnismäßig umfangreichen Literatur68 (der allerdings nur eine spärliche Rechtsprechung gegenübersteht). 63
44 Vgl. oben N. 29. Vgl. oben N. 29, zweiter Absatz. Bei internationalen Abkommen scheidet dieser Weg naturgemäß aus. Unrichtig ist deshalb die Anknüpfung an den „Wohnsitz" ohne nähere Definition in Art. 12 des Genfer Flüchtlingsabkommens (oben N. 10). 6,1 — oder aus der Formulierung und dem Sinnzusammenhang der Kollisionsnorm unmißverständlich hervorgeht 67 Die Änderung der (nationalen) Kollisionsnormen, das intertemporale IPR, bleibe hier außer Betracht. 68 Vgl. die Hinweise bei Niederer (oben N. 7) 355 ff.; Schnitzer (oben N. 28) 196 ff.; Wichser, Der Begriff des wohlerworbenen Rechts im IPR (Zürich 1955) 125 f., 129-137, 162-164; Gavalda, Les conflits dans le temps en d. i p. (Paris 1955) insbes. 303 ff. 65
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Die Schwierigkeiten sind im Rahmen des geltenden IPR wohl nicht zuletzt auf die Verwendung von Systembegriffen zurückzuführen, die eine sachgerechte Lösung der Einzelfälle ohne Zuhilfenahme des ordre public verhindern. Bei einer stärkeren Differenzierung des IPR nach funktionell typischen Rechtsinstituten 69 würden der Zeitpunkt der Anknüpfung und der Zeitpunkt, der bei einer Änderung der anzuwendenden Rechtsordnung maßgebend ist, gesetzestechnisch leichter zu fixieren sein. Im einzelnen sei noch folgendes bemerkt 70 : a) Überleitungsnormen-Methode
(für
das wandelbare
Statut).
-
Beim Statutenwechsel stellen sich etwa folgende Fragen: Wird ein Vertrag nachträglich ungültig, wenn ein Vertragspartner auf Grund eines neuen „Personalstatuts" für die Schließung eines solchen Vertrages nicht mehr geschäftsfähig ist (Art. 7 I EGBGB) ? Wird eine Schenkung zwischen Ehegatten nichtig, wenn diese Angehörige eines Staates werden, dessen Gesetze solche Schenkungen verbieten (Art. 14 EGBGB)? Die naheliegende negative Antwort ist in den angeführten Bestimmungen des EGBGB weder ausdrücklich noch implicite klar enthalten. Vor allem aber: Wird (nach den genannten Artikeln) beim „Statutenwechsel" die Geschäftsfähigkeit eingebüßt, verlieren die Ehegatten beim Staatsangehörigkeitswechsel einen Teil ihrer (Rechts- oder) Geschäftsfähigkeit ? 71 Die Beispiele lassen sich behebig vermehren. Dabei darf man nicht übersehen, daß weder das intertemporale Recht (welches?) noch das IPR des alten oder des neuen „Statuts" zur befriedigenden Lösung aller dieser Fälle beitragen können. Diese „Statuten" sind darauf nicht gemünzt und funktionell auch nicht „kompetent", unmittelbar darüber zu entscheiden, weil nicht hier der Grund des „Statutenwechsels" liegt. Die Lösung muß also schon in derjenigen Kollisionsnorm enthalten sein, die den Statutenwechsel vorschreibt. Sie kann gesetzestechnisch (neben der genauen Zeitpunktbestim68
Vgl. oben A 3 und 4, S. 425 ff. Auf die (umstrittene) Zweckmäßigkeit einer besonderen Norm zum Schutze wohlerworbener Rechte - beim Statutenwechsel wie bei Änderung des materiellen Rechts — soll hier nicht eingegangen werden; hingewiesen sei nur auf Art. 25 der „loi uniforme" der Beneluxstaaten (franz. Text des Abkommens in Rev. crit. 40 [1951] 714; 41 [1952] 385) sowie auf Art. 53 des französischen Entwurfs und die darüber geführten Diskussionen: La Codification du d. i. p. (oben N. 29) 22, 113 ff., 143 ff. und 290 f.; Makarov, RabelsZ 18 (1953) 217 ff.; weitere Literatur oben N. 68. 71 Vgl. vorige Note. 70
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mung) in eine „Überleitungsnorm" gekleidet werden. Solche sind im geltenden I P R bereits enthalten, freilich in Gestalt einseitiger und fragmentarischer „Ausnahmebestimmungen"; man denke an Art. 7 I I und Art. 24 I I I 1 Halbs. 2 E G B G B im Rahmen sonst wandelbarer Statuten sowie an Artt. 17 H u n d 24 I I I 1 Halbs. 1 für Vorgänge, die im Rahmen eines an sich unwandelbaren Statuts unter einem früheren „vorläufigen S t a t u t " eingetreten sind. Der Inhalt dieser Überleitungsnormen wird je nach dem Gegenstand der einzelnen Kollisionsnormen verschieden sein müssen: Die Überleitung vom alten, früheren Statut in das neue kann - wie angedeutet - die Form einer materiellrechtlichen Übergangsregelung annehmen 7 2 . Die Überleitungsnorm wird aber u. U. nur eine Weiterverweisung enthalten, z. B. auf das I P R des neuen Statuts. Die Probleme sind bekannt 7 3 und die Lösungsvorschläge im einzelnen von der Lehre und Rechtsprechung z. T. so weit vorbereitet, daß an eine erfolgversprechende gesetzliche Fixierung gedacht werden kann. ß) Bei der Änderung des materiellen Rechts, die nach dem Anknüpfungszeitpunkt eintritt, ist die Lage wesentlich schwieriger 74 . Ist die anzuwendende Rechtsordnung die inländische, so steht anscheinend fest, daß auch die intertemporalrechtlichen Bestimmungen des Inlands anzuwenden sind und eine abweichende Beurteilung der Sachverhalte mit Auslandsberührung nicht zulässig ist. Auch ausländisches Recht ist nach der herrschenden (deutschen) Lehre vom inländischen Richter so anzuwenden, wie es „jeweils zur Zeit der Urteilsfällung" gilt 78 , also mitsamt seinen intertemporalrechtlichen Bestimmungen. Obwohl diese Grundsätze zunächst ein72 Im Zusammenhang mit Art. 24 II spricht Neuhaus, RabelsZ 18 (1953) 655 ff., von „zweistufiger Anknüpfung". M. E. handelt es sich auch hier - zumindest dem Inhalt nach - um eine materielle Überleitungsnorm, deren rechtspolitische Zielsetzung - Rechtssicherheit, Schutz der wohlerworbenen Rechtspositionen - klar zu Tage tritt. Ihre Funktion ist allerdings eine internationalprivatrechtliche. 73 Vgl. vor allem die Ausführungen von Lewald (oben N. 41) 38-44 und 128-139 über „rattachement constant et rattachement variable" und über „transposition" und „substitution". 74 Auf einige der entstehenden Schwierigkeiten verweist Wengler, Fragen der Faktizität und Legitimität bei der Anwendung fremden Rechts: Festschrift für Hans Lewald (1953) 615-632. Vgl. auch Makarov, Postmortale Änderung der Sachnormen des Brbstatuts: RabelsZ 22 (1957) 201-219. Ausführlich Wengler in diesem Festheft weiter unten. 76 Raape, IPR 4 (1955) 121; auch nach Martin Wolff, Das IPR Deutschlands 3 (1954) 85, hat der Richter „geltendes Recht anzuwenden". Allerdings ist anzunehmen, daß diese Behauptungen nicht so dezidiert gemeint sind,
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leuchtend und klar scheinen, muß ihre Allgemeingültigkeit bereits de lege lata bestritten werden. Die bekannten Schwierigkeiten, die sich mit diesen Grundsätzen z. B. für das „Personalstatut" der Baltenflüchtlinge nach dem zweiten Weltkrieg ergeben haben, sind freilich zum Teil auf die inadäquate Anknüpfung (an die Staatsangehörigkeit) im geltenden I P R zurückzuführen. In der westdeutschen Rechtsprechung hat man sich mit einer zwar sinnvollen, jedoch „prinzipwidrigen" Lösung geholfen (Anwendung des alten, in den baltischen Staaten nicht mehr geltenden Rechts) 7 6 . Möglicherweise aber enthält gerade diese Rechtsprechung den Keim einer richtigen Lösung des ganzen Problems: Bei der Beurteilung zeitlich zurückliegender rechtlicher Vorgänge soll die maßgebende Rechtsordnung (auch wenn sie inzwischen eine rückwirkende Änderung erfahren hat) so angewendet werden, wie sie zu der Zeit galt, als der Sachverhalt (insbes. die Anknüpfungsperson) noch in tatsächlicher Berührung mit dieser Rechtsordnung und ihrem Träger stand. Dies nur als Andeutung, denn an eine gesetzgeberische Normierung kann hier wohl nicht gedacht werden, zumal die diesem Rechtsgedanken entsprechende Kodifikationsmethode noch völlig offen bleibt. Lediglich für Fälle des wandelbaren Statuts könnte man eine Schlußfolgerung ziehen, falls der erwähnte Rechtsgedanke akzeptiert wird: Soweit für Tatbestände, die vor dem Statutenwechsel abgeschlossen sind, das alte Statut maßgebend sein soll, ist die betreffende („frühere") Rechtsordnung anzuwenden, wie sie zur Zeit des Statutenwechsels galt. - Die Notwendigkeit von „Überleitungsnormen" (oben a) wird dadurch freilich nicht berührt. 8. Staatspolitische
Interessen
Lebenswichtige Staatsinteressen, die als stichhaltige Gründe für bestimmte Anknüpfungsmomente sprächen, sind mir nicht ersichtlich. Die Überbetonung der staatspolitischen Belange ist jedenfalls für die „internationale Rechtsgemeinschaft" und für das I P R nie sehr förderlich gewesen 77 . wie die Formulierung es zunächst vermuten läßt. Vorsichtiger - mit Hinweis auf Niboyet - äußert sich Batiffol, Traité élémentaire de d. i. p. 2 (1955) 391 f. mit N. 21. ' 6 Vgl. die Kritik von BeitzJce in: Beitzke-Bachmann, Der Personenstand heimatloser Ausländer in Deutschland (Frankfurt a. M. 1952) 42 ff. 77 Eine vorgefaßte doktrinäre Einstellung des Gesetzgebers gegenüber den Grundfragen des IPR kann allerdings auch hier entscheidend sein bei der Bewertung der staatspolitischen Belange (vgl. oben S. 434 f. mit N. 38).
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a) Schutz der Inländer und der Staatssouveränität als rechtspolitische Ziele der IPR-Gesetzgebung (angestrebt etwa durch die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit) sind ebenso problematisch und undurchführbar wie z.B. das Bestreben, durch Kollisionsnormen die Wirksamkeit des inländischen Rechts durchsetzen zu wollen. Sicherlich wird und muß der nationale Gesetzgeber daran denken, die Inländer zu schützen; es ist jedoch nicht einzusehen, wieso dies im Rahmen der privatrechtlichen Kollisionsnormen geschehen soll, die sich bei solcher Betrachtungsweise immer als zweischneidig erweisen, da sie einerseits den Gesetzgeber zur Einführung von Ausnahmen gegenüber den Ausländern zwingen 78 , andererseits zur Retorsion herausfordern. Der Inländerschutz kann m. E. erfolgreicher durch Zuständigkeitsvorschriften des internationalen Prozeßrechts gesichert werden. In diesem Bereich wirkt sich auch die Staatssouveränität aus. Im übrigen aber - im eigentlichen I P R würde die Vorbehaltsklausel des ordre public vollauf genügen. b) Bevölkerungspolitische Gesichtspunkte haben in einigen (Ausund) Einwanderungsstaaten bisweilen zu einer unterschiedlichen Anknüpfung des „Personalstatuts" für In- und Ausländer geführt. Heute wird dies von der Wissenschaft einhellig abgelehnt c) Durchsetzung verfassungsrechtlicher Prinzipien dürfte nicht Aufgabe des I P R sein, obschon Verfassungsrecht und I P R in einem m. E. noch nicht ganz geklärten Verhältnis zueinander stehen. Etwas anderes ist dagegen die mögliche Auswirkung in der Verfassung niedergelegter allgemeiner Rechtsgedanken auf die Kollisionsnormen (so z. B. des Gleichberechtigungsgrundsatzes im deutschen Recht 80 ). Das ist jedoch keine Frage rein staatlicher „Interessen" mehr. Die Aufzählung weiterer staatspolitischer Momente 81 würde zu 78
Vgl. oben S. 441 (B 6) mit N. 56. Vgl. die Resolution des Institut de Droit international von 1952 (oben N. 16); dazu Braga (oben N. 27) 36 mit N. 65 ( = RabelsZ 229 f.). 80 Vgl. dazu etwa Makarov, Die Gleichberechtigung der Frau und das IPR: RabelsZ 17 (1952) 382-396 (Vorschläge 451 f.) mit weiteren Hinweisen. 81 Man kann z. B. an wirtschaftspolitische Gesichtspunkte denken (oben N. 55). Bekannt ist hier etwa der Streit zwischen den Import- und Exportstaaten über die Anknüpfung an das „Recht des Käufers" oder das „Recht des Verkäufers". Auch rein politische, weltanschauliche Momente können das IPR u. U. entscheidend beeinflussen. So wird ein Staat, der seine Rechtsordnung als die „fortschrittlichste" der Welt betrachtet, wenig geneigt sein, fremdes Recht in seinem Bereich anzuwenden, es sei denn, er habe sich durch 79
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weit führen, zumal sie - wegen der sich stets wandelnden Interessenlagen - kein einheitliches typisches Bild ergeben. Als Methode bei der Bildung von Kollisionsnormen empfiehlt sich jedenfalls, die in Betracht kommenden staatspolitischen Interessen sehr kritisch auf ihre Lebenswichtigkeit und Unabdingbarkeit zu prüfen. Schlußwort Man wird mir vielleicht in manchen Punkten nicht folgen. Im ganzen glaube ich jedoch, daß die mit Vorbedacht nicht an den Anfang gestellte These in diesen, freilich noch sehr lückenhaften Ausführungen bestätigt worden ist und Zustimmung finden wird : Alle Momente, die im I P R für den Gesetzgeber wichtig sein können und die er im einzelnen erkannt und akzeptiert hat - sei es bei der Gestaltung des Verweisungsbegriffs, sei es besonders bei der Wahl der Anknüpfung (sachlogische Gesichtspunkte, Gerechtigkeitsprinzipien, rechtspolitische Überlegungen) - , müssen in eine gesetzestechnische, in eine Kodifikationsmethode gekleidet werden. Nur so können sie nicht nur punktuell, sondern mit weitreichender Wirkung in das positive Kollisionsrecht übersetzt werden. Dagegen sind einseitige, auf vorgefaßten Doktrinen beruhende Entscheidungen abzulehnen. Dieses Ergebnis dürfte um so einleuchtender sein, als die sehr vielschichtigen Probleme des I P R keine „gefühlsmäßige", planlose Haltung und auch keine starren Ausgangspositionen erlauben 8 2 . Der moderne Gesetzgeber darf deshalb nicht mehr bloß „intuit i v " vorgehen, selbst wenn er alle zu berücksichtigenden Momente gegenwärtig hätte. Er muß sich schon um ein System von zweckentsprechenden Methoden bemühen. Hierzu einen Beitrag zu leisten, ist der Sinn dieser Ausführungen. einen Staatsverfcrag (vgl. oben N. 1 Abs. 2) dazu verpflichtet. Vgl. Makarov, Précis de d. i. p. d'après la législation et la doctrine russes (1932) 70. 82 Vgl. Braga (oben N. 52). Schon Kahn (oben N. 46) II 41 äußerte sich ungehalten über die „verkehrten theoretischen Ansichten", an denen bei internationalen Konferenzen verbissen festgehalten werde.
VON D E R Z E R S P L I T T E R U N G D E S P R I Y A T R E C H T S D U R C H DAS I N T E R N A T I O N A L E P R I V A T R E C H T UND I H R E R BEKÄMPFUNG V o n F R I T Z F U H R . V. SCHWIND
Wien I. F R A G E S T E L L U N G
Wie in kaum einer anderen Disziplin der Rechtswissenschaft wird man fast bei jedem Problem, das sich einem im I P R stellt, gezwungen, sich immer wieder mit den Grundfragen zu beschäftigen, mit denen sich schon Generationen von Forschern auf diesem Gebiet befaßt haben und die doch immer wieder in neuem Licht erscheinen. Das macht mit die Schwierigkeit, aber auch den Reiz dieser Wissenschaft aus. Vielleicht wird es unter diesem Gesichtspunkt nicht banal erscheinen, in einer Festschrift, die einem der Großen unserer Wissenschaft gewidmet ist, die Frage aufzuwerfen: Ist es nun eigentlich der Sinn des I P R , eine Rechtsordnung zu ermitteln, der ein bestimmter Fall mit Beziehungen zu mehreren Rechtsordnungen unterstellt werden soll, oder ist es seine Aufgabe, immer, oder doch bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, mehrere Rechtsordnungen als anwendbar zu bezeichnen, und wenn die zweite Variante zutrifft, nach welchem System soll dieses Mischungsverhältnis hergestellt werden ? Die Frage ist in dieser Form, soweit ich die immer unübersehbarer werdende Literatur zum I P R überblicke, in der modernen Doktrin kaum gestellt oder beantwortet worden 1 . Die Geschichte des IPR ist in dieser Richtung noch zu wenig erforscht, um die historische Entwicklung des gestellten Problems 1 Die durch die Abgrenzung des IPR vom internationalen Prozeßrecht aufgeworfenen Fragenkomplexe, zu denen u. a. Niederländer, RabelsZ 20 (1955) 1-51, und Neuhans, ebd. 201-269, Stellung genommen haben, sollen hier nicht in die Betrachtung einbezogen werden.
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entsprechend deutlich werden zu lassen 2 . Die erste Fragestellung dieser Art finden wir schon bei Aldricus: „Quaeritur, si homines diversarum provinciarum quae diversas habent consuetudines, sub uno eodemque iudice litigant, utram earurn iudex sequi debeat?" Aus dieser Fragestellung ist bemerkenswert, daß Aldricus nicht an eine Vermengung beider in Betracht kommender Rechtsordnungen denkt, sondern deutlich auf eine Alternative („utram earum") abstellt. Die Antwort ist gleichfalls interessant: „Debet enim iudicare secundum quod melius ei visum fuerit." Die „potior et utilior lex" sei maßgebend, wobei dahingestellt bleiben kann, ob darunter mit Gutzwiller der Grundsatz der näheren Beziehung oder mit M. Wolff das inhaltlich bessere Gesetz zu verstehen ist. Im Gegensatz zu manchen späteren Strömungen, die glaubten, die richtige Anknüpfung einem logischen System entnehmen zu können, ist hier durchaus modern auf ZweckmäßigJceitserwägungen abgestellt. Bei der die Jahrhunderte beherrschenden Statutenlehre, die das Kernproblem nicht in der Anwendung der für den zu entscheidenden Sachverhalt fallgerechten Norm, nicht in der Auffindung der „potior et utilior lex" sieht, sondern in der Abgrenzung des Geltungsbereiches einer Norm, mußte der Gedanke, daß ein einheitliches Recht für einen konkreten Fall gesucht würde, in den Hintergrund treten. Die berühmte Quaestio Angliae, die Frage nach dem Erstgeborenenrecht in England, und die darauf von Bartolus gegebene Antwort ist hier charakteristisch: Lautet die Norm: „Primogenitus succedat in immobilia", so ist sie personal und der Erstgeborene erhält den gesamten unbeweglichen Nachlaß, wo immer sich dieser auch befinden mag. Lautet die Norm aber: „Bona decedentium veniant ad primogenitum", ist sie real und gilt nur für die Güter, die im Geltungsbereich dieser Norm liegen. Man versteht einerseits, daß Jahrhunderte später Argentre an dieser Lösung herbe Kritik geübt hat („Pudeat pueros talia aut sentire aut docere"), man sieht aber auch daraus, daß für diese Betrachtungsweise der Gedanke der Unterstellung eines Rechtsverhältnisses unter ein einheitliches Recht nicht maßgebend sein konnte. Vor allem aber ist es die für die Entstehungszeit des I P R im 14. Jahrhundert so charakteristische Auslegung der sedes materiae 2
Vgl. etwa Yntema, Pestschrift Rabel (1954) 513-537, und die dort zitierte Literatur, vor allem Lainé, Introduction au d. i. p. (1888); Gutzwiller, Le développement historique du d. i. p. : Ree. des cours 29 (1929 IV) 291-400.
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(Cod. Just. 1, 1, 1), aus der schon Accursius ableitete, daß der in Modena geklagte Bologneser nicht nach den Statuten von Modena verurteilt werden dürfe, weil er diesen Statuten nicht unterstehe. Es ist eben auch hier der Geltungsbereich der Statuten, von dem ausgegangen wird, und nicht die Art und der Zusammenhang des Rechtsverhältnisses. Es ist sogar sehr charakteristisch, daß überhaupt nicht gefragt wird, weswegen der Bologneser in Modena verurteilt werden soll. Diese Frage kann unter dem Gesichtspunkt, von dem die Betrachtung ausgeht, gar nicht interessieren. Es dürfte demnach nicht fehl gehen, schon in der Art der Fragestellung der Statutenlehre, bis ins 19. Jahrhundert hinein, die Wurzel für die noch heute und gerade heute besonders in Erscheinung tretende Zersplitterung des Privatrechts bei Anwendung des I P R zu erblicken. II. L E X LATA
Die positive Rechtsordnung, und zwar nicht nur die deutsche und die auf dem Gebiet des Familienrechts damit weitgehend übereinstimmende österreichische 3, die hier als nächstliegendes Beispiel herangezogen werden sollen, neigt weitgehend zu einer Mischung. Diese Methode besteht einmal darin, grundsätzlich zwar ein bestimmtes ausländisches Recht für anwendbar zu erklären, es aber durch subsidiäre Anknüpfung an das inländische Recht so einzuschränken, daß praktisch das inländische Recht maßgebend ist; zum anderen aber darin, Teile der grundsätzlich anwendbaren Rechtsordnung durch Teile einer anderen - meist, wenngleich nicht immer, der inländischen zu ersetzen, wodurch gleichfalls oft eine, wie ich glaube, in ihrem Ergebnis unerwünschte Rechtsmischung entsteht. 1. F ä l l e d e r e r s t e n G r u p p e Betrachten wir als Fälle der ersten Gruppe etwa Art. 17 E G B G B (§ 8 der 4. DVzEheG) 4 unter diesem Gesichtspunkt, so liegt der 3
In Österreich gelten auch heute noch die dem deutschen EG-BGB nachgebildeten §§ 6-18 der 4. Durchführungsverordnung zum (deutschen) Ehegesetz vom 25. 10. 1941 (DRGBl 1941 I 654; im folgenden: 4. DVzEheG). 4 Abs. 1: Für die Scheidung der Ehe sind die Gesetze des Staates maßgebend, dem der Ehemann (der Mann) zur Zeit der Erhebung der Klage angehört. - Abs. 4: Auf Scheidung kann auf Grund eines ausländischen Gesetzes im Inlande nur erkannt werden, wenn sowohl nach dem ausländischen Gesetze als nach den deutschen Gesetzen (sowohl nach dem ausländischen als auch nach dem inländischen Gesetz) die Scheidung zulässig sein würde.
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Schwerpunkt dieser Bestimmung nicht in Abs. 1, sondern in Abs. 4: Es muß ein Scheidungsgrund des inländischen Rechts vor hegen, und wenn dann auch noch einer nach dem Heimatrecht des Mannes im Zeitpunkt der Klagserhebung gegeben ist, dann kann geschieden werden. Im Ergebnis stehen wir vor einer Erschwerung der im Inland vorzunehmenden Scheidung dadurch, daß kumulativ auch ein Scheidungsgrund nach dem Heimatrecht des Mannes vorliegen muß. Derselbe Grundsatz beherrscht auch Art. 21 E G B G B (§12 der 4. DVzEheG) 5 . Das Ausmaß der der Mutter und dem Kind vom außerehelichen Vater zu erbringenden Leistungen richtet sich grundsätzlich nach dem Heimatrecht der Mutter, wird aber durch das inländische Recht der Höhe nach begrenzt. Maßgebend im buchstäblichen Sinn des Wortes als Begrenzung des Ausmaßes ist also auch hier wieder das inländische Recht. Das Entscheidende liegt demnach in dem Nachsatz, nicht im Prinzip des ersten Satzteiles. Im Ergebnis erhalten Mutter und Kind das, was ihnen das inländische Recht zubilligt, es sei denn, daß das Heimatrecht der Mutter ihnen weniger gewährt - dann müssen sie sich mit diesem kleineren Betrag begnügen. Ein ganz ähnliches Bild bietet sich auch bei Legitimation und Adoption, die sich nach dem Heimatrecht des parens legitimans bzw. adoptans richten, wobei die Wirksamkeit dieser Rechtsordnung erheblich durch das inländische Recht beschränkt ist, weil sich die wesentlichen Einwilligungserfordernisse auf Seiten des Kindes, soferne dieses Inländer ist, nach inländischem Recht bestimmen. Auch hier stehen wir vor einer Kumulierung ausländischer und inländischer Vorschriften, die letzten Endes eine Erschwerung für die Erreichung des Zweckes dieser Rechtsinstitute bedeutet. Fragt man nach dem Wesen dieser inländischen Beimischungen zu dem grundsätzlich anwendbaren ausländischen Recht, so sind es Exklusivnormen oder mit einem anderen Ausdruck singuläre Kollisionsnormen, die eben aus Gründen des ordre public dem inländischen Recht einen weiteren Anwendungsbereich angedeihen lassen, * Die Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber dem unehelichen Kinde . . . wird (Die Feststellung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind . . . werden) nach den Gesetzen des Staates beurteilt, dem die Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes angehört; es können jedoch nicht weitergehende Ansprüche geltend gemacht werden, als nach den deutschen Gesetzen begründet sind.
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als ihm im Rahmen des allgemeinen Systems zukäme. Man hat zwar das ausländische Recht grundsätzlich für anwendbar erklärt, bekommt dann aber Angst vor der eigenen Courage und schaltet die Anwendbarkeit des ausländischen Rechts wieder ganz oder teilweise aus. Die Wurzeln dieser Einstellung, die darauf gerichtet ist, eine grundsätzlich nach ausländischem Recht zu treffende Entscheidung doch nicht ganz aus der Kontrolle durch die eigene Rechtsordnung zu entlassen, sind m. W. nie im einzelnen untersucht worden. Sie hegen aber doch offenbar in dem das I P R seit rund 150 Jahren stark beeinflussenden nationalistischen Zug, der schon die dürftigen Regeln des Code Civil beherrscht und sich bei Mancini stark bemerkbar macht und in Deutschland durch die allgemeine Atmosphäre nach der Reichsgründung, in der die Gebhardtschen Entwürfe zum EGBGB entstanden, nahezu eine Selbstverständlichkeit geworden war. Es ist die Idee, daß doch das eigene Recht grundsätzlich besser ist als die anderen und daß man auch bei Anwendung ausländischen Rechts die Inländer nicht des „Schutzes" des heimischen Rechts entraten lassen könne, ohne allerdings vorher zu prüfen, ob sie nicht bei Anwendung des ausländischen Rechts materiell günstiger gestellt sein würden. Andererseits ist es das der nämlichen Wurzel entstammende Bestreben, die auf Grund des ausländischen Rechts zu treffende Entscheidung in ihrem Ergebnis möglichst mit der Lösung des inländischen Rechts konform zu halten. Diese stark nationalistische Einstellung ist heute wohl überholt. Wenn man ausländisches Recht grundsätzlich zur Anwendung bringen will, dann muß man der fremden Rechtsordnung auch die Fähigkeit zutrauen, das gesamte ihr gestellte Problem sinnvoll zu lösen, und sollte de lege ferenda den Versuch aufgeben, das ausländische Recht in jeder seiner relevanten Lebensäußerungen am Gängelband des inländischen zu halten. 2. F ä l l e d e r z w e i t e n G r u p p e Verwirrt wird dieses Bild noch, wenn wir an die Fälle der zweiten oben erwähnten Gruppe und damit etwa daran denken, daß es sich um eine Legitimation durch einen Ausländer oder die Frage der ehelichen Abstammung von einem solchen (Art. 19 EGBGB, § 9 der 4. DVzEheG) beim Vorliegen einer hinkenden Ehe handelt, die etwa im Inland unter Mißachtung der Inlandsform und dadurch entgegen Art. 13 I I I E G B G B (§ 6 I I I der 4. DVzEheG) geschlossen wurde.
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Hier k o m m t es ja nach herrschender Lehre und Praxis gar nicht zur Anwendung des ausländischen Legitimations- oder Ehelichkeitsstatutes, weil die Vorfrage6 nach der Existenz der die Legitimation oder Ehelichkeit bewirkenden E h e auf Grund des inländischen Rechts negativ zu beantworten ist. Hier wirkt die Beimischung des inländischen Rechtselementes in die an sich anwendbare ausländische Rechtsnorm so stark, daß die letzgenannte überhaupt ausgeschaltet oder in ihrer Anwendung völlig denaturiert wird. Als Beispiele mögen jene Fälle dienen, auf die ich schon an anderer Stelle gelegentlich hingewiesen habe 7 . Durch Bundesgesetz vom 21.5. 1947, BGBl Nr. 117, wurden Ehen, die vor Funktionären der Besatzungsmächte in Österreich gemäß den Bestimmungen ihres Landrechtes über die Form der Eheschließung in der Zeit vom 10. 4. 1945 bis 1. 8. 1947 geschlossen worden waren, für den österreichischen Bereich als rechtswirksam anerkannt. Leider k a m es n u n in der britischen Besatzungszone auch nach dem 1. 8. 1947 zu solchen Eheschließungen, die von der österreichischen Rechtsordnung als Nichtehen angesehen werden müßten. Nehmen wir n u n den Fall, eine Österreicherin h ä t t e nach dem 1. 8. 1947 vor einem britischen Militärkaplan in Österreich einen Engländer geheiratet, die englische Staatsbürgerschaft erworben u n d die österreichische verloren 8 und es sei in Österreich über die Rechtsstellung von Kindern aus dieser E h e zu entscheiden. Nach herrschender Auffassung in Lehre u n d Praxis m ü ß t e die Vorfrage des Bestehens einer E h e verneint u n d die Rechtsstellung der demnach unehelichen Kinder nach dem Rechte der Mutter, also nach englischem Recht, und zwar dem für uneheliche Kinder anwendbaren Recht beurteilt werden, während diese Kinder vom S t a n d p u n k t des englischen Rechts aus als ehelich zu behandeln wären. Ein jedenfalls vom S t a n d p u n k t des Entscheidungseinklangs wenig befriedigendes Ergebnis, über dessen Vermeidbarkeit noch zu sprechen sein wird. Das Problem der Vorfrage und neuestens auch der Teilfrage (Serick 9) oder der Nachfrage (Kegel 10 ) können nun allerdings auch im 6
Vgl. neuestens V. Hoffmeyer, Das internationalprivatrechtliche Vorfragenproblem (Hamburger Diss. 1956), und die reiche dort verarbeitete Literatur. 7 Schwind, RabelsZ 19 (1954) 242 ff. 8 Vgl. zu dieser Frage Hoyer, ÖJZ 1952, 507; VerwGH 30. 3. 1954, Slg. 3362 A, ferner Schwind, RabelsZ 19 (1954) 249 f., und Schwimann,ÖJZ 1955, 389 f. 9 Serick, RabelsZ 21 (1956) 207-242. 10 Soergel-Kegel, BGB 8 IV (1955) Vorbem. I 6 a. E. zu Art. 7 EGBGB.
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Verhältnis zwischen zwei ausländischen Rechtsordnungen auftreten und zur Rechtsmischung zwischen diesen führen. 3. F ä l l e d e s o r d r e p u b l i c I n besonderer Art tritt das Problem der Zersplitterung dann in Erscheinung, wenn zwar ein ausländisches Recht grundsätzlich für anwendbar erklärt wird, dessen konkrete einschlägige Bestimmung aber dem inländischen ordre public widerspricht. Hier steht man vor verschiedenen Lösungsmöglichkeiten. Man kann entweder die Anwendung des ausländischen Rechts in einem solchen Fall überhaupt ablehnen und die Anwendung des inländischen, also der lex fori fordern, wie dies vor allem die ältere Lehre getan hat. Diese Lösung wählte auch der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) etwa in der Entscheidung vom 23. 4. 1952, SZ X X V Nr. 103, wo er die im Ausland unter Verletzung der Form Vorschrift des § 76 I I des österreichischen GmbH-Gesetzes erfolgte Übertragung eines Gesellschaftsanteiles als gegen den ordre public verstoßend ansah und für die Gültigkeit der Übertragung die Einhaltung dieser Form verlangte. Man mag gegen diese und analoge Entscheidungen deutscher Gerichte und die entsprechende Lehrmeinung seine Vorbehalte haben, jedenfalls wird bei dieser Methode ein einheitliches Recht der Entscheidung zugrunde gelegt. Eine andere Möglichkeit besteht darin, das fremde Recht so anzuwenden, wie wenn es die dem ordre public widersprechende Bestimmung nicht enthielte; das entspricht vor allem der Lehre Raapes. Dieser Methode folgte der OGH in einigen Entscheidungen, die sich mit den konfiskatorischen Maßnahmen der Tschechoslowakei gegenüber Volksdeutschen und vor allem mit dem Dekret des Präsidenten der Tschechoslowakischen Republik vom 25. 10. 1945, Nr. 108, befaßten 1 1 . Diese konfiskatorischen Maßnahmen wurden nicht anerkannt und so entschieden, wie wenn sie nicht erlassen worden wären. Hier wendet man zwar eine Norm an, die in dieser Form nirgends besteht; dies ist aber, wenn man von der Einrichtung des ordre public den sparsamsten Gebrauch macht, nicht zu vermeiden. Das Prinzip der Spezialisation, die gesonderte Anknüpfung von Rechts- und Geschäftsfähigkeit einerseits und Rechtsgeschäft 11 So etwa die Urteile des OGH vom 25. 10. 1955, JB1. 1956, 132; vom 3. 10. 1951, SZ X X I V Nr. 255; vom 31. 5. 1951, SZ X X I V Nr. 156.
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andererseits, von Form einerseits und Inhalt andererseits, führt zu einer unübersehbaren Fülle solcher Mischungsverhältnisse. Die Lehre, die in Ermangelung zureichender gesetzlicher Bestimmungen diese Rechtsfiguren gefunden und so für die Anwendung des IPR eine sehr weitgehende Atomisierung des Privatrechts bei gleichzeitiger neuer Bindung der einzelnen Atome in neuen Rechtsverbindungen bewirkt hat, ist sich, soweit ich sehe, nie der Frage bewußt geworden, was eigentlich für und gegen diese Atomisierung des Privatrechts spricht und ob sie nützlich oder doch wenigstens unvermeidbar ist. III. L E X F E R E N D A
1. G r u n d s a t z Jeder Sachverhalt des IPR muß seinem Wesen nach Elemente aufweisen, die mit wenigstens zwei verschiedenen Rechtsordnungen in Zusammenhang stehen. Die Art dieses Zusammenhangs kann sehr verschieden sein; er kann in der ausländischen Staatsbürgerschaft, im ausländischen Domizil beteiligter Personen, in der ausländischen Lage einer beweglichen oder unbeweglichen Sache, im ausländischen Abschluß-, Erfüllungs- oder Tatort usw. bestehen. Es wäre nun theoretisch vielleicht möglich, ein Rechtsverhältnis so zu sezieren, daß man es in seine einzelnen Elemente auflöst und jedes Element dann der Rechtsordnung unterstellt, mit der es im nächsten Zusammenhang steht. Praktisch wäre jedoch die Abgrenzung der einzelnen Elemente und die Bestimmung, hinsichtlich welcher ihrer Auswirkungen sie dem einen oder anderen Recht unterstehen, vielfach - nicht immer - unmöglich. Hinsichtlich der Voraussetzungen eines Rechtsverhältnisses ist es wie etwa in Art. 13 I EGBGB ( § 6 1 der 4. DVzEheG) 12 möglich, sie hinsichtlich verschiedener Elemente nach verschiedenen Rechten zu beurteilen. Hinsichtlich seiner Wirkungen aber ist jedes Rechtsverhältnis ein einheitliches Ganzes, das auch nicht hinsichtlich seiner verschiedenen Elemente verschiedenen, u. U. widersprechenden Rechtsordnungen unterstellt werden kann. Man muß doch wohl davon ausgehen, daß jede Rechtsordnung ein in sich geschlossenes sinnvolles Ganzes darstellt, in dem jedes 12 Die Eingehung der Ehe wird . . . in Ansehung eines jeden der Verlobten nach den Gesetzen des Staates beurteilt, dem er angehört.
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einzelne Rechtsinstitut in sich ausgewogen gestaltet ist. Wird nun aus dieser sinnvollen Einheit ein Element herausgebrochen und durch eine andere Regelung ersetzt öder unzusammenhängend ergänzt, so kann das nun aus Elementen zweier, u. U. sogar mehrerer Rechtsordnungen zusammengesetzte Institut seinen eigentlichen Zweck verfehlen. Es wäre außerdem von keinem Gesetzgeber und schon gar nicht in der praktischen Rechtsanwendung vorhersehbar, welche Möglichkeiten der Mischung bei Vergleichung aller Rechtsordnungen zustande kommen könnten. Die Regelung der einzelnen Rechtsinstitute würde auf diese Weise völlig dem Zufall überlassen, und die konkret anwendbare Norm wäre für das Zusammentreffen jeder Permutation von Rechtsordnungen ein anderes, jeweils völlig verschiedenes mixtum compositum, ein Mosaik aus nicht aneinander angepaßten Splittern nicht zusammenhängender Rechtsordnungen. 2. E i n z e l f r a g e n Diese Überlegungen machen wohl deutlich, daß eine Rechtsordnung die Verwendung von Elementen verschiedener Rechtsordnungen zur Regelung eines einheitlichen Rechtsinstitutes, wenn irgendwie vermeidbar, wirklich vermeiden sollte. Diese Fälle spielen meist keine große Rolle, wenn sich die Handlungsfähigkeit nach der einen, die Wirkungen des Rechtsgeschäftes nach einer anderen Rechtsordnung bestimmen. Bedeutender sind die Schwierigkeiten schon dann, wenn Form und Inhalt nach verschiedenen Rechtsordnungen zu beurteilen sind, insbesondere dann, wenn Form und Inhalt in den in Frage kommenden Rechten nicht in gleicher Weise abgegrenzt werden. Häufiger sind die schon erwähnten Fälle, wo die Rechtsmischung nicht durch Ersetzung von Elementen der einen durch solche der anderen erfolgt, sondern durch Summierung (Kumulierung) oder nach der immer stärker ausgebildeten Lehre vom sog. „schwächeren Recht" 13 auch durch Subtrahierung. Auch für diese Fallgruppen gilt weitgehend das Vorgesagte. Wenn das Vorliegen sämtlicher Erfordernisse des ausländischen und zusätzlich noch einiger des inländischen Rechts verlangt wird, so wird damit auch der in jeder Rechtsordnung notwendige Zustand der Ausgewogenheit gestört und durch 13 „Es siegt in jedem Einzelfall das Recht, nach dem die schwächeren Wirkungen eintreten": Soergel-Kegel (oben N. 10) Bern. I 2 zu Art. 14 (S. 148).
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die Summierung eine Erschwerung für die Erreichung des bestimmten rechtlichen Zwecks gesetzt. Das I P R soll aber grundsätzlich der Erleichterung und nicht der Erschwerung des internationalen Rechtsverkehrs dienen. Dort aber, wo hinsichtlich der Wirkungen einer Rechtseinrichtung mehrere Rechte angewendet werden sollen, wie etwa nach dem deutschen Gleichberechtigungsgrundsatz hinsichtlich der persönlichen Ehewirkungen, soll das schwächere Recht, also nur das gelten, was in beiden in Betracht kommenden Rechtsordnungen eine Deckung findet14. Fand in den vorgenannten Fällen eine Rechtsordnung zusätzlich einzelner Elemente einer anderen Anwendung, dann liegen die Dinge jetzt so, daß hier gewissermaßen das größte gemeinsame Maß zweier Rechtsordnungen angewendet wird. I n beiden Fällen wird man sich fragen müssen, ob die hier vorgenommene Denkoperation in Wirklichkeit noch Anwendung eines objektiv geltenden Rechts ist. Bei der kumulativen Anwendung zweier oder mehrerer Rechte wird wenigstens ein Recht in seiner Gesamtheit zur Geltung gebracht, wenngleich seine Konzeption durch zusätzliche Elemente kompliziert und denaturiert wird. I m zweiten Fall des „schwächeren Rechts" wird aber nur der Torso zweier Rechtsordnungen angewendet, von dem nicht zu verlangen ist, daß er zu einem befriedigenden Ergebnis führt, wie man dies bei einer sozusagen „unbeschädigten" Rechtsordnung, aus der nicht Stücke herausgebrochen sind, annehmen darf. Es ist wohl noch objektives Recht, das angewendet wird, denn alle Elemente stammen aus einer objektiven Rechtsordnung und auch das Rezept, nach dem gemischt wird, steht objektiv fest. Trotzdem sind die erzielten Ergebnisse zufällig, da sie nicht von einem einheitlich gestaltenden gesetzgeberischen Willen geformt wurden und auch gar nicht geformt werden konnten. Wenn man aus zwei in sich geschlossenen und ausgewogenen Rechtssystemen Elemente herausbricht oder solche des einen Systems dem anderen zusätzlich anfügt, wird das Ergebnis zufällig und ebenso auch dessen Richtigkeit. Wenn man somit von vornherein darauf verzichtet, einen Lebensvorgang nach einer einheitlich geplanten Norm zu regeln, und diese Regelung dem zufälligen Zusammentreifen verschiedener Elemente überläßt, dann verzichtet man auch auf eine in sich geschlossene sinnvolle Regelung. Wenn man dagegen die Regelung eines Lebensvorganges in 14
Vgl. Kegel a.a.O.
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seiner Gesamtheit einer fremden Rechtsordnung überläßt, dann unterstellt man ihn auch deren geschlossener Logik. 3. I n s b e s o n d e r e d i e V o r f r a g e In den auch schon erwähnten Fällen der Vorfrage führt, wie das oben angeführte Beispiel zeigt, die von der herrschenden Lehre und überwiegenden Praxis geübte gesonderte Anknüpfung vielfach zu einer Negierung, mindestens aber Denaturierung der Grundsätze des I P R . In den häufigen Fällen, in denen das wirksame Bestehen einer Ehe Vorfrage etwa für die persönlichen Rechtswirkungen zwischen den Gatten oder für die Ehelichkeit und Legitimation der Kinder ist, führt die Verneinung des Vorliegens einer Ehe durch die lex fori bei gleichzeitiger Bejahung durch die lex patriae oder allenfalls domicilii dazu, daß das Heimatrecht der Ehegatten oder des Ehemannes der Mutter oder des pater legitimans überhaupt nicht angewendet wird, obwohl es nach den allgemeinen Grundsätzen des I P R angewendet werden müßte. Es ist eine bekannte Tatsache, daß man im Vorfragenproblem vor die Wahl gestellt ist, entweder durch gemeinsame Anknüpfung den internen oder durch getrennte Anknüpfung den internationalen Entscheidungseinklang zu stören. Die Störung des internen Einklanges aber, also etwa die Tatsache, daß bei der Frage nach einem Unterhaltsanspruch aus dem ehelichen Verhältnis das Vorliegen der Ehe bejaht, wenn aber auf Feststellung des Bestehens dieser Ehe geklagt würde, dieses verneint werden müßte, wird als unerträglich bezeichnet. 4. A r t d e r A n k n ü p f u n g Diese Tatsache stellt uns vor eine weitere entscheidende Grundfrage des I P R , nämlich die, inwieweit dieses seiner Struktur nach fähig ist, im Rahmen des materiellen Rechts einen Ausgleich zwischen den nach in- und ausländischem Recht zu findenden Lösungen herzustellen. Wie wir sahen, tendieren die positiven Rechtsordnungen durch ihr System von singulären Kollisionsnormen vielfach dahin, zu garantieren, daß die nach ausländischem Recht zu fällende Entscheidung in ihrem Ergebnis nicht weit von dem abweicht, was auch auf Grund des inländischen Rechts erzielt würde. Ohne diese das I P R in seinem Wesen denaturierender Exklusivnormen ist es aber klar, daß bei Unterstellung eines Sachverhaltes unter aus-
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ländisches Recht meist eine andere Lösung gefunden werden wird, als dies bei Anwendung des inländischen Rechts der Fall wäre. In dem Augenblick, in dem man überhaupt die Anwendung ausländischen Rechts zuläßt, muß man auch sinnvollerweise in Kauf nehmen, daß dieses in seinen Lösungen vom inländischen abweicht. Was beim Vorfragenproblem so frappierend wirkt, ist auch nicht die Abweichung der ausländischen von der inländischen Lösung, sondern der Umstand, daß nach den Anknüpfungsregeln ein selbständiges Element (etwa das Vorliegen einer Ehe) eines weiter gefaßten Rechtsverhältnisses (etwa der Ehelichkeit von Kindern aus dieser Ehe) z . B . dem inländischen Recht als der lex loci celebrationis unterworfen und danach zu verneinen ist, während das weiter gefaßte Rechtsverhältnis selbst einem anderen Recht, z. B. dem Personalstatut des Mannes untersteht und nach diesem das Vorliegen der Ehe zu bejahen ist. Hier aber liegt der Fehler doch im System der Anknüpfung. Wenn man Rechtsverhältnisse, die logisch voneinander abhängen wie Ehe und Ehelichkeit, internationalprivatrechtlich verschieden anknüpft, dann ist es unausbleiblich, daß u. U. die von beiden Rechtsordnungen gefundenen Lösungen voneinander abweichen und so zu unerträglichen Widersprüchen führen. Sehr viele, wenn auch sicher bei weitem nicht alle Vorfragenprobleme entstehen aus dem rigorosen Grundsatz : Inlandsehe - Inlandsform des Art. 13 I I I EGBGB (§ 6 I I I der 4. DVzEheG) 16 . Seine Aufgabe oder doch Abmilderung würde sehr viele Schwierigkeiten der Praxis beseitigen. Seine Beibehaltung entspricht einem heute wohl nicht mehr gerechtfertigten Prinzip. Aber auch in jenen, praktisch nur selten bedeutsamen Fällen, in denen die Vorfrage nicht darin besteht, das Bestehen einer Ehe zu bejahen oder zu verneinen, liegt es im Wesen dieser Figur, daß das Bestehen eines Rechtsverhältnisses (etwa eines Bürgschafts- oder Pfandverträges) logisch vom Bestehen eines anderen (etwa der Hauptforderung) abhängig ist. In allen Fällen dieser Art müßte daher sinnvollerweise die Kollisionsnorm so gestaltet sein, daß möglichst für das abhängige, akzessorische Rechtsverhältnis dasselbe Anknüpfungsmoment gilt wie für das Haupt Verhältnis. 16
Die Form einer Ehe, die im Inland geschlossen wird, bestimmt sich ausschließlich nach den deutschen (nach den im Inland geltenden) Gesetzen.
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5. G e g e n s t a n d d e r A n k n ü p f u n g Wenn wir hier aus systematischen Erwägungen heraus de lege ferenda einer Revision der Anknüpfungsmethode das Wort reden, so f ü h r t dies zu der weiteren Erwägung, wie denn überhaupt die Anknüpfung sinnvoll gestaltet werden k a n n u n d welche Kriterien dafür ausschlaggebend sein sollen. Hier steht, wie ich glaube, das heutige I P R noch weitgehend im Schatten seiner nicht glücklichen und vor allem nicht einheitlichen Geschichte. Wenn m a n sich durch rund 500 J a h r e in den verschiedensten Spielarten der Statutenlehre abmühte, der Sachnorm mit heute oft grotesk anmutenden Mitteln eine Aussage über ihren räumlichen oder personellen Geltungsbereich abzupressen, so konnte die gefundene Zuordnung der einzelnen Rechtsverhältnisse zu bestimmten Rechtsordnungen nicht nach der Struktur jener erfolgen und deshalb immer nur halb befriedigen. E r s t vor rund 100 Jahren, als Savigny versuchte, nicht mehr von der Norm her, sondern vom Rechtsverhältnis her die Zuordnung zu bestimmen, konnte eine lebensnahe Betrachtungsweise Platz greifen. Muß m a n aber nicht noch weiter gehen u n d das hinter dem J?ecAisverhältnis stehende tatsächliche LeöeTisverhältnis betrachten u n d untersuchen, wo es seinen „Sitz", seinen „Schwerpunkt" h a t 1 6 ? So wie es sich ja auch im innerstaatlichen Recht darum handelt, Lebensverhältnisse, Tatbestände des Lebens in die Rechtssphäre einzuordnen, so handelt es sich doch auch im I P R darum, diese Tatbestände des Lebens einer bestimmten Rechtsordnung zuzuordnen. Diese Zuordnung m u ß aber unter Wahrung u n d Betrachtung von Zusammenhängen erfolgen, die zu beachten bei der Einordnung in das innerstaatliche Recht nicht nötig ist. Mit andern Worten: die Abgrenzung der Lebenstatbestände u n d damit die Bildung von Tatbeständen im Rechtssinn m u ß für die Zwecke des Kollisionsrechtes vielfach nach anderen Gesichtspunkten erfolgen als im innerstaatlichen Recht, eine Forderung, die unter anderem Blickwinkel schon Babel17 u n d nach ihm vor allem Zweigert18 erhoben haben. E s k a n n hier nicht der Versuch unternommen werden, ein System solcher Anknüpfungen zu entwerfen, wonach, dem Gedanken des ie Nicht ganz übereinstimmend mit Kegel, Der Gegenstand des IPR: Festschrift für Raape (1948) 21 ff., möchte ich doch in jedem. Fall auf das hinter einem Rechtsverhältnis stehende Lebensverhältnis Bedacht nehmen. 11 Röbel, RabelsZ 5 (1931) 241 ff. 18 Etwa in der Festschrift für Raape (1948) 47, 49 ff.
31 Zeitschrift fflr Internat. Privatrecht. H. 3/4 (Jahrg. 23)
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alten Aldricus folgend, das wirksamere und nützlichere Recht gefunden werden kann. Einige wesentliche Gesichtspunkte dafür hat die obige Darstellung, wie ich hoffe, aufgezeigt. Das sicher schwer zu erreichende Ziel wird dabei sein müssen, diese Tatbestände so abzugrenzen, daß sie möglichst einem einzigen Recht unterstellt werden können und alle Rechtszersplitterung und Rechtsmischung, soweit irgend möglich, vermieden wird, da sonst das Ergebnis weitgehend dem Zufall überlassen wird. IV. Z W E I Ö S T E R R E I C H I S C H E U R T E I L E
Diese Tendenz zur Rechtseinheitlichkeit selbst dort, wo sie heute durch das Gesetz und die herrschende Lehre weitgehend verhindert wird, zeigt sich in zwei jüngeren Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes, die hier abschließend erwähnt sein sollen. 1. E h e l i c h k e i t e i n e s K i n d e s Der ersten in diesem Zusammenhang zu erörternden Entscheidung (vom 25. 10. 1952, SZ XXV Nr. 285) liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Ein bulgarischer Staatsangehöriger hat mit einer Österreicherin am 30.9.1950 vor der bulgarischen Gesandtschaft in Wien, nicht aber auch vor dem österreichischen Standesamt die Ehe geschlossen; am 30. 10. 1950 ist aus dieser Verbindung ein Kind geboren worden. Hinsichtlich der Frage der Ehelichkeit dieses Kindes anerkennt der OGH zwar die Tatsache, daß das Kind mit Rücksicht auf § 6 I I I der 4. DVzEheG (Art. 13 I I I EGBGB) von einer nach österreichischem Recht unverehelichten Frau geboren wurde. Dadurch sei die Frage der Ehelichkeit des Kindes noch nicht gelöst, denn § 9 der 4. DVzEheG besage nur, daß die eheliche Abstammung eines Kindes dann nach den österreichischen Gesetzen zu beurteilen sei, wenn der Ehemann der Mutter z. Z. der Geburt des Kindes die österreichische Staatsangehörigkeit besitzt. Eine Vorschrift, nach welchen Gesetzen die eheliche Abstammung zu beurteilen sei, wenn der Ehemann der Mutter Ausländer ist, oder welches Recht bei Prüfung der Voraussetzungen anzuwenden sei, unter denen Kinder aus nichtigen Ehen die rechtliche Stellung ehelicher Kinder haben, bestehe nicht. Der OGH schließt sich hier nicht der sonst allgemein herrschenden Lehre an, daß einseitige Kollisionsnormen als zweiseitig zu lesen
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seien und damit das Recht des Staates, dem der Ehemann der Mutter angehört, für die Beurteilung der Ehelichkeit eines Kindes maßgebend sei. Weiters setzt sich der OGH über den Umstand hinweg, daß es sich im vorhegenden Fall vom Standpunkt des österreichischen Rechtes aus nicht um eine nichtige, sondern um eine Nichtehe handelt und demnach die Frage der Ehelichkeit kaum gestellt werden kann. Der OGH kommt auf Grund des bulgarischen Rechts zu dem Ergebnis, daß das in Rede stehende Kind ehelich ist. Die Anwendbarkeit des bulgarischen Rechts auf den vorhegenden Fall leitet der OGH daraus ab, daß der Grundsatz, wonach über die Ehelichkeit das väterliche Personalstatut entscheide, eine im I P R anerkannte Regel sei. Es wird dabei ausdrücklich abgelehnt, diesen Grundsatz aus § 9 der 4. DVzEheG abzuleiten, der ja gerade den Bestand einer Ehe voraussetze. Es bedarf keiner Betonung, daß diese Begründung mit der herrschenden deutschen Lehre und Praxis im Widerspruch steht und auch davon abgesehen fragwürdig ist. Interessant ist aber im Zusammenhang mit unserer Fragestellung die Tatsache, daß sich der OGH deutlich von dem Bestreben leiten läßt, in einer de lege lata wohl viel zu weit gehenden Korrektur des geltenden Rechts zu einer Umgehung des Vorfragenproblems zu kommen und damit zu einer einheitlichen Anknüpfung eines einheitlichen Lebensverhältnisses, dessen Zerreißung instinktiv als ungesund empfunden und mit dogmatisch unzureichenden Mitteln vermieden wird. 2. E i n w i l l i g u n g in e i n e A d o p t i o n Der zweite Fall dieser Art, in dem der OGH weniger primitiv als im ersten unter Überwindung erheblicher Hindernisse des geltenden Rechts die Rechtszersplitterung und Rechtsvermischung zu vermeiden trachtet, ist die Entscheidung vom 7. 12. 1955 (JB1 1956, 176 mit ausführlicher Besprechung von mir). Der Sachverhalt war hier folgender: Ein etwa fünfjähriges uneheliches österreichisches Kind wurde in Spanien von Spaniern unter Erfüllung aller Erfordernisse des spanischen Rechts adoptiert. Es fehlte aber die nach österreichischem Recht erforderliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, nämlich des Jugendamtes, das sich gegen die Adoption wandte. Der OGH sprach nun aus, daß die nach spanischem Recht in Spanien durchgeführte Adoption auch in 31*
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Österreich ohne weiteres wirksam sei. Die Begründung ergab sich aus § 13 der 4. DVzEheG 1 9 , dessen Abs. 1 ja eindeutig auf das spanische Recht verweist. Hinsichtlich des Abs. 2 führte der 0 G H in der Entscheidung aus, es sei noch zu untersuchen, ,,ob nicht etwa die von dieser Gesetzesstelle zur Einwilligung berufenen Personen übergangen worden sind. Davon kann aber keine Rede sein. Zu diesem Personenkreis zählen nämlich nur der eheliche Vater, die Mutter und der allfällige Ehegatte des Wahlkindes, während die im § 13 (2) der 4. DVzEheG noch erwähnte Einwilligung des Kindes - die gegebenenfalls sogar vorliegt! - für den österreichischen Rechtsbereich als überflüssig angesehen wird (Chlanda, ÖJZ 1949, S. 585f.). Eine Zustimmung des Vormunds oder Vormundschaftsgerichts sieht der § 13 (2) der 4. DVzEheG nicht vor (Chlanda, a.a.O., S. 586)." Hier unterlief nun sicher ein Mißverständnis. Nach deutschem Recht, wo der wenigstens 14jährige Minderjährige den Adoptionsvertrag selbst schließt (§ 1750 I 2 BGB), ist dessen persönliche Zustimmung erforderlich; dies ist nach österreichischem Recht nicht der Fall, weil hier für jeden Minderjährigen dessen gesetzlicher Vertreter den Vertrag abschließen muß. Wenn nun § 13 I I von der Zustimmung des zu Adoptierenden spricht, so ist damit nicht seine persönliche Zustimmung gemeint, sondern seine rechtserhebliche, also im Falle seiner Beschränkung in der Geschäftsfähigkeit die seines gesetzlichen Vertreters. Dies scheint dem OGH in seiner oben wörtlich zitierten Begründung nicht klar geworden zu sein. Man kann nun aber den Standpunkt vertreten, daß die „nach den österreichischen Gesetzen erforderliche Einwilligung des Kindes" (§ 13 I I der 4. DVzEheG) nicht auch nach den Bestimmungen des österreichischen Rechtes rechtserheblich gebildet sein muß, sondern daß sich die Art dieser Willensbildung nach dem Adoptionsstatut des § 13 I richte. Allerdings entspricht diese Auslegung nicht der Absicht des Gesetzgebers des E G B G B bezw. der 4. DVzEheG. Mit dieser Auslegung allein - und sie wäre möglich, wie ich a.a.O. gezeigt zu haben glaube - käme man zu dem Ergebnis des OGH. 19
Die . . . Annahme an Kindes Statt bestimmt sich, wenn . . . der Annehmende zur Zeit der Annahme die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, nach den deutschen Gesetzen. Gehört. . . der Annehmende einem fremden Staat an, während das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, so ist die . . . Annahme unwirksam, wenn die nach den deutschen Gesetzen erforderliche Einwilligung des Kindes oder eines Dritten, zu dem das Kind in einem familienrechtlichen Verhältnis steht, nicht erfolgt ist.
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3. S c h l u ß b e t r a c h t u n g Mögen also in den beiden erörterten Entscheidungen auch erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des vom OGH eingeschlagenen Weges bestehen, so ist doch jedenfalls bei beiden die unverkennbare Tendenz bedeutsam, der Zersplitterung und Vermengung des materiellen Privatrechts entgegenzuwirken, und diese Tendenz scheint mir erfreulich. Haben wir eingangs die Frage nach dem Sinn des IPR hinsichtlich der Ermittlung einer oder mehrerer Rechtsordnungen gestellt, so wollen wir mit der Frage schließen, welchen Zweck denn letzten Endes überhaupt die Suche nach einem (oder mehreren) anzuwendenden Rechten haben soll. In Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre sehen wir diesen Zweck in einer möglichsten Erreichung des Entscheidungseinklanges. Wollen wir aber erreichen, daß möglichst bei uns so entschieden wird, wie auch in den sonst in Betracht kommenden ausländischen Staaten entschieden würde, dann ist dieses Ziel nur durch uneingeschränkte Anwendung des von der Kollisionsnorm bezeichneten ausländischen Rechtes zu erreichen und nicht durch eine Zersplitterung, Verschmelzung oder Kumulierung. Dafür bietet der zuletzt angeführte Fall der spanischen Adoption ein eindrucksvolles Beispiel: In Spanien ist die Adoption jedenfalls wirksam; fordert man aber der herrschenden Lehre folgend auch die nach österreichischem Recht erforderlichen zusätzlichen Elemente, die im vorliegenden Fall fehlten, dann ist die Adoption für den österreichischen Bereich nicht wirksam und der Entscheidungseinklang gestört. So sehr die Aufgliederung der einzelnen Probleme des IPR für deren Erkenntnis förderlich war und ist, so darf man m. E. im Interesse der obersten Ziele dieser keineswegs nur theoretischen Wissenschaft nicht die Zusammenhänge vergessen, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, den Wald vor Bäumen nicht mehr zu sehen.
LES QUESTIONS PRÉALABLES DE STATUT P E R S O N N E L DANS LE D R O I T DE LA N A T I O N A L I T É P a r PH.
FBANCESCAKIS
Paris* 1. Notre propos et ses limites. - A peu de choses près, le titre cihaut a été emprunté à la précieuse table systématique du «Recueil de textes concernant le droit international privé» du Professeur Makarov1. C'est encore M. Makarov qui a pour la première fois abordé de front le sujet, dans ce livre fondamental que sont ses «Allgemeine Lehren des Staatsangehörigkeitsrechts» 2 . Il l'a fait sur la base d'une information comparative restée inégalée. Nous allons essayer de décrire à notre tour cette articulation de deux branches du droit. E n nous fondant surtout sur la lettre des textes législatifs actuellement en vigueur, dont beaucoup sont postérieurs à l'ouvrage précité. Nous ne traiterons pas cependant de toutes les questions préalables de droit civil mais de celles seulement qui rentrent dans la notion de statut personnel 3 . Nous ne nous en occuperons, d'autre part, que sous l'angle de l'application par un E t a t de sa propre loi sur la nationalité et non des lois étrangères. Nous espérons ainsi répondre aux questions pratiques les plus immédiates que le problème soulève. * Abréviations: Gelt.StAG - v. injra, note 5 in fine; Makarov - v. infra, note 2; ONU - v. infra, note 5. 1 Makarov, Quellen des IPR - Recueil de textes concernant le d. i. p. 2 I (Berlin-Tübingen 1953 et s.). On y trouve la rubrique «Les questions préalables du droit civil dans le droit de la nationalité» (dans la version allemande «Privatrechtliche Vorfragen des Staatsangehörigkeitsrechts»). 2 Makarov, Allgemeine Lehren des Staatsangehörigkeitsrechts (Stuttgart 1947) 230-277 et passim (cité : Makarov) et résumé en français dans Règles générales du droit de la nationalité: Ree.des cours 74 (1949-1) 273-377, n. 6-69. 3 Nous laisserons en outre de côté le domicile, bien que, dans une certaine conception, il est considéré comme un élément de l'état des personnes et à ce titre comme rentrant dans la notion de statut personnel.
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QUESTIONS PRÉALABLES DE LA NATIONALITÉ
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2. Nationalité et statut personnel international. - Le départ du problème est simple, même si ses aboutissements doivent apparaîte vite fort compliqués. Dans le droit de tous les Etats modernes, l'attribution de la nationalité implique de nombreuses références à des concepts ou à des institutions du droit civil général, qui rentrent, en droit international privé, dans la notion de statut personnel. Ainsi, pour la naturalisation comme pour l'exercice des options que les lois récentes ont vu se multiplier, il y va de la capacité des intéressés. Ainsi, de même, l'attribution de la nationalité de l'un des époux à l'autre par le mariage met en cause la validité de celuici. Ainsi encore, et dans un ordre croissant de difficultés, la nationalité est attribuée en raison de la filiation légitime et de la légitimation, celles-ci étant bien entendu liées à leur tour à la validité du mariage 4 . Elle l'est, de même, en raison de la filiation hors mariage, volontairement ou judiciairement reconnue. Elle l'est aussi parfois en raison de l'adoption. Or, dans tous ces cas, l'intéressé ne possède pas encore, par hypothèse, la nationalité qu'il s'agit de lui attribuer. Il possède une nationalité étrangère ou il est apatride. Ou encore il ne possède que provisoirement cette nationalité comme c'est le cas dans certains Etats de l'enfant né de parents inconnus dont la filiation vient par la suite à être reconnue, à l'égard d'un étranger. C'est ce qui fait que cette question préalable, qui appartient normalement au droit civil, est le plus souvent une question internationale et donc semble bien relever en elle-même du droit international privé en général et du conflit de lois en particulier. Comment se résout-elle ? Plusieurs possibilités apparaissent théoriquement. 3. Solutions possibles du problème. - On peut, tout d'abord, imaginer - et c'est là en cas de silence du législateur l'hypothèse la plus légitime - que le droit de la nationalité s'en rapporte, pour la solution de ces questions préalables de statut personnel, au propre système des conflits de lois. La loi applicable à chacune de ces questions, au mariage, par exemple, serait pour un E t a t la loi que désigne normalement la règle de conflit de cet E t a t spéciale à cette question, au mariage dans notre exemple. 4 La validité du mariage apparaissant ainsi, écrit M. Makarov, comme une question préalable «au second degré», sans cependant appeler pour cela un traitement spécial. V. Makarov 234.
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Mais cette solution ne va pas de soi. Il faut, en effet, songer ici au particularisme des concepts, par lequel, un peu partout dans le monde, les diverses parties du droit tendent actuellement à affirmer ce qu'elles appellent leur autonomie. Elle se renforce ici parfois de considérations de droit public. On dit que l'attribution de la nationalité intéresse directement la puissance publique. Ce qui devrait avoir pour u n E t a t donné la conséquence que seules les institutions et les règles de droit civil que son droit de la nationalité aurait plus ou moins directement définies devraient être susceptibles d'attribuer sa nationalité. Aussitôt engagé dans cette conception, on conçoit que le problème puisse recevoir des solutions diverses. Tout d'abord, et encore à mi-chemin entre la référence pure et simple au système normal des conflits de lois et la formulation de règles matérielles spéciales propres à la nationalité, on conçoit la formulation de règles de conflit de lois propres au droit de la nationalité. U n E t a t donné, en posant de telles règles quant au mariage, par exemple, ou à la filiation, éprouverait le besoin de restreindre, d'élargir, voire de simplement préciser le cas oii ces institutions, alors même qu'elles seraient régies par une loi étrangère, seraient admises à influer sur l'attribution ou la perte de la nationalité. Quant aux règles matérielles spéciales, on conçoit qu'elles puissent être des règles de droit civil spécialement formulées pour le compte du droit de la nationalité : ainsi on conçoit que la majorité en matière de nationalité soit fixée indépendamment de toute loi interne civile, lex fori ou loi étrangère. Mais on imagine aussi que ces règles puissent être purement et simplement celles de la loi civile interne: seuls dans ce cas le mariage, la filiation, la légitimation, la filiation hors mariage, tels qu'ils sont organisés par le droit interne d'un E t a t seront admis dans cet E t a t à un pareil effet. 4. Le droit positif - Plan. - Chose digne de remarque, pour toutes ces solutions, on rencontre en droit comparé des témoignages de consécration législative 5 . Notre étude va précisément se fonder sur 5
Cf. quant à des dispositions qui ne sont plus en vigueur, Makarov 230 et s. Pour les textes antérieurs à 1954, nous renvoyons régulièrement au recueil publié par les Nations Unies (réf. S T / L E G / S E R . B/4) sous le titre Laws concerning nationality (New York 1954; cité: ONU). Nous saisissons cette occasion pour exprimer le regret que la grande organisation internationale, en dépite de ses puissants moyens matériels, n'ait pas assorti ce volume d'une table analytique. Elle aurait par là rendu les plus grands services à la doctrine. E t sans doute aussi aux rédacteurs de lois qui voudraient sur tel ou tel point s'aligner sur une pratique internationale prépondérante. Ils méri-
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ces témoignages en les reprenant dans l'ordre des catégories qui viennent d'être proposées : absence de toute disposition (I) ; rappel exprès de la règle de conflit de droit commun (II) ; formulation de règles de conflit spéciales (III); formulation de règles matérielles spéciales (IV); attribution de compétence à la loi civile interne (V). Ajoutons que la France occupera dans cette enquête une place importante. Cela tient à l'accentuation qu'on y constate du particularisme du droit de la nationalité. Elle est le résultat de la remarquable élaboration scientifique et pratique dont ce droit y a été l'objet depuis la dernière guerre mondiale et dont est issu un monument législatif aussi important que le «Code de la nationalité française» de 19456. Mais des difficultés sont nées de ce progrès, comme si elles en étaient la rançon. Certaines restent, on le verra, pour le moment, connues du seul droit français7. I. Absence de t o u t e d i s p o s i t i o n 5. Exemples législatifs. - Dans quelques pays la législation en la matière, même récente, semble ignorer complètement le problème. Citons dans l'ordre alphabétique: Andorre8, Birmanie9, Bolivie10, Cambodge11, Chili12, Colombie13, Cuba14, Honduras15, Inde16, feraient en cela d'être encouragés en une matière qui intéresse si directem e n t les relations internationales. P o u r les textes postérieurs à 1954 nous renvoyons parfois à la précieuse collection de monographies publiée par la «Forschungsstelle f ü r Völkerrecht u n d ausländisches öffentliches Recht der Universität H a m b u r g » sous le titre Sammlung geltender Staatsangehörigkeitsgesetze (Frankfurt 1949 et s.), 20 vol. parus en 1957 (abréviation: Gelt.StAG.). 6 Sur le caractère avancé du Code relativement a u x autres législations et le rôle qu'il est appelé à jouer en droit comparé v. en langue allemande Màkarov, Das französische Staatsangehörigkeitsgesetz von 1945: RabelsZ (1949/50) 382 - 419, spécialement 383 et s. et Füsslein, Frankreich, Staatsangehörigkeitsgesetz vom 19. 10. 1945 (Gelt. StAG., t . 1 ; 1949) 13, opinion que fait sienne Lichter, Die Staatsangehörigkeit nach deutschem u n d ausländischem R e c h t 2 (1955) 643. 7 Ainsi le problème inverse de la nationalité en t a n t que question préalable du conflit de lois. V. sur celui-ci infra, note 136 et Màkarov 351. 8 Décrets de 1939 et 1941 (ONU 9). 9 Lois de 1948 et 1949 (ONU 64). 10 Décret de 1938 et Constitution de 1945, révisée en 1947 (ONU 49). 11 Code civil de 1920 (ONU 67). 12 Constitution et décret de 1925 (ONU 91). 13 Constitution de 1886 modifiée en 1945, loi de 1936 (ONU 97). 14 Constitution de 1952 (ONU 108). 15 Constitution de 1936, loi de 1946, modifiée en 1951 (ONU 214). 16 Constitution de 1949 (ONU 229).
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Irak 17 , Libéria 18 , Libye 19 , Nepal 20 , Panama 21 , Paraguay 22 , Pérou 23 , Portugal 24 , Roumanie 25 , Uruguay 26 . 6. Solution
du problème : application
de la règle de conflit
normale.
- Nous avons déjà avancé plus haut (n. 3) que le statut personnel attributif de la nationalité devrait, dans le silence de la loi, obéir aux règles de conflit de lois de l'Etat en question. La logique est, en effet, ici le moyen aussi immédiat que légitime de suppléer ce silence. Elle conduit à imaginer que si le législateur ne s'est pas préoccupé de réglementer spécialement les questions d'état et de capacité lorsqu'elles sont appelées à exercer leur influence sur le droit de la nationalité, c'est qu'il a entendu renvoyer directement aux concepts du droit commun. Or il s'agit ici par hypothèse de situations présentant un élément d'extranéité. Même les adversaires les plus résolus du caractère international du droit international privé admettent que, pour tout Etat de la communauté internationale 27 , le droit commun n'est pas en l'espèce le droit civil interne mais bien le droit international privé de cet Etat 2 8 . Autre chose est 17
Loi de 1924 (ONU 241). Lois de 1922, 1938, 1948, 1951 (ONU 288). 19 Constitution de 1951 (ONU 293) et loi du 18 avril 1954, trad. allemande dans Kruse, Das Staatsangehörigkeitsrecht der arabischen Staaten (Gelt. StAG., t. 15; 1955) 82. 20 Loi de 1952 (ONU 320). 21 Loi de 1941 et Constitution de 1946 (ONU 369). 22 Constitution de 1940 (ONU 375). 23 Constitution de 1933, révisée en 1940, loi de 1940, décrets de 1942 (ONU 376). 24 Code civil, art. 18 et s. (ONU 390). 26 26 Décret de 1952 (ONU 395). Constitution de 1951 (ONU 540). 27 E t parce qu'en fait tous les E t a t s reconnaissent en principe que les rapports juridiques qui présentent un élément d'extranéité relèvent du règlement spécial que constitue le droit international privé. 28 C'était là aussi l'avis de la doctrine allemande la plus ancienne. V. les citations de Makarov 233 note 163. Cependant Lichter (supra, note 6) 55 prend à son compte l'affirmation de Keller-Trautmann, Kommentar zum Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (1913) selon laquelle, dans les modes d'acquisition familiaux du droit allemand de la nationalité, il ne s'agirait pas de purs faits mais de concepts juridiques déjà formés («rechtlich geformte Begriffe»). Il en tire la conclusion que ces concepts sont en Allemagne ceux du B G B lui-même. L'affirmation n'est exacte à notre sens que dans la mesure où l'on admet que les concepts du droit interne du for servent de point de départ ou de «noyau» à la formation des concepts du conflit de lois luimême - que, par exemple, le droit international privé allemand entend par mariage l'institution même qui est réglementée dans le droit interne allemand, quitte à en élargir les conditions pour pouvoir y inclure des réglementations étrangères différentes. Sur ce rôle des concepts du droit interne 18
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évidemment de savoir si, pour telle ou telle question, le droit international privé d'un Etat rend applicable sa propre loi interne. La désignation est, même dans ce cas, logiquement médiate, il faut passer par le relais du droit international privé. Ainsi si une législation ne dit rien sur l'âge de majorité requis pour exercer tel ou tel droit subjectif, telle ou telle faculté, liberté ou option, dans le cadre du droit de la nationalité (acquisition ou perte par déclaration, naturalisation . . .) et si l'intéressé est étranger, c'est au droit international privé qu'il faudra avoir recours pour déterminer cet âge. Normalement, une règle de conflit de lois interviendra alors pour désigner une loi interne, qui pourra être une loi étrangère mais qui pourra aussi bien être la propre loi interne de cet Etat 2 9 . La difficulté, déjà évoquée, naissant, dans certains cas et pour certains pays, de ce que l'état et la capacité peuvent dépendre eux-mêmes et à leur tour de la nationalité de l'intéressé, ne change rien à la position du problème. Celle-ci revient en somme à une hiérarchie du statut personnel et du status civitatis au profit du premier. 7. Signification de cette solution. - Tirée de la logique, la solution ne laisse pas d'ailleurs de pouvoir être rapportée à de véritables dans l'interprétation des règles de conflit v. la forte démonstration de Maridahis, Idiotikon diethnes dikaion I (1950) 168 et notre compte rendu in Rev. crit. 39 (1950) 128-132. Pour M. Maridakis les concepts du droit interne seraient pour le conflit de lois le «terme de comparaison». Adde: Batiffol, compte rendu de l'ouvrage de François Rigaux, La théorie des qualifications en d. i. p . : Rev. crit. 46 (1957) 140-143. M. Batiffol attribue en substance aux concepts de droit interne valeur de présomption. Cf. Makarov, I P R und Rechtsvergleichung (Tübingen 1949) 37, rapportant l'image de M. Wengler, selon laquelle les concepts de la règle du conflit se «cristallisent autour» des institutions de la lex fori interne. On remarquera, du reste, que M. Lichter lui-même ne s'interdit pas de se référer, chaque fois qu'il est question dans le droit allemand de la nationalité de rapports de famille internationaux, non au BGB mais aux règles do conflit de l'EGBGB (v. p. ex. pour la filiation légitime p. 60, pour la légitimation p. 118). A u t a n t donc dire que c'est aux concepts de ces dernières que le droit allemand de la nationalité se réfère. 29 Normalement, bien que non nécessairement. On peut, en effet, admettre que le droit international privé comporte, en dehors des règles de conflit proprement dites, des règles prescrivant immédiatement l'application de la loi interne du for. V. sur ce point Francescakis, La théorie du renvoi et les conflits de systèmes en d. i. p. (thèse Paris 1957) 11 et s. La désignation de la lex fori interne par le droit de la nationalité n'en est pas moins également dans ce cas théoriquement médiate, puisqu'elle est faite par l'intermédiaire du droit international privé.
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motifs de politique législative, si implicites soient-ils. L'omission du législateur en matière de capacité consacre, au delà de la correspondance purement rationnelle, et pour ainsi dire technique, des concepts dont nous parlions plus haut, entre le droit civil international et le droit de la nationalité (n. 3), l'assimilation des manifestations de volonté visées par le droit de la nationalité à celles qu'envisage le droit civil interne comparé lorsqu'il fixe cette majorité «générale» ou «pleine» qu'on appelle en France la majorité civile. Les actes juridiques du droit de la nationalité sont ainsi considérés comme ni plus ni moins graves que les actes patrimoniaux du droit civil et en tout cas, apparemment, comme n'étant pas hétérogènes par rapport à ceux-ci. Ce tribut du droit de la nationalité, qui est un droit jeune puisqu'il ne remonte pas au delà du XIX e siècle 30, au séculaire droit civil est signe de la persistance d'une certaine conception traditionnellement libérale, individualiste et peut-être quelque peu teintée de «patrimonialisme », du lien de nationalité. En bref, il est signe d'une conception «privatiste» du droit de la nationalité 31. Le même silence du législateur en matière d'état proprement dit fait, pour sa part, penser à une prépondérance de la famille sur l'Etat. C'est le groupe familial et non la Nation qui apparaît à travers ce silence comme l'unité sociale originaire, admise à se déplacer dans le milieu international, à prendre elle-même des initiatives aboutissant à la modification de sa texture juridique. Ce n'est qu'après la constatation de la légalité, selon le droit international privé, des situations ainsi acquises, que le droit de la nationalité y rattache ses propres conséquences. Ainsi, pour s'en tenir à un exemple simple, des ressortissants d'un pays de cette catégorie étant allés se marier à l'étranger en la forme étrangère, le droit de la nationalité, pour attribuer au mariage des effets sur l'allégeance de la femme ou des enfants, n'a à contrôler ni la possibilité de principe de ce mariage ni la teneur de la loi étrangère quant à la forme. Il attribuera ainsi parfois des conséquences à un mariage conclu en une forme qui aura avec les conceptions en la matière du droit interne de ce pays des rapports assez lointains. 30
V. en particulier Màkarov 105 et s. et Makarov, Règles générales (supra, note 2) n. 30 et s. 31 Sur la discussion quant à la nature du lien de nationalité v. Makarov 17 et s.
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8. Portée internationale de la solution. - Qu'il s'agisse, enfin, de la capacité ou de l'état, le défaut pour le droit de la nationalité de les avoir réglementés spécialement fait valoir une conception internationaliste de la matière. Si vrai que soit en droit des gens le principe selon lequel chaque E t a t détermine librement quels sont ses nationaux 3 2 , l'on est ici en présence d'une restriction de cette liberté. Que les règles de droit international privé qui représentent cette restriction soient à leur tour des règles plus ou moins librement posées par les Etats, cela ne change de nouveau rien aux données de la logique législative. La finalité de ces règles dépasse, en effet, les objectifs propres du droit de la nationalité, puisqu'aussi bien ces règles visent d'une manière générale l'intégration de l'individu ou de la famille dans le milieu international. C'est pourtant dans le silence de la loi que, dans le domaine particulier de la filiation, la jurisprudence française avait affirmé des solutions propres au droit de la nationalité. Nous dirons un mot des motifs de cette jurisprudence à propos de la règle législative qu'elle a, depuis, inspirée. I I . - R a p p e l e x p r è s d e la r è g l e d e c o n f l i t de d r o i t c o m m u n 9. Exemples législatifs. — Dans quelques pays on trouve formulées, dans les textes concernant la nationalité, des règles de conflit coïncidant en fait avec celles du droit commun. C'est le cas de l'Allemagne™ en matière de légitimation. Selon l'article 5 de la loi du 22 juillet 1913, «la légitimation valablement faite d'après les lois allemandes par un père allemand confère à l'enfant la nationalité du père». L'application à la légitimation de la loi allemande quand le père est allemand est la solution de droit commun qu'exprime l'article 22, alinéa 1 er EGBGB. La loi allemande est ici applicable non parce qu'il s'agit de conférer la nationalité allemande mais parce que le père est allemand. 32 V. sur le principe Makarov 59 et s. et Màkarov, Règles générales (supra, note 2) n. 18 et s. - Cf. l'art. 1 de la Convention de la Haye du 12 avril 1930 (ONU 567). 33 Loi de 1913 (ONU 179), cf. Màkarov 242; Massfeller, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht 2 (Gelt. StA G., t. 12; 1955) 34 et s.; Lichter (supra, note 6) 118.
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E n Autriche 34, le candidat à la naturalisation doit être pleinement capable selon la loi de l ' E t a t dont il est actuellement ressortissant. Ici de nouveau il s'agit de la règle de conflit normale, admise, sinon expressément par le Code civil général de 1811, du moins selon la jurisprudence et la doctrine dominantes 3 5 . Même situation au Lichtenstein , l'application de la loi nationale à la capacité résultant pour ce pays, en droit commun, de l'article 23 du Code civil de 1926, et en Turquie31, où la même règle de conflit de droit commun est posée par la loi sur les étrangers de 1925 38. E n Corée39 une des conditions de l'acquisition de la nationalité sans naturalisation est que l'intéressé soit mineur selon la loi de l ' É t a t dont il est ressortissant. Au Luxembourg40 le mineur peut, à partir de sa 18me année, faire certaines déclarations relatives à la nationalité, s'il est assisté par les personnes dont le consentement est nécessaire pour la validité de son mariage selon son s t a t u t personnel. Une disposition matérielle se trouve ici combinée avec une référence à la règle de conflit de lois de droit commun. Au Salvador41 l'enfant né, sur le territoire, d'un père étranger, ou d'une mère étrangère et d'un père inconnu, reste étranger jusqu'à ce que, selon la loi nationale du père, dans le premier cas, de la mère, dans le second, il devienne majeur. L'application de la loi nationale est ici une «bilatéralisation» de la règle de conflit de l'article 15 du Code civil, qui soumet la capacité des Salvadorègnes à l'étranger à la loi nationale. 10. Signification du rappel exprès. - Quel sens faut-il donner à ce rappel formel de la règle de conflit normale ? Il serait à coup sûr arbitraire d'attribuer aux législations précitées, qui sont éloignées les unes des autres à la fois quant à l'espace et quant au temps, 34
A r t . 5, al. 1er, i G i de 1949 (ONU 34). V. en particulier Verdross dans Klang, K o m m e n t a r zum A B G B 2 (1948 —1949) sub art. 33-37, p. 33 in fine et dans la littérature française Kunz in Répertoire de droit international de Lapradelle-Nïboyet VI (1930), V° D . i . p . de l'Autriche, n. 120 et s. 36 Art. 6a, loi de 1933 (ONU 294). 3 ' Art. 5, loi de 1928 modifiée en 1929 (ONU 459). 38 Texte dans Makarov, Recueil (supra, note 1), V° Turquie. 39 A r t . 4, n° 1, loi de 1948 (ONU 280). 40 Art. 34, loi de 1940 (ONU 298). 41 Art. 2, al. 2, loi de 1886 (ONU 144). 35
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une inspiration concertée. I l convient, cependant, de remarquer qu'il s'agit dans tous ces cas de pays rattachant le statut personnel à la loi nationale. Le respect du statut personnel étranger y apparaît dès lors comme un respect indirect de la nationalité étrangère ellemême: le mineur, que toutes ces lois concernent, restera mineur tant que la loi de son pays étranger l'aura voulu mais il restera aussi national de ce pays étranger. Ces législations dénotent ainsi en fin de compte, par ce rappel que l'on pourrait tenir pour superflu, un esprit internationaliste sur le plan même de l'attribution de la nationalité. Tout se passe en somme comme si la nationalité était conçue par ces législations comme un élément du statut personnel, soumis lui-même à la loi nationale ! I I I . F o r m u l a t i o n de r è g l e s de c o n f l i t s p é c i a l e s 11. Exemples législatifs. - On trouve des règles de conflit spéciales au droit de la nationalité dans de nombreuses législations. Mentionnons d'abord dans cette catégorie le cas de Y Ethiopie*2, qui est particulier. Ce pays ne connaît, semble-t-il, d'autres règles de conflit écrites que celles formulées dans la loi du 22 juillet 1930 sur la nationalité et qui concernent le mariage (art. 2-5), la légitimation (art. 8), la reconnaissance de paternité hors mariage (art. 9), l'adoption (art. 10), la majorité en cas de naturalisation (art. 12). Or, au témoignage de M. Norman Bentwichi3, parmi ces règles de conflit, celles relatives à la conclusion du mariage sont applicables même en dehors du droit de la nationalité. Ainsi la rédaction d'une loi sur la nationalité aura été dans ce pays une occasion de formuler des solutions pour le droit commun des conflits. L'intention nous semble se vérifier nettement dans l'article 10 relatif à l'adoption 4 4 : il vise spécialement le cas de l'adoption intervenue en conformité avec la loi personnelle de l'adoptant, pour décider qu'elle n'influe pas sur la nationalité originaire de l'adopté éthiopien; il décide donc apparemment, par là-même, deux choses, d'une part (argument a fortiori) qu'aucune adoption ne fait perdre à l'adopté la nationalité Loi de 1930 (ONU 147). Benttoich, Private International Law in Ethiopia: Int. L . Q. 4 (1951) 1 1 1 - 1 1 5 ; cf. Makarov, Recueil {supra, note 1), V° Ethiopie. 4 4 Art. 10: «L'adoption de l'enfant éthiopien par un homme étranger ou par une femme étrangère, lorsque l'adoption a eu lieu conformément à la loi personnelle de l'adoptant, ne produit aucun changement dans la nationalité éthiopienne originaire de l'enfant adopté. » 42 43
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éthiopienne; d ' a u t r e p a r t que, sous réserve de son effet sur la nationalité, l'adoption p e u t être valablement faite selon la loi personnelle de l ' a d o p t a n t . Le cas de la Tunisie est, dans une certaine mesure, à rapprocher du cas précédent. L a loi de 1956 46 contient deux règles de conflit en apparence spéciales à la nationalité. L a première, celle de l'article 14, concerne la reconnaissance de l'enfant naturel, qu'elle exige conforme «au s t a t u t personnel des parents». L a seconde, celle de l'article 29, se préoccupe de la validité du mariage en la forme, qu'elle soumet en substance obligatoirement à la loi du lieu de célébration. Or, on se souviendra q u ' a v a n t l'indépendance de la Tunisie, les questions de droit international privé relevaient des juridictions françaises 4 6 , qui appliquaient en principe le système français des conflits de lois, non cependant sans l'avoir parfois a d a p t é a u x conditions locales 47 . Les règles de conflit de la loi sur la nationalité pourraient dans ces conditions être considérées comme exprimant, en a t t e n d a n t une législation sur les conflits de lois, les solutions d u droit commun d u nouvel E t a t , pour a u t a n t qu'elles se séparent du système français. Celle relative à la forme d u mariage m e t t r a i t ainsi fin à la discussion sur le point de savoir si le mariage célébré contrairement à la lex loci serait quand même valable s'il l'a été en conformité avec la loi nationale commune des f u t u r s époux 4 8 . Q u a n t à celle sur la reconnaissance de filiation naturelle, elle affirmerait, en s ' a t t a c h a n t à la loi nationale des parents, une r u p t u r e avec le système français qui applique comme on le verra plus loin, en la matière la loi de l'enfant, solution que la Cour de cassation avait d é j à donnée dans une espèce tunisienne relative précisément à la nationalité 4 9 . Pour d'autres pays, on est plus sûr que les règles de conflits spéciales au droit de la nationalité qu'on y rencontre écartent le règlem e n t normal des conflits de lois. 45
Texte dans Rev. crit. 45 (1956) 164. V. notamment R. Jambu-Merlin, La disparition des juridictions françaises de Tunisie: Rev. crit. 46 (1957) 213-228. 47 V. R. Jambu-Merlin, Cours élémentaire de d. i. p. tunisien (Tunis 1956) passim et, spécialement quant au statut personnel, p. 159. 48 Sur la persistance de cette discussion en France, v. Batiffol, Traité élémentaire de d. i. p. 2 (1955) n. 443. 49 Civ. 28 juill. 1925, Journal des tribunaux de Tunisie 1925. 305, cité par Jambu-Merlin (supra, note 47) 159, sommaire dans Rev. crit. 20 (1925) 458. Cf. sur l'interprétation de l'art. 14 de la loi de 1956, Jambu-Merlin (op. cit.) 61. 46
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Au Portugal l'article 19 du Code civil dans sa rédaction de 1930, exige en cas de naturalisation que l'intéressé soit majeur à la fois selon sa loi nationale et selon la loi portugaise. Or, la solution normale du conflit de lois est la compétence de la seule loi nationale (art. 27 du même Code). L a même solution est affirmée en Equateur50 et en Thaïlande61. E n Chine nationaliste52, cette même solution couvre la capacité, la majorité mise à part. Au Liechtenstein6S les nationaux de ce pays ne peuvent renoncer à leur nationalité que s'ils sont capables selon la loi de l ' E t a t dont ils possèdent ou réclament les droits de citoyenneté. Il convient de supposer qu'ils doivent l'être également selon la loi du Liechtenstein, applicable à leur capacité générale au titre de loi nationale en vertu de l'article 23 du Code civil. Au Japon 64 l'étranger ne peut être naturalisé qu'à la double condition d'avoir vingt ans et d'être pleinement capable selon la loi de son pays de naissance. Cette disposition cumule donc, d'une part, une règle matérielle, la fixation de la majorité à vingt ans, d'autre part, une règle de conflit spéciale soumettant la capacité aux fins de naturalisation à la loi du pays de naissance. Or, cette règle de conflit s'écarte du règlement normal de la capacité, puisque l'article 3 de la loi du 21 juin 1898 «contenant les règles générales pour l'application des lois» soumet la capacité à la loi nationale. Dans la République fédérale allemande 55 le candidat à la naturalisation doit être sui juris selon sa loi nationale ou selon la loi allemande. L'alternative déroge à la règle de conflit normale, qui est, on s'en souvient, l'application à la capacité de la loi nationale. E n Grande-Bretagne, l'article 23 de la loi de 1948 66, reproduit en substance la règle de conflit écrite posée par l'article 8, alinéa 2, du Legitimacy Act de 1926: la légitimation par mariage subséquent interviendra valablement par application de la loi du domicile du père lors du mariage. Mais le texte a j o u t e : «et non autrement» 51 Art. 9, loi de 1952 (ONU 455). Art. 2, loi de 1950 (ONU 133). 53 Art. 3, loi de 1929 (ONU 94). Art. 18, loi de 1933 (ONU 294). 64 Art. 4, loi de 1950 (ONU 271). 65 Art. 8, loi de 1913, modifiée par des textes ultérieurs (ONU 178), cf. Massfeller (supra, note 33) 41 et s. et Lichter (m-pra, note 6) 77. 66 Loi de 1948 (ONU 468); trad. franç. dans Rev. crit. 37 (1948) 552. 50
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(and not otherwise). Il fait donc manifestement allusion à la validité, au point de vue du conflit de lois, de légitimations qui ne seraient valables ni d'après ses propres termes ni d'après le Legitimacy Act auquel il a emprunté la solution. On aura compris cette réserve quand on aura su que, pour la jurisprudence anglaise57, la règle de conflit dudit Legitimacy Act ne remplace pas, mais complète seulement, la solution traditionnelle de la common law, plus stricte, il est vrai, puisqu'elle exige que la légitimation per subsequent matrimonium ne soit valable que si elle est autorisée par la loi du domicile du père à la fois à l'époque de la naissance et à celle du mariage 68. Selon M. Cheshire 69 cette règle jurisprudentielle continuerait encore, pour des raisons d'interprétation dans le détail desquelles il n'est pas nécessaire d'entrer ici, à régler notamment la légitimation des enfants adultérins, expressément prohibée par le Legitimacy Act en droit interne. La légitimation par mariage subséquent de l'enfant adultérin serait donc un des cas où la légitimation serait intervenue «autrement», mais auxquels la loi sur la nationalité de 1948 refuse l'effet attributif de nationalité 60 . L'exclusion rejoint pour le reste la décision qui, entre 1926, date du Legitimacy Act, et 1948, date du British Nationality Act, avait refusé au premier tout effet sur la nationalité, au motif, passablement formaliste, que, l'allégeance étant attribuée à la naissance de l'enfant, celui-ci, au moment de la naissance, n'avait pas légalement de père 61. La disposition de la loi britannique se trouve, en tout cas, reprise dans sa substance par les lois sur la nationalité promulguées depuis 67 In re Eurll [1952] Ch. 722; cf. Cheshire, Private International Law 5 (1957) 406; Graveson, The Conflict of Laws 3 (1955) 164. 58 In re Goodman's Trusts (1881), 17 Ch.D. 266; In re Andros (1883), 24 Ch.D. 637; In re Grove (1887), 40 Ch.D. 216. 59 Cheshire (supra, note 57) 406; cf., plus hésitant, Graveson (supra, note 57) 163. 60 Contra: Welsh, in Dicey's Conflict of Laws 6 (1949) 509 et s. à qui il semble que la qualité d'enfant adultérin est sans importance pour l'application du British Nationality Act, alors qu'elle devrait l'être pour celle du Legitimacy Act. La question n'est pas considérée dans l'ouvrage de Clive Parry, British Nationality (1951) 54 et s. 61 Abraham v. Att.-Gen. [1934] P. 17. Cf. sur ce que cette solution n'est plus valable après le British Nationality Act de 1948, Graveson (supra, note 57) 166, Welsh (note précédente) 275 et 511. Mais, convient-il de se demander, la loi de 1948 abroge-t-elle totalement la règle de Abraham v. Att.-Gen. ou bien celle-ci vaut-elle encore pour le cas de légitimation de l'enfant adultérin si le Legitimacy Act ne le recouvre pas ?
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en Australie62, Nouvelle Zélande 63 et Rhodésie du Sud 64. La question de savoir si elle représente en matière de légitimation une règle de conflit plus étroite que celle du droit commun se pose donc sans doute également pour ces pays. 12. Justification de la solution. Au principe de formulation de ces règles de conflit spéciales on pourrait également chercher à attribuer, quand la présence de ces règles dans le droit de la nationalité n'est pas, comme en Ethiopie ou en Tunisie, purement formelle, des motifs implicites de politique législative. Mais il convient ici de distinguer selon les matières que ces règles concernent, matières qui sont, au demeurant, d'après le tableau qui précède, relativement rares. Et, bien entendu, il convient aussi de chercher ces motifs en relation avec le contenu de ces règles de conflit. Les matières qu'on voit en fait visées par de pareilles règles sont la capacité et la filiation par légitimation. Pour la capacité on est en présence de deux types de règles, celles, d'une part, qui exigent qu'elle existe, cumulativement, à la fois selon la loi étrangère et selon la loi du for, celles, d'autre part, qui permettent qu'elle existe facultativement selon la loi étrangère ou selon la loi du for. L'esprit des dispositions du premier type est de respecter le statut civil étranger jusqu'à l'extrême limite où s'opère le passage de la nationalité étrangère à celle du for. La situation est, mutatis mutandis, comparable à celle où, en matière de mariage, la capacité de la femme est appréciée selon sa loi nationale alors même que par le mariage elle change de nationalité. Mais le respect du statut civil étranger conduit aussi, et à tout le moins lorsque l'Etat étranger rattache ledit statut à la loi nationale, au respect de la nationalité étrangère elle-même. Yis-à-vis d'un E t a t posant en matière de capacité cette règle de conflit à rattachement cumulatif, les E t a t s étrangers ne craindront pas qu'un de leurs ressortissants perde sa nationalité à la faveur de dispositions sur la capacité exorbitantes de leur propre droit. A l'opposé, la règle de conflit facultative permet de ne pas respecter le statut civil étranger. La permission s'analyse, on le voit bien, en une faveur pour la nationalité du for 6 5 . Mais, à l'opposé de la règle cumulative et dans la même mesure, elle empiète sur le domaine de la nationalité étrangère. 62 64
32»
Art. 34, loi de 1948 (ONU 13). Art. 31, loi de 1949 (ONU 418).
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Art. 26, loi de 1948 (ONU 337). V. sur cette notion infra, n. 21.
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Quant à la curieuse et intéressante règle - et plus exactement partie de règle - du droit japonais qui fait dépendre la capacité de la loi du pays de naissance, on peut en dire qu'elle a franchement transporté le conflit de lois sur le plan de la nationalité en faisant du lieu de naissance, de l'antique origo, une circonstance de rattachement. La nationalité étrangère respectée est ici celle pouvant exister jure soli et c'est celui-ci et la volonté de l'individu qui veut changer de nationalité que le législateur japonais a entendu concilier. 13. Le cas de la loi britannique. - Les motifs de la règle de conflit de la loi britannique concernant la légitimation, qu'on repris certains Etats du Commonwealth, appellent de plus longs développements. Un renvoi exprès ou implicite au droit commun anglais du conflit des lois en la matière rencontrerait la conception restrictive que se fait traditionnellement celui-ci de la légitimation, du fait même que la loi interne anglaise ignorait cette institution jusqu'en 1926, date du Legitimacy Act. Nous avons déjà dit que, depuis la promulgation de cette loi et jusqu'au British Nationality Act de 1948, la jurisprudence anglaise avait refusé à la légitimation par mariage subséquent tout effet sur la nationalité. De sorte que la première explication de la présence dans la loi sur la nationalité d'une règle de conflit paraît être la volonté d'écarter la solution jurisprudentielle. Mais le législateur anglais s'est aussi apparemment souvenu de ce que la jurisprudence anglaise admettait, en dehors même du champ d'application du Legitimacy Act, la possibilité de légitimer un enfant adultérin. Il a peut-être aussi pensé à des exemples, qui ne semblent pas s'être présentés dans la pratique anglaise66, de légitimation par rescrit du prince67. En déclarant qu'une légitimation faite «autrement» que dans les termes de la règle de conflit du Legitimacy Act, qu'il reproduit, est sans effet sur la nationalité, en prenant les devants relativement à une jurisprudence qui aurait peut-être abouti d'elle-même à cette conclusion, il a agi comme s'il voyait dans la légitimation, sous l'angle de la nationalité, une institution «insuffisamment internationalisée». Cette dernière expression, que nous avons cru pouvoir proposer ailleurs68, signifie qu'un législateur admet en principe qu'une inV. Cheshire (supra, note 57) 407. Sur les pays qui connaissent encore ce mode de légitimation v. Arminjon-Nolde-Wolff, Traité de droit comparé I (1950) n. 151 et I I (1950) n. 561. 68 Op. cit. {supra, note 29). 66 67
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stitution du droit privé fonctionne sur le plan international et soit réglée par l'intermédiaire du «procédé» du conflit de lois, mais qu'il n'en soit cependant ainsi que dans certaines limites de droit matériel. Que celles-ci apparaissent dans ce cas en matière de nationalité plus étroites que dans le droit commun du conflit de lois, cela ramène aux deux types de solutions qui nous restent à examiner. IV. F o r m u l a t i o n de r è g l e s m a t é r i e l l e s s p é c i a l e s 14. Règles à négliger. - Eliminons d'abord de notre enquête les dispositions des lois sur la nationalité qui visent directement l'effet sur celle-ci de certaines institutions du droit civil. Ainsi, laissons de côté les dispositions que l'on trouve dans certaines lois contemporaines qui refusent au mariage tout effet sur la nationalité des époux ou qui ne lui reconnaissent qu'un effet restreint, la naturalisation privilégiée de l'époux étranger. Ainsi, de même, les dispositions qui excluent l'influence sur la nationalité de la filiation illégitime ou adoptive. Dans le cas du mariage, les dispositions prohibitives ou restrictives n'ont de sens que parce que, traditionnellement, le droit de la nationalité reconnaissait cet effet sur la personne de la femme. Mais même si, à défaut de textes, on voyait dans l'attribution à la femme de la nationalité du mari une conséquence de la prépondérance en droit civil de la personne de celui-ci, on ne saurait bien entendu prétendre tirer directement cette solution du droit civil. Plus délicate est, dans le domaine de la filiation, la question des effets de la filiation légitime fictive attribuée à l'enfant légitimé ou adoptif. La question est du moins délicate lorsque le législateur interne règle cette matière en établissant une assimilation plus ou moins parfaite avec l'enfant légitime, comme c'est, par exemple, actuellement le cas en France de la légitimation adoptive 6 9 ou en Italie de l'affiliazione70. On peut alors et dans la mesure où la loi traduit l'intention de pousser la fiction jusqu'au bout de ses conséquences, se demander si, même en l'absence de règle écrite, l'assimilation ne doive avoir sa répercussion dans le droit de la nationalité. " Art. 368 et s. du Code civil dans leur teneur présente. 70 Art. 404 et s. du Code civil italien.
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Qu'il s'agisse, toutefois, du mariage ou de la filiation, ces dispositions, qui traduisent en quelque sorte une autonomie «matérielle» du droit de la nationalité, n'intéressent pas notre propos. Elles ne posent pas à proprement parler de question préalable mais restreignent simplement le domaine d'application de la nationalité. Elles ne visent pas, d'autre part, spécialement les situations, qui sont l'hypothèse même de notre recherche, où le problème de droit civil posé comporte un élément international. 15. Règles à retenir-Majorité. - Résolvent en revanche une question préalable de statut personnel les lois sur la nationalité qui fixent, aux fins de leur application et spécialement en ce qui concerne la naturalisation, un âge de majorité spécial, que celui-ci coïncide, du reste, ou non avec le propre droit interne du for 71 . Il serait oiseux de faire la liste de ces lois, tant elles sont maintenant nombreuses. Ne négligeons pas cependant l'occasion de présenter en passant une donnée d'observation tout extérieure, la prédilection en cette matière des législateurs pour l'âge de 18 ans. On la trouve consacrée non seulement dans des Etats musulmans oix cependant elle ne coïncide pas toujours avec celle du droit civil religieux72 (Afghanistan73, Arabie séoudite74, Irak75, Iran76, Jordanie 77, Liban78, Pakistan79, Syrie80), mais aussi, identique à la majorité civile, en U.R.S.S. 81 et dans certaines démocraties populaires (Albanie82, Roumanie83, Yougoslavie84) et, indépendante de la majorité civile, en France85, aux Etats-Unis d'Amérique86. Il n'est guère plausible, ici également, que les Etats en question aient con71
Pour un tableau de l'âge de majorité de droit commun dans les différents pays v. Lichter (supra, note 6). 72 Cf. Arminjon-Nolde-Wolff (supra, note 67) III (1952) n. 1025. 73 Note b sous art. 5, loi de 1936 (ONU 1). 74 Art. 4, ordonnance de 1938 (ONU 399). 76 Art. 2, loi de 1924 (ONU 241). 76 Art. 979, Code civil de 1935 (ONU 238). 77 Art. 2, loi de 1954 (ONU 278). 78 Art. 3, loi de 1924 (ONU 284). 79 Art. 2, loi de 1951 (ONU 356), majorité fixée «nonobstant toute disposition du Majority Act de 1875 ». 80 Art. 4, décret législatif de 1953 (ONU 452). 81 Art. 6, loi de 1938 (ONU 462). 82 Art. 7, loi de 1946 (ONU 4). 83 Art. 5, décret de 1952 (ONU 395). 84 Art. 13, loi de 1946 (ONU 554). 85 Art. 67, Code de la nationalité (ONU 152). 88 Art. 334, litt, b., loi de 1952 (ONU 496).
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sulté les uns les lois des autres pour fixer ce chiffre. Le comparatiste pourrait donc méditer sur l'abaissement en matière de nationalité de la majorité civile et surtout sur la coïncidence du chiffre et des conséquences qu'il y aurait à en tirer au point de vue de l'unification du droit. 16. Capacité et représentation. - Résolvent de même une question préalable de statut personnel les législations sur la nationalité qui, en matière de capacité, posent elles-mêmes l'exigence de santé mentale du candidat à la naturalisation: Arabie séoudite 87 , GrandeBretagne 88 , Nouvelle Zélande 89 , Rhodésie du Sud 9 0 , Venezuela 91 bien que l'on ne puisse pas toujours discerner si elles entendent par là poser une règle exorbitante de leur droit interne de la capacité ou une limite à l'admission des lois étrangères sur le même objet. L a réglementation par certaines lois de la représentation du mineur rentre encore plus sûrement dans cette catégorie. Tandis qu'en Autriche 92 et au Liechtenstein 93 il est simplement question des représentants légaux du mineur, au Canada 9 4 et en Rhodésie du Sud 95, la loi définit avec précision qui représente l'enfant dans les actes du droit de la nationalité. Et il en est de même en Hongrie 96 . Dans la même matière de la représentation on citera également à cette place la catégorie des lois qui comportent l'exigence particulière du consentement de l'incapable et plus spécialement du mineur à partir d'un âge déterminé. C'est le cas en Allemagne 97 , en Bulgarie 98 , en Hongrie 99 , en Suisse 100 . Art. 4, ordonnance de 1938 (ONU 399). Art. 32 (9),loi de 1948 (ONU468),trad.franç.dans Rev.crit.37(1948)552. 89 Art. 1 (8), loi de 1948 (ONU 337). 90 Art. 2 (3) (b), loi de 1949 (ONU 418). 91 Art. 3, loi de 1940 (ONU 544). 92 Art. 5, loi de 1949 (ONU 34). 93 Art. 6, loi de 1933 (ONU 294). 94 Art. 2, litt. n, loi de 1946 dans sa teneur de 1951 (ONU 69). 96 Art. 2 et 25, loi de 1949 (ONU 418). 96 Art. 12, loi de 1957, trad. allemande dans Ost-Europa Recht 3 (1957) 114, trad. franç. dans Textes législatifs étrangers (publication ronéotypée du Ministère belge des Affaires étrangères) 1957, n. 4, p. 95. 97 Art. 7, loi de 1913, considéré cependant aujourd'hui comme «inapplicable». V. ONU 179. 98 Art. 5, loi de 1948 (ONU 60), trad. franç. dans Rev. crit. 41 (1952) 180. 99 Art. 12, loi de 1957 (supra, note 90). 100 Art. 34, loi de 1953, texte dans Rev. crit. 42 (1953) 190. 87
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Citons enfin, pour en terminer avec cette catégorie, une disposition en vigueur au Costa-Rica 101 , qui déclare en substance applicable en matière de nationalité la règle «infans conceptus pro nato habetur . . . ». 17. Justification de ces règles. — Par les dispositions proprement spéciales de ce type, le droit de la nationalité, s'il revendique une certaine marge d'autonomie relativement au droit civil général, ne se singularise pas pour autant, relativement aux autres branches du droit interne. On a, par exemple, l'habitude de voir dans le domaine du droit du travail, et du droit social en général, se faire jour des conceptions particulières de la majorité, de la représentation, des rapports de famille. Au surplus, dans le droit de la nationalité, ces réglementations, comme on le disait tout à l'heure des dispositions qui concernent le principe même de l'accueil dans ce droit de certaines institutions de droit civil, s'appliquent que la question préalable soit ou non une question internationale. Elles opèrent en somme, pour parler en termes de conflit de lois, comme si elles étaient des dispositions d'ordre public au sens, contesté il est vrai par la doctrine actuelle, que donnait à cette expression l'école de Mancini. L ' E t a t qui les édicté fait comme s'il envisageait l'attribution de sa nationalité comme détachée de tout contexte international. Il entend contrôler de manière plus ou moins absolue les conditions concrètes dans lesquelles l'allégeance politique peut s'affirmer à son égard.
V. A t t r i b u t i o n d e c o m p é t e n c e à l a l o i c i v i l e i n t e r n e 18. Exemples législatifs. - Tout autre est la signification internationale de la dernière catégorie de dispositions qui nous reste à examiner, celles qui établissent expressément, à propos de telle ou telle question préalable, une référence à la loi civile interne du for. Ici encore, on commencera par relever les données du droit positif comparé. On le fera par matières. 1°. La capacité en général. On rencontre à son propos une telle disposition au Brésil 102 . 101 102
Art. 6, loi de 1950 (ONU 104). Art. 8, loi de 1949 (ONU 52).
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2°. La majorité, en particulier. C'est le cas en Chine nationaliste103, en Egypte104, en France105, aux Pays-Bas106, en Suisse107. 3°. Le mariage : En Espagne108 les effets sur la nationalité de l'annulation du mariage s'apprécient selon l'article 69 du Code civil relatif à ces effets. 4°. La filiation en général : C'est le cas de l'article 27 devenu célèbre du Code de la nationalité français de 1945109 : «La filiation ne produit effet en matière d'attribution de la nationalité française que si elle est établie dans les conditions déterminées par la loi civile française. » 5°. La filiation illégitime : En Italie110 la loi reconnaît expressément l'application en matière d'attribution de la nationalité italienne de l'article 279 actuel du Code civil. Ce texte établit le droit pour l'enfant illégitime de demander, dans certaines conditions (mariage annulé des parents, déclaration écrite de ceux-ci), des aliments à son auteur si la filiation résulte implicitement d'une décision de justice. Il s'agit là, on le voit, d'un cas où la filiation est sans effets d'état civil et où la loi lui reconnaît cependant l'effet attributif de nationalité. C'est pourquoi, il ne semble pas que cette disposition appartienne à la catégorie ici étudiée. Elle serait plutôt une règle spéciale de conflit de lois. Elle signifierait que même une filiation implicitement établie en justice lors de l'application d'une loi étrangère en Italie, ou de l'application d'une loi quelconque à l'étranger, aurait le même effet, pourvu que se trouvent réunies les conditions de l'article 279 du Code civil italien. Il faudrait alors, si cette interprétation est exacte, entendre par «décisions de justice » non seulement les jugements italiens mais aussi les jugements étrangers «déclarés efficaces» en Italie aux termes du Code de procédure civile actuel. 103 p o u r
la
perte de la nationalité. Art. 10, al. 4, loi de 1929 ( O N U 94).
Art. 27, loi n. 391 du 20 nov. 1956, trad. franç. dans Textes législatifs étrangers (supra, note 96) 1957, n. 3, p. 77. 105 Art. 5, Code de la nationalité de 1945 ( O N U 152). 1M Art. 3, loi de 1892 ( O N U 321). 107 Art. 35, loi de 1952 ( O N U 443) : R e v . crit. 41 (1952) 190. 108 Art. 21 C. civ. modifié par la loi du 15 juill. 1954, trad. franç. dans R e v . crit. 44 (1955) 213. 109 O N U 152. Cf. l'art. 84 du même Code sur la même exigence quant à l'effet collectif de la naturalisation. 110 Art. 2, in fine, loi de 1912, modifiée par le décret législatif de 1934 ( O N U 267). 104
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6°. L'adoption: Elle doit répondre au droit interne quant à ses conditions de fond en Belgique 111 . Elle doit au Canada 112 être conforme à la loi (the law) de la province canadienne où elle est supposée faite. Qu'il s'agisse là de la loi interne de cette province, cela nous paraît probable car le législateur se fût sans doute, s'il pensait le contraire, exprimé en termes de règles de conflit, quitte, s'il voulait exclure l'application de lois étrangères proprement dites, à établir un rattachement uniquement canadien. En Grande-Bretagne 113 la loi ne prévoit l'attribution au mineur adopté (elle n'admet pas l'adoption de majeurs) de la citoyenneté du Royaume-Uni que s'il s'agit d'une adoption résultant d'une décision anglaise. C'est dire qu'il faut qu'il s'agisse d'une adoption réalisée par application de la loi anglaise 114 , en Angleterre 115 . La solution est à rapprocher de celle qu'a admise la Division de la Chancellerie en matière successorale: l'enfant étranger adopté par des Anglais à l'étranger n'hérite pas en Angleterre parce que l'Adoption Act ne vise que les adoptions réalisées en Angleterre et en Irlande du Nord 116 . En France 117 «l'enfant qui a fait l'objet d'une légitimation adoptive conformément à l'article 368 du Code civil acquiert la nationalité française si son père adoptif est Français ». La loi n'exclut pas expressément, comme elle le fait dans l'article 27 précité en matière de filiation en général, toute application d'une loi étrangère. On peut donc se demander si une légitimation adoptive intervenue à l'étranger par application de la loi étrangère de l'enfant, n'attribuerait pas quand même la nationalité française. 111 Art. 1 er , loi «relative aux effets de l'adoption en matière de nationalité» du 11 fév. 1953 (ONU 48). 112 Art. 11 (2), loi de 1946 dans sa teneur de 1951 (ONU 69). 113 Art. 16, Adoption Act de 1950 (ONU 495). 114 Cf. Cheshire (supra, note 57) 412 indiquant en substance que, même s'il s'agit d'un adopté domicilié à l'étranger, la loi anglaise, en l'absence de règles légales ou jurisprudentielles, l'emportera en raison de la discrétion qu'elle laisse aux tribunaux d'admettre l'adoption si elle est faite dans l'intérêt de l'enfant. 115 Cf. Clive Parry (supra, note 60) Rule 41, p. 157. 116 In re Wilson, [1954] Ch. 733, [1954] 1 Ail E.R. 998 = Rev. crit. 43 (1954) 544, note Graveson; in re Wiïby, [1956] P. 174, [1956] Ail E.R. 27; cf. sur cette jurisprudence, Cheshire (supra, note 57) 415. V. cependant la récente affaire In re Marshall, commenté par M. De Nova, infra ce numéro. 117 Art. 35, Code de la nationalité de 1945 (ONU 152).
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19. Justification - Données du problème. - Ce type de législation peut, nous semble-t-il, pour le théoricien, être rapporté à un double dessein. D'une part, il représente, comme les règles de conflit spéciales et comme les dispositions matérielles spéciales, une rupture de continuité entre le droit de la nationalité et le droit international privé. D'autre part, il établit une communication inconditionnelle entre le même droit de la nationalité et le droit civil interne. Ainsi, dans la terminologie dont nous avons déjà usé plus haut (n. 13), les dispositions de cette sorte affirment, pour le compte du droit de la nationalité, un «refus d'internationalisation» des institutions en cause. Le mariage, l'adoption, la filiation . . ., n'existent, peut-on dire, au sens de ces dispositions, que dans les contours que leur reconnaît le droit civil interne. Et la question surgit dès lors tout naturellement : ce parti, le législateur le prend-il parce qu'il entend éliminer des réglementations étrangères qu'il soupçonne d'avance d'être indignes en raison de leur teneur de se reconnaître l'effet attributif de nationalité ? Ou bien ce parti le législateur le prend-il parce que ces dispositions émanent d'un législateur étranger et qu'en raison de cela seul, il ne leur permet pas de pénétrer dans cette sorte d'aire de droit public qui serait celle du droit de là nationalité ? La réponse à cette alternative doit permettre, nous semble-t-il, à la fois d'apprécier l'opportunité de ce type de règles et d'éclairer leurs problèmes d'interprétation. Nous allons toutefois, auparavant, poser la question du degré de gravité de l'entorse au règlement normal du conflit de lois que présentent les dispositions positives dont nous venons de présenter l'inventaire. Nous verrons ce degré culminer avec la disposition ci-haut reproduite sur la filiation de l'article 27 du Code de la nationalité. Celui-ci se présentera dès lors comme réunissant tous les problèmes que pose la solution de la question préalable par recours obligatoire à la loi civile interne. 20. Importance de la solution selon la matière visée. - Voici tout d'abord une matière qui ne mérite pas d'être retenue dans notre recherche, c'est celle de la majorité. La référence au droit civil interne n'est ici pratiquement qu'un moyen indirect de poser une règle matérielle. Au lieu de dire que la majorité est celle du droit interne, le législateur français, par exemple, aurait aussi bien pu la fixer à 21 ans. Car c'est pratiquement sur ce seul point quantitatif que peut porter la divergence éventuelle avec une loi étrangère. Le
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concept lui-même de majorité est universel 118 . Ce que nous avons dit des raisons d'être des règles matérielles spéciales devrait donc valoir ici pour les règles renvoyant au droit interne. Avec la capacité en général l'entorse commence à apparaître, parce que le concept n'est pas partout le même, parce que l'on peut notamment discuter du rôle qui y joue d'un pays à l'autre la distinction entre capacité de jouissance et capacité d'exercice, ou encore, dans ce dernier domaine, la possibilité comme les modalités de la représentation de l'incapable. Mais l'application en la matière de la loi interne du pays dont la nationalité est en cause pourrait déjà se prévaloir de la doctrine qui, dans le règlement du conflit de lois civiles - et c'est on le sait une tendance des systèmes anglo-américains - soumet dans certains cas la capacité (distincte de l'état) à la lex causae. Même si l'on fait abstraction de cette doctrine, l'affirmation en la matière d'une capacité spéciale, indirectement délimitée par le droit civil interne, n'a rien de surprenant, car on a l'habitude de voir différencier à ce point de vue même les actes de la vie civile interne. C'est avec l'état des personnes proprement dit que le trouble introduit par ces solutions est le plus sensible. L'unité de l'état la reconnaissance universelle de la qualité d'homme marié, d'enfant légitime . . . - est, en même temps qu'un indispensable instrument de méthode juridique, une réalité psychologique. Le profane comprendrait difficilement qu'une personne puisse n'être mariée ou enfant légitime que sous certains rapports et non sous d'autres. Il est vrai que dans le conflit de lois civiles lui-même cette unité se trouve parfois brisée. On sait qu'en France un état qui a été acquis à l'étranger dans des conditions qui en auraient empêché l'acquisition dans le pays - l'état d'époux polygame ou celui d'enfant adultérin - est admis en principe et sous réserve de l'appréciation sous l'angle de l'ordre public français de chacun de ses effets. On sait de même que, selon une méthode différente mais qui aboutit aux mêmes résultats, on distingue en Angleterre entre status et incidents of status. Enfin, indépendamment même de la distinction entre l'état acquis à l'étranger et celui à acquérir dans le for, le conflit de lois montre, comme nous l'avons rappelé ici à 118 C'est, rappelons-le, à l'admirable travail de Walter Burckard, Über die Allgemeingültigkeit des IPR: Festgabe Eugen Huber (Berne 1919), que l'on doit la distinction de ces conflits de lois purement quantitatifs.
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plusieurs reprises, au regard de certaines institutions, une certaine défiance à leur internationalisation complète et n'admet l'état fondé sur ces institutions qu'à des effets limités: c'est le cas du droit anglais excluant, dans la mesure que l'on a précisée, l'effet successoral de la légitimation ou de l'adoption. L'exclusion de l'application des lois étrangères à laquelle les dispositions de ce t y p e du droit de la nationalité conduisent est faite p o u r t a n t sans égard ni au lieu où l'état a été créé ni à la teneur concrète des effets de cet état. Mais surtout l'anomalie représentée par la rupture de continuité de l'état dépasse celle constatée dans le conflit de lois. Car elle atteint dans certains de ces exemples non plus seulement des institutions «dérivées», étayées au départ sur des fictions, telle la légitimation ou l'adoption, mais, comme le fait en France l'article 27 du Code de la nationalité, l'ensemble «naturel» d'une institution comme la filiation. Cette solution récuse, en effet, pour le compte du droit de la nationalité, la solution primaire donnée par le droit international privé à une question dont il a directement la charge et qui est celle de l'existence du lien de filiation. Sans doute le droit international privé, qui est bel et bien sous cet aspect le «droit civil international», ne parvient à répondre à cette question que par le mécanisme fort complexe du conflit de lois. Sans doute aussi les lois internes d'où le conflit de lois tire la solution du problème de la filiation grâce au choix qu'il opère entre elles, comportent elles-mêmes une marge plus ou moins grande de fiction U 9 . L a réponse que l'on en a t t e n d n'en est pas moins une sur l'existence du lien de filiation. Or, u n ordre juridique qui fait sien en matière de nationalité le principe du jus sanguinis ne saurait sans inconséquence prétendre ignorer en matière de nationalité la filiation établie selon une loi étrangère. L'inconséquence tient à ce que ce même ordre juridique - et c'est le cas de tous les E t a t s civilisés - consacre aussi le principe de la soumission des situations internationales à un droit spécial, le droit international privé. L'article 27 du Code de la nationalité, par son ampleur même, fait donc apparaître cette inconséquence dans toute sa gravité. 119
Sur la tendance du droit moderne de la famille, en particulier du droit allemand, de traduire la réalité biologique, v. en langue française Holleaux, Remarques sur la preuve de la filiation paternelle en droit allemand, suisse et français: Rev. int. droit comp. 5 (1953) 473-496, spécialement 488 et s.
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Constatation fort instructive: ni la législation française de la nationalité ni aucune autre n'ont rendu dans les mêmes conditions obligatoire l'application du droit interne à la question préalable du mariage. Voilà qui fait penser que la solution a pu être dictée par des raisons propres à la filiation. Elle l'a été, en effet, et aussi par des raisons propres aux contingences de l'évolution de la jurisprudence française. L'exposé de ces raisons est utile, même s'il doit retarder la recherche annoncée plus haut sur la raison d'être dogmatique de la solution. 21. Motifs
de la solution
française
en matière
de filiation.
- L'ar-
ticle 27 du Code de la nationalité française formule une solution qu'avait déjà affirmée la jurisprudence, d'ailleurs approuvée par une partie de la doctrine. Il n'y a pas de place ici pour reprendre cette jurisprudence dans le détail 12°. Rappelons seulement la situation sur laquelle les tribunaux ont eu le plus souvent à statuer et qui a donné à la Cour de cassation l'occasion d'affirmer le principe dans sa généralité. Il s'agit de la filiation maternelle de l'enfant naturel. E n droit interne français, le fait que le nom de la mère figure dans l'acte de naissance n'établit pas cette filiation. Il l'établit dans les droits germaniques. E n supposant que la mère soit ressortissante d'un pays qui attribue à l'acte de naissance cet effet, l'enfant aura-t-il acquis par l'acte de naissance une filiation attributive de nationalité ? Dans de nombreuses espèces jugées il s'agissait d'un enfant né en France. La solution négative que les tribunaux ont donnée pourrait sans doute être rattachée à l'idée que la législation étrangère ne pouvait pas faire produire un pareil effet à un acte dressé en France. Mais lorsque la question s'est posée quant à un enfant né en Suisse, l'acte ayant été dressé dans ce pays, la Cour de cassation a maintenu la solution au motif que «la loi française . . . pouvait seule résoudre la question de nationalité» 121 . Elle a ainsi permis à la France de «récupérer» un national, l'enfant ayant été reconnu lors du mariage ultérieur de la mère avec un Français. Un tel motif, et plus exactement un tel mobile, n'est pas, bien entendu, dans le texte de l'arrêt. Mais on peut en imaginer la pré120 y_ MaM'ry in Répertoire (supra, note 35) I X (1931) V° Nationalité en France, n. 220 et s. La discussion et l'opinion critique de M. Maury sont rapportés dans Màkarov 235 et s. Lerebours-Pigeonnière, Précis de d. i. p.6 (1954) n. 63, regrette les «inconvénients internationaux» de la solution. 121 Cass. civ. 25 fév. 1930, Rev. crit. 25 (1930) 478, cf. Maury (note précédente) n. 223.
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sence si l'on songe à la politique d'extension de la nationalité française d'origine politique qui est celle de la France depuis la guerre mondiale. La solution permet-elle toujours à la France d'étendre sa nationalité ? On imagine sans peine le contraire. En voici un exemple sous l'empire de l'actuel article 27. Un enfant né au Danemark d'une mère danoise, qui le représente, recherche judiciairement en France sa paternité contre un Français. Cet enfant est actuellement Danois. S'il réussit dans son action, il sera Français 122 . Or, il se trouve hors délais pour intenter l'action de l'article 340 du Code civil français, alors que la loi danoise lui permet encore d'agir. La Cour de Paris déclare la loi danoise applicable en tant que loi de l'enfant et estime que l'ordre public ne s'oppose pas à l'accueil en France d'un délai supérieur à celui de la loi interne française 123 . L'enfant se trouve ainsi, par application d'une loi étrangère, avoir une filiation française. En est-il pour autant Français? Non, certainement, en présence de l'article 27 du Code de la nationalité. Il est vrai qu'un auteur des plus autorisés 124 propose de reconnaître tout de même dans ce cas la nationalité française à l'enfant. Il ne conteste pas et souligne au contraire que l'article 27 renvoie au droit civil interne français et non aux règles françaises des conflits de lois. Mais, observe-t-il, dans cette espèce «la filiation naturelle résulte bien d'un jugement rendu par une juridiction française ». E t de proposer en substance de négliger les motifs par lesquels le tribunal est parvenu à établir la filiation pour voir dans le fait même qu'une jurisdiction française a statué une application de la «loi interne» française. Evidemment inspirée d'un motif de faveur pour l'enfant, cette doctrine n'en vide pas moins à notre avis l'article 27 de tout contenu. Car on ne voit pas trop alors en vertu de quel principe on refuserait un pareil effet à une décision étrangère reconnue et à tout le moins revêtue de l'exequatur en 122
Parce que l'auteur à l'égard de qui sa filiation aura été établie en second est Français ; mais il a, en tant que né à l'étranger, la faculté de répudier la nationalité française dans les six mois précédant sa majorité: art. 19 du Code de la nationalité (ONU 152). 123 Paris (1« ch.) 14 mars 1952, Bev. crit. 41 (1952) 325, note Batiffol = J.C.P. 1952. II. 7075, note Jean Mazeaud. On peut, pour le reste, se demander si cet arrêt tient compte des articles 124 et s. du Code dont il est question infra, note 136. 124 BouJbès, Droit français de la nationalité (1956) n. 982 et s.
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France. Cette décision ne doit-elle pas normalement être assimilée à une décision française? Insistons d'ailleurs un instant sur ce mot de »faveur«. Il est certain qu'au regard d'un E t a t quelconque l'attribution de sa nationalité revêt et doit revêtir - la sociologie politique n'aurait pas de peine à le démontrer - ce caractère. Mais il s'agit là d'une faveur abstraite, dont il n'est pas toujours sûr qu'elle corresponde à l'intérêt personnel de l'individu en cause. L'attribution de nationalité permettra parfois d'inculper un individu de trahison. E n France, l'objecteur de conscience qui se verra retirer la nationalité française sortira de prison. Mais le droit civil se sert lui-même de cette notion de faveur, précisément dans le domaine de la filiation. Elle y revêt aussi ce même caractère abstrait, comme le montre l'exemple bien connu de la reconnaissance d'enfant naturel faite à seule fin de lui demander des aliments. Or, quand le droit international privé met en œuvre cette idée de faveur, et quand il prend son parti du caractère abstrait qu'elle revêt nécessairement, il aboutit à des règles de conflit facultatives: il applique, par exemple, au moins selon une certaine doctrine, à la filiation légitime et par faveur pour la légitimité la loi la plus favorable à l'enfant 1 2 5 . L ' E t a t donc qui voudrait mettre à profit cette idée en matière de nationalité devrait, de même, consacrer quant à 1 aquestion préalable de la filiation une règle de conflit facultative. Une disposition du type de l'article 27 devrait permettre d'attribuer effet à la nationalité établie soit selon les règles françaises des conflits de lois, soit selon la loi interne française. 22. Arguments en faveur de cette solution. - E n fait, d'ailleurs, ce ne sont pas ces motifs d'opportunité qui ont étayé la doctrine favorable à l'article 27, avant ou après le Code de la nationalité. Le grand argument fourni par les auteurs partisans de la solution est le caractère de droit public et politique du droit de la nationalité. D'où résulterait son intolérance à l'égard d'un impératif émané d ' u n souverain étranger. L'enfant qui se verrait reconnaître la nationalité française en vertu d'une filiation établie selon une loi étrangère serait, écrit M. Boulbès, «imposé à la Puissance publique souveraine par le seul effet d'une loi étrangère» 1 2 6 . 126
V. surtout Lerebours-Pigeonnière (supra, note 120) n. 349. Boulbès {supra, note 124) 396; cf. Nïboyet, Traité de d. i. p. français 2 I (1947) n. 147. 126
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Ainsi, pour revenir maintenant à l'alternative posée plus haut (n. 19) et qui domine le problème sur le plan proprement juridique, ce ne serait pas parce que le législateur français suspecterait a 'priori le contenu des lois étrangères relatives à la filiation qu'il leur refuserait l'effet sur la nationalité, ce serait parce qu'elles émanent d'un législateur étranger. De ce que le contenu des lois étrangères importe peu dans l'esprit du législateur, il n'y a, nous semble-t-il, en droit français, de meilleure démonstration que l'existence d'une dérogation expresse à l'article 27 pour les territoires d'Outremer. Quant à ces régions, la filiation produit l'effet attributif de la nationalité française «non seuelment dans les conditions déterminées par la loi civile française mais aussi par la réglementation ou par les règles coutumières applicables aux personnes qui ont conservé leur statut civil particulier» 127 . On remarquera au surplus que si le législateur français avait lieu de craindre que la filiation établie selon la loi étrangère compétente ne le fût dans des conditions trop larges ou, à l'inverse, trop rigoureuses, il aurait pu songer à ce que le conflit de lois fait sienne également cette préoccupation et la met à l'œuvre fort efficacement par l'intermédiaire de la notion de l'ordre public. 23. Refutation de ces arguments. - Seul donc émerge finalement de la discussion l'argument de l'extranéité du pouvoir étranger dont la loi étrangère émane. I l est à notre avis faible et il est suranné. Que l'on se rappelle d'abord comment, dans le droit criminel, matière au moins aussi profondément imprégnée de considérations de droit public que la nationalité, la loi abandonne normalement l'appréciation des questions préalables de droit civil au conflit de lois128. Mais que l'on songe surtout à la véritable unanimité qui règne actuellement en doctrine sur ce que l'application des lois étrangères peut et doit toujours être rapportée à un impératif du souverain du for. Cette unanimité, acquise à travers la discussion, on sait combien étendue, de problèmes tels que l'explication même du procédé du conflit de lois, ou celui du renvoi, devrait ici peser 127 Art. 4, décret du 24 fév. 1953 déterminant les modalités d'application du Code de la nationalité française dans les territoires d'Outremer (ONU 174). Sur l'admission en vertu de ce texte de la filiation maternelle établie selon le droit malgache dans des conditions analogues à celles des droits germaniques (supra, n. 21), v. Boulbès (supra, note 124) n. 223. 128 V. en particulier Batiffol, Traité (supra, note 48) n. 250.
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de tout son poids. C'est le souverain français qui demande à la loi étrangère d'établir l'existence du lien de filiation. C'est lui-même et lui seul, ensuite, qui attache, dans les conditions qu'il pose, à ce lien l'effet attributif de nationalité 129 . L'article 27 conduit en tout cas à l'existence d'une filiation spéciale à la nationalité, indépendante de la filiation du droit civil 130 . La solution, écrivait avec juste raison en 1931 M. Maurym, est «étrange et inélégante sinon inconcevable». Elle est pour M. LouisLucas, écrivant sous le régime du Code de la nationalité un «phénomène illogique et que rend grave la valeur d'exemple donnée à l'orientation qu'elle accrédite » 13lbis . Elle est pourtant actuellement imposée par le texte et admise franchement par certains auteurs. D'où sans doute l'effort de la doctrine de restreindre sa portée dans la matière même de la nationalité 132 . La règle de l'article 27 entendue de la sorte aurait cependant, prétend-on, l'avantage de résoudre un problème de cercle vicieux 133 . Celui-ci se présenterait en matière de filiation illégitime, étant donné qu'en cette matière la jurisprudence française applique la loi nationale de l'enfant 1 3 4 . Comment, en effet, parvenir à déterminer la loi nationale de l'enfant alors que précisément il s'agit de se prononcer sur la nationalité de celui-ci ? L'article 27 évite la difficulté 129 Cf. Arm.in.jon, Précis de d. i. p. II, 2« éd. (1934) n. 13 bis , p. 47 et 3 e éd. (1958) - qui n'envisage malheureusement pas le problème de la survenance de l'art. 27 - p. 52. 130 En ce sens et fermement Pallará, Rev. crit. 42 (1953) 347. Cf. Batiffol, note sous Trib. Lille 20 juin 1949: Rev. crit. 38 (1949) 668. 131 Maury (swpra, note 120) n. 227. îsibis Louis-Lucas, Qualification et répartition: Rev. crit. 46 (1957) 153183 et spécialement 183. 132 En n'en admettant l'application qu'à l'attribution de nationalité d'origine et, dans le cas, expressément prévu par l'art. 84, de l'effet collectif de l'acquisition. La restriction est tirée surtout de la place de l'art. 27 dans le Code et du rappel formel de la solution dans l'art. 84.V. Maury, Le Code de la nationalité française: J.C.P. 1946. I. 514. n. 9; Niboyet, Traité de d. i. p. français V (1948) 1469, qui déclare avoir sur ce point changé d'avis pour se rallier à la thèse de M. Maury, Batiffol, Traité (supra, note 48) n. 391; Boulbès (supra, note 124) n. 225; Aymond, in Encyclopédie Dalloz - Droit civil, V o Nationalité, n. 187. 133 Cf. Makarov 239. 134 Sauf discussion quant à la reconnaissance volontaire, qui serait pour certains soumise à la loi nationale de son auteur. Mais la majorité de la doctrine est contre cette distinction. V. l'exposé de Pallará, Rev. crit. 41 (1952) 627-644 et in D. i. p. de la famille en France et en Allemagne (1954) 337-346 = Das internationale Familienrecht Deutschlands tmd Frankreichs (1955) 278-288.
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puisque, de toute manière, quant à la détermination de la nationalité, la loi française est applicable à l'enfant. Ce qui aboutit, d'ailleurs, selon la fine remarque de M. Pallard13B, à ce que la filiation de tout étranger se trouve «virtuellement régie par la loi française». Cela est pourtant, nous semble-t-il, parfaitement possible d'éviter cette difficulté, née d'un excès de logique. En effet, à la faveur des arguments qui viennent d'être développés, les questions de statut personnel doivent bel et bien être considérées comme véritablement préalables, en ce sens qu'elles doivent nécessairement être tranchées avant celle de la nationalité 136 . Des solutions d'une parfaite cohérence logique s'en laisseraient aussitôt dégager. Elles relèvent toutes de cette idée que la nationalité est, pour le conflit de lois, en France notamment, une circonstance de rattachement. Le conflit de lois doit tenir compte de cette circonstance lorsqu'elle existe. Mais lorsqu'elle n'existe pas, il est normalement autorisé à lui substituer un autre critère. Il s'ensuit: 1° que la nationalité française, même provisoire, comme est celle de l'enfant non déclaré et reconnu par la suite, devrait suffir pour que la loi française soit la loi de l'enfant au moment de la reconnaissance et s'il s'agit d'apprécier cette reconnaissance 137 ; 2° que la filiation de l'individu actuellement étranger devrait s'apprécier selon sa loi étrangère actuelle, même Pallard, Rev. crit. 42 (1953) 347 et s. II faut reconnaître que la position à cet égard du Code de la nationalité est inverse. Celui-ci (art. 124 et s.) proclame le caractère d'ordre public de l'exception de nationalité française comme de l'exception d'extranéité et en fait non pas seulement des questions préalables mais aussi des questions préjudicielles proprement dites, en ce sens qu'il en réserve, sous certaines conditions, la connaissance aux tribunaux civils. L a logique de cette construction imposerait donc dans tous les cas que la question de la nationalité - dès lors qu'elle est soulevée dans un procès — soit tranchée avant celle de statut personnel et spécialement de filiation. D'où les redoutables difficultés d'interprétation que l'on trouvera traitées chez M. Boulbès (supra, note 124) n. 972 s. Rappelons, en passant, une autre source de difficultés dans le même texte, l'autorité absolue de chose jugée qu'il reconnaît aux décisions sur la nationalité. Elle a donné lieu dans l'affaire Ghattas à une situation curieuse et inextricable. V. notamment Batiffol, Traité (supra, note 48) n. 158; adde Starck, Rebondissement de l'affaire Ghattas ou le rocher de Sisyphe: Rev. crit. 44 (1955) 669-688. - Pour une étude du caractère préalable de la question de nationalité dans le conflit de lois en matière de filiation l'art. 27 mis à part, v. Savatier, Conflit entre la loi nationale de l'enfant et la loi nationale du père ou de la mère en matière de filiation : Clunet 78 (1951) 336-373. 137 Art. 21 du Code de la nationalité; cf. l'art. 14 de la Convention de La Haye de 1930 (supra, note 32) qui ne lie cependant pas la France. 136
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si cette loi étrangère conduit à reconnaître à cet individu une filiation française et, à travers celle-ci, aboutit à lui reconnaître une nationalité française; 3° que, aux mêmes fins, la loi nationale de l'individu apatride devrait être, selon la solution normale du conflit de lois, celle de son domicile ou de sa résidence. La seconde et la troisième de ces solutions ne sont pas, toutefois, conformes à la de l'article 27 et seule une interprétation prétorienne pourrait y conduire. Rémarques finales 24. Prépondérance du statut personnel. - Des conclusions partielles ont été formulées dans le courant de cette enquête à propos de chacune des solutions examinées. Notre préoccupation aura été d'éclairer à la fois le sens de ces solutions et d'écrire leur conséquences. S'il faut maintenant émettre un avis sur l'opportunité même d'une réglementation des questions préalables dans le droit de la nationalité, nous ne tiendrions plus compte de la classification des solutions positives adoptée dans ce travail. Nous proposerions plutôt de distinguer selon que le droit de la nationalité affirme son indépendance relativement au droit civil matériel ou relativement au droit international privé et, plus spécialement, au conflit de lois. L'indépendance au regard du droit civil matériel fait songer à la liberté, pratiquement illimitée, que laisse aux E t a t s le droit international public positif pour définir librement leurs nationaux 1 3 8 . Une telle liberté explique sur le plan interne, tout comme elle légitime sur le plan des relations entre Etats, le fait que les E t a t s éprouvent le besoin de surveiller les conditions concrètes d'acquisition ou de perte de leur nationalité 139 . Le droit de la nationalité prend, d'autre part, parfois ses libertés avec le conflit de lois en posant des règles de conflit spéciales et c'est parce qu'il entend de la sorte agir sur l'extension de sa nationalité. 138 y_ Makarov 68 et s. Cette liberté se trouve confirmée par l'arrêt Nottebohm du 6 avril 1955 de la Cour internationale de Justice. Celui-ci a dissocié nationalité et protection diplomatique et n'a soumis la première à des conditions objectives que pour autant qu'elle sert de fondement à la seconde. V. surtout sur cet arrêt Suzanne Bastid, Rev. crit. 45 (1956) 607-633; Makarov, ZauslôfFRuVR 16 (1955-56) 407-426. 139 Sur l'art. 36 du Traité de Lausanne et la délicate question qu'il pose relativement à la nationalité de femmes des ressortissants ottomans établis sur les territoires détachés de la Turquie, v. Starck, (supra, note 136).
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QUESTIONS PRÉALABLES DE LA NATIONALITÉ
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Mais on a vu que l'incidence précise de ces règles de conflit spéciales est parfois difficile à surveiller. Elles sont, en outre, par leur nature même, d'interprétation étroite. Elles ne sauraient être affirmées dans le silence de la loi. La soumission globale, enfin, des institutions fondamentales du droit de la famille, telle la filiation, au droit civil interne représente une rupture avec le conflit de lois, à la fois fâcheuse pour les complications des raisonnements qu'elle oblige à tenir, et injustifiée sur le plan des principes.
ZUR KOLLISIONSRECHTLICHEN VON INLÄNDERN MIT ZUGLEICH
BEHANDLUNG AUSLÄNDISCHER
STAATSANGEHÖRIGKEIT V o n MTJBAD F E R I D
München Alexander N. Makarov, dem diese Zeilen als Ausdruck tiefer Verehrung gewidmet sind, hat im Jahre 1947 in einem seiner Hauptwerke 1 die Auffassung vertreten, daß bezüglich eines Inländers, der zugleich eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts wohl immer die lex fori maßgebend sein werde, während im Internationalen Privatrecht (IPR) empfohlen werden könne, bei nur formeller Natur der inländischen Staatsangehörigkeit dann an die ausländische Staatsangehörigkeit anzuknüpfen, wenn sie auf den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse hinweise. Allerdings sei, betonte Makarov damals, eine solche - im Interesse der Vermeidung von Härten begrüßenswerte - Regelung nach dem Stande der Rechtsprechung nicht de lege lata gültig. Mit dieser klaren Unterscheidung zwischen der publizistischen und der kollisionsrechtlichen Seite der Frage hat Makarov das Tor geöffnet für eine vom öffentlichen Recht grundsätzlich unabhängige internationalprivatrechtliche Beurteilung eines Mehrstaaters mit inländischer Staatsangehörigkeit. Wenn hier der Frage nachgegangen wird, ob im deutschen I P R heute noch die Auffassung aufrecht erhalten werden kann, daß beim Mehrstaater mit inländischer Staatsangehörigkeit stets und ausnahmslos an die inländische Staatsangehörigkeit anzuknüpfen sei, so mag dies aus zwei Gründen gerechtfertigt erscheinen. Einerseits ist das IPR in Deutschland - nicht zuletzt durch die Impulse aus der Bevölkerungsverschiebung in Kriegs- und Nachkriegszeit - in 1 Makarov, Allgemeine Lehren des Staatsangehörigkeitsrechfcs (1947; im folgenden zitiert: Makarov) 287f.
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Bewegung geraten, mit der Folge, daß mancher uns bisher selbstverständlich dünkende Satz neu durchdacht werden muß. Andererseits - und das hängt in den Ursachen mit der ersten Erwägung teilweise zusammen - ist das Phänomen einer rein formalen, materiell inhaltlos gewordenen Staatsangehörigkeit durch die politischen Vorgänge seit 1933 gegenüber früher ungeahnt häufig geworden. Abgesehen von den auch in normalen Zeiten gegebenen Doppelbürgerschaften zeigt sich eine solche Inhaltlosigkeit der an sich weiterbestehenden deutschen Staatsangehörigkeit neben einer auf den echten Lebensmittelpunkt hinweisenden nichtdeutschen Staatsangehörigkeit vor allem bei zwei Personengruppen: Zunächst ergibt sie sich bei jenen Doppelstaatern, die nach 1933 vom Hitlerregime aus dem deutschen Heimatstaat verjagt worden sind und sich in ihrem zweiten Heimatstaat niedergelassen haben. Damit sind hauptsächlich jüdische Doppelstaater angesprochen, denen erst später durch individuelle Ausbürgerung nach § 2 des Reichsgesetzes vom 14. 7. 1933 (RGBl I 480) 2 oder kollektiv durch die 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. 11. 1941 (RGBl I 722) 3 die deutsche Staatsangehörigkeit auch formell genommen wurde. Bei der Weitläufigkeit des hier in Rede stehenden Personenkreises sind solche Fälle gar nicht so selten, wie man vielleicht annehmen möchte und geben - etwa bei Erbfällen, die in dem hier bezeichneten Stadium eingetreten sind - zu ganz besonderen Zweifeln Anlaß. Zahlenmäßig viel mehr fallen allerdings ins Gewicht die in ihren Ursprungsstaaten verbliebenen „deutschen Volkszugehörigen" mit Doppelbürgerschaft. Voraussetzung ist hier, daß sie 1. anläßlich der Annexion ihres Heimatgebietes durch den Hitlerstaat die deutsche Staatsangehörigkeit in einer auch heute noch als wirksam erachteten Weise verliehen erhalten haben 4 , und 2. auch nach dem deutschen Zusammenbruch von 1945 in ihren Ursprungsstaaten verblieben sind und deren Staatsangehörigkeit entweder sogleich beibehalten konnten oder aber durch gesetzliche Maßnahmen dieser Staaten zurückerhielten. (Im Rahmen der zweiten Bedingung spielt es keine Rolle, ob den Beteiligten eine „Rehabilitierung" gelang oder ob sie 2
Vgl. hiezu Maßfeiler, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht 2 (1955) 103ff. Vgl. Maßfeiler a.a.O. 107. 4 Vgl. die Zusammenstellung dieser Fälle und der hierfür seinerzeit maßgebenden deutschen Bestimmungen in § 1 1 a - f des 1. Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit v o m 22. 2. 1955 (BGBl I 65). 3
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MURAD F E R I D
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- etwa als Spezialarbeitskräfte - von ihren Ursprungsstaaten an der Umsiedlung gehindert wurden und werden.) Praktisch kommen hier vor allem die in Polen und der Tschechoslowakei verbliebenen „Volksdeutschen" in Betracht. Ihre Zahl geht auch heute noch in die Hunderttausende. Da sie in aller Regel Verwandte in der Bundesrepublik haben, fällt dem deutschen Richter im Zusammenhang mit Unterhaltsstreitigkeiten sowie mit Erb- und Ehegüterrechts fragen nicht selten die Aufgabe zu, das Personalstatut solcher Doppelstaater zu bestimmen. I m folgenden sollen nun zunächst (unter A) die allgemeinen Gesichtspunkte für die Behandlung von Mehrstaatern mit Inlands Staatsangehörigkeit aufgezeigt werden. I m Anschluß daran sei (unter B) der Nachweis versucht, zu wie unangemessenen Ergebnissen die starre Anwendung inländischen Rechts auf die beiden hier herausgestellten Personengruppen führen würde.
A. A L L G E M E I N E
GESICHTSPUNKTE
I. G e s e t z g e b u n g Gesetzliche Bestimmungen darüber, welches Recht für die privatrechtlichen Verhältnisse einer Person maßgebend ist, die zugleich eine ausländische und die inländische Staatsangehörigkeit besitzt, finden sich mehrfach in den Kollisionsordnungen fremder Länder 5 . Der deutsche Gesetzgeber hat dagegen diese Frage nicht geregelt und sie damit der Entscheidung durch die Rechtsprechung überlassen, die - wie stets bei gesetzlich nicht geregelten Materien des I P R - in besonderem Maße der Mitwirkung von Lehre und Forschung bedarf. II. Rechtsprechung Die deutsche Rechtsprechung steht auf dem Standpunkt, daß bei Zusammentreffen der inländischen mit einer ausländischen Staats5 S. e t w a Art. 30 I des liechtensteinischen ZGB, Personen- u n d Gesellschaftsrecht, v o m 20. 1. 1926, ferner Art. 25 Nr. 2 des ägyptischen Z G B v o m 29. 7. 1948 und schon Art. 27 des japanischen Gesetzes über Rechtsanwendung v o m 21. 6. 1898, sämtlich abgedruckt bei Makarov, Quellen des I P R 2 I (1953f.), außerdem Art. 28 des bulgarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes v o m 19. 3. 1948 (dazu Beitzke in D R Z 1949, 466f.).
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angehörigkeit vom deutschen Richter stets der inländischen der Vorzug zu geben und somit deutsches Recht anzuwenden sei 6 . So betont das Kammergericht 7 , es gebühre unter allen Umständen ,,der Reichsangehörigkeit der Vorzug", während das Reichsgericht 8 ebenso entschieden ausspricht: „Die ausländische Staatsangehörigkeit bleibt außer Betracht." Weshalb diese Regel befolgt wird - die im allgemeinen als ganz vernünftig angesehen werden kann und für die viel vorzutragen ist - , erfährt man jedoch nicht. Auch die Entscheidung BGH 3, 180, die es mit der Frage zu tun hat, ob die Zuständigkeit eines deutschen Gerichtes nach § 606 ZPO bei Doppelstaatern gegeben ist, stellt den Grundsatz der Maßgeblichkeit der inländischen Staatsangehörigkeit nur dar, ohne ihn zu begründen. In der einzigen Entscheidung, die sich etwas um das Problem zu bemühen scheint 9 , will das Reichsgericht nach der Darstellung Eaapes auf einen Deutschen, der noch einem zweiten Staat angehört und einen Ehevertrag schließt oder ein Testament errichtet, „in der Regel" deutsches Recht anwenden. Tatsächlich stellt aber diese Entscheidung gar nicht auf die doppelte Staatsangehörigkeit ab, sondern nur auf den Abschluß oder die Errichtung im Ausland, um daraus die Beurteilung des Ehevertrages nach ausländischem Recht abzuleiten, wenn die Eheleute ausdrücklich oder stillschweigend das ausländische Recht in Bezug genommen haben, bezw. um bei einem Testament trotz Anwendung deutschen Rechts Besonderheiten der ausländischen Sprache und des ausländischen Rechtsgebrauchs zu berücksichtigen. Angesichts dieses Fehlens einer wirklichen Auseinandersetzung mit dem Problem kann man nicht davon ausgehen, im deutschen I P R sei die auf das Schweigen des Gesetzgebers zurückzuführende Lücke von der Rechtsprechung eindeutig und mit Anspruch auf ausnahmslose Geltung in dem Sinne ausgefüllt worden, daß bei Vorliegen der deutschen und zugleich einer ausländischen Staatsangehörigkeit immer die deutsche Staatsangehörigkeit kollisionsrechtlich den Vorzug habe. 6 Vgl. nur die bei Soergel-Kegel, BGB 8 IV (1955) Bern. III 1 zu Art. 29 EGBGB, mitgeteilten 12 Entscheidungen, dazu noch BGH 3, 180. ' KG 17. 12. 1934, IPRspr. 1934 Nr. 58. 8 RGZ 150, 374. 9 RG 13. 3. 1924, LZ 1924, 741; vgl. dazu Staudinger-Raape, Kommentar zum BGB 9 VI/2 (1931) Bern. B III 2 b a. E. zu Art. 29 EGBGB (S. 788).
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III. L i t e r a t u r 1. Die überwiegende Ansicht In der Literatur überwiegen ebenso wie in der Rechtsprechung jene Stimmen, die als Personalstatut eines Mehrstaaters mit auch inländischer Staatsangehörigkeit die lex fori befürworten, in unserem Falle also das deutsche Recht 10 . Um eine selbständige Begründung bemühen sich jedoch nur wenige Autoren. Alle Begründungen laufen letztlich auf den von Makarov hervorgehobenen Gedanken hinaus, daß jede Stelle immer dann ihre eigene Rechtsordnung anzuwenden hat, wenn diese Rechtsordnung den betreffenden Tatbestand erfaßt oder das betreffende Lebensverhältnis regelt u . Makarov meint hier zwar zunächst nur die Anwendung der inländischen Staatsangehörigkeitsnormen. Aber auch in privatrechtlicher Hinsicht liegt ein „Erfassen des Tatbestandes", eine „Regelung des betreffenden Lebensverhältnisses" in jenen Materien, für die das deutsche Recht an die Staatsangehörigkeit anknüpft, 10
Hervorzuheben, sind in dieser R i c h t u n g : Raape, I P R 4 (1955) 54; Martin Wolff, Das I P R Deutschlands 3 (1954) 41; Makarov 280ff.; Melchior, Die Grundlagen des deutschen I P R (1932) 447 ; Nußbaum, Deutsches I P R (1932) 112; Staudinger-Raape (vorige Note) Bern. B I I I 2 b zu Art. 29 E G B G B (S. 787f. - m i t weiteren Zitaten, so etwa Niemeyer, Planck, Barazetti,Walker) ; Lewald, Das deutsche I P R auf Grundlage der Rechtsprechung (1931) 10; Zitelmann, I P R I (1897) 175; von Bar, Theorie u n d Praxis des I P R 2 I (1889) 261. Von den gängigen Erläuterungswerken folgen Palandt-Lauterbach, B GB 17 (1958) Yorbem. 7 a a. E . vor Art. 7 E G B G B , Erman-Arndt, B G B 2 (1958) Anm. 7 zu A r t . 29 E G B G B , u n d Soergel-Kegel (oben N. 6) der herrschenden Meinung. Dagegen will Beitzke in Achilles-Greiff, BGB 2 0 (1958) Bern. 9 vor Art. 7 E G B G B , bei Mehrstaatern, die auch Deutsche sind, deutsches Recht anscheinend nur d a n n anwenden, „wenn ein m i t auf Deutschland bezüglicher Sachverhalt fraglich' ' ist. Da aber die Beurteilung durch den inländischen Richter in aller Regel nur derartige Fälle erfassen wird, darf die effektive Bedeut u n g dieser Klausel nicht überschätzt werden. Sie ist immerhin als ein Symp t o m dafür zu werten, daß die starre Anwendung der lex fori nicht mehr als allein möglich empfunden wird. Vgl. auch Rabel, Conflict of Laws I (1945) 120, der das Problem allgemein auf rechtsvergleichender Grundlage behandelt, sowie Batiffol, Traité élémentaire de d. i. p. 2 (Paris 1955) n. 78 u n d 388. Der letztere meint (in Note 29 zu n. 78), eine andere Staatsangehörigkeit als die eigene zu berücksichtigen, sei von den Staaten viel verlangt, u n d er überträgt die staatsangehörigkeitsrechtliche Lösung in n. 388 ohne weiteres auf das Kollisionsrecht. 11 Makarov 280. - Ähnlich wohl schon von Bar (vorige Note) 260, welcher betont, jeder S t a a t habe die Richtigkeit seiner Ansprüche zunächst a n der eigenen Rechtsordnung zu messen. E r beurteilt die Frage im übrigen unter dem Gesichtspunkt der Auswanderungsfreiheit.
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immer dann vor, wenn die als Anknüpfungspunkt 12 verwendete Person die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Deren volle Wirksamkeit, betont Nußbaum13, würde der deutsche Richter in Zweifel ziehen, wenn er zuließe, daß die Rechte und Pflichten Deutscher durch eine zweite Staatsangehörigkeit beeinträchtigt werden. Zitelmann14 sagt, der Richter habe im Zweifel die Konsequenzen der staatsrechtlichen Grundlagen seines eigenen Staates zu ziehen; erkläre ein Staat eine bestimmte Person als bei ihm staatsangehörig, so nehme er damit auch privatrechtliche Gesetzgebungsgewalt über sie in Anspruch: der Rechtssatz über die Staatsangehörigkeit wirke hier wie eine Kollisionsnorm. Hier klingen nun - gemäß der bekannten Grundauffassung Zitelmanns über die Bedeutung des Völkerrechts für das IPR - Gedanken der Personalhoheit an, wie denn überhaupt die lex-fori-Lösung mindestens unbewußt von dem völkerrechtlichen Grundsatz beeinflußt, wenn nicht gar von ihm getragen wird, daß ein Mehrstaater in jedem seiner Heimatstaaten als „Nur-Inländer" betrachtet werden darf, also von keinem andern Heimatstaat gegen diesen geschützt werden kann 15 . Hatten die bisher erörterten Argumente ausschließlich den Wirkungskreis der staatlichen Rechtsnorm im Auge, so weist Raape auf die Notwendigkeit eines einheitlichen Personalstatuts und auf die Folgen hin, welche eine Zerreißung der Rechtseinheit innerhalb der Familie mit sich bringt. Ferner stellt er auf das Verhalten des Betroffenen ab: infolge seiner deutschen Staatsangehörigkeit sei die Annahme berechtigt, der Betroffene selbst empfinde die deutsche Rechtsordnung als für sich brauchbare Richtschnur; andernfalls möge der Doppelstaater, der dauernd im Ausland lebt, seine Entlassung beantragen, die ihm nicht verweigert werden dürfe 16 . 12
Im Sinne von Staudinger-Baape (oben N. 9) Einl. B I 1 (S. 5). 14 Nußbaum (oben N. 10) 112. Zitelmann (oben N. 10) 175. 15 Vgl. Artt. 3 und 4 des Haager Abkommens über Staatsangehörigkeitskollisionen vom 12. 4. 1930, dazuVerdross, Völkerrecht 3 (1955) 240, der allerdings darauf hinweist, wie sehr der genannte Völkerrechtsgrundsatz durch die Vertragspraxis modifiziert worden ist, indem etwa schon seit den BancroftVerträgen die Militärpflicht des Doppelstaaters zugunsten des Wohnsitzstaates beschränkt wird. 16 Staudinger-Baape a.a.O. (oben N. 9). Der § 22 I des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. 7. 1913 (RGBl 583 - RuStAG), wonach die Entlassung nicht nur aktiven Soldaten, sondern auch Wehrpflichtigen, über deren Dienstverpflichtung noch nicht endgültig entschieden ist, und gewissen Soldaten des Beurlaubtenstandes versagt werden darf, war damals (1931) gegenstandslos. 13
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2. Gegner dieser Ansicht Die weithin herrschende Auffassung, Personalstatut von Inländern mit zugleich ausländischer Staatsangehörigkeit sei stets u n d ausnahmslos die lex fori, ist allerdings niemals unwidersprochen geblieben. An erster Stelle ist hier Gebhard zu nennen, der in den Motiven zu seinem 1. Entwurf des E G B G B (1881) erklärt 1 7 : „ E s k o m m t auf die Umstände des einzelnen Falles an. Dem Ermessen des Richters m u ß überlassen werden, insoweit das Richtige zu treffen." Entschiedener h a t Franz Kahn in seinem berühmten Aufsatz „Gesetzeskollisionen" 1 8 die lex-fori-Lösung abgelehnt und sie als inkonsequent sowie unlogisch bezeichnet. Inkonsequent sei diese Lösung, weil sie uns in den anderen - kollisionsrechtlich völlig gleichliegenden - Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit im Stich lasse. Den Vorwurf der mangelnden Logik begründet Kahn damit, daß die ausländische Staatsangehörigkeit nicht nur nach ausländischer, sondern auch nach unserer eigenen Rechtsauffassung zu Recht bestehe, da wir allgemein den Grundsatz anerkennten, daß die Erwerbung einer fremden Staatsangehörigkeit sich nach den Gesetzen des betreffenden Staates richte. Mithin handle es sich gar nicht u m einen Konflikt zwischen Auslands- u n d Inlandsrecht, bei dem allerdings das Inlandsrecht vorgehen müßte, sondern u m ein bloßes Versagen der Staatsangehörigkeit als Anknüpfung. Dies müsse dazu führen, daß hier die Staatsangehörigkeit durch ein anderes Anknüpfungsmoment zu ersetzen sei, als welches nur der Wohnsitz in Frage komme. Nach Frankenstein19 ist bei allen Mehrstaatern, gleich welche Staatsangehörigkeiten hier zusammentreffen, der sogenannte „psychologische Zusammenhang" maßgebend. Damit ist auf die innere Verbindung zu einem der mehreren Heimatstaaten abgestellt. Ahnlich wollte schon vor ihm Graf Luxburg20 derjenigen Nationalität den Vorzug geben, welche im konkreten Fall geeignet war, den Par17 Niemeyer, Zur Vorgeschichte des IPR im Deutschen BGB, Die Gebhardschen Materialien (1915) 254f. 18 Jh. Jb. 30 (1891) 1 - 143, 68f. = Abhandlungen zum IPR I (1928) 1 123, 59f. 19 Frankenstein, IPR I (1926) 92. 20 Graf Luxburg, NiemZ 23 (1913) 94.
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teien bestimmte Rechtsanschauungen zu vermitteln, und Ernst Isay befürwortete ein Optionsrecht, das z . B . durch die Wohnsitznahme in einem der Staaten konkludent ausgeübt werden könne 2 1 . Von neueren Schriftstellern reiht sich hier vor allem Siegel ein, der auf eine allgemein gültige Lösung verzichten und von Fall zu Fall für die einzelnen Institute des I P R die Entscheidung von den individuellen Gegebenheiten abhängig machen will 22 . 3. Vermittelnde
Lösungen
Besonderes Interesse verdienen jene Schriftsteller, die an sich der lex fori zuneigen, aber für gewisse Kategorien von Fällen doch Ausnahmen zulassen. a) Zunächst finden sich Befürworter von Einschränkungen des lex-fori-Grundsatzes für gewisse Eechtsmaterien. So wird etwa in Vormundschaftssachen einer steten Anwendung des Wohnsitzrechtes das Wort geredet 2 3 , oder es wird auf die besondere Lage hinsichtlich der Volljährigkeit verwiesen 24 . b) Größere Bedeutung kommt jenen Vorstellungen zu, die nicht für bestimmte Rechtsinstitute, sondern für gewisse Arten von Konfliktslagen ein Zurücktreten der lex fori gegenüber dem anderen Heimatrecht des Doppelstaaters in Erwägung ziehen. (1) Für den Fall, daß die inländische Staatsangehörigkeit mit der Angehörigkeit zu einem Feindstaat zusammentrifft, weist Martin Wolff 25 darauf hin, wie schematisch es wäre, den Doppelstaater unter allen Umständen als Inländer zu behandeln 26 . (2) Beim Zusammentreffen der inländischen Staatsangehörigkeit mit einer durch den Wohnsitz oder durch sonstige Beziehungen ver21
E. Isay, J W 1924, 1483. Siegel, Das Problem der mehrfachen Staatsangehörigkeit im deutschen IPR (Diss. Hamburg 1937). — Neuhaus, Die Verpflichtungen des unehelichen Vaters im deutschen IPR (1953) 42 N. 169, nennt die herrschende Meinung „eine sehr bequeme Lösung, die jedoch dem Ideal des internationalen Privatrechts, dem Gedanken des Entscheidungseinklangs, offenbar widerspricht", nimmt aber nicht positiv Stellung. 23 Vgl. Schnitzer, Handbuch des IPR 4 I (Basel 1957) 163, unter Anführung mehrerer Schweizer Entscheidungen und einer italienischen. 24 Vgl. M.Wolff (oben N. 10) 41. 25 M.Wolff (oben N. 10) unter Anführung des bekannten Falles H. St. Chamberlain, [1921] 2 Ch. 533. 26 Vgl. auch das Material bei Makarov 285 f. 22
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stärkten Auslandszugehörigkeit wurden öfter Ausnahmen befürwortet. Niederer27 will die lex fori dann nicht anwenden, wenn der Doppelstaater in seinem anderen Heimatstaat seinen Wohnsitz h a t . I n diesem Falle könne der Wohnsitzstaat, da er ja die tatsächliche Gewalt über den Doppelstaater innehabe, in der Regel auch die Anwendung seines eigenen Rechts durchsetzen; gerichtliche E n t scheidungen des anderen Heimatstaates, die sich über die tatsächlichen Machtverhältnisse hinwegsetzten, würden in der Regel wirkungslos bleiben 28. Derselbe Gedanke schwingt schon bei Opet mit, der in der Besprechung einer Entscheidung des Kammergerichts aus dem J a h r e 1932 29 die Anwendung deutschen Rechts auf einen Doppelstaater mit inländischer u n d ausländischer Staatsangehörigkeit deswegen begrüßt, weil die betreffende Person im konkreten Fall auch ihren Wohnsitz u n d damit den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen im Inland hatte. Gelegentlich, etwa von Gutzwiller30, wird dieser Gedanke dahin erweitert, daß der an sich allgemein zu bejahende Grundsatz der lex fori in Fällen „mit überwiegender fremdstaatlicher Beziehung" einzuschränken sei.
IV. S t e l l u n g n a h m e Das Dogma, es sei nach positivem deutschen I P R auf einen Mehrstaater mit zugleich inländischer Staatsangehörigkeit stets die lex fori anzuwenden, hält - wie so vieles als „selbstverständlich" Hingenommene - einer näheren P r ü f u n g heute nicht mehr stand. Die Frage bedarf des neuen Durchdenkens, will m a n nicht als einzige Begründung des Satzes die „herrschende Lehre" anerkennen, wie die Rechtsprechung u n d ein Teil der Rechtslehre dies allerdings zu t u n geneigt sind. Nicht bestritten werden sollen hier die Präponderanz der eigenen Staatsangehörigkeit auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts, insbesondere in der Materie des Staatsangehörigkeitsrechts selbst, u n d die daraus sich ergebenden völkerrechtlichen Konsequenzen, wie sie 27
Niederer, Einführung in die allg. Lehren des IPR 2 (Zürich 1956) 157. Ebenso Guldener, Das internationale und interkantonale Zivilprozeßrecht der Schweiz (1951) 39. 29 KG 15. 4. 1932, JW 1932, 2818 ( = IPRspr. 1932 Nr. 11 = StAZ 1932, 246). 30 Gutzwiller, JW 1930, 1818. 28
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ihren vertraglichen Niederschlag in dem oben 31 erwähnten Haager Abkommen von 1930 gefunden haben. Es soll auch nicht in Abrede gestellt werden, daß die Anwendung von Inlandsrecht auf einen Inländer mit zugleich ausländischer Staatsangehörigkeit im allgemeinen sachgemäß erscheint. Maßgebend dafür ist die Erwägung, daß die Prozeßführung oder sonstige Behandlung des Falles im Inland vielfach eine zusätzliche Inlandsbeziehung voraussetzt oder auch schafft und somit die Vermutung begründet, das inländische Recht sei das der Sache gemäßere, das dem Doppelstaater nähere Recht. Dagegen können die völkerrechtlichen Gedankengänge, die zur Lösung des staatsangehörigkeitsrechtlichen Konfliktes herangezogen werden, für die privatrechtliche Beurteilung nicht dienen. Nicht beizustimmen ist auch dem erwähnten Vorschlag Kahns 32, es solle beim Doppelstaater infolge Versagens der Staatsangehörigkeit als Anknüpfung schlechthin der Wohnsitz an Stelle der Staatsangehörigkeit als Anknüpfung dienen. Wenn der Wohnsitz nicht in einem der beiden Heimatstaaten, sondern in einem dritten Staat liegt, würde damit über das Ziel hinausgeschossen werden. Andererseits hat sich die Bedeutung der Staatsangehörigkeit gegenüber jener Zeit gewandelt, aus der die meisten Urteile und auch die Mehrzahl der literarischen Äußerungen zugunsten einer uneingeschränkten Anwendung der lex fori stammen. Die lex fori - das war der Grundgedanke - sollte deshalb angewendet werden, weil die Anwendung des anderen Heimatrechts unvereinbar wäre mit der vollen Respektierung der eigenen Staatsangehörigkeit. Die lex-foriLösung ist also untrennbar verbunden mit Glanz und Verfall des Staatsangehörigkeitsprinzips im Kollisionsrecht. Dieser Verfall ist ein doppelter: a) Zunächst ist das Staatsangehörigkeitsprinzip als solches im deutschen I P R zunehmend geschwächt worden, beginnend mit der Neufassung des Art. 29 E G B G B im Jahre 1938, dann sich steigernd durch die Bestimmungen des AHK-Gesetzes Nr. 23 und die Einverleibung der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 in das Bundesrecht 33. 31
32 Vgl. oben N. 15. Vgl. Kahn, oben bei N. 18. Gesetz vom 12. 4. 1938 (BGBl I 380); Gesetz über die Rechtsverhältnisse verschleppter Personen und Flüchtlinge (AHK-Amtsbl. 140); Gesetz vom 1. 9. 1953 (BGBl II 559). 33
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b) Dann hat sich auch die Bedeutung der Staatsangehörigkeit selbst gegenüber früher maßgeblich gewandelt. An die Stelle einer engstirnig nationalen Auffassung hat eine weltbürgerlich-rationale Ansicht zu treten, die in der Staatsangehörigkeit weder ein Privileg noch ein „Schicksalsband" sieht, sondern lediglich eine sachlich notwendige, nüchtern förmliche Zugehörigkeit zum Staatsverband, die den Vorzug hat, in der Regel und bei normalen Verhältnissen klar nachweisbar zu sein. Dieser doppelte Wandel rechtfertigt es, die eigene Staatsangehörigkeit nicht mehr in eine Kampfstellung gegen die fremde Staatsangehörigkeit des Doppelstaaters zu bringen, indem man sie auf jeden Fall zur Anwendung bringen möchte, sondern kollisionsrechtlich an die andere Staatsangehörigkeit dann anzuknüpfen, wenn die eigene Staatsangehörigkeit ohne materiellen Inhalt ist und sich im Einzelfall ergibt, daß die fremde Rechtsordnung jene ist, mit der der Doppelstaater in einem besonders engen organischen Zusammenhang steht 3 4 . Solch organischer Zusammenhang kann sich nicht ergeben - darin unterscheidet sich die hier vertretene Auffassung etwa von derjenigen Frankensteins35 - aus rein subjektiven, psychologischen Momenten. Der organische Zusammenhang muß sich vielmehr in der Hauptsache aus objektiven Merkmalen ableiten lassen, aus Wohnsitz oder Aufenthalt, aus der Ausübung öffentlichrechtlicher Funktionen in einem der beiden Heimatstaaten, aus den Vermögensdispositionen, insbesondere aber auch aus einem eindeutigen und objektiv nicht zu widerlegenden negativen Verhalten gegenüber einem der beiden Heimatstaaten 3 6 . Der Wohnsitz wird in aller Regel den organischen Zusammenhang begründen. Er würde dies sogar ausnahmslos tun, wenn er dieselben Voraussetzungen hätte wie ein „domicil" englischer oder auch nur amerikanischer Prägung; aber die verhältnismäßig leichte Begründbarkeit des europäisch-kontinentalen Wohnsitzes kann zur Folge haben, daß im Einzelfall - etwa bei einem Wohnsitz auf Zeit - trotz 34
Ferid, Der Neubürger im IPR (1949) 57. Frankenstein I (oben N. 19) 89ff. 36 Für Näheres vgl. Ferid, (vorletzte Note) 57 f. Der „organische Zusammenhang" entspricht in seinen Voraussetzungen der „nationalité effective" oder „active". Unsere Bezeichnung hat aber den Vorteil, daß in allen jenen Fällen, in denen die Staatsangehörigkeit als Anknüpfung versagt, also auch beim interlokalen und interpersonalen Konflikt, eine einheitliche Hilfsanknüpfung für die versagende Staatsangehörigkeit gegeben ist. 36
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des Wohnsitzes im anderen Heimatstaat der Doppelstaater doch noch enger mit dem Inland verbunden ist als mit seinem zweiten Heimatstaat. Unsere Lösung hat u. a. auch das für sich, daß sie dem etwa von Niederer 37 genannten Postulat einer möglichst weitgehenden internationalen Entscheidungsharmonie Rechnung trägt. Sie wirkt überdies als ein Ausgleich zwischen Staatsangehörigkeits- und Domizilprinzip. Ihr kann nicht überzeugend mit dem Vorwurf mangelnder Vorhersehbarkeit des Ergebnisses begegnet werden, denn nur bei einem eindeutigen Schwergewicht im anderen Heimatstaat kann man von einem organischen Zusammenhang reden. Ein gleich intensiver Zusammenhang mit beiden Staaten erscheint praktisch kaum denkbar, und sollte er einmal auftauchen - sicherlich ist er noch viel seltener als ein doppelter Wohnsitz so ließe sich für diesen äußersten Fall allerdings die Anwendung der lex fori vertreten. Die Berücksichtigung eines organischen Zusammenhangs würde auch insofern vereinfachend wirken, als damit jene subtilen Sonderunterscheidungen überflüssig würden, mit denen man den schlimmsten Polgen der schematischen lex-fori-Lösung entgegentreten wollte, ob es sich um den Sonderfall des Inländers mit zugleich feindlicher Staatsangehörigkeit, um die Volljährigkeit oder um die Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichtes handelt 38 . Bloß zur Umgehung einer unerwünschten Anknüpfung an das deutsche Heimatrecht hergestellte Beziehungen zu dem anderen Heimatstaat können einen organischen Zusammenhang nicht begründen und damit die Anwendung deutschen Rechts nicht ausschalten. B. P R A K T I S C H E B E I S P I E L E
Führt die starre, durch die deutschen Kollisionsnormen gar nicht gebotene Anwendung von Inlandsrecht auf Mehrstaater mit zugleich inländischer Staatsangehörigkeit schon in gewöhnlichen Fällen bisweilen zu einseitigen und harten Ergebnissen, so zeigen die beiden eingangs hervorgehobenen Kategorien der mehrstaatigen Emigranten aus dem Hitlerreich und der nach 1945 in ihren Ursprungsgebieten verbliebenen „Volksdeutschen" besonders ein37
Vgl. oben bei N. 27.
34 Zeitschrift für internat. Privatrecht. H. 3/4 (Jahrg. 23)
38
Vgl. oben bei N. 23 f.
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drucksvoll, daß die absolute Anwendung der lex fori zu widersinnigen Ergebnissen führen kann. I. M e h r s t a a t e r als V e r t r i e b e n e d e s H i t l e r s t a a t e s F ü r die erste Kategorie beschränken wir uns auf das sicher nicht vereinzelte Beispiel der Beerbung einer Person, die deutscher Staatsangehöriger durch Abstammung u n d Brite durch Geburt war, die nach ihrer Vertreibung aus Deutschland vergeblich u m die Entlassung aus dem deutschen Staatsverbande angesucht h a t u n d vor 1941 in England (mit englischem „domicil") verstorben ist. Soll hier das deutsche Recht als Personalstatut Anwendung finden ? 1. F ü r die ausnahmslose Anwendung von Inlandsrecht als Personalstatut mag der Gedanke maßgebend sein, daß nach deutschem I P R die Materien des Personalstatuts, also auch das Erbrecht, keiner Parteiautonomie zugänglich sind. Die Verlegung des Schwerpunktes der persönlichen Beziehungen ins Ausland - u n d sei es in den anderen Heimatstaat - könnte in solchem Licht als eine Handlung erscheinen, die die Rechtswahl beeinflussen will, der aber eine derartige Wirkung versagt ist. Dieser Gedanke kann jedoch nicht ins Feld geführt werden bei einer einseitigen Verstoßung und Vertreibung des Betroffenen, handle es sich auch nicht um eine förmliche Ausweisung, sondern „ n u r " um Verfolgungsmaßnahmen und Drohungen, vor denen allein die Auswanderung rettet. 2. Der weiter f ü r die lex-fori-Lösung angeführte Grund, daß die volle Wirksamkeit der inländischen Staatsangehörigkeit nicht in Zweifel gezogen werden sollte, trifft auf einen ausgetriebenen Doppelstaater ebenfalls nicht zu. Denn hier ist die inländische Staatsangehörigkeit ihres Wesensgehaltes völlig beraubt und ein bloßer Formaltatbestand geworden. Schon vor der Auswanderung lag ohnehin keine voll wirksame Staatsangehörigkeit mehr vor, da die Betroffenen nicht mehr jene Rechte besaßen, die mit dem Begriff der Staatsangehörigkeit notwendig verbunden sind, als e t w a : aktives und passives Wahlrecht, freier Zugang zur Beamtenlaufbahn u n d dergleichen mehr. Vollends im Ausland gewährte der Heimatstaat ihnen weder diplomatischen noch wirtschaftlichen Schutz. Es war damit die Entwicklung praktisch vorweggenommen, die letztlich zu der Kollektivausbürgerung aller im Auslande wohnenden jüdischen deutschen Staatsangehörigen führte. Auch schon f ü r die Zeit
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vor Erlaß dieser Maßnahme durch die 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. 11. 1941 (RGBl I 722) kann die inhaltslos gewordene deutsche Staatsangehörigkeit jedenfalls dann nicht als kollisionsrechtliche Anknüpfung dienen, wenn der Betreffende im Besitze einer anderen Staatsangehörigkeit war und sich noch dazu in seinem anderen Heimatland endgültig niedergelassen hatte 39 . 3. Die Anwendung des eigenen Privatrechts als Personalstatut einer Person bedeutet - außer im Falle der Rückverweisung - die Ausübung eines Herrschaftsmillens des Staates über die betreffende Person. Der deutsche Staat konnte aber einen Herrschaftswillen über einen zur Zeit des Ablebens von Deutschland entrechteten und ausgetriebenen Erblasser, der sich in seinem anderen Heimatstaat niedergelassen hatte, nicht ausüben, ohne sich den Vorwurf des Mißbrauches zuzuziehen. Daß der Herrschaftswille des Staates gegenüber seinen Untertanen nicht mißbräuchlich sein darf, ist anerkannt. So betont Melchior, es müsse eine „genügende Verbindung zwischen dem Staat, der eine physische Person als Staatsangehörigen behandeln will, und dieser Person bestehen" 40, und in anderem Zusammenhang sagt er 41 , daß der Herrschaftswille des Staates dann keine genügende Grundlage für die Behandlung als Angehöriger des Staates bildet, wenn der Staat den Betreffenden selbst als Fremden behandelt. Daß diese Auffassung nicht nur ein theoretisches Postulat ist, zeigt die Entscheidung des französischen Kassationshofs 42 , welche aus eben dieser Überlegung heraus rumänische Juden, obwohl sie von Rumänien nach außen als „sujets roumains" bezeichnet wurden, deswegen nicht als Rumänen ansah, weil sie in Rumänien als Fremde behandelt wurden. 4. Der Hinweis auf das Verhalten des Betroffenen spricht hier ebenfalls nur gegen die Anwendung deutschen Rechts. Das Argument Eaapes, der Doppelbürger könne seine Entlassung aus der deutschen Staatsangehörigkeit erwirken, wenn er sich vom deutschen Recht lösen wolle 43, trifft hier nicht zu. Jedenfalls nach 1938 wurden Juden nach der Verwaltungsübung des seinerzeitigen Reichsinnenministe39 Mit dem Begriff des „de-facto-Staatenlosen", wie Schnitzer (oben N. 23) 167 ihn zur Debatte stellt, kann hier deswegen nicht geholfen werden, weil ja neben der ineffektiven Staatsangehörigkeit noch eine zweite besteht. 40 Melchior (oben N. 10) 443. 41 Melchior (oben N. 10) 445. 42 Cass. 10. 2. 1920, Rev. crit. 16 (1920) 469. 43 Vgl. oben bei N. 16.
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riums nicht mehr entlassen. Mit dem Antrag auf Entlassung hatte aber der Erblasser alles auf seiner Seite Mögliche getan, um die inhaltlos gewordene Bindung an den deutschen Staat zu lösen. Im übrigen wäre die Anwendung deutschen Rechts auch unvereinbar mit der Respektierung der Niederlassung im Ausland, die den Bundesgesetzgeber veranlaßt hat, in Art. 116 I I des Bonner Grundgesetzes davon abzusehen, die Ausbürgerungsmaßnahmen kollektiv für ungültig zu erklären, obwohl über deren Charakter als nationalsozialistisches Unrecht kein Zweifel bestehen kann: es sollten nicht durch die Wiederverleihung der deutschen Staatsangehörigkeit die Bemühungen der Ausgebürgerten um Verwurzelung im Ausland gestört werden. 5. Endlich sei die ausländische Praxis erwähnt, einen Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge aus Deutschland nicht als „Feind" im Sinne der alliierten Feindvermögensgesetzgebung anzusehen 44 . Denn dieses Abkommen ist der Vorläufer des Genfer Flüchtlingsabkommens, dem die Bundesrepublik beigetreten ist 4 5 ; seine Grundgedanken sind daher auch für die Bundesrepublik als Vertragspartner der neuen Konvention beachtlich. II. I m U r s p r u n g s g e b i e t v e r b l i e b e n e d o p p e l s t a a t i g e Volksdeutsche Die zweite Kategorie umfaßt, wie eingangs erwähnt, hauptsächlich die doppelstaatigen „Volksdeutschen" in Polen und der Tschechoslowakei. 1. Die staatsangehöriglceitsrechtliche
Lage
Nach dem Gesetz der Bundesrepublik vom 22. 2. 195546 haben die Volksdeutschen die deutsche Staatsangehörigkeit (die übrigens ihnen ausdrücklich verliehen und nicht auf alle Einwohner der annektierten Gebiete erstreckt worden war) vorbehaltlich einer formellen Ausschlagungserklärung behalten. Bei ihnen liegt auch kein Verlustgrund des gemeinen deutschen Staatsangehörigkeitsrechts 44
Vgl. die sehr interessante rechtskräftige Entscheidung der Pariser Cour d'appel vom 30. 4. 1957, über die Ernst Mezger in JZ 1958, 118 f. berichtet hat. 46 46 Vgl. oben N. 33 a. E. Oben N. 4.
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vor. Insbesondere bedeutet es keinen „Erwerb" einer ausländischen Staatsangehörigkeit im Sinne des § 25 RuStAG 47 , wenn es den Betreffenden gelang, als sogenannte „Rehabilitierte" der kollektiven Aberkennung ihrer alten Staatsangehörigkeit zu entgehen, die in Polen durch das Dekretgesetz vom 13. 9. 194648, in der Tschechoslowakei durch das Dekret vom 2. 8. 194549 ausgesprochen wurde; denn es handelte sich dabei lediglich um die Feststellung, daß die Staatsangehörigkeit nicht verloren wurde 80 . Daß in Polen zum Zwecke der „Rehabilitierung" eine Treuedeklaration abzulegen war 51, ändert daran nichts. Auch die Wiederverleihung der tschechoslowakischen Staatsangehörigkeit an die in ihrer Heimat noch verbliebenen Sudetendeutschen durch Gesetz vom 24. 4. 195352 Heß die deutsche Staatsangehörigkeit unberührt, denn bei dieser Kollektiv-Wiedereinbürgerung handelte es sich um einen ipso jure wirkenden Erwerb, der unabhängig von jedem Antrag der Betroffenen eintrat 63 . 2. Anwendbares Recht Der deutsche Richter kann nun häufig in die Lage kommen, über das Personalstatut solcher doppelstaatiger Volksdeutscher entscheiden zu müssen, die sich noch in ihrem Ursprungsland befinden oder doch zur Zeit der Vollendung des zu beurteilenden Tatbestandes dort befunden haben. Von den zahllosen Beispielen seien nur einige besonders auffällige herausgegriffen: Unterhaltsansprüche, die über die Grenze hinweg geltend gemacht werden; Adoptionen im Heimatgebiet ; Beerbung eines Volksdeutschen, der im Heimatgebiet verstorben ist und in der Bundesrepublik Vermögen hinterläßt; Fragen des Güterstandes einer im Ursprungsland geschlossenen Ehe. Die Anwendung deutschen Rechts würde hier den Beteiligten Sachnormen aufzwingen, die ihnen völlig fremd sind und von ihnen 47
Vgl. oben N. 16. Dziennik Ustaw Nr. 55, Poz. 310; deutsche Übersetzung bei Oeilke, Das Staatsangehörigkeitsrecht von Polen (1952) 106. 49 Sbirka Zäkonu a Narizeni Nr. 33; deutsche Übersetzung bei Schmied, Das Staatsangehörigkeitsrecht der Tschechoslowakei (1956) 83. so So ausdrücklich § 2 I des genannten tschechosl. Dekretes. 51 Art. 2 I des Gesetzes vom 5. 5.1945, Dz. U. Nr. 17 Poz. 96; vgl. Geilke (oben N. 48) 83. 62 Sb. Nr. 34; vgl. Schmied (oben N. 49) 111. 63 Anders jedoch bei den nach § 3 des tschechosl. Dekretes vom 2. 8. 1945 (oben N. 49) erfolgten individuellen Rückbürgerungen, die ein Gesuch um Rückgabe der Staatsangehörigkeit voraussetzten. 49
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FERID, INLÄNDER MIT AUSLÄND. STAATSANGEHÖRIGKEIT
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auch nicht eingehalten werden können. So müßten bei einer Adoption im Heimatgebiet die in Art. 22 I I EGBGB genannten Einwilligungen nach deutschem Recht vorliegen, damit die Adoption auch im Bundesgebiet als wirksam angesehen wird. In einer Ehe, die in der Heimat der Betreffenden nach dem 1.7. 1958 geschlossen wird, müßte der bundesdeutsche Güterstand der „Zugewinngemeinschaft" gelten, während das Recht, in dessen Umwelt die Beteiligten leben und das sie auch mit Rücksicht auf diese Umwelt praktisch befolgen müssen, die Errungenschaftsgemeinschaft als gesetzlichen Güterstand statuiert hat 5 4 . Dieses Fehlen jeglicher Verbindung zu dem in der Bundesrepublik geltenden Privatrecht und die tatsächliche Unterwerfung unter das Ortsrecht gilt auch für jene Volksdeutschen, die Doppelstaater wider Willen sind und sobald als möglich in die Bundesrepublik umgesiedelt werden wollen. Deshalb kann dieses Verlangen - wie jegliche nur subjektive Rechtswahl, die nicht durch objektiv in Erscheinung tretende Momente verstärkt .wird - vor der tatsächlichen Umsiedlung nicht berücksichtigt werden. Erst die Umsiedlung selbst bewirkt den Statutenwechsel. - Erst recht zeigt sich bei den nicht wenigen doppelstaatigen Volksdeutschen, die eine frühere Verbindung zum Polentum oder Tschechentum wieder aufgenommen haben und in ihrer Heimat bleiben wollen, wie verfehlt die Anwendung deutschen Rechts wäre. Allerdings mag in Deutschland über das Personalstatut solcher Personen weit seltener zu entscheiden sein. Die effektive Staatsangehörigkeit ist in all diesen Fällen nicht die deutsche, sondern diejenige des Umweltstaates. An sie anknüpfen, heißt das sachgemäßere Recht zur Geltung bringen und den Interessen der Beteiligten Rechnung tragen. Zu diesem Ergebnis kommt man aber - ebenso wie bei den aus dem Hitlerstaat Vertriebenen nur dann, wenn man das Dogma von der alleinigen Maßgeblichkeit der lex fori für das Personalstatut der Doppelstaater mit auch inländischer Staatsangehörigkeit jedenfalls für die extremen Fälle aufgibt. Damit aber ist der Weg dafür frei, stets die effektive Staatsangehörigkeit, den „organischen Zusammenhang" zu berücksichtigen. Auf diese Weise wird auch - was nicht zu gering angesehen werden sollte - wenigstens auf einem Teilgebiet ein Ausgleich zwischen Staatsangehörigkeits- und Wohnsitzprinzip vorbereitet. 64 Siehe für Polen Art. 21 des Gesetzes vom 27. 6. 1950, für die Tschechoslowakei §§ 22 ff. des Gesetzes vom 7. 12. 1949.
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E T LA C O N D I T I O N D E N A T I O N A L I T É
EFFECTIVE
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Toulouse* Le deuxième arrêt, prononcé le 6 avril 1955 dans l'affaire Nottebohm par la Cour internationale de J u s t i c e a fait l'objet de nombreux commentaires émanant d'internationalistes très autorisés 2 * Abréviations: O. I. J . = Cour internationale de Justice ; Commission = Sentence, d u 1er juin 1955, de la Commission de conciliation italo-américaine, présidée par Mr. de Yanguas Messia (cause Florence Strunsky- Mergé), Riv. Dir. I n t . 39 (1956) 77-90 ; Bec. = Cour internationale de Justice, Recueil des arrêts . . . 1955, 4-65 (Affaire Nottebohm). Balladore Pallieri, L a determinazione internazionale della cittadinanza ai fini dell'esercizio della protezione diplomatica: Scritti di dir. int. in onore di Tomaso Perassi I (1957) 113-131. - (Suzanne) Bastid, L'affaire Nottebohm d e v a n t la C. I. J . : Rev. crit. 45 (1956) 607-633; - Durante, Doppia o plurima cittadinanza nella protezione diplomatica: Riv. Dir. I n t . 39 (1956) 170-189; - (Mervyn) Jones, The N o t t e b o h m Case: I n t . Comp. L. Q. 6 (1956) 230-244; - Löwenfeld, Der Fall N o t t e b o h m : Archiv des Völkerrechts 5 (1955-56) 387-410; - Makarov, Allg. = Allgemeine Lehren des Staatsangehörigkeitsrechts (1947); - Makarov, Rev. = Consideraciones sobre el derecho de protección diplomàtica: Rev. Esp. Der. I n t . 8 (1955) 511-552; Makarov, Z. = Das Urteil des Internationalen Gerichtshofes im Fall Notteb o h m : Z. ausi. öff. R . u. VR. 16 (1955-56) 407-426; - Maury, Conflit = Du conflit de nationalités . . .: E t u d e s G. Scelle I (1950) 365-395; - Maury, Rép. = in Répertoire Droit int. I X (1931) vo. Nationalité (Théorie générale et Droit français); - Quadri, L a sudditanza nel diritto internazionale (1936); (Paul) DeVisscher, L'affaire N o t t e b o h m : Rev. gén. droit int. public 60 (1956) 238-266. 1 Ree. 4 et s. - A j . C. I. J . , Mémoires, Affaire Nottebohm, vol. I et I I . 2 V. Makarov, Z. ; Bastid-, Madeleine Grawitz, Jurisprudence internationale: Annuaire français de droit int. 1 (1955) 262-277 ; Hudson, The thirty-fourth Year of t h e World Court: Timer. J . I n t . L. 50 (1956) 1-17, spécialement p . 5; Löwenfeld; Jones Migliazza, L a Giurisprudenza della Corte internazionale di Giustizia (dal 15 luglio 1954 al 15 luglio 1955): Comunicazioni e Studi 7 (1955) 579-606, spécialement p. 582-594; DeVisscher. - Aj. Makarov, Rev., et Balladore Pallieri. R a p p r . Commission et sur cette sentence, Durante ; Vignes, Jurisprudence
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et on peut se demander s'il est bien utile d'ajouter une étude à toutes celles qui ont déjà paru. Mais les interprétations qui ont été données de l'arrêt et de sa signification ont été souvent différentes et c'est à un point de vue critique que leurs auteurs se sont surtout, sinon exclusivement, placés. Il nous a, par suite, semblé qu'il pouvait y avoir quelque intérêt à tâcher de préciser ce qu'en elle-même et par ses conséquences, la décision de la Cour apporte — ou pourrait apporter - au droit de la nationalité. E t ce sont les résultats de nos réflexions sur ce sujet que nous offrons, en modeste hommage, au spécialiste éminent des problèmes de la nationalité qu'est Alexander Makarov. Nous ne résumerons pas une fois de plus les faits du procès: il suffit de savoir que Nottebohm, Allemand, domicilié depuis longtemps au Guatémala où il avait de très gros intérêts, fut naturalisé en octobre 1939 dans la principauté du Liechtenstein et que le gouvernement de cet Etat, exerçant le droit de protection diplomatique, demandait au Guatémala réparation des dommages, tant matériels que personnels, subis par Nottebohm à suite de mesures de guerre prises à son encontre par le Guatémala. Mais il faut rappeler et, si possible, préciser le contenu de l'arrêt, puis en dégager les conséquences ou le tenter. I. P o s i t i o n d u p r o b l è m e La Cour internationale de Justice part du «principe bien établi de droit international», auquel se référait le Guatémala, que «c'est le lien de nationalité entre l'Etat et l'individu qui seul donne à l'Etat le droit de protection diplomatique», phrase empruntée, relève-t-elle, «à un arrêt de la Cour permanente de Justice internationale (série A/B, n° 76, p. 16) qui se réfère à cette forme de protection diplomatique qu'est l'action judiciaire internationale » 3. La nationalité, pour la Cour, est essentiellement une institution de droit interne: d'une part, «elle rentre dans la compétence natiointernationale: Annuaire français de droit int. 2 (1956) 430-435. Nous n'avons pu consulter les commentaires, sur l'arrêt Nottebohm, de Seidl-Hohenveldern, Der Fall Nottebohm: Recht der int. Wirtschaft 1 (1954 bis 1955) 147-149, et de Verzijl, The International Court of Justice, Three recent décisions: Nederlands Tïjdschrift voor Int. Recht 3 (1956) 25-51, spécialement p. 33-40. 3 Rec. 13. - V. sur cette affirmation de l'arrêt, Bastid, 613-614, et sur la condition de nationalité de l'individu protégé, Makarov, Rev. 518 et s. ; BaUadore Pallieri 113; Durante 171. - Aj. la plaidoirie de Mr. Bolin, 19 fév. 1955, Mémoires (supra, note 1) II 180.
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nale de l'Etat» 4 , «le droit international laisse à chaque E t a t le soin de régler l'attribution de sa propre nationalité» 5 ; d'autre part, «la nationalité a ses effets les plus immédiats, les plus étendus et, pour la plupart des personnes, ses seuls effets dans l'ordre juridique de l'Etat qui l'a conférée. La nationalité sert avant tout à déterminer que celui à qui elle est conférée jouit des droits et est tenu des obligations que la législation de cet E t a t accorde ou impose à ses nationaux» 6 . La haute juridiction, quoique elle y ait été invitée par les parties avec insistance, n'a pas cru utile de rechercher si, en dehors de celles résultant des conventions internationales, il pouvait exister des restrictions à la souveraineté étatique en matière de nationalité : «Il appartient au Liechtenstein, comme à tout E t a t souverain, de régler par sa propre législation l'acquisition de sa nationalité . . . Il n'y a pas heu de déterminer si le droit international apporte quelques limites à la liberté de ses décisions dans ce domaine.» 7 La Cour a, en effet, posé de façon toute différente la question juridique qui était à la base de l'affaire. La nationalité «par sa nature . . . affecte», constate-t-elle, «les rapports internationaux», elle est susceptible d'avoir et elle a des effets sur le plan international, parmi lesquels précisément l'exercice du droit de protection diplomatique. Une réglementation internationale serait, par suite, plus adéquate à la matière qu'une multiplicité de réglementations nationales différentes ou même opposées. Mais «la diversité des conditions démographiques n'a pas permis jusqu'ici l'établissement d'un accord général sur les règles concernant la nationalité . . . On a estimé que le meilleur moyen de faire concorder ces règles avec les conditions démographiques diverses existant ici et là était de laisser leur détermination à la compétence de chaque Etat» 8 . Nous retrouvons le point de départ . . . Seulement l'exercice de cette compétence peut ne pas suffire à elle seule, ne pas suffire toujours à créer au profit de l'Etat qui l'exerce un titre efficace en droit international, un titre que les autres Etats aient l'obligation de reconnaître, celle d'en subir les effets. Seul, le droit international peut préciser s'il existe une situation opposable par un E t a t aux autres et on ne peut affirmer a 'priori qu'en reconnaissant la compétence étatique sur un ensemble de questions données le droit international s'en remette aux Etats de régler ces questions 4
Rec. 20.
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avec effet dans le domaine international. Il n'est pas logiquement exclu, il est peut-être normal qu'il le fasse, mais il ne le fait pas nécessairement . . . «La Cour doit rechercher si la nationalité que le Liechtenstein a conférée à Nottebohm . . . donne au Liechtenstein un titre suffisant pour exercer la protection de Nottebohm vis-à-vis du Guatémala» 9 . La nationalité existe dans l'ordre juridique du Liechtenstein; son opposabilité aux autres Etats ne résulte pas de piano de son existence. Il faut se demander s'il n'y a pas une règle de droit international édictant une ou des conditions à cette opposabilité. II. L a s o l u t i o n Or, la solution est affirmative: c'est ce que Monsieur Read a appelé, dans son opinion dissidente, la théorie du lien 10 , c'est, pour s'en tenir à la terminologie habituelle, la condition de nationalité effective ou d'effectivité de la nationalité u . La Cour déclare : « Selon la pratique des Etats, les décisions arbitrales et judiciaires et les opinions doctrinales, la nationalité est un lien juridique ayant à sa base un fait social de rattachement, une solidarité effective d'existence, d'intérêts, de sentiments jointe à une réciprocité de droits et de devoirs. Elle est, peut-on dire, l'expression juridique du fait que l'individu auquel elle est conférée, soit directement par la loi, soit par un acte de l'autorité, est, en fait, plus étroitement rattaché à la population de l'Etat qui la lui confère qu'à celle de tout autre E t a t . Conférée par un Etat, elle ne lui donne titre à l'exercice de la protection vis-à-vis d'un autre E t a t que si elle est la traduction en termes juridiques de l'attachement de l'individu considéré à l'Etat qui en a fait son national. » 12 Il n'est pas utile d'insister ici sur l'examen, fait par la Cour, de la question de savoir si Nottebohm apparaissait comme «plus attaché par sa tradition, son établissement, ses intérêts, son activité, ses liens de famille, ses intentions proches, au Liechtenstein qu'à tout autre Etat». Le problème du rattachement est une question de fait à résoudre en tenant compte des circonstances de l'espèce. Mais, il convient de relever qu'au cas de changement volontaire de 9
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Bec. 16-17. Aj. Ree. 20 medio.
Ree. 38. Aj. Löwenfeld 399. V. Makarov, Z. 411, Rev. 522. - Mr. DeVisscher écrit (p. 258): «La
théorie dite du lien, du rattachement réel ou de l'appartenance e f f e c t i v e . . . » 12 Ree. 23.
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nationalité, en particulier, de naturalisation, il résulte de l'arrêt que la volonté manifestée de l'intéressé doit être, en quelque sorte, confirmée par son comportement, traduire «la préférence effective et non pas simplement verbale de celui qui . . . sollicite» la naturalisation «pour le pays qui la lui accorde.» 13 Mais, il faut indiquer comment la Cour a établi la règle ou le principe de la nationalité effective. La Cour considère, d'abord, les cas de double nationalité: chacun des deux Etats qui a conféré sa nationalité à une personne, «estimant qu'il a agi dans l'exercice de sa compétence nationale» et restant «dans son ordre juridique», «s'en tient à sa propre conception et se conforme à celle-ci pour son action propre». Mais la «situation peut se trouver placée sur le terrain international et être examinée par un arbitre international, ou par le juge d'un E t a t tiers» 14 . Ni l'un ni l'autre n'ont admis de «laisser subsister la contradiction sans trancher le conflit porté» devant eux, ce à quoi conduirait «l'idée que la nationalité relève uniquement de la compétence de l'Etat» 1 5 . Ayant, le plus souvent, «à déterminer si la nationalité invoquée par l'Etat demandeur était opposable à l'Etat défendeur, c'est-à-dire si elle donnait à l ' E t a t demandeur titre à exercer la protection» 16 , l'arbitre international «a fait prévaloir la nationalité effective, celle concordant avec la situation de fait, celle reposant sur un lien de fait supérieur entre l'intéressé et l'un des E t a t s dont la nationalité était en cause ». E t le juge de l'Etat tiers, ayant à décider si «telle nationalité étrangère invoquée devant lui devait être reconnue par lui», a fait de même, «sa tendance dominante» étant «à faire prévaloir la nationalité effective» 17 . 13 Rec. 24. - Sur les faits qui ont paru décisifs à la Cour (pas de domicile ou de résidence prolongée, pas d'intention de se fixer dans le nouvel Etat, inexistence d'intérêts économiques ou d'activité exercée ou à y exercer, absence de changement dans le genre de vie), v. Rec. 25-26. 14 Rec. 31. 15 Rec. 21. C'est la solution défendue par Jordan, Rép. Droit int. IV (1929) vo. Conflits de nationalités, nos. 13, 163, 114 et s. 18 Rec. 21. 17 Rec. 22. - Si l'affirmation paraît exacte en droit international, malgré la sentence du tribunal arbitral égypto-américain, du 8 juin 1932, dans l'affaire Salem (Clunet 60 [1933] 1046, Rev. crit. 29 [1934] 706, note Niboyet ; v. Màkarov, Allg. 295 et s., et Maury, Conflit 373 et s.), elle est plus discutable quant aux droits internes et spécialement pour le droit français (v. sur la jurisprudence française au cas de conflit de deux nationalités étrangères, Makarov, Allg. 288 et s., et Maury, Conflit 379 et s.), mais il convient
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La Cour ajoute que «l'article 3, § 2, du Statut de la Cour s'en est inspiré »18. Elle s'efforce ensuite de montrer que la pratique des Etats tient compte, en matière de nationalité, de la condition d'un lien de fait de l'individu et de l'Etat: elle invoque en ce sens «les lois nationales» qui «subordonnent la naturalisation à des conditions de rattachement variables dans leur objet ou leurs modalités, mais répondant à cette préoccupation » et cite, non sans quelque humour, la loi liechtensteinoise du 4 janvier 193419 ; elle se prévaut également de «la pratique de certains Etats qui s'abstiennent d'exercer la protection au profit d'un naturalisé lorsque celui-ci a rompu, de fait, par son éloignement prolongé, son rattachement avec ce qui n'est plus pour lui qu'une patrie nominale» 20 et des «dispositions correspondantes» des traités Bancroft et de la convention panaméricaine de Rio de Janeiro du 13 août 190621. Enfin la Cour trouve, en quelque sorte, la consécration de la thèse dans la convention de La Haye du 12 avril 1930 concernant certaines questions relatives aux conflits de lois sur la nationalité 22 : l'article premier, après avoir affirmé la compétence étatique sur le sujet, décide que la législation de chaque Etat «doit être admise par les autres Etats pourvu qu'elle soit en accord . . . avec la coutume internationale et les principes de droit généralement reconnus en matière de nationalité» et l'article 5, «dans le même esprit» se réfère «à des critères de rattachement effectif pour trancher le problème de la double nationalité se posant dans un Etat tiers »23. On doit ajouter que la Cour tire aussi argument de la «doctrine des publicistes» 24 ou des «opinions doctrinales» 25 sans, d'ailleurs, donner ni citations, ni références. Les unes et les autres auraient de mentionner que la cour de Paris, dans ses arrêts du 15 mars 1956 (Rev. crit. 45 [1956] 504, note Mezger-, J. C. P. 1956. II. 9531, note Louis-Lucas) et 21 déc. 1956 (Rev. crit. 46 [1957] 639, note Loussouarn), s'est nettement prononcée pour la théorie de la nationalité effective. 18 Le 1er alinéa de l'art. 3 du Statut décidant que la Cour ne pourra comprendre qu'un ressortissant d'un même Etat, l'alinéa 2 précise: «A cet égard celui qui pourrait être considéré comme le ressortissant de plus d'un Etat sera censé être ressortissant de celui où il exerce habituellement ses droits civils et politiques. » 18 20 V. Mémoires (supra, note 1) I 72. Rec. 22. 21 Laws concerning nationality (U. N., 1954) 582. 22 V. Rev. d. i. p. 25 (1930) 337; Laws (note précédente) 567. 23 24 25 Rec. 23. Rec. 22. Rec. 23.
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pu être nombreuses, quoiqu'il n'y ait pas unanimité, pour l'hypothèse des conflits de nationalités 26 . Elles eussent été sans doute plus difficiles à trouver pour la théorie du lien sous sa forme générale, quelques unes au moins auraient pu cependant être faites même si l'on répugnait à reproduire l'opinion d'un des membres de la Cour 27 : Monsieur Guggenheim, sans admettre, il est vrai, nous y reviendrons, une signification et un domaine identiques de la théorie, a écrit dans son Traité: «Pour qu'un Etat puisse attribuer sa nationalité à un individu, il faut qu'il existe entre lui et l'individu une relation relativement étroite . . . S'il n'existe pas de relation étroite entre lui et l'individu, il n'est pas permis à l'Etat d'attribuer à ce dernier sa nationalité » 28. Surtout Monsieur Quadri a, en 1936, exposé et développé une thèse extrêmement proche de celle de l'arrêt Nottebohm : après avoir critiqué l'idée d'une nécessaire coïncidence entre la nationalité en droit interne et la nationalité en droit international 29 , l'auteur conclut son examen de la doctrine et de la jurisprudence internationales de la façon suivante: «la base d'un lien de nationalité au sens international n'est pas constituée par la simple et unique condition formelle de la déclaration de l'Etat qu'il veut considérer un individu comme son sujet, mais aussi par une condition matérielle, substantielle, qui lie et délimite la compétence des Etats » 30, il faut un rattachement réel entre la personne et l'Etat considérés, une situation de fait «qui révèle une participation effective de cette personne à la so26
V. Màkarov, AUg. 293, et note 53. Mr. Basdevant écrivait, en effet, dès 1909, résumant la doctrine qui a prévalu dans les arbitrages vénézuéliens et qu'il approuvait: « La nationalité, c'est l'expression juridique du fait qu'un individu est plus étroitement rattaché à la population d'un Etat déterminé qu'à celle de tout autre. Le lien juridique appelé nationalité a à sa base un lien social, un rapport de fait. C'est dire que ce lien juridique n'est pas la création arbitraire de l'Etat qui attribue à tel individu sa nationalité . . . Par suite s'impose à cet Etat le devoir juridique de n'attribuer à un individu sa nationalité que si cela correspond bien à la situation de fait, faute de quoi son acte serait inopérant au point de vue international, ne s'imposerait pas au respect des autres Etats » (Conflits de nationalités dans les arbitrages vénézuéliens de 1903-1905: Rev. d. i. p. 50 [1909] 41-63, spécialement p. 61). 28 Guggenheim, Traité de Droit int. public I (1953) 315, 317. - Mr. Bolin, avocat du Guatémala, a plusieurs fois cité Mr. Guggenheim afin d'établir, sur la finalité même de la naturalisation, l'abus de droit commis par le Liechtenstein: v. Mémoires (supra, note 1) II 185, 210, 407. 29 V. Quadri nos 55 et s., spécialement p. 265, principio. 30 Quadri no. 59, p. 280. 27
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ciété étatique, participation qui doit, en outre, avoir un degré élevé d'intensité» 3 1 . III. La p o r t é e de l ' a r r ê t Ce rapprochement même va nous aider à préciser et à limiter la portée de l'arrêt. Dans un très intéressant article, Monsieur Paul De Visscher nous paraît y avoir vu une dissociation totale de la nationalité en droit interne et de la nationalité en droit international, la première résultant des lois de l'Etat considéré ou étant concédé, en application de ces lois, par l'autorité qualifiée, la seconde n'étant pas autre chose qu'un lien de fait prédominant entre un individu et un E t a t : l'arrêt Nottebohm aurait, en effet, dissocié «nettement la nationalité, lien de sujétion politique, de l'exercice de certaines prérogatives de souveraineté externe basées sur un lien de rattachement dont la nationalité devrait être le signe normal» 3 2 . Cette interprétation de la pensée de l'auteur est peut-être inexacte, elle semble pourtant confirmée par les conséquences qu'il en déduit, admettant, par exemple, qu'un individu pourra, dans le domaine international, être traité en sujet d'un E t a t auquel il est, en fait, rattaché quoiqu'il ait perdu ou n'ait pas régulièrement acquis la nationalité de celui-ci 33 . Monsieur Paul De Visscher explique et fonde une telle solution sur le «prescrit de réflectivité » 34 auquel, faute d'un appareil de contrainte autonome, serait soumis le droit international 3 5 . Mais, s'il est certain que l'idée d'effectivité a, dans ce droit, une grande importance, son rôle n'en est pas moins limité, quand il s'agit de la nationalité, par la règle qu'une personne ne peut être imposée comme sujet à un E t a t , que sont seulement nationaux d'un 31 Quadri no. 58, p. 273. Rappr. p. 274 et no. 60, p. 292. - Cfr. Migliazza (supra, note 2) 592, qui se réfère à l'ouvrage de Quadri et parle à sa suite du lien de fait de l'intéressé avec la société «sur laquelle l'Etat a la domination effective et dont il tire ses raisons d'être en tant qu'entité distincte et opposée aux autres entités similaires» (v. Quadri 280). 32 DeVisscher 254, principio. 33 V. DeVisscher 263. 34 Charles De Visscher, Théories et réalités en droit international public 2 (1955) 214. 35 P. De Visscher 258 et s. - Aj. Bastid 623 et s., 629-630, et cfr. Jean Charpentier, La reconnaissance int. et l'évolution du droit des gens (Paris 1956). - V. aussi, Krüger, Das Prinzip der Effektivität: Mélanges Spiropoulos (1957) 265-284; Miaja de la Muela, El principio de effectividad en derecho internacional (1958).
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E t a t ceux déclarés tels par ce dernier 38 . Sans doute, il y a des exceptions à cette règle. Les naturalisés français, objets d'un retrait de naturalisation en application de la loi du 18 juin 1917, ont été considérés «au regard de la loi française» comme ayant conservé leur ancienne nationalité, la nationalité ennemie 37 qu'ils avaient perdue d'après la loi de l'Etat ennemi; mais cette solution, fiction imposée par le but même de la loi, n'était justifiée que pour le jeu des mesures de guerre et ne devrait pas être étendue en dehors de son domaine propre 3 8 . Au cas d'apparition d'un E t a t nouveau ou de disparition d'un E t a t ancien par annexion, les juridictions des E t a t s tiers se refusent à en déduire l'existence, pour les sujets, d'une nationalité nouvelle quand il n'y a pas eu reconnaissance par le gouvernement du for de l'annexion ou de l'apparition et maintiennent aux intéressés leur ancienne nationalité 39 , mais, ici, il n'y a même pas d'exception véritable à la règle car c'est l'ordre juridique ancien concédant cette nationalité qui est fictivement considéré comme encore en vigueur. La nationalité en droit international suppose la nationalité en droit interne, celle-ci étant, comme l'a écrit Monsieur Quadri, un élément de celle-là. L'exigence sur le terrain international d'un rattachement effectif du national à l ' E t a t dont il ressortit n'est qu'une condition d'opposabilité aux autres E t a t s de la nationalité attribuée ou conférée par l'un d'eux. C'est, croyons-nous, avec la plupart des commentateurs, la solution de l'arrêt 4 0 dont on a justement rapproché 4 1 , en matière de compétence territoriale de l'Etat, l'arrêt de la Cour internationale de Justice du 18 décembre 1951 dans l'affaire des Pêcheries 42 . Il y a, dans les deux cas, une limitation sans doute indirecte, mais certaine, à la liberté des Etats, à leur pouvoir, en principe, 36
Y. Quadri no. 54, p. 252, no. 55, p. 254. - Aj. Makarov, Allg. 161 et s. V. Req. 25 ocfc. 1922, S. 1923. 1. 69, D. 1923. 1. 179, Clunet 50 (1923) 895; Req. 11 mars 1924, Rev. d. i. p. 19 (1924) 277, Olunet 52 (1925) 146; Paris 14 avril 1924, Clunet 52 (1925) 147, Rev. d. i. p. 20 (1925) 72. V. Makarov, Allg. 173 et s. ; Maury, Conflit 366 ; Bastid 632 ; Jones 235. 38 Contra cependant, Req. 21 mars 1933, Clunet 61 (1934) 361, Rev. Crit. 29 (1934) 100, note Niboyet, D. H. 1933, 266. 39 V. Makarov, Allg. 177 et s.; Charpentier (supra, note 35) 24 et s. - V. en particulier, Civ. rej. 10 jan. 1951, Clunet 78 (1951) 168, note critique Goldman, S. 1951. 1. 207. Contra cependant, trib. Bruxelles 5 avril 1951, Clunet 80 (1953) 380. 40 V. par exemple, Makarov, Rev. 521 et s. 41 V. Bastid 607-608 ; Miaja de la Muela (supra, note 35) 65 et s. 42 C. I. J., Recueil 1951, 116 et s. 37
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discrétionnaire de déterminer le domaine de leur compétence territoriale et, par l'attribution ou l'octroi de leur nationalité, celui de leur compétence personnelle 43. La question reste ouverte de savoir si, en dehors et en plus des conditions d'opposabilité sur le terrain international, il existe, en la matière, des interdictions, des limitations diverses d'origine coutumière à la souveraineté des Etats 44 : même si l'on incline à l'affirmative 45, il faut reconnaître, avec Monsieur Paul De Visscher46, que la solution n'a guère qu'une portée théorique tant que l'individu ne sera pas un sujet de droit international, tant que ce droit ne consacrera pas un droit subjectif de nationalité. Il n'y a pas lieu d'entrer dans le débat, l'arrêt Nottebohm, auquel l'on entend se tenir, n'y touchant pas. IV. Q u e l q u e s p r é c i s i o n s Mais, quelques précisions sur ce qu'a dit la Cour ou sur ce qu'on peut croire qu'elle a dit sont encore nécessaires. (1) Il ne semble pas que l'arrêt ait sa portée limitée aux cas où un individu ayant, en droit, la nationalité d'un Etat sans que celleci se traduise, se réalise dans les faits, cet Etat se prévaut de cette nationalité à l'encontre d'un autre Etat à qui cet individu est, en fait, et en fait seulement, rattaché 47 . Il est exact que la Cour a cru devoir relever «l'existence d'un lien ancien et étroit de rattache43 V. Bastid 633 ; DeVisscher 266. - Aj. Beuter, Institutions internationales (1955) 126 et s., qui démontre, par ces deux exemples «dont on ne saurait exagérer l'importance », « l'idée que selon la Cour internationale de Justice, les compétences des Etats sont fondées sur le droit international». Cfr. Migliazza (supra, note 2) 593-594. 44 Sur la double façon possible de poser le problème, v. Beuter (note précédente) 191. 46 V. Maury, Rép. nos. 28 et s. Aj. Balladore Pallieri 116 et s.; Durante 179 et s. - Cfr. Makarov, Allg. 68 et s. 46 De Visscher 254 et s. - Cfr. Quadri, pour qui les sujets sont les objets du pouvoir reconnu aux Etats par l'ordre international (no. 16, p. 104 et s.) et d'après lequel le droit de l'Etat sur les sujets est un droit réel de souveraineté (no. 22, p. 135 et s.), les limites à ce droit résultant seulement des droits partiels des Etats étrangers restreignent le pouvoir de disposition plein et absolu de l'Etat national (nos. 24 et s., p. 146 et s.). Pour la critique de la conception de Quadri, v. Paone, Teoria circa la protezione int. dell' attività dello Stato sugli individui: Riv. Dir. Int. 39 (1956) 34-76, nos. 13 et s. - Cfr. également Jones 234-235. 47 La question de l'effet de la reconnaissance par l'un des Etats en conflit de la nationalité de l'autre (cfr. Maury, Rép. 25) paraît avoir perdu, ici, son autonomie, absorbée dans le problème plus général de l'estoppel (Rec. 17 et s.). - V. Bastid 622-623; DeVisscher 245 et s.
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ment entre» Nottebohm «et le Guatémala, lien que sa naturalisation n ' a aucunement affaibli» et a déclaré que la naturalisation, octroyée par le Liechtenstein, manquait de la sincérité nécessaire pour qu'elle «s'impose au respect d'un E t a t se trouvant dans la situation du Guatémala» 4 8 . Mais on ne peut raisonnablement en déduire qu'une telle naturalisation serait opposable à un autre E t a t , l'individu considéré n'eût-il aucun lien avec celui-ci: réserve fait de la théorie, déjà discutée (supra, p. 522 et notes 32 et s.), qui séparerait complètement la nationalité de droit interne et celle de droit international, on ne voit pas comment cette solution pourrait être défendue ; l'idée de l'effectivité de la nationalité, condition de son opposabilité, qui est la base de la décision, la ratio decidendi, est d'application générale et condamne une telle distinction. On est, dès lors, conduit à voir dans les phrases citées une manifestation, maladroite en la forme, de la volonté - justifiée - de ne résoudre que le litige soumis à la Cour 4 9 , peut-être aussi le désir, en insist a n t sur la situation en quelque sorte privilégiée du Guatémala, de donner un motif supplémentaire qui pouvait avoir une importance de fait mais qui était, en droit, mutile et, par suite, nuisible 50 . (2) Les juges de la Cour qui ont exprimé une opinion dissidente ont reproché à l'arrêt de n'avoir pas tenu compte de l'établissement de Nottebohm au Liechtenstein dès 1946, donc de l'effectivité de sa nationalité liechtensteinoise à partir de cette date, alors que certains au moins des dommages subis dataient de 1949 81 . Plusieurs commentateurs en ont déduit que, d'après la Cour, l'effectivité devrait s'apprécier au moment de la naturalisation et qu'il ne pourrait être remédié ultérieurement à l'absence originaire de celle-ci 52 . L'interprétation nous semble discutable. La Cour parle d'un rattachement de fait «à l'époque précédant, entourant et suivant» la naturalisation et encore «d'un fait social de rattachement préexistant ou se constituant ensuite» 5 3 . Pour pouvoir dire, il est vrai, qu'elle ne limite pas les recherches possibles aux époques antérieures ou postérieures à la naturalisation, mais voisines de cette dernière, il faut expliquer pourquoi elle n ' a pas tenu compte de la résidence au Liechtenstein à dater de 1946. Mr. P. De Visscher a 48
49 60 Ree. 26. Ree. 17, 19. Cfr. Bastid 627. V. Guggenheim, Ree. 61-62. Aj. Read, Ree. 40-41, 44-45; Ree. 31. 62 V. Makarov, Z. 419; Löwenfeld 409-410; Jones 241 note 8. 53 Ree. 24. 51
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pensé qu'elle avait «apprécié la situation de Nottebohm telle qu'elle s'était cristallisée au double moment du dommage et de l'introduction de l'instance »54, ce qui serait conforme aux règles généralement admises en matière de protection diplomatique 55 ; mais il est difficile d'accepter cette interprétation, la Cour n'ayant pas traité la question de la date du dommage et, en particulier, celle de la rétroactivité du décret-loi guatémaltèque du 13 juillet 1949 sur la liquidation des affaires de guerre. Mieux vaut, à notre avis, s'en tenir aux deux idées suivantes : le domicile ou la résidence, d'abord, s'ils sont, en général, des signes et des preuves du caractère effectif de la nationalité, ne le sont pas nécessairement, ce caractère devant être établi d'après toutes les circonstances de l'espèce, c'est le comportement de l'intéressé, dans son ensemble, qui traduit et établit sa volonté; si, ensuite, la nationalité effective peut changer ou se réaliser au cours du temps 66 , la réalisation ou le changement ne peut être admis que difficilement, surtout quand son absence, au moment lato sensu de l'acquisition, permet de présumer le manque de sincérité de celle-ci. La Cour a précisément relevé que «si Nottebohm s'est rendu en 1946 au Liechtenstein, c'est en conséquence du refus de l'accueillir du Guatemala» 57 . On ne peut donc tirer de sa décision cette conséquence que la nationalité effective est définitivement fixée lors du changement de nationalité et, avec, lans doute, quelque bonne volonté, on pourrait en déduire plutôt se contraire. (3) Une dernière précision doit être apportée: l'exigence, comme condition d'opposabilité, du caractère effectif de la nationalité doitelle être limitée aux cas de naturalisation ou appliquée, de façon générale, aux cas d'attribution à titre originaire comme à tous les cas d'acquisition ? Mr. Ouggenheim qui, on l'a vu (supra, p. 521 et note 28), considère une relation relativement étroite entre l'individu et l'Etat comme indispensable pour permettre l'octroi de nationalité, fait jouer cette condition pour tous les cas d'acquisition ou d'attribution 58 , mais 64
De Visscher 265. V. Makarov, Rev. 524 et s., et, critiquant, d'ailleurs, la solution, Balladore Pallieri 123 et s. 56 En ce sens, très justement, De Visscher 265. - Rappr. Maury, Rép. 55
qo.
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111.
Rec. 25. Guggenheim (supra, note 28) 317.
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cet auteur admet très facilement qu'existe une telle relation et n'exclut, comme constituant des abus de droit, qu'un très petit nombre de cas, par exemple l'attribution jure soli aux enfants d'agents diplomatiques, l'acquisition imposée à raison d'une brève résidence sur le territoire . . . Il estime que la naturalisation, parce qu'elle intervient sur demande 5 9 ou, mieux, parce qu'elle est un acte juridique et sans qu'on ait à se préoccuper des motifs de l'intéressé, est efficace si elle est valable et constitue un titre de nationalité opposable aux autres Etats 6 0 . C'est dire qu'au fond, cet auteur est, malgré une certaine similitude des formules, fort éloigné de la théorie de la nationalité effective telle que la comprend l'arrêt. Mr. Quadri prend des positions plus proches : il applique surtout sa thèse de la nécessité d'un rattachement social aux changements de nationalité et spécialement à la naturalisation 61 , tout en admettant des exceptions pour les cas d'acquisition par mariage ou à suite de résidence prolongée 62 ; par contre, il estime qu'en principe, tant le jus soli que le jus sanguinis ou leur combinaison «peuvent servir de base à une attribution de nationalité valable au sens international» 63 , les exceptions possibles étant ici fort peu nombreuses et ne constituant sans doute pas, à notre avis, de véritables exceptions : la perte de nationalité pour les descendants de nationaux expatriés sans esprit de retour et ayant acquis par naturalisation la nationalité du pays d'immigration, l'impossibilité d'attribuer jure soli une nationalité aux fils d'agents diplomatiques et consulaires 64. En réalité, le problème est, dans tous les cas, le même. Si le caractère effectif'de la nationalité, le lien social, est condition d'opposabilité sur le terrain international, il doit l'être dans toutes les hypothèses, qu'il s'agisse d'attribution ou d'acquisition, quel que soit le mode d'acquisition. C'est avec cette extension que la théorie de la nationalité effective est appliquée en matière de conflits positifs de nationalités et une phrase au moins de l'arrêt en consacre la généralité: la nationalité «est, peut-on dire, l'expression juridi59
Op. cit. 316. Ree. 56. Y. dans le même sens, Lôwenfeld 403-404 ; Mad. Grawitz (supra, note 2) 270-271, et rappr. Makarov, Z. 418-419. 61 Quadri 290. On pourrait toutefois se demander si la volonté de l'intéressé ne suffirait pas à constituer ce rattachement: v. p. 290-291; mais noua croyons que ce n'est pas la pensée de l'auteur. 62 63 64 Quadri 291. Quadri 289. Quadri 289-290. 60
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que du fait que l'individu auquel elle est conférée, soit directement par la loi, soit par un acte de l'autorité, est, en fait, plus étroitement rattaché à la population de l'Etat qui la lui confère qu'à celle de tout autre Etat» 6 5 . Seulement les raisons, tenues pour valables, qu'a un E t a t de conférer sa nationalité, supposent, font présumer le rattachement effectif et la preuve contraire doit, s'il y a lieu, être rapportée. C'est ici qu'intervient une différence, non de nature, mais de degré. Au cas de naturalisation, celle-ci dépendant essentiellement des volontés de l'individu et de l'Etat, il arrive plus fréquemment que ce procédé puisse être et soit utilisé malgré l'absence d'un lien de fait: l'exigence de celui-ci permettra, sans avoir à rechercher ou à établir la fraude (le plus souvent sous-jacente), de refuser effet, en droit international, à la nationalité nouvelle. Au cas d'attribution soit jure soli, soit jure sanguinis, la présomption de concordance du fait et du droit est plus forte; mais la difficulté qu'il peut y avoir à l'ébranler n'est pas impossibilité. Il suffit de songer au cas d'une personne dont les parents et ascendants sont depuis longtemps établis, ont leur centre de vie dans un pays étranger et qui n'a plus aucun rapport avec l'Etat dont jure sanguinis elle est encore le national : admettra-t-on, même si elle n'a pas acquis une autre nationalité M , que cet E t a t puisse, un jour, prétendre exercer, pour elle, le droit de protection diplomatique ? La même question pourrait, par exemple, se poser pour l'attribution de nationalité jure soli faite à raison de la naissance sur un bateau en haute-mer ou sur aéronef parfois assimilés, par la loi ou la pratique, au territoire de l'Etat 6 7 alors que, cette naissance ayant .un caractère accidentel, l'intéressé peut être complètement étranger, en fait, à cet E t a t 6 8 . . . En résumé, la règle énoncée par l'arrêt Nottebohm a un domaine d'application général; mais le caractère d'une exception, caractère plus ou moins accentué selon les cas. 66
Rec. 23. L'acquisition d'une nationalité étrangère lui aurait fait perdre le plus souvent - mais pas toujours - sa nationalité antérieure. 67 Nous pensons que l'attribution jure soli aux enfants des agents diplomatiques et consulaires ne pose pas ce problème, étant interdite par une règle coutumière de droit international: v. Maury, Rép. nos. 58, 59. 68 V. contre cette assimilation, assez généralement admise en droit français, Maury, Rép. no. 230, et après la mise en vigueur du Code de la Nationalité du 19 oct. 1945, id., J. C. P. 1946. I. 514, no. 9. - Mais cfr. Aymond, Dalloz, Répertoire droit civil III (1953), vo. Nationalité, no. 86. 66
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V. L e s c o n s é q u e n c e s de l ' a r r ê t Après avoir exposé et tenté de préciser ce qu'a dit ou ce qu'expressément ou implicitement, a admis la Cour, il reste à voir quelles sont les conséquences, vraisemblables ou possibles, de l'arrêt étudié. (1) En premier lieu, la solution des cas de conflits positifs de nationalités par la prédominance de la nationalité effective ou active est, semble-t-il, mise hors de doute. C'était déjà, à notre avis, une règle de droit international positif appliquée par la majorité des juridictions internationales et acceptée par la généralité des auteurs 69 ; mais il y avait quelques décisions aberrantes, celle, en particulier, du tribunal arbitral égypto-américain, du 8 juin 1932, dans l'affaire Salem 70 , et la doctrine n'était pas unanime 71 . Or la Cour part, on l'a dit, de cette solution comme d'une donnée, elle la traite comme une norme juridique certaine et ni les juges dissidents 72 , ni les commentateurs n'ont discuté ce point 73 . La règle, affirmée par le tribunal international, bénéficie d'une adhésion qui paraît totale. La très intéressante sentence, du 1er juin 1955, de la Commission de conciliation italo-américaine, présidée par Mr. de Yanguas Messia 74, en confirme et en renforce l'autorité, la Commission déclarant, au début de ses considérations de droit: «Les règles de la Convention de La Haye de 193076 et le droit coutumier révélé par la jurisprudence internationale et par la doctrine des auteurs établissent l'existence et la pratique de deux principes 69
V. MaJcarov, Allg. 295 et s. ; Maury, Conflit 373 et s. V. supra, note 17. V. Makarov, AUg. 288 et s. ; id., Règles générales du droit de la nationalité: Rec. des cours 74 ( 1 9 4 9 - 1 ) 269-378, spécialement no. 76; Louis-Lucas, Les conflits de nationalités: Rec. des cours 64 (1938 - II) 1-70, spécialement p. 29-30 ; Maury, Rép. nos. 104 et s. 72 V. JRead, Rec. 41-42; Guggenheirn, Rec. 54, 59. 73 V. Jones 240 et s., spécialement p. 242, note 14 ; Lôwenfeld 397 ; De Visscher 250 et s. - Aj. Makarov, Z. 415-416, et cfr. Bastid 624, 629. 74 V. Commission. 76 II s'agit de l'art. 5 de la Convention concernant certaines questions relatives aux conflits de lois sur la nationalité (supra, note 22): «Dans un Etat tiers l'individu possédant plusieurs nationalités devra être traité comme s'il n'en avait qu'une. . . . cet Etat pourra, sur son territoire, reconnaître exclusivement, parmi les nationalités que possède un tel individu, soit la nationalité du pays dans lequel il a sa résidence habituelle et principale, soit la nationalité de celui auquel, d'après le circonstances, il apparaît comme se rattachant le plus en fait. » - Y. sur ce texte et sur le Protocole relatif aux obligations militaires dans certains cas de double nationalité, Makarov, Allg. 144 et s.; Maury, Rép. nos. 154 et s. 70
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quant au problème de la protection diplomatique dans les cas de double nationalité. » L'un d'entre eux, qui serait né en droit international privé et se serait formé en rapport avec la personne, est celui «de la nationalité effective» que «la jurisprudence et la doctrine, à raison de son évidente justice, ont rapidement transporté dans le droit international public ». L'autre principe «est basé sur l'égalité souveraine des Etats en matière de nationalité et exclut de la protection ceux qui en même temps sont aussi citoyens de l'Etat défendeur »76. La sentence de la Commission italo-américaine se propose de concilier ces deux principes et, pour les concilier, en se fondant précisément sur la solution de l'arrêt Nottebohm, a été conduite à les hiérarchiser. (2) C'est, croyons-nous, la seconde conséquence de cet arrêt. De nombreux auteurs affirment comme règle absolue de droit international positif qu'un Etat ne peut prétendre exercer la protection diplomatique d'un de ses nationaux contre un autre Etat dont celui-ci a également la nationalité 77 . Nous avons eu déjà l'occasion de dire que l'existence d'une telle règle nous semblait douteuse et que la jurisprudence internationale était divisée78. L'arrêt Nottebohm paraît, en tout cas, la condamner: en droit international, en effet, le caractère effectif de la nationalité est, d'après l'arrêt, une condition de son opposabilité aux autres Etats; quand, dès lors, le conflit s'élève entre les deux Etats dont le sujet mixte ressortit, si l'intéressé, ayant la nationalité effective de l'Etat demandeur, n'a pas celle de l'Etat défendeur, celui-ci ne peut opposer à celui-là 76
Commission 88. " V. Makarov, Rev. 520-521; Durante 172-173, p. 184 et s. (avec de nombreuses références p. 185, note 52). Aj. dans son opinion dissidente, Ouggenheim, Rec. 58-59. 78 V. l'exposé de la jurisprudence in Ch. Rousseau, Droit int. public (1953) no. 452, p. 363 et s., surtout dans la sentence précitée, Commission 85 et s. - Il faut ajouter, pour la règle indiquée, la décision dans l'affaire Salem (supra, note 17) et sans doute en sens opposé (malgré la très juste remarque, qui n'a pas une valeur absolue, de la décision précitée, Commission 86), la sentence de la Commission franco-mexicaine du 17 oct. 1928, dans l'affaire Pinson, Rév. gén. droit int. public 39 (1932) 230-260, 391-436, 540-564, 649-704, spécialement p. 419, où Mr. Versijl déclare que l'exception de double nationalité ne peut valoir que «pour les cas où l'individu en question est effectivement considéré et traité comme sujet par chacun des deux Etats en cause». — Sur les arbitrages vénézuéliens et pour leur signification exacte en faveur, même dans des cas de ce genre, de la théorie de la nationalité effective, il faut toujours se reporter à l'article, précité, de Mr. Basdevant (supra, note 27) 45 et s.
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la nationalité qu'il a conférée et celui-là peut, par contre, opposer la sienne à celui-ci, la protection diplomatique peut être exercée. La Commission italo-américaine ne s'y est pas trompée. Après avoir, dans ses considérations de droit, cité la solution de principe de l'arrêt Nottebohm, elle décide: «A plus forte raison, cette théorie doit-elle être comprise comme applicable au problème de la double nationalité qui concerne les deux Etats en litige puisque, en pareil cas, la nationalité effective a non seulement la signification de l'existence d'un lien réel, mais aussi celle de la prépondérance de cette nationalité sur l'autre, à raison des circonstances de fait de l'espèce . . . Le principe fondé sur l'égalité des souverainetés étatiques, qui exclut la protection diplomatique au cas de double nationalité, doit céder devant le principe de la nationalité effective quand celle-ci est celle de l'Etat demandeur.»79 La règle de la nationalité effective, de la préférence donnée à la nationalité effective a une portée générale au cas de conflits de nationalités80. C'est bien, semble-t-il, la position actuelle de Mr. Ch. Rousseau, citant l'arrêt Nottebohm et la sentence de la Commission italoaméricaine 81, et c'est l'opinion de Mr. P. De Visscher82. (3) L'arrêt Nottebohm ne se borne pas à résoudre un problème de protection diplomatique. Sans doute, la Cour a-t-elle, dans cer79 Commission 89. - V. sur la décision, Vignes (supra, note 2) 430 et s. Mr. Durante la critique, défendant la thèse, très généralement soutenue en Italie, laquelle, prétendant faire sa p a r t à chacun des deux principes, aboutit, en réalité, à faire de la règle de la nationalité effective une règle secondaire, subordonnée puisqu'elle jouerait seulement hors du domaine de l'autre, quand le conflit de nationalités n'existerait pas entre les deux E t a t s en litige. L'auteur reconnaît lui-même (no. 9, p. 188-189) que la solution contraire serait préférable. Mais justement, l'arrêt Nottebohm, si l'on en accepte le principe, non seulement la rend possible, mais encore, croyons-nous, l'impose. 80 L'impossibilité de protéger un national contre un E t a t dont il a aussi la nationalité ne jouerait donc que si aucune des deux nationalités en cause n'était la nationalité effective de l'intéressé (en ce sens, Durante 178, note 21) ou si toutes deux avaient ce caractère (v. De Visscher 261). La décision de la Commission que la protection des Etats-Unis sera admise pour les nationaux américains ayant, comme seconde nationalité, non l'italienne, mais celle d ' u n tiers E t a t , même si la nationalité de ce dernier est la nationalité effective (Commission 89-90), s'explique par l'interprétation de l'art. 78 du traité de paix entre les Nations-Unies et l'Italie (Commission 81) et ne v a u t que pour l'application de ce texte (cfr. cependant, Durante 178). 81 Ch. Rousseau, Droit int. public approfondi (1958) no. 116, C, p. 110. R a p p r . Reuter (supra, note 43) 193. 82 DeVisscher 261.
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taines de ces formules, paru réduire la portée de sa solution: «la Cour n'entend pas sortir du cadre limité de la question qu'il lui faut résoudre, à savoir, si la nationalité conférée à Nottebohm peut être invoquée vis à vis du Guatémala pour justifier la présente procédure» 83 . Mais l'exercice de la protection diplomatique n'est compris que comme un des effets, entre autres, de la nationalité en droit international: la nationalité liechtensteinoise, conclut la Cour, «a été octroyée sans égard à l'idée que l'on se fait, dans les rapports internationaux, de la nationalité . . . Le Guatémala n'est pas tenu de reconnaître une nationalité ainsi octroyée. En conséquence, le Liechtenstein n'est pas fondé à étendre sa protection à Nottebohm à l'égard du Guatémala »84. Le caractère effectif de la nationalité est, de règle, condition de l'efficacité de celle-ci dans le domaine international 85 . Elle n'est pas une condition suffisante de son existence, on l'a déjà dit 86 , et nous ne pensons pas «qu'en se fondant sur le principe de l'effectivité, les tribunaux internes pourront considérer comme ayant conservé le bénéfice des traités de leur E t a t national les individus privés de la nationalité de cet E t a t tout en ayant conservé avec cet E t a t un lien de rattachement effectif . . . [ou] encore que l'application de cette même doctrine devra permettre à un E t a t de faire jouer sa protection au bénéfice d'un individu qui lui est effectivement rattaché nonobstant le fait qu'une irrégularité aurait été commise dans la procédure interne de naturalisation » 87. La nationalité, dans le domaine international, suppose la nationalité en droit interne et le caractère effectif de cette nationalité: l'efîeotivité en est une condition nécessaire, un élément indispensable, mais n'en est pas et n'en saurait être l'élément unique, la seule condition ; elle est, et est seulement, une condition d'opposabilité de la nationalité conférée par un E t a t donné 88 . Mais alors se pose une question nouvelle, celle de savoir quels sont les effets, les conséquences de la nationalité pour lesquels sera exigée l'effectivité de celle-ci. La réponse la plus simple et la plus logique semble être la généralisation de cette exigence à tous les 83
Rec. 17. Aj. Rec. 20. Rec. 26. V. aussi Rec. 18-17, 21, 1er et 3ème al., 23, 1er al., fine. 85 En ce sens la majorité de ceux qui ont étudié l'arrêt: v., par exemple, dans son opinion dissidente, Guggeriheim, Rec. 60 ; Lôwenfeld 398-399 ; Mad. 84
Grawitz (swpra, note 2) 268. Cfr. Bastid 633. Mr. Jones se borne à poser la question (p. 243). 86 88
Supra p. 522 et s.
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DeVisscher 263.
V. Miaja de la Muela (supra, note 35) 63 et s.
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effets qui ne sont pas strictement d'ordre interne : mais ni la logique, ni la simplicité ne sont toujours marques de vérité et une telle réponse n'est peut-être qu'une tautologie. Il s'agit essentiellement, d'une part, de la condition des étrangers, de l'établissement, d'autre part, des conflits de lois, de la détermination de la nationalité point de rattachement, en particulier, en matière de statut personnel. La condition des étrangers peut être régie soit par des dispositions légales ou réglementaires, soit par des clauses conventionnelles. Dans une certaine thèse, que Mr. Makarov a défendue 89 , il n'y aurait pas de question pour l'application des traités, l'intention des parties étant que chacun des Etats contractants traite comme nationaux de l'autre ceux qui le sont d'après le droit de cet Etat; nous avons dit ailleurs 90 pourquoi cette thèse ne nous semblait pas s'imposer ; sauf preuve du contraire, on doit plutôt présumer que les parties s'en sont remises, sur ce point, aux normes générales relatives à la détermination des nationaux et c'est dans ce sens que s'est prononcée la sentence du 1er juin 1955, de la commission italo-américaine dans l'affaire Mergé91. La difficulté n'est pas, en général, écartée par l'existence d'une convention internationale. Elle ne se présentera que rarement, mais elle peut se présenter au cas de réglementation légale : sans doute, la loi, ou le décret, s'applique à tous les étrangers, c'est-à-dire à tous ceux qui ne sont pas nationaux d'après le droit du for, quel que soit l'Etat dont ils sont juridiquement sujets; mais la jouissance de certains droits peut être subordonnée à la réciprocité législative 92 ou à la réciprocité diplomatique 93 et il faudra, dans ce cas, savoir quelle est, pour le juge saisi, la nationalité dont il faut tenir compte. Qu'il s'agisse de condition des étrangers ou de détermination de la nationalité indiquant le droit applicable, l'extension de la condition d'effectivité nous paraît peu souhaitable et même dangereuse: elle serait dangereuse car elle risque d'être fréquemment invoquée par la partie adverse et créerait une incertitude extrème89 Makarov, Allg. 297 et s. - V. aussi Niboyet, Traité de d. i. p. français 2 I (1947) no. 464, p. 531-532. 90 V. Maury, Conflit 393 et s. 91 Commission 79 et s. 92 V. pour les lois en matière de baux à loyers et de baux à ferme, l'art. 1er de la loi française du 28 mai 1943. 93 V. art. 11 C. c.
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ment fâcheuse pour le commerce juridique; elle n'est pas souhaitable, les intérêts en jeu qui sont - et restent - des intérêts privés ne justifiant pas de telles recherches. L a nationalité d'un nonnational est, même si l'application d'une convention est en jeu, celle qu'il a d'après la loi d'un E t a t donné, sauf, bien entendu, pour les tribunaux saisis, à faire prévaloir la nationalité effective au cas de double nationalité. Cette hypothèse exclue, c'est seulement quand deux Etats entrent en conflit sur la nationalité d'une personne (et ils peuvent, d'ailleurs, y entrer quant à l'application d'une convention sur la condition des étrangers), c'est seulement lorsque le litige a comme parties les Etats eux-mêmes que le caractère effectif de la nationalité est condition d'opposabilité de celle-ci. N'est-ce pas retrouver la distinction du droit international privé et du droit international public ? Il resterait à montrer ce qu'a de nouveau, dans sa généralité, la règle énoncée par l'arrêt Nottebohm et à essayer de dire de quelle façon elle peut devenir, elle est, pensons-nous, en train de devenir, une règle de droit international positif. Mais un tel exposé nous amènerait à reconnaître l'existence de règles jurisprudentielles de droit international, d'un pouvoir juridictionnel concourant à la création de normes sous l'apparence d'une découverte ou la fiction d'une interprétation. E t l'étude, même indirecte, des sources de droit international sortirait du cadre de ce Festheft.
SKIZZEN
ZUR L E H R E VOM
STATUTENWECHSEL
V o n WILHELM WENGLEK
Berlin 1. P r o b l e m s t e l l u n g Es ist dem Internationalprivatrechtler geläufig, daß das von der internationalprivatrechtlichen Kollisionsnorm des Forums bestimmte Anknüpfungsmoment häufig schon im Text der gesetzten Kollisionsnorm zeitlich fixiert wird: Die geschriebene Kollisionsnorm sagt meist selbst, ob es für die Rechte des unehelichen Kindes gegenüber dem Vater, wenn dafür das Recht des Heimatstaates der Mutter maßgebend sein soll, auf den Heimatstaat der Mutter zur Zeit der Klageerhebung, zur Zeit der Geburt oder zur Zeit der Zeugung ankommt; die geschriebene Kollisionsnorm sagt meist selbst, ob für das Recht auf Scheidung der Ehe, wenn dafür das Heimatrecht des Mannes maßgebend sein soll, der Heimatstaat des Mannes zur Zeit der Eheschließung oder der Klageerhebung oder der letzten mündlichen Verhandlung gemeint ist, oder ob es auf den Heimatstaat zu demjenigen Zeitpunkt ankommen soll, zu dem sich das die Scheidung rechtfertigende Ereignis begeben hat. Mit Hilfe des in der internationalprivatrechtlichen Kollisionsnorm derart zeitlich fixierten Anknüpfungsmomentes gelangt man zu der „Rechtsordnung" eines bestimmten Staates, aber keineswegs bereits zu einer bestimmten materiellen Privatrechtsnorm. Ebenso wie sich nach Auffindung des maßgeblichen Staates die Frage stellt, ob dessen internationalprivatrechtliche Kollisionsnormen beachtlich sind, wenn es ein anderer Staat als der Forumstaat ist, und ebenso wie sich die Frage stellt, ob die Auswahl unter verschiedenen Teilgebietsrechten eines Staates - wenn man sich für das materielle Recht dieses Staates entschieden hat - nach den interregionalen Normen dieses Staates oder nach den Auswahlprinzipien des Forumstaates vor sich gehen soll, so stellt sich auch eine weitere Frage: Ist das materielle Recht des mit Hilfe der Anknüpfung in der Kol-
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lisionsnorm direkt oder indirekt ermittelten Staates bzw. Teilgebietes in der Gestalt maßgebend, wie es im Zeitpunkt der Realisierung des Anknüpfungsmomentes aktuelles Recht ist, oder ist zuvor unter verschiedenen sich zeitlich folgenden Sachnormen der maßgeblichen Rechtsordnung eine Wahl zu treffen, und ist dafür, wenn es sich um eine fremde Rechtsordnung handelt, das intertemporale Kollisionsrecht des fremden Staates heranzuziehen ? Schon hierauf gibt das Gesetz meist keine Antwort mehr. Was aber hat zu geschehen, wenn die gesetzte Kollisionsnorm auch nichts über den Zeitpunkt sagt, zu dem das Anknüpfungsmoment realisiert sein muß ? Wie hat der Richter solche Lücken zu ergänzen? Und welche Richtlinien kann die Wissenschaft dem Gesetzgeber für die Frage an die Hand geben, auf welchen Zeitpunkt er abstellen muß ? 2. S c h e m a d e r L ö s u n g s m ö g l i c h k e i t e n Um sich hierüber Klarheit zu verschaffen, ist es vielleicht nützlich, zunächst einmal von den relativ wenigen Entscheidungen zu dem Problem und auch von den Äußerungen der Doktrin 1 ganz abzusehen und zu untersuchen, welche Möglichkeiten überhaupt für eine Regelung in Frage kommen. Nehmen wir also beispielsweise an, der Gesetzgeber wolle die Unterhaltspflicht (ehelicher oder unehelicher Eltern) an „das Heimatrecht" des Kindes anknüpfen. a) Wenn hier das Anknüpfungsmoment zeitlich näher bestimmt werden soll, so kann als anwendbar bezeichnet werden das materielle Unterhaltsrecht für Kinder, wie es im Heimatstaat des Kindes - wir wollen zunächst einmal das Problem der Rück- und Weiterverweisung durch den „fremden" Heimatstaat und das Problem der interregionalen Rechtswahl beiseite lassen - zur Zeit der Geburt des Kindes gilt. Dieses materielle Recht kann dann im Forumstaat für alle Unterhaltsansprüche des Kindes während seines ganzen Lebens maßgebend sein, ungeachtet etwaiger Änderungen der Staatsangehörigkeit und des materiellen Unterhaltsrechts im Heimatstaat (Lösung 1). Es spielt also keine Rolle, ob das intertemporale Kollisionsrecht des betreffenden Staates - sei es, wie es zur Zeit der Entscheidung, sei es, wie es zur Zeit der Geburt gilt - eine andere der sich zeitlich folgenden Unterhaltsregelungen in diesem Staat als maßgebend betrachtet (etwa das Unterhaltsrecht zur Zeit der Zeu1
Neuere Literatur allgemeinerer Art: Gavalda, Les conflits dans le temps en d. i. p., Paris 1955; Mann, Brit. Yb. Int. L. 31 (1954) 217-247; insbesondere bei Gavalcla Angaben über die ältere Literatur.
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gung). An diesem Lösungsschema würde sich nichts ändern, wenn man an Stelle des Zeitpunktes der Geburt auf den Zeitpunkt eines anderen Ereignisses abstellen würde. b) Möglich ist aber auch, daß man im Forumstaat auf die Unterhaltsansprüche für die einzelnen Lebensabschnitte des Kindes dasjenige Recht anwenden soll, das jeweils während eines solchen Abschnitts das aktuelle Unterhaltsrecht in demjenigen Staate ist, der zur Zeit der Geburt Heimatstaat des Kindes war; bei einem Kinde, das zur Zeit seiner Geburt im Jahre 1930 tschechoslowakischer Staatsangehöriger war, würden also, ungeachtet der jeweiligen Staatsangehörigkeit des Kindes, für die Zeit bis zum Außerkrafttreten des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches in der Tschechoslowakei die Unterhaltsbestimmungen dieses Gesetzes, nach dem Inkrafttreten des neuen Zivilgesetzbuches dessen Unterhaltsvorschriften angewendet (Lösung 2). c) Es leuchtet ein, daß man an Stelle dieser Lösung, wenn man nicht schon bei der ersten Lösung bleiben will, meist eher zu einer dritten greifen wird: Der Forumstaat läßt dasjenige Recht anwenden, welches der Staat, welcher zur Zeit der Geburt Heimatstaat des K i n d e s ist, h e u t e , d . h . zur Zeit der Entscheidung
im
Forumstaat,
auf den Unterhalt für die einzelnen Lebensabschnitte anwenden würde, wenn dieser Staat sein materielles Recht für die ganze Lebensdauer des Kindes als anwendbar betrachten würde; das bedeutet praktisch vor allem, daß rückwirkende Bestimmungen der maßgeblichen Rechtsordnung auch im Forumstaat zur Anwendung zu gelangen haben (Lösung 3). d) Der Forumstaat kann aber auch andere Wege gehen. Er kann zunächst einmal das jeweilige Heimatrecht des Kindes für die Regelung des Unterhalts während der Zeit des Besitzes der betreffenden Staatsangehörigkeit berufen. Wechselt das Kind die Staatsangehörigkeit, so hegt ein „Statutenwechsel" im engeren Sinne vor, bei dem man besser von „Anknüpfungswechsel" sprechen sollte. Bei einem solchen Wechsel kann der Forumstaat aber dann wieder, analog den Lösungen 1-3, das zur Zeit des Erwerbes der betreffenden Staatsangehörigkeit geltende materielle Recht für den ganzen Zeitraum anwenden lassen, in dem das Kind die Staatsangehörigkeit des betreffenden Staates besitzt, auch wenn während dieser Zeit in dem betreffenden Staat Gesetzesänderungen vor sich gegangen sind; es kann aber auch auf das jeweils in dem betreffenden Staat geltende Un-
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terhaltsrecht abgestellt werden; oder schließlich kann dasjenige Recht angewendet werden, das jeder der betreffenden Staaten Tieute, rückblickend , auf diejenigen Zeiträume anwenden würde ,indenendas Kind seine Staatsangehörigkeit besessen hat (Lösung 4 mit drei Varianten). e) Sodann kann der Forumstaat auf das Heimatrecht des Kindes zur Zeit der Prozeßentscheidung im Forumstaat abstellen. Hierbei sind wiederum dieselben drei Varianten wie für die vierte Lösung denkbar: Das materielle Recht des Heimatstaates, wie es zur Zeit der Entscheidung gilt, könnte für den Unterhalt während der ganzen zurückliegenden Lebenszeit des Kindes als anwendbar gelten; es kann aber auch eine Änderung im materiellen Unterhaltsrecht des letzten Heimatstaates berücksichtigt werden, und zwar möglicherweise so, daß die Aufteilung zwischen dem alten und neuen Recht durch intertemporale Normen des Forumstaates erfolgt; denkbar ist aber auch, daß es dem letzten Heimatstaat überlassen wird, die maßgeblichen intertemporalen Regeln aufzustellen (Lösung 5 mit drei Varianten). f) Schließlich aber ist es möglich, daß man im Forumstaat das Kollisionsrecht des Heimatstaates, das zur Zeit der Urteilsfällung gilt, darüber entscheiden läßt, wie das letzte Heimatrecht des Kindes, die früheren Heimatrechte des Kindes oder eventuell auch andere staatliche Rechte (z. B. frühere Wohnsitzrechte) an der Regelung der Unterhaltsansprüche während der bisherigen Lebensdauer des Kindes beteiligt werden sollen (Lösung 6). Wenn einige der soeben als theoretisch möglich bezeichneten Lösungen 2 für die Art der Berücksichtigung des Zeitmoments beim Unterhaltsanspruch offenbar praktisch kaum in Frage kommen^ so braucht man doch nur irgendeine andere Rechtsfrage - etwa den Anspruch auf Ehescheidung nach „dem Heimatrecht" des Mannes oder die Regelung der testamentarischen Erbfolge nach „dem Lagerecht' ' der Nachlaßgegenstände - zu nehmen und an Hand des obigen Schemas analoge Lösungsmöglichkeiten auszuarbeiten um zu erkennen, daß fast keine der theoretisch errechneten Lösungsmöglichkeiten von vornherein als indiskutabel ausscheidet. 3. L e i t i d e e n Bei dieser Skala von Lösungsmöglichkeiten sind die beiden extremsten, nämlich die erste und die sechste Lösung, zugleich die rein2 Die Möglichkeit von Kumulationen und anderen Kombinationen dieser verschiedenen Lösungen kann hier außer Betracht bleiben.
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sten Verkörperungen derjenigen Ideen, die auf die Lösung der Frage nach der „richtigen" zeitlichen Fixierung der Anknüpfung vorwiegend einen Einfluß haben. Diese Leitideen werden bei jenen beiden extremen Lösungen noch deutlicher erkennbar, wenn man eine weitere zeitliche Komplikation berücksichtigt, nämlich den Fall, daß sich im Forumstaat die Kollisionsnormen geändert haben, daß also z. B. zur Zeit der Geburt des Kindes im Forumstaat auf den Unterhaltsanspruch das Wohnsitzrecht anwendbar war, und daß später das Kollisionsrecht auf das Staatsangehörigkeitsprinzip umgestellt wurde. Eine solche Änderung des Kollisionsrechts im Forumstaat ist bei der sechsten Lösung uninteressant, weil hier nur von dem im Zeitpunkt der Urteilsfällung geltenden Kollisionsrecht des Forumstaates ausgegangen werden kann, so daß eine Wahl unter den sich zeitlich folgenden Kollisionsnormen also von vornherein entfällt. Anders ist es bei der ersten Lösung. a) Die Erhaltung lokaler subjektiver Rechte im Forumstaat Der ersten Lösung ist es offenbar adäquat, daß man im Forumstaat, wenn das zur Zeit der Geburt des Kindes geltende Kollisionsrecht auf das Wohnsitzrecht des Kindes zur Zeit der Geburt verwies, und wenn dieses unverändert für die ganze Lebenszeit des Kindes auf dessen Unterhaltsansprüche anwendbar sein sollte, jedenfalls für die bis zur Änderung des Kollisionsrechts zurückgelegte Zeit bei der Anwendung des so ermittelten Rechts bleiben wird, auch wenn später im Kollisionsrecht des Forumstaates anstatt auf den Wohnsitz auf die Staatsangehörigkeit abgestellt wird. Diese Lösung wird von der Idee getragen, daß die Rechtsordnung des Forumstaates im Zeitpunkt der Geburt ein „lokales" subjektives Recht des Kindes auf Unterhalt begründet, wobei die Rechtsordnung des Forumstaates den Inhalt dieses Rechts gleichsam nur mit den Prägeformen der materiellen Vorschriften des Wohnsitzstaates zur Zeit der Geburt ausgestaltet 3 . Die einmal geschaffene lokale Rechtslage lebt nach 3 Wir vermeiden mit Absicht den vieldeutigen Ausdruck „wohlerworbene Rechte", der gerade im IPR gern für diejenigen Fälle reserviert wird, in denen Entstehung und Wirkung eines subjektiven Rechts gemäß dem Kollisionsrecht des Forumstaates zunächst durch das Recht eines fremden Staates bestimmt werden, in denen aber später durch Wechsel eines wandelbaren Anknüpfungsmoments für die Wirkungen ein anderes Recht maßgebend sein soll. Diese Vorstellung der „wohlerworbenen Rechte" geht davon aus, daß in einem solchen Fall trotz des Wechsels der anwendbaren Rechtsnormen das subjektive Recht als solches identisch bleibt. Die Vorstellung des „lo-
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dieser Konzeption im Forumstaat bis zu dem vorgesehenen Zeitpunkt ihrer Beendigung weiter, es sei denn, daß sie durch neue Maßnahmen dieses Staates vorzeitig beendet oder geändert wird. Wechselt das Kollisionsrecht des Forumstaates vom Wohnsitzprinzip zum Staatsangehörigkeitsprinzip, so kann dies eine Umprägung des bestehenden lokalen Rechts nach sich ziehen, eventuell auch seinen Untergang, wobei der Forumstaat seinen neuen Kollisionsnormen sogar rückwirkende K r a f t beilegen kann, wenn er will. b) „Foreign court theory" Eine ganz andere Konzeption steht hinter der sechsten Lösung. Hier will der Gesetzgeber des Forumstaates, daß seine Gerichte so entscheiden, wie die Gerichte eines von ihm benannten fremden Staates zum gleichen Zeitpunkt entscheiden würden. Die Frage, ob „lokale" oder gar „wohlerworbene" Rechte da sind, von welcher Rechtsordnung sie geschaffen und durch welches Recht sie geprägt sind, wird hier vollkommen ignoriert; die Kollisionsnormen dienen nur dem Richter dazu, zu einer Entscheidung zu kommen, und nicht, um indirekt den Parteien Ansprüche und Rechte zu verschaffen 4. Für diesen im Zusammenhang mit dem renvoi-Problem als foreign court theory bekannt gewordenen Gedanken kommt in dem obigen Beispiel das materielle Recht des letzten Heimatstaates des Kindes nur dann zur Anwendung, wenn auch das Recht des Heimatstaates zur Zeit der Entscheidung es so haben will. Führt man diesen Standpunkt bis in die letzten Konsequenzen durch, so folgt daraus: Das Kollisionsrecht des Heimatstaates zur Zeit der Urteilsfällung bestimmt überhaupt erst diejenigen Staaten, deren Rechte für die Regelung des Unterhalts während irgendeines Lebensabschnitts des Kindes heranzuziehen sind; das Kollisionsrecht des Heimatstaates zur Zeit der Urteilsfällung bestimmt dabei, inwieweit wieder auf das eigene Kollisionsrecht aller dieser Staaten (einschließlich der intertemporalen Wahl unter verschiedenen sich zeitlich folgenden internationalprivatrechtlichen Kollisionsnormen) Bedacht zu nehmen ist. H a t sich in dem Staat, dessen materielles kalen" subjektiven Rechts hingegen sieht die Dinge so, daß in jedem Staat, in welchem die Chance besteht, daß einem Anspruch durch die Gerichte stattgegeben wird — sei es unter Anwendung eigenen, sei es unter Anwendung fremden Privatrechts - , ein subjektives Recht vorhanden ist, so daß meist eine Vielzahl mehr oder weniger übereinstimmender subjektiver Rechte in verschiedenen Staaten besteht. 4 Vgl. z. B. in diesem Sinne Mann (oben N. 1) 221 oben.
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Recht für einen bestimmten Abschnitt schließlich als maßgebend festgestellt ist, dieses Recht geändert, so bestimmt das Kollisionsrecht des Heimatstaates zur Zeit der Urteilsfällung entweder selbst die zeitliche Aufteilung der Herrschaft dieser verschiedenen Rechte, oder es sagt, ob dieser andere Staat die intertemporale Auswahl unter seinen gewandelten materiellen Rechtsnormen zu treffen hat. Mit diesen letzten Konsequenzen gelangt man offensichtlich sofort in das dickste Dorngestrüpp des Gesamtverweisungsproblems. Wir wollen daher der Einfachheit halber im folgenden davon ausgehen, daß das vom Kollisionsrecht des Forumstaates ausgesuchte Heimatrecht zur Zeit der Urteilsfällung auf alle Fälle auf den Unterhalt für den letzten Lebensabschnitt des Kindes das materielle Recht dieses Staates zur Anwendung bringen lassen will, sei es, weil er Heimatstaat, sei es, weil er zugleich Wohnsitzstaat ist, oder aus welchem Grunde auch sonst. Aber auch dann verbleibt, wenn man bei den Gedankengängen der foreign court theory stehen bleibt, dem Kollisionsrecht des letzten Heimatstaates doch die Entscheidung darüber, ob für Unterhaltsansprüche für frühere Lebensabschnitte etwa das jeweilige Wohnsitzrecht heranzuziehen ist, oder ob das materielle Recht des letzten Heimatstaates seinerseits rückwirkend auch auf den Unterhalt für frühere Lebensabschnitte anwendbar sein soll. 4. B e w e r t u n g d e r L e i t i d e e n Es entspricht den von mir früher schon geäußerten Gedanken, daß weder das Denken in lokalen subjektiven Rechten noch die foreign court theory allein die richtige Lösung gewährleisten, sondern daß je nach der Eigenart der Anknüpfung, der Eigenart der Rechtsfrage und der Umstände des konkreten Falles die eine oder andere Denkweise vorzuziehen, unter Umständen sogar eine Zwischenlösung anzustreben ist. So hat die Vorstellung von den ,,im Forumstaat bestehenden" lokalen subjektiven Rechten zurückzutreten, wenn zwar nach den Kollisionsnormen des Forumstaates ein bestimmtes Privatrecht anzuwenden und danach das Bestehen eines subjektiven Rechts anzunehmen war, wenn aber der Forumstaat gar keinen Gerichtsstand bereitstellte, um das subjektive Recht zu schützen. Haben bisher in mehreren Staaten widerspruchsvolle lokale Rechte - besser: lokale Rechtslagen - bestanden, so ist eine effektiv realisierte Rechtslage bei der Gestaltung der Entscheidung 36
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im Forumstaat gegenüber einer nur platonischen Rechtslage vorzuziehen4®. Es lassen sich wohl auch Gesichtspunkte finden, die dafür sprechen, daß für bestimmte Arten von Anknüpfungen das Denken in lokalen subjektiven Rechten adäquat ist, und daß zu bestimmten anderen Arten das Streben nach Imitation der hypothetischen Entscheidung in einem bestimmten anderen Staat am besten paßt. Immerhin muß der Stein der Weisen auch hier noch genauso gefunden werden wie bei der Frage, welche Anknüpfungen sich besser für Gesamtverweisung, welche sich besser für Sachnormverweisung eignen. Es kann daher hier keine erschöpfende Untersuchung dieses Problems durchgeführt werden, sondern wir wollen uns auf einige besonders wichtige Gedankengänge beschränken. Das Denken in lokalen subjektiven Rechten liegt näher, und das Denken im Sinne der foreign court theory hegt ferner, wenn es eine räumliche Beziehung eines in der Vergangenheit liegenden einmaligen Ereignisses (Vertragsabschluß, Delikt, Geburt) ist, die dem Kollisionsrecht des Forumstaates Anlaß gibt, diese Anknüpfung für die Bestimmung des Rechts zugrunde zu legen, das dann auf ein durch das Ereignis ausgelöstes Rechtsverhältnis von mehr oder weniger langer Abwicklungsdauer anzuwenden ist: Wenn die gegebenenfalls von den Gerichten des Forumstaates zu erzwingende Schadensersatzpflicht für eine unerlaubte Handlung aus „der lex loci delicti" entnommen werden soll, so ist es unwahrscheinlich, daß der Urheber dieser Kollisionsnorm wollte, der Richter im Forumstaat solle - zu einem notwendig nach dem Delikt liegenden Zeitpunkt - nach demjenigen Recht entscheiden, das der Richter am Deliktsort zu diesem 4a Dieser Gedanke steckt hinter der Entscheidung der C. App. Rabat 24. 10. 1950, Rev. crit. 41 (1952) 89 (Note Francescakis), die daraus noch weitergehende Folgen zieht: Eine Französin heiratete 1918 in Frankreich einen Italiener; ehelicher Wohnsitz war jahrelang Frankreich, und nach französischem IPR war der Güterstand der des französischen Rechts, während nach italienischem IPR italienisches Recht für den Güterstand maßgebend gewesen wäre. Später verlegten die Eheleute ihren Wohnsitz nach Marokko, dessen internationalprivatrechtliche Bestimmungen für den Güterstand das Heimatrecht des Mannes als maßgebend erklären. Das Gericht hält diese Kollisionsnorm auf jene Ehe überhaupt für unanwendbar, weil sie stillschweigend voraussetzt, daß schon zur Zeit der Eheschließung Anknüpfungen zu Marokko bestehen. Das Gericht bevorzugt dann die französische Ansicht über den Güterstand, weil die konkreten Umstände des Falles darauf hindeuten, daß die Eheleute in diesem Güterstand selbst haben leben wollen. Auch wenn man dem Urteil nicht in allen Einzelheiten zustimmt, sind die dahinterstehenden Grundmotive das Nachdenken wert.
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späteren Zeitpunkt auf die Folgen des Vorgangs anwenden würde, selbst wenn die Beteiligten inzwischen überhaupt keine Beziehungen mehr zu diesem Staat haben. (Es ist eine andere, unten noch zu erörternde Frage, ob eventuell das Bestehen einer sonstigen Beziehung der Parteien zu dem Staat des locus delicti im Zeitpunkt der Entscheidung durch den Forumstaat es rechtfertigt, das Delikt und seine Folgen „durch die Brille" der Rechtsanwendungsnormen am locus delicti zu sehen.) Umgekehrt ist die foreign court theory prima facie eher für solche Situationen geeignet, in denen die Kollisionsnorm des Forumstaates als Anknüpfungsmoment einen Zustand verwendet, der sich über einen bestimmten Zeitraum erstreckt (Besitz der Staatsangehörigkeit, Bestehen eines Wohnsitzes, Lage einer Sache); wenn dieser Zustand mit einer örtlichen Anknüpfung vor dem Urteil, zur Zeit des Urteils und vermutlich auch noch nach dem Urteil zu einem bestimmten Staat hinführt, und wenn dieser Staat auf die streitigen Wirkungen des Rechtsverhältnisses von einem durch ihn bestimmten Zeitpunkt an selbst sein eigenes Recht zur Anwendung bringt, so hat es schon einen Sinn, innerhalb des von dem fremden Staat zur Regelung beanspruchten Zeitraums dessen Recht auch im Forumstaat zur Anwendung zu bringen und zugleich auf Vorgänge, die vor diesem Zeitraum liegen, die aber für die späteren Rechtswirkungen relevant sind, dasjenige Recht anzuwenden, welches in dem Staat zur Anwendung kommen würde, der die letzte Phase über die in einem Zustand bestehende Anknüpfung hinweg beherrscht 6 . 5. E i n s c h r ä n k u n g e n d e r „ f o r e i g n c o u r t t h e o r y " Aber auch wenn auf einen Zustand abgestellt wird, wie er vor, nach und zur Zeit der Urteilsfällung besteht, und wenn man über 5 Hieraus folgt u. a., daß man im Forumstaat dem Erbstatut die Entscheidimg darüber zu überlassen hat, inwiefern erbrechtlich relevante Fakten und Rechtsgeschäfte, die vor dem Erbfall liegen, nach dem materiellen Recht des Erbstatuts oder einem anderen Recht zu bewerten sind und ob, wenn die betreffenden Vorschriften wieder zeitlich gewechselt haben, den alten oder den neuen Vorschriften der Vorzug zu geben ist. Daher hat man es im Forumstaat zu vermeiden, bei Anwendung fremden Erbrechts das auf die Bewertung prämortaler Tatbestände anwendbare Recht unter analoger Anwendung derjenigen Bestimmungen zu ermitteln, die dann anzuwenden sind, wenn der Forumstaat selbst das Erbstatut stellt. Art. 24 III 1 EGBGB (Beurteilung der vor Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erfolgten Errichtung oder Aufhebung einer letztwilligen Verfügung nach dem früheren Heimatrecht) ist daher nicht einfach entsprechend anzuwenden, wenn ausländisches Recht Erbstatut ist.
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die örtlichen Beziehungen dieses Zustandes auf das Recht eines anderen Staates kommt, dessen hypothetische Entscheidung des Prozesses nachahmenswert erscheint, so kann doch der Gedanke, in der Vergangenheit liegende Dinge gemäß dem Standpunkt dieses anderen Staates den in Frage kommenden Rechten zuzuweisen, offenbar nicht immer konsequent durchgeführt werden. Das zeigt sich an folgenden Beispielen: Wenn irgendwo bei der Deutung der Kollisionsnormen des Forumstaates die Verweisung auf fremdes Recht im Sinne der foreign court theory zu verstehen ist, dann am ehesten dort, wo das Kollisionsrecht des Forums den Richter anweist, „gemäß der lex rei sitae" zu entscheiden. Allerdings wird es selten vorkommen, daß eine gemäß der lex rei sitae zu entscheidende Hauptfrage vor ein anderes Gericht als das des Lagestaates gebracht werden wird. Aber wenn es geschieht, wird man sich darüber klar sein müssen, daß der Lagestaat die durch seine Rechtsordnung begründeten lokalen Rechte an der Sache, ob sie nun durch sein eigenes Recht oder ein anderes Recht geprägt werden, mit größerer Wahrscheinlichkeit durchsetzen kann als irgendein anderer Staat, und jeder andere Staat wird als Forumstaat im Interesse beider streitenden Parteien gut tun, nicht von dem abzuweichen, was der Lagestaat zur Zeit der Urteilsfällung im Forumstaat und vermutlich auch noch eine ganze Zeit nachher tun würde. Wenn nun der Lagestaat auf die gegenwärtigen Rechte an der Sache sein eigenes materielles Recht anwenden lassen will, und wenn der Forumstaat dem folgt, so ist es auch durchaus vernünftig, wenn im Forumstaat Tatbestände (reine Fakten, Rechtsgeschäfte und präjudizielle Rechtsverhältnisse), die sich ereignet haben, bevor die Belegenheit der Sache im gegenwärtigen Lagestaat begann, die aber für die gegenwärtigen Rechte an der Sache gemäß dem Recht des Lagestaates von Bedeutung sind, durch die Brille des Belegenheitsstaates gesehen werden; man wird also auf sie im Forumstaat dasjenige Recht anwenden, das der Lagestaat international und intertemporal für maßgeblich hält. Selbst in einem solchen Fall kann es aber Situationen geben, wo man im Forumstaat Hemmungen hat, zurückliegende Dinge nur auf dem Umwege über die Rechtsanwendungsnormen des Lagestaates rechtlich zu bewerten. Unterstellen wir, daß zwei Parteien im Forumstaat, wo sie ihren gemeinsamen Wohnsitz haben, über das Eigentum an einer in einem anderen Staat belegenen beweg-
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liehen Sache streiten. Das Kollisionsrecht des Forums besagt, daß derjenige der richtige Eigentümer ist, der nach dem Recht des Lagestaates als Eigentümer gilt. Nun mag es so sein, daß der Beklagte die Sache im Lagestaat durch Kauf von einem Dritten erworben hat, der sie aus einem früheren Lagestaat mitgebracht hatte. Dieser Verkäufer möge während der Belegenheit der Sache in dem früheren Lagestaat durch Erbfolge Eigentümer geworden sein, wenn auf die Erbfolge das Recht a anwendbar ist; wird aber auf die Erbfolge das Recht b angewendet, so mag der Kläger Eigentümer sein. Liegen nun die Dinge so, daß auf jenen Erbfolgevorgang nach dem Kollisionsrecht des Forumstaates das Recht b, nach dem Kollisionsrecht des Lagestaates hingegen das Recht a anwendbar ist - soll man dann im Forumstaat den Beklagten als Eigentümer betrachten, indem man seinen guten Glauben an die Eigentümerstellung des Verkäufers und damit an die auf die Erbfolge anwendbare Gesetzgebung vom Standpunkt des heutigen Lagestaates her beurteilt, oder soll man im Forumstaat die Frage nach dem Eigentumserwerb zur Zeit des Erbfalls vom Standpunkt des damaligen Lagerechts der Sache her beurteilen, d. h. dasjenige Erbrecht anwenden, welches der frühere Lagestaat hätte anwenden lassen ? Was wäre die erbrechtliche Kollisionsnorm des Forums überhaupt noch praktisch wert, wenn erbrechtliche Vorfragen einer sachenrechtlichen Hauptfrage vom Standpunkt des letzten oder eines früheren Lagerechts her beurteilt würden ? Auch wenn es sich um rein sachenrechtliche Vorgänge in einem früheren Belegenheitsstaat handelt, die ihrerseits Vorfrage für eine nach dem Sachenrecht des späteren Belegenheitsstaates zu lösende Rechtsfrage sind, wird man im Forumstaat nicht immer bereit sein, derartige Vorfragen sklavisch vom Standpunkt des späteren Belegenheitsstaates her zu lösen. Man denke an den Fall, daß eine Enteignung, die durch den früheren Belegenheitsstaat einer beweglichen Sache erfolgt ist, zwar durch den folgenden Belegenheitsstaat der Sache, nicht aber im Forumstaat anerkannt wird, und daß die Sache im späteren Belegenheitsstaat an jemand veräußert wurde, der gemäß dem Standpunkt dieses späteren Belegenheitsstaates zu dem Glauben an die Eigentümerstellung seines Vorgängers gekommen war. Noch weniger wird man geneigt sein, Vorfragen für einen persönlichen Status, selbst wenn man die aus diesem Status streitigen
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Rechtswirkungen nach dem letzten Heimat- (oder Wohnsitz-)Recht beurteilt, unter allen Umständen durch die Brille dieses letzten Statusrechts zu sehen. Wenn die gegenwärtigen Wirkungen einer Ehe zwischen zwei Staatsangehörigen des Landes A im Forumstaat gemäß dem Recht des Landes A zu beurteilen sind, so ist es freilich denkbar, daß auf etwaige rückständige Unterhaltsansprüche für die Zeit, in der die Eheleute noch die Staatsangehörigkeit des Landes B hatten, das Recht von A angewendet wird, wenn auch A auf diesem Standpunkt steht. Der Staat A könnte es ja als eine Störung des nach seinem Recht geregelten gegenwärtigen Zusammenlebens der Eheleute betrachten, wenn unabgewickelte Unterhaltsansprüche nach einem anderen Recht beurteilt werden müßten; und es läßt sich vertreten, daß der Forumstaat diesem Standpunkt des gegenwärtigen Heimatstaates durch eine entsprechende kollisionsrechtliche Regelung Rechnung trägt. Geht man so weit in der Beurteilung früherer Verhältnisse gemäß dem Standpunkt des heutigen Heimatstaates - darf man dann auch die Frage, ob die beiden in einer gültigen Ehe leben, vom Standpunkt des Kollisionsrechts des Staates A beurteilen, falls die Betreffenden früher eine andere Staatsangehörigkeit oder einen anderen Wohnsitz gehabt haben, und deshalb die Gültigkeit der Eheschließung vom Standpunkt verschiedener Rechte her verschieden beurteilt wird ? Darf man also die Vorfrage der Gültigkeit der Ehe vom Standpunkt des Kollisionsrechts des Ehewirkungsstatuts und damit des jeweiligen Heimatrechts beurteilen ? 6 Für diese Lösung spricht ja sicher der Gedanke, daß man, wenn die einzelnen zeitlichen Abschnitte anderer Dauerrechtsverhältnisse mit Hilfe einer wandelbaren Anknüpfung nacheinander verschiedenen Rechtsordnungen zur Regelung zugewiesen werden, jedem dieser Rechte die freie Entscheidung darüber läßt, ob die von dem 6
Vgl. dazu RGZ 132,416 = IPRspr. 1931 Nr. 59: Bin evangelischer Österreicher hat 1918 in Rußland eine jüdische Russin geheiratet. Beide werden später Italiener. Nach österr. Recht rechtfertigte die Religionsverschiedenheit die Nichtigerklärung der Ehe; nach italienischem Kollisionsrecht ist das österr. Ehehindernis der Religionsverschiedenheit (wegen des italienischen ordre public) unbeacbtlich, die Ehe würde also in Italien im Zeitpunkt der deutschen Entscheidung nicht als ungültig betrachtet. Das Reichsgericht erklärt einerseits, daß die nach österr. Recht ungültig geschlossene Ehe durch den Erwerb der italienischen Staatsangehörigkeit nicht gültig werden konnte, meint aber andererseits, daß über die Nichtigkeitsklage nur nach italienischem Recht entschieden werden dürfe, und „daß der deutsche Richter keine Veranlassung hat, eine Ehe für nichtig zu erklären, die im Heimatstaat der Ehegatten als gültig behandelt wird".
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früheren Statut aufgestellten Voraussetzungen für die Fortexistenz des Rechtsverhältnisses genügen sollen, oder ob zu dessen Fortleben in dem späteren Abschnitt alle oder einzelne der nach dem neuen Stat u t erforderlichen Bedingungen gegeben sein müssen: Das Fortleben eines dinglichen Rechts an einer beweglichen Sache wird ja meist vom jeweiligen Lagestaat davon abhängig gemacht, daß zum mindesten die von diesem Recht aufgestellten Dauerbedingungen für die Existenz des subjektiven Rechts - praktisch insbesondere Eintragung in einem öffentlichen Register - , möglicherweise aber auch bestimmte Anfangsbedingungen erfüllt sind, und dieses Erfordernis wird auch in einem anderen Forumstaat respektiert werden. Wenn man aber im Forumstaat, um die Ehewirkungen nach dem Heimatrecht der Ehegatten zu beurteilen, auch die Existenz der Ehe vom Standpunkt des jeweiligen Wirkungsstatuts her prüfen wollte, so würde hiergegen offenbar unter zwei Gesichtspunkten Einspruch erhoben werden: (1) Trennt das Kollisionsrecht des Forumstaates die Bestimmung des auf das Zustandekommen der Ehe anwendbaren Rechts von der Bestimmung des Ehewirkungsstatuts, so wäre die Kollisionsnorm über das Zustandekommen vollkommen zwecklos, wenn man das Zustandekommen als Vorfrage der Frage nach den Wirkungen vom Standpunkt des Kollisionsrechts des jeweiligen Wirkungsstatuts beurteilen würde. (2) Selbst wenn aber nach dem Kollisionsrecht des Forums das erste Ehewirkungsstatut auch über das Zustandekommen der Ehe entscheiden sollte, so wird man doch im Forumstaat Hemmungen haben, zwei Menschen, die mehrfach die Staatsangehörigkeit wechseln, abwechselnd als verheiratet oder nicht verheiratet zu betrachten, je nachdem wie das jeweils letzte Wirkungsstatut sich zu der Frage des Zustandekommens der Ehe und des darauf anwendbaren Rechts stellt. Wir stehen offenbar vor demselben Widerspruch zwischen allgemeinen kollisionsrechtlichen Prinzipien, wie er für das normale Vorfragenproblem charakteristisch ist: Einerseits soll möglichst dieselbe Entscheidung wie in mindestens einem anderen Staat angestrebt werden, andererseits soll die Entscheidung mit den Lösungen harmonieren, die bei anderer Gelegenheit im Forumstaat von dessen Gerichten verkündet werden müßten oder hätten verkündet werden müssen. Auch indem der Forumstaat im Sinne der obigen Lösung 6 ankündigt, er werde auf die Wirkungen eines Rechtsverhältnisses dasjenige Recht anwenden lassen, das im Zeitpunkt der Urteilsfällung
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in dem Staat angewendet werden würde, welcher zu diesem Zeitpunkt durch eine wandelbare Anknüpfung mit dem Rechtsverhältnis verknüpft ist, schafft der Forumstaat in seiner Rechtsordnung lokale subjektive Rechte, die mit den Prägeformen der zuerst realisierten Anknüpfung geprägt sind, und die der Forumstaat nach dem Wechsel des Staates, dessen Entscheidung er zu imitieren Anweisung gibt, nicht immer ganz fallen lassen kann. 6. E i n s c h r ä n k u n g e n d e r I d e e d e s l o k a l e n subjektiven Rechts Die foreign court theory führt natürlich nicht zu einer Lösimg, wenn der Staat, auf dessen Entscheidung es ankommen soll, der Forumstaat selbst ist. Dieser muß dann, genau so wie der fremde Staat seinerseits, nach welchem man sich bei der Lösung 6 richten will, in bezug auf das Zeitmoment zwischen den Lösungen 1-5 wählen. Während sich nun die sechste Lösung, wie gezeigt, Abwandlungen im Sinne des Leitgedankens der ersten Lösung gefallen lassen muß, sind gerade in Deutschland Judikatur und Doktrin außerordentlich geneigt, statt der ersten Lösung die dritte der oben skizzierten Lösungsmöglichkeiten vorzuziehen, also bei Anknüpfung mit Hilfe der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Staatsangehörigkeit das heutige intertemporale Recht dieses Heimatstaates zu berücksichtigen. Darin liegt offenbar eine Konzession an die foreign court theory, obwohl man von der Konzeption des lokalen subjektiven Rechts ausgeht. Wenn der Gesetzgeber für Dauerrechtsverhältnisse nicht im Sinne der vierten Lösung mit Hilfe eines wandelbaren Anknüpfungsmoments nacheinander mehrere Rechte zur Anwendung bringen läßt, so soll doch, sagt man, das durch eine in der Vergangenheit liegende Anknüpfung bestimmte Recht nicht „versteinern". Es bedeutet dies praktisch z. B., daß gesetzgeberische Änderungen des Schuldverhältnisses und rückwirkende Änderungen der Formbestimmungen in derjenigen Rechtsordnung, die als lex loci actus vom Forumstaat zum Vertragsstatut oder zum Formstatut berufen wird, von den Gerichten des Forumstaates zu beachten sind; es heißt dies ferner, daß rückwirkende Änderungen des Erbrechts durch denjenigen Staat, dessen Recht als das des Heimatstaates oder des Lagestaates zur Zeit des Todes als Erbstatut berufen wurde, im Forumstaat beachtet werden müssen, und daß bei Dauerrechtsverhältnissen, die durch eine in der
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Vergangenheit liegende Anknüpfung dem Recht eines bestimmten Staates anvertraut wurden - z. B. Beurteilung des Güterstandes nach dem Heimatrecht des Mannes zur Zeit der Eheschließung - , rückwirkende u n d nicht rückwirkende Änderungen dieses Rechts auch im Forumstaat maßgeblich sind. Es ist nun leicht festzustellen, daß die dritte Lösung in dieser Fassung vielfach zu Ergebnissen f ü h r t , die offensichtlich wenig befriedigend sind. Man unterstelle einmal, daß Staatsangehörige des Landes A im Lande B eine nach dortigem Recht formungültige u n d ohne förmliches Urteil als nichtig zu geltende „ E h e " schließen, daß sie alsbald über das Nichtbestehen der Ehe aufgeklärt wurden und daß sie später in A oder in einem dritten Lande C mit anderen Personen Ehen eingehen. Soll dann die rückwirkende Validierung der Ehe durch die Gesetzgebung von B die erste E h e doch noch zum Entstehen bringen und die später geschlossenen Ehen nichtig machen ? Nach der in Deutschland vorherrschenden Auffassung sind alle Änderungen des Güterstandes durch denjenigen Staat, welcher Heim a t s t a a t des Mannes zur Zeit der Eheschließung war, vom deutschen Richter zu beachten 7 , während der Güterstand sich nicht etwa mit dem Wandel der Staatsangehörigkeit der Ehegatten verändert. Die in der Bundesrepublik u n d in der D D R vorgenommenen Reformen des Güterrechts, deren internationale u n d interzonale Auswirkungen seltsamerweise nicht die Aufmerksamkeit der Gesetzgebungsorgane gefunden haben, zeigen aber im Zusammenhang mit allgemein bekannten politischen Ereignissen, zu welch fragwürdigen Ergebnissen diese herkömmliche Ansicht f ü h r t : Der Güterstand von Emigranten aus der Zeit des Dritten Reiches, die heute in Brasilien leben u n d Brasilianer geworden sind u n d die natürlich von der neuesten deutschen Gesetzgebung keine Ahnung haben, müßte sich, je nachdem ob sie ihren letzten deutschen Wohnsitz in Köln oder Magdeburg, Westberlin oder Ostberlin gehabt haben, vom Güterstand der Verwaltung und Nutznießung entweder in den Güterstand der Zugewinstgemeinschaft oder in den der Gütertrennung verwandelt h a b e n 8 ; das wird vor allem bei Wiedergutmachungsanprüchen praktisch wichtig. Die meisten Deutschen, die ihren ersten ehelichen Wohnsitz auf dem Gebiet hatten, das heute zur D D R gehört, die aber schon vor dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes 7 8
Vgl. Kegel bei Soergel, B G B 8 IV (1955) Bern. I zu Art. 15 E G B G B . Kritisch hierzu auch Braga, FamRZ 1957, 341 N. 48.
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der Bundesrepublik (1. 7. 1958), oder gar vor der Zonentrennung, nach dem Gebiet der Bundesrepublik gezogen sind, wären sehr erstaunt, wenn man ihnen sagen würde, daß ihr Güterstand nicht durch das genannte Gleichberechtigungsgesetz erfaßt würde, sondern daß sie - jedenfalls im Innenverhältnis - dem jeweils vom Gesetzgeber der DDR verfügten Güterstand unterstehen 9 . 9 Die analoge Anwendung der Sätze des deutschenIPR über das eheliche Güterrecht auf die interzonalen Beziehungen ist m. E. praktisch undurchführbar. Gegen diese Anwendung haben sich auch solche Autoren ausgesprochen, die f ü r die „Unwandelbarkeit" der erworbenen Volljährigkeit im interzonalen Hecht eintreten, vgl. Schlichting, MDB 1951, 140, und Beitzke, J R 1952, 144. Zum Vergleich interessant sind in diesem Zusammenhang die Ansichten über den gesetzlichen Güterstand der Bewohner von Eupen-Malraedy, die während der Einführung des deutschen Rechts im zweiten Weltkrieg geheiratet haben (vgl. unten N. 22). Nach dem ersten Entwurf der belgischen Repräsentantenkammer über ein Gesetz betreffend Bereinigung der deutschen gesetzgeberischen Maßnahmen sollte mangels Ausübung eines Wahlrechts durch solche Ehegatten ihr Güterstand rückwirkend nach belgischem Recht zu beurteilen sein, da eine Fortwirkung des deutschen Rechts grundsätzlich nur insoweit angenommen werden sollte, als sie auf Rechtsgeschäft beruhte. Nach den Änderungen des Entwurfs im Senat sollte der deutsche gesetzliche Güterstand mit dem Inkrafttreten des neuen belgischen Gesetzes durch den gesetzlichen Güterstand des belgischen Rechts ersetzt werden, entsprechend dem vom Senat eingeführten Gedanken, daß „effets acquis de la législation allemande" aufrechterhalten werden sollten. Die Repräsentantenkammer lehnte das wieder ab, und der Senat fügte sich dem, nachdem man festgestellt hatte, daß die Praxis einhellig seit dem Ende der deutschen Besetzung von der Maßgeblichkeit des belgischen gesetzlichen Güterstandes f ü r jene Ehen ausgegangen war. Eine entsprechende de-facto-Assimilation der Güterstände von Ostzonenflüchtlingen an das Güterrecht der Bundesrepublik dürfte anzunehmen sein. Es kann dies übrigens um so eher geschehen, als die DDR selbst den Grundsatz der Unwandelbarkeit des Güterstandes über Bord zu werfen scheint, vg. Art. 22 des Vertrages vom 28. 11. 1957 mit der Sowjetunion (GBl DDR 1958 I 241), und Art. 27 des Vertrages vom 30. 10. 1957 mit Ungarn (GBl D D R 1958 I 277). Ein brauchbarer Ansatz zu der anzustrebenden Lösung, daß mindestens alle deutschen Eheleute die beim Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes ihren ständigen Aufenthalt (oder Wohnsitz, wenn man hierauf abstellen will) in der Bundesrepublik haben, dem neuen Güterrecht unterstehen, kann aber nur dann gefunden werden, wenn man einsieht, daß insbesondere die Existenz einer gesamtdeutschen Staatsangehörigkeit und die besondere staatsrechtliche Situation zwischen den beiden Teilgebieten einer sklavischen analogen Anwendung des I P R auf das deutsche interzonale Recht Grenzen setzt. Indem die westdeutsche Rechtsprechung (und großenteils auch die Doktrin) bei der interzonalen Rechtsanwendung - die Anerkennung von Staatsakten steht auf einem anderen Blatt — das gesamtdeutsche Element fast vollständig ignoriert und die Rechtsanwendungsfragen so löst, als ob die Bundesrepublik und die D D R schon bereits zwei vollkommen getrennte selbständige Staaten wäre, ist zu der Verstärkung der deutschen Spaltung bedauerlicherweise ein weiterer Beitrag geleistet worden.
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Richtet sich die Erbfolge nach dem Recht des Staates, der zur Zeit des Todes Lageort der Nachlaßgegenstände war, und ist ein beweglicher Nachlaßgegenstand nach dem Tode in einen anderen Staat verbracht worden, so müßte man im Sinne der dritten Lösung dort und in einem anderen Forumstaat rückwirkende Änderungen des Erbrechts durch den früheren Lagestaat zur Anwendung bringen, während doch offenbar niemand daran denken würde, rückwirkende Änderungen sacAenrechtliclier Vorgänge, die sich zur Zeit der früheren Belegenheit ereignet haben, zu beachten, nachdem die Sache den Staat verlassen hat. Handelt es sich um ein Grundstück in einem Gebiet, das nach dem Tode des Erblassers die Gebietshoheit gewechselt hat, so müßte die Rechtsordnung des Staates, zu dessen Gebiet das Grundstück im Zeitpunkt des Todes gehörte, auch nach der Gebietsabtretung die Erbfolge rückwirkend ändern können, nicht aber der neue Lagestaat, zu dessen Rechtsordnung das Grundstück im Zeitpunkt des Todes, auf den es ja ankommt, gar keine Anknüpfungen aufwies, obwohl dieser Staat andererseits allein in der Lage ist, effektiv das rechtliche Schicksal des Grundstücks zu regeln. Gerade Änderungen im Bestand der Staaten seit dem Zeitpunkt, der für das zu einem Staat führende Anknüpfungsmoment maßgebend war, bereiten größte Komplikationen: Angenommen, im Jahre 1933 hat ein Danziger Staatsangehöriger geheiratet und ist mit seiner Frau nach Brasilien ausgewandert; der deutsche Richter soll - etwa im Zusammenhang mit der Erbregelung - feststellen, welcher Güterstand 1957 für die Ehe maßgebend war. Wenn man nicht schon an dem vorhin erwähnten Umstand Anstoß nimmt, daß solche Emigranten oft alle Brücken zum früheren Heimatstaat abgebrochen haben, müßte man die intertemporalen Kollisionsnormen ermitteln, die die Gerichte des Staates Danzig heute zur Bestimmung des Güterstandes anwenden würden; aber der Staat Danzig besteht bekanntlich nicht mehr. Ein anderes Beispiel: Ein polnischer Staatsangehöriger ist 1939 mit Wohnsitz in Lemberg verstorben. Ist auf seine Erbfolge unter den verschiedenen zeitlich sich folgenden polnischen Erbrechten dasjenige anzuwenden, welches heute in Polen, dem Heimatstaat des Erblassers zur Zeit des Todes, angewendet würde? Wäre der Erblasser 1917 als österreichischer Staatsangehöriger in Lemberg gestorben und wäre heute in Deutschland die Erbfolge nach ihm zu bestimmen - wäre dann das heutige intertemporale Recht der Republik Österreich heranzuziehen (falls ihre Identität mit dem Kaiserreich Österreich unterstellt wird) ?
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Oder müßte man in dem letzten Beispiel irgendwie auf die intertemporale Regelung des heute in Lemberg geltenden sowjetischen Rechts kommen? Sowohl die foreign court theory als auch die Möglichkeit, daß in einem Staat das ursprünglich einheitliche Recht durch eine Mehrheit von Teilgebietsrechten ersetzt wird, legen den Versuch nahe, in solchen Fällen die Verweisung auf das ,,in dem Staat", der zur Zeit des Todes Heimatstaat war, geltende Recht zu verfeinern in eine Verweisung auf das heute an einem bestimmten Ort dieses Staates geltende Recht. Gerade an dem Beispiel des Lemberger Erblassers zeigt sich aber, wie problematisch eine solche Umdeutung der „Flächenverweisung" in eine „Punktverweisung" ist: War der Erblasser polnischer oder jüdischer Volkszugehöriger, so hätte er nach einem polnisch-sowjetischen Abkommen vom Juni 1945, wenn er damals noch gelebt hätte, Lemberg verlassen und nach Polen auswandern können; er hätte aber auch in Lemberg verbleiben können. Soll es auf den hypothetischen Wanderungswillen des Erblassers ankommen? Die Umwandlung der Flächenverweisung in eine Punktverweisung wird auch dann problematisch, wenn das Recht eines bestimmten Staates durch Parteiautonomie bestimmt worden ist: H a t ein Schweizer 1933 mit einem in Breslau wohnenden Deutschen kontrahiert, und haben sie „deutsches" Recht, d. h. das materielle Recht des deutschen Staates, zum Schuldstatut bestimmt, so ist es höchst unklar, ob damit auch das heute in Breslau vom polnischen Staat eingeführte Recht gemeint war, das dort faktisch an die Stelle des früheren deutschen Rechts getreten ist, und wenn nicht, ob das deutsche Recht der Bundesrepublik oder das der DDR mit etwaigen neuen Vorschriften oder rückwirkenden Bestimmungen maßgeblich ist. 7. U n z u t r ä g l i c h k e i t e n b e i d e r d r i t t e n
Lösung
Es darf aber bezweifelt werden, daß man grundsätzlich in allen Fällen, wo für die Ermittlung des anwendbaren Rechts die zu einem bestimmten, vor der Urteilsfällung liegenden Zeitpunkt bestehende Anknüpfung maßgebend ist, mangels genauer gesetzlicher Bestimmungen spätere Änderungen dieses Rechts, insbesondere solche rückwirkender Art, nach Maßgabe seiner intertemporalen Bestimmungen zu beachten habe 1 0 , daß also die dritte Lösung der ersten vorzuziehen ist. 10 So allgemein Kegel (oben N. 7), Vorbem. I 11 c) dd) vor Art. 7 EGBGB (S. 28), und Makarov, RabelsZ 22 (1957) 203 mit weiteren Literaturangaben.
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Z. B. ist die Beachtung rückwirkender Änderungen des Rechts der unerlaubten Handlungen durch die lex loci delicti mit dem rationalen Zweck der Verweisung auf dieses Recht nicht zu vereinbaren. Denn wenn der Forumstaat auf einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung die lex loci delicti anwenden läßt, so deshalb, weil er der Auffassung ist, daß der Täter mit dem Verbot der lex loci delicti und den durch dieses Recht angedrohten Unrechtsfolgen bei seinem Handeln rechnen konnte und mußte. Niemand kann aber sein Handeln nach den Vorschriften einrichten, die am Handlungsort mit rückwirkender K r a f t eingeführt werden. Und wenn die lex loci delicti nachträglich Schadensersatzansprüche, die sie zur Zeit der unerlaubten Handlung gewährte, wegfallen läßt, so ist das keine solche Regelung des Deliktsrechts mehr, wie sie in der Kollisionsnorm des Forumstaates vorausgesetzt wird, sondern darin liegt einfach eine gesetzgeberische Verfügung über den entstandenen Schadensersatzanspruch. Daß die lex loci delicti als solche hierzu befugt sein sollte, ist nicht einzusehen. Auch in anderen Fällen ist es offensichtlich unangebracht, spätere Änderungen des Rechts zu berücksichtigen, das nach dem Stand eines zurückliegenden Zeitpunktes zur Anwendung berufen wird. Soll nach Art. 17 I I E G B G B eine Ehescheidung nur dann erfolgen, wenn ein Scheidungsgrund nach dem Recht des Staates vorhegt, dem der Ehemann zur Zeit der Verwirklichung dieses Scheidungsgrundes angehörte, so mag man darüber im Zweifel sein, ob unmittelbar die Sachnormen dieses Heimatrechts gemeint sind oder die Sachnormen, auf die das damals geltende Kollisionsrecht des Heimatstaates verwies; sicher aber kommt es nicht darauf an, ob der frühere Heimatstaat der Eheleute, nachdem sie eine andere Staatsangehörigkeit erworben haben, wegen des in der Vergangenheit liegenden Ereignisses heute auf die Scheidungsklage sein älteres oder sein neues Recht anwenden lassen würde. Wenn man schon den früheren Vorgang nicht vom Standpunkt der lex fori, sondern von dem eines fremden Staates aus beurteilen will, dann kann man sich nur auf den Standpunkt des Heimatstaates zur Zeit der Entscheidung über die Scheidungsklage - genauer: des Scheidungsstatuts - stellen; führt man diesen Gedanken konsequent durch, so muß die Beachtlichkeit des früheren Heimatrechts für den gegenwärtigen Scheidungsprozeß davon abhängig sein, ob das Kollisionsrecht des heutigen Heimatstaates dem früheren Heimatrecht zur Zeit der Entstehung des Scheidungsgrundes irgendeine Bedeutung
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beilegt. Wenn nun aber das Kollisionsrecht des Forums diese Deutung ausdrücklich ausschließt, wie es nach Art. 17 I I EGBGB der Fall ist, dann ist die zeitliche Fixierung der Verweisung auf früheres Heimatrecht im Sinne unserer ersten Lösung offensichtlich sinnvoller als die Deutung im Sinne der dritten Lösung. Etwas anders Hegt es, wenn man fragt, ob die vom Kollisionsrecht des Forumstaates den Parteien gegebene Ermächtigung, das auf einen Schuldvertrag anwendbare Recht zu bestimmen, ihnen erlaubt, eine „starre" Verweisung auf das zu einem bestimmten Zeitpunkt geltende Schuldrecht eines Staates auszusprechen, oder ob eine parteiautonome Verweisung auf ein bestimmtes Recht stets nur unter Einschluß späterer Änderungsgesetze des gewählten Staates nach Maßgabe seiner intertemporalen Normen denkbar ist. Steht das Kollisionsrecht des Forumstaates auf dem Standpunkt, daß die Parteien nur das Recht eines solchen Staates wählen dürfen, welches eine engere Beziehung zu dem Geschäft aufweist, so liegt es nahe anzunehmen, daß sie auch die intertemporale Regelung des betreffenden Rechts mitwählen müssen. Gibt aber das Kollisionsrecht des Forumstaates den Parteien die Freiheit, ein behebiges staatliches Recht als Schuldstatut zu wählen, so ist nicht einzusehen, daß sie dann gezwungen wären, etwaige Änderungen dieses Rechts mitzuwählen, und daß sie gehindert wären, das Recht des betreffenden Staates so, wie es zu einem bestimmten Zeitpunkt gilt, als anwendbar zu bezeichnen u . 8. V e r s t e i n e r u n g d e s R e c h t s v e r h ä l t n i s s e s o d e r d e r Gesetzgebungskompetenz Es ist nicht leicht zu sagen, was eigentlich hinter der Sorge vor der „Versteinerung" eines Privatrechtsverhältnisses steht 12 . Die Ab11
Wenn eine rechtsgeschäftliche Bestimmung vorsieht, daß in einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Rechtsverhältnis als auslösender Tatbestand fürbestimmteWirkungen des Rechtsgeschäfts vorhanden sein muß-nach einem Testament muß jemand in einem bestimmten Zeitpunkt „verheiratet" sein, „eheliches Kind" sein, um erben zu können, vgl. In re Luch, [1940] Ch. 864-, so ist wohl meist gemeint, daß das konkrete Rechtsverhältnis nach dem in dem betreffenden Zeitpunkt geltenden Recht bestehen muß, so daß es nicht erst durch rückwirkende Vorschriften nachträglich geschaffen werden kann. 12 Makarov (oben N. 10) spricht im Anschluß an Werner Goldschmidt von „Versteinerung" der fremden Rechtsordnung. Das ist m. E. nicht ganz präzis, denn nur die konkrete Regelung, also das Rechtsverhältnis im Sinne eines Komplexes konkreter Normen, wird Änderungen entzogen, nicht aber die fremde staatliche Rechtsordnung.
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wicklung eines Schuldvertrages, einer Ehe, eines Nachlasses usw. geht ja in relativ kurzer Zeit vor sich und erfolgt in den meisten Kulturstaaten nach Normen, die zwar gelegentlich verändert werden, die aber im allgemeinen doch über Jahrzehnte hindurch in Kraft bleiben. Warum sollte es also untragbar sein, daß ein konkreter Güterstand der Verwaltung und Nutznießung nach den früheren Vorschriften des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs bei Emigranten, die zur Zeit der Eheschließung Deutsche waren, nach altem Recht „ausläuft", ohne in die neuen Güterstände des Rechts der Bundesrepublik bzw. der DDR überführt zu werden ? Warum sollte es untragbar sein, den Nachlaß eines Ausländers in Deutschland gemäß dessen Heimatrecht nach dem Stande zur Zeit des Todes und ohne Berücksichtigung seiner neueren, rückwirkenden Vorschriften abzuwickeln ? Ein rechtspolitisches Bedürfnis dafür, daß das konkrete Rechtsverhältnis Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse angepaßt und daß es etwaigen auf Grund solcher Veränderungen zustande gekommenen neuen Vorschriften unterworfen wird, besteht z. B. in bezug auf währungspolitische Bestimmungen; starke politische Beeinflussungen des privatrechtsgeschäftlichen Verkehrs führen unter Umständen auch zu einschneidenden gesetzgeberischen Veränderungen der so zustandegekommenen Rechtsverhältnisse (vgl. die Rückerstattungsgesetzgebung), aber gerade bei solcher politischen Gesetzgebung über Privatrechtsverhältnisse kommen ja die normalen Kollisionsnormen des internationalen Privatrechts meist nicht zum Zuge, vielmehr wird der Anwendungsbereich derartiger Gesetze - sowohl des Forumstaates als auch anderer Staaten - nach besonderen Regeln bestimmt13. 13 Die Rechtsprechung für die Geltungsbereiche der Rückerstattungsgesetze der amerikanischen und der britischen Zone (sowie der Rückerstattungsanordnung für Westberlin) lehnt einhellig die v o m Obersten Rückerstattungsgericht Rastatt 15. 2. 1952, R z W 1952, 187, für den Geltungsbereich des Rückerstattungsrechts der französischen Zone vertretene Auffassung ab, die normale kollisionsrechtliche Lokalisierung des der Entziehung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts entscheide über das anwendbare Rückerstattungsrecht. Jede Zone wendet nur ihr eigenes Rückerstattungsgesetz an, und sie wendet es im Prinzip dann an, wenn die Rückerstattung in der betreffenden Zone durchgeführt werden kann, ganz gleich, w o früher das Entziehungsgeschäft (meist innerhalb Deutschlands) abgeschlossen wurde, und welches Recht Geschäftsstatut dafür war bzw. gewesen wäre, wenn damals die Geltungsgebiete der heutigen Rückerstattungsgesetze verschiedene Privatrechtsteilgebiete gewesen wären; vgl. Wengler, N J W 1954, 737-742.
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Wenn also schon das Kollisionsrecht des Forums besagt, daß der Güterstand nach dem Heimatrecht des Mannes zur Zeit der Eheschließung, daß die Form des Vertrages nach dem Recht des Staates zu beurteilen ist, dem zur Zeit des Vertragsabschlusses die Gebietshoheit über den Abschlußort zusteht, so gibt das zu dem maßgeblichen Zeitpunkt vorhandene materielle Privatrecht des betreffenden Staates, das Ausgangsstatut, wie wir es nennen wollen, im allgemeinen eine für die Abwicklungsdauer des konkreten Rechtsverhältnisses brauchbare und ausreichende Regelung. Es genügt nicht, mit dem negativen Argument zu operieren, daß eine Versteinerung des Rechtsverhältnisses vermieden werden müsse; um zu rechtfertigen, daß die Versuche zur Änderung des konkreten Rechtsverhältnisses durch neue Vorschriften des Gesetzgebers, der das Ausgangsstatut stellen durfte, im Forumstaat beachtet werden, ist es wichtiger zu untersuchen, ob positive Argumente dafür vorhanden sind, daß man das letztlich ja von der Rechtsordnung des Forumstaates geschaffene, in ihrem Herrschaftsbereich geschützte, und nur mit Hilfe der Prägeformen eines fremden Rechts inhaltlich ausgestaltete Rechtsverhältnis später durch neue Vorschriften dieser fremden Rechtsordnung umprägen läßt. Von entscheidender Bedeutung ist es, daß die Berufung der Rechtsordnung irgendeines Staates zu solchen Änderungen eine im Zeitpunkt der gesetzgeberischen Änderung aktuell vorhandene Beziehung des Rechtsverhältnisses zu diesem Staat voraussetzt. Der Umstand, daß ein Staat einmal im Anfangsstadium eines konkreten Privatrechtsverhältnisses eine Anknüpfung zu diesem aufgewiesen hat, reicht allein nicht aus, um die fortdauernde Legitimation dieses Staates zur Anordnung von Änderungen in dem Rechtsverhältnis zu begründen. Während die Gefahr, daß das Rechtsverhältnis durch Versteinerung seiner im Anfangsstadium maßgebenden privatrechtlichen Regelung Schaden erleidet, wie vorhin gezeigt, gar nicht besteht, steht eine Versteinerung der Gesetzgebungskompetenz zur Gestaltung des Rechtsverhältnisses, ohne daß sie durch eine lebendige Anknüpfung fortdauernd bestätigt wird, mit den Grundgedanken des internationalen Privatrechts in Widerspruch. Die Tatsache, daß zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt ein Staat mit einem konkreten Privatrechtsverhältnis durch eine Anknüpfung verbunden war, berechtigt diesen Staat daher auch nicht, das konkrete Ergebnis der Regelung durch seine früheren Vorschriften rückwirkend zu ändern oder auch nur rückwirkend
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zu widerrufen, wenn nicht eine aktuelle Anknüpfung noch im Zeitpunkt der rückwirkenden Maßnahmen vorhanden ist. H a t die bewegliche Sache, deren sachenrechtlicher Status ja in den meisten Kollisionsrechten durch das materielle Recht des jeweiligen Lagestaates bestimmt wird, den Staat A verlassen, und ist sie nach B gekommen, so kann der Gesetzgeber von A nicht rückwirkend dingliche Rechte an der Sache, die er hat entstehen und die B hat fortbestehen lassen, vernichten oder einen Übergang dinglicher Berechtigungen von dem einen auf den anderen Inhaber rückwirkend aufheben 1 4 . Der Staat A kann nicht in Gestalt rückwirkender Vorschriften während der Belegenheit der Sache im Staate B Rechtsfolgen für den späteren Stand des subjektiven Rechts an der Sache herbeiführen, die er in anderer Weise als durch Rückwirkungsprätentionen deshalb nicht hätte herbeiführen können, weil ja in dem späteren Zeitpunkt das Recht des Staates B für derartige Rechtsvorgänge zweifellos allein maßgebend ist. Auch eine als rückwirkend bezeichnete Änderung von früheren Gestaltungen eines fortbestehenden Rechtsverhältnisses ist ja eine gegenwärtige Änderung, nur verbunden mit der Fiktion, daß der neue Rechtszustand schon in einem früheren Zeitpunkt eingetreten sei. Rückwirkende Änderungen der Berechtigung an einer Sache sind, wenn sich daraus indirekt eine Änderung des gegenwärtigen Rechtsinhabers ergibt, Änderungen der gegenwärtigen Berechtigung. Es ist auch nicht einzusehen, daß dem Staat A die Befugnis zu solchen rückwirkenden Änderungen des Rechts an einer Sache dann zukommen sollte, wenn die Sache inzwischen untergegangen ist, also kein neuer Lagestaat mit der ausschließlichen Befugnis zur Änderung des gegenwärtigen Rechtsstandes vorhanden ist. Geht man von der Vorstellung aus, daß die Kollisionsnorm, insbesondere wenn im Forumstaat eine Zuständigkeit zur Erzwingung gegeben ist, dort ein lokales subjektives Recht geschaffen habe, wenn es auch mit den Prägeformen fremder Sachnormen ausgestaltet ist, so stellen gerade rückwirkende Gesetzesänderungen in dem Ausgangsstatut meist Eingriffe in bestehende subjektive Rechte dar, und die Anwendung solcher Vorschriften, sei es des eigenen, sei es eines fremden Staates, ist daher oft schon aus verfassungsrechtlichen Gründen bedenklich 15 . " Vgl. dazu Gass. Paris 14. 3. 1939, Rev. crit. (1939) 280. 16 Rechtsprechung und Literatur erörtern die Anwendung fremder rückwirkender Gesetze meist unter dem allgemeinen Gesichtspunkt, wann solche 37 Zeitschrift für internat. Privatrecht. H. 8/4 (Jahrg. 23)
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9. Ä n d e r u n g s b e f u g n i s b e i Z u s t a n d s a n k n ü p f u n g e n Wird ein Staat mit seinem Privatrecht vom Kollisionsrecht des Forumstaates zur Regelung eines Rechtsverhältnisses berufen, weil er im Anfangsstadium des Rechtsverhältnisses eine ausreichende Anknüpfung zu diesem aufweist, so können spätere Änderungen durch neue Vorschriften dieses Staates - sei es in rückwirkender, sei es in nicht rückwirkender Fassung - dann im Forumstaat beachtlich werden, wenn jener andere Staat im Zeitpunkt des Erlasses dieser Vorschriften noch eine aktuelle Anknüpfung zu dem Rechtsverhältnis aufweist. a) Fortbestehen der Zustandsanknüpfung
zum
Ausgangsstatut
Es ist dies relativ einfach, wenn die in dem Anfangsstadium maßgebende Anknüpfung in einem Zustand (Staatsangehörigkeit, Wohnsitz, Lage) besteht und dieser Zustand unverändert zu dem ebenfalls unveränderten Staat weiterbesteht: Behält z. B. der Ehemann die Staatsangehörigkeit, die er zur Zeit der Eheschließung hat, so ist M a ß n a h m e n , die j a sehr o f t politische Ursachen h a b e n , wegen dieses U r sprungs gegen den ordre public im Sinne des F o r u m s t a a t e s verstoßen, wobei ein Verbot rückwirkender Gesetze i m F o r u m s t a a t eine zusätzliche S t ü t z e f ü r die Ablehnung f r e m d e r rückwirkender Gesetze bietet. Die in der vorigen Note e r w ä h n t e E n t s c h e i d u n g b e t o n t das F e h l e n einer E n t s c h ä d i g u n g bei einer rückwirkenden E n t e i g n u n g durch Spanien. Man k a n n verschiedener Meinung d a r ü b e r sein, ob verfassungsrechtliche Verbote der Anwendving b e s t i m m t e r durch ihren I n h a l t gekennzeichneter Gesetze auch ausländisches R e c h t , das d u r c h die Kollisionsnormen zur A n w e n d u n g berufen wird, u n m i t t e l b a r treffen oder auf d e m U m w e g über die kollisionsrechtliche Vorbehaltsklausel. Wenn a b e r d a s in Deutschland belegene Vermögen eines Polen zunächst n a c h d e m i m Z e i t p u n k t des Todes a n w e n d b a r e n kongreßpolnischen E r b r e c h t e n t f e r n t e n Verwandten zu E i g e n t u m zufällt, u n d wenn es bei einer rückwirkenden Anw e n d b a r k e i t des neuen polnischen E r b r e c h t s , in d e m das Verwandtenerbrecht eingeschränkt ist, d e m F i s k u s anfallen würde, so wäre d a s im E f f e k t eine E n t e i g n u n g deutschen Vermögens d u r c h einen in Deutschland angewendet e n polnischen Rechtssatz, die m i t A r t . 14 I I I G G n i c h t zu vereinbaren wäre, wobei es gleichgültig ist, ob der N a c h l a ß d e m deutschen oder d e m polnischen Fiskus z u k o m m e n würde. D a gegenüber d e m polnischen Gesetz eine A n r u f u n g des Bundesverfassungsgerichts wegfällt, k a n n jedes deutsche Gericht die A n w e n d u n g dieser verfassungswidrigen E n t e i g n u n g verweigern. H a b e n E h e l e u t e zunächst in einem S t a a t m i t G ü t e r t r e n n u n g gelebt, so w ä r e nach einer Wohnsitzverlegung nach Kalifornien die B e h a n d l u n g dessen, was jeder vor d e m Wohnsitzwechsel (insbesondere a u ß e r h a l b Kaliforniens) erworben h a t , als Community p r o p e r t y ein verfassungswidriger Eingriff in bestehende E i g e n t u m s r e c h t e i m Sinne des amerikanischen Verfassungsrechts, vgl. Estate of Thornton, 1 Cal. 2d 1, 33 P . 2d 1 (1934). U m wieviel m e h r m ü ß t e d a s gelten, w e n n der f r ü h e r e W o h n s i t z s t a a t rückwirkend d a s v o n den G a t t e n E r w o r b e n e zu Community property erklären wollte.
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dieser Staat auch während dieses Zeitraums zu Änderungen des Güterstandes berufen, der zunächst einmal durch „das Heimatrecht des Ehemannes zur Zeit der Eheschließung" bestimmt wurde. Behalten die Eheschließenden ihre Staatsangehörigkeit, die sie bei der Eheschließung haben, so sind eventuell auch rückwirkende Validierungen einer zunächst mangelhaften Ehe durch den betreffenden Staat möglich. Ändert sich der Staat, ändert sich insbesondere der Bestand des Staatsgebiets, so geht die Befugnis zur Änderung des konkreten Rechtsverhältnisses möglicherweise auf einen der Nachfolgestaaten im Gebiet über. Das ist wohl fast selbstverständlich, wenn die Anknüpfung in einer Dauerbeziehung zum Gebiet (Wohnsitz, Lage) besteht; aber auch wenn durch Abtretung von Gebietsteilen oder Spaltung eines Staates das bis dahin einheitliche Staatsvolk auf verschiedene Staaten aufgeteilt wird, kann die von der Staatsangehörigkeit abhängige Kompetenz zur Regelung und damit auch zur Änderung des konkreten Rechtsverhältnisses auf einen Nachfolgestaat übergehen, wenn im Zusammenhang mit der Gebietsveränderung auch die Staatsangehörigkeit in dem Nachfolgestaat an die Stelle der in dem früheren kritischen Zeitpunkt bestehenden Staatsangehörigkeit tritt: Den Güterstand von deutschen Staatsangehörigen, die 1919 im Zusammenhang mit der Abtretung ElsaßLothringens französische Staatsangehörige geworden sind, kann seitdem der französische Staat regeln, während die Regelungsbefugnis des deutschen Reststaates weggefallen ist 16 ; den Güterstand von Deutschen, die vor 1945 geheiratet haben, kann, wenn sie der Bundesrepublik durch ständigen Aufenthalt „zugehören", der Gesetzgeber der Bundesrepublik, wenn sie einem andern deutschen Gebiet zugehören, der dortige Gesetzgeber ändern. Aus der Fassung des Art. 15 EGBGB, wonach es auf das Recht des Staates ankommt, dem der Ehemann zur Zeit der Eheschließung angehört, kann nicht entnommen werden, daß damit der Reststaat gemeint ist, solange er für die Zwecke des Völkerrechts mit dem alten Staat identisch bleibt 17 ; diese Bestimmung besagt im Grunde nur etwas Negatives, nämlich daß der Ehemann nicht durch Naturalisation auf den Güterstand das Recht seines neuen Heimatstaates zur Anwendung bringen kann. 16
Vgl. zu diesen Fragen Kegel, oben N. 10. So allerdings Makarm (oben N. 10) 213 für die „Staatsangehörigkeit" des Erblassers, die ja mit dem Tode endet. 17
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Aber selbst bei freiwilligem Erwerb einer neuen Staatsangehörigkeit lassen sich Fälle denken, in denen es wenig sinnvoll wäre, wenn man dem neuen Heimatstaat die Befugnis zur Änderung des Güterstandes versagen wollte. Würde der Staat Israel den Güterstand aller Ehen seiner Staatsangehörigen durch Gesetz neu und einheitlich regeln - sollte man dann außerhalb Israels bei solchen Israelis, die bereits verheiratet eingewandert sind, und damit bei einem ganz großen Teil der Bevölkerung des Staates Israel, trotzdem weiterhin das Recht ihres früheren Heimatstaates als maßgebend betrachten ? b) Nachschubanknüpfung Wird ein Rechtsverhältnis gemäß dem Recht eines Staates geprägt und eventuell modifiziert, solange der Zustand andauert, der dieses Rechtsverhältnis zu Anfang mit diesem Staat verknüpft hat, endet aber dann die Verknüpfung mit dem betreffenden Staat (bzw. dem Nachfolgestaat) - die Staatsangehörigkeit, der Wohnsitz, die Belegenheit in dem betreffenden Staat hören auf —, so ist der Umstand, daß das Kollisionsrecht des Forumstaates nun nicht den neuen Heimatstaat usw. zu etwaigen Änderungen des Rechtsverhältnisses beruft, allein noch kein Grund anzunehmen, daß das Ausgangsstatut auch mit weiteren, neuen Bestimmungen für das Rechtsverhältnis maßgebend ist. Wohl aber kann dies dann angenommen werden, wenn der betreffende Staat durch eine andere Anknüpfung, die gleichsam an die Stelle der verlorengegangenen Anknüpfung geschoben wird, mit dem Rechtsverhältnis verbunden bleibt: auch wenn der Ehemann die Staatsangehörigkeit in dem Staat, der zur Zeit der Eheschließung sein Heimatstaat war, später verliert, kann dieser Staat dann weiterhin auf den Güterstand durch neue Vorschriften einwirken, wenn z. B. die Eheleute in diesem Staat ihr Domizil behalten. Dieser Gedanke der Nachschubanknüpfung ist ja gerade dem gesetzten deutschen Kollisionsrecht nicht fremd: Wenn in Artt. 19 und 20 EGBGB die zunächst durch die deutsche Staatsangehörigkeit des Vaters (bzw. der Mutter) herbeigeführte Anwendung deutschen Rechts für den Fall weitergilt, daß zwar Vater bzw. Mutter die deutsche Staatsangehörigkeit verloren, aber das Kind sie behalten hat, so schiebt eben das gesetzte Kollisionsrecht an Stelle der weggefallenen Daueranknüpfung zum deutschen Staat eine andere Anknüpfung zu Deutschland nach. Worin eine ausreichende Nachschubanknüpfung besteht, kann nicht immer von vornherein ab-
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schließend gesagt werden. Wenn das Ausgangsstatut für den Güterstand von der Staatsangehörigkeit des Mannes zur Zeit der Eheschließung abhängt18, wenn das Ausgangsstatut für die Nachlaßabwicklung von der Staatsangehörigkeit des Erblassers oder von der Lage der Nachlaßgegenstände zur Zeit seines Todes bedingt ist 19 , oder wenn das Ausgangsstatut für den Unterhaltsanspruch des unehelichen Kindes auf der Staatsangehörigkeit der Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes beruht, so kann nicht von vornherein abschließend gesagt werden, worin die Nachschubanknüpfung bestehen kann; es hängt dies vielmehr weitgehend von den Umständen des einzelnen Falles ab. Von erheblicher, wenn auch nicht ausschließlicher Bedeutung ist es, ob sich eine Nachschubanknüpfung nachweisen läßt, die nach 18
Die Notwendigkeit einer Nachschubanknüpfung zu dem Staat, der das Ausgangsstatut stellt, wird noch plausibler, wenn m a n auch Änderungen des Kollisionsrechts in diesem S t a a t berücksichtigen will (so offenbar K G 10. 12. 1934, I P B s p r . 1934 Nr. 45). Dabei k a n n eine seltsame Komplikation auftauchen: Das Kollisionsrecht des Forumstaates beurteilt im Zeitpunkt der Eheschließung den Güterstand nach dem Becht des ersten ehelichen Wohnsitzes, geht später vom Wohnsitzprinzip zum Staatsangehörigkeitsprinzip über, entscheidet sich aber intertemporal f ü r die Fortgeltung des Wohnsitzprinzips bei alten Ehen. Der Wohnsitzstaat zur Zeit der Eheschließung geht ebenfalls später vom Wohnsitzprinzip zum Staatsangehörigkeitsprinzip über, wendet aber die neue Kollisionsnorm auch auf alte E h e n an. Würden die .Anhänger der Rückverweisung es billigen, daß hier die Problematik des double renvoi rückwirkend aufgeworfen wird ? Man sollte es jedenfalls dann vermeiden, wenn keine Nachschubanknüpfung zu dem S t a a t vorhanden ist, der das Ausgangsstatut stellt. 19 Die in den letzten J a h r e n insbesondere durch die rückwirkenden Änderungen des Erbrechts in den osteuropäischen Staaten praktisch gewordene Frage der Anwendung postmortaler Erbrechtsvorschriften ist erstmalig von Makarov (vgl. oben N. 10) eingehend behandelt worden. Die oben im Text von mir geäußerten Gedanken sind großenteils durch die Ausführungen von Malcarov angeregt worden u n d sollen ein Versuch sein, das Problem in allgemeinerer Fassung weiter zu durchdenken. Sie divergieren von den Ergebnissen Makarovs nicht, soweit die Beerbving nach der lex rei sitae vor sich geht, sondern nur bei der Beerbung nach dem Becht der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes des Erblassers. Die Unterschiede erklären sich wohl daraus, daß die Ausführungen Makarovs sich offenbar auf das positive deutsche Becht beziehen sollen, während der obige Text in erster Linie die de lege ferenda anzustrebenden allgemeinen Grundsätze des Kollisionsrechts im Auge h a t . Widerspruchsvoll ist es, wenn manche Autoren spätere Änderungen des E r b s t a t u t s berücksichtigen wollen, ohne nach einer Nachschubanknüpfong zu fragen, während sie zugleich die Kollisionsnormen des E r b s t a t u t s ignorieren wollen, wenn es u m die Bestimmung des auf erbrechtliche Vorfragen anwendbaren Bechts geht. Wenn schon Übereinstimmung m i t dem S t a a t gesucht wird, der das E r b s t a t u t stellt, dann ist es in dem zweiten Fall nicht unwichtiger als im ersten.
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den Zuständigkeitsbestimmungen des Staates, der das Ausgangsstatut stellt, seinen Gerichten die Möglichkeit gibt, über das Rechtsverhältnis zu judizieren und dabei die neuen Vorschriften zur Anwendung zu bringen. Wenn die Anwendung der späteren Bestimmungen des Rechtes, welches das Ausgangsstatut darstellt, der internationalen Entscheidungsharmonie zuliebe erfolgt, wie Malcarov20 ausführt, so muß auch eine ernst zu nehmende Chance vorhanden sein, daß es in dem betreifenden Staat zu einer vollziehbaren Entscheidung über die Rechtsfrage kommen könnte 21. Die Art der Nachschubanknüpfung ist aber auch von demlnhalt der späteren Gesetzgebung abhängig, die der Staat erläßt, der für das Ausgangsstatut zuständig war: Handelt es sich um Anpassungen einer zeitbedingtenVorschxift des älterenRechts an neueVerhältnisse - z.B.: eines in bestimmter Höhe vorgeschriebenen Unterhaltsbetrages an eineÄnderung der K a u f k r a f t - , so bedarf es keiner so starken Anknüpfung, wie sie dann erforderlich ist, wenn das Ausgangsstatut etwa bei unehelicher Abstammung ursprünglich gar keine Ansprüche gewährt und dann später rückwirkend „revolutionäre" Ansprüche dieser Art einführt. Nicht zuletzt ist aber auch zu prüfen, ob die als „Änderung" des älteren Rechts ausgegebenen neuen Bestimmungen überhaupt als „Ehegüterrecht", „Schuldrecht" usw. zu qualifizieren sind, nachdem die Zuständigkeit des betreffenden Staates zur Stellung des Ausgangsstatuts davon abhängig war, daß seine Vorschriften „Ehegüterrecht", „Schuldrecht" usw. sind. Spätere einmalige Eingriffe in ein bestehendes Rechtsverhältnis fallen unter Umständen gar nicht mehr unter die von der Kollisionsnorm des Forum20
Makarov (oben N. 10) 205. Man könnte im Fall der Anwendung postmortaler Bestimmungen des Erbstatuts versucht sein, auf die Nachschubanknüpfung zu verzichten, weil hier meist eine Zuständigkeit der Gerichte im Staat des Erbstatuts zur Nachlaßabhandlung und zur Entscheidung über Erbstreitigkeiten, allein gestützt auf die zur Zeit des Todes bestehende Anknüpfung, vorhanden ist und in anderen Staaten anerkannt wird. Ähnliches gilt bei der lex loci delicti. Der Kontakt mit der Praxis zeigt aber, daß im internationalen Erbrecht vorwiegend der Lageort der Nachlaßgegenstände zu einem Tätigwerden der dortigen Gerichte Anlaß gibt, und daß die Zuständigkeit im Heimatstaat oder am letzten Wohnsitz des Erblassers nur ein Phantom ist, sobald sich der Nachlaß nicht dort, sondern anderswo befindet. - Es ist interessant, daß Art. 37 des Rechtshilfevertrages vom 28. 11. 1957 zwischen der DDR und der Sowjetunion (oben N. 9) in Abweichung vom bisherigen deutschen Recht im Prinzip eine ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Heimatstaates auch für streitige Erbrechtssachen begründen will. 21
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staates verwendeten Kategorien für bestimmte Sachnormgruppen 22; das ist um so wichtiger, als Vorgänge, die in Wahrheit Enteignungen gegenwärtiger subjektiver Rechte sind, nicht selten als „Korrekturen" früherer schuldrechtlicher, erbrechtlicher usw. Rechtswirkungen getarnt werden 23. 22 Das Problem der Qualifikation einer rückwirkenden gesetzlichen Beeinflussung eines früher vorgenommenen Rechtsgeschäfts wird von Lord Tucker in Starkowski v. AU. Gen., [1954] A. C. 155, 173 (H. L.), angeschnitten, wenn er fragt, ob die rückwirkende Validierung einer anfangs ungültigen religiösen Eheschließung eine F o r mVorschrift oder ein „law affecting s t a t u s " sei. So könnte m a n auch fragen, ob die rückwirkende gesetzliche Fiktion einer Willenserklärung - Art. 5 des belgischen Gesetzes vom 27. 7. 1953 (Moniteur vom 7. 8.) fingiert z. B. rückwirkend die Anerkennung der während der faktischen Geltung des deutschen Rechts in Eupen-Malmedy geborenen unehelichen Kinder durch die Mutter - eine F o r mVorschrift ist oder was sonst. Ist die lex loci celebrationis, welche eine ursprünglich ungültige Eheschliessung nach dem Tode der Ehegatten f ü r gültig erklärt, nicht mit dem Erbs t a t u t (bzw. dem Kindschaftsstatut) identisch, so entsteht die Frage, ob es sich hier überhaupt u m eine eherechtliche oder nicht vielmehr u m eine erbrechtliche (kindschaftsrechtliche) Vorschrift handelt. Gerade der Umstand, daß bei solchen postmortalen „Eheschließungen" nicht selten das Erbrecht ausgeschlossen wird (so bei dem Gesetz vom 29. 3. 1951 über nachträgliche Eheschließungen von Wehrmachtsangehörigen, BGBl I 215), s t ü t z t m. E. die Annahme, daß derartige Bestimmungen nicht zum Eherecht, sondern zum Namensrecht und zum Kindschaftsrecht gehören. Man m ü ß t e nämlich sonst annehmen, daß eine postmortale Eheschließung, bei welcher erbrechtliche Folgen ausgeschlossen sein sollen, nur dann kein Ehegattenerbrecht nach sich zieht, wenn dasselbe Recht auch das E r b s t a t u t stellt, während ein fremdes Erbrecht an solche fiktiven E h e n die vollen erbrechtlichen Wirkungen anzuschließen hätte, falls es sie nicht durch ein analoges, Gesetz ausgeschlossen h a t . Wenn es sich u m die nachträgliche Legalisierung „freier" E h e n oder formungültiger Trauungen handelt, die auch nach dem Tode eines Gatten möglich sein sollen (so nach dem Bundesgesetz vom 23. 6. 1950, BGBl 226, und dem vom 2. 12. 1950, BGBl 778), so ist eher an eine Qualifikation als Eherecht zu denken; aber auch hier h a t das E r b s t a t u t das letzte Wort, ob es solchen E h e n erbrechtliche Wirkung beilegen will, wenn Validierungsstatut und E r b s t a t u t auseinanderfallen. Daß rückwirkend eingeführte Eheanfechtungsmöglichkeiten Bestimmungen über die „Eingehung" der E h e im Sinne des A r t . 13 E G B G B darstellen u n d daher auch bei späterem Staatsangehörigkeitswechsel der Eheschließenden anwendbar sind (so vielleicht OLG München 4. 4. 1950, I P R s p r . 1950-51 Nr. 132), ist m. E. zu verneinen. Wenn das Eheschließungsstatut vorsieht, daß etwaige Ehemängel später durch Hoheitsakt rückwirkend beseitigt werden können, bestehen auch wohl Bedenken, nach einem Wechsel der Staatsangehörigkeit der Beteiligten einen solchen Hoheitsakt durch den früheren H e i m a t s t a a t — etwa eine in Italien wirksame päpstliche sanatio in radice einer kanonischen E h e katholischer Italiener, die später Deutsche werden - im späteren H e i m a t s t a a t automatisch wirken zu lassen, jedenfalls wenn das Recht des späteren Heimatstaates diese Einrichtung nicht kennt. 23 So bei der rückwirkenden E i n f ü h r u n g neuen Erbrechts, welches das Verwandtenerbrecht zugunsten des fiskalischen Erbrechts einschränkt.
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10. Ä n d e r u n g s b e f u g n i s b e i A n k n ü p f u n g an e i n E r e i g n i s Wenn die örtliche Beziehung eines bestimmten Ereignisses Veranlassung dafür ist, daß das Kollisionsrecht des Forumstaates auf ein Rechtsverhältnis oder einzelne Aspekte desselben das Recht des so bezeichneten Staates als anwendbar erklärt (Formgültigkeit des Geschäfts gemäß der lex loci actus im Zeitpunkt des GeschäftsEingehend n i m m t die kürzlich ergangene Entscheidung Adams v. National Bank of Greece and Athens S. A., [1958] 2 W . L. R. 588, [1958] 2 All B. R . 3, zu der Frage der Qualifikation rückwirkender Änderungen von Rechtsnachfolgevorschriften Stellung. Durch ein griechisches Dekret vom 27. 2.1953 wurden zwei griechische Banken verschmolzen u n d die neue Bank zum Universalrechtsnachfolger der verschmolzenen Banken erklärt; durch ein DekretGesetz Nr. 3504 vom 16. 7. 1953 wurde dies rückwirkend dahin geändert, daß bestimmte H a f t u n g e n nicht auf die neue B a n k übergehen sollten. Justice Diplock geht davon aus, daß bei einer Schuld, f ü r die das englische Recht Vertragsstatut ist, englisches Recht auf die Frage des Erlöschens angewendet werden m u ß , während f ü r die Frage der Nachfolge in die H a f t u n g zwischen zwei griechischen Gesellschaften auch in England griechisches Recht anwendbar sei: „The discharge of contractual liabilities of banks in the position of the defendants is obviously one of the objects which Law No. 3504 is seeking to achieve. Is it saved from being in substance a law discharging contractual liabilities, and brought into the category of a law of succession because it purports to achieve that object by amending a pre-existing law of succession ? I think that the short answer to that is that a law which alters the rights and liabilities of persons who are already successors, although it may be a law relating to .successors', is not a law of succession at all. A law of succession deals with what happens to the rights and liabilities of a natural person upon his decease, or in the case of a company upon its ceasing to exist. A law which deals with the existing rights and liabilities of a person not upon his decease, but upon some other date or event, does not become a law of succession merely because, as a matter of history, those rights and liabilities originally vested in him as the result of a law of succession. In my view, therefore, Law No. 3504 is not a law of succession, but a law which discharges contractual liabilities." Dementsprechend deutet das Gericht auch die alte Entscheidung Lynch v. Paraguay Provisional Government (1871), L. R. 2 P . & D. 268, welche die Anwendung rückwirkender Erbgesetze verweigert: „Although Lord Penzance in Lynch's case, when applying the rule to a grant of probate, appears to have based it as much on convenience as anything else, I think that probably the true basis is that which I have expressed above, namely, that a law which regulates the rights of persons who are already successors is not a law of succession, and the English courts recognize as affecting movable property locally situate in England only the law of succession of the country of domicile of the deceased." Weiter heißt es d a n n : „No doubt when the British Parliament passes a retrospective law and tells a statutory lie (which it may do for the best possible motives), the English law has got to pretend to believe it. But if I am right in thinking that a law which alters the rights and liabilities of persons who are already successors is not a law of succession, it does not become so because it says untruthfully that they never were successors at all."
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abschlusses, materieller Inhalt des Schuldverhältnisses gemäß der lex loci contractus usw.), so entfällt von vornherein die Möglichkeit, die Legitimation dieser als Ausgangsstatut maßgebenden Rechtsordnung zu weiteren Beeinflussungen des konkreten Rechtsverhältnisses durch neue Vorschriften auf die Fort-,,Dauer" der ursprünglichen Anknüpfung zu stützen, da diese ja nicht in einem „dauernden" Zustand besteht.Wohl aber kann auch hier dasVorhandensein einer Nachschubanknüpfung zu dem betreffenden Staat die Anwendung von neuenVorschriften dieser Rechtsordnung rechtfertigen : Bleiben die Eheleute, die eine gemäß der lex loci celebrationis formungültige „Ehe" geschlossen haben, in dem betreffenden Staat wohnen, so kann man auch in anderen Staaten die Gesetzgebung des Eheschließungsstaates anwenden, die solche Geschäfte nachträglich validiert. Wenn die Rechtsprechung Hemmungen gehabt hat, die nachträgliche Validierung einer anfangs formungültigen Ehe durch die lex loci celebrationis zu ignorieren, so war sicher der favor matrimonii dabei nicht ohne Einfluß; aber in fast allen diesen Fällen hat tatsächlich auch eine Nachschubanknüpfung zu dem Staat bestanden, in dem die Ehe geschlossen worden war 24. Die nachträgliche Beseitigung von Schadensersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung durch die lex loci delicti ist, ähnlich wie die 24 I n der häufig zitierten Entscheidung C. App. Bordeaux 5. 2. 1883, Clunefc 10 (1883) 621, wohnten die französischen Eheleute, deren anfangs nach der mexikanischen lex loci celebrationis formungültige Eheschließung später durch ein mexikanisches Gesetz validiert worden war, zu dieser Zeit noch in Mexiko. I n Starkowski v. Att. Gen. (oben N. 22) wohnten die polnischen Eheleute, deren zunächst formungültige religiöse Eheschließung in Österreich auf Grund eines österr. Gesetzes vom 26. 6. 1945, StGBl Nr. 31, mit der Eintragung im Standesregister validiert worden war, zur Zeit des Erlasses des Gesetzes, wenn auch nicht mehr zur Zeit der Eintragung im Standesregister, in Österreich; die Eintragung h a t t e von A m t s wegen zu erfolgen, u n d die Beteiligten m u ß t e n damit rechnen, daß sie erfolgen würde. I n dem vom Trib. Civ. Tulle 6. 1. 1944, Rev. crit. 36 (1947) 304, entschiedenen Fall, in dem angenommen wurde, daß eine 1938 in Spanien erfolgte standesamtliche Eheschließung von Spaniern durch die spätere Gesetzgebung desFrancoRegimes als unwirksam erklärt worden sei (vgl. u n t e n N. 33) u n d daß dies auch in Frankreich anzuerkennen sei, betont das Gericht, daß der spanische Gesetzgeber zu der nachträglichen Maßnahme „doppelt zuständig" gewesen sei, „ a u titre des deux souverainetés nationales, territoriale [dieses W o r t fehlt in der Rev. crit. u n d ist von mir sinngemäß ergänzt worden. W.] (à raison du lieu de l'acte) et personnelle (à raison de la nationalité des p a r t i e s ) " . - W i r d das Schuldstatut dem Recht des Abschlußortes unterstellt, so gelangt m a n zu recht unbefriedigenden Ergebnissen, wenn spätere Gesetzesänderungen der lex loci contractus angewendet werden, ohne daß eine Nachschubanknüpfung vorliegt; vgl. aus der italienischen Rechtsprechung Cass. 6. 3. 1940, Foro I t . 1940, 1, 476; Trib. R o m a 5. 10. 1951, Foro I t . 1952, 1, 386.
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Enteignung des Schadensersatzanspruches oder ein Moratorium, dann im Forumstaat zu beachten, wenn auch nach dem Delikt engere Beziehungen, insbesondere des Schuldners, zum Deliktsstaat im Zeitpunkt der Beseitigung des Schadensersatzanspruches vorliegen 25 . Bei Rechtsgeschäften, die die Parteien bewußt „unter" einem bestimmten Recht vorgenommen haben, ist es vor allem denkbar, daß die Anwendung späterer Vorschriften dieses Rechts auf den vermutlichen Parteiwillen gestützt wird, daß also dieser die Nachschubanknüpfung abgibt 26 . Für die Frage, zu welchem Staat die Nachschubanknüpfung bestehen muß, kann es wichtig sein, welcher Staat Träger der Rechtsordnung ist, die auf einem bestimmten Gebiet in einem bestimmten Zeitpunkt als Ausgangsstatut galt: Wenn in den von Deutschland während des zweiten Weltkrieges unzulässigerweise annektierten Ge26
I n Phillips v. Eyre (1870), L. R . 6 Q. B . 1, w u r d e eine Klage a u s unerl a u b t e r H a n d l u n g gegen den Gouverneur von J a m a i c a in E n g l a n d abgewiesen, weil wegen der schadenstiftenden H a n d l u n g e n nachträglich der örtliche Gesetzgeber auf J a m a i c a einen ,,act of i n d e m n i t y " erlassen h a t t e . Die E n t s c h e i d u n g bietet keinen A n h a l t s p u n k t d a f ü r , ob eine N a c h s c h u b a n k n ü p f u n g im Z e i t p u n k t des Erlasses dieses Gesetzes zu J a m a i c a b e s t a n d . Wohl aber liegt eine Besonderheit des Falles darin, d a ß d a s englische Gericht überh a u p t n u r deshalb zuständig war, weil der Gouverneur in der Kolonie n i c h t verklagt werden k o n n t e ; insofern entschied das englische Gericht eigentlich a n Stelle eines Gerichts der lex loci delicti. Der Kläger m a c h t e aber gerade geltend, die Gesetzgebung von J a m a i c a k ö n n e ihm doch nicht das s u b j e k t i v e R e c h t , in E n g l a n d d u r c h K l a g e zu Schadensersatz zu gelangen, entziehen, d a dieses R e c h t auf der englischen R e c h t s o r d n u n g beruhe. Justice Willes bezeichnet dies als ein A r g u m e n t ,,of a m o r e technical c h a r a c t e r " u n d versucht, es m i t begriffsjuristischen A r g u m e n t e n zu widerlegen: d a s „ r i g h t of a c t i o n " sei ein Zubehör der „Obligation", u n d die Obligation „derives its b i r t h f r o m t h e law of t h e p l a c e " (nämlich der schädigenden H a n d l u n g ) . Die Unrichtigkeit dieser A u f f a s s u n g wird deutlich, w e n n der Schuldner a u s der u n e r l a u b t e n H a n d l u n g u n d sein Vermögen sich n i c h t a m Deliktsort befinden u n d z. B . die F o r d e r u n g a m Schuldnerwohnsitz g e p f ä n d e t wird. Zu den begriffsjuristischen A r g u m e n t e n von J u s t i c e Willes empfiehlt sich die L e k t ü r e des geistreichen Aufsatzes von Ross, T ü - T ü : Scandinavian Studies in L a w 1 (1957) 137-153. 26 Vgl. oben S. 552 u n d 554. Schwierigkeiten bereitet das durch eine A n k n ü p f u n g zur Zeit des Vertragsschlusses b e s t i m m t e S c h u l d s t a t u t , w e n n d a s Geltungsgebiet der R e c h t s o r d n u n g , die das A u s g a n g s s t a t u t stellte, durch politische Veränderungen verkleinert oder aufgeteilt wird, u n d w e n n in einzelnen Nachfolgegebieten B e s t i m m u n g e n erlassen werden, die auf das Schuldverhältnis einwirken wollen. Die Formel, m i t der das Reichsgericht nach d e m ersten Weltkrieg hier eine Lösung umrissen h a t (vgl. R G Z 139, 76), ist weder eindeutig noch erschöpfend. Jedenfalls d ü r f t e neues R e c h t , d a s irgendwo in einem Teil desjenigen Gebietes gilt, welches Geltungsgebiet des Ausgangss t a t u t s war, nicht ohne eine N a c h s c h u b a n k n ü p f u n g a n w e n d b a r sein.
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bieten deutsches Privatrecht eingeführt wurde und während der deutschen Besatzung auch faktisch in Geltung war, so entsteht die Frage, welcher Staat die Vorschriften zur Änderung derjenigen Rechtsverhältnisse erlassen kann, die zur Zeit ihrer Entstehung von dem deutschen Recht als der lex loci jener Gebiete geprägt wurden 27. Erörterungen darüber, ob das Besatzungsrecht Bestandteil der staatlichen Rechtsordnung des besetzten Staates oder Bestandteil der Rechtsordnung des besetzenden Staates ist, führen hier kaum weiter. Die Lösung hängt entscheidend davon ab, ob zu einem späteren Zeitpunkt die Nachschubanknüpfung auf den ehemals besetzten Staat oder auf den Staat der ehemaligen Besatzungsmacht hinführt: Die ,,nach der lex loci" zustande gekommenen Rechtsverhältnisse der Bewohner des besetzenden Gebietes, die auch nach dem Ende des Krieges dort oder im Restgebiet des besetzten Staates wohnen, unterliegen den Änderungen, und insbesondere den rückwirkenden Änderungen, die dieser Staat vornimmt28 ; dagegen sind für Angehörige des besetzenden Staates, vielleicht auch für etwaige nach diesem Staat abgewanderte Bewohner des besetzten Gebiets, jedenfalls die vom befreiten Staat nachträglich erlassenen Bestimmungen nicht ohne weiteres anwendbar29. Ist eine Ehe in einem 27 Dieselbe Frage taucht auf, wenn die Besatzungsmacht im Kriege im besetzten Gebiet, ohne dies zu annektieren, privatrechtliche Vorschriften als Besatzungsrecht einführt. E s ist eine andere, hier nicht zu erörternde Frage, ob die Anwendung des völkerrechtswidrig eingeführten Rechts nicht grundsätzlich verweigert und nur dann zugelassen werden müßte, wenn seine Ignorierung eine neue Härte für die Bewohner des besetzten Gebiets bedeutet, vgl. Festschrift Hans Lewald (Basel 1953) 629 f. und die Begründung zu dem oben N. 22 genannten belgischen Gesetz vom 27. 7.1953, Doc. 224, Chambre des Représentants 1948-49. 28 Vgl. z. B . das belgische Gesetz vom 27. 7. 1953 (oben N. 22) über die Bedeutung des während der deutschen Annexion in Eupen-Malmedy eingeführten deutschen Rechts. 29 Ein Beispiel bietet die von Makarov kommentierte Entscheidung des AG Schwelm vom 14. 4. 1948, D R Z 9. Beih. (1949) 18 = I P R s p r 1945-1949 Nr. 28. Unterstellt man, daß die elsässische Kindesmutter, für deren uneheliches Kind Unterhalt gemäß dem zur Zeit der Geburt im Elsaß von den deutschen Behörden eingeführten B G B verlangt wurde, von Frankreich ausgebürgert worden wäre - sollte man dann die später erlassenen rückwirkenden Bestimmungen des französischen Gesetzgebers unbedingt auch in Deutschland als maßgeblich betrachten ? Ein anderes Beispiel ergibt sich aus dem Umstand, daß französische Gesetze für bestimmte Materien als lex loci in Tunis und Marokko gegolten haben, als diese noch französische Protektorate waren (vgl. z. B . für das Versicherungsrecht den Fall Trib. Roma 5. 10. 1951, oben N. 2 4 ) ; ist nach der Verselbständigung dieser Länder auf eine etwaige Änderung der betreffenden Vorschriften durch den französischen oder den tunesischen (marokkanischen) Gesetzgeber abzustellen?
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solchen besetzten Gebiet gemäß dem Recht der Besatzungsmacht geschieden worden, und sind solche Scheidungen nach dem späteren Recht des besetzten Staates nur dann wirksam, wenn sie innerhalb bestimmter Frist bestätigt werden 30, so gelten auch in dritten Staaten Angehörige des ehemals besetzten Staates weiter als verheiratet, wenn eine solche Bestätigung nicht erfolgt, während die Gültigkeit einer Ehescheidung von Angehörigen des besetzenden Staates, die zufällig in dem besetzten Gebiet ausgesprochen wurde, auch in dritten Staaten anzunehmen wäre. 11. „ V e r s t e i n e r u n g " d e s
Rechtsverhältnisses
Kann weder ein Fortbestehen des Zustandes, der als Anknüpfung zum Ausgangsstatut diente, noch eine ausreichende Nachschubanknüpfung zu dem Staat nachgewiesen werden, der das Ausgangsstatut stellt, so kommt man m. E. zu brauchbareren Ergebnissen, wenn man das Rechtsverhältnis in der Gestalt, die ihm das Ausgangsstatut gegeben hat, versteinern läßt, als wenn man die früher bestehende und nicht versteinerte, sondern im Gegenteil verschwundene Beziehung des Rechtsverhältnisses zu jenem Staat zum Anlaß nehmen wollte, um dessen später erlassene Vorschriften gemäß seinem intertemporalen Recht auf das Rechtsverhältnis zur Anwendung zu bringen 31 . Es hat keinen Sinn, den Güterstand eines ehemals deutschen Ehepaares, das vor 1945 emigriert ist und nicht zurückkehrt, allen den Wandlungen zu unterwerfen, die die verschiedenen deutschen Gesetzgeber den Güterständen des Bürgerlichen Gesetzbuchs in den letzten Jahren durch Tun oder Unterlassen zugedacht haben; ein solcher Güterstand kann ruhig nach den früheren Vorschriften des deutschen Rechts auslaufen. Desgleichen hat es keinen Sinn, den deutschen Nachlaß eines Erblassers polnischer Staatsangehörigkeit in Deutschland, dessen Verwandtschaft durch die politischen Ereignisse jeden Kontakt mit Polen verloren hat und in alle Welt zerstreut ist, gemäß rückwirkenden Bestimmungen des neuen polnischen Erbrechts vererben zu lassen. Die Anwendung des alten polnischen Erbrechts ist hier nicht falscher als die Anwendung alten litauischen, lettischen usw. Erbrechts bei solchen Litauern und Letten, bei denen es aus irgendeinem 30
Vgl. Art. 8 des oben N. 22 genannten belgischen Gesetzes. Für eine Versteinerung in beschränktem Umfang auch Makarov N. 10) 217 ff. 31
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Grunde weder zur Anwendung sowjetischen Rechts noch zur Anwendung des letzten Wohnsitzrechts kommt. Vollkommen unerträglich aber wäre die Anwendung neuer Vorschriften des Ausgangsstatuts, wenn die Beteiligten im Vertrauen auf die bisherige Regelung dieses Statuts neue Rechtsgeschäfte gemäß anderen Rechten eingegangen sind, wenn also z.B. die formungültig getrauten „Eheleute", deren Eheschließung durch die lex loci actus oder den früheren Heimatstaat nachträglich validiert worden ist, in anderen Ländern neu geheiratet haben, weil sie sich von dem Nichtbestehen ihrer Ehe inzwischen überzeugt haben, oder wenn die geschiedenen Eheleute, deren Scheidung kraft nachträglicher Bestimmung des Anfangsstatuts einer Bestätigung bedarf, inzwischen anderswo neu geheiratet haben 32. Es muß sich aber nicht notwendig um ein neues Rechtsgeschäft handeln: Spanische Staatsangehörige katholischer Konfession haben 1937 nur in ziviler Form gemäß dem damaligen Recht des republikanischen Spanien geheiratet; eine zeitweise in Spanien nach dem Sieg des Franco-Regimes vertretene Auffassung hat diese Ehen als ungültig oder gar als nicht bestehend betrachtet. Unterstellt man, daß diese Meinung heute in Spanien positives Recht sei 33 , so ist es vertretbar, wenn auch der deutsche Richter die Betreffenden als unverheiratet ansieht, falls sie spanische Staatsangehörige geblieben sind. Sind sie aber 1938 nach Mexiko ausgewandert, sind sie mexikanische Staatsangehörige geworden und haben in Mexiko als Eheleute miteinander gelebt, und hat gar ein mexikanisches Gericht (vielleicht in einem Unterhaltsprozeß) die Existenz der Ehe anerkannt - sollte auch dann der mexikanische oder deutsche Richter den Standpunkt des heutigen spanischen Staates über die Gültigkeit der Ehe für maßgebend halten ? Gerechte Lösungen lassen sich hier oft nur erzielen, indem man der konkreten Situation des einzelnen Falles Rechnung trägt. 32 Die Entscheidung Starkowski v. Att. Gen. (oben N. 22 und 24) ist in der Tat, wie Mann (oben N. 1) 243 sagt, ein borderline case: Die Frau hatte nach faktischer Trennung vom ersten „Ehemann" und nach dem Verlassen Österreichs in England eine neue Ehe geschlossen und hatte sich vorher erkundigt, ob die österr. kirchliche Eheschließung, die durch ein unerklärliches Versehen erst nach vier Jahren ins Standesregister übertragen wurde, registriert worden war; dies war verneint worden, die Übertragung erfolgte aber ohne Kenntnis der Frau kurz vor der neuen Eheschließung in England. 33 Zweifelsfrei ist dies nur bei Zivilehen im rotspanischen Gebiet nach der Installierung der Franco-Regierung; vgl. Tribunal Supremo 7. 3. 1956.
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12. W a n d e l b a r k e i t d e s S t a t u t s Die soeben behandelten Schwierigkeiten der dritten Lösung werden natürlich vermieden, wenn der Gesetzgeber auf ein Rechtsverhältnis, insbesondere auf ein Dauerrechtsverhältnis, durch seine Gerichte das Recht desjenigen Staates anwenden läßt, dem eine Person oder Sache durch eine wandelbare Anknüpfung (Staatsangehörigkeit, Wohnsitz, Lage) jeweils verbunden ist, wenn er also zur vierten Lösung übergeht. Hier entstehen Schwierigkeiten in dem oben S. 546 f. bereits angedeuteten Problem, daß die verschiedenen Statute, die vom Standpunkt des Kollisionsrechts des Forums her nacheinander das Rechtsverhältnis zu regeln haben, verschiedener Ansicht darüber sein können, ob das Rechtsverhältnis überhaupt entstanden ist 3 4 . Die andere Schwierigkeit besteht darin, daß unter Umständen Rechtsfragen, welche Vorfragen für die von einem solchen zu zeitweiser Herrschaft berufenen Statut zu regelnden Fragen sind, vom Standpunkt des Kollisionsrechts des Forumstaates nach dem Recht des vorausgehenden Statuts, vom Standpunkt des Kollisionsrechts des Staates, der die Hauptfrage zu regeln hat, hingegen nach dem Recht eines dritten Staates zu beurteilen sind. Schließlich bereitet es Schwierigkeiten, wenn das spätere Statut mehrere Typen von Rechtsverhältnissen hat, die alle dem Rechtsverhältnis in dem vorangegangenen Statut nicht unähnlich sind; dann entsteht die Frage, in welchen Typ das ältere Rechtsverhältnis zu „überführen" ist; man denke an die Frage, in welche Form das Rechtsverhältnis zwischen dem unehelichen Kind und den Eltern zu überführen ist, wenn zuerst das englische oder das deutsche Recht, später das französische oder das schweizerische Recht für das Statut des unehelichen Kindes maßgebend sein soll. Etwas leichter ist es mit dem „gestreckten Tatbestand", dessen einzelne Elemente nach und nach zustande kommen, während das 34
Hier spielt u. U. wieder der einem bestimmten Rechtsverhältnis zugebilligte favor eine Rolle: So mag im Sinne des Kollisionsrechts eines Staates das Rechtsverhältnis zwischen dem unehelichen Kinde und dem Vater entweder nach dem jeweiligen Heimatrecht des Kindes oder nach dem Heimatrecht des Kindes zur Zeit der Geburt beurteilt werden, je nachdem, was für das Kind günstiger ist. Wird das Recht eines solchen Staates vom Kollisionsrecht eines anderen Forums zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Kindes während der Zeit berufen, in der das Kind die Staatsangehörigkeit dieses anderen Staates besitzt, so läßt es sich vertreten, daß auch der Forumstaat für diese Zeit das Heimatrecht des Kindes zur Zeit der Geburt zur Anwendung bringt, wenn dieses günstiger ist als das spätere Heimatrecht.
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S K I Z Z E N Z U R L E H R E VOM
STATUTENWECHSEL
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Rechtsverhältnis, auf welches der gestreckte Tatbestand nach seiner Vollendung einwirkt, nacheinander verschiedenen Statuten untersteht: Der gutgläubige Erwerb ist nach dem ersten Lagestaat der beweglichen Sache erst dann vollendet, wenn der gutgläubige Erwerber die Sache auch eine bestimmte Zeit in Besitz h a t ; während des Laufs dieser Ersitzungszeit wechselt aber die Sache ihre Belegenheit. Wie ist nun die Rechtslage, wenn nach dem Sachenrecht des späteren Statuts der gutgläubige Eigentumserwerb außer dem guten Glauben nur den Erwerb des Besitzes, aber keine Ersitzung voraussetzt? Wie ist es, wenn das Sachenrecht des neuen Statuts überhaupt keinen gutgläubigen Erwerb kennt ? K a n n man im ersten Fall annehmen, daß die Anwartschaft auf das volle Eigentum sich sogleich in Volleigentum verwandelt, sobald die Sache in das Herrschaftsgebiet des neuen Statuts kommt ? Kann im zweiten Fall der gutgläubige Erwerber den Rest der Ersitzungszeit auch noch während der Herrschaft des neuen Statuts absitzen ? Es soll hier nur zu der Frage Stellung genommen werden, wie ein dritter Forumstaat sich zu dieser Frage verhalten müßte. Meines Erachtens sollte das Kollisions recht des dritten Forumstaates es vermeiden, den Anteil, den die sich folgenden Statute an dem gestreckten und beim Ende der Herrschaft des ersten Statuts noch nicht vollendeten Tatbestand haben, selbst zu bestimmen. Es entspricht vielmehr dem ökonomischen Prinzip des Kollisionsrechts, wonach die Gefahr widersprechender Entscheidungen möglichst gering gehalten werden sollte, wenn hier der Forumstaat sich möglichst dem anschließt, was eines der sich ablösenden Statute, und zwar das letzte Statut, für richtig hält; d. h. Art und Umfang der Berücksichtigung des alten Statuts für Rechtswirkungen, die in einem Zeitpunkt einzutreten haben, in welchem das neue Statut bereits seine Herrschaft begonnen hat, sind nach Möglichkeit, gemäß dem internationalen und intertemporalen Kollisionsrecht des späteren Statuts zu beurteilen 3 5 . 36
Die mehrfach kritisierte Entscheidung In re Luck (oben N. 11) läßt die am kalifornischen Domizil aller Beteiligten erfolgte und rückwirkende Legitimation eines unehelich geborenen Kindes durch Anerkennung nicht zum Erwerb der Stellung eines ehelichen Kindes genügen, weil im Zeitpunkt der Geburt der Vater noch englisches Domizil hatte, und weil nach englischem Kollisionsrecht die Legitimation durch das spätere Domizilrecht angeblich voraussetzt, daß schon der nach dem Domizilrecht des Vaters zur Zeit der Geburt geschaffene Rechtszustand die Möglichkeit der Legitimation in der vom späteren Domizilstaat vorgesehenen Art kennt. Diese Auffassung steht mit dem oben im Text Ausgeführten in Widerspruch. Da die Legitimität
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W E N G L E R . SKIZZEN ZUR L E H R E VOM STATUTENWECHSEL
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Nachdem Wissenschaft und Gesetzgebung gegenüber den alten Casanova-Methoden der Verführung durch die Lehre von der Gesamtverweisung recht widerstandsfähig geworden sind, wäre es wohl an der Zeit, diese Formen der Berücksichtigung fremder Kollisionsnormen näherer Untersuchung zu unterziehen. des Kindes in dem betreffenden Fall nur Vorfrage f ü r eine nach englischem Recht zu beurteilende erbrechtliche bzw. trustrechtliche Frage war, läßt sich allerdings die Entscheidung in Anlehnung an die Ideen der bekannten E n t scheidung Birtwhistle v. Vardill (1840), 7 C. & F. 895, 7 E . R . 1308, eventuell damit halten, daß „Legitimität" im Sinne des englischen Erbrechts eine qualifizierte Gleichstellung des anfangs unehelichen Kindes mit den von Anfang an vollehelichen Kindern bedeutet: Legitimiertes Kind im Sinne des englischen Erbrechts wäre also nicht jedes Kind, das im Zeitpunkt des Todes des Erblassers im Verhältnis zu seinem Vater die Rechte und Pflichten eines vollehelichen Kindes besitzt, sondern nur ein Kind, das bereits nach dem maßgeblichen Domizilrecht zur Zeit der Geburt die Fähigkeit hatte, auf die Weise zu einem ehelichen Kinde zu werden, auf die es dann später als ehelich erklärt wird; legitimiertes Kind wäre m. a. W . nur das von Anfang an legitimierbare und tatsächlich legitimierte Kind. Eine solche Einschränkung des Legitimitätsbegriffes, wie sie im älteren Common Law eine gewisse Stütze finden konnte, wird f ü r das heutige englische I P R von Cheshire, Private international law 6 (1957) 401, mit Recht als „etwas exzentrisch" kritisiert.
F R E M D E S R E C H T UND N O R M E N K O N T R O L L E V o n K A R L H . NETTMAYER
Lausanne* Der Richter, der zur Anwendung ausländischen Rechts berufen ist, sieht sich bisweilen vor die Frage gestellt, ob eine bestimmte fremde Norm, obwohl formell rechtmäßig erlassen, nicht inhaltlich einem Rechtssatz höherer Ordnung widerstreitet - eine Verordnung dem Gesetz, auf Grund dessen sie erlassen ist, ein Gesetz dem Verfassungsrecht - und daher möglicherweise nichtig ist. Darf der Richter über diese Frage entscheiden? Der verehrte Meister, dem diese Studie gewidmet ist, hat das für den Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts grundsätzlich bejaht und nur gewisse praktische Schwierigkeiten gesehen 1 . Jedoch wird diese Befugnis dem Richter keineswegs allgemein zugestanden, wie aus der schwankenden Staatenpraxis und aus der Tatsache erhellt, daß erst kürzlich drei andere prominente Vertreter des Völkerrechts und des internationalen Privatrechts die richterliche Zuständigkeit zur Kontrolle fremder Normen in ausführlich begründeten Gutachten rundweg bestritten haben 2 . Es verlohnt daher wohl, dem Problem einmal näher nachzugehen. * Abgekürzt werden zitiert: Fedozzi, De l'efficacité extraterritoriale des lois et des actes de droit public: Ree. des cours 27 ( 1 9 2 9 - 11) 145-239; Kunz, Das richterliche Prüfungsrecht im internat. Staatsrecht: NiemeyersZ 32 (1924) 26-35; F. A. Mann, The Sacrosanctity of the Foreign Act of State: L. Q. Rev. 59 (1943) 42-57, 155-171; Karl Neumeyer, Internat. Verwaltungsrecht IV (1936); De Nova, Legge straniera e controllo di costituzionalità: Foro Padano 10 (1955) IV 1-7; Niboyet, Traité de d. i. p. français III (1944); van Praag, Juridiction et Droit international public (Den Haag 1915); Zitelmann, IPR I (1897). 1 Makarav, Allgemeine Lehren des Staatsangehörigkeitsrechts (1947) 186 f. ; ders., Ree. des cours 74 (1949 - I) 326. 2 Ernst Wolff, Herbert Krüger und Günther Beitzke in unveröffentlichten Rechtsgutachten, die dem Obergericht des Kantons Zürich in der Sache Halphen/Rothschild c. Hermann vorlagen (Aktz. des Bezirksgerichts Zürich Nr. 2961/48). 38
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I. V ö l k e r r e c h t l i c h e
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Einwände
I n der Geriehtspraxis, namentlich in den Ländern des angloamerikanischen Rechtskreises, begegnet eine gewisse Neigung, die richterliche Befugnis zur Nachprüfung aller ausländischen Staatsakte - zu denen ja auch die Akte der Rechtsetzung gehören schlechthin zu verneinen. Dieser Tendenz liegen in der Regel völkerrechtliche Bedenken zugrunde. 1. Kasuistik Es dürfen zwei Fallgruppen unterschieden werden: a) Objektive Begründung. - Die Entscheidungen der ersten Gruppe zeugen von der Sorge, schon die Tatsache, daß die Gültigkeit eines ausländischen Staatsaktes nicht als Selbstverständlichkeit angenommen, sondern bezweifelt wird, könnte eine Trübung der nachbarlichen Beziehungen zum Herkunftslande nach sich ziehen. Die Richter sahen in jeder Kontrolle fremder Normen eine Gefährdung des fremden Hoheitskreises und glaubten sich daher streng solcher angeblicher Eingriffe enthalten zu müssen. Diese Zurückhaltung zeigte etwa in der berühmten Affaire Bauffremont das Tribunal civil de Charleroi, das dem belgischen Richter die Nachprüfung eines Hoheitsaktes des Staates Sachsen-Altenbürg verwehrte 3 : « . . . Attendu que la naturalisation conférée à la défenderesse par le duché de Saxe-Altenbourg est un acte de l'autorité souveraine de ce pays; que selon les principes du droit public, aucun pouvoir en dehors de cette autorité ne peut . . . en discuter la validité . . . ; Attendu que le pouvoir judiciaire . . . n'a qualité pour contrôler cette procédure émanant de l'autorité d'un pays étranger . . . » I n einem ähnlich gelagerten Sachverhalt hat der Turiner Kassationshof die Nachprüfung der (angezweifelten) Gültigkeit eines Einbürgerungsaktes des Staates Tennessee unter Berufung auf völkerrechtliche Prinzipien abgelehnt 4 : « . . . egli è fuor di dubbio innanzi tutto, come . . . non sarebbe lecito innanzi questo Supremo Collegio una discussione délia verità intrinseca del decreto . . . » 3 4
Entscheidung vom 3. 1. 1880, Clunet 7 (1880) 215, 217. Entscheidung vom 3. 2. 1902, Monitore dei Tribunali 43 (1902) 201, 203.
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F R E M D E S R E C H T UND N O R M E N K O N T R O L L E
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Der Supreme Court der Vereinigten S t a a t e n begründete in Oetjen v. Central Leather Co. seine non-inquiry-Theorie m i t folgenden Worten 6 : « . . . To permit the validity of the acts of one sovereign State to be reexamined and perhaps condemned by the courts of another would very certainly 'imperil the amicable relations between governments and vex the peace of nations'.» Andere nordamerikanische Bundesgerichte haben sich diese These zu eigen g e m a c h t : « The . . . defendant asks this Court to go back of the decree and to determine if the Expropriation Law, the statute under which President Cardenas assumed to act, is constitutional under the Constitution of the Republic of Mexico. I am of the opinion that this Court has not jurisdiction to determine that question.» 6 «It has been squarely held that the courts of this country will not examine the acts of a foreign sovereign within its own borders, in order to determine whether or not those acts where legal under the municipal law of the foreign state . . . So long as the act is the act of the foreign sovereign, it matters not how grossly the sovereign has transgressed its own laws.»7 « . . . even though we assume that a German court would have held the transfer unlawful at the time it was made, that would be irrelevant. We have repeatedly declared . . . that a court of the forum will not undertake to pass upon the validity under the municipal law of another state of the acts of officials of that state, purporting to act as such. »8 Auch in England wurde angenommen 9 , „ t h a t t h e validity of t h e acts of an independent sovereign government . . . cannot be questioned in t h e Courts of this c o u n t r y " 1 0 . Gelegentlich h a t auch ein französisches Gericht eine N a c h p r ü f u n g versagt, als Zweifel a n der Rechtsgültigkeit von Akten vorgebracht wurden, die die Regierung der spanischen Republik während des 5
246 TJ. S. 297, 304 (1918). Eastern States Petroleum Co. v. Asiatic Petroleum Corp., 28 F. Supp. 279, 280 f. (S. D. N. Y. 1939). 7 Banco de España v. Federal Reserve Bank of New York, 114 F. 2d 438, 443, 444 (2d Cir. 1940). 8 Bernstein v. van Heyghen Frères 8. A., 163 F. 2d 246, 249 (2d Cir. 1947), cert. den. 332 U. S. 772 (1947) = Clunet 77 (1950) 228, 236. 9 Luther v. Sagor & Co., [1921] 3 K. B. 532, 548. 10 Vgl. ferner die von Dickinson, L'interprétation et l'application du droit international dans les pays anglo-américains: Ree. des cours 40 ( 1 9 3 2 - 1 1 ) 309-392, auf S. 366 ff. angeführten Fälle. 6
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Bürgerkrieges unter Verletzung der republikanischen Verfassung vorgenommen hatte 1 1 : « . . . attendu . . . qu'il importe peu que les autres formalités prescrites par le décret n'aient pas été remplies ; que discuter l'inexistance ou l'insuffisance de ces formalités revient à discuter le décret lui-même et à porter atteinte à la souveraineté du Gouvernement de la République espagnole . . . » b) Klagein gegen einen Souverän. - Alle Fälle der zweiten Gruppe haben Klagen zum Gegenstand, die unmittelbar gegen einen fremden Souverän gerichtet sind. Hierher gehört vor allem die Entscheidung des amerikanischen Obersten Bundesgerichts in Underhill v. Hernandez12, die verschiedentlich - durchaus unzutreffend als leading case für das Problem der Kontrolle fremder Normen angeführt wird. Der Beklagte Hernandez war venezolanischer Offizier, und die Gerichte der 2. und 3. Instanz sagten übereinstimmend, daß «the acts of the defendant were the acts of the government of Venezuela and as such are not properly the subject of adjudication in the court of another government. » In dem älteren amerikanischen Fall Waters v. Collot war die Klage gegen den Gouverneur einer französischen Besitzung und damit gegen den französischen Staat gerichtet 1 3 . Desgleichen betraf die gern in diesen Zusammenhang gebrachte Entscheidung des Brüsseler Appellationshofes in der Sache Saez Murûa c. Pinillos, Garcia et es. eine Direktklage gegen den Repräsentanten einer ausländischen (der spanischen) Regierung 1 4 : « [Le caractère politique du transfert de propriété en question] justifie en faveur de l'appelant Murûa, représentant le Gouvernement espagnol, l'immunité de juridiction.» Die englische Rechtsprechung hat sich bei ihrer (früher) ablehnenden Haltung in der Frage der Kontrolle ausländischer Normen wiederholt auf die im Bruderstreit des Hauses Braunschweig ergangene Entscheidung des House of Lords berufen. In diesem Streit wurde die Bestellung des Königs von Hannover zum Vormund des 11
Bordeaux 28. 3. 1938, Droit maritime français 16 (1938) 168. Ebenso Bruxelles 7. 7. 1937, Gaz. Pal. 1937, 2, 674. 12 168 U. S. 250, 254 (1897; cert. to 2d. Cir.). 13 2 Dali. 247 (1796). 14 Entscheidung vom 17. 1. 1938, franz. Übersetzung Rev. crit. 34 (1939) 316, 320.
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abgesetzten Herzogs von Braunschweig u n d damit zugleich ein von dem König selbst gesetzter Hoheitsakt angefochten. Aus den Urteilsgründen 15 : « . . . I t is true the bill states that the instrument was contrary to the laws of Hanover and Brunswick, but, notwithstanding that it is so stated . . . no Court in this country can entertain questions to bring Sovereigns to account for their acts done in their Sovereign capacities abroad.» Bei anderen in diesen R a h m e n zu stellenden Fällen läßt schon das R u b r u m erkennen, daß die Klage unmittelbar gegen einen fremden Staat gerichtet w a r : Gerechtshof Amsterdam 3.12.1942 in Sachen N.V. Handelsmaatschappij Poortensdijk t. Sovjet Republiek Letland 16; Österreichischer Oberster Gerichtshof 27. 8.1919 in Sachen der Österreichisch-Ungarischen Bank gegen den ungarischen Staat 1 7 ; Högsta Domstol 5. 5. 1934 in Sachen Anna Bolin c. Socialistisca Sovjetrepublikernas Union 18; Wulf söhn v. Russian Socialist Federated Soviet Republic 19; Tribunal Civil de la Seine 18.10. 1933 in Sachen Hertzfeld c. Representation Commerciale de l'U. R. S. S.20 Wie sogleich ins Auge fällt, beruht der Unterschied zwischen den beiden vorgestellten Fallgruppen in der Beschaffenheit der beklagten Partei. I n der zweiten Fallgruppe begegnen ausschließlich Klagen, die unmittelbar oder mittelbar gegen ein fremdes Völkerrechtssubjekt gerichtet sind. Es darf daher nicht verwundern, wenn die Gerichte in diesen Fällen ihre Zuständigkeit zur Nachprüfung des vorgelegten Sachverhalts abgelehnt haben. Diese Ablehnung läßt sich ohne weiteres auf einen im Völkerrecht herrschenden Grundsatz stützen, nach welchem fremde Staaten davon befreit sind, vor die Schranken eines ausländischen Gerichts als Partei gerufen zu werden: P a r in parem non habet imperium 2 1 . 15 Duke of Brunswick v. King of Hanover (1848), 2 H. L. C. 1, 21 f.; 9 E. R. 993. Andere dicta der Richter lassen allerdings fraglich erscheinen, ob einzig der Gedanke persönlicher Immunität des Königs der Entscheidung zugrunde hegt oder ob das House of Lords nicht doch fremde Hoheitsakte schlechthin von jeglicher Prüfung durch einheimische Gerichte ausnehmen wollte (vgl. hierzu namentlich die Ausführungen des Lord Chancellors S. 21 f. und von Lord Brougham S. 24 a. a. O.). 16 N. J. 1943 Nr. 340. . 17 [Österr.] GerichtsZ 70 (1919) 380 = NiemeyersZ 28 (1920) 505. 18 Nytt Juridiskt Arkiv 1934 I 206. 19 234 N. Y. 372, 138 N. E. 24 (1923). 20 Clunet 61 (1934) 636. 21 Vgl. Bartolus, Tractatus Repraesalium (1354) quaestio 1, 3 § 10. Dieser früher allgemein befolgte Grundsatz hat allerdings neuerlich, nachdem sich
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2. Personelle oder materielle
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Immunität?
Analyse und Auswertung des bisher vorgetragenen Entscheidungsmaterials stellen die Frage nach der personellen oder materiellen Abgrenzung des Grundsatzes par in parem non habet imperium. Denn die Immunität fremder Hoheitsträger ratione persona« schlösse nicht aus, ihre Akte im Rahmen eines Inzidentverfahrens zu prüfen. Nur ein materielles Verständnis des genannten Axioms verböte jede richterliche Kontrolle in Ansehung fremder Hoheitsakte. a) Persönliche Immunität. - Für die Ansicht, die Organe eines Staates könnten nicht über einen fremden Staat zu Gericht sitzen, läßt sich Überzeugendes ins Treffen führen. Es scheint, als ob in der persönlichen Immunität recht eigentlich der Sinn des Axioms par in parem non habet imperium beruhe. Der berühmt gewordene Ausspruch von Lord Campbell, der britische Lordkanzler würde doch keine einstweilige Verfügung (injunction) gegen die französische Republik erlassen, wenn diese eine Armee über den Rhein oder die Alpen marschieren lasse 22, ist zwar nur ein Bonmot, trifft aber anschaulich den Kern der Sache. Souveräne Staaten unterliegen grundsätzlich nicht der Gerichtsbarkeit anderer souveräner Staaten. Gerichtsbarkeit setzt Gerichtshoheit voraus. Eine solche Hoheit aber kann nicht einseitig über einen anderen, selbständigen Hoheitsträger begründet werden. Die scheinbar widersprechende Lehre von der Gerichtsunterworfenheit ausländischer acta iure gestionis findet ihre Erklärung in der Konstruktion stillschweigender Unterwerfung des fremden Staates, wenn er sich auf die Ebene der Beziehungen Privater herabläßt und handeltreibend am privaten Güterverkehr teilnimmt. b) Materielle Immunität. — Bei einer personellen Beschränkung des Immunitätssatzes können freilich die in der ersten Fallgruppe gebrachten Entscheidungen nicht aus diesem Satz erklärt werden; sie vermögen sich nur auf eine Interpretation ratione materiae zu stützen. Es ist aber nicht ersichtlich, wie sich begrifflich oder anhand von Wertungen die materielle Auslegung des Grundsatzes verteidigen ließe. Denn aus dem Inhalt der Souveränität kann das die Staaten handeltreibend auf die Ebene der Beziehungen Privater herabgelassen haben, etliche Einschränkungen erfahren. Auf die dabei zugrunde gelegte Unterscheidung der acta iure imperii und iure gestionis kann hier nicht eingegangen werden. 22 In Duke of Brunswick v. King of Hanover (oben N. 15) 27.
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Verbot, fremde Hoheitsakte auf ihre Rechtsgültigkeit zu prüfen, nicht abgeleitet werden. Allenfalls kann eine Vermutung der Rechtsgültigkeit aller Akte gedacht werden, die einem pouvoir souverain entspringen. Für eine Infallibilität solcher Akte oder eine praesumtio iuris et de iure ihrer Gültigkeit bietet jedoch das Völkerrecht, dem der Souveränitätsbegriff angehört, keine Handhabe. Derlei könnte nur staatsrechtlich, dann aber nicht mit verbindlicher Wirkung für andere Hoheitsträger begründet werden. Und auch diese Begründung entfällt, wenn das Verfassungsrecht des Staates, um dessen Hoheitsakte es sich handelt, die Normenkontrolle und damit also den Zweifel an der Verbindlichkeit seiner Akte selbst zuläßt. Wie könnte dann die Souveränität dieses Staates dadurch verletzt werden, daß nicht allein der eigene Richter, sondern ein auswärtiges Forum eben jene für zulässig gehaltene Feststellung trifft ? Man wende nicht ein, der Staat gebe keines seiner Souveränitätsrechte auf, wenn er die aus seiner Souveränität fließenden Gewalten unter seine Organe verteilt und dabei die Normenkontrolle der (eigenen) Gerichtsbarkeit überträgt, sehr wohl aber erfahre seine Souveränität eine Einbuße, wenn sich fremde Organe vom Ausland her jene Gewalten anmaßen. Dieser Einwand kann vom Standpunkt des staatlichen Verfassungsrechts wohl berechtigt sein, wenn feststeht, daß es der Wille einer Staatsordnung ist, jegliche Erörterung ihrer inneren Akte durch nicht ihrer Hierarchie unterworfene fremde Behörden auszuschließen. Namentlich ein Staat, der seine Verfassung bewußt gebrochen hat, der bewußt unrichtiges Recht setzt, wird die außerhalb seines Einwirkungsbereichs erfolgende Kontrolle seiner Akte nicht schätzen. Vom Völkerrecht her gesehen stellt sich die Frage aber anders. Sie geht dahin, ob Gerichte, die nach den Befehlen ihres Kollisionsgesetzgebers fremdes Recht so anzuwenden haben, wie es im fremden Land angewandt wird (weil es dort so gilt), durch überspannte Souveränitätsansprüche jenes fremden Staates daran gehindert werden können, auf die Voraussetzung der anbefohlenen Anwendung fremden Rechts, nämlich seine Geltung im fremden Land, gewissenhaft zu achten. Der Vorgang, welcher der Kognition fremden Rechts zugrunde hegt, tangiert aber schon rein räumlich nicht die Souveränitätssphäre des fremden Staates. Dessen interne Rechtsordnung wird lediglich von außen her beobachtet, wiedergegeben und auf einen Sachverhalt angewandt, von dem der Richter glaubt, daß er
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eine so enge Beziehung zur fremden Sozialsphäre habe, d a ß eine Anwendung des f ü r diese Sphäre gesetzten Rechts angemessen sei, u n d zwar mit dem Ziel, zu der gleichen Fallentscheidung zu gelangen, welche seiner Vorstellung nach der fremde Richter finden würde, h ä t t e er den Sachverhalt zu beurteilen. E s ist nicht zu erkennen, wie völkerrechtliche Vorbehalte in die feststellende, auslegende u n d prüfende Tätigkeit des Richters eingreifen u n d das Maß seiner Tätigkeit beschneiden könnten. Die deduktive Rechtfertigung einer materiellen Ausdehnung des Grundsatzes par in p a r e m will mithin nicht gelingen. c) Prüfung der Rechtsprechung. - E s bleibt noch der Rückgriff auf die induktive Methode, das Durchmustern der internationalen Rechtspraxis auf etwa bereits entwickelte u n d einheitlich befolgte Regeln. Dabei wird sich sogleich erweisen, d a ß die in der ersten Fallgruppe dargestellte, materiell verstandene Anwendung des Satzes p a r in parem recht vereinzelt v o r k o m m t . Aus der zweiten Fallgruppe ist hier die oben (bei N. 17) erwähnte holländische Entscheidung zu nennen, die zwar eine Klage gegen einen Hoheitsträger betrifft, nämlich gegen die Sowjetrepublik Lettland, in welcher der Richter jedoch ausdrücklich feststellt, daß „infolge eines ebenfalls im Völkerrecht anerkannten Grundsatzes der Richter des einen Staates nicht befugt ist, in eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Hoheitshandlungen oder Maßregeln einzutreten, welche ein anderer souveräner Staat iure imperii verrichtet oder ergriffen hat, [und daß es] bei der Anwendung dieses Grundsatzes naturgemäß gleichgültig ist, ob der andere Staat selbst oder etwa eine dritte Person Prozeßpartei ist (Unbefugtheit ratione materiae)' - . Diese unter deutscher Besetzung im Kriege und in einem Zeitpunkt, als die Besatzungsmacht sich ihrerseits bereits im Kriegszustand mit der Sowjetunion befand, mit knapper Begründung gefällte Entscheidung steht allerdings im Widerspruch zu einer viel gründlicher erwogenen früheren Entscheidung desselben Gerichts. Damals war angenommen worden, daß im Rechtsstreit von Privatpersonen, anders als in einer gegen die alliierten Besatzungsmächte in der Türkei direkt gerichteten Klage, Akte der genannten Besatzungsmächte nachgeprüft und gegebenenfalls für nichtig angesehen werden könnten 23,24 . 23
Entscheidung vom 13. 3. 1928, Annual Digest of Public Int. Law Cases 1927/28 Nr. 17. - Auch früher und später haben niederländische Gerichte fremde Hoheitsakte im Rahmen einer Vorfragenentscheidung nachgeprüft: Höge Raad 21. 1. 1881, Weekblad voor het recht Nr. 4600; Rechtbank Arnhem 13. 6. 1939, N. J. 1940 Nr. 19, bestätigt durch Gerechtshof Arnhem 19. 9. 1939, N. J. 1940 Nr. 20. 24 Auch die Entscheidung des Gerechtshof 's Gravenhage vom 4. 12. 1939, N. J. 1940 Nr. 27, darf nicht im Sinne einer materiellen Ausdehnung des
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Selbst i m anglo-amerikanischen Rechtskreis, dessen Gerichte a m e h e s t e n geneigt sind, d e m I m m u n i t ä t s g e d a n k e n materielle A n w e n d u n g z u verschaffen, w e i c h t die neuere R e c h t s p r e c h u n g v o n der B e f o l g u n g der früher g e ü b t e n P r a x i s m e h r u n d mehr ab. D i e s e Wirkung ist w o h l der Belehrung durch die W i s s e n s c h a f t zu d a n k e n . H e u t z u t a g e läßt sich daher ein allgemein u n d u n z w e i f e l h a f t geltendes Verbot der Kontrolle fremder H o h e i t s a k t e auch dort nicht m e h r feststellen. Anfänge dieser Entwicklung sind bereits in der Entscheidung Hilton v. Ouyot ersichtlich. Dort wurde die Auffassung von Story und Kent wiedergegeben, daß ein ausländisches Urteil zwar nicht hinsichtlich seines gesamten Inhalts von einem amerikanischen Gericht nachzuprüfen sei, daß aber immerhin untersucht werden könne, ob der fremde Richter zuständig gewesen oder das Urteil in fraudem legis erschlichen sei, ob es auf einem Irrtum beruhe oder «was bad by the law of the place where it was rendered» 25 . Neuere Entscheidungen haben deutlicher mit der alten Praxis gebrochen. Aus ihrer Zahl sind namentlich anzuführen der Fall Shapleigh Immunitätsgrundsatzes verstanden werden. Zwar h a t der Hof erwogen: ,,. . . daß der niederländische Richter nicht in eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Handlungen der mexikanischen Staatsmacht eintreten kann, sondern die Rechtsverhältnisse zu beachten hat, welche in Mexico entstanden sind auf Grund von Maßregeln dieses Staates gegenüber in diesem Staate befindlichen und einer mexikanischen Gesellschaft gehörenden Gütern . . . " Aber die Betonung hegt nicht auf den Maßregeln, sondern den entstandenen Rechtsverhältnissen. Das Gericht h a t sich nämlich dann doch in eine Prüfung der die dingliche Rechtsänderung bewirkenden Vorgänge eingelassen und erklärt, daß das hoheitliche Handeln der mexikanischen Regierung wenigstens auf „faktischem Wege" dem früheren Eigentümer seine Rechte entzogen habe; es h a t also offenbar angenommen, daß die behauptete Gesetzwidrigkeit der Enteignungsmaßnahmen nach mexikanischem öffentlichen Recht deren Rechtswirksamkeit (etwa bis zu einer Anfechtung) nicht beeinträchtige, die Akte vielmehr (jedenfalls vorläufig) in Geltung stünden. 25 1 59 U. S. 113, 194 (1895). Überhaupt gilt die Zurückhaltung allein der Kontrolle der Gesetzgebung und Verwaltung, nicht aber der ausländischen Rechtsprechung (vgl. Woolsey, Nazi Laws in U. S. Courts: Amer. J . I n t . Law 44 [1950] 129-135 auf S. 133 N. 13). Andererseits h a t die Chancery Division im Falle Pemberton v. Hughes, [1899] 1 Ch. D. 781, sich außerstande gesehen, die angebotenen Beweise für die Nichtigkeit eines in Florida erlassenen Scheidungsurteils anzunehmen. Die Richter begnügen sich mit der Feststellung, daß das fremde Gericht international zuständig war und kein anderer Grund ersichtlich sei, welcher nach britischem internationalem Zivilprozeßrecht eine Anerkennung des Urteils ausschlösse. Eine weitere Prüfung anhand des fremden Verfahrensrechts, insbesondere die Feststellung, daß ein Nichturteil vorliege, erschien dem erkennenden Richter unzulässig (787 ff.).
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v. Mier, in dem der Supreme Court der USA, unter gewissen Vorbehalten allerdings, eine Enteignungsverordnung des mexikanischen Bundesstaates Chihuahua anhand der mexikanischen Bundesverfassung und der Landesgesetze von Chihuahua prüfte 26 ; ferner die beiden englischen Entscheidungen in Re Amand, die ein niederländisches Rekrutierungsdekret auf seine Vereinbarkeit mit der niederländischen Verfassung kontrollierten 27 ; die Entscheidung des Gerichts der Kronkolonie Aden vom 9. 1. 1953 in Sachen der „Rose Marie", welche die Völkerrechtsmäßigkeit persischer Nationalisierungsmaßnahmen untersucht und verneint h a t 2 8 ; auch der englische Court of Appeal hat in A/S Tallina Laevauhisus v. Estonian State S. S. Line 29 ein fremdes Gesetz für verfassungswidrig angesehen und daher nicht beachtet. Eingehende Nachforschungen über spanisches Verfassungsrecht hat die King's Bench in der Streitsache Banco de Bilbao v. Rey auf entsprechendes Vorbringen der Beklagten besorgt und daraufhin die Nichtigkeit einer Verordnung der baskischen Regierung festgestellt. Der Richter führte weiter aus, daß die Beklagten nach spanischem Recht die Nichtigkeit nur durch Klage vor dem spanischen Verfassungsgericht hätten geltend machen können, daß sie jedoch aus rechtlichen Gründen mit dieser Klage nicht durchgedrungen wären. Dieser Annahme schickte Lewis J . allerdings das dictum voraus, daß die Gültigkeit von Hoheitsakten eines von der britischen Krone anerkannten Souveräns nicht in Zweifel gesetzt werden dürfe. Dieses Verbot wurde dann offenbar nicht auf Akte der autonomen baskischen Regierung bezogen 30. - Einige Ansätze zur Kontrolle russischer Regierungsanordnungen läßt die Begründung im Falle Russian Commercial and Industrial Bank v. Comptoir d'Escompte de Mulhouse erkennen 81. Schließlich ist den Ausführungen von Justice Rowlatt in der Sache King of the Hellenes v. Brostrom zu entnehmen, daß er sich zur Prüfung angeblich verfassungswidriger griechischer Verordnungen für befugt hielt; er nahm dann allerdings an: «A written Constitution is a written Constitution so long as it is observed », und gab den verfassungswidrig zustandegekommenen, aber de facto in Griechenland befolgten Rechtssätzen den Vorrang vor der formalen Ordnung 32. Tendiert also bereits die neuere nordamerikanische u n d mehr noch die neuere englische Praxis zugunsten einer Kontrolle fremder Hoheitsakte, so m a c h t eine Durchsicht kontinentaler Entscheidungen die entsprechende H a l t u n g ganz offenbar. Neben die bereits erwähnten niederländischen Fälle sind hier folgende zu stellen: 26
299 U. S. 468 (1937). [1941] 2 K. B. 239; [1942] 1 K. B. 445; vgl. hierzu Mann 159 N. 97. 28 Italien. Übersetzung (Auszug): Riv. dir. nav. 1953 I 97-101. 29 (1947) 80 LI. L. Rep. 99, 114. 30 Clunet 65 (1938) 604 ff. 31 [1925] A. C. 112, 125. 32 (1923) 16 LI. L. Rep. 190, 192.
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Entscheidung des Reichsgerichts vom 4. 3. 1915 33 : . . muß auch dem deutschen Gerichte, wenn die Feststellung der Staatsangehörigkeit einer Person in Frage kommt, die Prüfung der Wirksamkeit des Erwerbes des amerikanischen Bürgerbriefs zugestanden werden. Die Frage, ob eine Person Bürger der Vereinigten Staaten geworden ist, kann nur nach amerikanischem Recht entschieden werden, und wenn dieses Recht bei dem Fehlen gewisser Voraussetzungen der Erteilung des Bürgerbriefs jede Wirksamkeit abspricht, so ergibt sich aus der Anwendung des amerikanischen Rechtes die Befugnis des deutschen Gerichts, dem Inhaber eines amerikanischen Bürgerbriefs wegen fehlerhaften Erwerbes desselben die Anerkennung als amerikanischer Bürger zu versagen" ; Entscheidung des Reichsgerichts vom 8. 10. 1918 34 ; Gutachten des österreichischen Obersten Gerichtshofes vom 26. 11. 1935 über die Verfassungsmäßigkeit der amerikanischen Joint Resolution vom 5. 6.1933 35 ; Entscheidung der französischen Cour de Cassation vom 1. 3. 1875 34 ; Entscheidung des Tribunal civil Annecy vom 13. 5. 1903 in dem berühmten Fall 3 7 , der vielfach als leading case für die Zulässigkeit der Kontrolle fremder Normen angeführt wird: das französische Gericht prüfte einen Erlaß des früheren Territorialherren, des Königs von Sardinien, auf seine Eigenschaft als Akt der Gesetzgebung ; Entscheidung des Tribunal civil Bayonne vom 18. 11. 1937 38 ; Entscheidung der Cour d'appel Lüttich vom 30. 1. 1909 39 : « . . . si les tribunaux belges n'ont pas le pouvoir d'annuler les brevets [d'invention] accordés par une puissance étrangère, ils sont incontestablement compétents pour examiner, à l'occasion d'une contestation dont ils sont saisis, et sauf à se conformer aux règles de la législation à laquelle les brevets sont soumis, la question de l'existence ou de la validité de brevets conférés en pays étranger. » d) Stellungnahme der Wissenschaft. - W ä h r e n d die Gerichte sich immerhin nur zögernd in eine Kontrolle fremder Normen einlassen u n d offenbar jedes Argument schätzen, das ihnen die Stellungnahme erspart, h a t sich die wissenschaftliche Doktrin nahezu einmütig f ü r die Zulässigkeit einer N a c h p r ü f u n g fremder Hoheitsakte ausgesprochen 40 . Dies gilt auch f ü r den anglo-amerikanischen Rechtskreis, wo 33
J W 1915, 583, 584. RGSt 52, 309. 35 Amtsblatt der österr. Justizverwaltung 1935, 106, 114. 36 D. P. 1876, 1, 179. 37 Clunet 30 (1903) 819. 38 Droit maritime français 16 (1938) 119. 39 Pasicrisie beige 1909, 2, 175, 176. 40 van Praag 316 f. : « Mais pour ce qui est de l'appréciation purement préjudicielle, . . . - peut-on démontrer l'existence d'une règle de droit international public qui prescrirait cette manière de faire ? . . . En ce qui concerne la simple interprétation d'un acte administratif étranger, il me semble 31
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sich in neuerer Zeit namentlich die im kontinentalen Rechtsdenken aufgewachsenen Gelehrten .F. A.Mann und Lipstein in monographischen Studien nachdrücklich für eine personelle Beschränkung der Regel par in parem und für die Zulässigkeit der Kontrolle fremder Normen erklärt haben 4 1 . Ablehnende Stellungnahmen sind im wissenschaftlichen Schrifttum nur spärlich nachzuweisen 42 . Bei dieser Sachlage läßt sich die Geltung eines völkerrechtlichen Verbotes, fremde Hoheitsakte auf ihre Legalität und Konstitutiodifficile de pouvoir citer un argument décisif, se fondant sur le droit des gens, qui s'oppose à ce qu'elle soit toujours permise au juge, si elle peut être nécessaire pour décider sur le fond de l'affaire. - Mais l'appréciation de la légalité de l'acte ne lui est pas non plus dénié en droit international public.» - Fedozzi 197 ff., insbes. S. 200: «Je ne crois pas qu'on puisse trouver une règle générale, qui défende le contrôle de la légitimité d ' u n acte public étranger lorsque les conséquences de ce jugement sont destinées à produire leur effet exclusivement dans le territoire de l ' E t a t auquel le juge appartient. »—Neumeyer 344 : „ E s k a n n der Statthaftigkeit einer Nachprüfung nicht entgegengehalten werden, daß eine Gerichtsbarkeit über fremde Staaten völkerrechtlich unzulässig wäre ; will doch mit der Nachprüfung nicht dem fremden S t a a t ein Verhalten vorgeschrieben, sondern nur eine Voraussetzung f ü r die Anwendung des eigenen Rechts klargestellt werden." - Vgl. von Bar, Theorie u n d Praxis des I P R I I (1889) 685; Zitelmann 286; Kunz a. a. O.; Niboyet, Qu'est-ce que la loi étrangère aux yeux des juges d'un pays déterminé: Rev. dr. int. législ. comp. 55 (1928) 753-812 auf S. 764 ff.; ders., Traité 403 ff.; Melchior, Die Grundlagen des deutschen I P R (1930) 86 f.; Maury, Ree. des cours 57 (1936 - I I I ) 394 ff. ; Wigny, Rev. crit. 34 (1939) 324; Hoyer, Ö. J . Z. 1946, 90; Makarov (oben N. 1); Seidl-Hohenveldern, I n t . Konfiskations- und Enteignungsrecht (1952) 46 f., jedenfalls f ü r die Nachprüfung der Gesetzmäßigkeit ; Wolff, I P R 3 (1954) 87 u n d Private I n t . L a w 3 (1950) 214; Raape, I P R 4 (1955) 121; Niederer, E i n f ü h r u n g in die allg. Lehren des I P R (1956) 342; Schnitzer, H a n d b u c h des I P R 4 I (1957) 204 ff. Gute Übersicht u n d weitere Nachweise liefert De Nova a. a. O. 41 Mann 51: «As von Bar said, »; Lipstein, Recognition of Governments and t h e Application of Foreign Laws : Transactions of t h e Grotius Society 35-1949 (1950) 157-188 auf S. 179: « . . . if evidence of foreign law is given, and if this evidence is contradicted on t h e ground t h a t the relevant rule of foreign law violates t h e constitution or an enabling Act, if delegated legislation is proved, a n d is invalid, an English Court m u s t give a decision. » Vgl. ferner McNair, Legal Effects of W a r 3 (1948) 375; Morgenstern, Recognition and Enforcement of Foreign Legislative, Administrative and Judicial Acts Which Are Contrary t o International L a w : I n t . L. Q. 4 (1951) 326-344. 42 Dickinson (oben N. 10) 366; Elkin, Clunet 65 (1938) 607; Morris, L. Q. Rev. 68 (1952) 127; ferner die oben N. 2 Genannten.
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nalität zu mustern, nicht nachweisen 43 . Die Theorie bejaht vielmehr die grundsätzliche Befugnis zur Kontrolle fremder Normen, während die richterliche Praxis zurückhält und eine klare Stellungnahme gern umgeht, teilweise wohl aus Gründen des internen Staatsrechts und des Zweifels am richterlichen Prüfungsrecht überhaupt. Die völkerrechtlichen Einwände sind damit ausgeräumt. Das Völkerrecht verbietet allenfalls die Entscheidung über eine Klage, die unmittelbar gegen den Bestand des fremden Hoheitsaktes gerichtet ist (persönliche Immunität), aber nicht über eine Klage, die nur dessen Wirkungen zum Gegenstand hat. Diese Frage gehört vielmehr in den Bereich des internationalen Privatrechts 44 und betrifft das Verfahren bei der Anwendung fremden Rechts. II. K o l l i s i o n s r e c h t l i c h e
Einwände
Auch aus internationalprivatrechtlichen Bedenken ist zuweilen die Befugnis zur Prüfung der Legalität fremder Normen in Zweifel gezogen worden 4 5 . Es wird insbesondere geltend gemacht, diese Befugnis vermöchte der Richter nicht aus der Kollisionsnorm herzuleiten, die ihm die Anwendung ausländischen Rechts anbefehle 46. Offenbar liegt diesem Bedenken die Vorstellung zugrunde, das Prüfungsrecht stehe dem Richter an sich nicht zu, es müsse ihm von der Verfassung ausdrücklich verliehen werden und für eine solche Beleihung sei der Kollisionsnorm nichts zu entnehmen. Diese Auffassung geht aber fehl. Eben das in der Verweisungsnorm enthaltene Gebot der Anwendung ausländischen Rechts involviert Pflicht und Befugnis, die ausländischen Gesetze so anzuwenden, wie sie in ihrer Rechtsordnung tatsächlich in Geltung stehen. Das besagt, daß der Richter keine Bestimmungen berücksichtigen darf, die infolge eines zur absoluten Nichtigkeit führenden Mangels im 43 Vgl .van Praag 315 f.; Fedozzi 200; ferner Oppenheim(-Lauterpacht), International Law 7 I (1948) 242. 44 Vgl. Mann 55; De Nova 7. 46 So hat DicJcinson (oben N. 10) 366 angenommen, die Zuständigkeit der Gerichte reiche nicht weiter, als ihre Entscheidungen allgemeine Befolgung fänden; dies sei aber nicht der Fall, wenn über die Gültigkeit eines ausländischen Hoheitsaktes entschieden werde. Dickinson verkennt die Tragweite einer Inzidententscheidung und verwechselt obendrein Zuständigkeit und Durchsetzbarkeit. 46 Vgl. De Nova 3.
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Ausland selbst keine Rechtswirkungen hervorbringen. Er würde sonst objektives Recht anwenden, das im fremden Lande gar nicht gilt und das von seinen Kollisionsnormen nicht in Bezug genommen wird 47 . Das muß auch dann gelten, wenn das ausländische Recht als factum angesehen wird 4 8 . Daher gehört die Untersuchung, ob ein Rechtssatz in der von der Kollisionsregel in Bezug genommenen Rechtsordnung überhaupt gilt, zur Kognition des Prozeßrichters. Die Wirksamkeit einer Norm ist nun allenthalben von gewissen Voraussetzungen abhängig. Diese Voraussetzungen können formeller Art sein: Das Gebot muß von einem zur Gesetzgebung zuständigen Organ ausgehen, es muß ein bestimmtes Gesetzgebungsverfahren durchlaufen haben, der Rechtssatz muß gehörig verlautbart sein (régularité). Sie können aber auch materieller Art sein: das Gebot darf nicht auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet sein, sein Inhalt muß mit Normen höherer Ordnung im Einklang stehen usw. (validité, constitutionalité). Der Richter muß bei gegebenem Anlaß auf diese Voraussetzungen achten, um die Feststellung treffen zu können, ein bestimmter Rechtssatz gelte im ausländischen Staate und sei folglich einer Anwendung fähig 4 9 . «Ainsi le pouvoir du juge apparaît comme une conséquence nécessaire . . ., [il est] contenu dans le commandement de son E t a t d'attribuer une certaine valeur à l'acte étranger» III. V o r a u s s e t z u n g e n der N o r m e n k o n t r o l l e Die Untersuchungen zu I haben ergeben, daß die Normenkontrolle bei der Anwendung fremden Rechts nicht durch die Ordnung der zwischenstaatlichen Beziehungen beschnitten wird. Voraussetzungen und Beschränkungen der Kontrolle sind vielmehr dem internen Verfassungsrecht zu entnehmen. Hierfür könnte aber sowohl die lex fori wie die lex causae in Betracht kommen; es gilt daher, diese beiden Statute auf ihre Maßgeblichkeit zu prüfen. 1 .Maßgeblichkeit
der lex
fori?
Quid iuris, wenn der Richter durch seine eigenen Gesetze in der Ausübung der Normenkontrolle beschränkt wird, wie dies in der 47
Vgl. Zitelmann 287; Batiffol, Traité élémentaire de d. i. p. 2 (1955) 334. De Nova 6 N. 21. 49 Vgl. hierzu Melchior (oben N. 40) 87; ferner Sarikey L. J. in Princess Paley Olga N.Weiß, [1929] 1 K. B. 718, 731. 50 51 Fedozzi 206. Zutreffend De Nova 7. 48
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Schweiz, in Frankreich und in England, in gewissem Maße auch in der Bundesrepublik der Fall ist ? Es ist nicht von vornherein anzunehmen, daß solche Beschränkungen auch für die Anwendung fremden Rechts Beachtung verlangen, denn die Vorschriften, mit denen das richterliche Prüfungsrecht ausgeschlossen oder begrenzt wird, sind nicht Bestandteile der Prozeßgesetze. Sie gelten daher nicht für jedes Erkenntnisverfahren schlechthin, gleichgültig welcher Art die zur Anwendung gelangenden materiellen Rechtssätze sind 5 1 . Sie bilden vielmehr einen Teil der staatlichen Verfassung; sie sind Ergebnisse einer bestimmten Ordnung, in der die Funktionen der drei Gewalten aufeinander abgestimmt, werden. Staaten, in denen die Volksrechte - effektiv oder nur angeblich - in den Vordergrund des Verfassungslebens rücken, sind einer ausgedehnten richterlichen Kontrolle der Legislative durchweg abhold 5 2 . Staaten mit streng repräsentativdemokratischem System tendieren hingegen schon eher zur Justizstaatlichkeit und trachten die Entmachtung des Aktivbürgers durch die Kontrolle der Legislative und Exekutive seitens unabhängiger Richter auszugleichen. Wieweit gelten die Verfassungsnormen über Nachprüfbarkeit der Gesetze nun? Das Recht zur Nachprüfung der anzuwendenden Normen ist mit der Kognitionsfunktion verbunden und muß daher ausdrücklich ausgeschlossen oder eingeschränkt werden 5 3 . Ausschluß und Einschränkung sind restriktiv auszulegen. Dabei ist das Motiv zu bedenken, das die jeweilige Regelung veranlaßt hat. Sie wird im allgemeinen von dem Bestreben diktiert sein, die Autorität der Legislative zu stärken, ihre Akte allen Anzweiflungen zu entrücken oder doch wenigstens ihre vorschnelle Anfechtung zu bannen. Der den Emanationen des eigenen Gesetzgebers geschuldete Respekt steht aber nicht im Spiele, wenn es sich um die Prüfung fremder Rechtssätze handelt. Die für die Abgrenzung der drei Gewalten getroffene Regelung betrifft daher immer nur die Inlandsakte 5 4 ; der freien 52 Vgl. Artt. 113 III und 114 bis III der Schweizer Bundesverfassung; Ruck, Schweizerisches Staatsrecht (1957) 259 f. Für die Volksdemokratien sozialistischer Struktur bedarf es keiner Nachweise. 53 Vgl. hierzu Wintrich, Aufgaben, Wesen, Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit: Festschrift Nawiasky (1956) 191-210 auf S. 204 f. 64 Vgl. Cass. beige 23. 5. 1898, Clunet 26 (1899) 618; Cass. lux. 19. 6. 1908, Eev. de d. i. p. 8 (1912) 504, 510: «Le principe constitutionnel de la séparation des pouvoirs est un principe exclusivement de droit interne.»
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richterlichen Beurteilung ausländischer Hoheitsakte steht sie nicht im Wege 55. Mithin kann die lex fori nichts f ü r die Kontrolle fremder Normen hergeben 5 6 . 2. Maßgeblichkeit der lex causae Voraussetzungen u n d Umfang der Kontrolle fremder Normen richten sich vielmehr nach dem öffentlichen Recht des Staates, in dessen Ordnung die Norm gilt 5 7 - auctor regit actum. Daß der inländische Richter den Akt ausländischer Gesetzgebung an ausländischem öffentlichen Recht zu messen, dieses also anzuwenden h a t , darf nicht befremden. Das Axiom, ausländisches öffentliches Recht könne nicht Gegenstand richterlicher Erkenntnis sein, gilt nur für rein öffentlich-rechtliche Rechtsanwendungsvorgänge, etwa die Durchsetzung hoheitlicher Akte (Beschlagnahme, Einziehung von Steuern, Auferlegung von Bußen). Ausländische Normen des öffentlichen Rechts sind indessen der Kognition dann nicht entzogen, wenn die international-privatrechtliche Norm die Anwendung ausländischen Rechts befiehlt u n d sich bei der Anwendung ausländischen Privatrechts Vorfragen stellen, die eine Beurteilung nach ausländischem öffentlichen Recht nötig machen 5 8 . So ist es z. B. dann, wenn die internationalprivatrechtliclie Norm auf das englische Vertragsstatut verweist und dieses die Geltung gewisser 55 van Praag 317; Kunz 34; Niboyet, Revue (oben N. 40) 770 u n d Traité 404; Fedozzi 205; Newmeyer 226 f.; Mann 157; De Nova 7. Ebensowenig ist die Abgrenzung von ordentlicher u n d Verwaltungsgerichtsbarkeit, wie sie im Inland eingerichtet ist, ein Modell f ü r die Abgrenzung der Funktionen inländischer Gerichtsbarkeit und ausländischer Verwaltung : Weismann, Z. f. d. ges. Strafrechtswiss. 9 (1889) 399; Kunz 33 N. 18; Fedozzi 205. 56 Fehlerhaft daher die von Fedozzi 204 f. berichtete italienische Praxis, welche auch bei Anwendung fremder Rechtssätze die inneren Regeln der italienischen Verfassungsordnung befolgt. So h a t erst neuerdings das Tribunale dì R o m a (13. 9. 1954, Foro P a d a n o 1954 I 1053, 1060) seine Zuständigkeit zur Normenkontrolle gleichfalls aus der (italienischen) lex fori hergeleitet: « . . . il giudice italiano, dovendo applicare la legge straniera, è tenuto non solo a constatarne l'esistenza, m a anche ad esercitare i poteri inerenti secondo la nostra lex fori, dominante il processo, al sindacato di legittimità costituzionale riconosciuto dalla legge processuale italiana. » 57 Vgl.Zitelmann 286: Der Richter h a t „nach dem Staatsrecht des fremden Staates, nicht dem des eigenen zu beurteilen, ob die Voraussetzungen f ü r die gültige Entstehung eines Gesetzes vorliegen; auch das Maß seines Prüfungsrechts in dieser Beziehung m u ß er dem fremden Staatsrecht entnehmen: denn die Frage nach dem richterlichen Prüfungsrecht ist ja nur ein anderer Ausdruck f ü r die Frage, welche Rechtssätze nach dem Willen der fremden Rechtsordnung als richterlich anwendbares Recht gelten sollen." Ähnlich Niboyet 406. 58 Vgl. Niboyet 403 f.
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Abreden von der Erteilung einer Devisengenehmigung, also einem wirksamen Verwaltungsakt abhängig macht. - Zuweilen stellen bereits die heimischen Gesetze die Vorfrage nach ausländischem öffentlichen Recht, wenn sie etwa bei der kollisionsrechtlichen Verweisung an die Staatsangehörigkeit der Beteiligten anknüpfen, die ja von dem Recht des betreffenden Staates abhängt. Die Maßgeblichkeit des fremden Staatsrechts für die Frage der Nachprüfbarkeit ergibt sich daraus, daß der Richter fremdes Privatrecht so anzuwenden hat, wie es im fremden Lande gilt. Der Prozeßrichter ahmt gewissermaßen die angenommene Tätigkeit des fremden Richters nach; er verhält sich, wie sich der fremde Richter bei Anwendung seines eigenen Rechts verhalten würde; er handelt, als säße er an Stelle des fremden Richters 5 9 . Wenn also der fremde Richter die Pflicht hätte, die Gültigkeit einer Vorschrift seiner heimischen Rechtsordnung bei gebotenem Anlaß nachzuprüfen und eventuell ihre Anwendung zu verneinen, so muß sich auch der inländische Richter hieran halten, die Prüfung anstellen und gegebenenfalls von einer Anwendung des für ungültig gehaltenen Rechtssatzes abstehen. Die fremde Justizverfassung und die Akzessorietät des inländischen Anwendungsvorganges zu dem (gedachten) ausländischen Anwendungsvorgang verleihen das Normenkontrollrecht, auch wenn der erkennende Richter von Haus aus nicht damit ausgestattet sein sollte. Aus der Akzessorietät folgt zugleich, daß der inländische Richter von dieser Befugnis einen sorgsam abwägenden, ja zurückhaltenden Gebrauch machen sollte: nur wenn mit großer Sicherheit ein im Gebotsstaat befaßter Richter die Rechtsgültigkeit verneinen würde, soll auch er zur verneinenden Entscheidung schreiten 60 . 3. Folgerungen Aus der Maßgeblichkeit des Staatsrechts der lex causae folgt für das Prüfungsrecht im einzelnen: a) Soweit das ausländische Staatsrecht seinen eigenen Richtern das Recht zur Normenkontrolle versagt, hat sich auch der inländische Richter jeder Nachprüfung zu enthalten. Er wendet gegebenen59
Vgl. Zitelmann 287; Fedozzi 221; Melchior (oben N. 40) 87; Niboyet 407; vgl. auch Sir H. Jenner: «The court sitting here decides from the evidence of persons skilled in that law, and decides . . . as it would if sitting in Belgium», Collier v. Rivaz (1841), 2 Curt. 855, 863; 163 E. R. 608. 60 Niederer (oben N. 40) 342 f. Ähnlich Mann, L. Q. Rev. 70 (1954) 197. 39
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falls den fremden Hoheitsakt so an, wie er erlassen wurde, ohne sich um formelle oder materielle Mängel zu kümmern. Praktisch wird ein in fehlerhafter Verlautbarung liegender Formmangel wohl stets Gegenstand richterlicher Prüfung im Erlaßlande sein, was z. B. für die Geltung von Geheimerlassen oder innerbehördlicher Anweisungen von Bedeutung werden kann. b) Wenn indessen der ausländische ordentliche Richter allgemein mit unumschränkten Vollmachten ausgestattet ist, die Legalität oder Konstitutionalität von Hoheitsakten seines Landes zu prüfen und gegebenenfalls zu verneinen 61, dann hat dies für den Prozeßrichter die Folge, daß auch er vollumfänglich das fremde Recht am Maßstab vorgelagerter Ordnungsgrößen zu prüfen hat 62 . Auch der deutsche und nach den vorangeschickten Betrachtungen sogar der französische und englische Richter können zur Feststellung gelangen, daß nordamerikanische Gesetze gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten verstoßen und daher keine Rechtswirksamkeit entfalten 63 . c) Die eigentlichen Schwierigkeiten begegnen, wenn im ausländischen Staate der Mangel keine absolute Nichtigkeit hervorbringt, 61 So in den USA seit Marbury v. Madison, 5 U. S. 137 (1803), im Deutschen Reich von 1918 bis 1933 (RGZ 111, 320), in Mexico (vgl.Neumayer, RabelsZ 19 [1954] 775), ferner in K a n a d a , Australien, Brasilien u n d neuerdings Argentinien (vgl. dazu die Aufstellung bei Curci, La Corte costituzionale [1956] 19f.). 42 Vgl. Niboyet 409; Lipstein (oben N. 41) 180. 63 Anderer Ansicht Lepaulle, Le d. i. p., ses bases et ses méthodes (1948) 197; Morris (oben N. 42) 127; Batiffol (oben N. 47) § 334. - Lepaulle scheint irrtümlich davon auszugehen, daß das angefochtene Gesetz in den USA zunächst wirksam sei u n d erst durch richterliche Entscheidung beseitigt werden müsse. Eine solche abstrakte Vernichtung eines verfassungswidrigen Gesetzes ist dem Staatsrecht der USA fremd : Massachusetts v. Mellon., 262 U.S. 447, 488 (1923) : « We have no power per se to review and annul acts of Congress on t h e ground t h a t they are unconstitutional. T h a t question m a y be considered only when t h e justification for some direct injury suffered or threatened, presenting a justificable issue, is m a d e to rest upon such an act. » Lepaulle verkennt, daß gerade Zweifel bestehen, ob das Gesetz wegen möglicher formeller oder materieller Verstöße gegen die Verfassung überhaupt wirksam ist, u n d daß der befaßte Richter, auch wenn er im Ausland urteilt, über seine Gültigkeit erst zu befinden h a t . - Auch die Einwendungen Batiffols, der offenbar in jeder Normenkontrolle, anders als im Talle der Kontrolle von Verwaltungsakten (a. a. O. N. 17), eine politische Initiative sieht und füglich diese dem in einem anderen Staate erkennenden Richter verwehrt, gehen am Wesen der Prüfungszuständigkeit als eines integrierenden Bestandteils der richterlichen Kognitionsfunktion vorbei u n d lassen sich wohl überhaupt von der im positiven französischen Recht begründeten Vorstellung leiten, die Normenkontrolle sei eine dem Richter in gewissen Ländern ausnahmsweise verliehene politische Fähigkeit.
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auf die sich jeder Richter berufen dürfte, sondern die Entscheidung über die Rechtsungültigkeit bei einem Verfassungsgericht monopolisiert ist, wie z. B. in der Bundesrepublik, in Österreich und in Italien. Hat ein solches Verfassungsgericht bereits mit Wirkung erga omnes entschieden, ist die Sache einfach: Nach Bestätigung der Gültigkeit sind frühere Zweifel überwunden; die zunächst angefochtene Norm ist anzuwenden. Hat das Verfassungsgericht die Gültigkeit der Norm verneint (dem entspricht in Osterreich die Aufhebung der angefochtenen Norm), so hat der fragliche Rechtssatz aufgehört, ein Bestandteil der Rechtsordnung zu sein, auf welche die inländische Kollisionsnorm verweist; eine Anwendung dieser Vorschrift durch den inländischen Richter kommt nicht mehr in Betracht 6 4 . In beiden Fällen wirkt die materielle Rechtskraft erga omnes über den räumlichen Geltungsbereich der Verfassung hinaus. Wie soll sich der mit der Anwendung ausländischen Rechts befaßte Richter aber verhalten, wenn die Rechtsgültigkeit eines ausländischen Gebots zweifelhaft ist und eine Entscheidung des zur Feststellung der Nichtigkeit berufenen ausländischen Organs noch aussteht ? Ist die Entscheidung in Bälde abzusehen, etwa weil die Frage dem Verfassungsgericht bereits vorliegt, dann wird der Prozeß richter wohl zuwarten können, bis das fremde Gericht seinen Spruch verkündet hat 6 5 . Wenn aber mit der Entscheidung des Verfassungsgerichts nicht gerechnet werden kann oder wenn eine Aussetzung des Verfahrens nach der lex processus fori nicht zulässig ist, kann dann der Prozeßrichter die dem fremden Verfassungsgericht vorbehaltene Prüfung selbst vornehmen ? Diese Frage bedarf näherer Prüfung. IV. V e r t r e t u n g e i n e s f r e m d e n V e r f a s s u n g s g e r i c h t s ? Die Betrachtungen unter I I I 1 haben gezeigt, daß der Prozeßrichter die Befugnis zur Nachprüfung fremder Normen nicht aus seiner eigenen Justizverfassung herleiten kann. Aber auch die fremde Rechtsordnung läßt ihn im Stich, wenn sie jede negative Kontrolle ihrem Verfassungsorgan vorbehält. Die Frage muß für diesen Fall lauten, ob sich der Prozeßrichter an die Stelle des ausländischen Verfassungsorgans setzen darf, ob er dessen Funktionen in dem seiner Entscheidung unterliegenden Rechtsstreit versehen kann. Die Antwort hängt m. E. von der Beschaffenheit dieser Funktionen ab. 64
39«
V g l . Niboyet
405.
65
V g l . De Nova
4.
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1. Vertretbare
RABELSZ
Funktionen
Steht die Monopolisierung u n d Konzentration des richterlichen Prüfungsrechts im Dienste bloßer Zuständigkeitsabgrenzung oder soll sie die Gesetze gegen voreilige Anzweifelung durch die ordentlichen Gerichte sichern, so k a n n diese Verteilung der Aufgaben auf verschiedene Rechtsprechungsorgane den ausländischen Richter nicht binden 6 6 . F ü r ihn genügt es, zu wissen, d a ß die lex causae eine richterliche Kontrolle ü b e r h a u p t gestattet. Welchem inneren Organ die entsprechenden funktionellen Zuständigkeiten verliehen sind, k ü m m e r t ihn nicht. Die diesbezüglichen öffentlich-rechtlichen Normen der fremden Justizverfassung sind nicht Gegenstand seiner Rechtsanwendung. E i n Gleiches m u ß gelten, wenn die Prüfungszuständigkeit lediglich wegen der formellen Rechtskraftwirkung beim obersten Gericht begründet wird, weil gegen dessen Urteile kein Rechtsmittel ergriffen werden k a n n 6 7 . Liegen der fremden Verfassungsgerichtsbarkeit derartige Überlegungen zugrunde, so kann es sogar vorkommen, daß ein außerhalb des Geltungsbereichs der fremden Verfassungsordnung urteilender Richter sich veranlaßt fühlt, einmal von einer bereits vorliegenden Entscheidung des Verfassungsgerichts abzuweichen, wenn die ergangene Entscheidung die unteren Gerichte des fremden Landes nicht bindet und diese Gerichte aus wohldurchdachten Überlegungen, denen sich der Prozeßrichter anschließen möchte, nicht gewillt scheinen, dem Spruch ihrer höchsten Instanz zu folgen. Daß eine solche, sicherlich seltene Ausnahme nicht in das Feld blasser Theorie zu verweisen ist, möge ein Hinweis zeigen: In der Frage der Vereinbarkeit staatlicher Rechtssätze mit verfassungsmäßig transponierten oder in Bezug genommenen Prinzipien des Völkerrechts laufen die Anschauungen von Staat zu Staat vielfach auseinander 6 8 ; auch ein Meinungswechsel innerhalb eines Staates ist in diesem Falle keine Seltenheit. 2. Unvertretbare
Funktionen
Anders verhält es sich, wenn das ausländische Sonderorgan mit Funktionen ausgestattet ist, die ein Element der Rechtsbildung erkennen lassen. Dies trifft namentlich dort zu, wo der Spruch des Verfassungsgerichts nicht n u r zwischen den Prozeßbeteiligten, sondern erga omnes Recht schafft 6 9 . Carl Schmitt h a t hierfür das Wort 66
Vgl. Neumeyer 226 f. In dieser Frage vermag ich mich Niboyet nicht anzuschließen, der in allen Fällen der Zuständigkeit eines fremden Verfassungsgerichts die konkurrierende Normenkontrolle des Prozeßrichters verneint (404 f.). 68 Vgl. hierzu Niboyet, Revue (oben N. 40) 771. 69 Neumeyer 227. 67
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von der „ergänzenden Verfassungsgesetzgebung" geprägt. Gegen seine Auffassung, daß die Entscheidung von Zweifeln und Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung verfassungsrechtlicher Bestimmungen nicht mehr Gerichtsbarkeit, sondern Gesetzgebung sei 70 , haben allerdings die Interpreten der aktuellen deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit Einspruch erhoben und den richterlichen Charakter der Funktionen des Bundesverfassungsgerichts verteidigt. Es wird gesagt, daß die Normenkontrolle in ihrer abwehrenden Punktion wesensmäßig etwas anderes sei als die rechtsetzende Funktion des Gesetzgebers 71 . Auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts stelle, wie jeder andere Akt der Rechtsprechung, nur eine vorgegebene Situation von Rechts wegen klar. Richten heiße nicht notwendig, zwischen zwei gegensätzlichen Rechtsbehauptungen entscheiden ; Rechtsprechung sei überhaupt mit der Subsumtion eines Tatbestandes unter eine Norm nicht identisch 72 . Es muß aber bezweifelt werden, daß alle „autoritative Feststellung bestrittenen oder verletzten Rechtes" 73 unter den Begriff der Rechtsprechung einzuordnen sei. Ist nicht auch dem Beschluß verfahren der Verwaltung dieses Kriterium eigen, stellt nicht auch die obere Verwaltungsbehörde im Instanzenzug bestrittenes Recht verbindlich fest ? Wie dem auch sei - die begriffliche Abgrenzung der Rechtsprechung 7 4 führt hier nicht weiter. Die Verfassungsgerichtsbarkeit enthält jedenfalls eine Funktion, die hergebrachterweise der Rechtsbildung vorbehalten war: die allgemein bindende Feststellung mit Gesetzeskraft. Hier wird nicht mehr zwischen den Parteien und in Ansehung eines bestimmten Sachverhaltes „erkannt", was schon immer Rechtens gewesen. Hier geht es um die abstrakte Entscheidung über einen in seiner Geltung als objektives Recht bislang zweifelhaften Rechtssatz. Der Richter wird zum Helfer des Gesetzgebers : weil dieser sein Werk mangelhaft besorgte, wird der Richter bemüht, der dem unvollkommenen Rechtssatze erst die allgemein gewisse, vom vorhegenden Sachverhalt abstrahierte Geltung ver70 Carl Schmitt in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben I (1929) 163; ähnlich Calamandrei für das italienische Recht: La illegittimità costituzionale delle leggi nel processo civile (1950) 57 ff. 71 BVerfGE 3, 225, 236. 72 Wintrich (oben N. 53) 203, 205; für die Diskussion in der italienischen Doktrin vgl. Stendardi, La Corte costituzionale (1955) 104 ff., 108 ff. 73 Scheuner, Festschrift Smend (1952) 278. 74 Vgl. etwa Friesenhahn, Über Begriff und Arten der Rechtsprechung : Festschrift Thoma (1950) 21-69, besonders 8. 27.
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schafft. Die Haltung des ordentlichen Richters zur Rechtsnorm ist deklaratorisch: er stellt lediglich fest, welche Gesetze auf einen Sachverhalt anzuwenden sind, mag er im übrigen das seiner Entscheidung unterworfene Rechtsverhältnis zwischen den Parteien feststellen oder gestalten. Die Haltung des Verfassungsnahievs zur Norm hingegen ist konfirmatorisch, zuweilen gar konstitutiv. So weitreichend in das Gebiet der Rechtsbildung übergreifende Aufgaben gehören nicht zu der Vorstellung richterlicher Kognition, wie sie der Anwendung fremden Rechts zugrunde liegt. I m innerstaatlichen Bereich mag es wohl angehen, die Kompetenz zur Abgrenzung aller Funktionen, die einer Konkretisierung der Rechtsidee dienen, der Diskretion des ordentlichen Richters zu überlassen; die dritte Gewalt mag ihren Aufgabenkreis selbst bestimmen. Die innerstaatliche Verfassungsordnung kann dem Richter sogar Aufgaben der Rechtsbildung anvertrauen, für die Lückenausfüllung etwa, wenn alle Analogie versagt, oder vollends zum Ziele abändernder Rechtsfortbildung. Unabhängig von solcher Regelung stellt sich das Problem der Grenzen richterlicher Erkenntnis bei der Anwendung fremden Rechts. Hier bedarf es der Freilegung sauberer Unterscheidungsmerkmale, welche den Funktionsbereich des Richtens genau abstecken. Denn der Richter, der fremdes Recht anwendet, ist kein Organ jenes selben Gemeinwesens, welches das anzuwendende Recht gesetzt hat. I h m fehlen die Einsichten und Erfahrungen, welche die Ausbildung und Tätigkeit in einer Rechtsordnung vermitteln. Ihm fehlt daher die Fähigkeit, richtiges Recht intuitiv zu schöpfen. Daher ist er nicht berufen, sich zu schöpferischer Interpretation eines Willens aufzuwerfen, der im Rechtssystem eines anderen Gemeinwesens Ausdruck gefunden hat 7 5 . I h n trifft auch nicht der Vorwurf der Rechtsverweigerung, wenn er an den Grenzen seiner Erkenntnisfähigkeit angelangt ist 76 . Er wird sich bei der sog. Rechtsfindung größte Zurückhaltung auferlegen und sich allenfalls auf eine Konkretisierung allgemeiner Rechtsprinzipien und die Lückenausfüllung 76 Daher ist die Übernahme der Radbruchschen Formel von der Interpretation als Zu-Ende-Denken eines Gedachten auf die Anwendung fremden Rechts nicht unbedenklich. 76 Wenn die Lückenausfüllung nicht anhand entsprechender Anwendung anderer Rechtssätze (einschließlich der Prinzipienkonkretisierung) der fremden Ordnung geschehen kann, bleibt als ultima ratio die «necessità non dannosa» (Lessona) eines Rückgriffs auf die lex fori. So z. B. Art. 127 der geltenden waadtländischen Zivilprozeßordnung.
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an Hand der Lösungen beschränken, die der Gesamtheit der fremden Ordnung für den konkreten, nicht geregelten Sachverhalt mit einiger Zuverlässigkeit zu entnehmen sind. Abändernde Rechtsfindung indessen bleibt ihm verwehrt. Auch wenn nach dem Stand der fremden Rechtsprechung und Lehre mit hoher Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden kann, daß die fremden Gerichte bei nächster Gelegenheit von der bislang beobachteten Praxis abweichen oder einem bislang befolgten Satz des positiven Rechts ihren Gehorsam verweigern würden, darf doch der ausländische Richter sich nicht anmaßen, sich rechtsfortbildend am fremden System zu versuchen und wie die Rechtspflegeorgane der fremden Ordnung einen rechtsentfaltenden Richterspruch zu fällen77. Die Anwendung fremden Rechts muß vielmehr auf die richterliche Erkenntnis dessen, was Rechtens ist, beschränkt bleiben. Eine Wertung und Verordnung dessen, was Rechtens sein soll, ist den Organen der fremden Rechtspflege vorzubehalten. Der Richter, dem seine Kollisionsnormen die Anwendung fremder Gesetze auferlegen, hat sich auf Subsumtion und dogmatische Interpretation des vorgefundenen Gesetzes- (einschließlich des Gewohnheits-) und Fallrechts zu beschränken. Jeder Mitwirkung bei der Rechtsbildung hat er sich zu enthalten ; er hüte sich namentlich, aus rechtspolitisch oder rechtstranszendent verstandenen Prinzipien am fremden Recht zu deuteln und dabei unbewußt heimisches Rechtsdenken einzuführen 78. Wenn sich der Richter bei der Anwendung ausländischer Rechtssätze jeglicher schöpferischen Tätigkeit zu enthalten hat, so gilt dieses Gebot a fortiori für die Nachahmung ausländischer Verfassungsgerichtsbarkeit, bei der die politisch wertende, die ergänzende und überhaupt die schöpferische Tätigkeit im Vordergrund steht79. Für den innerstaatlichen Bereich mag dem Richter die Mitwirkung an der Rechtsfortbildung - und damit an der Rechtsbildung schlechthin - überlassen sein. Dem Richter fehlt aber jede Macht, mit einer über die Prozeßbeteiligten hinausgreifenden Wirkung für die in einem fremden Staate organisierte Gemeinschaft verbindliches Recht zu schaffen80. Der dem Richter für die Anwen77
Weitergehend offenbar Arminjon, Précis de d. i. p. 3 I (1947) 405. Dies ist einer der Gründe, weshalb die foreign-court-Theorie - bei aller Anschaulichkeit — wegen ihrer Simplifikation dogmatisch nicht taugt. 79 "Vgl. Scheuner, Deutsches Verwaltungsblatt 1952, 296. 80 Lipstein (oben N. 41) 179 f. 78
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dung fremden Rechts gezogene Funktionskreis ist also enger als der Bereich, den die lex causae ihren eigenen Richtern überläßt; insoweit trifft dann auch die Auffassung nicht zu, der Prozeßrichter habe sich, wenn er fremdes Recht anwende, genau an das Vorbild des Richters im fremden Staat zu halten. Auch eine Inzidentfeststellung inter partes über die Gültigkeit ausländischen Rechts ist nicht angängig, wenn dem ordentlichen Richter der lex causae die Befugnis dazu nicht aus Erwägungen der Zuständigkeitsverteilung oder zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung, sondern deswegen entzogen ist, weil nur einem Verfassungsorgan Wahrung und Klärung der Verfassung u n d ihres Verhältnisses zu abgeleiteten Rechtsquellen anvertraut werden könnten, wie dies m. E . für das deutsche Recht zutrifft. 3. Praktischer
Ausweg
Bliebe es bei diesem Ergebnis, müßte also der Prozeßrichter die im Erlaßstaate durchaus zweifelhafte Legalität eines fremden Gesetzes mit Rücksicht auf die unvertretbare Funktion eines dortigen Verfassungsgerichts blindlings annehmen, so würden die Rechtssuchenden in ihren Ansprüchen verkürzt, sobald kein F o r u m im Geltungsbereich der lex causae gegeben ist u n d das zuständige Verfassungsgericht mit der Frage bisher nicht befaßt wurde 81. Nur vor einem Gericht der lex causae könnte die gerügte Verfassungswidrigkeit mit Erfolg geltend gemacht werden; nur ein solches Gericht könnte die Rüge vorprüfen 8 2 , sich zu eigen machen u n d die E n t scheidung des Verfassungsrichters anrufen. Eine derartige Benachteiligung der Rechtssuchenden widerspricht dem Sinne der Kollisionsnormen u n d des Gebotes, fremdes Recht richtig anzuwenden. Der auswärtige Prozeßrichter m u ß wie ein Richter im Staate des anzuwendenden Rechtssatzes eine unverbindliche Vorprüfung anstellen dürfen, auch er m u ß bei entsprechendem Ausfall dieser Prüfung befugt sein, die Streitfrage dem von der lex causae eingesetzten Verfassungsorgan vorzulegen. Soweit ich sehe, h a t bisher allein Niboyet sich über die Aktenvorlage an ein fremdes Gericht geäußert 8 3 . 81 Nicht anders verhielte es sich bei einer Aussetzung des Verfahrens auf unabsehbare Zeit, bis nämlich das ausländische Verfassungsgericht die Präge seinerseits entschieden hätte. Vgl. hierzu van Praag 316, Fedozzi 202. 82 Vgl. BVerfGE 1, 189. 83 Anfänglich glaubte Niboyet allerdings, eine Vorlagepflicht ließe sich nicht konstruieren: Revue (oben N. 40) 765; später hat er diese Ansicht dann aufgegeben: Traité 465.
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Kann diese Pflicht nicht systemlogisch aus dem Sinne der Verweisungsnormen deduziert werden, der dahin geht, daß auf den Rechtsstreit die fremden Gesetze so anzuwenden sind, wie sie im Erlaßstaate gelten ? Wird nicht andererseits das fremde Verfassungsgericht durch den Geist der comitas gentium, der völkerrechtlichen Gemeinschaft miteinander verkehrender Nationen angehalten, Rechtshilfe zu gewähren, d. h. die Vorlage anzunehmen und dem ratsuchenden fremden Richter Bescheid zu erteilen ? - Freilich wird man, um politische Unzuträglichkeiten auszuscheiden 84 , in Kauf nehmen müssen, daß die Frage dem ausländischen Verfassungsgericht nicht unmittelbar, sondern auf dem Wege über das heimische oberste Gericht oder auf diplomatischem Wege vorgelegt wird. Dieses Vorlageverfahren ist der einzige Weg, dem beschränkten richterlichen Prüfungsrecht, das im Geltungsbereich des zweifelhaften Rechtssatzes besteht, gerecht zu werden und den Parteien das zu geben, was sie bei Anrufen des dortigen Richters haben würden. Die mternationalprivatrechtliche Verweisungsnorm kann nicht einseitig als Mittel zur Abgrenzung von Zuständigkeiten verstanden werden. Ihr wohnen zugleich völkerverbindende, dem gerechten Ausgleich der Rechtskulturen in Grenzsituationen dienende Aufgaben inne. Das internationale Privatrecht muß, um seine Funktionen richtig versehen zu können, aus der nationalen Verfangenschaft gelöst und wahrhaft „international" gehandhabt werden. Zusammenfassung Als Ergebnis dieser Betrachtung läßt sich festhalten: Die Aufgabe der Geltungskontrolle fremder Rechtssätze wird implicite durch die mternationalprivatrechtliche Verweisungsnorm gestellt. Ihre Ausübung ist völkerrechtlich bedenkenfrei, wenn sie im Inzidentverfahren geschieht, wenn also nicht etwa die Feststellung der Geltung eines fremden Rechtssatzes Gegenstand der Klage ist. Umfang und Zulässigkeit der Normenkontrolle bestimmen sich nach dem Verfassungsrecht des Staates, dessen Gesetzgebung den zweifelhaften Rechtssatz erzeugt h a t ; die im Prozeßlande getroffene Regelung der Gewaltenteilung ist ohne Einfluß. Die Konkretisierung der 84 Etwa vorschnelle und ironische Anfragen, ob denn ein jüngst ver> kündetes Gesetz überhaupt verfassungsgemäß sei.
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Prüfungszuständigkeit bei einem besonderen richterliehen Organ (Verfassungsgericht) ist unter gewissen Voraussetzungen auch von einem fremden Richter zu beachten: die Urteile dieses Kontrollorgans sind dann auch für seine Rechtsanwendung verbindlich, weil sie objektives Recht schaffen oder befestigen, und bei zweifelhafter Gültigkeit eines Rechtssatzes hat auch der fremde Richter den Vorgang dem zuständigen Prüfungsorgan zur Beurteilung vorzulegen.
DER ANTEIL DER NORDISCHEN LÄNDER AN DEN FRAGEN DES INTERNATIONALEN PRIVATRECHTS Von FRIEDRICH
KORKISCH
Hamburg* I. Überblick über das g e l t e n d e R e c h t Die in den nordischen Ländern seit Jahrzehnten zielbewußt und systematisch verfolgte Rechtsangleichung ist ein lehrreiches Beispiel für Methode und Umfang, nicht zuletzt aber auch für die Voraussetzungen, unter denen eine erfolgreiche Vereinheitlichung des Privatrechts möglich ist 1 . Dänemark, Norwegen und Schweden haben in umfassenden und gründlichen Beratungen zahlreiche gemeinsame Entwürfe ausgearbeitet, die von den beteiligten Staaten zum größten Teil auch zum Gesetz erhoben wurden. Diese Ar* Abgekürzt werden zitiert: Borum, Lovkoriflikter, Lserebog i international privatret 1 (1957); Eek, Lex causae okänd storhet: Tidsskrift for Rettsvitenskap 68 (1955) 132-151; Ekström, Sju internationellt privaträttsliga uppsatser (1920); Federstiel, Den internationale privatret i Danmark, Almindelig del (1909); Qjelsvik, Laerebok i millomfolkeleg privatrett 2 I (1936); Hambro, Autonomy in t h e International Contract Law of t h e Nordic States: I n t . Comp. L. Q. 6 (1957) 589-607; Karlgren, K o r t f a t t a d lärobok i internationell privat- och processrätt (1950); Malmström, Det s. k. kvaliflkationsproblemet inom internationell p r i v a t r ä t t , E n principundersökning: Sämling a v uppsatser och rättsfall för studiet a v internationell p r i v a t r ä t t 2 (1955); Michaeli, I P R gemäß schwedischem Recht und schwedischer Rechtsprechimg (1948); Nial, Internationell förmögenhetsrätt 2 (1953); Reuterskiöld, H a n d b o k i svensk privat internationell r ä t t 2 (1912); Synnestvedt, Le d. i. p. de la Scandinavie (1904). 1 Vgl. Vinding Kruse, Centrale retsproblemer i nordisk faelleslovgivning: Tidsskrift for Rettsvitenskap 65 (1952) 369-434; Malmström, Die Zusammenarbeit der nordischen Staaten auf dem Gebiet der Gesetzgebung: Europäische Zusammenarbeit im Rechtswesen (1955) 18-22; Matteucci, The Scandinavian Legislative Cooperation as a Model for a European Cooperation: Liber .A mi coram Bagge (1956) 136-145.
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beiten begannen für einzelne Sachgebiete bereits vor mehr als achtzig Jahren 2 ; seit dem Beginn unseres Jahrhunderts wurden sie planmäßig ausgeweitet und immer wieder erneuert. Auch Finnland und Island beteiligten sich nach Erlangung ihrer Selbständigkeit an den Beratungen. In keinem Falle handelte es sich dabei um die einfache Übernahme des in einem der Staaten geltenden Rechts durch die anderen Länder, sondern immer um eine rechtsvergleichend, vielfach unter Heranziehung auch des Rechts außernordischer Länder erarbeitete Neuregelung, in den meisten Fällen um völlig neues Recht, da bis dahin in der Landesgesetzgebung eine solche Regelung fehlte 3 . Zu den Besonderheiten dieser Rechtsvereinheitlichung gehört es vor allem, daß sehr bald auch solche Sachgebiete im Vordergrund der gemeinsamen Beratungen standen, die gemeinhin für eine einheitliche Regelung am wenigsten geeignet erscheinen, weil hier die Besonderheiten der einzelnen Rechtsordnungen am schwersten zu überwinden sind. So bildet das Familienrecht einen bevorzugten Gegenstand der Rechtsangleichung 4 . Das läßt erkennen, daß in diesen Ländern nicht nur eine wirkliche innere Bereitschaft zur Rechts2 Das aus dem „Skandinavismus" fließende Bestreben, eine Rechtsvereinheitlichung innerhalb der nordischen Länder zu erreichen, besaß seit 1872 in den gemeinsamen nordischen Juristentagen ein ständiges Organ, das sachliche Vorarbeit f ü r die Rechtsangleichung leisten konnte. Das Ziel war zunächst, ein einheitliches Handelsrecht zu schaffen. Das Ergebnis dieser Gesetzesberatungen des vorigen J a h r h u n d e r t s waren die E n t w ü r f e eines Wechselgesetzes, eines Scheckgesetzes, eines Gesetzes über den Schutz der Warenzeichen, eines Gesetzes über Handelsregister, F i r m a u n d P r o k u r a sowie eines Gesetzes über das Seerecht; alle diese Entwürfe wurden in den drei beteiligten Staaten in den J a h r e n 1880 bis 1900 Gesetz. Siehe hierzu Westman, De svenska Rättskällornas historia (1912) 110 ff.; Lehr, Eléments de droit civil scandinave (Danemark, Norvège, Suède) (1901) 3. 3 Das gilt vor allem f ü r das Obligationenrecht, das unter dem maßgebenden Einfluß von Almén noch vor dem ersten Weltkrieg im Kaufgesetz u n d im Gesetz über die Verträge einheitlich geregelt wurde. 4 Auf internordischen Beratungen b e r u h t das gesamte Eherecht u n d das Ehegüterrecht der nordischen Länder, das Recht der ehelichen und der unehelichen Kinder sowie das Adoptionsrecht. Als erste dieser familienrechtlichen Gesetze ergingen im J a h r e 1917 in Norwegen u n d Schweden die Adoptionsgesetze u n d das schwedische Gesetz über die unehelichen Kinder vom 14. 6. 1917; die norwegische Regelung des Kindschaftsrechts, die sog. Castbergschen Kindergesetze, sind noch kein Ergebnis internordischer Beratungen, haben aber diese Arbeiten stark beeinflußt. Auf Grund ständiger weiterer Beratungen wurden in den letzten vier Jahrzehnten diese Gesetze immer wieder umgearbeitet u n d den modernen Vorstellungen sowie den Ergebnissen der Praxis angepaßt.
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angleichung vorhanden ist, sondern daß auch besonders günstige sachliche Voraussetzungen sowohl allgemein wie im rechtlichen Bereich dafür vorlagen: kulturell eng verwandt und zivilisatorisch auf gleicher Stufe stehend, auch von fast gleicher sozialer Struktur weisen die nordischen Länder eine Ähnlichkeit der Lebensverhältnisse auf, die einer Vereinheitlichung auf allen Gebieten des Privatrechts sehr entgegenkommt. Auch das Fehlen ernsthafter politischer Interessengegensätze und das machtpolitische Gleichgewicht der beteiligten Staaten haben sich in den letzten fünfzig J a h ren für die Rechtsangleichung zumindest als ebenso günstig erwiesen wie der politische „Skandinavismus" des 19. Jahrhunderts, der zunächst den Anstoß zur Rechtsvereinheitlichung gab. Entscheidend aber für die Erfolge der Zusammenarbeit ist das trotz mancher Besonderheiten doch sehr breite gemeinschaftliche Erbe geschichtlich überkommener Rechtseinrichtungen und Rechtsvorstellungen und die dadurch bedingte Ähnlichkeit in der Art und Weise der Rechtsanwendung und Rechtsauslegung. Diese Ähnlichkeit des „Rechtsstils" in Dänemark und Norwegen, in Schweden und Finnland wie auch in Island erleichtert nicht nur die Rechtsangleichung, sie verhindert es auch, daß die im Wege der Rechtsangleichung geschaffene formelle Rechtsgleichheit durch eine ganz verschiedene Auslegung der Bestimmungen in den einzelnen Ländern praktisch wieder aufgehoben wird. I n diese Rechtsangleichung der nordischen Länder wurde neben wichtigen Teilen des materiellen Rechts, vor allem des Schuldrechts und des Familienrechts, auch das Kollisionsrecht einbezogen. Allerdings haben die nordischen Länder hier nicht den Weg über eine loi uniforme eingeschlagen, sondern in mehreren Übereinkommen nur im Verhältnis untereinander die Fragen der Rechtsanwendung auf dem Gebiete des Familien- und Erbrechts geregelt 5 und 6
Abkommen vom 6. 2. 1931 über gewisse internationale Rechtsverhältnisse betr. Ehe, Adoption und Vormundschaft (Eheabkommen) - dazu in Schweden die Kgl. VO vom 31. 12. 1931; Abkommen vom 19. 11. 1934 über Erbschaften und Testamente sowie über die Nachlaßregelung (Nachlaßabkommen) - dazu schwed. Gesetze vom 1. 3. 1935 über den Nachlaß nach einem dänischen, finnischen, isländischen oder norwegischen Staatsangehörigen, der seinen Wohnsitz im Inland hatte, über den Nachlaß einer Person, die ihren Wohnsitz in Dänemark, Finnland, Island oder Norwegen hatte, sowie betreffend die in gewissen Fällen vorgesehene Aufsicht über den ungeteilten Nachlaß eines dänischen, finnischen, isländischen oder norwegischen Staatsangehörigen.
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die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung der gerichtlichen Entscheidungen gewährleistet 8 ; die Gründe dafür sind in den Besonderheiten ihres einzelstaatlichen Kollisionsrechts zu suchen, die nicht völlig aufgegeben werden sollten, sowie in der Absicht, einen räumlich und personell begrenzten kollisionsrechtlichen Bereich zu schaffen. Neben dieser sehr eingehenden Regelung wichtiger kollisionsrechtlicher Fragenbereiche und den zweiseitigen Staatsverträgen, die von einzelnen nordischen Staaten eingegangen wurden 7 , sind für das Kollisionsrecht dieser Länder auch die einschlägigen Bestimmungen der allgemeinen Konventionen zu erwähnen, denen einzelne von ihnen beigetreten sind 8 . Die große Bedeutung, welche den zwischenstaatlichen Vereinbarungen auch für das Kollisionsrecht der nordischen Länder zukommt, wird noch dadurch verstärkt, daß auch die autonomen gesetzlichen Vorschriften, die in einzelnen dieser Länder, insbesondere in Schweden ergangen sind, von dem Vertragsrecht des betreifenden Staates ausgehen. So beruht die ausführliche Kodifikation des internationalen Ehe- und Vormundschaftsrechts, die Schweden in den Jahren 1904 und 1912 vorgenommen h a t 9 , auf den entsprechenden Haager Abkommen; bereits im Jahre 1899 hat Schweden ein dem Haager Zivilprozeßabkommen entsprechendes Gesetz erlassen 10 . Auch in Finnland erging im Jahre 1929 eine den Haager Abkommen entsprechende Regelung des internationalen Familienrechts 11 . Dagegen nicht auf eine staatsvertragliche Vereinbarung, sondern - dem Vorbild der 6
Abkommen vom 10. 2. 1931 über die Beitreibung von Unterhaltsbeträgen; Abkommen vom 16. 3. 1932 über die Anerkennung und Vollstreckung der in den Vertragsstaaten ergangenen Entscheidungen; Konkursabkommen vom 7. 11. 1933. 7 Siehe hierzu für Dänemark Borum 85; für Schweden Michaeli 34 f.; für Norwegen Gjelsvik 22. 8 Alle nordischen Staaten sind Vertragspartner des Haager Prozeßabkommens und der Genfer Wechsel- und Scheckrechtsabkommen; dagegen gilt nur in Schweden das Haager Eheschließungsabkommen und das Haager Ehewirkungsabkommens; dem Haager Ehescheidungsabkommen gehört nach der schwed. Kündigung vom 3.11.1933 (s. RabelsZ 8 [1934] 638 f.) keiner der nordischen Staaten an. 9 Gesetz vom 8. 7. 1904 über gewisse internationale Rechtsverhältnisse betreffend Ehe, Vormundschaft und Adoption; Gesetz vom 1. 6. 1912 über gewisse internationale Rechtsverhältnisse betreffend die rechtlichen Wirkungen der Eheschließung. 10 Gesetz vom 6. 3. 1899 über die Vollstreckbarkeit ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in gewissen Fällen. 11 Gesetz vom 5. 12. 1929 betreffend gewisse familienrechtliche Verhältnisse internationaler Natur.
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internordischen Angleichung des materiellen Rechts folgend - auf gemeinsame schwedisch-finnische Beratungen geht die Regelung des internationalen Erbrechts zurück, die Schweden im Jahre 1937 vorgenommen hat 1 2 ; die entsprechende finnische Regelung steht noch aus, obwohl die Anregung zu diesen Beratungen von Finnland ausgegangen war 13 . Neben den vertraglichen und den von vertraglichen Vereinbarungen beeinflußten Regelungen kennen die nordischen Rechte nur vereinzelte ausdrückliche Bestimmungen über kollisionsrechtliche Fragen. Vor allem in Dänemark und Norwegen fehlen solche Gesetzesbestimmungen fast völlig 14 . Das internationale Privatrecht dieser Länder beruht auf den vom Schrifttum und von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen 15 . Dieses von Lehre und Praxis aufgebaute System des Kollisionsrechts zeigt auch außerhalb der internordischen Regelungen in wesentlichen Grundsätzen und in zahlreichen Einzelheiten eine große Verwandtschaft innerhalb der nordischen Länder selbst wie auch zu den kontinentaleuropäischen Systemen des Kollisionsrechts. Der Einfluß der ausländischen Lehre auf die Entwicklung des Kollisionsrechts der nordischen Länder ist unverkennbar. Umgekehrt aber tragen auch die Internationalisten des nordischen Rechtskreises in zunehmendem Maße zur Weiterbildung und Durchformung der kollisionsrechtlichen Grundsätze bei, wenngleich diese Beiträge aus sehr äußerlichen Gründen nicht immer die Aufmerksamkeit im Auslande finden, die sie verdienen. Unter dem Gesichtspunkt dieser empfangenen und gebenden Anteilnahme der nordischen Länder an den Fragen des modernen internationalen Privatrechts werden im folgenden ihr autonomes Kollisionsrecht, ihre Stellungnahme zu den Problemen der letzten Haager Konferenzen und die internordischen Abkommen behandelt. 12 Gesetz vom 5. 3. 1937 betreffend die internationalen Rechtsverhältnisse in Nachlaßsachen, siehe Michaeli 34. 13 Siehe Karlgren 49. 14 In Dänemark enthält § 53 des Gesetzes vom 18. 3. 1925 über die Ehewirkungen eine allseitige Kollisionsnorm für die im Ausland geschlossenen Eheverträge; §§ 79 ff. WechselG und §§ 58 ff. ScheckG von 1932 geben die kollisionsrechtlichen Vorschriften des Genfer Abkommens wieder; § 213 SeeG vom 1. 4. 1892 enthält eine Kollisionsnorm über die Haverei. - In Norwegen enthalten kollisionsrechtliche Bestimmungen außer dem WechselG und dem ScheckG von 1932 sowie dem SeeG vom 20. 6. 1893 noch § 56 ErbG vom 31. 7. 1854 (die Testamentsform richtet sich nach den am Errichtungsort geltenden Vorschriften). 16 In Schweden gilt dies für das internationale Schuld- und Sachenrecht und in Pinnland überdies auch für das internationale Erbrecht.
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II. A u t o n o m e s K o l l i s i o n s r e c h t 1. Überwindung der Statutentheorie Ein eindringliches Beispiel eines wissenschaftlichen Beitrages, der weitreichende Folgen für die Entwicklung des internationalen Privatrechts hätte haben können, wenn er über die Grenzen des nordischen Rechtsbereichs hinaus bekannt geworden wäre, steht am Beginn der Entwicklung des modernen Kollisionsrechts. Der bedeutende dänische Jurist 0rsted16, der erstmals in seinem Land und überhaupt im Norden das Kollisionsrecht wissenschaftlich behandelte 17, hat sich fast drei Jahrzehnte vor Savigny und zwanzig Jahre vor Wächter entschieden gegen die Methode der Statutentheorie und ihre vom Gegenstand der materiellen Regelung bestimmte schematische Einteilung der Normen gewandt. „Personen, Sache und Handlung können", wie 0rsted in seiner Kritik feststellt, „nicht so voneinander abgesondert werden, daß jedes von ihnen nach verschiedenem Recht beurteilt werden kann. Sie sind vielmehr zusammen die Bestandteile ein und derselben juristischen Erscheinung" 18. Seine eigenen Grundsätze, mit denen er die Lösung der kollisionsrechtlichen Fragen unternimmt, leitet 0rsted dann nicht von einem allgemeinen Grundgedanken ab. Er geht vielmehr von den vereinzelten dänischen und norwegischen Gesetzesbestimmungen aus und erinnert in diesem seinem Positivismus an die englischen und amerikanischen Internationalisten der Folgezeit 19 . Aber nicht die Tatsache, daß es 0rsted nicht gelang, ein in sich geschlossenes kollisionsrechtliches System aufzustellen, sondern sprachliche Gründe waren es wohl in erster Linie, die seinem Vorstoß gegen die damals herrschende Lehre die Wirkung außerhalb der Grenzen des Rechtsgebiets, für das er schrieb, versagt haben. Immerhin erlangte durch 0rsteds Ansehen als Gelehrter und Richter seine Lehre während des folgenden halben Jahrhunderts Geltung in der Praxis seiner Heimat und verhinderte dadurch, daß sich die Statutenlehre noch kurz vor ihrer Überwindung auch im Norden durchsetzte. Nachhaltiger Erfolg war 0rsteds Thesen aber auch im nordischen Rechtsbereich nicht beschieden, da bereits Scheel, der als Erster 16 Vgl. 0rsted, Eunomia eller Sämling af Afhandlinger henharende til Moralphilosophien, Statsphilosophien og den Dansk-Norske Lovkyndighed IV (1822). Siehe über ihn Federspiel 82 ff. 18 17 0rsted (vorletzte Note) 3. Siehe Federspiel 82; Borurn 65. 18 Federspiel 84.
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nach 0rsted in Dänemark das Kollisionsrecht behandelte 20, Savignys Lehren Eingang in Lehre und Praxis der nordischen Länder verschaffte. 2. Qualifikation Die wenigen anderen Autoren des Nordens, die sich im 19. Jahrhundert mit kollisionsrechtlichen Fragen befaßten, brachten keinen wesentlichen Beitrag zum Ausbau u n d zur Weiterbildung der Lehre 21, abgesehen vielleicht von den vereinzelten frühen Ansatzpunkten für eine Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit. E r s t nach der Jahrhundertwende wandte m a n sich auch im Norden in größerem Umfange dem Kollisionsrecht zu 2 2 , u n d zumal in den letzten Jahrzehnten h a t die Zahl der auch über den Rahmen der einzelnen Rechtsordnung hinaus bedeutsamen Untersuchungen ständig zugenommen 2 3 . Die kritische Auseinandersetzung mit ausländischen Lehrmeinungen zeigt sich besonders klar bei der Stellungnahme zum Qualifikationsproblem. Die Rechtsprechung der nordischen Länder h a t bisher nur selten zu Qualifikationsfragen Stellung genommen, soweit bekannt nur in je einer Entscheidung des dänischen u n d des schwedischen Obersten Gerichts 2 4 . Die dänische Entscheidung weicht dabei jedoch einer klaren Stellungnahme aus u n d k a n n deshalb nicht als Beleg f ü r eine bestimmte Auffassung der dänischen Praxis zu diesem Pro20 Vgl. Herman Scheel, Privatrettens almindelige Del, fremstilled efter den danske Lovgivningen (1865). 21 Vgl. Federspiel 90 f. 22 Siehe insbesondere Synnestvedt, für Dänemark das umfangreiche Werk von Federspiel und für Schweden Reuterskiöld. 23 Siehe etwa die bibliographische Übersicht bei Borum 218 ff. 24 Entscheidimg des dän. Obersten Gerichts vom 19. 6. 1925, Ugeskrift for Retsvaesen 1929, 839; Entscheidung des schwed. Höchsten Gerichts vom 29. 12. 1930, Nytt Juridiskt Arkiv 1930 I 692. - In beiden Entscheidungen handelt es sich tun die Qualifizierung der Verjährung im Zusammenhang mit anglo-amerikanischem Recht. In dem dänischen Fall ging es um die Verjährung einer Forderung, die eine in Dänemark wohnhafte Person gegen einen zur Zeit der Forderungsbegründung in England domizilierten Schuldner hatte. In dem schwedischen Fall hatten Eheleute, Staatsangehörige der USA mit Wohnsitz im Staate Massachusetts, die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft (ohne Ehescheidung) vereinbart und sich über die Unterhaltsleistung an die Ehefrau geeinigt; nachdem beide Eheleute nach Schweden übergesiedelt waren, verlangte die Ehefrau, welche inzwischen schwedische Staatsangehörige geworden war, die Bezahlung rückständiger Unterhaltsleistungen.
40 Zeitschrift für internat. Privatrecht. H. 3/4 (Jahrg. 23)
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blem herangezogen werden 2 5 . Demgegenüber hat der schwedische Höchste Gerichtshof seiner Entscheidung von 1930 die lex-foriTheorie zugrunde gelegt, wie Algot Bagge, der an diesem Urteil maßgeblich beteiligt war 2 6 , in Ergänzung der sehr kurz und allgemein gehaltenen Entscheidungsgründe in einer eingehenden Besprechung herausgestellt hat 2 7 . I m Anschluß an diese schwedische Entscheidung ist das Qualifikationsproblem im nordischen, vor allem im schwedischen Schrifttum wiederholt ausführlich behandelt worden 2 8 . Dabei kommt Malmström zu dem Ergebnis, daß es nicht durch Anwendung einer einzigen Theorie oder Methode gelöst werden könne, sondern daß es sich bei der Auslegung der kollisionsrechtlichen Regeln und bei der Bildung neuer Grundsätze durch die Gerichte um eine ganze Serie verschiedener praktischer Probleme handelt 2 9 . Die analytische Methode, welche das Qualifikationsproblem als allgemeines Rechtsanwendungsproblem versteht und zu deren frühesten und entschiedensten Vertretern neben dem Amerikaner Cavers30 eben Malmström gehört, hat inzwischen im Norden weiter an Boden gewonnen: Borum hat diese Auffassung unter Aufgabe der bisher in seiner Darstellung des dänischen Kollisionsrechts vertretenen lex-fori-Theorie in die neueste Auflage seines Werkes übernommen 3 1 und ihr damit auch in Dänemark Raum geschaffen. Daneben folgte man freilich in beiden Ländern 25
So jetzt auch Borum 43, der in den früheren Auflagen seines Werkes in diesem Urteil eine Entscheidung für die lex-fori-Theorie erblickt hatte; siehe den ausdrücklichen Widerruf der früheren Auffassung auf S. 42. 26 Michaeli 94; Malmström 38. 27 Bagge, En präskriptionsfräga inom den intemationella privaträtten: Festskrift Marks von Würtemberg (1931) 19-30 (19 ff.). 28 Siehe Borum 36-50; Gihl, Nägra anmärkningar rörande kvalifikationsproblemet och den prejudiciella frägan, särskilt met hänsyn tili den internationella successionsrätten: Tidsskrift for Rettsvitenskap 63 (1950) 133 bis 161; ders., Den intemationella privaträttens historia och allmänna principier (1951) 335-393; Karlgren 57-63; Malmström a. a. O.; ders., Some Aspects of Characterisation in Private International Law: Liber Amicorum Bagge (1956) 130-135; Ramel, Studier i svensk internationell arvsrätt (1930) 3 ff.; ders., Ytterligare bidrag tili kvalifikationsproblemet i internationell privaträtt: Nordisk tidsskrift for international ret 15 (1944) 5—41; Svenne Schmidt, Kvalifikationsproblemet i den internationale privatret (1954); Unden, Tidsskrift for Rettsvitenskap 53 (1940) 215 f. 29 Malmström 26 f.; ders., Some Aspects . . . (vorige Note) 131. 30 Cavers, A Critique of the Choice-of-Law Problem: Harvard L. Rev. 47 (1933/34) 173-208. 31 Borum 42 ff. im Anschluß und unter ausdrücklicher Berufung (Vorwort S. V) auf die Arbeit von Allan Philip, American-Danish private international law (1957).
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neuerdings dem Vorbild der italienisch-englischen Qualifikationslehre 32 und vertritt eine modifizierte lex-fori-Theorie 33. 3.
Personalstatut
Bekanntlich ist das Kollisionsrecht Dänemarks und Norwegens vom Wohnsitzgrundsatz beherrscht, während Schweden und Finnland an die Staatsangehörigkeit anknüpfen. Wann und aus welchen Gründen es in Schweden zur Hinwendung zum Staatsangehörigkeitsgrundsatz gekommen ist, wird im Schrifttum der nordischen Länder nur am Rande berührt 3 4 ; die Frage ist noch keineswegs geklärt. Der Beginn der Hinneigung zum Staatsangehörigkeitsgrundsatz läßt sich in Schweden weit in das 19. Jahrhundert verfolgen. Bereits vor der Jahrhundertmitte findet sich vereinzelt eine auf das Staatsangehörigkeitsprinzip zielende Terminologie, und ein Vierteljahrhundert später vertreten wiederum zwei der in jener Zeit nicht eben zahlreichen schwedischen Autoren des Kollisionsrechts den gleichen Grundsatz 3 5 . Es ist dogmengeschichtlich bemerkenswert, daß hier in Schweden die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit bereits zehn Jahre vor Mancinis berühmtem Turiner Vortrag vertreten wird und zwei Jahre früher, als man im französischen Schrifttum vereinzelt mit dem Staatsangehörigkeitsgrundsatz des Code civil wieder Ernst zu machen suchte 38 . Der Gedanke, an die staatliche Zugehörigkeit anzuknüpfen, wurde aber im nordischen Schrift32 Siehe zu dieser: Anzilotii, Corso di lezioni di d. i. p. (1918) 359 ff., und Ohirardini, Süll' interpretazione del d. i. p.: Riv. dir. int. 11 (1919) 305 ff., denen andere italienische Autoren gefolgt sind, sowie Falcoribridge, Characterization in the Conflict of Laws: L. Q. Rev. 57 (1937) 235-258, 537-567. Vgl. im einzelnen die eingehende Darstellung bei Gihl, Den internationella privaträttens historia . . . (oben N. 28) 371 ff. und 377 ff. 33 Gihl a. a. O. 390 ff. ; s. hierzu Borum 40. 34 Am eingehendsten wohl von Ekström 141-160: Personalstatutet i finländskrätt (insbes. 154 f.); siehe auch FolkeSchmidt, Nationality and Domicile in Swedish Private International Law: Int. L. Q.4 (1951) 32-52 (32 ff.). 36 Ekström 154 bei und in N. 5 weist darauf hin, daß Lindblad, Läran om bevisning in för rätta (1842) 54 f., von dem „im Vaterland des Betreffenden geltenden Recht" spricht und die Ausdrücke „svensk man" und „utländsk man" gebraucht; für die spätere Zeit nennt er Naumann, Sveriges Statsförfattningsrätt 2 (1879-1884) III 160 ff., und Kreuger, Naumanns tidskrift 1875, 494 f. 36 Siehe Massé, Le droit commercial dans ses rapports avec le droit des gens et le droit civil II (1844) 80; Mailher de Chassat, Traité des Statuts (lois personelles, lois réelles) d'après le droit ancien et le droit moderne ou du d. i. p. (1845) 170.
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tum auch schon viel früher, und zwar im Hinblick auf die Lösung, die das Anknüpfungsproblem im österreichischen ABGB gefunden hat, eingehend und positiv erörtert; so schon von Orsted, der die österreichische Regelung mit geringen Einschränkungen in das von ihm für Dänemark vorgeschlagene kollisionsrechtliche System aufnahm 37. Fünfzig Jahre nach Orsted wird dann die von Josef XJnger für das österreichische internationale Privatrecht im Anschluß an den Wortlaut der §§ 4 und 36 ABGB vertretene Auffassung, wonach bei Inländern an die Staatsangehörigkeit, bei Ausländern an den Wohnsitz anzuknüpfen sei, auch für das finnisch-schwedische Kollisionsrecht vorgeschlagen 38 . Es zeigt sich auch hier, daß das Schrifttum der nordischen Länder, vom Ausland freilich meist kaum beachtet und gewürdigt, bereits im vorigen Jahrhundert an der Auseinandersetzung über wesentliche kollisionsrechtliche Fragen kritisch und tätig Anteil genommen hat. Endgültig durchgesetzt hat sich der Staatsangehörigkeitsgrundsatz in Schweden, vor allem auch im Schrifttum, aber erst zu Beginn dieses Jahrhunderts 39. Dem internordischen Wechselgesetz von 1880 kommt dabei sicherlich nicht die Bedeutung zu, die ihm mitunter zugeschrieben worden ist 40 ; schon der Wortlaut der kollisionsrechtlichen Bestimmung dieses Gesetzes meint nicht notwendig die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit 41 . Weder in Dänemark noch in Norwegen sah man sich jedenfalls veranlaßt, die Anknüpfung an den Wohnsitz im Hinblick auf die ja auch hier 37
Orsted (oben N. 16) 34 ff.; s. hierzu Feder spiel 108. So Robert Montgomery, Handbok i Finlands allmänna privaträtt 2 I (1908; 1. Aufl. 1889) 151; s. hierzu Ekström, 155 f. 39 Siehe insbesondere Beuterakiöld 79; Synnestvedt 225; Chydenius, Om giltigheten af utomlands ingängna äktenskap: Tidskrift utg. af Juridiska Föreningen i Finland 36 (1900) 290-324 (306); ders., Lärobok i finsk arvsoch testamentsrätt 2 (1913) 15; s. hierzu Ekström 155 f. 40 Vgl. Synnestvedt 224 f. - Ekström, 155 hebt im besonderen für das finnische Recht hervor, daß es nicht angehe, aus der im Wechselgesetz von 1858 (§ 79) ausgesprochenen Maßgeblichkeit des Nationalitätsprinzips für die Beurteilung der Wechselfahigkeit allgemeine Schlüsse zu ziehen. 41 § 84 des intemordischen Wechselgesetzes von 1880 bestimmt, daß die Wechselfähigkeit einer Person nach dem Recht ihres Landes („hans eget lands lag") zu beurteilen sei. Der Ausdruck „Heimatrecht" („heimlandslovi") wird vor allem im norwegischen Schrifttum noch bis in die Gegenwart als Oberbegriff der Anknüpfangslehre gebraucht; so insbes. Gjelsvik 72: „. . . Heimatland kann entweder das Land sein, in dem die betreffende Person ihren Wohnsitz hat, oder das andere, dessen Staatsangehöriger sie ist. Heimatrecht (heimlandslovi) kann also entweder das Recht des Wohnsitzlandes oder das des Staatsangehörigkeitslandes sein." 38
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geltende Vorschrift des internordischen Wechselgesetzes aufzugeben. Entscheidend für den Übergang zum Staatsangehörigkeitsgrundsatz dürfte in Schweden die um die Jahrhundertwende allgemein feststellbare emotionale Hinneigung zum Staatsangehörigkeitsgrundsatz gewesen sein. Auch in den anderen nordischen Ländern beteiligte man sich an der Erörterung der Anknüpfungsfrage, und auch hier bestand vor dem ersten Weltkrieg offenbar eine gewisse Neigung, vom Wohnsitzgrundsatz abzugehen 42. Mit der für die letzten Jahrzehnte kennzeichnenden stärkeren Hinwendung zum Wohnsitzgrundsatz haben sich auch im Schrifttum der nordischen Länder die Akzente zugunsten dieser Anknüpfung verschoben. Heute denkt in Dänemark und Norwegen wohl niemand mehr daran, vom Wohnsitzgrundsatz abzugehen, und auch in Schweden wird das Staatsangehörigkeitsprinzip weder von der Lehre noch von der Gesetzgebung mit solcher Unbedingtheit vertreten wie zu Beginn dieses Jahrhunderts. Es ist zwar nicht zu erwarten, daß Schweden, wie dies im Schrifttum vereinzelt angeregt wurde 43, den Staatsangehörigkeitsgrundsatz völlig aufgibt und sich für die Anknüpfung an den Wohnsitz entscheidet - dazu ist der Staatsangehörigkeitsgrundsatz in der kollisionsrechtlichen Gesetzgebung des Landes seit einem halben Jahrhundert viel zu stark verankert. Jedoch in einzelnen, praktisch nicht gut anders zu lösenden Fällen hat Schweden der Anknüpfung an Wohnsitz oder Aufenthalt Raum gegeben u . Vor allem hat Schweden das Anknüpfungsproblem der sog. Quasi-Staatenlosen, der politischen Flüchtlinge also, welche nicht den Schutz ihres Heimatstaates genießen, durch die Anknüpfung an ihren (schwedischen) Wohnsitz in angemessener Weise zu lösen gesucht 45 . Bezüglich der Ehefähigkeit erfolgte dies durch eine gesetzliche Bestimmung, welche für alle Ausländer, deren Heimatstaaten nicht dem Haager Eheschließungsabkommen beigetreten sind, auf ihren Antrag das schwedische Wolinsitzrecht für maßgebend erklärt 46 . Für die Ehescheidung hat die schwedische Recht42
Siehe etwa Synnestvedt 231 ff.; vgl. auch Federspiel 386. So etwa Folke Schmidt (oben N. 34). 44 Siehe hierzu Karlgren 78. 46 Es handelt sich dabei vor allem um die mehr als 30 000 Flüchtlinge aus dem Baltikum (Sowjetangehörige seit August 1940), die im Herbst 1944 nach Schweden gekommen sind; siehe Fischler, RabelsZ 15 (1949/50) 490 f., 508 f., und Michaeli, RabelsZ 16 (1951) 147 f. 46 Kap. 7 § 4 a des Gesetzes von 1904 (oben N. 9), eingefügt durch Gesetz vom 10. 7. 1947. 43
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sprechung das Problem im gleichen Sinne gelöst: Das Höchste Gericht entschied am 25. 2. 1949, daß eine bloß formelle Staatsangehörigkeit kein geeignetes Anknüpfungsmoment sei: Ausländer, bei denen eine wirkliche Verbindung mit dem Heimatland nicht gegeben ist, insbesondere politische Flüchtlinge, die weder den Schutz ihres Heimatstaates genießen noch beabsichtigen, in die Heimat zurückzukehren, seien vielmehr hinsichtlich ihrer persönlichen Rechtsverhältnisse als Staatenlose zu behandeln 47 . In der schwedischen Entscheidung wird jedoch nicht näher auf den Wohnsitzbegriff eingegangen. Das dänische und norwegische Recht stellen hier strenge Anforderungen: der Inlandsaufenthalt während eines längeren Zeitraumes bildet lediglich eine Vermutung für die Wohnsitzbegründung; ob sie tatsächlich erfolgt ist, hängt davon ab, ob bestimmte objektive Merkmale vorliegen - etwa Berufsausübung, Famüienübersiedlung oder Liegenschaftserwerb und außerdem davon, ob die betreffende Person den Willen hat, im Inlande zu verbleiben (animus manendi) 48 . Dieser Domizilbegriff nähert sich dem des anglo-amerikanischen Rechts, er unterscheidet sich von diesem allerdings in einem wichtigen Punkt: man kann nach dänischer und norwegischer Auffassung mehrere Wohnsitze oder auch keinen haben, und es fehlen infolgedessen alle Grundsätze, die im anglo-amerikanischen Recht das Verhältnis von domicil of origine und domicil of choice betreffen 49. 4. Anwendung fremden Rechts
Von dieser grundlegenden Verschiedenheit in der Anknüpfungsfrage abgesehen, zeigen die kollisionsrechtlichen Systeme der nordi47 Entscheidung vom 25. 2. 1949 (Laurine c/a Laurine), N y t t Juridiskt Arkiv 1949 I 82, RabelsZ 16 (1951) 145 mit Anm. von Michaeli. Ebenso im Ergebnis bereits die Entscheidung des Höchsten Gerichts vom 16. 2. 1948, N y t t Juridiskt Arkiv 1948 I 805, RabelsZ 15 (1949/50) 511. Auch sonst werden Personen, die zwar eine Staatsangehörigkeit besitzen, aber nicht den Schutz ihres Heimatstaates genießen, den eigentlichen Staatenlosen in Schweden gleichgestellt; so bei der Gewährung des Armenrechts und bei der Befreiung von der Pflicht zur Sicherheitsleistung für Prozeßkosten: Bekanntmachung der schwedischen Regierung vom 22. 9. 1944, s. RabelsZ 15 (1949/50) 492. 48 Siehe Borurn 89 ff.; Gjelsvik 87 ff.; Federstiel 313 ff. 49 Auch in Dänemark ist jedoch gelegentlich eine Neigung zu verzeichnen, die strengen Anforderungen der Wohnsitzbegründung in Richtung auf den ,,ständigen Aufenthalt" aufzulockern, so z. B. in dem stark kritisierten Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 7. 9. 1948, Ugeskrift for Retsvaesen 1948, 1120, RabelsZ 20 (1955) 511; s. die Besprechung von Sörensen, Jus Gentium 1 (1949) 392-395.
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sehen Länder im Aufbau und Inhalt eine große Verwandtschaft untereinander und eine enge Anlehnung an die in den Rechtsordnungen des Kontinents geltenden Grundsätze. Die Übernahme ausländischer Grundsätze erfolgte und erfolgt aber, wie die bisherigen Ausführungen bereits gezeigt haben, keineswegs schematisch, sondern zumeist auf Grund einer kritischen Auseinandersetzung mit dem ausländischen Vorbild. Ein weiteres Beispiel bietet die Stellung zu dem jeweils anwendbaren fremden Recht. Wie in Deutschland gilt auch in allen nordischen Ländern der Grundsatz, daß das auf Grund der kollisionsrechtlichen Vorschriften anwendbare ausländische Recht von den Gerichten von Amts wegen ermittelt und angewandt wird 50 , ein Grundsatz, der sich in Norwegen und in Schweden zudem auf ausdrückliche verfahrensrechtliche Vorschriften stützt 5 1 . Nur in der Frage, wie diese ausländischen Vorschriften zu ermitteln sind, ergeben sich Schwierigkeiten und Unstimmigkeiten, vor allem bei der Entscheidung darüber, was zu geschehen hat, wenn das ausländische Recht dem Gericht nicht bekannt ist und sein Inhalt auch mit Hilfe der Parteien nicht festgestellt werden kann. Die ältere Auffassung in den nordischen Ländern, die freilich auch heute noch manche Anhänger besitzt, entscheidet sich in einem solchen Falle für die Anwendung der lex fori 5 2 . Im neueren Schrifttum setzt sich jedoch immer stärker die Auffassung durch, daß der Anspruch abzuweisen sei, wenn das in Frage kommende ausländische Recht nicht oder nicht in befriedigender Weise ermittelt werden kann; die lex fori komme nur dann 50 Siehe Barum, 66 ff.; Eek 139 f.; Ekström 63 ff.; Gjelsvik 68 f.; Kallenberg, Svensk civilprocessrätt I (1917) 93 f.; Karlgren 73 f.; Palmaren, Om tillämpningen av utländsk rätt i tvistemäl: Tidskrift utg. av Juridiska Föreningen i Finland 73 (1937) 34-59, insbes. 41 N. 1 und das dort angeführte Schrifttum. 51 § 191 des norw. Verfahrensgesetzes: „Rechtsvorschriften bedürfen keines Beweises. Das Gericht hat sie aus eigener Initiative zu untersuchen und anzuwenden. Das Gericht kann jedoch Beweismittel über Rechtsvorschriften zulassen, und wenn es sich um örtliches Gewohnheitsrecht oder um ausländisches Recht handelt, kann es verlangen, daß die Parteien nähere Aufschlüsse geben." - Kap. 35 § 2 II des schwed. Verfahrensgesetzes: „Gesetzliche Vorschriften bedürfen keines Beweises. K o m m t ausländisches Recht zur Anwendung und ist dessen Inhalt dem Gericht nicht bekannt, so ist das Gericht jedoch berechtigt, die Partei aufzufordern, es zu beweisen." 52 Diese Auffassung stützt sich in Schweden vor allem auf die Autorität des Prozessualisten Kallenberg (vorletzte Note) II (1927) 94f.; ebenso Hütt, Föräldrar och barn, enligt svensk intemationell privaträtt (1943) 47; Beuterskiöld, Om äktenskap . . . enligt svensk-internationell rätt (1905/09) 312; Michaeli 63 f.
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in Frage, wenn ein besonderes Rechtsschutzinteresse eine Prüfung der Angelegenheit verlange B3 . Dabei wendet man sich gegen die Fiktion, daß die Vorschriften der lex fori im Zweifel der lex causae entsprächen B4. 5. Ausländische Konfiskationen Einen verhältnismäßig breiten Raum beansprucht unter den kollisionsrechtlichen Problemen, die in den letzten Jahrzehnten im Schrifttum der nordischen Länder behandelt wurden, die Frage nach den Wirkungen ausländischer öffentlich-rechtlicher Gesetze und vor allem ausländischer Hoheitsakte auf die inländische Rechtsprechung 65 . Die umfangreichste wissen schaftliche Untersuchung dieses Fragenbereiches auf breiter rechtsvergleichender Grundlage hat kurz nach dem zweiten Weltkrieg der Däne Madsen-Mygdal unter dem Titel „Ordre public und Territorialität" vorgelegt 66 . Ben sondere Aufmerksamkeit widmen diese Arbeiten den Auswirkungen der Eingriffe ausländischer Staaten in die Privatrechtssphäre des Einzelnen, im besonderen den konfiskatorischen Vermögensentziehungen. Den Anstoß dazu gaben eine Reihe von Entscheidungen, in denen die Gerichte der nordischen Staaten sich mit diesen Problemen zu beschäftigen hatten. Diese mit Einzelfällen ziemlich weit zurückreichende Praxis 67 hat seit den dreißiger Jahren und vor allem in der Kriegs- und Nachkriegszeit ständig an Umfang und Bedeutung zugenommen 58. Die Grundsätze, denen die Gerichte bei ihren Entscheidungen folgten und die im Anschluß daran auch im Schrifttum der nordischen Länder erörtert und weiter entwickelt wurden, sind im wesentlichen die gleichen wie in den meisten übrigen Rechtsordnungen 69 . In dem Bestreben, die Vorbehaltsklausel möglichst zurückzudrängen, ist dabei im schwedischen Schrifttum der bemerkenswerte Ver53
Eek 145 ff.; Borum 73; Gjelsvik 70 f.; Karlgren 74 N. 2. Eek 146. 86 Siehe insbesondere das von Nial 120 und von Borum 138 N. 4 und 139 N. 7 genannte Schrifttum, vor allem die Arbeiten von Gihl, ferner dessen Beitrag Two cases concerning conflscation of foreign property: Liber Amicoruto Bagge (1956) 56-66. 68 Madsen-Mygdal, Ordre public og Territorialitet, 2 Bde. (1946); s. hierzu auch meine Besprechung in RabelsZ 15 (1949/50) 173-176. 57 Siehe hierzu Madsen-Mygdal (vorige Note) 340 ff. 58 Siehe die von Borum 76 genannten dänischen und von Nial 117 ff. angeführten schwedischen Entscheidungen. 58 Siehe insbes. die eingehende Darstellung bei Nial 117-157. 84
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such unternommen worden, die Auswirkungen ausländischer Konfiskationen im Inland ohne Heranziehung der Vorbehaltsklausel und unabhängig vom Territorialitätsprinzip zu begrenzen60. Der Vorschlag geht dahin, das den Schutz der Person garantierende völkerrechtliche Asylrecht auszuweiten und die politischen Flüchtlinge in Schweden grundsätzlich „im Hinblick auf ihre politische Sonderstellung gegen alle Maßnahmen eines ausländischen Gesetzgebers zu schützen, welche darauf gerichtet sind, sie ihres Vermögens in Schweden zu berauben". Praktisch würde sich durch die Bejahung einer solchen „vermögensrechtlichen Seite des Asylrechts" kaum etwas gegenüber dem sonst Üblichen ändern; denn Konfiskationen, die durch Übernahme des Verfügungsrechts über den Vermögenswert tatsächlich bereits durchgeführt sind, sollen nicht unter diesen Schutz fallen 61, es sei denn, daß der Flüchtling selbst solches Vermögen, das ihm im konfiszierenden Staate bereits entzogen worden war, in das Asylland mitbringt, nachdem er es - gleichgültig auf welche Weise - wieder an sich gebracht hat. Die Bedeutung der Berufung auf das Asylrecht wurde darin gesehen, daß die verletzende Wirkung der Berufung auf den ordre public wegfallen würde und dabei dem Asylland in gewissem Umfange die Entscheidung zustehen würde, welche Vermögenswerte mit Rücksicht auf die Person des Vermögensträgers geschützt werden sollen 62. III. H a a g e r K o n f e r e n z e n Wenn die nordischen Länder bei den früheren Haager Konferenzen für internationales Privatrecht mehr empfangen als beigetragen haben, so kann man das heute nicht mehr sagen. 6. Renvoi Der Gedanke der Rück- und Weiterverweisung, der auf der 7. Tagung der Haager Konferenz (1951) zur Diskussion stand, hat in den letzten Jahrzehnten bekanntlich in der Lehre allgemein an Boden gewonnen 63. Das Schrifttum der nordischen Länder, wo sich 60 Folke Schmidt, Asylrätt för flyktengars förmögenhet: Svensk Juristtidning 29 (1944) 609-624. 61 Schmidt a. a. O. 620. 62 So ausdrücklich Schmidt, Svensk Juristfcidning 30 (1945) 391, in Erwiderung auf die Kritik seines Aufsatzes durch Jägerskiöld, Svensk Juristtidning 30 (1945) 89-93. 83 Vgl. für das deutsche Recht etwa: Melchior, Die Grundlagen des deutschen IPR (1932) 192 ff.; Nußbaum, Deutsches IPR (1932) 51 ff. (55 f.); Baape, IPR 4 (1955) 61 ff.; Martin Wolff, Das IPR Deutschlands 3 (1954) 72 ff.
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vor allem schwedische Autoren eingehend mit dieser Frage beschäftigt haben, beharrt jedoch ganz überwiegend auf der Ablehnung des Grundsatzes 6 4 ' 6 5 . Darüber hinaus - und das ist besonders bemerkenswert - hat sich auch die Rechtsprechung dieser Länder in zunehmendem Maße von einer Anerkennung des Renvoi abgewandt. I n Dänemark, wo lediglich das Wechsel- und das Scheckgesetz Vorschriften über den Renvoi enthalten, nämlich die Genfer Klauseln zugunsten der Beachtung der Rück- und Weiterverweisung bei der Wechsel- und Scheckfähigkeit 66 , hat man sich ständig der allgemeinen Anerkennung dieses Grundsatzes verschlossen, im Schrifttum 67 ebenso wie in der Rechtsprechung 68. Auch in Schweden aber hat sich in der Praxis in den letzten Jahren eine Wandlung vollzogen, obwohl hier die Rück- und Weiterverweisung in einer ganzen Reihe weiterer gesetzlicher Vorschriften anerkannt ist 69 . Das Schrifttum weist mit Nachdruck darauf hin, daß diese Bestimmungen einschränkend auszulegen seien und daß aus dieser „Konventionsgesetzgebung" kein Schluß auf das autonome schwedische Kollisionsrecht gezogen werden dürfe 7 0 . I m übrigen kann die schwedische Lehre jetzt geltend machen, daß auch der Gesetzgeber dem Grundsatz neuerdings ablehnend gegenübersteht; denn im schwedischen Gesetz über das internationale Erbrecht von 1937 fehlt jede derartige Vorschrift. Die schwedische Rechtsprechung hat sich im 64 Vgl. für Schweden: Bagge, Les conflits de lois en matière de contrats de rente (1929) 191 ff.; ders., wie oben N. 27; Ekström 163-208: Den s. k. àterforvisningen, S. 208; Huit (oben N. 52) 24 ff.; Karlgren 64-68; Undén, Äterförvisningsläran i intemationell privaträtt: Svensk Juristtidning 7 (1922) 246-256, neu abgedruckt: Sämling av uppsatser och rättsfall för studiet av internationell privaträtt 2 (1955) 39-45; Reuterskiöld 36-39; Ramel (oben N. 28) 55 if. ; Malmar, Äterförvisningsläran ännu en gâng: Festskrift Marks von Wurtemberg (1931) 410-422; - für Dänemark: Borum 77-82; ders., Quelques observations sur le projet de Convention de la Haye (1951) pour régler les conflits entre la loi nationale et la loi de domicile : Liber Amicorum Bagge (1956) 16-21; Federspiel 202 - 219; - für Norwegen: Gjelsvïk 75-84. 65 Im älteren Schrifttum wird die Rückverweisung gelegentlich auch in Schweden anerkannt: Reuterskiöld 38. - Ojelsvik vertritt für Norwegen den Standpunkt, daß wohl die Rückverweisung (S. 78), nicht aber die Weiterverweisung (S. 79) anzuerkennen sei. 66 § 75 I 2 Wechsel G ; § 58 ScheckG. 67 So schon Federspiel 218. 68 Siehe TJgeskrift for Retsvsesen 1940, 857 und das Rundschreiben des Justizministeriums vom 11.3. 1940. 69 Kap. 1 § 2 I 2 (vgl. Kap. 2 § 1) des Gesetzes von 1904 (oben N. 9); § 79 Wechsel G ; § 58 II ScheckG. 70 So Karlgren 67 f.
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Jahre 1939 endgültig gegen den Grundsatz der Rück- und Weiterverweisung erklärt 7 1 , nachdem es das Höchste Gericht bereits in einer Entscheidung von 1930 vermieden hatte, den Grundsatz heranzuziehen 72 , ohne sich freilich schon damals mit der erforderlichen Klarheit von einer im Jahre 1919 ergangenen Entscheidung 7 3 abzuwenden, welche den Renvoi ausdrücklich anerkannt hatte. Die Auswirkungen dieser übereinstimmend renvoifeindlichen Haltung von Lehre und Rechtsprechung der nordischen Länder traten auf der Haager Konferenz bei der Erörterung der Renvoi-Konvention deutlich in Erscheinung 7 4 . Dänemark, Norwegen und Schweden hatten den niederländischen Entwurf völlig abgelehnt und nur Finnland hatte ihn mit wesentlichen Einschränkungen angenommen 75. Dem Widerstand dieser Staaten vor allem war es zuzuschreiben, daß die Konferenz auf eine Erörterung des eigentlichen Renvoi dann völlig verzichtete und sich nur noch bemühte, eine Einigung der Teilnehmerstaaten über die Frage zu erreichen, welches Recht bei einem Konflikt zwischem dem Heimatrecht und dem Domizilrecht unmittelbar anzuwenden sei 76 . Die nordischen Staaten nehmen auch zu dem diesbezüglichen Entwurf der Konferenz noch eine abwartende Haltung ein 77 . Borum verspricht sich allerdings auch dann, wenn der Entwurf „einer Konvention mit einem so abstrakten und theoretischen I n h a l t " nicht von der erforderlichen Zahl von Vertragsstaaten angenommen werden sollte, einen günstigen Einfluß seiner Bestimmungen auf die Rechtsprechung aller Staaten, sowohl derjenigen, die dem Wohnsitzprinzip folgen, wie auch derjenigen, die an die Staatsangehörigkeit anknüpfen 7 8 . 71
H. D. 28.2.1939, N y t t Juridiskt Arkiv 1939 I 96 (Plenarentscheidung). N y t t Juridiskt Arkiv 1930 I 692. 73 N y t t Juridiskt Arkiv 1919 I 546. 74 Siehe hierzu Bolle, Die 7. Haager Konferenz: RabelsZ 17 (1952) 161 bis 211 auf S. 199ff. -Wortlaut des von Meijers ausgearbeiteten Entwurfs der niederländischen Regierung: RabelsZ 17 (1952) 274 N. 1; Wortlaut des deutschen Gegenentwurfs ebd. 275 f. 75 Siehe RabelsZ 17 (1952) 275. 76 Dölle (vorletzte Note) 200; Borum, Quelques observations (oben N. 64) 17. Das Ergebnis dieser Beratungen, das „Projet de Convention pour régler les conflits entre la loi nationale et la loi du domicile", ist abgedruckt in RabelsZ 17 (1952) 272 f. 77 Bisher hat nur Finnland dem Entwurf zugestimmt, s. Borum, Quelques observations (oben N. 64) 21. 78 Borum, wie vorige Note. 72
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7. Parteiautonomie Die Stellungnahme der skandinavischen Delegierten zur Frage der Parteiautonomie hat im Auslande weithin die Auffassung hervorgerufen, daß das Recht der nordischen Länder diese Institution ablehne 79 . Inzwischen wurde in eingehenden Untersuchungen dargetan, daß dieser Eindruck nicht begründet ist. Nachdem Lando die Frage der Anwendung fremden Rechts auf internationale Vertragsverhältnisse bereits im Jahre 1952 vornehmlich vom Standpunkte des dänischen Rechts untersucht hat und dabei zur grundsätzlichen Anerkennung der Parteiautonomie gelangt ist 80 , hat vor kurzem auch der Norweger Hambro in einer eingehenden vergleichenden Studie über die Einstellung der nordischen Rechte zu dieser Frage 81 überzeugend dargelegt, daß die Delegierten der nordischen Länder auf den Haager Konferenzen offenbar dem Grundsatz der Parteiautonomie mehr Widerstand entgegengebracht haben, als dies durch das positive Recht ihrer Länder gerechtfertigt war. Auf Grund einer sorgfältigen Prüfung der - freilich nicht sehr umfangreichen und in den Begründungen auch nicht sehr ergiebigen - Rechtsprechung zu dieser Frage 82 kommt Hambro zu der Feststellung, es könne nicht der geringste Zweifel bestehen, daß die nordischen Staaten die ausschlaggebende Bedeutung des Parteiwillens für die Wahl des Rechtes, unter das sie ihre internationalen Verträge stellen wollen, anerkennen 83 . Dieses grundlegende Ergebnis seiner Untersuchung erscheint bei Hambro aus dem nordischen Schrifttum und vor allem aus der Praxis wohl fundiert. In Einzelheiten freilich wird man zweifeln dürfen, ob seine Auffassung, die in Ermangelung von Belegen aus der gerichtlichen Praxis bisweilen durch den Blick auf außernordische Vorbilder rechtsvergleichend unterbaut ist, immer 79 Vgl. Röbel, The Conflict of Laws II (1947) 373; Rudolf Moser, Vertragsabschluß, Vertragsgültigkeit und Parteiwille im internationalen Obligationenrecht (1948) 92. Die 7. Haager Konferenz hat sich, allerdings mit z. T. nur sehr geringfügiger Mehrheit, für die unbeschränkte Parteiautonomie entschieden: Art. 2 I Projet de Convention sur la loi applicable aux ventes à caractère international d'objets mobiliers corporels, s. RabelsZ 17 (1952) 269 sowie Dölle (oben N. 74) 169 ff. 80 Lando, Om anvendelse af fremmed ret i internationale kontrakt forhold : Handelsvidenskabeligt Tidsskrift 16 (1952) 180-222; vgl. ders., Scandinavian Conflict of Law Rules Respecting Contracts: Am. J. Comp. L. 6 (1957) 1-26 auf S. 6 f. 81 Hambro a. a. O. 82 Siehe die bei Hambro 592 f. angeführten Entscheidungen. 83 Hambro 591 und 606.
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als die den nordischen Rechten angemessene und gemäße gelten kann. So etwa, wenn er den sog. „hypothetischen Parteiwillen" als reine Fiktion hinstellt, die den nordischen Rechten völlig fremd sei 84 , obwohl, wie er zugeben muß, so maßgebende Autoren wie der Däne Borum, sein eigener Landsmann Gaarder und der Schwede Nial diesem Gedanken durchaus nicht ablehnend gegenüberstehen 85. 8. Übergang des Eigentums In der Frage des Eigentumsüberganges, die bei den Haager Verhandlungen ebenfalls lebhaft erörtert wurde, haben die Einwendungen der Delegierten aus den nordischen Ländern wesentüch dazu beigetragen, daß die einschlägigen Bestimmungen aus dem Konventionsentwurf ausgeklammert wurden 86 . Die Gründe dafür, daß es hier zu keiner Einigung kam, obwohl alle Delegierten eine solche Regelung für wünschenswert hielten, sind allerdings nicht im Bereich des Kollisionsrechts zu suchen. Sie waren vielmehr in den unterschiedlichen Auffassungen über das Wesen des Eigentumsübergangs begründet.Gottheiner 87 hat diese Frage rechtsvergleichend eingehend untersucht und festgestellt, daß die Unterschiede der nordischen zu den westeuropäischen Rechten „mehr im dogmatischbegrifflichen als im praktischen Bereich liegen"; er stellt sogar eine 84
Hambro 598. Borum 147 f.; Gaarder, Om anvendelse av fremmed r e t t i kontraktsforhold: Tidsskrift for Rettsvitenskap 52 (1939) 217-249; Nial 28 f., d e r u . a. darauf hinweist, daß auch Alrnin, Das skandinavische Kaufrecht I (1922), Anhang zu § 1 bei N. 45 ff., zwar nicht dafür eintritt, den hypothetischen Willen der Parteien zu erforschen, wohl aber in gewissem U m f a n g mit dem hypothetischen Parteiwillen operiert, z. B. bei der Begründung der lex debitoris: m a n dürfe nicht annehmen, daß der Schuldner, der sich zu einer Leistung im Auslande verpflichtet habe, dadurch weitergehende Verpflichtungen habe übernehmen wollen, als sie sein eigenes Recht vorsieht. Karlgren 96 hebt hervor, daß sich auch die schwedische Praxis auf der Linie der „individualisierenden Methode" bewege, wie sie Nial, wenngleich nicht uneingeschränkt, befolge. — Michaeli 296 vertritt die scharfe theoretische Scheidung zwischen der Untersuchung, „ob die objektiven u n d subjektiven Tatbestandsmerkmale auf einen mutmaßlichen Willen schließen lassen", u n d der „gedanklichen Fiktion, welchen Willen nach vernünftigem Ermessen die Parteien gehabt hätten, die keinen Willen im fraglichen P u n k t gehabt h a b e n " ; er stellt d a n n aber fest, in der Praxis werden „die Grenzen zwischen mutmaßlichem u n d fungiertem Willen ineinander übergehen". 86 Siehe Dölle (oben N. 74) 179. 87 Gottheiner, Zum Eigentumsübergang beim Kauf beweglicher Sachen: RabelsZ 18 (1953) 356-375. 85
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Verwandtschaft der nordischen Rechte mit dem französischen und englischen Recht fest. F ü r das Kollisionsrecht kommt Gottheiner zu einem Kompromiß: er hält es für durchaus vertretbar, den Eigentumsübergang inter partes und im Verhältnis zu Dritten verschiedenen Statuten zu unterwerfen, und zwar inter partes - in Übereinstimmung mit dem Vorschlag der nordischen Staaten - dem Vertragsstatut und nur im Verhältnis zu Dritten der lex rei sitae, wogegen auch von seiten der nordischen Rechte nichts einzuwenden sei. IV. I n t e r n o r d i s c h e A b k o m m e n Besondere Beachtung verdienen die zwischen den nordischen Staaten abgeschlossenen kollisionsrechtlichen Übereinkommen 8 8 ; sie ergänzen die materielle Rechtsangleichung und runden das Gebiet der beteiligten Staaten zu einem einheitlichen Rechtsraum in wichtigen Rechtsbereichen ab, vor allem im Bereich des Familienund des Erbrechts. Die beiden Vollstreckungsabkommen von 1931 und 1932, in denen die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von zivilrechtlichen Entscheidungen (1932) im allgemeinen und die Eintreibung von Unterhaltsbeiträgen (1931) im besonderen innerhalb der Vertragsstaaten gewährleistet wird, sollen hier außer Betracht bleiben, desgleichen die nordische Konkurskonvention von 1934, die den Grundsatz der Universalität des Konkurses innerhalb ihres Geltungsbereiches durchführt. Internationales Privatrecht im engeren Sinne enthalten nur die beiden anderen Abkommen, das Familienrechtsabkommen von 1931 und das Nachlaßabkommen von 1935. Die Bemühungen der nordischen Länder, ihre Rechtsordnungen im Wege einer umfassenden Rechtsangleichung zu einem einheitlichen Rechtsraum zusammenzuschließen, ließen sich im Bereich des Kollisionsrechts durch Schaffung eines einheitlichen Gesetzes über das internationale Privatrecht schon deshalb nicht verwirklichen, weil hier in einer wesentlichen Frage eine Verschiedenheit der geltenden Grundsätze vorlag, die in einer gesetzlichen innerstaatlichen Regelung nur durch Aufgabe des einen oder anderen Standpunktes, nicht aber durch einen Kompromiß hätte beseitigt werden können. Demgemäß ist die Anwendung dieser Abkommen auf Angehörige der Vertragsstaaten beschränkt 8 9 . 88 89
S. oben N. 5. Dagegen finden die Vorschriften der beiden Vollstreckungsabkommen
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9. Familienrechtsabkommen I n dem Abkommen über internationales Ehe-, Adoptions- und Vormundschaftsrecht vom 6. 2. 1931 erfolgte die Lösung des Anknüpfungsproblems im Wege einer Vereinigung des Staatsangehörigkeitsgrundsatzes mit dem Wohnsitzprinzip, wobei der Schwerpunkt beim Wohnsitz liegt. Für die güterrechtlichen Verhältnisse zwischen den Ehegatten ist das Recht des Ehewohnsitzes maßgebend, vorausgesetzt, daß beide Ehegatten zur Zeit der Eheschließung Angehörige von Vertragsstaaten sind und ihren Wohnsitz in einem dieser Staaten nehmen 9 0 ; nur soweit es sich um die Frage der Verfügungsgewalt über Liegenschaften handelt, wird mit Rücksicht auf die Rechtsverschiedenheit zwischen dem dänisch-norwegischen und dem schwedischfinnischen Recht die lex rei sitae berücksichtigt 91 . (Während in dem autonomen Kollisionsrecht aller nordischen Länder der Grundsatz der Unwandelbarkeit des Güterstandes herrscht 9 2 , ist nach der nordischen Konvention das Ehegüterstatut wandelbar 9 3 , d. h. es richtet sich nach dem jeweiligen Ehewohnsitz in den Vertragsstaaten 94.) Auch über die Trennung oder die Scheidung der Ehen von Angehörigen der Vertragsstaaten entscheidet (als lex fori) das Recht des Staates, in dem die Ehegatten ihren Wohnsitz haben oder ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten, vorausgesetzt, daß einer der und der Konkurskonvention auch dann Anwendung, wenn die Parteien nicht Angehörige der Vertragsstaaten sind ; vgl. Borum 88. 90 Art. 3 1 1 des Eheabkommens (oben N. 5). Die Vorschriften des Abkommens sind unanwendbar, wenn die Ehegatten ihren Wohnsitz außerhalb der Vertragsstaaten nehmen; s. Borum, 111 N. 6 mit Hinweis auf die Motive. 91 Vgl. Borum 114. 92 Vgl. Borum. 112; § 1 II des schwed. Gesetzes von 1912 (oben N. 9); Michaeli 183; Karlgren 120; Christiansen, Répertoire de droit international VI (1930) 575 Nr. 116. 93 Art. 3 1 2 des Abkommens; s. Borum 114 f.; Karlgren 123. - Begründet wird dies in den Motiven mit dem Hinweis auf die weitgehende Gleichheit des Ehegüterrechts in den Vertragsstaaten, es handelt sich also um eine rein praktische Lösung, die, wie Borum, 115 hervorhebt, keineswegs als grundsätzliche Abweichung von der Unwandelbarkeit des Güterstandes ausgelegt werden darf. 94 Jedoch werden Ansprüche, die vor der Wohnsitzverlegung entstanden sind, nach dem bisherigen Wohnsitzrecht beurteilt, Art. 3 1 2 des Abkommens, vgl. Borum 115.
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Ehegatten noch dort wohnt 9 5 . Das Wohnsitzrecht ist weiterhin für die Annahme an Kindes Statt und für die Vormundschaft maßgebend : in dem einen Fall ist es das Wohnsitzrecht des Annehmenden 9 6 , im anderen Fall das Wohnsitzrecht des Pflegebedürftigen 97 (auch in diesen beiden Fällen schließt sich die Rechtsanwendungsnorm an die Zuständigkeitsvorschrift an 98 ). Die einzige wirkliche Einschränkung des Wohnsitzgrundsatzes stellt die sog. Zwei-Jahres-Regel dar, die bei der Prüfung der Ehevoraussetzungen zum Zuge kommt. Diese sind für den Angehörigen eines Vertragsstaates nur dann nach dem Recht seines Wohnsitzstaates zu beurteilen, wenn der Nupturient bereits seit zwei Jahren in diesem Staate seinen Wohnsitz hat und wenn außerdem die Eheschließung vor einer Behörde dieses Staates erfolgen soll; andernfalls ist die Ehefähigkeit nach dem Recht des Staates zu beurteilen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt (Art. 1). Anders ausgedrückt: die Ehefähigkeit von Angehörigen eines Vertragsstaates wird nur dann nicht nach dem Recht des Staates beurteilt, dem der Betreffende angehört, wenn er seinen Wohnsitz - nicht nur seinen Aufenthalt - seit mehr als zwei Jahren in dem Staate hatte und ihn auch weiterhin dort behalten will, in dem die Trauung stattfinden soll. Wenn also zwei dänische Staatsangehörige, von denen der eine seit zwei Jahren in Finnland, der andere ebensolange in Schweden wohnt, in Stockholm heiraten wollen, wird die Ehefähigkeit des einen nach schwedischem Recht beurteilt, die des anderen aber nach seinem dänischen Heimatrecht und nicht nach dem finnischen Wohnsitzrecht. Es steht außer Zweifel, daß diese Regelungen durch die weitgehende Gleichheit der materiellen Normen bedingt sind: diese Rechtsgleichheit verringerte die Bedeutung der kollisionsrechtlichen Entscheidung und begünstigte so den Kompromiß. Das Überwiegen des Wohnsitzgrundsatzes erleichterte den Gerichten und Behörden der einzelnen Staaten sicherlich die Rechtsanwendung. Es ist aber bezeichnend, daß gerade und allein bei der Prüfung der Ehefähig86
Art. 9 I des Abkommens. Nach Art. 12 des Abkommens muß sich auch das Kinderpflegeamt des Staates zu der Adoption äußern, dessen Staatsangehörigkeit das Kind besitzt, falls das Kind noch nicht 18 Jahre alt ist und in seinem Heimatstaat wohnt. 97 Art. 16 des Abkommens. 98 Artt. 11, 14 und 15 des Abkommens. 98
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keit die Staatsangehörigkeit und nicht der Wohnsitz das wichtigste Anknüpfungsmoment darstellt, und daß in allen Fällen, in denen die Prüfung nicht nach dem Wohnsitzrecht erfolgen darf, Ehefahigkeitszeugnisse des Heimatstaates verlangt werden (Art. 1 II). 10.
Nachlaßabkommen
Bedeutsamer für eine vergleichende Betrachtung unter rechtspolitischen Gesichtspunkten ist das internordische Nachlaßabkommen vom 19. 11. 1934. Denn das materielle Erbrecht der einzelnen nordischen Länder ist nicht das Ergebnis gemeinsamer Beratungen; vielmehr zeigen die aus verschiedenen Epochen stammenden einzelstaatlichen Regelungen" beträchtliche sachliche Unterschiede100. Man war sich klar darüber, daß angesichts dieser Rechtsverschiedenheit im Erbrecht ein längerer Zeitraum für die Umstellung auf das Recht des Wohnsitzstaates erforderlich sei101, und führte deshalb die sog. Fünf-Jahres-Regel ein: grundsätzlich ist Erbstatut für den Angehörigen eines Vertragsstaates das Recht desjenigen dieser Staaten, in dem er seinen letzten Wohnsitz hatte; falls dieser Wohnsitz aber noch nicht fünf Jahre lang bestanden hat, kann ein nach dem Heimatrecht des Erblassers als Erbe oder als Vermächtnisnehmer Berufener innerhalb einer bestimmten Frist die Anwendung dieses Rechtes verlangen. Die Fünf-Jahres-Frist muß durch ununterbrochenen Wohnsitz in dem betreffenden Staate erfüllt sein, eine „Anrechnung" der Zeit, in welcher der Erblasser in einem anderen Vertragsstaat domiziliert war, findet nicht statt 102 . - Die Testierfähigkeit beurteilt sich grundsätzlich nach dem Wohnsitzrecht bei Testamentserrichtung, nur für die Altersvoraussetzung gilt auch hier die Fünf-Jahres-Regel. Für die Form der letztwilligen Verfügung steht das am Errichtungsort geltende Recht gleichberechtigt neben dem Wohnsitzrecht und dem Heimatrecht des Erblassers. - Einigen Verschiedenheiten des materiellen Rechts der Vertragsstaaten, vor allem den Unterschieden in der Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten, sucht das Abkommen durch Sonderregelungen Rechnung 99
Dänemark: ErbG vom 2 1 . 5 . 1 8 4 5 ; Finnland: Gesetzbuch von 1734, Gesetz vom 5. 9. 1951; Norwegen: ErbG vom 31. 7. 1954; Schweden: ErbG vom 8. 6. 1928, TestamentsG vom 25. 4. 1930. 100 Siehe hierzu die Beispiele bei Barum 130. 101 Statens offentliga utrednengar 1933: 35 2 . 102 Michaeli 269. 41 Zeitschrift für internat. Privatrecht. H. 3/4 (Jahrg. 23)
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zu tragen; auch hier gilt aber im wesentlichen der durch die FünfJahres-Regel modifizierte Wohnsitzgrundsatz. V. Z u s a m m e n f a s s u n g Zusammenfassend läßt sich feststellen: Das internationale Privatrecht der nordischen Länder ist von zwei wesentlichen Merkmalen geprägt. Es wurde einerseits von Rechtsprechung und Lehre entwickelt und beruht auch heute noch in Dänemark und Norwegen fast ausschließlich, in Schweden und Finnland zu wesentlichen Teilen auf diesen Grundsätzen. Zum anderen ist es von internationalen Vereinbarungen bestimmt, deren Grundsätze besonders in Schweden auch über den Bereich der vertraglichen Bindung hinaus in das staatliche Kollisionsrecht aufgenommen worden sind. Der gewohnheitsrechtliche Bestandteil des Kollisionsrechts der nordischen Länder ist in enger Verbindung mit der Entwicklung dieses Rechtsgebietes im kontinentaleuropäischen Ausland entstanden; nur zum Teil aber geschah das durch einfache Übernahme ausländischer Grundsätze, überwiegend erfolgte eine kritische Auseinandersetzung mit den ausländischen Lehren. In dieser kritischen Beurteilung des Vorhandenen und in der Weiterbildung und Umformung mancher übernommener kollisionsrechtlicher Grundsätze liegt ein wesentlicher Beitrag der skandinavischen Lehre und Praxis zur allgemeinen Weiterentwicklung des Kollisionsrechts. Es sollte ein Anliegen der rechtsvergleichenden Forschung im Bereiche des Kollisionsrechts sein, in Zukunft auch die Stellungnahme der nordischen Lehre und Rechtsprechung - ungeachtet mancher, vor allem der sprachlichen Schwierigkeiten - in noch stärkerem Ausmaße als bisher bei der Erörterung wichtiger Probleme zu berücksichtigen103. Besonders bedeutsam aber ist das Kernstück der vertraglichen Bindungen dieser Länder, das System der internordischen kollisionsrechtlichen Abkommen. Dieses Vertragssystem ist sowohl methodisch wie auch wegen der darin getroffenen sachlichen Regelungen bemerkenswert. Die Notwendigkeit, einen Ausgleich zwiio3 Erleichtert wird diese Auseinandersetzung durch die eigenen Bemühungen der nordischen Wissenschaft, ihre Ergebnisse auch in anderen Sprachen vorzulegen; vgl. etwa das neue Jahrbuch „Scandinavian Studies in L a w " , hrsg. von Folke Schmidt (Stockholm, Bd. 1: 1957).
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sehen Staatsangehörigkeits- und Wohnsitzgrundsatz zu finden, führte die Bemühungen um eine Rechtsangleichung im Bereiche des Kollisionsrechts auf die vertragliche Regelung. Die dabei gewählte vorwiegende Anknüpfung an den Wohnsitz vereinfacht die praktische Behandlung der kollisionsrechtlichen Fragen in den beteiligten Ländern zweifellos sehr. Dabei zeigt das Verhalten der Vertreter der nordischen Staaten auf den Haager Konferenzen, daß keineswegs eine bedingungslose Kompromißbereitschaft des einen oder anderen dieser Staaten die Ursache für diese Einigung gewesen sein dürfte, sondern lediglich die Überzeugung, daß die gefundenen Lösungen praktisch brauchbar und zugleich mit der Rechtsordnung eines jeden der vertragschließenden Staaten vereinbar sind. Jedoch wird man vor einer Nachahmung dieses Beispiels sehr genau prüfen müssen, wieweit die besonderen äußeren Bedingungen, vor allem die weitgehende materielle Rechtsgleichheit in den nordischen Ländern, diese Einigung erleichtert oder überhaupt erst ermöglicht haben. Die Ausnahmen und Vorbehalte, welche die Verträge in der Anknüpfungsfrage vorsehen, verdienen deshalb zumindest ebenso große Beachtung wie die eigentliche Kompromißformel. In diesen Grenzen aber bietet die internordische kollisionsrechtliche Regelung ein beachtenswertes und wichtiges Beispiel für die Möglichkeit, auch in solchen Fällen eine räumlich und personell begrenzte einheitliche Lösung kollisionsrechtlicher Probleme zu finden, in denen das autonome internationale Privatrecht der beteiligten Staaten gewisse Unterschiede aufweist.
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ZUR ANERKENNUNG
DER
TREUUNTERNEHMEN
LIECHTENSTEINISCHEN IN
DEUTSCHLAND
Ein Beitrag zur Frage der Anerkennung ausländischer juristischer Personen V o n R O L F SERICK
Heidelberg I. Das l i e c h t e n s t e i n i s c h e Treuunternehmen 1. Allgemeines. — Das liechtensteinische Gesellschaftsrecht hat weit über das Fürstentum hinaus Beachtung gefunden. Die Gründe dafür sind verschiedener Art. Sie liegen einmal in der liechtensteinischen Steuer- und Währungsgesetzgebung, aber auch im materiellen Gesellschaftsrecht, das die Gründung von Gesellschaften im Vergleich zu anderen Ländern erleichtert und sogar ganz neuartige Gesellschaftsformen zur Verfügung gestellt hat. Eine besonders interessante Ausgestaltung ist das liechtensteinische Treuunternehmen, auch Geschäftstreuhand genannt. Diese Rechtsfigur ist dem liechtensteinischen ZGB durch ein Gesetz vom 10. 4. 1928 einverleibt worden1 und hat im Personen- und Gesellschaftsrecht2 eine Regelung gefunden, welche 170 Paragraphen umfaßt (Art. 932 a §§ 1fif.)Der § 1 I gibt zunächst eine Begriffsumschreibung; danach * Abgekürzt werden zitiert: 156 A. L. R. = Note zu Pennsylvania Company for Insurances on Lives and Granting Annuities v. Wallace, 346 Pa. 532, 31 A. 2 d 71 (1943), und zu State Street Trust Co. v. Hall, 311 Mass. 299, 41 N. E. 2 d 30 (1942), in American Law Reports Annotated 156 (1945) 22-231; - Nußbaum., Soziologische und rechtsvergleichende Aspekte des „trust": AcP 151 (1950/51) 1 9 3 - 2 0 8 ; - Raape, IPR 4 (1955)-,-Soergel(-Kegel), B G B 8 IV (1955); -Steiner, Die Anstalt und das Treuunternehmen des liechtensteinischen Rechts: SchweizJZ 52 (1956) 8 f.; — Straub, Über das Treuhandrecht unter besonderer Berücksichtigung des liechtensteinischen Gesetzes betreffend Treuunternehmen (Diss. Bern 1 9 4 0 ) ; - M . W o l f f , Das IPR Deutschlands 3 (1954). 1 Gesetz betr. das Treuunternehmen (die Geschäftstreuhand) vom 10. 4. 1928 - im folgenden als „Gesetz" zitiert-, Liechtensteinisches Landesgesetzblatt 1928 Nr. 6, ausgegeben am 18. 6. 1928. 2 Dieses ist als 3. Teil des ZGB durch Gesetz vom 20. 1. 1926 erlassen worden (Landesgesetzblatt 1926 Nr. 4, ausgegeben am 19. 2. 1926).
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ist ein Treuunternehmen ein „auf Grund der Treusatzung von einem oder mehreren Treuhändern . . . unter eigenem Namen oder eigener Firma geführtes . . rechtlich verselbständigtes, organisiertes, wirtschaftlichen oder anderen Zwecken dienendes und mit eigenem Vermögen bewidmetes Unternehmen ohne Persönlichkeit, für dessen Verbindlichkeiten eine Haftung gemäß diesem Gesetz besteht''. Nach § 1 I I kann ein Treuunternehmen auch mit Persönlichkeit errichtet werden. Während in Deutschland zu der Geschäftstreuhand bisher - soweit ersichtlich - weder materiellrechtlich noch kollisionsrechtlich kritisch Stellung genommen worden ist 3 , finden sich in der Schweizer Literatur 4 teilweise recht eingehende Würdigungen. Die Meinungen über den Wert der Geschäftstreuhand sind indes sehr geteilt und gehen von der schärfsten Ablehnung bis zur lebhaftesten Befürwortung. So schreibt Steiner 5 , bei der Geschäftstreuhand handle es sich um ein „recht eigenartiges Gebilde", das sich für gewisse Leute anbiete, den Umweg dann über Vaduz zu machen, wenn sie Dritte hinters Licht führen wollten. Ein solches Beginnen werde ihnen durch die liechtensteinische Gesetzgebung recht leicht gemacht. Straub 6 hingegen vertritt die Auffassung, durch die Einführung des Treuunternehmens sei in origineller und geradezu genialer Weise die im liechtensteinischen Zivilgesetzbuch schon geschaffene große Neuerung des Treuhandrechts weiter gefestigt und ausgebaut worden. 2. Einzelbestimmungen. - Die Frage, ob eine liechtensteinische Geschäftstreuhand in Deutschland als rechts-, partei- und prozeßfähig anerkannt werden kann, setzt eine kurze materiellrechtliche Skizzierung des Treuunternehmens voraus. Aus dem Blickpunkt des deutschen Gesellschaftsrechts weist dieses Rechtsinstitut einige auf3 So begnügt sich Siebert, Das rechtsgeschäftliche Treuhandverhältnis (1933) 417 N. 18, mit dem einfachen Hinweis: „Hierzu kommt ein Gesetz vom 10. 4. 1928 über Treuunternehmungen, dessen Regelung sich mehr in der Richtung der Wirtschaftstreuhand bewegt und für diesen weitgehenden Zweck Treuunternehmen in verschiedener Rechtsform zuläßt." Beitzke, Juristische Personen im IPR und Fremdenrecht (1938), nimmt zu diesem Rechtsgebilde (nach dem Sachverzeichnis) überhaupt keine Stellung. 4 Vgl. z. B. Steiner; Straub; Wyler, Für ein schweizerisches Treuhandrecht: SchweizJZ 32 (1935/36) 129-134, insbes. 132 N. 3 und 133; Wyler-Schmid laut Protokoll vom 5. 9. 1954 zu den Verhandlungen des Schweiz. Juristenvereins über das Thema „Besteht in der Schweiz ein Bedürfnis nach Einführung des Instituts der angelsächsischen Treuhand (trust) ? " : Z. f. Schweiz. R. 73 (1954) 5 1 9 a - 5 2 5 a (523a). 5 Steiner 9. 4 Straub 105.
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fallende Besonderheiten auf: Anonymität der Gründer; Eintragung der Gesellschaft ohne Nachweis der erfolgten Einzahlung in den Treufonds; Möglichkeit, das Kapital zu vermindern, also Ausschluß des Grundsatzes der Integrität des Kapitals; Beendigung des Treuunternehmens durch einfache Zustimmung aller Beteiligten. Im einzelnen ist folgendes zu sagen: Das Gesetz unterscheidet, wie gesagt, zwischen Treuunternehmen ohne und mit Persönlichkeit. Die Geschäftstreuhand ohne Rechtspersönlichkeit steht im Vordergrund (eigentliches Treuunternehmen); auf eine solche mit Persönlichkeit (uneigentliches Treuunternehmen) finden indes die Vorschriften über die eigentliche Geschäftstreuhand Anwendung (§ 1). Außerdem sind gemäß § 5 des Gesetzes auf das Treuunternehmen ohne und mit Persönlichkeit die allgemeinen Vorschriften über die Verbandspersonen ergänzend und entsprechend anzuwenden. Beim Herausarbeiten der materiellrechtlichen Grundzüge der Geschäftstreuhand kann deshalb der Unterschied, ob ein Treuunternehmen juristische Persönlichkeit besitzt oder nicht, vernachlässigt werden 7 . Jedes Treuunternehmen entsteht nach § 7 des Gesetzes schon mit der Errichtung der formrichtigen Treusatzung. Die Satzung hat gemäß § 9 I I anzugeben: 1. Firma (Name), Sitz, Dauer und Zweck bzw. Gegenstand des Unternehmens; 2. den Treufonds, allenfalls dessen Beschaffung; 3. Zahl sowie Art und Weise der Bestellung der Treuhänder; 4. die Form der Bekanntmachung an Dritte. Behörden oder Kontrollorgane werden zur Entstehung der Geschäftstreuhand nicht benötigt. Zwar besagt § 7, daß ein Treuunternehmen, welches ein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreibt, sich sofort ins Treuhandregister eintragen lassen muß; diese Bestimmung kann aber nur als Formalbestimmung gewertet wer7 Vgl. hierzu auch Straub 35 f. Er meint, es solle durch die Einführung der uneigentlichen Treuhand lediglich festgelegt werden, daß auch Treuunternehmen, deren Zweck (§3) sich mit dem amerikanischen voting trust vergleichen lasse, unter Ausschluß oder Beschränkung der Haftung als Treuunternehmen mit Persönlichkeit gegründet werden können, ohne daß dazu die Form einer sonstigen „Körperschaft" - Verein, AG, Stiftung usw. - notwendig sei.
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den, weil damit keine inhaltliche Prüfung des Treuunternehmens verbunden ist. Die Eintragung selbst hat keine konstitutive Wirkung. Auch eine behördliche Kontrolle über die Einzahlung und das Vorhandensein des Treufonds fehlt 8 ; nur auf Antrag kann das Registeramt aus wichtigen Gründen eine amtliche Treuüberwachungsstelle einsetzen9. Für Leistungen an den Treufonds können gemäß § 23 Wertpapiere über die Begünstigung ausgegeben werden; auf diese sind insoweit, als sie mit Mitgliedschaftsrechten ausgestattet sind, die allgemein geltenden Vorschriften über Wertpapiere bei Verbandspersonen anzuwenden 10. Die Begünstigungen sind grundsätzlich frei veräußerlich und belastungsfähig11. Der Treufonds kann nach § 22 II durch allmähliche Verteilung vermindert werden. Eine solche Veränderung ist zwar alljährlich dem Registerführer zwecks Richtigstellung des bezüglichen Eintrages mitzuteilen; dieser Eintrag unterliegt aber keinem Publikationszwang (§ 22 III). Es fehlt demnach eine Garantie für die Erhaltung des Vermögenskerns (des Treufonds)12. Die Auflösung erfolgt gemäß § 17 II u. a. dann, wenn alle Beteiligten ihre Zustimmung dazu geben (Nr. 2) oder nach Ablaufeines Höchstzeitraumes, der durch Regierungsverordnung festgesetzt werden kann (Nr. 3). 3. Vergleich mit der GmbH. - Ein Blick auf vergleichbare Bestimmungen des deutschen Gesellschaftsrechts zeigt, mit wieviel größerer Vorsicht unser Gesetzgeber im Interesse eines angemessenen Gläubigerschutzes die Handelsgesellschaften ausgestaltet hat. Der Geschäftstreuhand mit Rechtspersönlichkeit entsprechen inDeutschland die Kapitalgesellschaften. Greift man etwa die Gesellschaft mit beschränkter Haftung heraus, so wird die geradezu entgegengesetzte Konzeption offenkundig: nach dem GmbH-Gesetz bedarf der Abschluß des Gesellschaftsvertrages gerichtlicher oder notarieller Form (§21); vor der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft besteht die GmbH als solche nicht (§ 111); die Einzahlung des Stammkapitals und die Haftung der Anmeldenden für die Richtigkeit ihrer Angaben sind gesetzlich geregelt (§§ 5, 7, 9); 8 10 11
Vgl. auch Steiner 9. » Vgl. Straub 91. Vgl. § 14 des Gesetzes. Einzelheiten bei Straub 77 f. 12 Einzelheiten in § 122 des Gesetzes. Vgl. auch Straub 45.
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zentrale Bedeutung hat der Grundsatz, daß das Stammkapital grundsätzlich zum Schutz der Gläubiger erhalten bleiben muß (vgl. etwa §§ 30, 31, 33, 41 ff.), und nur unter ganz besonderer Erschwerung ist eine Herabsetzung des Stammkapitals zulässig (§ 58); für die Auflösung endlich ist ein in aller Öffentlichkeit sich abspielendes Verfahren vorgesehen (§§ 60 ff.). Wie wichtig dem deutschen Gesetzgeber die Einhaltung gewisser Vorschriften ist - insbesondere derjenigen über die Einzahlung und Erhaltung des Stammkapitals und über die ordnungsgemäße Auflösung der Gesellschaft zeigen die Strafbestimmungen (§§ 79 ff. GmbH-Gesetz). Solche unabdingbaren und sogar unter Strafsanktion stehenden Bestimmungen des deutschen Gesellschaftsrechts lassen die Frage berechtigt erscheinen, ob eine ausländische Handelsgesellschaft wie die liechtensteinische Geschäftstreuhand, die ohne entsprechende Kautelen entstehen und leben kann, in Deutschland als Rechtsperson sowie als partei- und prozeßfähig anerkannt werden darf. II. Der k o l l i s i o n s r e c h t l i c h e A u s g a n g s p u n k t 1. Das Personalstatut. - Die Frage, nach welchem Recht die Rechts-, Partei- und Prozeßfähigkeit eines ausländischen Rechtsgebildes - eines Personenverbandes oder einer Stiftung - in Deutschland zu beurteilen ist, findet im EGBGB keine Antwort. Lehre und Rechtsprechung haben aber die Grundsätze aufgestellt: ob eine ausländische Gesellschaft rechtsfähig ist, d. h. eigene juristische Persönlichkeit hat, bestimmt sich nach dem Recht des Sitzes ihrer Hauptverwaltung 13 ; auch die Partei- und Prozeßfähigkeit richtet sich nach diesem Recht 14 . Ein Treuunternehmen, das seinen Sitz in Liechtenstein hat, kann nach dem liechtensteinischen materiellen Recht, das somit gemäß deutschem Kollisionsrecht maßgeblich ist, die Rechtsfähigkeit besitzen, wie oben gesagt. Aus Amtsbestätigungen der Fürstlich Liechtensteinischen Landgerichtskanzlei über eingetragene Treu13 H. M., vgl. z . B . RGZ 159, 33 (46); Wolff 114 f.; Palandt (-Lauterbach), B G B 1 ' (1958) Art. 10 E G B G B Anm. 3. 14 Zur Parteifälligkeit vgl. R G 3. 6. 1927, RGZ 117, 215 (217) = J W 1927, 3045 = IPRspr. 192&-27 Nr. 114; OLG Frankfurt 21. 2. 1933, IPRspr. 1933 Nr. 4; Soergel-Kegel Art. 10 E G B G B Bern. I I 2 c ; Raape 195 ff.-Zur Prozeßfähigkeit vgl. Soergel-Kegel Art. 10 E G B G B Bern. II 3; Raape 196; RGZ 36, 393; a.A. (lex fori) vielleicht RGZ 117, 218.
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unternehmen ergibt sich weiterhin, daß eine Geschäftstreuhand mit Rechtspersönlichkeit auch partei- und prozeßfähig ist. 2. Anerkennung. - Die nächste Frage - unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang eine nach ausländischem Recht bestehende juristische Person auch in Deutschland anzuerkennen ist - wird in Art. 10 EGBGB nur sehr unvollständig geregelt, nämlich nur für bestimmte ausländische Vereine. Für die Geschäftstreuhand läßt sich aus dieser Norm offensichtlich keine Antwort entnehmen. Zwischen Liechtenstein und Deutschland war die Anerkennung aller Handelsgesellschaften im weitesten Sinne zeitweilig dadurch geregelt, daß der Handelsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und der Schweiz vom 14. 7. 192615, der in Art. 3 die gegenseitige Anerkennung dieser Gesellschaften vorsah, gemäß seinem Art. 16 sich auch auf Liechtenstein erstreckte. Dieser Vertrag gilt aber nicht mehr 16 . Es ist somit auf die von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zurückzugreifen. Hiernach werden ausländische juristische Personen in Deutschland ohne weiteres anerkannt 17 . Die Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit impliziert die Anerkennung ihrer Partei- und Prozeßfähigkeit, falls die juristische Person diese Eigenschaften nach ihrem Personalstatut besitzt 18 . Dies bedeutet also, daß das liechtensteinische Treuunternehmen in Deutschland grundsätzlich als partei- und prozeßfähige juristische Person anzuerkennen ist. 3. Vorbehaltsklausel. - Die Anerkennung einer ausländischen juristischen Person muß jedoch in Deutschland gemäß Art. 30 EGBGB versagt werden, wenn die Anwendung des betreffenden ausländischen materiellen Rechts gegen die guten Sitten oder gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde 19 . Wann ließe sich 15
RGBl 1926 II 675; vgl. Makarov, Die Quellen des IPR (1929) 325. Bekanntmachung vom 22. 12. 1931, RGBl II 740. - Das neue Handelsabkommen zwischen der Bundesrepublik und der Schweiz vom 2. 12. 1954 (Bundesanzeiger 1955 Nr. 32 S. 2) betrifft nur den Warenverkehr. 17 H. M., vgl. etwa RGZ 83, 367 (369); 92, 73 (76); RG 11. 7. 1934, JW 1934, 2845 (mit Anm. Boesebeck) = IPRspr. 1934 Nr. 12; RGZ 159, 33 (46); Soergel-Kegel Art. 10 EGBGB Bern. II 1; Palandt-Lauterbach (oben N. 13) Art. 10 EGBGB Anm. 4. 18 Vgl. RGZ 83, 367 (369); auch Raape 193, 195 ff. 18 Vgl. Soergel-Kegel Art. 10 EGBGB Bern. VIII 2; Raape 194; Nußbaum, Deutsches IPR (1932) 197; RGZ 83, 367 (369): „Daher ist die Rechts-, 16
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nun davon sprechen, daß die Anwendung des liechtensteinischen Rechtes der Geschäftstreuhand gegen die guten Sitten, wann davon, daß sie gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoße 20 ? Dazu müssen zunächst einige allgemeine Bemerkungen vorangestellt werden. Ob ein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegt, bestimmt sich auch für den Bereich des Art. 30 EGBGB nach den Wertmaßstäben, die zu § 138 I BGB („Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig") in Lehre und Praxis entwickelt worden sind. Bedeutsam ist dabei, daß in Art. 30 EGBGB darauf abgestellt wird, ob „die Anwendung" des ausländischen Rechts - nicht also das ausländische Recht selbst! - gegen die guten Sitten verstößt. Es kommt daher allein und entscheidend darauf an, ob das konkrete Ergebnis seiner Anwendung mißbilligt werden muß 21. Ein Verstoß gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes ist nach fester Rechtsprechung des Reichsgerichts dann zu bejahen, wenn „der Unterschied zwischen den staatspolitischen oder sozialen Anschauungen, auf welchen dieses Recht und auf welchen das konkurrierende deutsche Recht beruht, so erheblich ist, daß die Anwendung des ausländischen Rechts direkt die Grundlagen des deutschen staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens angreifen würde" 22 . Diese Formel ist zwar in der Literatur oft kritisiert worden 23, die Praxis hält jedoch überwiegend an ihr fest 24 . Partei- und Prozeßfähigkeit solcher auswärtiger Handelsgesellschaften auch im Inlande anzuerkennen, soweit sie nicht im Widerspruche mit Art. 30 EG. z. BGB. gegen die guten Sitten oder gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen" (Hervorhebung vom Verf.). 20 An neuerer Literatur zur Problematik der Vorbehaltsklausel vgl. etwa : Dolle, Der Ordre public im IPR : Deutsche Landesreferate zum III. Internat. Kongreß für Rechtsvergleichung in London 1950 (1950) 397-415 = Beiträge zum bürgerlichen Recht 89-107 ; Vallindas, Der Vorbehalt des ordre public im I P R : RabelsZ 18 (1953) 1-11; Maury, L'ordre public en droit français: Rev. crit. 43 (1954) 7-27. 21 So Wolff 62, der weiterhin darauf hinweist, daß es ausländische Gesetze sittenwidrigen Inhalts gebe, deren Anwendung nicht gegen die guten Sitten verstoße, während umgekehrt die Anwendung eines nicht sittenwidrigen ausländischen Gesetzes den guten Sitten widersprechen könne. Unklar Raupe 92. 22 RGZ 60, 296 (300); 73, 366 (369); 110, 173 (175); 138, 214 (216); vgl. auch RGZ 169, 240 (245). 23 Vgl. z. B. Wolff 63 f.; Raupe 94. 24 Nachweise bei Soergel-Kegel Art. 30 EGBGB Bern. II 2c.
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Bei allem Streit darum, wo theoretisch die Grenzen zu ziehen sind, ist man sich aber darüber einig, daß Art. 30 EGBGB nur mit größter Zurückhaltung herangezogen werden darf. Der Anwendungsbereich der Vorbehaltsklausel ist also so eng wie möglich zu halten. Nur dann darf der ordre public bemüht werden, wenn der Verstoß gegen die guten Sitten oder gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes so außerordentlich erheblich ist, daß die Anwendung des an sich maßgebenden ausländischen Rechts schlechthin untragbar wird 26. Dabei ist überdies noch - und dem kommt entscheidende Bedeutung zu stets darauf abzustellen, daß nach den Umständen des Einzelfalles eine Beziehung zum Inland besteht. Diese liegt z. B. immer dann vor, wenn die zu schützende Person Deutsche ist oder der zu beurteilende Tatbestand sich in Deutschland verwirklicht 26 . 4. Bisherige Praxis. - Vor der Prüfung, ob die Anerkennung der Rechts-, Partei- und Prozeßfähigkeit eines liechtensteinischen Treuunternehmens gegen die deutsche Vorbehaltsklausel verstößt, ist es rätlich, einen Blick auf die - nicht sehr zahlreichen - Fälle zu werfen, in denen speziell bei juristischen Personen auf den ordre public zurückgegriffen worden ist. a) Das OLG Frankfurt 2 7 lehnte auf Grund des ordre public ab, das Erlöschen einer englischen Aktiengesellschaft nach ihrem Personalstatut - dem englischen Recht - anzuerkennen, weil die Gesellschaft in Deutschland zur Zeit ihrer Auflösung noch verteilungsfähiges Vermögen (inländische Grundstücke) besaß 28. 26 Beispiele aus der Praxis: RGZ 119, 259 (236); OLG München 13. 3.1929, IPRspr. 1929 Nr. 69; RG 23. 10. 1911, JW 1912, 22; RGZ 157, 257 (263) (die formlose, unregistrierte und einseitig lösbare Ehe des damaligen russischen Rechts wird vom RG als gültige Ehe behandelt) und oft; aus der Literatur: Palandt-Lauterbach (oben N. 13) Art. 30 EGBGB Anm. 2 (S. 1712); Wolff 64 f.; Soergel-Kegel Art. 30 EGBGB Bern. II 3. 26 Vgl. etwa Wolff 66; Soergel-Kegel Art. 30 II Anm. 3; Ermanf-Arndt), Handkommentar zum BGB 2 (1958) Art. 30 EGBGB Anm. 2; aus der Praxis etwa RGZ 119, 259 (263). 27 OLG Frankfurt 1. 11. 1907, OLGRspr. 16 (1908) 100 (101). 28 Aus den Gründen: „In diesem Punkte weicht nun aber das englische Recht so erheblich von dem deutschen Rechte ab, daß seine Anwendung zu unerträglichen Ergebnissen führen würde. Während nach englischem Rechte unverteilt gebliebenes Vermögen einer aufgelösten Aktiengesellschaft als herrenlos anzusehen ist, gilt nach § 302 IV HGB [heute § 214 IV AktG] die deutsche Aktiengesellschaft als fortbestehend, solange noch der Verteilung unterliegendes Vermögen vorhanden i s t . . . Diese Anwendung [des englischen Rechts] würde deshalb gegen den bezeichneten Zweck des § 302 IV, eine völlige Durchführung der Liquidation im Interesse der Gläubiger zu sichern, verstoßen und hat deshalb nach Art. 30 EG. zum BGB. zu unterbleiben."
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b) Nach herrschender Lehre und fester Rechtsprechung kann die Aufhebung einer juristischen Person in Deutschland nicht anerkannt werden, wenn der ausländische Aufhebungsakt als solcher gegen den ordre public verstößt 29 . Hierbei muß allerdings einschränkend auf zwei Sonderfälle hingewiesen werden. Bei den Nationalisierungen russischer juristischer Personen ist zwar sehr häufig erörtert worden, ob die durch den Eingriff von hoher Hand und ohne Entschädigung erfolgte Aufhebung einer russischen Korporation gegen den ordre public verstoße; im Ergebnis wurde aber in Deutschland die Anwendung des Art. 30 EGBGB im Hinblick auf Art. 2 des Rapallovertrages von 1922 abgelehnt 30 . Auch bei der liquidationslosen Vernichtung von juristischen Personen in der sowjetischen Besatzungszone seit 1945 ist deren Fortbestand im Westen nicht unter Zuhilfenahme des ordre public begründet worden 31 . c) Der ordre public greift weiterhin gegenüber dem Bestehen einer ausländischen juristischen Person in solchen Fällen ein, in denen die Anerkennung dazu führen würde, eine Gesetzesumgehung zu sanktionieren. Diese Situation ergibt sich vor allem dort, wo mit Hilfe der ausländischen Gründung zwingende Vorschriften des inländischen Rechts umgangen werden 32 . In Deutschland wurden diese Probleme insbesondere im Zusammenhang mit den sogenannten Gothaischen Kaufgewerkschaften diskutiert. Dabei ging es um folgendes : In Gotha wurden unter Mitwirkung der dortigen Behörde bergrechtliche Gewerkschaften gegründet zu dem Zweck, in Preußen belegene Bergwerke durch sie ankaufen und betreiben zu lassen. Auf diese Art sollten die strengeren Vorschriften des preußischen Berggesetzes, welche für die in Preußen gegründeten Gewerkschaften verbindlich waren, umgangen werden. Das Reichsgericht führte in diesem Zusammenhang etwa aus: „Solche offenbare Umgehungen des Gesetzes, wie sie bei den sogenannten Kaufgewerkschaften vielfach üblich waren und sind, zu dulden, kann keinem Staate zugemutet werden." 33 Obwohl die Gerichte gerade die Gothaischen Kaufgewerkschaften schließlich doch aus praktischen Gründen anerkannt 28
Vgl. z. B.Wolff 119. Vgl. z. B. RGZ 129, 98 (102 ff.); Einzelheiten bei Serick, Zur Enteignung juristischer Personen in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands: RabelsZ 20 (1955) 86-104, auf S. 95 N. 33. 31 Vgl. hierzu Serick a.a.O. 94 f. 32 Vgl. hierzu Nußbaum, I P R (oben N. 19) 197. 33 RGZ 88, 53 (55). 30
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haben 34, ist im Prinzip daran festzuhalten, daß in Umgehungsfällen mit Hilfe der Vorbehaltsklausel die Anerkennung einer juristischen Person im Inland versagt werden muß 35. d) Zum Schluß darf noch auf einen Fall hingewiesen werden, in dem die Anwendung des ordre public abgelehnt wurde. Das Kammergericht entschied, daß Beschränkungen der Vertretungsmacht, wenn Vorstandsmitglieder an Schriftform und Mitwirkung eines Aufsichtsrats gebunden werden, nicht gegen die Vorbehaltsklausel verstoßen 36. 5. Auswertung. - Wertet man diese Entscheidungen unter Berücksichtigung der unter I I 3 vorangestellten allgemeinen Grundsätze über den ordre public aus, so läßt sich über die Anerkennung der liechtensteinischen Geschäftstreuhand sagen: a) Unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes wäre es möglich, mit Hilfe der Vorbehaltsklausel die Anerkennung eines Treuunternehmens schlechthin zu versagen, wenn es zur Umgehung bestimmter zwingender Vorschriften des inländischen Rechts gegründet worden ist. Dieser Fall ist von der Rechtsprechung entschieden worden. Ihm muß der andere gleichgestellt werden, daß die Anwendung des ganzen ausländischen Gesellschaftsrechts das deutsche öffentliche Recht oder den ordre public des Inlands verletzt. Dann ist die Gesamtheit der an sich anzuwendenden ausländischen Normen abzulehnen. Das Ergebnis wäre, daß solchen juristischen Personen, die ihnen ihr Leben verdanken, in jeder Beziehung die Anerkennung versagt und ihre Existenz in Deutschland generell geleugnet werden müßte 3 7 . 34
Vgl. z . B . RGZ 100, 210 (210 f.): „Die Entscheidung ist von weittragender Bedeutung angesichts der großen Zahl der in Gotha begründeten Gewerkschaften; es waren 1910 fast 600, von denen ein erheblicher Teil Kaufgewerkschaften sind . . . Würden diese letzteren sich sämtlich als nichtig erweisen, so würden daraus mannigfache wirtschaftliche Unzuträglichkeiten hervorgehen." 35 Vgl. dazu etwa RG 31. 3. 1904, JW 1904, 231 = DJZ 1904, 555. Vgl. weiterhin RGZ 77, 19. In beiden Fällen ist, unabhängig von der gegebenen Begründung, der Sache nach die Anerkennung ausländischer juristischer Personen wegen Umgehungstatbeständen abgelehnt worden. 36 KG 28. 3. 1929, H R R 1929 Nr. 1664, 1665 = IPRspr. 1929 Nr. 21. 37 Nußbaum, I P B (oben N. 19) 198 Nr. 3, will die grundsätzliche Verweigerung der Anerkennung, vorbehaltlich weitergehender Vorschriften des inländischen Gesetzgebers, nur im Umgehungsfall zulassen. Die im Text vertretene Ansicht entspricht hingegen der sehr weit gehaltenen Formel des Reichsgerichts, vgl. dazu oben N. 19.
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b) Häufiger wird es geschehen, daß die ausländische juristische Person als Rechtspersönlichkeit im allgemeinen anerkannt und ihr lediglich für einen Einzelfall (mit Inlandsbeziehung), in einer besonderen Situation die Rechtsfähigkeit versagt werden muß. So liegt es, wenn die Anerkennung einer liechtensteinischen Geschäftstreuhand als Rechtspersönlichkeit unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen die guten Sitten abgelehnt wird. Man kann nicht generell sagen, das liechtensteinische Gesetz über die Geschäftstreuhand verstoße gegen die deutschen guten Sitten; ein solcher Vergleich darf gar nicht angestellt werden. Es ist vielmehr nachzuweisen, daß im konkreten Fall die Anwendung dieses Gesetzes in Deutschland als Verstoß gegen die guten Sitten empfunden würde. Die Folge wäre, daß in diesem engen Rahmen das fremde Recht nicht angewendet und dadurch möglicherweise für diesen Einzelfall die Rechtspersönlichkeit der Geschäftstreuhand geleugnet werden dürfte. Ferner könnte der Nachweis, daß einzelne Bestimmungen des ausländischen Gesellschaftsrechts gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen, lediglich zur Nichtanerkennung des Treuunternehmens in dieser einen Richtung führen. Wenn es im konkreten Fall gerade auf die Anwendung jener ausländischen Bestimmung ankommt, die sich nicht mit dem Zweck eines deutschen Gesetzes verträgt, ist das ausländische Recht in diesem Umfang - aber nur in ihm - zu eliminieren und, falls erforderlich, die Rechtspersönlichkeit des Treuunternehmens insoweit nicht anzuerkennen. III. Generelle N i c h t a n e r k e n n u n g ? Verstoßen nun die Gesamtstruktur und der Aufbau der liechtensteinischen Geschäftstreuhand bei Würdigung ihrer Rechtsgrundlagen so sehr gegen unsere Rechtsvorstellung, ist also (um die Formel des Reichsgerichts 38 praktisch anzuwenden) der Unterschied zwischen den Anschauungen, aufweichen dieser Teil des liechtensteinischen Gesellschaftsrechts und auf welchen das deutsche Gesellschaftsrecht beruht, so erheblich, daß die Anwendung des liechtensteinischen Rechts direkt die Grundlagen des deutschen wirtschaftlichen Lebens angreifen würde ? Es bestände dann die Möglichkeit, einer liechtensteinischen Geschäftstreuhand, unter welchen Einzelumständen sie auch immer in Deutschland auftritt, generell die Anerkennung zu versagen. 38
Vgl. oben bei N. 22.
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Die Entscheidung hierüber läßt sich leichter nach einer rechtsvergleichenden Umschau fällen. Wenn nämlich in Staaten mit einer Wirtschaftsverfassung, die der unseren vergleichbar ist, und mit verwandten staatspolitischen und sozialen Anschauungen sich Rechtsinstitute nachweisen lassen, die dem liechtensteinischen Treuunternehmen gleichen, so spricht ein gewichtiges Argument dafür, die liechtensteinische Geschäftstreuhand auch in Deutschland generell anzuerkennen. Wer dann gleichwohl die Ansicht vertritt, das in Frage stehende liechtensteinische Gesetz bilde einen Normenkomplex, der sich mit den anderslautenden Vorschriften des deutschen Gesellschaftsrechts deswegen niemals vereinbaren lasse, weil diese für Deutschland allgemeinen Geltungswillen hätten, der müßte diese Auffassung mit schwerwiegenden Gründen vertreten. 1. Der Massachusetts Trust. - Für einen möglichen Vergleich bieten sich insbesondere jene Länder an, in denen das Institut der Treuhand eine lange geschichtliche Vergangenheit hat, nämlich die Länder des anglo-amerikanischen Rechtskreises. Wir können uns hier auf das Recht der Vereinigten Staaten von Amerika beschränken. Dabei darf zunächst daran erinnert werden, daß in den USA das Gesellschaftsrecht nicht in die Kompetenz des Bundes fällt; es ist somit nicht Federal Law 3 9 . Die Frage, ob es in den Vereinigten Staaten ähnliche Rechtsinstitute gibt wie die liechtensteinische Geschäftstreuhand, muß daher auf Grund des einzelstaatlichen Rechts beantwortet werden 40. Hier kann es sich einmal um Common Law, d. h. ungeschriebenes, durch die Rechtsprechung entwickeltes, oder Statute Law, d. h. von den Einzelstaaten in Gesetzesform verkündetes Recht handeln. I n fast allen Einzelstaaten findet sich das Rechtsinstitut des „business trust" 4 1 , auch „Massachusetts t r u s t " genannt 4 2 . Die 39 Hierzu Arminjon-Nolde-Wolff, Traité de droit comparé II (Paris 1950/52) no. 727 S. 596. Vgl. allgemein über das Verhältnis des einzelstaatlichen Rechts zum bundesstaatlichen Recht etwa Hart, The Relations between State and Federal Law: Col. L. Rev. 54 (1954) 489-542. 40 156 A. L. R. 179 : „The power of the states to regulate business trusts in various respects is settled." 41 Literatur zum business trust: Ballantine, On Corporations3 (1946) § 6 S. 18 ff. ; Stevens, Handbook on the Law of Private Corporations2 (1949) § 7 ff. S. 30 ff. ; Cook, Principles of Corporation Law (1925) 730 ff. ; eine erschöpfende Abhandlung bietet 156 A. L. R. 22-231. Deutschsprachige Hinweise: Oubler, Besteht in der Schweiz ein Bedürfnis nach Einführung des Instituts der angelsächsischen Treuhand (trust)?: Z. f. Schweiz. R. 73 (1954) 2 1 5 a - 4 6 9 a
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klassische Definition in dem Urteil Hecht v. Malley 43 lautet in deutscher Übersetzung: „Der 'Massachusetts trust' ist eine in diesem Staat übliche Geschäftsorganisation und besteht im wesentlichen aus einer Vereinbarung, durch welche - in Übereinstimmung mit einer Treusatzung - Vermögen an Treuhänder übertragen wird, damit sie es innehaben und verwalten zugunsten der jeweiligen Inhaber der von den Treuhändern ausgegebenen übertragbaren Berechtigungsscheine, welche die Anteile ausweisen, in die das wirtschaftliche Eigentum an dem Vermögen geteilt ist." Er wird vorwiegend gemäß Common Law anerkannt; gelegentlich finden sich aber auch einzelstaatliche Gesetze, die ihn sanktionieren 44 . Dieser business trust läßt sich mit der liechtensteinischen Geschäftstreuhand vergleichen, ja, er hat dem liechtensteinischen Gesetzgeber offenbar als Vorbild gedient 45 . Bei der umfassenden Literatur und Rechtsprechung zum business trust kann hier nur in ganz großen Zügen auf ihn eingegangen werden: auf S. 414a f.; Nußbaum.-, Hermann M. Roth, Der Trust in seinem Entwicklungsgang vom Feoffee to Uses zur amerikanischen Trust-Company (Diss. Marburg 1928) 172 ff. Zu den historischen Beziehungen zwischen Trust und Gesellschaftsrecht in England, aber auch den USA, vgl. Maitland, Trust u n d Korporation: Z. f. das Privat- u n d öffentl. Recht der Gegenwart (Grünhuts Z.) 32 (1905) 1-76 (für die U S A : 67 ff.). 42 Der Name Massachusetts t r u s t beruht darauf, daß dieses Rechtsinstitut im Staate Massachusetts schon seit über 100 J a h r e n bekannt und a n e r k a n n t ist, vgl. Cook (vorige Note) 731. 43 265 U. S. 144, 44 Sup. Ct. 462, 68 L. E d . 949 (1924): „The 'Massachusetts Trust' is a form of business organization, common in t h a t State, consisting essentially of an arrangement whereby property is conveyed to trustees, in accordance with the terms of an instrument of trust, to be held and managed for the benefit of such persons as m a y from time t o time be t h e holders of transferable certificates issued b y t h e trustees showing t h e shares into which t h e beneficial interest in t h e property is divided." 44 So besonders in Massachusetts, Law of 1909 ch. 471, as amended by chap. 454 of 1913; chap. 471 of 1914, chap. 509 and 596 of 1913 (zit. nach Roth [oben N. 41] 179). Vgl. weiterhin etwa f ü r New Y o r k : General Associations Law, Laws 1909 ch. 34, z. B. § 2 (2): „The term 'business trust' means a n y association operating a business under a written instrument or declaration of trust, t h e beneficial interest under which is divided into shares represented b y certificates" (abgedruckt in McKinney's Consolidated Laws of New York Annotated, Book 18-A [1942] 2). 45 Wyler, Über das Treuhandrecht: Z. f. Schweiz. R . 56 (1937) 293-351 auf S. 309: „ F ü r das Recht der Treuunternehmung diente zunächst die Übersetzung eines amerikanischen Buches über 'Business Trusts' [N. 22/63: Guy A. Thompson, Business Trusts as Substitutes for Business Corporations (St. Louis 1920)], doch h a t der Redaktor die gefundenen Ergebnisse in der f ü r ihn charakteristischen originellen, aber auch teilweise sehr komplizierten F o r m ausgearbeitet."
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Der business trust nimmt eine eigenartige Stellung im amerikanischen Gesellschaftsrecht ein. Nach Ansicht einiger Gerichte kommt ihm eigene Rechtspersönlichkeit zu 46 . Einhellig wird jedoch angenommen, daß er keine Corporation ist 4 7 . Gleichwohl werden viele Bestimmungen, die für corporations gelten, durch die Gerichte auf den business trust angewendet 4 8 ; auch Gesetze stellen ihn bisweilen mit der Corporation auf eine Ebene 49. Dieser auffallende und eigenartige Verweis auf das Gesellschaftsrecht, welches hier das TrustRecht ergänzt, die Zwischenstellung zwischen juristischer Person und Gesellschaft, die Möglichkeit, den business trust einmal als Corporation, zum anderen aber als trust zu behandeln - all das stimmt mit der Konzeption der liechtensteinischen Geschäftstreuhand über ein. Auch die Einzelausgestaltung zeigt weitgehende Parallelen. So ist beispielsweise die Gründung eines business trust ebenso einfach wie die eines Treuunternehmens; er entsteht nämlich durch schlichte Vereinbarung der Treugeber, welche als gewöhnlicher Vertrag aufgefaßt wird und unter Umständen sogar mündlich erfolgen kann 50. Im allgemeinen freilich bildet den Kern des Massachusetts trust ebenfalls eine Treusatzung („trust instrument"). Was sie an Einzelheiten enthält, richtet sich vorwiegend nach dem Recht des Staates, in dem der business trust errichtet wird, sowie nach dem Zweck, dem er dienen soll. Interessant ist aber, welche Angaben in wissenschaftlichen Abhandlungen zur Aufnahme in die Satzung empfohlen werden: eine unzweideutige Treuerklärung, die Vermögensübertragung auf namentlich benannte Treuhänder, Art der beabsichtigten 46 156 A. L. R. 32, wo folgende Entscheidungen genannt werden: National City Finance Co. v. Lewis, 216 Cal. 254, 14 P. 2d 298 (1932); Bemington v. Krenn & Dato, 289 III. App. 548, 7 N. E. 2d 618 (1937); Hemphill v. Orloff, 277 U. S. 537, 48 Sup. Ct. 577,72 L. Ed. 978 (1928). Weiter heißt es dort (32 f.): „Other courts (and sometimes the same courts in other decisions) have taken the view that a business trust is not a distinct legal entity", z. B. Lorimer v. McGreevy, 229 Mo. App. 970, 84 S.W. 2 d 667 (1935); Manufacturers' Finance Trust v. Collins, 227 Mo. App. 1120,58 S.W. 2 d 1004 (1933); Dolben v. Gleason, 292 Mass. 511, 198 N. E. 762 (1935). 47 Vgl. hierzu den leading case Schumann-Heirik v. Folsom, 328 III. 321, 159 N. E. 250, 58 A. L. R. 485 (1927), in dem alle Unterschiede zur Corporation scharf herausgearbeitet werden; weiterhin etwa Burgoyne v. James, 156 Mise. 859, 282 N . Y . Supp. 18 (Sup. Ct.), affd. in 246 App. Div. 605, 284 N. Y. Supp. 977 (1. Dep. 1935). 48 Vgl. z. B. Roberts v. Aberdeen-Southern Pines Syndicate, 198 N. C. 381, 151 S. E. 865 (1930). 49 60 Nach 156 A. L. R. 37. 156 A. L. R. 64.
42 Zeitschrift für internat. Privatrecht. H. 3/4 (Jahrg. 23)
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Geschäfte, die Rechte und Pflichten der Treuhänder in Umrissen, Bestimmungen über die Neuwahl von Treuhändern, über die Ausgabe von Anteilscheinen und ihre Übertragung, Umschreibung der Rechte und Pflichten der Anteilsinhaber hinsichtlich von Gewinnen und Dividenden 61. Die Verwandtschaft zu den Mindestanforderungen der Satzung eines Treuunternehmens nach liechtensteinischem Recht läßt sich nicht verkennen. Weiterhin ist wichtig, daß auch für den amerikanischen business trust die Wahrung der Integrität des Kapitals nicht als Grundsatz gilt 52 , daß er keine Aufsichtsbehörde über sich hat 8 3 , daß die Treubegünstigungen beim business trust frei veräußerlich und übertragbar sind, wie schon die gegebene Begriffsbestimmung des business trust zeigt, und daß die Anteilsinhaber des business trust die Möglichkeit haben, die Treuhand jederzeit nach ihrem Belieben wieder aufzulösen 64. 2. Auswertung. - Dies mag hier genügen. Schon die wenigen Hinweise zeigen eine weitgehende Übereinstimmung des Massachusetts trust mit dem liechtensteinischen Institut der Geschäftstreuhand. Das erarbeitete Ergebnis wird zudem von solchen Autoren bestätigt, die rechtsvergleichende Untersuchungen über beide Institutionen angestellt haben 65. Die liechtensteinische Geschäftstreuhand ist also ihrer Struktur und ihrem Wesen nach kein singuläres, in allen anderen Kulturstaaten völlig unbekanntes Rechtsinstitut, das schon 51
Vgl. 156 A. L. R . 65. Vgl. 156 A.L.R. 98: „The right of shareholders to the earnings of the t r u s t depends upon the terms of t h e trust instrument", unter Hinweis auf Smith v. Moore, 129 Mass. 222 (1880). 63 Vgl. Roth (oben N. 41) 177 unter Berufung auf Sears, Declaration of trusts (1911), Trust Estates as Business Companies (1912) und Minimizing Taxes (1922): „Auf jeden Fall scheint sich der Business Trust praktisch bew ä h r t zu haben. Seine Vorteile gegenüber jeder Art von Corporation waren auch zu offensichtlich: E r brauchte nicht die in den meisten Staaten f ü r corporations vorgeschriebenen Berichte an die Aufsichtsbehörde einzureichen. E r konnte sich ein Tätigkeitsfeld wählen, von dem Korporationen gesetzlich ausgeschlossen waren. E r war nicht an die Vorschriften gehalten, bei Dividendenverteilungen die Integrität des Kapitals zu wahren." Ebenso Straub 109. Vgl. auch Nußbaum, 196: „So m a g ein Unternehmen die F o r m eines 'business trust' wählen, weil es den Vorschriften zum Schutze der Aktionäre ausweichen will." 64 Vgl. das Muster einer Treusatzung in 156 A. L. R . 71 über Dauer u n d Beendigung des business trust. 56 Vgl. insbesondere Wyler (oben N. 4) 133; ders. (oben N. 45) 309; Straub 107 ff.; neuestens auch Nußbaum 196/207. 62
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deswegen in Deutschland aufs schärfste darauf geprüft werden müßte, ob es sich dabei nicht um eine von Staats wegen zugelassene und geregelte Einrichtung zur Durchführung unlauterer Machenschaften handelt. Berücksichtigt m a n endlich, wie vorsichtig in Deutschland die Vorbehaltsklausel gehandhabt wird 6 6 , so kommt man zwangsläufig zu dem Ergebnis : unter Berufung auf den ordre public die Geschäftstreuhand sohon wegen ihrer gesetzlichen Grundlagen generell abzulehnen - was zur Nichtanerkennung ihrer Rechts-, Partei- u n d Prozeßfähigkeit führen müßte - , ist nicht angängig. IV. N i c h t a n e r k e n n u n g i m E i n z e l f a l l ? Das bisher gefundene Ergebnis bedeutet indes keineswegs, daß nicht im Einzelfall wegen der konkreten Sachgestaltung die Rechtsfähigkeit des Treuunternehmens abgelehnt werden k a n n u n d vielleicht sogar muß. Gerade die Elastizität der Geschäftstreuhand, der Mangel behördlicher Aufsicht, die teilweise große Undurchsichtigkeit der Verhältnisse des Treuunternehmens, die Abdingbarkeit vieler Normen werden häufiger, als dies bei anderen juristischen Personen der Fall ist, einen Anreiz dazu bieten, das Rechtsinstitut der Geschäftstreuhand im In- u n d Ausland zu unlauteren Machenschaften zu mißbrauchen und einem geschädigten Dritten, der auf die Menschen hinter dem Treuunternehmen durchgreifen will, dann die eigene Rechtspersönlichkeit der Treuhand entgegenzuhalten. Verstößt ein solcher Mißbrauch der Geschäftstreuhand in Deutschland gegen das Anstandsgefühl aller billig u n d gerecht Denkenden, so kann über Art. 30 E G B G B die Anwendung des liechtensteinischen Gesellschaftsrechts wegen Verstoßes gegen die guten Sitten abgelehnt werden. Die andere Möglichkeit, dem Treuunternehmen die Rechts-, Partei- oder Prozeßfähigkeit zu versagen, liegt darin, daß die Anwendung einzelner f ü r die Geschäftstreuhand geltender Normen im konkreten Fall gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstößt. Auf beide Möglichkeiten sei kurz eingegangen. 1. Sittenwidrigkeit. - I m deutschen Rechtsbereich ist für die juristische Person des deutschen Rechts anerkannt, daß in Ausnahmefällen die Rechtsform der juristischen Person beiseitegeschoben u n d » Vgl. oben N. 25. 42*
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deren selbständige Rechtspersönlichkeit verneint werden darf 67 . Wann ein solches Durchstoßen des Schleiers der juristischen Person zulässig ist, ist allerdings streitig. Der Verfasser hat versucht, im Interesse der Rechtssicherheit die Fälle, in denen die Rechtsform der juristischen Person geleugnet werden darf, für den hier interessierenden Zusammenhang auf Mißbrauchssachverhalte einzuengen. Als Mißbrauch wird es bezeichnet, wenn mit Hilfe der Rechtsform der juristischen Person Gesetze umgangen, vertragliche Verpflichtungen verletzt oder Dritte fraudulös geschädigt werden sollen58. Der BGH geht noch weiter. Er stellt neuerdings unter anderem darauf ab, ob die Verwendung der Rechtsfigur der juristischen Person dem Zweck der Rechtsordnung widerspricht 89 . Das Reichsgericht hat, um die Mißachtung der Rechtsfigur der juristischen Person zu begründen, oft auf Treu und Glauben oder etwa auf § 826 BGB zurückgegriffen 60 . Wie dem auch sei: in vielen Fällen handelt es sich um Verstöße gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, die von unserer Rechtsordnung nicht hingenommen werden können, ohne daß diese sich selbst desavouieren würde. Wird nun im konkreten Fall mit Hilfe der liechtensteinischen Geschäftstreuhand in Deutschland ein Ergebnis zu erreichen versucht, das dann, wenn es sich um eine deutsche juristische Person handelte, aus den eben aufgezeigten Gründen nicht akzeptiert werden könnte, so fragt sich, ob wir für diesen Einzelfall die Anerkennung der ausländischen juristischen Person verweigern dürfen und müssen. Ein solches Beiseiteschieben des ausländischen Gesellschaftsrechts - also des an sich maßgebenden Personalstatuts - wäre deswegen geboten, weil eben das Personalstatut die Unlauterkeit sanktioniert, indem es die Auskunft gibt, daß es sich im konkreten Fall um eine selbständige juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit handelt. Die Antwort lautet: Ist dieses Ergebnis so anstößig, daß es 57 Einzelheiten bei SericJc, Rechtsform und Realität juristischer Personen (1955; inzwischen in spanischer Übersetzung: Apariencia y realidad en las sociedades mercantiles, Barcelona 1958); ders., Rückerstattungsrechtliche Probleme bei juristischen Personen: NJW 1956, 895-898. 58 Vgl. SericJc, Rechtsform a.a.O. 17 ff., 203 f.; zustimmend etwa OLG Celle 31. 10. 1955, berichtet von Goetze, NJW 1955, 1788 (1789). 59 Vgl. etwa BGH 29. 11. 1956, B B 1957, 53 = NJW 1957, 182; BGH 30. 1. 1956, BGHZ 20, 4 (14) = NJW 1956, 785 mit Note W. Lewald-, vgl. weiterhin B G H 9. 10. 1956, NJW 1957, 19; BGH 7. 11. 1957, BB 1957, 1244. 60 So RG 16. 12. 1939, H R R 1940 Nr. 351 = DR 1940, 580 (Treu und Glauben); R G 12. 10. 1934, J W 1935, 512 = H R R 1935 Nr. 174 (§ 826 BGB).
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ANERKENNUNG LIECHTENSTEIN. TREUUNTERNEHMEN
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in der Bundesrepublik schlechthin nicht hingenommen werden kann, so darf und muß mit Hilfe der deutschen Vorbehaltsklausel das fremde Recht eliminiert werden und für diesen Einzelfall - abweichend von der Lösung des liechtensteinischen Rechts - der Geschäftstreuhand die Rechtspersönlichkeit versagt werden 61. 2. Gesetzeswidriglceit. - Eine ganze Reihe von Normen, die für die Geschäftstreuhand maßgeblich sind, weisen so starke Besonderheiten gegenüber den entsprechenden deutschen Bestimmungen auf 6 2 , daß ihre Anwendung im Einzelfall wegen Verstoßes gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes abgelehnt werden muß. Die Folge davon kann sein, daß für diesen Einzelfall die Rechtsfähigkeit der Geschäftstreuhand in Deutschland verneint oder umgekehrt ihr Fortbestehen entgegen dem liechtensteinischen Personalstatut bejaht werden muß. Welche Normen solchermaßen den deutschen ordre public auf den Plan rufen, kann hier nicht im einzelnen untersucht werden. Nur eine allgemeine Bemerkung sei noch erlaubt. Auch bei der Nichtanerkennung oder Weiteranerkennung der Rechts-, Partei- oder Prozeßfähigkeit eines Treuunternehmens wegen Verstoßes gegen den Zweck einzelner Bestimmungen des deutschen Gesellschaftsrechts ist stets auf die besonderen Umstände des jeweiligen Sachverhalts einzugehen. So mußte etwa in der oben berichteten Entscheidung des OLG Frankfurt 6 3 die Auflösung der englischen juristischen Person nur deswegen mit Hilfe der Vorbehaltsklausel abgelehnt werden, weil in Deutschland noch unverteiltes Vermögen vorhanden war. Wäre eine andere Frage zu prüfen gewesen - etwa die, ob Organe dieser in England aufgelösten juristischen Person in Deutschland noch Vertretungsbefugnis haben, wenn hier kein Vermögen mehr vorhanden ist - , so hätte bei demselben Auflösungsgrund keine Veranlassung bestanden, die deutsche Vorbehaltsklausel heranzuziehen. Für diesen Einzelfall hätte dann die spezifische Inlandsbeziehung gefehlt. 3. Bestätigung durch Rechtsvergleichung. — Das für Deutschland erarbeitete Ergebnis wird rechtsvergleichend durch eine Entscheidung des schweizerischen Bezirksgerichts Horgen bestätigt 64 . Das 61 Zu einer verwandten Frage vgl. Serick, Zur Konfiskation von Mitgliedschaftsrechten: JZ 1956, 201. 62 63 S. oben I 2. Oben bei N. 27. 64 Bez. - Gericht Horgen 20. 1. 1956, SchweizJZ 1958, 21. - Vgl. auch Schweiz. BG 16. 9. 1909, BGB 35 II 458 (zit. nach Nußbaum 198 N. 3),
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SEBICK, A N E R K E N N U N G
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Gericht hatte über folgenden Sachverhalt zu befinden: Frau X gründete in Vaduz ein Treuunternehmen mit Rechtspersönlichkeit, das wirtschaftlich mit ihr identisch war. In die Geschäftstreuhand brachte Frau X Vermögensbestände ein, um sie dem Zugriff ihrer persönlichen Gläubiger zu entziehen. Als einer dieser Gläubiger in der Schweiz in solche Gegenstände vollstreckte, klagte das liechtensteinische Treuunternehmen auf Feststellung seines Eigentums. Das Gericht wies die Eigentumsklage ab. Dabei stellte es fest, daß die liechtensteinische Geschäftstreuhand zwar grundsätzlich als Rechtsperson anzuerkennen und als Partei zum Prozeß zuzulassen sei, sie aber in bezug auf die gerade in Streit stehende Frage als mit Frau X identisch betrachtet werden müsse und daher ihrem Anspruch als rechtsmißbräuchlich der Rechtsschutz zu versagen sei. Jedes andere Ergebnis, so führte das Gericht aus, würde nicht nur gegen Treu und Glauben, sondern auch gegen den schweizerischen ordre public verstoßen. Es widerspreche dem schweizerischen Rechtsgedanken, daß ein Schuldner sein Vermögen durch Gründung einer juristischen Person - namentlich im Ausland - dem Zugriff seiner Gläubiger entziehe. Selbst wenn nach liechtensteinischem Recht oder liechtensteinischer Rechtsauffassung bei einem solchen Sachverhalt kein Rechtsmißbrauch gegeben sei, habe der schweizerische Richter dieses liechtensteinische Recht oder die liechtensteinische Rechtsauffassung nicht zu beachten, sondern sein Urteil im Rahmen des schweizerischen ordre public nach einheimischem Recht zu fällen. wonach eine ausländische Gründung nicht das „öffentliche Recht" und den „ordre public" des Inlandes verletzen darf. Diese Entscheidung ist ein Beleg für die Möglichkeit, die Existenz einer ausländischen juristischen Person im Inland generell abzulehnen.
DAS STATUT DER
YERTRAGSÜBERNAHME
V o n KONBAD ZWEIGERT
Hamburg Aus vielen Ländern wird berichtet, daß die Figur der Vertragsübernahme (assignment of bilateral contracts, cession du contrat, cessione del contratto) an ökonomischer Bedeutung gewinnt und Rechtswissenschaft und Praxis vor neue Fragen stellt. Dies macht wahrscheinlich, daß die Übertragung ganzer Verträge auch im internationalen Verkehr begegnet. Damit stellt sich die Frage, welches Recht auf Vertragsübernahmen mit Auslandsberührung anzuwenden ist. Alexander N. Makarov, der sich in seiner reichen wissenschaftüchen Produktion oft durch weiße Flecke auf der Landkarte des Kollisionsrechts hat reizen lassen, möge es freundlich nachsehen, wenn die nachfolgende Promenade über den weißen Fleck des Statuts der Vertragsübernahme die Konturen noch nicht in die Klarheit zu heben vermag, durch die seine eigenen Untersuchungen ausgezeichnet sind. Es geht um Fälle von der Art etwa des folgenden: Ein Einzelhändler schließt in Deutschland mit einem deutschen Käufer einen Kaufvertrag über einen Volkswagen mit der Abrede „Lieferfrist 9 Monate". Der deutsche Käufer verkauft 8 Monate später auf einer Reise in den USA diesen von beiden Seiten noch unerfüllten Vertrag für 150 $ an einen amerikanischen Interessenten und „übereignet" ihm den Vertrag. Nach welchem Recht ist dieser Vorgang zu beurteilen? Den kollisionsrechtlichen Überlegungen mag eine rechtsvergleichende Skizze zum materiellen Recht der Vertragsübernahme vorangehen. Zur Terminologie nur soviel: der von Heinrich Lehmann vorgeschlagene Terminus „Vertragsübernahme" wird im folgenden verwendet ; die drei Beteiligten der Transaktion nenne ich: Zedent (im obigen Beispiel der deutsche Käufer), verbleibender Vertragspartner
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(im Beispiel der Volkswagenhändler) und Zessionar (im Beispiel der amerikanische Käufer des Vertrages). I. R e c h t s v e r g l e i c h u n g Interessant als Gegenstand der Vertragsübernahme ist vor allem der gegenseitige Vertrag 1 ; bei einseitigen Verträgen (Schenkungsversprechen, unverzinsliches Darlehen) k a n n der wirtschaftliche Erfolg der Vertragsübernahme in der Regel durch Zession oder Schuldübernahme erreicht werden 2. Soweit zu sehen, besteht in allen Rechtsordnungen, deren Juristen sich mit der Vertragsübernahme auseinandersetzen, Einigkeit über einen in der Tat evidenten P u n k t . Soll die gewillkürte Vertragsübernahme den Zessionar mit der Wirkung in den Vertrag einrücken lassen, daß der Zedent unter Verlust seiner vertraglichen Rechte u n d mit Befreiung von seinen vertraglichen Pflichten völlig ausscheidet, so ist die rechtsgeschäftliche Mitwirkung des verbleibenden Vertragspartners unerläßüch, sei es nun, daß dieser einer entsprechenden Vereinbarung des Zedenten mit dem Zessionar zustimmt, sei es, daß er an der Vertragsübernahme als Vertragspartner unmittelbar beteiligt ist. I m übrigen liegen die Unterschiede der Rechtsordnungen vornehmlich in der Art, den Vorgang juristisch zu konstruieren, und in den Wirkungen solcher Konstruktionsdivergenzen. 1. Wenn Fortschritt in der Jurisprudenz - wie in der K u n s t Vertiefung der Einsicht durch Vereinfachung der Konturen ist, so ist das italienische Recht allen anderen voran. Die Normierung der cessione del contratto in A r t t . 1400-1410 C. civ. gestattet es zweifelsfrei, die Vertragsübernahme als einen einheitlichen vertraglichen Vorgang unter Mitwirkung der drei Beteiligten zu konstruieren. Vor allem Art. 1407 I I macht das deutlich: geht der Vertragsinhalt vollständig aus einer Urkunde hervor, die eine Orderklausel enthält, „so h a t das Indossament die Ersetzung des Indossanten durch den 1 Der unvollkommen zweiseitig verpflichtende Vertrag (wie Auftrag und Verwahrungsvertrag) - auch ein möglicher Gegenstand der Vertragsübernahme - wird hier beiseitegelassen. Dazu Erich Bülow, Die Vertragsübernahme im deutschen und italienischen Recht (unveröffentl. Tübinger Diss. 1956) 58 ff. 2 Freilich nicht stets: soll der neue Partner völlig in die Position des Beschenkten einrücken, etwa durch eigene Undankbarkeit das Widerrufsrecht des Schenkers auslösen, so bedarf es der Vertragsübernahme, Bülow (vorige Note) 64.
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Indossatar zur Folge" 3 . In Italien ist denn die Einheitlichkeit der Vertragsübertragung auch Ausgangspunkt der gesetzlichen Regelung und der heute herrschenden Lehre 4. Die Länder, in denen der Gesetzgeber solche Brücken zur Vereinfachung des konstruktiven Verständnisses nicht gebaut hat, haben es schwerer und neigen dazu, den Vorgang der Vertragsübernahme durch eine direkte oder eine analoge Anwendung der Grundsätze von Zession und Schuldübernahme in bekannte Figuren einzuordnen. Dies bringt die Zerlegung eines rechtsgeschäftlichen Vorgangs mit sich, der ökonomisch ein Ganzes darstellt und auch als Ganzes gewollt ist. Diese Zerlegung ist dem Verständnis der Vertragsübernahme wiederum unbekömmlich, weil Grundsätze und Streitfragen, die im Recht der Zession und der Schuldübernahme ihren legitimen, zumindest durch Tradition getragenen Platz haben, in das Recht der Vertragsübernahme mitgeschleppt werden, wo sie - eben wegen der vertraglichen Mitwirkung aller Beteiligten - entbehrlich sind. Auch bleibt von den Zerlegungstheorien unerklärt, warum nicht nur Forderungen und Schulden des bisherigen Vertragspartners, sondern auch Anwartschaften, Gestaltungsrechte und Rechtslagen im weitesten Sinne auf den neuen Vertragspartner übergehen - ja der Vertrag sich als Ganzes in dem Entwicklungsstadium, in dem er sich im Augenblick der Vertragsübernahme befindet, zwischen verbleibendem Vertragspartner und Zessionar fortsetzt. Zu dieser Zerlegung neigte lange Zeit die deutsche Theorie und Praxis 5 ; erst neueste Versuche zielen dahin, die Vertragsübernahme als ein einheitliches Rechtsinstitut zu begreifen. Dabei kann die deutsche Theorie, selbst soweit sie den Vorgang noch in Zession und Schuldübernahme zerlegt - wenn sie den Übergang von Anwartschaften, Gestaltungsrechten und Rechtslagen mit Argu8 Indossierte Vertragsurkunden werden vor allem im Getreidegeschäft, aber auch im Handel mit anderen Massengütern verwendet, Bülow (oben N. 1) 78. 4 Vgl. Carresi, La cessione del contratto (Mailand 1950, besprochen von Heinr. Lehmann in RabelsZ 20 [1955] 366 f.); Bülow (oben N. 1) 34 ff. 8 Aus dem deutschen Schrifttum sind die folgenden Beiträge hervorzuheben: Siber, Die schuldrechtliche Vertragsfreiheit: Jherings Jb. 70 (1921) 223-299 auf S. 294 ff.; Demelius, Vertragsübernahme: Jh. Jb. 72 (1922) 241 bis 292; Siber, Schuldrecht (1931) 218; Heinr. Lehmann, Die Abtretung von Verträgen: Deutsche Landesreferate zum III. Kongreß für Rechtsvergleichung in London (1950) 382-395 = Beiträge zum bürgerlichen Recht 74-87; Lorenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Allg. Teil 2 (1957) 302 ff.; A. Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht 2 (1957) 323.
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menten aus der Vertragsfreiheit erklären kann im ganzen zu brauchbaren Ergebnissen deshalb kommen, weil die Regelung der Zession im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch fortschrittlicher, vor allem weniger formalistisch ist als in führenden Auslandsrechten und weil das deutsche Recht das Institut der privativen Schuldübernahme kennt. Das französische und das angelsächsische Recht sind darin archaischer und deshalb noch stärker gehemmt, die Vertragsübernahme zu vereinfachen. Das französische Recht6 kennt die befreiende Schuldübernahme nicht. Dennoch hat die Rechtsprechung in Analogie zu Art. 1473 C. c. (Kauf bricht nicht Miete), zu Art. 23 Code du Travail (Fortgeltung der Arbeitsverhältnisse bei Unternehmensübergang) und zu Art. 19 des Gesetzes vom 30. 7. 1930 (Übergang des Schadensversicherungsvertrags bei Veräußerung der Versicherungssache) Vertragsübernahmen für zulässig gehalten, wo der übergehende Vertrag gleichsam „Anhängsel" einer Sach- oder Unternehmensveräußerung ist. Über die Erklärungsversuche der Theorie berichtet Becque7. Vor allem ist man in Frankreich genötigt, neben den Zessionsgrundsätzen an Stelle der dort unbekannten Schuldübernahme mit der Anweisung zu operieren (der Zedent weist den verbleibenden Vertragspartner dem Zessionar zu), mit dem Vertrag zugunsten Dritter (der Zessionar verpflichtet sich gegenüber dem Zedenten zugunsten des verbleibenden Vertragspartners, die geschuldeten Leistungen zu erbringen) oder mit einer Novation oder aber den Übergang der Schulden nur intern zwischen dem Zedenten und dem Zessionar - wie bei der Erfüllungsübernahme - , nicht auch gegenüber dem verbleibenden Vertragspartner wirken zu lassen. Selbst wo die neuere Rechtsprechung dem verbleibenden Vertragspartner direkte Ansprüche gegen den Zessionar gibt, bleibt doch der Zedent dem verbleibenden Vertragspartner weiter verhaftet. Das angelsächsische Recht8, schon bei der Zession von Forde6 Vgl. etwa Läpp, Essai sur la cession de contrat synallagmatique k titre particulier (Straßburg 1951, dazu Besprechung vonHeinr. Lehmann, RabelsZ 20 [1955] 366); Becque, Die Abtretung von Verträgen im französischen Recht, RabelsZ 18 (1953) 618-632; Bülow (oben N. 1) 36 f. 7 Vorige Note. 8 Vgl .Pollock, Principles of Contract 13 (London 1950) 174 ff.; Williston, A Treatise on the Law of Contracts II (New York 1936) 1172 ff., 1196 ff.; Restatement on Contracts I (St. Paul 1932) § 161; Corpus Juris Secundum VI (Brooklyn 1937) vo. Assignments §§ 23 ff., S. 1070 ff.
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rungen noch immer durch Vorstellungen vom strikt personellen Charakter des Schuldverhältnisses gehemmt, kennt gleichfalls keine befreiende Schuldübernahme, sondern nur die „Erfüllungsdelegation"; sie ist nur zulässig, wo die vertragliche Verpflichtung, deren Erfüllung der Schuldner einem anderen aufträgt, nicht der Leistung in persona bedarf. Folglich kann ein Vertrag niemals als Ganzes übertragen werden. Aber wo die Rechte aus einem Vertrag abtretbar und die Pflichten delegabel sind, werden folgende Ersatzgeschäfte für möglich gehalten: (1) eine „Novation", die eine Vertragspartei durch eine andere ersetzt; sie bedarf der zustimmenden Beteiligung der drei Partner; (2) eine Kombination von Zession und Erfüllungsdelegation mit der Folge, daß der Zedent seiner Vertragspflichten nicht ledig wird; (3) der letztgenannte Typus kann noch dadurch verstärkt werden, daß der Zessionar Erfüllung der Schuld verspricht, deren Erfüllung der Zedent ihm aufträgt; hier wird der Zessionar in der Regel echter Schuldner des verbleibenden Vertragspartners, der Zedent Bürge. Der Typus (1), die sogenannte Novation, scheint aber einem vereinfachten Typ der Vertragsübernahme zu entsprechen, denn Williston 9 bemerkt, die Zustimmung des verbleibenden Vertragspartners mache die Vertragsübernahme stets wirksam, da die Gründe, aus denen bestimmte Forderungen unabtretbar und bestimmte Schulden nicht delegabel sind, nicht der public policy angehören; die Zustimmung sei freilich widerruflich, „unless relied upon to the detriment of the licensee", d. h. in Ermangelung einer consideration. 2. Für die Erörterung des Statuts der Vertragsübernahme kann von dem denkbar fortgeschrittensten Typ dieses Rechtsgeschäfts ausgegangen werden. Freilich bleibt nützlich, zu wissen, mit welchen Besonderheiten in ausländischen Rechtsordnungen zu rechnen ist. Materiellrechtlich überlegen ist eine Lösung, welche die Vertragsübernahme als einheitlichen Vorgang begreift, nämlich als Übernahmevertrag mit drei Beteiligten. Entgegen der vor allem in Deutschland vertretenen „Verfügungstheorie" ist hier die Zustimmung des verbleibenden Vertragspartners Gültigkeitsvoraussetzung der Vertragsübernahme und wirkt nicht ohne weiteres zurück, falls der Zedent und der Zessionar die Vertragsübernahme schon vorher vereinbart hatten. » Williaton (vorige Note) 1200.
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Die Vorauszustimmung des verbleibenden Vertragspartners - konstruktiv gesehen ein unwiderrufliches Angebot, eine Option - ist zulässig und bindet den verbleibenden Vertragspartner, soweit der Übernahmevertrag zwischen dem Zedenten und dem Zessionar sich im Rahmen der Bedingungen dieser Option hält. Überträgt der Zedent nach einer solchen Vorauszustimmung des verbleibenden Vertragspartners den Vertrag verschiedenen Personen, so ist diejenige Vertragsübernahme gültig, die dem verbleibenden Vertragspartner zuerst mitgeteilt wird. Die Vereinbarung des Zedenten mit dem Zessionar ist als „Verfügung" über denVertrag bindend - d. h. unwiderruflich - erst mit dieser Mitteilung an den verbleibenden Vertragspartner, während das Kausalgeschäft der Vertragsübernahme (etwa der Verkauf des Kaufvertrags) natürlich sowohl den Zedenten als auch den Zessionar sogleich verpflichtet und bei Nichterfüllung Schadensersatzpflichten nach den allgemeinen Grundsätzen der Vertragsverletzung auslösen kann. Die formfreie Vertragsübernahme bewirkt den Übergang des Vertrags auf den Zessionar und grundsätzlich die Befreiung des Zedenten (Übernahmewirkung). Stimmt der verbleibende Vertragspartner der Vertragsübernahme nur mit der Maßgabe zu, daß der Zedent nicht befreit werde, so ist auch dies eine echte Vertragsübernahme, d. h. der Zedent scheidet aus dem Vertrag aus, haftet aber je nach der Art der Vereinbarung im Übernahmevertrag als Bürge, kraft Garantie oder als Gesamtschuldner weiter. Mit dem Vertragsübergang besteht der bisherige Vertrag als Ganzes zwischen dem verbleibenden Vertragspartner und dem Zessionar fort. Das bedeutet: der verbleibende Vertragspartner kann gegenüber dem neuen Vertragspartner, dem Zessionar, alle Einwendungen aus dem übernommenen Vertrag und aus dem Übernahmevertrag geltend machen; aber auch nur sie und nicht - wie bei der Zession - Einwendungen aus anderen Beziehungen zu dem Zedenten, weil die Zustimmung zur Vertragsübernahme nach Auslegungsgrundsätzen den Verzicht auf die Geltendmachung solcher Einwendungen zu bedeuten hat. Der Zessionar kann ebenso dem verbleibenden Vertragspartner alle Einwendungen entgegenhalten, die sich aus dem übernommenen Vertrag oder aus dem Übernahmevertrag ergeben. Die Beziehung zwischen dem Zedenten und dem Zessionar hingegen wird in der Regel allein durch das Kausalgeschäft zwischen ihnen bestimmt, z. B. durch den Verkauf des Vertrags. Bürgschaften und
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Pfandrechte 1 0 , welche die vertraglichen Forderungen des Zedenten sicherten, gehen auf den Zessionar über. Sicherungen der Forderungen des verbleibenden Vertragspartners hingegen erlöschen, da dritte Interzedenten sich die Auswechselung des Schuldners nicht gefallen zu lassen brauchen; diese Sicherungen erlöschen nur dann nicht, wenn diese Dritten der Vertragsübernahme ihrerseits zustimmen, oder bei Pfandrechten, wenn der Zedent oder der Zessionar selbst Eigentümer des verpfändeten Gegenstands ist. Ist dies etwa die sachgerechte Lösung, so muß mit vielerlei Varianten in ausländischen Rechten gerechnet werden. Die Vertragsübernahme kann z. B. nur für Verträge zulässig sein, die ihrem Wesen nach vom Zedenten nicht in Person zu erfüllen sind. Sie kann auch nur für nichterfüllte Verträge gestattet sein n . Die meisten Varianten ergeben sich aus der direkten oder analogen Anwendung der Vorschriften über die Zession, über die Schuldübernahme oder aus dem Fehlen des Instituts der Schuldübernahme in manchen Rechtsordnungen. Die Vertragsübernahme kann als Zession der Notifikation an den verbleibenden Vertragspartner bedürfen; sie kann als Schuldübernahme „unberechtigte Verfügung" des Zedenten sein, die durch Genehmigung des verbleibenden Vertragspartners rückwirkend konvalesziert. Sie kann der Formen der Zession, der Schuldübernahme, aber auch der Form des Grundvertrags bedürfen 1 2 ; sie kann echte Novation sein mit der Folge, daß ein neuer Vertrag mit dem Inhalt des zugleich aufgelösten alten als vereinbart gilt. Die Einwendungen des verbleibenden Vertragspartners können sich nach Zessionsgrundsätzen, die des Zessionars nach Schuldübernahmegrundsätzen richten - um nur einiges hervorzuheben. II. K o l l i s i o n s r e c h t Um die angemessene Kollisionsnorm für die Vertragsübernahme zu ermitteln, soll im folgenden von der gewillkürten Vertragsübernahme ausgegangen werden; die Fälle des gesetzlichen Vertragsübergangs sollen anschließend überlegt werden, da sie auch kollisionsrechtliche Besonderheiten aufweisen könnten (s. u. 5). 1. Eines scheint kollisionsrechtlich zunächst deutlich zu sein: Haben die Parteien des zu übernehmenden Vertrags (im folgenden 10 11 12
Dazu Bülow (oben N. 1) 112 f. So Art. 1406 ital. C. civ.; dazu Bülow (oben N. 1) 3 f. und 65 ff. Dazu für das deutsche Recht Siber, Schuldrecht (oben N. 5) 219.
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Grundvertrag genannt) das auf ihre Beziehungen anwendbare Recht in Benutzung der ihnen überlassenen Autonomie vereinbart, so gilt dieses vereinbarte Recht, wenn die Vertragsübernahme ihrerseits wirksam vollzogen ist, kraft der Übernahmewirkung auch für die Beziehung des verbleibenden Vertragspartners zum Zessionar. Denn der Vertrag gilt mit allen Klauseln zwischen dem Zessionar und dem verbleibenden Vertragspartner fort. Zu diesen Klauseln gehört auch die über die Rechtswahl. Aber auch dort, wo die Parteien des Grundvertrags eine Vereinbarung über das anwendbare Recht nicht getroffen haben, ist der Grundvertrag in einem bestimmten Recht beheimatet 13 , und die auf ihn anwendbare Rechtsordnung gibt ihm sein Gepräge in solchem Maße, daß er auch nach dem Übernahmeakt dieses Charakteristikum kraft der Übernahmewirkung beibehält. Oft wird es so sein, daß die auf den Grundvertrag anwendbare Rechtsordnung in aller Welt evident ist, weil es sich um ein reines Inlandsgeschäft handelt, und daß die Auslandsberührung erst mit der Vertragsübernahme etwa deshalb auftaucht, weil ein „inländischer Vertrag" im Ausland an einen Ausländer übertragen wird. Die Dinge können aber auch so liegen, daß der Grundvertrag selbst ausländische Elemente aufweist, so daß sein Statut, welches nach der Übernahme erhalten bleibt, erst nach einem bestimmten nationalen Kollisionsrecht zu bestimmen ist. Auch hier behält der Vertrag nach der Vertragsübernahme das Statut, das er ursprünglich hatte. Die Mißlichkeit, daß vor verschiedenen Gerichten der Welt dieses ursprüngliche Statut unterschiedlich bestimmt werden könnte, ist als Folge der nationalen Zersplitterung der Kollisionsrechte hinzunehmen. Darauf, ob der Zessionar das Statut des Grundvertrages kennt, kommt grundsätzlich nichts an. So wie nach der überlegenen Lösung im materiellen Recht der Zessionar den Vertrag so gegen sich gelten lassen muß, wie er wirklich ist, und wegen seiner Informationspflicht nicht dem verbleibenden Vertragspartner entgegenhalten kann, ihm sei diese oder jene Klausel unbekannt gewesen14, ebenso muß er das zwischen dem verbleibenden Vertragspartner und dem Zedenten vereinbarte Statut oder das „kraft Gesetzes" geltende Statut des Grundvertrags gegen sich gelten lassen. Die 13
Die Fälle einer Spaltung des Vertragsstatuts können, da sie im Schwinden begriffen sind, vernachlässigt werden. 14
Bülow (oben N. 1) 107.
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Grenzen liegen dort, wo der Übernahmevertrag selbst einen Willens mangel aufweist und daher nichtig oder vernichtbar ist oder dem Zessionar sonstige Einwendungen gegen den verbleibenden Vertragspartner verleiht; dies richtet sich allein nach dem - noch zu ermittelnden - Statut des Übernahmevertrags, ändert aber nichts an dem Prinzip, daß die wirksame Vertragsübernahme den Vertrag so auf den Zessionar übergehen läßt, wie er zwischen dem verbleibenden Vertragspartner und dem Zedenten bestand, also auch das auf ihn anwendbare Recht nicht berührt. Wo eine nachträgliche Änderung des Vertragsstatuts durch Vereinbarung möglich ist - wie in den meisten Ländern der Welt - , sind freilich auch die Parteien der Vertragsübernahme nicht gehindert, denVertrag einem anderen Statut zu unterstellen. Da eine solche Vereinbarung eine Änderung des Grundvertrags ist, richten sich ihre Zulässigkeit und ihre Voraussetzungen wiederum nach der Rechtsordnung, welcher der Grundvertrag selbst untersteht. 2. Der Vertragsübernahme selbst als dem gleichsam „dinglichen" Geschäft, das den Grundvertrag von dem verbleibenden Vertragspartner und dem Zedenten übergehen läßt auf den verbleibenden Vertragspartner und den Zessionar, diesem „Verfügungsgeschäft" im Sinne der deutschen Terminologie wird in aller Regel ein Kausalgeschäft zwischen Zedent und Zessionar zugrundeliegen, bisweilen auch ein Kausalgeschäft mit dem verbleibenden Vertragspartner. Der Zedent verkauft etwa den 8 Monate alten und dadurch im Werte gestiegenen Volkswagen-Kaufvertrag dem Zessionar gegen ein Entgelt, oder der Zessionar übernimmt schenkungshalber einen unvorteilhaften Vertrag vom Zedenten, oder der verbleibende Vertragspartner verspricht, seine Zustimmung gegen ein Entgelt zu geben, und ähnliches mehr. Das Statut dieser Kausalgeschäfte der Vertragsübernahme ist selbständig zu ermitteln, ebenso wie Kaufvertrag und Übereignung, Forderungskauf und Zession nach verschiedenen Rechtsordnungen zu beurteilen sein können. Verspricht der Zedent dem Zessionar, ihm einen Vertrag zu überlassen, so ist dieses Versprechen nach den allgemeinen Grundsätzen des internationalen Privatrechts darauf zu untersuchen, welcher Rechtsordnung es unterliegt. Das Statut des Verfügungsgeschäfts „Vertragsübernahme" selbst hat aber die Frage zu beantworten, ob eine solche Kausalvereinbarung für die Wirksamkeit der Vertragsübernahme erforderlich ist. Dies ist ein im Zessionsrecht erarbeiteter
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Grundsatz 1 5 , der auch hier zutrifft. Während aber einer Forderungszession notwendig ein solches Kausalgeschäft wie Kauf, Sicherung, Schenkung usw. zugrunde hegt, kann die Vertragsübernahme Selbstzweck sein: wenn der Zessionar daran interessiert ist, den Vertrag zu erwerben, der Zedent interessiert, ihn loszuwerden, und dem verbleibenden Vertragspartner der Parteiwechsel gleichgültig ist, so wäre es Dogmatismus, nach einer Kausalvereinbarung zu suchen; die Verfügung der Vertragsübernahme ruht dann in sich, weil jeder Beteiligte mit ihr seine Interessen befriedigt, ohne daß ein entgeltliches oder unentgeltliches Kausalgeschäft erkennbar wäre. Aber wie dem auch sei, das Statut der Vertragsübernahme entscheidet, ob eine Kausalvereinbarung zu ihrer Wirksamkeit nötig ist; diese Kausalvereinbarung selbst folgt aber ihrem eigenen Statut. I n unserem Beispielsfall kann also der Kaufvertrag zwischen dem Zedenten und dem Zessionar, mit dem der Zedent die Übertragung des Volkswagen-Kaufvertrags dem Zessionar gegen Entgelt verspricht, sehr wohl amerikanischem Recht unterhegen, während die Vertragsübernahme selbst, wie gleich zu zeigen, mangels gesonderter Abrede nach deutschem Recht zu beurteilen wäre. 3. Was nämlich das Statut der Vertragsübernahme selbst angeht, so könnte man auf den Gedanken kommen, den Vorgang, wie es die materiellrechtliche Zerlegungstheorie tut, auch kollisionsrechtlich aufzuspalten und auf den Übergang der Aktiven des Vertrags das. Zessionsstatut, auf den Schuldenübergang die kollisionsrechtlichen Grundsätze der Schuldübernahme anzuwenden. Dagegen spricht nicht nur der Umstand, daß schon materiellrechtlich die Vertragsübernahme mehr und anderes ist als eine Summierung von Zession und Sehuldübernähme. Auch rein kollisionsrechtlich treffen bestimmte Gerechtigkeitspostulate, die vor allem für das Statut der Zession die Überlegungen leiten, für die Vertragsübernahme nicht zu. a) Gewiß ist nicht zu leugnen, daß die Vertragsübernahme auf ihrer Aktivseite mit der Zession die Übertragung von Forderungen insofern gemein hat, als mit der Übertragung des Vertragsorganismus auch eine oder mehrere Forderungen auf den Zessionar übergehen. Der Unterschied zwischen Vertragsübernahme und Zession weist sich aber - wenn man von dem Schuldenübergang bei der Vertragsübernahme zunächst absieht - auf dieser Aktivseite positiv 15 Hans Lewald, Das deutsche IPR auf Grundlage der Rechtsprechung (1931) 272; Babel, The Conflict of Laws III (1950) 411 f.
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rechtlich darin aus, daß die Zession in aller Regel ein Vertrag nur zwischen dem Zedenten und dem Zessionar ist, während die Vertragsübernahme dreiseitiges Verfügungsgeschäft ist, an dem der verbleibende Vertragspartner, der Zedent und der Zessionar mitwirken. Wegen ihrer Zweiseitigkeit besteht bei der Zession materiellrechtlich das Bedürfnis, den Schuldner, der von der Zession nichts weiß, vor der Zahlung an den Falschen zu schützen. Dieses Bedürfnis fehlt der Vertragsübernahme, weil der „debitor cessus", nämlich der verbleibende Vertragspartner, an der Transaktion notwendig beteiligt ist. Kollisionsrechtlich wendet die deutsche Doktrin 1 6 auf die Zession diejenige Rechtsordnung an, der die zu zedierende Forderung unterliegt. Ernst Babel hat, wie mir scheint, überzeugend nachgewiesen, daß der Gedanke des Schuldnerschutzes bei der Zession differenziertere Lösungen nötig macht 1 7 . Während die Frage, ob eine Forderung überhaupt abtretbar ist, sicher aus dem Statut der Forderung beantwortet werden muß 1 8 , ist der Zessionsakt selbst als Verfügung - u m der Sicherheit dieses Verfügungsgeschäfts willen - m. E. grundsätzlich dem Recht der „Forderungsbelegenheit" zu unterwerfen. Diese Belegenheit ist dort gegeben, wo die Forderung üblicherweise geltend gemacht wird, d. h. am Schuldnerwohnsitz 19 . Was die materiellen Normen zum Schutz des gutgläubigen Schuldners angeht, so sind sie m. E. nach Wahl des Schuldners derjenigen Rechtsordnung zu entnehmen, welcher die zedierte Forderung selbst unterliegt, oder der Rechtsordnung am Wohnsitz des Schuldners, d. h. 16
MartinWolff, Das IPR Deutschlands 3 (1954) 151 f.; Raape, IPR 4 (1955) 469 ff.; H. Lewald (oben N. 15) 270 ff.; vgl. auch Guldener, Zession, Legalzession und Subrogation im IPR (Aarau 1929). 17 Babel (oben N. 15) 386 ff., vor allem 406 ff. Freilich vermag ich, ohne die Untersuchung hier vertiefen zu können, seinen Vorschlägen für die jeweils passende Anknüpfung nicht durchweg zu folgen. 18 Röbel (oben N. 15) 406. 19 Nach Wengler, Die Belegenheit von Rechten: Pestschrift der Jur. Fakultät der Freien Universität Berlin zum 41. Deutschen Juristentag in Berlin (1955) 300 ff., ist für das Zessionsstatut eine Forderung jeweils dort belegen, wo Gerichte und Vollstreckungsbehörden ihr Rechtsschutz gewähren. Er meint zum Zessionsstatut, es sei „durchaus denkbar, anzunehmen, daß mehrere Orte (Gebiete) wahlweise als Belegenheit in Frage kommen" (319). Sicher ist das denkbar; aber es wäre als juristisches Prinzip gerade bei Verfügungsgeschäften praktisch wenig glücklich. Verfügungsgeschäfte sollten ein eindeutiges und relativ einfach erkennbares Statut haben. Der Schuldnerwohnsitz ist aber von mehreren denkbaren Belegenheiten die praktikabelste, weil die Forderung dort üblicherweise realisiert wird. 43
Zeitschrift für internat. Privatrecht. H. 3/4 (Jahrg. 23)
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KONRAD ZWEIGEBT
RABELSZ
insoweit gelten die dem Schuldner günstigeren Normen dieser beiden Rechtsordnungen 2 0 . Fragen der Priorität mehrerer Zessionen sind nach dem eigentlichen Zessionsstatut, d. h. dem Recht der Forderungsbelegenheit zur Zeit der ersten Zession zu beurteilen. Man mag darüber streiten, ob diese oder andere Differenzierungen dem Zessionsstatut angemessener sind, sicher ist auf solche Differenzierungen nicht zu verzichten; eine einheitliche Anknüpfung, wie sie die deutsche Doktrin mit der an das Statut der Forderung, die angelsächsische Praxis mit der Anknüpfung an den Abtretungsort vornehmen, versagt. Die kollisionsrechtliche Behandlung der Vertragsübernahme erfordert aber solche Differenzierungen gerade deshalb nicht, weil ein besonderer „Schuldnerschutz" sich erübrigt 2 1 . Betrachtet man also die Zessionsseite der Vertragsübernahme für sich allein, so ist für dieses Verfügungsgeschäft die Anknüpfung an den situs contractus angemessen. Nichts charakterisiert aber diesen situs stärker als die Rechtsordnung, welcher der zu übertragende Vertrag selbst unterliegt. b) Sieht man die Passivseite der Vertragsübernahme unter dem kollisionsrechtlichen Aspekt der Schuldübernahme, so scheint der deutschen Doktrin zufolge 22 , die sich mit diesem Problem vor anderen beschäftigt, sicher zu sein, daß das Statut der zu übernehmenden Schuld darüber entscheidet, ob und unter welchen Voraussetzungen der Schuldner durch das Übernahmegeschäft befreit wird. Das hindert aber nicht, das Übernahmegeschäft kraft der Parteiautonomie oder kraft objektiver Anknüpfung einer anderen Rechtsordnung zuzuweisen. Hier ist noch vieles ungeklärt. Für unsere Aufgabe genügt aber folgende Überlegung: Paßte das Zessionsstatut wegen seiner durch den Schuldnerschutz veranlaßten Differenzierungen für die Vertragsübernahme nicht recht, so stimmt bei dem Statut der Schuldübernahme unbehaglich, daß die Spaltung der Vertragsübernahme kollisionsrechtlich dazu führen kann, daß 20 Babel (oben N. 15) 427 stellt insoweit nur auf das Recht am Schuldnerwohnsitz ab; aber der Schuldner sollte auch auf die Rechtsordnung trauen dürfen, der seine Schuld kollisionsrechtlich untersteht. 21 Dies scheint Venturini, Diritto internazionale privato II (1956) 172, zu verkennen, wenn er in seiner kurzen und mehrere Deutungen zulassenden Bemerkung die Vertragsübernahme kollisionsrechtlich wie die Forderungszession behandeln will. 22 M. Wolff (oben N. 16) 153 f.; RG 17. 10. 1932, IPRspr. 1932 Nr. 34; Röbel (oben N. 15) 444 ff. Vgl. auch Briner, Die Schuldübernahme im schweizerischen IPR (Aarau 1947).
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STATUT D E R V E R T R A G S Ü B E R N A H M E
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Forderungsübergang und Schuldenübergang je nach verschiedenen Rechtsordnungen beurteilt werden. Dies verbietet aber das einheitliche Wesen der Vertragsübernahme schon deshalb, weil - geschähe dies - nicht auszumachen wäre, welchem der beiden Statuten der Übergang von Gestaltungsrechten, Anwartschaften und vor allem von Rechtslagen zu unterstellen wäre, da diese Bestandteile des Vertragsorganismus anderes sind als Forderungen und Schulden, und weil etwaige „Analogieüberlegungen" allzu gezwungen wären, um zu überzeugen. Die Zerlegung der Vertragsübernahme im internationalen Privatrecht ist daher mehr als eine unbeholfene Konstruktion. Sie kann zu Spaltungen des Statuts eines einheitlichen Geschäfts führen. Die Mißlichkeiten solcher kollisionsrechtlichen Spaltungslehren sind aus der Geschichte des Schuldstatuts hinlänglich bekannt, um zu schrecken. 4. So ist es nicht nur die materiellrechtliche Einheit des Rechtsinstituts der Vertragsübernahme, die ihre einheitliche Anknüpfung im Kollisionsrecht gebietet. Es liegt am nächsten, das Verfügungsgeschäft der Vertragsübernahme nach derselben Rechtsordnung zu beurteilen, welcher der zu übernehmende Vertrag untersteht. Man mag dafür als Begründung anführen, daß die „Übereignung" des Vertrags - wie die von Sachen - dem Statut zu folgen habe, nach welchem der zu übertragende Gegenstand auch sonst „lebt", oder daß die lex contractus siti maßgebend sein müsse und daß der Vertragsorganismus als Ganzes in der Rechtsordnung „belegen" sei, die ihn beherrsche. All dies sind freilich fragwürdige kollisionsrechtliche Bilder. M. E. entscheidet das Statut des Grundvertrags auch über die Vertragsübernahme deshalb, weil die Vertragsübernahme ein Fall der Vertragsänderung ist, Vertragsänderungen aber im Geltungsbereich des Vertragsstatuts hegen 23 . Somit entscheidet das 23 Babel (oben N. 15) 446 f. will auf Novationen ihr eigenes Recht anwenden und nur die Frage, ob das alte Vertragsverhältnis kraft der Novation untergegangen ist, dem Statut des ursprünglichen Vertrags unterstellen. Die Vertragsübernahme ist aber ihrem richtig verstandenen Wesen nach nicht Novation, weil „übernommener und neu entstehender Teil" des Vertrags hier eine Einheit bilden: anders als bei der Novation wirken Vorzugsrechte, Anwartschaftsrechte und Rechtstatsachen fort. Die Vertragsübernahme ist Portsetzung des Vertrags unter Auswechselung eines Vertragspartners, die Novation ist Aufhebung des alten und Abschluß eines neuen Vertrags. Vgl. Bülow (oben N. 1) 47 ff. Aber das Statut des Grund Vertrags kann natürlich vorsehen, daß eine Vertragsübernahme nur unter den Voraussetzungen und mit den Wirkungen einer echten Novation zulässig ist; dem hat der ausländische Richter dann zu folgen.
43*
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K O N B A D ZWEI GEBT
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Statut des Grundvertrags: ob eine Vertragsübernahme möglich ist; welche Voraussetzungen zu ihrer Wirksamkeit erfüllt sein müssen; welche Wirkungen im Verhältnis des verbleibenden Vertragspartners zum Zedenten eintreten, insbesondere ob der Zedent befreit wird oder trotz wirksamer Vertragsübernahme weiter haftet, gegebenenfalls wie er haftet; welche Wirkungen in der Beziehung des verbleibenden Vertragspartners zum Zessionar eintreten, insbesondere über den Bereich des Übernahmeeffektes. Dagegen wird die Beziehung zwischen dem Zedenten und dem Zessionar - abgesehen von der Befreiungswirkung, die zur Vertragsübernahme selbst gehört - von ihrer Kausalbeziehung beherrscht, die, wie erörtert, ihrem eigenen Statut folgt; nach ihm beantwortet sich vor allem die Frage, ob und inwieweit der Zedent dem Zessionar für den Inhalt des Vertrags und eventuell auch für seine Erfüllung durch den verbleibenden Vertragspartner einzustehen hat 2 4 . Die Frage, ob die drei Parteien der Vertragsübernahme den Übernahmevertrag im Rahmen der Parteiautonomie einem anderen Stat u t als dem des Grundvertrags unterstellen dürfen, ist m. E. unbedenklich zu bejahen. Im Wege der Auslegung ist zu ermitteln, ob sie damit auch den Grundvertrag dieser Rechtsordnung unterstellen wollten. Selbstverständlich ist das nicht. Aus der Tatsache, daß der Grundvertrag und die Vertragsübernahme als Verfügung verschiedenen Rechtsordnungen folgen, können sich Schwierigkeiten - soviel ich sehe - nicht ergeben, zumindest nicht stärkere, als aus der verschiedenen Liberalität gegenüber diesem neuen Rechtsinstitut in den Rechtsordnungen der Welt ohnehin erwachsen können. Diese Verschiedenheiten beruhen im wesentlichen auf Unterschieden der Konstruktion und sie dürften daher nirgendwo dem Bereich des ordre public international angehören. 5. Ein gesetzlicher Vertragsübergang begegnet vor allem im Versicherungsrecht, im Recht der Grundstücksmiete und im Arbeitsrecht. Die Veräußerung der versicherten Sache, des vermieteten Grundstücks und des Unternehmens können ex lege den Übergang des Versicherungs-, Miet- oder Arbeitsvertrags auf den Erwerber zur 24 Art. 1410 ital. C. civ. läßt den Zedenten nur für die Gültigkeit des Vertrags haften und bestimmt, daß eine vom Zedenten übernommene Garantie für die Erfüllung des Grundvertrags eine bürgenartige Haftung auslöst. Dazu und zum deutschen Recht vgl. Bülow (oben N. 1) 109 ff.
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STATUT DER VERTRAGSÜBERNAHME
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Folge haben 25 . Kollisionsrechtlich könnte man hier auf den Gedanken kommen, diesen gesetzlichen Vertragsübergang, da er eine Rechtsfolge der rechtsgeschäftlichen Übertragung von Sacheigentum ist, dem Sachstatut zu unterstellen, nach welchem die Sachübereignung zu beurteilen ist. Ein solcher gesetzlicher Vertragsübergang dient indessen in aller Regel dem Schutz eines der Vertragspartner, und deshalb erscheint es angemessen, ihn - wie die gewillkürte Vertragsübernahme - nach der Rechtsordnung zu beurteilen, welcher der übergehende Vertrag selbst untersteht: der durch einen solchen Legalübergang geschützte Vertragspartner darf auf die Übergangsnormen trauen, welche die Rechtsordnung des Vertragsstatuts aufstellt. Wird also eine in Deutschland gegen Schaden versicherte Sache im Ausland veräußert, so richtet es sich nach deutschem Recht, ob der Versicherungsvertrag auf den ausländischen Sacherwerber übergeht, obwohl der Eigentumsübergang nach der lex rei sitae zu beurteilen ist 26 . Freilich ist beim gesetzlichen Vertragsübergang der verbleibende Vertragspartner ebenso gegen Leistungen an den Falschen zu schützen wie der debitor cessus bei der Zession, weil er anders als bei der gewillkürten Vertragsübernahme von dem Vertragsübergang nichts wissen mag. Dieser Schutz - wo nichts besonderes bestimmt ist, muß er dem Zessionsrecht entnommen werden 27 - richtet sich wahlweise nach dem Statut des Grundvertrags oder nach dem Wohnsitzrecht des verbleibenden Vertragspartners 28. 25 Vgl. im deutschen Recht §§ 69 ff., 158 h, 177 VersicherungsvertragsG; §§ 49 ff. der Allg. deutschen Seeversicherungsbedingungen; § 571 B G B . Weitere Fälle bei Bülow (oben N. 1) 52 f. Zur TJnternehmensveräußerung und ihrer Wirkung auf die laufenden Verträge Bülow 113 ff.; speziell zum Übergang von Arbeitsverträgen Bülow 120 ff., Brecher, Vertragsübergang, Betriebsnachfolge und Arbeitsverhältnis: Pestschrift Schmidt-Rimpler (1957) 181 ff., und rechts vergleichend Oamillacheg in seinem noch unveröffentlichten Internationalen Arbeitsrecht, dessen Manuskript mir der Verfasser freundlicherweise überlassen hat. 26 Im Ergebnis ebenso Werner Rothe, Über deutsches internationales Privatversicherungsrecht (1934) 52 f.; Bruck-Möller, Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz 8 (1953) 86. Die Konstruktionszweifel, die sowohl im Versicherungsrecht (vgl. etwa Ritter, Das Recht der Seeversicherung I [1928] 712 f.) wie zu § 571 B G B (vgl. die treffende Kritik bei Enneccerus-Lehmann, Recht der Schuld Verhältnisse 13 [1954] 515 f. N. 1) vorgetragen worden sind, muten veraltet an. Es handelt sich beidemal um einen Vertragsübergang ex lege. Zum Arbeitsrecht ebenso Gamillscheg (vorige Note). 27 So ausdrücklich § 49 II der Allg. deutschen Seeversicherungsbedingungen. 28 Vgl. oben S. 654 bei N. 22.
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Z W E I G E S T , STATUT D E R V E R T R A G S Ü B E R N A H M E
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Ich fasse zusammen: Die einer Vertragsübernahme zugrundeliegenden Kausalgeschäfte folgen ihrem eigenen Statut. — Das Verfügungsgeschäft der Vertragsübernahme ist einheitlich nach derjenigen Rechtsordnung zu beurteilen, welcher der zu übernehmende Grundvertrag untersteht. Dieses Statut entscheidet auch, ob die Vertragsübernahme eines gültigen Kausalgeschäfts bedarf. Die Partner können aber im Rahmen der Parteiautonomie den Übernahmevertrag einer anderen Rechtsordnung unterstellen. - Der gesetzliche Vertragsübergang ist ebenfalls nach der Rechtsordnung zu beurteilen, welche den Grundvertrag beherrscht. - Die wirksame Vertragsübernahme und der gesetzliche Vertragsübergang berühren die auf den übernommenen oder übergegangenen Vertrag anwendbare Rechtsordnung nicht.
DER
ANKNÜPFUNGSRÜCKGRIFF
IM D E U T S C H E N I N T E R N A T I O N A L E N
FAMILIENRECHT
Von BERNHARD AUBIN
Saarbrücken* I. T E I L : DAS P E O B L E M
1. B e g r i f f u n d A r t e n des A n k n ü p f u n g s r ü c k g r i f f s a) Begriff. - Unter „Anknüpfungsrückgriff" verstehen wir ein bestimmtes Verfahren der kollisionsrechtlichen Normierungstechnik. Es besteht darin, daß einer Haupt-Anknüpfungsnorm eine Zusatznorm angefügt wird, die in bestimmten Fällen für das im Tatbestand der Hauptnorm bezeichnete Rechtsinstitut zwar das gleiche Anknüpfungsmerkmal wie die Hauptnorm, aber einen früheren Anknüpfungszeitpunkt als diese benutzt. Da es sich dabei um einen bereits historisch fixierten Zeitpunkt handelt, vermittelt der Anknüpfungsrückgriff stets ein (bedingtes) Dauerstatut, während es sich bei dem Statut der Hauptnorm um ein Dauerstatut, ein Wandelstatut oder ein Schwebestatut handeln kann 1 . Am häufigsten ist * Artikel ohne weiteren Zusatz sind solche des Einführungsgesefczes z u m deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch ( E G B G B ) . Abgekürzt werden zitiert: Habicht, I P R n a c h d e m E G B G B (1907); - K e g e l bei Soergel, B G B 8 I V (1955); - Lewald, Das deutsche I P R auf Grundlage der R e c h t s p r e c h u n g (1931); - Niemeyer, Das I P R des B G B (1901); - Baape, I P R 4 (1955); - Baape, K o m m . = Baape in Staudingers K o m m e n t a r z u m BGB® VI/2 ( 1 9 3 1 ) ; - W o l f f , Das I P R Deutschlands 3 (1954). Fundstellen der zitierten Urteile u n t e n 8. 707. 1 W ä h r e n d das D a u e r s t a t u t Veränderungen der lokalen Beziehungen des A n k n ü p f u n g s m e r k m a l s niemals, d a s W a n d e l s t a t u t wenigstens n a c h Verwirklichung des materiellrechtlich zu beurteilenden Sachverhalts nicht m e h r berücksichtigt, t r ä g t d a s S c h w e b e s t a t u t jeder Ä n d e r u n g der lokalen Beziehimg des A n k n ü p f u n g s m e r k m a l s R e c h n u n g - so z. B., w e n n eine Kollisionsnorm b e s t i m m t , d a ß sich d a s Scheidungsstatut n a c h der Staatsangehörigkeit des Mannes (oder der G a t t e n ) i m Z e i t p u n k t der Klageerhebung richtet. Die drei F o r m e n : D a u e r s t a t u t , S c h w e b e s t a t u t u n d W a n d e l s t a t u t sind Abbilder von drei grundsätzlichen Gestaltungsmöglichkeiten des intertemporalen Kollisions-
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der Rückgriff auf die in einem bestimmten Zeitpunkt bestehende „frühere Staatsangehörigkeit" (StA) oder das „frühere Heimatrecht" (HR) der Anknüpfungsperson(en). So richtet sich z . B . gemäß Art. 7 I ( = Hauptnorm) die Geschäftsfähigkeit einer Person nach ihrem jeweiligen H R , d. h. dem Recht des Staates, dem sie bei Vornahme des Rechtsgeschäfts angehört; das Kapazitätsstatut ist danach ein Wandelstatut. Ist die Person beim Geschäftsabschluß allerdings Deutscher mit früherer ausländischer StA und ist sie unter dem früheren H R schon volljährig geworden, nach deutschem Recht aber noch nicht, so bestimmt sich gemäß Art. 7 I I ( = Zusatznorm) ihre Geschäftsfähigkeit nicht nach dem jeweiligen (d.h. hier: dem deutschen) H R , sondern nach ihrem früheren H R (d. h. hier : dem fremden Recht, unter dessen Herrschaft sie volljährig wurde) 2 . Der Anknüpfungszeitpunkt der Hauptnorm (Vornahme des Rechtsgeschäfts) wird hier auf einen früheren Zeitpunkt (Erwerb der „fremden" Volljährigkeit) zurückverlegt und damit das Kapazitätsstatut - jedenfalls hinsichtlich der Bedeutung der Volljährigkeit - so lange zum Dauerstatut gemacht, bis der Betreffende auch nach deutschem Recht volljährig wird; das Anknüpfungsmerkmal (StA) bleibt dagegen dasselbe. Oder: zu allen Vorschriften des EGBGB, in denen bestimmte Rechtsfragen vermittels der StA einer Person angeknüpft werden handele es sich dabei um Dauer-, Wandel- oder Schwebestatuten tritt als Zusatznorm Art. 29 hinzu. In seiner ursprünglichen Fassung, die hier allein interessiert, besagte er, daß sich die entsprechenden Rechtsfragen bei Personen, die in dem sonst maßgeblichen Anknüpfungszeitpunkt staatenlos sind, nach dem Recht des Staates richten, dem sie vor diesem Zeitpunkt zuletzt angehört haben 3 . rechts (vgl. dazu Szâszy, Les conflits de lois dans le temps: Ree. des cours 47 [1934 I] 145-257, bes. 203): dem Dauerstatut entspricht im intertemporalen Kollisionsrecht die Fortgeltung alten Rechts („survie de la loi ancienne"), dem Schwebestatut die Rückwirkung neuen Rechts („rétroactivité de la loi nouvelle") und dem Wandelstatut die Gegenwartswirkung des Zwischenrechts (,,effet immédiat de la loi intermédiaire"). 2 Art. 7 II: „Erwirbt ein Ausländer, der volljährig ist oder die rechtliche Stellung eines Volljährigen hat, die Reichsangehörigkeit, so behält er die rechtliche Stellung eines Volljährigen, auch wenn er nach den deutschen Gesetzen nicht volljährig ist." 3 Art. 29 in der bis 1938 geltenden Fassung: „Gehört eine Person keinem Staate an, so werden ihre Rechtsverhältnisse, soweit die Gesetze des Staates, dem eine Person angehört, für maßgebend erklärt sind, nach den Gesetzen des Staates beurteilt, dem die Person zuletzt angehört hat . . . "
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ANKNÜPFUNG SRÜCKGBIFF
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Auch hier wurde das Anknüpfungsmerkmal der Hauptnormen (StA) von der Zusatznorm aufgenommen und mit einem früheren Anknüpfungszeitpunkt (Zeitpunkt des letzten Besitzes einer StA) verbunden. Das so vermittelte Statut war ein Dauerstatut - zumindest, solange die Person nicht wieder eine StA erwarb. b) Arten. - Die beiden Beispiele verdeutlichen zugleich zwei unterschiedliche Typen des Anknüpfungsrückgriffs. I n Art. 7 betrifft die Zusatznorm (Abs. 2) einen Sonderfall der in der Hauptnorm (Abs. 1) bereits generell erfaßten Rechtsfrage „Geschäftsfähigkeit", nämlich die Geschäftsfähigkeit einer Person, die ihre frühere StA gegen die deutsche eingetauscht und dabei ihre bereits erworbene Volljährigkeit - jedenfalls nach der Regel des Abs. 1 - wieder verloren hat. Die Zusatznorm ist hier lex specialis zur lex generalis der Hauptnorm und insoweit eine unselbständige Kollisionsnorm. Wenn sie in einem Sonderfall den Anknüpfungszeitpunkt der Hauptnorm zurückverlegt und damit die Wandelanknüpfung der Hauptnorm zu einer Daueranknüpfung macht, ist das eine echte Ausnahme von dem Anknüpfungsprinzip der Hauptnorm. Der Anknüpfungsrückgriff dieses ersten Typs verwandelt ein im Regelfall nicht konstantes Statut (Wandelstatut oder Schwebestatut) in einem bestimmten Sonderfall ausnahmsweise in ein Dauerstatut. Praktisch heißt das, daß die normalerweise zu berücksichtigende Veränderung der lokalen Beziehung des Anknüpfungsmerkmals (hier: der Staatswechsel der betreffenden Person) ausnahmsweise unberücksichtigt bleibt. Der Gesetzgeber läßt in Fällen dieser Art das bisher maßgebende Recht fortgelten, weil er den nach der Regelnorm eintretenden Statutenwechsel aus bestimmten Gründen - in Art. 7 ist es der Gedanke des favor negotii - für ungerechtfertigt hält. Man kann daher bei dieser Erscheinungsform von einem „Anknüpfungsrückgriff zur Vermeidung eines ungerechtfertigten Statutenwechsels" sprechen. Im Widerstreit zwischen dem Prinzip zeitlich richtiger Anknüpfung (hier: der Anknüpfung an das H R bei Geschäftsabschluß) und einem Gedanken konkreter Sachgerechtigkeit (hier: favor negotii) gibt das Gesetz letzterem den Vorzug und verzichtet ausnahmsweise auf die Einhaltung der „eigentlich" richtigen Anknüpfungszeit. Anders bei Art. 29. Er bildet zwar technisch eine Zusatznorm zu den Vorschriften mit Anknüpfung an die StA, doch ist er ihnen gegenüber nicht lex specialis, sondern erfaßt (jeweils im Rahmen
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BEBNHABD ATJBIN
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des gleichen Rechtsinstituts) eine ganz andere Rechtsfrage: während die einzelnen Hauptnormen nur für die Rechtsverhältnisse von Personen mit StA gelten, regelt Art. 29 die entsprechenden Verhältnisse von Personen ohne StA. Hauptnormen und Zusatznorm stehen hier nicht im Verhältnis der Über- und Unterordnung, sondern sind - als selbständige Kollisionsnormen mit unterschiedlichem Anknüpfungsgegenstand - einander gleichgeordnet. Die Benutzung eines zurückliegenden Anknüpfungszeitpunktes in der Zusatznorm bei gleichbleibendem Anknüpfungsmerkmal, wie Art. 29 das früher vorsah, bedeutet daher keine Ausnahme von der Zeitbestimmung der Hauptnorm, sondern ist ihr gegenüber ein aliud. Wenn der Anknüpfungsrückgriff auchhier zu einem Dauerstatut führt, „verwandelt" er doch nicht das Statut der Hauptnorm (ausnahmsweise) in ein solches, schon deshalb nicht, weil bereits das Statut der Hauptnorm ein Dauerstatut sein kann 4, vor allem aber, weil es sich gar nicht um dasselbe Statut handelt, sondern einmal um das Statut von Personen mit StA, das andere Mal um dasjenige von Staatenlosen. Vielmehr erweitert der Anknüpfungsrückgriff hier den Anwendungsbereich des von der Hauptnorm verwandten Anknüpfungsmerkmals auf Fälle, die in der Hauptnorm ungeregelt bleiben. Der Grund für den Anknüpfungsrückgriff ist bei dieser Erscheinungsform darin zu sehen, daß das Anknüpfungsmerkmal der Hauptnorm (StA) an und für sich ungeeignet ist, die in der Zusatznorm geregelte andersartige Rechtsfrage (Rechtsverhältnisse von Staatenlosen) zu decken; das sachfremde Anknüpfungsmerkmal kann aber wenigstens für einen bestimmten Unterfall dieser Rechtsfrage (Verhältnisse Staatenloser, die früher eine StA besaßen) tauglich gemacht werden, indem man es mit einem zurückliegenden Anknüpfungszeitpunkt verbindet. Damit wird die sonst hier auftretende Anknüpfungslücke ausgefüllt. Man kann das einen „Anknüpfungsrückgriff zur Ausfüllung einer Anknüpfungslücke" nennen. Er beruht auf dem Wunsch, ein bestimmtes Anknüpfungsmerkmal auch da zur Ausfüllung einer Lücke im übrigen Anknüpfungssystem zu verwenden, wo es eigentlich sachfremd ist. 2. D i e R ü c k g r i f f s k l a u s e l n d e s d e u t s c h e n internationalen Familienrechts In den familienrechtlichen Kollisionsnormen des EGBGB wird 4
So z. B., wenn Art. 29 a. F. bei Art. 15 angewandt wurde. Das Ehegüterstatut ist schon nach Art. 15 ein Dauerstatut.
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ein Anknüpfungsrückgriff heute an drei Stellen angeordnet: in Art. 14 II bei der Bestimmung des Ehewirkungsstatuts 6, in Art. 19 Satz 2 bei der Bestimmung des Gewaltstatuts ehelicher Kinder 6 und in Art. 20 Satz 2 bei der Bestimmung des Gewaltstatuts unehelicher Kinder 7 . Im gleichen Sinne war ursprünglich auch Art. 17 III gefaßt, der dem Scheidungsstatut gilt 8 . Die Neufassung von 1941 hat der Vorschrift eine Bedeutung verliehen, die über die Funktion eines Anknüpfungsrückgriffs weit hinausgeht. Immerhin deckt der gegenwärtige Wortlaut des Art. 17 I I I 9 auch den ursprünglich hier allein geregelten Tatbestand, wenn auch beschränkt auf den Fall der Scheidungsklage der Frau. Wir berücksichtigen im folgenden zunächst nur die Ursprungsform dieser Vorschrift und kommen erst später auf die heute geltende Fassung zurück. Schon der Wortlaut legt es nahe, in den familienrechtlichen Rückgriffsklauseln des EGBGB den Ausdruck eines einheitlichen Gedankens zu sehen. Das wird durch einen Vergleich ihrer Struktur und Funktion und durch ihre Entstehungsgeschichte bestätigt. 5 Art. 14: (I) „Die persönlichen Rechtsbeziehungen deutscher Ehegatten zueinander werden nach den deutschen Gesetzen beurteilt, auch wenn die E h e g a t t e n ihren Wohnsitz im Auslande h a b e n . " - (II) „Die deutschen Gesetze finden auch Anwendung, wenn der Mann die Reichsangehörigkeit verloren, die Frau sie aber behalten hat." 8 Art. 19: „ D a s Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und einem ehelichen Kinde wird nach den deutschen Gesetzen beurteilt, wenn der Vater und, falls der Vater gestorben ist, die Mutter die Reichsangehörigkeit besitzt. Das gleiche gilt, wenn die Reichsangehörigkeit des Vaters oder der Mutter erloschen, die Reichsangehörigkeit des Kindes aber bestehen geblieben ist." 7 Art. 20: „ D a s Rechtsverhältnis zwischen einem unehelichen Kinde und dessen Mutter wird nach den deutschen Gesetzen beurteilt, wenn die Mutter eine Deutsche ist. Das gleiche gilt, wenn die Reichsangehörigkeit der Mutter erloschen, die Reichsangehörigkeit des Kindes aber bestehen geblieben ist." 8 Art. 17: (I) „ F ü r die Scheidung der E h e sind die Gesetze des Staates maßgebend, dem der E h e m a n n zur Zeit der Erhebung der Klage angehört." (Abs. I I I in der ursprünglichen Passung:) „Ist zur Zeit der Erhebung der Klage die Reichsangehörigkeit des Mannes erloschen, die Frau aber Deutsche, so finden die deutschen Gesetze Anwendung." 9 Art. 17 I I I in der Passung der 4. DVO E h e G vom 25. 10. 1941: „ P ü r die Scheidungsklage der P r a u sind die deutschen Gesetze auch dann maßgebend, wenn in dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung ergeht, nur die F r a u die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt; wird in diesem Falle die E h e geschieden, so ist auf Antrag des Mannes die F r a u f ü r schuldig zu erklären, wenn der Antrag nach deutschem Recht begründet wäre."
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a) Die Struktur und Funktion der
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Rückgriffsklauseln10.
Alle Hauptnormen, zu denen diese Vorschriften hinzutreten (Artt. 141, 171, 19 Satz 1, 20 Satz 1), unterwerfen bestimmte familienrechtliche Verhältnisse generell dem HR des Familienhaupts (Mann u , Vater 12 , uneheliche Mutter) 13 . Angeknüpft wird dabei entweder an die jeweilige StA des Familienhaupts, d. h. seine StA im materiellrechtlich maßgebenden Zeitpunkt (im Zeitpunkt, in dem sich der materiellrechtlich zu beurteilende Sachverhalt endgültig verwirklicht hat) - so in Artt. 14 I, 19 Satz 1, 20 Satz 1 - , oder an seine StA im prozessual maßgebenden Zeitpunkt, d. h. bei Klageerhebung (so in Art. 17 I); es handelt sich somit in den ersten Fällen um Wandelstatuten, in Art. 171 um ein Schwebestatut. Demgegenüber regeln die RückgrifFsklauseln als leges speciales jeweils einen bestimmten Sonderfall des in der Hauptnorm generell erfaßten Verhältnisses, den Fall nämlich, daß beide Parteien unmittelbar nach der Begründung des Familienbandes Deutsche waren 14 und das Familienhaupt später (aber noch vor dem Anknüpfungszeitpunkt der Hauptnorm) allein die deutsche StA gegen eine fremde eingetauscht hat. Für diesen Fall ordnen die RückgrifFsklauseln ausnahmsweise eine Rückverlegung des Anknüpfungszeitpunktes der Hauptnorm auf den Zeitpunkt an, in dem die Beteiligten zuletzt gleichzeitig Deutsche waren, so daß sich das reguläre Wandelstatut oder Schwebe10 Der Anwendungsbereich der RückgrifFsklauseln (wie aller auf die StA verweisenden Kollisionsnormen) wird modifiziert durch die Vorschrift über das Personalstatut der Staatenlosen (Art. 29) und die (ungeschriebenen) Regeln über das Personalstatut der Mehrstaater. Zur Vereinfachung bleiben diese Sonderlagen hier unberücksichtigt. 11 Darüber, daß auch Art. 14 I - wie Art. 17 I - das Mannesrecht f ü r maßgebend erklärt, vgl. unten S. 667. 12 Hilfsweise, wenn der Vater gestorben ist, kommt es nach Art. 19 Satz 1 auf die StA der Mutter an. Der Einfachheit halber lassen wir diesen zweiten Fall ebenso außer Betracht wie die Frage, ob die Regelung des Art. 19 Satz 1 mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann u n d F r a u (Art. 3 II des Bonner Grundgesetzes) vereinbar ist. 13 Wenn hier u n d im folgenden von „Familienhaupt" und „abhängigem Familienglied" gesprochen wird, ist damit die Stellung der Betreffenden im Anknüpfungssystem des E G B G B gemeint; die Gleichberechtigung (jedenfalls von Mann und Frau) im Sachrecht wird dadurch nicht berührt. 14 Rein äußerlich scheint der Wortlaut der Vorschriften nur zu verlangen, daß die Parteien irgendwann zwischen der Begründung des Familienbandes und dem Anknüpfungszeitpunkt der H a u p t n o r m einmal gleichzeitig Deutsche waren. Diese Deutung widerspräche aber dem Sinn der Bestimmungen; die Begründung dafür kann erst später gegeben werden, vgl. S. 692 m i t N. 100.
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Statut in ein Dauerstatut verwandelt 15 ; es ist allerdings nur von bedingter Dauer, so lange nämlich, als das abhängige Familienglied (Frau oder Kind) an der deutschen StA festhält. Der übrige Anknüpfungstatbestand der Hauptnorm (StA des Familienhaupts) bleibt unberührt. Gegenüber z. T. abweichenden Äußerungen im Schrifttum ist ausdrücklich hervorzuheben, daß das von allen familienrechtlichen Rückgriffsklauseln des EGBGB für maßgeblich erklärte deutsche Recht hier, ebenso wie in den zugehörigen Hauptnormen, als HR des Familienhaupts (wenn auch als sein früheres HR) zur Anwendung kommt, und nicht etwa als (gegenwärtiges) HR des abhängigen Familienglieds oder als (früheres) gemeinsames HR beider Parteien - auch wenn es praktisch mit diesen Rechten übereinstimmt. Die Tatsachen, daß die Beteiligten früher beide Deutsche waren und daß das abhängige Familienglied immer noch Deutscher ist, sind vielmehr nur die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen dafür, daß statt an die jeweilige oder die letzte StA des Familienhaupts an seine frühere (deutsche) StA angeknüpft wird. Das läuft darauf hinaus, daß bei ursprünglich gleicher (deutscher) StA der Parteien ein einseitiger Staatswechsel des Familienhaupts zwischen der Begründung des Familienbandes und dem normalen Anknüpfungszeitpunkt kollisionsrechtlich unbeachtlich bleibt; der Staatswechsel wird ausnahmsweise nicht als Statutenwechsel gewertet. Damit erweist sich der Anknüpfungsrückgriff des deutschen internationalen Familienrechts bereits als „Anknüpfungsrückgriff zur Vermeidung eines ungerechtfertigten Statutenwechsels" in dem oben (unter l b ) erläuterten Sinne, auch wenn wir die Frage, warum der Gesetzgeber hier den Statutenwechsel für ungerechtfertigt hält, erst später beantworten können. Dieser einheitliche Charakter der familienrechtlichen Rückgriffsklauseln des EGBGB wird nicht beeinträchtigt durch die z. T. unterschiedliche Fassung der Vorschriften oder der Hauptnormen, zu denen sie hinzutreten. Die meisten Abweichungen vom Grundschema, aber auch die am wenigsten bedeutsamen, betreffen Art. 17 III in seiner ursprünglichen Passung. So ist es ohne Belang, daß er zu einer allseitig gefaßten Regelanknüpfung (Art. 17 I) hinzutrat, während die Regelanknüpfungen in Artt. 14 I, 19 Satz 1 und 20 Satz 1 einseitig formuliert sind. Bekanntlich versteht die Rechtsprechung auch diese Vorschriften als allseitige Kollisionsnormen, womit der Unterschied verschwindet. Bedeutungslos ist es auch, wenn Art. 17 III a. F. für 16
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106.
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den Anknüpfungsrückgriff nur voraussetzte, daß die Frau „Deutsche ist", während die übrigen Rückgriffsklauseln verlangen, daß das abhängige Familienglied die deutsche StA „behalten hat" oder daß diese bei ihm „bestehen geblieben ist". Wörtlich deckte damit Art. 17 III a. F. allerdings auch den Fall, daß beide ehemals deutschen Gatten zunächst eine fremde StA erwerben und die Frau sich dann allein wieder in Deutschland einbürgern läßt 16 - ein Fall, der nach Art. 14 II (und mutatis mutandis auch nach Artt. 19 Satz 2, 20 Satz 2) vom Anknüpfungsrückgriff ausgenommen bleibt. Doch wurde Art. 17 III a. F. trotz des weitergehenden Wortlauts stets so verstanden, als laute er „ist die Frau Deutsche geblieben" 17 , und damit im Sinne der übrigen Rückgriffsklauseln ausgelegt. Keinen Einwand gegen die Homogenität aller dieser Klauseln bedeutet schließlich die Tatsache, daß das reguläre Scheidungsstatut - im Gegensatz zum Ehewirkungsstatut und zu den Gewaltstatuten - nicht wandelbar, sondern nach Art. 17 I ein Schwebestatut ist; gemeinsam ist ihnen doch allen, daß sie im Regelfall nicht dauerhaft sind und daher durch den Anknüpfungsrückgriff ausnahmsweise in Dauerstatuten umgewandelt werden können.
Ernster zu nehmen ist die Tatsache, daß Art. 14 I zum Unterschied von den anderen hier in Betracht kommenden Regelanknüpfungen nicht von der (deutschen) StA des Familienhauptes (Mannes) allein, sondern von der (deutschen) StA beider Gatten spricht. Die h. L. sieht darin eine Anknüpfung an das „gemeinsame H R " der Gatten und spricht Art. 14 I jede Bedeutung für den Fall ab, daß die Gatten verschiedenen Staaten angehören. Soweit dann allerdings für diesen Fall die Anknüpfung an das Mannesrecht befürwortet wird - und dahin geht die auch heute wohl noch überwiegende Meinung - , nimmt diese (ungeschriebene) Regel praktisch die Stelle der Hauptnorm ein, denn neben ihr ist die Anknüpfung an das gemeinsame H R überflüssig; also wäre letztlich auch nach dieser Ansicht in Art. 14 schlechthin das Mannesrecht maßgeblich. Anders aber, wenn man bei verschiedener StA der Gatten eine Kombination (Kumulation oder Koppelung) ihrer Heimatrechte vertritt und damit Art. 14 I eine selbständige Bedeutung für Ehen mit gleicher StA der Gatten zuweist. Wäre das richtig, dann könnte Art. 14 I I allerdings nicht als lex specialis zur Anknüpfungsregel der Hauptnorm aufgefaßt werden, sondern wäre selbständige Anknüpfungsregel für einen von der Hauptnorm gar nicht erfaßten Sachverhalt, da es sich einmal (in Abs. 1) um national einheitliche Ehen, das andere Mal (in Abs. 2) um national gemischte Ehen handelte. Der Ausnahmecharakter des Anknüpfungsrückgriffs im übrigen Familienrecht des 16 17
JRaape, Komm. 388 sub D II.
Baape wie vorige Note \ Frankenstein, IPR IV (1935) 440 f.; Wieruszowski
in: Leske-Löwenfeld, Die Rechtsverfolgung im internationalen Verkehr IV 2 , Das Eherecht der europäischen Staaten (1932) 74.
23
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E G B G B würde damit bei Art. 14 I I fehlen 1 8 . Indessen ist bei der Auslegung von Art. 1 4 1 der von Raape19 vertretenen Auffassung der Vorzug zu geben, wonach auch diese Vorschrift, trotz ihrer zumindest mehrdeutigen Fassung, das Recht des Familienhauptes, also des Mannes für maßgebend erklärt. Entscheidender als die von Raape hierfür herangezogene Entstehungsgeschichte 20 dürfte allerdings ein anderer Grund sein, der mit dem Sinn des Rückgriffs in Art. 14 I I zusammenhängt und erst später erörtert werden kann 2 1 . Folgt man jedenfalls dieser Ansicht, dann ist das Verhältnis der Rückgriifsklausel zur Hauptnorm in Art. 14 das gleiche wie in den übrigen Artikeln. b) Die Entstehungsgeschichte der
Rückgriffsklauseln.
Daß die familienrechtlichen Rückgriffsklauseln des E G B G B ein einheitliches Prinzip verkörpern, ergibt sich auch aus ihrer E n t stehungsgeschichte. Sie sind alle aus einem einzigen Satz des ersten Gebhardschen Entwurfs von 1881 hervorgegangen. § 24 dieses E n t wurfs lautete 22 : „Verbleiben bei dem Wechsel der Staatsangehörigkeit seitens eines Deutschen dessen Ehefrau und Kinder im deutschen Staatsverbande, so findet auf sie das Recht des fremden Staates, sofern dasselbe nach den vorstehenden Bestimmungen maßgebend sein würde, nur insoweit Anwendung, als ihnen dasselbe günstiger ist."
Die Vorschrift bezog sich auf die Beurteilung der persönlichen Ehewirkungen, der Ehescheidung und Ehetrennung, der ehelichen Abstammung u n d der Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und ehelichen Kindern 2 3 . Der weitere Werdegang des Gesetzes h a t sie in 18 Vielmehr würde Art. 14 II damit in die Nähe des später zu erörternden „Grundsatzes des letzten gemeinsamen Heimatrechts" gerückt werden. 19 Raape, Komm. 275 sub II; IPR 309 mit N. 107a. 20 Alle Entwürfe sahen ausdrücklich die Anknüpfung der persönlichen Ehewirkungen an das Mannesrecht vor; die heutige Passung des Art. 141 stammt erst vom Bundesrat. Vgl. - auch zum folgenden - die Zusammenstellung bei Mugdan, Die gesammten Materialien zum BGB I (1899) S. XLVI ff. 21 Unten S. 704. 22 Vgl. Niemeyer, Zur Vorgeschichte des IPR im Deutschen BGB, „Die Gebhardschen Materialien" (1915) 8. 23 Gebhard bezieht sich in seinen Motiven zu § 24 des Entwurfs aufMommsen, Vesque v. Püttlingen, § 568 der ZPO von 1877 und die „französische Jurisprudenz". F.Mommsen hatte in AcP 61 (1878) 149 ff. den Entwurf für ein deutsches IPR-Gesetz veröffentlicht, dem Gebhard auch sonst manche Anregung verdankt. Er sah den Anknüpfungsrückgriff bei der Bestimmung des
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einem fortlaufenden Spaltungsprozeß, für den beide BGB-Kommissionen ebenso wie der Bundesrat verantwortlich sind, in einzelne Bestandteile aufgelöst, bis ihr Inhalt schließlich nur noch in jenen unselbständigen Absätzen oder Sätzen anderer Vorschriften sein Unterkommen fand, in denen er uns heute entgegentritt 24 . Dabei ist der sachliche Anwendungsbereich des Anknüpfungsrückgriffs im großen und ganzen unverändert geblieben. Seine Ausdehnung auf die Beurteilung des Rechtsverhältnisses zwischen der unehelichen Mutter und ihrem Kind (heute Art. 20 Satz 2) ist der 1. Kommission zu verdanken 2S , während andererseits die 2. Kommission den von Gebhard vorgesehenen Rückgriff bei der Bestimmung des Abstammungsstatuts wieder beseitigt hat 26 . Eins unterscheidet allerdings Gebhards Vorschlag wesentlich von der heutigen Regelung: er schrieb den Anknüpfungsrückgriff nicht unbedingt, sondern nur als Alternativanknüpfung vor, nach dem Prinzip des favor personae; das Gericht sollte zwischen altem und neuem HR des Familienhaupts dasjenige wählen, das dem abEhegüterstatuts vor (das er grundsätzlich wandelbar gestalten wollte) sowie bei der Beurteilung der väterlichen Rechte am Kindesvermögen (§§ 10 I I , 13 I I ) ; diese Rückgriffsklauseln waren allseitige Kollisionsnormen mit Altern a t i v a n k n ü p f u n g nach dem Prinzip des favor personae. -Vesque v. Püttlingen, H a n d b u c h des in Österreich-Ungarn geltenden I P R 2 (1878) 245, 254 f., empfahl den Anknüpfungsrückgriff mit favor personae f ü r die Bestimmung des Gewaltstatuts. - Über § 568 der ZPO von 1877 vgl. unten S. 692. - Mit der „französischen Jurisprudenz" könnte vor allem das Urteil Cass. civ. 18. 3. 1878 im Fall de Beauffremont gemeint gewesen sein. 24 Daher ist es zumindest mißverständlich, wenn Raupe, K o m m . 279, zu allen Rückgriffsklauseln u n d Gutzwiller, I P R (bei Stammler, Das gesamte Deutsche Recht [1931]) 1637, zu Art. 14 I I bemerkten, diese Bestimmungen seien erst vom Bundesrat bzw. in der Reichstagsvorlage „eingefügt" worden. Der sachliche Gehalt der Vorschriften war - wenn auch in anderer Formulierung u n d Einordnung - in sämtlichen Entwürfen Gebhards u n d der beiden Kommissionen schon enthalten. Dem Bundesrat ist lediglich die endgültige Wortfassung der Klauseln und bei Artt. 14 I I und 17 I I I a. F. auch die endgültige Placierung zuzuschreiben; dagegen erhielten die Vorschriften der heutigen Artt. 19 Satz 2, 20 Satz 2 ihre heutige Stellung (wenn auch nicht durchaus ihren heutigen Wortlaut) bereits durch die 2. Kommission, mit dem einzigen Unterschied, daß sie im Kommissionsentwurf als selbständige Absätze der entsprechenden Paragraphen figurierten (§§ 2255 II, 2256 I I E n t w . 2.Lesung). Der Anteil des Bundesrats an den Rückgriffsklauseln beschränkt sich also auf rein redaktionelle Arbeit. 25 Vgl. § 17 I Satz 2 E n t w . 1. Lesung. 26 Vgl. § 2255 I I des Entwurfs 2. Lesung und die Begründung f ü r diese Streichung in den Protokollen S. 8542, s. Mugdan I (oben N. 20) 294. - Über eine zeitweilig geplante Ausdehnung des Anknüpfungsrückgriffs auf die Bestimmung des Alimentationsstatuts vgl. unten N. 28.
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hängigen Familienglied günstiger wäre 27 . Auch im 2. Entwurf Gebhards (1887) ist dieser Gedanke beibehalten 28 ; erst die 1. Kommission hat in den Beratungen des Herbstes 1887 dem Anknüpfungsrückgriff seine heutige starre Form gegeben 29 . Bemerkenswert ist, daß Gebhards Rückgriffsformel bereits in gleicher Weise wie die heutigen Rückgriffsklauseln des EG als einseitige Kollisionsnorm gefaßt war, während die Regelanknüpfungen bei ihm noch allseitig formuliert waren und erst Anfang 1896 vom Bundesrat - mit Ausnahme von Art. 17 I - gleichfalls in einseitige Kollisionsnormen verwandelt worden sind 30. Nach all dem sind wir berechtigt, in den Vorschriften der Artt. 14 II, 17 III a. F., 19 Satz 2 und 20 Satz 2 den Ausdruck eines einheitlichen Gedankens zu sehen; sie ,,sind alle aus einem Holz geschnitten" 31. Sie alle besagen - jedenfalls in ihrer unmittelbaren, wörtlichen Bedeutung - daß sich bei einseitigem Staatswechsel des bisher deutschen Familienhaupts seine hier in Frage stehenden Beziehungen zu den deutsch bleibenden Familiengliedern auch weiter27
So schon der Entwurf Mommsen, vgl. oben N. 23. § 24, vgl. Niemeyer, Vorgeschichte (oben N. 22) 17 f. Die in diesem E n t wurf neu auftretende Bestimmung des § 25 I I Satz 2 über den Anknüpfungsrückgriff bei der Beurteilung der Unterhaltspflicht des unehelichen Vaters ist von der 1. Kommission nicht übernommen worden. 29 Vgl. §§ 16, 17 I Satz 2 E n t w . 1. Lesung. 30 Auch Neumann, I P R in F o r m eines Gesetzentwurfs (1896), h a t t e den Anknüpfungsrückgriff auf dem Gebiete des Familienrechts vorgesehen. Der Entwurf enthält zwei spezialisierte Rückgriffsklauseln, die eine (§ 20 IV) f ü r die Beurteilung der persönlichen und güterrechtlichen Ehewirkungen, die andere (§ 25 III) f ü r die Beurteilung der Beziehungen zwischen Eltern und ehelichen Kindern; durch Verweisung in § 22 auf § 20 gewinnt der Anknüpfungsrückgriff in diesem Entwurf aber auch f ü r die Bestimmung des Ehescheidungsstatuts Bedeutung. I m Gegensatz zu den Entwürfen von Mommsen und Gebhard wollte Neumann den Anknüpfungsrückgriff strikt ausgestalten also nicht im Sinne des favor personae, dessen Anwendung durch Gebhard von Neumann (122) ausdrücklich als „durch die N a t u r der Sache nicht geb o t e n " kritisiert wird; dagegen erscheint der Anknüpfungsrückgriff bei ihm (wie bei Mommsen) in allseitiger Passimg. Auf die Gestaltung der Rückgriffsklauseln des E G B G B h a t Neumanns Entwurf keinen Einfluß gehabt. Der ein J a h r vorher veröffentlichte Entwurf von Niemeyer, Vorschläge und Materialien zur Kodifikation des I P R (1895), macht im Familienrecht vom Gedanken des Anknüpfungsrückgriffs keinen Gebrauch und erwähnt ihn nicht einmal in den Motiven. 31 Baape, K o m m . 279. Schon vor ihm h a t namentlich Niemeyer 105 ff. den einheitlichen Charakter der familienrechtlichen Rückgriffsklauseln des E G B G B hervorgehoben. Vgl. auch Wolff 36 und die Bemerkung bei Habicht 139 sub V. 28
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hin nach deutschem Recht beurteilen, und machen damit diesen Staatswechsel kollisionsrechtlich irrelevant. c) Das Problem einer erweiternden Auslegung der Rückgriffsklauseln Schon f r ü h erhob sich die Frage, ob die Tragweite der familienrechtlichen Rückgriffsvorschriften des E G B G B auf den Bereich dieser wörtlichen Bedeutung beschränkt ist oder ob sie sich - mit Rücksicht auf ein zugrunde liegendes allgemeineres Prinzip - durch erweiternde Auslegung auch auf Sachverhalte anwenden lassen, die von ihrem reinen Wortsinn nicht mehr erfaßt werden 3 2 . Eine solche Erweiterung wäre in dreifacher Hinsicht denkbar. (1) Die Vorschriften sind einseitig gefaßt; sie regeln nur den alleinigen Staatswechsel eines deutschen Familienhaupts unter Verbleib des abhängigen Familiengliedes im deutschen Staatsverband und führen dementsprechend nur zur Anwendung deutschen Rechts. Das wirft die Frage auf, ob nicht Entsprechendes auch für den alleinigen Staatswechsel ausländischer Familienhäupter zu gelten habe. Bekanntlich kann die einseitige Fassung einer Kollisionsnorm zweierlei bedeuten. Entweder handelt es sich um eine „einseitige Kollisionsnorm", also um die lediglich auf Sachverhalte mit Inlandsbeziehung zugeschnittene Formulierung eines allgemeinen Anknüpfungsprinzips; dann ist die Erweiterung der Vorschrift zur „allseitigen Kollisionsnorm", ihre „Internationalisierung" im Wege der Analogie, jederzeit möglich 3 3 . Oder es handelt sich bei dem einseitigen Verweisungssatz u m einen „Exklusivsatz", der unter Mißachtung des Gedankens der Entscheidungsharmonie den Anwendungsbereich des Inlandsrechts abnorm ausdehnt 3 4 ; Exklusivsätze sind keiner Erweiterung zu allseitigen Normen fähig 35. Die erste Frage läuft daher auf das Problem hinaus, ob die Rückgriffsklauseln solche Exklusivsätze oder ob sie lediglich einseitige Kollisionsnormen sind. (2) Nach ihrem Wortlaut greifen die Klauseln nur ein, wenn das Familienhaupt (Mann, Vater, uneheliche Mutter) allein die StA 32
Offenbar zuerst von Mariolle-Keidel, SeufFerts Blätter für Rechtsprechung 64 (1899) 228; der Aufsatz war mir nicht zugänglich. 33 WolfS 36. 34 Qutzuriller (oben N. 24) spricht daher auch von „Ausdehnungsnormen". Ob die Exklusivsätze oder Ausdehnungsnormen „spezielle Vorbehaltsklauseln" sind oder nicht, ist umstritten und braucht hier nicht entschieden zu werden. 35 Lewald 6 Nr. 8a, Wolff 36 sub 2, Raupe, IPR 35 sub II.
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wechselt. Man könnte sich immerhin fragen, ob nicht in entsprechender Weise ein Anknüpfungsrückgriff auch dann stattzufinden habe, wenn nicht das Familienhaupt, sondern gerade umgekehrt das abhängige Familienglied (Frau, Kind) die bisher gemeinsame StA allein gegen eine andere eintauscht. Lassen sich die Rückgriffsklauseln in dieser Weise als „paritätische" Kollisionsnormen auslegen? Die schon früher aufgeworfene Frage mag, soweit sie das Eherecht betrifft, heute für manchen unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung von Mann und Frau noch eine verstärkte Bedeutung gewinnen. Allerdings würde damit auch ein neuer Auslegungsmaß stab eingeführt, der im ursprünglichen kollisionsrechtlichen System des E G B G B jedenfalls keinen Ausdruck findet, so daß sich unsere Frage im internationalen Eherecht auf doppelter Ebene stellt: einmal auf derjenigen des traditionellen Anknüpfungsmodells (Vorherrschaft des Mannesrechts) und sodann auf der Ebene des (ins Kollisionsrecht umgesetzten) Gleichberechtigungsprinzips. (3) Denkbar wäre die Erweiterung der familienrechtlichen Rückgriffsklauseln des E G B G B noch in einer dritten Richtung. Sie ordnen den Anknüpfungsrückgriff ausdrücklich nur für den Fall an, daß das abhängige Familienglied seinerseits die früher allen Beteiligten gemeinsame (deutsche) StA im Anknüpfungszeitpunkt der Hauptnorm noch behalten hat, daß also Frau oder Kind „Deutsche geblieben" sind. Läßt sich dementgegen der Rückgriff vielleicht auch dann vertreten, wenn das abhängige Familienglied nicht im früheren Staatsverband verblieben (aber auch nicht dem Familienhaupt in seine neue StA gefolgt) ist, sondern beide Teile ihre früher gemeinsame Staatsangehörigkeit in verschiedener Richtung gewechselt haben ? Eine derartige Ausdehnung des Anknüpfungsrückgriffs könnte allerdings nicht mehr auf eine Analogie zu den positiven Rückgriffsvorschriften gestützt werden, die ja ausdrücklich etwas anderes besagen ; hier müßte schon eine freie Weiterbildung aus anderen Rechtsgründen einsetzen, und selbst dann fragt sich, ob ihr der Wortlaut dieser Vorschriften nicht wenigstens in dem Fall entgegensteht, daß beide Beteiligte früher Deutsche waren. Immerhin bliebe selbst dann für eine solche Erweiterung des Anwendungsbereichs des Anknüpfungsrückgriffs noch Raum - sofern man nämlich die Rückgriffsklauseln in dem oben zu (1) ausgeführten Sinne als allseitige Kollisionsnormen versteht. Der Rückgriff würde dann zumindest auch stattfinden, wenn zwei ausländische Beteiligte ihre gemeinsame StA in unterschiedlicher Richtung gewechselt haben. 44*
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Auf diese Fragen vor allem wollen unsere Ausführungen antworten. Dazu ist notwendig, daß wir zunächst von verschiedenen Seiten her den tieferen Sinn und das besondere Anliegen der familienrechtlichen Rückgriffsvorschriften des E G B G B zu verstehen versuchen.
II. T E I L : Z U M V E R S T Ä N D N I S
DER
RÜCKGRIFFSKLAUSELN
FAMILIENRECHTLICHEN DES
EGBGB
Auf dem Wege zur Lösung der Frage einer erweiternden Auslegung der deutschen Rückgriffsklauseln stoßen wir auf ein außerhalb des deutschen Rechtsbereichs auftretendes kollisionsrechtliches Prinzip, das auf den ersten Blick die gesuchten Antworten bereits zu enthalten scheint und mit dem wir uns daher näher befassen müssen; gemeint ist der sog. „Grundsatz des letzten gemeinsamen Heimatrechts". 3. D e r „ G r u n d s a t z d e s l e t z t e n g e m e i n s a m e n Heimatrechts" Im Jahre 1931 stellte Baape 36 unter Berufung auf bestimmte ausländische und staatsvertragliche Kollisionsnormen und auf Zeugnisse ausländischer Schriftsteller fest: „Es scheint. . . , als ob bei Familienrechtsverhältnissen aller Art sich ein allgemeines Prinzip herausbilden wolle, wonach im Falle des Staatswechsels einer Partei" - und, wie wir der Vollständigkeit halber hinzufügen müssen, des Staatswechsels beider Parteien in verschiedener Richtung - „diejenige Rechtsordnung maßgebend bleibe, welche die letzte gemeinsame heimatrechtliche Rechtsordnung aller an dem Familienrechtsverhältnis Beteiligten war"; er nannte dieses Prinzip den „Grundsatz des letzten gemeinsamen Heimatrechts" 37. Der Grundsatz tritt überall, wo er im positiven Recht Niederschlag findet, als Zusatznorm zu einer Haupt-Anknüpfungsnorm hinzu, die auch ihrerseits an das (jeweilige oder gegenwärtige) „gemeinsame Heimatrecht" der Parteien - und nicht etwa an das Recht des Familienhaupts - anknüpft. Als Beispiel diene, weil es sich dabei um eine deutschsprachige Originalfassung handelt, § 20 des österreichischen Ent38 37
Baape, Komm. 279. Baape, Komm. 279, vgl. auch 377 und IPR 311.
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wurfs eines Gesetzes über das Internationale Privatrecht von 1913 3®, der folgenden Wortlaut hat: „Die persönlichen Rechtsbeziehungen der Ehegatten zueinander, einschließlich des Unterhaltsanspruches, werden nach den Gesetzen des Staates beurteilt, dem die Ehegatten angehören. Sind diese Gesetze für den einen oder den anderen Ehegatten verschieden, so werden die Rechtsbeziehungen der Ehegatten zueinander nach den Gesetzen des Staates beurteilt, dem beide Ehegatten zuletzt gemeinsam angehört h a b e n . "
Der historische Ursprung des Grundsatzes des letzten gemeinsamen HR dürfte bei der 2. Haager Konferenz für Internationales Privatrecht von 1894 zu suchen sein. Auf ihre Vorarbeiten gehen das von der 3. Haager Konferenz (1900) angenommene Ehescheidungsabkommen und das von der 4. Konferenz (1904) verabschiedete Ehewirkungsabkommen zurück, die beide auf ihren Sachgebieten den fraglichen Grundsatz verwirklichen. Das Scheidungsabkommen 39 verweist in Artt. 1-7 für die Scheidung auf das Gesetz des Staates, dem die Ehegatten angehören (die außerdem hinzutretende Kumulation mit der lex fori interessiert hier nicht); ergänzend dazu bestimmt Art. 8: „Wenn die Ehegatten nicht dieselbe Staatsangehörigkeit besitzen, so ist ihr letztes gemeinsames Gesetz als das Gesetz ihres Heimatstaates im Sinne der vorstehenden Artikel anzusehen."
Art. 1 1 des Ehewirkungsabkommens 40 lautet: „Für die Rechte und Pflichten der Ehegatten in ihren persönlichen Beziehungen ist das Gesetz des Staates, dem sie angehören (Gesetz des Heimatstaates) maßgebend."
Dazu tritt in Art. 9 II folgende Ergänzung: „Verbleibt den Ehegatten während der E h e nicht die gleiche Staatsangehörigkeit, so ist bei Anwendung der vorbezeichneten Artikel ihr letztes gemeinsames Gesetz als das Gesetz des Heimatstaates anzusehen."
Beide Regelungen wurden schon vor dem ersten Weltkrieg von Schweden übernommen41. Der österreichische Entwurf von 1913 enthielt sie gleichfalls und sah entsprechende Regelungen auch im 38 Wiedergegeben bei Makarov, Quellen des I P R 2 (1953) V°. „Österreich" S. 30a ff. 39 Deutsche Übersetzung R G B l 1904, 231 ff. 40 Deutsche Übersetzung R G B l 1912, 453 ff. 41 Ehescheidung: Gesetz vom 8. 7. 1904 Kap. 3 § 2 I in Verb, mit Kap. 7 § 2 1. Persönliche Ehewirkungen: Gesetz vom 1. 6. 1912 § 1 Nr. 1 I I in Verb, mit Nr. 9.
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Kindschaftsrecht vor 42 . Das österreichische System ist später (mit geringfügigen Änderungen) rezipiert worden in Polen 43 , Griechenland 44 und der Tschechoslowakei 45 . Italien hat sich im Codice civile von 1942 wenigstens auf dem Gebiet der persönlichen Ehewirkungen zum Grundsatz des letzten gemeinsamen HR bekannt 46 ; andererseits folgt ihm Bulgarien seit 1949 auf dem Gebiet der Ehescheidung 47 . Neu ist bei einigen dieser Regelungen, daß sie über das Haager Vorbild und den österreichischen Entwurf hinaus eine weitere Zusatznorm für den Fall enthalten, daß die Beteiligten niemals ein gemeinsames HR gehabt haben 48 ; die Rolle des Grundsatzes des letzten gemeinsamen HR wird dadurch nicht berührt. Bedeutsam in unserem Zusammenhang ist, daß auch dieser Grundsatz, ebenso wie die familienrechtlichen Rückgriffsklauseln des EGBGB, in bestimmten Fällen einen Anknüpfungsrückgriff auf das frühere gemeinsame Heimatrecht anordnet, und zwar (wenn man 42 Österr. Entwurf 1913 (oben N. 38) §§ 20 (persönl. Ehewirkungen), 23 I (Ehescheidung), 25 I, I I (ehel. Kinder), 26 (unehel. Kinder). 43 Gesetz vom 2. 8. 1926, Artt. 14 I (persönl. Ehewirkungen), 17 I (Ehescheidung) 19 I, I I (ehel. Kinder), 20 (unehel. Kinder). 44 Zivilgesetzbuch vom 15. 3. 1940, A r t t . 14 (persönl. Ehewirkungen), 16 (Ehescheidung), 18 (ehel. Kinder), 19 (unehel. Kinder). I n den griechischen Vorschriften sind H a u p t - und Zusatznorm in einer einzigen Formel zusammengezogen. So beginnt z. B. Art. 14 griech. ZGB: „Die persönlichen Rechtsbeziehungen der Ehegatten zueinander richten sich nach ihrem letzten gemeinsamen Heimatrecht während der E h e . . ." Da der Begriff „letztes Heimatr e c h t " sowohl ein früheres wie ein gegenwärtiges H R u m f a ß t , handelt es sich auch hier sachlich u m zwei Kollisionsnormen: (1) Haben die Gatten im maßgebenden Zeitpunkt das gleiche H R , so ist dieses maßgebend (Hauptnorm); (2) sind sie in diesem Zeitpunkt verschiedener StA, h a t t e n aber früher ein gemeinsames H R , so ist dieses maßgebend (Zusatznorm). 45 Gesetz vom 11. 3. 1948, §§ 13, 14 (persönl. Ehewirkungen), 18 (Ehescheidung), 21, 22 (ehel. Kinder), 25, 26 (unehel. Kinder). 46 Art. 17 I in Verb, mit Art. 18 Disp. prel., die (mit anderer Artikelzählung) schon 1939 in K r a f t getreten sind. - Ebenso Art. 12 I in Verb, mit Art. 13 des (nie in K r a f t getretenen) rumänischen Zivilgesetzbuchs von 1939. 47 Gesetz vom 5. 8. 1949, Art. 58. - Der ungarische Entwurf von 1948 (Makarov [oben N. 38] V°. „ U n g a r n " S. 12 ff.) sieht den Grundsatz des letzten gemeinsamen H R auf den Gebieten der persönlichen Ehewirkungen (§ 79 I I ) u n d der Ehescheidung (§ 82 II) vor. 48 In diesem Fall gilt hilfsweise bei den persönlichen Ehewirkungen u n d der Scheidung entweder - gemäß dem Vorschlag der 6. Haager Konferenz (1928) das H R des Mannes z. Z. der Eheschließung (Italien [nur f. d. persönl. Ehewirkungen], Griechenland) oder die lex fori (Tschechoslowakei, Bulgarien [nur f. d. Scheidung]), im Kindschaftsrecht das H R des Vaters oder der unehelichen Mutter z. Z. der Geburt (Griechenland) oder das jeweilige H R des Kindes (Tschechoslowakei).
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die breiteste Ausdehnung nimmt) auf den gleichen Sachgebieten wie die deutschen Vorschriften. I m Rahmen dieser Sachgebiete allerdings besitzt der Grundsatz des letzten gemeinsamen H R einen wesentlich umfassenderen Anwendungsbereich, als ihn der Wortlaut der deutschen Rückgriffsklauseln bezeichnet; er u m f a ß t nämlich auch gerade jenen Bereich, den der Anknüpfungsrückgriff des deutschen internationalen Familienrechts besitzen würde, wenn m a n berechtigt wäre, die fraglichen Vorschriften des E G B G B über ihren positiven Wortlaut hinaus in den drei vorerwähnten Richtungen erweiternd auszulegen. Zunächst ist der Grundsatz des letzten gemeinsamen H R allseitig gefaßt und daher auch anwendbar, wenn das gemeinsame frühere H R nicht das Inlandsrecht war u n d der Anknüpfungsrückgriff somit zur Maßgeblichkeit eines fremden Rechtes f ü h r t . Familienhaupt u n d abhängiges Familienglied werden außerdem gleich behandelt: das frühere gemeinsame Recht ist auch dann anzuwenden, wenn nicht der Mann, der Vater oder die uneheliche Mutter, sondern die F r a u oder das Kind ihre StA wechseln. Schließlich beschränkt sich die Anwendung des Grundsatzes nicht auf den einseitigen Staatswechsel eines Familienteils, sondern zieht alle Fälle einer gegenwärtig verschiedenen, früher aber gemeinsamen StA in Betracht, also auch den Fall, daß beide Beteiligten die früher gemeinsame StA in verschiedener Richtung gewechselt haben. Nur wenn beide Teile die gleiche neue StA erwerben, kommt das frühere gemeinsame H R nicht mehr zur Anwendung. Die Frage hegt nahe - u n d sie ist von Eaape zuerst aufgeworfen worden 49 - , ob nicht dem Grundsatz des letzten gemeinsamen H R der gleiche Gedanke wie den Rückgriffsklauseln des deutschen internationalen Familienrechts zugrundeliegt, so daß das Vorbild seines umfassenderen Anwendungsbereichs geeignet wäre, auch eine erweiternde Auslegung der deutschen Vorschriften zu stützen. Bevor wir dieser Frage nachgehen, sei zunächst auf die Behandlung der familienrechtlichen Rückgriffsklauseln des E G B G B in der deutschen Rechtsprechung und Doktrin ein Blick geworfen. 4. D i e f a m i l i e n r e c h t l i c h e n R ü c k g r i f f s k l a u s e l n d e s E G B G B in R e c h t s p r e c h u n g u n d S c h r i f t t u m a) Rechtsprechung50. - Die wenigen deutschen Entscheidungen, die unser Problem betreffen - und von denen ein Teil überdies nur 49 60
Raape, Komm. 279. Für die Fundstellen vgl. das Fundstellenverzeichnis unten S. 707.
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implicite zu ihm Stellung nimmt sprechen sich einhellig gegen jede erweiternde Interpretation der Rückgriffsvorschriften aus. Ein Urteil des Reichsgerichts vom 10. 7. 1913 zu Art. 17 III a. F. beschränkt die Tragweite dieser Vorschrift auf ihren unmittelbaren Wortsinn (sie bezwecke nur, „einer Reichsangehörigen die Scheidung nach deutschem Recht zu ermöglichen, wenn der Ehemann früher Reichsangehöriger war") - allerdings in einem Fall, in dem es überhaupt nicht mehr um einen Anknüpfungsrückgriff ging, sondern nach der Tendenz der Klage das spätere „Frauenscheidungsgesetz" oder die heutige Fassung von Art. 17 III vorweggenommen werden sollte. Von beiderseits österreichischen Eheleuten - der Mann war nie Reichsangehöriger gewesen - war die Frau allein Deutsche geworden und klagte in Deutschland auf Scheidung. Das Reichsgericht lehnte es ausdrücklich ab, in entsprechender Anwendung von Art. 17 I I I a. F. (wie es die Frau begehrt hatte) deutsches Scheidungsrecht für maßgeblich zu erklären, und billigte gemäß Art. 17 I die Anwendung österreichischen Rechts, das die Scheidung ausschloß 51 .
Die Instanzgerichte sind nicht entgegenkommender. (1) Gegen eine allseitige Auslegung wenden sich bei Art. 14 II ausdrücklich und unter Berufung auf die später zu erörternde Meinung von Raape zwei Beschlüsse des LG Göttingen vom 15. 12. 1948 und 29. 10. 1949, von denen der erste auch für die Frage des beiderseitigen Staatswechsels in verschiedener Richtung Bedeutung hat 6 2 . 61
Noch weniger Bedeutung für unsere Frage h a t das Urteil des R G vom 19. 6. 1913, obwohl es gelegentlich in diesem Zusammenhang zitiert wird. Wenn das R G hier eine entsprechende Anwendung von Art. 14 I I „auf einen Tatbestand, wonach der Mann niemals Reichsangehöriger war, die Frau auch die Reichsangehörigkeit nicht behalten h a t " , für „ausgeschlossen" erklärt und damit gegenüber allen Analogieerwägungen am reinen Wortlaut der Vorschrift festzuhalten scheint, ist das doch im wesentlichen nur als obiter dictum zu werten. I m fraglichen Fall (Herstellungsklage einer von Geburt deutschen, durch Heirat österreichischen Frau gegen ihren österreichischen Mann; das R G billigte die Anwendung österreichischen Rechts nach Analogie zu Art. 14 I) hatten beide Gatten im maßgebenden Zeitpunkt - und schon während der ganzen Ehe - die gleiche StA. Bei dieser Sachlage war für eine Analogie zu Art. 14 I I (die nach dem Willen der Frau zur Maßgeblichkeit ihres vorehelichen deutschen H R hätte führen sollen) a priori gar kein Raum, da eine solche einigermaßen sinnvoll nur bei unterschiedlicher StA der Gatten in Betracht gezogen werden kann. Es h ä t t e daher genügt, wenn sich das R G auf die Feststellung beschränkt hätte, daß eine entsprechende Anwendung von Art. 14 I I jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn die Gatten im maßgebenden Zeitpunkt dem gleichen Staat angehören. 52 Vgl. die Wiedergabe unten S. 679. Der Beschluß wurde bestätigt durch OLG Celle 11. 2. 1949.
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Einer Reihe weiterer Entscheidungen zu Art. 14 liegt dieselbe Auffassung implicite zugrunde, da sie in Fällen des alleinigen Staatswechsels eines ausländischen Mannes - ohne die Möglichkeit einer Analogie zu Abs. 2 zu prüfen - sein neues H R (allein oder kumulativ mit dem Frauenrecht) anwenden (so OLG Braunschweig 19. 1. 1913, K G 27. 5. 1927, AG Schweinfurt 10. 4. 1949). Für Art. 17 I I I a. F. ergibt sich die gleiche Auffassung als Exklusivnorm ebenfalls nur indirekt aus den Entscheidungen OLG Stuttgart 31. 3. 1905, OLG Köln 10. 7. 1905 und OLG Colmar 12. 7. 1905 83. I m Kindschaftsrecht befaßt sich mit unserem Problem ausdrücklich die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 26. 11. 1926, die in Art. 20 Satz 2 „lediglich eine das deutsche Recht bevorzugende Ausnahme" sieht und daher die entsprechende Anwendung der Vorschrift auf die Beziehungen einer vormals italienischen Mutter, die Deutsche geworden war, zu ihren italienisch gebliebenen vorehelichen Kindern ablehnt. Demgegenüber gibt es, soviel mir bekannt, keine Entscheidung, die eine der Rückgriffsklauseln als allseitige Kollisionsnorm ansieht. Der Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 22. 4. 1922, dessen Ergebnis sich mit einer solchen Auffassung motivieren ließe, stützt sich, wie die Gründe zeigen, offenbar nicht auf eine Analogie zu Art. 19 Satz 2, sondern auf die (unrichtige) Ansicht von der Maßgeblichkeit des Kindesrechts 64. Eine Sonderstellung nimmt das Urteil des OLG Kiel vom 24. 1. 1931 ein. Bin Deutscher hatte eine britische Staatsangehörige geheiratet, die durch die Heirat Deutsche geworden war. Später ließen sich beide Gatten in Großbritannien einbürgern. Auf Grund eines Kriegsgesetzes wurde in der Folge die britische StA dem Manne allein entzogen, und er nahm dann wieder die deutsche StA an. Das Gericht beurteilte seine Herstellungsklage gegen die Frau, die British subject geblieben war, primär nicht nach deutschem, sondern nach englischem Recht (das allerdings wegen des deutschen Wohnsitzes des Mannes auf deutsches Recht zurückverweist).
Das Urteil stützt sich nicht auf Art. 14 I I - dessen analoge Anwendung zum gleichen Ergebnis geführt hätte - , sondern auf den Grundsatz des letzten gemeinsamen H R in Analogie zu Art. 9 des Haager Ehewirkungsabkommens 6S . Das Gericht ließ gelten, daß nach frü63 Die beiden letzten Entscheidungen waren mir nicht zugänglich und sind hier nach den Angaben bei Lewald 114 verwertet. 64 So verstehen ihn auch Lewald 132 und Kegel, Bern. I 3 zu Art. 19, anders offenbar Nußbaum, Deutsches IPR (1932) 170 N. 4. 65 Vgl. die Wiedergabe oben S. 673.
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heren Ansichten im deutschen Schrifttum die persönlichen Beziehungen zwischen Gatten verschiedener StA nach dem jeweiligen Mannesrecht zu beurteilen seien. Durch den Beitritt zum Haager Ehewirkungsabkommen habe Deutschland sich aber „zu einer anderen Rechtsauffassung bekannt". Wenn auch das Abkommen im Verhältnis zwischen Deutschland und Großbritannien nicht unmittelbar anwendbar sei, sei doch die in seinem Art. 9 niedergelegte Auffassung (d. h. der Grundsatz des letzten gemeinsamen HR) „in den Staaten des europäischen Festlandes, die dem Haager Eheabkommen beigetreten sind, heute die herrschende". Es müsse daher davon ausgegangen werden, daß auch nach derzeitiger deutscher Auffassung für die Herstellungsklage bei verschiedener StA der Gatten ihr letztes gemeinsames H R maßgebend sei. Angesichts dieser Motivierung hat das Urteil für die Frage der Auslegung des Art 14 I I - der von ihm überhaupt nicht erwähnt wird - keine Bedeutung. (2) Auch einer paritätischen Auslegung der familienrechtlichen Rückgriifsvorschriften, d. h. ihrer entsprechenden Anwendung auf den einseitigen Staatswechsel der Frau oder des Kindes, ist die deutsche Rechtsprechung abgeneigt. Ausdrücklich äußert sich in diesem Sinne zu Art. 14 I I das OLG Stuttgart in seinem Beschluß vom 24. 9. 1932. Beide Gatten waren ursprünglich Deutsche. Während der Ehe erwarb die Frau auf Grund des Versailler Vertrags als Alt-Elsässerin allein die französische StA. Das Gericht beurteilte die Befugnis des Mannes zur Entziehung der Schlüsselgewalt nach deutschem Recht. In der Begründung wird dazu ausgeführt, für einen Fall wie den zur Beurteilung stehenden fehle im deutschen Recht eine ausdrückliche Bestimmung; Art. 14 II „bezieht sich auf den umgekehrten Fall und läßt sich nicht analog anwenden". Daher zieht das Gericht die verschiedenen Lösungsversuche in Betracht, die Rechtsprechung und Schrifttum für den Fall unterschiedlicher StA der Gatten entwickelt haben, ohne sich allerdings für eine bestimmte Lösung zu entscheiden, da nach allen jedenfalls deutsches Recht (zumindest in Kombination mit dem französischen) maßgebend sei.
Zu Art. 19 Satz 2 vertritt implizit den gleichen Standpunkt das OLG Dresden in seinen Entscheidungen vom 16. 1. 1900 und 28. 6. 1926. (3) Negativ ist schließlich auch die einzige mir bekannte Entscheidung, die sich der Sachlage nach mit der Frage zu befassen hatte, ob ein AnknüpfungsrückgrifF im Sinne der deutschen Rückgriffsklauseln etwa auch bei beiderseitigem Staatswechsel der Parteien in verschiedener Richtung geboten ist. E s handelt sich um den schon
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in anderem Zusammenhang erwähnten Beschluß des LG Göttingen vom 15. 12. 1948, der sich streng an den Wortlaut von Art. 14 I I hält und damit dessen Ausdehnung auch auf derartige Fälle ablehnt. Beide Gatten waren ursprünglich Letten. Das Gericht ging davon aus, daß die nach Deutschland geflüchtete Frau Staatenlose mit deutschem Personalstatut (Art. 29), der nach Rußland verschleppte Mann entweder sowjetischer Staatsangehöriger oder Staatenloser mit sowjetischem Personalstatut geworden sei. Das Herstellungsverlangen der Frau wurde vom Gericht in Analogie zu Art. 14 I nach Sowjetrecht beurteilt; eine entsprechende Anwendung von Art. 14 II - die zur Maßgeblichkeit des lettischen Rechts geführt hätte - komme nicht in Betracht, da diese „Ausnahme zugunsten der Anwendung deutschen Rechts . . . nicht verallgemeinert werden" dürfe.
Darüber hinaus allerdings ist dieser Gedanke im Sinne eines obiter dictum z. T. auch in solchen der von uns genannten Entscheidungen enthalten, die in concreto gar keinen Fall beiderseitigen Staatswechsels betreffen, - soweit diese nämlich eine der Rückgriffsklauseln ganz prinzipiell für nicht analogiefähig erklären 56 . b) Schrifttum. - Weniger einheitlich ist die Stellungnahme des deutschen Schrifttums 5 7 . Zwar gibt es keinen Autor, der die Gesamtheit der familienrechtlichen Rückgriffsvorschriften für erweiterungsfähig hielte, doch befürworten einige eine erweiternde Auslegung wenigstens für diese oder jene Gruppe von Bestimmungen. Die Mehrheit allerdings sieht einheitlich in allen Rückgriffsklauseln des deutschen internationalen Familienrechts „Exklusivsätze", „spezialisierte Vorbehalte des deutschen Rechts", „einseitige Ausdehnungsnormen" zugunsten der deutschen Rechtsordnung, „Ausnahmebestimmungen", die lediglich den Schutz deutscher Frauen und Kinder bezwecken usw., und lehnt deshalb deren analoge Anwendung auf den einseitigen Staatswechsel ausländischer Familienhäupter - also den Ausbau zur allseitigen Kollisionsnorm - oder auf den einseitigen Staatswechsel der Frau oder des Kindes - also die Gleichbehandlung der Familienteile - ausnahmslos ab. Darüber hin66
Umgekehrt bezieht sich das (im übrigen auf anderer Ebene argumentierende) Urteil des OLG Kiel vom 24. 1. 1931 nach seinem Wortlaut auch auf den Fall beiderseitigen Staatswechsels in verschiedener Richtung, obwohl ein solcher dort nicht zur Beurteilung stand. 57 Da es uns hier um die Bedeutung der familienrechtlichen Rückgriffsklauseln des EGBGB als Ausdruck eines einheitlichen Prinzips geht, sind im folgenden regelmäßig nur solche Schriftsteller berücksichtigt, die sich zu allen Klauseln ausgesprochen haben, vor allem also die Verfasser von Lehrbüchern und Kommentaren.
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aus müssen die Vertreter dieser Ansicht, die sich strikt an den Wortlaut des Gesetzes hält, sinngemäß den Anknüpfungsrückgriff auch dann ablehnen, wenn die Parteien ihre ursprünglich gemeinsame StA in verschiedener Richtung gewechselt haben, wenn dieses Problem von ihnen auch nicht immer besonders erörtert wird. Gleichzeitig wird damit - ausdrücklich oder der Sache nach - die Geltung des Grundsatzes des letzten gemeinsamen HR für das deutsche Kollisionsrecht abgelehnt. Das ist vor allem die Ansicht von ZitelmannM, Niemeyer 59, Planck60, Frankenstein 61, Baape 62, Lewald 63 68 Züelmann, I P R I (1897) 236 mit N. 53 (für A r t t . 14 II, 19 Satz 2, 20 Satz 2), I P R I I (1912) 895 f. (für Artfc. 19 Satz 2, 20 Satz 2). Analogiefeindlich ist Zitelmann aber offensichtlich auch f ü r Art. 17 I I I a. P . W e n n er ( I P R I I 783) diese Vorschrift eine „Ausnahmebestimmung" nennt, die „ihren Voraussetzungen nach zu eng u n d in der angeordneten Folge zu einseitig" sei, ist das nicht als Forderung nach erweiternder Auslegung, sondern als Kritik a m gegebenen Inhalt zu verstehen. Zitelmann will nämlich bei verschiedener StA stets die Heimatrechte beider Gatten kombinieren; in diesem System ist Art. 17 I I I natürlich ein Fremdkörper. 59 Niemeyer 105 ff. 60 Planck, B G B 3 (1905) Bern. 4 zu Art. 14, 1 zu Art. 17, 1 zu Art. 19, 1 zu Art. 20. 61 Frankenstein, I P R I I I (1934) 252 (für Art. 14 II), 440 (für Art. 17 I I I a. F.), I P R IV (1935) 37 (für Art. 19 Satz 2), 98 (für Art. 20 Satz 2). I m R a h m e n des Art. 19 k o m m t Frankenstein allerdings in einem bestimmten Fall zum gleichen Ergebnis wie bei Erweiterimg des Abs. 2 zur allseitigen Kollisionsnorm: tauschen ausländische Eltern ohne das Kind ihre StA des Landes A gegen die ausländische StA des Landes B ein, so ist nach beiden Auffassungen das Recht von A maßgebend. F ü r Frankenstein b e r u h t das aber, wie er ausdrücklich betont, nicht auf einer Analogie zu Art. 19 I I (d. h. das Recht von A kommt f ü r ihn nicht als früheres H R der E l t e r n zur Anwendung), sondern auf dem von ihm vertretenen Axiom der Maßgeblichkeit des Kindesrechts (das Recht von A wird als gegenwärtiges Recht des Kindes angewandt). F ü r den Fall, daß die ausländischen Eltern ohne das Kind Deutsche geworden sind, hält Frankenstein ein entsprechendes Verfahren zwar f ü r „wünschenswert", aber m i t Rücksicht auf die positive Regelung in Art.19 Satz 1 nicht f ü r durchführbar. 62 Allgemein: I P R 35, 310; f ü r Art. 14 I I : K o m m . 278 f., I P R 310; f ü r Art. 17 I I I : Komm. 376 f.; f ü r Art. 19 Satz 2 : K o m m . 9, 469 f., I P R 333; f ü r Art. 20 Satz 2: Komm. 492 f., I P R 337. Dafür, daß Raape entgegen dieser grundsätzlichen Auffassung in der 3. Aufl. seines Lehrbuchs S. 194 f ü r analoge Anwendung des Art. 17 I I I n. F . auf den Fall, daß der Mann Deutscher geworden ist, eingetreten sei (soMarquardt bei Erman, BGB 2 [1958] Bern. 7c zu Art. 17), finde ich a n der betr. Stelle keinen Anhalt. 63 Lewald 90 f. (für Art. 14 II), 111 (für Art. 17 I I I a. F.), 134 (für Art. 19 Satz 2), 142 (für Art. 20 Satz 2). Wenn er von Kegel, Bern. I 2 zu Art. 14, zu den Befürwortern des Grundsatzes des letzten gemeinsamen H R gezählt wird, m u ß das mit der Einschränkung versehen werden, daß sich Lewald a n der dort zitierten Stelle (90) doch offenbar nur de lege ferenda f ü r diesen Grundsatz aussprechen will; vgl. unten bei N. 65.
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und Lauterbach 64. Immerhin zeigen sich Lewald und vor allem Raape vom Grundsatz des letzten gemeinsamen HR sichtlich beeindruckt. Lewald lehnt zwar f ü r das geltende deutsche Kecht jede erweiternde Auslegung der familienrechtlichen Rückgriffsvorschriften ab, hält aber de lege ferenda - wenigstens im Rahmen des Art. 14 - f ü r alle Fälle verschiedener StA der Gatten die Regelung des Art. 9 des Haager Ehewirkungsabkommens, d. h. also den Grundsatz des letzten gemeinsamen H R , für die „glücklichste Lösung" 6 6 . Auch Raape verneint in seinem Lehrbuch kategorisch die Geltung dieses Grundsatzes im deutschen Recht 66 , ist aber noch in seinem (zeitlich früheren) K o m m e n t a r wesentlich zögernder, jedenfalls was eine Interpretation von Art. 14 I I im Sinne jenes Grundsatzes angeht. E r bekennt dort 67 , die Billigkeit scheine f ü r eine analoge Anwendung von Art. 14 I I zu sprechen 68 , u n d m a c h t dabei ausdrücklich auf den Grundsatz des letzten gemeinsamen H R aufmerksam, der in ausländischen Rechten zum gleichen Ergebnis führe. Dennoch schließt er sich endlich, „wiewohl nicht ohne Bedenken", der Ansicht vom Exklusivcharakter des Art. 14 I I an. F ü r das Kindschaftsrecht (Artt. 19 Satz 2, 20 Satz 2) h a t Baape diese Bedenken nicht, da die Beziehungen der Eltern oder der unehelichen Mutter zum Kind nicht im gleichen Maße wie die E h e als Gemeinschaftsverhältnisse aufzufassen seien 69 . Selbst wenn m a n f ü r das deutsche internationale Eherecht (entgegen dem von Raape selbst eingenommenen Standpunkt) den Grundsatz des letzten gemeinsamen H R billige, brauche daher gleiches doch nicht f ü r das Kindschaftsrecht zu gelten; die Verschiedenheit der Rechtsverhältnisse gestatte auch eine unterschiedliche kollisionsrechtliche Behandlung.
Im Gegensatz zu dieser (nur bei Lewald und Raape etwas aufgeweichten) „Einheitslösung" unterscheidet eine wachsende Zahl von Schriftstellern zwischen den eherechtlichen und den kindschaftsrechtlichen Rückgrififsbestimmungen, wenn auch mit unterschiedlichen Folgerungen. Schon Habicht und Neubecker lehnen zwar wie 64
Lauterbach bei Palandt, BGB 1 7 (1958) Bern, 3 zu Art. 14, 3 zu Art. 19, 2 zu Art. 20. Daß er - wie Kegel, Bern. I 2 zu Art. 14 a. E., ausführt - zu Art. 14 den Grundsatz des letzten gemeinsamen H R vertrete, scheint mir nicht zuzutreffen. 65 Lewald 90. 68 Raape, I P R 310 sub I I I : „Dieses Prinzip [sc. der Grundsatz des letzten gemeinsamen H R ] ist dem deutschen Recht fremd und kann aus Art. 14 Abs. I I sowie verwandten Vorschriften (Art. 19 Satz 2 und Art. 20 Satz 2) nicht herausgelesen w e r d e n " ; ganz entsprechend Komm. 377 f ü r Art. 17 I I I a. F. 67 Raape, Komm. 278 f. 68 Wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, denkt Raape dabei nur an eine entsprechende Anwendung von Art. 14 I I auf den Staatswechsel ausländischer Männer und (allenfalls) auch auf den Staatswechsel der (deutschen oder ausländischen) F r a u , nicht aber auf den Fall eines beiderseitigen Staatswechsels der Gatten in verschiedener Richtung. E r r ä u m t übrigens auch zu Art. 17 I I I a. F. ein, die Vorschrift könne (in ihrer einseitigen wörtlichen Fassung) „zu Ungerechtigkeiten f ü h r e n " (Komm. 377). 69 Raape, Komm. 280.
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die bisher Genannten jede analoge Anwendung der Artt. 14 II, 17 I I I a. F. ab 7 0 , befürworten dagegen im Kindschaftsrecht die Ausdehnung der Artt. 19 Satz 2, 20 Satz 2 zu allseitigen Kollisionsnormen im Wege der Analogie 71 . Habicht will eine solche allerdings (offenbar mit Rücksicht auf die Vorschriften der Artt. 19 Satz 1, 20 Satz 1) nur für den „Wechsel unter ausländischen Staatsangehörigkeiten" zulassen; erwirbt der vormals ausländische Elternteil ohne das Kind die deutsche StA, dann bleibt es für Habicht bei der Anwendung deutschen Rechts nach der Regelanknüpfung der Artt. 19 Satz 1, 20 Satz 1 7 2 . Andere Autoren sprechen sich gerade umgekehrt für eine erweiternde Auslegung nur der eherechtlichen Rückgriffsklauseln aus, während sie für das Kindschaftsrecht am Wortlaut des Gesetzes festhalten. So zunächst Nußbaum. Was er allerdings zum Anknüpfungsrückgriff bei der Bestimmung des Ehewirkungsstatuts äußert 7 3 , liegt ebenso außerhalb des Bereichs von Analogieerwägungen wie das Urteil des OLG Kiel vom 24. 1. 1931. Offensichtlich unter dem Eindruck dieser auch von ihm zitierten Entscheidung - sein Werk ist 1932 erschienen - befürwortet Nußbaum nämlich bei der Beurteilung der persönlichen Ehewirkungen in allen Fällen verschiedener StA der Gatten schlechthin die Anknüpfung an ihr letztes gemeinsames H R , aber nicht etwa in Analogie zu Art. 14 II (den er für einen „Sonderfall" erklärt 74 ), sondern „nach dem Vorgang des Haager Ehewirkungsabkommens Art. 9". Mit dieser unmittelbaren Heranziehung des Grundsatzes des letzten gemeinsamen H R scheidet Nußbaum als Kronzeuge für eine analoge Anwendung des Art. 14 II aus.
Dagegen bejaht er eine „analoge Ausdehnung" von Art. 17 I I I a. F . zur allseitigen Kollisionsnorm 75 (nicht aber offenbar seine entsprechende Anwendung bei einseitigem Staatswechsel der Frau oder beiderseitigem Staatswechsel in verschiedener Richtung). Die Artt. 19 Satz 2, 20 Satz 2 andererseits sind für Nußbaum, eindeutig Exklusivsätze und keiner Erweiterung fähig 76 . 10 Neubecker, Jb. für den Internat. Rechtsverkehr 1912/1913, 101, 104; Habicht 120 sub c, 139 sub c, 232. ™ Neubecker (vorige Note) 108 N. 178, 109; Habicht 152, 159 sub V. Dabei liegt in der Auffassung von Habicht insofern ein innerer Widerspruch, als er an anderer Stelle (232) alle familienrechtlichen RückgrifFsbestimmungen - auch Artt. 19 Satz 2, 20 Satz 2 - unter den speziellen Vorbehaltsklauseln anführt, was einer analogen Anwendung im Wege stehen würde; das hat ihm schon Raape (Komm. 469 sub b) vorgehalten. 72 E s ist daher unzutreffend, wenn Raape, Komm. 470 ganz oben, auch für diesen Fall Habicht als analogiefreundlich ansieht. 73 Nußbaum (oben N. 54) 148. 74 A.a.O. 148 Anm, 1. 76 A.a.O. 156 Anm. 1. 76 A.a.O. 107 Anm. 4 unter Berufung auf Raape (für Art. 19 S. 2), 175 (für Art. 20 Satz 2).
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Weniger weit gehtMartinWolff. Er liest aus Art. 14 I I das Prinzip: „We n n die Ehegatten einmal eine gemeinsame Staatsangehörigkeit gehabt haben . . wird diese so lange maßgebend sein, wie einer der Gatten sie behält", und erweitert die Vorschrift damit im Wege der Analogie sowohl zur allseitigen wie zur „paritätischen" Kollisionsnorm ; wechseln indessen beide Gatten ihre StA in verschiedener Richtung, dann ist nach Wol ff (im Gegensatz zum Grundsatz des letzten gemeinsamen HR) das frühere gemeinschaftliche Recht nicht mehr maßgebend 7 7 . Solche Analogieerwägungen bleiben bei Wol ff aber auf Art. 14 I I beschränkt; alle übrigen familienrechtlichen Rückgriffsbestimmungen - auch Art. 17 I I I - sind für ihn analogiefeindliche Exklusivnormen 7 8 , ,,der Gedanke, daß in familienrechtlichen Verhältnissen das letzte den Beteiligten gemeinsame Heimatrecht maßgebend sein soll" (also der Grundsatz des letzten gemeinsamen HR), habe in diesen Vorschriften nicht verwirklicht werden sollen 79 . Gleicher Meinung wie Wol ff ist Kegel, der die Anwendung von Art. 14 I I auf den Staatswechsel der Frau aus Gründen der Gleichberechtigung vertritt und seine Ausdehnung zur allseitigen Kollisionsnorm empfiehlt, um auch ausländischen Frauen den Vorteil eines einheitlichen Statuts (statt der von Kegel für den Regelfall befürworteten Kumulation beider Gattenrechte) zu wahren 8 0 . Die Artt. 19 Satz 2, 20 Satz 2 sieht dagegen auch er als „Schutzvorschriften für deutsche Kinder" an, die ausländischen Kindern nicht zugute kommen 81. Kegel ist sich bewußt, daß er damit den Anknüpfungsrückgriff im Kindschaftsrecht anders als im Eherecht behandelt, findet aber darin keinen inneren Widerspruch, da es dem Kinde eher als einem Ehegatten zuzumuten sei, daß sich " Wol ff 197 f. mit ausdrücklicher Ablehnung der Entscheidung OLG Stuttgart 24. 9. 1932 (vgl. oben S. 678) auf S. 197 N. 1. Dabei tritt allerdings ein ähnlicher innerer Widerspruch wie bei Habicht (oben N. 71) zutage. Im Allgemeinen Teil seines Lehrbuchs reiht Wolff nämlich alle familienrechtlichen Rückgriffsklauseln des E G B G B - auch Art. 14 II - unter die „Exklusivnormen" ein, genauer gesagt (da er bekanntlich mehrere Gruppen von Exklusivsätzen unterscheidet) unter jene Gruppe, bei der es sich um „Prinzipwidrigkeiten" handelt, „die dem Bestreben entstammen, dem deutschen B G B einen möglichst großen Herrschaftsbereich zu schaffen, und [die] schon deshalb nicht zu vollkommenen Kollisionsnormen ausgebaut werden dürfen" (36); dem stehen seine im Besonderen Teil zu Art. 14 II angestellten Analogieerwägungen entgegen. 78 A.a.O. 207, 211 (für Art. 17 III), 214 (für Art. 19 Satz 2), 217 (für Art. 20 Satz 2). 79 80 A.a.O. 36. Kegel, Bern. I 2 zu Art. 14. 81 A.a.O. Bern. I 3 zu Art. 19, I 2 zu Art. 20.
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durch den Staatswechsel der anderen Partei seine Rechtsstellung wandelt 8 2 (ähnlich schon Raape, vgl. oben S. 681 mit N. 69). Wieder eine andere Variante vertritt Beitzke, der mit Rücksicht auf den Gleichberechtigungsgrundsatz eine entsprechende Anwendung auf den einseitigen Staatswechsel der (deutschen) Frau nicht nur bei Art. 14 II, sondern auch bei Art. 17 I I I befürwortet 8 3 , jedoch in diesen Vorschriften offenbar keine allseitigen Kollisionsnormen sieht 8 4 . Die Rückgriffsbestimmungen des Kindschaftsrechts sind auch für ihn Ausnahmevorschriften ohne Möglichkeit erweiternder Auslegung 85 . Dem entspricht schließlich im großen und ganzen auch die Ansicht von Marquordt, nur daß dieser auch für Art. 17 I I I jede ausdehnende Interpretation - selbst im Sinne seiner paritätischen Anwendung - ablehnt 8 6 . c) Zusammenfassung. - Nimmt man Urteile und wissenschaftliche Äußerungen zusammen, so kann man kaum behaupten, daß sich im Verständnis der familienrechtlichen Rückgriffsklauseln in Deutschland eine eindeutig „herrschende Lehre" herausgebildet hat. Zwar ist die Rechtsprechung einhellig und das ältere Schrifttum überwiegend jeder ausdehnenden Auslegung dieser Vorschriften abgeneigt; unter den Autoren, die - wenigstens für einen Teil der Bestimmungen und in der Beschränkung auf bestimmte Fälle - anderer Ansicht sind, finden sich aber so gewichtige Namen wie die von Martin Wolff und Nußbaum, und auch der Zug der Jüngeren geht - nicht zuletzt unter dem Impuls von Art. 3 des Grundgesetzes vorwiegend in analogiefreundliche Richtung (Kegel, Beitzke, Marquordt). Auch fällt auf, daß selbst Anhänger der Mehrheitsmeinung von deren materieller Richtigkeit nicht immer restlos überzeugt sind (Raape, Lewald) und daß ein Gericht (OLG Kiel und insoweit mit ihm auch Nußbaum) den Versuch unternommen hat, wenigstens das Ergebnis der von der Mehrheit abgelehnten Analogiedoktrin auf einem anderen Wege - über den Grundsatz des letzten gemeinsamen 82
A.a.O. Bern. I 3 zu Art. 19. Beitzke bei Achilles-Greiff, BGB 2 0 (1958) Bern. 4 zu Art. 14, 9 zu Art. 17. Gleichzeitig spricht sich Beitzke zu Artt. 14 und 17 für den Grundsatz des letzten gemeinsamen H R aus (a.a.O. Bern. 2 zu Art. 14 mit Bezugnahme auf Art. 9 des Haager Ehewirkungsabkommens und auf OLG Kiel 24. 1. 1931, Bern. 4 zu Art. 17) - eine dualistische Argumentationsweise, die sich systematisch kaum halten läßt; vgl. unten S. 704 N. 128. 86 A.a.O. Bern. 7 zu Art. 19, 5 zu Art. 20. 86 Marquordt (oben N. 62) Bern. 3a zu Art. 14, 7c zu Art. 17, 3 zu Art. 19, 3 zu Art. 20. 83
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H R - zu erreichen. Bei dieser Sachlage scheint es nicht überflüssig, unsere Untersuchung fortzusetzen in der Hoffnung, mit ihr zur Klärung eines offenbar noch nicht endgültig gelösten Problems des deutschen Kollisionsrechts beizutragen. 5. D a s V e r h ä l t n i s d e r R ü c k g r i f f s k l a u s e l n d e s d e u t s c h e n i n t e r n a t i o n a l e n F a m i l i e n r e c h t s zum G r u n d s a t z des letzten gemeinsamen Heimatrechts Der prima facie naheliegende Gedanke, daß die familienrechtlichen Rückgriffsvorschriften des EGBGB lediglich unvollkommene Niederschläge des Grundsatzes des letzten gemeinsamen H R und daher über ihren Wortlaut hinaus im Sinne jenes Grundsatzes auszulegen seien, erweist sich schnell als trügerisch. Obwohl auch der Grundsatz auf einen Anknüpfungsrückgriff hinausläuft und auf den gleichen Sachgebieten eingreift wie die familienrechtlichen Rückgriffsbestimmungen des EGBGB, zeigt doch die nähere Betrachtung, daß dieser Rückgriff von ganz anderem Typus ist als jener, den die deutschen Vorschriften anordnen. Der Grundsatz des letzten gemeinsamen H R tritt als Zusatznorm zu einer Hauptnorm hinzu, die auch ihrerseits schon an das „gemeinsame Heimatrecht" der Parteien anknüpft, und zwar an das Recht, das ihnen - je nach Sachlage - im materiellrechtlich oder im prozessual maßgebenden Zeitpunkt gemeinsam ist. Anknüpfungsgegenstand der Hauptnorm sind daher nur die Rechtsverhältnisse zwischen solchen Personen, die im maßgebenden Zeitpunkt die gleiche StA besitzen. Demgegenüber erfaßt die Zusatznorm die Rechtsverhältnisse zwischen Personen, die in diesem Zeitpunkt verschiedenen Staaten angehören, aber wenigstens früher einmal die gleiche StA besaßen, und unterwirft sie diesem früheren gemeinsamen H R . Die Zusatznorm mit ihrem Rückgriff auf das frühere Recht ist hier nicht lex specialis zur Hauptnorm, sondern selbständige Kollisionsnorm für einen anderen, von der Hauptnorm gar nicht erfaßten Tatbestand; mag es sich auch beidesmal um die Regelung des gleichen Rechtsinstituts (persönliche Ehewirkungen, Scheidung usw.) handeln, so fassen doch Hauptnorm und Zusatznorm jeweils eine andere staatsangehörigkeitsrechtliche Situation der Beteiligten ins Auge. Wenn die Zusatznorm außerdem auch - im Sinne einer Rückgriffsklausel - einen anderen (früheren) Anknüpfungszeitpunkt als die Hauptnorm benutzt, ist das demnach keine Ausnahme 45
Zeitschrift für internat. Privatrecht. H. 3/4 (Jahrg. 23)
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von der Anknüpfirngsregel der Hauptnorm, sondern ihre Ergänzung: durch Wahl eines früheren Anknüpfungszeitpunkts verschafft die Zusatznorm dem Anknüpfungsmerkmal der Hauptnorm (StA) ein erweitertes Anwendungsfeld. Gerade darin aber besteht hier ihre Funktion. Der unmittelbare Grund zum Anknüpfungsrückgriff liegt beim Grundsatz des letzten gemeinsamen H R nicht in der Absicht, einen sachlich ungerechtfertigten Statutenwechsel zu vermeiden, sondern in dem Wunsch des Gesetzgebers, wenigstens für bestimmte Fälle national gemischter Familienrechtsverhältnisse - nämlich die Fälle, in denen die Parteien einmal ein gemeinsames H R besessen haben - aus gewissen, gleich zu erörternden Erwägungen heraus das gleiche Anknüpfungsmerkmal wie bei national einheitlichen Familienrechtsverhältnissen - nämlich die gemeinsame StA - zu benutzen. Die Anknüpfung an die jeweilige oder gegenwärtige gemeinsame StA in der Hauptnorm läßt die Fälle mit verschiedener StA ungeregelt. Diese Lücke hätte auch ohne Anknüpfungsrückgriff geschlossen werden können: durch einseitige Anknüpfung an die StA nur einer Partei oder durch Kombination (Kumulation oder Koppelung) beider Heimatrechte oder schließlich durch den Übergang auf ein örtliches Anknüpfungsmerkmal (Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt, Ort der Eheschließung). Die Väter des Grundsatzes des letzten gemeinsamen H R wollten aber unter allen Umständen dem Staatsangehörigkeitsprinzip treu bleiben und dabei doch tunlichst weder das Recht eines Familienteils bevorzugen noch die Einheit des Familienstatuts durch die Kombination verschiedener Heimatrechte zerreißen. Das wird ermöglicht durch den Rückgriff auf das frühere gemeinsame H R (wo ein solches überhaupt bestanden hat) 8 7 . Der Grundsatz des letzten gemeinsamen H R bedeutet daher eine subsidiäre Kollisionsnorm, eine Aushilfsmaßnahme, ja letztlich eine „Verlegenheitslösung" 88 in dem Dilemma, andernfalls bei verschiedener StA der Beteiligten entweder auf das Staatsangehörigkeitsprinzip oder auf die Einheit des Familien87 Im Gegensatz zu der von uns für die familienrechtlichen Rückgriffsbestimmungen des EGBGB vertretene Ansicht setzt die Anwendung des Grundsatzes des letzten gemeinsamen H R daher auch nicht voraus, daß die gemeinsame StA schon bei der Begründung des Familienbandes besteht oder doch hergestellt wird. Es genügt, wenn die Beteiligten irgendwann zwischen der Begründung des Familienbandes und dem Anknüpfungszeitpunkt der Hauptnorm gleichzeitig dieselbe StA besessen haben. 88 Müller-Freienfels, Scheidungsstatut und Gleichberechtigung: Juristenzeitung 12 (1957) 141 - 148 auf S. 145.
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statuts oder aber auf die kollisionsrechtliche Gleichbehandlung der Familienteile verzichten zu müssen89. Damit gehört der Anknüpfungsrückgriff im Rahmen des Grundsatzes des letzten gemeinsamen HR eindeutig zu jenem zweiten Typ, den wir eingangs als „Anknüpfungsrückgriff zur Ausfüllung einer Anknüpfungslücke" gekennzeichnet und am Beispiel des Art. 29 a. F. erläutert haben Da andererseits der Rückgriff des deutschen internationalen Familienrechts von uns als „Anknüpfungsrückgriff zur Vermeidung eines ungerechtfertigten Statutenwechsels" erkannt wurde91, sind die familienrechtlichen Rückgriffsklauseln des EGBGB und der Grundsatz des letzten gemeinsamen HR nach Struktur und Funktion in der Tat von unterschiedlichem Charakter; Raape hat recht mit seiner Feststellung, daß dieser Grundsatz aus den deutschen Vorschriften nicht herausgelesen werden kann 92. Eine erweiternde Auslegung der deutschen Rückgriffsbestimmungen kann daher im Grundsatz des letzten gemeinsamen HR keine Stütze finden. Das würde allerdings noch nichts gegen die Ansicht des OLG Kiel und von Nußbaum besagen, die unter Bezugnahme auf Art. 9 des Haager Ehewirkungsabkommens f ü r den Grundsatz des letzten gemeinsamen H R im R a h m e n des Art. 14 unmittelbar Geltung beanspruchen 9 3 . Der Begründung des Kieler Gerichts, daß sich durch den Beitritt Deutschlands zu dem Abkommen die bisherige deutsche Rechtsauffassung auch im Verhältnis zu Nicht-Vertragsstaaten geändert habe, k a n n indessen nicht zugestimmt werden ; die staatsvertragliche Regelung wirkt a n u n d f ü r sich nur inter partes, u n d von einer gewohnheitsrechtlichen Übernahme der Lösung des Art. 9 des Haager Abkommens in das allgemeine deutsche Kollisionsrecht k a n n bei dem dargestellten Meinungsstand in Rechtsprechimg u n d Schrifttum keine Rede sein 94 . Bei Nußbaum, andererseits bedeutet die Anwendung des Grundsatzes des letzten gemeinsamen H R methodisch eine rechtsschöpferische Lückenausfullung, also ein Vorgehen quasi de lege ferenda, u n d läßt sich daher nur rechtspolitisch werten ; vgl. dazu unten S. 704 S.
Auch wenn sich eine ausdehnende Interpretation der deutschen Rückgriffsvorschriften nicht auf den Grundsatz des letzten gemein89
Zu einseitig unterstreicht m. E . den Gedanken der Familieneinheit alä tragendes Prinzip des Grundsatzes Vallindas, Le principe du droit unique en d. i. p. grec: Rev. Hellénique 1 (1948) 41 - 48. 90 91 Oben S. 661 f. Oben S. 665. 92 S. oben N. 66. Vgl. die ähnliche, allerdings nur f ü r Artt. 17 I I I , 19 Satz 2, 20 Satz 2 getroffene Feststellung von Wolff oben S. 683 mit N. 78. Implicite setzen auch Lewald und Nußbaum die deutsche Regelung deutlich vom Grundsatz des letzten gemeinsamen H R ab. 93 Vgl. oben S. 677 f. u n d S. 682. 94 Ähnlich die ablehnende Anmerkung von Wierussowski, J W 61 (1932) 599 f. 45*
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samen H R stützen kann, bedeutet das doch nicht, daß sie überhaupt nicht möglich wäre, sondern nur, daß wir diese Möglichkeit aus dem eigenen System dieser Vorschriften heraus prüfen müssen. Das fordert, daß wir zunächst nach ihrem besonderen und eigenständigen Sinn fragen. Dabei muß das Problem, wieweit dieser Sinn heute etwa auch durch den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3 I I des Bonner Grundgesetzes) beeinflußt wird, zunächst noch außer Betracht bleiben. Es betrifft einen neu auftauchenden und sachlich beschränkten Gesichtspunkt, der zwar die Bedeutung der Rückgriffsklauseln auf dem Gebiete des Eherechts möglicherweise modifiziert, aber zur Sinngebung des familienrechtlichen Rückgriffsprinzips im E G B G B - das ja schon vor Art. 3 GG existierte und über das internationale Eherecht hinausgreift - nichts beitragen kann. Wir werden diese Frage später gesondert behandeln und dabei auch Gelegenheit haben, die weitere Frage zu berühren, wieweit der Grundsatz des letzten gemeinsamen H R - wenn er schon nicht aus den positiven Rückgriffsvorschriften herausgelesen werden kann - neuerdings etwa in dem Gleichberechtigungsgrundsatz eine Stütze findet; vgl. unten S. 702 ff. 6. D e r S i n n d e r d e u t s c h e n f a m i l i e n r e c h t l i c h e n Rückgriffsklauseln Mit der Feststellung, daß die in Artt. 14 II, 19 Satz 2 und 20 Satz 2 gegebenen Vorschriften (um den Sonderfall des Art. 17 I I I hier einmal außer Betracht zu lassen) keine subsidiäre Anknüpfung für den Fall verschiedener StA der Beteiligten bieten, sondern einen sachlich nicht zu rechtfertigenden Statutenwechsel ausschalten wollen, ist die Frage nach ihrem eigentlichen Sinn noch nicht beantwortet. Geht diese doch dahin, warum denn der hier in Betracht kommende Statutenwechsel infolge einseitigen Staatswechsels des Familienhaupts von der Rechtsordnung mißbilligt und daher mit Hilfe des Anknüpfungsrückgriffs umgangen wird. In der Beantwortimg dieser Frage entfernen wir uns von der herrschenden Lehre. Nach der fast einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist es nämlich die Absicht jener Vorschriften, das abhängige Familienglied (nach ihrem Wortlaut: sofern es Deutscher ist) vor den nachteiligen Folgen eines einseitigen Staatswechsels des Familienhaupts zu schützen; „Schutz der (deutschen) Frau", „Schutz des (deutschen) Kindes" - dieser Gedanke kehrt in fast allen ein-
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schlägigen Äußerungen wieder 95 . Er läßt sich jedoch m. E. nicht halten. Gegen welche Nachteile sollten denn Frau oder Kind durch die fraglichen Bestimmungen geschützt werden? Ein Schutz vor Verschlechterung ihrer materiellen Rechtslage durch Änderung des Statuts - an den meist gedacht wird - kommt nicht in Betracht: so wie die Klauseln heute gefaßt sind, nehmen sie (im Gegensatz zu den Vorschlägen von Mommsen und Gebhard) keine Rücksicht darauf, ob das neue HR des Familienhaupts für das abhängige Familienglied günstiger ist als das bisher gemeinsame Recht oder nicht, und sie greifen daher auch dann ein, wenn sich Frau oder Kind bei Anwendung des neuen Rechts besser ständen als bisher; das wird allgemein zugegeben. Daß der Gesetzgeber aber stillschweigend etwa vorausgesetzt habe, das deutsche Recht (das zumindest bei wörtlicher Auslegung der Vorschriften ja allein zur Anwendung kommt) sei unter allen Rechten der Welt für Frau und Kind immer das beste, kann doch wohl kaum angenommen werden 96 . Die Wirkungsweise der Klauseln und das Schutzmotiv lassen sich daher nicht miteinander vereinigen, wenigstens wenn man an den Schutz der Betroffenen vor materieller Rechtsverschlechterung denkt. Diese seit langem bekannte Einsicht hat eine ganze Reihe von Schriftstellern veranlaßt, die RückgrifFsklauseln überhaupt für ungerechtfertigt zu erklären 97 , während es doch viel näher hegt, die Berechtigung des Schutzmotivs in Frage zu ziehen. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn man mit Kegelm (wenigstens für Art. 14 II) den Sinn des Anknüpfungsrückgriffs im Schutz der Frau vor einer Verschlechterung ihrer Rechtslage durch den Übergang zu einem ihr - angeblich - ungünstigeren Anknüpfungssystem (Kumulation beider Heimatrechte statt einheitlichen Statuts) zu erkennen glaubt. Abgesehen davon, daß der Gedanke kumulativer Rechtsanwendimg bei verschiedener StA im ursprünglichen System des E GB GB keine Stütze findet und daher bei Art. 14 II nicht Pate gestanden haben kann, wird die Frau durch die Kumulation auch nicht notwendig stets schlechter gestellt, sie kann sich u. U. sogar verbessern. 86 Vgl. für viele nur: Niemeyer 108, Habicht 152, Rampe, IPR 35, speziell zu Art. 14 II: Frankenstein (oben N. 61) 252, Bolle, RabelsZ 16 (1951) 365, ders. in: Das internationale Familienrecht Deutschlands und Frankreichs (1955) 69, Makarov, RabelsZ 17 (1952) 389; aus der Rechtsprechung etwa LG Göttingen 15. 12. 1948 (betr. ebenfalls Art. 14 II). 96 Vgl. auch Neubecker (oben N. 70) 101: „es liegt kein Grund vor, die Vorzüglichkeit des deutschen Rechts zu präsumieren". 87 Niemeyer 108, Habicht 120, Neubecker (oben N. 70) 101, Raape Komm. 279, 470, Frankenstein (oben N. 61) 252. 88 Vgl. oben S. 683.
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Nun ließe sich allerdings auch denken, daß das abhängige Familienglied durch die Rückgriffsbestimmungen nicht gegen Verschlechterung, sondern schon gegen die bloße Veränderung seiner Rechtslage geschützt werden solle; Schutzobjekt wäre dann das Vertrauen des abhängigen Familienglieds in die Kontinuität der bei Begründung des Familienbandes bestehenden Rechtslage. Aber abgesehen davon, daß nicht jeder Statutenwechsel notwendig auch zu einer Änderung in der materiellen Rechtslage führt, dürfte eine Veränderung in der Rechtsstellung von Frau oder Kind, sofern sie nicht zugleich eine Verschlechterung bedeutet, kaum besondere Schutzmaßnahmen rechtfertigen; der Gedanke der Rechtssicherheit allein kann dafür nicht ausreichen. Außerdem könnte dieses Argument höchstens für die eherechtlichen, nicht für die kindschaftsrechtlichen Rückgriffsbestimmungen ins Treffen geführt werden, da beim Kind von einem schützenswerten Vertrauen in die (angeborene) Rechtslage kaum die Rede sein kann 98 a . Entscheidend scheint mir aber vor allem dies: Das Schutzmotiv - mag es nun die Verschlechterung oder die bloße Veränderung der Rechtslage des abhängigen Familienteils im Auge haben - vermag nicht zu erklären, warum die Rückgriffsklauseln nur dann eingreifen, wenn die Beteiligten einmal die gleiche StA besessen haben, nicht aber auch dann, wenn sie stets verschiedenen Staaten angehörten. Denn schützenswert wären die Frau oder das Kind (wenn überhaupt) doch sicher auch bei ursprünglich verschiedener StA. Wechselt in diesem Fall das Familienhaupt seine StA, so ändert sich - die Maßgeblichkeit des Mannes- oder Elternrechts immer vorausgesetzt - die Rechtslage des abhängigen Familiengliedes in genau der 98a
Aus ähnlichen Gründen lassen sich die deutschen Rückgriffsvorschriften auch nicht mit dem in Frankreich in diesem Zusammenhang herangezogenen Vertragsgedanken motivieren. Die französische Rechtsprechung praktizierte zu Ende des 19. Jhs. den Anknüpfungsrückgriff bei der Bestimmung des Scheidungsstatuts, und zwar überwiegend mit der Begründung, daß die Ehe ein Vertrag sei und daher bei einseitigem Staatswechsel eines Gatten demjenigen H R unterworfen bleiben müsse, zu dem sich beide Gatten einverständlich bekannt hätten (vgl. Holleaux in: Das internationale Familienrecht Deutschlands und Frankreichs [1955] 150 mit N. 1). Selbst wenn man - entgegen der heutigen Einsicht in den institutionellen Charakter der Ehe - hier von der Vorstellung eines Vertrages ausgehen wollte, paßt diese doch keinesfalls auf die Begründung des Kindes Verhältnisses. Da der Anknüpfungsrückgriff vom EGBGB aber auch im Kindschaftsrecht angewandt wird, und dies offenbar aus den gleichen Gründen wie im Eherecht, kann er nicht auf dem Vertragsgedanken beruhen.
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gleichen Weise, wie wenn alle Beteiligten bisher dieselbe StA besessen haben. Diesen Fall betrifft aber der Anknüpfungsrückgriff des EGBGB ganz unzweifelhaft nicht. Das Schutzmotiv kann daher nicht ausschlaggebend sein " . In der Tat dürfte der eigentliche Zweck unserer Vorschriften ein anderer sein: nicht der Schutz des abhängigen Familiengliedes, sondern die Sanktion der Treupflicht des Familienhawpts. Von dem Gedanken ausgehend, daß die Familie als einheitliche Institution auch einem einheitlichen Recht unterstehen muß, unterwirft das EGBGB die familienrechtlichen Verhältnisse einheitlich dem HR des Familienhaupts. Grundlage (wenn man so will: „Geschäftsgrundlage") für diese kollisionsrechtliche Familieneinheit ist für den Gesetzgeber andererseits aber doch auch die Annahme einer wenigstens grundsätzlichen Übereinstimmung der StA der Familienglieder. Das EGBGB setzt nicht nur voraus - was nach dem Staatsangehörigkeitsrecht seiner Entstehungszeit eine Selbstverständlichkeit war - , daß die Begründung der Familiengemeinschaft auch eine Staatsangehörigkeitsgemeinschaft begründet (sofern diese nicht schon vorher bestanden hat), sondern es strebt auch danach, diese Staatsangehörigkeitsgemeinschaft wenigstens für die Zwecke des Kollisionsrechts nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten. Die Treupflicht des Familienhaupts, die sich aus dem familienrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis ergibt, hat offensichtlich nach der Ansicht des Gesetzgebers auch die Pflicht zum Inhalt, die Staatsangehörigkeitseinheit der Familie nicht einseitig zu durchbrechen. Geschieht das doch, so widerspräche ein dadurch bewirkter Statutenwechsel - wie er bei Anwendung der regulären Kollisionsnormen eigentlich eintreten müßte - den grundlegenden Wertungsgesichtspunkten, er wäre ungerechtfertigt. Daher wird diese Veränderung kollisionsrechtlich nicht berücksichtigt. Technisches Mittel dazu ist der Anknüpfungsrückgriff, ist die sozusagen fiktive Fortgeltung der bisherigen StA für die Zwecke des familienrechtlichen Kollisionsrechts. Der Rückgriff erübrigt sich natürlich, wenn die Parteien die gleiche neue StA erwerben, weil dann ihre Staatsangehörigkeitsgemeinschaft als solche nicht zerrissen wird. Er entfällt andererseits aber auch, wenn die Parteien die bisher gemeinsame StA in verschiedener Richtung wechseln, weil es unzumutbar wäre, das Familienhaupt 98 Vgl. auch WolffüQ-. in den Bückgriffsklauseln „liegt mehr als eine durch den ordre public zu rechtfertigende Schutznorm zugunsten Deutscher".
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auch dann noch bei seiner Treupflicht zu halten, wenn das abhängige Familienglied auch seinerseits aus der Staatsangehörigkeitsgemeinschaft ausbricht. Parallelerscheinungen zu diesem Gedanken finden sich übrigens im Internationalen Zivilprozeßrecht. So war nach § 568 I der deutschen Zivilprozeßordnung von 1877 für Ehesachen das forum domicilii des Mannes zuständig; h a t t e der (deutsche) Ehemann aber seine F r a u verlassen und allein Wohnsitz im Ausland genommen, so sah Abs. 2 für die Frau die Klagemöglichkeit am früheren gemeinsamen (d. h. dem deutschen) Wohnsitz vor, sofern die Frau ihn beibehalten hatte. Bei der Umstellung der Zivilprozeßordnung auf das Staatsangehörigkeitsprinzip ist die Vorschrift sinngemäß auf den Fall einseitigen $iaa£swechsels des (deutschen) Mannes übertragen worden (§ 606 I I ZPO i. d. Fassung von 1898; die heutige Fassung läßt den ursprünglichen Rechtsgedanken nicht mehr erkennen). Ähnlich wie der frühere § 568 der Zivilprozeßordnung lautet noch heute sec. 18 sub-sec. a des englischen Matrimonial Causes Act 1950, die in sec. 13 des Matrimonial Causes Act 1937 ihren Vorläufer hat, aber auf eine ältere Rechtsprechungstradition zurückgehen dürfte. Auch Art. 5 Nr. 2 des Haager Ehescheidungsabkommens enthält eine ähnliche Regelung. Erst hier können wir auch die Begründung dafür geben, warum die Anwendung der Artt. 14 II, 17 III, 19 Satz 2, 20 Satz 2 u. E. voraussetzt, daß die Parteien die maßgebliche gemeinsame StA schon bei Begründung des Familienbandes besessen haben100. Das Verbot der Loslösung des Familienhaupts von der Staatsangehörigkeitsgemeinschaft der Familie kann sich nur auf die durch das Familienband begründete oder im Zeitpunkt der Familiengründung schon bestehende Staatsangehörigkeitsgemeinschaft beziehen; jede erst später eintretende Gemeinsamkeit der StA der Familienglieder beruht rechtlich nicht auf dem Gedanken der Familieneinheit, sondern auf zufälligen Gründen und kann daher nicht Gegenstand der familienrechtlichen Treupflicht sein. Der Grundsatz des letzten gemeinsamen HR dagegen, der keine Treupflicht sanktionieren, sondern einfach eine vorhandene Anknüpfungslücke ausfüllen will, nimmt auch auf eine solche zufällige Staatsangehörigkeitsgemeinschaft Rücksicht.
Das Treupflichtmotiv in dem dargelegten Sinne trägt den Anknüpfungsrückgriff sowohl im Eherecht wie im Kindschaftsrecht; es scheint mir unmöglich, mit Raape 101 und Kegel102 unter diesem Gesichtspunkt zwischen beiden Rechtsgebieten einen Unterschied zu machen. Die Familiengemeinschaft und die aus ihr entspringende Pflicht des Familienhaupts zur Wahrung einer einheitlichen StA der 100
Vgl. oben S. 664 mit N. 14.
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Familie ist in beiden Fällen von gleicher Intensität - zumindest hat sie der deutsche Gesetzgeber für gleich intensiv gehalten, und es liegt kein Anlaß vor, ihm nicht darin zu folgen. Daher kann auch die Analogiefrage, soweit nicht noch andere Rücksichten eingreifen, für beide Rechtsgebiete nur einheitlich beantwortet werden; die Rückgriffsklauseln des deutschen internationalen Familienrechts sind, wie schon eingangs betont, der Ausdruck eines einheitlichen Gedankens, und daher ist auch ihre gleichmäßige Auslegung zu fordern. Wieweit etwa unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung der Geschlechter eine Unterscheidung zwischen den eherechtlichen und den kindschaftsrechtlichen Vorschriften berechtigt ist, soll uns erst später beschäftigen. Gleich ob m a n der hier f ü r die Rückgriffsklauseln gegebenen Begründung folgt oder in ihnen den Ausdruck eines Schutzgedankens sieht, d ü r f t e eines jedenfalls feststehen: ihr Zweck ist primär nicht etwa, einen arglistigen Statutenwechsel zu verhindern. Man h a t allerdings geltend gemacht, die Vorschriften seien eigentlich unnötig, da ihr Zweck auch durch den allgemeinen kollisionsrechtlichen Grundsatz erreicht werde, daß die arglistige Begründung eines Anknüpfungstatbestandes unbeachtlich bleibe 103 . Abgesehen davon, daß die Geltung eines derartigen Satzes gerade im deutschen Kollisionsrecht nicht unbestritten ist, verkennt der Einwand, daß es sich in den von den Rückgriffsbestimmungen erfaßten Fällen nicht notwendig u m eine bewußte Gesetzesumgehung handeln m u ß ; sie decken nach Wortlaut u n d Zweck auch solche Fälle, in denen es dem Familienhaupt an der Absicht fehlt, sich durch einseitigen Staatswechsel eine bessere Rechtsstellung zu verschaffen 104 . Der Satz „fraus omnia corrumpit" findet in den RückgrifFsvorschriften keinen spezifischen Ausdruck u n d macht sie daher auch nicht überflüssig.
III. TEIL: DIE ANWENDUNG DES ANKNÜPFUNGSRÜCK GRIFFS IM D E U T S C H E N I N T E R N A T I O N A L E N F A M I L I E N R E C H T
7. Wege u n d G r e n z e n e i n e r e r w e i t e r n d e n A u s l e g u n g der R ü c k g r i f f s v o r s c h r i f t e n Anhand der gewonnenen Einsichten in das Wesen der familienrechtlichen Rückgriffsklauseln des EGBGB dürfen wir nunmehr die Beantwortung der Frage wagen, ob und in welcher Richtung ihre erweiternde Auslegung möglich, ja geboten ist. 103 Baape, Komm. 280, vgl. auch 377; auf Raape beruft sich L G Göttingen 29. 10. 1949. 104 Das wird von Raape, Komm. 280, selbst betont.
694 a) Ausbau zu allseitigen
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Kollisionsnormen?
Hier ist zunächst ein im Grunde formalistisches Argument zu widerlegen. Eine entsprechende Anwendung der Rückgriffsklauseln auf den einseitigen Staatswechsel von Ausländern - so hat man wenigstens zu Artt. 17, 19 und 20 geltend gemacht - bedeute eine Negierung der zugehörigen Regelanknüpfung (bei Aitt. 19, 20 jedenfalls dann, wenn das ausländische Familienhaupt Deutscher wird). Wechsle etwa der ausländische Mann seine StA, während die Frau die bisher gemeinsame fremde StA beibehalte, dann sei „kein Zweifel", daß sich die Scheidung gemäß Art. 17 I nach dem neuen Mannesrecht richte; für eine Anwendung seines früheren Rechts in Analogie zu Abs. 3 (a. F.) sei hier kein Raum 105 . Oder: werde der ausländische Vater Deutscher unter Verbleib des Kindes im bisher gemeinsamen Staatsverband, dann sei eine entsprechende Anwendung von Art. 19 Satz 2 „mit dem Wortlaut des Satzes 1 schlechterdings unvereinbar" 106 . Ebenso schließlich, wenn die ausländische Mutter allein Deutsche wird; hier Art. 20 Satz 2 analog anzuwenden, würde dazu führen „das nach der allgemeinen Regel [sc.: Art. 20 Satz 1] anwendbare deutsche Recht auszuschalten, also dem Zwecke der Vorschrift geradezu zuwiderlaufen" 107 . Der Einwand 108 verkennt indessen, daß die Rückgriffsklauseln auch in ihrer wörtlichen, einseitigen Fassung zu den zugehörigen Hauptnormen in Widerspruch stehen. So müßte sich die Scheidung ehemals deutscher Gatten, von denen nur der Mann Franzose geworden, die Frau aber Deutsche geblieben ist, gemäß Art. 17 I nach französischem Recht richten, während doch tatsächlich nach Art. 17 I I I a. F. deutsches Recht anzuwenden war. Dieser Widerspruch liegt eben in dem prinzipiellen Verhältnis von Hauptnorm und Rückgriffsklausel als einem Verhältnis von Regel und Ausnahme begründet 109 ; Ausnahmen sind 105
Woljf 36; vgl. auch Raupe, Komm. 376 sub 3. Raape, Komm. 470 oben. 10 ' OLG Karlsruhe 26. 11. 1926. - Der gleichen Ansicht scheint für Artt. 19 Satz 2 und 20 Satz 2 Habicht zu folgen, der diese Vorschriften nur dann analog anwenden will, wenn das vormals ausländische Familienhaupt eine andere ausländische StA erworben hat; der Fall, daß das früher ausländische Familienhaupt Deutscher geworden ist, wird nach seiner Ansicht offenbar notwendig durch Artt. 19 Satz 1, 20 Satz 1 geregelt. 108 Daß er nicht auch gegen eine ausdehnende Interpretation von Art. 14 II vorgebracht worden ist, liegt z. T. wohl an der Ansicht der h. L., daß Art. 14 I nur die Fälle gemeinsamer StA der Gatten regele; vgl. die dahin zielende Bemerkung von Raape, Komm. 376 sub 3. 109 Vgl. oben S. 659 ff. 106
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immer mit der Regel „unvereinbar". Fragen wir hier nach der Analogiemöglichkeit, so fragen wir daher nur nach der Möglichkeit einer Erweiterung des Anwendungsbereichs der ohnehin gegebenen Ausnahme. Man wird diese Frage im Lichte des Satzes, daß Ausnahmen im Zweifel restriktiv auszulegen sind, mit aller gebotenen Sorgfalt zu prüfen haben. Sie läßt sich aber nicht einfach mit der Feststellung beantworten, daß hier eben die Regel zwingend eingreife; ob diese auch insoweit wirklich zwingend ist, das ist gerade die Frage. Ernster zu nehmen ist die Berufung auf die Entstehungsgeschichte der fraglichen Vorschriften n o . I n der T a t spricht zumindest eine starke Vermutung dafür, daß sie vom Gesetzgeber als Exklusivsätze ausschließlich zugunsten der Anwendung deutschen Rechts gemeint waren. Daß Gebhard ihnen diesen Sinn beimaß, steht sogar eindeutig fest. Nicht nur, daß er die Rückgriffsklausel in einseitiger Fassung den bei ihm noch allseitig formulierten Regelanknüpfungen gegenüberstellte, er sagt auch ausdrücklich in den Motiven zu § 24 seines E n t w u r f s : „Der fürsorgliche Charakter einer solchen Norm wird es erklärlich erscheinen lassen, wenn der Entwurf sie nur in Ansehung deutscher Ehefrauen u n d Kinder t r i f f t " m . Während beide Kommissionen Gebhards Konstruktion u n d damit offenbar auch seine Konzeption aufrechterhielten, kann m a n über die Ansicht des Bundesrats zunächst im Zweifel sein, da er in einem Teil der in Betracht kommenden Artikel (14, 19, 20) auch die H a u p t a n k n ü p f u n g zur einseitigen Kollisionsnorm verkürzte. Doch dürfte zu vermuten sein, daß er damit der schon bisher einseitigen Fassung der Rückgriffsbestimmungen keine andere Bedeutung geben wollte, sondern an der Auffassung von deren Exklusivcharakter festgehalten hat. Diese historische Interpretation verliert jedoch an Gewicht gegenüber zwingenden Ergebnissen einer teleologischen Auslegung 1 1 2 . Wie wir sahen, bedeutet jeder Anknüpfungsrückgriff einen Verzicht auf zeitlich richtige Anknüpfung. Die Frage ist hier, ob der in den familienrechtlichen Rückgriffsvorschriften des E G verwirklichte Gedanke einer Pflicht des Familienhaupts zur Treue gegenüber der 110 Sie wird zur Begründung des Exklusivcharakters der Rückgriffsklauseln herangezogen von Niemeyer 107 f., Raape, Komm. 279, 469 sub b, OLG Karlsruhe 26. 11. 1926. 111 Niemeyer, Vorgeschichte (oben N. 22) 216. 112 Auch ihre Vertreter halten die Berufung auf die Entstehungsgeschichte letztlich nicht für ausschlaggebend; Raupe, Komm. 279, will auf sie „kein besonderes Gewicht legen"; vgl. auch Niemeyer 108.
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staatsangehörigkeitsrechtlichen Einheit der Familie so stark ist, daß er sich auch bei ausländischen Männern oder Vätern gegen den Gedanken zeitgerechter Anknüpfung durchsetzen muß. Das ist zu bejahen. Das Prinzip möglichster Erhaltung der familiären Staatsangehörigkeitseinheit verdient - jedenfalls im Zeichen der Hegemonie des Mannes- oder Vaterrechts - bei ausländischen Familien nicht weniger Berücksichtigung als bei deutschen. Hält es der Gesetzgeber für so bedeutsam, daß er ihm bei ursprünglich deutscher StA aller Familienglieder die normale Regelung der Anknüpfungszeit opfert, dann kann dieses Prinzip nicht weniger bedeutsam oder gar bedeutungslos sein, wenn die Beteiligten Ausländer sind. Insoweit sind in- und ausländische Ehen, aber auch in- und ausländische Kindschaftsverhältnisse durchaus gleich zu behandeln. Sie in diesem Punkt unterschiedlich zu bewerten, widerspräche dem Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) und der Billigkeit, denen man vielmehr nur gerecht werden kann, wenn man die Rückgriffsvorschriften als allseitige, vollkommene Kollisionsnormen ausdeutet. Ein öffentliches Interesse, das eine ausnahmsweise Bevorzugung des deutschen Rechts allenfalls rechtfertigen könnte, ist hier nicht im Spiel; die beiden miteinander wetteifernden Prinzipien (zeitgerechte Anknüpfung und Wahrung der staatsangehörigkeitsrechtlichen Familieneinheit) liegen beide auf dem Boden der privaten Interessenordnung. Hinzu kommt, daß Exklusivsätze, einseitige Ausdehnungsnormen, ohnehin einem tragenden Grundprinzip des Kollisionsrechts - dem Grundsatz des internationalen Entscheidungseinklangs - widersprechen und daher tunlichst zu vermeiden sind. So liegt eine analoge Anwendung unserer Vorschriften auf Familien mit (ursprünglich) gemeinsamer fremder StA, und damit ihre wirkliche Internationalisierung, auch im Interesse der kollisionsrechtlichen Sachgerechtigkeit. Das Rechtsgefühl war auch bisher schon in dieser Richtung wirksam; sind doch die Rückgriffsbestimmungen des deutschen internationalen Familienrechts - wegen ihres angeblich exklusiven, diskriminierenden Charakters - häufig als anstößig empfunden worden 113. Wenn man dennoch überwiegend an ihrem Exklusivcharakter festhielt, beruht das m. E. auf ihrer verfehlten Ableitung aus dem Schutzgedanken. Mag sich auch heute mehr und mehr die Einsicht 113 Raupe, K o m m . 280 zu Art. 14 I I („bedauerliche Ausnahmevorschrift"), vgl. über seine Bedenken auch oben S. 681 m i t N. 68; Gutzwiller (oben N . 24) 1637 zu Art. 14 II („bedauerliche Ausdehnungsnorm").
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durchsetzen, daß sich die Aufgabe des Schutzes der Schwachen im Kollisionsrecht nicht auf die eigenen Staatsangehörigen beschränken darf u n d daher einseitig gefaßte Schutznormen, soweit sie lediglich privaten Interessen dienen, zu allseitigen Normen ausgedehnt werden müssen 1 1 4 , so hielt m a n doch früher solche Schutzvorschriften meist f ü r ein Inländerprivileg. Diese Yerkoppelung von Schutzmotiv u n d Privilegierungsgedanken zeigt sich in unserem Fall ganz deutlich in der Begründung, die Gebhard für die einseitige Formulierung seiner generellen Rückgriffsklausel (§ 24 seines Entwurfs) gegeben hat 1 1 5 . Sieht m a n demgegenüber im familienrechtlichen Anknüpfungsrückgriff ein Mittel zur Wahrung der Staatsangehörigkeitseinheit der Familie, dann entfällt von vornherein auch die Versuchung, ihn zu einem reinen Inländerprivileg zu stempeln. I n der Frage der Auslegung als allseitige Kollisionsnormen zwischen den eherechtlichen Klauseln und denen des Kindschaftsrechts zu unterscheiden, erscheint mir (zumindest im ursprünglichen System des E G B G B ) nicht gerechtfertigt. Die einzige Begründung, die sich dafür anführen ließe - die angeblich unterschiedliche Intensität der Familienbande in beiden Bereichen - haben wir schon oben zurückgewiesen. Es m u ß auch auffallen, daß die Vertreter einer solchen Unterscheidung zu entgegengesetzten Folgerungen gelangen und teils ausschließlich die eherechtlichen Klauseln (Wolff, Kegel), teils gerade umgekehrt jene des Kindschaftsrechts (Habicht, Neubecker), zu allseitigen Normen ausbauen wollen. Das zeigt doch wohl auch, daß es für eine solche Differenzierung keine glaubwürdige Begründung gibt. Der gleichartige Zweck aller familienrechtlichen Rückgriffsvorschriften des deutschen Rechts verlangt vielmehr ihre gleichmäßige Auslegung als allseitige Kollisionsnormen 1 1 6 : zumindest die Vorschriften der Artt. 14 I I , 19 Satz 2 u n d 20 Satz 2 sind auf den einseitigen Staatswechsel ausländischer Männer, Eltern oder unehelicher Mütter entsprechend anzuwenden 1 1 7 ; die besondere Situation bei Art. 17 I I I n. F. wird uns noch beschäftigen. in Ygj Charles Knapp, Essai sur la sauvegarde de l'ordre public et la protection des faibles en d. i. p.: Mélanges François Guisan (1950) 191-231. 116 Oben S. 695. 116 Das entspricht im Ergebnis dem Prinzip, das den Entwürfen von Mommsen (oben N. 23) und von Neumann (oben N. 30) zugrunde liegt, nur daß hei Mommsen noch der Gedanke des favor personae hinzukam. 117 Daraus, daß wir die Auffassung der Rückgriffsvorschriften als exklusive Inländerschutznormen ablehnen, ergibt sich auch eine wichtige Folge für ihre Anwendung auf Staatenlose. Die allgemeine Ansicht in Deutschland geht näm-
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b) Ausbau zu „paritätischen"
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Kollisionsnormen?
I m Gegensatz zu der ersten Frage ist diese (immer unter Außerachtlassung des Gleichberechtigungsprinzips) zweifellos zu verneinen. Eine analoge Anwendung der Rückgriffsklauseln auf den einseitigen Staatswechsel der Frau oder des Kindes findet - selbst wenn diese ursprünglich Deutsche waren und das Familienhaupt seinerseits Deutscher geblieben ist - im ursprünglichen Anknüpfungssystem des E G B G B keine Stütze. Hier ist grundsätzlich das Recht des Familienhaupts maßgebend, und eben deshalb erklären die Rückgriffsklauseln einen ungerechtfertigten (weil einseitigen) Staatswechsel des Familienhaupts ausnahmsweise für kollisionsrechtlich irrelevant. Die StA des abhängigen Familienglieds ist dagegen primär nicht entscheidend, ihr Wechsel hat unmittelbar auf das Familienstatut keinen Einfluß. Es wäre daher praktisch sinnlos, bei einseitigem Staatswechsel des abhängigen Familienglieds den Rückgriff auf das bisher gemeinsame H R anzuordnen, da dieses ja ohnehin nach der Regelnorm (als gegenwärtiges H R des Familienhaupts) zur Anwendung kommt; dogmatisch aber bedeutete der Anknüpfungsrückgriff hier einen Verstoß gegen das maßgebende Anknüpfungsprinzip (Vorherrschaft des Rechts des Familienhaupts), da das bisher gemeinsame H R hier - analog dem Sinn der Rückgriffsbestimmungen - nicht etwa als Recht des Familienhaupts, sondern als (früheres) Recht des abhängigen Familiengliedes zur Anwendung käme. Der familienrechtliche Anknüpfungsrückgriff ist im E G B G B ausschließlich als Gegengewicht gegenüber der grundsätzlichen Maßgeblich dahin, daß bei Staatenlosen nur dann nach Art. 29 der gewöhnliche Aufenthalt an die Stelle der fehlenden StA tritt, wenn die StA in einer allseitigen oder einer allseitig zu interpretierenden einseitigen Kollisionsnorm als Anknüpfungspunkt dient, daß dagegen Exklusivsätze oder spezielle Vorbehaltsklauseln zugunsten Staatenloser nicht angewandt werden können (vgl. für viele: Baape, Komm. 775 f., IPR 53; Kegel, Bern. II 3 zu Art. 29). Soweit in den Rückgriffsvorschriften Exklusivsätze zum Schutze deutscher Frauen und Kinder gesehen werden, wird daher häufig auch ihre Anwendbarkeit auf staatenlose Frauen oder Kinder mit deutschem Aufenthalt (d. h. mit deutschem Personalstatut) abgelehnt (vgl. Kegel, Bern. I 3 zu Art. 19, I 2 zu Art. 20; Beitzke] oben N. 83 [Bern. 2 zu Art. 29 [betr. Artt. 19 Satz 2, 20 Satz 2]). Dem ist von unserem Standpunkt aus zu widersprechen. Sind die Rückgriffsklauseln keine Inländerschutzklauseln, sondern allseitiger Anwendung zugänglich, so sind sie unmittelbar auch dann anzuwenden, wenn das abhängige Familienglied staatenlos mit deutschem Aufenthalt ist, und sie finden entsprechende Anwendung auf staatenlose Frauen oder Kinder mit ausländischem Aufenthalt.
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lichkeit des Rechts des Familienhaupts konzipiert und muß daher auf dessen Staatswechsel beschränkt bleiben. Bezeichnenderweise ist eine paritätische Auslegung vor dem Auftreten des Gleichberechtigungsproblems auch nur für Art. 14 I I vertreten worden, und auch hier nur von einem Autor (M. Wolff), der in Art. 14 I nicht die Vorherrschaft des Mannesrechts ausgedrückt findet118. Sieht man dagegen, wie wir, auch in Art. 141 den Willen zur Anknüpfung an das Recht des Familienhaupts, dann ist selbst diese Lücke für eine paritätische Ausgestaltung des Anknüpfungsrückgriffs verschlossen. c) Rückgriff auch bei beiderseitigem Staatswechsel in verschiedener Richtung?
Auch hier können wir uns kurz fassen. Will man sich nicht über den Wortlaut unserer Vorschriften hinwegsetzen, dann käme ihre Anwendung auf den Fall, daß beide Parteien ihre bisher gemeinsame StA in unterschiedlicher Richtung wechseln, ohnehin nur dann in Betracht, wenn die Parteien früher Ausländer waren; denn waren sie Deutsche, dann wollen die Rückgriffsbestimmungen nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut nicht eingreifen. Wie jedoch schon angedeutet, widerspräche es auch dem Sinn der Bestimmungen, selbst dann auf das früher gemeinsame Recht zurückzugreifen, wenn keiner der Beteiligten mehr die frühere StA besitzt; das gilt ohne Rücksicht darauf, ob sie früher beide Deutsche waren oder gemeinsam einem fremden Staat angehört haben. Dem Familienhaupt kann berechtigterweise nur solange eine Pflicht zur Wahrung der Staatsangehörigkeitseinheit der Familie auferlegt werden, als auch das abhängige Familienglied an dieser Einheit festhält. Durchbrechen dagegen Frau oder Kind auch ihrerseits einseitig die familiäre Staatsangehörigkeitsgemeinschaft, dann wird der Mann oder Vater von seiner Treupflicht frei; daß auch er für sich allein den bisher gemeinsamen Staatsverband verlassen hat, erscheint in diesen Fällen nicht mehr als ungerechtfertigt und ist daher kollisionsrechtlich zu beachten; dem Motiv des Anknüpfungsrückgriffs ist hier der Grund entzogen. Eine Ausdehnung der Rückgriffsvorschriften des EGBGB auf diesen Sachverhalt wird daher mit Recht allgemein abgelehnt, auch von solchen Autoren, die in anderer Richtung deren erweiternde Auslegung befürworten. 118 Oben S. 683. Die im Ergebnis übereinstimmende Ansicht von Nußbaum. beruht, wie gezeigt, nicht auf Analogie zu Art. 14 II; vgl. oben S. 682.
700 d) Anknüpfungsrückgriff (Art. 17) ?
BERNHARD AUBIN
RABELSZ
bei der Bestimmung des Scheidungsstatuts
Wie wir sahen, war Art. 17 I I I vor der Neufassung von 1941 eine Rückgriffsvorschrift der gleichen Art wie A r t t . 14 I I , 19 Satz und 20 Satz 2 119 . Die Neufassung, mit der ein schon in Art. 1 des „Frauenscheidungsgesetzes" vom 24. 1. 1935 verwirklichter Gedanke (mit einer gewissen Erweiterung) unmittelbar in Art. 17 herübergenommen wurde, sollte die scheidungswillige deutsche Frau eines Ausländers vor der Anwendung eines Scheidungsstatuts bewahren, das weniger scheidungsfreundlich als das deutsche Recht ist (allerdings wird damit auch in Kauf genommen, daß ihr ein noch scheidungsfreundlicheres fremdes Recht nicht zugute kommt). Das ist etwas ganz anderes als die früher hier zum Ausdruck gebrachte Sanktion der Treupflicht des Familienhaupts gegenüber der gemeinsamen StA der Familie. Daher wird heute f ü r die Anwendung von Art. 17 I I I auch nicht verlangt, daß die F r a u unmittelbar nach Eheschließung Deutsche war 1 2 0 , und noch weniger, daß der Mann irgendeinmal Deutscher gewesen ist; insoweit geht der Anwendungsbereich der heutigen Vorschrift über den der früheren Fassung hinaus. Wenn Art. 17 I I I n. F . das deutsche Recht als Scheidungsstatut beruft, bedeutet das auch keinen Anknüpfungsrückgriff; das deutsche Recht ist hier nicht als früheres Mannesrecht, sondern als gegenwärtiges H R der F r a u maßgebend. Das früher in Art. 17 I I I ausgedrückte Prinzip des Anknüpfungsrückgriffs bei einseitigem Staatswechsel des Mannes ist hier demnach heute nicht mehr enthalten. Sollte es aber für den Bereich des Scheidungsstatuts durch die Neufassung ganz aufgegeben worden sein ? Das ist kaum anzunehmen, denn weder macht die neue Bestimmung den Rückgriff überflüssig, noch steht sie zu ihm in Widerspruch. Sie macht ihn nicht überflüssig, denn wenn sie auch z . T . den alten Anwendungsbereich der Vorschrift ausdehnt, schränkt sie ihn andererseits doch wieder ein, da sie das deutsche Recht 119
Vgl. oben S. 663 mit N. 8 und 9 sowie S. 665 f. Das stand allerdings auch früher nicht in Art. 17 III, der vielmehr nur forderte, daß die Frau „Deutsche ist". Wie aber oben S. 666 gesagt, mußte diese Vorschrift in Übereinstimmung mit den übrigen familienrechtlichen Rückgriffsklauseln des EGrBGB dahin ausgelegt werden, daß zu ihrer Anwendung ein fortdauernder Besitz der deutschen StA der Frau notwendig war, und es konnte sich dabei sinngemäß nur um den fortdauernden Besitz seit der Eheschließung handeln, vgl. oben S. 664 und S. 692. 120
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nur auf die Klage der Frau anwendbar sein läßt. Nur dann also, wenn von früher beiderseits deutschen Gatten der Mann eine andere StA angenommen hat und die Frau Deutsche geblieben ist und sie nun auf Scheidung klagt, kommt die neue Bestimmung - wenn auch aus anderen Gründen und auf anderen Wegen - praktisch zum gleichen Ergebnis wie die alte Regelung 121 . Ist es dagegen (bei sonst gleicher Sachlage) der Mann, der die Scheidung begehrt, dann greift Art. 17 I I I n. F. nicht ein. Soll hier die Regelvorschrift des Art. 17 I angewandt werden und daher - im Gegensatz zu der vor 1941 geltenden Bestimmung - nicht das frühere (deutsche), sondern das gegenwärtige (ausländische) H R des Mannes maßgebend sein ? Das ist in der Tat die herrschende Ansicht 122 , aber die Idee des Anknüpfungsrückgriffs wird damit aufgegeben. Das muß befremden, da das Rückgriffsprinzip dem in der Neufassung des Art. 17 I I I verwirklichten Gedanken nicht widerspricht und beide sehr wohl nebeneinander bestehen können. I n keinem der vom neuen Wortlaut erfaßten Fälle (Klage der deutschen Frau) würde die alte Fassung - gälte sie gleichzeitig neben der neuen weiter - zu einem anderen Ergebnis führen, da sie entweder nicht eingriffe oder auch ihrerseits auf das deutsche Recht verwiese. Ein Konflikt zwischen den beiden Prinzipien besteht selbst dann nicht, wenn man der Rückgriffsanordnung die Bedeutung einer allseitigen Kollisionsnorm beilegt. Denn das führte nur dann zur Maßgeblichkeit ausländischen Rechts, wenn die Frau gegenwärtig nicht Deutsche ist, sondern ihre ausländische StA behalten hat. Tatsächlich hat das positive deutsche Kollisionsrecht ja auch jahrelang beide Prinzipien nebeneinander enthalten: neben Art. 1 des „Frauenscheidungsgesetzes" mit seiner Begünstigung der scheidungswilligen deutschen Frau galt bis 1941 Art. 17 I I I in seiner alten Fassung weiter, ohne daß jemand in diesem Nebeneinander eine Konfliktsquelle gesehen hätte. 121 Vgl. auch Baape, I P R 3 (1950) 194 N. 54, der allerdings die Beschränkung der Neufassung auf die Klage der Frau in diesem Zusammenhang nicht erwähnt; in der 4. Aufl. ist der Hinweis gestrichen. Auch bei der fraglichen Sachlage ist die Übereinstimmung im Ergebnis übrigens nicht vollkommen. Zwar führen hier sowohl die alte wie die neue Fassung von Art. 17 III zur Anwendung deutschen Rechts. Es kann aber einen Unterschied machen, ob das deutsche Recht als früheres (Mannes-) Recht oder als gegenwärtiges (Frauen-)Recht zur Anwendung kommt: dann nämlich, wenn sich das deutsche Recht zwischenzeitlich geändert hat. 122 Maßfeiler, Deutsches Recht 11 (1941) II 2535; Baape, I P R 292 Nr. 6.
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Zeitschrift für internat. Privatrecht. H. 3/4 (Jahrg. 23)
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Es ist daher nicht einzusehen, warum der Gesetzgeber bei der Einarbeitung des (modifizierten) Art. 1 des „Frauenscheidungsgesetzes" in das E G B G B die alte Rückgriffsklausel fallenlassen hat 1 2 3 . Auf keinen Fall k a n n ihr sachlicher Gehalt damit aus Art. 17 eliminiert worden sein. Der Anknüpfungsrückgriff gehört zu den konstruktiven Prinzipien des deutschen internationalen Familienrechts (zumindest, soweit m a n den Gleichberechtigungssatz zunächst außer Betracht läßt) und k a n n durch einen sachlich nicht motivierten Verzicht auf seine Erwähnung in einer einzelnen Vorschrift nicht einfach beseitigt werden, solange er in den übrigen einschlägigen Vorschriften (Artt. 14,19 u n d 20) fortbesteht. Vielmehr ist m. E. von einer Fortgeltung des Prinzips des Anknüpfungsrückgriffs im R a h m e n des Art. 17 auszugehen, d. h. sachlich (wenn auch nicht formal) von einem Weiterbestehen des alten Art. 17 I I I neben der Neufassung, soweit diese nicht schon zum gleichen Ergebnis f ü h r t . Methodisch kann diese Ansicht zwar nicht auf eine Analogie zu dem neugefaßten Art. 17 I I I gestützt werden, dem ein ganz anderes gesetzgeberisches Motiv zugrundeliegt; sie ergibt sich aber aus einer Rechtsanalogie zu den übrigen, auch heute noch bestehenden Rückgriffsklauseln des E G B G B (Artt. 14 I I , 19 Satz 2, 20 Satz 2), die den Gedanken des Anknüpfungsrückgriffs als ein allgemeines Prinzip des deutschen internationalen Familienrechts zum Ausdruck bringen. Danach ist deutsches Recht auch dann f ü r die Scheidung maßgebend, wenn von beiderseits früher deutschen Gatten der Mann nach Erwerb einer fremden StA gegen die deutsch gebliebene F r a u klagt. Darüber hinaus aber muß, entsprechend den für die übrigen Rückgriffsbestimmungen angestellten Erwägungen, auch die in Art. 17 hineinzudenkende Rückgriffsklausel als allseitige Kollisionsnorm verstanden werden. Das heißt: auch wenn von ausländischen Gatten der Mann allein eine andere ausländische oder deutsche StA erworben hat, ist auf die Scheidung, gleich wer sie begehrt, das frühere fremde H R des Mannes anzuwenden. 8. D e r A n k n ü p f u n g s r ü c k g r i f f u n d die G l e i c h b e r e c h t i g u n g von Mann u n d F r a u Wir haben bisher die Rückgriffsklauseln des deutschen internationalen Familienrechts allein aus dem ursprünglichen System des 123
Auch die Erläuterungen zu der Neufassung des Art. 17 III von Maßfeller (vorige Note) 2534 f. und von Rexroth, Deutsche Justiz 103 (1941) 1087, geben darüber keinen Aufschluß.
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EGBGB heraus interpretiert. Bekanntlich besteht in Deutschland heute eine Kontroverse darüber, ob sich dieses System, das im internationalen Eherecht auf dem Primat des Mannesrechts beruht, noch mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter verträgt, den Art. 3 II des Bonner Grundgesetzes neu in die deutsche Rechtsordnung eingeführt hat 124 . Zu dieser Frage soll hier nicht Stellung genommen werden. Folgt man der überwiegenden Ansicht, die sie bejaht, dann werden auch unsere bisher getroffenen Feststellungen über Sinn und Ausdehnungsmöglichkeiten der eherechtlichen Rückgriffsvorschriften vom Grundsatz der Gleichberechtigung nicht berührt. Anders dagegen, wenn man sich auf den Boden der Auffassung stellt, die eine Anpassung der deutschen Kollisionsnormen an das Gleichberechtigungsprinzip durch Einführung eines paritätischen Anknüpfungssystems im Eherecht fordert125. Der Anknüpfungsrückgriff des deutschen internationalen Familienrechts ist mit dem ursprünglichen Anknüpfungssystem des EGBGB aufs engste verbunden. Er bildet hier ein Korrektiv zu der grundsätzlichen Vorherrschaft des Rechts des Familienhaupts, die er in bestimmten Fällen im Interesse der Wahrung jener Staatsangehörigkeitseinheit der Familie mildert, welche das EGBGB als Grundlage für die kollisionsrechtliche Familieneinheit voraussetzt oder doch anstrebt. Er verliert dagegen seinen Sinn, wenn man diese Vorherrschaft beseitigt. Eine paritätische Anknüpfung, welche die verschiedenen Heimatrechte beider Gatten koppelt, kumuliert oder alternativ anwendet128, verzichtet von vornherein auf den Gedanken der kollisionsrechtlichen Familieneinheit und hat damit auch die Wahrung der familiären Staatsangehörigkeitsgemeinschaft nicht nötig. In einem Anknüpfungssystem, das die Verschiedenheit der Nationalität der einzelnen Familienglieder im voraus einkalkuliert, steht dem Familienhaupt - auch vom kollisionsrechtlichen Standpunkt aus - jeder Staatswechsel frei; hinzu kommt, daß bei Anwendung des Gleichberechtigungsprinzips auf das Staatsangehörigkeitsrecht die Begründung des ehelichen Bandes eine Staatsangehörig124
Übersicht über den Streitsfcand bei Müller-Freienfels (oben N. 88) 142 f. Bei einer „neutralen" Anknüpfung - etwa an den Ehewohnsitz oder den Ort der Eheschließung — stellt sich unser Problem nicht. 12« w i r erwähnen hier unter den paritätischen Anknüpfungen nicht besonders die primäre Anknüpfung an das gemeinsame HR der Beteiligten, da sie für sich allein keine Bedeutung hat. Erst bei verschiedener StA zeigt sich, welches Anknüpfungsprinzip der Gesetzgeber eigentlich zugrunde legt; vgl. oben S. 666 f. 48* 126
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keitsgemeinschaft nicht ohne weiteres herbeiführt. Der einseitige Staatswechsel eines Gatten kann hier niemals ungerechtfertigt sein, und so besteht auch kein Anlaß, ihn durch eine Ausnahme Vorschrift für kollisionsrechtlich unbeachtlich zu erklären. Der Anknüpfungsrückgriff im Familienrecht des E G B G B steht und fällt eben mit dem Primat des Rechts des Familienhaupts. Gibt man dieses Primat im internationalen Eherecht auf, dann verlieren hier auch die Rückgriffsbestimmungen - jedenfalls so, wie sie das E G B G B konzipiert hat, nämlich als Vorschriften zur Vermeidung eines ungerechtfertigten Statutenwechsels - ihre Grundlage; berechtigt bleibt der Rückgriff dann nur noch im Kindschaftsrecht (Artt. 19 Satz 2, 20 Satz 2). Darin liegt auch die oben (S. 667) ausgesparte Begründung dafür, daß Art. 14 I (zumindest in seiner ursprünglichen Bedeutung) im Sinne der Maßgeblichkeit des Mannesrechts gelesen werden muß. Die anschließende Rückgriffsklausel des Abs. 2, die keine andere Bedeutung haben kann wie die übrigen familienrechtlichen RückgrifFsbestimmungen des EGBGB, hätte aus den oben genannten Gründen hier keinen legitimen Platz, wenn Abs. 1 nicht die Maßgeblichkeit des Mannesrechts anordnete oder doch voraussetzte.
Damit ist noch nicht gesagt, daß im Zeichen kollisionsrechtlicher Gleichberechtigung auf jeden Anknüpfungsrückgriff verzichtet werden müßte. Auch wo mit Rücksicht auf das Gleichberechtigungsprinzip im deutschen Kollisionsrecht die primäre Maßgeblichkeit des Mannesrechts aufgegeben wird, läßt sich natürlich für den Fall verschiedener StA der Gatten der Rückgriff auf ihre früher etwa bestehende gemeinsame StA im Sinne des Grundsatzes des letzten gemeinsamen H R anordnen, also jene Lösung befolgen, die de lege lata schon früher von Nußbaum (für Art. 14) vertreten worden ist 127 und die sich neuerdings auch Beitzke (für Art. 14 und 17) zu eigen macht 1 2 8 . Die Anwendung des Grundsatzes des letzten gemeinsamen H R würde allerdings, wie hier nochmals betont werden muß, eine Neuerung für das deutsche Kollisionsrecht bedeuten, nämlich den Übergang zu einem Anknüpfungsrückgriff von ganz anderem Typ, als ihn die familienrechtlichen Rückgriffsbestimmungen des E G B G B 127
Oben S. 682. Oben S. 684. Wie dort bemerkt, operiert Beitzke allerdings auf doppeltem Boden, indem er sowohl den Grundsatz des letzten gemeinsamen HR vertritt als auch eine paritätische Auslegung der Rückgriffsklauseln des Gesetzes befürwortet; letzteres erscheint nicht haltbar, da man m. E. nicht gleichzeitig die kollisionsrechtliche Gleichberechtigung und die Fortgeltung der bisherigen Rückgriffsvorschriften vertreten kann. 128
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bisher ins Auge gefaßt haben, und bedürfte daher eingehender Prüfung unter rechtspolitischen Gesichtspunkten. Bejaht man diese Maßnahme, dann wäre es ein Gebot der Sachlogik, den Grundsatz des letzten gemeinsamen HR auch in seinem vollen Umfang zu übernehmen, d. h. als subsidiäre Anknüpfung für jeden Fall nachträglicher Verschiedenheit der StA der Gatten. Wer Gleichberechtigung im internationalen Eherecht anstrebt, hat daher - auf der Basis des Staatsangehörigkeitsprinzips - m. E. nur die Wahl zwischen dem Verzicht auf jeden Anknüpfungsrückgriff und seiner Anerkennung im vollen Ausmaß des Grundsatzes des letzten gemeinsamen Heimatrechts; tertium non datur. Makarov hat kurz vor dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgrundsatzes sozusagen als minimale Anpassung des Art. 14 I I an die neue Rechtslage (mit dem ausdrücklichen Bemerken, daß alle übrigen Fälle divergierender Staatsangehörigkeit der Ehegatten offenblieben) folgende paritätische Fassung der Vorschrift vorgeschlagen 129 : „Die deutschen Gesetze finden auch Anwendung, wenn ein Ehegatte die deutsche Staatsangehörigkeit verloren, der andere sie aber behalten hat."
Der gleiche Vorschlag findet sich dann auch im 1. Regierungsentwurf (1952) zum Gleichberechtigungsgesetz130 - irrtümlich als Ausdruck einer schon bestehenden Rechtsauffassung 131 . Auch von Kegel, Beitzke und Marquordt wird diese Lösung schon jetzt in Art. 14 II hineingelesen132. Vom Boden des bisher in dieser Vorschrift 129
Makarov, wie oben N. 95. Art. 14 II EGBGB in der Passung des 1. Entwurfs zum Gleichberechtigungsgesetz: „Die deutschen Gesetze sind auch anzuwenden, wenn ein Ehegatte die deutsche Staatsangehörigkeit verloren, der andere sie aber behalten hat." 131 Die amtlichen Motive zum Regierungsentwurf sagen: „Im Hinblick auf die heutige Auslegung des Art. 14 EGBGB bedeutet dies [sc. die „paritätische" Umformung von Art. 14 II] keine sachliche Änderung." Aber die einzige einschlägige Entscheidung (OLG Stuttgart 24. 9. 1932, vgl. oben S. 678) steht auf dem entgegengesetzten Standpunkt, der auch von dem bis 1952 vorliegenden Schrifttum ganz überwiegend geteilt wurde. Von den Autoren, deren Meinung damals für den Regierungsentwurf hätte angeführt werden können, äußert sich Makarov eindeutig de lege ferenda, Nußbaum stützt sich nicht auf eine Auslegung von Art. 14 II, sondern auf Analogie zu Art. 9 des Haager Ehewirkungsabkommens, und Wolff vertritt (über den Regierungsvorschlag hinaus) auch die Auslegung der Vorschrift als allseitige Kollisionsnorm. Was der Regierungsentwurf vorschlug, war in der Tat eine rechtspolitische Neuerung. 132 Oben S. 683 f. 130
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verkörperten Rechtsgedankens aus, dessen Abhängigkeit vom Primat des Mannesrechts wir gezeigt haben, läßt sich ein paritätischer Anknüpfungsrückgriff nicht rechtfertigen. Der Grundsatz des letzten gemeinsamen H R andererseits, der im Zeichen einer kollisionsrechtlichen Gleichbehandlung von Mann und Frau allein noch den Rückgriffsgedanken tragen könnte, hat zwar paritätischen Charakter, beschränkt jedoch den Anknüpfungsrückgriff weder auf Inländer noch auf den Fall einseitigen Staatswechsels eines der beiden Beteiligten. Eine bloß paritätische Erweiterung des bisherigen Umfangs des Art. 14 II, ja selbst seine zusätzliche Erweiterung zur allseitigen Kollisionsnorm (die wenigstens Kegel befürwortet), können daher als Lösung nicht befriedigen. Will man im Zeichen der Gleichberechtigung überhaupt am Anknüpfungsrückgriff festhalten, dann muß man ihn nicht nur auf Mann und Frau und auch nicht nur auf In- und Ausländer anwenden, sondern auch ohne Rücksicht darauf, ob einer der Gatten die früher gemeinsame StA behalten hat oder nicht; es gibt eben gewisse innere Sachgesetzlichkeiten der kollisionsrechtlichen Lösungsmodelle - so hier des Grundsatzes des letzten gemeinsamen H R - , über die man sich nicht gut wegsetzen kann. Damit bleibt immer noch die Frage offen, ob die Einführung dieses Grundsatzes in Deutschland überhaupt erstrebenswert ist. Das ist aber, wie mir scheint, zu verneinen. Zwar unterscheidet sich der Grundsatz des letzten gemeinsamen H R in seinen Konsequenzen nur in einem Fall entscheidend von den familienrechtlichen Rückgriffsvorschriften des E G B G B (soweit man diese, wie wir es befürworten, als allseitige Kollisionsnormen auslegt), nämlich dann, wenn keiner der Beteiligten dem früheren gemeinsamen Heimatstaat mehr angehört. Aber gerade in diesem Fall zeigt sich das Bedenkliche jenes Grundsatzes, der hier zur Anwendung eines Rechtes führt, zu dem der anzuknüpfende Sachverhalt in dem normalerweise maßgebenden Anknüpfungszeitpunkt keinerlei Beziehung mehr aufweist 133. So dürfte eine egalitäre Lösung des Anknüpfungsproblems bei national gemischten Ehen - wenn man eine solche überhaupt für erforderlich hält - generell auf anderer Ebene zu suchen sein; bei den 133 Aus diesem Grunde spricht sich auch Hölle, Festgabe für Erich Kaufmann (1950) 41 f., de lege ferenda gegen die Übernahme des Grundsatzes des letzten gemeinsamen HR in Artt. 14 und 17 aus; ebenso schon früher (im Zusammenhang mit der Auslegung der positiven familienrechtlichen Rückgriffsvorschriften des EGBGB) Baape Komm. 279 f. Ablehnend auch Müller-Freienfels (oben N. 88) 145.
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bekannten Schwierigkeiten der Kumulation oder Koppelung der Heimatrechte beider Gatten liegt der Gedanke einer subsidiären Anknüpfung an ihren (gemeinsamen) Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nahe, notfalls an den Ort der Eheschließung - sofern man das Problem nicht durch gänzlichen Verzicht auf das Staatsangehörigkeitsprinzip überhaupt zum Verschwinden bringen will. Das zu erörtern ist hier nicht der Platz. Für den Anknüpfungsrückgriff jedenfalls - selbst im Gewand des „Grundsatzes des letzten gemeinsamen Heimatrechts" - sehe ich im System der ehelichen Gleichberechtigung keine Verwendung. FUNDSTELLEN DER ZITIERTEN URTEILE RG
19. 6. 1913
WarnRspr. 6 (1913) 521 Nr. 429 = NiemZ 24 (1914) 319
RG BayObLG
10. 7. 1913 22. 4. 1922
WarnRspr. 6 (1913) 522 Nr. 430
27. 5. 1927 KG OLG Braunschweig 19. 1. 1913 OLG Celle 11. 2. 1949 OLG Colmar OLG Dresden
12. 7. 1905 16. 1. 1900
OLG Dresden
28. 6. 1926
OLG Karlsruhe
26. 11. 1926
OLG Kiel
24.
OLG Köln OLG Stuttgart
10. 7. 1905 31. 3. 1905
OLG Stuttgart
24. 9. 1932
LG Göttingen
15. 12. 1948
LG Göttingen
29. 10. 1949
AG Schweinfurt
10. 4. 1949
1. 1931
BayObLGE 22 (1922) 69 = OLGR 42 (1922) 126 J W 57 (1928) 73 = IPRspr. 1928 Nr. 8 OLGR 26 (1913 I) 232 MDR 3 (1949)357 = IPRspr. 1945-1949 Nr. 5b Els.Loth.JZ 31, 271 Sachs. Annalen 21, 309 = OLGR 1 (1900) 484 Nr. 17 Sachs. Arch. f. Rpfl. 4, 106 Nr. 184 = IPRspr. 1926-27 Nr. 78 FGJahrb 4 (1927) 67 = NiemZ 37 (1927) 388 = IPRspr. 1926-1927 Nr. 85 J W 61 (1932) 599 = H R R 7 (1931) Nr. 1320 = IPRspr. 1931 Nr. 64 = BllntPr 6 (1931) 209 = BuUInstlntermed 25 (1931) 322 Nr. 6999 Rhein. Arch. 102 I, 88 OLGR 11 (1905 II) 287 = NiemZ 16 (1906) 283 = Clunet 34 (1907) 451 = Rev. Darras 1908, 264 J W 62 (1933) 2072 = IPRspr. 1933 Nr. 30 MDR 3 (1949) 356 = IPRspr. 1945-1949 Nr. 5a IPRspr. 1945-1949 Nr. 6 NJW 3 (1950) 607 = IPRspr. 1945-1949 Nr. 7
DER DEUTSCHE
STAATSANWALT
IM S T A T U S P R O Z E S S V O N
AUSLÄNDERN
V o n GÜNTHER BEITZKE
Göttingen * Das deutsche Recht kennt eine Mitwirkung des Staatsanwalts in Statussachen bei allen Arten des Eheverfahrens (ZPO §§ 607, 632, 634, 638), im Kindschaftsprozeß (ZPO § 640), im Entmündigungsverfahren (ZPO §§ 646 II, 652, 675, 678, 679) - außer bei Entmündigung wegen Verschwendung oder Trunksucht (ZPO § 680) - und in Verfahren auf Todeserklärung oder Feststellung der Todeszeit (VerschG §§ 16, 17, 25, 28, 30, 32, 40); dagegen gibt es keine Beteiligung des Staatsanwalts im Verfahren auf bindende Feststellung des Namens, da diese (entgegen Art. 92 des Bonner Grundgesetzes, der die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut) gemäß § 8 des Namensänderungsgesetzes vom 5. 1. 1938 noch heute allein durch die Verwaltungsbehörde erfolgt, welche das öffentliche Interesse selbst wahrnimmt. Die Beteiligung der Staatsanwaltschaft am Verfahren ist im einzelnen unterschiedlich geregelt. Geht es um eine Umgestaltung des Status, so ist ihr teilweise ausdrücklich das Recht zugestanden, den das Verfahren einleitenden Antrag zu stellen oder die Klage zu erheben (Entmündigung und deren Aufhebung, Todeserklärung und deren Aufhebung, Ehenichtigkeitsklage, Anfechtung der Ehelichkeit). Dem entspricht dann das Recht, das Verfahren zu betreiben, Anträge zu stellen und Rechtsmittel einzulegen (ZPO §§ 634, 652). Im Verfahren auf Scheidung und Aufhebung der Ehe oder Herstellung des ehelichen Lebens ist der Staatsanwalt auf das Recht beschränkt, vom Termin benachrichtigt zu werden, an ihm teilzunehmen und sich gutachtlich zu äußern; neue Tatsachen und * Abgekürzt werden zitiert: Dölle, Zur Behandlung der bigamischen Ehe i m I P R : Festschrift für Boehmer (1954) 134-144; Frankenstein, I P R I (1926), I I I (1934), IV (1935); GamiUscheg, Die Anfechtung der Ehelichkeit durch den Staatsanwalt: RabelsZ 21 (1956) 257-269; Kegel bei Soergel, BGB 8 IV (1955).
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Beweismittel kann er nur zur Aufrechterhaltung der E h e vorbringen (ZPO § 607). Geht es dagegen u m Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Ehe (ZPO § 638) oder eines Kindschaftsverhältnisses (ZPO § 640), so ist zwar dem Staatsanwalt nicht das Recht gegeben, die Klage selbst zu erheben. Wohl aber kann er, wenn ein Ehegatte oder Kind die Klage erhoben hat, nunmehr wegen des öffentlichen Interesses an Klärung des Status den Rechtsstreit selbst betreiben (ZPO §§ 634, 638, 640). Es ist n u n fraglich, ob u n d inwieweit die Staatsanwaltschaft auch im Statusverfahren von Ausländern vor deutschen Gerichten tätig werden kann. Diese Frage, welche bisher nur gelegentlich f ü r Einzelpunkte erörtert worden ist soll hier zusammenfassend geprüft werden. Die Schwierigkeiten der Problematik liegen nicht nur in der Verquickung von materiellem Recht und Prozeßrecht, sondern zugleich in der Parteistellung der Staatsanwaltschaft als Behörde in einem Prozeß, welcher nicht nur private Rechte feststellt, sondern auch umgestaltet. I. D i e e i n z e l n e n F ä l l e 1. Am wenigsten Schwierigkeiten bereitet die Todeserklärung. Hier können deutsche Gerichte in bestimmten Fällen eines besonderen inländischen Rechtsschutzbedürfnisses (§ 12 VerschG) Ausländer für tot erklären, und zwar auch auf Antrag des deutschen Staatsanwaltes. Die Todeserklärung erfolgt aber ausschließlich nach inländischem Recht. Das anwendbare materielle Recht, das Verfahrensrecht und das die Stellung der Staatsanwaltschaft regelnde Recht decken sich vollauf. Ebenso steht es bei der Todeserklärung nach dem in der UNO zustande gekommenen internationalen Abkommen vom 6. 4. 1950. Das Abkommen ist durch das deutsche Beitrittsgesetz vom 7. 7. 1955 ( B G B I I I 701) innerdeutsches Recht geworden. Soweit Art. 3 vorsieht, daß ein Antrag auf Todeserklärung - auch für Ausländer - von „einer mit der Wahrung des öffentlichen Interesses beauftragten Behörde", also bei uns der Staatsanwaltschaft, gestellt werden kann, decken sich ebenfalls materielles Recht, Verfahrensrecht und das die Stellung der Staatsanwaltschaft regelnde Recht. 2. Beim Entmündigungsverfahren liegen die Dinge ähnlich. Soweit im Inland eine Entmündigung von Ausländern erfolgt, geschieht 1
Dölle 134 ff. für die Ehenichtigkeitsklage; Gamillscheg 258 ff.
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dies zufolge Art. 8 E G B G B nach deutschem Recht, weil die Entmündigung nicht nur dem Schutz des Entmündigten selbst, sondern zugleich dem Schutze des inländischen Rechtsverkehrs und dem Schutze der Familienangehörigen des zu Entmündigenden dient, welche auch bei Entmündigung eines Ausländers Inländer sein können. Das materielle Recht, das Verfahrensrecht und das für die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft maßgebende Recht decken sich wieder 2 . Etwas anders steht es bei einer Entmündigung nach dem Haager Abkommen von 1905. Wenn hier die Entmündigung eines Ausländers im Aufenthaltsstaat erfolgen soll, weil der Heimatstaat sich seiner nicht annimmt (Art. 6), so kann der Entmündigungsantrag nur von solchen Personen gestellt werden, welche sowohl nach dem Heimatrecht als auch nach dem Aufenthaltsrecht dazu befugt sind (Art. 7). Soweit dabei eine Behörde als Antragsteller in Betracht kommt, muß es aber nicht in beiden Staaten genau dieselbe Behörde sein; es genügt, daß nach beiden Rechtsordnungen überhaupt eine Behörde zur Stellung des Antrages befugt ist, damit die nach dem Recht des Aufenthaltsstaates zuständige Behörde den Entmündigungsantrag stellen kann 3 . Die deutsche Staatsanwaltschaft kann also einen Entmündigungsantrag stellen, auch wenn nach dem Heimatrecht nur eine Verwaltungsbehörde antragsberechtigt ist. Der deutsche Staatsanwalt wird hier gewissermaßen stellvertretend für die Heimatbehörde tätig; sein Eingreifen geschieht im übrigen völlig im Rahmen der deutschen ZPO. Ist aber nach dem Heimatrecht ein Entmündigungsantrag seitens einer Behörde nicht möglich, so kann auch die deutsche Staatsanwaltschaft einen Entmündigungsantrag 2 Damit ist für das deutsche Recht ein Problem praktisch ausgeschaltet. Das ändert aber nichts daran, daß für ausländische Rechtsordnungen die Frage der Qualifizierung des Antragsrechtes des Staatsanwalts möglicherweise einer Lösung bedarf. Die Frage ist 1895 im Institut de Droit international erörtert worden, vgl. Annuaire 14 (1895) 152 ff. Die Meinungen waren dort geteilt. Im deutschen Schrifttum hat sich Levis, Das internationale Entmündigungsrecht des Deutschen Reiches (1906) 167, für eine prozessuale Qualifizierung des staatsanwaltschaftlichen Antragsrechts ausgesprochen; seiner Ansicht nach folgt also die Antragsbefugnis des deutschen Staatsanwalts für die Entmündigung von Ausländern nicht aus Art. 8 EGBGrB, sondern aus der lex fori als lex Processus. 3 Frankenstein I 438 sowie Lewald, Haager Konventionen zum I P R : Strupps Wörterbuch des Völkerrechts I (1924) 479, beide unter Berufung auf die Konferenzakten S. 104; Bogeng, Die Haager Abkommen (1908) Anm. 2 zu Art. 7 Entmündigungsabkommen.
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nicht stellen. Wird der Entmündigungsantrag von einem dazu berechtigten Verwandten oder Ehegatten eingereicht, so dürften demzufolge auch die Mitwirkungsrechte der deutschen Staatsanwaltschaft im Verfahren beschränkt sein, und zwar in demselben Sinn wie in sonstigen auf Gestaltung des Status gerichteten Verfahren, in denen die Staatsanwaltschaft kein Klagerecht hat (ZPO § 607). Die Staatsanwaltschaft ist also vom Termin zu benachrichtigen, kann dem Termin beiwohnen, sich gutachtlich äußern sowie zufolge des Grundsatzes der Amtsermittlung (ZPO § 653) Tatsachen vorbringen und Beweismittel benennen; sie kann dagegen keine Anträge stellen oder Rechtsmittel einlegen. Nach § 11 I I des Haager Abkommens kann die Aufhebung der Entmündigung von jedem beantragt werden, welcher nach dem Heimatrecht oder nach dem Aufenthaltsrecht des Entmündigten dazu befugt ist. Stellt die deutsche Staatsanwaltschaft den Antrag, so läuft das Verfahren ganz nach der deutschen ZPO. Stellt die nach dem Heimatrecht des Entmündigten zuständige Behörde den Antrag, so hat sie im deutschen Verfahren dieselbe Stellung wie ein antragsberechtigter Verwandter des Entmündigten; die deutsche Staatsanwaltschaft kann sich daneben am Verfahren beteiligen 4. 3. Wird eine Klage auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder eine Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens erhoben, so bereitet das Mitwirkungsrecht des deutschen Staatsanwalts nach ZPO § 607 auch gegenüber Ausländern keinerlei Schwierigkeiten. Überschneidungen der lex fori, die für das Verfahrensrecht und für die Stellung des Staatsanwalts gilt, mit dem materiell maßgeblichen Recht sind nicht zu befürchten. Dieselbe Lage ergibt sich, wenn nach einem ausländischen Recht auf Nichtigerklärung der Ehe aus solchen Gründen geklagt wird, welche unseren Aufhebungsgründen entsprechen und lediglich im Interesse der beteiligten Parteien, nicht aber im öffentlichen Interesse zur Beseitigung der Ehe führen können. Trotz des nach ausländischem Recht zu stellenden Antrags auf Nichtigerklärung der Ehe geht es hier um Verfahren, welche dieselbe Funktion haben wie unsere Eheaufhebungsverfahren und daher im Sinne unseres Prozeßrechts als Eheaufhebungsverfahren zu qualifizieren sind. Die Staatsanwaltschaft hat in solchen Verfahren nur die Rechte des § 607 ZPO, nicht die Rechte des § 634. 4
Allenfalls ist die deutsche Staatsanwaltschaft bei der Klage auf Aufhebung der Entmündigung Beklagte (ZPO § 686 III), wenn nämlich der Antragsteller verstorben oder sein Aufenthalt unbekannt oder im Ausland ist.
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4. Im Verfahren auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Ehe oder eines Kindschaftsverhältnisses zwischen Ausländern sind die Rechte der Staatsanwaltschaft trotz der Möglichkeit, das Verfahren zu betreiben und Rechtsmittel einzulegen, noch nicht so gestaltet, daß ernsthafte Kollisionen zwischen dem materiell maßgeblichen Recht und der lex fori zu befürchten wären. 5. Auch im Verfahren auf Nichtigerklärung der Ehe ist die Lage nicht anders, solange die Ehenichtigkeitsklage von einer der beiden Parteien erhoben wird. Zwei in ähnlichen Fällen ergangene Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes über die von der Staatsanwaltschaft eingelegten Rechtsmittel 5 beleuchten eindrucksvoll diese Sachlage. Aber auch dann, wenn der Staatsanwalt selbst die Ehenichtigkeitsklage erhebt, sind keine Schwierigkeiten zu besorgen, falls das deutsche Recht für die Ehenichtigkeitsklage zwischen Ausländern materiell maßgeblich ist, etwa weil eine Partei bei der Eheschließung die deutsche Staatsangehörigkeit besaß und ein Ehenichtigkeitsgrund des deutschen Rechts vorliegt (Art. 13 EGBGB); so besonders in dem häufigen Fall, daß die Braut Deutsche war und mit der Eheschließung nicht nur die Staatsangehörigkeit des Mannes erworben, sondern auch - wie nach früherem Recht (§17 Nr. 6 RuStAngehG) - die deutsche Staatsangehörigkeit verloren hat (vgl. auch § 606b Nr. 2 ZPO), oder in den Fällen, in welchen das ausländische Recht auf das deutsche zurückverweist (Art. 27 EGBGB). Bedenken treten jedoch auf, wenn der Staatsanwalt klagen will und ausländisches Recht materiell maßgeblich ist. Die Rechtsprechung des Kammergerichts hat teils das Klagerecht der deutschen Staatsanwaltschaft bei Ausländern unmittelbar aus ZPO § 632 abgeleitet 6, teils aber auf das materiell maßgebliche Recht abgestellt 7 . 6
OGH, Urteile vom 18. 10. 1050, ÖJZ 1950 EvBl Nr. 516 S. 523, und vom 29. 11. 1950, Jur.Bl. 1951, 319. Beide Entscheidungen bestätigen das Recht der Staatsanwaltschaft zur Berufung in Ehenichtigkeitssachen von Italienern. 6 So z. B. KG, Urteil vom 4. 6. 1934, IPRspr. 1934 Nr. 141. Vermutlich sind zahlreiche Entscheidungen, welche sich nicht darüber äußern, unter welchem Gesichtspunkt sie die Ehenichtigkeitsklage des Staatsanwalts zulassen, letztlich auf eine gleichartige Stellungnahme zurückzuführen; vgl. zuletzt LG München I, Urteil vom 15. 9. 1952, IPRspr. 1952-53 Nr. 109. 7 KG, Urteil vom 8. 11. 1937, J W 1938, 1242, in einem Fall der Eheschließung polnischer Juden in der Tschechoslowakei.
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I m Schrifttum haben Dölle 8 und Kegel9 sich dahin ausgesprochen, daß das Klagerecht aus dem materiell maßgeblichen Recht abzuleiten sei 10 . Derselben Meinung ist im Grundsatz auch Frankenstein11. E r wirft aber die Frage auf, ob eine ausländische Bestimmung über das Klagerecht einer Behörde auch bedeute, daß in einem solchen Fall die inländische Staatsanwaltschaft die Nichtigkeitsklage erheben dürfe, und er hält es für möglich, daß k r a f t des ordre public die inländische Staatsanwaltschaft in allen Fällen nichtiger Ausländerehen ein Klagerecht haben solle. 6. F ü r die Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes kennen das deutsche u n d das österreichische Recht eine Klagebefugnis des Staatsanwalts (§ 1595a BGB, § 158 ABGB). Auch hier wird die Frage nach dem d a f ü r maßgebenden Recht nicht einheitlich beantwortet. Teils wird das Klagerecht als rein prozessual angesehen u n d deshalb dem deutschen Staatsanwalt gemäß ZPO § 640 auch bei Ausländern zugesprochen 1 2 . Teils wird das Klagerecht als dem materiellen Recht entspringend von diesem abhängig gemacht 1 3 . Schließlich erklärt Gamillscheg, daß das Recht des Staatsanwalts zur Anfechtung der Ehelichkeit dem öffentlichen Recht entspringe u n d daher vom anwendbaren materiellen Recht und dem Verfahrensrecht als solchen unabhängig sei, vielmehr der Staatsanwaltschaft grundsätzlich und ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Parteien zustehe 1 4 - eine Auffassung, die der von Franken8
Dölle 136. Kegel, Bern. III zu Art. 13 E G B G B (unter Berufung auf Dölle). 10 In demselben Sinne z. B. Secretan, Le mariage des étrangers devant le juge Suisse (Thèse Lausanne 1944) 62. 11 Frankenstein III 200 ; vgl. auch sein Projet d'un Code européen de d. i. p. (1950) Art. 123. 12 So z. B. LG München II (5. ZK), Urteil vom 1. 8. 1950, N J W 1951, 278 = IPRspr. 1950-51 Nr. 87. Anders dagegen die 3. ZK desselben Gerichts, Urteil vom 3. 12. 1952, IPBspr. 1952-53 Nr. 179, und LG München I (3. ZK), Urteil v o m 9. 7. 1952, IPBspr. 1952-53 Nr. 180 - die beiden letzten Urteile bei Gamillscheg noch nicht genannt. 13 So Schmidt-Zipfel, N J W 1951, 255; Stein-Jonas-Pohle, ZPO 18 (1956) 8 Anm. I l b a. E. zu § 640; Siebert bei Soergel, BGB III (1955) Anm. 7 zu § 1595a; Ficker in: Das internationale Familienrecht Deutschlands und Frankreichs (1955) 259; ferner meine Anm. zu LG München II 1. 8. 1950 (vorige Note). Ich habe mich a.a.O. auf Staudinger-Raape, BGB 9 VI/2 (1931) Bern. B I zu Art. 18 E G B G B , gestützt, wo freilich nur das Klagerecht allgemein (und nicht besonders das des Staatsanwalts) als materiellrechtlich qualifiziert wird. 14 Gamillscheg 259 ff. 9
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stein bei der Ehenichtigkeitsklage für möglich gehaltenen entspricht. 7. Zusammengefaßt zeigt sich bei der Ehenichtigkeitsklage u n d der Anfechtung der Ehelichkeit dasselbe Bild: zweifelhaft ist die Zuordnung des Klagerechts des Staatsanwalts zum materiellen Recht, zum Prozeßrecht oder zu den öffentlich-rechtlichen P u n k tionen des Staatsanwalts. Die Problematik ist offenbar in beiden Fällen dieselbe; eine gemeinsame Erörterung verspricht Ergebnisse, die beiden Teilbereichen des Problems zugute kommen. E s mag zwar sein, daß das Problem der Anfechtung der Ehelichkeit durch den Staatsanwalt mindestens in Deutschland wieder an Bedeutung verlieren wird, weil deutsche Gesetzesentwürfe die Beseitigung dieses Anfechtungsrechts u n d seinen Ersatz durch ein Klagerecht der Mutter oder des Kindes vorsehen 1 5 . Aber auch dann würden die Ergebnisse der Untersuchung für das zeitlose Problem der Ehenichtigkeitsklage durch eine Behörde von Nutzen bleiben; insoweit ist insbesondere eine Auseinandersetzung mit der von Qamillscheg16 für die Klage auf Anfechtung der Ehelichkeit aufgestellten Theorie von der öffentlich-rechtlichen Stellung des Staatsanwalts auch f ü r die Z u k u n f t bedeutsam. II. M a t e r i e l l e s oder P r o z e ß r e c h t ? Vorab ist zu klären, inwieweit das Klagerecht des Staatsanwalts dem materiellen Recht oder dem Prozeßrecht zuzurechnen ist. Denn auch wenn man auf dem Standpunkt steht, das Klagerecht der Staatsanwaltschaft entspringe dem öffentlichen Recht, k a n n m a n nicht ganz außer acht lassen, daß mit der Klage auf das Privatrecht (Ehelichkeit oder Gültigkeit der E h e u n d ihre Geltendmachung) Einfluß genommen wird, was möglicherweise für den R a h m e n u n d die Grenzen einer solchen öffentlich-rechtlichen Befugnis wesentlich sein könnte. 1. Aus der systematischen Stellung der einschlägigen Vorschriften im Gesetz k a n n die privatrechtliche oder prozessuale Bedeutung des Klagerechts der Staatsanwaltschaft nicht allein entnommen werden. Bei der Nichtigerklärung der E h e u n d der Anfechtung der Ehelich15 Vgl. den deutschen Regierungsentwurf von 1958, Bundesrats-Drucksache Nr. 162/58 vom 13. 6. 1958; ebenso schon der vorangehende Entwurf von 1955, Bundesrats-Drucksache Nr. 39/55 vom 11. 2. 1955. 16 Vgl. oben N. 1 und 14.
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keit stehen die Vorschriften im materiellen Recht, bei Entmündigung und Todeserklärung dagegen im Rahmen des Verfahrensrechts 17 , obwohl in allen vier Fällen offenbar ähnliches vorliegt, nämlich ein Antrag auf Umgestaltung des Status. Der Gesetzgeber scheint in der Einordnung nicht folgerecht verfahren zu sein. Maßgebend war offenbar, daß es bei Entmündigung und Todeserklärung mehr um Akte der fürsorgenden Gerichtsbarkeit geht, bei denen weniger über bestimmte subjektive Rechte entschieden wird, während bei der Ehenichtigerklärung und der Anfechtung der Ehelichkeit das subjektive Recht auf Herbeiführung einer entsprechenden Gestaltung stärker im Vordergrund steht und deshalb die Regelung ins materielle Recht gezogen ist. 2. Die Heraushebung dieses materiellen Rechts hat dazu geführt, daß im Schrifttum das Klagerecht des Staatsanwalts dem materiellen Recht zugerechnet wird. So sagt Dolle18: „Die Frage, wer die Vernichtung einer Ehe herbeiführen soll, ist keine Frage nach dem modus procedendi, sondern nach dem subjektiven Vernichtungsrecht. Diese Frage wird vom objektiven materiellen Recht entschieden. Würde sie von der Rechtsordnung derart beantwortet, daß der Berechtigte befugt sei, die Vernichtung durch private einseitige Gestaltungserklärung gegenüber dem anderen Teil herbeizuführen, so würde der Gedanke an eine verfahrensrechtliche Qualifikation gar nicht auftauchen können. Daran ändert sich nichts, wenn aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtskontrolle der Weg der Klageerhebung gewählt wird. Der Unterschied zwischen Gestaltungsrecht und Gestaltungsklagerecht ist im wesentlichen ein technischer Unterschied, der die materiellrechtliche Natur des die Gestaltungsmacht gewährenden subjektiven Rechts nicht berührt." Nun darf man freilich nicht übersehen, daß bei der Ehenichtigkeit und der Anfechtung der Ehelichkeit die Rechtsfolge der Ehenichtigkeit bzw. der Unehelichkeit des Kindes nicht eigentlich durch das Gestaltungsurteil als solches herbeigeführt wird; vielmehr denkt das Gesetz diese Rechtsfolgen als bereits eingetreten und macht nur ihre „Geltendmachung" vom Vorhegen eines rechtskräftigen Urteils darüber abhängig. Aber solange man die materielle Rechtslage in keiner Weise geltend machen kann, bedeutet eine Klage auf Herbeiführung dieser Möglichkeit immer noch eine Einflußnahme auf das materielle " EheG § 24; BGB §§ 1594-1595a. 18 Dölle 136.
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Recht und seine Wirksamkeit selbst, so daß man insoweit die materiellrechtliche Grundlage des Klagerechts kaum bestreiten kann. 3. Andererseits hat Dölle selbst darauf aufmerksam gemacht, daß dort, wo die Klage von einem anderen als dem dazu Befugten erhoben werde, die Klage nicht als unbegründet, sondern als unzulässig abgewiesen werden müsse. Dann geht es aber offenbar bei dem Fehlen des Klagerechts doch nicht um eine Frage des materiellen Rechts (der Sachlegitimation), sondern um ein Fehlen der Prozeßführungsbefugnis. Es wäre jedoch wohl verfehlt, schon deshalb anzunehmen, daß über diese Frage die lex fori allein zu entscheiden habe. Denn die Prozeßführungsbefugnis ist letztlich der Ausfluß einer bestimmten materiellrechtlichen Stellung (z.B. eines Verwaltungsrechts), ebenso wie auch Partei- und Prozeßfähigkeit (ZPO §§ 50, 51) mit Rechts- und Geschäftsfähigkeit zusammenhängen und internationalrechtlich daher nur auf dem Wege über das dafür anwendbare materielle Recht geklärt werden können 1 9 . Bei Gestaltungsklagen wie der Ehenichtigkeitsklage und der Klage auf Anfechtung der Ehelichkeit ist das Klagerecht ein Ausfluß des materiellen Gestaltungsrechts. Damit ergibt sich notwendig, daß das Klagerecht der Staatsanwaltschaft aus dem materiell anwendbaren Recht folgen muß; darüber besteht im Ergebnis wohl weitgehend Einigkeit 20 . Dann hat aber - soweit hier zunächst nur das Verhältnis des anwendbaren Privatrechts zur lex fori als lex processus in Frage steht - die Staatsanwaltschaft das Klagerecht nur, wenn das materiell anwendbare Recht es ihr zugesteht, und nicht schon lediglich wegen einer prozessualen Bestimmung der lex fori. III. Zur E h e l i c h k e i t s a n f e c h t u n g s k l a g e 1. Die Ansicht, daß das Klagerecht des Staatsanwalts nicht vom materiell maßgeblichen Recht abhängig sei, sondern im öffentlichen Recht wurzele, wird für die Ehelichkeits-Anfechtungsklage zunächst darauf gestützt, daß das Ermessen des Staatsanwaltes bei Erhebung der Klage nicht nachprüfbar sei. Dieses Argument überzeugt mich 19 Vgl. in diesem Sinne besonders Niederländer, Materielles Recht und Verfahrensrecht im IPR: RabelsZ 20 (1955) 1-51 auf S. 51 mit N. 185. 20 Vgl. die oben N. 13 Genannten. Auch Gamillscheg 259 gibt zu, daß man sich diesem Ergebnis anschließen könnte, wenn es nur um das Verhältnis von materiellem Recht und Prozeßrecht ginge.
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jedoch nicht, zumal heute die Nachprüfbarkeit des Verwaltungsermessens außerordentlich weit getrieben ist, während gerade die Möglichkeit, frei, willkürlich und unkontrolliert seine Entscheidungen über die Geltendmachung von Rechten treffen zu können, mir als ein wesentliches Merkmal des Privatrechts erscheint. Gleichwohl ist es sicherlich richtig, daß die Stellung des Staatsanwalts im öffentlichen Recht, nämlich in der Behördenorganisation und Zuständigkeitsverteilung wurzelt. Daraus folgt aber - wie ich glaube - noch nichts Entscheidendes für die hier zur Erörterung stehenden Klagerechte. Allerdings wird daraufhingewiesen, daß der Anwendungsbereich öffentlich-rechtlicher Rechtssätze sich nach anderen Grundsätzen bestimme als nach den Regeln des internationalen Privatrechts mit seinen Verweisungsnormen. Es wird betont, daß die Zuständigkeit inländischer Behörden zum Tätigwerden im Inland grundsätzlich immer gegeben sei und Einschränkungen lediglich aus den maßgebenden materiellrechtlichen Normen des öffentlichen Rechts folgten, welche ihre Anwendung auf bestimmte auslandsbezogene Sachverhalte nicht erstreckten, so etwa die Schulpflicht nicht auf nur vorübergehend im Inland befindliche Kinder ausländischer Staatsangehörigkeit. Auch dieser Hinweis besagt m. E. nichts für die Klagerechte der Staatsanwaltschaft in Statusprozessen von Ausländern. Der entscheidende Unterschied zwischen den beim Anwendungsbereich des öffentlichen Rechts regelmäßig ins Auge gefaßten Fällen und den hier zu erörternden Klagerechten hegt darin, daß in jenen Fällen eine Behördentätigkeit im Rahmen des Verwaltungsrechts zur Erörterung steht, während es hier um behördliche Einflußnahme auf das Privatrecht geht. Wegen dieses grundlegenden Unterschiedes beweist die öffentlich-rechtliche Rechtsstellung der Staatsanwaltschaft als solche nichts für die Klagerechte in privatrechtlichen Angelegenheiten. Vielmehr muß die Staatsanwaltschaft, wenn sie als öffentliche Behörde in den Bereich des Privatrechts eingreift, insoweit auch von dem materiell maßgeblichen Recht abhängig sein. Die Tatsache, daß das öffentliche Recht und die Behördenorganisation eine Zuständigkeit schaffen, begründet für sich allein noch keine Möglichkeit, in jedem Fall - d. h. auch gegenüber Ausländern und dann, wenn an sich ausländisches Recht anwendbar wäre - eine Tätigkeit zu entfalten. Die Zuständigkeit des Landgerichtspräsidenten, eine Legitimation durch Staatshoheitsakt zu vollziehen oder 47
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von einem Eheverbot Befreiung zu erteilen, beruht unzweifelhaft auch auf dem öffentlichen Recht, nämlich der Behördenorganisation und der Zuständigkeitsverteilung; die Akte sind Justizverwaltungsakte. Gleichwohl ist mit der Zuständigkeit des Landgerichtspräsidenten noch nichts darüber gesagt, daß er in solchen Fällen auch gegenüber Ausländern tätig werden kann. Der Landgerichtspräsident kann hier äußersten Falls dann tätig werden, wenn das materiell maßgebliche Recht eine Legitimation 2 1 oder eine Befreiung von einem Eheverbot vorsieht. Unsere Praxis ist sogar noch zurückhaltender und pflegt im allgemeinen solche Hoheitsakte bei Ausländern überhaupt abzulehnen, weil sie als Gnadenakte dem Heimatstaat vorbehalten bleiben müssen 22 . Aber auch soweit der Heimatstaat bei diesen Akten keine ausschließliche Zuständigkeit beansprucht und etwa auf die Zuständigkeit unserer Behörden zurückverweist 23 , würden wir die Legitimation oder Befreiung von Eheverboten doch nur im Rahmen des materiell maßgeblichen Rechts vornehmen. 2. Die Ableitung des Klagerechts der Staatsanwaltschaft aus dem materiell maßgeblichen Recht wird weiter deshalb für ausgeschlossen gehalten, weil der inländische Staatsanwalt nur das inländische öffentliche Interesse wahrnehmen könne, während der ausländische Staatsanwalt das ausländische öffentliche Interesse wahrzunehmen h a t ; sehe ein materiell maßgebliches ausländisches Recht ein Klagerecht der Staatsanwaltschaft vor, so würde ein solches Klagerecht im Inland dazu führen, daß der inländische Staatsanwalt das ausländische öffentliche Interesse berücksichtigen oder wenigstens mit berücksichtigen müsse. Das sei aber „offensichtlich unzulässig und abwegig". Darum soll der inländische Staatsanwalt immer zur Wahrung des inländischen öffentlichen Interesses nach inländischem Recht anfechten können. Auch dieser Schluß scheint mir nicht zwingend. Sollte wirklich ein vom ausländischen Recht gegebenes Klagerecht einer öffentlichen Behörde im Inland nicht durchführbar sein, so mag das zu dem Schluß führen, daß eben eine entsprechende 21
Vgl. dazu meine Darstellung in: Mensch und Staat in Recht und Geschichte (Festschrift H. Kraus; 1954) 23f. In dem hier vertretenen Sinne insbesondere Frankenstein IV 164, 167. 22 Wegen der Legitimation vgl. vorige Note; wegen der Befreiung von Eheverboten vgl. z. B. RG, Urteil vom 14. 1. 1935, JW 1935, 1403, und LGPräsident Regensburg, Beschluß vom 9. 7. 1949, SüddJZ 1949, 781. 23 Über die Zuständigkeits-Rückverweisung vgl. Reu, Die Staatliche Zuständigkeit im IPR (1938) 203 f.
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Klage im Inland nicht erhoben werden kann; in der Mehrzahl der Fälle dürfte hier eine Zuständigkeit in demjenigen Staate aushelfen, dessen Recht materiell maßgeblich ist, also eine Zuständigkeit im Heimatstaat eines der Beteiligten. Für die Schlußfolgerung, daß immer der inländische Staatsanwalt nach inländischem Recht müsse klagen können, sehe ich keine Notwendigkeit. 3. Die Forderung, daß auch bei Maßgeblichkeit ausländischen Privatrechts immer der deutsche Staatsanwalt die Möglichkeit haben müsse, nach deutschem Recht die Nichtigkeitsklage oder Klage auf Anfechtung der Ehelichkeit zu erheben, scheint reichlich weit zu gehen. Nun wird allerdings gesagt, die einschlägigen öffentlichrechtlichen Normen seien sorgfältig auszulegen, um ihren Wirkungsbereich genau festzustellen. Eine solche Einschränkung halte ich jedoch nicht für ausreichend. Daß der Staatsanwalt nur im öffentlichen Interesse oder im Interesse des Kindes anfechten darf, ist keine wirksame Schranke, wenn das Ermessen des Staatsanwalts - wie nach h. M. 24 - nicht nachgeprüft werden kann. Da die Klagerechte der Staatsanwaltschaft auf Privatrecht einwirken, müßte m. E. jedenfalls auch gefragt werden, ob sich nicht schon von der Seite der privatrechtlichen Auswirkungen her Einschränkungen für das Tätigwerden der Staatsanwaltschaft ergeben; hier ist z. B. eine genauere Untersuchung von Art. 18 EGBGB am Platz, worauf ich noch zurückkommen werde. Da die Staatsanwaltschaft im öffentlichen Interesse tätig zu werden hat, hegt es nahe, zunächst einmal näher zu untersuchen, welche Einschränkungen für ihr Klagerecht sich aus diesem Begriff ergeben. Hier fällt auf, daß das Klagerecht der Staatsanwaltschaft heute in erster Linie unter dem Gesichtspunkt geprüft wird, wann das öffentliche Interesse nicht besteht 2S . Man hat es m. E. mit gutem Grund verneint, wenn lediglich fiskalische Gesichtspunkte wie Ausschaltung der Fürsorgeunterstützung zur Erörterung stehen. Man neigt auch dazu, ein öffentliches Interesse an der Klarstellung der wirklichen Abstammung heute gering zu bewerten, weil die Erhaltung der Rechtsstellung eines ehelichen Kindes für das Kind vor solchen Erwägungen 24
Vgl. die Nachweise bei Gamillscheg 259 N. 9. Vgl. die gegen die Richtlinien einiger Länderministerien (StAZ 1949, 62 und 102) gerichteten Stellungnahmen von Bamberger, Unsere Jugend 1949 Heft 6 S. 22; Becker, JR 1951, 419; Haff, SüddJZ 1950, 485; Lühr, ZblJR 1950, 28; Strauß, JZ 1952, 460. 26
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meist den Vorrang verdient 2 6 . E s werden sich für die Anfechtung der Ehelichkeit überhaupt wenig Fälle finden lassen, in welchen sie im öffentlichen Interesse geboten ist. D a n n aber ist es auch nicht sinnvoll, darauf zu bestehen, daß im Falle der Anwendbarkeit ausländischen Rechts immer die Möglichkeit bestehen müsse, eine Klage durch die Staatsanwaltschaft anstrengen zu lassen. Man könnte allerdings an den Fall denken, daß ein scheineheliches Kind der Staatsangehörigkeit des scheinehelichen Vaters folgt, während die Mutter Inländerin ist; die Anfechtung der Ehelichkeit könnte dann zur inländischen Staatsangehörigkeit des Kindes führen. Ich zweifle aber, ob die Möglichkeit, auf diesem Wege einen inländischen Staatsangehörigen mehr zu gewinnen, die Anfechtung der Ehelichkeit des Kindes im öffentlichen Interesse bei Maßgeblichkeit des ausländischen Rechts rechtfertigt. Es scheint mir jedenfalls nicht angebracht, dem Kinde lediglich aus staatsangehörigkeitsrechtlichen Gesichtspunkten heraus die Stellung eines ehelichen Kindes zu entziehen. Der bessere Familienstand sollte für das Kind grundsätzlich den Vorrang haben. 4. Die Ehelichkeitsanfechtungsklage des Staatsanwalts wird regelmäßig nicht im öffentlichen Interesse, sondern im Interesse des Kindes erhoben. Die Lehre, welche von der öffentlich-rechtlichen Stellung des Staatsanwalts ausgeht, nimmt auch f ü r diese Fälle an, daß der Staatsanwalt k r a f t eines öffentlich-rechtlichen Auftrages und deshalb unabhängig vom ausländischen Privatrecht anfechten könne 27. Demgegenüber muß die Frage aufgeworfen werden, welche Veranlassung besteht, für ausländische Kinder und ihren Personenstand auch dann einzutreten, wenn das von uns grundsätzlich f ü r maßgeblich gehaltene Recht das Kind nicht für schutzbedürftig hält und in dem zur Erörterung stehenden Fall seinerseits keine Klage auf Anfechtung der Ehelichkeit gibt. Eine Anfechtung der Ehelichkeit wäre im Interesse des Kindes höchstens in solchen Fällen angebracht, wo das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit erworben h a t oder bei Anfechtung der Ehelichkeit zurückerwerben wird, u m dann k r a f t Legitimation wieder die Stellung eines ehelichen Kindes (aus der zweiten E h e seiner Mutter) zu erlangen. Aber gerade diese Frage ist in Art. 18 E G B G B geregelt, und es besteht daher keine 26
So dankenswerterweise eingehend Gamillscheg 264 gegen Guggumos, SüddJZ 1948, 247, und gegen Boehmer, NJW 1949, 53. 27 Gamillscheg 263.
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Veranlassung, von der gesetzlichen Regelung des materiell anwendbaren Rechtes abzuweichen. 5. N u n ist als Parallele zum Recht des Staatsanwalts auf Anfechtung der Ehelichkeit auf die Anordnung der Fürsorgeerziehung verwiesen worden, welche auch bei Ausländern nach deutschem Recht erfolge 2 8 . Dieser Vergleich scheint mir zu hinken. Die Anordnung der Fürsorgeerziehung ist immer nur eine vorübergehende Maßnahme, welche spätestens mit Erreichen der Volljährigkeit endet und bei Ausländern auch dann schon enden muß, wenn sie früher als nach deutschem Recht volljährig werden; demgegenüber ist die Anfechtung der Ehelichkeit eine Maßnahme, welche den Status des Kindes dauernd verändert. Eine solche dauernde Änderung des Status sollte man abweichend vom materiell maßgeblichen Recht jedenfalls nicht so leicht herbeiführen können wie die zeitlich begrenzte Fürsorgeerziehung. Abgesehen davon ist bei der Fürsorgeerziehung der Eingriff mehr tatsächlicher N a t u r , berührt aber den Status u n d die Erziehungsrechte der Eltern nur zu einem Teil. Endlich erfolgt die Fürsorgeerziehung bei ausländischen Kindern vorwiegend im Interesse der Öffentlichkeit und nicht so sehr im Interesse des Kindes selbst, während die Anfechtung der Ehelichkeit durch den Staatsanwalt in erster Linie im Interesse des Kindes u n d nur ganz ausnahmsweise im öffentlichen Interesse erfolgt. 6. Wird eine Klage der Staatsanwaltschaft nach ausländischem Recht auch dann zugelassen, wenn das materiell maßgebliche ausländische Recht eine solche Klageerhebung nicht vorsieht, so f ü h r t dies zu Urteilen, welche im Heimatstaat der Beteiligten nicht anerkannt werden, u n d somit zu einem hinkenden Personenstand. Ein solches Ergebnis ist unzweifelhaft bedauerlich. Dem wird aber entgegengehalten 2 9 , der hinkende Personenstand sei weniger bedenklich als eine Verletzung inländischer öffentlicher Interessen. Das mag zwar an sich richtig sein, aber m a n wird sich fragen müssen, ob es wirklich erforderlich ist, f ü r die bloße abstrakte Möglichkeit der Wahrung inländischer öffentlicher Interessen das Klagerecht des Staatsanwalts immer dem inländischen Recht zu unterstellen. Zur Wahrung des inländischen öffentlichen Interesses würde durchaus 28 Vgl. RGZ 117, 376; BayObLG, Beschluß vom 13. 10. 1950, NJW 1951, 275 = IPRspr. 1950-51 Nr. 109; Meilwitz, DR 1942, 1583; Staudinger-Raape, (oben N. 13) Bern. B X 6 zu Art. 19 EGBGB; Kegel, Bern. II 3b zu Art. 19 EGBGB. 29 Oamillscheg 261.
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genügen, wenn im Einzelfall einmal unter Durchbrechung des materiell maßgeblichen Privatrechts auf Grund des ordre public (Art. 30 EGBGB) eine Klage von der Staatsanwaltschaft erhoben wird. Die Lehre, welche die öffentlich-rechtliche Stellung des Staatsanwalts in den Vordergrund stellt, behauptet letztlich, das Erfordernis einer Klagemöglichkeit für den Staatsanwalt sei so dringlich, daß aus Gründen des ordre public stets eine solche Klagemöglichkeit gemäß dem inländischen Recht bestehen müsse. Sicherlich ist es denkbar, daß eine Rechtsordnung sich auf diesen Standpunkt stellt30. Aber einmal scheint mir dieser Standpunkt an sich nicht billigenswert zu sein. Zum anderen ist damit, daß ein solcher Standpunkt möglich ist, noch keineswegs bewiesen, daß dies der Standpunkt des deutschen Rechts ist. Im Gegenteil glaube ich sagen zu können, daß das deutsche Recht die Lehre von der allgemeinen Klagebefugnis des Staatsanwalts ablehnt. 7. Der Art. 18 EGBGB erklärt für die Anfechtung der Ehelichkeit das Heimatrecht des Vaters zur Zeit der Geburt des Kindes für maßgebend. Im Jahre 1938 ist dieser Vorschrift ein zweiter Absatz angefügt worden 31, welcher die Anfechtung der Ehelichkeit auch dann zuläßt, wenn nur die Mutter die deutsche Staatsangehörigkeit zur Zeit der Anfechtung besitzt oder zur Zeit ihres Todes besessen hat und wenn außerdem das Kind noch minderjährig ist. Der ausgesprochene Zweck dieser Bestimmung war der, in Fällen des Abs. 2 die Möglichkeit der Anfechtung der Ehelichkeit durch den Staatsanwalt einzuführen, damit der Staatsanwalt aus den damals verfolgten rassepolitischen Gründen oder aus dem auch noch heute maßgeblichen Interesse des Kindes die Ehelichkeit anfechten könne 32. Diese Bestimmung wäre nicht erforderlich gewesen, wenn der deutsche Gesetzgeber auf dem Standpunkt stand, die Anfechtung der Ehelichkeit sei ohne Rücksicht auf das materiell maßgebende Recht stets durch den deutschen Staatsanwalt nach deutschem Recht möglich. Art. 18 II EGBGB ergibt vielmehr, daß vom Standpunkt des deutschen Gesetzgebers aus auch die Anfechtung der Ehelichkeit durch den Staatsanwalt nur im Rahmen des materiell maßgeblichen Rechts möglich ist. 30
Frankenstein III 200 f. fiir die Ellenichtigkeitsklage. Gesetz vom 12. 4. 1938 (RGBl I 380). Amtl. Begründung DJ 1938, 721; Rexroth, DJ 1938, 714 ff. Vgl. dazu neuestens LG Hildesheim, Beschluß vom 18. 2. 1958, Der Amtsvormund 31 (1958/59) 55. 31 32
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Nun ist allerdings gelegentlich geltend gemacht worden, eine Anfechtung der Ehelichkeit müsse auch dann nach deutschem Recht und durch den deutschen Staatsanwalt möglich sein, wenn der Vater erst nach der Geburt des Kindes die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe 33 ; die Beziehung des ganzen Falls zum deutschen Recht sei dann angesichts der grundsätzlichen Maßgeblichkeit des Mannesrechts viel intensiver, als wenn die Mutter Deutsche geworden sei. Diese Meinung hat allerlei für sich. Aber das Ergebnis ist an sich so naheliegend, daß der Gesetzgeber selbst es sicherlich gewählt hätte, wenn er eine solche Lösung gewünscht hätte. Die Zurückhaltung des Gesetzgebers wird man daher als eine bewußte Beschränkung und nicht als bloßen Redaktionsfehler aufzufassen haben, zumal die Anfechtung der Ehelichkeit nach dem neuen deutschen Heimatrecht des Vaters in Einzelfällen dazu führen könnte, daß das Kind seine deutsche Staatsangehörigkeit verliert. Es mag sein (und würde eine Erklärung für die Beschränkung des Gesetzes bedeuten), daß man solche Folgerungen vermeiden wollte34. Ob die bisherige Fassung des Art. 18 glücklich oder reformbedürftig ist, bleibt eine andere Frage. Man kann durchaus die Meinung vertreten, die Anwendung des deutschen Rechts bei Anfechtung der Ehelichkeit solle noch ausgedehnt werden. Inwieweit dafür aber ein Bedürfnis unter dem Gesichtspunkt der Anfechtung der Ehelichkeit durch den Staatsanwalt besteht, wird sich erst dann sagen lassen, wenn der deutsche Gesetzgeber über die Reform des Rechts der Anfechtung der Ehelichkeit entschieden hat. Fällt die Anfechtung der Ehelichkeit durch den Staatsanwalt künftig fort, so bedarf es sicherlich unter diesem Gesichtspunkt keiner Ausdehnung des Art. 18 EGBGB mehr. IV. Zur E h e n i c h t i g k e i t s k l a g e 1. Die bislang entwickelten Gesichtspunkte zur Anfechtung der Ehelichkeit durch den Staatsanwalt treffen mindestens z.T. auch für die Klage auf Nichtigerklärung der Ehe zu. Auch hier ist die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft zur Klageerhebung aus dem öffentlichen Recht abzuleiten, und zwar aus der Behördenorgani33
Baape, I P R 4 (1955) 329; Kegel, Bern. III zu Art. 18 E G B G B (S. 198). Ich folge hierbei dem Gedankengang, den Horst Müller in einem Gutachten für die Eherechtskommission des Deutschen Rates für I P R entwickelt hat (noch unveröffentlicht). 34
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sation und der mit ihr zusammenhängenden Verteilung der Zuständigkeit. Die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft ist aber auch in diesem Fall eine Einflußnahme auf das materielle Privatrecht. Die öffentlich-rechtliche Zuständigkeit ist, was ihre Ausübung betrifft, eingeschränkt durch diejenigen Grenzen, welche das Privatrecht für das Klagerecht der Staatsanwaltschaft setzt. Auch hier ergibt sich das Klagerecht der Staatsanwaltschaft aus dem nach den Grundsätzen des E G B G B (Art. 13) anwendbaren Privatrecht. Es gibt zwar für das Recht der Ehenichtigkeit keine Vorschrift, welche wie Art. 18 I I E G B G B deutlich macht, daß das E G B G B von einer solchen Beschränkung des Klagerechts der Staatsanwaltschaft ausgeht. Es muß aber angenommen werden, daß die Grundeinstellung des Gesetzes zu dem Klagerecht der Staatsanwaltschaft bei Art. 13 E G B G B keine andere ist als bei Art. 18. Die Staatsanwaltschaft kann demnach die Ehenichtigkeitsklage nach deutschem Recht nur dann erheben, wenn deutsches Recht anwendbar ist. Das ist zufolge Art. 13 E G B G B nicht nur dann der Fall, wenn beide Parteien Deutsche sind, sondern auch, wenn nur eine Partei Deutscher ist und sich ein Nichtigkeitsgrund des deutschen Rechts ergibt. Danach ist die Möglichkeit zur Ehenichtigkeitsklage verhältnismäßig groß, weil die Mehrzahl der zur Ehenichtigkeit führenden Eheverbote zweiseitig ist, so daß die Ehenichtigkeitsklage nach deutschem Recht schon aus einem Ehenichtigkeitsgrund des deutschen Rechts in der Person des ausländischen Ehepartners erhoben werden kann. Liegt dagegen ein Ehenichtigkeitsgrund nur nach ausländischem Recht vor, so kann die deutsche Staatsanwaltschaft jedenfalls dann keine Ehenichtigkeitsklage erheben, wenn das maßgebende ausländische Recht keine Ehenichtigkeitsklage durch eine Behörde vorsieht. Auch bei der Ehenichtigkeitsklage ist zu bedenken, daß die Erhebung einer solchen Klage durch die deutsche Staatsanwaltschaft in einem Fall, wo das zufolge Art. 13 E G B G B maßgebende Heimatrecht der Parteien eine solche Klage nicht kennt, zu einem vom Heimatstaat nicht anerkannten Urteil und damit zu einem hinkenden Personenstand führen würde, welcher tunlichst vermieden werden muß. Hier mag freilich ebenfalls erwogen werden, ob nicht das inländische öffentliche Interesse den Vorrang verdient. Dies läßt sich nicht ebenso leicht verneinen wie bei der Anfechtung der Ehelichkeit. Zwar wird wiederum gelten müssen, daß staatsangehörigkeits-
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rechtliche Erwägungen nicht maßgebend sein sollten. Ob eine Ehefrau mit Nichtigerklärung ihrer Ehe ihre frühere Staatsangehörigkeit wiedergewinnt oder nicht, ist an und für sich belanglos. Die Frage verliert auch um so mehr an Gewicht, als immer mehr Staaten zum Prinzip der staatsangehörigkeitsrechtlichen Selbständigkeit der Frau übergehen, so daß die Eheschließung ohnehin auf die Staatsangehörigkeit keinen größeren Einfluß mehr nimmt und in sehr vielen Fällen auch mit der Nichtigerklärung der Ehe keine Änderung der Staatsangehörigkeit mehr bewirkt werden kann. Lediglich in den Fällen, wo die Eheschließung gerade nur zum Zweck des Erwerbs einer bestimmten Staatsangehörigkeit erfolgt ist, mag ein öffentliches Interesse an Nichtigerklärung einer solchen Ehe bestehen. Für das deutsche Recht spielt dieser Gesichtspunkt keine Rolle mehr, nachdem schon zufolge § 19 EheG die Staatsangehörigkeitsehe nicht mehr zur Nichtigerklärung berechtigt 3 5 und seit dem 1. 4. 1953 obendrein die Frau staatsangehörigkeitsrechtlich selbständig ist 3 6 . Im übrigen liegen die Dinge regelmäßig so, daß gerade da, wo der Erwerb einer bestimmten Staatsangehörigkeit in unlauterer Weise durch die Eheschließung erfolgt ist, die Nichtigerklärung der Ehe häufig auch nach dem Personalstatut des Ehemannes möglich ist 3 7 . Soweit sie nach diesem Recht nicht möglich ist, besteht aber für uns im allgemeinen kein entscheidendes Interesse daran, den Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit des Mannes rückgängig zu machen; das um so weniger, als eine deutsche Frau bei unlauterem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit mittels Eheschließung ihre deutsche Staatsangehörigkeit jedenfalls behalten würde. 2. Das Bedürfnis, wegen des inländischen öffentlichen Interesses ein Klagerecht des Staatsanwalts anzuerkennen, mag für die Ehenichtigkeitsklage deshalb größer sein als bei der Anfechtung der Ehelichkeit, weil die Klage auf Nichtigerklärung der Ehe vom Staatsanwalt stets auch im öffentlichen Interesse und nie lediglich im Interesse der beteiligten Parteien erhoben wird. Gleichwohl kann 35 Nach § 23 des EheG von 1938 konnte auch die Staatsangehörigkeitsehe für nichtig erklärt werden. Die Streichung gerade dieser Möglichkeit im Kontrollrats-EheG von 1946 (§ 19) spricht dafür, daß nach positivem deutschen Recht eine Nichtigerklärung hier nicht mehr möglich ist. 36 Vgl. Bonner GG Art. 3 und Gesetz vom 19. 8. 1957 (BGBl I 1251). 37 S. dazu H. Kremer, Namens- und Staatsangehörigkeitsehe in rechtsvergleichender Darstellung (Diss. Göttingen 1953).
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nicht anerkannt werden, daß der inländische ordre public deshalb ein allgemeines Klagerecht der deutschen Staatsanwaltschaft unter den Gesichtspunkten und rechtlichen Voraussetzungen des deutschen Rechts erfordere. Die große Mehrzahl der ausländischen Rechte hat hinsichtlich der Ehenichtigkeitsgründe ähnliche Grundsätze wie das deutsche Recht; ja, in vielen ausländischen Rechten reichen die Ehenichtigkeitsgründe und die Klagemöglichkeiten wesentlich weiter. Es verbleiben daher nur wenige Fälle, wie etwa die Realisierung einer mohammedanischen Mehrehe auf deutschem Staatsgebiet, in welchen das Eingreifen der deutschen Staatsanwaltschaft aus Gründen des öffentlichen Interesses außerhalb der Ehenichtigkeitsgründe und Klagemöglichkeiten des Heimatrechts erforderlich ist. Diese Fälle können mit Art. 30 E G B G B bewältigt werden. Einer allgemeinen Möglichkeit, auf Nichtigkeit der Ehe nach deutschem Recht zu klagen, bedarf es für die deutsche Staatsanwaltschaft jedenfalls dann nicht, wenn sie wenigstens in denjenigen Fällen auf Nichtigerklärung der Ehe klagen kann, in welchen das Heimatrecht der Parteien eine Klageerhebung durch eine Behörde vorsieht. I n diesen Fällen ist allerdings das Bedürfnis für eine Klageerhebung durch die deutsche Staatsanwaltschaft zu bejahen, da eine ausländische Behörde vor einem deutschen Gericht eine Ehenichtigkeitsklage wohl kaum erheben könnte 38. Soweit die ausländische Behörde Klagebefugnisse hat, dürften sie regelmäßig auf den Bereich ihres Staates beschränkt sein. Ausnahmen haben wohl nur da zu gelten, wo eine Klageberechtigung der ausländischen Behörde ausdrücklich vereinbart ist (wie im Haager Entmündigungsabkommen) 3 9 . Auch den diplomatischen Behörden eines ausländischen Staates wird man ohne ausdrückliche Bestimmung nicht das Recht einräumen können, an Stelle der zuständigen ausländischen Behörde die Ehenichtigkeitsklage im Inland zu erheben 40. Für eine solche Klage der ausländischen Behörde vor deutschen Gerichten fehlt es überdies regelmäßig an einem Bedürfnis, weil der ausländische Staat als Heimatstaat mindestens eines der Eheleute durch seine Normen über die internationale Zuständigkeit ja für eine Klagemöglichkeit seiner Behörden im eigenen Lande sorgen kann. 3. Das Problem konzentriert sich also auf die Frage, mit welcher Berechtigung die deutsche Staatsanwaltschaft eine Ehenichtigkeitsklage in denjenigen Fällen erheben kann, in welchen das maß38
Vgl. Dölle 139.
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S. oben vor N. 4.
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Dölle 137 ff.
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gebende ausländische Eherecht eine Ehenichtigkeitsklage durch eine Behörde vorsieht. Frankenstein41 hat angenommen, die Klagemöglichkeit einer Behörde könne durchaus den Inhalt haben, daß an Stelle einer inländischen Behörde die entsprechende ausländische Behörde eine solche Klage erheben dürfe. Dölle*2 hat dem entgegengehalten, eine solche Delegation von Funktionen bedürfe einer staatsvertraglichen Vereinbarung. Mir ist zweifelhaft, ob eine solche wirklich erforderlich ist. Wir nehmen eine privatrechtliche Rück- und Weiterverweisung ohne staatsvertragliche Vereinbarung an (Art. 27 EGBGB); wir lassen im Grundsatz dasselbe für eine jurisdiktioneile Rückverweisung gelten 43 . Warum sollte es nicht auch eine solche zuständigkeitsmäßige „Verweisung" im Rahmen der Behörden geben, welche die Ehenichtigkeitsklage zu erheben haben? Die Sachlage ist m. E. so aufzufassen, daß das materiell maßgebende Recht die Klage sinngemäß nicht nur durch die eigene dafür zuständige Behörde, sondern auch durch die entsprechenden fremden Behörden zuläßt und auf diese verweist. Die fremden Behörden sind nicht kraft einer Delegation (von welcher Dölle a.a.O. spricht), sondern nach ihrer eigenen Rechtsordnung zur Klageerhebung nicht nur bei Inländern, sondern auch bei Ausländern befugt ; sie können aber von dieser eigenen Zuständigkeit nur deshalb und insoweit Gebrauch machen, weil und wie das materiell maßgebende Recht das Klagerecht gewährt. Durch dieses Zusammenspiel der Rechtsordnungen kommt die Klage der inländischen Staatsanwaltschaft nach ausländischem materiellem Recht zustande. 4. Dölle44 hat weiterhin eingewendet, die ausländische Behörde habe ihr ausländisches öffentliches Interesse wahrzunehmen; die inländische Behörde könne dieses fremde öffentliche Interesse nicht wahrnehmen, sondern nur ihr eigenes. Ich glaube kaum, daß sich die Dinge damit abtun lassen, daß man in dieser Form das inländische und ausländische öffentliche Interesse als miteinander unvereinbar gegenüberstellt. Beiden ist jedenfalls eines im Kern gemeinsam: das Interesse am Schutz der Institution der Ehe. Die deutsche Staatsanwaltschaft wird die Ehenichtigkeitsklage nach ausländischem 41
42 Frankenstein III 200. Bolle 139. Vgl. oben N. 23 und meine Darstellung in der Festschrift Kraus (oben N. 21) 25. 44 Dölle 145. Im selben Sinne Gamillscheg 260 für die Anfechtung der Ehelichkeit. 43
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Recht sicherlich nur in solchen Fällen erheben wollen, wo der ausländische Nichtigkeitsgrund dem unseren entspricht. I n diesem R a h m e n aber decken sich das inländische u n d das ausländische öffentliche Interesse. Insoweit sollte kein Bedenken dagegen bestehen, daß die deutsche Staatsanwaltschaft die Klage im R a h m e n der Klagemöglichkeiten des ausländischen Rechts erhebt. Allerdings wird m a n die deutsche Staatsanwaltschaft nicht für verpflichtet halten können, die Ehenichtigkeitsklage in allen den Fällen zu erheben, in welchen die ausländische Staatsanwaltschaft sie erheben würde; diese h a t ja die Möglichkeit, bei ihren eigenen Gerichten selbst Klage zu erheben. Andererseits besteht m. E . kein Anlaß, der deutschen Staatsanwaltschaft die Ehenichtigkeitsklage abzuschneiden, soweit die für die Klageerhebung maßgeblichen Gesichtspunkte sich in beiden Rechtsordnungen decken. Wäre im Einzelfall einmal eine Klage erhoben, welche die Heimatbehörde aus ihren Ermessensgesichtspunkten heraus nicht erhoben hätte, so könnte immer noch damit geholfen werden, daß der Heimatstaat dem deutschen Urteil die Anerkennung verweigert. Solche Fälle werden aber selten sein. Die Gefahr ihres Auftretens k a n n m. E . nicht dazu führen, daß m a n die Möglichkeit einer Erhebung der Ehenichtigkeitsklage nach ausländischem Recht durch die deutsche Staatsanwaltschaft schlechthin verneint. 5. Als Vorbild für eine gegenseitige Vertretung von antragsberechtigten Behörden erscheinen die Vorschriften des Haager Entmündigungsabkommens über die Stellung eines Entmündigungsantrags durch solche Personen, welche nach Heimatrecht u n d Aufenthaltsrecht antragsberechtigt sind, sowie die von der Haager Konferenz dazu gegebene Auslegung, daß damit der Antrag auch durch die Behörden des Aufenthaltsstaates gewissermaßen stellvertretend f ü r die entsprechenden Behörden des Heimatstaates gestellt werden könne 4 5 . Es mag zwar zweckmäßig sein, ein solches Prinzip staatsvertraglich zu verankern. Ich glaube aber nicht, daß eine staatsvertragliche Vereinbarung erforderlich ist, um dieses Prinzip zu handhaben. Wir dürfen bei dieser Form des stellvertretenden Tätigwerdens für die antragsberechtigten ausländischen Behörden weitgehend auf Verständnis und Anerkennung unserer Urteile hoffen. Handelt es sich doch hierbei nicht so sehr u m einen Eingriff in eine fremde Rechtssphäre, sondern vorwiegend u m eine Hilfeleistung für 45
V g l . o b e n N . 3.
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den fremden Staat und seine Angehörigen, welche im Geiste internationaler Zusammenarbeit zu erfolgen hat und bei welcher die deutsche Staatsanwaltschaft nicht allzu engherzig ausschließlich auf das inländische Interesse an einer Nichtigerklärung der Ehe blicken darf. Auch das deutsche internationale Strafrecht ist in einzelnen Materien vom sog. Weltrechtsprinzip beherrscht 46 und hat sich den Schutz international gleich gelagerter kultureller Interessen zur Aufgabe gemacht. Mit demselben Recht, mit welchem hier Auslandstaten von Ausländern strafrechtlich verfolgt werden, muß es möglich sein, im Inland zum Schutz der Institution der Ehe eine Ehenichtigkeitsklage durch die deutsche Staatsanwaltschaft wenigstens in solchen Fällen zu erheben, in welchen die Ehe nach dem materiell maßgebenden ausländischen Recht nichtig ist und dieses Recht auch eine Klageerhebung durch eine Behörde vorsieht. Dasselbe Prinzip wird für die Anfechtung der Ehelichkeit schon vertreten: der inländische Staatsanwalt könne eine Ehelichkeitsanfechtungsklage auf Grund ausländischen Rechts jedenfalls dann erheben, wenn das maßgebende ausländische Recht eine Klage durch eine Behörde vorsehe 47. In diesem Grundsatz scheint mir die richtige Lösung der Frage des Antrags- oder Klagerechts der Staatsanwaltschaft in Statusprozessen von Ausländern zu liegen. 46
S t G B § 4 III Nr. 3, 4, 7, 8, 9. LGr München I 9. 7. 1952 (oben N. 12); Schwind, Kommentar zum österr. Eherecht (1951) Bern. II 2 zu § 158 A B G B (S. 51). 47
CONSIDERAZIONI COMPARATIVE SULL' ADOZIONE IN DIRITTO INTERNAZIONALE
PRIVATO
D i RODOLFO D E NOVA
Pavia* L'istituto dell'adozione è uno dei più variati, nei requisiti per il suo costituirsi e negli effetti che può produrre1 ; quindi, come è un fertile campo d'indagine per il giurista comparativo2 e per quello * Sono citati soltanto con il nome dell'autore e con la p a g i n a : Inglis, Adoption - Right of Child Adopted Abroad to Succeed under English Wil Conflict of Laws - S t a t u s : Can. Bar Rev. 35 (1957) 571-580; id., Adoption, t h e Marshall Case, and the Conflict of Laws : ibid. 1027-1045 ; Jones, Adoption in the Conflict of Laws: I n t . Comp. L. Q. 5 (1956) 207-216; Kennedy, Adoption in t h e Conflict of Laws: Can. Bar Rev. 34 (1956) 507-563; Nygh, Foreign Adoptions: Governing Law and E x t e n t of Recognition — Re Wilson and Other Cases: Sidney L. Rev. 2 (1956-58) 363-369; Taintor, Adoption in t h e Conflict of Laws: Univ. of Pittsburgh L. Rev. 15 (1953/54) 222-267 (devo alla cortesia dell'autore la diretta conoscenza di questo i m p o r t a n t e studio). 1 Questa constatazione si può dire d'obbligo quando si vuole esaminare il problema di diritto internazionale privato (d. i. p.); ne rivela infatti l'importanza pratica e la complessità. V. per es. E. Rabel, The Conflict of Laws I (Ann Arbor 1945) 632-635; E. G. Lorensen, Cases and Materials on t h e Conflict of Laws 6 (St. Paul, Minn. 1946) 774 s.; A. K. Kuhn, Comparative Commentaries on P r i v a t e International L a w or Conflict of Laws (New York 1937) 204-206; M.Wolff, P r i v a t e International Law (Oxford 1945) 404-406; E. de Szaszy, Droit international privé comparé (Alexandrie-Paris 1940) 382-386, 398 s., 404 ; Jones 207 s. ; Nygh 363 ; J. D. Falconbridge, Essays on the Conflict of Laws 1 (Toronto 1947) 584-595 (riguardo all'Inghilterra e alle Provincie canadesi; queste pagine sono state omesse nella 2.a ediz., del 1954, t r a t t a n d o s i di dati legislativi in gran p a r t e superati; il che indica come l'istituto dell'adozione sia oggi in continua elaborazione, specie nei paesi dove non è tradizionale). 2 V. specialmente la raccolta di studi c u r a t a da M. Ancel, L'adoption dans les législations modernes (Paris 1943), aggiornata da Mahillon, L'adoption en droit comparé: Rev. Dr. I n t . et Dr. Comp. 28 (1951) 65-83. V. anche P. Nisot, L a filiation adoptive en droit comparé (Bruxelles 1926); Derrett, Estudio preliminar sobre la adopción: Cuadernos de Derecho Angloamericano N. 6 (1956) 5-52 (pp. 47-50 sui conflitti di legge); Addis, Some P o i n t s
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orientato sociologicamente3, oltreché, naturalmente, per l'indagatore e applicatore del singolo sistema giuridico positivo, così fa sorgere agevolmente dei conflitti di legge e dei rapporti fra giurisdizioni nazionali, in tutta la loro complessa problematica. I. I L R I C O N O S C I M E N T O D I U N ' A D O Z I O N E COSTITUITA ALL' E S T E R O
Invero, poiché l'adozione sorge di solito con la partecipazione dell'autorità pubblica, o con funzione meramente constatativa dell'intento manifestato dalle parti o con funzione valutativa della situazione concreta e costitutiva del rapporto giuridico, il tutto secondo procedimenti vari, e, di fronte agli atti dell'autorità straniera o in genere compiuti all'estero per creare il rapporto in questione, l'atteggiamento dei legislatori, dei tribunali e dei commentatori assume aspetti diversi da paese a paese, anche sul piano del diritto processuale civile internazionale appaiono orientamenti difformi, che culminano persino in una diversa impostazione del problema della possibile correlazione fra il problema del tribunale competente e quello della legge applicabile. 1. I m p o s t a z i o n i c o n t r a s t a n t i n e l l a d o t t r i n a anglo-americana Mentre la giurisprudenza e la dottrina dell'Europa continentale - pur essendo avvertiti, si capisce, anche i problemi della competenza giurisdizionale ed internazionale 4 e le difficoltà d'ordine processuale cui il riconoscimento di atti o l'applicazione di norme straniere in tema di adozione possono dar luogo 5 - affrontano imof English and Foreign Adoption Law: Int. Comp. L. Q. 2 (1953) 387-390; A. F. Schnitser, Vergleichende Rechtslehre (Basel 1945) 354-356. 3 Newbold, Jurisdictional and Social Aspects of Adoption : Minn. L. Rev. 11 (1927) 605—623; H. Glàssing, Voraussetzungen der Adoption (FrankfurtBerlin 1957), v. pp. 21-43: Die soziologischen Grundlagen der Adoption. 4 Come scrive O.Morelli, Diritto processuale civile internazionale 2 (Padova 1954) 314, «Al fine di evitare qualsiasi confusione terminologica, può essere opportuno, seguendo l'uso ormai invalso, adoperare unicamente il termine 'competenza giurisdizionale' per indicare l'ambito della giurisdizione dello Stato, riservando l'altro termine 'competenza internazionale' per indicare il collegamento che deve sussistere fra la lite decisa dalla sentenza straniera e lo Stato da cui questa proviene perchè la sentenza stessa possa essere riconosciuta nel nostro ordinamento. » 6 Ricordo la questione se un tribunale possa esercitare un controllo di opportunità circa un accordo di adozione quando ciò è previsto dal diritto straniero applicabile, ma non dalla lex fori. V., per la negativa, l'ordinanza del KG 15-1-1932, IPRspr. 1932 N. 98, riportata e criticata dal Rabel,
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mancabilmente il problema della legge applicabile, e talvolta lo stesso legislatore lo risolve esplicitamente 6, invece la giurisprudenza e la dottrina anglo-americane appaiono spesso consapevoli solo del problema della «Jurisdiction», almeno nella fase della creazione e del riconoscimento del rapporto di adozione, lasciando in ombra, o avvertendolo solo in sede di determinazione dei suoi effetti specifici, quello della «choice of law», quando non giungono esplicitamente a riassorbire il secondo nel primo. Appunto una delle caratteristiche della recente fioritura di studi, assai pregevoli, che si è avuta nei paesi di «common law » sull'istituto dell'adozione considerato anche nelle sue frequenti «proiezioni» internazionali, è lo sforzo di ricondurre i dati giurisprudenziali nella problematica attinente alla «Jurisdiction» o invece in quella della «choice of law», o di distribuirli nell'uno e nell'altro quadro. Un attento esame di questo dibattito, e di questo dibattersi, dovrebbe portare utili elementi anche all'approfondimento di una questione generale che non è sfuggita all'attenzione di acuti studiosi 7 : la contrapposizione e possibile correlazione fra il metodo dell' attribuzione di competenza giurisdizionale e quello della scelta della legge applicabile per la soluzione dei conflitti di leggi 8 . Singolarmente espressiva, nell'ambito del problema particolare su indicato, è la posizione del Cheshire. Secondo l'eminente giurista inglese 9, «it is a little doubtful whether the question that it (l'adozione) raises in private international law is one of Jurisdiction or RabelsZ 6 (1932) 310-324, riprodotta parzialmente, in traduzione italiana e con breve nota del Rheinstein in adesione al Rabel, in Giur. Comp. D. I. P . 1 (1937) 106 s. Favorevole alla soluzione giurisprudenziale il Löhning, Adoption under English and German L a w : Int. L . Q. Rev. 3 (1950) 267-278. 6 V., per es., Art. 12 E G B G B ; art. 20 al. 2 disp. prel. c. c. italiano; art. 23 c. c. greco. 7 Nolde, Anwendbares Recht und Gerichtsbarkeit im I P R : ZvglRWiss. 54 (1940/41) 292-317; Oraveson, Choice of L a w and Choice of Jurisdiction in the English Conflict of L a w s : Br. Y B . Int. L . 28 (1951) 273-290. 8 Per accennare a d altri esempi in campi disparati, ricorderò che in Germania il funzionamento delle «Rückerstattungsgesetze» è stato condizionato a presupposti giurisdizionali nelle zone inglese ed americane, e a presupposti di diritto interzonale privato in quella francese (v. Kegel, Festschrift für Heinrich Lehmann [Berlin-Tübingen 1956] I I 526); e che il problema della ricerca della paternità in casi collegati con l'estero è risolto, in Svizzera, con la semplice determinazione del tribunale competente (cfr. Pfenninger, Die Vaterschaftsklage im I P R : Schw. J Z . 53 [1957] 319-322), mentre da noi è considerato idoneo a sollevare quesiti anche di stretto diritto internazionale privato (v. Zannini, L a ricerca della paternità naturale nel d. i. p. : Studi Se. Giur. Soc. P a v i a 30 [1949] 3-56). 9 G. C. Cheshire, Private International L a w 5 (Oxford 1957) 411.
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L'ADOZIONE IN D. I. P.
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of choice of law » ; ed egli sembra d'avviso che, se il sistema previsto dal diritto inglese, consistente nella creazione dell'adozione mediante un a t t o giudiziale («adoption order»), fosse seguito universalmente, l'impostazione giurisdizionalistica («What renders a court competent to issue an order t h a t will command extra-territorial validity ? ») sarebbe senz'altro corretta, mentre, se fosse generalizzato il sistema di far sorgere l'adozione per a t t o privato, la questione da porsi sarebbe semplicemente «What system of law determines whether the status has been created ? » E ' implicito nella contrapposizione effettuata dal Cheshire che nel primo caso non si porrebbe nemmeno il problema della legge applicabile, chè, t a n t o se le corti emanasero il decreto basandosi esclusivamente sulla lex fori, quanto se dovessero riferirsi al diritto straniero in virtù delle norme locali di diritto internazionale privato, non vi sarebbe ragione di controllare la validità del decreto giudiziale da questo punto di vista, in altri ordinamenti, prima di tenerne conto : accertata la competenza internazionale, è riconosciuto il decreto estero (salvo funzionamento del limite dell'ordine pubblico). Poiché nè l'uno nè l'altro metodo di creazione del rapporto d'adozione è oggi quello esclusivamente seguito in t u t t i gli Stati, l'impostazione del Cheshire sembrerebbe destinata a condurre all'uso del criterio giurisdizionale per l'accertamento della riconoscibilità di un decreto straniero di adozione e all'uso dell'altro criterio, quello della determinazione della legge applicabile, per accertare la validità di un accordo di adozione. Ma il Cheshire ritiene che «the correct line of approach» sia in ogni caso quella della «choice of law»: «The substantial inquiry, egli conclude, is not whether the official, if any, who effected the adoption possessed jurisdiction in the international sense, b u t whether t h e legal system under which the status has been created has a paramount claim to govern the matter ». E al riguardo egli è d'avviso che, in diritto internazionale privato inglese, la soluzione «correct in principle» dovrebbe essere l'applicazione della lex domicilii dell'adottando e della lex domicilii dell'adottante («doctrine of cumulation »), per il motivo che l'adozione modifica lo status dell'una e dell'altra parte 1 0 . Soluzione che è accolta anche in altre 10