Facetten des Sportrechts: Referate der achten und neunten interuniversitären Tagung Sportrecht [1 ed.] 9783428530632, 9783428130634

Mittlerweile sind die Interuniversitären Tagungen Sportrecht zu einer in der Fachwelt beachteten Tradition geworden. Der

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Facetten des Sportrechts: Referate der achten und neunten interuniversitären Tagung Sportrecht [1 ed.]
 9783428530632, 9783428130634

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Beiträge zum Sportrecht Band 32

Facetten des Sportrechts Referate der achten und neunten interuniversitären Tagung Sportrecht

Herausgegeben von Klaus Vieweg

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

KLAUS VIEWEG (Hrsg.)

Facetten des Sportrechts

Beiträge zum Sportrecht Herausgegeben von Kristian Kühl, Udo Steiner und Klaus Vieweg

Band 32

Facetten des Sportrechts Referate der achten und neunten interuniversitären Tagung Sportrecht

Herausgegeben von Klaus Vieweg

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1435-7925 ISBN 978-3-428-13063-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Am 11. und 12. Mai 2007 fand in Rauischholzhausen, der Tagungsstätte der Universität Gießen, die 8. interuniversitäre Tagung Sportrecht statt. Ihr folgte am 27. und 28. Juni 2008 die 9. interuniversitäre Tagung Sportrecht in Schloss Thurnau in der Nähe der Universität Bayreuth. Teilnehmer waren Professoren, Privatdozenten, Doktoranden, wissenschaftliche Mitarbeiter und Studenten aus Bayreuth, Erlangen, Gießen, Hamburg, Kiel, Mainz und München sowie namhafte Sportrechtsexperten aus Wissenschaft und Praxis. Dieser Band enthält die für die Veröffentlichung durchgesehenen und teilweise ergänzten Vorträge. Wie schon in den Tagungsbänden „Spektrum des Sportrechts“ (2003), „Perspektiven des Sportrechts“ (2005) und „Prisma des Sportrechts“ (2006) spiegelt die intradisziplinäre Vielfalt der Themen das unterschiedliche fachliche Interesse und Problemgespür der „jungen und jung gebliebenen Sportrechtler“ wider. Der Titel „Facetten des Sportrechts“ soll dies zum Ausdruck bringen. Bei der redaktionellen Bearbeitung hat mich das Team des Instituts für Recht und Technik wiederum tatkräftig unterstützt. Ihm gebührt mein herzlicher Dank. Erlangen, im September 2008

Klaus Vieweg

Inhaltsverzeichnis Jan Schürnbrand Sportübertragungsrechte im deutschen und europäischen Kartellrecht .............

9

Christoph Röhl Schutzrechte an Sportdaten – am Beispiel von Regelwerken, Spielplänen und Tabellen ............................................................................................................

27

Martin Gutzeit Auswirkungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf das Sportrecht – Erste Gedanken zu sportarbeitsrechtlichen Konsequenzen...........

55

Matthias Jahn Wohin steuert der Sportbetrug? – Zum Ertrag der Debatte über das HoyzerUrteil des Bundesgerichtshofs...........................................................................

73

Dirk Monheim Die Vereinbarkeit von Schiedsabreden und Schiedsgerichten im Sport mit dem Rechtsstaatsprinzip....................................................................................

93

Matthias Köhler Minderjährige Hochleistungssportler – Arbeitnehmer? .................................... 119 Ruben Conzelmann Förderung inländischer Nachwuchssportler durch Mindestquoten ................... 141 Aegidius Vogt Vertragliche Höchstbindungsdauer im professionellen Mannschaftssport – Überlegungen aus Anlass der Webster-Entscheidung des CAS ........................ 157 Felix Holzhäuser Wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit des gewerblichen Weiterverkaufs von Fußballtickets.................................................................................................... 179 Judith Schmidt Internationale Grundlagen der Dopingbekämpfung und ihre Umsetzung ins deutsche Recht .................................................................................................. 207 Pieter Schleiter Die lex sportiva – Ein autonomer Begründungsansatz zur internationalen Rechtsharmonisierung im Sport? ...................................................................... 231

Sportübertragungsrechte im deutschen und europäischen Kartellrecht* Von Jan Schürnbrand

I.

Einleitung..........................................................................................................

9

II. Marktabgrenzung ..............................................................................................

11

1.

Sachlich relevanter Markt..........................................................................

11

2.

Räumlich relevanter Markt ........................................................................

13

III. Kontrahierungszwang .......................................................................................

13

IV. Zentralvermarktung...........................................................................................

17

1.

Europäisches Recht ...................................................................................

17

a)

Tatbestand des Art. 81 Abs. 1 EG ......................................................

17

b)

Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG ..................................................

18

aa) Ökonomische Vorteile ................................................................

19

bb) Vertragliche Ausgestaltung.........................................................

19

cc) Resümee .....................................................................................

22

Deutsches Recht ........................................................................................

23

V. Das lange Ringen um die European Broadcasting Union..................................

23

VI. Fazit ..................................................................................................................

25

2.

I. Einleitung Die Einsicht, dass der Prozess der Kommerzialisierung im Leistungssport ungebrochen voranschreitet, ist alles andere als originell. Das dabei erreichte Ausmaß überrascht denjenigen, der sich nicht alltäglich mit diesen Fragen beschäftigt, gleichwohl. Herausragende ökonomische Bedeutung kommt dabei den Einkünften zu, welche die Sportverbände und -vereine mit der Vermarktung von Fernsehübertragungsrechten erzielen. Wurden für die Fußball___________ *

Um Fußnoten erweiterte Fassung des am 11.05.2007 gehaltenen Vortrags.

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Jan Schürnbrand

Bundesliga 1980/81 noch 6 Mio. DM erzielt, so beträgt das Gesamtvolumen heute 420 Mio. Euro pro Jahr. Eine ebenso exponentielle Entwicklung lässt sich für die Olympischen Spiele verzeichnen. Denn die 88 Millionen US-Dollar, die die Spiele von Moskau 1980 in die Kassen des IOC spülten, nehmen sich doch sehr überschaubar aus gegenüber den 1.706 Millionen US-Dollar, die man für die Spiele in Peking einplant. Zum Glück noch überspitzt hat der Chef des Fernsehsenders NBC diese Entwicklung unlängst in dem Satz zusammengefasst: „Die Olympischen Spiele sind keine Sportveranstaltung, sondern Teil der Unterhaltungsindustrie.“1 Ins Staunen versetzt aber auch die technische Entwicklung innerhalb der Medien. Während vor nicht allzu langer Zeit allein Hörfunk und Fernsehen als Übertragungswege zur Verfügung standen, werden jedenfalls in Zukunft das Internet und die Mobiltelefonie zunehmend an Bedeutung gewinnen und zu der viel beschworenen Konvergenz der Medien beitragen. Für die Anwendung des Kartellrechts ist das insofern von Bedeutung, als bei der Bewertung der wettbewerblichen Strukturen in zunehmendem Maße nicht mehr wie bislang der technische Übertragungsweg, sondern der eigentliche Programminhalt in das Zentrum des Interesses rückt.2 Dass der Profisport sich als unternehmerische Betätigung überhaupt den Anforderungen des Kartellrechts zu stellen hat, steht dagegen heute im Grundsatz außer Frage. Nicht abschließend geklärt ist lediglich, ob es insofern einen engen Bereich rein sportlicher Regeln gibt, denen jeglicher Bezug zum Wirtschaftsleben fehlt und die daher einer kartellrechtlichen Überprüfung von vornherein entzogen sind.3 Jedenfalls im Hinblick auf die Dopingregime der Verbände hat der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache „Meca-Medina“ eine entsprechende Bereichsaufnahme jedoch zu Recht verworfen.4 Für den hier interessierenden Bereich der Vermarktung von Sportereignissen wiederum lässt sich eine solche schon im Ansatz nicht begründen. Daher muss sich die Tätigkeit der Verbände und Vereine insofern uneingeschränkt an den beiden Grundtatbeständen des Kartellrechts messen lassen, nämlich dem Verbot wettbewerbsbeschränkender Abreden gemäß Art. 81 EG bzw. § 1 des deutschen GWB einerseits sowie dem Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 82 EG bzw. §§ 19 f. GWB andererseits.

___________ 1

Vgl. FAZ, 6.1.2006, S. 30. Instruktiv dazu die Rede des Kommissionsmitarbeiters Toft vom 28. 04. 2006; abrufbar http://ec.europa.eu/comm/competition/speeches/text/sp2006_003_en.pdf. (zuletzt abgerufen am 01.08.2008); vgl. noch unten IV. 1. b) cc). 3 Näher dazu Heermann, causa sport 2006, 345 ff.; Kling/Thomas, Kartellrecht, 2007, § 4 Rn. 146; Schwarze/Hetzel, EuR 2005, 581, 586 ff.; Schroeder, SpuRt 2006, 1, 2 ff.; Schürnbrand, ZWeR 2005, 396 ff. 4 EuGH, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I- 6991 = EuZW 2006, 593 – Meca-Medina. 2

Sportübertragungsrechte im deutschen und europäischen Kartellrecht

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II. Marktabgrenzung 1. Sachlich relevanter Markt Bevor jedoch auf diese Tatbestände im Einzelnen eingegangen werden kann, gilt es die nur scheinbar technische Vorfrage zu klären, wie der sachlich und räumlich relevante Markt abzugrenzen ist. Denn je enger die Grenzen insofern gezogen, je speziellere Märkte mithin zu Grunde gelegt werden, desto eher werden ein oder mehrere Beteiligte eine marktbeherrschende Stellung innehaben oder wird eine Vereinbarung den Wettbewerb gänzlich ausschalten. Je weiter umgekehrt der Markt definiert wird, desto mehr Gestaltungsfreiheit bleibt den Marktteilnehmern. Was zunächst die Bestimmung des sachlich relevanten Marktes angeht, so ist hierfür anerkanntermaßen auf das Bedarfsmarktkonzept zurückzugreifen.5 Zu einem sachlichen Markt werden daher nur diejenigen Produkte und Leistungen gerechnet, die aus Sicht der Marktgegenseite wegen ihrer Eigenschaften zur Befriedigung eines gleich bleibenden Bedarfs gleichermaßen geeignet sind. Der relevante Markt für den Erwerb von Programminhalten ist somit aus Sicht der Sendeunternehmen zu bestimmen und auf alle Produkte zu erstrecken, die aus ihrer Sicht austauschbar sind und damit denselben wirtschaftlichen Zweck erfüllen. Insofern wird nun verbreitet argumentiert, dass es für Fernsehanstalten nicht unbedingt auf das Recht zur Übertragung eines bestimmten Sportereignisses ankomme; entscheidend sei es für sie vielmehr, im Rahmen eines strukturierten Gesamtkonzepts über einen wirtschaftlich nachhaltigen Zeitraum einen attraktiven Programmmix zusammenzustellen. Zur Bildung eines eigenständigen Profils, das den frei empfangbaren Sendern hohe Einschaltquoten und den Pay-TV-Sendern möglichst viele Abonnenten sichert, könnten aber nicht nur die unterschiedlichsten Sportübertragungsrechte, sondern auch hochwertige Spielfilmangebote beitragen.6 Eine derartig weite Marktabgrenzung kann indessen im Ergebnis nicht überzeugen. Sie berücksichtigt nicht hinreichend, dass sich Sportprogramme von anderen Programmsparten dadurch unterscheiden, dass sie noch zuschauerträchtiger sind und eine homogene Zuschauergruppe erreichen, die für bestimmte Großkunden aus der Werbewirtschaft besonders attraktiv ist. Überdies sind wichtige Sportereignisse für die Zuschauer in einem Maße emotional besetzt, an das die immer wieder genannten hochwertigen Spielfilme nicht im Ansatz heranzureichen vermögen. Kein anderer Programminhalt vermag in vergleichbarer Weise zur Profilbildung ei___________ 5

Vgl. nur Leitlinien der Kommission zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse, ABl. 1997 Nr. C 372/5; krit. Säcker, ZWeR 2004, 1; dagegen wiederum Ewald, ZWeR 2004, 512, 539 ff. 6 Charakteristisch A. Fikentscher, FS Mailänder, 2006, S. 507, 516 f.; Graf, ZEuP 2006, 371, 373.

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Jan Schürnbrand

nes Senders beizutragen wie der Sport. Das verdeutlicht auch der Umstand, dass Sender nicht selten bereit sind, für eine hochwertige Sportveranstaltung mehr zu zahlen, als sie damit zu erlösen imstande sind. Sport und Spielfilme sind daher nicht funktional austauschbar. Zu Recht differenziert die Europäische Kommission aber noch weiter und trägt dabei der herausgehobenen Stellung des Fußballs Rechnung, indem sie einen gesonderten Rechtemarkt für ganzjährig stattfindende Fußballereignisse wie namentlich die Champions League, den UEFA-Pokal, die jeweilige nationale erste Liga sowie den Pokal annimmt.7 Die Zuschauer werden dort in der Tat nicht nur von einem Spiel angezogen, sondern verfolgen den Wettbewerb als Ganzes. Das wiederum garantiert dem Sender einen erheblichen Zuschauerstamm über einen relativ langen Zeitraum; der Fußball verleiht dem Programm folglich ein besonderes Image. Daneben tritt ein Markt für den Erwerb von Übertragungsrechten an Fußb allwettbewerben, die nicht regelmäßig stattfinden und an denen Landesmannschaften teilnehmen. Angesprochen sind damit insbesondere die Welt- und Europameisterschaften. Offen geblieben ist in der Kommissionspraxis hingegen bislang, ob auch andere, große und meist internationale Sportveranstaltungen einen separaten Markt bilden.8 Im Schrifttum ist denn auch namentlich umstritten, wie die Olympischen Spiele einzuordnen sind. Mit gewisser Berechtigung wird darauf hingewiesen, dass diese abgesehen von der Eröffnungsfeier, der Schlussfeier und einzelnen Finalereignissen nur durchschnittliche Zuschauerreichweiten erzielen und ihnen daher aus der wirtschaftlichen Perspektive der Sender keine herausragende Bedeutung zukomme.9 Damit dürfte jedoch das besondere Prestige, das von den Olympischen Spielen aufgrund ihrer geschichtlichen und politischen Bedeutung, vor allem aber wegen ihrer universellen Aufmerksamkeit ausgeht, nicht hinreichend ausgelotet sein. Sie vermitteln dem übertragenden Sender einen Mehrwert, den dieser weder mit weniger hochklassigen Sportereignissen noch gar mit anderen Programminhalten erreichen kann. Im Ergebnis ist daher auch hinsichtlich der Übertragungsrechte an den Olympischen Spielen von einem eigenständigen Markt auszugehen.10

___________ 7

Kommission, C.2-37.398, ABl. 2003 Nr. L 291/25, Tz. 57 ff. – UEFA Champions League; Kommission, COMP/C-2/38.173, Tz. 22 – FA Premier League. 8 Kommission, COMP/M.287, ABl. 2004 Nr. L 110/73, Tz. 65 ff. – Newscorp/Telepiù; Kommission, IV/32.150, ABl. 2000 Nr. L 151/18, Tz. 38 ff. – Eurovision. 9 A. Fikentscher (Fn. 6), S. 517 f. 10 Heinemann, ZEuP 2006, 337, 348; Hellmann/Bruder, EuZW 2006, 359, 360; Enßlin, ZEuP 2006, 380, 381.

Sportübertragungsrechte im deutschen und europäischen Kartellrecht

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2. Räumlich relevanter Markt Der räumlich relevante Markt bestimmt sich anhand des Hauptabsatzgebietes des betreffenden Produkts oder der betreffenden Leistung. Nach den Feststellungen der Kommission werden selbst Fernsehrechte für europäische Ligen üblicherweise im Rahmen separater nationaler Märkte vertrieben, was sie auf das unterschiedliche nationale Recht, die Sprache und kulturelle Eigenheiten zurückführt.11 Schwieriger gestaltet sich die Beurteilung des Marktes für Hörfunkrechte.12 Nimmt man hierfür die Fußball-Bundesliga als Anschauungsbeispiel, so kann sicherlich nicht außer Betracht bleiben, dass die in der ARD zusammengeschlossenen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für eine bundesweite Übertragung sorgen, die seit jeher auf großes Interesse stößt. Von einem einheitlichen Markt sollte man jedoch wegen des in aller Regel beschränkten Übertragungsgebiets der Rundfunksender und der daraus maßgeblich regionalen Ausrichtung ihres Informationsprogramms gleichwohl nicht ausgehen.13

III. Kontrahierungszwang Mit dieser Marktabgrenzung ist der Boden bereitet, um sich nunmehr den beiden zentralen kartellrechtlichen Verbotstatbeständen zuzuwenden. Zu beginnen ist dabei mit dem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach Art. 82 EG und §§ 19 f. GWB. Dieser Tatbestand ist für die Medienunternehmen deswegen von besonderem Interesse und für die Anbieter im Gegenzug bedrohlich, weil sich aus ihm ein Kontrahierungszwang ergeben kann. Die einzelnen Sendeanstalten hätten dann die Möglichkeit, den Zugang zu den für sie so wichtigen Lizenzen notfalls gerichtlich zu erzwingen. Noch einen Schritt weiter ging ein privater Radiosender aus Hamburg, der im letzten Jahr vor dem BGH unter Berufung auf die bisherige Praxis der Vereine und seine grundrechtlich gewährleistete Rundfunkfreiheit sogar einen unentgeltlichen Zutritt zu den Stadien des HSV und des FC St. Pauli zum Zwecke der Hörfunkberichterstattung durchsetzen wollte. Normadressaten des Missbrauchsverbots sind grundsätzlich nur marktbeherrschende Unternehmen.14 Ein solches ist dadurch gekennzeichnet, dass es ___________ 11

Kommission, C.2-37.398, ABl. 2003 Nr. L 291/36, Tz. 88, 90; Kommission, DG COMP/C-2/37.214, ABl. 2005 Nr. L 134/46, Tz. 19 – Deutsche Bundesliga; s. auch Begleitdokument zum Weißbuch Sport, 11. 07. 2007, SEK (2007) 935, S. 89; krit. Schroeder, SpuRt 2006, 1, 3. 12 Offen gelassen in BGHZ 165, 62, 68 f. = NJW 2006, 377. 13 Vgl. Zagouras, WuW 2006, 376, 381; Wertenbruch, LMK 2006, 175921. 14 Im deutschen Recht erstreckt sich das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot nach § 20 Abs. 2 GWB auch auf marktstarke Unternehmen.

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die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt verhindern und sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich dem Verbraucher gegenüber in einem wesentlichen Umfang unabhängig verhalten kann.15 Das ist unproblematisch zu bejahen, sofern ein einzelnes Großereignis einen eigenständigen Markt bildet. So verfügen etwa das IOC beim Vertrieb der Olympischen Spiele oder die FIFA bei der Vermarktung der Fußballweltmeisterschaft über ein gleichsam natürliches Monopol und damit über die stärkste Form einer marktbeherrschenden Stellung. Was dagegen die Spiele eines laufenden Fußballwettbewerbs wie der Champions League oder der Fußball-Bundesliga betrifft, so erbringen die Verbände zwar durchaus Koordinations- und Organisationsleistungen; im Ergebnis kann indes gleichwohl nicht zweifelhaft sein, dass die Vereine vor Ort zumindest Mitveranstalter sind.16 Jeder von ihnen allein nimmt dann keine dominierende Position ein. Ganz üblich ist es jedoch, dass die Vereine ihre Rechte nicht selbst, sondern alle zusammen zentral über einen Verband vermarkten, weil sich damit für sie wie auch für die Medienunternehmen gewichtige Vorteile verbinden. Darauf ist, ebenso wie auf die Problematik der damit verbundenen wettbewerbsbeschränkenden Abreden, im Weiteren noch eingehend zurückzukommen. Für den Moment genügt es dagegen festzuhalten, dass infolge der Zentralvermarktung der Marktgegenseite im Ergebnis nur noch ein Verhandlungspartner gegenübersteht, der gebündelt die Befugnisse der einzelnen Vereine wahrnimmt. Zu Recht ging der BGH daher in der Hörfunkrechte-Entscheidung von einer kollektiven Marktbeherrschung im Sinne von § 19 Abs. 2 S. 2 GWB aus.17 Die an der Zentralvermarktung beteiligten Vereine bilden nämlich im Innenverhältnis eine kollektive Einheit, innerhalb derer ein Wettbewerb zwischen ihnen nicht besteht;18 im Außenverhältnis wiederum treten sie als Quasi-Monopolist auf. Damit sind Vereine und Verband Normadressaten des Missbrauchsverbots. Nicht diese besondere Marktsituation jedoch ist für sich genommen zu beanstanden, verboten ist vielmehr allein deren Missbrauch. Namentlich darf das marktbeherrschende Unternehmen die Marktgegenseite nicht unbillig behindern oder einzelne Unternehmen gegenüber anderen gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandeln. Um die Unbilligkeit oder die fehlende sachliche Rechtfertigung festzustellen, bedarf es ___________ 15 Eingehend dazu Möschel, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, EG/Teil 1, 4. Aufl. 2007, Art. 82 Rn. 63 ff. 16 Kommission, COMP/C.2-37.398, ABl. 2003 Nr. L 291/36, Tz. 122; Kommission, COMP/C-2/37.214, ABl. 2005 Nr. L 134/46, Tz. 22; zum deutschen Recht ebenso BGHZ 137, 297, 306 ff. = NJW 1998, 756. 17 BGHZ 165, 62, 69 = NJW 2006, 377. 18 Vgl. daneben EuG, Rs. T-193/02, Slg. 2005, II-209, Tz. 110 ff. – Piau (FIFAReglement für Spielervermittler); sowie dazu Schürnbrand, ZWeR 2005, 396, 408; Vetter, SpuRt 2005, 233.

Sportübertragungsrechte im deutschen und europäischen Kartellrecht

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einer umfassenden Interessenabwägung. Neben den jeweiligen Individualinteressen und der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Kartellrechts fließen in diese Abwägung gesetzliche und das bedeutet hier zuvörderst grundrechtliche Wertungen ein. Daher gilt es durchaus zu berücksichtigen, dass sich die Hörfunkveranstalter auf die Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG berufen können. Auf ein unentgeltliches Recht zur Berichterstattung lässt sich daraus freilich nicht schließen. Denn dem steht die Berufsfreiheit der Vereine aus Art. 12 GG entgegen, deren Schutzbereich gerade auch die Verwertung der beruflich erbrachten Leistung umfasst. Dazu gehört bei Sportereignissen vor allem die Verwertung der Möglichkeit, das Spiel unmittelbar oder mittelbar mitzuerleben.19 Den Rundfunkanstalten wiederum kann die Leistung eines Entgelts zugemutet werden, weil sie selbst wirtschaftlichen Nutzen aus dem attraktiven Programminhalt ziehen. Mit dem normalen Zuschauer oder anderen Pressevertretern, von denen ein deutlich geringeres Entgelt verlangt wird, können sich die Hörfunkveranstalter dagegen schon im Ansatz nicht vergleichen. Im Gegensatz zu diesen erwarten sie nämlich besondere Leistungen wie einen gesonderten Arbeitsplatz und technisches Equipment. Damit bleibt zuletzt noch der Umstand zu würdigen, dass in der Vergangenheit Hörfunkentgelte nicht beansprucht wurden. Da sich jedoch, wie eingangs näher ausgeführt, die Gepflogenheiten im Profisport gegenüber den früheren Verhältnissen nachhaltig verändert haben und weiterhin verändern, können diese nicht als maßgeblicher Vergleichsmarkt angesehen werden; vielmehr muss es den Vereinen und Verbänden unbenommen bleiben, ihr Geschäftsgebaren dem Stand der Zeit anzupassen.20 Im Ergebnis müssen daher die Interessen der Rundfunksender zurücktreten; ein Recht zur unentgeltlichen Übertragung steht ihnen nicht zu. Nicht Gegenstand der BGH-Entscheidung war jedoch die sich daran anknüpfende Frage, ob nicht wenigstens gegen Entgelt ein Kontrahierungszwang besteht. Insofern wurde im Schrifttum bereits die essential facilities-doctrine ins Feld geführt.21 Diese bildet im Gemeinschaftsrecht eine ungeschriebene Fallgruppe des Art. 82 EG, im deutschen Recht hingegen ist sie in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB gesondert kodifiziert. Inhaltlich versteht man darunter im europäischen Recht die Verpflichtung des marktbeherrschenden Unternehmens, anderen Unternehmen Zugang zu seinen Netzen und Infrastruktureinrichtungen sowie anderen rechtlichen Institutionen zu gewähren, die für eine Teilnahme am Wettbewerb auf einem bestimmten nachgelagerten Markt unerlässlich sind und ___________ 19

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BGHZ 165, 62, 70 ff. = NJW 2006, 377; zustimmend Lange, EWiR 2006, 399, Vgl. dazu Zagouras, WuW 2006, 376, 381. Dreher, DB 1999, 833, 834.

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nicht dupliziert werden können.22 Der besondere Tatbestand des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB dagegen ist enger formuliert und erfasst nur Netze und Infrastruktureinrichtungen, gewerbliche Schutzrechte dagegen wollte der deutsche Gesetzgeber bewusst vom Anwendungsbereich ausnehmen. Da sich die Vermarktung von Sportereignissen nach herrschendem Verständnis nicht einmal auf ein solches stützen kann, sondern seine Grundlage allein im Wettbewerbsrecht und im Hausrecht des Veranstalters findet,23 greift jedenfalls § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB hier nicht ein.24 Das schließt zwar den Rückgriff auf die Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB nicht per se aus;25 aus zumindest zwei Gründen scheidet aber ein kartellrechtlicher Kontrahierungszwang sowohl nach deutschem wie auch nach europäischem Recht im Grundsatz doch aus. Unter dem Gesichtspunkt der essential-facilities-doctrine fehlt es auf Seiten der Medienunternehmen an der existentiellen Angewiesenheit; Sportübertragungen sind in aller Regel schon nicht zwingend erforderlich, um das Geschäft eines Fernseh- oder Radiosenders zu betreiben.26 Im Übrigen bedarf es jedenfalls auch hier einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen. Man wird aber den Anbietern nicht abstreiten können, dass nur ein möglichst hoher Exklusivitätsgrad einen wirtschaftlich effektiven Vertrieb von Sportveranstaltungen ermöglicht.27 Eine Aufteilung der Rechte auf verschiedene Medienunternehmen dagegen macht die weitere Verwertung für jedes einzelne von ihnen wirtschaftlich unkalkulierbar. Die damit verbundene Entwertung des ökonomischen Potentials ist wiederum auch den Verbänden und Vereinen jenseits des verfassungsrechtlich verbürgten Rechts auf Kurzberichterstattung nicht zumutbar. Vorrang vor der Berufsfreiheit genießt die Pressefreiheit damit allein insofern, als es nicht um die Nutzbarmachung des Unterhaltungswerts der Veranstaltung, sondern um die reine Vermittlung von Nachrichten geht.28 ___________ 22

Zusammenfassend Kling/Thomas (Fn. 3), § 5 Rn. 82 ff., § 18 Rn. 274 ff. Grundlegend BGHZ 110, 371, 383 f. = NJW 1990, 2815; s. daneben Petersen, Medienrecht, 3. Aufl. 2006, § 9 Rn. 38 ff.; Summerer, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, 4. Teil Rn. 70 ff.; Lochmann, in: Vieweg (Hrsg.), Prisma des Sportrechts, 2006, S. 247 ff. 24 OLG Hamburg NJW-RR 2003, 1485, 1487; Körber/Zagouras, WuW 2004, 1144, 1150 ff.; Schultz, in: Langen/Bunte (Hrsg.), GWB, 10. Aufl. 2006, § 19 Rn. 160; vgl. daneben Götting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht, Bd. 2, GWB, 2006, § 19 Rn. 90. 25 BGHZ 160, 67, 72 ff. = WRP 2004, 1372. 26 Heinemann, ZEuP 2006, 337, 366; Laier, in: Vieweg (Hrsg.), Prisma des Sportrechts, 2006, S. 65, 89 ff. 27 Heinemann, ZEuP 2006, 337, 366 f.; vgl. zum Aspekt der Exklusivität auch A. Fikentscher (Fn. 6), S. 509 ff. 28 Vgl. BVerfGE 97, 228 = NJW 1998, 1627; Petersen (Fn. 23), § 9 Rn. 58 ff.; speziell zu Hörfunkrechten Strauß, Hörfunkrechte des Sportveranstalters, 2006, S. 288 ff. 23

Sportübertragungsrechte im deutschen und europäischen Kartellrecht

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IV. Zentralvermarktung 1. Europäisches Recht Mehr noch als die nunmehr vorbehaltlich eines Rechts zur Kurzberichterstattung verneinte Frage des Kontrahierungszwangs hat die Praxis in den letzten Jahren die schon angesprochene zentrale Vermarktung von Fernsehrechten bewegt. Nachdem nunmehr aber eine Serie von Entscheidungen der Europäischen Kommission zur UEFA-Champions League, zur deutschen Bundesliga und zur englischen Premier League ergangen ist, haben sich die Wogen der Auseinandersetzung merklich geglättet.29 Eine systematische Aufarbeitung ist gleichwohl lohnend, weil sich die Kommissionspraxis immer weiter ausdifferenziert und vor allem im Hinblick auf die aufkommende Konvergenz der Medien noch keineswegs alle Rechtsfragen abschließend geklärt sind. Im Ausgangspunkt ist die Zentralvermarktung vorrangig unter dem Gesichtspunkt des Verbots wettbewerbsbeschränkender Abreden zu beurteilen und erweist sich in zweierlei Hinsicht als problematisch: Zum einen wird durch die Verhaltenskoordination auf der Ebene der Vereine die Zahl der Anbieter von Fernsehrechten künstlich reduziert.30 Zum anderen kann gerade die langfristige Vergabe an Dritte – wie im Grundsatz jede vertikale Exklusivbindung – zu einer nicht gerechtfertigten Marktzutrittsschranke führen.31

a) Tatbestand des Art. 81 Abs. 1 EG In allen ihren Entscheidungen hat die Europäische Kommission denn auch zunächst einmal den Tatbestand des Art. 81 Abs. 1 EG bejaht. In der Tat liegt im Hinblick auf die beteiligten Vereine eine horizontale, mithin im Verhältnis zwischen Wettbewerbern auf derselben Wirtschaftsstufe getroffene Verhaltenskoordination und damit eine wettbewerbsbeschränkende Abrede vor. Als ungeschriebenes Merkmal des Art. 81 Abs. 1 EG gilt es freilich immer noch zu prüfen, ob nicht eine Tatbestandsrestriktion in Betracht kommt. Das ist im Rahmen des sog. Immanenzgedankens immer dann zu bejahen, wenn eine formal handlungsbeschränkende Abrede zwingend erforderlich ist, um den Bestand und die ___________ 29

Kommission, COMP/C.2-37.398, ABl. 2003 Nr. L 291/25 – UEFA Champions League; Kommission, DG COMP/C-2/37.214, ABl. 2005 Nr. L 134/46 – Deutsche Bundesliga; Kommission, COMP/C-2/38.173 – FA Premier League; s. auch Begleitdokument zum Weißbuch Sport, 11.7.2007, SEK (2007) 935, S. 91 ff. 30 A. A. Hellmann/Bruder, EuZW 2006, 359, 361 f.; Summerer (Fn. 23), 4. Teil Rn. 90: Vermarktung der gemeinschaftlichen Medienrechte. 31 Vgl. auch Leigh, in: Fordham Corporate Law Institute, International Antitrust-Law & Policy, 2005, S. 241, 253 f., der in diesem Zusammenhang zwischen „inter-sport arrangements“ und „third party arrangements“ unterscheidet.

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Funktionsfähigkeit der Vereine und der von ihnen durchgeführten Wettbewerbe sicherzustellen.32 Insoweit drangen die Verbände jedoch mit ihrem Argument nicht durch, die Zentralvermarktung diene der Bewahrung des Kräftegleichgewichts zwischen den Vereinen und der Förderung des Nachwuchses und sei deshalb hinzunehmen.33 Bei der gebotenen Erforderlichkeitsprüfung wurden die Vereine von der Kommission auf andere Ausgleichssysteme wie die Bildung eines solidarischen Umverteilungsfonds verwiesen und mussten sich vorhalten lassen, dass in vielen Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene die Einzelvermarktung durchaus verbreitet ist. Damit wurde ein tendenziell enger Maßstab angelegt und die Gewährung eines weiten gerichtsfesten Beurteilungsspielraums inzident verweigert. Das überzeugt schon deshalb, weil es sich weder um eine sportart-typische Spielregel handelt noch sonst die Autonomie der Vereine, den Sport nach ihren Vorstellungen auszurichten, zentral betroffen ist.34 Die mit der Zentralvermarktung verfolgten Anliegen lassen sich systemgerecht vielmehr im Rahmen des Art. 81 Abs. 3 EG berücksichtigen.

b) Freistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG Ein Verstoß gegen das Kartellverbot liegt nämlich nur dann vor, wenn neben der Erfüllung der in Art. 81 Abs. 1 EG niedergelegten Tatbestandsmerkmale zugleich feststeht, dass die Voraussetzungen für eine Freistellung nach Abs. 3 nicht gegeben sind. Im Zentrum der Prüfung steht insofern die Frage, ob die Abrede entweder zur Verbesserung der Warenerzeugung und -verteilung oder aber zur Förderung des technischen Fortschritts beiträgt. Eine Wettbewerbsbeschränkung ist zulässig, wenn sie hierzu erforderlich ist, die Verbraucher angemessen am Gewinn beteiligt werden und der Wettbewerb nicht völlig ausgeschaltet wird.

___________ 32

Vgl. dazu Kommission, COMP/37.806, Tz. 30 ff. – ENIC/UEFA; Generalanwalt Cosmas, verb. Rs. C-51/96 und C-191/97, Slg. 2000, I-2549, Tz. 111 – Deliège; Generalanwalt Alber, Rs. C-176/96, Slg. 2000, I-2681, Tz. 107 – Lehtonen; Buch, WuW 2005, 266, 267; Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordination im Sport, 2001, S. 317 ff.; Schürnbrand, ZWeR 2005, 396, 405 ff.: kritisch dagegen Heermann, RabelsZ 67 (2003), 106, 126. 33 Kommission, COMP/C.2-37.398, ABl. 2003, Nr. L 291/25, Tz. 129 ff.; vgl. daneben Monopolkommission, Hauptgutachten 1996/97, 1998, Rn. 101, 500; Weihs, in: Vieweg (Hrsg.), Perspektiven des Sportrechts, 2005, S. 149, 160 ff.; a. A. Stopper, Ligasport und Kartellrecht, 1997, S. 146 ff. 34 Näher zum Problem eines solchen Beurteilungsspielraums Schürnbrand, ZWeR 2005, 396, 407.

Sportübertragungsrechte im deutschen und europäischen Kartellrecht

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aa) Ökonomische Vorteile Für eine solche Freistellung lassen sich gute Gründe anführen. Zunächst bietet die zentrale Vermarktung der Medienrechte für alle Beteiligten Vorteile, weil eine einzige Anlaufstelle für den Verkauf des Ligaprodukts zur Verfügung steht.35 Hierdurch werden die Transaktionskosten gesenkt, weil den beteiligten Vereinen der Aufbau eigener Vertriebsabteilungen und den Medienunternehmen die Kommunikation mit einer großen Vielzahl von Vereinen erspart bleibt.36 Vor allem aber erleichtert die Rechtebündelung das aus Zuschauersicht besonders attraktive Angebot eines Pakets, das neben Liveübertragungen einzelner Spiele auch Zusammenfassungen des gesamten Spieltags erlaubt. Neben der Schaffung einer einzigen Anlaufstelle erlaubt die Zentralvermarktung aber auch eine einheitliche, durchgehend hochwertige Präsentation des Sports und dient damit der Verbesserung des Markenimages.37 Auf dieser Ebene verdient schließlich auch das Ansinnen Anerkennung, mit der zentralen Vermarktung im Sinne gegenseitiger Solidarität für einen finanziellen Ausgleich zwischen den Vereinen zu sorgen.38 Da die Vereine durch ihr Zusammenwirken nur dann ein dauerhaft attraktives Produkt anbieten können, wenn ihr Leistungsniveau nicht allzu stark divergiert, lässt sich ein gewisser Finanzausgleich aus wettbewerbspolitischen Gründen durchaus rechtfertigen.39

bb) Vertragliche Ausgestaltung Ist somit eine zentrale Vermarktung nach den überzeugenden Darlegungen der Kommission als solche nicht zu beanstanden, so gilt das nicht ohne weiteres für die im Zusammenhang mit der Rechtebündelung stehende exklusive Vertikalbindung gegenüber den Sendern, die, wie schon ausgeführt, zu einer nicht zu rechtfertigenden Markzutrittsschranke führen kann. Um das zu verhindern, knüpft die Kommission die Freigabe an ein ganzes Bündel von Bedingungen. Danach müssen die Ligarechte (1) auf mehrere Pakete aufgeteilt werden und (2) in einem transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren angeboten ___________ 35

Kommission, COMP/C.2-37.398, ABl. 2003 Nr. L 291/25, Tz. 143 ff. Nach seinem Art. 295 lässt der EG-Vertrag nämlich die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt; vgl. speziell zu Deutschland BGH NJW 1970, 206; BGHZ 137, 297, 307; OLG Frankfurt/Main SpuRt 1999, 200, 201; Petersen, Fußball im Rundfunk- und Medienrecht, 2001, S. 16 ff. 37 Kommission, COMP/C.2-37.398, ABl. 2003 Nr. L 291/25, Tz. 154 ff. 38 Kommission, COMP/C.2-37.398, ABl. 2005 Nr. L 134/46, Tz. 129; vgl. daneben Wertenbruch, ZIP 1996, 1417, 1423 ff.; krit. dagegen Jänich, GRUR 1998, 438, 443; Hohmann, WRP 1997, 1011, 1014; Hannamann (Fn. 32), S. 436 f. 39 Kritisch auch insofern Sauer, SpuRt 2004, 93, 97. 36

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werden, wobei (3) die Laufzeit der Verträge drei Spielzeiten nicht überschreiten darf und (4) ungenutzte Rechte den Vereinen zur Verwertung zufallen müssen.40 Das dahinter stehende Anliegen leuchtet unmittelbar ein. Ist ein weithin exklusiver Vertrieb der Sportübertragungsrechte aufgrund der besonderen Struktur des Marktes unumgänglich, ist mithin ein allenfalls eingeschränkter Wettbewerb im Markt möglich, dann ist es Aufgabe des Kartellrechts, wenigstens den Wettbewerb um den Markt zu gewährleisten.41 Daher ist dafür Sorge zu tragen, dass die interessierten Marktteilnehmer nicht auf unabsehbare Zeit vom Zugang zum Produkt ausgeschlossen werden, sondern in regelmäßigen, ökonomisch überschaubaren Zeitabständen eine faire Chance zum Markzutritt erhalten. Die genannten drei Jahre dürften freilich nur ein Richtwert sein. So sind längere Bindungen akzeptabel, wenn sie für die Einführung einer neuen Technologie erforderlich sind,42 während umgekehrt die Konzentration auf einen marktbeherrschenden Abnehmer schon bei kürzeren Laufzeiten die Erhaltung eines offenen Marktes gefährden kann. Neben der zeitlichen Begrenzung kommt vor allem dem Aspekt eines transparenten und diskriminierungsfreien Vergabeverfahrens zentrale Bedeutung zu. Es ist daher zu begrüßen, dass die Kommission in ihrer jüngsten Entscheidung zur englischen Premier League aus dem Jahr 2006 die Einsetzung einer unabhängigen Aufsichtsperson (independent monitoring trustee) durchgesetzt hat, der die Einhaltung eines offenen und am Wettbewerbsgedanken ausgerichteten Bieterverfahrens sicherstellen soll.43 Bei aller Betonung des Wettbewerbs um den Markt darf jedoch nach Art. 81 Abs. 3 lit. b) EG der Wettbewerb im Markt nicht völlig ausgeschaltet sein. Die Kommission verlangt deshalb die Bildung von ausgewogenen Rechtepaketen. Das damit verfolgte Anliegen des Aufbrechens des Marktes würde freilich konterkariert, wenn im Ergebnis ein Unternehmen alle Rechtepakete erwerben würde. Dem setzt die Kommission zwei Strategien entgegen. Sie verlangt gegebenenfalls zunächst, dass für jedes Rechtepaket gesonderte und unbedingte Gebote abgegeben werden. So soll vermieden werden, dass ein finanzkräftiger Interessent für besonders interessante und wertvolle Rechte einen Bonus anbietet, der nur dann fällig wird, wenn ihm auch bestimmte andere Rechte zugesprochen werden. Durch die Entkoppelung der Angebote haben demgegenüber in Nischenbereichen auch Spezialanbieter eine realistische Erwerbschance. Reicht dieses sog. „blind selling“ nicht aus, will die Kommission es im Einzel___________ 40

Vgl vor allem Kommission, COMP/C-2/37.214, ABl. 2005 Nr. L 134/46, Tz. 26 ff.; daneben instruktiv Leigh (Fn. 31), S. 257; zuvor bereits Kommission, IV/31.734, ABl. 1989 Nr. L 284/36; IV/32.524, ABl. 1991 Nr. L 63/32; Fleming, ECLR 1999, 143; Mailänder, FS Geiß, 2000, S. 605, 612 ff.; eingehende Würdigung bei Laier, Die Berichterstattung über Sportereignisse, 2007, S. 448 ff. 41 Vgl. Heinemann, ZEuP 2006, 337, 360; Graf, ZEuP 2006, 371, 378. 42 Deselaers, WuW 1998, 946, 953 f.; Laier (Fn. 26), S. 86. 43 Kommission, COMP /C-2/38.173, Tz. 37.

Sportübertragungsrechte im deutschen und europäischen Kartellrecht

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fall durch die explizite Verpflichtung ergänzen, die Rechte nicht an einen einzelnen Erwerber zu veräußern.44 Schließlich ist es der Kommission ein Anliegen, das aus Sicht der Verbraucher missliche Ergebnis zu verhindern, dass innerhalb größerer Pakete bestimmte Spiele überhaupt nicht übertragen werden. Daraus erklärt sich die Vorgabe, dass ungenutzte Rechte den Vereinen zur Verwertung zurückfallen müssen. Dem einzelnen Verein soll es mit anderen Worten frei stehen, mit der Zentralvermarktungsstelle in Wettbewerb zu treten und selbst einen Abnehmer für das von ihm veranstaltete Ereignis zu finden. Die Bildung von Rechtepaketen war in der Vergangenheit sicherlich ein taugliches Mittel zur Strukturierung des Marktes, für die Zukunft sieht sich dieses Konzept indessen erheblichen Bedenken ausgesetzt. Deutlich wird die Problematik anhand der von der Kommission im September 2005 abgeschlossenen Sektorstudie zu Sportrechten und Mobiltelefonie der dritten Generation (neudeutsch: 3G).45 Darin favorisiert die Kommission weiterhin eine gesonderte Verwertung von Fernseh- und Mobilfunkrechten, steht mit anderen Worten dem sog. „cross-platform bundling“ kritisch gegenüber.46 Besorgniserregend sei vor allem, dass die Rechte insgesamt von großen, finanzstarken Fernsehsendern erworben würden, dann aber gerade die Mobilfunkrechte häufig ungenutzt blieben. In der Trennung sieht die Kommission daher ein Mittel, die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher zu verbessern und die Entwicklung innovativer Technologien zu unterstützen. Das ist freilich nur solange überzeugend, wie die Mobilfunktechnik aus der Perspektive der Nutzer kein gleichwertiges Pendant zum klassischen Fernsehen bietet. In der Tat ermöglichen die entsprechenden Geräte heutzutage vor allem den Konsum unterwegs und konkurrieren daher kaum mit dem Fernsehen, das zu Hause einen viel größeren Komfort bietet und zudem oft in der Gruppe oder Familie genutzt wird. Unter diesen Voraussetzungen entwertet eine parallele oder gar zeitlich nachfolgende Ausstrahlung über Mobilfunkgeräte die konkurrierenden Fernsehrechte nicht oder jedenfalls nicht maßgeblich. Um den Mobilfunkanbietern einen effektiven Zugang zum Markt zu ermöglichen und zur Entwicklung entsprechender neuer Technologien beizutragen, sind daher den Fernsehsendern Erwerbsbeschränkungen zumutbar. Nach dem derzeitigen Stand der Entwicklung ist der Kommission in ihrer Präferenz für das „unbundling“ daher aus wettbewerblicher Sicht durchaus beizupflichten. ___________ 44 Vgl. Begleitdokument zum Weißbuch Sport, 11. 07. 2007, SEK (2007) 935, S. 96; Toft (Fn. 2), S. 8 f. 45 Vgl. den Abschlussbericht vom 21. 09. 2005; abrufbar unter http://ec.europa.eu/ comm/competition/antitrust/others/sector_inquiries/new_media/3g/index.html (zuletzt abgerufen am 01.08.2008); s. auch Begleitdokument zum Weißbuch Sport, 11. 07. 2007, SEK (2007) 935, S. 97. 46 A. a. O. (Fn. 45), Tz. 32 ff.

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Mit der zunehmenden Verbesserung der technischen Qualität des Internets und der Mobiltelefonie rückt jedoch, wie bereits einleitend betont, der Programminhalt in den Vordergrund, der technische Übertragungsweg wird dagegen zunehmend austauschbar.47 Je mehr die neuen Technologien für das klassische Fernsehen eine ernsthafte Konkurrenz bedeuten, weil sie technisch gleichwertig und damit aus Sicht des Nutzers funktional austauschbar sind, desto mehr streitet das berechtigte Bedürfnis nach Exklusivität für eine plattformübergreifende Vermarktung. Mit der fortschreitenden Konvergenz der Medien erlangen dann freilich die Instrumente des Rückfalls ungenutzter Rechte sowie der Sublizenzierung immer größere Bedeutung. Auf diese Weise ist sicherzustellen, dass nicht bestimmte neue Technologien von den etablierten Marktteilnehmern in ihrer Entwicklung unangemessen behindert werden. Als Vorbilder für die zu entwickelnden Sublizenzierungsregeln dürften sich die in den Rechtssachen „EBU“ und „SkyItalia“ gemachten Erfahrungen fruchtbar machen lassen.48

cc) Resümee Ungeachtet dieses naturgemäß unsicheren Blicks in die Zukunft gilt es für die Gegenwart festzuhalten: Zwar erfüllt der Beschluss über die Einführung einer Zentralvermarktung der laufenden Fußballwettbewerbe als wettbewerbsbeschränkende Abrede den Tatbestand des Art. 81 Abs. 1 EG; jedoch ist dieser nach Art. 81 Abs. 3 EG vom Kartellverbot ex lege freigestellt, wenn die soeben im Einzelnen herausgearbeiteten Bedingungen eingehalten werden. Verfahrensrechtlich setzt die Kommission diese im Wege von Verpflichtungszusagen der betroffenen Verbände durch, welche sie sodann für verbindlich erklärt. Verstoßen die Verbände später gegen ihre Zusagen, so kann sie Geldbußen verhängen und die Verpflichtungen mit Hilfe von Zwangsgeldern durchsetzen.49 Halten die Vereine und Verbände dagegen den vorgegebenen Rahmen ein, liegt nicht nur kein Verstoß gegen das Kartellverbot vor; vielmehr steht zugleich fest, dass die Praktiken sachlich gerechtfertigt sind und daher auch der Vorwurf des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung nicht in Betracht kommt.

___________ 47 Vgl. oben I. sowie Graf, ZEuP 2006, 371, 378 f.; eingehend zum Ganzen Laier (Fn. 26), S. 76 ff. 48 Vgl. unten V.; sowie Kommission, ABl. 2004 Nr. L 110/73 – Newscorp/Telepiù. 49 Vgl. Art. 9 VO 1/2003; eingehend zu diesem Instrument Körber, WRP 2005, 463; Kahlenberg/Neuhaus, EuZW 2005, 620; Busse/Leopold, WuW 2005, 146.

Sportübertragungsrechte im deutschen und europäischen Kartellrecht

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2. Deutsches Recht In Deutschland war die Haltung gegenüber der Zentralvermarktung zunächst deutlich restriktiver als die nunmehr von der Europäischen Kommission verfolgte Linie. Sowohl das Bundeskartellamt wie der BGH verweigerten der Zentralvermarktung ihre Anerkennung.50 In einem Akt erfolgreicher Lobbyarbeit gelang es den Sportverbänden, in das laufende Gesetzgebungsverfahren zur 6. GWB-Novelle mit § 31 eine Vorschrift einzuführen, die die Zentralvermarktung praktisch ohne Einschränkungen wieder gestattete.51 Diese Gesetzgebung wurde von Seiten der Wissenschaft von Anfang an als systemwidrig kritisiert,52 erwies sich aber vor allem als praktisch wirkungslos, weil angesichts der weiten Auslegung der Begriffs der zwischenstaatlichen Auswirkungen53 jedenfalls in den publikumswirksamen Sportarten Art. 81 EG vorrangig anwendbar blieb. Im Zuge der 7. GWB-Novelle 2005 wurde denn § 31 auch wieder ersatzlos gestrichen. Fehlt es an einer grenzüberschreitenden Wirkung, ist nach Auffassung des Gesetzgebers vor dem Hintergrund der heutigen Marktsituation nämlich schon zweifelhaft, ob überhaupt eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung vorliegt. Jedenfalls aber soll die Zentralvermarktung nach Maßgabe der von der Kommission zum europäischen Recht entwickelten Grundsätze auch im Rahmen der §§ 1 f. GWB n. F. zulässig sein.54 Dem kann nach den oben angestellten Überlegungen nur zugestimmt werden.

V. Das lange Ringen um die European Broadcasting Union Ein Vortrag über Sportübertragungsrechte und Kartellrecht wäre unvollständig, wenn er zum Abschluss nicht wenigstens kurz noch das lange Ringen um die Einkaufsgemeinschaft der European Broadcasting Union (EBU) streifen würde. Das diesbezügliche Kartellverfahren erstreckt sich nun schon fast über zwei Jahrzehnte, ohne dass ein Ende abzusehen wäre. Bei der EBU handelt es sich um eine Vereinigung von 74 überwiegend öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten, die den europäischen Markt umfassend abdecken; die deutschen Mitglieder sind ARD und ZDF. Im Rahmen des Eurovisionssys___________ 50

BKartA WuW/E BKartA 2696; KG WuW/E OLG 5565; BGHZ 137, 297. Vgl. dazu Heermann, RabelsZ 67 (2003), 106, 126 f. 52 Vgl. nur Dreher, Die 6. GWB-Novelle, in: FIW, Schwerpunkte des Kartellrechts, 1998, S. 111, 119; Mailänder (Fn. 40), S. 617; Petersen (Fn. 36), S. 81 ff.; ausgewogene Würdigung bei Hannamann (Fn. 32), S. 456 ff. 53 Vgl. nur die Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Art. 81 und 82 des Vertrages, ABl. 2004 Nr. C 101/81. 54 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 15/3640, S. 50; zustimmend Fuchs, WRP 2005, 1384, 1386. 51

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tems können sich die einzelnen Sender an einem System des gemeinsamen Einkaufs und der gemeinsamen Nutzung von Sportübertragungsrechten beteiligen. Die abgedeckten Sportarten sind überaus vielfältig; herausragende Bedeutung kommt aber seit jeher der Berichterstattung über die Olympischen Spiele zu. Ein solches Einkaufskartell bildet das Gegenstück zu der gerade behandelten Zentralvermarktung.55 Ebenso wie diese weist es aus wettbewerblicher Sicht einen ianusköpfigen Charakter auf: Einerseits führt es offenkundig zu einer Konzentration von Nachfragemacht; andererseits wird auf der Einkaufsseite eine einzige Anlaufstelle geschaffen, die in erheblichem Maße zur Senkung der Transaktionskosten beiträgt. Dadurch wiederum können nicht nur mehr und bessere Veranstaltungen übertragen werden; vor allem erhalten so auch kleinere und unterfinanzierte Rundfunkanstalten Zugang zu interessanten Rechten. Ausgehend davon hat die Kommission die Einkaufsgemeinschaft der EBU zwar zweimal als unter Art. 81 Abs. 1 EG fallende Abrede eingestuft, zugleich aber eine (damals noch erforderliche) Einzelfreistellung nach Art. 81 Abs. 3 EG erteilt.56 In beiden Fällen jedoch hatten ihre Entscheidungen vor dem EuG und dem EuGH keinen Bestand.57 Dabei stellten auch die Gerichte die positiven Effekte der Einkaufsgemeinschaft nicht in Frage, stießen sich aber daran, dass durch ihre konkrete Ausgestaltung der Markt weitgehend abgeschottet wurde. In der Tat ist der Zugang zu einzelnen Rechten für die privaten Sender bei einem Vorerwerb durch die EBU wesentlich schwieriger, als wenn es keinen Intermediär gibt oder eine Sportrechteagentur zwischengeschaltet ist. Daran änderte nach Auffassung des EuG auch das von der EBU damals vorgesehene System von Sublizenzierungsregeln nichts, da es im Ergebnis keinen adäquaten Zugang von Nichtmitgliedern gewährleistete. Daraufhin hat die EBU ihre Sublizenzierungsregeln überarbeitet und stellt nunmehr – in Parallele zur Rechtslage bei der Zentralvermarktung – sicher, dass außenstehende Anbieter mehr und überdies all diejenigen Veranstaltungen übertragen können, die von den öffentlich-rechtlichen Sendern nicht abgedeckt werden. Den Privatsendern geht freilich auch das jetzige Regime noch nicht weit genug.58 Wie sich die Kommission hier positionieren wird, bleibt abzuwarten und kann ohne näheren Einblick in die Märkte kaum vorhergesagt werden. Tenden___________ 55

Zu Unrecht bestreitet A. Fikentscher (Fn. 6), S. 509 ff. das Vorliegen eines horizontalen Wettbewerbsverhältnisses; überzeugend dagegen Heinemann, ZEuP 2006, 337, 353. 56 Kommission, ABL. 1993 L 179/23; Kommission, ABl. 2000 L 151/18. 57 EuG, Rs. T-528/93, Slg. 1996, II-649; EuG, Rs. T-185/00, Slg. 2000, II-3805; EuGH, Rs. C-470/02 P, ABl. 2004 Nr. C 314/2. 58 Vgl. Enßlin, ZEuP 2006, 380, 386 ff.; kritisch auch Summerer (Fn. 23), 4. Teil Rn. 107.

Sportübertragungsrechte im deutschen und europäischen Kartellrecht

25

ziell sollte die Bedeutung des Sublizenzierungssystems freilich nicht überbetont werden. Ob das Nicht-EBU-Mitglied wie bisher im Extremfall Zugang zur viertpopulärsten Sportart hat oder seinen Rang geringfügig verbessert, spielt letztlich nicht die ausschlaggebende Rolle. Vielmehr sollte die Parallele zur Zentralvermarktung betont und eine Ersetzung des „Wettbewerbs im Markt“ durch den „Wettbewerb um den Markt“ in Form eines transparenten Zulassungsverfahrens betont werden. Um eine vollständige Marktabschließung zu verhindern, hat Heinemann einschränkend vorgeschlagen, die Freistellung mit der Einschränkung zu versehen, dass, wenn in einem bestimmten Land ein Sender aufgrund eines substantiierten Anforderungsprofils ein besseres Angebot abgibt als die EBU, eine Vergabe an diesen Sender möglich sein muss.59 Mich überzeugt diese Idee einer „Öffnungsklausel“, da sie einen vernünftigen und flexiblen Ausgleich zwischen dem System des gemeinsamen Einkaufs und der damit verbundenen Senkung der Transaktionskosten einerseits und der Öffnung des Marktes für leistungsstärkere Angebote andererseits ermöglicht.

VI. Fazit Betrachtet man das vorstehend entwickelte Panorama der Sportvermarktungsrechte im deutschen und europäischen Kartellrecht als Ganzes, so zeigt sich einerseits, dass die Kartellbehörden und Gerichte mittlerweile genügend Pflöcke eingeschlagen haben, um Orientierung in dieser schwierigen Materie zu gewährleisten. Dabei ist das stete Bestreben zu würdigen, den rechtstatsächlichen Besonderheiten des Sports angemessen Rechnung zu tragen. Andererseits handelt es sich um eine in besonderer Weise dynamische Materie, welche den Rechtsanwender auch in Zukunft vor immer neue Probleme stellen wird. Ein Ende der Debatte kann mithin nicht vermeldet werden.

___________ 59

Heinemann, ZEuP 2006, 337, 362.

Schutzrechte an Sportdaten – am Beispiel von Regelwerken, Spielplänen und Tabellen Von Christoph Röhl I.

Einleitung..........................................................................................................

28

II. Schutzrechte an ausgewählten Sportdaten.........................................................

29

1.

Begriff der „Sportdaten“............................................................................

29

2.

Regelwerke................................................................................................

30

a)

§ 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG............................................................

31

aa) Schutzfähige Schriftwerke..........................................................

31

bb) Fazit............................................................................................

35

§ 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 UrhG............................................................

36

b)

3.

c)

Ergebnis .............................................................................................

37

d)

Weitergehende Überlegungen ............................................................

37

Spielpläne und Tabellen ............................................................................

38

a)

§ 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 UrhG............................................................

39

b)

§ 4 Abs. 2 UrhG .................................................................................

40

aa) Datenbankcharakter ....................................................................

40

bb) Schöpfungshöhe .........................................................................

41

cc) Ergebnis......................................................................................

42

§ 87a UrhG.........................................................................................

43

aa) Erfordernis einer „wesentlichen Investition“ ..............................

43

bb) Schutzumfang nach Auffassung des EuGH ................................

44

cc) Stellungnahme mit Schlussfolgerung .........................................

45

§§ 3, 4 Nr. 9 UWG .............................................................................

48

aa) Grundsätzliches ..........................................................................

48

bb) Besonderes Unlauterkeitsmoment gemäß § 4 Nr. 9 UWG .........

49

cc) Bagatellschwelle.........................................................................

53

c)

d)

Ergebnis .............................................................................................

54

III. Zusammenfassende Bewertung.........................................................................

e)

54

28

Christoph Röhl

I. Einleitung „Fußball ist ein Spiel, kein Produkt, ist Sport, kein Markt, zunächst ein Spektakel und kein Geschäft.“.1 Man mag zu dieser Aussage des amtierenden UEFA-Präsidenten Michel Platini stehen wie man will. Eines ist jedoch gewiss: Professioneller Sport ist heute mehr als nur Spiel und Spektakel. Er ist auch ein in wirtschaftlicher Hinsicht kaum mehr zu unterschätzendes Massenphänomen geworden. Fast jährlich werden neue Vermarktungs- und Einnahmerekorde aufgestellt.2 Ermöglicht wird diese Entwicklung vor allem durch eine immer intensivere – und teilweise auch aggressivere – Vermarktungsstrategie der Organisatoren. Neue Möglichkeiten der Lizenzvergabe werden erschlossen – man denke etwa an die Bereiche des Internets und des Mobilfunks.3 Gleichzeitig wird zum Schutz exklusiver Lizenzen massiver gegen sog. „parasitäres Schmarotzertum“4 vorgegangen. Und dies zum Teil mit gutem Grund. Das unbefugte Verwenden ökonomisch hochpotenter Werte aus dem Sportsektor ist zu einem ernsten Problem geworden. Das Interesse der hiervon betroffenen Sportler, Vereine und Verbände, einer unkontrollierten Kommerzialisierung ihrer Wertschöpfungen nicht vollkommen schutz- und rechtlos gegenüberzustehen, liegt auf der Hand. Ohne die Möglichkeit der Vergabe von Exklusivrechten ist eine ausgewogene Refinanzierung globaler Sportereignisse kaum mehr zu bewältigen. Die Einräumung ausschließlicher Nutzungsrechte an Dritte setzt dabei zwingend die Existenz entsprechender Schutzrechte voraus. Ob und in welchem Umfang jedoch Schutzrechte im Bereich des Sports anzuerkennen sind, ist seit Jahrzehnten Gegenstand lebhafter Diskussionen. ___________ 1 Michel Platini, kurz vor seiner Wahl zum neuen UEFA-Präsidenten auf dem XXXI. Ordentlichen Kongress der Europäischen Fußball-Union (UEFA) im Januar 2007. 2 Exemplarisch sei an dieser Stelle das Sponsoring der Olympischen Spiele herausgegriffen. Beliefen sich die Ausgaben der sog. TOP-Sponsoren für die Exklusivrechte an den Spielen vor 20 Jahren noch auf rund US-$ 96 Mio., so hat sich der Preis bis heute mehr als verneunfacht. Die TOP-Sponsoren der Olympischen Spiele 2006 in Turin und 2008 in Peking erkauften sich ihre Exklusivrechte bereits für insgesamt US-$ 866 Mio. Vgl. IOC, 2008 Olympic Marketing Fact File, S. 12, abrufbar unter < http://multimedia.olympic.org/pdf/en_report_344.pdf > (Stand: 02.07.2008). Vergleichbares lässt sich auch im Profi-Fußball beobachten. So konnte beispielsweise die UEFA ihren Umsatz bei der Fußball EM 2008 um rund 50 Prozent (!) gegenüber dem vorangegangenen EM-Turnier auf nunmehr insgesamt € 1,3 Mrd. steigern, vgl. Handelsblatt v. 30.07.2008, S. 20. 3 Zu vergaberechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit den Auswertungsrechten für die sog. neuen Medien vgl. etwa Fikentscher, UFITA 2005, 635 ff.; Eilers, SpuRt 2006, 221 ff.; Büchner, CR 2007, 473 ff. Weiterhin Hoeren, MMR 2008, 139 ff. 4 Die rechtliche Problematik des „Ambush Marketing“ wird ausführlich behandelt bei Melwitz, Der Schutz von Sportgroßveranstaltungen gegen Ambush Marketing, Tübingen 2008; vgl. auch Heermann, GRUR 2006, 359 ff., und Berberich, SpuRt 2006, 181 ff.

Schutzrechte an Sportdaten

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II. Schutzrechte an ausgewählten Sportdaten 1. Begriff der „Sportdaten“ Prägend für den weiteren Fortgang der Untersuchung wird der Begriff der „Sportdaten“ sein. Bei diesem handelt es sich nicht um eine allgemein gängige, der Sportwissenschaft oder dem Sportrecht entsprungene Erscheinung. Es soll daher zunächst versucht werden, diesen Begriff mit einigen Worten näher zu umschreiben. Betrachtet man die Wortteile – „Sport“ und „Daten“ – zunächst isoliert voneinander, so fällt auf, dass sich beide bislang allgemein anerkannten Definitionen verschlossen haben.5 Hieraus jedoch den Schluss der Undefinierbarkeit zu ziehen, wäre zu kurz gegriffen.6 In der langjährigen Diskussion darüber, was den „Sport“ im Allgemeinen und den „professionellen Sport“ im Besonderen ausmacht, haben sich – mit unterschiedlicher Gewichtung im Einzelfall – gewisse Kriterien herausgebildet, anhand derer eine einigermaßen konturierte Aussage über den Lebensbereich „Sport“ möglich erscheint. Dieser lässt sich danach umschreiben als jede zweckfreie, hinreichend organisierte körperliche Tätigkeit, die auf Leistungssteigerung gerichtet ist und einheitlichen Regeln folgt.7 Freilich ist diese Begriffsannäherung nicht im Sinne einer starren Definition zu verstehen; entscheidend kann letztlich stets nur eine wertende Betrachtung im Einzelfall sein. Auch zum Begriff der „Daten“ werden – je nach wissenschaftlicher Disziplin – die unterschiedlichsten Standpunkte vertreten.8 Bringt man die divergierenden Ansichten jedoch auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner, so bleibt folgende Erkenntnis: „Daten“ sind jedenfalls durch Zeichen – sprich Wörter, Zahlen oder Symbole – dargestellte Informationen.9 ___________ 5 Zum Sportbegriff vgl. Steinkamp, Was ist eigentlich Sport?, Wuppertal 1983, S. 7; Taube, Planungshilfen zum Freizeitkonflikt Umwelt und Sport, Essen 1991, S. 6 ff.; Stettler, Sport und Verkehr, Bern 1997, S. 32 f. Vgl. zum Datenbegriff nur Eiding, Strafrechtlicher Schutz elektronischer Datenbanken, Darmstadt 1997, S. 3. 6 So aber Kleinman, Für eine Nicht-Theorie des Sports, in: Klaus Willimczik (Hrsg.), Wissenschaftstheoretische Beiträge zur Sportwissenschaft, Schorndorf 1979, S. 150 (151); Börner, Sportstätten-Haftungsrecht. Eine systematische Darstellung, Berlin 1985, S. 8. 7 Eingehend zum Sportbegriff Holzke, Der Begriff Sport im deutschen und im europäischen Recht, Köln 2001; Ketteler, SpuRt 1997, 73 ff.; Neumann, Sport auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen, Berlin 2002, S. 29 ff.; Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, Kiel 2004, S. 14 ff. 8 Vgl. etwa Petersen/Schoch, JURA 2005, 681 (682); Ulmer, Elektronische Datenbanken und Urheberrecht, München 1971, S. 8; vgl. weiterhin die unterschiedlichen Definitionsansätze der einschlägigen Lexika, beispielsweise der Brockhaus Enzyklopädie. 9 So auch Soergel/Marly, BGB, 13. Aufl., Stuttgart u.a. 2000, § 90 Rdnr. 4; Sondermann, Computerkriminalität. Die neuen Tatbestände der Datenveränderung gem. § 303a

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Christoph Röhl

Fügt man in einem dritten Schritt die beiden Wortteile wieder zusammen, so lässt sich konstatieren, dass der Begriff „Sportdaten“ alle zeichenmäßig dargestellten Informationen über den Lebensbereich Sport umfasst. Damit eröffnet sich ein weites Feld: Nicht nur Elemente der Sportorganisation wie Regelwerke, Satzungen, Spielpläne und Tabellen werden umfasst; daneben erfüllen auch Film- und Fotoaufnahmen, Audioelemente und Printerzeugnisse von und über Sportveranstaltungen ebenso wie Namen und Logos der Vereine, Verbände, Sportler und Sportveranstaltungen die hier aufgestellten Begriffsmerkmale. Diese Aufzählung ist keinesfalls abschließend. Die Fülle möglicher Sportdaten erfordert es an dieser Stelle, einen Teilaspekt herauszugreifen und diesen beispielhaft zu beleuchten. Näher untersucht werden soll im Folgenden der Bereich der sportorganisatorischen Daten – also insbes. Regelwerke, Spielpläne und Tabellen. Ob an diesen de lege lata Schutzrechte bestehen, ist ein in der Rechtswissenschaft bislang kaum erörtertes Problem.10 Dürfen Sportregelwerke ungefragt von dritter Seite kommerziell genutzt werden? Können Sportwettenanbieter oder Finanzdienstleister ohne vertragliche Gestattung auf Spielpläne und Tabellen zugreifen und diese in ihre Produktangebote eingliedern? Diese Fragen sind von hoher Aktualität11 und bieten daher genügend Anlass für eine eingehende juristische Würdigung.

2. Regelwerke Zunächst soll der Fokus auf den rechtlichen Schutz von Sportregelwerken gerichtet werden. Sportregeln dienen der Typisierung von Sportarten und ermöglichen aufgrund ihrer weitgehenden Vereinheitlichung einen (weltweiten) Leistungsvergleich. Ohne einheitliche Regeln wäre professioneller Sport nicht denkbar. Der moderne Profi-Sport bringt es mit sich, dass die meisten Regelwerke mittlerweile zu komplexen Gebilden herangewachsen sind, deren laufende Anpassung an geänderte gesellschaftliche, technische und sportspezifische Entwicklungen bisweilen beachtliche finanzielle und personelle Mittel notwendig werden lässt. Ob den Sportverbänden als Ausgleich für ihre Auf___________ StGB und der Computersabotage gem. § 303b StGB, Münster 1989, S. 26 ff.; Mehrings, Der Rechtsschutz computergestützter Fachinformationen, Baden-Baden 1990, S. 184; Granderath, DB 1986, Beilage 18, 1 (1 f.). 10 Eine Ausnahme bildet insoweit der Beitrag von Summerer/Blask, SpuRt 2005, 50 ff. 11 Vgl. etwa die Unabhängige Studie zum Europäischen Sport 2006, S. 19, zur aktuellen Debatte über Sportwetten: „Strenge Kontrollen bei einer Koexistenz von Besitz und Kontrolle eines Klubs würden beispielsweise ebenso helfen wie Maßnahmen zum Schutz der Rechte am geistigen Eigentum von Spielplänen, um eine effektive Überwachung und Aufdeckung ungewöhnlicher Wettmuster zu ermöglichen.“

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wendungen lizenzierbare Schutzrechte erwachsen, soll Gegenstand der folgenden Ausführungen sein.

a) § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG aa) Schutzfähige Schriftwerke Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Frage zu, ob Sportregelwerke urheberrechtlichen Schutz als Schriftwerke im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG genießen können.

(1) Allgemeine Anforderungen an die Gestaltungshöhe (a) Ansatzpunkt der Rechtsprechung Voraussetzen würde dies, dass es sich bei Sportregelwerken um persönliche geistige Schöpfungen i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG handelte. Werkcharakter kann nur solchen Erzeugnissen zukommen, die sich von der Masse des Alltäglichen und von lediglich handwerklichen und routinemäßigen Leistungen abheben. Die Rechtsprechung verlangt, dass sich das Werk nicht nur auf die Darstellung des Offensichtlichen und Unausweichlichen beschränken darf, sondern von dem abweichen muss, was sich durch Logik, technische Notwendigkeit oder zwingende Naturgesetze auch jedem anderen ohne weiteres aufgedrängt hätte.12 Anerkannt ist dabei, dass sich die schöpferische Eigentümlichkeit eines Werkes sowohl aus dem konkreten Inhalt als auch aus der jeweiligen Form ergeben kann.13 Die – soweit ersichtlich – einzige obergerichtliche Entscheidung zur Problematik der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Sportregelwerken datiert aus dem Jahr 1995. Das OLG Frankfurt verneinte in seinem Urteil14 den Urheberrechtsschutz für ein Golfregelwerk15 mit der Begründung, es fehle die erfor___________ 12 Vgl. BGH GRUR 1987, 704 (706) – Warenzeichenlexika; GRUR 1991, 130 (133) – Themenkatalog. 13 BGH GRUR 2002, 958 (959) – Technische Lieferbedingungen; GRUR 1999, 923 ff. – Tele-Info-CD; GRUR 1998, 916 (917) – Stadtplanwerk. Vgl. weiterhin Loewenheim, in: Schricker (Hrsg.), Urheberrecht, 3. Aufl. München 2006, § 2 Rdnr. 83. 14 OLG Frankfurt ZUM 1995, 795 ff. = NJWE-WettbR 1996, 99 f. = SpuRt 1999, 110 ff. Zustimmend Waldhauser, Die Fernsehrechte des Sportveranstalters, Berlin 1999, S. 100, und Strauß, Hörfunkrechte des Sportveranstalters, Berlin 2006, 57 f., die sich jedoch im Wesentlichen darauf beschränken, die Argumentation des OLG wiederzugeben. 15 Konkret ging es in dem Fall um die Frage der Schutzfähigkeit der „Golfregeln des Royal and Ancient Golfclub of St. Andrews von 1992“. Die Klägerin produzierte im

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derliche Schöpfungshöhe. Das Gericht führte aus, Sportregeln seien „bloße Spielregeln, die (…) als ‚Anweisungen an den menschlichen Geist’ – ebenso wenig wie die ‚Spielidee’ und das Konzept als solches – urheberrechtlichem Schutz zugänglich“16 wären. Schutzfähig könne nur die konkrete Darstellung einer Spielregel sein. Dieser Ausgangspunkt ist in der Tat zutreffend. Der Inhalt eines Werkes, d.h. die reine, in Gedanken, Ideen oder Theorien enthaltene Information, ist gemeinfrei. Erst die konkrete Verkörperung der Information in einer bestimmten Ausdrucksform kann schutzfähig sein.17 Unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH18 betonte das OLG weiter, die Urheberrechtsschutzfähigkeit bei Gebrauchszwecken dienendem Schriftgut – und ein solches seien Sportregelwerke zweifellos – erfordere – anders als bei sonstigen Schriftwerken – grundsätzlich ein deutliches Überragen des Alltäglichen, des Handwerksmäßigen, der mechanisch-technischen Aneinanderreihung des Materials. Der sonst im Urheberrecht betonte Schutz der sog. „kleinen Münze“ gelte hier nicht.

(b) Kritische Würdigung Bereits dieser Ansatzpunkt muss – jedenfalls aus heutiger Sicht – kritisch hinterfragt werden. Das Urheberrechtsgesetz enthält gerade keinen differenzierten Maßstab hinsichtlich der Schutzhöhe einzelner Werkkategorien, sondern verlangt einheitlich das Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung. Ein bestechender Grund, der es rechtfertigen würde, bei Gebrauchsschriften strengere Maßstäbe anzulegen als bei sonstigen Schriftwerken, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil, gerade vor dem Hintergrund europäischer Harmonisierungsbestrebungen kann der differenzierenden nationalen Rechtsprechung nicht gefolgt werden. Mit Einführung des besonderen Leistungsschutzes für Computerprogramme19 und Datenbanken20 hat sich auf Gemeinschaftsebene eine einheitlich ___________ Jahr 1993 einen Videofilm, in dem diese Regeln schrittweise erklärt wurden. Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass dem Beklagten kein Verbotsanspruch wegen Herstellung und Vertrieb der Videos zustehe. Das OLG bestätigte als Berufungsgericht das insoweit stattgebende Urteil des LG Frankfurt. 16 OLG Frankfurt ZUM 1995, 795 (796). 17 Vgl. BGH GRUR 1962, 51 (52) – Zahlenlotto. Weiterhin Schulze, in: Dreier/Schulze (Hrsg.), UrhG, 2. Aufl., München 2006, § 2 Rdnr. 104; Götting, Der Schutz wissenschaftlicher Werke, in: Loewenheim (Hrsg.), Festschrift für Wilhelm Nordemann, München 2004, S. 7 (8). 18 BGH NJW 1992, 690 (691) – Bedienungsanweisung. Zuvor bereits BGH GRUR 1985, 1041 (1047) – Inkasso-Programm; GRUR 1991, 449 (451 f.) – Betriebssystem. 19 Basierend auf der Richtlinie 93/98/EWG vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen.

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geringe Schutzhöhe etabliert.21 Zu Recht hat daher das OLG Nürnberg22 im Jahre 2001 geurteilt, dass die ständige Rechtsprechung des BGH zu Gebrauchsschriften nicht mit europäischem Recht im Einklang stehe. Auch bei diesen reiche einfache Individualität aus; die „kleine Münze“ sei auch hier schutzfähig.23 Dieser zutreffende Ansatzpunkt hat Auswirkungen auch auf die Beurteilung der Schutzfähigkeit von Sportregelwerken.

(2) Individualität des Inhalts Inhaltlich sind Sportregelwerke – ähnlich wie Bedienungsanleitungen, Formulare oder Rezepte – in weiten Teilen vorgegeben. Sie definieren eine Sportart, bestimmen etwa Größe und Gewicht des Spielgeräts, regeln Anzahl und Einsatzbedingungen der Sportler und enthalten Bestimmungen über den konkreten Ablauf der Wettkämpfe. Dennoch erscheint es nicht zwingend, die Urheberrechtsschutzfähigkeit grundsätzlich zu verneinen. Für technische Regelwerke hat der BGH mittlerweile ausdrücklich anerkannt, dass trotz des Gebrauchszwecks unter Umständen hinreichende Individualität bejaht werden kann. Konzeption und Ausführung der sprachlichen Darstellung könnten im Einzelfall Raum für eine eigenschöpferische Tätigkeit lassen. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn komplexe Inhalte in gut verständlicher, klarer Sprache ausgedrückt würden.24 Auf sportliche Regelwerke übertragen hieße dies, dass die allgemeinverständliche Beschreibung schwieriger Sportregeln – man denke etwa an die Regelung zu aktivem und passivem Abseits im Fußball – zur Begründung der erforderlichen Schöpfungshöhe ausreichen könnte. Denn auch die konkrete sprachliche Vermittlung eines komplexen sportlichen Sachverhalts kann Ausdruck vorhandener Gestaltungsfreiheit sein. Unter Umständen kann gerade in der Einfachheit einzelner Regeln und ihrer Reduktion auf das Wesentliche eine ___________ 20

Vgl. die Richtlinie 96/9/EG vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken. 21 Dazu Schulze (Fn. 17), § 2 Rdnr. 32; A. Nordemann, Die Geschichte vom fliegenden Axel und andere Büsumer Geschichten, in: Loewenheim (Hrsg.), Festschrift für Wilhelm Nordemann, München 2004, S. 59 (66 f.). 22 OLG Nürnberg GRUR-RR 2001, 225 (226 f.) – Dienstanweisung. 23 So auch Bullinger, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), Urheberrecht, 2. Aufl., München 2006, § 2 Rdnr. 56, sowie Loewenheim (Fn. 13), § 2 Rdnr. 35: „Warum einem praktischen Gebrauchszweck dienende Schriftwerke schutzlos bleiben sollen, wenn sie das Niveau des Vorbekannten nicht deutlich überragen, literarische Werke hingegen nicht, ist schwer einzusehen.“ 24 BGH NJW-RR 2002, 1568 (1569) – Technische Lieferbedingungen. Ähnlich LG Düsseldorf, Urt. v. 20.06.2007 – Az. 28 O 798/04; LG München I GRUR-RR 2008, 74 (75) – Biogas Fonds.

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eigenschöpferische Leistung erblickt werden. Der pauschalen Aussage des OLG Frankfurt, „dass schon wegen des praktischen Unterweisungszwecks schwerlich Raum für eine Entfaltung schöpferischer Individualität bleiben“25 könne, ist daher in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen. Dies bereits deshalb, weil der „praktische Unterweisungszweck“ durchaus unterschiedlich erreicht werden kann. Bestimmt der Zweck aber nicht die konkreten Mittel, so kann schwerlich von mangelnder Schöpfungshöhe ausgegangen werden.26 Daran ändert auch der Verweis des Gerichts auf die knappe, sachlich-nüchterne Ausdrucksweise nichts, die für Schriftwerke dieser Art typisch sei. Dies bestätigt ein Blick auf § 5 UrhG, der amtliche Werke wie Gesetze und Verordnungen ausdrücklich vom Urheberrechtsschutz ausnimmt. Gerade solche amtlichen Werke sind regelmäßig der Inbegriff sachlicher und nüchterner Sprache. Würde dies aber bereits zur Verneinung einer persönlichen geistigen Schöpfung führen, so wäre die Vorschrift des § 5 UrhG völlig überflüssig. Alles in allem sprechen daher die weit besseren Argumente dafür, der konkreten sprachlichen Ausgestaltung von Sportregelwerken nicht pauschal hinreichende Individualität abzusprechen.

(3) Individualität der Form Aber nicht nur aus dem Inhalt, auch aus der Form einer Darstellung kann sich im Einzelfall eigenschöpferisches Schaffen ergeben. Voraussetzung ist, dass in der konkreten Auswahl und Anordnung des dargebotenen Stoffes eine persönliche geistige Schöpfung zum Ausdruck kommt.27 Auch dies soll nach Ansicht des OLG Frankfurt jedenfalls für die streitgegenständlichen Golfregeln zu verneinen sein. Die konkrete Anordnung folge lediglich „dem nahe liegenden und weithin – beispielsweise aus der Gesetzgebung – bekannten System, Allgemeines und Gewöhnliches vor Besonderem zu regeln“28. Zudem gehe ___________ 25

OLG Frankfurt ZUM 1995, 795 (796). In diese Richtung auch Henkenborg, Der Schutz von Spielen, München 1995, S. 153 f., der zutreffend ausführt, dass eine pauschale Aberkennung der Urheberrechtsfähigkeit spätestens seit der Einführung eines möglichen Schutzes von Computerprogrammen abgelehnt werden müsse, da diese ebenfalls zu den Anweisungen an den menschlichen Geist zu rechnen seien. Auch nach Schricker (GRUR-Int. 2008, 200 [203 f.]) ist regelmäßig ein „beträchtlicher Spielraum“ bei der Gestaltung von Spielen und Spielregeln anzunehmen, weshalb die vielfach angenommene pauschale Schutzverweigerung verfehlt sei. 27 BGH GRUR 1961, 85 (87) – Pfiffikus-Dose; GRUR 1980, 227 (230) – Monumenta Germanae Historica. 28 OLG Frankfurt ZUM 1995, 795 (797). 26

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auch die sonstige Präsentation der Golf-Regeln nicht über das Geläufige und Alltägliche hinaus. Auch diese Ausführungen erscheinen nicht zwingend. Das Gericht geht wiederum von der unzutreffenden Prämisse aus, es bedürfe zur Begründung individueller Schöpfungshöhe eines deutlichen Überragens des Alltäglichen und Handwerksmäßigen.29 Urheberrechtlich geschützt ist jedoch auch die nur einfache Individualität. Diese kann sich bereits darin zeigen, dass aus vielfältigen Darstellungsmöglichkeiten gerade eine bestimmte ausgewählt und eingesetzt wurde. In diese Richtung deutet auch eine neuere Entscheidung des BGH zu technischen Lieferbedingungen.30 Das vom BGH zu beurteilende Regelwerk war ebenfalls „herkömmlich“ aufgebaut. Dem allgemeinen Vorspann („Allgemeines“) folgten vier weitere – nach logischen Kriterien angeordnete – Abschnitte. Der BGH bejahte dennoch die schöpferische Eigenart und begründete dies damit, dass die fraglichen Regeln auf vielfältige Weise hätten dargestellt und gegliedert werden können. Der gewählte Weg sei durch eine klare Konzeption der Gliederung und eine insgesamt gut verständliche und einleuchtende Darstellung des Stoffes gekennzeichnet.31 Es sei nicht ersichtlich, dass für die konkrete Darstellung nur auf Vorbekanntes zurückgegriffen worden wäre. Auch der BGH geht damit nicht mehr davon aus, dass allein der Rückgriff auf ein nahe liegendes System – namentlich die Regelung des Allgemeinen vor dem Besonderen – zwangsläufig zum Ausschluss schöpferischer Eigenart führt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch andere Gliederungs- und Aufbaumöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten.32

bb) Fazit Ausgehend von diesen Grundsätzen dürfte einem nicht unerheblichen Teil der Sportregelwerke sowohl nach der konkreten inhaltlichen Gedankenführung als auch nach der formgebenden Ausgestaltung hinreichende Schöpfungshöhe ___________ 29 Gegen dieses Erfordernis auch OLG Nürnberg GRUR-RR 2001, 225 (226) – Dienstanweisung. Ebenso Wandtke, GRUR 2002, 1 (8 f.); A. Nordemann (Fn. 21), S. 59 (67 f.). 30 BGH NJW-RR 2002, 1568 ff. – Technische Lieferbedingungen. 31 BGH NJW-RR 2002, 1568 (1570) – Technische Lieferbedingungen. In gleicher Weise LG München I GRUR-RR 2008, 74 (75) – Biogas Fonds. 32 Vgl. auch Troller, Urheberrechtlicher Schutz von Anweisungen an den menschlichen Geist?, in: Herschel/Hubmann/Rehbinder (Hrsg.), Festschrift für Georg Roeber, Freiburg 1982, S. 413 (419 f.); Henkenborg (Fn. 26), S. 147: „Die Vielzahl der Möglichkeiten durch Worte etwas auszudrücken ist selbst dann noch unbegrenzt, wenn die Spielbeschreibung inhaltlich vorgegeben ist.“

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und damit Werkcharakter nicht zu versagen sein.33 Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang noch auf den bereits erwähnten § 5 UrhG, wonach „amtliche Werke“ generell vom Urheberrechtsschutz ausgenommen sind. Hintergrund dieser Ausnahmevorschrift ist das gesetzgeberische Bestreben, eine im Gemeinwohlinteresse liegende möglichst weite Verbreitung amtlicher Werke zu sichern.34 Mangels amtlichen Charakters – ein solcher lässt sich nur bei Zurechenbarkeit des Werkes zu einer staatlichen Verwaltungsbehörde bejahen – scheidet eine direkte Anwendung des § 5 UrhG auf Sportregelwerke aus. Erwogen werden könnte jedoch eine analoge Anwendung.35 Weder eine planwidrige Regelungslücke noch eine vergleichbare Interessenlage lassen sich jedoch sachlich überzeugend begründen.36

b) § 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 UrhG Weiterhin erscheint ein – zumindest partieller – Schutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG denkbar. Viele Regelwerke enthalten neben reinen Textpassagen erläuternde grafische Darstellungen, insbesondere Zeichnungen und Diagramme. Betrachtet man beispielsweise die DFB-Fußball-Regeln der Saison 2007/200837, so lassen sich in dem insgesamt 120 Seiten umfassenden Regelwerk nicht weniger als 49 Illustrationen zählen. Diese dienen etwa der grafischen Veranschaulichung von Spielfeld und Tor, einzelner Spielsituationen und komplizierter Spielregeln38. Schaubilder wie diese lassen sich grundsätzlich unter den Begriff der „Darstellung wissenschaftlicher oder technischer Art“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG) subsumieren.39 ___________ 33

So im Ergebnis auch Kocholl, CaS 2008, 150 (158). Verfassungsrechtlich bestätigt durch BVerfG GRUR 1999, 226 (228) – DINNormen. Umfassend zur Anwendbarkeit des § 5 UrhG auf technische Normen Kübel, Zwangslizenzen im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Köln u.a. 2004, S. 134 ff. 35 Zur Auslegung und Analogiefähigkeit des § 5 UrhG vgl. BGH GRUR 1972, 713 (714) – Im Rhythmus der Jahrhunderte; GRUR 1987, 166 (167) – AOK-Merkblatt; GRUR 1990, 1003 (1005) – DIN-Normen; GRUR 2007, 500 (501 f.) – Sächsischer Ausschreibungsdienst; Katzenberger, in: Schricker (Hrsg.), Urheberrecht, 3. Aufl., München 2006, § 64 Rdnr. 18; v. Ungern-Sternberg, GRUR 1977, 766 ff. 36 So auch Waldhauser (Fn. 14), S. 101. 37 Abrufbar unter < http://www.dfb.de/fileadmin/Assets/pdf/regeln07008.pdf > (letzter Abruf am 02.07.2008). 38 So wird beispielsweise die Abseitsregel anhand von insgesamt dreizehn Diagrammen in allen nur denkbaren Konstellationen grafisch veranschaulicht. 39 Die h.M. verlangt insoweit, dass die konkrete Darstellung veranschaulichend, belehrend oder unterrichtend sein und dabei eine geistig-ästhetische Wirkung ausüben muss. Diese Anforderung kann bei erläuternden Darstellungen in Sportregelwerken ohne weiteres bejaht werden. Vgl. KG Berlin ZUM-RD 2001, 84 (86) – Memokartei; Schulze (Fn. 17), § 2 Rdnr. 222. 34

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Anders als bei Gebrauchszwecken dienenden Schriftwerken stellt auch die Rechtsprechung bei Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art nur geringe Anforderungen an die erforderliche Schöpfungshöhe.40 Dieses nur geringe Maß an Eigentümlichkeit weisen die detaillierten Zeichnungen und Diagramme in Sportregelwerken jedenfalls teilweise auf. Die konkreten Darstellungen sind nicht durchgängig in Form und Ausdrucksweise zwingend vorbestimmt, sodass dem Gestalter in diesen Fällen ein nicht unerheblicher Gestaltungsspielraum für eine eigenschöpferische Tätigkeit verbleibt.

c) Ergebnis Als Ergebnis lässt sich somit festhalten, dass die urheberrechtliche Schutzfähigkeit sportbezogener Regelwerke entgegen der weit verbreiteten Sichtweise nicht generell verneint werden kann. Vielmehr dürfte sogar für den Regelfall ein ausreichendes Maß an schöpferischer Individualität anzunehmen sein.41

d) Weitergehende Überlegungen Dagegen muss ein (ggf. paralleler) Schutz des Regelwerks als Datenbankwerk nach § 4 Abs. 2 UrhG bzw. als Datenbank nach § 87a UrhG ausscheiden. Zwar erscheint es nicht völlig fern liegend, das Regelwerk als Sammlung seiner ___________ 40 Begründet wird dies damit, dass bei Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art meist zwangsläufig auf einen weitestgehend vorbestimmten und üblichen Formenschatz zurückgegriffen werden müsse, weshalb dem Gestalter regelmäßig ein nur stark eingeschränkter Gestaltungsspielraum verbleibe. Strenge Anforderungen an die eigenschöpferische Prägung zögen daher zumeist den Ausschluss urheberrechtlichen Schutzes nach sich. Dies wiederum stünde im Widerspruch zu § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG, der derartige Darstellungen ausdrücklich als schutzfähige Werkart erwähnt. Vgl. BGH GRUR 1987, 360 (361) – Werbepläne; GRUR 1993, 34 (36) – Bedienungsanweisung; GRUR 2002, 958 (959) – Technische Lieferbedingungen. 41 Dies erscheint auch nicht unbillig. Zwar ist durchaus ein allgemeines „Bedürfnis nach möglichst weiter Verbreitung und freier Zugänglichkeit“ der Regelwerke anzuerkennen. Mit dieser Argumentation möchte insb. Waldhauser (Fn. 14), S. 101, den Urheberrechtsschutz für Sportregelwerke ablehnen, da ein „ausschließliches Recht der Verbände an Vervielfältigung und Verbreitung des Regelwerks (…) dieser Wertung entgegen“ stehe. Zum einen jedoch lässt das UrhG zahlreiche Ausnahmen vom Vervielfältigungs- und Verbreitungsverbot zu (so z. B. im privaten Bereich, § 53 UrhG), zum anderen erlischt der Schutz des Urhebers grundsätzlich 70 Jahre nach dessen Tod (§ 64 UrhG). Für juristische Personen – und damit auch für Sportverbände – sieht Art. 1 Abs. 4 der Schutzdauerrichtlinie ein Erlöschen des Urheberrechtsschutzes 70 Jahre nach der Erstveröffentlichung des Werkes vor (diese Bestimmung ist auch für die deutsche Rechtslage maßgeblich, vgl. Katzenberger (Fn. 35), § 64 Rdnrn. 22 f.). In Fällen einer kommerziellen Nutzung vor Ablauf der 70 Jahre erscheint jedenfalls die Notwendigkeit eines Lizenzerwerbs als zumutbar.

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Einzelbestimmungen aufzufassen. Der eindeutige Wille des europäischen Gesetzgebers – ausgedrückt in Erwägungsgrund 17 der Datenbankrichtlinie – geht jedoch dahin, einheitliche Werke nicht zusätzlich noch einem Datenbankschutz zu unterstellen.42 Auch ein ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz nach §§ 3, 4 Nr. 9 UWG scheidet aus. Nach insoweit zutreffender h.M.43 müssen wettbewerbsrechtliche Ansprüche immer dann aus Spezialitätsgründen zurücktreten, wenn bereits ein Sonderschutzgesetz tatbestandlich eingreift. Für eine parallele Anwendung des UWG neben dem UrhG besteht bereits gar kein Bedürfnis. Zudem bestünde die Gefahr einer weitgehenden Aushöhlung der sondergesetzlichen Schutzvoraussetzungen durch die Geltendmachung (und Gewährung) wettbewerbsrechtlicher Ansprüche. Die den Spezialgesetzen innewohnende Begrenzungsfunktion würde dadurch praktisch leer laufen. Mit gleicher Argumentation lässt sich schließlich auch ein ergänzender zivilrechtlicher Leistungsschutz aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ablehnen.44

3. Spielpläne und Tabellen Neben Regelwerken gehören vor allem Spielpläne und Tabellen zu den Grundelementen professioneller Sportausübung. Spielpläne werden im Vorfeld von Sportveranstaltungen entwickelt und bestimmen die jeweiligen Teilnehmer sowie regelmäßig auch Ort und Zeit des Wettkampfes. Nach Beendigung eines Wettbewerbs dienen Tabellen dem Leistungsvergleich und damit der Bestimmung des Siegers oder derzeit Führenden. Diesen Daten kommt – wie erwähnt – nicht nur eine sportorganisatorische, sondern zunehmend auch eine nicht unerhebliche wirtschaftliche Bedeutung zu.45 Namentlich der DFB geht in § 52 ___________ 42 Vgl. Dreier, in: Dreier/Schulze (Hrsg.), UrhG, 2. Aufl., München 2006, § 4 Rdnr. 10. 43 BGH GRUR 1992, 697 (699) – ALF; GRUR 1993, 34 (37) – Bedienungsanweisung; GRUR 1994, 630 (632) – Cartier-Armreif. A.A. jedoch Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., München 2001, § 14 Rdnr. 411. 44 Vgl. BGHZ 8, 387 (394 f.) – Fernsprechnummer; 55, 153 (159 f.) – Fleet; 65, 325 (328) – Warentest II. 45 Vgl. dazu auch Summerer/Blask, SpuRt 2005, 50 (50), die zutreffend auf die steigende ökonomische Bedeutung dieser Sportdaten hinweisen. Einerseits werden sie verstärkt in Finanzprodukte (z. B. die FC Bayern SparCard eines großen Kreditinstituts) einbezogen, andererseits dienen sie auch als Grundlage für Sportwetten. Laut einer Studie des Kölner Instituts „Sport+Markt“ verwetten pro Jahr etwa sieben Millionen Bundesbürger insgesamt mehr als € 3 Mrd. auf Sportevents. Allein während der Fußball-EM 2008 sollen rund € 800 Mio. eingesetzt worden sein, vgl. SZ v. 12.06.2008, S. 38.

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Ziffer 2.1 seiner Spielordnung davon aus, dass er gemeinsam mit dem Ligaverband die Rechte aus den Terminlisten der Spiele der Fußball-Bundesligen ausüben kann. Es ist jedoch noch weitgehend ungeklärt, ob derart vermarktbare Rechte an Spielplänen und auch Tabellen überhaupt existieren.

a) § 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 UrhG In Betracht zu ziehen ist zunächst ein urheberrechtlicher Schutz als Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art. Unter die Werkkategorie des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG fallen neben den ausdrücklich genannten Zeichnungen, Plänen, Karten, Skizzen, Tabellen und plastischen Darstellungen auch alle sonstigen belehrenden oder unterrichtenden Anschauungsmaterialien, soweit ihnen eine gewisse geistig-ästhetische Wirkung zugesprochen werden kann.46 Ein solch informativer Charakter lässt sich sowohl für Spielpläne als auch für Tabellen problemlos bejahen, dienen sie doch einerseits dazu, das interessierte Publikum im Vorfeld sportlicher Veranstaltungen über die einzelnen Wettkämpfe zu unterrichten, sowie andererseits dazu, nach Abschluss der Wettbewerbe über die erzielten Ergebnisse Mitteilung zu geben. Als so verstandener Informationsträger lösen sie beim Betrachter gewisse geistige Empfindungen aus, die insbesondere durch ihre klar strukturierte äußere Form bedingt sind. Problematisch erscheint dagegen die Annahme einer persönlichen geistigen Schöpfung. Klarstellend sei dabei zunächst angemerkt, dass die Zuhilfenahme eines Computerprogramms zur Ausarbeitung der Sportdaten die Bejahung persönlichen Schaffens solange nicht hindert, wie das Programm lediglich als Werkzeug eingesetzt wird und nur dazu dient, der dahinter stehenden menschlichen Leistung Gestalt zu verleihen.47 Bei Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art sind auch nach Ansicht der Rechtsprechung48 nur geringe Anforderungen an die Gestaltungshöhe aus § 2 Abs. 2 UrhG zu stellen. Ausschlaggebend ist dabei nicht, was dargestellt wird, sondern vielmehr wie etwas dargestellt wird. Entscheidend ist somit nicht die Individualität des Inhalts, sondern allein die Eigentümlichkeit der Darstellungsweise.49 Streng zu trennen ist insoweit zwischen einem etwaigen Text auf der einen und der allein von § 2 ___________ 46

KG Berlin ZUM-RD 2001, 84 (86) – Memokartei; Schulze (Fn. 17), § 2 Rdnr. 222. Dazu Loewenheim, Urheberrechtliche Grenzen der Verwendung geschützter Dokumente in Datenbanken, Stuttgart 1994, S. 30. 48 BGH GRUR 1987, 360 (361) – Werbepläne; GRUR 2002, 958 (959) – Technische Lieferbedingungen. 49 Vgl. BGH GRUR 1979, 464 (465) – Flughafenpläne; GRUR 1993, 34 (35) – Bedienungsanweisung; GRUR 1998, 616 (617) – Stadtplanwerk. 47

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Abs. 1 Nr. 7 UrhG erfassten konkreten darstellerischen Aufmachung auf der anderen Seite. Erschöpft sich diese lediglich in zwingend vorgegebenen Ausdrucksweisen oder jedenfalls in Mustern, die im betreffenden Bereich üblich geworden sind, fehlt es an einer eigenschöpferischen Prägung.50 Der Aufbau von Spielplänen aus dem Bereich des Sports ist weitgehend standardisiert. Zwar sind je nach Sportart Unterschiede im Detail zu beobachten, innerhalb einer Sportart jedenfalls folgen Spielpläne weltweit weitestgehend denselben Darstellungsformen. Diese haben sich aus Zweckmäßigkeitserwägungen herausgebildet und können heute als „genormt“ betrachtet werden. Gleiches gilt für Tabellen im Sport. Auch diese folgen insoweit üblich gewordenen Mustern. Von einer individuellen Darstellungstechnik des einzelnen Vereins oder Verbands kann daher keine Rede sein. Auch aus § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG lässt sich Werkschutz nicht begründen. Denn weder Inhalt noch Form einer bloßen Aneinanderreihung von Fakten – nichts anderes sind Spielpaarungen, Sportergebnisse etc. – bringt eine hinreichende Schöpfungshöhe zum Ausdruck. Spielpläne und Tabellen stellen folglich keine nach § 2 Abs. 1 und 2 UrhG urheberrechtlich geschützten Werke dar.

b) § 4 Abs. 2 UrhG Urheberrechtlicher Schutz könnte sich jedoch aus § 4 Abs. 2 UrhG ergeben, wenn und soweit Spielpläne und Tabellen als Datenbankwerke zu qualifizieren wären.

aa) Datenbankcharakter Dass es sich bei Spielplänen um Datenbanken handelt, wurde vom EuGH51 mittlerweile ausdrücklich bestätigt. Diese Auffassung ist zutreffend und soll daher auch nicht in Zweifel gezogen werden. Auch in Bezug auf Tabellen kann grundsätzlich von der Datenbankeigenschaft ausgegangen werden.

___________ 50 BGH GRUR 1985, 1041 (1047) – Inkasso-Programm; BGH ZUM 2000, 238 (239) – Planungsmappe. 51 EuGH GRUR-Int. 2005, 239 ff. – FIXTURES MARKETING I. Der Begriff der Datenbank wird in den §§ 4, 87a UrhG legaldefiniert als Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind.

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bb) Schöpfungshöhe Werkcharakter kommt einer Datenbank jedoch nur dann zu, wenn sich in der konkreten Auswahl oder Anordnung der einzelnen Elemente eine eigenschöpferische Gestaltung i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG niedergeschlagen hat. Hinsichtlich der Auswahl der aufzunehmenden Elemente ist ein Gestaltungsspielraum des Erstellers regelmäßig zu verneinen. Die teilnehmenden Sportler bzw. Vereine stehen zumeist fest; sie sind ausnahmslos alle in die jeweilige Datensammlung aufzunehmen. Dies gilt für Spielpläne gleichermaßen wie für Tabellen. Differenzierter muss die Betrachtung bezüglich der Anordnung der Einzelelemente ausfallen. An dieser Stelle ist zwischen Spielplänen einerseits sowie Tabellen andererseits zu unterscheiden. Erstere werden im Vorfeld sportlicher Wettkämpfe entwickelt und anhand sehr unterschiedlicher Kriterien zusammengestellt. Zwar gibt es auch hier zwingende Vorgaben – zu denken ist beispielsweise an die Anzahl der Beteiligten und Spiele, wechselnde Heimrechte, anderweitige (internationale) Verpflichtungen oder auch etwaige Sicherheitsbelange. Dennoch verbleibt im Einzelfall eine gewisse Entscheidungsfreiheit des Veranstalters. Diese kommt dadurch zum Ausdruck, dass es für die konkrete Einteilung und Abfolge der einzelnen Startplätze bzw. Spielpaarungen regelmäßig mehr als nur eine Möglichkeit gibt.52 Es liegt im Interesse aller Beteiligten, über die gesamte Laufzeit des Wettbewerbs hinweg ausgewogene und zugleich spannende Ansetzungen und Spieltage zu gewährleisten. Hierzu bedarf es mehr als einer schematischen Beachtung der bereits genannten zwingenden Kriterien. Vielmehr gehört auch gewisse Sachkunde und eine nicht unerhebliche „Portion Kreativität“ dazu, allen Belangen gleichermaßen gerecht zu werden.53 Namentlich der BGH hat in Bezug auf Sammlungen bereits vor Umsetzung der Datenbankrichtlinie nur durchschnittliche Anforderungen an die Gestaltungshöhe der Auswahl oder Anordnung der Einzelelemente gestellt.54 Auch in diesem Werkbereich verdie___________ 52

Dazu Vogel, Von Johann Stephan Püttner und von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Datenbankherstellerrecht, in: Ohly/Bodewig/Dreier/Götting/ Haedicke/Lehmann (Hrsg.), Festschrift für Gerhard Schricker, München 2005, S. 581 (583 f.), der betont, dass zur „Klärung gemeinsam interessierender Fragen (…) mehrere Sitzungen mit den Repräsentanten der beteiligten Organisationen“ stattfinden. 53 So zu Recht PHBSportR-Summerer, 2. Aufl., München 2007, 4. Teil, Rn. 56. A.A. Laier, Die Berichterstattung über Sportereignisse, Tübingen 2007, S. 264, der den Standpunkt vertritt, die Erstellung eines Spielplans sei ein rein „schematischer, von Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten geleiteter Vorgang“. Die Berücksichtigung von Zweckmäßigkeitserwägungen schließt ein schöpferisches Schaffen jedoch nicht zwangsläufig aus. 54 Vgl. BGH GRUR 1992, 382 ff. – Leitsätze. Daran hält der BGH im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 Datenbankrichtlinie auch weiterhin fest, vgl. nur BGH GRUR 2007, 685 (687) – Gedichttitelliste I: „ein bescheidenes Maß an geistiger Leistung genügt“.

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ne der Schutz der „kleinen Münze“ Beachtung. Ausreichend sei insoweit ein gewisser „individueller Charakter“, d.h. die Feststellung, dass ein anderer Urheber möglicherweise eine andere Anordnung getroffen haben würde.55 Ausgehend von dieser Prämisse ist zu konstatieren, dass der dem Ersteller eines Spielplans verbleibende Spielraum hinsichtlich der konkreten Anordnung der einzelnen Startplätze bzw. Spielpaarungen ausreichen dürfte, um den relativ geringen Anforderungen an die erforderliche Gestaltungshöhe gerecht zu werden.56 Denn es kann gerade nicht ausgeschlossen werden (vielmehr ist es sogar wahrscheinlich), dass ein anderer Urheber eine andere Entscheidung getroffen hätte. Einen Sonderfall stellen insoweit die meisten Pokalwettbewerbe dar. Bei diesen legt nicht der Veranstalter die einzelnen Spielpaarungen, den Austragungsort sowie das konkrete Datum des Aufeinandertreffens fest, diese werden vielmehr weitgehend durch Losentscheid bestimmt. Der Veranstalter entwickelt zwar im Vorfeld eine „Maske“ des Spielplans mit den allgemeinen Daten; welche Mannschaften aber letztlich an welchen Tagen spielen, ergibt sich allein aus der Auslosung bzw. später aus dem Spielmodus. In solchen Fällen besteht tatsächlich keinerlei Entscheidungsspielraum hinsichtlich der konkreten Anordnung des Spielplanes.57 Eine eigenschöpferische Tätigkeit muss daher in diesen Fällen verneint werden. Gleiches gilt für Tabellen. Hinsichtlich der Platzierung von Sportlern und Vereinen am Ende eines Wettkampfes verbleibt keine Möglichkeit zur eigenschöpferischen Gestaltung. Die konkrete Anordnung ergibt sich vielmehr zwingend aus dem Ausgang des Wettbewerbs und folgt daher einer vorbestimmten Arithmetik. Die Anordnung der Einzelelemente einer Tabelle beruht gerade nicht auf einer persönlichen geistigen Schöpfung des Erstellers.58

cc) Ergebnis Festhalten lässt sich damit, dass zwar viele Spielpläne, nicht aber auch Tabellen Datenbankwerke i.S.d. § 4 Abs. 2 UrhG sein können.

___________ 55

So auch OLG Frankfurt MMR 2002, 687 (687) – IMS-Health. Zu diesem Ergebnis kommen auch Summerer/Blask, SpuRt 2005, 50 (51). 57 Unerheblich ist es insoweit, dass hinter dem Losverfahren ein ausgeklügeltes System steckt, das etwa bewirken soll, dass bestimmte Mannschaften zunächst nicht bzw. bevorzugt aufeinander treffen können. Denn die tatsächliche Spielpaarung (die konkrete Anordnung) wird allein mittels Losverfahren ermittelt. 58 So völlig zu Recht auch Summerer/Blask, SpuRt 2005, 50 (51). 56

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c) § 87a UrhG Mit dem Schutz als Datenbankwerk verwandt ist der Schutz des Datenbankherstellers gemäß der §§ 87a ff. UrhG.

aa) Erfordernis einer „wesentlichen Investition“ An die Stelle der Schöpfungshöhe tritt dabei das Erfordernis einer wesentlichen Investition. Hierdurch kommt der Charakter als wirtschaftlichen Interessen dienendes Leistungsschutzrecht zum Ausdruck. Durch den Verzicht auf eigenschöpferische Individualität können grundsätzlich auch die oben mangels Schöpfungshöhe ausgeschlossenen Sportdaten, namentlich durch Losverfahren zusammengestellte Spielpläne sowie Tabellen, vom Schutz des sui generisRechts erfasst werden.59 Erforderlich wäre, dass die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung der einzelnen Elemente eine nach Art und Umfang wesentliche Investition erforderte. Die Auslegung dieses Kriteriums bereitet einige Schwierigkeiten. Anerkannt ist einzig, dass nicht nur rein finanzielle Mittel berücksichtigungsfähig sind. Auch der Einsatz von Zeit, Arbeit und Energie kann eine Investition in diesem Sinne begründen.60 Der Streit beginnt jedoch bereits bei der Frage, wann eine Investition als wesentlich anzusehen ist, wann sie also die „untere Kappungsgrenze“61 überschreitet. Ohne auf Einzelheiten eingehen zu wollen, erscheint es im Ergebnis sachgerecht, bereits durchschnittliche Investitionen ausreichen zu lassen. Unbeachtlich bleiben müssen lediglich Aufwendungen sehr geringen Ausmaßes, insbesondere sog. „Allerweltsinvestionen“, die keiner besonderen Erwähnung bedürfen. Starre Grenzen lassen sich hier jedoch nicht ziehen; entscheidend sind jeweils die Umstände des Einzelfalls. Daher ist an dieser Stelle eine umfassende Gesamtschau aller wirtschaftlich wertvollen Aufwendungen im Zusammenhang mit Spielplänen und Tabellen angezeigt, um die Wesentlichkeit der Investitionen ermitteln zu können. Dass mit der Organisation und Durchführung des professionellen Sportbetriebs Investitionen in Millionenhöhe erforderlich sind, ist ein Faktum und dürfte als solches nicht ernstlich zu bestreiten sein. ___________ 59

Insbes. ist auch bei Spielplänen, denen eine Auslosung der Spielpaarungen zugrunde liegt, von einer systematischen bzw. methodischen Anordnung der Einzelelemente i.S.d. § 87a Abs. 1 S. 1 UrhG auszugehen. Ausreichend muss insoweit sein, dass das jeweilige Losverfahren nach einem vorab festgelegten Plan und damit einer ordnenden Handlungsanweisung abläuft. So ausdrücklich EuGH GRUR-Int. 2005, 239 (241) – FIXTURES MARKETING I. 60 Dazu Dreier (Fn. 42), § 87a Rdnr. 12; Vogel, in: Schricker (Hrsg.), Urheberrecht, 3. Aufl., München 2006, § 87a Rdnr. 27. 61 So Koch, Handbuch Software- und Datenbank-Recht, Berlin 2003, § 10 Rdnr. 96.

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bb) Schutzumfang nach Auffassung des EuGH Klärungsbedürftig ist jedoch, ob alle erbrachten Organisations- und Durchführungsaufwendungen der Sportveranstalter62 überhaupt in die Betrachtung mit eingestellt werden dürfen. Dies hat der EuGH im Jahre 2004 in mehreren Entscheidungen ausdrücklich verneint. Nach seiner Auffassung müsse strikt zwischen der Datengenerierung einerseits und der Datensammlung anderseits unterschieden werden. Berücksichtigungsfähig seien nur solche selbstständigen Investitionen, die der Ermittlung und Sammlung bereits vorhandener Elemente dienen, nicht hingegen auch solche Investitionen, die eingesetzt werden, um die Elemente überhaupt erst zu erzeugen. Die Richtigkeit dieser Differenzierung ergebe sich insbesondere aus den Begründungserwägungen zur Datenbankrichtlinie63. Danach sollen gerade solche Investitionen geschützt werden, die dem Aufbau von Datenbanken dienen und dadurch zur Entwicklung des Informationsmarktes in einem Rahmen beitragen, der durch eine exponentielle Zunahme der Daten geprägt ist, die jedes Jahr in allen Tätigkeitsbereichen erzeugt und verarbeitet werden. Das Ziel des sui generis-Rechts bestehe allein darin, einen Anreiz für die Einrichtung von Systemen für die Speicherung und die Verarbeitung vorhandener Informationen zu geben, nicht hingegen darin, das Erzeugen von Elementen zu fördern, die später einmal in einer Datenbank zusammengestellt werden können.64 Richtet sich eine Investition primär auf andere Zwecke als den Aufbau einer Datenbank, so hätte sie für die Beurteilung der Wesentlichkeit außer Betracht zu bleiben. In Bezug auf Spielpläne einer Fußballmeisterschaft stellte der EuGH folgerichtig fest, dass die von den Sportverbänden aufgewendeten finanziellen und logistischen Leistungen nicht primär auf die Erstellung des Spielplans als Datenbank gerichtet seien, sondern vielmehr der ___________ 62 Nach allgemeiner Ansicht ist Sportveranstalter derjenige, der in organisatorischer und finanzieller Hinsicht die Verantwortung für das Sportereignis trägt. Streitig ist, ob neben den beteiligten Vereinen auch den Verbänden die (Mit-)Veranstaltereigenschaft zuerkannt werden kann. Bejahend LG Stuttgart MMR 2008, 551 (552); Jänich, GRUR 1998, 438 ff.; Summerer/Blask, SpuRt 2005, 50 (52); verneinend dagegen Hausmann, BB 1994, 1089 (1091). Weder der EuGH noch der BGH haben sich zu dieser Frage bislang eindeutig geäußert, vgl. nur BGH NJW 1998, 756 ff. – Europapokalheimspiele. 63 Vgl. im Einzelnen Begründungserwägungen 9, 10, 12 und 39 der Datenbankrichtlinie. 64 EuGH GRUR-Int. 2005, 239 (241 f.) – FIXTURES MARKETING I; EuGH MMR 2005, 29 (30) – BHB-Pferderennen. Damit folgt der EuGH im Wesentlichen der sog. „Spin-Off“-Theorie, nach der Aufwendungen in eine an sich unabhängige Leistung als Vorinvestitionen unberücksichtigt bleiben müssen, wenn sie als reines „Abfall-“ oder Nebenprodukt („Spin-off“) praktisch zugleich eine Datenbank hervorbringen. Vgl. Thum, in: Wandtke/Bullinger (Hrsg.), Urheberrecht, 2. Aufl., München 2006, § 87a Rdnr. 32; Dreier (Fn. 42) , § 87a Rdnr. 13; White, The International Sports Law Journal, S. 53. A.A. jedoch Leistner, JZ 2005, 408 (409), der meint, der EuGH habe die „SpinOff“-Doktrin „zugunsten einer im Kern objektiven Betrachtungsweise“ verworfen.

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Organisation und Durchführung des Spielbetriebs dienten. Der Spielplan falle lediglich als Nebenprodukt ab, dessen Zusammenstellung keiner selbstständigen Investitionen bedürfe.65

cc) Stellungnahme mit Schlussfolgerung Die Entscheidung des EuGH ist verschiedentlich auf heftige Kritik gestoßen.66 Die Datengenerierung (das sog. „data mining“) sei häufig die bedeutendste investive Tätigkeit bei der Herstellung neuer Datenbanken, weshalb die Auffassung des EuGH eine ungerechtfertigte Einschränkung des sui generisRechts in praktisch wichtigen Fällen nach sich zöge. Darüber hinaus führe diese Differenzierung zwischen Datenerzeugung und Datensammlung zu schwierigen Abgrenzungsproblemen insbesondere in Fällen, in denen ein und dieselbe Person in beiden Phasen der Datenbankerstellung tätig werde.67 Diese Kritik ist jedoch unberechtigt.68 Weder Billigkeits- noch Praktikabilitätserwägungen können über den eindeutigen Schutzzweck der Datenbankrichtlinie hinwegtäuschen. Dieser ist allein darauf gerichtet, den europaweiten Aufbau von Datenbanken zu fördern und zu schützen, nicht aber Informationsmonopole zu ermöglichen. Diese Gefahr bestünde jedoch, wollte man auch reine „Erzeugungsinvestitionen“ als vom Begriff der „Beschaffensinvestition“ erfasst ansehen.69 Mit dem EuGH ist daher danach zu fragen, ob die Elemente als solche bereits existieren und sich die Investition daher auf deren Ermittlung und Sammlung beschränkt oder aber, ob es um Investitionen geht, die auf der vorgelagerten Ebene der Datenerzeugung erbracht werden. Letztere müssen aufgrund der eindeutigen Intention des europäischen Gesetzgebers selbst dann unbeachtlich bleiben, wenn sie die eigentlich bedeutsame Aufwendung bei der Erstellung einer Datenbank darstellen. Die Abgrenzung hat danach zu erfolgen, ob im konkreten Fall im Verhältnis zur Datengenerierung selbstständige Investitionen im Zusammenhang mit dem Ermitteln und Sammeln der in die Datenbank einzu___________ 65

EuGH GRUR-Int. 2005, 239 (242) – FIXTURES MARKETING I. Vgl. nur Lehmann, CR 2005, 15 (16): Der EuGH habe „schlicht die Schutzvoraussetzungen mit dem Schutzinhalt verwechselt“. Auch Summerer/Blask, SpuRt 2005 50 (50), „bedauern“ die Entscheidung des EuGH. Kritisch auch Wiebe, CR 2005, 169 (171); Leupold, MR-Int. 2004, 45 (46); Sendrowski, GRUR 2005, 369 (371 f.). 67 Dazu Dreier (Fn. 42), § 87a Rdnr. 13; Wiebe, CR 2005, 169 (171). 68 So auch Vogel (Fn. 60), § 87a Rdnr. 30; Leistner, JZ 2005, 408 (409); ders., K&R 2007, 457 (461); Grützmacher, CR 2006, 14 (15); Kraus, SpuRt 2005, 66 (67); Benecke, CR 2004, 608 (610); Koch (Fn. 61), § 10 Rdnr. 105. 69 Vgl. Leistner, JZ 2005, 408 (409). Ebenso Grützmacher, CR 2006, 14 (15), unter Hinweis auf Erwägungsgrund 47 und Art. 16 Abs. 3 Datenbankrichtlinie. 66

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stellenden Elemente festgestellt werden können.70 Dies hat der EuGH71 für Spielpläne einer Fußballmeisterschaft im Ergebnis zutreffend verneint. Zweifellos erbringen Sportorganisationen erhebliche personelle und finanzielle Aufwendungen; diese sind jedoch nicht primär auf die Erstellung des Spielplans als Datenbank gerichtet, sondern dienen vielmehr der Organisation und Durchführung des Spielbetriebs. In diesem Zusammenhang werden Investitionen getätigt, um Teilnehmer, Daten und Uhrzeiten der Wettkämpfe festzulegen. Der Spielplan als Datenbank springt dabei nur als Nebenprodukt ab, das untrennbar mit der Organisationstätigkeit verbunden ist. Für die Beschaffung des Inhalts eines Spielplans von Fußballbegegnungen bedarf es folglich keiner Investition, die im Verhältnis zu der Investition, die das Erzeugen der in diesem Kalender enthaltenen Daten erfordert, selbstständig wäre.72 Auch in Bezug auf die Überprüfung und Darstellung der einzelnen Daten in einem Spielplan fehlt es konsequenterweise an einer selbstständigen wesentlichen Investition. Mit der Überprüfung des Inhalts der Datenbank verbunden ist eine Investition nur dann, wenn sie, um die Verlässlichkeit der in der Datenbank enthaltenen Information sicherzustellen, der Kontrolle der Richtigkeit der ermittelten Elemente bei der Erstellung der Datenbank und während des Zeitraums des Betriebs dieser Datenbank gewidmet wird.73 Regelmäßig sind es die Sportorganisationen selbst, die die Daten generiert haben. Insoweit bedarf es für sie aber keiner besonderen Anstrengung mehr, die so erzeugten Daten auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Überprüfungstätigkeiten im Erzeugungsstadium müssen wiederum außer ___________ 70 EuGH GRUR-Int. 2005, 239 (242) – FIXTURES MARKETING I; EuGH MMR 2005, 29 (30) – BHB-Pferderennen. 71 EuGH GRUR-Int. 2005, 239 (242) – FIXTURES MARKETING I: „Im Ausgangsverfahren entsprechen die Mittel, die dazu eingesetzt werden, im Rahmen der Veranstaltung von Fußballmeisterschaften die Daten, Uhrzeiten und Mannschaften, die Heimmannschaft und die Gastmannschaft, für die Begegnungen der einzelnen Tage dieser Meisterschaften festzulegen (…) einer Investition, die mit der Aufstellung des Spielplans dieser Begegnungen verbunden ist. Eine solche Investition, die sich auf die Veranstaltung der Meisterschaften als solche bezieht, ist mit dem Erzeugen der in der Datenbank enthaltenen Daten, d.h. der Daten, die sich auf jede einzelne Begegnung der verschiedenen Meisterschaften beziehen, verbunden. Sie kann daher im Rahmen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie nicht berücksichtigt werden.“ 72 So im Ergebnis völlig zu Recht EuGH GRUR-Int. 2005, 239 (242) – FIXTURES MARKETING I. Aus diesem Grund geht auch der von Summerer/Blask, SpuRt 2005, 50 (50 f.), geäußerte Einwand fehl, dass „hinter den Paarungen ein komplexes Lizenzierungsverfahren steht, das darüber wacht, ob und mit welchen Auflagen ein Club überhaupt zum Spielbetrieb zugelassen wird“, sodass „eine urheberrechtsrelevante Investition kaum zu leugnen sein dürfte“. Denn der dabei zu erbringende personelle und finanzielle Aufwand dient gerade in erster Linie dazu, einen ordnungsgemäßen Spielbetrieb sicherzustellen, er ist aber nicht primär auf die Errichtung des Spielplans als Datenbank gerichtet. Auch Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Liga-Lizenzierungsverfahren sind deshalb als Vorinvestitionen nicht berücksichtigungsfähig. 73 EuGH MMR 2005, 29 (30) – BHB-Pferderennen.

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Acht bleiben. Auch soweit eine Überprüfung auf nachträglich notwendig werdende Anpassungen des Spielplans – zu denken ist etwa an punktuell erforderliche Terminverlegungen – vorgenommen werden muss, beschränkt sich diese jedenfalls auf untergeordnete Kontrolltätigkeiten, die allein die Wesentlichkeit der insgesamt aufzubringenden Investition nicht zu begründen vermögen. Schließlich erfordert auch die Tätigkeit der Darstellung der Einzelelemente in der Datenbank keine selbstständige Investition von einigem Gewicht, da letztlich auch diese untrennbar mit dem Stadium der Datenerzeugung verbunden ist. Mittlerweile hat auch der BGH in der Entscheidung HIT BILANZEN74 die Kriterien des EuGH übernommen und so für Rechtssicherheit und -klarheit im deutschen Recht gesorgt. Als Kontrollerwägung kann in Zukunft die vom BGH verwendete Faustformel herangezogenen werden, wonach eine schutzfähige „Beschaffungsinvestition“ dann angenommen werden kann, wenn die fraglichen Daten auch von einem potentiellen Konkurrenten mit einem ähnlichen wirtschaftlichen Aufwand beschafft werden könnten. Da in einem solchen Fall die Information bereits existiert und nur noch ermittelt und gesammelt werden muss, sind dabei anfallende Investitionen berücksichtigungsfähig.75 Keine größeren Schwierigkeiten bereitet nach obigen Überlegungen die Frage nach der Schutzfähigkeit von Tabellen. Die Ausgangssituation ist derjenigen vergleichbar, die der eben erwähnten HIT BILANZ-Entscheidung des BGH76 zugrunde lag. Dort ging es um die Erstellung einer Chart-Liste für Musikstücke anhand bestimmter Kriterien wie der Abspielhäufigkeit im Hörfunk oder der erhobenen Verkaufszahlen. Zutreffend führt der BGH aus, es handle sich dabei um die Feststellung tatsächlicher Vorgänge und somit um die Ermittlung bereits vorhandener Elemente für die Zusammenstellung in einer Datenbank. Diese Überlegung lässt sich ohne weiteres auf die hier zu begutachtende Situation übertragen. Die in Tabellen einzustellenden Daten – namentlich die Ergebnisse der jeweiligen Wettkämpfe – existieren bereits vor Erstellung der Datenbank. Sie liegen objektiv vor und können von potentiellen Konkurrenten mit ähnlichem wirtschaftlichem Aufwand jederzeit beschafft werden. Tabellen sind im Ergebnis nichts anderes als die „Chart-Listen des Sports“. Auch in ihnen wird ___________ 74 BGH GRUR 2005, 857 ff. – HIT BILANZ. Bestätigt durch BGH GRUR 2005, 940 (941 f.) – Marktstudien; GRUR 2007, 688 (689) – Gedichttitelliste II. 75 Vgl. BGH GRUR 2005, 857 (859) – HIT BILANZ. Dazu auch Leistner, JZ 2005, 408 (409), der das „Erfinden“ vom bloßen „Vorfinden“ der Daten abgegrenzt wissen will. Lassen sich Daten durch wissenschaftliche Beobachtungs- und Messtätigkeiten beschaffen, so seien diese bereits tatsächlich existent und müssten nicht erst neu „erfunden“ werden. Durch einen vergleichbaren wirtschaftlichen Aufwand ließen sie sich daher jederzeit erneut ermitteln. In diesem Zusammenhang getätigte Investitionen müssten somit „zumindest dann berücksichtigungsfähig bleiben, wenn Messung der Daten und Einstellung in die Datenbank zusammenfallen“. 76 BGH GRUR 2005, 857 ff. – HIT BILANZ.

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nach bestimmten Vorgaben – beruhend auf dem jeweiligen Spielsystem – ein Ranking erstellt. Das bloße Ermitteln, Aufbereiten und Einarbeiten der Wettkampfergebnisse erfordert jedoch von den Sportorganisationen – zumal diese unmittelbar an der Organisation und Durchführung der Wettbewerbe beteiligt sind – keine selbstständige wesentliche Investition im Sinne des § 87a Abs. 1 S. 1 UrhG. Steht ein Ergebnis fest, so lässt sich dieses ohne nennenswerten personellen und finanziellen Aufwand beschaffen, überprüfen und in einer Tabelle darstellen.77 Tabellen ist daher ebenso wie Spielplänen der Schutz des sui generis-Rechts der §§ 87a ff. UrhG insgesamt zu versagen.78

d) §§ 3, 4 Nr. 9 UWG aa) Grundsätzliches Soweit nach den bisherigen Ausführungen ein spezialgesetzlicher Schutz ausscheidet, ist ergänzend ein lauterkeitsrechtlicher Leistungsschutz nach den §§ 3, 4 Nr. 9 UWG in Betracht zu ziehen.79 Dem außerhalb der sondergesetzlichen Tatbestände geltenden und vom BGH80 besonders betonten Grundsatz der Nachahmungsfreiheit Rechnung tragend ist zu bemerken, dass ein Leistungsergebnis – und sei es auch noch so schutzwürdig – für sich allein genommen noch keinen wettbewerbsrechtlichen Schutz beanspruchen kann. Dieser wird vielmehr erst durch das Hinzutreten besonderer Unlauterkeitsmomente ausgelöst. Nicht dass eine Leistung übernommen wird, sondern allein wie sie übernommen wird, ist für die Frage der Unlauterkeit entscheidend. Das Wettbewerbsrecht ist nicht dazu berufen, Quasi-Ausschließlichkeitsrechte zu begründen.81 ___________ 77 Insoweit unterscheidet sich das Ergebnis von BGH GRUR 2005, 857 ff. – HIT BILANZ. Denn die Ermittlung der Verkaufszahlen und Hörfunkeinsätze der einzelnen Musikstücke erfordert – im Gegensatz zur Ermittlung von Wettkampfergebnissen – erhebliche wirtschaftliche Aufwendungen, die zur Begründung einer wesentlichen Investition jedenfalls ausreichen. 78 A.A. wohl Summerer/Blask, SpuRt 2005, 50 (50 f.). 79 Der wettbewerbsrechtliche Schutz bleibt gemäß Art. 13 Datenbankrichtlinie ausdrücklich von den §§ 87a ff. UrhG unberührt. 80 Insbesondere BGHZ 138, 349 (351) – Mac Dog; BGH GRUR 1999, 992 (995) – BIG PACK; GRUR 2000, 70 (73) – SZENE; GRUR 2003, 973 (974) – Tupperwareparty. Vgl. weiterhin Ingerl, WRP 2004, 809 (810 f.); Sack, WRP 2004, 1405 (1414); Bornkamm, GRUR 2005, 97 ff. 81 BGH GRUR 1967, 315 (317) – skaicubana; GRUR 1998, 830 (833) – Les PaulGitarren; GRUR 1999, 751 (752) – Güllepumpen; GRUR 2002, 275 (276) – Noppenbahnen; GRUR 2002, 820 (821) – Bremszangen; GRUR 2003, 356 (357) – Präzisions-

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Bejaht man zunächst ohne nennenswerte Schwierigkeiten für die an dieser Stelle relevante Fallkonstellation das Vorliegen einer Wettbewerbshandlung82, so bleibt sodann die Frage zu beantworten, ob die konkrete Art und Weise der kommerziellen Verwertung von Spielplänen und Tabellen als verwerflich und damit unlauter anzusehen ist.

bb) Besonderes Unlauterkeitsmoment gemäß § 4 Nr. 9 UWG Vor einer Nachahmung geschützt werden nach dem Gesetzeswortlaut des § 4 Nr. 9 UWG alle Waren oder Dienstleistungen. Dieser Begriff ist nach allgemeiner Ansicht83 denkbar weit zu verstehen und erfasst Leistungs- und Arbeitsergebnisse aller Art. Hierunter fallen auch die hier interessierenden Sportdaten. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist weiterhin die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts erforderlich. Diese liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen.84 Von einem ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Schutz ausgeschlossen werden dadurch sog. „Allerweltserzeugnisse“ wie sie auf dem Markt massenhaft anzutreffen sind. Diese sind regelmäßig weder geeignet, herkunftshinweisend zu wirken noch lassen sie spezifische Besonderheiten erkennen. Woraus sich die wettbewerbliche Eigenart im konkreten Fall ___________ messgeräte. So auch Köhler, GRUR-RR 2006, 33 (34); Piper, in: Piper/Ohly (Hrsg.), UWG, 4. Aufl., München 2006, § 4 Rdnr. 9/5; Mergel, GRUR 1986, 646 (648). Der BGH hält sich jedoch selbst nicht durchgehend an dieses Postulat, vgl. etwa BGH GRUR 1960, 614 ff. – Figaros Hochzeit; GRUR 1960, 619 ff. – Künstlerlizenz Schallplatten; GRUR 1960, 627 ff. – Künstlerlizenz Rundfunk; GRUR 1960, 630 ff. – Orchester Graunke; GRUR 1963, 575 ff. – Vortragsabend; GRUR 1973, 478 ff. – Modeneuheit. 82 Eine solche lässt sich jedenfalls bejahen, wenn ein Dritter die von einem Sportveranstalter erstellten Elemente unbefugt zu eigenen kommerziellen Zwecken instrumentalisiert. Strittig ist, ob es nach dem novellierten UWG weiterhin der Feststellung einer subjektiven Wettbewerbsabsicht bedarf. Bejahend Keller in: Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig (Hrsg.), UWG, München 2004, § 2 I Nr. 1 Rdnrn. 28, 32 ff., 38 ff.; Lettl, Das neue UWG, München 2004, Rdnrn. 88 ff. Verneinend dagegen Köhler, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, 26. Aufl., München 2008, § 2 Rdnr. 26; Piper (Fn. 81), § 2 Nr. 1 Rdnrn. 20, 22 ff.; Fezer, in: ders. (Hrsg.), UWG, München 2005, § 2 Rdnrn. 27 ff., 31 ff. 83 Vgl. nur Köhler ( Fn. 82), § 4 Rdnr. 9.21, der die Vorschrift notfalls analog anwenden will. 84 St. Rspr., etwa BGH GRUR 1981, 517 (519) – Rollhocker; GRUR 2002, 629 (631) – Blendsegel; GRUR 2003, 973 (974) – Tupperwareparty; GRUR 2006, 79 (81) – Jeans.

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ergibt, ist irrelevant; entscheidend ist allein die Eignung zur individualisierenden Herausstellung.85 In der Tele-Info-CD-Entscheidung86 bejahte der BGH die wettbewerbliche Eigenart der von der Telekom verfassten Telefonbücher mit der Überlegung, der Verkehr verbinde mit den Datenbeständen der Telekom eine besondere Gütevorstellung und verlasse sich hinsichtlich der Vollständigkeit und Richtigkeit der Einträge voll auf diese. Daher erwarte er auch von den in die nachgeahmten Verzeichnisse aufgenommenen Daten, dass es sich dabei um die „amtlichen“ Daten der Telekom handele. Bereits diese Tatsache reiche zur Bejahung der wettbewerblichen Eigenart aus.87 Diese Entscheidung lässt sich auch für die hier zu begutachtenden Sportdaten fruchtbar machen. Spielpläne und Tabellen werden – dies ist in der Öffentlichkeit allgemein bekannt – originär vom jeweiligen Sportveranstalter entwickelt. Der Verkehr bringt diesen „offiziellen“ Datenbeständen hinsichtlich ihrer Richtigkeit und Vollständigkeit besonderes Vertrauen entgegen. Bieten Dritte derartige Sportdaten an, so geht die berechtigte Erwartung des Verkehrs dahin, dass diese unter Rückgriff auf die „amtlichen“ Daten der Sportveranstalter erstellt wurden. Wettbewerbliche Eigenart lässt sich folglich bejahen.

(1) (Mittelbare) Herkunftstäuschung, § 4 Nr. 9 a) UWG Bei der Frage nach dem besonderen Unlauterkeitsmoment ist zunächst an § 4 Nr. 9 a) UWG zu denken. Nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint eine jedenfalls mittelbare Herkunftstäuschung dergestalt, dass die angesprochenen Verkehrskreise der Annahme einer lizenzvertraglichen Verbindung zwischen dem jeweiligen Sportveranstalter und dem Dritten unterliegen.88 Pauschal lässt sich diese Frage sicherlich nicht beantworten. Denkt man etwa an das international agierende Feld der Sportwettenanbieter, so kann bezweifelt werden, dass der verständige Durchschnittsverbraucher89 tatsächlich davon ___________ 85

Vgl. Piper (Fn. 81), § 4 Rdnr. 9/25. BGH GRUR 1999, 923 ff. – Tele-Info-CD. 87 Vgl. BGH GRUR 1999, 923 (927) – Tele-Info-CD. Weiterhin BGH WRP 1976, 370 (372) – Ovalpuderdose; GRUR 1996, 210 (212) – Vakuumpumpen. 88 Vgl. BGH GRUR 2001, 443 (445) – Viennetta; OLG Köln GRUR-RR 2004, 21 (24): „Eine solche mittelbare Verwechslungsgefahr dergestalt, dass der angesprochene Verkehr glaubt, einer der beiden Hersteller dem Gesamteindruck nach faktisch identischer oder zumindest sehr ähnlicher Produkte dürfe seine Ware nur deshalb anbieten, weil er in irgendeiner Form mit dem Hersteller des anderen Produkts (lizenz-)vertraglich verbunden sei, reicht indes zur Annahme der für den Unterlassungstatbestand des § 1 UWG (§§ 3, 4 Nr. 9 UWG n.F.) notwendigen Verwechslungsgefahr aus“. Dazu auch Piper (Fn. 81), § 4 Rdnr. 9/47. 89 Allein auf diesen muss es ankommen, vgl. EuGH Slg. 2000, I-7945 Rdnr. 52; Lettl (Fn. 82), Rdnr. 123; Köhler (Fn. 82), § 4 Rdnr. 9.42. 86

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ausgehen wird, jeder einzelne Wettanbieter unterhalte eine entsprechende geschäftliche Beziehung zu den betroffenen Sportveranstaltern. Bei „seriöseren“ Finanzdienstleistungsangeboten und dergleichen könnte dagegen im Einzelfall eine andere Beurteilung angezeigt sein. Besonderes Gewicht muss dann auf der Frage liegen, ob die Herkunftstäuschung vermeidbar, d.h. mit zumutbaren Mitteln zu verhindern war. In Betracht zu ziehen wäre hier die Möglichkeit eines ausdrücklichen Hinweises des Drittanbieters auf das fehlende Kooperationsverhältnis.90 Letztlich kann in diesem Bereich aber nur eine einzelfallbezogene Gesamtabwägung zu sachgerechten Ergebnissen führen.

(2) Rufausbeutung, § 4 Nr. 9 b) UWG Mit dem Makel der Unlauterkeit behaftet sind Nachahmungen weiterhin dann, wenn durch sie die Wertschätzung der nachgeahmten Erzeugnisse unangemessen ausgenutzt wird, § 4 Nr. 9 b) UWG. Dass insbesondere Sportgroßveranstaltungen einen herausragenden Ruf genießen, der sich zwangsläufig und untrennbar auch auf die in ihrem Zusammenhang geschaffenen Sportdaten erstreckt, dürfte außer Frage stehen. Doch wann ist eine Übertragung dieses guten Rufs auf das eigene Waren- und Dienstleistungsangebot als unlauter anzusehen? Ein unangemessener Imagetransfer muss jedenfalls substantielles Gewicht aufweisen. Es genügt nicht, dass lediglich gedankliche Verbindungen und positive Assoziationen erzeugt werden, um die Aufmerksamkeit der Verbraucher zu erregen.91 Gerade in Fällen einer unmittelbaren und – meist mit Hilfe technischer Vervielfältigungsverfahren – unveränderten Leistungsübernahme sind jedoch an die Unlauterkeit keine allzu hohen Anforderungen zu stellen.92 Durch die kommerzielle Verwendung der Sportdaten hängt sich der Drittanbieter unmittelbar an eine fremde Leistung an, namentlich die Organisation und Durchführung professioneller Sportveranstaltungen. Er stellt dadurch eine direkte Verbindung zwischen seinem Produkt und dem Schaffenskreis der Sportorganisationen her. Diese Verbindung ist nicht rein gedanklicher, assoziativer Natur, da nicht nur durch eine bloß sprachliche Erwähnung oder subtile Bezugnahme die Leistungen der Sportveranstalter hintergründig Anklang finden. Vielmehr wird das fremde Produkt (jedenfalls teilweise) identisch übernommen. Hinzu ___________ 90 Nach Summerer/Blask, SpuRt 2005, 50 (53), soll dieser Hinweis dagegen nicht ausreichen, um den Eindruck geschäftlicher Beziehungen zu erschüttern. Vgl. zu dieser Problematik auch OLG Köln NJOZ 2007, 4821 ff. 91 BGH GRUR 2003, 973 (975) – Tupperwareparty; GRUR 2005, 349 (353) – Klemmbausteine III. Unzutreffend insoweit Summerer/Blask, SpuRt 2005, 50 (53). 92 BGHZ 28, 387 (392 f.) = GRUR 1959, 240 – Nelkenstecklinge; 51, 41 (45 f.) = GRUR 1969, 186 – Reprint; BGH WRP 1976, 370 (371) – Ovalpuderdose.

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kommt, dass längerfristig angelegte Wettkämpfe – etwa der Ligasport – einen sich ständig verändernden Datenbestand erzeugen. Der Drittanbieter wird daher kontinuierlich und wiederholt auf die sich wandelnden Sportdaten zugreifen müssen, um den Imagetransfer aktuell zu halten.93 Eigene Beiträge zur – meist zeit- und kostenintensiven – Aktualisierung wird er dabei nicht erbringen. Mit der fortgesetzten Übernahme des sich verändernden Erzeugnisses einher geht die systematische – und damit substantielle – Überleitung von dessen Wertschätzung. Diese Form des Imagetransfers kann jedenfalls im Einzelfall als unlauter i.S.d. § 4 Nr. 9 b) UWG zu qualifizieren sein.94

(3) Behinderung Schließlich wurde als weiterer unlauterkeitsbegründender Umstand von der Rechtsprechung im Rahmen des § 1 UWG a.F. die Fallgruppe der Behinderung entwickelt.95 Ob diese auch nach der Neufassung des UWG angesichts des nun ausdifferenzierten Beispielskatalogs des § 4 UWG noch anzuerkennen ist, ist streitig.96 Die h.M. nimmt dies an, weist diese Fallgruppe jedoch uneinheitlich ___________ 93 Vgl. zu einer ähnlich gelagerten Konstellation BGHZ 141, 329 (342) = GRUR 1999, 923 (927) – Tele-Info-CD. Dort hatte der Betreiber elektronischer Telefonverzeichnisse kontinuierlich auf die „amtlichen“ Datenbestände der Telekom zugegriffen, um sein eigenes Angebot aufzubauen und zu erhalten. Nach Ansicht des BGH verbindet der Verkehr mit den Teilnehmerverzeichnissen der Telekom „besondere Gütevorstellungen, die sich auf ein Vertrauen in die Vollständigkeit und Richtigkeit der Teilnehmerangaben stützen. Auf diesen Gütevorstellungen baut das Angebot der [Drittanbieterin] auf; denn der Verkehr erwartet – mit Recht –, dass die elektronischen Verzeichnisse der [Drittanbieterin] nicht auf eigenen Recherchen beruhen, die notgedrungen zu lückenhaften und fehlerbehafteten Ergebnissen führen müssten, sondern dass es sich um die , amtlichen Teilnehmerdaten der [Telekom] handelt.“ In der Übernahme der fremden Datenbestände sah der BGH eine verdeckte Anlehnung an eine fremde Leistung, die den Tatbestand einer unlauteren Rufausbeutung erfüllte. 94 Im Ergebnis ebenso Summerer/Blask, SpuRt 2005, 50 (53 f.), die darüber hinaus etwas weitgehend – wenngleich nicht völlig von der Hand zu weisen – das Vorliegen einer Rufbeeinträchtigung vertreten. Durch die Koppelung eines Wett- oder Finanzangebots mit Spielplänen und Tabellen werde beim Verkehr stets das Bestehen eines irgendwie gearteten Kooperationsverhältnisses zwischen Privatwirtschaft und Sportorganisation suggeriert mit der Folge, dass Verluste oder Unregelmäßigkeiten im Bereich der Wirtschaftsunternehmen unmittelbar negative Folgen für das Image des Sports hätten. Dies soll nach Ansicht der Autoren sogar für den Fall gelten, dass bei der Bewerbung des kommerziellen Produkts ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass gerade keine geschäftliche Beziehung zu der jeweiligen Sportorganisation besteht. 95 Etwa BGH GRUR 1992, 523 (524) – Betonsteinelemente. 96 Verneinend Wiebe, Unmittelbare Leistungsübernahme im neuen Wettbewerbsrecht, in: Ohly/Bodewig/Dreier/Götting/Haedicke/Lehmann (Hrsg.), Festschrift für Gerhard Schricker, München 2005, S. 773 (778 ff.); Schünemann, WRP 2004, 925 (927 f.). Verwiesen wird dabei häufig auf den spezialgesetzlich normierten Unlauterkeitstatbestand der „gezielten Behinderung“ nach § 4 Nr. 10 UWG. Als „gezielt“ ist eine Behin-

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Schutzrechte an Sportdaten

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dem § 4 Nr. 997 oder Nr. 1098 UWG sowie teilweise auch der Generalklausel des § 3 UWG99 zu. Eine Behinderung der Sportveranstalter wäre hier unter der Maßgabe denkbar, dass ihnen durch die nicht genehmigte kommerzielle Verwendung der Sportdaten die Möglichkeit genommen würde, selbst in angemessener Weise aus ihrer Leistung Profit zu schlagen. Bei Spielplänen und Tabellen handelt es sich um kurzlebige Erscheinungen, die nur sehr zeitnah vermarktet werden können. Verwerflich kann es nun sein, dem Hersteller des Originals diese ohnehin bereits stark eingeschränkte Vermarktungsmöglichkeit durch eine unentgeltliche Übernahme der Erzeugnisse zu nehmen. Der Veranstalter wird systematisch um die Früchte seiner mit hohem organisatorischem und finanziellem Einsatz erwirtschafteten Arbeit gebracht. Die Bejahung eines „Schmarotzens an fremder Leistung“, das auch nach der Novellierung des UWG weiterhin als unlauter zu bewerten sein wird, kann daher im Einzelfall durchaus in Betracht zu ziehen sein.

cc) Bagatellschwelle Bejaht man damit im Ergebnis die Unlauterkeit, so scheitern wettbewerbsrechtliche Ansprüche auch nicht an der Bagatellklausel des § 3 UWG. Hält man sich die wirtschaftlichen Dimensionen des modernen Profisports vor Augen, so kann kaum bezweifelt werden, dass die insoweit erforderliche Erheblichkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung vorliegend erreicht wird.100

___________ derung nach Auffassung des BGH (BGH GRUR 2005, 581 [582] – The Colour of Elégance; BGH NJW 2007, 2999 [3002] – Außendienstmitarbeiter) indes nur dann anzusehen, wenn bei objektiver Würdigung aller Umstände die Maßnahme vorrangig nicht auf die Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung, sondern auf die Störung der fremden wettbewerblichen Entfaltung gerichtet ist. Dies wird in den hier zu untersuchenden Konstellationen der Verwendung fremder Sportdaten zu eigenen kommerziellen Zwecken jedoch kaum einmal anzunehmen sein. Der Fallgruppe der „allgemeinen Behinderung“ ist daher nach wie vor Bedeutung zuzumessen. 97 So jetzt wohl BGH GRUR 2007, 795 (799) – Handtaschen; noch offen BGH GRUR 2005, 600 (602) – Handtuchklemmen. Ebenso Lettl (Fn. 82), Rdnr. 347; Köhler (Fn. 82), § 4 Rdnr. 9.63. Diese Auffassung soll auch hier zugrunde gelegt werden. 98 Etwa Sambuc, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig (Hrsg.), UWG, München 2004, § 4 Rdnr. 3; Berberich, SpuRt 2006, 181 (184). 99 So vor allem Henning-Bodewig, GRUR 2004, 713 (717); Fezer (Fn. 82), § 3 Rdnr. 63. 100 So auch Summerer/Blask, SpuRt 2005, 50 (54).

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e) Ergebnis Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass die Instrumente des ergänzenden Leistungsschutzes aus §§ 3, 4 Nr. 9 UWG zwar nicht generell, aber auch nicht nur stiefmütterlich zum Schutz von Spielplänen und Tabellen herangezogen werden können. Ein (paralleler) Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. mit dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb scheidet dagegen – da ein wettbewerbsrechtlich relevantes Verhalten jedenfalls dem Grunde nach vorliegt – als subsidiär aus.101 Zwischen dem ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz und einem Anspruch aus § 826 BGB besteht zwar Anspruchskonkurrenz.102 Aufgrund der erhöhten Anforderungen an den subjektiven Tatbestand103 wird dieser Norm jedoch nur in Ausnahmefällen praktische Relevanz zukommen.

III. Zusammenfassende Bewertung Die eingehende Untersuchung hat gezeigt, dass Sportveranstalter einer unbefugten Verwertung der von ihnen geschaffenen Regelwerke, Spielpläne und Tabellen de lege lata nicht völlig macht- und rechtlos gegenüberstehen. Entgegen der Ansicht des OLG Frankfurt104 dürften Sportregelwerke zumeist schutzfähige Werke nach dem UrhG darstellen. Auch Spielpläne sind – zumindest teilweise – einem urheberrechtlichen Schutz zugänglich. Im Einzelfall wird einer ungezügelten Instrumentalisierung von Spielplänen und Tabellen zu kommerziellen Zwecken daneben auch das Lauterkeitsrecht entgegenstehen. Sportwettenanbieter, Finanzdienstleister und dergleichen sind daher – um rechtlichen Auseinandersetzungen vorzubeugen – angehalten, vor dem Inverkehrbringen ihrer Produkte entsprechende Lizenzen einzuholen. Die beispielsweise von der DFL mehrfach geäußerte Ansicht, an den von ihr erschaffenen Sportdaten bestünden entsprechende Schutzrechte105, erweist sich nach alledem in weiten Teilen als zutreffend.

___________ 101

BGHZ 36, 252 (257) – Gründerbildnis; 43, 359 (361) – Warnschild. Ebenso Ermann/Schiemann, BGB, 12 Aufl., Köln 2008, § 823 Rdnr. 61. A.A. jedoch Summerer/Blask, SpuRt 2005, 50 (54). 102 BGHZ 43, 359 (361) – Warnschild. Teilweise a.A. OLG Köln GRUR-RR 2001, 110. 103 Vgl. Staudinger/Oechsler (2003), § 826 Rdnr. 382. 104 OLG Frankfurt ZUM 1995, 795 ff. = NJWE-WettbR 1996, 99 f. = SpuRt 1999, 110 ff. 105 Vgl. Summerer/Blask, SpuRt 2005, 50 (53).

Auswirkungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auf das Sportrecht – Erste Gedanken zu sportarbeitsrechtlichen Konsequenzen* Von Martin Gutzeit

I.

Das Problem......................................................................................................

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II. „Doppelter“ Zugriff des AGG auf das Sport(arbeits)recht................................

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1.

Ausgangspunkt: Arbeitgeber als primärer Regelungsadressat des AGG ...

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2.

„Arbeitgeberprivilegien“ wegen verbandlicher Vorgaben? .......................

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3.

AGG-Kontrolle von Verbandsnormen? .....................................................

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III. Materiale AGG-Kontrolle .................................................................................

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1.

Leistungsklassen – Alter und Geschlecht ..................................................

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2.

Nichtberücksichtigung von Sportlern bei Einsätzen ..................................

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3.

Befristungsregelung...................................................................................

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4.

Schutz vor Kunden (Fans) – insbesondere vor rassistischen Äußerungen..

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IV. Resümee............................................................................................................

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I. Das Problem Durch das am 18. August 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wurde in Deutschland erstmals ein umfassender Diskriminierungsschutz in das allgemeine Zivilrecht implementiert; und auch der seinerzeit bereits bestehende1 arbeitsrechtliche Diskriminierungsschutz wurde durch das AGG erheblich ausgebaut. Diese Entwicklung ist (rechtspolitisch) zum Teil scharf kritisiert worden – vor allem und zuerst wurde ein Diskriminie___________ * Leicht überarbeitete und aktualisierte Fassung meines Vortrags vom 12. Mai 2007 in Rauischholzhausen. Die Vortragsform wurde beibehalten. 1 Erinnert sei etwa an die §§ 611a. 611b, 612 Abs. 3 BGB a. F. (Verbot der Geschlechtsdiskriminierung) oder an § 81 Abs. 2 SGB IX a. F. (Verbot der Benachteiligung Schwerbehinderter); in seiner neuen Fassung verweist § 81 Abs. 2 SGB IX schlicht auf die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

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rungsschutz im Zivilrecht als Angriff auf die Privatautonomie gewertet.2 Diskriminierungen seien einer freiheitlichen Ordnung systemimmanent. Diskriminierungsverbote stellten entsprechend einen Fremdkörper in einer dem Grundsatz der Privatautonomie verpflichteten Privatrechtsordnung dar. Pointiert meinte etwa Peter Schwerdtner, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz bedeute einen tiefgreifenden Einschnitt in die Privatautonomie. Demgegenüber verhalte sich das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wie ein Knallfrosch zu einer Stalinorgel.3 Diese (vornehmlich rechts- bzw. ordnungspolitische) Diskussion4 will ich in meinem Vortrag nicht neuerlich aufgreifen und weiterverfolgen. Mir geht es vielmehr schlicht um die Folgen, die das AGG für das Sportarbeitsrecht haben kann. Ich werde dabei zu zeigen versuchen, dass das AGG – und die damit notwendig verbundene Beschneidung von Autonomie – das Sportarbeitsrecht gewissermaßen doppelt trifft. Einmal und zuerst steht auch im Sportarbeitsrecht die Privatautonomie der Sportarbeitgeber und Sportarbeitnehmer im Zugriff der Diskriminierungsverbote. Insofern stellen sich dieselben Fragen wie im allgemeinen Arbeitsrecht auch – wenngleich sportspezifische Problemlagen hinzutreten. Zweitens geht es aber im Ansatz umfassender um die Beschneidung der Autonomie des Sports insgesamt. Dabei ist mit dem etwas schillernden Begriff der „Sportautonomie“ allein die Vereins- und Verbandsautonomie der Sportvereine und Sportverbände angesprochen, die ihrerseits auf Art. 9 Abs. 1 GG fußt.5 In diesem Sinne meint Sportautonomie letztlich nur eine besondere Spielart der Privatautonomie. Im Rahmen einer so verstandenen Sportautonomie gibt sich der Sport über seine Verbände seine Regeln grundsätzlich selbst – in weiten Teilen frei von staatlicher Einflussnahme. So wenig jedoch der Sport darauf vertrauen darf, dass der Staat ihm auf Dauer eine Regelungsenklave be-

___________ 2 Zur Kritik vgl. exemplarisch Picker, Antidiskriminierungsgesetz – Der Anfang vom Ende der Privatautonomie?, JZ 2002, S. 880; ders., Antidiskriminierung als Zivilrechtsprogramm?, JZ 2003, S. 540; Säcker, „Vernunft statt Freiheit!“ – Die Tugendrepublik der neuen Jakobiner, ZRP 2002, S. 286; ders., Fundamente der Privatrechtsgesellschaft nach dem Antidiskriminierungsgesetz, ZG 2005, S. 154; vermittelnd Reichold, Sozialgerechtigkeit versus Vertragsgerechtigkeit – arbeitsrechtliche Erfahrungen mit Diskriminierungsregeln, JZ 2004, S. 384. 3 Schwerdtner, Der Einfluß Europas auf das nationale Arbeits- und Sozialrecht, in: Brennpunkte des Arbeitsrechts 2003 (2003), S. 5 (24). 4 Zu Verfassungsfragen vgl. etwa Thüsing, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (MünchKomm), 5. Aufl. 2007, Einl. AGG Rn. 50. 5 Dazu Fritzweiler/von Coelln, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, S. 41 f.; Steiner, Verfassungsfragen des Sports, NJW 1991, S. 2729 (2730); zur Verbandsautonomie allg. vgl. Vieweg, Zur Inhaltskontrolle von Verbandsnormen, in: Festschrift für Lukes (1989), S. 809 (810 ff.).

Auswirkungen des Gleichbehandlungsgesetzes auf das Sportrecht

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lässt,6 so einschneidend erreichen nun die Regelungen des AGG auch das Sportverbandsrecht. Sind damit die Einbruchstellen des AGG in das Sport(arbeits)recht skizziert, so ist weiter material anzumerken, dass Diskriminierungsverbote für das Sportrecht deshalb besonders prekär sind, weil der Sport von Differenzierungen geradezu geprägt ist und Differenzierungen braucht.7 In Rede steht dabei nicht nur das „Schneller, Höher und Weiter“ – also die Differenzierung nach dem individuellen Leistungsvermögen. Differenzierungen im Sport werden vielmehr weiter getrieben, wenn beispielsweise Leistungsklassen nach Geschlecht und nach Alter gebildet werden. Geschlecht und Alter sind aber gerade zwei gem. § 1 AGG verpönte Differenzierungskriterien. Spätestens hier stellt sich daher die Frage nach der Vereinbarkeit einer solchen Praxis mit dem AGG – wenn also Frauen und Männer beispielsweise im Bereich der Leichtathletik nicht nur nicht unmittelbar gegeneinander antreten, sondern die Vergleichbarkeit der jeweils erzielten Ergebnisse zudem durch unterschiedliche Distanzen bei den Laufstrecken oder durch unterschiedliche Kugeln und Speere bei den Wurfdisziplinen erschwert wird.8

II. „Doppelter“ Zugriff des AGG auf das Sport(arbeits)recht 1. Ausgangspunkt: Arbeitgeber als primärer Regelungsadressat des AGG Das AGG will ausweislich seines § 1 Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern oder beseitigen. In seinem arbeitsrechtlichen Teil – also in seinen §§ 6 ff. – schützt das AGG vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und damit auch Leistungssportler, die in Arbeitsverhältnissen zu ihren Vereinen stehen.9 Zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nimmt das ___________ 6

Dazu auch Steiner (Fn. 5); zum Verhältnis des Regelwerks der Sportverbände zum nationalen (staatlichen) Recht vgl. allgemein PHB SportR-Pfister (Fn. 5), S. 6 ff. 7 Vgl. näher Vieweg, Verbandsrechtliche Diskriminierungsverbote und Differenzierungsgebote, in: Minderheitenrechte im Sport, hrsg. vom Württembergischen Fußballverband e. V. (2005), S. 71. 8 Vgl. kritisch dazu M. Müller, Geschlecht als Leistungsklasse, Zeitschrift für Soziologie 2006, S. 392 ff. 9 Zum Arbeitnehmerstatus von Sportlern vgl. nur Bepler, Lizenzfußballer: Arbeitnehmer mit Beschäftigungsanspruch, in: Sportler, Arbeit und Statuten, Festschrift für Herbert Fenn (2000), S. 43 (44 ff.); PHB SportR-Fritzweiler (Fn. 5), S. 248 ff.; kritisch zur Qualifikation von Sportlern als Arbeitnehmer etwa P.-W. Beckmann, Der Profi: Sonderarbeitsrecht für Sportler?, in: Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im DAV, Festschrift zum 25-jährigen Bestehen (2006), S. 1145 ff.

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AGG zuerst den Arbeitgeber in die Pflicht10 – und damit auch den Sportarbeitgeber. Den Arbeitgeber trifft insbesondere das Leistungsverweigerungsrecht aus § 14 AGG; und nur ihn und niemanden sonst treffen die auf Schadensersatz und Entschädigung gerichteten Rechtsfolgen aus § 15 Abs. 1 und 2 AGG.11 So sehr das AGG jedoch zuerst den Arbeitgeber in die Pflicht nimmt, so sehr ist umgekehrt zu bedenken, dass der Sportarbeitgeber mannigfaltige verbandliche Vorgaben zu beachten hat. Erst die Befolgung solcher Vorgaben des Verbands durch den Sportarbeitgeber mag dann einzelne Arbeitnehmer i. S. des § 7 Abs. 1 AGG benachteiligen. Der Verband also und nicht der Arbeitgeber wird in vielen Fällen die benachteiligenden Regelungen erlassen und damit material zu verantworten haben. Das ist in zweierlei Hinsicht problematisch: Einmal lässt sich fragen, ob etwa ein Sportverein in seiner Rolle als Sportarbeitgeber unter Hinweis auf die verbandsrechtlichen Vorgaben seiner arbeitsrechtlichen Verantwortung aus dem AGG (zumindest partiell) entkommen kann. Und es lässt sich zweitens die Frage stellen, ob das AGG eine Kontrolle der Verbandsnormen selbst ermöglicht, ob also eine verbandsrechtliche Bestimmung wegen Verstoßes gegen das AGG unwirksam sein kann.

2. „Arbeitgeberprivilegien“ wegen verbandlicher Vorgaben? Die erste Frage, also die Frage, ob allein die verbandsrechtliche Vorgabe als solche den Arbeitgeber in toto aus der Verantwortung entlässt, ist klar zu verneinen. So wenig sich der nationale Arbeitgeber bei der Einführung von Ethikrichtlinien hinter Weisungen der ausländischen Konzernmutter verschanzen darf,12 so wenig kann sich ein Sportarbeitgeber hinter verbandsrechtlichen Regelungen verstecken, wenn er infolge der Umsetzung solcher Regelungen gegen die Vorgaben des AGG verstößt. Das dürfte eine gesicherte arbeitsrechtliche Erkenntnis sein. Das AGG verlangt in seinem § 12 Abs. 4 vom Arbeitgeber ___________ 10

Einen Überblick über die Arbeitgeberpflichten aus dem AGG geben Annuß, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz im Arbeitsrecht, BB 2006, 1629; Grobys, Organisationsmaßnahmen des Arbeitgebers nach dem neuen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, NJW 2006, 2950; Kock, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – Überblick über die arbeitsrechtlichen Regelungen, MDR 2006, 1088; Richardi, Neues und Altes – Ein Arianefaden durch das Labyrinth des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, NZA 2006, 881; Willemsen/Schweibert, Schutz der Beschäftigten im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, NJW 2006, 2583; Wisskirchen, Der Umgang mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz – Ein „Kochrezept“ für Arbeitgeber, DB 2006, 1491. 11 Damit ist freilich nicht gesagt, dass Dritte nicht aus einem anderen Rechtsgrund schadensersatzpflichtig sein können. 12 Dazu etwa LAG Düsseldorf vom 14.11.2005, 10 TaBV 46/05, DB 2006, 162 = ZIP 2006, 436; U. Meyer, Ethikrichtlinien internationaler Unternehmen und deutsches Arbeitsrecht, NJW 2006, 3605.

Auswirkungen des Gleichbehandlungsgesetzes auf das Sportrecht

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sogar umgekehrt, dass er sich bei einer Benachteiligung der Arbeitnehmer durch Dritte schützend vor seine Arbeitnehmer stellen muss. Umso weniger darf er dann eine diskriminierende Regelung eines Dritten an seinen Arbeitnehmern vollziehen. Es ließe sich allein überlegen, ob man dem Arbeitgeber ein Haftungsprivileg zuteil werden lässt, wenn er sich bei seinen Maßnahmen an verbandsrechtlichen Vorgaben orientiert. Als normativer Anknüpfungspunkt könnte hier § 15 Abs. 3 AGG herangezogen werden. Nach § 15 Abs. 3 AGG ist der Arbeitgeber bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung13 verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder doch zumindest grob fahrlässig gehandelt hat. Zwar meint § 15 Abs. 3 AGG mit kollektivrechtlichen Vereinbarungen grundsätzlich nur Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Immerhin stünde aber eine analoge Anwendung des § 15 Abs. 3 AGG im Raum, wenn der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer „nur“ deshalb benachteiligt, weil er sich an verbandsrechtlichen Vorgaben orientiert hat. Ich meine allerdings, dass eine analoge Anwendung des § 15 Abs. 3 AGG auf verbandliche Vorgaben nicht in Betracht kommt und ich will das auch begründen. Ausweislich der Gesetzesbegründung14 sah der Gesetzgeber das Haftungsprivileg des § 15 Abs. 3 AGG durch eine „höhere Richtigkeitsgewähr“15 kollektivrechtlicher Vereinbarungen als gerechtfertigt an. Eine solche Vorstellung von der Richtigkeitsgewähr von Verträgen geht bekanntlich auf SchmidtRimpler zurück, der auf der Grundlage eines durch und durch liberalen16 Ansatzes die von ihm behauptete „Richtigkeitsgewähr“ von Verträgen als Ergebnis allein auf den vertraglichen „Mechanismus“ von Angebot und Annahme und den damit intendierten Ausgleich der widerstreitenden Interessen zurückführ-

___________ 13

Die Privilegierung des § 15 Abs. 3 AGG gilt nach dem insoweit klaren Wortlaut nicht für Vermögensschäden – dazu MünchKomm/Thüsing (Fn. 4), § 15 AGG Rn. 38. Insoweit verbleibt es nach vorzugswürdiger Ansicht bei der Haftung nach § 15 Abs. 1 AGG; a. M. etwa Bauer/Göpfert/Krieger, AGG , 2. Aufl. 2008, § 15 Rn. 45. 14 BT-Drucks. 16/1780, S. 38. 15 Kritisch zur Richtigkeitsgewähr Stein, in: Wendeling-Schröder/Stein, AGG, 2008, § 15 AGG Rn. 58; vgl. auch Deinert, in: Däubler/Bertzbach, AGG, 2. Aufl. 2008, § 15 Rn. 89, der meint, der Gesetzesbegründung läge die Vorstellung von „rechtlicher Richtigkeit“ zugrunde – dazu noch sogleich. 16 Schmidt-Rimpler (Grundfragen einer Erneuerung des Vertragsrechts, AcP 147 [1941], S. 130 [157]) selbst hielt seine Ansicht hingegen nicht für liberal oder gar liberalistisch, weil er den Vertrag nicht als Ausfluss der Willensherrschaft des Einzelnen sah, sondern als Instrument für eine „richtige“ Rechtsfolge. Aber auch wenn SchmidtRimpler das Vertragsmodell anders rechtfertigen mag als der Liberalismus – im Ergebnis jedenfalls kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Ansatz Schmidt-Rimplers einem liberalen Konzept zumindest entspricht.

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te.17 Schmidt-Rimpler verfolgte also ein prozedurales Konzept. „Der Sinn des Vertrages sei nicht,“ – so Schmidt-Rimpler – „dem einzelnen Rechtsgenossen die Gestaltung seiner Verhältnisse derart zu überlassen, dass er beliebig darüber bestimmen könne …“. Der Vertrag sei vielmehr ein Mechanismus, um ohne eine hoheitliche Gestaltung eine richtige Regelung auch gegen den unrichtigen Willen des Einzelnen herbeizuführen. Der Einzelne könne seinen „unrichtigen Willen“ nicht durchsetzen, weil der durch die Unrichtigkeit Betroffene zustimmen müsse.18 In dieser Konsequenz – und diese Vorstellung liegt der Regelung des § 15 Abs. 3 AGG zugrunde – wird dann eine richtige (= angemessene) Regelung regelmäßig keine benachteiligende Regelung sein. Die vom Gesetzgeber nunmehr proklamierte „höhere Richtigkeitsgewähr“ kann auf dieser Grundlage nur bedeuten, dass die Willensbildung der Vertragspartner – hier also insbesondere der Tarifvertragsparteien – schon deshalb höher zu gewichten ist, weil der maßgebliche Wille innerhalb eines Kollektivs gebildet wird und nicht von „nur“ einer einzelnen Person. Das gilt vor allem mit Blick auf die Arbeitnehmerseite, der bei Individualvereinbarungen mit dem Arbeitgeber bekanntlich eine strukturelle Unterlegenheit nachgesagt wird, was wiederum die Richtigkeitsgewähr der geschlossenen Vereinbarung in Frage stellt. Ein solch kollektiver Bezug wäre nun freilich auch bei verbandlichen Regelungen gegeben, denn der Verband ist unbestreitbar ein Kollektiv. Doch es fehlt erstens das von Schmidt-Rimpler völlig überzeugend herausgestellte prozedurale Moment des Interessenausgleichs – also die Vereinbarung, wie sie § 15 Abs. 3 AGG auch dem Wortlaut nach fordert. Die bloße Ausbildung des Willens innerhalb eines Kollektivs durch Beschluss führt für sich genommen noch nicht zur Richtigkeitsgewähr im Schmidt-Rimpler’schen Sinne. Die Richtigkeitsgewähr folgt eben erst aus dem Ausgleich der widerstreitenden Interessen durch Konsens im Wege des vertraglichen Mechanismus. Und in diesem Zusammenhang ist es dann zweitens von Bedeutung, dass bei einer verbandlichen Regelung jegliche institutionalisierte Berücksichtigung der Interessen der Sportler in ihrer Rolle als Arbeitnehmer fehlt. Mitglieder der jeweiligen Verbände sind nämlich regelmäßig zuerst die Vereine, also die Sportarbeitgeber. Arbeitnehmerinteressen bleiben außen vor. Es bleibt damit ein erstes Zwischenergebnis: Weder kann der Sportarbeitgeber seiner arbeitsrechtlichen Verantwortung aus dem AGG unter Hinweis auf ___________ 17

Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), S. 130 (152 ff.); ders., Zum Vertragsproblem, in: Funktionswandel der Privatrechtsinstitutionen, Festschrift für Ludwig Raiser (1974), S. 1 (5 f., 20 ff.); vgl. aus jüngerer Zeit auch wieder Rittner, JZ 2003, Demokratie als Problem: Abschied vom Parlamentarismus?, S. 641 (645). 18 Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), S. 130 (155 f.).

Auswirkungen des Gleichbehandlungsgesetzes auf das Sportrecht

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verbandsrechtliche Vorgaben in Gänze entkommen, noch lässt sich ein Haftungsprivileg des verbandstreuen Sportarbeitgebers in Anlehnung an § 15 Abs. 3 AGG rechtfertigen.19

3. AGG-Kontrolle von Verbandsnormen? Damit komme ich zur zweiten Frage – und zwar zu der Frage, ob das zuerst an den Arbeitgeber adressierte Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz auch eine Kontrolle von Verbandsnormen selbst eröffnet, ob also eine Verbandsnorm, die zu einem Verstoß gegen das AGG auffordert, nichtig sein kann. Diese Frage ist bislang – jedenfalls soweit ich die einschlägige Literatur und Rechtsprechung zu überschauen vermag – nicht diskutiert worden. Kann also eine Verbandsnorm selbst wegen Verstoßes gegen das AGG unwirksam sein? Wiewohl sich das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in erster Linie an den Arbeitgeber wendet, so ist doch inzwischen anerkannt, dass jedenfalls Kollektivverträge – also Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen – einer Kontrolle durch das AGG unterliegen. Für das AGG entnimmt etwa Löwisch diese Konsequenz der Regelung § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG, nach der Benachteiligungen wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale – also Alter, Geschlecht usw. – hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen in individual- und kollektivvertraglichen Vereinbarungen unzulässig sind.20 Und Löwisch meint dann weiter, dass das zu § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG Gesagte wohl auch für § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG gelten müsse, wonach Benachteiligungen auch bei Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen unzulässig sind. Hiervon müsse man – so Löwisch – jedenfalls ausgehen. Konsequente Folge eines solchen Begründungsansatzes für eine AGG-Kontrolle von Kollektivnormen wäre dann, dass Verbandsregelungen insbesondere im Bereich des Sports keiner Kontrolle durch das AGG unterlägen – und zwar schon deshalb nicht, weil sie im AGG selbst nicht erwähnt sind. Meines Erachtens wäre das jedoch weder in der Herleitung noch im Ergebnis überzeugend. Der von Löwisch gewählte Begründungsansatz einer AGG___________ 19

Auf die überdies bestehenden Zweifel an der Vereinbarkeit des § 15 Abs. 3 AGG mit europarechtlichen Vorgaben sei an dieser Stelle nur hingewiesen – dazu Annuß/Rupp, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 3. Aufl. 2008, § 15 AGG Rn. 11; Belling, in: Erman, BGB, 12. Aufl. 2008, § 15 AGG Rn. 11; Deinert (Fn. 15), § 15 AGG Rn. 93; Kamanabrou, Die arbeitsrechtlichen Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, RdA 2006, S. 321 (337 f.); Kocher, in: Schiek, AGG, 2007, § 15 AGG Rn. 267; Meinel/Heyn/Herms, AGG, 2007, § 15 Rn. 59 ff.; MünchKomm/Thüsing (Fn. 4), § 15 AGG Rn. 39. 20 Löwisch, Kollektivverträge und Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, DB 2006, 1729.

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Kontrolle von Kollektivnormen ist vielmehr zu präzisieren. Richtiger normativer Ansatzpunkt für eine AGG-Kontrolle von Verbandsnormen wie auch von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen ist § 7 Abs. 1 AGG, wonach Beschäftigte wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes nicht benachteiligt werden dürfen. Das in § 7 Abs. 1 AGG genannte allgemeine Benachteiligungsverbot ist passivisch und damit in seiner Schutzwirkung umfassend formuliert. § 7 Abs. 1 AGG nennt gerade keinen abschließenden Kreis von Normadressaten, sondern ist „täteroffen“.21 Folgerichtig heißt es in der Gesetzesbegründung, dass sich das Benachteiligungsverbot nicht nur an den Arbeitgeber richtet, sondern auch an Arbeitskollegen und Dritte.22 Und Dritte in diesem Sinne können eben auch die Sportverbände sein – und nicht nur die in der einschlägigen Literatur viel zitierten Kunden und Lieferanten des Arbeitgebers. Sind aber damit auch die Sportverbände potentielle Adressaten des Benachteiligungsverbots aus § 7 Abs. 1 AGG, so ist für verbandliche Regelungen § 7 Abs. 2 AGG zu beachten, wonach Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, unwirksam sind. Für eine solche Unwirksamkeitsfolge spielt es im Übrigen keine Rolle, ob sich eine benachteiligende verbandliche Regelung bereits zu Lasten einzelner Arbeitnehmer ausgewirkt hat. Selbst wenn noch kein Arbeitnehmer aufgrund der in Rede stehenden verbandlichen Vorgabe benachteiligt wurde, liegt eine Benachteiligung i. S. des § 7 Abs. 1 AGG deshalb vor, weil gem. § 3 Abs. 5 AGG schon die Anweisung zu einer Benachteiligung als Benachteiligung gilt.23 Einer solchen Konstruktion steht auch nicht etwa umgekehrt die von Löwisch angeführte Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG entgegen, die den sachlichen Anwendungsbereich des AGG regelt. Der dortige Hinweis auf individual- und kollektivrechtliche Vereinbarungen ist nicht abschließend, sondern nur beispielhaft gemeint. Das folgt schon aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“. Bei einer Inhaltskontrolle von Verbandsnormen über § 7 Abs. 2 AGG könnte man sich allenfalls am dort verwandten Begriff der Vereinbarung stören, weil die verbandliche Regelung eben nicht vereinbart, sondern gesetzt wird. Jedoch ist zum einen der Begriff der Vereinbarung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz weit zu verstehen.24 Zum andern bliebe für die Unwirksamkeitsfol___________ 21

„Jedermann“ kann Täter sein – so zutr. Bauer/Göpfert/Krieger (Fn. 13) § 7 Rn. 6; Meinel/Heyn/Herms (Fn. 19), § 7 Rn. 7 f.; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Voigt, AGG, § 7 Rn. 4; a. M. Adomeit/Mohr, AGG, 2007, § 7 Rn. 9, die entgegen des klaren Wortlauts nur den Arbeitgeber als Normadressaten sehen wollen. 22 BT-Drucks. 16/1780, S. 34. 23 Zur Anweisung vgl. Schlachter, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht (ErfK), 8. Aufl. 2008, § 3 AGG Rn. 20. Allgemein zur „Entindividualisierung“ des Diskriminierungsschutzes Lindner, Die Ausweitung des Diskriminierungsschutzes durch den EuGH, NJW 2008, S. 2750. 24 Vgl. BT-Drucks. 16/1780, S. 31.

Auswirkungen des Gleichbehandlungsgesetzes auf das Sportrecht

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ge immer noch der Rückgriff auf § 134 BGB, wonach ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig ist – und § 7 Abs. 1 AGG enthält ein solches gesetzliches Verbot. Der Rückgriff auf § 134 BGB wird durch § 7 Abs. 2 AGG auch nicht etwa abgeschnitten; § 7 Abs. 2 ist hinsichtlich der Unwirksamkeitsanordnung nicht lex specialis. Das dürfte wohl allgemeiner Meinung entsprechen. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, § 7 Abs. 2 habe nur deklaratorischen Charakter und solle die „primäre Sanktionierung derartiger Rechtsverstöße“ geltend machen.25 Das hat Thüsing zu der Aussage verleitet, § 7 Abs. 2 AGG sei „von rührender Schlichtheit und unproblematisch, weil selbstverständlich“26. Das soeben einfachrechtlich begründete Ergebnis, Verbandsnormen einer AGG-Kontrolle zu unterwerfen, wird auch durch die europäischen Richtlinien, die durch das AGG in nationales Recht umgesetzt werden sollten, zumindest nahegelegt. Zwar heißt es beispielsweise in Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen sollen, um sicherzustellen, dass die mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbarenden Bestimmungen in Arbeits- und Tarifverträgen, Betriebsordnungen und Statuten der freien Berufe und der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen für nichtig erklärt werden oder erklärt werden können. Verbandsnormen werden in der Richtlinie also gerade nicht genannt. Verstünde man die Aufzählung in der Richtlinie nun als abschließend, so verlangte eine europarechtskonforme Interpretation des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes jedenfalls nicht nach einer Kontrolle auch von Verbandsnormen. Ein solches Ergebnis müsste sich jedoch einmal an dem europarechtlichen Gedanken des effet utile messen lassen; vor allem aber fordert inzwischen die neue Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (RL 2006/54/EG) vom 5. Juli 2006 in ihrem Art. 23, dass nicht nur die in den bisherigen Richtlinien genannten Regelungen, sondern darüber hinaus auch „alle sonstigen Vereinbarungen oder Regelungen nichtig“ sein sollen, wenn sie mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbaren sind. Daraus wird deutlich, dass das europäische Anliegen, Diskriminierungen zu verhindern bzw. zu beseitigen, einen umfassenden Anspruch erhebt. Die AGGKontrolle von Verbandsnormen ist also auch europarechtlich geboten.27 ___________ 25

BT-Drucks. 16/1780, S. 34; vgl. auch M. Schmidt, in: Schiek, AGG, 2007, § 7 AGG Rn. 2. 26 Bauer/Thüsing/Schunder, Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz – Alter Wein in neuen Schläuchen?, NZA 2006, S. 774 (775). 27 Vgl. auch ErfK/Schlachter (Fn. 23), § 7 AGG Rn. 3.

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In diesem Zusammenhang darf ich noch ein letztes Problem ansprechen, auf das ich aber nur kurz hinweisen möchte. Die AGG-Kontrolle von Verbandsnormen hat möglicherweise insofern eine überschießende Tendenz, als das AGG in seinem arbeitsrechtlichen Teil grundsätzlich nur den Schutz der Arbeitnehmer fordert. Wären Verbandsnormen wegen des Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz insgesamt nichtig, dann wären von dieser Nichtigkeitsfolge auch diejenigen Regelungsadressaten der Verbandsnorm betroffen, die über keinen Arbeitnehmerstatus verfügen. Im Bereich des Sports gölte das – zumindest weit überwiegend – für den Amateurbereich. Insofern ließe sich die durchaus komplizierte Frage stellen, ob die schneidige Nichtigkeitsfolge einer AGG-Kontrolle von Verbandsnormen nicht über das Ziel hinausschießt, ob also nicht allenfalls von einer relativen Unwirksamkeit o. Ä. der Verbandsnorm ausgegangen werden müsste. Diese Frage in dieser Allgemeinheit gestellt bedürfte indes einer eingehenderen Untersuchung, von der ich an dieser Stelle Abstand nehmen darf. Für den Bereich des Sports ist nämlich die einheitliche Anwendung des Regelwerks eine unabweisbare Funktionsbedingung. Es ist praktisch nicht denkbar, dass für den Amateur- und Leistungssportbereich unterschiedliche Spielordnungen o. Ä. Anwendung finden. Für einen Wettbewerb zwischen den Sportlern braucht es ein einheitliches Regelwerk. Arbeitnehmer können im sportlichen Wettkampf nicht anderen Regeln gehorchen als Nichtarbeitnehmer.

III. Materiale AGG-Kontrolle Nach diesem zweiten Zwischenergebnis, nach dem auch Verbandsnormen selbst einer AGG-Kontrolle unterliegen, ist die aus meiner Sicht zentrale These meines Vortrags übermittelt. Ich darf mich nun im Folgenden zumindest kursorisch der materialen AGG-Kontrolle zuwenden. Sicher ist es an dieser Stelle weder sinnvoll noch leistbar, die unzähligen verbandsrechtlichen Regelungen des Sports oder die sonstigen im Sport üblichen Verhaltensweisen der Sportarbeitgeber auf ihre Vereinbarkeit mit dem AGG zu überprüfen. Ich möchte daher nur einige wenige neuralgische Punkte aufgreifen und die damit verbundenen Probleme zumindest skizzieren.

1. Leistungsklassen – Alter und Geschlecht Aus Sicht des AGG zumindest begründungsbedürftig ist erstens die weit verbreitete Einteilung der sportlichen Wettbewerbe nach Leistungsklassen. Differenziert wird dabei vor allem nach dem Alter und nach dem Geschlecht. Geschlecht und Alter sind nun allerdings gerade zwei nach § 1 AGG verpönte Unterscheidungskriterien.

Auswirkungen des Gleichbehandlungsgesetzes auf das Sportrecht

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Im Grundsatz – um es vorwegzunehmen – halte ich eine solche Klassifizierung für zulässig. Die nicht zu leugnenden biologischen Unterschiede zwischen Frauen und Männern, insbesondere das unterschiedliche körperliche Leistungsvermögen, das in der Rechtsprechung sowohl des BVerfG wie auch des EuGH schon verschiedentlich herausgestellt worden ist, verlangt nachgerade nach einer entsprechenden Gruppenbildung. Gäbe es sie nicht bereits, würde sie mit Sicherheit gefordert werden. Allein der Blick auf die Rekorde etwa in der Leichtathletik belegt, dass Männer eben schneller laufen sowie weiter und höher springen als Frauen. Entsprechendes gilt für das Alter. Wer also Frauen, Kinder, Jugendliche und Senioren nicht von einem sinnvollen sportlichen Wettkampf und damit vom Profisport insgesamt ausschließen möchte, der muss sportliche Wettkämpfe entsprechend segmentieren.28 Es braucht für Frauen, Jugendliche und Senioren mit Blick auf die jeweils unterschiedliche körperliche Konstitution in vielen Fällen eigene Leistungsklassen. Damit ist die Rechtfertigung einer solchen Segmentierung bereits angedeutet. Es handelt sich bei einer solchen Segmentierung um eine positive Maßnahme i. S. des § 5 AGG. § 5 AGG erklärt eine Ungleichbehandlung über die in den §§ 8 bis 10 AGG genannten Fällen hinaus für zulässig, wenn dadurch bestehende Nachteile tatsächlicher oder struktureller Art wegen eines in § 1 genannten Grundes verhindert oder ausgeglichen werden sollen.29 In Rede stehen gezielte Maßnahmen zur Förderung benachteiligter Gruppen. Mit Blick auf die evidenten biologischen Unterschiede dient die im Sport anzutreffende Segmentierung in Leistungsklassen der Förderung des Jugend- bzw. Seniorensports oder des Frauensports. Das bedeutet freilich keine pauschale Rechtfertigung jeglicher Segmentierung. Ob eine konkrete Segmentierung in den jeweiligen Sportarten eine geeignete und angemessene Maßnahme zur Beseitigung der jeweiligen Nachteile darstellt, bedürfte einer näheren – hier nicht leistbaren – Untersuchung, die für jede Sportart gesondert zu erfolgen hätte. Für den Schachsport – bei dem es interessanterweise auch nach Geschlecht getrennte Wettkämpfe und Meisterschaften gibt – ist das möglicherweise anders zu beurteilen als für den Fußballsport. Hat aber die Segmentierung in Leistungsklassen den Zweck, den sportlichen Wettkampf körperlich Leistungsschwächerer untereinander überhaupt erst zu ermöglichen, so geht es bei Jugend- und Frauenligen ausschließlich um eine Abschottung der entsprechenden Ligen nach oben. Nur insoweit ist eine solche Segmentierung des Sports aus Sicht des AGG zu rechtfertigen. Umgekehrt bedeutet das: Eine Frau kann auf eine solche Förderung verzichten und in einer höheren Leistungsklasse – also bei den Herren – antreten. Gewiss wird sie dort ___________ 28

Dazu auch Vieweg (Fn. 7), S. 71 (87). Zu europarechtlichen Bedenken hinsichtlich der Regelung des § 5 AGG vgl. aber Kamanabrou, RdA 2006, S. 321 (332 f.). 29

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nur bestehen können, wenn sie über das entsprechende körperliche Leistungsvermögen auch tatsächlich verfügt. Sie darf aber jedenfalls nicht allein wegen ihres Geschlechts ausgeschlossen werden.30 Die von Natur aus körperlich Leistungsstärkeren bedürfen keines Schutzes vor der Teilnahme strukturell Leistungsschwächerer am Wettbewerb.31 Insofern ist es durchaus problematisch, wenn etwa der Deutsche Fußballbund in § 5 Nr. 3 seiner aktuellen Jugendordnung gemischte Mannschaften nur bis zur Altersklasse der B-Junioren bzw. B-Juniorinnen zulässt. Und gemäß § 33 Abs. 3 der aktuellen Spielordnung des DFB sind – mit Ausnahme von Freundschafts- und Trainingsspielen – Fußballspiele zwischen Frauen- und Herrenmannschaften nicht statthaft. Weitaus fortschrittlicher hat demgegenüber etwa der Deutsche Eishockeybund die Durchlässigkeit der Leistungsklassen nach oben konsequent in Art. 51 seiner Spielordnung angeordnet. So können einmal mit Blick auf das Alter Nachwuchsspieler aller Altersklassen auch in der jeweils nächst höheren Altersklasse eingesetzt werden; und – mit Blick auf das Geschlecht – dürfen Damen und Mädchen aller Altersklassen gemeinsam mit männlichen Spielern entsprechend ihrer Altersklasse in ein und derselben Mannschaft spielen. Zusätzlich dürfen Mädchen der Juniorenaltersklasse gemeinsam mit männlichen Spielern in der Jugendaltersklasse spielen. Meines Erachtens gilt: Frau Birgit Prinz könnte man den Anschluss an ein Herrenteam mit Blick auf die Vorgaben des AGG nicht versagen – jedenfalls nicht aus Gründen ihres Geschlechts. Etwas anderes – also die Abschottung der Leistungsklassen auch nach unten – kann allenfalls dann zulässig sein, wenn der Schutz der Leistungsschwächeren eine solche Abschottung erfordert. Beim Boxsport beispielsweise könnte das der Fall sein. Und die strikte Trennung des Sports nach Geschlecht dürfte m. E. weiter dort vollzogen werden, wo das Schamgefühl der Sportler in Rede steht – also insbesondere bei sogenannten „Vollkontaktsportarten“ wie etwa dem Ringen. Wenn man bei solchen Sportarten davon Abstand nimmt, Männer ___________ 30 Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an den Fall des Oscar Pistorius, der aufgrund eines Gendefekts an beiden Beinen knieabwärts amputiert wurde. Er erstritt vor dem CAS, dass er trotz seiner Behinderung auch bei Olympischen Wettkämpfen der Nicht-Behinderten grundsätzlich zugelassen wird – CAS vom 16.5.2008, 2008/A/1480 Pistorius v/IAAF. 31 Weil es letztlich nur um eine Abschottung nach oben gehen kann, trägt m. E. der allgemeine Rechtfertigungsgrund des § 8 Abs. 1 AGG die Segmentierung in Leistungsklassen nicht. Schon gar nicht können Kundenerwartungen (sog. customer preferences) eine Ungleichbehandlung rechtfertigen, weil etwa der Wunsch der Kunden (Fans), die Herrenmannschaft des Vereins von Damen rein zu halten, selbst ein diskriminierendes Ansinnen wäre; näher zu Kundenerwartungen MünchKomm/Thüsing (Fn. 4), § 8 AGG Rn. 17 ff.; vgl. auch R. Krause, Antidiskrimierungsrecht und Kundenpräferenzen, in: Hanau/Thau/Westermann (Hrsg.), Gegen den Strich, Festschrift für Klaus Adomeit (2008), S. 377 ff.

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und Frauen gegeneinander antreten zu lassen, so scheint mir das aus sittlichen Gründen gerechtfertigt.

2. Nichtberücksichtigung von Sportlern bei Einsätzen Ich leite damit über zu meinem zweiten Punkt, der nun nicht mehr notwendig an verbandliche Vorgaben anknüpft, sondern auch an schlichtes Arbeitgeberverhalten. Werden Sportler in diskriminierender Weise, also aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe, nicht beschäftigt – sei es, dass sie am Trainingsbetrieb nicht teilnehmen dürfen, sei es, dass sie bei Wettkämpfen nicht eingesetzt werden –, dann haben sie grundsätzlich einen Anspruch auf Beschäftigung. Sie können ihre tatsächliche Beschäftigung gerichtlich erstreiten. Das gilt jedenfalls für die Teilnahme am Training, aber auch für die Teilnahme an sportlichen Wettkämpfen, wobei hier für Mannschaftssportarten Einschränkungen greifen müssen. Ich kann das an dieser Stelle nicht im Einzelnen darlegen, ohne das vorgegebene Thema Sportrecht und AGG zu sprengen, und verweise daher für diese Fragen auf die sehr gründliche Untersuchung von Klaus Bepler32 in der Festschrift für Herbert Fenn. Im Kontext des AGG darf und will ich zu einem Beschäftigungsanspruch des Sportlers nur zwei Punkte ansprechen. Einmal steht einem auf tatsächliche Beschäftigung gerichteten Anspruch des Sportlers § 15 Abs. 6 AGG nicht entgegen, der bei Verstößen des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot aus § 7 Abs. 1 AGG einen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses ausschließt. § 15 Abs. 6 AGG will nur einen Anspruch auf Begründung eines zuvor nicht bestehenden Rechtsverhältnisses ausschließen. Nicht hingegen geht es darum, den Pflichtkreis innerhalb eines schon bestehenden Rechtsverhältnisses zu modifizieren. Der Beschäftigungsanspruch innerhalb eines schon bestehenden Arbeitsverhältnisses bleibt von § 15 Abs. 6 AGG also unberührt. Allerdings – und das ist der zweite Punkt – hindert § 15 Abs. 6 AGG aus meiner Sicht zumindest die Weiterung des Pflichtenkreises des Arbeitnehmers mit Blick auf die Primärpflichten. Um im obigen Beispiel zu bleiben: Möchte eine weibliche Fußballspielerin in der Herrenmannschaft ihres Vereins eingesetzt werden, so steht ihr ein solcher Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung allenfalls dann zu, wenn ihr Arbeitsvertrag auch einen Einsatz in einem Herrenteam mit umfasst. Soweit die Sportlerin nach ihrem Arbeitsvertrag jedoch nur den Einsatz in der Frauenmannschaft schuldet, kann über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz der Pflichtenkreis nicht auf Einsätze in der Herren___________ 32

Bepler (Fn. 9), S. 43 (66 ff.).

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mannschaft erstreckt werden. Eine solche Weiterung des Pflichtenkreises aus dem Arbeitsverhältnis scheitert meines Erachtens deshalb an der Wertung des § 15 Abs. 6 AGG, weil sie letztlich eine partielle Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses bedeutet – also vertragliche Primärpflichten schafft, die zuvor nicht bestanden haben.33 Versagt der Verein der Sportlerin den Zugang zur Herrenmannschaft unter Hinweis auf das Geschlecht, dann verbleiben der Sportlerin lediglich Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung nach den § 15 Abs. 1 und 2 AGG.

3. Befristungsregelung Als dritten Punkt möchte ich die bestehende Befristungspraxis im Profisport zumindest erwähnen. Auch hier sind die sich aus dem AGG ergebenden Fragen allenfalls Facetten eines größeren und weitaus umfassenderen Problems. Daher auch hierzu nur wenige Hinweise: Zunächst hindert § 2 Abs. 4 AGG, der Kündigungen aus dem Geltungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes herausnimmt, eine Befristungskontrolle durch das AGG nicht. Zwar lässt sich die Befristungskontrolle letztlich nur als konsequente Fortsetzung des Kündigungsschutzes begreifen; gleichwohl hat sich die Befristungskontrolle über das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) inzwischen verselbständigt. Das TzBfG fragt gerade nicht mehr nach einer objektiven Umgehung des gesetzlichen Kündigungsschutzes, was etwa die Befristungskontrolle auch im Kleinbetrieb belegt. Deshalb gilt: Die Verselbständigung der Befristungskontrolle, der Wortlaut der Ausschlussregelung des § 2 Abs. 4 AGG und nicht zuletzt die europarechtlichen Bedenken gegenüber der Regelung des § 2 Abs. 4 AGG als solcher sprechen eindeutig für eine AGG-Kontrolle auch von Befristungsvereinbarungen. In der Sache selbst sind die unterschiedlichen im Bereich des Sports entwickelten Befristungsgründe so schillernd wie haltlos, übertrüge man sie auf das allgemeine Arbeitsrecht. Und auch für den Bereich des Sports ist die Berechtigung der angeführten Befristungsgründe reichlich zweifelhaft.34 Das AGG trägt insoweit nicht zur Entspannung bei – im Gegenteil. Die meisten der behaupteten Befristungsgründe im Bereich des Sports werfen die Frage nach der Altersdiskriminierung auf. Stichworte wie „Verschleißtatbestand“ und „nachlassende ___________ 33

Vgl. auch MünchKomm/Thüsing (Fn. 4), § 15 AGG Rn. 42. Zu Befristungsfragen vgl. etwa Bepler (Fn. 9), S. 43 (56 ff.); Dieterich, Die Befristung von Trainerverträgen im Spitzensport, NZA 2000, S. 857; Hausch, Zulässigkeit der Befristung von Lizenzspielerverträgen – ein Tummelfeld von Begründungsversuchen, SpuRt 2003, S. 103; Horst/Persch, Zur Anwendung des Verschleißtatbestandes im Sport, RdA 2006, S. 166. 34

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Leistungsfähigkeit“ belegen das. Die Befristung von Spieler- und Trainerverträgen nimmt dem Sportarbeitgeber letztlich die Last einer personenbedingten Kündigung unter Anknüpfung an ein in § 1 AGG verpöntes Differenzierungskriterium. Das stellt den Norminterpreten vor erhebliche Herausforderungen, will er die bestehende Befristungspraxis des Sports rechtlich absichern. Vor diesem Hintergrund sehe ich gerade hier einen besonders dringlichen Handlungsbedarf des Gesetzgebers, der ja bekanntlich für andere Bereiche bereits eigene Befristungsvorschriften erlassen hat. So hat der Gesetzgeber etwa jüngst das Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetz – WissZeitVG) vom 12.4.2007 erlassen. Zu erinnern ist ferner an die Befristungsregelungen für Ärzte in der Weiterbildung. Die besondere Schwierigkeit einer gesetzlichen Befristungsregelung für den Sport liegt freilich darin, dass der Gesetzgeber seinerseits an die europarechtlichen Vorgaben und damit an die Antidiskriminierungsrichtlinien gebunden ist. Auch der Gesetzgeber kann also Arbeitnehmern nicht aufgrund eines altersbedingten Leistungsabfalls den Befristungsschutz – oder allgemeiner: den Bestandsschutz – vorenthalten.

4. Schutz vor Kunden (Fans) – insbesondere vor rassistischen Äußerungen Ich komme damit zu meinem vierten und letzten Punkt: Der Arbeitgeber darf seine Arbeitnehmer nicht nur nicht selbst benachteiligen. Er muss mit Blick auf die durch das AGG verfolgten Ziele gemäß § 12 AGG gewissen Organisationspflichten zum Schutz vor Benachteiligungen nachkommen. Das gilt auch, soweit es um Beeinträchtigungen durch Dritte geht. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, im Rahmen seiner Handlungsmöglichkeiten gegenüber Dritten geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen. Bei der Wahl der dabei zu ergreifenden Maßnahmen ist der Arbeitgeber zwar grundsätzlich frei; er kann hierbei auch eigene (z. B. geschäftliche) Interessen mit bedenken.35 Gleichwohl gilt nicht zuletzt mit Blick auf die gebotene europarechtskonforme Auslegung, dass Reaktionen auch gegenüber Dritten effektiv und abschreckend sein müssen.36

___________ 35 Bauer/Göpfert/Krieger (Fn. 13), § 12 AGG Rn. 41; MünchKomm/Thüsing (Fn. 4), § 12 AGG Rn. 11. 36 Weller, Die Haftung von Fußballvereinen für Randale und Rassismus, NJW 2007, S. 960 (962).

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Das heißt: Wirtschaftliche Eigeninteressen des Arbeitgebers dürfen und können wirkungsvolle Schutzmaßnahmen nicht ausschließen. Das gilt im Bereich des Sports umso mehr, als die Sportarbeitgeber in aller Regel Idealvereine sind, die wirtschaftliche Interessen allenfalls eingeschränkt anführen können. Die Vereine sind vielmehr umgekehrt den Idealen des Sports verpflichtet. Das heißt konkret: Der Verein muss, wenn er einen rassistischen Vorfall und den dafür Verantwortlichen identifiziert hat, abschreckend reagieren.37 Das Spektrum möglicher Sanktionen ist dabei breit gefächert. In Betracht kommen beispielsweise sofort vollziehbare Platzverweise, Stadionverbote sowie die Einziehung von (Dauer)Karten.38 Diese Schutzpflichten hat aus Sicht des AGG jeder Verein gegenüber seinen Arbeitnehmern – und nur gegenüber diesen. Das bedeutet freilich nicht, dass nur der gastgebende Verein als Veranstalter zum Handeln verpflichtet ist, weil nur er etwa aufgrund seines Hausrechts die tatsächlichen und rechtlichen Handlungsmöglichkeiten im Stadion hat, um abschreckende Maßnahmen anzuordnen. Auch der Verein der Gastmannschaft hat bei einer Benachteiligung seiner Spieler durch Dritte Pflichten; so muss er zumindest auf den gastgebenden Verein einwirken, damit dieser seinerseits etwa rassistische Ausschreitungen der Zuschauer unterbindet. Der Verein der Gastmannschaft muss weiter gegebenenfalls ein verbandliches Einschreiten erwirken. In besonderen Situationen wird der Verein der Gästemannschaft auch verpflicht sein, die betroffenen Spieler vom Platz zu nehmen.

IV. Resümee Ich darf die – aus meiner Sicht – wesentlichen Ergebnisse meines Vortrags wie folgt zusammenfassen: Regelungen der Sportverbände müssen sich – sofern sie sich ihrem Inhalt nach in Sportarbeitsverhältnissen auswirken können – am Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz messen lassen. Sportarbeitgeber, die sowohl die Verbandsnormen als auch die Vorgaben des AGG zu beachten haben, stecken oftmals in einer Zwickmühle, weil ihre „Verbandstreue“ sie selbst in Zweifelsfällen nicht aus ihrer arbeitsrechtlichen Verantwortung entlässt. Eine analoge Anwendung des § 15 Abs. 3 AGG auf Verbandsnormen wäre nicht überzeugend. Material steht insbesondere die Segmentierung der sportlichen Wettbewerber in Leistungsklassen auf dem Prüfstand – wenn auch nicht nur. Aus Sicht des AGG lässt sich die Schaffung eigener Leistungsklassen unter ___________ 37

So überzeugend Weller (Fn. 36), NJW 2007, S. 960 (962). Zu AGB auf Fußballkarten vgl. Gutzeit, Handelsbeschränkungen für Eintrittskarten – dargestellt am Beispiel der Ticketbedingung für die Fußball-WM wie auch der aktuellen Muster-AGB für die Fußball-Bundesliga, BB 2007, S. 113. 38

Auswirkungen des Gleichbehandlungsgesetzes auf das Sportrecht

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Anknüpfung an des Geschlecht und das Alter nur als „positive Maßnahme“ i. S. des § 5 AGG halten. Das bedeutet aber: die Leistungsklassen müssen grundsätzlich nach oben offen sein. Leistungsschwächere können regelmäßig auf ihren Schutz verzichten und am Leistungswettbewerb der Leistungsstärkeren teilnehmen.

Wohin steuert der Sportbetrug? – Zum Ertrag der Debatte über das Hoyzer-Urteil des Bundesgerichtshofs Von Matthias Jahn

I.

Zwei Thesen......................................................................................................

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1.

Symptome: Das Besondere und das Allgemeine – Sportbetrug und Sportwettenbetrug......................................................................................

74

2.

Strukturen: „Expansion durch Normativierung“ – Sport und Strafrecht....

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II. Analyse und Kritik der Hoyzer-Entscheidung des 5. Strafsenats vom 15. 12. 2006 (BGHSt 51, 165) ..........................................................................

76

1.

2.

Grundlagen der Revisionsentscheidung.....................................................

76

a)

Sachverhalt.........................................................................................

76

b)

Rahmenbedingungen: „Gerechtigkeit für Fußballdeutschland“? .......

77

Problemschwerpunkte bei den Tatbestandsmerkmalen des § 263 StGB ...

79

a)

Täuschung ..........................................................................................

79

aa) Keine ausdrückliche Täuschung .................................................

79

bb) Analyse der Entscheidungsgründe zur Frage konkludenter Täuschung ..................................................................................

80

cc) Zur Kritik an der Übernormativierung des Täuschungsbegriffs vor und nach dem Hoyzer-Urteil ................................................

82

b)

Irrtum und Viktimodogmatik .............................................................

87

c)

Vermögensverfügung und -schaden ...................................................

88

aa) Unklarheiten der dogmatischen Konstruktion des Quotenschadens .....................................................................................

89

bb) Unrichtigkeit der praktischen Ergebnisse ...................................

89

III. Abschließende Bewertung der Diskussion und Ausblick..................................

90

___________

Erweiterte und aktualisierte Fassung des auf der 8. Interuniversitären Tagung Sportrecht in Rauischholzhausen gehaltenen Vortrags (siehe A. Bosch, SpuRt 2007, 219 [220]). Meiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin, Frau Rechtsanwältin Jasmin Palm, bin ich für wertvolle Vorarbeiten und Diskussionen zu besonderem Dank verpflichtet.

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Matthias Jahn

I. Zwei Thesen 1. Symptome: Das Besondere und das Allgemeine – Sportbetrug und Sportwettenbetrug Was ist Sportbetrug? Jeder Leser hat vermutlich eigene Assoziationen zum Thema. Sie können sich aus Gesprächen im Bekanntenkreis, der Zeitungslektüre, der Fernsehberichterstattung bei sportlichen Großereignissen oder eigenem Erleben als aktiver Sportler oder zumindest aktiver Zuschauer speisen. Der nachfolgende Beitrag versucht, das Vorverständnis durch die Analyse einer speziellen Fallgruppe auf die Probe zu stellen. Der Sportwettenbetrug soll hier als dogmatischer Probierstein dienen. Zwei Gründe scheinen mir für dieses Vorgehen zu sprechen. Zum einen liegt meinen Überlegungen eine etwas längere Urteilsrezension zur (unveröffentlicht gebliebenen) tatgerichtlichen Entscheidung des LG Berlin im „Fall Hoyzer“1 sowie ein gemeinsam mit meinem damaligen wissenschaftlichen Mitarbeiter Stefan Maier verfasster Besprechungsaufsatz zur Revisionsentscheidung des BGH2 in dieser Sache zugrunde. Die damaligen Überlegungen werden hier nicht nur zum besseren Verständnis wiedergegeben, sondern auch mit der an sie anschließenden Diskussion konfrontiert. Sie kreist vor allem um den von uns kritisierten, vom BGH verfolgten Täuschungsbegriff beim Betrug (§ 263 I StGB) und die Frage der Rechtsnatur des Quotenschadens. Mit meinem Beitrag soll damit gleichzeitig eine erste Zwischenbilanz der HoyzerDebatte vorgelegt werden, bevor sich die Diskussion endgültig in Monografien und Dissertationsschriften verlagert3. Zum anderen scheint mir der Umgang des in BGHSt 51, 165 veröffentlichen Hoyzer-Urteils mit der Betrugsdogmatik für die grundlegenden Fragen, die im Schnittbereich zwischen manipulativen Einwirkungen auf den Sport und der anschließenden rechtlichen Reaktion durch das Strafrecht auftauchen, ganz besonders lehrreich zu sein. Meine erste These lautet also: Die Dogmatik des Sportwettenbetruges ist prototypisch für den Umgang des Strafrechts mit Manipulationen im Sport im Ganzen.

___________ 1 LG Berlin, Urt. v. 17. 11. 2005 - 68 Js 451/05, S. 42 f. = BeckRS 2006, 05289 m. Bespr. Jahn, JuS 2006, 567. 2 BGHSt 51, 165 m. Anm. Jahn/Maier, JuS 2007, 215. 3 Siehe nunmehr bereits Schattmann, Betrug des Leistungssportlers im Wettkampf, 2008, S. 105.

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2. Strukturen: „Expansion durch Normativierung“ – Sport und Strafrecht Meine zweite These weist auf einen weiteren Aspekt des Hoyzer-Urteils hin. Ich möchte dieses Phänomen auf den Begriff „Expansion durch Normativierung“ bringen. Hier sind nicht mehr nur dogmatische, sondern auch gesellschaftspolitische Fragen angesprochen. Würde man es systemtheoretisch zu formulieren versuchen, haben wir es mit zwei verschiedenen gesellschaftlichen Großsystemen zu tun: Sport und Recht, letzteres repräsentiert durch das Subsystem Strafrecht. Diese Systeme haben unterschiedliche Kodierungen. Wir treffen im Strafrecht auf eine weithin strikt durchgehaltene binäre Kodierung. Strafrechtler denken in den Kategorien Recht und Unrecht. Das ist eine Konstante unserer gesamten fachwissenschaftlichen Diskussion der letzten Jahrhunderte.4 Im Leistungssport, der jedenfalls seit Anfang des 19. Jahrhunderts in unserer Gesellschaft ein eigenständiges Teilsystem ist,5 existiert diese primäre Kodierung nicht. Hier geht es um Erfolg und Misserfolg. Der Sportsoziologe Uwe Schimank6 schreibt dazu in seiner grundlegenden Untersuchung: „Der Siegescode bildet das Zentrum des für den modernen Sport charakteristischen Komplexes generalisierter sinnhafter Orientierung.“ Erst als sekundäre oder tertiäre Kodierung, als Stellschrauben für notleidende Fälle, akzeptiert das System Sport Operatoren wie Fairness, Ritterlichkeit, Teamgeist, Kollegialität. Sinnbildlich wird dies mit dem Pokal, den die fairste, aber oft auch erfolgloseste Mannschaft als Trost mit nach Hause nehmen darf. Die Inkompatibilität der Codierungen Recht/Unrecht einerseits und Sieg/Niederlage andererseits führt zu Verwerfungen, wenn das Strafrecht in die autonom codierte Sphäre des Sports übergreift. Sie reflektieren sich zunächst im Verfassungsrecht. Abgesichert ist der Sport hier in kollektiver Hinsicht vor allem über Art. 9 I GG – Vereins- und Verbandsautonmie –, in individueller Hinsicht jedenfalls über die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG, flankiert durch das Willkürverbot des Art. 3 I GG.7 Erst vor diesem Hintergrund sind Steuerungsbemühungen des Sports durch das Strafrecht als das zu sehen, was sie wesensmäßig sind: Grundrechtseingriffe, für die es einer hinreichenden verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Konkret um das Verhältnis von Sport und Strafrecht ___________ 4

Dazu zuletzt Hilgendorf, JuS 2008, 761 (762 f.). So auch Schimank, Differenzierung und Integration der modernen Gesellschaft. Beiträge zur akteurzentrierten Differenzierungstheorie I, 2005, S. 111 ff. 6 Fn. 5, S. 116. Siehe auch Runkel/Burkart, Funktionssysteme der Gesellschaft. Beiträge zur Systemtheorie von Niklas Luhmann, 2005, S. 7 und – speziell zum Doping in systemtheoretischer Perspektive – Bette, Systemtheorie und Sport, 1999, S. 221 ff. 7 Siehe M. Nolte, Sport und Recht, 2004, S. 217 ff. Ich habe diese verfassungsrechtlichen Zusammenhänge auf der 6. Interuniversitären Tagung Sportrecht in Heidelberg am Beispiel der Dopingproblematik genauer entwickelt und kann hier darauf verweisen: Jahn, in: Prisma des Sportrechts, 2006, 33 (56 ff.). 5

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geht es in den nun folgenden Ausführungen zur Entscheidung des 5. Strafsenats vom 15. 12. 2006. Hier mache ich insbesondere wegen der rein normativen Bestimmung des Erklärungswerts alltäglicher Handlungen durch das Gericht erhebliche Bedenken gegen seine Entscheidung geltend und empfehle í nicht nur, aber auch í für die Fälle des Sport(wetten)betrugs die Rückkehr zu einem ontologischen Täuschungsbegriff.

II. Analyse und Kritik der Hoyzer-Entscheidung des 5. Strafsenats vom 15. 12. 2006 (BGHSt 51, 165) Die strafrechtliche Aufarbeitung des Bundesliga-Wettskandals, der in der öffentlichen Wahrnehmung untrennbar mit dem Namen des Ex-Schiedsrichters Robert Hoyzer verbunden bleiben wird,8 war im Rückblick einer der spektakulärsten Strafprozesse des letzten Jahres. Dies war nicht nur darauf zurückzuführen, dass die zugrunde liegenden Ereignisse die Sauberkeit und Lauterkeit des deutschen Profi-Fußballs in Frage zu stellen geeignet waren, sondern trug auch der Tatsache Rechnung, dass bis zur Urteilsverkündung unklar geblieben war, ob der 5. Strafsenat den Tatbestand des Betruges erfüllt sehen würde oder ob es sich beim Verhalten der Angeklagten – was der Auffassung des Sitzungsvertreters der Bundesanwaltschaft entsprach – um eine moralisch empörende, aber straflose „Gaunerei“ gehandelt hatte.9 Der Frage, ob der dogmatische Ertrag des Urteils seinem Stellenwert in der öffentlichen Diskussion entspricht, soll im Folgenden nachgegangen werden.

1. Grundlagen der Revisionsentscheidung a) Sachverhalt Bei mehreren Spielen beider Fußball-Bundesligen platzierte der Angeklagte S Wetten mit hohen Einsätzen bei verschiedenen Anbietern. Dabei handelte es sich vorrangig um sog. Kombinationswetten bei der von der Deutschen Klassenlotterie unter dem Namen „Oddset“ betriebenen Sportwette. Kennzeichnend für diese Kombinationswette ist dabei zum einen, dass kombiniert auf den Aus___________ 8 Zum ersten Bundesliga-Skandal der Saison 1970/1971 und zur Untreuestrafbarkeit eines Vereinsvorsitzenden wegen Untreue durch Hingabe von Vereinsgeldern zur Beeinflussung des Spielausgangs vgl. BGH, NJW 1975, 1234 m. Anm. Triffterer, NJW 1975, 612; Schreiber/Beulke, JuS 1977, 656; Reinhart, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer (Hrsg.), Praxishandbuch SportR, 2. Aufl. 2007, 8. Teil, Rdnr. 179 ff. 9 Es sei schon hier vermerkt, dass diese Rechtsmeinung ihrerseits wieder für öffentliche Empörung gesorgt hat. Siehe dazu sogleich B. I. 2.

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gang mehrerer Spiele gesetzt werden muss und zum anderen, dass die Gewinnquoten von vorneherein feststehen. Um seine Gewinnaussichten zu erhöhen, kam S unter anderem10 mit dem Mitangeklagten H, einem BundesligaSchiedsrichter, überein, dass dieser bestimmte Spiele, auf deren Ausgang S Wetten abschloss, manipulieren sollte. Gewettet wurde in der Folge auf das manipulierte Spiel und zwei andere nicht manipulierte Partien, bei denen S auf den jeweiligen Favoriten setzte. Für die Manipulation zahlte S dem H jeweils hohe Geldbeträge und gewährte zusätzliche Sachleistungen wie etwa einen Plasma-Fernseher. Manipuliert wurden die Spiele unter der Leitung von H dergestalt, dass von ihm u. a. offensichtlich unberechtigte Strafstöße verhängt wurden, die zu Torerfolgen führten bzw. indem unberechtigte Platzverweise erteilt wurden. Teilweise waren die Manipulationen jedoch auch nicht erfolgreich, weil beispielsweise Strafstöße nicht verwandelt wurden. Soweit nicht das gewünschte Ergebnis zustande kam, führte dies jeweils dazu, dass H keine Entlohnung erhielt. S erlitt zum Teil hohe Verluste bei den Spielen, in denen die Manipulationen nicht das gewünschte Spielergebnis zur Folge hatten, hatte jedoch insgesamt erhebliche Beträge „gewonnen“. Für diese Taten wurde S wegen gewerbsmäßigen Betrugs in zehn Fällen und H wegen Beihilfe hierzu in sechs Fällen jeweils zu Freiheitsstrafen verurteilt. Gegen diese Entscheidung legten beide Revision ein.

b) Rahmenbedingungen: „Gerechtigkeit für Fußballdeutschland“? Bevor die Entscheidung des 5. Senats und die ihr nachfolgende Diskussion dargestellt und in ihrer Bedeutung für die Dogmatik des Betrugstatbestandes analysiert wird, soll noch einmal an die mittelbar für das Ergebnis bedeutsamen Rahmenbedingungen des Verfahrens erinnert werden. Denn schon bald nachdem die Manipulationsvorwürfe aufgetaucht waren, war es in der veröffentlichten Meinung nahezu unumstritten, dass das abzuurteilende Verhalten – Manipulation der Spiele durch den Schiedsrichter H, nachdem zuvor von S auf deren Ausgang gewettet worden war – den Tatbestand des Betrugs erfüllen müsse. Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand dabei H, so dass sich das Verfahren als „Fall Hoyzer“ in die Liste der großen Strafprozesse der Bundesrepublik Deutschland eingeschrieben hat. Schon dies ist in strafrechtlicher Perspektive wegen der Einordnung des Verhaltens des H in das Koordinatensystem von Täterschaft und Teilnahme zweifelhaft.11 Verstärkt wurde der Eindruck der doch ___________ 10

Nachfolgend wird die Darstellung auf die Angeklagten S und H beschränkt. Dazu genauer Jahn/Maier, JuS 2007, 215 (219). Notierenswert bleibt in diesem Zusammenhang, dass der Neologismus „hoyzern“ heute teilweise als Synonym für das Manipulieren insbesondere von Fußballspielen verwendet wird. Das Verb wurde von der 11

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ganz offensichtlichen Strafbarkeit der Vorgänge noch durch die Tatsache, dass sowohl gegen S als auch gegen H Untersuchungshaft angeordnet wurde, was wegen der Regelung in § 112 I StPO den dringenden Tatverdacht eines (gewerbs- und bandenmäßigen) Betrugs voraussetzt. Nachdem das LG Berlin12 die Angeklagten verurteilt hatte, stellten die Bedenken, die zwischenzeitlich auch in der fachwissenschaftlichen Diskussion aufgekommen waren,13 im Jahr der Austragung der Fußball-WM in Deutschland allenfalls eine Randerscheinung dar. Das änderte sich schlagartig, als der Sitzungsvertreter der Bundesanwaltschaft in der Revisionsverhandlung Freispruch beantragte – u. a. mit der Folge, dass für die zu Unrecht erlittene Haft nach den §§ 2 I, 7 III StrEG grundsätzlich Entschädigung in Höhe von elf Euro pro Hafttag zu zahlen gewesen wäre. Die nachhaltigen Irritationen, die dieser Antrag in Teilen der Öffentlichkeit auslöste,14 verdeutlichen freilich vor allem, dass sich die Verfahrensrolle der Staatsanwaltschaft beim Revisionsgericht einer beklagenswerten Unkenntnis erfreut. Jedenfalls hier soll sie als Gesetzeswächterin in voller sachlicher Unabhängigkeit und Objektivität dem Recht dienen.15 In mittelbarer Reaktion auf diesen Antrag wurde das Urteil des 5. Senats in einer ersten Besprechung in der Neuen Juristischen Wochenschrift mit fast schon lyrischen Worten der Erleichterung begrüßt: „Der Fußballwelt in Deutschland ist durch die Verurteilung der Angeklagten Gerechtigkeit widerfahren. Eine andere Entscheidung wäre für den Bürger nicht nachvollziehbar gewesen und hätte zu völligem Unverständnis bei den Sportbegeisterten geführt“16. Gerechtigkeit für Fußballdeutschland, Leipzig locuta, causa finita? Macht man sich weniger als Mensch und Staatsbürger denn als Jurist an eine etwas eingehendere Urteilsanalyse, muss ein doch deutlich differenzierteres Bild gezeichnet werden. Was sagt also das Recht – hier also vor allem der objektive Betrugstatbestand17 – zum Verhalten der Angeklagten S und H? ___________ Gesellschaft für deutsche Sprache bei der Wahl zum Wort des Jahres 2005 immerhin auf Platz sieben gekürt. 12 Siehe dazu die auszugsweise mitgeteilten Urteilsgründe in meiner Urteilsbesprechung, JuS 2006, 567. 13 Namentlich bei Schlösser, NStZ 2005, 423 (424 ff.). Zusammenfassend Reinhart, in: Praxishandbuch SportR (Fn. 8), 8/151 f. 14 Für viele steht Deckwerth, Der Ausnahmejurist, Berliner Zeitung v. 30. 11. 2006, S. 3. 15 Vgl. BVerfGE 63, 45 (63 f.); BGHZ 20, 178 (180); BGHR BGB § 839 Abs. 1 S. 1 Staatsanwalt 7; Weiß, JR 2005, 363 (369); Görcke, ZStW 73 (1961), 561 (575); Eb. Schmidt, Lehrkommentar StPO und GVG III, 1960, § 146 GVG Rdnr. 5. 16 Feinendegen, NJW 2007, 788. 17 Nicht behandelt werden im Folgenden die Fragen zivilrechtlicher Haftung der Beteiligten (siehe dazu R. Schwab, NJW 2005, 938) sowie ein möglicher Betrug zum Nachteil der Zuschauer (hierzu Hartmann/Niehaus, JA 2006, 432) oder des Deutschen Fußballbundes durch das „Verpfeifen“ eines Spiels (dazu R. Schwab, NJW 2005, 938

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2. Problemschwerpunkte bei den Tatbestandsmerkmalen des § 263 StGB a) Täuschung Als Tathandlung verlangt § 263 I StGB eine Täuschung. Hier kommt jede beliebige Handlung in Betracht, die einen auf Tatsachen bezogenen Erklärungswert besitzt und die auf die Vorstellung einer anderen Person so einwirkt, dass dies zu einem Irrtum führen kann.18 Zunächst hatte der Senat also die – für die weitere Prüfung weichenstellende – Frage zu beantworten, ob der zukünftige ungewisse Ausgang eines Fußballspiels eine Tatsache ist. Wir verstehen darunter vergangene oder gegenwärtige Zustände der Außenwelt und des menschlichen Innenlebens, die dem Beweis zugänglich sind.19 Zukünftige Ereignisse können demnach keine Tatsachen sein. Sie sind dem Beweis (noch) nicht zugänglich. Als Täuschung kommt daher allenfalls das Bestehen der auf das Fußballspiel bezogenen Manipulationsabrede zwischen S und H und der damit einhergehenden verbesserten Gewinnchance bezüglich der Wette in Betracht.20

aa) Keine ausdrückliche Täuschung Zu prüfen hatte das Gericht also, inwieweit der jeweilige Mitarbeiter der „Oddset“-Wettannahmestelle21 über diesen Sachverhalt getäuscht wurde. Es ___________ [940]) sowie die „Bestechung“ des Schiedsrichters (vgl. dazu Schlösser, NStZ 2005, 423 [424]). 18 Vgl. Kindhäuser/Nikolaus, JuS 2006, 193 (194); Kindhäuser, LPK-StGB, 3. Aufl. 2006, § 263 Rdnr. 46; Lackner/Kühl, StGB, 26. Aufl. 2007, § 263 Rdnr. 6; Fischer, StGB, 55. Aufl. 2008, § 263 Rdnr. 10. 19 Kindhäuser, in: NK-StGB, 2. Aufl. 2005, § 263 Rdnr. 73; Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 263 Rdnr. 8; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, 11. Aufl. 1999, § 263 StGB Rdnr. 9; Fischer (Fn. 18), § 263 Rdnr. 6. A.A. allein Naucke, Zur Lehre vom strafbaren Betrug, 1964, S. 111; zu seinem Ansatz Kargl, ZStW 119 (2007), 250 (266 f.). 20 Richtig Schlösser, NStZ 2005, 423 (425). Klarzustellen ist, dass durch die Vereinbarung mit H nur die Chance auf einen Wetterfolg vergrößert wurde. Sicher war der spätere Wetterfolg jedoch nicht, da trotz der Manipulationen das Spiel ohne Weiteres nicht den gewünschten Ausgang nehmen konnte (und teilweise auch nicht nahm). 21 Es handelt sich also um die Grundkonstellation eines Dreiecksbetrugs, bei dem der Verfügende (hier: der jeweilige Mitarbeiter des Wettanbieters) und der Geschädigte (hier: der Wettanbieter) nicht identisch sind, so dass der Verfügende zumindest in einem Näheverhältnis zum bzw. „im Lager“ des Geschädigten stehen muss. Da aber selbst die insoweit strengsten Voraussetzungen der Theorie von der rechtlichen Befugnis (auch als Ermächtigungstheorie bezeichnet) vorliegen, verbirgt sich hier kein auslegungsträchtiges Problem. Vgl. dazu Kindhäuser/Nikolaus, JuS 2006, 293 ff.; Kindhäuser, StrafR BT

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liegt jedenfalls keine ausdrückliche Täuschung vor, da S nach den tatrichterlichen Feststellungen nicht ausdrücklich erklärt hat, das Spiel nicht manipuliert zu haben. Dies ist übrigens keine Plattitüde und auch nicht, wie der Senat wiederholt suggeriert, „selbstverständlich“. Diese Einordnung wird durch die mehrfache Erwähnung des Umstandes im Urteil selbst dementiert. Die Feststellung liefert vielmehr einen wichtigen Gesichtspunkt für eine Kontrollüberlegung: Was wäre passiert, wenn S bei der Abgabe des Wettscheins ausdrücklich mitgeteilt hätte, das Spiel nicht manipuliert zu haben? Dazu muss man sich vergegenwärtigen, in welcher Lebenswelt der Sachverhalt spielt. Hier erklärt uns das Bundesverfassungsgericht22 in seiner Entscheidung zum staatlichen Wettmonopol, dass es sogar beim staatlichen Wettsystem „vor allem um Zeitschriften- und Tabakläden oder ähnliche kleine oder mittelständische Gewerbebetriebe (geht)“, denn durch „Oddset“ wird „die Möglichkeit zum Sportwetten zu einem allerorts verfügbaren ,normalen’ Gut des täglichen Lebens“23. Der besondere Grad an Verwunderung und Irritation, der die ausdrückliche Erklärung bei der Abgabe des Wettscheins, man habe das wettgegenständliche Spiel keinesfalls manipuliert, im Zeitschriftenladen an der Ecke auszulösen geeignet sein dürfte, mag indizieren, dass sich die nachfolgenden Ausführungen des Senats zur konkludenten Täuschung von den tatsächlichen Gegebenheiten allzu weit entfernen.24

bb) Analyse der Entscheidungsgründe zur Frage konkludenter Täuschung Vor diesem Hintergrund war zu prüfen, inwieweit die Ordnungsmäßigkeit einer vom Erklärungsempfänger angenommenen selbstverständlichen Geschäftsgrundlage schlüssig vorgespiegelt wird. Das LG Berlin als Tatgericht hatte eine konkludente Täuschung darin sehen wollen, dass durch die kommentarlose Vorlage der Spielscheine erklärt werde, das Wettrisiko sei für beide Parteien gleich, der Ausgang der wettgegenständlichen Spiele daher für beide Seiten gleichermaßen ungewiss.25 Dieser Auffassung schließt sich der 5. Senat an und übernimmt damit die der Pferdewetten-Entscheidung des 3. Senats26 ___________ II, 5. Aufl. 2008, § 27 Rdnrn. 44 ff.; Rengier, StrafR BT I, 10. Aufl. 2008, § 13 Rdnrn. 44 ff. 22 BVerfGE 115, 276 (315) m. Bespr. Sachs, JuS 2006, 745. 23 BVerfGE (Fn. 22). 24 Insoweit ausdrücklich zustimmend Krack, ZIS 2007, 103 (104). 25 LG Berlin, Urt. v. 17. 11. 2005 - 68 Js 451/05, S. 42 f. = BeckRS 2006, 05289; teilw. abgedr. auch bei Jahn, JuS 2006, 567 (568). Dazu ausf. Schild, Zeitschr. f. Wettund Glücksspielrecht 2006, 213 (215 ff.). 26 BGHSt 29, 165 (167 f.). Siehe auch schon RGSt 62, 415 (416), eine erstaunlicherweise vom 5. Senat für seine Auffassung nicht in Anspruch genommene Entscheidung zu einer Rennwette.

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zugrunde liegende Argumentation. Danach könne dem Vertragsangebot zum Abschluss eines Wettvertrages die stillschweigende Erklärung entnommen werden, dass die Geschäftsgrundlage der Wette nicht manipuliert sei. Zugleich weicht der 5. Senat damit von seiner mittlerweile vielzitierten früheren Auffassung – und vom Antrag des Sitzungsvertreters der Generalbundesanwältin – ab, wonach die Annahme, bei Abschluss der Sportwette werde zugleich die Nichtmanipulation des sportlichen Ereignisses erklärt, eine „willkürliche Konstruktion“27 sei. Inhaltlich rechtfertigt der Senat diese Entscheidung damit, es sei allgemein anerkannt, dass der Erklärungswert eines Verhaltens sich nicht nur aus dem ausdrücklichen Gegenstand der Kommunikation ergebe, sondern auch aus dem, was nach der Verkehrsanschauung durch das Verhalten miterklärt werde. Dieser unausgesprochene Inhalt bestimme sich sowohl nach faktischen als auch nach normativen Gesichtspunkten.28 Entscheidend sei in diesem Zusammenhang der jeweilige Geschäftstyp und die dabei typische Pflichten- und Risikoverteilung zwischen den Vertragspartnern. Dabei könne auch etwas zum Erklärungsinhalt werden, das (vorgeblich) nicht geschehen sei (sog. Negativtatsache).29 Eine konkludente Erklärung derartiger Negativtatsachen komme insbesondere in Betracht, wenn es um vorsätzliche Manipulationen des Vertragsgegenstandes gehe, auf den sich das kommunikative Verhalten beziehe.30 Dies gipfelt in der sehr allgemein gehaltenen Feststellung: „Dem Angebot auf Abschluss eines Vertrages ist demnach in aller Regel die konkludente Erklärung zu entnehmen, dass der in Bezug genommene Vertragsgegenstand nicht vorsätzlich zum eigenen Vorteil manipuliert wird.“

Da deshalb bereits Betrug durch konkludentes Handeln vorliege, könne dahinstehen, ob auch Betrug durch Unterlassen mit einer dazugehörigen Aufklärungspflicht vorliege. ___________ 27 BGHSt 16, 120 (121); ausdrücklich zustimmend aber bereits U. Weber, in: Pfister (Hrsg.) , Rechtsprobleme der Sportwette, 1989, 39 (59). Die anschließenden argumentativen Bemühungen des Senats, einen Widerspruch zu seiner eigenen Rechtsprechung „kleinzurechnen“, müssen hier nicht näher erörtert werden. Da es sich um eine senatseigene Entscheidung handelt, wäre eine Vorlage zum Großen Senat für Strafsachen als gesetzlichem Richter i.S.d. Art. 101 I 2 GG nicht notwendig gewesen, § 132 II GVG. Zusf. zu den „Wettfällen“ Wittig, Das tatbestandsmäßige Verhalten des Betruges, 2005, S. 279 ff. 28 BGHSt 47, 1 (3); 48, 33 (344); 51, 165 (169 f. Tz. 19). Diesen Ausgangspunkt teilen Tiedemann, in: LK (Fn. 19), § 263 Rdnr. 30; Fischer (Fn. 18), § 263 Rdnrn. 12a und 18 ff.; Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder (Fn. 19); Kutzner, JZ 2006, 712 (713 ff.); Satzger, JK 9/07, StGB § 263/80. 29 Siehe BGHSt 47, 83 (87). 30 Der Senat stellt hier u. a. ab auf RGSt 20, 144 zum Überstreichen schwammbefallener Hausteile; auf RGSt 59, 299 zum Überdecken schlechter Ware; auf BGHSt 8, 289 zum Zurückbehalten des Hauptloses einer Lotterie und auf BGHSt 48, 83 zur unzulässigen Preisabsprache.

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cc) Zur Kritik an der Übernormativierung des Täuschungsbegriffs vor und nach dem Hoyzer-Urteil Mit der Bejahung einer konkludenten Täuschung ist die entscheidende Weiche gestellt, denn alle weiteren Prüfungspunkte im objektiven Betrugstatbestand richten sich nun zwangsläufig an den hier aufgestellten Anforderungen aus. Für den Senat dürfte dabei recht bald klar gewesen sein, dass eine Täuschung durch Unterlassen dogmatisch kaum überzeugend konstruiert werden kann. Bei der Sportwette handelt es sich um ein – wie auch das Bundesverfassungsgericht31 meint – ganz alltägliches Rechtsgeschäft, dessen Synallagma nicht durch eine aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) resultierende und ohnehin eng auszulegende Aufklärungspflicht geprägt ist.32 Auch eine Garantenpflicht aus Ingerenz kam kaum ernsthaft in Betracht. Neben einem pflichtwidrigen Vorverhalten muss hierfür zusätzlich noch der Pflichtwidrigkeits- bzw. Schutzzweckzusammenhang bestehen.33 Daran fehlt es in der vorliegenden Konstellation. Das Verbot, Spiele zu manipulieren, ergibt sich aus der Schiedsrichterordnung des Deutschen Fußballbundes. Diese dient jedoch nicht dem Schutz des Vermögens der Wettanbieter.34 So begrüßenswert es also ist, dass der Senat im Bereich der Täuschung durch Unterlassen keine Dämme eingerissen hat, so problematisch und gleichzeitig symptomatisch für den Umgang mit dem Betrugstatbestand ist die bedenkliche Erweiterung des Anwendungsbereichs konkludenter Täuschungen. In den ersten Reaktionen hat der Senat dafür viel Kritik einstecken müssen. Denn je weiter die Annahme konkludenter Erklärungen durch alltägliche Handlungen geht, umso mehr wird die Unterscheidung zwischen dem aktiven Tun und der Begehung durch Unterlassen aufgehoben, ohne dass hier das Korrektiv der Aufklärungspflicht (§ 13 StGB) Anwendung findet. Dieser Kritik haben sich nach Verkündung des Urteils insbesondere Trüg/Habetha35 ausdrücklich angeschlossen. ___________ 31

Fn. 23. U. Weber (Fn. 27), 39 (52); Schlösser, NStZ 2005, 423 (427); Tiedemann, in: LK (Fn. 19), § 263 Rdnrn. 62 f.; Fischer (Fn. 18), § 263 Rdnrn. 25 f.; Beukelmann, in: BeckOK-StGB (Stand: 1. 2. 2008), § 263 Rdnr. 19. Besonders lehrreich OLG Hamburg, NJW 1969, 335 (336). 33 Siehe BGHSt 37, 106 (115); Wessels/Beulke, StrafR AT, 38. Aufl. 2008, Rdnr. 725. A.A. Kubiciel, HRRS 2007, 68 (71), in dessen dogmatischer (Neu-)Konstruktion der konkludenten Täuschung die Umgehung der engeren Voraussetzungen des § 13 StGB besonders augenfällig wird („vielmehr verletzt der Täter seine Aufklärungspflicht ...“). 34 So auch Fasten/Oppermann, JA 2006, 69 (71); Schlösser, NStZ 2005, 423 (427). 35 JZ 2007, 878 (882 f.): „Folge der Rechtsprechung, welche unter Heranziehung der allgemeinen Verkehrsauffassung und des gesamten normativen Bereichs des Rechtsgeschäfts Erklärungsinhalte unterstellt, ist eine damit korrespondierende extensive Ausdehnung strafrechtlicher Aufklärungspflichten. (…) Dieses Ergebnis kann mit Blick auf 32

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(1) Gefahren des normativen Täuschungsbegriffs Zur Klarstellung: Die Möglichkeit konkludenter Täuschungen als betrugsrelevante Tathandlung ist fraglos anzuerkennen.36 Problematisch ist jedoch, wie viel an Erklärungsgehalt in den alltäglichen Realakt der Abgabe des Wettscheins hineininterpretiert werden darf. Der Senat behauptet, er berücksichtige insoweit neben normativen auch faktische Gesichtspunkte. Das trifft jedoch bei genauerem Hinsehen nicht zu. Vielmehr wird der Tatbestand rein normativ interpretiert.37 Zwingend war dies jedenfalls dann, wenn man das Urteil des LG Berlin nicht aufheben wollte, schon deswegen, weil die diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen mehr als dürftig waren. Wenn der Senat meint, der Tatrichter könne von „allgemein verbreiteten ... Erwartungen auf den tatsächlichen Inhalt konkludenter Kommunikation schließen“, ist das auch für zukünftige Fälle eine carte blanche: Konkretisiert der Tatrichter – wie hier – diese Erwartungen kaum einmal im Ansatz, übernimmt dies eben das Revisionsgericht in faktengelöster Wesensschau der Rechts-Lage.38 Hierbei bleibt aber unberücksichtigt, dass – wie die im Übrigen gegen meine hier nochmals bekräftigte Auslegung kritische Auffassung von Engländer39 ausdrücklich einräumt – Verkehrsanschauung und Rechtslage durchaus auseinander fallen können. Dass dies umso mehr für die tatsächlichen Erwartungen im Einzelfall gilt, bedarf keiner weiteren Erörterung. Inhaltlich umstritten ist dabei schon seit langem, welchen Gesichtspunkten die größere bzw. alleinige Bedeutung beigemessen werden kann. Nach der normativierenden Auffassung40, die bislang freilich nur als Mindermeinung anzusehen war,41 ist nach dem Gesichtspunkt der Risikoverteilung zu entscheiden, ob und inwieweit sich der Erklärungsempfänger auf das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der relevanten Tatsache verlassen durfte. ___________ § 13 StGB nicht richtig sein.“ Eine Umgehung der Anforderungen des § 13 StGB í ohne weitere Begründung í verneint aber Wessels/Hillenkamp, StrafR BT/2, 30. Aufl. 2007, Rdnr. 499b. 36 Statt vieler Schild, Zeitschr. f. Wett- und Glücksspielrecht 2007, 10. 37 Die an dieser Auslegungsorientierung ansetzende Kritik bei Kutzner, JZ 2006, 712 (713 f.) und Schlösser, NStZ 2005, 423 (426) trifft also zu, erschöpft aber die strafrechtstheoretische Dimension des Problems noch nicht. 38 Wie hier kritisch zu dieser ausufernden Auslegung auch Hohmann, NJ 2007, 132; Trüg/Habetha, JZ 2007, 878 (879 f.); Beukelmann, in: BeckOK-StGB (Fn. 32), § 263 Rdnr. 134. 39 JR 2007, 477 (478). 40 Grundlegend Lackner, in: Leipziger Kommentar, 10. Aufl. 1988, § 263 Rdnrn. 28 ff., 63. Dem folgend Hefendehl, in: MünchKomm. StGB, 2006, § 263 Rdnrn. 86 ff.; Fischer (Fn. 18), § 263 Rdnr. 12a; Joecks, Studienkomm. StGB, 7. Aufl. 2007, § 263 Rdnrn. 30 ff.; Küper, StrafR BT, 7. Aufl. 2008, S. 290; Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, 1999, S. 100 ff.; Frisch, in: FS-Herzberg, 2008, 729 (742 ff.). 41 So auch die Einschätzung von Hoyer, in: Systematischer Komm. StGB (Stand: Feb. 2004), § 263 Rdnr. 30; Wittig (Fn. 27), S. 259.

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Entscheidend sei hierbei die typische Risikoverteilung, die sich insbesondere bei zivilrechtlichen Verträgen aus der dem jeweiligen Vertragstyp immanenten Risikoverteilung ergebe. Testet man diese Auffassung am Wettvertrag, ist die Auslegung des Senats intrasystematisch durchaus schlüssig: Hier gehen beide Parteien das Risiko ein, dass das der Wette zugrunde liegende Spiel mit einem anderen als dem eingeschätzten Ergebnis ausgehen kann.42 Fraglich ist für diese Auffassung dann in einem zweiten Schritt, wie die Verschiebung des Wettrisikos beschaffen sein muss, damit es gerade des strafrechtlichen Schutzes durch § 263 StGB bedarf. Keine derartige Verschiebung wird dabei bei der Ausnutzung eines einseitigen Informationsvorsprungs eines Vertragspartners gegeben sein. Dieses Risiko ist typisch für den Wettvertrag und damit den Vorstellungen der Vertragspartner immanent.43 Bei einer Manipulationsabrede, die eine massive Verschiebung des Wettrisikos bewirkt, kann daher auf Grundlage der normativen Betrachtungsweise mit guten Gründen angenommen werden, dass der getäuschte Vertragspartner mit dieser Manipulation nicht zu rechnen braucht. Auf ein in der Literatur teilweise befürwortetes grundsätzliches „Recht auf Wahrheit“44, in dessen noch deutlich gesetzesfernerer Konstruktion die falsa des gemeinen Rechts aufscheint,45 brauchte der Senat also nicht zu rekurrieren.

(2) Für die Rückkehr zum ontologischen Täuschungsbegriff Unversehens eröffnet sich damit bei der Beantwortung einer Spezialfrage der weite Horizont einer der bedeutendsten Grundlagenstreitigkeiten, die aller Dogmatik vorausgeht: Gibt es ontologische Grenzen der Gesetzesauslegung – Welzel sprach von sachlogischen Strukturen –, die kriminalpolitischem (Roxin) und normativierenden (Jakobs) Systemdenken unübersteigbare Barrieren entgegenzusetzen vermögen?

___________ 42 43

(92). 44

Siehe Kutzner, JZ 2006, 712 (715). Dies betonen insbesondere Gaede, HRRS 2007, 16 und Valerius, SpuRt 2005, 90

Pawlik (Fn. 40), S. 103 ff. Siehe hierzu auch Frisch (Fn. 40), 729 (738 ff.). Instruktiv dazu die kritischen Akzente bei Vogel, in: Schünemann (Hrsg.), Strafrechtssystem und Betrug, 2002, 89 (92 ff.); ders., Fiktionen bei Betrug und Quotenschaden (unveröffentl. Vortragsmanuskript NStZ Jahrestagung 2007), S. 7 ff. 45

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(a) Zustimmung zu der hier eingenommenen Position in der Diskussion um das Hoyzer-Urteil Diese Frage ist ganz ungeklärt und es wäre vermessen, sie in diesem Rahmen auch nur ansatzweise entscheiden zu wollen.46 Jedenfalls für den Betrugstatbestand lässt sich aber sagen, dass der Gesetzgeber des StGB mit dem Rechtsbegriff der „Tatsachen“ eine solche Barriere errichtet hat. Will man den Begriff nicht bis zur Unkenntlichkeit sinnentleeren, verlangt er einen Bezugspunkt in der Welt des Seins und nicht nur des rechtlichen Sollens.47 Gössel48 weist schon grundsätzlich darauf hin, dass bei rein normativer Betrachtungsweise die strafrechtliche Systembildung die ihr vorgegebene Regelungsmaterie verfehlen würde. Radtke49 stellt deshalb sogar in Abrede, dass es einen grundlegenden Unterschied zwischen normativem und faktischem Täuschungsbegriff gibt. Diese Auffassung – so attraktiv sie für die Begradigung der weiteren Diskussion auch erscheinen mag – teile ich allerdings nicht. Freilich: Auch Radtke erkennt ausdrücklich an, dass die normative Betrachtungsweise jeglichen Bezugspunkt in der Welt des Seins entbehrt. Ausdrücklich zuzustimmen ist zudem dem durch die Diskurstheorie aufgeklärten Hinweis von Vogel50, wonach „Konkludenz (…) im Ausgangspunkt keine Kategorie des Rechts, sondern der gelebten Sprache“ ist, mithin bedeutungshaltiges Verhalten und „Bedeutungen (…) sprachlich und lebensweltlich konstituiert“ werden. Die Befürworter einer faktischen Betrachtungsweise ermitteln den Aussagegehalt des vom Täter konkludent Erklärten daher zu Recht nach Maßgabe eines durch die Verkehrsanschauung objektivierten Empfängerhorizonts.51 Nach der Verkehrsauffassung ___________ 46 Siehe (bejahend) Mir Puig, in: Schünemann-Symp., 2005, 77 (102 f.); Küpper, Grenzen der normativierenden Strafrechtsdogmatik, 1990, S. 33; in der Tendenz auch Hernández, in: FS-Roxin, 2001, 69 (90 f.). Anders Roxin, in: FS-Lampe, 2003, 423 (427 ff.). 47 Im Ergebnis ebenso Trüg/Habetha, JZ 2007, 878 (880 f.), welche zu Recht fordern, dass „Ansatzpunkt der Auslegung konkludenter Erklärungen (…) der konkret festgestellte ,äußere Tatbestand der Erklärung sein (muss)“ und die extensive Auslegung der Rechtsprechung zu einer bloßen Fiktion von Erklärungen führt. 48 In: FS-Küper, 2007, 83 (91 f.). 49 Jura 2007, 445 (450). Von einem „Scheinstreit“ geht auch Krack, ZIS 2007, 103 (111), aus. 50 Fiktionen bei Betrug und Quotenschaden (Fn. 45, S. 8). Vogel begreift konkludente Täuschungen als Verletzung kommunikativer Verkehrspflichten, welche „einerseits der lebensweltlichen Praxis von Verkehr und Sprache entspringen und andererseits rechtlich überformt sind“. Zu seiner diskurstheoretischen Konzeption zusf. Schattmann (Fn. 3), S. 24 f. 51 Schild, Zeitschr. f. Wett- und Glücksspielrecht 2007, 10 (11 f.) und 2006, 213 (216); U. Weber (Fn. 27), 39 (59); Mitsch, StrafR BT II, 1998, § 7 Rdnr. 26; Maurach/Schroeder/Maiwald, StrafR BT I, 9. Aufl. 2003, § 41 Rdnrn. 39 ff.; Rengier (Fn. 21), § 13 Rdnr. 5b.

,

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wird das Verhalten des S, wie bereits die eingangs erwähnte Kontrollüberlegung deutlich gemacht hat, richtigerweise dahingehend auszulegen sein, dass einem Alltagsgeschäft ohne personales Gepräge regelmäßig keine Erklärung über dessen „Nichtmanipulation“ eigen ist. Dies gilt ohne Weiteres auch, wenn man – wie dies teilweise vertreten wird52 – die Ungewöhnlichkeit einer expliziten Erklärung als für die Konkludenz konstitutiv erachtet, denn jedenfalls in der kommunikativen Lebenswelt eines Berliner Lottoladens des Jahres 2004 genoß die Äußerung „Ich habe dieses Spiel nicht manipuliert“ kein Heimrecht. Schon die Schwierigkeit, den an sich einfachen Sachverhalt zur Bestimmung des tatsächlichen Gegenstandes der konkludenten Täuschung in Worte zu fassen, indiziert, dass die Gegenauffassung etwas gekünstelt wirkt.53

(b) Zur Kritik am hier vertretenen ontologischen Täuschungsbegriff Die gegen die hier eingenommene Position vorgebrachte Kritik von Reinhart54, dieser Zusammenhang werde „durch das Wesen des jeweils in Rede stehenden Vertragstyps“ egalisiert, dürfte nicht weiter führen. Denn um die Frage, welches Wesen ein in einer Alltagssituation abgeschlossener Wettvertrag hat, geht es ja gerade. Eine Verständigung darüber wird mit einem Vertreter der normativ aufgeladenen Gegenauffassung kaum möglich sein; sie dürfte in einem infiniten Regress über das Wesen des Wesens enden. Auch der Vorwurf Boschs55, bei dem hier zugrunde gelegten ontologischen Täuschungsbegriff handele es sich um – so wörtlich – „naturrechtlich geprägten Gefühlsdezisionismus“, leidet daran, dass damit als unumstößlich behauptet wird, was erst noch zu beweisen wäre, denn im nächsten Satz heißt es bei ihm apodiktisch: „Da der Täuschungsbegriff gerade bei schlüssigen Täuschungen nur normativ bestimmt werden kann, hat der BGH völlig recht, (...)“56. Das genau ist die entscheidende Frage. Gut kann man die Ungereimtheit der Gegenauffassung zudem an einigen der vom Senat selbst herangezogenen, angeblich seine Auffassung stützenden Präjudizien demonstrieren.57 Beim Überstreichen schwammbe___________ 52 So Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361 (363); Krack, ZIS 2007, 103 (104). 53 So bereits Jahn, JuS 2006, 567 (568). I.d.S. auch Schild, Zeitschr. f. Wett- und Glücksspielrecht 2007, 10 (11); Kubiciel, HRRS 2007, 68 (70). 54 SpuRt 2007, 52 (53); ders., in: Praxishandbuch SportR (Fn. 8), 8/165. 55 JA 2007, 389 (391). 56 O. Fn. 55. Meiner grundsätzlichen Reserve gegenüber der unmittelbaren Auslegungsträchtigkeit naturrechtlichen Argumente im Strafrecht kann man darüber hinaus bei Jahn, Das Strafrecht des Staatsnotstandes, 2004, S. 231 ff., 243 ff., 306, 598 ff., im Einzelnen nachgehen. 57 Fn. 30.

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fallener Hausteile, beim Überdecken schlechter Ware und beim Zurückbehalten des Hauptloses einer Lotterie gibt es jeweils einen verhandlungspräsenten Gegenstand als überprüfbares Substrat der Erklärung. Gebäude58, Holzbretter59 und auch zurückgehaltene Hauptgewinnlose 60 sind Objekte der Seinswelt. Überprüf- und manipulierbares Substrat der Erklärung in der hier zu beurteilenden Konstellation ist allein das Fußballspiel. Doch dieses Spiel ist, wie gezeigt, im Zeitpunkt der Tippabgabe noch keine betrugsrelevante „Tatsache“. Auch die Gewinnchancen bei einer „Oddset“-Wette scheiden als Gegenstand einer konkludenten Täuschung aus. Es handelt sich schließlich um zufallsabhängige Fiktionen.61 Die hiergegen vorgebrachte Kritik von Krack 62 und Saliger/ Rönnau/Kirch-Heim63, wonach es trotz der starken Abhängigkeit vom Zufall um konkrete Chancen gehe, scheint mir diesen aleatorischen Charakter zu missverstehen und dürfte deshalb die Reichweite des hier unterbreiteten Vorschlags überschätzen. So führt eine Beschränkung auf verhandlungspräsente Gegenstände als Objekte der Seinswelt insbesondere schon deshalb nicht „zu einer radikalen Veränderung der Betrugsdogmatik“64, weil innere Tatsachen nach wie vor täuschungs- und damit betrugsrelevant bleiben, wenn und soweit sie sich auf Gegenstände der Seinswelt beziehen.

b) Irrtum und Viktimodogmatik Durch die konkludente Täuschung über die Manipulationsfreiheit des Wettgegenstandes sei, so der Senat weiter, bei dem jeweiligen Mitarbeiter des Wettanbieters auch ein entsprechender Irrtum zumindest in Form des sog. sachgedanklichen Mitbewusstseins hervorgerufen worden.65 Dies ist dann konsequent, wenn man – wie der BGH – annimmt, dass eine derartige Vorstellung bezüglich des Nichtbestehens einer Manipulationsabrede vorliegt. Es ist aber gleichzeitig auch Folge der Übernormativierung des Täuschungsbegriffs: Wenn man die Voraussetzungen der Täuschung nur noch nach Rechtsregeln bestimmt, ist es auch zwingend, dass ein Irrtum als normative Fehlvorstellung über diese Tatsa___________ 58

RGSt 20, 144 (145 f.). RGSt 59, 299 (305 f.). 60 BGHSt 8, 289 (291). 61 Zum aleatorischen Charakter des Wettvertrages Habersack, in: MünchKomm. BGB, 4. Aufl. 2004, § 762 Rdnr. 4. 62 ZIS 2007, 103 (107). 63 NStZ 2007, 361 (363). 64 So aber Krack, ZIS 2007, 103 (107). 65 Ebenso im Erg. Fasten/Oppermann, JA 2006, 69 (72). Vgl. dazu ausf. Tiedemann, in: LK (Fn. 19), § 263 Rdnrn. 76 ff. Wie hier kritisch auch Trüg/Habetha, JZ 2007, 878 (881 f.). 59

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chen vorliegt, selbst wenn sich der Getäuschte im Moment der Verfügung tatsächlich keine Gedanken macht (sog. ignorantia facti66). Und daraus resultiert die zweite Schwäche eines normativ überfrachteten Täuschungs- und Irrtumsbegriffs: Das „Opfer“ muss keinerlei Interesse an zumutbaren Selbstschutzmaßnahmen mehr haben. Diese Last nimmt ihm fürsorglich das Strafrecht ab. Konkret: Anbieter von „Oddset“-Wetten wie etwa die staatlichen Totto/LottoGesellschaften67 sehen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausdrücklich vor, dass Beteiligte, „die direkt oder indirekt auf den Ausgang eines Wettereignisses Einfluss haben“, von der Spielteilnahme ausgeschlossen sind und mit Abgabe des Spielauftrags erklären, „vom Ausgang des jeweiligen Wettereignisses keine Kenntnis zu haben“. Das ist als Selbstschutzmaßnahme (gut) gemeint. Wie der Senat aber in seinem Urteil ausführlich darlegt, ist diese Geschäftsbedingung nach dem von ihm gewählten Lösungsweg rechtlich irrelevant. Die von der Viktimodogmatik68 befürworteten Einschränkungen des Betrugstatbestandes in Fällen, in denen das Opfer zumutbare Selbstschutzmaßnahmen unterlässt, werden hier also (unausgesprochen) zurückgewiesen. Das mag inhaltlich angehen, ist aber deshalb bedauerlich, weil dies ohne eine klare Abgrenzung geschieht, sondern vielmehr bei Gelegenheit der Ausführungen zu den Verfahrensrügen der Verteidigung. Zudem bleibt der wiederholte Rekurs des Senats auf die zugrunde liegenden „allgemeine(n) zivilrechtliche(n) Grundsätze“ in diesem Zusammenhang leider ebenso begründungsarm.

c) Vermögensverfügung und -schaden Da die von Reinhart69 gegen den Eintritt einer unmittelbaren Vermögensgefährdung vorgebrachten grundsätzlichen Bedenken letztlich nicht zu überzeugen vermögen, stellt sich im objektiven Deliktstatbestand des Betruges zuletzt die Frage nach dem Vorliegen eines Vermögensschadens. Das LG Berlin ging bezüglich des Schadens von einer konkreten schadensgleichen Vermögensgefährdung aus, welche typisch für den Eingehungsbetrug sei. ___________ 66

(17).

Vgl. BGHSt 2, 325 (326). Insoweit ebenso konsequent Gaede, HRRS 2007, 16

67 Beide nachfolgenden Zitate aus § 5 II, III der „Oddset Kombi-WetteTeilnahmebedingungen“, gültig ab 16. 5. 2006, abzurufen über (Stand: 5. 8. 2008). 68 Speziell zum Irrtumsmerkmal beim Betrug Giehring, GA 1973, 1 (21); Amelung, GA 1977, 1 (13); R. Hassemer, Schutzbedürftigkeit des Opfers und Strafrechtsdogmatik, 1981, S. 131 ff., 166 ff.; Ellmer, Betrug und Opfermitverantwortung, 1986, S. 282 ff. A.A. BGH, wistra 1990, 305; BGH, wistra 1992, 95 (97). 69 SpuRt 2007, 52 (54 f.).

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aa) Unklarheiten der dogmatischen Konstruktion des Quotenschadens Der 5. Strafsenat behilft sich demgegenüber mit der Konstruktion eines Quotenschadens und hat damit eine Debatte darüber ausgelöst, ob es sich um eine neuartige Unterfallgruppe der konkreten Vermögensgefährdung70 oder eher um ein Tertium zwischen bloßer Gefährdung und eingetretenem Vermögensschaden71 handelt. In Teilen der Literatur72 wird sogar bereits die Einordnung des Quotenschadens als Eingehungsschaden verneint; vielmehr handele es sich um einen Erfüllungsschaden. Die Diskussion ist noch immer im Fluss. Bereits mit Abschluss des Wettvertrages liegt aber nach dem 5. Strafsenat jedenfalls ein vollendeter Betrug vor. Bei Sportwetten mit festen Quoten wie im vorliegenden Fall stelle die aufgrund eines bestimmten Risikos ermittelte Quote gleichsam den „Verkaufspreis“ der Wettchance dar. Durch die Manipulationsabrede mit H sei das Wettrisiko zu seinen Gunsten verschoben worden. Für den bezahlten Einsatz hätte S bei realistischer Einschätzung des Wettrisikos unter Berücksichtigung der verabredeten Manipulation nur die Chance auf einen erheblich geringeren Gewinn kaufen können. Diese „Quotendifferenz“ stelle bereits beim Wettvertragsabschluss einen nicht unerheblichen Vermögensschaden dar, welcher nicht näher beziffert werden müsse.73 Im Fall einer erfolgreichen Manipulation bemesse sich der eingetretene Schaden dagegen nach der Höhe des ausgezahlten Wettgewinns, auf den aufgrund der Manipulation kein Anspruch besteht, abzüglich des gezahlten Wetteinsatzes.74 Der Quotenschaden sei hierzu das notwendige Durchgangsstadium.

bb) Unrichtigkeit der praktischen Ergebnisse In der Literatur75 wurde schon im Vorfeld des Hoyzer-Urteils gegen den Gedanken des Quotenschadens vorgebracht, dass das Prinzip der Gesamtsaldie___________ 70

Jahn/Maier, JuS 2007, 215 (218) m.w.N. Reinhart, SpuRt 2007, 52 (54); Bosch, JA 2007, 389 (390); Radtke, Jura 2007, 445 (451) und wohl auch Satzger, JK 9/07, StGB § 263/80. 72 Krack, ZIS 2007, 103 (109 f.); Radtke, Jura 2007, 445 (451); Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361 (365). Kritisch hingegen Wessels/Hillenkamp (Fn. 35), Rdnr. 540a. 73 Kritisch Beukelmann, in: BeckOK-StGB (Fn.. 32), § 263 Rdnr. 134. 74 Zustimmend u. a. Rengier (Fn. 21), § 13 Rdnr. 97b. Dagegen bringt Krack, ZIS 2007, 103 (111), berechtigte Zweifel vor, da es sich in der Regel nicht feststellen lassen wird, „dass der Gewinn aus der dissimulierten Erhöhung der Gewinnchance folgt und nicht aus der auch ohne Manipulation ohnehin bestehenden Chance“. Zustimmend auch Lackner/Kühl, StGB (Fn. 18), § 263 Rdnr. 42. 75 Kutzner, JZ 2006, 712 (717); Fischer (Fn. 18), § 263 Rdnr. 71. A.A. Gaede, HRRS 2007, 16 (18). 71

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rung nicht berücksichtigt werde. Danach muss bekanntlich das gesamte Vermögen des Wettanbieters vor der Verfügung mit dem gesamten Vermögen nach der Verfügung verglichen werden. Diese Kritik hat sich im Folgenden noch verstärkt76. Neben Radtke77 weist auch Vogel78 eindringlich darauf hin, dass die Bestimmung des Eingehungsschadens durch den Senat verfehlt ist, weil nicht die einander gegenüberstehenden Ansprüche ihrem wirklichen Wert nach saldiert werden, sondern das tatsächlich Geleistete mit dem verglichen wird, was der Getäuschte geleistet hätte, wenn er sich nicht geirrt hätte. Problematisch erscheint das Abstellen auf den Quotenschaden ferner, soweit man mit Saliger/Rönnau/Kirch-Heim79 die vom Senat festgestellte Vermögensminderung durch erhöhte Gewinnchance als bloße Fiktion ansieht. Unabhängig von der ungeklärten Berechnung der tatsächlichen Schadenshöhe verbirgt sich hinter der Annahme eines Quotenschadens damit ein weiteres grundlegenderes Problem: Durch das Abstellen auf die „Quotendifferenz“ wird der Vollendungszeitpunkt derart weit nach vorne verlagert, dass ein Rücktritt des Täters weitgehend ausgeschlossen ist und Abweichungen im geplanten Verlauf außer bei der Strafzumessung nicht mehr berücksichtigt werden können.80 Diese Immunisierung gegenüber der Wirklichkeit auch im Schadensbereich ist im Kontext der Normativierung des Täuschungsbegriffs von großer Konsequenz. Überzeugender macht es die grundlegende Weichenstellung des Senats nicht.

III. Abschließende Bewertung der Diskussion und Ausblick Durch den „Fall Hoyzer “ ist die Dogmatik des Betrugs im Profifußball um eine weitere Fallkonstellation bereichert worden. Es handelt sich um einen Fall aufgedrängter Bereicherung.81 Der 5. Strafsenat hat die Chance, den in den ___________ 76

Ablehnend insoweit die Anmerkungen zu BGHSt 51, 165 von Engländer, JR 2007, 477 (479); Krack, ZIS 2007, 103 (111). 77 Jura 2007, 445 (451): „Das vom BGH bemühte Bild des Quotenschadens als Durchgangsstadium zu dem ‚endgültigen’ Schaden des Wettanbieters beschreibt bestenfalls das tatsächliche Phänomen, ist aber in Bezug auf die Strafbarkeitsvoraussetzungen des Betrugs ohne Bedeutung .“ 78 Fn. 44, S. 11. In diesem Zusammenhang wirft er zudem die ergänzende Frage auf, „warum Spielmanipulationen, deren Erfolg derart unsicher ist, dass sie keine konkrete Vermögensgefährdung im Hinblick auf den Wettgewinn implizieren, quotenrelevant sein sollen“. 79 NStZ 2007, 361 (365 ff.). 80 Siehe Reinhart, SpuRt 2007, 52 (54 f.); Schlösser, NStZ 2005, 423 (428); Valerius, SpuRt 2005, 90 (92 f.). 81 Zahlreiche andere „fußballtypische“ Konstellationen behandelt monografisch L. Hamm, Sportspezifische Manipulationen als Anwendungsfall des Strafrechts, 2005, S. 7 ff.

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Rechtsausführungen oberflächlichen Urteilsgründen des LG Berlin mehr Tiefgang zu verleihen, genutzt. Dass er allerdings insgesamt 27 Seiten im Urteilsumdruck darauf verwenden muss, um einen – wie dargelegt: vermeintlich – „ganz klaren“ Fall von Betrug auch nach strafrechtlichen Kategorien zu lösen, spricht für sich. Folgt man seiner Betrachtungsweise, die die Gewichte des bisherigen Meinungsbildes zur Auslegung des Täuschungsmerkmals in Richtung der normativierenden Auslegung verschoben haben dürfte, ist das gefundene Ergebnis intrasystematisch folgerichtig. Dass diese neuen Grenzen der Normativierung des Betrugstatbestandes und die dem teilweise zustimmenden Äußerungen im Schrifttum mich trotzdem nicht zu überzeugen vermögen, habe ich darzulegen versucht. Sollte sich jene Linie trotz der hier im Einzelnen dargestellten Gegenstimmen in der wissenschaftlichen Debatte und der Spruchpraxis verfestigen, steuert der Sportbetrug in eine kriminalpolitisch bedenkliche Richtung mit derzeit noch kaum absehbaren Weiterungen für die gesamte Dogmatik der Vermögensdelikte. Die konkreten Auswirkungen der neuen Grenzziehung auf zahlreiche andere Fallkonstellationen der Betrugsstrafbarkeit – erwähnt sei hier nur das eigenverantwortliche Doping des Athleten82 –, werden dabei erst noch ausgelotet werden müssen. Der Stoff für zukünftige Tagungen zum Sportrecht wird nicht ausgehen.

___________ 82 Die Betrugsstrafbarkeit wegen Dopings verneinten bislang u. a. Schröder/Bedau, NJW 1999, 3361 (3366); Fritzweiler, SpuRt 1998, 234 (235) und Momsen-Pflanz, Die sportethische und strafrechtliche Bedeutung des Dopings, 2005, S. 236 f. A.A. schon bislang Kerner/Trüg, JuS 2004, 140 (145); Heger, JA 2003, 76 (82 f.); Otto, SpuRt 1994, 10 (15); Cherkeh, Betrug (§ 263 StGB), verübt durch Doping im Sport, 2000, S. 246 ff., u. a. für den Betrug gegenüber und zum Nachteil des Veranstalters bei Zahlung einer Prämie und gegenüber dem Sponsor, soweit der Sportler schon bei Vertragsschluss gedopt war. Dazu im Kontext der strafrechtlichen Doping-Reformgesetzgebung (§§ 6 IIa, 95 I Nr. 2b AMG n. F.) Jahn, GA 2007, 579 (588 f.); zustimmend zu der dort von mir entwickelten Position Mitsch, NJW 2008, 2295 (2297 f.) und Reuther, SpuRt 2008, 145 (148).

Die Vereinbarkeit von Schiedsabreden und Schiedsgerichten im Sport mit dem Rechtsstaatsprinzip Von Dirk Monheim

I.

Einleitung..........................................................................................................

94

II. Das Rechtsstaatsprinzip ....................................................................................

94

III. Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit im Sport....................................................

96

IV. Abschluss der Schiedsvereinbarung..................................................................

96

1.

Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit.............................................

96

a)

Rechtsstaatsprinzip.............................................................................

96

b)

Sonderproblematik bei Arbeitnehmern ..............................................

97

c)

Schiedsfähigkeit .................................................................................

98

2.

Anwendbares Recht...................................................................................

98

3.

Art der Schiedsvereinbarung .....................................................................

99

4.

a)

Individualrechtliche Unterwerfung durch Schiedsvertrag ..................

99

b)

Satzungsrechtliche Schiedsklausel .....................................................

99

Schriftformerfordernis ............................................................................... 100 a)

Literaturansichten............................................................................... 100

b)

Das Körbuch-Urteil des BGH ............................................................ 101

c)

Kenntnis von der Schiedsverfahrensordnung ..................................... 103

d)

Freiwilligkeit der Schiedsvereinbarung im Sport ............................... 104

e)

§ 1025 Abs. 2 ZPO a.F....................................................................... 104

f)

§ 1034 Abs. 2 ZPO............................................................................. 106

V. Tatsächliche Ausgestaltung des Schiedsgerichts............................................... 108 1.

Überparteilichkeit ...................................................................................... 108

2.

Unparteilichkeit ......................................................................................... 111

VI. Entwicklung eines Bundessportgerichts............................................................ 113 1.

Vorbild internationales Sportgericht CAS? ............................................... 113

2.

Die Auswahl der Schiedsrichter ................................................................ 113

94

Dirk Monheim a)

Geschäftsverteilungsplan oder Ad-hoc-Kammern ............................. 113

b)

Benennungsrecht................................................................................ 114

c)

Persönliche Qualifikation................................................................... 115 aa) Wettkampferfahrung................................................................... 116 bb) Sportjuristische Ausbildung........................................................ 116

d) 3.

Ausschlussgründe.............................................................................. 117

Unabhängiger Träger................................................................................. 117

VII. Zusammenfassung............................................................................................. 118

I. Einleitung Der organisierte Sport tendiert zunehmend dazu, Streitigkeiten unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs einem „echten“ Schiedsgericht zuzuweisen. Diese Schiedsgerichte sehen sich jedoch häufig der Kritik ausgesetzt, sie seien nicht überparteilich und die Schiedsabrede sei unter Zwang abgeschlossen worden. Immer häufiger wird daher, besonders im Zusammenhang mit Dopingfragen, der Vorschlag gemacht, eine neutrale fachsportübergreifende Schiedsgerichtsbarkeit einzusetzen.1Als Name für diese Gerichtsbarkeit fällt des Öfteren der Begriff Bundessportgericht. Seit 01.01.2008 hat unter dem Dach der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) das Deutsche Sportschiedsgericht seine Arbeit aufgenommen2, dessen Zuständigkeit sich allerdings erst ein Teil der deutschen Spitzensportverbände unterworfen hat.3

II. Das Rechtsstaatsprinzip Soll die Schiedsgerichtsbarkeit an Stelle des gesetzlichen Richters entscheiden, dann muss auch sie sich den nicht abdingbaren Regeln des Rechtsstaatsprinzips unterwerfen. Dieses Prinzip ist in Art. 20 Abs. 3 GG verankert4 und soll staatliche Willkür verhindern. Das BVerfG erkennt es als Grundentscheidung und leitendes Prinzip der Verfassung an.5 Allgemeiner Leitgedanke ist der ___________ 1 Seitz, Hexenjagd auf Dopingsünder, NJW 2002, 2838 (2839); Summerer, Prozessende Katrin Krabbe: Hindernislauf mit Tücken, SpuRt 2002, 233 (234). 2 Vgl. hierzu Bredow/Klich, Eine neue Dienstleistung für den Sport, Causa Sport 2008, S. 45f. 3 Der Vortrag wurde im Jahre 2007 gehalten und für den Tagungsband im September 2008 an einigen Stellen aktualisiert. 4 BVerfGE 35, 41 (47); BVerfGE 39, 128 (143). 5 BVerfGE 6, 41; BVerfGE 20, 331.

Die Vereinbarkeit von Schiedsabreden und Schiedsgerichten

95

Grundsatz des fairen Verfahrens.6 Dieser lässt sich allerdings nicht in einer kurzen Formel konkretisieren und enthält auch keine bestimmten Gebote und Verbote, so dass vieles der Rechtsfortbildung überlassen worden war. Unstreitig zum Rechtsstaatsprinzip zählt allerdings die Garantie eines effektiven Rechtsschutzes. Hierzu gehört auch ein einstweiliger Rechtsschutz, der gerade im schnelllebigen Sport von besonderer Bedeutung ist, man denke nur an Sperren oder Nominierungsentscheidungen zu Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften. Ob daher durch eine Schiedsvereinbarung auch für den einstweiligen Rechtsschutz der Gang zu den ordentlichen Gerichten ausgeschlossen werden kann, ist mangels einer diesbezüglich klaren Vorschrift in der ZPO nach wie vor umstritten. Nach wohl h.M. ist ein solcher Ausschluss nicht zulässig, zuletzt hat das LG Berlin im Fall der Nichtnominierung des Eiskunstlauftrainers Steuer für die Olympischen Spiele in Turin 2006 eine Ausschlussmöglichkeit verneint.7 Dem kann in dieser Absolutheit nicht zugestimmt werden. Ein Ausschluss ist rechtsstaatlich vielmehr zumindest dann unbedenklich, wenn das vereinbarte Schiedsgericht tatsächlich ein „echtes“ ist und dort auch effektiver einstweiliger Rechtsschutz erlangt werden kann. Das ist z.B. dann der Fall, wenn ein Schiedsspruch ohne weitere Vollstreckbarkeitserklärung durch ein staatliches Gericht umgesetzt werden kann. Beispiele hierfür sind die Abgabe einer Freigabeerklärung oder die vorläufige Aufhebung einer Sperre. Denn entweder man gestattet den Parteien eine „echte“ Schiedsgerichtsbarkeit oder man tut es nicht. Andernfalls wird das Schiedsverfahren der Hauptsache immer von der Eilentscheidung des ordentlichen Gerichts beeinflusst. Aus dem Rechtsstaatsprinzip ergeben sich ferner diverse Vorgaben für das Verfahren.8 Hierzu zählt in erster Linie das Recht auf rechtliches Gehör, d.h. der Betroffene ist vor einer Entscheidung zwingend zu hören und für den Fall, dass Zeugenbeweis zu erheben ist, muss eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden. Ferner ist ihm zu gestatten, sich durch einen Anwalt vertreten zu lassen, wenn der Verband durch einen Anwalt vertreten wird. Rechtsstaatlich ebenfalls unabdingbar ist die Verpflichtung, eine Schiedsentscheidung zu begründen, da der Betroffene sonst keine vernünftige Möglichkeit hat, zu entscheiden, ob er diese im diesbezüglich möglichen Rahmen überprüfen lassen möchte. Nicht zwingend notwendig ist hingegen eine öffentliche Verhandlung, und deren Fehlen wird sogar oft als „Vertraulichkeit“ und Vorteil des Schiedsverfahrens gepriesen. Ein Verstoß gegen die zwingend einzuhaltenden Grund___________ 6

BVerfGE 57, 250 (274 ff.). LG Berlin CaS 2006, 73 (74); a.A. OLG Frankfurt/Main NJW-RR 2000, 1117 (1119). 8 Vgl. hierzu ausführlich Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte im Lichte des Rechtsstaatsprinzips – auf dem Weg zu einem Bundessportgericht, 2006, S. 229 ff. 7

96

Dirk Monheim

sätze würde dazu führen, dass der Schiedsspruch vom Oberlandesgericht nicht für vollstreckbar erklärt und aufgehoben werden kann.

III. Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit im Sport Ein rechtsstaatlich korrekt eingerichtetes und arbeitendes Schiedsgericht bietet viele Vorteile. Besonders genannt werden die sportbezogene besondere Sachkunde der Schiedsrichter9, die Schnelligkeit der Entscheidungsfindung10 und eine zumindest bei größeren Streitwerten vermeintlich niedrige Kostenlast.11

IV. Abschluss der Schiedsvereinbarung 1. Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit Haben sich zwei Parteien dafür entschieden, Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht klären zu lassen, dann ist zunächst zu unterscheiden, ob sie dabei den Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit ausschließen möchten oder nicht. Im ersten Fall spricht man von einem „echten“ Schiedsgericht, im zweiten von einem Verbandsschiedsgericht.

a) Rechtsstaatsprinzip Die Vereinbarung eines „echten“ Schiedsgerichts ist nach deutschem Recht nur unter engen Voraussetzungen gestattet. Denn das Rechtsstaatsprinzip12 garantiert dem Einzelnen einen Anspruch auf adäquaten gerichtlichen Schutz.13 Das BVerfG spricht diesbezüglich sogar von einem „Grundrecht“ des Einzelnen14, welches auch gegenüber Eingriffen durch Private „das Recht auf Zugang ___________ 9 Haas/Prokop, Die Athletenvereinbarung – neue Wege der Konfliktlösung, SpuRt 1996, 109 (113); Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, 2005, S. 33; Vieweg, Innehabung und Durchsetzung sponsoringrelevanter Rechte – Das Dilemma der Athleten im kommerzialisierten Sport, in: Württembergischer Fußballverband (Hrsg.), Schriftenreihe Nr. 39, Sponsoring im Sport, 22 (44). 10 Haas/Prokop (Fn. 9), S. 113; Stumpf, Vor- und Nachteile von Schiedsgerichten gegenüber ordentlichen Gerichten, in: Böckstiegel/Glossner (Hrsg.), Festschrift für Arthur Bülow zum 80. Geburtstag, 1981, 217 (219). 11 Haas/Prokop (Fn. 9), S. 113; Stumpf (Fn. 10), S. 220. 12 Vgl. hierzu Monheim (Fn. 8), S. 230. 13 BGH NJW 2000, 1713. 14 BVerfGE 88, 118 (123).

Die Vereinbarkeit von Schiedsabreden und Schiedsgerichten

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zu den Gerichten und eine grundsätzlich umfassende tatsächliche Prüfung des Streitgegenstandes sowie eine verbindliche Entscheidung durch den Richter“15 beinhaltet. Damit gemeint ist natürlich der staatliche Richter.16

b) Sonderproblematik bei Arbeitnehmern Zunächst stellt sich daher die Frage, ob in der zu regelnden Materie der Abschluss einer Schiedsvereinbarung überhaupt zulässig ist. Dies ist nach § 101 ArbGG in aller Regel nicht der Fall, wenn die Streitigkeit als eine arbeitsrechtliche einzuordnen ist. Da zumindest im Mannschaftssport Profisportler als Arbeitnehmer „ihrer“ Vereine anzusehen sind17, ebenso Vertragsamateure bei entsprechender wirtschaftlicher Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit18, sind Rechtsstreitigkeiten zwischen diesen Sportlern und ihren Vereinen zwingend vor dem Arbeitsgericht auszutragen. Eine Schiedsabrede kann dies nicht ausschließen. Ob auch im Verhältnis Verband-Sportler ein Arbeitsverhältnis vorliegt, ist nach wie vor nicht höchstrichterlich entschieden, so dass einige Autoren und Instanzgerichte eine Teilarbeitgeberfunktion bejahen19, da der Verband über das Regelwerk unmittelbar auf die arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten der Sportler einwirke.20 In der Literatur wird daher vorgeschlagen, das ArbGG zu ändern und Arbeitsrechtsstreitigkeiten im Sport vom Schiedsverbot auszunehmen.21 Noch weitergehend wird sogar dafür plädiert, eine Änderung der ZPO dahingehend vorzunehmen, dass ein bundeseinheitliches Sportschiedsge___________ 15

BVerfGE 85, 337 (345). Müller/Keilmann, Beteiligung am Schiedsverfahren wider Willen?, SchiedsVZ 2007, 113. 17 BAG AP Nr. 40 zu § 11 BUrlG m.w.N.; Gebhard, Modelle für die Reform des Transfersystems für Berufsfußballspieler aus rechtlicher und tatsächlicher Sicht, 2000, S. 75; Imping, Die arbeitsrechtliche Stellung des Berufsfußballspielers zwischen Verein und Verbänden, 1995, S. 51 (beide Autoren für die Lizenzfußballspieler); Groß, Eine unendliche Geschichte – Transferregelungen im lizenzierten Fußballsport, 2004, S. 397. 18 Sozialgericht Kassel SpuRt 1999, 207 (209). 19 Dass eine Teilung der Arbeitgeberfunktion möglich ist, meint auch das BAG AP Nr. 19 zu § 611 – Abhängigkeit; Gebhard (Fn. 17), S. 79, weist darauf hin, dass auch sonst eine Aufspaltung der Arbeitgeberfunktionen nicht unüblich sei. Beispiel hierfür sei die Arbeitnehmerüberlassung. Poschenrieder, Sport als Arbeit, 1977, S. 216, ist sogar der Ansicht, im Verhältnis des Verbandes zu den Nationalspielern liege echte Leiharbeit vor. 20 Buchner, Die Rechtsverhältnisse im deutschen Lizenzfußball, RdA 1982, 1 (10); Imping (Fn. 17), S. 207. 21 Seitz (Fn. 1), S. 2839; Summerer (Fn. 1), S. 234. 16

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richt errichtet werden kann.22 Bis zum Inkrafttreten derartiger Änderungen bleibt jedoch festzuhalten, dass eine (Teil-)Arbeitgeberfunktion des Verbandes ausscheidet.23

c) Schiedsfähigkeit Es können nur solche Streitigkeiten einer Schiedsvereinbarung unterstellt werden, die abstrakt zu einer Entscheidung eines staatlichen Gerichts führen oder durch Vergleich erledigt werden könnten24. Insgesamt ist Schiedsgerichtsbarkeit im Sport nahezu immer gegeben, besonders auch für Streitigkeiten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis in einem Verein25, Nominierungsentscheidungen oder auch über Vereinsstrafen.26

2. Anwendbares Recht Soll durch ein Schiedsgericht die Zuständigkeit nationaler staatlicher Gerichte ausgeschlossen werden, stellt sich hinsichtlich der Wirksamkeit des Ausschlusses zunächst die Frage, an welcher (Verfahrens-)Rechtsordnung dies zu messen ist. Aus deutscher Sicht gilt nach § 1025 ZPO Folgendes: Bei institutionalisierten Schiedsgerichten, welche am Ort der Institution tagen, ist grundsätzlich und unabhängig von der Herkunft der Parteien27 die Rechtsordnung am Schiedsort maßgebend. Diesen können die Parteien nach § 1043 ZPO frei bestimmen, wobei unter „Ort“ der „Sitz“ des Schiedsgerichtes zu verstehen ist.28 Ist eine solche Bestimmung nicht getroffen, wird der Ort vom Schiedsgericht bestimmt. Diese Bestimmung zeigt, dass die Vereinbarung über den Ort der Schiedsverhandlung nicht zwingende Voraussetzung für die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung ist.29 Eine andere Frage ist, nach welchem Recht sich die Gültigkeit der getroffenen Schiedsvereinbarung bestimmt. Im Zweifel soll die für das Schiedsge___________ 22

Seitz (Fn. 1), S. 2839. Haas, Die Sport(-schieds-)gerichtsbarkeit der Athleten, in: Akademieschrift des DSB Nr. 49, 57 (72). 24 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. 2005, Kap. 3 Rz. 4. 25 Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 1030 Rz. 2. 26 Fenn, Zur Abgrenzung von Verbandsgerichtsbarkeit und statutarischer Schiedsgerichtsbarkeit, in: Gerhardt/Diederichsen/Rimmelspacher/Costede (Hrsg.), FS-Henckel, 1995, S. 173 (186). 27 Stein/Jonas/Schlosser (Fn. 25), § 1025 Rz. 2. 28 Stein/Jonas/Schlosser (Fn. 25), § 1025 Rz. 2. 29 So auch Schwab/Walter (Fn. 24), Kap. 6 Rz. 3. 23

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richtsverfahren getroffene (gültige) Rechtswahl auch das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht bestimmen30. Zu beachten ist allerdings, sofern der Schiedsort im Ausland liegt und alle Parteien einem Vertragsstaat angehören, als maßgebliches Recht stets das UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, genannt UNÜ, welches durch nationale Vorschriften nicht verschärft werden darf.

3. Art der Schiedsvereinbarung Für nach deutschen Recht zu beurteilende Schiedsgerichte stehen nach der ZPO für einen Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit zwei Möglichkeiten zur Verfügung: ein Schiedsvertrag oder eine satzungsmäßige Schiedsklausel.

a) Individualrechtliche Unterwerfung durch Schiedsvertrag Nach § 1029 ZPO können die Parteien eines Vertrages vereinbaren, dass zwischen ihnen bestehende oder in Zukunft entstehende Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht anstelle eines staatlichen Gerichtes entschieden werden. Möglich sind hierfür zwei Wege: entweder eine separate Schiedsvereinbarung (Schiedsabrede), oder eine Schiedsklausel in einem Vertrag.

b) Satzungsrechtliche Schiedsklausel Ein weiterer Weg, die Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes festzulegen, ist nach § 1066 ZPO die Einsetzung mittels einer in gesetzlich statthafter Weise angeordneten und nicht auf separater Vereinbarung beruhenden Verfügung. Die Vorschrift setzt allerdings die Zulässigkeit derartiger Schiedsklauseln voraus, ohne die Voraussetzungen der Errichtung und Bindung im Einzelnen zu regeln. Ein Großteil der Deutschen Sportverbände hat aufgrund der großen Zahl seiner Mitglieder und der sich der Schiedsgerichtsbarkeit unterwerfenden Sportler (idR Nichtmitglieder) aus Gründen der Vereinfachung diesen Weg eingeschlagen. Praktisch erfolgt die Bestimmung der Zuständigkeit des Schiedsgerichtes jeweils in der Satzung. Nach dem BGH sind dabei dann zumindest die Zusammensetzung des Schiedsgerichts und die Regeln über die Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter als das Vereinsleben bestimmende Grundsatzregelungen zwingend in die Satzung aufzunehmen.31 Mit der h. M. ___________ 30 31

Lachmann, Handbuch für Schiedsgerichtspraxis, 2. Aufl. 2002, Rz. 196. BGHZ 88, 314 (316).

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sollte dies aber auch in einer Nebenordnung möglich sein, welche zum Satzungsbestandteil erklärt wird.32 Mitglieder des jeweiligen Verbandes sind in aller Regel aber nur Vereine bzw. Verbände, so gut wie niemals jedoch der einzelne Sportler, so dass sich die Frage stellt, wie das Verbandsrecht ihm gegenüber Geltung erlangt. Dies geschieht, wenn keine separate schriftliche Vereinbarung vorliegt, nach überwiegender Ansicht unabhängig von einer Vereinszugehörigkeit über eine im Rahmen der Teilnahme am Wettkampf konkludent abgeschlossene Individualvereinbarung.33 Diese für sämtliche Verbandsregularien mögliche Form der konkludenten Einbeziehung ist aber, nimmt man die sogleich zu besprechenden Vorgaben der ZPO ernst, für die Schiedsabrede höchst problematisch.

4. Schriftformerfordernis Als erste Vorgabe für die Schiedsvereinbarung schreibt § 1031 ZPO im Einklang mit dem UNÜ nämlich die Schriftform vor.

a) Literaturansichten Da satzungsmäßige Schiedsgerichte nach überwiegender Ansicht ein Fall des § 1066 ZPO sind, soll § 1031 ZPO und damit das Schriftformerfordernis unanwendbar sein.34 Denn dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit, dem mit der Schriftform Genüge getan werden soll, sei der Verband durch die Festlegung der Zusammensetzung sowie des Zuständigkeits- und des Aufgabenbereichs des Schiedsgerichts in der Satzung35 bzw. einer als Satzungsbestandteil deklarierten Nebenordnung hinreichend nachgekommen.36 Dieser Ansatz wäre auch mit dem UNÜ vereinbar, denn nationale Erleichterungen von der Schriftform sind nicht verboten.37 ___________ 32 OLG München BB 1977, 865; OLG Hamm NJW 1993, 1535; Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 10. Aufl. 2005, Rz. 4874. 33 BGH NJW 1995, 583 (584); ebenso LG Köln SpuRt 2007, 30 (32). 34 RGZ 153, 267 (270); RGZ 165, 140 (143); BGH MDR 1951, 676; Haas, Zur Einführung von Schiedsklauseln durch Satzungsänderungen in Vereinen, ZGR 2001, 325 (329); MüKo/Münch, ZPO, 3. Aufl. 2007, § 1066 Rz. 6 a.E.; Zöller/Geimer, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 1066 Rz. 2. 35 Zu diesem zwingenden Erfordernis vgl. oben IV. 3. b). 36 BGH NJW 2000, 1713; Oschütz (Fn. 9), S. 209; Zöller/Geimer (Fn. 34), § 1066 Rz. 2. 37 MüKo/Gottwald, ZPO, Band 3, 2. Aufl. 2001, UNÜ Art. II Rz. 13.

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Dennoch ist er aber abzulehnen. Bei der Schiedsabrede mit Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit handelt es sich letztlich um einen Verzicht auf den gesetzlichen Richter. Es ist daher vollkommen unverständlich, weshalb die soziale Situation, welche eine Formvorschrift wie § 1031 ZPO voraussetzt und deren Missbrauch38 sie bekämpfen soll, bei z.B. einem Vereinsbeitritt, bei dem sich kaum jemand Gedanken um den Inhalt der Satzung des Vereins macht, nicht mehr gegeben ist.39

b) Das Körbuch-Urteil des BGH Der BGH vertrat ebenfalls die Ansicht40, Verbandschiedsgerichte seien solche des § 1066 ZPO und somit sei das Schriftformerfordernis des § 1031 ZPO unanwendbar. In seiner Körbuch-Entscheidung41 machte er jedoch hinsichtlich der sich hieraus ergebenden Folgen erstmals eine Einschränkung. Dort hatte ein Rassezuchtverein gegen ein Mitglied eine Vereinsstrafe verhängt. Als dieses hiergegen das Landgericht anrief, berief sich der Beklagte darauf, dass der ordentliche Rechtsweg durch eine nach Beitritt des Klägers per Satzungsänderung in die Satzung eingefügte Schiedsklausel ausgeschlossen worden sei. Der Kläger hatte dem satzungsändernden Beschluss allerdings nicht zugestimmt. Der BGH ließ die Wirksamkeit – aufgrund seiner bisherigen Rechtsprechung unerwartet – an der mangelnden Schriftform der Vereinbarung scheitern. Dennoch stellte er zunächst noch einmal deutlich heraus, dass auf Schiedsklauseln, die in Satzungen von Vereinen oder anderen juristischen Personen des Privatrechts enthalten sind, grundsätzlich der heutige § 1066 ZPO, Anwendung findet.42 Erst danach stellte der BGH fest: „(...) das Recht auf Zugang zu den staatlichen Gerichten, das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergibt, und das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs.1 S.2 GG) haben Verfassungsrang (...) Dieses Grundrecht verlangt jedoch, dass die Unterwerfung unter die Schiedsgerichtsbarkeit und der damit verbundene Verzicht auf die Entscheidung eines staatlichen Rechtssprechungsorgans grundsätzlich auf dem freien Willen des Betroffenen beruhen. Die Formvorschrift des § 1027 ZPO a.F. (seit 01.01.1998 § 1031 ZPO, Anm. d. Verf.) soll dem Betroffenen die Tragweite seiner Erklärung möglichst nachhaltig und eindringlich vor Augen führen.“

___________ 38

Schwab/Walter (Fn. 24), Kap. 32 Rz. 6. Habscheid, Vereinsautonomie, Vereinsgerichtsbarkeit und ordentliche Gerichtsbarkeit, in: Schroeder/Kauffmann (Hrsg.), Sport und Recht, 1972, S. 158 (173); Schwab/Walter (Fn. 24), Kap. 32 Rz. 6. 40 BGH MDR 1951, 676; BGH NJW 1984, 1355. 41 Der Sachverhalt findet sich in NJW 2000, 1713. 42 BGH NJW 2000, 1713. 39

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Diese Feststellungen führen dazu, dass der BGH hinsichtlich der Mitglieder, die der Satzungsänderung zugestimmt haben, das Formerfordernis als erfüllt ansieht, weil man davon ausgehen könne, dass die betreffenden Mitglieder ausreichend Möglichkeit hatten, sich vor der Zustimmung bewusst mit der Regelung zu befassen.43 Dies gelte jedoch nicht für die Mitglieder, die der Änderung nicht zugestimmt haben. Diese hätten gerade nicht aus eigenem Willen auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten und auf den gesetzlichen Richter verzichtet. Der Verzicht wurde ihnen vielmehr von der Mehrheit aufgezwungen. Auch eine bei Schiedsgerichten iSd § 1066 ZPO grundsätzlich denkbare konkludente Zustimmung durch den unterbliebenen Nichtaustritt nach der Satzungsänderung scheide aus, denn bei sozial mächtigen Vereinen und Verbänden (mit Monopolcharakter) bestehe faktisch keine Möglichkeit, auszutreten, wolle man nicht gravierende Nachteile erleiden.44 Das Körbuch-Urteil des BGH lässt bei konsequentem Weiterdenken letztlich nur den Schluss zu, dass bei sämtlichen Vereinen, die aufgrund ihrer sozialen Mächtigkeit einem Aufnahmezwang unterliegen, eine die staatliche Gerichtsbarkeit ausschließende Schiedsklausel nur schriftlich vereinbart werden kann.45 Es ist inkonsequent, wenn der BGH ein Problem der Freiwilligkeit nur bei denjenigen Mitgliedern sieht, die nicht zustimmen und dann nicht austreten. Er ignoriert die Situation beim Beitritt. Wer letztlich aufgrund der sozialen Mächtigkeit des Vereins oder Verbandes keine Wahl hat, ohne bedeutende Nachteile aus einem Verein auszutreten, der hat auch bereits keine Wahl, ob er beitritt oder nicht. Ferner vermengt der BGH die Merkmale „Schriftform“ und „Freiwilligkeit“. Die Einhaltung des Ersten von dem Gegebensein des Zweiten abhängig zu machen, ist nicht möglich. Beides hat nichts miteinander zu tun. Die Schriftform soll allein davor schützen, dass jemand quasi „heimlich“ an eine Schiedsklausel gebunden wird. Ob freiwillig unterzeichnet wurde, ist ohne weitere Feststellungen genau zu dieser Frage nicht zu erkennen. Von daher ist es unverständlich, wenn Prof. Goette, Richter am BGH, in einer Akademieschrift des Deutschen Sportbundes aus dem Jahre 2002 als Lösungsmöglichkeit für die im Rahmen der Körbuchentscheidung entstandenen Probleme anregt, es möge doch eine separate Schiedsvereinbarung geschlossen werden, „weil dann die Freiwilligkeit außer Frage steht“.46 Keinesfalls zulassen sollte man, wie es aber der BGH bei der Prüfung der Austrittsmöglichkeit andeutet, dass die Schiedsvereinbarung auch konkludent ___________ 43

BGH a.a.O. Zu diesem Aspekt auch Soek, Die prozessualen Garantien des Athleten in einem Dopingverfahren, in Röhricht/Vieweg (Hrsg.), Doping-Forum, 2000, 31 (37). 45 So auch Stein/Jonas/Schlosser (Fn. 25), § 1066 Rz. 5. 46 Goette, Anm. zu BGH, Urt. v. 03.04.2000 – II ZR 373/98, in: Akademieschrift des DSB Nr. 54, Anhang S. 42. 44

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getroffen werden kann. Dass der diesbezügliche Nachweis nämlich zu weiteren Schwierigkeiten führt, zeigen die Entscheidungsgründe des OLG München in seiner Entscheidung über den Eilantrag im Fall Roberts/FIBA. Dort lag eine schriftliche Vereinbarung über eine Schiedsklausel erkennbar nicht vor, so dass das Gericht eine konkludente Vereinbarung prüfte. Doch es sah dann weder die Tatsache, dass der Kläger den vom Verband vorgesehenen Weg über ein Verbandsschiedsgericht beschritten hatte, noch den Umstand, dass er durch Unterschrift die Kenntnis von den dortigen Verfahrensregeln bestätigte, als konkludente Unterwerfung an.47 Worin aber kann dann eine konkludente Unterwerfung liegen? Es ist augenscheinlich keine Möglichkeit ersichtlich. Somit ist es für eine Schiedsvereinbarung mit einem Sportler, welche die ordentliche Gerichtsbarkeit ausschließen soll, unabdingbar, dass sie schriftlich getroffen wird. Unschädlich ist die fehlende Einhaltung der Form aber dann, wenn sich die betroffene Partei rügelos auf die schiedsrichterliche Verhandlung zur Hauptsache einlässt, § 1031 Abs. 6 ZPO.

c) Kenntnis von der Schiedsverfahrensordnung Viele Schiedsvereinbarungen sind allerdings äußerst knapp gehalten und verweisen lediglich auf die jeweilige Schiedsgerichtsbarkeit und deren Verfahrensregeln. Diese Regeln liegen aber dem Sportler zumeist bei Abschluss der Schiedsvereinbarung nicht vor. Vergleichbar ist dies mit der AGB-Situation im Kaufrecht48. Der BGH hat nach wie vor seine im Reiter-Urteil geäußerte Auffassung, sportliche Regelwerke seinen keine AGB, nicht aufgegeben. Da auch sonst nirgendwo festgeschrieben ist, dass die Verfahrensregeln des Schiedsgerichts bei Abschluss der Schiedsvereinbarung vorliegen müssen, bleibt bis zu einer anders lautenden Entscheidung für die Praxis festzuhalten, dass es genügt, wenn der Betroffene grundsätzlich die Möglichkeit hat, von den Verfahrensregeln Kenntnis zu nehmen. Im Falle der Nichtnominierung des Eiskunstlauftrainers Steuer zu den olympischen Winterspielen in Turin 2006 verneinte das LG Berlin eine solche Kenntnisnahmemöglichkeit im Übrigen mit der Begründung, dass die Vorschriften lediglich in englischer und französischer Sprache verfasst

___________ 47

Anders hingegen das Schw. Bundesgericht in der gleichen Angelegenheit, vgl. hierzu ausführlich Monheim (Fn. 8), 2. Teil B I 2 b. 48 Vieweg, Zur Bedeutung der Interessenabwägung bei der gerichtlichen Kontrolle von Verbands- und Zulassungsentscheidungen, in: Akademieschrift des DSB Nr. 39, 36 (37).

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seien und man von einem durchschnittlichen Olympiateilnehmer nicht erwarten könne, dass er eine dieser Sprachen beherrsche.49

d) Freiwilligkeit der Schiedsvereinbarung im Sport Eine der im Zusammenhang mit der Unterwerfung unter eine Schiedsgerichtsbarkeit rechtsstaatlich nach wie vor problematischsten Fragen ist das in der Körbuch-Entscheidung angesprochene Problem der Freiwilligkeit. Denn nach Art.101 Abs. 1 S. 2 GG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Dieses Gebot des Rechtsstaatsprinzips wird durch eine Schiedsklausel aber massiv berührt.50

e) § 1025 Abs. 2 ZPO a.F. Nach der bis 31.12.1997 geltenden Fassung der ZPO war gem. § 1025 Abs. 2 ZPO eine Schiedsvereinbarung unwirksam, wenn eine Partei ihre soziale oder wirtschaftliche Überlegenheit dazu ausgenutzt hat, den anderen Teil zum Abschluss oder zur Annahme von Bestimmungen zu nötigen, die ihr im Verfahren, insbesondere hinsichtlich der Ernennung oder Ablehnung der Schiedsrichter, ein Übergewicht gegenüber dem anderen Teil einräumen. Diese Vorschrift galt nach überwiegender Ansicht auch für Schiedsgerichtsregelungen in Vereinssatzungen.51 Die h.M. sah bei den Sportverbänden einen Zwang als gegeben an, da der Schiedsvertrag kraft wirtschaftlicher oder sozialer Überlegenheit abgenötigt wurde.52 Verdeutlicht wird dies bei Betrachtung der Situation für sog. „Kaderathleten, bei denen nur derjenige für einen internationalen Wettkampf nominiert wird, der eine sog. „Athletenvereinbarung“ unterzeichnet, die dann auch ___________ 49

LG Berlin CaS 2006, 73 (74). Lindacher, Schiedsklauseln und Allgemeine Geschäftsbedingungen im internationalen Handelsverkehr – Einbeziehungsschranken nach Art. 2 Abs. 2 UN-Übereinkommen und autonomem deutschen Sachrecht, in: Lindacher/Pfaff/Roth/Schlosser/Wieser (Hrsg.), FS-Habscheid, 1989, S. 167 (169); Nicklisch, Schiedsklauseln und Gerichtstandsvereinbarungen in Verbandssatzungen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen, BB 1972, 1285 (1289); Reichert (Fn. 32), Rz. 2545; Schwab/Walter (Fn. 24), Kap. 32 Rz. 5; Vollmer, Satzungsmäßige Schiedsklauseln, 1970, S. 92 und S. 98; a.A. BGHZ 29, 352 (354). 51 Baumbach/Albers, ZPO, 56. Aufl. 1998, § 1048 Rz. 5; Nicklisch (Fn. 50), 1290; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 21. Aufl. 1994, § 1048 Rz. 9; Thomas/Putzo, 20. Aufl. 1999, § 1048 Rz. 3. 52 MüKo/Münch ZPO, Band 3, 3. Aufl. 2008, § 1034 Rz. 8; Musielak/Voit ZPO, 6. Aufl. 2008, § 1029 Rz. 10. 50

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eine Schiedsklausel enthält.53 In der gleichen Situation befinden sich die meisten Profisportler im Mannschaftssport, da eine zur Teilnahme berechtigende Lizenz in aller Regel nur erteilt wird, wenn der Athlet eine Schiedsvereinbarung unterzeichnet.54 Ebenso sieht Art. 13 WADC zwingend den Abschluss einer Schiedsvereinbarung für Streitigkeiten in Dopingfragen vor.55 Nicht erfasst wurden vom Wortlaut des Gesetzes allerdings die Fälle, in denen „nur“ eine Nötigung, aber kein Übergewicht bei der Schiedsrichterernennung vorliegt. Da aber auch hier im Ergebnis ein Verzicht auf den gesetzlichen Richter stattfindet und dieser ob der Nötigung unfreiwillig erfolgt, war aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten über den Wortlaut hinaus bei der Prüfung des Einzelfalles auf § 138 BGB zurückzugreifen, um die Nötigung zu sanktionieren.56 Da sich die großen Sportverbände bewusst sind, dass den Athleten wegen der Verknüpfung mit der Starterlaubnis nichts anderes übrig bleibt, als sich dem Schiedsgericht zu unterwerfen, liegt m.E. nach dem ersten Anschein nach immer Sittenwidrigkeit vor, wenn ein Wahlrecht fehlt. Eine solche Rechtsfolge war z.B. für Schiedsabreden im Kartellrecht früher sogar ausdrücklich in § 91 GWB festgehalten. Es wäre dann Aufgabe des Verbandes, zu beweisen, dass der Athlet die Vereinbarung auch abgeschlossen hätte, wenn sie nicht Voraussetzung für die Erteilung einer Starterlaubnis wäre. Damit ist festzuhalten: Die nach altem Recht abgeschlossenen Schiedsvereinbarungen der Sportverbände sind aufgrund der Nötigung zum Abschluss wegen Entzuges des gesetzlichen Richters unwirksam. Für diese Einschätzung spricht auch die KörbuchEntscheidung des BGH. Denn der BGH erachtet die dort streitgegenständliche, wenn auch statutarische, Abrede als unwirksam, weil der Betroffene nicht schriftlich zugestimmt habe, daher fehle es an der Freiwilligkeit.57 Auch wenn es dogmatisch nicht zulässig ist, beides zu vermengen, ist der Tenor doch eindeutig: Niemand muss sich eine Schiedsabrede entgegenhalten lassen, die unfreiwillig und letztlich gegen seinen eigentlichen Willen zustande kam. Ein unhaltbares Ergebnis, würde man auf den Wortlaut des § 1025 Abs. 2 ZPO a.F. abstellen. Die Unwirksamkeit kann dann auch nicht dadurch verneint werden, dass man argumentiert, letztlich wäre es im Interesse der Sportler, landes- oder gar weltweit einheitliche Prüfungsmaßstäbe für die Regelanwendung vorzufin___________ 53

Adolphsen, Grundfragen und Perspektiven der Sportgerichtsbarkeit, SchiedsVZ 2004, 169 (175). 54 So z.B. beim DFB, vgl. hierzu Monheim (Fn. 8), 2. Teil A 2 b dd). 55 Abrufbar unter . 56 Nicklisch (Fn. 50), S. 1289; nicht abgeleitet werden kann dies allerdings, was leider ständig getan wird, aus der Entscheidung RGZ 137, 251 ff., denn dort war neben der fehlenden Freiwilligkeit auch noch ein Ungleichgewicht im Schiedsgericht zu Lasten der unterlegenen Partei gegeben. 57 BGH NJW 2000, 1713.

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den58 und die Sportler würden sich dem sportlichen Regelwerk nur deshalb unterwerfen, weil sie auch ihre Konkurrenten in gleicher Weise gebunden glauben.59 Dass diese Unterstellung nämlich für die Schiedsabrede gerade nicht zutrifft, zeigt der Verlauf der Diskussion um die Einführung einer MusterAthletenvereinbarung, deren Inhalt der Deutsche Sportbund 1997 vorgestellt hatte. Auch in diesem Vorschlag war festgelegt, dass sich der Athlet in jedem Fall einem Schiedsgericht unterwirft, welches dann unter Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit entscheiden sollte.60 Der Beirat der Aktiven bezog daraufhin eindeutig Stellung und teilte mit, dass die Vereinbarung der Schiedsgerichtsbarkeit nur dann akzeptabel sei, wenn dem Sportler ein Wahlrecht verbleibe, stattdessen den ordentlichen Rechtsweg zu beschreiten. Dies beruhe auf Vorbehalten der Sportler gegenüber einer verbindlichen Schiedsgerichtsbarkeit.61 Daher sind vor 1998 geschlossene Schiedsvereinbarungen im Sport so lange als abgenötigt einzustufen, bis für den Einzelfall zweifelsfrei feststeht, dass die Unterwerfung durch den Sportler freiwillig erfolgt ist. Der diesbezüglich beweisbelastete Verband muss daher jedem die Entscheidung überlassen, ob er eine Schiedsvereinbarung abschließen möchte oder nicht, und darf ihn für den Fall, dass er sich gegen die Vereinbarung entscheidet, nicht benachteiligen.62 Andernfalls ist der Weg zu den staatlichen Gerichten eben nicht ausgeschlossen.63

f) § 1034 Abs. 2 ZPO In der seit 1998 geltenden Neuregelung der ZPO ist keine eigene Bestimmung zur Freiwilligkeit mehr enthalten. Allein für den Fall, dass das Schiedsgericht nicht integer besetzt ist bzw. ein Übergewicht einer Partei bei der Bestellung besteht, sind im neuen § 1034 Abs. 2 ZPO genaue Vorgaben darüber enthalten, wie dem abgeholfen werden kann. Dies könnte zu der Annahme führen, die Freiwilligkeit einer Unterwerfung sei bei nach 1997 abgeschlossenen Vereinbarungen nicht mehr zu prüfen.64 Man darf aber nicht übersehen, dass ___________ 58

So aber Haas (Fn. 34), S. 332. So auch RA-DLV SpuRt 2002, 79 (80). 60 Vorschlag Ziffer 6.2, abgedruckt bei Fikentscher/Schmitt/Sonn, Musterathletenvereinbarung aus Sicht der Sportler, SpuRt 1999, 89 (93). 61 Zit. bei Fikentscher/Schmitt/Sonn (Fn. 60), S. 93. 62 Ebenso Wyler, Die Schiedsabrede im Sportrecht, RuS 22, S. 43 (52), allerdings ohne eine Festlegung, welche Konsequenz bei fehlendem Wahlrecht zu ziehen ist. 63 Vollmer (Fn. 50) S. 132. 64 So mit explizitem Bezug auf die Monopolsportverbände Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, 2003, S. 561. 59

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der durch § 1025 Abs. 2 ZPO a. F. bezweckte Schutz der Freiwilligkeit einen rechtsstaatlichen, verfassungsrechtlich über Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG abgesicherten Kern hat, welcher nicht zur Disposition des einfachen Gesetzgebers steht.65 Daher wird völlig zu Recht von der h. M. über die auf das Merkmal der Nötigung verzichtende Vorschrift des § 1034 Abs. 2 ZPO hinaus die Schiedsabrede weiter an den Grundsätzen des § 138 BGB auf eine Nötigung beim Abschluss der Vereinbarung geprüft.66 Einer aufoktroyierten Privatisierung des Rechtsschutzes muss weiterhin Einhalt geboten werden.67 Niemand darf in ein Schiedsverfahren gedrängt werden und diese Frage kann, da Art. 101 Abs. 2 GG betroffen ist, ohne weiteres vom Bundesverfassungsgericht entschieden werden. Zu Recht wird daher darauf hingewiesen, dass die Verbände eine „Ohrfeige durch unser höchstes Gericht nicht provozieren sollten“.68 Das Problem ist aber ohnehin recht einfach zu lösen. Wenn die Schiedsgerichte hinreichend Gewähr dafür bieten, dass eine unabhängige Instanz überparteilich entscheidet, wird die Mehrzahl der Sportler freiwillig eine entsprechende Schiedsvereinbarung unterzeichen. Denn die Schiedsgerichtsbarkeit als solche bietet, vernünftig ausgeführt, einige Vorteile gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit. Sollte sich dennoch jemand der Schiedsgerichtsbarkeit nicht unterwerfen wollen, so ist dies aber entgegen der augenblicklichen Praxis zu akzeptieren, indem auch ihm die Möglichkeit gegeben wird, gleichberechtigt am Vereinsbzw. Verbandsleben teilzunehmen, also insbesondere eine Starterlaubnis zu erhalten. Eine von einem Monopolsportverband ohne Wahlrecht aufgezwungene Schiedsvereinbarung ist, unabhängig davon ob individuell vereinbart oder statutarisch angeordnet, auch nach heutiger Lage wegen Ausnutzung der sozialen Mächtigkeit nach § 138 BGB unwirksam.69 Dem kann dann auch nicht entgegengehalten werden, dass Vorschriften internationaler Verbände oder gar diese einbeziehende internationale Übereinkommen, z.B. in Dopingangelegenheiten, zum Abschluss der Schiedsvereinbarung verpflichten. Denn dass diese Vereinbarungen im Zweifel das Grundgesetz aushebeln würden, ist nicht der Fall. Das sollten auch diejenigen berücksichtigen, die dem BGH nach dem Körbuch___________ 65

BVerfGE 81, 242 (254 f.). Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 66. Aufl. 2008, § 1066 Rz. 5; Haas/Holla, Die nationale Anti-Doping-Agentur und ein künftiges Schiedsgericht für Dopingstreitigkeiten, in: Haas (Hrsg.), Schiedsgerichtsbarkeit im Sport, 2003, S. 25; König, Sind Schiedsabreden auf den CAS/TAS wirksam?, SpuRt 2004, 137 (138); MüKo/Münch (Fn. 52), § 1034 Rz. 8; Schwab/Walter (Fn. 24), Kap. 4 Rz. 15 a.E. sowie Kap. 32 Rz. 13; zurückhaltender Musielak/Voit (Fn. 52), § 1029 Rdnr 10. 67 König (Fn. 66), S. 138. 68 Müller/Keilmann (Fn. 16), S. 121. 69 König (Fn. 66), S. 138. 66

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Urteil vorwarfen, er habe die Streichung des § 1025 ZPO a.F. nicht ausreichend berücksichtigt.70 Welche unbefriedigende Konsequenz es im Übrigen hat, wenn man, wie in der Literatur im Zusammenhang mit der Gesetzesänderung vorgeschlagen, jeden Einzelfall zwar auf „Zwang“ prüft71, dabei aber keinen so klaren Prüfungspunkt wie das Bestehen eines Wahlrechts verwendet, zeigt eine Entscheidung des LG Köln. Dort wurde trotz geänderter ZPO zu Recht geprüft, ob die Schiedsabrede unter Zwang abgeschlossen wurde. Das Gericht verneinte dies dann aber, weil der Sportler ja wisse, dass eine Schiedsabrede üblich sei. Zudem habe er nicht vorgetragen, warum er im Augenblick der Unterzeichnung gegen die Schiedsabrede Bedenken gehabt habe.72 Somit muss plötzlich derjenige, der seinem gesetzlichen Richter entzogen wird, beweisen, dass er dies eigentlich nicht wollte. Doch diesen Beweis trotz erfolgter Unterschrift in der Praxis zu führen, erscheint unmöglich. Ein Wahlrecht hingegen schafft für alle Beteiligten (bis hin zum Gericht) klare Verhältnisse bezüglich der Freiwilligkeit und so sehen es auch nach wie vor die Aktiven.73

V. Tatsächliche Ausgestaltung des Schiedsgerichts 1. Überparteilichkeit Ein weiterer auch für das Schiedsgericht geltender Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ist der Grundsatz überparteilicher Rechtsprechung74, so dass stets zu prüfen ist, ob bei der Bildung des Schiedsgerichts ein Übergewicht zu Gunsten einer Partei besteht. Folge hiervon wäre allerdings nach dem Gesetzeswortlaut des § 1034 Abs. 2 ZPO keine Nichtigkeit, statt dessen kann die unterlegene Partei innerhalb von zwei Wochen, nachdem ihr die Zusammensetzung des Schiedsgerichts bekannt geworden ist, beim ordentlichen Gericht eine von der Vereinbarung abweichende Schiedsrichterbestellung beantragen. ___________ 70 Zur Kritik vgl. Adolphsen (Fn. 53), S. 175; Haas, Aktuelle Entwicklung in der Dopingbekämpfung, SpuRt 2000, 139; Kröll, Das neue deutsche Schiedsrecht vor staatlichen Gerichten, NJW 2001, 1173. 71 Haas/Holla (Fn. 66), S. 26. 72 LG Köln SpuRt 2007, 30 (32). 73 Hinweis Nr. 1 des Beirats der Aktiven des DOSB zu Ziff. 6.2 der vom DOSB verwendeten Athletenvereinbarung, abgedruckt in Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, Anhang C 1. 74 Stern, Die Grundrechte der Sportler, in: Schroeder/Kauffmann (Hrsg.), Sport und Recht, Berlin 1972, S. 142 (157); BGHZ 51, 255 (258); BGHZ 65, 59 (62); BGH NJW 1986, 3027.

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Der BGH differenziert über den Wortlaut hinaus allerdings danach, ob die Schiedsvereinbarung grundsätzlich auf eine Unabhängigkeit des Schiedsgerichts angelegt ist. Gehe die Bestellung der Schiedsrichter mehr oder weniger einseitig vom Verband oder Verein aus, fehle es von vornherein an der erforderlichen Überparteilichkeit und es liege im Ergebnis keine Schiedsgerichts-, sondern Verbandsgerichtsbarkeit vor.75 Nicht mehr als überparteilich gelten daher Schiedsgerichte, bei denen eine Partei alle Schiedsrichter benennt76, es sei denn, die andere Partei hatte grundsätzlich auch das Recht, einen Schiedsrichter zu benennen, hiervon jedoch keinen Gebrauch gemacht.77 Ein rechtstaatlich ebenfalls nicht mehr hinzunehmendes Übergewicht würde vorliegen, wenn eine Partei die Mehrzahl der Schiedsrichter benennt.78 Unbedenklich ist hingegen eine Vereinbarung, nach welcher ein Dritter die Schiedsrichter auswählt79, sofern dieser nicht von einer Partei des Schiedsverfahrens abhängig ist80 bzw. ihr so nahe steht, dass Zweifel an der Unparteilichkeit gerechtfertigt erscheinen.81 Im Sport gut bekannt ist schließlich die Situation, dass die Schiedsrichter nur aus einer Liste ausgewählt werden dürfen, d.h. die Auswahlmöglichkeit eingeschränkt ist. Hier ist zunächst festzuhalten, dass eine solche Beschränkung aus rechtsstaatlicher Sicht grundsätzlich hinnehmbar ist.82 Denn entscheidend ist allein, dass keine Partei bei der Bildung des Schiedsgerichts bevorteilt wird. Die ___________ 75 So auch mit ausführlicher Begründung Fenn (Fn. 26), S. 189, wobei zu beachten ist, dass der Beitrag vor Inkrafttreten des § 1034 Abs. 2 n.F. ZPO verfasst wurde, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass Fenn seine durchaus nachvollziehbare Ansicht angesichts des klaren Gesetzeswortlautes revidieren würde. 76 Kornblum, Probleme der schiedsrichterlichen Unabhängigkeit, 1968, S. 230; Musielak/Voit (Fn. 52), § 1034 Rz. 3; Reichert (Fn. 32), Rz. 4941; Roth, Der Vorbehalt des ordre public gegenüber fremden gerichtlichen Entscheidungen, 1967, S. 161; Stein/Jonas/Schlosser (Fn. 25), § 1034 Rz. 3; Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl. 2008, § 1034 Rz. 3. 77 BGHZ 98, 70 (76). 78 Haas/Holla (Fn. 66), S. 30; MüKo/Münch (Fn. 52), § 1034 Rz. 6; Musielak/Voit (Fn. 52), § 1034 Rz. 3; Stein/Jonas/Schlosser (Fn. 25), § 1034 Rz. 3; Roth (Fn. 76), S. 161; Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Aufl. 1990, Rz. 158; Reichert (Fn. 32), Rz. 4941; Zöller/Geimer (Fn. 34), § 1034 Rz. 9; a.A. Mezger, Verstoß gegen die öffentliche Ordnung bei der Beurteilung ausländischer Schiedssprüche, NJW 1962, 278 (280); Körting, Zur Frage der Rechtsgültigkeit von Bestimmungen in Verbandssatzungen über die Bildung eines Schiedsgerichts, KR 1936, 377 (382). 79 BGH NJW 1960, 1296 (1297); Kornblum (Fn. 76), S. 218; Reichert (Fn. 32), Rz. 4945. 80 Kornblum (Fn. 76), S. 252. 81 Haas/Holla (Fn. 66), S. 32; Schütze/Tscherning/Wais (Fn. 78), Rz. 158. 82 OLG München SpuRt 2002, 199 ff.

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Vorteile einer Listenbindung liegen dann darin, dass die Schiedsrichter durch die Regelmäßigkeit ihrer Beauftragung in der Materie „Sport“ erfahrener sind, als wenn sie lediglich per Zufall irgendwann einmal für ein sportrelevantes Verfahren ausgewählt werden. Der bei der Listenauswahl nach wie vor umstrittenste Punkt sind jedoch die sich hieran anschließenden Fragen, wer die Schiedsrichter für die Liste auswählt und ob der Kreis, aus dem ausgewählt werden kann, begrenzbar ist. Dabei sind besonders zwei Konstellationen problematisch.83 Die Aufstellung der Schiedsrichterliste erfolgt durch die Mitgliederversammlung eines Verbandes. Der BGH hat klar gestellt, dass ein derartiges Vorgehen, auch gegenüber einem Mitglied, ein rechtsstaatlich nicht mehr hinnehmbares Übergewicht des Verbandes mit sich bringe, da die Mitgliederversammlung allein für diesen handele und das Stimmrecht des einzelnen Mitglieds in der Versammlung insoweit keinen gleichwertigen Ersatz für sein eigenes Auswahlrecht biete.84 Eine andere denkbare Konstellation wäre, dass eine Partei oder ein dieser nahe stehender Dritter deutlich mehr Schiedsrichter für die Liste benennen darf als die andere. Bekanntestes Beispiel aus dem Sport ist der internationale Sportgerichtshof „CAS“85, bei dem aus einer Liste ausgewählt werden darf, der mindestens 150 Schiedsrichter angehören und die sich wie folgt zusammensetzt.86 Je 1/5 aus Personen, die vom IOC, den internationalen Fachverbänden und den NOKs vorgeschlagen werden, 1/5 aus unabhängigen Personen und 1/5 aus Personen, von denen erwartet wird, dass sie die Interessen der Athleten vertreten.87 An dieser Stelle drängt sich angesichts der Umschreibung der letztgenannten Gruppe natürlich die Frage auf, wessen Interessen die übrigen Schiedsrichter vertreten. In einem unabhängigen Gericht sollte niemand die Interessen von irgendwelchen Personen oder Gruppierungen vertreten. In der Literatur werden daher gegen die Auswahl beim CAS nach wie vor Bedenken erhoben. Das Schweizer Bundesgericht, und auf dieses kommt es aufgrund des Sitzes des CAS in der Schweiz nach dem UNÜ zunächst einmal an, hält allerdings in ständiger Rechtsprechung fest, dass das Übergewicht bei der Bestellung insbesondere durch das in der Verfahrensordnung vorgesehene Ablehnungsrecht bei mangelnder Unabhängigkeit und Überparteilichkeit eines Schiedsrichters kompensiert werde. Der BGH hatte bisher, soweit ersichtlich, noch keine Schiedsvereinbarung zu beurteilen, nach der die Schiedsrichter aus ___________ 83

Schwab/Walter (Fn. 24), Kap. 9 Rz. 11. BGH SpuRt 2004, 159 (161). 85 Hierzu ausführlich Monheim (Fn. 8), 3. Teil A III. 86 Zu den genauen Modalitäten der Wahl vgl. Monheim (Fn. 8), 3. Teil A III 3. 87 Art. S14 Satzung-CAS, abrufbar unter . 84

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einer Liste ausgewählt werden und eine der beiden Parteien mehr Schiedsrichter für die Liste auswählen durfte als die andere. Da er jedoch im Verfahren Roberts/FIBA, in welchem der Sportler den Spruch des CAS in der Hauptsache am OLG München ohne Erfolg angefochten hatte, die für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beantragte Prozesskostenhilfe nicht gewährte, weil der Antrag „keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete“88, ist davon auszugehen, dass der BGH diese Art der Listenbindung als mit dem Gebot der überparteilichen Rechtspflege vereinbar ansieht.

2. Unparteilichkeit Getrennt von der Frage der abstrakten Überparteilichkeit ist dann im konkreten Verfahren zu prüfen, inwieweit die eingesetzten Schiedsrichter in diesem Streitfall wirklich als unparteilich gelten. Richterliche, auch schiedsrichterliche Tätigkeit, untersteht dem Gebot von Distanz und Neutralität. Es gehört zu ihrem Wesen, dass sie durch unbeteiligte Dritte ausgeübt wird.89 Daher ist aus rechtstaatlicher Sicht inakzeptabel, wenn über einem Verfahren auch nur der Schein einer Voreingenommenheit schwebt.90 Unzulässig wäre nach dem BGH daher, wenn bei einer Entscheidung des zuständigen Spruchkörpers ein Mitglied mitwirkt, das durch das Verhalten des angeschuldigten Mitgliedes selbst in seinen Rechten verletzt sein soll91. Gleiches gilt, wenn der Schiedsrichter (einfaches) Mitglied eines betroffenen Vereines ist.92 Keine Unabhängigkeit ist ferner gegeben, wenn ein Schiedsrichter Mitglied in einem vertretungsberechtigten Organ des betroffenen Verbandes ist.93 Denn bei Verfahren gegen den Verband steht er als Mitglied des Vertretungsorgans schon aus Gründen der Logik immer auch auf der Seite des Verbandes, und dies begründet stets Zweifel an seiner Unabhängigkeit; er wäre letztlich im Verfahren auch Partei.94 Nach überwiegender Ansicht gilt das Verbot darüber ___________ 88

OLG München SpuRt 2002, 199 ff. BGHZ 98, 70 (72). 90 Hantke, Brauchen wir eine Sportgerichtsbarkeit, SpuRt 1998, 186 (188); Hilpert, Organisation und Tätigkeit von Verbandsgerichten, BayVBl. 1988, 161 (165). 91 RG JW 1915, 1424 (1427); BGH NJW 1981, 744; OLG Karlsruhe NJW-RR 1996, 1503; OLG Schleswig SchlHA 2001, 103; Hantke (Fn. 90), S. 188; MüKo/Reuter BGB, Band 1, 5. Aufl. 2006, § 25 Rz. 46. 92 Buchberger, Das Verbandsverfahren deutscher Sportverbände – Zur Anwendbarkeit rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze, SpuRt 1996, 157 (158). 93 RGZ 93, 288; RG LZ 1919, 803; Hantke (Fn. 90), S. 188; Kornblum (Fn. 76), S. 32 ff. 94 Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 18. Aufl. 2006, Rz. 318. 89

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hinaus auch dann, wenn der Schiedsrichter Mitglied in einem nicht vertretungsberechtigten Organ ist.95 Über eine hochinteressante Rüge hatte kürzlich das Schweizerische Bundesgericht zu entscheiden. Dort hatte ein Langstreckenreiter gegen einen Schiedsspruch des CAS staatsrechtliche Beschwerde eingelegt und gerügt, das Schiedsgericht sei nicht unabhängig besetzt gewesen, weil der Rechtsanwalt seiner Gegner Mitglied der Schiedsrichterliste am CAS sei. Darüber hinaus habe er mit einem der Richter, welcher den angegriffenen Fall entschieden habe, zeitgleich intensiv als Schiedsrichter eines am CAS anhängigen Verfahrens gearbeitet. Das Bundesgericht hatte hiergegen allerdings keine Bedenken, was die Redaktion der Zeitschrift causa sport zu einer Urteilsanmerkung veranlasste, die mit den Worten begann: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr… als dass das Bundesgericht eine staatsrechtliche Beschwerde im Zusammenhang mit dem CAS gutheißen würde.“ 96 M.E. nach ist eine solche Verbindung rechtsstaatlich nicht mehr zulässig, da eine Partei, wenn auch über ihren Rechtsanwalt, doch einen deutlich besseren Draht zum Gericht hat als die andere, so dass über dem Verfahren mindestens der Schein einer Voreingenommenheit steht. Diese Bedenken können nun aber nicht dazu führen, den CAS insgesamt als nicht überparteilich einzustufen – das im konkreten Einzelfall gebildete Schiedsgericht wäre aber, wirkt ein Anwalt mit, der selber Schiedsrichter am CAS ist, nicht mehr unparteilich. Eine betroffene Partei müsste sich daher einen anderen Prozessvertreter suchen. Auch der CAS hat das Problem erkannt und nach Erhalt des Urteils eine Direktive erlassen, wonach es Schiedsrichtern zumindest dann untersagt ist, als Parteianwälte aufzutreten, wenn sie gleichzeitig in einem anderen anhängigen Verfahren als Schiedsrichter fungieren.97

___________ 95 Staudinger/Weick, BGB, Neubearbeitung 2005, vor § 21 Rz. 53 (möglicherweise drückt sich Weick allerdings nur unklar aus, denn er zitiert für seine Ansicht die Entscheidung RGZ 90, 306 (309), wo jedoch nur vom Verbot für Mitglieder des Vertretungsorgans des Vereins die Rede ist); Wieczorek/Schütze, ZPO, 2. Aufl. 1981, § 1025 Rz. B III b 3; Buchberger (Fn. 92), S. 157, plädiert ebenfalls hierfür, stellt aber klar, dass er das Verbot für sinnvoll, aber nicht zwingend geboten erachtet. 96 Anmerkungen zum Urteil des Bundesgerichts vom 04.08.06 in CaS 2006, 584. Mittlerweile wurde allerdings im Fall Canas erstmals einer Beschwerde stattgegeben, vgl. Schw. Bundesgericht v. 22.03.2007, SpuRt 2007, S. 113 f. Hierzu ausführlich Oschütz, Zur Überprüfung von Schiedssprüchen des TAS/CAS durch das schweizerische Bundesgericht, SpuRt 2007, S. 177f. 97 Zit. nach Anmerkungen zum Urteil des Bundesgerichts vom 04.08.06 in CaS 2006, 584.

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VI. Entwicklung eines Bundessportgerichts Möchte man nun eine Vereinheitlichung der nationalen Sportrechtsprechung anstreben, ähnlich wie sie auf internationaler Ebene mit der Errichtung des CAS vollzogen wurde, so stellt sich die Frage, wie man eine Überparteilichkeit des Gerichts gewährleisten kann. Denn nur dann werden die Sportler und Vereine eine diesbezügliche Schiedsvereinbarung freiwillig unterschreiben und nur dann verstößt eine Schiedsvereinbarung nicht gegen das rechtstaatlich gesetzte Verbot, jemandem seinen gesetzlichen Richter zu entziehen.

1. Vorbild internationales Sportgericht CAS? Der CAS kann hier nur eingeschränkt als Vorbild dienen. Denn obwohl das Schweizerische Bundesgericht die Unabhängigkeit des CAS anerkannt hat und ihn als „echtes“ Schiedsgericht ansieht, finden sich insbesondere in Athletenkreisen nach wie erhebliche Vorbehalte gegen den CAS. Die geschlossene Schiedsrichterliste wecke Zweifel an seiner Unabhängigkeit und er sei ein Instrument des IOC und der mächtigen Sportverbände. Athleten hätten Mühe, einen passenden Schiedsrichter zu finden und letztlich würde nicht Recht gesprochen, sondern würden vorwiegend Billigkeitsentscheidungen gefällt. Das mache die Entscheidungen unberechenbar, was wegen der praktisch kaum möglichen Anfechtungsmöglichkeit doppelt ins Gewicht falle.98

2. Die Auswahl der Schiedsrichter a) Geschäftsverteilungsplan oder Ad-hoc-Kammern Dennoch ist die beim CAS praktizierte Auswahlmöglichkeit der Schiedsrichter aus einer festen Liste grundsätzlich nachahmenswert. Eine Liste kann die dringend notwendige Gewähr dafür bieten, dass hinsichtlich ihrer Kenntnisse der betroffenen Sportart und des Rechts fachkundige Schiedsrichter mit dem Streit befasst werden. Auch das Ziel, mit der Errichtung eines Bundessportgerichtes eine bessere Vereinheitlichung der Sportrechtsprechung zu erreichen, dürfte kaum erreichbar sein, wenn sich die Besetzung der die Verbandsregeln auslegenden Schiedsgerichte in jedem vor das Gericht gebrachten Fall aus x-beliebigen Schiedsrichtern ergibt. Die zwangsläufig auftretende Schwierigkeit ___________ 98 Aufzählung nach Netzle, Das internationale Sportschiedsgericht in Lausanne. Zusammensetzung, Zuständigkeit und Verfahren, RuS 22, S. 9.

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ist dann aber, wer wie viele Schiedsrichter für die Liste auswählen darf und wer für den konkreten Streitfall wie viele Schiedsrichter bestimmt. Zur Lösung der zweiten Frage könnte man daher darüber nachdenken, ein insoweit institutionelles Schiedsgericht einzurichten, das verschiedene Kammern hat, die nach einem Geschäftsverteilungsplan in einer festen Besetzung für einen Streitfall zuständig sind. Dies hätte gegenüber einem ad hoc Schiedsgericht den Vorteil, dass die Schiedsrichter nicht erst ausgewählt werden müssen, sondern das Gericht sofort angerufen werden kann und in der Lage ist, innerhalb kürzester Zeit zu entscheiden. Wenn sie zudem für eine längere Periode bestellt werden, sind die Schiedsrichter auch mit den im Sport auftretenden Rechtsproblemen gut vertraut. Letztlich sind aber beide Lösungen machbar, solange es für keine Partei zahlenmäßiges Übergewicht bei der Besetzung des Schiedsgerichts gibt.

b) Benennungsrecht Die schwierigste Aufgabe dürfte es daher sein, eine allen Interessen gerecht werdende Regelung der Frage, wer die Schiedsrichter benennen darf, zu finden. Ein ganz entscheidendes Kriterium für die Akzeptanz des Gerichtes als neutraler Spruchkörper ist eine bereits auf den ersten Blick sichtbare Unabhängigkeit. Es muss der Eindruck vermieden werden, das Schiedsgericht werde verbandsnah besetzt. Hier erscheint es, auch wenn es rechtstaatlich unschädlich ist, wenn eine Partei ein gewisses Übergewicht bei der Anzahl der zu bestimmenden Listenmitglieder hat99, für die allgemeine Akzeptanz am zweckmäßigsten, dass alle als Partei eines sportschiedsgerichtlichen Verfahrens in Frage kommenden Gruppen gleiche Benennungsrechte haben, vorausgesetzt, man möchte den Parteien überhaupt ein Benennungsrecht einräumen. Daher könnte eine Regelung lauten, dass die Listenschiedsrichter zu 1/3 von den Sportlern, 1/3 von den Vereinen und zu 1/3 von den nationalen Verbänden gewählt werden. An dieser Stelle würde allerdings ein anderes Problem deutlich, nämlich der äußerst schwache Organisationsgrad der Sportler. Es ist im Augenblick keine Plattform ersichtlich, über die hinreichend demokratisch legitimierte Vertreter aller Athleten bestimmt werden könnten. Aus diesem Grunde dürfte auch der im Zusammenhang mit den Überlegungen zur Einrichtung eines Schiedsgerichts für Dopingstreitigkeiten bei der NADA aufgeworfene Ansatz von Haas/Holla, beim Träger des einzurichtenden Schiedsgerichts eine Schiedsrichterwahlkommission einzurichten, die zu gleichen Teilen aus Vertretern der ___________ 99

Vgl. hierzu Monheim (Fn. 8), 2. Teil A I 1 g dd) (3).

Die Vereinbarkeit von Schiedsabreden und Schiedsgerichten

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Verbände und der Athleten besteht100, in der Praxis noch nicht vernünftig durchzusetzen sein. Somit bleibt, möchte man ein nicht nur von der Rechtsprechung, sondern auch von den Sportlern akzeptiertes Schiedsgericht installieren, als vernünftigste Lösung zurzeit nur die Bestimmung der Schiedsrichter durch einen unabhängigen Dritten. Das ist durchaus nicht neu. So wird beim Deutschen Eishockeybund das Schiedsgericht durch den Präsidenten der IHK München bestimmt und die Satzungen zahlreicher Verbände sehen mindestens die Bestimmung des Vorsitzenden eines Dreierschiedsgerichts durch den Präsidenten des für den Sitz des Verbandes zuständigen Oberlandesgerichtes vor. Für diese Lösung spricht auch § 1034 Abs. 2 ZPO, der dem Präsidenten des OLG die Umbesetzung des Schiedsgerichts für den Fall anvertraut, dass eine Partei ein zu Gunsten der anderen bestehendes Übergewicht rügt. Allerdings wäre ein einziger Präsident sicherlich überfordert, die gesamte Liste zu bestimmen. Daher sollten aus jedem deutschen OLG-Bezirk Schiedsrichter für die Liste benannt werden, diese Aufgabe könnte der jeweilige OLG-Präsident problemlos wahrnehmen. Die Liste hätte dann, würde man z.B. 3 Schiedsrichter pro Bezirk auswählen, bei 19 OLG-Bezirken 57 Mitglieder.101

c) Persönliche Qualifikation Neben der Unabhängigkeit des Spruchkörpers ist für die Akzeptanz bei den Athleten von entscheidender Bedeutung, dass die Schiedsrichter als kompetent anzusehen sind. Hier stellt sich zunächst die Frage, ob es primär auf „sportliche“ oder auf juristische Kenntnisse ankommen soll. Angesichts der Tragweite von Entscheidungen eines „echten“ Schiedsgerichts muss ein Schiedsrichter in jedem Fall ein guter Jurist sein. Die Schiedsrichter sollten nicht nur Volljuristen sein, sondern auch zwei mindestens befriedigende Staatsexamina vorweisen und eine Berufserfahrung als Universitätsprofessor oder von mindestens drei Jahren als Rechtsanwalt oder Richter haben, d.h. Erfahrung im Umgang mit richterlicher Streitbereinigung besitzen. Es ist niemandem geholfen, wenn die Parteien das Gefühl haben, den Schiedsrichtern fehle es an entsprechender Kompetenz. Um aber daneben auszuschließen, dass die Parteien zu dem Schluss kommen, der Richter sei zwar juristisch fachkundig, „habe aber im Leben noch keinen Ball gesehen“, muss als zusätzliches Qualifikationskriterium eine gewisse Kenntnis des Sports nachgewiesen werden102. ___________ 100

Haas/Holla (Fn. 66), S. 32. Näher zur Frage, ob diese Zahl ausreicht Monheim (Fn. 8), 3. Teil A IV 2 e. 102 Dieses zusätzliche Kriterium sehen dann Haas/Holla (Fn. 66), S. 12, auch als einen wesentlichen Vorteil der Sportschiedsgerichtsbarkeit. 101

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aa) Wettkampferfahrung Grundsätzlich erscheint es daher als unabdingbar, dass der in Frage kommende Schiedsrichter selber einmal aktiv in einem Verein wettkampfmäßig Sport betrieben hat. Nur wer selbst auf dem Platz stand, ist in der Lage, sich wirklich in den Athleten hineinzuversetzen und dessen Verhaltensweise zu beurteilen. Nachgewiesen werden könnte eine solche Wettkampferfahrung am sinnvollsten durch schriftliche Bestätigung des betroffenen Sportvereins oder sogar des Verbandes, bei dem die Starterlaubnis beantragt worden war.

bb) Sportjuristische Ausbildung Neben dieser Wettkampferfahrung und einer guten juristischen Ausbildung erscheint aber noch ein dritter Punkt wichtig, um eine qualitativ optimale Rechtsprechung durch das Sportgericht zu gewährleisten. Es handelt sich um die sportjuristische Qualifikation der Richter. Die staatliche juristische Allgemeinausbildung enthält in keinem Bundesland das Fach „Sportrecht“ als Examensstoff. Von daher bietet es sich an, dass diejenigen, welche das Amt als Schiedsrichter am Bundessportgericht ausüben möchten, eine Qualifikation auf dem Gebiet des Sportrechts nachweisen müssen. Eine diesbezügliche Ausbildung könnte durch die Universitäten angeboten werden. Aufgrund der voraussichtlich überschaubaren Zahl der Interessenten und der ebenfalls kleinen Zahl von spezialisierten Professoren würde es dabei genügen, mit wenigen Universitäten zu beginnen. Als Leitfaden für den zu vermittelnden Stoff käme zum Beispiel das von Fritzweiler/Pfister/Summerer herausgegebene Werk „Praxishandbuch Sportrecht“ in Frage, welches sämtliche in Frage kommenden Themenbereiche anspricht. Für die bereits voll ausgebildeten und im Berufsleben stehenden Juristen könnte die entsprechende Qualifikation in ähnlicher Form wie der Erwerb einer Fachanwaltsqualifikation angeboten werden. Als Referenten würden die das Fachgebiet lehrenden Universitätsprofessoren, erfahrene Sportrechtsanwälte oder bereits mehrfach mit sportrechtlichen Sachverhalten befasste Richter fungieren. Mit diesen Vorgaben wäre gewährleistet, dass die Schiedsrichter am Bundessportgericht gute Juristen mit einer sportrechtlichen Fachausbildung sind, hinreichend Berufserfahrung besitzen und selbst aktiv Wettkampfsport betreiben oder betrieben haben, so dass sie sich gut in die Sportler hineinversetzen können.

Die Vereinbarkeit von Schiedsabreden und Schiedsgerichten

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d) Ausschlussgründe Damit die größtmögliche Gewähr für eine grundsätzlich unabhängige Gerichtsbarkeit geboten werden kann, ist ferner streng darauf zu achten, dass auch nur der Verdacht, ein Schiedsrichter könnte befangen sein, so gut es geht, ausgeschlossen ist. Als in den Jahren 1997/98 über die Formulierung einer am Beispiel des Deutschen Leichtathletikverbandes erarbeiteten Muster Athletenvereinbarung durch den Deutschen Sportbund103 und eine diesbezügliche Schiedsvereinbarung104 diskutiert wurde, machte der Beirat der Aktiven für die Schiedsvereinbarung folgenden Änderungsvorschlag: „§ 2 Schiedsgericht, Ziffer 2:... Dem Schiedsgericht dürfen insbesondere keine Personen angehören, die Mitglied eines Verbandsorgans im deutschen, ausländischen oder internationalen Sport sind oder in den vergangenen fünf Jahren waren; sich in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zu einem Sportverband oder Sportverein befinden oder sich in den vergangenen fünf Jahren befunden haben, in dem die betreffende Sportart ausgeübt wird ...“ 105

Auch wenn diese Formulierung m. E. nach doch etwas zu weit geht, zeigt sie deutlich, wie groß das Misstrauen der Sportler ist, Schiedsgericht und Verband würden ohnehin gemeinsame Sache machen.

3. Unabhängiger Träger Streng darauf zu achten ist schließlich, dass der Träger des Bundesportgerichtes, in welcher Rechtsform er auch immer errichtet wird, ebenfalls unabhängig von den Verbänden ist. Es wird daher vorgeschlagen, die Finanzierung schlussendlich über die Verbände von allen Sportlern vornehmen zu lassen. Pro Sportler wäre vom betreffenden Verband dann jährlich ein fester Betrag an den Träger des Bundessportgerichts abzuführen. Angesichts der Tatsache, dass in den unter dem Dach des Deutschen Olympischen Sportbundes zusammengefassten rund 90.700 Vereinen im Jahre 2008 insgesamt ungefähr 27,5 Millionen106 Sportlerinnen und Sportler registriert waren, erscheint es durchaus vernünftig, die Kosten des Gerichts durch eine solche Umlage zu finanzieren. Die Abhängigkeit von einzelnen Verbänden oder dem NOK wäre ausgeschlossen. ___________ 103 Abgedruckt bei Haas/Prokop/Niese, Muster einer Athletenvereinbarung, SpuRt 1996, 189 ff. 104 Abgedruckt bei Haas/Prokop (Fn. 9), S. 191 f. 105 Zit. nach Fikentscher/Schmitt/Sonn (Fn. 60), S. 93. 106 Vgl. http://www.dosb.de/de/service/statistiken/ (zuletzt abgerufen am 15.12. 2008).

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Und alleine eine jährliche Abgabe von 0,50 Euro pro Vereinsmitglied ergäbe eine sehr stattliche finanzielle Ausstattung des Gerichtes.

VII. Zusammenfassung Als Ergebnis ist somit festzuhalten: Die Konfliktlösung durch „echte“ Schiedsgerichte im Sport bietet in puncto Fachkunde und Geschwindigkeit erhebliche Vorteile gegenüber der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Da aber nach dem Rechtsstaatsprinzip niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf, ist es für eine wirksame Schiedsabrede unverzichtbar, dass eine Schiedsvereinbarung freiwillig abgeschlossen wird und das Schiedsgericht überparteilich ist. Ersteres wird daher nur geschehen, wenn das Schiedsgericht schon bei abstrakter Betrachtung eine Gewähr für hinreichende Unabhängigkeit bietet. Von daher muss vor allem den größten Befürwortern solcher Schiedsgerichte, nämlich den Verbänden, daran gelegen sein, ein Schiedsgericht einzurichten bzw. anzubieten, das neutral ist.107 Da zudem eine verbandsübergreifende Fragen betreffende Vereinheitlichung der nationalen Sportrechtsprechung sinnvoll erscheint, wäre es angebracht, die Errichtung eines verbandsunabhängigen von den Sportlern finanzierten Bundessportgerichtes voranzutreiben. Dann könnten, sofern in Verfahren an diesem Gericht die weiteren Vorgaben des Rechtstaatsprinzips beachtet werden, künftig möglicherweise diverse presseträchtige langwierige Streitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten vermieden werden.

___________ 107 Als eine solche könnte sich in den nächsten Jahren das unter dem Dach der DIS errichtete „Deutsche Sportschiedsgericht“ etablieren, das am 01.01.08 die Arbeit aufgenommen hat, vgl. hierzu oben Fn. 4.

Minderjährige Hochleistungssportler – Arbeitnehmer? Von Matthias Köhler

I.

Einführung ........................................................................................................ 119

II. Minderjährige Hochleistungssportler als Arbeitnehmer.................................... 120 1.

2.

Begriffsbestimmungen............................................................................... 120 a)

Kind, Jugendlicher ............................................................................. 121

b)

Hochleistungssport............................................................................. 121

Voraussetzungen des Arbeitnehmerbegriffes ............................................ 122 a)

Arbeit ................................................................................................. 123 aa) Befriedigung eines Fremdbedarfs ............................................... 123 bb) Sportleistung als Mittel zum Gelderwerb ................................... 126 cc) Ergebnis zu a) ............................................................................. 129

b)

Privatrechtlicher Vertrag .................................................................... 130 aa) Verein ......................................................................................... 130 bb) Verband ...................................................................................... 131 cc) Stiftung Deutsche Sporthilfe....................................................... 132 dd) Ergebnis zu b)............................................................................. 133

c)

Abhängige Arbeit............................................................................... 134 aa) Verein ......................................................................................... 134 bb) Verband ...................................................................................... 134 cc) Stiftung Deutsche Sporthilfe....................................................... 136 dd) Ergebnis zu c) ............................................................................. 137

III. Fazit und Ausblick ............................................................................................ 137

I. Einführung Bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen war Fabian Hambüchen mit gerade einmal 16 Jahren jüngster deutscher Olympia-Teilnehmer und galt schon

120

Matthias Köhler

damals als das größte Talent der deutschen Turner. Seine Leistungen und sein Erfolg kommen aber nicht von ungefähr – vorausgegangen war ein beträchtlicher zeitlicher Aufwand für Training und Wettkampf.1 Turnerinnen im Alter zwischen 9 und 12 Jahren beispielsweise müssen wöchentlich nicht selten über 25 Stunden für das Training investieren,2 weil man festgestellt hat, dass gerade Mädchen in diesem Alter gute biomechanische Eigenschaften und Voraussetzungen haben.3 Es stellt sich die Frage, wie die Beziehungen dieser Kinder und Jugendlichen zu ihrem Verband, Verein und anderen Organisationen rechtlich zu bewerten sind. Angesichts von Berichten über Fünfjahresverträge mit 16jährigen Fußballspielern mit einem garantierten Gehalt von – monatlich – 18.000 Euro4 drängt sich diese Frage geradezu auf. Wegen der kommenden geburtenschwachen Jahrgänge ist zu erwarten, dass sich das Buhlen um talentierte Nachwuchssportler noch verstärken wird.5 Die Steigerung der Leistungen einerseits genauso wie die Erwartungen an die Sportler andererseits sind logische Folgen. Die Verpflichtung eines 9-Jährigen durch Manchester United und die des 13-jährigen Peruaners Pierre Larrauri durch den FC Bayern München sind nur der Anfang dieser Entwicklung.6

II. Minderjährige Hochleistungssportler als Arbeitnehmer 1. Begriffsbestimmungen Für die Erörterung der Arbeitnehmereigenschaft im Kinder- und Jugendhochleistungssport sollen zuerst die Begriffe Kind, Jugendlicher und Hochleistungssport bestimmt werden. Erst im Anschluss daran wird auf die Voraussetzungen des Arbeitnehmerbegriffes einzugehen sein.

___________ 1

So Biermann, Focus Olympia 2004 Spezial; (zuletzt abgerufen am 15.05.2008). 2 Siehe ausführlich Weischenberg, Kindheit im modernen Kinderhochleistungssport, 1996, S. 326 ff. 3 Vgl. Paschen, Kinder im Hochleistungssport, in: Saadi-Varchmin (Hrsg.), Kinderarbeit ist verboten!, 1984, S. 96 (96). 4 Beispiel aus Walker, Arbeits- und verbandsrechtliche Aspekte des Kindersports, in: Walker (Hrsg.), Kinder- und Jugendschutz im Sport, 2001, S. 45 (47 f.). 5 Vgl. Brinkhoff/Ferchhoff, Jugend und Sport, 1990, S. 104 f. 6 Vgl. ohne Verfasser, Der Neue Tag vom 07.08.2007, 10 (10).

Minderjährige Hochleistungssportler

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a) Kind, Jugendlicher Für die Unterscheidung zwischen Kindern und Jugendlichen sollen die Altersstufen des Jugendarbeitsschutzgesetzes als Richtschnur dienen. Kind ist nach § 2 I JArbSchG, wer noch nicht 15 Jahre alt ist.7 Demgegenüber ist Jugendlicher im Sinne des § 2 II JArbSchG, wer 15, aber noch nicht 18 Jahre alt ist.

b) Hochleistungssport Häufig wird der Begriff „Hochleistungssport“ verwendet, ohne vorher seinen Inhalt und Umfang zu definieren.8 Nach Pougin9 gehören zum „Hochleistungssport“ ein in verschiedenartiger Hinsicht spezialisiertes sowie systematisiertes Training, verbunden mit dem Streben nach absoluter Höchstleistung, die Zugehörigkeit des Sportlers zu einem A-, B- oder C-Bundeskader sowie die Förderung durch die Stiftung Deutsche Sporthilfe. Dieser Begriffsbestimmung ist insofern zuzustimmen, als in Abgrenzung zum Breitensport im Bereich des Hochleistungssports ein spezialisiertes und systematisiertes Training betrieben wird. Das Training im Leistungssport wird mit dem Ziel verfolgt, einen Erweiterungsprozess der sportlichen Leistungsförderung in Gang zu setzen und zu unterstützen.10 Zu eng ist diese Begriffsbestimmung aber, soweit sie den Bereich des Hochleistungssports nur auf Sportler beziehen möchte, die einem A-, B- oder C-Bundeskader angehören. Bei einem solchen Verständnis würde man insbesondere weite Bereiche der Nachwuchsförderung in den Mannschaftssportarten übergehen. Immer mehr Fußballvereine gründen Sportinternate, auch als Leistungszentren bezeichnet, in denen sie ihrem Nachwuchs schon frühzeitig das Rüstzeug für eine spätere Fußballkarriere mit auf den Weg geben. Exemplarisch seien hier das NachwuchsLeistungszentrum des Fußballbundesligisten Hannover 9611 und das Sportinternat des Drittligisten SSV Jahn Regensburg12 genannt. In derartigen Einrichtun___________ 7 In der Erziehungswissenschaft wird dagegen von einem Kind bisweilen nur bis zum 12. Lebensjahr gesprochen: siehe nur Weber, Pädagogik, Band I Teil 2, 1996, S. 44. 8 Anders aber Fahlbusch-Wendler, Kinderhochleistungssport, 1982, S. 20 ff.; Pougin, Die verfassungsrechtliche Bewertung des Kinderhochleistungssports, 2000, S. 16 ff. 9 Vgl. Pougin (Fn. 8), S. 20. 10 Siehe ausführlich zu den Zielen und Möglichkeiten im Kindertraining Martin, Zielsetzung und Leistungsentwicklung im Kindertraining, in: Howald (Hrsg.), Kinder im Leistungssport, 1982, S. 208 (208 ff.). 11 Siehe im Internet: (zuletzt abgerufen am 01.08.2007). 12 Siehe im Internet: (zuletzt abgerufen am 01.08.2007).

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gen wird professionelle Talentförderung betrieben. Verantwortlich hierfür ist ein qualifizierter Trainerstab, der im Rahmen eines regelmäßigen Trainingsbetriebs und durch zusätzliches Talenttraining gezielt für den Lizenzbetrieb geeignete junge Sportler fördert.13 Auch dort wird Hochleistungssport betrieben. Zwar trifft es zu, dass der Sportler, der von der Deutschen Sporthilfe gefördert wird, Hochleistungssport betreibt, weil Voraussetzung für die Förderung die Zugehörigkeit der Sportler zu einem Bundeskader eines von der Deutschen Sporthilfe geförderten Spitzenverbandes ist. Jedoch geht der daraus hergeleitete Umkehrschluss, dass ein Hochleistungssport nur bei einer Förderung des Sportlers durch die Deutsche Sporthilfe vorliegt, fehl. Zu denken ist wieder an die gerade erwähnten Fußballspieler in den Internaten und NachwuchsLeistungszentren, insbesondere aber an ausländische Kinder und Jugendliche, die genauso am Training teilnehmen wie deutsche, indes wegen der fehlenden deutschen Staatsangehörigkeit nicht in den Bundeskader aufgenommen werden können.14 Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass Hochleistungssport immer dort betrieben wird, wo intensives, leistungsorientiertes und auf gewisse Dauer angelegtes Training auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse von einem entsprechend qualifizierten Betreuerstab durchgeführt wird. Auf eine Zugehörigkeit zu einem Bundeskader oder eine Förderung durch die Deutsche Sporthilfe kommt es dabei nicht an.

2. Voraussetzungen des Arbeitnehmerbegriffes Nachdem die Begrifflichkeiten geklärt sind, muss erörtert werden, ob die Voraussetzungen des Arbeitnehmerbegriffes nach der Rechtsprechung des BAG15 – „Arbeit“, privatrechtlicher Vertrag, abhängige Arbeit – im Bereich des Kinder- und Jugendhochleistungssports vorliegen.

___________ 13 Siehe ohne Verfasser, Konzept, (zuletzt abgerufen am 01.08.2007). 14 Siehe exemplarisch zur Voraussetzung der deutschen Staatsangehörigkeit für die Aufnahme in den Bundeskader Deutscher Schach Bund, DSB-Turnierordnung B-2 Mannschaftsmeldung, Spielberechtigung; (zuletzt abgerufen am 01.08.2007). 15 Siehe statt vieler BAG NZA-RR 2007, 424 (424 ff.); BAG AP BGB § 611 Nr. 26 Abhängigkeit.

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a) Arbeit Wenn junge Hochleistungssportler, wie beispielsweise der bereits erwähnte Fabian Hambüchen mit 16 Jahren mindestens vier Stunden am Tag für Training und Wettkampf aufbringen16 ist es naheliegend, das Vorliegen von „Arbeit“ auf den ersten Blick zu bejahen. Das gilt erst Recht dann, wenn man berücksichtigt, dass auch schon Kinder im Alter von 10 Jahren über 25 Stunden die Woche für Wettkämpfe und Training aufbringen.17 Andererseits könnte man die Auffassung vertreten, dass es sich bei Training und Wettkampf nicht um Arbeit im arbeitsrechtlichen Sinne, sondern vielmehr – trotz der eben aufgezeigten zeitlichen Belastung – um eine Freizeitbeschäftigung handelt, bei der sich der Sportler die geforderten Fähigkeiten spielerisch aneignet. Aus diesem Grunde ist es in diesem Bereich lohnend zu untersuchen, ob die sportliche Betätigung tatsächlich Arbeit im arbeitsrechtlichen Sinne darstellt.18 Von „Arbeit“ kann ganz allgemein bei jedem dem Vertragspartner irgendwie nützlichen Handeln gesprochen werden, unabhängig davon, ob sie im Schwerpunkt dem körperlichen oder dem geistigen Bereich zugeordnet werden kann.19 Nach der Definition der Rechtsprechung liegt „Arbeit“ bei jeder Tätigkeit vor, die der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient.20 In Abgrenzung zum Spiel und Sport liegt „Arbeit“ im hier allein interessierenden Bereich des Sports dann vor, wenn die sportliche Betätigung zumindest auch der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Wird die Sportleistung entgeltlich erbracht, spricht das als Indiz zudem für eine Einordnung zum Bereich der „Arbeit“.21

aa) Befriedigung eines Fremdbedarfs Die Arbeit wird dann zur Befriedigung eines Fremdbedarfs geleistet, wenn sie nach den Anschauungen im Wirtschaftsleben einen wirtschaftlichen Wert darstellt.22 Insbesondere Walker23 lehnt das für den Bereich des Kinderhochleis___________ 16 So Biermann, Focus Olympia 2004 Spezial, (zuletzt abgerufen am 15.05.2008). 17 Vgl. Weischenberg (Fn. 2), S. 326 ff. 18 Siehe zum Begriff „Arbeit“ ausführlich Köhler, Der Arbeitnehmerbegriff im Sport, im Erscheinen, B. I. 1. 19 So Hanau/Adomeit, 2007, Arbeitsrecht, Rn. 517. 20 Vgl. BAG NZA 2001, 458 (458 ff.). 21 In der Literatur wird es teilweise abgelehnt die Entgeltlichkeit als Indiz bzw. Merkmal für die Abgrenzung fruchtbar zu machen. Siehe dazu ausführlich Köhler (Fn. 18), B. I. 1. b. 22 Siehe nur Preis, Arbeitsrecht, 2003, § 8 II. 3. a. S. 48 f. 23 Vgl. Walker (Fn. 4), S. 45 (59 f.).

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tungssports ab. Er begründet dies damit, dass es dort keine Vermarktung der Tätigkeiten der Kinder gibt, durch die nicht nur der den Vereinen und Verbänden entstandene Aufwand gedeckt, sondern darüber hinaus auch Gewinn erzielt wird. Die Pflege des Nachwuchssports sei selbst dann keine Beschäftigung im wirtschaftlichen Sinne, wenn sich der Verein einen späteren wirtschaftlichen Nutzen verspricht. Zudem erspare sich der Verein oder der Verband nicht die Kosten für eine sonst erforderliche Ersatzkraft, weil es sich nicht um eine Tätigkeit handele, die auf jeden Fall von irgendeiner Arbeitskraft verrichtet werden müsse. Nach der Regelung des § 8 Spielordnung BFV, die hier als Beispiel dienen soll, müssen Vereine, die zum Herren-Verbandsspielbetrieb zugelassen werden wollen, zugleich Junioren- oder Juniorinnen-Mannschaften zum Spielbetrieb melden. Bayernligavereine müssen danach mindestens drei Juniorenmannschaften im Spielbetrieb vorweisen können. Erfüllt der Verein diese Pflicht nicht, droht nach drei Jahren neben einer Geldstrafe der Zwangsabstieg. Schon deswegen sind die Vereine sehr interessiert daran, Jugendmannschaften im Spielbetrieb zu haben. Die Tätigkeit des jungen Fußballspielers muss, möchte man den Zwangsabstieg vermeiden, in jedem Fall von irgendeiner Arbeitskraft verrichtet werden. Die Mannschaften der 1. und 2. Bundesliga erhalten sogar erst dann die Lizenz für den Spielbetrieb, wenn sie Leistungszentren als Fördereinrichtungen des Juniorenfußballs führen (§ 3 Nr. 2 Lizenzordnung Ligaverband). Allein für die Aufsteiger zur 2. Bundesliga gibt es gem. § 3 Nr. 2 Lizenzordnung Ligaverband eine einjährige Schonfrist. Der strukturelle Aufbau dieser Leistungszentren wird den Vereinen durch die Regelungen in Anhang V zur Lizenzordnung Ligaverband24 genau vorgeschrieben. Insbesondere wird von den Profivereinen verlangt, dass sie mindestens sieben und maximal neun Mannschaften in diesen Leistungszentren führen, die am Spielbetrieb teilnehmen (§ 2 b) Anhang V zur Lizenzordnung Ligaverband). Der Hinweis, dass die im Anhang der Lizenzierungsordnung des Ligastatuts geregelten Beschränkungen der maximal möglichen Anzahl von Spielberechtigungen in den einzelnen Altersbereichen zu beachten sind (§ 7 a Nr. 1 Jugendordnung DFB)25, zeigt, dass insbesondere Vereine mit höherklassigen Nachwuchsmannschaften ihre Kontingente stets voll nutzen. Aktuell haben die Vereine der 1. Bundesliga 145 U-12- bis U-23-Mannschaften im Spielbetrieb mit 2779 Spielern.26 Fällt ein ___________ 24 Anhang V zur Lizenzordnung des Ligaverbandes steht im Internet als Download zur Verfügung: (zuletzt abgerufen am 06.08.2007). 25 Die Jugendordnung des DFB steht im Internet als Download zur Verfügung: (zuletzt abgerufen am 03.08.2007). 26 Vgl. ohne Verfasser, Nachwuchsleistungszentren im Profifußball, (zuletzt abgerufen am 04.08.2007).

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Nachwuchssportler aus, würde dieser demnach schnell entsprechend ersetzt. Das gilt nicht nur für den Fußballsport. Der DSB etwa fordert in seinem Förderkonzept 201227 unabhängig von der Sportart eine Reduzierung und Regulierung der A- bis C-Bundeskadergrößen, um dadurch eine Effektivierung zu erreichen. Wenn die Verbände bisher nach Ansicht des DSB zu viele Athleten für den Bundeskader nominiert haben, dann ist zu erwarten, dass die Plätze erst recht voll ausgeschöpft werden, wenn weniger Nominierungen möglich sind. Im Verbandsinteresse wird jeder Ausfall auch im Nachwuchsbereich umgehend ersetzt. Nur bei optimaler Jugendförderung kommen die Verbände ihrer Aufgabe ausreichend nach, die Jugendarbeit in besonderem Maße zu fördern.28 Der wirtschaftliche Wert der Sportleistung der Kinder und Jugendlichen kann sich auch darin zeigen, dass der Verein oder der Verband Einnahmen aus der Vermarktung der Sportleistung erzielt. Unbeachtlich ist, ob es dem Veranstalter dabei um eine Gewinnerzielung oder nur um die Erwirtschaftung der Aufwendungen für die Jugendarbeit geht.29 Warum soll bei der Betätigung in Vereinen und Verbänden eine Gewinnerzielungsabsicht des Veranstalters hinzutreten müssen?30 Die Begründung, im Rahmen solcher Veranstaltungen handelten die Sportler als Mitglieder ihres Vereins, geht fehl. Die Frage, wie die Beziehung des Sportlers zum Veranstalter rechtlich einzuordnen ist, wird nämlich erst beim nächsten Prüfungspunkt „privatrechtlicher Vertrag“ relevant. Fraglich bleibt aber dennoch, ob der Verein oder der Verband Einnahmen aus der Vermarktung der Sportleistung im Kinder- und Jugendhochleistungssport verbuchen kann. Mit Blick auf § 30 der Jugendordnung des DFB kann von Einnahmen auch schon im Nachwuchsbereich ausgegangen werden. Danach hat der DFB das Recht, über die Fernseh-, Hörfunk- und Onlinevermarktungsrechte der A- und B-Junioren-Bundesliga zu verfügen. B-Junioren sind Spieler ab 14 Jahren und damit Kinder im Sinne des JArbSchG. Die Gewinne werden nach Abzug von 15 % für den DFB gleichmäßig auf die beteiligten Vereine verteilt. ___________ 27

Das Förderkonzept des Deutschen Sportbundes steht im Internet als Download zur Verfügung:

(zuletzt abgerufen am 03.08.2007). 28 Vgl. exemplarisch § 4 der Satzung des DFB. Aufgabe und Zweck des DFB ist danach insbesondere, den Jugendbereich zu fördern. Die Satzung des DFB steht als Download im Internet zur Verfügung: (zuletzt abgerufen am 03.08.2007). 29 Vgl. Richardi/Wlotzke/Gitter, Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 2000, § 202/Rn. 4; Schmidt, RdA 1972, 84 (85). 30 So aber Jugendarbeitsschutzgesetz Zmarzlik/Anzinger, 1998, § 1/Rn. 48 ff.

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Treten 14-jährige Kinder beim Fußball in Nachwuchsmannschaften auf, erbringen deren Altersgenossen, etwa beim Kunstturnen oder Eiskunstlauf, in diesem Alter bereits Spitzenleistungen bei Wettbewerben wie den Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften.31 Bei diesen Sportarten ist der junge Sportler nicht mehr nur das Nachwuchstalent, sondern schon der Star der Erwachsenenmannschaft, um dessen willen die Massen zu den Sportveranstaltungen strömen. Spätestens dann kann nicht mehr damit argumentiert werden, der Verein oder der Verband würde entsprechende Veranstaltungen mit diesen Sportlern nicht austragen, um Einnahmen und sogar Gewinne zu erzielen, was für die Vertreter der Gegenauffassung notwendige Voraussetzung für den Begriff der „Arbeit“ ist. Mithin befriedigen die Hochleistungssportler auch schon im Kinder- und Jugendbereich fremde Bedürfnisse.

bb) Sportleistung als Mittel zum Gelderwerb Insbesondere im Sport muss Erwerbstätigkeit von der reinen Freizeitbeschäftigung abgegrenzt werden. Starkes Indiz für das Vorliegen von „Arbeit“ im arbeitsrechtlichen Sinne ist, dass der Sportler seine Sportleistung zumindest auch als Mittel zum Gelderwerb einsetzt. Für diejenigen Sportler, die 18.000 Euro monatlich und mehr bekommen, ist diese Frage leicht beantwortet. Das gilt auch für die Spieler der Nachwuchsleistungszentren der Fußball-Bundesliga. Bei einer von Theurich32 durchgeführten Umfrage gaben 195 von 310 befragten Spielern an, für ihr Fußballspielen ein monatliches Entgelt zu erhalten. Schwierig ist die Beurteilung hingegen in den anderen, weitaus häufigeren Fällen. In der Literatur33 wird die Ansicht vertreten, dass das Eigeninteresse der Kinder und Jugendlichen im Hochleistungssport so sehr im Vordergrund stehe, dass deshalb deren Sportleistungen nicht als „Arbeit“ qualifiziert werden könnten, selbst wenn sie für die erbrachte Leistung finanzielle Zuwendungen erhielten. Dabei wird aber vernachlässigt, dass die große zeitliche Belastung von 25 Stunden in der Woche und mehr dazu führt, dass in den meisten Fällen keiner der jungen Sportler den Leistungssport als reine Freizeitbeschäftigung sieht. Das häufige Training und die Wettkämpfe am Wochenende sowie der dabei geforderte Ernst machen den Leistungssport mehr zur Pflicht als zur Freizeitbeschäftigung.34

___________ 31

Vgl. Steiner, SpuRt 1999, 221 (221). Vgl. Theurich, Zulässigkeit der Förderverträge, 2006, S. 252. 33 So Fahlbusch-Wendler (Fn. 8), S. 224 ff.; dagegen: Pougin (Fn. 8), S. 133 ff. 34 Siehe entsprechende Untersuchungen darüber bei Weischenberg (Fn. 2), S. 351 f. 32

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Grundsätzlich setzt der Sportler seine Leistung als Mittel zum Gelderwerb dann ein, wenn er anlässlich der Sportleistung Zahlungen erhält, die über das hinausgehen, was ihm tatsächlich als Aufwand dafür entstanden ist. Das hängt grundsätzlich vom Einzelfall ab. Es ist daneben aber auch in Betracht zu ziehen, ob unabhängig von etwa geleisteten Geldzahlungen nicht die intensive Ausbildung als solche die Sportleistung als Mittel zum Gelderwerb macht. Der Sport würde auf jeden Fall dann als Mittel zum Gelderwerb betrieben, wenn die erhaltene Ausbildung aus arbeitsrechtlicher Sicht eine Vergütung darstellen würde. Der arbeitsrechtliche Vergütungsbegriff ist dabei weit – als jeder geldwerte Vorteil – zu verstehen.35 Nach der Rechtsprechung des BAG36 stellt die Ausbildung dann einen geldwerten Vorteil dar, wenn sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder im Bereich des bisherigen Arbeitgebers berufliche Möglichkeiten eröffnet, die dem Ausgebildeten zuvor verschlossen waren. Der allgemeine Arbeitsmarkt umfasst alle denkbaren Aufgaben, für die auf dem Markt Nachfrage und Angebot besteht.37 Problematisch ist dabei, ob man in diesem Zusammenhang von Ausbildung sprechen kann, wenn man von der Berufsausbildung im Sinne des Berufsausbildungsgesetzes ausgeht. Dann müsste es sich hier um einen Ausbildungsberuf gem. § 4 BBiG handeln, der durch Rechtsverordnung als solcher anerkannt ist (§ 4 I BBiG). Das Fußballspielen oder das Turnen wurde noch nicht als Ausbildungsberuf anerkannt. Indes bezieht sich die hier interessierende Rechtsprechung des BAG nicht auf die Ausbildungsberufe, sondern versteht den Begriff vielmehr sehr weit, eben als jede denkbare Ausbildung, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder im Bereich des bisherigen Arbeitgebers berufliche Möglichkeiten eröffnet. Hierunter lässt sich auch die Ausbildung, die die Sportler über Jahre hinweg von qualifizierten Trainern erhalten, subsumieren.38 Durch das umfangreiche Trainingsprogramm verbessern die Sportler nicht nur ihre Fähigkeiten für den Wettkampf, sondern erhalten darüber hinaus einen detaillierten Einblick in verschiedene Trainingsmethoden und Trainingsabläufe. Während der Sportwettkämpfe interessieren sich die Sportler zwar in erster Linie für ihren Wettkampf, doch werden sie dabei auch für Organisation und Austragung solcher Veranstaltungen sensibilisiert. Die so erworbenen Fähigkeiten können die Sportler dann, teilweise auch ohne weitere Ausbildung, nutzen, um auf dem Arbeitsmarkt in vielfältiger Weise Fuß zu fassen. Allgemein bekannt ___________ 35

Vgl. statt vieler Schaub/Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 2007, § 66/Rn. 4. Siehe BAG AP BGB § 611 Nr. 33 Ausbildungsbeihilfe. 37 Siehe nur Sozialgesetzbuch SGB VI/Hauck/Kamprad, 2007, § 43/Rn. 33 f. 38 Der DFB hat eigens eine Ausbildungsordnung erlassen, um die Qualität der Lehrarbeit im DFB und seinen Mitgliedsverbänden weiter zu verbessern. Die Ausbildungsordnung steht im Internet als Download zur Verfügung: (zuletzt abgerufen am 07.10.2007). 36

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ist das Beispiel von Teamchef Franz Beckenbauer, der die deutsche Nationalmannschaft 1990 zum Gewinn der Fußballweltmeisterschaft führte – ohne jede Ausbildung zum Trainer und deshalb ohne A-Trainerlizenz, weswegen Beckenbauer nie als „Trainer“, sondern als „Teamchef“ bezeichnet wurde. Selbstverständlich ist eine solche Erfolgsgeschichte die Ausnahme. In der Mehrzahl der Fälle verlaufen die Engagements nach den Karrieren im Hochleistungssport weniger spektakulär. Aber dennoch nutzen viele ihre durch den Hochleistungssport erworbenen Fertigkeiten. Einige bleiben ihrem Sport unmittelbar verbunden, indem sie ihr Wissen als Trainer oder Betreuer weitergeben. Im Mannschaftssport heuern etliche Spieler, die den Sprung von den Nachwuchsmannschaften in den Lizenzbereich ihres Vereins nicht schaffen, gegen eine entsprechende Entlohnung in unteren Ligen an oder nutzen diese Möglichkeiten, wenn sie für den Profibereich zu alt sind. Beispiele dafür gibt es viele, etwa Martin Driller, der am Ende seiner Karriere noch einmal bei der SpVgg Bayreuth in der Regionalliga Geld verdiente. Zu diesem Bild passt auch, dass sich beispielsweise der FC Schalke 04 selbst bezüglich seiner Nachwuchsförderung als „leistungsorientierter Ausbildungsbetrieb“ sieht.39 Manche ehemaligen Hochleistungssportler machen sich selbstständig und profitieren so auch nachträglich von ihrer leistungssportlichen Karriere. Sie betreiben Sportschulen und Gesundheitshäuser oder veranstalten große Sportevents, wie Carl-Uwe Steeb, der seit Mai 2007 als Turnierdirektor des größten deutschen Tennisturniers, des Turniers „Am Rothenbaum“ in Hamburg, verantwortlich zeichnet. Die Liste dieser Möglichkeiten ließe sich noch weiterführen.40 Auf den ersten Blick scheint diese Argumentation angreifbar. Man könnte vorbringen, es handele sich bei den gezeigten vielfältigen Möglichkeiten um Einzelerscheinungen, die nicht verallgemeinert werden könnten. Deshalb existiere auch kein allgemeiner Arbeitsmarkt für die ehemaligen Spitzensportler, auf dem deren Fähigkeiten nachgefragt werden. Solche Bedenken lassen sich aber mit Hinweis auf zahlreiche41 Untersuchungen über die Berufskarrieren der Sportler nach ihrer Sportlaufbahn zerstreuen. Umfangreiche Recherchen haben gezeigt, dass mehr als ein Viertel der Hochleistungssportler nach der aktiven Zeit vornehmlich als Trainer im Hochleistungssport verbleibt.42 Eine Nachfrage nach diesen Sportlern besteht demnach, wie zudem folgende Zahlen zeigen: In Deutschland werden über eine ___________ 39 Dazu ohne Verfasser, Nachwuchskonzept des FC Schalke 04, (zuletzt abgerufen am 07.08.2007). 40 Siehe zum Arbeitsmarkt Sport ausführlich Haag/Heinemann, Berufsfeld Sport, 1987; Lange, Arbeitsmarkt Sport, 1995. 41 Siehe nur Conzelmann/Gabler/Nagel, Hochleistungssport – persönlicher Gewinn oder Verlust?, 2001; Nagel, Medaillen im Sport – Erfolg im Beruf?, 2002. 42 Vgl. Nagel (Fn. 41), S. 198 ff.

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Million Arbeitsplätze dem Sport zugerechnet, das sind ca. 3,3 % der abhängig Beschäftigten in Deutschland. Allein im Deutschen Sportbund bieten etwa 16.000 Verbände und Vereine hauptamtliche Beschäftigungsmöglichkeiten, von denen freilich einige besondere Qualifikationen wie ein sportwissenschaftliches Studium voraussetzen.43 Ob die Sportler diese Möglichkeiten auch nutzen, ist für die Frage, ob die Ausbildung einen geldwerten Vorteil darstellt, unerheblich. Nach alledem ist festzustellen, dass die Kinder und Jugendlichen im Hochleistungssport schon durch das umfangreiche Trainings- und Wettkampfprogramm jedenfalls einen geldwerten Vorteil erhalten, so dass es auf eine über dem Aufwendungsersatz liegende Geldzahlung daneben nicht mehr ankommt. Das wird in verstärktem Maße gelten, wenn die Verantwortlichen eine Forderung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften aus dem Weißbuch des Sports44 umsetzen, wonach neben der Sportausbildung frühzeitig eine „parallele Berufsausbildung“ für junge Sportler in qualitativ hochwertigen lokalen Berufsausbildungszentren angeboten werden soll.45 Ziel ist, die Wiedereingliederung von Berufssportlern in den Arbeitsmarkt nach Abschluss ihrer sportlichen Karriere sicherzustellen. Indes ist die Erlangung eines geldwerten Vorteils nur ein Indiz für die Abgrenzung zwischen „Arbeit“ und reiner Freizeitbeschäftigung, so dass immer im Einzelfall geprüft werden muss, ob der Hochleistungssportler seine Sportleistung nicht doch ausnahmsweise nur um ihrer selbst willen erbringt. Hochleistungssportler, die einen Trainingsaufwand von 25 und mehr Stunden in der Woche nur als Freizeitbeschäftigung sehen, dürfte es aber kaum geben.46

cc) Ergebnis zu a) Im Hochleistungssport dient die Sportleistung zur Befriedigung eines Fremdbedarfs und in aller Regel wird sie auch als Mittel zum Gelderwerb erbracht. Die im Hochleistungssport erbrachte Leistung stellt mithin „Arbeit“ im arbeitsrechtlichen Sinne dar.

___________ 43

Vgl. Spangenberg, Berufsausbildung im Sport, 2001, S. 8 ff. Das Weißbuch des Sports steht im Internet als Download zur Verfügung: < http://ec.europa.eu/sport/white-paper/index_en.htm> (zuletzt abgerufen am 03.10. 2008). 45 Siehe Weißbuch des Sports, S. 6. 46 Siehe umfangreiche Untersuchungen hierzu bei Weischenberg (Fn. 2), S. 351 f. 44

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b) Privatrechtlicher Vertrag Nachfolgend ist zu untersuchen, ob der Hochleistungssportler seine Sportleistung aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages erbringt. Als Vertragspartner kommen dabei in erster Linie der Verein, der Verband und die Deutsche Sporthilfe in Betracht.

aa) Verein Bei der Erörterung, auf welcher rechtlichen Grundlage der minderjährige Sportler seine Sportleistung erbringt, sollen die Beziehungen der Fußballspieler zu ihrem Verein in den Leistungszentren der Profivereine als Beispiel dienen. Zu Beginn muss dabei geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen ein Spieler im Nachwuchsbereich eine Spielberechtigung in den entsprechenden Klassen erhält. Möglicherweise lässt sich daraus folgern, welche rechtlichen Verbindungen zwischen den Beteiligten denkbar sind. Spielberechtigt ist nach § 10 Nr. 1.1 Spielordnung DFB nur derjenige, der nach den Vorschriften seines Mitgliedsverbandes eine Spielerlaubnis für seinen Verein erhalten hat. Für Spieler aus Bayern würde sich die Spielerlaubnis folglich nach §§ 3, 43 (1) Spielordnung BFV richten. Daraus ergeben sich drei mögliche Konstellationen: der Amateurspieler im Sinne des § 3 (2) Spielordnung BFV, der nur in einem mitgliedschaftlichen Verhältnis zu seinem Verein steht; der Vertragsspieler, der daneben auch noch vertraglich mit dem Verein verbunden ist (§ 3 (3) Spielordnung BFV); schließlich der Lizenzspieler (§ 3 (4) Spielordnung BFV), der nur durch einen Vertrag mit seinem Verein in Verbindung steht. Die danach spielberechtigten Sportler können gem. § 28 Nr. 1 Jugendordnung DFB an den Spielen der Junioren-Bundesliga, wofür sich die meisten Nachwuchsmannschaften der Profivereine qualifiziert haben, teilnehmen. Grundsätzlich könnten die Spieler, die während der Woche täglich in den Leistungszentren trainieren und am Wochenende ein Spiel absolvieren, demnach nur durch ihre Mitgliedschaft mit ihrem Verein verbunden sein. Der Spieler, der seine Sportleistung nur aufgrund seiner Mitgliedschaft im Verein erbringt, kann schon wegen des fehlenden privatrechtlichen Austauschvertrages nicht Arbeitnehmer sein. Es muss aber bezweifelt werden, dass die Vereine der Bundesliga angesichts von Ausgaben im Jugendbereich von mehr als 43 Millionen Euro47 und der bereits erwähnten Verpflichtung, Jugendmannschaften für den Spielbetrieb zu melden, sich die Sportleistung der Nachwuchskräfte nicht ver___________ 47 Vgl. ohne Verfasser, Die Bundesliga investiert in die Stars von morgen; (zuletzt abgerufen am 06.08. 2007).

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traglich zusichern lassen. Die DFL hat auf diese Entwicklung reagiert und für die Lizenzvereine einen Musterfördervertrag48 entwickelt, der den Vereinen als Grundlage für einen Vertrag mit den Jugendfußballern dienen kann. In der Regel werden die Spitzenclubs ihre Nachwuchstalente bereits in jungen Jahren vertraglich an sich binden, schon um Versuche der Konkurrenz zumindest zu erschweren, die Stars von morgen abzuwerben. In diesen Fällen läge dann ohne Weiteres ein privatrechtlicher Vertrag als Voraussetzung für die Einordnung als Arbeitnehmer vor. Insgesamt ist demnach festzustellen, dass bei den Sportlern, die in den Nachwuchsmannschaften der Leistungszentren der Vereine der 1. und 2. Bundesliga spielen, theoretisch eine vertragliche Bindung zum Verein fehlen kann und somit die Arbeitnehmereigenschaft schon deshalb abzulehnen ist. In der Praxis ist aber wegen vorgenannter Gründe von einer Vertragsbeziehung zwischen Verein und Spieler auszugehen. Eine Umfrage bei Sportlern in diesem Bereich bestätigt dieses Ergebnis. 195 von 310 befragten Sportlern haben neben der Vereinsmitgliedschaft noch einen Vertrag mit ihrem Verein geschlossen.49

bb) Verband In Betracht kommt aber auch, dass der minderjährige Hochleistungssportler mit einem Verband in vertraglicher Beziehung steht. Näherer Untersuchung bedürfen vor allem die rechtlichen Beziehungen der Bundes- und Landessportfachverbände mit den Sportlern, die in den Leistungszentren (wie sie beispielsweise für die Sportarten Turnen und Schwimmen existieren) eingegliedert sind. Der Verband als Vertragspartner kommt in erster Linie für Einzelsportarten in Frage. Bei den volljährigen Sportlern wurde in diesem Bereich festgestellt, dass sie über eine Athletenvereinbarung mit dem Verband verbunden sind. Spezielle Mustervereinbarungen für den Bereich des Kinder- und Jugendhochleistungssports bestehen, so weit ersichtlich, nicht. Auf Grund der Tatsache, dass die Bundes- und Landessportfachverbände mit großem Aufwand entsprechende Konzepte und Förderprogramme für den Nachwuchsbereich auflegen (im Rahmen derer auch detailliert die Pflichten der Sportler wie Trainingsumfang, Teilnahme an Wettkämpfen und anderes geregelt werden50), ist vom Bestehen ___________ 48

Abgedruckt bei Theurich (Fn. 32), S. 267 ff. Vgl. Theurich (Fn. 32), S. 252. 50 Siehe hierzu nur ein entsprechendes Konzept des Deutschen Turner-Bundes: Olympischer Spitzensport 2012; (zuletzt abgerufen am 07.08. 2007). 49

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einer vertraglichen Bindung zwischen Verband und Sportler auszugehen.51 Will der Verband also den Sportler an sich binden und ihn verpflichten, an Training und Wettkampf teilzunehmen, bleibt nur der Weg, den Sportler vertraglich zu binden. Konstruktionen, die eine solch umfangreiche Verpflichtung aus dem zum Verband sogar nur mittelbar bestehenden mitgliedschaftlichen Verhältnis herleiten wollen, sind dagegen, nach vorzugswürdiger Ansicht, abzulehnen.

cc) Stiftung Deutsche Sporthilfe Um in den Genuss der Förderung der Deutschen Sporthilfe zu gelangen, ist es unabdingbar, dass der Sportler eine sogenannte Fördervereinbarung und daneben einen sogenannten Sporthilfe-Eid52 unterzeichnet. Freilich muss der Sportler zum Kreis der Förderungswürdigen gehören, mithin deutscher Spitzensportler sein, der die Aufnahmekriterien in die Bundeskader der Spitzenverbände erfüllt.53 Fraglich ist, ob in der Vereinbarung zwischen Sportler und Deutscher Sporthilfe ein gegenseitiger Vertrag als wesentliche Voraussetzung für einen Arbeitsvertrag54 zu sehen ist. Ein gegenseitiger Vertrag läge dann vor, wenn zumindest einzelne der beiderseits bestehenden Leistungspflichten im Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stehen, weil jede Partei die jeweilige Pflicht nur zu dem Zweck übernimmt, von der anderen dafür eine bestimmte Gegenleistung zu erhalten (do ut des).55 Der Sportler verpflichtet sich in § 2 1) Fördervereinbarung, die zur Leistungsverbesserung notwendigen Trainings-, Lehrgangs- und Wettkampfmaßnahmen durchzuführen. Darüber hinaus erklärt sich der Sportler in § 2 2) Fördervereinbarung bereit, einen Solidarbeitrag von 5 % seiner Einkünfte aus Werbeverträgen an die Stiftung zu leisten. Neben anderen, in § 2 der Fördervereinbarung festgelegten Verpflichtungen muss der Sportler an jährlich bis zu drei Terminen im Rahmen von Öffentlichkeitsmaßnahmen oder Veranstaltungen der Stiftung mitwirken (§ 2 8) Fördervereinbarung). Die Leistungspflicht des Sportlers besteht demnach. ___________ 51

So auch Fahlbusch-Wendler (Fn. 8), S. 208. Der Sporthilfe-Eid steht als Download auf der Internetseite der Deutschen Sporthilfe zur Verfügung: (zuletzt abgerufen am 30.07.2007). 53 Vgl. ohne Verfasser, Grundsätze: (zuletzt abgerufen am 30.07.2007). 54 Siehe statt vieler Staudinger/Richardi, 2005, § 611/Rn. 3. 55 Siehe statt vieler MünchKomm/Emmerich, 2001, Vorbem. zu § 320/Rn. 5. 52

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Problematisch ist aber die Verpflichtung der Deutschen Sporthilfe. Zwar sagt sie in § 1 1) Fördervereinbarung zu, die sportliche und gegebenenfalls berufliche Leistungsentwicklung des Sportlers im Rahmen ihrer Förderrichtlinien zu unterstützen, jedoch schreibt die Deutsche Sporthilfe in § 1 4) Fördervereinbarung fest, dass ein Rechtsanspruch des Sportlers auf die Leistung nicht bestehe. Es liege demnach ein einseitig verpflichtender Vertrag vor. Ohne auf die Tatsache einzugehen, dass ein Anspruch des Sportlers auf die Leistung nicht bestehen soll, nimmt Pougin56 eine bindende Zusage zur Gewährung der entsprechenden Leistungen und damit einen gegenseitigen Vertrag an. Im Ergebnis ist ihm zuzustimmen, jedoch mit entsprechender Begründung. Eine Bindung der Zusage der Gewährung entsprechender Leistungen ergibt sich nämlich aus einer Gesamtschau der vertraglichen Vereinbarungen der Beteiligten und durch Auslegung ihrer darin enthaltenen Erklärungen gem. den §§ 133, 157 BGB. Von Bedeutung ist diesbezüglich die Regelung des § 4 Fördervereinbarung, in dem der Ausschluss aus der Förderung und eine etwaige Rückzahlungspflicht geregelt sind. Dort werden unter anderem Verstöße gegen die Förderrichtlinien und gegen geltende Doping-Bestimmungen als Grund für die sofortige Einstellung der Förderung beziehungsweise die Rückforderung von Fördergeldern genannt. Dieser Regelung hätte es aber dann nicht bedurft, wenn die Parteien davon ausgegangen wären, dass auf die Leistungen schon kein Rechtsanspruch bestehen soll. Zudem darf die Deutsche Sporthilfe nicht davon ausgehen, dass der Sportler die eben aufgeführten vielfältigen Verpflichtungen gegenüber der Sporthilfe erbringt, seinerseits aber keinen Anspruch gegen die Sporthilfe erwerben soll. Das entspricht auch der gesetzlichen Regelung des § 612 I BGB, wonach eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.57

dd) Ergebnis zu b) Die dargestellten Überlegungen haben gezeigt, dass die gewollte Bindung an die Vereine, Verbände oder die Stiftung Deutsche Sporthilfe und die Verpflichtung der Kinder- und Jugendhochleistungssportler ihnen gegenüber nur über eine vertragliche Bindung zum Sportler gelingt. Zu beachten ist dabei natürlich, dass die Kinder- und Jugendhochleistungssportler in der Regel beschränkt geschäftsfähig gem. §§ 106, 2 BGB sind. Deshalb bedürfen sie zur Abgabe einer wirksamen Willenserklärung, durch die sie – wie hier durch den Abschluss ei___________ 56 57

Vgl. Pougin (Fn. 8), S. 148 f. Siehe dazu mit weiteren Argumenten Köhler (Fn. 18), C. I. 1. b. cc. (2.).

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nes Sportleistungsvertrages – nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangen, nach § 107 BGB der Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters. Fehlt es im konkreten Fall an einer vertraglichen Verpflichtung der Kinder und Jugendlichen, können sie nicht in die Pflicht genommen werden, an Wettkampf oder Training teilzunehmen. Umgekehrt fehlt es dann an der für die Einordnung als Arbeitnehmer erforderlichen Voraussetzung eines privatrechtlichen Vertrages.

c) Abhängige Arbeit Wurde festgestellt, dass die „Arbeit“ aufgrund privatrechtlichen Vertrages geschuldet ist, muss geprüft werden, ob es sich dabei auch um abhängige Arbeit handelt. Erst dann kann entschieden werden, ob die Kinder- und Jugendhochleistungssportler Arbeitnehmer sind.

aa) Verein Als Paradigma für die Frage, ob ein Nachwuchssportler abhängige Arbeit gegenüber seinem Verein erbringt, soll wieder der Fußballspieler in den entsprechenden Altersklassen dienen. Das Training der Kinder und Jugendlichen wird sich inhaltlich aus sportwissenschaftlicher Sicht möglicherweise von dem der Erwachsenen unterscheiden. Aus rechtswissenschaftlicher Sicht ergeben sich demgegenüber aber genauso wenig Unterschiede wie hinsichtlich des Wettkampfes. Der minderjährige Sportler erbringt demnach im Mannschaftssport, wenn er die Sportleistung vertraglich schuldet, in gleicher Weise abhängige Arbeit, wie das schon für den volljährigen Mannschaftssportler bejaht wurde.58

bb) Verband Bei der Sportleistung, die der volljährige Sportler dem Verband aufgrund der Athletenvereinbarung schuldet, liegt keine abhängige Arbeit vor. Zu begründen ist dies insbesondere mit den geringen Trainingspflichten und der Tatsache, dass die Wettkampfvorbereitung in der Hauptsache im Verantwortungsbereich des Sportlers selbst liegt.59 Ein anderes Bild zeigt sich indes im Nachwuchsbereich der Einzelsportarten. Verdeutlicht werden soll dies am Beispiel eines als ___________ 58 59

Siehe dazu ausführlich Köhler (Fn. 18), C. I. 1. a. aa. (1.) (c.). Siehe dazu Köhler (Fn. 18), C. I. 1. b. bb. (3.).

Minderjährige Hochleistungssportler

135

Turn-Zentrum bezeichneten Bundesstützpunktes des Deutschen Turner-Bundes. Das Training der Kinder und Jugendlichen besteht dort aus der verbindlichen Umsetzung von einheitlichen DTB-Rahmentrainingsplänen und individuellen Trainingsplänen sowie den Anforderungsprofilen für die Kaderkreise. Auch der zeitliche Trainingsumfang ist explizit festgelegt und umfasst bis zu 35 Stunden pro Woche. Qualifizierte Trainer werden gestellt. Träger des Bundesstützpunktes ist der DTB in Verbindung mit einem Landesturnverband. Darüber hinaus muss der Sportler an bestimmten nationalen und internationalen Wettkämpfen teilnehmen. Die medizinische und physiotherapeutische Betreuung obliegt dem Verband.60 Die Wettkampfvorbereitung liegt im Kinder- und Jugendhochleistungssport demnach beim Verband. Den Sportlern verbleibt bei dieser umfassenden und straffen Organisation fast kein Spielraum für eine eigene Vorbereitung. Anders als der volljährige Sportler leistet der minderjährige Sportler im Hochleistungsbereich folglich abhängige Arbeit. Er wird in die vom Verband vorgehaltene Betriebsorganisation eingebunden und muss den Weisungen des Verbandes nachkommen. Überraschend ist dieses Ergebnis nicht. Die meisten Nachwuchssportler beziehungsweise ihre Eltern könnten diese insbesondere finanzielle Kraftanstrengung, die für ein solch hochentwickeltes Trainingsprogramm notwendig ist, gar nicht erbringen. Hinzu kommt, dass finanzielle Aufwendungen in ein Nachwuchstalent immer auch mit einem hohen Maß an Unsicherheit, ob sich die getätigten Investitionen auch lohnen, verbunden sind. Letztlich kann niemand wissen, ob ein talentierter Sechsjähriger mehr als zehn Jahre später zu olympischen Ehren kommen wird. Freilich kommt es vor, dass Eltern trotzdem selbst ihre Kinder fördern wollen und deshalb Ausbildungsgesellschaften bilden. Bekanntester Fall ist die TOSA GmbH, die Peter Haas gründete, um mit den erzielten Einnahmen seinen Kindern Sabine und Thomas den Aufenthalt im Tennis-Camp von Nick Bollitieri ermöglichen zu können.61 Die Regel ist ein solches Vorgehen aber nicht. Bedacht werden muss zudem, dass das Urteilsvermögen des jungen Sportlers noch nicht so weit ausgereift ist, dass er selbst beurteilen könnte, welche Trainingsziele er mit welchem Trainer und mit welchen Methoden anstreben soll. Schon aus praktischen Erwägungen heraus ist es sinnvoll, dass die Organisation des Trainings und die Gestaltung der Trainingsinhalte in den Händen des jeweiligen Verbandes liegen. Im Übrigen würden ohne diese Maßnahmen des Verbandes viele Talente gar nicht entdeckt und könnten dann nicht zielgerichtet gefördert werden. Für die weitere Optimierung der Nachwuchsförderung setzen ___________ 60 Siehe hierzu ausführlich das Konzept des Deutschen Turner-Bundes: Olympischer Spitzensport 2012; (zuletzt abgerufen am 07.08.2007). 61 Vgl. Wüterich/Breucker, Das Arbeitsrecht im Sport, 2007, Rn. 161.

136

Matthias Köhler

immer mehr Verbände, ähnlich wie schon im Bereich des Mannschaftssports gezeigt, auf die Betreuung der jungen Athleten in Sportinternaten. Jüngstes Beispiel hierfür ist das erste Deutsche Segelinternat in Kiel-Schilksee, in dem der Deutsche Segler-Verband seinen Nachwuchs auf Erfolgskurs bringen möchte. Die Jugendlichen trainieren in diesem Internat vier bis fünf Stunden am Tag.62 Anders als der volljährige Sportler erbringt der minderjährige Sportler deshalb seine in der Regel vertraglich geschuldete Leistung demnach in abhängiger Arbeit.

cc) Stiftung Deutsche Sporthilfe Die Kinder und Jugendlichen stehen genauso wie die Erwachsenen im Hochleistungssport mit der Stiftung Deutsche Sporthilfe durch die Fördervereinbarung in rechtlicher Beziehung. Nach Pougin63 steht der Stiftung Deutsche Sporthilfe gegenüber den Kinderhochleistungssportlern ein arbeitgeberähnliches Weisungsrecht zu. Dieses soll der Deutschen Sporthilfe aus der Fördervereinbarung sowie der Anerkennung der dem Aufnahmeantrag immanenten Verhaltensrichtlinien durch den Sportler erwachsen. Diese Ansicht ist abzulehnen. Die Deutsche Sporthilfe selbst bietet weder Training noch Trainingsstätten und auch keine eigens für die geförderten Sportler ausgerichteten Wettkämpfe oder Lehrgänge an. Diese Leistungen muss der Geförderte vielmehr in Übereinstimmung mit den zwischen dem Sportler und dem jeweiligen Bundesfachverband getroffenen Regelungen durchführen (§ 2 1) Fördervereinbarung). Die Pflicht, Sportleistungen zu erbringen, besteht demnach nur im Rahmen der zwischen dem Sportler und dem jeweiligen Bundesfachverband getroffenen Regelungen. Die Fördervereinbarung enthält keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Sporthilfe diesbezüglich ein örtliches, zeitliches, fachliches oder organisatorisches Weisungsrecht zustehen soll. Schließlich ist auf die verpflichtende Teilnahme an bis zu drei Terminen im Jahr an Öffentlichkeitsmaßnahmen und Veranstaltungen der Stiftung einzugehen. Bei der Bewertung, ob diesbezüglich von abhängiger Arbeit zu sprechen ist, muss berücksichtigt werden, dass die Abstimmung der Termine im gegenseitigen Einvernehmen erfolgt (§ 2 8) Fördervereinbarung). Darüber hinaus ist dort bestimmt, dass der geförderte Sportler berechtigt ist, Einsätze abzulehnen, wenn sie ihn in Konflikt mit eigenen vertraglichen Pflichten gegenüber Agenturen, Sponsoren oder seinem zuständigen Fachverband bringen würden. Diese ___________ 62 63

Vgl. Bürck, Welt am Sonntag 26.08.2007, 58 (58). Vgl. Pougin (Fn. 8), S. 124 ff.

Minderjährige Hochleistungssportler

137

sehr weit gefasste Regelung gestattet es dem Sportler, zuerst seinen vorrangigen Pflichten nachzukommen. Die Sporthilfe kann den Sportler nicht einseitig anweisen, an einer Veranstaltung teilzunehmen. Sie muss mit dem Sportler eine einvernehmliche Lösung unter Beachtung der möglicherweise entgegenstehenden Interessen des Athleten suchen. Folglich fehlt es insofern jedenfalls an der Weisungsgebundenheit des Sportlers gegenüber der Deutschen Sporthilfe. Ein anderes Ergebnis ist auch nicht wegen des Sporthilfe-Eids angezeigt. Durch diesen verpflichtet sich der Sportler nur zu eigentlich Selbstverständlichem: Leistung, Fairplay, Miteinander. Der Sportler schuldet mithin keine Leistung in abhängiger Arbeit.

dd) Ergebnis zu c) Parallel zum Erwachsenenbereich im Hochleistungssport erbringen auch die Kinder und Jugendlichen beim Mannschaftssport ihre Sportleistung in abhängiger Arbeit. Im Unterschied zu den volljährigen sind die minderjährigen Einzelsportler so in den Betrieb des Verbandes eingegliedert und dessen Weisungen unterworfen, dass von abhängiger Arbeit gesprochen werden kann. Bei der Beurteilung der Beziehung Deutsche Sporthilfe zum Nachwuchssportler ergibt sich kein anderes Ergebnis als im Erwachsenenbereich, mithin wird in diesem Verhältnis keine abhängige Arbeit geleistet.

III. Fazit und Ausblick Die Ausführungen haben zunächst gezeigt, dass es den Kinder- und Jugendhochleistungssportler nicht nur in den dafür vermeintlich klassischen Einzelsportarten wie Turnen oder Eiskunstlauf gibt, sondern zunehmend auch in einer Mannschaftssportart wie Fußball. Dort hat die Entwicklung zu stets höheren Anforderungen in immer jüngeren Jahren durch die neu geschaffenen Leistungszentren der Vereine der 1. und 2. Bundesliga einen starken Schub erhalten. Deshalb sollte gerade diesem Bereich künftig bei entsprechenden Problemstellungen besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Konkret lässt sich feststellen, dass die Spitzennachwuchssportler – in der Regel – „Arbeit“ im arbeitsrechtlichen Sinne leisten, gleich ob im Einzel- oder Mannschaftssport. Entscheidend bei der Frage nach der Arbeitnehmereigenschaft war hier, ob die Sportleistungen vertraglich geschuldet sind oder ob die Verpflichtung zu deren Erbringung allein aus dem Mitgliedschaftsverhältnis herzuleiten ist. Die Verpflichtung zur Teilnahme am umfangreichen Trainingsund Wettkampfprogramm einerseits und das Interesse der Vereine und Verbände an der Bindung der Nachwuchstalente an sie andererseits machen – jeden-

138

Matthias Köhler

falls in der Praxis – eine vertragliche Beziehung zum Sportler notwendig. Die Sportleistung, die also in der Regel vertraglich geschuldet ist, stellt abhängige Arbeit dar, sowohl wenn sie gegenüber dem Verein als auch wenn sie gegenüber dem Verband zu erbringen ist. Da demnach sämtliche Voraussetzungen für die Einordnung als Arbeitnehmer vorliegen, ist der Kinder- und Jugendhochleistungssportler als Arbeitnehmer seines Vereins oder seines Verbandes, nicht aber der Deutschen Sporthilfe zu qualifizieren. Für die Frage nach der Arbeitnehmereigenschaft der Nachwuchsspieler ist ohne Belang, ob es sich in solchen Fällen um ein Ausbildungsverhältnis im Sinne des BBiG handelt.64 Das hat seinen Grund darin, dass nach überwiegender Ansicht in Rechtsprechung65 und Literatur66 auch Ausbildungsverhältnisse Arbeitsverhältnisse sind und damit der Auszubildende Arbeitnehmer ist, so dass auf ihn das Arbeitsrecht anzuwenden ist.67 Ob der Nachwuchssportler auch Arbeitnehmer bei – oben68 bereits erwähnten – sogenannten Ausbildungsgesellschaften sein kann, wurde hier nicht erörtert. Das kommt aber schon deshalb nicht in Betracht, weil der von der Ausbildungsgesellschaft geförderte Sportler keine Arbeitsleistung schuldet. Der Geförderte muss der Ausbildungsgesellschaft in der Regel vielmehr eine Beteiligung an künftigen Einnahmen einräumen.69 Im Weißbuch des Sports70 hebt die Europäische Kommission den Schutz der minderjährigen Sportler als besonderes Anliegen hervor.71 Aus diesem Grund wird die Kommission den Mitgliedstaaten und den Sportorganisationen vorschlagen, beim Schutz der seelischen und körperlichen Unversehrtheit junger Menschen insbesondere durch die Festlegung von Mindeststandards und den Austausch bewährter Verfahren zusammenzuarbeiten.72 In die gleiche Richtung zielt die im sogenannten Arnaut-Report aufgestellte Forderung, Richtlinien zum Schutz von minderjährigen Sportlern zu erlassen und dadurch insbesondere den „Handel“ mit jungen Spielern einzudämmen.73 Mit Spannung darf erwartet ___________ 64

Zu dieser Abgrenzung ausführlich Theurich (Fn. 32), S. 62 ff. Siehe statt vieler BAG AP BetrVG 1972 § 5 Nr. 33. 66 Vgl. Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, 2006, § 2/Rn. 115; Frädrich, Das echte Berufsausbildungsverhältnis, 1988, S. 108 ff.; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, 2008, § 5 IV. 2. S. 55 f., § 28 I. S. 313 f. 67 Anders Bickel, FS Wolf, 1985, S. 35 (35 ff.), danach sollen Ausbildungsverhältnisse keine Dienstverhältnisse und folglich keine Arbeitsverhältnisse sein. 68 Siehe dazu unter II. 2. c) bb). 69 Vgl. Wüterich/Breucker (Fn. 61), Rn. 161. 70 Siehe zum Weißbuch des Sports auch Muresan, CaS 2007, 281 (281 ff.); Stein, SpuRt 2008, 46 (46 ff.). 71 Siehe Weißbuch des Sports, S. 17 f. 72 So Weißbuch des Sports, S. 17 f. 73 Vgl. Arnaut, Arnaut-Report, 2006, S. 19 ff. 65

Minderjährige Hochleistungssportler

139

werden, inwieweit gerade die Sportorganisationen bereit sein werden, bei diesen Projekten mitzuarbeiten. Keinesfalls werden dadurch aber die Verpflichtungen der Nachwuchssportler in einer Weise reduziert werden, dass sich deren Sportleistung nicht mehr als abhängige Arbeit einstufen ließe und damit die Arbeitnehmereigenschaft der Kinder- und Jugendhochleistungssportler zu verneinen wäre.

Förderung inländischer Nachwuchssportler durch Mindestquoten* Von Ruben Conzelmann

I.

Einleitung.......................................................................................................... 141

II. Tatsächliche Entwicklungen im Profifußball seit „Bosman“ ............................ 143 III. Mindestquoten als Lösungsansatz..................................................................... 146 IV. Zu den Rahmenbedingungen des Europarechts................................................. 147 1.

Grundfreiheiten und Grundrechte.............................................................. 147

2.

Assoziierungsabkommen........................................................................... 148

3.

Nationale Identität und kulturelle Vielfalt ................................................. 150

4.

Wettbewerbsrecht ...................................................................................... 150

5.

Der Vertrag von Lissabon.......................................................................... 152

6.

Neuere Arbeitspapiere der Unionsorgane .................................................. 153

7.

Zur Rechtfertigung von Mindestquoten..................................................... 154

V. Zusammenfassung............................................................................................. 156

I. Einleitung Auch Jahre nach dem Bosman-Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 1995 hat die Diskussion um Ausländerklauseln und Mindestquoten im professionellen Sport nicht an Aktualität verloren. Die FIFA hat im Mai 2008 die Einführung einer sog. 6+5-Regel beschlossen, die ab der Saison 2010/11 schrittweise in Kraft treten soll und vorsieht, dass in der Startformation einer Mannschaft mindestens sechs einheimische Spieler stehen müssen. Dass eine Quotierung der Anzahl einsetzbarer EU-Spieler in direktem Widerspruch ___________ * Der Beitrag ist eine Zusammenfassung der Dissertation des Autors mit dem Titel „Modelle für eine Förderung der inländischen Nachwuchssportler zur Stärkung der Nationalmannschaften _ Klassische , Ausländerklauseln und alternative Ansätze im Lichte gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben und Sportentwicklungen seit Bosman“, die im Jahr 2008 im Verlag Duncker & Humblot erschienen ist.

,

142

Ruben Conzelmann

zur Bosman-Judikatur des Europäischen Gerichtshofes steht, ist den Beteiligten offenkundig. Wenn gleichwohl ein solcher Vorstoß gewagt werden soll, so verdeutlicht dies die Existenz eines großen tatsächlichen Bedürfnisses der Sportverbände nach verstärkten Fördermaßnahmen für die Gruppe der einheimischen (Nachwuchs-)Spieler. Auch die UEFA hat unlängst Maßnahmen der Nachwuchsförderung ergriffen, die indirekt mit der Staatsangehörigkeit der Spieler in Zusammenhang stehen. Seit dem Jahr 2005 gilt für die an den UEFAWettbewerben teilnehmenden Vereine die sog. 4+4-Regel, wonach in den Vereinskadern eine Mindestanzahl an lokal ausgebildeten Spielern aufgeführt sein muss.1 Als Argumente für Mindestquoten werden die Ausbildungschancen für die Nachwuchsspieler, die Stärkung der Nationalmannschaften, die Identifikation der Fans mit ihrer Mannschaft sowie das sportliche Gleichgewicht innerhalb der Liga ins Feld geführt. Allerdings wurden diese Aspekte von den Sportverbänden bereits im Bosman-Verfahren zur Rechtfertigung der damals geltenden 3+2-Ausländerklausel2 vorgebracht. Bekanntermaßen ist der Europäische Gerichtshof dieser Argumentation  jedenfalls im Ergebnis  nicht gefolgt. Die Frage lautet in diesem Zusammenhang also: Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass der Gerichtshof im Hinblick auf Mindestquoten künftig „sportverbandsfreundlicher“ entscheiden wird? Auf den ersten Blick erscheint dies nur schwer vorstellbar, da Korrekturen in der Rechtsprechung des Gerichtshofes eher selten zu finden sind und das Bosman-Urteil zudem eine wegweisende Entscheidung mit Wirkung auch über den Sportbereich hinaus darstellt. Gleichwohl kann der 6+5-Regel oder der 4+4-Regel nicht allein unter Hinweis auf das EG-vertragliche Diskriminierungsverbot oder auf die bisherige Sportrechtsprechung des Gerichtshofes eine Europarechtswidrigkeit attestiert werden. Ein genauerer Blick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen und nicht zuletzt auch auf die sportlichen Entwicklungen seit Bosman ist vielmehr von Nöten. Denn Rechtsprechung sollte stets wandlungsfähig bleiben, um veränderten Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Folgende Aspekte sind bei der rechtlichen (Neu-)Bewertung von Mindestquoten im Sport gebührend zu berücksichtigen: Zum einen liegen dem Bosman-Urteil teilweise unzutreffende Prognosen hinsichtlich der Auswirkungen dieser Entscheidung zugrunde. Mehr als zehn Jahre später liegen nun Statistiken vor, welche die tatsächlichen Auswirkungen ___________ 1

Im Einzelnen bedeutet 4+4, dass mindestens vier Spieler in dem jeweiligen Verein und weitere vier Spieler bei einem anderen Verein desselben Nationalverbandes ausgebildet worden sein müssen, wobei unter Ausbildung ein mindestens dreijähriger Zeitraum zwischen dem Alter von 15 und 21 Jahren zu verstehen ist. 2 Nach dieser bis zum Bosman-Urteil vom 15.12.1995 geltenden Regelung der UEFA durften die Vereine in den Wettkämpfen maximal drei ausländische Spieler einsetzen und zusätzlich zwei ausländische Spieler, die seit mindestens fünf Jahren in dem jeweiligen Nationalverband spielberechtigt waren.

Förderung inländischer Nachwuchssportler

143

des Wegfalls von Ausländerklauseln im professionellen Sportbereich veranschaulichen. Zum anderen könnten neue Quotenregelungen so formuliert sein, dass sie in ihrer diskriminierenden Wirkung schwächer sind als die im BosmanVerfahren verworfene 3+2-Ausländerklausel. Schließlich sind auf europäischer Ebene auch Änderungen in den rechtlichen Rahmenbedingungen auszumachen.

II. Tatsächliche Entwicklungen im Profifußball seit „Bosman“ Im Bosman-Verfahren hatte Generalanwalt Lenz noch prognostiziert, es sei „unwahrscheinlich, dass der Zuzug ausländischer Spieler so groß werden sollte, dass die einheimischen Spieler nicht mehr zum Zuge kämen.“3 Seit dem Wegfall der 3+2-Ausländerklausel nach der Saison 1995/96 sind die Ausländeranteile in den europäischen Fußballligen jedoch signifikant angestiegen (Abbildung 1). Die Rekrutierungspolitik der Vereine unterliegt heutzutage vielfach einem reinen Effizienz- und Wirtschaftlichkeitskalkül. Einer zeitaufwendigen und hinsichtlich des Ausbildungserfolges unsicheren Nachwuchsförderung steht die Möglichkeit einer Verpflichtung fertig ausgebildeter Spieler aus dem Ausland gegenüber. Mit dem Anstieg der Ausländeranteile sind auch die Einsatzzeiten der einheimischen Nachwuchsspieler stetig gesunken und befinden sich insgesamt auf einem sehr niedrigen Niveau (Abbildung 2). Die Spielpraxis auf höchstem Niveau wird aber von Praktikern als ein wesentliches Element für die erfolgreiche Spielerausbildung identifiziert.4 Zudem werden manche Talente gar nicht erst entdeckt, weil sie keine ausreichenden Profilierungschancen in den Wettkämpfen erhalten. Das Defizit an Spielpraxis für die einheimischen Nachwuchsspieler im Inland wird in der Summe auch nicht durch ein Mehr an Spielpraxis in ausländischen Ligen kompensiert. Insofern war die Prognose des Gerichtshofes nicht zutreffend, wenn er in der Begründung seines Bosman-Urteils feststellte: „Auch wenn … die Öffnung des Arbeitsmarktes … zu einer Verringerung der Chancen für die Inländer führt, im Hoheitsgebiet des Staates, dem sie angehören, eine Beschäftigung zu finden, so eröffnet sie doch im Gegenzug denselben Arbeitnehmern in den übrigen Mitgliedstaaten neue Beschäftigungsperspektiven.“5

___________ 3

Lenz, in: EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921 (4983 Rn. 146)  Bosman. Siehe hierzu die Befragung von Trainern und Managern verschiedener Mannschaftssportarten bei Riedl/Cachay, Bosman-Urteil und Nachwuchsförderung: Auswirkungen der Veränderung von Ausländerklauseln und Transferregeln auf die Sportspiele, Schorndorf 2002, S. 149 f. 5 EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921 (5077 Rn. 134)  Bosman. 4

144

Ruben Conzelmann 60

33,9

31,8 11 , 8

33,9

8,6

27,1

15,4

29,8

38,6

34

37,7

56,3

55,3

48,6

45,6

53,6

31,0

19,6

10

42,1

20

38,4

30

48,3

40

25,2

in Prozent

50

0 Deutschland

England

Spanien

Italien

60

40

Frankreich

Griechenland

Polen

6,5

8,8

8,8

14,1

9,8

6,2

9,6

0

8,8

35,0

36,1

33,1

23,9

17,2

30,4

24,3

10

23,9

20

30,4

30

13,8

in Prozent

50

Tschechien

Quelle: Conzelmann, Modelle für eine Förderung der inländischen Nachwuchssportler zur Stärkung der Nationalmannschaften, Berlin 2008. Abbildung 1: Ausländeranteile in europäischen Fußballligen

Die Lebenswirklichkeit zeigt indes, dass in den vergangenen Jahren nur sehr wenige Nachwuchsspieler den Wechsel in eine ausländische Liga geschafft und sich dort etabliert haben (Abbildung 3). Aufgrund der fehlenden Wettkampfpraxis sind gegenwärtig schwerwiegende Mängel in der Ausbildungssituation für den einheimischen Nachwuchs zu konstatieren. Diese Entwicklung zeitigt auf längere Sicht auch negative Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Nationalmannschaften der traditionell „großen“ Fußballverbände. Dagegen dürften die Nationalmannschaften der Verbände der ökonomischen Peripherie eher davon profitieren, dass ihre Spieler Wettkampfpraxis im europäischen Ausland sammeln.6 ___________ 6 Der Zusammenhang zwischen einem hohen Ausländeranteil in der nationalen Liga und einem schlechten Abschneiden der Nationalmannschaft erscheint jedoch nicht vollends bewiesen zu sein. So vermochte etwa die russische Elf in der Europameisterschaft

in Prozent

Förderung inländischer Nachwuchssportler

145

15 10 5 0 6 /8 85 9 1

8 /8 87

0 /9 89

2 /9 91

4 /9 93

6 /9 95

8 /9 97

0 /0 99

2 /0 01

4 /0 03

Saison

Quelle: Schellhaaß/Tettinger/Conzelmann/Kummer, Optionen einer Nachwuchsförderung für Nationalmannschaften in Mannschaftssportarten, Bundesinstitut für Sportwissenschaften, 2005 (nicht veröffentlicht). Abbildung 2: Kaderzugehörigkeit und Einsatzzeiten der deutschen U 21-Nachwuchsspieler in der Fußball-Bundesliga

Als weiteres Argument für Mindestquoten wird die regionale Identifikation der Fans mit ihrer Mannschaft ins Feld geführt. Eine empirische Untersuchung von Schütz von der Sporthochschule Köln aus dem Jahre 2006 hat indes nicht bestätigt, dass die Staatsangehörigkeit der Spieler einen wesentlichen Identifikationsfaktor für das Sportpublikum darstellt.7 Im Ergebnis dürften der sportliche Erfolg einer Mannschaft sowie die individuelle Leistung und Persönlichkeit eines Spielers die eigentlichen Identifikationsfaktoren darstellen, und weniger ihre Nationalität. Zu der Frage eines Zusammenhangs zwischen Ausländerklauseln und dem sportlichen Gleichgewicht innerhalb einer Liga existieren, soweit erkennbar, noch keine ausführlichen Untersuchungen. Jedenfalls in der Fußball-Bundesliga konnte in den letzten Jahren eher kein allzu großes Ungleichgewicht zwischen den Vereinen festgestellt werden.

___________ 2008 durchaus zu überzeugen, obwohl der Ausländeranteil in der russischen Liga relativ hoch ist, vgl. FAZ vom 25.06.2008, Nr. 146, S. 33. 7 Schütz, Identifikationsstruktur und Identifikationsmanagment von Fußballfans nach dem Bosman-Urteil des Europäischen Gerichtshofes im Kontext der Einflussnahme der Politik der Europäischen Union auf den Sport, 2006, abrufbar unter (Stand: 02.01.2008).

146

Ruben Conzelmann

Quelle: Schellhaaß/Tettinger/Conzelmann/Kummer, Optionen einer Nachwuchsförderung für Nationalmannschaften in Mannschaftssportarten, Bundesinstitut für Sportwissenschaften, 2005 (nicht veröffentlicht). Abbildung 3: Deutsche Spieler in der höchsten Spielklasse europäischer Topligen

III. Mindestquoten als Lösungsansatz „Mindestquoten“ sind im Hinblick auf ihre Formulierung weniger vorbelastet als klassische Ausländerklauseln, weil sie unterstreichen, dass eine Förderung der einheimischen Spieler bezweckt wird, wohingegen eine hieraus resultierende Diskriminierung ausländischer Sportler nur eine unbeabsichtigte Nebenfolge dieser Fördermaßnahme darstellt. Gleichwohl sind an der Effektivität der 6+5-Regel Zweifel angezeigt. Zwar ist sie dazu geeignet, durch eine Erhöhung des Anteils einheimischer Spieler auch dem Nachwuchs mehr Einsatzzeiten zu verschaffen. Sofern es jedoch um eine gezielte Förderung des einheimischen Nachwuchses geht, erscheint ein Modell vorzugswürdig, das neben der Staatsangehörigkeit auch an die Nachwuchseigenschaft der Spieler anknüpft. Eine solche Mindestquote für einheimische Nachwuchsspieler ließe sich voraussichtlich leichter rechtfertigen als die hinsichtlich des Alters undifferenzierende 6+5-Regel, da der Europäische Gerichtshof sowie der Europäische Rat, die Europäische Kommission und das Europäische Parlament die Ausbildung junger Spieler ausdrücklich als legitime sportliche Zielsetzungen anerkannt haben.8 Vor diesem Hintergrund könnte eine Formulierung für eine Mindestquote in Mannschaftssportarten beispielsweise lauten: ___________ 8

EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921 (5071 Rn. 106)  Bosman; Europäischer Rat, Nizza-Erklärung, Anlage IV Rn. 11; Europäische Kommission, Weißbuch Sport,

Förderung inländischer Nachwuchssportler

147

„Auf dem Spielberichtsbogen eines jeden Meisterschafts- und Pokalspiels der Vereine der 1. Bundesliga müssen unter den dort genannten Spielern mindestens 30 Prozent an Spielern aufgeführt werden, die (a) für die Nationalmannschaft spielberechtigt sind und die (b) zum Saisonbeginn das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.“

Nur am Rande sei auf ein alternatives Modell hingewiesen, das in seiner regulativen Wirkung schwächer ist als Mindestquoten. Bei dem Ansatz einer sog. Nachwuchsförderabgabe dürfen die Vereine im Grundsatz beliebig viele ausländische Spieler einsetzen. Sobald jedoch eine vom zuständigen Fachverband festgelegte Mindestquote an inländischen Spielern nicht erreicht wird, müssen die Vereine für den jeweiligen Spieltag eine Abgabe an ihren Verband bezahlen. Die Mittel aus diesem Fonds werden sodann zweckgebunden für Maßnahmen der Nachwuchsförderung eingesetzt. Bei der Festlegung auf ein bestimmtes Fördermodell und seiner Ausgestaltung verfügen die Sportverbände über einen eigenen Beurteilungsspielraum.9 In der Rechtssache Schindler hat der Gerichtshof den Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Auswahl von Maßnahmen zur Bekämpfung der Lotterie-Spielsucht zugestanden.10 Folgerichtig verfügen auch die privaten Akteure in den Mitgliedstaaten bei ihrer Regelsetzung über einen gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum, soweit sie an die Vorgaben des EG-Vertrags gebunden sind. Die Sportverbände dürfen ihre Anliegen daher konsequent verfolgen und solche Maßnahmen ergreifen, welche die Einsatzzeiten der Nachwuchsspieler spürbar erhöhen.

IV. Zu den Rahmenbedingungen des Europarechts 1. Grundfreiheiten und Grundrechte Im Mittelpunkt der rechtlichen Diskussion um Ausländerklauseln standen bisher die Individualrechte zugunsten der betroffenen Sportler, namentlich die in Art. 39 EG als Grundfreiheit geschützte Arbeitnehmerfreizügigkeit. Seit der Bosman-Entscheidung ist allgemein anerkannt, dass sich auch einzelne Berufssportler gegenüber ihrem Fachverband unmittelbar auf die Gewährleistung des Art. 39 EG berufen können, weil es sich bei verbandsseitigen Festsetzungen um Kollektivregelungen im Arbeitsbereich handelt.11 Der Annahme einer Beein___________ KOM (2007) 391 final, S. 6 f.; Europäisches Parlament, Entschließung zu der Zukunft des Profifußballs in Europa, 2006/2130 (INI), Ziffer 11. 9 Gramlich, DÖV 1996, 807; a. A. Orth, SpuRt 2006, 198; Europäischer Rat, NizzaErklärung, Anlage IV Rn. 7. 10 EuGH, Rs. C-275/92, Slg. 1994, I-1039 (1097 Rn. 61)  Schindler. 11 EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921 (5065 f. Rn. 82 ff.)  Bosman.

148

Ruben Conzelmann

trächtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit steht nach Ansicht des Gerichtshofes auch nicht entgegen, dass die Quotierung den Vereinen nicht verbietet, beliebig viele ausländische Spieler zu verpflichten, sondern nur, diese unbeschränkt in den Wettkämpfen einzusetzen. Hierzu hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Teilnahme an Wettkämpfen das wesentliche Ziel der Tätigkeit eines Berufsspielers darstelle.12 Dieses Ergebnis verdient auch vor dem Hintergrund Zustimmung, dass ein wirtschaftlich kalkulierender Verein nicht wesentlich mehr ausländische Spieler verpflichten wird, als er gleichzeitig einsetzen darf. Auf der anderen Seite können sich die Sportverbände zur Rechtfertigung von Mindestquoten auf das Gemeinschaftsgrundrecht der Vereinigungsfreiheit (gemeinsame Verfassungsüberlieferung, Art. 12 Abs. 1 GRCh, Art. 11 Abs. 2 EMRK) berufen. Die Vereinigungsfreiheit respektive Sportverbandsautonomie beinhaltet für die Verbände grundsätzlich auch das Recht, diskriminierende Regelungen für ihre Sportart festzusetzen. Diese Grundrechtsposition der Sportverbände hat in der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes nur am Rande Erwähnung gefunden. In der Bosman-Entscheidung hieß es zu der Sportverbandsautonomie nur knapp, dass die 3+2-Ausländerklausel nicht erforderlich sei, um die Ausübung dieser Freiheit durch die Verbände zu gewährleisten.13 Jedoch sind die Grundrechte in der europäischen Rechtsordnung normenhierarchisch keineswegs Rechtspositionen „zweiter Klasse“, sondern sind über Art. 6 Abs. 2 EU von den Unionsorganen verbindlich zu beachten. Sie können auch fundamentale Prinzipien wie die Grundfreiheiten einschränken.14 Die Ranggleichheit der Grundrechte-Charta mit den Grundfreiheiten, und damit auch ihre Rechtsverbindlichkeit, ist künftig in Art. 6 Abs. 1 EU in der Fassung von Lissabon ausdrücklich festgeschrieben.

2. Assoziierungsabkommen Die Europäische Gemeinschaft hat mit einer Vielzahl von Drittstaaten Assoziierungsabkommen geschlossen, die ein Gleichbehandlungsgebot zugunsten dieser Nicht-EU-Berufssportler innerhalb des Unionsgebiets festschreiben. In der Rechtssache Kolpak aus dem Jahre 2003 stellte der Gerichtshof fest, dass eine Ausländerklausel des Deutschen Handball-Bundes bezogen auf slowakische Spieler nicht mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 38 Abs. 1 des As___________ 12

EuGH, Rs. C-416/93, Slg. 1995, I-4921 (5074 f. Rn. 120)  Bosman. EuGH, Rs. C-416/93, Slg. 1995, I-4921 (5065 Rn. 79 f.)  Bosman. 14 Vgl. EuGH, Rs. C-112/00, Slg. 2003, I-5694 (5720 Rn. 81)  Schmidberger; EuGH, Rs. C-36/02, Slg. 2004, I-9641 (9653 Rn. 35)  Laserdrome. 13

Förderung inländischer Nachwuchssportler

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soziierungsabkommens Gemeinschaft-Slowakei vereinbar sei.15 In der Rechtssache Simutenkov aus dem Jahre 2005 standen die Regularien des spanischen Fußballverbandes auf dem Prüfstand, die ebenfalls Beschränkungen für NichtEU-Spieler vorsahen.16 Der Gerichtshof gelangte zu dem Ergebnis, dass Art. 23 Abs. 1 des Assoziierungsabkommens Gemeinschaft-Russland einer Sportverbandsregelung entgegensteht, die den Einsatz russischer Berufssportler beschränkt, die rechtmäßig bei einem Verein eines Mitgliedstaates beschäftigt sind. Diese Entscheidungen haben in der Öffentlichkeit mancherorts Anlass zu düsteren Prognosen für die Zukunft des europäischen Sports gegeben. Auf den ersten Blick nicht zu Unrecht, bedenkt man, dass beispielsweise das im April 2003 in Kraft getretene Cotonou-Abkommen zwischen der Gemeinschaft und 77 Staaten des zentralafrikanischen, karibischen und pazifischen Raumes mit einer Gesamtbevölkerung von etwa 683 Mio. Menschen in Art. 13 Abs. 3 ein Art. 39 EG vergleichbares Diskriminierungsverbot enthält. Allerdings besteht zwischen Art. 39 EG und seinen assoziationsrechtlichen Pendants ein entscheidender Unterschied. Während Art. 39 EG für EU-Berufssportler Ungleichbehandlungen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsmarktzugangs verbietet, sind die assoziationsrechtlichen Diskriminierungsverbote grundsätzlich17 auf eine Gleichbehandlung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen begrenzt. Die Ausgestaltung der Zugangsvoraussetzungen zum Arbeitsmarkt, sprich: die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bei einem Sportverein, fällt in den Zuständigkeitsbereich der einzelnen Mitgliedstaaten. In Deutschland hat der Gesetzgeber die Erfordernisse der Nachwuchsförderung berücksichtigt und den Sportverbänden in § 7 Nr. 4 BeschV (Beschäftigungsverordnung) Mitwirkungsrechte im Rahmen des ausländerrechtlichen Verfahrens eingeräumt. Nach § 7 Nr. 4 BeschV können die zuständigen Ausländerbehörden einen Aufenthaltstitel ohne die grundsätzlich erforderliche Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erteilen, wenn der Deutsche Olympische Sportbund und der für die jeweilige Sportart zuständige Fachverband einvernehmlich die „sportliche Qualifikation“ des Antragstellers bestätigen. In der bisherigen – mancherorts kritisierten – Praxis wurde die sportliche Qualifikation nur in Fällen bestätigt, in denen der betreffende Sportler für einen Einsatz in der höchsten Spielklasse vorgesehen war.

___________ 15

EuGH, Rs. C-438/00, Slg. 2003, I-4135 ff.  Kolpak. EuGH, Rs. C-265/03, Slg. 2005, I-2579 ff.  Simutenkov. 17 Allein das Abkommen mit der Türkei gewährleistet für türkische Staatsangehörige in engen Grenzen Marktzugangsrechte. 16

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3. Nationale Identität und kulturelle Vielfalt Für die Zulässigkeit von Mindestquoten sprechen zudem die objektivrechtlichen Aspekte nationaler Identität und kultureller Vielfalt in Europa, wie sie an verschiedenen Stellen des Primärrechts (Art. 6 Abs. 3 EU, Art. 151 Abs. 1 und 4 EG, Art. 22 GRCh) verbürgt sind. Für den Sport, der Bestandteil der Kultur ist, gewinnen diese Zielbestimmungen im Kontext der Nationalmannschaften an Bedeutung. Den Nationalmannschaften als einer Ausprägung der kulturellen Vielfalt der Mitgliedstaaten hat der Gerichtshof immerhin bereits mit der Bildung eines „Sportvorbehalts“ Rechnung getragen, indem er Regelungen oder Praktiken, die ausschließlich sportlich motiviert sind und mit dem spezifischen Charakter und Rahmen einer Begegnung zusammenhängen  wie es nach ganz überwiegender Auffassung bei dem Ausschluss von ausländischen Spielern für Nationalmannschaftswettkämpfe der Fall ist  nicht an den Vorgaben der Diskriminierungsverbote überprüft. Dabei ist es jedoch nicht mit einem bloß verbalen Zugeständnis an die Sportverbände getan, Nationalmannschaften ausschließlich mit einheimischen Spielern besetzen zu dürfen, da die Unterhaltung einer im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähigen Nationalmannschaft entsprechende Vorfeldmaßnahmen zur Förderung der inländischen Nachwuchsspieler in den Ligawettkämpfen voraussetzt.

4. Wettbewerbsrecht Die Kommerzialisierung des Sports hat zur Folge, dass die Sportverbände und -vereine zunehmend als Unternehmen bzw. Unternehmensvereinigungen qualifiziert werden und hierdurch in den Anwendungsbereich der EGvertraglichen Wettbewerbsvorschriften (Art. 81 und 82 EG) geraten.18 Bei der Einbindung des Sports in kartellrechtliche Bezüge muss jedoch berücksichtigt werden, dass der Profisportsektor sich beträchtlich von anderen Märkten unterscheidet. Während die Ausschaltung oder Minimierung von Konkurrenz die Marktstellung von Unternehmen des gewöhnlichen Wirtschaftslebens verbessert und zu wirtschaftlichen Vorteilen führt, sind die Vereine des Profisports gerade aufeinander angewiesen. Denn sportliche Wettkämpfe sind auf lange Sicht nur vermarktbar, wenn eine gewisse sportliche Ausgewogenheit zwischen den Vereinen gewährleistet ist. Die Europäische Kommission ist der Auffassung, dass Mindestquoten in Ligawettkämpfen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gegen die Art. 81 und 82 EG verstoßen, wenngleich eine Rechtfertigung unter bestimmten Voraus___________ 18 EuGH, Rs. C 519/04 P = SpuRt 2006, 195 (197 Rn. 42)  Meca-Medina und Majcen; EuG, Rs. T-193/02 = SpuRt 2005, 102 (103 Rn. 71)  Piau.

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setzungen möglich sei.19 Auch die frühere 3+2-Ausländerklausel wurde von Generalanwalt Lenz und im Schrifttum überwiegend als Wettbewerbsbeschränkung qualifiziert.20 In seiner Entscheidung in der Rechtssache MecaMedina und Majcen aus dem Jahr 2006 hat der Europäische Gerichtshof einen methodischen Rahmen für die Untersuchung der Vereinbarkeit von Sportregeln mit den Wettbewerbsvorschriften festgelegt.21 Bemerkenswert ist der Umstand, dass der Gerichtshof sogar die rein sportlich motivierten Sanktionsregeln zur Dopingbekämpfung an dem Maßstab der Wettbewerbsvorschriften misst und hier anders als im Kontext der Grundfreiheiten keinen Sportvor behalt statuiert. Bei der Untersuchung, ob eine verbotene Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG oder eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG vorliegt, sind der Gesamtkontext und das Ziel der betreffenden Regelung zu berücksichtigen. Ferner müssen die Einschränkungen notwendig mit dem verfolgten Ziel verbunden und verhältnismäßig sein. Vor dem Hintergrund des strengen Prüfungsmaßstabs, den der Gerichtshof in der Rechtssache Meca-Medina und Majcen angelegt hat, erscheint es wahrscheinlich, dass er künftig auch Mindestquoten als wettbewerbsrechtlich relevante Verhaltenskoordination einstufen wird. Indes kann die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur sog. de minimis-Ausnahme als Argument für die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Mindestquoten angeführt werden. Hierin geht der Gerichtshof davon aus, dass eine Absprache nicht vom Kartellverbot erfasst wird, wenn sie den Handel in der Gemeinschaft nur geringfügig beeinträchtigt und aus diesem Grunde nicht spürbar ist.22 Ob eine Beeinträchtigung spürbar ist oder nicht, ist anhand der konkreten Marktsituation im Einzelfall und unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Sportsektors zu ermitteln. Moderate Mindestquoten beeinträchtigen die Vermarktungschancen der Vereine (TV-Rechte-Vermarktung, Ticketverkauf, Merchandising) eher nur am Rande und dürften im Ergebnis als für den Handel in der Gemeinschaft nicht spürbar einzuordnen sein. Die de minimis-Ausnahme soll jedoch nicht gelten, wenn durch die Abrede ein Produkt betroffen ist, bei dem ein großes Unternehmen der alleinige Hersteller ist.23 Auf den ersten Blick ist dies bei den Sportverbänden der Fall, da sie wegen des sog. Ein-Platz-Prinzips, wonach pro Sportart nur ein Verband Mitglied ___________ 19 Europäische Kommission, Begleitbuch zum Weißbuch Sport, SEK (2007) 935, S. 44 f. 20 Lenz, in: EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921 (5029 Rn. 262)  Bosman; Streinz, SpuRt 1998, 89 (92); Weiß, SpuRt 1998, 97 (98 f.). 21 EuGH, Rs. C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991 ff.  Meca-Medina und Majcen. 22 EuGH, Rs. 28/77, Slg. 1978, 1391 (1415 Rn. 47) - Tepea; Rs. 5/69, Slg. 1969, 295 (302 Rn. 7) - Völk ./. Vervaecke. 23 EuGH, Rs. 30/78, Slg. 1980, 2229 (2265 Rn. 28)  Distillers Company.

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in dem jeweiligen Dachverband sein kann, ein Monopol bilden. Für den Sportbereich ist jedoch eine wertende Betrachtung geboten, die dazu führt, dass die de minimis-Ausnahme trotz der Monopolstellung der Sportverbände Anwendung findet. Denn das Monopol bezweckt im Sportbereich – anders als im gewöhnlichen Wirtschaftsleben – keine wirtschaftliche Vormachtstellung der Vereine, sondern ist rein sportlich motiviert, indem es die Einheitlichkeit des Regelwerks in einer Sportart gewährleisten soll. Es sprechen im Ergebnis also gute Gründe für die Vereinbarkeit von moderat formulierten Mindestquoten mit den Vorgaben des Wettbewerbsrechts.

5. Der Vertrag von Lissabon Mit dem – hinsichtlich seiner Ratifizierung ungewiss gewordenen – Vertrag von Lissabon hat der Begriff des Sports erstmals Einzug in das Primärrecht gefunden, namentlich in den Katalog der Zuständigkeiten der Union (Art. 6 EU und Art. 165 AEU, jeweils in der Fassung des Vertrags von Lissabon). Gemäß Art. 6 lit. e EU ist die Zuständigkeit der Union im Sportbereich auf eine Unterstützung, Koordinierung und Ergänzung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten beschränkt. Gemäß Art. 165 Abs. 1 AEU trägt die Union zur Förderung der europäischen Dimension des Sports bei und berücksichtigt dabei die besonderen Merkmale, die ehrenamtliche Struktur und die soziale Dimension des Sportsektors. Eine Harmonisierung sportbezogener Regelungen der Mitgliedstaaten ist hingegen nicht zulässig.24 Die Rechtsverbindlichkeit der Grundrechte-Charta und ihre Gleichrangigkeit mit den Verträgen ist künftig in Art. 6 Abs. 1 EU festgeschrieben. In dem Kontext von Mindestquoten bedeutet dies, dass die Vereinigungsfreiheit respektive Sportverbandsautonomie als gleichrangiges Gegengewicht zur Arbeitnehmerfreizügigkeit fungiert. Daher wird die Argumentation, wonach Grundfreiheiten bereits im Ansatz gewichtigere Rechtspositionen als Grundrechte darstellen, weil sie über ihre individualrechtliche Komponente hinaus auch institutionelle Gewährleistungen enthalten, künftig nur noch schwer zu führen sein. Weitaus überzeugender erscheint es, beide Rechtspositionen im Kollisionsfall im Wege praktischer Konkordanz zu einem Ausgleich zu bringen.25 Schließlich wird der Grundsatz der Subsidiarität durch ein ___________ 24

So auch Grodde, SpuRt 2005, 222 (225). So schon Frenz, Handbuch Europarecht, Band 1, Europäische Grundfreiheiten, Berlin 2004, S. 33 Rn. 75 f.; Schultz, Das Verhältnis von Gemeinschaftsgrundrechten und Grundfreiheiten des EGV, Berlin 2005, S. 118; Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport: ein Beitrag zur normativen Abgrenzung von Staat und Gesellschaft, Kiel 2004, S. 313; Schindler, Die Kollision von Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten: Entwurf eines Kollisionsmodells unter Zusammenführung der Schutzpflichtenund Drittwirkungslehre, Berlin 2001, S. 186; Gramlich, DÖV 1996, 801 (808, 810). 25

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Protokoll zum Vertragswerk konkretisiert. Gesetzgebungsentwürfe der Union müssen künftig im Hinblick auf den Subsidiaritätsgrundsatz besonders begründet werden. Eine Verletzung des Subsidiaritätsgrundsatzes kann von den nationalen Parlamenten im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens gerügt werden und ist zudem justiziabel.

6. Neuere Arbeitspapiere der Unionsorgane Das Europäische Parlament verständigte sich im März 2007 auf eine politische „Entschließung zu der Zukunft des Profifußballs in Europa“.26 Darin stellt das Parlament fest, dass die zunehmende Einbindung des Sports in gemeinschaftsrechtliche Bezüge das Problem der Rechtsunsicherheit für die Sportverbände wesentlich verschärft habe. Das Bosman-Urteil habe sich zwar positiv auf die Mobilität der Fußballspieler in Europa ausgewirkt, gleichzeitig aber die Chancen junger Talente, ihre Fähigkeiten auf höchstem Niveau unter Beweis zu stellen, verringert. Dementsprechend „bekundet [das Parlament] seine uneingeschränkte Unterstützung für die Maßnahmen der UEFA zur Förderung der Ausbildung junger Spieler durch die Auflage, im Kader eines Vereins eine Mindestanzahl an selbst ausgebildeten Spielern aufweisen zu müssen, und durch die Vorgabe einer Obergrenze für den Kader; [das Parlament] ist der Auffassung, dass diese Anreize verhältnismäßig sind, und fordert die Profivereine auf, diese Auflage strikt einzuhalten.“27

Im Juni 2007 hat die Kommission ein „Weißbuch Sport“ herausgegeben, das unter anderem dazu dient, die Anwendung des EU-Rechts im Sportbereich zu illustrieren.28 Dabei enthält das Weißbuch für den vorliegenden Kontext durchaus Überraschendes. Anders noch als im Helsinki-Bericht zum Sport aus dem Jahre 199929 erteilt die Kommission diskriminierenden Sportverbandsregeln für den Ligabetrieb nicht mehr per se eine Absage. So heißt es im Weißbuch nunmehr: „Regeln, nach denen Mannschaften einen bestimmten Anteil an einheimischen Sportlerinnen und Sportlern umfassen müssen, könnten als mit dem Vertrag vereinbar akzeptiert werden, wenn sie keine direkte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit zur Folge haben und wenn eine mögliche indirekte Diskriminierung als verhältnismäßig im Hinblick auf das verfolgte Ziel – Stärkung und Schutz der Ausbil-

___________ 26 Europäisches Parlament, Entschließung zu der Zukunft des Profifußballs in Europa, 2006/2130 (INI). 27 Europäisches Parlament, Entschließung zu der Zukunft des Profifußballs in Europa, Ziffer 34. 28 Europäische Kommission, Weißbuch Sport, KOM (2007) 391 final. 29 Europäische Kommission, Helsinki Bericht zum Sport, KOM (1999) 644.

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dung und Entwicklung begabter junger Sportlerinnen und Sportler – angesehen wird.“30

Mit dieser Feststellung knüpft die Kommission an die Forderung des Parlamentes an, das in seiner Entschließung aus dem März 2007 politische Unterstützung für eine Mindestquote an im Verein ausgebildeten Spielern signalisiert hatte. In einer Mitteilung vom 28. Mai 2008 hat die Kommission ihre Rechtsauffassung veröffentlicht, wonach direkte Diskriminierungen wie die 6+5-Regel unzulässig seien, wohingegen indirekte Diskriminierungen wie die 4+4-Regel, die lediglich an den Ausbildungsort anknüpfen, den vertraglichen Vorgaben entsprechen sollen.31 Es ist allerdings nicht einzusehen, weshalb der versteckte Protektionismus, der formal nur an den Ausbildungsort anknüpft, jedoch in der Praxis überwiegend die Gruppe der einheimischen Spieler betrifft, gegenüber einer direkten Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit belohnt werden sollte,32 zumal der Europäische Rat in seiner Nizza-Erklärung aus dem Jahre 2000 von den Sportorganisationen eine transparente Regelsetzung eingefordert hat.33 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Leitlinien der Kommission ohnehin nur als ein politisches Signal zu verstehen sind und hiervon keine Rechtssicherheit ausgeht. Auch der 3+2-Ausländerklausel des Bosman-Verfahrens waren Gespräche zwischen der Kommission und der UEFA vorausgegangen. Der Europäische Gerichtshof hat darauf hingewiesen, dass die Kommission nicht das Recht habe, Garantien hinsichtlich der Vereinbarkeit eines bestimmten Verhaltens mit dem EG-Vertrag zu geben.34 Vor diesem Hintergrund sind Zusagen der Kommission zu rechtlich umstrittenen Fragen mit großer Vorsicht zu genießen.

7. Zur Rechtfertigung von Mindestquoten Im Ergebnis besteht Einigkeit darüber, dass Quotenregelungen im Sportbereich im Ansatz einer Rechtfertigung zugänglich sind. Dafür spricht der Umstand, dass sich der Europäische Gerichtshof im Bosman-Verfahren inhaltlich mit den Argumenten der Sportverbände auseinandergesetzt hat und die Rechtmäßigkeit der 3+2-Ausländerklausel erst auf der Prüfungsebene der Verhält-

___________ 30

Europäische Kommission, Weißbuch Sport, S. 6 f. Mitteilung der Europäischen Kommission, IP/08/807. 32 So auch Kingreen, in: von Bogdandy (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, Theoretische und dogmatische Grundzüge, Berlin 2003, S. 674. 33 Europäischer Rat, Nizza-Erklärung, Anlage IV Rn. 7. 34 EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921 (5078 Rn. 136)  Bosman. 31

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nismäßigkeit verneint hat.35 Probleme bereitet hingegen die dogmatische Begründung einer solchen Rechtfertigung. Denn immerhin handelt es sich bei Mindestquoten wie der 6+5-Regel um direkte Diskriminierungen, die nur in engen Grenzen zulässig sind. Der Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 39 Abs. 3 EG setzt voraus, dass eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung für ein gesellschaftliches Grundinteresse besteht. Wegen der restriktiven Lesart dieses Rechtfertigungsgrundes begründet nicht jedes nachvollziehbare Interesse der Sportverbände ein gesellschaftliches Grundinteresse. Ein gesellschaftliches Grundinteresse wäre etwa berührt, wenn der Bestand des Spitzensportsystems, das durch ein beständiges Nachrücken von (gut ausgebildeten) Nachwuchssportlern gekennzeichnet ist, in einer Sportart bedroht ist. Dieses darzulegen dürfte – trotz der negativen Entwicklungen im Nachwuchsbereich – freilich nicht leicht fallen.36 Daneben kann eine Rechtfertigung dogmatisch auf den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelten ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund der „zwingenden Allgemeinwohlerfordernisse“ gestützt werden.37 Im Sportbereich hat der Europäische Gerichtshof die Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts zwischen den Vereinen und die Ausbildung junger Spieler als solche zwingenden Erfordernisse anerkannt.38 Jedoch hat der Gerichtshof in einzelnen  nicht den Sport betreffenden  Entscheidungen auch darauf hingewiesen, dass nur unterschiedslos anwendbare Regelungen und indirekte Diskriminierungen einer Rechtfertigung durch die zwingenden Allgemeinwohlerfordernisse zugänglich seien, wohingegen direkte Diskriminierungen allein auf die geschriebenen Rechtfertigungsgründe gestützt werden könnten.39 Ungeachtet dieser Beteuerung sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs erste Tendenzen in Richtung einer umfassenden Erweiterung des ungeschriebenen Rechtfertigungsgrundes auf alle Formen diskriminierender Bestimmungen erkennbar.40 ___________ 35 EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921 (5075 Rn. 122 ff.)  Bosman; vgl. auch Randelzhofer/U. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Stand: Jan. 2005, vor Art. 39-55 Rn. 140. 36 Vgl. auch Heidersdorf, Ausländerklauseln im Profisport, Frankfurt am Main 1998, S. 51; Klose, Die Rolle des Sports bei der Europäischen Einigung, Zum Problem von Ausländersperrklauseln, Berlin 1989, S. 149. 37 Erstmals EuGH, Rs. 120/78, Slg. 1979, S. 649 ff.  Cassis de Dijon. 38 EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921 (5071 Rn. 104 und Rn. 106)  Bosman. 39 EuGH, Rs. C-388/01, Slg. 2003, I-721 (739 f. Rn. 19 ff.)  Kommission ./. Italien. 40 EuGH, Rs. C-2/90, Slg. 1992, I-4431 ff.  Wallonische Abfälle; EuGH, Rs. C379/98, Slg. 2001, I-2099 ff.  PreussenElektra; diese Tendenz befürwortend Koenig/Kühling, NVwZ 2001, 768 (770); Kingreen, in: von Bogdandy (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, Theoretische und dogmatische Grundzüge, Berlin 2003, S. 674; Jacobs, in: EuGH, Rs. C-379/98, Slg. 2001, I-2099 (2156 f. Rn. 233)  PreussenElektra; Groß, in: Vieweg (Hrsg.), Perspektiven des Sportrechts, Berlin 2005, S. 55 ff.

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V. Zusammenfassung Die europäische Rechtslage erscheint auch im Lichte des Bosman-Urteils und seiner Folgeentscheidungen nicht als derart unbeweglich, dass Mindestquoten von vornherein kein Erfolg beschieden sein kann. Die Europäische Kommission und das Europäische Parlament haben in neueren Arbeitspapieren Verständnis dafür signalisiert, dass die Sportverbände Maßnahmen der Nachwuchs- und Nationalmannschaftsförderung ergreifen. Die von der UEFA favorisierte 4+4-Regel beurteilen die Kommission und das Parlament als rechtlich zulässig. Mindestquoten wie die 6+5-Regel der FIFA, die unmittelbar an die Staatsangehörigkeit der Spieler anknüpfen, sind wegen ihres Charakters als direkte Diskriminierung dagegen schwerer zu rechtfertigen. Der Impuls, der von der Grundrechte-Charta und dem Vertrag von Lissabon ausgeht, stärkt die Rechtsposition der Sportverbände insoweit, als das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit respektive Verbandsautonomie nunmehr ausdrücklich auf eine Stufe mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 39 EG gestellt wird. Soweit die Gemeinschaftsgrundrechte mit den Grundfreiheiten kollidieren, wie es bei Mindestquoten im professionellen Sport der Fall ist, ist der Europäische Gerichtshof gefragt, beide Rechtspositionen im Wege praktischer Konkordanz zu einem gerechten Ausgleich zu bringen, ohne die eine Rechtsposition auf Kosten der jeweils anderen überzugewichten.

Vertragliche Höchstbindungsdauer im professionellen Mannschaftssport – Überlegungen aus Anlass der Webster-Entscheidung des CAS Von Aegidius Vogt

I.

Einführung ........................................................................................................ 158

II. Vertragliche Höchstbindungsdauer ................................................................... 159 1.

Hintergrund ............................................................................................... 159

2.

§ 15 Abs. 4 TzBfG..................................................................................... 160 a)

Gesetzliche Lage ................................................................................ 160

b)

Ausnahme für den Profisportbereich? ................................................ 161

c)

Praktische Durchsetzung .................................................................... 163 aa) Gesetzesänderung ....................................................................... 163 bb) Inhaltskontrolle........................................................................... 164

d)

Ergebnis ............................................................................................. 167

III. Schiedsspruch des CAS im Fall Webster .......................................................... 167 1.

Sachverhalt und Entscheidung des Schiedsgerichts................................... 168

2.

Relevante Entscheidungsgründe ................................................................ 170

3.

Auswirkungen ........................................................................................... 172

4.

a)

Transfers mit Auslandsbezug ............................................................. 173

b)

Stellung des CAS im deutschen Rechtsraum ..................................... 173

c)

Verbot der Schiedsgerichtsbarkeit in Arbeitssachen .......................... 174

d)

Anwendung der §§ 249 f. BGB in der Rechtsprechung des CAS in ähnlich gelagerten Fällen ............................................................... 175

Ergebnis und Handlungsmöglichkeiten ..................................................... 175

IV. Zusammenfassung............................................................................................. 176

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Aegidius Vogt

I. Einführung Der Sportleistungsvertrag1 zwischen Profisportler2 und Verein3 gibt im Schrifttum immer wieder Anlass zu Diskussionen. Dabei beginnen die Meinungsverschiedenheiten schon bei der Statuseinordnung der Profisportler als Arbeitnehmer. Überblicksartig kann insoweit festgestellt werden, dass einige Stimmen im Schrifttum dem Profisportler mit verschiedenen Argumentationslinien den Arbeitnehmerstatus absprechen wollen.4 Dahinter steckt im Kern das Rechtsempfinden, dass hoch- und höchstbezahlte Profisportler nicht des Schutzes des Arbeitsrechts bedürfen, da diese letztendlich aufgrund ihrer Machtstellung5 gegenüber dem arbeitgebenden Verein typischerweise strukturell, persönlich und wirtschaftlich nicht unterlegen sind und folglich auch der Schutzbereich des Arbeitsrechts nicht eröffnet sein soll. Der folgende Beitrag beschäftigt sich nicht mit der Grundsatzfrage, ob die arbeitsrechtlichen Schutzgesetze auf die Verträge der Profisportler anwendbar sind, sondern geht mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum6 von der Arbeitnehmereigenschaft der professionellen Mannschaftssportler aus. Untersucht wird die zulässige vertragliche Höchstbindungsdauer in Sportleistungsverträgen von professionellen Mannschaftssportlern. Durch die Entscheidung des CAS / TAS7 im Fall Webster 8 (sog. Webster-Urteil) ist dieser Thematik neue Aufmerksamkeit zu schenken.

___________ 1 Siehe zu diesem Begriff nur Fritzweiler, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, 3. Teil, Rn. 5, 7 ff. 2 Für den Begriff Profisportler werden im Folgenden synonym auch die Begriffe Sportler und Spieler verwendet. 3 Als Verein ist im Folgenden nicht nur der Verein im gesellschaftsrechtlichen Sinne zu verstehen. Von diesem Wort werden aus Gründen der besseren Lesbarkeit untechnisch alle gesellschaftsrechtlichen Formen erfasst. Statt Verein wird auch der Begriff Klub verwendet. 4 Vgl. aus jüngster Zeit gegen den Arbeitnehmerstatus der Profisportler: Schimke/Menke, SpuRt 2007, S. 182 (182 f.); Beckmann, Der Profi: Sonderarbeitsrecht für Sportler? in: Festschrift zum 25-jährigen Bestehen der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltsverein, 2006, S. 1145 ff.; Fischer, SpuRt 2004, S. 251 f. 5 Es ist weit verbreitet, dass sich Profisportler vor und bei Vertragsschluss (rechtlich) beraten lassen und wegen des oftmals starken Interesses des jeweiligen Vereins an einer Verpflichtung eine erhebliche Verhandlungsmacht haben. Diese ist aber nicht grundsätzlich als gegeben zu unterstellen, sondern ist naturgemäß vom Status des Sportlers abhängig. Insbesondere jene Profisportler, die am Beginn ihrer Karriere stehen, werden in der Regel noch keine starke Verhandlungsposition aufweisen können. 6 Vgl. nur die ausführliche Darstellung von Kirschenhofer, Sport als Beruf, 2002, S. 40 f. (52). 7 Court of Arbitration for Sport / Tribunal Arbitral du Sport.

Höchstbindungsdauer im professionellen Mannschaftssport

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Im Folgenden wird nach Prüfung der zulässigen Höchstdauer der arbeitsvertraglichen Bindung aufgezeigt, welche Auswirkungen das Webster-Urteil auf die Höchstbindungsdauer von befristeten Arbeitsverträgen im Profifußball hat. Während sich die Ausführungen zur Höchstbindungsdauer auf alle professionellen Mannschaftssportler beziehen, betrifft die Entscheidung des CAS lediglich den Profifußball.

II. Vertragliche Höchstbindungsdauer 1. Hintergrund Im professionellen Mannschaftssport, insbesondere im Profifußball, werden Arbeitsverträge mit Spielern regelmäßig befristet abgeschlossen.9 Für diese Verträge gelten die Bestimmungen des am 01.01.2001 in Kraft getretenen Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetzes – TzBfG)10. Oft werden diese Verträge mehrmals (sog. Kettenbefristung) und mit langen Laufzeiten befristet. Diese geläufige Befristungspraxis ist eine Reaktion der Vereine auf die Entscheidung des EuGH11 im Fall Bosman (sog. Bosman-Urteil). Darin stellte der EuGH fest, dass Sportler nach Beendigung ihres Vertragsverhältnisses den Verein innerhalb der EU wechseln dürfen, ohne dass die Vereine ein Anrecht auf Zahlung einer Ablösesumme gegen den neuen Klub des Sportlers haben. Mit dieser Entscheidung wurde das damals herrschende System der Transferzahlungen obsolet.12 Die Vereine mussten sich zur Sicherung ihrer Finanzierung durch den Ablösehandel neue Strategien überlegen. Als Lösung hat sich in der Praxis der Abschluss von befristeten Verträgen mit langen Laufzeiten herausgebildet, wobei das Recht zur ordentlichen Kündigung im Vertrag regelmäßig ausgeschlossen bzw. nicht vereinbart ist, vgl. § 15 Abs. 3 TzBfG. Dadurch können die Vereine weiterhin Ablösezahlun___________ 8

CAS, Schiedsspruch v. 30.01.2008  CAS 2007/A/1298, CAS 2007/A/1299, CAS 2007/A/1300; abrufbar unter www.tas-cas.org unter der Rubrik Jurisprudence/Recent Decisions; SpuRt 2008, S. 114 ff. 9 Die Spielerverträge werden – wie die Verträge mit Trainern  generell nur befristet abgeschlossen. Diese ausschließliche Praxis bringen für den Bereich des Profifußballs schon die Musterverträge des DFB (Stand 03/2008, abrufbar unter www. dfb.de/index.php?id=11235, 07.01.2009) sowie der DFL (abgedruckt in PHB SportR (Fn. 1) Anhang C.) zum Ausdruck, die lediglich einen befristeten Arbeitsvertrag vorsehen. 10 BGBl. 2000 I, S. 1966 ff. 11 EuGH, Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921 = NZA 1996, S. 191ff. = NJW 1996, S. 505 ff. 12 Eine zusammenfassende Darstellung der Transferpraxis vor und nach dem Bosman-Urteil findet sich bei Kelber, NZA 2001, S. 11 f.

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Aegidius Vogt

gen erreichen. Möchte ein anderer Verein den Spieler in seine Dienste stellen, bevor dessen befristeter Vertrag ausläuft, muss er dem bisherigen Verein für dessen Zustimmung zu einem Aufhebungsvertrag eine Ablösesumme zahlen.

2. § 15 Abs. 4 TzBfG Abgesehen von der bis dato ungeklärten Frage, ob die derzeitige Befristungspraxis im professionellen Mannschaftssport überhaupt nach dem TzBfG zulässig ist, gilt es zu untersuchen, wie es um die maximale Vertragslaufzeit von befristeten Arbeitsverhältnissen in diesem Bereich bestellt ist. Dabei ist insbesondere von Interesse, ob für den professionellen Mannschaftssport nicht spezielle Regelungen erforderlich sind.

a) Gesetzliche Lage Das TzBfG kennt keine ausdrückliche zeitliche Höchstgrenze für Sachgrundbefristungen.13 § 15 Abs. 4 TzBfG regelt nicht die Höchstdauer einer Befristung, sondern gibt dem Arbeitnehmer bei zu langer Vertragsbindung ein besonderes Kündigungsrecht. Aus § 15 Abs. 4 TzBfG ergibt sich daher allenfalls faktisch die Höchstdauer befristeter Arbeitsverhältnisse.14 Die Norm beinhaltet eine inhaltsgleiche Regelung zu § 624 BGB, die im Bereich der (befristeten) Arbeitsverhältnisse als lex specialis vorgeht.15 Nach § 15 Abs. 4 TzBfG kann das Arbeitsverhältnis vom Arbeitnehmer nach Ablauf von fünf Jahren mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden, wenn es für längere ___________ 13 Die hier dargestellte Thematik darf nicht mit der Frage verwechselt werden, ob es für die Dauer der Befristung selbst eines sachlichen Grundes bedarf (nach ständiger Rspr. des BAG nicht erforderlich, vgl. nur BAG, Urteil v. 21.02.2001 - 7 AZR 200/00, AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 226) und ob mit der Dauer der Beschäftigung und zunehmender Zahl befristeter Arbeitsverträge die Anforderungen an den Sachgrund steigen (so die ständige Rspr. des BAG, vgl. nur BAG, Urteil v. 21.04.1993 7 AZR 376/92, AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 149). 14 Auf verbandsrechtlicher Ebene bestimmt Art. 18 Nr. 2 des FIFA Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern (FIFA RSS) für den Profifußball, dass die maximale Vertragslaufzeit fünf Jahre, bei Spielern unter 18 Jahren drei Jahre beträgt. Ausweislich der Einleitung des Kommentars zum FIFA RSS sind die Bestimmungen des Art. 18 auch auf nationaler Ebene verbindlich (das FIFA RSS sowie der Kommentar hierzu sind abrufbar unter , 07.01.2009). In Anlehnung daran bestimmt § 5 Nr. 1 Abs. 7 der Lizenzordnung Spieler der DFL (LOS – Stand 07.08.2007, abrufbar unter , 07.01.2009), dass die Höchstlaufzeit eines Spielervertrags fünf Jahre nicht überschreiten soll. 15 Vgl. KR/Fischermeier, 8. Aufl. 2007, § 624 BGB, Rn. 4.

Höchstbindungsdauer im professionellen Mannschaftssport

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Zeit als fünf Jahre eingegangen ist. Die Regelung ist gemäß § 22 Abs. 1 TzBfG zwingend. Von ihr kann nur zugunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. § 15 Abs. 4 TzBfG bezweckt, eine übermäßige Einschränkung der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers zu vermeiden.16 Die Vorschrift greift aber nur ein, wenn das Vertragsverhältnis von vornherein auf mehr als fünf Jahre eingegangen wird.17 Der wiederholte Abschluss von jeweils auf genau fünf Jahre befristeten Verträgen wird nicht erfasst.18 Konsequenz dieser Rechtslage ist, dass befristete Verträge mit Laufzeiten bis zu fünf Jahren abgeschlossen werden können.19 Eine  zwar grundsätzlich zulässige  Befristung des Arbeitsverhältnisses über diesen Zeitraum hinaus wäre für den Arbeitgeber sinnlos, da sich der Arbeitnehmer wegen des besonderen Kündigungsrechts aus § 15 Abs. 4 TzBfG ohnehin vom Vertrag lösen könnte.20 Wie bereits dargelegt, kann von § 15 Abs. 4 TzBfG nur zugunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Freilich wird das im Sport kaum jemals praxisrelevant werden. Der arbeitgebende Verein will ja gerade die Bindung des Sportlers, um für den Fall einer vorzeitigen Vertragsaufhebung eine Ablösezahlung zu erreichen.21

b) Ausnahme für den Profisportbereich? Nach der Regelung des § 15 Abs. 4 TzBfG können Spieler für bis zu fünf Jahre an ihren arbeitgebenden Verein gebunden werden.22 Es stellt sich allerdings die Frage, ob diese für Normalarbeitsverhältnisse konzipierte Regelung auch für den Bereich des professionellen Sports zu angemessenen Ergebnissen führt, oder ob nicht aufgrund der erheblich kürzeren Lebensarbeitszeiten von Sportlern kürzere Bindungsfristen gelten müssen. Für den umgekehrten Fall einer Erhöhung der zulässigen Höchstbindungsdauer ist es allgemeine Ansicht, dass § 15 Abs. 4 TzBfG keine Ausnahmen für bestimmte Arten von Beschäftigungen, wie etwa künstlerische oder wissen___________ 16

Vgl. KR/Lipke (Fn. 15), § 15 TzBfG, Rn. 24. MünchKommBGB/Hesse, 4. Aufl. 2005, § 15 TzBfG, Rn. 37. 18 ErfK/Müller-Glöge, 8. Aufl. 2008, § 15 TzBfG, Rn. 19. 19 APS/Backhaus, 3. Aufl. 2007, § 15 TzBfG, Rn. 28 hält die fünfjährige Bindungsdauer für verfassungsrechtlich bedenklich und nicht mehr zeitgemäß; kritisch auch Däubler, ZIP 2000, S. 1961 (1968). 20 Diese Konsequenz spiegelt sich in den verbandsrechtlichen Regelungen des Profifußballs wieder, siehe Fn. 14. 21 Siehe dazu die Ausführungen oben unter II.1. 22 Wie Zwanziger, in: Kittner/Däubler/Zwanziger, KSchR, 7. Aufl. 2008, § 624 BGB, Rn. 6 vorrechnet, dauert die Bindung im Ergebnis sogar mindestens fünf Jahre, sechs Monate und einen Tag. 17

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schaftliche Tätigkeiten, zulässt.23 Zur Begründung wird lediglich auf eine Entscheidung des Reichsgerichts zu § 624 BGB verwiesen.24 In dem zugrunde liegenden Fall vertrat ein Theaterdirektor den Standpunkt, dass jedes künstlerische Bestreben seinerseits lahm gelegt würde, wenn es ihm unmöglich wäre, mit Schauspielern längere, über den Zeitraum von fünf Jahren hinausgehende, Verträge zu schließen. Das Gericht stellte fest, dass auch diese Dienstverhältnisse eine Ausnahme von der zwingenden Vorschrift des § 624 BGB nicht zulassen. Die Entscheidung betraf also lediglich die Frage, ob Dienstverträge mit Künstlern entgegen der eindeutigen gesetzlichen Regelung über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren geschlossen werden dürfen. Nicht geklärt wurde hingegen, ob in bestimmten Bereichen eine Verkürzung der gesetzlich zulässigen Höchstbindungsdauer für (befristete) Arbeitsverträge angezeigt ist. Das Urteil des Reichsgerichts kann also nicht dazu dienen, jegliche denkbaren Ausnahmen, wie etwa eine Verkürzung der Höchstbindungsdauer im professionellen Mannschaftssport, abzulehnen. Zu berücksichtigen ist, dass der Regelung des § 15 Abs. 4 TzBfG, wie der des § 624 BGB, das Leitbild eines durchschnittlichen Arbeitsverhältnisses25 und damit einer Beschäftigungsdauer von mehreren Jahrzehnten im Laufe eines Lebens zugrunde liegt. Angenommen, der durchschnittliche Arbeitnehmer beginnt sein Berufsleben im Alter von 20 Jahren, dann beträgt die Arbeitszeit bis zum derzeitigen Rentenalter26 47 Jahre. Profisportler haben dagegen eine deutlich geringere Lebensarbeitszeit. Geht man von einer realistischen Zeitspanne einer Profikarriere vom 17. bis zum 30. Lebensjahr aus, beläuft sich die Lebensarbeitszeit der Profisportler auf lediglich 13 Jahre. Im Vergleich zur Lebensarbeitszeit eines durchschnittlichen Arbeitnehmers ist das ein deutlich kürzerer Zeitraum.27 Zweck der §§ 15 Abs. 4 TzBfG, 624 BGB ist es, den Arbeitnehmer bzw. Dienstverpflichteten vor übermäßigen Einschränkungen seiner persönlichen Freiheit zu bewahren, die sich aus langen Vertragsbindungen und damit einhergehenden Folgen ergeben können. Bezogen auf eine Lebensarbeitszeit von 47 Jahren eröffnet eine Höchstbindung von 5 Jahren dem Arbeit___________ 23 ErfK/Müller-Glöge (Fn. 18), § 15 TzBfG, Rn. 17; KR/Lipke (Fn. 15), § 15 TzBfG, Rn. 24a. 24 RG, Urteil v. 25.10.1912 - Rep. III. 197/12, RGZ 80, S. 277 ff. 25 APS/Backhaus (Fn. 19), § 15 TzBfG, Rn. 30 spricht von Langzeitarbeitsverträgen mit gewerblichen Arbeitnehmern, denen das Hauptaugenmerk des historischen Gesetzgebers des BGB (zu § 624 BGB) galt. 26 Nach § 35 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung wird die Regelaltersgrenze mit Vollendung des 67. Lebensjahres erreicht. 27 Ähnlich Däubler (Fn. 19), S. 1961 (1968), der bei Berufsfußballern und Künstlern die fünfjährige Bindungsdauer aufgrund deren, im Vergleich zum Durchschnitt, verkürzter Lebensarbeitszeit für übermäßig lange hält.

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nehmer hinreichend Wechseloptionen.28 Für einen Profisportler lässt sich Gleiches aber nicht sagen. Er kann in seiner gesamten Lebensarbeitszeit im Extremfall nur dreimal wechseln. Er wird dadurch erheblich in der Möglichkeit eingeschränkt, seine Berufschancen durch mehrfache Vereinswechsel zu verbessern. Gerade für Spieler ist dies aber ein klassischer, weil effektiver, Weg, die berufliche Karriere voranzubringen. Auch wenn von den Sportlern selbst kein Vereinswechsel angestrebt wird, lassen sich durch die Offerten interessierter Klubs doch bessere Vertragsbedingungen, wie vor allem Gehaltssteigerungen, mit dem bisherigen Arbeitgeber verhandeln. Vor allem aber teilt der Sportler das sportliche Schicksal seiner Mannschaft. Sportlicher Misserfolg fällt auch auf ihn zurück – selbst wenn er als Leistungsträger den Misserfolg seines Teams nicht entscheidend mit zu verantworten hat. Ein Wechsel des Arbeitgebers ist dann zuerst aus sportlichen Gründen das Gebot der Stunde. Diese besondere Situation lässt für den Bereich des professionellen Mannschaftssports eine Anpassung der bestehenden Rechtslage erforderlich erscheinen. Dabei sollte die Höchstdauer der Vertragsbindung in Anbetracht der enormen Unterschiede des professionellen Mannschaftssports zu anderen Tätigkeitsbereichen bei 3 Jahren liegen.29 Bei dieser Zeitspanne sind auch die Interessen der Vereine angemessen berücksichtigt. Sie sind trotz einer verkürzten Vertragsdauer weiter in der Lage, das bestehende System zur Erlangung von Ablösen zu nutzen. Es bleibt zu klären, wie diese Ausnahme durchzusetzen wäre.

c) Praktische Durchsetzung aa) Gesetzesänderung Zum einen könnte freilich der Gesetzgeber tätig werden, und § 15 Abs. 4 TzBfG etwa folgende neue Gestalt geben: „Ist das Arbeitsverhältnis für die Lebenszeit einer Person oder für längere Zeit als fünf Jahre eingegangen, so kann es von dem Arbeitnehmer nach Ablauf von fünf Jahren gekündigt werden. Ein Sportarbeitsverhältnis kann von dem Spieler nach Ablauf von drei Jahren gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate; bei Spielern zwei Monate.“

___________ 28 Bei oben aufgestellter Modellrechnung hätte der durchschnittliche Arbeitnehmer im Laufe seines Arbeitslebens im Extremfall neunmal die Möglichkeit, den Arbeitgeber zu wechseln. 29 Vgl. auch Art. 18 Nr. 2 FIFA RSS, der auf verbandsrechtlicher Ebene bei Fußballspielern unter 18 Jahren eine maximale Vertragslaufzeit von drei Jahren vorschreibt (Fn. 14).

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Die kürzere Kündigungsfrist bei Spielern ist erforderlich, um einen reibungslosen Wechsel zu Saisonende oder -mitte zu gewährleisten.30 Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber in näherer Zukunft eine diesbezügliche Gesetzesänderung vornimmt. Es wird schon an der dafür nötigen Lobbyarbeit fehlen.

bb) Inhaltskontrolle Eine andere Möglichkeit, kürzere Höchstbindungsdauern durchzusetzen, ist eine vertragliche Inhaltskontrolle durch die Gerichte. Diese könnte grundsätzlich über die Generalklauseln der §§ 138, 242 oder § 307 BGB erfolgen. Bei einer Interessenabwägung der im Rahmen dieser Generalklauseln zu berücksichtigenden Grundrechte31 des Klubs auf Vertragsfreiheit aus Art. 2 GG sowie auf Berufsfreiheit (unternehmerische Betätigungsfreiheit) aus Art. 12 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG und dem Grundrecht der Spieler auf Berufsfreiheit aus Art. 12 GG ist im Ergebnis den Interessen der Spieler der Vorrang einzuräumen.32 Wie bereits dargelegt, wird den Spielern durch langfristige Arbeitsverträge die für ihr berufliches Fortkommen unerlässliche Möglichkeit beschnitten, die arbeitgebenden Vereine regelmäßig zu wechseln, oder bessere Vertragskonditionen auszuhandeln.33 Dem muss das vordringliche Interesse der Klubs, durch lange Bindungen Ablösezahlungen erzielen zu können, nachgeben. In diesem Kontext lohnt ein Blick auf die Rechtsprechung des BAG zur Rückzahlung von Ausbildungs- und Fortbildungskosten. Übernimmt der Arbeitgeber die Kosten einer Aus- oder Fortbildung für seinen Arbeitnehmer, wird zumeist eine Vereinbarung getroffen, nach der sich der Arbeitnehmer verpflichtet, die Kosten zurückzuzahlen, wenn er das Arbeitsverhältnis innerhalb eines bestimmten Zeitraumes kündigt. Im Kern geht es dabei immer um die ___________ 30

Für Fußballspieler schreibt § 23 der DFB-Spielordnung (abrufbar unter , 07.11.2009) grundsätzlich zwei Wechselperioden vor. Wechselperiode I erstreckt sich vom 01.07. bis zum 31.08.; Wechselperiode II erstreckt sich vom 01.01. bis zum 31.01. 31 Nach h. M. wirken die in den Grundrechten enthaltenen Wertentscheidungen über die Generalklauseln des Zivilrechts auf das Privatrecht ein (sog. Ausstrahlungswirkung / Theorie der mittelbaren Drittwirkung), vgl. Palandt/Heinrichs, 67. Aufl. 2008, § 242, Rn. 7. 32 So i. E. auch Neuß, RdA 2003, S. 161 (169 f.), der den Weg über § 138 BGB geht. Bei den Verträgen mit Sportlern wird es sich aber zumeist um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handeln, weshalb vorrangig auf § 307 BGB abzustellen ist, vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, AGB-Recht, 10. Aufl. 2006, Vorb. v. § 307 BGB, Rn. 54. 33 Siehe dazu auch die Ausführungen unter II.2.b).

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Frage, wie lange der Arbeitnehmer durch solche Rückzahlungsklauseln an den Arbeitgeber gebunden werden darf. Denn diese Klauseln sind generell dazu geeignet, das Kündigungsrecht des Arbeitnehmers zu beschränken, weil er mit seinem Wunsch einer Vertragsbeendigung regelmäßig eine Rückzahlungsverpflichtung auslöst. Ihm bleibt also nur die Wahl zwischen einer Eigenkündigung mit Rückzahlungspflicht und einem Unterlassen der Kündigung. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG sind Rückzahlungsklauseln bei Abwägung der widerstreitenden Interessen grundsätzlich zulässig.34 Die Abwägung zwischen dem Interesse des Arbeitgebers, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig für den Betrieb nutzen zu können, und dem Interesse des Arbeitnehmers, seinen Arbeitsplatz ohne eine Kostenbelastung frei wählen zu können, hat sich dabei insbesondere daran zu orientieren, ob und inwieweit der Arbeitnehmer mit der Fortbildung einen geldwerten bzw. beruflichen Vorteil erlangt.35 Die Zulässigkeit der Rückzahlungsverpflichtung hängt zusätzlich auch entscheidend von der Fortbildungs- und Bindungsdauer ab, die in einem angemessenen Verhältnis stehen müssen. Hier haben sich in der Rechtsprechung verschiedene Abstufungen herausgebildet, die einzelfallbezogenen Abweichungen zugänglich sind. Dauert die Ausbildung beispielsweise nicht länger als einen Monat und zahlt der Arbeitgeber während dieser Zeit das Entgelt des Arbeitnehmers fort, ist in der Regel nur eine Bindung bis zu sechs Monaten zulässig.36 Eine Lehrgangsdauer von bis zu einem Jahr ohne Arbeitsverpflichtung kann eine Höchstbindungsdauer von drei Jahren rechtfertigen.37 Diese Rechtsprechung ist zwar nicht auf die Höchstbindungsdauer von befristeten Arbeitsverträgen im professionellen Mannschaftssport übertragbar. Es lässt sich aber doch eine Tendenz erkennen, die auch hier von Bedeutung ist. So betrachtet die höchstrichterliche Rechtsprechung eine zu lange Bindung des Arbeitnehmers aufgrund seines Grundrechts auf Berufsfreiheit aus Art. 12 GG generell als problematisch. Eine  lange  Bindung des Arbeitnehmers ist deshalb nur bei gewichtigen Interessen des Arbeitgebers zulässig. Überträgt man diese grundsätzliche Betrachtung auf die gängige Vertragspraxis im professionellen Mannschaftssport stellt sich die Frage, welche gewichtigen Interessen der arbeitgebenden Klubs zu finden sind, die eine Vertragsbindung von fünf Jahren rechtfertigen können. Um zunächst bei dem Fall der Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten zu bleiben: auch der Verein investiert viel Geld in ___________ 34 BAG, Urteil v. 06.09.1995 - 5 AZR 241/94, NJW 1996, S. 1916 (1917); BAG, Urteil v. 05.12.2003 - 6 AZR 539/01, NZA 2003, S. 559 (560). 35 St. Rspr., vgl. BAG, Urteil v. 05.12.2003 - 6 AZR 539/01, NZA 2003, S. 559 (560). 36 BAG, Urteil v. 05.12.2003 - 6 AZR 539/01, NZA 2003, S. 559 (560). 37 BAG, Urteil v. 15.12.1993 - 5 AZR 279/93, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 17.

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die Aus- und Fortbildung seiner Spieler, beispielsweise in Form von speziellen Trainings- und Regenerationsmethoden oder Trainingscamps. Diese Investitionen können jedoch unmittelbar ab dem nächsten Spiel abgerufen werden. Im Gegensatz zum klassischen Fall der Aus- oder Fortbildung, die eine Abwesenheit des Arbeitnehmers oder zumindest eine Einschränkung seiner zu leistenden Arbeitszeiten zur Folge haben wird, profitiert der Verein unmittelbar von besseren Arbeitsleistungen der Spieler, die auf der Aus- und Fortbildung beruhen. Als gewichtiges Interesse der Klubs könnte die Amortisation der „Anschaffungskosten“38 der jeweiligen Spieler angeführt werden. Dieser nicht zu vernachlässigende Aspekt erfordert aber keine Vertragsbindungen über einen Zeitraum von 3 Jahren hinaus. Diese Zeitspanne ermöglicht es dem Verein weiterhin, durch die Zustimmung zu einer vorzeitigen Vertragsauflösung Ablösezahlungen zu kassieren. Der hier vertretene Ansatz lässt nicht außer Acht, dass der Gesetzgeber mit Einführung des § 15 Abs. 4 TzBfG grundsätzlich schon eine Abwägungsentscheidung hinsichtlich der zulässigen Höchstbindungsdauer befristeter Arbeitsverhältnisse getroffen hat. Dieser Umstand könnte bei einer vertraglichen Inhaltskontrolle zugunsten einer Vertragsbindung auf fünf Jahre sprechen. Der Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers liegt jedoch nur ein Normalarbeitsverhältnis zugrunde. Die Besonderheiten des professionellen Mannschaftssports wurden nicht bedacht. Das Argument der bereits erfolgten Abwägung seitens des Normgebers kann deshalb in einer Interessenabwägung nicht zugunsten der Vereine angeführt werden. Bei den Arbeitsverträgen mit Spielern wird es sich zumeist um AGB gemäß § 305 Abs. 1 BGB handeln. Die Dauer der vertraglichen Bindung  und folglich auch die sich aus ihr ergebende Befristungsabrede im Ganzen  ist nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB als sog. normausfüllende Klausel kontrollfähig, da sie die gesetzliche Regelung des § 15 Abs. 4 TzBfG ergänzt.39 Eine Inhaltskontrolle der Befristungsabrede erfolgt anhand der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB.40 Die Rechtsfolge der Verletzung von § 307 Abs. 1 BGB ist die Unwirksamkeit der Befristungsklausel. Eine geltungserhaltende Reduktion der Bindungsdauer auf ein angemessenes Maß wäre unzulässig.41 Auch ein Aufrecht-

___________ 38 Vgl. dazu Hoffmann, BC 2006, S. 129 (131), der sich mit der Bilanzierung von Fußballprofis befasst. 39 Vgl. ErfK/Preis, 8. Aufl. 2008, §§ 305-310 BGB, Rn. 34. 40 Die Befristungsklauseln fallen nicht in den Anwendungsbereich der vorrangig zu prüfenden §§ 308, 309 BGB. 41 Vgl. Fuchs (Fn. 32), § 307 BGB, Rn. 485 m. w. N.; a. A. MünchKomm BGB/Müller-Glöge, 4. Aufl. 2005, § 611, Rn. 884.

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erhalten der Klausel nach dem sog. „Blue Pencil-Test“42 scheidet aus, da die Vertragsdauer inhaltlich nicht von der Befristungsabrede zu trennen ist, sondern sich vielmehr aus dieser ergibt. Als absehbare Rechtsfolge droht damit die Unwirksamkeit der gesamten Befristungsabrede. Nach § 306 Abs. 2 BGB ist die entstandene Lücke durch die gesetzlichen Vorschriften zu schließen. Ein Rückgriff auf § 15 Abs. 1 TzBfG führt nicht weiter, da die Norm nur einen Rahmen vorgibt. Bliebe die Vorschrift des § 620 Abs. 2 BGB, die als Grundregelung ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit vorsieht. Dieses Ergebnis führt indes nicht weiter, und dürfte weder im Interesse der Klubs noch der Spieler liegen. Zu denken ist daher an eine ergänzende Vertragsauslegung durch das Gericht.43 Als beiderseits interessengerechte Lösung könnte sich dann eine Vertragslaufzeit von drei Jahren darstellen.

d) Ergebnis Für den Bereich des professionellen Mannschaftssports muss eine kürzere Höchstbindungsdauer als die in § 15 Abs. 4 TzBfG vorgesehene Bindung von längstens 5 Jahren gelten. Angemessen erscheint ganz generell ein Zeitraum von 3 Jahren.

III. Schiedsspruch des CAS im Fall Webster Auf der Linie der soeben behandelten Frage, ob für professionelle Mannschaftssportler nicht eine verkürzte Höchstbindungsdauer gelten sollte, liegt die Entscheidung des Court of Arbitration for Sport (CAS) vom 30.01.200844 im Fall des schottischen Fußballers Andrew Webster (sog. Webster-Urteil).45 Auch ___________ 42

Der „Blue Pencil-Test“ besagt, dass eine Klausel aufrechterhalten werden kann, wenn sie aus zwei inhaltlich und sprachlich trennbaren Teilen besteht, so dass der unwirksame Teil gestrichen werden kann, ohne den Sinn des anderen Teils zu beeinträchtigen, vgl. Palandt/Grüneberg, 67. Aufl. 2008, Vorb v § 307, Rn. 11. 43 Siehe zum Meinungsstand der Zulässigkeit einer richterlichen Vertragsergänzung zur Lückenfüllung im Rahmen von § 306 Abs. 2 BGB Ulmer/Brandner/Hensen/Schmidt, AGB-Recht, 10. Aufl. 2006, § 306 BGB, Rn. 33 ff., der insbesondere dann Raum für eine richterliche Vertragsergänzung sieht, wenn das vorhandene dispositive Recht den beiderseitigen Interessen nicht hinreichend Rechnung trägt, vgl. Rn. 35 m. w. N. 44 CAS, Schiedsspruch v. 30.01.2008 - CAS 2007/A/1298, CAS 2007/A/1299, CAS 2007/A/1300, abrufbar auf der Website unter der Rubrik Jurisprudence/Recent Decisions (07.01.2009), s. auch SpuRt 2008, S. 114 ff. 45 In der Presse war durchweg von einem „Urteil“ des CAS die Rede. Formal richtig handelt es sich aber um einen Schiedsspruch. So bezeichnet der CAS selbst seine Entscheidung auch mit „Schiedsspruch“ („Arbitral Award“), vgl. CAS, Schiedsspruch v. 30.01.2008, S. 1.

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dieser Schiedsspruch führt faktisch zu einer kürzeren „Vertragsbindung“ von Fußballspielern, die zu einem Klub eines anderen Verbands wechseln möchten, weil die Sanktionen für einen Vertragsbruch erheblich gedeckelt wurden. Nach Ablauf einer altersabhängigen „Schutzzeit“46, ist der vertragsbrüchige Spieler lediglich zu einer Schadensersatzzahlung verpflichtet, die sich der Höhe nach auf die restlichen Gehaltszahlungen bis zum regulären Vertragsende beschränkt. Einer kurzen Darstellung des zugrunde liegenden Sachverhalts und der Entscheidung des CAS folgt ein Blick auf die relevanten Entscheidungsgründe sowie die rechtlichen Auswirkungen im deutschen Rechtsraum.

1. Sachverhalt und Entscheidung des Schiedsgerichts Anfang 2001 wechselte Andrew Webster für eine Ablösesumme von 75.000 Pfund zu dem schottischen Fußballklub Heart of Midlothian PLC (Hearts). Sein Vertrag war ursprünglich bis zum 30.06.2005 befristet, wurde aber später einvernehmlich bis zum 30.06.2007 verlängert. Im April 2005 boten die Hearts erneut die Verlängerung des Vertrags für weitere zwei Spielsaisonen bis 2009 an. Eine Einigung kam jedoch nicht zustande. Anfang 2006 wurde die Beziehung zwischen dem Spieler und seinem Klub schwierig. Am 26.05.2006 teilte Webster den Hearts mit, dass er entschieden habe, seinen Vertrag einseitig zu beenden. Am 09.08.2006 unterschrieb Webster einen Dreijahresvertrag mit dem in der englischen Premier League spielenden Klub Wigan Athletic FC (Wigan). Im November 2006 erhoben die Hearts gegen Webster und Wigan Klage vor der Schiedskammer der FIFA (KBS/DRC)47, die am 04.04.2007 entschied, dass Webster wegen einseitigen Vertragsbruchs an seinen ehemaligen Klub einen Betrag in Höhe von 625.000 Pfund zu zahlen habe. Gegen diese Entscheidung der Schiedskammer legten sowohl Webster und Wigan als auch die Hearts Revision beim CAS ein. Die Hearts machten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 4,6 Millionen Pfund geltend. Davon sollten 4 Millionen Pfund auf den Wiederbeschaffungsaufwand eines vergleichbaren Spielers sowie auf den Verlust der Transfermöglichkeit entfallen. Dagegen vertraten Webster und Wigan den Standpunkt, dass der Schadensersatz nicht mehr als die vertraglich noch ausstehenden Gehaltszahlungen betragen dürfe. Nach Auffassung aller Parteien handelte es sich um einen einseitigen Vertragsbruch seitens Webster gemäß Artikel 17 des FIFA Reglements bezüglich ___________ 46 47

Siehe ausführlicher Fn. 49. Kammer zur Beilegung von Streitigkeiten / Dispute Resolution Chamber.

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Status und Transfer von Spielern (FIFA RSS)48, nach dessen Voraussetzungen sich die Höhe des Schadensersatzes auch richten müsse. Die Kammer war der Meinung, dass der Vertragsbeendigung ein gegenseitiger Vertrauensverlust zwischen Webster und den Hearts zugrunde lag. Sie stellte zudem fest, dass keine der Parteien in böser Absicht handelte, da die Vertragsverhandlungen zwischen Webster und den Hearts bereits gescheitert waren und der bestehende Vertrag schon beendet war, bevor Wigan den Spieler erstmals kontaktiert und ihm ein Angebot gemacht hatte. Die Kammer unterstrich, dass die Regelungen des Art. 17 FIFA RSS weder einen Klub noch einen Spieler berechtigen, einseitig und ohne wichtigen Grund einen Arbeitsvertrag zu beendigen. Dementsprechend stelle, wie im vorliegenden Fall, jede derartige Vertragsbeendigung auch nach Ablauf der sog. Schutzzeit49 einen klaren Vertragsbruch dar. Deshalb war es die Aufgabe des Schiedsgerichts, die Höhe des Schadensersatzes festzulegen, den Webster und/oder Wigan an die Hearts zu zahlen haben. ___________ 48 Art. 17 FIFA RSS (Folgen einer Vertragsauflösung ohne triftigen Grund) hat auszugsweise folgenden Wortlaut: Löst eine Partei einen Vertrag ohne triftigen Grund auf, kommen folgende Bestimmungen zur Anwendung: 1. Die vertragsbrüchige Partei ist in jedem Fall zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet. Vorbehaltlich der Bestimmungen in Art. 20 und Anhang 4 zur Ausbildungsentschädigung und sofern vertraglich nichts anderes vereinbart wurde, werden bei der Festlegung der Entschädigung aufgrund eines Vertragsbruchs nationales Recht, die Besonderheit des Sports sowie alle anderen objektiven Kriterien berücksichtigt. Darunter fallen insbesondere die Entlöhnung und andere Leistungen, die dem Spieler gemäss gegenwärtigem und/oder neuem Vertrag zustehen, die verbleibende Vertragslaufzeit bis maximal fünf Jahre, die Höhe von Gebühren und Ausgaben, für die der ehemalige Verein aufgekommen ist (und die über die Dauer des Vertrags amortisiert wurden) sowie die Frage, ob sich der Vertragsbruch während der Schutzzeit ereignete. 2. [...] Hat ein Berufsspieler eine Entschädigung zu bezahlen, gelten für ihn und den neuen Verein sowohl eine Kollektiv- als auch eine Einzelhaftung. [...] 3. Im Falle eines Vertragsbruchs während der Schutzzeit kann einem Spieler zusätzlich zur Verpflichtung, eine Entschädigung zu zahlen, auch eine sportliche Sanktion auferlegt werden. Diese Sanktion besteht aus einer viermonatigen Sperre. In besonders schweren Fällen beträgt die Sperre sechs Monate. [...] 4. Im Falle eines Vertragsbruchs oder bei Anstiftung zum Vertragsbruch in der Schutzzeit können einem Verein zusätzlich zur Verpflichtung, eine Entschädigung zu zahlen, auch sportliche Sanktionen auferlegt werden. [...] 5. [...]. 49 Die Schutzzeit umfasst bei Berufsspielern, bei denen der Vertrag vor deren 28. Geburtstag unterzeichnet wurde, einen Zeitraum von drei ganzen Spielzeiten oder drei Jahren nach Inkrafttreten des Vertrags, je nachdem was zuerst eintritt. Ist der Spieler bei Vertragsunterzeichnung älter als 28 Jahre, verkürzt sich die Schutzzeit entsprechend auf einen Zeitraum von zwei ganzen Spielzeiten oder zwei Jahren; vgl. die Definition Nr. 7 im FIFA RSS.

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Der CAS entschied, dass im vorliegenden Fall die Grundsätze über den entgangenen Gewinn bzw. über den Ablösewert des Spielers nicht angewendet werden können, um die Höhe des Schadensersatzes festzulegen. Dies vor allem deshalb, weil diese Grundsätze zu einem Strafzuschlag zum Schadensersatz oder einer ungerechtfertigten Bereicherung führen würden. Zudem sei der Kaufpreis, den die Hearts 2001 für den Spieler gezahlt haben, bereits in der Anfangsphase des Vertrags amortisiert worden. Des Weiteren entschied die Kammer, dass eine im Raum stehende Entschädigungszahlung für die Ausbildung getrennt von einer Entschädigungszahlung aufgrund des einseitigen Vertragsbruchs zu sehen sei, die von Art. 17 FIFA RSS geregelt werde. Die Kammer beschloss deshalb, dass der beste Maßstab für die Festlegung einer von Webster und/oder Wigan an die Hearts zu zahlenden Entschädigung nach Art. 17 FIFA RSS die dem Spieler für die Saison 2006/2007 nach dem Vertrag regulär zustehende, von den Vertragsparteien als Restwert des Vertrages bezeichnete, restliche Gehaltszahlung bis zum regulären Vertragsende sei. Nachdem die Parteien über den Betrag des Restwerts des Vertrages in Höhe von 150.000 Pfund übereinstimmten, legte die Kammer diesen Betrag als die an die Hearts zu zahlende Entschädigung fest.

2. Relevante Entscheidungsgründe Um aus dem einzelfallbezogenen Urteil allgemeine Schlüsse, insbesondere für deutsche Klubs, ziehen zu können, sind bestimmten Passagen der Entscheidungsgründe besondere Beachtung zu schenken. Für andere, ähnlich gelagerte Rechtsstreitigkeiten, sind vor allem die Ausführungen des CAS zum anwendbaren Recht relevant. Ausgangspunkt für die Bestimmung des anwendbaren Rechts war für das Schiedsgericht mit Sitz in Lausanne Kapitel 12 des Schweizer Gesetzes zum Internationalen Privatrecht (SchwIPRG), nachdem die Vorschriften des Kapitels 12 für alle internationalen Schiedsgerichte gelten, die ihren Sitz in der Schweiz haben.50 Nach Art. 187 SchwIPRG soll das Schiedsgericht den Rechtsstreit entweder nach den Gesetzen entscheiden, welche die Parteien gewählt haben oder, in Ermangelung einer solchen Wahl, nach den Gesetzen, die den engsten Bezug zu dem Rechtsstreit aufweisen. Im Arbeitsvertrag zwischen Webster und den Hearts hatten sich die Parteien den Reglements, Bestimmungen und Satzungen des schottischen Fußballverbandes, der schottischen Premier League und ähnlicher Organisationen unterworfen, bei denen diese Verbände oder der Klub Mitglied sind. Nachdem der schottische Fußballverband Mitglied der FIFA ist, entschied die Kammer, dass die FIFA-Reglements zur Anwendung ___________ 50

CAS, Schiedsspruch v. 30.01.2008, S. 27, Nr. 71.

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kommen. Die FIFA-Reglements und Satzungen enthalten wiederum in Art. 60 Abs. 2 des FIFA Statuts51 eine Rechtswahlklausel, nachdem die Bestimmungen des Reglements für das Schiedsverfahren des CAS (CAS-Code)52 Anwendung finden sollen und der CAS vorrangig die verschiedenen Reglements der FIFA sowie ergänzend das schweizerische Recht anwenden soll. Nachdem Art. R 58 CAS-Code selbst auf die Rechtswahl der Parteien abstellt, wandte der CAS die FIFA-Reglements und schweizerisches Recht auf den Fall an. Hinsichtlich einer etwaigen Anwendung schottischen Rechts stellte das Schiedsgericht auf Art. 17 Abs. 1 FIFA RSS ab, nachdem für die Berechnung des wegen des Vertragsbruchs zu zahlenden Schadensersatzes das Gesetz des betreffenden Landes berücksichtigt werden soll. Nach dieser Klausel war schottisches Recht das zu berücksichtigende Recht, da Schottland die engste Verbindung mit dem Rechtsstreit hat.53 Zum einen wurde der Arbeitsvertrag dort unterzeichnet und ausgeführt, zum anderen fordert der Verein dort Schadensersatz und der Spieler hatte bei Unterzeichnung und Beendigung des Vertrages dort seinen Wohnsitz. Nach Ansicht der Kammer erfordert Art. 17 Abs. 1 FIFA RSS aber nicht, dass sich der zu zahlende Schadensersatz nach den Regeln des nationalen Rechts zu richten hat oder dass diese eine irgendwie geartete Priorität gegenüber den anderen Kriterien des Art. 17 Abs. 1 FIFA RSS haben. Die Vorschrift stelle lediglich das Erfordernis auf, dass der entscheidende Spruchkörper das jeweilige Gesetz des betreffenden Landes mit einbezieht, während er frei bleibt, ob und gegebenenfalls welches Gewicht er dem nationalen Recht beimisst.54 Im Ergebnis waren nach Ansicht des CAS im zu entscheidenden Fall verschiedene Rechtsregeln anzuwenden: –

die FIFA-Reglements bezüglich der Bestimmung der Höhe des Schadensersatzes wegen des einseitigen Vertragsbruchs seitens des Spielers,



schweizerisches Recht hinsichtlich der Interpretation der FIFA-Reglements und der Revision der Entscheidung der Schiedskammer der FIFA,



schottisches Recht sollte lediglich dann zur Urteilsfindung dienen, wenn die Kammer schottische Rechtsregeln im Zusammenhang mit den FIFA-

___________ 51

Abrufbar unter (07.01. 2009). 52 Die englische Bezeichnung lautet: Statutes of the Bodies Working for the Settlement of Sports-related Disputes. Diese Statuten bestehen aus zwei Teilen: Im ersten Teil (Art. S 1 bis Art. S 26) sind die Statuten des ICAS und des CAS geregelt, der zweite Teil (Art. R 27 bis Art. R 69) beinhaltet die Verfahrensvorschriften des CAS. Der CASCode ist abrufbar unter bzw. (07. 01.2009). 53 CAS, Schiedsspruch v. 30.01.2008, S. 29, Nr. 89. 54 CAS, Schiedsspruch v. 30.01.2008, S. 29, Nr. 88.

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Reglements für die Bestimmung der Höhe des Schadensersatzes für relevant erachtete. Das Schiedsgericht führt in seiner Entscheidung mehrere Gründe an, warum im vorliegenden Fall kein schottisches Recht zur Anwendung kam. Zum einen habe sich der Verein auf allgemeine Regeln und Prinzipien des schottischen Rechts zum Schadensersatz berufen, nämlich auf Regelungen, die weder spezifisch mit der Beendigung von Arbeitsverträgen noch mit dem Fußballsport zu tun hätten, während Art. 17 FIFA RSS genau mit dem Ziel geschaffen wurde, im Einzelfall spezielle Lösungen für die Zahlung von Schadensersatz für den Fall bereitzustellen, dass Fußballspieler und Klubs einseitig unter Vertragsbruch den Arbeitsvertrag beenden.55 Zudem stünden Verträge von Fußballspielern normalen Arbeitsverträgen näher als wirtschaftsbezogenen Verträgen, auf welche die allgemeinen Schadensersatzregelungen des schottischen Rechts aber zugeschnitten seien.56 Zum anderen beziehe sich Art. 17 FIFA RSS, dessen vorrangige Anwendung die Rechtswahlregelungen in Art. 60 Abs. 2 FIFA Statut und Art. R58 CAS-Code unterstreichen, selbst auf die Eigenarten des Sports und darauf, dass es im Interesse des Fußballs ist, dass Schadensersatzregelungen besser auf einheitlichen Kriterien beruhen als auf Vorgaben der nationalen Rechtsräume, die sich von Land zu Land erheblich voneinander unterscheiden können.57

3. Auswirkungen Die Entscheidung des CAS hat ein breites Medienecho58 erfahren und wurde teilweise als bedeutsamste Entscheidung seit dem Bosman-Urteil des EuGH59 bezeichnet. Während Vertreter der Vereine und deren Verbände der Entscheidung des CAS in einer ersten Einschätzung wegen einer daraus folgenden befürchteten Planungsunsicherheit der Klubs und unfinanzierbaren Gehältern der Spieler zumeist kritisch und ablehnend gegenüberstanden, begrüßten viele Spieler und deren Verbände den Spruch der Kammer als Beitrag zur Rechtssicherheit bei Transfers ins Ausland nach Ablauf der Schutzzeit.60 ___________ 55

CAS, Schiedsspruch v. 30.01.2008, S. 36, Nr. 128. CAS, Schiedsspruch v. 30.01.2008, S. 36, Nr. 128. 57 CAS, Schiedsspruch v. 30.01.2008, S. 36, Nr. 129. 58 Vgl. nur SZ vom 01.02.2008, S. 33; Welt-Online vom 03.02.2008, (07.01.2009). 59 Vgl. Fn. 11. 60 Als Paradebeispiel für einen „Fall Webster“ in der Fußballbundesliga kann der Spieler Kevin Kuranyi (FC Schalke 04) genannt werden. Kuranyi wechselte 2005 für 56

Höchstbindungsdauer im professionellen Mannschaftssport

173

Es fragt sich, welche rechtlichen Auswirkungen die Entscheidung des CAS für ähnlich gelagerte Fälle im deutschen Rechtsraum entfaltet.

a) Transfers mit Auslandsbezug Zunächst ist festzustellen, dass die Entscheidung nur für Transfers von Spielern zwischen Vereinen unterschiedlicher Verbände Bedeutung hat. Denn gemäß Art. 1 Abs. 1 FIFA RSS enthält das Reglement die allgemeingültigen und verbindlichen Bestimmungen bezüglich des Status von Spielern, deren Spielberechtigung im Rahmen des organisierten Fußballs und deren Transfer zwischen Vereinen unterschiedlicher Verbände.61 Rein innerdeutsche, nationale Transfers sind folglich nicht betroffen.

b) Stellung des CAS im deutschen Rechtsraum Um die möglichen Auswirkungen des Urteils für den deutschen Rechtsraum beurteilen zu können, ist zunächst die Stellung des CAS zu beleuchten. Der CAS ist ein Schiedsgericht für Sportangelegenheiten.62 Nach herrschender Auffassung erfüllt der CAS die Anforderungen an ein echtes Schiedsgericht mit der Folge, dass Klagen vor den staatlichen Gerichten ausgeschlossen sind.63 Seine Schiedssprüche unterliegen daher nur einer sehr eingeschränkten Überprüfung durch das Schweizer Bundesgericht.64 Die deutsche staatliche Gerichtsbarkeit kann grundsätzlich sowohl durch einzelvertragliche Schiedsvereinbarung als auch durch Verbandssatzung zugunsten des CAS ausgeschlossen werden. Da der CAS seinen Sitz in Lau___________ 6,9 Millionen Euro vom VfB Stuttgart zum FC Schalke 04 und hat dort einen Vertrag bis 2010. Bei einem vorzeitigen Wechsel nach dem Muster von Webster drohen dem Verein Millionenverluste; vgl. dazu den Beitrag von Franzke/Schickhardt auf vom 04.02.2008 (07.01.2009). 61 Siehe auch § 15 LOS (Fn. 14). 62 Der CAS wurde unter Führung des IOC 1983/1984 als Schiedsgericht für Sportangelegenheiten errichtet. Er entscheidet in privatrechtlichen Streitigkeiten mit Bezug zum Sport und besteht aus zwei Kammern. Eine Kammer ist für ordentliche Verfahren, die andere für Berufungsverfahren gegen Entscheidungen von Sportverbänden zuständig. In Berufungssachen ist der CAS zuständig, wenn die Verbandsstatuten dies vorsehen oder die Zuständigkeit in sonstiger Weise zwischen den Parteien vereinbart ist, vgl. Art. S 3, Art. S 12, Art. S 20 CAS-Code. 63 Tyrolt, Sportschiedsgerichtsbarkeit und zwingendes staatliches Recht, 2007, S. 36 m. w. N. 64 Vgl. die Ausführungen in PHB SportR-Pfister (Fn. 1), 6/165 m. w. N.

174

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sanne/Schweiz hat und dort in aller Regel auch das Verfahren durchführt, liegt der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens gem. § 1025 ZPO i.V.m. § 1043 Abs. 1 ZPO im Ausland, wenn die Parteien keine anderweitige Vereinbarung getroffen haben, was in der Praxis regelmäßig der Fall sein dürfte. Nach § 1025 Abs. 2 ZPO sind dann nur die §§ 1032, 1033 und 1050 ZPO anwendbar. In Deutschland sind die Schiedssprüche des CAS daher grundsätzlich gemäß §§ 1025 Abs. 4, 1061 ZPO i. V. m. dem UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.06.1958 (UNÜ)65 anzuerkennen und gegebenenfalls zu vollstrecken.

c) Verbot der Schiedsgerichtsbarkeit in Arbeitssachen Etwas anderes könnte aber aufgrund der Regelungen der §§ 4, 101 f. ArbGG für arbeitsrechtliche Streitigkeiten gelten. Fehlt es an der Schiedsfähigkeit des Streitgegenstands, weil es zwingendes deutsches Verfahrensrecht so bestimmt, kann über ihn nur ein staatliches Gericht urteilen. Dabei ist zu beachten, dass es allein dem jeweiligen nationalen Schiedsverfassungsrecht überlassen ist, den Umfang der Entscheidungsmöglichkeiten durch Schiedsgerichte zu bestimmen.66 Nach § 4 ArbGG kann die Arbeitsgerichtsbarkeit (nur) in den Fällen des § 2 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG nach Maßgabe der §§ 101 bis 110 ArbGG ausgeschlossen werden. Der Anwendungsbereich des ArbGG dürfte in den meisten Fällen nach § 2 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG eröffnet sein. Der Arbeitnehmerbegriff des § 5 ArbGG geht von dem allgemeinen, materiellrechtlichen Arbeitnehmerbegriff des Individualarbeitsrechts aus.67 Wie bereits in der Einleitung dargestellt, wird hier mit der h.M. davon ausgegangen, dass der Profisportler als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist. Die Vereine sind als juristische Personen, die einen Arbeitnehmer beschäftigen, Arbeitgeber nach dem ArbGG.68 Mithin wäre in den hier interessierenden Fällen von bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zwischen Spielern und Vereinen über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3b) ArbGG die Vereinbarung eines schiedsrichterlichen Verfahrens im Einzelarbeitsverhältnis unzulässig, da die Voraussetzungen des § 101 Abs. 1, 2 ArbGG nicht gegeben sind. Weder handelt es sich um bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, noch um solche aus einem Arbeitsverhältnis, das sich ___________ 65 Bezeichnung des Originaltextes: Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards, BGBl. 1961 II, S. 122; für die Bundesrepublik in Kraft getreten am 28.09.1961, BGBl. 1962 II, S. 102. 66 Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, 2005, S. 131 m. w. N. 67 Schwab/Weth/Kliemt, ArbGG, 2. Aufl. 2008, § 5, Rn. 6. 68 Schwab/Weth/Kliemt (Fn. 67), § 5, Rn. 4 m. w. N.

Höchstbindungsdauer im professionellen Mannschaftssport

175

nach einem Tarifvertrag bestimmt. Es fehlt folglich an der Schiedsfähigkeit des Streitgegenstands69, da insoweit zwingendes Verfahrensrecht entgegensteht. Die Konsequenz ist, dass Arbeitsrechtssachen vor dem CAS nicht abschließend entschieden werden können, ein deutsches Arbeitsgericht also trotz eines Schiedsspruchs des CAS sachlich über den Rechtsstreit entscheiden kann.70 Ein vom CAS erlassener Schiedsspruch in einer arbeitsrechtlichen Sache ist in Deutschland nach Art. V Abs. 2a) UNÜ nicht anzuerkennen oder zu vollstrecken. Der Versagungsgrund ist vom deutschen Richter von Amts wegen zu beachten und die notwendigen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln.71

d) Anwendung der §§ 249 f. BGB in der Rechtsprechung des CAS in ähnlich gelagerten Fällen Angenommen, die Schiedssprüche des CAS in Arbeitssachen hätten abschließende Wirkung und wären in Deutschland anzuerkennen und zu vollstrecken oder unterstellt, die Parteien erfüllen einen solchen Schiedsspruch freiwillig. Mit welchen Konsequenzen wäre dann zu rechnen? Betrachtet man die Ausführungen des CAS zum anwendbaren Recht, wäre in einer ähnlichen Konstellation, in der aber deutsches statt schottisches Recht die engste Verbindung zu dem Rechtsstreit aufweist, wohl mit einem annähernd gleichen Schiedsspruch zu rechnen. Gemäß Art. 17 Abs. 1 FIFA RSS würde bezüglich der Bestimmung der Höhe des Schadensersatzes deutsches Recht zur Anwendung kommen. Doch auch das deutsche Recht kennt keine spezifisch arbeitsrechtlichen oder gar sportrechtlichen Regelungen hinsichtlich der Bestimmung der Höhe des Schadensersatzes. Es stehen „nur“ die allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff. BGB zur Verfügung. Der CAS würde wohl auch die Berücksichtigung dieser Vorschriften unter Hinweis darauf, dass sie eher wirtschaftsbezogen als arbeits- oder sportspezifisch sind, ablehnen.

4. Ergebnis und Handlungsmöglichkeiten Die Entscheidung des CAS im Fall Webster hat zur Folge, dass Spieler grundsätzlich – je nach Alter  nach zwei bzw. drei Jahren trotz eines noch bestehenden Vertrags mit ihrem Klub zu einem anderen Klub wechseln können, soweit dieser einem anderen Verband angehört. Der Spieler und dessen neuer ___________ 69

Oschütz in: Haas (Hrsg.), Schiedsgerichtsbarkeit im Sport, 2003, S. 59. Vgl. PHB SportR-Pfister (Fn. 1), 6/152; das FIFA RSS regelt in Art. 22 selbst, dass den Spielern der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten offen steht. 71 Musielak/Voit, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 1061, Rn 21. 70

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Arbeitgeber haben dem alten Arbeitgeber dann gesamtschuldnerisch Schadensersatz lediglich in Höhe der restlichen Gehaltszahlungen bis zum regulären Vertragsende zu zahlen. Es bestehen mehrere Möglichkeiten, die durch den CAS geschaffene Lage zu verändern. Ein Ausweg besteht in der Änderung des Art. 17 FIFA RSS durch die FIFA.72 Denkbar ist auch, die Anwendbarkeit der Regelung in den Arbeitsverträgen explizit auszuschließen und/oder andere Vereinbarungen hinsichtlich der Höhe eines im Falle des Vertragsbruchs zu zahlenden Schadensersatzes zu treffen. Diesbezüglich wäre noch die Vereinbarkeit der Vertragsstrafenregelungen mit den Vorschriften der §§ 305 ff. BGB zu untersuchen. Der Entscheidung des CAS wird noch durch einen praktischen Aspekt die Brisanz genommen. Denn DFB und Ligaverband werden den für einen Wechsel erforderlichen Freigabeschein nicht erteilen, solange ein Arbeitsvertrag zwischen Verein und Spieler besteht.73

IV. Zusammenfassung Die Regelung des § 15 Abs. 4 TzBfG, nach der dem Arbeitnehmer ein besonderes Kündigungsrecht zusteht, wenn sein Arbeitsverhältnis für längere Zeit als fünf Jahre eingegangen ist (Höchstbindungsdauer), sollte für Spieler im professionellen Mannschaftssport angepasst werden. Sie sollten den Arbeitsvertrag nach Ablauf von drei Jahren mit einer Frist von zwei Monaten kündigen können. Dieses Erfordernis ergibt sich aus den erheblichen Unterschieden der Arbeitsverhältnisse im professionellen Mannschaftssport gegenüber Normalarbeitsverhältnissen, deren Leitbild der Regelung des § 15 Abs. 4 TzBfG zugrunde liegt. Die Entscheidung des CAS im Fall Webster betrifft zwar nicht primär die Frage der zulässigen Höchstbindungsdauer im Profifußball, sondern wirkt sich zunächst lediglich auf die Höhe des Schadensersatzes bei internationalen Transfers aus, der im Falle eines Vertragsbruchs zu zahlen wäre. Dennoch weist der Schiedsspruch in die gleiche Richtung. Indem der CAS den Schadensersatzanspruch des ehemaligen Vereins auf die noch ausstehenden Gehaltszahlungen bis zum regulären Vertragsende beschränkt hat, wurde die Hemmschwelle einer ___________ 72 Wenige Tage nach bekannt werden der Entscheidung des CAS sicherte die FIFA nach Aussage von Karl-Heinz Rummenigge den Klubs bei einem Treffen in Zürich zu, gemeinsam mit den Vereinen eine Änderung des Art. 17 FIFA RSS zu erarbeiten, vgl. und , jeweils vom 08.02.2008 (07.01.2009). 73 Breucker/Thumm/Wüterich, SpuRt 2008, S. 102 (104).

Höchstbindungsdauer im professionellen Mannschaftssport

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vorzeitigen Vertragsbeendigung durch den Spieler erheblich gesenkt. Dies führt im Ergebnis zu einer gelockerten Vertragsbindung nach Ablauf der sog. Schutzzeit von zwei bzw. drei Jahren.

Wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit des gewerblichen Weiterverkaufs von Fußballtickets Von Felix Holzhäuser*

I.

Einleitung.......................................................................................................... 180

II. Ausgangslage .................................................................................................... 181 1.

Die Organisation des Ticketverkaufs......................................................... 181

2.

Die Handelsbeschränkung durch AGB...................................................... 182

III. Status quo.......................................................................................................... 183 IV. Überblick über die ergangene Rechtsprechung ................................................. 184 V. Rechtmäßigkeit des gewerblichen Ticketweiterverkaufs .................................. 185 1.

Die Fallgruppen ......................................................................................... 185

2.

Unmittelbarer Direktbezug (Fallgruppe 1) ................................................ 186 a)

Die Zulässigkeit der Handelsbeschränkung in AGB .......................... 187 aa) Zweck der Handelsbeschränkung ............................................... 188 bb) Interessenabwägung.................................................................... 190

3.

4.

b)

Ordnungsgemäße Einbeziehung der AGB ......................................... 192

c)

Zwischenergebnis............................................................................... 192

Mittelbarer Bezug vom Primärmarkt (Fallgruppe 2) ................................. 193 a)

Verleiten zum Vertragsbruch ............................................................. 194

b)

Schleichbezug .................................................................................... 196

c)

Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs .......................................... 197

d)

Zwischenergebnis............................................................................... 200

Mittelbarer Bezug vom Sekundärmarkt (Fallgruppe 3) ............................. 200

___________ *

Bei der Erstellung dieses Beitrages hat Herr stud. jur. Kevin Höbig maßgebliche Unterstützungsarbeit geleistet. Literatur und Rechtsprechung in diesem Beitrag befinden sich weitgehend auf dem Stand vom 01.09.2008. Im Hinblick auf das Urteil des BGH vom 11.09.2008 (Az. I ZR 74/06 – bundesligakarten.de) lagen die Gründe des Urteils noch nicht vor. Im Nachhinein wurde in diesen Beitrag daher nur die Pressemitteilung des BGH vom 12.09.2008 (Nr. 170/2008) noch eingearbeitet.

180

Felix Holzhäuser

VI. Alternative Begründungsansätze....................................................................... 202 1.

Wertpapierrechtlicher Ansatz .................................................................... 202

2.

Besondere Unlauterkeitsansätze ................................................................ 204

3.

Gewerberechtlicher Ansatz........................................................................ 204

VII. Ergebnis ............................................................................................................ 205

I. Einleitung Spätestens im Vorfeld der WM 2006 konnte man als deutscher Fußballfan den Eindruck gewinnen, dass der „Schwarzmarkthandel“ mit Fußballtickets zu neuer Blüte gelangt ist. Obwohl seitens der FIFA als auch seitens des Organisationskomitees alles getan wurde, um mittels personalisierter Tickets und der entsprechenden Medienberichterstattung einen Schwarzmarkthandel zu verhindern, wurden bereits vor Beginn des offiziellen Vorverkaufs im Internet Eintrittskarten zu horrenden Preisen angeboten. Je näher das Turnier rückte, desto höhere Preise wurden beispielsweise bei Ebay für Tickets geboten. Auch im Rahmen der EM 2008 war die Nachfrage nach Tickets für die relativ kleinen Stadien in den gastgebenden Ländern Österreich und Schweiz wieder deutlich höher als das tatsächliche Angebot. Diese natürliche Verknappung des Kartenangebots bietet für Tickethändler immer wieder die Möglichkeit, Eintrittskarten für die Spiele mit einer enormen Gewinnspanne weiterzuverkaufen. Auch wenn bei derartigen Großereignissen das Verhältnis zwischen Kartenangebot und Kartennachfrage aus Sicht des Fans besonders schlecht ist, bietet auch die Bundesliga für einen Tickethändler die Möglichkeit, durch gezielten Handel mit dem begehrten Gut enorme Gewinne zu erzielen. Wo früher die Tickets noch von Händlern vor den Stadien verkauft wurden, spielt sich der „Schwarzmarkthandel“ im medialen Zeitalter im Internet ab. Wer etwa im Internetaktionshaus Ebay nach Karten für Fußballspiele sucht, findet dort Angebote von Fans, die ihre eigenen Karten weiterverkaufen möchten, aber auch gewerbliche Anbieter, die im größeren Umfang Tickets anbieten – meist zu deutlich höheren Preisen als dies bei einem Bezug direkt vom Verein oder Verband der Fall gewesen wäre. Ein ganz anderes Ausmaß erhält der Tickethandel allerdings durch weit professionellere Anbieter, die eigene Internetpräsenzen unterhalten und im großen Stil Tickets auf verschiedenen Wegen beziehen, um sie dann auf ihren Plattformen zu weit höheren Preisen dem Endkunden anzubieten. Nicht zuletzt angesichts dieser Entwicklung und des neuen Ausmaßes des Tickethandels auf dem sogenannten Sekundärmarkt sind insbesondere zahlreiche Clubs des Profifußballs dazu übergegangen, rechtlich gegen derartige

Zulässigkeit des gewerblichen Weiterverkaufs von Fußballtickets

181

Händler vorzugehen. Allein innerhalb der letzten drei bis vier Jahre wurden von Fußballclubs fünf bis zehn Gerichtsverfahren gegen derartige Ticketbörsen geführt. Eines dieser Verfahren wurde kurz vor Fertigstellung des Beitrages vom BGH entschieden.1 Auch diese Entscheidung vor dem höchsten deutschen Gericht zeigt, dass die rechtliche Beurteilung des gewerblichen Tickethandels auf dem Sekundärmarkt alles andere als klar ist. Dieser Beitrag wird daher zum einen die gegebene Situation mit ihren rechtlichen Hintergründen darstellen, zum anderen die Frage beantworten, ob der gewerbliche Handel mit Fußballtickets auf dem Sekundärmarkt tatsächlich rechtswidrig ist. Nach einer Darstellung der Ausgangslage (unter II.) und des Status quo (unter III.) wird daher zunächst ein Überblick über die bereits ergangene Rechtsprechung gegeben (unter IV.). Anschließend wird der gewerbliche Handel mit Fußballtickets auf dem Sekundärmarkt auf seine Rechtmäßigkeit überprüft (unter V.), wobei hierbei der Schwerpunkt auf der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit nach dem UWG ohne dem Vorliegen spezieller Tatbestandsmerkmale liegen soll. Abschließend werden unter VI. alternative Begründungsansätze für einzelne, speziellere Fallkonstellationen überblicksartig vorgestellt.

II. Ausgangslage 1. Die Organisation des Ticketverkaufs Der offizielle Ticketverkauf, der sogenannte Primärmarkt, ist in Deutschland üblicherweise derart ausgestaltet, dass die jeweils veranstaltenden Vereine und Verbände die Tickets für ihre Heimspiele selbst verkaufen. Sie bedienen sich dabei sämtlicher Vertriebskanäle. Dies ist zum einen der klassische Ticketschalter vor den Stadien und an den Geschäftstellen der Vereine und Verbände, zum anderen wird ein Großteil der Tickets mittlerweile aber auch über das Internet oder nach telefonischer Bestellung vertrieben. Hinzu kommt ein Vertrieb über autorisierte und vertragsgebundene Dritte, die sogenannte Ticketvorverkaufsstellen. Dort lassen sich neben Tickets für die verschiedensten gesellschaftlichen und kulturellen Events eben auch Eintrittskarten für Fußballspiele erwerben. Die Eintrittskarten werden dabei zu einem von den Vereinen und Verbänden vorgegebenen Festpreis veräußert. Regelmäßig gibt es 4-6 Preiskategorien. Traditionell sind die durchschnittlichen Eintrittspreise dabei in Deutschland weitaus geringer, als dies etwa in den anderen großen europäischen Fußballli___________ 1

Urteil des BGH vom 11.09.2008 (Az. I ZR 74/06 – bundesligakarten.de).

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Felix Holzhäuser

gen der Fall ist. Die Ticketpreise liegen in der 1. Bundesliga durchschnittlich bei 19,41 €, in der 2. Liga bei 13,30 €. In der spanischen Primera Division kostet ein Ticket hingegen durchschnittlich 32 €, in der stets als Vorbild gepriesenen Premier League hat ein Fan sogar im Durchschnitt rund 50 € aufzuwenden, um in die Stadien zu gelangen.2 Der am freien Markt erzielbare Preis wird in Deutschland aus verschiedenen Gründen bewusst nicht ausgeschöpft.3

2. Die Handelsbeschränkung durch AGB Die Vereine und Verbände als Verkäufer der Eintrittskarten binden die Käufer ihrer Tickets dabei regelmäßig mittels AGB. In diesen AGB ist der Weiterverkauf der Tickets gewöhnlich beschränkt. Auch in der Fußballbundesliga ist der Handel mit Tickets vertraglich beschränkt. Die Deutsche Fußballliga GmbH (DFL) hat den einzelnen Vereinen dafür AGB für den Kartenverkauf empfohlen (Muster-AGB). In den Muster-AGB der Saison 2007/2008 hieß es unter anderem: „7. Weitergabe der Tickets Zur Vermeidung von Gewalttätigkeiten und Straftaten im Zusammenhang mit dem Stadionbesuch, zur Durchsetzung von Stadionverboten, zur Unterbindung des Weiterverkaufs von Tickets zu überhöhten Preisen und zur Trennung von Anhängern der aufeinander treffenden Mannschaften während eines Fußballspiels liegt es im Interesse des Clubs und der Sicherheit der Zuschauer, die Weitergabe von Tickets einzuschränken. Der Verkauf der Tickets erfolgt daher ausschließlich zur privaten Nutzung. Dem Ticketinhaber ist es insbesondere untersagt, a) Tickets bei Internetauktionshäusern zum Verkauf anzubieten; b) Tickets ohne ausdrückliche vorherige schriftliche Zustimmung durch den Club gewerblich und/oder kommerziell zu veräußern; c) im Rahmen einer privaten Weitergabe die Tickets zu einem höheren Preis als den, der auf den Tickets angegeben ist, zu veräußern; d) Tickets an Personen weiterzugeben, die aus Sicherheitsgründen vom Besuch von Fußballspielen ausgeschlossen wurden; e) Tickets an Anhänger von Gast-Vereinen weiterzugeben; f) Tickets ohne ausdrückliche vorherige schriftliche Zustimmung durch den Club zu Zwecken der Werbung, der Vermarktung, als Bonus, Werbegeschenk, Gewinn oder als Teil eines nicht autorisierten Hospitality- oder Reisepakets weiterzugeben oder zu verwenden.

___________ 2 3

Quelle: 11 Freunde, Heft August 2008, S. 38. Siehe zu diesem Ziel die Ausführungen unten in Abschnitt V. 2. a) aa).

Zulässigkeit des gewerblichen Weiterverkaufs von Fußballtickets

183

Auf Verlangen des Clubs ist der Kunde im Falle einer Weitergabe des Tickets dazu verpflichtet, Name, Anschrift und Geburtsdatum des neuen Ticketbesitzers mitzuteilen. Wird ein Ticket für die vorgenannten unzulässigen Zwecke verwendet oder verstößt der Ticketinhaber in sonstiger Weise gegen diese ATGB, so wird das Ticket ungültig. Der Club ist in diesem Fall berechtigt, das Ticket – auch elektronisch – zu sperren und dem Besitzer des Tickets entschädigungslos den Zutritt zum Stadion zu verweigern bzw. ihn des Stadions zu verweisen. Für jeden Verstoß gegen die vorgenannten Untersagungen kann der Club von dem Kunden zudem die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von bis zu 2.500 Euro verlangen. Weitergehende Schadensersatzansprüche bleiben hiervon unberührt. Zudem behält sich der Club das Recht vor, Personen, die gegen diese Untersagungen verstoßen, in Zukunft vom Ticketerwerb auszuschließen, gegen sie ein Stadionverbot auszusprechen und/oder weitere zivil- und/oder strafrechtliche Maßnahmen einzuleiten.“

Die meisten Bundesligaclubs haben entweder diese Muster-AGB der DFL wörtlich übernommen oder verwenden stark vergleichbare eigene AGB.4

III. Status quo Trotz dieser Weiterveräußerungsverbote existiert zweifelsohne ein sogenannter Sekundärmarkt für Fußballtickets – der sogenannte Ticketschwarzmarkt. Die Player auf diesem Schwarzmarkt, die gewerblichen Verkäufer, beschaffen sich die Karten über verschiedene Bezugsquellen. Im Auftrag der Händler erwerben Strohmänner Eintrittskarten auf dem Primärmarkt, d.h. sie erwerben das maximale Kartenkontingent an den Ticketschaltern oder im Internet, und verkaufen sie dann mit einer Gewinnmarge an die Tickethändler weiter. Tickethändler treten aber auch an Kunden der Veranstalter, an normale Fans oder Vereinsmitglieder heran und bieten erhebliche Preisaufschläge, um deren Tickets zu Zwecken des Weiterverkaufs zu erwerben. Teilweise versuchen Mitarbeiter der Tickethändler zudem frühzeitig bei Ebay Karten von anderen, meist kleineren Händlern, zu noch günstigen Preisen zu erwerben, um sie dann zu einem späteren Zeitpunkt bei gestiegenen Preisen weiterzuveräußern. Es werden sogar fingierte Fanclubs gegründet. Fanclubs haben bei den Vereinen und Verbänden regelmäßig ein Vorrecht auf den Erwerb gewisser Kartenkontingente. Fälle, in denen Busunternehmen Fanclubs mit fingierten Mitgliedern gründen, um die so erworbenen Ticketkontingente dann im Rahmen von kommerziellen Paketen aus Busreise, Hotelübernachtung und Besuch eines Fußballspiels an zahlende Kunden zu veräußern, sind daher keine Seltenheit. ___________ 4

Siehe zur Zulässigkeit dieser AGB die Ausführungen im Abschnitt V. 2. a).

184

Felix Holzhäuser

Letztlich werden die auf diese Art und Weise erworbenen Karten dann regelmäßig im Internet bei Ebay oder auf den entsprechenden Portalen angeboten. Lediglich im seltenen Fall, dass erworbene Ticketkontingente im Vorfeld nicht verkauft werden können, werden von den Händlern Verkäufer vor die Stadien geschickt, die dann „auf dem klassischen Weg“ die Resttickets noch an den Mann bringen. Je attraktiver die Partie, desto höher sind selbstverständlich die Aufschläge, die auf die ursprünglichen Einkaufspreise erhoben werden. Die Händler profitieren hierbei von der natürlichen Verknappung des Guts: Gerade die deutschen Ligen verzeichnen Jahr für Jahr neue Zuschauerrekorde. Die DFL konnte für die Saison 2007/2008 den siebten Zuschauerrekord in Folge verbuchen. 17,4 Mio. Zuschauer besuchten in der vergangenen Saison die Spiele der 1. und 2. Liga.5 Andererseits besteht die natürliche Kapazitätsgrenze der Stadien. Zwar werden die Stadien immer weiter ausgebaut, aber es bleibt dabei: die Nachfrage ist stets größer als das Angebot. Im Ergebnis werden auf diese Art und Weise regelmäßig erhebliche Gewinnspannen erzielt. Tickets für Topevents wie die Fußball-EM 2008, die im Originalpreis ca. 80 € kosten, werden für 700 € weiterveräußert.6 Eine Eintrittskarte für das erste Saisonspiel des FC Bayern München in der Saison 2008/2009, die im Originalpreis ca. 15-20 € kostet, wurde 11 Tage vor dem Spieltag – zu einem Zeitpunkt, an dem das Spiel auf dem Primärmarkt seit langem als „ausverkauft“ galt – im Internet auf einem entsprechenden Portal für 115 € angeboten.7

IV. Überblick über die ergangene Rechtsprechung Bereits in der Einleitung wurde erwähnt, dass zahlreiche Vereine und Verbände in den letzten Jahren angesichts des wachsenden Ticket-Schwarzmarkts dazu übergegangen sind, gegen die gewerblichen Schwarzmarkthändler gerichtlich vorzugehen.8 Regelmäßig wurden dabei Unterlassungsansprüche gegenüber den Händlern geltend gemacht. ___________ 5

Quelle: 11 Freunde, Heft August 2008, S. 39. Quelle: Kicker, vom 12.06.2008, S. 28. 7 Quelle: www.ventic.de vom 04.08.2008 für eine Karte „Sitzplatz Kurve“ für das Spiel des FC Bayern München gegen den Hamburger SV. 8 OLG Hamburg, Urt. v. 03.02.2005 – Az. 5 U 65/04 (EV); OLG Hamburg, Urt. v. 05.04.2006 – Az. 5 U 89/05 (Hauptsache); LG Köln, Urt. v. 13.04.2006 – Az. 31 O 28/06; LG Duisburg, Urt. v. 14.06.2006 – Az. 23 O 521/05; LG Mönchengladbach, Urt. v. 25.09.2006 – Az. 8 O 94/05; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.06.2007 – Az- I-20 U 6

Zulässigkeit des gewerblichen Weiterverkaufs von Fußballtickets

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Wertet man diese bereits ergangene Rechtsprechung aus, scheinen die Gerichte auf den ersten Blick den gewerblichen Handel mit Fußballtickets auf dem Sekundärmarkt ganz überwiegend für rechtswidrig zu erachten. In sieben der acht ergangenen Entscheidungen sprachen die Gerichte den Vereinen Ansprüche gegen die Tickethändler zu. Nur das OLG Düsseldorf (Urt. v. 19.06.2007 – Az- I-20 U 154/06) hat die Klage des dortigen Vereins abgewiesen. Analysiert man jedoch die Entscheidungen im Detail, wird schnell deutlich, dass dieser erste Eindruck täuscht. In den sieben stattgebenden Entscheidungen haben sich die Gerichte bei der Begründung der Ansprüche der Vereine regelmäßig primär auf die Entscheidungen des OLG Hamburg gestützt (Urt. v. 03.02.2005 – Az. 5 U 65/04 – Verfügungsverfahren; Urt. v. 05.04.2006 – Az. 5 U 89/05 – Hauptsacheverfahren). Im Ergebnis stehen sich daher – wohlgemerkt ohne Berücksichtigung der durchaus differierenden Tatsachengrundlage beider Entscheidungen – vor allem die beiden Ansichten des OLG Düsseldorf und OLG Hamburg gegenüber. Das OLG Düsseldorf sah den gewerblichen Weiterverkauf der Tickets als nicht rechtswidrig an, das OLG Hamburg hingegen schon. Inwiefern die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 11.09.2008, bei der über die Revision der Hauptsacheentscheidung des OLG Hamburg aus dem Jahr 2006 entschieden wurde, zu werten ist, lässt sich aufgrund der zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Beitrages lediglich vorliegenden Pressemitteilung noch nicht eindeutig sagen. Im Ergebnis hat der BGH die Entscheidung des OLG Hamburg nur teilweise bestätigt.9

V. Rechtmäßigkeit des gewerblichen Ticketweiterverkaufs 1. Die Fallgruppen Untersucht man abstrakt die Rechtmäßigkeit des gewerblichen Handels mit Fußballtickets, deren Weiterverkauf mittels AGB in der oben beschriebenen Form beschränkt ist, sind grundsätzlich drei Fallgruppen zu unterscheiden10: ___________ 154/06; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 12.07.2007 – Az. 1 HKO 3849/07; LG NürnbergFürth, Urt. v. 08.08.2007 – Az. 4 HKO 3850/07. 9 Im Hinblick auf das Urteil des BGH vom 11.09.2008 (Az. I ZR 74/06) lagen die Gründe des Urteils bei der Fertigstellung dieses Beitrages noch nicht vor. Es wurde daher lediglich die Pressemitteilung des BGH vom 12.09.2008 (Nr. 170/2008) berücksichtigt. 10 Auch das OLG Hamburg hat in seinen Entscheidungen (Urt. v. 03.02.2005 – Az. 5 U 65/04; Urt. v. 05.04.2006 – Az. 5 U 89/05) in seiner Begründung zwischen diesen Fallgruppen differenziert.

186

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Zunächst ist die einfache Konstellation zu untersuchen, in welcher der Tickethändler selbst die später weiterveräußerten Tickets auf dem Primärmarkt erworben hat, beispielsweise am Schalter der Geschäftsstelle eines Vereins. In diesem Fall besteht eine unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen dem Verein und dem Tickethändler, in der die AGB mit dem Weiterveräußerungsverbot zu berücksichtigen sind. In einer zweiten Fallgruppe besteht allenfalls eine mittelbare vertragliche Beziehung zwischen dem Verein und dem Tickethändler. Der Händler selbst hat die Karten nicht auf dem Primärmarkt erworben, sondern es wurde ein Mittelsmann eingeschaltet, mithin von einem Kunden des Primärmarktes Tickets gekauft. Dies wäre etwa der Fall, wenn ein Tickethändler einem Fan, der Tickets für ein Spiel seines Vereins über die Vereinsinternetplattform erworben hat, Eintrittskarten gegen Zahlung eines Aufpreises abkauft, um sie anschließend gewerblich weiterzuveräußern. Weiterhin lässt sich eine dritte Fallgruppe bilden, in der die Lieferkette der Tickets um beliebige Stellen erweitert werden kann. Der Tickethändler hat in diesem Fall nicht von einem Kunden des Primärmarktes erworben, sondern sich selbst bereits auf dem Sekundärmarkt bedient. Bereits derjenige, der dem Tickethändler die Karten veräußert hat, stand in diesen Fällen bereits nicht mehr in einer unmittelbaren Vertragsbeziehung zum Verein. Die Fälle, in denen Tickethändler über Strohmänner Kartenkontingente auf dem Schwarzmarkt einsammeln, sind unter diese Fallgruppe zu subsumieren. Rechtlich wirkt sich diese Fallgruppenbildung insofern aus, als in der ersten Fallgruppe schon vertragliche Ansprüche zum Erfolg führen können. Schließlich besteht eine unmittelbare vertragliche Beziehung zwischen Tickethändler und Verein, in welcher der Händler – ihre Wirksamkeit und ordnungsgemäße Einbindung vorausgesetzt – selbst die AGB des Vereins zu beachten hat. In den anderen beiden Fallgruppen können vertragliche Ansprüche hingegen grundsätzlich nicht zum Erfolg führen. Die AGB können nur gegenüber dem Kunden des Primärmarktes, mithin im ersten Glied der Lieferkette, Geltung beanspruchen. Um Ansprüche der Vereine gegen den gewerblichen Tickethändler in den Fallgruppen zwei und drei durchzusetzen, bietet es sich daher an, auf das Recht des unlauteren Wettbewerbs zurückzugreifen.

2. Unmittelbarer Direktbezug (Fallgruppe 1) Mit dem Kauf eines Tickets für ein Bundesligaspiel kommt zwischen dem veräußernden Verein und dem Ticketerwerber ein Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff. BGB zu Stande.11 Teil dieses Werkvertrags werden grundsätzlich auch die AGB des jeweiligen Vereins, inklusive der Weiterveräußerungsbe-

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schränkung. Unter der Voraussetzung, dass diese AGB wirksam einbezogen wurden und den Maßstäben der §§ 305 ff. BGB genügen, könnten sich beim Weiterverkauf der Tickets entgegen der AGB mithin Ansprüche des Vereins aus dem zugrundeliegenden Werkvertrag ergeben.

a) Die Zulässigkeit der Handelsbeschränkung in AGB Entscheidend ist in dieser Fallgruppe selbstverständlich die Wirksamkeit der AGB, welche den Weiterverkauf der Tickets beschränken. In den hier zur Überprüfung gestellten Fällen geht es um den gewerblichen Weiterverkauf von Fußballtickets. Der Fan, der seine Tickets an einen Freund weitergeben möchte, da er am Spieltag verhindert ist, ist mithin nicht Gegenstand dieses Beitrags. Hier maßgebliche Verbote sind daher vor allem die Buchstaben a und b der oben zitierten AGB, mithin das Verbot, Tickets bei Internetauktionshäusern zum Verkauf anzubieten und Tickets ohne ausdrückliche vorherige schriftliche Zustimmung durch den Club gewerblich und/oder kommerziell zu veräußern. Ob die restlichen Verbote in den AGB einer Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB standhalten, wird vorliegend nicht überprüft.12 Die Verbote in den AGB sind an den §§ 305 ff. BGB und – auch wegen § 310 Abs. 1 S. 1 BGB – insbesondere an der Generalklausel in § 307 Abs. 1 BGB zu messen. Im Ergebnis dürften die Handelsverbote daher keine unangemessene Benachteiligung der Tickethändler darstellen. Unangemessenheit ist immer dann anzunehmen, wenn der Verwender der AGB missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Interessen hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.13 Abzuwägen sind somit die Interessen der Tickethändler am möglichst freien Handel der Fußballtickets mit den Interessen der Veranstalter, die mit den Handelsbeschränkungen verfolgt werden.

___________ 11 AG Frankfurt a.M., SpuRt 2006, 122, 123; Sprau in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, Einf v § 631, Rn. 29; Weller, JuS 2006, 497, 500; Schwab, NJW 2005, 938, 940. 12 Vgl. zur Wirksamkeit von Weiterveräußerungsverboten in AGB vor allem Gutzeit, BB 2007, 113 ff., auch Bach, JR 2007, 137 ff.; aus der Rechtsprechung u.a. AG Frankfurt a.M., SpuRt 2006, 122 ff.; LG Mainz, SpuRt 2008, 33 f. 13 Ständige Rechtsprechung: BGH, NJW 1984, 1531; BGH, NJW 2003, 886; BGH, NJW 2006, 47.

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aa) Zweck der Handelsbeschränkung Die Verbände und Vereine verfolgen mit den Handelsbeschränkungen mehrere Ziele: Sicherlich steht dabei auch das Image der Veranstalter im Fokus. Denn Imageschäden drohen den Verbänden und Vereinen insofern, als schon heute aufgrund professioneller Strukturen des Schwarzmarkthandels große Kartenkontingente im Internet angeboten werden. Dies erweckt bei den Anhängern, die auf dem regulären Ticketmarkt keine Karten mehr erhalten, leicht den Eindruck, die Veranstalter würden selbst von den Internetverkäufen auf dem Schwarzmarkt profitieren oder würden diesen zumindest unterstützen14, etwa in der Form, dass diese Händler bevorzugt mit Karten versorgt würden.15 Ebenfalls wirtschaftlich orientiert sind die Handelsbeschränkungen insofern, als es auch um den Schutz der Sponsoren geht. Regelmäßig erwerben diese im Rahmen ihrer Sponsoring-Pakete auch das Recht auf sogenannte BusinessSeats, oftmals auch unter Vereinbarung entsprechender Exklusivitätsrechte. Diese Rechte können leicht unterlaufen werden, wenn es anderen Unternehmen möglich ist, die gleichen Tickets unkontrolliert auf dem Sekundärmarkt zu erwerben. Überdies geht es den Verbänden und Vereinen bei der Kontrolle des Tickethandels aber auch um die soziale und gesellschaftspolitische Funktion des Sports. Denn beim Verkauf der Tickets unmittelbar durch die Verbände und Vereine wird die mögliche Preisspanne bewusst nicht ausgereizt.16 Dass auf der Grundlage von allgemeinen, angebot- und nachfrageorientierten Maßstäben bei der überwiegenden Anzahl der Spiele durchaus höhere Preise für die Tickets verlangt werden könnten, zeigt gerade die Existenz des Schwarzmarkthandels. Die Beschränkung des kommerziellen Weiterverkaufs der Fußballtickets soll daher auch der Preistreiberei auf den Schwarzmärkten entgegenwirken. Sportliche Großveranstaltungen sollen gerade nicht wenigen Privilegierten vorbehalten sein, sondern einer möglichst breiten Masse ermöglicht werden.17 Zwar geht mit diesen ideellen Zielsetzungen auch stets der ökonomische Gedankengang einher, dass es den Veranstaltern im Zusammenspiel zwischen nahezu kostenfreien Übertragungen im frei empfangbaren TV, Pay-TV-Übertragungen und Ticketpreisen eher darauf ankommt, den Eventcharakter und das Massenspektakel in den vollen Stadien zu erhalten als durch höhere Ticketpreise spezielle ___________ 14

Vgl. auch OLG Hamburg, Urt. v. 03.02.2005 – Az. 5 U 65/04 (EV); LG Mönchengladbach, Urt. v. 25.09.2006  Az. 8 O 94/05. 15 Vgl. auch Gutzeit, BB 2007, 113, 116; Bach, JR 2007, 137, 138. 16 So auch LG Köln, Urt. v. 13.04.2006 – Az. 31 O 28/06. 17 Gutzeit, BB 2007, 113, 116; Weller, NJW 2005, 934, 936.

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Zuschauerschichten zu verprellen. Doch ist die mindestens mitentscheidende gesellschafts- und sozialpolitische Zielsetzung nicht von der Hand zu weisen. Dieses ideelle Selbstverständnis des Fußballs zeigt sich nicht zuletzt in den Satzungen und Ordnungen der Verbände und Vereine.18 Auch der BGH hat in seiner Entscheidung vom 11.09.2008 die bezweckte Einhaltung eines sozial verträglichen Preisgefüges als legitimes Ziel der AGB anerkannt.19 Primär geht es den Veranstaltern bei der Handelsbeschränkung in den AGB allerdings darum, dem gravierenden Sicherheitsproblem bei sportlichen Großveranstaltungen Herr zu werden. Zum einen müssen verhängte Stadionverbote, etwa gegenüber bekannten Hooligans, durchgesetzt werden. Bei einer weitestgehenden Kontrolle des Ticketverkaufs ist es ohne Zweifel eher möglich, Ticketverkäufe an unliebsame Personen zu verhindern, als dies bei einem lediglich durch den Markt kontrollierten Verkaufssystem der Fall wäre.20 Zum anderen sind die Veranstalter aber auch allgemein gehalten, die Fangruppen verschiedener Clubs zu trennen.21 Diese Pflicht ergibt sich nicht zuletzt aufgrund öffentlich-rechtlicher Obliegenheiten. Üblicherweise erhalten die Veranstalter von Seiten der Kommunen auf dem Polizei-, Ordnungs- und Versammlungsrecht basierende Auflagen. Teil dieser Auflagen ist es auch „die heimischen und gegnerischen Fangruppen in getrennte Bereiche unterzubringen, worauf beim Kartenverkauf genauestens zu achten sei.“22

Immer häufiger werden die Vereine mit Beschwerden von Fans konfrontiert, die unbedacht im Internet Karten auf dem Sekundärmarkt erworben haben, dann inmitten der Fans der gegnerischen Mannschaft sitzen und sich erheblichen Sicherheitsbedenken ausgesetzt fühlen.23 Diesen vielschichtigen Interessen der Veranstalter ist das Interesse des Tickethändlers an der möglichst freien Handelbarkeit der Tickets gegenüberzustellen und in Ausgleich zu bringen. Jedenfalls dürfte ein vorbehaltloser Aus___________ 18 Beispielsweise Präambel, §§ 4, 16b, 58 der Satzung des DFB; ebenso die Präambel des Ligaverbandes. 19 Vgl. Pressemitteilung des BGH vom 12.09.2008 (Nr. 170/2008) zur Entscheidung vom 11.09.2008 (Az. I ZR 74/06 – bundesligakarten.de). 20 Gutzeit, BB 2007, 113, 116 m.w.N.; bezüglich Hooligans auch Weller, NJW 2005, 934, 936. 21 Vgl. auch OLG Hamburg, Urt. v. 05.04.2006 – Az. 5 U 89/05; LG Köln, Urt. v. 13.04.2006 – Az. 31 O 28/06; AG Mainz, Urt. v. 31.10.2006 – Az. 72 C 309/06. 22 So etwa Ziffer 4 eines Bescheids der Landeshauptstadt München bezüglich der Fußballspiele des FC Bayern München in der Allianz Arena in der Saison 2007/2008. 23 Vgl. generell zu den Sicherheits- und Schutzpflichten des Veranstalters von Fußballspielen Breucker NJW 2006, 1233 ff.; Fritzweiler in: Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, S. 451 ff.; vgl. zur sog. „strict liability“ der Fußballvereine im Zusammenhang mit Sicherheitsaspekten auch das Urteil des CAS vom 09.02.2007 Feyernoord Rotterdam ./. UEFA – Az. CAS 2007/A/1217.

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schluss des Weiterverkaufs den Kunden unangemessen benachteiligen. In einem solchen Fall würden die Interessen des Kunden von vornherein außen vor bleiben.24 Eine solche vorbehaltlose Beschränkung des Tickethandels wird jedoch in keiner der bekannten Ticketing-AGB vorgesehen. Vielmehr bedarf es einer konkreten Betrachtung der hier vor allem maßgeblichen Verbote unter Berücksichtigung der skizzierten Interessenlage.

bb) Interessenabwägung Nach den zitierten AGB ist es zunächst untersagt, erworbene Tickets bei Internetauktionshäusern zum Verkauf anzubieten. Darüber hinaus ist es generell untersagt, Tickets ohne ausdrückliche vorherige schriftliche Zustimmung durch den Club gewerblich und/oder kommerziell zu veräußern. Beide Verbote sind zweifelsohne geeignet, die skizzierten Ziele der Veranstalter zu erreichen. Jede Beschränkung des Handels mit Eintrittskarten auf dem Sekundärmarkt erleichtert die Kontrolle für den Veranstalter, an wen und zu welchen Bedingungen Karten veräußert werden. Fraglich ist, ob die Verbote auch erforderlich sind, mithin mildere, gleichsam geeignete Mittel zur Zielerreichung zur Verfügung stehen. Konkret in Bezug auf das Verbot, Tickets bei Internetauktionshäusern zum Verkauf anzubieten, geht es den Veranstaltern auch darum, dass der Ticketinhaber, der seine Eintrittskarten in eine Internetauktion einstellt, es grundsätzlich nicht mehr in der Hand hat, wem gegenüber er sich vertraglich bindet, an wen er also die Tickets letztlich abgeben muss.25 Insofern könnte auch ein vom Stadionbesuch ausgeschlossener Hooligan durch ein entsprechendes Höchstgebot den Anspruch auf die Lieferung der Tickets erlangen. Eine Auswahlmöglichkeit, ob der Versteigerer sein Ticket letztlich an den Ersteigerer abgeben möchte, existiert im Grundsatz nicht. Milderes Mittel wäre sicherlich die Anzeigepflicht gegenüber dem Veranstalter, wer letztlich die Tickets erworben hat. Eine solche Bestimmung wäre allerdings keinesfalls gleich geeignet, schließlich würde sie in der Konsequenz die Kontrolle eines jeden Tickets inklusive der Identität des Besuchers vor den Stadien erfordern, welche bei Stadien mit einem Fassungsvermögen bis zu 80.000 Zuschauern in der Bundesliga nahezu unmöglich, in jedem Fall aber unpraktikabel und wegen der zwangsläufig zu erwartenden langen Schlangen vor den Stadien auch nicht im Sinne der Kunden ist. Bei dem Verbot, Tickets ohne ausdrückliche vorherige schriftliche Zustimmung durch den Club gewerblich und/oder kommerziell zu veräußern, geht es ___________ 24 25

Weller, NJW 2005, 934, 937. LG Mainz, SpuRt 2008, 33, 33; Gutzeit, BB 2007, 113, 117 m.w.N.

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weniger um die Sicherheitsinteressen des Veranstalters als um die ökonomischen und gesellschaftspolitischen Ziele. Milderes Mittel, um diese Ziele zu erreichen, wäre es beispielsweise, gewisse Ticketkontingente zu geringeren Festpreisen an bestimmte finanzschwächere Personengruppen abzugeben, bezüglich eines Großteils der Karten jedoch die Preisbildung dem freien Markt zu überlassen. Allerdings würde eine solche Splittung zum einen das ohnehin knappe Kartenangebot an „frei erwerbbaren Tickets“ weiter reduzieren, was letztlich die Preise weiter steigen lassen würde. Zum anderen wäre der Anreiz groß, gerade die zu reduzierten Preisen abgegebenen Tickets letztlich mit erheblichen Gewinnspannen auf dem Schwarzmarkt anzubieten. Auch eine Selbstverpflichtung der Händler, die Tickets nach den Vorstellungen der Veranstalter weiterzuveräußern, kann nicht als gleich geeignet im Vergleich zu einem generellen Verbot des kommerziellen Weiterverkaufs mit Zustimmungsvorbehalt angesehen werden. Letztlich entscheidend ist daher die Angemessenheit der Verbote. Bezüglich des Verbots, Tickets bei Internetauktionshäusern zum Verkauf anzubieten, überwiegen die Sicherheitsinteressen der Veranstalter die Interessen am freien Handel. Ein im Sicherheitsinteresse gesteuerter Verkauf der Tickets durch den Veranstalter würde durch einen Handel der Tickets im Rahmen einer Internetauktion konterkariert.26 Die Sicherheitsinteressen der Veranstalter und mittelbar die Schutzinteressen der Zuschauer sind im Vergleich zu den kommerziellen Interessen eines Tickethändlers zweifelsohne höher einzustufen.27 Für eine Angemessenheit des Verbots, Tickets ohne ausdrückliche vorherige schriftliche Zustimmung durch den Club gewerblich und/oder kommerziell zu veräußern, spricht bereits, dass dem Verbot ein Zustimmungsvorbehalt hinzugefügt wurde. Dem Ticketerwerber steht es somit frei, sich im konkreten Fall beim Veranstalter um die Erlaubnis des Weiterverkaufs zu bemühen, hier tritt dann an die Stelle der Inhaltskontrolle im konkreten Fall eine Ausübungskontrolle.28 Denn freilich darf die Zustimmung seitens des Veranstalters nicht unbillig verweigert werden.29 Unbillig wäre etwa eine willkürliche Verweigerung der Zustimmung, obwohl der Verkäufer gewillt ist, sämtlichen Zielen der Veranstalter gerecht zu werden. Berücksichtigt man diesen Aspekt des Zustimmungsvorbehalts, wiegen die ökonomischen und gesellschaftspolitischen Ziele der Veranstalter das Interesse der Tickethändler durchaus auf, weshalb auch das zweite hier maßgebliche Verbot einer Inhaltskontrolle am Maßstab der ___________ 26

Gutzeit, BB 2007, 113, 118. So auch LG Mainz, SpuRt 2008, 33, 33; Gutzeit, BB 2007, 113, 117 m.w.N. 28 Vgl. zum Verhältnis der Inhaltskontrolle zur Ausübungskontrolle bei Vereins- und Verbandsakten Holzhäuser, Die Vereinslizenzierung in den deutschen Profisportligen, 2006, S. 154 ff. m.w.N. 29 Vgl. BGH NJW-RR 2000, 1220, 1221. 27

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§§ 305 ff. BGB standhält.30 Ebenso hat der BGH in seiner Revisionsentscheidung vom 11.09.2008 festgestellt, dass es dem Verein freistehe, einen Kartenverkauf an gewerbliche Kartenhändler abzulehnen. Gegen die Wirksamkeit der entsprechenden Klausel in den AGB der Vereine bestünden keine Bedenken.31

b) Ordnungsgemäße Einbeziehung der AGB Geht man von der Zulässigkeit der AGB aus, stellt sich grundsätzlich die Frage ihrer ordnungsgemäßen Einbeziehung in den Ticketvertrag. Im Fall des gewerblichen Tickethandels sind die strengen Anforderungen des § 305 Abs. 2 BGB wegen § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht anzuwenden. Die Einbeziehung der AGB in den Vertrag dürfte daher regelmäßig keinerlei Schwierigkeiten bereiten. Ohnehin würden jedoch keine Besonderheiten gelten, mithin die Möglichkeit der Kenntnisnahme in zumutbarer Weise genügen. Erwähnenswert ist allenfalls, dass das OLG Hamburg in seinen Entscheidungen explizit auch die Bekanntgabe der AGB erst im Stadium der Abmahnung für ausreichend gehalten hat.32 In der Konsequenz bedeutet dies, dass ein Verein, der den Tickethandel entgegen seiner AGB beispielsweise bei Ebay entdeckt, den Ebayverkäufer abmahnen und ihm erst in diesem Stadium seine AGB ausdrücklich mitteilen kann. Selbstverständlich können so bekanntgemachte AGB jedoch nur bei zukünftigen Ticketverkäufen Bedeutung erlangen. Will sich ein Club mithin prozessual derart auf seine AGB berufen, muss er auch nach der Abmahnung, der die AGB beigefügt wurden, noch Verkäufe des Händlers nachweisen können. Jedenfalls ist es den Vereinen aber dringend anzuraten, bei einer Abmahnung eines Tickethändlers zur Sicherheit nochmals die eigenen AGB mitzusenden.

c) Zwischenergebnis Veräußert ein Tickethändler die direkt beim Veranstalter erworbenen Tickets in kommerzieller Art und Weise weiter, verstößt er somit gegen die ordnungsgemäß einbezogenen, wirksamen AGB des Veranstalters und verletzt mithin seine ihm aus dem zugrundeliegenden Werkvertrag obliegenden Pflichten. ___________ 30

So auch Gutzeit, BB 2007, 113, 118. Vgl. Pressemitteilung des BGH vom 12.09.2008 (Nr. 170/2008) zur Entscheidung vom 11.09.2008 (Az. I ZR 74/06 – bundesligakarten.de). 32 Urt. v. 03.02.2005 – Az. 5 U 65/04 – Verfügungsverfahren; Urt. v. 05.04.2006 – Az. 5 U 89/05 – Hauptsacheverfahren. 31

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Neben den in den AGB besonders geregelten Rechtsfolgen (Vertragsstrafe, Sperrung der Tickets und dauerhafter Ausschluss vom Ticketbezug) greifen daher auch die gesetzlichen Regelungen, vor allem die §§ 280 ff. BGB. Dem Veranstalter stehen daher grundsätzlich Schadensersatzansprüche und – sofern die Verletzungshandlung oder der pflichtwidrig geschaffene Zustand noch andauert – auch Unterlassungsansprüche gegen den Tickethändler zu33. Als Zwischenergebnis kann man daher festhalten: Verkauft ein Händler Tickets unter kommerziellen Gesichtspunkten weiter, obwohl geltende AGB gerade diesen Weiterverkauf verbieten, stehen dem jeweiligen Veranstalter umfassend vertragliche Ansprüche, vor allem Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche, gegen den Händler zu.34

3. Mittelbarer Bezug vom Primärmarkt (Fallgruppe 2) Vertragliche Ansprüche gegen den Tickethändler scheiden grundsätzlich aus, wenn nicht er selbst die Tickets auf dem Primärmarkt erworben hat, sondern er vom Weiterverkauf eines Kunden der Vereine profitiert. Ein vertraglicher Anspruch seitens des Vereins, gestützt auf einen Verstoß gegen die AGB, kommt im Grundsatz nur innerhalb der unmittelbaren Vertragsbeziehung zwischen Verein und Kunde in Frage. Nur hier wurden die AGB ordnungsgemäß einbezogen.35 Ansprüche seitens der Vereine könnten in solchen Fällen des mittelbaren Ticketbezugs jedoch über das UWG begründet werden. Im Fall des gewerblichen Tickethandels steht der Anwendbarkeit des UWG nichts im Wege. Unternehmensbezug und Wettbewerbsförderungszweck sind bei einem gewerblichen Tickethandel zweifelsohne gegeben, so dass eine Wettbewerbshandlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG regelmäßig vorliegt. Auch die Bagatellschwelle dürfte bei gewerblichem Handeln gewöhnlich überschritten werden. Entscheidend ist daher vor allem die Unlauterkeit des gewerblichen Ticketweiterverkaufs im Sinne der §§ 3, 4 UWG. Ein offensichtlich passendes Regelbeispiel für die vorliegende Konstellation findet sich in § 4 UWG allerdings ___________ 33

BGH, NJW 1995, 1284, 1285 m.w.N.; OLG Hamburg Urt. v. 03.02.2005 – Az. 5 U 65/04; Heinrichs in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 280, Rn. 33. 34 Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 11.09.2008 (Az. I ZR 74/06 – bundesligakarten.de) Unterlassungsansprüche des Veranstalters ebenfalls bejaht. Allerdings hat der BGH wohl einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen Schleichbezugs angenommen, vgl. Pressemitteilung des BGH vom 12.09.2008 (Nr. 170/2008). Vgl. zu dieser Fallgruppe die Ausführungen im Abschnitt V. 3. 35 Siehe zu der Geltung der AGB auch in mittelbaren Vertragsbeziehungen die Ausführungen im Abschnitt V. 1.

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nicht. Es bietet sich daher an, auf die „Generalklausel der Regelbeispiele“36 zurückzugreifen – § 4 Nr. 10 UWG. Verboten ist danach die gezielte Behinderung von Mitbewerbern. Fraglich ist also, ob der gewerbliche Tickethändler die veranstaltenden Vereine und Verbände gezielt behindert. Gerade weil der Wortlaut des § 4 Nr. 10 UWG wenig Anhaltspunkte für eine Subsumtion bietet, ist die von der jahrelangen Kasuistik geprägte Entscheidungspraxis zum UWG im Bereich des § 4 Nr. 10 UWG besonders wichtig. Es empfiehlt sich daher auch vorliegend, auf bekannte Fallgruppen der Rechtsprechung zurückzugreifen. Zu denken ist dabei an die Rechtsprechung zu selektiven Vertriebsbindungssystemen. Von solchen spricht man, wenn Hersteller von Luxusgütern ihre Produkte nur an exklusive Händler liefern und deren Möglichkeit des Weiterverkaufs, mit Ausnahme des Verkaufs gegenüber Endverbrauchern, beschränken.37 Regelmäßig erfolgt dies auch zur Imagepflege und um den Markt für den Weiterverkauf zu kontrollieren. Eine gewisse Ähnlichkeit zur Organisation des Ticketmarktes lässt sich nicht von der Hand weisen. In der klassischen Situation eines selektiven Vertriebsbindungssystems, in der ein Außenseiter (hier der Tickethändler) versucht, das Vertriebsbindungssystem (hier die Beschränkung des Weiterverkaufs) zu umgehen, kann sich nach der Literatur und Rechtsprechung eine Unlauterkeit vor allem aus folgenden Gesichtspunkten ergeben38: –

Verleiten zum Vertragsbruch,



Schleichbezug,



Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs.

Diese Fallgruppen werden folgerichtig auch im Zusammenhang mit der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit des gewerblichen Tickethandels herangezogen.

a) Verleiten zum Vertragsbruch Nach der Übertragung der Grundsätze zu den selektiven Vertriebsbindungssystemen auf die vorliegende Konstellation des Tickethandels würde ein Verleiten zum Vertragsbruch erfordern, dass der Schwarzmarkthändler aktiv auf einen Kunden des Primärmarktes zugeht und ihn auffordert, gegen die AGB des Veranstalters zu verstoßen. ___________ 36

Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl. 2006, § 4, Rn. 10/2. Vgl. allgemein zu selektiven Vertriebssystemen und deren Handhabbarkeit im Lauterkeitsrecht etwa Piper/Ohly (Fn. 36), § 4, Rn. 10/67 ff. 38 Beier, GRUR 1987, 131, 135 m.w.N. 37

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Die Rechtsprechung stellt hier jedoch äußerst strenge Anforderungen an die Unlauterkeit: Es genügt nicht, wenn der Schwarzmarkthändler an einen Kartenbesitzer herantritt und ihm ein Kaufangebot unterbreitet oder das Tätigwerden des Händlers sich gar auf eine bloße Lieferanfrage beschränkt. Vielmehr muss eine darüber hinausgehende unlautere Einflussnahme auf die Entscheidung des Kartenbesitzers im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG erfolgen.39 Es muss bewusst auf den Vertragsbruch des Kartenbesitzers hingewirkt werden.40 Ein Vertrag bindet nur den unmittelbaren Vertragspartner. Ob und wie (einvernehmlich oder durch Vertragsbruch) sich einer der Vertragspartner aus dem Vertrag löst, ist allein die Entscheidung des Vertragspartners. Begeht er eine Vertragsverletzung, kann der Vertragspartner gegen ihn mit den Mitteln des Vertragsrechts vorgehen. Nicht einmal die Anstiftung zur Vertragsverletzung löst aber im Grundsatz vertragsrechtliche Ansprüche gegen den Anstifter aus. Eine Haftung des Anstifters sieht das Gesetz (§ 830 Abs. 2 BGB) nur im Falle der unerlaubten Handlung vor. Nicht jeder Vertragsbruch ist aber eine unerlaubte Handlung. Die bloße Anstiftung zur Vertragsverletzung kann daher nicht ausreichen, um eine Unlauterkeit zu begründen.41 Erst wenn besondere unlauterkeitsbegründende Umstände hinzukommen und die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners mithin durch unangemessenen unsachlichen Einfluss beeinträchtigt wird, ist ein unlauteres Verleiten zum Vertragsbruch anzunehmen. Im vorliegenden Fall dürfte die Grenze zur Unlauterkeit dort überschritten sein, wo unangemessener Druck auf den Karteninhaber ausgeübt wird (z.B. Drohung). Auch das Angebot des Tickethändlers, die infolge des Verstoßes gegen die AGB eventuell anfallende Vertragsstrafe für den Ticketbesitzer zu übernehmen, dürfte ein unlauteres Verleiten zum Vertragsbruch darstellen. Liegen diese Extremfälle nicht vor, kann der gewerbliche Tickethandel auf dem Sekundärmarkt nicht als unlauter im Sinne der Rechtsprechung zum Verleiten zum Vertragsbruch angesehen werden. Dies wurde auch vom BGH in seiner Entscheidung vom 11.09.2008 bestätigt.42 Unter praktischen Gesichtspunkten ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch bei tatsächlichem Vorliegen eines dieser Extremfälle erhebliche Schwierigkeiten bestehen dürften, die unlautere Einwirkung auf den Ticketbesitzer nachzuweisen.

___________ 39 Vgl. OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 89, 90; Köhler in: Hefermehl/Köhler/ Bornkamm, UWG, 26. Aufl. 2008, § 4, Rn. 10.63. 40 Vgl. OLG Hamm GRUR-RR 2004, 27,28; Piper/Ohly (Fn. 36), § 4, Rn. 11/374. 41 Köhler (Fn. 39), § 4, Rn. 10.108a. 42 Vgl. Pressemitteilung des BGH vom 12.09.2008 (Nr. 170/2008) zur Entscheidung vom 11.09.2008 (Az. I ZR 74/06 – bundesligakarten.de).

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b) Schleichbezug Ein unlauterer Schleichbezug liegt vor, wenn ein Außenseiter unter aktiver Täuschung über seine Kaufberechtigung eine Ware von jemandem bezieht, der Teil des Vertriebsbindungssystems ist.43 Als Beispiele sind anerkannt die Irreführung eines gebundenen Händlers über die Händlereigenschaft des Außenseiters44, der Einkauf durch als Endverbraucher oder vertriebsberechtigter Händler getarnte Strohmänner45 oder das Zusammenwirken mit untreuen Angestellten46. Es ist wettbewerbswidrig, ein schutzwürdiges Vertriebssystem durch Täuschung unterlaufen zu wollen, indem der ungebundene Wiederverkäufer gegenüber dem Unternehmer oder dem gebundenen Vertragshändler, der allein an Endverbraucher – auch unter Einschaltung von Vermittlern – verkaufen darf, bewusst den unzutreffenden Eindruck erweckt, lediglich Vermittler oder Endverbraucher zu sein, obwohl er tatsächlich Wiederverkäufer ist.47 Eine Vielzahl der hier untersuchten Fälle lässt sich unter diese Grundsätze zur Unlauterkeit des Schleichbezugs subsumieren: Der Tickethändler hat die positive Kenntnis, dass er als gewerblicher Wiederverkäufer keine Karten beziehen darf, bezieht aber trotzdem durch eine Vielzahl verschiedenster verdeckter Mittel erhebliche Ticketkontingente, um diese anschließend gewerblich weiterzuveräußern. Problematisch ist unter diesem Aspekt jedoch, dass das Unlauterkeitsmerkmal des Schleichbezugs im Handlungsunwert zu sehen ist.48 Täuscht der Tickethändler nicht über sein Bezugsrecht, tritt er vielmehr dem Ticketbesitzer offen mit seiner Wiederverkaufsabsicht gegenüber, liegt streng genommen kein Schleichbezug im obigen Sinne mehr vor. Folgerichtig hat auch der BGH in seiner Entscheidung vom 11.09.2008 die dort vorliegende Konstellation zwar grundsätzlich unter die Fallgruppe des Schleichbezugs subsumiert, doch dann einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch verneint, wenn die Tickethändler über Suchanzeigen in Sportzeitschriften Karten von Kunden des Primärmarktes erwerben. In diesem Fällen fehle es an der für einen Schleichbezug erforderlichen Täuschung über die Wiederverkaufsabsicht.49 Zudem reicht ___________ 43 Vgl. OLG München Urt. v. 02.12.2004, Az. 29 U 3475/04; Köhler (Fn. 39), § 4, Rn. 10.63; Beier, GRUR 1987, 131, 135. 44 OLG München Urt. v. 02.12.2004, Az. 29 U 3475/04. 45 BGH GRUR 1988, 916; Piper/Ohly (Fn. 36), § 4, Rn. 11/375; Beier, GRUR 1987, 131, 135 m.w.N. 46 Piper/Ohly (Fn. 36), § 4, Rn. 11/375. 47 Vgl. BGH GRUR 1992, 171, 173; GRUR 1994, 827, 828; Köhler (Fn. 39), § 4, Rn. 3.51; Piper/Ohly (Fn. 36), § 4, Rn. 11/375, Rn. 11/377. 48 Vgl. Piper/Ohly (Fn. 36), § 4, Rn. 11/375 m.w.N. 49 Vgl. Pressemitteilung des BGH vom 12.09.2008 (Nr. 170/2008) zur Entscheidung vom 11.09.2008 (Az. I ZR 74/06 – bundesligakarten.de).

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es grundsätzlich für einen Schleichbezug nicht aus, wenn Einkäufer des Außenseiters bei gebundenen Händlern Waren in haushaltsmäßigen Mengen erwerben, ohne die Wiederverkaufsabsicht zu offenbaren.50 Kauft der Tickethändler daher nur einzelne Tickets bei verschiedenen Ticketbesitzern zusammen, dürfte in jedem einzelnen Fall die Schwelle zum Schleichbezug nicht erreicht werden. Im Ergebnis zeigen diese Punkte, dass die Grundsätze zum Schleichbezug zwar die hiesige Fallkonstellation hinsichtlich des Tatbestandes oftmals gut treffen, es bestehen allerdings Schwierigkeiten, sämtliche Fallgruppen des Ticketbezugs durch Schwarzmarkthändler zu erfassen. Hinzu kommen die bereits beim Verleiten zum Vertragsbruch erwähnten Beweisprobleme. Wird jedoch aktiv und im großen Stil über das Bezugsrecht getäuscht, lässt sich die Unlauterkeit des Handelns eines Tickethändlers unter die Fallgruppe des Schleichbezugs subsumieren.

c) Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs Das OLG Hamburg hat in seinen Entscheidungen auf die Grundsätze zum Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs zurückgegriffen.51 Wird ein fremder Vertragsbruch ausgenutzt, stellt dies gewissermaßen die Abschwächung der ersten Fallgruppe, Verleiten zum Vertragsbruch, dar. Der Tickethändler wirkt nicht aktiv auf den Vertragsbruch des Ticketbesitzers hin, sondern der Händler profitiert bewusst, aber passiv von dessen Verstoß gegen die AGB des Vereins. Nach neuerer Rechtsprechung wird das Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs jedoch im Grundsatz nicht mehr als unlauter angesehen.52 Die schuldrechtliche Bindung zwischen dem Mitbewerber (hier dem Verein) und seinem Vertragspartner (hier dem Kunden auf dem Primärmarkt) könne gegenüber Dritten (hier der Tickethändler) im Allgemeinen keine rechtlichen Wirkungen entfalten. Die Annahme eines Wettbewerbsverstoßes schon beim bloßen Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs würde quasi zur Verdinglichung der schuldrechtlichen Verpflichtung führen.53 Man ist sich daher einig, dass mindestens besondere Umstände hinzukommen müssen, um den Unlauterkeitsvor-

___________ 50

Köhler (Fn. 39), § 4, Rn. 10.63 m.w.N. OLG Hamburg, Urt. v. 03.02.2005 – Az. 5 U 65/04 (EV); OLG Hamburg, Urt. v. 05.04.2006 – Az. 5 U 89/05 (Hauptsache). 52 BGHZ 232, 240; BGH GRUR 2002, 795, 798; BGH GRUR 2007, 800, Rn. 15 ff.; so auch der BGH in seiner Pressemitteilung vom 12.09.2008 (Nr. 170/2008) zur Entscheidung vom 11.09.2008 (Az. I ZR 74/06 – bundesligakarten.de). 53 Köhler (Fn. 39), § 4, Rn. 10.109. 51

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wurf zu begründen.54 Fraglich ist, ob diese besonderen Umstände in der vorliegenden Konstellation gegeben sind. Diese Umstände könnten sich aus der besonderen Schutzwürdigkeit des Fußball-Ticketingsystems im Vergleich zu üblichen Vertriebsbindungsystemen ergeben. Die Gründe, die im hiesigen Fall für eine weitgehende Kontrolle des Ticketmarktes sprechen, gehen nämlich über die Ziele eines üblichen Vertriebsbindungssystems hinaus. Anders als bei diesen üblichen Systemen spielen weniger wirtschaftliche Gründe, Image- oder Haftungsgründe eine Rolle, vielmehr verfolgen die Verbände und Vereine mit Ihrer Vertriebsbindung wie oben dargestellt55 darüber hinaus gehende gesellschafts- und sozialpolitische sowie vor allem Sicherheitsziele. Sofern das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung anführt, die Verbände und Vereine hätten es selbst in der Hand, durch die Einführung personalisierter Tickets in Verbindung mit einer verstärkten Eingangskontrolle am Stadion ihren Sicherheitsansprüchen gerecht zu werden56, ist dieser Ansicht zu widersprechen. Es wurde bereits aufgezeigt, dass eine konsequente Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ergibt, dass die Einführung personalisierter Tickets in Verbindung mit einer verstärkten Eingangskontrolle zwar ein milderes, aber kein gleich geeignetes Mittel darstellt.57 Der Verweis des OLG Düsseldorf auf das vermeintlich positive Beispiel der WM 2006 zeigt gerade, dass eine konsequent durchgeführte Einlasskontrolle praktisch unmöglich und daher keine wirkliche Alternative zu einer generellen Einschränkung der Handelbarkeit der Tickets sein kann. Auch bei der WM 2006 wurden zwar in erheblichem Umfang Daten der Ticketinhaber erfasst, eine Einlasskontrolle vor den Stadien wurde jedoch entgegen der Berichterstattung vor dem Turnier allenfalls stichprobenweise durchgeführt, um übermäßige Wartezeiten vor den Stadien zu vermeiden. Auch zur Erreichung der gesellschafts- und sozialpolitischen Zielsetzung stehen den Verbänden und Vereinen keine verhältnismäßig milderen Mittel im Vergleich zu einer generellen Kontrolle des Tickethandels zur Verfügung. Dass die teilweise Freigabe des Handels mit einer Kontingentierung der Tickets keine verhältnismäßige Alternative darstellt, wurde bereits aufgezeigt.58 Die Argumentation des OLG Düsseldorf, wonach es die Berufsausübungsfreiheit der Tickethändler gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verbieten würde, zur Begründung des ___________ 54

Piper/Ohly (Fn. 36), § 4, Rn. 11/367; Köhler (Fn. 39), § 4, Rn. 10.109; Beier, GRUR 1987, 131, 135; jeweils m.w.N. 55 Siehe die Ausführungen im Abschnitt V. 2. a) aa). 56 OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.06.2007 – Az. I-20 U 154/06. 57 Siehe die Ausführungen im Abschnitt V. 2. a) bb). 58 Siehe die Ausführungen im Abschnitt V. 2. a) bb).

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Fußball-Ticketingsystems auf die ideellen Ziele der Verbände und Vereine zu verweisen, geht fehl. Stattdessen sind Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit grundsätzlich gerechtfertigt, wenn vernünftige Gründe des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen.59 Eine Begründung, warum dies bei den vorgetragenen gesellschafts- und sozialpolitischen, aber auch kommerziell orientierten Zielen nicht der Fall sein soll, bleibt das OLG Düsseldorf schuldig. Vielmehr lässt das Gericht unberücksichtigt, dass der Berufsausübungsfreiheit der Tickethändler auch die Grundrechte der Vereine und Verbände gegenüberstehen. Das Interesse an einer Beschränkung des Handels mit dem eigenen Produkt aus den verschiedensten Gründen ist von der Berufsfreiheit der Verbände und Vereine ebenso geschützt wie das Interesse an einem möglichst freien Handel mit diesem Produkt auf Seiten der Händler. Dass eine Abwägung beider Interessen durchaus zu Gunsten der Vereine und Verbände durchgeführt werden kann, wurde bereits aufgezeigt.60 Das OLG Hamburg hat in seiner Hauptsacheentscheidung vom 05.04.200661 zudem deutlich und richtig herausgearbeitet, dass zu der besonderen Interessenlage des Ticketingsystems im Fußball auch ein struktureller Unterschied zu Vertriebsbindungssystemen im sonstigen Wirtschaftsleben besteht. Fußballtickets werden im Unterschied zu den Handelsgütern in üblichen Vertriebsbindungsystemen gerade nicht zum Weiterverkauf an exklusive, vertraglich gebundene Händler in den Markt abgegeben, sondern die Abgabe erfolgt größtenteils an Endkunden. Der Weiterverkauf soll bei den Tickets gerade zwecks einer möglichst hohen Kontrolle aus den bekannten Gründen weitgehend unterbunden werden. Handelsgüter in üblichen Vertriebsbindungsystemen sollen hingegen durchaus weiterveräußert werden, allerdings nur in den vorgesehenen Vertriebskanälen. Außenseiter, die mit diesen Handelsgütern außerhalb der Vertriebsbindung Handel betreiben, schaffen daher keinen Schwarzmarkt, sondern allenfalls einen „grauen“ Markt. Vorliegend hingegen bewirken die Tickethändler, dass ein Markt für Tickets entsteht, der aus schützenswerten Gründen eigentlich weitgehend unterbunden werden sollte – sie schaffen bewusst und ausschließlich zur eigenen Gewinnmaximierung einen seitens der Vereine und Verbände ungewollten Schwarzmarkt. Im Ergebnis sprechen daher die besseren Gründe dafür, zusammen mit dem OLG Hamburg und entgegen dem OLG Düsseldorf, das Vorliegen besonderer unlauterkeitsbegründender Umstände in der vorliegenden Situation des gewerb___________ 59

Vgl. zu den Rechtfertigungsanforderungen im Zusammenhang mit der sogenannten Drei-Stufen-Theorie bei Art. 12 GG statt vieler Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 12, Rn. 35 ff.; Gubelt in: v.Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 1999, Art. 12, Rn.45; Krogmann, Grundrechte im Sport, 1998, 45 f. 60 Siehe die Ausführungen im Abschnitt V. 2. a) bb). 61 OLG Hamburg, Urt. v. 05.04.2006 – Az. 5 U 89/05.

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lichen Handels mit Fußballtickets, mithin einen Verstoß der Tickethändler gegen §§ 3, 4 Nr. 10 UWG, nach den Grundsätzen des Ausnutzens eines fremden Vertragsbruchs anzunehmen. Allerdings sei an dieser Stelle angemerkt, dass der BGH in seiner Entscheidung vom 11.09.2008 kein wettbewerbswidriges Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs angenommen hat.62

d) Zwischenergebnis Damit lässt sich festhalten, dass auch in der zweiten Fallgruppe, in welcher der Tickethändler nicht selbst die Tickets auf dem Primärmarkt erworben, sondern er vom Weiterverkauf eines Kunden der Vereine profitiert hat, nach der hiesigen Ansicht durchaus Ansätze existieren, mit denen sich Ansprüche der Vereine und Verbände gegen den Tickethändler begründen lassen. Das Lauterkeitsrecht stellt hier ausreichend Instrumente zur Verfügung.

4. Mittelbarer Bezug vom Sekundärmarkt (Fallgruppe 3) Die dritte und letzte Fallgruppe umfasst diejenigen Erwerbsvorgänge, bei denen die Tickethändler keinerlei Kenntnis davon haben, wo und unter welchen konkreten Umständen ihr Vertragspartner die ihnen angebotenen Tickets erworben hat. Hinsichtlich dieser Fallgruppe ist deshalb nochmals zu differenzieren, weil derjenige, der die Tickets an den Händler veräußert, selbst schon von jemandem erworben hat, der nicht mehr den AGB der Vereine/Verbände unterliegt. Die Grundsätze im Hinblick auf das Verleiten zum Vertragsbruch und zum Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs können daher nicht mehr einschlägig sein – es fehlt an einem fremden Vertragsbruch, den sich der Tickethändler zur Förderung des eigenen Wettbewerbs zu Eigen macht. Das OLG Hamburg hat in seiner Entscheidung im Verfügungsverfahren63 die Unlauterkeit daher über die Generalklausel gemäß § 3 UWG begründet. Es sei unlauter, die bekannte Beschränkung des Weiterverkaufs dadurch zu unterlaufen, dass man „ahnungslose“ Personen zwischenschiebe. Die Händler müssten sich daher auch beim Erwerb über Dritte an die Bindung halten, der sie selbst unterliegen würden, wenn sie unmittelbar von den Vereinen/Verbänden erworben hätten. Derartige Umgehungsgeschäfte, mit denen ein Geschäftspartner versucht, sich treuwidrig aus der ihm vertraglich bereits auferlegten (oder ___________ 62 Vgl. Pressemitteilung des BGH vom 12.09.2008 (Nr. 170/2008) zur Entscheidung vom 11.09.2008 (Az. I ZR 74/06 – bundesligakarten.de). 63 OLG Hamburg, Urt. v. 03.02.2005 – Az. 5 U 65/04.

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bei künftigen Vertragsschlüssen noch aufzuerlegenden) Bindung zu winden, seien im Geschäftsverkehr missbilligt und deshalb unlauter. Der BGH hat sich in seiner Entscheidung vom 11.09.2008 dieser Ansicht wohl nicht angeschlossen, vielmehr eine Unlauterkeit in dieser Konstellation verneint.64 Im Ergebnis ist der Entscheidung des OLG Hamburg jedoch zuzustimmen. Die Begründung des OLG Hamburg deutet allerdings in ihrer Formulierung stark auf die Grundsätze der Rechtsprechung zum Schleichbezug65 hin, ohne dass dies ausdrücklich benannt wurde. Die vom Gericht gewählte Begründung im Rahmen von § 3 UWG stellt sicherlich die flexiblere, wenn auch angreifbarere Lösung dar. Der teilweise vertretenen Auffassung66, wonach § 3 UWG nach der Einführung von § 4 UWG isoliert nur noch selten, wenn überhaupt, und nur noch in besonders gravierenden Fällen der Unlauterkeit anwendbar sei, ist allerdings zu widersprechen. Für einen derartigen Ansatz spricht weder der Wortlaut des Gesetzes („§ 4 Beispiele unlauteren Wettbewerbs …“) noch die amtliche Begründung des Gesetzesentwurfs.67 Vielmehr kommt § 3 UWG eine Auffangfunktion68 zu, innerhalb derer die Konkretisierung der Unlauterkeit eines wettbewerblichen Handelns mittels einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung zu erfolgen hat.69 Eine solche umfassende Güter- und Interessenabwägung ist somit auch im vorliegenden Sachverhalt durchzuführen. Dass innerhalb dieser Abwägung die besseren Gründe für die Schutzwürdigkeit des Fußball-Ticketingsystems mit seiner weitgehenden Vermeidung eines Sekundärmarkts und somit für die Unlauterkeit des Verhaltens eines Schwarzmarkthändlers sprechen, wurde bereits detailliert aufgezeigt.70 Diese Interessenabwägung lässt sich auch im Rahmen einer Prüfung am Maßstab der Generalklausel gemäß § 3 UWG durchführen. Sofern die Grundsätze des Schleichbezugs somit nicht erfüllt oder nicht nachweisbar sind, lassen sich Ansprüche der Vereine und Verbände auch in der dritten hier untersuchten Fallgruppe des gewerblichen Tickethandels mittels § 3 UWG begründen.

___________ 64

Vgl. Pressemitteilung des BGH vom 12.09.2008 (Nr. 170/2008) zur Entscheidung vom 11.09.2008 (Az. I ZR 74/06 – bundesligakarten.de). 65 Siehe zum Schleichbezug die Ausführungen im Abschnitt V. 3. b). 66 Schünemann, WRP 2004, 925, 927 f. 67 Richtig Piper/Ohly (Fn. 36), § 3, Rn. 28. 68 Köhler (Fn. 39), § 3, Rn. 7. 69 Piper/Ohly (Fn. 36), § 3, Rn. 29, 31. 70 Siehe zur Interessenabwägung die Ausführungen im Abschnitt V. 2. a) bb) und 3.c).

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VI. Alternative Begründungsansätze Abschließend sollen im Rahmen eines Exkurses drei weitere Ansätze aufgezeigt werden, über die man die Unzulässigkeit des gewerblichen Tickethandels auf dem Sekundärmarkt begründen kann.

1. Wertpapierrechtlicher Ansatz So wurde etwa von Martin Gutzeit in dogmatisch sauberer Weise aufgezeigt, wie ein Verein oder Verband mittels wertpapierrechtlicher Grundsätze eine Weitergeltung der AGB auch gegenüber Dritten, mithin außerhalb des ersten Vertragsverhältnisses zwischen Verein/Verband und Kunden, erreichen kann.71 Gutzeit unterscheidet richtig zwischen personalisierten Tickets, wie sie beispielsweise bei der WM 2006 in Deutschland verwendet wurden, und gewöhnlichen Tickets. Bei personalisierten Tickets ist die Person des Inhabers/Käufers auf der Karte abgedruckt oder in einem Chip auf der Karte gespeichert. Personalisierte Tickets sind als qualifizierte Legitimationspapiere im Sinne des § 808 BGB72 einzuordnen, das heißt der Aussteller des Tickets muss nicht allein deshalb leisten, weil der Gegenüber die Karte innehat, sondern er kann auch die materielle Berechtigung des Inhabers prüfen. Im Gegensatz dazu sind gewöhnliche Tickets Inhaberpapiere im Sinne des § 807 BGB73, die den jeweiligen Inhaber des Wertpapiers ohne zusätzlichen Nachweis als Eigentümer und Forderungsberechtigten des in der Urkunde verbrieften Rechts legitimieren. Der Aussteller (hier der Verein oder Verband) will die geschuldete Leistung (hier den Eintritt ins Stadion) gegenüber dem jeweiligen Inhaber der Karte erbringen. Es gilt dabei die widerlegliche Vermutung, dass dieser Ticketinhaber auch berechtigt ist.74 Umgekehrt wird der Aussteller durch Leistung an den Karteninhaber von seiner Pflicht frei, unabhängig davon, ob er an den materiell Berechtigten geleistet hat oder nicht (§ 793 BGB).

___________ 71

Gutzeit, BB 2007, 113 ff. AG Frankfurt a.M., SpuRt 2006, 122, 123; AG Syke, NJW 2003, 1054; Weller, NJW 2005, 934 f. 73 VGH München NJW 1978, 2052 f.; Hüffer in: Münchener Kommentar BGB, 4. Aufl. 2000, § 807 BGB, Rn. 10; Sprau in: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 807 BGB Rn. 3; Marburger in: Staudinger, BGB, 2002, § 807 BGB Rn. 5. 74 Marburger in: Staudinger, BGB, 2002, § 793 BGB Rn. 23. 72

Zulässigkeit des gewerblichen Weiterverkaufs von Fußballtickets

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Weil es bei personalisierten Tickets mithin auf die verbriefte Forderung selbst ankommt, wird das in der Karte verkörperte Recht nicht nach Maßgabe der §§ 929 ff. BGB, sondern gemäß den §§ 398 ff. BGB übertragen. Das Eigentum an der Karte geht bei der Abtretung dann nach § 952 Abs. 2 BGB mit über. Übertragungsverbote, wie sie vorliegend in den AGB der Vereine und Verbände enthalten sind, sind daher als vertraglich vereinbarte Abtretungsverbote im Sinne von § 399 Alt. 2 BGB zu qualifizieren.75 Bei der Abtretung einer Forderung bleiben auf die Forderung bezogene Einwendungen aus Gründen des Schuldnerschutzes aber grundsätzlich erhalten76, mithin auch die in den AGB enthaltenen Übertragungsverbote77. Demgegenüber werden gewöhnliche Tickets als Inhaberpapiere wie bewegliche Sachen veräußert, also nach § 929 BGB.78 Deshalb stellen Übertragungsverbote rechtsgeschäftliche Beschränkungen der Verfügungsfreiheit des Karteninhabers dar.79 Weiterhin enthält § 796 BGB eine klare Regelung für Inhaberpapiere: Der Aussteller des Tickets kann dem Inhaber die Einwendungen entgegenhalten, die sich aus der Urkunde ergeben. Diese urkundlichen Einwendungen binden dann jeden Inhaber.80 Im Ergebnis zeigt Gutzeit damit richtig auf, dass im Falle personalisierter Tickets materiell-rechtlich zulässige Übertragungsverbote in den AGB der Vereine und Verbände auch Dritte binden können, somit auch die Tickethändler. Eine Ausnahme gilt freilich im Fall des gutgläubigen Erwerbs gemäß § 405 BGB, der jedoch angesichts der Bekanntheit der Übertragungsverbote bei gewerblichen Händlern praktisch kaum vorliegen dürfte81. Liegen hingegen keine personalisierten Tickets vor, kann im Sinne von § 796 BGB eine Geltung der Übertragungsverbote der AGB gegenüber jedem Dritten im Grundsatz nur erreicht werden, wenn diese Verbote beispielsweise auf den Tickets abgedruckt wären. Als urkundliche Einwendungen würden sie sodann grundsätzlich jeden Inhaber binden. Freilich gilt es hier zum einen die praktischen Gegebenheiten, vor allem die begrenzte Ticketgröße, zu beachten. Zum anderen müsste detailliert untersucht werden, welche genauen Anforde___________ 75

Vgl. Gutzeit, BB 2007, 113, 115. Vgl. Roth in: Münchener Kommentar BGB, 5. Aufl. 2007, § 398 BGB, Rn. 93; Busche in: Staudinger, BGB, 2005, § 398 Rn. 27 ff. 77 Vgl. zur Weitergeltung der AGB grundsätzlich Ulmer in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl. 2006, § 305 BGB, Rn. 115. 78 Hüffner in: Münchener Kommentar BGB, 4. Aufl. 2000, § 807 BGB Rn. 14; Marburger in: Staudinger, BGB, 2002, § 807 BGB, Rn. 7. 79 Vgl. Gutzeit, BB 2007, 113, 117. 80 Vgl. Gutzeit, BB 2007, 113, 115. 81 So auch Gutzeit BB 2007, 113, 115. 76

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rungen (z.B. Schriftgröße) an die abgedruckten Einwendungen zu stellen wären. Gelingt es den Vereinen und Verbänden nach den von Gutzeit aufgezeigten wertpapierrechtlichen Grundsätzen, die AGB auch Dritten gegenüber zur Geltung zu verhelfen, stünden den Vereinen und Verbänden gegen die Tickethändler unabhängig vom konkreten Bezugsweg vertragliche Ansprüche zur Verfügung.

2. Besondere Unlauterkeitsansätze Neben den oben dargestellten generellen wettbewerbsrechtlichen Ansätzen kann der gewerbliche Handel mit Fußballtickets in Einzelfällen selbstverständlich auch weitere Normen des UWG verletzen. So ist der Tickethandel etwa dann eindeutig wettbewerbswidrig, wenn Karten unter der Vorspiegelung falscher Umstände angeboten werden. So sind in der Rechtsprechung beispielsweise schon Ticketkäufe als unlauter beschieden worden, bei denen Karten als im Gästeblock befindlich angeboten wurden, sich die Plätze tatsächlich aber in einem „neutralen“ Block neben dem eigentlich als Gästeblock bezeichneten Bereich des Stadions befunden haben. In solchen Fällen liegt oftmals ein Fall der irreführenden Werbung gem. §§ 3, 5 UWG vor.82

3. Gewerberechtlicher Ansatz Zuletzt ist noch darauf hinzuweisen, dass im Einzelfall, insbesondere beim Tickethandel vor den Stadien, auch gewerberechtliche Bestimmungen zu beachten sind. Aufgrund der Tatsache, dass der Tickethändler gewerbsmäßig und ohne vorhergehende Bestellung außerhalb seiner gewerblichen Niederlassung (§ 42 Abs. 2 GewO) Waren anbietet, ist der Handel mit Eintrittskarten vor den Stadien als Reisegewerbe im Sinne des § 55 Abs. 1 GewO zu qualifizieren. Für ein solches Reisegewerbe ist grundsätzlich eine Erlaubnisurkunde in Form einer Reisegewerbekarte gemäß § 55 Abs. 2 GewO erforderlich. Besitzt der Tickethändler eine solche Reisegewerbekarte, so muss er verschiedene Verbote beachten, die in § 56 Abs. 1 GewO aufgezählt werden. Demnach ist es unter anderem verboten, Wertpapiere und somit auch Fußballtickets zu vertreiben (§ 56 Abs. 1 Nr. 1 h GewO). Folgerichtig ist der gewerbs___________ 82 Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.06.2007 – Az- I-20 U 154/06; LG Mönchengladbach, Urt. v. 25.09.2006 – Az. 8 O 94/05.

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mäßige Handel mit Eintrittskarten vor den Stadien durch ein gewerberechtliches Verbot gem. §§ 55 Abs. 1, 56 Abs. 1 Nr. 1 h GewO untersagt.

VII. Ergebnis Trotz der existierenden Versuche der Vereine und Verbände, den gewerblichen Tickethandel durch ungebundene Dritte weitgehend einzuschränken, existiert ein wachsender Sekundärmarkt (Schwarzmarkt), der die Ziele der Vereine und Verbände konterkariert. Ansätze seitens der Vereine und Verbände, juristisch gegen die Player auf diesem Sekundärmarkt vorzugehen, sind jedoch durchaus vorhanden. Zum einen sind dies selbstverständlich auf der Grundlage zulässiger AGB vertragliche Ansprüche, zum anderen bietet außerhalb der unmittelbar bestehenden Vertragsbeziehungen aber auch das Lauterkeitsrecht Lösungen für die Vereine und Verbände an. Entscheidend für die Zulässigkeit handelsbeschränkender AGB als auch die Frage der Unlauterkeit im Sinne des UWG ist eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte Abwägung der Interessen des Fußballs an einer Beschränkung des gewerblichen Tickethandels mit den Interessen der gewerblichen Händler an einem möglichst ungehinderten und freien Handel mit den Tickets. Ob man im Rahmen einer solchen Interessenabwägung den von den Vereinen oder Verbänden ungewollten Sekundärhandel mit Eintrittskarten dann als rechtswidrig oder rechtmäßig ansieht, dürfte im Ergebnis davon abhängen, ob man sich offen für die Argumente des Fußballs zeigt, mithin das FußballTicketingsystem für schutzwürdig hält oder nicht. Nach der hier vertretenen Ansicht gibt es durchaus gute Gründe dafür, die vielschichtigen Interessen des Fußballs als gegenüber den rein kommerziell orientierten Interessen auf Seiten der Händler höherwertig einzustufen. In jedem Fall steigen die Aussichten auf Erfolg eines gerichtlichen Vorgehens durch die Vereine oder Verbände enorm, wenn der klagende Verein oder Verband die tatsächliche Grundlage des Ticketbezugs möglichst deutlich nachweisen kann, das heißt, der Verein oder Verband in der Lage ist, den Weg eines Tickets vom Veranstalter bis zum Endkunden über alle Stationen nachzuzeichnen. Insbesondere die lauterkeitsrechtliche Beurteilung des gewerblichen Tickethandels auf dem Sekundärmarkt ist nach den differierenden Entscheidungen des OLG Hamburg und des OLG Düsseldorf jedoch keinesfalls gesichert. Ob die Entscheidung des BGH vom 11.09.2008 (Az. I ZR 74/06 – bundesligakarten.de) hier Klarheit gebracht hat, bleibt abzuwarten. Zum Zeitpunkt der Fertig-

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stellung dieses Beitrages lagen die Gründe des Urteils noch nicht vor. Außerhalb einer unmittelbaren Vertragsbeziehung, in der sich ein Verein oder Verband ohne weiteres auf seine AGB berufen kann, sollten die Vereine und Verbände in dieser Fragestellung daher versuchen, sich auch anderweitig abzusichern. Dies wäre im Sinne des wertpapierrechtlichen Ansatzes von Gutzeit wohl primär möglich, indem die Tickets personalisiert bzw. die maßgeblichen AGB auf den Tickets abgedruckt würden.

Internationale Grundlagen der Dopingbekämpfung und ihre Umsetzung ins deutsche Recht Von Judith Schmidt I.

Einleitung.......................................................................................................... 208

II. Unesco-Übereinkommen gegen Doping im Sport............................................. 209 1.

2.

3.

Allgemeine Grundlagen............................................................................. 210 a)

Vertragsziele und -gegenstände.......................................................... 210

b)

Vertragspartner................................................................................... 211

c)

Vertragsorgane und beratende Organisationen................................... 211

Besondere Regelungen der WADA (Art. 4) .............................................. 212 a)

Transformation durch das Übereinkommen ....................................... 212

b)

Bindungswirkung der verschiedenen Regelungen.............................. 212

Spezielle Pflichten zur Ergreifung von Maßnahmen zur Einschränkung der Verfügbarkeit und Anwendung verbotener Wirkstoffe und Methoden (Art. 8)...................................................................................... 216 a)

Verpflichtete ...................................................................................... 216

b)

Arten der Verpflichtung ..................................................................... 217

c)

Durchsetzungsmechanismus .............................................................. 219

III. Umsetzung der speziellen Pflichten zur Ergreifung von Maßnahmen zur Einschränkung der Verfügbarkeit und der Anwendung verbotener Wirkstoffe und Methoden ................................................................................................... 219 1.

Differenzierung zwischen den speziellen Pflichten ................................... 220

2.

Umsetzung des Art. 8 Abs. 1 ..................................................................... 221

3.

a)

§ 6a i.V.m. § 95 AMG........................................................................ 221

b)

Erweiterung der Telekommunikationsüberwachung in § 100a StPO . 223

c)

Zuständigkeit des BKA für internationalen Dopingmittelhandel ....... 224

Umsetzung des Art. 8 Abs. 2 ..................................................................... 224 a)

Gründung und Unterstützung der NADA........................................... 225

b)

Einführung eines Sportschiedsgerichts für Dopingstreitigkeiten........ 226

IV. Resümee............................................................................................................ 228

208

Judith Schmidt

I. Einleitung Kaum ein Thema hat den Sport und die sportpolitische Diskussion in den vergangenen Jahren derart geprägt wie Doping. Weltweit sind immer wieder Athleten aus nahezu allen Sportarten des Dopings überführt worden. Die Dopingproblematik beschränkt sich dabei nicht nur auf den professionellen Wettkampfsport, sondern betrifft die gesamte Gesellschaft. Studien haben gezeigt, dass die Einnahme von Dopingpräparaten auch unter Freizeit- und Amateursportlern erschreckend weit verbreitet ist.1 Die Herstellung und der Vertrieb von Dopingmitteln haben zunehmend Formen der grenzüberschreitenden, organisierten Kriminalität angenommen.2 Eine effektive Bekämpfung des Dopings erfordert daher eine intensive Zusammenarbeit sowohl staatlicher als auch sportlicher Institutionen auf internationaler Ebene. Besondere Bedeutung kommt hierbei dem Unesco-Übereinkommen gegen Doping im Sport3 zu, das auf seinem europäischen Pendant, dem Übereinkommen des Europarats gegen Doping im Sport4, und den von der World AntiDoping Agency (WADA)5 privatrechtlich gesetzten Regeln und Standards, insbesondere dem WADA-Code6, basiert. Das Übereinkommen zeichnet sich dadurch aus, dass es eine bislang nicht gekannte Zusammenarbeit zwischen staat___________ 1

Vgl. Boos/Wulff/Kujath/Bruch, Medikamentenmissbrauch beim Freizeitsportler im Fitnessbereich, Deutsches Ärzteblatt 1998, S. 774-778; Müller-Platz/Boos/Müller, Doping beim Freizeit- und Breitensport, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 34, Berlin 2006. 2 Vgl. 11. Sportbericht der Bundesregierung, S. 44. 3 Abrufbar unter (zuletzt abgerufen am 22.07.2008). 4 Abrufbar unter (zuletzt abgerufen am 22.07.2008). Zum Europarat-Übereinkommen siehe Haas, Das Übereinkommen des Europarats gegen Doping, SpuRt 1996, S. 107; Kern, Internationale Dopingbekämpfung – Der World Anti-Doping Code der World Anti-Doping Agency, Hamburg 2007, S. 52 ff.; Vieweg/Siekmann (Hrsg.), Legal Comparison and the Harmonisation of Doping Rules, Pilot Study for the European Commission, Berlin 2007, S. 30 ff. 5 Die WADA ist eine privatrechtliche Stiftung nach schweizerischem Recht. Vgl. näher zu ihrer Struktur und ihren Aufgaben Haas/Prokop, Aktuelle Entwicklungen in der Dopingbekämpfung, SpuRt 2000, S. 5-8 (6 ff.); Kern, Internationale Dopingbekämpfung, S. 153 ff.; Latty, La lex sportiva, Recherche sur le droit transnational, Paris 2007, S. 384 ff. 6 Zu den Regelungen des WADA-Codes siehe Houben, Proportionality in the World Anti-Doping Code: Is There Enough Room for Flexibility?, ISLJ 2007/1-2, S. 10-18; Kern, Internationale Dopingbekämpfung, S. 221 ff.; Petri, Die Sanktionsregeln des World Anti-Doping-Codes – Teil 1: Einführung und Vorstellung –, SpuRt 2003, S. 183185; Soek, The WADA World Anti-Doping Code: The Road to Harmonisation, ISLJ 2003/2, S. 2-11; Teitler, Rechtsnatur und Anwendung des WADA-Code, causa sport 2007, S. 395-409.

Internationale Grundlagen der Dopingbekämpfung

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lichen und privaten Akteuren in der Dopingbekämpfung ermöglicht. Es erkennt die Rolle der WADA als Nichtregierungsorganisation7, in der sowohl Vertreter des privaten Sports als auch der Staaten mitwirken, für die Dopingbekämpfung an. Außerdem inkorporiert es von der WADA privatrechtlich gesetztes Recht und erhebt es so in den Rang völkerrechtlichen Vertragsrechts, was eine relativ neue Entwicklung im internationalen Normsetzungsprozess darstellt. Das Unesco-Übereinkommen gegen Doping im Sport ist Ausdruck der Beeinflussung des staatlichen internationalen Rechts durch privat gesetztes Recht. Damit bildet es quasi ein Gegenstück zur mittelbaren Drittwirkung staatlichen Rechts auf privates Verbandsrecht. 8 Der vorliegende Beitrag gibt zunächst einen Überblick über Vertragsziele und -gegenstände des Übereinkommens. In einem zweiten Schritt werden anhand zwei zentraler Artikel die Transformation privat gesetzten Rechts durch den völkerrechtlichen Vertrag sowie die Ausgestaltung der den Vertragsparteien auferlegten Pflichten veranschaulicht. Abschließend soll die Umsetzung des Übereinkommens in der Bundesrepublik Deutschland bezogen auf einzelne Verpflichtungen dargestellt werden.

II. Unesco-Übereinkommen gegen Doping im Sport Das Übereinkommen der Unesco gegen Doping im Sport wurde am 19.10.2005 von der Generalkonferenz der Unesco einstimmig angenommen und ist am 01.02.2007 in Kraft getreten. Damit handelt es sich um den ersten weltumspannenden völkerrechtlichen Vertrag gegen Doping im Sport. Deutschland hat die Unesco-Konvention gem. Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG durch Gesetz vom 26.03.2007, in Kraft getreten am 30.03.20079, ratifiziert.

___________ 7 Latty, La lex sportiva, S. 624. Gleiches gilt für das IOC und die internationalen Sportfachverbände, vgl. Rittberger/Boekle, Das Internationale Olympische Komitee – eine Weltregierung des Sports?, FW 71 (1996), S. 155-188 (158). 8 In diesen Themenbereich ist beispielsweise die aktuelle Diskussion über das Verhältnis zwischen dem auf die IOC-Charta gestützten Demonstrationsverbot für OlympiaAthleten bei den Olympischen Sommerspielen in Peking 2008 und den in Art. 16 und 22 der Schweizerischen Bundesverfassung geschützten Rechten auf Meinungs-, Informations- und Versammlungsfreiheit einzuordnen. Vgl. hierzu Nolte, IOC-Charta: Worauf müssen die Athleten in China achten?, Sportforum, Nr. 45, Mai 2008, S. 9. 9 BGBl II 2007, S. 354 ff.

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1. Allgemeine Grundlagen Das Unesco-Übereinkommen verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz der Dopingbekämpfung, indem es sowohl von Seite der Staaten zu ergreifende Maßnahmen als auch die Aufgaben der Sportorganisationen und der WADA erfasst. Darüber hinaus werden unterschiedliche Ansatzpunkte im Kampf gegen Doping aufgegriffen: die Beschränkung der Verfügbarkeit von Dopingwirkstoffen und -methoden, nachhaltige Aufdeckung und Ahndung von Dopingvergehen, Erkenntnisgewinn über die Wirkungsweise von Dopingstoffen im Zuge verstärkter Forschung sowie Prävention und Aufklärung. Dabei kommt der Präventions- und Aufklärungsarbeit ebenso wie der Forschung angesichts des Aufgabenfelds der Unesco10 besonderer Stellenwert zu.

a) Vertragsziele und -gegenstände Zweck des Übereinkommens ist gemäß Art. 1, im Rahmen der Strategie und des Tätigkeitsprogramms der Unesco im Bereich der Leibeserziehung und des Sports die Verhütung und Bekämpfung des Dopings mit dem Ziel seiner vollständigen Ausmerzung zu fördern. Das Übereinkommen verpflichtet die Vertragsstaaten dazu, verschiedenste Maßnahmen zur Dopingbekämpfung auf nationaler Ebene zu ergreifen. So soll die Verfügbarkeit und Anwendung von Dopingsubstanzen und -methoden eingeschränkt (vgl. Art. 8 und 9) und im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel Transparenz über Vermarktung, Vertrieb und Zusammensetzung sichergestellt werden (vgl. Art. 10). Zudem werden in Art. 11 Regelungen über den Einsatz staatlicher Finanzmittel für die Dopingbekämpfung sowohl im Sinne positiver Anreize als auch in der Form von Sanktionen getroffen. Art. 12 bezieht sich auf staatliche Unterstützungs- und Förderungsmaßnahmen, die die Aktivitäten von privaten Sportverbänden und -organisationen bei Dopingkontrollen flankieren. Auf internationaler Ebene sieht das Übereinkommen in Art. 13, 14 und 15 eine Zusammenarbeit der Staaten mit der WADA und den Sportorganisationen vor. Art. 16 präzisiert die Kooperation zwischen den Vertragsstaaten im Bereich der Dopingkontrollen. Nach Art. 17 und 18 wird ein Fonds zur Finanzierung von Anti-Doping-Programmen im Rahmen des Übereinkommens eingerichtet. Die Art. 19 bis 23 regeln die präventive Dopingbekämpfung durch Aufklärungs- und Bildungsmaßnahmen. In Art. 24 bis 27 werden die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, Forschung zur Dopingbekämpfung durchzuführen; ___________ 10

Vgl. hierzu Hüfner/Reuther (Hrsg.), Unesco-Handbuch, Bonn 2. Aufl. 2005.

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gleichzeitig werden Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung dieser Forschung aufgestellt.

b) Vertragspartner Das Übereinkommen richtet sich nach Art. 36 S. 1 an die Mitgliedstaaten der Unesco. Private Akteure in der Dopingbekämpfung wie die Sportorganisationen oder die WADA können dem völkerrechtlichen Vertrag mangels Völkerrechtssubjektivität nicht beitreten. Bis heute haben 86 Staaten weltweit das Übereinkommen ratifiziert.11

c) Vertragsorgane und beratende Organisationen Als Lenkungsorgan des völkerrechtlichen Vertrags ist in Art. 28 Abs. 1 eine Konferenz der Vertragsparteien vorgesehen. Gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 1 tritt sie in der Regel alle zwei Jahre zu einer ordentlichen Tagung zusammen. Für Abstimmungen in der Konferenz gilt das Prinzip „one state, one vote“ (vgl. Art. 28 Abs. 3). Die Aufgaben der Vertragsstaatenkonferenz werden in Art. 30 des Übereinkommens definiert. Sie hat zunächst gemäß Art. 30 Abs. 1 a) ganz allgemein den Zweck des Übereinkommens zu fördern. Diese Förderungspflicht wird in den folgenden Abschnitten des Art. 30 Abs. 1 weiter konkretisiert und bezieht sich auf die Zusammenarbeit der Konferenz und der Vertragsstaaten mit der WADA, die Verwendung der im Rahmen des Übereinkommens zur Verfügung stehenden Finanzmittel und die Überprüfung der nationalen Umsetzungsmaßnahmen der Vertragsstaaten. Weiterhin hat die Vertragsstaatenkonferenz die Anpassung der Konvention an aktuelle Entwicklungen sicherzustellen. Art. 30 Abs. 2 ermöglicht es der Vertragsstaatenkonferenz, bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben mit anderen zwischenstaatlichen Gremien zusammenzuarbeiten. Sie wird in ihrer Arbeit von verschiedenen Organisationen unterstützt. Beratende Organisation ist nach Art. 29 S. 1 des Übereinkommens die WADA. Das IOC, das Internationale Paralympische Komitee, der Europarat und der zwischenstaatliche Ausschuss für Sport und Leibeserziehung der Unesco (CIGEPS) werden als Beobachter zu Sitzungen der Konferenz eingeladen (vgl. Art. 29 S. 2). Die Vertragsstaaten können gemäß Art. 29 S. 3 beschließen, den Kreis der Beobachterorganisationen zu erweitern. ___________ 11

Stand Mai 2008.

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2. Besondere Regelungen der WADA (Art. 4) Das Unesco-Übereinkommen bezieht sich in vielen Artikeln auf das von der WADA privat gesetzte Recht. Art. 4 betrifft die Verbindung zwischen der Unesco-Konvention und dem WADA-Reglement und regelt damit eine zentrale Frage des Vertrags.

a) Transformation durch das Übereinkommen Eines der Hauptziele des Übereinkommens ist es, die privatrechtlichen Normen des Codes für die Staaten, die sich aufgrund grundlegender Prinzipien ihrer nationalen Verfassungen nicht der Regelungshoheit der WADA unterwerfen können12, juristisch fruchtbar zu machen. Nach Art. 4 Abs. 1 S. 1 verpflichten sich die Vertragsstaaten den Grundsätzen des WADA-Codes als Grundlage für Maßnahmen, um die Durchführung der Bekämpfung des Dopings im Sport auf der nationalen und internationalen Ebene zu koordinieren. Durch Art. 4 Abs. 2 wird das Verhältnis zwischen Übereinkommen und Code präzisiert: der Code ist ebenso wenig wie die in Anhang zwei und drei enthaltenen Internationalen Standards der WADA für Labore und Kontrollen Bestandteil des Übereinkommens und nur zu Informationszwecken aufgeführt (vgl. Art. 4 Abs. 2 S. 1). Aus den Anhängen als solchen erwachsen den Vertragsstaaten gemäß Art. 4 Abs. 2 S. 2 keine völkerrechtlich verbindlichen Verpflichtungen.

b) Bindungswirkung der verschiedenen Regelungen Auch wenn keine unmittelbaren völkerrechtlichen Pflichten aus dem Code bestehen, lässt sich die genaue Art der Bindung der Vertragsstaaten und die Reichweite der Verpflichtung auf die „Grundsätze des Codes“ dem Vertragstext nicht entnehmen. Auch der englische und französische Wortlaut13 bringen insofern keine Aufklärung.14 Vielmehr ist Art. 4 Abs. 1 S. 1 bewusst unklar formuliert, was auf die bislang relativ unbekannte Verknüpfung eines völkerrechtlichen Instruments mit privatrechtlich gesetzten Normen zurückzuführen ___________ 12 Vgl. zu diesem Problemkreis Kern, Internationale Dopingbekämpfung, S. 164 ff. Bezogen auf Deutschland ist v.a. das Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1, 2 GG verbunden mit dem Gesetzesvorbehalt aus Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG von Bedeutung. 13 „State Parties commit themselves to the principles of the Code“ ; „les États parties s’engagent à respecter les principes énoncés dans le Code“. 14 Verbindlich sind nach Art. 42 Abs. 1 des Übereinkommens der arabische, chinesische, englische, französische, russische und spanische Wortlaut.

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ist.15 Allerdings ist die Verschränkung zwischen Übereinkommen und WADACode nicht auf Art. 4 beschränkt, der Vertrag nimmt an vielen weiteren Stellen auf den Code Bezug. So stimmen einige Formulierungen in beiden Texten fast wörtlich überein, z.B. die Definitionen16, die Bestimmungen über Art und Weise der Anti-Doping-Forschung17 und die Regelungen über die Aktivitäten im Erziehungs- und Schulungsbereich18. Insofern ist der Code als ganzes zwar nicht „Bestandteil dieses Übereinkommens“, wurde aber in wichtigen Bereichen in den völkerrechtlichen Vertrag inkorporiert und hat sich so in Teilen von einer privatrechtlich gesetzten Regelung zu völkerrechtlichem Vertragsrecht gewandelt. Die Verhaltenspflichten der Staaten werden am Code ausgerichtet.19 Alle wichtigen Aspekte des Codes, die auch für staatliche Maßnahmen Bedeutung entfalten, sind somit unmittelbar oder mittelbar mit dem Übereinkommen verbunden. Der vollständigen Integration des Codes in den völkerrechtlich verbindlichen Teil des Übereinkommens steht neben den bereits angesprochenen Beschränkungen aus den nationalen Verfassungen der Staaten, die es ihnen nicht erlauben, sich der Regelungshoheit einer privatrechtlichen Stiftung direkt zu unterwerfen, die Tatsache entgegen, dass einzelne Regelungen des Codes unmittelbar an Sportorganisationen adressiert sind und nicht den Kompetenzbereich des Staates betreffen. Dazu gehören z.B. Bestimmungen über Dopingvergehen, über die Beweis- und Kontrollmodalitäten und die Verbandsstrafen.20 ___________ 15

Vgl. Latty, La lex sportiva, S. 398. Vgl. Definition der Anti-Doping-Organisation (vgl. Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 des Übereinkommens und die Definition im Appendix 1 des Codes), des Verstoßes gegen die Anti-Doping-Regeln (vgl. Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 des Übereinkommens und Art. 2 des Codes), des Athletenbetreuers (vgl. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 des Übereinkommens und die Definition im Appendix 1 des Codes), des Wettkampfs (vgl. Art. 2 Abs. 2 Nr. 7 des Übereinkommens und die Definition im Appendix 1 des Codes), der Dopingkontrolle (vgl. Art. 2 Abs. 2 Nr. 8 des Übereinkommens und die Definition im Appendix 1 des Codes), der Kontrolle während des Wettkampfs (vgl. Art. 2 Abs. 2 Nr. 11 des Übereinkommens und die Definition im Appendix 1 des Codes) der unangekündigten Kontrolle (vgl. Art. 2 Abs. 2 Nr. 14 des Übereinkommens und die Definition im Appendix 1 des Codes). 17 Vgl. Art. 25 des Übereinkommens und Art. 19.4, 19.5 und 19.6 des Codes. 18 Vgl. Art. 19 des Übereinkommens und Art. 18 des Codes. 19 So müssen die Vertragsstaaten nach Art. 11 c) des Übereinkommens Sport- oder Anti-Doping-Organisationen, die gegen den Code oder in Übereinstimmung mit dem Code beschlossene anwendbare Anti-Doping-Regeln verstoßen, die finanzielle oder anderweitige sportbezogene Unterstützung verweigern. Darüber hinaus sollen die Vertragsparteien die Durchführung von Dopingkontrollen entsprechend den Vorgaben des Codes nach Art. 12 a) fördern und erleichtern. Auch haben sie gegenseitige Vereinbarungen über die Durchführung von Kontrollen zwischen Anti-Doping-Organisationen in Übereinstimmung mit dem Code anzuregen und zu unterstützen [vgl. Art. 16 f)] und gegenseitig die mit dem Code vereinbarten Dopingkontrollverfahren und Methoden zur Bearbeitung der Ergebnisse einschließlich der entsprechenden Sportsanktionen aller Anti-Doping-Organisationen anzuerkennen [vgl. Art. 16 g)]. 20 Latty, La lex sportiva, S. 687. 16

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Umgekehrt sind die Verbotsliste der WADA sowie die Standards zur Erteilung von Ausnahmegenehmigungen zur therapeutischen Anwendung als Anlagen in die Konvention integriert und entfalten gemäß Art. 4 Abs. 3 direkte Bindungswirkung für die Vertragsparteien. Dies lässt sich damit begründen, dass sich diese beiden Texte unmittelbar auf die Definition von Doping beziehen, die ihrerseits auch maßgeblich für die staatlichen Aktivitäten ist, z.B. für Maßnahmen zur Einschränkung der Verfügbarkeit und der Anwendung von verbotenen Substanzen und Methoden (vgl. Art. 8 des Übereinkommens).21 Damit bleibt festzuhalten, dass sich aus Art. 4 Abs. 1 des Übereinkommens eine Quasi-Bindung der Vertragsstaaten an den Code ergibt.22 Diese besondere Form der Verknüpfung von Code und Übereinkommen beruht auf der hybriden Natur des Codes23, der sowohl von staatlichen Akteuren als auch Sportorganisationen in der WADA ausgearbeitet wurde und sich auch an beide Gruppen von Beteiligten in der Dopingbekämpfung richtet. Wo der Code Regelungen enthält, die die Staaten und Regierungen unmittelbar betreffen und ihre Aktivität erfordern, wurde er – zum Teil wörtlich – in den völkerrechtlichen Vertrag übernommen. Die anderen Teile des WADA-Codes, auf die sich Art. 4 bezieht, entfalten keine unmittelbare, direkte völkerrechtliche Bindungswirkung für die Vertragsparteien, sind aber gleichwohl nicht als dem völkerrechtlichen soft law vergleichbar nur moralisch-ethisch von Relevanz. Vielmehr können sich die Staaten der Existenz dieser Regelungen und der daraus erwachsenden Konsequenzen nicht verschließen; sie müssen ihre Maßnahmen zur Umsetzung des Übereinkommens stets daraufhin überprüfen, ob diese mit der Grundaussage und der Leitlinie des Codes vereinbar sind, weil eine effektive Dopingbekämpfung maßgeblich auf dem Gedanken der Harmonisierung und Koordination von staatlichen und sportlichen Aktivitäten beruht. Die Unesco-Konvention stellt somit ein seltenes Beispiel eines völkerrechtlichen Vertrags dar, der privatrechtlich gesetzte Normen und klassische völkerrechtliche Rechtssätze miteinander verbindet und dadurch eine besondere Form der Zusammenarbeit von privaten und staatlichen Akteuren ermöglicht. Bereits in der Vergangenheit haben nichtstaatliche Akteure wie Nichtregierungsorgani___________ 21 Vgl. Latty, La lex sportiva, S. 689; vgl. auch Director-General, Director General`s Final Report on the preparation of the international convention against doping in sport, ED/2005/CONV-DOP Rep1, S. 5. 22 Ähnlich Latty, La lex sportiva, S. 398: „Si l’on comprend que le code n’est pas , contraignant , au moins n’est-il pas dénué de tout effet juridique pour les Etats qui s’ engagent à lui laisser produire ses effets“ ; S. 687 f.: „Non contraignant, il (le Code) leur est à tout le moins opposable au sens qu’ils ne peuvent en méconnaître la portée: n’étant pas directement obligés par ce qui leur est opposable (i.e. le Code), (les Etats parties) n’en sont pas moins tenus d’en reconnaître et d’en respecter l’existence et même d’en subir les effets.“ 23 Hierzu näher Latty, La lex sportiva, S. 389 ff.

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sationen (NGOs) oder transnationale Unternehmen den völkerrechtlichen Rechtssetzungs- und Implementierungsprozess nachhaltig beeinflusst. Diese neue Entwicklung kann einerseits als Ausdruck der Angleichungsfähigkeit der völkerrechtlichen Rechtsordnung begrüßt werden24, wird zum Teil aber auch als Zeichen einer darüber hinausgehenden „Privatisierung des Völkerrechts“25 eingeordnet.26 Diese – zumindest teilweise – „Privatisierung des Völkerrechts“ lässt sich speziell am Unesco-Übereinkommen gegen Doping im Sport aufzeigen. Es ist insofern Ausdruck einer noch stärkeren Teilhabe nichtstaatlicher Akteure an völkerrechtlicher Normsetzung, als es nicht nur Stellungnahmen, Vorschläge und Entwürfe von nichtstaatlichen Sportorganisationen einbezieht, sondern ein von ihnen privatrechtlich gesetztes, in sich geschlossenes Regelwerk, das neben dem völkerrechtlichen Vertrag als eigenständiges Statut bestehen bleibt27, teilweise inkorporiert und so unmittelbar in den Rang bindenden Völkervertragsrechts erhebt. Tatsächlich könnte man das Unesco-Übereinkommen als eine Art „trojanisches Pferd“28 betrachten, durch das die privatrechtlichen Normen des Sports in die Sphäre der staatlichen internationalen Rechtsordnung eindringen. Der Einfluss der WADA auf die Ausgestaltung der Unesco-Konvention lässt sich daher nur bedingt mit demjenigen „klassischer“ NGOs auf den internationalen Rechtssetzungsprozess vergleichen. Parallelen können vielmehr zu den Bereichen gezogen werden, in denen Staaten oder internationale Organisationen technische Normen, die von nichtstaatlichen Organisationen erarbeitet ___________ 24

Vgl. Dupuy, Droit international public, Paris 8. Aufl. 2006, S. 564. So der Titel des Tagungsbands Ghérari/Szurek (Hrsg.), L’émergence de la société civile internationale. Vers la privatisation du droit international?, Paris 2003; eine Auflösung des zwischenstaatlichen Systems zugunsten einer globalen Zivilgesellschaft verneinend dagegen Riedinger, Die Rolle nichtstaatlicher Organisationen bei der Entwicklung und Durchsetzung internationalen Umweltrechts, Berlin 2001, S. 324 f. 26 Der enorme Einfluss der NGOs auf die Entwicklung des Völkerrechts ist insofern zu begrüßen, als internationale Normsetzungsprozesse zum Teil überhaupt erst auf Initiative dieser Organisationen zu Stande kommen und sie auf eine effektive Durchführung der Verträge dringen. Gleichzeitig stellt sich jedoch auch die Frage nach der demokratischen Legitimität der NGOs im internationalen Rechtssetzungsprozess. Diese wird teilweise aufgrund ihrer mangelnden Repräsentativität und undemokratischen internen Strukturen in Zweifel gezogen, siehe hierzu Furtak, Nichtstaatliche Akteure in internationalen Beziehungen, NGOs in der Weltpolitik, München 1997, S. 37 f.; Hüfner, NonGovernmental Organizations (NGOs) im System der Vereinten Nationen, FW 71 (1996), S. 115-123 (119); Riedinger, Die Rolle nichtstaatlicher Organisationen bei der Entwicklung und Durchsetzung internationalen Umweltrechts, S. 280 ff. 27 Das von den Sportorganisationen privat gesetzte Recht und die völkervertragsrechtlichen Normen bleiben also grundsätzlich weiterhin getrennte Rechtsordnungen; sie verschmelzen trotz weit reichender Verbindungen nicht zu einer einheitlichen Rechtsmaterie. In diesem Sinne auch Latty, La lex sportiva, S. 637 ff., 651 f. 28 Latty, La lex sportiva, S. 692. 25

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wurden, anstelle eigener Regeln übernehmen.29 Während dies für das gesamte Völkerrecht betrachtet dazu führt, dass die Vertragsstaaten als „Herren der Verträge“ stückweise ehemals ihnen vorbehaltene Funktionen abgeben30, verschiebt das Unesco-Übereinkommen jedoch zugleich die Verantwortungsbereiche zwischen der internationalen Gemeinschaft und dem privaten Sport in der Dopingbekämpfung zugunsten der Staaten. Die Staaten respektieren die internationalrechtlich abgesicherte Autonomie31 der Sportorganisationen, betrachten Doping aber in zunehmendem Maße als gesellschaftliches Problem, das in ihre eigene Kernkompetenz fällt und nicht allein die Belange des privaten Sports betrifft. Insofern kommt der Integration des privatrechtlichen WADACodes in das Unesco-Übereinkommen gegen Doping im Sport eine besondere Rolle für die Entwicklung des internationalen Normgebungsprozesses zu, die auf der gemeinsamen Verantwortung der Staaten und Sportorganisationen für die Dopingbekämpfung beruht.

3. Spezielle Pflichten zur Ergreifung von Maßnahmen zur Einschränkung der Verfügbarkeit und Anwendung verbotener Wirkstoffe und Methoden (Art. 8) Die Pflicht, Maßnahmen zur Einschränkung der Verfügbarkeit und Anwendung verbotener Wirkstoffe und Methoden im Sport zu ergreifen, ist in Art. 8 des Übereinkommens enthalten. Die Ausgestaltung der vertraglichen Pflichten in dieser Norm ist exemplarisch für das gesamte Übereinkommen.

a) Verpflichtete Nach Art. 8 Abs. 1 S. 1 ergreifen die Vertragsstaaten in geeigneten Fällen Maßnahmen, um die Verfügbarkeit verbotener Wirkstoffe und Methoden und damit die Anwendung durch Athleten im Sport einzuschränken, es sei denn, die Anwendung erfolgt aufgrund einer Ausnahmegenehmigung zu therapeutischen ___________ 29 So sieht z. B. Art. 2.4 des WTO Agreement on Technical Barriers to Trade vor, dass WTO-Mitgliedstaaten die einschlägigen internationalen Normen als Grundlage verwenden, wenn sie technische Vorschriften erlassen. Die in Bezug genommenen internationalen Normen werden von Standardisierungs-Organisationen wie der International Organization for Standardization (ISO) und der International Electrotechnical Commission (IEC) ausgearbeitet, die beide NGOs sind, vgl. Hingst, Auswirkungen der Globalisierung auf das Recht der völkerrechtlichen Verträge, Berlin 2001, S. 172 mit weiteren Beispielen. 30 Vgl. Hingst, Auswirkungen der Globalisierung, S. 174. 31 Diese ergibt sich aus dem in verschiedenen Menschenrechtsverträgen garantierten Recht auf Vereinigungsfreiheit, vgl. z. B. Art. 11 EMRK und Art. 22 IPbpR.

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Zwecken. Dazu gehören gemäß Art. 8 Abs. 1 S. 2 Maßnahmen, die sich gegen das Inverkehrbringen verbotener Wirkstoffe in Bezug auf Athleten richten und damit auch Maßnahmen, die auf die Eindämmung der Produktion, der Verbringung, der Einfuhr, des Vertriebs und des Verkaufs abzielen. Der Begriff der Maßnahmen wird in Art. 5 S. 2 des Übereinkommens näher bestimmt als Gesetze, sonstige Vorschriften, politische Maßnahmen oder Verwaltungspraktiken. Davon können somit praktisch alle Formen staatlichen Handelns (verbindliche und unverbindliche Akte, Handlungen mit Regelungscharakter und schlicht-hoheitliche Tätigkeiten) erfasst sein. Folglich werden durch Art. 8 Abs. 1 Legislative, Exekutive und Judikative gebunden. Gleiches gilt für Art. 8 Abs. 2, wonach die Vertragsstaaten Maßnahmen ergreifen bzw. die einschlägigen Stellen innerhalb ihres jeweiligen Hoheitsbereichs zur Ergreifung entsprechender Maßnahmen ermutigen, um die Anwendung und den Besitz verbotener Wirkstoffe und Methoden durch Athleten im Sport zu verhüten und einzuschränken, es sei denn, die Anwendung erfolgt aufgrund einer Ausnahmegenehmigung zur therapeutischen Anwendung.

b) Arten der Verpflichtung Art. 8 Abs. 1 präzisiert nicht, wann ein „geeigneter Fall“ für staatliche Maßnahmen vorliegt.32 Ob und wann die Vertragsparteien verpflichtet sind, (legislative) Maßnahmen gegen Doping zu ergreifen, muss also durch Auslegung der Klausel bestimmt werden. Die Unesco-Konvention zielt ihrer Präambel und ihrem Art. 1 nach langfristig auf eine vollständige Ausmerzung des Dopings im Sport, ist aber gleichermaßen durch ein Subsidiaritätsverhältnis zwischen Staat und Sport geprägt.33 Daraus folgt, dass eine Pflicht zu staatlichem Handeln dort besteht, wo unstreitig keine Zuständigkeiten der Sportverbände existieren oder wo die Sportverbände die ihnen obliegenden Aufgaben nicht erfüllen können oder wollen. Art. 8 Abs. 1 greift diesen allgemeinen Rahmen auf, indem er die angesprochenen staatlichen Maßnahmen von vornherein auf Bereiche bezieht, die allein in den staatlichen Kompetenzbereich fallen (Maßnahmen betreffend Inverkehrbringen, Produktion, Einfuhr usw.). Art. 8 Abs. 1 S. 1 überlässt also das „Ob“ des Tätigwerdens nicht der freien Einschätzung der Vertragsstaaten; eine eigene Entscheidungsgewalt wird ihnen lediglich im Hinblick auf das „Wie“ des Tätigwerdens eingeräumt, in dem sie selbst festlegen können, ob eine Maßnahme z.B. im Bereich des Arzt- und Arzneimittelrechts einen „geeig___________ 32

Vgl. insofern auch den authentischen englischen und französischen Wortlaut „State Parties shall, where appropriate, adopt measures“, „Le cas échéant, les États parties adoptent des mesures“. 33 Vgl. z. B. die Formulierungen im sechzehnten Abschnitt der Präambel, in Art. 3 c) und Art. 7 S. 2.

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neten Fall“ darstellt oder ob ein Tätigwerden durch veränderte Grenzkontrollen usw. angebracht ist. Bei der Verpflichtung aus Art. 8 Abs. 1 handelt es sich also um eine echte, eigene Erfüllungsverantwortung34 der Staaten. Art. 8 Abs. 2 des Unesco-Übereinkommens bezieht sich dagegen anders als Abs. 1 der Vorschrift auf den Vorgang des Dopings im Sport als solchen, d.h. die Anwendung und den Besitz verbotener Substanzen durch die Sportler. Nach dem im Übereinkommen zugrunde gelegten Subsidiaritätsverhältnis sind die Sportverbände primär für die Ahndung des Dopings im Sport als solches zuständig. Die Staaten dürfen und müssen erst dann eingreifen, wenn die Sportorganisationen in ihrem primären Zuständigkeitsbereich ihren Aufgaben nicht nachkommen und durch sie eine effektive Eindämmung des Dopingproblems nicht (mehr) zu erwarten ist. Art. 8 Abs. 2 ist daher dahingehend auszulegen, dass nur eine sekundäre Pflicht der Staaten zur Ergreifung (legislativer) Maßnahmen für den Fall des Versagens der Sportorganisationen besteht.35 Ob ein solcher Fall eingetreten ist, ist von jedem Vertragsstaat individuell zu prüfen. Den Staaten steht insofern ein Beurteilungsspielraum zu. Art. 8 Abs. 2 stellt es den Vertragsparteien frei, selbst Maßnahmen zu ergreifen oder die einschlägigen nationalen Stellen dazu zu ermutigen und sie so zu unterstützen. Der Beg riff der einschlägigen Stellen36 ist sehr offen formuliert und umfasst daher auch privat organisierte Sportverbände und -organisationen. Art. 8 Abs. 2 beinhaltet somit – abhängig von der nationalen Einschätzung des jeweiligen Vertragsstaats – entweder eine Verpflichtung der Staaten im Sinne einer echten, eigenen Erfüllungsverantwortung oder eine indirekte Gewährleistungsverantwortung37 durch Unterstützung der Maßnahmen der privaten Sportorganisationen. Die Unterscheidung zwischen Erfüllungs- und Gewährleistungsverantwortung der Vertragsstaaten durchzieht das gesamte Übereinkommen.

___________ 34

Vgl. hierzu Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, Kiel 2004, S. 196. Über die Rechtsnatur der staatlichen Maßnahmen trifft Art. 8 Abs. 2 des Übereinkommens keine nähere Aussage; auch hier gilt der weite Maßnahmenbegriff des Art. 5 des Übereinkommens. Insofern kann aus Art. 8 Abs. 2 keine völkerrechtliche Pflicht zum Erlass einer Strafnorm gegen eigenverantwortliches Doping des Sportlers abgeleitet werden; ebenso Jahn, Die Strafbarkeit des Besitzes nicht geringer Mengen von Dopingmitteln, Ein Lehrstück zum Verhältnis von Rechtsgut und Tatbestandsstruktur, GA 2007, S. 579-589 (582), der aber anders als nach der hier vertretenen Ansicht diese Frage im Zusammenhang mit Art. 8 Abs. 1 des Übereinkommens thematisiert; a.A. Hauptmann/Rübenstahl, Zur Doping-Besitzstrafbarkeit des Sportlers de lege lata und de lege ferenda, MedR 2007, 271-279 (272). 36 Vgl. insofern auch den authentischen englischen und französischen Wortlaut „relevant entities“, „instances compétentes“. 37 Vgl. hierzu Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, S. 196. 35

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c) Durchsetzungsmechanismus Die Durchsetzung der in Art. 8 und den weiteren Artikeln geregelten Pflichten beruht maßgeblich auf einem Berichtssystem nicht-konfrontativen Charakters38 und dem daraus resultierenden politisch-moralischen Druck auf die Vertragsstaaten. Gemäß Art. 31 legen die Vertragsstaaten der Konferenz der Vertragsparteien über das Sekretariat alle zwei Jahre in einer der offiziellen Unesco-Sprachen alle einschlägigen Informationen über die Maßnahmen vor, die sie zur Einhaltung des Übereinkommens ergriffen haben. Diese Berichte werden von der Konferenz geprüft [vgl. Art. 30 Abs. 1 d)]. Allerdings kann die Vertragsstaatenkonferenz dem Wortlaut des Übereinkommens nach weder explizite Rügen bei fehlender oder mangelhafter Umsetzung aussprechen noch Empfehlungen an die Vertragsparteien zur effektiven Umsetzung des Übereinkommens richten oder Evaluationsbesuche durch ein Expertengremium in einzelnen Ländern durchführen lassen. Dadurch sind ihre Kontroll- und Beratungsmöglichkeiten eingeschränkt. Auch weitergehende Sanktionsmechanismen, wie z.B. Strafzahlungen an den im Übereinkommen eingerichteten Fonds, sind nicht vorgesehen. Vielmehr greifen hier die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Vertragsrechts im Fall von Vertragsbrüchen ein.39 Eine Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs für Streitfälle über die Vertragserfüllung ist im Übereinkommen nicht vorgesehen.

III. Umsetzung der speziellen Pflichten zur Ergreifung von Maßnahmen zur Einschränkung der Verfügbarkeit und der Anwendung verbotener Wirkstoffe und Methoden Die Bundesrepublik Deutschland hat bereits vor Ratifizierung des UnescoÜbereinkommens im März 2007 sowohl finanzielle als auch politische und legislative Maßnahmen ergriffen, die sich auf die in Art. 8 Abs. 1 und 2 enthaltenen Verpflichtungen beziehen. Weitere Schritte sind nach Inkrafttreten des Ratifikationsgesetzes erfolgt.

___________ 38 Generell zu nicht-konfrontativen Durchsetzungsmechanismen im Völkervertragsrecht siehe Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht Band I/3, Berlin 2. Aufl. 2002, S. 656 ff. m.w.N. 39 Dazu gehört z. B. das Recht der vertragstreuen Parteien zur Beendigung oder Suspendierung des Vertrags, vgl. näher Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht Band I/3, S. 731 ff.; Doehring, Völkerrecht, Heidelberg 2. Aufl. 2004, S. 163 ff.; Ipsen, Völkerrecht, München 5. Aufl. 2004, S. 198 ff.

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1. Differenzierung zwischen den speziellen Pflichten Die Untersuchung der Umsetzung der in Art. 8 des Übereinkommens enthaltenen Pflichten setzt voraus, sich erneut die unterschiedliche Ausgestaltung dieser Verpflichtungen zu verdeutlichen. Art. 8 Abs. 1 erlegt den Vertragsstaaten eine echte, eigene Erfüllungsverantwortung auf, während Art. 8 Abs. 2 – abhängig von der Beurteilung der Dopingbekämpfungsmaßnahmen der nationalen privaten Sportorganisationen durch den jeweiligen Vertragsstaat – entweder ebenfalls eine solche Erfüllungsverantwortung oder aber eine Gewährleitungsverantwortung beinhaltet. Erfüllungsverantwortung bedeutet, dass der Staat selbst durch eigene Behörden für die Erfüllung bestimmter Aufgaben in eigener Regie verantwortlich ist. Die maßgeblichen Aufgabenbereiche sind regelmäßig durch ein staatliches Wahrnehmungsmonopol gekennzeichnet.40 Demgegenüber eröffnet die Gewährleistungsverantwortung die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Akteuren. Der Staat fertigt einen Rahmen an, innerhalb dessen die Gesellschaft ihre Angelegenheiten in möglichst gemeinwohlverträglicher Weise selbstverantwortlich erledigt.41 Er kann dafür Organisationen bereitstellen, in Form formeller Rechtsnormen oder politischer Erwartungen Ziele und Leitbilder vorgeben und Konzepte zur Zielerreichung anbieten. Zudem hat er die Möglichkeit, Sachverstand einzubringen, an den Entscheidungen selbst mitzuwirken oder bestimmte Entscheidungen z.B. durch finanzielle Anreize in gewünschte Bahnen zu lenken. Es liegt an ihm, Anforderungen an die Qualität des handelnden Personals zu formulieren und die privaten Akteure informell oder formell zu beaufsichtigen, um sich so ergänzende oder korrigierende Eingriffe zu sichern.42 Während der Staat seiner Erfüllungsverantwortung also dadurch nachkommen muss, dass er durch eigene Institutionen und Gremien selbst Maßnahmen zur Dopingbekämpfung z.B. durch den Erlass von Gesetzen trifft, zeichnet sich die Wahrnehmung der Gewährleistungsverantwortung dadurch aus, dass der Staat zur Aufgabenerfüllung mit privaten (Sport-) Organisationen kooperiert. Dabei stellt er eine nachhaltige Dopingbekämpfung sicher, indem er die Privaten in ihren Initiativen sowohl ideell als auch finanziell und organisatorisch unterstützt.

___________ 40

Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, S. 196. Hoffmann-Riem, Tendenzen in der Verwaltungsrechtsentwicklung, DÖV 1997, S. 433-442 (441 f.); Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, S. 196. 42 Hoffmann-Riem, DÖV 1997, S. 433-442 (441 f.); Nolte, Staatliche Verantwortung im Bereich Sport, S. 196 f. 41

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2. Umsetzung des Art. 8 Abs. 1 Nach Art. 8 Abs. 1 müssen die Vertragsstaaten in Wahrnehmung ihrer Erfüllungsverantwortung die Verfügbarkeit verbotener Wirkstoffe und Methoden und damit ihre Anwendung durch Athleten im Sport einschränken. Zu diesem Zweck sollen sie beispielsweise Maßnahmen, die sich gegen das Inverkehrbringen verbotener Wirkstoffe in Bezug auf Athleten richten, ergreifen. In Deutschland stellen die nebenstrafrechtlichen Regelungen der § 6a und § 95 Arzneimittelgesetz (AMG) die maßgebliche Umsetzung dieser Verpflichtung dar. § 6a AMG enthält ein Verbot von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport, das in § 95 AMG mit Strafe belegt wird. Die Vorschriften wurden jüngst infolge des „Gesetzes zur Verbesserung der Dopingbekämpfung im Sport“43 verschärft; zugleich wurden durch eine Änderung der Strafprozessordnung (StPO) und des Bundeskriminalamtgesetzes (BKAG) Verbesserungen in der Strafverfolgung erzielt.

a) § 6a i.V.m. § 95 AMG Die Vorschrift des § 6a AMG wurde durch das Achte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes eingeführt, welches am 11.09.1998 in Kraft trat.44 Schutzzweck der Norm ist die (Volks-)Gesundheit.45 Nach § 6a Abs. 1 AMG ist es verboten, Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr zu bringen, zu verschreiben oder bei anderen anzuwenden. Der Tatbestand des § 6a Abs. 1 AMG wird durch drei Konkretisierungen in § 6a Abs. 2 S. 1 AMG eingeschränkt. Danach muss das betreffende Arzneimittel erstens einen Dopingwirkstoff gemäß dem Anhang zum Übereinkommen des Europarats gegen Doping im Sport46 oder Stoffe enthalten, die zur Verwen___________ 43

Vgl. BGBl. I 2007, S. 2510. Vgl. BGBl. I 1998, S. 3586; dieses Gesetz diente u.a. der Umsetzung der völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands aus dem Übereinkommen des Europarats gegen Doping im Sport. 45 Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stuttgart, Stand 01.06.2007, § 6a Anm. 2; Körner, Betäubungsmittelgesetz / Arzneimittelgesetz, München 6. Aufl. 2007, § 95 AMG Rn. 23; a.A. Freund in: Joecks (Hrsg.), Münchener Kommentar zum StGB, Nebenstrafrecht I, AMG, 2007, § 6a Rn. 9, der speziell nur die Gesundheit der „sauberen“, nicht gedopten Sportler als geschützt ansieht. 46 Der Anhang zum Übereinkommen gegen Doping im Sport enthält eine Liste mit verbotenen Dopingwirkstoffen und -methoden. Die Liste wird regelmäßig durch die sog. Beobachtende Begleitgruppe, das Kontrollorgan des Übereinkommens, aktualisiert und in ihrer jeweils neuesten Fassung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, vgl. Kloesel/Cyran, § 6a Anm. 21. Da die Beobachtende Begleitgruppe ebenso wie die Vertragsstaatenkonferenz der Unesco-Konvention die von der WADA erarbeitete Liste zugrunde legt, dient § 6a AMG zur Umsetzung beider Übereinkommen. 44

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dung bei den im Anhang des Übereinkommens aufgeführten verbotenen Methoden bestimmt sind. Zweitens muss das Inverkehrbringen, Verschreiben und Anwenden des jeweiligen Arzneimittels zu anderen Zwecken als der Behandlung von Krankheiten erfolgen. Drittens bezieht sich das Verbot nur auf Doping beim Menschen.47 Das Verbot aus § 6a Abs. 1 AMG wird in § 95 Abs. 1 Nr. 2a AMG mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe belegt. § 95 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 AMG erhöht die Strafandrohung auf ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe, wenn Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport an Personen unter 18 Jahren abgegeben oder bei ihnen angewendet werden oder wenn ein Fall der gewerbs- oder bandenmäßigen Tatbegehung vorliegt. Nach der jetzt neu eingeführten Regelung des § 6a Abs. 2a S. 1 AMG ist es verboten, Arzneimittel, die im Anhang zum Gesetz genannte Stoffe sind oder enthalten, in nicht geringer Menge zu Dopingzwecken im Sport zu besitzen, sofern das Doping beim Menschen erfolgen soll. Das Verbot wird in § 95 Abs. 1 Nr. 2b AMG unter Strafe gestellt.48 Hervorzuheben ist, dass von diesem Verbot – anders als in § 6a Abs. 1 AMG49 – auch ein Sportler betroffen sein kann, der angibt, die Arzneimittel zum Eigengebrauch zu besitzen. Dies wird damit begründet, dass der Besitz einer nicht geringen Menge entsprechender Mittel als Indiz dafür zu sehen ist, dass trotz gegenteiliger Aussagen eine Abgabe an andere Personen erfolgen soll.50 Der unbestimmte Rechtsbegriff der „nicht geringen Menge“ wird gemäß § 6a Abs. 2a S. 2 AMG vom Bundesgesundheitsministerium im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Inneren und nach Anhörung von Sachverständigen durch Rechtsverordnung51 mit Zustimmung des Bundesrats für jeden einzelnen Stoff konkretisiert. Der ebenfalls neu eingeführte § 6a Abs. 2 S. 2 AMG verpflichtet die Hersteller von Arzneimitteln, auf der Packungsbeilage einen Warnhinweis anzubringen, falls die Anwendung des Mittels bei Dopingkontrollen zu positiven Ergebnissen führen ___________ 47

Ein Verbot des Dopings von Tieren ist in § 3 Nr. 1b Tierschutzgesetz enthalten. Zur umstrittenen Frage, welches Rechtsgut durch die Besitzstrafbarkeit geschützt wird siehe Hauptmann/Rübenstahl, Zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit einer Doping-Besitzstrafbarkeit de lege ferenda – insbesondere gemessen am „CannabisUrteil“ des BVerfG, HRRS 2007, S. 143-153 (145); Jahn, GA 2007, S. 579-589 (583 f.); Kargl, Begründungsprobleme des Dopingstrafrechts, NStZ 2007, S. 489-496 (494 ff.); König, Dopingbekämpfung mit strafrechtlichen Mitteln, JA 2007, S. 573-576 (573, 575 f.); Kudlich, An den Grenzen des Strafrechts, JA 2007, S. 90-95 (93). 49 Vgl. Deutsch, § 6a Rn. 7; Freund, § 6a Rn. 2 ff., 17 ff.; ähnlich Momsen-Pflanz, Die sportethische und strafrechtliche Bedeutung des Dopings – Störung des wirtschaftlichen Wettbewerbs und Vermögensrelevanz, Frankfurt a. M. 2005, S. 240. 50 Vgl. BT-Drucks. 16/5526, S. 9. 51 Verordnung zur Festlegung der nicht geringen Menge von Dopingmitteln (Dopingmittel-Mengen-Verordnung) vom 22.11.2007, BGBl. I 2007, S. 2607. 48

Internationale Grundlagen der Dopingbekämpfung

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kann. Ist bei einem Fehlgebrauch zudem eine Gesundheitsgefährdung möglich, muss dies zusätzlich angegeben werden (vgl. § 6a Abs. 2 S. 3 AMG). Ziel dieser Regelungen ist es zum einen, das Bewusstsein der Sportler und der Bevölkerung für die mit Doping verbundenen Gesundheitsgefahren zu schärfen und gleichzeitig Athleten die Möglichkeit zu entziehen, sich bei einer positiven Dopingkontrolle auf fehlende Kenntnis über die Wirkungsweise eines Medikaments zu berufen. Durch eine strafrechtliche Erfassung des Inverkehrbringens, Verschreibens und Anwendens sowie des Besitzes nicht geringer Mengen von Dopingsubstanzen hat der Gesetzgeber die rechtlichen Voraussetzungen zur Erfüllung der Pflicht aus Art. 8 Abs. 1 des Unesco-Übereinkommens geschaffen. Als problematisch hat sich in der Vergangenheit allerdings erwiesen, dass die genannten Vorschriften des AMG kaum angewendet52 und daher teilweise als „totes Recht“53 bezeichnet wurden. Ob die mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Dopingbekämpfung im Sport“ eingeführten Verschärfungen des materiellen Strafrechts und die damit einhergehenden erweiterten strafprozessualen Ermittlungsbefugnisse hier Abhilfe schaffen werden, bleibt abzuwarten. Eine effektive Umsetzung des Unesco-Übereinkommens verlangt jedenfalls nicht nur die Schaffung von Verbotsnormen, sondern auch ihre konsequente Anwendung und Vollziehung.

b) Erweiterung der Telekommunikationsüberwachung in § 100a StPO Durch das „Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24 EG“54 ist der Straftatenkatalog für die Durchführung einer Telekommunikationsüberwachung im Sinne des § 100a StPO um den Fall des gewerbs- oder bandenmäßigen Inverkehrbringens, Verschreibens oder Anwendens von Dopingsubstanzen erweitert worden (vgl. § 100a Abs. 2 Nr. 3 StPO). Dadurch bestehen nun verbesserte Ermittlungsmöglichkeiten, um die Verteilerstrukturen von Dopingnetzwerken aufzuklären und insbesondere gegen Hintermänner vorzugehen.

___________ 52

Vgl. hierzu die Übersicht bei Jahn, Ein neuer Straftatbestand gegen eigenverantwortliches Doping? Anmerkungen aus strafprozessualer Sicht, SpuRt 2005, S. 141-146 (142 f.). 53 Vgl. Dury, Kann das Strafrecht die Doping-Seuche ausrotten?, SpuRt 2005, S. 137-141 (139). 54 BGBl. I 2007, S. 3198.

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c) Zuständigkeit des BKA für internationalen Dopingmittelhandel Um dem grenzüberschreitenden Handel mit Dopingsubstanzen und dem „Dopingtourismus“ von deutschen Athleten ins Ausland besser begegnen zu können, wurde durch das „Gesetz zur Verbesserung der Dopingbekämpfung im Sport“ eine Zuständigkeit des BKA für Fälle des international organisierten ungesetzlichen Handels mit Arzneimitteln sowie der damit in Zusammenhang begangenen Straftaten begründet (vgl. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BKAG). Damit trägt der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung, dass Kriminelle beim illegalen Arzneimittelhandel häufig gezielt und bevorzugt außerhalb des jeweiligen nationalen Hoheitsgebiets operieren, um sich der Strafverfolgung zu entziehen. Die netzwerkartigen Strukturen haben vielfach internationale Hintergründe mit komplizierten Täter- und Tatzusammenhängen, die über die Grenzen Deutschlands hinausweisen.55 Das BKA kann bei derartigen Ermittlungssituationen auf seine bereits bestehenden Kontakte zu Interpol und spezialisierten ausländischen Ermittlungsbehörden aufbauen und diese vertiefen.

3. Umsetzung des Art. 8 Abs. 2 In Art. 8 Abs. 2 des Unesco-Übereinkommens verpflichten sich die Vertragsstaaten, Maßnahmen zu ergreifen bzw. die einschlägigen Stellen innerhalb ihres jeweiligen Hoheitsbereichs zur Ergreifung entsprechender Maßnahmen zu ermutigen, um die Anwendung und den Besitz verbotener Wirkstoffe und Methoden durch Athleten im Sport zu verhüten und einzuschränken. Die Bundesrepublik hat von dem bei der Umsetzung dieses Artikels bestehenden Beurteilungsspielraum dahingehend Gebrauch gemacht, dass sie die von den nationalen privaten Sportorganisationen vorgenommenen Dopingbekämpfungsmaßnahmen als grundsätzlich nachhaltig und ausreichend einstuft.56 Daher obliegt ihr bei der Bekämpfung des Dopings als solchem nach Art. 8 Abs. 2 eine Gewährleistungsverantwortung. Diese hat Deutschland vor allem durch die Unterstützung der nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) und des deutschen Sportschiedsgerichts erfüllt.57

___________ 55

Vgl. BT-Drucks. 16/5526, S. 8. Vgl. Bundesministerium des Inneren, Maßnahmenpaket der Bundesregierung gegen Doping im Sport, Dezember 2006, S. 3. 57 Eine weitere Maßnahme zur Umsetzung der Verpflichtung aus Art. 8 Abs. 2 stellt die Verknüpfung von Förderbescheiden des Bundes mit Auflagen zur Dopingbekämpfung dar; vgl. hierzu und zu den insoweit bestehenden Defiziten Bundesministerium des Inneren, Abschlußbericht Projektgruppe Sonderprüfung Doping, Bonn 19.12.2007. 56

Internationale Grundlagen der Dopingbekämpfung

225

a) Gründung und Unterstützung der NADA Die NADA wurde im Juli 2002 als privatrechtliche Stiftung58 gegründet und hat ihre Arbeit Anfang 2003 aufgenommen. Ihre Hauptaufgabe ist es, unter Bündelung der bestehenden Aktivitäten gegen Doping auf nationaler Ebene das Fairplay im Sport insbesondere durch geeignete pädagogische, soziale, medizinische und wissenschaftliche Maßnahmen zu fördern. Außerdem trägt sie zur Dopingbekämpfung im Leistungs-, Freizeit- und Breitensport durch Präventions- und Aufklärungsarbeit sowie durch Fortentwicklung des nationalen Doping-Kontrollsystems bei.59 Zu diesem Zweck hat die NADA als nationale Umsetzung des WADA-Codes einen NADA-Code aufgestellt, an den die nationalen Sportverbände und Athleten durch Übernahme in ihre Satzungen bzw. mittels vertraglicher Vereinbarungen gebunden werden.60 Die NADA setzt sich aus einem Vorstand, der aus sechs ehrenamtlichen Mitgliedern besteht, der Geschäftsführung, dem Kuratorium und verschiedenen Arbeitsgruppen zusammen. Im Kuratorium, dem obersten Organ der Stiftung, sind Vertreter des organisierten Sports, von Bund und Ländern sowie Wirtschaftspartnern der NADA vertreten. Es tagt in der Regel ein bis zweimal jährlich und kontrolliert den Vorstand der Organisation. Momentan bestehen drei Arbeitsgruppen zu den Bereichen „Medizin und Analytik“, „Prävention“ und „Recht“, in denen externe Fachleute mitwirken und die mehrmals pro Jahr tagen. Finanziert wird die NADA aus verschiedenen Quellen. Bund und Länder haben bei Gründung der Stiftung 5,1 bzw. 1,02 Millionen Euro bereitgestellt.61 Die laufende Arbeit im Haushaltsjahr wird zusätzlich mit staatlichen Geldern z.B. für die Dopingprävention unterstützt62; dazu kommen die Zuwendungen des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB), der Stiftung Deutsche Sport___________ 58 Zu den Vorteilen der Organisation in Form einer Stiftung siehe Niese, Stiftung Nationale Anti-Doping-Agentur, in: Haas (Hrsg.), Schiedsgerichtsbarkeit im Sport, Stuttgart u.a. 2003, S. 61-74 (69); Prokop, Probleme einer Nationalen Anti-Doping-Agentur, in: Röhricht/Vieweg (Hrsg.), Doping-Forum, Aktuelle rechtliche und medizinische Aspekte, Köln 2000, S. 77-85 (84). 59 Vgl. 11. Sportbericht der Bundesregierung, S. 44. 60 Vgl. hierzu Adolphsen, Umsetzung des Welt Anti-Doping Code in Deutschland, in: Vieweg (Hrsg.), Perspektiven des Sportrechts, Berlin 2005, S. 81-103 (83 f.); Kotzenberg, Die Bindung des Sportlers an private Dopingregeln und private Schiedsgerichte, Baden-Baden 2007, S. 30 f., 62 ff. 61 Vgl. 11. Sportbericht der Bundesregierung, S. 44. 62 Im Jahr 2006 hat die Bundesregierung 300 000 Euro für Präventionsprojekte im Haushalt bereitgestellt, vgl. 11. Sportbericht der Bundesregierung, S. 44. Zudem hat der Bund das Stiftungskapital 2006 um zwei Millionen Euro erhöht; weitere Aufstockungen sind für die Jahre 2008-2011 um je eine Million Euro vorgesehen. Zusätzlich wird in diesem Zeitraum je eine Million Euro für Projekte bereitgestellt, vgl. Bundesministerium des Inneren, Abschlußbericht Projektgruppe Sonderprüfung Doping, Bonn 19.12.2007, S. 8.

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hilfe, der olympischen Fachverbände sowie von nationalen Förderern aus der Wirtschaft.63 Auch für die Umsetzung des nun bei der NADA angesiedelten Dopingkontrollsystems64 stellt die Bundesrepublik Mittel zur Verfügung.65 Die Analyse der bei Trainingskontrollen entnommenen Proben66 in den WADAakkreditierten Laboren in Köln und Kreischa wird aus staatlichen Geldern mitfinanziert.67 Durch die finanzielle Unterstützung der NADA und ihrer Arbeit ermöglichen Bund und Länder es den Sportorganisationen, mittels umfangreicher Tests und Kontrollen auf der einen sowie Präventionsarbeit auf der anderen Seite die Anwendung und den Besitz verbotener Wirkstoffe und Methoden durch Athleten einzuschränken. Der Staat kommt somit seiner Gewährleistungsverantwortung bezogen auf die NADA in ausreichendem Maße nach.

b) Einführung eines Sportschiedsgerichts für Dopingstreitigkeiten Eine über Verbandsgrenzen hinweg einheitliche und konsequente Sanktionierung von Dopingverstößen lässt sich nur mittels eines unabhängigen, übergreifend zuständigen Rechtsprechungsorgans sicherstellen. Zu diesem Zweck sieht Art. 13.2.2 WADA-Code, an den die Vertragsparteien mittelbar über Art. 4 des Unesco-Übereinkommens gebunden sind, für nationale Dopingfälle die Einrichtung eines unabhängigen und unparteiischen Organs zur Überprüfung von Verbandssanktionen vor. Alternativ kann direkt eine Überprüfungskompetenz des Internationalen Sportschiedsgerichtshofs CAS (Court of Arbitration for Sport) für Dopingsanktionen festgelegt werden. Diese Vorgaben wurden von der NADA bei der Ausarbeitung des nationalen Codes dergestalt berücksichtigt, dass Art. 13 des NADA-Codes die Einrichtung eines nationalen Schiedsgerichts voraussetzt. Als weiteres Rechtsmittel ist nur noch die Anru___________ 63

Vgl. Digel, Dopingbekämpfung im internationalen Vergleich, in: Nickel/Rous (Hrsg.), Das Anti-Doping-Handbuch, Band 1, Aachen u.a. 2007, S. 93-117 (103). 64 Vor Gründung der NADA war in Deutschland die Anti-Doping-Kommission (ADK) des Deutschen Sportbunds und des Nationalen Olympischen Komitees vorrangig für die Anordnung und Durchführung von Trainingskontrollen zuständig, Digel, Dopingbekämpfung im internationalen Vergleich, S. 93-117 (97). 65 Diese Maßnahme dient zugleich der Umsetzung der völkerrechtlichen Verpflichtung aus Art. 11 a) des Unesco-Übereinkommens über die finanzielle Unterstützung für nationale Dopingkontrollsysteme. 66 Im Jahr 2006 hat die NADA laut ihrem Jahresbericht 4.415 Trainingskontrollen durchgeführt. Wettkampfkontrollen werden bislang mangels ausreichender Ressourcen der NADA noch überwiegend von den Verbänden und Sportveranstaltern organisiert. 67 Im Jahr 2005 wurden hierfür 1,251 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, vgl. 11. Sportbericht der Bundesregierung, S. 46.

Internationale Grundlagen der Dopingbekämpfung

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fung des CAS möglich; die Zuständigkeit staatlicher Gerichte soll ausgeschlossen werden.68 Bis vor kurzem existierte in Deutschland kein institutionalisiertes Sportschiedsgericht. Es bestand lediglich die Möglichkeit, ein beim DOSB angesiedeltes Ad-hoc-Schiedsgericht jeweils neu einzuberufen.69 Allerdings machten die Sportverbände von dieser Möglichkeit in der Vergangenheit kaum Gebrauch.70 Zum 01.01.2008 hat das Deutsche Sportschiedsgericht, das von der NADA in Zusammenarbeit mit der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS)71 unterhalten und betrieben wird, seine Arbeit aufgenommen. Um die nach §§ 1036 f. Zivilprozessordnung (ZPO) erforderliche Unabhängigkeit des Schiedsgerichts72 sicherzustellen und nach außen hin zu dokumentieren, hat sich die NADA entschlossen, das Schiedsgericht nicht selbst zu betreiben, sondern organisatorisch bei der DIS anzusiedeln. Das Schiedsgericht entspricht damit sowohl den Vorgaben des NADA- und WADA-Codes als auch denen der §§ 1025 ff. ZPO für schiedsrichterliche Verfahren. Es kann nicht nur in vereins- oder verbandsrechtlichen Disziplinarstreitigkeiten bei Dopingverstößen eingeschaltet werden, sondern auch vertrags- bzw. handelsrechtliche Streitigkeiten und vereins- bzw. gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzungen mit Bezug zum Sport klären.73 Die Anerkennung des Sportschiedsgerichts durch die Sportverbände erfolgt mittels Verankerung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts in der jeweiligen Verbandssatzung und Unterzeichung einer Kooperationsvereinbarung mit der DIS sowie durch den Abschluss von Schiedsvereinbarungen zwischen den Ver___________ 68

Vgl. NADA, Schiedsgerichtsbarkeit – Hinweise zu den rechtlichen Voraussetzungen und Hilfestellungen, Stand Februar 2008, S. 1, abrufbar unter (zuletzt abgerufen am 22.07.2008). Nur für Sportler, die weder dem Kreis des sog. internationalen Testpools (International Level Athletes) noch des nationalen Testpools (National Level Athletes) angehören, kann es bei der Zuständigkeit staatlicher Gerichte bleiben, Adolphsen, Grundfragen und Perspektiven der Sportschiedsgerichtsbarkeit, SchiedsVZ 2004, S. 169-175 (173 f.). 69 Vgl. Weber, Die Sportschiedsgerichtsbarkeit nach dem World Anti-Doping Code und ihre Umsetzung in Deutschland, SchiedsVZ 2004, S. 193-198 (197). 70 Vgl. Adolphsen, SchiedsVZ 2004, S. 169-175 (173). 71 Die DIS ist ein aus dem Zusammenschluss des Deutschen Ausschusses für Schiedswesen (DAS) und des Deutschen Instituts für Schiedsgerichtswesen im Jahr 1992 entstandener eingetragener Verein. Vereinszweck ist die Förderung der nationalen und internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Vgl. näher hierzu Klich, Deutsches Sportschiedsgericht startet im Januar 2008, SpuRt 2007, S. 236. 72 Zu diesem Problemkreis vgl. Haas/Holla, Die Nationale Antidoping-Agentur und ein künftiges Schiedsgericht für Dopingstreitigkeiten, in: Haas (Hrsg.), Schiedsgerichtsbarkeit im Sport, Stuttgart u.a. 2003, S. 9-41 (17 ff.). 73 Vgl. Vorwort der DIS-Sportschiedsgerichtsordnung, abrufbar unter (zuletzt abgerufen am 22.07.2008).

228

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bänden und ihren Athleten.74 Die NADA hat bezogen auf Dopingstreitigkeiten Vorschläge für Satzungs- und Vertragsklauseln erarbeitet.75 Dabei sind für die Verbände zwei Formen der Zuständigkeitsübertragung auf das Sportschiedsgericht denkbar. Sie können zum einen zunächst ein eigenes Verbandsverfahren vorsehen, dessen Ergebnis – gegebenenfalls nach einer weiteren verbandsinternen Instanz – anschließend dem Sportschiedsgericht zur Überprüfung vorgelegt werden kann. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Sanktionsbefugnis direkt auf das Sportschiedsgericht zu übertragen.76 Die Zuständigkeit des Sportschiedsgerichts für die Verhängung bzw. Überprüfung von Dopingsanktionen wird in Zukunft dazu beitragen, eine verbandsübergreifend einheitliche Sanktionspraxis zu erreichen. Damit wird die Harmonisierung der Dopingbekämpfung, die als wesentliches Ziel sowohl dem WADA- und NADA-Code sowie dem Unesco-Übereinkommen zugrunde liegt, gefördert. Indem Bund und Länder über die Unterstützung und Finanzierung der NADA mittelbar auch das Sportschiedsgerichts fördern ,77 flankieren und begleiten sie in Erfüllung ihrer Gewährleistungsverantwortung die von den pri vaten Sportverbänden ergriffenen Maßnahmen.

IV. Resümee Das Unesco-Übereinkommen gegen Doping im Sport ist die Reaktion auf das immer mehr ins Bewusstsein der internationalen Staatengemeinschaft dringende Dopingproblem. Die darin begründeten völkerrechtlichen Verpflichtungen erlegen den Vertragsstaaten sowohl echte, eigene Erfüllungsverantwortung als auch indirekte Gewährleistungsverantwortung durch Unterstützung der Maßnahmen der privaten Sportorganisationen auf. Das Übereinkommen ermöglicht eine bislang nicht gekannte Zusammenarbeit zwischen staatlichen und ___________ 74 Vgl. weitergehend zu Schiedsvereinbarungen Holla, Der Einsatz von Schiedsgerichten im organisierten Sport, Frankfurt a. M. 2006, S. 64 ff.; Kotzenberg, Die Bindung des Sportlers an private Dopingregeln und private Schiedsgerichte, S. 92 ff.; Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, Die Schiedsverfahren des Tribunal Arbitral du Sport vor dem Hintergrund des schweizerischen und deutschen Schiedsverfahrensrechts, Berlin 2005, S. 172 ff., jeweils m.w.N. 75 Vgl. NADA, Schiedsgerichtsbarkeit – Hinweise zu den rechtlichen Voraussetzungen und Hilfestellungen, Stand Februar 2008, S. 5 ff. 76 Vgl. Klich, SpuRt 2007, S. 236. 77 Neben dieser mittelbaren Förderung kommt der Staat auch durch direkte Maßnahmen zugunsten des Sportschiedsgerichts seiner Gewährleistungsverantwortung nach: für das Jahr 2008 unterstützt das Land Nordrhein-Westfalen das Sportschiedsgericht mit einer Anschubfinanzierung von 50 000 Euro, vgl. „Deutsches Sportschiedsgericht übernimmt 2008 erste Doping-Fälle“, Meldung der beck-aktuell-Redaktion vom 19.12.2007, becklink 248770.

Internationale Grundlagen der Dopingbekämpfung

229

privaten Akteuren in der Dopingbekämpfung, indem es die Kompetenz der WADA als Nichtregierungsorganisation, in der sowohl Vertreter des privaten Sports als auch der Staaten mitwirken, anerkennt. Außerdem inkorporiert es von der WADA privatrechtlich gesetztes Recht und erhebt es so in den Rang völkerrechtlichen Vertragsrechts, was eine besondere Entwicklung im internationalen Normsetzungsprozess darstellt. Die Bundesrepublik Deutschland hat die in Art.8 des Unesco-Übereinkommens enthaltenen Verpflichtungen teilweise bereits vor Ratifizierung des Unesco-Übereinkommens im März 2007 erfüllt; weitere Maßnahmen wurden nach Inkrafttreten des Ratifikationsgesetzes mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Dopingbekämpfung im Sport“ ergriffen. Gleichwohl ist zu beachten, dass die im Unesco-Übereinkommen enthaltenen Verpflichtungen aufgrund der ständigen Weiterentwicklung von Dopingsubstanzen und -methoden dynamisch zu verstehen sind. Das bedeutet, dass die Bundesrepublik die von ihr ergriffenen Maßnahmen stets daraufhin überprüfen muss, ob sie noch im Einklang mit den veränderten Bedingungen stehen und diesen gerecht werden. Dazu tragen auch die Aktualisierungen der Verbotsliste der WADA sowie der Standards zur Erteilung von Ausnahmegenehmigungen zur therapeutischen Anwendung bei, die nach Art. 34 des Übereinkommens von den Vertragsstaaten genehmigt werden und den Inhalt der völkerrechtlichen Pflichten beeinflussen.

Die lex sportiva – Ein autonomer Begründungsansatz zur internationalen Rechtsharmonisierung im Sport? Von Pieter Schleiter

I.

Problemstellung ................................................................................................ 231 1.

Einführungsfälle ........................................................................................ 232

2.

Rechtsunsicherheit und Ungleichheit ........................................................ 233

II. Die lex sportiva als tragfähige Lösung? ............................................................ 234 1.

Begriff der lex sportiva.............................................................................. 235

2.

Rechtsetzungsautonomie als entscheidendes Kriterium ............................ 236

3.

Rechtsetzungsautonomie kraft Völkerrechtssubjektivität und Befugnisübertragung ................................................................................................ 237 a)

Völkerrechtssubjektivität ................................................................... 238 aa) Interaktionseinheit ...................................................................... 238 bb) Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten ........................... 240

4.

b)

Hinreichende Befugnisübertragung? .................................................. 247

c)

Unwiderruflichkeit der Befugnisübertragung? ................................... 249

Ergebnis..................................................................................................... 249

III. Fazit und Ausblick ............................................................................................ 250

I. Problemstellung Der internationale Sport ist auch heute noch geprägt von Rechtszersplitterung und Rechtsunsicherheit. Die Sportorganisationen sind privatrechtliche Zusammenschlüsse, gegründet nach dem Recht einzelner Staaten, also mit nationaler Verankerung. Ihre Aktivitäten entfalten sie indes über Grenzen hinweg international. Aufgrund einer Vielzahl örtlicher Anknüpfungspunkte (Wettkampfort, Wohnsitz von Athleten, Verbandssitz etc.) ragt das Sportgeschehen, typisch für global agierende Akteure, in verschiedenste Rechtsordnungen hinein. Hierbei entstehen regelmäßig Problemfälle, in deren Folge das Handeln des Sports an der jeweiligen nationalen Rechtsordnung gemessen wird. Die Unterschiede

232

Pieter Schleiter

der nationalen Regelungen führen indes zu differierenden Ergebnissen im Einzelfall – die Ursache für die benannte Rechtszersplitterung und Rechtsunsicherheit. Die Problematik soll an zwei Einführungsfällen verdeutlicht werden.

1. Einführungsfälle Fall 1: Harry „Butch“ Reynolds ./. IAAF 1 Im August 1990 nahm der 400 m Weltrekordläufer Butch Reynolds an einem Leichtathletik-Meeting in Monte Carlo (Monaco) teil. Dort wurde eine Dopingprobe genommen und in einem Labor in Paris untersucht. Der Test war positiv auf das anabole Steroid Nandrolon. Daraufhin sprach die IAAF, die zum damaligen Zeitpunkt ihren Sitz in London hatte, eine Sperre für zwei Jahre aus. Reynolds klagte daraufhin gegen die IAAF vor dem District Court in Ohio auf über 27 Mio. US-Dollar Schadensersatz, ein Großteil davon gestützt auf punitive damages. Einzig möglicher örtlicher Anknüpfungspunkt für die Wahl dieses Gerichts war Reynolds (!) Wohnsitz in Ohio. Das Gericht nahm seine Zuständigkeit an, wandte das dortige materielle Recht an und gab der Klage statt. Der im Berufungsverfahren angerufene Court of Appeals hob zwar mangels Zuständigkeit das Urteil auf. Dennoch war zunächst ein vollstreckungsfähiger Titel geschaffen. Fall 2: Fiktiver Beispielsfall 2 Zwei Sportler unterschiedlicher Nationalität nehmen an einem Wettkampf teil und werden beide auf die gleiche Dopingsubstanz in gleicher Menge getestet und daraufhin lebenslänglich gesperrt, da es für beide schon das dritte Dopingvergehen war, vgl. Art. 10.7.3 WADA-Code 2009. Beide Athleten klagen vor ihren Heimatgerichten gegen die Sperre. Ein Athlet obsiegt, da in seinem Land nach dortigem Recht die Sanktion gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit verstößt. Der andere Sportler unterliegt, da nach dortiger Rechtsansicht Verbandssanktionen nicht der Kontrolle durch staatliches Recht unterliegen. Zwei sportliche, aber auch wirtschaftliche Konkurrenten werden also mit unterschiedlichem Maß gemessen; mit der Folge, dass bei gleichem Verhalten einer für die Zukunft aus dem Konkurrenzkampf ausgeschlossen wird, der andere hingegen nicht. ___________ 1

Dokumentationen des Falles bei Bach, Der Dopingfall Harry „Butch“ Reynolds – Plädoyer für eine internationale Sportgerichtsbarkeit, SpuRt 1995, 142; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, 2003, S. 5 ff. 2 Da hier ein mögliches Szenario so treffend beschrieben wird, ist dieser Fall leicht abgewandelt entnommen aus Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, S. 8.

Die lex sportiva

233

2. Rechtsunsicherheit und Ungleichheit Die beiden Beispiele verdeutlichen zwei Unsicherheiten im internationalen Sport: (1) Wo kann geklagt werden? (2) Welches Recht ist anwendbar? Dies hat zwei dramatische Konsequenzen. Erstens: Wenn unklar ist, in welchem Staat, vor welchem Gericht geklagt wird und welches Recht anwendbar ist, besteht erhebliche Rechtsunsicherheit. Rechtsunsicherheit aber ist ein Hemmnis für jedes Handeln und damit auch für sportliche und wirtschaftliche Interaktion. Zweitens: Es besteht Ungleichheit zwischen den Sportlern verschiedener Nationen – ein Widerspruch zu dem den Sport beherrschenden Gleichheitsgrundsatz. Dies sind keineswegs Einzelfälle. Die Regelwerke großer internationaler Verbände tragen zu wenig Vorsorge, um dieses Problem einzudämmen, sodass derartige Konstellationen nach wie vor auftreten können. Eine Sichtung der Regelwerke einiger internationaler Fachverbände belegt dies: –

Die FIFA hat zwar die Zuständigkeit des CAS in Art. 62 ihrer Statuten3 vorgesehen und für diese Verfahren sogar eine Rechtswahlklausel zu Gunsten des Schweizer Rechts integriert. Allerdings existiert keine umfassende Zuständigkeit des CAS, wie die enumerativen Zuweisungen in Art. 63 der FIFA-Statuten zeigen. Insbesondere enthält die Aufzählung keine Schadensersatzforderungen von Spielern gegenüber der FIFA. Dies mag auf dem Umstand beruhen, dass Sportverbände primär die Durchsetzung ihrer Regelwerke im Blick haben und daher zumeist nur Streitfälle infolge von Verstößen der Regelunterworfenen, also vor allem der Athleten und Mitgliedsverbände, antizipieren. Eigene Rechtsverletzungen und daraus folgende Konsequenzen geraten dabei leicht aus dem Blick oder werden mitunter auch bewusst nicht in Regelwerken normiert.4 Auf Grund der fehlenden Zuweisung an den CAS wäre demzufolge im Fußball auch heute noch ein ähnliches Szenario wie im Fall Reynolds möglich. Weiterhin werden gemäß Art. 64 der FIFA-Statuten untergeordnete Verbandsstrukturen verpflichtet, in gleichem Umfang ebenfalls eine Schiedsgerichtsbarkeit anstelle staatlicher Gerichte anzurufen. Allerdings sind die untergeordneten Verbände frei in der Wahl, welches Schiedsgericht sie anrufen und welches Sachrecht Anwendung findet, arg. e contrario Art. 62 Abs. 2 S. 2 FIFA-

___________ 3 Abrufbar unter (zuletzt abgerufen am 08.09.2008); s. auch Art. 135 Disciplinary Code, abrufbar ebenda. 4 Vielleicht um keine „schlafenden Hunde zu wecken“.

234

Pieter Schleiter

Statuten. Auch hier erwächst daraus Rechtsunsicherheit und wird Ungleichbehandlung ermöglicht. –

Einheitlicher ist die Rechtslage der IAAF (International Association of Athletics Federations). Hier ist bei allen Streitigkeiten und nach einem zuvor durchgeführten internen Verfahren (Rule 60.2 IAAF Competition Rules 2008) eine Berufung zum CAS eröffnet, Art. 15.1 IAAF Constitution.5 Anzuwenden ist monegassisches Recht, Rule 60.4 IAAF Constitution.6



In den Regelwerken der UCI (Union Cycliste Internationale) finden sich nur vereinzelt relevante Bestimmungen. So sieht Art. 85.3 UCI Constitution vor, dass für Klagen gegen die UCI ausschließlich das zuständige Kantonsgericht des Verwaltungssitzes der UCI angerufen werden soll.7 Eine Rechtswahlklausel fehlt. Weiterhin bestimmt Rule 280 der Anti-Doping Rules, dass enumerativ aufgezählte Dopingstreitigkeiten der Berufung vor dem CAS unterliegen können. Rule 290 bestimmt sodann, dass hierfür die UCI Doping-Regeln sowie das von den Parteien bestimmte Recht Anwendung finden, hilfsweise Schweizer Recht. Auch im Radsport sind also erhebliche Rechtsunsicherheiten gegeben.



Das Regelwerk der FINA (Fédération Internationale de Natation Amateur) sieht in Regel C25 der Constitution lediglich eine fakultative („[...] may be referred [...]“) Zuständigkeit des CAS vor.8 Zwingend hingegen ist, dass Entscheidungen des Doping Panel oder des Disciplinary Panel nur vor dem CAS überprüft werden können, Regel C12.9.3 S. 2 der Constitution. Damit ist ein gutes Stück Rechtssicherheit und Gleichbehandlung gewonnen. Klagen auf Schadensersatz gegen die FINA sind aber nach wie vor auf der ganzen Welt und unter jedem denkbaren Sachrecht möglich.

II. Die lex sportiva als tragfähige Lösung? Damit stellt sich die Frage, wie diesen Problemen begegnet werden kann. In jüngerer Zeit tauchte angelehnt an den bereits etablierten Begriff der lex mercatoria auch der Begriff der lex sportiva auf. Es erscheint lohnenswert zu prüfen, ob der Gedanke der lex sportiva einen tragfähigen Lösungsansatz bietet. ___________ 5

Regelwerke abrufbar unter (zuletzt abgerufen am 08.09.2008). 6 Auch insgesamt unterstellt die IAAF ihr „governing law“ nochmals ausdrücklich dem Recht von Monaco, Art. 16 IAAF Constitution. 7 Regelwerke abrufbar unter (zuletzt abgerufen am 08.09.2008). 8 Zur Ansicht unter (zuletzt abgerufen am 08.09.2008).

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1. Begriff der lex sportiva Der Begriff der lex sportiva bezeichnet das selbstgesetzte Recht des internationalen Sports.9 Davon erfasst sind insbesondere Verbandsregelwerke, durch Schiedssprüche entwickeltes Richterrecht und allgemeine Rechtsgrundsätze. Der internationale Sport ist durch eine wahre Flut von Regelungen gekennzeichnet, die in Komplexität und Akribie an staatliches Recht heranreichen.10 Der enorme Umfang der Regelungen ist Zeichen der Vielfalt, Dichte und wirtschaftlichen Bedeutung der Interaktionen im internationalen Sportgeschehen. Die Begrifflichkeit der lex sportiva ist angelehnt an die der lex mercatoria.11 Bei dieser handelt es sich um das selbstgesetzte Recht des internationalen Handels, wie etwa branchenbezogene Standardverträge, Handelsklauseln oder Handelsbräuche, sowie auch Schiedssprüche samt entwickeltem Richterrecht. Eine der wichtigsten Organisationen in diesem Bereich ist die Internationale Handelskammer12, welche eine Vielzahl einheitlicher Richtlinien für den internationalen Handel zu unterschiedlichen Bereichen ausarbeitet und vorschlägt. Besondere Bedeutung haben hier vor allem die sog. Incoterms13 erlangt. Ferner werden auch von wissenschaftlichen Initiativen entwickelte Regelwerke dazu gerechnet, u.a. in Gestalt sog. principles, so etwa die Unidroit Principles of In___________ 9 Einführend zur lex sportiva s. etwa Adolphsen, Eine lex sportiva für den internationalen Sport?, in: Die Privatisierung des Privatrechts. Rechtliche Gestaltung ohne staatlichen Zwang, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler, 2003, 281; gute Querschnittsdarstellung der Diskussion zur Begründung der lex sportiva bei Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, 2005, S. 351 ff.; weiterhin Heß, Voraussetzungen und Grenzen eines autonomen Sportrechts unter besonderer Berücksichtigung des internationalen Spitzensports, in: Heß/Dressler, Aktuelle Rechtsfragen des Sports, 1999, 14; Röthel, Lex mercatoria, lex sportiva, lex technica - Private Rechtsetzung jenseits des Nationalstaates?, JZ 2007, 745; Nafziger, Lex Sportiva, The International Sports Law Journal (ISLJ) 2004, 3; eine vergleichende Analyse zwischen lex mercatoria und lex sportiva unternimmt Kolev, Lex Sportiva And Lex Mercatoria, ISLJ 2008, 57, insbesondere mit nachdrücklichem Hinweis auf einen Mangel an demokratischer Regelbildung, S. 61 f.; auch PHB SportR-Pfister 6/8 ff. 10 Vgl. PHB SportR-Pfister Einführung/20; z. B. Loseblattausgabe in mehreren Bänden Klein/Lengersdorf, Deutsches Sporthandbuch: Organisation, Recht, Verwaltung, 2007; als Beispiel für eine Sportart s. das umfangreiche Regelwerk des DFB als Loseblattausgabe „Satzungen und Ordnungen“ mit 15 Ordnungen bzw. Satzungen (inklusive FIFA-Reglement Spielerstatus), zum Download unter www.dfb.de/index.php?id=11003 (Stand: 20.08.2008). 11 Grundlegend zur lex mercatoria monografisch die Habilitationsschrift von Stein, Lex mercatoria: Realita‫ޠ‬t und Theorie, 1995; Zumbansen, Lex mercatoria: Zum Geltungsanspruch transnationalen Rechts, RabelsZ 2003, 637; guter Überblick bei v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. I, 2. Aufl., 2003, § 2 Rn. 72 ff. 12 Homepage der International Chamber of Commerce (ICC): (Stand: 10.03.2008). 13 „International Commercial Terms“, einführend z. B. Wertenbruch, Die IncotermsVertragsklauseln für den internationalen Kauf, ZGS 2005, 136.

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ternational Commercial Contracts oder die Principles of European Contract Law. Die lex mercatoria hat ihren Ursprung im mittelalterlichen englischen Law Merchant.14 Hierbei handelte es sich um Regeln, mit denen man versuchte, die durch das einsetzende Handeltreiben entstehenden internationalen Sachverhalte einheitsprivatrechtlich zu lösen, also ein allgemein gültiges Normensystem über Ländergrenzen hinweg zur Anwendung zu bringen. Dies war ein bemerkenswerter, früher Versuch, ohne Rückgriff auf die Technik des Internationalen Privatrechts (Kollisionsregeln) transnationale Sachverhalte zu erfassen. Die Begriffe lex sportiva und lex mercatoria kennzeichnen dabei zum einen den enormen Umfang, aber vor allem die überragende Praxisbedeutung der Regeln des selbst gesetzten Rechts der Interaktionsgemeinschaften Sport und Handel.15 Zum anderen wird mit den Begrifflichkeiten auch der Versuch unternommen, diese Regeln als eigenständig (autonom) zu qualifizieren. Dies beruht darauf, dass internationale Prozesse sinnvollerweise auch international einheitlichem Recht unterliegen sollten, die staatlichen Rechtsordnungen diese Einheitlichkeit aber durch unterschiedliche Gewährungen und Maßstäbe stören. Daraus folgt der Versuch, die selbstgesetzten Normen als autonom, also unabhängig von staatlicher Gewährung und staatlichem Einfluss, zu betrachten. Diese intendierte Eigenschaft der Autonomie ist das entscheidende Kriterium für die Frage, ob eine lex sportiva aus sich heraus eine internationale Rechtsharmonisierung bewirken kann.

2. Rechtsetzungsautonomie als entscheidendes Kriterium Für die Fragestellung des Harmonisierungspotentials im internationalen Sport ist entscheidend, ob die lex sportiva ein selbständiges Normengefüge darstellt – dergestalt, dass es unabhängig von staatlicher Gewährung und staatlichem Eingriff existieren und wirken kann. Ausgedrückt in der Terminologie der Hierarchie der Rechtsordnungen muss es sich also um ein Normengefüge handeln, das entweder zumindest auf gleicher Stufe mit staatlichem Recht steht oder aber außerhalb einer solchen Hierarchie anzusiedeln wäre. Denn nur in diesen Fällen hätte die lex sportiva die Kraft, gegenüber widerstreitendem staatlichen Recht zu bestehen. Andernfalls müsste sie sich dem übergeordneten Normbefehl beugen. Diese Eigenschaft der Selbständigkeit soll im Folgenden mit dem Begriff Autonomie bezeichnet werden. Autonomie des Rechts lässt sich somit kennzeichnen durch die Attribute Selbständigkeit und Unabhängig___________ 14 Einführend v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. I, 2. Aufl., § 2 Rn. 7 ff. 15 Zu dem sich ebenfalls entwickelnden Begriff der lex technica vgl. einführend Röthel, JZ 2007, 745.

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keit in Bestand und Wirkungen von staatlichem Recht. Rechtsetzungsautonomie bedeutet folglich die Kompetenz, unabhängig von fremder (staatlicher) Legitimation gültige Normen zu setzen. Zu fragen ist, ob eine solche Rechtsetzungsautonomie des internationalen Sports existiert.

3. Rechtsetzungsautonomie kraft Völkerrechtssubjektivität und Befugnisübertragung Einzig Staaten haben originäre Rechtsetzungsautonomie. Zwar wäre es durchaus interessant zu untersuchen, ob Sportorganisationen Merkmale verfasster Staatlichkeit aufweisen. Im Ergebnis dürfte dies jedoch offensichtlich zu verneinen sein, weshalb eine Untersuchung hier unterbleiben soll. Rechtsetzungsautonomie kann sich außer aus der Staatseigenschaft aber auch aus einer sonstigen Völkerrechtssubjektivität ergeben.16 Für internationale Sportorganisationen wird Völkerrechtssubjektivität durchaus diskutiert.17 Dies gibt Anlass zur näheren Untersuchung, ob der internationale Sport die Merkmale eines Völkerrechtssubjekts erfüllt. Dabei darf man allerdings nicht dem Trugschluss erliegen, die bloße Qualifikation als Völkerrechtssubjekt genüge zur Begründung der Rechtsetzungsautonomie. Dem ist nicht so. Dies beruht darauf, dass nur Staaten als den alleinigen vollrechtsfähigen Rechtssubjekten des Völkerrechts uneingeschränkte Rechtsetzungsautonomie zugestanden wird.18 Nur sie sind sog. geborene (originäre) Völkerrechtssubjekte. Alle anderen Interaktionseinheiten des Völkerrechts führen ihre Existenz auf die Legitimation durch die Staaten zurück, sog. gekorene (derivative) Völkerrechtssub-

___________ 16

Die in früherer Zeit gelegentlich anzutreffende Behauptung, Sportrecht gehe staatlichem Recht vor, ist ohne entwickelbare Begründung unhaltbar; so aber z. B. der ehemalige Chefankläger des DFB Kindermann im Rahmen des Bundesligaskandals 1970/71, s. Westermann, Die Verbandsstrafgewalt und das allgemeine Recht, 1972, S. 24 und ders., Der Sportler als „Arbeitnehmer besonderer Art“, in: Reschke (Hrsg.), Sport als Arbeit, 1985, S. 38. 17 Für das IOC ablehnend z. B. Doehring, Rechtsbeziehungen zwischen dem Internationalen Olympischen Komitee, den nationalen olympischen Komitees und den Staaten, in: Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Hrsg.), Olympische Leistung. Ideal, Bedingungen, Grenzen, Begegnungen zwischen Sport und Wissenschaft, Köln, 1981, S. 321; vgl. auch Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, 1990, S. 139 f.; gefordert wird, für die Zukunft auch internationalen Sportorganisationen Völkerrechtssubjektivität zu verleihen, so z. B. Scherrer, Die Internationalisierung des Sports im Spannungsfeld von Verbands-, Unternehmens- und Vertragsrecht (Vortragsbericht), SpuRt 2003, 39. 18 Vgl. Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., 2004, § 5 Rn. 7; Herdegen, Völkerrecht, 6. Aufl., 2007, § 7 Rn. 3.

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jekte.19 Daher kommt ihnen auch lediglich in dem Umfang Völkerrechtssubjektivität zu, wie sie ihnen von den Staaten verliehen wird.20 Gekorene Völkerrechtssubjekte haben deshalb bloß eine sog. partielle Völkerrechtssubjektivität.21 Der internationale Sport verfügt somit nur dann über Rechtsetzungsautonomie, wenn –

er erstens überhaupt als Völkerrechtssubjekt zu qualifizieren ist (Frage des „Ob“),



ihm zweitens die Staaten auch Rechtsetzungsautonomie verliehen haben (Frage des „Umfangs“) und



ihm drittens die Rechtsetzungsautonomie unwiderruflich verliehen ist.

a) Völkerrechtssubjektivität Interaktionen finden nicht nur unter natürlichen oder juristischen Personen unterhalb der Staatsebene statt, sondern auch darüber auf zwischenstaatlicher Ebene. Hier begegnen sich Völkerrechtssubjekte. Daher versteht man unter einem Völkerrechtssubjekt eine Interaktionseinheit (aa), die Träger von völkerrechtlichen Rechten und Pflichten ist (bb).22

aa) Interaktionseinheit Das erste Merkmal der Interaktionseinheit ist weitgehend unproblematisch. Hierunter ist ein abgrenzbares Gebilde zu verstehen, das in seiner Struktur die Möglichkeit bietet, Zuordnungssubjekt von Rechten und Pflichten zu sein. Handelt es sich (wie nahezu immer23) um einen irgendwie gearteten Zusammenschluss von Menschen, so muss dieser Zusammenschluss eine einheitliche Willensbildung gewährleisten und der so gebildete Wille muss nach außen ___________ 19 Z. B. Klein, in: Vitzthum, Völkerrecht, 4. Aufl., 2007, 4. Abschn. Rn. 93; Epping, in Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 5 Rn. 7; Die drei anerkannten klassischen Ausnahmen hierzu sind lediglich der Heilige Stuhl, der Souveräne Malteserorden und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, s. z. B. Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 8. Aufl., 2004, S. 147 ff. 20 Seidl-Hohenveldern/Loibl, Das Recht der internationalen Organisationen, 7. Aufl., 2000, Rn. 0302. 21 Rechtstheoretisch denkbar ist zwar, dass Staaten ein gekorenes Völkerrechtssubjekt mit umfassender Rechtssubjektivität ausstatten. Bislang ist dies aber noch nicht vorgekommen und auch nicht zu erwarten. 22 Z. B. Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 4 vor Rn. 1; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 8. Aufl., S. 64. 23 Ausnahme ist einzig der Heilige Stuhl.

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durch Organe vertreten werden können.24 Zudem müssen diese Organe die Handlungsfähigkeit für das Gebilde sicherstellen.25 Damit scheiden diffuse Einheiten aus, also solche, bei denen der Zusammenschluss von Individuen keine klaren Grenzen erkennen lässt. Ferner scheiden auch solche Gebilde aus, die keine einheitliche Willensbildung realisieren. Es ergeben sich zusammenfassend drei wesentliche Merkmale einer Interaktionseinheit: Abgrenzbarkeit, einheitliche Willensbildung und Handlungsfähigkeit. Fraglich ist, ob der internationale Sport diese Merkmale erfüllt. Im Kern müssen zum internationalen Sport gerechnet werden: alle verbandsrechtlich oder individualvertraglich gebundenen Sportler, Trainer, Schiedsrichter und sonstigen Personen, ebenso sämtliche Fachsportvereine und -verbände, sportartübergreifende Verbände sowie weitere mit dem Sport verbundene Institutionen wie die Olympische Bewegung, das IOC oder Sportschiedsgerichte. Die Zuordnung der verbandsrechtlich oder individualvertraglich gebundenen Individuen zum Begriff des internationalen Sports lässt sich – wenn auch mit erheblichem Aufwand – noch vornehmen (Abgrenzbarkeit). Indes kann eine einheitliche Willensbildung nicht mehr angenommen werden. Diese ist zwar denkbar innerhalb eines Vereins und auch noch innerhalb eines Verbandes durch eine demokratieähnlich verfasste Binnenstruktur. Verlässt man indes die Verbandsstruktur, ist eine einheitliche Willensbildung nicht mehr gegeben. Zwar existieren Ansätze in der Form, dass ausschnitthaft für bestimmte sportartübergreifende Ereignisse ein einheitliches Rechtsregime vereinbart wird, so z. B. für die Olympischen Spiele. Jedoch kann man schwerlich annehmen, das IOC trete als Sprachrohr eines zuvor gebündelten Willens aller Sportbeteiligten auf. Dafür sind die rechtlichen Beziehungen unter den Beteiligten zu lose und zu beschränkt, nämlich einzig auf die Durchführung des Sportereignisses bezogen. Selbst wenn man eine einheitliche Willensbildung annähme, müsste man dennoch beachten, dass derzeit lediglich 35 Sportarten zum festen olympischen Kreis gehören.26 Man könnte also höchstens von der Interaktionseinheit der Olympischen Bewegung sprechen, nicht aber vom internationalen Sport an sich. Nach diesen Überlegungen erfüllen maximal die organisierten Sportverbände und mitunter auch sportartübergreifende Verbände jeder für sich die Kriterien der Abgrenzbarkeit, der einheitlichen Willensbildung und der Handlungsfähigkeit. So erscheint es möglich, z.B. der FIFA, der IAAF, der ASOIF27 ___________ 24 Zu diesen Erfordernissen s. inzident Herdegen, Völkerrecht, 6. Aufl., § 10, Rn. 8 ff.; vgl. auch Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 6 Rn. 13. 25 Zum Erfordernis der Handlungsfähigkeit s. Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 6 Rn. 13. 26 28 Sommersportarten und 7 Wintersportarten, vgl. bye-law Nr. 2, 3 zu Rule 46 OC sowie (Stand: 24.03.2008). 27 Association of Summer Olympic International Federations.

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und mitunter auch der Olympischen Bewegung die Qualität einer solchen Interaktionseinheit zuzugestehen. Der internationale Sport an sich stellt sich aktuell aber vielmehr als bloßes diffuses Konglomerat von Individuen, Organisationen und sonstigen Beteiligten dar. Daher soll im Folgenden, soweit es um die Völkerrechtsfähigkeit geht, nicht mehr allgemein vom internationalen Sport gesprochen werden, sondern konkreter von Sportorganisationen. Nur diese kommen dem Grunde nach dafür in Betracht, Zuordnungssubjekt von Rechten und Pflichten zu sein. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine Interaktionseinheit die Merkmale der Abgrenzbarkeit, der einheitlichen Willensbildung und der Handlungsfähigkeit erfüllen muss. Dies trifft höchstens auf einzelne Sportorganisationen und womöglich auf die Olympische Bewegung zu, indes keinesfalls auf den internationalen Sport an sich.

bb) Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten Nachdem Klarheit über das Kriterium der Interaktionseinheit besteht, soll nun das zweite Merkmal eines Völkerrechtssubjekts „völkerrechtliche Rechte und Pflichten“ betrachtet werden. Hier existiert zunehmend die Tendenz, mitunter bereits dann von einem partiellen Völkerrechtssubjekt zu sprechen, wenn folgende zwei Voraussetzungen kumulativ vorliegen: –

hinreichende Einbeziehung einer abgrenzbaren Einheit in zwischenstaatliche Interaktion und



Zuweisung völkerrechtlicher Befugnisse.

Herkömmlich unterscheidet man zwischen geborenen und gekorenen Völkerrechtssubjekten. Zudem existieren Sonderfälle. Geborene (originäre) Völkerrechtssubjekte sind alle Staaten, aber auch nur diese.28 Sie sind die Grundzuordnungssubjekte völkerrechtlichen Handelns. Von ihnen leiten sich alle weiteren Zuordnungen ab, d.h. die Staaten bestimmen grds. darüber, welche weiteren Völkerrechtssubjekte entstehen. Einzig die Staaten haben volle Rechtsfähigkeit. Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde lediglich den Staaten Völkerrechtssubjektivität zugesprochen.29 Erst mit der Zeit entwickelte sich ein ___________ 28 Zum Staat als Normalperson des Völkerrechts s. Epping, in Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 5 Rn. 1 ff.; Sonderfälle staatsähnlicher, aber nur partieller Völkerrechtssubjektivität betreffen vor allem die historisch gewachsenen Völkerrechtssubjekte des Heiligen Stuhls, des Souveränen Malteserordens und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (hierzu z. B. Hobe/Kimminich, Völkerrecht, 8. Aufl., S. 147 ff.). 29 Zur Lehre vom Staat als einzigem Völkerrechtssubjekt s. Epping, in Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 4 Rn. 2 f.

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Verständnis, das auch andere Gefüge in den Blick nahm. So wurden bald internationale Regierungsorganisationen als teilrechtsfähig anerkannt.30

(1) Internationale Regierungsorganisationen Solche sog. gekorenen (derivativen) Völkerrechtssubjekte führen ihre Existenz auf Staaten zurück. Ein Voraussetzungselement ihrer Entstehung ist immer eine bestimmte Form der Anerkennung durch Staaten. Dies ist bei den internationalen Regierungsorganisationen (International Governmental Organisations – IGOs) als den bedeutendsten gekorenen Völkerrechtssubjekten am offensichtlichsten. Ihnen liegt das Bedürfnis zu Grunde, staatsübergreifende Angelegenheiten auch überstaatlich zu regeln. In solchen Fällen gründen mindestens zwei, in der Regel mehr Staaten eine zwischenstaatliche Organisation und übertragen Aufgaben an diese. Gründung der Organisation, Umfang der Befugnisse und folglich auch Umfang der Rechtsfähigkeit bestimmen sich nach dem Gründungsvertrag – der Satzung. Eine internationale Regierungsorganisation ist damit immer nur partiell rechtsfähig. Beispiele hierfür sind die Vereinten Nationen, die NATO, der Europarat, die Europäischen Gemeinschaften31, die OSZE, die Afrikanische Union oder die Arabische Liga. Die Völkerrechtssubjektivität internationaler Regierungsorganisationen ist allgemein anerkannt. Hiergegen ist auch nichts einzuwenden, da sich ihr Status als Überordnungssubjekt an den Willen des Individuums rückanbinden und somit legitimieren lässt. Umstritten ist, ob noch weitere gekorene, partiell rechtsfähige Völkerrechtssubjekte anzuerkennen sind. Die beiden relevantesten Fallgruppen betreffen Nichtregierungsorganisationen (Non-Governmental Organisations – NGOs)32 und in jüngerer Zeit immer stärker auch transnationale Unternehmen (Transnational Corporations – TNCs).33 ___________ 30 Zu den internationalen Regierungsorganisationen s. z. B. Epping, in Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 5. 31 Hierbei handelt es sich sogar um sog. supranationale Organisationen, also einen besonderen Typus mit weitreichenden Befugnissen, s. z. B. Epping, in Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 6 Rn. 15 ff.; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, S. 145. 32 Einführend zum Problem Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 8. Aufl., S. 153 ff. 33 Einführend zu beiden Fallgruppen Epping, in Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 6 Rn. 19, § 8 Rn. 16 und Hobe/Kimminich, Völkerrecht, 8. Aufl., S. 153-159; vertieft zu den transnationalen Unternehmen sogleich unter II. 3. a) bb) (3). Letztlich wird mit Blick auf die zunehmenden menschenrechtlichen Verbürgungen sogar eine partielle Völkerrechtsfähigkeit des Individuums diskutiert (hierzu z. B. Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 8. Aufl., S. 160 ff.; zu weiteren Sonderfällen wie indigenen Völkern, Volksgruppen oder de-facto-Regimes s. dies. S. 164 ff.).

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(2) Internationale Sportorganisationen als Nichtregierungsorganisationen? Nichtregierungsorganisationen sind international tätige Zusammenschlüsse natürlicher und juristischer Personen unterhalb der Staatsebene zur Verfolgung ideeller Zwecke. Hierzu werden etwa gezählt der Internationale Schriftstellerverband PEN, Amnesty International, Greenpeace, das IOC34, die internationale Juristenvereinigung oder die Internationale Handelskammer.35 Kann nun eine Nichtregierungsorganisation ein Völkerrechtssubjekt sein? Ein Völkerrechtssubjekt ist definiert als ein Gebilde, das Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten ist.36 Entscheidend ist die Eigenschaft, Zuordnungssubjekt völkerrechtlicher Rechte und Pflichten zu sein. Bei internationalen Regierungsorganisationen wurde dies allgemein auf Grund ihrer expliziten staatlichen Aufgabenübertragung qua Satzung angenommen. Bei Nichtregierungsorganisationen wird nach einer Ansicht zunehmend eine Völkerrechtssubjektivität mit einer noch weiter greifenden Argumentation für möglich gehalten: Eine Rechte- und Pflichtenzuweisung könne auch auf anderen Wegen vonstattengehen. Hierbei kämen insbesondere Befugnisse in Betracht, die Nichtregierungsorganisationen durch Staaten oder internationale Regierungsorganisationen zugesprochen würden. Geschähe dies nur vereinzelt, könne man nicht von einem echten Recht sprechen. Entwickelten sich solche Zuweisungen aber zu einer weitläufig und häufig geübten Praxis, wüchsen Nichtregierungsorganisationen zusehends stärker in den Kreis der interagierenden Einheiten des Völkerrechts. Diese Interaktionen zusammen mit zugesprochenen Befugnissen seien mittlerweile in einem Maße erreicht, dass man den Nichtregierungsorganisationen je nach Einzelfall eine – wenn auch geringe – partielle Völkerrechtssubjektivität zusprechen könne.37 Bezüglich dieser Befugnisse beruft man sich auf einige Beispiele des pri-

___________ 34

Z. B. Doehring, Rechtsbeziehungen (Fn. 17), S. 321. Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 8. Aufl., S. 153 ff. 36 s. oben II. 3. a). 37 So insbesondere Hobe, Der Rechtsstatus von Nichtregierungsorganisationen nach gegenwärtigem Völkerrecht, AVR 37 (1999), 152, 172; Hempel, Die Völkerrechtssubjektivität internationaler nichtstaatlicher Organisationen, 1999; Hummer, Internationale nichtstaatliche Organisationen im Zeitalter der Globalisierung, BDGV 39 (2000), 45; richtungsweisendes Umdenken in dieser Frage erstmalig in dem bekannt gewordenen Aufsatz von Mosler, Die Erweiterung des Rechtskreises der Völkerrechtssubjekte, ZaöRV 22 (1962), 1-48; weiterhin zum Problemkreis in neuerer Zeit Thürer, The Emergence of Non-Governmental Organizations and Transnational Enterprises in International Law and the changing role of the State; Franck, Individuals and Groups of Individuals as Subjects of International Law; Hobe, Individuals and Groups as Global Actors: The Denationalization of International Transaction, allesamt in Hofmann (Hrsg.), NonState Actors as New Subjects of International Law, 1999, S. 37, 97, 115. 35

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mären und sekundären Rechts internationaler Regierungsorganisationen, von denen hier die wichtigsten wiedergegeben werden sollen:38 –

Gem. Art. 71 UN-Charta i.V.m. der Resolution 1996/31 vom 25.07.1996 des Wirtschafts- und Sozialrates39 wurden Nichtregierungsorganisationen nach Kategorien abgestufte Befugnisse eingeräumt.40 Nichtregierungsorganisationen der ersten Kategorie haben danach das Recht, Beobachter zu allen Sitzungen des Wirtschafts- und Sozialrates zu entsenden sowie Anträge und Materialien bis maximal 2000 Wörter an die Mitgliedstaaten zu versenden. Zudem haben sie in den Ausschüssen und Kommissionen des Wirtschafts- und Sozialrates ein Rede- und Anhörungsrecht. Im Jahr 2007 hatten insgesamt 3052 Nichtregierungsorganisationen einen sog. „Consultative Status“. Von diesen waren nur 139 der ersten Kategorie „General“ als derjenigen mit den weitreichendsten Befugnissen zugeordnet.41



Erwähnung finden die Nichtregierungsorganisationen ferner in Art. 21, 22 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19.12.1966.42



Des Weiteren spricht Art. 44 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention Nichtregierungsorganisationen Verfahrensbefugnisse zu: „Any person or group of persons, or any nongovernmental entity legally recognized in one or more member states of the Organization, may lodge petitions with the Commission containing denunciations or complaints of violation of this Convention by a State Party.“43



Gleiches unternimmt Art. 34 EMRK: „Der Gerichtshof kann von jeder natürlichen Person, nichtstaatlichen Organisation oder Personengruppe, die behauptet, durch eine der Hohen Vertragsparteien in einem der in dieser Konvention oder den Protokollen dazu anerkannten Rechte verletzt zu sein, mit einer Beschwerde befasst werden. Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, die wirksame Ausübung dieses Rechts nicht zu behindern.“

___________ 38 Zu weiteren sportbezogenen Beispielen s. Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 353 m.w.N. 39 Zum Download unter (Stand: 19.03.2008), dort S. 53-61 oder zur Ansicht unter (Stand: 19.03.2008). 40 Einführend die Informationen zum sog. „Consultative Status“ der Nichtregierungsorganisationen auf der Seite des Wirtschafts- und Sozialrates (Stand: 19.03.2008). 41 s. Selbstauskunft (Stand: 19.03.2008). 42 BGBl. II, S. 1570. 43 Zur Ansicht unter (Stand: 19.03.2008).

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Letztlich spricht auch Art. 27 der Europäischen Sozialcharta vom 18.10.1961 dem Sub-committee des Governmental Social Committee Konsultativstatus zu: „The sub-committee shall be composed of one representative of each of the Contracting Parties. [...] Moreover, it may consult [...] two representatives of international non governmental organisations having consultative status with the Council of Europe, in respect of questions with which the organisations are particularly qualified to deal, such as social welfare, and the economic and social protection of the family. 44 ”

Nach dieser Argumentation ist noch nicht jede Nichtregierungsorganisation ein Völkerrechtssubjekt. Vielmehr ist dies für jedes Gebilde eigenständig zu prüfen. Dabei entspräche der Umfang der verliehenen Rechtsfähigkeit einer Nichtregierungsorganisation dem Umfang der ihr zugesprochenen Befugnisse. Folgt man dieser Begründung, eröffnet sich auch die Möglichkeit partieller Völkerrechtsfähigkeit von Sportorganisationen im Einzelfall.45 Eine solche Einzelfallprüfung soll hier aber im Hinblick auf weitere problematische Punkte der Rechtsetzungsautonomie noch unterbleiben.46

___________ 44

Zum Download unter (Stand: 19.03.2008). 45 Eine Völkerrechtsfähigkeit von Sportorganisationen ablehnend u.a. Vieweg, Normsetzung und -anwendung, S. 139 f. m.w.N.; Eine Analyse des rechtlichen Status des IOC nimmt Baare-Schmidt vor, Der Status des Internationalen Olympischen Komitees im Völkerrecht, 1983, wobei er u.a. mangels Konsultativstatus bei den Vereinten Nationen eine Völkerrechtssubjektivität ablehnt, S. 72 ff. Angesichts zunehmender staatlicher Einflussnahme auf die Olympische Bewegung kam Ende der 1970er Jahre eine wissenschaftliche Diskussion um die Rechtsposition des IOC und deren Aufwertungsmöglichkeiten in Gang. Einen ersten Schritt hierzu stellte eine Studie dar: Rudolf/SeidlHohenveldern/Simma, Pilot Study über die Verbesserung der Rechtsstellung des Internationalen Olympischen Komitees, Mai 1977, welche dem IOC auf seiner Prager Session 1977 vorgelegt wurde, sonst aber unveröffentlicht blieb. Zu Aufwertungsmöglichkeiten Simma, Möglichkeiten der Aufwertung der Rechtsposition der olympischen Bewegung, in: Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Hrsg.) (Fn. 17), S. 334, so insbesondere die Diskussion um einen Konsultativstatus bei den Vereinten Nationen oder der UNESCO, S. 339 f.; eine Völkerrechtssubjektivität des IOC annehmend Polvino, Emory International Law Review 1994, 347, 349, mit der Begründung, die Olympische Charta habe in ihrer faktischen Wirkung eine ähnliche Qualität wie ein völkerrechtlicher Vertrag und sei daher in Anlehnung an Art. 38 des IGH-Statuts als internationale Rechtsquelle zu beachten; kritisch hierzu Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 353. 46 Zu diesen Problemfragen s. II. 3. b) u. c).

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(3) Internationale Sportorganisationen als transnationale Unternehmen – Die Theorie der lex contractus? Ähnliches gilt, wenn man Sportorganisationen als transnationale Unternehmen begreift. Auch im Blick auf transnationale Unternehmen existieren Ansätze, diesen partielle Völkerrechtssubjektivität zuzusprechen. Dies beruht vor allem auf ihrer erheblichen Wirtschaftskraft, die viele Staaten in den Schatten stellt, und auf den daraus resultierenden Möglichkeiten, auf das nationale und globale politische Geschehen Einfluss zu nehmen.47 Transnationale Unternehmen sind international ausgerichtet und verfügen über Niederlassungen und Produktionsstätten in mehreren Ländern. Da diese Niederlassungen in der Regel rechtlich selbstständig sind, handelt es sich zumeist um multinationale Konzerne, z.B. IBM, Exxon, Shell, ITT oder General Motors. Der Stellenwert transnationaler Unternehmen in der globalen Wirtschaft ist enorm. Neuere Untersuchungen gehen davon aus, dass unter den 100 größten Wirtschaftseinheiten der Erde nur noch 49 Staaten vertreten sind.48 Dabei vereinigen transnationale Unternehmen etwa ein Drittel des Weltbruttosozialprodukts auf sich.49 Eine starke globale wirtschaftliche Position ist für sich genommen noch keine Begründung für Völkerrechtssubjektivität. Die Meinungen, die transnationalen Unternehmen partielle Völkerrechtsfähigkeit zusprechen, stützen sich in ihrer Argumentation insbesondere auf eine spezielle Vertragsschlusskonstruktion, die mit Begrifflichkeiten wie lex contractus50, internationalisierte Verträge oder international agreement doctrine umschrieben wird.51 Im Folgenden soll hierfür der überwiegend gebrauchte Begriff der lex contractus verwendet werden. Dabei handelt es sich um eine eher in der Vergangenheit praktizierte Vertragsschlusstechnik zwischen einem Staat und einem internationalen Unter___________ 47 So war beispielsweise das IOC (sofern man dieses als transnationales Unternehmen betrachtet) fähig, Deutschland im Rahmen der Bewerbung Leipzigs auf die Olympischen Spiele 2012 eigens zum Erlass des Olympiaschutzgesetzes (BGBl. I 2004, S. 479) zu bewegen. 48 Kinkel, Die Globalisierung gestalten, VN 1998, 168. 49 Hummer, Internationale nichtstaatliche Organisationen im Zeitalter der Globalisierung, BDGV 39 (2000) 45, 51. 50 Begriff nach Jessup, Transnational Law, New Haven 1956, einführend dort S. 2. 51 Einführend in das Problem Epping, in Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 8 Rn. 18 f. sowie vertiefend Heintschel von Heinegg, in Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 9 Rn. 9, der den Terminus internationalisierte Verträge als den üblichsten bezeichnet; bedeutendste Monografie wohl Böckstiegel, Der Staat als Vertragspartner ausländischer Privatunternehmen, 1971, dort insbes. S. 184-200; auch Rengeling, Privatvölkerrechtliche Verträge, 1971, der eine Einordnung in sog. „privatvölkerrechtliche Verträge“ vornimmt; fundierte Darstellung des Problems bei Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/2, 2. Aufl., 2002, S. 245-258 m.w.N.; auch Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., 1984, S. 4 ff., 809 ff.; neuere Entwicklungen in Wolfrum/Röben (Hrsg.), Development of International Law in Treaty Making, 2005.

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nehmen. Anwendungsbereiche waren vor allem Konzessionsverträge über Erdöllieferungen, Verträge zwischen der International Finance Corporation und Privatunternehmen sowie Verträge zwischen einem Entwicklungsland und einem ausländischen Konsortium.52 Dabei wurde mitunter vereinbart, dass nicht das Heimatrecht des beteiligten oder eines anderen (auch neutralen) Staates als Vertragsstatut gelten solle, sondern ausschließlich allgemeine Rechtsgrundsätze, das Vertragswerk oder das Völkerrecht selbst.53 Intention solcher Vereinbarungen war, eine Gleichrangigkeit der sonst ungleichen Vertragsparteien Staat und Unternehmen zu erreichen. Die Unternehmen wollten nicht das Recht des Staates als Vertragsstatut vereinbaren, da dieses kraft dessen Kompetenz jederzeit zum Nachteil des Unternehmens geändert werden konnte. Der Staat wollte auf Grund seiner Souveränität kein Recht eines anderen (auch nicht neutralen) Staates vereinbaren. Somit schienen die o. g. Möglichkeiten einen Ausweg zu eröffnen. Die Annahme der lex contractus und damit der Autonomie einer solchen Vereinbarung und insbesondere einer partiellen Völkerrechtsfähigkeit transnationaler Unternehmen unterliegt starker Kritik. So wird geltend gemacht, Völkerrechtssubjektivität könne wie im Falle der internationalen Regierungsorganisationen nur von mehreren Staaten zusammen verliehen werden. Dies treffe bei einem Vertrag zwischen Staat und transnationalem Unternehmen nicht zu, da hier nur ein Staat beteiligt sei. Zweitens – so wird eingewandt – untergrabe der kontrahierende Staat die Souveränität desjenigen Staates, in dem das Unternehmen seinen Sitz habe, denn mit der „Kür“ zum Völkerrechtssubjekt würden dem zuständigen Sitzstaat Hoheitsbefugnisse über das Unternehmen entzogen, über die nur dieser entscheiden dürfe. Drittens wird ein Verstoß gegen den Grundsatz pacta sunt servanda geltend gemacht. Verleihe ein Staat einem anderen Gebilde Völkerrechtssubjektivität, so könne er diese nach dem Actuscontrarius-Gedanken auch wieder entziehen. Damit aber würde die Grundlage für die Geltung des Vertrags entzogen und somit unzulässig dem Staat einseitig eine Lösungsmöglichkeit eröffnet.54 Auch gegen diese Einwände lassen sich gute Dupliken anführen. Gegen den ersten Einwand (nur mehrere Staaten zusammen können Völkerrechtssubjektivität verleihen) könnte man etwa anführen, dass es für Übertragung von Befugnissen nicht auf die Anzahl (Quantität, mehrere Staaten) ankommt, sondern schlicht darauf, dass ein Staat (Qualität) Befugnisse überträgt. Entscheidend für die Kompetenz, Befugnisse zu übertragen, ist nämlich nicht eine zwischenstaat___________ 52

Liemen, Erdöl-Produktionsverträge des Iran, 1981, Vorwort, S. 1. Vgl. z. B. Heintschel von Heinegg, in Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 9 Rn. 8 ff.; Stein/v. Butlar, Völkerrecht, 11. Aufl., 2005, Rn. 492. 54 Umfassend zu einzelnen Einwänden gegen die lex contractus s. insbesondere Liemen, Erdöl-Produktionsverträge des Iran, S. 148-187. 53

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liche Abmachung, sondern die Eigenschaft als Staat und die damit verbundene Legitimation (Rückführung auf die verleihenden Individuen). Gegen das zweite Argument (Untergrabung der Autorität des Sitzstaates) lässt sich anführen, dass sich im Verhältnis zum Sitzstaat nichts ändert. Dieser ist weiterhin hoheitsbefugt und kann auch Steuern erheben. Verliehen wird nämlich nur eine erstens partielle und zweitens partikuläre Völkerrechtsfähigkeit – also eine eingeschränkte Völkerrechtssubjektivität nur im Verhältnis zum kontrahierenden Staat. Auch das dritte Argument (Verstoß gegen den Grundsatz pacta sunt servanda) spricht nicht zwingend gegen die Annahme einer lex contractus, denn in der nachträglichen Entziehung einer Völkerrechtssubjektivität und damit dem Ausstieg aus dem Vertrag kann vom Ergebnis her ein Rücktritt gesehen werden. Die Möglichkeit (auch einseitiger) Rücktrittsvereinbarung ist allgemein anerkannt. Und warum will man dem transnationalen Unternehmen mit Blick auf die Privatautonomie nicht erlauben, sich – auch auf das Risiko des Rücktritts hin – einer attraktiven Gestaltungsmöglichkeit zu begeben? Zusammenfassend lässt sich sagen: Folgt man der Theorie der lex contractus, ist es denkbar, Sportorganisationen im Einzelfall Völkerrechtssubjektivität zuzusprechen.55 Auch hier soll eine Einzelfallprüfung aber im Hinblick auf weitere problematische Punkte der Rechtsetzungsautonomie noch unterbleiben.56

b) Hinreichende Befugnisübertragung? Ob man Sportorganisationen als partiell völkerrechtsfähige Nichtregierungsorganisationen oder mittels der lex contractus als partiell völkerrechtsfähige transnationale Unternehmen begreift, ist jedoch für die Fragestellung der Arbeit unbeachtlich, wenn aus anderen Gründen (also unabhängig von der Qualifikation als Völkerrechtssubjekt) eine Rechtsetzungsautonomie für Nichtregierungsorganisationen oder transnationale Unternehmen ausscheidet. Weitere Voraussetzung ist nämlich, dass eine hinreichende Befugnisübertragung von den Staaten an die Sportorganisationen vorliegt. Denn nur Staaten habe originäre Rechtsetzungsbefugnis.57 Die entscheidende Frage lautet also: Ist es denkbar, dass Nichtregierungsorganisationen oder transnationalen Unternehmen echte Rechtsetzungsautonomie verliehen wird? Um dies zu beantworten, muss Bezug auf ___________ 55 Gegen die Annahme der Theorie der lex contractus auf das IOC Doehring, Rechtsbeziehungen (Fn. 17), S. 324, wobei die Begrifflichkeit der lex contractus allerdings durch den zusammenfassenden Beitrag von Vedder eingebracht wird (S. 53). 56 Zu diesen Problemfragen s. II. 3. b) u. c). 57 So stellte das OLG Frankfurt/M. zutreffend fest: „[...] eine von jedem staatlichen Recht unabhängige lex sportiva gibt es nicht.“, Urteil v. 18.04.2001, SpuRt 2001, 159, 161; vgl. auch Kirchhof, Private Rechtsetzung, 1987, S. 52 f. m.w.N.; Vieweg, Normsetzung und -anwendung, S. 320; Oschütz, Sportschiedsgerichtsbarkeit, S. 353.

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die staatliche Konstruktion und die legitimierenden Individuen genommen werden. Isoliert im Naturzustand betrachtet, hat jeder Mensch für sich eine weitreichende Freiheitssphäre. Das Faktum des begrenzten Raums auf der Erde, aber auch soziale Bedürfnisse des Menschen führen dazu, dass die Individuen aufeinander zugehen und miteinander interagieren. Dies hat zur Folge, dass zum einen das Freiheitspotential erhöht wird, z. B. durch Arbeitsteilung oder Summierung von Kräften. Zum anderen birgt dies aber auch das Risiko der Freiheitsbeschränkung, z. B. durch Verübung von Unrecht. Nach den rechtsphilosophischen Vertragstheorien58 führt dies zur Begründung des Staates durch Annahme eines fiktiven Vertragsschlusses. Darin übertragen die Individuen ihr Selbstbestimmungsrecht zum eigenen Schutz und zur neutralen Absteckung der Freiheitssphären auf die übergeordnete Einheit des Staates. Dieser Prozess findet auf allen Territorien der Erde statt, die für sich als Einheit betrachtet werden können. Es werden damit eine Vielzahl von Staaten legitimiert. Können nun diese Staaten die ihnen verliehene Macht auch auf andere Institutionen übertragen? Um diese Frage zu beantworten, muss wiederum beim Individuum angesetzt werden, denn dessen ausgelagertes Bestimmungsrecht ist Grundlage aller Kompetenz. Es hat durch (fiktive) freiwillige Entscheidung sein Selbstbestimmungsrecht abgegeben. Daher muss es zum einen auch darüber entscheiden können, wie groß der Umfang der Übertragung ist, und zum anderen, an wen es übertragen wird. Es müsste also anzunehmen sein, dass das Individuum der Übertragung an Dritte zugestimmt hat. Für Regierungsorganisationen kann dies bejaht werden, denn mit zunehmender Internationalisierung stellt sich unweigerlich die Frage, wie mit internationalen Problemen umgegangen wird. Der fiktive Wille des Individuums steht folglich vor der gleichen Frage wie der Staat, der allein aus eigener Kraft heraus keine Handhabe zur Lösung dieser Probleme hat. Er wird in die Übertragung dieser begrenzten Befugnisse einwilligen. Soweit es sich um Regierungsorganisationen handelt, ist demnach davon auszugehen, dass eine Befugnisübertragung von dem fiktiven Willen des Individuums gedeckt ist. Indes kann nicht angenommen werden, die Individuen würden eine Befugnisübertragung auf Nichtregierungsorganisationen oder sonstige, nicht unmittelbar von den Staaten geschaffene Institutionen (insbesondere transnationale Unternehmen) billigen. Nähme man dies an, unterstellte man dem Individuum, es habe einem auf gleicher Stufe stehenden Subjekt zumindest teilweise die Befugnis verleihen wollen, autoritär über sein Schicksal zu bestimmen. Dies kann ___________ 58

Deren Hauptvertreter: Hobbes, Rousseau, Kant und Hegel.

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keinesfalls zutreffen, da die Befugnisübertragung an den Staat gerade vorgenommen wurde, um einen – zwar im eigenen Interesse, aber dennoch fremdbestimmten – Interessenausgleich auf höherer Ebene zu erfahren. Dies sollte unter anderem auch Neutralität sicherstellen. Das Individuum wollte gerade vermeiden, dass seinesgleichen über es bestimmt. Eine Legitimation sonstiger Interaktionseinheiten kann daher nicht angenommen werden.

c) Unwiderruflichkeit der Befugnisübertragung? Darüber hinaus müsste die Befugnisübertragung auch unwiderruflich sein, also nicht entziehbar. Denn nur in diesem Fall handelt es sich um echte Eigenständigkeit (Autonomie), um verliehene Unabhängigkeit der Rechtsetzungsbefugnis von staatlicher Gewährung. Die gewonnene Kompetenz ist nur in dem Maße von Wert, in dem man sich auf sie berufen kann. Begreift man die Unwiderruflichkeit als notwendiges Element der Rechtsetzungsautonomie, so wird offenbar, dass keinem Völkerrechtssubjekt echte Rechtsetzungsautonomie zukommen kann – und damit auch nicht den Nichtregierungsorganisationen, den transnationalen Unternehmen und folglich auch nicht den Sportorganisationen. Staaten werden sich bei einer möglichen Verleihung von Befugnissen niemals ihrer Kompetenz-Kompetenz begeben, also ihrer Befugnis, darüber zu entscheiden, wer Kompetenzen verleihen und wieder entziehen kann. Aus Sicht des Individuums ist dies sogar zwingend, denn Staaten sind die einzigen Legitimationssubjekte, auf die das Selbstbestimmungsrecht der Individuen übertragen wird. Selbst wenn man die Befugnisübertragung von Staaten auf andere Subjekte annähme, wäre dies nur denkbar, wenn die Letztentscheidungskompetenz bei den Staaten verbliebe. Andernfalls würde einer unbestimmten Vielzahl von Subjekten die Möglichkeit eröffnet, unwiderruflich das Fremdbestimmungsrecht über die Individuen auszuüben. Dies kann in der Befugnisübertragung an den Staat jedoch keinesfalls gesehen werden.

4. Ergebnis Das gegenwärtige Verständnis des Begriffs der Nichtregierungsorganisationen lässt es möglich erscheinen, Sportorganisationen je nach den Umständen des Einzelfalls partielle Völkerrechtssubjektivität zuzusprechen. Gleiches gilt, wenn man mit dem Konstrukt der lex contractus transnationalen Unternehmen partielle Völkerrechtssubjektivität zuspricht. Doch selbst wenn man Sportorganisationen partielle Völkerrechtssubjektivität zuspräche, scheiterte eine Rechtsetzungsautonomie aber in jedem Fall erstens an mangelnder Befugnisübertragung. Würde man dennoch eine Befugnis-

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übertragung annehmen, scheiterte eine Rechtsetzungsautonomie zweitens jedenfalls an dem Umstand, dass eine Befugnisübertragung keinesfalls unwiderruflich wäre. Das gefundene Ergebnis wird zudem belegt durch die Rechtspraxis. Spätestens mit dem Bosman-Urteil59 hat die europäische Staatengemeinschaft gezeigt, dass sie einen autonomen Raum des Sports nicht anerkennt. Dies wurde in neuerer Zeit durch die Schweiz abermals bestätigt durch das Urteil des Schweizer Bundesgerichts im Fall Canas vom 22.03.2007.60 Hier hob das Bundesgericht eine Entscheidung des CAS erstmalig auf. Das Phänomen der lex sportiva ist somit nicht tragfähig zur Begründung einer echten Rechtsetzungsautonomie der internationalen Sportorganisationen. Rechtsetzungsautonomie fordert entweder Staatsqualität oder Völkerrechtssubjektivität mit entsprechender Befugnisübertragung. Beides liegt nicht vor.

III. Fazit und Ausblick Die Untersuchung hat gezeigt, dass die lex sportiva keinen tragfähigen eigenständigen Begründungsansatz im Hinblick auf eine Rechtsharmonisierung des internationalen Sports leisten kann. Eine erforderliche Rechtsetzungsautonomie ist nicht gegeben. Es bleibt die Suche nach Alternativen. Eine solche Alternative kann möglicherweise in der Optimierung des bestehenden monopolistisch-hierarchischen Modells des internationalen Sports gesehen werden. Wie aussichtsreich dieser Ansatz ist, muss einer anderen Untersuchung vorbehalten bleiben.

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EuGH Slg. 1995 I-4921 = NJW 1996, 505 – Bosman. BGE 4P.172/2006.