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German Pages 240 [256] Year 1968
Hans-Friedrich Bornitz, Herodot-Studien
Hans-Friedrich Bornitz
Herodot-Studien Beiträge zum Verständnis der Einheit des Geschichtswerks
Walter de Gruyter & Co. vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit & Comp.
Berlin 1968
18 Exemplare dieser Arbeit liegen als Hamburger Dissertation vor unter dem Titel „Interpretationen einiger ausgewählter Exkurse im Geschichtswerk des Herodot".
Archiv-Nr. 3667671 © 1967 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trttbner — Veit & Comp., Berlin 30 Printed in Germany Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Alle Rechte, insbesondere das der Ubersetzung in fremde Sprachen vorbehalten. Schreibsatz: Walter de Gruyter & Co
Meinen Eltern Gotthard und Elisabeth Bornitz zum 23.10.1966 in Dankbarkeit gewidmet
Vorwort Vorliegende Arbeit stellt eine geringfügige B e a r b e i t u n g m e i n e r H a m b u r g e r D i s s e r t a t i o n d a r , die auf G e d a n k e n a u f b a u t , die i c h b e i m e i n e r S t a a t s e x a m e n s a r b e i t ( H a m b u r g 1962)gewonnen h a t t e . Ich m ö c h t e a l l e n m e i n e n a k a d e m i s c h e n L e h r e r n d a n k e n , die i c h w ä h r e n d m e i n e r S t u d i e n z e i t in G ö t t i n g e n (S. S. 1956-W. S . 1957), W ü r z b u r g (S. S. 1957) und in H a m b u r g (W. S. 1957-S. S. 1962; und danach neben m e i n e r Arbeit am Lexikon des frühgriech. Epos d e s T h e s a u r u s L i n g u a e G r a e c a e b i s H e r b s t 1965) g e h ö r t h a b e . M e i n b e s o n d e r e r Dank gilt m e i n e m L e h r e r H e r r n P r o f . D r . H. E r b s e ( j e t z t T ü b i n g e n ) , d e r m i c h zu d i e s e r A r b e i t a n r e g t e .
H a m b u r g 1966
H-F.
Bornitz
Inhalt Einleitung
1
Teil I Zu den Partien der athenischen und spartanischen Vorgeschichte in den Büchern 1, 5 und 6
7
Die dreimalige Tyrannis der Peisistratiden in der Darstellung Herodots
19
Die politische Aktivität der Alkmeoniden und die sogenannte Schlacht um Leipshydrion
30
Die Errichtung der athenischen Demokratie unter Kleisthenes und ihre Folgen für das Verhältnis von Athen und Sparta zueinander innerhalb der Gesamtdarstellung von Herodots Bericht
46
Der Exkurs über Miltiades' Schicksal nach Marathon und die Funktion des sogenannten Alkmeonidenexkurses
95
Teil II Die ionisch-griechischen Stadtherren an der Donaubrücke und die Beziehungen zwischen dem Skythenzug des Dareios und dem Zug des Xerxes gegen Hellas
111
Die griechischen Tyrannen an der Donaubrücke
113
Teil III Zur Grundkonzeption der Historien
137
D e r G e b r a u c h von atTlTi b e i Herodot
139
Z u r Funktion d e r " e r s t e n K a p i t e l " i m Werk H e r o d o t s
164
Zum Abschluß des W e r k e s
193
Schlußwort
221
L i t e r a t u r - und A b k ü r z u n g s v e r z e i c h n i s
225
Register Herodot-Stellen-Index
231
Griechische Begriffe
235
Eigennamen G r i e c h i s c h e Autoren
236 241
Einleitung Vorliegende Arbeit geht von den für die Beschäftigung mit Herodot grundlegenden Untersuchungen F. Jacobys (RE Suppl. II, 1913, 205520) aus, die die Literatur zu unserem Autor in den letzten fünfzig Jahren wesentlich bestimmt haben. Wenn dabei die kritische Auseinandersetzung zu überwiegen scheint, so möchte ich vorweg betonen, daß ohne die umfangreichen Arbeiten Jacobys zu Herodot auch diese meine Untersuchungen nicht möglich gewesen wären. Jacoby ging davon aus, daß Herodot nicht von vornherein die Absicht gehabt habe, eine historische Darstellung zu geben, sondern als Ethnograph und Geograph eine Fülle interessanten Materials gesammelt habe. Erst im hohen Alter - kurz vor Ausbruch des peloponnesischen Krieges - habe er dann in verhältnismäßig kurzer Zeit seine im Inhalt so diversen Einzelarbeiten, die zum Teil abgeschlossene Vorträge bildeten (RE 361) zu dem uns überlieferten Werk zusammengestellt, wobei die Frage offenbleibt, ob der letzte Teil überhaupt vollendet ist. Durch die Unmöglichkeit, die Fülle seiner Stoffsammlungen geradlinig einem erst später erdachten Grundgedanken, dem Gedanken vom Kampf der Hellenen und Barbaren, einzuordnen, habe er sich gezwungen gesehen, eigens für dieses Werk eine Exkurstechnik zu entwickeln, die es erlaubt, den im Inhalt vom Hauptplan abweichenden Stoff an geeigneten und ebenso an ungeeigne ten Stellen "anzubringen". Diese Technik charakterisierte Jacoby als mechanische "Arbeit mit der Schere" und behauptete (RE 361; 382/3), daß man auch jetzt diese Partien ohne Gefährdung des Gesamtzusammenhangs herauslösen könnte. Aus den Nahtstellen, an denen Exkurse eingelegt wurden - nach Jacoby meist ohne notwendige innere Verbindung - leitete er im besonderen seine gesamte Entstehungstheorie, seine Quellenanalyse, seine Interpretation und Beurteilung der Historien ab. Diese Thesen - die sich in zahlreichen Einzelfragen auch auf Beobachtungen im Herodot-Kommentar von H. Stein stützten - führten
2
Thesen zur Exkurstechnik
dann zu Untersuchungen wie von W. Aly (Volksmärchen, Sage, Novelle), in denen Herodots Werk zu einer Rahmenerzählung erklärt wird, in der zahlreiche ältere und neuere Erzählungen ohne inneren Zusammenhalt zusammengestellt seien, und in neuerer Zeit zu dem Aufsatz von E. Howaldt (Geschichtsschreibung), wonach Herodot innerhalb des sehr lose gefügten Rahmens des Persergeschehens allerlei von ihm gesammelte Geschichten kritiklos zusammengestellt habe und dabei ganz bewußt auf einheitliche Maßstäbe und auf Durchgestaltung verzichtet habe. Auch Schmid in der Literaturgeschichte spricht z. B. von der "sehr gewaltsamen Art der Verpakkung" der athenischen Vorgeschichte im ersten Buch und Leskys Formulierungen in seiner Literaturgeschichte, wo er immer Wiedel- "Einlage" und "einlegen" (S. 341, 344) gebraucht, wo etwa der ganze Alkmeoniden - Exkurs als "Anhang" (S. 345) bezeichnet wird und von "eingestreuten" Novellen (S. 350) die Rede ist, zeigen deutlich die Nachwirkungen der Thesen Jacobys in der heutigen Herodot literatur. Auch der neueste Herodot-Artikel im "Lexikon der Alten Welt" von W. Burkert folgt in der Gesamtbeurteilung - besonders der Quellenanalyse und Exkurstheorie - den Thesen Jacobys. Andererseits haben seit dem grundsätzlich neue Wege fordernden Aufsatz von Regenbogen (Antike 6) eine ganze Reihe von Einzelarbeiten* neue Sichtweisen für das Verständnis Herodots eröffnet. Dabei wurde besonders deutlich, daß eine der Hauptschwierigkeiten für das Verständnis von Herodots Historien in der uns ungewohnten Art seiner Darstellungsweise zu suchen ist. Während der "moderne" Historiker aus der bunten Vielfalt des Gewebes der überlieferten Berichte bewußt einzelne Fäden herauslöst und einseitig nachverfolgt und seinem Leser das Material unter einem möglichst geradlinig verlaufenden Grundgedanken und in chronologisch geordneter Reihenfolge kommentiert darbietet, finden wir in Herodots Darstellving den Versuch - der in der Denkweise seiner Zeit begründet sein mag - das Komplexe des Überlieferten auch in seiner ganzen Vielfalt dem Leser vor Augen zu führen nach dem Grundsatz des Ktye i v i ä \ey&neva. So schreibt etwa Strasburger (I, 6): "Pointen werden nicht erklärt, der Erzähler kommentiert sich nicht selbst und schränkt die eigenen Meinungsäußerungen auf ein Mindestmaß ein. Er setzt Ge-
1 Z.B.: HeUmann, Kroisoslogos; Herodot; Strasburger, I und II; Stahlenbrecher, Motivation u. v. a. m.
Thesen zur Exkurstechnik
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danken in Aktionen um - wie in ihrer Weise auch Homer und Thukydides - vor allem auch Widersprüche. Da soll jeder aufpassen und sicher ist dies gerade ein Hauptvergnügen des älteren griechischen Publikums: die eigene Intelligenz als Hörer oder Leser zu genießen.11 Weiter macht dann Strasburger darauf aufmerksam, daß auch die Vertauschung und die Inversionen von Ereignissen in der zeitlichen Reihenfolge dem damaligen Leser nichts Ungewohntes waren. Da sich ja auch (a. O.): "... die älteren Griechen beim Lesen durch beliebige Inversionen in der Laufrichtung der Schrift und in der Achsenstellung der Buchstaben nicht behindert gefühlt zu haben scheinen. " Inwieweit Herodot seine kommentierenden Hinweise für den Leser auf ein Mindestmaß von Andeutung reduzieren konnte, dafür gibt der Ephialtes-Verweis von 7, 213 auf 7, 226 ein gutes Beispiel (s. H.Erbse, Rhein. Mus. 98, 1955, 117-120). Diese Beobachtungen berechtigen zu der Frage, ob nicht diese unserem modernen linearen Denken nur schwer zugängliche Darstellungsart den bisherigen Interpreten der kritisierten Exkurspartien bei Herodot das Verständnis verstellt hat und ob nicht Herodot gerade in diesen Exkurspartien für das Gesamtwerk und seine Intention wesentliche Aussagen und Erkenntnisse verarbeitet hat. Sollte sich letzteres nachweisen lassen, müßte unser bisheriges Herodotbild in wesentlichen Punkten revidiert werden. In den folgenden Untersuchungen soll nun auf dem Wege der Interpretation der Frage nachgegangen werden, ob die in der Herodotliteratur seit Jacoby meist als unmotiviert kritisierten und angeblich nur überschüssiges und störendes Material einbringenden Exkurspartien bei Herodot ohne Störung des Gesamtzusammenhanges herauslösbar sind, oder ob sie an den Stellen, an denen sie jetzt stehen, eine für die Gesamtkonzeption wichtige, ja notwendige Funktion erfüllen. In diesem Zusammenhang wird aber auch die Frage nach dem Grundgedanken und der Gesamtkonzeption des Werkes neu überdacht werden müssen. Der erste Teil der Arbeit wird sich mit der Frage nach Eingliederung, Funktion und Bedeutung der Partien über die athenische und spartanische Vorgeschichte, einschließlich des Alkmeonidenexkurses, bis zum ionischen Aufstand in den Büchern eins, fünf und sechs befassen. Gerade diese Partien sind in der Nachfolge Jacobys (z. B. bei Schmid und Burkert) als primär selbständige Berichte aufgefaßt worden, die in ihrer heutigen Aufteilung auf drei Bücher störend wir-
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Thematik d e r drei T e i l e d e r Untersuchungen
ken. Da aber gerade diese Partien die sogenannte "Griechenlinie" der ersten Bücher darstellen, deren angebliche Schwäche - bzw. sogar gänzliche Leugnung - dazu verleitete, Herodots Historien als ursprüngliche "Persika" zu verstehen, müssen wir uns folgende Fragen stellen: Gibt es einen von Herodot beabsichtigten inneren Zusammenhang zwischen den Berichten über die athenische und spartanische Vorgeschichte oder stellen sie nur eine lose Aneinanderreihung von Einzel fakten dar. Ist aber ein Zusammenhang erkennbar, unter dem die Materialien geordnet und sinnvoll zusammengestellt sind, ergibt sich die weitere Frage, ob dieser innere Zusammenhang in irgendeine Beziehung zu setzen ist zu der Darstellung der sogenannten Haupterzählung von den Perserkriegen. Wenn aber ein einheitlicher Zusammenhang innerhalb der einzelnen Partien und eine feste Beziehung zur sogenannten Hauptlinie aufweisbar ist, muß die Frage beantwortet werden, ob die Aufteilung auf drei Bücher rein zufällig erfolgt ist, oder ob sich aus dieser Aufgliederung eine bewußte Kompositionsabsicht erkennen läßt. Dabei gilt es zugleich festzustellen, ob in den einzelnen Partien der Exkurse ein einheitliches Auswahl- oder Darstellungsprinzip erkennbar wird, das sich auch in den Partien der Hauptlinie nachweisen läßt. Der zweite Teil der Arbeit wird darauf eingehen, ob die im ersten Teil erkannten Darstellungstechniken und Motive, die einzelne kleine Situationen miteinander verbanden, auch in längeren Berich ten nachweisbar sind. Damit wird zugleich die Frage verbunden sein, ob der Bericht vom Skythenzug des Dareios als eine später eingegliederte selbständige Monographie verstanden werden darf, oder ob er von Herodot im Hinblick auf den Gesamtzusammenhang, in dem er jetzt steht, konzipiert ist. Dazu soll ein Vergleich zwischen dem Skythenzug des Dareios und dem Hellaszug des Xerxes dienen. Der dritte Teil befaßt sich dann mit der Frage, ob die Historien in ihrer jetzigen Form unter einem einheitlichen Grundgedanken verfaßt sind, der sowohl in den ersten Büchern der Historien wie in den späteren Partien gleichermaßen nachzuweisen ist. Er gliedert sich in drei Unterteile: 1. Die Frage nach der Bedeutung des Begriffs aixtri bei Herodot. 2. Die Funktion der ersten Kapitel für das Gesamtwerk Herodots und 3. Wie sind die als echter Schluß angezwei-
T h e m a t i k d e r d r e i Tei-le d e r U n t e r s u c h u n g e n
feiten Kapitel am Ende von Herodots Werk vom Gesamtwerk her zu verstehen, wobei auch kurz die Funktion der Verfassungsdebatte im 3. Buch erörtert werden soll.
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Teil I Zu den Partien der athenischen und spartanischen Vorgeschichte in den Büchern 1, 5 und 6
Die a t h e n i s c h e V o r g e s c h i c h t e i m 5. , 6. und 1. Buch
In der Mitte des sogenannten zweiten Exkurses * über die Vorgeschichte Athens findet sich das bedeutsame Bekenntnis Herodots zur Staatsform der Demokratie, wie sie sich ihm nach den kleistheni sehen Reformen darstellte^: 5,78 'A\b}varoL fiev vuv r)u£rivxo' 6 t i \ o l Ö£ oii H a t ' ev p.oDv o v akXdc n a v x a x ? T] t o r i y o p i r ) dos e a x t XP?)!- 10 c r n o u S a t o v , e i x a i 'A-ö-rivaToi x u p a v v e u 6 p . e v o i ^ ¿ v o u ö a u ß v t C v c c p e a g uepLOLxeovTcav i a a v x a Tio\£|iia a i i e t v o u ^ , OTaUax^evTe^ 6 i x b p a v v o j v ( i a x p C TipOtoi e y e v o v x o . ötiXoT u v T a ö i a o x i K a T e ^ ö i a e v o L ^ ¿ v e ^ e X o n a n e o v (Lg ¿ e c i t Ö T g e p y a C & ^ e v o L , ¿XeU'&epcjjSevTüJV 6 i a v i ö q E H a c i o c ; e u u t ^ u p o e ' & u p . e e T O KaxepYaCecr-&ai.
"Athen war nun also groß geworden. E s ist aber offensichtlich, daß die Gleichheit ( Loriyopiri ) nicht allein in einer, sondern in jeglicher Weise etwas Erstrebenswertes ist; wenn die Athener unter der Tyrannenherrschaft zwar keinem einzigen ihrer Nachbarn im Krieg überlegen waren, aber nach der Befreiving von den Tyrannen bei weitem die ersten waren ( ¿ y e v o v ' i ; o ) - Es ist dies also offensichtlich, daß sie zwar als Unterdrückte ( xaxey.&iievo l ) für einen Zwingherren willentlich schlecht arbeiteten, als sie aber befreit waren, ein jeder von ihnen für sich selbst bereitwillig zu wirken begehrte. " Dieses Kapitel stellt einen deutlichen Einschnitt in der Darstellung der Vorgeschichte Athens dar"*. Es faßt nicht nur die Kapitel seit dem Stuiz der Peisistratiden 5, 6 6 , z u s a m m e n , eine Auffas sung, die durch die wörtliche Wiederaufnahme zunächst nahegelegt werden könnte^, sondern es greift noch weiter zurück auf die Zustände zur Zeit der Peisistratidenherrschaft, die hier von Herodot der augenblicklichen Lage der Stadt vergleichend gegenübergestellt
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3 4 5
S. Jacoby, RE Sp. 390, 23 f. u. die Tabelle Sp. 309, wo c. 5, 78 unter "e" als Unterexkurs eines Exkurses eingeordnet ist. Zur Bedeutung von lariyoplTi bei Herodot s. V.Ehrenberg a.O. Sp. 293-301; G. Vlastos a. O. 337 ff. ; H. Apffel, Verfassungsdebatte S. 60 u. 61m. Anm. 1 u. S. 77 m. Anm. 1; H. Kyffél, Metabole S. 23 Anm. 70, S. 71 Anm. 209, S. 74 Anm. 216 gegen die Anm. 216 bei Ryffel fasse ich das x a x ' I v u. wavTaxfl nicht lokal, semdem modal auf, s. auch Powell, Lexicon s . v . n a v t a x ? nr. 4 Auch stilistisch zeichnet es sich durch die parallele Satzgestaltung : örjAot óè . . . ¿S...ÖT)Xot < S v . . . b e s o n d e r s aus. 5,66,1: 'A£fjvai I O O Ö C U Kai Ttpiv t ò t e àitaWa^tì-etoai tupàvvajv é f É v o v c o néCoveg. So Stein im Kommentar zu 5,78; und HuW z. St.
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Die a t h e n i s c h e V o r g e s c h i c h t e i m 5. , 6. und 1. Buch
werden. Auf der einen Seite eine in relativ kurzer Zeit zur Machtentfaltung gelangte Bürgerschaft, die soeben (5,77, 2) an einem einzigen Tag zwei beachtliche Siege® über die gemeinsam operierenden Chalkider und Böoter errungen hat, und auf der anderen die Bürger unter den Peisistratiden, die Herodot mit Kaxex^M-E 1 und ¿•&e\0Kax.E0v...epyaC&nevoi charakterisiert. Aber ist diese Gegenüberstellung hier überhaupt begründet? Steint verneint dies, indem er erklärt: "Das Argument wäre zutreffend, wenn die Peisistratiden mit ihren Nachbarn Kriege geführt hätten und ohne Erfolg: wovon nichts bekannt ist", auch HuW° wenden gegen die Darstellung ein: "Herodotus does less than justice to the Pisistratid tyraimy. But its successes were diplomatic rather than military, and Herodotus' statements (cf. 66, 1) are comperative. Pisistratos, n o d o u b t , laid the foundation of the Athenian Empire" 9 . Diese zunächst berechtigt scheinenden Einwände der Kommentatoren zeigen, daß die vergleichende Gegenüberstellung, die Herodot 5, 78 vornimmt, aus dem Zusammenhang von 5, 55-78 allein nicht zu verstehen ist. Es wird vielmehr vorausgesetzt, daß dem Leser über 3 volle Bücher hinweg*® - die herodoteische Darstellung der Peisistratoszeit aus dem ersten Buch gegenwärtig ist! 1, 59,1 erfuhr Kroisos auf der Suche nach geeigneten hellenischen Bundesgenossen: x ö ^ ¿ v ' A x t i r ö v K o c i e x & n e v & v t e 6ueaitaap.&vov ¿Tiuv^avexo 6 Kpotaog und n e i a i a x p a t o u xoC ' IuTioxpaxeos xoüxov xdv yp&vov tupavvEGovxos 'Aktiva l u v . Dem E-&V0 5 HaTex&lJ-Evov (1, 59,1) entspricht Kaxex&M-evos (5, 78), um also die Gegenüberstellung in 5, 78 nachvollziehen zu können, gilt es zunächst zu erkennen, wie Herodot die Peisistratidenzeit verstanden wissen wollte. Sehen wir m s darauf hin die Darstellung bei Herodot im ersten Buch an. Peisistratos ist für Herodots Auffassung ein von Geburt an "gezeich-
6 Allein von den Böotern wurden 700 gefangen genommen und sehr viele ( napta 6 i itoUoOt; ) getötet. Auch die Tatsache, daß man in Chalkis 4000 attische KLeruchen ansiedeln konnte, erweist die völlige Niederlage der Chalkider. 7 Kommentar z. St. 8 Kommentar z. St. 9 Kommentar Appendix XVI § § 5 - 8 (Sperrung von mir). 10 Drei Bücher nach der heutigen Einteilung
Peisistratos
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neter Mann". Seinem Vater Hippokrates* 1 , der als Privatmann und Zuschauer bei den olympischen Spielen weilte, war durch ein Wunder beim Opfer und durch dessen Deutung durch den Lakedaimonier Chilon geraten worden, entweder keine fruchtbare Frau zu ehelichen, oder, falls er eine habe, sich von dieser zu scheiden - wenn er aber bereits einen Sohn habe, sich von diesem loszusagen. Hippo krates ist nicht bereit diesen Mahnungen Folge zu leisten - und kurz darauf wird ihm Peisistratos geboren. ^ Ohne Übergang schließt Herodot an die Mißachtung der Wunderdeutung und die darauf erfolgte Geburt unmittelbar als bezeichnendes Charakteristikum für Peisistratos an: "Er sann auf die Gewaltherrschaft" (1, 59, 3:Hcna£pas no ifiaavxoc, vgl. dazu 1,62,1: total. ( ' A4>T)vatoi) tupavvis npd £Xeudeptt)s ¿OTiacrc&Tepov.
31 Auch der Grund, den H.u.W. im Kommentar z. St. angeben, der Polemarch stamme aus dem gleichen Stadtteil wie die Tyrannenmörder, ist zu oberflächlich; zumal nach 510 v. Chr. die neue Phylenordnung die Zugehörigkeiten neu geordnet hat!
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Die athenische Vorgeschichte im 5. , 6. und 1. Buch
telbar vor dem ionischen Aufstand im 5. Buch. Waren die Athener in der Darstellung des 1. Buches in recht unwürdiger Weise unter die Oberhoheit der Peisistratiden geraten, ist ihr Verhalten bei Marathon völlig gewandelt (6, 112): Man wartet den Angriff des Gegners nicht ab, sondern geht von sich aus zum r a schen Angriff über! Eine kleine Schar (6,112, 2: k 6 v x a s 6Xlyows) stürmt unter dem entschlossenen Führer Miltiades im Laufschritt ( 6p&nv a. O.) gegen einen zahlenmäßig offensichtlich weit überlegen vorgestellten Feind an, der im Vertrauen auf seine Überle genheit mit einem solchen Angriff nicht gerechnet hat. ^ E s wird ein bedeutender ( ¿(iaxovxo a^iaj^ \ 6 y o u ) und ein langer Kampf (6,113,1: yp6vo$ e y l v e x o 7ioA\6q ), doch schließlich gelingt es, den Gegner auf die Schiffe zurückzudrängen. Wir haben zwei vergleichbare Situationen der Stadt Athen, aber ein völlig gegensätzliches Verhalten i h r e r Bürger. Es muß also in Athen, so wie Herodot die Ereignisse darstellt, inzwischen ein bedeutsamer Wandel stattgefunden haben. Und dieser Wandel ist - wie uns die Rede des Miltiades vor dem Polemarchen Kallimachos zeigt keine Folge eines individuellen Wandels des einzelnen Bürgers, sondern eine direkte Folge der veränderten F o r m des staatlichen Zusammenlebens (die Bewahrung der Freiheit - im Gegensatz zur Tyrannis als notwendige Voraussetzung f ü r den Zuwachs an Macht). Wendepunkt aber dafür ist die durch das Eingangskapitel 5, 78 markierte Stelle!
32 Die Perser halten die heranstürmenden Griechen für "verrückt" (6,112, 2): o i 61 "tpcai opGvtes 6p&nüj CTiL&vtas no.pecuLuaCovio iL; 6e!i&|iEVOi., iiavtrjv te -coföL ' A-&Tivai0lat ETi^epov Hai nayyu 0\eSpt.TlV.
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Die dreimalige Tyrannis der Peisistratiden in der Darstellung Herodots Sehen wir weiter, wie Herodot im Einzelnen die Tyrannenzeit aufgefaßt und wie er diese seine Auffassung zur Darstellung gebracht hat. Es gilt zunächst einige Schwierigkeiten zu klären. 1, 59 wird eingeleit e t ^ : ToOxoov 6T5) OSV xßv ¿Svecov xd ' ATTLHÖV V.A%£.XB\IEv&v xe x a i 6lecnao'iievov ¿Ttbv-öavexo 6 KpoTcog und Ueiaiaxpaxou xoü 'In7ioKp6.xeoq xoCxov xdv xp&vov xupavveOovxoq 'A'&rivaiwv. "Kroisos erfuhr also, daß von diesen beiden Stämmen der eine, der attische, beherrscht und zerspalten war von Peisistratos, dem Sohn des Hippokrates, der zu eben dieser Zeit über Athen die Tyrannis ausübte . . . " Stein (z. St.) bemerkt zweierlei: a) Die Partizipia naxex&^ev&v xe Kai 6iecTtacii£vov lassen erwarten imd oxaa&wv es folgt aber das speziellere und nur etwa auf xaxex&^evov beziehbare und üetotaTp&xou, um sofort in die folgende Erzählungüberzuleiten . . . - und b) X O O T O V T 6 V XP& V0V z. Zt. der zweiten Sendung nach Delphi (vgl. c. 53 nach der parischen Marmorchronik fand diese zweite Hauptsendung im Jahre 556 v. Chr. statt) und während der e r s t e n Tyrannis des Peisistratos ca. 560-555 v.Chr. Wenn wir uns nun diese e r s t e Herrschaftszeit des Peisistratos 33
Jacoby, R E Sp. 337, 67 f f . : "Auch hat sich Herodot gleich hier die Gelegenheit geschaffen, ein großes Stück aus der Geschichte der mutterländischen Griechen e i n z u l e g e n (c. 56-68), indem e r sie mit einem sicherlich unhistorischen aber ebenso sicher um des Grundgedankens willen e r f u n d e n e n Motiv mit der lydischen verbindet . . . " Sp. 348, 53: "Die Disposition nach persischen Königen bedingt auch die äußerst seltsame Verteilung der athenischen und spartanischen Geschichte auf drei Bücher (1;5;6;) mit f a d e n s c h e i n i g e r und kaum variierter Motivierung. " Sp. 382, 62 f f . : "Das Schema zeigt auch, daß es möglich ist, diese Partien ohne Gefährdung des Zusammenhangs einfach herauszuschneiden. Wenn min im lydischen Logos die große Partie über athenisch-spartanische Geschichte eingeführt wird, daß dem Kroisos geraten wird totic; ' E\\f)vojv 6uvai;uTCiTOus e£Eup6vca cpiXou? npoa%ta$ai (1,53,3), so zeigt schon die Formulierung des Satzes, die Art des Anschlusses an die echte Orakelantwort ( npo\£Y o u cri. Kpotoij), flv crtpaTeOriTai £iit IT&poas, |!£Y&Xt)v ä p x ^ v HctxaXOoeLvJ, daß der zweite Teil des jetzigen Orakels sekundär ist. Sachlich ergibt sich dasselbe: wenn Kroisos erfährt, daß -coOtwv TBV £-&V£:WV XÖ 'ATTIHÖV KocTex£>nev6v t e t a t 6 i e o i t a o n £ v o v und IIE 1 CH oxp&xou . . . KX\ . . . ist und wenn er deshalb auf ein Bündnis mit ihm ver-
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Die dreimalige Tyrannis des Peisistratos
in der Darstellung Herodots ansehen, ergibt sich folgendes Bild: Zunächst ist die Stadt in rivalisierende Gruppen unter der Führung einzelner einflußreicher Adelsfamilien^4 gespalten, bis Peisistratos, ein ehrgeiziger und bewährter Heerführer (s. 1, 59, 4) mit Hilfe einer der Bürgerschaft abgelisteten Leibwache die Akropolis besetzt. Von da ab "herrschte" (r)py e ) Peisistratos über Athen (1, 59, 6: oute ti^iccS Tct$ eouoas ouvTa.pa£,ac; oute $ e a | i i a l i e i a W a ^ a g , etil iE T o t a i KaxeoxeffiGl eveiae xi*)v ti&Xiv hog|j.£ojv HaXGSg t e Hat eZ. ): "Weder schaffte er die bestehenden Ämter ab noch änderte er die Gesetze; und mit Hilfe der bestehenden staatlichen Einrichtungen leitete er die Stadt, indem er sie gut und ordentlich verwaltete." Peisistratos erhält also ein allgemein anerkannt sehr hohes Lob für seine Herrschaft, die unter Beachtung aller geltenden Gesetze Ordnung und Ruhe schafft? 5 Ein solcher Zustand könnte allenfalls als Katex&^evov nicht aber als 6ieCT7taan&vov bezeichnet werden. Auch Steins V e r s u c h ^ als Urheber nicht Peisistratos gelten zu lassen - wie es doch im Text steht - sondern die Parteiungen im Staat, befriedigt nicht, da der ausdrückliche Hinweis auf die gute Ordnung offenen P a r teistreitigkeiten widerspricht! Außerdem erfuhr Kroisos, daß Athen unter einer Tyrannis stehe und was Herodot darunter versteht, zeigt die Soklees-Rede 5, 92, die des Otanes 3, 80, und ebenso hören wir 5, 55, daß nach Hipparchs Tod die Athener vom erbitterten Hippias (5, 62, 2: enTunpai v&|ievog ) "bedrückt wurden": ziehtet, so ist das historisch u n s i n n i g , während die Behauptung, daß um 550 die Athener der zweitmächtigste griechische Staat gewesen seien, mindestens seltsam ist. Wenn er aber mit den Lakedaimoniern ein Bündnis schließt, so ist seltsam, daß dieses Bündnis gar keine Folgen hat. Die Spartaner machen ihrem Bundesgenossen zwar ein schönes Geschenk; aber das gelangt nicht einmal in seine Hände (1, 70;3 47). Dann als sie wirklich helfen wollen, hören sie, es sei schon zu spät; also bedauern sie das und unterlassen den Zug . . . Jetzt hat man allgemein eingesehen, daß das Hüfsgesuch des Kroisos "ein schriftstellerisches Motiv ist, nur zu dem brauchbar, was es bewirkt, zur Motivierung eines Exkurses"(Wilamowitz A.u. A. 1,33,8) . . . " Schmid, Literatur 584: "Die griechische Geschichte wird in diesen Rahmen stückweise, wo s i c h e i n e m e h r o d e r w e n i g e r p a s s e n d e G e l e g e n h e i t f i n d e t , h i n e i n g e p r e ß t in den Büchern 1;3;4 {145-168 Kyrene); 5;6; . . . " 34 Berve, Antike 12, 1936, 1 ff. Heuss, A., Ant.u. Abdl. 2, 1946, 26 ff. 35 Vgl. E.Meyer, GdA III, 717/8 36 S. auch H.u.W. z.St., die diese Worte ganz allgemein und zeitlich völlig unspezifisch auffassen wollen.
Die d r e i m a l i g e T y r a n n i s des P e i s i s t r a t o s
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"Sie lebten unter einer Gewaltherrschaft, die nicht mäßiger sondern viel drückender als zuvor war" ( etupavveCiovco ' A-üriv a t o i . . . oböiv ficcov aX\& Hat n S M o v r) upd xoO.) Diese Stelle zeigt eindeutig, daß Herodot das Wort TupavveOeiv nicht neutral als "herrschen" verstand, sondern in einem negativ wertenden Sinn gebrauchte, sonst wäre eine Steigerung dieses Begriffes durch (laXXov (bzw. eine Abschwächung durch ^ c o o v ) überhaupt nicht möglich. Doch keines dieser Momente zeigt sich nach Herodots Darstellung während dieser ersten Herrschafts zeit, eher - wie der Text sagt - das Gegenteil. Als Peisistratos dann nach einiger Zeit vor seinen Gegnern die Stadt verlassen muß, sie waren demnach weiterhin in Athen geblieben, stellt Herodot als Begründung fest, daß Peisistratos eben noch keine echte Tyrannis errichtet hatte (1, 60,1: t?|v x u p a v v t ö a ou koj xftpia ¿ p p i Cun&vriv ex^v . . . ) Wenn wir weiter berücksichtigen, daß Kroisos erst bei der zweiten Sendung*^ nach Delphi erfährt, daß er Hellenen zu Bundesge nossen gewinnen soll, daß er dann erst Geschenke sendet und noch öfter das Oräkel befragt - z.B. b e i d e r d r i t t e n Befragung über die Länge seiner Herrschaft: 1, 55, 1 - und erst d a n a c h nachzuforschen beginnt, welches die geeigneten Bündner seien, so ist es wenigstens nach Herodots Darstellung ganz unwahrscheinlich, Kroisos Urteil über Athen zeitlich und dem genauen Wortlaut nach mit der e r s t e n Tyrannis des Peisistratos gleichzusetzen. Die zweite Herrschaft währt nur über einen sehr kurzen Zeitraum und ist zudem als eine Art Koalitionstyrannis mit den Alkmeoniden charakterisiert, auf die die Formulierung und He i c i ozpazov (1, 59, 1) ebenfalls nicht zutrifft. Danach werden die Peisistratiden verbannt und brauchen über zehn Jahre, ehe sie die nötigen Mittel zusammenhaben, um einen neuen Versuch gegen Athen zu unternehmen. Dies aber wird die dritte Machtübernahme, die, wie ich oben 37 38
Nach Stein (nach der parischen Chronik ep. 41) sollte diese Sendung 555 v. Chr. stattgefunden haben; nach Steins Interpretation zu 1, 59 im letzten Jahr der ersten Tyrannis. 1, 56,1 (ietd 6t TaCxcr einen wie weiten Zeitraum diese Formulierung bezeichnen kann, zeigt 6, 98 (ictd öl toCtov von Datis Abfahrt von Delos (490 v. Chr.) bis zum delischen Beben kurz vor dem peloponnesischen Krieg, vgl. Thuk. II 8; und dazu A. Momigliano, Studi Italiani 8, 1930, 87-89; s. auch 1,61,4 ( l e i d 6t, oii noWtf \6y(j) e t n e T v , XP&vos 6u£u... überbrückt immerhin einen Zeitraum von ca. 10 Jahren!
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Die d r e i m a l i g e T y r a n n i s des P e i s i s t r a t o s
gezeigt habe, deutlich parallele Züge zu dem späteren Einfall der Perser bei Marathon aufweist. Sie wird erreicht durch einen offeqq
nen Bürgerkrieg; wie Herodot diesen beurteilt zeigt 8, 3, 1 ! Doch weiter, durch die beiden ersten gescheiterten Versuche klug geworden, sichert Peisistratos jetzt seine Herrschaft so ab, wie es eine Tyrannis erfordert. In Anspielung auf 1, 60,1 läßt ihn Herodot 1, 64 seine Tyrannis: "einwurzeln" ( eppiC^oe t t ' i v Tupctvvtöa a) durch zahlreiche Bundesgenossen, b) ertragreiche Geldquellen und c) läßt er sich von den eigenen ihm nicht zugetanen Mitbürgern die Kinder als Geiseln stellen und deponiert diese auf Naxos. Herodot beschließt: "So übte er die Gewaltherrschaft über die Athener aus" (1,64,3: ¿Tupavveue ' A-St]V£gov ) . Die Athener selbst sind entweder im Kampf gegen ihn gefallen ( ¿TieTtTWHeaav 1,64,3), zum anderen durch die gestellten Geiseln politisch zur Untätigkeit gezwungen, oder aber mit den Alkmeoniden ins Exil gegangen (1, 64, 3). Wenn Herodot diesen politisch machtlosen Zustand der städtiKQ schen Bürger als HaTEX^)M'ev&v t & l EG7ICtO|!£ VOV bezeichnet und dafür als Urheber Peisistratos nennt, sehe ich keinen Grund, hier eine Ungenauigkeit des Ausdrucks zu vermuten. Dagegen möchte ich Steins Anmerkung zu 1, 59: "Das ganze Lob bezieht sich nicht bloß auf die erste Tyrannis, weit mehr auf die letzte und 8 , 3 , 1 : o-citcns yftp ep.v i 6 a L vom Anfang des § 2 wieder aufgenommen und fortgeführt. Bis dahin waren die vorausliegenden Ereignisse im Anschluß an 1, 64, 3 nachgetragen worden. Jetzt sinnen die Alkmeoniden auf jedes Mittel (5, 62, 2 fin. T t a v ENT X O I G I ITeia i a T p a i t ö i j o i n.rixavi)n.evoi ) gegen die Peisistratiden. War die erste Riase gekennzeichnet durch die Taktik des netpaa-&at charakterisiert die zv/site Phase das |iTixava0-&ai. Der erste Schritt in der neuen Taktik ist die vertragliche Übernahme des Tempelbaues^ in Delphi. Diese Verpflichtung aber nur für eine reine der Alkmeoniden zu halten und g e g e n den e i n d e u tigen Textzusammenhang a b z u s t r e i t e n ^ , daß Herodot zwischen Tempelbau und politischer Aktion einen Zusammenhang gesehen und in seiner Darstellung zum Ausdruck gebracht hat, ist nicht haltbar! Wenn Herodot dann fortfährt: "weil sie (=Alkmeoniden) schon seit altersher wohlhabende und sehr angesehene Leute waren, führten sie den Tempelbau schöner ( uaXX i o v ) aus als im Plan vorgesehen, ganz im allgemeinen aber besonders dadurch, daß sie statt des vereinbarten Tuffsteinmaterials parischen Marmor verwendeten", so steht bei Herodot im Text kein Wort, daß die Alkmeoniden den g a n z e n Tempel auf e i g e n e Kosten aufgebaut hätten® sondern nur, daß die großzügigere Bauausführung der persönlichen Finanzierung der Alkmeoniden zu danken ist. Diese großzügigere Ausführung - unabhängig ob sie noch vor oder erst nach dem Sturz der Peisistratiden zum Abschluß gebracht worden ist - gilt bei Herodot als unbestreitbares Indiz für die Einflußnahme ( |irixaV&HEVOL ) der Alkmeoniden auf Delphi. Über dieses offenbare Indiz hinaus fügt Herodot noch die Überlieferung der Athener hinzu (5, 63), daß die Alkmeoniden außer durch die kostspieligere Bauausführung auch durch direkte Bestechung ( xp^lM-ctcru ) auf die Pythia Einfluß " M u n i f i z e n z " 5 8
57 Zu ECoiHo6o|if5aai s.Stein z.St. u. Powell, Lexicon s. v. 58 Wilamowitz, A.u. A. I 32, 2: "Für Herodot ist die Übernahme des delphischen Tempelbaues lediglich ein Akt der Munifizenz und der Frömmigkeit, die wir an den Alkmeoniden, von denen seine Tradition stammt, bewundern sollen;" und I 34: " . . . lediglich als eine Liberalität der Alkmeoniden . . . " 59 Jacoby, FGrHist 328 F 115, Kommentar I 451 u. II 359 Anm. 9. 60 Jacoby s. Anm. 3, Kommentar I 454, 24 f f . : "we had better to admit the actual mistake of Herodotus . . . who apparently makes the Alcmeonids build the w h o l e temple out of their o wn money . . . " Wie auch 2,180 zeigt, wußte Herodot von den langjährigen finanziellen Vorbereitungen des Baus; denn wenn Amasis Gelder zusteuerte, so mußten diese Geldsammlungen schon vor 525 (Todesjahr des Amasis) begonnen haben.
Alkmeoniden, Delphi und Leipshydrion
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gewonnen hätten ( Ct V £71 £ L ov ), damit die Spartaner von ständig wiederkehrenden Orakelworten veranlaßt würden, einen Zug gegen die Peisistratiden zu unternehmen. Die Spartaner lassen sich durch zweideutige Orakel (5, 91, 2: H . i ß 0 f ) \ o i a i (lavtritoL oi ) 6 1 dazu verführen, die befreundeten Peisistratiden aus Athen zu vertreiben. Beide Kapitel 5, 62 und 5, 63 sind von Herodot so miteinander verbunden, daß sie sich gegenseitig ergänzen! Denn der Bericht der Athener von der Bestechung (5, 63) ist nur zu verstehen, wenn der Leser aus 5, 62 von der Anwesenheit der Alkmeoniden in Delphi und ebenso von ihrem großen Reichtum unterrichtet ist. Andererseits ist der großzügigere Tempelbau als ein |iriXav°:o-&a i nur dann verständlich, wenn aus 5, 63 bekannt ist, daß man mit Hilfe Delphis den Zug der Spartaner gegen Hippias zu erreichen suchte. So geht es nicht an, 5, 63 als einen u n e i n g e a r b e i t e t e n Zusatz aus anderer Quelle anzusehen, den Herodot zwar nicht zurückweisen, aber auch mit der ihm hier vorliegenden "Alkmeonidenquelle" nicht hätte vereinbaren können. So wollte es Jacoby sehen (FGrHist 328 F 115, Kommentar I 451): " . . . who (Herodot) did not even understand the purpose of the Alcmeonids in taking over the contract . . . " und (Kommentar II 361 Anm. 13): " . . . in Athens his Alcmeonid source probably did not tell him of the speculation on which the clan and the priests had embarked... " auch (Kommentar II 359 Anm. 9): "Aristoteles source Androtion, whom Riilochoros probably also followed, understood the proceedings at once, w h i l e Herodotus and Pindar merely saw in Delphi what the temple owed to the munificence of the Alcmeonids, the historian ought to have paid attention to the particulars, but he had l i t t l e understanding of f i n a n c i a l . . . " Diese Urteile und Behauptungen werden dem Bericht Herodots in keiner Weise gerecht. E r s t wenn man auf Grund einer vorgefaßten Meinung über Arbeitsmethode und Quellenlage^ die beiden eng zusammengehörigen Kapitel 5, 62 und 63 als innerlich unverbunden voneinander trennt*^, erhält man einen "exkursartigen" Zusatz in 5, 63 und beraubt sich selbst der Möglichkeit, den Sinnzusammenhang in 5, 62 von Tempelbau und Einflußnahme in Delphi zu erkennen. 61 62 63
Zu dieser Art von Orakeln vgl. 1, 66 (Sparta:Tegea) und 1, 75 (Kroisos'Halysorakel). Jacoby, Atthis 335 Anm. 26. Jacoby, FGrHist 328 F 115 Kommentar I 454, 24: in order to brmg her (= Familie der Alkmeoniden) in no corruption of the Pythia was needed, and Herodotus reports the obvious slander (5, 63) as a \ e y 6 ( i e v o v
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Die Vertreibung der Peisistratiden
So -scheint m i r auch die chronologische Reihenfolge der in 5, 62 berichteten Ereignisse kaum so einfach zu sein, wie sie Jacoby (FGrHist a.O. Kommentar II 361 Anm. 13) sieht: "What he did obtain h e r e was the sequence of events: murder of Hipparchos, Leips hydrion, turning to Delphi, intervention of Sparta. " - Denn von c. 5, 55-62, 2 hatte Herodot (. o. S. 30f. ) z u n ä c h s t i m A n s c h l u ß an die i m 1. Buch berichteten Ereignisse die Geschichte der Peisistratiden - in knappen Hinweisen - bis zur Ermordung des Hipparch und der Verschärfung der Herrschaft des Hippias herabge führt. Dementsprechend trägt e r 5, 62, 2 auch die Geschichte der Alkmeoniden kurzgefaßt i m Anschluß an die Ereignisse von 1, 64, 3 bis zu diesem Zeitpunkt nach. Wenn also hier eine relative zeitliche Einordnung überhaupt möglich ist, so sind wohl die ersten Versuche der Alkmeoniden in Delphi Einfluß zu gewinnen und die Verschärfung der Herrschaft des Hippias ungefähr als "gleichzeitig" anzusehen (mit Nennung des Eigennamens s. o. S. 31f. : e v ^ a C t a o i ' AXx|iewvt6ai 5, 62, 2 wird das A\x[iE