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German Pages 253 Year 2008
Fehlentscheidungen bei Herodot
CLASSICA MONACENSIA Münchener Studien zur Klassischen Philologie Herausgegeben von Niklas Holzberg und Martin Hose Band 34·2008
Helmut Löffler
Fehlentscheidungen bei Herodot
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Gunter Narr Verlag Tübingen
Bibliografische Infonnation der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio grafie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Gedruckt mit Unterstütmng des W. A. Oldfather-Accounts der University of lllinois, Urbana (USA)
© 2008 . Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 . D-72070 T übingen Das Welk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverlilmungen und die Einspeicherung und Verailleitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Interuet: www.narr .de E-Mail: info@narr. de Druck und Bindung: llmprint, Langewiesen Printed in Germany ISSN 0941-4274 ISBN 978-3-8233-6381-1
für William M Calder 111
Vorwort
Die vorliegende Arbeit ist eine leicht überarbeitete Fassung meiner Inaugural Dissertation zu Erlangung des Dok torgrades der Philosophie an der Ludwig Maximilians-Universität München. Folgenden Personen ist dafür zu danken, dass sie einen Beitrag geleistet haben, der die Erstellung dieses Buches ermöglicht hat: Professor Dr. William M. Calder (University of Illinois at Urbana/ Champaign) ist dafür zu danken, dass er in Urbana in Form des W.A. Oldfather Fellowsmp Progranunes und seiner privaten Bibliothek die notwendigen Mittel und ideale Arbeitsbedingungen bereitstellte; zudem leistete Professor Calder einen groß zügigen Beitrag zu den Druckkosten. Professor Dr. David Sansone (University of Illinois at Urbana/Champaign) danke ich dafür, dass er durch wertvolle Hinweise und Kritik meine Dissertation bereichert hat. Bei Professor Dr. Nallllo Marinatos von der University of Illinois at Chicago bedanke ich mich für die Diskussionsbeiträge, die mich stets dazu anregten, meine Arbeit zu überdenken. Tobias Thum (Göttingen) und Leopold Tröger (Kempten) gebührt mein Dank dafür, dass sie durch ihre Beiträge Fehler aufgedeckt und nützliche Anregungen gegeben haben. Bei Jürgen Freudl und Karin Burger vom Narr-Verlag in Tübingen bedanke ich mich dafür, dass sie ermöglicht haben, die Dissertation in eine druckreife F onn umzusetzen. Mein besonderer Dank geht an Professor Dr. Martin Hose (LMU München), der diese Arbeit von ihrer Entstehung bis zur Vollendung
betreut
hat.
Schließlich
möchte
ich
mich
bei all denjenigen
Personen bedanken, die hier nicht namentlich aufgefl.ihrt werden und die dennoch in irgendeiner Fonn zu diesem Buch beigetragen haben. Chicago, im Mai
2008
Helmut Löffler
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Inhaltsverzeichnis
1 Themenstellung und Stand der F orschung 1 2 Definition eines Entscheidungsprozesses 5 2.1 Zur Methode 5 2.2 Einteilung von Entscheidungsprozessen 5 2.3 Entscheidungsprozesse in Ökonomie, politischer Wissenschaft und Psychologie 7 2.4 Entscheidungsaspekte in Herodots Historien 11 3 Die Entscheidungsprozesse in den Historien 15 3.1 Die Entscheidung des Kroisos, gegen Kyros zu ziehen 15 3 . 1 . 1 Vorbereitung des Entscheidungsprozesses 16 3 . 1 .2 Entstehung des Entscheidungsproblems 22 3 . 1 .3 Phase der Informationsbeschaffung und -interpretation 22 3 . 1 .4 Realisierung der gewählten Handlungsoption .................................... 34 3 . 1 .5 Nachbetrachtung der Entscheidung 35 3 . 1 .6 Fazit 37 3.2 Die Entscheidung des Kyros, die Massageten anzugreifen 39 3.2.1 Vorgeschichte des Entscheidungsprozesses 40 3.2.2 Entstehung des Entscheidungsproblems 44 3.2.3 Phase der Informationsbeschaffung und -interpretation ..................... 46 3.2.4 Realisierung der gewählten Handlungsoption .................................... 49 3.2.5 Nachbetrachtung der Entscheidung 53 3.2.6 Fazit 55 3.2.7 Vergleich mit Kroisos' Fehlentscheidung 56 3.3 Die Entscheidung des Kambyses, gegen die Aitbioper zu ziehen 59 3.3 .1 Vorgeschichte des Entscheidungsprozesses ........................................ 60 3.3.2 Entstehung des Entscheidungsproblems 65 3.3.3 Phase der Informationsbeschaffung und -interpretation 66 3.3.4 Realisierung der gewählten Handlungsoption 69 3.3.5 Nachbetrachtung der Entscheidung ..................................................... 71 3.3.6 Fazit 73 3.4 Die Entscheidung des Polykrates, nach Magnesia zu reisen 76 3.4.1 Vorgeschichte des Entscheidungsprozesses 77 3.4.2 Entstehung des Entscheidungsproblems 82 3.4.3 Phase der Informationsbeschaffung und -interpretation 86 3.4.4 Formulierung der Handlungsoption 87 3.4.5 Realisierung der gewählten Handlungsoption 88 3.4.6 Nachbetrachtung der Entscheidung 89 3.4.7 Fazit 92 3.5 Die Entscheidung des Dareios, gegen die Skythen zu ziehen 93 3.5 .1 Vorgeschichte des Entscheidungsprozesses ........................................ 94 .........................................................
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3.5.2 Entstehung des Entscheidungsproblems 103 3.5.3 Phase der Informationsbeschaffung und -interpretation ................... 107 3.5.4 Realisierung der gewählten Handlungsoption .................................. 1 1 0 3.5.5 Nachbetrachtung der Entscheidung ................................................... 1 1 8 3.5.6 Fazit ................................................................................................... 122 3.6 Die Entscheidung der Ioner, von den Persern abzufallen ....................... 124 3.6.1 Vorgeschichte des Entscheidungsprozesses ...................................... 127 3.6.2 Entstehung des Entscheidungsproblems ........................................... 135 3.6.3 Phase der Informationsbeschaffung und -interpretation ................... 137 3.6.4 Realisierung der gewählten Handlungsoption .................................. 138 3.6.5 Nachbetrachtung der Entscheidung durch Aristagoras ..................... 151 3.6.6 Fortsetzung der Realisierung der Option durch Histiaios ................. 153 3.6.7 Nachbetrachtung der Entscheidung ................................................... 164 3.6.8 Fazit ................................................................................................... 164 3.7 Die Entscheidung des Xerxes, Griechenland anzugreifen ...................... 166 3.7.1 Vorgeschichte des Entscheidungsprozesses ...................................... 168 3.7.2 Entstehung des Entscheidungsproblems ........................................... 169 3.7.3 Phase der Informationsbeschaffung und -interpretation ................... 170 3.7.4 Formulierung der Handlungsoption .................................................. 173 3.7.5 Erörterung der möglichen Ergebnisse bei Durchsetzung der Handlungsoption................................................................................ 175 3.7.6 Realisierung der Handlungsoption .................................................... 193 3.7.7 Nachbetrachtung der Entscheidung zum Hellaszug .......................... 213 3.7.8 Fazit ................................................................................................... 218 4 Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................. 220 Literaturverzeichnis ........................................................................................... 225 Indices 233 ...........................................
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IX
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Themenstellnng nnd Stand der Forschnng
Eine übergreifende Untersuchung der Entscheidungsprozesse im Geschichts werk Herodots ist bislang ein Desiderat der Forschung. Dies ist bedauerlich, da, wie gezeigt werden soll, eine derartige Untersuchung durchaus geeignet ist, den Historien bislang wenig oder gar nicht gewürdigte Facetten abzugewinnen, die sowohl :für das Verständnis des Werkes an sich bedeutsam sein als auch Aktualisierungspotential bieten können. Zunächst sei kurz umrissen, was Entscheidungen im herodoteischen Geschichts werk eigentlich sind, das heißt, was unter Entscheidung verstanden werden soll. Damit wird die Grundlage bestimmt, auf der die folgende Arbeit basiert. Eine Entscheidung treffen die Handelnden bei Herodot dadurch, dass sie aus Optionen, vor denen sie stehen, auswählen müssen. Bei einem Prozess der Entscheidungsfindung selbst muss ferner unterschieden werden, worüber eine Entscheidung zu fallen ist: entweder über den Weg, auf dem ein Ziel erreicht werden kann, oder über das Ziel selbst, ob es erstrebenswert oder schädigend ist, d.h., es muss eine Auswahl aus verschiedenen Zielen getroffen werden. Dabei üben Z\Vei Faktoren in einem Entscheidungsprozess großen Einfluss aus: •
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Das ,,Denkvermögen" bzw. die Erkenntnisfahigkeit des Entscheidenden allgemein und die Interpretation der ihm zur Verfügung stehenden Informationen.
Von diesen Faktoren hängt es letztlich ab, ob die getroffene Entscheidung zum Erfolg fuhrt.! Das Werk Herodots enthält eine große Anzahl derartiger Entscheidungen. Von besonderem Wert, sowohl was die Erzählstrategie des Textes als auch das grundsätzliche Verständnis, das der Text zu Entscheidungen entwickelt, betrifft, sind dabei nFehlentscheidungenn. Das Hauptaugenmerk der Untersuchung soll sich daher auf Fehlentscheidungen richten, also auf solche, die sich durch die
Dass die zwei Faktoren "Macht" und ,,ErkeIllltnis" bzw. "Einsicht" im Entscheidungsprozess bei Herodot von besonderer Bedeutung sind, belegt die Aussage eines Persers am Vorabend der Schlacht von Plataiai, der die Niederlage des persischen Heeres unter Mardonios prophezeit und mit folgenden Worten endet: exS{O"1"l1 8E: OOUV11 [ eO"1"t ] 1"mv E:v o.vSpc01totcrt o.Ü1"l1, 1to).../.o. opou arrcxYffiYfJV, TOUS 08 q>lJeOUS npOCJsnOl �CJaTo. Später, nach der Genealogie des mermnadischen Geschlechts, nimmt Herodot wieder den Faden auf, indem er das Motiv des Beginnens und der Aktivität des lydischen Königs fortfuhrt, &; o� 'EUfJVffiV rrpdHOlcrt i:rrdlfJKCXTO ' Eq>8crlOlcrt (1,26,1). Und um Kroisos' Handlungs stärke und Aktivität noch stärker zu betonen, wiederholt Herodot: npwTolCJl f.lBV o� TOI)TOlcrt Err8X81PYJcr8 6 KpolcroS (1,26,3). Die Tatsache, dass Herodot viennal explizit ein "npmTov" einsetzt, verdeutlicht die Tatkraft des lydischen Königs." Zur Bestätigung steht Kroisos am Ende von 1,26 als König da, der Angriffe führt, auch wenn er keine Gründe dafür hat. . .T01S 08 aI"TWV Kat cpaUAa 8nlcpE pffiV. 48 Die Handlungsfreude und Tatkraft des Kroisos fuhrt zum Erfolg. 1,28,1: Xpovou OB 8nlysV0I-lEVOU Kat KaTSCJTpal-l l-lEVffiV CJXSOOV ncXVTffiV Tmv 8VTO� "AAuüaAn avafl&i;as 01-l8VOS Kat OU08V rrapt8is (1,177). Ein auf Expansion bedachter und dabei erfolgreicher Herrscher 111 ist dabei, sem Reich zu vergrößern. Auf seinem Eroberungszug wendet er sich gegen die Assyrer mit ihrer prächtigen Stadt Babyion, die Herodot ausfuhrlich beschreibt (1,178-200). 3.2.2 Entstehung des Entscheidungsproblems Herodot hat bis 1,201 den persischen König als strategisch klugen, besonnenen, auf Machtausdehnung ausgerichteten und dabei erfolgreichen Herrscher dargestellt. Kyros ist in der Lage, bereits gewählte Entscheidungsoptionen zu ändern. Expansionsdrang und Vergeltung sind Bewertungskategorien, die seme Entscheidungen beeinflussen. Er vennag m Entscheidungsprozessen Infonnationen zu nutzen, sofern sie nicht von ihm verlangen, seine Werte zu 110
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Herodot gibt in 1,155,2 den Gnmd an, warum Kroisos den Rat erteilt: 6 8 ' a�etße'W 'wtcrt8e, 8etcrru; �� avwJ"'ru'touc; 1Wt�crTl 'tCu; l:up8tC;. Die Infonnationen, die er folglich geben wird, sollen die bevorzugte Entscheidungsoption des persischen Königs ändern. Dass dem lydischen Herrscher das Bewertungskriterium "Vergeltung" vertraut ist, geht aus 1,73 hervor, wo Herodot das Vergeltungsmotiv als beeinflussenden Faktor im Entscheidungsprozess von Kroisos angibt. Siehe Kapitel 3 . 1 .4. Küpcx; brehe 'tU 1tuv'tu 't1lC; l)1tetpou o1tOxetptu E:1tOt�cru'W, . . . (1,178,1) belegt den Erfolg.
reflektieren und zu hinterfragen. Diese Schwäche äußert sich besonders dann, wenn er mit griechischer Lebensweise konfrontiert ist. So charakterisiert tritt Kyros in den Entscheidungsprozess, der den Angriff auf Tomyris zum Ziel hat. Dieses Ziel steht für Kyros schon zu Beginn des Prozesses fest. Dies entspricht, wie Herodot durch die Vorgeschichte klar gemacht hat, seinem Wesen: Kyros will seinen Machtbereich immer weiter ausdehnen. Deshalb ist es konsequent, dass er auf seinem Eroberungszug nun auf die Massageten trifft. Herodot nennt als Gründe für den Angriff auf die Massageten in 1,204 Kyros' Glauben, wegen seiner Herkunft übennenschlich zu sein und das Kriegsglück, das ihn bei seinen Feldzügen begleitete. Ersteres steht, wie schon im vorigen Kapitel gezeigt, in Widerspruch zu Kyros' ErkenntnisHihigkeit in 1,86, wo er Kroisos begnadigt. Man karm auf eine Entwicklung schließen, die Herodot Kyros zwischen 1,86 und 1,204 durchlaufen lässt.ll2 Demgemäß müsste der persische König im Laufe der Zeit seme Einsichtsfahigkeit in die menschliche Natur verloren haben. So wären seine Erfolge bei der Expansion verantwortlich dafür, dass er mögliche Niederlagen, also eine Wende vom Glück hin zum Unglück, ausschließt. Mit dem von Herodot zuerst genannten Motiv: . . , npo:rrov 1-l8V � Y8V8(n�, TO OOKESl v rrAEov Tl d VCXl avSpwrrou, . .(1,204) entsteht folgendes Problem: Wenn die Herkunft dafür verantwortlich ist, dass sich Kyros für ,,mehr als einen Menschen" hält, muss er sich dessen schon zum Zeitpunkt bewusst gewesen sein, als er Kroisos aufgrund seiner reflexiven Erkenntnisfahigkeit vom Scheiterhaufen erlöste. Die zahlreichen Erfolge müssten demnach den persischen Herrscher sukzessive sicherer in der Überzeugung gemacht haben, durch seine Genesis über den übrigen Menschen zu stehen.ll3 Ein weiterer Ansatz wäre die Überlegung, Kyros erlange nur kurzfristig die Fähigkeit zur Selbsterkenntnis und zum Verständnis in das kyklische .
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Stahl (1975) spricht von einer "empty lie" (S. 22), die die Szene, in der Kyros seine ErkeIllltnisfahigkeit gezeigt hat (1,86), darstelle. Shapiro (1994, S. 352) argumentiert, Kyros habe nie ErkeIllltnis erlangt. Nach Harrison (2000, S. 44) hat Kyros vergessen, was er von Kroisos gelernt habe ("the lesson taught to hirn earlier by Croesus. He has forgotten that he is a man."). Für Pe11ing (2006b) ist der in 1,204 auftretende Widerspruch zu 1,86 nicht der ,,main point or focus of the scene" (S. 165). Es sei "more fruitful to relate it to the Cyrus ofthe begiIllling ofthat sequence, ... the Cyrus who sti11 had a lesson " 10 leam. (S. 165). Der Zusatz in 1,86 . . . YE:v6�E:vOV f;COU'tOÜ E:u8o.t�oviTi OUX t:J.wJ"crco, . . . macht deutlich, dass Kyros sich mit Kroisos nicht nur von Mensch zu Mensch auf einer Stufe stehen sieht, sondern die beiden Herrscher verbindet eine bevorzugte Ste11ung, hervorgerufen durch Glück. Kyros erkeIlllt zwar in 1,86, dass er nicht mehr ist als ein Mensch, aber sein Bewusstsein, vom Glück ebenso begünstigt zu sein wie sein Widersacher, verweist auf den iIllleren Zusammenhang der Geschichte der beiden Könige und auf das Geschichtskonzept Herodots: Die Unbeständigkeit menschlichen Daseins (siehe 1,5). ..
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Geschichtsbild, das Herodot in 1,86 Kyros erkennen lässt. Außerdem handelt es sich in 1,86 um einen Gnadenakt, und die von Herodot geschilderte Erkenntnis des persischen Herrschers verlangt von diesem keinerlei Änderung seiner Werte. So betrachtet besteht kein Widerspruch zwischen 1,86 und 204, da die Vor aussetzungen für die Erkenntnis andere sind: In 1,86 begnadigt Kyros einen Menschen, in dem er einen Schicksalsgenossen sieht, in 1,204 spricht Herodot analysierend über Gründe, die zur Entscheidung fulrrten. Der Rezipient ist also zu diesem Zeitpunkt des Entscheidungsprozesses m Kenntnis darüber gesetzt, dass Kyros durch seine bisherige Entwicklung den Angriff auf jeden Fall flllnen wird; nur die Art und Weise der Eroberung, also der Umsetzung der bevorzugten Option, ist unbekannt. 3.2.3 Phase der Informationsbeschaffung und -interpretation Herodot schildert zunächst den Versuch des Kyros, das Massagetenland ohne Krieg zu erobern (1,205). Da dieses Vorhaben nicht gelingt, beginnt Kyros sogleich die kriegerische Auseinandersetzung. Die ersten Infonnationen, die der Perserkönig im Entscheidungsprozess erhält, stammen aus einer Nachricht der Tomyris, der Königin der Massageten. Ein Herold übennittelt diese Infonnationen. Die Szene ist von Herodot in wörtlicher Rede gestaltet (1,206). Im Wesentlichen lassen sich die gegebenen Warnungen auf folgende reduzieren: • • •
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