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German Pages 466 Year 1999
KAROLIN POLL
Fernsehspartenprogramme und Pluralismus
Schriften zu Kommunikationsfragen Band 25
Fernsehspartenprograrrrrne und Pluralismus
Von Karolin Poll
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Poil, Karolin: Fernsehspartenprogramme und Pluralismus I von Karolin PoIl. Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriften zu Kommunikationsfragen ; Bd. 25) Zug!.: München, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09712-2
Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany
© 1999 Duncker &
ISSN 0935-4239 ISBN 3-428-09712-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068
Meinen Eltern
"Pluralistisch ist nicht ein Staat, der nur pluralistisch, pluralistisch ist ein Staat, der auch pluralistisch ist."
Ernst Fraenkel
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde zum Sommersemester 1998 bei der LudwigMaximi1ians-Universität München als Dissertation angenommen. Zuerst möchte ich mich bei meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Rupert Scholz für die Stellung des Themas bedanken. Er ließ mir bei meiner wissenschaftlichen Tätigkeit jeglichen Freiraum und hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, daß die Arbeit zügig zum Abschluß kam. Meinem Zweitkorrektor Herrn Prof. Dr. Peter Badura danke ich für die schnelle Durchsicht. Meine Familie war mir in dieser Zeit eine unentbehrliche Stütze. Ich bedanke mich zudem bei meinen Freunden, speziell bei Henning von Dewitz, Herwig Heegewaldt und Sven Herbert, die mir besonders in der letzten Phase meiner Arbeit mit Rat und Tat zur Seite standen. Henrike Blauth und Sandra Keil danke ich für den seelischen Beistand. Herr Jochen Heegewaldt hat mir bei der Überarbeitung des Textes sehr geholfen. Auch für die Anregungen von Herrn Manfred Gabriel und Herrn Felix Hollatz bin ich dankbar. Ferner möchte ich die Fernsehsender würdigen, die mich mit den nötigen Informationen versorgt haben und bereit waren, diese Arbeit zu unterstützen. Sie werden im letzten Teil gesondert dargestellt. Hier möchte ich mich besonders bei Herrn U1rich Kuhlo von n-tv, Herrn Dr. Klaus Radke von Phoenix sowie Frau Silvia Schultz von Viva bedanken. Sie schenkten meinem Anliegen hohe Aufmerksamkeit. Dank gebührt auch der Stadt Berlin, deren Bibliotheken diese Arbeit erst möglich gemacht haben. Neuere Literatur ist bis einschließlich Oktober 1998 eingearbeitet. Die Darstellung der Fernsehspartenprograrnme wurde als Momentaufnalune auf dem ursprünglichen Stand gelassen, lediglich ProgrammeinsteIlungen sind ergänzend festgehalten. Durch eigene Tätigkeit im Bereich des Fernsehens hat das Thema der Arbeit besonderen Reiz auf mich ausgeübt. So hatte ich die Möglichkeit, sowohl die praktische als auch die rechtliche Seite unmittelbar zu betrachten. Die Dynamik des Mediums war darüber hinaus eine zeitliche Herausforderung. Bei allen Mühen hat es dennoch Spaß bereitet, mich mit einer Materie zu befassen, der meine Zuneigung gilt - dem Rundfunk. Berlin, im November 1998
Karolin PoIl
Inhaltsverzeichnis Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen .................... 31 A. Geschichte des Rundfunkwesens bis zu seiner Dualisierung ............... 31 I. Der Begriff Rundfunk ....................................................................... 31
11. Anfänge des deutschen Rundfunkwesens ....................................... 32
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1. Die erste Rundfunksendung ......................................................... 32 2. Organisation des Rundfunks ........................................................ 32 3. Der Rundfunk im Nationalsozialismus als staatliches Instrument ............................................................................................. 33 III. Wiederaufbau der Rundfunkorganisation nach 1945 ..................... 34 1. Britische Zone .............................................................................. 35 2. Französische Zone .................... :.................................................. 35 3. Amerikanische Zone ..................................................................... 36 4. Sowjetische Zone ......................................................................... 36 5. Berlin ........................................................................................... 37 IV. Entwicklung in den Westzonen ..................................................... 37 1. Gründung der ARD ...................................................................... 37 2. Fernsehen als neues Medium ....................................................... 38 3. Entstehung des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) ............... 38 4. Aufkommen der dritten Fernsehprogramme ................................ 39
B. Eintritt der neuen Medien in die Rundfunklandschaft ......................... 39 I. Die technischen Voraussetzungen .................................................... 39
1. Kabelrundfunk ............................................................................. 39 2. Satellitenrundfunk ........................................................................ 41 3. Vor- und Nachteile dieser Techniken .......................................... 42 a) Kombinierbarkeit ..................................................................... 42 b) Potentiale der Satellitentechnik ............................................... 42
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Inhaltsverzeichnis
c) Kapazitätsnöte der Kabeltechnik ............................................. 43 II. Rechtliche Einebnung des dualen Systems ..................................... 44 1. Das rechtliche Regelungswerk ..................................................... 44 a) Landesmediengesetze .............................................................. 44 aa) Zur Sondersituation Bayerns .............................................. 45 bb) Lizenzvergabe .................................................................... 46 cc) Beeinflussung durch die Rechtsprechung des BVerfG ...... 47 b) Rundfunkstaatsvertrag ............................................................. 49 aa) Die erste Fassung -längere Entstehungsphase als Geltungsdauer ................................................................................... 49 bb) Die zweite Fassung ............................................................ 51 cc) Die dritte Fassung als die derzeit geltende Regelung ......... 52 2. Die Exekutivorgane ..................................................................... 54 a) Landesmedienanstalten ............................................................ 54 aa) Funktion und Aufbau ......................................................... 54 bb) Rechtliche Stellung ............................................................ 55 b) Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten ................... 57 c)KEF .......................................................................................... 58 d) KEK ......................................................................................... 58 e) Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) ........................... 59 III. Folgen der Wiedervereinigung Deutschlands für den Rundfunk ... 59
C. Gegenwärtige Herausforderungen und Prozesse im Rundfunk........... 60
I. Die technischen Innovationen .......................................................... 60 1. Digitalisierung .............................................................................. 60 a) Technische Aspekte ................................................................. 60 b) Veränderungen durch die Digitalisierung des Rundfunks ....... 62 c) Digital Audio Broadcasting (DAB) ......................................... 63 d) Digital Video Broadcasting (DVB) ......................................... 64 2. Multimedia ................................................................................... 66 a) Entstehung und Umfang .......................................................... 66 b) Verknüpfungsmöglichkeiten ................................................... 66
Inhaltsvt:rzt:ichms
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c) Multimediagesetze ............................................... ........... ...... 67 d) Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia (FSM) ...................... 68 II. Trends der gegenwärtigen Rundfunklandschaft ............................ 68 I. Europäisiemng ............................................. .... .... ........ ............ 68 2. Der Medienmarkt als Wirtschaftsmarkt .... ....... .. ....................... 70 a) Hohe Finanzkraft .................................................................. 70 b) Gesteigerte Konkurrenz ........................................................ 71 :3. Fusionsaktivitäten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ............. 71
a) GlÜndung der Zweiländeranstalt SWR .............. .................... 72 b) Folgen für die übrigen Rundfunkanstalten ............................ 73 -l. Das Verhältnis von Rezipient und Veranstalter im Wandel.. ..... 73
a) Medienkompetenz .......................................... ....................... 73 b) Orientiemngshilfen ................................ .... .... ............ ....... .... 75 5. Verspartung des Rundfunkangebots .......................................... 75 a) Aufkommen von Spartenprograuunen ........ .. ......................... 75 aa) Technische Basis ............................................................. 75 bb) Unterscheidung von Voll- und Spartenprogramm ............ 76 cc) Anstieg Anfang der neunziger Jahre ................................ 76 dd) Verspartung der Sparte ................................................... 77 ee) Übergang auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk .......... 77 b) Entwicklungsprognose .......................................................... 78 aa) Stagnation ....................................................................... 78 bb) Anstieg mit Digitalisierung ............................................. 79 cc) Potentiale ........................................................................ 79 c) Rechtliche Beurteilung der Verspartung ................................ 79 aal Widerspmch zu binnenpluralistischen Anforderungen .... 80 bb) Einflüsse auf das außenpluralistisch organisierte System 80 cc) Spartenprogramme als desintegrierende Faktoren ............ 81 d) Zur Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme ... 82 e) Rechtliche Handlungsmöglichkeiten ..................................... 83
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Inhaltsverzeiclmis
TeilII: Spartenprogramme ................................................................... 85 A. Der BegriffS'partenprogramm ......................... ................................ 85 I. Aufkommen .................................................................................. 85 II. Definition .................................................................................... 86 1. Die Definition des § 2 II Nr. 2 RuFuStV ................................... 86 2. Definitionen in den Landesmediengesetzen .............................. 86 a) Ergänzende Aufzählungen .............................. ...................... 87 b) Andere Definitionen .............................. ............................... 87 3. Definitionen in der Literatur.. ................................................... 88 III. Spartenprogramme und andere Programmgenres ........................ 89 I. Vollprogramme ........................................................................ 89 a) Definition in § 2 II Nr. I RuFuStV ....................................... 89 aa) Vielfältige Inhalte ........................................................... 89 bb) Wesentlicher Teil des Gesamtprogramms ........................ 91 cc) Innere Spartenvielfaltjedes Ptlichtbereichs ...................... 92 dd) Zielgruppenvielfalt.. ........................................................ 93 ee) Meinungsvielfalt ............................................................. 93 ft) Gesamtprogramm ............................................................. 94
b) Definitionen in den Landesmediengesetzen .......................... 95 c) Folgerungen für die Definition des Spartenprogramms ......... 96 aa) Bestimmung der Inhalte .................................................. 96 bb) Gleichartigkeit ................................. ............................... 97 cc) Wesentlichkeitsgrenze ..................................................... 97 dd) Keine Abgrenzung durch ein Gesamtprogramm .............. 97 ce) Keine zeitlichen Grenzen eines Spartenprogranuns ......... 97 ft) Zielgruppe ........................................................................ 98
2. Zielgruppenprogramme ............................................................ 98 a) Definition ............................................................................. 98 b) Verhältnis zu Spartenprogrammen ............................. .......... 99 aa) Alternativität ................................................................... 99
Inhal tsverzei clmi s
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bb) Überschneidung ............................................................ 100 cc) Identität.. ....................................................................... 100 dd) Das Spartenprogramm als Zielgruppenprogramm ......... 10 1 c) Verwendung der Begriffe .................................................... 103 aa) Einführung des Zielgruppenprogranulls als Rechtsbegriff .............................................................................. 104 bb) Folgen für die Definition des Vollprogranulls ................ 105 3. Fensterprogramme ...................................................... ............ 106 4. Schwerpunkt- und Teilprogramme .......................................... 107 IV Inhaltliche Zusammensetzung des Spartenprogramms in der Praxis ....................................................................................... 108 l. Vergleich von Hörfunk- und Fernsehspartenprogrammen ....... 109
a) Fernsehspartenprogramme .................................................. 109 aa) Sport ............................................................................. 109 bb) Musik ............... .. .. ........ .................... ................... .. ....... 109 cc) Nachrichten ...................... .. ... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ... .. ... .. .. .. .. .. 110 b) Hörfunkspartenprogramme ................................................. 110 2. Vergleich von Fernsehzielgruppen- und Fernsehspartenprogrammen ................................................................................ 111
B. Entwicklung der Spartenprogramme .............................................. 111 1. Verspartung der Medienlandschaft ........... .. ..... .. .. .. .. .. .... .. ... ... ...... 111 l. Beginn in den Printmedien ..................................................... 111
2. Übergang auf Hörfunk- und Fernsehprogramme ..................... 112 II. "Musicbox" - der erste Spartenkanal .......................................... 113 1. Entstehung ............................................................................. 113 2. Umwandlung zum Vollprogramm ........................................... 114 3. Erneuter Wechsel zum Spartenprogramm ............................... 115 III. Spartenkanäle als Programmgenre der Zukunft? ....................... 115 l. Vorteile der Spartenprogramme für den Zuschauer ................. 115
a) Programmgarantie .............................................................. 115 b) Ständige Verfügbarkeit ................................. ...................... 115
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Inhaltsverzeichnis
c) Kleine Programmeinheiten ..................................... ............ ll6 d) Fachkompetenz ................................................................... 116 e) Unlimitiertes Eingehen auf spontane Ereignisse .................. 116 f) Befriedigung individueller Bedürfnisse ................................ 117
2. Nachteile der Spartenprogramme für den Zuschauer.. ............. 117 a) Spartenprogrammeignung nur bestimmter Zielgruppen ...... 117 b) Hoher Wiederholungsanteil ................................................ 118 3. Vorteile der Spartenprogralllllle für den Programminhaber ..... 119 a) Mehrfachverwertung ........................................................... 119 b) Geringe Personalkosten ...................................................... 119 c) Spezifische Werbung .......................................................... 119 d) Sicherung von Exklusivrechten ........................................... 120 e) Weltweites Interesse ............................................................ 120 4. Nachteile der Spartenprogralllllle für den Programminhaber... 120 a) Gewinnung von Dauerzuschauern ....................................... 120 b) Finanzierung durch Werbung ............................................. 121 c) Fehlender Programmspielraum ........................................... 121 d) Nachteile bei der Zulassung bzw. Kabeleinspeisung ............ 121
C ,"''partenprogram11le in der Rechtsprechung des BVerfG .................. 122 I. Zum Begriff des Spartenprogramms ............................................ 122
II. Vorrangige Einspeisung bzw. Zulassung der Vollprogramme .... 123 III. Öffentlich-rechtliche Spartenprogramme .................................. 123
D. S'partenprogra11lme und Pay TV .................................................... 124 I. Zum Begriff Pay TY. ................................................................... 124
II. Zugehörigkeit zum Rundfunk .................................................... 125 III. Öffentlich-rechtliches Pay TV .................................................. 126 Teil UI: Pluralismus im Rundfunk .............. ........................................ 129
A. Begriffund Piuralis11Iustheorien .................................................... 129 I. Begriffsanalyse - die Facetten des Pluralismus ............................. 129 1. Pluralismus als Begriff............................................................ 129
Inhaltsverzeichnis
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a) Die pluralistische Gesellschaft... ............................................ 129 b) Der pluralistische Staat.. ........................................................ 130 c) VelWendung und Vorkommen des Begriffs .......................... 131 2. Pluralismus und Rundfunk. ........................................................ 131 11. Die Pluralismustheorien Europas unter Einschluß der Integrationslehre Smends ......................................................................... 132 1. Die Genossenschaftslehre Otto von Gierkes .............................. 132 2. Die Pluralismustheorie Renri Laskis ......................................... 134 3. Carl Schmitt und die Begründung des Totalitarismus ............... 136 4. Der Neo-Pluralismus Ernst Fraenkels ........................................ 138 a) Anti-Pluralismus .................................................................... 138 b) Consensus omnium ................................................................ 139 c) Staat als Gruppe "sui generis" ............................................... 140 d) Gemeinwohl........................................................................... 140 e) Zur Rolle der Parteien.......... ................................................... 140 f) Dialektische Durchsetzung des Pluralismus........................... 141
5. Die Integrationslehre Rudolf Smends ........................................ 142 6. Verhältnis von Integrationslehre und Pluralismustheorie .......... 144 111. Ziele des Pluralismus ................................................................... 145 1. Der Pluralismus als Abkehr vom absoluten Denken .................. 146 2. Das liberale Moment des Pluralismus ........................................ 146 3. Staatliche Einheit....................................................................... 147 IV. Schwächen und heutige Bedeutung der Pluralismustheorie ........ 147 1. Strukturelle Schwächen ............................................................. 147 a) Die Interessenvertretung ........................................................ 147 aa) Erforderlichkeit der Organisation..................................... 147 bb) Unterschiedlicher Einfluß ................................................ 148 cc) Diskrepanz zwischen Verband und Interessen ................. 148 b) Die Reichweite der Toleranz ................................................. 149 c) Reduzierung des Wertekodex ................................................ 150 d) Orientierungslosigkeit............................................................ 151
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Inhaltsverzeiclmis
e) Handhabung des dialektischen Prozesses ............................ 151 2. Heutige Bedeutung der Pluralisntustheorie .............................. 151 V. Verhältnis der Pluralismustheorien zum Rundfunk ......... ........... 152
l. Stellung des Rundfunks .......................................................... 153
2. Meinungs- und Willensbildung ............................................... 153 3. Staatliche und gesellschaftliche Meinungs- und Willensbildung ....................................................................................... 154 4. Beteiligung gesamtgesellschaftlich relevanter Kräfte .............. 155 5. Entbehrlichkeit einer Entscheidung ........................................ 155 6. Funktionelle Bedeutung des Rundfunks .................................. 156
B. Auslegung des Art. 5 J S. 2 GG durch das BVerjG ......................... 157 l. Die Rechtsprechung des BVerfG ................................................. 157 1. Rundfunk ................................................................................ 157 a) Begriff ................................................................................ 157 aal Aussagen des BVerfG ................................................... 157 bb) Diskussion zum Rundfunkbegriff in der Literatur .......... 158 b) Stellung des Rundfunks im Staat ........................................ 161 aal Kulturelle Bedeutung ............... ..................................... 161 bb) Politische Bedeutung ..................................................... 161 2. Pluralismus ............................................................................. 164 a) Binnenpluralismus .................................. .... .... ....... ............. 165 aal Gesellschaftlich relevante Kräfte ................................... 166 bb) Verbandliche Interessenrepräsentation .......................... 166 b) Andere Gestaltungsfonnen wie auch Außenpluralismus ...... 167 c) Verhältnis der Modelle zueinander ..................................... 168 d) Ausnahmen vom Pluralismusgebot ..................................... 169 3. Ausgewogenheit ..................................................................... 169 a) Gegenständliche und meinungsmäßige Ausgewogenheit. .... 169 b) Ausgewogenheit als unbestimmter Rechtsbegriff................. 170 c} Verhältnis von Ausgewogenheit und Pluralismus ................ 170
hlhaltsverzeichnis
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4. Beschreibung der dualen Rundfunkordnung ............................ 171 a) Grundversorgung ................................................................ 172 b) Grundstandard .. ...... .... ... .. ......... ...... ..... ... .... ............. ........ ... 174 5. Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ................ 175 11. Zur Auslegung der Rundfunkfreiheit durch das BVerfG ............. 177 1. Teleologische Interpretation der Rundfunkfreiheit .................. 177
2. Unbestimmte Rechtsbegriffe ................................................... 178 3. Ausblick ................................................................................. 178 III. Folgerungen für die Herleitung pluralistischer Anforderungen 180 1. Das Pluralismusverständnis im Rundfunkbereich .................... 180
2. Funktion des Pluralismus im Rundfunk .................................. 181 C. Der Pluralismus in der Verfassung ................................................ 181
I. Stellung innerhalb der Verfassung .............................................. 181 1. Zur Rolle der Verfassung ........................................................ 181
2. Inhalt der Verfassung ............................................................. 183 a) Demokratieprinzip .............................................................. 183 aa) Verhältnis zur Rundfunkfreiheit.. .................................. 183 bb) Verhältnis zum Pluralismus .......................................... 184 b) Sozialstaatsprinzip .............................................................. 185 aa) Verhältnis zur Rundfunkfreiheit... ................................. 185 bb) Verhältnis zum Pluralismus .......................................... 186 11. Zur Systematik des Art. 5 GG .................................................... 186 1. Stellung der Rundfunkfreiheit zur Meinungsfreiheit ............... 187
2. Stellung der Presse- zur Rundfunkfreiheit... ............................ 187 III. Zur Interpretation der Rundfunkfreiheit.. .................................. 188 I. Die individual rechtliche Betrachtung der Rundfunkfreiheit .... 189 2. Die gesellschaftsrechtliche Betrachtung der Rundfunkfreiheit 190 a) Funktional .......................................................................... 190 b) Institutionell ....................................................................... 191 3. Ausblick ..................................... .. .................. .. .. .. .................. 192
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Inhaltsverzeiclmi s
IV. Pluralismus als verfassungsrechtliches Prinzip oder Gebot ....... 192 1. Der Pluralismus als Verfassungsprinzip .................................. 192
2. Das Pluralismusgebot im Rundfunk ........................................ 193 a) Strukturprinzip der Rundfimkfreiheit.. ................................ 193 b) Herleitung aus Meinungsfreiheit und Demokratieprinzip .... 193 c) Pluralismus als Zielwert des Art. 5 I S. 2 GG ...................... 194 D. Pluralistische Regelungen der Landesgesetzgeber ......... .. .. .. .. .. ...... 195 1. Der Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers ............... .. ..... 195 1. Das Modell des Binnenpluralismus ......................................... 195
a) Inhaltlicher und organisatorischer Binnenpluralismus ........ 195 aal Organisatorisch ................... .......................................... 196 bb) Inhaltlich ...................................................................... 196 cc) Verhältnis zueinander ................................................... 197 b) Zur Eignung des Modells für den privaten Rundfunk .......... 198 aal Ablehnung binnen pluralistischer Kriterien .................... 198 bb) Befürwortung binnenpluralistischer Kriterien ............... 199 ce) Stellungnahme .............................................................. 200 dd) Zur Problematik des Übergangsmodells ........................ 202 c) Zur Rolle der Gremien ........................................................ 203 aal Theoretische Anfordemngen ......................................... 203 bb) Entsprechung in der Praxis ....... .. .................................. 204 d) Zur gesellschaftlichen Relevanz .......... .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ...... 208 2. Das Modell des Außenpluralismus ............... .. ... .. .. .. .. .. .. .. .. ...... 210 a) Wirkungsweise ................................................................... 210 b) Vergleich mit dem amerikanischen System ......................... 210 cl Zur Rolle des Wettbewerbs .................................................. 211 aal Ökonomischer Wettbewerb ..... .. ..................................... 212 bb) Publizistischer Wettbewerb ........................................... 213 d) Organisation des außenpluralen Systems .................. .. ........ 214 aal Regelungsbedürftigkeit .................................................. 214
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bb) Aufsicht ........................................................................ 215 cc) Tendenzfreiheit ............................................................. 216 e) Eignung zur Schaffung von Meinungsvielfalt ..................... 216 aal Ablehnung als Sicherungsmittel.. .................................. 216 bb) Befürwortung als Sicherungsmittel... ............................. 218 cc) Vielfaltsanforderungen im Außenpluralismus ................ 218 dd) Gleichrangigkeit von Binnen- und Außenpluralismus? 221 3. Andere Modelle ...................................................................... 222 a) Übergangsmodell ................................................................ 222 b) Alternative Modelle ............................................................ 223 Il. Die tatsächliche Nutzung des Gestaltungsspielraums ................. 223 1. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten ....................................... 223
a) Zusammensetzung des Rundfunkrats .................................. 224 aal Vertretene Gruppen ....................................................... 224 bb) Öffnungsklausel ................................. ........................... 225 cc) Amtsperioden ................................................................ 225 b) Befugnisse des Rundfunkrats .............................................. 226 aal Programmgestaltung ..................................................... 226 bb) Personelle Fragen .......................................................... 227 cc) Regelungskompetenzen ................................................. 227 c) Regelungen zur Sicherung inhaltlicher Vielfalt.. ................. 228 aal Gegenständliche Anforderungen ................................... 228 bb) Meinungsmäßige Anforderungen .................................. 229 2. Der private Rundfunk ............................................................. 230 a) Funktion und Organisation der Landesmedienanstalten ...... 230
aal Exekutivorgan ............................................................... 231 bb) Zusatzorgan bei dreistufigem Aufbau ............................ 231 cc) Hauptorgan ................................................................... 232 b) Vielfaltsregelungen im privaten Rundfunk .......................... 238
aa) Gegenständliche Vielfaltsanforderungen ....................... 238
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Inhaltsverzeichnis
bb) Meinungsbezogene Vielfaltsanforderungen ... ... ..... ....... . 242 cc) Zum Sonderfall der bayerischen Regelungen .. ... .... ........ 244 c) Sicherungsmechanismen ............ ..... ..... ............... .... ............ 246 aa) Das Zulassungsverfahren ... .. ... ...... ......... ... ... ..... ........ ..... 246 bb) Bekämpfung von Medienkonzentration ...... .... .... .... ... .. .. 247 cc) Aufsichtsmaßnahmen ........... ...... ...... .. ................ .... ....... 248 3. Auseinandersetzung mit den gesetzlichen Regelungen ........ .... 248 a) Öffentlich- und privatrechtliche Anforderungen ... .. ... ... .. ..... 249 b) Nutzung des Gestaltungsspielraums ... ..... ..... .. .. .. ... ..... .......... 249 aa) Entscheidung für ein duales System ... ........... ... .. .... .. ... .. 249 bb) Zur Feststellung von Meinungsvielfalt ........ .. .. ... .. ..... .... 250 cc) Regelungsdefizit einer vertikalen inhaltlichen Vielfalt... 251 dd) Entscheidung für ein Modell zur Sicherung der Vielfalt 252 c) Zum Übergangsmodell im besonderen .............. ........ .... .. .... 252 aal Auswirkungen der Modellstrukturen auf die Programme ... .... ....... ...... ........ .. ......... .. ........ ...... ........ .... ...... ........ 252 bb) Das Kriterium der VeranstalterzahJ... .......... .......... .. ... .... 253 d) Die föderalistischen Strukturen im Rückzug? ..... .... .. .. ..... ... 254 aal Finanzielle Aspekte ...... .. .... ........ ... .. ... .... ... .... ........... ... .. 254 bb) Betreiben von Standortpolitik.. ........ .. .. ...................... .. .. 254 cc) Verzögerung der medientechnischen Entwicklung ......... 255 dd) Funktionsverlust durch die FSF .. .. .............. .. .... ........ .. ... 255 ee) Errichtung einer Bundesmedienanstalt ...... ............ .. .. .... 256 ff) Auswirkungen der europäischen Vereinigung ...... .. .. .... .. . 257
gg) Funktion des föderalistischen Elements ................. .. ...... 257
E. Pluralismus im Rundfunk ........ .... ............ .... ................ ................... 258 I. Venvendung des Pluralismusgedankens im Rundfunk ................. 258
I. Instnllnentalisierung .. ....... ................................ .... ....... .. ......... 258 2. Theoretische Fundierung .. .............. ........ ....... .... ...... .. ... ...... .... 259 3. Pluralismus und positive Ordnung .... .. .................. ........ .. ........ 259 11 . Chancen des Pluralismus ............ .. .. .. ...... .. .. .. .. .. ....... .. .... .... .. .. .... 261
Inhaltsverzeichnis
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunksystem .......... 263
A. Verhältnis privatrechtlicher Spartenprogramme zum Pluralismus ... 263 I. Pluralismus und Spartenprogramme - ein Widerspruch in sich?
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1. Abhängigkeit vom gesellschaftlichen Pluralismus .................... 263 2. Gesellschaftspluralismus und Spartenprogramme ..................... 264 a) Beschaffenheit der einzelnen Elemente ................................. 264 b) Beeinflussung der gesellschaftlichen Gruppenstruktur ......... 264 c) Unterschiedliche Gruppenansprache ...................................... 264 d) Grundkonsens ........................................................................ 265 3. Das Spartenprogramm im pluralistischen Rundfunksystem ...... 265 11. Das Spartenprogramm und die einzelnen Pluralismusmodelle ..... 266 I. Binnenpluralismus ..................................................................... 266 a) Das einseitige Programmangebot... ........................................ 266 b) Organisatorische Möglichkeiten ............................................ 267 2. Außenpluralismus ...................................................................... 267 a) Sparten- und Zielgruppenattraktivität .................................... 268 b) Verdrängung und Entleerung der Vollprogramme ................ 269 aa) Nutzung des erweiterten Frequenzangebotes ................... 269 bb) Abzug attraktiver Programminhalte ................................. 269 cc) Abzug des Publikums in seiner Gesamtheit.. ................... 270 c) Instrumentalisierung der Spartenprogramme ......................... 270 3. Spartenprogramme versus Integrationsfunk .............................. 271 a) Integration .............................................................................. 271 aa) Bedeutungsaufstieg .......................................................... 271 bb) Defmition ......................................................................... 272 cc) Wirkungsweise ................................................................. 273 dd) Integrationsbedarf der Gesellschaft ................................. 274 ee) Kritik an der Integration ................................................... 275 b) Verhältnis von Pluralismus und Integration .......................... 277 c) Integrationsfunktion des Rundfunks ...................................... 278
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Inhaltsverzeichnis aa) Reale Integrationsfunktion ............................................... 278 bb) Nonnative Integrationsfunktion ....................................... 282 d) Zur desintegrierenden Wirkung von Spartenprogrammen .... 287 aa) Verlust an Konfrontation .................................................. 288 bb) Verlust der gemeinsamen Erlebniswelt ........................... 290 cc) Lehre von der Wissenskluft... ........................................... 290 e) Zur integrierenden Wirkung von Vollprogrammen ............... 292
f) Folgerungen ............................................................................ 292 III. Zur Unbedenklichkeit privatrechtlicher Sparteilprogramme ....... 293 1. Spartenprogramme als Bedürfnisbefriedigung der Rezipienten 293 a) Verspartung als Bedürfnis der Gesellschaft... ........................ 293 b) Stellenwert der Rezipientenpräferenzen ................................ 294 c) Sinkender Einfluß auf das Zuschauerverhalten ..................... 294 2. Spartenprogramme als vielfaltsfördernde Faktoren ................... 295 a) Vielfalt in der Tiefe einer Sparte ............................................ 296 b) Förderung der vertikalen Vielfalt .......................................... 296 c) Spartenprogramme als Minderheitenprogramme ................... 297 d) Keine Verdrängung der Vollprogramme ............................... 297 e) Vielfaltsausgleich durch öffentlich-rechtliche Programme? 298 3. Spartenprogramme und Integrationsauftrag ............................... 299 a) Integration von gesellschaftlichen Gruppen .......................... 299 b) Keine Gettoisierung ............................................................... 300 aa) Neigung des Menschen zu Vielseitigkeit ......................... 300 bb) Allgemeine Zugänglichkeit ............................................. 300 c) Integrationsfaktoren auf internationaler Ebene ...................... 300 d) Ausgleich durch interpersonelle Kontakte ............................. 301 e) BVerfG-Rechtsprechung zur Integration ............................... 302
f) Kommunikationsabbruch? ..................................................... 303 g) Von der Ideologie der integrierenden Vollprogramme .......... 303 aa) Zur Konfrontation mit Andersartigem ............................. 303
Inhaltsverzeichnis
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bb) Keine temporäre Vereinigung von Rezipientenbedürfnissen ............................................................................... 303 cc) Vereinigung der Rezipienten vor dem Fernseher? ........... 304 h) Zur Wissens- und Wertekluft ................................................. 304 i) Vergleich mit der Situation der Presse ................................... 305 4. Folgerungen ............................................................................... 306 IV. Rechtliche Regelung der privatrechtlichen Spartenprogramme .. 306 1. Anforderungen hinsichtlich der Meinungsvielfalt ..................... 306 a) Keine bzw. negative Regelung .............................................. 307 b) Gleichstellung von Voll- und Spartenprogramm ................... 308 c) Differenzierung nach Art des Spartenprogramms ................. 308 aa) Spartenprogramme mit Schwerpunkt Information ........... 308 bb) Meinungsbildendes deutschsprachiges Programm .......... 309 2. Gegenständliche Anforderungen ............................................... 309 3. Einspeisung bzw. Zulassung von Spartenprogrammen ............. 309 a) Offene oder versteckte Bevorzugung der Vollprogramme .... 310 b) Beurteilung der Regelungen in der Literatur ......................... 311 c) Differenzierung nach Programmtyp ...................................... 312 4. Regelungsdefizit oder fehlende Regelungsbedürftigkeit? .......... 312 a) Kein rechtliches Netz rur Spartenprogramme ........................ 312 b) Notwendigkeit rechtlicher Regelungen ................................. 313 aa) Regelungsbedarf............................................................... 313 bb) Einbezug ausländischer Spartenprogramme .................... 314 c) Auferlegung von Meinungsvielfalt ........................................ 314 B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme ..................... 315 I. Grundversorgung und klassischer Auftrag ..................................... 316
1. Grundversorgung ....................................................................... 316 a) Wortlautinterpretation ............................................................ 317 b) Funktionale Interpretation ..................................................... 3 18 aa) Freizeichnung des privaten Rundfunks ............................ 318 bb) Kompensationsfunktion ................................................... 318
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Inhaltsverzeichnis
cc) Grundversorgung als Vollversorgung ........................... ... 319 dd) Dynamik der Grundversorgung ....................................... 320 c) Zukunft des Grundversorgungsbegriffs im Rundfunk ........... 321 aa) Rechtliche Manifestierung ........................................ ....... 321 bb) Trennung vom Grundversorgungsbegriff.. .................... .. 322 2. Klassischer Auftrag ............................... .. .. ................................. 323 a) Wortlaut ................................................................................. 323 b) Inhalt .. .................................................................................... 323 c) Umfang .................................................................................. 324 d) Art der Erfüllung .............................. ..................................... 324 3. Verhältnis der Grundversorgung zum klassischen Auftrag ....... 325 11. Zur Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme .......... 326 1. Unzulässigkeit. ............................................................... ...... ...... 326 a) Unvereinbarkeit mit der Grundversorgung ........................... 326 aa) Allgemeine Empfangbarkeit ...................................... ...... 327 bb) Spartenprograrnme versus Allgemeinheit.. ...... .......... .... .. 327 cc) Umfassende Berichterstattung .................................... ...... 328 dd) Keine Deckung der Spartenprogramme durch die Entwicklungsgarantie ........................................ ............ ....... . 329 b) Öffentlich-rechtlicher Integrationsauftrag .................. .. ......... 330 aa) Integration als öffentlich-rechtliches Leitmotiv .. .... ......... 330 bb) Besondere Eignung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Integration .................................... ................ .... 331 cc) Herleitung aus der Grundversorgung ............................... 331 dd) Verbot von Spartenprogrammen...................................... 332 ee) Integrationsmodell .......................... .................................. 333 ft) Folgerungen fiir die öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme ........................................ ..................................... 341
c) Verstoß gegen die Wettbewerbsfreiheit.. ............................... 342 aa) Verletzung des Grundrechts der Wettbewerbsfreiheit ..... 342 bb) Einfachgesetzlicher Schutz durch das UWG und GWB 342
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cc) Europarechtlicher Wettbewerbs schutz durch Art. 85 und 86 EGV ............................................................................ 347 e) Unzulässigkeit der beiden bestehenden Spartenkanäle .......... 352 aa) Kinderkanal ...................................................................... 352 bb) Phoenix ............................................................................ 353 2. Zulässigkeit ................................................................................ 353 a) Einordnung innerhalb des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags ......................................................................... 353 aa) Spartenprogramme als Teil der Grundversorgung ........... 353 bb) Spartenprogramme als Ergänzungsversorgung ............... 355 cc) Selbständige und unselbständige Spartenprogramme ...... 357 b) Sonstige ZulässigkeitsbegTÜndungen ..................................... 358 aa) Spartenprogramme als Ausdruck der Programmfreiheit.. 358 bb) Legitimation durch die Bestands- und Entwicklungsgarantie ............................................................................ 358 cc) Spartenprogramme als integrationsfördemde Faktoren ... 358 dd) Ausnutzung der Wettbewerbsfreiheit .............................. 359 c) Zulässigkeit der beiden existierenden Spartenkanäle ............ 359 aa) Werbefreiheit. ................................................................... 359 bb) Inhalte .............................................................................. 360 3. Zulässigkeitje nach Programminhalt ......................................... 361 4. Stellungnahme ........................................................................... 362 a) Einordnung der Spartenprogramme ....................................... 362 aa) Privilegierung bestimmter Gesellschaftsgruppen ............. 363 bb) Auslagerung grundversorgender Inhalte .......................... 363 cc) Grundversorgungsbestimmung durch den Rezipienten ... 363 b) Funktionsfahigkeit des Wettbewerbs ..................................... 364 aa) Sensibilität des Spartenprogrammarktes .......................... 364 bb) Der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Kompensator? ... 365 III. Finanzierung der Spartenprogramme ........................................... 366 I. Finanzierung durch Gebühren .................................................... 366
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Inhaltsverzeichnis
a) Funktionsgebundenheit der Gebühren ................................... 366 aa) Befürwortung einer Gebührenfinanzierung ..................... 367 bb) Ablehnung einer Gebührenfinanzierung .......................... 367 b) Vereinbarkeit mit dem europäischen Beihilferecht ............... 368 aa) Gebühren als Beihilfe im Sinne des Art. 92 I EGV ......... 369 bb) Staatliche Beihilfen .......................................................... 374 cc) Bestimmte Unternehmen .................................................. 376 dd) Wettbewerbsverfälschung ................................................ 376 ee) Handelsbeeinträchtigung auf zwischenstaatlicher Ebene 378 ff) Rechtfertigung durch Art. 92 III d) EGV .......................... 379
gg) Rechtfertigung durch Art. 92 III c) EGV ......................... 381 hh) Ausnahmen nach Art. 90 11 EGV .................................... 382 ii) Möglichkeit der Genehmigung durch den Rat .................. 385 jj) Notifizierungspflicht.. ........................................................ 385 kk) Protokollnotiz der europäischen Regierungschefs ........... 386 c) Ausblick ................................................................................. 387 2. Finanzierung durch Werbung .................................................... 388 a) Ausschließliche Finanzierung ................................................ 388 b) Mischfmanzierung ................................................................. 389 3. Finanzierung mittels Pay TV ..................................................... 390 a) Pay TV als Randnutzung ....................................................... 390 aa) Qualifizierung als Randnutzung ....................................... 391 bb) Ablehnung einer Randnutzung durch Pay TV ................. 391 b) Einordnung innerhalb des Versorgungsauftrags .................... 392 aa) Unzulässigkeit im Bereich der Grundversorgung ............ 392 bb) Möglichkeiten zur Erfüllung des klassischen Auftrags ... 392 c) Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes ..................................... 395 IV. Vorrangige Einspeisung der öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme in das Kabelnetz ............................................................ 396 1. Interpretation des "gesetzlich bestimmten Programms" ............ 397 a) Programme der Grundversorgung ......................................... 397
Inhaltsverzeichnis
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b) Gebührenfinanzierte Programme ........................................... 399 c) Programme mit besonderer Vielfalt... .................................... 399 2. Folgerungen für Phoenix und den Kinderkanal ......................... 400 a) Vorrangige Einspeisung ......................................................... 400 b) Keine vorrangige Einspeisung ............................................... 40 1 V. Zukunft öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme ....................... 402
C. Die gegenwärtige Situation von Fernsehspartenprogrammen .......... 404 I. Sicht des Rechts .............................................................................. 404
1. Kabeleinspeisung ....................................................................... 404 2. Kontrolle durch die Landesmedienanstalten .............................. 405
3. Werberichtlinien ........................................................................ 405
11. Verhältnis zum Zuschauer ............................................................. 406 III. Stellenwert der Spartenprogramme .............................................. 406 IV. Zu den Programmen .................................................................... 407 1. n-tv ............................................................................................. 407 a) Programmphilosophie ............................................................ 407 b) Zielgruppe .............................................................................. 408 2. Phoenix ...................................................................................... 409 a) Programrnphilosophie ............................................................ 409 b) Zielgruppe .............................................................................. 411 3. Euronews ................................................................................... 411 a) Programmphilosophie ............................................................ 411 b) Zielgruppe .............................................................................. 412
4. DSF ............................................................................................ 413 a) Programmphilosophie ............................................................ 413 b) Zielgruppe .............................................................................. 414 5. Eurosport .................................................................................... 414 a) Programrnphilosophie ............................................................ 414 b) Zielgruppe .............................................................................. 415 6. VIVA und VIVA ZWEI.. ........................................................... 415
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Inhaltsverzeichnis a) Programmphilosophie ............................................................ 415 b) Zielgruppe .............................................................................. 416 7. MTV ................................... ;....................................................... 417 a) Programmphilosophie ............................................................ 417 b) Zielgruppe .............................................................................. 417 8. Super RTL .................................................................................. 418 a) Programmphilosophie ............................................................ 418 b) Zielgruppe .............................................................................. 419 9. Nickelodeon ............................................................................... 419 a) Programmphilosophie ............................................................ 419 b) Zielgruppe .............................................................................. 420 c) Einstellung des Programms .................................................... 420 10. Kinderkanal. ............................................................................. 421 a) Programmphilosophie ............................................................ 421 a) Zielgruppe .............................................................................. 422 11. Der Wetterkanal - bereits Rundfunkgeschichte ....................... 422 a) Programmphilosophie ............................................................ 422 b) Zielgruppe .............................................................................. 423 c) Einstellung des Programms .................................................... 424 12. Vom Sparten- zum Vollprogramm: Kabel 1 ............................ 424 a) Programmphilosophie ............................................................ 424 b) Wechsel zum Vollprogramm ................................................. 425 c) Zielgruppe .............................................................................. 425 III. Resümee ....................................................................................... 426 Teil V: Zusammenfassung und Ausblick ............................................... 427 A. Das Spartenprogramm ...................................................................... 427 B. Der Pluralismus ................................................................................. 430
C. Zukunft der Rundfunkordnung............................................................ 431 Literaturverzeichnis ................................................................................ 433 Personen- und Sachverzeichnis ............................................................... 461
Abkürzungsverzeicbnis Bezüglich der verwendeten Abkürzungen wird auf das Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache von Hildebert Kirchner. 4. Auflage BerlinINew York 1993 verwiesen. Abweichende Abkürzungen sind im folgenden aufgelistet.
MP
Media Perspektiven
Bad-Württ LMG
Baden-Württembergisches Landesmediengesetz
BremLMG
Bremisches Landesmediengesetz
HmbMedienG
Hamburgisches Mediengesetz
HPRG
Gesetz über den privaten Rundfunk in Hessen
LRG NW
Rllndfunkgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen
LRG Sachs-Anh
Gesetz über privaten Rundfunk in Sachsen-Anhalt
Nied LRG
Niedersächsisches Landesrundfunkgesetz
RGMV
Rundfunkgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommem
Rhein-Pf LRG
Landesrundfunkgesetz Rheinland-Pfalz
Saarl LRG
Rundfunkgesetz für das Saarland
SächsPRG
Sächsisches Privatrundfunkgesetz
Schlesw-Hoist LRG Rundfunkgesetz für das Land Schieswig-Hoistein StVZ Berlin-Brandenburg
Staatsvertrag über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Rundfunk
SZ
Süddeutsche Zeitung
TRG
Thüringer Rundfunkgesetz
Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen A. Geschichte des Rundfunkwesens bis zu seiner Dualisierung L Der Begriff Rundfunk "Rundfunk" ist heute ein allgemein geläufiger Begriff. Diese Tatsache beruht nicht zuletzt auf seiner grundrechtlichen Verankerung in Art. 5 I 2 GG. Sein historischer Ursprung ist unklar. Überwiegend wird der damalige Staatssekretär im Reichspostministerium Dr.-lng. Hans Bredow als derjenige genannt, der den Begriff 1921 eingeführt haben soll.1 Nach Lerg hingegen soll Bredow den Terminus Rundfunk bereits 1919 verwandt haben. 2 Demnach ist von einem früheren Entstehungszeitpunkt als allgemein behauptet auszugehen. Vereinzelt wird nicht Bredow sondern Postrat Thurn als Erfinder des Rundfunkbegriffs genannt. 3 Diese Aussagen müssen nicht unbedingt widersprüchlich sein, da der Begriff selbst von Thum stammen könnte, er aber von Bredow als deutsche Bezeichnung für die neue technische Errungenschaft eingeführt wurde. 4 Der Wortteil "Funk" geht auf die Entdeckung elektromagnetischer Schwingungen zurück, die Heinrich Hertz 1888 durch Funkenentladungen erzeugte eine längst überholte Methode. 5 "Rund" bezieht sich auf die Reichweite der elektromagnetischen Wellen, die mit ihrer Nachricht beliebig viele Aufnahmestellen erreichen können. So wenig bewiesen das historische Herkommen des Rundfunkbegriffs ist, besteht auch über seinen Inhalt Streit. Die gegenwärtigen Schwierigkeiten liegen darin, eine Rundfunkdefinition zu finden, die dem dynamischen Charakter dieses Mediums gerecht wird. Dabei hat dieser theoretische Streit in der Praxis vor allem Auswirkungen auf die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen im Bereich der Medien. E. Fischer, Dokumente S. 70; Pohle, Rundfunk S. 20; Bredow, Weg S. 8. Lerg, Entstehung S. 20. 3 Nesper, Rundfunk S. 101, der diese Bezeichnung kritisiert. 4 Dafür spricht, daß Bredow selbst in seinem Buch nur behauptet, den Begriff Rundfunk 1921 "eingeführt" zu haben, siehe Bredow, Ätherwellen n S. 152. 5 Bredow, Rundfunk S. 9. 1 Kurt
2
Teil 1: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
32
11. Anfänge des deutschen Rundfunkwesens 1. Die erste Rundfunksendung Die Verbreitung von Rundfunk begann mit der "Radio-Stunde-AG", die am 29. Oktober 1923 gesendet wurde. 6 Sie wurde möglich durch einen vorerst
mündlichen Vertrag, den das Reichspostrninisterium und das Reichsministerium des Inneren mit der Programmgesellschaft "Deutsche Stunde" für den Berliner Bezirk geschlossen hatten. 7 Zuvor mußte aber das Verbot, drahtlose Sendungen zu empfangen, aus dem Weg geräumt werden, das man aus staatlichen SicherheitsgrüDden erteilt hatte. Im Spätsommer 1923 hatte man diesbezüglich eine Kompromißlösung erreicht, derzufolge ein abgegrenzter Wellenbereich für die Öffentlichkeit freigegeben worden war. 8 Auch die technische Entwicklung wurde durch die Deutsche Reichspost gefOrdert, die Anfang 1919 den telegraphischen Rundfunk einführte,9 bevor im August 1921 der telephonische Rundfunk folgte. Die schlechte Wirtschafts lage der Reichspost, mitverursacht durch die hohe Inflation, erforderte eine privatrechtliche Finanzierung. Geldgeber waren öffentliche Körperschaften wie Industrie- und Handelskammern sowie Privatunternehmen. 1o
2. Organisation des Rundfunks Die Rundfunkorganisation ist auf Hans Bredow zurückzuführen. Innerhalb des Zeitraumes vom 29. 10. 1923 bis zum 10. 10. 1924 wurden in Deutschland neun privatrechtliche Rundfunkgesellschaften gegründet, 11 denen von der Reichspost die Konzessionen erteilt wurden. Am 15. Mai 1925 vereinten sich fünf dieser Rundfunkgesellschaften zur Reichsrundfunkgesellschaft (RRG).12
6
Eckner, in: Jahrbuch des Postwesens 1964, S. 9, 12; Bredow, Ätherwellen
n
S.223. 7 Bausch,
Rundfunk S. 26. Rundfunk S. 15; Bausch, Rundfunk, S. 27. 9 Bredow, Rundfunk S. 9. 10 Bredow, Rundfunk S. 29; Magnus, Rundfunk S. 17. 11 Funk-Stunde AG Berlin (29. 10. 1923); Mitteldeutsche Rundfunk AG Leipzig (1. 3. 1924); Deutsche Stunde in Bayern GmbH München (30. 3. 1924); Südwestdeutscher Rundfunkdienst AG Frankfurt am Main (30. 3. 1924); Nordische Rundfunk AG Hamburg (2. 5. 1924); Süddeutsche Rundfunk AG Stuttgart (10. 5. 1924); Schlesische Funkstunde AG Breslau (26.5. 1924); Ostmarken Rundfunk AG Königsberg in Preußen (14. 6. 1924); Westdeutsche Rundfunk AG Köln (10. 10. 1924). Die Deutsche Welle GmbH Berlin als zehnte Rundfunkgesellschaft wurde erst am 7. I. 1926 gegründet. 12 Lerg, Entstehung S. 248. 8 Magnus,
A. Geschichte des RWldfunkwesens bis zu seiner Dualisierwlg
33
Ihr schlossen sich die übrigen mit Ausnahme der bayerischen Rundfunkgesellschaft an, um eine einheitliche Interessenvertretung zu schaffen. 13 Zugleich sollte sie die Einnahmen des Rundfunks kontrollieren, die aus öffentlichen Gebühren bestanden. Sie wurden durch die Reichspost aufgrund des Telegraphengesetzes erhoben. Wegen der wirtschaftlichen Abhängigkeit zur Reichspost traten die Gesellschaften im März 1926 51 Prozent des Reichsrundfunkgesellschaftskapitals kostenlos an die Deutsche Reichspost ab. 14 Damit sicherte sich die Reichspost entscheidenden Einfluß auf die Gesellschaften. Mit Wirkung zum 1. März 1926 wurden gleichzeitig die Genehmigungsbedingungen für die Rundfunkgesellschaften neu geregelt. 15 Danach wurden Überwachungsausschüsse und Kulturbeiräten errichtet, die bei der Programmgestaltung mitwirken sollten. 1932 wurde dieser Einfluß der Reichspost zugunsten des Reichsministeriums des Inneren wieder abgeschwächt. In den neuen Leitsätzen fiir den Rundfunk wurde neben dem Rundfunkkommissar des Reichspostministers ein weiterer Rundfunkkommissar vom Reichsministerium des Inneren berufen. Während der erste den Vorsitz im Verwaltungsrat der RRG innehatte, leitete der zweite den Programmbeirat der RRG und bestimmte die Programmgestaltung mit. 16 Sämtliche Privatanteile an Rundfunkgesellschaften gingen auf die öffentliche Hand über. Die Anteile der Reichsrundfunkgesellschaft erhielten zu 49 Prozent die Länder, zu 51 Prozent blieben sie bei der Reichspost. I?
3. Der Rundfunk im Nationalsozialismus als staatliches Instrument Dies waren bereits Vorstufen für eine Verstaatlichung des Rundfunks, die den Nationalsozialisten nach ihrer Machtergreifung 1933 den Weg damr ebnete, den Rundfunk als Propagandainstrument zu nutzen. Joseph Goebbels erkannte frühzeitig die globalen Möglichkeiten des Rundfunks. Daher lag es in seinem Interesse, die Empfangsmöglichkeiten des Rundfunks zu vergrößern. IR Allein von 1933 bis 1939 stieg die Zahl der Rundfunkteilnehmer von 4 auf 10 Millionen. 19 Gleichzeitig wandte sich der "Vater des Rundfunks" Hans Bredow vom Rundfunk ab: Noch am 30. Januar 1933 bat er um seine Entlassung; Magllus, Rundfunk S. 18; Bausch, Rundfunk S. 58. Bredow, RWldfunk S. 29. 15 "Genehmigung zur Benutzung einer Funksendeanlage der Deutschen Reichspost für die Zwecke des Unterhaltungsrundfunks" , abgedruckt bei Bredow, Rundfunk S. 31 tr. 16 Bausch, Rundfunk S. \04. 17 Magnus, Rundfunk S. 23; Eckner, in: Jahrbuch des Postwesens 1964, S. 9,26. 18 Nesper, Rundfunk S. 12\. 19 Pohle, Rundfunk S. 333. 13
14
3 Poil
Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
34
die Stelle des Rundfunkkommissars des Reichspostministers übernahm August Kruckow. 20 Am 13. März 1933 wurde das Reichsministerium fiir Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) mit Goebbels als Propagandaminister geschaffen. Unter Berufung auf das sogenannte "Ennächtigungsgesetz"21 nahm die Reichsregierung die Kulturhoheit für das Reich in Anspruch und übertrug die Rundfunkaufgaben auf das RMVP. Lediglich die technischen Kompetenzen verblieben bei der Reichspost. Um jeglichen Einfluß der Länder auszuschalten, verloren die elf Rundfunkgesellschaften ihre Selbständigkeit und wurden als sogenannte Reichssender ab dem 1. 4. 1934 der Reichsrundfunkgesellschaft unterstellt. Die RRG hielt zudem sämtliche Aktien dieser Gesellschaften, während ihre eigenen Geschäftsanteile insgesamt an das Reich fielen. Damit war die RRG Goebbels direkt unterstellt. Der Rundfunk stand völlig im Dienste der Diktatur. 22 Der programmliche Einfluß wurde 1938 gesteigert durch die Einführung einer Microfon-Eignungsprüfung, bei der die Beurteilung der journalistischen Fähigkeiten einer Prüfungskommission oblag. 23 Ferner wurde das Hören ausländischer Sender ab dem 7.9. 1939 mit Zuchthaus oder dem Tode bestraft?4
BI. Wiederaufbau der Rundfunkorganisation nach 1945
Mit der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai 1945 ging die oberste Reichsgewalt auf den Kontrollrat über, der damit auch
die Funkhoheit innehatte. Der Kontrollrat übertrug die Funkhoheit auf die Besatzungsmächte, so daß der Rundfunk sich von nun an zonenspezifisch entwickelte. Es entstanden zunächst Sender der Militärregierungen. Deutschen wurde es verboten, Rundfunk zu veranstalten. 25 Ziel der Neuordnung war die Unabhängigkeit des Rundfunks vom Staat zu sichern, um einen Machtübergriff wie in den Jahren zuvor nie wieder stattfinden zu lassen. Ein kommerziell ausgerichtetes Rundfunksystem nach amerikanischem Vorbild blieb insofern außer Betracht, als in Deutschland zu diesem Zeitpunkt die wirtschaftlichen Konditionen dafür fehlten. 26
Bredow, Ätherwellen II S. 323; Bausch, Rundfunk S. 108. V. 24. 3. 1933, RGBI Teil I, S. 141. 22 Bausch, in: Entwicklungen S. 9, 13; Riede/, Radio S. 53. 23 Krieg/er, in: Handbuch des deutschen Rundfunks 1938, S. 7,10. 24 §§ 1,2 der Verordnung im RGBI 1939 TeilI, S. 1683. 25 Eckner, in: Jahrbuch des Postwesens 1964, S. 9,28. 26 Bausch, Rundfunkpolitik Teil I S. 18. 20
21
A. Geschichte des Rundfunkwesens bis zu seiner Dualisierung
35
Für alle Zonen einheitlich war die Organisationsfonn der Sender; sie wurden Anstalten des öffentlichen Rechts. Als Organisationsfonn, die keine Eigentümerstellung vorsieht, sollten Einflußnahmen in dieser Hinsicht unterbunden werden?7 Man legte Wert darauf, einen dezentralen und föderativen Rundfunk zu schaffen. Daher wurden der Deutschen Reichspost alle Sendeanlagen entzogen, da diese zuvor Ausgangspunkt einer zentralistischen Kontrolle des Rundfunks gewesen war. 28 Ein anstaltsinterner pluralistisch zusammengesetzter Rundfunkrat mit Vertretern aus gesellschaftlich relevanten Gruppen sollte zukünftig Kontrollfunktion wahrnehmen.
J. Britische Zone
In der britischen Zone kam es am 4. Mai 1945 zur Errichtung einer Rundfunkanstalt in Hamburg, die am 22. 9. 1945 den Namen Nordwestdeutscher Rundfunk (NWDR) erhielt. Es entstanden zusätzliche Funkhäuser in Köln, Hannover und Berlin. Aufgrund der Tatsache, daß im Sendegebiet des NWDR 50 Prozent aller in den Westzonen registrierten Rundfunkteilnehmer wohnten, lag jedoch bald die Gründung einer weiteren Anstalt oder die Aufteilung des NWDR nahe. 29 So wurde 1954 durch Landesgesetz der Westdeutsche Rundfunk Köln (WDR) ins Leben gerufen. Der "Rest-NWDR" schloß sich am 16. 2. 1955 zur Anstalt "Norddeutscher Rundfunk" (NDR) mit Sitz in Hamburg zusammen. Gleichzeitig wurde in dem Staatsvertrag der Länder Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein die Auflösung des NWDR vereinbart.
2. Französische Zone Die Zone Frankreichs war ein bisher senderloses Gebiet gewesen. Daher errichtete man in Baden-Baden ein Funkhaus und benannte den dortigen Sender am 31. 3. 1946 Südwestfunk (SWF). Es erfolgten weitere Errichtungen von Funkhäusern in Freiburg im Breisgau, Kaiserslautern und Sigmaringen. Der Südwestfunk war aufgrund einer Verordnung der französischen Militärregierung gegründet worden. Er wurde dann nach deutschem Recht durch einen Staatsvertrag der Länder Baden, Rheinland-Pfalz und WürttembergHohenzollern vom 27. August 1951 in der Fassung vom 29. Februar 1952 abgesichert. 30 Bredow, Ätherwellen II S. 386. Radio S.79. 29 Brack, Organisation S. 12. 30 Bausch, Rundfullkpolitik Teil I S. 177, 183. Die vorherige Fassung des Staatsvertrages war aufgrund weitreichender Kompetenzen der Landesregierungen verbesserungsbedürftig gewesen. 27
28 RiedeL,
3'
36
Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
3. Amerikanische Zone
Die Amerikaner bevorzugten als einzige einen dezentralen Rundfunk mit selbständigen Sendern in München (12. 5. 1945), Frankfurt (1. 6. 1945), Stuttgart (3. 6. 1945), Bremen und Bremerhaven (23. 12. 1945). Sie legten gesteigerten Wert auf die Unabhängigkeit des Rundfunks vom Staat. 3 ! Zudem schufen sie umfassende Regelungen zur Bestimmung VOn Programminhalten.
4. Sowjetische Zone
In der sowjetischen Zone wurde eine Rundfunkzentrale in Berlin errichtet. Der "Berliner Rundfunk", der am 13. Mai 1945 in Betrieb ging, sendete von der ehemaligen Kommandozentrale des "Großdeutschen Rundfunks" aus. 32 Nach dem 1. Juni 1948 hatte Inan mit der Berlinblockade alle Kontakte zu den drei Westmächten abgebrochen. 33 Daher verlief die Entwicklung des Rundfunks in dieser Zone von den anderen isoliert. Mit DSKultur, DT 64 und Radio aktuell entstanden noch drei weitere Hörfunkprogramme. Nachdem der Alliierte Kontrollrat 1949 die Genehmigung für den Aufbau eines Fernsehnetzes in Deutschland erteilt hatte, beschloß die Deutsche Wirtschaftskommission 1950 den Aufbau eines "Deutschen Fernsehfunks" in Berlin-Adlershoe 4 Mit dem Ende einer Erprobungsphase VOn 1952 bis 1955 wurde ab dem 1. Januar 1956 mit dem offiziellen Fernsehprogramm begonnen. 35 Am 3. Oktober 1969 trat mit "Deutschland-Fernsehfunk 2" (DFF) ein weiteres Programm hinzu. 36 Sämtliche Einrichtungen des Rundfunks der sowjetischen Besatzungszone wurden seit dem August 1952 vom "Staatlichen Rundfunkkommitee" geleitet, nachdem sie zuvor der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung unterstellt waren. 37 Die Medien wurden als staatliche Einrichtungen instrumentalisiert, um das sozialistische Bewußtsein der Bevölkerung zu fördern. 38 Es entstand ein zentralisierter Rundfunk, den der Staat als politisches Mittel nutzte.
Clay, Entscheidung S. 315 321. Walther, Besatzungszone S. 10. 33 Bausch, Rundfunkpolitik Teil I S. 251. 34 Heil, Fernsehen S. 36. 35 Heil, Fernsehen S. 40. 36 Wilhelmi, Neue Bundesländer S. 44. 37 Raue, DDR S. 250; Riedei, Radio S. 92; ausführlich Walther, Besatzungszone S. 63 fT. 38 Dokumente der SED, Band IX S. 245. 31
32
A. Geschichte des Rundfunkwesens bis zu seiner Dualisierung
37
5. Berlin Berlin genoß aufgrund seiner Aufteilung einen Sonderstatus. Durch Gesetz vom. 12. 1 I. 1953 39 wurde schließlich in dem Funkhaus des Norddeutschen Rundfunks der Sender Freies Berlin als Anstalt öffentlichen Rechts gegIiindet. 40 Das Gesetz umfaßt nur vier Paragraphen und war mit einer Satzung als Anlage versehen. Sie statuierte in § 3 besondere "Grundsätze und Richtlinie für Sendungen" aufgrund der Sondersituation Berlins. 41
IV. Entwicklung in den Westzonen Bereits im Juli 1949 endete der Nachkriegsrundfunk in den drei Westzonen: Die Sendegebiete wurden wieder in deutsche Hände übergeben, die Rundfunkhoheit indes erst 1955 von den Siegermächten rückübertragen. 42 Die frühe Transponierung der Gebiete war deshalb möglich geworden, weil mit Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 der Rundfunk in Deutschland zum ersten Mal verfassungsrechtIich abgesichert war. Art. 5 I 2 GG schützt die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk, zu deren Achtung die drei Gewalten nach Art. 1 III GG verpflichtet sind.
J. Gründung der ARD
Obwohl die Sender unabhängig voneinander gemäß der jeweiligen Zone errichtet worden waren, deutete sich frühzeitig eine Zusammenarbeit der Anstalten an. Am 16. September 1947 kam es zu einer Sitzung der Vertreter aller deutschen Rundfunksender. 43 Ab Juni 1947 fand in regelmäßigen Abständen eine Intendantenkonferenz statt, bei der wenig später die Gründung einer gemeinsamen Rundfunkbehörde vorgeschlagen wurde. 44 Nachdem die Kollegen der Sowjetzone diesen Treffen seit 1948 nicht mehr beiwohnten, entstand eine Arbeitsgemeinschaft der westdeutschen Rundfunkanstalten (ARD). Ihre Gründung wurde am 10. 6. 1950 beschlossen. Gemäß ihrer Satzung, die in den folgenden Jahren zahlreiche Änderungen erfuhr, hatte sie sich eine Zusammenarbeit der Rundfunkanstalten sowohl bei der Programmgestaltung als auch bei GVBI S. 1400 tT.; geäudert am 22. 12. 1956, GVBI 1957, S. 1 tT. Schütte, in: Politik, S. 217,232-233. 41 GVB11953, S. 1400-1401. 42 Eckner, in: Jahrbuch des Postwesens 1964, S. 9, 34-35. 43 Magnus, Rundfunk S. 108. 44 Bausch, Rundfunkpolitik Teil I S. 252.
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Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
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der Behandlung technischer, rechtlicher und wirtschaftlicher Angelegenheiten zur Aufgabe gestellt. 1959 trat der ARD der Saarländische Rundfunk (SR) bei, nachdem sich das Saarland vier Jahre zuvor per Volksentscheid für eine Zugehörigkeit zur Blmdesrepublik ausgesprochen hatte.
2. Fernsehen als neues Medium Die Entwicklung dieser Gemeinschaft wurde durch eine technische Errungenschaft beeinflußt. Denn batte es bis zu diesem Zeitpunkt "nur" einen Hörfunk gegeben, hielt am 25. 12. 1952 das Fernsehen Einzug, zunächst beschränkt auf zwei Sendestunden pro Tag. Diese technische Neuheit hatte am 8. März 1929 mit der ersten drahtlosen Fernsehrundfunksendung begonnen, die von der Deutschen Reichspost mit der Firma Telehor AG durchgefiihrt worden war. 45 Schon im August 1948 hatte man sich darauf geeinigt, daß der NWDR einen Fernsehversuchsbetrieb aufnimmt. 46 Die Intendanten der ARD beschlossen darauf im November 1950 die Gründung einer "Fernsehkommission der Rundfunkanstalten". Die regionalen Anstalten der ARD produzierten somit bundesweit das erste Fernsehprogramm.
3. Entstehung des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) Am 1. April 1963 nahm das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) mit Sitz in Mainz seinen Betrieb auf. Die Gründung des ZDF war eine Reaktion der Länder auf das erste Rundfunkurteil des BVerfG vom 28. Februar 1961. 47 Wegen neuer Sendemöglichkeiten auf der Kurz- und auf der Langwelle waren im Fernsehbereich die Frequenzbereiche IV und V fiir eine Nutzung verfiigbar. Die Bundesregierung hatte diese nicht den Landesrundfunkanstalten zugeteilt, sondern plante dem Rundfunk- und Sendemonopol der Anstalten einen eigenen Sender namens "Deutschlandfemsehen" entgegenzusetzen. Dabei stand auch die Einführung privaten Rundfunks zur Debatte, denn die Einführung der Fernsehwerbung im November 1956 hatte gezeigt, daß mittlerweile auch ein wirtschaftliches Interesse am Fernsehen bestand. Gegen die Gründung der "Deutschland-Fernseh-GmbH" mit dem Bund als alleinigem Gesellschafter legten die Länder Hamburg, Niedersachsen, Bremen und Hessen Verfassungsbeschwerde beim BVerfG ein. Das BVerfG beurteilte die Goebel, Archiv fur das Post- und Fenuneldewesen 1953, S. 259, 284. Bausch, Ätherwellen n s. 400. ~7 BVerfDE 12, S. 205 tT.
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B. Eintritt der neuen Medien in die Rundfunklandschaft
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"Deutschland-Fernseh-GmbH" als verfassungswidrig. Das BVerfG stützte sich dabei auf die umfassende Gesetzgebungskompetenz der Länder zur Regelung von Rundfunkangelegenheiten, die mißachtet worden sei. Bei der Frage der Nutzung der ausstehenden Frequenzen waren sich die Ministerpräsidenten der Landesregierungen einig datüber, diese nicht an die bestehenden Anstalten zu übertragen, sondern eine zweite, unabhängige Fernsehanstalt zu gründen. 48 Das daraufhin entstandene ZDF erwarb weitestgehend die geschaffenen Produktionseinrichtungen und das Programrnvermögen der Deutschland-Fernseh-GmbH. 4. Aufkommen der dritten Fernsehprogramme
Die ARD hatte in den fünfziger Jahren versucht, ihr Sendemonopol zu halten. Einige der regionalen Anstalten hatten bereits finanzielle Aufwendungen in Richtung einer Sendeerweiterung um die ausstehenden Frequenzen betrieben. Dieses Potential bildete die Grundlage für eine weitere Ausbreitung des Fernsehangebots - die Errichtung der sogenannten "Dritten". Davon umfaßt sind fünf regionale Programme, die von 1964 bis 1969 entstanden sind. Sie waren zunächst als Bildungsprogramrne konzipiert, enthielten in den laufenden Jahren jedoch auch ein großes Spektrum an Unterhaltungssendungen. 49
B. Eintritt der neuen Medien in die Rundfunklandschaft L Die technischen Voraussetzungen Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem ersten Rundfunkurteil den Bestand eines öffentlich-rechtlichen Fernsehens mit der vorhandenen Frequenzknappheit begründet. so Daher bemühte man sich bereits in den sechziger Jahren, diese technische Sondersituation zu beseitigen und die Schaffung weiterer Rundfunksender zu ermöglichen. Die erforderlichen technischen Gegebenheiten wurden durch den Ausbau von Kabel- und Satellitenrundfunk geschaffen. 1. Kabelrundfunk
Kabelrundfunk wird definiert als die Verteilung von Hörfunk- und Fernsehprogramrnen über Kabelsysteme, in denen neben den am Ort empfangbaren Bausch, Rundfunkpolitik Teil I S. 451. Bleicher, in: Geschichte des Fernsehens Band I, S. 67, 104. 50 BVerfGE 12, S. 205,261.
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Programmen weitere, drahtlos nicht empfangbare sowie neue, ausschließlich über Kabel verbreitete Programme übertragen werden. 51 Auch wenn die Bezeichnung "neue Medien" den Anschein erweckt, als handele es sich um neuartige Erscheinungsformen und Technologien, geht die Geschichte des Kabelrundfunks ebensoweit zurück wie die des drahtlosen Rundfunks: Schon 1924 wurden leitergebundene Übertragungsweisen neben denen der drahtlosen Verbreitung in Bayern erprobt. 52 Seine Vorteile lagen in einem störungsfreien Empfang und der wirtschaftlichen Ausnutzung des vorhandenen öffentlichen Fernsprechnetzes. 53 Von 1923 an wurden regelmäßig Hörfunksendungen mittels Kabel übertragen - sogenannter Ton-Drahtfunk. Da mit Ende des Krieges primär das drahtlose Rundfunknetz ausgebaut wurde, investierte die Deutsche Bundespost nicht weiter in den Ton-Drahtfunk. Er hatte lediglich Ersatzfunktion in den Bereichen, in denen einem drahtlosen Empfang technische Hindernisse entgegenstanden. 54 Der Fernseh-Drahtfunk als die Verbreitung von Fernsehbildern über Kabel wurde im März 1936 zum ersten Mal erprobe 5 und nach dem zweiten Weltkrieg weiter gefördert. Da die für den Empfang benötigten Antennen das Erscheinungsbild von Städten und Gemeinden beeinträchtigte, ging man dazu über, Gemeinschaftsantennenanlagen zu errichten. Ende 1973 wurde durch die Bundesregierung eine "Kommission zum Ausbau des technischen Kommunikationssystems" beauftragt, den Stand und die Möglichkeiten der Kabeltechnik zu analysieren. Auf ihren Vorschlag hin wurden Pilotprojekte mit dem Breitbandkabelsystem durchgeführt. Die Pilotprojekte in Ludwigshafen (1. 1. 1984 bis 31. 12. 1986) und München (1. 4. 1984 bis 31. 12. 1985) waren auf einen privaten Rundfunk ausgerichtet, während in Dortmund (1. 6. 1985) unter den Bedingungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Trägerschaft des WDR gesendet wurde. 56 In Berlin (28. 9. 1985 bis 28. 8. 1990) lag der Schwerpunkt in der Erprobung eines neuen Verschlüsselungssystems sowie eines breitbandigen Bildschirmtextes. 57 Die Deutsche Bundespost begann schon 1984, das Bundesgebiet großflächig zu verkabeln, nachdem von einer flächendeckenden Breitbandverkabelung aus 51
52
KtK, Telekommunikationsbericht S. 1. Kronjäger/Preßler/Vogt, Archiv für das Post- und Fernmeldewesen 1973, S. 411,
612. 53
Kronjäger/Preßler/Vogt, Archiv ftlr das Post- und Fernmeldewesen 1973, S. 411,
615. Bauer, in: Recht der neuen Medien, S. 3. Goebel, Archiv für das Post- und Fernmeldewesen 1953, S. 259, 338. 56 Medienhandbuch 1.3. S. 2. 57 Bismarck, in: Fernsehen, S. 53. 54 55
B. Eintritt der neuen Medien in die Rundfunklandschaft
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Kostengründen abgesehen werden mußte. 58 Dabei setzte sich das Kabelrundfunksystem aus Gemeinschaftsantennenanlagen (GA) und Großgemeinschaftsantennenanlagen (GGA) zusammen. Zum Empfang von Kabelfernsehen ist es notwendig, daß der Haushalt an das Kabel angeschlossen wird. Die Kosten für die technische Installation sowie eine monatliche Gebühr sind vom Rundfunkempfänger selbst zu tragen. Damit kam es zu einem Auseinanderfallen von verkabelten und tatsächlich angeschlossenen Haushalten, so daß gerade im Kabelanschluß die "Achillesferse" der Verkabelungspolitik der Deutschen Bundespost gesehen wurde. 59 2. Satellitenrundfunk
Neben der terrestrischen Übertragungstechnik trat die Satellitentechnik zur Verbreitung von Rundfunkprogrammen hinzu. Dabei entsendet man die Informationen an einen künstlichen Himmelskörper, die dieser auf begrenzte Bereiche der Erdoberfläche zurückstrahlt und empfangbar macht. Je nach Strahlungsleistung unterscheidet man Rundfunk- und Nachrichtensatelliten. 60 Die erste theoretische Erörterung über direkten Satellitenfunk erfolgte 1945 durch Arthur Clarke. 61 Nach der Entsendung des ersten Weltraumsatelliten durch die Sowjetunion im Jahre 1957 begannen 1%0 die ersten Tests mit Nachrichtensatelliten. 62 Am 26. Juli 1963 wurde das erste Telefonat über einen Nachrichtensatellit geführt. Mittlerweile sind hunderte von . Satelliten in der Erdumlaufbahn positioniert. Der entscheidende Vorzug der Satellitentechnik liegt darin, daß zum Empfang von per Satelliten gesendeten Informationen keine Überwindung irdischer Hindernisse erforderlich ist. 63 In einem Abkommen vom 29. April 1980 einigten sich Deutschland und Frankreich zwei baugleiche Satellitensysteme (TV Sat und TDF) zu errichten, um dalnit in ihren Ländern neue Programme zu verbreiten. 64 Die Umsetzung bereitete jedoch Schwierigkeiten, da der erste TV-Satellit aufgrund technischer Defekte nicht funktionstüchtig war. TV-SAT 2 wurde daher lediglich für die Verteilung der Programme in die Kabelnetze eingesetzt. Das erste Satellitenfernsehen wurde damit nicht über TV-SAT, sondern über ECS I FI verbreitet, der als Fernmeldesatellit der Deutschen Bundespost Bauer, in: Recht der neuen Medien S. 6. Medienhandbuch 1.2. S. 3. 60 Ku/pok, in: Medien, S. 153, 164-165. 61 C/arke, Wireless World Band 51 1945, S. 305 tf. 62 De/brück, Satellitenrundfunk S. 11. 63 Kabel/Strätling, Konununikation S. 9. 64 BGB! 1981 Teil TI, S. 49 ff 58
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ursprünglich nicht für den Rundfunk bestimmt war. Am 1. April 1984 wurden hiennit die Programme der F AZ, PKS und des ZDF Ludwigshafen ausgestrahlt. 6S Mit Beginn 1985 stellte die Deutsche Bundespost zusätzlich sechs Fernsehkanäle auf dem Intelsat V zur Verfügung. Im März 1985 kam es zur Gründung der europäischen Trägergesellschaft Societe Europeenne des Satellites (SES). die mit der Entwicklung des Astra-Satellitenkonzepts zum grenzüberschreitenden privaten Unternehmen für den Satellitenempfang wurde. Nach anfänglicher Konkurrenz mit den daneben bestehenden Angeboten der Deutschen Bundespost unterstützte diese den Astra-Dienst erst, als sie selbst Gesellschafterin der SES wurde. Die SES veränderte den Satellitenempfang entscheidend durch ihr "medium power" -Konzept. Durch gestaffelte Positionierung der Astra-Satelliten können immer mehr Programme mit der gleichen Empfangsanlage gesehen werden. Weitere Folge war die Verkleinerung der Empfangsschüsseln. 3. Vor- und Nachteile dieser Techniken
a) Kombinierbarkeit Diese Technologien entstanden zwar gesondert voneinander, ihre Vorteile lagen aber gerade in der Möglichkeit, sie miteinander zu kombinieren. 66 Von Satelliten ausgestrahlte Programme können zum einen direkt von einem Haushalt empfangen werden. wenn eine Satellitenschüssel vorhanden ist. Die Programme können aber auch in die Kabelanlagen eingespeist und dann von Haushalten mit Kabelprograrnmen empfangen werden. Dabei verfügen 53,8 Prozent der deutschen Haushalte über einen Kabelempfang, während der Empfang durch Parabolschüsseln bei 32,3 Prozent liegt.67 b) Potentiale der Satellitentechnik Die Satellitentechnik verfügt durch steten Ausbau über eine Kapazität, die alle neuen Programmangebote in sich aufnehmen kann. Ein großer Vorteil gegenüber dem Kabel besteht für den Rundfunkveranstalter darin, daß die Satellitennutzung nicht an eine Auswahlentscheidung der Landesmedienanstalten gekoppelt ist. Es ist lediglich erforderlich, daß der Anbieter einen Transponder des Astra-Satellitensystems einkauft. Medienhandbuch 1.2. S. 4. Ku/pok, in: Medien, S. 153, 163. 67 Waldemar Schmid, Funkkorrespondenz NT. 50 v. 12. 12. 1997, S. 3-4. 65
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B. Eintritt der neuen Medien in die Rundfunklandschaft
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Für den Veranstalter ist das jedoch nur von eingeschränktem Nutzen, da er für einen wirtschaftlichen Erfolg seines Senders auf eine Einspeisung in das Kabelnetz angewiesen ist. Denn das verfügt über ein wesentlich größeres Zuschauerpotential.
c) Kapazitätsnöte der Kabeltechnik Das Kabelnetz hat seine Kapazitätsgrenze mit derzeit 33 TV-Programmen erreicht. 68 Die gestiegene Zahl an Rundfunkveranstaltern hat dazu geführt, daß alle Kanalplätze besetzt sind und Engpässe in den Breitbandverteilnetzen ausgelöst. Veränderungen können demzufolge nur noch durch "Kanalsharing" oder durch Ausweisung von Programmen aus dem Kabelnetz erreicht werden, um für neue Sender Platz zu schaffen. Die Aufgabenverteilung im Kabelnetz, wonach den Landesmedienanstalten die Entscheidung über die Einspeisung eines Senders in das Kabelnetz obliegt und die Telekom als hauptsächlicher Netzanbieter diese Entscheidungen in die Praxis umzusetzen hat, führte zu Disputen dieser beiden Seiten. Die Zuständigkeit der Landesmedienanstalten für die Kabeleinspeisung geriet in die Kritik. 69 Sie entziehe den Kabelnetzbetreibem die Auswahlfreiheit und benachteilige die Kabeltechnik gegenüber der Satellitentechnik, so daß die Kabeltechnik für die Zukunft ins Hintertreffen geraten könne. Entzündet hat sich der Streit zwischen Landesmedienanstalten und Telekom an der Zuweisung eines Kabelplatzes für die beiden öffentlich-rechtlichen Spartenkanäle, wodurch andere Privatsender aus dem Netz genommen werden mußten. 70 Gegen eine Einspeisung setzte sich die Telekom teilweise gerichtlich zur Wehr. 71
68 WaldemarSchmid, Funkkorrespondenz NT. 50 v. 12. 12. 1997, S. 3. Das Kabe1netz ist 1997 durch die Freilegung zweier Hyperbandkanäle von 31 auf 33 Kanäle erweitert worden. 69 Ausführlich Bullinger, ZUM 1997, S. 281,285 ff. 70 s. hierzu Langer, Tendenz NT. I 1997,.s. 38 ff. 71 s. Berichte in epd medien Nr. 40 v. 28. 5. 1997, S. 11 ff, 15 ff; eine Lösung wurde durch die heiden Hyperbandkanäle geschaffen; diese stehen jedoch voraussichtlich nur bis zum 31. 12. 1998 zur Verfügung.
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n. Rechtliche Einebnung des dualen Systems 1. Das rechtliche Rege/ungswerk
Mit dem Vorhandensein neuer Kapazitäten im Bereich des Rundfunks mußte bestimmt werden, wie diese zu nutzen seien. Die Gegner der Einfiihrung eines privatrechtlichen Rundfunks, die an der grundrechtlichen Vereinbarkeit zweifelten, wurden spätestens mit dem dritten Rundfunkurteil des BVerfG eines Besseren belehrt. Im sogenannten FRAG-Urteil vom 16. Juni 1981 72 setzte sich das Bundesverfassungsgericht mit dem saarländischen Rundfunkgesetz vom 2. Dezember 196473 auseinander, das in §§ 38 bis 47 GVRS Rundfunk durch Veranstalter privaten Rechts zuließ. Das Gericht erklärte dieses Gesetz für verfassungswidrig. Das hatte aber nicht seinen Grund in der Zulassung privaten Rundfunks. Da das Grundgesetz für den Rundfunk keine bestimmte Organisationsform vorsähe, läge es gemäß den Gesetzgebungskompetenzen im Gestaltungsspielraum der Länder, über die Einführung des privaten Rundfunks zu entscheiden. 74 Die Rundfunkfreiheit des Art. 5 I 2 GG sei aber als Grundrecht konzipiert, das der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dienen müsse. 75 Unabhängig von der Organisationsfonn seien die Länder verpflichtet, diese Meinungsbildung rechtlich abzusichern. 76 Das Saarländische Gesetz könne aufgrund defizitärer Regelungen keine freie umfassende Meinungsbildung gewährleisten und wurde deshalb verworfen. a) Landesmediengesetze Somit lag es in den Händen der Länder, durch Ausnutzung ihres Gesetzgebungsauftrages das Rundfunksystem grundlegend zu ändern. Als erstes Land verabschiedete Niedersachsen sein Landesrundfunkgesetz mit Wirkung zum 6. Juni 1984, indem es gemäß den Vorgaben des BVerfG privaten Rundfunk zuließ. 77 Bis 1989 hatten alle Länder Gesetze geschaffen, in denen privater Rundfunk zugelassen wurde. 78 BVerfGE 57, S. 295 tT. Gesetz über die Veranstaltung von Rundfunksendungen im Saarland (GVRS); AbI 1964, S. 1111 tT. 74 BVerfGE 57, S. 295, 321; so auch das 1. Rundfunkurteil BVerfGE 12, S. 205, 262. 75 BVerfGE 57, S. 295, 320. 76 BVerfGE 57, S. 295, 324-326. 77 V. 23. 5. 1984, GVBI 1984, S. 147 tT. 78 Landesmediengesetz Baden-Württemberg v. 16. 12. 1985, GBI S. 539 fL Kabel72
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Inhaltlich regelten die Gesetze neben Programmvorschriften zum Kinderund Jugendschutz Fragen der Werbung, Rundfunkorganisation und inhaltlichen Vorgaben Bestimmungen zur Sicherung der Meinungsvielfalt. Dabei sahen die Gesetze teilweise binnenplurale Organisationsstrukturen für private Sender vor, teilweise wurden auch außenplurale Modelle vertreten, bei denen sich die Meinungsvielfalt in der Gesamtschau aller Programme einstellen sollte. Ferner errichteten viele Länder auch Übergangsmodelle, die den privatrechtlichen Rundfunk solange binnenpluralistischen Anforderungen unterwerfen, bis sich seine Außenpluralität durch eine genügende Zahl von Programmen einstellt. aa) Zur Sondersituation Bayerns Ein besonderes Modell wurde im Bayerischen Mediengesetz (BayMG)79 festgehalten. Aufgrund der Tatsache, daß nach Art. 111 allS. I der Bayerischen Verfassung80 Rundfunk nur in öffentlicher Verantwortung und in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft betrieben werden darf, war eine generelle Zulassung von Privatfunk wie in den anderen Ländern nicht möglich. Um den Anforderungen des Art. 111 allS. I BV zu genügen, entwickelte man zunächst in einem Entwicklungs- und Erprobungsgesetz 81 einen dreistufigen Systemaufbau: Danach ist die Bayerische Landeszentrale für neue Medien gemäß Art. 2 I BayMG selbst Rundfunkveranstalter. Die privaten Rundfunkunternehmen fungieren nur als Anbieter von Rundfunkbeiträgen, deren sich die Landeszentrale bedient, um selbst Rundfunk zu veranstalten (Art. 2 11 BayMG). Bindeglied zwischen diesen beiden Gruppen sind die Medienbetriebsgesellschaften. Sie schließen mit den privaten Programmanbietern Verträge über die Einbringung von Programmangeboten ab (Art. 23 11 S. I BayMG). Der Bayerischen Landeszentrale obliegt wiederum die Genehmigung der Verträge. pilotprojektgesetz und Versuchsgesetz für drahtlosen Rundfunk im Land Berlin (Kabelpilotprojektgesetz) v. 17. 7. 1984, GVBI S. 964 ff.; Bremisches Landesmediengesetz v. 14.2. 1989, Gbl S. 77; Hamburgisches Mediengesetz v. 3. 12. 1985 GVBI S. 315 ff.; Hessisches Privatrundfunkgesetz v. 30. 11.1988, GVBI I S. 385 ff.; Rundfunkgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen v. 19. 1. 1987, GVBI S. 22 ff.; RheinlandPfalzisches Landesrundfunkgesetz v. 24. 6. 1986, GVBI S. 159 ff.; Rundfunkgesetz für das Saarland v. 28. 11. 1984, Abi S. 1249 ff.; Rundfunkgesetz für das Land SchleswigHolstein v. 27. 11. 1984, GVBI S. 214 ff. 79 V. 24. 11. 1992, GVBI S. 584 ff. 80 Art. 111 a BV wurde erst 1973 durch das auf einem Volksbegehren beruhende Vierte Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaates Bayern eingeftlhrt (v. 19. 7. 1973, GVBI S. 389-390); zur Entstehungsgeschichte siehe Schrnitt Glaeser, Kabelkommunikation S. 60 ff. 81 V. 22. 11. 1984, GVBI S. 445 ff.; jetzt BayMG v. 24. 11. 1992, GVBI S. 584 ff.
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Teil I: EntwicklWlgen Wld Tendenzen im RWldfunkwesen
Vor dem Hintergrund medienpolitischer Streitigkeiten über das bayerische System mußte sich das BayMEG einer verfassungs rechtlichen Überprüfung unterziehen. Angriffspunkte bildeten dabei die Umgehungskonstruktion des Gesetzes, die als Kunstgriff empfunden wurde, sowie der fehlende Grundrechtsschutz privater Anbieter. 82 Verfassungsrechtlich geschützt sind allein die Landeszentrale fiir neue Medien, der Bayerische Rundfunk sowie das ZDF. Der bayerische Verfassungsgerichtshof erklärte sowohl Art. 111 allS. 1 BV als auch das BayMEG dennoch fiir verfassungsgemäß. 83 Die Bayerische Landeszentrale fiir neue Medien verfuge über weitreichende Kompetenzen gegenüber den privaten Anbietern, so daß eine öffentlich-rechtliche Trägerschaft tatsächlich vorliege.
bb) Lizenzvergabe Um vor Festlegung der gesetzlichen Grundlagen private Programme in das Kabelnetz einspeisen und verbreiten zu können, gab es in vielen Ländern sogenannte Vorschaltgesetze. Bei der Verteilung der Sendeplätze auf Satelliten stand die Gesetzgebungskompetenz der Länder in einem Spannungsverhältnis zu der Stellung der Bundespost als nationaler Netzbetreiber und Betreiber der Fernmelde- und künftigen Rundfunksatelliten. 84 Während den Ländern lediglich die Zuweisung von Sendeplätzen auf TV-SATzustand, hatten sie auf die Verteilung von Sendern auf Fernmeldesatelliten und Astra-Satelliten keinen Einfluß. Im Fernsehbereich war es der Sender "Musicbox", der ab 1. 1. 1984 als erster Sender bundesweit vertrieben wurde. Ihm folgten die Vollprogramme RTL plus (2. 1. 1984) mit Sitz in Köln und SAT.l in Mainz (1. 1. 1985),85 die heute neben den öffentlich-rechtlichen Programmen feste Bezugsgrößen des privaten Fernsehens darstellen. RTL plus wurde durch die Landesanstalt fiir Rundfunk Nordrhein-Westfalen lizensiert, während SAT 1 seine Sendeerlaubnis durch die Landeszentrale fiir private Rundfunkveranstalter RheinlandPfalz erhielt. Der Fernsehsender muß jedoch nicht in dem Land seinen Sitz haben, durch dessen Medienanstalt er genehmigt wird. So wurde der Fernsehkanal Pro Sieben, der sein Programm am 1. Januar 1989 startete, durch die Landesanstalt fiir das Rundfunkwesen Schleswig-Holstein genehmigt. Der
82 Holtz-Bacha, in: FS fur Lerg, S. 227; Stock, JZ 1991, S. 645, 649; Stettner, ZUM 1992, S. 456, 459; Wilhelmi, ZUM 1992, S. 229, 232; Renck-Laufke, ZUM 1998, S. 390,400-401. 83 BayVerfGHE 39, S. 96,97. 84 Medienhandbuch 1.2 S. 3. 85 IW (Hrsg.), Privatfunk S. 9 11.
B. Eintritt der neuen Medien in die Rundfunklandschaft
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Sender hat seinen Sitz hingegen im bayerischen Unterföhring. Mittlerweile unterliegt er der Aufsicht durch die Medienanstalt Berlin-Brandenburg.
ce) Beeinflussung durch die Rechtsprechung des BVerjG
Wie das Entstehen wurde auch die Weiterentwicklung der Landesmediengesetze entscheidend durch die Rechtsprechung des BVerfG geprägt. In seinem vierten Rundfunkurteil 86 setzte sich das BVerfG mit der Verfassungsmäßigkeit des Niedersächsischen Rundfunkgesetzes auseinander. Dieses war laut den Behauptungen der Antragsteller wegen unzureichender Regelungen hinsichtlich der gegenständlichen und inhaltlichen Meinungsvielfalt sowie wegen seiner Zugangs- und Auswahlvorschriften verfassungswidrig. 87 Das BVerfG beurteilte das Niedersächsische Rundfunkgesetz als im wesentlichen verfassungsgemäß. 88 Hinsichtlich der Sicherung von Meinungsvielfalt räumte es ein, daß hier unterschiedliche Anforderungen an die beiden Säulen des dualen Systems zu stellen seien: Während den öffentlichrechtlichen Anstalten die Gewährleistung einer unerläßlichen Grundversorgung an Meinungsvielfalt obliege, müßten die privatrechtlichen Programme nur einen Grundstandard leisten. 89 Eine schwächere Sicherung auch der inhaltlichen Erfordernisse im privaten Rundfunk sei solange akzeptabel, als eine genügende Sicherung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk erfolge. 90 Mit diesem Grundsatzurteillöste das BVerfG in der Literatur eine heftige Diskussion über die Begriffe der Grundversorgung und des Grundstandards aus. 91 Das BVerfG ging in seinem fünften Rundfunk-"Urteil,,92 näher auf den Begriff der Grundversorgung ein. Das BVerfG und betonte, daß es sich bei der Grundversorgung keinesfalls um eine Mindestversorgung handele. 93 Das war für den Streitgegenstand insofern von Bedeutung, als das badenwürttembergische Landesrundfunkgesetz Regelungen enthielt, wonach öffentlich-rechtliche Anstalten von bestimmten Programmen und Kommunikations86 BVerfGE 73, S. 118 ff. 87 BVerfGE 73, S. 118, 139 ff. 88
BVerfGE 73, S. 118, 152.
89 BVerfGE 73, S. 118, 157160 90 BVerfGE 73, S. 118, 171 91 Badura, JA 1987, S. 180, 185 ff; Berg, AlP 1987, S. 457 ff.; ders., MP 1987, S. 265 ff.; Bethge, ZUM 1987, S. 199 ff; Kuli, AlP 1987, S. 462 ff.; Dry, ZUM 1987, S. 427 ff.; in jüngerer Zeit wiederwn Bethge, MP 1996, S. 66 ff.; Kresse, ZUM 1996, S. 59 ff.; Starck, NJW 1992, S. 3257 ff. 92 Da die Entscheidung des BVerfG ohne mündliche Verhandlung erging, handelt es sich nicht um ein Urteil, sondern um einen Beschluß. 93 BVerfGE 73, S. 297, 325-326.
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Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
diensten ausgeschlossen waren. Das hielt das BVerfG für grundrechtlich nicht vereinbar. Diese Rechtsprechung hat das BVerfG in seinem WDR-Urteil nochmals intensiviert. 94 Ferner erfolgte eine Grenzziehung zwischen den Aufgabenbereichen und Anforderungen des öffentlichen und privaten Rundfunks. Das siebte und achte Rundfunkurteil befassen sich mit der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Zum einen stand das Verbot für den Hessischen Rundfunk zur Debatte, in seinen dritten Programmen zu werben. Im Gebührenurteil entschied das BVerfG ferner über die Frage, ob der Zustimmungsbeschluß des bayerischen Landtages über die Höhe der Rundfunkgebühr von 1982 mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Eine der neueren rundfunkrechtlichen Entscheidungen ist ein Beschluß des BVerfG, mit dem es Verfassungsbeschwerden der Medienanstalt BerlinBrandenburg (MABB) als unzulässig verwarf. 95 Das Gericht stützte sich hierbei auf den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, wonach die Beschwerdeführerin auf den Eilrechtsschutz im Hauptsacheverfahren durch das BVerwG verwiesen wurde. Die Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen die Zulassung des Sportsenders DSF durch die Bayerische Landeszentrale für neue Medien. Es wurde behauptet, daß der Sender durch seine Zusammensetzung gegen konzentrationsrechtliche Bestimmungen verstieße und die Landeszentrale unzureichend ermittelt hätte. Das BVerwG als Revisionsinstanz bestätigte das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 30. Mai 1994 und das der Berufungsinstanz vom 19. Juni 1995. 96 Es erachtete den Zulassungsbescheid für rechtswidrig, da er ohne Begründung erging, die auf Ermittlungen hinsichtlich der Medienkonzentration hätte schließen lassen. 97 Damit fehle es auch an den erforderlichen Ermessensabwägungen; es bleibe bei der Aufhebung des Genehmigungsbescheids. Reaktionen hierauf blieben jedoch aus, da der Streit aufgrund neuer konzentrationsrechtlicher Regelungen an Aktualität verloren hat. Allein die Diskussion über die Bekämpfung von Konzentrationstendenzen in den Medien wird fortgeführt. 98 BVerfGE 83, s. 238 tf. Beschluß des BVerfG v. 18. 12. 1996, abgedruckt in ZUM 1997, S. 202 ff.; Lerch, ZUM 1997, S. 258 tf. stellt bezüglich der Entscheidung des BVerfG fest, daß ein solches Ergebnis hätte vermieden werden können. Das BVerfG habe sich hinter dem Gesichtspunkt des Subsidiarität verschanzt anstatt zur Klärung beizutragen, wie die Meinungsvielfalt zu sichern sei. Stock, Ruf 1997, S. 141, 171 erachtet den Hinweis des BVerfG, daß sich eine einmal eingetretene Meinungsmacht schwer rückgängig machen ließe, als Warnsignal. 96 AfP 1995, S. 612 ff. 97 BVerwGE v. 19. 3. 1997, AfP 1997, S. 742 tf., das die Medienanstalt BerlinBrandenburg in diesem Verfahren gemäß § 42 TI VwGO fur klagebefugt erachtet. 98 InjÜllgerer Zeit WuljJ, ZUM 1997, S. 543 ff.; Dörr, MP 1996, S. 621,623 ff. 94
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b) Rundfunkstaatsvertrag Verhandlungen über die Erstellung eines Rundfunkstaatsvertrages begannen im Jahr 1981, als das Bundeskabinett beschloß, die Eingliederung der Neuen Medien in das bundesdeutsche Mediensystem durch Bund und Länder gemeinsam zu vollziehen. 99 Auf die dadurch zum Ausdruck gebrachte Absicht der Bundesregierung an der Entwicklung der neuen Medien mitzuwirken, hatten die Länder reagiert, indem sie vermehrt auf die ihnen allein zustehende Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich hinwiesen. 100 Einen gemeinsamen Regelungsbedarf sahen die Länder jedoch erst, nachdem Pläne der Regierung Luxemburgs aufkamen, mittels Rundfunksatellit Programme in der Bundesrepublik zu verbreiten und deutsche Zeitungsverleger an den clafur erforderlichen Aktiengesellschaften zu beteiligen. Um der Umgehung deutschen Rechts durch ausländische Satelliten Einhalt zu gebieten, beschlossen die Ministerpräsidenten am 4. Juni 1981 zu einer gemeinsamen Lösung über Fragen des Satellitenrundfunks zu kommen. 101 Hierfür sollte die Rundfunkkomrnission zunächst einen Bericht über die Lage und Regelungsbedürftigkeit des Satellitenrundfunks erstellen. Dieser Bericht zeigte Möglichkeiten und Grenzen eines deutschen Rundfunksystems auf und wies darauf hin, daß nach dem Start des deutschen Satelliten TV-Sat die Länder über dessen Nutzen zu entscheiden hätten. 102 Die Ministerpräsidenten der Länder schlossen sich diesem Bericht auf einer Konferenz in Lübeck an. 103 Man wollte sowohl die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten an der neuen Satellitentechnik teilhaben lassen als auch interessierte private Unternehmen in die Satellitennutzung einplanen. Die Konferenz in Lübeck stellte den Schlußpunkt der medienpolitischen Diskussion über die Einfiihrung eines Privatrundfunks dar.
aa) Die erste Fassung - längere Entstehungsphase als Geltungsdauer
Kooperationsgespräche zwischen den Ministerpräsidenten, den Anstalten sowie interessierten Dritten scheiterten jedoch frühzeitig. Grund dafür war die fehlende Einigungsbereitschaft im Hinblick auf die Programm- und Werbehoheit der Rundfunkanstalten, die von den Zeitungsverlegern beansprucht wur99 Beschlüsse des Bundeskabinetts vom 13. 5. und 24.6. 1981; abgedruckt in: Zur Medienpolitik der Bundesregierung S. 10. 100 Bericht der Rundfunkkommission der Ministerpräsidenten der Länder v. 7. 2. 1980; abgedruckt in Funkkorrespondenz Nr. 10 v. 5. 3. 1980, S. Dl tr. 101 Wiedergegeben in: Funkkorrespondenz Nr. 24-25 v. 12. 6. 1981, S. 3 tr. 102 Bericht vom 3. Juni 1982; abgedruckt in MP 1982, S. 776 tr. 103 Konferenz vom 20. - 22. Oktober 1982.
4 Poil
Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
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deo Das luxemburgische Satellitenkonzept war zu diesem Zeitpunkt durch eine Intervention der französischen Regierung auch nicht mehr zu verwirklichen. l04 Das Projekt, gemeinsame Regelungen zu schaffen, wurde deshalb von der Entwicklung eigener Mediengesetze der Länder überholt. Für die Einspeisung von Programmen in Kabelanlagen legten die Ministerpräsidenten der Länder schließlich in einem Beschluß vom 4. Februar 1983 Grundzüge fest. 105 Bei der Belegung der ECS-Kanäle kam es wiederum zu Meinungsverschiedenheiten der Länder, so daß eine Einigung darüber erst am 23. Februar 1984 erzielt werden konnte. Mit der Freigabe von sechs Kanälen auf Intelsat V durch die Bundespost waren aber weitere Nutzungsvorgaben notwendig. Streitigkeiten darüber, wie die neuen Kapazitäten zwischen dem öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk aufzuteilen seien, verschoben eine Regelung bis zum Oktober 1984. Dort kam es auf der Ministerkonferenz von Bremerhaven zu einer Kompromißentscheidung. 106 Wegen Kontroversen über einzelne Werberegelungen im öffentlich-rechtlichen Bereich konnte auch dieser Komprorniß nicht zu einem Staatsvertrag führen. Nach monatelangen ergebnislosen Verhandlungen wurde im Oktober 1985 ein erneuter Kompromißvorschlag erarbeitet, der auf den Widerstand des Landes Hessen stieß. Sein Protest richtete sich gegen das Werbeverbot in den dritten Fernsehprogrammen und brachte auch diesen Vorschlag zum Scheitern. Infolgedessen kam es zum Abschluß von Teilstaatsverträgen der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz einerseits l07 sowie Berlin, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg auf der anderen Seite. lOS Als man auf der Konferenz am 18. Dezember 1986 wiederum zu keinem Konsens über die Verteilung der Kanäle auf Rundfunksatelliten gekommen war, kündigten die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz die bestehenden Staatsverträge über die Rundfunkgebühr mit Wirkung zum 31. 12. 1987. Dadurch war eine finanzielle Bedrohung für die gesamte ARD geschaffen, insbesondere für die kleineren öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten. Unter diesem Druck einigten sich die Ministerpräsidenten nach fünfjährigen Verhandlungen am 12. März 1987 auf einen Vertragsentwurf, der am 1. Dezember 1987 in Kraft trat. I 09
Ring, Medienrecht C-0.3 Entstehungsgeschichte RN 29. Abgedruckt in: Funkkorrespondenz Nr. 7 V. 17. 2. 1983, S. D 1 ff. 106 Konferenz vom 17. - 19. Oktober 1984; vorläufiges Ergebnisprotokoll abgedruckt in MP 1984, S. 791 ff. 107 Staatsvertrag vom 12. Mai 1986, Ring, Medienrecht C-0.2.2. 108 Staatsvertrag vom 20. März 1986, Ring, Medienrecht C-0.2.1. 109 Funkkorrespondenz Nr. 13 V. 27. 3. 1987, Beilage DokumentationlMedienpoli104
105
tik, S. D 1 ff.
B. Eintritt der neuen Medien in die Rundfunklandschaft
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Er regelt die duale Rundfunkordnung als ein Nebeneinander von öffentlichrechtlichem und privatrechtlichem Rundfunk. Das beinhaltet Fragen der Finanzierung beider Rundfunksysteme, Bestimmungen über Nutzung der Satellitentechnik sowie programminhaltliche und organisatorische Anforderungen an bundesweit verbreiteten Privatfunk. Der Staatsvertrag schuf einen Grundkonsens im Rundfunkwesen auf Bundesebene. Nach Art. 16 I RuFuStV 198i 10 ist er die primäre Rechtsgrundlage des Rundfunkwesens. Nur bei fehlender oder Zulassung einer anderweitigen Regelung gelten die landesrechtlichen Vorschriften. Durch den Staatsvertrag entstand Rechtssicherheit, die dem Rundfunksystem in der Bundesrepublik Deutschland den Weg dazu ebnen sollte, den nationalen und internationalen Wettbewerbsanforderungen zu genügen. 111
bb) Die zweite Fassung Noch im Jahre 1987 wurde deutlich, daß der gerade unterzeichnete Staatsvertrag bald änderungsbedürftig sein werde: Es entstanden Pläne zur Schaffung eines deutsch-französischen Fernsehkulturkanals. Dieser sollte hälftig von ARD und ZDF, zur anderen Hälfte von der Programmgesellschaft La Sept getragen werden. Ein derartiges Vorgehen stand jedoch im Widerspruch zu Art. 2 IV RuFuStV 1987, der einen erheblichen Umfang am Gesamtprogramm verbot, wie es für ARD und ZDF mit je 25 Prozent vorgesehen war. Um nicht auf eine staatsvertragliche Regelung nach Art. 2 V RuFuStV 1987 ausweichen zu müssen, bevorzugte man, das Problem durch die Änderung von Art. 2 IV RuFuStV 1987 zu lösen. Die Entwicklung des europäischen Kulturkanals verzögerte sich jedoch. Diese Tatsache und die innenpolitischen Geschehnisse nach dem Fall der Mauer im November 1989 veranlaßten die Regierungschefs der Länder am 15. März 1990 zu einer Novellierung des Vertrags und zur Schaffung einer gesamtdeutschen Medienordnung. Man wollte die neue Situation Deutschlands und die europäischen Entwicklungen vermehrt berücksichtigen. 112 Auf der Ministerkonferenz am 20. und 21. Dezember in München verständigten sich die Ministerpräsidenten der Länder darauf, sieben Staatsverträge,113 darunter
110 Die Regelung entspricht den späteren § I 11 RuFuStV 1991 und 1997. Ricker, NJW 1988, S. 453. 112 s. Begründung zwn Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland, Allgemeines; Ring, Medienrecht C-O.I. 113 Rundfunkgebührenstaatsvertrag v. 5. 12. 1974 in der Fassung v. I. / 3. 4. 1987; Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag v. 7. - 14. 10. 1988; Staatsvertrag über einen FiIII
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Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
auch der Rundfunkstaatsvertrag 1987, durch einen Artikelstaatsvertrag fonnal zu vereinigen, so daß es nur der Unterzeichnung eines Staatsvertrages bedürfe. Wegen der Ende 1991 geplanten Auflösung des DDR-Rundfunks drängte die Zeit nach einer Regelung. Diskussionspunkte stellten wiederum die Werbebeschränkungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dar. Bei der Frage, ob ARD und ZDF Sponsoring und Teleshopping betreiben dürften, einigte man sich als Kompromiß auf die Zulassung von Sponsoring (§§ 7, 17 RuFuStV 1991). Ungeklärt blieb weiterhin, inwieweit sich öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten an europäischen Satellitenvorhaben beteiligen können. Der um 38 Paragraphen erweiterte Staatsvertrag wurde am 31. August 1991 unterzeichnet und trat zum 1. Januar 1992 in Kraft.
ce) Die dritte Fassung als die derzeit geltende Regelung Mittlerweile ist dieser Rundfunkstaatsvertrag nach einer am 5. Juli 1996 erzielten Einigung der Regierungschefs der Länder nochmals geändert worden. 114 Anlaß dafür bildeten im wesentlichen zwei Punkte: Zum einen hatte das BVerfG in seinem achten Rundfunkurteil vom 20. 4. 1994 das im Rundfunkstaatsvertrag geregelte Verfahren zur Festsetzung der Rundfunkgebühr für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Teilen für verfassungswidrig erklärt. 1l5 Eine neue Regelung mußte spätestens bis zum 31. 12. 1996 getroffen werden, da die Gebührenperiode zu diesem Zeitpunkt auslief. Ein anderer novellierungsbedürftiger Punkt war § 21 RuFuStV a. F., der sich als ungenügendes Instrument zur Venneidung von Meinungsmachtkonzentration erwiesen hatte. 116 Dies äußerte sich in Streitigkeiten der Landesmedienanstalten über die Beteiligungsverhältnisse an den Sendern SAT 1, VOX, Pro Sieben, DSF, etc., die teilweise gerichtlich ausgetragen wurden. Das Versagen der Medienaufsicht wurde auf standortpolitische Erwägungen mancher Landesmedienanstalt zurückgeführt, durch die eine Konzentrationskontrolle vernachlässigt wurde. 1 17
nanzausgleich zwischen den Rundfunkanstalten v. 20. 9. 1973 in der Fassung v. 7.-14. 10. 1988; Länderabkommen über die Koordinierung der Ersten Fernsehprogramms v. 17. 4. 1959; ZDF-Staatsvertrag v. 6. 6. 1961; Bildschirmtextstaatsvertrag v. 18. 3. 1983; Rundfunkstaatsvertrag v. I. / 3. 4. 1987. 114 epd medien Nr. 71 v. 11. 9. 1996, S. I ff.; die letzten streitigen Punkte wurden am 20. August 1996 beigelegt, vergleiche Bericht in der FAZ v. 21. 8. 1996, S. 1. 115 BVerfGE 90, S. 60 ff. 110 Kresse, Pluralismus S. 23; Knothe, ZUM 1997, S. 6. 117 DLM-Konzentrationsbericht in: Die Sicherung der Meinungsvie1falt Berichte, Gutachten und Vorschläge Berlin 1995 S. 89; Knothe ZUM 1997, S. 6, 9.
B. Eintritt der neuen Medien in die Rundfunklandschaft
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In den §§ I ff. RuFinStV fmdet sich nun ein novelliertes Verfahren zur Ermittlung der Rundfunkgebühr. Zur Gewährleistung einer höheren Staatsferne wird die Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) auf staatsvertraglicher Grundlage tätig (§ 13 I RuFuStV). Auch änderte man die Zusammensetzung der KEF nach § 4 RuFinStV, wonach die Mitgliederanzahl der beim Staat Tätigen gesenkt wurde. Weiterhin wurde das vom BVerfG vorgegebene drei stufige Modell zur Ermittlung der Rundfunkgebühr gesetzlich umgesetzt. I 18 Als weitere für die öffentlichrechtlichen Anstalten relevante Regelungen wurde eine Anhebung der Rundfunkgebühr beschlossen und gesetzlich festgelegt, daß ARD und ZDF mit Inkrafttreten des Vertrages zwei Spartenprogramme als Zusatzangebot über Satellit ausstrahlen dürfen (§ 19 II RuFuStV). Bei den Vorschriften zur Vermeidung von Medienkonzentration wandte man sich von dem vorhandenen Beteiligungsmodell ab und dem Zuschaueranteilsmodell ZU. 119 Entscheidend ist nach § 26 RuFuStV nicht mehr der prozentuale Anteil eines Unternehmens an einem Sender, sondern die Häufigkeit, in der dieser Sender vom Zuschauer frequentiert wird. Dabei einigte man sich im März 1996 darauf, daß die Grenze für ein Unternehmen bei einem Zuschauermarktanteil von 30 Prozent bei jahresdurchschnittlicher Berechnung liegen soll (§ 26 II RuFuStV).120 Überschreitet der Unternehmer diese Grenze, werden ihm durch den Staatsvertrag Möglichkeiten der Entflechtung seiner Meinungsmacht oder vielfaltsichernde Maßnahmen wie z. B. die Einräumung von Sendezeit für unabhängige Dritte nach § 31 RuFuStV anheimgestellt. Bei § 26 II RuFuStV handelt es sich jedoch lediglich um eine Vermutungsregelung. Dem Zuschaueranteilswert kann nicht verbindlich sein, da seine Ermittlung erheblichen Schwankungen unterliegt und von der Art der Messung abhängig iSt. 121 Als Aufsichts- und Kontrollorgane für die Einhaltung der Vorschriften zur Sicherung der Meinungsvielfalt wurden gemäß § 35 II RuFuStV die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) und für Streitfälle die Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten (KDLM) errichtet. Schon vor Inkrafttreten der dritten Fassung des Rundfunkstaatsvertrages am 1. Januar 1997 wurde Kritik am Vertragswerk geübt. 122 Unzufrieden zeigte
m Dazu ausführlich Libertus, ZUM 1996, S. 947, 948 ff. 119 Zu den einzelnen Modellen Clausen-Muradian, ZUM 1996, S. 934, 936 ff. 120 Vergleiche Bericht in der FAZ v. 8. 5. 1996, S. I; zur Ennittlung des Zuschauermarktanteils Jochimsen, Beilage z. Medienspiegel Nr. 49 v. 8. 12. 1997, S. I, 11 ff. 121 Dörr, MP 1996, S. 621, 626; diese Art der Regelungstechnik wurde aus dem Kartellrecht übemommen, Stock, RuF 1997, S. 141, 161; Neft, ZUM 1998, S. 458 ff. 122 Clausen-Muradian, ZUM 1996, S. 934,942 ff.; Dörr, MP 1996, S. 621 ff.;
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Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
man sich wiederum mit den Regelungen zur Sicherung der Meinungsvielfalt, die wegen des gewählten Modells und der zahlreichen Ausnahmevorschriften ineffizient gestaltet seien. Speziell die konzentrationsrechtlichen Bestimmungen eröffneten weitere Räume für Verflechtungsaktivitäten anstatt sie einzudämmen, geschweige denn aufzulösen. 123 Zudem führe die Verwendung von zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffen zu einer geringen PraktikabilitäL I24 Mittlerweile sind bereits Verhandlungen zur Schaffung einer vierten Fassung aufgenommen worden. 125 Ein derartiger Handlungsbedarf besteht, weil der jetzige Rundfunkstaatsvertrag keine Regelung in bezug auf die anstehende Digitalisierung enthält. Zudem kam man auf der Tagung in Bad Neuenahr überein, daß der Vertrag zum 3l. 12. 2000 kündbar ist. Bis zum 1. 1. 2001 soll ein neuer Rechtsrahmen geschaffen werden. 126 Das hat zu mehreren Entwürfen einer Medienordnung 2000 von privatrechtlicher Seite geführt. 127
2. Die Exekutivorgane
a) Landesmedienanstalten Gemäß den Vorgaben des BVerfG bedurfte die Zulassung privaten Rundfunks nicht nur einer rechtlichen Ausgestaltung per se. Eine solche wird erst sinnvoll durch die Schaffung eines Kontrollorgans. Seine Aufsicht beinhaltet die Einhaltung der Bestimmungen zur Sicherung der Rundfunkfreiheit, ist reine Rechtsaufsicht. 128
aa) Funktion und Aufbau
Als Kontrollinstanz entstanden in den einzelnen Ländern sogenannte Landesmedienanstalten. Sie sind zuständig für die Zulassung der einzelnen privaten Rundfunksender und überwachen die Befolgung der landesmedienrechtlichen Vorschriften. Ulrike Kaiser, Journalist Nr. 8 1996, S. 28 t1; Stock, wiedergegeben in epd medien Nr. 45 v. 12.6. 1996, S. 8 tT.; s. auch Umfrage in: Tendenz Nr. m 1996, S. 11 tT. 123 Dörr, MP 1996, S. 621,622; Stock, Ruf 1997, S. 141,161 tT. spricht aufS. 167 von einer "Scheinlösung". 124 Stock, wiedergegeben in epd medien Nr. 45 v. 12. 6. 1996, S. 8; Kreile, NJW 1997, S. 1329, 1334. 125 s. hierzu den Diskussionsentwurf in epd medien Nr. 6 v. 28. I. 1998, S. 20 tT. 126 Meier, ZUM 1997, S. 249, 250. 127 Siehe Bertelsmann (Hrsg.), Kommunikationsordnung 2000; VPRT, Medienordnung 2000 plus. 128 BVertGE 12, S. 205,262; BVertGE 57, S. 295, 326 334.
B. Eintritt der neuen Medien in die Rundfunklandschaft
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Ihre Organisationsstruktur ist in jedem Bundesland die einer Anstalt des öffentlichen Rechts mit dem Recht auf Selbstverwaltung. 129 Ähnlich wie die öffentlich-rechtlichen Anstalten unterstehen sie einer beschränkten Rechtsaufsicht durch den Staat. Das BVerfG hat die Kontrolle durch eine staatsferne Organisationseinheit ausdrücklich bei der Überprüfung des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes gebilligt, sie genügt insbesondere dem Strukturprinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks. 130 Die Landesmedienanstalten verfügen in der Regel über zwei Organe!3!- das eines Gremiums sowie das eines Direktors. Die Gremien nehmen die grundsätzlichen Aufgaben der Landesmedienanstalten wahr; das impliziert Zulassungs- und Aufsichtsentscheidungen sowie den Erlaß von Satzungen. Den Direktoren obliegt die Vorbereitung und der Vollzug dieser Beschlüsse. Wegen der leichteren Entscheidungsfindung sind sie zudem oftmals in Eilsachen zuständig. 132
bb) Rechtliche Stellung
Umstritten ist, in welchem Verhältnis die Landesmedienanstalten zum Staat stehen. Vielerorts werden sie dem Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung zugeordnet. 133 Andere ordnen sie als grundrechtssichemde Anstalten ein, die staatsfrei sind. 134 Kriterium rur ihre Zuordnung ist die Frage, ob sie eine staatliche Aufgabe wahrnehmen. Aufgrund der diversen von den Landesmedienanstalten zu er129 § 63 I Bad-Württ LMG; Art. 10 I BayMG; § 8 I StVZ Berlin-Brandenburg; § 35 I, II S. 1 BremLMG; § 58 I, II S. I HmbMedienG; § 48 I, II HPRG; §§ 2, 44 I RGMV; § 53 I S.l, 2 Nied LRG; § 51 I, II LRG NW; §§ 2, 43 I S.1 Rhein-PfLRG; § 66 I, m Saar1 LRG; § 52 I, II S. 1 Schlesw-Holst LRG; § 27 I, n S. 1 SächsPRG; § 29 I S. 1,2 LRG Sachs-Anh; § 44 I, n TRG. 130 BVerfGE 73, S. 118, 164. 131 Über drei Organe verftlgen die bayerische, die sächsische und die schleswigholsteinische Landesmedienanstalt; das dritte Organ bildet ein Verwaltungsrat (Art. 10 Nr. 2 BayMG), bzw. ein Medienrat (§ 27 Nr. 2 SächsPRG) oder ein Vorstand (§ 52 mNr. 3 Schlesw-Holst LRG). 132 s. z. B. Art. 15 n NT. 3 BayMG; § 34 V SächsPRG. 133 Degenhart, AfP 1988, S. 327,335; Vahrenhold, Privatfunkaufsicht S. 110; Wagner, LandesmedienanstaIten S. 112; TruteIPfeifer, DÖV 1989, S. 192, 194; anzweifelnd aber in diese Richtung tendierend auch Bethge, NJW 1995, S. 557,558. 134 Ho.IJmann-Riem, Landesmedienanstalten S. 46; Gersdorf, Staatsfreiheit S.128, 129; so auch Bumke, LandesmedienanstaIten S. 193 fT., die eine Betrachtung der LandesmedienanstaIten als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung ablehnt, es jedoch nicht bei der Bezeichnung als staatsfreie Anstalt beläßt, sondern die janusköpfige Stellung der Landesmedienanstalten zwischen Rundfunkveranstalter und Staat im folgenden darstellt.
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Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
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füllenden Aufgaben wird eine Schwerpunktbildung vollzogen. 135 Daß die Landesmedienanstalten im Vergleich zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten näher am Staat orientiert sind, genügt jedenfalls nicht, um sie innerhalb der Staatsverwaltung einzuordnen. 136 Die Befiirworter einer mittelbaren Staatsverwaltung legen den Schwerpunkt des Aufgabenfeldes der Landesmedienanstalten in ihrer Tätigkeit gegenüber den Rundfunkveranstaltern fest, die hoheitlich und grundrechtsreglementierend wirke. Die gegnerische Ansicht hebt indessen das Verhältnis zwischen Landesmedienanstalten und dem Staat hervor, durch das die Medienanstalten einen Schutzschirm fiir die Veranstalter bilden. Diese Streitfrage spielt insbesondere fiir den Funktionsvorbehalt des Art. 33 IV GG eine Rolle. Ferner besteht Uneinigkeit darüber, ob die Landesmedienanstalten Grundrechtsträger der Rundfunkfreiheit nach Art. 5 I S. 2 GG sind. In der Literatur wird wegen der nur beschränkten Einflußnahme auf private Programme überwiegend angenommen, daß sich Landesmedienanstalten auf das Grundrecht der Rundfunkfreiheit berufen können. 137 Bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts werde von einer Grundrechtsfahigkeit ausgegangen, wenn sie dem durch das Grundrecht zu schützenden Lebensbereich unmittelbar zuzuordnen seien. 138 Eine Zuordnung erfolge stets bei "staatsfernen Sachwaltern", die fiir andere natürliche grundrechtsfahige Personen handeln,139 wie es auf die Landesmedienanstalten zutreffe. Bethge und Schmidt negieren demgegenüber eine Grundrechtsträgerschaft. 140 Die Landesmedienanstalten nähmen öffentliche Aufgaben wahr, insbesondere obliege ihnen wie staatlichen Behörden eine Rechtsaufsicht, so daß sie damit über Art. 1 III GG selbst grundrechtsgebunden seien. Eine vermittelnde Auffassung geht von einer auf das Verhältnis zum Staat beschränkten Grundrechtsfahigkeit der Landesmedienanstalten aus. 141 Durch den Streit um die Zulassung des Fernsehsenders DSF mußten auch die Gerichte zu diesem Punkt Stellung beziehen, im fraglichen Fall dazu, ob sich eine Landesmedienanstalt gegenüber einer anderen auf das Grundrecht der Rundfunkfreiheit stützen kann. Während der BayVGH und der BayVerfGH eine Grundrechtsfahigkeit bejahten,142 schloß das BVerfG in seiGersdorf, Staatsfreiheit s. 128. So aber Wagner, Landesmedienanstalten S. 113. 137 HotTmann-Riem, Landesmedienanstalten S. 46; Gersdorf, Staatsfreiheit S. 159; Stock, JZ 1991, S. 645,647; Wagner, Landesmedienanstalten S. 39. 138 BVerfGE 85, S. 360, 370. 139 Badura, BayVBI 1989, S. 1,2. 140 Bethge, NJW 1995, S. 557,558-559; WalterSchmidt, Rundfunkgebühr, S. 71. 141 Dörr/Kopp/eloss, Rechtsstellung, S. 63. 142 BayVGH, BayVBI 1993, S. 340, 341; nur bezogen auf die bayerische Landeszentrale für neue Medien BayVerfGH, BayVBI 1995, S. 339. I35
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B. Eintritt der neuen Medien in die Rundfunklandschaft
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ner Eilentscheidung eine Grundrechtsfahigkeit nicht aus,143 weitere Ausführungen in den anschließenden Verfassungsbeschwerden blieben aber aus, da es die Beschwerden bereits wegen fehlender Rechtswegausschöpfung verwarf. 144
b) Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten Wie mit der gemeinsamen Entwicklung eines Rundfunkstaatsvertrages hatte man die Notwendigkeit einer ländeIÜbergreifenden Kooperation im aufsichtlichen Bereich Wh erkannt. Der Medienmarkt setzte sich durch seine technischen Mittel über Ländergrenzen hinweg und expandierte zudem in europäischer und internationaler Hinsicht, so daß eine Zusammenarbeit der Landesmedienanstalten unentbehrlich war. Seit dem 1. September 1985 hielten daher die Direktoren der Landesmedienanstalten regelmäßige Treffen ab. 145 Die urspIÜngliche Besetzung bestand zunächst aus neun Direktoren, da es bis 1989 noch an einer hessischen und bremischen Landesmedienanstalt fehlte. Seit 1991 wohnen alle 15 Direktoren den Sitzungen bei. Mit der Verabschiedung einer Geschäftsordnung verfestigte sich die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) zu einer ständigen Einrichtung der Landesmedienanstalten. 146 Was zunächst nur als Forum für einen Erfahrungsaustausch geplant war, entwickelte sich zu einer Institution, die zu aktuellen Rechtsfragen Stellung bezog. 147 Aus dieser Kooperation entwickelte man Grundsätze für die Zusammenarbeit. 148 1994 erfolgte ein Zusammenschluß der Landesmedienanstalten in der "Arbeitsgemeinschaft" der Landesmedienanstalten (ALM). Neben der Direktorenkonferenz umfaßt diese gemäß § 6 I der Grundsätze über die Zusammenarbeit die Abhaltung von Gesamt- und Gremienvorsitzendenkonferenzen. Man beabsichtigte dadurch die Beaufsichtigung des bundesweiten Privatfunks und die Einhaltung der staatsvertraglichen Regelungen besser zu koordinieren. Für besondere Aufsichtsbereiche wurden zusätzlich gemeinsame Stellen eingerichtet und Richtlinien statuiert. Derzeit bestehen drei gemeinsame Stellen der Bereiche Vielfaltsicherung, Jugendschutz / Programm sowie Werbung. Ihnen angeschlossen ist jeweils ein Arbeitskreis.
Beschluß des BVertG v. 9. 7. 1993, AfP 1993, S. 730, 731. Beschluß des BVertG v. 18. 12. 1996, ZUM 1997, S. 202 ff. 145 Holgersson, Kontrolle S. 114. 146 GO DLM, ab 22. 5. 1987 in Kraft; abgedruckt in DLM-Jahrbuch 1988 S. 613 ff. 147 Wagner, Landesmedienanstalten S. ISO. 148 Heutige Fassung v. 25. Apri 1 1995 siehe Ring, Medienrecht C1.1. 143
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Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
Aufgrund der freiwilligen Bildung der Direktorenkonferenz durch die Landesmedienanstalten ergaben sich für seinen Wirkungsbereich schwerwiegende Konsequenzen. Weil ihr dadurch von Rechts wegen keine Machtbefugnisse übertragen waren, fehlte es an der unmittelbaren Verbindlichkeit ihrer Beschlüsse und Entscheidungen. Sie bedurften vielmehr einer Umsetzung durch die jeweilige Landesmedienanstalt. So erwies sich die Direktorenkonferenz gerade im Streit um die Zulassung des Fernsehsenders DSF I49 als Tiger ohne Zähne. Derartige Durchsetzungsschwierigkeiten sind mittlerweile durch den neuen Rundfunkstaatsvertrag beseitigt worden, der die Direktorenkonferenz gemäß § 35 11 RuFuStV als ständige Einrichtung anerkennt und ihr die Aufgabe der Konzentrationskontrolle zuteilt. c) Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) Wie man ihrer Bezeichnung schon entnehmen kann, entscheidet die KEF über den Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (§ 2 RuFinStV). Sie selbst finanziert sich ebenfalls aus Rundfunkgebühren. I 50 In einem Abstand von zwei Jahren haben die öffentlich-rechtlichen Anstalten ihren Finanzierungsbedarf bei der KEF zu melden. Sie soll eine programmneutrale Finanzkontrolle vornehmen. I 51 Die KEF besteht nach § 4 I S. I RuFinStV aus sechzehn unabhängigen Sachverständigen. Ihre Wahl erfolgt für drei Jahre, wobei jedes Land ein Mitglied benennen darf. Aufgrund ihrer Unabhängigkeit ist sie nach § 6 III i. V. m. §§ 1 ff. RuFinStV des Statuts nur an die Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz als dem Vorsitzland der Rundfunkkommission gebunden. Ungeklärt geblieben ist, wer die Finanzkontrolle und Rechtsaufsicht über die KEF selbst ausübt. Geht man davon aus, daß die KEF eine hoheitliche Kontrolle betreibt, I 52 wird man sie einer Überprüfung unterziehen müssen. d) Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) Die KEK ist nach dem sog. "Ratsmodell"153 aufgebaut, das heißt sie besteht aus sechs Sachverständigen. Sie werden durch die Ministerpräsidenten der Verlauf dargestellt bei Lerch, ZUM 1997, S. 258,259. § 6 I RuFinStV. 151 Libertus, ZUM 1996, S. 947, 950. 152 Knothe, ZUM 1997, S. 6, 8. 149
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B. Eintritt der neuen Medien in die Rundtunklandschan
Länder für fünf Jahre bemfen (§ 35 III S. 1. 2 RuFuStV). Die Mitglieder sollen wie bei der KEF unabhängig sein. Der Kompetenzbereich der KEK bezieht sich auf bundesweit verbreiteten Rundfunk. so daß es den Ländern von nun an verwehrt ist. einzelne hiervon abweichende Regelungen zu treffen. Ihre Hauptaufgabe besteht darin. die Zuschauermarktanteile zu ermitteln. einen Bericht über die Konzentrationsentwicklung abzugeben sowie bei der Auswahl und Zulassung von Fensterprogrammveranstaltern mitzuwirken. 154
e) Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) Aus dieser Reihe heraus fällt die Institution der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF). Denn hierbei handelt es sich um einen Verein mit Sitz in Berlin, zu dessen Gründung sich private Fernsehveranstalter selbst im November 1993 entschlossen. Seit dem 4. April 1994 überprüft die FSF Programminhalte auf Einhaltung des Jugendschutzes. Derzeit gehören dreizehn Fernsehsender diesem Verein an. Dabei wird Wert darauf gelegt daß die FSF keine Konkurrenz zu vorhandenen Institutionen auslösen solL sondem eine Ergänzungsfunktion ihnen gegenüber wahmimmt. l55 Nach § 2 Nr. 1 der Satzung der FSF wird eine sachdienliche Zusammenarbeit mit den Landesmedienanstalten angestrebt. Die FSF setzt sich nach § 9 Nr. 1 der Satzung aus einer Mitgliederversammlung und einem Vorstand zusammen. Zusätzlich verfügt sie über ein Kuratorium sowie Prüf- und Bemfungsausschüsse. Gemäß den aufgestellten Prüfgmndsätzen findet eine präventive Sichtung des Programms statt, in Ausnahmefällen kann jedoch auch eine nachträgliche Prüfung erfolgen.
IH. Folgen der Wiedervereinigung Deutschlands für den Rundfunk Mit der Reunion von Deutscher Demokratischer Republik und Bundesrepublik mußte die Medienlandschaft neu geordnet werden. Das DDR-Fernsehen hatte zwar bereits im Oktober 1989 mit einer demokratischeren Form der Berichterstattung begonnen. Um einen künftigen Regierungseinfluß zu unterbinden. waren jedoch gesetzgeberische Tätigkeiten vonnöten. I 56 Im Februar 1990 Siehe dazu S. 232 tr AustUhrIich zur KEK .Iochimsen, Beilage zum Medienspiegel NT. 49 1997, S I tr 15' Gottberg, Jugendschutz S. 3. 150 Bleicher. in: Geschichte des Fernsehens Band I, S. 124. 153 154
V.
8. 12.
Teil 1: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
60
verabschiedete die Volkskanuner daher einen "Beschluß über die Gewährung der Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit"; gleichzeitig wurde ein Medienkontrollrat aus Vertretern des runden Tisches und anderer Organisationen von gesellschaftlicher Bedeutung mit der Überwachung des DDRFernsehens betraut. 157 Seine Kontrollfunktion bestand hauptsächlich darin, für die Einhaltung des Medienbeschlusses zu sorgen. ISS Der Rat genehmigte die Ausstrahlung von Werbefernsehen. Weiterhin wurde die entstehende föderale Struktur durch die Einführung von Regionalprogrammen gefordert. Die Wirkungskraft des Medienrats erschöpfte sich jedoch schon mit der Wiedervereinigung am 3. 10. 1990, durch die der Einigungsvertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik in Kraft trat. Zuvor war vereinbart worden, daß der Auftrag des Medienrates mit dem Erlaß endgültiger Regelungen enden sollte. I 59 In Art. 36 des Einigungsvertrages wurde die Auflösung des DFF zum 31. 12. 1991 beschlossen. Über seine Frequenzen sendete zukünftig die ARD, während das ZDF die ungenutzten Frequenzen belegte. Mit dem Einigungsvertrag war auch der Rundfunk in der ehemaligen DDR Ländersache geworden. Die Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen schlossen einen Staatsvertrag über die. Entstehung eines Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) und in Brandenburg entstand 1991 der "Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg" (ORB). Mecklenburg-Vorpommern schloß sich' im Dezember 1991 dem Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk an.
C. Gegenwärtige Herausforderungen und Prozesse im Rundfunk I. Die technischen Innovationen
1. Digitalisierung a) Technische Aspekte Unter Digitalisierung versteht man eine modeme Signalverarbeitungstechnik, bei der die Hörfunk- und Fernsehsignale von Computern und texterzeugenden Endgeräten produziert und übertragen werden. Die bisherige Übertragungstechnik erfolgte durch analoge Signale, die in der Regel durch Schallwandler erzeugt werden. l60 Digitale Signale stellen folglich eine andere "Schrift"161 dar, mit der die Datenweitergabe erfolgt. Diese verschlüsselten SiWilhelmi, Neue Bundesländer S. 47; Wandtke, ZUM 1993, S. 587. Wandtke, ZUM 1993, S. 587,591. 159 Wilhelmi, Neue Bundesländer S. 60. 160 Lochmann, Nachrichtentechnik S. 24. 161 So Krieg, in: Medienzukunft, S. 7, 10. 157 158
C. Gegenwärtige Herausforderungen und Prozesse im Rundfunk
61
gnale wurden bereits im zweiten Weltkrieg erfunden. Mit Hilfe von Computern und dem Einsatz von Glasfaser in das Übertragungsnetz wird die Digitaltechnik bereits bei der Bildmanipulation bzw. der Meß- und Steuertechnik verwandt. Eine Digitalisierung des gesamten Rundfunks war bisher insofern nicht möglich gewesen, als Hörfunk- und Fernsehsignale eine große Datenrate beinhalten, die immense Übertragungsbandbreiten beanspruchen würde. 162 Ohne Qualitätseinbuße können diese Daten jetzt jedoch reduziert und komprimiert werden. Dabei wird das Verfahren der Irrelevanzminderung angewandt, das die abkürzende Bezeichnung MUSICAM erhielt. 163 Es beruht entscheidend darauf, daß vom Menschen nicht wahrnehmbare Infonnationen herausgelöscht und nicht mitübertragen werden. Die Reduktionsleistung des MUSICAMVerfahrens liegt bei einern Siebtel des ursprünglichen Datenstroms für ein Stereosignal. 164 Die Vorteile einer Digitalisierung liegen zum einen in der Steigerung der Programmkapazität: Die Datenkompression führt dazu, daß über jeden einzelnen Kanal bis zu zehn Programme gesendet werden können. Mit den zusätzlichen Satelliten ASTRA I E und ASTRA I F besteht die Möglichkeit, bis zu 400 neue Programme zu übertragen. 165 Benötigt man einen geringeren technischen Bedarf zur Übertragung eines Programms, sinken damit gleichzeitig die Übertragungskosten. Neben diesem Potential der Programmvennehrung bestehen zum anderen qualitative Steigerungen. Eine Digitalisierung führt zu hochwertigen Tonübertragungen und störungsfreiem Empfang auch bei mobilen Empfangsanlagen. 166 Ferner verursacht sie eine höhere Bildqualität. Durch hochauflösendes Fernsehen (HDTV) wird Flimmerfreiheit gewährleistet. 167 Eine bessere Bildqualität wird darüber hinaus durch das Breitbandfernsehen erzeugt. Statt des 162 . 163
Schrape/Hürst, DLM-Jahrbuch 1993/94, S. 15 . Masking pattern adapted Universal Subband Integrated Coding and Multiple-
xmg.
Kniestedt, in: Medienhandbuch, 8.5.2. Ring, in: FS für Kreile, S. 569, 571. 166 Ring, in: FS für Kreile, S. 569, 571. Die bessere Tonqualität ist jedoch nur für Hörer unter 35 Jahren in vollem Umfang wahrnehmbar, da altersbedingt die Hörfunkfrequenzbreite dramatisch abnimmt, siehe Waldemar Schmid, Funkkorrespondenz NT. 3 v. 17. 1. 1997, S. 3,6. 167 Das beruht auf der doppelten Zeilenzahl des hochauflösenden Fernsehens - statt 625 Zeilen sind es 1125 bzw. 1250 Zeilen. Durch die höhere Zeilendichte kann das menschliche Auge die Zeilenstruktur nicht mehr wahrnehmen; so wird das Bild nicht flau. Siehe dazu Ziemer, in: Digitales Fernsehen, S. 46. 164
165
Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
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heutigen 4 : 3 -Formats wird es das Bildformat 16 : 9 geben, das dem der Kinoformate entspricht. Seine Attraktivität liegt in einer stärkeren Adaption an menschliche Sehgewohnheiten durch augenfreundliche Bildgestaltung. 168 Aufgrund der Datenkompression besteht ferner die Möglichkeit neben dem digitalen Ton- oder Fernsehsignal weitere Informationen zu versenden. Die Datenreduzierung hat ein Freiwerden von Übertragungskapazitäten zur Folge, die durch Rückkanäle genutzt werden könnte, das heißt Verbindungen vom Empfänger zum Rundfunksender. Hier liegt die Basis für die Schaffung eines interaktiven Rundfunks, bei dem der Rezipient in den Programmablauf eingreifen und ihn nach seinen Vorstellungen verändern und bestimmen kann. 169 Dieses Phänomen wird in der Literatur unter dem Schlagwort "Video on demand" abgehandelt. Video on demand unterliegt dem neuen Mediendienstestaatsvertrag und ist nur in Ausnahmefällen von rundfunkrechtlichen Regelungen betroffen (§ 2 I S. 2 MStV). b) Veränderungen durch die Digitalisierung des Rundfunks Die Bedenken gegen eine Digitalisierung der Medienwelt konzentrieren sich im wesentlichen auf zwei Punkte. Die Umstellung von analogen auf digitale Signale hat einerseits zur Folge, daß diese nicht zwingend an das reale Geschehen gebunden sind. Dadurch, daß diese Signale von Computern produziert werden, sind sie beeinflußbar. Positiv betrachtet ist damit der Umsetzung von Phantasien keine Grenze mehr gesetzt, ohne daß ein Unterschied zwischen Täuschung und Realität erkennbar wäre. 170 Darin liegt jedoch gleichzeitig die Gefahr der Manipulation von Bildern, deren Wirklichkeitsmaßstab für den Zuschauer nicht mehr erkennbar ist. 171 Diese Gefahr besteht nicht nur für die Schnittstelle zwischen Sender und Zuschauer, sondern auch zwischen Nachrichtenagenturen und Sender, die weitestgehend von deren Material abhängig sind. Skepsis herrscht weiterhin darüber, inwieweit das digitale System finanzierbar ist. Auch wenn die Verwendung von digitalen Signalen letztlich zu einer Einsparung von Betriebs- und Personalkosten führt, ist für seine Einführung ein enormer Finanzaufwand erforderlich. Neue Sender werden die Kapazitäten nur nutzen können, wenn sie selbst über eine gesicherte Finanzierung verfügen. Eine Sendervermehrung hat jedoch gleichzeitig sinkende Werbepreise zur Folge. Es gilt als sicher, daß die meisten Sender sich nicht allein durch Werbeeinalunen aufrecht erhalten werden können. Neue FinanzieZiemer, in: Digitales Fernsehen, S. 46. Krieg, in: Medienzukunft, S. 7, 12. 170 S. Bericht im Spiegel Nr. 3 1995, S. 86. 171 Hanfeid, FAZ v. 7. 4.1995, S. 41.
168
169
c. Gegenwärtige Herausforderungen und Prozesse im Rundfunk
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rungsfonnen wie Pay TV und Pay per view werden sich folglich langfristig durchsetzen. Ein Teil der Finanzierung muß damit auf den Zuschauer übertragen werden können, der es bisher gewohnt war, lediglich durch Gebühren zum Rundfunkangebot beizutragen. Kritiker werfen daher die berechtigte Frage auf, woher das Kaufpotential für die Digitalisierung und den Einzug in die Multimedia-Welt kommen soll. I 72 Auch rechtliche Probleme treten mit der neuen Technik auf, die durch ihr Potential den Grad von Individual- und Massenkommunikation weiter verschmälert. Individualkommunikation dürfe aber nicht lizensierungspflichtig sein. 173 c) Digital Audio Broadcasting (DAß) Obwohl die Digitalisierung zu einer Verbindung einzelner Medien führen soll, vollzieht sich die Entwicklung in zwei getrennten Systemen. Das eine System ist das Digital Audio Broadcasting (DAß), das die Übertragung von Tonprogrammen und Datendiensten verbindet. Hier kommt es zu einem Zusammenschluß der Bereiche von Unterhaltungselektronik, Computertechnik und Telekommunikation. Es ist ein Produkt des Forschungsprojekts Eureka EU 147, das auf der europäischen Ministerkonferenz in Stockholm 1986 ins Leben gerufen wurde. 17 4 An diesem Projekt sind sowohl Vertreter der deutschen' französischen und holländischen Industrie als auch deutsche Forschungsinstitute, das Institut für Rundfunktechnik (IRT) sowie die BBC beteiligt. Das IRT hatte sich bereits 1980 mit der Frage einer digitalen Codierung von terrestrisch ausgestrahltem Hörfunk befaßt und in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk 1985 im Raum Ingolstadt Versuchsaustrahlungen unternommen. 1990 wurde in der Bundesrepublik eine Nationale Plattfonn e.Y. eingerichtet, die sich mit der Einführung von DAß in Deutschland beschäftigt. Mitglieder sind Institutionen, die sich allein mit der technischen Seite von DAß beschäftigen. Zur Erprobung dieses Systems wurden von 1993 bis 1995 in Bayern, Baden-Württemberg, Berlin-Brandenburg, NordrheinWestfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen DAß-Pilotprojekte aufgenommen. 175 Ziel ist es, Erfahrungen auf diesem Gebiet zu sammeln und so die Markteinführung von DAß in Gesamtdeutschland zu erreichen. Ob das DAß den UKW-Hörfunk auf lange Sicht ablösen soll, ist bisher noch ungeklärt. In der Anfangsphase wird es jedoch zunächst zu einer Paral-
Tunze, FAZ v. 21. 2. 1995, S. T5. Dazu ausftihrlich Dry, AfP 1994, S. 18,20 fT. 174 Müller-Römer, in: Digitales Fernsehen, S. 14,31. 175 Zu den einzelnen Pilotprojekten siehe DLM-Jahrbuch 1993/94, S. 61 fT. 172
173
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Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
leinutzung von UKW und DAB kommen. 176 Denn für den Hörfunkempfang via DAB müssen hochintegrierte Chips in die Endgeräte eingebaut werden. Auf der IAA 1995 wurde ein solches Gerät zum ersten Mal vorgestellt. Eine solche Umrüstung erfordert einen längeren Zeitabschnitt. Trotz Subventionierung der DAB-Endgeräte, ist das Interesse der Abnehmer bisher gering. 177 Zudem besteht die Gefahr, daß DAB von der Entwicklung eines digitalen Satellitenradios eingeholt werden könnte. 178 Daher bleibt auch die Werbewirtschaft zurückhaltend. Gefordert wird eine zielgerichtete Strategie, um DAB erfolgreich im Markt zu plazieren. 179 d) Digital Video Broadcasting (DVB) Die Digitalisierung des Fernsehens vollzieht sich im European Digital Video Broadcasting (DVB). Sie entsprang der Initiative der European Launching Group for Digital TeleVision Broadcasting (ELG). Diese wurde im Frühjahr 1992 von Verwaltungen, Industrieunternehmen, Forschungseinrichtungen, Rundfunkanstalten und Netzbetreibern aus acht europäischen Staaten als Reaktion auf das amerikanische "DirecTV" gegründet. 180 Zur Übertragung ist seit 1996 der erste digitale ASTRA-Rundfunksatellit im Einsatz. Jeder seiner achtzehn Kanäle kann bis zu acht digitale Fernsehprogramme aufnehmen. 181 Zudem rüsten die Kabelbetreiber ein bisher ungenutztes Frequenzband, das sog. Hyperband, auf eine digitale Übertragung um. Das Band hat Platz für 15 Kanäle zu je sechs Programmen. 182 Die Programmerhöhung pro Kanal durch sog. "Multiplexing" fördert bei den Veranstaltern die Entwicklung von Programmpaketen, mit dem ein Kanal belegt wird. Im Februar 1996 legte die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten "Eckwerte für die Erprobung und Einführung von Digital Video Broadcasting (DVB)" fest. 183 Mittlerweile wurden sieben Pilotprojekte gestartet. 184
Nach Ory, AfP 1994, S. 18 wird DAB nicht das Nachfolgesystem des UKW sein. Waldemar Schmid, Funkkorrespondenz NT. 3 v. 17. 1. 1997, S. 3; Hürst, Tendenz Nr. n 1997, S. 42. 178 Ladeur, AfP 1997, S. 598,601 berichtet von Fortschritten digitaler Satellitentechnik (DBS) in den USA. 179 Hürst, Tendenz Nr. n 1997, S. 42. 180 Pfeffermann, in: Digitales Fernsehen, S. 7, 12. 181 Wagner, Kabelfernsehen S. 11. 182 Bullinger, ZUM 1997, S. 281,284. 183 Abgedruckt in: Wagner, Kabelfernsehen S. 135 ff. 184 In Baden-Württemberg ( 25. 8. 1995), Bayern ( 17. 10. 1995), BerlinBrandenburg (26. 8. 1995), Hessen. (Herbst 1997; Versuch derzeit ausgesetzt), Nordrhein-Westfalen (Frühjahr 1997), Rheinland-Pfalz (15. 3. 1997), Sachsen, Sachsen176
177
C. Gegenwärtige Herausforderungen und Prozesse im Rundfunk
65
Seit Ende 1996 wird darüber hinaus ein digitales Fernsehpaket namens "DFI" angeboten. Bislang blieb diesem jedoch der entscheidende Erfolg verwehrt. Die Ursache hierfür wird in einer schlechten Vermarktung gesehen, die sich durch eine Einspeisung ins Kabelnetz verbessern ließe. 18S Deshalb besteht DFI auf eine Einspeisung ins Kabelnetz, die es notfalls auch gerichtlich durchsetzen will. Die Kabelbetreiber hingegen verweigern einen Zugang zum Kabelnetz, weil DFI darauf besteht, seine eigenen Empfangsvorrichtungen für die Endgeräte und nicht die der Kabelbetreiber zu verwenden. Dadurch erhalte DF 1 eine Ausnahmestellung, die wegen der Endgeräte eine Abhängigkeit der weiteren Anbieter auslöse. Denn es sei kaum eine Bereitschaft des Rezipienten zu erwarten, sich mehr als eine Empfangsvorrichtung anzuschaffen. 186 Ob DF I ein Anspruch auf Einspeisung ins Kabelnetz zusteht, ist in medien- und kartellrechtlichen Abhandlungen erörtert und abgelehnt worden. 187 Die Diskussion hat sich dadurch verschärft, daß DFI in dem Programmbouquet des Pay TV-Senders Premiere aufgehen soll, der ebenfalls eine Digitalisierung anstrebt. Diese Zusammenarbeit der CLT -Ufa (premiere) mit der Kirchgruppe (DF1), der sich die Telekom AG als Netzbetreiber anschließen könnte, hat die Befürchtung einer Marktaufteilung mit sich gebracht. In ihren "Grundsätzen für eine bundesweite Kabelverbreitung digitaler Fernsehprogramme" vom 15. und 16. September 1997 forderte die DLM über die konkreten Planungen informiert zu werden und machte auf die Genehmigungsbedürftigkeit dieses Vorhabens aufmerksam. 188 Die Europäische Kommission stoppte Ende Mai 1998 das Vorhaben, indem sie die Fusion aus wettbewerbsrechtlichen Gründen untersagte. 189
Anhalt, Thüringen (Winter 1997); siehe dazu ausftihrlich DLM-Jahrbuch 1995/1996 S. 428 ff. 185 So element, Interview in Focus Nr. 24 1997, S. 190; Langer, Tendenz Nr. I 1997, S. 38, 39 186 Bullinger, ZUM 1997, S. 281,282. 187 Bullinger, ZUM 1997, S. 281 ff.; Engel, ZUM 1997, S. 309 ff. 188 Siehe Beilage zum Medienspiege1 Nr. 39 v. 29. 9. 1997, S. I ff.; positiv beurteilt Stoiber, Beilage zum Medienspiegel Nr. 43 v. 27. 10 1997, S. 1,6 die Kooperation von Kirch, Berte1smann und der Telekom AG, die das Entstehen des digitalen Fernsehmarktes erst möglich gemacht habe und nicht blockiert werden dürfe. 189 Siehe dazu Ott, SZ v. 11. 12. 1997, S. 23. Die Kabelnetzbetreiber hatten sich bei der Europäischen Kommission beschwert, daß Premiere noch vor dieser Genehmigung bereits die d-box von DF I betreibt. Der Vertrieb wurde daraufhin durch die EU gestoppt. Die Europäische Kommission hat das Verbot der Fusion darauf gestützt, daß eine MonopolsteIlung von Premiere ftlr den Bereich des digitalen Bezahlfernsehens im deutschsprachigen Raum zu befürchten sei, ausftihrlich epd medien Nr. 41/42 v. 30. 5. 1998, S. 12 ff. 5 Poil
Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
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2. Multimedia
a) Entstehung und Umfang Parallel und in enger Verbindung zur Digitaltechnik ist die MultimediaWelt entstanden. Multimedia-Kommunikation ist der Informationsaustausch und die Verständigung über elektronische Datenbanken. Eine solche Verständigungsmöglichkeit besteht derzeit weltweit über das Internet. Informationen aller Art bieten sogenannte Online-Dienste, wobei online dafiir steht, daß die Daten elektronisch überliefert werden und nicht von einem Träger geholt werden - sogenanntes offiine. 190 Ausgangspunkt für die Entwicklung des Internets und auch der Online-Dienste stellt das Arpanet dar. Dieses Netz entstand 1971 in den USA aus militärischen Gründen. Man wollte ein Netz schaffen, das die über das Land verteilten Rechnerresourcen miteinander verbindet und resistent ist gegen Sabotage oder Erschütterungen durch Bombenangriffe. Mit seiner Kommerzialisierung begann die zweite Phase des Internet. In den USA konnten sich kommerziell orientierte Unternehmen ab 1987 einen Internetzugang bei dem Gewerbe der Internet Service Provider (ISP) besorgen. In der Bundesrepublik Deutschland wurde im Juli 1993 von der Universität Dortmund eine EUnet Deutschland GmbH als Internet Service Provider gegründet. Das Internet wird heute hauptsächlich über das World Wide Web (WWW) genutzt, das als anwenderorientierter Ansatz zur Integration der Internetdienste unter einer leicht nutzbaren Oberfläche beiträgt. Die Vorteile des WWW liegen in seiner Offenheit und der Möglichkeit grenzenloser, individuell gesteuerter Kommunikation und Navigation im Netz begründet. Online-Dienste nutzen das Internet als Informationsquelle, nehmen die Daten auf, um sie zu strukturieren, zu selektieren und sie dann einzelnen Zielgruppen anbieten zu können.
b) Verknüpfungsmöglichkeiten Schon jetzt ist ersichtlich, welche Auswirkungen die Multimedia-Dienste auf den Rundfunk haben. Nicht nur, daß Sender das Internet nutzen, um mit ihren Rezipienten per E-Mail zu kommunizieren und auch eigene OnlineDienste anbieten. 191 Mittlerweile gibt es ein "Internet Radio", das nicht nur die visuelle Sichtbarmachung eines Textes sondern auch seine akkustische Wahrnehmbarkeit garantiert. 192 Die ersten Versuche leiden zwar noch unter techniSwientek, in: Medienzukuntt, S. 23, 26. Buschek, Journalist NT. II 1996, S. 60 IT.; ausführlich Thomas Forster, Tendenz Nr. TI 1997, S. 4 tT. 192 FAZ v. 23. 7. 1996, S. Tl. 190 191
C. Gegenwärtige Herausforderungen und Prozesse im Rundfunk
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schen Mängeln, langfristig gesehen wird es jedoch zu einer Verbindung der Online-Dienste mit dem "Digital Audio Broadcasting" kommen. 193 Diese Entwicklung wird sich auch für das Digital Video Broadcasting einstellen. 194 Die Multimedia-Dienste werden die technische Basis für ein vom Zuschauer gesteuertes Radio- und Fernsehprogramm bilden.
c) Multimediagesetze In rechtlicher Hinsicht war der Bereich der Multimedia lange unerschlossen. Das lag nicht zuletzt daran, daß Uneinigkeit über die Gesetzgebungskompetenzen bestand: Sowohl der Bund l95 als auch die Länder l96 nahmen für sich in Anspruch, eine Regelungskompetenz zu besitzen. In einer Zusammenarbeit von Bund und Ländern gelang es 1997, Multimedia-Gesetze zu verabschieden. Dabei übernahmen der Bund mit dem "Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste" (IuKDG) den Bereich der Teledienste, die Länder mit dem Staatsvertrag über Mediendienste (MStV) diesen Bereich. 197 Durch gleichlautende Formulierungen und Verweisungen haben sich die Gesetzgeber bemüht, durch ein einheitliches und lückenfreies Gesetzeswerk eine sichere Grundlage für die Anbieter zu schaffen. Beide Gebiete werden hierin für zulassungsfrei erklärt. Hat jedoch ein Mediendienst die Wirkung von Rundfunk, was sich darin äußert, daß er zusätzlich das Merkmal der "Darbietung" erfüllt,l98 ist er nach den Regelungen des Rundfunkstaatsvertrages zulassungspflichtig. Das ergibt sich aus § 2 I S. 2 MStY.
193 FAZ v. 23. 7. 1996, S. Tl. 194 Skeptisch im Hinblick auf diese Entwicklung äußert sich Bill Gates, Interview in: Spiegel Nr. 8 1997, S. 93, 94 wegen der technischen Hindernisse und der Eigenschaft des Fernsehens als passives und nicht interaktives Medium. 195 In diese Richtung gehend auch Schwarz-Schilling, Bertelsmann-Briefe Juni 1994, S. 44, 45 der sich gegen eine Ausweitung des Rundfunkbegriffs für diese Dienste ausspricht. 196 Eine Landeskompetenz wird dann begründet, wenn man die neuen Dienste unter den Rundfunkbegriff faßt. Das wird vertreten von Dörr, in: Rundfunkbegriff, S. 121, 125; Gersdorf, in: Rundfunkbegriff, S. 181, 282; Hoffinann-Riem, AfP 1996, S. 9, 15; Ladeur, AfP 1997, S. 598, 603, der gegebenenfalls auch nur eine vorübergehende Kompetenz befürwortet; Pieper/Wiechmann, ZUM 1995, S. 82, 91; Pieper, ZUM 1995, S. 552 ff., insbesondere spricht sie sich dagegen aus, die Kompetenzen aufzuteilen, da dies zu Rechtsunsicherheit und zu eingeschränkter Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Medien beitrage. 197 Beides abgedruckt in: epd medien Nr. 48 v. 25. 6. 1997, S. 1 ff.; zur Entstehung s. Darstellung von KrögerlMoos, ZUM 1997, S. 462 ff.; Heyl, ZUM 1998, S. 115 ff. 198 Begründung § 2 MStV, abgedruckt in epd medien Nr. 48 v. 25. 6. 1997, S. 26 ff. 5*
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Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundtunkwesen
Trotz reichhaltiger Kritik I 99 sind diese Gesetze zukunftsweisend für den gesamten Bereich der Kommunikation. Sie zeigen, daß eine Kooperation von Bund und Ländern nötig aber auch möglich ist, um Regelungsgrauzonen zu vermeiden. Bei zunehmender Konvergenz des Medienangebotes ist eine vermehrte Zusammenarbeit der sie regulierenden Instanzen gefragt.
d) Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia (FSM) Wie bereits in der Literatur gefordert,200 hat sich am 9. Juli 1997 ein Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Dienstanbieter e.Y. (FSM) mit Sitz in Bonn gegründet. Der FSM gehören dreizehn Verbände und Unternehmen an. 201 Sie hat sich zur Aufgabe gemacht, jugendgefährdende und gewaltverherrlichende Inhalte aus den Online-Diensten fernzuhalten. Damit lehnte man sich dem Modell der FSF im Multimediabereich an. Im Unterschied zu dieser kann bei Multimedia keine Vorkontrolle erfolgen. Damit entstehen Schwierigkeiten mit effektiven Mitteln gegen den Diensteanbieter vorzugehen. Nach § 6 III c) der Beschwerdeordnung stellt das härteste Mittel die Erteilung einer Rüge dar. Diese kann auch nur gegen Mitglieder ergehen, andere dürfen nur Hinweise erhalten. Es bleibt abzuwarten, ob sich eine Selbstkontrolle in diesem Bereich wirkungsvoll gestalten läßt.
11. Trends der gegenwärtigen Rundfunklandscbaft 1. Europäisierung
Daß Funkwellen sich nicht an Ländergrenzen halten, stellte das BVerfG bereits in seinem ersten Rundfunkurteil fest. 202 Durch die neuen Technologien 199 Stammler, epd medien NT. 50 V. 2. 7. 1997, S. 4 ff., sieht in dem Gesetzeswerk angesichts der Regelungsmöglichkeiten den kleinsten gemeinsamen Nenner, der keine sauberen Abgrenzungen zu anderen Kommunikationsbereichen vornelune. Auch Recke, epd medien NT. 7. V. I. 2. 1997, S. 3 ff. erachtet die Multimedia-Gesetze aufgrund ihres geringen Aussagegehalts als überflüssig. KrögerlMoos, ZUM 1997, S. 462,470 ff. hingegen sehen den neuralgischen Punkt der Gesetze in der Verteilung der Aufsicht auf mehrere Behörden. Die gewählte Differenzierung der Multimedia-Dienste sei darüber hinaus nicht sachgerecht; Ladeur, AfP 1997, S. 598, 605 bemängelt Abgrenzungsprobleme und Rege1ungsdefizite. Er beftirchtet Blockierungseffekte. Positiv hingegen äußert sich Albrecht Hesse, BayVBI 1997, S. 132, 135 ff. 200 Knothe, AfP 1997 S. 494,498. 201 Rath-Glawatz, Interview in: SZ v. 11. 7. 1997, S. 17. 202 BVertGE 12, S. 205, 251.
C. Gegenwärtige Herausforderungen und Prozesse im Rundfunk
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gilt das mittlerweile nicht nur für die Bundesländer, sondern auch für die Länder der europäischen Union. Daher entstanden grenzüberschreitende Fernsehprogramme, die Sprachräume durch Angebote von allgemeinem Verständnis wie zum Beispiel Musik oder Sport überwinden. Die tatsächliche Entwicklung eines europaweiten Rundfunkmarktes forciert zugleich die Schaffung einer europäischen Medienordnung, um die sich besonders die europäische Kommission bemüht. 203 Dabei soll der Rundfunk einen Beitrag zur europäischen Integration leisten. 204 Eine europarechtliche Dimension des Rundfunks resultiert daraus, daß jener unter den Dienstleistungsbegriff des Art. 59 I EGV fällt. 205 Weitere konkrete Rechtssetzungsaktivitäten haben sich in einer Fernsehrichtlinie vom 3. 10. 1989206 niedergeschlagen, die von den Mitgliedstaaten umzusetzen war. Diese Pflicht zur Umsetzung ergibt sich aus Art. 189 EGV, wonach Richtlinien unmittelbar geltendes Recht sind. Wie ihr Name zeigt, gilt sie nur für den Bereich des Fernsehens. Nach langwierigen Verhandlungen existiert nun eine Neufassung der EU-Richtlinie vom 30. Juli 1997. 207 Nach ihrem in Art. 2 I der Richtlinie verankerten Grundprinzip sorgt jeder Mitgliedstaat dafür, daß die von seinem Gebiet ausgestrahlten Sendungen dem eigenen Recht entsprechen. In Arbeit befindet sich zudem eine Richtlinie betreffend Medienkonzentration und Pluralismussicherung unter Vorlage des gleichnamigen Grünbuchs. Die Fernsehrichtlinie enthält unter anderem Bestimmungen hinsichtlich Empfang und Weiterverbreitung von Rundfunk, Werbebeschränkungen und Quotenregelungen für europäische Produktionen. Obwohl die Richtlinie die Rechtsetzungskompetenz der Mitgliedstaaten im Rundfunkbereich in Art. 3 anerkennt, warf sie den Konflikt auf, inwieweit die Gesetzgebungskompetenz der Länder im Bereich des Rundfunks durch Europarecht eingeschränkt werDörr, MP 1996, S. 87. BVerfGE 73, S. 118, 124. 205 Dörr/Hümmerich, Bund-Länder-Verhä1tnis S. 18. 206 Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (AbI. Nr. L 298, S. 23 ff.). 207 Abgedruckt in epd medien Nr. 90 v. 19. 11. 1997, S. 1 ff. Siehe dazu SchmittVockenhausen, ZUM 1998, S. 377 ff; Dörr, NJW 1997, S. 1341 ff., führt die Verzögerungen in diesem Bereich auf das neue Mitenscheidungsverfahren zurück, welches das Parlament im weiten Maße am Verfahren beteiligt. Eine wesentliche Neuerung erfolgt durch Art. 3 a I der Richtlinie, nach denen Mitgliedstaaten das Recht eingeräumt wird, durch Erstellung einer Liste Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung von einer Ausstrahlung durch Pay IV auszuschließen, um zu gewährleisten, daß die Öffentlichkeit diese wahrnehmen kann. Das ist eine Reaktion auf den derzeitigen Streit um die Sportrechtevermarktung. 203
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Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
den dürfe. Ausgangspunkt hierfür ist die Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 24 I GG. 208 Auch das Urteil des BVerfG,209 das darüber zu entscheiden hatte, ob die Bundesregierung der Fernsehrichtlinie zustimmen durfte, brachte keine grundsätzliche Klärung über das Verhältnis von deutschem Rundfunk- zum Europarecht. Hier ging es hingegen primär um den Kompetenzkonflikt zwischen Bund und Ländern, der durch den Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens gelöst wurde. Danach ist es Sache des Bundes, die Bundesrepublik gegenüber der EU zu vertreten, wobei es bei seiner Entscheidung den Rechtsstandpunkt der Länder zu berücksichtigen hat. Unabhängig davon erscheint es nicht nur siMvoll sondern unerläßlich, eine europaweite Vielfaltsicherung durch gemeinsame Regelungen zu schaffen. DeM viele Schwierigkeiten im Medienbereich, z. B. in bezug auf die Medienkonzentration, lassen sich nur durch länderübergreifende Regelungen lösen und effektiv gestalten. 210
2. Der Medienmarkt als Wirtschajtsmarkt
Bedingt durch die europarechtliche Dimension wird der Rundfunk zunehmend als Wirtschaftsfaktor betrachtet. Er gilt als Dienstleistung gemäß Art. 59 EGY. Seine Einordnung als kulturelles Phänomen tritt damit zurück. 211
a) Hohe Finanzkraft Die gestiegene wirtschaftliche Bedeutung des Rundfunks läßt sich allein aus seinem gewachsenen Finanzpotential ersehen. So ist die Zahl der im Rundfunk Beschäftigten von 1982 bis 1992 um zwei Drittel auf rund 50 000 gestiegen. 212 Die Bruttowertschöpfung hat sich bis 1994 auf 6,2 Milliarden Mark mehr als verdoppelt. Man rechnet damit, daß im Jahr 2000 der Kommunikationsektor der umsatzstärkste und wichtigste Industriesektor sein wird. 213 Augenscheinlich ist das bereits bei den Film- und Sportrechten. Die Preissprünge besonders bei den Sportrechten lassen den Rückschluß auf ein gesteigertes Fi-
Ausführlich hierzu Dörr/Hümnrerich, Bund-Länder-Verhältnis S. 157. BVerfGE 92, S. 203 tT. 2\0 Dörr, MP 1996, S. 87, 89; Hente, Tendenz Nr. m 1996, S. 18. 2\1 Rupert Scholz, in: Medienentwicklung, S. 77, 81; kritisch hierüber äußert sich Hoffinann-Riem, in: Mediensysteme, S. 28, 36 ff. insbesondere S. 38. Er fordert, Rundfunk weiterhin primär als kulturelles Gut zu behandeln. 212 Seufert, in: RB für Hörfunk und Fernsehen, S. 101, 107. 213 Ring, in: BLM, Rundfunkkongreß 1991, S. 12,14. 208 209
c. Gegenwärtige Herausforderungen und Prozesse im Rundfunk
71
nanzvolumen im Rundfunkmarkt ZU. 214 Auf dem Gebiet des Rundfunks entwickelt sich ein ökonomischen Gesetzen folgender Markt. Dabei sind bisher nur Vollprogramme in der Lage, den Kampf um Ausstrahlungsrechte zu fUhren. Spartenprogramme hingegen können auf diesem Gebiet wegen ihres erheblich geringeren Finanzvolumens nicht mithalten. Sie wenden sich demgegenüber kostengünstigeren und damit nicht massenattraktiven Ereignissen zu. b) Gesteigerte Konkurrenz Ökonomische Gesetzmäßigkeiten fUhren dazu, daß die Existenz der Privaten davon abhängig ist, ob und in welchem Maß sie von den Rezipienten in Anspruch genommen werden. Die Veranstalter stehen in Konkurrenz im Kampf um die Gunst des Zuschauers. Spartenprogramme sind mehr als andere Programmgenres einem Konkurrenzdruck ausgesetzt. 215 Sie haben sich zum einen gegen das Angebot der Vollprogramme durchzusetzen, das in seinem Programmspektrum weitestgehend sämtliche Sparten abdeckt. Gleichzeitig besteht bei klassischen Inhalten wie Sport oder Nachrichten die Gefahr, daß sie von mehreren Spartensendern in Anspruch genommen werden. Ein Konkurrenzkampf kann nur durch Aufsuchen unterschiedlicher Zielgruppen vermieden oder zumindest abgemildert werden. 3. Fusionsaktivitäten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Das duale System verlangt auch dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Konkurrenten der privatrechtlichen Programme eine wirtschaftlichere Ausrichtung ab. Was sich beim ZDF aufgrund seiner zentralen Leitung in internen Strukturveränderungen vollzieht,216 gestaltet sich bei der ARD aufgrund seiner föderalen Organisation als ein erbittertes Tauziehen der einzelnen Rundfunkanstalten um Standort- und Machtsicherung. Aus diesen Gründen waren bereits 1988 unternommene Versuche einer strukturellen Verbesserung der ARD gescheitert. Im Oktober 1995 setzten die Ministerpräsidenten der Länder die ARD unter Druck, indem sie im Oktober 1995 beschlossen, die ARD bis 1999 refonnieren zu wollen. 217 Eine Darstellung dieser Entwicklung fmdet sich bei Westerloo, MP 1996,514 ff. Bullinger/Gödel, Bad-Württ LMG, S. 113 RN 4. 216 Dazu Stolte, Interiew in: Die Welt v. 18. 3. 1997, S. 10. 217 Darstellung bei Sehelberg, Journalist Nr. 10 1996, S. 82 ff.; für Aufsehen sorgte insbesondere das Positionspapier der Ministerpräsidenten Stoiber und BiedenkopJzur 214
215
72
Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
a) Gründung der Zweiländeranstalt SWR Forciert durch die zunehmende Erkenntnis, daß eine Reform der ARD existenzsichernd wirke, konkretisierten sich die Reformbestrebungen. Ein erstes Ergebnis war der Zusammenschluß des Südwestfunks (SWF) und des Süddeutschen Rundfunks (SDR) zu einer länderübergreifenden Rundfunkanstalt seit dem 1. Januar 1998. Der Übergang der Programmträgerschaft erfolgte bereits am 1. Oktober 1997. Diese gemeinsame Rundfunkanstalt trägt den Namen "Südwestrundfunk" und ist mit über 4200 Beschäftigten die zweitgrößte ARD-Anstalt. 218 Der für diese Fusion erforderliche Staatsvertrag219 wurde in nur sechs Monaten ausgehandelt und bereits von den Ministerpräsidenten der Länder paraphiert. 220 Die Programme des SWR sind am 30. 8. 1998 auf Sendung gegangen. 221 Neben dem wirtschaftlichen Aspekt wurde der Zusammenschluß begrüßt, weil er die noch aus der Besatzungszeit stammende Teilung Baden-Württembergs in zwei Sendegebiete endlich beseitige und so die Landesidentität stärke. 222 Von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern wurde hingegen beklagt, daß die neu zugewiesene Rolle der Landessenderdirektoren die Stellung der Intendanten erheblich schwäche und durch die Festlegung der Programmzahl in die Programmhoheit der neuen Landesrundfunkanstalt eingegriffen werde. 223 Da der wirtschaftliche Einsparungsfaktor durch mit der neuen Anstalt verbundenen Mehrausgaben nivelliert werde, gehe es lediglich um eine Reduzierung der Anstaltenzahl. 224 Der Südwesten nahm die Chance wahr, mit dem SWR als Zweiländeranstalt ein erhebliches Gewicht innerhalb der ARD zu erhalten. 225
Strukturrefonn des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Beilage zum Medienspiegel Nr. 6 v. 6. 2. 1995, S. II ff. 218 Funkkorrespondenz Nr. 16 v. 18. 4. 1997, S. 40; Reimer, SZ v. 16.4. 1997, S. 26; Krause, Die Welt v. 9.4. 1997, S. 9. 219 Abgedruckt in: epd medien Nr. 28 v. 16. 4. 1997, S. 21 ff.; siehe dazu Scherer, ZUM 1998, S. 8 ff. 220 Funkkorrespondenz Nr. 16 v. 18. 4. 1997, S. 40; Reimer, SZ v. 16. 4. 1997, S.26. 221 epd medien Nr. 68 v. 2. 9. 1998, S. II 222 Funkkorrespondenz Nr. 16 v. 18. 4. 1997, S. 40. 223 ThulI, Funkkorrespondenz Nr. 16 v. 18.4. 1997, S. 3,4; Ministerpräsident Beck hingegen behauptet, daß nur ein gewisser Rahmen abgesteckt werde, innerhalb dessen der Gestaltungspielraum erhalten bleibe, siehe Interview in: SZ v. 18. 4. 1997, S. 17. 224 Klostermeier, Interview in: SZ v. 22. 10. 1996, S. 15. 225 ThulI, Funkkorrespondenz Nr. 16 v. 18. 4. 1997, S. 3,4; dies wird auch durch Ministerpräsident Beck hervorgehoben, Interview in der SZ v. 18. 4. 1997, S. 17.
C. Gegenwärtige HerausfordeTWlgen und Prozesse im Rundfunk
73
b) Folgen für die übrigen Rundfunkanstalten Die Refonnbemühungen der ARD zogen weite Kreise und betreffen mittlerweile nahezu jede Rundfunkanstalt. Auch wenn die Pläne einer gemeinsamen Nordmedienanstalt zunächst gestoppt sind,226 geraten die kleineren Anstalten durch die geglückte Fusion in Rechtfertigungszwang. 227 Daher versucht der saarländische Rundfunk seine Existenz durch Stellenabbau und Kooperation mit dem SWR zu sichern,228 während die Zukunft des Sender Freies Berlin auch ungewiß aber zukunftsträchtig ist. Neben einer Kooperationvereinbarung im Hörfunkbereich mit dem ORB 229 werden Vorschläge zur Errichtung eines Hauptstadtsenders laut, deren Verwirklichung die Eigenständigkeit des SFB wahren würde. 230 Für die Erhaltung der kleineren Rundfunkanstalten wird ihre Andersartigkeit und demokratiebelebende Funktion ins Feld geführt. Nur sie seien in der Lage, regionale Bedürfnisse abzudecken. 231 Abzusehen ist jedoch, daß das föderalistische Strukturelement der ARD aufgegeben und eine Dezentralität mittels weniger Anstalten gewährleistet werden wird. Die Herausforderung wird darin bestehen, den Föderalismus auch ohne eine daran ausgerichtete Ordnung mit einem autonom bestimmten Sendegebiet zu wahren?32
4. Das Verhältnis von Rezipient und Veranstalter im Wandel a) Medienkompetenz Veränderungen treten nicht nur im Rundfunkveranstalterbereich, sondern auch im Verhältnis des Rundfunks zum Rezipienten ein. Wie sehr sich das Verhältnis des Zuschauers zum Rundfunk gewandelt hat, wird anhand der Frage deutlich, ob man den Begriff des Zuschauers eigentlich noch verwenden s. Bericht in epd medienNr. 43 v. 7. 6. 1997, S. 21 ff. Klostermeier, Interview in der SZ v. 22. 10. 1996, S. 15. 228 Raff, wiedergegeben in epd medien Nr. 40 v. 28. 5. 1997, S. 18. 229 Siehe dazu Heuwagen, SZ v. 3. 3. 1997, S. 12; der SFB-Verwaltungsrat verweigerte zunächst seine Zustimmung zu den Plänen, s. epd medien Nr. 29 v. 19.4. 1997, S. 9 ff. 230 Löwisch, epd medien Nr. 29 v. 19.4. 1997, S. 3. 231 Thull, Funkkorrespondenz Nr. 16 v. 18.4. 1997, S. 3,4; Klostermeier, Interview in der SZ v. 22. 10. 1996, S. 15. m Beck, Interview in: Spiegel, Nr. 11 1995, S. 30, 34; Kammann, epd medien Nr. 28 v. 16. April 1997, S. 3, 4; auch diese Entwicklung darf jedoch nicht zu weit gehen, da sie sonst mit dem Grundversorgungsauftrag in Konflikt gerät, der auf einen kooperativen Föderalismus drängt, siehe Bethge, MP 1996, S. 66,71. 226
227
Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
74
könne. m Seine Rolle beschränkt sich nur noch teilweise auf ein passives Zuschauen und ermöglicht ihm zunehmend ein aktives Mitwirken, das mit der Digitalisierung zunehmen wird. Mehr Aktivität wird dem Zuschauer bereits durch die Vergrößerung des Programmangebots abverlangt. Durch die Programmvermehrung verschiebt sich das Gewicht der Auswahlentscheidung durch den Veranstalter zugunsten der Auswahlentscheidung des Zuschauers. 234 Zu Zeiten der Sondersituation im Rundfunk war der Konsument gezwungen, die Art der Darbietung sowie die Betonung und zeitliche Abfolge einzelner Programmstücke hinzunehmen. 235 Nun erhält der Zuschauer Entscheidungsmacht darüber, was er konsumieren möchte und was nicht. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer neuen "kommunikationsfreiheitlichen Mündigkeit". 236 Natürlich bleibt diese Freiheit zeitlichen Zwängen unterlegen. Wenn sich der Zuschauer für einen Programmbeitrag entschieden hat, kann er diese Entscheidung aufgrund der Spezifität des Mediums Rundfunk - das heißt der zeitlichen Fixierung der einzelnen Sendungen - im Gegensatz zu den Printmedien nur noch bedingt abändern. Dadurch bleibt die Auswahlentscheidung des Rundfunkveranstalters von besonderer Bedeutung. Die zunehmende Medienkompetenz des Rezipienten könnte den Regelungsbedarf des Gesetzgebers im Rundfunkbereich einschränken: Denn durch das entstehende Gegenseitigkeitsverhältnis von Anbieter und Konsument ist die Gefahr einseitiger Einflußnahme gebannt. Dagegen wird angeführt, daß die veränderten Bedingungen entstanden sind, um dem Konsumenten in seinen Bedürfnissen entgegenzukommen. Es werde aber weiterhin eine Breitenwirkung erreicht, so daß der Einfluß auf die Meinungsbildung gleich bleibe. 237 Festzustellen ist, daß das Verhältnis zwischen Anbieter und Konsument solange kein ebenbürtiges sein wird, wie die Rundfunkmittel nur der einen Seite zur Verfügung stehen. Mit den Einflußmöglicheiten der Konsumenten ist hingegen ein faktischer Wegfall eines Regelungsbereichs verbunden. Durch die Einflußnahme auf den Veranstalter kann kaum mehr auf das Rezeptionsverhalten eingewirkt werden.
Ukena, in: Medienzukunft, S. 63. Grimm, in: FS für Vogel, S. 685, 692. 235 Dechamps, in: FS für Vogel, S. 677, 682; Starck, Rundfunkfreiheit S. 10. 236 Rupert Scholz, AfP 1995, S. 357,358; Mast, Journalist Nr. 9 1996, S. 57-58. 237 Knothe, AfP 1997, S. 494, 496. 233
234
C. Gegenwärtige Herausforderungen und Prozesse im Rundfunk
75
b) Orientierungshilfen Die Medienflut führt zu einem Übennaß, das in der Gesellschaft VelWirrung auslöst. Die Expansion der Wahlmöglichkeiten 238 erschwert es dem Rezipienten, einen Überblick über das Gesamtangebot zu erhalten und daraus bewußt auszuwählen. Die Folge davon ist Desorientierung,z39 Der Zuschauer reagiert darauf, indem er sich nicht überlegt für ein Programm bzw. eine Sendung entscheidet, sondern durch "Zappen" von Kanal zu Kanal. 24o Es entsteht damit ein vennehrtes Bedürfnis nach Orientierungshilfen. Gerade die digitalen Programmangebote versuchen hier Abhilfe zu schaffen, indem sie ihrem Angebot ein Navigationssystem hinzufügen, das im Betriebssystem des Empfangsgeräts eingebaut ist. 241 Dadurch erhält der Zuschauer einen Überblick über das konkrete Programmangebot. Weiterhin ist die Einführung eines Spartenprogramms denkbar, das nur als "elektronische Programmzeitschrift" fungiert.
5. Verspartung des Rundjunkangebots
a) Aufkommen von Spartenprogrammen aa) Technische Basis
Die Entstehung von Spartenprogrammen ist eine Folge des technologischen Wandels im Rundfunk. Stehen geringe Kapazitäten für die Verbreitung von Rundfunk zur Verfügung, können auch nur wenige Sender ihr Programm ausstrahlen. Dieses sollte möglichst umfassend und abwechslungsreich sein, um alle Bevölkerungsschichten anzusprechen, von der grundrechtlichen Verpflichtung zur Gewährleistung von Meinungsvielfalt im Rundfunk abgesehen. Gibt es hingegen genügend Frequenzen für eine Vielzahl von Sendern, besteht die dargestellte Notwendigkeit eines umfassenden Programms nicht. Jeder Sender kann seinen eigenen Programmschwerpunkt bilden, seinen eigenen Bereich abdecken, weil der Rezipient sich aus vielen verschiedenen Quellen zu bedienen vennag. Er muß nicht mehr auf einem Kanal umfassend informiert werden.
Dechamps, in: FS für Vogel, S. 677,680. Aufermann, in: Wissenschaft und Praxis, S. 11, 23; Opaschowski, in: BLM, Rundfunkkongreß 1991, S. 25. 240 Gn'mm, in: FS für Vogel, S. 685, 690. 241 Wagner, Kabelfernsehen S. 14. 238
239
76
Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
Mit dem Ende Sondersituation im Rundfunk242 kam es daher zu Verschiebungen des Fernsehangebots. Bestand das Anliegen der Privaten zunächst darin, den Vorsprung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einzuholen und ihnen attraktive Vollprogramme entgegenzusetzen, waren die Kapazitäten für einen reinen Markt aus Vollprogrammen zu groß. Um Zuschauer zu gewinnen, mußte man sich durch Andersartigkeit auszeichnen; die einfachste Möglichkeit hierfür war eine Umstellung der Programmstruktur. Das führte zur Entwicklung der Programmarten Sparten- und Vollprogramm.
bb) Unterscheidung von Voll- und Spartenprogramm Spartenprogramme sind dadurch gekennzeichnet, daß sie ihr Programm auf "im wesentlichen gleichartige Inhalte,,243 ausrichten, mit dem Zweck eine bestimmte Bevölkerungsschicht in der Gesellschaft zu erreichen. Anstatt viele Sparten in kleinen Segmenten abzudecken, wenden sie sich einer Thematik zu und stellen sie intensiv dar. Das ursprüngliche Programmgenre ist das des Vollprogramms, das nach § 2 11 Nr. 1 RuFuStV über "vielfältige Inhalte" verfügt, "in welchem Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung einen wesentlichen Teil des Gesamtprogramms bilden".
cc) Anstieg Anfang der neunziger Jahre Private Fernsehsender, die ihr Programm auf eine Sparte ausgerichtet hatten, kamen erst zu Beginn der neunziger Jahre auf. Daß die Verspartung der deutschen Femsehlandschaft verzögert zum Aufkommen privater Vollprogramme einsetzte, kann man auch daran ersehen, daß bereits 1984 ein Femsehspartenprogramm auf Sendung ging. Der Sender "Musicbox" wurde dann jedoch wegen Erfolglosigkeit am 1l. l. 1988 eingestellt und stattdessen das Vollprogramm Tele 5 ausgestrahlt. 244 Erst nach Sättigung des Vollprogrammarktes kamen Spartensender auf, die mit einer Konzentration auf Nachrichten, Musik oder Sport zunächst die klassischen Inhalte abdeckten. Das geschah anfangs durch europaweit verbreitete Spartenkanäle,245 bevor eine nochmalige Belegung dieser Sparten durch deutsche Sender erfolgte?46 242 S. dazu BVerfGE 12, S. 205,261. 243 § 2 11 Nr. 2 RuFuStV. 244 IW (Hrsg.), Privatfunk S. 17. 245 MfV Europe, Sendestart in Deutschland 1. 3. 1989; EUROSPORT, Sendestart 5. 2. 1989; Euronews, Sendestart 1. 1. 1993. 246 VlVA, Sendestart 1. 12. 1993; DSF, Sendestart 1. 1. 1993; n-tv, Sendestart 30. 11. 1992.
C. Gegenwärtige Herausforderungen und Prozesse im Rundfunk
77
dd) Verspartung der Sparte
Mittlerweile hat bei den Spartenprogrammen eine weitere Segmentierung stattgefunden. Besonders auf dem Gebiet der Musik als massenattraktive Sparte erfolgte eine Differenzierung in einzelne Musikrichtungen, deren Anhänger unterschiedliche Profile aufweisen. 247 Diese Entwicklung war zuvor im Printmedienbereich aufgetreten. 248 In Betrachtung des Gesamtfernsehangebots wird dieser Trend kritisch bewertet, da sich damit viele Spartenprogramme von demselben Leitthema nähren und das Risiko einer Spartenüberbesetzung besteht. Eine zu starke Differenzierungstiefe kann angesichts des geringen Zuschauerpotentials eine Einspeisung solcher Spartensender nicht mehr rechtfertigen. 249 Gleichzeitig entstanden Programme, die sich primär nicht an einer Sparte sondern an einer Zielgruppe ausrichteten. Beispiele sind hier Frauen- und Kindersender, die nach den Konsumvorlieben der jeweiligen Gruppe konzipiert sind. 250
ee) Übergang auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Die Verspartung der Medienlandschaft beschränkte sich zu Anfang auf den privatrechtlichen Sektor. Dabei hatten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bereits bei den Kabelpilotprojekten Erfahrungen mit Spartenkanälen gesammelt: Das ZDF hatte bundesweit einen Musikkanal bei allen vier Pilotprojekten erprobt, während der SWF, der Bayerische Rundfunk und der WDR zahlreiche Spartenkanäle bei den Kabelpilotprojekten Ludwigshafen, München und Dortmund einbrachten. 251 Ein Entstehen von öffentlich-rechtlichen Spartenprogrammen trat erst verzögert zu der privatrechtlichen Entwicklung ein. Zunächst boten öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten im Hörfunk Programme an, die speziell auf Jugendliche oder andere Bevölkerungsgruppen ausgerichtet sind. Das erste öffentlich-rechtliche Spartenradio war der Sender Bayern 4, der als reines Klas247 VIVA 11, Sendestart 21. 3. 1995; VH-I, Sendestart 4. 5. 1995; Onyx-TV, Sendestart 6. 1. 1996 248 Nach den Special Interest-Zeitschriften war es zur Verbreitung von "Very Special Interest-Zeitschriften" gekommen, die sich auf mit bestimmte Segmenten eines Leitthemas konzentrieren, Rolf, Special Interest-Zeitschriften S. 58. 249 Beucher/Rosenberg, ZUM 1996, S. 643, 650-651. 250 Frauensender tm3, Sendestart 25. 8. 1995; Kindersender Nicke1odeon, Sendestart I. I. 1995. 251 Konrad, in: Medienwelt, S. 177, 179.
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Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
sikprogramm Mitte der achtziger Jahre vom Bayerischen Rundfunk ins Leben gerufen wurde. 252 Diskussionsstoff bot das Hörfunkspartenprogramm "N-JoyRadio", das seit dem 4. 4. 1994 vom NDR gesendet wurde. Wegen der Fixierung dieses Programms auf Jugendliche, seinem hohen Musikanteil und geringen Bildungsanteil im Programm wurde behauptet, daß N-Joy-Radio dem öffentlich-rechtlichen Programmauftrag nicht gerecht werde. 253 Eine Verspartung des öffentlich-rechtlichen Angebots setzte sich im Fernsehbereich fort: Seit dem 1. Januar 1997 wird ein öffentlich-rechtliches Kinderprogramm angeboten. Zum 1. April 1997 folgte dann ein Parlaments- und Ereigniskanal mit Namen Phoenix. Diese Fernsehspartensender waren zuvor durch eine Genehmigung in § 19 II RuFuStV abgesichert worden. Medienpolitische Auseinandersetzungen waren die Folge der Ausweitung des öffentlichrechtlichen Programms. Dabei steht neben der Art der Finanzierung und einer vorrangigen Kabeleinspeisung die Frage im Vordergrund, ob die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten angesichts ihres Grundversorgungsaufirages derartige Spartenprogramme überhaupt veranstalten dürfen. Aufgrund der beiden öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme hat der Verein Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) bei der europäischen Kommission in Brüssel Beschwerde eingelegt. Er wendet sich unter anderem gegen die Gebührenfinanzierung der beiden öffentlich-rechtlichen Spartenkanäle und Zusammenarbeit von ARD und ZDF in dieser Hinsicht. 254
b) Entwicklungsprognose aa) Stagnation
Beim momentanen Stand der Technik ist die Entwicklung von Spartenprogrammen auf ihrem Höhepunkt angekommen. Da mehr Programme als Kabelkanäle vorhanden sind, kommt es zu Kanalaufteilungen, bei denen die Programme nur rur eine bestimmte Tageszeit ausgestrahlt werden. 255 Daneben möglich bleiben Satellitenübertragungen. Eine Vermehrung von Spartenprogrammen könnte dadurch eintreten, daß die bereits bestehenden Programme ihre Programmstruktur verändern und Schwerpunkte ausbilden. Das wird bei
Lindner, Journalist Nr. 5 1994, S. 44,46. Merten/Gansen/Götz, Hörfunksystem S. 70 ff.; Kresse, ZUM 1996, S. 59, 65; Engel, Medienordnungsrecht S. 118; a. A. Romann, ARD-Jahrbuch 1994, S. 71 ff. 254 Beschwerde abgedruckt in: Funkkorrespondenz Nr. 22 v. 30. 5. 1997, S. 41 ff. 255 Das öffentlich-rechtliche Kinderprogramm z. B. teilt sich seine Frequenz mit Arte, das erst ab 20 Uhr auf demselben Kanal empfangen werden kann. 252 253
C. Gegenwärtige Herausforderungen und Prozesse im Rundfunk
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solchen Programmen zu erwarten sein, die über WlZureichende Zuschauerzahlen verfügen. 256
bb) Anstieg mit Digita/isierung
Durch die Digitalisierung werden wieder Kapazitäten frei, die für eine weitere Verspartung notwendig sind. Erst dann wird sich der Verspartungseffekt in seinem ganzen Ausmaß einsetzen. 257
ce) Potentiale
Das Potential an Spartenprogrammzuschauern ist lange nicht erschöpft. Die Zuschauer lassen sich bei der Kanalauswahl bisher noch von Gewohnheiten leiten. 258 Diese Gewohnheit bestand darin, sich auf das Programm von ein oder zwei Sendern zu beschränken und die Vorgaben des Rundfunkveranstalters zu akzeptieren. Eine eigene Programmzusammenstellung aus dem Angebot mehrerer Sender bedarf einer Adaptionsphase. Weiterhin vollzieht sich auch bei den Spartenprogrammen selbst eine Anlaufphase, bis sie sich auf dem Rundfunkmarkt mit einer konkreten Zielgruppe positioniert haben. Bezüglich der Spartenbelegung ist die Fokussierung weiterer Inhalte wahrscheinlich. Wirft man einen Blick auf das amerikanische Programmangebot, entdeckt man Sparten, die auch in Deutschland vermarktungsfahig sein könnten?59 Ferner sind viele gesellschaftliche Gruppen, wie z. B. ältere Menschen, bisher unberucksichtigt geblieben. Spartenprogramme spiegeln daher einen Entwicklungstrend mit Zukunft wider. Deshalb ist es wichtig, sich mit den Auswirkungen der Verspartung in den Medien frühzeitig auseinanderzusetzen.
c) Rechtliche Beurteilung der Verspartung Bei der rechtlichen Betrachtung von Spartenprogrammen läuft man Gefahr, sie mit Veränderungen in Verbindung zu bringen, die nicht auf der Programmart selbst, sondern auf der Programmerweiterung im Rundfunk beruhen. 256
Als
Beispiel
seI
der
Femsehsender
VOX
genannt,
der
als
"inforrnationsorientiertes Vollprogramm" (Medienhandbuch 7.16. S. 61) konzipiert war, aber eine Schwerpunktverschiebung in Richtung Spielfilme aufweist. 257 Benda, Funkkorrespondenz NT. 37 v. 12.9. 1997, S. 5, 1O~ 258 Krotz, RuF 1996, S. 214, 223. 259 Z. B. Zoo-Kanal; Technikkanal; Kochkallal.
80
Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
Dennoch bleibt zu beachten, daß ohne die Kapazitätssteigerungen eine Verspartung der Programme gar nicht möglich gewesen wäre. Es besteht damit ein Zusammenhang zwischen Programmvervielfaltigung und der Entstehung von Spartenprogrammen, mit der Folge, daß Auswirkungen auf beide Entwicklungen IÜckführbar sind. Rechtliche Bedenken gegen Spartenprogramme werden überwiegend aus einem Vergleich mit den Vollprogrammen geschöpft. Aus der Befiirchtung des Untergangs der Vollprogramme macht man sich die Vorteile dieses Programmgenres bewußt. Ausgangspunkt der Kritik bildet die These, daß Spartenprogramme den pluralistischen Anforderungen nicht gerecht werden, die derzeit durch die Landesmediengesetze an den Rundfunk gestellt werden.
aa) Widerspruch zu binnenpluralistischen Anforderungen
Aufgrund ihrer thematisch einseitigen Ausrichtung sei es Spartenprogrammen nicht möglich, in einem binnenpluralistisch organisierten System zu bestehen. Sie können sowohl in inhaltlicher als auch in organisatorischer Hinsicht keine Vielfalt erbringen.
bb) Einflüsse auf das außenpluralistisch organisierte System (1) Frequentierung der finanziell attraktiven Bereiche
Abzusehen ist, daß innerhalb des Spartenprogrammangebots viele Interessen unbefriedigt bleiben werden. Im Querschnitt der Programme gibt es demnach keine gleichmäßige Pluralität mehr, sondern eine Mehrfachvertretung der attraktiven Bereiche. Gerade bei anspruchsvolleren Teilprogrammen z. B. mit einer kulturellen Schwerpunktsetzung ist es sehr fraglich, ob sich solche auf dem Markt etablieren können,z6o Aufgrund der Werbefinanzierung privater Spartenkanäle ist zudem zu erwarten, daß nur finanzkräftige Bevölkerungsgruppen bedient werden. Das fuhrt zu einem Verlust gegenständlicher Vielfalt in außenpluraler Sicht. Je mehr es zu einer Schwerpunktbildung einzelner Programme kommt, umso mehr wird es erforderlich sein, Meinungspluralität und gleichgewichtige Vielfalt an Ort und Stelle, das heißt innerhalb des Senders zu leisten. 261 Dem können Spartenprogramme nicht nachkommen.
260
261
Diese Bedenken äußert auch Stock, Medienfreiheit S. 494. Stock, Medienfreiheit S. 494.
C. Gegenwärtige Herausforderungen und Prozesse im Rundfunk
81
(2) Verdrängung und Entleerung der Vollprogramme Obwohl die Entstehung von Fernsehspartenprogrammen bisher parallel zu der von Vollprogrammen verläuft, prophezeien viele, daß die Vollprogramme allmählich entleert und wegfallen werden. 262 Träfe diese Prognose zu, so würde der Rundfunkmarkt um eine weitere Säule inhaltlicher und meinungsmäßiger Vielfalt gebracht. Ein Ausgleich durch weitere Spartenprogramme sei nicht möglich, da diesen die einem Vollprogramm beigemischten weniger attraktiven Programmteile fehlen. 263
(3) Erschwerung einer umfassenden Meinungsbildung Die Vielzahl von Programmen verschafft dem Zuschauer neue Wahlmöglichkeiten, gleichzeitig gelingt es dem Zuschauer bei der bestehenden Informationsflut kaum mehr, seine Meinung umfassend zu bilden. 264 Dieses Phänomen wird durch die Spartenprogramme unterstützt, die aufgrund ihres gruppenbezogenen Programms Nischen schaffen und zum Alleinsehen animieren: Es findet keine gegenseitige Kontrolle der Fernsehgewohnheiten mehr statt. Daraus folgt, daß der Rezipient sein Informationsbedürfnis automatisch reduziert. Ein Spartenprogramm führt zu einer stärkeren Bindung des Zuschauers, kann aber aufgrund seiner monotonen Programmstruktur keine umfassende Meinungsbildung gewährleisten. Es schafft die Gefahr, daß sich der Zuschauer nur noch über ein Spartenprogramm informiert und seine Meinung bildet. Der Rezipient wird dadurch einer vielfältigen Ganztagsversorgung verlustig. 265
ce) Spartenprogramme als desintegrierende Faktoren
Spartenkanäle sprechen durch ihr Programm nur einen spezifischen Bevölkerungsteil an. Sie reduzieren ihr Programm, um eine bestimmte Zielgruppe in der Bevölkerung zu erreichen. Ihr Programm ist demzufolge von vornherein nicht an die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit gerichtet. Sie fördern den Selek262 Bullinger, in: FS filr Benda, S. 33, 34; a. A. Thoma, wiedergegeben in epd Nr. 29 v. 19.4. 1997, S. 19, der davon ausgeht, daß nur das Vollprogramm eine Uberlebenschance hat. 263 HoJJmann-Riem, AöR 109, S. 304, 341. 264 Grimm, in: FS fur Vogel, S. 685, 692. 265 Bullinger, in: FS fur Benda, S. 33, 35.
6 Poil
Teil I: Entwicklungen und Tendenzen im Rundfunkwesen
82
tionsprozeß innerhalb der Gesellschaft. Ihnen fehlt es damit an einem integrierenden Element, wie es die Voll programme haben, die für alle bestimmt sind. 266 Eine rechtliche Relevanz dieses Kritikpunktes ergibt sich jedoch nur, wenn Integration eine Aufgabe darstellt, die dem Rundfunk von Verfassungs wegen auferlegt ist. Ansatzpunkt dafür kann nur die Rundfunkfreiheit nach Art. 5 I S. 2 GG sein, derzufolge im Rundfunk eine Meinungsvielfalt zu gewährleisten ist. Umfaßt der Bestand von Meinungsvielfalt nicht nur den Bestand einer Meinungspluralität im Sinne einer pluralistischen Zerrissenheit, sondern eine Zusammenführung der Meinungen, könnte Integration eine grundrechtliche Vorgabe der Rundfunkfreiheit sein. Ist die Integration verfassungsrechtlich vorgesehen, wird diese durch die Spartenprogramme jedoch nicht erfüllt, sind sie mit dem Grundgesetz nicht oder nur unter Erfüllung gesetzlicher Auflagen vereinbar.
d) Zur Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme Eine gesonderte Problematik ist durch das Aufkommen öffentlichrechtlicher Spartenprogramme entstanden. Ursache dafür ist, daß nach der Rechtsprechung des BVerfG die öffentlich-rechtlichen Anstalten einen Grundversorgungsauftrag zu erfüllen haben. 267 Dabei ist umstritten, ob das Programmgenre Sparten pro gramm mit dem Grundversorgungsauftrag in Einklang steht, der einen Rundfunk für die Allgemeinheit verlangt.268 Ferner besteht Uneinigkeit darüber, ob die öffentlichrechtlichen Anstalten außerhalb der Grundversorgung Spartenprogramme veranstalten dürfen. Das könnte dem Integrationsauftrag des öffentlichrechtlichen Rundfunks widersprechen. 269 Außerdem seien derartige Programme aus wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten bedenklich. 270 Das gelte auch im Hinblick auf das europäische Wettbewerbsrecht. 271 Eine weitere europarechtliche Dimension erhält dieser Streit durch die Frage, ob öffentlich-rechtliche Spartenprogramme gebührenfinanziert sein dürfen.
Bullinger, in: FS für Benda, S. 33, 36. BVerfGE 73, S. 118, 157. 268 Bleckmann, Spartenprogramme S. 74; Kresse, ZUM 1996, S. 59, 61 sprechen sich für die Unvereinbarkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme mit der Grundversorgung aus. 269 Meier, ZUM 1997, S. 249, 254; Kresse, ZUM 1995, S. 178,184. 270 Bleckmann, Spartenprogramme S. 112. 271 Engel, Spartenprogramme S. 77 ff. 266
267
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Hierin wird eine nach Art. 92 I EGV unzulässige Beihilfe gesehen. 272 Auch die Möglichkeit der Finanzierung mittels Werbung oder Pay TV erscheint fragwürdig.
e) Rechtliche Handlungsmöglichkeiten Mit der Einführung des dualen Systems in Deutschland ist der Landesgesetzgeber nicht davon befreit worden, dessen Anforderungen zu regeln, um eine freie und umfassende Meinungsbildung zu gewährleisten. Bezüglich der Spartenprogranune haben sich die Landesgesetzgeber bisher auf die Regelung des Notwendigsten beschränkt. Bei den Anforderungen an die Meinungsvielfalt werden sie oftmals gar nicht umfaßt. 273 Angesichts der aufgeworfenen Probleme einer Verspartung der Femsehlandschaft könnte es aber gesetzgeberische Pflicht sein, diese Entwicklung zu unterbinden oder einzuschränken. Vorstellbar ist eine Beschränkung der Anzahl an Spartenprogrammen, eine strengere Definition dieser Programmart oder die Stellung erhöhter pluralistischer Anforderungen. Bezüglich öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme käme sogar ein Verbot in Betracht. Geboten sein könnte aber auch das Abwarten einer Selbstregulierung des Marktes. Das erscheint insbesondere dann sinnvoll, wenn sich die Thesen von einem Aussterben des Vollprogranunes nicht halten lassen. Danach könnte auch der Verspartungsprozeß irgendwann zum Erliegen kommen. Damit überließe man die Entscheidung über Spartenprogranune zugleich dem Rezipienten, der durch seinen Konsum das Angebot im Rundfunkmarkt bestimmt, wenn auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur eingeschränkt.
272 273
Engel, Spartenprogramme S. 15 ff. So z. B. in § 10 I, n Saarl LRG, wo nur in besonderer Weise meinungsbildende
deutschsprachige Spartenprogramme zur Gewährleistung von Meinungsvielfalt verpflichtet werden; auch fllr das Vorhandensein von Außenpluralismus wird allein auf Vollprogramme abgestellt. 6'
Teil ll: Spartenprogramme A. Der Begriff Spartenprogramm L Aufkommen Der Tenninus Spartenprogramm tritt im rechtlichen Bereich zum ersten Mal in einem Gesetz zur Regelung der Kabelversuche in Erscheinung. I Die hinzugewonnenen Frequenzen schufen Raum zur Erprobung neuer Programmfonnen. Der Spartensender als programmliche Innovation sollte dabei einen Beitrag zur Individualisierung des Angebots leisten. 2 Der Begriff der Sparte deutet an, daß das Programm nicht ein umfassendes Angebot zum Inhalt hat, sondern nur einen Ausschnitt hiervon. 3 Von den Kabelversuchsgesetzen wurde der Begriff des Spartenprogramms in die Landesmediengesetze übernommen. Dabei war das Landesrundfunkgesetz Schleswig-Holstein vom 27. 1l. 1984 das erste, welches eine Regelung des Spartenprogramms enthielt. Darauf folgte das Landesmediengesetz BadenWürttemberg vom 16. 12. 1985. 4 Hier wurde der Begriff des Spartenprogramms legaldefiniert und dem des Vollprogramms gegenübergestellt. Verbunden mit dieser Kategorisierung war eine unterschiedliche rechtliche Behandlung, z. B. hinsichtlich der Sicherung von Meinungsvielfalt. In der Literatur war es Schmidt, der sich zuerst mit den Begriffen Voll- und Spartenprograrnm auseinandersetzte. 5 Er definiert das Spartenprogramm nicht selbst, sondern führt die des § 5 III EL RundfunkG Niedersachsen an. Danach handelt es sich um "Programme mit gleichartigen Nutzungsinhalten" .6
1 § 4 n S. 2, N S. 3 iVm den §§ ll, 12 NWKabVersG v. 14.3. 1983, GVBI 1983, S. 640 ff. 2 Stock, Lalldesmedienrecht S. 107. 3 Kröhne, in: Medienforum 1989 Teil m, S. 153 behauptet scherzhaft, daß der Begriff auf die spartanischen Eümalunen und Programme zurückzufilhren sei. 4 § 3 m Schlesw-Holst LRG; § 2 NT. 5 Bad-Würtl LMG. 5 Walter Schmidt, Rundfunkvieltillt S. 15 ff. 6 Wobei diese Umschreibung eÜler Programmart ohne Zuordnung zum Begriff Spartenprogramm bereits Ül § 3 NT. 5 S. I des Lalldesgesetzes Rheinland-Pfalz über einen Versuch mit Breitbandkabe1 v. 4. 12. 1980 (GVBI S. 229 ff.) vorzufinden ist.
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Teil II: Spartenprogramme
n. Definition J. Die Definition des § 21J Nr. 2 RuFuStV
Die Legaldefinition des § 5 III EL RundfunkG Niedersachsen ist es auch, die sich in Art. 8 I S. 2 RuFuStV 1987 wiederfindet. Der Rundfunkstaatsvertrag 1996 bezeichnet in § 2 II Nr. 2 das Spartenprogramm demgegenüber als "ein Rundfunkprogramm mit im wesentlichen gleichartigen Inhalten". 7 Statt des Begriffs der Nutzungsinhalte findet sich nur noch der Terminus "Inhalte". Daraus läßt sich folgern, daß die Inhalte nicht mehr ausschließlich danach bestimmt werden sollen, wie der Teilneluner den Rundfunk in Anspruch nimmt, ob er sich bilden, informieren oder unterhalten läßt. Offen bleibt jedoch, welche Einteilung dieser Inhalte dann vorzunehmen ist. Von ihrer Beschaffenheit her sollen sie sich durch Gleichartigkeit auszeichnen. Sie müssen daher nicht identisch sein, sondern eine Ähnlichkeit aufweisen oder zumindest in einer Annexlage zueinander stehen. Als Charakteristikum des Spartenprogramms gilt seine Monothematik. 8 Die Auslegung des Merkmals Gleichartigkeit ist von den Inhalten abhängig, nach denen man differenziert. Trifft man eine grobe Kategorisierung, z. B. in Bildung, Unterhaltung, und Information, so kann man Beiträge aus verschiedenen Bereichen - Informationen über die Wirtschaftslage, das Weltgeschehen sowie diverse Freizeit- und Kulturangebote als gleichartig bezeichnen. Nimmt man eine feine Differenzierung vor - Popmusik, Tennis, Inlandsnachrichten, gibt es nur wenige gleichartige Inhalte. Durch Einführung der Wendung "im wesentlichen" wurden die Anforderungen an die einseitige Ausrichtung eines Spartenprogramms aufgeweicht. Es bezieht sich nicht auf die Gleichartigkeit, sondern auf das Vorhandensein dieser Inhalte im Gesamtprogramm. Die gleichartigen Inhalte müssen demnach zumindest den Hauptteil des Programms beherrschen. Dem Merkmal der Wesentlichkeit wird ansonsten keine hohe Bedeutung beigemessen. 9 2. Definitionen in den Landesmediengesetzen
Mit einer Definition des Spartenprogramms im Rundfunkstaatsvertrag blieb es den Ländern unbenommen, eine Bestimmung der Spartenprogramme in ihren Mediengesetzen zu treffen, wie es sich teilweise auch vor Erlaß des Wie auch schon § 2 II Nr. 2 RuFuStV 1991. Dill, Interview in: Medium Nr. 4 1992, S. 39,41. 9 BJeckmann, Spartenprogrlllmne S. 19.
7
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A. Der Begriff Spartenprogramm
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Rundfunkstaatsvertrages vollzogen hatte. Während in Bayern,IO Bremen und Sachsenanhalt auf eine weitere Definition des Spartenprogramms verzichtet wird, findet sich in den meisten Landesmediengesetzen eine der in § 2 11 Nr. 2 RuFuStV entsprechende Definition. II
a) Ergänzende Aufzählungen Abweichungen erfolgen in zwei Richtungen: Zum einen wird die Definition durch Aufzählung von Spartenprogrammarten ergänzt. Eine solche enthält § I a V SächsPRG, wonach zu den Spartenprogrammen "insbesondere (..) Nachrichten-, Bildungs-, Kultur-, Unterhaltungs- oder Sportprogramme" zählen sollen. 12 Hier wurde das Problem einer Ausfüllung der Inhalte erkannt und deshalb eine Kategorisierung in der Definition vorgegeben. Eine Systematik ist der Aufzählung jedoch nicht zu entnehmen, da die aufgeführten Begriffe nicht gleichwertig sind: Während Bildung und Unterhaltung einen hohen Abstraktionsgrad aufweisen, handelt es sich bei den Begriffen Sport, Nachrichten und Kultur um konkrete Themenbereiche. Eine Abgrenzung der Inhalte kann danach nicht vollzogen werden. Gelungener erscheint daher die Aufzählung in § 3 IV RGMV mit den Bereichen "der Unterhaltung, der Bildung, der Beratung oder der Information", da die Bezeichnungen über den gleichen Abstraktionsgrad verfügen.
b) Andere Definitionen Darüber hinaus wird das Spartenprogramm abweichend zum Rundfunkstaatsvertrag als solches definiert, "das im wesentlichen einen gleichartigen Inhalt hat oder mehrere solcher gleichartigen Inhalte verbindet".13 Diese For10 Hier wird durch Art. 1 I S. 2 BayMG auf die Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrages verwiesen. 1I § 2 n Nr. 2 StVZ Berlin-Brandenburg; § 2 I Nr. 6 HPRG; § 2 n Nr. 5 Nied LRG; § 2 IV LRG NW; § 4 n Nr. 3 Rhein-Pf LRG; § 2 n Nr. 4 Saarl LRG; § 3 Nr. 6 LRG Sachs-Anh; § 3 IV Schlesw-Holst LRG. 12 Auch § 2 HmbMedienG unter Verzicht auf den Bereich der Unterhaltung; abweichend von § 2 n Nr. 2 RuFuStV spricht § 1 a V SächsPRG von "wesentlich gleichen Inhalten", ist damit enger gefaßt. 13 So in § 2 Nr. 5 Bad-Württ LMG; älmlich auch § 3 IV RGMV:" ( .. ) das aus einem im wesentlichen inhaltlich gleichartigen Bereich ( ... ) besteht oder mehrere solcher gleichartigen Inhalte verbindet."
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Teil II: Spartenprogramme
mulierung findet man erstmals in § 2 Nr. 5 Bad-Württ LMG von 1985 vor, sie ist also älter als die des Rundfunkstaatsvertrages. Hier wird zwischen einem Einzelspartenprogramm mit gleichartigem Inhalt und einem Mehrspartenprogramm mit mehreren gleichartigen Inhalten differenziert. 14 Das Mehrspartenprogramm vereint zwar zahlreiche Sparten in sich. Im Unterschied zum Vollprogramm fügt es sie aber nicht zu einer inneren Einheit zusammen, sondern reiht sie lediglich aneinander. 15 § 2 I Nr. 6 TRG als neuere Regelung erfaßt das Spartenprogramm als solches, "das im wesentlichen Darbietungen gleichartigen Inhalts hat". Damit wird die Schwierigkeit einer Unterteilung der Inhalte jedoch nur auf den Begriff der Darbietung verlagert und nicht beseitigt.
3. Definitionen in der Literatur
Auch in der Literatur finden sich Begriffsbestimmungen des Spartenprogramms vor. Sie sind ihrer Tendenz im Vergleich zu den gesetzlichen Definitionen eher erläuternd. Nach Ring sind es Programme, "die nicht die gesamte Breite des Programmspektrums (Information, Kultur, Bildung, Beratung und Unterhaltung) enthalten, sondern sich lediglich auf eine oder mehrere Angebotsgruppen beschränken" .16 Scholz hingegen legt den Schwerpunkt auf den rezipientenorientierten Charakter des Spartenprogramms, indem er die Spartenprogramme als Angebote definiert, "die von vornherein nur auf ein bestimmtes Publikumssegment beziehungsweise auf eine besonders strikt individualisierte Programmnachfrage setzen". 17 Bleckmann hebt die gezielte Ansprache einer Zuschauergruppe hervor und bezeichnet sie als "Progranune, deren Programminhalt thematisch begrenzt ist und die sich infolgedessen lediglich an einen begrenzten Teilnehmerkreis richten, der von diesem Programminhalt angesprochen wird". 18 Niepallas knappe Umschreibung als "Programme, bei denen nur eine bestimmte Art von Sendung übertragen wird", 19 ist demgegenüber zu eng geraBullinger, in: FS für Benda, S. 33, 37. Bullinger, in: FS für Benda, S. 33, 37; offen bleibt, woran man das Vorhandensein einer inneren Einheit feststellen kann. Eine solche Differenzierung ist in der Praxis damit nicht durchführbar. 16 Hartstein/Ring/Kreile, RuFuStV § 2 RN 25. 17 RupertScholz,AtP 1995, S. 357,361. 18 Bleckmann, Spartenprogramme S. 20. 19 Niepalla, Grundversorgung S. 54 FN 37. 14
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A. Der Begriff Spartenprogranun
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ten und wird den programmlichen Möglichkeiten dieses Programmgenres nicht gerecht. Auch die Begriffsumschreibung Schwintowskis als "SpecialInterest-Angebote des Informations- und Unterhaltungskiosks", die das Vollprogrammangebot ergänzen und bereichem,2o vollzieht nur eine grundsätzliche Grenzziehung zwischen Voll- und Spartenprogramm. Eine Auseinandersetzung mit den dargestellten Definitionen setzt eine Analyse der Definition des Vollprogramms voraus. Denn die beiden Programmarten bilden ein Begriffspaar, wobei sich jede Definition darin erschöpft, eine Abgrenzung zu der anderen Programmkategorie zu ermöglichen. 21 Das zeigt die Systematik der Landesmediengesetze und des Rundfunkstaatsvertrages, nach denen ein Programm entweder Voll- oder Spartenprogramm ist. Die Begriffsbestimmung des Vollprogramms läßt damit Rückschlüsse auf die Definition des Spartenprogramms zu.
ill. Spartenprogramme und andere Programmgenres 1. Vol/programme
a) Definition in § 2 11 Nr. I RuFuStV Das Vollprogramm gilt als die Urform des Programms?2 Das gründet sich auf die historischen Anfänge des Rundfunks. Gemäß § 2 11 Nr. 1 RuFuStV ist ein Vollprogramm "ein Rundfunkprogramm mit vielfältigen Inhalten, in welchem Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung einen wesentlichen Teil des Gesamtprogramms bilden".
aa) Vielfältige Inhalte
Vielfältige Inhalte bilden das Pendant zu den "im wesentlichen gleichartigen Inhalten" der Spartenprogramme. Einem Vollprogramm wird damit abverlangt, in seinen Beiträgen ein Themenspektrum abzudecken. Deutlich wird der Anspruch an ein Vollprogramm als alle relevanten Bereiche umfassendes Programm. Deshalb genügt es für ein Vollprogramm im Gegensatz zu den Definitionen früherer Landesmediengesetze23 nicht mehr, wenn es sein Programm auf bestimmte Bereiche beschränkt. 2°Schwintowski, Spartenprogramme S. 3. 21 Deutlich wird dies insbesondere bei Bullinger, in: FS flir Benda, S. 33,37. 22 Bullinger, ZUM 1994, S. 596. 23 Verlangt wurden "wesentliche Anteile an Infonnation, Unterhaltung, Bildung und Beratung", so § 2 11 HrnbMedienG v. 3. 12. 1985 und § 3 11 Schlesw-Holst LRG v. 18.
90
Teil II: Spartenprogramme
Die einem Vollprogramm auferlegten Bereiche werden auch als Pflichtsparten24 bezeichnet. Sie gelten als die "elementare(n) Teile" eines Vollprogramms. 25 Die Auflage von Pflichtsparten geht auf Zeiten eines ausschließlich öffentlich-rechtlichen Rundfunks zurück, der die Anforderungen an das Vollprogramm bis zur Einführung des dualen Systems geprägt hat. 26 Aufgrund des hohen Abstraktionsgrades der Bereiche, die nicht mit bestimmten gegenständlichen Inhalten, wie z. B. Musik oder Sport, gleichgesetzt werden können, erscheint es jedoch angemessen, nicht von Ptlichtsparten sondern von Ptlichtbereichen zu sprechen. Die Pflichtbereiche eines Vollprogramms sind die der "Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung". Diese Aufzählung wird als wenig sachgerecht und gelungen kritisiert?7 Es handelt es sich bei allen um abstrakte Beschreibungen von Sendeinhalten, die schwer voneinander abzugrenzen und doppeldeutig sind. 28 Deshalb wird von anderer Seite vorgeschlagen, die Aufzählung dynamisch auszulegen und von der Kombinierbarkeit der Begriffe in einem Programmteil auszugehen. 29 Rings Einwand hingegen ist systematischer Art, da ihm die Statuierung von "Beratung" als eigenständigem Bereich unerklärlich erscheint wie auch die Außerachtlassung des Bereichs Kultur. 30 Die Systematik der Aufzählung läßt aber darauf schließen, daß sie nicht auf die gegenständliche Inhalte abstellt, sondern die Zwecke abdeckt, wie der Rezipient den Rundfunk nutzen kann: Er kann sich informieren, bilden, beraten oder unterhalten lassen. So kann z. B. eine Talkshow je nach Ausrichtung sämtliche dieser Aspekte erfüllen oder auch nur einen. Nach dieser Auslegung ist es konsequent, die Kultur nicht in die Aufzählung aufzunehmen. Kultur ist ein Themenbereich - eine Sparte - und kein Zweck, den der Rundfunk für den Rezipienten erfüllt. Kultur bildet und unterhält, ist der Aufzählung des § 2 11 Nr. 1 RuFuStV folglich immanent. Es besteht keine Notwendigkeit, sie in die Definition aufzunehmen oder gar mitzudenken, wie es von anderer Seite gefordert wird. 31 12. 1989, der zudem noch Anforderungen bezüglich der Programmdauer stellt; siehe auch § 2 m S. 1 LRG NW v. 11. 1. 1988, der nur "wesentliche Anteile a11 Information, Bildung und Unterhaltung" verlangt. 24 Begriff geprägt von Bullinger, ZUM 1994, S. 596,599. 25 Hans-Jürgen Weiß, MP 1994, S. 497,498. 26 Bullinger, ZUM 1994, S. 596,599. 27 HartsteinIRingiKreile, RuFuStV § 2 RN 24. 28 Hans-Jürgen Weiß, MP 1994, S. 497,498. 29 Rotermundt, UnternehrnenskollZentrationen S. 56. 30 HartsteinIRinglKreile, RuFuStV § 2 RN 24. 31 Bullinger, ZUM 1994, S. 596,599.
A. Der Begriff Spartenprogranun
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Folge dieser Deutung ist jedoch, daß sie keine Anforderungen an die gegenständliche Vielfalt eines Vollprogranuns stellt. Denn einer der aufgeführten Zwecke kann nicht nur durch einen bestimmten Inhalt erfüllt werden, sondern durch viele. Auch Nachrichtenkonswn, der eigentlich primär der Information zugeordnet werden müßte, erfiillt Unterhaltungszwecke im Sinne eines Zeitvertreibs. 32 Trotz eines monothematischen Programms kann man daher alle aufgezählten Bereiche abdecken, ohne eine gegenständliche Vielfalt zu erbringen. Geboten ist deshalb eine Zuordnung der einzelnen Programmteile zu dem Bereich, den sie klassischeIWeise erfüllen. Es empfiehlt sich eine pauschale Handhabung, um die Intention der Schaffung von gegenständlicher Vielfalt zu veIWirklichen. Verbindlichere Normen sind nicht möglich, da gerade die Unbestimmtheit der Norm Garant der Programmfreiheit ist. 33
bb) Wesentlicher Teil des Gesamtprogramms Voraussetzung für ein Vollprogramm ist aber nicht nur die Abdeckung der vier Bereiche. Sie müssen einen "wesentlichen Teil" des Programms beanspruchen. Aufgrund seiner Wertungsbedürftigkeit ist dieses Kriteriwn ungenau. Zumindest sagt es aus, daß die Bereiche über 50 Prozent des Programms ausmachen müssen. 34 Ungeklärt bleibt, wie sich diese mindestens 51 Prozent auf die Bereiche der Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung zu verteilen haben. Wegen der kwnulativen Aufzählung könnte die Programrnquote der einzelnen Bereiche unbeachtlich sein, solange sie in ihrer Gesamtheit einen wesentlichen Programm teil bilden. 35 Dafür spricht die Begründung zum Rundfunkstaatsvertrag 1991, nach der "die einzeln aufgefiihrten Programme zusammen einen wesentlichen Teil des Gesamtprogramms bilden" müssen. 36 Rotennundt hingegen befiirchtet, daß eine derartige Auslegung Überbetonungen eines Bereichs forcieren könnte und daher Mißverhältnisse zu befurchten seien. Ein Vollprogramm wäre faktisch ein Spartenprogramm. Er fordert, daß keiner der Bereiche einen Gesamtanteil von 40 Prozent erreichen dürfe. 3?
Lübbe, Bertelsmann-Briefe Oktober 1992, S. 4, 6. Hans-Jürgen Weiß, MP 1994, S. 497, 503. 34 So auch VG Bremen, Beschluß v. 14. 6. 1991, 2 V 33191 amtlicher Umdruck S. 8; Rotermundt, Unternehmenskonzentrationen S. 56 57; Kresse, Pluralismus S. 78. 35 HartsteiniRingiKreile, RuFuStV § 2 RN 24. 36 Begründung zu § 2 m S. 3 RuFuStV, abgedruckt bei HartsteiniRingiKreile, RuFuStV § 2 S. 473. 37 Rotermundt, Unternehmenskollzentrationen S. 57. 32 33
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Teil II: Spartenprogramme
Kresse hingegen mißt dem Bereich der Information eine herausragende Bedeutung bei, der mindestens 10 Prozent des Gesamtprogramms ausfüllen müsse. In Anlaufphasen seien Ausnalunen denkbar. 38 Andererseits läßt sich die Definition des Vollprogramms auch so verstehen, daß jeder Bereich einen wesentlichen Teil des Gesamtprogramms einnehmen muß. 39 Bullinger begründet diese Interpretation teleologisch: Ein Vollprogramm müsse sich durch eine ausgewogene Mischung aus allen Programmsparten auszeichnen und in jeder Programmsparte eine innere Vielfalt aufweisen. Denn das sei Voraussetzung für die Schaffung einer inneren Meinungsvielfalt. Ausgewogenheit beinhalte ein ausgeglichenes Vorhandensein aller vier Teilbereiche in einem Vollprogramm. Anhand der Beispiele, die Bullinger in diesem Zusammenhang nennt, wird deutlich, daß er dazu neigt die Unterscheidung der vier Pflichtbereiche mit bestimmten Sparten gleichzusetzen. 4o Wichtig ist es jedoch, die abstrakten Pflichtbereiche von den gegenständlichen Inhalten isoliert zu betrachten. Da viele Programmteile unter mehrere Pflichtbereiche fallen können, erscheint eine gesonderte Quote jedes Bereichs unangebracht. Ferner hat die Abdeckung der Bereiche nicht automatisch eine Spartenvielfalt zur Folge, was der Argumentation Bullingers widerspricht. Es genügt, wenn die vier Pflichtbereiche in einer Gesamtbetrachtung den wesentlichen Part des Vollprogramms bestimmen. Extreme Mißverhältnisse zwischen den Bereichen sind zu vermeiden. Der Reihenfolge läßt sich eine Vorzugswürdigkeit der informativen Beiträge gegenüber den unterhaltenden entnehmen, die damit nicht den geringsten Programmteil einnehmen dürfen.
ce) Innere Spartenvielfalt jedes Pfliehtbereiehs
Die Aufzählung der Pflichtbereiche steht in Zusammenhang mit den vorangestellten "vielfältigen Inhalten". Danach muß jeder Pflichtbereich durch verschiedene Beitragsarten ausgefüllt werden. Vielfältige Inhalte umfassen eine Fülle an Sparten aber auch an Darstellungsarten, sei es durch eine Reportage, Film, Talkshow oder ähnliches. Die Inhalte sind nicht mit den Pflichtbereichen gleichzusetzen, sondern es gilt, die Pflichtbereiche mit verschiedenen Inhalten zu rollen. Charakteristi38
Kresse, Pluralismus S. 78.
39
Bullinger, ZUM 1994, S. 596,600.
40 Bei einem Programm mit 90 % Unterhaltung setzt er Popmusik in Klammern; dabei steht die Ausfiillung dieses Bereichs mit vieWiltigen Inhalten in keinem Zusammenhang mit dem Verhältnis von Unterhaltung zu den anderen drei Bereichen.
A. Der Begriff Spartenprogranun
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kum eines Vollprogrammes ist daher, daß sich ein Pflichtbereich nicht in einer spezifischen Sparte oder Darstellungsart erschöpft. Werden zur Unterhaltung beispielsweise nur Musikliveübertragungen angeboten, sind die Inhalte des Programmes gleichförmig. Es muß als Spartenprogramm angesehen werden. 41
dd) Zielgruppenvieljalt Durch das facettenreiche Programm soll ein breiter Teil der Bevölkerung angesprochen werden. Eine Ausrichtung auf eine bestimmte Zielgruppe verbietet sich; das Vollprogramm soll für jeden etwas zu bieten haben. Eine geringe Tendenz zu einer Bevölkerungsgruppe steht aber dem Typus Voll programm nicht entgegen. 42 Vollprogramme dürfen zielgruppenorientiert, aber nicht zielgruppenfixiert sein. Zielgruppenvielfalt ist damit eine ungeschriebene Voraussetzung für das Vollprogramm.
ee) Meinungsvielfalt Zu erwägen bleibt, ob mit der Verpflichtung zur Darstellung vielfaltiger Inhalte eine Darlegungspflicht der vollen Meinungsvielfalt verbunden ist. 43 Eine umfassende Meinungsvielfalt ist nach der Rechtsprechung des BVerfG primär Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. 44 Da der Rundfunkstaatsvertrag gemäß § 1 I sowohl für öffentlich-rechtliche als auch für privatrechtliche Vollprogramme gilt, kann umfassende Meinungsvielfalt nicht von jedem einzelnen Vollprogramm verlangt werden. Die Programmanforderungen hängen zudem von der Art der Rundfunkorganisation - binnenpluralistischer oder anderer Art ab. Aber ein Vollprogramm könnte ein Mindestmaß an Meinungsvielfalt zu erbringen haben. 45 Dafür sind landesmedienrechtliche Regelungen anzuführen, nach denen das Vorhandensein von drei privatrechtlichen Vollprogrammen zur Annahme einer außenpluralen Meinungsvielfalt genügt.46 Auch die Bevorzugung von Vollprogrammen bei der Zulassung47 spricht dafür, daß von Bullinger, ZUM 1994, S. 596,601. Bullinger, ZUM 1994, S. 596, 601. 4] Bullinger, ZUM 1994, S. 596,601-602.
41
42
44
BVerfGE 74, S. 297,324-325; 83, S. 238,297.
45
Bullinger, ZUM 199-l, S. 596, 602.
Z .B. § 22 Il S. 1 Schlesw-Holst LRG; § 15 I S. 1 TRG. Z. B. § 35 Il Nr. 1 S. 2 StVZ Berlin-Brandenburg; § 7 I S. 1 Rhein-Pf LRG bezüglich Fernsehvollprogranunen. 46
47
Teil ll: Spartenprogramme
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den Voll- im Vergleich zu den Spartenprogrammen ein größerer Beitrag zur Meinungsvielfalt erwartet wird. Indessen enthält § 2 11 Nr. I RuFuStV lediglich die Formulierung der "vielfältigen Inhalte(n)", bleibt also auf einer gegenständlichen Ebene. Wäre ein Mindestmaß an Meinungsvielfalt bereits konstituierendes Merkmal der Vollprogramme, machte das die Verpflichtungen zu Meinungsvielfalt durch die Landesmediengesetze obsolet. Ein Mindestmaß an Meinungsvielfalt kann den Vollprogrammen damit als Rechtspflicht aufgebürdet werden; ist das der Fall, sind sie aufgrund ihrer vielfältigen Inhalte auch geeignet, einen Beitrag zur Meinungsvielfalt zu leisten. Die Meinungsvielfalt ist aber nicht Bestandteil der Definition Vollprogramm.
fJ) Gesamtprogramm
Bullinger sieht ferner in dem Begriff des "Gesamtprogramm(s)" eine weitere Voraussetzung für das Vollprogramm. Das Vollprogramm als Gegenpol zum "elektromagnetischen Versandhandel" müsse eine gestaltete Einheit sein, die nach einem Gesamtplan aufzubauen und deren Sendungen aufeinander abzustimmen seien. 48 Dies kOirune in dem Definitionsteil des Gesamtprogramms zum Ausdruck. Zur Veranschaulichung seiner These vom Vollprogramm als geplantes und gestaltetes Werk vergleicht Bullinger es mit einer Opernaufführung: 49 Wie eine Oper aus zahlreichen Arien bestehe, umfasse auch ein Voll programm mehrere Sendungen. Doch genüge es nicht, diese Arien abzusingen, sondern sie müssen in eine Inszenierung eingebettet werden, um einen Handlungsstrang zu erzeugen. Dazu bedürfe es einer Regie, die die Akteure leitet und aufeinander abstimmt. Auch für ein Vollprogramm sei eine leitende Gestaltung erforderlich, um zu einem Gesamtprogramm zu werden. Die Sendungen müssen miteinander verknüpft werden, damit sie die nötige Einheit für ein Vollprogramm bilden. Fehlt es hieran, so handelt es sich laut Bullinger nicht um ein Voll- sondern nur um ein Mehrspartenprogramm. 50 Dieser Vergleich erläutert zwar anschaulich, was Bullinger unter einem Gesamtprogramm versteht. Er kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß er in der Praxis keine Entsprechung findet. So bleibt offen, worin das geistige Handlungsband eines Vollprogramms gesehen werden kann. Die Vorbereitung des Programmablaufs richtet sich nicht nach einem bestimmten Handlungsstrang, sondern nach den temporären Zuschauerpräferenzen. Der ProBullinger. ZUM 1994, S. 596, 603. Bullinger, in: FS für Benda, S. 33,36; sowie ZUM 1994, S. 596,603. 50 Bullinger, in: FS für Benda, S. 33, 37.
48
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A. Der Begriff Spartenprogramm
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gramrnablauf ist damit im Gegensatz zu einer Oper rezipientengebunden. Zudem unterliegt er kurzfristigen Unterbrechungen und Abänderungen. Der Rundfunk ist der Aktualität unterworfen und muß diesbezüglich Spontanität aufbringen. 51 Hier kann es aufgrund der plötzlichen Geschelmisse keine vorbereitete Gestaltung mehr geben. Diese Tatsache kann aber nicht dazu fuhren, ein Programm als Spartenprogramm einzustufen, das nach seinen Inhalten ein Vollprogramm darstellt. Eine Oper ist zu statisch, um mit einem Vollprogramm verglichen werden zu können. Ferner sind die Arien eines Vollprogramms nicht "vom selben Komponisten", sondern ganz unterschiedliche Sendeteile. Dort immer weiche Übergänge zu schaffen, ist unmöglich. Abzulehnen ist auch, das Gesamtprogramm als eigenständige Voraussetzung anzusehen. Die Auslegung Bullingers erinnert an den Begriff des Gesamtprogramms im Integrationsmodell. 52 Die besondere Stellung des Gesamtprogramms beruht hier hingegen auf der binnenpluralistischen Ausgestaltung des Programms im Integrationsmodell, während ein Vollprogramm grundsätzlich im binnen- und außenpluralen Modell bestehen kann. Es ist nicht nachvollziehbar, warum nur bei einem Vollprogramm eine gestaltete Einheit vorliegen soll. Auch Spartenprogramme verlangen nach einer Regie ihres Sendeverlaufs, hier sogar um so mehr, da durch die gleichartigen Inhalte :für den Zuschauer ein zusätzlicher Anreiz zum Verbleib im jeweiligen Programm geschaffen werden muß. Ein Abgrenzungskriterium zwischen einem Voll- und' Spartenprogramm kann im Gesamtprogramm nicht gesehen werden. Es steht in Bezug zu den vier Pflichtbereichen und weist darauf hin, daß diese einen Großteil des "gesamten Programms" ausfüllen sollen. Mehr Bedeutung kann diesem Definitionsteil nicht beigemessen werden. Bullinger selbst distanziert sich in einem späteren Aufsatz von seiner Interpretation, indem er auch Spartenprogramme als Gesamtprogramme bezeichnet. 53 b) Definitionen in den Landesmediengesetzen Im Gegensatz zu den Spartenprogrammen weisen die Landesmediengesetze im Vergleich zum Rundfunkstaatsvertrag bei der Definition des Vollprogramms kaum Abweichungen auf. Überwiegend stimmt sie mit der des Rundfunkstaatsvertrages überein54 und wird vereinzelt noch durch den HinBethge, AiP 1979, S. 286. Dazu Stock, Theorie S. 24 ff., zudem S, 156, wo er betont, daß der Wortteil "Gesamt-" auf den Typus des IntegrationsfWlks hinweise. 5] Bullinger, AtP 1996, S, 1,8, 54 § 2 II Nr. 1 StVZ Berlin-Brandenburg; § 2 II Nr. 4 Nied LRG; § 4 II Nr. 2 51
52
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Teil II: Spartenprogramme
weis ergänzt, daß das Vollprogramm über eine Programmdauer von mindestens fünf Stunden verfügen muß. 55 Hierdurch wird hervorgehoben, daß sich ein Vollprogramm auch zeitlich durch ein wnfassendes Angebot auszeichnen muß. Der zeitliche Faktor ist jedoch kein Abgrenzungskriterium zwischen einem Sparten- oder Vollprogramm, wie schon Schmidt zutreffend erläutert. 56 Auch ein Spartenprogramm nutzt in der Regel die gesamte Tageszeit für sein Angebot. Bayern, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern verzichten auf eine eigene Definition des Vollprogramms. Lediglich in Mediengesetzen von BadenWürttemberg und Sachsenanhalt finden sich abweichende Begriffsbestimmungen. Hier wird nicht auf eine inhaltliche Vielfalt abgestellt, sondern das Vollprogramm als Rundfunkprogramm definiert, "das in wesentlichen Programmteilen der Infonnation, der Bildung und der Unterhaltung dient".57 Hierbei wird die Definition auf die Pflichtbereiche reduziert. Damit fehlt es an inneren und äußeren Vielfaltsanforderungen. Diese Begriffsbestimmungen sind damit im Vergleich zu der des Rundfunkstaatsvertrages defizitär und bestilrunen das Vollprogramm unzureichend, das im wesentlichen durch seine gegenständliche Vielfalt gekennzeichnet ist.
c) Folgerungen für die Definition des Spartenprogramms Im Hinblick auf den Tenninus des Spartenprogramms läßt sich festhalten, daß zwischen Voll- und Spartenprogramm zwar quantitative Unterschiede bestehen, aber kein qualitatives Rangverhältnis existiert. 58 Vielmehr sind die Programmarten quantitativ so verschieden, daß qualitativ keine Vergleiche gezogen werden können.
aa) Bestimmung der Inhalte
Es ist dargelegt worden, daß bei der Definition des Vollprogramms die vier Pflichtbereiche nicht mit gegenständlicher Vielfalt gleichzusetzen sind. Die Rhein-PfLRG; § 2 II NT. 3 Saarl LRG; § I a IV SächsPRG; § 3 NT. 5 LRG Sachs-Anh; § 3 III Schlesw-Holst LRG. 55 § 2 II HmbMedienG; § 2 I Nr. 5 HPRG; § 2 III S. 2 LRG NW; § 2 I Nr. 6 TRG verzichtet zudem auf das Merkmal des Gesamtprogramms. 56 Walter Schmidt, Rundfunkvielfalt S. 16. 57 § 2 Nr. 4 Bad-Württ LRG; § 3 I NT. 5 LRG Sachs-Anh a. F. stellt diese Anforderung nicht einmal an wesentliche Teile des Progranuns. 58 So aber Holtzbrink, Einspeisung S. 161.
A. Der Begriff Spartenprogramm
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abstrakt gehaltenen Pflichtbereiche sind eine Zielsetzung dessen, was ein Vollprogramm an Bedürfnissen beim Rezipienten zu erfiillen hat. Die Pflichtbereiche werden abgedeckt, indem sie ein Sender mit Inhalten füllt. Inhalte sind damit Beiträge gegenständlicher Art - sogenannte Sparten. Darunter fallen z. B. Nachrichten, Sport und Kultur. Diese Inhalte können unterschiedlich konkret gefaßt sein und sich überschneiden. Wichtig ist jedoch, daß sie eine bestimmte Thematik erfassen. Da sowohl bei der Definition des Voll- als auch bei der des Spartenprogramms der Begriff "Inhalte" verwandt wird, sind die Feststellungen bezüglich des Vollprogramms auf das Spartenprogramm übertragbar.
bb) Gleichartigkeit Dem Begriff der Gleichartigkeit entspricht bei der Bestimmung des Vollprogramms der Begriff der Vielfalt. Zur Eruierung der Gleichartigkeit von Inhalten kann der Vielfaitsbegriff als Gegenbegriff eine Orientierungshilfe bilden. Es muß abgewogen werden, ob sich die Beiträge ähneln oder soweit voneinander entfernt sind, daß sie eher ein vielfältiges Spartenspektrum ergeben.
cc) Wesent/ichkeitsgrenze Hier kann man die Ausführungen zum "wesentlichen Teil" des Vollprogramms übernehmen. Die das Spartenprogramm kennzeichnenden Inhalte müssen daher mindestens 51 Prozent des Programmangebotes ausmachen. Die anderen 49 Prozent dürfen jedoch nicht allein durch eine andere Thematik ausgefüllt werden. Rotermundt hingegen setzt die Grenze innerhalb seiner Lösung konsequenterweise bereits bei 40 anstatt bei 51 Prozent an. 59
dd) Keine Abgrenzung durch ein Gesamtprogramm Abzulehnen ist das Unterscheidungskriterium des Gesamtprogramms. Daß ein Vollprogramm einer planerischen Gesamtgestaltung bedarf, um eine Einheit zu bilden, ist unbestritten. Dies ist bei einem Spartenprogramm jedoch auch der Fall.
ee) Keine zeitlichen Grenzen eines Spartenprogramms Sparten- und Vollprogramm unterscheiden sich zudem nicht durch eine zeitliche Komponente. Auch einem Spartenprogrammveranstalter ist es unbe59
7 Poil
Rotermundt, Untemerunenskonzentrationen S. 57.
Teil II: Spartenprogramme
98
nommen, die gesamtmögliche Sendezeit zu nutzen. Ein Vollprogramm muß ein hohes Zeitbudget in Anspmch nehmen, schon um den Vielfaltsanfordemngen genügen zu können.
jJ) Zielgruppe Ein Voll programm soll eine breite Schicht der Bevölkemng ansprechen und darf lediglich eine Zielgmppentendenz aufweisen. Dies ist zwar keine ausdrückliche Voraussetzung der Definition Voll programm, aber Hintergrund dafür, daß das Voll programm eine gegenständliche Vielfalt zu erbringen hat. Die gesetzlichen Begriffsbestimmungen des Spartenprogramms stellen ebenfalls nicht darauf ab, welche Gmppe von Rundfunkteilnehmern ein Spartenprogramm gewinnen möchte. Lediglich Bleckmann führt dies in seiner Definition als Charakteristikum des Spartenprogramms auf. 60 Die Begrenzung des Programms auf einen Rezipientenkreis könnte jedoch unter den Begriff des Zielgmppenprogramms fallen. Zu klären bleibt demnach der Begriff des Zielgmppenprogramms und sein Verhältnis zum Spartenprogramm.
2. Zie/gruppenprogramme
a) Definition Der Begriff des Zielgmppenprogramms ist gesetzlich nicht definiert. Dennoch wird er in der Literatur61 und der Rechtsprechung 62 im Zusammenhang mit den Spartenprogrammen erwähnt. Ein Zielgmppenprogramm bezweckt mit seinen Darbietungen die Ansprache eines spezifischen Bevölkerungssegments. 63 Eine Zielgmppe stellt einen homogenen Kreis der Gesellschaft dar, der die gleichen sozialen Merkmale aufweist. Erst die Kombination mehrerer relevanter Merkmale bringt eine bestimmte Zielgmppenstruktur zutage. Kriterien sind insbesondere Alter, Geschlecht und die gesellschaftliche Stellung als sozial demographische Merkmale. Ein bestimmter Kenntnisstand wie auch Einstellung und Motivationen des Personenkreises sind entscheidend für die Charakterisiemng einer Zielgmppe. 64 Bleckmanll, Spartenprogramme S. 20. Bullinger, ZUM 1994, S. 596, 601; Walter Schmidt, RundfunkvielfaIt S. 17; Kiefer, MP 1983, S. 601, 606; Bleckmann, Spartenprogramme s. 21. 62 BVerfGE 73, S. 118,188. 63 Bullinger, ZUM 1994 S. 596, 60 I. 64 Siehe dazu die Checkliste bezüglich Zielgmppen im Werbebereich bei Kiefer, MP 1983, S. 601,602. 60
61
A. Der Begriff Spartenprogramm
99
Von der Übereinstimmung einzelner Personenmerkmale schließt man auf ähnliche Nutzungsgewohnheiten und die Bevorzugung derselben Medieninhalte. 65 Dabei ist eine idealisierende Sichtweise notwendig. 66 Der Begriff der Zielgruppe entstammt dem Bereich der Werbeforschung und Werbeplanung. 67 Daher bezweifelt Kiefer seine Tauglichkeit für den Medienbereich mit der Begründung, daß sich keine abgrenzbaren Rezipientengruppen ermitteln ließen und der Begriff der Zielgruppe keiner Definition zugänglich sei. 68 Diese Kritik erscheint insofern fraglich, als die Sender und Zeitschriftenverleger die Definition ihrer Zielgruppe meist selbst vornehmen und diese anhand von Untersuchungen über die Nutzungsgewohnheiten feststellen lassen. Gerade in Abgrenzung zu anderen Programmgenres ist der Begriff der Zielgruppe aufgrund seiner leichten Nachweisbarkeit besonders geeignet und damit medientauglich.
b) Verhältnis zu Spartenprogrammen Ein Zielgruppenprogramm versucht den gruppenspezifischen Bedürfnissen nachzukommen. Folglich sendet ein Zielgruppenprogramm wie das Spartenprogramm eine beschränkte Zahl an Inhalten. Über das Verhältnis von Sparten- und Zielgruppenprogramm besteht Unklarheit.
aa) Alternativität Das BVerfG äußert sich in seinem vierten Rundfunkurteil zwar nicht ausführlich zu den beiden Tennini, spricht aber von "Sparten- oder Zielgruppenprogrammen" .69 Die alternative Nennung zeigt, daß es diese beiden Programmgenres trennt, ein Programm entweder Zielgruppen- oder Spartenprogramm ist. Diese Ansicht findet sich auch in der Literatur. 7o Dabei werden Rolf, Special Interest-Zeitschriften S. 28. Rust, Publizistik 1981, S. 173,178. 67 Kiefer, MP 1983, S. 601. 68 Kiefer, MP 1983, S. 601,606. 69 BVerfGE 73, S. 118, 188. 70 Ho.fJmann-Riem, MP 1996, S. 73; ders., Pay-TV S. 94 95; Wiechers, Markt S. 128; Kiefer, MP 1983, S. 601, 606; Stammler, Ruf 1982, S. 469, 470; Libertus, AfP 1998, S. 149, 152; RickerlMüller-Malm, ZUM 1987, S. 208,213, die hier dieselbe Fonnulierung wie das BVerfG verwenden, auf der folgenden Seite dann aber die Programmkategorien in "Voll-, Teil- oder Spartenprogramm" unterteilen. 65 66
7'
100
Teil II: Spartenprogramme
Spartenprogramme als solche Programme erachtet, die eine thematische Konzentration vornehmen, während Zielgruppenprogramme bestimmte Gruppen und deren Interessen fokussieren. 71
bb) Überschneidung
Demgegenüber vertritt Schmidt die Meinung, daß sich Zielgruppen- und Spartenprogramm "auf eine etwas undeutliche Weise" übersclmeiden. 72 So wie Zielgruppenprogramme versuchen, einen Rundfunkteilnehmerkreis durch Aussendung bestimmter Sparten zu erreichen, könnten sich auch Spartenprogramme auf gleichartige Inhalte beschränken, um damit eine Zielgruppe zu erreichen. Schmidt bringt als Beispiel für ein solches Spartenprogramm den Kirchenfunk. Seiner Ansicht nach muß ein Spartenprogramm aber nicht zielgruppenfixiert, sondern kann auch "auf eine relative Tendenzfreiheit oder Ausgewogenheit" gerichtet sein. 73 Als Vertreter dieser Ansicht muß auch Kresse angesehen werden, der die Begriffe von Sparten- und Zielgruppenprogramm zwar trennt, auf der anderen Seite aber auch von "zielgruppenspezifischen Spartenprogrammen" spricht und daher Vennischungen der beiden Programmarten für möglich hält. 74 Von einer Überschneidung geht weiterhin Kröhne aus. Er sieht den Begriff des Spartenprogramms als Oberbegriff an, der entweder die Beschränkung auf eine Programmart oder die Beschränkung auf eine Zielgruppe - also ein Zielgruppenprogramm - beinhalte. 75
cc) Identität
Bleckmann geht davon aus, daß Sparten- lmd Zielgruppenprogramm einen identischen Sachverhalt beschreiben. 76 Trotz vorausgesetzter DeckungsgleichStammler, Ruf 1982, S. 469,470. Walter Schmidt, Rundfunkvielfalt S. 17; ähnlich Schwintowski, Spartenprogramme S. 3, der von Sparten- und Zielgruppenprogrammen spricht, aber betont, daß Spartenprogramme nur dann erfolgreich sein können, wenn sie auf eine Zielgruppe ausgerichtet sind. 73 Walter Schmidt, Rundfunkvielfalt S. 17. 74 Kresse, ZUM 1995, S. 178,183. 75 Kröhne, in: Medienforum 1989 Teil III, S. 153,154. 76 Bleckmann, Spartenprograrrune S. 21; ähnlich Wilhelmi, Neue BWldesländer S. 109 FN 119, der behauptet, daß Spartenprogramme sich grundsätzlich an einen begrenzten Teilnehmerkreis richten. Auch Breunig, MP 1996, S. 195, 199 differenziert 71
72
A. Der Begriff Spartenprogramm
101
heit hält er an beiden Begriffen fest und empfiehlt je nach Schwerpunkt des Programms die Bezeichnung Spartenprogramm bei einer Homogenität des Programminhalts zu verwenden, während Zielgruppenprogramm der vorzugswürdige Terminus bei einer Homogenität des Empfangerkreises sei. Eine Identität der Programmarten nimmt auch Scheble an, der den Terminus Zielgruppenprogramm gar nicht verwendet, sondern Spartenprogramme gleich als solche beschreibt, die Zielgruppen bedienen. 77 Ungeklärt läßt Bullinger das Verhältnis zwischen Zielgruppen- und Spartenprogramm, der den Begriff des Zielgruppenprogramms aufwirft, dann aber das Kriterium der Zielgruppenbezogenheit heranzieht, um das Voll- vom Spartenprogramm abzugrenzen. 78
dd) Das Spartenprogramm als Zielgruppenprogramm
Die Ansicht einer Alternativität von Sparten- und Zielgruppenprogramm ist widerlegbar. Denn in der Praxis zeigt sich, daß mit der Begrenzung des Progranuns auf gleichartige Inhalte gleichzeitig die Fokussierung eines spezifischen Teilnehmerkreises verbunden ist. Dies ist eindeutig erkennbar bei den Musikkanälen, die durch unterschiedliche Musikrichtungen versuchen, ein bestimmtes Klientel an Zuschauern zu gewinnen. So strahlt MTV sein Programm primär rur Jugendliche im Alter von 16 bis 34 Jahren aus, Viva bestimmt seinen Zuschauerkreis bei 14 bis 29jährigen. 79 Viva 11 und VH-l hingegen richten ihr Programm auf 25 bis 49jährige aus. 80 Auch den Veranstaltern des ersten Spartensenders "Musicbox" war bereits ersichtlich, daß diese Programmform nur mit der Ansprache einer Zielgruppe von Erfolg gekrönt sein kann. 81 Mit der Ausstrahlung von im wesentlichen gleichartigen Inhalten kann auch die Fokussierung einer Zielgruppe verbunden sein. Demzufolge gibt es Programme, die sowohl die Voraussetzungen eines Zielgruppen- wie auch eines Spartenprogramms erfiillen. Ein alternatives Verhältnis von Zielgruppenund Spartenprogramm liegt nicht vor. nicht, sondern bezeichnet den Frauensender TM3 als "frauenspezifisches Spartenprogramm"; nicht ausdrücklich aber konsequenterweise müßte auch Rupert Scholz, AfP 1995, S. 357, 361 von einer Identität ausgehen, da er als Charakteristikum des Spartenprogramms seine Fixierung auf ein bestimmtes Publikumssegment nennt. 77 Scheble, Grundversorgung S. 260. 78 Bullinger, ZUM 1994, S. 596, 60 I. 79 Siehe Medienhandbuch Band 2, 7.17. S. 11; 7.16. S. 49. 80 Siehe Medienhandbuch Band 27.16. S. 55; 7.17. S. 19. 81 Wolfgang Fischer, in: Medienforum 1987, S. 194, 195.
102
Teil II: Spartenprogramme
Konsequenz daraus ist, daß zumindest Überschneidungen dieser beiden Programmkategorien bestehen. Um aber nur von Überschneidungen und nicht von einer Identität auszugehen, muß der These Schmidts zuzustimmen sein. Danach müßte es auch Spartenprogramme geben, die aufgrund ihrer Ausgewogenheit nicht zielgruppenfixiert, sondern höchstens zielgruppenorientiert sind. Zu überlegen ist, ob die Beschränkung des Programmangebots ohne die Anziehung eines bestimmten Teilnehmerkreises möglich, und vor allem sinnvoll und praktizierbar ist. Dies fuhrt zwangsläufig zu der Frage, warum eine Reduzierung des Programms auf bestimmte inhaltliche Aspekte vorgenommen wird. Jedes Programm ist rezipientengebunden, indem versucht wird, den Bedürfnissen der Rezipienten nachzukommen. Mit der Beschränkung des Programms auf bestimmte Inhalte wird nur ein Teil der gesellschaftlichen Gesamtbedürfnisse befriedigt. Somit entscheiden sich nur diejenigen für ein Spartenprogramm, die sich für die dort dargebotenen Inhalte interessieren. Ein Spartenprogrammangebot wird damit grundsätzlich nur von einer begrenzten Rezipientenzahl wahrgenommen. Die Homogenität dieser Gruppe hängt von den jeweiligen Inhalten ab. Dabei gibt es Inhalte von Allgemeininteresse wie z..B. Nachrichten, mit denen nicht automatisch eine spezifische Bevölkerungsschicht verbunden wird. Selbst bei solchen Inhalten ist aber nachgewiesen, daß diese vermehrt von einer nach allgemeinen Merkmalen bestimmbaren Gruppe konsumiert werden. Bei privaten Programmen ist insbesondere der wirtschaftliche Aspekt zu beachten. Hier ist die Abhängigkeit des Programms von der Rezipientenresonanz wegen der Werbefinanzierung besonders stark. Um Zuschauer zu gewinnen, ist es existentiell notwendig, sich auf eine Zielgruppe zu konzentrieren. 82 Ihre Bedürfnisse müssen sich im Programm wiederfinden, damit die Gruppe sich für das Spartenprogramm entscheidet und stabile Einschaltquoten erreicht werden. Das Klientel eines Spartenprogramms kann dann von der Werbeindustrie ohne Streuverluste erreicht werden. 83 Öffentlich-rechtliche Spartenkanäle müssen wegen ihrer Gebührenfinanzierung ebenfalls Programmakzeptanz durch Homogenität schaffen. Durch die eingegrenzte Themenauswahl wird immer eine Gruppe in der Bevölkerung hervortreten, deren Interessen durch den Kanal getroffen werden. Eine schlichte Zielgruppenorientierung von Spartenprogrammen ist damit theoretisch denkbar. Aus wirtschaftlicher Sicht ist sie jedoch nicht sinnvoll. 84 82 Schwintowski, Spartenprogramme S. 3 17; Kunkel, Interview in: Horizont Nr. 10 v. 12.3. 1993, S. 30, bezogen auf Special Interest-Titel im Pressebereich. 83 Engel, AfP 1994, S. 185, 190. 84 Kunkel, Interview in: Horizont Nr. 10 v. 12. 3. 1993, S. 30 spricht von einer hundertprozentigen Fokussierung auf den Informationsbedarf der Gruppe.
A. Der Begriff Spartenprogramm
103
Ein Spartenprogramm ohne die Fokussierung einer Zielgruppe macht keinen Sinn. Demzufolge kann von einer Identität von Sparten- und Zielgruppenprogramm ausgegangen werden.
c) Verwendung der Begriffe Ungeklärt bleibt, wie die beiden Begriffe zu verwenden sind. Bleckmann schlägt vor, die Begriffe je nach Schwerpunktsetzung des Senders einzusetzen. Bestimme sich der Sender primär durch seine gleichartigen Inhalte, spreche man von einem Spartenprogramm, legt er seine Ausrichtung nach einer einheitlichen Zielgruppe fest wie z. B. ein Kinderprogramm, sei der Begriff Zielgruppen programm angebracht. 85 Damit ist es fiir Bleckrnann irrelevant, daß nur der Begriff des Spartenprogramms und nicht der des Zielgruppenprogramms rechtlich geregelt ist, da die Begriffe nur Nuancierungen desselben Programmgenres darstellen. Dabei unterläuft ihm jedoch ein logischer Fehler: Argumentativ nachgewiesen ist bisher nur, daß das Spartenprogramm gleichzeitig die Voraussetzungen des Zielgruppenprogramms erfiillt und insofern von einer Identität ausgegangen werden kann. Damit ist keine Aussage darüber getroffen worden, ob umgekehrt das Zielgruppenprogramm stets ein Spartenprogramm darstellt. Dieser Umkehrschluß läßt sich jedoch nicht ziehen. Ein Zielgruppenprogramm bietet von seinen Inhalten her ein auf eine bestimmte Gruppe ausgerichtetes Programm. In seinen Inhalten ist es einfaltiger als ein Vollprogramm. Das Zielgruppenprogramm macht das zu seinem Inhalt, was den Interessen der anvisierten Gruppe entspricht. Die Vorlieben einer solchen Gruppe können aber durchaus sehr vielseitig sein. Eine Einseitigkeit des Programms schließt sich schon insofern aus, als hier versucht wird, einen bestimmten Interessenkreis langfristig an sein Programm zu binden. Ein Kinderkanal hat daher verschiedene Serien, Talkshows mit kinderbezogenen Themen, Nachrichten fiir Kinder, etc. Auch wenn die Inhalte nur "im wesentlichen gleichartig" sein müssen, kann es Schwierigkeiten bereiten, Zielgruppenprogramme hierunter zu fassen. Während Spartenprogramme gleichzeitig Zielgruppenprogramme sind, muß ein Zielgruppenprogramm nicht zwangsläufig den Anforderungen eines Spartenprogramms entsprechen. Nach der gesetzlichen Alternativität zwischen Sparten- und Vollprogramm müßte es dann den Vollprogrammen zugeschrieben werden. Dieses Ergebnis ist unbefriedigend, da es so den höheren 85
Bleckmann, Spartenprogramme S. 21.
Teil II: Spartenprogramme
104
Anforderungen der Vollprogramme unterliegt. Zudem wird das Vollprogramm als Angebot für die Allgemeinheit verstanden. Das steht konträr zu der Intention eines Zielgruppenprogramms. Für Zielgruppenprogramme, die nicht die Voraussetzungen des Spartenprogramms erfüllen, besteht damit eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzgebers. aa) Einführung des Zielgruppenprogramms als Rechtsbegriff
Wie diese Lücke geschlossen werden kann, soll in einem Exkurs angedacht werden. Sinnvoll erscheint es, den Begriff des Zielgruppenprogramms in den Rundfunkstaatsvertrag und die Landesmediengesetze aufzunehmen und sie in den Rechtsfolgen denen des Spartenprogramms gleichzusetzen. Da das Spartenprogramm jedoch stets auch die Voraussetzungen eines Zielgruppenprogramms erfüllt, käme es zu Überschneidungen. Der Begriff des Spartenprogramms im Recht wäre überflüssig. Der Terminus Spartenprogramm könnte damit vollständig durch den des Zielgruppenprogramms ersetzt werden. Zielgruppenprogramme sind danach Sender, die nur über eine beschränkte Zahl an Inhalten verfügen, um einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmbaren Rezipientenkreis zu erreichen. Diese Lösung hat viele Vorteile für sich: Nicht nur, daß damit sämtliche Zielgruppenprogramme unabhängig von ihrer Vielseitigkeit von dieser Definition erfaßt werden. Dadurch, daß die Definition hauptsächlich auf die Zielgerichtetheit des Programms abstellt, lassen sich auch Spartenprogramme leichter darunter fassen. Denn, wie oben dargestellt, bereitete insbesondere der Definitionsteil der "im wesentlichen gleichartigen Inhalte" aufgrund seiner Ungenauigkeit Schwierigkeiten. Daß die derzeitige Definition in der Praxis schwer anzuwenden ist, wird in dem Beschluß des VG Hamburg deutlich, das den Sender DSF als Spartenprogramm qualifizierte. 86 Zunächst beruft sich das Gericht auf die Bezeichnung Sportfemsehen. Dann werden nicht die Inhalte des Programms erläutert, sondern es wird auf die "Ausrichtullg"des Programms auf das Thema Sport abgestellt und daß dies "typischerweise dem Charakter eines Spartenprogramms" entspräche. Diese Behauptung ist wertlos, wenn zuvor nicht erläutert wird, was die Typik eines Spartenprogramms auszeichnet. Die Betonung der Ausrichtung des Programms zeigt aber, daß die Zielrichtung des Programms besser feststellbar ist als das Vorhandensein gleichartiger Inhalte durch eine konkrete Programmanalyse. Daher eignet sich die gruppenkonzentrierte Ausrichtung eines Programms besser als Definitionskriterium. 86
Beschluß vom 14. I. 1993 - 7 VG 4359/92, AlP 1993, S. 513-514.
A. Der Begriff Spartenprograrrun
105
Ferner bekennt sich der Sender in der Regel selbst zu der von ihm anvisierten Zielgruppe oder läßt sich diese aus Eigeninteresse durch Untersuchungen des Zuschauerverhaltens ermitteln. DSF bietet überwiegend sportliche Thematiken. Schon innerhalb dieses Bereichs werden verschiedene Sportarten wie z. B. Eiskunstlauf und Geräteturnen nicht berücksichtigt. Es verfügt über einen begrenztes Inhaltsangebot. Es möchte mit seinem Programm Männer im Alter von 14 bis 49 Jahren erreichen. 87 Dabei handelt es sich um eine nach allgemeinen Merkmalen bestimmbare Gruppe. DSF kann damit nach der oben genannten Definition als Zielgruppenprogramm eingeordnet werden.
bb) Folgenfür die Definition des Vol/programms Die Einbringung des Zielgruppenprogramms in die Rechtssprache könnte nicht ohne Konsequenzen für die Definition des Vollprogramms bleiben. Das folgt aus der Gesetzessystematik, nach der ein Sender entweder als Voll- oder als Spartenprogramm eingeordnet werden muß. Ersetzt man den Terminus des Sparten- durch den des Zielgruppenprogramms, stellt man bei der Einordnung des Programms vermehrt auf die Ansprache eines begrenzten Teilnehmerkreises ab. Somit ist es erforderlich, bei der Definition des Vollprogramms ebenfalls einen Adressaten zu nennen. Danach ist das Vollprogramm ein Rundfunkprogramm mit vielfältigen Inhalten, in welchem Information, Bildung, Beratung, Unterhaltung einen wesentlichen Teil des Gesamtprogramms bilden und das für die Allgemeinheit bestimmt ist. Diese Formulierung schließt eine Zielgruppenorientierung nicht aus. Damit wird gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, daß eine Inhaltsvielfalt insofern bestehen muß, als sich im Programm die Interessen unterschiedlicher Gesellschaftsgruppen wiederfinden müssen. Somit trägt die Einführung des Zielgruppenprogramms auch zur Präzision des Vollprogrammbegriffs bei. Die Definitionen sind nicht mehr rein inhaltsbezogen, sondern stellen auf deren Frequentierung durch die Bevölkerung ab. Dabei wird vorausgesetzt, daß die bloße Behauptung eines Senders über seine Ausrichtung lediglich bei Sendestart genügt. Ergibt sich durch Untersuchungen des Teilnehmerverhaltens ein anderes Bild, so sind diese Tatsachen für seine Einordnung entscheidend. Das würde den Rezipienten mehr in die Betrachtung einbeziehen, der in rechtlicher Hinsicht immer noch zu wenig Berücksichtigung erfährt. 88 Wollte
87 Siehe Eckstein, Pressekonferenz v. 9. 12. 1997, abgedruckt in der Pressemappe DSF unter ,,Männer" S. 4. 88 Rupen Schalz, AfP 1995, S. 357,358.
Teil II: Spartenprograrrune
106
man es bei dem Begriff des Spartenprogramms belassen, sollte dieser zumindest durch das Merkmal der Zielgruppe ergänzt werden, um mehr Rechtssicherheit zu gewährleisten. Da der Terminus Spartenprogramm den derzeitigen Rechtsbegriff darstellt, wird er trotz der aufgeführten Erwägungen in den folgenden Ausführungen weiter verwandt.
3. Fensterprogramme
Neben den Definitionen des Voll- und Spartenprogramms erläutert der Rundfunkstaatsvertrag in § 2 II den Begriff des Fensterprogramms. Erst mit der dritten Fassung des Rundfunkstaatsvertrages wird zwischen Satellitenfensterprogramm (§ 2 11 Nr. 3 RuFuStV) und Regionalfensterprogramm (§ 2 11 Nr. 4 RuFuStV) differenziert. Inkonsequenterweise wird diese Differenzierung dann aber nicht für die folgenden Regelungen übernommen, sondern es wird der Oberbegriff Fensterprogramme verwandt. 89 Lediglich in § 31 11 S. 2, 3 erscheint der Begriff des Regionalfensterprogramms. Der Begriff des Satellitenfensterprogramms findet überhaupt keine Erwähnung mehr. Trotz ihrer Anordnung neben den beiden Programmgenres stellen Fensterprogramme keine eigene Programrnkategorie dar. Vielmehr handelt es sich um einen selbständigen Programmausschnitt, der in ein Voll- oder Spartenprogramm eingebettet wird. Voraussetzung eines Fensterprogramms ist ein Voll- oder Spartenprogramm als Mantelprogramm,90 welches in den Definitionen als "Hauptprogramm" bezeichnet wird. Ein Fensterprogramm unterliegt damit einer zeitlichen Beschränkung. Dennoch ist das Fensterprogramm nicht nur als Übergangslösung bei Kapazitätsknappheit gedacht,91 sondern kann einen beständigen Programmfaktor darstellen. Nach der früheren Fassung des Rundfunkstaatsvertrages zeichnete sich ein Fensterprogramm zudem dadurch aus, daß es rämnIich auf eine Region beschränkt ausgestrahlt wurde. 92 Jetzt sind sowohl bundesweit verbreitete - sogenannte Satellitenfensterprogramme93 - als auch nur regional empfangbare Fensterprogramme möglich. §§ 25 II, 31 I, TI S. 1, m, V, VI, 36 II RuFuStV. Hartstein/RingIKreile, RuFuStV § 2 RN 26; enger defmiert Walter Schmidt, Rundfunkvielfalt S. 18, das Fensterprogramm: Mantelprogramm köllIle nur ein Vollprograrrun sein. 91 So aber Walter Schmidt, Rundfilllkvielfalt S. 18. 92 Vergleiche § 2 IINr. 3 RuFuStV 1991. 93 Wobei der Tenninus Satellitenfensterprograrrun gewählt wurde, um die große Reichweite des Fensters hervorzuheben, wie sie über Satelliten verbreitete Sender haben. Die Bezeichnung ist aber irrefilhrend, da es sich nicht ausschließlich um per Satellit ausgestrahlte Fensterprogramme handeln muß und es ferner nicht der entsprechende Begriff zu dem des Regionalfensterprogramms ist. 89
90
A. Der Begriff Spartenprogramrn
107
Bei den Regionalfensterprogrammen besteht eine prograrnmliche Gebundenheit: Nach § 2 II Nr. 4 RuFuStV muß dieses Fensterprogramm "im wesentlichen regionale Inhalte" anbieten. Diese Festlegung liegt aufgrund seiner räwn1ich beschränkten Ausstrahlung nahe. Es bietet insbesondere bundesweit verbreiteten Fernsehprogrammen die Möglichkeit, mit Regionalfensterprogrammen einen Landesbezug herzustellen. 94 Zusätzlicher Anreiz hierzu wird durch landesmedienrechtliche Regelungen geschaffen, nach denen bei der Auswahlentscheidung zur Zulassung von Sendern diejenigen bevorzugt werden, die Fensterprogramme zur regionalen und lokalen Information vorsehen. 95 Auch der Rundfunkstaatsvertrag fördert das Aufkommen von Regionalprogrammen, indem er Regionalfensterprogramme mit einem bestimmten zeitlichen Rahmen gemäß § 3 I II S. 2, 3 RuFuStV als Sendezeit für unabhängige Dritte anrechnet. Hat nicht nur ein Teil, sondern das gesamte Programm einen lokalen bzw. regionalen Bezug, spricht man von Lokal- oder Ballungsraumprogrammen. 96 4. Schwerpunkt- und Teilprogramme
In der Literatur werden noch weitere Programmbezeichnungen verwendet. So unterscheidet Schmidt zwischen Voll- und Teilprogrammen. Unter die Teilprogramme subsumiert er sowohl Sparten-, Zielgruppen- als auch Fensterprogramme. 97 Ihm ist insofern zuzustimmen, als von der Wortbedeutung her der Begriff des Teilprogramms das Pendant zu dem des Vollprogramms darstellt. Dieses zu definieren und im Gesetz dem Vollprogramm gegenüberzustellen wäre jedoch wenig hilfreich, da der Begriff zu weit gefaßt ist und daher Abgrenzungsschwierigkeiten zu dem des Vollprogramms entstünden. Auch in der Rechtsprechung des BVerfG taucht der Begriff des Teilprogramms auf. Hier werden die "Teil- und Spartenprogramme(n)" den Vollprogrammen gegenübergestellt. 98 Demzufolge scheint das BVerfG das TeilproFehling, Konkurrentenklage S. 126. § 21 IV Nr. 2 Bad-Württ LMG; § 8 n Nr. 3 HPRG; § 9 n Nr. 3 Nied LRG; § Ion S. 2 Nr. 4 SächsPRG; § 9 m S.I TRG. 96 HartsteinJRing/Kreile, RuFuStV § 2 RN 26; Walter Schmidt, Rundfunkvielfalt S. 18, verwendet hierfür die Bezeichnung Lokalfunk. 97 Walter Schmidt, Rundfunkvielfalt S. 16 18, wobei er diese Einteilung nicht konsequent einhält: Er überschreibt diesen Abschnitt mit "Teil- oder Spartenprogramme" und suggeriert damit eine Alternativität dieser Programme; im folgenden Text spricht er hingegen vom "Teilprogramrn in Gestalt eines Spartenprogramms", sieht damit das Teilprogramm als Oberbegriff an. Ähnlich. das Fensterprogramm, das unter dem Abschnitt ,,Zwischenformen" und nicht dem des Teilprogramms abgehandelt wird, im Text jedoch als "Teilprogranun" bezeichnet wird. 98 BVerfGE 73, S. 118, 192; ebenso Badura, JA 1987, S. 180, 183. 94
9S
108
Teil ll: Spartenprogramme
gramm nicht im Sinne Schmidts als Oberbegriff zu verstehen. Die gleiche Unterteilung in die Kategorien Voll-, Teil- oder Spartenprogramm findet sich bei Ricker und Müller-Malm. 99 Eine derartige Systematisierung ist schwer verständlich und kann nur dergestalt gedeutet werden, daß unter dem Teilprogramm ein zeitlich begrenztes Programm verstanden wird, während das Spartenprogramm inhaltlich begrenzt ist. Eine Beschränkung auf den zeitlichen Aspekt kann dem Tenninus des Teilprogramms aber nicht entnommen werden. Vielmehr kann auch eine inhaltliche Fixierung gemeint sein, so daß das Spartenprogramm unter das Teilprogramm fiele. Eine Differenzierung dieser drei Programmkategorien ist abzulehnen. Bullinger pflegt darüber hinaus den Begriff des Schwerpunktprogramms. Darunter faßt er Sender, die bestimmte Inhalte besonders herausstellen. 100 Eine solche Kategorisierung ist jedoch überflüssig. Entweder genügt dieses Programm den Vielfaltsanforderungen eines Vollprogramms und weist durch seine Schwerpunktsetzung eine bloße Zielgruppenorientierung auf. Oder die Schwerpunkte sind derart beträchtlich, daß damit gleichzeitig eine Zielgruppenfixierung verbunden ist; dann fällt dieser Sender unter das Zielgruppenprogramm. 101
IV. Inhaltliche Zusammensetzung des Spartenprogramms in der Praxis Trotz der definitorischen Abgrenzung der Programmarten ist in der Praxis oftmals nicht sofort ersichtlich, um was für ein Genre es sich handelt. Das hat seinen Grund in der Programmgestaltungsfreiheit des Veranstalters,102 die auch ihm auch innerhalb eines Vollprogramms Schwerpunktsetzungen erlaubt. Der Entscheidung der Landesmedienanstalt über die Programmart kommt damit ein besonderes Gewicht zu. Sie muß die bestehenden Abgrenzungsschwierigkeiten auflösen. IO )
RickerlMüller-Malm, ZUM 1987, S. 208,214. Bullinger, ZUM 1994, S. 596,597. 101 Wobei nicht ersichtlich ist, ob Bullinger hier eine neue Progranunkategorie begründen oder mit seiner Aufzählwlg nur Beispiele fi1r die Spezialisierung und Individualisierung im Rundfunkbereich geben möchte. 102 Hans-Jürgen WeIß, MP 1994, S. 497, 503. 103 Holtzbrink, Einspeisung S. 162. 99
100
A. Der Begriff Spartenprogramm
109
J. Vergleich von Härfunk- und Fernsehspartenprogrammen
a) Fernsehspartenprogramme In der deutschen Medienlandschaft haben sich mittlerweile zahlreiche Spartenkanäle etabliert. Die inhaltliche Untersuchung zeigt, daß in der Regel kein Spartensender völlig auf die eigene Sparte fixiert ist. 104 Neben seiner Sparte greift er anliegende Thematiken auf oder bringt Beiträge aus anderen Bereichen. Da nach der Definition nur "im wesentlichen gleichartige Inhalte" verlangt werden, ändert das nichts an seiner Einordnung als Spartenprogramm, solange diese spartenexternen Beiträge keinen übergeordneten Teil des Programms beanspruchen. 105 Zweck der Entfernung von der Sparte ist die Gewinnung von Dauerzuschauern.
aa) Sport
Die größte Spartentreue ist bei den Sportsendern zu vennerken - insbesondere bei dem Kanal "Eurosport". 106 Der Grund dafür liegt darin, daß die Sparte Sport durch seine Sportartenvielfalt rur sich gesehen bereits abwechslungsreich ist. Weiterhin wolmt sportlichen Liveübertragungen ein Spannungsmoment bei. Ein sportbezogenes Spartenprogramm ist nicht wie andere Spartenprogramme darauf angewiesen, weitere Themen aufzugreifen, um sein Programm fur den Zuschauer abwechslungsreicher zu gestalten.
bb) Musik
Heterogener ist das Programm hingegen bei den Musikspartenkanälen. Sie spielen nicht nur Musik mit den dazugehörigen Videoclips, sondern infonnieren auch über verwandte Bereiche, wie z.B. Konzerte, Filme, Ausstellungen. Durch ihre Festlegung auf eine bestimmte Musikart verfügen sie über eine geringe Variabilität. Aufgrund der Aneinanderreihung von Videoclips als kurze Zeiteinheiten wird zudem eine Monotonie erzeugt, die dazu führt, daß solche
104
Brosius/Zubayr, RuF 1996, S. 185, 199, veranschaulichen das anhand einer Ta-
belle. 105 Bisher ist eine Entwicklung dieser Art noch nicht aufgetreten. Umgekehrt wird bemängelt, daß als Vollprogramme ausgewiesene Sender ihrem ausgestrahlten Programm zufolge faktisch als Spartenprogranune angesehen werden müssen. Brosius/Zubayr, Ruf 1996, S.185, 187; Halls-Jürgen Weiß, MP 1994, S. 497, 501; Fehling, Konkurrentenklage S. 106. 106 Brosius/Zubayr, Ruf 1996, S. 185, 199.
110
Teil TI: Spartenprogranune
Kanäle oft als "Nebenbei-Medium" genutzt werden. Daher werden die Videoclips durch Moderation unterbrochen und das Programm wird mit zielgruppenentsprechenden Beiträgen angereichert.
ce) Nachrichten
Nachrichtenkanäle zeichnen sich in ihrem Programm dadurch aus, daß sie sich am meisten von der eigentlichen Sparte entfernen. Neben dem klassischen Segment Nachrichten treten Wirtschaftsmeldungen auf, Gesundheits- und Reisemagazine, arbeitsplatzbezogene Informationen und Talkshows. Hintergrund hierfür ist, daß ein Nachrichtenkanal das Bedürfnis des Rezipienten befriedigt, sich kurzfristig über das Weltgeschehen zu informieren. Er bleibt dem Kanal daher nur eine geringe Zeit erhalten. Aus Rentabilitätsgründen ist auch ein Nachrichtenkanal auf eine längere Sehdauer angewiesen. Ein Anreiz zum Weiterschauen wird aber nicht durch das nochmalige Abspielen der gerade gesehenen Nachrichten, sondern durch andersartige, daran anknüpfende Beiträge geschaffen.
b) Hörfunkspartenprogramme Ein anderes Bild bieten die Hörfunkspartenprogramme. Hier gibt es zum einen nur eine beschränkte Zahl von Sparten, die sich für ein Hörfunkprogramm eignen. Die Sparte Musik lo7 nimmt dabei eine herausragende Rolle ein, durch die das Erscheinungsbild eines Hörfunksenders im wesentlichen geprägt wird. Auch ist beim Hörfunkspartenprogramm die Spartenfixierung geringer als bei den Fernsehspartenprogrammen: Sie verfügen in der Regel über ein "Annex-Mini-Vollprogramm".lo8 Darunter versteht man, daß sie einen Programmteil mit spartenexternen Beiträgen enthalten. Diese Beiträge bestehen aus untergeordneten Bestandteilen eines Vollprogramms. I09 Es sind daher nicht mit der Sparte verwandte Themen, auf die zurückgegriffen wird, sondern die klassischen Elemente eines Radios, wie z. B. Nachrichten, Wetter, Verkehrsservice, etc. Dieser Unterschied zum Fernsehspartenprogramm liegt in der Art des Mediums begründet. Ein Hörfunkprogramm ist aufgrund seiner ReaktionsmögSiehe Aufzählung bei Bullinger, in: FS fllr Lerche, S. 593. Begriff stanunt von Bullinger, in: FS fllr Lerche, S. 593, 594. 109 Bullinger, in: FS fllr Lerche, S. 593, 594. 107
108
B. Entwicklung der Spartenprogranune
III
lichkeiten sofort in der Lage, über akut eintretende Ereignisse zu berichten. Das führt beim Rezipienten zu einer dementsprechenden ElWartungshaltung. Er begreift das Radio primär als Servicemedium, das ihm aktuelle Informationen wie Nachrichten, Staumeldungen und ähnliches zuteil werden läßt, 110 ohne daß hierfür ein Senderwechsel erforderlich wäre. Das "Annex-MiniVollprogramm" dient dazu, das Servicebedürfnis des Hörers zu befriedigen.
2. Vergleich von Fernsehzielgruppen- und Fernsehspartenprogrammen Als Fernsehzielgruppenprogramme haben sich in Deutschland bisher Kinder- und Frauensender herausgebildet. In Verhältnis zu den Spartenprogrammen weisen sie von ihrer Programmstruktur her eine größere Inhaltsvielfalt auf. Es werden Filme, Serien, Talkshows, Magazine und anderes ausgestrahlt. In ihrer Thematik sind diese der jeweiligen Zielgruppe angepaßt. Es gibt aber auch Zielgruppenprogramme, die sich hauptsächlich auf das Senden von Serien beschränken. 111 Eine inhaltliche Begrenzung findet zwar statt, jedoch erfüllt keines dieser Programme gleichzeitig die Voraussetzungen eines Spartenprogramms.
B. Entwicklung der Spartenprogramme L Verspartung der Medienlandscbaft 1. Beginn in den Prinbnedien Die Verspartung der Medienlandschaft im Sinne einer Konzentration der Anbieter auf bestimmte Inhalte setzte zuerst bei den Printmedien im Bereich der Zeitschriften ein. Das Angebot an Zeitschriften ist von 1986 bis 1991 stetig gestiegen. Die größte Titelzahl dieser Gruppe nimmt die Fachpresse ein. 112 Man entdeckte die Frau als Ziel person fiir eine auf ihre konkreten Interessen zugeschnittene Zeitschrift. Von 1984 bis 1993 wuchs die Titelanzahl und Auflage an Frauenzeitschriften daher überdurchschnittlich. I 13 Neben zunächst noch allgemeiner gehaltenen Blättern kam es dann vennehrt zu sachbezogenen Zeitschriften - mit den einzelnen Themen wie Mode, Handarbeit, Kochrezepte, Haushalt, Gesundheit, Ratgeber-, Roman- und Erlebniszeitschriften. 114 Merten/Gansen/Götz, Hörfunksystem S. 6. So der Kinderkanal Nickelodeon. 112 Medienbericht der Bundesregierung 1994, S. 105. 113 Medienbericht der Bundesregierung 1994, S. 118. 114 Medienbericht der Bundesregierung 1994, S. 119. 110 111
Teil II: Spartenprogramme
112
Von 1973 bis 1993 stieg die Zahl der Speciallnterest-Zeitschriften von 48 auf 220 und verzeichnete daher einen im Vergleich zu den anderen Printmedien überproportionalen Zuwachs. 115 Zu solchen kam es vor allem im technischen Bereich, der sich durch eine rasche Entwicklung auszeichnet. Für die Bereiche "Computer", "Video" und Telekommunikation" hatten die Verlage daher Erfolg mit Fachzeitschriften. I 16 Aber auch mit Inhalten aus dem Freizeitbereich ließen sich steigende Umsätze machen. Die Zeitschriftenentwicklung folgte damit dem Segmentierungsprozeß innerhalb der Gesellschaft. Mittlerweile wird der Bereich der Zeitschriften als das "Zielgruppenmedium par excellence" eingestuft, I 17 das seine Klientel optimiere und pflege. Diese Einordnung beruht jedoch nicht auf der besonderen Eignung der Printmedien zur Zielgruppenansprache,ll8 sondern sie ist bei dem großen Zeitschriftenangebot für den Anbieter zur Existenzbedingung geworden. Wie kein anderes Medium ist die Presse durch die Gewohnheiten seiner Leser geprägt, die zu ihrer Zeitschrift in einem Treueverhältnis stehen. Das drückt sich unter anderem durch den Abschluß von Abonnements aus. Jede Abweichung vom Konsumentenverhalten äußert sich im Normalfall in einem gesonderten Kaufentschluß, der im Vergleich zu einem Senderwechsel eine höhere Hemmschwelle darstellt. Daher ist es ein besonderes Anliegen der Verleger, die Leser durch Zielgruppenansprache in Inhalten und Werbung an eine spezifische Zeitschrift zu binden. I 19 Parallel zum Aufkommen von Special Interest-Zeitschriften entwickelte sich eine General-Interest-Publizistik, die jedoch im Venuf steht, weitestgehend durch Billig-Produktionen der Großverlage aufrecht erhalten zu werden. 120
2. Übergang auf Hörfunk- und Fernsehprogramme
Der Entwicklungstrend der Verspartung setzte verzögert im Hörfunk- und Fernsehbereich ein. Hörfunk und Fernsehen unterliegen im Gegensatz zur Presse erhöhten gesetzlichen Auflagen, die diesen Trend erschwerten. Aus Gründen der Vielfalt wurden bevorzugt Vollprograrnme zugelassen. Somit war die Abgabe eines Spartenantrags für Bewerber risikobehaftel. 121 Indem 115
Ralf, Special Interest-Zeitschriften S. 3.
Medienbericht der BundesregieTWlg 1994, S. 119. Kiefer, MP 1983, S. 60 I, 604. 118 So aber Ralf, Special Interest-Zeitschriften S. 30. 119 Kunkel, Interview in: Horizont NT. 10 v. 12.3. 1993, S. 30. 120 Rust, in: Mediensysteme, S. 64,76-77. 121 Stümpert, Funkkorrespondenz NT. 46 v. 15. 11. 1996, S. I, 2.
116
117
B. Entwicklung der Spartenprogranune
113
man die Entstehung von Vollprogrammen förderte, wurde die Verspartung zeitlich herausgezögert. Dennoch konnte eine Zergliederung im Hörfunkbereich entsprechend dem Special Interest-Konzept im Bereich der Printmedien nicht unterbunden werden. 122 Dieser Bereich war aufgrund seiner Rezipientenbindung für eine Zerspartung sehr attraktiv. 123 Es kristallisierten sich leichter Zielgruppen heraus, für die eine adäquate Programmstruktur geschaffen werden konnte. Besondere Aufmerksamkeit im Privatrundfunk wurde dem Sender "Klassik Radio" zuteil, der seit 1990 von Hamburg aus ein Kulturprogramm für ältere Menschen sendet. 124 Die Spartenpräferenzen im Hörfunk- und Fernsehbereich differieren deutlich. Es zeigt sich, daß gerade Radios mit klassischer Musik sowie solche, die speziell auf ältere Menschen zugeschnitten sind, im Hörfunk Erfolge verzeichnen. \25 Die Verspartung im Fernsehbereich verlief zeitlich parallel zu der im Hörfunkbereich. Auffällig hierbei ist, daß die bisherigen Spartenprogramme primär auf jüngere Menschen zugeschnitten sind.
n
"Musicbox" - der erste Spartenkanal J. Entstehung
Bei dem Fernsehsender "Musicbox" handelt es sich, wie der Name schon erkennen läßt, um einen Musiksender, der sich auf die Ausstrahlung von Videoclips beschränkt hatte. \26 Unterbrochen wurden die Videoclips durch mehrfach ausgestrahlte Moderationen. Er war zunächst ab April bzw. Juni 1984 über das Kabelpilotprojekt Ludwigshafen und München direkt übertragen und im November 1985 in das Kabelnetz eingespeist worden. 127 Mit Sitz in München wurde seine Inbetriebnahme auch durch die dort ansässige Bayerische Landeszentrale für neue Medien genehmigt. Dies vollzog sich dergestalt, daß zwischen der Münchner Gesellschaft für Kabelkommunikation mbH und der Kabel Media Programmgesellschaft mbH ein Programmanbietervertrag über die Verbreitung von "Musicbox" geschlossen wurde. Ahrens/Sievers, MP 1995, S. 340. MerteniGansenlGötz, Hörfunksystem, S. 7. 124 Siehe dazu: Ahrens/Sievers, MP 1995, S. 340 ff. 125 Waldemar Schmid, Funkkorrespondenz Nr. 26 v. 27. 6. 1997, S. 6, 7. 126 Brepohl/Weber, Pilotprojekt S. 48; Faul, Femsehprogranune S. 82, zweifelt wegen seiner einseitigen Progranunausrichtung an, ob man wirklich von Spartenprogranun sprechen könne oder ob es sich nicht vielmehr um ein Monokulturangebot für Videoclips handele. 12? Brepohl/Weber, Pilotprojekt S. 2846; Mohn, MP 1985, S. 111, 115. 122
123
8 Poil
Teil II: Spartenprogranune
114
Die Sparte Musik wurde gewählt, um eine eindeutige Zielgruppe anzusprechen. Jugendliche im Alter von 15 bis 30 Jahren sollten als Zuschauergruppe gewonnen werden. 128 Das Programm wies von Anfang an keinen besonderen Gebietsbezug auf. 129 2. Umwandlung zum Vol/programm
Musicbox versuchte marktwirtschaftlieh nach dem Minimax-Prinzip zu arbeiten. Das Programm war durch einen hohen Wiederholungsanteil der Videoclips geprägt. Denn das Potential an Clips war, verglichen mit heutigen Verhältnissen, gering, und der Sender hatte von dem Medienmulti CBS keine kostenfreie Abspielerlaubnis erhalten. I 30 Darin mag einer der Gründe zu sehen sein, warum der Sender seine Ausstrahlung fiühzeitig einstellte, obwohl Sender mit ähnlicher Programmstruktur wie Viva oder MTV beweisen, daß ein derartiges Senderkonzept erfolgreich betrieben werden kann. Selbst wurde eingeräumt, daß man sich mit dem Spartenfernsehen in den achtziger Jahren "medienpolitisch .. .ins Abseits gestellt'" habe. Spartenfernsehen sei etwas anderes als ARD und ZDF. 13I Der Medienpolitiker wolle keine Spartenprogramme, er sei auf Vollprogramme fixiert. Deshalb wurde 1987 angekündigt, Musicbox zu einem Jugendunterhaltungsvollprogramm auszuweiten und auch ältere Menschen als Zielgruppe anzusprechen. 132 Denn der medienpolitisch geförderte Bedarf an Vollprogrammen schlage sich auch in der verbesserten Zulassungsmöglichkeit nieder. 133 Daraus resultierte die Entstehung des Nachfolgers Tele 5 als ,jugendorientiertes Vollprogramm".134 Der erste Spartenprogrammversuch war damit gescheitert. Die Schwierigkeiten der Anfangsphase l35 und die jahrelange Adaption der Zuschauer an Voll programme waren für diesen Spartensender Hindernisse, die nicht überwunden werden konnten.
Wolfgang Fischer, in: Medienforurn 1987, S. 194, 195. Faul, Fernsehprogranune S. 104. 130 Mohn, MP 1985, S. 111,115. 131 Wolfgang Fischer, in: Medienforum 1987, S. 194, 195. 132 Wolfgang Fischer, in: Medienforurn 1987, S. 194, 196-197. 133 Kröhne, in: Medienforurn 1989 Teil m, S. 153, 157. 134 Siehe Protokoll der BLM-Sitzung v. 10. 12. 1987, in der das neue Progranunschema von Tele 5 genehmigt wurde. 135 Dazu ausfiihrlich Wolfgang Fischer, in: Medienforum 1987, S. 194, 197 tf. 128
129
B. Entwicklung der Spartenprogramme
115
3. Erneuter Wechsel zum Spartenprogramm
Ab dem l. Januar 1993 wechselte der Sender wiederum sein Gesicht und wurde zu dem Sportspartenkanal "Deutsches Sportfernsehen" (DSF). Diese Umbildung stieß nicht wegen des Wechsels vom Voll- zum Spartenprogramm 136 sondern wegen medienkonzentrationsrechtlich bedenklicher Gesellschafterzusammensetzung auf Widerspruch, der in verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten der Landesmedienanstalten mündete. 137
m. Spartenkanäle als Programm genre der Zukunft? Die Möglichkeiten zur großräumigen Verspartung des Rundfunkmarktes werden sich mit der Digitalisierung verwirklichen. Ob sie sich aber tatsächlich durchsetzt, hängt von der Vorteilhaftigkeit des Programmgenres Spartenprogramm für den Rezipienten als auch für den Programmveranstalter ab.
1. Vorteile der Spartenprogrammejür den Zuschauer
a) Programmgarantie Angesichts der Vielzahl an Fernsehsendern ist der Rezipient mittlerweile gezwungen, sich vor seinem Fernsehkonsum über das Programm zu informieren, es sei denn, er hat keine besondere Themenpräferenz. Wenn er sich für das Einschalten eines Spartenprograrnms entschieden hat, entfällt dieser Vorgang. 138 Hier weiß der Rezipient schon vorher, welche Inhalte ihn erwarten. Für den Zuschauer stellt das Spartenprogramm insofern eine Erleichterung dar. Das Spartenprogramm gibt ihm eine Programmgarantie an die Hand und verschafft ihm dadurch eine Orientierungshilfe.
b) Ständige Verfügbarkeit Verbunden damit ist ein zeitlicher Aspekt. Der Zuschauer ist nicht mehr darauf angewiesen, sich nach den zeitlichen Vorgaben des Vollprogramms zu richten, wenn er einen bestimmten Inhalt seben möchte. Er kann sich stets bei 136 Bedenken hiergegen äußert Ring, wiedergegeben in der BLM Pressemitteilung Nr. 26/92 v. 4. 6. 1992. 137 Siehe dazu S. 48. 1]8 Sehr bildhaft geschildert bei Konrad, in: MedienweIt, S. 177, 178.
8'
Teil TI: Spartenprogramme
116
dem jeweiligen Spartenprogramm befriedigen. Eingeschobene spartenexterne Beiträge bilden hier die Ausnahme. Die ständige Verfügbarkeit des Spartenprogramms l39 gibt dem Zuschauer damit mehr Freiraum zur individuellen Tagesplanung.
c) Kleine Programmeinheiten Kennzeichen der meisten Spartenprogramme ist es, daß sie sich aus kurzen überschaubaren Segmenten zusammensetzen. Das trifft z. B. für die Sparten Nachrichten und Wetter zu. Aber auch die Musikkanäle setzen sich wegen ihrer Videoclips aus vielen kleinen Programmeinheiten zusammen. Dem Konsumenten wird damit ein schneller Einstieg in das Programm ermöglicht. Er muß sich dadurch nicht lange an das Programm binden, da sein Bedürfnis in einem kurzen Zeitabschnitt gestillt wird.
d) Fachkompetenz Dadurch, daß sich die Redaktionen eines Spartensenders nahezu auf eine Thematik konzentrieren können, ist das Programmangebot hinsichtlich dieser Sparte spezifischer als das eines Vollprogramms. Demzufolge setzen sich die Redaktionsangehörigen intensiv mit der Thematik auseinander. Sie verfügen damit aufgrund ihrer Spezialisierung über eine erhöhte Fachkenntnis. 140 Das unterscheidet ein Spartenprogramm zumindest dann von einem Vollprogramm, wenn das Vollprogramm nicht eine eigene Redaktion für diesen Bereich errichtet. Bei Spartenprogrammen ist Fachkompetenz ein Muß, bei Vollprogrammen besteht je nach Finanzkraft die Möglichkeit dazu. Gerade in Randbereichen der Sparte ist jedoch von einem besseren Kenntnisstand der Spartenprogrammredaktion auszugehen.
e) Unlimitiertes Eingehen auf spontane Ereignisse Viele Programmbeiträge sind zeitlich nicht abschätzbar. Das gilt insbesondere für Liveübertragungen. Aber auch andere Ereignisse, wie ein außergewöhnliches politisches Geschehen, können den Programmablauf durcheinanderbringen. Wegen des hohen Allgemeininteresses wird ein Vollprogramm MP 1996, S. 153, 155. Holtzbrink, Einspeisung S. 162.
139 Meise, 140
B. Entwicklung der Spartenprograrrune
117
bedeutungsvollen politischen Ereignissen eine Extrasendezeit einräumen. Diese kann aber wegen Rücksichtnahme auf die Programminteressen anderer nur ein verhältnismäßig geringes Zeitintervall beanspruchen. Ein reiner Nachrichtensender hingegen kann sich mit seiner gesamten Zeit diesem Ereignis widmen und hierauf den Schwerpunkt seiner Berichterstattung legen. Ähnlich verhält es sich bei Sportübertragungen, die wegen Verlängerungen oder Verzögerungen oftmals mehr Zeit in Anspruch nehmen, als für sie veranschlagt sind. Der Redakteur eines Vollprogramms muß hier eine Abwägung treffen. welchen Interessen er den Vorrang einräumt - den der Sportbegeisterten oder den der auf die angekündigten Beiträge Wartenden. Ein Sportsender kann das Sportereignis insgesamt übertragen. In geringem Maße muß er berücksichtigen. daß er für diese Zeit eigentlich andere Sportbeiträge angekündigt hatte. Da es sich hierbei aber auch um Sportbegeisterte handelt, kann er davon ausgehen. daß Verständnis für eine verlängerte Übertragung aufgebracht wird. Aufgrund der Tatsache. daß Spartenprogramme wenige Interessen in sich vereinen, müssen sie demzufolge auch weniger Rücksicht nehmen. Sie sind damit bei spontanen Ereignissen in ihrer Sparte in der Lage. sie mit wesentlich höherer Sendezeit als ein Vollprogramm zu würdigen.
f) Befriedigung individueller Bedürfnisse
Ein Spartenprogramm kann sich auf seinem Bereich vorbehaltlos ausbreiten. Es kann Themen ausführlicher darstellen. es kann aber auch Bereiche seiner Sparte in sein Programm nehmen, die wegen geringer Zuschauerzahl nicht im Programm des Vollprogramms ausgestrahlt werden. Dies ist besonders im Musik- und im Sportbereich der Fall. wo auch weniger bekannte Sportarten und Musikrichtungen dargestellt werden. Spartenprogramme tragen folglich dazu bei, nicht nur die Bedürfnisse der Mehrheit. sondern auch die kleinerer Bevölkerungsgruppen zu befriedigen. 141 2. Nachteile der S'partenprogrammefür den Zuschauer
a) Spartenprogrammeignung nur bestimmter Zielgruppen Obwohl hinsichtlich der Themenbesetzung von Spartenprogrammen unendlich viele Variationsmöglichkeiten bestehen. wird das in der Praxis nicht zur Folge haben. daß für alle Interessen Spartenkanäle vorhanden sein werden. 141
Schwilltowski, Spartenprogranune S. 17.
118
Teil II: Spartenprogramme
Wie bereits festgestellt, ist das Spartenprogramm neben seiner inhaltlichen Beschränkung zielgruppenfixiert. Die Entscheidung fiir eine Zielgruppe erfolgt nicht wahllos, sondern unterliegt bestimmten Kriterien. So eignen sich junge Menschen besser als Zielgruppe als ältere, weil sie beeinflußbarer und aufgeschlossener sind. Dadurch lassen sie sich schneller fiir das Programm gewinnen und sind mehr geneigt, Werbeprodukte zu kaufen oder fiir das Programm ein Entgelt zu leisten. Das spiegelt sich bereits in der deutschen Fernsehlandschaft wider, wo es mittlerweile drei Kinderprogramme und mehrere Musikprogramme fiir Jugendliche gibt, aber kein Seniorenprogramm. Diese Gruppe wird aufgrund ihrer Sender- und Produkttreue gescheut. 142 Aus denselben Gründen werden Spartenprogramme primär fiir finanzkräftige Bevölkerungsgruppen veranstaltet. Finanzschwächere Gruppen kommen nur dann in Betracht, wenn sie über eine bestimmte Größe verfugen und dadurch eine Attraktivität dieser Gruppe fiir die Werbewirtschaft erzielt werden kann. Festzustellen bleibt, daß nicht alle Gruppen ihre Interessen in den Spartenprogrammen wiederfinden, sondern nur solche Bedürfnisse berücksichtigt werden, die ein Programm aufgrund des dahinter stehenden Zielgruppenprofils rentabel erscheinen lassen. Hoffmann-Riem spricht in diesem Zusammenhang von ökonomisch motivierter "Rosinenpickerei", die es zu verhindern gelte. 143 Da diesem Nachteil ein wirtschaftliches Moment beiwohnt, mag der genannte Aspekt fiir private Spartenprogramme vermehrt zutreffen. Mit einem Kinder- und einem Dokumentations- und Ereigniskanal haben die öffentlichrechtlichen Anstalten jedoch auch Bereiche belegt, deren Zielgruppen erfolgversprechend fiir die Rentabilität des Senders sind.
b) Hoher Wiederholungsanteil Dadurch, daß ein Spartenprogramm nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung in Anspruch genommen wird, verfugt es über eine geringere Finanzausstattung als ein Vollprogramm. Um sein Programm zu fiillen, muß es folglich kostengünstig arbeiten. Deshalb arbeitet es verstärkt mit Wiederholungen, um die Rentabilität der Beiträge zu erhöhen. 144 Bei den primär zielgruppenfixierten Programmen zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Anders ist dies nur, wenn auf das Repertoire eines Vollprogramms zurückgegriffen werden kann. Wiederholungen sind besonders fiir den Zuschauer nachteilig, der sich dauerhaft einem Spartenprogramm zuwendet. So auch Lindner, Journalist Nr. 5 1994, S. 44,46. HoJJmann-Riem, AöR 109, S. 304,342. 144 Breunig, MP 1996, S. 195,202. 142
143
B. Entwicklung der Spartenprogranune
119
3. Vorteile der Spartenprogramme für den Programminhaber a)~ehrfachvenNertung
Ist für den Zuschauer ein hoher Wiederholungsanteil nachteilig, so liegt rur den Programminhaber darin ein Vorteil. Denn er kann durch mehrfache Wiederholung eines Beitrages die Produktionskosten gering halten. Die ~ehr fachvenNertung eines Programms verschafft ilun damit eine überproportionale Gewinnaussicht. I 45
b) Geringe Personalkosten Ferner läßt sich ein Spartenprogramm mit einer erheblich niedrigeren Personenanzahl betreiben als ein Vollprogramm. Hier beschränkt sich die Arbeit auf einen Inhalt und etwaige Randbereiche. Ein Vollprogramm hingegen deckt viele Inhalte ab, muß damit aber auch fachkundiges Personal einstellen, das sich dieser Inhalte annimmt. Eine geringere Anzahl an Personal wirkt sich aufgrund hoher Arbeitnelunerkosten auf die Finanzierung eines Spartenprogramms aus.
c) Spezifische Werbung Spartenkanäle üben einen besonderen Reiz auf die Werbewirtschaft aus. Dieser besteht darin, daß wegen der Zielgruppenfixierung von vornherein ersichtlich ist, wer sich für diesen Sender entscheidet. Ist die Zielgruppe genau das Klientel, welches das Unternelunen durch seine Werbung ansprechen möchte, ist die Ausstrahlung in einem Spartenprogramm effektiv. Es gibt weniger Streuverluste als bei einem Vollprogramm, bei dem das Rezipientenspektrum enNeitert ist. 146 Werbung in einem Spartenprogramm wird aufgrund ihrer höheren Wirkung besser vergütet als eine Ausstrahlung in einem "Jederrnann-Programm".147 Gerade das macht das Spartenprogramm ökonomisch attraktiv. 148 Dadurch werden zudem Werbekunden geworben, fiir deren Produkt sich eine Werbeausstrahlung wegen spezifischer Bezogenheit auf eine Hoffmann-Riem, Ruf 1984, S. 32, 45. Bullinger, in: FS fi1r Lerche, S. 493, 494; Engel, AfP 1994, S. 185, 190; kritisch Kiefer, Ruf 1996, S. 7, 15, nur bezogen auf den Zeitschriftenmarkt; Kröhne, in: Medienfonun 1989 Teil m, S. 153, 158; Schwintowski, Spartenprogranune S. 12. 147 Wiechers, Markt S. 128. 148 Schmitt Glaeser, DVB11987, S. 14,17; ders., AöR 112, S. 215,249; Kresse, Pluralismus S. 72. 145
146
Teil II: Spartenprogranune
120
kleine Bevölkerungsschicht nicht lohnte. 149 Damit wird der Werbemarkt erweitert.
d) Sicherung von Exklusivrechten Vorteile fiir ein Spartenprogramm bestehen auch insofern, als es versuchen kann, Rechte fiir Beiträge oder Übertragungen seiner Sparte zu sichern. Aufgrund seiner geringen Finanzkraft wird es ihm zwar nicht gelingen, auf exklusiven Märkten wie zum Beispiel im Bereich des Fußballs mit den Vollprogrammen mitzuhalten; Möglichkeiten bestehen jedoch bei in der Beliebtheit zweitrangigen Sportarten. Die Sicherung einer Exklusivität des Beitrags führt automatisch zu einer Bindung des daran interessierten Rundfunkteilnehmers an den Sender.
e) Weltweites Interesse Hat das Spartenprogramm einen international relevanten standardisierten Inhalt, muß seine Ausstrahlung nicht auf ein Land begrenzt werden. I so Gerade bei Musik oder Sport, wo kaum Sprachlündernisse zu überwinden sind, bietet sich eine grenzüberschreitende Verbreitung an. Das erweitert den Rezipientenkreis und bedeutet für das Spartenprogramm einen höheren Finanzertrag. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, daß sich unter den Spartenprogrammen die größte Anzahl ausländischer Sender befindet. lsl Selbst für Nachrichtensender trifft das zu, obwohl diese ihren Schwerpunkt im Bereich der Information haben und damit sprachliche Unterschiede zu überbrücken sind. Grund dafür ist das Allgemeininteresse am Weltgeschehen und die Aussendung von Nachrichten in englischer Sprache, der ein Großteil der Weltbevölkerung mächtig ist.
4. Nachteile der .s'partenprogramme für den Programminhaber
a) Gewinnung von Dauerzuschauern Bei Spartenprogrammen mit kleinen Programmsegmenten liegt die Schwierigkeit oft darin, den Rezipienten über einen längeren Zeitraum an sich zu Schwintowski, Spartenprogranune S. 12. Bullinger, in: FS flir Lerche, S. 493,494. 151 MTV, Eurosport, Euronews, CNN.
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B. Entwicklung der Spartenprograrrune
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binden. Will sich der Rundfunkteilnehmer kurzfristig informieren, wie zum Beispiel über Nachrichten oder Wetter, hat er dieses Bedürfnis schnell befriedigt. Ein hoher Wiederholungsanteil des Kanals fordert ferner die Neigung des Rezipienten, ab- oder umzuschalten. Das ist finanziell ungünstig für privatrechtliche Spartenprogramme, da ein solches Teilnehmerverhalten zu einer geringeren Wahmahme der programmintegrierten Werbung fuhrt, geschweige denn, daß der Rezipient bereit wäre, fiir die kurze Inanspruchnahme ein Entgelt zu bezalllen. b) Finanzierung durch Werbung Daß Pay TV die zukünftige Finanzierungsform fur Spartenprogramme ist, wird vielfach behauptet. J52 Alleinige Finanzierung durch Werbung wird auf die Dauer als unwahrscheinlich erachtet, weil durch den Spartenkanal kein breites Publikum erreicht werde und der Werbemarkt nicht grenzenlos ausdehnbar sei. J53 Mit Pay TV ist beim Rundfunkteilnehmer in Deutschland jedoch noch eine Hemmschwelle verbunden. Mit Ausnahme der Rundfunkgebühren war er es bisher nicht gewohnt, ein Entgelt fur das Fernsehen zu entrichten. Wegen der mangelnden Zahlungsbereitschaft sind bei einem entgeltfinanzierten Spartenprogramm Komplikationen im Hinblick auf die Etablierung beim Zuschauer zu erwarten. c) Fehlender Programmspielraum Ein Spartenprogramm hat sich an eine spezielle Thematik gebunden. Es hat einen geringen Spielraum, von seiner Progranunstruktur abzuweichen, wenn das Programm vom Rezipienten nicht angenommen wird. Änderungen können bei der Aufbereitung des Themas, durch Einfiigung spartenexterner Beiträge und im Sendeablauf vorgenommen werden. Der Programmveranstalter verfugt damit über ein enges inhaltliches Terrain, auf dem er sich bewegen kann. Ansonsten bleibt ihm nur die Möglichkeit, eine neue Zulassung zu beantragen. d) Nachteile bei der Zulassung bzw. Kabeleinspeisung In den Zulassungsvoraussetzungen in den Landesmediengesetzen findet sich teilweise die Regelung, daß Vollprogramme vor Spartenprogrammen zu152 153
Meise, MP 1996, S. 153. Zimmer, MP 1996, S. 386.
Teil TI: Spartenprogranune
122
zulassen seien. 154 Oft wird auch darauf abgestellt, welcher Bewerber einen höheren Beitrag zur Meinungsvielfalt leiste. 155 Aufgrund des inhaltlichen Breitenspektrums eines Vollprogramms hat es mehr Möglichkeiten Meinungsvielfalt darzustellen. Daher ist davon auszugehen, daß eine Entscheidung zu Lasten der Spartenprogramme ausfallen würde. Ähnliche Kriterien werden auch bei der Einspeisung in das Kabelnetz verwandt. 156 Muß ein Spartenprogramm bei seiner Bewerbung mit einem Vollprogramm konkurrieren, kann sich das nachteilig für seine Entwicklung auswirken. In Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile läßt sich festhalten, daß die Vorteile eines Spartenprogramms sowohl für den Veranstalter als auch für den Zuschauer deutlich überwiegen.
C. Spartenprogramme in der Rechtsprechung des BVerfG L Zum Begriff des Spartenprogramms Das BVerfG verwendet den Begriff des Spartenprogramms zum ersten Mal in seinem vierten Fernsehurteil, bei dem es sich mit der Verfassungsmäßigkeit des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes vom 23. Mai 1984 auseinanderzusetzen hatte. 157 Dabei überprüfte es unter anderem die Regelungen zur Vermeidung vorherrschender Meinungsmacht. Gemäß § 5 II S. 1 Nied LRG 1984 darf ein Veranstalter nicht mehr als ein Hörfunk- und ein Fernsehprogramm veranstalten, wobei es sich bei diesen Programmen um Vollprogramme handeln muß. Das Vollprogramm wird in diesem Absatz legaldefiniert. Das Bundesverfassungsgericht nimmt Anstoß an dieser Begrenzung auf Vollprogramme und kritisiert, daß es dem Veranstalter damit offen stehe, eine unbegrenzte Zahl von Spartenprogrammen zu führen. 15S Diese Gefahr bestehe besonders im Hinblick auf abhängige oder herrschende Unternehmen oder ein Konzernunternehmen des Aktienrechts, denen nach § 5 II S. 3 Nied LRG 1984 ebenfalls nur die Vollprogramme zugerechnet werden. Das Bundesverfassungsgericht fordert demzufolge strengere gesetzliche Vorkehrungen und verweist hier auf andere Landesmediengesetze, namentlich § 19 I Bad-Württ LMG. 159 Siehe FN 47. So z. B. § 21 IV Nr. I Bad-Würtl LMG; Art. 37 TI NT. 3 BayMG. 156 So z. B. § 41 TI Nr. 2 a) b) LRG NW; siehe hierzu auch die Kabelbelegungssatzung fiir Nordrhein-Westfalen v. 26. 2. 1996, abgedruckt bei Ring, Medienrecht C-VI 8.2.10. 157 BVerfGE 73, S. 118 ff. 158 BVerfGE 73, S. 118, 173. 159 BVerfGE 73, S. 118, 173. 154 155
C. Spartenprogramme in der Rechtsprechung des BVerfG
123
Das BVerfG übernimmt die Tennini von Voll- und Spartenprogramm, ohne sich näher mit ihrer inhaltlichen Bedeutung zu befassen. Im flinften Rundfunkurteil definiert es die Spartenprogramme als solche, "die auf bestimmte Arten von Infonnation, Bildung oder Unterhaltung spezialisiert sind".160 Hier zitiert es jedoch aus der Begründung des baden-württembergischen Landesgesetzgebers zu seinem Landesmediengesetz. 161 Es sieht Sparten- und Zielgruppenprogramme als zu unterscheidende Programmarten an. 162 Es stellt den Vollprogrammen ferner die "Teil- und Spartenprogramme" gegenüber. 163
11. Vorrangige Einspeisung bzw. Zulassung der Vollprogramme Das BVerfG erklärte zudem die bevorzugte Einspeisung von Vollprogrammen in das Kabelnetz flir zulässig. Dieser Vorrang müsse nicht bewirken, daß nur fmanzkräftige marktbeeinflussende Einzelanbieter zugelassen werden, sondern auch Anbietergemeinschaften die Zulassungsvoraussetzungen erfiillen können. 164 Das Nordrhein-westfälische Landesmediengesetz, mit dessen Verfassungsmäßigkeit sich das Gericht in seinem sechsten Fernsehurteil auseinanderzusetzen hatte, ging sogar noch einen Schritt weiter und enthielt in § 7 11 S.l die Regelung der vorrangigen Zulassung von Vollprogrammen vor Spartenprogrammen. Auf diese Regelung geht das BVerfG an entscheidender Stelle jedoch nicht ein, sondern erachtet lediglich das zweite Auswahlkriterium der größeren Meinungsvielfalt als sachgerecht. 165 Im Umkehrschluß ergibt sich daraus, daß eine solche Regelung nach Ansicht des BVerfG mit der Verfassung nicht in Widerspruch steht. Sie ist vielmehr von der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit umfaßt.
111. Öffentlich-rechtliche Spartenprogramme Auch zu der Problematik öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme hat sich das BVerfG bereits geäußert. Danach hat der Gesetzgeber die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen zu gleichen Bedingungen zuzulassen. Das gilt
160
BVerfGE 74, S. 297, 302.
161 LTDrucksache 9/955, S. 65 ff. 162 BVerfGE 73, S. 118, 188. 163 BVerfGE 73, S. 118, 192. 164
BVerfGE 73, S. 118, 192.
165 BVerfGE 83, S. 238, 320.
124
Teil ll: Spartenprogramme
auch für Spartenprogramme. Damit sind öffentlich-rechtliche Spartenprogramme nach dem BVerfG grundsätzlich zulässig, auch wenn sie sich nicht der unerläßlichen Grundversorgung zurechnen ließen. Grund dafür ist, daß "sie sich nur an einen begrenzten Teilnehmerkreis richten und auch thematisch begrenzt sind, so daß sie für sich genommen umfassende Information und Meinungsbildung nicht ermöglichen". 166 Die publizistische Konkurrenz hat für sie weniger Bedeutung. Vielmehr sind von öffentlich-rechtlichen Spartenprogrammen Beiträge zu erwarten, die von privaten Veranstaltern nicht verlangt werden könnten, wie etwa Programme im Kultur- und Bildungsbereich. Das kann nicht nur die Breite des gesamten Angebots erhöhen, "sondern auch ein für das kulturelle Leben in der Bundesrepublik wesentliches Element" einbringen "und in diesem Bereich der klassische Auftrag des Rundfunks wahrgenommen werden".167 Es bleibt einem späteren Teil der Arbeit vorbehalten, die widersprüchlich erscheinenden Aussagen miteinander zu harmonisieren, daß Spartenprogramme einerseits nicht der Grundversorgung angehören und andererseits den klassischen Auftrag wahrnehmen können.
D. Spartenprogramme und Pay TV I. Zum Begriff Pay TV Pay TV beinhaltet nicht eine bestimmte Programmart, sondern eine Finanzierungsart im Fernsehbereich. Danach muß der Rundfunkteilnehmer ein Entgelt entrichten, damit er ein Programm oder einen Programmteil in Anspruch nehmen kann. 168 Um einen allgemeinen Zugriff auf das Programm zu verhindern, wird es verschlüsselt ausgestrahlt. Ein Decoder, den der Zuschauer gegen Entgelt erhält, entschlüsselt die ausgesendeten Signale wieder. Man differenziert zwischen verschiedenen Typen von Pay TV - Pay per channel und Pay per view. 169 Pay per channel ist in Deutschland auch unter dem Begriff des Abonnementfernsehens bekannt. Der Rezipient erbringt hierbei regelmäßige Zahlungen für die Nutzbarkeit eines Gesamtangebots, das sich aus einem oder mehreren Pr()grammen zusammensetzt. Die Pflicht zur Zahlung des Entgelts besteht dabei unabhängig von der tatsächlichen Inanspruch166 BVerfGE 74, S. 297, 345-346. 167 BVerfGE 74, S. 297, 346. 168
169
Fuhr/Krone, Ruf 1983, S. 513, 514. HojJmann-Riem, Pay-TV S. 16.
D. Spartenprogramme und Pay TV
125
nahme des Angebots. Eine sich nach der Nutzung des Angebots richtende Zahlungsverpflichtung entsteht hingegen bei Pay per view. Der Zuschauer zahlt hier für den Konsum einer Sendung. Wie der Begriff Pay TV schon vermuten läßt, ist diese Finanzierungsform zunächst in ausländischen Staaten, primär in den Vereinigten Staaten aufgekommen. 170 In Deutschland gibt es bislang nur zwei Programme, die sich mittels Pay per channel finanzieren - den Filmsender "Premiere" und das erste digitale Fernsehpaket "DFl". Man erwartet, daß die Digitalisierung des Fernsehens dieser Finanzierungsart zur Etablierung verhelfen wird. 17I Vorerst ist jedoch eine augenf,Hlige Zurückhaltung der Rezipienten festzustellen, die ihre Ursache darin hat, daß der Zuschauer seine Bedürfnisse bisher noch genügend in den "Free TV"-Angeboten befriedigt sieht und damit nur eine geringe Zahlungsbereitschaft für ein weiteres Programm vorhanden iSt. I72
ß. Zugehörigkeit zum Rundfunk Mit Aufkommen des Pay TV war zunächst umstritten, ob diese Art des Fernsehens überhaupt unter den Rundfunkbegriff falle. 173 Nach der Definition des § I RuFuStV zeichnet sich Rundfunk dadurch aus, daß er "für die Allgemeinheit bestimmt" ist. Rundfunk muß demzufolge die Funktion eines "Massenkommunikationsmittels" erfüllen. 174 Pay TV sei indessen nur für diejenigen zugänglich, die das geforderte Entgelt bezahlen und den dazugehörigen Decoder erhalten. Es richte sich an eine Zielgruppe, mit der es Einzelverträge eingehe und stelle von daher kein Massenkommunikationsmittel dar. 175 Daß öffentlich-rechtlicher Rundfunk auch nur für die bestimmt sei, die ihre Rundfunkgebühren bezahlen oder berechtigterweise davon befreit sind,176 ändere hingegen nichts an der Tatsache, daß er weiterhin auch für jeden zugänglich bleibe. Eine Vergleichbarkeit mit Pay TV sei damit nicht gegeben. Teilweise wird auch erst in der Kombination von Pay TV mit der Programmart des Spartenprogramms der Grenzbereich des RundVergleiche Darstellung bei Zimmer, MP 1996, S. 386, 387 ff. 171 HofJmann-Riem, Pay TV S. 19; Zimmer, MP 1996, S. 386,400. 172 Zimmer, MP 1996, S. 386, 391; siehe dazu insbesondere Waldemar Schmid, Funkkorrespondenz Nr. 50 v. 12. 12. 1997, S. 3, 5, der errechnet, das den Konsumenten Fernsehen ohne Pay per view-Angebote allein 1248,60 DM kosten werde. 173 Als eine der ersten beschäftigten sich Fuhr und Krone mit dieser Frage: Ruf 170
1983, S. 513 ff.
174 So bereits BVerfGE 12, S. 205,208. 175 176
Schwarz-Schilling, ZUM 1989, S. 487,488. Ring, ZUM 1990, S. 279.
126
Teil ll: Spartenprogramme
funks gesehen, da hier versucht werde, bestimmte Nichtadressaten vom Rundfunkempfang auszuschließen. 177 Die Diskussion um die Einordnung von Pay TV ist mittlerweile ausgestanden. Die Dynamik des Rundfunkbegriffs erlaubt es, ihn nicht nur auf neue Techniken auszuweiten, I78 sondern auch auf die damit verbundenen Innovationen bei der Programmumsetzung. Der Individualisierungsprozeß der Gesellschaft fordert eine Technik, die eine selektive Bedienung von Zuschauerbedürfnissen möglich macht. Das Kriterium der Allgemeinheit tritt damit in den Hintergrund. Es sei so auszulegen, daß ein Programm nicht wirklich die Allgemeinheit erreichen müsse, sondern sich an die Allgemeinheit richte. Das treffe für Pay TV zweifelsohne ZU. 179 Entscheidend ist ferner die meinungsbeeinflussende Wirkung der Programme. Die Rundfunkdefinition muß sich dieser Entwicklung anpassen und auch Pay TV erfassen. 180 Die Probleme treten jedoch nun in gleicher Form bei der Zugehörigkeit von Multi-Media-Diensten zum Rundfunk auf. Hier ist der Individualisierungsgrad noch höher. Im wesentlichen geht es bei dieser Diskussion darum, die Gesetzgebungskompetenz für diesen Bereich zwischen dem Bund, den Ländern und der Europäischen Union festzulegen. 181 Dieser Kompetenzkonflikt ist zunächst durch die Schaffung der Multimedia-Gesetze beigelegt. Eine für das Pay TV wichtige Entscheidung liegt darin, daß "Video on demand" vom Rundfunk ausgeklammert wird und nach § 2 11 Nr. 4 MStV zu den Mediendiensten gezählt wird. 182 Es ist zu bezweifeln, daß diese Trennung sinnvoll ist. Sie schafft zulassungsfreie Räume, in die eigentliche Rundfunkveranstalter hineindrängen werden.
III. Öffentlich-rechtliches Pay TV Weiterer Streitpunkt bezüglich Pay TV ist, ob sich auch der öffentlichrechtliche Rundfunk dieser Finanzierungsart bedienen darf. Diese Überlegungen sind anläßlich der dritten Fassung des Rundfunkstaatsvertrages laut geworden, aber noch nicht in diesen eingeflossen.1 83 Die Gegner halten öffentRuf 1983, S. 513, 518. BVerfGE 57, 295, 319. 179 Dörr, in: Rundfunkbegriff, S. 121, 125; ALbrecht Hesse, BayVB1 1997, S. 132, 136. 180 HojJmann-Riem, MP 1996 S. 73,75. 181 Karepin, Journalist Nr. 6 1996, S. 44 ff. 182 Siehe ausdrückliche Nennung des "Video on demand" in der Begründung zu § 2, abgedruckt in epd medien Nr. 48 v. 25. 6. 1997, S. 27. 183 Knothe, ZUM 1997, S. 6, 7. 177 Fuhr/Krone,
178
D. Spartenprogranune und Pay IV
127
lieh-rechtliches Pay TV für verfassungswidrig, da es gegen den Integrationsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verstoße. 184 Dem wird entgegen gehalten, daß Pay TV von der Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks umfaßt sei. 185 Seine Einführung obliege dem Gesetzgeber. Gegebenenfalls sei er jedoch verpflichtet, öffentlich-rechtliches Pay TV zu ermöglichen, wenn Spartenprogramme für die Erfüllung des Programmauftrages nötig und auf andere Weise nicht finanzierbar seien. Hier wird die enge Verbindung zwischen Pay TV und Spartenprogramm deutlich: Die Bereitschaft, für ein Programm ein Entgelt zu zahlen besteht in der Regel nur, wenn das Programm spezielle Bedürfnisse befriedigt, die sich in anderen Programmen nicht wiederfinden. Daher spricht die Verbindung von Pay TV und Spartenprogramm für eine Rentabilität des Senders. Diese Kombination ist in Zukunft vermehrt zu erwarten.
184 185
140.
Meier, ZUM 1997, S. 249,254; Kresse, in: Werbefinanzierung S. 67, 101. Ho.IJmann-Riem, MP 1996, S. 73, 77; Albrecht Hesse, BayVBI 1997, S. 132,
Teil ill: Pluralismus im Rundfunk A. Begriff und Pluralismustheorien L Begriffsanalyse - die Facetten des Pluralismus 1. Pluralismus als Begriff
Die Bezeichnung Pluralismus stammt von dem lateinischen Wort "plural". Darunter faßt man die Mehrzahl von Elementen. Pluralismus stellt folglich einen Kollektivbegriff dar. Für den Begriff Pluralismus wird das Synonym "Vielheit" angeführt. 1 Zu Recht weist jedoch Steffani darauf hin, daß sich hinter dem Pluralismus mehr als eine Vielheit verbirgt. Der Pluralismus beschreibt nicht nur das Vorhandensein mehrerer Elemente, er trifft auch eine Aussage über das Verhältnis der Elemente zueinander. 2 Danach handelt es sich um autonome Elemente, die derselben Stufe angehören. Sie stehen zueinander in einem Wettbewerbs- oder Konfliktverhältnis. Das wirkt sich hingegen nicht auf ihre Gleichstellung aus, ein Element unterwirft oder verdrängt das andere nicht. Sämtliche Elemente werden in einer Einheit zusammengefaßt. Trotz dieses gemeinsamen Nenners divergieren die Elemente in ihrer Beschaffenheit. Dadurch wird die zwischen eine Konfliktsituation aufgebaut.
a) Die pluralistische Gesellschaft Der Begriff des Pluralismus dient zur Erfassung eines gesellschaftlichen Zustands. Danach gliedert sich die Gesellschaft in Macht- und Interessengruppen, die im Staat berücksichtigt werden. 3 Diese Gesellschaftsstruktur wird zu der des Liberalismus abgegrenzt, bei dem keine gesellschaftliche Gruppierung stattfindet, die Menschen einzeln le-
1 Rosl,
Pluralismus S. 24. StejJani, in: Pluralismus S. 37, 39. ) Herzog, in: Evangelisches Staatslexikon, S. 2539. 2
9 Poil
130
Teil ill: Pluralismus im Rundfunk
bende Individuen bleiben. Den anderen Pol hierzu bildet der Totalitarismus, der für eine Vereinheitlichung und Absorption des Menschen durch den Staat . steht. Der Gesellschaftspluralismus beruht auf der These, daß der Mensch von Natur aus ein soziales Wesen ist. Er hat erkannt, daß er seine Interessen in der . Massengesellschaft nur dann durchsetzen kann, wenn er sich mit Gleichgesinnten zusammenschließt und seine Bedürfnisse durch eine Organisation kanalisiert. 4 Die Gruppenbildung der Gesellschaft vollzieht sich nicht allein auf einer Ebene, sondern erfolgt in vielen Bereichen. 5 Es bilden sich Gruppen nach der konfessionellen oder politischen Einstellung, nach dem Berufsstand, Alter oder sonstigen gemeinsamen Aktivitäten und Neigungen.
b) Der pluralistische Staat Ein pluralistischer Staat erkennt die Neigung seines Volkes zur Gruppierung an, indem er den Verbänden Machtbefugnisse einräumt und sie keiner Verstaatlichung unterzieht. 6 Eine pluralistische Gesellschaft trägt damit den Konflikt gesellschaftlicher Vielheit und staatlicher Einheit in sich. 7 Eine parteienstaatliche und repräsentative Demokratie baut auf pluralistischer Interessenvertretung und pluralistischem Willensbildungsprozeß auf. Den verfassungsrechtlich garantierten Verbänden obliegen Selektion, Aggregation, Definition und Repräsentation der gesellschaftlichen Interessen in und gegenüber dem Staat. 8 Die Herrschaftsstruktur des Staates zeichnet sich damit dadurch aus, daß sie nicht auf eine Person zentralisiert ist, sondern die Staatsgewalt auf mehrere unabhängige Instanzen verteilt wird. 9 Der Vorteil einer solchen Herrschaftsstruktur liegt darin, daß die Instanzen sich sowohl gegenseitig kontrollieren und hemmen als auch zusammenarbeiten können. In der Bundesrepublik Deutschland ist der Grundsatz der Dezentralisierung von Herrschaftsmacht im Prinzip der Gewaltenteilung verankert, aber auch in der Unterscheidung von Bund und Ländern, wobei die Länder über eigene Verwaltungs- und Gesetzgebungsbefugnisse verfügen. Deutsches Rechtslexikon zum Begriff ,,Pluralismus", S. 1380. in: Evangelisches Staatslexikon S. 2539, 2540. 6 Rupert Scholz, Jahrbuch der BWG 1977, S. 53, 58. 7 Rupert Scholz, Jahrbuch der BWG 1977, S. 53, 54. 8 Rupert Scholz, Jahrbuch der BWG 1977, S. 53, 59. 9 Deutsches Rechtslexikon zum Begriff "Pluralismus", S. 1379. 4
5 Herzog,
A. BegritT Wld Pluralismustheorien
BI
c) Verwendung und Vorkommen des Begriffs Der Begriff des Pluralismus wurde zum ersten Mal 1712 von Christian WolfI verwandt. 1O In die Sozialwissenschaft eingeführt wurde er erst 1915 durch den Engländer Harold Laski. Er hatte diesen Begriff einem Werk des amerikanischen Philosophen William James entnommen, welches 1909 veröffentlicht worden war. 11 Laski nutzte den Begriff des Pluralismus zur Beschreibung von Staat und Gesellschaft und begründete eine Staatstheorie. Der Pluralismusbegriff hat damit zunächst im Staatsrecht Beachtung erlangt. In diesem Bereich umfaßt er einen Theorienkomplex, in dessen Zentrum es darum geht, wie die gesellschaftlichen Gruppen an der politischen Willens- und Machtbildung beteiligt werden können.
2. Pluralismus und Rundfunk
Die staatsrechtlichen Theorien stehen neben der Verwendung des Pluralismus im Rundfunkbereich. Erst zum Ende der sechziger Jahre wurde der Pluralismusbegriff in die medienrechtliche Literatur übernommen. 12 Hier benutzte man ihn zur Beschreibung von Medienstrukturen, wobei man bald zwischen der internen Struktur eines Rundfunkveranstalters - Binnenpluralismus - und der äußeren Pluralität durch mehrere Rundfunkveranstalter - Außenpluralismus - differenzierte. 13 Im Rundfunkbereich genießt der Pluralismus mittlerweile eine herausragende Bedeutung. Zwar stellt das Grundgesetz in Art. 5 GG keinen ausdrücklichen Bezug des Rundfunks zum Pluralismus her. Die Verbindung wurde erst durch die Rechtsprechung des BVerfG offen gelegt. Den pluralistischen Aspekt der Rundfunkfreiheit gewinnt das BVerfG unter Einbeziehung der Meinungsfreiheit des Art. 5 I S. 1 GG. Da der Rundfunk für den Bestand eines Meinungsspektrums in der Gesellschaft bestimmend ist, werden ilun Anforderungen zur Protektion und Förderung von Meinungsvielfalt auferlegt. Das BVerfG führt in seinem ersten Fernsehurteil hierzu aus, daß der Rundfunk nicht einer gesellschaftlichen Gruppe (lusgeliefert sein dürfe. Er 10 Wössner, ARS 1972, S. 483 Wlter Berufung auf Wo?tJ, Vernünftige Gedanken Band lohne genaue Zitatangabe. 11 James, A Pluralistic Universe; es erschien 1914 übersetzt in Deutschland. 12 Mayer-Maly, AfP 1968, S. 721, 722; Scheuner, AfP 1968, S. 725, 728; Dittn·ch, Pressekonzentration S. 12. 13 Dittrich, Pressekonzentration S. 12 ff.
9'
132
Teil I1I: Pluralismus im Rundfunk
müsse so organisiert werden, "daß alle in Betracht kommenden Kräfte (.. ) Einfluß haben und im Gesamtprogramm zu Wort kommen können".14 Die Kollegialorgane einer Rundfunkanstalt sollen sich daher aus ,,Repräsentanten aller bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen" zusammensetzen. IS Das BVerfG orientiert sich an einem pluralistischen Gesellschaftsbild, das es zum Leitmotiv rur die Organisation des Rundfunks deklariert. Im dritten Fernsehurteil der BVerfG wird der Pluralismus begrifflich als Ordnungsprinzip verankert. Um eine hinreichende Meinungsvielfalt im privaten Rundfunk zu sichern, könne sich der Gesetzgeber eine "binnenpluralistische(n)" Struktur der Veranstalter fordern oder diese durch eine "externe ("außenpluralistische") Vielfalt verlangen".16 Ein Bezug des rundfunk- zum staatsrechtlichen Pluralismusbegriff wurde zumindest in den AnHingen hergestellt. 17 Dann ging diese Verknüpfung verloren; nur noch vereinzelt wird sie in der Literatur vollzogen. 18 Da der gedankliche Ursprung des Pluralismus staatsrechtlicher Natur ist, soll zunächst dieser Bereich betrachtet werden, um Parallelen und Unterschiede zum rundfunkrechtlichen Pluralismus herauszuarbeiten. Dabei stützen sich beide Bereiche auf dieselbe Grundlage - eine pluralistische Gesellschaftsstruktur.
11. Die Pluralismustheorien Europas unter Einschluß der Integrationslehre Smends 1. Die Genossenschaftslehre Otto von Gierkes
Auch wenn der deutsche Jurist Otto von Gierke den Terminus des Pluralismus nicht in seinen Abhandlungen erwähnt, bildet seine Genossenschaftslehre die Basis der Pluralismustheorien in Europa: In seinem Werk ,,Das deutsche Genossenschaftsrecht" stellte er den theoretischen Befund rur die Neigung der Menschen zum Verbund. Nach von Gierke ist eine Genossenschaft jede auf freier Vereinigung beruhende deutsch-rechtliche Körperschaft und damit ein Verein mit selbständiger
14 BVerfGE 12, S. 205, 262-263. 15
BVerfGE 12, S. 205, 261-262.
16 BVerfGE 57, S. 295, 325. Mayer-Maly, AfP 1968, S. 721, 723. Lange, MP 1980, S. 133, 141 und Kresse, ZUM 1995, S. 178, 181 weisen zumindest auf die Pluralismustheorien hin, stellen aber keine klaren Bezüge her; Walter Schmidt, MP 1984, S. 429, 430 ff. kommt zum Ergebnis ihrer fehlenden Übertragbarkeit auf den Rundfunk. 17
18
A. Begriff und Pluralismustheorien
133
Rechtspersönlichkeit. 19 Er verwehrt sich dagegen, die Genossenschaft - das Zentrum des deutschen Rechtslebens - wie im römischen Recht als fingierte Person zu begreifen. Ein derartiges ,juristisches Kunststück" widerspreche dem Wesen der Rechtswelt, die nur das regele, was in der Realität vorhanden sei. 2o Nicht konform geht von Gierke vor allem mit der Konsequenz der Fiktionstheorie, daß auch der Staat nur eine fingierte Person darstelle. 21 Er qualifiziert die menschlichen Verbände als reale Einheiten, die über eine rechtliche Organisation verfügen; die Juristik bedürfe keiner Fiktion, um zu einer Verbandspersönlichkeit zu gelangen; sie müsse nur das rechtlich anerkennen, was ihrer tatsächlichen Beschaffenheit entspreche. Der Verband setze sich aus seinen Mitgliedern zusammen. Ihre Position im Verband, ihr Verhältnis zu anderen Gliedpersonen und ihre Zuständigkeiten werden durch das Sozialrecht geregelt, das sowohl das öffentliche Recht als auch die Ordnung privater Verbandspersonen umfasse. 22 Die Gliedperson wird damit zum Organ des Verbandes. Durch seine Organe tritt der Verband nach außen und präsentiert sich als urteilende, wollende und handelnde Einheit. Hierin entäußert sich sein realer Bestand. Folge der Theorie von der realen Verbandspersönlichkeit nach von Gierke ist, daß er ohne weitere juristische Konstruktion von einer Geschäfts- und Deliktsfähigkeit der Verbände ausgehen kann. 23 Der Verband muß nach von Gierke zwingend über eine reale Persönlichkeit verfügen, da er etwas Höheres und Wertvolleres darstelle als nur die Summe der in ihm vereinten Individuen. 24 Die Genossenschaftsidee beinhalte die Möglichkeit der Menschen, sich ohne staatliches Zutun in einem Verein zusammenzuschließen, um nach Höherem zu streben. Sie führt von Gierke zufolge zu einer Neubelebung des Verbandswesens. Der Mensch werde die Vorteile dieser Art der Vereinigung wiederentdecken. 25 Als höchste Genossenschaft begreift von Gierke den Staat. 26 Dadurch sei das staatliche Gebilde jedoch nicht umfassend wiedergegeben. Vielmehr ver19
20 21
Gierke, Genossenschaftsrecht Band I S. 5. Gierke, Verbände S. 9. Gierke, Verbände S. 10 11.
22 Den Gegensatz dazu bilde das Individualrecht, das die Verhältnisse der Menschen untereinander regelt. Diese Zweiteilung entspreche der Doppelnatur des Menschen, der einerseits Individuum und andererseits Teil einer höheren Einheit ist; Gierke, Verbände S. 28. 23 Gierke, Verbände S. 30. 24 Gierke, Verbände S. 36. 25 Gierke, Genossenschaftsrecht Band I S. 11. 26 Gierke, Genossenschaftsrecht Band I S. 832.
Teil ill: Pluralismus im Rundfunk
134
eine der Staat sowohl genossenschaftliche als auch herrschaftliche Elemente in . sich. Er ist ein Gemeinwesen, das genossenschaftlich organisiertes Staatsbürgertum und obrigkeitliche Spitze organisch verbinde und damit eine neue lebendige Einheit schaffe, die mehr sei als die Summe ihrer Elemente. 27 Die genossenschaftlich organisierte Gesellschaft gehe im staatlichen Gebilde auf. Gierke vertritt somit die These einer Identität von Staat und Volk im Sinne der modemen deutschen Staatsidee. 28 Zum Ausdruck kommt hierin, daß er den Staat als historisch gewachsenen Organismus betrachtet, dessen Glieder die Menschen sind. Deshalb verfüge der Staat nur über eine unteilbare Staatspersönlichkeit, die durch den Herrscher und das Volk als Organe des Staates repräsentiert werden. 29 Weil Volk und Staat dadurch ~ng verbunden seien, kann es nach von Gierke nicht zu Konflikten zwischen diesen kommen.
2. Die Pluralismustheorie Henri Laskis Der Engländer Henri Laski greift die Theorie Otto von Gierkes von der realen Verbandspersönlichkeit auf, um sie als Ausgangspunkt für seine Pluralismustheorie zu nutzen. 30 Er geht ebenfalls von der These aus, daß die Gesellschaft sich in Assoziationen zusammenschließe. Er setzt sich mit der monistischen Staatstheorie auseinander, die den Staat als Rahmen ansieht, der die Vielheit der gesellschaftlichen Gruppen in sich vereine. Laski lehnt die Auffassung ab, daß der Staat eine solche Einheit herstellen könne: Zum einen könne keine Einheit umfassend genug sein, als daß sie sämtliche pluralistischen Strömungen in sich aufnehme. 31 Zum anderen setze eine Einheit voraus, daß die gesellschaftlichen Gruppen im Staat aufgingen. Keine der gesellschaftlichen Gruppen könne jedoch mit dem Staat gleichgesetzt werden. Sie seien autonom und verfolgen ihre Gruppeninteressen, die keinen staatlichen Bezug aufwiesen. Eine andere Ansicht erachtet Laski als gezwungen. Wenn damit eine Trennung der Gruppen vom Staat bestehe, könne demzufolge auch der Staat letztlich nichts anderes sein als eine dieser Gruppen. 32 Der Unterschied zu den übrigen Gruppen bestehe lediglich darin, daß eine Zwangslnitgliedschaft derer existiere, die sich auf dem staatlichen Territorium
Gierke, Genossenschaftsrecht Band I S. 833. Gierke, Genossenschaftsrecht Band I S. 830. 29 Gierke, Genossenschaftsrecht Band I S. 827. 30 Laski, Sovereignty S. 4. 31 Laski, Sovereignty S. 10. 32 Laski, Sovereignty S. 11.
27
28
A. Begriff \U1d Pluralismustheorien
135
befinden. 33 Damit bleibt offen, ob der Staat neben oder über den gesellschaftlichen Verbänden steht. Er steht gemäß Laski darüber, wenn er sich durch ständige Souveränität auszeichnen würde. Souveränität erlange der Staat aufgrund seines moralisch hohen Anliegens. Laski negiert die Möglichkeit, daß der Staat auch durch Gewalt souverän werden könne. Souveränität sei keine beständige Größe, sondern ein Prozeß. Er offenbare sich in der Fähigkeit, die Zustimmung der Staatsmitglieder zu erlangen. 34 Das bedeute, daß der Staat sich diese Souveränität bei den gesellschaftlichen Gruppen durch Leistung erarbeiten müsse. 35 Das Ziel eines Staates soll in der Erfüllung des Gemeinwohls bestehen, namentlich in der Verfolgung sämtlicher Gruppeninteressen. Da das unmöglich ist, müsse er zumindest Gründe dafür anführen, warum einige Interessen nicht befriedigt werden können. Wenn aber der Staat Gruppeninteressen nicht beachte, bestehe auch keine Pflicht, ihm gegenüber loyal zu sein, sondern es resultiere die Pflicht zum Widerstand gegen den Staat. 36 Diese Theorie Laskis wurde daher als die "Lehre von der Pluralität der Souveränitäten" bekannt. 37 Laski erkannte später, daß seine Lehre auf eine Befugnis der Gesellschaft zum permanenten Bürgerkrieg hinauslief und somit nicht praktizierbar war. Daher deutete er sie durch Einbeziehung marxistischen Gedankenguts um. Er behauptete, daß es keinem Staat gelingen wird, sämtliche Gruppeninteressen in sich zu vereinen. Der Staat werde vielmehr ausschließlich die Bedürfnisse der Klasse befriedigen, die über die Produktionsmittel verfüge. Denn er könne sich bei seinem Streben nach Souveränität nicht den wirtschaftlichen Gegebenheiten entziehen. Damit vernachlässige und unterwerfe er die anderen Klassen. Eine pluralistische Gesellschaft könne sich demzufolge nur verwirklichen, wenn sie eine klassenlose Gesellschaft sei. 38 So gebe es weder eine herrschende Klasse, noch Anlaß für eine Zwangsgewalt. Der Staat als souveränes Zwangsinstrument wäre zweckentleert, so daß kein Bedürfnis für seine Existenz mehr bestehe. 39
Laski, Politics S. 37. Laski, Sovereignty S. 14. 35 Laski, Sovereignty S. 23. 36 Laski, Politics S. 39. 37 StejJani, in: Pluralismus, S. 37, 59; Fraenkel, Verhandlungen des 45. DIT Band II 1964, S. B5, B12. 38 Laski, Politics (4. Auflage) S. Xll. 39 Laski, Politics (4. Auflage) S. XIll. 33
34
136
Teil III: Pluralismus im Rundfunk
3. earl Schmitt und die Begründung des Totalitarismus
Der deutsche Jurist earl Schmitt trifft ein perhorreszierendes Urteil über den Pluralismus, das er auf die leidvollen Erfahrungen mit dem politischen System der Weimarer Republik stützt. Schmitt beschreibt den Verfassungszustand der Weimarer Republik mit den Worten Pluralismus, Polykratie und Föderalismus. Unter Pluralismus versteht er eine Vielzahl fest organisierter sozialer Machtkomplexe, die sich der staatlichen Willens bildung bemächtigen, ohne ihren Status als soziale und damit nichtstaatliche Gebilde zu verlieren. 4o Leitgedanke der Verfassung sei die Trennung zwischen Staat und Gesellschaft. 41 Der Gesellschaftsbegriff sei die Kennzeichnung dessen, was nicht Staat ist. Das Parlament ist nach Schmitt Volksvertretung und gesetzgebende Gewalt; es darf von seinen Befugnissen nicht in verfassungswidriger Weise Gebrauch machen. Das Parlament stelle folglich den Hüter der Verfassung dar, weil es Regierung bzw. Staat als Gegner gegenüberstehe. 42 Wenn die Dualistik von Staat und Gesellschaft sich verliere, verschwimmen die Konturen zwischen diesen beiden Bereichen. Die Gesellschaft werde identisch mit dem Staat; alle gesellschaftlichen Probleme werden somit zu staatlichen Problemen. In keinem Gebiet mehr könne vom Staat Neutralität verlangt werden, alles sei zumindest potentiell staatlich oder politisch. 43 Die sich im Staat organisierende Gesellschaft werde demnach dazu übergehen, einen totalen Staat zu bilden, bei dem Staat und Gesellschaft übereinstimmen. 44 Die Selbstorganisation der Gesellschaft habe jedoch nicht automatisch eine gesellschaftliche bzw. eine staatliche Einheit zur Folge. 45 Der Entwicklung des totalen Staates stehe ein pluralistisches Mehrparteiensystem entgegen. Es verhindere die Wendung zum totalen Staat, in dem jede Partei Totalität beanspruche. Die feste Organisation der Parteien unterbinde die Transformation und Umschmelzung des egoistischen Parteiwillens zu einem Staatswillen. Keine Partei sei infolgedessen bereit, seine Interessen zugunsten anderer Parteien aufzugeben. Folge dessen sei ein labiler Koalitions-Parteien-Staat, der sich durch den beständigen Parteienpluralismus nur mittels Kompromißhandels aufrecht erhalten könne. Aufgrund der starken Parteibindungen der Menschen könne kein einheitlicher Staatswille entstehen. Der Staat werde ein Abbild seiner pluralistischen
Schmitt, Schmitt, 42 Schmit!, 43 Schmitt, 44 Schmit!, 45 Schmitt, 40
41
Verfassung S. Verfassung S. Verfassung S. Begriff S. 11. Verfassung S. Verfassung S.
71. 73. 78. 79. 83.
A. Begriff und Pluralismustheorien
137
Aufteilung. 46 Das Parlament werde zum Schauplatz pluralistischer Aufteilung, auf dem sich die einzelnen Mächte artikulieren. Folge sei entweder eine Handlungsunfähigkeit des Staates oder ein Machtmißbrauch der jeweiligen Mehrheit. Auch sei die staatliche Willensbildung durch Entscheidung der Mehrheit für eine pluralistische Gesellschaft ungeeignet. Demokratie setze ein gleichartiges Volk mit identischen Interessen voraus. 47 Ansonsten bedeute die Regierung der Mehrheit stets eine Vergewaltigung und Unterwerfung der Minderheit; die Übereinstimmung von Regierenden und Regierten entfalle. So erreiche die Mehrheitspartei auf legalem Wege eine Unterdrückung der Minderheit. 48 Dadurch werde der Legalitätsbegriff ausgehöhlt. Die Mehrheit sei durch Erhalt der Machtmittel nicht mehr Partei, sie sei der Staat. 49 Nehme der Staat die pluralistische Aufteilung seiner Gesellschaft an, zerstöre er sich selbst. Denn dadurch erwachse keine Staatstreue sondern eine Treue des Menschen zu seinem Verband. Dadurch werde die pluralistische Aufteilung stabilisiert und die Bildung einer staatlichen Einheit gefahrdet. Es gelte nicht mehr der Legalitätsanspruch der Verfassung, sondern jede Gruppe habe ihren eigenen Legalitätsanspruch, der darin besteht, die ihm durch die Verfassung eröffneten Machtbefugnisse auszuschöpfen. Die Verfassung als Basis des Staates zerfalle. Der Staat dürfe daher die pluralistische Struktur seines Volkes nicht übernehmen, sondern müsse eine Einheit bilden. SChlnitt stellt sich damit in Opposition zu der Pluralismustheorie Laskis, derzufolge der Staat diese Einheit nicht schaffen könne. Nach Schmitt hingegen stellt der Staat durch seinen politischen Charakter eine Einheit her. 50 Der Begriff des Politischen, der laut Schmitt von den bisherigen Vertretern der Pluralismustheorie ignoriert worden ist, entäußere sich insbesondere in der Unterscheidung zwischen Freund und Feind. 51 Durch diese Einteilung fanden sich gruppenübergreifend Menschen zusammen oder separieren sich voneinander. Der Staat könne einen moralischen, religiösen, ökonomischen oder anderen Gegensatz hervorheben und ihn dadurch zu einem politischen Gegensatz transformieren, der eine Spaltung der Menschen in Freund und Feind bewirke. 52 Dieses Instrument gebe ihm die Macht, aus seiner Bevölkerung eine Einheit zu formen. Eine politische Einheit könne aber nur in geringem Maße Schmitt, Verfassung S. 89. Schmitt, Legalität S. 31. 48 Schmitt, Legalität S. 33. 49 Schmitt, Legalität S. 35. 50 Schmitt, Begriff S. 31. 51 Schmitt, BegriffS. 14. 52 Schmitt, Begriff S. 25.
46
47
Teil ill: Pluralismus im Rundfunk
138
staatsübergreifend gefördert werden. Eine politische Welteinheit sei nicht möglich, so daß zwischen einzelnen Staaten immer ein Pluralismus bestehen bleiben werde. 53 Auch widerlegt Schmitt die These Laskis, daß der Staat nur eine Gemeinschaft neben anderen gesellschaftlichen Gemeinschaften sei. Der Staat verfuge über das ius belli und habe damit die Macht, über das Leben anderer zu entscheiden. 54 Das erhebe ihn über jede andere Gemeinschaft.
4. Der Neo-Pluralismus Ernst Fraenkels Nach Ende des zweiten Weltkrieges war es der Politologe Ernst Fraenkel, der den Begriff des Pluralismus wieder in die politische Diskussion einfiihrte. Er schloß an die theoretischen Ausführungen earl Schmitts an, der die Verwirklichung des Pluralismus durch den Staat abgelehnt und eine totalitäre Staatsstruktur befürwortet hatte. Wenn also der Totalitarismus aus einer Ablelmung des Pluralismus geboren war, so sollte es laut Fraenkel möglich sein, den Totalitarismus mittels einer Negation der Negation durch einen NeoPluralismus zu überwinden. 55 Mit der Bezeichnung "Neo-Pluralismus" kombinierte Fraenkel Neues mit Altem. Er signalisierte damit, daß er an das Gedankengut der Pluralismustheorien anknüpfte. Gleichzeitig wollte er ihre totalitären Schlußfolgerungen nivellieren und die Skepsis bezüglich der Wirkungsweisen des Pluralismus aus dem Weg räumen. Das setzte die Feststellung voraus, daß es sich bei Pluralismus und Totalitarismus um gegensätzliche Herrschaftssysteme handelt. In Auseinandersetzung mit dem autokratischen Herrschaftssystem des Totalitarismus sollte zum Aufbau einer freiheitlichen Demokratie beigetragen werden, die sich zum Pluralismus bekennt und stolz auf ihn ist. 56 Ziel seiner theoretischen Ausführungen war es, durch Analyse der westlichen Staaten ein pluralistisches Demokratiemodell zu entwickeln. a) Anti-Pluralismus Fraenkel gewinnt die Erkenntnisse seines Neo-Pluralismus durch Auseinandersetzung mit dem Anti-Pluralismus von lean lacques Rousseau. Nach Rousseau ist bereits die Formierung der Bürger zu Interessengruppen staats-
Schmitt, BegrifI S. 41. Schmitt, BegriffS. 36. 55 Fraenkel, in: Verhandlungen des 45. DIT Band II 1964, S. B5, BI 3. 56 Fraenkel, in: Verhandlungen des 45. DIT Band II 1964, S. B5, B9.
53
54
A. Begriff und Pluralismustheorien
139
gefährdend. Solche Zusammenschlüsse seien lediglich auf die Entäußerung eines Partikularwillens gerichtet, der sich über den Gemeinwillen hinwegsetze. Denn der Mensch neige seit der Entstehung von Eigentum zu Eigensucht. Deshalb sei ihm daran gelegen, seine Interessen über die anderer zu stellen und Menschen seinem Willen zu unterwerfen. Um Abhängigkeiten zu verhindern, müsse an der Homogenität der Gesellschaft gearbeitet werden. 57 Fraenkel zieht Parallelen der Ausführungen Rousseaus zu den Erörterungen Schmitts. Beide gingen von einer Einheit des Staates aus. 58 Dieser Vergleich ist jedoch verfehlt. Schmitt wollte nicht den pluralistischen Zustand der Gesellschaft verändern, sondern die Unterschiede durch den Staat als politische Einheit überwinden. Es wird jedoch die Intention Fraenkels deutlich, Schmitt nicht als Vertreter sondern als Gegner des Pluralismus einzuordnen. Pluralismus und Anti-Pluralismus unterscheiden sich laut Fraenkel durch das Verhältnis von Homogenität und Heterogenität in Staat und Gesellschaft. Beide Extreme seien weder vom Pluralismus noch vom Anti-Pluralismus gewollt. Das präzisiert Fraenkel durch den Satz: "Pluralistisch ist nicht ein Staat, der nur pluralistisch, pluralistisch ist ein Staat, der auch pluralistisch ist. ,,59 Er verdeutlicht, daß seinem Neo-Pluralismus ein Gesellschaftsbild zugrundeliegt, das durch unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse der Mitglieder geprägt ist. Das spiegelt sich in der Verbandsorganisation der Gesellschaft wider; der Staat müsse hierfür den erforderlichen Freiraum zur Verfügung stellen. b) Consensus omnium Zur Zulassung einer liberalen Betätigung dieser Verbände im Staatsgefüge bedürfe es aber eines "consensus omnium".60 Es sei das unerläßliche einheitsstiftende Element des Pluralismus. Einem kontroversen Bereich des gesellschaftlichen Lebens müsse also ein nicht-kontroverser Sektor gegenüberstehen. 61 Der consensus omnium sei somit nicht allwnfassend. Er sei erforderlich bei Verfahrensnormen, die eine Entscheidungsfindung für alle verbindlich mache. Er müsse zudem einen Wertekodex enthalten, der allgemein anerkannt werde und der dadurch für Konvergenz in Grundfragen sorge. 62 Daraus folgert Fraenkel, daß ein pluralistischer Staat nur als Rechtsstaat denkbar ist. 63 57 Rousseau,
Ursprung S. 47 ff. Fraenkel, in: Verhandlungen des 45. DIT Band n 1964, S. B5, B17. 59 Fraenkel, in: Theorie, S. 3, 16. 60 Fraenkel, in: Verhandlungen des 45. DIT Band n 1964, S. B5, B 18. 61 Fraenkel, Reformismus S. 401. 62 Fraenkel, Reformismus S. 410. 58
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Teil Ill: Pluralismus im Rundfunk
Die Zulassung einer Konfliktaustragung der Interessengruppen sei nur möglich, wenn sie auf einer Konsensbasis beruhe. Bestehe diese nicht, sei die Existenz des demokratischen Staates in Frage gestellt. Denn durch den consensus omnium könne der Staat regulierend auf die Gruppen einwirken, die in der Konsensbasis die Schranken ihres Freiraums finden. 64 Damit grenzt Ernst Fraenkel seinen Neo-Pluralismus zum "Laisser-faire-Pluralismus" ab. 65
c) Staat als Gruppe "sui generis" Der Staat ist nach Fraenkel nicht eine mit gesellschaftlichen Assoziationen gleichzusetzende Gruppe, wie es Laski vertreten hat. Er bildet fiir ihn eine Gruppe sui generis. 66 Seine Besonderheit ergebe sich daraus, daß er nicht nur eine Interessenverbindung darstelle, sondern mehrere Partikulargruppen und damit mehrere Interessen in sich vereine. d) Gemeinwohl Aus diesem Bild eines Staates der Partikularinteressen ergibt sich die Frage, wie dieser Staat einen Gemeinwillen hervorbringen kann. Das Gemeinwohl ist nach Fraenkel nicht etwas Vorgegebenes, das objektiv zu ermitteln sei. 67 Erst durch Kommunikation der Gruppen untereinander könne das Gemeinwohl ermittelt werden. Das Gemeinwohl sei damit keine soziale Realität, sondern eine regulative Idee. 68 Was das Gemeinwohl impliziere, sei daher erst im nachhinein - aposteriori - ablesbar. 69 Eine pluralistische Demokratie vertraue auf die Bindungswirkung dieser regulativen Idee, während ein totalitärer Staat dieser mißtraue und daraus die Konsequenz ziehe, das pluralistische Erscheinungsbild der Gesellschaft aufzuheben. 70 e) Zur Rolle der Parteien Der Willensbildungsprozeß der Gesellschaft soll sich durch Auseinandersetzung der Gruppen vollziehen. Dabei kommt den politischen Parteien beFraenkel, in: Verhandlungen des 45. DJT Band TI 1964, S. B5, B29. Fraenkel, Demokratie S. 46. 65 Fraenkel, Reformismus S. 430. 66 Fraenkel, Reformismus S. 428. 67 Fraenkel, in: Theorie, S. 3,9; ders., Reformismus S. 407. 68 Fraenkel, Demokratie S. 42. 69 Fraenkel, Reformismus S. 408. 70 Fraenkel, Demokratie S. 43. 63
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A. Begriff und Pluralismustheorien
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sondere Bedeutung zu. Denn der Pluralismus solle letztlich die Transformation von gesellschaftlicher in politische Energie verwirklichen. 71 Der Zusammenschluß der Menschen zu Verbänden verhelfe dem Individuum zum einen aus seiner Isolation. Zum anderen entfremde er ihn vom Staat. Diese Entfremdung müsse unterbunden werden, indem die Gruppen in die staatliche Entscheidungsfindung eingebunden werden. Eine Einbindung der Gruppen erfolge durch die Parteien. Sie kanalisieren die einzelnen Gruppeninteressen und lassen sie in der politischen Diskussion aufeinandertreffen. Sie sollen die Interessen durch Kompromißfindung in Ausgleich bringen und werden von Fraenkel daher als soziale und politische Katalysatoren bezeichnet. 72 Sie verschmelzen die partikularen Gruppenwillen zu einem Gemeinwillen und verwirklichen so im dialektischen Prozeß das Gemeinwohl.
f) Dialektische Durchsetzung des Pluralismus
Fraenkel spricht selbst von der Dialektik seines Pluralismus. 73 Er bezieht seine Aussage auf das Nebeneinander von Konsens und Dissens in einer pluralistischen Staatsform. Konsens muß über Verfahrensweisen und Grundfragen bestehen, um den Dissens in den übrigen Bereichen austragen zu können. Dem Neo-Pluralismus Ernst Fraenkels ist aber eine weitere Dialektik immanent: das Verhältnis von Integration und Desintegration. Wie es im Pluralismus zu einem Nebeneinander von Konsens und Dissens kommt und der Dissens dazu verwandt wird, zu einem Komprorniß und wiederum zu einem Konsens zu gelangen, so verursacht er durch Zulassung einer Gruppenbildung zunächst eine desintegrierende Wirkung, um die Gruppen durch gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung im Staatsgebilde zu integrieren. Auch Fraenkel verwendet die Begriffe der Desintegration und Integration. Er räumt ein, daß der Pluralismus durch eine latent vorhandene desintegrierende Wirkung gekennzeichnet sei. 74 Er bezieht sich dabei auf den Desintegrationsprozeß von Staat und Gesellschaft. Indem der Staat eine Spaltung der Gesellschaft in Interessengruppen zulasse, grenzen sich die Gesellschafts- von den Staatsrnitgliedern ab. Ihre primäre Zugehörigkeit gelte damit nicht dem Staat sondern ihrer Gruppe. Der Pluralismus tritt damit in eine enge VerbinFraenkel, Refonnismus S. 402. Fraenkel, Demokratie S. 47. 73 Fraenkel, in: Theorie, S. 3, 16. 74 Fraenkel, Refonnismus S. 424. 71
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Teil I1I: Pluralismus im Rundfunk
dung zum Anarchismus. 75 Die organisierte Untergliederung der Gesellschaft erschwere ihren Zusammenschluß im Staat. Daher sei der Pluralismus in seinem Ursprung desintegrierend. Diese Entwicklung will Fraenkel unterbinden, indem er die gesellschaftlichen Gruppen auf einer konsensualen Basis vereint. 76 Die Konsensbasis ermögliche einen offenen Interessenaustausch der Gruppen. Die Gesellschaft untergliedere sich damit, um in dieser Formation aufeinander zu treffen und durch Verständigung zu einer Einheit zu verwachsen. Für Fraenkel sind die Parteien demzufolge nicht Ausdruck einer politischen Desintegration, sondern Integrationsfaktoren des gestreuten Gruppenwillens. 77 Sie sollen den dialektischen Prozeß von Desintegration zur Integration enzymähnlich vorantreiben. Dadurch werde die Dialektik von Staat und Gesellschaft überwunden. 78 Die Bewegung von Desintegration zu Integration ist die gruppendynamische, die Bewegung vom Dissens zum Konsens die meinungsspezifische Betrachtung des pluralistischen Ziels, von einer Vielheit zu einer Einheit zu gelangen. Dabei ist er im Gegensatz zum Totalitarismus darauf bedacht, nur das rur eine staatliche Einheit Notwendige zusammenzuruhren und die gesellschaftlichen Gegensätze aufrechtzuerhalten. Der Pluralismus wird durch den dialektischen Prozeß geprägt, welcher darin besteht, einen Zustand hinzunehmen um aus ihm heraus sein Gegenteil zu bewirken. Die Integration der Gesellschaft im Staat ist damit ein Ziel des Pluralismus. Jemand, der sich ausfiihrlich mit der Integration in diesem Sinne befaßt hat, war Rudolf Smend. Er entwickelte eine Integrationslehre. Obwohl Smend nicht als ein Vertreter der Pluralismustheorie bezeichnet werden kann, soll seine Lehre hier aufgegriffen werden. Nicht nur, weil der Vorgang der Integration ein Bestandteil des Pluralismus ist, sondern auch, weil die Spartenprogramme im Rundfunk wegen ihrer desintegrierenden Wirkung kritisiert werden.
5. Die Integrationslehre Rudo/f Smends Der Rechtswissenschafter Rudolf Smend definiert den Terminus der Integration als die Entstehung bzw. Wiederherstellung einer Einheit aus einzelnen Elementen mit der Folge, daß die Einheit mehr darstellt als die Summe ihrer Bestandteile. 79 Er wendet sich ab von der Bedeutung der Integration als wis-
Kaiser, Repräsentation S. 319. Fraenkel, in: Gesellschaft Il 1932, S. 297, 308-309. 77 Fraenkel, Demokratie S. 47. 78 Kaiser, Repräsentation S. 338. 79 Smend, Abhandlungen S. 482; diese Definition erinnert an die Verbandslehre von Gierkes; siehe Gierke, Verbände S. 36. 7S
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senschaftliche Methode und betrachtet sie als Vorgang. Sie impliziert für ihn den fortlaufenden Erneuerungsprozeß eines Staates, "ein Plebiszit, das sich ständig wiederholt". 80 Als der zentrale Vorgang staatlichen Lebens sorgt sie dafür, daß die Akzeptanz des Staates artikuliert wird, indem die Mitglieder seinen Bestand bejahen und ihn tragen. 8 I Seinen hohen Stellenwert erlange der Integrationsprozeß durch den Zerfall tradierter Bindungen und Verbände einerseits und die Möglichkeiten internationaler Beschlüsse andererseits. 82 Smend trennt drei Integrationstypen - die persönliche, die funktionelle und die sachliche Integration. Diese Einteilung sei jedoch weder abschließend, noch sage sie aus, daß die drei Integrationstypen nur alternativ und nicht auch kumulativ in Erscheinung treten können. 83 Die persönliche Integration erfolge im Staat durch Personen, die im Staat Führungspositionen inne haben, das heißt eine öffentliche Funktion wahrnehmen. 84 Sie seien Repräsentativorgane, die eine Einheit des Staatsvolkes verkörpern. Die funktionelle Integration wird durch kollektivierende Lebensformen verwirklicht. 85 Das beinhalte vor allem Vorgänge staatlicher Willensbildung wie Abstimmungen und Wahlen. Gerade die Institution des Parlaments nehme dabei eine integrierende Funktion wahr. Wichtig sei, daß alle am Verfassungsleben teilnehmen. Der funktionellen Integration gehöre weiterhin die Herrschaft an. Die Prozesse staatlicher Willensbildung führen dazu, daß jemand zur Führungsperson erhoben wird, seien zum anderen darauf gerichtet, daß dieser die Werte der Gemeinschaft verwirkliche. 86 So entstehe eine Erlebnisgemeinschaft. Die Verfolgung von Staatszwecken und -aufgaben - die Sinnverwirklichung des Staates - führen zu einer sachlichen Integration. 87 Da sich derartige Ziele im geistigen Bereich vollziehen, werden sie durch Symbole wie Fahnen, Wappen und Zeremonien faßbar gemacht. Damit sei der symbolisierte Wertgehalt für das Staatsvolk wahrnehmbar. Ferner sei das Staatsgebiet als Austragungsort staatlicher Zielverwirklichung ein Moment sachlicher Integration. Das Staatsmitglied identifiziere sich mit ihm als sein Heim- und Vaterland, das für eine politische Wert- und Lebensgemeinschaft stehe. 88
Smend, Verfassung S. 18. Smend, Abhandlungen S. 483. 82 Smend, Abhandlungen S. 482483. R3 Smend, Verfassung S. 25. M Smend, Abhandlungen S. 476. R5 Smend, Verfassung S. 32. R6 Smend, Verfassung S. 42-43. R7 Smend, Verfassung S. 45 51. RR Smend, Verfassung S. 56. 80 RI
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Teil ill: Pluralismus im Rundfunk
Die Integrationslehre Smends erschließt das Verhältnis des Individuums zu der sozialen Welt. Danach vollzieht sich die Integration als unbewußter Prozeß, in dem sich einzelne durch Schaffung von Gemeinsamkeiten zusammenfinden. Der Staat müsse durch seine Verfassung hierfür eine Lebensordnung schaffen, die sich mit dem Einbezug einzelner Gesellschaftsmitglieder entfaltet. Dabei stellt die Integration den Gegenstand oberster Verfassungspflichten dar. 89 Warum der Vorgang der Integration für den Staat elementar ist, begründet Smend damit, daß d~r Staat als solches nicht durch äußere Gewalten zusammengehalten wird. 90 Deshalb sei er auf die Zustimmung seiner Staatsmitglieder angewiesen. Auch wenn der Staat demzufolge nicht durch ein äußeres System abgesichert werde, schaffe er hingegen selbst einen festen Rahmen für die gesellschaftlichen Gruppierungen, deren Erhalt er protektioniere.
6. Verhältnis von IntegrationsIehre und PIuralismustheorie Obwohl die Integrationslehre nicht den Anspruch erhebt, eine Staatstheorie zu sein,91 weist sie Parallelen zu der Pluralismustheorie Ernst Fraenkels auf. Nicht nur, daß sie auf einem pluralistischen Gesellschaftsbild aufbaut, in dem sie das Staatsmitglied sowohl als Individuum als auch als soziales Glied einer Gemeinschaft erachtet. 92 Die Behauptung, daß zwischen den Gruppierungen ein dialektischer Austauschprozeß stattfindet, hat Ähnlichkeit mit den Aussagen zum dialektischen Prozeß zwischen Konsens und Konflikt nach Fraenkel. Eine Übereinstimmung läßt sich auch hinsichtlich der Ausfiihrungen Smends zur funktionellen Integration konstatieren: Selbige erfolge durch den staatlichen Willensbildungsprozeß, der sich insbesondere durch parlamentarische Verhandlungen und Beschlußfassungen äußert. Durch sie werde die politische Individualität des Volksganzen geschaffen und der Integrationsprozeß betrieben. Die parlamentarische Dialektik solle eine politische Gesamthaltung bewirken. Das Volk sei damit nicht von vornherein politisch, sondern werde es erst kraft der politischen Synthese, die im Parlament stattfinde. 93 Dies sind die Ansätze, die letztendlich in der These Fraen89 Sm end, Abhandlungen S. 485. 90
Smend, Abhandlungen S. 484.
91 Sm end, Verfassung S. 67; Korioth, hltegration S. 105 106, der sie als "VerfassWlgslehre auf der GTWldlage bestinunter staatstheoretischer Prämissen" begreift. 92 Smend, Abhandlungen S. 475. 93 Smend, Verfassung S. 39.
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kels von dem Gemeinwohl aposteriori münden. Das Parlament ist der Schauplatz, auf dem die gegensätzlichen Gruppeninteressen zu einer Gesamthaltung - einem Gemeinwillen - integriert werden. Die auffaIligste Konformität besteht hingegen beim Erfordernis einer konsensualen Basis im Staat: Eine politische Willensbildung kann nach Smend nur integrierende Kraft besitzen, wenn es rur das gesamte Staatsvolk Geltung beansprucht. Hierfur bedürfe es einer von allen akzeptierten "Wertgemeinschaft".94 Diese bewirke, daß der Auseinandersetzung Regeln und der Sinn funktionaler Integration gegeben werde. Der Begriff der Wertgemeinschaft entspricht dem des "consensus omnium" bei Fraenkel, der sowohl die Prinzipien der Entscheidungsfindung als auch einen allgemein anerkannten Wertekodex enthält. 95 Smends Beschreibungen sind zwar nicht von der Prägnanz Fraenkels; doch zeigt auch Smend durch den Begriff der Wertgemeinschaft an, daß dieses sowohl die "Spielregeln" der Auseinandersetzung als auch unantastbare "Wert"Vorstellungen enthalten müsse. 96 Der Ausgangspmlkt der Ausführungen Smends ist jedoch nicht staatstheoretisch. Seine Gesellschaftsanalyse unterscheidet sich demzufolge allein durch den Blickwinkel von der Fraenkels. Auch wenn Smend letztlich keine pluralistische Staatstheorie entwickelt hat, schuf er mit seiner Integrationslehre das gedankliche GrundgeTÜSt für den Neo-Pluralismus Ernst Fraenkels. Der Theorienvergleich verdeutlicht, wie eng der Aspekt der Integration mit dem Pluralismusgedanken verwachsen ist, obwohl man von ihren Ausgangspunkten her meinen könnte, daß sie sich diametral gegenüberstehen. Ihr Verbindungsglied ist die Dialektik.
m. Ziele des Pluralismus Jede Theorie neigt zur Vereinfachung und Idealisierung der tatsächlichen Zusammenhänge. Daher ist sie nicht primär Analyse eines bestehenden Staatsgefüges, sondern Herausforderun~7 und Anlaß zur Diskussion. Staatstheorien stellen Instrmnente in dem Streben nach übergeordneten Zwecken dar.
Sm end, Verfassung S. 40. Fraenkel, in: Verhandlungen des 45. DJT Band II 1964, S. B5, B18. 96 Sm end, Verfassung S. 40. 97 So auch SteJJani, in: Pluralismus S. 37, 78.
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10 Poil
Teil Ill: Pluralismus im Rundfunk
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I. Der Pluralismus als Abkehr vom absoluten Denken
Der Pluralismus beruht auf der Erkenntnis, daß der Mensch nicht vorhersehen kann, was fiir die Gesamtheit förderlich ist. Das Gerechte ist ungewiß. 98 Daraus wird die Schlußfolgerung gezogen, daß kein Mensch die alleinige Entscheidungskompetenz über die Lebensbedingungen, Ziele und Möglichkeiten der staatlichen Bevölkerung haben darf. Vielmehr soll die Vielfalt der möglichen Lösungen offenbart werden, indem sich die Gesellschaft nach den bestehenden Strömungen und Ansichten gruppiert und ein Forum erhält, diese kund zu tun. Der Staat darf in dieser Auseinandersetzung keine Partei beziehen, sondern ist zu Neutralität verpflichtet. Der Meinungsaustausch soll sein Ende in einer gemeinsamen Entscheidung finden. 99 Die Entscheidung für eine Lösung ist relativ, dem Pluralismus zufolge gibt es kein absolutes ohne kommunikativen Prozeß feststellbares Gemeinwohl. 100 Erkennt man solche Verbindlichkeiten an, wird die pluralistische Kommunikation eliminiert, für die eine Akzeptanz des Andersdenkenden notwendig ist. 101 Ziel des Pluralismus ist es, nicht zu der gerechten und guten Entscheidung, sondern zu der gerechtesten und bestmöglichen Entscheidung für die Staatsmitglieder zu gelangen. Die bestmögliche und gerechteste Entscheidung ist aber die, die von der Mehrheit der staatlichen Bevölkerung getragen wird. Hierin besteht die Verbindung von Pluralismus und Demokratie.
2. Das liberale Moment des Pluralismus
Der Pluralismus erkennt die Individualität der Menschen an und macht sie sich gleichzeitig zunutze. Der Naturzustand der Gesellschaft ist der einer Mehr- oder Vielheit von Schichten und Klassen, Ansichten und Zielen. Das ist die gesellschaftliche Diagnose des Pluralismus. Er bezweckt, dieser Vielfalt einen Freiraum zu geben, in dem sie sich darstellen und verwirklichen kann. 102 Die dahinterstehende Absicht ist, die Freiheit des Individuums zu sichern l03 , seine Selbstverwirklichung zu ermöglichen und so zu seiner ZufrieDahrendorf, Gesellschaft S. 23. Bosl, Pluralismus S. 103. 100 Deswegen das Gemeinwohl aposteriori nach Fraenkel, Refonnismus S. 361. 101 Fuchs, in: Widerstreit, S. 31, 69; Kremendahl, Pluralismustheorie S. 37. 102 Murmann, in: Legitimationsprobleme, S. 47, 59. 103 Kaiser, Repräsentation S. 338.
98 99
A. Begriff und Pluralismustheorien
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denheit beizutragen. Ein zufriedenes Staatsmitglied unterstützt auch den Staat, der ihm eine solche Freiheit ermöglicht. Der Freirawn findet indessen dort seine Grenze, wo die unerläßliche Prinzipien- und Wertebasis mißachtet wird.
3. Staatliche Einheit
Das Grundanliegen des Pluralismus ist es, die pluralistische Gesellschaftsstruktur in einer staatlichen Einheit aufgehen zu lassen. Dabei wird davon ausgegangen, daß das Staatsmitglied aus der Zufriedenheit des ihm gegebenen Freiraums heraus bereit ist, sich gruppenübergreifend zu einigen. Diese Einigung dan nicht in einem notdürftigen Kompromiß bestehen, sondern muß konstruktiv und gemeinwohlförderlich sein. 104 Durch die Organisation in Gruppen konkretisiert und konzentriert die Gemeinschaft ihre Interessen. Sie läßt ein staatliches Ordnungssystem entstehen, das sich die Bevölkerung selbst geschaffen hat.
IV. Schwächen und heutige Bedeutung der Pluralismustheorie 1. S'trukturelle .S'chwächen
Hat Ernst Fraenkel seinen Neo-Pluralismus aus einer Analyse der westlichen Demokratien gewonnen, offenbaren diese ihm zugleich die Schwachstellen seiner Theorie in der Praxis. a) Die Interessenvertretung aa) Erforderlichkeit der Organisation
Der Pluralismus bezweckt. die vorgefundene gesellschaftliche Struktur in die staatliche Organisation zu transformieren. Die Auseinandersetzung der Parteien im Parlament soll ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Diskussionen darstellen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß sich alle gesellschaftlichen Strömungen aktiv an diesem Prozeß beteiligen. Sie müssen dafiir überhaupt ein Interesse ausbilden und dieses dann durch einen Verband manifestieren. Wie sehr man an die Aktivität der Staatsmitglieder appellieren mag, wird es dennoch Strömungen und Bedünnisse geben, die sich nicht in einem gesellschaftlichen Zusammenschluß vergegenwärtigen. Diese fallen durch das plu104
10"
Fraenkel, Reformismus S. 361.
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Teil ill: Pluralismus im Rundfunk
ralistische Netz. Das Fehlen einer spezifischen Interessenorganisation tritt häufig bei Präferenzen auf, die allgemein befürwortet werden und daher keinen Reiz zur Vereinsgriindung ausüben. l05 Gerade solche Interessen sind jedoch besonders berücksichtigenswert. Folge ist, daß ein pluralistisches Staatssystem nie das tatsächlich vorhandene, sondern nur ein verzerrtes Interessenspektrum der Gesellschaft wiedergeben kann. Die Repräsentation pluralistischer Interessen bleibt solange ungenügend, wie sie auf organisierten Interessen aufbaut. I 06
bb) Unterschiedlicher Einfluß Die Auseinandersetzung der Gruppen besteht nicht nur in einem kommunikativen Interessenaustausch. Ein Gruppeninteresse erhält dann besondere Aufmerksamkeit, wenn es seinen Forderungen Nachdruck verleihen kann. Dazu muß die Gruppe Einfluß auf die Funktionsfähigkeit des staatlichen Systems haben. Wenn sie demnach durch Leistungsverweigerung oder Streichung anderer Mittel die Funktionstüchtigkeit der Gemeinschaft zu erschüttern vermag, wird ihr Interesse berücksichtigt.107 Das bedeutet, daß Verbände mit einem hohen ökonomischen Potential bessere Chancen haben, ihre Interessen durchzusetzen als andere. 108 Der Pluralismus ist nicht geeignet, die dadurch entstehende Schieflage der Interessengruppen zu beseitigen, weil er die Abhängigkeit des Staates von seinen Mitgliedern auf breiter Ebene fördert.
cc) Diskrepanz zwischen Verband und Interessen Die Zusammensetzung einer Gesellschaft ist unbeständig. Aufgrund äußerer und innerer Einflüsse formiert sich die Bevölkerung ständig neu. Demzufolge müssen sich auch die Verbände dem Wechsel in der Gesellschaft anpassen. Bedenkt man, daß die Verbände ihre Existenz der Gesellschaft selbst verdanken, müßte man diese Entwicklung eigentlich als automatischen Vorgang voraussetzen. Dem steht jedoch die Tatsache entgegen, daß es eines längeren Zeitabschnitts bedarf, bis sich das neue Gesellschaftsbild in einem veränderten Verbandswesen entäußert. Das wird durch staatliche Vorrichtungen noch gefördert, die Verbände in ihrem Bestand sichern. Derartige Verzögerungen lassen Gesellschafts- und Verbandsstruktur auseinanderfallen. Gesellschaftliche Strömungen fühlen sich nicht mehr vertreten Stein, Staatsrecht § 12 ill S. 95. Rundfunkanstalten S. 62. 107 Das entspricht der Grundidee des Streikwesens. 108 Offe, in: Mehrheitsdemokratie, S. 150, 172-173. 105
100 Jank,
A. BegritTund Pluralismustheorien
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und ziehen sich vom politischen Geschehen zurück. 109 Eine den Pluralismus gefährdende Apathie und Lethargie entsteht. 11 0 Es muß deshalb darauf geachtet werden, daß die Interessengruppierungen den Strukturwandel der Gesellschaft nicht verpassen. 111 Diese Gefahr wird insbesondere bei der Eingliederung von Jugendlichen in das System gesehen. Sie müssen durch eine Integration ihrer Interessen aufgefangen werden, damit auch sie die staatliche Ordnung tragen.
b) Die Reichweite der Toleranz Die Negation eines gesellschaftlichen Konformismus bedingt eine tolerante Einstellung jedes Mitglieds. 1 12 Ein friedliches Nebeneinander ist nur denkbar, wenn die gegenseitigen Differenzen von Akzeptanz getragen werden. Der Pluralismus lebt folglich vom Toleranzprinzip. Nur das verhindert, daß sich die Gruppenkonflikte zu permanenten Gruppenkämpfen entwickeln. 113 Das Erfordernis der Toleranz bringt aber ein den Pluralismus latent zerstörendes Element mit ein. Insofern ist die Feststellung Fraenkels zutreffend, wenn er davon ausgeht, daß es für die pluralistische Demokratie keine wahrscheinlichere Todesursache gibt als den Selbstmord. 114 Denn Toleranz beinhaltet auch Respektierung dessen, was nicht systemkonform ist. Läßt man diese Kräfte in einem pluralistischen System gedeihen, können sie ihren Freiraum dazu nutzen, den Pluralismus zu beseitigen und ein totalitäres System aufzubauen. 115 Toleranz hat damit keinen absoluten Geltungsanspruch, sondern der Wertekodex einer Gemeinschaft muß die Erlaubnis enthalten, totalitäre Kräfte zu eliminieren. Das wirkt vielfaltseinschränkend und darf daher nur in dem gebotenen Maß angewandt werden. 116 Darüber hinaus schafft eine tolerante Einstellung der Staatsmitglieder auch Unsicherheit. Denn mit der Hinnahme einer anderen als der eigenen Ansicht 109 Jarren, in: Kommunikation, S. 31, 33 konstatiert einen spürbaren Mitgliederrückgang bei etablierten Organisationen. Der Strukturwande1 vollziehe sich schneller als früher. 110 Fraenkel, in: Theorie, S. 3, 15. 111 Murmann, in: Legitimationsprobleme, S. 47, 51. 112 Topitsch, in: Legitimationsprobleme, S. 10,17. 113 Fraenkel, Reformismus S. 362. 114 Fraenkel, Reformismus S. 362. 115 Topitsch, in: Legitimationsprobleme, S. 10,24; die Geschichte bietet hierfür genügend Beispiele. 116 Kremendahl. in: Pluralismus, S. 203, 214.
ISO
Teil III: Pluralismus im Rundfilllk
wird der eingenommene Standpunkt in Frage gestellt. Die selbst gewonnene Überzeugung dessen, was als wahr empfunden wird, erleidet eine "Niederlage".II?
c) Reduzierung des Wertekodex Die gegenwärtigen Tendenzen unserer Gesellschaft lassen erkennen, daß sich die Basis der gemeinsamen Wertvorstellungen verringert. Ersichtlich wird dies in Deutschland an den Diskussionen um die Änderung der Grundrechte, z. B. im Bereich der Ehe, der Wehrpflicht oder der Religion. Der Pluralismus lebt hingegen von einem ausgewogenen Verhältnis von Konsens und Dissens. Verlieren tradierte Werte ihren bindenden Charakter, kann dies zu Auflösungserscheinungen des Systems führen, weil die desintegrierenden Wirkungen übermächtig werden. 118 Aufrufe zur Wahrung von Identität und Tradition und des Pluralismus als Wert selbst werden laut, um diesen Prozeß zu unterbinden. 119 Hingegen sieht Zöller hierin keine existentielle Gefahrdung der Demokratie. Er vertritt die These, daß die Gesellschaft immer weniger auf einen Konsensbereich angewiesen sei. Vielmehr werde soziales Kapital erzeugt, das in der Erfahrung bestünde, zusammenarbeiten zu können ohne übereinstimmen zu müssen. 120 Auch Klages lehnt es ab, von einem Werteverlust zu sprechen. Zu vermerken sei ein Wertewandel, da ein bestimmter Wert stets durch einen anderen ersetzt werde. Bei Mißbilligung des neuen Werts werde der Wertewandel von manchem als Werteverlust empfunden. l2l Festzustellen sei ein Rückgang an Moralwerten und ein Aufkommen an Werten des Sich-Auslebens. Man könne Moralwerte jedoch nicht künstlich aufrechterhalten, wenn sie sich vom Alltagsleben so weit entfernt hätten, daß sie von der Gesellschaft nicht mehr getragen werden. 122 Werte sind nicht vorgeben, sondern kommen von den Menschen, die diese Wertung vornehmen. 123 Wichtig ist es jedoch, diesen Prozeß ernst zu nehmen und zu beobachten.
Kremendahl, in: Pluralismus, S. 203,209; Fuchs in: Widerstreit, S. 31,41. Fraenkel, in: Theorie, S. 3, 16; Hunold, Bertelsmann-Briefe Dezember 1994, S. 13,14. 119 Fuchs, in: Widerstreit, S. 31,42; Kremendahl, in: Pluralismus, S. 203,217. 120 Zöller, in: Medienentwicklung, S. 13, 14. 121 Klages, in: Meinung, S. 359, 360. 122 Klages, in: Meinung, S. 359,368. 123 Oberreuter, Wertwandel S. 6. 117
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A. Begriff und Pluralismustheorien
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d) Orientierungslosigkeit Das Aufkommen einer Orientierungslosigkeit der Staatsmitglieder hängt unmittelbar mit dem Verlust tradierter Werte zusammen. Werden beständige Merkmale einer Gesellschaft in Frage gestellt und dadurch der Entscheidungsspielraum des Individuums vergrößert, tritt ein Defizit an Lebensmaßstäben ein. Der einzelne ist damit überfordert, ständig Stellung zu beziehen und sich in der Gesellschaft zu verankern.
e) Handhabung des dialektischen Prozesses Die Dialektik des Pluralismus verbindet Gegensätzliches miteinander und läßt zwischen beiden Extremen einen Spannungsbogen entstehen. Die Schwierigkeit dieses Vorgangs besteht darin, daß ein Element auf die Beseitigung seines konträren Gegenübers gerichtet ist. So stellt die staatliche Einheit die gesellschaftliche Vielfalt in Frage, dem pluralistischen Gedankengut zufolge soll es ihr aber gelingen, dieses Gegenteil zu seinem Bestandteil zu integrieren. 124 Die Kombination von Gegensätzen innerhalb der Pluralismustheorie hat Kremendahl dazu veranlaßt, darin einen logischen Widerspruch zu sehen. 125 Sie ist jedoch eine Konsequenz der Anerkennung von Gegensätzen innerhalb der Bevölkerung, die, will man solche erhalten, im staatlichen System ihre Fortsetzung finden müssen. Aufgrund der Neigung des einen Teils, seinen Kontrapunkt zu bezwingen, ist der Versuch, diese in Ausgleich zu bringen, eine Herausforderung. Die Beherrschung des dialektischen Prozesses ist die komplizierteste Aufgabe der pluralistischen Gesellschaft. 2. Heutige Bedeutung der Pluralismustheorie Die Pluralismustheorie Ernst Fraenkels war konstitutiv für die Schaffung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Entstand seine Theorie in Abkehr und Überwindung des Totalitarismus, wollten die Väter des Grundgesetzes aufgrund der geschichtlichen Erfahrung mit totalitären Systemen gerade dieses Ziel in der Verfassung verwirklichen. 126 Die Pluralismustheorie hat das Fundament für das heutige Verständnis des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft gelegt.127 Dieses wird im GrundgeRupert Scholz, Jahrbuch der BWG 1977, S. 53,64. Kremendahl, in: Pluralismus, S. 203, 213. 126 Amim, Staatslehre S. 111. 127 Amim, Staatslehre S. 120. 124 125
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Teil III: Pluralismus im Rundfunk
setz durch die Grundrechte und die prinzipiellen Konstruktionsprinzipien von Demokratie-, Rechts- und Sozialstaat manifestiert. 128 Sie alle weisen einen Bezug zur Pluralismustheorie auf, indem sie eine pluralistische Gesellschaftsstruktur voraussetzen. Auf die Pluralismustheorie zurückzuführen ist unter anderem die grundsätzliche Anerkennung von Interessenverbänden und Parteien. Im Prozeß der Willensbildung und Interessenvermittlung kommt den Parteien eine intermediäre Position zwischen Staat und Gesellschaft ZU. 129 Gemäß Art. 21 I S. 2 GG besteht für die Parteien eine Gründungsfreiheit; es gilt der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien. In Art. 9 I GG ist ferner die Vereinigungsfreiheit verbrieft. Ihre Grenzen finden diese Freiheiten in Art. 21 11 und Art. 9 11 GG, wonach Parteien bzw. Vereinigungen mit verfassungswidrigen Zielen verboten werden können. Dieser Schutzmechanismus soll den von Fraenkel angedeuteten Selbstmord des Systems verhindern. Es darf keine unbedingte Freiheit für die Feinde der Freiheit geben. 130 Verdienste der Pluralismustheorie liegen ferner in ihrer Forderung nach einem Konsensbereich, die sich in den grundgesetzlichen Fundamentalprinzipien niedergeschlagen hat. Nach Art. 79 III GG sind die dort genannten Regelungen für unabänderlich erklärt worden. Ferner verdanken wir der Pluralismustheorie die Erkenntnis, daß die Zulassung einer Interessenauseinandersetzung ein konstruktives und kein destruktives Element eines Staates ist. Der Staat steht der Gesellschaft nicht als aliud gegenüber, sondern verwirklicht sich im Austausch der gesellschaftlichen Gruppen. Der Pluralismus ist damit Leitmotiv des Grundgesetzes, das in dem Wirken der drei Gewalten seinen Ausfluß findet.
V. Verhältnis der Pluralismustheorien zum Rundfunk Neben der staatstheoretischen Bedeutung des Pluralismus tritt der Pluralismusgedanke im Rundfunkbereich als Ordnungsprinzip auf. Die Pluralismustheorien als Gesamtkonzept eines Staates können jedoch nicht ohne weiteres auf den Rundfunk als Teilbereich dieses staatlichen Gefüges übertragen werden. Inwieweit sie überhaupt dazu geeignet sind, im Rundfunkbereich harengezogen zu werden, kann nur durch Vergleich von Teilbereich und Gesamtgefüge beantwortet werden. Rupert Scholz, Jahrbuch der BWG 1977, S. 53, 56. Schmid, in: Verhandlungsdemokratie, S. 171,172. 130 BVerfGE 5, S. 83, 138.
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J. Stellung des Rundfunks
Die Pluralismustheorie befaßt sich mit dem Verhältnis von Staat und Gesellschaft. Der Bereich des Rundfunks kann in einer pluralistischen Demokratie weder der einen noch der anderen Seite vollständig zugeordnet werden. Da der Staat sich durch die Gesellschaft entäußert und keine Eigeninitiative ergreifen darf, ist ihm der Rundfunkbereich versperrt. Der Rundfunk ist daher staatsfern zu organisieren. Der Rundfunk soll von der Gesellschaft in Anspruch genommen werden. Dennoch ist er nicht mit der Gesellschaft gleichzusetzen, sondern ist eine neben der Gesellschaft stehende Institution, die als "Sprachrohr" zur Verfügung steht. Der Rundfunk steht in Affinität zur Gesellschaft.
2. Meinungs- und Willensbildung Nach Schmidt liegt der Unterschied zwischen dem Pluralismusgedanken des Rundfunks und dem der Staatstheorien darin, daß die Pluralismustheorien ein Verfahren der politischen Willensbildung entwickelten. Diesen Punkt hebt auch Burnke hervor, mit der Ergänzung, daß die Pluralismustheorien demokratietheoretisch unterlegt seien. 131 Sie fUhrt das aber nicht weiter aus, während Schmidt folgert, daß es im Rundfunkbereich nicht um .eine Willens- sondern um die Meinungsbildung ginge. 132 Somit seien die Pluralismustheorien auf den Rundfunkbereich nicht übertragbar. 133 Die Argumentation Schmidts kann als Differenzierung zwischen Meinung und Wille zu deuten sein. Der Rundfunk ist Medium und Faktor der Meinungsbildung. Aber Meinungs- und Willensbildung stehen sich nicht separat gegenüber, sondern sind miteinander verzahnt. So setzt die Ausbildung eines politischen Willens der Gesellschaft stets voraus, daß man sich über den relevanten Bereich informiert und eine Ansicht entwickelt hat. Mit jeder Willensäußerung bezieht man gleichzeitig Stellung zu einem bestimmten Thema. Die Verlautbarung eines Willens stellt damit die voluntative Umsetzung einer geistigen Haltung - einer Meinung - dar. 134 Schmidt übersieht demzufolge, daß es sich bei der Meinungs- und Willensbildung um hintereinandergeschaltete Prozesse handelt. Diese Unterscheidung Bumke, Landesmedienanstalten S. 128-129. Walter Schmidt, Rundfunkvielfalt S. 64. 133 Walter Schmidt, Rundfunkvielfalt S. 67. 134 Man könnte sogar soweit gehen, daß es keinen Willen ohne Meinung gibt; selbst der instinktive, unüberlegte Wille beruht auf der Meinung, diesen Willen keinen geistigen Vorüberlegungen zu unterziehen. 131
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Teil In: Pluralismus im Rundfunk
154
kann damit für die Anwendung der Pluralismustheorie nicht ausschlaggebend sein.
3. Staatliche und gesellschaftliche Meinungs- und Willensbildung
Da Schmidt jedoch den Begriff der "politischen" Willensbildung verwendet, könnte seine Aussage auch dergestalt zu interpretieren sein, daß er hier auf die Bereiche von gesellschaftlicher und staatlicher Meinungs- und Willensbildung abzielt. Insofern muß zwischen Meinungs- und Willensbildung des Volkes und Bildung des staatlichen Willens durch seine verfaßten Organe differenziert werden. 135 Während sich also die Pluralismustheorien mit der staatlichen Willensbildung befassen, beinhalte der Rundfunkbereich die gesellschaftliche Willensbildung, die sich in ihm durch Bildung einer öffentlichen Meinung offenbart. Auch wenn die Trennung zwischen staatlicher und gesellschaftlicher Willensbildung für die freiheitliche Demokratie bedeutungsvoll ist,136 gehen diese beiden Bereiche faktisch ineinander über. 137 Die Willensbildung im Volk muß die in den Staatsorganen bedingen. Einflußfaktoren stellen hier nicht nur die Wahlen dar,138 sondern auch die öffentliche Meinung, die durch die Medien zum Ausdruck kommt. Durch sie erhalten die Staatsorgane Anregungen und Informationen; ferner nimmt sie eine Kontrollfunktion wahr. 139 Die Bildung einer öffentlichen Meinung durch den Rundfunk beinhaltet somit einen unentbehrlichen Faktor im Prozeß der politischen Willensbildung. l40 Die öffentliche Meinung wird auch als "Vorformung"141 oder "Vorstufe,,142 der politischen Willensbildung bezeichnet. Eine derartige Einordnung überschätzt die öffentliche Meinung jedoch. Zumindest ist sie Bestandteil des Willensbildungsprozesses, mit dem sich die Pluralismustheorien befassen. Auch nach diesem Kriterium ist es nicht nachvollziehbar, die Übertragung der Pluralismustheorie im Rundfunkbereich abzulehnen.
135 BVerfGE 20, S. 56, 98. Böckenförde, Unterscheidung S. 28. BVerfGE 20, S. 56, 99. 138 Simson, VVDStRL Heft 291971, S. 4, 31. 139 Kriele, VVDStRL Heft 29 1971, S. 47,65. 140 Fraenkel, Zeitschrift für Politik Band 10 1963, S. 309, 318. 141 HilflTinnefeldt, RuF 1979, S. 419,421. 142 Bul/inger, AfP 1996, S. I, 7. 136
137
A. Begriff und Pluralismustheorien
ISS
4. Beteiligung gesamtgesellschaftlich relevanter Kräfte
Eine Differenz im Gruppenspektrum könnte aber eine Unanwendbarkeit der Pluralismustheorien begründen. Danach sind im politischen Willensbildungsprozeß lediglich Macht- und Interessengruppen tätig. Der Rundfunk hingegen mobilisiert auch andere Kräfte wie zum Beispiel Künstler. Der rundfunkrechtliche Pluralismus zeichne sich daher durch ein "den "Gruppenpluralismus" überschießendes Elemenrd43 aus, denn hier seien nahezu alle gesamtgesellschaftlichen Kräfte beteiligt. I 44 Auch Divergenzen in der Gruppenansprache stehen einer Übertragbarkeit von Grundprinzipien der Pluralismustheorien nicht im Wege. Denn die gruppendynamischen Prozesse bleiben die Gleichen. Bumke weist jedoch ergänzend darauf hin, daß bei der politischen Willensbildung die Gruppen und Organisationen als zu beteiligendes Subjekt im Vordergrund stehen, während sie im Rundfunk nur zur Verhinderung einseitiger Meinungsmacht instrumentalisiert werden und damit die Rolle eines bloßen Objekts einnehmen. 145 Dieser Feststellung ist zuzustitmnen, doch trifft sie nur auf den Binnenpluralismus zu, der den Rundfunk zu Zeiten des Frequenzmangels bestimmte. Bereits mit Einfiihrung des privaten Rundfunks büßte diese Organisationsstruktur ihre dominierende Position ein, der die Stellung der Gruppen durch seine Veranstaltervielzahl subjektiviert. Das wird sich mit der Digitalisierung des Rundfunksystems noch verstärken. Auch die Stellung der Gruppen kann nicht ausschlaggebend für eine Übertragbarkeit der Pluralismustheorien sein.
5. Entbehrlichkeit einer Entscheidung
Die maßgebliche Unterschied besteht hingegen in der Art der Prozesse. Die Ausbildung von Meinungen in der Gesellschaft ist dem Vorgang der staatlichen Willensbildung vorgeschaltet. Er impliziert nicht das Endstadium der gesamten Bewegung und ist nicht ergebnisorientiert. Bei der Meinungsbildung geht es darum, das Spektrum aller vorhandenen Möglichkeiten aufzuzeigen. Die staatliche Willensbildung indessen versucht diese Ansichten zu bündeln und in einer Entscheidung münden zu lassen. Dieses Element ist im MeiWalter Schmidt, Rundfunkvielfalt S. 65. Schreyer, Entscheidungsgremien S. 92~ Bumke, Landesmedienanstalten S. 131. 145 Bumke, Landesmedienanstalten S. 130-131; älmlich Ronellenjitsch, VA 1992, S. 119, 141, der im Gegensatz zu Bwnke daraus den Schluß zieht, daß im binnenpluralistisch organisierten Rundfunk nicht alle, nur möglichst viele gesellschaftliche Gruppen beteiligt werden müssen. 143
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Teil ID: Pluralismus im Rundfunk
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nungsbereich entbehrlich; im Gegenteil darf es dadurch. daß es dem politischen Willensbildungsprozeß vorgeschaltet ist, nicht einzelnen Ansichten den Zugang versperren und selektierend tätig werden. Dadurch würde der Rundfunk seine Funktion als Meinungen zusammenführende neutrale Einrichtung verfehlen. Das bedeutet, daß es dem Rundfunkbereich an einem :fiir die Pluralismustheorie essentiellen Element fehlt: dem dialektischen Prozeß, aus einer Vielfalt eine Einheit zu schaffen. Denn die Hervorbringung einer für alle verbindlichen Entscheidung ist nichts anderes als die Vereinigung aller Begehren. Obwohl manche Begehren einer Entscheidung entgegenstehend bleiben, haben diese Personen dennoch die Entscheidung zu akzeptieren. Wenn Jank davon ausgeht, ein binnenpluralistischer Rundfunkrat habe die Vielzall1 der Interessen zu einer Einheit zusammenzufassen, um zu einem Überblick der interessierten Öffentlichkeit zu gelangen,146 geht es hierbei nur um die räumliche Zusammenfassung in einem Programm oder im Rundfunk überhaupt, nicht um die Konzentration auf ein Interesse oder eine Meinung. Der Bereich des Rundfunks beinhaltet damit ein offenes System, der den kommunikativen Austausch ermöglicht und das pluralistische Gedankengut widerspiegelt. Wegen seiner fehlenden Dialektik können die Thesen der Pluralismustheorie nicht urnfassend auf ihn angewendet werden.
6. Funktionelle Bedeutung des Rundfunks Die fehlende Dialektik im Rundfunk ist darauf zurückzuführen, daß der Rundfunk in sich kein abgeschlossenes System darstellt. Er ist in das staatliche Gefiige eingebunden und kann nicht isoliert davon betrachtet werden. Die Pluralismustheorie hingegen setzt ein abgerundetes System wie das des Staates voraus. Dennoch hat die Pluralismustheorie für den Rundfunk Bedeutung. Denn der Rundfunk hat wegen seiner Relevanz für den Kommunikationsprozeß eine Aufgabe innerhalb der pluralistischen Demokratie zu erfüllen. Nach Smend stellt er einen funktionellen Integrationsfaktor dar. Er ist zum einen Forum, auf dem Meinungen artikuliert und Gruppeninteressen repräsentiert werden können. Er hat zum anderen Vennittlungsfunktion, indem er die gegenseitigen Interessen aufeinandertreffen läßt. Er ist die Schaltstelle, die den politischen Willensbildungsprozeß einleitet. Er ist daher der Gefahr ausgesetzt, manipuliert zu werden und diesen Prozeß zu' verfälschen. Aus seiner Funktion in einem pluralistisch organisierten 146
Jank, Rundfunkanstalten S. 58.
B. Auslegung des Art. 5 I S. 2 GG durch das BVerfG
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Staat folgt, daß der Rundfunk ebenfalls durch pluralistische Grundsätze bestimmt sein muß. Nur insoweit können auch die Aussagen der Pluralismustheorien auf ihn übertragen werden. Er bleibt damit ein Teilstück innerhalb des Staatssystems. Welche Rolle der Pluralismus im Rundfunk einnimmt, soll anband der Rechtsprechung des BVerfG aufgezeigt werden.
B. Auslegung des Art. 5 I S. 2 GG durch das BVerfG I. Die Rechtsprechung des BVerfG In acht Fernsehurteilen hat das BVerfG die entscheidenden Eckwerte für das heutige Rundfunksystem gesetzt. Dabei soll auf eine Darstellung der Urteile in zeitlicher Abfolge verzichtet werden. Hierzu wird auf die zahlreichen Erörterungen in der Literatur verwiesen. 147 Ziel des folgenden Teils soll es vielmehr sein, die Säulen des Rundfunkrechts zu erarbeiten, wobei die pluralistischen Anforderungen schwerpunktmäßig behandelt werden.
J. Rundfunk
a) Begriff aa) Aussagen des BVerjG Art. 5 I S. 2 GG erfaßt den Rundfunk als Oberbegriff für Rundfunk und Fernsehen. Damit ist der Rundfunk als Institution gemeint. 148 Ansonsten charakterisiert es den Rundfunkbegriff als dynamisch und folgert daraus, daß er keiner absolut gültigen Definition zugänglich sei. I 49
Den technischen Entwicklungen komme Bedeutung für die Auslegung der verfassungsrechtlichen Garantie zu. Nach dem BVerfG gehören sie dem Lebenssachverhalt an, auf den das Grundrecht bezogen und ohne dessen Einbeziehung eine Auslegung der Rundfunkfreiheit nicht möglich ist. Das Gericht verwendet den Ausdruck des "progressive(n) Rundfunkbegriff(s)".15o
147 Siehe Becker, Existenzgrundlagen S. 55 ff.; Liegmann, Zugang S. 34 ff.; Pukall, Meinungsvie1falt S. 39 ff.; Gersdorf, Staatsfreiheit S. 22 ff.; Astheimer, Rundfunkfreiheit S. 166 ff.; Rotermundt, Unternehmenskonzentrationen S. 5 ff. 148 BVerfGE 12, S. 205,226 228. 149 BVerfGE 74, S. 297, 350; BVerfGE 83, S. 238, 302. 150 BVerfGE 73, S. 118, 154.
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Teil ill: Pluralismus im Rundfunk
Eine Weiterentwicklung des Rundfunkbegriffs sei erforderlich, "denn die Rundfunkfreiheit soll in einer sich wandelnden Zukunft ihre nonnierende Wirkung bewahren". I 51 Der Rundfunkbegriff muß daher adaptionsfähig bleiben. So hat das BVerfG auch "rundfunkähnliche Kommunikationsdienste" dem Schutz des Art. 5 I S. 2 GG unterstellt. 152 Zwar stellen diese IndividuaIkommunikation dar, während der Rundfunk ansonsten Massenkommunikation umfasse. Das für Art. 5 I S. 2 GG Entscheidende sei jedoch der Inhalt der Sendungen und die am Kommunikationsprozeß Beteiligten, die hier identisch seien.\S3
bb) Diskussion zum Rundfunkbegriffin der Literatur
Mit dem Auftreten neuer medialer Verbreitungsfonnen hat der wissenschaftliche Diskurs um den Rundfunkbegriff an Intensität gewonnen. Dabei führt die Deutungsweise des Rundfunkbegriffs zu weitreichenden rechtlichen Konsequenzen: Nicht nur, daß sich die Gesetzgebungskompetenz der Länder auf den Bereich des Rundfunks beschränkt, auch die öffentlich-rechtlichen Anstalten sind nur zur Veranstaltung von Rundfunk befugt. Ferner ist es die Rundfunkfreiheit, die durch Art. 5 I S. 2 GG geschützt wird und zum Schutze der Meinungsbildungsfreiheit regelungsbedürftig ist. I 54 Deswegen wird eingeworfen, sich nicht Gedanken über eine positive Definition des Rundfunks zu machen, sondern vielmehr auf eine politische Einigung der Bundesländer hinzuarbeiten, welche medialen Erscheinungsfonnen dem Rundfunk angehören. 155 Dennoch gibt es verschiedene Lösungsansätze, um die Erscheinungsfonnen des Rundfunks sinnvoll zu erfassen: So wird versucht, den Rundfunkbegriff auf tatbestandlicher Ebene abschließend zu bestimmen und gewisse Mediendienste auszugrenzen. Oder die Lösung wird auf die Rechtsfolgenseite verlagert, wonach einzelne Medien regelungsbedürftiger seien als andere. 156 Die Bestimmung des Rundfunkbegriffs obliegt grundsätzlich dem Gesetzgeber. In § 2 I RuFuStV wird Rundfunk legaldefiniert. Danach ist Rundfunk BVerfGE 74, S. 297, 350; BVerfGE 83, S. 238,302. BVerfGE 74, S. 297, 351. 153 BVerfGE 74, S. 297, 353. 154 Gersdoif, in: RundfunkbegritT, S. 137. 155 Vetter, in: RundfunkbegritT, S. 113, 114. 156 Pieper/Wiechmann, ZUM 1995, S. 82, 93; Gersdoif, AfP 1995, S. 565, 568. 151
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B. Auslegung des Art. 5 I S. 2 GG durch das BVerfG
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durch die Merkmale der Allgemeinheit, der Verbreitung sowie der Darbietung gekennzeichnet.
(1) Einfluß auf die öffentliche Meinungsbildung Das Merkmal der Darbietung ist bei der Regelung der Multimediadienste als Kriterium zur Trennung des Rundfunks von anderen Diensten verwandt worden. Eine Darbietung setze voraus, daß die Veranstaltung zur öffentlichen Meinungsbildung bestimmt und geeignet sei. IS7 Das sei der Grund, warum Spartenprogramme als Darbietung und damit als Rundfunk zu qualifizieren seien. I 58 Weitestgehend Einigkeit besteht darüber, daß die diversen Medienangebote einer unterschiedlichen Regelungsdichte unterliegen müssen, je nach ihrem Einfluß auf die öffentliche Meinungsbildung. ls9 Badura fügt dem hinzu, daß nicht nur die Wirkung auf die öffentliche Meinungsbildung entscheidend sein darf, sondern auch ein Machtfaktor durch die Medienwirkung zum Ausdruck kommen muß. 160 (2) Unbeachtlichkeit technischer Unterschiede Technische Leistungsmerkrnale als Differenzierungsmerkmal können jedenfalls nicht herangezogen werden, denn diese Entwicklung sei weiterhin offen. Zudem sei eine derartige Unterscheidung fragwürdig, wenn es sich um identische Programminhalte handele. 161 Auch das Vorgehen, den Rundfunkbegriff auf alle meinungsrelevanten Daten zu erweitern, werde seinem grundrechtlichen Schutz nicht gerecht. 162
(3) Differenzierung nach Inhalten Es komme damit auf inhaltliche Aspekte an; Rundfunk setze vorgefertigte, zur Rezeption bereitgestellte Angebote voraus, wobei die neue DispositionsDörr, in: Rundfunkbegriff, S. 121, 125; HojJmann-Riem, AfP 1996, S. 9, 11. HojJmann-Riem, AfP 1996, S. 9, 12; demgegenüber erwägt Bullinger, AfP 1996, S. 1, 7 nicht alle Spartenprogramme dem Rundfunkbegriff unterzuordnen und sie insgesamt einer geringeren gesetzlichen Regelung auszusetzen. 159 Dörr, in: Rundfunkbegriff, S. 121, 128; HojJmann-Riem, AfP 1996, S. 9; PieperiWiechmann, ZUM 1995, S. 82; Pieper, ZUM 1995, S. 552, 557. 160 Badura, in: Rundfunkbegriff, S. 117, 118. 161 Gersdoif, in: Rundfunkbegriff, S. 137, 140. 162 Gersdoif, in: Rundfunkbegriff, S. 137, 143. 157 158
Teil ill: Pluralismus im Rundfunk
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freiheit darauf ohne Einfluß sei. 163 Zur Annahme von Rundfunk sei darauf abzustellen, daß es sich um ein einseitiges Angebot handele und der Rezipient weiterhin nicht in einen Dialog mit dem Rundfunkveranstalter treten könne. 164 Bullinger geht demgegenüber davon aus, daß die Rundfunkgarantie nur Gesarntprogranune wnfassen könne, die durch ihr planhaft redaktionell gestaltetes Angebot gekennzeichnet seien. 165 Für die Einordnung unter den Rundfunkbegriff ist für andere wiederum die publizistische Wirkung maßgeblich. 166 Denn gerade diese Wirkung auf die öffentliche Meinungsbildung sei für die besondere Behandlung des Rundfimks verantwortlich.
(4) Bestimmung durch den Rezipienten Der Streit um den Rundfimkbegriff wurde zumindest im Bereich der Multimedia mit den entsprechenden Gesetzen einer Lösung zugefiihrt. Ein Überkriterium zur Abgrenzung des Rundfunkbereichs wird sich jedoch auch weiterhin nicht finden lassen. Eine Regelungsbedürftigkeit resultiert vielmehr aus der Akzeptanz und Nutzungsintensität neuer medialer Erscheinungsformen. Medien werden nicht durch eine Definition, sondern durch die Menschen zu Rundfunk gemacht. Das folgt aus der herausragenden Bedeutung des Rundfunks für die Meinungsbildung. Was von der Gesellschaft nicht angenommen wird, kann auch keine Auswirkungen auf die Meinungsbildung haben. Man wird sich damit abfinden müssen, den Rundfunkbegriff nicht wnfassend definieren zu können. Der Gesetzgeber erhält sich dadurch die nötige Flexibilität, um des Rundfunkbereichs Herr zu werden. Eine Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen sollte möglichst vermieden werden. 167 Wenn das Bedürfnis nach einer bundesweiten Regelung besteht, sollte konsequent vorgegangen und das Grundgesetz geändert werden. Den Ländern aber über das Ventil des Rundfunkbegriffs ihre Kompetenzen allmählich zu entziehen, führt nicht nur zu langwierigen entwicklungshemmenden Verhandlungen, sondern auch zu Rechtszuständen, die dem Rezipienten nicht zugute kommen, sondern ihn verwirren. HojJmann-Riem, AfP 1996, S. 9, 14. Pieper/Wiechmann, ZUM 1995, S. 82,89. 165 Bullinger, NP 1996, S. I, 8, der versuchte, mit diesem Kriterium die Grenze zwischen einem Voll- und einem Spartenprogranun zu ziehen, s. S. 94-95 166 Hesse, BayVBI 1997, S. 132, 135; Dörr, in: Rundfunkbegriff, S. 121, 123 unter Berufung auf das BVerfG ohne Angabe eines Zitats. 167 Siehe auch Bertelsmann-Stiftung (lIrsg.), Konununikationsordnung 2000 S. 33, wo getrerulte Zuständigkeiten als entwicklungshenunend erachtet werden. 163
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B. Auslegung des Art. 5 I S. 2 GG durch das BVerfG
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b) Stellung des Rundfunks im Staat Das Massenkommunikationsmittel Rundfunk ist in seiner politischen und kulturellen Bedeutung kaum zu überschätzen. 168
aa) Kulturelle Bedeutung
"Der Rundfunk ist auch ein kulturelles Phänomen".169 Dieser Feststellung im ersten Rundfunkurteil des BVerfG wird kein hoher Bedeutungswert zugemessen; vielmehr sieht man dahinter nur die Absicht des Gerichts, eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Rundfunk abzulehnen und den Rundfunk der Kulturhoheit der Länder zu unterwerfen. I 70 Der kulturrechtliche Aspekt ergänze lediglich die für die Deutung der Rundfunkfreiheit konstitutiven Prinzipien. 171 Die Erfassung des Rundfunks als Kulturereignis erleidet zudem durch die zunehmend wirtschaftliche Ausrichtung des Medienbereichs einen Bedeutungsverlust. Verbunden mit den Aussagen des BVerfG zum Grundversorgungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten, der auch seine "kulturelle Verantwortung" umfasse,l72 wurde vielmehr die Frage aufgeworfen, ob der öffentlichrechtliche Rundfunk einen kulturellen Auftrag zu erfüllen habe und bejaht. 173 Privaten Veranstaltern dürfe hingegen keine kulturelle Verantwortung auferlegt werden, da das über die Mindestanforderungen in diesem Bereich hinausginge. 174
bb) Politische Bedeutung (1) Rundfunkfreiheit und Meinungsbildungsfreiheit
Wird die Position und Bedeutung der Rundfunkfreiheit beleuchtet, betont das BVerfG das enge Verhältnis zur Meinungsbildungsfreiheit des Art. 5 I 168 BVerfGE 12, s. 205, 226. 169 BVerfGE 12, S. 205, 228. So Schmidt, ZUM 1989, S. 263,264; Grimm, VVDStRL Heft 42 1984, S. 46, 70. Bullinger, AöR 108, S. 161,189; Grimm, VVDStRL Heft 42 1984, S. 46, 70. In BVerfGE 74, S. 297, 324; siehe auch BVerfGE 73, S. 118, 157 158: wonach die GrundversorgWlg "die essentiellen FWlktionen ( ... ) filr das kulturelle Leben in der BWldesrepublik" impliziert. 173 Schmidt, ZUM 1989, S. 263, 267 ; Grimm, VVDStRL Heft 42 1984, S. 46, 77; Niepalla, GrundversorgWlg S. 77. 174 Schmidt, ZUM 1989, S. 263,267; anders Grimm, der rechtliche SteuerWlgsmöglichkeiten im Privatfunk fordert, VVDStRL Heft 42 1984, S. 46, 78. 170 171
11 Poil
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Teil ill: Pluralismus im Rundfunk
S. I GG: "Die Rundfunkfreiheit dient der Gewährleistung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung und dies in einem jede Vermittlung von Information und Meinung urnfassenden Sinne". 175 Damit hat die Rundfunkfreiheit zum einen Instrumentalfunktion gegenüber der Meinungsbildungsfreiheit, sie sei in diesem Zusammenhang "notwendige Ergänzung und Verstärkung".176 Freie Meinungsbildung erfolge durch einen Kommunikationsprozeß; die Rundfunkfreiheit schütze diesen Prozeß und begründe insoweit subjektive Rechte. I 77 Durch Mitbestimmung der öffentlichen Meinung erhalte der Rundfunk seinen politischen Stellenwert. Neben der Presse gehöre er "zu den unentbehrlichen modernen Massenkommunikationsmitteln, durch die Einfluß auf die öffentliche Meinung genommen" werde. Zum anderen sei der Rundfunk nicht nur "Faktor" der öffentlichen Meinungsbildung, sondern auch "Medium" .178 Hierin wird seine Vermittlungsfunktion deutlich, der zufolge der Rundfunk frei, umfassend und wahrheitsgemäß informieren müsse, damit das Ziel der freien Meinungsbildung erreicht werden kann. 179 Eine vermittelnde Funktion werde aber nicht nur durch den politischen und informierenden Teil, sondern auch durch andere Programmteile erfullt. Rundfunkfreiheit bedeute deshalb vor allem Programmfreiheit. 180 Sie gewährleiste, daß Auswahl, Inhalt und Gestaltung des Programms in der Hand des Rundfunkveranstalters bleibe und sich an publizistischen Kriterien ausrichte. Das Angebot des Rundfunks müsse nicht nur über die gegenständliche Breite aller Programmsparten verfugen, sondern auch eine gleichgewichtige Vielfalt der in der Gesellschaft anzutreffenden Meinungen gewährleisten. I 81 Als "Sache der Allgemeinheit" sollen alle gesellschaftlich relevanten Gruppen mit ihren Vorstellungen, Überzeugungen, Meinungen und Wertungen in einem ausgewogenen Verhältnis am Rundfunk teilhaben. Die verschiedenen weltanschaulichen, wissenschaftlichen und künstlerischen Richtungen müssen berücksichtigt werden. Vermeidbare Einseitigkeiten und Monopolisierungen dieser Aufgabe seien mit Art. 5 GG unvereinbar. 182 Dabei seien die Träger des 175 BVerfGE 57, S. 295, 319; BVerfGE 73, S. 118, 152; BVerfGE 74, S. 297, 323; BVerfGE 83, S. 238,295; BVerfGE 90, S. 60, 87. 176 BVerfGE 57, S. 295, 320. 177 BVerfGE 57, S. 295, 319; BVerfGE 74, S. 297, 323. 178 BVerfGE 12, S. 205, 261; BVerfGE 31, S. 315,326; BVerfGE 57, S. 295, 320; BVerfGE 74, S. 297, 323. 179 BVerfGE 83, S. 238, 296; BVerfGE 87, S. 181,198-199; BVerfGE 90, S. 60, 87. 180 BVerfGE 87, S. 181,201; BVerfGE 90, S. 60, 87. 181 BVerfGE 87, S. 181, 198-199. 182 BVerfGE 31, S. 315,327337-338.
B. Auslegung des Art. 5 I S. 2 GG durch das BVerfG
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Rundfunks nur Mittel, durch das die gesellschaftlich relevanten Kräfte und Gruppen die öffentliche Aufgabe erfiillen. 183 (2) Landesgesetzliche Absicherung der Rundfunkfreiheit Auch wie die Beteiligung aller gesellschaftlich relevanten Gruppen zu erreichen sei, gibt das BVerfG vor. Die Rundfunkfreiheit bedürfe dazu einer gesetzlichen Ausgestaltung, genauer gesagt einer "positiven Ordnung (.. ), welche sicherstellt, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet und daß auf diese Weise umfassende Information geboten wird".184 Der Grund für das Bedürfnis nach einer gesetzlichen Regelung hänge mit den Besonderheiten des Rundfunks im Gegensatz zur Presse zusammen. Seine technische Abhängigkeit führe dazu, daß auch mit dem Ende der Sondersituation zumindest die Verbreitung von Fernsehvollprogrammen weiterhin mit einem außergewöhnlich hohen Aufwand verbunden bleibe und nur einer begrenzten Teilnehmerzahl zur Verfügung stehe. 185 Es kann nicht damit gerechnet werden, daß das Programmangebot in seiner Gesamtheit kraft der Eigengesetzlichkeit des Wettbewerbs den Erfordernissen der Rundfunkfreiheit entsprechen werde. 186 Zudem handele es sich beim Rundfunk um ein Massenmedium, das aufgrund seiner Wirkungen und der Gefahr des Mißbrauchs nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden könne. Weder der Staat noch eine gesellschaftlichen Gruppe soll hierüber frei verfügen dürfen. 187 Jede politische Instrumentalisierung des Rundfunks soll ausgeschlossen werden, was auch subtilere Mittel indirekter Einwirkung auf das Programm beinhalte. 188 Hier müsse eine geeignete Vorsorge getroffen werden, denn einmal eingetretene Fehlentwicklungen seien nur schwer reversibel. Daher sei der Gesetzgeber dafür verantwortlich, daß in dem Gesamtangebot die für die freiheitliche Demokratie konstitutive Meinungsvielfalt zur Darstellung gelange. 189 Das BVerfG räumt ein, daß die Feststellung einer Meinungsvielfalt "nicht mit letzter Gewißheit möglich" ist. Aber zumindest müsse von einer hinrei183 BVerfGE 31, S. 315, 340. 184 BVerfGE 57, S. 295, 320; BVerfGE 73, S. 118, 152-153; BVerfGE 74, S. 297, 324; BVerfGE 90, S. 60, 88. 185 BVerfGE 73, S. 118, 123 154. 186 BVerfGE 57, S. 295, 323. 187 BVerfGE 31, S. 315,325. 188 BVerfGE 90, S. 60, 88. 189 BVerfGE 57, S. 295, 323. 11*
Teil ill: Pluralismus im Rundfunk
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chenden Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden können, "daß sich in dem gesetzlich geordneten Rundfunksystem eine solche gleichgewichtige Vielfalt einstellt".190 Diese Anforderung gelte auch für den privaten Rundfunk, denn eine einseitige Berücksichtigung einzelner Meinungsrichtungen würde "das für die Gesamtheit der dem einzelnen Teilnehmer zugänglichen inländischen Programme wesentliche Gleichgewicht des "Zu-Wort-Kommens" der gesellschaftlichen Gruppen stören, wenn nicht aufheben" .191
2. Pluralismus
Neben der Notwendigkeit einer gesetzlichen Regehing des Rundfunkbereichs, stellt das BVerfG auch Anforderungen zum Inhalt der Gesetze. Dabei betont es, daß das Grundgesetz dem Gesetzgeber keine bestimmte Form der Rundfunkorganisation vorgebe; allein relevant sei die Erfüllung der Zielsetzung einer freien urnfassenden Meinungsbildung. l92 Die gesetzgeberische Tätigkeit hat sich damit primär am Ergebnis und nicht an der Art und Weise seiner Verwirklichung zu orientieren. Der Gesetzgeber muß zunächst die Grundlinien der Rundfunkordnung festlegen. 193 Ihm obliegt zunächst die Entscheidung darüber, ein duales System von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk zu schaffen oder es bei einem rein öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem zu belassen. Alle Landesgesetzgeber außer dem bayerischen haben sich für die erste Alternative entschieden. Ferner muß er gewährleisten, daß der Rundfunk nicht einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert werde, sondern sich sämtliche in Betracht kommenden Kräfte im Gesamtangebot äußern können. 194 Wie das zu bewerkstelligen ist, wird vom BVerfG mit der Anführung pluralistischer Sicherungsmodelle beantwortet. Der Begriff des Pluralismus fällt hingegen nicht erst im dritten Fernsehur- . teil, wo das Bundesverfassungsgericht jene Modelle des Binnen- und Außenpluralismus beschreibt. Er wird bereits im zweiten Fernsehurteil genannt. Darin heißt es, daß es erst dalUl zu einer Änderung der Sondersituation käme, "wenn allen daran interessierten Gruppen oder allen Gemeinschaften von kooperationswilligen Gruppen eine Frequenz zugewiesen werden könnte und 190 BVerfGE 57, S. 295, 324. BVerfGE 57, BVerfGE 57, 193 BVerfGE 57, 194 BVerfGE 57,
191
192
S. S. S. S.
295, 324. 295, 321; BVerfGE 74, S. 297, 324; BVerfGE 83, S. 238,295. 295, 325; BVerfGE 73, S. 118, 153. 295, 325; BVerfGE 83 S. 238, 332-333.
B. Auslegung des Art. 5 I S. 2 GG durch das BVerfG
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sich auf diese Weise ein Pluralismus der Meinungen und Anschauungen ähnlich wie im Bereich der Presse auch im Bereich von Rundfunk und Fernsehen herstellen ließe". 195 Hier differenziert das BVerfG nicht zwischen Binnen- und Außenpluralismus; durch den Hinweis auf die Presse ist aber ersichtlich, daß es von außenpluralistisch verwirklichter Meinungsvielfalt ausgeht. Das Gericht erfaßt den Pluralismus an dieser Stelle als Idealzustand, der sich ohne gesetzgeberisches Tun einstellt, während im späteren Urteil Binnenund Außenpluralismus instrumentalisiert werden, um zu einer Meinungsvielfalt zu gelangen.
a) Binnenpluralismus Um Meinungsvielfalt herzustellen, kann sich der Landesgesetzgeber fiir die Struktur des Binnenpluralismus entscheiden, "bei welcher der Einfluß der in Betracht kommenden Kräfte intern durch Organe der jeweiligen Veranstalter vermittelt wird". 196 Dabei muß die Bestimmung sachgerecht sein und der bestehenden Vielfalt Rechnung tragen, indem sie die gesellschaftlich relevanten Kräfte gewichtet und einen effektiven Einfluß des sie vertretenden Organs sicherstellt. 197 Ein Beirat muß die pluralistische Allgemeinheit auch tatsächlich repräsentieren. 198 Den Kontrollgremien aus den vorwiegend verbandlich organisierten gesellschaftlich relevanten Gruppen soll nicht die Programmgestaltung überlassen werden. Als Sachwalter des Allgemeininteresses haben sie zu kontrollieren, daß alle gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen im Gesamtprogramm angemessen zu Wort kommen können. 199 Die pluralistische Zusammensetzung der Gremien sei Garant dafiir, daß die Vielfalt der Anschauungen und Aktivitäten in allen Lebensbereichen im Programm Ausdruck findet. 200 Diese gesellschaftliche Kontrolle bezweckt, "den eigenständigen Rundfunk im Interesse der Meinungsbildungsfreiheit zu einer verantwortungsvollen Wahrnehmung seiner Aufgaben zu befahigen".2ol Daher betonte das BVerfG in einem kürzlich erlassenen Beschluß, daß den gesellschaftlich relevanten Gruppen aus Art. 5 I S. 2 GG kein subjektives Recht auf Berücksichtigung bei der ZusamBVerfGE 31, S. BVerfGE 57, S. 197 BVerfGE 57, S. 198 BVerfGE 57, S. 199 BVerfGE 83, S. 200 BVerfGE 83, S. 201 BVerfGE 83, S. 195 196
315,338. 295, 325; BVerfGE 73, S. 118, 153. 295, 325. 295, 331. 238, 333. 238, 334. 238, 301.
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Teil ill: Pluralismus im Rundfunk
mensetzung des Rundfunkrates zustehe. 202 Grund da:fiir ist ihre ausschließliche Instrumentalfunktion als Sachwalter der Allgemeinheit.
aa) Gesellschaftlich relevante Kräfte Offen bleibt, wie die gesellschaftlich relevanten Kräfte zu eruieren sind. Das BVerfG weist diesbezüglich darauf hin, daß durch Art. 5 I S. 2 GG keine Vorgaben gemacht werden. Der Gesetzgeber entscheide über die Zusammensetzung der Kontrollgremien und genieße dabei einen weiten Gestaltungsspielraum: "Er ist befugt das Kriterium der gesellschaftlichen Relevanz zu konkretisieren, die Kräfte zu ermitteln, die ihnen zuzurechnenden Gruppen festzustellen und unter diesen die entsendungsberechtigten auszuwählen und zu gewichten. Er muß dabei nach dem Grundgesetz lediglich die Rundfunkfreiheit wahren".203 Die Auswahl steht aber keinesfalls im Belieben des Gesetzgebers. Gesellschaftliche Relevanz stellt einen sozialen Tatbestand dar, den er vorfindet und nicht verleiht. 204
bb) Verbandliche Interessenrepräsentation Auch die verbandliche Interessenrepräsentation bereitet Schwierigkeiten. Denn das gewählte Rekrutierungsprinzip der gesamtgesellschaftlichen Kräfte und die auferlegten Amtspflichten stehen im Widerspruch zueinander. 205 Das kann der Gesetzgeber auch nicht dadurch beheben, daß er die Mitglieder der Gremien auf das Allgemeininteresse verpflichtet. Es gehört zu den Bedingungen verbandlicher Interessenrepräsentation, daß die Interessen der Allgemeinheit nicht mit der Summe der verbandlich organisierten Interessen identisch sind. Ferner können manche Interessen gar nicht oder nur schwer in einem Verband organisiert werden. Der Gesetzgeber muß diese Tatsache jedoch nicht hinnehmen. Er kann dem entgegentreten, indem er für die Mitwirkung von Personen in den Gremien sorgt, die entweder keine oder nur schwach organisierte Interessen vertreten. 206 Verbänderepräsentation an sich bleibt stets ein unvollkommenes Mittel zur Sicherung allgemeiner Interessen.
Beschluß des BVerfG v. 7. 11. 1995, DVB11996, S. 9711 BVerfGE 83, S. 238, 334. 204 BVerfGE 83, S. 238, 337. 205 BVerfGE 83, S. 238, 334. 206 BVerfGE 83, S. 238, 335. 202 203
B. Auslegung des Art. 5 I S. 2 GG durch das BVerfG
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Dieser Aspekt ist ein bereits dargestellter Kritikpunkt der Pluralismustheorie. 207 Er hat seine Ursache in der Anlehnung an das gesellschaftliche Verbandswesen.
b) Andere Gestaltungsfonnen wie auch Außenpluralismus Dem Gesetzgeber steht es nach dem BVerfG jedoch frei, andere Gestaltungsfonnen auszuwählen, solange dadurch die Zielsetzung einer effektiven Meinungsvielfalt gewährleistet ist. Unter anderem kann er dies durch die Herstellung einer außenpluralistischen Vielfalt erreichen. Seine Verpflichtung zur Aufstellung bestimmter Regelungen bleibt jedoch auch dann bestehen. 208 Binnen- und Außenpluralismus werden also hier nicht als alternative Modelle gegenübergestellt. Nach dem BVerfG können neben dem Binnenpluralismus viele Mittel zur Herstellung von Meinungsvielfalt gereichen, wobei der Außenpluralismus eines davon darstellt. Beim Modell des Außenpluralismus muß nicht jedes einzelne Programm rur sich durch Struktur und Inhalt eine Meinungsvielfalt sicherstellen, sondern eine Gewährleistung durch Gesamtschau der Programme ist genügend. Bei der Entscheidung rur ein solches Modell muß der Gesetzgeber insbesondere regeln, wann die Voraussetzungen eines Außenpluralismus vorliegen. 209 Ansonsten verstoße er gegen den Grundsatz der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Die Regelung kann in der Angabe einer Anzahl von Programmen bestehen oder in einer fönnlichen Feststellung durch die Landesmedienanstalt. 2lO Auch wenn das BVerfG die Regelungsbedürftigkeit des außenpluralistischen Modells hervorhebt, liegt es auf der Hand, daß ein solches Modell nicht derart regelungsintensiv ist wie das des Binnenpluralismus. Das hat seinen Grund schon darin, daß sich beim Außenpluralismus die Anforderungen an die einzelnen Programme verringern und das Modell von einem Selbstausgleich der Programme in ihrer Tendenz lebt. Im Durchschnitt äußert sich das BVerfG mehr zum binnenpluralistischen als zum außenpluralistischen Modell. Das mag dadurch verursacht sein, daß der öffentlich-rechtliche Rundfunk binnenpluralistisch strukturiert ist und dieser in den meisten Fernsehurteilen im Vordergrund steht. Verfassungsgemäß ist laut BVerfG auch ein Übergangsmodell, das binnenpluralistische Anforderungen stellt, soweit und solange nicht die Möglichkeit Siehe S. 147-148. BVerfGE 57, S. 295, 325; BVerfGE 73, S. 118, 153. 209 BVerfGE 73, S. 118, 163. 210 BVerfGE 73, S. 118, 164. 207 208
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Teil Ill: Pluralismus im Rundfunk
einer außenpluralistischen Vielfaltsicherung besteht. Dabei müssen die gesetzlichen Vorkehrungen zur Erhaltung der Meinungsvielfalt um so effektiver sein, je weiter der private Rundfunk von einer Außenpluralität entfernt sei. 211
c) Verhältnis der Modelle zueinander Das BVerfG beläßt dem Gesetzgeber die Wahl, wie er den Rundfunk organisieren möchte. Dennoch macht es darauf aufmerksam, daß die Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, in unterschiedlicher Weise geeignet sind, für eine effektive Meinungsvielfalt zu sorgen. Zwar hat das Modell des Binnenpluralismus diverse Schwächen. Doch ist es ein besseres Instrument, gleichgewichtige Meinungsvielfalt zu gewährleisten und damit den Anforderungen der Rundfunkfreiheit zu entsprechen, "als eine Rundfunkorganisation, in der nur die materiellrechtliche Verpflichtung zu inhaltlicher Pluralität besteht und die insoweit durch eine externe Einrichtung kontrolliert wird".212 Belegt wird dies durch die Rundfunkräte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die einen, wenn auch nur mittelbaren, Einfluß auf die Programmgestaltung haben und auch über personelle Entscheidungsbefugnisse verfügen. Eine Kontrolleinrichtung außerhalb der Rundfunkveranstalter ist weniger intensiv und effektiv. Sie wird überwiegend im Privatrundfunk angewandt. Die externen Organe haben keinen positiven Einfluß auf die Programmgestaltung, sondern sind auf eine repressive Programmkontrolle beschränkt, die erst bei einer Rechtsverletzung einsetzen kann. 213 Dennoch kann das nicht bedeuten, daß auch private Veranstalter binnenpluralistisch organisiert werden müßten. Denn privater Rundfunk beruht auf dem Grundelement privatautonomer Gestaltung und Entscheidung. Binnenpluralistische Gremien würden den entscheidenden Einfluß aber nicht bei dem Unternehmer belassen, sondern auf die gesellschaftlichen Kräfte überführen. Damit wäre die private Rundfunkveranstaltung um ihre eigentliche Substanz gebracht. 214 Von daher kann ein Binnenpluralismus nicht verlangt werden, zumal die Veranstaltung privaten Rundfunks nicht erheblich erschwert bzw. ausgeschlossen werden darf: "Die schwächere Stellung gleichgewichtiger Vielfalt läßt sich hinnehmen, weil und solange eine zureichende Sicherung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorhanden ist".215 211 BVerfGE 73, S. 118, 174. 212BVerfGE73,S.118,171. 213 BVerfGE 73, S. 118, 170. 214 BVerfGE 73, S. 118, 171. 215 BVerfGE 73, S. 118, 171.
B. Auslegung des Art. 5 I S. 2 GG durch das BVerfG
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d) Ausnahmen vom Pluralismusgebot Von den pluralistischen Anforderungen nimmt das Bundesverfassungsgericht ausländische Veranstalter aus. Dies begründet es damit, daß diese Progranune nicht speziell für die Bundesrepublik Deutschland bestimmt seien und die Meinungsbildung nicht im gleichen Maße beeinflussen wie inländische Programme. Das beruhe vor allem auf ihrer Verbreitung, die überwiegend nicht in deutscher Sprache erfolge. Es erscheint unangebracht, von ihnen zu verlangen, daß die bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen der Bundesrepublik im Programm angemessen zu Wort kommen. 216 Dies ist für den Bereich der Spartenprogramme besonders relevant, da hier die meisten ausländischen Programme vertreten sind. Die Lösung des BVerfG erscheint zwar besonders praktikabel, bietet jedoch auch gleichzeitig die Möglichkeit, pluralistische Anforderungen zu umgehen. 3. Ausgewogenheit Auch ausländische Programme sind den Leitsätzen unterworfen, die ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten müssen und vom Gesetzgeber aufzustellen seien. 217 Bei binnenpluralistischer Organisation gilt dies für jedes einzelne Programm. Im Falle des Außenpluralismus ist der einzelne zwar nicht zur Ausgewogenheit, wohl aber zu sachgemäßer, umfassender und wahrheitsgemäßer Information und einem Mindestmaß gegenseitiger Achtung verpflichtet. 218 Diese Anforderungen hat der Gesetzgeber sowohl bei Zulassung des Senders als auch bei seiner Weiterverbreitung zu überprüfen. 219 Die Freigabe der Einspeisung begründet seine Verantwortung dafür, daß die durch Kabel verbreiteten Programme der Rundfunkfreiheit nicht zuwiderlaufen. 220
a) Gegenständliche und meinungsmäßige Ausgewogenheit Ausgewogenheit umfaßt die Zusammensetzung des Programms sowohl hinsichtlich gegenständlicher als auch meinungs mäßiger Vielfalt. 221 Das belegt BVerfGE 73, S. 118,202. BVerfGE 57, S. 295, 325; BVerfGE 73, S. 118, 153. 218 BVerfGE 57, S. 295, 326. 219 BVerfGE 73, S. 118, 199. 220 BVerfGE 73, S. 118,200. 221 So auch Bethge, AfP 1979, S. 286, der von "Tatsachen wld Meinungen" spricht; 216
217
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Teil III: Pluralismus im Rundfunk
die Rechtsprechung des BVerfG hinsichtlich § 15 S. 3 Nied LRG a. F. 222 Dieser befaßt sich mit den meinungsspezifischen Anforderungen an ein Programm, wobei auch der Begriff der "Ausgewogenheit" verwandt wird. Das BVerfG bezeichnet Ausgewogenheit als Richt- und Annäherungswert. Ausgewogenheit impliziert eine Aufgabe, deren Realisierung sich nach Bestand und Gewicht nicht exakt messen lasse. Es genüge jedoch, daß sie einen Maßstab bildet, demzufolge sich der Bestand gleichgewichtiger Vielfalt überprüfen läßt. 223 Ihre Funktionsfähigkeit ist zudem insofern nicht anzuzweifeln, als in schwerwiegenden Fällen Hinweise und Proteste nicht ausbleiben werden. Es erfolgt damit eine zusätzliche Kontrolle durch die Öffentlichkeit. 224
b) Ausgewogenheit als unbestimmter Rechtsbegriff In der Literatur gilt Ausgewogenheit demgegenüber als hochgradig pauschaler Verfassungstopos, der kaum vollziehbar sei. 225 Es handelt sich um einen unbestimmten RechtsbegrifI, der nur Maßstab fiir das Gesamtprogramm, nicht fiir die einzelne Sendung sein kann. 226 Sein hoher Abstraktionsgrad erlaube nur pauschale, generalklauselartige Bewertungsnormen. Die fehlende Bestimmtheit der Ausgewogenheit werde durch verfahrensrechtliche Vorkehrungen ausgeglichen, namentlich durch Beteiligung der gesellschaftlich relevanten Gruppen in den öffentlich-rechtlichen Anstaltsgremien und den öffentlich-rechtlichen Kontrollinstanzen, die fiir die Überwachung des Privatfunks zuständig sind. 221
c) Verhältnis von Ausgewogenheit und Pluralismus Wie durch das BVerfG festgestellt, ist das Maß an Ausgewogenheit abhängig von dem jeweiligen Pluralismusmodell. Dabei sind die Ansprüche an die Ausgewogenheit eines Programms um so geringer, je mehr das Modell einen Standard außenpluralistisch gesicherter Meinungsvielfalt gewährleistet. LaLaschet, Programmgrundsätze S. 143; a. A. Schaif, in: Mediensysteme, S. 169, 182, der unter Ausgewogenheit nur Auffassungen faßt und sie dem Begriff der Objektivität gegenüberstellt. 222 BVertGE 73, S. 118, 168 tT. 223 BVertGE 73, S. 118, 168-169. 224 BVertGE 73, S. 118, 169. m PieUe, Meinungsvielfalt S. 14. 22b Bethge, AtP 1979, S. 286. 227 PieUe, Meinungsvieltalt S. 15.
B. Auslegung des Art. 5 I S. 2 GG durch das BVerfG
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schet geht in diesem Zusammenhang davon aus, daß genau wie die pluralistischen Anforderungen auch das Ausgewogenheitsgebot sich im außenpluralen Modell auf die Veranstalter in ihrer Gesamtheit, im binnenpluralen Modell auf jeden einzelnen beziehe. 228 Die Ausgewogenheitsfrage stelle sich erst nach der VielfaItsfrage. 229 Da Pluralismus im Rundfunk aber nicht nur aus organisatorischen Maßnahmen besteht, sondern auch inhaltliche Erfordernisse mit sich bringt, ist von einer Überschneidung dieser beiden Topoi auszugehen. Vielfalt ist dabei ein Wesensmerkmal der Ausgewogenheit, wonach eine gleichwertige Berücksichtigung aller Meinungen stattzufinden habe?30 Ausgewogenheit als Zielwert stellt das Endstadium dar, das mit Hilfe des Pluralismus erreicht werden soll. Ausgewogenheit bezeichnet einen Zustand, Pluralismus einen Prozeß.
4. Beschreibung der dualen Rundfunkordnung
Mit der Öffnung des Rundfunks für private Veranstalter ist in der Bundesrepublik Deutschland ein duales Rundfunksystem entstanden. Danach bleiben die öffentlich-rechtlichen Anstalten bestehen, die in Wahrnahme ihres bisherigen Auftrages nach dem BVerfG die gesamte Bevölkerung versorgen. Sie sind in ihrer Progranungestaltung und Organisation durchweg binnenplural und finanzieren sich weitestgehend durch Gebühren. Die andere Seite bildet die der privaten Veranstalter, bei denen die Meinungsvielfalt im wesentlichen durch andere Mittel als einen Binnenpluralismus sichergestellt wird. Ihre Finanzierung beruht auf den Erträgen der Wirtschaftswerbung, wodurch sie im höheren Maße als die öffentlich-rechtlichen den Gesetzlichkeiten des Marktes unterworfen sind. 231 Dabei betont das Gericht ausdrücklich, daß die Trennung von privatem und öffentlich-rechtlichem Bereich nicht erforderlich sei, sondern dem Gestaltungsraum des Gesetzgebers obliegt, ebenso wie die Trennung von Presse und Rundfunk. Der Grundsatz publizistischer Gewaltenteilung hat keinen Verfassungsrang. 232 Der Gesetzgeber ist lediglich an die Anforderungen der Meinungsbildungsfreiheit gebunden und darf die Entscheidung über das Rundfunkmodell nicht aus der Hand geben. 233 Laschet, Progranungrundsätze S. 130. Groß, DVBI 1982, S. 1118, 1122; a. A. Schmitt Glaeser, AöR 112, S. 215,244, der Ausgewogenlleit als Zweck zur Erreichung einer inhaltlichen Vielfalt erachtet. 230 Laschet, Progranungrundsätze S. 133 135. 231 BVerfGE 73, S. 118, 152. . 232 BVerfGE 83, S. 238, 305. m BVerfGE 83, S. 238, 308 310. 228 229
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Teil ill: Pluralismus im Rundfunk
a) Grundversorgung In der dualen Rundfunkordnung nehmen der öffentlich-rechtliche und der private Rundfunk divergierende Aufgaben wahr. Dabei "ist die unerläßliche Grundversorgung Sache der öffentlich-rechtlichen Anstalten, zu der sie imstande sind, weil ihre terrestrischen Programme nahezu die gesamte Bevölkerung erreichen und weil sie nicht in gleicher Weise wie private Veranstalter auf hohe Einschaltquoten angewiesen, mithin zu einem inhaltlich umfassenden Programmangebot in der Lage sind. Die damit gestellte Aufgabe umfaßt die essentiellen Funktionen des Rundfunks für die demokratische Ordnung". 234 Es soll zudem der klassische Auftrag des Rundfunks erfüllt werden, der neben seiner Rolle für die Meinungs- und politische Willensbildung, neben Unterhaltung und über laufende Berichterstattung hinausgehende Information seine kulturelle Verantwortung umfaßt. 235 In der Gewährleistung der Grundversorgung findet die Finanzierung durch Gebühren ihre Rechtfertigung. 236 Mit der Einführung des Begriffs der Grundversorgung löste das BVerfG eine Lawine literarischer Erörterungen aus, die sich dieses Begriffs annahmen. In seinem darauffolgenden Urteil sah sich das BVerfG zu weiteren Erläuterungen veraniaßt. Mit der Grundversorgung soll ein Programmangebot gewährleistet werden, welches umfassend und in voller Breite des klassischen Rundfunkauftrages informiert und die Meinungsvielfalt in verfassungsrechtlich gebotener Weise sichert. 237 Den Begriff der Grundversorgung charakterisieren danach drei Elemente: Erstens eine Übertragungstechnik, die einen Empfang für alle gewährleistet, zweitens ein inhaltlicher Standard der Programme, der sowohl gegenständlich als auch nach der Darstellungsart dem Rundfunkauftrag voll entspricht, und drittens eine wirksame Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt in der Darstellung der bestehenden Meinungsrichtungen durch organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen. Grundversorgung setzt ferner stets eine Mehrzahl von Programmen voraus. 238 Sie ist keinesfalls als bloße Mindestversorgung aufzufassen, auf die der öffentlich-rechtliche Rundfunk beschränkt sei. 239 Der Begriff dient daher nicht dazu, die verschiedenen Aufgabenbereiche zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk zu markieren. 24o Das BVerfGE 73, S. BVerfGE 73, S. 236 BVerfGE 73, S. 237 BVerfGE 74, S. 238 BVerfGE 74, S. 239 BVerfGE 74, S. 240 BVerfGE 74, S. 234
135
118, 157; BVerfGE 35, S. 202,221; BVerfGE 83, S. 238,298. 118, 158; BVerfGE 74, S. 297, 324. 118, 158; BVerfGE 87, S. 181, 200; BVerfGE 90, S. 60, 90. 297, 325. 297, 326. 297, 325-326; BVerfGE 83, S. 238, 297. 297, 326; BVerfGE 83, S. 238,297.
B. Ausleg\ll1g des Art. 5 I S. 2 GG durch das BVerfG
173
bisherige "Monopol" der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu beseitigen, kann nicht bedeuten, gleichzeitig ein "Monopol" für bestimmte Programme privater Veranstalter zu begründen. 241 So wie der private Rundfunk die Aufgabe einer publizistischen Konkurrenz gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wahrnimmt, darf auch dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine solche Konkurrenz gegenüber den Privaten nicht versagt werden. Die Rundfunkfreiheit soll die freie Meinungsbildung ermöglichen und schützen. Das steht im Widerspruch dazu, die Veranstaltung bestimmter Rundfunkprogramme zu untersagen oder andere Maßnahmen zu treffen, welche die Möglichkeit der Ausstrahlung von meinungsbildenden Rundfunkbeiträgen verkürzen. Auch jenseits der Grundversorgung ist dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk damit die freie Veranstaltung von Rundfunkprogrammen zu gleichen Bedingungen zu gestatten. 242 Bei Knappheit der Frequenzen oder Kanälen sind sie gegenüber den privaten Veranstalter zwar nicht vorrangig, wohl aber gleichrangig zu behandeln. 243 Der Grundversorgungsauftrag verlangt weiterhin, daß der öffentlichrechtliche Rundfunk nicht allein in seinem gegenwärtigen Bestand, sondern auch in seiner zukünftigen Entwicklung gesichert ist. 244 Diese Entwicklungsund Bestandsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist geboten, solange die privaten Veranstalter den klassischen Rundfunkauftrag nicht in vollem Umfang erfüllen. Mit ihr sind die Voraussetzungen zu sichern, die eine Grundversorgung der Bevölkerung möglich machen. 245 Dem öffentlichrechtlichen Rundfunk muß es ermöglicht werden, sich veränderten Umstände anzupassen. 246 Denn Grundversorgung ist nach dem BVerfG nicht statisch zu verstehen, sondern dynamisch im Sinne einer gegenständlichen und zeitlichen Offenheit für neue Übertragungsformen und Inhalte. Gebunden ist sie allein an die Funktion, die der Rundfunk im Rahmen des von Art. 5 I GG geschützten Kommunikationsprozesses zu erfüllen hat. 247 Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Zielsetzung und der gesetzlichen Aufgabenzuweisung steht es den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten frei, wie sie ihre Funktion der Grundversorgung erfüllen. 248 Der Gesetzgeber ist damit nicht verpflichtet, detaillierte Regelungen des in Frage stehenden In-
BVerfGE 74, S. BVerfGE 74, S. 243 BVerfGE 74, S. 244 BVerfGE 83, S. 245 BVerfGE 83, S. 246 BVerfGE 74, S. 247 BVerfGE 83, S. 248 BVerfGE 87, S. 241
242
297, 335. 297, 332. 297, 333; BVerfGE 87, S. 181, 199. 238, 298. 238,299. 297, 354. 238,299. 181,201.
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Teil III: Pluralismus im Rundfunk
halts zu treffen und ihre Befolgung durch organisatorische und Verfahrensregelungen zu sichern. Es genügt die Aufstellung einer Grundregel, in der das Wesentliche zum Ausdruck kommt. 249
b) Grundstandard Für den privaten Rundfunk hat die Grundversorgung durch die öffentlichrechtlichen Anstalten jedoch nicht zur Folge, daß er seiner selbst überlassen bleibt. Er kann die Anforderungen der Grundversorgung zwar aufgrund seiner Finanzierungsweise nicht in vollem Maße erfüllen?50 Denn private Veranstalter finanzieren sich überwiegend durch Wirtschaftswerbung und müßten daher auf hohe Einschaltquoten bedacht sein. Das bedeute massenattraktive Programme zu geringen Kosten zu verbreiten. 251 So kann Information nicht in der vollen Breite der Meinungen und kulturellen Strömungen vermittelt werden. Weiterhin kann bei Privaten nicht von einer gleichgewichtigen Meinungsvielfalt ausgegangen werden, sondern ist diese Schwankungen und Störungen unterlegen. Gleichgewichtige Vielfalt kann bereits deshalb nicht hergestellt werden, weil die Empfangbarkeit der Programme von Teilnehmer zu Teilnehmer differiere. 252 Die Privaten leisteten dennoch einen Beitrag zur Verbesserung der Rundfunkversorgung. Zum einen vermehrt sich durch eine höhere Zahl von Programmen die Chance eines Mehr an inhaltlicher Vielfalt. Zum anderen baut die duale Rundfunkordnung auf dem Gedanken auf, daß der publizistische Wettbewerb das inländische Gesamtangebot anregt und belebt und die Meinungsvielfalt auf diese Weise bestärkt und erweitert wird. 253 "Solange und soweit (.. ) die Wahrnehmung der genannten Aufgaben jedenfalls durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wirksam sichergestellt wird, erscheint es gerechtfertigt, an die Breite des Programmangebotes und die Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt im privaten Rundfunk nicht gleich hohe Anforderungen zu stellen wie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk". 254 Das bedeutet zwar nicht, daß der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Kompensationsfunktion gegenüber dem privaten Rundfunk wahrnimmt. Erfüllt der BVerfGE 73, S. BVerfGE 87, S. 251 BVerfGE 73, S. 252 BVerfGE 73, S. 253 BVerfGE 74, S. 254 BVerfGE 73, S. 249 250
118, 163. 181,199. 118, 155. 118, 156. 297, 332. 118, 158-159; BVerfGE 74, S. 297, 325.
B. Auslegung des Art. 5 I S. 2 GG durch das BVerfG
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öffentlich-rechtliche Rundfimk jedoch seinen Grundversorgungsauftrag, sind die Ungleichgewichtigkeiten im privaten Bereich hinnehmbar. 255 Der Gesetzgeber muß Vorkehrungen treffen, um ein möglichst hohes Maß gleichgewichtiger Vielfalt im privaten Rundfunk zu sichern. Der dabei anzulegende Maßstab muß auf die Beseitigung erheblicher, klar erkennbarer Mängel konzentriert sein. 256 Er besteht in einem Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt. 257 Der Grundstandard impliziert die essentiellen Voraussetzungen der Meinungsvielfalt, wie die Möglichkeit aller, sich durch den privaten Rundfimk zu äußern und die Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht. 258 Den Gesetzgeber trifft hingegen keine Pflicht zur Senkung der Vielfaltsanforderungen für private Rundfunkveranstalter. 259 Er genießt in der Bestimmung der Programmanforderungen Gestaltungsfreiheit, solange er den Bestand privaten Rundfunks nicht in hohem Maße erschwert bzw. ausschließt. 260 Letztlich entscheidend ist, daß das Rundfunksystem in seiner Gesamtheit dem verfassungsrechtiich Gebotenen im Rahmen des Möglichen entspreche.
5. Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Im Zusammenhang mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten und ihrer Grundversorgungsaufgabe stand in letzter Zeit ihre Finanzierung im Vordergrund der höchstrichterlichen Urteile. Da gerade die Finanzierung öffentlichrechtlicher Spartenprogramme umstritten ist, soll hier auf die Aussagen des BVerfG eingegangen werden. Entschließt sich der Gesetzgeber für eine öffentlich-rechtliche Rundfunkorganisation, hat er laut dem BVerfG damit auch die Pflicht, diesen die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Mit der gesetzgeberischen Pflicht korrespondiert ein Recht der Anstalten, die zur Erfüllung des Auftrages erforderlichen Mittel zu erhalten. Wie der Gesetzgeber dieser Pflicht nachkommt, obliegt seiner Entscheidung. Die Finanzierung muß jedoch der Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach Art und Umfang entsprechen, also funktionsgerecht sein. 261 Auch darf er nicht versuchen, m BVerfGE 73, S. BVerfGE 73, S. 257 BVerfGE 73, S. 258 BVerfGE 73, S. 259 BVerfGE 83, S. 260 BVerfGE 83, S. 261 BVerfGE 74, S. 250
118, 118, 118, 118, 238, 238, 297,
159~ BVerfGE 87, S. 181,199.
159. 160. 160. 316. 317. 342~ BVerfGE 87, S. 181,198.
176
Teil ill: Pluralismus im Rundfunk
durch die Finanzierung Einfluß auf die Art der Programmgestaltung oder gar auf den Inhalt einzelner Programme zu nehmen. 262 Dabei steht eine Werbefinanzierung im Widerspruch zur Grundversorgungsaufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Denn gerade mit der Werbefinanzierung sind programm- und vielfaltsverengenden Zwänge verbunden, wie im privaten Rundfunk zu beobachten. Eine gemäße Finanzierungsart stellt vielmehr die durch Gebühren dar. 263 Werbeeinnahmen blieben als zusätzliche Finanzierungsart möglich, solange sie die Gebührenfinanzierung als primäre Quelle nicht verdrängen. Eine Mehrzahl von Einnahmequellen fördert die Unabhängigkeit und stärkt damit die Programmgestaltungsfreiheit. 264 Eine Pflicht, den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Werbeeinnahmen zu gestatten, trifft den Gesetzgeber aber nicht. Die Rundfunktätigkeit muß nur finanziell abgesichert sein?65 Die Entwicklungs- und Bestandsgarantie ist zugleich Finanzierungsgarantie?66 Die Festlegung des Geldbedarfs richtet sich mittelbar nach dem Programmumfang. Dabei geht es jedoch nicht darum, jede Programmentscheidung der Rundfunkanstalten finanziell zu honorieren. Gebühren sind eine Leistung der Empfänger an die Rundfunkanstalten. Sie rechtfertigen sich aus der Aufrechterhaltung eines Rundfunkangebots, das von Art. 5 I S. 2 GG gefordert wird und im Gesamtinteresse liegt. Die Leistungspflicht knüpft allein an den Empfängerstatus an, der durch den Besitz eines Empfangsgerätes begründet wird. Eine Geldleistungspflicht Dritter darf aber nur insoweit statuiert werden, als sie zur Funktionserfüllung geboten erscheint. 267 Die Bestimmung dieser Größe darf aufgrund ihres Selbstbehauptungs- und Ausweitungsinteresses weder allein den Rundfunkanstalten obliegen, noch dem Gesetzgeber. 268 Sie bemißt sich danach, was zur Wahrnehmung der spezifischen Funktionen erforderlich ist. 269 Der Gesetzgeber hat danach jedenfalls die zur Erfüllung der Grundversorgung notwendige Finanzierung zu gewährleisten. Darüber hinaus haben die Rundfunkanstalten einen Anspruch auf finanzielle Mittel, soweit sie sich im Rahmen des zur Wahrung ihrer Funktion Erforderlichen halten. Bezugsgröße ist hier das Gesamtprogramm der Rundfunkanstalten, in dem sich der Auftrag BVerfGE 74, S. BVerfGE 87, S. 264 BVerfGE 87, S. 265 BVerfGE 87, S. 266 BVerfGE 90, S. 267 BVerfGE 87, S. 268 BVerfGE 87, S. 269 BVerfGE 87, S. 262 263
297, 342. 181, 199; BVerfGE 90, S. 181,200; BVerfGE 90, S. 181,200. 60, 91. 118,201; BVerfGE 90, S. 181,202. 181,202; BVerfGE 90, S.
60, 90. 60, 91.
60, 92. 60, 92.
B. Auslegung des Art. 5 I S. 2 GG durch das BVerfG
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des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verwirklichen muß. Dabei ist es durchaus gestattet, daß einzelne Programm gegenständliche Schwerpunkte setzen oder bestimmte Zielgruppen ins Auge fassen. Die Festsetzung der Rundfunkgebühr ist zur indirekten Einflußnahme auf die Erfüllung des Rundfunkauftrages und die Konkurrenzfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks besonders geeignet. Die Gebührenfestsetzung muß somit durch die Grundsätze der Progranunneutralität und Programmakzessorietät geprägt sein. 270 Als gebundene Entscheidung läßt sich kein bestimmter Betrag ableiten, da man ansonsten in den internen Freiheitsraum der Rundfunkanstalten eingreift. Denn genaue Maßstäbe würden auf ein vorgegebenes Programm hinauslaufen, das der Freiheitsgarantie des Art. 5 I S. 2 GG widerspricht. 271 Die Finanzkontrolle darf sich ausschließlich darauf beziehen, ob sich die Anstalten im Rahmen des Rundfunkauftrages halten und ob der aus den Programmentscheidungen abgeleitete Finanzbedarf zutreffend und im Einklang mit den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ermittelt worden ist. 272
ll. Zur Auslegung der Rundfunkfreiheit durch das BVerfG J. Teleologische Interpretation der Rundfunkfreiheit
Nach dem BVerfG ist die Einordnung der Rundfunkfreiheit als der Meinungsbildungsfreiheit dienend Dreh- und Angelpunkt jeglicher Interpretation. Betont wird damit die instrumentale Funktion des Rundfunks in bezug auf die freie, individuelle und öffentliche Meinungsbildung. Das BVerfG stellt folglich die gesellschaftsrechtliche Komponente der Rundfunkfreiheit in den Vordergrund. Ihre rechtliche Ausgestaltung unterliegt einem Gesetzesvorbehalt in Form eines Parlamentsvorbehalts. Dabei handelt es sich bei den entsprechenden Gesetzen nicht um Schrankengesetze gemäß Art. 5 II GG sondern um Ausgestaltungsgesetze im Sinne von Art. 5 I S. 2 GG. 273 Der Gesetzgeber hat einen weiten Gestaltungsspielraum; er muß lediglich für die Gewährung einer umfassenden individuellen und öffentlichen Mei-
BVerfGE 90, S. 60, 94. BVerfGE 90, S. 60, 95. 272 BVerfGE 90, S. 60, 103. 273 Ho.fJmann-Riem, AöR 109, S. 304, 315; Schneider, Ruf 1982, S. 425,431. 270
271
12 Poil
Teil ill: Pluralismus im Rundfunk
178
nungsbildung sorgen. Die Rechtsprechung des BVerfG wird damit durch den Gedanken der Effektivität bestimmt. 274 .
2. Unbestimmte Rechtsbegriffe
Das Rundfunksystem wird durch das BVerfG in zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffen abstrahiert. Die Unbestimmtheit der Ausdrücke beginnt bereits beim Rundfunkbegriff. Ausgewogenheit, Meinungsvielfalt, Grundversorgung, Grundstandard sind Termini, die sich nur bis zu einem gewissen Maß präzisieren lassen. Ursache dafur sind ihre wertenden Momente, deren Ausfiillung nicht Aufgabe des Gerichts, sondern der Rundfunkveranstalter selbst ist. Dieser Umstand ist bei keinem anderen Grundrecht so ausgeprägt wie in Art. 5 GG, da Meinungen nicht festlegbar, bewertbar, geschweige denn voraussehbar sind, sondern sich besonders im gesprochenen Wort durch Kurzlebigkeit auszeichnen. Eine Festlegung kann nur anband von Empirie stattfinden. Bei der Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe ist zweifelhaft. ob sie den fiir ihre Umsetzung verantwortlichen Institutionen überhaupt als Orientierungsmaßstab dienen können oder ob sie nicht vielmehr "auf Beschwichtigung angelegte Wichtigkeitsattribute ohne Nutzeffekt" darstellen. 275 Insofern muß auch das Gericht auf eine Selbstregulierung des Systems vertrauen, in dem unter dem Schutz bestimmter Grundwerte pluralistische Mechanismen fiir eine Meinungsvielfalt sorgen. Diese Selbstregulierung wird um so wahrscheinlicher, je größer die technischen Kapazitäten werden und damit die Möglichkeiten der Rundfunkveranstaltung sind. 3. Ausblick
Das BVerfG bettet die beiden Säulen des dualen Systems mit den Begriffen des Grundstandards und der Grundversorgung in eine statische Ordnung. Ob diese angesichts der programmlichen Annäherungen der beiden Seiten immer noch der Realität entspricht, wird in der Literatur zunehmend angezweifelt. 276 Drastisch wird von einem "Käfig" gesprochen, den das BVerfG um den Rundfunk erbaut habe. 277 Mittlerweile seien aber auch die Privaten in der Lage, Grundversorgung zu leisten. 278 Nach dem BVerfG ist das jedoch solange So schon Lerche, NJW 1982, S. 1676,1677. Bethge, ZUM 1987, S. 199,203. 276 Scholz, AfP 1995, S. 357. 277 Badura, in: Rundfunkbegriff, S. 117, 118. 278 Ricker, epd NT. 35 V. 8. S. 1996, S. 5 ff.~ Seemann, DÖV 1987, S. 844,847, der 274
275
B. Auslegung des Art. 5 I S. 2 GG durch das BVerfG
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nicht möglich, als die Privaten sich ausschließlich durch Werbung finanzieren und so Programmzwänge entstehen. 279 Weiterhin ist die Empfangbarkeit der Privaten nicht für ganz Deutschland gesichert. Eine allgemeine Empfangbarkeit ist aber eines der drei Grundversorgungselemente. Trotzdem hat sich die Empfangbarkeit der privaten Programme bereits wesentlich verbessert. Ferner nivellieren die Programmunterschiede von öffentlich-rechtlichem und privatem Sektor zusehends?80 Das Maß an Ausgewogenheit und Pluralismus im öffentlich-rechtlichen Programmangebot läßt nach. 281 Das muß auch Auswirkungen auf ihre Aufgabenerfiillung haben. 282 Denn mit der Grundversorgung wird zwar nicht eine höhere Güte des Programmangebots, aber eine Andersartigkeit im Vergleich zum sonstigen Angebot verlangt. 283 Ein Programmangleich der Veranstalter wurde bereits 1987 von Schmitt Glaeser vorhergesehen. Denn seit der Öffnung des Rundftmks für private Veranstalter konkurrieren nicht nur diese untereinander, sondern auch der öffentlich-rechtliche und der privatrechtliche Bereich. Da sich der öffentlichrechtliche Rundftmk zu einem wesentlichen Teil aus Wirtschaftswerbung finanziert, ist er ebenfalls auf hohe Einschaltquoten angewiesen. Mittlerweile ist die Maximierung von Einschaltquoten zentrales Anliegen öffentlichrechtlicher Anstalten, was auch hier Programmzwänge hervorruft. 284 Das wird dadurch verstärkt, daß sie durch die Einführung der werbefinanzierten Privaten finanzielle Einbußen hinzunehmen hatten.
feststellt, daß Gnmdversorgung grundsätzlich auch durch private Veranstalter geleistet werden könne; Starck, NJW 1992, S. 3257, 3262; Niepalla, Gnmdversorgung s. 86-87 betont, daß der Gnmdversorgungsauftrag keinesfalls zwingend dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugewiesen ist, sondern auch durch andere erfüllt werden kann, lehnt Gnmdversorgung durch Private aber aus technischen und strukturellen Gründen ab; Han/eld, FAZ v. 17.2.1997, S.I; Schwintowski, Spartenprogranune S. 21; Radke, Phoenix Gespräch v. 30. 10. 1997 räwnt ein, daß die Privaten einen Beitrag zur Grulldversorgung leisten kÖlmten. 279 Deswegen spricht sich Hesse, BayVBI 1997, S. 132, 138-139, gegen eine Privatisierbarkeit der Grundversorgung aus wie auch AstheimerlMoosmayer, ZUM 1994, S. 395, 398. 280 Siehe dazu die ausführliche Untersuchung von Merten, Konvergenz S. 47 ff., der die Konvergenz der Progranune anband von Daten belegt. 281 Siehe hierzu Schatz, Medien Dialog Nr. 6 1997, S. 28 fT.; Wetzei, Mediwn Nr. 3 1992, S. 71,75. 282 Ricker, epd Nr. 35 v. 8. 5. 1996, S. 5, 7. 283 Schmitt Glaeser, AöR 112, S. 215, 258; Stettner, ZUM 1995, S. 293, 305; Stoiber, Beilage zmn Medienspiege1 Nr. 44 v. 30. 10. 1995, S. 7, 10. 284 Schmitt Glaeser, DVBI 1987, S. 14, 17; einen Progranunangleich der öfTentlichrechtlichen Anstalten aufgrund des Anteils an Werbefinanzierung beklagt auch Engel, AtP 1994, S. 185, 187; Merten, Konvergenz S. 134-135.
12·
Teil ID: Pluralismus im Rundfunk
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Bethge vertritt demgegenüber die Ansicht, daß die Grundversorgung in keiner Weise privatisierbar sei. Sie besitze keinen transitorischen Charakter und sei damit untrennbar mit den öffentlich-rechtlichen Strukturen verbunden. 285 Grundversorgung sei bei Privatanbietern Gegenstand privatrechtlicher Beliebigkeit; sie müsse aber eine Pflicht des Rundfunkveranstalters bleiben.
m. Folgerungen für die Herleitung pluralistischer Anforderungen 1. Das Pluralismusverständnis im Rundfunkbereich
Der Begriff Pluralismus tritt im Rundfunkrecht häufig in Erscheinung. In der Literatur wird er zum Teil mit dem Begriff der Vielfalt gleichgesetzt. 286 Das ist insofern zu fraglich, als das BVerfG grundsätzlich von Vielfalt spricht und den Begriff des Pluralismus nur im Zusammenhang mit Organisationsstrukturen verwendet. 287 Zudem ist bereits eine Übereinstimmung der Begriffe von Pluralismus und Vielheit verneint worden. Vielfalt und Vielheit unterscheiden sich aber dadurch, daß Vielheit nur die Ansammlung mehrerer Elemente impliziert, während Vielfalt auch eine Aussage über die Stellung der Elemente zueinander trifft, die sie auf einer Ebene anordnet. Daher ist gegen eine Gleichstellung von Vielfalt und Pluralismus nichts auszusetzen, obwohl Pluralismus den Tenninus technicus darstellt, der seine theoriespezifische Bedeutung einbringt. Der Auftrag an Rundfunkveranstalter zur Sicherung von Meinungsvielfalt entspricht damit dem Gebot eines Meinungspluralismus. 288 Abzulehnen ist jedoch die Vorgehensweise Piettes, der die Begriffe der Vielfalt, Ausgewogenheit, Neutralität und Pluralität zwar nicht für bedeutungsgleich, aber für nicht voneinander abgrenzbar erachtet. Deshalb seien sie als Komplementärbegriffe zu verstehen. 289 Sie könnten unter den Klammerbegriff der rundfunkspezifischen Meinungsvielfalt gefaßt werden. Diese Aussage Bethge, MP 1996, S. 66,67. So Winkel, Finanzienmg S. 33; Stender, Staatsferne S. 29; Schellenberg, AöR 119, S. 427, 428; siehe auch Kresse, Pluralismus S. 14, der den Begriff des Pluralismus verwendet und dabei auf Hoffmann-Riem verweist, der wiederum von Vielfalt spricht, HojJmann-Riem, Rundfunkrecht S. 17; Ronellenfitsch, VA 1992, S. 119, 127. 287 Siehe z. B. BVerfGE 57, S. 295, 323 325: die einzige Ausnahme bildet hier BVertDE 31, S. 315,331, wo von einem ,,Pluralismus der Meinungen und Anschauungen" die Rede ist. 288 Ronellenfitsch, VA 1992,S. 119,127. 289 Pielle, Meinungsvielfalt S. 10. 285
286
c. Der Pluralismus in der Verfassung
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ist bereits deshalb nicht haltbar, da Pluralität bzw. Vielfalt vom BVerfG nicht nur meinungsbezogen gefordert wird. 290
2. Funktion des Pluralismus im Rundfunk Der Pluralismus wird durch das BVerfG instrumentalisiert und wie der Rundfunk selbst auch dem Zweck einer freien umfassenden Meinungsbildung unterworfen. Die Funktion des Pluralismus erschöpft sich jedoch nicht in der eines bloßen Mittels. Das Gericht verfolgt mit den pluralistischen Anforderungen die Intention, möglichst alle gesellschaftlichen Strömungen in den Rundfunk einzubringen. Da die Gesellschaft pluralistisch geprägt ist, wird der Pluralismus als Schablone genutzt, um das Gesellschaftsbild auf den Rundfunk zu übertragen. 291 Dadurch soll ein Meinungspluralismus erzeugt werden, der durch seine Ausstrahlung im Rundfunk das Meinungsspektrum der Gesellschaft verschiebt. 292 Damit ist der Pluralismus nicht nur Mittel, sondern auch Ziel seiner Einsetzung. Der Rundfunk ist Prozessor, der das Meinungsbild in der Gesellschaft neu ordnet, von einem Meinungspluralismus zu einem Meinungspluralismus führt. Dabei stellen die Modelle des Binnen- und Außenpluralismus die "Eckpfeiler" des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraurns dar. 293 Hierbei sind die organisatorischen Möglichkeiten wiederum Mittel, um zu dem Ziel eines inhaltlichen Pluralismus zu gelangen.
C. Der Pluralismus in der Verfassung L Stellung innerhalb der Verfassung l. Zur Rolle der Verfassung
Obwohl die Verfassung bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts einen unentbehrlichen Bestandteil des modemen Staatswesens darstellt, ist bis heute um290 BVerfGE 74, S. 297, 325-326; siehe dazu die Aufzählung bei HojJmalln-Riem, Rundfunkrecht S. 18-19. 291 Von einer Abbildfunktion des Binnenpluralismus tllr den gesellschaftlichen Pluralismus spricht auch Lange, MP 1980, S. 133, 14\. 292 Zum Einfluß der Medien auf die Gesellschaft siehe auch Jarren, in: Kommunikation, S. 31,46. 293 Bethge, JZ 1985, S. 308.
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Teil III: Pluralismus im Rundfunk
stritten, was eine Verfassung auszeichnet. Zumindest wird sie nicht mehr nur als eine Gesamtentscheidung über Art und Form der politischen Einheit erachtet,294 sondern als Grundlage aller rechtlichen Bindungen der Staatsgewalt. 295 In ihrem Inhalt manifestiert sich das Erscheinungsbild des Staates. Die Verfassung enthält daher die höchste normative Aussage über die Grundprinzipien der Herrschafts- und Werteordnung im Staat. 296 Sie ist eine wertgebundene Ordnung. 297 Der Staat geht nicht der Verfassung voraus, sondern wird mit durch die Verfassung konstituiert. 298 Ein Verfassungsstaat muß nicht zwangsläufig ein pluralistisch geprägter Staat sein. Dennoch kann man an der Definition Sterns erkennen, welche Stellung die Verfassung in einem pluralistischen S~t einnimmt: die der Festlegung des Grundkonsenses der pluralistischen Gesellschaft,299 bestehend aus den Verfahrensprinzipien und einem Wertekodex. Dementsprechend hat die Verfassung primär Ordnungsfunktion inne. Sie schafft eine staatliche und gesellschaftliche Wirkungseinheit in der Weise, daß sie fiir alle Staatsmitglieder Bindungskraft entfaltet und ohne zeitliche Einschränkung gilt. 300 Sie impliziert jedoch keine unabänderliche Ordnung, sondern ist in weiten Teilen fiir Verschiebungen offen. Eine Verfassung muß von den Staatsmitgliedern getragen werden. Daher muß sie in der Lage sein, die geistige Situation der Gesellschaft in sich aufzunehmen. 301 Ferner soll sie einheitsstiftende Wirkung entfalten. Sie dokumentiert den Konsens im Volk und trägt zu deren Zusammengehörigkeitsgefiihl bei. Nicht selten wird dieser Gedanke mit der Integrationslehre Smends in Verbindung gebracht,302 der in der Verfassung die gesetzliche Normierung von Integrationsaspekten erblickt. 303
Schmitt, Verfassungslehre S. 21. Stein, Staatsrecht § I V S. 5. 296 Stern, StaatsR I, § 3 n 4) S. 78. 297 Oberreuter, Wertwandel S. 14. 298 Korioth, Integration S. 298. 299 Isensee, RB des StaatsR I, § 13 RN 134. 300 Stern, StaatsR I, § 3 III 3) S. 82. 301 Korioth, Integration S. 304. 302 Isensee, RB des StaatsR I, § 13 RN 138; Stern, StaatsR I, § 3 III 6) S. 91; Korioth, Integration S. 299 ff. 303 Smend, Verfassung S. 78. 294 295
C. Der Pluralismus in der Verfassung
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2. Inhalt der Verfassung
In der Verfassung werden die den Staat tragenden Prinzipien statuiert. Dabei besitzen besonders das Demokratie- und das Sozialstaatsprinzip eine Affinität zum Pluralismus und zur Rundfunkfreiheit. a) Demokratieprinzip Gemäß Art. 20 11 S. 1 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Diese Aussage ist die geistige Grundlage fiir die Staatsform der Demokratie. Nach dem Grundsatz der Volkssouveränität muß sich jegliche Herrschaftsausübung im Staat durch den Willen seiner Mitglieder legitimieren. Es bedarf der gesetzlichen Ausgestaltung, wie das Volk an der staatlichen Willensbildung beteiligt wird. Die Entscheidung fiir ein demokratisches Verfahren ist demzufolge kein Selbstläufer, sondern ein Vorsatz,304 der seiner Verwirklichung bedarf. Es soll die Freiheit des einzelnen sichern im Sinne einer Vermeidung von Fremdbestimmung im Denken und Handeln. 305 Die Demokratie als Herrschaftsform ist dazu besonders geeignet, als ihre Ordnung von denjenigen geschaffen wird, die ihr unterworfen sind. 306 aa) Verhältnis zur Rundfunkfreiheit
Folglich zieht die Entscheidung fiir eine demokratische Staatsfonn die Gewährleistung von individuell-autonomer Freiheit für jedes Staatsmitglied nach sich. Für eine Demokratie ist es demnach unerläßlich, eine staatsfreie Bildung der öffentlichen Meinung zu sichern. 307 Es muß ein freier und offener Prozeß der politischen Meinungs- und Willensbildung stattfinden. Dieser wird im Grundgesetz durch das Recht der freien Meinungsäußerung, die Presse-, Rundfunk-, Film und Informationsfreiheit gewährleistet, die für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung konstituierend sind. 30s Die Konununikationsgrundrechte beinhalten sowohl eine liberale wie auch eine demokratische Komponente. Sie schützen vor staatlichen Ein- und Übergriffen und führen zu einer offenen Meinungs- und Willensbildung, die Einfluß auf die politische Entscheidungsgewalt hat. 309 Sie geWährleisten die für
Simsoll, VVDStRL, Heft 29 1971, S. 4, 12. Böckenförde, H8 des StaatsR I, § 22 RN 35. 306 Kelsen, Demokratie S. 11. 307 Stem, StaatsR I, § 18 n 5 e) S. 615; Bührillger, in: Planung, S. 49. 304 305
308
BVerfGE 7, S. 198,208; BVerfGE 20, S. 56, 97.
309
Böckenförde, H8 des StaatsR I, § 22 RN 37.
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Teil m: Pluralismus im Rundfunk
die Demokratie unabdingbare politische Freiheit. Dabei nimmt der Rundfunk als Meinungen verbreitende und formende Institution eine zentrale Position ein.
bb) Verhältnis zum Pluralismus Wie sich der Pluralismus zum Demokratieprinzip verhält, bleibt in der Literatur ungeklärt. Richtig ist, daß das Bestehen von Gruppen und Verbänden in Ausprägung des Pluralismus auf eine demokratische Verfassung hinweist. 3!O Daher könnte der Pluralismus aus dem Demokratieprinzip resultieren. Denkbar ist aber auch, daß das Demokratieprinzip auf dem Pluralismus aufbaut. Hierzu ist auszuführen, daß der Pluralismus mit seiner gesellschaftlichen Analyse die Basis fiir eine demokratische Staatsform erbringt. Während der Pluralismus das Verhältnis von Staat und Gesellschaft durch eine abstrakte Analyse erfaßt - die Pluralismustheorien primär deskriptiv sind3 !! - setzt das Demokratieprinzip den Pluralismus in eine konkrete Staatsform um. Bildlich gesprochen stellt der Pluralismus die Erde dar, auf der die Blume der Demokratie erst wachsen kann. Mit diesem Bild ist ausgesagt, daß Pluralismus auch durch eine andere als eine demokratische Staatsform möglich, Demokratie ohne pluralistisches Gesellschaftsbild indessen nahezu unmöglich ist. Denn erst durch den Pluralismus kommt es zu einer Anerkennung der Verschiedenartigkeit der Menschen und zu der Forderung nach einem Freiraum, diese auszuleben. Die Demokratie versucht diesen Freiraum zu gewähren, die Gesellschaft aber gleichzeitig regierbar zu machen, indem sie die Art der politischen Entscheidungsfindung festlegt. Sie stellt damit eine Wertung auf, die dem Pluralismus nicht immanent ist. Demokratie ist folglich ein Aspekt des pluralistischen Verfassungsstaates. 312 Daher leitet sich das Demokratieprinzip aus dem Pluralismus ab. Wegen seiner tragenden Rolle in einer Demokratie darf der Rundfunk nicht dem Einfluß einzelner Parteien oder Gruppen ausgesetzt sein, sondern verlangt eine Pluralisierung und Äquilibrierung durch anteilsmäßige Beteiligung der fiir das Gemeinwesen gewichtigen Faktoren. 313 Die öffentliche Meinungsbildung muß sich in freier öffentlicher Diskussion, pluralistisch im Widerstreit von Rede und Gegenrede bilden. 3 !4
Schmid, in: Verhandlungsdemokratie, S. 171, 172. Detjen, in: Parlamentarismus, S. 27, 28. 312 Detjen, in: Parlamentarismus, S. 27,43. 3\3 StemiBethge, Rundfunk S. 45. 314 Klein, Rundfunkfreiheit S. 55. 310
3\1
c. Der Pluralismus in der VerfassWlg
185
Demnach wird behauptet, die Rundfunkfreiheit werde über den Pluralismus als Organisationsprinzip in direkten Bezug zum demokratischen Prinzip gebracht. 315 Nach den obigen Ausfiihrungen kann dieser Aussage jedoch nicht zugestimmt werden. Auch hat Bumke bereits dargelegt, daß es bei dem Pluralitätsgebot im Rundfunk um etwas anderes gehe als um eine demokratische Beteiligung der gesellschaftlichen Gruppen. Im Vordergrund steht die Freiheitsverwirklichung. 316
b) Sozialstaatsprinzip Das Sozialstaatsprinzip ist im Grundgesetz in Art. 20 I und 28 I S. 1 GG festgehalten. Es hat keine eigenständige Bedeutung; 317 nur in Bezug zu anderen grundrechtlichen Werten kann es Aussagekraft entfalten. aa) Verhältnis zur Rundfunkfreiheit
Im Grundrechtsbereich hat das Sozialstaatsprinzip seine Ausformung darin gefunden, die Grundrechte über ihre abwehrende Funktion hinaus als Teilhaberechte an staatlichen Leistungen zu interpretieren. Danach trifft den Sozialstaat die Pflicht, die Voraussetzungen für die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten zu schaffen und zu sichern. 3J8 Kommunikation stellt einen sozialen Vorgang dar, der im Rundfunk aufgrund der beschränkten technischen Möglichkeiten eines besonderen Schutzes bedarf. 3J9 Selbst mit erweiterten Kapazitäten wird der Rundfunk aufgrund wirtschaftlicher Faktoren vielen Bevölkerungsschichten versperrt bleiben. Das darf nicht dazu führen, daß die Ansichten dieser Bevölkerungsschichten im Rundfunk keine Erwähnung finden. Das Recht zur geistigen Auseinandersetzung muß ein offenes Ausübungsrecht bleiben. 320 Soweit erreichbar, sollte keine Meinung ausgeschlossen werden. Gemäß dem Sozialstaatsprinzip ist die Rundfunkfreiheit insoweit zu effektivieren, als sie den offenen Meinungsmarkt schützen und die pluralistischen Kommunikationsstrukturen sichern SOll.321
315 Bumke, Landesmedienanstalten S. 121; Rupert Scholz, Jahrbuch der BWG 1977, S. 53,56 ff. 316 Bumke, Landesmedienanstalten S. 142. 317 Starck, Verfassungsstaat S. 266. 318 Klein, Grwtdrechte S. 53 ff.; Piette, MeinWlgsvielfalt S. 12. 319 HojJmann-Riem, RB des VerfR, § 7 RN 11. 320 Scholz, Koalitionsfreiheit S. 292. 321 Piette, Meinungsvielfalt S. 12; Luhmann, Grwtdrechte S. 23 ff.
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Teil m: Pluralismus im Rtmdfunk
bb) Verhältnis zum Pluralismus Dadurch besteht auch ein enges Verhältnis des Pluralismus zum Sozialstaatsprinzip. Nach Klein darf der soziale Rechtsstaat keine Freizügigkeit bei der Frage walten lassen, wer von den Grundrechten im einzelnen Gebrauch machen darf. 322 Für den Rundfunk bedeutet das die Gewährleistung eines von Verfassungs wegen zu garantierenden Mindeststandards, der sich an der Beteiligung der relevanten Kräfte und Ansichten zu orientieren hat. Dadurch soll gewährleistet werden, daß diejenigen, die Rundfunk betreiben, auch den existierenden gesellschaftlichen Pluralismus darstellen. 323 Damit liegt im Sozialstaatsprinzip ein Grund für das Pluralismusgebot im Rundfunk. Auf der anderen Seite wird der gesellschaftliche Pluralismus durch das Sozialstaatsprinzip nicht nur umgesetzt und gefördert, sondern auch beeinflußt. Denn die soziale Ausprägung des Staates gilt als Mittel zur Problembewältigung der pluralistisch strukturierten Gesellschaft. 324 Pluralismus setzt die Freiheit der Gesellschaft voraus, die zu sozialer Ungleichheit führt. 325 Diese müsse in einem sozialen Staat harmonisiert werden, wobei es nur um eine Angleichung der Extreme und nicht um eine Einebnung aller Unterschiede gehen kann. Auch ein Sozialstaat ist zur Differenzierung verpflichtet, soweit die pluralen Gesellschaftsverhältnisse dies verlangen. 326 Durch das Sozialstaatsprinzip müssen die Gesellschaftsmitglieder in den essentiellen Lebensbereichen gleichgestellt werden, wo die pluralistische Dialektik dies nicht aus sich heraus erreicht. Das Sozialstaatsprinzip hat damit auch eine den gesellschaftlichen Pluralismus ausgleichende Funktion. Zudem führt das rundfunkrechtliche Pluralitätsgebot selbst zu einem Ausgleich, da danach Meinungen im Rundfunk nicht quotenmäßig nach ihrem Auftreten in der Gesellschaft wiederzugeben sind, sondern es auf die Repräsentanz aller vorhandenen Meinungen ankommt.
II. Zur Systematik des Art. 5 GG Die Rundfunkfreiheit des Art. 5 I S. 2 GG wird umrahmt von der Meinungs- und der Pressefreiheit. Der räumliche Bezug weist auf eine sachliche Nähe hin, deren Berücksichtigung bei der Auslegung der Rundfunkfreiheit unabdingbar ist. Klein, Rtmdfunkfreiheit S. 53. Klein, Rtmdfunkfreiheit S. 54. 324 Stern, Staat S. 125. 325 Starck, Verfasstmgsstaat S. 270. 326 Rupert Scholz, Jahrbuch der BWG 1977, S. 53,68. 322 323
C. Der Pluralismus in der Verfassung
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J. Stellung der Rundfunkfreiheit zur Meinungsfreiheit Wegen der Abhängigkeit der Rundfunk- von der Meinungsbildungsfreiheit wird in der Literatur erstere nur als unselbständige, dienende Freiheit aufgefaßt, die sich in ihrer essentiellen Funktion für den Meinungsbildungsprozeß erschöpfe. 327 Andere wiederum gehen von einer selbständigen Bedeutung der Rundfunkfreiheit aus. 328 Besonders Stock und Hoffmann-Riem betonen die Autonomie der Medienfreiheit, die zur Meinungs- und Informationsfreiheit ein aliud darstellt. 329 Die Aufgabe der öffentlichen Meinungsbildung ist hingegen nur eine unter vielen. 330 Dem ist zuzustimmen. Der starke Bezug von Rundfunk- und Meinungsfreiheit offenbart sich zudem in der Streitfrage, ob sich das Recht auf rundfunkmäßige Verbreitung von Meinungen aus Art. 5 I S.l GG 331 oder aus der Rundfunkfreiheit ergibt. 332
2.•S'tellung der Presse- zur Rundfunkfreiheit Obwohl die Trennung der publizistischen Gewalten von Presse und Rundfunk keinen Verfassungsrang genießt, wurde sie bisher vollzogen. Das kommt in einer unterschiedlichen rechtlichen Behandlung zum Ausdruck, die mit der größeren Suggestivkraft des Rundfunks begründet wurde. 333 Allein die Technik bedinge Modifizierungen. 334 Das BVerfG mißt den beiden Medien grundsätzlich gleichen Bedeutungsrang ZU. 335 Im Bereich der Presse müsse der Gesetzgeber aber nicht regulierend eingreifen, weil hier freie Meinungsbildung von alleine erfolge im Gegensatz zum Rundfunk, der daher einer Ordnung bedürfe. 336 327 Rupert Scholz, JZ 1981, S. 561, 563; Klein, Rundfunkfreiheit S. 34; Dörr, MP 1996, S. 621, 622; Herrmann, Fernsehen S. 60. 328 Badura, Rundfunkgesetzgebwlg S. 27; Wolf, Medienfreiheit S. 32 tf. 329 HojJmann-Riem, HB des VertR, § 7 RN 31; Stock, Medienfreiheit S. 206; ders., Theorie S. 35. 330 Schmitt Glaeser, AöR 112, S. 215, 235-236. m Klein, Rundfunkfreiheit S. 33 unter Hinweis darauf, daß ,,Berichterstattung" nach seinem Wortsinn nur die Verbreitung von Tatsachen umfassen und man sich daher nicht auf Art. 5 I S.2 GG stützen könne; Herrmann, Fernsehen S. 60, nach dem die Rundfunkfreiheit diesbezüglich nur noch eine verstärkende Wiederholung darstellt. 332 Degenhart, in: BK Art. 5 Abs. I u. 2, RN 512; HojJmann-Riem, HB des VertR, § 7 RN 31, der konsequent davon ausgeht, daß heide Freiheiten betroffen sind und es darauf ankomme, ob Schwerpunkt der lllhaIt oder die Vermittlungsart sei. 333 Stock, Medienfreiheit S. 211; StemIBethge, Rundfunk S. 51. 334 Kuli, ZUM 1987,8.355. m BVerfGE 12, 113, 130; BVerfl1E 35, S. 202,222. 336 Pieper/Wiechmantl, ZUM 1995, S. 82,87.
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Teil ill: Pluralismus im Rundfunk
Durch neue Techniken wird nicht nur die Anzahl publizistischer Mittel erhöht, sondern werden auch die vorhandenen Medien konvergiert. Das stellt eine differierende organisatorische Behandlung von Rundfunk und Presse in Frage. Je gleichartiger sich Rundfunk und Presse in ihren Möglichkeiten, ihrer Bedeutung und Funktion werden, desto mehr drängt sich eine identische Organisationsform - außen pluralistischer Natur - auf. 337 Ricker zieht daraus die Konsequenz, daß ein originärer Zulassungsanspruch zum Rundfunk entstehe, wenn die Verhältnisse im Rundfunk denen der Presse angeglichen seien. Mittlerweile würden auch die privaten Veranstalter den Grundversorgungsauftrag wahrnehmen. 338 Die Grundversorgung sei eine verfassungsrechtlich vorgegebene Sicherungsaufgabe, wodurch dem einzelnen ein Anspruch auf rundfunkmäßige Betätigung erwachse. Die Rundfunkfreiheit als Individualrecht müsse zur Zulassungsfreiheit erstarken.
m. Zur Interpretation der Rundfunkfreiheit Art. 5 GG gehört dem Grundrechtsteil der Verfassung an. Die Grundrechte gelten als untrennbarer Teil der Verfassung, als Kern der freiheitlichdemokratischen Ordnung des staatlichen Lebens im Grundgesetz. 339 Das klassische Grundrechtsverständnis ist das des subjektiven Abwehrrechts des Bürgers gegenüber dem Staat. Grundrechte sind damit die Protektoren des einzelnen vor der staatlichen Gewalt. Mit dem Lüth-Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde deutlich, daß Grundrechte eine weitere Funktion erfiillen, nämlich die einer objektiven Werteordnung. Denmach beinhalten sie ein Wertsystem, das seinen Mittelpunkt in der innerhalb der sozialen Gemeinschaft sich frei entfaltenden menschlichen Persönlichkeit und ihrer Würde findet. 340 Sie geben allgemeine Werte vor, so daß ein Freiraum fiir unterschiedliche Positionen verbleibt und der Staat seine Neutralität wahrt. 341 Die Rundfunkfreiheit läßt sich nicht einer gewölmlichen Grundrechtsinterpretation unterziehen. Das liegt nicht nur an ihrem grundrechtlichen Umfeld, sondern auch daran, daß Art. 5 I S. 2 GG eine Aussage über den Rundfunk und nicht ausdrücklich über die trifft, die Rundfunk betreiben oder rezipieren. 337 Schmitt Glaeser, AöR 112, S. 215,229; Bertelsmann-Stifiung (Hrsg.), Kornrnunikationsordnung 2000, S. 31; Ricker, AfP 1997, S. 589, der fordert, die Werbebeschränkungen im Rundfunk aufzuheben, die auch in der Presse nicht vorhanden seien. 338 Ricker, epd medien Nr. 35 v. 8. 5. 1996, S. 5, 8. m BVerfGE 31, S. 58, 73. 340 BVerfGE 7, S. 198,205. 341 Oberreuter, Verfassung S. 42.
c. Der Pluralismus in der Verfassung
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Folglich gibt es zahlreiche Deutungen der Rundfunkfreiheit. Danach wird überwiegend zwischen einer objektiv- und einer subjektivrechtlichen Interpretation unterschieden. Darüber hinaus werden die Begriffsmerkmale individualistisch, institutionell, funktionell, rechtspositivistisch verwandt, die teilweise zu ungleichen Paaren verbunden werden. 342 Die Aufteilung der Rundfunkfreiheit in eine objektive und eine subjektive Seite erscheint nicht sinnvoll. Zum einen hat jedes subjektive Recht zugleich einen objektiven Gehalt, der im Inhalt der Gewährleistung besteht. 343 Zum anderen verbürgt die Rundfunkfreiheit gerade keine auf die Staatsmitglieder bezogene Aussage. Dadurch kommen mehrere Rechtssubjekte in Betracht - das Individuum, die Gesellschaft oder auch der Rundfunk selbst. Daher ist eine Differenzierung nach individual- und gesellschaftsrechtlichem Aspekt der Rundfunkfreiheit vorzugswürdig, wie sie auch Jarrass vornimmt.
J. Die individualrecht/iche Betrachtung der Rundfunkfreiheit
Die individualrechtliche Sichtweise stützt sich auf das klassische Grundrechtsverständnis und wertet die Rundfunkfreiheit als subjektives Recht des einzelnen auf Rundfunkempfang und -nutzung sowie Rundfunkveranstaltung selbst. 344 Ihre rechtliche Regelung bewirkt demzufolge eine Begünstigung des einzelnen, die gegenüber dem Staat wehrfahig ist. 345 Art. 5 I S. 2 GG statuiere einen Freiheitsbereich, der den Bürgern unter Ausschluß staatlicher Einflußnahme zur Verfiigung zu stellen sei. 346 Diese Meinung stützt sich auf die Verbindung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Rundfunk, es wird von einem Verhältnis partieller Konkurrenz bzw. funktionaler Akzessorietät gesprochen. 347 Aus der individualistisch geprägten Meinungsfreiheit müsse sich daher auch eine solche Rundfunkfreiheit ergeben. Daß der Rundfunkfreiheit ein individualistischer Aspekt immanent ist, wird mittlerweile nicht mehr bestritten. Uneinig ist man sich darüber, ob die 342 Liegmann, Zugang S. 61 ff. differenziert zwischen Individualisten und Funktionalisten; siehe auch Ladeur, AfP 1998, S. 141 ff.. 343 Jarass, Massenmedien S. 119. 344 Herzog, Maunz-DÜfig PieperlWiechmann, ZUM 1995, S. 82, 92. 322
323
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen RWldfunk
n. Zur Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme 1. Unzu/ässigkeit Nach dem BVerfG, das die grundsätzliche Möglichkeit der Veranstaltung öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme berurwortet, ist es schwierig, von deren genereller Unzulässigkeit auszugehen. Bedenken, daß sich ihre Veranstaltung am Rande der verfassungsrechtlichen Legalität bewege, werden dennoch geäußert. 327 Man versucht dadurch einem "Outsourcing" nicht massenattraktiver Inhalte auf Randsendeplätze oder gar "Randgruppenkanäle" wirksam entgegenzusteuern. 328 Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Einordnung dieses Programmtyps innerhalb des Versorgungsauftrags der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Spartenprogramme sind danach unzulässig, wenn sie mit den Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht zu vereinbaren sind.
a) Unvereinbarkeit mit der Grundversorgung Zwar fuhrt die Ablehnung öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme als Teil der Grundversorgung nicht automatisch zu einer Unzulässigkeit dieser Programmform. Dies gilt schon deshalb nicht, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht auf die Aufgabe der Grundversorgung zu begrenzen ist. Dennoch ist die Negation der Zugehörigkeit zur Grundversorgung Voraussetzung rur die Feststellung einer Unzulässigkeit. Es gibt zahlreiche Stimmen in der Literatur und in der Praxis, die öffentlich-rechtliche Spartenprogramme nicht als Teil der Grundversorgung ansehen. 329 Gestützt wird das auf die Rechtsprechung des BVerfG im BadenWürttemberg-Beschluß, die dergestalt interpretiert wird, daß die Spartenprogramme sich außerhalb des Grundversorgungsauftrags bewegen. Zudem könnten Spartenprogramme den Anforderungen der Grundversorgung nicht genügen. Kuli, AfP 1987, S. 462,464. Kresse, ZUM 1995, S. 178, 183. 329 Kresse, ZUM 1996, S. 59,61 62; ders., ZUM 1995, S. 178, 183; Kuli, AfP 1987, S. 365, 368; Schmitt Glaeser, DÖV 1987, S. 837, 839; Libertus, GfWldversorgungsauftrag S. 145; Kuli, ZUM 1987, S. 355, 357; Dry, ZUM 1987, S. 427, 428; Stettner, ZUM 1995, S. 293,298 300; Stoiber, Beilage zum Medienspiegel Nr. 44 v. 30. 10. 1995, S. 7, 12; Bleckmann, Spartenprogramme S. 74; Kuhlo, n-tv, Gespräch v. 7. 11. 1996; Schwintowski, n-tv, Gespräch v. 12. 11. 1997; Schultz, VlVA, Gespräch v. 30. 10. 1997. 327
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B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogranune
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aa) Allgemeine Empfangbarkeit
Spartenprogramme könnten bereits deshalb keine Grundversorgung leisten, weil sie nicht fiir jedennann empfangbar sind. Sie werden über Satellit und Kabel und nicht terrestrisch verbreitet. 330 Dieses Argument überzeugt durch seine Klarheit und seine strenge Orientierung an den Grundversorgungsvorgaben des BVerfG. In letzter Konsequenz kann ihm jedoch nicht gefolgt werden, da sonst kein neues Programm eine Chance hätte, Teil der Grundversorgung zu werden. Die terrestrischen Frequenzen sind belegt, ein neues Programm ist auf die Verbreitung über Satellit und Kabel angewiesen. Gerade weil Ricker dieses Argument in Zusammenhang mit der Frage einer vorrangigen Einspeisung öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme in das Kabelnetz bringt, die er nur fiir Programme der Grundversorgung annimmt, droht ein Insichschluß. 331 bb) S'partenprogramme versus Allgemeinheit
Da ein Charakteristikum der Spartenprogramme ihre Ausrichtung auf eine Zielgruppe ist, können sie zudem nicht dem Programmbereich angehören, der die Allgemeinheit mit unerläßlichen Basisinhalten versorgt.332 Der Grundversorgungsauftrag verlangt ein Programm für allem und nicht nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung. Rundfunk für alle darf zwar nicht in dem Sinne verstanden werden, daß jeder Programmbeitrag von der breiten Akzeptanz der Bevölkerung getragen sei, aber dergestalt, daß jeder Rundfunkteilnehmer Beiträge seines Geschmacks, seines Interesses oder seiner Erwartungen im Gesamtprogramm wiederfindet. 334 Zudem impliziere Grundversorgung nicht, neue Programmfonnen privater Veranstalter nachzuahmen, sondern vorrangig die integrierenden Vollprogrammangebote weiterzuentwickeln. 335 Somit sei mit der Grundversorgung primär die Verantwortung verbunden, der Bevölkerung kulturell und politisch breit gefächerte Vollprogramme anzubieten. 336 Nur so könne ein Forum fiir die Allgemeinheit geschaffen werden. 337 330 Ricker, ZUM 1997, S. 1, 3; a. A. Mathias Braun/GillertlHoberg/Hübner/Kamps, ZUM 1996, S. 201,205, ohne nähere Begründung. 331 Siehe dazu S.326 ff. 332 Bleckmann, Spartenprogranune S. 57. 333 Nowottny, in: Zwischenbilanz, S. 29, 30; Kresse, ZUM 1996, S. 59, 61; Berg, MP 1987, S. 265, 271. 334 Bühringer, in: Planung, S. 49, 50. 33S Kresse, ZUM 1996, S. 59,65. 336 Bullinger, AfP 1996, S. 1,5. 337 Bleckmann, Spartenprogranune S. 62.
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
In bezug auf das Kriterium der Allgemeinheit könnte jedoch auf die Argumentation hinsichtlich des Rundfunkbegriffs zurückzugreifen sein. 338 Demzufolge käme es nicht darauf an, die Allgemeinheit zu erreichen, sondern das Programm auf eine unbestimmte Allgemeinheit auszurichten. 339 Eine Adressierung an bestimmte Gruppen der Gesellschaft ist damit unbeachtlich, soweit der Adressatenkreis als beliebige Teilöffentlichkeit eingeordnet werden k ann. 340 Ausgehend von dieser These ergibt sich aber das Problem, daß hier ein Teil der Bevölkerung mit besonderen Inhalten versorgt wird. Das widerspricht der Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, jeden Teil der Bevölkerung in seinem Programm gleichgewichtig zu berücksichtigen. Wenn es also einen Kinderkanal gibt, wieso gibt es nicht auch einen Seniorenkanal?341 Spartenprogramme sorgen für eine Unausgewogenheit des Gesamtprogramms, die nicht durch andere Vollprogralmne ausgeglichen werden kann.
cc) Ul1!fassende Berichterstattung
Das zweite Element der Grundversorgung ist, daß unterschiedliche Themen in ihrer ganzen Vielfalt dargestellt werden und eine umfassende Berichterstattung gewährleistet ist. Daraus wird von Vertretern der Literatur der Schluß gezogen, daß Grundversorgung nur durch Vollprogramme geleistet werden könne. 342 Spartenprogramme hingegen zeichnen sich durch auf bestimmte Bereiche reduzierte Inhalte aus und könnten bereits ihrer Struktur nach nicht die der Grundversorgung immanente umfassende Infonnation und Meinungsbildung durch ausgewogene Vielfalt leisten. 343 Umfassende Berichterstattung bedeute, daß durch sie ein breites Publikum erreicht wird. Grundversorgung könne nicht dadurch verwirklicht werden, selektiv zu informieren. 344 Dabei kann man jedoch durch einen Wechsel des Bezugspunktes zu einem konträren Ergebnis gelangen. Erwartet man eine umfassende Berichterstattung nicht separat von jedem Programm, sondern von dem öffentlich-rechtlichen Programmangebot in seiner Gesamtheit, können auch Spartenprogramme zu einer umfassenden Berichterstattung beitragen. 345 Die separate Betrachtung Siehe S. 125-126. Dörr, in: RundfunkbegrifT, S. 121, 125; Hoffmalln-Riem, AfP 1996, S. 9, 10. 340 Hoffmann-Riem, AfP 1996, S. 9, 11. 341 Hanfeid, FAZ v. 17.2. 1997, S. I. 342 Holtzbrink, Einspeisung S. 161. 343 Libertus, Grul1dversorgungsauftrag S. 145; Ricker, ZUM 1997, S. 1,4. 344 Kresse, ZUM 1996, S. 59,61. 345 Mathias Braun/GillertIHoberg/HübneriKamps, ZUM 1996, S. 20 I, 205.
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B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme
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des Programms entspricht hingegen der Rechtsprechung des BVerfG. Es verlangt im außenpluralen Modell, daß sie sachgemäße, umfassende und wahrheitsgemäße Information und ein Mindestmaß gegenseitiger Achtung zu erbringen haben. Aus dieser von der Rundfunkfreiheit vorgegebenen Anforderung an die Programmgestaltung kann aber nicht gefolgert werden, daß jeder einzelne private Veranstalter unabhängig von dem Programmgenre seines Senders zur Ausstrahlung von Informationssendungen verpflichtet ist. Nach den Landesrundfunkgesetzen sind Spartenprogramme auch ohne besondere Berichterstattung verfassungsrechtlich zulässig. 346 Man kann aber im Umkehrschluß davon ausgehen, daß Ausgewogenheit im binnenpluralen Modell eine besondere Berichterstattung voraussetzt, und daß damit bestimmte Arten von öffentlich-rechtlichen Spartenprogrammen ausgeschlossen sind.
dd) Keine Deckung der Spartenprogramme durch die Entwicklungsgarantie Aufgrund der Dynamik der Grundversorgung und unter Einbeziehung der Entwicklungsgarantie könnte der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks jedoch auf neue Programmgenre zu erweitern sein. Es ist damit keine haltbare Lösung, Spartenprogramme außerhalb der Grundversorgung zu verorten, da die öffentlich-rechtliche Anstalten sonst vorher ihrem Grundversorgungsauftrag nicht nachgekommen sein können. 347 Die Ausweitung der Entwicklungsgarantie auf nahezu alle Bereiche führt zu einer Ewigkeitsgarantie, die aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht nachvollziehbar ist. 348 Auch ihr müssen daher Grenzen gesetzt werden. Den Aussagen des BVerfG zur Entwicklungsgarantie sei zu entnehmen, daß primär auf technische Neuerungen abgestellt werde, von denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht ausgeschlossen werden dürfe. Es gehe darum, neue Publikumsinteressen zu befriedigen. Das könne aber auch durch das bestehende Programmangebot geschehen und bedürfe keiner zusätzlichen Spartenprogramme. 349 Diese haben lediglich eine inhaltliche Ausdünnung der Hauptprogramme zur Folge, wodurch sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in seinem Anliegen selbst in Frage stelle. 350
RickerlMüller-Malm, ZUM 1987, S. 208, 214. Kuli, ZUM 1987, S. 355,357. 348 Schmitt Glaeser, DÖV 1987, S. 837, 840. 349 Bleckmann, Spartenprogramme S. 65. 350 Stoiber, Beilage zum Medienspiegel Nr. 43 v. 27.10 1997, S. 1,8.
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
b) Öffentlich-rechtlicher Integrationsauftrag Die Analyse des Verhältnisses der Spartenprogramme zur Integrationsfunktion hat ergeben, daß die Auswirkungen von Spartenprogrammen mit dieser in Einklang gebracht werden können. Dieses Ergebnis beruht auf der Prämisse, daß Integration keine primäre Aufgabe des Rundfunks ist.
aa) Integration als öffentlich-rechtliches Leitmotiv Für den öffentlich-rechtlichen Bereich könnte das anders zu beurteilen sein, wenn ihm die Wahrnahme einer besonderen Integrationsfunktion auferlegt ist. Große Teile der Literatur gehen von einer besonderen, wenn nicht sogar alleinigen Integrationsfunktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus. 351 Nur er habe die Aufgabe, die Interessen der Allgemeinheit zu erfiillen, was eine soziale Verpflichtung und eine Gemeinwohlbindung beinhalte. Der öffentlichrechtliche Rundfunk sei als Integrationsrundfunk für alle konzipiert; das verbiete eine Konzentration auf einzelne Gruppen wie auch auf Mehrheiten. 352 Von einer herausragenden öffentlich-rechtlichen Integrationsfunktion geht auch Bleckmann aus, der sich auf die geläufige Aussage des BVerfG beruft. 353 Dabei verkennt er jedoch, daß zum Zeitpunkt dieser Rechtsprechung noch gar kein duales System vorhanden war. Zudem wird hier eine Feststellung über die reale Integrationsfunktion des Rundfunks getroffen, die ihm in jeglicher Ausprägung zukommt. 354 Später schränkt er seine Aussage insofern ein, als er die Integrationsfunktion zumindest "in erster Linie" bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ansiedelt. 355 Kresse geht von einer verfassungsmäßig verankerten Integrationsfunktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus. 356 Sie ergebe sich daraus, daß das BVerfG primär dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Aufgabe der Plura-
351 Pätzold, RuF 1982, S. 195, 196; Kresse, ZUM 1996, S. 59, 61; Schwarzkopf, Funkkorrespondenz Nr. 11-12 v. 17.3. 1978, S. 1,2; Merten/Gansen/Götz, Hörfunksystern S. 11; Pleitgen, in: epd medien Nr. 73 v. 18.9. 1996, S. 3, 7; Ungureit, Interview in: epd medien Nr. 7 v. 31. I. 1996, S. 3, 5; Meier, ZUM 1997, S. 249,253; VPRT, Medienordnung 2000 plus S. 34; Rau, Beilage zum Medienspiegel Nr. 24 v. 16.6. 1997, S. I, 3 spricht von einer integrativen Wirkung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch sein Gesamtprogramm. 352 Berg, in: Mediensysterne, S. 39,40-41. 353 Bleckmann, Spartenprogramme S. 60. 354 Siehe BVerfGE 35, S. 202 , 222, wonach Hörfunk und Fernsehen ( .. ) als Massenkommunikationsmittel integrative Wirkung rur die Gesellschaft haben. 355 Bleckmann, Spartenprogramme S. 62. 356 Kresse, ZUM 1995, S. 178, 182-183; ders., ZUM 1996, S. 59, 60
B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme
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lismussicherung im Hinblick auf Meinungsrichtungen und Programminhalte zuschreibe; so obliege es ihnen, auch die integrative Wirkung des Rundfunks zu vermitteln, also eine "integrative Pluralismus sicherung" zu betreiben. Integration wird zum Leitmotiv publizistischer Arbeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhoben. 357
bb) Besondere Eignung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zur Integration Grund für die gesonderte Integrationsfunktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei seine besondere Eignung, diese wahrzunehmen. Gerade bei einem drohenden Zerfall der Gesellschaft komme es entscheidend auf die Herstellung einer Öffentlichkeit an, die sich auf die gesamte Gesellschaft und deren Probleme erstrecke. Nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei in der Lage, die gegenwärtige komplexe Umwelt und ihre Probleme ohne Zwänge der Tagesaktualität dergestalt darzustellen, daß der für die Demokratie essentielle öffentliche Diskurs ermöglicht werde. Er schaffe durch Bildung eines Meinungsforums einen gesamtgesellschaftlichen Konsens. 358 Für kommerzielle Rundfunkveranstalter könne die Integrationsaufgabe dagegen nicht den gleichen verbindlichen Inhalt und Umfang haben. 359 Ihnen fehlen die Möglichkeiten, die Integrationsfunktion in der Weise wahrzunehmen, wie dies im öffentlich-rechtlichen Rundfunk geschehe. Denn der Verkauf von Zielgruppen an die werbetreibende Wirtschaft und der Wettbewerb um den Rezipienten sei Desintegrations- und Segrationsfaktor. 36o Deswegen werde der öffentlich-rechtliche Rundfunk weitestgehend von den Zwängen der kommerziellen Verwertung der Programme am Markt im ökonomischen Wettbewerb um Einschaltquoten und Werbespots enthoben.361 Eine integrative Kompetenz sei insbesondere bei außenpluralistisch organisiertem Privatfunk zu negieren; ein derartig strukturierter Rundfunk integriere nichts anderes als seine gegenwärtigen Gemeinden. 362
cc) Herleitung aus der Grundversorgung Eine spezifische Integrationsfunktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kann nur aus einer ihm allem obliegenden Aufgabe abgeleitet werden. Daher
Hi/flTinnefeldt, RuF 1979, S. 419, 422. Albrecht Hesse, BayVBI 1997, S. 132, 143. 359 Hase, MP 1979, S. 733, 735. 360 GoerlichlRadeck, JZ 1989, S. 53, 57. 361 Lange, MP 1980, S. 133, 136. 362 Schwarzkopf, MP 1982, S. 1, 9. 357 358
332
Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
wird der Integrationsauftrag auf die Grundversorgung zurückgeführt, welche wegen ihrer Bedeutung für die Meinungsbildung letztlich auf die Integration widerstreitender Interessen gerichtet sei. 363 Der Begriff Grundversorgung zeige, daß es dem Gericht darum gehe, den Rundfunk in der dualen Rundfunkordnung nicht aus seiner Verantwortung für die Gesellschaft als Ganzes zu entlassen. Dadurch, daß die gesamte Bevölkerung erreicht werden soll, erhalten die Rundfunkprogramme die Aufgabe gesellschaftlicher Integration als Programme für Mehr- und Minderheiten. 364 Es dürfe sich dabei nicht um Prozesse handeln, die sich "zufallig" ergeben. 365 Integration als wahrnehmbares Ergebnis entstehe durch die Erfüllung der Grundversorgung. 366
dd) Verbot von Spartenprogrammen
Mittlerweile wird vermutet, daß der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Integrationsfunktion nicht mehr oder nicht mehr in vollem Umfang erfüllt. 367 Zumindest werde es dem öffentlich-rechtliche Rundfunk aufgrund des erweiterten Programmangebots erschwert, die gesamte Bevölkerung an sich zu binden. Gerade in der Zeit zunehmender Verspartung müsse sich der öffentlichrechtliche Rundfunk jedoch auf seinen Integrationsauftrag besinnen. 368 Das Bedürfnis nach einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der sich nicht in Spartenprogrammen verzettelt, sein Publikum segmentiert und so den gesellschaftspolitischen Integrationsauftrag erfüllt, sei dringlich wie noch nie. 369 Folglich büßt der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Legitimation ein, wenn er seine Integrationsfunktion vernachlässigt. 370 Die soziale Integrationsfunktion des Rundfunks gebiete es, jedes geplante Spartenprogramm danach zu überprüfen, ob deren Inhalte nicht in einem bestehenden Vollprogramm ausgestrahlt werden können. Öffentlich-rechtliche Vollprogramme dürfen nicht entleert werden, um die Inhalte auf entlegene Spezial-
363 Blechnann, Spartenprogramme S. 62; Mathias Braun/Gillert/Hoberg/Hübner/ Kamps, ZUM 1996, S. 201, 204; Goerlich/Radeck, JZ 1989, S. 53, 57; Niepalla, Grundversorgung S.69. 364 Goer/ich/Radeck, JZ 1989, S. 53, 57. 365 Niepalla, Grundversorgung S. 69. 366 Direktorium der katholischen Rundfunkarbeit, MP 1994, S. 92. 367 Schwarzkopf, MP 1982, S. 1, 3; VPRT, Medienordnung 2000 plus S. 34. 368 Kresse, ZUM 1995, S. 178, 184; Meier, ZUM 1997, S. 249,254. 369 Buchwald, Bertelsmann-Briefe Mai 1993, S. 52, 55. 370 Schwarzkopf, Funkkorrespondenz Nr. 11-12 v. 17. 3. 1978, S. I, 2; Stoiber, Beilage zum Medienspiegel Nr. 44 v. 30. 10. 1995, S. 7, 10.
B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme
333
programme zu verlagern. 371 Es muß weiterhin ein auffmdbares Gesamtprogramm mit unverwechselbarer Identität geben. m Die alleinige Inanspruchnahme einer normativen Integrationsfunktion durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurde gefOrdert durch die Verwendung des Begriffs "Integrationsmodell" für die binnenplurale Struktur der öffentlichrechtlichen Anstalten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk verfügt dadurch über ein vereinigendes Moment innerhalb der Anstalten, das durch die Theorie des Integrationsmodells mit der gesellschaftspolitischen Integrationsfunktion in Verbindung gebracht wurde. 373 Daher soll dieses Modell im folgenden dargestellt werden. ee) Integrationsmodell Anfang der sechziger Jahre wurde von Kraus-Ablaß der Begriff der Integration in die rundfunkrechtliche Diskussion eingeführt. Er unterschied damals zwischen zwei wesentlichen Organisationstypen im Rundfunk, dem der Interessenkoordination und dem der Interessenintegration. 374 Danach war der Typus der Interessenintegration dadurch geprägt, daß nicht jede Gruppe einen bestimmten Anteil am Programm erhält, den sie für sich gestaltet, sondern das Programm gemeinschaftlich mit den anderen Gruppen erarbeitet. Dadurch sollte ein bereits ausbalanciertes und neutrales Gesamtprogramm geschaffen werden. 37s Stock übernahm die Begriffe der Koordination und Integration und entwikkelte die Theorie des Integrationsmodells, das er vom Konkurrenz- oder auch Marktmodell sowie dem Koordinationsmodell als Zwischenmodell abgrenzte. Dahinter verbirgt sich im wesentlichen die Trennung von öffentlichrechtlichem als integriert-strukturiertem und privatem als koordiniert- oder konkurrierend-strukturiertem Rundfunk. Das Integrationsmodell ist bei Stock und Hoffmann-Riem zwangsläufig mit einer binnenpluralen Struktur verbunden, in dem Meinungsvielfalt durch ein Vollprogramm gewährleistet wird. 376 Für Lange ist der Integrationsrundfunk notwendig nichtkommerziell ausgestaltet. Er bilde den gesellschaftlichen Pluralismus unter Wahrnehmung eines 371 Berg, MP 1987, S. 737, 740; Kresse, ZUM 1996, S. 59,63; Degenhart, in: Medienordnung 2000 plus, S. 52, 57. 372 Ungureit, Interview in: epd medien Nr. 7 v. 31. I. 1996, S. 3, 5; VPRT, Medienordnung 2000 plus S. 35. 373 Hoffmann-Riem, Pay-TV S. 93. 374 Krause-Ablass, RuF 1962, S. 113, 114. 37S Krause-Ablass, RuF 1962, S. 113, 115. 376 Stock, Theorie S. \0; Hoffmann-Riem, HB desVertR § 7 RN 52; ders., Pay-TV S.93.
334
Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
umfassenden, auch kulturellen Programmauftrags in jeweils einem Rundfunkvollprogramm ab. 377 Dies entspricht im wesentlichen dem Erscheinungsbild des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zum damaligen Zeitpunkt. Lerche geht demgegenüber davon aus, daß das Integrationsmodell lediglich einen natürlichen Konnex zum öffentlich-rechtlichen System mit binnenpluralistischer Struktur habe. 378 Nicht die Struktur sei das Kennzeichnende dieses Modells, sondern seine steuernde Kraft im Hinblick auf das, was gesendet wird. Durch derartige Lenkung solle ein ausgewogen plurales Meinungsbild geschaffen werden; das verhindere zwar einen liberalen Meinungszugang. Durch diese Steuerupg werde aber eine integrierende Funktion für das Staatsganze geleistet. 379 Was das integrierende Moment des danach benannten Modells ist, wird nur angedeutet. Zunächst wird auf die bereits dargestellte kommunikative Mittlerfunktion des Rundfunks abgestellt. Durch unabhängige journalistische Arbeit soll dieser eine Öffentlichkeit herstellen, die alle Interessen und Meinungen einbezieht und sie fortdauernd aufrechterhält. Er soll die Position einer autonomen Vermittlungsinstanz einnehmen, durch die er integrativ wirken kann. 380 Damit wird die reale Integrationsfunktion des Rundfunks umschrieben, die keine spezifische Eigenschaft des Integrationsmodells darstellen kann. Stock selbst stellt fest, daß die Integration auf zwei Ebenen verlaufe - der kommunikativen und der meinungsmäßig-inhaltlichen. 381 Die Besonderheit des Integrationsmodells muß daher in der Art der Meinungsvermittlung begründet sein. Diese hat dergestalt zu erfolgen, daß Meinungen als Informationen weitergegeben werden, die eine unabhängige Bildung einer eigenen Ansicht erlauben. 382 Das Integrationsmodell verlangt der Rundfunkleitung ab, gegenwärtige differerierende Auffassungen in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse fair, angemessen und ausgewogen zu berücksichtigen. 383 Integrationsfunk ist das Gegenteil von Tendenzfunk. Er ist in seiner konkreten Ausprägung zwar wandlungsfähig, in den Grundvoraussetzungen jedoch verfassungskräftig und demzufolge unabänderlich. 384 Zu diesen Essentialien
Lange, MP 1980, S. 133, 141. Lerche, in: Rundfunkorganisation, S. 15, 50. 379 Lerche, in: Rundfunkorganisation, S. 15, 49-50. 380 Stock, Theorie S. 137. 3~1 Stock, Theorie S. 26. 382 Stock, Theorie S. 154. 383 Lerche, in: Rundfunkorganisation, S. 15,61. 384 Stock, Theorie S. 111.
377 378
B. Zu1ässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme
335
zählt die Fähigkeit des Rundfunks, in dem jeweils als "Allgemeinheit" und "Öffentlichkeit" in Frage kommenden sozialen Substrat Fuß zu fassen und sich darin als ,,Medium und Faktor" zu betätigen und behaupten. Somit bezieht sich Stock auf die bereits dargestellte Vermittlungsfunktion des Rundfunks. Im Integrationsmodell wird die Rundfunkleitung jedoch zum Treuhänder der Allgemeinheit instrumentalisiert, der die Sicherung einer chancengleichen Meinungsverbreitung zur Aufgabe habe. 385 Integrationsrundfunk ist "Rundfunk für alle. ,,386 Ein solcher Rundfunk muß sowohl auf die Veranstalter- als auch auf Rezipienteninteressen bezogen sein; eine diese beide Seiten verbindende und vermittelnde Außenorientierung bilde das Geheimnis des Integrationsfunks. 387 Stock sieht das Integrierende damit in der umfassenden Widerspiegelung der gesellschaftlichen Meinungen und Inhalte in einer Übertragungseinheit, die es erlaubt, einen objektivierten Maßstab anzulegen und tendenzfrei zu reflektieren. Demgegenüber sehen Hilf und Tinnefeldt das integrative Moment durch die Anstaltsgremien verwirklicht. In den Gremien werde die gesellschaftliche Wirklichkeit abgebildet und so der Programmauftrag exemplarisch verdeutlicht und kontrollierend gewährleistet. Die integrative Leistung stehe damit in Abhängigkeit zu der Funktionsflihigkeit der Rundfunkgremien, ihrer Nähe zur gesellschaftlichen Realität, ihrer Dialogflihigk~it und ihrem medialen Sachverstand. Die Glaubwürdigkeit des Integrationsrundfunks werde verstärkt, wenn auch Interessen der nicht Repräsentierten wahrgenommen werden. 388 (l) Gesamtprogramm
Zentraler Begriff des Integrationsmodells ist der des "Gesamtprogramms". Er ist als allumfassender Konnex für den Integrationsrundfunk typusbestimmend. 389 Dadurch wird nichts anderes zum Ausdruck gebracht, als die Verwirklichung eines Rundfunks "für alle." Das Gesamtprogramm ist somit ,,mehr als die Summe der einzelnen Sendungen."39o Das weist eine Affmität zu der Integrationsdefinition nach Smend auf. 391 Dem Begriff des Gesamtprogramms mißt Stock verschiedene Bedeutungen bei: Zum einen gilt er als Inbegriff des herkömmlichen Aufgabentrias der In385 Hoffmann-Riem, HB des VerfR § 7 RN 52; ders., in: Mediensysteme, S. 28, 34; Stock, Theorie S. 28. 3K6 Stock, Theorie S. 29. 387 Stock, Theorie S. 31. m Hilf/Tinnefeldt, RuF 1979, S. 419, 421. m Stock, AöR 110, S. 219, 227; ders., Theorie S. 156. 390 Nowottny, in: Zwischenbilanz, S. 29, 30. 391 Siehe S. 142 ff.
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
formation im engeren Sinn, Bildung und Unterhaltung. Auf einer weiteren Bedeutungsebene ist das Gesamtprogramm Inbegriff verschiedener Meinungen und damit prozeßhafte modale Einheit. 392 Das Gesamtprogramm muß die Funktion erfüllen, für gesellschaftliche Interessen und Meinungen rundum zugänglich und prinzipiell durchlässig zu sein. Ferner muß es die gesellschaftlichen Kräfte "mediatisieren". 393 Wegen dieser weitläufigen Anforderungen kann Gesamtprogramm nur Vollprogramm sein. Das Integrationsmodell ist aber nicht mit einem umfassenden Gesamtprogramm gleichzusetzen. Es lasse sich auch in mehreren Gesamtprogrammen verwirklichen. 394 Das Gesamtprogramm bleibt unverzichtbarer Baustein. (2) Erfüllung der Grundversorgung Durch die Verknüpfung des Integrationsmodells mit dem öffentlichrechtlichen Rundfunk wird davon ausgegangen, daß Grundversorgung durch Integrationsfunk zu leisten ist. 395 Dabei soll der Integrationsfunk bei der Entstehung eines koordinierten Privatfunks Hilfestellung leisten als "Ausgewogenheitsreserve", falls sich im privatrechtlichen Bereich ein Meinungsmonopol entwickelt und in spartenmäßiger Hinsicht ein "Gesamtprogramm" nicht zustande kommt. 396
(3) Abgrenzung zum Markt- und Koordinationsmodell Im Gegenteil zum Integrationsmodell überläßt das Marktmodell oder auch Konkurrenzmodell die Gewährleistung von Meinungsvielfalt dem freien Spiel der Kräfte und verwirklicht einen grundsätzlich freien Zugang zum Rundfunk. Sowohl Integrations- als auch Marktmodell haben ihre Wurzeln im gesellschaftlichen Substrat. 397 Das Marktmodell sieht den Rezipienten jedoch vorrangig als Konsumenten, das Integrationsmodell als BÜTger. 398 Nach Stock darf das Integrationsmodell nicht gegen das Marktmodell eingesetzt werden. Dadurch entsteht eine Systemkonkurrenz, die von vornherein ei-
Stock, Theorie S. 25. Stock, Theorie S. 27. 394 Stock, Theorie S. 109. 395 Stock, Theorie S. 97-98. 396 Stock, Theorie S. 100. 397 Stock, AöR 110, S. 219, 251. 398 Hoffmann-Riem, in: Mediensysteme, S. 28, 34. 392 393
B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme
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einen Wettbewerb unter Ungleichen schafft. Ergebnis ist, daß sich das Marktmodell durchsetzen und damit faktisch eine Entscheidung rur ein Modell getroffen werde. 399 Zwischen diesen beiden Modellen ist das Koordinationsmodell angesiedelt, das nach Stock im wesentlichen der gegenwärtigen Organisation des privaten Rundfunks entspricht. Es ist gekennzeichnet durch eine Dachkonstruktion, die über die Rundfunkanbieter wacht und die über binnen- und außenplurale Momente verfugen kann. 4OO Koordinationsfunk ist eine Zwischenstation, nämlich ein Zerfallsprodukt des Integrationsrundfunks und ein Vorläufer des reinen Marktrundfunks. 401 Der Unterschied von Integration und Koordination besteht darin, daß erstere autonome Medialität beinhaltet, während es sich bei der letzterer um instrumentelle Medialität handelt. Hier werden verschiedene Pluralismusprinzipien verwirklicht. 402 Um den Rundfunk nicht in einer rnarktmäßigen Sackgasse enden zu lassen403 sei die Schaffung eines Koordinationsmodells angebracht, das dem Integrationsmodell hinsichtlich der Meinungsbildungs- und Medienfreiheit funktionell entspreche. Die Struktur des Koordinationsmodells als Synthese von Markt- und Integrationsmodell zu verwirklichen, käme einem SphinxrätseI gleich, da die beiden Modelle gegensätzliche Extreme verkörperten. 404 Der Inbegriff der konzessionierten privaten Programme muß im Ergebnis einem Integrationsrundfunk gleichkommen. Integration ist durch Koordination zu verwirklichen. 405 Auch ein Koordinationsrundfunk muß ein zentrales Organ aufweisen, das ein "Gesamtprogramm" gemäß dem Programmauftrag gewährleisten kann. 406 Stock verabschiedet sich von der grundsätzlichen Trennung der bei den Begriffe durch Krause-Ablaß, in dem er Übersclmeidungen von Koordination und Integration aufzeigt. Dabei stellt er Integration und Koordination nicht gleichgewichtig gegenüber, sondern erachtet Koordination als Unterfall der Integration. Integration wird zum Oberbegriff, wie nach Stock das Integrationsmodell und damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk zum Vorbild des privaten koordinierten Rundfunks werden soll.
Stock, AöR 110, S. 219,245. Stock, in: Hörfunk, S. 25,27-28; ders., Theorie, S. 148-149. 401 Lange, MP 1985, S. 745, 746. 402 Stock, Theorie S. 34. 403 Stock, AöR 110, S. 219,252. 404 Stock, AöR 110, S. 219,246-247. 405 Stock, Theorie S. 114. 406 Stock, Theorie S. 163; ders., AöR 110, S. 219, 254. 399
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
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(4) Das Integrationsmodell als überlegene Struktur Den Vertretern des Integrationsmodells ging es zu Anfang darum, dieses im Rundfunkmarkt zu etablieren. Deshalb wehrt man sich dagegen, daß Integrationsfunk als Strukturmonopol nur die Folge einer teclmischen Mangellage gewesen sei. 407 Andererseits erforderte die Kanalknappheit eine Zwangsintegration. 408 Dennoch könne Integrationsfunk keinesfalls als schlichtes Provisorium oder Mangellagesymptom verstanden werden. Das Integrationssystem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei der Normalfall und nicht der Ausnahmefall. 409 Es sei sämtlichen übrigen Systemen strukturell überlegen und habe sich im Rundfunkbereich bewährt. 4lo (5) Festhalten am Integrationsmodell Was das Festhalten am Integrationsmodell anbelangt, ist eine Kehrwendung der öffentlich-rechtlichen Vertreter deutlich erkennbar. So wie dieses Modell vor der Privatisierung hoch gehalten und als unentbehrlich deklariert wurde, will man sich nun nicht an diesem Modell festhalten lassen. Das gilt zumindest für die bisher vertretene Struktur, die sich ausschließlich aus Vollprogrammen zusammensetzt. Daher entledigen sich die früheren Vertreter des Ballasts eines statischen Integrationsmodells, um der Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Raum zu verschaffen. Denn Spartenprogramme sind mit einer solchen Struktur nicht zu vereinbaren. Der Begriff des Gesamtprogramms fällt daher nur noch in Bezug auf das öffentlich-rechtliche Programmangebot und wird nicht mehr ausschließlich auf Vollprograrnme bezogen. 41 1 Dabei macht man sich die zuvor bestrittene These zunutze, daß das Integrationsmodell in der bisherigen Form eine Folge der realen Mediensituation, sprich der Frequenzknappheit gewesen sei. Ändern sich die Rahmenbedingungen, so könne das Integrationskonzept ohne weiteres ergänzt oder abgeschafft werden. Entscheidend sei nur, daß die Programme ihre dienende Funktion für die Meinungsbildungsfreiheit erfüllten. 412 Der Trend zur Segmentierung lasse sich nicht dadurch stoppen, daß man den öffentlich-rechtlichen Anstalten die Schaffung von Spartenprogrammen A. A. Hans H. Klein, Afl' 1979, S. 232. HoJJmann-Riem, Pay-TV S. 94; darstellend Stolte, RuF 1985, S. 161, 167. 409 Stock, Theorie S. 55 106 156. 410 Stock, Theorie S. 77 155; HojJmanll-Riem/Stammler/Stock, Ruf 1981, S. 466. 411 HojJmann-Riem, Pay-TV S. 69. 412 HojJmann-Riem, Pay-TV S. 94.
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verbiete. Weil den privaten Veranstaltern nicht auferlegt sei, die gesellschaftlichen Gruppen gleichgewichtig zu bedienen, würde ein Verbot der öffentlichrechtlichen Spartenprogramme das Risiko einer ungleichgewichtigen Kommunikationsversorgung der Gesamtbevölkerung noch erhöhen. Damit seien Integrationsziele eher gefährdet, als wenn auch im öffentlich-rechtlichen Bereich Spartenprogramme vorhanden wären. 413 Trennen will man sich vom Integrationsmodell, aber keinesfalls von der einzigartigen integrativen Wirkung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als besonderer Legitimationsbasis. Ein Nachlassen der integrativen Orientierungen begründe mehr denn je die Notwendigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. 414 Ohne Zweifel verfolgten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bewußt Integrationsziele. 41s Verbunden wird dies mit der Forderung nach einer "gebührenden Finanzausstattung," da sonst die erhoffte soziokulturelle Integrations- und Orientierungsfunktion nicht in voller Breitenwirkung erfüllt werden könne. 416 Die Integrationsleistung sei vorrangig garantiert durch die Einbeziehung zusätzlicher Strukturen, weiterer finanzieller Ressourcen, sowie durch den Einsatz qualifizierten Personals. 417 (6) Beurteilung des Integrationsmodells
Das Integrationsmodell suggeriert eine Affinität des Integrationsbegriffs lnit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk,418 obwohl es in seinem Inhalt wenig mit der Integrationsfunktion des Rundfunks gemein hat. Unter Hervorhebung der Vermittlungsfunktion des Rundfunks werden de facto nicht vorhandene Bezüge hergestellt. Hierbei geht es um die reale Integrationsfunktion des Rundfunks, die zu ihrer Verwirklichung keines Integrationsmodells bedarf. Denmach kann sich eine spezifische Integrationsfunktion des öffentlichrechtlichen Rundfunks nur aus dem ihm übertragenen Aufgabenfeld ergeben. Aus diesem läßt sich die Pflicht zur urnfassenden Einbeziehung der gesamten Gesellschaft sowie zur Tendeilzfreiheit herleiten. Dabei kann die gewählte Struktur des Integrationsmodells förderlich sein. Diese ist aber nicht notwendig, so daß kein Bedürfnis nach Entwicklung und Theoretisierung eines solchen Modells besteht.
HojJmann-Riem, Pay-TV S. 95. Rust, in: Mediensysteme, S. 64, 77. 415 Maletzke, in: Mediensysteme, S. 161, 163. 416 Aufermann, in: Wissenschaft und Praxis, S. 11,25. 417 Rühl, in: Gleichheit, S. 19,29. 418 Hecker, Mediemnacht S. 210. 413 414
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
Integration ist eine Aufgabe, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht für sich allein beanspruchen kann. Der Begriff der Integration zur Kennzeichnung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkstruktur ist verfehlt. 419 Die These vom Integrationsmodell ist ihren Inhalten nach enttäuschend: Sie impliziert keine Theorie, sondern die schlichte Beschreibung einer Rundfunkstruktur. Stock wird dem selbst gestellten Anspruch nicht gerecht, die beklagte "Theorielosigkeit" und inhaltliche Analyse des Integrationssystems zu beseitigen. 420 Die Ausführungen sind vor allem bezüglich des Kernpunktes unvollständig, daß dieses Modell integrierende Wirkung hat und zu den ihm zugewiesenen positiven Einflüssen führt. Integration als Leerfonnel ist daher die Quintessenz der Kritik von Braun. 421 Es wird lediglich der Versuch unternonunen, das bestehende öffentlich-rechtliche Rundfunksystem politisch zu legitimieren. Hecker sieht in der Hervorhebung des Integrationsmodells das Risiko einer "ideellen Überhöhung" der Elemente Vermittlung und Integration. Denn das Gesamtprogramm sorgt nur begrenzt für eine konflikthafte Beschränkung dissentierender Meinungen und kultureller Stile. Es beruht vielmehr auf der verallgemeinerten Herstellung eines übergeordneten Zusammenhangs von oben, in dem Teile eines durchschnittlichen Alltags verwendet werden. 422 Zudem wird die Bedeutung der Integrationsfunktion einerseits als Begründung für besondere Vorkehrungen zur Sicherung der allgemeinen Freiheit herangezogen. Andererseits treten auch überschießende Elemente in Erscheinung, die auf eine partielle ModelIierung gesellschaftlicher Konununikation über Medien gemäß einer sozial staatlichen Vergesellschaftung von oben schließen lassen. 423 Die Fixierung auf eine allgemeine Teilhabe aller an einem Gesamtprogramm verstellt den Blick für eine kritische Analyse der Beschränkungen gesellschaftlich-autonomer Interaktion, die aus dieser Konzeption real erwachse. In den Mittelpunkt gestellt wird dabei die Gefahr einer Auflösung des "Gesamtprogramms" anstatt die Optimierung des Rundfunkangebots durch segmentierte Medien zu betreiben. 424 Vesting feierte bereits 1992 den Abschied vom Integrationsmodell und forderte, sich endlich vom "Mythos der das Staatsganze integrierenden Funktion des Rundfunks" zu trennen. 425 Der Gruppenpluralismus habe abgedankt er sei Anzweifelnd auch ROllneberger, in: Gleichheit, S. 3, 9. Stock, TIleorie S. 41 151. 421 Gabriele Braun, Masserunedien S. 51. 422 Hecker, Medierunacht S. 212. 423 Hecker, Medierunacht S. 215. 424 Hecker, Medierunacht S. 217. 425 Vesting, Medium Nr. 1 1992, S. 53, 56.
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zu sehr mit einem sozial staatlichen Pluralismuskonzept verhaftet. Meier will demgegenüber die Integrationsfunktion revitalisieren, um die gegenwärtigen Tendenzen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu stoppen. Das Vollprogramm sei die für die Integrationsfunktion adäquate Programmart. 426 Für die schwerpunktmäßige Hervorhebung der Integrationsfunktion im öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat Zöller eine provokante Erklärung. Ihm zufolge betont stets derjenige die Integration, der sich selbst isoliert ·habe. 427 Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe Angst um seine Existenz und suche nach einer Legitimationsbasis. Er beruhe auf einem Integrationskonzept, das Vielfalt als Bedrohung empfinde. 428 Der Inhalt des Integrationsmodells wird im Unklaren gelassen und bewußt mystifiziert. Die Intention der Integrationstheoretiker liegt auf der Hand. Nicht eine Analyse des Integrationsmodells soll erbracht werden, sondern eine Etablierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als unentbehrlicher Bestandteil der Medienlandschaft. Gegen diese Absicht ist nichts einzuwenden, wenn sie direkt und offen verfolgt wird. Statt dessen wird das Integrationsmodell hierfür instrumentalisiert. Die Vertreter der öffentlich-rechtlichen Interessen haben lnit dem Integrationsmodell das Gegenteil ihrer Intention erreicht, in dem sie den öffentlichrechtlichen Rundfunk auf eine bestimmte Struktur festgeschrieben und ihm so seine existentiell notwendige Dynalnik genommen haben. jJ) Folgerungenfür die öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme Die Theorie vom Integrationsmodell ist weder weiterführend, noch verdient sie es, zum Zwecke der Ausweitung des Programmangebots beliebig ausgedehnt zu werden. Man sollte von ihr Abstand nehmen, um zu erkennen, daß der Rundfunk insgesamt eine Integrationsfunktion wahrnimmt und wahrzunehmen hat. Dabei kann der Integrationsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks umfassender sein als der des privatrechtlichen. Denn durch die Grundversorgung kommt der Integrationsfunktion des Rundfunks eine besondere Bedeutung zu, weil gerade diese Programme in der Lage sind, den Großteil der Gesamtheit zu erreichen. Integration verschafft dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk jedoch weder eine besondere Legitimation, noch Schranken im Hinblick darauf, keine Spartenprogramme anzubieten. Forderungen, den öffentMeier, ZUM 1997, S. 249,254. Zöller, in: Medienentwicklung, S. 13, 15. 428 Zöller, in: Medienentwicklullg, S. 13, 18.
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
lieh-rechtlichen Rundfunk auf die Funktion der gesellschaftlichen Integration zu fixieren 429 gehen ins Leere.
c) Verstoß gegen die Wettbewerbsfreiheit aa) Verletzung des Grundrechts der Wettbewerbsfreiheit
Bleckmann sieht in öffentlich-rechtlichen Spartenprogrammen eine Verletzung der Wettbewerbsfreiheit der privaten Rundfunkveranstalter. Die Wettbewerbsfreiheit wird auf die Grundrechte der Art. 2 I, 12 I oder 14 I GG gestützt. 430 Die Rundfunkanstalten können sich demgegenüber als juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht auf die Grundrechte berufen. Etwas anderes gilt für diese Organisationsform nur, wenn sie unmittelbar dem durch die Grundrechte geschützten Lebensbereich zuzuordnen ist. 431 Sie erweist sich im Hinblick auf die Rundfunkfreiheit als Organisation, die den Bürgern in Distanz zum Staat zur Verwirklichung ihrer Grundrechte verhelfen soll,432 und genießen daher den Grundrechtsschutz des Art. 5 I S. 2 GG. 433 Trotz ihrer staatsfemen Ausrichtung sind die Rundfunkanstalten nach Bleckmann im Verhältnis zu den privaten Anstalten wegen der Gebührenfinanzierung der öffentlichen Hand zuzurechnen. Gebührenfinanzierte Spartenprogramme setzen sich zwar nicht direkt dem wirtschaftlichen Wettbewerb aus. Sie beeinflussen ihn jedoch mittelbar durch die Attraktivität ihrer Werbelosigkeit und den Abzug von Rezipienten von werbefinanzierten Programmen. Eine derartige mittelbare Beeinträchtigung genüge, um von einem Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit der privaten Veranstalter ausgehen zu können. 434 Dieser Eingriff durch die Gebührenfinanzierung sei insoweit gerechtfertigt, als den Anstalten spezifische Aufgaben wie die Grundversorgung auferlegt seien. 435 Gebührenfinanzierte Spartenprogramme zählten jedoch nicht zur Grundversorgung. VPRT, Medienordnung 2000 plus S. 50. Diese gelten als sogenannte Wirtschaftsfreiheiten. Siehe dazu ausführlich: Bodo Klein, Konkurrenz S. 116 fI. 431 BVertGE 21, S. 362,373. 432 Gal/was, Grundrechte RN 101. 433 BVerfGE, 31, S. 314,322; BVerfGE 59, S. 231,254. 434 Bleckmanll, Spartenprogramme S. \04. 435 Diese These steht in Widerspruch zu der Aussage des BVerfG, nach der die GebührenfmrulZierung sowohl in der Erfullung der Grwldversorgung als auch in der 429
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Die Grundrechtskollision der Wettbewerbs- und Rundfunkfreiheit der privaten Veranstalter mit der Rundfunkfreiheit der öffentlich-rechtlichen Anstalten sei im Wege praktischer Konkordanz einer Lösung zuzuführen. Entscheidend sei, daß es durch öffentlich-rechtliche Spartenprogramme zu einer vielfaltsverengenden Situation für die privaten Veranstalter komme, die nicht der Rundfunkfreiheit nach Art. 5 I S. 2 GG entspreche. Öffentlich-rechtliche Spartenprogramme verstießen gegen die Wettbewerbsfreiheit. 436 Zu beachten ist jedoch, daß sowohl die Art. 2 I, 12 I als auch 14 I GG und damit auch die Wettbewerbsfreiheit einem Gesetzes- bzw. Regelungsvorbehalt unterstehen. Eine Grundrechtsverletzung ist nur anzunerunen, wenn die Ausstrahlung gebührenfinanzierter Spartenprogramme gegen die Regelungen des UWG oder GWB verstoßen. 437 bb) EinJachgesetzlicher Schutz durch das UWG und GWB
Der Rundfunkmarkt ist ein Wirtschaftsmarkt. Aufgrund ihrer herausragenden Funktion und Stellung im Rundfunkbereich nehmen die Anstalten in wettbewerbsrechtlicher Sicht einen Sonderstatus ein. Dabei kann man nicht wie Stolte die wirtschaftliche Seite des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausblenden und davon ausgehen, daß im öffentlich-rechtlichen Bereich soziale Kommunikationsforen entstehen, während privatrechtliehe Sender kommerzielle Wirtschaftsuntemehmen seien. 438 Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk nimmt am Markt teil. Soweit rundfunkrechtliche Aspekte nicht entgegenstehen, sind denmach die Vorschriften des Wettbewerbsrechts auf die öffentlich-rechtlichen Anstalten anwendbar. 439 Die Tätigkeit der Rundfunkanstalten ist an den §§ 1 UWG, 22, 26 I S. 2 GWB zu messen. (1) Relevanter Markt der Spartenprogramme? Um das neue Angebot an Spartenprogranmlen wettbewerbsrechtiich beurteilen zu können, muß zunächst der sachlich relevante Markt bestimmt werWahrnalune des klassischen Auttrags seine Rechtfertigwlg findet. Schon von daher ist die Prüfwlg Bleckmanns angreitbar. 436 Bleckmann, Spartenprogramme S. 112. 437 So auch BVertGE 32, S. 311, 317. 438 Stolte, in: Zwischenbilanz, S. 55, 58. 439 BGHZE 110, S. 371 ff.; differenzierend Ho.IJmann-Riem, der die Vorschriften des Wettbewerbsrechts nur im Bereich der Vorbereitwlg Wld Weiterverwertung der auszustrahlenden Programme anwenden will, nicht jedoch im Bereich der Programmverallstaltwlg selbst, da dort nicht auf die Wirkungsweise des ökonomischen Wettbewerbs vertraut werde.
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Teil N: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
den. 440 Der Bereich der Spartenprogramme könnte einen eigenen Markt bilden. Grundsätzlich wird zwischen Werbe- und Programmarkt, sowie Hörfunkund Femsehprogrammleistungsmarkt differenziert. 441 Als sachlich relevanter Markt wird derjenige angesehen, dessen Güter und Leistungen aus der Sicht des Konsumenten austauschbar sind. Nach dem Urteil eines durchschnittlichen, vernünftigen Verbrauchers müssen diese geeignet sein, denselben Verwendungszweck zu befriedigen. 442 Giehl betrachtet das Angebot an Voll- und Spartenprograrnmen als einem einheitlichen Markt zugehörig, weil zwar nicht die Gesamtprograrnme aber die einzelnen Sendungen aus Rezipientensicht austauschbar seien. 443 Demgegenüber erachtet Grundmann das Angebot an Voll- und Spartenprogrammen nicht als funktionell austauschbar und verlangt daher eine Abgrenzung. 444 Die unterschiedlichen Ansichten sind darauf zurückzuführen, daß Giehl von der Leistung "Sendung" ausgeht, Grundmann von der Leistung "Programm". Auch wenn der Rezipient nur einzelne Sendungen in Anspruch nehmen kann, bildet das Programm an sich eine wirtschaftliche Einheit. Zudem ist die Austauschbarkeit der angebotenen Sendungen zu bezweifeln, da Spartenprogramme aufgrund ihrer inhaltlichen Spezifizierung Themen mit einer anderen Intensität darstellen als Vollprogramme. Das wird durch die unterschiedliche Nutzung der beiden Programmgenres belegt. Wegen der inhaltlichen Unterschiede sind Voll- und Spartenprogramm für den Zuschauer nicht austauschbar. Daher besteht die Leistung in dem Programm und nicht in der einzelnen Sendung. Es ist von einem eigenen Markt der Spartenprogramme auszugehen.
(2) Öffentlich-rechtliche Anstalten als marktbeherrschende Unternehmen Ob ein Unternehmen marktbeherrschend ist, muß in Gesamtbetrachtung aller relevanten Faktoren beurteilt werden. 445 Die Rundfunkanstalten könnten eine überragende Marktstellung nach § 22 I Nr. 2 GWB innehaben.
440 Im allgemeinen wird zwischen dem zeitlichen, räumlichen und sachlichen Markt unterschieden. Da es bezüglich der anderen beiden Aspekte keine Schwierigkeiten gibt, beschränkt sich die Darstellung auf den sachlich relevanten Markt. 44\ Siehe Giehl, Wettbewerb S. 23 11; Gnmdmann, Wettbewerb S. 143 ff. 442 Emmerich, Kartellrecht S. 234. 443 Giehl, Wettbewerb S. 26. 444 Gnmdmann, Wettbewerb S. 143. 445 Emmerich, Kartellrecht S. 244-245.
B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme
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Diese ist "Ausdruck einer ausgeprägten asymmetrischen Machtverteilung auf einem Markt, da erfahrungsgemäß bei einseitiger Verteilung der die Marktposition eines Unternehmens vor allem prägenden Merkmale vom Wettbewerb nicht mehr hinreichend kontrollierbare Verhaltensspielräume entstehen, die es einem Unternehmen erlauben, seine Konkurrenten nachhaltig an dem nonnalen Einsatz ihrer Aktionsparameter im Wettbewerb zu hindern.,,446 Hierbei sind Marktanteil, Finanzkraft, Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten und Verflechtungen mit anderen Unternehmen zu berücksichtigen. Beherrschende Stellung impliziert die Macht, einen tatsächlichen Wettbewerb zu verhindern. 447 Wegen der enonnen Programmressourcen und der Finanzkraft durch die Gebühren, die sie vor einem Konkurs schützt, ist von einer beherrschenden Stellung der öffentlich-rechtlichen Anstalten auszugehen. Diese erstreckt sich auch auf den Markt der Spartenprogramme, da die Anstalten im Vergleich zu den mit geringem Finanzvolumen ausgestatteten übrigen Veranstaltern über ein unverhältnismäßig hohes Finanzvolumen verfugen. Sie sind damit in der Lage, durch Belegung bestimmter Sparten einem Wettbewerb in diesen Bereichen zu unterbinden. 448 (3) Wettbewerbswidriges Verhalten (a) Mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden· Stellung Nicht jede Marktbeeinträchtigung ist genügend. Sie muß so weit gehen, daß sich Konkurrenten gegen das marktbeherrschende Unternehmen kaum noch behaupten können. 449 In der Pflicht zur Respektierung der wirtschaftlichen Grundlagen des privaten Rundfunks findet die Programmexpansion der Anstalten ihre Grenzen. 450 Durch die unterschiedliche Finanzierung privat- und öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme werden die privaten Anbieter benachteiligt. Sie unterliegen mit der Werbefinanzierung programmlichen Zwängen, die zu Zuschauereinbußen während der Werbeausstrahlung führen. Ein privatrechtliches Programm mit der gleichen Spartenbelegung hat es schwer, sich auf Dauer gegen ein öffentlich-rechtliches Programm durchzusetzen. 451 Es ist wahrscheinlich, daß private Sender durch die Privilegierung der Emmerich, Kartellrecht S. 246. SeJlUltz, in: LangenIBwlte, Kartellrecht, Art. 86 RN 12. 448 Grundmann, Wettbewerb S. 141. 449 Schultz, in: LangelllBullte, Kartellrecht, § 22 RN 103. 450 Giehl, Wettbewerb S. 90. 451 Ory, ZUM 1987, S. 427,430. 440
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
öffentlich-rechtlichen Anstalten ausgetrocknet werden. 4S2 Das Risiko hierfür potenziert sich bei Spartenprogrammen dadurch, daß sie in der Regel über ein geringes Finanzvolumen verfügen, das denen der öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht gewachsen ist. Die Einführung der Spartenprogramme war nur möglich, weil der öffentlichrechtliche Rundfunk gebührenfmanziert und konkursunabhängig ist und die Programme durch seine Ressourcen preiswert gestalten kann. Auch die erforderliche Kausalität zwischen der Marktbeherrschung und dem mißbräuchlichen Verhalten453 ist damit vorhanden. (b) Behinderung anderer Unternehmen nach § 26 11 GWB Unter einer Behinderung nach § 26 11 GWB ist jedes Verhalten zu verstehen, das die wettbewerbsrechtliche Betätigungsfreiheit eines anderen Unternehmens nachhaltig beeinflußt. 454 Die Behinderung muß auch tatsächlich eintreten. 455 Dadurch daß der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Lage ist, Sparten nahezu ohne privatrechtliche Konkurrenz zu belegen und zudem die entstandenen Spartenprogrammangebote auf dem Gebiet des Kinder- und Informationsbereichs verdrängt, ist von einer Behinderung auszugehen.
(4) Sachlich rechtfertigender Grund Ein solches Verhalten kann jedoch durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein. Hier kommen insbesondere rundfunkrechtliche Aspekte wie die Grundversorgung und der klassische Auftrag in Betracht. Nach Kresse sind öffentlich-rechtliche Spartenprogramme jedenfalls dann nicht zu rechtfertigen, wenn sie eine Tätigkeit privater Anbieter erheblich erschweren oder gar unmöglich machen, es sei denn der Kultur- und Bildungsbereich ist direkt betroffen. 456 Private Angebote dürften nicht durch Marktverdrängungsstrategien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefährdet werden. 457 Unabhängig davon, wie man die Spartenprogramme innerhalb des öffentlich-rechtlichen Aufgabenbereichs einordnet, müssen Verhalten und Rechtfertigungsgrund in Verhältnis zueinander stehen. Insofern besteht weder eine
Schmitt Glaeser, AöR 112, S. 215, 260. Schultz, in: Langen/Bunte, Kartellrecht, § 22 RN 108. 454 Schultz, in: Langen/Bunte, Kartellrecht, § 26 RN 145. 455 Schultz, in: Langen/Bunte, Kartellrecht, § 26 RN 153. 456 Kresse, ZUM 1996, S. 59, 62. 457 Kresse, ZUM 1996, S. 59,63. 452 453
B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogranune
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Notwendigkeit für die beiden Spartenprogramme Phoenix und Kinderkanal, noch erscheint es angemessen, mit derartiger Intensität in den im Vergleich zu den Vollprogranunen wesentlich sensibleren Markt der Spartenprogranune einzugreifen und bereits besetzte Sparten zu belegen. Damit ist von einem Verstoß gegen §§ 22, 26 I S. 2 GWB auszugehen. Die öffentlich-rechtlichen Spartenprogranune verstoßen gegen die Wettbewerbsfreiheit.
ce) Europarechtlicher Wettbewerbsschutz durch Art. 85 und 86 EGV
Daneben finden die Vorschriften des EGV zum Schutze des europäischen Wettbewerbs Anwendung. Art. 85 und 86 EGV haben die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt zum Zie1. 458 Sie richten sich an die Unternehmen, denen bestimmte Verhaltensweisen untersagt werden. Gegenstand ist damit eine Tätigkeit, nicht jedoch könnte lnittels der Art. 85, 86 EGV eine verfassungsrechtliche Sonderstellung wie die Gebührenfinanzierung angegriffen werden. 459 Auch die Rundfunkanstalten unterliegen den Art. 85 ff. EGV. 46O
(1) Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 86 EGV
Art. 86 EGV entspricht in seinen Tatbestandsvoraussetzungen im wesentlichen dem § 22 IV GWB. Daher sollen lediglich europarechtliche Spezifika dargestellt werden. (a) Marktabgrenzung Auch der EuGH stellt zur Eruierung des konkret betroffenen Marktes auf die funktionelle Austauschbarkeit der Güter für den Konsumenten ab. 461 Grundsätzlich tendieren EuGH und Kommission zu einer engen Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes. um seine Überschaubarkeit zu sichern. 462 Die Kommission schwankte zwischen einer Aufteilung in einzelne Programmsparten und einer Gesamtbetrachtung des Fernsehens. 463 In finanzieller EuGH v. 2l.2.1973, Rs. 6/72, Slg. S. 215,245 RN 25. AstheimerlMooshammer, ZUM 1994, S. 395,400. 460 Wemmer, KulturklauseIn S. 204 FN 1038. 461 EuGH v. 2l. 2.1973, Rs. 6/72, Slg. S. 215, 248 RN 32~ EuGH v. 9. Il. 1983, Rs. 322/81, Slg. S. 3461,3508, RN 48. 462 Siehe die AusfUhrungen bei Emmerich, Karte1Irecht S. 559 560. 463 Kommission 10. 9. 1991 IVIM. 110, Revue des Affaires de Droit International 1992,719, 721 ff.~ Kommission v. 6.9.1994, WuW 1995, S. 116, 117~ Kommission v. 9. 1l. 1994 IVIM 469, AbI. 1994 L 364/l. 458
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
Hinsicht betrachtete sie das Angebot an Pay TV als autonomen Programmarkt gegenüber dem werbefinanzierten Privatfernsehen und dem mischfmanzierten öffentlich-rechtlichen Fernsehen. 464 Engel differenziert demgegenüber nach den Wettbewerbsbedingungen. Diese stimmten nur für die jeweilige Programmsparte überein. Eine Trennung der Programmsparten könne zwar zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen, werde aber gerade durch die Existenz der Spartenprogrammen vereinfacht. Daher sei nach der jeweiligen Sparte zu differenzieren, so daß Fernsehvollprogramme als auf verschiedenen sachlich relevanten Märkten tätige Angebote betrachtet werden müßten. 465 Lege man diesen Maßstab an, gebe es sowohl einen eigenen Programmarkt für Kindersendungen im Fernsehen als auch für Informationssendungen, wie die einzelnen Spartensender bestätigen. 466 Diese Betrachtungsweise ist wenig praktikabel und widerspricht der Struktur des Rundfunks, in der der einzelne Sender eine wirtschaftliche Einheit bildet. Da die spartenspezifische Betrachtung jedoch der Tendenz von EuGH und Kommission zu entsprechen scheint, ist der Markt nach Programmsparten zu bestimmen. (b) Beherrschung
Ein Unternehmen ist marktbeherrschend, wenn es in der Lage ist, zu seinen Gunsten auf die Wettbewerbsbedingungen Einfluß zu nehmen ohne auf seine Konkurrenten Rücksicht nehmen zu müssen, das heißt in seinen Strategien von ihnen unabhängig ist. 467 Zur Bestimmung der marktbeherrschenden Stellung orientiert man sich am Marktanteil des Unternehmens. Marktbeherrschung ist bei einem Markanteil von unter 25 % unwahrscheinlich. Oberhalb dieser Grenze ist eine Gesamtschau aller Umstände erforderlich. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muß sich demzufolge als Marktführer im Hinblick auf Informations- und Kindersendungen erweisen. Dabei könne die Tagesschau als Marktführer unter den Nachrichtensendungen angesehen werden. Durch das weltweite Korrespondentennetz verfüge der öffentlichrechtliche Rundfunk zudem über einen überlegenen Zugang zu den Beschaffungsmärkten. Auf dem Markt der Informationsprogramme werden die Anstalten nach Engel nicht durch den Wettbewerb kontrolliert. Ob das auch für den Markt der Kinderprogramme zutreffe, könne derzeit nicht festgestellt werden. 468 Kommission v. 9. 11. 1994 IV IM 469, AbI. 1994 L 364/6 RN 32. Engel, Spartenprogramme S. 79. 466 Engel, Spartenprogramme S. 80. 467 Emmerich, Kartellrecht S. 562. 468 Engel, Spartenprogramme S. 82. 464
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B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme
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Im Hinblick auf das umfangreiche Angebot an Kindersendungen in privaten Voll- und Spartenprogrammen, die ebenfalls über einen hohen Marktanteil verfügen, ist dies abzulehnen. Weder verfügt der öffentlich-rechtliche Rundfunk über einen überragenden Marktanteil, noch ließe sich eine marktbeherrschende Stellung allein auf die vorhandenen Ressourcen an Kindersendungen stützen. (c) Mißbrauch Ein Unternehmen mißbraucht seine Stellung, wenn es die nur ihm zur Verfügung stehenden Mittel dazu einsetzt, den Wettbewerb zu behindern. 469 Auf ein Verschulden durch den Marktbetreiber kommt es nicht an. 470 Wichtig ist, daß die vorhandene Macht dazu instrumentalisiert wird, andere Konkurrenten zu schwächen oder auszuschließen. Es muß daher auch hier ein ursächliches Verhältnis zwischen Marktmacht und Marktverhalten bestehen. 471 Da es sich bei Phoenix um einen Ereignis- und Dokumentationskanal handelt und nicht um einen Nachrichtenkanal, ist fraglich, ob die Anstalten bei dessen Austrahlung von ihrer Marktmacht Gebrauch machen. Zu seinen Programmteilen zählt jedoch auch die Tagesschau; für weitere Beiträge wird das Korrespondentennetz genutzt. Diese Programmteile sind bei Analyse der Programmstruktur als bestimmend anzusehen, mit der Folge, daß eine mißbräuchliche Ausnutzung vorliegt. Engel geht davon aus, daß durch Phoenix die Verdrängung aktueller Wettbewerber und die Verstopfung des Marktes beabsichtigt werde. Ein solches Verhalten unterfalle stets Art. 86 EGV. 472 (d) Rechtfertigung Das Gemeinschaftsrecht hat hier Vorrang vor dem nationalen Recht. Das Unternehmen in beherrschender Stellung kann sich deshalb nicht darauf berufen, daß ihm das Verhalten nach nationalem Recht gestattet ist. 473 Da es keine Anhaltspunkte für das Eingreifen von Art. 90 11 EGV gibt, liegt ein Verstoß gegen Art. 86 EGV vor.
EuGH v. 13.2.1979, Rs. 85/76, Slg. S. 461, 541, RN 91. Kurz, Verhältnis S. 70. 471 Kurz, Verhältnis S. 70; a. A. Dirksen, in: LangenIBunte, Kartellrecht, Art. 86 RN 85 unter Berufung auf die ergebnis- und wirkungsorielltierte Betrachtungsweise des EuGH und der europäischen Kommission. 472 Engel, Spartenprogramme S. 77. 473 EuGH v. 18. 6. 1991 Sig. I S.2951, 2962 RN 35 37. 469
470
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
(2) Verstoß gegen das Kartellverbot des Art. 85 EGV Weiterhin wird erörtert, ob durch die Zusanunenarbeit von ARD und ZDF bei den Spartenkanälen ein kooperatives Gemeinschaftsunternelunen geschaffen wird, das gegen Art. 85 EGV verstößt. 474 (a) Vereinbarung Die neuen Spartenkanäle werden von ARD und ZDF zusammen gestaltet. Hierfür haben sie Vereinbarungen getroffen. 475 Die Anstalten können sich dabei nicht darauf berufen, durch die gesetzliche Genehmigung dieser Zusammenarbeit in § 19 11 RuFuStV zu diesem Verhalten ermutigt worden zu sein. 476 Die Gründung der Spartenprogramme beruht auf ihrer Entscheidung und ist den Anstalten daher zuzurechnen. Eine Vereinbarung liegt vor. (b) Gemeinschaftsunternehmen
Diese Vereinbarung zielt auf die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens hin. Es wird zwischen kooperativen und konzentrativen Gemeinschaftsunternehmen unterschieden. Art. 85 EGV ist nur auf kooperative Gemeinschaftsunternehmen anzuwenden, die lediglich ergänzend zur Tätigkeit des Ursprungsunternehmens Teilfunktionen wahrnehmen, während ein konzentratives Gemeinschaftsunternehmen alle Funktionen einer selbständigen wirtschaftlichen Einheit aufweist. 477 Da die Spartenprogramme Beschaffung, Produktion und Absatz selbst übernehmen, geht Engel davon aus, daß es sich um Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen handelt. Auch diese können kooperativen Charakter haben,478 wenn mit ihrer Gründung nur eine Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens der Mütter bezweckt oder bewirkt wird. 479 Die Zusammenarbeit muß ein Instrument für die Herbeiführung oder Stärkung der Koordinierung zwischen den Gründern darstellen. Die Spartenprogramme werden auch dazu genutzt, bestimmte Programmteile der Vollprogramme auf sie zu verlagern. Sie stellen ein Koordinationsrnittel dar. (c) Betroffenheit des Wettbewerbs Hierfür muß die wettbewerbsrelevante Handlungsfreiheit eines der Beteiligten spürbar beschränkt werden. Es genügen mittelbare Rückwirkungen in474 Engel, Spartenprogramme S. 87. 475 "Vereinbanmg über die Veranstaltung eines ARD/ZDF-Kinderkanals" v. 4. 12. 1996, "Verwaltungsvereinbarung für den Ereignis- wld Dokunlentationskanal" v. 4. 2. 1997, abgedruckt bei Ring, Medienrecht C- V 3.20, 3.22. 476 EuGH V. 6.4.1995, Rs. T-148/89, Sig. n S. 1063, 1111, RN 118. 477 Kurz, Verhältnis S. 100. 478 Engel, Spartenprogramme S. 88. 479 Korrunission 13. 8. 1990 AbI. 1990 C 2031I0~ 3 \. 12. 1994, AbI. 1994 C 385/3.
B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogranune
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nerhalb des Gebiets der Gemeinschaft. 48o Auswirkungen werden an den Gesamtumsätzen der beteiligten Unternehmen festgemacht, die 300 Millionen ECU überschreiten müssen. Bei einem Umrechnungsverhältnis von I ECU zu 2 DM liegen die Gebühreneinnahmen von ARD und ZDF in Höhe von neun Milliarden Mark weit dartiber. (d) Bezwecken oder Bewirken Die Wettbewerbsbeschränkung muß Zweck oder Wirkung der betreffenden Maßnahme sein. Hierbei müssen keine subjektiven Absichten nachgewiesen werden. Es genügt, wenn die Maßnahme nach objektiver Auslegung eine Tendenz zur Wettbewerbsbeschränkung hat. Entscheidend ist die Zweckrichtung. 481 Die Wettbewerbsbeschränkung muß dabei nicht der einzige Zweck sein. 482 Wegen der vielfaltsverengenden Auswirkungen eines gebührenfinanzierten Spartenprogramms ist eine Tendenz zur Wettbewerbsbeschränkung vorhanden. Die Möglichkeit der Freistellung nach Art. 85 III EGV erfolgt nur auf Antrag der beteiligten Unternehmen. 483 Ansonsten ist von einem Verstoß gegen Art. 85 EGV auszugehen.
(3) Unterstützung von ARD und ZDF als BeIhilfe nach Art. 92 EGV Engel behauptet weiterhin, daß die Unterstützung der SpartenkanäIe durch ARD und ZDF eine unzulässige Beihilfe darstellt. 484 Voraussetzung einer Beihilfe ist jedoch, daß sie vom Staat ausgeht. Dafür genügt es zwar, wenn eine Beihilfe durch öffentliche oder private Einrichtungen gewährt wird, die dem Staat zugerechnet werden kann. 485 Hier fehlt es aber an der erforderlichen Außenwirkung der unterstützenden Maßnahmen, da es sich lediglich um eine Programmausweitung innerhalb der Unternehmen handelt und damit keine externe Leistung durch den Staat erfolgt.486
Kurz, Verhältnis S. 97-98. Bunte, in: LangenIBunte, Kartellrecht, Art. 85 RN 54; Kurz, Verhältnis S. 99. 482 Bunte, in: LangenlBunte, Kartellrecht, Art. 85 RN 54. 483 Engel, Spartenprogranune S. 91; ferner könnte auch hier die Anwendung von Art. 90 II EGV in Betracht kommen. 484 Engel, Spartenprogranune S. 93 ff. 485 EuGH v. 21. 3. 1991, Rs. C-303/88 Sig. I S. 1433,1474, RN 11; EuGH v. 30. 11. 1993, Rs. C-189/91 Sig. I S. 6185, 6220 RN 16. 486 Die beiden Spartenkanäle verfügen weder über eine eigene Rechtspersönlichkeit, noch nehmen sie selbständig am Wirtschaftsleben teil, sondern sie sind abhängig von dem Gebührenpotential und den Programmressourcen der Anstalten. Sie sind damit 480 481
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Teil IV: Spartenprogranune im pluralistischen Rundfunk
e) Unzulässigkeit der beiden bestehenden Spartenkanäle Die fehlende Notwendigkeit der öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme wird gerade an den bei den bestehenden Spartenprogrammen festgemacht. Dabei richtet sich die Kritik vorwiegend gegen deren Inhalte.
aa) KinderkanaJ
So wird behauptet, daß sich das Programm des Kinderkanals nahezu ausschließlich aus dem Archiv speist. Es setze sich aus dem ,,Besten von vorgestern" zusammen. 487 Letztlich werde der Kinderkanal aber an seinen neuen Impulsen gemessen und müsse sich dieser Aufgabe stellen. 488 Der Kinderkanal hat sich den Anspruch gesetzt, "infonnierende, bildende, beratende und unterhaltende Programmteile" zu bieten. Dies werde jedoch im tatsächlichen Programm ignoriert, das nur der Unterhaltung diene. 489 Bezüglich des Programminhalts befände sich das Spartenprogramm in einem ständigen Spagat zwischen Pädagogenvorschlägen und den Kinderbedürfnissen: Was als pädagogisch wertvoll gilt, finden die Kinder in der Regel langweilig. 49o Es wird daher vorgebracht, daß der öffentlich-rechtliche Kinderkanal nicht den Sehgewohnheiten der Kinder entspricht. Zudem solle der Fernsehkonsum der Kinder nicht noch gefördert, sondern eher geschmälert werden. 491 Ferner sei zu befürchten, daß die Programmbeiträge für Kinder in den Vollprogrammen entfielen. 492 Kindersendungen gehörten aber als fester Bestandteil in die öffentlich-rechtlichen Hauptprogramme am Nachmittag. 493 Diese Vermutung hat sich mittlerweile bestätigt; so hat das WF seine Kindernachmittagsprogramme unter Hinweis auf den Kinderkanal aus dem Programm genommen. 494 Was in den Vollprogrammen nicht ankommt, wird in die Spartenkanäle verschoben. den Unternehmen zuzurechnen. Siehe dazu Bunte, in: LangenIBunte, Kartellrecht, Art. 85 RN 8. 487 Gangloff, epd medien Nr. 3 v. 18. I 1997, S. 5. 488 Gangloff, Joumalist Nr. 10 1996, S. 79. 489 Gangloff, Journalist Nr. 8 1997, S. 48, 49. 490 Gangloff, Journalist Nr. 10 1996, S. 79, 80. 491 Darstellend Oberst, MP 1997, S. 23,27. 492 Darstellend Oberst, MP 1997, S. 23,27. 493 Tuchman, wiedergegeben in: FAZ v. 31. 5.1996, S. 26. 494 Siehe hierzu ThulI, Funkkorrespondenz Nr. 41 v. 10. 10. 1997, S. 3 t1
B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme
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bb) Phoenix
Kennzeichnend fiir das Programm von Phoenix ist, daß es seinem Inhalt nach als Ereignis- und Dokwnentationskanal keiner Sparte eindeutig zuzuordnen ist. Nach dem Beschluß der Ministerpräsidenten der Länder durfte Phoenix nicht als Nachrichtensender ausgestaltet werden. Nach Stoiber ist es "mehr als trickreich" gewesen, die Ausrichtung des Senders einfach wegzudefinieren, aber faktisch einen Nachrichtenkanal zu bieten. Phoenix vermehre zudem das Informationsangebot nicht, da sich das Programm von Archivrnaterial und Programmteilen der Vollprogramme nähre. 495 Kein neues Programm werde geboten, sondern ein Kompositum des Informationsangebotes von ARD und ZDF. 496
2. Zu lässigkeit Demgegenüber gehen viele Vertreter in der Literatur von einer Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenkanäle aus. 497 Dabei wird die Stellung der Spartenprogramme innerhalb des öffentlich-rechtlichen Aufgabenbereichs unterschiedlich verortet.
a) Einordnung innerhalb des öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrags aa) Spartenprogramme als Teil der Grundversorgung
Spartenprogramme werden einerseits der Grundversorgung zugesprochen. 498 Diese Ansicht teilt auch die Bundesregierung, die sich offiziell zu diesem Thema geäußert hat. 499
Stoiber, Interview in: Focus Nr. 4 1997, S. 154~ 157. Hanfeld, FAZ v. 16. 9. 1996, S. 36. 497 Giehl, Wettbewerb S. 67 ohne nähere Begrtlndung~ Betz, MP 1997, S. 2, 6 ~ Kröhne, in: Medienforum 1989 Teil m, S. 153, 161~ Libertus, AfP 1998, S. 149,151. 498 Bethge, MP 1996, S. 66, 69; Mathias BrauniGillert/HobergIHübner/Kamps, ZUM 1996, S. 201, 206~ Albrecht Hesse, BayVBI 1997, S. 132, 139~ WillelHeckel, ZUM 1997, S. 240,243. 499 Antwort der BWldesregierung, in: Medien Dialog NT. 6 1997, S. 8, 9~ wlabhängig von der Position, die die Bundesregierung hier eiImimt, ist fraglich, ob es ihr erlaubt war, in derartiger Weise Stellung zu beziehen. Die Aussage ist im Hinblick auf das Gebot staatlicher Neutralität bedenklich. Siehe dazu Doetz, Medien Dialog NT. 6 1997, S. 9 tI. 495
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Teil IV: Spartenprogramrne im pluralistischen Rundfunk
(1) Veränderung des Grundversorgungsinhalts Diese Ansicht steht in Widerspruch mit der Aussage des BVerfG, nach der die Spartenprogramme nicht der Grundversorgung angehören. Daher besteht besonderer Begriindungsbedarf. Betz, Hesse und Libertus deuten die Ausführungen des BVerfG dergestalt, daß sich Spartenprogramme zum damaligen Zeitpunkt "noch" nicht dem Grundversorgungsauftrag unterordnen ließen. Unter den heutigen geänderten Bedingungen sei das anders zu beurteilen. 50o Der Grundversorgungsbegriff sei dynamisch; wenn sich dieser auf rundfunkähnliche Dienste erweitern lassen kann, wie vom BVerfG festgestellt, dann erst recht auf Rundfunkprogramme im eigentlichen Sinne. Die beiden momentanen Spartenprogramme seien jedenfalls unter die Grundversorgung zu fassen. 501 (2) Anpassung an die Rezipientenbedürfnisse Aufgrund der Dynamik der Grundversorgung werde ihr Inhalt durch das bestirrunt, was den Rezeptionsgewohnheiten entspreche. Nach Vesting muß der öffentlich-rechtliche Rundfunk sich auf die veränderten Konsumbedürfnisse seines Publikums einstellen. Das sei bereits in einer Weise segmentiert und fragmentiert, die keine Integration über ein Vollprogramm mehr zulasse. Das Gebot der Grundversorgung, die Gesamtheit der Rezipienten zu erreichen, sei durchaus mit Differenzierungen nach Sparten und Zielgruppen vereinbar. Der Programmauftrag müsse nicht zwingend in einer einheitlichen Organisationsform erfüllt werden, sondern sei einer inhaltlich funktionalen Segmentierung zugänglich. Ob die Wahrnehmung des Programmauftrags durch Spartenprogramme erfolge, könne durch die Organe der gesetzlich geordneten Rundfunkanstalten entschieden werden. 502 Ein derartiges öffentlichrechtliches Rundfunksystem sei dadurch legitimiert. daß alle Sparten durch ein hochwertiges Programm befriedigt werden, und es sich den im Mediensystem angelegten Nivellierungstendenzen so weit wie möglich entzieht. 503 Die öffentlich-rechtlichen Anstalten sollen daher wie die privatrechtlichen die Möglichkeit haben, auf die Ausdifferenzierung der Rezeptionsgewohnheiten zu reagieren. 504 Dazu kann es verfassungsrechtlich geboten sein, ein nicht 500 Betz, MP 1997, S. 2, 7; Libertus, AfF 1998, S. 149, 150; Albrecht Hesse, BayVBI 1997, S. 132, 139; ähnlich HojJmann-Riem, Pay-TV S. 89, der davon ausgeht, daß Spartenprogramme in die Sphäre der Grundversorgung "hineinwachsen" können. 501 Betz, MP 1997, S. 2, 8; Albrecht Hesse, BayVBI 1997, S. 132, 139. 502 Berg, MP 1987, S. 265,272. 503 Vesting, Medium Nr. I 1992, 53, 56. 504 Denn mit Marcinkowski, in: Rundfunkordnung, S. 51,71 gefragt: "Wem oder
B. Zu1ässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramrne
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nur aus Vollprogrammen, sondern auch aus Sparten- und Zielgruppenprogrammen komponiertes Gesarntprogramm anzubieten. Andernfalls seien Defizite in der Kommunikationsversorgung zu befürchten. 505 (3) Grundversorgung als inhalts- und nicht formbezogener Begriff Ferner wird vorgebracht, daß Grundversorgung und Spartenprogramme sich nicht ausschließen können, da Grundversorgung nicht die Art und Weise ihrer Erfüllung festlege. Sie umfasse die Pflicht zum Angebot eines inhaltlichen Spektrums. Die Erfüllung dieser Vorgaben durch bestimmte Darbietungsformen, wie Voll- oder Spartenprogramm, überlasse sie dem Rundfunkveranstalter. 506 Sie müsse daher nicht nur durch Vollprogramme erfüllt werden. 507
bb) Spartenprogramme als Ergänzungsversorgung Für die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme genügt es ferner, wenn Spartenprogramme als Ergänzungsversorgung angesehen werden, die nach der hier vertretenen Ansicht lnit dem klassischen Auftrag zusammenfällt. Bei dieser Einordnung508 geht es zunächst darum zu begründen, warum Spartenprogramme nicht Grundversorgung, aber dennoch so unentbehrlich sind, daß sie einen zulässigen Programmteil innerhalb des öffentlichrechtlichen Angebots darstellen.
(1) Ausgrenzung aus der Grundversorgung Für die Zugehörigkeit der Grundversorgung ist danach entscheidend, welche Bedeutung dem Programm für die umfassende Meinungsbildung im Sinne von Art. 5 I GG zukommt. Diesbezüglich spielten Spartenprograrnme im Gegensatz zu Vollprogrammen nur eine untergeordnete Rolle. 509 Spartenprogramme sind folglich als Zusatzversorgung für bestimmte Zielgruppen zu was nutzt ein grundversorgendes Programm, wenn niemand mehr zuschaut ?" 505 HoJJmann-Riem, MP 1996, S. 73, 74 75; WilIelHeckel, ZUM 1997, S. 240,243. 506 Radke, Phoeuix, Gespräch v. 30.10.1997. 507 HofJmann-Riem, Pay-TV S. 88. 508 So Seemann, DÖV 1987, S. 844, 847; HofJmann-Riem, MP 1996, S. 73, 77; kritisch aber im Ergebnis zustimmend Dry, ZUM 1987, S. 427,430; Niepalla, Grundversorgung S. 120; Scheble, Grundversorgung S. 260 fr.; Stettner, ZUM 1995, S. 293,297 298; Stoiber, luterview in: Focus Nr. 4 1997, S. 154. 509 Niepalla, Grundversorgwlg S. 120. 23*
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Teil IV: Spartenprogranune im pluralistischen RWldfunk
qualifizieren und können nicht dem Programmbereich angehören, der die Allgemeinheit mit unerläßlichen Basisinhalten versorgt. 510 Diese Einordnung entspreche auch dem Wortlaut des § 1911 RuFuStV, der die beiden Spartenkanäle als "Zusatzangebot" qualifiziert. Sie sollen nur additiv zur Komplettierung des bisherigen Angebotes hinzutreten. 511 Spartenprogramme werden aber nicht nur wegen ihres gegenwärtig geringen Stellenwerts aus der Grundversorgung ausgenommen, man will ilmen damit auch für die Zukunft geringe Bedeutung beimessen. Denn die zur Erfüllung des klassischen Auftrages unabdingbaren Vollprogramme dürften nicht verdrängt werden. 512 Mit den Spartenprogrammen als Zusatzangeboten ist die Gefahr verbunden, daß der Grundversorgungsauftrag vernachlässigt wird. 513
(2) Zugehörigkeit zum klassischen Auftrag Dennoch erhöhen Spartenprogramme die publizistische Konkurrenz, indem sie durch zusätzliche Beiträge im Kultur- und Bildungsbereich das Programmangebot verbreitern. Das entspricht dem staatsvertraglichen Auftrag der Rundfunkanstalten zur Information, Bildung und Unterhaltung. Unterschiedliche Schwerpunkte sind erlaubt, solange die Progranune insgesamt den angeführten Programmzweck erfüllen. Spartenprogramme dürfen in der vollen Breite der Programmzwecke entstehen. Sie sind von der mittelbar aus der Rundfunkfreiheit herzuleitenden Entwicklungsgarantie urnfaßt. 514 Das rechtfertigt ihre Zugehörigkeit zum klassischen Auftrag.
(3) Erforderlichkeit einer gesetzlichen Ermächtigung Der Unterschied zur Klassifizierung als Teil des Grundversorgung besteht darin, daß eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage zur Zulässigkeitsvoraussetzung der Spartenprogramme wird. Denn jenseits der Grundversorgung be-
Bleckmann, Spartenprogranune S. 57. Ricker, ZUM 1997, S. 1, 5~ Stettner, Kabelengpaß S. 66-67. Das kommt auch in der Begründung zum RWldfunkstaatsvertrag zum Ausdruck, abgedruckt in der Beilage zum Medienspiegel Nr. 19 v. 12. 5. 1997, S. I, 3. 512 HojJmann-Riem, MP 1996, S. 73, 77. 513 Stoiber, Interview in: Focus Nr. 4 1997, S. 154. 514 Libertus, GrundversorgWlgsauftrag S. 146. 510 5lI
B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme
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steht eine Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers für neue öffentlich-rechtliche Programme. 51S Zusätzliche Programmangebote können daher nur aufgrund staatsvertraglicher Vereinbarungen der Länder zulässig sein. 516 Ansonsten wäre es den öffentlich-rechtlichen Anstalten wegen ihrer Finanzierungsgarantie möglich, den Gesetzgeber durch Programmexpansion in Zugzwang zu setzen.
ce) Selbständige und unselbständige Spartenprogramme
Ein ungewöhnliche Lösung vertritt Giehl: Danach dienen selbständige Spartenprogramme nur dem klassischen Auftrag und sind nicht zur Grundversorgung zu zählen. Davon zu unterscheiden sind aber Grundversorgungsprogramme, die in unselbständige Teilprogramme aufgesplittet werden. Soweit diese zu einem Gesamtprogramm hannonisiert werden und ausgewogene Meinungsbildung ermöglichen, gehörten solche Programme der Grundversorgung an. 517 Da die Spezialität eines Spartenprogramms der Gewährleistung breiter und umfassender Meinungsbildung entgegenstehe, müsse einer Segmentierung aber Grenzen gesetzt werden. Innerhalb der Grundversorgung bestehe aber die Notwendigkeit einer Programmehrheit, um den Interessen der Empfänger gerecht werden zu können und Medium und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung zu bleiben. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk darf daher schon dem Umfang nach dem Angebot des Privatfunks nicht unterlegen sein. 518 Der Vorschlag Giehls legitimiert und fördert eine Entleerung der öffentlichrechtlichen Vollprogramme. Ferner ist seine Lösung nicht praktikabel, weil es nicht zu einer alleinigen Entleerung der Grundversorgungsprogramme kommt. Um von vornherein die Zuschauerakzeptanz zu sichern, aber auch durch Andersartigkeit des Programms die Aufmerksamkeit der Rezipienten zu wecken, werden neue und alte Programmteile miteinander vennischt. Beispiel hierfür ist das Programmangebot der beiden öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme. 519 Von einer Differenzierung im Sinne Giehls ist Abstand zu nehmen. Starck, NJW 1992, S. 3257, 3260. Stoiber, Interview in: Focus Nr. 41997, S. 154, 156; Meier, ZUM 1997, S. 249, 254; Scheble, Grundversorgung S. 262; Kresse, ZUM 1996, S. 59,61 62, der von öffentlich-rechtlichen Spartenprogrammen darüber hinaus einen besonderen Vielfaltsbeitrag erwartet. 517 Giehl, Wettbewerb S. 67-68. 518 Giehl, Wettbewerb S. 68. 519 Siehe ARD-Positionspapier, Beilage zum Medienspiegel Nr. 36 v. 4. 9. 1995, 515
516
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
b) Sonstige Zulässigkeitsbegriindungen aa) Spartenprogramme als Ausdruck der Programmfreiheit
Öffentlich-rechtliche Spartenprogramme werden als zulässige Ausschöpfung der Programmautonomie erachtet. Auch dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk stehe die Freiheit zur Nutzung neuer Programmfonnen ZU. 520 Es müsse daher ilun überlassen bleiben, mit welchen Programmgenres er sein Programm bestreitet, solange er nur den inhaltlichen Anforderungen genügt. bb) Legitimation durch die Bestands- und Entwicklungsgarantie
Das BVerfG hat rur den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zudem eine Bestands- und Entwicklungsgarantie statuiert, 52 1 die auch eine Enveiterung des Programms auf Spartenprogramme umfassen könnte. Nach Bleckmann impliziert sie hingegen nur die Sicherung der Voraussetzungen einer Grundversorgung und könne nicht eine Enveiterung des Programmangebotes jenseits der Grundversorgung legitimieren. 522 Eine solche Einschränkung ist der Rechtsprechung des BVerfG jedoch nicht zu entnehmen. Die Entwicklungsgarantie gelte auch rur die Ausbildung neuer Programmfonnen. 523 In der Begründung zu § 19 11 RuFuStV stützte man ·sich hinsichtlich der Genehmigung der zwei Spartenprogramme ebenfalls auf die Entwicklungsgarantie. 524 cc) Spartenprogramme als integrationsf6rdernde Faktoren
Hinsichtlich des öffentlich-rechtlichen Integrationsauftrages wird bestritten, daß Spartenprogramme dessen Erfiillung gefährden. Vielmehr sollen sie die
vorhandenen Vollprogramme lediglich ergänzen. 525 Der Integrationsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werde derart mißdeutet, daß seine demS. 1,4, wo auch im Hinblick aufUnterhaltungsspartenkanäle von einer Zusammensetzung aus Archivbeständen und Neuproduktionen die Rede ist. 520 Betz, MP 1997, S. 2, 7. 521 BVerfGE 83, S. 238, 298; Kritisch zur Bestaudsgarantie, Kuli, ZUM 1987, S. 355, 357: Auf einem Markt könne nichts von vornherein in seinem Bestand gesichert sein. Über den Bestand entscheide allein der Konsument. Dadurch sei der öffentlich-rechtliche Rundfunk wettbewerbsresistent. 522 Bleckmann, Spartenprogramme S. 64. 523 Libet1uS, Grundversorgungsautlrag S. 146. 524 Abgedruckt in der Beilage zum Medienspiegel NT. 19 v. 12. 5. 1997, S. 1,3. 525 Mathias BrauniGillert/Hoberg/Habner/Kamps, ZUM 1996, S. 201,205.
B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme
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entsprechende Erfüllung zu Stagnation bzw. einem Rücklauf des öffentlichrechtlichen Programms führen würde. 526 Die gesellschaftspolitische Integration fmde nicht mehr über ein Vollprogramm sondern über den inneren Gehalt des Angebots statt. Die Summe aller öffentlich-rechtlichen Programme bilde die gesellschaftliche Klammer. 527 Der Integrationsauftrag ist damit weder an eine bestimmte Programmform gebunden,528 noch kann dieser nicht auch durch die Spartenprogramme wahrgenommen werden. 529
dd) Ausnutzung der Wettbewerbsfreiheit
Würde man den öffentlich-rechtlichen Anstalten den Einstieg in den Markt der Spartenprogramme verwehren, vermindere dies ihre Wettbewerbsfahigkeit mit den Privaten erheblich. 530 Ein Medienunternehmen der Zukunft sei aber auf die Ergänzung des Hauptprogramms durch digitale Spartenkanäle angewiesen. 531 Öffentlich-rechtliche Spartenprogramme ließen sich allein über den Grundsatz der publizistischen Wettbewerbsfahigkeit legitimieren. 532 Betroffen ist damit nicht nur der ökonomische, sondern auch der publizistische Wettbewerb, innerhalb dessen ein öffentlich-rechtliches Angebot fehlen würde. 533
c) Zulässigkeit der beiden existierenden Spartenkanäle aa) Werbefreiheit
Die öffentlich-rechtlichen Spartenkanäle heben sich von dem privatrechtlichen Angebot insbesondere durch ihre Werbefreiheit ab. Diese Tatsache wird Stock, RuF 1997, S. 141,159. Kammann, epd medien Nr. 98 v. 14. 12. 1996, S. 3,4. 528 Hoffmann-Riem, MP 1996, S. 73, 78. 529 Wille/Heckel, ZUM 1997, S. 240,243; Rau, Beilage zum Medienspiegel Nr. 24 v. 16.6.1997, S. 1,4; Radke, Phoenix, Gespräch v. 30. 10. 1997. 530 Kammann, epd medien Nr. 98 v. 14. 11. 1996, S. 3, 4. 53\ Albert Scharf, wiedergegeben in: Kuss, medien praktisch Nr. 2 1995, S. 74; Stolte, Medien Bulletin Nr. 10 1996, S. 14, 15. 532 Bethge, MP 1996, S. 66, 69. SB Bleckmann, Spartenprogramme S. 67, sieht die publizistische Konkurrenzfähigkeit nicht einmal als betroffen an. Denn Spartenprogramme seien keine eigene Sendeform, sondern nichts anderes als die Zergliederung des bestehenden Programmangebots. Auf sie sei der öffentlich-rechtliche Rundfunk demzufolge nicht angewiesen. Dies ist aufgrund der divergierenden Konkurrenzsituation von Sparten- und Vollprogramm und der unterschiedlichen Nutzung durch die Rezipienten abzulehnen. 526 527
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
von einigen Autoren als Argument für ihre Zulässigkeit angeführt. 534 Es wird behauptet, daß man nicht in die Qualitätsdiskussion eingestiegen sei, sondern die Programme allein wegen ihrer Werbefreiheit für sinnvoll gehalten habe. 535 Werbefreiheit wird speziell bei einem Kinderkanal befürwortet. Kinder sind für die Werbewirtschaft besonders interessant, da sie über ein ausgeprägtes Markenbewußtsein verfügen und Kaufentscheidungen in der Familie mitbestimmen. 536 Sie sind für eine Beeinflussung durch Werbung empfänglicher als Erwachsene und deshalb schutzwürdig. Kinder haben ein Recht darauf, in ihren Fernsehgewohnheiten nicht vom Werbemarkt mißbraucht zu werden. 537 Die positive Wirkung eines werbefreien Kinderkanals ist aber insofern fraglich, als ein solcher Kanal nur eine "Oase" entstehen läßt, welche die Kinder nicht vor einer Konfrontation mit Werbung per se bewahren kann. Zudem wird zwar keine Werbung eingespielt, die vielen Programmhinweise zwischen den Sendungen haben aber einen ähnlichen Unterbrechungseffekt. 538 Die Werbefreiheit des Dokumentations- und Ereigniskanals Phoenix sei ein "Geschenk an den Zuschauer", der Werbeeinspielungen als störend empfinde. Sie sei das spezifische Merkmal dieses Kanals, dessen Programmangebot zum Beispiel Parlamentsdebatten - sich nur schwer mit Werbepausen vereinbaren lasse. Der Sender werde auch in Zukunft werbefrei bleiben. 539 Die privatrechtlichen Angebote sehen sich in dem Ausschluß von Werbung einem Argument ausgesetzt, dem sie nichts entgegenhalten können. Ihre Existenz ist lnit der Werbefinanzierung verbunden. Eine privilegierte Stellung darf den öffentlich-rechtlichen Spartenprogrammen aus ihrer Werbefreiheit daher nicht erwachsen. Inhaltliche, nicht finanzielle Aspekte müssen für die Einordnung eines Programms entscheidend sein. Die Inhalte werden durch die Art der Finanzierung mitbeeinflußt. Bei den Inhalten wird die Finanzierung damit bereits mittelbar berücksichtigt. Sie darf jedoch nicht zur Legitimationsbasis eines Senders werden. bb) Inhalte
Die beiden neuen Spartenkalläle ergänzen und stärken den Programmauftrag von ARD und ZDF. 540 Bezüglich des Kinderkanals hätten die gewalt- und 534 Antwon der Bundesregierung, in: Medien Dialog NT. 6 1997, S. 8; Wille/Heckel, ZUM 1997, S. 240,243; Betz, MP 1997, S. 431,437. m Schultz, VIVA, Gespräch v. 30. 10. 1997. 536 Oberst, MP 1997, S. 23,24. 537 Oberst, MP 1997, S. 23,28. 538 Gangloff, epd medien NT. 3 v. 18. I 1997, S. 5,7. 539 Radke, Phoenix, Gespräch v. 30. 10. 1997. 540 Pleitgen, in: epd medien Nr. 73 v. 18. 9. 1996, S. 3,4.
B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme
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werbehaitigen privatrechtlichen Angebote für Kinder das Bedürfnis nach einem öffentlich-rechtlichen Kinderkanal hervorgerufen. Er sei hierzu eine Alternative. 541 Je mehr den speziellen ProgranunWÜfischen der Kinder gezielt entsprochen werde, um so weniger werden diese dazu neigen, Erwachsenenprogranune zu rezipieren, die nicht auf die "besondere Gefühlswelt der Kinder" eingehen. 542 Den Kindern werde Progranunsicherheit Wld -zuverlässigkeit geboten. 543 Die Befriedigoog ihrer Interessen wird endlich nicht mehr durch ProgrammverschiebWlgen in Vollprogranunen aufgrund aktueller Ereignisse beeinträchtigt.544
Hinsichtlich des Senders Phoenix wird angeführt, daß dieser zum einen zur MeinWlgs- Wld WillensbildWlg beitrage, zum anderen den demokratischen Parlamentarismus und die europäische Integration transparent mache. Damit werde der Funktion des Rundfunks als Medium und Faktor vollständig Rechnung getragen. 545 Der öffentlich-rechtliche Auftrag sei im Kern ein Informationsauftrag, dem durch ein zusätzliches Infonnationsprogramm nachgekommen werde. 546 Die hier angeführten Kriterien könnten mit Ausnahme der Werbefreiheit auch durch ein privatrechtliches Angebot erfüllt werden. Es fehlt damit an einem speziellen öffentlich-rechtlichen Begründungstatbestand.
3. Zu[ässigkeit je nach Programm inhalt
Das BVerfG selbst hat bei seiner Aussage hinsichtlich öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme betont, daß VOn ihnen ein Beitrag zur Kultur Wld BildWlg erwartet wird. Daraus wurde gefolgert, daß Spartenprogranune nicht gfWldsätzlich für zulässig erachtet werden können, sondern daß es nach ihrem Sendeinhalt zu differenzieren gilt. Eine Zulässigkeit kommt daher nur insoweit in Betracht, als sie ausdrücklich gesetzlich zugelassen werden Wld die Breite des Rundfunkangebotes tatsächlich erhöhen. Sie sind funktional subsidiär. 547 541 Oberst, MI' 1997, S. 23; Antwort der Bundesregienmg, Medien Dialog Nr. 6 1997, S. 8, 9. 542Stolte,RuF 1985,S. 161,169. 543 Oberst, MI' 1997, S. 23,29. 544 Gangloff, Journalist Nr. 8 1997, S. 48,49. 54S Antwort der Bundesregierung, in: Medien Dialog Nr. 6 1997, S. 8,9. 546 Radke, Phoenix, Gespräch v. 30. 10. 1997. 547 Kresse, ZUM 1996, S. 59,61-62.
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
Nur Kultur- und Bildungsprogramme sieht Kresse daher als vom klassischen Auftrag mnfaßt und zulässig an. 548 Auch Stettner ordnet die Spartenprogramme innerhalb des klassischen Auftrages ein. 549 Gemäß dem Leitbild des BVerfG müssen Spartenprogramme dem Kultur- und Bildungsbereich genügen, und so zu einer Abrundung des Programmangebotes im Sinne des klassischen Rundfunkauftrages beitragen. 550 Kultur- und Bildungsprogramme sprechen für einen hohen Anspruch und ein ebensolches Niveau eines Progranuns und werden daher befürwortet. Derartige Beiträge treffen jedoch selten auf große Zuschauerresonanz, weil sie nicht auf einem Bedürfnis der Konsumenten beruhen, sondern auf der Erwartungshaltung, daß sie aufgrund ihres intellektuellen Wertes angeboten werden sollten. 551 Bei einer Beschränkung öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme auf den Kultur- und Bildungsbereich wird bezweckt, daß der öffentlichrechtliche Rundfunk dort ein Alternativprogramm anbietet, wo kommerzielle Anbieter aus wirtschaftlichen Erwägungen passen. 552 Bleckmann differenziert hinsichtlich der Zulässigkeit von Spartenprogrammen nach dem konkreten Beitrag, den ein Spartenprogramm zur Meinungsbildung leistet. Erbringe das Spartenprogramm einen besonderen Beitrag, gehöre es damit der Grundversorgung an. Differenzierungen nach Sendeinhalten seien bezüglich des Grundversorgungsauftrags erforderlich, weil dieser spezifische Privilegierungen mit sich bringt. 553
4. Stellungnahme
a) Einordnung der Spartenprogramme Der Progranuntyp Spartenprogramm ist inhaltlich neutral, das heißt er kann mit beliebigen Inhalten gefüllt werden. Grundversorgung impliziert
548 Kresse, ZUM 1995, S. 178, 189; ähnlich Mathias BrauniGillertiHoberglHübnerl Kamps, ZUM 1996, S. 201, 206, denen zufolge sich die Dynamik des Grundversorgungauftrags auch auf neue Prograrnrninhalte bezieht, soweit sie vorn klassischen Rundfwlkauftrag erfaßt werden. Dies sei bei den derzeitigen öffentlich-rechtlichen Spartenkanälen der Fall, wäre jedoch zum Beispiel bei einem Spielfilrnkanal auszuschließen; a.A. HojJmann-Riem, Pay-TV S.89, der eine derartige Deutung der Aussage des BVerfG als Verkehrung ihres wahren Gehalts ansieht. Es wurde lediglich eine ÄIgwnentation der Beschwerdeführer aufgegriffen. 549 Stettner, ZUM 1995, S. 293,299. 550 Stettner, ZUM 1995, S. 293, 300. 55\ Wetzel, Mediwn Nr. 3 1992, S. 71, 76. 552 PieperlWiechmann, ZUM 1995, S. 82, 92. 553 Bleckmann, Spartenprogramme S. 6871.
B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogranune
363
demgegenüber die bestmögliche WeitelVerbreitung bestimmter Inhalte an die Allgemeinheit. Spartenprogramme müssen daher dem Charakter der Grundversorgung entsprechen, um dieser zugerechnet werden zu können.
aa) Privilegierung bestimmter Gesellschaftsgruppen
Eine Grundversorgung allein durch Spartenprogramme kann der öffentlichrechtliche Rundfunk durch seine Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit nicht leisten. Hierzu fehlen die technischen und finanziellen Möglichkeiten. Er kann daher nur einen Teil seines Programmangebots durch Spartenprogramme abdecken. Die darin befriedigten Interessen bestimmter Gesellschaftsgruppen erfahren so eine intensive Berücksichtigung. Den angesprochenen Zielgruppen kommt eine privilegierte Stellung zu. Das widerspricht der Anforderung einer Grundversorgung für die Allgemeinheit. Die Frage, ob das Programm für die Allgemeinheit nutzbar ist, spielt keine Rolle. Vielmehr erfolgt durch ein Spartenprogramm eine bereichsmäßige Schwerpunktsetzung, die durch die übrigen Vollprogramme nicht ausgeglichen werden kann. Grundversorgung bedeutet hingegen die flächendeckende und gleichmäßige Berücksichtigung aller Interessen.
bb) AusJagerung grundversorgender Inhalte
Daraus folgt das Verbot, grundversorgende Inhalte aus den Vollprogrammen zu nehmen, um dadurch die Notwendigkeit von Spartenprogrammen zu unterstreichen und sie in den Grundversorgungsauftrag einzubeziehen. Wie die Rechtsprechung des BVerfG zeigt, wird von den Spartenprogrammen ein zusätzlicher Beitrag zur Programm- und Meinungsvielfalt verlangt. Sie dürfen nicht dazu instrumentalisiert werden, Vollprogramme ihrer Inhalte zu entleeren.
cc) Grundversorgungsbestimmung durch den Rezipienten
Eine Bestimmung des genauen Inhalts der Grundversorgung kann aufgrund ihrer Dynamik nicht abschließend getroffen werden. Rückschlüsse können jedoch durch die Frage gezogen werden, wer über den Inhalt der Grundversorgung entscheidet oder ihn zumindest beeinflußt. Dabei kann der entscheidende Einfluß nicht von den Rundfunkanstalten selbst ausgehen. Wie sich die Grundversorgung den gesellschaftlichen Bedürfnissen anpaßt, muß ihre Veränderung wiederum durch die Gesellschaft getragen und akzeptiert werden. Es bedarf somit einer Adaptionsphase der veränderten Grundversorgung.
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
Daraus folgt, daß kein neues Programm von vornherein zur Grundversorgung gerechnet werden kann. Das könnte nur der Fall sein, wenn der Rundfunk der Grundversorgung in einem Bereich nicht nachgekommen ist und Defizite entstanden sind. Davon ist derzeit nicht auszugehen. Ein Programm muß sich erst etablieren, um zur Grundversorgung zählen zu können. Hinweise hierfür bieten die Frequentierung des Programms, der Bekanntheitsgrad sowie die Beurteilung ihrer Notwendigkeit durch die Gesellschaft. Die neuen Spartenprogramme können aus diesem Grund nicht von vornherein der Grundversorgung angehören; deswegen und wegen ihrer Schwerpunktsetzung sind sie dem klassischen Rundfunkauftrag zuzurechnen.
b) Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs Will man der Verwirklichung von Prograrnnl- und Meinungsvielfalt im Rundfunk genügen, muß man sie in ihren Inhalten beschränken. Das Problem der Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme erhält sein Diskussionspotential im wesentlichen durch das ungeklärte Verhältnis zwischen privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk. Faktisch stehen sie zueinander im Wettbewerb, der aufgrund der unterschiedlichen Funktionen und Finanzierungsformen durch eine Schieflage gekennzeichnet ist. Im dualen System kommt es zu einem ungleichen Wettbewerb zwischen ungleichen Wettbewerbern um unvergleichliche Ziele. 554 Es herrscht keine Waffengleichheit. 555 Es geht nicht darum, diese Gleichheit herzustellen, sondern das System derart auszugestalten, daß sich eine funktionsfähige und vielfaltige Rundfunklandschaft bildet.
aa) Sensibilität des Spartenprogrammarktes
Die Erfüllung dieser Aufgabe ist im Bereich der Spartenprogramrne besonders relevant. Hier ist ein Markt von Anbietern mit geringem Finanzpotential entstanden, der durch das Eindringen der öffentlich-rechtlichen Anbieter stärker beeinträchtigt wird, als das bei den Vollprogrammen der Fall ist. Dabei haben die wirtschaftlichen Möglichkeiten gleichzeitig Einfluß auf die Erfüllung rundfunkrechtlicher Vorgaben. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist in der Lage, durch sein Angebot bestimmte Sparten zu belegen und fortan für sich zu beanspruchen. Das wider554 555
S.13.
Stolte, in: Zwischenbilanz, S. 55, 56. Bangemann, wiedergegeben in: Fllllkkorrespondenz Nr. 43 v. 24. 10. 1997,
B. Zulässigkeit ötfentlich-rechtlicher Spartenprogramme
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spricht einer Vermehrung der publizistischen Konkurrenz. 556 Eintreffen wird dies vor allem bei Inhalten mit geringer Variationsbreite. So ist beim Kinderkanal davon auszugehen, daß alternative Angebote sich weiterhin durchsetzen können, da unterschiedliche Programmteile und Programmfarben die Wettbewerbsfähigkeit steigern. Selbst in diesem Bereich zeigt jedoch die Einstellung des Programms Nickelodeon zum 31. 5. 1998, daß es schwierig ist, sich gegenüber einem öffentlich-rechtlichen Konkurrenten zu behaupten. 557 Im informativen Bereich, wie zum Beispiel den Nachrichten ist der Markt von vornherein enger. Hier kann es Varianten in der Art und Weise der Vermittlung geben. Die Inhalte sind jedoch weitestgehend identisch und - durch die Speisung über dieselben Nachrichtenagenturen - auch das Bildmaterial. Die Ausweiclunöglichkeiten sind geringer, die Konkurrenzsituation verschärft. Ein finanzstarker öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der auf dem Spartenprogrammarkt expandiert, forciert zudem die Frontenbildung zwischen öffentlichrechtlichem und privatrechtlichem Rundfunk. Um sich gegen die öffentlichrechtlichen Finanzmittel behaupten zu können, schließen sich privatrechtliche Unternehmen zusammen, so daß ein der Meinungsfreiheit entgegenstehender Konzentrationsprozeß gefördert wird.
bb) Der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Kompensator? Im Sinne der Rundfunkfreiheit wäre es daher, wenn der öffentlichrechtliche Rundfunk sein Programm in Bereichen ausweitet, die von den Privaten nicht besetzt sind. Damit drängt man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk diesbezüglich in die Rolle eines Kompensators; nur er kann diese Bereiche durch seine Gebührenfinanzierung jedoch abdecken. Daher muß er sich zumindest primär dieser Bereiche annehmen. Mit dem Angebot eines Ereignis- und Kinderkanals hat er sich jedoch in Konkurrenz zu einer Vielzahl privatrechtlicher Angebote gestellt. Dabei soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht zu einem Außenseiterprogramm degradiert werden, da er durch seine Gebührenfinanzierung auch dem Zwang unterliegt, eine Publikumsakzeptanz seines Programms herzustellen. 558 Auf der anderen Seite wird von ihm ein anspruchsvolles Alternativprogramm im Vergleich zum privaten Rundfunk verlangt. Das istnur möglich, 556
Dry, ZUM 1987, S. 427,430; Stoiber, Interview in: Focus Nr. 4 1997, S. 154,
157. Siehe zu Nickelodeon Lilienthai, epd medien Nr. 43 v. 6. 6. 1998, S. 3 ff. Pleitgen, in: epd medien Nr. 73 v. 18. 9. 1996, S. 3, 6; Stoiber, Interview in: FocusNr.4 1997, S. 154,157. 557 558
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
wenn er Distanz zu den Bedürfnissen der Rezipienten hält, die bereits im privaten Rundfunk befriedigt werden. Zwischen diesen beiden Polen versucht sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu positionieren. Im Spartenprogranunbereich sollte er sich auf ein anspruchsvolles Alternativprogranun beschränken.
IIL Finanzierung der Spartenprogramme Die beiden Säulen des dualen Systems unterscheiden sich nicht nur durch ihre Organisationsform, sondern auch durch die Art ihrer Finanzierung. Während der privatrechtliche Rundfunk sich durch Werbeeinllahmen und Pay TVEntgelte finanziert, greift der öffentlich-rechtliche Rundfunk auf Gebühren und Werbeeinnahmen zurück. Diesem System liegt die Maxime zugrunde, daß das rundfunkpublizistische Angebot nicht nur durch den Markt reguliert werden darf. Der öffentlichrechtliche Rundfunk ist durch seine Gebührenfinanzierung weniger unmittelbar vom wirtschaftlichen und publizistischen Markt abhängig. 559 Er arbeitet nach dem Prinzip der Kostendeckung, während der private Rundfunk auf Gewinnmaximierung aus ist. 560 Für die Finanzierung öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme sind mehrere Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen: Neben den Gebühren und Werbeeinnahmen ist auch eine Finanzierung mittels Pay TV möglich.
1. Finanzierung durch Gebahren a) Funktionsgebundenheit der Gebühren Die Rundfunkgebühr ist das fiir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk charakteristische Finanzierungsmittel. Sie wird nicht fiir die Nutzung der Progranune erhoben, sondern fällt bereits bei Besitz eines Rundfunkempfangsgeräts an (§ 4 I RuFuGebStV). Demzufolge ist sie im Sinne der Abgabensystematik keine Gebühr, sondern ein Beitrag. Sie gilt als integratives Finanzierungselement. 561 Da die Legitimation für der Gebühren in der Erfüllung eines besonderen Progranunauftrages liegt, hängt eine Mitfinanzierung der Spartenprogranune wiederum von ihrer Einordnung innerhalb dieses Auftrages ab. Badura, in: FS für Knöpfle, S. 1,4. Stolte, in: Zwischenbilallz, S. 55, 57. 561 Hans-Peter SchneideriRadeck, Rundfunkfinanzierung S. 81. 559
560
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aa) Befürwortung einer Gebührenfinanzierung
Spricht man sich für eine Gebührenfinanzierung der Spartenprogramrne aus, kann man sie zwn einen mit der Grundversorgung in Verbindung bringen. Die Finanzierung durch Gebühren findet vor allem in der Gewährleistung der Grundversorgung durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten ihre Rechtfertigung.562 Durch die Rundfunkgebühr zu finanzieren ist jedenfalls alles, was der Grundversorgung angehört. Ordnet man Spartenprogramme der Grundversorgung zu, hat damit auch eine funktionsgerechte Finanzierung über die Rundfunkgebühr zu erfolgen. 563 Im Rahmen der Ergänzungsversorgung durch Spartenprogramme bestehen nach der Rechtsprechung des BVerfG ebenfalls keine Bedenken gegen gebührenfinanzierte Spartenprogramme. Die finanzielle Gewährleistung ist nicht auf die Grundversorgung beschränkt. Die Finanzierungsgarantie erstreckt sich ebenfalls auf den klassischen Auftrag; erfüllen Spartenprogramme diesen Auftrag, steht einer Finanzierung dieser durch Gebühren nichts im Wege. 564 Es sei zudem abwegig, aufgrund der thematischen Begrenzung von Spartenprogrammen eine Gebührenfinanzierung abzulehnen. Eine derartige Überlegung würde man auch nicht bei einzelnen Teilen von Vollprogrammen anstellen. Grundsätzlich obliegt es den Anstalten zu bestimmen, mit welcher Zahl und wie sie ihren Programmauftrag erfüllen. Ein Anspruch auf zusätzliche Finanzierung besteht, wenn die Programme die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufgetragene Funktion erfüllen. 565 bb) Ablehnung einer Gebührenfinanzierung
Andere sprechen sich gegen eine Finanzierung der Spartenprogramme durch Gebühren aus. 566 Denn man befürchtet, daß einer Verspartung der öffentlich-rechtlichen Programmlandschaft kein Einhalt mehr geboten werden kann. Mit den "Zwangsgebühren" wird ein Verdrängungswettbewerb gegenüber den Wettbewerbsmodellen im privaten Bereich betrieben. Ein "Selbstbedienungsladen Rundfunkgebühren" muß vermieden werden. 567 Eine gebührenfinanzierte Verspartung steht zudem mit der Sozialverträglichkeit der Rundfunkgebühr in Widerspruch. Eine unlimitierte FinanzieBVerfGE 73, S. 118, 158. Bethge, MP 1996, S. 66,69. 564 Mathias Braun/GillertlHoberg/Hübner/Kamps, ZUM 1996, S. 201,207. 565 Betz, MP 1997, S. 2, 8. 56b Kuli, AfP 1987, S. 462, 464~ Bleclanann, Spartenprogramme S. 88. 567 Ring, in: Zwischenbilanz, S. 21, 24.
562
563
Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
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rungsverpflichtung für öffentlich-rechtliche Spartenkanäle verstößt gegen den Grundsatz der Nichtüberforderung der Gebührenzahler. 568 Ferner ist es unangemessen, ihn mit Gebühren für Programme zu belasten, an denen er kein oder nur ein geringes Interesse hat. Finanzielle Mittel sind am Erforderlichkeitsmaßstab zu messen. Entscheidend hierfür ist das gesamte Programm einer Rundfunkanstalt. Spartenprograrrune als Angebote jenseits der Grundversorgung unterliegen diesem Finanzgewäluleistungsanspruch nicht. 569 Der Streit über gebüluenfinanzierte Spartenprogramme wird zudem im europarechtlichen Bereich ausgefochten. Es geht um die Frage, ob die Gebührenfinanzierung von Spartenprogrammen gegen Art. 92 ff. EGV verstößt.
b) Vereinbarkeit mit dem europäischen Beihilferecht Derzeit ist ein Verfahren vor der europäischen Kommission anhängig, in der die Gebüluenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hinterfragt wird. Französische, spanische und portugiesische Veranstalter haben Beschwerde eingelegt, weil sie die Gebüluenfinanzierung als mit Art. 92 I EGV für unvereinbar erachten. Dadurch entstehe eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten privater Konkurrenten. Dabei erhofft man sich von diesem Artikel eine "wirkungsvolle Bremse" gegen überzogene Gebührenwünsche der öffentlichrechtlichen Anstalten. 57o Der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) hat im Mai 1997 Beschwerde bei der Generaldirektion V der Europäischen Kommission in Brüssel eingelegt, mit der er sich gegen die Veranstaltung der beiden gebüluenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Spartenkanäle wendet. 571 Das kurzfristige Ziel, die beiden Spartenkanäle auf den damaligen Stand der Kabelverbreitung einzufrieren, hat er durch diese Maßnahme nicht verwirklichen können. Dabei macht der VPRT in seiner Beschwerde unter anderem geltend, daß die Gebührenfinanzierung der beiden Spartenkanäle eine unangemeldet gemeinschaftsrechtswidrige staatliche Beihilfe nach Art. 92 EGV beinhalte. Bei der Regelung des Art. 92 EGV handelt es sich um ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. 572 Die Rundfunkgebüluen müssen daher zunächst unter das Verbot fallen, bevor eine Prüfung der Erlaubnistatbestände vorzunehmen ist.
Kresse, ZUM 1996, S. 59, 66; Bleckmann, Spartenprogramme S. 88. Kresse, ZUM 1996, S. 59,66; Bleckmann, Spartenprogramme S. 88. 570 Wallenberg, in: FS für Grabitz, S. 867,869. 571 Siehe zu den geltend gemachten Verstößen im einzelnen Funkkorrespondenz Nr. 22 v. 30. 5.1997, S. 41 ff. 572 Koenig, EuZW 1995, S. 595,599. 568
569
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aa) Gebühren als Beihilfe im Sinne des Art. 92 J EGV Zunächst muß es sich bei den Gebühren um eine Beihilfe im Sinne des Art. 92 I S.l EGV handeln. Zum Beihilfebegriff gibt es keine allgemein anerkannte Definition. Vielmehr bedient man sich eingrenzender Charakteristika. Der Begriff der Beihilfe wird bewußt offen gehalten, um der Kommission Reaktionsmöglichkeiten auf alle Arten wettbewerbsverzerrender Maßnahmen innerhalb der Gemeinschaft einzuräumen. 573 Als Beihilfen werden freiwillig ergehende Maßnahmen angesehen, die begünstigende Wirkung fiir das betreffende Unternehmen haben und für die keine Gegenleistung erbracht wird. 574 Einige Vertreter der Literatur lassen die Gebührenfinanzierung der Rundfunkanstalten bereits am Merkmal der Beihilfe scheitern. 575 (1) Begünstigende Wirkung Die Beihilfe muß sich durch einen objektiv begünstigenden Effekt auszeichnen. Hierzu zählen die von staatlichen Stellen gewährten Vorteile, die die Belastungen eines Unternehmens mindern, die sonst von diesem zu tragen wären. 576 Die unentgeltliche Begünstigungswirkung kann nur anhand des Vergleichsmaßstabs marktrelativer Günstigkeit ermittelt werden, nicht allein aufgrund einer verbesserten Kostenlage oder fehlender Gegenleistung. 577 Die Rundfunkgebühren entlasten die Anstalten von einem Großteil der Programmproduktionskosten, für die sie sonst selbst aufkommen müßten. Sie haben eine fiir den Anstaltsbetrieb förderliche Wirkung. Das verschafft ihnen Vorteile gegenüber anderen Anbietern, die auf eine Selbstfinanzierung ihrer Unternehmen angewiesen sind. Den Rundfunkgebühren kann demzufolge ein Begünstigungseffekt für die Rundfunkanstalten zugeschrieben werden. (2) Fehlende Gegenleistung Die Beihilfe muß in wirtschaftlicher Einseitigkeit ergehen. Mit dem gewährten Vorteil darf deshalb keine marktgerechte Gegenleistung korrespon-
573 Bleckmann, Europarecht RN 2051 ~ ftlr eine extensive Auslegung auch Grabitzl Wallenberg, Art. 92 EGV RN 6. 574 Wallenberg, in: FS für Grabitz, S. 867,870. 575 Eberle, ZUM 1995, S. 763, 766 ff.~ Dörr/Cloß, ZUM 1996, S. 105, 112 ff.~ Krose, EWS 1996, S. 113, 118 fr.~ Libertus, AtP 1998, S. 149, 155. 576 EuGH v. 26.9.1996, Rs. C-24 1194 Sig. I S. 4551, 4578 RN 34. m Koenig, EuZW 1995, S. 595,599.
24 Poil
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dieren. Die Leistung des Staates darf nicht als angemessene Vergütung für erbrachte Dienstleistungen angesehen werden können. 578 Leistung und Gegenleistung müssen sich nicht in einem verbindlichen Synalagma befinden, sondern können auch in tatsächlicher Hinsicht in einem wirtschaftlich verbundenen Zusammenhang stehen. 579 Das Kriterium der Gegenleistung findet sich in der Rechtsprechung des EuGH wieder. 580 Dennoch ist es in der Literatur umstritten. Engel bemängelt ein Begründungsdefizit für die Voraussetzung der fehlenden Gegenleistung in den Entscheidungen des EuGH. Mit der übrigen Rechtsprechung sei dieses Kriterium nicht zu vereinbaren. Es würde der Beihilfecharakter anderer Finanzierungen entfallen, die eindeutig als Beihilfen angesehen worden sind. 581 Auch Bleckmann wendet sich generell gegen Eingrenzungsversuche des Beihilfebegriffs, da sonst eine wirksame Kontrolle durch die Kommission nicht mehr möglich sei. 582 Trotz dieser Bedenken ist das Kriterium der fehlenden Gegenleistung sinnvoll, da der Vorteil sich egalisiert. wenn er sofort in eine marktgerechte Gegenleistung umgesetzt wird. Darüber hinaus sichert er gerade eine wirksame Kontrolle, indem er die Weite des Beihilfebegriffs durch ein überprüfbares Merkmal einschränkt. Aufgrund der Tatsache, daß mit jeder Beihilfe automatisch eine Erwartungshaltung des Staates an die Leistung des geförderten Unternehmens verbunden ist, bereitet die Feststellung einer angemessenen Gegenleistung im Einzelfall Schwierigkeiten. (a) Gegenleistung für Benachteiligung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Zu überlegen ist, ob die Vorteile nicht eine Gegenleistung für die Nachteile darstellen, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch ilun auferlegten Verpflichtungen in Kauf zu nehmen hat. 583 In Betracht kommen die strengeren Werberegelungen der Rundfunkanstalten im Vergleich zu den privaten Veranstaltern. 584 Richtig ist es aber, bei der Bestimmung der Gegenleistung die Absicht eines Nachteilausgleichs außerhalb der Betrachtung zu lassen. 585 Diese 578 SelmerlGersdoif, FinanzieTWlg, S. 26; DörrlCloß, ZUM 1996, S. 105, 111; Otten, ZUM 1997, S. 790,792-793. 579 Koenig, EuZW 1995, S. 595, 600. 580 EuGH V. 7.2.1985 Rs. 240/83 Sig. S. 531,550 RN 18. 581 Engel, Spartenprogramme S. 22. 582 Bleckmann, Europarecht RN 2055; abweichend in Spartenprograrnme S. 116. 583 EuGH V. 7.2. 1985 Rs. 240/83 Sig. S. 531, 543 Vorbringen der Konunission. 584 Holzer, ZUM 1996, S. 274, 281 282; ablehnend Wallenberg, in: FS fllr Grabitz, S. 867,871. 585 PechsteinIDamm, EWS 1996, S. 333, 336; Koenig, EuZW 1995, S. 595,599.
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Problematik kann erst auf der Rechtfertigungsebene des Art. 92 III EGV Beachtung finden. (b) Das öffentlich-rechtliche Programm als Gegenleistung
Die Rundfimkgebühr könnte ein Entgelt für die Dienstleistung Fernsehen darstellen. Das öffentlich-rechtliche Programm wäre damit Gegenleistung. 586 Die Adäquanz dieser Gegenleistung sei in einer Gesamtbetrachtung zu würdigen. 587 Da die Gebühren nach dem Prinzip der Kostendeckung bemessen werden, sei eine Überkompensation auszuschließen. 588 Wegen angemessener Gegenleistung seien die Rundfunkgebühren nicht als Beihilfe zu qualifizieren. Dem widersprechen Stimmen in der Literatur, denen zufolge die Gebühr keine Vergütung für eine Dienstleistung darstellt, sondern das von den Ländern eingeführte Mittel zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. 589 Zum einen werde es nicht für die Inanspruchnahme des Angebots erhoben, sondern für dessen Nutzungsmöglichkeit; zum anderen haben die Zahlenden kawn Einfluß auf das tatsächliche Angebot, so daß von einer wirklichen Gegenleistung keine Rede sein könne. (c) Grundversorgung als Gegenleistung Eine vermittelnde Ansicht beschränkt die Gegenleistung auf die Programme der Grundversorgwlg.590 Die Gebühren sollen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk dazu verhelfen, den höheren Programmanforderungen gerecht zu werden. Gegenleistungsgeeignet sei auch die Erfüllung bestimmter Verpflichtungen im öffentlichen Interesse. Denn es sollen Dienstleistungen gefördert werden, die der Markt von allein nicht hervorbringen würde. Die Ökonomen sprechen hier von einem meritorischen Gut. Demnach sei alles, was Grundversorgung ist, Gegenleistung der zu zahlenden Gebühr. Der Rest unterliege der Beihilfeaufsicht. 591 Der Grundversorgungsbegriff erhalte europarechtliche Bedeutung. Er müsse nach Engel jedoch nicht zum Maßstab erhoben werden, da die MitgliedEberle, ZUM 1995, S. 766 ff.~ Dörr/Cloß, ZUM 1996, S. 105, 113~ Betz, MP IO~ OUen, ZUM 1997, S. 790, 794. 587 Dörr/Cloß, ZUM 1996, S. 105, 113. 588 Siehe dazu insbesondere OUen, ZUM 1997, S. 790, 795-796, der eine Überkom-
586
1997, S. 2,
pensation wegen der neuen staatsvertraglichen Regelungen und der Absicherung der Gebührenermittlung durch die KEF ausschließt. 589 Stettner, ZUM 1995, S. 293, 302. 590 Kruse, EWS 1996, S. 113, 119~ Bleckmanll, Spartenprogranune S. 117, der Spartenprogranune wegen ihrer fehlenden Zugehörigkeit zur Grundversorgung nicht als adäquate Gegenleistung erachtet; ähnlich auch Holzer, ZUM 1996, S. 274, 285, der die Gegenleistung in der Grundversorgung und dem Werbeverzicht sieht. 591 Engel, Spartenprogranune S. 22-23~ Holzer, ZUM 1996, S. 279, 285. 24"
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
staaten selbst darüber entscheiden könnten, welche Güter meritorisch sind. Ferner habe das BVerfG den Begriff der Grundversorgung durch den der funktionserforderlichen Finanzausstattung ergänzt, dem auch die öffentlichrechtlichen Spartenprogramme unterfielen. 592 Es fehle aber an einer Angemessenheit der Gegenleistung. Die Rundfunkanstalten entschieden wegen der Zurückhaltung der KEF selbst über ihren Bedarf an Gebühren. Im Rahmen einer solchen Selbstbedienung könne keine haltbare Differenzierung zwischen einem noch zulässigen Ausgleich und unzulässiger Überkompensation getroffen werden. 593 Auch Selmer und Gersdorf erachten die Grundversorgung als nicht adäquate Gegenleistung. Sie sei nicht marktgerecht. Kulturell anspruchsvolle und kostenintensive Sendungen, wie der Grundversorgungsauftrag sie verlangt, seien durch die Kräfte des Marktes nicht erbringbar und damit auch nicht dem Markt entsprechend. 594 (d) Gegenleistung als Tätigkeit anstelle des Staates Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Zum einen werden die Grundversorgungsgebühren nicht nur für die grundversorgenden Programme, sondern für das gesamte öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot verwendet. Hier eine Differenzierung nach der Grundversorgung vorzunehmen, hieße, auf den Zweck der Rundfunkgebühren abzustellen. Nach dem EuGH ist der vom Staat verfolgte Zweck für den Beihilfebegriff jedoch irrelevant595 und darf deshalb nicht einbezogen werden. Damit kommt nur das gesamte öffentlich-rechtliche Programm als Gegenleistung in Betracht. Empfänger einer Gegenleistung kann ausschließlich der Staat sein, weil er die Beihilfen erbringt. Das Beihilfeverhältnis entsteht folglich zwischen dem Staat und dem begünstigten Unternehmen, nicht zwischen dem Staat und der privaten oder öffentlichen Stelle, mit deren Hilfe die Beihilfe bewirkt wird. 596 Es muß sich somit um eine Leistung anstelle des Staates handeln. Dieses Kriterium wird durch die Rechtsprechung des EuGH gestützt. 597
Engel, Spartenprogramme, S. 24 unter Bezugnahme auf BVerfGE 90, S. 60, 92. Engel, Spartenprogramme S. 26-27. 594 SelmeriGersdorf, Finanzierung S. 26-27. 595 EuGH v. 24. 2. 1987, Rs. 310/85 S. 901,924 RN 8; EuGH v. 7. 6. 1988 Rs 57/86 Slg. S. 2855, 2872 RN 9; EuGH v. 26. 9.1996, Rs. C-241/94 Slg. I S. 4551, 4575 RN 20. 596 Hopt/Mestmäcker, WM 1996, S. 753, 756; nach Bleckmann, Spartenprogramme S. 117 auch nicht zwischen Anstalt und Gebührenzahler. 597 EuGH V. 20. 9. 1983, Slg.l, S. 2621, 2625 RN 2, wonach für die Beihilfe Arbeitgeber die Verpflichtung zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen und Durch592 593
B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogranune
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Das Programm der Rundfunkanstalten ist aber für die Gesellschaft bestimmt. Sie ist keine Leisnmg anstelle des Staates, der Staat dürfte eine solche Aufgabe wegen der gebotenen Staatsferne des Rundfunks gar nicht wahrnehmen. Insofern fehlt es bereits an einer Gegenseitigkeit. Selbst wenn man hier auf das Verhältnis von Rundfunkteilnehmer zu Rundfunkanstalt abstellte, weil diese für die Gebühren aufkommen, müßte die Nutzung des gesamten Programmangebotes für jeden möglich sein. Wegen fehlender Kabeleinspeisung mancher Programme oder fehlenden Kabelanschlusses trifft das aber nicht zu. Von daher kann es sich auch auf dieser Ebene um kein Gegenseitigkeitsverhältnis handeln. Dafür sprechen die Kriterien der Gebührenerhebung, die allein aufgrund der Möglichkeit einer Inanspruchnahme anfallen. Eine Gegenleistung könnte höchstens bei den analogen Kanälen erwogen werden, nicht jedoch bei den beiden Spartenkanälen, die durch ihre Zielgruppenorientierung sinnvolle Nutzungsmöglichkeiten für die AIlgemeinlleit noch weiter beschränken.
(3) Freiwillige Leistung Ferner muß es sich bei der Beihilfe um eine freiwillige Leistung des Staates handeln. 598 Die dem Staat auferlegte Leistung ist keine Hilfe, sondern Rechtspflicht. 599 Es wird davon ausgegangen, daß der Staat seine finanziellen Mittel nutzt, um etwas auf dem Markt zu bewirken. Das verlangt einen Handlungsspielraum, der bei einer Verpflichtung nicht mehr vorhanden ist. Wegen Art. 3 I GG könnte es an einer Freiwilligkeit fehlen, da nach der Rechtsprechung des BVerfG die Anstalten einen Anspruch auf die Rundfunkgebühren haben. Zwar liegt nach dem EuGH keine Beihilfe vor, wenn der Staat verpflichtet ist. Abgaben zu erstatten, weil diese zu Unrecht erhoben worden waren. 6OO
führung von Investitionen auf sich nahmen. Hierbei handelt es sich nicht um eine Leistung, die für den Staat bestimmt ist, sondern für die Gesellschaft. Der Staat profitiert nur mittelbar hiervon. Deswegen blieb es bei der Einordnung als Beihilfe. Anders hingegen EuGH v. 7. 2. 1985 Rs. 240/83 Sig. S. 531, 550 RN 18, wo die Beihilfeeigenschaft abgelelmt wurde, weil die betroflenen Unternelunen im Gegenzug Altöle sammeln und beseitigen. Hier handelt es sich um eine Leistung, die nach der hier zum Gegenstand gemachten Richtlinie 75/439 des Rates v. 16. 6. 1975 (ABI L 194, S. 31) Aufgabe des jeweiligen Mitgliedstaats war, die die Unternelunen damit anstelle des Staates ausführten. 598 Bleckmann, Europarecht RN 2053; a.A. GrabitzIWallellberg, Art. 92 EGV RN 9. 599 Selmer/Gersdorf, Finanzierwlg S. 28; Müller-Graff, ZHR 1988, S. 403,423. 600 EuGH v. 27. 3. 1980 Rs. 61/79 Sig. S. 1205, 1228 RN 31.
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Teil IV: Spartenprogranune im pluralistischen Rundfunk
Es kommt jedoch nicht auf eine Verpflichtung nach dem Recht des Mitgliedstaates, sondern nach Gemeinschaftsrecht an. Denn ansonsten könnte jeder Mitgliedstaat die Art. 92 ff. EGV umgehen, indern er die Vorteilsgewährung rechtlich fixiert. 601 Ein innerstaatliche Pflicht ist für die Einordnung der Gebühr als Beihilfe nach Gemeinschaftsrecht unbeachtlich. Ferner erstreckt sich der Anspruch der Rundfunkanstalten nur auf eine angemessene Finanzierung, nicht auf die Art der Mittel. Es ist mit der Rechtsprechung des BVerfG zu vereinbaren, wenn die Gebührenfinanzierung aufgegeben und die Finanzierung auf andere Art gewährleistet werden würde. Die Anstalten haben keinen Anspruch auf Finanzierung durch Rundfunkgebühren.
bb) Staatliche Beihilfen
(1) Vorn Staat ausgehend
Darüber hinaus müssen die Beihilfen staatlich sein oder zumindest mit staatlichen Mitteln gewährt sein. Der Sinn der Differenzierung zwischen "staatlichen" und "aus staatlichen Mitteln gewährleisteten Mitteln" liegt darin, sowohl unmittelbar als auch mittelbar durch den Staat geWährte Vorteile zu erfassen. 602 Art. 92 I EGV unterliegen solche Beihilfen, die dem Staat zugerechnet werden können. Die Gebühren werden über den Rundfunkgebührenstaatsvertrag der Länder geregelt. Diese sind dem Staat zuzurechnen und auch an Art. 92 I EGV gebunden. 603 Die Gebührenfestsetzung erfolgt jedoch über die KEF als staatsfeme Einrichtung. Die Staatlichkeit der Beihilfen wird deshalb bezweifelt. Davon könne nur die Rede sein, wenn der Staat auch Einfluß auf die Beihilfenvergabe hat, das heißt über die Verteilung und die Modalitäten entscheidet. 604 Eine nur in Randbereichen vorn Staat mitbestimmte Gebührenfinanzierung genügt nicht für eine staatliche Zurechenbarkeit. 605 Dennoch sind die Rundfunkgebühren als vorn Staat ausgehende Beihilfen anzusehen. Staatsfeme bedeutet nicht Staatslosigkeit. 60 6 Zudem kommt es entSelmeriGersdorf, Finanzierung S. 29. EuGH V. 30. 11. 1993, Rs. C-189/91 Sig. I S. 6185,6220 RN 16. 603 EuGH v. 14. 10. 1987 Rs. 284/84 Sig. S. 4013,4041 RN 17; HoptIMestmäcker, WM 1996, S. 753, 756. 604 Dörr/Cloß, ZUM 1996, S. 105, 116; für das Vorhandensein einer staatlichen Einflußnahme spricht sich auch Grabitzl Wallenberg, Art. 92 EGV RN 21 aus. 605 Eberle, ZUM 1995, S. 763, 767; Albrecht Hesse, BayVBI 1997, S: 165, 172; in diese Richtung neigend ebenfalls Otten, ZUM 1997, S. 790, 798. 600 Engel, Spartenprogramme S. 29. 601
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scheidend auf die Herkunft der Mittel an, nicht auf die Art ihrer Verteilung. Auch wenn nichtstaatliche Stellen in die Vergabe der Fördennittel einbezogen werden, kann es sich um staatliche Maßnahmen handeln. Voraussetzung hierfür ist, daß das Verhalten dieser Stellen dem Staat zugerechnet werden kann. 607 Die Einschaltung einer Gebührenzentrale ändert nichts am "staatlichen" Charakter der Mittel 608 wie auch die Errichtung des KEF, da diese nur über die Gebührenhöhe, nicht jedoch über die Erhebung der Gebühren an sich entscheidet. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wenn man auf die Erbringung der Rundfunkgebühren durch Private abstellt. Sie bleiben staatlich, weil sie zwangsweise erhoben werden. Der einzelne ist folglich zur Zahlung verpflichtet. 609 Die Gebühren werden vom Staat nicht nur technisch weitergeleitet, sondern sind von ihm veranlaßt. 6lO
(2) Staatsbelastend
Nach der Rechtsprechung des EuGH muß die Beihilfe die Schaffung eines Vorteils beinhalten, "der eine zusätzliche Belastung für den Staat ( .. ) darstellen würde. ,,611 Die Beihilfe muß danach haushaltsrelevant rückgekoppelt sein. Das beinhaltet, daß die Leistungsgewährung entweder die Haushalte belastet oder in einem Verzicht des Staates auf mögliche Einnahmen liegt.612 Nach Engel stellt dieses Kriterium darauf ab, "daß der Begünstigte auf staatliche Veranlassung einen Gegenstand oder eine Leistung erhält, die sich im Staatsvermögen befindet oder die zu diesem Vermögen gehören könnten.,,613 Danach ist entscheidend, ob der Staat die gleiche Wirkung auch dadurch erzielen könnte, daß er den Gegenstand zunächst von hoher Hand in Anspruch nimmt und dem Begünstigten im Anschluß zuwendet. Bei der Rundfunkgebühr könnte der Staat die gleiche Wirkung erzielen, wenn er zunächst eine Sondersteuer auf das Bereithalten von Rundfunkgeräten erhebt und das Aufkommen anschließend an die öffentlich-rechtlichen AnSchmahl, Kulturkompetenz S. 246. Kruse, EWS 1996, S. 113, 118. 609 DörrlCloß, ZUM 1996, S. 105, 111 unter Berufung auf EuGH v. 22. 3. 1977, Slg. S. 595,612613 RN 21, 22; SelmerlGersdoif, Finanzierung, S. 31; a. A. Eberle, ZUM 1995, S. 763, 767. 610 Müller-Graf!, ZHR 1988, S. 403,412; Holzer, ZUM 1996, S. 274,277. 611 EuGH 17. 3.1993 Rs. C-72 + C73/91, Sig. I S. 887, 934 RN 21. 012 Pechstein/Damm, EWS 1996, S. 333,337. 613 Engel, Spartenprogramme S. 31. 607 608
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Teil IV: Spartenprogranune im pluralistischen Rundfunk
stalten auskehrt. 61 4 Die Rundfunkgebühr stellt eine "typische Fonn parafiskalischer Umverteilung" 615 dar, die dem Erfordernis öffentlicher Mittelbelastung entspricht. ce) Bestimmte Unternehmen
(I) Rundfunkanstalten als Unternehmen Nach Art. 92 I EGV müssen "bestinunte Unternehmen und Produktionszweige" betroffen sein. Unternehmen im Rahmen des Wettbewerbsrecht sind solche, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig von ihrer Rechtsfonn und ihrer Finanzierungart. Von dieser Vorschrift sollen daher auch öffentliche Unternehmen in Rechtsform einer Anstalt erfaßt werden. 616 Die Organisation als öffentlich-rechtliche Anstalt widerspricht nicht der Wahrnalune einer wirtschaftlichen Tätigkeit. 617 Es genügt die Wahrnahme eines wirtschaftlichen Zwecks, der sich nicht auf den Endverbrauch beschränkt. 618 Die Rundfunkanstalten arbeiten nach dem Prinzip der Kostendekkung, verkaufen Sende minuten rur Werbung, kaufen und verkaufen Produktionen, Filmrechte etc. Die Ausstrahlung des Rundfunks hat einen starken wirtschaftlichen Bezug. Auch der EuGH hat die Rundfunkanstalten als Unternehmen eingestuft. 619
(2) Selektivität Weiterhin darf die Beihilfe nur bestimmten Unternehmen gewährt werden. SiIUl ist es, allgemeine Beihilfen auszuschließen, die allen Unternehmen ge614 Bleckmann, Spartenprogralmne S. 118; Engel, Spartenprogrrumne S. 31 32; ablehnend Betz, MP 1997, S. 2, 10 mit dem Argument, daß dalm nicht mehr dem Grundsatz der Staatstreiheit des Rundfunks genügt wäre. Hier geht es jedoch nicht darum, eine Alternative zur Gebührenfinanzierung autzustellen, sondern um den Nachweis einer staatlichen Herkunft der Mittel. Weml der Staat die Möglichkeit besitzt, diese zunächst seinem Haushalt einzuverleiben und daml auszukehren, bleiben es staatliche Mittel, auch welID anders mit ihnen verfahren wird. Das wird von Betz verkrumt. 615 SelmeriGersdorf, Finanzierung, S. 33. 616 EuGH v. 15.3. 1994 Rs. C-387/92, Sig. I 877, 907 R 11; EuGH v. 23. 4. 1991 Rs. C-41/90, Sig. I 1979,2016 RN 22. 617 EuGH v. 23. 4. 1991 Rs. C-41190, Slg. 11979,2016 RN 21 22; a. A. Petersen, RWldfunkfreiheit S. 84-85, der die Progranuntätigkeit der RundfwlkveraJlstalter nicht als unternehmerische Tätigkeit einstuft, mit der Folge, daß die Wettbewerbsvorschriften des EGV keine Anwendung tinden. 618 Müller-Graf!, ZHR 1988, S. 403,427. 619 EuGH v. 30. 4. 1974 Rs. 155/73 Slg. S. 409, 430 RN 14.
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währt werden und von daher keinen benachteiligen. 62o Im bestehenden dualen Rundfunksystem ist die Gebührenfinanzierung der öffentlich-rechtlichen Seite vorbehalten; sie wird damit selektiv gewährt.
dd) Wettbewerbsverfälschung
Die Beihilfe muß die vorhandenen Wettbewerbsbedingungen im Sinne einer Wettbewerbsverfälschung beeinflussen. Verfälschend sei· jede künstliche Beeinträchtigung, die zu veränderten Marktbedingungen für die Wettbewerber führe. 62J Diese Definition ist zu weit geraten, da jede Beihilfe eine unnatürliche Beeinflussung der natürlichen Produktionskosten impliziert. 622 Geeigneter ist demnach die Ausführung des EuGH, wonach ein Wettbewerb verfälscht ist, wenn er sich nicht auf Leistungen begründet. 623 Die beeinträchtigende Wirkung der Beihilfe ist im Einzelfall nachzuweisen. 624 Dabei kann sich diese bereits aus den Umständen ergeben. Zumindest müssen jene Umstände jedoch genannt werden. 625 Durch die Rundfunkgebühren lösen sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten von den Gesetzen des Wettbewerbs und vom Diktat der Einschaltquoten. Sie erhalten die Gebühren unabhängig von der Akzeptanz und Frequentierung ihres Programms durch den Zuschauer, als Bedingung für die sonstigen Einnahmemöglichkeiten im Rundfunk. Die Gebühren schaffen eine Distanz zum Markt. 626 Ein ökonomischer Wettbewerb auf gleicher Ebene kann zwischen beiden Säulen des dualen Systems daher nicht stattfinden. 627 Der öffentlichrechtliche Rundfunk wird damit in die Lage versetzt, präventiv über ein Finanzguthaben für seine Tätigkeit zu verfügen. Andere Veranstalter hingegen unterliegen dem Zwang, ihre Finanzierung durch Vorleistung am Zuschauer zu sichern. Die Gebühren schaffen eine Unabhängigkeit von der konkret erbrachten Dienstleistung. Eine Wettbewerbsverfälschung liegt damit vor. 628
Bleckmann, Europarecht RN 2058. Wemmer, Kulturklauseln S. 190. 622 Bleckmann, Europarecht RN 2059. 623 EuGH v. 13.2. 1979, Rs. 85/76, Sig. S. 461, 540, RN 90. 024 EuGH v. 13. 3. 1985, Rs. 296 + 318/82 Slg. 809, 824 RN 22; Hoptllvfestmäcker,WM 1996, S. 753, 756. 625 EuGH v. 13. 3. 1985, Rs. 296 + 318/82 Sig. S. 809, 824, RN 24; EuGH v. 7. 6. 1988, Rs. 57/86, Slg. S. 2869,2873, RN 15. 626 Hans-Peter SchneideriRadeck, RWldfunkfinanzierung S. 77. 627 Seemann, DÖV 1987, S. 844,847; Meier, ZUM 1997, S. 249,255. 628 inl Ergebnis ebenso Wallenberg, in: FS für Grabitz, S. 867, 873; Engel, Spartenprogranune S. 34, der sich auf die divergierenden WerbeeitUlahmen von öffentlich620 621
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Vertreter der öffentlich-rechtlichen Seite verneinen die wettbewerbsverzerrende Wirkung von Gebühren, da sie lediglich einen Ausgleich für Werberestriktionen und Programmauflagen darstellten und der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur für das Funktionserforderliche bezahlt werde. 629 Diese Auflagen können jedoch nicht berücksichtigt werden, da sie nicht zu den Grundvoraussetzungen des Marktes gehören, sondern ebenfalls Wettbewerbsverfalschungen darstellen. Sie können nicht dazu führen, eine Wettbewerbsverfalschung tatbestandsmäßig auszuschließen, sondern sie nur im Rahmen des Art. 92 II EGV zu rechtfertigen. Uneinigkeit herrscht darüber, ob die Wettbewerbsverfälschung spürbar sein muß. 630 Diese Frage kann im Zusammenhang mit der Rundfunkgebühr jedoch offen bleiben, da sie allein angesichts ihres Finanzvolumens merkliche Folgen für das Programmangebol und die Finanzierung durch Werbung hat. 631
ee) Handelsbeeinträchtigung au/zwischenstaatlicher Ebene Beihilfen müssen "den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen." Damit sind Beihilfen ausgenommen, deren Wirkung sich räumlich auf das Gebiet eines Mitgliedstaates beschränkt. 632 Geschützt wird nicht nur der aktuelle, sondern auch der potentielle zwischenstaatliche Handel. 633 Eine Eignung zur Handelsbeeinträchtigung genügt daher, da die Beihilfe vor ihrer Gewährung in der Regel einer Überprüfung durch die Europäische Kommission unterliegt.634 Die Ausstrahlung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und damit auch der neuen Spartenprogramme ist zwar auf das Gebiet der Bundesrepublik rechtlichem und privatrechtlichem Rundfunk stützt; Bangemann, wiedergegeben in: Funkkorrespondenz Nr. 43 v. 24. 10. 1997, S. 13 in Bezug auf die beiden öffentlichrechtlichen Spartenprogramme. 629 Eberle, ZUM 1995, S. 763, 767; Albrecht Hesse, BayVBI 1997, S. 165, 172; OUen, ZUM 1997, S. 790,799. 630 Dafm Schmahl, Kulturkompetenz S. 250; Wemmer, Kulturklauselll S. 192; a. A. Koenig, EuZW 1995, S. 595,601, der sich gegen das Kriterium der SpÜfbarkeit ausspricht. Dun zufolge sei die konkrete Wirkwlg auf den Wettbewerb von Fall zu Fall zu prüfen. Ferner GrabitzlWallenberg, Art. 92 EGV RN 27, da es darum ginge, Umgehungsversuche dieser Vorschrift von vornherein auszuschließen. Daher genügten geringfügige Wettbewerbsverfälschungen. Differenzierend nach alter oder neuer Beihilfe Müller-Graff, ZHR. 1988, S. 403, 432. 631 Ebenso Selmer/Gersd01f, Finanzierung S. 51. 632 GrabitzIWallenberg, Art. 92 EGV RN 29. 633 EuGH 17. 9. 1990 Rs. 730/79, Sig. 1980,2671 2688. 634 Bleckmann, Europarecht RN 2060; Wemmer, Kulturklauseln S. 195.
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Deutschland beschränkt. Die gebührenfinanzierten Spartenprogramme treten jedoch sowohl in Konkurrenz zu inländischen, als auch zu ausländischen Rundfunkprogrammen, die in der Bundesrepublik Deutschland ausgestrahlt werden. Da diese auf andere Finanzmittel angewiesen sind, erschwert ihnen die Beihilfe der Spartenprogramme den Marktzutritt. Die Rundfunkgebühren beeinträchtigen somit den zwischenstaatlichen Handel.
Jj) Rechtfertigung durch Art. 92 I1l d) EGV
Beihilfen kölUlen nach Art. 92 III EGV durch die Kommission für vereinbar erklärt werden. Die Beihilfe muß dafür zur Verwirklichung eines der dort aufgeführten Ziele beitragen. 635
(1) Zum Begriff der Kultur
Die Rundfunkgebühren könnten eine Kulturbeihilfe nach Art. 92 III d) EGV darstellen. Dabei ist zunächst zu bestimmen, ob Schutzgut die europäische Kultur oder die Kultur der Mitgliedstaaten ist. Dadurch, daß der Wortlaut nicht von "europäischer" Kultur spricht, und durch das neu eingeführte Harmonisierungverbot in Art. 128 IV EGV wird deutlich, daß die Kultur der einzelnen Mitgliedstaaten betroffen sein muß. 636 Um zu ermitteln, was in diesem Zusammenhang unter den Begriff Kultur fallt, kalUl die Vorschrift des Art. 128 EGV herangezogen werden. 637 Die Systematik der Art. 126 bis 130 f EGV zeigt, daß der Kulturbegriff nicht so weit zu fassen ist wie in der deutschen staatsrechtlichen Diskussion. 638 Wegen seiner Eigengesetzlichkeit und seinem ständigen Wandel bleibt auch der Kulturbegriff einer Definition verschlossen. Was der Kultur angehört, legen faktisch die Mitgliedstaaten fest. 639
(2) Kultureller Bezug des Unternehmens Ferner bleibt zu klären, ob ein kultureller Bezug des Unternehmens genügt oder es ausschließlich auf Kultur beschränkt sein muß. Schmahl entnimmt GrabitzlWallenberg, Art. 92 EGV RN 42-43. HailbronnerlWeber, DÖV 1997, S. 561,569; Schmahl, Kulturkompetenz S. 201. 637 Wemmer, Kulturklauseln S. 199. 638 Engel, Spartenprograrnme S. 42; zu den einzelnen Definitionen von Kultur siehe Wemmer, KulturklauseIn S. 11 ff. 639 Wemmer, Kulturklauseln S. 14. 635
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Teil IV: Spartenprogramrne im pluralistischen Rundfunk
dem Ausnalunecharakter der Vorschrift, daß nur einzelne kulturelle Einrichtungen genelunigt werden können. Ein pauschale Begünstigung sei abzulehnen, da Art. 92 III d) EGV lediglich den reinen Kulturbereich und keine Mischfonnen umfasse. 640 Von anderer Seite wird es als unmöglich erachtet, wirtschaftliche Aspekte von den kulturellen Dimensionen des Rundfunks zu trennen. Die Gebührenfinanzierung habe per se auch wirtschaftliche Bedeutung. 641 Da kultureller und wirtschaftlicher Bereich zahlreiche Überschneidungspunkte haben, muß es genügen, wenn der kulturelle Aspekt vorhanden und von hohem Gewicht ist. Rundfunk als kulturelles Phänomen642 ist ein geeignetes Schutzobjekt nach Art. 92 III d) EGY.
(3) Die Rundfunkgebühr als Kulturförderung?
Da die Rundfunkgebührenfinanzierung kulturfördernd ist, subsumieren sie Eberle und Betz unter den Tatbestand des Art. 92 III d).643 Der kulturelle und gesellschaftspolitische Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betreffe das gesamte Programmangebot einschließlich der Unterhaltungssendungen, so daß eine Beschränkung auf hochkulturelle Sendungen entbehrlich sei. Die Gebührenfinanzierung stehe in Konnexität mit diesem Programmauftrag. Sie sei keine Zusatzfinanzierung für Sonderaufgaben. Engel indessen will die Ausnahmeregelung auf "Hochkultur" beschränken. Dafür spreche die Regelung des Art. 12811 EGV. Ferner sei der Schutzzweck des Art. 92 III d) EGV auf die Sichenmg von Hochkultur gerichtet, die an den Märkten schwer zu finanzieren ist. Damit gelte nicht der Rundfunk in seiner Gesamtheit als Kultur. Gerade die beiden Spartenprogramme würden nicht über hochkulturelle Programmteile verfügen. 644 Die Anstalten verfolgten mit den Spartenprogrammen nicht kulturelle Ziele, sondern betrieben Markenabsichenmg. Die neuen Kanäle sollen das angestaubte Image der öffentlich-rechtlichen Anstalten verbessern. Das könne nicht durch Art. 92 III d) EGV gerechtfertigt werden. 645 Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird vorgeworfen, daß er sein
640 Schmahl, Kulturkompetenz S. 256-257, wonach der Rundfunk als wirtschaftliche und kulturelle Einrichtung ihrer Ansicht nach nicht Art. 92 md) EGV unterfällt. ti4! AstheimerlMooshammer, ZUM 1994, S. 395, 40 I. 642 BVerfGE 12, S. 205,229. 643 Eberle, ZUM 1995, S. 763, 767~ Betz, MP 1997, S. 2, 12. 644 Engel, Spartenprogramme S. 44. 645 Engel, Spartenprogramme S. 45-46.
B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogranune
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Finanzierungs- und Gebührenprivileg dazu mißbrauche, seinen "kulturpolitisch begIiindeten Progranunauftrag" zu verlassen. 646 Kruse sieht demgegenüber vorn Begriff der Kultur nur die Progranune der Grundversorgung als lunfaßt an. Von der Ausnahmeregelung des Art. 92 III d) EGV müsse demzufolge dann Gebrauch gemacht werden, wenn die Gebühren die Kosten der Grundversorgung überschreiten und somit eine Beihilfe nach Art. 92 I EGV gegeben sei. 647 Laut von Wallenberg beinhaltet der Grundversorgungsauftrag unter anderem den Bereich der Kultur. Art. 92 EGV bietet die Möglichkeit, Finanzforderungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten zu beschränken. 648 Soweit die öffentlich-rechtlichen Anstalten demzufolge Gebühren dafür erhielten, daß sie den erhöhten Progranunanforderungen gerecht werden oder zum Ausgleich für die strengeren Werbebestimmungen, liege eine Kulturförderung vor. Nur insoweit seien Beihilfen notwendig und zur Zielerreichung unerläßlich. 649 Sieht man den Rundfunk selbst als Inbegriff der Kultur im Sinne von Art. 92 III d) EGV an, fehlt es an einer Begründung der ausschließlichen Verteilung der Gebühren an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Es gilt daher, ein Differenzierungskriterium zu finden, das die Grundversorgung wegen ihrer inhaltlichen Unklarheit nicht sein kann. Zudem kann sie nicht ausschließlich als kulturelle Versorgung erachtet werden; ihr kultureller Aspekt ist einer unter vielen. Es muß eine inhaltliche Differenzierung nach Art der Sender und Programme vorgenonunen werden. Der Ausnahmecharakter der Vorschrift zeigt, daß Kultur hier etwas erfassen soll, was unter realen Wettbewerbsbedingungen nicht überlebensfahig ist und deshalb eines besonderen Schutzes bedarf. Diese Aussage trifft auf keines der beiden Spartenprogramme zu, wäre höchstens hinsichtlich einzelner Programmteile wie der Parlamentsdebatten zu überdenken. Für die Einordnung als Kultur fehlte es diesem Beitrag jedoch am geistigschöpferischen Bezug. gg) Rechtfertigung durch Art. 92 III c) EGV Nach Art. 92 III c) EGV besteht die Möglichkeit, Beihilfen für bestimmte Wirtschaftszweige und -gebiete mit dem Gemeinsamen Markt für vereinbar zu 646 Kresse, ZUM 1996, S. 59, 67; ähnlich Bleckmann, Spartenprogranune S. 121, der eine KuIturfördenmg durch Spartenprogranune nicht als notwendig erachtet und Art. 92 rn d) EGV aus diesem Gnmd ablehnt. 647 Kruse, EWS 1996, S. 113, 119. 648 Wallenberg, in: FS fur Grabitz, S. 867,878. 649 Wallenberg, in: FS für Grabitz, S. 867, 876.
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deklarieren. Auch wenn man Art. 92 III d) EGV als speziell ansieht,650 findet dieser Absatz im dem Fall Anwendung, daß mit der Beihilfe nicht nur kulturelle Ziele verfolgt werden. 651 Regelmäßig sind wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Interessen miteinander verzalmt. Gerade der Kultursektor muß weiterhin als Wirtschaftssektor betrachtet werden. 652 Der Entscheidung hat eine Verhältnismäßigkeitsprüfung voranzugehen, in der über Art. 128 IV EGV auch kulturelle Belange einbezogen werden können. Ferner wird vorausgesetzt, daß die Beihilfe strukturelle Schwächen von Wirtschaftszweigen oder Wirtschaftsgebieten zu beseitigen imstande ist. 653 Engel geht in diesem Zusammenhang von einem generellen Verbot der Genehmigung von Rundfunkgebühren aus, da durch sie gegen Art. 85 und Art 86 EGV verstoßen werde. Die Ausstrahlungswirkung dieser Vorschriften auf die Entscheidung nach Art. 92 III c) EGV sei zu berücksichtigen. 654 Unabhängig davon können strukturelle Schwächen des Rundfunkmarktes nur das Fehlen solcher Angebote sein, die aufgrund geringer Nachfrage und hoher Produktionskosten nicht vorhanden sind. Bezüglich kultureller Sendungen ist Art. 92 III d) EGV als speziell anzusehen. Die beiden öffentlich-rechtlichen Spartensender greifen von ihren Inhalten her nicht die strukturellen Schwachpunkte des Rundfunksystems auf, wie die zahlreichen privaten Kindersender und Infonnationsangebote zeigen. Allenfalls wäre dies bezüglich der Ausstrahlung von Parlamentsdebatten zu erwägen.
hh) Ausnahmen nach Art. 9011 EGV Art. 92 EGV findet von vornherein keine Anwendung, wenn es sich um "Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse" handelt oder sie den "Charakter eines Finanzmonopols" haben. Da er sich in seinem Tatbestand aber auf das Eingreifen von Art. 92 EGV bezieht, wird er nachfolgend geprüft. 650 Wemmer, Kulturklauseln, S. 213; ähnlich GrabitzlWallenberg, Art. 92 EGV RN 84b, die unter Art. 92 III d) EGV nur nichtwirtschaftliche Tätigkeiten im kulturellen Bereich fallen läßt. 651 Engel, Spartenprogramme S. 46; Schmahl, Kulturkompetenz S. 257 läßt eine Entscheidung offen, nimmt aber eine Schwerpwlktbildung vor. Art. 92 d) EGV umfasse danach nur den reinen Kulturbereich. 652 Wemmer, Kulturklauseln S. 216; Petersen, Rundfunkfreiheit S. 90. 653 So auch PechsteinlDamm, EWS 1996, S. 333, 340. 654 Engel, Spartenprogranune S. 48.
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Art. 90 II EGV soll dem Interesse eines Mitgliedstaates an einem bestimmten Unternehmen Rechnung tragen, und es mit den Interessen der Gemeinschaft an einem geordneten Wettbewerb und einer Wahrung des gemeinsamen Marktes harmonisieren. 655 Er soll verhindern, daß öffentliche Unternehmen durch private Wettbewerber benachteiligt werden. Daher können nach dieser Vorschrift nicht pauschale Freistellungen erfolgen. Erlaubt sind vielmehr nur sektorelle Ausgleichsmaßnahmen zur Sicherung der öffentlichen Aufgabenerfiillung. 656 Es geht darum, unrentable Aufgaben der Daseinsvorsorge durch Art. 90 11 EGV zu kompensieren. 657
( I) Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse Der Begriff der Dienstleistung ist weiter zu interpretieren als in Art. 60 EGV Er umfaßt auch Leistungen, die der Daseinsvorsorge zuzurechnen sind. 658 Bezüglich des allgemeinen wirtschaftlichen Interesses ist auf die nationalen Bedürfnisse und nicht die der Gemeinschaft abzustellen. Wegen des Kriteriums der Allgemeinheit darf es nicht auf Interessen einzelner Personen oder Personenkreise ankommen. 659 Auch Fernsehunternehmen können nach dem EuGH Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse gemäß Art. 90 11 EGV erbringen. 660 Darunter fallen solche Tätigkeiten, die kulturell und publizistisch ausgerichtet . sind, aber einen ökonomischen Bezug haben. 661 Teile der Literatur lehnen es ab, öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten als Dienstleistungsunternehmen nach Art. 90 11 EGV einzustufen und stützen sich dabei auf eine Entscheidung der Europäischen Kommission. 662 Andere nehmen die Rundfunkanstalten von Art. 9011 EGV aus, da sie kulturellen Zwekken dienen. 663 Astheimer und Moosmayer wollen verhindern, daß die KomEuGH v. 19.3. 1991, Rs. C-202/88, Sig. I S. 1223,1263, RN 12. Koenig, EuZW 1995, S. 595, 598. 657 Koenig, EuZW 1995, S. 595, 602. 658 Fesenmair, Dienstleisnmgsmonopole S. 200. 659 Fesenmair, DienstleistWlgsmonopole S. 201-202. 660 EuGH v. 30.4. 1974, Rs. 155/73 Sig. S. 409, 431 RN 15; EuGH v. 18.6. 1991, Rs C-260/89 Sig. I S. 2951, 2962 RN 33,37. 66\ Engel, Spartenprogramme S. 52; Mestmäcker, Wettbewerbsrecht S. 664; Kugelmann, Dienstleisnmgsfreiheit S. 232 ff. 662 Emmerich, Kartellrecht S. 588 wlter Berufung auf Entscheidung der Konunission v. 19. 2. 1991, AbI. Nr. L 63/32, 43 RN 69, die eine EinordnWlg der öffentlichrechtlichen jedoch gerade offen läßt Wld ihre Bedenken auf Eurosport als transnationale Aktivität beschränkt. 663 AstheimerlMooshammer, ZUM 1994, S. 395, 401; allgemein Hochbaum, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EWGV Art. 90 RN 48. 655
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
mission, die nach Art. 90 III EGV für die Gewährung einer Ausnahme zuständig ist, auf den Grundversorgungsauftrag und seine Finanzierung Einfluß nimmt. Sie erachten dies als eine nach deutschem Verfassungsrecht untragbare Situation. 664 Wegen der bereits erörterten Verquickung von kulturellem und wirtschaftlichem Bereich kann eine kulturelle Ausrichtung der Qualifikation als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse nicht entgegenstehen. Soweit die Rundfunkausstrahlung entgeltlich stattfindet, hat sie auch einen ökonomischen Bezug. Zudem vollzieht sie sich in Ausübung der Informationsund Rundfunkfreiheit und ist somit von allgemeinem Interesse. 665
(2) Betrauung mit besonderer Aufgabe
Die Aufgabe muß kraft Gesetzes oder durch einen sonstigen Hoheitsakt der öffentlichen Gewalt übertragen worden sein. Die formale Gestaltung hat hierbei nur indizielle Wirkung. 666 Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurde nach der Rechtsprechung des BVerfG die Aufgabe der Grundversorgung. bzw. des klassischen Auftrags zugeordnet und ihm damit mittels eines sonstigen Hoheitsaktes übertragen.
(3) Verhinderung der Aufgabenerfüllung
Die Anwendung der Vertragsvorschriften muß die Erfüllung dieser Aufgabe verhindern. Eine Verhinderung ist hier eng auszulegen667 insofern, als die Erfüllung der Aufgabe unmöglich sein muß. 668 Was der Markt ebenso oder besser erfüllen könnte, rechtfertigt keinen Sondervorbehalt nach Art. 90 II EGV. Es darf keinen anderen wirtschaftlichen oder technischen Weg geben, um die Aufgabe ohne Vertragsverletzung zu erfüllen. 669 Soweit eine Aufgabenerfüllung ohne Vertragsverletzung in Betracht zu ziehen ist, hat es mit der Bindung an den Vertrag sein Bewenden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk als "Gesamtveranstaltung" genügt nach Engel dieser Voraussetzung nicht, sondern nur seine einzelnen meritorischen AstheimerlMooshammer, ZUM 1994, S. 395,401. Kugelmann, Dienstleistungsfreiheit S. 232. 666 Petersen, Rundfunkfreiheit S. 87; Fesenmair, Dienstleistungsmonopole S. 206. 667 Koenig, EuZW 1995, S. 595, 597. 668 Kommission, 22. 7. 1993, AbI. 1993 179/23, 36, R 78 ff. 669 Emmerich, Kartellrecht S. 589; Fesenmair, Dienstleistungsmonopole S. 210. 664 665
B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme
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Güter. Ein Kinderkanal kann, wie die große Konkurrenz zeige, auch durch privatrechtliche Sender erfolgen. Phoenix enthalte nur hinsichtlich der Übertragung von Parlarnentsdebatten Programminhalte, die durch Private nicht in dieser Ausfiihrlichkeit abgedeckt werden. Das allein genüge aufgrund der engen Grenzen nicht. 670 Sieht man die Grundversorgung als die besondere Aufgabe an, wäre eine Aufgabenverhinderung zu bejahen, wenn man die Gebühren ersatzlos striche und für keine andere adäquate Art der Finanzierung sorge. Denn wegen der finanziellen Abhängigkeit, die andere Finanzierungsformen schaffen, besteht eine Abhängigkeit der Grundversorgung von den Gebühren. Die beiden öffentlich-rechtlichen Spartenkanäle gehören jedoch nicht der Grundversorgung an. Sie sind nicht auf eine Gebührenfinanzierung angewiesen. Der klassische Rundfunkauftrag hingegen steht in keiner Abhängigkeit zu einer bestimmten Finanzierungsform. Damit liegt bei Wegfall der Gebühren keine Verhinderung vor.
(4) Rechtsfolge Art. 90 11 EGV verschafft dem Unternehmen ein subjektives Recht, auf das sie sich vor den nationalen Gerichten berufen können. 671 Die Vertragsdurchbrechung ist unmittelbar kraft Gesetzes erlaubt. Bezüglich der beiden öffentlich-rechtlichen Spartenkanäle liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 90 11 EGV jedoch nicht vor.
ii) Möglichkeit der Genehmigung durch den Rat Der Rat hätte sowohl nach Art. 94 EGV, als auch nach Art. 92 III e und Art. 93 11 S. 3 EGV die Möglichkeit, die Beihilfen zu genehmigen. Von diesen Möglichkeiten hat er bisher keinen Gebrauch gemacht, sie sind auch nicht durch die Bundesrepublik beantragt (Art. 93 II S. 3 EGV) oder von der Kommission vorgeschlagen worden (Art. 94 EGV).
jj) Not!fizierungspflicht
Wegen des weiten Ermessens, das Art. 92 11 und Art. 93 11 EGV Kommission und Rat einräumen, hat der EuGH entschieden, daß Art. 92 I EGV nicht Engel, Spartenprogranune S. 55. EuGH V. 30.4. 1974, Rs. 155/73 Sig. S. 409, 431 RN 18; EuGH v. 19.5. 1993, Rs. C-320/91 Slg. I S. 2533 ff. 670
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Teil IV: Spartenprogranune im pluralistischen Rundfunk
unmittelbar anwendbar ist. 672 Art. 93 III EGV verpflichtet vielmehr die Mitgliedstaaten, neue Beihilfen vorab bei der Kommission zu notifizieren. Nicht notifizierte neue Beihilfen sind demnach bereits aus diesem Grund rechtswidrig und können olme weitere Sachprüfung zurückgefordert werden. 673 Nur diese strikte Rechtsfolge des Fonnverstoßes kann gewährleisten, daß die Vorschrift des Art. 93 III S. 3 EGV auch praktisch Wirksamkeit erlangt. 674 Die Rundfunkgebühr an sich stellt keine neue Beihilfe dar, da sie bereits kurz nach Kriegsende für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erhoben wird. Art. 93 1II S. 1 gilt aber auch für die Umgestaltung von Beihilfen im Sinne einer Änderung des ursprünglichen Vorhabens. 675 Engel stellt nicht auf den Zeitpunkt der ersten Erhebung ab für die Bestimmung, ob es sich um eine neue Beihilfe handelt, sondern auf den Zeitpunkt der Entstehung des dualen Systems - 1984. Erst dann sei die Gebühr zur Beihilfe geworden und hätte der Anmeldung bedurft. Zuvor habe es sich nur um eine "latente" Beihilfe gehandelt 676 Ferner werde mit jedem neuen Staatsvertrag die Beihilfe novelliert, so daß es jedesmal zu einer neuen Beihilfe komme. Auch jede Programmänderung eines beihilfefinanzierten Programms erneuere die Beihilfe. Ansonsten könne die Beihilfeaufsicht durch derartige Maßnahmen umgangen werden. 677 Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen. Eine geänderte Rechtsgrundlage kann eine Beihilfe nicht von Grund auf erneuern, wenn sie in ständiger Übung ausbezahlt wird. Sie kann sich nur dann erneuern, wenn sie für weitere Dienstleistungen erhöht wird. Genau dies ist bei der Einführung der bei den Spartenprogramme geschehen, für die jeweils ein eigener Gebührenbeitrag bemessen wurde. Nur bezüglich dieses Gebührenteils handelt es sich um eine neue Beihilfe, die der Notifizierung bedarf. Dem bleibt hinzuzufügen, daß die Notifizierungspflicht von der Kommission nicht streng gehandhabt wird, weil sie angesichts der Vielzahl an Beihilfen sämtliche Anträge gar nicht bearbeiten könnte. kk) Protokollnotiz der europäischen Regierungschejs
Daß die Gebührenfinanzierung mit der Regelung des Art. 92 EGV in Konflikt geraten kötmte, wurden sich auch die europäischen Regierungschefs geEuGH v. 22. 3. 1977, Rs. 78176, Sig. S. 595,609610 RN 8 10. EuGH v. 14.2. 1990, Rs. C-30 1/87, Sig. I S. 307,354 RN 9. 674 EuGH v. 21. 11. 1991, Rs. C-354/90 Sig. I S. 5523, 5529 RN 16. 675 EuGH V. 9. 10. 1984, Rs. 91 + 127/83 Sig. S. 3435, 3453 RN 18. 076 Engel, Spartenprogramme S. 59-60. 677 Engel, Spartenprogramme S. 60-61.
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wahr. Sie versahen den Vertrag daraufhin mit einer Protokollnotiz, nach der die Gebührenfinanzierung der öffentlich-rechtlichen Anstalten von den Bestimmungen dieses Vertrags ausgenommen sei. 678 Dieses Vorgehen stieß sofort auf heftige und berechtigte Kritik. Man kann nicht einfach durch eine schlichte Protokollnotiz Überverfassungsrecht schaffen ohne jegliche demokratische Kontrolle. Sämtliche nationalen Sicherungen werden dadurch umgangen. 679 Es fragt sich, auf welche Rechtsnonn sich ein solches Vorgehen stützen läßt. Grundsätzlich ist es der Rat, der Beihilfen von den Anforderungen des Vertrages befreien kann. Wegen der Ähnlichkeit im Wortlaut könnte nur Art. 90 II EGV in Erwägung gezogen werden. Er ist hingegen unmittelbar anwendbar und bedarf keiner solchen Erklärung. Die Protokollnotiz kann daher nur so zu deuten sein, daß sie die bisherige Rechtslage festschreibt. 680 Ob die Voraussetzungen des Art. 90 II EGV gegeben sind, liegt jedoch nicht in der Entscheidungsmacht der europäischen Regierungschefs, sondern bleibt einer gerichtlichen Überprüfung vorbehalten.
c) Ausblick Eine Gebührenfinanzierung der Spartenprogramme ist in der gegenwärtigen Situation aus europarechtlicher Sicht abzulehnen. Es wird befürchtet, daß sich nach dem EGV nur ein ganz geringer Teil des öffentlich-rechtlichen Programms durch Gebühren finanzieren lasse und damit keine Pluralismussicherung mehr zu erreichen sei. 681 Das zeigt, daß die innerstaatliche Regelung der Rundfunk- und Meinungs:freiheit andere Ziele verfolgt als die Regelung des Art. 92 EGV. Diese Ziele und Regelungen gilt es miteinander in Einklang zu bringen. Der EGV bietet viele Möglichkeiten, Beihilfen von den vertraglichen Regehmgen auszunehmen oder für vereinbar zu erklären. Diese Möglichkeiten müssen auf legalem Wege genutzt werden. Hinsichtlich der beiden Spartenprogramme hat man hier ein Defizit entstehen lassen. Wegen der zahlreichen Ausnahmetatbestände zu Art. 92 EGV ist jedoch zu erwarten, daß die Gebührenfinanzierung der :;partenprogramme nicht an dieser Regelung scheitern wird. Die wettbewerbsrechtliche Untersuchung der öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme veranschaulicht, daß zwischen dem öffentlich-rechtlichen und Abgedruckt in: Medien Dialog Nr. 6 1997, S. 6. Möschel, in: Medien Dialog Nr. 6 1997, S. 6. 680 Möschel, in: Medien Dialog Nr. 6 1997, S. 6, 8. 68\ Albrecht Hesse, BayVBl 1997, S. 165, 172 FN \08. 678
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
dem privatrechtlichen Rundfunk ein finanzielles Ungleichgewicht herrscht, das nicht pauschal legitimiert werden kann, sondern besonderer Begründung bedarf. Diese Begründung kann nur im Programmangebot selbst zu suchen sein und muß dem Rezipienten als Gebührenzahler gerecht werden. Im finanziell empfindlichen Bereich der Spartenprogrammangebote potenzieren sich die Wirkungen einer Gebührenfinanzierung im Vergleich zum Markt der Vollprogramme. Ob auf mitgliedstaatlicher oder auf europarechtlicher Ebene, müssen demnach die Bedingungen der Konkurrenten angeglichen werden. Sonst ist zu befürchten, daß die Gebühren zum Instrument für die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen degradiert werden. 682 Der Entwicklung des Rundfunks zu einem Wirtschaftsmarkt muß Rechnung getragen werden.
2. Finanzierung durch Werbung
a) Ausschließliche Finanzierung Mit einer ausschließlichen Werbefinanzierung der öffentlich-rechtlichen Spartenkanäle wären zwar gleiche Bedingungen auf privater und öffentlichrechtlicher Seite geschaffen. Eine solche Umsetzung würde den privatrechtlichen Spartenkanälen aber mehr schaden als nutzen. Damit würden die öffentlich-rechtlichen Kanäle direkt mit den privatrechtlichen um Werbekunden konkurrieren. Ein öffentlich-rechtlicher Spartenkanal hätte dieselbe wettbewerbsrechtliche Stellung wie ein privatrechtliches Angebot. Da sich die vorhandenen Spartenkanäle gegen eine solche Art der Konkurrenz nicht verwehren können, ist gegen eine ausschließliche Werbefinanzierung nichts einzuwenden. Die Vorteile durch Nutzung der Archive und des Korrespondentennetzes der öffentlich-rechtlichen Voll programme bleiben weiterhin bestehen. Die Schaffung einer solchen Wettbewerbssituation ist nach derzeitigem Stand nicht möglich und wird auch von keinem gefordert. 683 Der Grund liegt in den Wirkungen der Werbefinanzierung, weshalb sie für den öffentlichrechtlichen Rundfunk nur ein sekundäres Finanzmittel darstellen kann. 684 Zum einen mindert sie zwar eine Abhängigkeit von den Gebühren und den sie 682 Bertelsmann-Stiftung, Konununikationsordnung 2000 S. 24; VPRT, Medienordnung 2000 plus S. 14. 683 In diese Richtung gehend nur Hans-Peter SchneiderlRadeck, Rundfunkfinanzierung S. 78, die fordern, daß abdingbare Progranune, die nur der Schaffung einer publizistischen Konkurrenz gegenüber den privaten Angeboten dienen, vorrangig aus "Nicht-Gebühren-einnalunen" fmanziert werden sollten. 684 Kresse, in: Werbefmanzierung, S. 67, 77; Ricker, Rundfunkwerbung S. 40; SchneiderIRadeck, Rundfunkfinanzierung S. 81; so auch BVertGE 83, S. 238, 311; 90, S 60,91
B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogranune
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festsetzenden Instanzen; sie fordert damit die Staatsfreiheit. 685 Andererseits läßt sie Abhängigkeiten von den werbenden Wirtschaftsunternehmen entstehen und vennindert die Programmautonomie. 686 Solange der öffentlich-rechtliche Rundfunk einen besonderen Auftrag zu erfüllen hat, ist ihm nur eine eingeschränkte Werbefinanzierung möglich. Rein werbefinanzierte öffentlich-rechtliche Programme würden den Sinn der Öffentlichrechtlichkeit des Programms hinterfragen. 687 Sie sind für den Rezipienten nicht aktzeptabel, solange er weiterhin für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Gebühren bezahlt. 688 Zudem ist zu befürchten, daß diese Mittel für die Finanzierung der grundversorgenden Programme fehlen werden und dort die Abhängigkeit von den Gebühren ansteigt.689 Darüber hinaus ist zu bezweifeln, daß Gebührenfinanzierung und Werbefinanzierung bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten je nach Sender getrennt werden könnte, weil auch mittelbare Zuwendungen Berücksichtigung finden müßten.
b) Mischfinanzierung Eine weitere Möglichkeit ist, die öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme wie die Vollprogramme aus Werbung und Gebühren mischzufinanzieren. Auch wenn die beiden Spartenprogramme derzeit auf die Einnahmemöglichkeit durch die Ausstrahlung von Werbung verzichten, ist auf lange Sicht zu erwarten, daß sie von diesen ungenutzten Kapazitäten Gebrauch machen, um eine weitere Gebührenerhöhung durch gestiegene Produktionskosten zu vermeiden. Hinweise dafür gibt es genug. 690 Die Rundfunkanstalten sind durch die private Konkurrenz auf dem Werbemarkt nur noch durch Erhöhung des Werbevolumens in der Lage, ihre Werbeeinnahmen zu steigem. 691 Mittlerweile ist auch die 20 Uhr-Werbegrenze abgeschafft worden. Das stärke den Wettbewerb im Werbemarkt. 692 Wie der Wettbewerb zu Lasten der öffentlich-
Hans-Peter Schneider/Radeck, Rundfunkfmanzierung S. 76. Kresse, in: Werbefinanzierung, S. 67, 81. 687 Degenhart, in: Medienordnung 2000 plus, S. 52 57. 688 Ricker, Rundfunkwerbung S. 42. 689 Bleckmann, Spartenprogranune S. 89. 690 Siehe Kratz, MP 1997, S. 487, 493, der die Werberegeln den geänderten Bedingungen in der Fernsehwelt anpassen möchte, wie auch die Spartenprogranune nur eine Anpassung an die veränderten Rezipientenbedürfnisse sind. Ablehnend in Bezug auf Phoenix hingegen Radke, Phoenix, Gespräch v. 30. 10. 1997. 691Hans-Peter Schneider/Radeck, Rundfunkfmanzierung S. 78. 692 Kratz, MP 1997, S. 487,493; abI. Kresse, in: Werbefinanzierung, S. 67, 81 ff. 685
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
rechtlichen Anstalten abgelehnt wird, möchte man ihn im Bereich der Werbung zu seinen Gunsten nutzen. Die öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme würden damit ihres Vorteils verlustig, ihr Programm werbefrei ausstrahlen zu können, was insbesondere im Bereich des Kinderfernsehens ausschlaggebend fiir die ProgrammwahJ ist. Auf der anderen Seite würde ihr Finanzpotential so eklatant gesteigert, daß sich kein privatrechtliches Programm mit ähnlichen Spartenschwerpunkt gegen sie behaupten könnte. Ein ökonomischer und publizistischer Wettbewerb wäre ausgeschlossen. Das ist weder im Sinne des Art. 92 EGV, noch des Art. 5 I S. I und 2 GG. Es dürfen keine Bedingungen geschaffen werden, "die eine Veranstaltung privater Rundfunkprogramme in hohem Maße erschweren, wenn nicht ausschließen würden.,,693 Es ist zu berücksichtigen, daß der Wettbewerb zwischen gleichartigen Spartenprogrammen aufgrund ihrer inhaltlichen Begrenzung und der permanenten zeitlichen Übereinstimmung härter ist als der zwischen Vollprogranunen und so finanzielle Ungleichgewichtigkeiten stärkere Wirkungen haben. 3. Finanzierung mittels Pay IV
Eine bisher in der Praxis nicht umgesetzte Finanzierungsmöglichkeit ist die des öffentlich-rechtlichen Pay TY. Ob den Anstalten eine solche Form der Finanzierung überhaupt offen steht, ist noch nicht abschließend geklärt. Gemäß der Systematik des Rundfunkstaatsvertrages ist Pay TV eine Finanzierungsform, die primär der privatrechtlichen Seite zugeordnet wird. Das ergibt sich aus § 43 S. 2 2. Alt. RuFuStV, der Pay TV als Beispiel fiir "sonstige Einnahmen" aufführt. Daraus kann jedoch kein Verbot öffentlich-rechtlichen Pay TVs als Ulnkehrschluß gezogen werden. 694 Wegen des Versorgungsauftrages der öffentlich-rechtlichen Anstalten ist nur in wenigen Bereichen eine Finanzierung mittels Pay TV denkbar. Zudem kann es sich durch den Vorrang der Gebührenfinanzierung lediglich um ein sekundäres FinanzierungsmiUel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks handeln. Der Nutzungsspielraum ist begrenzt. a) Pay TV als Randnutzung Für die Zulässigkeit öffentlich-rechtlichen Pay TVs muß sich diese Finanzierungsform dem Tätigkeitsfeld des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zuordnen lassen. Dabei könnte Pay TV der Randnutzung angehören. 693
BVertGE 73, S. 118, 157.
B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogranune
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Die Randnutzung selbst fällt unter den Bereich elWerbswirtschaftlicher Betätigung der öffentlichen Hand. 695 Eine Randnutzung gibt den Anstalten die Möglichkeit, Ressourcen ertragsbringend einzusetzen. Diese zusätzliche Verwertung des Sendegutes steht in unmittelbarem sachlichen Zusammenhang mit dem Progranunauftrag der Anstalten. 696 aa) Qualifizierung als Randnutzung
Pay TV wird daher als verfassungsrechtlich zulässig erachtet, soweit es durch den Aspekt der rundfunkrechtlichen Randnutzung gedeckt ist. 697 Während die Rundfunkgebühr das öffentlich-rechtliche Anstaltsnutzungsverhältnis betreffe, handele es sich bei Pay TV um Entgelte aus privatrechtlichen Beziehungen zwischen Anstalt und Rundfunkteilnehmer. Dadurch, daß hier eine privatrechtliche Ebene bestehe, liege es außerhalb des Funktionsbereichs der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Pay TV stehe zudem nicht in Widerspruch zum Gebührenstaatsvertrag. 698 bb) Ablehnung einer Randnutzung durch Pay TV
Gegen die Einordnung als bloße Randnutzung wird vorgebracht, daß Pay TV ProgrammvelWertung sei. Es gehöre der Programmfunktion selbst an und könne nicht zur Randnutzung degradiert werden. Zwar seien die Anstalten zur sparsamen Aufgabenerfüllung verpflichtet, die eine Randnutzung impliziere. 699 Die VelWertung müsse aber zu den Funktionen der Beschaffung und Verbreitung von Sendeinhalten subsidiär sein und könne nicht über die Hauptfunktion der Sendetätigkeit stattfinden. So wie Programmherstellung nicht ausschließlich zu wirtschaftlichen Zwecken betrieben werden dürfe, könne erst recht nicht die Sendetätigkeit selbst ausschließlich von elWerbswirtschaftlichen Interessen geleitet sein. 70o Das Kriterium des Sachzusanunenhangs sei überinterpretiert mit der Folge, daß die Anstalten dadurch in sämtliche Medienmärkte diffundieren könnten. Allenfalls unselbständige Hilfs- und VelWertungsgeschäfte seien von der Randnutzung umfaßt, nicht aber neue Sender und VelWertungsformen. 701 Stettner, ZUM 1995, S. 293,295. HofJmann-Riem, Pay-TV S. 85. 696 Fuhr/Krone, Ruf 1983, S. 513,521. 697 Fuhr/Krone, Ruf 1983, S. 513,521. 098 Fuhr/Krone, Ruf 1983, S. 513,521. 699 Stettner, ZUM 1995, S. 293, 303. 700 Stettner, ZUM 1995, S. 293, 304. 701 EmmerichiSteiner, Betätigung S. 125.
694 695
Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfimk
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Zu konstatieren ist, daß der wirtschaftliche Bereich des Rundfunks nicht mehr vom rundfunkrechtlichen zu trennen ist. Die Tätigkeitsfelder Programmbeschaffung, -produktion, und -weiterverwertung gehen zunehmend ineinander über. Pay TV läßt sich nicht eindeutig einem dieser Bereiche zuordnen, sondern befindet sich auf dem Schneidepunkt von Weiterverwemmg und Veranstaltung im weiteren Sinne. 702 Wenn Pay TV von der Rundfunkanstalt selbst oder eines ihrer Tochterunternehmen veranstaltet werden soll, genügt keine rein wirtschaftliche Legitimation, sondern muß es darüber hinaus vom Programmauftrag gedeckt sein. 703 b) Einordnung innerhalb des Versorgungsauftrags aa) Unzulässigkeit im Bereich der Grundversorgung Einig ist man sich weitestgehend darüber, daß Pay TV keine zulässige Finanzierungsfonn für Programme darstellt, die dem Grundversorgungsauftrag angehören. 704 Grund dafür ist die erhöhte Zugangsschwelle, die durch Pay TV geschaffen wird. Grundversorgung verlangt hingegen technische Voraussetzungen, die einen Empfang für alle ermöglichen. 705 Weiterhin wird durch Pay TV die Programmautonomie in größerem Maße eingeschränkt als durch Werbung. Wenn das BVerfG eine ausschließliche Finanzierung der Grundversorgung durch Werbung aus diesem Grunde abgelehnt hat, so muß dies auch für eine Finanzierung mittels Pay TV Geltung beanspruchen. 706 Abzulehnen ist zudem der Argumentationsansatz, daß es den öffentlich-rechtlichen Anstalten obliege, im Bereich des Pay TV eine Grundversorgung sicherzustellen. Auch mit entgeltpflichtigen öffentlich-rechtlichen Programmen kann man der Informationsvennachtung nicht Herr werden. 707 bb) Möglichkeiten zur ErfüJJung des klassischen Auftrags Beim Programmangebot außerhalb der Grundversorgung treten ebenfalls Bedenken hinsichtlich einer Finanzierung mittels Pay TV auf. HojJmann-Riem, Pay-TV S. 86. Hofft/lann-Riem, Pay-TV S. 87. 704 Mathias BraunIGillert/HoberglHübner/Kamps, ZUM 1996, S. 201, 208; Stett/ler, ZUM 1995, S. 293,299; abweichend hiervon Libertus, AfP 1998, S. 149, 153: zusätzliche Progranune, die sogar "in den Grundversorgungsbereich hineinwachsen können", seien zulässig. 705 Stetlner, ZUM 1995, S. 293,299. 706 Stetlner, ZUM 1995, S. 293, 300. 707 Stettner, ZUM 1995, S. 293, 299. 702 703
B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme
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(1) Unzulässigkeit (a) Kein Programm für die Allgemeinheit So wird davon ausgegangen, daß auch Spartenprogramme des klassischen Rundfunkauftrags die gesamte Bevölkerung erreichen müssen und daher nicht über Pay TV zu finanzieren seien. 708 Durch ilue selektive Verbreitung sind Pay TV-Programme nicht in der Lage, integrativ zu wirken. 709 Im Gegenteil werde ein Rundfunk für Privilegierte geschaffen, der die reale Teilhabe an gesellschaftlichen Kommunikationsprozessen weiter zersplitte. 710 Daß hingegen Programme für bisher unberücksichtigte Minderheiten geschaffen werden, ist erst ab einer bestinunten Anzahl an Pay TV-Programmen zu erwarten. 711 (b) Doppelbezahlung
Öffentlich-rechtliches Pay TV dient nur dem Zweck zusätzlicher Einnahmensicherung. 712 Es ist unzuläsisig, weil der Zuschauer für ein Programm zweimal bezahlt - durch Gebühren und durch zusätzliches Entgelt. 713 (c) Gefahr der Selbstkommerzialisierung Gemäß dem Leitbild des BVerfG vom Kultur- und Bildungsprogramm ist die Finanzierung von Spartenprogramm mittels Pay TV zu unterbinden, die ausschließlich kommerzielle Ziele verfolgten. 714 Wegen der hohen Bindung an das Zuschauerentgelt entsteht das Risiko einer Selbstkommerzialisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. (2) Pay TV als zulässige Finanzierungsfonn Teilweis wird jedoch davon ausgegangen, daß eine Zulässigkeit öffentlichrechtlichen Pay TV sich aus der Bestands- und Entwicklungsgarantie ergibt. 715
708 Mathias Braun/Gil/ertlHoberg/Hübner/Kamps, ZUM 1996, S. 201, 208~ Kresse, ZUM 1995, S. 178,184. 709 Hanfeld, FAZ v. 17.2. 1997, S.I; Meier, ZUM 1997, S. 249, 254; Kresse, in: Werbefinanzienmg, S. 67, 10 I; kritisch auch Holzer, ZUM 1996, S. 274, 285. 710 Lange, MP 1980, S. 133, 139. 711 Herbers, MP 1980, S. 91, 94. 712 EmmerichiSteiner, Betätigung S. 124. 713 Stettner, ZUM 1995, S. 293, 299; Hanfeid, FAZ v. 17. 2. 1997, S. I. 714 Stettner, ZUM 1995, S. 293, 300; a. A. Hoffmann-Riem, Pay-TV S. 96, der auf die Gegensteuerungskraft von organisatorischen und inhaltlichen Vorkehrungen vertraut, die eine solchen Trend unterbinden kÖlme. 715 Hoffmann-Riem, MP 1996, S. 73, 77; ders., Pay-TV S. 84; Geiger, AfP 1984, S. 136, 140 ohne Begründung; Albrecht Hesse, BayVBI 1997, S. 132, 140; Libertns,
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Teil IV: Spartenprogranune im pluralistischen Rundfunk
Einschränkungen in der konkreten Ausgestaltung werden dennoch für notwendig erachtet. Nach Hoffmann-Riem muß eine Gewährleistung des Progranunauftrags durch das Kernprogranun gesichert sein, um die Möglichkeit des Pay TV ausschöpfen zu können. Das gelte auch für die Erstverwendung, wenn das Kernprogramm diesbezüglich hinreichende Angebote enthält. Hingegen hält Libertus eine Vorab-Verwertung in entgeltlichen Zusatzprogrammen für zulässig, da die betroffene Information den übrigen Rezipienten nicht vollständig vorenthalten werde. 716 (a) Progranun für die Allgemeinheit Öffentlich-rechtliches Pay TV kollidiere nicht mit der Aufgabe, Rundfunk für Allgemeinheit zu veranstalten. Denn Allgemeinheit bedeute insofern, daß sich das Programm an eine unbestimmte Allgemeinheit richten müsse, nicht, daß es diese Allgemeinheit auch tatsächlich erreiche. Pay TV kann das Allgemeinheitsgebot damit erfüllen. 717 Dieser Erklärungsansatz ist jedoch nur hinsichtlich des Rundfunkbegriffs zu befürworten, wo eine abstrakte Zuordnung von Pay TV erfolgt.718 Bei dem Auftrag, ein Programm für die Allgemeinheit zu schaffen, muß hingegen auf die tatsächlich bestehenden konkreten Nutzungsmöglichkeiten abgestellt werden. Bei Pay TV innerhalb des öffentlich-rechtlichen Angebots kann es sich nur um einen kleinen Randbereich handeln, für den ein minimaler Teil der Gesellschaft bereit sein wird, ein zusätzliches Entgelt zu entrichten. Trotzdem von einem Programm für die Allgemeinheit zu sprechen, ist widersprüchlich. (b) Förderung der Mischfinanzierung
Pay TV-Programme seien zudem nicht als doppelt finanzierte zu begreifen. Eine solche Art der Zweitverwertung helfe Kosten sparen und komme damit letztlich dem Gebührenzahler zugute. Ein Zweitverwertung sei vom Aktionsradius des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gedeckt. 719 Ferner werde der öffentlich-rechtliche Rundfunk dadurch in die Lage versetzt, auf eine größere Anzahl von Finanzressourcen Rückgriff zu nelunen. Das verringere die Abhängigkeit von einzelnen Finanzquellen und helfe den Progranunauftrag insgesamt besser zu erfüllen. 720 AlP 1998, S. 149, 151; Bertelsmann-StiJtung (Hrsg.), Kommunikationsordnung 2000 S. 24, wonach Pay IV zulässig ist, wenn eine Gebührenfinanzierung dieses Progranuns ausgeschlossen werde. 716 Libertus, AtP 1998, S. 149, 153. 717 Dörr, in: RundfunkbegriffS. 121, 125. 718 Siehe S. 125-126. 719 Albrecht Hesse, BayVB11997, S. 132,140. 720 HojJmann-Riem, Pay-TV S. 87.
B. Zulässigkeit ötrentlich-rechtlicher Spartellprograllune
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(c) Indikatorfunktion Gerade für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als primär gebührenfinanzierter Rundfunkveranstalter könne Pay TV die Funktion eines Indikators übernehmen, der Aufschlüsse über die Rezipientenbedürfnisse gebe. Diese Rückschlüsse seien stärker als die auf dem werbewirtschaftlichen Umwege gezogenen. Ein solcher Rückkoppelungsmechanismus könne einen Orientierungsmaßstab für das sonstige Programmverhalten schaffen. 721
c) Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes Die Rundfunkfinanzierung als für die Rundfunkfreiheit wesentliche Entscheidung untersteht jedoch grundsätzlich einem Gesetzesvorbehalt. 722 Zudem existiert eine Bindung an die bestehenden Gesetze, die Pay TV erlauben. 723 Aufgabe des Gesetzgebers ist es, für eine funktionsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sorgen. Auf welche Weise er dieser Aufgabe gerecht wird, bleibt ihm überlassen. Das bedeutet zum einen, daß es keine generelles Verbot zur Veranstaltung öffentlich-rechtlichen Pay TVs geben kann. 724 Daraus folgt aber auch, daß die öffentlich-rechtlichen Anstalten keinen Anspruch auf Teilhabe am Pay TV haben. 725 Nur Hoffmann-Riem geht von einem Anspruch auf Finanzierung mittels Pay TV aus, wenn die Finanzierung von Spartenprogrammen andernfalls nicht gesichert sei, fiir sie aber eine Notwendigkeit zur Erfüllung des Programmauftrages bestehe. 726 Das ist abzulehnen, da bei einer derartigen Situation eine Erhöhung der Gebühren als vorrangiges Finanzmittel die Folge sein muß, und nicht die Einführung von Pay TV. Ferner muß sich eine solche gesetzliche Genehmigung an Art. 5 I und Art. 12 I GG messen lassen. 727 Solange Pay TV von dem Ziel einer funktionsgerechten Finanzierung getragen wird, liegt hierin laut Libertus kein Verstoß gegen Art. 5 I S. 2 GG. 728 Hoffmann-Riem, Pay-TV S. 96. Hoffmann-Riem, Pay-TV S. 111 ~ Libertus, At? 1998, S. 149, 151. 723 Siehe § 3 V ORB-G~ § 3 VI WDR-G~ § 2 N NT. 2 RB-G nur bezüglich Spartenprogranunen oder Spartenangeboten. 724 Mathias BrauniGiliertlHoberglHUbnerlKamps, ZUM 1996, S. 201,207. 125 Kresse, ZUM 1995, S. 178, 184~ ders., ZUM 1996, S. 59, 63~ Albrecht Hesse, BayVBI 1997, S. 132, 140~ Libertus, At? 1998, S. 149, 155. 726 Hoffmann-Riem, MP 1996, S. 73, 79. 727 EmmerichiSteiner, Betätigung S. 127. 728 Libertus, Grundversorgungsauftrag S. 146. 721
722
396
Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
Demgegenüber sieht Stettner eine gesetzliche Zulassung öffentlichrechtlichen Pay TVs wegen Verstoßes gegen Art. 12 I GG als nichtig an. 729 Die öffentlich-rechtlichen Anstalten würden durch Pay TV die Berufsausübung privater Anbieter beschränken. Privaten werde dadurch jede Chance auf eine erfolgreiche Betätigung genommen. 730 Nach der Drei-Stufen-Theorie des BVerfG ist ein solches Vorgehen nur durch überragende Gründe des Allgemeinwohls zu rechtfertigen. Pay TV sei nur auf die Erzielung zusätzlicher Einnahmen gerichtet, so daß es an einem derartigen Grund fehle. 731 Diese Argumentation trifft nur dann zu, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk in erheblichem Maße die Befugnis erhält, sich mittels Pay TV zu finanzieren. Entscheidend für die Ablehnung von öffentlich-rechtlichem Pay TV ist hingegen, daß sich diese Art der Finanzierung und die durch Gebühren nicht klar nach Sender trennen lassen wird. Der Gebührenzahler kommt damit für Programme auf, die ihm aufgrund ihrer Verschlüsselung nicht zugänglich sind. Das kann ihm nicht zugemutet werden. Letztlich ist auch Pay TV nichts anderes als eine selektiv erhobene Gebühr. Wird eine solches Verfahren der Gebührenerhebung bevorzugt, muß sich die ganze Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks am konkreten Konsum des Rezipienten - im Sinne von Pay per channel oder Pay per view - ausrichten. Das wäre eine sinnvolle Lösung der Gebührenproblematik, die dem Rezipienten entgegenkommt.
IV. Vorrangige Einspeisung der öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme in das Kabelnetz Zur Sicherung ihrer Weiterverbreitung sind die Spartenprogramme zudem auf eine Einspeisung in das Kabelnetz angewiesen. Durch die Kapazitätsnöte in diesem Bereich kann derzeit nur noch durch die Herausnahme anderer Programme Platz geschaffen werden - abgesehen von der Freilegung neuer Kanäle. Die Verdrängung anderer Sender aus dem Kabel setzt einen besonderen Begründungstatbestand voraus. Eine solche Vorgehensweise ist zumindest dann gerechtfertigt, wenn ein Anspruch auf vorrangige Einspeisung der öffentlich-rechtlichen Spartenkanäle in das Kabelnetz besteht. Die Kriterien bei der Kabelbelegung sind den einzelnen Landesmediengesetzen zu entnelunen, die in der überwiegenden Zahl einen Vorrang der "gesetzlich bestimmten Programme" statuieren. 732 Die besondere Legitimation EmmerichiSteiner, Betätigung S. 130. EmmerichiSteiner, Betätigung S. 129. 731 EmmerichiSteiner, Betätigung S. 129. 132 § 10 iVrn 7 Bad württ LMG öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Program-
729
730
B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme
397
dieser Programme beruht auf einer Wertungsentscheidung des Gesetzgebers, der sie aufgrund ihres Inhalts für unverziehtbar hält und deswegen durch Rechtssetzungsakt ihre flächendeckende Ausstrahlung sichert. m Gesetzlich festgehalten sind das Erste und das Zweite Deutsche Fernsehprogramm nach Art. 2 §§ 1,2. StV, 3sat und ARTE nach § 19 I und IV RuFuStV sowie der Kinderkanal und Phoenix nach § 1911 RuFuStV. J. Interpretation des ,.gesetzlich bestimmten Programms"
Der bloße Rechtssetzungsakt genügt hingegen nicht für die Annahme eines gesetzlich bestimmten Programms. Es besteht Einigkeit darüber, daß dieser Topos teleologisch zu interpretieren. 734 Der Gesetzgeber hat beabsichtigt, durch diese Regelung die verfassungsrechtlichen Vorgaben der Vielfalt und Ausgewogenheit zu verwirklichen. Vorrangig einzuspeisende Programme müssen deshalb einen besonderen Vielfaltsbeitrag leisten. 73S a) Programme der Grundversorgung Ausgehend von dieser Prämisse, sollen die Programme Vorrang genießen, die der Grundversorgung angehören. 736 Wegen der ausschließlichen Zuordme, wobei die öffentlich-rechtlichen ihre gesetzlichen Aufgaben erfl.illen köIll1en müssen;Art. 41 S.I BayMG: "auf gesetzlicher Grundlage flir Bayern veranstaltete Programme"; § 32 I Nr. 1 BremLMG: "flir ( .. ) Bremen gesetzlich bestimmte Rundfunkprogramme"; § 51 I Nr. I HmbMedienG: "für Hamburg gesetzlich bestimmte öffentlich-rechtliche Rundfwlkprogramme und die von der Anstalt zugelassenen Programme"; § 42 I Nr. I HPRG: " die der Grundversorgung des Landes Hessen dienenden Rundfunkprogramme"; § 52 I Nr. I Nied LRG: "die nach diesem Gesetz zugelassenen Programme und auf der Grundlage eines sonstigen niedersächsischen Gesetzes für Niedersachsen veranstalteten Programme"; § 41 I LRG NW: "die durch Gesetz für Nordrhein-Westfalen bestimmten Programme"; § 41 I Nr. I Rhein-Pf LRG: "die für das Land Rheinland-Pfalz gesetzlich bestimmten Programme"; § 61 I Nr. I Saarl LRG:"die für das Saarland gesetzlich bestimmten Programme"; § 50 I Nr. I SchleswHolst LRG: "die für das Land Schleswig-Holstein gesetzlich bestimmten Programme"; § 43 I Nr.1 RGMV: "die fl.ir das Land Mecklenburg-Vorpommern gesetzlich bestimmten Programme"; § 38 S. I Sächs-PRG: ,,zugelassene Programme ( .. ) und aufgrund eines sonstigen Gesetzes rur Sachsen veranstaltete Programme" sind einzuspeisen; § 47 I Nr.1 LRG Sachs-Anh: "die aufgrund eines sonstigen Gesetzes für Sachsen-Anhalt veranstalteten Programme"; § 38 I Nr. I TRG: "die für das Land Thüringen gesetzlich bestimmten Rundfunkprogramme"; § 40 11 StVZ Berlin-Bran-denburg:"die nach diesem Staatsvertrag und anderen landesrechtlichen Regelungen im Bereich der jeweiligen Kabelanlage veranstalteten ( .... ) Programme". 733 Wille/Heckel, ZUM 1997, S. 240,241. 734 Wille/Heckel, ZUM 1997, S. 240,242; Ricker, ZUM 1997, S. 1,2. 735 Betz, MP 1997, S. 431,435; WillelHeckel, ZUM 1997, S. 240, 242. 730 Ricker, ZUM 1997, S. I, 2; Scheble, ZUM 1995, S. 383, 388 389; Holtzbrink,
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Teil IV: Spartellprogramme im pluralistischen Rundfunk
nung der Grundversorgung zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk impliziert das einen Vorrang seiner Programme. 737 Eine solche Interpretation könne der Rechtsprechung des BVerfG entnommen werden, nach der die öffentlichrechtlichen Anstalten jenseits der Grundversorgung gegenüber den privaten Veranstaltern gleichrangig zu behandeln seien. 738 Im Umkehrschluß dazu seien die Grundversorgungsprogramme vorrangig einzuspeisen. Eine solche Interpretation ist unter logischen Gesichtspunkten nicht haltbar. Zwar führt die Sicherung der Grundversorgung als zentrale Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Anstalten dazu, daß ihnen bei der Schaffung der publizistischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen hierfür der Vorrang gegenüber privaten Veranstaltern gebührt. 739 Hinsichtlich der Kabeleinspeisung kann jedoch nicht die Grundversorgung selbst, sondern höchstens die Eignung zur Grundversorgung einen Vorrang gebieten. Denn nach den Ausführungen des BVerfG setzt die Grundversorgung selbst eine allgemeine Verbreitung, also auch einen Platz im Kabelnetz voraus. Wenn die allgemeine Empfangbarkeit eine Voraussetzung für Grundversorgung ist, kann man nicht mit der Grundversorgung einen Anspruch auf Verbreitung begründen. Das stellt einen Insichschluß dar. 740 Ob ein Programm geeignet ist, Grundversorgung zu leisten, verlangt eine inhaltliche Überprüfung. Da die inhaltlichen Vorgaben der Grundversorgung sehr weit und undeutlich sind, stellen sie für eine präventive Beurteilung des betroffenen Senders keine geeigneten Parameter dar. Sie orientieren sich zudem an dem allgemeinen Gebot der Meinungs- und Programmvielfalt, so daß auch gleich auf diese zurückgegriffen werden kann. Das Kriterium der Grundversorgung kann bei Rangfolgeentscheidungen im Kabelnetz höchstens reEinspeisung S. 149; siehe auch Betz, MP 1997, S. 431,435, der ebenfalls von einem Vorrang der Grundversorgungsprogramme ausgeht, diesen aber nicht mit dem Begriff des "gesetzlich bestimmten Programms" in Verbindung bringt, sondern als zusätzlichen Vorrang ansieht. 737 Holtzbrink, Einspeisung S. 153; Mook, AfP 1986, S. 10, 18. 738 BVerfGE 74, S. 297, 332 333. 739 Giehl, Wettbewerb S. 75. 740 Das steht auch in Einklang mit den Aussagen des BVerfG, das auf die Rangfolge der Kabe1einspeisung von Programmen jenseits der Grundversorgung eingeht, die grundversorgenden Progranune ausläßt, weil diese bereits im Kabelnetz eingespeist sind. Sichtbar wird der Widerspruch der Grundversorgung als Einspeisungskriterium bei der Darstellung von Wille und Heckei, ZUM 1997, S. 240, 243, denen zufolge die Grundversorgungsprogramme Einzuspeisungsvorrang genießen. Der Grundversorgung gehören ihrer Meinung nach auch die beiden Spartenprogranune an. DeIUloch überprüfen sie die beiden öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme auf ihren besonderen Vie1faltsbeitrag. WeIU1 Grundversorgung das Kriterium für die Bevorzugung bestinunter Progranun sein soll, ist diese Prüfung jedoch entbehrlich.
B. Zu lässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme
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pressiv herangezogen werden, wenn es darum geht, einen bestimmten Bestand an eingespeisten Programmen zu schützen. Für neue Programme, die einen Platz im Kabelnetz begehren, erweist es sich indessen als ungeeignet.
b) Gebührenfinanzierte Programme Wille und Hecker fassen unter die "gesetzlich bestimmten Programme" solche, die durch Gebühren finanziert werden und somit zum Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehören. 74 \ Durch diese Lösung will man bezwecken, daß der Rezipient auch die Programme empfangen kann, fiir die er Gebühren zahlt. Hecker und Wille gehen von einem Anspruch des Gebührenzahlers auf Zugang zu allen gebührenfinanzierten Programmen aus,742 während Stettner dies ablehnt. 743 Ihm zufolge ist die Gebühr unabhängig von Empfang und Nutzung des öffentlichrechtlichen Programms zu entrichten. Dem ist zuzustimmen. Das Kriterium der Gebührenfinanzierung schafft zwar Rechtssicherheit, ist aber nicht mit einer teleologischen Interpretation des "gesetzlich bestimmten Programms" zu vereinbaren. Danach soll die Vielfalt Priorität vor anderen Erwägungen erhalten. Dem steht die finanzielle Abwicklung als wirtschaftlicher Aspekt gegenüber, die keine Aussage über den inhaltlichen Gehalt des Programms zuläßt. 744 Da alle öffentlichrechtlichen Programme gebührenfinanziert sind, könnten die Anstalten ihr Programm in der Gewißheit einer gesicherten Weiterverbreitung beliebig erweitern. Auf die Gebührenfinanzierung abzustellen, führt daher zu einem öffentlich-rechtlichen Einspeisungsprivileg, das inhaltlich nicht gerechtfertigt ist.
c) Programme mit besonderer Vielfalt Stettner erweitert den Vorrang der gesetzlich bestimmten Programme auf öffentlich-rechtliche Programme, die nicht der Grundversorgung angehören. Eine Begrenzung auf die Grundversorgung negiert er mit dem Argument, daß üb~r die Regelung des gesetzlich bestimmten Programms auch privatrechtliche
741 742 743
WillelHeckel, ZUM 1997, S. 240,244. Wille/Heckel, ZUM 1997, S. 240,244; auch Mook, AfP 1986, S. 10,18. Stettner, Kabelengpaß S. 69; ähnlich Thomaschki/Krakies, ZUM 1995, S. 368,
374. 744
Obwohl die Art der Finanzierung den Inhalt eines Programms mitbestimmt.
Teil IV: Spartenprogramme im plnralistischen Rundfunk
400
Programme eingespeist worden seien, die keinen Grundversorgungscharakter hätten. 745 Er stellt jedoch kein alternatives Kriterium anheim. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß sich die Belegung des Kabelnetzes am Gebot der Meinungs- und Programmvielfalt auszurichten hat. Will man am Topos des "gesetzlich bestimmten Programms" festhalten, empfiehlt es sich, allein auf die rechtliche Festlegung abzustellen Wld somit einen Verbreitungsschutz für eine bestimmte Zahl an Programmen zu schaffen. Dabei müssen die rechtlichen Regelungen so klar gefaßt sein, daß aus ihnen ohne Zweifel auf eine vorrangige EinspeisWlg geschlossen werden kann. Diesen Anforderungen genügt § 1911 RuFuStV nicht, da er die EntstehWlg der beiden Spartenprogramme in das Ermessen der Anstalten stellt Wld sie als "Zusatzangebote" umschreibt. Ferner wäre bei der Programmform des Spartenprogramms im Gegensatz zum Vollprogramm eine inhaltliche Festlegung erforderlich. Sinnvoller ist es, die Auswahl der Programme durchgängig am Gebot der Meinungs- und inhaltlichen Vielfalt durchzuführen. Das würde alle Sender dazu anhalten, ihr Programm danach auszurichten Wld in dieser Hinsicht keine Defizite entstehen zu lassen. Dabei ist im Gegensatz zu Betz nicht nur eine gesonderte Untersuchung der Sender auf ihren Vielfaltsbeitrag erforderlich,746 sondern es hat eine Gesamtbetrachtung des vorliegenden Angebots zu erfolgen, damit nicht nur Programme mit älmlichem Fonnat in das Kabelnetz ein. werden. 747 gespeIst 2. Fo/gerungen für Phoenix und den Kinderkana/
a) Vorrangige EinspeisWlg Daß die beiden Spartenprogramme nicht vorrangig einzuspeisen sind, ist für Betz kaum nachvollziehbar und spricht für eine an den Interessen der kommerziellen Anbieter orientierte Logik. 748 Als gesetzlich bestimmte Programme nach § 19 11 RuFuStV seien sie vorrangig in das Kabelnetz zu nehmen, Wlabhängig davon, ob sie der Grundversorgung angehören. 749
745
Stettner, Kabelengpaß S. 67.
Betz, MP 1997, S. 431,438. Das macht entgegen der Ansicht von Betz den Ausschluß von dritten Progr~n men aus dem Kabel erklärlich. Für sich genommen ist jedes dieser Programme gemessen am Vielfaltsbeitrag wertvoll. Aufgrund der Älmlichkeit der Programmschemata kann aber davon Abstand genommen werden, sämtliche Programme in das Kabelnetz aufzunehmen. Siehe dazu auch Ricker, ZUM 1998, S. 181, 193 tT. 748 Betz, MP 1997, S. 431. 749 Betz, MP 1997, S. 431,435. 746
747
B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogranune
401
Auch bei Gleichrangigkeit sind die öffentlich-rechtlichen Programme seiner Ansicht nach vorzugswürdig, weil sie dem Vielfaltsgebot und der Pluralismussicherung sowie der Gewährleistung einer unabhängigen Meinungsbildung besonders Rechnung tragen. 750 Phoenix sei ein erheblicher Zugewinn an Information, die Beiträge des Kinderkanals seien pädagogisch sinnvoll.
b) Keine vorrangige Einspeisung Obwohl Stettner nicht nur die grundversorgenden Progranune als gesetzlich bestinunt und damit als vorrangig einzuspeisen erachtet, hat er Bedenken, auch die beiden Spartenprogramme dieser Regelung zu unterwerfen. Als in § 19 11 RuFuStV ausdrücklich als "Zusatzangebote". gekennzeichnete Programme bestehe ihre Funktion in einer Abrundung des Gesamtangebots. Sie sollen eigentlich eine untergeordnete Position wahrnehmen, verschieben aber das gesamte Programmangebot, mit der Folge, daß private Anbieter mit ähnlichem Progranunkonzept ihren Platz im Kabelnetz verlieren. 751 Allein aus der Tatsache heraus, daß andere Anbieter aus dem Kabel gedrängt werden, zieht Tuchman den Schluß, daß die beiden öffentlichrechtlichen Sender keinen Verbreitungsvorrang genießen. Dadurch werde die freie Wahl des Zuschauers eingeschränkt und das duale System in seinem Gleichgewicht gefahrdet. 752 Ricker hingegen räumt nur den grundversorgenden Programmen einen Vorrang ein, zu denen er die beiden Spartenkanäle nicht zählt. Sie könnten aber mit den vorrangig zu verbreitenden privaten Programmen gleichgestellt werden. Seiner Ansicht nach dient diese Regelung dazu, eine gleichmäßige Verteilung der Übertragungskapazitäten der öffentlich-rechtlichen und privaten Veranstalter zu sichern. Eine Einordnung der öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme auf dieser Stufe könne nicht erfolgen. 753 Demnach bleibe Platz für eine Einspeisung nach diesen genannten Gruppen aber noch vor den sonstigen in den Landesvorschriften angeführten Programmen. Es wären nachrangig zu berücksichtigende "gesetzlich bestinunte Programme". Da aber eine Abwägung zwischen den Anforderungen der Rundfunkordnung einerseits und der Informationsfreiheit des einzelnen andererseits zu treffen sei, müßten alle Programme auf dieser Stufe gleichrangig bewertet
Betz, MP 1997, S. 431,437. Stettner, Kabelengpaß S. 68. 752 Tuchman, wiedergegeben in: Gangloff, Journalist NT. 10 1996, S. 79, 80. 153 Ricker, ZUM 1997, S. 1,4. 750 751
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
werden. Ihm zufolge handelt es sich bei den öffentlich-rechtlichen Spartenkanälen lediglich um ein Zusatzangebot, das fiir die Sicherung der Rundfunkordnung entbehrlich ist. 754 Engel betrachtet die Problematik aus europarechtlicher Sicht. Für ihn beinhaltet die vorrangige Vergabe von Kabelplätzen an die öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme eine Beihilfe im Sinne von Art. 92 I EGV. Nach dem EuGH kann auch die Lieferung von Gegenständen oder die Erbringung von Dienstleistungen an ein Unternehmen zu Vorzugsbedingungen eine staatliche Beihilfe darstellen. Es kommt nur darauf an, daß die Vorteile Subventionen in Art und Wirkung gleichstehen. 755 Die Landesmedienanstalten, die der Bundesregierung zuzurechnen sind, würden den Anstalten Kabelplätze ohne jede Gegenleistung zusprechen. Die Kabelbelegungen müßten demzufolge nach Art. 93 III EGV angemeldet werden. Es bestehe die Gefahr, daß die Anstalten ihre Kabelplätze zur Marktverstopfung verwenden. Denn in den Spartenprogramme werden hauptsächlich Inhalte aus den Vollprogrammen zeitversetzt gesendet. Das sei im Hinblick auf Art. 86 EGV und Art. 90 11 EGV nicht zu rechtfertigen. 756 Die Kabeleinspeisung ist Grundvoraussetzung fiir den Bestand eines Rundfunkmarkts. Diese europarechtliche Diskussion könnte von vornherein umgangen werden, wenn man, wie bereits vorgeschlagen, alle Programme denselben Anforderungen unterstellt. Unabhängig, ob öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Anbieter, käme es auf den speziellen Beitrag zur Meinungs- und Programmvielfalt an. Ein vorrangige Einspeisung ist damit nicht möglich.
v. Zukunft öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme Die Diskussion um die zwei neu eingefiihrten Spartenprogramme hat sich mit Beginn ihrer Sendetätigkeit gelegt. Nun wird der Rezipient durch seine Programmwahl zeigen, ob für diese Kanäle ein Bedürfnis besteht. Die Entwicklung zur Verspartung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist damit jedoch lange nicht am Ende. Mit der Digitalisierung plant der öffentRicker, ZUM 1997, S. I, 5. EuGH v. 2. 2.1988, Rs. 67,68 + 70/85 Sig. S. 219, 270 RN 28; EuGH v. 12.7. 1990, Rs. C-169/84, Sig. I S. 3083; EuGH v. 29. 2. 1996, Rs. C-56/93 Sig. I S. 723, 771 772 RN \0; EuGH v. 11. 7.1996, Rs. C-39/94 Sig. I S. 3547, 3595 RN 58, 59. 756 Engel, Spartenprogramme S. 86; ablehnend Betz, MP 1997, S. 431, 439, der die vorrangige Einspeisung von Phoenix und dem Kinderkanal nicht als unzulässige Beihilfe ansieht, weil sonst die Rege\ungskompetenz der Mitgliedstaaten im Bereich des Rundfunks ausgehöhlt werde. 754 755
B. Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Spartenprogramme
403
lieh-rechtliche Rundfunk eine weitere Sendervennehrung. Unter der Devise "Vernetzen statt versparten" werden derzeit drei weitere Spartenprogramme und ein VoUprogramm vorbereitet, die zu Programmbouquets zusammengeschlossen werden sollen. Das Motto wird zu Recht als "Deckmantel" bezeichnet, der verschleiert. daß sich nur das vernetzen läßt, was zuvor verspartet wurde. 757 Auf der IF A 1997 in Berlin stellte der öffentlich-rechtliche Rundfunk sein neues Programmangebot vor. Momentan laufen die neuen Progrrumne als Pilotprojekte, die von den Studios des ORB in Potsdam Babelsberg ausgestrahlt werden. In einem Programm - "EinsMuxx" - wird das vollständige ARD-Programm nur zeitversetzt angeboten. Wenn nicht Phoenix, dann wird "EinsExtra" der neue öffentlich-rechtliche NachrichtenspartenkanaJ, in dem Themen des Tages, Features und Information geliefert werden. "EinsFestival" soll sich auf das Ausstrahlen von Fernsehspielen, Serien und anderen Eigenproduktionen aus den Archiven konzentrieren. Darüber hinaus ist ein elektronischer Programmguide758 geplant, der sich auf die öffentlich-rechtlichen Programmangebote beschränkt. Drei der vier Programme sind Spartenkanäle, der andere ein reiner Wiederholungskanal. Sie erhöhen durch ihre Inhalte in keiner Weise die gebotene gegenständliche Pluralität. sondern wirken sich lediglich auf die vertikale Vielfalt aus. Keine neuen Beiträge sind erkennbar, sondern das bisherige Programm wird ausgeweitet und umsortiert. Man kann darauf gespannt sein, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk dem Rezipienten eine Gebührenerhöhung für derartige Programme erklärbar machen will. Gesteigerte Gebühren lassen sich nur fiir neue Programme rechtfertigen, die ein zusätzliches Angebot in gegenständlicher Hinsicht anbieten. Das verbietet den öffentlich-rechtlichen Anstalten gerade, im Wege des "outsourcings" vorzugehen, Grundversorgungsinhalte auf andere Programme zu verlagern und sie dadurch unentbehrlich zu machen. Zudem wird der infonnierende Bereich überproportional besetzt und verzerrt somit den klassischen Auftrag, der sich aus den Elementen Infonnation, Bildung und Unterhaltung zusammensetzt. Das Problem einer Verspartung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bedarf damit einer grundsätzlichen Lösung. Diese kann nur in einer selektiven Verteilung der Rundfunkgebühr auf bestimmte Standardprogramme liegen. um Schieflagen in der Rundfunklandschaft zu venneiden, die sich durch den enonnen Kostenaufwand für eine Digitalisierung vergrößern. Es muß eine 757
758
26'
Hanfeid, FAZ v. 17.2. 1997, S.I~ ftPRT,Medienordnung 2000 plus S. 37. Electronic Program Guide (EPG).
Teil IV: Spartenprograrrune im pluralistischen Rundfunk
404
grundlegende Neupositionierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stattfinden. 759 Mit seinen digitalen Plänen stellt er sich nur selbst in Frage.
C. Die gegenwärtige Situation von Fernsehspartenprogrammen Der folgende Teil befaßt sich mit den Femsehspartenprogranunen, die momentan die Rundfunklandschaft in der Bundesrepublik Deutschland prägen. Von dem ersten Anspruch, alle Fernsehspartensender in Deutschland darzustellen, mußte Abstand genOImnen werden, da das Potential an Spartenprogranunen mittlerweile bis zur Unübersichtlichkeit gewachsen ist. Die Darstellung ist daher auf dreizehn Sender beschränkt. 760 I. Sicht des Rechts
In der Praxis hat man überwiegend eine kritische Einstellung zu den rechtlichen Regelungen. Rundfunkrechtsprechung und Gesetzgebung liefen seit 1986 der tatsächlichen Entwicklung im Rundfunkbereich um Jahre hinterher. 761 Reglementiert werde erst ex post, das Recht könne der Dynamik des Rundfunks kaum gerecht werden. 762 Verbunden wird dies mit der Forderung nach einem Abbau der Regulierung. Man sollte den Veranstalter mehr in die Eigenverantwortung nehmen. Weiterer Regelungsbedarf sei nicht ersichtlich. 763 Spartenprogrammen nehmen gerade bezüglich der Vielfaltsanforderungen eine Sonderposition ein. Klassische Vielfalt im Sinne eines Konglomerats an Meinungen aus verschiedenen Bereichen könne es hier nicht geben. 764 1. Kabe/einspeisung
Das zentrale Problem der momentanen Rundfunksituation wird übereinstimmend bei der Regelung und Handhabung der Kabeleinspeisung verortet. 765 VPRT, Medienordnung 2000 plus S. 15. Angaben zu diesen Sendern starrunen von den Veranstaltern selbst. Die Hälfte dieser Sender wurde persönlich aufgesucht. Unterschiedliche Darstellungen in der Länge sind nicht auf Präferenzen der Verfasserin zUfÜckzuftlhren, sondern auf die divergierende Bereitschaft der Rundfunkveranstalter, Infonnationsanfragen über ihren Sender zu nachzukonunen. 761 Blasberg,DSF, Gespräch v. 21. 11. 1996. 702 Stötzel, Nickelodeon, Gespräch v. 29. 10. 1997. 763 Kuhlo, n-tv, Gespräch v. 7. 11. 1996; Blasberg, DSF, Gespräch v. 21. 11. 1996. 764 Schultz, VIVA, Gespräch v. 30.10.1997. 765 Stötzel, Nickelodeon, Gespräch v. 29. 10. 1997. 759
760
C. Die gegenwärtige Situation von Fernsehspartenprogrammen
405
Die Mangellage im Kabel erweist sich für die Veranstalter dramatischer als in der Literatur wiedergegeben. Denn die Einspeisung in das Kabelnetz ist für den Veranstalter Lebensbedingung, "Nabelschnur seiner Vennarktbarkeit". Erst ab einer bestimmten Reichweite ist überhaupt ein Interesse der Werbewirtschaft an dem Sender vorhanden. Die restriktive Kabelpolitik der Telekom AG löst daher Unverständnis bei den Veranstaltern aus. Die Telekom AG ist kaum rechtlichem Einfluß ausgesetzt und hat zuviel Spielraum. Die Landesmedienanstalten betrieben in dieser Hinsicht eine "Mangelverwaltung".766 Ihnen muß die rechtliche Handhabe zustehen, dem Angebot an Sendern durch eine genügende Zahl an Kabelplätzen gerecht werden zu können. Durch die Einspeisung der öffentlich-rechtlichen Spartenkanäle habe sich die Situation verschärft. Die Aushilfe mit dem Hyperband sei nur eine vorübergehende Lösung bis zum 31. 12. 1998. Zu diesem Zeitpunkt müssen daher wiederum zwei Kanäle aus dem Kabel genommen werden. 767
2. Kontrolle durch die Landesmedienanstalten Die Verwaltung durch die Landesmedienanstalten wird als zufriedensteIlend eingestuft. 768 Obwohl den Sendern ein hoher organisatorischer Aufwand abverlangt wird, will man in der Praxis keine Bundesmedienanstalt. Befürwortet wird dagegen eine Arbeitserleichterung durch Zusammenlegung einiger Landesmedienanstalten, wie schon im norddeutschen Bereich angedacht. 769 Das föderative Element erweist sich für den Veranstalter als vorteilhaft. Es verhilft den Veranstaltern dazu, sich zunächst in einem Bundesland zu etablieren und damit ihre Chancen zu vergrößern, auch in anderen Bundesländern in das Kabelnetz zu gelangen. Bei einer Bundesmedienanstalt gebe es solche Möglichkeiten nicht. Das Versagen einer Kabeleinspeisung hätte absoluten und deutschlandübergreifenden Charakter. 3. Werbericht/inien Für verbesserungsbedürftig wird der Bereich der Werberichtlinien gehalten. no Hier sind die Restriktionen viel zu weitgehend. Wenn Werbung als solSeitz, Super RTL, Gespräch v. 31. 10. 1997. Schultz, VIVA, Gespräch v. 30. 10. 1997. 768 Selmltz, VIVA, Gespräch v. 30. 10. 1997. 769 Schultz, VIVA, Gespräch v. 30. 10. 1997. 770 Selmltz, VIVA, Gespräch v. 30. 10. 1997. 766 767
406
Teil IV: Spartenprograllune im pluralistischen Rundfunk
che erkennbar ist, muß sie erlaubt sein, auch wenn sie in redaktionelle Tätigkeiten eingebaut ist. Dabei kommt es auf die Erkennbarkeit durch den Zuschauer an. 771 Zudem bestehen in dieser Hinsicht Ungleichgewichtigkeiten im europäischen Raum. Deutsche Spartensender seien dadurch benachteiligt, daß ausländische Sender, wie insbesondere MTV und Eurosport, nicht unter das deutsche Regelungswerk fielen. Wenn diese Sender in Deutschland verbreitet werden, müssen aber auch sie durch die Landesmedienanstalten lizensiert werden. 772
IL Verhältnis zum Zuschauer Das Verhältnis zum Zuschauer wird als Wechselwirkungsverhältnis angesehen. Als Veranstalter ist man "Anwalt der Zuschauer" und hat sich nach seinen Bedürfnissen auszurichten. 773 Man lebt von der Resonanz und Mitarbeit der Zuschauer - es entstehe ein Dialog. 774 Das Verhältnis des Zuschauers zum Rundfunk wird interaktiv. Der Zuschauer soll einen Nutzwert von dem haben, was er sieht. 775 Rundfunk ist ein Dienstleistungsangebot. Es überwiegt eine wirtschaftliche Betrachtungsweise vor der kulturellen Betrachtungsweise. In der Praxis steht der Zuschauer an erster Stelle genannt; ihm wird höchste Priorität eingeräumt.
m Stellenwert der Spartenprogramme Beklagt wird, daß Spartenprogramme bisher keine Lobby haben. Sie gehen viel gmppen- und interessengenauer vor, trotzdem verfügen sie nicht über eine lnit dem Voll programm vergleichbare Akzeptanz. Sie werden vom Zuschauer als Zusatzangebot wahrgenommen und bisher noch nicht genügend ernst genommen. Dennoch sind sie für die Programmvielfalt von enormer Relevanz. Das Bewußtsein hierfür ist aber nicht vorhanden. 776 Auch in der medienrechtlichen Diskussion ist diese Lobby nicht vorhanden. Hier konzentriert man sich auf die öffentlich-rechtlichen Anstalten und ihr Programm. Um sich mehr Anerkennung und Aufmerksamkeit zu verschaffen,
Heinrich, Der Wetterkanal, Gespräch v. 29. 10. 1997. Schultz, VIVA, Gespräch v. 30. 10. 1997. 773 Blasberg, DSF, Gespräch v. 21. 11. 1996. 774 Schultz, VIVA, Gespräch v. 30. 10. 1997. 775 Heinn·ch, Wetterkanal, 29. 10. 1997. 776 Schultz, VIVA, Gespräch v. 30. 10. 1997. 771
772
C. Die gegenwärtige Situation von Fernsehspartenprogranunen
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wurde im FIiihjahr 1996 innerhalb des VPRT der Arbeitskreis "Sparten- und Zielgruppensender" gegründet, dem derzeit 19 Mitglieder angehören. 777
IV. Zu den Programmen J. n-tv
a) Programmphilosophie Der Nachrichtensender n-tv hat seinen Sitz in Berlin. Er startete sein Programm am 30. 11. 1992. n-tv ist der erste und einzige deutsche Nachrichtensender. Sein Anliegen ist es, den Zuschauer ständig und ausführlich zu informieren. Dabei liegen die inhaltlichen Schwerpunkte im Bereich von Politik und Wirtschaft. Ausführliche Nachrichten erfolgen zu jeder vollen, Schlagzeilen zu jeder halben Stunde. Darüber hinaus werden unter anderem Informationen zu Wetter, Sport, Reise und Technik angeboten, sowie zunehmend Talkshows zu politischen und wirtschaftlichen Themen. Insbesondere bei spontanen Ereignissen will er durch schnelle Reaktion Flexibilität beweisen. 778 Ihnen wird großzügiger Raum im Programm eingeräumt. Liveübertragungen genießen daher Priorität vor dem regulären Programm. 779 Die Anordnung der Nachrichten erfolgt danach, was neutral das Wichtigste ist. 780 Die Nachrichtenreihenfolge anderer Sender kann hier als Selbstkontrolle dafür dienen, ob die Schwerpunkte richtig gesetzt werden. Geprägt werden soll ein seriöser Nachrichtenstil. 781 Eine Auswahl muß stets getroffen werden, es gibt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Inlandsmeldungen werden dabei gegenüber den Auslandsmeldungen bevorzugt, denn das Interesse des Nachrichtenrezipienten richtet sich primär auf seinen unmittelbaren Lebensbereich. 782 Relevant für die Positionierung einer Nachricht ist auch, ob sie bebilderbar ist. Bei gleichem Stellenwert genießt die Nachricht den Vorrang, die anband von Bildern dargestellt werden kann. 783 Das entspricht den FernsehgewohnStand 7. 11. 1997. Pressemappe n-tv, Abteilung n-tv von Abis Z Zuschauer. 779 Pressemappe n-tv, Abteilung n-tv von Abis Z Zuschauer. 780 Kuhlo, n-tv, Gespräch v. 7. 11. 1996. 781 Kuhlo, n-tv, Gespräch v. 7. 11. 1996. 782 Kuhlo, n-tv, Gespräch v. 7. 11. 1996. 783 Kuhlo, n-tv, Gespräch v. 7. 11. 1996. 777
778
Teil IV: Spartenprograllune im pluralistischen Rundfunk
408
heiten des Zuschauers, dem sich eine Nachricht gerade aufgrund des visuellen Moments einprägt.
b) Zielgruppe Die Zuschauerkreis von n-tv war schwerer zu eruieren als bei anderen Spartenprograrnmen. 784 Während man bei einem Musikkanal allein durch die Musikfarbe Jugendliche oder Ältere eines bestimmten Bereichs ansprechen kann, zeichnen sich Nachrichten dadurch aus, daß sie von Allgemeininteresse sind. Daher war die durch das Programm angesprochene Klientel nicht von vornherein erkennbar. Mittlerweile läßt sich jedoch eine Zielgruppe ermitteln. Ihr gehören Personen mit überdurchschnittlicher Bildung und eben solchem Einkommen im Alter von 30 bis 60 Jahren an. Sie setzt sich überwiegend aus männlichen Personen zusammen. Zudem ist seit Herbst 1997 eine Zunahme der Zuschauer im Alter von bis zu 29 Jahren zu vermerken. Dies ist auf die Einfiihrung eines Teletextes zuriickzufuhren, der besonders aufgrund seiner aktuellen Wirtschaftsinformationen starke Akzeptanz besitzt. n-tv hat tnithilfe anerkannter Messungen seine Zuschauerschaft als die Meinungsfiihrer und Entscheider in Deutschland ermittelt, die beruflich stark engagiert sind. 785 Diese Klientel ist eine Herausforderung fiir jeden Sender, denn wer an sich selbst hohe Maßstäbe stelle, erwarte das auch von dem Programm, das er konsumiert. 786 Trotzdem sei n-tv keine elitäre Veranstaltung, sondern versuche, komplizierte Sachverhalte fiir die Allgemeinheit verständlich zu machen. 787 Als problematisch erwies sich diese Zielgruppe insofern, als sie sich effektiv und kurzfristig informieren möchte und sie damit zunächst nicht dauerhaft im Programm verblieb. Deshalb sendet n-tv ab September 1997 mit neuer Prograrnmstruktur und hat vermehrt längere Formate wie Magazinsendungen, Hintergrundberichte und Talkshows eingefiihrt. Kurzweiliges Einschalten wirkt sich aber auch positiv auf die Werbefinanzierung aus. Die Entwicklung des Fernsehens zum Nebenbeimedium verzeichnet bei Nachrichten gerade einen gegenläufigen Trend. 788 Der Rezipient
784
Kuhlo, n-tv, Gespräch v. 7. 11. 1996.
Pressemappe n-tv, Abteilung die Zukunft der Nachrichten S. 7. Kuhlo, Gespräch v. 7. 11. 1996. 787 Pressemappe n-tv, Abteilung die Zukunft der Nachrichten S. 7. 788 Opaschowski, in: BLM, Rundfunkkongreß 1991, S. 25, 32.
785
786
C. Die gegenwärtige Situation von Fernsehspartenprogrammen
409
sieht demnach bei derartigen Beiträgen intensiver fern, was eine vennehrte Attraktivität dieser Sender für die Werbung auslöst. 789 Der Grund für dieses abweichende Verhalten wird in der "Live-Situation" von Nachrichten vennutet. 790 Zudem verlangen Nachrichten dem Rezipienten aufgrund ihrer Komplexität eine erhöhte Aufmerksamkeit ab. Entgeht ihm ein Teil der Nachrichtenstrecke, kann er ilm nicht mehr durch die weiteren Programmteile erschließen, wie zum Beispiel bei einer Sportübertragung, sondern muß sich erneut infonnieren. 2. Phoenix
Phoenix ist der öffentlich-rechtliche Ereignis- und Dokumentationskanal mit Sitz in Köln, der seit dem 7. April 1997 auf Sendung ist. Er soll mit Umzug der Regierung nach Berlin in die Studios nach Bonn übersiedeln. Vorerst ist er jedoch an die Sendeanstalt des WDR in Köln angebunden. a) Programmphilosophie Die Idee eines öffentlich-rechtlichen Infonnationskanals entstand bereits 1992, als die ersten privaten Konkurrenten Wie n-tv und Sky Channel auf den Markt traten. Denn es galt den letzten Vorsprung zu sichern, den ARD und ZDF gegenüber den privaten Anbietern inne hatten: ihre Kompetenz im Nachrichten- und Infonnationsbereich 791 Hierbei wurde zunächst eine Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Sender CNN erwogen. Diese Grundidee eines Infonnationskanals verwandelte sich Anfang 1995 in Richtung eines Parlamentskanals, der zunächst in privatrechtlicher Fonn durchgesetzt werden sollte, dort aber scheiterte. 792 Bei Beschluß des Rundfunkstaatsvertrages am 5. Juli 1996 wurde § 19 RuFuStV die Protokollnotiz beigefügt, daß Phoenix kein Nachrichtenkanal werden dürfe. Die Ministerpräsidenten der Länder behielten sich diesbezüglich eine Prüfung des Programmschemas vor. 793 Dennoch wird behauptet, daß Phoenix ein Nachrichtensender sei. Laut Radke ist nie ein Nachrichtenkanal geplant gewesen, hierbei handelt es sich Pressemappe n-tv, Abteilung die Zukunft der Nachrichten S. 21. Opaschowski, in: BLM, Rundfunkkongreß 1991, S. 25, 32. 791 Heinzle, Journalist NT. II 1992, S. 40. 792 Hanfeid, FAZ v. 16.9.1996, S. 36. 793 Anschlag, Funkkorrespondenz Nr. 15 v. 11. 4. 1997, S. 3 und Radke, Phoenix, Gespräch v. 30. 10. 1997 halten dieses Vorgehen für einen unzulässigen EingrifTin die Programmautonomie und damit fi1r verfassungswidrig. 789
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Teil N: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
410
um eine Legende. Von der Gründung eines Nachrichtenkanals ist aufgrund zu hoch veranschlagter Kosten Abstand genommen worden. Mit Phoenix ist auch kein Nachrichtenkanal realisiert worden, wie jeder erkennen kann. 794 Engel hingegen behauptet, daß die Bezeichnung "Ereigniskanal" nur ein Deckmantel sei für einen Sender, der eigentlich einen Nachrichtenkanal darstelle und Infotainment betreibe. 795 Zu den Inhalten von Phoenix zählen einerseits bekannte Formate wie die Tagesschau, die hier von einer Gebährdendolmetscherin begleitet werden. 796 Die Ereignisdokumentation zählt zum prägenden Teil dieses Kanals. Geboten werden soll Information pur. 797 Nicht geboten werden sollen Theater, Oper, Musik, Kulturmagazine, etc. 798 Das ist eine klare Absage an den Kulturauftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Phoenix bezeichnet sich als neues Programmangebot, das es bisher weder bei den privaten noch bei den öffentlich-rechtlichen Anbietern gab. Die Sendungen mit der größten Zuschauerresonanz sind Parlamentsübertragungen. Phoenix setzt auf längere Sendeformate als in anderen Programmen. Diese belaufen sich bei zwei bis zehn Stunden. Nur Phoenix kann eine solche Fläche dafür bieten. Er ist ein Kanal, der auf Hintergrund setzt und von Ereignissen ein anderes Bild als sonst üblich vermitteln möchte. 799 Kritisch zu hinterfragen ist, ob der Sender sich durch eine besondere Staatsnähe auszeichnet. 800 Die Behauptung einer Staatsnähe des Senders ist nach Radke falsch. Natürlich überträgt Phoenix häufig Veranstaltungen, auf denen Mitglieder der Bundesregierung und anderer staatlicher Institutionen redeten. Es ist einzuräwnen, daß da es einen gewissen "Amtsbonus" gebe. Dennoch entspricht das Gesamtprogramm von Phoenix den gesetzlichen Erfordernissen der Neutralität und Vielfalt. 801
Radke, Phoenix, Gespräch v. 30. 10. 1997. Engel, Spartenprogramme S. 74. 790 Radke, MP 1997, S. 206, 207. Das sei ein lange geäußerter Wunsch der Zuschauergruppe der Gehärlosen und Gehärbehinderten gewesen. 797 Radke, MP 1997, S. 206,207. 798 Radke, MP 1997, S. 206, 207. 799 Radke, Phoenix, Gespräch v. 30. 10. 1997. 800 Ihm ist es z. B. als einziger Sender möglich, eine Diskussionsrunde mit Namen ,,Forum Bellevue" aus dem Schloß Bellevue unter Gegenwart des Bundespräsidenten auszustrahlen. 801 Radke, Phoenix, Gespräch v. 30.10. 1997. 794
795
C. Die gegenwärtige Situation von Femsehspartenprogrammen
411
b) Zielgruppe Bisher hat sich bei Phoenix noch keine Zielgruppe herauskristallisiert. Die Seherschaft ist zumindest etwas breiter als bei einem Nacbrichtenkanal, das verlange schon die Gebührenerhebung für dieses Programm. Sie entspreche nicht unbedingt dem Klientel von n_tv. 802 Arbeitslose, Studenten, Rentner und Hausfrauen würden den Sender tagsüber nutzen. Da der Sender auf breite Formate setzt, muß der Zuschauer für diesen Sender mehr Zeit mitbringen als in anderen Programmen. 803 Phoenix ist kein zielgruppenorientiertes, formatiertes Spartenprogramm. sondem ein "scharf profiliertes Angebot fiir alle, die sich kontinuierlich oder auch nur punktuell bei sie besonders interessierenden Themen selbst ein Bild von den Positionen der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteure machen wollen. 804
3. Euronews
Bei Euronews handelt es sich um einen europäischen Nacbrichtensender mit Hauptsitz in Lyon. Gründungsüberlegungen für einen solchen Sender gehen bis in die siebziger Jahre zurück. Anlaß dafür war das reichhaltige Nachrichtenmaterial der Eurovision, das sich zur Weiterverbreitung anbot. 805 Er wurde von elf öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten aus Europa und dem Mittelmeerraum auf Initiative der Europäischen Rundfunkunion EBU hin gegründet und strahlt sein Programm seit dem 19. Januar 1993 aus. Zu diesem Zeitpunkt wurde der europäische Markt geöffnet. Er sendet sein Programm in sechs verschiedenen Sprachen aus806 und ist in 38 Ländern empfangbar. Zeitlich wird 20 Stunden pro Tag gesendet.
a) Programmphilosophie Euronews ist der erste europäische Nachrichtenkanal. Er möchte die Ereignisse in der Welt aus europäischer Sicht darstellen. Er versteht sich als 802 Worunter Radke insbesondere die Leser der Zeitschriften ,,Focus" und ,,Die Zeit" faßt. 803 Radke, Phoenix, Gespräch v. 30. 10. 1997. 804 Radke, MP 1997, S. 206, 213. 805 Zimmer. MP 1993, S. 278, 284. 800 Französisch, Englisch, Deutsch, Italienisch, Spanisch, Arabisch nur bei bestinunten Programmteilell.
412
Teil IV: Spartenprogranune im pluralistischen RWldfunk
"Kommunikationsträger einer europäischen Identität.,,807 Man bemüht sich um Objektivität und sclmelles Reaktionsvermögen auf aktuelle Ereignisse. Journalistengruppen zu sechs Mitgliedern aus verschiedenen Ländern Europas arbeiten zusammen. Die Information soll für die Menschen in Europa verständlich und interessant aufbereitet werden. 808 Dabei soll insbesondere die Distanz zu den europäischen Institutionen überwunden und deren Tätigkeit nahe gebracht werden. Der Einfluß der europäischen Union auf das tägliches Leben der Menschen wird so offenbart. Der Sender ist ein Beitrag zum europäischen Integrationsauftrag. 809 Er informiert schwerpunktmäßig über Themen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, aber auch Wissenschaft, Kultur, Umwelt, Gesundheit, Freizeit und Sport sind in seinem Programm vorhanden. Dabei greift er ausschließlich auf Poolmaterial zunick. Euronews verfügt nicht über eigene Korrespondenten. Wegen Übersetzungsschwierigkeiten wird zudem auf den Einsatz von Moderatoren verzichtet und statt dessen graphisches Bildmaterial zur Überleitung der Beiträge verwandt. 810 Der Sender finanziert sich neben Werbeeinnahrnen und Sponsoring aus Beiträgen der Aktionäre sowie öffentlicher Einrichtungen, zu denen auch Mittel des Europaparlaments und verschiedener europäischer Mitgliedstaaten von Eureka Audiovisuel 811 zählen. Diese Teilfinanzierung durch die EG läßt den Sender im Hinblick auf die gebotene Unabhängigkeit kritisch erscheinen. 812
b) Zielgruppe Zielgruppe sind Europäer zwischen 35 und 44 Jahren. Primär wird Euronews von Männern aus höheren Gesellschaftsschichten rezipiert. Länderspezifische Präferenzen werden bisher nur durch die bessere Verteilung per Satellit oder Kabel verursacht und sind bisher nicht meßbar.
Pressemappe Euronews, S. I. Champagne, Euronews, Gespräch v. 19. 12. 1997. 809 Champagne, Euronews, Gespräch v. 19. 12. 1997. 810 Kritisch hierzu: Zimmer, MP 1993, S. 278, 285. 811 hlstitution zur FördeTWlg europäischer Zusanunenarbeit im Bereich Rundfunk und Fernsehen. 812 Zimmer, MP 1993, S. 278,285. 807 808
C. Die gegenwärtige Situation VOll Femsehspartenprogrammen
413
4. DS'F Das Deutsche Sportfernsehen hat seinen Sitz in Unterföhring und strahlt sein Programm seit dem 1. 1. 1993 aus. Gleich bei Sendestart erhielt der Sender durch veIWaltungsgerichtliche Streitigkeiten der Landesmedienanstalten um seine Genehmigung erhöhte Aufmerksamkeit. 813
a) Programmphilosophie DSF hat mit dem Bereich des Sports eine Sparte belegt, die sich am besten für ein Spartenprogramm eignet. 814 Nach Ansicht der Veranstalter hat sich DSF mit hochwertigen Sportrechten, journalistischer Sportberichterstattung und unveIWechselbaren Eigenformaten mittleIWeile etabliert. 815 Zu den Kernsportarten zählen Fußball, Eishockey, Motorsport und Boxen. Zwar kann der Sender nicht Fußball der ersten Bundesliga bieten. Er konzentriert sich daher auf Hallenfußball sowie die zweite Fußballbundesliga und schließt dort eine Marktlücke, die auf reges Interesse der Rezipienten stößt. Auch amerikanische Sportarten wie Football oder Baseball erfreuen sich großer Beliebtheit. 816 Geboten werden männeraffine Sportarten jenseits der Massenattraktivität. 8\7 Diese Programmteile weisen ein kalkulierbares finanzielles Risiko auf. Tischtennis ist als neuer Programmteil aufgenommen worden. Im Sportbereich kann man sich nach Ansicht des Senders nur durch Exklusivität profilieren. 818 Diese stellt DSF im Bereich seiner finanziellen Möglichkeiten her. DSF möchte Meinungsführer im deutschen Sport sein. 819 Das Grundbedürfnis, über sportrelevante Ereignisse informiert zu werden, soll durch das Programm von DSF befriedigt werden. 820 Besonders auf Liveübertragungen wird Wert gelegt, denen eine unvergleichliche Dramaturgie beiwohnt. 821 DSF ist ferner mit den drei Kanälen DSF plus, DSF Golf und DSF Action im digitalen Netz vertreten. Sie werden für die digitale Plattform DF 1 / Premiere produziert. Siehe S. 48. Blasberg, DSF, Gespräch v. 21. 11. 1996. 815 Hüther, 9. 12. 1997, Pressemappe DSF, S. I. 810 Blasberg, DSF, Gespräch v. 21. 11. 1996. 817 Hüther, 9. 12. 1997, Pressemappe DSF, S. 2. 818 Blasberg, DSF, Gespräch v. 21. 11. 1996. 819 Hüther, 9. 12. 1997, Pressemappe DSF, S. 3. 820 Blasberg, DSF, Gespräch v. 21. 11. 1996. 8\J
814
414
Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
b) Zielgruppe Die mögliche Zielgruppe ist insoweit begrenzt, als sich nur 50 Prozent der Allgemeinheit für Sport interessieren. Man hat es damit von vornherein mit einer halbierten Grundgesamtheit zu tun. 822 Die sportinteressierten Männer zwischen 14 und 49 Jahren bilden die Zielgruppe von DSF. Demzufolge wird auf die Ausstrahlung von sogenannten "Soft-Sportarten" verzichtet, wie Tanzen, Turnen oder Eiskunstlauf. 823
5. Eurosport
a) Programmphilosophie Der Sender mit Sitz in Issy-Les-Moulineaux Cedex Paris überträgt sein Programmangebot in 17 Sprachen. Der Sender ist in 44 Ländern zu empfangen. Der Liveanteil des Programms beträgt ca. 30 Prozent. Eurosport erbringt durch sein Programm einen besonderen Beitrag zur Integration Europas. Wenn es etwas gibt, daß die Menschen in Europa zusammenbringt und verbindet, dann ist es der Sport. 824 Um diese Wirkung zu erzielen, müssen Information und Service im Programm in der jeweiligen Landessprache erbracht werden. Die Sportarten, über die berichtet wird, sind sehr vielseitig. Einen Schwerpunkt bilden - dem Senderprofil entsprechend - internationalen Wettkämpfe, wie z. B. die Olympiade oder die Fußballweltmeisterschaft. 825 Entsprechend der Vielseitigkeit dieser Ereignisse wird von Eiskunstlauf, Schwimmen, Radsport, über Boxen, etc. der Sport in seiner ganzen Breite erfaßt. Ein Berichtungsschwerpunkt liegt im Bereich des Motorsports. 826 Der Sender finanziert sich aus Werbung und Sponsoring. Über 40 Prozent der Einnahmen werden mittlerweile durch Kabelnutzungsgebühren gedeckt. Diese werden von einigen Ländern, wie zum Beispiel Rumänien, als Entgelt dafür entrichtet, daß der Sender sich in das Kabel einspeisen läßt. Im Gegenzug wird an das Progranun der Anspruch einer landesspezifischen ServiceleiBlasberg, DSF, Gespräch v. 21. 11. 1996. BJasberg, DSF, Gespräch v. 21. 11. 1996. 823 BJasberg, DSF, Gespräch v. 21. 11. 1996.
821
822
Starz, Eurosport, Gespräch v. 19. 12. 1997. Pressemappe Eurosport, Einleitung. 826 Starz, Eurosport, Gespräch v. 19.12.1997. 824
825
C. Die gegenwärtige Situation von Fernsehspartenprogrammen
415
stung gestellt. Es müssen daher auch Beiträge in der jeweiligen Landessprache gesendet werden.
b) Zielgruppe Eurosport strebt keine einzelne gesonderte Zielgruppe mit seinem Prognunm an. Es möchte vielmehr mehrere Zielgruppen zu unterschiedlichen Tageszeiten mit seinem Programm ansprechen. Das geschieht durch unterschiedliche Sportarten. Dabei wird geschlechterübergreifend vorgegangen, wie zum Beispiel Eiskunstlauf, Basketball, Bodybuilding. durch diverse Kontexte. Eurosport will als Spartenprogramm nicht Angebot für wenige, sondern für das ganze internationale Publikum sein. Sein Zielgruppenpublikum sind dabei jedoch weitestgehend Männer zwischen 30 und 49 Jahren. 827
6. VIJi:4 und VIJi:4 ZWEI VIV A und VIV A ZWEI werden von denselben Studios in Köln ausgestrahlt. Während VIV A bereits am 1. Dezember 1993 mit seiner Sendetätigkeit begann, folgte VIVA ZWEI erst am 15.' März 1995. In den Bereichen Finanzen und Verwaltung, Teclmik und Produktion wird eng miteinander zusammengearbeitet. a) Programmphilosophie Beides sind Musikspartensender, deren wesentliches Programmelement in Videoclips besteht. Sie unterscheiden sich inhaltlich durch ihre Musikfarbe und ihre redaktionelle Berichterstattung. VIVA ist auf die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Musik ausgerichtet, während VIV A ZWEI sich auf die Musik der 80er Jahre konzentriert. VIVA ZWEI verkörpert Popkultur. 828 Musikfernsehen ist nicht gleich Fernsehen. VIVA ist ein Exot, der eine Sonderstellung unter den Spartensendern einnimmt. Musik ist eine außergewöhnliche Sparte, ein "Ausdruck von Lebensgefühl". Man möchte Bilder und Emotionen transportieren. 829 Videoclips sind besonders attraktiv als Material für Spartenprogramme, da die Unterhaltungsmusikindustrie selbst aus Gründen der Vermarktung eines Pressemappe Eurosport, Abteilung "Zielgruppen". Pressemappe vrvA ZWEI, Editorial. 829 Schultz, VlVA, Gespräch v. 30. 10. 1997. 827 828
416
Teil IV: Spartenprogranune im pluralistischen Rundfunk
Musiktitels an einer Ausstrahlung interessiert ist. 83o Ferner kommt ein derartiges Programmformat gerade bei jungen Zuschauern gut an. Durch den gleichmäßigen Klangteppich werden die Sender auch als Nebenbeimedium genutzt. Das ist jedoch von dem jeweiligen Sendeformat abhängig, bei Berichterstattung z. B. wird bewußt rezipiert. Da die Bandbreite der Videoclips für jeden Sender identisch ist, wird das Profil des Senders durch die begleitenden Moderationen geprägt. Die jeweiligen Mitarbeiter müssen über "professionelle Unprofessionalität" verfügen. Der Moderator muß der Zielgruppe selbst angehören und authentisch sein. Er muß spontan sein und glaubwürdig erscheinen. 83 \ Musik ist ein internationales Stilmittel, das auch ausländische Mitbürger anspricht. Trotzdem sieht man sich nicht veranlaßt, Moderationen in ausländischer Sprache anzubieten. Im Programm vertreten sind ferner Musikbeiträge für Minderheiten; auch bei schlechter Vermarktbarkeit sind sie unentbehrliche Teile des Programmspektrums. Dadurch, daß verschiedene Musikrichtungen und -farben in das Programm eingebracht werden, stellt sich eine Vielfalt ein. Zudem wird in der redaktionellen Berichterstattung auf Meinungsvielfalt geachtet, soweit das möglich ist. 832 Ferner befaßt man sich im Programm von VIVA intensiv mit den Themen, die Jugendliche beschäftigen. Ihnen wird durch spezielle Aktionen die Möglichkeit gegeben, ihre Probleme an den Sender heranzutragen. VIV A wird damit zu einem "aktiven Kommunikationspartner',.833
b) Zielgruppe VIV A und VIVA ZWEI sind auf eine bestmögliche Zielgruppengenauigkeit ausgerichtet. 834 Während die Zielgruppe von VIVA aus Jugendlichen zwischen 14 und 29 Jahren besteht, liegt die Zielgruppe von VIVA ZWEI bei den 25 bis 49jährigen. Die Ansprache der Gruppen erfolgt über verschiedene Musikrichtungen. Die Grenzen sind trotzdem fließend. 835
Faul, Fernsehprogranune S. 8283. Schultz, VIVA, Gespräch v. 30. 10. 1997. 832 Schultz, VIVA, Gespräch v. 30. 10. 1997. 833 Pressemappe Viva, Editorial. 834 ScllUltz, VIVA, Gespräch v. 30.10.1997. 835 Schultz, VIVA, Gespräch v. 30. 10. 1997. 830 83\
C. Die gegenwärtige Situation von Fernsehspartenprogrammen
417
7.MTV a) Programmphilosophie MTV sendet aufgrund einer ITC Lizenz aus London. Er hat auch einen Sitz in Hamburg. In Deutschland strahlt er sein Programm seit dem 1. 3. 1989 aus. MTV hat als einer der ersten Spartensender das Format eines Musikprogramms geprägt. Durch die Ausstrahlung von Videoclips, die durch Überleitungen weitestgehend in englischer Sprache verbunden werden, verfiigt er über ein internationales Flair, das bei den Jugendlichen in Deutschland auf positive Resonanz stieß. Der Sender ist international betrachtet der erfolgreichste Musiksender, der den Musik- und TV-Markt revolutioniert hat. 836 Musikfernsehen im Fernsehen wurde so etabliert. Die deutsche Konkurrenz durch VIV A und VIVA ZWEI wurde zunächst nicht ernst genommen. Als deren Zuschauerschaft sich jedoch beständig vergrößerte, reagierte man mit einer Programmreform, um seine Stellung im deutschen Rundfunkmarkt zu behaupten. Es wurden Programmfenster mit deutschen Moderationen eingeführt. Man will dadurch einen engeren Kontakt zum Publikum herstellen und den spezifischen Wünschen des deutschen Marktes entsprechen. 837 Charakteristisch für MTV ist sein globales Programm und seine Sprachenvielfalt. Zudem werden Werbung und Programm auf innovative Weise zusammengeführt, ohne deren Inhalte zu verwässern. 838 Das junge und kritische Zielgruppenpublikum soll durch ein authentisches, innovatives und internationales Programm überzeugt werden. 839 Man ist mehr als Musikfernsehen, die "MTV-Generation" versteht ihren Sender als Teil ihres Lebensstils. 840
b) Zielgruppe Zielgruppe sind Jugendliche von 14 bis 29 Jahren. Rund zwei Drittel der Zuschauer von MTV stanunen aus diesem Segment der Gesellschaft. 841 Die Zielgruppe entspricht der von VIVA. Zwischen diesen beiden Sendern bestehen daher Übersclmeidungen in den Programminhalten. Pressemappe MTV "The story ofMTV". Pressemappe MTV "Thestory ofMTV". 838 Pressemappe MTV "The story ofMTV". 839 Pressemappe MTV ,,All about MTV", S. 3. 840 Pressemappe MTV ,,All about MTV", S. 5. 841 Pressemappe MTV ,,All about MTV", S. 11. 836
837
27 Poil
Teil IV: Spartenprogranune im pluralistischen Rundfunk
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8. Super RTL
Der Spartensender Super RTL nahm seine Programmtätigkeit am 28. April 1995 auf. Super RTL ist ein Einzelunternehmen. Es bestehen keine strukturellen Verbindungen zu RTL, nur der Gesellschafter dieser Sender - ein luxemburgisches Medienunternehmen - ist identisch. Super RTL hat seinen Sitz in Köln, wo 49·feste Mitarbeiter tätig sind. Die teclmischen Dienstleistungen sind ausgelagert. a) Programmphilosophie Super RTL ist auf den Bereich der Unterhaltung ausgerichtet. Zeichentrickserien, Tierdokumentationen und Spielfilme zählen zu den Bestandteilen seines Programms. 842 Dabei ist Super RTL auf die Schaffung eines unverwechselbaren Senderprofils bedacht. Das Charakteristikum von Super RTL liegt in der Ausstrahlung von Walt Disney-Filmen. 843 Ein Zugriff auf diese wird Super RTL dadurch erleichtert wird, daß die Walt Disney Company mit einem Gesellschaftsanteil von 50 Prozent am Sender beteiligt ist. Der Anteil an Eigenproduktionen liegt demgegenüber bei 20 Prozent des Gesamtprogramms. Super RTL versteht sich nicht als Kinder- sondern als Farniliensender. Erreicht werden sollen Kinder und ihre Eltern. Daher hat man sich fiir ein zeitlich umfangreiches Programm von 19 Stunden täglich entschieden. Als publizistisches Medium fuhlt sich der Sender zu Vielfalt verpflichtet. Dabei war es zunächst schwierig, den Landesmedienanstalten den außergewöhnlichen Vielfaltsbeitrag eines Familiensenders nahezubringen. Das hat sich jedoch mittlerweile geändert und in zahlreichen Zulassungsentscheidungen bezüglich einer Einspeisung in das Kabelnetz niedergeschlagen. 844 Im Programm wird auf die Darstellung von roher Gewalt und Sex verzichtet. Der Sender hat sich selbst höhere als die bestehenden Jugendschutzbestimmungen auferlegt, um bei Eltern und Kindern ein Vertrauen für die Kindertauglichkeit des Programms aufzubauen. Jeder Mitarbeiter des Senders nimmt demzufolge die Funktion eines Jugendschutzbeauftragten wahr. 845 Die Werbung pro Stunde beträgt zwölf bis fünfzehn Minuten. Dafür werden keine Sendungen unterbrochen, auch nicht für eigene Werbetrenner. 846 Pressemappe Super RTL. Seitz, Super RTL, Gespräch v. 844 Seitz, Super RTL, Gespräch v. 845 Seitz, Super RTL, Gespräch v. 846 Seitz, Super RTL, Gespräch v.
842
843
31. 31. 31. 31.
10. 10. 10. 10.
1997. 1997. 1997. 1997.
C. Die gegenwärtige Situation von Fernsehspartenprogrammen
419
b) Zielgruppe Trotz seiner Ausrichtung als Familiensender, liegt die Kernzielgruppe des Senders bei Kindern im Alter von drei bis dreizehn Jahren. 847 Diese bestimmen die Zuschauerstruktur zu 60 Prozent, während die übrigen 40 Prozent bei 14 bis 49jährigen liegen. Nur wenige Zuschauer sind in der Altersgruppe ab 50 Jahren vorhanden, da diese nur wenig Interesse an Zeichentrickfilmen haben. 9. Nicke/odeon
Der Kindersender Nickelodeon wird seit dem 11. Juli 1995 in Deutschland ausgestrahlt; gegründet wurde er bereits am 12. Januar 1995. Der Name stammt aus alten Zeiten des amerikanischen Films, wo man den Kinoeintritt mit einer Münze - einem Nickel - beglich. 848 Im Kabelnetz teilte sich Nickelodeon zunächst einen Platz mit Arte, der sein Programm ab 19 Uhr ausstrahlte. Im Januar mußte Nickelodeon seinen Platz länderübergreifend an den öffentlich-rechtlichen Kinderkanal abtreten. Laut Stötzel habe man diesem Sender daher ein "vorgewärmtes Bett" geliefert. 849 Nickelodeon mußte sich im Kabel umorientieren und in einer aufwendigen Werbeaktion das Zuschauerklientel über seinen Wechsel informieren. a) Programmphilosophie Nickelodeon Deutschland ist einer von vielen Programmablegern weltweit. Begonnen wurde 1979 in USA, es folgten Programme in Großbritannien, Australien und Lateinamerika und seit neustern auch in Schweden. 850 Trotzdem wird stets auf die spezifischen Sehgewohnheiten vor Ort eingegangen. 851 Er war der erste Sender, der nur für Kinder konzipiert wurde. Ihm wird daher in dieser Hinsicht ein wertvoller Vorsprung attestiert, den er gegenüber dem darauffolgenden starken Aufgebot an Kindersendern zu nutzen wissen möchte. 852 Programmziel ist Gleichbehandlung und Integration von Kindern aller Kulturen. 853 Super RTL Newsletter August 1997, S. 8. FAZ v. 31. S. 1996, S. 26. 849 Stötzel, Nickelodeon, Gespräch v. 29. 10. 1997. 850 Reinhard Kleber, Funkkorrespondenz NT. 10 V. 7. 3. 1997, S. 6. 85\ Reillhard Kleber, FUllkkorrespondenz NT. 10 V. 7. 3. 1997, S. 6. 852 Gangloff, epd medien NT. 11 v. 14.2. 1996, S. 4,6. 853 Andreas Schotz, Mediagrulmn April 1997, S. 9.
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27"
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
Nickelodeon ist ein Sender, der an den Interessen der Kinder ausgerichtet ist und nicht daran, was Eltern für ihre Kinder wollen. 854 Es wird Fernsehen von Kindern für Kinder gemacht. Hierfür steht eine innovative, international orientierte Programmform zur Verfügung. Der Sender möchte Kinder nicht nur unterhalten und informieren, sondern ihnen auch Gehör verschaffen. Kinder werden unter anderem durch interaktive Programme direkt in das Programm involviert. 855 Durch den direkten Einbezug der Kinder wird Meinungsvielfalt gewährleistet. 856 Die Mitarbeiter von Nickelodeon zeichnen sich durch ein Gefühl für Kinder und deren Bedürfnisse aus. Sie müssen engagiert und erfahren, innovativ und kreativ sein. Das ist das besondere Profil, das der Sender als "nicklike" bezeichnet. 857 . Zu seinem Erfolgsrezept gehört des weiteren seine intensive Marktforschung. Vorlieben der Kinder und Erwartungen der Eltern werden in konkreten Programmformaten umgesetzt. 858 In freiwilliger Selbstbeschränkung wird der Werbeanteil des Senders auf sieben Minuten pro Stunde reduziert. Zudem wird jeder Spot auf seine Eignung für Kinder überprüft. 859 Ein hoher Bestandteil des Programms bildet demgegenüber Werbung in Form von Programmhinweisen in eigener Sache.
b) Zielgruppe Zielgruppe sind Kinder im Alter von drei bis 13 Jahren. 860 Zuschauer von Nickelodeon liegen schwerpunktrnäßig im Alter von 6 bis 13 Jahren, bei Super RTL sind es 3 bis 9 Jahre. 861
c) Einstellung des Programms Der Sender Nickelodeon stellte zum3l. 5. 1998 sein Programm ein. 862 Im wesentlichen ist das auf die Konkurrenz durch den Kinderkanal zurückzuführen. Stötzel, Nickelodeon, Gespräch v. 29.101997. Andreas Scholz, Mediagramm April 1997, S. 9. R56 Stötzel, Nickelodeon, Gespräch v. 29. 10 1997. 857 Stötzel, Nickelodeon, Gespräch v. 29. 10. 1997. R5R Reinhard Kleber, Funkkorrespondenz Nr. 10 v. 7. 3. 1997, S. 6, 7. R59 Andreas Scholz, Mediagramm April 1997, S. 9. R60 Andreas Scholz, Mediagramm April 1997, S. 9, 10. R61 Andreas Scholz, Mediagramm April 1997, S. 9, 11.
K54 R55
C. Die gegenwärtige Situation von Fernsehspartenprogrammen
421
10. Kinderkanal
Der öffentlich-rechtliche Kinderkanal mit Sitz in Erfurt ist seit dem 1. 1. 1997 auf Sendung. Es ist ein Gemeinschaftsprogramm von ARD und ZDF.
a) Programm philosophie Er hat sich zum Ziel gesetzt, "ein attraktives Programmangebot" auszustrahlen "mit dem Anspruch, zur Geschmacksbildung beizutragen und eine qualitative mediale Sozialisation zu unterstützen. ,,863 Kinderfernsehen ist nach Ansicht der Veranstalter ein unentbehrlicher Bestandteil der Rundfunklandschaft. Kinder vom Fernsehen abzuhalten, bedeutet, ihnen ein Stück Realität zu verschließen. 864 Ein Programm für Kinder zählt damit zu den Kernaufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. 865 Zudem werden Präferenzen des Zuschauerverhaltens bereits in frühen Jahren vorherbestimmt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk dürfe die Gruppe der Kinder als die Erwachsenen von morgen nicht verloren geben. 866 Der Sender ist eine Alternative zu den kommerziellen Kinderangeboten. Er leistet besonders den Eltern eine wertvolle Hilfestellung. Primär soll der Sender jedoch von den Kindern akzeptiert werden. Sie sind die "ersten und wichtigsten Adressaten dieses Kanals".867 Durch qualitativ hochwertiges Programm wird der emotionalen Entwicklung der Heranwachsenden entsprochen. 868 Durch Kommunikation mit den Kindern werden ihre Erwartungen in der täglichen Programmplanung berücksichtigt. Der Sender möchte der Kinderprogrammanbieter auf dem deutschen Fernsehmarkt werden, der "Programmwerte mit langfristiger Wirkung"869 entwickelt. Der Programmschwerpunkt liegt im Unterhaltungsbereich. 870 Zu seinen Inhalten zählen Sendungen und Serien der öffentlich-rechtlichen Vollprogramme. Es werden aber auch neue Wege beschritten wie die Entwicklung eines
Dazu Lilienthai epd medien NT. 43 v. 6. 6. 1998, S. 3 fT. Pressemappe Kinderkanal, S. I. 864 Programmkommission ARD/ZDF, MP 1997, S. 17. 865 Programmkommission ARD/ZDF, MP 1997, S. 17, 18. 86bProgrammkommissionARD/ZDF, MP 1997, S. 17, 18. 867 Programmkonunission ARD/ZDF, MP 1997, S. 17,22. 868 Programmkommission ARD/ZDF, MP 1997, S. 17. 869 Pressemappe Kinderkanal, S. 3. 870 Pressemappe Kinderkanal, S. 3.
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Teil IV: Spartenprograrrune im pluralistischen Rundfunk
spezielles Infonnationsangebots für Kinder, eventuell im Nachrichtenformat. 871 . Es wird eine Identifikationsfigur, ein Kinderkanalcharakter geschaffen. Die Werbefreiheit macht den Kinderkanal zu einer Schutzzone die Heranwachsenden, die für Werbung besonders empfänglich sind und daher in anderen Sendern von der Werbeindustrie in hohem Maße angesprochen werden. 872
a) Zielgruppe Zielgruppe des Kinderkanal ist die Gruppe der drei - .bis 13jährigen. 873 Er tritt damit in direkte Konkurrenz zu den privatrechtlichen Kinderprogrammen Nickelodeon und Super RTL.
J 1. Der Wetterkana/- bereits Rundfunkgeschichte
Der Wetterkanal mit Sitz in Düsseldorf startete am 3. Juni 1996. Programmdirektor ist Jörg Kachelmann, als einer der insgesamt 35 dort Beschäftigten. 14 davon sind Meteorologen.
a) Programmphilosophie Als wichtigste Aufgabe erachtet der Sender die verständliche Präsentation von Wetterdaten. 874 Der Sender verfügt über eine "bisher einzigartigen Service-Orientierung".875 Der Wetterkanal erhebt an sich den Anspruch, genauere als die bisher üblichen Wettervorhersagen zu senden und damit die Glaubwürdigkeit der Wetterprognosen zu steigern. Die Fehlerquote liegt bei maximal einem Grad Unterschied. 876 Geboten wird eine flächendeckende lokale Wetterberichterstattung. Mittels eines speziellen Computerprogramms wird per Kabel das Lokalwetter zu bestimmten Sendeplätzen eingespeist. 877 Sechs Mal pro Stunde werden Wetter871 Progranunkonunission ARD/ZDF, MP 1997, S. 17, 21. Progranunkomrnission ARD/ZDF, MP 1997, S. 17, 22. s. 1. 874 Vogt, wiedergegeben bei Schümchen, Medien Bulletin NT. 2 1997, S. 104, 105. m Vi,foaus, Mediagramm April 1997, S. 13, 14. 876 Heinrich, Der Wetterkanal, Gespräch v. 29. 10. 1997. 877 Viejhalls, Mediagranun April 1997, S. 13.
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873 Pressemappe Kinderkanal,
C. Die gegenwärtige Situation von Fernsehspartenprogrammen
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beobachtungen aktualisiert. 878 Das Verhältnis zwischen Wetter- und ReiseprogrammteiJen beträgt 70 : 30. Randbereiche des Programms sind Gesundheit, Garten und Sport soweit wetterbezogen. 819 Im Unterschied zu der großen Zahl der Musikkanäle leistet der Wetterkanal durch sein Programm einen besonderen Beitrag zur Vielfalt. Dies hat sich bei den Entscheidungen der Medienanstalten über die Einspeisung des Senders in das Kabelnetz ausgewirkt. Man hebt sich in seinen Inhalten deutlich von anderen Sendern ab. 880 Durch das Lokalisierungsprinzip wird darüber hinaus ein landesspezifischer Bezug hergestellt. 881 Dadurch, daß das amerikanische Pendant "Weather ehannel" Hauptgesellschafter des Wetterkanals ist, kann von dessen Erfahrungen profitiert werden. Dabei ist das Interesse am Wetter in Deutschland sogar noch größer als in Amerika. 882 Trotzdem wird das amerikanische Format nicht einfach in das deutsche Fernsehen übertragen. 883 Man hat sich den deutschen Gegebenheiten angepaßt. Die Primetime rur das Interesse an Wetterinformationen liegt zwischen sechs und neun Uhr morgens. Bezüglich der Werbung ist der Sender besonders reizvoll rur saisonale Produkte. deren Absatz durch das Wetter bestimmt wird, also Werbung mit "Wetter-Affinität".884 Durch die spezielle lokale Wetterberichterstattung besteht zudem die Möglichkeit, nationale Spots durch die Nennung lokaler Händler zu ergänzen.
b) Zielgruppe Die Zielgruppe des Wetterkanals ist breit gefächert. Ihr gehören "Entscheider, Geschäftsreisende, Wochenendplaner, Familien mit gehobenen Einkommen" an. 885 Von besonderem Interesse ist das Programm fiir die Klientel, die in ihrer Tätigkeit vom Wetter abhängig ist wie Bauern, Freiluftarbeiter, Freizeitsportler, aber auch Hobbypiloten und -meteorologen. 886 Altersmäßig ist die Heinrich, Der Wetterkanal, Gespräch v. 29. 10. 1997. Heinrich, Der Wetterkanal, 29. 10. 1997. 880 Böhmer, wiedergegeben bei Schümchen, Medien Bulletin Nr. 2 1997, S. 104. 881 Heinrich, Der Wetterkanal, Gespräch v. 29. 10. 1997. . 882 Schümchen, Medien Bulletin Nr. 2 1997, S. 104. 883 Kachelmann, wiedergegeben in Medienspiegel Nr. 16 v. 15.4. 1996, S. 6. 884 Schümchen, Medien Bulletin Nr. 2 1997, S. 104, 105. m Viejhaus, Mediagranun April 1997, S. 13. 886 Schümchen, Medien Bulletin Nr. 2 1997, S. 104, 105. 878 879
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundfunk
Zielgruppe auf die der 14- bis 49jährigen begrenzt. Es gibt eine leichte männliche Dominanz. 887 Das Senderprofil ist durch einen hohen Wiederholungsanteil geprägt. Das Programm ist daher nicht für Dauerseher geeignet. 888 Entsprechend den Ergebnissen der Marktforschung liegt die Verweil dauer bei 20 Minuten. 889 c) Einstellung des Programms Wegen Gesellschafterverlusts mußte der Wetterkanal sein Programm am 29. 1. 1998 einstellen. Wenig später gab der Sender seine Lizenz zuIiick.
J2. Vom Sparten- zum Vol/programm: Kabel J
Der Fernsehsender Kabel I mit Sitz in Unterföhring nimmt in dieser Darstellung eine Sonderrolle ein. Er begann seine Rundfunktätigkeit am 28. 2. 1992 unter dem Namen "Der Kabelkanal". Als Spartenprogramm, das sich dem Bereich der Unterhaltung, insbesondere der Ausstrahlung von Spielfilmen widmete, erhielt es am 15. Mai 1997 die Lizenz der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, sich zum Vollprogramm weiterzuentwickeln. a) Progranunphilosophie Als Spartenprogramm erwies er sich als jugendorientierter Sender. Kennzeichnend für Kabel I sind flache Strukturen. Mit nur knapp SO Mitarbeitern konzentriert sich der Sender auf seine Kernkompetenzen und kann sein Hauptaugenmerk somit auf inhaltliche Schwerpunkte richten. Ausgelagerte Bereiche wie z. B. Produktion und Vermarktung werden von Partnern aus der ProSiebenGruppe übernommen. Kabel 1 verfugt mit dieser Struktur über optimale Voraussetzungen für den Weubewerb. 89o Die Meinungsvielfalt im Kabel i-Programm entsteht durch die Unabhängigkeit des Senders von etwaigen Aufsichtsgremien und Rundfunkräten. Ressortleiter und Redakteure bestimmen die Auswahl der Themen und ihre Aufbereitung. Dabei wird auf einen umfassenden Qualitätsanspruch geachtet, der Kabel 1 von anderen Programmanbietern dieser Größe unterscheidet. 891 Heinrich, Der Wetterkanal, Gespräch v. 29. 10. 1997. Dössei, SZ v. 24. 7. 1997 S. 12. 889 Viejhaus, Mediagramm April 1997, S. 13. 890 Fink, Kabel I, Schreiben v. 3. Il. 1997. 891 Fink, Kabel I, Schreiben v. 3. Il. 1997. BB?
BBB
C. Die gegenwärtige Situation von Fernsehspartenprogranunen
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b) Wechsel zum Vollprogranun Die Erweiterung zum Vollprogramm bedeutet für Kabel 1 eine außerordentliche Wachstumschance. Mit diesem Ausbau kann Kabel 1 noch stärker in den direkten Wettbewerb mit RTL2 und VOX treten, da nun auf programminhaltlicher Ebene der unmittelbare Vergleich zwischen den Sendern möglich ist. Kabel 1 will seinen Zuschauern und seinen Werbekunden beweisen, daß seine Kompetenz nicht nur im Unterhaltungssektor, sondern auch im Informationsbereich liegt.892 Das hat aber nicht zur Folge. daß der Sender seine Position als Unterhaltungsprogramm aufgibt. Außerdem dient die Erweiterung der Lizenz einer besseren medienpolitischen Absicherung. Allein der Ausbau zum Vollprogranun sichert die Erschließung breiter Zielgruppen und das notwendige medienrechtliche Gewicht bei der Kanalbelegung.893 Konkreter Anlaß für die Umwandlung zum Vollprogramm bildete die GefallT, aus dem Kabelnetz in Nordrhein-Westfalen genommen zu werden. Dies konnte man durch die Umwandlung der Programmstruktur verhindern. Als Vollprogramm setzt Kabel lauf die Bestandteile Bildung, Beratung und Infonnation. Im Zuge der Erweiterung von einem Spartensender, der rein unterhaltungsorientiertes Programm geboten hat, zu einem Vollprogramm, wurde eine komplette und umfassende Infonnationsleiste eingesetzt. Die Einführung eines Nachrichtenteils ist dabei elementarer Bestandteil der Programmreform. 894 Bei der Nachrichtenkonzeption bedient sich Kabel 1 des Korrespondentennetzes von Pro sieben. Weitere Programmergänzungen im Zuge des Vollprogralnms sind Dokumentationsschienen, die den Infonnations- und Bildungsanteil am Programm erweitern.
c) Zielgruppe Die Definition der Zielgruppe von Kabel 1 hat sich durch die Erweiterung zum Vollprogrrunm nicht verändert. Nach wie vor spricht Kabel 1 die Gruppe der 14 bis 49jährigen mit dem Schwerpunkt gefestigte Fatnilie an. 895 Allerdings sollen neue Potentiale itlllerhalb dieser Altersgruppe durch Aktualität und Innovationen erschlossen werden. da durch die Erweiterung des Programms den Zuschauern die Möglichkeit gegeben wird, sich auch auf ihrem Sender umfassend und aktuell informieren zu können. Fink, Kabel I, Schreiben Bauer, wiedergegeben in: 894 Bauer, wiedergegeben in: 895 Fink, Kabell, Schreiben 892
893
v. 3. 11. 1997. Tendenz NT. 1 1997, S. 48, 49. Funkkorrespondenz NT. 21 v. 23. 5. 1997, S. 11. v. 3. ll. 1997.
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Teil IV: Spartenprogramme im pluralistischen Rundtunk
III. Resümee Das gegenständliche Spektrum, das durch die Fernsehspartenprogramme abgedeckt wird. ist vielschichtig. Es kristallisieren sich bestimmte Sparten heraus, die für einen Sender als besonders rentabel sind und daher eine Vielzahl von Anbietern zulassen. Hier ist der Konkurrenzkampf um die Gunst der Zuschauer besonders hoch. Ferner genügt es nicht, eine bisher unerschlossene Sparte in seinem Programm auszustrahlen, um beim Rezipienten auf positive Resonanz zu stoßen. Die Inhalte müssen sich in Intensität und Darstellungsweise von denen eines Vollprogramms abheben, um den Zuschauer zu überzeugen. Generell zeichnet sich der Spartenprogrammarkt durch große Unruhe aus. Viele Sender haben ihr spezielles Programmformat und damit ihre Zielgruppe noch nicht gefunden. Sie befinden sich in einer Orientierungsphase, die durch das Angebot der Konkurrenten erheblich beeinflußt wird. Trotz des geringeren finanziellen Aufwands im Vergleich zu einem Vollprogramm ist es schwierig, ein Spartenprogramm erfolgreich auf dem Markt zu positionieren. Bisher schreibt keines der in Deutschland lizensierten Spartenprogramme schwarze Zahlen. Die Gefahr, in den Anfangsjahren einen finanziellen Einbruch zu erleben, ist stets latent vorhanden. Das bestätigen die Sendeeinstellungen von Nickelodeon und dem Wetterkanal. Spartenprogramme sind derzeit von der Gunst ihrer Gesellschafter abhängig. Der Kampf um die Kabelplätze wird im wesentlichen im Bereich der Spartenprogramme ausgetragen. Vollprogramme haben in diesem Bereich weniger Schwierigkeiten. Daraus ergeben sich programmliche Zwänge - Beispiel hierfür ist die Programmreform von Kabel I. Warum gerade eine zusätzliche Informationsschiene, wie sie in vielen anderen Sendern auch geboten wird, eine Bevorzugung bei der Kabeleinspeisung rechtfertigt, ist nicht nachvollziehbar. Auffällig ist ferner, daß das Zielgruppenpublikum der Spartensender in der Regel bei 49 Jahren endet. Diese Tendenz wird im wesentlichen durch die Werbefinanzierung vorgegeben. Für die Werbeindustrie sind ältere Menschen aufgrund ihrer Produkttreue unattraktiv. Diese Einstellung ist kritisch zu hinterfragen. da es sich bei älteren Menschen um ein finanzkräftiges Klientel handelt. In diesem Bereich verzeichnet die gesamte Rundfunklandschaft eine Lücke, die es aufzufüllen gilt.
Teil V: Zusammenfassung und Ausblick A. Das Spartenprogramm Das Spartenprogramm ist das Programmgenre der Zukunft. Es wird in Hörfunk und Fernsehen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Denn es erweist sich sowohl für den Rezipienten als auch für den Veranstalter als überwiegend vorteilhaft. Der Trend zur Sparte wird ferner dadurch gefördert, daß im Bereich der Vollprogramme kaum neue Angebote zu erwarten sind. Der hohe Finanzaufwand und die verstärkte Konkurrenz verringern die Marktchancen dieses Programmgenres. Da der Programmtyp Vollprogramm für den Rezipienten jedoch viele Vorteile bietet, wird er auch in Zukunft im Rundfunkangebot vertreten sein. Die jahrelange Adaption einer passiven Haltung gegenüber dem Medium Rundfunk führt dazu, daß der Zuschauer erst langsam zu einer aktiveren Nutzung übergehen wird. Manche werden sich auch aus verschiedenen Motiven, wie aus dem Bedürfnis nach Entspannung oder aus Überforderung, weiter die Zusammenstellung ihres Programms abnehmen lassen. Dies ist eine Dienstleistung gegenüber dem Rezipienten. Auf der anderen Seite vollzieht sich eine Annäherung der Programmtypen. Mittlerweile besteht die Möglichkeit, daß sich ein Spartenprogramm allein durch die Einfügung einer Informationsschiene zum Vollprogramm entwikkelt, auch unter Beibehaltung seiner Zielgruppe - wie das bei Kabel I der Fall ist. Das Vollprogramm als Gesamtangebot, das den Großteil der Bevölkerung erreicht, ist ab einer bestimmten Programmzahl des Rundfunkangebotes nicht mehr zu realisieren. Es büßt dadurch seine einigende Wirkung für die Gesellschaft ein. Die Unterschiede zwischen den Programmgenres verschmelzen. Mit der Zunahme der Spartenprogramme wächst das Bedürfnis, diese rechtlich und tatsächlich in die Rundfunklandschaft einzubetten. Da ein Spartenprogramm auf einen bestimmten Kreis der Gesellschaft ausgerichtet ist eine Zielgruppe hat - sollte dieses Merkmal aus Gründen der Rechtssicherheit in seine Definition übernommen werden. Denn ein Spartenprogramm ist stets Zielgruppenprogramm, während ein Zielgruppenprogramm nicht unbedingt unter die Definition eines Spartenprogramms fallt. Im Hinblick auf die im Rundfunk herzustellende Meinungsvielfalt kann nicht jedes Spartenprogrammangebot denselben Anforderungen unterliegen,
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Teil V: Zusammenfassung und Ausblick
wie das bei den Vollprogrammen der Fall ist. Es müssen spartenspezifische Regelungen getroffen werden. Dabei sollten die positiven Eigenschaften von Spartenprograrnmen genutzt und dafür Sorge getragen werden, daß im einzelnen Programm keine Meinungseinfalt entsteht. Kommt man dem nach, kann von Spartenprogrammen keine Gefährdung des Pluralismus im Rundfunk ausgehen. Spartenprogramme sollten daher als Chance und nicht als Risiko für die Rundfunkfreiheit begriffen werden. Sie entsprechen einem gesellschaftlichen Bedürfnis. Der Rezipient und nicht der Gesetzgeber sollte damit über Anzahl der Spartenprogramme entscheiden. Schwierigkeiten hingegen werfen die öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme auf. Hier offenbaren sich Angleichungsprozesse der bei den Säulen des dualen Rundfunksystems, die durch die Gebührenfinanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für Mißverhältnisse sorgen. Die beiden öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme Phoenix und Kinderkanal verstoßen gegen die Wettbewerbsfreiheit. Ihre Gebührenfinanzierung stellt ferner eine unzulässige Beihilfe nach Art. 92 EGV dar. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bedarf einer Neupositionierung. Er kann entweder die Position als Anbieter von meritorischen Rundfunkangeboten einnehmen, die durch die Gebühren subventioniert werden, oder als gleichwertiger Konkurrent des privatrechtlichen Angebots, der damit auch den gleichen finanziellen Bedingungen ausgesetzt ist, d. h. privatisiert wird. Man sollte die Gebühr als finanzielle Hilfestellung für außergewöhnliche Rundfunkangebote begreifen. Nicht zu vergessen, ist sie aus einer wirtschaftlichen Notsituation nach dem zweiten Weltkrieg entstanden. Sie muß damit nicht primäres Finanzierungsmittel im Rundfunk sein, wenn sich Programme auch auf andere Weise finanzieren lassen. Besonders bedenklich ist daß der GebührenzaWer mittlerweile Programme finanzieren muß, die er faktisch gar nicht rezipieren kann. Die Diskussion um die Zugehörigkeit der Spartenprogramme zur Grundversorgung zeigt, daß der Rundfunk mit früheren Vorgaben des BVerfG nicht mehr abschließend zu erfassen ist. Grundversorgung wird ein essentielles Element im Rundfunk bleiben. Seine Bedeutung wird jedoch mit der Zunalune des Rundfunkangebots sinken. Spartenprogramme gehören nicht der Grundversorgung, wohl aber dem klassischen Auftrag des Rundfunks an, der das öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot in seiner Gesamtheit umfaßt. Zum Erhalt des publizistischen Wettbewerbs sollte sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in diesem Bereich aber auf unterbelegte Sparten mit hohem qualitativen Wert beschränken. Denn der
A. Das Sparten programm
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privatrechtlichen Seite gebührt die Chance, Spartenprogramme gewinnbringend betreiben zu können. Das Rundfunkangebot sollte insgesamt dergestalt konzipiert sein, daß der Rezipient davon den höchsten Nutzen trägt. Gerade die Diskussion um die öffentlich-rechtlichen Spartenprogramme wird jedoch nicht aus Rezipientensicht, sondern aus dem Blickwinkel der Rundfunkveranstalter geführt. Wenn es eine Bestandsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt, wieso soll es dann nicht auch eine Bestandsgarantie für den Rezipienten auf bestimmte öffentlich-rechtliche Angebote geben ? Danach ist es den öffentlich-rechtlichen Anstalten untersagt, die Vollprograrnme von ARD und ZDF ihrer Inhalte zu entleeren, um sie auf Spartenprogramme zu verteilen. Dieser Trend ist den Entwicklungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks jedoch zu entnehmen. Besonders die digitalen Pläne von ARD und ZDF sind refonnbedürftig. Sicherlich steht den öffentlich-rechtlichen Anstalten eine Programmautonomie zu, dabei dürfen sie jedoch nicht ihre besondere Verantwortung für die Gesellschaft vernachlässigen. Ältere Menschen, die allein mit dem öffentlichrechtlichen Angebot aufgewachsen sind und Schwierigkeiten haben, das Rundfunkangebot in seiner Fülle zu überblicken, bedürfen der Gewißheit der bekannten öffentlich-rechtlichen Vollprogramme. Zudem werden kaum Programme für die älteren Bevölkerungsschichten konzipiert. Wenn sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk dem Wettbewerb stellen möchte und sein Prograrnmangebot ausweitet, muß er wie jeder andere privatrechtliche Anbieter auch etwas Neues zu bieten haben. Aufgrund eines Integrationsauftrags kann den öffentlich-rechtlichen Anstalten eine Verspartung hingegen nicht versagt werden. Der in Art. 5 I S. 2 GG verankerte Integrationsauftrag des Rundfunks richtet sich grundsätzlich an alle Rundfunkveranstalter und kann nicht allein von einem Teilbereich des Rundfunks geleistet werden. Diesem Auftrag muß so effektiv wie möglich nachgekommen werden. Zudem können auch Spartenprogramme ihren Beitrag hierzu leisten und den Vorgang der Integration im Zusammenspiel mit den Vollprograrnmen vervollkommnen. Gefährliche Nischen für die gesellschaftliche Integration sind erst durch die Kombination von Spartenprograrnmen mit einer Finanzierung durch Pay TV zu erwarten. Daher muß in diesem Bereich eine verstärkte Kontrolle der Rundfunkveranstalter erfolgen.
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Teil V: Zusammenfassung und Ausblick
B. Der Pluralismus Der Pluralismus des Rundfunks sollte mehr unter dem Blickwinkel der Pluralismustheorien gesehen werden. Ernsi Fraenkel schuf durch seine Pluralismustheorie die Basis für das heutige Verständnis von Staat und Gesellschaft. Frühzeitig wurden die Schwächen des Pluralismus erkannt, insbesondere die Schwierigkeit, Interessen in eine gesellschaftliche Organisation umzusetzen und ihnen dadurch Einfluß zu verschaffen. Viele Aspekte der Pluralismustheorie treffen ebenfalls für den Pluralismus im Rundfunkbereich zu, auch wenn die Pluralismustheorie aufgrund der Offenheit des Rundfunksystems nicht vollständig auf den Rundfunk übertragbar ist. Die Neigung des Menschen, etablierten Institutionen beizutreten, ist in letzter Zeit zurückgegangen. Das ist mit auf den Einfluß der Medien zurückzuführen. Sie verschaffen einen Artikulationsraum und eine Beachtung, die früher nur mittels Vereinigungen zu erhalten war. Der Rundfunk wird dadurch zunehmend zur Austragungsebene der Gesellschaft, ohne daß eine Gruppenbildung stattfindet. Aufgaben, die sich auf der Grundlage der Pluralismustheorien ergeben, sind die Förderung von Toleranz und Integration im Rundfunk. Dabei wird sich die Integration im Rundfunk in anderer Weise vollziehen als bisher üblich. Sie wird nicht mehr räumlich, sondern technisch durch neuartige Kommunikationsmittel bewirkt werden. Durch den zunehmenden Individualisierungstrend in der Gesellschaft wird die integrative Funktion des Rundfunks an Bedeutung gewinnen. Dennoch sollte man den Integrationsgedanken nicht überstrapazieren und zum primären Zweck des Rundfunks deklarieren. Zu erwarten ist ferner ein Abbau binnenpluralistischer Organisationsformen. Hierbei handelt es sich um pluralistische Instrumentarien, die nicht verfassungsrechtlich verankert sind. Sie sind kostenaufwendig und vor allem dem strukturellen Wandel in der Gesellschaft nicht mehr gewachsen. Dem Spielraum des Gesetzgebers in organisatorischer Hinsicht sind demnach keine Grenzen gesetzt, solange das Ziel eines Pluralismus im Rundfunk erreicht wird. Demgegenüber wird der vertikale Pluralismus in den Vordergrund treten. Spartenprogrammen sind mit einem binnenplural organiserten Rundfunksystem nur in engen Grenzbereichen vereinbar. Sie harmonisieren demgegenüber mit dem Modell des Außenpluralismus, das sich mit den erweiterten technischen Möglichkeiten durchsetzen wird.
C. Zukunft der Rundfunkordnung
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C. Zukunft der Rundfunkordnung Der Rundfunk steht mit der Digitalisierung vor einer entscheidenden Wende. Die Kanalvielzahl wird jedoch nicht alle Probleme lösen. Der Rezipient kann sich auch künftig nur einem bestimmten Teil des Angebots widmen. Der Bedarf an rechtlicher Regelung des Rundfunks wird zwar sinken und sich in seinen Schwerpunkten verschieben, aber keinesfalls obsolet werden. Allein aus historischen Gründen ist eine völlige Selbstkontrolle des Rundfunks abzulehnen. Auch die föderale Struktur des Rundfunks ist historisch gewachsen. Sie sollte durch Zusammenlegung von Anstalten zwar verringert, aber nicht vollständig aufgegeben werden. Bei über 200 digitalen Kanälen wird es nicht mehr darum gehen, überhaupt einen Sendeplatz zu erhalten, sondern die Rangfolge der Einspeisung in das Digitalnetz wird relevant werden. Der Zuschauer wird sich dabei weitestgehend an den ersten vierzig Plätzen orientieren, um deren Zuweisung die Rundfunkveranstalter ringen werden. Die technische Entwicklung des Rundfunks vollzieht sich in immer kürzer werdenden Zeitabständen. Will der Gesetzgeber dem gerecht werden, muß auch er daher die Möglichkeit wahrnehmen, flexibel zu sein und auf die geänderten Bedingungen zu reagieren. Das widerspricht dem elementaren Zweck der Rechtssetzung, der in einer dauerhaften Manifestation der Verhältnisse besteht. Man sollte diese juristische Herausforderung trotzdem annehmen. Im Rundfunk hat die Seherschaft die Sehherrschaft übernommen. Das individualrechtliche Moment der Rundfunkfreiheit tritt damit in den Vordergrund. Rundfunkveranstalter fordern mehr Rechte als Pflichten, sie wollen Freiraum für ihre Tätigkeit. Diese Freiheit kann jedoch nur aus einem verantwortungsbewußten Umgang mit dem Rezipienten und dem Rundfunk als Medium und Faktor der Meinungsbildung erwachsen.
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Anhang Im Rahmen der Untersuchungen wurden folgende Gespräche geführt: 1) 7. 11. 1996 Gespräch mit Geschäftsführer Ulrich Kuhlo von n-tv
2) 21. 11. 1996 Gespräch mit Programmleiter Kai Blasberg von DSF 3) 29. 10. 1997 Gespräch mit Geschäftsführer Frank Heinrich vom Wetterkanal 4) 29. 10. 1997 Gespräch mit Abteilungsleiter Research Dr. Ulf Stötzel von Nickelodeon 5) 30. 10. 1997 Gespräch mit Justiziarin Sylvia Schultz von Viva und Viva 11 6) 30. 10. 1997 Gespräch mit Geschäftsführer Dr. Klaus Radke von Phoenix 7) 31. 10. 1997 Gespräch mit Leiter der Kommunikations- und Pressestelle Andreas Seitz von Super RTL 8) 19. 12. 1997 Gespräch mit Pressesprecherin Nathalie Champagne von Euronews 9) 19. 12. 1997 Gespräch mit Pressesprecher Werner Starz von Eurosport München 10) 12. 11. 1997 Gespräch mit Leiter der Presseabteilung Bernd Schwintowski von n-tv
Ferner wurden folgende Unterlagen verwendet: 1) Pressemappe n-tv Stand Januar 1998
2) Pressemappe Phoenix Stand Oktober 1997 3) Pressemappe Euronews Stand November 1997 4) Pressemappe DSF Stand Dezember 1997 5) Pressemappe Eurosport Stand November 1997 6) Pressemappe VIV A Stand Oktober 1997 7) Pressemappe VIV A ZWEI Stand Oktober 1997 8) Pressemappe MTV Stand Oktober 9) Pressemappe Super RTL "Programm 1997/98"; inklusive Beilage Super RTL Newsletter August 1997 10) Pressemappe Kinderkanal Stand Oktober 1997
11) Antwort von Leiter der Presseabteilung Hans Fink von Kabel I v. 3. 11. 1997 auf konkrete Anfrage zum Sender
Personen- und Sachverzeichnis Annex-Mini-Vollprogranun 111 Anti-Pluralismus 138 Arbeitsgemeinschaft der westdeutschen Rundfunkanstalten siehe ARD ARD 37 f.~ 50f.; 71 f.~ 115~224~256~ 349f.;403;429 AIpanet 66 Arte 51 Astra-Satellitenkonzept 42 Ausgewogenheit 170f. Pluralismus 156 Außenpluralismus 169f.; 211 Binnenpluralismus 169 Meinungsvielfalt 216;244 Regelungsbedürftigkeit 214 Vieltaltsmaßstab 219 Wettbewerb 211 Bayerischen Landeszentrale fi1r neue Medien siehe BLM Bayerisches Rundfunkmode1l45;244 Bayern 45;87;244f. Beihilte 368f. Gegenleistung 369 staatlich 374 Berichterstattung 328 Berlin 37f.;63~87;403 Bestandsgarantie 358;429 Bildungsprogramm 361 Binnenpluralismus 165f.l95f.;221 Außen pluralismus 168;211 inhaltlich 196 Meinungsvielfalt 204 organisatorisch 243 Rundfunkgremien 203 Rundfunkratsmitglieder 206 Staatseinfluß 205 BLM244
Bredow, Hans 31f. Bundesmedienanstalt 256 Clarke, Arthur 41 Consensus omnium 139 DAB63 DDR 36;52;59f. Demokratie 135;289 Demokratieprinzip 183f. Deutsche Bundespost 40;42 Deutsche Reichspost 32f. Deutscher Femsehfunk siehe DFF Deutsches Sportfemsehen siehe DSF Deutschlandfernsehen 38 DFI 64;125 DFF 36;60 Dialektik 141;145f.;155;186 Dienstleistung 383 Digital Audio Broadcasting siehe DAB Digitalsierung 60f.;74;79;402f.;431 Digital Video Broadcasting siehe DVB Dritte Programme 39;48;400 DSF 48;52;56 f.;76;105;115;413f. Duale Rundfunkordnung 171 DVB64 EinsExtrai - Festivall-Muxx 403 Entwicklungsgarantie 329;358 Ergänzwtgsversorgung 355 Erlebnisgemeinschaft 144 Erlebnisraum 281;290 Ermächtigungsgesetz 34 Euronews 411
462
Personen-und Sachverzeichnis
Eurosport 11O;414f.
Hörfunkspartenprogramme 111
Fensterprogramm 106f Fernseh-Drahtfunk 40 Fernsehen 38 Fernsehrichtlinie 69 Fernsehspartenprogramme 109;404f F ernsehzielgruppenprogramm 111 föderale Rundfunkstruktur 254 Fraenkel, Ernst 138f;430 FRAG-Urteil 44 Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen siehe FSF Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia siehe FSM FSF 59;68;255 FSM68
Integration 68;81; 142f;271 f;330;430 Begriff 272 Doppelfunktion 277 funktionell 143 international 300 persönlich 143 Pluralismus 277 Rechtsprechung 302 sachlich 143 Wirkungsweise 273 Integrationsauftrag 282;299;358 Inhalt 286 öffentlich-rechtlich 330f Integrationsfunktioll normativ 282 real 278;334 Integrationslehre 142f;283 Integrationsmodell 333 Interessenrepräsentation 166 Internet Radio 66
Gemeinschaftsunternehmen 350 Gemeinwohl 140:145 Genossenschaftslehre 132f Gesamtprogramm 94f;335 gesellschaftlich relevante Kräfte .. 166f gesellschaftliche Relevanz 181 gesellschaftlichen Relevanz 208;261 Gesellschaftspluralismus 129 gesetzlich bestinuntes Programm 397f. gesetzlicher Gestaltungsspielraum 249 Gierke, Otto von 132f Grundkollsells 265 Gnindmandatsklausel271 Grundstandard 47; 174f;215;318 Grundversorgung 47;82;124;I72f;311; 316f;397;428 Bedeutungsverlust 322 Begriff 316 f Dynamik 320;363 Kompensationsfunktion 175;298;365f rechtliche Regelung 321 Vollversorgullg 319 HDTV61 Hertz, Heinrich 31
James, William 130 Kabel I 424f;426;428 Kabeleinspeisung 122;396f;404 Kabelrundfunk 39;43 Kartellverbot 349 KDLM 53;57 KEF 53;58[,;372;374 KEK 53;58[,;238 Kinderkanal 78;352f;360;364;385;421 f;428 Kirchgruppe 65 Klassik Radio 113 Klassischer Auftrag 125;316f;323f;356;392 Kommission Z1U' Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten siehe KEF Kommission Z1U' Ermittlung der Konzentration im Medienbereich siehe KEK Konferenz der Direktoren der Landesmedienanstalten siehe KDLM
Personen- und Sachverzeichnis Konkurrenzmodell siehe Mark1modell Koordinationsmodell 336 Kruckow, August 34 Landesmedienanstalten 54 ff. Autbau 230 Aufsichtsmaßnahmen 249 Ratsmodell 232f rechtliche Stellung 56f Versammlungsmode1l232f. Landesmediengesetze 44f Laski, Harold 13 I; 140 Lüth-Urteil 189 MABB48 Mantelprogramm 107 Marktbeherrschendes Unternehmen 348 Marktmodell 336 Marxismus 135 MDR60;225 Medienanstalt Berlin-Brandellburg sieheMABB Medienbetriebsgesellschaft45 Mediendienste 159 Mediendienstestaatsvertrag 62 Medienkonzentration 48;53;69f Meinwlgsaustausch 146 Meinungsbildung 154 f; I 78;229;242;250 Meinungsbildungsfreiheit 162 Meinungsfreiheit 132; 193 Meinungspluralismus 181 f.. Meinungsvielfalt 229;242;250;306;311 ;428 Microton-Eignungsprüfung 34 Minderheitenprogramm 297 Mischtinanzierung 389;394 Mitteldeutscher Rundfunk siehe MDR MTV417f Multimedia 66f)61 Multimedia-Gesetze 67; 127 MUSICAM61 Musicbox 46;76;102;I13f
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NDR 35;78 Neo-Pluralismus 138f Nickelodeon 419f N-Joy-Radio 78 Norddeutscher Rundfunk siehe NDR n-tv 407f NWDR 35;38 öffentlich-rechtliche Spartenprogramme 124:315f Entwicklungsgarantie 329;358 Ergänzungsversorgung 355 Gebührenversorgung 366 Grundversorgung 326 Integrationsauftrag 330f hltegrationsmodell 333f Kabeleinspeisung 396 klassischer Auftrag 355 PayTV 124f.;390 Unzulässigkeit 326f. Werbefinanzierung 388 Wettbewerbsfreiheit 342;359 Zulässigkeit 353f öffentlich-rechtlicher Rundfunk Finanzierung 175 Vielfaltsausgleich 365 Öffnungsklausel 193 Ökonomischer Wettbewerb siehe Wettbewerb Online-Dienste 66 Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg siehe ORB ORB 60;73;403 Parteien, politische 137; I 52f. ;206 Parteienherrschaft 207 Pay TV 124f;390f;429 Phoenix 78;353f;360f389f;40If;409f; 428 Pluralismus Ausgewogenheit 170 Begriff 129 Demokratieprinzip 185 hlstrumentalisierung 258 Interessenvertretung 148
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Personen-und Sachverzeichnis
Leitmotiv des GG 153 Rechtsprechung 164 Relativität 146 Rundfunk 152 Rundfunkrecht 181 Toleranz 149 verfassungsrechtliche Verankerung 193 Zielwert der RundtUnkfreiheit 194 Pluralismustheorie 132f. heutige Bedeutung I 5 I Rundfunk 153 Pluralistische Rundfwlkregelungen 195f. positive R~dfunkordnung 259 Premiere 65 Pressefreiheit 187 Printmedien 112)05 Privater RundtUnk 230f. Pro Sieben 46;52 Publizistischer Wettbewerb siehe Wettbewerb Radio-Stwlde-AG 34 Rangtolgeentscheidung 310 Ratsmodell 58;224;232f. Reichspostministerium 32 Reichsrundfunkgesellschaft siehe RRG Rheinland-Pfalz 86 Rousseau, Jean Jacques 138 RRG 32f. RTL plus 46 Rundfunk BegrifDI;158f. Dienstleistung 69f. Integrationsfunktion 278 kulturelle Bedeutung 161 Mittlerfunktion 190 Pluralismus 153 Stellung im Staat 161 Rundfunkanstalt 223f. Rundfunkfreiheit 54;74;l77[ funktional 190 gesellschaftrechtlich 190 individualrechtlich 189 institutionell 191
Meinungsfreiheit 187 Pressefreiheit 187 Sozialstaatsprinzip 185 Rundfunkgebühr 48;52; 175;366f.;399; 403;428 Rundfunkrat 203f.;224f.;250 Amtsperioden 225 Befugnisse 226 Zusammensetzung 224 Rundfunkstaatsvertrag 49f.;86; I 04;306 Saarländischer Rundfunk siehe SR SAT 146;52 Satelliteruundfunk 41 f. Schmitt, earl 136f. Schwerpunkt- und Teilprogranune 108 SDR 75;225f. Selbstkontrolle 255 Sender Freies Berlin siehe SFB SES 42 SFB 37;73;225;227 Smend, Rudolf 142[.;272;284 Societe EuropeeIUle des Satellites siehe SES Sozialstaatsprinzip 185 Spartenprogranune 75f. ausländisch 314 Außenpluralismus 267f. Begriff 86f. Binnenpluralismus 266f gleichartige Inhalte 86 Instrunlentalisierung 270 Integrationsauftrag 299 Instrunlentalisierung 270 Konkurrenzdruck 71 Minderheitenprogranune 297 ötfentlich-rechtlich siehe öffentlichrechtliche Spartenprogranune rechtliche Regelung 306;312 Schwerpunkt Infonnation 308 Vielfaltsförderung 295 Vor- und Nachteile 115f. Special Interest-Zeitschriften 112 Sponsoring 52 Sportrechte 70 SR38
Personen- und Sachverzeichnis Staat Begriff 134 Einheit 138;147 Souveränität 135 Staatszwecke 144 Staatsfeme 206f.;2I 6f.;233f. Standortpolitik 52;254 Süddeutscher Rundfunk siehe SDR Südwestfunk siehe SWF Südwestrundfunk siehe SWR Super RTL 418 SWF 35;72;77;227 SWR 72f. Tele 576;15 Telehor AG 38 Telekom 43;65 Tendenzfreiheit 198;203;217 Tendenzfunk 334 Ton-Drahtfunk 40 Totalitarismus 136 Übergangsmodell 16 7;202f.;223 ;244;252 Meinungsvielfalt 144 Zustimmung des Veranstalters bei Modellwechsel 202 Unternehmen 376 Veranstalterzahl253 Verbände 133f.;225 Verein Privater Rundfunk und Telekommunikation siehe VPRT Verfassung 143; 181 f. Integrationsauftrag 283 Pluralismus 181 Versammlungsmodell232 Verspartung 112f. ;293 Vertikale Inhaltsvielfalt 251 ;296
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Video on demand 62 VIVA 415f. VIVA ZWEI 415f. Vollprogramme 76; 89f.; 114.;123 Einspeisung 123;3 IO Entleerung 269 Gesamtprogramm 94 Inhalte 97 Integrationswirkung 292;303 klassischer Auftrag 324 Meinungsvielfalt 93 Pflichtsparten 90 Zielgruppenvielfalt 93 VPRT 54;78;368 WDR 35;40;409 Weimarer Republik 136 Werbefinanzierung 175;388 Werbung 12If.;359;388 Wertekodex 140;145;150;183 Werteverlust 150 Westdeutscher Rundfunk siehe WDR Wettbewerb 20 I ;21 I f. ökonomisch 212 publizistisch 213 Wettbewerbsfreiheit 342;359 Wetterkanal422f. Willensbildung I 36f.; 144; I 54f.; 190 Wissenskluft 290f.;304f. Wolff, Christian 131 World Wide Web 66 ZDF 38;42;46;51 f.;77;429 Zensur 201 Zielgruppe 98f. Zielgruppenprogramme 98f.; I 04;428 Zulassungsverfahren 246f. Zuschauer 403;431
30 Poil
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