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German Pages 286 Year 2021
Schriften zum Deutschen und Europäischen Infrastrukturrecht Band 13
„Europäisches Ermessen“ in der Netzzugangs- und Entgeltregulierung Europarechtlicher Einfluss auf die Letztentscheidungsbefugnisse der Regulierungsbehörde in der Netzzugangs- und Entgeltregulierung: Eine Untersuchung im Telekommunikations- und Energiesektor vor dem europarechtlichen Hintergrund
Von Tamara Kegel
Duncker & Humblot · Berlin
TAMARA KEGEL
„Europäisches Ermessen“ in der Netzzugangs- und Entgeltregulierung
Schriften zum Deutschen und Europäischen Infrastrukturrecht Herausgegeben von Ralf Brinktrine und Markus Ludwigs
Band 13
„Europäisches Ermessen“ in der Netzzugangs- und Entgeltregulierung Europarechtlicher Einfluss auf die Letztentscheidungsbefugnisse der Regulierungsbehörde in der Netzzugangs- und Entgeltregulierung: Eine Untersuchung im Telekommunikations- und Energiesektor vor dem europarechtlichen Hintergrund
Von Tamara Kegel
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen.
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Meiner Familie
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2020 von der FriedrichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) als Dissertation angenommen. Aktuelle Entwicklungen der Rechtsprechung und der Literatur wurden bis November 2020 berücksichtigt. Entstanden ist die Arbeit während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Deutsches und Bayerisches Staatsund Verwaltungsrecht des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Öffentliches Recht in Erlangen. Besonderer Dank gebührt meinem Doktorvater Prof. Dr. Max-Emanuel Geis, der mir stets hilfsbereit zur Seite stand, für das mir entgegengebrachte Vertrauen und die wissenschaftliche Freiheit bei der Erstellung dieser Arbeit. Zudem danke ich Prof. Dr. Wegener für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens und den reibungslosen Ablauf der mündlichen Doktorprüfung. Mein Dank gilt außerdem allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Lehrstuhls für Deutsches und Bayerisches Staats- und Verwaltungsrecht für die freundschaftliche Zusammenarbeit. Ganz besonders möchte ich mich bei Thomas Herbein für die gemeinsamen wissenschaftlichen Diskussionen und die stetige persönliche Ermutigung bedanken. Ich blicke mit Freude, aber auch mit Wehmut, auf die Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin in diesem tollen „Squad“ zurück. Weiterhin danke ich meiner ganzen Familie für den selbstverständlichen Rückhalt und die uneingeschränkte Unterstützung während meiner juristischen Ausbildung und in allen Lebenslagen. Last but not least gebührt mein größter Dank meinem Verlobten Sebastian Strauß, der mich durch alle Phasen und Facetten der rechtswissenschaftlichen Ausbildung und Promotion begleitete. Er stand mir jederzeit mit Rat und Tat zur Seite und schenkte mir den notwendigen Mut und die erforderliche Kraft. Ich bin glücklich und stolz über sein beständiges Vertrauen in mich. Nürnberg, Januar 2021
Tamara Kegel
Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Forschungsfragen und Forschungsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Teil 1 Grundlagen der Regulierung
32
A. Begriff und Bedürfnis der Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 B. Die BNetzA als Regulierungsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 C. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 D. Zusammenfassung zu Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Teil 2 Letztentscheidungsbefugnisse der Verwaltung im Allgemeinen
53
A. Verfassungsrechtliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 B. Die Ermächtigungslehren und die Grenze der gerichtlichen Kontrolle . . . . . . . . . . . . 59 C. System der Letztentscheidungsbefugnisse in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 D. Europarechtlicher Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 E. Zusammenfassung zu Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Teil 3 Die Letztentscheidungsbefugnisse der BNetzA im Telekommunikationsrecht 112 A. Marktdefinition und -analyse, §§ 10, 11 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 B. Regulierungsverfügung, § 13 Abs. 1 S. 1 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 C. Dritte Stufe der Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 D. Verfassungsrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 E. Zusammenfassung zu Teil 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
10
Inhaltsübersicht Teil 4 Die Letztentscheidungsbefugnisse der Regulierungsbehörde im Energierecht 202
A. Netzzugang, § 20 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 B. Entgeltregulierung, §§ 21, 21a EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 C. Verfassungsrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 D. Zusammenfassung zu Teil 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Teil 5 Abschließende Beantwortung der Forschungsfragen und Ausblick
260
A. Abschließende Beantwortung der Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Forschungsfragen und Forschungsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 II. Forschungsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Telekommunikations- und Energierecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Netzzugangs- und Entgeltregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Teil 1 Grundlagen der Regulierung
32
A. Begriff und Bedürfnis der Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Begrifflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Bedürfnis der Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 B. Die BNetzA als Regulierungsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Verfassungsrechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 II. Innere Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 C. Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 I. Richtlinienkonforme Auslegung und Anwendungsvorrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 II. Unionsrechtliche Vorgaben zur Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1. Europäisches Telekommunikationsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 a) Entwicklungsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 b) Der aktuelle Rechtsrahmen: TK-Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2. Europäisches Energierecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Entwicklungsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 b) Der aktuelle Rechtsrahmen: Elektr- und Gas-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. Fazit zu den sekundärrechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 D. Zusammenfassung zu Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
12
Inhaltsverzeichnis Teil 2 Letztentscheidungsbefugnisse der Verwaltung im Allgemeinen
53
A. Verfassungsrechtliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 I. Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 II. Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 III. Materielle Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 IV. Fazit zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 B. Die Ermächtigungslehren und die Grenze der gerichtlichen Kontrolle . . . . . . . . . . . . 59 C. System der Letztentscheidungsbefugnisse in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 I. Die Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 II. Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 III. Beurteilungsspielräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 IV. Planungsermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 V. Regulierungsermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 VI. Fazit zum nationalen System behördlicher Letztentscheidungsbefugnisse . . . . . . 73 D. Europarechtlicher Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 I. „Ermessen“ im indirekten Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Auslegung des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Verfahrensautonomie versus effet utile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3. Die Fahimian-Entscheidung des EuGH vom 04. 04. 2017 . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4. Fazit zum Ermessen im indirekten Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 II. „Ermessen“ im direkten Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 III. Unionsrechtliches Unabhängigkeitsparadigma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Weisungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Gesetzliche Vorstrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3. Verordnungserlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4. Fazit zum unionsrechtlichen Unabhängigkeitsparadigma . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 IV. Auswirkungen des Europäischen Regulierungsverbunds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 1. Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Handlungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a) Beschlüsse, Art. 288 Abs. 4 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 aa) Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 bb) Folge für den Kontrollumfang nationaler Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Empfehlungen und Stellungnahmen, Art. 288 Abs. 5 AEUV . . . . . . . . . . . . 103 aa) Berücksichtigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
Inhaltsverzeichnis
13
bb) Folge für den Kontrollumfang nationaler Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 c) Leitlinien und Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 aa) Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 bb) Folge für den Kontrollumfang nationaler Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 d) Fazit zu den Handlungsformen im Verwaltungsverbund . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3. Fazit zum europäischen Regulierungsverbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 V. Fazit zum europarechtlichen Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 E. Zusammenfassung zu Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
Teil 3 Die Letztentscheidungsbefugnisse der BNetzA im Telekommunikationsrecht 112 A. Marktdefinition und -analyse, §§ 10, 11 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 I. Einheitlicher Beurteilungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. Marktdefinition, § 10 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Gerichtliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 aa) Auslegung des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 bb) Verfahrensautonomie versus effet utile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 c) Sonderfall der Marktdefinition länderübergreifender Märkte . . . . . . . . . . . . 124 d) Umsetzung auf nationaler Ebene und Ausweitung der Letztentscheidungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Marktanalyse, § 11 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Gerichtliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 c) Umsetzung auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 3. Fazit zum einheitlichen Beurteilungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 B. Regulierungsverfügung, § 13 Abs. 1 S. 1 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 I. Kein Entschließungsermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 II. Regulierungsermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Zugangsverpflichtung, § 21 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 b) Gerichtliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 aa) Auslegung des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 bb) Verfahrensautonomie versus effet utile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 cc) Umsetzung auf nationaler Ebene und Ausweitung der Letztentscheidungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
14
Inhaltsverzeichnis c) Zugangsverpflichtung nach Art. 72 TK-Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 d) Zugangsverpflichtung nach Art. 61 Abs. 3 TK-Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 aa) Leitlinienkompetenz des GEREK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 bb) Echtes Vetorecht der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 c) Fazit zur Zugangsverpflichtung nach § 21 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Entgeltregulierung, § 30 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 b) Gerichtliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 c) Fazit zur Entgeltregulierung nach § 30 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Fazit zum Regulierungsermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 III. Fazit zur Regulierungsverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
C. Dritte Stufe der Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I. Entgeltgenehmigungsverfahren, §§ 31 ff. TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. Auswahl von Verfahren und Preiskontrollmaßstab, § 31 TKG . . . . . . . . . . . . . 152 a) Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Gerichtliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 c) Fazit zu § 31 Abs. 1 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Kostenorientierte Entgeltbildung nach § 32 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Ermittlung des Anlagevermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Ermittlung der angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals . . . . . . 159 c) Meinungsstand und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 3. Anreizorientierte Entgeltbildung nach § 33 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 4. Methoden zur Überprüfung der Kosten, §§ 34, 35 Abs. 1 TKG . . . . . . . . . . . . . 165 a) Vergleichsmarktbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 b) Unabhängige Kostenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 5. Reduzierung der Kontrolldichte aufgrund des unionsweiten Konsolidierungsund Abstimmungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 a) Erforderlichkeit des Konsolidierungsverfahrens vor jeder Genehmigung . . . 170 aa) Verpflichtung i. S. d. Art. 68 Abs. 1, 74 Abs. 1 TK-Kodex . . . . . . . . . . . 170 bb) Analoge Anwendung des § 13 Abs. 1 S. 2 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Auswirkungen auf die Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 aa) Kontrolldichte und effet utile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 bb) Bedeutung für das Entgeltgenehmigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (1) Auswahl von Verfahren und Preiskontrollmaßstab . . . . . . . . . . . . . . 177 (2) Wertermittlungen im Rahmen der kostenorientierten Entgeltbildung 178 (3) Bestimmungen im Rahmen des Price-Cap-Verfahrens . . . . . . . . . . . 179 (4) Methodenwahl zur Überprüfung der Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 c) Fazit zur Reduzierung der Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 6. Fazit zu Letztentscheidungsbefugnissen im Entgeltgenehmigungsverfahren . . 180
Inhaltsverzeichnis
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II. Zugangsanordnung, § 25 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 1. Kein Entschließungsermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 2. Regulierungsermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 III. Missbrauchskontrolle nach § 38 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Maßnahme nach Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 2. Auswirkungen auf den Spielraum der BNetzA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 a) Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 b) Gerichtliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 IV. Fazit zur dritten Stufe der Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 D. Verfassungsrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 I. Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 II. Rechtsschutzgarantie der materiellen Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Rechtsschutz auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 a) Rechtsschutz des Regulierungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 b) Rechtsschutz Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2. Rechtsschutz auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 a) Rechtsschutz des Regulierungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 aa) Exkurs: Demokratische Legitimation durch Individualrechtsschutz . . . . 196 b) Rechtsschutz Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 III. Fazit zur verfassungsrechtlichen Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 E. Zusammenfassung zu Teil 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
Teil 4 Die Letztentscheidungsbefugnisse der Regulierungsbehörde im Energierecht 202 A. Netzzugang, § 20 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 I. Anspruch auf Gewährung des Netzzugangs nach § 20 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Ex ante-Regulierung: Festlegungen zum Inhalt der Verträge . . . . . . . . . . . . . . . 204 a) Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 b) Gerichtliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Auslegung des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 bb) Verfahrensautonomie versus effet utile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (1) Rechtswidrigkeit des Prüfungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (a) Verstoß gegen den Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts 211 (b) Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung . . . . . . . . . . 216 (c) Verstoß gegen das Prinzip wirksamen Rechtsschutzes . . . . . . . . 218 (d) Fazit zur Rechtswidrigkeit des Prüfungsverfahrens . . . . . . . . . . 219 (2) Zwischenergebnis zum effet utile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
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Inhaltsverzeichnis cc) Fazit zur gerichtlichen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Ex post-Regulierung: Besondere und allgemeine Missbrauchsaufsicht . . . . . . . 220 II. Ausnahmen von der Netzzugangsgewährungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Einrede der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Zugangsgewährung . . . . 222 a) Unzumutbarkeit i. S. d. § 20 Abs. 2 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 b) Unzumutbarkeit i. S. d. § 25 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 2. Neue Infrastrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 a) Neue Infrastrukturen im Gassektor, § 28a Abs. 1 EnWG . . . . . . . . . . . . . . . 227 aa) Exkurs: Ausnahmegewährung durch ACER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 b) Neue Infrastrukturen im Stromsektor, Art. 63 Abs. 1 StromhandelZVO . . . . 230 3. Auswirkungen des § 83 Abs. 5 EnWG auf die gerichtliche Kontrolle . . . . . . . . 230 III. Fazit zum Netzzugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
B. Entgeltregulierung, §§ 21, 21a EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 I. Ex ante-Entgeltregulierung nach §§ 21, 21a EnWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Ermittlung des Ausgangsniveaus, § 6 Abs. 1 ARegV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 a) Ermittlung des Anlagevermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Ermittlung des Eigenkapitalzinssatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 2. Ermittlung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors, § 9 ARegV . . . . . . 239 3. Effizienzvergleich, §§ 12 ff. ARegV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 4. Qualitätsvorgaben, §§ 18 ff. ARegV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 5. Ausnahmen von der Entgeltregulierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 6. Fazit zur Anreizregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 II. Europarechtlicher Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 1. Verbot normierender Vorstrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 a) Gesetzliche Vorstrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 b) Verordnungsrechtliche Vorstrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 aa) Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 26. 04. 2018 . . . . . . . . . . . . . . . 246 bb) Rechtsbeschwerde zum BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 c) Bedeutung für die StromNEV, GasNEV und ARegV . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 d) Fazit zur normierenden Vorstrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 2. Europarechtliche Pflicht zur Reduzierung der Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . . 253 III. Fazit zur Entgeltregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 C. Verfassungsrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 I. Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 II. Rechtsschutzgarantie der materiellen Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 1. Rechtsschutz auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 2. Rechtsschutz auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 D. Zusammenfassung zu Teil 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
Inhaltsverzeichnis
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Teil 5 Abschließende Beantwortung der Forschungsfragen und Ausblick
260
A. Abschließende Beantwortung der Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 I. Frage 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 II. Frage 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
Abkürzungs- und Begriffsverzeichnis ABlEG Abs. Abstimmungsverfahren ACER ACER-VO a. E. AEUV a. F. allg. M. AnwBl AÖR ARegV Art. BauGB BayVBl BayZustWiG BEGTPG Beschl. v. BEVVG BGH BKartA BMVI BMWi BNAG BNetzA BVerfG BVerwG CAPM CEN COCOM CR DEA d. h. DÖV DTAG DVBl EBA ECC
Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Verfahren nach Art. 33 TK-Kodex Agency for the Cooperation of Energy Regulators Verordnung zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung allgemeine Meinung Anwaltsblatt Archiv des Öffentlichen Rechts Anreizregulierungsverordnung Artikel Baugesetzbuch Bayerische Verwaltungsblätter Bayerisches Gesetz über die Zuständigkeiten zum Vollzug wirtschaftsrechtlicher Vorschriften Gesetz über die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen Beschluss vom Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz Bundesgerichtshof Bundeskartellamt Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Bundesnetzagenturgesetz Bundesnetzagentur Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Capital Asset Pricing Model Methode European Committee for Standardization Committee of Communications Computer und Recht Data Envelopment Analysis das heißt Die öffentliche Verwaltung Deutsche Telekom Aktiengesellschaft Deutsches Verwaltungsblatt Eisenbahnbundesamt Electronic Communications Committee
Abkürzungs- und Begriffsverzeichnis EK Elektr-RL EnWG EnWZ ER ErdgasZVO
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Eigenkapital Elektrizitätsrichtlinie Energiewirtschaftsgesetz Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft EnergieRecht Verordnung über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen ERG European Regulator’s Group ERGEG European Regulators’ Group for Electricity and Gas EU Europäische Union EU-Beteiligungsverfahren Verfahren nach Art. 36 Abs. 8 und 48 Abs. 2 Gas-RL und Art. 63 Abs. 8 StromhandelZVO EuGH Europäischer Gerichtshof EuR Europarecht EUV Vertrag über die Europäische Union EWeRK Zeitschrift Energie- und Wettbewerbsrecht in der kommunalen Wirtschaft FS Festschrift GasNEV Gasnetzentgeltverordnung GasNZV Gasnetzzugangsverordnung Gas-RL Erdgasrichtlinie gem. gemäß GEREK Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation GewArch Gewerbearchiv GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GR-Charta Grundrechte-Charta GS Gedächtnisschrift h. L. herrschende Lehre h. M. herrschende Meinung i. d. R. in der Regel i. e. S. im engen Sinne inkl. inklusive i. w. S. im weiten Sinne JA Juristische Arbeitsblätter JuS Juristische Schulung JZ JuristenZeitung K&R Kommunikation und Recht KeL Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung Konsolidierungsverfahren Unionsweites Verfahren nach Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex Konsultationsverfahren Nationales Verfahren nach Art. 23 TK-Kodex LKV Landes- und Kommunalverwaltung LMRR Lebensmittelrecht Rechtsprechung LRegBG BW Baden-Württembergisches Landesregulierungsbehördegesetz LRIC Long-Run Incremental Costs LS Leitsatz m. E. meines Erachtens
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Abkürzungs- und Begriffsverzeichnis
MMR m. RsprNw. m. w. N. N&R NJW NRB NVwZ NZBau ÖJZ PNeuOG Prüfungsverfahren Rahmen-RL RegKHG RegKNG RegKP RP
Multimedia und Recht mit Rechtsprechungsnachweis(en) mit weiteren Nachweisen Netzwirtschaften und Recht Neue Juristische Woche Nationale Regulierungsbehörde Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht Österreichische JuristenZeitung Postneuordnungsgesetz Überprüfung nach Art. 63 ELektr-RL und Art. 43 Gas-RL Rahmenrichtlinie Gesetz zur Errichtung der Regulierungskammer Hessen Gesetz zur Errichtung der Regulierungskammer Niedersachsen Landesgesetz zur Errichtung einer Regulierungskammer Rheinland-Pfalz Richtlinie Satz Stochastic Frontier Analysis Significant Market Power ständige Rechtsprechung Verordnung über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel Stromnetzentgeltverordnung Stromnetzzugangsverordnung Teilnehmeranschlussleitungsverordnung Telecommunication Conformity Assessment and Market Surveillance Committee Telekommunikations-Kodex unter anderem Unterabsatz unter Umständen Urteil vom von/vom Verwaltungsarchiv Verwaltungsrechtsprechung Vergleiche Veröffentlichung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsverfahrensgesetz Weighted Average Cost of Capital zum Beispiel Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zugangsrichtlinie Zeitschrift für Umweltrecht
RL S. SFA SMP st. Rspr. StromhandelZVO StromNEV StromNZV TAL-VO TCAM TK-Kodex u. a. UAbs. u. U. Urt. v. v. VerwArch VerwRspr vgl. VVDStRL VwVfG WACC z. B. ZHR Zugangs-RL ZUR
Einleitung A. Problemaufriss Die Problematik um die Letztentscheidungsbefugnisse1 der Verwaltung ist ein Dauerthema im Verwaltungsrecht,2 doch sie reißt auch heute noch angesichts der Europäisierung nationalen Rechts nicht ab. Den nationalen Behörden werden beim Vollzug der Gesetze zahlreiche Spielräume eingeräumt. Diese werden grundsätzlich aufgrund der konditionalen Normstruktur auf der Tatbestandsseite in Beurteilungsspielräume3 und auf der Rechtsfolgenseite in Ermessensspielräume unterteilt. Dieses vorherrschende System besteht jedoch nicht kritiklos,4 insbesondere im Planungsrecht sind die Strukturen aufgeweicht, da hier der Gesetzgeber nicht auf die konditionale Normenstruktur im Sinne einer „wenn-dann“-Regelung zurückgreift, sondern ein Ziel setzt, das von der Verwaltung mit ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten erreicht werden soll. Es wird dann eine Abwägung vorgenommen, die scheinbar nicht in das System der Dichotomie von Letztentscheidungsbefugnissen passt.5 Im Zentrum der rechtswissenschaftlichen Diskussion stehen seit jeher die Fragen nach der Herleitung, der Reichweite und der dogmatischen Einordnung einer Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltung. Gerade das Regulierungsrecht, in dem der Bundesnetzagentur (BNetzA) eine Vielzahl von Letztentscheidungsrechten zugestanden werden, ist ein Referenzgebiet hierfür. Neuen Antrieb erfuhren die 1 Die Terminologie ist uneinheitlich. So wird zur Beschreibung exekutiver Entscheidungsfreiheit von Gestaltungsspielräumen, vgl. Herdegen, JZ 1991, 747, oder auch Letztentscheidungsermächtigungen, vgl. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 188, gesprochen. Gemeint sind vorliegend die Möglichkeiten der Verwaltung beim Gesetzesvollzug nicht (vollumfänglich) überprüfbare Entscheidungen zu treffen, unabhängig von ihrer dogmatischen Einordnung. 2 Hierzu schon Bachof, JZ 1955, 97; Ule, in: GS Jellinek, S. 309 ff.; Ehmke, „Ermessen“, S. 23 ff. 3 U. a. auch Einschätzungsprärogative oder Beurteilungsermächtigung genannt. 4 Immer wieder setzen sich Autoren mit der Einordnung und den Voraussetzungen von Entscheidungsspielräumen auseinander, vgl. nur Kment/Vorwalter, JuS 2015, 193; Jacob/Lau, NVwZ 2015, 241; Breuer, AöR 2002, 523 ff. Die grundsätzliche Problematik um die dogmatische Einordnung von Entscheidungsspielräumen, die von der ständigen Rechtsprechung durch eine Trennung von Tatbestand und Rechtsfolge erfolgt, wird in dieser Arbeit nicht im Detail behandelt werden. 5 Exemplarisch § 1 Abs. 5, 6 BauGB; hierzu auch BVerwG VerwRspr 1970, 571; BVerwG NJW 1975, 70; Söfker/Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 1 Rn. 181 m. w. N.
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Einleitung
Diskussionen durch das vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entwickelte Regulierungsermessen.6 Hierbei stellte es fest, dass aufgrund der Normstruktur im (telekommunikationsrechtlichen) Regulierungsrecht eine Trennung zwischen unbestimmten Rechtsbegriffen und Ermessensentscheidungen nicht möglich sei, sondern eine „zweckentsprechende Auslegung“ durch die Regulierungsbehörde vorzunehmen sei.7 Erstmals als solches bezeichnete und bejahte das BVerwG das Regulierungsermessen in seiner Entscheidung vom 28.11.2007 und begründete es damit, dass die BNetzA bei der Auswahl regulierungsrechtlicher Maßnahmen nach § 21 Abs. 1 TKG eine umfassende und komplexe Abwägung vorzunehmen habe.8 Die Notwendigkeit zur Übertragung der Letztentscheidungsbefugnis auf mehreren Ebenen auf die Verwaltung ergebe sich aus der besonderen fachlichen Expertise des Kollegialorgans, die von wissenschaftlicher Sachkunde getragen ist. Nur so könnten den im Telekommunikationsrecht maßgeblich wertenden Elementen fachgerecht und einzelfallspezifisch Rechnung getragen werden. Der Begriff des Regulierungsermessens wurde im Jahr 2010 erstmals auch von den ordentlichen Gerichten aufgegriffen, die im Energierecht für den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde zuständig sind.9 Konkret entschied das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, dass der BNetzA bei der Auswahl von Vergleichsparametern nach § 13 Abs. 1 ARegV ein Regulierungsermessen und eine Einschätzungsprärogative zustünden, da die Norm insbesondere die Auswahl der Parameter mit qualitativen, analytischen und statistischen Methoden, die dem Stand der Wissenschaft entsprechen, fordere und die anwendbaren wissenschaftlichen Methoden somit nicht abschließend vorgegeben seien.10 Im Jahr 2014 schließlich griff auch der Bundesgerichtshof (BGH) diesen Ansatz auf, wobei er im Ergebnis offen ließ und noch lässt, ob es sich bei den Spielräumen dogmatisch um ein Regulierungsermessen oder einen Beurteilungsspielraum handelt.11 Diese Entscheidungen haben die Problematik um die Normsystematik und die dogmatische Einordnung solcher Entscheidungsspielräume und Abwägungsentscheidungen wieder aufleben lassen.12
6 Für § 21 TKG: BVerwG MMR 2008, 463 (465); für § 30 TKG: BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1367). 7 BVerwG MMR 2008, 463 (466). 8 BVerwG MMR 2008, 463 (466). Zwar tauchte das Wort „Regulierungsermessen“ zuvor schon in der Rechtsprechung des BVerwG auf, wobei aber offen gelassen wurde, ob der Regulierungsbehörde ein solches zusteht, BVerwG NVwZ 2004, 1365. 9 Vgl. § 75 Abs. 4 EnWG. 10 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.07.2010, VI-3 Kart 184/09 (V) = BeckRS 2010, 27913 = RdE 2011, 100 und Beschl. v. 15.12.2010, VI-3 Kart 204/09 (V) = BeckRS 2012, 15894. 11 In einer Grundsatzentscheidung des BGH EnWZ 2014, 378 (380). 12 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz, VwVfG § 40 Rn. 44a m. w. N.; Hwang, Bestimmte Bindung unter Unbestimmtheitsbedingungen, S. 171 ff.; Mayen, NVwZ 2008, 835; Gärditz, NVwZ 2009, 1005.
A. Problemaufriss
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Seitdem hat sich die Wissenschaft mit dem Regulierungsverwaltungsrecht im Allgemeinen und im Besonderen mit den Letztentscheidungsbefugnissen der BNetzA intensiv auseinandergesetzt.13 Hierbei handelt es sich überwiegend um Diskussionen über die dogmatische Einordnung der Kompetenzen der Behörde und die Bedeutung für die gerichtliche Kontrolle. Das Hauptaugenmerk liegt meist auf der Beurteilung des Regulierungsermessens und der Frage, ob diesem ein planungsähnlicher Abwägungsvorgang zugrunde liegt.14 Dabei ist bis heute umstritten, ob es sich beim Regulierungsrecht um ein dem Planungsrecht angenähertes Rechtsgebiet handelt, das der Behörde gestaltungsähnliche Entscheidungsspielräume eröffnet, die durch Zielvorgaben beschränkt werden.15 Eine dogmatische Einordnung ist trotz mehrfacher Entscheidungen16 noch nicht abgeschlossen.17 Gerade im Hinblick auf die Kombination von Beurteilungsspielräumen, Regulierungsermessen und einfachen Ermessensentscheidungen, die der BNetzA zugestanden
13 Vgl. nur umfassende Abhandlungen wie Liebschwager, Gerichtliche Kontrolle, 2005; Lüdemann, Telekommunikation, Energie, Eisenbahn, 2008; Höppner, Die Regulierung der Netzstruktur, 2009; Vilain, in: Masing/Marcou, Unabhängige Regulierungsbehörden, 2010, S. 31 ff.; Möllers, in: Masing/Marcou, Unabhängige Regulierungsbehörden, 2010, S. 253 ff.; Oster, Normative Ermächtigungen, 2010; Bosch, Kontrolldichte, 2010; Christiansen, Optimierung des Rechtsschutzes, 2013; Hwang, Bestimmte Bindung unter Unbestimmtheitsbedingungen, 2013; Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, 2014; Mengering, Entgeltregulierung, 2017; Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, 2017; Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, 2018. Eine Auswahl an Aufsätzen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, können aufgrund der Bandbreite nur in konzentrierter Form wiedergegeben werden: Mayen, NVwZ 2008, 835; Gärditz, NVwZ 2009, 1005; Ludwigs, JZ 2009, 290; Gärditz, AöR 2010, 251; Eifert, ZHR 2010, 449; Proelß, AöR 2011, 402; Wieland, DÖV 2011, 705; Sachs/Jasper, NVwZ 2012, 649; Franzius, DÖV 2013, 714; Jacob/Lau, NVwZ 2015, 241; Ludwigs, NVwZ 2015, 1327; Gärditz, DVBl 2016, 399. 14 Grundlegend Ladeur/Möllers, DVBl 2005, 525 (531 ff.); befürwortend Schmidt-Preuß, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 10 Rn. 23 ff.; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 208 ff. m. w. N.; ablehnend hingegen Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 434. 15 Bejahend für Teile des Telekommunikations- und Energiewirtschaftsrecht Mayen, NVwZ 2008, 835; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 224; kritisch Gärditz, NVwZ 2009, 1005. 16 BVerwG MMR 2008, 463 (465 f.); BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1364) Rn. 47; BVerwG, Urt. v. 2.04.2008, 6 C 16/07 = BeckRS 2008, 35853 Rn. 41 und 56; BVerwG NVwZ 2010, 1359 (1361) Rn. 16; BVerwG NVwZ 2014, 942 (949) Rn. 43 ff.; BGH EnWZ 2014, 378 (380) Rn. 24; mittlerweile auch das BVerfG NVwZ 2012, 694 zu Beurteilungsspielräumen für den telekommunikationsrechtlichen Bereich. 17 Schönenbroicher, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 40 Rn. 65 sieht die Diskussion über das Regulierungsermessens als „erst ganz am Anfang“ stehend; vgl. auch Aschke, in: BeckOK VwVfG, § 40 Rn. 28; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz, VwVfG, § 35 Rn. 266 und § 40 Rn. 44a; Pielow, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 57 Rn. 71; dies gilt gleichermaßen für die allgemeine Bewertung von administrativen Letztentscheidungsbefugnissen, vgl. nur Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 5.
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werden, eignet sich das Regulierungsrecht besonders dazu, die eingeräumten Letztentscheidungskompetenzen der BNetzA näher zu untersuchen.18 Neben der dogmatischen Einordnung der Letztentscheidungsbefugnisse setzt sich die Rechtswissenschaft auch mit der Herleitung ebendieser aus dem Gesetz auseinander. Gründe für die Begründung und Ausweitung von Spielräumen werden bislang in der Eigenart des Regulierungsverwaltungsrechts gesucht und verortet.19 Von der Idee eines allumfassenden Regulierungsermessens für alle Regulierungsverfügungen und Regulierungsentscheidungen der BNetzA ist man richtigerweise wieder abgerückt,20 sodass im Mittelpunkt dieser Frage die normative Ermächtigungslehre steht.21 Dabei gibt es verschiedene Ansätze durch Auslegung des nationalen Rechts die Letztentscheidungsbefugnisse der BNetzA zu begründen. Versucht wird insbesondere am Maßstab der von der Rechtsprechung aufgestellten Indizien zur Herleitung von Beurteilungsspielräumen die Normen im Regulierungsrecht entsprechend auszulegen.22 Aber auch die Rückführung der Netzregulierungsgesetze auf europäisches Recht spielt in der wissenschaftlichen Diskussion eine Rolle.23 Jedoch wurde dabei noch nicht umfassend untersucht, ob sich die konkreten Letztentscheidungsspielräume der BNetzA aus dem zugrundeliegenden Unionsrecht ergeben und ob gerade dies zu einer Ausweitung der Letztentscheidungsbefugnisse führt.24 Das BVerwG hingegen 18
Gerade die Vielzahl der Spielräume erlangt verfassungsrechtliche Relevanz, vgl. kritisch Mayen, in: Scheurle/Mayen, § 13 Rn. 50a. 19 Trute, in: Trute/Spoerr/Bosch, TKG 2001, § 1 Rn. 13; Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 3 Rn. 53; Bullinger, DVBl 2003, 1355 (1358); für das Energierecht zwischen den Handlungsformen unterscheidend Burgi, DVBl 2006, 269 (275) m. w. N. 20 Vgl. Mayen, Referat O 45 (65); Ludwigs, in: FS Schmidt-Preuß, S. 705; Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 130; Ludwigs, JZ 2009, 290 (294). 21 Eifert, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 148; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 153. 22 Vgl. nur Liebschwager; Gerichtliche Kontrolle, S. 209 ff.; Bosch, Kontrolldichte, S. 129 ff.; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 179 ff.; Mengering, Entgeltregulierung, S. 323 ff. 23 Beispielhaft Geppert/Attendorn, in: BeckOK TKG, § 21 Rn. 51; sehr oberflächlich Bosch, Kontrolldichte, S. 141, 288; Oster, Normative Ermächtigungslehren, S. 161; a. A. Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 431 ff.; Simantiras, Netzwerke, S. 209 ff.; Offenbächer, Die Regulierung des Vectoring, S. 267 ff.; Mayen, NVwZ 2008, 835 (837); Ludwigs, JZ 2009, 290 (296 f.); Gärditz, NVwZ 2009, 1005 (1007); Eifert, ZHR 2010, 449 (470); Schütze/Salevic, CR 2010, 80; Kühling/Schall, CR 2010, 708; Proelß, AöR 2011, 402 (423 f.); Wieland, DÖV 2011, 705 (706); Ludwigs, NVwZ 2015, 1327 (1330 f.); Gärditz, DVBl 2016, 399 (404). 24 Nach Ludwigs, DÖV 2020, 405 (412) steht die Diskussion um Einwirkungen des Europarechts noch eher am Anfang; Eifert, ZHR 2010, 449 (456 f.) spricht von „untergeordneter Bedeutung“ in der bisherigen Aufarbeitung; ähnlich Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 6 Rn. 529; insbesondere die Untersuchung von Attendorn, Regulierungsbehörde, 2008 setzt sich schwerpunktmäßig mit der Auslegung der nationalen Normen auseinander, den Ausführungen zum zugrundeliegenden Unionsrecht stehen mittlerweile umfangreiche Änderungen gegenüber; auch Mengering arbeitet zwar die Herleitung der Spielräume und deren
A. Problemaufriss
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geht davon aus, dass unionsrechtliche Vorgaben im Regulierungsrecht einen Ermessensspielraum der nationalen Behörde zwingend vorschreiben.25 Gerade diese Einschätzung gibt Anlass dazu, den europäischen Einfluss genauer zu untersuchen.26 Die Rechtsprechung geht davon aus, dass die gerichtliche Kontrolle beschränkt sei, wenn die nationale Behörde eine Entscheidung trifft, die als eine „Entscheidung […] mit transnationaler Ausstrahlung“ konzipiert sei.27 Die Notwendigkeit des Letztentscheidungsrechts ergebe sich aus einem gestuften Verfahren der grenzüberschreitenden Abstimmung und den Interventionsmöglichkeiten der Europäischen Kommission (Kommission) im sog. Verwaltungsverbund. Bei einem Verwaltungsverbund handelt es sich um die Zusammenarbeit von Behörden der Mitgliedstaaten untereinander, sowie mit der Kommission und teilweise auch mit extra dafür eingerichteten Agenturen oder Gremien. Diese Art der Zusammenarbeit ist in der jüngeren Zeit in den Fokus der rechtswissenschaftlichen Diskussion gerückt.28 Das Regulierungsrecht, insbesondere das Telekommunikationsrecht und das Energierecht, stellt ein Referenzgebiet für den europäischen Verwaltungsverbund dar.29 Pauschale Aussagen über die Bindungen und Freiheiten einer nationalen Behörde, die in diesen Verwaltungsverbund einbezogen ist, lassen sich schon deshalb nicht treffen, weil dieser je nach Rechtsgebiet unterschiedlich ausKriterien heraus, untersucht dabei aber weder das Unionsrecht noch die Kompetenzfragen im europäischen Verwaltungsverbund, vgl. Mengering, Entgeltregulierung, S. 34; Schreiber, Regulierungsinstrumente, 2009 untersuchte nicht spezifisch die Letztentscheidungsbefugnisse der BNetzA, sondern erarbeitete Lösungsansätze für eine Optimierung der Regulierungsinstrumente untereinander; Oster, Normative Ermächtigungen, 2010 behandelt zwar die Spielräume in der Netzregulierung ausführlich, legt hierbei aber vergleichend das US-amerikanische Recht und nicht das Europarecht zugrunde; zudem haben sich seit den genannten ausführlichen Abhandlungen die Vorgaben im Regulierungsrecht erheblich geändert. 25 BVerwG MMR 2008, 463 (466 f.). 26 Erstmals BVerwG MMR 2008, 463 (46 g f.); zuletzt auch BVerfG NVwZ 2017, 305 (309) Rn. 50, das die Frage, ob das Unionsrecht die Einräumung eines behördlichen Letztentscheidungsrechts gebiete, nicht beantworten musste. 27 BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1360) Rn. 17; zustimmend Oster, Normative Ermächtigungen, S. 185 ff. 28 Vgl. nur Scherer, in: Gramlich/Manger-Nestler, Regulierungsstrukturen, S. 97 ff.; Siegel, Entscheidungsfindung, 2009; Knauff, Regelungsverbund, 2010; Braams, Koordinierung, 2013; Simantiras, Netzwerke, 2016; Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, 2017; speziell zu Unionsagenturen Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, 2008; Groß, Polyzentrale EU-Verwaltung, 2015; Weißgärber, Legitimation, 2016; Orator, Unionsagenturen, 2017; Sölter, Rechtsgrundlagen, 2017; Remmert, EuR 2003, 134; Vetter, DÖV 2005, 721; Fehling, EuR Beiheft 2/2005, 41; Heinze, EuR Beiheft 2/2005, 69; Britz, EuR 2006, 46 (57); Wittinger, EuR 2008, 609; Urbantschitsch, ÖJZ 2009, 849 (850 f.); Michel, DÖV 2011, 728; Görisch, Jura 2012, 42; Schaefer, DVBl 2019, 153; eine Übersicht zu den diskutierten Problematiken im Verwaltungsverbund bei Ludwigs, DVBl 2011, 61. 29 Gärditz, Die Verwaltung 2013, 257 (268); Grundlegendes zum europäischen Verwaltungsverbund Schmidt-Aßmann, in: Schmidt/Aßmann/Schöndorf-Haubold, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 1 ff.; Ladeur/Möllers, DVBl 2005, 525 (527 f.); Britz, EuR 2006, 46 ff.; Britz, Die Verwaltung Beiheft 8/2009, 71 (72); Trute, in: FS Selmer, S. 565; Ruffert, DÖV 2007, 761 (765); für den Energiesektor Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 115 ff.
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gestaltet ist und auch innerhalb eines Rechtsgebiets verschiedene Strukturen aufweist. So ist im Telekommunikationssektor grundsätzlich vor jeder Verpflichtung, die die BNetzA auferlegt, ein unionsweites Konsolidierungsverfahren durchzuführen,30 während im Energiesektor die Kommission als „Aufsichtsbehörde“ ex post tätig wird.31 Dafür kann die Kommission im Energiesektor im Vorfeld einer Entscheidung die Maßnahmen der Regulierungsbehörde durch den Erlass von verbindlichen Leitlinien weitestgehend steuern; im Telekommunikationssektor kann sie lediglich unverbindliche Empfehlungen und Stellungnahmen abgeben. Eine weitere wichtige Funktion kommt der Kommission in Ausübung ihrer Vetorechte zu, mit denen sie verbindlich den Widerruf einer nationalen Behördenentscheidung verlangen kann. All diese unterschiedlichen Merkmale können Einfluss auf einen etwaigen Spielraum der BNetzA haben, weshalb sie genauer beleuchtet werden müssen. Insgesamt bedarf es einer Analyse der zugrundeliegenden unionsrechtlichen Vorgaben, um feststellen zu können, ob sich Letztentscheidungsbefugnisse für konkrete Entscheidungen der BNetzA aus dem Europarecht ergeben.32 Das europäische und das nationale Regulierungsrecht zeichnen sich durch laufende Neuerungen aus, sodass auch die Aktualität nicht abreißt. In regelmäßigen Abständen moniert die Kommission die fehlerhafte Umsetzung der Richtlinien im Regulierungsrecht.33 Ein Kritikpunkt ist dabei i. d. R., dass der nationalen Regulierungsbehörden (NRB) nicht im erforderlichen Umfang die durch Unionsrecht geforderte Unabhängigkeit und vorgesehenen Ermessensspielräume eingeräumt werden. Diese Einschätzung hält sie auch im aktuell laufenden Vertragsverletzungsverfahrens 2014/2285 aufrecht, in dem 2021 eine Entscheidung erwartet wird.34 Darin geht die Kommission davon aus, dass im Energierecht die Elektr- und Gas-RL, insbesondere die durch diese Richtlinien eingeräumten weiten Ermessensspielräume der NRB, nicht hinreichend in nationales Recht umgesetzt wurden.35 Diese Einschätzung gibt noch mehr Anlass zu der Untersuchung, ob sich Letztentscheidungsrechte der BNetzA aus dem zugrundeliegenden Unionsrecht herleiten lassen. Gerade im Hinblick auf den europarechtlichen Bezug der Netzindustrien als Teil der „unendlichen Geschichte“36 der Europäisierung des Verwaltungsrechtsschutzes besteht mithin noch Forschungsbedarf.
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Vgl. Art. 32 f. TK-Kodex. Vgl. Art. 39 Elektr-RL 2009 und Art. 43 Gas-RL. 32 Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 3, § 50 Rn. 295. 33 Vgl. nur Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2004/2221 und IP/09/1008; insbesondere EuGH, Urt. v. 03.12.2009, Rs. C-424/07 (Kommission/Deutschland) = NVwZ 2010, 370. 34 Das Verfahren ist vor dem EuGH unter dem Aktenzeichen C-718/18 anhängig; die Schlussanträge sind für Januar 2021 eingeplant. 35 http://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-4487_EN.htm, Stand 28.11.2020. 36 Steinbeiß-Winkelmann, NJW 2010, 1233. 31
B. Forschungsfragen und Forschungsgebiet
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B. Forschungsfragen und Forschungsgebiet I. Forschungsfragen Die Dissertation setzt sich mit zwei Forschungsfragen auseinander. Zum einen wird untersucht, ob das Unionsrecht Letztentscheidungsbefugnisse der Regulierungsbehörde im Rahmen der Netzzugangs- und Entgeltregulierung zwingend vorschreibt (Frage 1).37 Die Untersuchung dieser Frage erfolgt durch Auslegung des Unionsrechts sowie unter Heranziehung des Effektivitätsgrundsatzes. Dabei ist der Spielraum der Behörde gegenüber dem nationalen Gesetzgeber von einem Spielraum der Behörde gegenüber dem Gericht zu unterscheiden. Nur wenn ein Spielraum der Behörde in alle Richtungen besteht, kann von einem Letztentscheidungsrecht gesprochen werden. In der Literatur wird seit einigen Jahren zurecht kritisiert, dass die Rechtsprechung bei der Beurteilung der Frage, ob Letztentscheidungsspielräume der BNetzA unionsrechtlich geboten sind, nicht zwischen dem Verhältnis der Exekutive zur Legislative und zur Judikative unterscheidet.38 Nicht jede Norm, in der nicht alle Einzelheiten gesetzlich determiniert sind, beinhaltet zugleich eine Reduzierung der Kontrolldichte im Sinne eines Beurteilungsoder Gestaltungsspielraums der Exekutive. Die Frage, ob der nationale Gesetzgeber trotz unionsrechtlicher Vorgaben die Entscheidungen der BNetzA legislativ vorstrukturieren darf, ist daher unabhängig von der Frage, ob das Unionsrecht eine Reduzierung der Kontrolldichte fordert, zu beantworten. Denn selbst wenn dem nationalen Gesetzgeber legislative Vorstrukturierungen untersagt wären, bedeutet das noch nicht, dass die Exekutive statt der Judikative die letztverbindliche Sachentscheidung trifft.39 Im Folgenden wird daher sowohl die Frage nach der Einschränkung legislativer Vorgaben als auch nach einer sich daraus ergebenden Reduzierung der Kontrolldichte erörtert. Daran anschließend wird herausgearbeitet, ob eine etwaige Ausweitung der Letztentscheidungsbefugnisse zu einer verfassungsrechtlich relevanten Diskrepanz zur grundsätzlichen vollumfänglichen Überprüfbarkeit exekutiven Handelns führt (Frage 2). Eine verfassungsrechtlich kritische Ausweitung der Letztentschei37 Vgl. BVerwG MMR 2008, 463 (466); bereits von einem „weiten Regulierungsspielraum“ sprechend Trute, in: Trute/Spoerr/Bosch, TKG, § 1 Rn. 13; dafür auch Geppert/Attendorn, in: BeckOK TKG, § 21 Rn. 51; Britz, EuR 2006, 46 (56); Mayen, NVwZ 2008, 835 (837); Ludwigs, JZ 2009, 290 (296 f.) (mittlerweile differenzierend ders., Die Verwaltung 2011, 41 (64); ders, NVwZ 2015, 1327 (1330 f.)); Eifert, ZHR 2010, 449 (470); Wieland, DÖV 2011, 705 (706); Säcker/Mengering, N&R 2014, 74 (83); verneinend dagegen Gärditz, NVwZ 2009, 1005 (1007); Proelß, AöR 2011, 402 (423 f.); Gärditz, DVBl 2016, 399 (404). 38 Kühling, in: BeckOK TKG, § 31 Rn. 46; Simantiras, Netzwerke, S. 212 f.; Proelss, AöR 2011, 402 (423); Ludwigs, Die Verwaltung 2011, 41 (69); Gärditz, Die Verwaltung 2013, 257 (272); Ludwigs, NVwZ 2015, 1327 (1330). 39 Eine Reduzierung der Kontrolldichte ist nur anzunehmen, wenn die Exekutive die letztverbindliche Sachentscheidung trifft und das Gericht nicht seine eigene Entscheidung oder Wertung an die Stelle der Entscheidung der Verwaltung setzen darf, vgl. Teil 2 C. I.
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dungsbefugnisse wäre gegeben, wenn die legislativen Vorgaben und/oder die gerichtliche Kontrolle durch eine Absenkung des Kontrolldichteniveaus nicht mehr den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen.40 Die gerichtliche Kontrolle ist auch dann nicht mehr ausreichend, wenn sie durch eine Vielzahl von Letztentscheidungsspielräumen leerlaufen würde. Angesichts des europarechtlichen Bezugs und Art. 23 GG können an die verfassungsrechtliche Zulässigkeit modifizierte Anforderungen zu stellen sein. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Europarechts kann die Überprüfung anhand der nationalen Verfassung auf eine Identitätsund ultra-vires-Kontrolle beschränkt sein.
II. Forschungsgebiet 1. Telekommunikations- und Energierecht Die Telekommunikations- und Energiesektoren werden durch die BNetzA aufgrund erheblicher Marktzutrittsschranken reguliert.41 Die Vorgaben zur Regulierung basieren auf einer Vielzahl von detaillierten unionsrechtlichen Vorgaben. Sowohl die Öffnung der Märkte als auch die daran anschließende Netzzugangs- und Entgeltregulierung gehen auf europäische Richtlinien und Verordnungen zurück. Auch die Vorgaben zur Stellung der NRB, insbesondere ihrer Unabhängigkeit und ihre Einbindung im Verwaltungsverbund, sind im Telekommunikationssektor und im Energiesektor mittlerweile vergleichbar.42 In dieser Arbeit werden bereits die Richtlinie (EU) 2018/1972 des europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (TK-Kodex) und die Richtlinie (EU) 2019/944 des europäischen Parlaments und des Rates vom 05.06.2019 mit gemeinsamen Vor¨ nderung der Richtlinie 2012/27/ schriften fu¨ r den Elektrizita¨ tsbinnenmarkt und zur A EU (Elektr-RL), welche noch der nationalen Umsetzung bedürfen, zugrunde gelegt. Grundsätzlich gehen auch die Regulierung des Eisenbahnsektors und des Postwesens auf unionsrechtliche Vorgaben zurück. Bereits mit Erlass des AEG 199343 wurden europäische Regulierungsvorgaben umgesetzt.44 Auch die Liberalisierung der Postmärkte erfolgte durch die drei Postreformen von 1989 bis 1998 aufgrund von
40 Zu denken ist hier u. a. an die Wesentlichkeitstheorie und das Bestimmtheitsgebot, vgl. Teil 2 A. 41 Zur Vergleichbarkeit von Telekommunikationssektor und Energiesektor Mengering, Entgeltregulierung, S. 38 ff. 42 Ludwigs, DVBl 2011, 61 (64); zur zunehmenden Verdichtung des Verwaltungsverbundes auch im Energiesektor Weiß, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 32 Rn. 10 ff. 43 BGBl. I, 1993, 2396. 44 Staebe, in: Staebe, ERegG, Einf. Rn. 38 f.
B. Forschungsfragen und Forschungsgebiet
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europäischen Vorgaben.45 Dennoch ist in diesen beiden Sektoren der Verwaltungsverbund noch nicht vergleichbar mit den Telekommunikations- und Energiesektoren. Den Behörden und der Kommission kommen lediglich Kooperationspflichten und die Pflicht zum Austausch von Informationen zu.46 Anders als in den übrigen Sektoren ist auch eine Unabhängigkeit im Postsektor von staatlichen Stellen nicht gefordert. Etwaigen Letztentscheidungsbefugnissen der BNetzA im Eisenbahn- und Postsektor wurde zudem weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur bisher große Aufmerksamkeit zuteil.47 Daher werden sie in die Untersuchung dieser Arbeit nicht mit einbezogen. 2. Netzzugangs- und Entgeltregulierung Die Arbeit beschränkt sich bei dem Vergleich des Telekommunikationsrechts mit dem Energierecht auf die Netzzugangs- und Entgeltregulierung, da allenfalls diese vergleichbar ist.48 Andere Regulierungsinstrumente, Kriterien und Verfahren lassen einen Vergleich nicht ohne Weiteres zu.49 Aus diesem Grund wird die Untersuchung der Befugnisse der BNetzA auf den Netzzugang und die Preiskontrolle des Netzzugangs auf dem Vorleistungsmarkt begrenzt. Dabei wird bei der Preiskontrolle das Hauptaugenmerk auf die wirtschaftlich schwierige Kostenermittlung gelegt. Eine Aufarbeitung der Entgeltregulierung im Einzelnen, insbesondere die Anreizregulierung, erfolgte bereits mehrfach in der Literatur.50 Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt mithin nicht auf der Untersuchung der Entgeltregulierung an sich, sondern auf
45 Ausführlich Tewes, Netze im Postdienstesektor, S. 10; allerdings hat sich auf europäischer Ebene seit der Richtlinie 97/67/EG nicht mehr viel getan, vgl. Ludwigs, in: Schmidt/ Wollenschläger, Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 12 Rn. 14. 46 Art. 57 Recast-RL (Richtlinie 2012/34/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 21.11.2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums); Art. 14 Abs. 6 und Abs. 7 oder 22a Abs. 3 Postdienste-RL (Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalita¨ t); Nübel, in: Groebel/Katzschmann/Koenig/Lemberg, Postrecht, Kap. E Rn. 37; vgl. auch Erwägungsgründe 37 und 38 der Änderungs-RL Eisenbahn. 47 Beispiele für Letztentscheidungsbefugnisse: Entschließungs- und Auswahlermessen im Rahmen der ex post-Kontrolle nach § 32 PostG, vgl. Oster, Normative Ermächtigungen, S. 223; Beurteilungsspielraum für die Festlegung des maßgeblichen Zeitraums für Bestimmung des Ausgangsniveaus, vgl. Oster, Normative Ermächtigungen, S. 294; Beurteilungsspielraum für die Bestimmung der Produktivitätsfortschrittsrate und für Geeignetheit und Erforderlichkeit der Nebenbedingungen, vgl. Oster, Normative Ermächtigungen, S. 296 f. 48 Mengering, Entgeltregulierung, S. 146 f. 49 Vgl. Pielow, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 57 Rn. 17 m. w. N. 50 Hardach, Anreizregulierung, S. 172 ff.; Meinzenbach, Anreizregulierung, S. 65 ff.; Berndt, Anreizregulierung, S. 121 ff.; Lismann, NVwZ 2014, 691; zur Novellierung der ARegV 2016 Gersemann, EnWZ 2016, 531.
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der Analyse der Entscheidungsspielräume der BNetzA innerhalb der Entgeltregulierug anhand unionsrechtlicher Vorgaben. Im Rahmen der Netzzugangsregulierung ist zudem zu unterscheiden zwischen Netzanschluss und Netzzugang. Netzanschluss bedeutet die Herstellung der physischen Verbindung an das Leitungsnetz und ist somit Voraussetzung für den nachgelagerten Netzzugang. Der Netzzugang dagegen bezieht sich auf den Transport des Gutes über das Netz und ist das zentrale Element zur Schaffung von Wettbewerb.51 Gegentand der Arbeit sind die Befugnisse der BNetzA im Rahmen des Netzzugangs ohne Netzanschluss. Auch andere Befugnisse im Rahmen der Netzzugangsregulierung wie die Entflechtung (Unbundling), Diskriminierungsverbote oder der Universaldienst sowie die Netzkodizes im Energiesektor bleiben bei der Untersuchung außer Betracht. Die Regulierung des Endkundenmarktes wird nicht erörtert, weil diese in den verschiedenen Sektoren erhebliche Unterschiede aufweist.52
C. Gang der Untersuchung Die Arbeit ist in fünf Teile gegliedert. Im ersten Teil wird auf die Grundlagen und den verfassungsrechtlichen Hintergrund der Regulierung eingegangen und aufgezeigt, welche Rolle der Regulierungsbehörde dabei zukommt (Teil 1 A. und B.). Maßgeblich für die Herleitung von Letztentscheidungsbefugnissen aus dem Unionsrecht sind die den Netzsektoren zugrundeliegenden Richtlinien und Verordnungen. Daher werden die einschlägigen unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere die aktuellen Richtlinien, kurz dargestellt (Teil 1 C.). Inhaltlich werden dabei die Stellung und Befugnisse der Regulierungsbehörde sowie der Rechtsschutz gegen ihre Entscheidungen und die Umsetzung auf nationaler Ebene (TKG und EnWG mit entsprechenden Anlagen ARegV, GasNEV, StromNEV, GasNZV und StromNZV) skizziert. Die Problematik um die Entscheidungsbefugnisse der BNetzA sind rechtlich der Unterscheidung zuzuordnen, was der Gesetzgeber selbst regeln muss, was der Entscheidung der Gerichte vorbehalten ist und welche Entscheidungen er in welchem Ausmaß auf die Verwaltung übertragen darf. Daher wird zu Beginn des zweiten Teils auf die verfassungsrechtliche Legitimation von Letztentscheidungsbefugnissen der Verwaltung eingegangen (Teil 2 A.). Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob er Gesetzgeber der Verwaltung im konkreten Fall auch ein Letztentscheidungsrecht zusprechen wollte. Dies zu ermitteln ist Aufgabe der Gerichte und erfolgt grundsätzlich durch Auslegung der jeweiligen Norm (Teil 2 B.). Kommt der Rechtsan51
Kühling/Rasbach/Busch, Energierecht, Kap. 3 Rn. 3 ff. Beispielsweise wird im Postsektor der Endkundenmarkt flächendeckend reguliert, vgl. § 19 PostG, während im Telekommunikationssektor die Regulierung auf dem Endkundenmarkt eine Ausnahme darstellt, vgl. § 39 TKG. 52
C. Gang der Untersuchung
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wender zu dem Ergebnis, dass der Verwaltung ein Letztentscheidungsrecht zuteilwird, wird die von der Behörde getroffene Entscheidung in der Rechtsprechung je nach Typ unterschiedlich überprüft. Es folgt daher ein Überblick über das System der Letztentscheidungsbefugnisse in Deutschland (Teil 2 C.). Diese auf nationaler Ebene praktizierten Standards werden aber vor allem im Regulierungsverwaltungsrecht durch das Unionsrecht überlagert. Die europäischen Vorgaben haben maßgeblichen Einfluss auf den Inhalt der nationalen Normen; sie stellen Anforderungen an den nationalen Gesetzgeber und können sich entsprechend auf einen Spielraum der Verwaltung auswirken. Daher wird am Ende des zweiten Teiles der europarechtliche Einfluss im Regulierungsverwaltungsrecht allgemein dargestellt (Teil 2 D.). An die ersten beiden Grundlagenteile knüpft sodann eine Bestandsaufnahme der Letztentscheidungsbefugnisse der BNetzA für ausgewählte Entscheidungen in der Netzzugangs- und Entgeltregulierung im Telekommunikationssektor (Teil 3) und im Energiesektor (Teil 4) an.53 Erläutert werden die Spielräume im Rahmen der speziell im Telekommunikationssektor vorzunehmenden Marktdefinition und -analyse (Teil 3 A.) sowie in der Zugangs- und Entgeltregulierung (Teil 3 B. und C. und Teil 4 A. und B.). Dabei wird geprüft, ob sich derartige Spielräume bereits aus der Auslegung der normativen Vorgaben, insbesondere der zugrundeliegenden Richtlinien und Verordnungen, ergeben. Weitere Anknüpfungspunkte für eine Herleitung der Spielräume sind die von den Richtlinien geforderte Unabhängigkeit der BNetzA und die Einbindung in den europäischen Verwaltungsverbund. Letzteres gewinnt Einfluss durch Stellungnahmen, Leitlinien oder Empfehlungen der Kommission und anderen Verwaltungsbehörden sowie etwaiger echter und unechter Vetorechte. Die Ergebnisse werden schließlich einer kritischen verfassungsrechtlichen Bewertung unterzogen (Teil 3 D. und Teil 4 C.). Soweit die Letztentscheidungsbefugnisse auf unionsrechtliche Vorgaben zurückzuführen sind, gilt dabei der Maßstab des Art. 23 GG. Im fünften Teil werden die wesentlichen Ergebnisse zusammengefasst und eine abschließende Stellungnahme vorgenommen. Durch die rechtsvergleichende Darstellung der beiden Regulierungssektoren kann zusammenfassend erläutert werden, ob die weitreichenden Entscheidungsbefugnisse eine Besonderheit des Telekommunikationsrechts darstellen oder ob sie durch die Natur des Regulierungsrechts sektorübergreifend begründet sind.
53 Die Arbeit beschränkt sich dabei auf die problematischen Beurteilungsspielräume und das Regulierungsermessen.
Teil 1
Grundlagen der Regulierung In der jüngeren Rechtswissenschaft hat sich das Regulierungsverwaltungsrecht als Besonderheit des Verwaltungsrechts herauskristallisiert.1 Die Regulierung ist dabei nicht auf die Netzsektoren beschränkt; vielmehr greift der Staat regelmäßig regulatorisch in Bereiche des Verwaltungsrechts ein.2 Die Netzindustrien sind aber besonders durch das Vorliegen natürlicher Monopole und das Bedürfnis einer Infrastruktur gekennzeichnet, sodass ihnen ein eigener Stellenwert im Regulierungsverwaltungsrecht zukommt. Aufgrund der speziellen Materie werden daher zunächst der Begriff und das Bedürfnis der Regulierung (A.) und die BNetzA als Regulierungsbehörde (B.) dargestellt. Anschließend wird der europarechtliche Bezug erläutert, indem die für diese Arbeit notwendigen unionsrechtlichen Vorgaben zur Netzzugangs- und Entgeltregulierung dargestellt werden (C.).
A. Begriff und Bedürfnis der Regulierung Die BNetzA ist als Regulierungsbehörde u. a. zuständig für die Sicherstellung eines diskriminierungsfreien und wettbewerbsneutralen Netzzugangs zu angemessenen Bedingungen.3 Dieses Ziel wird von den Netzregulierungsgesetzen verfolgt. Der Begriff der Regulierung wird im Gesetz nicht (mehr) definiert (I.), weshalb für Erklärungsansätze auf das Bedürfnis der Regulierung (II.) zurückgegriffen wird.
1
Ruffert, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 7 Rn. 34. Zu nennen sind beispielhaft das Medien-, Abfall-, Wasser-, Glücksspiel-, Lebensmittelund Atomrecht oder die Finanzmarktaufsicht. 3 Die Aufgabe zur Eisenbahnregulierung wurde ihr erst im Jahr 2006 übertragen, vgl. § 4 Abs. 1 BEVVG 2005 (BGBl. I, 2005, 1138 (1147)). Zu diesem Zeitpunkt erfolgte auch die Umbenennung von „Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post“ in „Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen“, vgl. § 1 BNAG. 2
A. Begriff und Bedürfnis der Regulierung
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I. Begrifflichkeit Der Begriff „Regulierung“ geht zurück auf die „regulation“ im US-amerikanischen Recht,4 weshalb teilweise die Regulierung mit „Regelung“ gleichgesetzt wird und darunter jede Art der staatlichen Einflussnahme gefasst wird.5 Mangels gesetzlicher Definition und Abgrenzungsschwierigkeiten zu sonstigen staatlichen Eingriffen wird der Begriff in der Literatur als „schillernd“ und „vielfältig“ sowie als „uneindeutig“ bezeichnet.6 Das Gesetz setzt den Begriff der Regulierung etwa in § 2 TKG sowie in § 1 Abs. 2 EnWG voraus. Die ursprüngliche Legaldefinition in § 3 Nr. 13 TKG a. F. 19967 wurde mit Erlass des TKG 20048 aus dem Gesetz gestrichen. Danach war Regulierung definiert als „[…] die Maßnahmen, die zur Erreichung der in § 2 Abs. 2 [TKG] genannten Ziele ergriffen werden und durch die das Verhalten […] geregelt werden, sowie die Maßnahmen, die zur Sicherstellung einer effizienten und störungsfreien Nutzung von Frequenzen ergriffen werden.“
Zu ebendiesen Zielen zählten insbesondere die Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs sowie die Sicherstellung einer flächendeckenden Grundversorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen. Daran anknüpfend bedeutet Regulierung, dass der Staat gewollt Einfluss auf gesellschaftliche und wirtschaftliche Vorgänge nimmt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.9 In der juristischen Literatur wurden verschiedene Ansätze herausgearbeitet, um den Begriff der Regulierung zu beschränken und damit greifbarer zu machen. Beispielsweise definiert der ökonomische Regulierungsbegriff nur wirtschaftsrelevante Maßnahmen, die u. a. Maßnahmen der Wettbewerbsregulierung und Maßnahmen der sonstigen ökonomischen Regulierung umfassen können.10 Dabei schließen sich die Ziele nicht aus, sondern sind miteinander in Einklang zu bringen. 4
Ruffert, in: Fehling/Ruffert, § 7 Rn. 4 und Rn. 10. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 12 m. w. N.; v. Danwitz, DÖV 2004, 977; kritisch zu dem weitreichenden Begriffsverständnis Ruffert, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 7 Rn. 4. 6 Vgl. nur Fehling, in: Hill, Die Zukunft des öffentlichen Sektors, S. 91 m. w. N.; Ludwigs, in: Schmidt/Wollenschläger, Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 12 Rn. 1; Ruffert, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 7 Rn. 1; Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 11; Ruffert, AöR 1999, 237 (241); v. Danwitz, DÖV 2004, 977. 7 BGBl. I, 1996, 1120 (1122). 8 BGBl. I, 2004, 1190. 9 Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 13 Rn. 5; Schmidt-Preuß, in: FS Kühne, S. 330; Ruffert, AöR 1999, 237 (241); Proelß, AöR 2011, 402 (404 f.). 10 Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S. 20 ff. mit noch ausdizfferenzierteren Unterscheidungen; Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 13 Rn. 5; Fehling, in: Hill, Die Zukunft des öffentlichen Sektors, S. 97 f. 5
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Teil 1: Grundlagen der Regulierung
Schmidt-Preuß dagegen teilt den Regulierungsbegriff in drei unterschiedliche „Bedeutungsdimensionen“ ein, wobei unter dem Regulierungstyp I die netzbezogene Regulierung aufgrund eines natürlichen Monopols gefasst wird und gezielt die Netzindustrien Telekommunikation, Energie, Eisenbahn und Post kennzeichnet.11 Der Regulierungstyp II umfasst die fundamentalen Sektoren, die Querschnittsfunktionen erfüllen und als Geschäftsgrundlage für eine Volkswirtschaft ordnungsrelevante Breitenwirkung entfalten, wie bspw. Banken und Versicherungen.12 Sonstige staatliche Eingriffe in das Marktgeschehen zur Verwirklichung sozialer Ziele werden unter den Regulierungstyp III gefasst.13 Differenziert wird auch zwischen einem weiten und einem engen Regulierungsbegriff anhand der Instrumente der Regulierung. Während die Regulierung i. w. S. staatliche Gebote und Verbote, Subventionierungen, Besteuerung, Mitbestimmung und Verstaatlichung umfasst, fallen unter die Regulierung i. e. S. die Instrumente der Preisvorschriften, Kontrahierungszwang, Qualitätsvorschriften, Vorschriften über Leistungskonditionen und Marktzutrittsbeschränkungen.14 All diese Ansätze zur Einschränkung des weiten Regulierungsbegriff orientieren sich mithin an dem Bedürfnis der Regulierung.15
II. Bedürfnis der Regulierung Zur Begründung der Notwendigkeit staatlicher Regulierung haben sich insbesondere die normativen Regulierungstheorien16 herauskristallisiert, die sich auch in den einschlägigen Gesetzen niedergeschlagen haben.17 Sie begründen das Bedürfnis der Regulierung mit der Herstellung und Aufrechterhaltung wirksamen, funktionsfähigen und unverfälschten Wettbewerbs bei gleichzeitiger Gewährleistung flächendeckender, angemessener und ausreichender Versorgung der Bevölkerung mit dem entsprechendem Gut.18 Dies ist notwendig, um dem ökonomischen Gesichts11 Schmidt-Preuß, in: FS Schmidt, S. 548 f.; ders., in: FS Kühne, S. 330; so auch Ludwigs, in: Schmidt/Wollenschläger, Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 12 Rn. 1. 12 Schmidt-Preuß, in: FS Schmidt, S. 548 f. 13 Schmidt-Preuß, in: FS Schmidt, S. 548 f. 14 Löhr, Bundesbehörden, S. 143 f.; Hardach, Anreizregulierung, S. 31 15 Zum finalen Element der Regulierung Berringer, Regulierung als Erscheinungsform der Wirtschaftsaufsicht, S. 108 ff. 16 Daneben werden auch die sog. positiven Regulierungstheorien vertreten, die untersuchen, warum es tatsächlich zur Regulierung kommt und auf privaten Interessen fußen, vgl. Ruffert, in: Regulierungsrecht, § 7 Rn. 22; ein knapper Überblick bei Ruge, Gewährleistungsverantwortung, S. 44 ff. 17 Ruge, Gewährleistungsverantwortung, S. 35; Höppner, Die Regulierung der Netzstruktur, S. 30; vgl. §§ 1, 2 Abs. 2 TKG, §§ 1, 2 Abs. 2 PostG, § 1 Abs. 1, Abs. 2 EnWG, § 3 Nr. 2, Nr. 5 ERegG. 18 BT Drs. 15/2316, S. 55 f.; BT Drs. 15/3917, S. 47 f.
A. Begriff und Bedürfnis der Regulierung
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punkt des Marktversagens und dem nicht-ökonomischen Gesichtspunkt bestehender Zielkonflikte entgegenzuwirken.19 Marktversagen bedeutet, dass der sich selbst überlassene, also nicht regulierte Markt wegen seiner strukturellen Eigenart die Funktionen des Wettbewerbs nicht erfüllt.20 Es liegt eine Abweichung vom „perfekten Wettbewerb“ vor, der sich durch eine Marktstruktur mit einer Vielzahl von Anbietern und Nachfragern auszeichnen und eine Situation optimaler Wohlfahrt herbeiführen sollte. Das Marktversagen in den Netzindustrien beruht vor allem auf dem klassischen Fall der natürlichen Monopole marktbeherrschender Unternehmen21 und (negativen) externen Effekten.22 Ein natürliches Monopol liegt vor, wenn ein Unternehmen aufgrund seines Größenvorteils auf dem Markt günstiger produziert als alle anderen Unternehmen. Der Grund dafür sind die auf Dauer fallenden Durchschnittskosten, die durch hohe Fixkosten einerseits und niedrige Grenzkosten (variable Kosten) andererseits entstehen (sog. Subadditivität). Das bedeutet, dass mit zunehmender Produktion die Kosten pro Einheit kontinuierlich sinken und der „kleine“ Anbieter nicht genauso effizient produzieren kann. Eine natürliche Monopolstellung kann sich außerdem ergeben, wenn eine Infrastruktur (bspw. Stromleitungen, Kabel oder Bahngleise) benötigt wird.23 Der Aufbau eines eigenen, neuen Netzes trotz eines bereits bestehenden Netzes wäre mit enormen irreversiblen Investitionskosten verbunden, die eine hohe Markteintrittshürde darstellen.24 Zudem kann sich die Regulierungsbedürftigkeit aufgrund ehemaliger Staatsmonopole ergeben.25 19 S. aus der Rechtswissenschaft Basedow, in: FS Immenga, S. 5; Henseler-Unger, in: Lüdemann, Telekommunikation, Energie, Eisenbahn, S. 39; Höppner, Die Regulierung der Netzstruktur, S. 30. 20 Lescke, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 6 Rn. 24. 21 Leschke, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 6 Rn. 54 f.; Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 164 ff.; Basedow, in: FS Immenga, S. 9 f.; Eekhoff/Vossler, in: Baur/ Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 1 Rn. 24; Höppner, Die Regulierung der Netzstruktur, S. 31 f.; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 117 ff.; Hardach, Anreizregulierung, S. 32; Proelß, AöR 2011, 402 (406). 22 Marktversagen beruht zudem auf öffentlichen Gütern, die für private Anbieter wirtschaftlich nicht reizvoll sind und damit eine Preisbildung über den Markt unterbleibt, vgl. Basedow, in: FS Immenga, S. 10 f.; sowie auf ruinösem, d. h. zu viel Wettbewerb, der wie im Schienenpersonennahverkehr zu ständigen Preisunterbietungen führt und auf Informationsdefiziten, da schlecht(er) informierte Akteure benachteiligt werden, was zur Ineffizienz führt, vgl. Leschke, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 6 Rn. 60 ff.; Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 249; zu alldem Ruge, Gewährleistungsverantwortung, S. 36 ff.; Höppner, Die Regulierung der Netzstruktur, S. 35. 23 Es wäre ineffizient, wenn zwei Unternehmen in einer Stadt in jeder Straße ihr eigenes Netz ausbauen würden, vgl. Stiglitz/Walsh, Mikroökonomie, S. 309. 24 Eeckhoff/Jänsch, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 2 Rn. 9; zur Unterscheidung zwischen statischen und dynamischen Sektoren Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S. 21, wonach Weiterentwicklungen im Telekommunikationssektor den Aufbau eines neuen Netzes rechtfertigen und damit die Beständigkeit eines natürlichen Monopols untergraben können.
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Teil 1: Grundlagen der Regulierung
Daneben führen externe Effekte zu einer Abweichung vom „perfekten Wettbewerb“, bei dem ein Unternehmen für die von ihm verursachten Kosten aufkommen und für die erzeugten Vorteile ein entsprechendes Entgelt erhalten müsste.26 Hat der Marktteilnehmer diese Kosten nicht zu tragen (negative Externalität) oder erhält er keinen Ausgleich (positive Externalität), liegen externe Effekte vor.27 Als externe Effekte in den Netzindustrien sind beispielhaft die Umweltverschmutzung, Klimaschäden, Lärmbelästigung oder Staukosten sowie Störungen durch Funksignale zu nennen. Diese Kosten werden nicht unmittelbar in die Kostenkalkulation der Unternehmen einbezogen und wirken sich demnach nicht direkt auf den Preis aus. Zielkonflikte hingegen entstehen, wenn neben die Wettbewerbsförderung andere Gemeinwohlziele treten, die mit dieser zwar kollidieren, mit ihr aus Sozialstaatsgesichtspunkten aber in Einklang zu bringen sind. Außerwettbewerbliche Gemeinwohlbelange können sich aus ethischen, politischen oder sozialen Wertungen ergeben.28 Prägend für die Netzindustrien ist, dass es sich um Güter handelt, die eine überragende Bedeutung für die Bevölkerung haben und daher eine hinreichende Grundversorgung der gesamten Bevölkerung sichergestellt werden soll.29 Sie sind mithin Gegenstände der Daseinsvorsorge und unterfallen der Gewährleistungsverantwortung des Staates.30 Dies ergibt sich für das Telekommunikations- und Postwesen aus Art. 87f Abs. 1 GG und für den Eisenbahnsektor aus Art. 87e Abs. 4 GG. Eine vergleichbare verfassungsrechtliche Regelung für die Energieversorgung existiert zwar nicht, dennoch handelt es sich auch dabei um ein „Gemeinschaftsinteresse höchsten Ranges“.31 Die Gewährleistungsverantwortung des Staates für die Energieversorgung leitet sich aus den Grundrechten bzw. aus dem Sozialstaatsprinzip ab.32 Eine flächendeckende Versorgung der gesamten Bevölkerung ist aber für den privaten Anbieter nicht reizvoll, da darunter auch abgelegene, ländliche Bereiche oder einkommensschwache Schichten fallen, deren Versorgung wirtschaftlich nicht rentabel ist. Die Notwendigkeit der angemessenen, flächendeckenden Versorgung der gesamten Bevölkerung steht mithin in Konflikt mit dem 25
Oster, Normative Ermächtigungen, S. 221. Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 84; speziell zu externen Effekten im Energiesektor Eeckhoff/Vossler, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 1 Rn. 25. 27 Basedow, in: FS Immenga, S. 8 f.; Höppner, Die Regulierung der Netzstruktur, S. 32. 28 Lepsius, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 19 Rn. 44 ff. 29 Eekhoff/Vossler, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 1 Rn. 36 sprechen von „existenzieller Bedeutung“; ausführlich Höppner, Die Regulierung der Netzstruktur, S. 36 ff. 30 Zu den Typen gestufter Verantwortung (Erfüllungs-, Gewährleistungs- und Auffangverantwortung) bspw. Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 13 Rn. 8 ff.; Löhr, Bundesbehörden, S. 135 f. 31 BVerfG NJW 1971, 1255 (1258). 32 Britz, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 9 Rn. 1; Hermes, Infrastrukturverantwortung, S. 353 ff.; Ludwigs, in: Schmidt/Wollenschläger, Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 12 Rn. 3. 26
B. Die BNetzA als Regulierungsbehörde
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effizienten Wettbewerb. Dieser Konflikt ist durch Regulierung aufzulösen.33 Darin liegt zugleich die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Regulierung.34
III. Fazit Das Gesetz definiert den Begriff der Regulierung nicht, weshalb eine Eingrenzung anhand des Bedürfnisses der Regulierung erfolgen muss. Dabei haben sich die normativen Regulierungstheorien in den Regulierungsgesetzen niedergeschlagen. Ziele der Regulierung sind jeweils die „Förderung“ und/oder „Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs und die Gewährleistung einer flächendeckenden, angemessenen und ausreichenden Dienstleistung“.35 Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass Wettbewerb in den Netzindustrien aufgrund des Marktversagens ohne Regulierung nicht entstehen oder aufrechterhalten werden kann und sie gleichzeitig von existenzieller Bedeutung für die Bevölkerung sind.
B. Die BNetzA als Regulierungsbehörde Die BNetzA ist eine selbstständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit Sitz in Bonn, § 1 S. 2 BNAG (auch BEGTPG). Sie nimmt auf den Gebieten des Rechts der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas, des Telekommunikationsrechts und des Postrechts sowie des Rechts des Zuganges zur Eisenbahninfrastruktur die Verwaltungsaufgaben des Bundes wahr, vgl. § 2 BNAG.
I. Verfassungsrechtlicher Hintergrund Aufgrund der fest umschriebenen Aufgabenzuweisung der BNetzA in § 3 BNAG ist sie der Verwaltung als Teil der vollziehenden Gewalt zuzuordnen.36 Grundsätzlich obliegt den Ländern die Verwaltung durch Ausführung der Bundesgesetze in eigener Angelegenheit gem. Art. 83, 84 GG oder im Auftrage des Bundes gem. Art. 85 GG. Eine Ausnahme davon macht das Grundgesetz selbst für die bundeseigene Verwaltung nach Art. 86 ff. GG. Die Verwaltung obliegt demnach dem Bund, soweit 33
Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 421. Für den Postsektor Sedemund, in: Beck’scher Kommentar, PostG, § 19 Rn. 3. 35 §§ 1, 2 Abs. 2 TKG; §§ 1, 2 Abs. 2 PostG; § 1 Abs. 1, Abs. 2 EnWG; § 3 Nr. 2, Nr. 5 ERegG; vgl. auch Neumann/Sickmann/Alkas/Koch, Reformbedarf, S. 7 ff. 36 Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83 Rn. 42 f.; zur Schwierigkeit der Aufgabenzuweisungen innerhalb der vollziehenden Gewalt und der Abgrenzbarkeit ausführlich Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 536. 34
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Teil 1: Grundlagen der Regulierung
dies gesetzlich bestimmt ist oder es sich um Angelegenheiten handelt, für die der Bund die Gesetzgebungskompetenz innehat und von Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG Gebrauch gemacht wurde.37 Art. 87f Abs. 2 S. 2 GG bestimmt, dass „Hoheitsaufgaben im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation […] in bundeseigener Verwaltung ausgeführt“ werden. Die Regulierung nach dem TKG ist damit Gegenstand der unmittelbaren Bundesverwaltung, wobei ein funktionaler Bezug zum staatlichen Gewährleistungsauftrag aus Art. 87f Abs. 1 GG besteht.38 Im Energiesektor gibt es keine Regelung, die eine bundeseigene Verwaltung vorschreibt. Demnach würde grundsätzlich der Vollzug des EnWG den Landesregulierungsbehörden obliegen. Allerdings fällt die Energiewirtschaft in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11, 72 Abs. 2 GG, da die Bedeutung der Schlüsselbranchen der Strom- und Gaswirtschaft für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.39 Die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1, 72 Abs. 2 GG ist ausreichend für die Errichtung selbstständiger Bundesoberbehörden nach Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG.40 Entsprechend wurden die Aufgaben der Regulierungsbehörde aus dem EnWG teilweise der BNetzA in § 54 Abs. 1 EnWG übertragen; dies gilt insbesondere für den Vollzug des europäischen Rechts gem. § 56 EnWG. Gründe für die Entscheidung der bundeseigenen Verwaltung waren die Vorgaben des Europarechts, wonach die Unabhängigkeit der NRB sicherzustellen war.41 Auf die Intervention des 37
Die bundeseigene Verwaltung für Eisenbahnen des Bundes ergibt sich aus Art. 87e Abs. 1 S. 1 GG. Eine fakultative Erweiterung auf sonstige Eisenbahnen, die nicht im Eigentum des Bundes stehen, bietet Art. 87e Abs. 2 GG. Notwendig ist für letzteres die Übertragung der Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung auf den Bund durch Zustimmungsgesetz nach §§ 1, 4 BEVVG, vgl. Art. 87e Abs. 5 S. 1 GG. Ursprünglich war das EBA für die gesamte Eisenbahnverkehrsverwaltung zuständig (vgl. zur Errichtung BT-Drs. 12/4609 (neu), S. 57, 90 f.). Mit dem Dritten Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 30.04.2005 wurden vereinzelte Aufgaben ab dem 01.01.2006 der BNetzA übertragen (BT-Drs. 15/3280, S. 20). 38 Kühling/Schall/Biendl, Telekommunikationsrecht, Teil 1 Rn. 64; Gärditz, in: Schmidt/ Wollenschläger, Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 22. 39 BT-Drs. 15/3917, S. 46 f.; Theobald/Werk, in: Theobald/Kühling, Energierecht, EnWG, § 54 Rn. 6. 40 Suerbaum, in: BeckOK GG, Art. 87 Rn. 30 m. RsprNw. 41 Vgl. BT-Drs. 15/3917, S. 68 f.; Das EnWG 2004 diente der Umsetzung der Elektr-RL 2003/54/EG (Richtlinie 2003/54/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizita¨ tsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG) und der Gas-RL 2003/55/EG (Richtlinie 2003/55/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG). Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden war damals in Art. 23 Elektr-RL a. F. 2003 und Art. 25 Gas-RL a. F. 2003 normiert. Mittlerweile wurden diese Richtlinien durch die Elektr-RL 2009/72/EG (Richtlinie 2009/72/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG) und Gas-RL 2009/73/EG (Richtlinie 2009/73/EG des europäischen Parlaments und des Rates
B. Die BNetzA als Regulierungsbehörde
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Bundesrates hin wurden die Länder in die Regulierungstätigkeit einbezogen, sodass die Regulierungsaufgaben zwischen Bundes- und Landesbehörden verteilt wurden. Der BNetzA kommt im Rahmen der bundeseigenen Verwaltung damit eine Auffangzuständigkeit zu.42 Im Übrigen bleibt es beim Grundsatz der Länderverwaltung.43
II. Innere Organisation Die BNetzA wird gem. § 3 Abs. 1 S. 2 BNAG durch ihren Präsidenten vertreten, welcher von der Bundesregierung benannt wird. Sie hat einen Beirat, der grundsätzlich aus 16 Mitgliedern des Deutschen Bundestages und 16 Vertretern des Bundesrates besteht, vgl. § 5 BNAG.44 Die Aufgaben des Beirats werden durch die jeweiligen Fachgesetze zugewiesen, vgl. § 7 BNAG.45 Hauptsächlich kann er Maßnahmen zur Umsetzung von Regulierungszielen beantragen, wird beratend tätig und ist auskunftsberechtigt. Dadurch unterliegt die BNetzA einer gewissen politischen Einflussnahme. Zuständig für die Regulierungsentscheidungen sind nach § 132 TKG und § 59 Abs. 1 EnWG die verschiedenen Beschlusskammern. Hierzu gehören die Präsidentenkammer, die insbesondere das Verfahren der Marktdefinition und -analyse nach §§ 10, 11 TKG durchführt46 sowie zehn weitere Beschlusskammern, die jeweils mit einem Vorsitzenden und zwei Beisitzern besetzt sind. Die Fachgesetze stellen dabei sicher, dass an den Entscheidungen Personen mitwirken, die über die notwendige Fachkompetenz verfügen.47 Da die BNetzA eine Oberbehörde im Geschäftsbereich des BMWi ist, führt das BMWi die Rechts-, Fach- und Dienstaufsicht, vgl. § 1 S. 2 BNAG.48 Im Eisenbahnsektor bestimmt § 4 Abs. 1 S. 2 BEVVG hingegen abweichend, dass die Fachaufsicht insoweit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG) aufgehoben; die Unabhängigkeit der NRB richtet sich fortan nach Art. 35 Abs. 4 Elektr-RL 2009 und Art. 39 Abs. 4 Gas-RL. 42 Hermes, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 54 Rn. 1; Theobald/Werk, in: Theobald/Kühling, Energierecht, EnWG, § 54 Rn. 1 ff. 43 Aus diesem Grund existieren nur für den Energiesektor zusätzlich neben der BNetzA noch die Landesregulierungsbehörden. Zur Sicherstellung eines bundeseinheitlichen Vollzugs wird im Energiesektor ein Länderausschuss bei der BNetzA gebildet, der sich aus Vertretern der Landesregulierungsbehörden zusammensetzt, §§ 8 ff. BNAG, 60a EnWG. 44 Im Eisenbahnsektor besteht der sog. Eisenbahninfrastrukturbeirat nur aus jeweils neun Mitgliedern. 45 § 120 TKG, § 60 EnWG, § 79 ERegG, § 46 Abs. 2 PostG. 46 Dazu ausführlich in Teil 3 A. 47 Attendorn/Geppert, in: BeckOK TKG, § 132 Rn. 10. 48 Kühling/Schall/Biendl, Telekommunikationsrecht, Teil 8 Rn. 686.
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Teil 1: Grundlagen der Regulierung
(BMVI) zusteht. Dies ist die Konsequenz einer multisektoralen Regulierungsbehörde.49 Weil europäischen Vorgaben zufolge die Mitgliedstaaten die Unabhängigkeit der NRB gewährleisten müssen,50 herrscht Unklarheit darüber, ob bzw. inwieweit der BNetzA Weisungen erteilt werden können.51 Auf diese Problematik wird zurückzukommen sein.52
C. Europarechtliche Vorgaben An den zahlreichen Richtlinien und Verordnungen kann man erkennen, dass das Europarecht maßgeblichen Einfluss auf das nationale Regulierungsrecht hat. Ausgangspunkt für die Einflussnahme der EU auf nationales Recht ist Art. 23 GG. Danach hat die Bundesrepublik Deutschland als Staatszielbestimmung bei der Entwicklung der EU mitzuwirken.53 Gem. Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG können dazu Hoheitsrechte übertragen werden. Die Bundesrepublik Deutschland kann Teilsouveränität abgeben, indem sie der EU als supranationaler Organisation Befugnisse zum Erlass von Rechtssätzen und Einzelfallregelungen sowie zur Verwaltung und zur Rechtsprechung überträgt.54
I. Richtlinienkonforme Auslegung und Anwendungsvorrang Dies hat zur Folge, dass europäische Rechtssätze auf die nationale Rechtsordnung einwirken und Berücksichtigung finden müssen. Insbesondere ergibt sich eine Pflicht der Mitgliedsstaaten zur Umsetzung erlassener Richtlinien nach Art. 288 Abs. 3 AEUV. Um dieser Pflicht gerecht zu werden, sind nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) die nationalen Gerichte verpflichtet, die Auslegung und Anwendung nationalen Rechts am Wortlaut und Zweck einschlägiger Richtlinien auszurichten.55 Der Grundsatz der richtlinienkonformen 49
Zur Zulässigkeit einer multisektoralen Regulierungsbehörde vgl. EuGH, Urt. v. 09.10.2016, C-424/15 (Xabier Ormaetxea Garai) = NVwZ 2017, 43 (44) Rn. 31, 32, 36; unionsrechtlich normiert zudem in Art. 55 Abs. 2 Recast-RL 2012/34/EU. 50 Erwägungsgrund 11 und Art. 3 Abs. 2 Rahmen-RL 2002/21/EG; Art. 8 TK-Kodex; Art. 35 Abs. 4 Elektr-RL 2009/72/EG; Art. 39 Abs. 4 Gas-RL 2009/73/EG; Art. 55 Abs. 1 Recast-RL 2012/34/EU. 51 Eine Übersicht zum Streitstand bei Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 66 ff.; vor den neusten Novellierungen im Richtlinienrecht Haupt, Verfahren vor den Beschlusskammern, S. 67 ff.; Masing, Gutachten D 2006, D 73 ff. 52 S. Teil 2. D. III. 1. 53 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23 Rn. 5. 54 BVerfG NJW 2009, 2267 (2269) Rn. 226 ff.; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23 Rn. 65. 55 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.07.1994, Rs. C-91/92 (Italien) = NJW 1994, 2473 (2474) Rn. 26; EuGH, Urt. v. 26.09.1996, Rs. C-168/95 (Italien) = LMRR 1996, 59 Rn. 41; EuGH, Urt. v.
C. Europarechtliche Vorgaben
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Auslegung verlangt über eine Gesetzesauslegung im engeren Sinne entsprechend dem Verständnis in der nationalen Methodenlehre hinaus auch, das nationale Recht richtlinienkonform fortzubilden.56 Diese Pflicht wird dadurch begrenzt, dass sie nicht dazu führen darf, dass der Sinn der nationalen Norm grundlegend verändert wird oder gar ins Gegensätzliche verkehrt würde.57 Ist die nationale Norm nicht europarechtskonform auslegungsfähig und kollidiert sie mit Europarecht, greift der Anwendungsvorrang des Europarechts.58 Für Richtlinien gilt dies nur soweit sie unmittelbar anwendbar sind. Dafür darf die Richtlinie nach Fristablauf nicht oder nur unzureichend umgesetzt worden sein und sie muss inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmt sein.59 Je bestimmter und genauer der Wortlaut einer Richtlinie ist, desto geringer ist der Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit der unmittelbaren Anwendbarkeit.60 Den Anwendungsvorrang des Unionsrechts bestätigte der EuGH bereits im Jahre 1964.61 Während der EuGH von einem absoluten Anwendungsvorrang europäischer Regelungen ausgeht, stimmt dem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nur insoweit zu, als dadurch nicht die Identität der nationalen Verfassung untergraben wird („Identitätskontrolle“) und sich die Organe der EU innerhalb ihrer rechtlichen Grenzen bewegen („ultra-vires-Kontrolle“).62 Zur Begründung führt das BVerfG Art. 23 Abs. 1 GG an, welcher die Voraussetzung für die Übertragung der Hoheitsrechte auf die EU darstellt. Es gilt das in Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 EUV niedergeschriebene Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, sodass die EU nur im 05.10.2004, Rs. C-397/01 bis C-403/01 (Pfeiffer u. a.) = NZA 2004, 1145 (1151) Rn. 113 m. w. N. 56 BVerwG NVwZ 2014, 1586 (1594) Rn. 54 m. w. N. 57 Dörr/Lenz, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 482 m. w. N.; Hatje, Wirtschaftsverwaltung, S. 77. 58 Schroeder, Grundkurs Europarecht, § 5 Rn. 16. 59 EuGH, Urt. v. 24.09.1998, Rs. C-76/97 (Walter Tögel) = NVwZ 1999, 169 (172) Rn. 42; EuGH, Urt. v. 20.06.2002, Rs. C-388/00 (Italien) = DVBl 2002, 1336 (1338) Rn. 49; EuGH, Urt. v. 05.10.2004, Rs. C-397/01 bis C-403/01 (Pfeiffer u. a.) = NZA 2004, 1145 (1151) Rn. 103; BVerwG NVwZ 1996, 788 (789). 60 Dass sich aus der Richtlinie auch Rechte Einzelner ergeben müssen, ist keine Voraussetzung. Der EuGH hat bestätigt, dass aus Art. 4 Abs. 3 EUV auch die objektive unmittelbare Wirkung hergeleitet werden kann, vgl. EuGH, Urt. v. 11.08.1995, Rs. C-431/92 (Kommission/ Deutschland) = NVwZ 1996, 369 (370) Rn. 24 ff. 61 EuGH, Urt. v. 15.07.1964, Rs. 6/64 (Italien) = LMRR 1964, 18; Wegener, in: Calliess/ Ruffert, EUV, Art. 19 Rn. 28 ff.; Hakenberg, Europarecht, Rn. 227; Herdegen, Europarecht, § 10 Rn. 1. 62 BVerfG LMRR 1974, 3 („Solange I“); BVerfG NJW 1987, 577 („Solange II“); BVerfG EuR 2011, 226 (229 f.) Rn. 55 ff.; BVerfG DÖV 2016, 435 (436) Rn. 41 ff.; BVerfG NJW 2018, 3374 (3375) Rn. 30; entsprechend gab es in der Vergangenheit eine Reihe von Entscheidungen des BVerfG zu der Frage des Verhältnisses des Unionsrechts zum nationalen Recht, zuletzt der OMT-Vorlagebeschluss an den EuGH vom 14.01.2014 mit nachfolgendem Urteil vom 21.06.2016 (BVerfG DÖV 2016, 694) und die Bejahung eines ultra-vires-Aktes der Beschlüsse der EZB zum Staatsanleihekaufprogramm durch das BVerfG am 05.05.2020 (BVerfG NJW 2020, 1647); ein knapper Überblick bei Hakenberg, Europarecht, Rn. 235.
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Rahmen der ihr übertragenen Kompetenzen tätig werden kann („Grenze des Übertragenen“63). Handelt sie außerhalb dieser Kompetenzen, kann dieser Rechtsakt keine verbindliche und ranghöhere Wirkung in der nationalen Rechtsordnung entfalten. Zudem findet gem. Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG die Übertragung der Hoheitsrechte in der „Ewigkeitsklausel“ des Art. 79 Abs. 3 GG ihre Grenzen („Grenze des Übertragbaren“64). Akte der EU, die den nicht übertragbaren Bereich der Verfassungsidentität betreffen, können danach ebenfalls keine Anwendung beanspruchen. Dies hat zur Folge, dass nach Ansicht des BVerfG jenes „[…] berechtigt und verpflichtet [ist] Handlungen der europäischen Organe und Einrichtungen darauf zu überprüfen, ob sie aufgrund ersichtlicher Kompetenzüberschreitungen oder aufgrund von Kompetenzausübungen im nicht übertragbaren Bereich der Verfassungsidentität […] erfolgen […] und gegebenenfalls die Unanwendbarkeit kompetenzüberschreitender Handlungen für die deutsche Rechtsordnung festzustellen.“65
Dies bedeutet, dass die Zulässigkeit europarechtlich begründeter Letztentscheidungsspielräume der BNetzA zuletzt am Maßstab des Art. 23 Abs. 1 GG überprüft werden muss.
II. Unionsrechtliche Vorgaben zur Regulierung Wie dargestellt folgt das Bedürfnis der Regulierung u. a. aus dem verfassungsrechtlich verankerten Gewährleistungsauftrag des Staates. Daneben spielen aber auch europarechtliche Vorgaben eine zentrale Rolle. Zu den primären Zielen der Union zählt gem. Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 EUV die Errichtung und der Erhalt eines Binnenmarktes66, wobei insbesondere auf Preisstabilität und „eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft“ hingewirkt wird. Die Mitgliedsstaaten koordinieren ihre Wirtschaftspolitik im Rahmen von Regelungen nach Maßgabe des AEUV, für deren Festlegung die Union zuständig ist, Art. 2 Abs. 3 AEUV i. V. m. Art. 5, 119 ff. AEUV (sog. koordinierende Zuständigkeit).67 Es handelt sich dabei um die normative Grundlage für die Infrastrukturverantwortung auf europäischer Ebene.68 Die Bereiche Binnenmarkt, Verkehr und Energie fallen nach Art. 4 Abs. 2 a), g) und i) AEUV in die geteilte Zuständigkeit der Union. Nach dem Sub63
Dörr/Lenz, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 493. Dörr/Lenz, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 490. 65 BVerfG EuR 2011, 226 (229) Rn. 55. 66 Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist, Art. 26 Abs. 2 AEUV. 67 Wollenschläger, in: Schmidt/Wollenschläger, Kompendium Öffentliches Recht, § 1 Rn. 117. 68 Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 352; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 126; die Öffnung der Märkte geht letztlich darauf zurück, vgl. Säcker, in: FS Roth, S. 682. 64
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sidiaritätsprinzip gem. Art. 5 Abs. 3 EUV ist die Zuständigkeit der EU in allen Netzsektoren gegeben.69 Im Rahmen der Zielvorgabe „Errichtung und der Erhalt eines Binnenmarktes“ erfolgte in den 1990ern die Marktöffnung der Netzindustrien durch Liberalisierung und Privatisierung. Die Marktöffnung sollte jedem Wettbewerber die Möglichkeit gewähren, in den entsprechenden Markt einzutreten, um so wirksamen Wettbewerb zu schaffen. Weil das Primärrecht mit seinen Zielvorgaben nicht zur Abschaffung der Handelshemmnisse ausreicht, wurden seit der Marktöffnung damals bis zur Regulierungstätigkeit heute auf sekundärrechtliche Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele zurückgegriffen. Aktuell wird der Netzzugang im Telekommunikationsrecht durch den eigentlich bis Dezember 2020 umzusetzenden TK-Kodex 2018/1972 (1.) und im Energierecht durch die ebenfalls bis Dezember 2020 umzusetzende ElektrRL 2019/944 (derzeit noch RL 2009/72/EG) und die Gas-RL 2009/73/EG (2.) geprägt.70 1. Europäisches Telekommunikationsrecht Vor der Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte versorgte der hoheitliche Monopolist „Deutsche Bundespost – Telekom“ die Bevölkerung mit Telekommunikationsdienstleistungen. Mit Inkrafttreten des PNeuOG zum 01.01.1995 löste die Deutsche Telekom Aktiengesellschaft (DTAG) als privatrechtliche Aktiengesellschaft die Deutsche Bundespost ab.71 Mit Schaffung des TKG 199672 wurde die bereits auf europäisches Recht zurückzuführende Öffnung der Märkte vollzogen. Seitdem erfolgt eine umfassende Regulierung des marktbeherrschenden Unternehmens DTAG durch Zugangs- und Entgeltregulierung.73 Mit der ersten TKG-Novelle 200474 wurde das Richtlinienpaket 2002 in nationales Recht umgesetzt. Damit sollte Wettbewerb im Bereich der Telekommunikation geschaffen, langfristig beibehalten werden und „Spielräume, die das neue europäische Recht den Regulierungsbeho¨ rden hinsichtlich der Anwendung der Regulierungsinstrumente einräumt“75 präzisiert
69 Vgl. Erwägungsgrund 323 des TK-Kodex, Erwägungsgrund 96 der Elektr-RL, Erwägungsgrund 60 der Gas-RL, Erwägungsgrund 83 der Recast-RL und Erwägungsgrund 56 der Richtlinie 2008/6/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 20.02.2008 zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG (Postdiensterichtlinie) im Hinblick auf die Vollendung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft. 70 Im Eisenbahnsektor wurde bereits 2016 die „neue“ Recast-RL 2012/34/EU umgesetzt. Im Postsektor haben sich seit der Postdienste-RL 97/67/EG keine wesentlichen Änderungen ergeben. 71 BGBl. I, 1994, 2325. 72 BGBl. I, 1996, 1120. 73 Kühling, in: FS Schmidt-Preuß, S. 674. 74 BGBl. I, 2004, 1190. 75 BT Drs. 15/2316, S. 1.
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werden. Die zweite wichtige TKG-Novelle im Jahr 2012 reagierte auf umfassende Änderungen der europäischen telekommunikationsrechtlichen Regelungen.76 a) Entwicklungsübersicht Während das Sekundärrecht zum Aufbrechen der Monopole und zur Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte77 noch auf Art. 106 Abs. 3 AEUV gestützt wurde, dient mittlerweile die Binnenmarktkompetenz nach Art. 114 AEUV als Rechtsgrundlage für europäische Regelungen zur Herstellung und Sicherung funktionierenden Wettbewerbs.78 Entsprechend wurde im Jahr 2002 die RahmenRL79 erlassen. Sie sollte angesichts der Verschmelzung von Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie einen einheitlichen Rechtsrahmen für alle Übertragungsnetze und -dienste schaffen und wurde flankiert von der Genehmigungs-RL,80 der Zugangs-RL,81 der Universaldienst-RL82 und der Datenschutz-RL83. Mit dem Richtlinienpaket 2009 wurden umfassende Änderungen u. a. an der Rahmen-RL und der Zugangs-RL vorgenommen.84 Insbesondere wurde dadurch das 76
BT-Drs. 17/5707, S. 1. Insbesondere die Richtlinie 90/388/EWG der Kommission vom 28.06.1990 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste, abgelöst durch die Richtlinie 2002/77/EG der Kommission vom 16.09.2002 über den Wettbewerb auf den Märkten für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste. 78 Jung, in: Calliess/Ruffert, AEUV, Art. 106 Rn. 65; Gärditz, in: Scheurle/Mayen, TKG, Einf. II Rn. 1 f.; Wollenschläger, in: Schmidt/Wollenschläger, Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 1 Rn. 114; Ruffert, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 3 Rn. 41; Kühling, in: Terhechte, Verwaltungsrecht der EU, § 24 Rn. 7 ff.; Berger/Konrads, in: Gramlich/ Manger-Nestler, Regulierungsstrukturen, S. 186 f.; zur zentralen Bedeutung der Harmonisierungskompetenz im Telekommunikationsrecht Wendel, Verwaltungsermessen, S. 90. 79 Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07.03.2002 über einen gemeinsamen Rechtsahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste. 80 Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07.03.2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste. 81 Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07.03.2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung. 82 Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07.03.2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten. 83 Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation. 84 Durch Richtlinie 2009/140/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2009 zur Änderung der Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, der Richtlinie 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung und der Richtlinie 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste (Änderungs-RL Telekommunikation). 77
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Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) geschaffen und in die Regulierungsentscheidungen mit eingebunden.85 Eingefügt wurde auch das Abstimmungsverfahren nach Art. 7a Rahmen-RL zur einheitlichen Anwendung von Regulierungsmaßnahmen, in dem der Kommission ein unechtes Vetorecht eingeräumt wurde. Im Dezember 2018 wurden die RahmenRL, Zugangs-RL, Genehmigungs-RL und Universaldienst-RL in einem einheitlichen TK-Kodex86 zusammengefasst.87 Der TK-Kodex sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die inhaltlichen Änderungen bis zum 21.12.2020 umzusetzen haben und dass zu diesem Zeitpunkt die Rahmen-RL und die Zugangs-RL aufgehoben werden. Das BMWi hat im November 2020 im Rahmen einer Konsultation von Ländern und Wirtschaftsverbänden den ersten Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Telekommunikationsrechts vorgelegt (TKMoG), es aber ausdrücklich als „Diskussionsentwurf“ bezeichnet.88 Daher wird ein Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens teilweise erst Ende 2022 erwartet89 und belastbare Aussagen zum finalen Inhalt des TKMoG lassen sich noch nicht treffen. In dieser Arbeit wird daher zwar der neue TKKodex, nicht jedoch der Referentenentwurf zum TKMoG, sondern das aktuell geltende TKG zugrunde gelegt. Daneben werden weiterhin die Rahmen-RL und Zugangs-RL herangezogen, um auf Unterschiede hinzuweisen. b) Der aktuelle Rechtsrahmen: TK-Kodex Der TK-Kodex regelt wie bereits die Rahmen-RL besonders detailliert das Marktdefinitions- und analyseverfahren. Bei einer Marktdefinition wird der sachlich und räumlich relevante Produkt- und Dienstleistungsmarkt abgegrenzt, um die Wettbewerbskräfte ermitteln zu können.90 Sie stellt die Vorstufe zur Marktanalyse dar, bei der auf dem abgegrenzten Markt untersucht wird, ob wirksamer Wettbewerb besteht. Im Marktdefinitionsverfahren nach Art. 64 TK-Kodex (zuvor: Art. 15 RahmenRL) erlässt die Kommission Empfehlungen betreffend relevante Produkt- und Dienstmärkte, wenn sie feststellt dass die Kriterien des Art. 67 Abs. 1 a) bis c) TK85 Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2018/1971 des europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2018 zur Einrichtung des Gremiums europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) und der Agentur zur Unterstützung des GEREK (GEREK-Büro), zur Änderung der Verordnung (EU) 2015/2120 und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1211/2009 (GEREK-VO). 86 Richtlinie (EU) 2018/1972 des europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation. 87 Vgl. Erwägungsgrund 1 des TK-Kodex; zu den wesentlichen Änderungen Neumann, N&R 2018, 204. 88 https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Service/Gesetzesvorhaben/telekommunikati onsmodernisierungsgesetz.html, Stand 28.11.2020. 89 Vgl. https://www.twobirds.com/de/news/articles/2020/germany/diskussionsentwurf-fuerdas-neue-tkg, Stand 28.11.2020. 90 Kirchner/Mayen/Käseberg, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 10 Rn. 13.
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Kodex erfüllt sind.91 Diese Empfehlungen müssen nicht mehr nach einem besonderen Beratungsverfahren (Art. 4 und 10 Komitologie-VO)92 abgegeben werden (anders noch Art. 15 Abs. 1, 22 Abs. 2 Rahmen-RL). Außerdem veröffentlicht sie gem. Art. 64 Abs. 2 TK-Kodex Leitlinien zur Marktanalyse und zur Bewertung beträchtlicher Marktmacht, sog. SMP-Leitlinien, die eine Orientierungshilfe für die NRB bei der Marktdefinition enthalten müssen93 und denen die NRB gem. Art. 64 Abs. 3 TK-Kodex weitest möglich Rechnung tragen müssen.94 An die Marktdefinition anschließend sieht Art. 67 TK-Kodex (zuvor: Art. 16 Rahmen-RL) das Marktanalyseverfahren vor. Die Formulierung aus Art. 16 Abs. 1 Rahmen-RL, wonach die NRB auch den in der Empfehlung festgelegten Märkten Rechnung zu tragen hat, wurde in Art. 67 TK-Kodex nicht übernommen. Vielmehr prüft die NRB selbst, ob die in Art. 67 Abs. 1 a) bis c) TK-Kodex niedergeschriebenen Kriterien zutreffen und berücksichtigt dabei auch die in Art. 67 Abs. 2 TK-Kodex aufgeführten Elemente. Art. 65 TK-Kodex regelt den speziellen Fall der Marktdefinition und -analyse von länderübergreifenden Märkten (zuvor: Art. 15 Abs. 4 und Art. 16 Abs. 5 Rahmen-RL).95 Nach positivem Abschluss der Marktdefinition und -analyse darf der Markt durch die NRB reguliert werden. Hierfür sieht der aktuelle TK-Kodex wie schon die Richtlinien zuvor in Art. 68 ff. TK-Kodex (zuvor: Art. 8 ff. Zugangs-RL) konkrete Befugnisse der NRB vor. Dazu gehören insbesondere die Verpflichtungen in Bezug auf den Zugang zu bestimmten Netzkomponenten und zugehörigen Einrichtungen und deren Nutzung nach Art. 73 TK-Kodex (zuvor: Art. 12 Zugangs-RL) und die Verpflichtung zur Preiskontrolle nach Art. 74 TK-Kodex (zuvor: Art. 13 ZugangsRL). Neu eingefügt wurde bspw. der Zugang zu baulichen Anlagen nach Art. 72 TKKodex. Voraussetzung ist jeweils, dass das Unternehmen, dem die Verpflichtung auferlegt werden soll, als ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht gem. Art. 63 Abs. 2 TK-Kodex eingestuft wurde. 91 Aktuelle Fassung aufgrund Art. 15 Abs. 1 Rahmen-RL: Empfehlung der Kommission vom 09.10.2014 über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste für eine Vorabregulierung in Betracht kommen (2014/710/EU). 92 Die Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des europäischen Parlaments und des Rates vom 16.02.2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren ersetzte den Beschluss des Rates 1999/468/EG vom 28.06.1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse, auf den die Rahmen-RL noch verweist. Nach Art. 13 Abs. 1 a) und e) Komitologie-VO treten die Art. 4, 10 und 11 Komitologie-VO an die Stelle der Art. 3 und 7 des Beschlusses 1999/468/EG. 93 Aktuelle Fassung aufgrund Art. 15 Abs. 2 Rahmen-RL: Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht nach dem EU-Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (2018/C 159/01). 94 Dazu näher in Teil 3 A. 95 Dazu näher in Teil 3 A.
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Neu eingefügt wurde zudem die Ermächtigung, Verpflichtungen bzgl. des Zugangs zu Verkabelungen und zugehörigen Einrichtungen in Gebäuden oder bis zum ersten Konzentrations- oder Verteilerpunkt bzw. darüber hinaus aufzuerlegen, vgl. Art. 61 Abs. 3 UAbs. 1 und UAbs. 2 TK-Kodex. Die Norm setzt dabei keine beträchtliche Marktmacht des betroffenen Unternehmens voraus. Allerdings veröffentlicht das GEREK zur Förderung einer einheitlichen Anwendung bis zum 21.12.2020 Leitlinien, die von der NRB weitest möglich zu berücksichtigen sind.96 Für den Telekommunikationssektor prägend sind die Vorgaben zur Zusammenarbeit der Behörden untereinander sowie mit der Kommission und dem GEREK. Gem. Art. 10 TK-Kodex (zuvor Art. 3 Abs. 3b und Abs. 3c Rahmen-RL) haben die Mitgliedstaaten die Pflicht, sicherzustellen, dass die NRB die Ziele des GEREK in Bezug auf bessere regulatorische Koordinierung und mehr Kohärenz aktiv unterstützen und insbesondere dessen Leitlinien, Stellungnahmen und Empfehlungen weitest möglich Rechnung tragen. Maßgeblich zur kohärenten Anwendung des Unionsrechts tragen das nationale Konsultationsverfahren nach Art. 23 TK-Kodex (zuvor: Art. 6 Rahmen-RL) und das unionsweite Konsolidierungsverfahren nach Art. 32 TK-Kodex (zuvor: Art. 7 Rahmen-RL) bei. Die Zusammenarbeit im Konsolidierungsverfahren besteht darin, dass die NRB die in Art. 32 Abs. 3 a) TK-Kodex genannten Maßnahmenentwürfe der Kommission, dem GEREK und den anderen Mitgliedstaaten zur Stellungnahme zur Verfügung stellen müssen (allgemeine Konsolidierungspflicht).97 Eine endgültige Entscheidung der NRB über den Maßnahmenentwurf kann nach Art. 32 Abs. 8 TK-Kodex nur ergehen, wenn den Stellungnahmen weitest möglich Rechnung getragen wurde. Besonderer Bedeutung kommt dem „echten“ Vetorecht der Kommission nach Art. 32 Abs. 4 bis Abs. 7 und 33 Abs. 5 c) TK-Kodex im Rahmen der Marktdefinition und -analyse zu.98 Die Kommission hat ihrerseits die Stellungnahme des GEREK weitest möglich zu berücksichtigen.99 Neben dem echten Vetorecht regelt Art. 33 TK-Kodex (zuvor: Art. 7a RahmenRL) die Möglichkeit der Kommission ihre Zweifel an der Vereinbarkeit von Maßnahmen der NRB mit dem Unionsrecht zu äußern. Darunter fallen Verpflichtungen nach Art. 61, 67 i. V. m. 69 bis 76 TK-Kodex. Unter Einhaltung der in Art. 33 Abs. 2 bis Abs. 4 TK-Kodex vorgesehenen Verfahrensschritte kann die Kommission nach Art. 33 Abs. 5 a) TK-Kodex eine Empfehlung abgeben, in der die NRB aufgefordert wird, den Maßnahmenentwurf zu ändern oder zurückzuziehen. Dies führt ausweislich des Art. 33 Abs. 7 TK-Kodex nicht zu einer Verpflichtung der NRB („unechtes Vetorecht“).100 96
Dazu näher in Teil 3 B. II. 1. d). Vgl. zum Konsolidierungsverfahren in der Sache DE/2018/2070 Kommission, Stellungnahme v. 27.04.2018, C (2018) 2734 final. 98 Von einem „negativen Weisungsrecht“ sprechen Ladeur/Möllers, DVBl 2005, 525 (528). 99 Zur Bedeutung des echten Vetorechts näher in Teil 3 A. II. 1. b) bb). 100 Zur Bedeutung des unechten Vetorechts näher in Teil 3 B. II. 1. b) bb). 97
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Zentrale Rechtsschutznorm ist Art. 31 TK-Kodex (zuvor: Art. 4 Rahmen-RL).101 Danach stellen die Mitgliedstaaten wirksame Verfahren für einen Rechtsbehelf sicher. Zudem muss die überprüfende Stelle über angemessenen Sachverstand verfügen, sie darf (abweichend zu Art. 4 Abs. 1 Rahmen-RL) keinem äußeren Einfluss oder politischen Druck ausgesetzt sein und muss den Umständen des Einzelfalls angemessen Rechnung tragen. Um die politische Unabhängigkeit der NRB zu gewährleisten, bestimmt Art. 8 Abs. 1 S. 3 TK-Kodex, dass ausschließlich Beschwerdestellen nach Art. 31 TK-Kodex befugt sind, Entscheidungen der NRB auszusetzen oder aufzuheben. Konkrete Vorgaben zur Ausgestaltung von Gerichtsverfahren, insbesondere der Prüfungsdichte, enthält auch der neue TK-Kodex nicht.102 2. Europäisches Energierecht Die Regulierung im Energiesektor ist notwendig, da sich in den verschiedenen Gebieten natürliche Monopole entwickelt haben.103 Bereits die vollständige Öffnung des Energiemarktes durch das EnWG 1998104 zur Schaffung von Wettbewerb ging auf europäisches Recht zurück.105 Die EnWG-Novelle 2005106 diente der Umsetzung des zweiten Energiepakets, mit dem eine staatliche Regulierung der Energiemärkte vorgeschrieben wurde, insbesondere um den diskriminierungsfreien Netzzugang für alle Marktteilnehmer sicherzustellen und um zugleich ein hohes Maß an Versorgungssicherheit zu gewährleisten.107 Dieses wurde vom dritten Energiepaket abgelöst, welches mit dem aktuell geltenden EnWG umgesetzt wurde. Das EnWG wird in Bezug auf den Netzzugang und die Entgeltregulierung konkretisiert von der Anreizregulierungsverordnung (ARegV), der Gasnetzentgeltverordnung (GasNEV), der Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV), der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) und der Stromnetzzugangsverordnung (StromNZV). a) Entwicklungsübersicht Seit den 1990er Jahren sind drei wesentliche Energiepakete verabschiedet worden, die allesamt auf die Harmonisierungskompetenz der EU aus Art. 114 AEUV 101 Vgl. bereits Erwägungsgrund 76 des TK-Kodex, wonach jede Partei das Recht haben sollte, einen Rechtsbehelf gegen einen Beschluss der NRB einlegen zu können und eine wirksame gerichtliche Prüfung zu erhalten. Die Kompetenzverteilung in den einzelstaatlichen Rechtssystemen sollte hiervon unberührt bleiben. 102 Zur Bedeutung der Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde näher in Teil 2 D. III. 103 Bourwieg, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 46 Rn. 2; Hardach, Anreizregulierung, S. 32. 104 BGBl. I, 1998, 730 105 BT Drs. 13/7274, S. 30; Kühling, in: FS Schmidt-Preuß, S. 681. 106 BGBl. I, 2005, 1970. 107 BT Drs. 15/3917, S. 1 und speziell zum Netzzugang S. 59.
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gestützt wurden.108 Den Anfang machten die Liberalisierungsrichtlinien109 zur Verwirklichung des Energiebinnenmarktes, gefolgt vom zweiten Richtlinienpaket im Jahr 2003. Die Beschleunigungsrichtlinien110 mit zugehöriger StromhandelZVO111 sahen insbesondere eine Verschärfung des regulierten Netzzugangs sowie die Einführung einer unabhängigen Regulierungsbehörde vor. Das aktuell geltende dritte Energiepaket besteht aus zwei Richtlinien (Elektr-RL 2009 und Gas-RL) und drei Verordnungen (StromhandelZVO 2009112, ErdgasZVO113 und ACER-VO 2009114). Mit diesem Paket sollte unter anderem die Unabhängigkeit der NRB gestärkt werden und auf eine Harmonisierung des nichtdiskriminierenden Netzzugangs hingewirkt werden.115 Zudem wurde die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) geschaffen, um die NRB bei ihren Aufgaben zu unterstützen und ihre Maßnahmen zu koordinieren, vgl. Art. 1 Abs. 2 ACER-VO. Ziel der Einrichtung einer unabhängigen Agentur war es, die zuvor auf freiwilliger Basis bestehende Zusammenarbeit zwischen den NRB auf die Ebene der Unionsstruktur mit klaren Kompetenzen und Befugnissen zu verlagern.116 Im Sommer 2019 wurde auf der Grundlage des Art. 194 Abs. 2 AEUV ein viertes Energiepaket auf den Weg gebracht, welches insbesondere eine Neufassung der 108
Vgl. Schmidt-Preuß, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 10 Rn. 1 und Rn. 6; ausführlich auch Kühling/Rasbach/Busch, Energierecht, Kap. 1 Rn. 13 ff. 109 Richtlinie 96/92/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 19.12.1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und Richtlinie 98/30/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 22.06.1998 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt. 110 Richtlinie 2003/54/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG und Richtlinie 2003/55/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG. 111 Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 des europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2003 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel. 112 Verordnung (EG) Nr. 714/2009 des europäischen Parlaments und des Rates vom 13.07.2009 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003. 113 Verordnung (EG) Nr. 715/2009 des europäischen Parlaments und des Rates vom 13.07.2009 über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1775/2005. 114 Verordnung (EG) Nr. 713/2009 des europäischen Parlaments und des Rates vom 13.07.2009 zur Gründung einer Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden. 115 Vgl. Erwägungsgrund 33 der Elektr-RL 2009. 116 Vgl. Erwägungsgrund 3 der ACER-VO 2009; davor wurde die Zusammenarbeit über die ERGEG koordiniert, vgl. Beschluss 2003/796/EG der Kommission vom 11.11.2003 zur Einsetzung der Gruppe der europäischen Regulierungsbehörden für Elektrizität und Erdgas.
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Teil 1: Grundlagen der Regulierung
Elektr-RL,117 der StromhandelZVO118 und der ACER-VO119 vorsieht. Die Mitgliedstaaten müssen die Regelungen bis spätestens 31.12.2020 umgesetzt haben; die derzeit geltende Elektr-RL 2009 wird zum 01.01.2021 aufgehoben. In der Arbeit werden bereits die neuen europäischen Vorgaben zugrunde gelegt. b) Der aktuelle Rechtsrahmen: Elektr- und Gas-RL Nach Art. 6 Abs. 1 Elektr-RL und Art. 32 Abs. 1 Gas-RL gewährleisten die Mitgliedstaaten die Einführung eines Systems für den Zugang Dritter zu allen Netzen für alle zugelassenen Kunden. Einer Marktdefinition und -analyse wie im Telekommunikationssektor bedarf es mithin im Energiesektor nicht. Die Richtlinien beinhalten aber Vorschriften über die Ziele, Aufgaben und Befugnisse der Regulierungsbehörde in Art. 59 und 61 Elektr-RL (zuvor: Art. 37 und 38 Elektr-RL 2009) bzw. Art. 40 und 41 Gas-RL. Nach Maßgabe der Richtlinien trifft die NRB alle angemessenen Maßnahmen zur Erreichung der Ziele. Zentrales Ziel ist dabei die Förderung des Wettbewerbs und Gewährleistung der Grundversorgung. Neben Kooperationspflichten kommen der NRB auch Überwachungspflichten zu, vgl. Art. 59 Abs. 1 Elektr-RL und Art. 41 Abs. 1 Gas-RL. Durch die Richtlinien wird den Regulierungsbehörden die Pflicht auferlegt, angemessene Netzzugangstarife zu gewährleisten. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, der NRB die Befugnis zum „Erlass von Entscheidungen, die für Elektrizitätsunternehmen/ Gasunternehmen bindend sind“ einzuräumen, vgl. Art. 59 Abs. 3 a) Elektr-RL und Art. 41 Abs. 4 a) Gas-RL. Konkretere Aufgabenzuweisungen sind in Art. 59 Abs. 7 Elektr-RL bzw. Art. 41 Abs. 6 Gas-RL zu finden. Danach obliegt es den NRB, zumindest die Bedingungen für den Zugang und die Methoden zur Berechnung oder Festlegung der aufgezählten Bedingungen festzulegen oder zu genehmigen. Tarife für den Zugang zu Fernleitungsnetzen werden in Art. 13 ErdgasZVO und entsprechenden Leitlinien nach Art. 23 Abs. 1 d) ErdgasZVO konkretisiert. Für die Netzzugangsentgelte für den Zugang zu Übertragungsnetzen gilt Art. 18 StromhandelZVO (zuvor: Art. 14 StromhandelZVO 2009) ergänzend.120 Die Elektr-RL und Gas-RL enthalten Vorgaben zur Kooperation der NRB untereinander, mit der Kommission und mit der ACER. Die Zusammenarbeit ist insbesondere nomiert in Art. 59 Abs. 1 f) und g) Elektr-RL und Art. 41 Abs. 1 c) bis e) Gas-RL, wonach die NRB allen einschlägigen rechtsverbindlichen Entschei117
Richtlinie (EU) 2019/944 des europäischen Parlaments und des Rates vom 05.06.2019 ¨ nderung der mit gemeinsamen Vorschriften fu¨ r den Elektrizita¨ tsbinnenmarkt und zur A Richtlinie 2012/27/EU. 118 Verordnung (EU) 2019/943 des europäischen Parlaments und des Rates vom 05.06.2019 u¨ ber den Elektrizita¨ tsbinnenmarkt. 119 Verordnung (EU) 2019/942 des europäischen Parlaments und des Rates vom 05.06.2019 zur Gru¨ ndung einer Agentur der Europa¨ ischen Union fu¨ r die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbeho¨ rden. 120 Zur Netzzugangs- und Entgeltregulierung im Energiesektor näher in Teil 4 A. und B.
C. Europarechtliche Vorgaben
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dungen der Agentur und der Kommission nachkommen und sie durchführen. Zudem entscheidet die ACER bei grenzüberschreitenden Infrastrukturen über Regulierungsfragen, die in die Zuständigkeit der NRB fallen und den Netzzugang betreffen, wenn zwischen den NRB keine Einigung erzielt werden konnte oder ein entsprechender Antrag vorliegt. Daneben untersucht die ACER auf Antrag, ob die Regulierungsbehörden die erlassenen Leitlinien einhalten und gibt eine Stellungnahme ab. Kommt die NRB der Stellungnahme nicht nach, wird der Fall der Kommission zur Entscheidung nach Art. 63 Abs. 3 Elektr-RL und Art. 42 Abs. 3 Gas-RL vorgelegt. Die Kommission kann aber auch direkt von den anderen Regulierungsbehörden angerufen werden. Gelangt die Kommission zu der Einschätzung, dass die Entscheidung einer Regulierungsbehörde Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit mit den Leitlinien begründet, kann sie die weitere Prüfung des Falles beschließen. Die Kommission kann nach erfolgter Prüfung gem. Art. 63 Abs. 6 b) Elektr-RL und Art. 43 Abs. 6 b) Gas-RL den Widerruf der Entscheidung verlangen (echtes Vetorecht).121 Hervorzuheben ist an dieser Stelle auch das echte Vetorecht der Kommission in Art. 48 Abs. 2 Gas-RL, in Art. 36 Abs. 9 Gas-RL und in Art. 63 Abs. 8 StromhandelZVO (zuvor: Art. 17 StromhandelZVO 2009) für die Entscheidung der Mitgliedstaaten über die Gewährung einer Ausnahme für die Zugangsgewährungspflicht. Danach ist die Entscheidung der Kommission zu übermitteln, die verlangen kann, dass sie geändert oder widerrufen wird.122 Regelungen zum Rechtsschutz findet man in Art. 60 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 7 und Abs. 8 Elektr-RL123 bzw. Art. 41 Abs. 11, Abs. 12, Abs. 16 und Abs. 17 Gas-RL. Die Mitgliedsstaaten haben sicherzustellen, dass auf nationaler Ebene geeignete Verfahren bestehen, die einer betroffenen Partei das Recht geben, gegen eine Entscheidung einer Regulierungsbehörde Beschwerde einzulegen. Die Richtlinien sehen insbesondere vor, dass die von den Regulierungsbehörden getroffenen Entscheidungen umfassend zu begründen sind, um eine gerichtliche Überprüfung zu ermöglichen. Konkrete Vorgaben zur Ausgestaltung von Gerichtsverfahren, insbesondere der Prüfungsdichte, enthält weder die Elektr-RL noch die Gas-RL. 3. Fazit zu den sekundärrechtlichen Vorgaben Die Richtlinien im Telekommunikationssektor und Energiesektor sind in Fragen Zugang und Entgeltregulierung sehr unterschiedlich ausgestaltet. Auch die Regelungsdichte unterscheidet sich stark. Während im Telekommunikationssektor der NRB konkrete Verpflichtungsbefugnisse hinsichtlich des Zugangs zukommen, gilt im Energiesektor ein allgemeines Zugangsrecht. Letzteres kann aber teilweise 121 122 123
Zur Bedeutung dieses Prüfungsverfahrens in Teil 4 A. I. b) bb). Zur Bedeutung des echten Vetorechts in Teil 4 A. II. Zuvor: Art. 37 Abs. 11, Abs. 12, Abs. 16 und Abs. 17 Elektr-RL 2009.
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Teil 1: Grundlagen der Regulierung
wieder eingeschränkt werden. Im Energiesektor wird die Art und Weise des Zugangs grundsätzlich in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt. Allerdings werden auch hier die Bedingungen für den Zugang zu den Netzen einschließlich Tarife und Methoden der NRB übertragen. Zum Rechtsschutz verhalten sich die Richtlinien ähnlich bedeckt. Konkrete Vorgaben zur Ausgestaltung von Gerichtsverfahren machen keine der europäischen Normen. Art. 31 Abs. 1 TK-Kodex stellt lediglich Anforderungen an die Stelle, die über den Rechtsbehelf zu entscheiden hat. Diese muss „über angemessenen Sachverstand verfügen“. Die Elektr- und Gas-RL hingegen schreiben vor, dass eine besondere Begründungspflicht für Entscheidungen der NRB im Hinblick auf den Rechtsschutz besteht. Dagegen sieht das Sekundärrecht keinen Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Kommission vor, sodass hier auf die allgemeinen Rechtsschutzmöglichkeiten aus dem Primärrecht zurückgegriffen werden muss.
D. Zusammenfassung zu Teil 1 Die Regulierung der Netzsektoren geht teilweise auf staatliche, teilweise auf natürliche Monopolstellungen der jeweiligen Betreiber zurück, die zum Marktversagen geführt haben. Daneben handelt es sich bei den Dienstleistungen um Gegenstände der Daseinsvorsorge, womit die Gewährleistungsverantwortung des Staates die verfassungsrechtliche Grundlage der Regulierung bildet.124 Durch Regulierung wird ein Ausgleich zwischen Sicherstellung und Förderung eines wirksamen Wettbewerbs und Allgemeinwohlzielen geschaffen. Die Regulierungsbedürftigkeit ist daneben weitestgehend europarechtlich geprägt. So enthalten die einschlägigen Richtlinien und Verordnungen umfassende Vorgaben, insbesondere zur Netzzugangs- und Entgeltregulierung. Im Einzelnen unterscheiden sich diese Vorgaben inhaltlich sowie in der Regelungsdichte stark. Schon das Recht eines Unternehmens auf Zugang zum Netz ist unterschiedlich ausgestaltet. Der TK-Kodex gibt eine asymmetrische Regulierung vor und stattet die NRB dafür mit konkreten Befugnissen aus. Im Energiesektor dagegen gilt grundsätzlich ein allgemeines Zugangsrecht. Zwar regelt das Sekundärrecht, dass wirksamer Rechtsschutz gegen Entscheidungen der NRB gegeben sein muss, konkrete Vorgaben zur Ausgestaltung von Gerichtsverfahren enthalten sie aber nicht.
124
Proelß, AöR 2011, 402 (407).
Teil 2
Letztentscheidungsbefugnisse der Verwaltung im Allgemeinen Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltung bedeutet, dass sie eine Entscheidung treffen kann, ohne dass auf der einen Seite eine Vorwegbindung durch die Legislative besteht und auf der anderen Seite eine vollumfängliche gerichtliche Überprüfung der Entscheidung stattfindet.1 Die Verwaltung ist vielmehr das letzte hoheitliche Organ, das abschließend in der Sache entscheidet.2 Ob der Behörde eine solche Befugnis zukommt, entscheidet der Gesetzgeber. Auch dieser ist nicht vollkommen frei in dieser Entscheidung, sondern an die verfassungsrechtlichen Anforderungen gebunden (A.). Ob der Gesetzgeber ein Letztentscheidungsrecht der Verwaltung vorgesehen hat, hat die Rechtsprechung durch Auslegung zu ermitteln (B.), wodurch sich das System der Letztentscheidungsbefugnisse in Deutschland entwickelt hat (C.). Zudem hat das europäische Recht maßgeblichen Einfluss auf die nationale Rechtsordnung, weshalb auch auf das unionsrechtliche Ermessensverständnis einzugehen sein wird (D.).
A. Verfassungsrechtliche Anforderungen Der Gesetzgeber ist nicht gänzlich frei in der Einräumung von (Letzt-)Entscheidungsspielräumen der Verwaltung. Er hat sich dabei insbesondere an Art. 20 GG (I.) und nach Ansicht der Rechtsprechung an Art. 19 Abs. 4 GG (II.) sowie an den Grundrechten (III.) zu orientieren.
I. Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 GG Aus Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG ergibt sich der Grundsatz, dass die Exekutive die von der Legislative erlassenen Normen zu vollziehen hat.3 Dies bedeutet, dass die Befugnis, Sachverhalte zu regeln, bei der Legislative liegt und diese Entscheidungen von der vollziehenden Gewalt nur ausgeführt werden. Die Kontrolle dieser Aus1 Beckmann, DÖV 1986, 505 (510); Hatje, Wirtschaftsverwaltung, S. 318; Röhl, Die Regulierung der Zusammenschaltung, S. 211. 2 Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 6. 3 Vgl. nur BVerfG NJW 1991, 159; BVerfG NVwZ 1996, 574.
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Teil 2: Letztentscheidungsbefugnisse der Verwaltung im Allgemeinen
führung obliegt den Gerichten. Eine Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltung kann in diese abstrakte Aufgabenzuweisung so ohne Weiteres nicht hineininterpretiert werden. Daher ist die Übertragung der Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltung an der Gewaltenteilung, an dem Vorbehalt des Gesetzes sowie an dem Bestimmtheitsgebot zu messen. Gewaltenteilung i. S. d. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG bedeutet, dass sich die Staatsgewalt funktional unterteilen lässt in die Organe der Gesetzgebung, vollziehenden Gewalt und Rechtsprechung.4 Das BVerfG lässt aber Überschneidungen zwischen den Gewalten zu, soweit dadurch nicht der funktionale Kernbereich berührt wird.5 Die Funktion der Gesetzgebung besteht typischerweise in der Setzung abstraktgenereller Regelungen, während die der vollziehenden Gewalt in der Subsumtion der Regelung im Einzelfall zu sehen ist. Durch die Einräumung einer Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltung durch die Legislative werden diese Funktionen in ihrem Kernbereich nicht berührt. Die Legislative regelt auch hier den Sachverhalt durch eine abstrakt-generelle Norm und stellt der Exekutive mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung, zwischen welchen sie dann wählen kann. Das Grundgesetz spricht dem gesetzgebenden Parlament keinen allumfassenden Vorrang zu.6 Andernfalls wäre die Nennung der vollziehenden Gewalt als eines der drei Organe in Art. 20 Abs. 2 GG obsolet. Ein Verstoß gegen die Gewaltenteilung kann indes bei einer bloßen Vermischung der Aufgaben nicht angenommen werden;7 der Schutz des Kernbereichs der Legislative wäre nur dann tangiert, wenn beispielsweise die Entscheidung über ganze Sachbereiche oder Rechtsgebiete delegiert würde.8 Daneben hat die Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltung auch Auswirkungen auf die Funktion der Judikative. Grundsätzlich sind letztverbindliche Auslegung und Konkretisierung der Gesetze Aufgabe der Judikative als Kontrollinstanz. Durch die Einräumung einer Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltung wird dieser Aufgabenbereich den Gerichten (teilweise) entzogen, denn eine gerichtliche Kontrolle findet dann nicht mehr bzw. nur noch beschränkt statt. Doch die Gerichte können im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung an Grenzen stoßen, die von der Verwaltung als Teil der Exekutive effektiver und gerechter erfüllt werden können.9 Solange der Verwaltung nicht ein derartiges Maß an Letztentscheidungskompetenz zugesprochen 4
Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 V Rn. 78; Binder, DVBl 2017, 1066. St. Rspr.: BVerfG NJW 1959, 1171; BVerfG NJW 1971, 275 (279); BVerfG NVwZ 2014, 1652 (1654). 6 BVerfG NJW 1979, 359. 7 Vgl. BVerfG NJW 1956, 137; BVerfG NVwZ 2015, 1434 (1439) Rn. 125; Sachs, GG, Art. 20 Rn. 93; Adam, Kontrolldichte-Konzeption, S. 199 f. 8 BVerfG NVwZ 2011, 1062 (1065). 9 Die Gewaltenteilung soll gerade sicherstellen, dass staatliche Entscheidungen von den Organen getroffen werden, die nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen für eine möglichst sachgerechte Entscheidung verfügen, vgl. BVerfG NVwZ 2015, 1434 (1439) Rn. 125. 5
A. Verfassungsrechtliche Anforderungen
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wird, das den Kernbereich der judikativen Funktion berührt, kann ein Verstoß gegen die Gewaltenteilung nicht angenommen werden. Nach dem Vorbehalt des Gesetzes darf die Verwaltung im Rahmen der Eingriffsverwaltung nur tätig werden, wenn sie durch Gesetz dazu ermächtigt worden ist.10 An den Gesetzesvorbehalt ist inhaltlich eine gewisse Regelungsdichte geknüpft, denn eine pauschale Übertragung der Entscheidungsbefugnis über beliebige Sachverhalte auf die Verwaltung grenzt an den Kernbereich der Legislative. Andererseits ist auch ein Totalvorbehalt nicht anzuerkennen, da dann ein Eigenverantwortungsbereich der Exekutive ausgeschlossen wäre.11 Vielmehr gilt nach der Wesentlichkeitstheorie des BVerfG, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss.12 Darunter fallen jedenfalls Maßnahmen mit Grundrechtsrelevanz.13 Je grundrechtsrelevanter ein Sachverhalt ist, desto weniger Entscheidungsbefugnis kann der Exekutive übertragen werden.14 Aber auch in wesentlichen Bereichen muss aus Gründen der gerechten, effektiven und vor allem verhältnismäßigen Gesetzesanwendung die Möglichkeit bestehen, der vollziehenden Gewalt einen gewissen Entscheidungsspielraum zuzugestehen. Sinn und Zweck von Letztentscheidungsbefugnissen der Verwaltung ist u. a. die Übertragung von Entscheidungen auf diejenigen, die den Sachverhalt aufgrund ihrer fachlichen Expertise sachgerechter und kompetenter bewerten können.15 Die Befugnisse sind dann aber entsprechend zu beschränken. Das in Art. 20 Abs. 2 und Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip fordert auch die hinreichende Bestimmtheit der Gesetze.16 Das bedeutet, dass Betroffene erkennen können müssen, wie sie sich zu verhalten haben. Auch hier verweist das BVerfG auf die Grundrechtsrelevanz von Normen,17 sodass eine Norm umso bestimmter sein muss, desto stärker sie in Grundrechte eingreift.18 Das Bestimmtheitsgebot verfolgt unter anderem den Zweck, die Verwaltung zu binden und ihr Verhalten zu begrenzen.19 Dieser Zweck wird bspw. durch die Bereitstellung von 10
Maurer, Staatsrecht I, § 8 Rn. 19. Wohl allg. M., vgl. nur BVerfG NJW 1985, 603 (610); Ehlers, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rn. 44; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 466; zur Eigenständigkeit der Verwaltung Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 4 Rn. 36 ff. 12 BVerfG NJW 1966, 1651 (1652); BVerfG NJW 1973, 133 (136); BVerfG NJW 1976, 1309 (1310 f.); BVerfG NJW 1977, 1723 (1724); BVerfG NJW 1978, 2143; BVerfG NJW 1979, 359 (360); ausführlich Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 164 ff. 13 Vgl. nur Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 265; Maurer, Staatsrecht I, § 8 Rn. 21. 14 Maurer, Staatsrecht I, § 8 Rn. 21; Geis, NVwZ 1992, 25 (29). 15 Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 96 f. m. w. N. 16 St. Rpsr.: BVerfG NJW 1978, 2446 (2447); BVerfG NJW 1982, 1275; BVerfG NJW 1988, 2593 (2594); BVerfG NVwZ-RR 2002, 81 (91). 17 BVerfG NVwZ 2003, 1241 (1247); BVerfG NJW 2004, 2213. 18 Diese logische Schlussfolgerung ergibt sich schon aus Art. 103 Abs. 2 GG. 19 BVerfG NJW 2004, 2213 (2215 f.). 11
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Teil 2: Letztentscheidungsbefugnisse der Verwaltung im Allgemeinen
Maßstäben für Abwägungsentscheidungen erreicht. Auf keinen Fall darf aber die Grenze der Freiheit des Bürgers in das Ermessen der Verwaltung gestellt werden.20 Dennoch sind nach ständiger Rechtsprechung die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen sowie von Ermessensermächtigungen grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich,21 solange das Handeln der Verwaltung für den Bürger voraussehbar und berechenbar ist. Die bloße Auslegungsbedürftigkeit nimmt einer Vorschrift noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit, vielmehr ist es gerade die Aufgabe der Rechtsanwendungsorgane Zweifelsfragen durch Auslegung zu klären.22 Dies gilt unabhängig davon, ob die Beurteilung eines Sachverhalts durch die Gerichte erfolgt oder sie der Verwaltung abschließend übertragen ist. Solange die Entscheidung der Verwaltung für den Bürger noch vorhersehbar ist, kann ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz durch die Einräumung von Letztentscheidungsbefugnissen nicht angenommen werden.
II. Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG Problematisiert wird im Zusammenhang mit der Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltung in der Regel die effektive Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG.23 Danach steht jedem, der „durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt“ wird, der „Rechtsweg offen“. Die Rechtsschutzgarantie eröffnet dem Bürger nicht nur den Weg zu den Gerichten, sondern sie gewährleistet über den Wortlaut hinaus auch die Effektivität der gerichtlichen Kontrolle. Daraus ergibt sich der Grundsatz der tatsächlichen und rechtlichen vollständigen Überprüfbarkeit von exekutivem Handeln.24 Das bedeutet, dass die Gerichte jeden Schritt der Verwaltung von der Sachverhaltsermittlung, über die Auslegung bis hin zur Subsumtion im konkreten Einzelfall vollumfänglich rechtlich überprüfen können.25 Dieses Grundrecht stellt aber keine Grenze für den Gesetzgeber hinsichtlich der Übertragung von Letztentscheidungsbefugnissen auf die Verwaltung dar. Bereits der Schutzbereich des Art. 19 Abs. 4 GG ist in diesem Fall nicht eröffnet. Art. 19 20
BVerfG NJW 1989, 666 (667) m. w. N. Vgl. BVerfG NJW 1967, 619 für unbestimmte Rechtsbegriffe. Die Verfassungsmäßigkeit von Ermessensvorschriften wird nicht ernsthaft in Frage gestellt. 22 BVerfG NJW 1974, 1499 (1500); BVerfG NJW 1971, 2167. 23 Beispielhaft Holznagel/Schulz/Werthmann/Grünhoff, Gerichtliche Kontrolle S. 120. 24 BVerfG NJW 1963, 803; BVerfG NJW 1976, 141; BVerfG NJW 1982, 2173; SchmidtAßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 183; Kment/Vorwalter, JuS 2015, 193 (194). 25 Dass dieser Grundsatz eingeschränkt werden kann, ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, vgl. nur BVerfG NJW 1991, 2010; BVerfG NVwZ 1993, 666 (669); BVerfG NJW 1991, 2005 (2006); BVerfG NJW 1982, 2173 (2176); BVerfG NJW 1991, 2005 (2007); BVerfG NVwZ 1993, 666 (670); BVerfG NJW 2001, 1121 (1123); BVerfG NJW 2005, 2289 (2294 f.); Hofmann, Abwägung im Recht, S. 332; Art. 19 Abs. 4 GG steht nach st. Rspr. des BVerfG Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräumen von Behörden nicht von vornherein entgegen, vgl. BVerfG NJW 2001, 1121 (1123). 21
A. Verfassungsrechtliche Anforderungen
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Abs. 4 GG setzt ein subjektives Recht voraus und begründet es nicht.26 Im Fall einer von Gesetzes wegen auf die Verwaltung übertragenen Letztentscheidungskompetenz erschöpft sich das subjektive Recht in dem Anspruch auf (rechts-)fehlerfreie Ermessensausübung bzw. Beurteilungsentscheidung. Ein subjektives Recht auf eine bestimmte Entscheidung gibt es dann gerade nicht. Ist Art. 19 Abs. 4 GG aber schon tatbestandlich nicht einschlägig, erübrigt sich auch die Frage nach der Rechtfertigung.27 Ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG durch die Einräumung von Letztentscheidungsbefugnissen ist von vornherein nicht möglich; die Zulässigkeit solcher Normen ist vielmehr an Art. 20 GG und den übrigen Grundrechten zu messen.28 Zu diesem Ergebnis kommt letztlich, wenn zwar nur mittelbar, auch das BVerfG. Es hat entschieden, dass es keinen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG darstelle, wenn die Grundrechte, das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip, insbesondere die Grundsätze der Bestimmtheit und Normenklarheit, gewahrt würden. Dies sei der Fall, wenn der Gesetzgeber nicht „[…] zu zahlreiche oder weitgreifende Beurteilungsspielräume für ganze Sachbereiche oder gar Rechtsgebiete“29 erlasse. „Die Freistellung der Rechtsanwendung von gerichtlicher Kontrolle bedarf stets eines hinreichend gewichtigen, am Grundsatz eines wirksamen Rechtsschutzes ausgerichteten Sachgrunds.“30
Im Ergebnis stellt das BVerfG damit für die Zulässigkeit von Letztentscheidungskompetenzen auf Art. 20 GG und die materiellen Grundrechte ab.31 Eine Verkürzung des Rechtsschutzes durch Einräumung einer Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltung durch den Gesetzgeber kann mithin nicht zu einer Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG führen.32
26
Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 114 Rn. 293; Mengering, Entgeltregulierung, S. 355 f.; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 382 f. 27 So zutreffend Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 39; Herzog, NJW 1992, 2601 (2602); Kment/Vorwalter, JuS 2015, 193 (194). 28 Ausdrücklich Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 39; Hofmann, NVwZ 1995, 740 (742). 29 BVerfG NVwZ 2011, 1062 (1065). 30 BVerfG NVwZ 2011, 1062 (1065); BVerwG NJW 2007, 2790 (2193) Rn. 35; so bereits Bachof, JZ 1955, 97 (99 f.); welche Anforderungen im Einzelnen an einen solchen Sachgrund zu stellen sind, beantwortet das BVerfG nicht; jedenfalls im Bereich der Beurteilungsspielräume werden die hohe Komplexität und die besondere Dynamik der geregelten Materie als Sachgrund herangezogen, da diese teilweise so vage und ihre Konkretisierung so schwierig sei, dass die gerichtliche Kontrolle an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stoßen würde, vgl. Teil 2 C. III. 31 Vgl. BVerfG NVwZ 2012, 694 (695) Rn. 25. 32 So bereits Herdegen, JZ 1991, 747 (751); ausführlich auch Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 149 ff.; a. A. Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 56 f.
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Teil 2: Letztentscheidungsbefugnisse der Verwaltung im Allgemeinen
III. Materielle Grundrechte Schranken findet die Möglichkeit des Gesetzgebers, der Verwaltung Letztentscheidungsbefugnisse einzuräumen, in den materiellen Grundrechten.33 Anders als Art. 19 Abs. 4 GG fordern die materiellen Grundrechte umfassenden und wirksamen Rechtsschutz und richten sich damit an den Gesetzgeber.34 Wirksamer Rechtsschutz bedeutet auch, dass das materielle Recht so ausgestaltet sein muss, dass eine Gerichtskontrolle nicht aufgrund Struktur und Kombinationen von Letztentscheidungsermächtigungen weitgehend ins Leere läuft.35 Das BVerfG stellt deshalb klar, dass der Gesetzgeber nicht frei ist in der Einräumung behördlicher Letztentscheidungsbefugnisse, sondern durch die Grundrechte gebunden.36 Nur ein hinreichend gewichtiger Sachgrund ist in der Lage, die Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte zu rechtfertigen. Auch hier gilt: Je höher die individuelle Grundrechtsbetroffenheit ist, desto weniger Entscheidungsfreiheit darf der Verwaltung übertragen werden.37 Ihren Ursprung findet diese je-desto-Regel in der Wesentlichkeitstheorie, die der Abgrenzung legislativer und exekutiver Aufgabenzuweisung dient.38 Der Widerstreit grundrechtlicher Positionen kann die Zulässigkeit von Letztentscheidungskompetenzen der Verwaltung sogar indizieren.39 Wie bei jedem Grundrechtseingriff steht das Verhältnismäßigkeitsprinzip im Vordergrund, das ggf. sogar zu einer Verpflichtung des Gesetzgebers, die gerichtliche Kontrolle zu beschränken, führen kann, wenn Grundrechte Dritter dies erfordern.40 Solange die Grundrechte durch die Einräumung von Letztentscheidungsbefugnissen nicht in unzulässiger Weise beschränkt werden, stehen sie diesen auch nicht entgegen.
IV. Fazit zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen Trotz des Grundsatzes der vollumfänglichen gerichtlichen Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass 33 Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 32. EL 2016, § 114 Rn. 61; SchmidtAßmann, NVwZ 1993, 617 (621); Hofmann, NVwZ 1995, 740 (742 f.); ausführlich Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 154 ff. 34 Überzeugend Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 158 f. 35 Gärditz, Gutachten D 2016, S. 60. 36 BVerfG NVwZ 2011, 1062 (1065) Rn. 73; BVerfG NVwZ 2012, 694 (695) Rn. 25. 37 Geis, NVwZ 1992, 25 (29). 38 S. hierzu Teil 2 A. I. 39 Das BVerfG sprach 1991 noch von einer Pflicht des Gesetzgebers die erforderlichen Leitlinien so weit selbst zu bestimmen, wie sie für die Ausübung dieser Freiheitsrechte wesentlich sind, wenn miteinander konkurrierende (vorbehaltlose) grundrechtliche Freiheitsrechte aufeinandertreffen und deren jeweilige Grenzen fließend und nur schwer auszumachen sind, BVerfG NJW 1991, 1471 (1472). 40 Schmidt-Aßmann, NVwZ 1993, 617 (622 f.).
B. Die Ermächtigungslehren und die Grenze der gerichtlichen Kontrolle
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der Gesetzgeber der Verwaltung Letztentscheidungsbefugnisse einräumt. Im Hinblick auf Art. 20 GG hat der Gesetzgeber aber dabei die Wesentlichkeitstheorie und den Kernbereich der Gewalten zu beachten. Er darf der Verwaltung keine wesentlichen Entscheidungen zur Letztentscheidung überlassen und die gerichtliche Kontrolle darf nicht vollständig entzogen werden. Der aus den Grundrechten entspringende Anspruch des Einzelnen auf wirksamen, effektiven Rechtsschutz gebietet außerdem stets einen hinreichend gewichtigen Sachgrund für diese Art der Kompetenzverschiebung. Je größer die Grundrechtsbetroffenheit, desto weniger Letztentscheidungskompetenz kann der Verwaltung mithin übertragen werden.
B. Die Ermächtigungslehren und die Grenze der gerichtlichen Kontrolle Ob der Gesetzgeber ein Letztentscheidungsrecht der Verwaltung vorgesehen hat, hat die Rechtsprechung durch Auslegung zu ermitteln. Hierfür wurden die normative und die funktionelle Ermächtigungslehre entwickelt. Während Adressat der Wesentlichkeitstheorie der Gesetzgeber ist („darf ein Spielraum eingeräumt werden?“), richten sich die Ermächtigungslehren an die Gerichte („wurde ein Spielraum eingeräumt?“).41 Nach der normativen Ermächtigungslehre muss sich aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes aus der Norm ergeben, dass der Verwaltung eine Letztentscheidungskompetenz eingeräumt ist.42 Dies kann durch den Wortlaut43 offensichtlich oder durch die übrigen Auslegungsmethoden zu ermitteln sein. Der Telos einer Norm und auch das Zusammenspiel mit anderen Normen, insbesondere dem Unionsrecht, kann bei der Erforschung des Willens des Gesetzgebers relevant werden.44 Nicht selten bereitet die Auslegung einer Norm Schwierigkeiten und der Wille des Gesetzgebers ist oft nicht erkennbar, weshalb die normative Ermächtigungslehre an ihre Grenzen stoßen kann.45 Daher bestimmt die funktionelle Ermächtigungslehre die Entscheidungskompetenzen durch die Leistungsfähigkeit und Funktionsgrenzen von Verwaltung und Rechtsprechung, insbesondere bei Risikoermittlungen und 41
Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 362; grundlegend zur normativen Ermächtigungslehre Schmidt-Aßmann, NVwZ 1993, 617; bei den Ermächtigungslehren geht es darum, den Willen des Gesetzgebers zu ermitteln, vgl. Hofmann, NVwZ 1995, 740 (742); v. Danwitz, DVBl 2003, 1405 (1411) und Proelß, AöR 2011, 402 (413) beschreiben die normative Ermächtigungsgrundlage anschaulich als „den Vorbehalt des Gesetzes sicherndes Scharnier“. 42 BVerfG NVwZ 2011, 1062 (1065). 43 Bspw. „Beurteilungsspielraum“ in § 10 Abs. 2 S. 2 TKG. 44 Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 10 Rn. 78 f. m. w. N.; Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 34 f. m. w. N.; Wahl, NVwZ 1991, 409 (410 ff.); Schmidt-Aßmann, NVwZ 1993, 617 (622 f.); Schoch, Jura 2004, 612 (616); Proelß, AöR 2011, 402 (414). 45 Wendel, Verwaltungsermessen, S. 32.
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Teil 2: Letztentscheidungsbefugnisse der Verwaltung im Allgemeinen
Prognoseentscheidungen.46 Die funktionelle Ermächtigungslehre wird hauptsächlich für die Begründung von Beurteilungsspielräumen herangezogen.47 Daneben geht das BVerfG mittlerweile von der Möglichkeit der Begrenzung gerichtlicher Kontrolle durch den Erkenntnisstand der Fachwissenschaft aus. Es gibt Fälle, in denen die Gerichtskontrolle an ihre faktische Grenze wegen Erkenntnisproblemen außerrechtlicher Kriterien stößt, weil sich die „Richtigkeit des Ergebnisses der Verwaltungsentscheidung objektiv nicht abschließend beurteilen lässt.“48 Der Gesetzgeber müsse dann für die Festlegung einheitlicher Maßstäbe und Methoden sorgen oder konkrete Regeln für die Entscheidung zwischen mehreren vertretbaren Auffassungen vorgeben, da andernfalls der Wesentlichkeitsgrundsatz verletzt würde.49
C. System der Letztentscheidungsbefugnisse in Deutschland Hat der Gesetzgeber einen Spielraum vorgesehen, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass das Letztentscheidungsrecht der Behörde zukommt. Die Frage, ob die Behörde oder das Gericht letztverbindlich in der Sache entscheidet, ist eine Kompetenzfrage, die durch Auslegung zu ermitteln ist.50 Kommt die Kompetenz dem Gericht zu, nimmt es eine Vollkontrolle der behördlichen Entscheidung vor; eine Reduzierung der Kontrolldichte liegt dann nicht vor (I.). Kommt die Kompetenz der Behörde zu, unterscheidet die nationale Rechtsprechung jeher danach, ob es sich um ein Ermessen auf Rechtsfolgenseite (II.) oder einen Beurteilungsspielraum auf Tatbestandsseite (III.) handelt.51 Für Fälle, in denen die Normen lediglich das zu erreichende Ziel bestimmen, stößt diese Einteilung auf ihre Grenzen.52 Die Formen anerkannter Letztentscheidungsbefugnisse wurden daher in den 1970er Jahren im 46 Jüngst (im konkreten Fall ablehnend) BVerwG NVwZ 2017, 160 Rn. 24, 30 ff.; einen „punktuellen“ Beurteilungsspielraum bejahend BVerwG NVwZ 2016, 1247 (1249) Rn. 24; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 34; Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 35; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 76 ff.; Schoch, Jura 2004, 612 (616) m. w. RsprNw. 47 In der Rechtsprechung wurden Fallgruppen herausgearbeitet, in denen die Rechtsprechung an ihre Funktionsgrenzen stößt und der Verwaltung damit – teilweise unter heftiger Kritik der Literatur – ein Beurteilungsspielraum zugestanden wird; dazu näher in Teil 2 C. III. 48 BVerfG NVwZ 2019, 52 (53) Rn. 17. 49 BVerfG NVwZ 2019, 52 (54) Rn. 24. 50 Vgl. BVerfG NJW 2001, 1121 (1123 f.); BVerwG ZUR 2008, 87 (89); Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 69 f.; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 377 f. 51 BVerwG NJW 1986, 796 (799); BVerfG NVwZ 2011, 1062 (1064) Rn. 71; kritisch zu dieser Einteilung u. a. Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 4 Rn. 48; Jestaedt, in: Ehlers/ Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 13 m. w. N.; Ehmke, „Ermessen“, S. 23 ff.; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 108 ff.; Schmidt-Eichstaedt, DVBl 1985, 645 (647). 52 Exemplarisch § 1 Abs. 1, Abs. 5, Abs. 6 BauGB; Geis, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Vorb. § 40 Rn. 7.
C. System der Letztentscheidungsbefugnisse in Deutschland
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Planungsrecht um das Planungsermessen53 (IV.) und in den 2000ern im Regulierungsrecht um das Regulierungsermessen (V.) erweitert.
I. Die Kontrolldichte Die gerichtliche Kontrolldichte wird häufig mit Begrifflichkeiten wie Willkürkontrolle (oder auch Missbrauchskontrolle), Evidenzkontrolle, Plausibilitätskontrolle, Vertretbarkeitskontrolle und Vollkontrolle beschrieben. Entscheidend ist dabei die materielle Kontrolldichte, d. h. die Überprüfung der Verwaltungsentscheidung in der Sache. Je mehr Schritte in der Entscheidungsfindung überprüft werden, desto höher fällt die Kontrolldichte aus.54 Bei der Spielraumausfüllung sind zunächst die für die Entscheidungsfindung relevanten Gesichtspunkte zu ermitteln. Bei der Willkürkontrolle wird lediglich diese Ermittlung auf sachfremde Erwägungen oder sachfremde Ziele überprüft.55 Sie stellt mithin das geringste Maß an Kontrolle dar. Die ermittelten Gesichtspunkte oder Belange müssen anschließend bewertet werden, d. h. ihnen wird eine abstrakte Gewichtung zugeteilt. Diese kann an einem objektiven Maßstab, z. B. dem verständigen Dritten, ausgerichtet werden. Danach erfolgt eine Abwägung der gewichteten Belange untereinander, sodass sie in ihrem Verhältnis zueinander gewichtet werden. Bei der Evidenzkontrolle wird neben der Kontrolle sachfremder Gesichtspunkte die Entscheidung auf offensichtliche Bewertungs- oder Beurteilungsfehler überprüft.56 Geprüft wird also, ob bei der Gewichtung der einzelnen Gesichtspunkte offensichtliche Fehler gemacht wurden. Abschließend erfolgt die Formulierung des Ergebnisses auf Grundlage der Abwägung. Dieser letzte Schritt kann dabei bei jedem Entscheidungsfinder anders ausfallen und enthält das höchste Maß an subjektivem Einschlag.57 Ist der Verwaltung ein Letztentscheidungsspielraum eingeräumt, obliegt ihr die abschließende Formulierung des Ergebnisses. Bei der Plausibilitätskontrolle wird das Ergebnis lediglich daraufhin überprüft wird, ob die gezogene Schlussfolgerung anhand der vorausgegangenen Ermittlung und Gewichtung der Gesichtspunkte nachvollziehbar
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BVerwG VerwRspr 1970, 571 (573); vgl. aus der Literatur Oster, Normative Ermächtigungen, S. 30 ff.; Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 92 ff. 54 Die dargestellten Schritte der Entscheidungsfindung gelten für alle Fälle offener Normstrukturen, denn Abwägung findet nicht nur im Rahmen der Planung statt, sondern bei jeder Rechtskonkretisierung, vgl. Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 4 Rn. 50. 55 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 230. 56 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 233; so noch EuG, Urt. v. 28.02.2002, Rs. T-395/94 (Atlantic Container u. a.), Slg. 2002, II-875 (II-980 f.) Rn. 348, vgl. Teil 2 D. II. 57 Rubel, Planungsermessen, S. 65 ff.; zu alldem Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 4 Rn. 69 f.; Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 32. EL 2016, Vorb. § 113 Rn. 19 ff.
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Teil 2: Letztentscheidungsbefugnisse der Verwaltung im Allgemeinen
ist.58 Bei der Vertretbarkeitskontrolle wird überprüft, ob das Ergebnis objektiv von einem bestimmten Standpunkt aus vertretbar ist.59 Ergibt sich aus der Norm kein Letztentscheidungsrecht der Verwaltung, bleibt es bei einer Vollkontrolle durch das Gericht. Das Gericht trifft dann anstelle der Verwaltung eine eigene Abwägungs- oder Wertungsentscheidung oder stellt eine eigene Prognose an und ist das letztverbindlich entscheidende Organ.60 Dabei kann es auch Zweckmäßigkeitserwägungen heranziehen, wenn diese durch das Gesetz nicht der Behörde zugewiesen sind; insoweit wird von einer Verrechtlichung von Zweckmäßigkeitserwägungen gesprochen.61 Ein durch Gesetz eingeräumter Spielraum muss sich mithin nicht zwingend gegenüber der Judikative fortsetzen.62 Nur wenn sich durch Auslegung ergibt, dass eine Kontrolldichtereduzierung zu erfolgen hat, liegt eine Letztentscheidungskompetenz der Behörde vor.
II. Ermessen Beim Ermessen besteht eine gesetzlich eingeräumte Auswahlmöglichkeit zwischen mehreren Rechtsfolgen. Regelmäßig lässt der Wortlaut den Ermessensspielraum der Verwaltung erkennen.63 Dabei ist das Entschließungsermessen („ob“ des Tätigwerdens) von dem Auswahlermessen („wie“ des Tätigwerdens) zu unterscheiden.64 Die Verfassungsmäßigkeit von Ermessensvorschriften wird in Rechtsprechung und Lehre nicht infrage gestellt, gleichwohl müssen sie den verfassungsrechtlichen 58
EuGH, Urt. v. 15.02.2005, Rs. C-12/03 P (Tetra Laval) = Slg. I 2005, 1047 Rn. 39. Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 114 Rn. 98; zur Vertretbarkeitslehre in Bezug auf unbestimmte Rechtsbegriffe grundlegend Ule, in: GS Jellinek, S. 309 ff. 60 Vgl. Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 4 Rn. 64; Mengering, Entgeltregulierung, S. 366; sog. „nachvollziehende Kontrolle“ Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Vorb. § 113 Rn. 18. 61 Vgl. Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 3; Ludwigs, in: Säcker/Schmidt-Preuß, Grundsatzfragen, S. 267; Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 546; Ludwigs, NVwZ 2015, 1327 (1331). 62 Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 4 Rn. 68; Ludwigs, in: Säcker/Schmidt-Preuß, Grundsatzfragen, S. 267. 63 Daneben können auch andere Auslegungsmethoden zu dem Ergebnis kommen, dass ein Ermessen anzunehmen ist, vgl. bspw. BVerwG NVwZ 2008, 681 (682) Rn. 23 ff. zu § 17 Abs. 4a S. 1 BImSchG. 64 Zu alldem Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 55 Rn. 2; Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 7; Ruffert, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 40 Rn. 31; Geis, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 40 Rn. 18 ff.; Aschke, in: BeckOK VwVfG, § 40 Rn. 6 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 21 ff.; Ziekow, VwVfG, § 40 Rn. 21 f.; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 25 f. 59
C. System der Letztentscheidungsbefugnisse in Deutschland
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Anforderungen entsprechen.65 Die Zulässigkeit von Ermessensnormen ergibt sich daraus, dass der Verwaltung ein nur geringes Maß an Entscheidungsfreiheit zusteht. Ermessensnormen führen zu erhöhter Einzelfallgerechtigkeit, sodass sie im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verfassungsrechtlich sogar geboten sind.66 Ermessensentscheidungen unterliegen einer Rechtmäßigkeitsprüfung am Maßstab des Gesetzeszwecks und der gesetzlichen Grenzen.67 Es erfolgt eine gerichtliche Vertretbarkeitskontrolle dahingehend, ob überhaupt keine Ermessenserwägungen angestellt wurden, die von der Verwaltung gewählte Rechtsfolge nicht von der gesetzlichen Ermächtigung vorgesehen ist oder das Ermessen fehlerhaft ausgeübt wurde, indem die maßgeblichen Belange nicht in angemessenem Verhältnis zueinander bewertet wurden, sachfremde Erwägungen in die Entscheidung eingestellt wurden oder für die Abwägung wesentliche Belange außer Acht gelassen wurden.68
III. Beurteilungsspielräume Eine Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltung auf Tatbestandsebene wird als Beurteilungsspielraum bezeichnet.69 Ausgangspunkt sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die der Konkretisierung bedürfen und bei der mehrere Lösungen vertretbar und rechtmäßig sind.70 Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs ist und bleibt auch bei einem Beurteilungsspielraum ureigene Aufgabe der Gerichte.71 Der 65
Dazu allgemein Teil 2 A. Mengering, Entgeltregulierung, S. 356. 67 BVerfG NJW 1965, 741 (742); Geis, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 40 Rn. 86; Decker, in: BeckOK VwGO; § 114 Rn. 26. Es handelt sich um die Überprüfung der Sachentscheidung. Dass auch das Verfahren, insbesondere eine richtige Sachverhaltsermittlung, überprüft wird, liegt auf der Hand. Solche Fehler sind aber keine Ermessensfehler im Sinne des § 114 VwGO, weil es sich nicht um die im Ermessen stehende Sachentscheidung handelt, vgl. Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 55 Rn. 6. 68 Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 20 ff.; Aschke, in: BeckOK VwVfG, § 40 Rn. 78 ff.; Geis, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 40 Rn. 94 ff.; Ziekow, VwVfG, § 40 Rn. 38 ff.; für die Zweifehlerlehre Ruffert, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 40 Rn. 47; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG § 40 Rn. 56; Stern, BayVBl 1964, 381; für die Dreifehlerlehre vgl. statt vieler Maurer/Waldhoff Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 19 ff.; Wolff/Bachof/Stober/Kluth Verwaltungsrecht I, § 31 Rn. 57 ff.; Aschke in BeckOK VwVfG, § 40 Rn. 80; Ziekow, VwVfG, § 40 Rn. 39 ff.; Pietzcker, JuS 1982, 106 (108); Smeddinck, DÖV 1998, 370 (376) 69 Grundlegend Bachof, JZ 1955, 97 und Ule, in: GS Jellinek, S. 309 ff., die trotz unterschiedlicher Herangehensweisen zum gleichen Ergebnis des Beurteilungsspielraums kamen; die Terminologie ist nicht einheitlich. Teilweise ist auch von einer Einschätzungsprärogative oder einer Beurteilungsermächtigung die Rede, vgl. BVerwG NJW-RR 1986, 788. 70 Voßkuhle, JuS 2008, 117 (118). 71 Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 4 Rn. 62; Papier, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. 8, § 177 Rn. 74; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S 44 f.; dies ist nicht unumstritten; eine ausführliche Darstellung zum Meinungsstand bei Koch, Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 44 ff.; ebenso bei Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 44 ff. 66
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Teil 2: Letztentscheidungsbefugnisse der Verwaltung im Allgemeinen
Verwaltung obliegt dann nur die abschließende Einschätzung, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen gegeben sind.72 Es findet insofern eine Kompetenzverschiebung im Bereich der Subsumtion statt.73 Noch heute sind insbesondere die Voraussetzungen für die Annahme eines Beurteilungsspielraums umstritten und nicht abschließend geklärt, da das Vorliegen eines unbestimmten Rechtsbegriffs alleine nicht ausreichend ist. Da sich ein Beurteilungsspielraum i. d. R. nicht aus dem Gesetzeswortlaut entnehmen lässt,74 kann die normative Ermächtigungslehre an ihre Grenzen stoßen. Aus diesem Grund wird ergänzend der funktionelle Ansatz herangezogen, wonach maßgeblich ist, ob die Verwaltung besser als die Rechtsprechung geeignet ist für die Einschätzung, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen des unbestimmten Rechtsbegriffs vorliegen.75 Im Laufe der Zeit wurden unterschiedliche Anhaltspunkte herausgearbeitet, die als Indizien für eine Ermächtigung herangezogen werden können. Gesetzen wird bspw. dann ein Beurteilungsspielraum entnommen, „[…] wenn der zu treffenden Entscheidung in hohem Maße wertende Elemente anhaften und das Gesetz für sie deshalb ein besonderes Verwaltungsorgan für zuständig erklärt, das weisungsfrei, mit besonderer fachlicher Legitimation und in einem besonderen Verfahren entscheidet.“76
Eine nachträgliche Korrektur einer solchen Wertung, die sich nicht als eindeutig „richtig“ oder „falsch“ einstufen lässt,77 „würde den pluralistischen Mehrwert der Entscheidung zunichte machen.“78 Neben dem wertenden Charakter kann auch die mangelnde Wiederholbarkeit einer Entscheidung oder die hohe Komplexität und Dynamik des Regelungsgegenstandes auf einen Beurteilungsspielraum der Verwaltung hinweisen.79 Gleiches gilt für die u. a. im Umwelt- und Wirtschaftsrecht 72
Ziekow, VwVfG, § 40 Rn. 47; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 37. BVerfG NVwZ 2010, 435 (438) Rn. 58; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 31 Rn. 16; Wilke, in: Merten, Gewaltentrennung im Rechtsstaat, S. 138; Papier, in: Isensee/ Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. 8, § 177 Rn. 74 f.; Pielow, in: Baur/Salje/SchmidtPreuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 57 Rn. 43; Mengering, Entgeltregulierung, S. 354; so wohl auch Oster, Normative Ermächtigungen, S. 37 f.; Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 97 f.; Bachof, JZ 1955, 97 (99); Papier, DÖV 1986, 621 (624); Schulze-Fieltz, JZ 1993, 772; uneindeutig Ludwigs, JZ 2009, 290 (291, 293); Kment/Vorwalter, JuS 2015, 193 (195); a. A. Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 44; Wolff, in: Sodan/ Ziekow, VwGO, § 114 Rn. 302; Müller, in: Huck/Müller, VwVfG, § 40 Rn. 39; Spendler, in: FS Ule, S. 337 (346); zu weitgehend Brohm, DVBl 1986, 321 (330 f.). 74 Eine seltene Ausnahme findet man im eindeutigen Wortlaut des § 10 Abs. 2 S. 2 TKG. 75 Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 78. 76 BVerwG NJW 2008, 2135 (2139) Rn. 43; beispielhaft zudem BVerfG NJW 1991, 1471 (1474); BVerwG NJW-RR 1086, 788; BVerwG NJW 1993, 1491 (1492); BVerwG NJW 2007, 2790 (2792) Rn. 27 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 204. 77 So bereits Bachof, JZ 1955, 97 (99). 78 Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 49. 79 BVerfG NJW 1991, 2005 (2006) m. w. N.; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 99; Fallgruppen sind bspw. prüfungsspezifische Wertungen wegen ihrer Unwiederholbarkeit und 73
C. System der Letztentscheidungsbefugnisse in Deutschland
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anzutreffenden Prognose- oder Risikoentscheidungen,80 welche technische oder wirtschaftliche Wahrscheinlichkeitsurteile über zukünftige Entwicklungen enthalten.81 Allein der Umstand, dass eine Prognose anzustellen ist, reicht aber nicht aus, um einen Beurteilungsspielraum anzunehmen.82 Hinzu kommen muss vielmehr ein besonders komplexer Sachverhalt sowie notwendiger technischer oder wirtschaftlicher Sachverstand, weshalb die Verwaltung die Prognose „besser“ zu stellen vermag als das Gericht.83 Eine strikte Trennung zwischen den verschiedenen Fallgruppen ist nicht möglich. Vielmehr ist auch die Handhabung in der Rechtsprechung unsystematisch,84 sodass es sich keinesfalls um starre Vorgaben handeln kann. Vielmehr bedarf es stets einer Prüfung im Einzelfall, wessen Entscheidung maßgeblich sein soll: Die der Verwaltung oder die der Gerichte?85 Der Beurteilungsspielraum kann der Verwaltung in verfassungskonformer Weise durch den Gesetzgeber übertragen werden, wenn ein hinreichend gewichtiger, am Grundsatz eines wirksamen Rechtsschutzes ausgerichteter Sachgrund gegeben ist.86 Insbesondere der bessere Sachverstand der Verwaltung kann zwar einen solchen Sachgrund darstellen, ist aber jeweils anhand des konkreten Beurteilungsspielraums zu überprüfen. Bei der Annahme eines Beurteilungsspielraums wird weiterhin Zurückhaltung geübt, insbesondere im grundrechtssensiblen Bereich.87
dem notwendigen Vergleich mit anderen Prüflingen in der konkreten Prüfungssituation, vgl. BVerfG JZ 1991, 1084; jüngst BVerwG NJW 2018, 2142; sowie beamtenrechtliche Befähigungs- und Leistungsurteile aufgrund der Bestenauslese aus Art. 33 Abs. 2 GG, vgl. BVerwG NJW 1989, 1297; und Vergabeentscheidungen bei fehlender Vergleichbarkeit von Angeboten, vgl. Bundeskartellamt (BKartA) NZBau 2003, 110. 80 Beispielhaft BVerfG NVwZ 2010, 435 (439 f.); BVerwG NJW 1982, 1168 (1169); BVerwG NJW 1986, 80; BVerwG NJW 1988, 3221 (3222); BVerwG NJW 1989, 3233 (3235); BVerwG NVwZ-RR 2000, 213 (215); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 200; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 141 ff. 81 Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 32. EL 2016, § 114 Rn. 59. 82 Zur Parallele in der polizeilichen Gefahrenabwehr vgl. Schenke, JuS 2018, 505 (506); aus diesem Grund auch insgesamt kritisch Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 50. 83 Aschke, in: BeckOK VwVfG, § 40 Rn. 121. 84 BVerwG, Beschl. v. 10.12.2014, 6 C 16.13 = BeckRS 2015, 42253 Rn. 39; ein Beurteilungsspielraum für die Entscheidung nach § 12 Abs. 1 und Abs. 2 G 10 wurde sowohl auf die zu treffende Prognose als auch auf die Unabhängigkeit des Entscheidungsgremiums gestützt, vgl. BVerwG NJW 2008, 2135 (2139) Rn. 44; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 25 Rn. 39; Börger, Kontrolldichte, S. 79. 85 Pache, Tatbestandliche Abwägung, S 62; in diesem Sinne auch Jestaedt, in: Ehlers/ Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 46; Eifert, ZHR 2010, 449 (458 f.). 86 BVerfG NVwZ 2011, 1062 (1065); so bereits Bachof, JZ 1955, 97 (99 f.). 87 Ziekow, VwVfG, § 40 Rn. 48; Aschke, in: BeckOK VwVfG, § 40 Rn. 128; Kment/Vorwalter, JuS 2015, 193 (200); eine Übersicht bei Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn. 52 f.
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Teil 2: Letztentscheidungsbefugnisse der Verwaltung im Allgemeinen
Zur Überprüfung von Beurteilungsspielräumen wurde eine Formel entwickelt, „die an das Kontrollprogramm bei Ermessensentscheidungen anknüpft.“88 Die Gerichte prüfen zunächst ob die Behörde den Sachverhalt zutreffend, vollständig und methodengerecht ermittelt hat, ob die anzuwendenden Normen richtig ausgelegt wurden und ob die Verfahrensvorschriften eingehalten wurden.89 Erhöhte Anforderungen an das Verfahren liegen dabei in der demokratischen Legitimation begründet.90 Die Überprüfung der Beurteilungsentscheidung in der Sache richtet sich im Wesentlichen danach, ob die gesetzlichen Grenzen eingehalten wurden und die Ausübung des Beurteilungsspielraums dem Sinn des Gesetzes entsprach, mithin dass sich die Behörde nicht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen.91 Ein Beurteilungsfehlgebrauch liegt insbesondere vor, wenn nicht alle wesentlichen entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte berücksichtigt wurden.92 Die Entscheidung der Verwaltung unterliegt mithin einer Vertretbarkeitskontrolle.
IV. Planungsermessen Eine weitere Form administrativer Letztentscheidungsbefugnis stellt das Planungsermessen dar.93 Dabei wird der Exekutive durch das Gesetz eine Planungsaufgabe zugewiesen und ein Gestaltungsspielraum eingeräumt, innerhalb dessen sie einen Sachbereich unter Abwägung und Ausgleichung aller betroffenen Rechte und Interessen programmierend zu gestalten hat.94 Die Planung ist also nicht eine bloße Subsumtion eines Lebenssachverhaltes unter eine abstrakt-generelle Norm, sondern ein komplexer „Prozess der Gewinnung, Auswahl und Verarbeitung von Informationen, der Zielsetzung und der Auswahl einzusetzender Mittel“.95 Aus diesem Grund können konkrete Planvorgaben und der konkrete Inhalt der Planung rechtlich nicht fixiert werden, sondern nur die Befugnis zur Planung normativ bestimmt werden.96 88
BVerfG NJW 1991, 2005 (2007); Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 32. EL 2016, § 114 Rn. 3; Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn. 7. 89 BVerfG NVwZ 2017, 305 (308) Rn. 41; BVerwG NVwZ 2014, 589 (594) Rn. 33; BVerwG, Beschl. v. 10.12.2014, 6 C 16.13 = BeckRS 2015, 42253 Rn. 43; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 192; Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn. 78. 90 Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 550. 91 Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn. 81. 92 Insbesondere das Willkürverbot, vgl. BVerwG NVwZ 2014, 589 (594) Rn. 33; BVerwG, Beschl. v. 10.12.2014, 6 C 16.13 = BeckRS 2015, 42253 Rn. 43; zu spezifischen Bewertungsmaßstäben je nach Rechtgebiet s. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 114 Rn. 362 f. 93 Seit BVerwG VerwRspr 1970, 571 (572) st. Rspr.; auch als planerische Gestaltungsfreiheit bezeichnet, vgl. nur Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 30; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 32. 94 Geis, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 40 Rn. 200; Badura, in: FS Weber, S. 923. 95 BVerfG NJW 1997, 383; die Planung beinhaltet ein „schöpferisches Element“, vgl. Schmidt-Aßmann, in: FS Schlichter, S. 11. 96 BVerfG NJW 1989, 2525 (2527); Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 31.
C. System der Letztentscheidungsbefugnisse in Deutschland
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Dies erfolgt durch Zielvorgaben und Abwägungsgrundsätze.97 Die planerische Gestaltungsfreiheit wurde für die Bauleitplanung aufgrund der der Gemeinde zustehenden Planungshoheit entwickelt98 und später auf Planfeststellungsentscheidungen in der Fachplanung übertragen.99 Die Rechtsprechung hat aber mittlerweile „unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass den Planfeststellungsbehörden kein derart umfassender Gestaltungsspielraum offenstehe, wie er der Bauleitplanung immanent sei.“100 Vielmehr ist die Planfeststellung auch als gebundene Entscheidung denkbar,101 woraus folgt, dass sich anders als in der Bauleitplanung nicht per se durch die Übertragung einer Planungsbefugnis ein Planungsermessen ergibt, sondern für jede Planfeststellung gesondert zu ermitteln ist, ob es sich um eine Abwägungsentscheidung handelt.102 Ob eine Vorschrift der Verwaltung eine planerische Gestaltungsfreiheit einräumt, ist aus der Vorschrift durch Auslegung zu ermitteln.103 Die dogmatische Einordnung des Planungsermessens ist noch nicht abgeschlossen.104 Während Stimmen in der Literatur von einem aliud zum Ermessen ausgehen,105 wird es teilweise als Subkategorie des Verwaltungsermessens mit einem höheren Grad an administrativer Entscheidungsfreiheit verstanden.106 97
Grundlegend zu den unterschiedlichen Normstrukturen Luhmann, Recht und Automation in der öffentlichen Verwaltung, S. 39 f. 98 BVerwG VerwRspr 1970, 571 (572). 99 BVerwG NJW 1975, 1373 (1374 f.), wo es heißt: „Nach der zum BBauG entwickelten, auf die fernstraßenrechtliche Planung aber im Grundsatz ohne weiteres übertragbaren Rechtsprechung“; von da an wurde das Planungsermessen auf andere fachplanungsrechtliche Verfahren übertragen, vgl. nur BVerwG NJW 1979, 64 (65) m. w. N.; befürwortend Sendler, in: FS Schlichter, S. 72 ff.; kritisch Schmidt-Aßmann, in: FS Schlichter, S. 13 ff.; Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 7 Rn. 14 ff.; Beckmann, DÖV 1987, 944 (949); Schmidt-Aßmann, DÖV 1990, 169 (170); Erbguth, DVBl 1992, 398 (403); Kment, ZUR 2016, 331 (333); zwischen den verschiedenen Fachplanungen unterscheidend Steinberg/Wickel/Müller, Fachplanung, § 3 Rn. 9. 100 Kment, ZUR 2016, 331 (333). 101 Das fachplanerisches Abwägungsgebot gilt nicht für die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans durch Planfeststellung, BVerwG NVwZ 2007, 700 (701) Rn. 28, oder für die Zulassung im Atomrecht, BVerwG NVwZ 2008, 833 (835) Rn. 27. 102 Dies kann sich wie bei § 43 S. 4 EnWG ausdrücklich aus dem Gesetz ergeben, BVerwG NVwZ 2018, 332 (333) Rn. 25, und ist andernfalls durch Auslegung zu ermitteln. 103 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 43; das Planungsermessen ergibt sich im Fachplanungsrecht nach der Rechtsprechung grundsätzlich aus der Übertragung der Planungsbefugnis auf die Planfeststellungsbehörde, vgl. BVerwG NJW 1975, 1373 (1374); Steinberg/Wickel/Müller, Fachplanung, § 3 Rn. 1; Missling, in: Theobald/Kühling, EnWG, § 43 Rn. 38; a. A. überzeugend Kühling/Herrmann, Fachplanungsrecht, Kap. 1 Rn. 33. 104 Geis, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 40 Rn. 198; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 42. 105 Hoppe, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. 4, § 77 Rn. 21 f.; Badura, in: FS Weber, S. 923; Brohm, VVDStRL 1972, 245 (259 ff.); Hoppe, DVBl 1974, 641 (644); Waechter, VerwArch 1997, 298 (312 f.); Voßkuhle, JuS 2008, 117 (119). 106 Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 18; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 208; Bartlsperger, in: Erbguth/Oebbecke/ Rengeling/Schulte, Abwägung im Recht, S. 103; Rubel, Planungsermessen, S. 60 ff.; Hofmann, Abwägung im Recht, S. 164; Schmidt-Aßmann, VVDStRL 1976, 221 (251 f.); Koch, DVBl
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Der Gesetzgeber ist auch bei der Übertragung des Planungsermessens durch die Grundrechte sowie durch das Rechtsstaats- und das Demokratieprinzip gebunden.107 Der Gemeinde wird in der Bauleitplanung ein hoher Grad an Entscheidungsfreiheit zugestanden, der sich mit dem verfassungsrechtlich verankerten Selbstverwaltungsrecht nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, das die Planungshoheit beinhaltet, sowie dem hohen Grad an demokratischer Legitimation durch die Völkervertretung im Gemeinderat rechtfertigen lässt.108 Zudem wird stets eine Planrechtfertigung gefordert, was bedeutet, dass die Planung vernünftigerweise geboten sein muss.109 Anders ist dies bei Planfeststellungsentscheidungen. Ein verfassungsrechtlich verankertes Recht, das eine „weitreichende Gestaltungsfreiheit des Staates“ eröffnet, existiert nicht.110 Der Fachplanungsbehörde übertragene Abwägungsentscheidungen sind vielmehr an hinreichend gewichtigen Sachgründen auszurichten und durch diese gerechtfertigt. Zudem muss eine stärkere Beschränkung im Vergleich zum Planungsermessen in der Bauleitplanung erfolgen. Dies geschieht zum einen durch die „Vorverlagerung“ der eigentlichen Planung auf den Vorhabenträger und zum anderen dadurch, dass die Planfeststellungsbehörde die Konzeption des Vorhabenträgers zwar auf Grundlage einer eigenen Abwägungsentscheidung überprüft, sie aber nicht ändern, sondern nur akzeptieren oder ablehnen kann.111 Dem Grundrechtsschutz wird daneben durch das Planungsverfahren, insbesondere der Öffentlichkeitsbeteiligung, in besonderer Weise Rechnung getragen.112 Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich im Planungsrecht mangels konkreter Vorgaben auf die Rahmenbedingungen, wie bspw. die Einhaltung des Verfahrens oder der Ziele sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Abwägungsgebot) und 1983, 1125 (1132); Alexy, JZ 1986, 701 (711); Gärditz, NVwZ 2009, 1005 (1006); für eine Vereinheitlichung Wolff/Bachof/Stobe/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 31 Rn. 79. 107 Vgl. Lieber, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 74 Rn. 35 zu Planfeststellungen. 108 Badura, in: FS Weber, S. 927; Sendler, in: FS Schlichter, S. 73; Wiedmann, Das Planungsermessen des § 1 Abs. 7 BBauGB als Unterfall des allgemeinen Verwaltungsermessens, S. 34. 109 Vgl. Badura, in: FS Weber, S. 913; die Planrechtfertigung ist gerichtlich voll überprüfbar; BVerwG NJW 1975, 1373 (1374 f.); BVerwG NJW 1986, 1508 (1509); BVerwG NJW 1990, 860 (862); BVerwG LKV 1999, 143; als weitere Sachgründe werden angeführt Situationsabhängigkeit städtebaulicher Maßnahmen, vgl. Schmidt-Aßmann, in: FS Schlichter, S. 8, die Komplexität der Interessenlage oder die notwendige Kreativität des Gestaltungsvorgangs, vgl. Schmidt-Aßmann, in: FS Schlichter, S. 11, Gründe des öffentlichen Wohls, vgl. Kühling/ Herrmann, Fachplanungsrecht, Kap. 1 Rn. 34; Bertrams, in: FS Hoppe, S. 991 f. und die effektive Aufgabenerledigung, vgl. Berkemann, in: FS Schlichter, S. 41. 110 Aschke, in: BeckOK VwVfG, § 40 Rn. 28 rechtfertigt das Planungsermessen der Fachplanungsbehörde mit einer solchen vermeintlich weitreichenden Gestaltungsfreiheit, ohne dies weiter zu begründen. 111 BVerwG NVwZ 2001, 673 (682); Kment, ZUR 2016, 331 (333). 112 Vgl. Wahl, NVwZ 1990, 426 (431 f.); ob ein Mehr an Verfahren ein Weniger an materieller Bindung verfassungsrechtlich rechtfertigen kann ist bereits in vielen Schriften analysiert und diskutiert worden, vgl. dazu ausführlich Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 203 ff.
C. System der Letztentscheidungsbefugnisse in Deutschland
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die zwingenden gesetzlichen Vorgaben. Zur Überprüfung der Grenzen des Planungsermessens wurde die Abwägungsfehlerlehre entwickelt.113 Die Abwägungsentscheidung der Behörde unterliegt einer Vertretbarkeitskontrolle und ist rechtsfehlerhaft, wenn gegen zwingende materielle Rechtssätze (sog. Planungsleitsätze) verstoßen wurde,114 eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat, in die Abwägung nicht alle erforderlichen Belange eingestellt worden sind, die Bedeutung einzelner Belange verkannt worden ist oder der Ausgleich zwischen ihnen zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht.115
V. Regulierungsermessen Einen „neuen“ Typ von Letztentscheidungsbefugnissen stellt das Regulierungsermessen im Regulierungsrecht dar. Grundlage hierfür war die Normstruktur des § 21 Abs. 1 TKG, die von unbestimmten Rechtsbegriffen, Regulierungszielen und einer Ermessensermächtigung geprägt ist. Im Jahr 2007 sprach das BVerwG der BNetzA für die Entscheidung, ob eine Zugangsverpflichtung nach § 21 Abs. 1 TKG gerechtfertigt ist, ein solches Regulierungsermessen erstmals zu.116 In der Begründung hieß es, dass die komplexe Normstruktur es ausschließe, „[…] die durch zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe gesteuerte Abwägung von einer sich etwa daran erst anschließenden Ermessensbetätigung zu trennen und Erstere der vollen gerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen.“117
Das Gesetz fordere eine Gewichtung und einen Ausgleich gegenläufiger öffentlicher und privater Belange.118 Das BVerwG nahm damit die gerichtliche Kon113 § 114 VwGO analog soll nach h. M. keine Anwendung finden, vgl. Wolff, in: Sodan/ Ziekow, VwGO, § 114 Rn. 37; Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 32. EL 2016, § 114 Rn. 3; a. A. noch BVerwG VerwRspr. 1970, 571 (573); Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 114 Rn. 34; Rubel, Planungsermessen, S. 135; nach Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 114 Rn. 199 folgt auch die Abwägungskontrolle dem Grundraster des § 114 VwGO. 114 BVerwG NJW 1986, 82; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 34 f.; dass dies überhaupt einer Klarstellung bedarf ist verwunderlich, wo die Verwaltung immer an zwingende Rechtssätze gebunden ist, egal ob sie einen Ermessensspielraum oder einen Beurteilungsspielraum eingeräumt bekommt. 115 BVerwG VerwRspr 1970, 571 (576); BVerwG NVwZ 1987, 578; BVerwG NVwZ-RR 1991, 601 (603); Pünder, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn. 23; Decker, in: BeckOK VwGO, § 114 Rn. 36e; Geis, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 40 Rn. 208; Bertrams, in: FS Hoppe, S. 987 ff. 116 BVerwG MMR 2008, 463 (465); zuvor wurde offen gelassen, ob der Regulierungsbehörde ein solches zusteht, BVerwG NVwZ 2004, 1365; in der Literatur geht der Begriff bereits zurück auf Röhl, Die Regulierung der Zusammenschaltung, S. 191 ff., vgl. Proelß, AöR 2011, 402 (412); auch Trute in Trute/Spoerr/Bosch, TKG, § 1 Rn. 13 sprach bereits vom „Regulierungsspielraum“. 117 BVerwG MMR 2008, 463 (466). 118 BVerwG MMR 2008, 463 (466).
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trolle sowohl hinsichtlich der unbestimmten Rechtsbegriffe als auch hinsichtlich der Rechtsfolgenentscheidung zurück. In einer späteren Entscheidung begründete das BVerwG die Rücknahme gerichtlicher Kontrolle mit den Funktionsgrenzen der Rechtsprechung aufgrund der hohen Komplexität und Dynamik der Materie sowie den wertenden Elementen der Regulierungsentscheidung, für die ein besonderes Verwaltungsorgan zuständig ist.119 Erstmals 2008 sprach das BVerwG ausdrücklich von einer Anlehnung an das Planungsermessen.120 In der gleichen Entscheidung befürwortete das BVerwG ein Regulierungsermessen für die Entscheidung nach § 30 Abs. 1 TKG, ob eine nachträgliche Entgeltregulierung zur Erreichung der Regulierungsziele ausreicht.121 Das Regulierungsermessen wurde sodann auch auf die Auswahl der in § 13 TKG genannten Maßnahmen übertragen.122 Seitdem wird das Regulierungsermessen in der telekommunikationsrechtlichen Zugangs- und Entgeltregulierung ohne weitergehende Begründungen, sondern jeweils mit Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Senats, angenommen.123 Auch in den Energiesektor hat das Regulierungsermessen mittlerweile Einzug gehalten. Die Richter lassen dabei aber regelmäßig offen, ob es sich um einen Beurteilungsspielraum oder eine Abwägungsentscheidung handelt und überprüfen die Entscheidung an beiden Maßstäben.124 Neben der komplexen Normstruktur zog das BVerwG auch das Unionsrecht als Begründung heran, nach dem „die nationale Regulierungsbehörde über den vollen Ermessensspielraum verfügen soll, wenn es um die Entscheidung geht, welche Verpflichtungen angemessen sind“125 und berief sich dabei auf eine Stellungnahme der Kommission im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2004/2221.126 In diesem Vertragsverletzungsverfahren, in dem es inhaltlich um die Entgeltregulierung und die Transparenzverpflichtung im Telekommunikationsrecht ging, stellte die Kommission klar, dass die NRB aufgrund der europäischen Richtlinien die Befugnis habe, im erforderlichen Umfang Verpflichtungen aufzuerlegen. Dieser „Ermessensspielraum“ dürfe nicht durch gesetzliche Anweisungen eingeschränkt werden, da die 119
BVerwG MMR 2008, 463 (466). BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1364) Rn. 47. 121 BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1367) Rn. 65 f. 122 BVerwG, Beschl. v. 23.10.2013, 6 B 16.13 = BeckRS 2013, 58238 Rn. 5; Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 13 Rn. 31. 123 Beispielhaft BVerwG NVwZ 2009, 653 (658) Rn. 42; BVerwG MMR 2009, 786 (789) Rn. 33; BVerwG NVwZ 2014, 942 (949) Rn. 43; kritisch Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 116 f. 124 Schmidt-Preuß, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 10 Rn. 23 ff.; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 208 ff. m. w. N.; Mayen, NVwZ 2008, 835. 125 BVerwG MMR 2008, 463 (466 f.); in diesem Sinne auch BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1364 f.) Rn. 48. 126 Kommission, Stellungnahme v. 12.04.2005, C (2005) 1196, S. 3 ff. im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2004/2221. 120
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Behörde die Möglichkeit haben müsse, den Stellungnahmen der Kommission oder anderer Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen.127 Das BVerwG zog daraus den Schluss, dass dann auch keine vollumfängliche gerichtliche Kontrolle durchgeführt werden könne.128 Dass sich die Rechtsfigur in der ständigen Rechtsprechung etabliert hat, bedeutet nicht, dass ihre dogmatische Einordnung und ihre Rechtfertigung unumstritten wären. Weder die Frage nach der dogmatischen Einordnung noch der Begründung des Regulierungsermessens sind bisher abschließend beantwortet worden. Ein Großteil der Literatur schließt sich der Rechtsprechung dahingehend an, dass es sich um eine dem Planungsermessen im Fachplanungsrecht vergleichbare Rechtsfigur handelt,129 während andere Parallelen zum Beurteilungsspielraum130 sehen oder von einer administrativen Letztentscheidungsbefugnis eigener Art sprechen.131 Ein allumfassendes Regulierungsermessen bzgl. sämtlicher Regulierungsentscheidungen wird von der h. L. aber abgelehnt, sodass es stets einer Prüfung im Einzelfall bedarf.132 Die hohe Komplexität und besondere Dynamik der Netzregulierung sollen als hinreichend gewichtige Sachgründe den weiten Spielraum der BNetzA rechtfertigen, der sich auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite erstreckt.133 Während zudem einerseits auf die besondere Ausgestaltung des Verfahrens im Telekommunikationsrecht nach §§ 132 ff. TKG abgestellt wird,134 wird andererseits die umfassende staatliche Planungsermächtigung im Regulierungsrecht als verfassungsrechtlicher 127 Kommission, Stellungnahme v. 12.04.2005, C (2005) 1196, S. 4 im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2004/2221. 128 Vgl. Geppert/Attendorn, in: BeckOK TKG, § 21 Rn. 52; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 211; Mayen, NVwZ 2008, 835 (841 f.). 129 Ziekow, VwVfG, § 40 Rn. 18; Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 21 Rn. 12 ff.; Scherer, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich, TKG, § 21 Rn. 14 ff.; Schröder, Genehmigungsverwaltungsrecht, S. 340; Mayen, NVwZ 2008, 835 (837); kritisch Aschke, in: BeckOK VwVfG, § 40 Rn. 28; Gärditz, NVwZ 2009, 1005 (1006 f., 1008); bereits vor der Grundsatzentscheidung Mayen, CR 2005, 21 (23). 130 Bourwieg, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 46 Rn. 25; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 200 und 204; Geppert/Attendorn, in: BeckOK TKG, § 21 Rn. 52; Ludwigs, JZ 2009, 290 (292); Hwang, AöR 2011, 553 (565); differenzierend Burgi, DVBl 2006, 269, (275); kritisch Gärditz, NVwZ 2009, 1005 (1006); vor der Grundsatzentscheidung des BVerwG Heun, CR 2003, 485 (490); Ellinghaus, CR 2004, 23 (28); Thomaschki, MMR 2003, 500 (502); Jochum, MMR 2005, 161 (163). 131 Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 114 Rn. 78 f.; Eifert, in: Steinbach, Verwaltungsrechtsprechung, S. 140; Pielow, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 57 Rn. 15; Holznagel/Schulz/Werthmann/Grünhoff, Gerichtliche Kontrolle S. 122 f.; Kahl, NVwZ 2011, 449 (450). 132 Vgl. Mayen, Referat O 45 (65); Ludwigs, in: FS Schmidt-Preuß, S. 705; Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 130; Ludwigs, JZ 2009, 290 (294). 133 Schröder, Genehmigungsverwaltungsrecht, S. 339. 134 Jüngst Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 351 ff.; a. A. Würtenberger, GewArch 2016, 6 (8).
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Teil 2: Letztentscheidungsbefugnisse der Verwaltung im Allgemeinen
Rechtfertigungsgrund herangezogen.135 Dass sich die Rechtsprechung zum Regulierungsermessen aber nicht auf die Zugangsverpflichtung nach § 21 TKG beschränkt, sondern weite Teile des Telekommunikationsrechts betrifft und mittlerweile auch im Energierecht herangezogen wird,136 wird in der Literatur kritisch gesehen.137 Das BVerfG hat sich zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Regulierungsermessens noch nicht (explizit) geäußert.138 Auch der Kammerbeschluss vom 08.12.2011139 billigte nur den vom BVerwG angenommenen einheitlichen Beurteilungsspielraum bzgl. der Marktdefinition und -analyse nach §§ 10, 11 TKG, ging aber nicht auf das Regulierungsermessen nach §§ 21 und 30 TKG ein.140 Seit 2008 wird in der Rechtsprechung bei der Überprüfung von Regulierungsentscheidungen in Anlehnung an das Planungsermessen deutlich auf die Abwägungsfehlerlehre Bezug genommen.141 Die Regulierungsentscheidung in der Sache wird einer Vertretbarkeitskontrolle unterzogen.142 Im Laufe der Zeit wurden den Planungsleitsätzen und -zielen sowie Optimierungsgeboten vergleichbare Überprüfungsmaßstäbe entwickelt. Die Regulierungsentscheidung der BNetzA wird bspw. an „strikten Abwägungsgrenzen“143, „gesetzlichen Abwägungsregeln“144 und dem Gebot der Konfliktbewältigung145 gemessen.146 Diese Fortführung der Recht135 Vgl. noch Mayen, NVwZ 2008, 835 (836 ff.); mittlerweile kritisch ders., Methodik, Ordnung, Umwelt 2014, 131 (137 ff.); ablehnend insbesondere Winkler, DVBl 2013, 156 (160). 136 Höchstrichterlich erstmals BGH EnWZ 2014, 378 (380); davor bereits OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.07.2010, VI-3 Kart 184/09 (V) = BeckRS 2010, 27913 = RdE 2011, 100 und Beschl. v. 15.12.2010, VI-3 Kart 204/09 (V) = BeckRS 2012, 15894. 137 Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 13 Rn. 50a; Durner, DVBl 2012, 299 (302); Winkler, MMR 2012, 186 (189); Mayen, Methodik, Ordnung, Umwelt 2014, 131 (137 ff.); Gärditz, DVBl 2016, 399 (403). 138 Insbesondere die Verfassungsbeschwerde gegen das Grundsatzurteil zum Regulierungsermessen vom 28.11.2007 (BVerwG MMR 2008, 463) wurde mangels grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung mit Beschl. v. 27.05.2008 nicht zur Entscheidung angenommen, vgl. BVerfG MMR 2008, 590. 139 BVerfG NVwZ 2012, 694. 140 Hierzu zurecht kritisch Gärditz, Die Verwaltung 2013, 257 (275); das Fehlen entsprechender Ausführungen zum Regulierungsermessen als aus Sicht der Kammer verfassungsrechtlich unbedenklich deutend Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 125. 141 BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1364) Rn. 47; zur Abwägungsfehlerlehre vgl. Teil 2 C. IV.; zuvor orientierte man sich noch am Prüfungsumfang von Beurteilungsspielräumen, vgl. BVerwG MMR 2008, 463 (467); Würtenberger, GewArch 2016, 6 (8); so auch Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 115. 142 A. A. Pielow, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 57 Rn. 44, der in der gerichtlichen Überprüfung bloß eine „nachvollziehende Vertretbarkeits- bzw. Schlüssigkeitskontrolle“ sieht, die nach hiesigem Verständnis eine Plausibilitätskontrolle darstellt. 143 BVerwG NVwZ 2010, 1359 (1361) Rn. 20 f. 144 BVerwG MMR 2013, 677 (680) Rn. 38. 145 BVerwG, Urt. v. 11.12.2013, 6 C 23.12 = BeckRS 2014, 47599 Rn. 38. 146 Grundlegend Mayen, NVwZ 2008, 835 (841 f.); ablehnend noch Oster, Normative Ermächtigungen, S. 211 f.
D. Europarechtlicher Einfluss
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sprechung ist im Hinblick auf die Abwägungsfehlerlehre konsequent. Maßgeblicher Prüfungsumfang ist dabei die Begründung der BNetzA, der damit eine hohe Bedeutung zukommt.147
VI. Fazit zum nationalen System behördlicher Letztentscheidungsbefugnisse Bei behördlichen Spielräumen weisen sowohl die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen als auch die gerichtliche Kontrolle Parallelen auf.148 Unabhängig von der Art des Spielraums sind stets die von der Behörde getroffenen Tatsachenfeststellungen, die Einhaltung von Verfahrensregeln und die Gesetzesauslegung vollumfänglich überprüfbar. In der Sache nehmen die nationalen Gerichte eine Vertretbarkeitskontrolle vor, womit die gerichtliche Überprüfung eine hohe Kontrolldichte aufweist. Zudem wird jeder Spielraum durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und durch die Bindung an zwingende gesetzliche Vorgaben beschränkt. Je weniger Vorgaben durch den Gesetzgeber gemacht werden, desto höher ist der Grad der Entscheidungsfreiheit der Behörde und desto höher sind die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Sachgrund.149 Im Ergebnis kann kein qualitativer, sondern allenfalls ein quantitativer Unterschied der Letztentscheidungsspielräume festgestellt werden.150 Trotz (noch) klarer Trennung der verschiedenen Arten von Spielräumen lässt sich mittlerweile auch eine Tendenz in der Rechtsprechung erkennen, die Letztentscheidungsbefugnisse nicht der Sache nach, sondern nach dem Grad an administrativer Entscheidungsfreiheit zu unterscheiden.151
D. Europarechtlicher Einfluss Das europäische Ermessensverständnis unterscheidet sich von den nationalen Letztentscheidungsbefugnissen insbesondere hinsichtlich der Trennung von Tatbe147 Pielow, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 57 Rn. 44 und Rn. 61. 148 So schon Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 519; Rubel, Planungsermessen, S. 134; Börger, Kontrolldichte, S. 90 ff.; Mengering, Entgeltregulierung, S. 378 f.; Herdegen, JZ 1991, 747 (750); Schmidt-Aßmann/Groß, NVwZ 1993, 617 (624); Smeddinck, DÖV 1998, 370 (374); Ludwigs, JZ 2009, 290 (293, 297); Eifert, ZHR 2010, 449 (459); Beaucamp, JA 2012, 193 (196 f.); kritisch Oster, Normative Ermächtigungen, S. 60 ff. 149 Während also beim „normalen Rechtsfolgeermessen“ die Einzelfallgerechtigkeit als Sachgrund ausreicht, rechtfertigt das umfassende Planungsermessen der Gemeinde nur die Planungshoheit mit Verfassungsrang. 150 So auch Ludwigs, DÖV 2020, 405 (407 ff.) m. w. N. 151 BVerwG NVwZ 2012, 1047 (1050) Rn. 38; so auch Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 120 m. w. N; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 247.
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Teil 2: Letztentscheidungsbefugnisse der Verwaltung im Allgemeinen
stand und Rechtsfolge.152 Zu unterscheiden ist das Ermessen der Verwaltung vom Ermessen des Gesetzgebers.153 Vorliegend ist das Ermessen der (europäischen) Verwaltung maßgeblich. Im europäischen Kontext kann trotz institutioneller Ausgestaltung der Gewaltenteilung eine funktionale Abgrenzung der Verwaltung zur Rechtsetzung und Rechtsprechung erfolgen; gemeint ist mithin der Vollzug des materiell-rechtlichen Unionsrechts.154 Europarecht wird grundsätzlich im zweipoligen Modell vollzogen: Der direkte und indirekte Vollzug. Der Vollzug des Europarechts erfolgt normalerweise durch die Mitgliedsstaaten gem. Art. 291 Abs. 1 AEUV. Dabei wird Unionsrecht entweder unmittelbar durch nationale Behörden angewendet (indirekter, unmittelbarer Vollzug) oder nationale Behörden vollziehen nationales Recht, das auf Europarecht basiert (indirekter, mittelbarer Vollzug). Der indirekte, mittelbare Vollzug stellt den größten Teil der europäischen Verwaltung dar. Der direkte Vollzug hingegen, auch unmittelbarer Vollzug oder Eigenverwaltung der EU, wird durch die Unionsorgane getätigt.155 Wenngleich direkter Vollzug hauptsächlich im Kartell- und Beihilfenrecht vorkommt, eröffnet das Primärrecht bisher keinen großen Anwendungsbereich für den direkten Vollzug.156
152 Vgl. nur v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, Kap. 3 E, S. 299 f.; Jestaedt, in: Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 28; Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Vorb. § 113 Rn. 32; Schönenbroicher, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 40 Rn. 18; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 8 und 163; Ziekow, VwVfG, § 40 Rn. 59; Geis, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Vorb. § 40 Rn. 25; Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 167 m. w. N.; v. Danwitz, System, S. 184; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 390; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 46; Schwarze, NVwZ 2000, 241 (249); Gärditz, DVBl 2016, 399 m. w. N.; Letztentscheidungsspielräume der Verwaltung werden insgesamt als „Ermessen“ bezeichnet. 153 Geis, in: Schoch/Schneider, VwVfG, Vorb. § 40 Rn. 26; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 282 f.; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 371; dass dem Unionsgesetzgeber durch die Verträge ein großer Gestaltungs-, Beurteilungs-, oder Ermessensspielraum eingeräumt ist, liegt in der Natur der Sache, vgl. Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtbarkeit, S. 167 m. w. N. Der nationale Gesetzgeber hat ebenfalls eine weitreichende „Einschätzungsprärogative“ bzgl. Gegenstand, Art und Weise und Umfang einer gesetzlichen Regelung, was grundsätzlich auch bei der Umsetzung von Unionsrecht gilt, vgl. EuGH, Urt. v. 05.04.1996, C-46/93 und C-48/93 = NJW 1996, 1267 (1269) Rn. 47. 154 Terhechte, in: Terhechte, Verwaltungsrecht der EU, § 1 Rn. 6 m. w. N.; Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 23; zur schwierigen Abgrenzung Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 21. 155 Die Begrifflichkeiten gehen zurück auf Rengeling, Rechtsgrundsätze beim Verwaltungsvollzug, S. 9 ff. 156 Frey/Peters, in: Zimmermann-Kreher, Allgemeines Verwaltungsrecht, Teil I Rn. 133; Terhechte, in: Terhechte, Verwaltungsrecht der EU, § 1 Rn. 20; zur Debatte um ein eigenes EUVerwaltungsverfahrensrecht s. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Europäisches Verwaltungsrecht Rn. 170a ff.
D. Europarechtlicher Einfluss
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Eine weitere, dritte Option des Europarechtsvollzugs stellt das Kooperationsverwaltungsrecht dar,157 bei dem eine horizontale158 wie vertikale159 Verwaltungszusammenarbeit zwischen Mitgliedsstaaten und Unionsorganen erfolgt.160 Sinn und Zweck des Kooperationsverwaltungsrechts ist insbesondere die wirksame und gleichförmige Anwendung des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten (sog. Kohärenz).161 Bereits aus dem Primärrecht ergibt sich aus Art. 4 Abs. 3 EUV ein allgemeines Kooperationsgebot, wonach sich die Union und die Mitgliedstaaten bei der Erfüllung der Aufgaben unterstützen.162 Dieses wird in einigen Sekundärrechtsakten konkretisiert, indem dort die Zusammenarbeit und Kooperation zwischen den nationalen Behörden und der Kommission explizit vorgegeben und Regelungen über etwaige Konsultations- und Konsolidierungsverfahren vorgesehen sind. Hierdurch können Beratungs- und Berücksichtigungspflichten und sogar Vetorechte entstehen, die den europäischen Verwaltungsvollzug zu einer Mischform aus direktem und indirektem Vollzug werden lassen. Die speziell im Regulierungsrecht ausgestaltete europäische Zusammenarbeit wird gemeinhin als Europäischer Regulierungsverbund bezeichnet. Im Folgenden werden die Anforderungen an die Annahme einer Letztentscheidungsbefugnis im indirekten Vollzug und deren gerichtlichen Kontrolle dargestellt (I.). Darüber hinaus wird auf das Ermessensverständnis im direkten Vollzug eingegangen (II.). Anschließend wird der Frage nachgegangen, wie sich allgemein die unionsrechtliche Forderung nach der Unabhängigkeit einer Behörde (III.) und die Vorgaben zum Europäischen Regulierungsverbund (IV.) auf Spielräume einer Behörde auswirken können.
I. „Ermessen“ im indirekten Vollzug Die Netzregulierungsgesetze gehen vor allem auf europäische Richtlinien zurück.163 Es handelt sich dabei um einen indirekten Vollzug des Unionsrechts. Ein Letztentscheidungsrecht kann sich dabei aus der Auslegung des Unionsrechts (1.) 157 Die Terminologie ist uneinheitlich. So werden für das Kooperationsverwaltungsrecht mitunter Bezeichnungen wie Mehrebenenverwaltung, vgl. Groß, VVDStRL 2007, 152 ff., Verwaltungsverbund, vgl. Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 47 ff., oder Mischverwaltung, vgl. Kahl, Die Verwaltung 1996, 341 (373), verwendet. Zum deskriptiv-analytischen Begriff des Verwaltungsverbundes s. Britz, EuR 2006, 46 (47 ff.), die auf S. 53 auch explizit zwischen den Begrifflichkeiten Verwaltungsverbund und Verwaltungskooperation unterscheidet. 158 Zwischen den mitgliedsstaatlichen Behörden untereinander. 159 Zwischen der mitgliedsstaatlichen Behörde und der Kommission. 160 Vgl. nur Wendel, Verwaltungsermessen, S. 86 ff. 161 v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, Kap. 6, S. 610 m. w. N. 162 Brohm, Die „Mitteilungen“ der Kommission, S. 164; Braams, Koordinierung, S. 159. 163 Vgl. bereits Teil 1 C. II. 1. und 2.
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Teil 2: Letztentscheidungsbefugnisse der Verwaltung im Allgemeinen
oder aus dem Effektivitätsgrundsatz (2.) ergeben. Allgemeingültige Aussagen hinsichtlich der gerichtlichen Kontrolldichte lassen sich auch trotz neuerer Entscheidungen des EuGH nicht treffen (3.). 1. Auslegung des Unionsrechts Für den indirekten, mittelbaren Vollzug des Unionsrechts gilt grundsätzlich, dass sich etwaige Letztentscheidungsbefugnisse der nationalen Behörden aus den anzuwendenden nationalen Normen, die Unionsrecht umsetzen, ergeben müssen.164 Darüber hinaus können sich aber auch Entscheidungsspielräume durch Auslegung aus dem materiellen Unionsrecht selbst ergeben.165 Wird von den nationalen Behörden das Unionsrecht unmittelbarer vollzogen, z. B. durch die Anwendung von Verordnungen gem. Art. 288 Abs. 2 S. 2 AEUV, ergeben sich Letztentscheidungsbefugnisse direkt durch Auslegung aus der anzuwendenden Unionsnorm.166 Bei beiden Arten des Unionsrechtsvollzugs sind die Unionsnormen stets nach Wortlaut, Zusammenhang, insbesondere Systematik und Erwägungsgründen, und nach den verfolgten Zielen auszulegen.167 Dies entspricht grundsätzlich der normativen Ermächtigungslehre auf nationaler Ebene.168 Den Entscheidungen liegt i. d. R. ein komplexer, technischer oder wirtschaftlicher Sachverhalt zugrunde. Dies alleine würde nach deutscher Dogmatik zwar für eine Ermessensermächtigung, nicht jedoch für einen Beurteilungsspielraum ausreichen. Der EuGH setzt aber insgesamt keinen strengen Maßstab an die Herleitung von Letztentscheidungsbefugnissen. Ein „Ermessen“ der nationalen Behörden wurde vielmehr bereits „[i]n Ermangelung spezifischer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften“ bejaht.169 Der EuGH geht dann ohne weitergehende Begründung von einer „weitreichende[n] Befugnis“, die die
164
Vgl. Teil 2 C. II. bis V. EuGH, Urt. v. 21.01.1999, C-120/97 (Upjohn) = EuZW 1999, 503 (505) Rn. 33 f.; EuGH, Urt. v. 03.12.2009, C-424/07 (Kommission/Deutschland) = EuZW 2010, 109 (114) Rn. 106; BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1360) Rn. 17 ff.; EuGH, Urt. v. 09.03.2010, Rs. C-379/ 08 (Raffinerie Mediterranee) = EuZW 2010, 307 (312) Rn. 65 und 70; EuGH, Urt. v. 18.07.2013, Rs. C-205/11 P (FIFA) = BeckRS 2013, 81545 Rn. 77; BVerwG NVwZ 2005, 220 (221); BVerwG NVwZ 2013, 507 (508) Rn. 20 f.; Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 4 Rn. 67; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 164; Guckelberger, Verwaltungsprozessrecht, S. 220; speziell zum Telekommunikationsrecht Bosch, Kontrolldichte, S. 117; zur Spielraumbegründung im Mehrebenensystem vgl. Wendel, Verwaltungsermessen, S. 190 ff. 166 Vgl. EuGH, Urt. v. 10.10.1985, C-183/84 (Söhnlein Rheingold), Slg. 1985, 3352 (3361) Rn. 26; EuGH, Urt. v. 19.12.2013, Rs. C-84/12 (Koushkaki) = NVwZ 2014, 289 (291) Rn. 61 ff.; Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 15.07.2010, Rs. C-367/09 Rn. 69; BVerwG NVwZ 2016, 161 (162) Rn. 20. 167 Vgl. nur EuGH, Urt. v. 04.04.2017, Rs. C-544/15 (Fahimian) = NVwZ 2017, 1193 (1194) Rn. 30 m. w. N. 168 Vgl. Teil 2 B. 169 EuGH, Urt. v. 24.04.2008, C-55/06 (Arcor) = NJOZ 2008, 1775 (1787) Rn. 116. 165
D. Europarechtlicher Einfluss
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Unionsnorm den nationalen Behörden einräumt, aus.170 In jüngeren Entscheidungen wurden bei der Frage, ob Unionsnormen den nationalen Behörden „Beurteilungsspielräume“ einräumen, Indizien herangezogen, die mit der Rechtsprechung zur Eigenverwaltung der EU vergleichbar sind.171 So wurde bspw. von einem „weiten Beurteilungsspielraum“ gesprochen, wenn die nationale Behörde komplexe Bewertungen vorzunehmen hat, die eine Prognose beinhalten und eine Gesamtbetrachtung aller Umstände erfordert.172 Sieht das Unionsrecht vor, dass der nationalen Behörde ein Spielraum im indirekten Vollzug zusteht, kann der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung des EURechts grundsätzlich keine anderen Vorgaben machen. Er kann die Behörde insbesondere nicht zu einer bestimmten Entscheidung verpflichten, sondern muss die Norm entsprechend offen ausgestalten. Zudem wird seit der Entscheidung des EuGH zu § 9a TKG a. F.173 davon ausgegangen, dass der nationale Gesetzgeber insoweit das Ermessen nicht legislativ vorstrukturieren darf.174 In dieser Entscheidung stellte der EuGH fest, dass die Norm europarechtswidrig ist, weil das Unionsrecht die Abwägung der Behörde und nicht dem nationalen Gesetzgeber übertragen habe. Ist demnach eine Entscheidung durch das Unionsrecht ausdrücklich einer nationalen Behörde zugewiesen, verbleibt für den nationalen Gesetzgeber kein Gestaltungsspielraum mehr. Zurecht weisen insbesondere Gärditz und Ludwigs schon lange darauf hin, dass sich etwaiges unionsrechtlich vorgegebenes Ermessen der Behörde gegenüber dem nationalen Gesetzgeber nicht automatisch gegenüber den nationalen Gerichten fortsetzt.175 Es müsste sich aus dem Unionsrecht selbst durch Auslegung ergeben, dass die gerichtliche Kontrolldichte bei der Überprüfung einer Behördenentscheidung zurück genommen werden muss.176
170
EuGH, Urt. v. 24.04.2008, C-55/06 (Arcor) = NJOZ 2008, 1775 (1791) Rn. 155. Zur Entwicklung der Auslegung durch den EuGH in jüngerer Zeit vgl. Wendel, Verwaltungsermessen, S. 54 f. 172 EuGH, Urt. v. 04.04.2017, C-544/15 (Fahimian) = NVwZ 2017, 1193 (1195) Rn. 37 ff. m. w. N.; Schlussanträge der Generalanwältin Kokott v. 22.10.2009, Rs. C-378/08 Rn. 124. 173 BGBl. I, 2007, 106 (108). 174 EuGH, Urt. v. 03.12.2009, Rs. C-424/07 (Kommission/Deutschland) = NVwZ 2010, 370 (372) Rn. 93 f. 175 Ludwigs, in: Säcker/Schmidt-Preuß, Grundsatzfragen, S. 264 f.; Gärditz, NVwZ 2009, 1005 (1007 f.); Ludwigs, Die Verwaltung 2011, 41 (68 f.); Gärditz, DVBl 2016, 399 (404); aber auch Attendorn, Regulierungsbehörde, S. 343; Proelss, AöR 2011, 402 (423 f.); a. A. Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 435. 176 Attendorn, Regulierungsbehörde, S. 268; der Unionsgesetzgeber ist zwar aufgrund des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung nicht befugt, generelle Aussagen zur Kontrolldichte auf nationaler Ebene zu machen; ist er aber durch die Verträge ermächtigt, einen Sachbereich zu regeln, fällt in die Kompetenz auch die Regelung des Gerichtsverfahrens für diesen konkreten Sachbereich, vgl. Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 316; Kulms, Der Effektivitätsgrundsatz, S. 198 f.; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 53, S. 230. 171
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Teil 2: Letztentscheidungsbefugnisse der Verwaltung im Allgemeinen
Eine solche ausdrückliche Forderung lässt sich dem Unionsrecht kaum entnehmen. Anknüpfungspunkte für die Auslegung können insbesondere Regelungen zum Rechtsschutz oder Anforderungen an die Begründung der Behörde sein. Lässt das Unionsrecht einen solchen Schluss aber nicht zu, bleibt es bei der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. Nach deutschem Verständnis bedeutet das die vollumfängliche Überprüfung der Behördenentscheidung. Kommt man mittels Auslegung des Unionsrechts hingegen zu dem Ergebnis, dass eine Rücknahme der Kontrolle erfolgen muss, bleibt die Frage nach der Kontrolldichte.177 Verbindliche Aussagen zur gerichtlichen Überprüfung von durch Unionsrecht vorgegebenen Entscheidungsspielräumen gibt es in der europäischen Rechtsprechung bisher kaum.178 Entschieden wurde lediglich, dass das Unionsrecht nicht verlangt, dass die Mitgliedsstaaten ein Verfahren der gerichtlichen Nachprüfung nationaler Entscheidungen einführen, das eine weitergehende Nachprüfung umfasst, als sie der Gerichtshof selbst in vergleichbaren Fällen bei der Kontrolle der Eigenverwaltung der EU vornimmt.179 Diese Entscheidung wurde in der Rechtswissenschaft als Mindeststandard einer effektiven gerichtlichen Kontrolle verstanden.180 Eine über die Vertretbarkeitskontrolle hinausgehende zwingende Reduzierung der Kontrolldichte müsste sich wiederum durch Auslegung aus dem Unionsrecht ergeben. Andernfalls bleibt es auch hier bei der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. 2. Verfahrensautonomie versus effet utile Ergeben sich aus dem Unionsrecht keine Regelungen zur gerichtlichen Nachprüfung und der Kontrolldichte, bleibt dies Sache der Mitgliedsstaaten.181 Diese Verfahrensautonomie wird lediglich durch den Grundsatz der Gleichwertigkeit (Äquivalenzgrundsatz), den Effektivitätsgrundsatz (effet utile) aus Art. 4 Abs. 3 und 19 Abs. 1 EUV und durch das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 47 GRCharta eingeschränkt.182 Nach dem Äquivalenzgrundsatz darf ein nationales Verfahren nicht weniger günstig gestaltet werden als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen. Nach dem Effektivitätsgrundsatz darf die Ausübung des Unions177
Wendel, Verwaltungsermessen, S. 375 f., S. 429 f. Vgl. zuletzt die Fahimian-Entscheidung des EuGH, Urt. v. 04.04.2017, C-544/15 s. u. 3.; so auch Wendel, Verwaltungsermessen, S.407. 179 EuGH, Urt. v. 21.01.1999, C-120/97 (Upjohn) = EuZW 1999, 503 (505) Rn. 35. 180 Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Vorb. § 113 Rn. 32; Gärditz, in: Rengeling/ Middeke/Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der EU, § 35 Rn. 69; Bosch, Kontrolldichte, S. 114 ff.; Simantiras, Netzwerke, S. 211; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 409. 181 Statt vieler EuGH, Urt. v. 24.04.2008, C-55/06 (Arcor) = NJOZ 2008, 1775 (1793) Rn. 166. 182 Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Vorb. § 113 Rn. 30; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 51 f.; Otting/Olgemöller, AnwBl 2010, 155 (156); Steinbeiß-Winkelmann, NJW 2010, 1233; zur Rechtsprechungsentwicklung Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 329 ff. 178
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rechts nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden.183 Das Gebot effektiven Rechtsschutzes fordert die wirksame Gerichtskontrolle, worunter neben dem Zugang zu Gerichten auch die Garantie einer gewissen Kontrolldichte fällt und eine reine Willkürkontrolle ausgeschlossen wird.184 Diese die Verfahrensautonomie einschränkenden Grundsätze wurden vom EuGH entwickelt, um dem Unionsrecht in den Mitgliedsstaaten zur Geltung zu verhelfen und eine Beschränkung der Rechte Einzelner, die sich aus dem Unionsrecht ergeben, zu vermeiden. Sieht das Unionsrecht aber Letztentscheidungsspielräume der Verwaltung und damit konsequenterweise auch eine Rücknahme der gerichtlichen Kontrolle vor, könnten diese Vorgaben durch eine Vollkontrolle oder erhöhte Kontrolldichte im nationalen Recht unterlaufen werden.185 Aus der Rechtsprechung des EuGH zum Mindeststandard der gerichtlichen Kontrolle ergibt sich zwar nicht, dass dem Europarecht ein allgemeines Gebot zu entnehmen sei, die richterliche Kontrolle auf nationaler Ebene insgesamt zurück zu nehmen.186 Dies wurde auch in der ArcorEntscheidung am Rande bestätigt, indem der EuGH darauf hinwies, dass eine Harmonisierung des Umfangs der gerichtlichen Kontrolle nicht gewollt sei, sondern es Sache der Mitgliedsstaaten sei im Rahmen der Verfahrensautonomie unter Achtung des Effektivitätsgrundsatzes die Kontrolldichte zu bestimmen.187 Allerdings ist es vor dem Hintergrund des effet utile nicht fernliegend im Einzelfall die Kontrolldichte im indirekten Vollzug zurückzunehmen, wenn durch das nationale Mehr an Kontrolle die Ausübung des Unionsrechts praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden würde.188
183
EuGH, Urt. v. 15.09.1998, C-231/96 (Edis) = NJW 1999, 129 (131) Rn. 34. EuGH, Urt. v. 18.06.2002 (Hospital Ingenieure) = EuZW 2002, 497 (501) Rn. 56 ff.; Rengeling, in: FS Schwarze, S. 741 und S. 746. 185 Eindeutig auch in den Schlussanträgen des Generalanwalts Szpunar, Rs. C-544/15 (Fahimian), Rn. 72. 186 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 11; Gärditz, Gutachten D 2016, S. 80; Redeker, AnwBl 2004, 71 (72); Gärditz, NVwZ 2009, 1005 (1007 f.); Otting/Olgemöller, AnwBl 2010, 155 (161); Gärditz, NJW-Beil 2016, 41 (44); Wegener, JZ 2016, 829 (834). 187 EuGH, Urt. v. 24.04.2008, C-55/06 (Arcor) = NJOZ 2008, 1775 (1793) Rn. 163. 188 Ähnlich Geis, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 40 Rn. 14; prononciert Christiansen, Optimierung des Rechtsschutzes, S. 209; Guckelberger, Verwaltungsprozessrecht, S. 221; Redeker, AnwBl 2004, 71 (73); Ludwigs, NVwZ 2018, 1417 (1422); ders., DÖV 2020, 405 (413); vgl. auch Ehlers, DVBl 2004, 1441 (1449), der davon spricht, im Falle abschließender europäischer Regelungen die gerichtliche Kontrolle auf nationaler Ebene derjenigen auf europäischer Ebene anzugleichen; nicht eindeutig, im Umkehrschluss aber wohl auch Gärditz, in: Rengeling/Middeke/Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der EU, § 35 Rn. 69 a. E.; kritisch Oster, Normative Ermächtigungslehren, S. 161 ff.; a. A. wohl Rennert, DVBl 2015, 793 (798); Nachweise dazu, dass der Effektivitätsgrundsatz nicht nur rechtsschutzeffektuierende, sondern auch rechtsschutzbeschränkende Wirkungen haben kann bei Nowak, in: Terhechte, Verwaltungsrecht der EU, § 13 Rn. 84; für eine „gewisse Harmonisierung“ des Rechtsschutzes im europäischen Rechtsraum Schill/Krenn, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV, Art. 4 Rn. 109; a. A. noch Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 173. 184
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3. Die Fahimian-Entscheidung des EuGH vom 04. 04. 2017 In einer jüngeren Entscheidung im Ausländerrecht äußerte sich der EuGH zur gerichtlichen Kontrolle eines Beurteilungsspielraums auf nationaler Ebene. Das nationale Gericht habe hierbei zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung auf einer hinreichend gesicherten tatsächlichen Grundlage beruht.189 Die Kontrolle müsse sich zudem auf die Wahrung der Verfahrensgarantien beziehen, insbesondere auf die Verpflichtung der Behörden, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen sowie ihre Entscheidung hinreichend zu begründen.190 Umso weiter der Spielraum sei, über den die nationalen Behörden verfügen, desto geringer sei die gerichtliche Kontrolle. Die Prüfung könne entsprechend auf offenkundige Fehler beschränkt sein (Evidenzkontrolle). Von der Verfahrensautonomie der Mitgliedsstaaten war in dieser Entscheidung keine Rede; vielmehr lässt sich der Entscheidung entnehmen, dass sich der Spielraum einer Behörde gegenüber der Legislative zwingend gegenüber der Judikative fortsetzt. In diese Richtung geht auch die rechtliche Bewertung des Generalanwalts Szpunar, nach dem ein weiter Beurteilungsspielraum eine eingeschränkte gerichtliche Überprüfung bedinge, da andernfalls der Beurteilungsspielraum ausgehöhlt und die Judikative die Aufgabe der Exekutive wahrnehme.191 Zur Verallgemeinerungsfähigkeit dieser Maßstäbe äußerte sich der EuGH jedoch nicht.192 Eine allgemeingültige Aussage hinsichtlich der gerichtlichen Kontrolldichte im Sinne einer Zurückdrängung der Verfahrensautonomie kann aber schon deshalb nicht angenommen werden, weil dies im Unionsrecht selbst angelegt sein müsste. Es bedürfte hierfür einer Regelung im jeweiligen Sekunärrecht und bei angestrebter Harmonisierung der gerichtlichen Nachrpüfung auch im Primärrecht. Daher bleibt es trotz der Fahimian-Entscheidung bei dem Grundsatz, dass es sich bei dem Spielraum der Behörde gegenüber dem Gesetzgeber und gegenüber der Judikative um zwei zu trennende Fragen handelt, die sich beide aus dem Unionsrecht ergeben müssen. 4. Fazit zum Ermessen im indirekten Vollzug Beim indirekten Vollzug von Unionsrecht muss durch Auslegung der Norm bestimmt werden, ob der nationalen Behörde eine Letztentscheidungsbefugnis eingeräumt ist.193 Welche Maßstäbe dabei anzuwenden sind, ergibt sich aus der Judikatur nur in sehr beschränktem Umfang. Neben der Auslegung des Unionsrechts 189
EuGH, Urt. v. 04.04.2017, C-544/15 (Fahimian) = NVwZ 2017, 1193 (1195) Rn. 45. EuGH, Urt. v. 04.04.2017, C-544/15 (Fahimian) = NVwZ 2017, 1193 (1195) Rn. 46. 191 Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar v. 29.11.2016, Rs. C-544/15 (Fahimian) Rn. 72. 192 Dagegen Buchheim, JZ 2017, 630 (633). 193 Deren Art nach deutscher Dogmatik wird dann durch die nationalen Gerichte bestimmt, vgl. Geis, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 40 Rn. 14; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 381. 190
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kann auch der Effektivitätsgrundsatz zu einer Rücknahme der gerichtlichen Kontrolle zwingen. Wurde ein Letztentscheidungsspielraum letztlich bejaht und regelt das Unionsrecht die Kontrolldichte nicht, ist die entsprechende Entscheidung der Behörde grundsätzlich an den nationalen Maßstäben zu überprüfen. Etwas Anderes gilt aber dann, wenn die Auslegung des Unionsrechts ergibt, dass eine vom nationalen Recht abweichende Kontrolldichte erforderlich ist. Vorgaben dazu lassen sich im Unionsrecht kaum finden. Eine verallgemeinerungsfähige Handhabung der gerichtlichen Kontrolle für den indirekten Vollzug bei fehlenden Vorgaben im Unionsrecht hat sich noch nicht herausgebildet. Das schließt aber eine Einschränkung der nationalen Verfahrensautonomie nicht aus. Vielmehr ist es auch denkbar, dass eine Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte erforderlich ist, wenn andernfalls der Effektivitätsgrundsatz nicht gewahrt werden würde. Eine Tendenz dahingehend ist nach der Fahimian-Entscheidung des EuGH jedenfalls erkennbar.194 Im Übrigen werden die Maßstäbe für die Kontrolldichte im indirekten Vollzug vom EuGH nur unzureichend aufgestellt.
II. „Ermessen“ im direkten Vollzug Zur Bestimmung von unionsrechtlichen Spielräumen der nationalen Behörden werden teilweise Indizien herangezogen, die die Rechtsprechung auch bei der EUEigenverwaltung anwendet. Der EuGH misst zudem die gerichtliche Nachprüfung von nationalen Behördenentscheidungen an der gerichtlichen Nachprüfung von Entscheidungen der EU-Eigenverwaltung, indem er keine weitergehende Nachprüfung verlangt, als er sie selbst in vergleichbaren Fällen vornimmt.195 Der Blick auf die Letztentscheidungsbefugnisse im direkten Vollzug ist daher notwendig, um einen Rückschluss auf den indirekten Vollzug zu ermöglichen.196 Eine nicht hinterfragte, unbedingte Übernahme der Maßstäbe wird aber sicherlich vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Rechtsschutzsysteme nicht möglich sein.197 Maßgebliches Verwaltungsorgan im direkten Vollzug des Unionsrechts ist die Kommission gem. Art. 17 Abs. 1 S. 5 EUV. Sie übt „nach Maßgabe der Verträge“ Verwaltungsfunktionen aus. Eine eingeschränkte gerichtliche Überprüfung ihrer Handlungen findet statt, wenn sich ein Ermessensspielraum der Kommission durch 194
EuGH, Urt. v. 04.04.2017, C-544/15 (Fahimian) = NVwZ 2017, 1193. Sowohl zu den Voraussetzungen eines Beurteilungsspielraums als auch zum Mindeststandard wirksamen Rechtsschutzes EuGH, Urt. v. 21.01.1999, C-120/97 (Upjohn) = EuZW 1999, 503 (505) Rn. 34 f. 196 Vgl. Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 365 ff., 373; Schwarze, NVwZ 2000, 241 (245); kritisch Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Vorb. § 113 Rn. 33; ablehnend Bosch, Kontrolldichte, S. 115; Gärditz, NJW-Beil 2016, 41 (44). 197 Wendel, Verwaltungsermessen, S. 407; während in Deutschland das subjektive Rechtsschutzsystem vorherrscht, hat sich in der EU das objektive Rechtsschutzsystem nach französischem Vorbild etabliert, vgl. statt vieler Mangold/Wahl, Die Verwaltung 2015, 1 ff. 195
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Teil 2: Letztentscheidungsbefugnisse der Verwaltung im Allgemeinen
Auslegung aus dem anwendbaren Unionsrecht ergebibt.198 Dies entspricht der normativen Ermächtigungsgrundlage auf nationaler Ebene.199 Da auf EU-Ebene nicht zwischen Spielräumen auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite unterschieden wird, werden für die Begründung von Letztentscheidungsbefugnissen jeder Art alle Tatbestandsmerkmale berücksichtigt.200 Für diese Auslegung werden vom EuGH verschiedene Indizien herangezogen. Die Beurteilung eines komplexen, wirtschaftlichen Sachverhalts,201 die besondere Sachkunde der Verwaltung im technischen oder wirtschaftlichen Bereich202 oder Rechtsgebiete mit geringer normativer Regelungsdichte203 können für einen Ermessensspielraum sprechen. Daneben werden Entscheidungen, die höchstpersönliche oder komplexe Wertungen204 oder politische und prognostische Bewertungen enthalten als Ermessensentscheidungen eingestuft.205 Die Begründungen der Rechtsprechung sind knapp und beschränken sich teilweise darauf, dass die Kommission über einen Spielraum verfügen müsse, „um ihre Aufgaben erfüllen zu können“.206 Insoweit werden Letztentscheidungsspielräume der EU-Eigenverwaltung anerkannt, wenn das Unionsrecht ihr Entscheidungen durch materielle Kom-
198
Vgl. Schroeder/Sild, EuZW 2014, 12 (13 f.). v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, Kap. 3 E, S. 300; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 391. 200 Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 25. 201 EuGH, Urt. v. 22.01.1976, Rs. 55/75 (Balkan Import Export GmbH), Slg. 1976, 19 (30) Rn. 8; EuGH, Urt. v. 20.10.1977, Rs. C-29/77 (Roquette Frères), Slg. 1977, 1835 (1842) Rn. 19 f.; EuGH, Urt. v. 25.05.1978, Rs. 136/77, Slg. 1978, 1245 (1256) Rn. 4; EuGH, Urt. v. 14.01.1981, Rs. C-35/80 (Denkavit), Slg. 1981, 45 (59 f.) Rn. 13 f.; EuGH, Urt. v. 07.05.2987, Rs. C-240/84 (Toyo), Slg. 1987, 1849 (1854) Rn. 19; EuGH, Urt. v. 29.02.1996, Rs. C-56/93 = NVwZ 1996, 992 Rn. 11; EuGH, Urt. v. 21.01.1999, Rs. C-120/97 (Upjohn) = EuZW 1999, 503 (505) Rn. 34; EuGH, Urt. v. 14.12.2000, Rs. C-99/99 = BeckRS 2004, 77957 Rn. 26; EuGH, Urt. v. 09.06.2005, Rs. C-211/03 (HLH Warenvertriebs GmbH) = BeckRS 2005, 70422 Rn. 75. 202 EuGH, Urt. v. 27.09.1983, Rs. C-216/82 (Universität Hamburg), Slg. 1983, 2771 (2788 f.) Rn. 14; EuGH, Urt. v. 15.03.1989, Rs. C-303/87 (Universität Stuttgart), Slg. 1989, 705 (720) Rn. 20; EuGH, Urt. v. 21.11.1991, Rs. C-269/90 (TU München) = NVwZ 1992, 358 (359) Rn. 13. 203 So Gärditz, Gutachten D 2016, S. 80. 204 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi v. 04.10.2018, Rs. C-680/16 P Rn. 186; zu beamtenrechtlichen Beurteilungen EuGH, Urt. v. 09.06.1964 – Rs. C-94/63 und C96/63 (Bernusset), Slg. 1965, 645 (671); EuGH, Urt. v. 14.07.1983, Rs. C-144/82 (Detti), Slg. 1983, 2421 (2436). 205 Vgl. EuGH, Urt. v. 31.03.1998, C-68/94 und C-30/95 (SCPA) = EuZW 1998, 299 (311) Rn. 220 ff.; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 391 f.; Schwarze, EuZW 2000, 133 (141 f.). 206 EuGH, Urt. v. 21.11.1991, Rs. C-269/90 (TU München) = NVwZ 1992, 358 (359) Rn. 13; so auch EuGH, Urt. v. 18.07.2007, Rs. C-326/05 P (IQV) = BeckRS 2007, 70525 Rn. 75. 199
D. Europarechtlicher Einfluss
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petenzregelungen eindeutig und ausschließlich zuweist.207 Diese weitgehenden Spielräume der Verwaltung werden durch das Verfahrensrecht kompensiert.208 Der EuGH ist nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 EUV zur „Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge“ berufen. Die Handlungen der Kommission werden von der europäischen Judikatur u. a. im Wege der Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV überprüft. Dabei findet grunsätzlich eine vollumfängliche Kontrolle der Sachverhaltsermittlung (soweit vom Klagegrund umfasst) und Rechtmäßigkeitskontrolle in Bezug auf Auslegung und Subsumtion statt.209 Eine Beschränkung der Kontrolle ergbt sich nur, wenn der EU-Eigenverwaltung die Letztentscheidungsbefugnis zukommt.210 Die Rechtsprechung prüft daher, ob ein Letztentscheidungsrecht der Kommission vorhanden ist, der maßgebliche Sachverhalt zutreffend, vollständig und methodengerecht ermittelt wurde, ob die anzuwendenden Normen richtig ausgelegt wurden und ob die Verfahrensvorschriften eingehalten wurden.211 Materiell wird eine Ermessensentscheidung nach ständiger Rechtsprechung des EuGH darauf hin überprüft, ob eine offensichtlich fehlerhafte Beurteilung des Sachverhalts vorliegt, ein Ermessensmissbrauch gegeben ist oder die Grenzen des Ermessensspielraums offensichtlich überschritten wurden.212 Unter einem Ermessensmissbrauch versteht der EuGH, dass aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sich die Kommission zumindest vorwiegend von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen.213 Was unter einem „offensichtlichen“ Beurteilungsfehler zu verstehen ist, insbesondere die konkrete 207
Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz, VwVfG, § 40 Rn. 163; Adam, Kontrolldichte-Konzeption, S. 201; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 391. 208 EuGH, Urt. v. 21.11.1991, Rs. C-269/90 (TU München) = NVwZ 1992, 358 (359) Rn. 14; EuG, Urt. v. 15.05.2018, Rs. T-712/16 (Deutsche Lufthansa AG) = EuZW 2018, 584 (587) Rn. 40 m. w. N.; Schwarze, NVwZ 2000, 241 (250); Schroeder/Sild, EuZW 2014, 12 (16). 209 Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 164 ff.; v. Danwitz, System, S. 183; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 384 ff.; Börger, Kontrolldichte, S. 380 ff. 210 Dazu, dass das Gebot umfassender Kontrolle Letztentscheidungsspielräume der EUEigenverwaltung nicht gänzlich ausschließt Börger, Kontrolldichte, S. 395. 211 EuGH, Urt. v. 14.03.1990, Rs. C-156/87, Slg. 1990, I-781 (I-843), Rn. 63; EuGH, Urt. v. 29.02.1996, Rs. C-56/93 = NVwZ 1996, 992 Rn. 11; EuGH, Urt. v. 18. 7. 2007, Rs. C 326/05 (IQV), = BeckRS 2007, 70525 Rn. 76 m. w. N; die Auslegung der Verträge und des Sekundärrechts ist gem. Art. 19 Abs. 1 S. 2 EUV, Art. 267 Abs. 1 b) AEUV Aufgabe der Rechtsprechung und damit nicht vom „Ermessenspielraum“ der Kommission umfasst. 212 EuGH, Urt. v. 22.01.2976, Rs. 55/75 (Balkan-Import-Export GmbH), Slg. 1976, 19 (30) Rn. 8; EuGH, Urt. v. 25.05.1978, Rs. 136/77, Slg. 1978, 1245 (1256) Rn. 4; EuGH, Urt. v. 14.03.1990, Rs. C-156/87, Slg. 1990, I-781 (I-843), Rn. 63; EuGH, Urt. v. 29.02.1996, Rs. C56/93 = NVwZ 1996, 992 Rn. 11; EuGH, Urt. v. 09.06.2005, Rs. C-211/03 (HLH Warenvertriebs GmbH) = BeckRS 2005, 70422 Rn. 75; EuGH, Urt. v. 18. 7. 2007, Rs. C 326/05 (IQV) = BeckRS 2007, 70525 Rn. 76 m. w. N. 213 EuGH, Urt. v. 05.05.1966, Rs. C-18/65 und C-35/65 (Gutmann), Slg. 1966, 155 (176); EuGH, Urt. v. 21.06.1084, Rs. C-69/83 (Lux), Slg. 1984, 2448 (2465) Rn. 30; EuGH, Urt. v. 13.11.1990, Rs. C-331/88 (Fedesa u. a.), Slg. 1990, I-4023 (I-4065) Rn. 24; EuGH, Urt. v. 20.09.2017, Rs. C-183/16 P (Tilly-Sabco) = BeckRS 2017, 125239 Rn. 64; EuG, Urt. v. 21.09.2005, Rs. T-87/05 (EDP) = BeckRS 2006, 70006 Rn. 87 m. w. N.
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Teil 2: Letztentscheidungsbefugnisse der Verwaltung im Allgemeinen
Prüfdichte, ist bis heute nicht eindeutig bestimmt.214 Über eine bloße Evidenzkontrolle geht die gerichtliche Überprüfung mittlerweile aber hinaus.215 Die Rechtsprechung hat die Kontrolldichte zumindest für den Fall des Ermessens im Rahmen von komplexen wirtschaftlichen Beurteilungen dahingehend konkretisiert, dass die Auslegung der Wirtschaftsdaten durch die Kommission vom Gericht überprüfbar ist, insbesondere ob die angeführten Beweise die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen.216 Wird ein offensichtlicher Fehler gerügt, prüfen die europäischen Gerichte, ob sorgfältig alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls untersucht, also ermittelt und richtig bewertet, wurden217 und ob die daraus gezogene Schlussfolgerung plausibel, also nachvollziehbar, ist.218 Der EuGH unterzieht die Ermessensentscheidungen der EU-Eigenverwaltung mithin einer Plausibilitätskontrolle.219 Die Überprüfung geht daher materiell über eine Evidenzkontrolle hinaus, bleibt hinter der Kontrolldichte auf nationaler Ebene (Vertretbarkeitskontrolle) aber noch zurück. Erschwerend kommt hinzu, dass von der gegnerischen Partei zu beweisen ist, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat und damit die Überprüfung der Entscheidungen der EU-Eigenverwaltung auch pro-
214
Börger, Kontrolldichte, S. 145; abgelehnt wird jedenfalls der strenge Maßstab der besonderen Schwere eines Verstoßes, vgl. v. Danwitz, System, S. 185 f.; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 399; anders noch EuGH, Urt v. 24.09.1996, Rs. T-57/91 (NALOO), Slg. 1996, II1019 (II-1053 f.) Rn. 111. 215 Einen Evidenzmaßstab legte noch das Europäische Gericht (EuG) an, als es überprüfte, ob ein Verstoß ohne Weiteres festzustellen ist, vgl. EuG, Urt. v. 28.02.2002, Rs. T-395/94 (Atlantic Container u. a.), Slg. 2002, II-875 (II-980 f.) Rn. 348; Mengering, Entgeltregulierung, S. 482 ff.; so auch Wendel, Verwaltungsermessen, S. 55 f.; a. A. wohl Sachs, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 233; auch Schroeder/Sild, EuZW 2014, 12 (14) sprechen von Missbrauchskontrolle. 216 Grundlegend EuGH, Urt. v. 15.02.2005, Rs. C-12/03 P (Tetra Laval) = Slg. I 2005, 1047 Rn. 39; nachfolgend EuGH, Urt. v. 08.12.2011, Rs. C-389/10 P (KME) = BeckRS 2011, 81927 Rn. 121; EuGH, Urt. v. 08.12.2011, Rs. C-386/10 P (Chalkor) = BeckRS 2011, 81926 Rn. 54; EuGH, Urt. v. 20.09.2017, Rs. C-300/16 P (Kosˇice) = BeckRS 2017, 125242 Rn. 64; zur Verallgemeinerungsfähigkeit der Rechtsprechung im wirtschaftlichen Kontext EuG, Urt. v. 16.05.2018, T-712/16 (Lufthansa) = EuZW 2018, 584 Rn. 39 f. 217 EuGH, Urt. v. 18.07.2007, Rs. C-326/05 P (IQV) = BeckRS 2007, 70525 Rn. 77. 218 EuGH, Urt. v. 29.06.2010, Rs. C-441/07 P (Alrosa) = BeckRS 2010, 90804 Rn. 63; EuG, Urt. v. 15.04.2008, Rs. T-348/04 (SIDE) = BeckRS 2010, 91886 Rn. 97. 219 Ausdrücklich EuGH, Urt. v. 08.12.2011, Rs. C-389/10 P (KME) = BeckRS 2011, 81927 Rn. 129 f.; EuGH, Urt. v. 08.12.2011, Rs. C-386/10 P (Chalkor) = BeckRS 2011, 81926 Rn. 61 f.; zuvor EuGH, Urt. v. 15.02.2005, Rs. C-12/03 P (Tetra Laval) = Slg. I 2005, 1047 Rn. 39 und 44; EuG, Urt. v. 12.12.1996, Rs. T-380/94 (AIUFFASS, AKT), Slg. 1996, II-2172 (II-2191) Rn. 59; EuG, Urt. v. 01.07.2004, Rs. T-308/00 (Salzgitter), Slg. 2004, II-1933 (II1984) Rn. 138; EuG, Urt. v. 15.04.2008, Rs. T-348/04, (SIDE) = BeckRS 2010, 91886 Rn. 97; Dörr, in: Gabritz/Hilf/Nettesheim, AEUV, Art. 263 Rn. 192.
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zessrechtlich hinter dem Amtsermittlungsgrundsatz der nationalen Verwaltungsgerichtsbarkeit zurückbleibt.220
III. Unionsrechtliches Unabhängigkeitsparadigma Eine Besonderheit in den Regulierungssektoren stellt die unionsrechtliche Forderung nach der Unabhängigkeit der BNetzA dar.221 Unabhängigkeit bedeutet, dass eine Behörde von anderen staatlichen, supranationalen oder internationalen Einrichtungen entkoppelt ist und diese daher nur beschränkt Einfluss auf Entscheidungen der unabhängigen Behörde nehmen können.222 Eine Unabhängigkeit im Sinne des Entzugs gerichtlicher Kontrolle wird jedoch nicht gefordert.223 Davon geht auch das Unionsrecht nicht aus; eine solche Schlussfolgerung würde nicht nur gegen die explizit vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten im Sekundärrecht, sondern auch gegen die Garantie des wirksamen Rechtsschutzes aus Art. 47 GR-Charta verstoßen.224 Die Unabhängigkeit der BNetzA kann im Hinblick auf ihre Spielräume daher allein unmittelbare Auswirkungen auf gesetzliche Vorstrukturierungen haben.225 Das bedeutet aber nicht, dass diese Auswirkungen nicht auch mittelbar zu einer Reduzierung der Kontrolldichte führen können.226 Es kann im Wesentlichen zwischen der institutionellen und der politischen Unabhängigkeit unterschieden werden.227 Die institutionelle Unabhängigkeit bezieht sich dabei auf das Verhältnis zu Unternehmen bzw. Marktteilnehmern. Sie ist gegeben, wenn keine Abhängigkeit der
220 EuG, Urt. v. 15.04.2008, Rs. T-348/04 (SIDE) = BeckRS 2010, 91886 Rn. 97 und 100; dazu Börger, Kontrolldichte, S. 157 f. 221 Vgl. nur Westermann, in: Kröger/Pilniok, Unabhängiges Verwalten in der EU, S. 75 ff.; Mayen, in: FS Dolde, S. 44 ff.; du Marais, in: Masing/Marcou, Unabhängige Regulierungsbehörden, S. 264 und S. 290; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 137; Lee, Demokratische Legitimation, S. 153; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 268 ff.; Pielow, DÖV 2005, 1017 (1023 f.); Ludwigs, Die Verwaltung 2011, 41 (55 ff.); Franzius, DÖV 2013, 714 (717 f.); Mayen, Methodik, Ordnung, Umwelt 2014, 131 (141); Ludwigs, NVwZ 2015, 1327 (1330); Steinbach, Die Verwaltung 2017, 507. 222 Kröger, in: Kröger/Pilniok, Unabhängiges Verwalten in der EU, S. 3 und S. 5. 223 Kröger, in: Kröger/Pilniok, Unabhängiges Verwalten in der EU, S. 5 f.; Mayen, Methodik, Ordnung, Umwelt 2014, 131 (141); Gärditz, DVBl 2016, 399 (404). 224 Vgl. Gärditz, DÖV 2010, 453 (461). 225 Vgl. auch Simantiras, Netzwerke, S. 209. 226 Vgl. Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 10 Rn. 54, wonach das Fehlen oder die Begrenzung ministerialer Aufsicht nicht durch intensivierte Gerichtskontrolle ausgeglichen werden muss; a. A. Ludwigs, in: Säcker/Schmidt-Preuß, Grundsatzfragen, S. 268. 227 Kröger, in: Kröger/Pilniok, Unabhängiges Verwalten in der EU, S. 5; Ludwigs, in: FS Schmidt-Preuß, S. 691; Lee, Demokratische Legitimation, S. 145 f.
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Teil 2: Letztentscheidungsbefugnisse der Verwaltung im Allgemeinen
Regulierungsbehörde von den Interessen der regulierten Unternehmen besteht.228 Konkretisiert wird die institutionelle Unabhängigkeit der NRB in Art. 6 TK-Kodex (zuvor: Art. 3 Abs. 2 Rahmen-RL), Art. 57 Abs. 4 a) Elektr-RL (zuvor: Art. 35 Elektr-RL 2009) und Art. 39 Abs. 4 a) Gas-RL. Sie regelt alleine die Beziehung der Behörde zum Unternehmen und kann daher nicht als Begründung von Spielräumen der Behörde im Verhältnis zu staatlichen Stellen herangezogen werden. Die politische Unabhängigkeit dagegen bezieht sich auf das Verhältnis zur Gubernative.229 Sie wird insbesondere durch die persönliche und finanzielle Unabhängigkeit erreicht.230 Der Begriff der politischen Unabhängigkeit ist in Art. 8 TKKodex vom Unionsgesetzgeber aufgenommen worden. Art. 8 Abs. 1 TK-Kodex (zuvor: Art. 3 Abs. 3a Rahmen-RL) regelt das Verhältnis zu „anderen Stellen“. Danach handeln die NRB unabhängig und objektiv, transparent, verantwortungsvoll und weisungsfrei. Ausschließlich Beschwerdestellen nach Art. 31 TK-Kodex sind befugt, Entscheidungen der NRB auszusetzen oder aufzuheben, vgl. Art. 8 Abs. 1 S. 3 TK-Kodex. Die politische Unabhängigkeit der NRB im Energiesektor ist in Art. 57 Abs. 4 und Abs. 5 a) Elektr-RL bzw. Art. 39 Abs. 4 und Abs. 5 a) Gas-RL geregelt. Die Mitgliedsstaaten müssen insbesondere sicherstellen, dass die NRB unabhängig von allen politischen Stellen selbstständige Entscheidungen treffen kann. Die Weisungsfreiheit wird explizit in Art. 57 Abs. 4 b) ii) Elektr-RL und Art. 39 Abs. 4 b) ii) Gas-RL hervorgehoben. In der Rechtswissenschaft wird die politische Unabhängigkeit definiert als Weisungsfreiheit (1.) und dogmatisch als ein Problem demokratischer Legitimation aufgrund entstehender ministerialweisungsfreier Räume eingeordnet.231 Diese Betrachtung ist im Hinblick auf den Wortlaut der Richtlinien aber zu eng. Vielmehr ist über die Weisungsfreiheit hinausgehend auch die gesetzliche Vorstrukturierung der Entscheidungen der BNetzA durch formelle Gesetze (2.) oder Verordnungen (3.) am Maßstab der politischen Unabhängigkeit zu messen. 1. Weisungsfreiheit Es herrscht Unklarheit darüber, ob bzw. inwieweit der BNetzA Weisungen erteilt werden können.232 Die Richtlinien bestimmen dazu mittlerweile233 ausdrücklich, 228
Ludwigs, in: Säcker/Schmidt-Preuß, Grundsatzfragen, S. 252; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 272. 229 Wendel, Verwaltungsermessen, S. 274. 230 Lee, Demokratische Legitimation S. 155 f. 231 Vgl. nur Lee, Demokratische Verwaltung, S. 153; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 275; Kröger, in: Kröger/Pilniok, Unabhängiges Verwalten in der EU, S. 5; Ludwigs, in: Säcker/Schmidt-Preuß, Grundsatzfragen, S. 252. 232 Eine Übersicht zum Streitstand bei Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 66 ff.; vor den neusten Novellierungen im Richtlinienrecht Haupt, Verfahren vor den Beschlusskammern, S. 67 ff.; Masing, Gutachten D 2006, D 73 ff.
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dass die Regulierungsbehörde bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben weder Weisungen einholen noch entgegennehmen darf;234 sie hat vielmehr rechtlich und funktional getrennt bzw. unabhängig von öffentlichen Stellen zu agieren.235 a) Meinungsstand Ein Weisungsrecht wird teilweise komplett abgelehnt,236 teilweise wird unterschieden zwischen zulässiger Rechts- und unzulässiger Fachaufsicht.237 Die Unzulässigkeit von (fachaufsichtlichen) Weisungen sei vor dem Hintergrund der demokratischen Legitimation aus Art. 20 Abs. 2 S. 1 und S. 2 GG zwar nicht unproblematisch,238 könne aber durch die erhöhte organisatorisch-personelle Legitimation der BNetzA ausgeglichen werden.239 Zudem könne die Verantwortlichkeit der Verwaltung gegenüber dem Parlament auf andere Weise hergestellt werden, z. B. durch Transparenz-, Rechenschafts- und Berichtspflichten.240 Hinzu komme die politische Einflussnahmemöglichkeit durch den Beirat.241 Da ein hinreichendes Legitimationsniveau erhalten bleibe und wegen Art. 23 GG nur eine Identitätskontrolle stattfände, seien die entsprechenden EU-Regelungen mit dem Grundgesetz vereinbar.242 233 Anders noch in den Elektrizitäts- und Erdgasrichtlinien 2003/54/EG und 2003/55/EG; kritisch dazu Gärditz, AöR 2010, 251 (275). 234 Art. 8 TK-Kodex (Art. 3 Abs. 3a Rahmen-RL 2002/21/EG); Art. 35 Abs. 4 b) ii) ElektrRL 2009/72/EG; Art. 39 Abs. 4 b) ii) Gas-RL 2009/73/EG; Art. 55 Abs. 3 UAbs. 4 Recast-RL 2012/34/EU. 235 Die TK-Kodex fordert explizit nur die rechtliche und funktionale Unabhängigkeit von allen Unternehmen, vgl. Art. 6 TK-Kodex (Art. 3 Abs. 2 Rahmen-RL 2002/21/EG). 236 Stellvertretend Eifert, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, § 23 Rn. 136; Ludwigs, in: FS Schmidt-Preuß, S. 692 f., S. 694; Dechent, NVwZ 2015, 767 (770); in diese Richtung auch Reinbothe/Hentschel/Pochmarski, in: Groebel/Katzschmann/ Koenig/Lemberg, Postrecht, Kap. 3 Rn. 225 ff. 237 Weißgräber, Legitimation, S. 365 f.; Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 72; Offenbächer, Die Regulierung des Vectoring, S. 264; Wendel, Verwaltungsermessen, S.277; uneindeutig Proelss, AöR 2011, 402 (422). 238 Zur Unterbrechung der von Verfassungs wegen geforderten sachlich-inhaltlichen Legitimationskette durch ministerialfreie Räume Wiedemann, in: Masing/Marcou, Unabhängige Regulierungsbehörden, S. 39 f.; Franzius, DÖV 2013, 714 (715); Ludwigs, NVwZ 2016, 1665 (1670). 239 Insbesondere durch die Benennung des Präsidenten der BNetzA durch die Bundesregierung, vgl. Franzius, DÖV 2013, 714 (716). 240 Ruffert, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, § 21 Rn. 31; Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 1, § 10 Rn. 54; Wiedemann, in: Masing/Marcou, Unabhängige Regulierungsbehörden, S. 48 m. w. N.; als nicht ausreichend erachtend Gärditz, AöR 2010, 251 (285). 241 Britz, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 21 Rn. 57; Eifert, in: Ehlers/Fehling/ Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, § 23 Rn. 137. 242 Vgl. BVerfG NJW 2012, 1563 (1568) Rn. 167; Eifert, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, § 23 Rn. 137; Ruffert, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, § 21 Rn. 31; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 276.
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Andererseits wird vertreten, dass sich aus den gesetzlich normierten Veröffentlichungspflichten von Weisungen nach § 117 TKG und § 61 EnWG ergebe, dass Weisungen zulässig sein müssten,243 wobei Uneinigkeiten über Inhalt und Reichweite der Weisungen bestehen. Der überwiegende Teil der Literatur geht jedoch davon aus, dass sowohl Einzelweisungen als auch allgemeine Weisungen (i. d. R. Verwaltungsvorschriften) zulässig seien.244 Dies gebiete zum einen der Wortlaut des § 117 TKG,245 zum anderen bedürfte eine Freistellung von Weisungen eines institutionellen Gesetzesvorbehaltes.246 Sind Weisungen jeder Art nach deutschem Recht zulässig, stellt sich die Frage, wie diese nationalen Regelungen mit dem Europarecht in Einklang zu bringen sind. Die pragmatische Lösung soll in der faktischen Unabhängigkeit der BNetzA liegen.247 Zwar bestehe die Möglichkeit der Regierung Weisungen zu erteilen, solche würden aber nicht erfolgen.248 Zudem erfülle die „justizähnliche Unabhängigkeit“ der Beschlusskammern die Vorgaben der EU-
243 So die Rspr., vgl. OLG Düsseldorf EnWZ 2018, 267 (270) Rn. 68; Hermes, in: Britz/ Hellermann/Hermes, EnWG, § 61 Rn. 13 f. hält Einzelweisungen nur außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinien für zulässig; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 139. 244 Kühling/Schall/Biendl, Telekommunikationsrecht, Teil 8 Rn. 686; Attendorn/Geppert, in: BeckOK TKG § 117 Rn. 7 ff.; Fademrecht/Fetzer, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich, TKG, § 116 Rn. 16 ff. und § 117 Rn. 4; differenzierend zwischen den Aufgabenzuweisungen: Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, 3. Aufl. 2018, § 116 Rn. 15 ff.; Ruffert/Schmidt, in: Säcker, TKG, § 117 Rn. 1 ff.; Gurlit, in: Säcker, TKG, § 132 Rn. 6; Gärditz, in: Schmidt/Wollenschläger, Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 4 Rn. 46 f.; a. A. allerdings noch zur alten Rechtslage vor der TKG-Novelle Trute, in: Trute/Spoerr/Bosch, TKG, § 66 Rn. 30. 245 Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 13 Rn. 15 stellt aber auf das zugrundeliegende Europarecht ab und kommt zu dem Ergebnis, dass Einzelweisungen unzulässig sind; kritisch ebenso Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 2 Rn. 186 f. 246 Zeidler, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 39 Rn. 18 f., aber auch Rn. 21; Theobald/Werk, in: Theobald/Kühling, EnWG, § 61 Rn. 3, 6 und Ruffert, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, § 21 Rn. 30 sowie Ludwigs, in: Schmidt/Wollenschläger, Kompendium öffentliches Wirtschaftsrecht, § 12 Rn. 24 m. w. N. weisen darauf hin, dass die europarechtlichen Vorgaben im bisherigen EnWG und TKG nicht umgesetzt wurden; wohl genauso für den Eisenbahnsektor Kühlwetter/Kramer, BEVVG, § 4 Rn. 5; im Gegensatz dazu ist die durch Art. 35 Abs. 4 Elektr-RL 2009/72/EG und Art. 39 Abs. 4 Gas-RL 2009/73/EG vorgeschriebene Weisungsfreiheit der (Landes-)Regulierungsbehörde in einzelnen Landesgesetzen ausdrücklich umgesetzt worden, vgl. z. B. Art. 1b Abs. 2 Nr. 1 BayZustWiG, § 2 Abs. 1 S. 1 LRegBG BW, § 2 Abs. 2 RegKP RP, § 1 Abs. 2 RegKHG oder § 2 Abs. 5 RegKNG. 247 Teilweise wird auch vertreten, dass von den nationalen Normen, die ein Weisungsrecht beinhalten, aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit der EU-Richtlinien kein Gebrauch gemacht werden kann, vgl. Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 2 Rn. 186; zur Unvereinbarkeit mit den europarechtlichen Vorgaben auch Zeidler, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 39 Rn. 21. 248 Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap. 8 Rn. 3; Kühling/Schall/Biendl, Telekommunikationsrecht, Teil 8 Rn. 686; Gurlit, in: Säcker, TKG § 132 Rn. 6; fraglich ist, wie dann die Mitteilung des BMWi zu verstehen ist, dass zukünftig Genehmigungsentscheidungen der BNetzA zu Terminierungsentgelten dem Konsolidierungsverfahren unterworfen werden; dafür, dass es sich dabei um eine Weisung handelt auch Schütze, N&R 2015, 28 (30).
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Richtlinien ausreichend.249 Aus Art. 8 Abs. 1 S. 2 TK-Kodex, wonach die Weisungsfreiheit einer „Aufsicht im Einklang mit dem nationalen Verfassungsrecht nicht“ entgegensteht, wird zudem der Schluss gezogen, dass sowohl die Rechts- als auch die Fachaufsicht als Hauptstränge der demokratischen Legitimation von Verfassungswegen zulässig seien.250 b) Stellungnahme Die unionsrechtlichen Vorgaben zur Weisungsfreiheit sind in den verschiedenen Sektoren unterschiedlich ausgestaltet. Während Art. 8 Abs. 1 S. 1 TK-Kodex (und auch Art. 55 Abs. 3 UAbs. 2 Recast-RL) jegliche „Weisungen“ („instructions“) anderer Stellen untersagt, sind im Energierecht nur „direkte“ Weisungen („direct instructions“) von Regierungsstellen und anderer Einrichtungen verboten, vgl. Art. 57 Abs. 4 b) ii) Elektr-RL und Art 39 Abs. 4 b) ii) Gas-RL. Dies würde grundsätzlich dafür sprechen, dass das Unionsrecht selbst zwischen allgemeinen Weisungen und Einzelweisungen unterscheidet. Allerding definiert die Kommission die Weisung im Sinne der Elektr- und Gas-RL als „jede Handlung, die zur Einhaltung auffordert“.251 Sinn und Zweck der Weisungsfreiheit ist die Freistellung der NRB von jeglicher politischen Bindung.252 Politische Einflussnahme wird aber nicht nur durch die Einzelweisung, sondern erst recht durch allgemeine Weisungen erreicht, sodass trotz der Abweichung im Wortlaut von einem Verbot jeglicher Weisungen auszugehen ist. Auch aus Art. 8 Abs. 1 S. 2 TK-Kodex, wonach die Weisungsfreiheit einer „Aufsicht im Einklang mit dem nationalen Verfassungsrecht nicht“ entgegensteht, ergibt sich nichts Anderes. Weisungsfreiheit ist nicht mit Aufsichtsfreiheit gleichzusetzen, sodass das Sekundärrecht im Telekommunikationssektor nur eine weisungsfreie Aufsicht zulässt.253 Art. 8 Abs. 1 S. 2 TK-Kodex ist mithin so zu lesen, dass die Weisungsfreiheit der Aufsicht im Übrigen nicht entgegensteht; andernfalls würde die ausdrücklich angeordnete Weisungsfreiheit leer laufen.254 Dafür spricht 249
OLG Düsseldorf EnWZ 2018, 267 (271) Rn. 69 mit Verweis auf BT-Drs. 15/3917, S. 70. Lee, Demokratische Legitimation, S. 216. 251 Arbeitspapier (commission staff working paper on the Regulatory Authorities) der Kommission v. 22.01.2010, S. 7: An construction in this context is any action calling for compliance (…). 252 Erwägungsgründe 29 f. der Gas-RL. 253 Die Aufsicht kann auch anders als durch Weisungen ausgeübt werden, vgl. beispielhaft BMI, Grundsätze zur Ausübung der Fachaufsicht der Bundesministerien über den Geschäftsbereich vom 02.05.2008; vgl. auch im Energiesektor Art. 57 Abs. 4 b) ii) S. 2 Elektr-RL und Art. 39 Abs. 4 b) ii) S. 2 Gas-RL, wonach allgemeine politische Leitlinien der Regierung, die nicht mit den Regulierungsaufgaben und -befugnissen im Zusammenhang stehen, vom Weisungsverbot unberührt bleiben. 254 Wie hier wohl Westermann, in: Kröger/Pilniok, Unabhängiges Verwalten in der EU, S. 68; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 278; zu weitgehend daher Ludwigs, in: FS-SchmidtPreuß, S. 694; ders., in: Säcker/Schmidt-Preuß, Grundsatzfragen, S. 254 m. w. N. 250
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auch der Verweis in Art. 8 Abs. 1 S. 3 TK-Kodex, wonach ausschließlich Beschwerdestellen nach Art. 31 TK-Kodex Entscheidungen der Regulierungsbehörden aussetzen oder aufheben dürfen. Art. 31 Abs. 1 TK-Kodex setzt voraus, dass diese Beschwerdestellen von jeglichem äußeren Einfluss oder politischem Druck unabhängig sein müssen. Dies schließt insbesondere die Ministerialweisung gänzlich aus.255 § 117 TKG ist mithin europarechtswidrig, soweit er Weisungen im Zusammenhang mit der laufenden Erfüllung der den NRB nach nationalem Recht zur Umsetzung des Unionsrechts übertragenen Aufgaben umfasst. Im Energierecht stellen der Erwägungsgrund 80 der Elektr-RL und der Erwägungsgrund 30 der Gas-RL klar, dass die Unabhängigkeit der NRB weder eine gerichtliche Überprüfung noch eine parlamentarische Kontrolle nach dem Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten ausschließen. Die parlamentarische Kontrolle ist dabei nicht gleichzustellen mit einer Rechts- und Fachaufsicht, insbesondere nicht mit Ministerialweisungen. Die parlamentarische Kontrolle der BNetzA wird im Energiesektor durch den Beirat, dessen Aufgaben in § 60 EnWG geregelt sind, sichergestellt. Neben den Beratungs- und Auskunftsrechten kommt ihm dabei keine weitere Befugnis zu. Entsprechend sind Weisungen im Rahmen der Rechts- und Fachaufsicht unzulässig. Dem steht § 61 EnWG entgegen, soweit er allgemeine Weisungen im Zusammenhang mit den unionsrechtlichen Regulierungsaufgaben und -befugnissen umfasst. 2. Gesetzliche Vorstrukturierung Auch wenn es sich aus dem Wortlaut der Richtlinien nicht ohne Weiteres ergibt, ist mit politischer Unabhängigkeit nicht die unmittelbare Unabhängigkeit der BNetzA von der Legislative gemeint. Die NRB müssen rechtlich getrennt und funktional unabhängig von „anderen öffentlichen Einrichtungen sein (public entity)“256 und müssen unabhängig von „allen politischen Stellen (political body)“ selbstständige Entscheidungen treffen.257 Damit ist die Gubernative, nicht die Legislative gemeint. Als der EuGH im Telekommunikationssektor entschieden hat, dass eine gesetzliche Vorstrukturierung durch die Legislative in unzulässiger Weise in den Ermessensspielraum der BNetzA eingreift, hat er dies auf die „Befugnisnormen“ in den Sekundärrechtsakten und nicht auf die (politische) Unabhängigkeit der NRB gestützt.258 Unabhängig vom Wesensgehalt des Gesetzesvorbehalts aus 255
Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 491; Ludwigs, in: FS Schmidt-Preuß, S. 692. 256 Art. 57 Abs. 4 a) Elektr-RL und Art. 39 Abs. 4 a) Gas-RL. 257 Art. 57 Abs. 5 a) Elektr-RL und Art. 39 Abs. 5 a) Gas-RL. 258 EuGH, Urt. v. 03.12.2009, Rs. C-424/07 (Kommission/Deutschland) = EuZW 2010, 109 (112) Rn. 75 ff.; sehr missverständlich daher die Aussage, dass „[d]em unionsrechtlichen Gebot der Unabhängigkeit nationaler Regulierungsbehörden, […] bereits die Vorschrift des § 9a TKG zum Opfer [fiel]“, Berger, MMR 2013, 683 (684); oder dass „die Weisungsfreiheit der Bundesnetzagentur gegenüber dem Bundeswirtschaftsministerium […] das Verhältnis zur
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Art. 20 Abs. 3 GG würde eine solche Auslegung nicht dem Sinn und Zweck der Unabhängigkeit der NRB entsprechen. Durch gesetzliche Vorgaben wird kein vergleichbarer politischer Druck auf die NRB ausgeübt wie durch Weisungen oder Vorgaben der Gubernative. Das Unabhängigkeitsparadigma alleine ist daher kein Grund für ein Verbot formell gesetzlicher Vorstrukturierung der Regulierung.259 3. Verordnungserlass Vor allem im Energiesektor sind wesentliche Entscheidungen im Rahmen der Netzzugangs- und Entgeltregulierung durch Gesetz dem Verordnungsgeber übertragen.260 Vor dem Hintergrund des laufenden Vertragsverletzungsverfahrens Nr. 2014/2285 erscheint dies problematisch, da die Kommission davon ausgeht, dass durch die weitgehenden Detailregelungen des Bundes die Elektr- und Gas-RL nicht hinreichend umgesetzt wurden.261 In ihrer Pressemittelung stützte die Kommission ihre Erwägungen auf den durch die Richtlinien eingeräumten weiten Ermessensspielraum der NRB.262 Es stellt sich daher die Frage, ob Detailregelungen der nationalen Regierung über die Netzzugangs- und Entgeltregulierung der unionsrechtlich vorgegebenen politischen Unabhängigkeit entgegenstehen. In der Literatur wird die politische Unabhängigkeit oft mit der Weisungsfreiheit gleichgesetzt.263 Dies ist ungenau, da in allen Richtlinien – sowohl in der deutschen, als auch in der englischen Sprachfassung – zwischen Unabhängigkeit („shall act independently“) und Weisungsfreiheit („shall not seek or take instructions“) unterschieden wird.264 Die Weisungsfreiheit ist danach ein Unterfall der politischen Unabhängigkeit, aber kein Synonym. Davon abgesehen handelt es sich bei „WeiLegislative im Dreieck der Funktionenordnung [betrifft]“, Eifert, ZHR 2010, 449 (455) und Ludwigs, in: Säcker/Schmidt-Preuß, Grundsatzfragen, S. 268; zur EuGH-Entscheidung genauer Teil 3 A. II. 1. a). 259 Dafür spricht auch das Arbeitspapier (commission staff working paper on the Regulatory Authorities) der Kommission v. 22.01.2010, S. 5, wonach die Regulierungsbehörde unabhängig sein muss von der öffentlichen Verwaltung, also von der Regierung, den Kommunen und von politischen Organisationen und Strukturen („public body (including national, local or regional government, municipalities and political organisations or structures)“), nicht aber vom Gesetzgeber; vgl. auch Steinbach, Die Verwaltung 2017, 507 (523). 260 Vgl. §§ 21a Abs. 6, 24 EnWG i. V. m. ARegV, StromNEV, StromNZV, GasNEV und GasNZV. 261 Ebenso Strauß/Meyer, EWeRK 2018, 185 (198; 200). 262 http://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-4487_EN.htm, Stand 28.11.2020. 263 Vgl. nur Ludwigs, in: Säcker/Schmidt-Preuß, Grundsatzfragen, S. 252; ders., in: FS Schmidt-Preuß, S. 691. 264 Exemplarisch Art. 8 Abs. 1 TK-Kodex: „Unbeschadet des Artikels 10 handeln die nationalen Regulierungsbehörden […] unabhängig und objektiv, arbeiten entsprechend dem Unionsrecht in transparenter und verantwortungsvoller Weise und holen im Zusammenhang mit der laufenden Erfüllung der ihnen nach nationalem Recht zur Umsetzung des Unionsrechts übertragenen Aufgaben weder Weisungen einer anderen Stelle ein noch nehmen sie solche entgegen.“
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sung“ („instruction“) im Sinne der Richtlinien um einen autonomen unionsrechtlichen Begriff, der nicht durch nationale Vorgaben bestimmt werden kann.265 Schon aus diesem Grund kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Unionsgesetzgeber nur die Weisung nach dem nationalen Begriffsverständnis für unzulässig erachtet hat. So definiert auch die Kommission in ihren Leitlinien die „instruction“ nicht nur als behördliche Weisung bzw. Ministerialweisung, sondern als „jede Handlung, die zur Einhaltung auffordert“.266 Geht man nun davon aus, dass die Richtlinien nicht nur die Weisungsfreiheit im obigen Sinne umfassen, stellt sich die Frage, was von der Unabhängigkeit im Sinne der Richtlinien noch umfasst ist. Sinn und Zweck der politischen Unabhängigkeit ist, dass die NRB ohne äußere Einflüsse und ohne politischen Druck Entscheidungen treffen können, die zur Erreichung der jeweiligen Regulierungsziele am besten geeignet sind.267 Weisungen im Rahmen der Rechts- und Fachaufsicht sind wie oben dargestellt entsprechend unzulässig, da diese durch die jeweiligen Ministerien erfolgen und damit durch politische Entscheidungen beeinflusst würden.268 Im Falle eines Verordnungserlasses konkretsiert ebenfalls die Bundesregierung oder ein Bundesminister gesetzliche Vorgaben und nimmt Entscheidungen der NRB vorweg. Verordnungen werden, soweit sie durch Gesetz der Bundesregierung zugewiesen sind, auch nicht durch die gesamte Bundesregierung im Sinne des Art. 62 GG erlassen, sondern nur durch den Kanzler und das Bundesministerium, in dessen Ressort die zu regelnde Materie fällt.269 Durch entsprechende verordnungsrechtliche Vorgaben, die die NRB bei Erfüllung ihrer durch die Richtlinien und Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu beachten hat, liegt eine rechtliche Bindung vor, die einer faktischen Weisung gleichkommt. Es ist zweifelhaft, ob dieses Konstrukt vom Unionsgesetzgeber als zulässig erachtet wurde, wenn er ausdrücklich die Unabhängigkeit der NRB von allen staatlichen Stellen anordnete.270 Die durch die Bundesregierung erlassenen Rechtsverordnungen zeichnen sich in gleicher Weise durch politische Entscheidungen aus wie Weisungen im Rahmen der Aufsicht, sodass dies zu einer Umgehung der politischen Unabhängigkeit im Sinne der Richtlinien führen kann. Die normative 265 Zur Heranziehung mehrerer Sprachfassungen im Rahmen der Wortlautauslegung von Unionsrecht Augsberg, in: Terhechte, Verwaltungsrecht der EU, § 4 Rn. 4. 266 Arbeitspapier (commission staff working paper on the Regulatory Authorities) der Kommission v. 22.01.2010, S. 7: „An construction in this context is any action calling for compliance […].“ 267 Vgl. Erwägungsgrund 13 der Änderung-RL 2009/140/EG und Erwägungsgrund 35 des TK-Kodex; so auch Wendel, Verwaltungsermessen, S. 314. 268 Zur politisch-strategischen Aufgabenerfüllung der Ministerien und deren Kollision mit dem administrativen Vollzug Steinbach, Die Verwaltung, 2017, 507 (521 f.). 269 Beispielhaft für das ARegV: Bundeskanzlerin Merkel und Bundesminister für Wirtschaft und Technologie Glos, BGBl. I, 2007, 2529 (2545). 270 Dafür spricht auch Erwägungsgrund 13 der Änderungs-RL 2009/140/EG, wonach sich rechtssetzende Organe nicht dazu eignen als NRB nach dem Rechtsrahmen zu fungieren; in diese Richtung wohl Möllers, in: Masing/Marcou, Unabhängige Regulierungsbehörden, S. 247; Steinberg, Die Verwaltung, 2017, 507 (523).
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Regulierung durch die Bundesregierung läuft damit den Zielen der Richtlinien zuwider. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Verordnungen der Bundesregierung teilweise der Zustimmung des Bundesrates gem. Art. 80 Abs. 2 GG bedürfen. Der Bundesrat besteht aus Mitgliedern der Regierung der Länder und gibt entsprechend ein politisches Meinungsbild ab, das sodann mittelbar Einfluss auf die Tätigkeit der BNetzA nimmt. In einer aktuellen Entscheidung des OLG Düsseldorf stellte dieses fest, dass die in den energierechtlichen Rechtsverordnungen vorgegebenen Bestimmungen nicht gegen die politische Unabhängigkeit der BNetzA verstießen.271 Zuzugestehen ist dem Gericht zwar, dass die Richtlinien im Energiesektor keine Anforderungen an ein von den Mitgliedstaaten zu übernehmendes Entgeltregulierungsmodell oder Vorgaben zu Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung enthalten. Mit der Problematik der politischen Unabhängigkeit, insbesondere der Gefahr einer Umgehung unionsrechtlicher Vorgaben, setzte sich das Gericht aber nicht auseinander. Es stellt vielmehr fest, dass die Verordnungen offensichtlich nicht in unzulässiger Weise in die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde aus Art. 35, 37 Elektr-RL 2009 (jetzt: Art. 57, 59 Elektr-RL) eingreifen würden und es deshalb einer Vorlage an den EuGH nicht bedürfe.272 Damit verpasste das OLG Düsseldorf die Chance, diese Frage auf Unionsebene klären zu lassen. In der Rechtsmittelinstanz wurde ausdrücklich offengelassen, „[…] ob eine abstrakt gefasste Regelung die nach der Richtlinie zu gewährleistende Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde in unzulässiger Weise beeinträchtigen kann, wenn sie der Behörde bei der Festlegung oder Genehmigung von Methoden keinerlei Spielraum mehr belässt.“273
Angesichts des bereits erwähnten Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2014/2285 bedürfen diese Entscheidungen an geeigneter Stelle einer eingehenderen Untersuchung.274 Soweit verordnungsrechtliche Vorgaben in den Netzsektoren gegeben sind, werden diese daraufhin untersucht werden müssen, ob sie die politische Unabhängigkeit der BNetzA einschränken. Ist dies der Fall, wären solche Regelungen unzulässig. Dies würde zu einer Ausweitung der Entscheidungsbefugnisse der BNetzA gegenüber der Gubernative führen. Zugleich würde das aber auch eine Ausweitung der Entscheidungsbefugnisse gegenüber der Legislative darstellen, weil diese dann 271
OLG Düsseldorf EnWZ 2018, 267 (719) Rn. 65 f. OLG Düsseldorf EnWZ 2018, 267 (269) Rn. 56 ff.; bis 2013 verwies § 7 Abs. 1 S. 3 bzw. S. 5 StromNEV/GasNEV für den überschießenden Teil des Eigenkapitals auf die Verzinsung wie Fremdkapital nach § 5 Abs. 2 StromNEV/GasNEV, weshalb die Rechtsprechung hier aus den gleichen Gründen wie bei der Fremdkapitalverzinsung einen Beurteilungsspielraum der BNetzA ablehnte, vgl. BGH, Beschl. v. 14. 08. 2008, KVR 36/07 = BeckRS 2008, 20435 Rn. 62; a. A. noch zu dieser alten Rechtslage Oster, Normative Ermächtigungen, S. 287. 273 BGH, Beschl. v. 08.10.2019, EnVR 58/18 = BeckRS 2019, 32327 Rn. 55. 274 S. Teil 4 B. II. 1. b); Strauß/Meyer, EWeRK 2018, 185 (200) sprechen davon, dass es nicht nachvollziehbar sei keinerlei Zweifel an der Unionsrechtsmäßigkeit festzustellen. 272
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eine entsprechende Verordnungsermächtigung nicht mehr erlassen dürfte. Insoweit könnte man von einer „mittelbaren“ Unabhängigkeit der BNetzA zur Legislative sprechen. 4. Fazit zum unionsrechtlichen Unabhängigkeitsparadigma Zu unterscheiden ist die institutionelle von der politischen Unabhängigkeit der NRB. Während erstere keine Auswirkungen auf die Entscheidungsspielräume der BNetzA hat, ergibt sich aus letzteren die Weisungsfreiheit der BNetzA im Sinne der Ministerialweisungsfreiheit. Jegliche rechts- und fachaufsichtlichen Weisungen sind unzulässig, sodass die BNetzA keinen derartigen Bindungen unterliegt. Diese Vorgaben wurden auf Bundesebene nicht oder nur unzureichend umgesetzt. Darüber hinaus kann die unionsrechtlich vorgegebene politische Unabhängigkeit zu einer Ausweitung der Spielräume der BNetzA führen. Die Unabhängigkeit umfasst nicht nur die Weisungsfreiheit im Aufsichtsrecht, sondern fordert jegliche Freistellung der BNetzA von äußerem politischen Druck. Vor diesem Hintergrund können sich auch Rechtsverordnungen und zugrundeliegende Verordnungsermächtigungen als europarechtswidrig entpuppen, wenn durch sie der Sinn und Zweck der politischen Unabhängigkeit umgangen wird. Ob dies zu einem Verbot normativer Regulierung führt, kann nicht allgemein beantwortet werden, sondern ist im Einzelfall anhand der konkreten Verordnung und der für diesen Fall vorgegebenen unionsrechtlichen Regelung zu entscheiden. Da eine Letztentscheidungsbefugnis aber sowohl das Fehlen einer normativen Vorwegbindung als auch die Reduzierung der Kontrolldichte voraussetzt, führt die politische Unabhängigkeit alleine nicht zur Ausweitung behördlicher Letztentscheidungsbefugnisse. Die Reduzierung der Kontrolldichte kann sich nicht unmittelbar aus der unabhängigen Stellung der NRB ergeben, sondern nur aus ihrem Aufgabengebiet und ihren Kompetenzen.275
IV. Auswirkungen des Europäischen Regulierungsverbunds Neben dem Unabhängigkeitsparadigma sehen die europäischen Vorgaben die Zusammenarbeit der Behörden der Mitgliedstaaten untereinander sowie mit der Kommission und teilweise auch mit extra dafür eingerichteten Agenturen oder Gremien vor. Das Regulierungsrecht stellt daher ein Referenzgebiet für den europäischen Verwaltungsverbund dar.276 Allerdings kann nicht von einem „einheitlichen 275 Prononciert Kröger, in: Kröger/Pilniok, Unabhängiges Verwalten in der EU, S. 6; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 225; Eifert, ZHR 2010, 449 (455). 276 Gärditz, Die Verwaltung 2013, 257 (268); Grundlegendes zum europäischen Verwaltungsverbund Schmidt-Aßmann, in: Schmidt/Aßmann/Schöndorf-Haubold, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 1 ff.; Ladeur/Möllers, DVBl 2005, 525 (527 f.); Britz, EuR 2006, 46 ff.;
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Regulierungsverbund“ gesprochen werden, sondern Gestalt und Funktion des Regulierungsverbundes sind von Netzwirtschaft zu Netzwirtschaft unterschiedlich.277 Gerade im Telekommunikationssektor argumentiert die Rechtsprechung, dass nationale Konsultations- und unionsweite Konsolidierungspflichten die gerichtliche Überprüfbarkeit von Entscheidungen einschränken würden.278 Die Notwendigkeit von Spielräumen ergebe sich aus dem gestuften Verfahren der grenzüberschreitenden Abstimmung und den Interventionsmöglichkeiten der Kommission. Empfehlungen, Leitlinien und Stellungnahmen seien weitest möglich zu berücksichtigen. Eine vollumfängliche Gerichtskontrolle würde den erstrebten Kooperations- und Koordinationseffekt gefährden.279 Auch die Literatur widmet sich zunehmend der Frage, wie die vertikale und horizontale Kooperation mehrerer Behörden im Rahmen einer Entscheidungsfindung von einem Gericht überprüft werden kann.280 Alleine die Tatsache, dass durch die Kooperation und Koordination verschiedener Akteure die kohärente Anwendung des Unionsrecht sichergestellt werden soll und daher Berücksichtigungspflichten vorgesehen sind, führt aber nicht zur pauschalen Kontrollfreistellung.281 Zu unterscheiden ist zudem die nationale verwaltungsgerichtliche Kontrollmöglichkeit von dem Rechtsschutz vor den europäischen Gerichten. Maßnahmen der EU-Organe fallen in die Zuständigkeit der EU-Gerichtsbarkeit nach Art. 263 ff. AEUV.282 Aufgrund des Trennungsprinzips haben beim indirekten Vollzug des Unionsrechts die nationalen Gerichte über die Rechtmäßigkeit der nationalen Behördenentscheidung zu entscheiden.283 Durch dieses Trennungsprinzip wird der Britz, Die Verwaltung Beiheft 8/2009, 71 (72); Trute, in: FS Selmer, S. 565; Ruffert, DÖV 2007, 761 (765); für den Energiesektor Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 115 ff. 277 Siehe bereits Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 48; Britz, EuR 2006, 46 (57 und 76 f.); Ruffert, DÖV 2007, 761 (766); insoweit wird von „europäischen Regulierungsverbünden“ gesprochen. 278 Dazu genauer insbesondere in Teil 3 A. I. und B. II. 279 BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1360) Rn. 17. 280 Mayen, Referat O 45 (72); Trute, in: FS Selmer, S. 582 ff.; Röhl, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 2, § 30 Rn. 63; Kühling, in: Terhechte, Verwaltungsrecht in der EU, § 24 Rn. 69; Storr in Gramlich/Manger-Nestler, Regulierungsstrukturen, S. 112 ff.; Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 435; Simantiras, Netzwerke, S. 195; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 373 ff.; Ladeur/ Möllers, DVBl 2005, 525 (531 f.); Gärditz, NVwZ 2009, 1005 (1007 f.); Schramm, DÖV 2010, 387 (389 ff.); Ludwigs, Die Verwaltung 2011, 41 (71); Gärditz, Die Verwaltung 2013, 257 (270 ff.); zur Einschränkung der Spielräume der BNetzA durch die notwendige Kooperation Franzius, EuR 2002, 660 (669 ff.). 281 Gärditz, Die Verwaltung 2013, 257 (273). 282 Trute, in: FS Selmer, S. 582. 283 Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 366; die Verzahnung der Behördenentscheidungen im Verbund erschweren es, Verantwortlichkeiten zuzuordnen, weshalb teilweise die Durchbrechung des Trennungsprinzips gefordert wird mit der Folge, dass Unionshandlungen in diesem Rahmen in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte fallen, vgl.
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Kontrollmaßstab verschoben, weil nicht alle Schritte in der Entscheidungsfindung der Kontrollkompetenz des nationalen Gerichts unterfallen. Das bedeutet aber nicht, dass dadurch automatisch der (Letzt-)Entscheidungsspielraum der nationalen Behörde erweitert wird. Untersucht werden muss daher, inwiefern sich Entscheidungen anderer Akteure (1.) im Verbund auf die Regulierungsentscheidung der BNetzA auswirken (2.). 1. Akteure Das Unionsrecht sieht an etlichen Stellen die Einrichtung von verschiedenen Agenturen, Netzwerken oder Gremien auf europäischer Ebene vor. Diese wirken neben den nationalen Behörden und der Kommission am Vollzug des Unionsrechts mit.284 Die dogmatische Einordnung dieser Akteure und insbesondere deren demokratische Legitimation ist seit einer Weile intensiv diskutierter Gegenstand der rechtswissenschaftlichen Literatur.285 Auch wenn die rechtsdogmatische Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen ist,286 können die Aktuere im Regulierungsrecht im Wesentlichen unterteilt werden in Europäische Agenturen, Europäische Netzwerke und Foren sowie EU-Ausschüsse. Europäische Agenturen sind von den Organen der Union getrennte (unabhängige) Einrichtungen des europäischen öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit, die durch einen Rechtsakt des abgeleiteten Unionsrechts geschaffen werden.287 Hauptaufgabe der Agenturen ist die Unterstützung bei der Umsetzung wichtiger Unionsstrategien und bei der Entscheidungsfindung im Verbund durch die Bündelung von Fach- und Expertenwissen.288 Agenturen werden nicht immer als solche bezeichnet, was eine Zuordnung mitunter schwierig macht. Zweifelsfrei ist die ACER eine solche Agentur, während sich die Zuordnung beim GEREK schwieriger gestaltet. Das GEREK, das die ERG ablöste, wird zwar teilweise als Europäische
Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 557; Schramm, DÖV 2010, 387 (392 f.). 284 Zur Kooperation mit der Kommission s. bereits Teil 1 C. II. 1. b) und 2. b). 285 Vgl. nur Scherer, in: Gramlich/Manger-Nestler, Regulierungsstrukturen, S. 97 ff.; Simantiras, Netzwerke, 2016; Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, 2017; speziell zu Unionsagenturen Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, 2008; Groß, Polyzentrale EU-Verwaltung, 2015; Weißgärber, Legitimation, 2016; Orator, Unionsagenturen, 2017; Sölter, Rechtsgrundlagen, 2017; Remmert, EuR 2003, 134; Vetter, DÖV 2005, 721; Fehling, EuR Beiheft 2/2005, 41; Heinze, EuR Beiheft 2/2005, 69; Wittinger, EuR 2008, 609; Urbantschitsch, ÖJZ 2009, 849 (850 f.); Michel, DÖV 2011, 728; Görisch, Jura 2012, 42; Schaefer, DVBl 2019, 153. 286 Gärditz, Die Verwaltung 2013, 257 (267). 287 Haller, Verwaltungsverbund, S. 98; Orator, Unionsagenturen, S. 62. 288 Nowak, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 34 Rn. 29; zur Einrichtung und dem Bestand aktueller Exekutivagenturen Nowak, in: Leible/ Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 34 Rn. 30.
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Agentur eingestuft,289 aber diese Einteilung ist nicht unumstritten.290 Dem stehen insbesondere die Erwägungsgründe 5 und 6 der GEREK-VO entgegen, wonach das GEREK als Forum fungiert. Gegen die Annahme, dass es sich beim GEREK um eine Europäische Agentur handelt, spricht auch der Umstand, dass mit der GEREK-VO zugleich das GEREK-Büro begründet wurde, welches explizit als Agentur bezeichnet wird. Gem. Art. 2 Abs. 1 GEREK-VO kommt auch nur dem GEREK-Büro eine eigene Rechtspersönlichkeit zu, nicht hingegen dem GEREK.291 Daneben bestehen vielfach Netzwerke und Foren zwischen Behörden, die keine eigene Rechtspersönlichkeit haben, aber dem Austausch von Informationen und als Schnittstelle zwischen den nationalen Behörden und der Kommission dienen.292 Netzwerke sind teilweise Vorläufer für später errichtete Agenturen. Insbesondere die ACER hat sich aus dem ERGEG293 entwickelt. Das europäische Ausschusswesen setzt sich aus den wissenschaftlichen Fachausschüssen und den Komitologie-Ausschüssen zusammen.294 Die Fachausschüsse werden aufgrund ihrer fachlichen Expertise in supranationale Entscheidungsfindungen einbezogen, indem sie beratend tätig werden.295 Die Komitologie-Ausschüsse dagegen dienen grundsätzlich der Kontrolle der an die Kommission übertragenen Durchführungsrechtsakte.296 Die Durchführung der verbindlichen Rechtsakte der Union ist grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten, Art. 291 Abs. 1 AEUV, Art. 5 Abs. 2 EUV. Bedarf es aber einheitlicher Bedingungen für die Durchführung, können der Kommission (oder in begründeten Sonderfällen dem Rat) Durchführungsbefugnisse nach Art. 291 Abs. 2 AEUV übertragen werden.297 Beim 289 Nowak, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 34 Rn. 28; Manger-Nestler/Gramlich, N&R 2017, 79 (89). 290 Hustedt/Wonka/Blauberger/Töller/Reiter, Verwaltungsstrukturen, S. 221; Neumann, in: Gramlich/Manger-Nestler, Regulierungsstrukturen, S. 178 f.; Holznagel/Schumacher, in: FS Säcker, S. 746; Haller, Verwaltungsverbund, S. 141; das GEREK als „transnationales Gremium“ bezeichnend Franzius, DÖV 2013, 714 (720). 291 Der entsprechende Artikel in dem Verordnungsentwurf, nach dem dem GEREK eine eigene Rechtspersönlichkeit zukommen sollte, vgl. Art. 24 Abs. 1 GEREK-VO-E (COM(2016) 591/F1), wurde in der endgültigen Fassung nicht übernommen. 292 Vgl. Art. 3 ERG-Beschluss 2002/627/EG a. F. (ABl. L 200 v. 30.07.2002, S. 38). 293 ERGEG-Beschluss 2003/796/EG. 294 Nowak, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 34 Rn. 39 ff. 295 Vgl. die Vielzahl von Fachausschüssen im Telekommunikationssektor wie bspw. das Europäisches Komitee für Normung (CEN) nach Art. 39 Abs. 1 TK-Kodex, der Ausschuss für Elektronische Kommunikation (ECC) oder der Telekommunikationsausschuss für Marktbewertung und -beobachtung (TCAM). 296 Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 429. 297 Durchführungsrechtsakte sind vor allem im Eisenbahnsektor zuhauf zu finden, z. B. Art. 2 Abs. 4 S. 3 und S. 5 i. V. m. Art. 62 Abs. 2 Recast-RL, s. aber auch Art. 38 Abs. 1 und Abs. 4 i. V. m. Art. 118 Abs. 4 und Art. 68 Abs. 3 UAbs. 3 und UAbs. 4 i. V. m. Art. 118 Abs. 3 TK-Kodex. Davon zu unterscheiden sind die delegierten Rechtsakte nach Art. 290 AEUV. Diese sind Rechtsakte der Kommission ohne Gesetzescharakter mit allge-
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Erlass eines Durchführungsrechtsaktes sind die Verfahren nach der Komitologie-VO, die den Beschluss 1999/468/EG ablöste, zu beachten.298 Art. 4 und 5 KomitologieVO sehen mit dem Beratungsverfahren und dem Prüfverfahren zwei Verfahren vor. Welches der beiden Verfahren durchzuführen ist, bestimmt der Basisrechtsakt, der zugleich die Ermächtigung zum Erlass eines Durchführungsrechtsaktes enthält, vgl. Art. 2 Abs. 1 Komitologie-VO. Daneben kommt den Komitologie-Ausschüssen aber auch im Verwaltungsverbund eine Koordinierungsfunktion zu. Die Verhandlungen in den Komitologie-Ausschüssen dienen insbesondere der Interessensverhandlung der am Vollzug horizontal wie vertikal beteiligten Akteure.299 Während im Telekommunikationssektor der Kommunikationsausschuss (COCOM) nach Art. 118 Abs. 1 TK-Kodex (Art. 22 Abs. 1 Rahmen-RL) und der Funkfrequenzausschuss nach Art. 118 Abs. 2 TK-Kodex300 vorgesehen sind, existieren im Energiesektor die Komitologie-Ausschüsse nach Art. 46 Abs. 1 Eletr-RL und Art. 51 Abs. 1 Gas-RL.301 2. Handlungsformen Je nach Handlungsform und deren Verbindlichkeit haben europäische Vorgaben unterschiedliche Auswirkungen auf Entscheidungen der BNetzA. Ob eine Entscheidung im Verbund für die Mitgliedstaaten bindend ist, ergibt sich aus der Rechtsnatur der Handlung. Dabei kommt es nicht auf die Bezeichnung der Handlungsform an, sondern auf ihren rechtlichen Inhalt.302 Grundsätzlich besteht auf Unionsebene eine durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beschränkte Wahlfreiheit bezüglich der Handlungsformen, wenn das Unionsrecht selbst keine Handlungsformen bestimmt.303 Während die Beschlüsse (a)) sowie die Empfehlungen und
meiner Geltung zur Ergänzung oder Änderung bestimmter nicht wesentlicher Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes, vgl. z. B. Art. 20 Abs. 5, 35 Abs. 3, 43 Abs. 2, 56 Abs. 13 i. V. m. Art. 60 Recast-RL und Art. 75 Abs. 1, 109 Abs. 8, 116 i. V. m. Art. 117 TK-Kodex. Sämtliche verbindliche Rechtsakte können als delegierte Rechtsakte ergehen, solange die Voraussetzungen des Art. 290 AEUV gewahrt bleiben, vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, AEUV, Art. 290 Rn. 3; Glaser, Handlungsformenlehre, S. 390 ff. 298 Vgl. Art. 12 f. Komitologie-VO. 299 Hustedt/Wonka/Blauberger/Töller/Reiter, Verwaltungsstrukturen, S. 140; HoffmannRiem, in: Schmidt-Aßmann/Hoffmann-Riem, Strukturen, S. 332; Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 429 f. 300 Der Funkfrequenzausschuss ist speziell zuständig als Komitologie-Ausschuss für die Durchführungsrechtsakte nach Art. 28 Abs. 4 UAbs. 2 TK-Kodex. 301 Vgl. auch im Eisenbahnsektor Art. 63 Abs. 1 Recast-RL und das CERP im Postsektor nach Art. 21 Abs. 1 Postdienste-RL. 302 EuGH, Urt. v. 13.12.1989, Rs. C-322/88 (Grimaldi) = NZA 1991, 283 (284); EuGH, Urt. v. 29.01.1985, Rs. 147/83 (Herold Binderer) Rn. 14. 303 Szczekalla, in: Terhechte, Verwaltungsrecht der EU, § 5 Rn. 59; Wißmann, in: Leible/ Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 31 Rn. 12.
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Stellungnahmen (b)) Rechtsakte der Union nach Art. 288 AEUV darstellen, sind die Leitlinien und Mitteilungen (c)) von diesem Katalog nicht umfasst. a) Beschlüsse, Art. 288 Abs. 4 AEUV Eine der wichtigsten Handlungsformen in den europäischen Regulierungsverbünden sind die Beschlüsse (früher noch Entscheidungen, vgl. ex-Art. 249 Abs. 4 EGV).304 Maßgebliches Kriterium für die Qualifikation als Beschluss ist seine Verbindlichkeit (aa)), die entsprechende Auswirkungen auf den Kontrollumfang der nationalen Gerichte (bb)) haben kann. aa) Verbindlichkeit Die Verbindlichkeit ist gegeben, wenn die Handlung geeignet ist, Rechtswirkungen hervorzurufen, indem sie Rechte und Pflichten festsetzt.305 Indizielle Bedeutung für die Verbindlichkeit einer Rechtshandlung kann der Umstand haben, dass der nationalen, im Verfahren beteiligten Behörde kein eigener Entscheidungsspielraum zukommt.306 Die Verwaltungskooperation in den Netzsektoren ist geprägt von komplexen Verfahrensschritten und einer Verzahnung von verschiedenen Behörden und Interessensträgern, die alle in der Entscheidungsfindung der BNetzA berücksichtigt werden müssen. Im Falle eines mehrphasigen Verfahrens wurde in der europäischen Rechtsprechung bisher die Verbindlichkeit von Zwischenmaßnahmen grundsätzlich verneint.307 Nur dann, wenn es sich um eine Maßnahme handelt, die das Verfahren endgültig zum Abschluss bringt, könne es sich um eine verbindliche
304
Szczekalla, in: Terhechte, Verwaltungsrecht der EU, § 5 Rn. 31. EuGH, Urt. v. 05.12.1963, Rs. 23/63, (Usines Émile Henricot) = Slg. 1963, 467 (484); EuGH, Urt. v. 05.12.1963, Rs. 28/63 (Hoogovens) = Slg. 1963, 497 (511); Ruffert, in: Calliess/ Ruffert, AEUV, Art. 288 Rn. 88; Schroeder, in: Streinz, AEUV, Art. 288 Rn. 125; der Umstand, dass keine Sanktion für den Fall der Nichtbefolgung der Maßnahme vorgesehen ist, ist für die Beurteilung der Frage, ob eine Handlung ebendiese Rechtswirkung erzeugt, nicht maßgeblich, vgl. EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-463/10 P (DPAG) = EuZW 2012, 148 (150) Rn. 48; entscheidend ist, ob sich aus der Auslegung der Rechtsgrundlage für die Handlung ergibt, dass diese rechtsverbindlichen Charakter haben soll, vgl. EuGH, Urt. v. 26.02.1986, Rs. 175/84 (Krohn) = Slg. 1986, 763 (768) Rn. 21 f.; EuG, Urt. v. 20.05.2010, Rs. T-258/06, (Deutschland)= BeckRS 2010, 91086 Rn. 27 f. 306 EuGH, Urt, v. 13.05.1971, Rs. 41/70 (Fruit Company) = Slg. 1971, 411 (422) Rn. 29; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV, Art. 288 Rn. 177; Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, S. 388. 307 Exemplarisch EuGH, Urt. v. 18.03.1997, Rs. C-282/95 P (Guérin Automobiles) = BeckRS 2004, 75969 Rn. 34; vgl. Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV, Art. 19 Rn. 8; zum vorbereitenden Charakter der Stellungnahmen im Telekommunikationssektor Wißmann/Lange, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 31 Rn. 59; Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 155. 305
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Maßnahme handeln.308 Eine Zwischenmaßnahme könne ausnahmsweise dann eine eigenständige Rechtswirkung entfalten, wenn die Rechtswidrigkeit dieser Handlung im Rahmen einer Klage gegen die endgültige Entscheidung, deren Vorbereitung sie dient, nicht geltend gemacht werden kann. Unter derartigen Umständen biete die Klage gegen die das Verfahren abschließende Entscheidung keinen ausreichenden gerichtlichen Rechtsschutz.309 Gegenstand der Verbindlichkeit sind nicht nur die Normsätze, die im Text zum Ausdruck kommen.310 Vielmehr ergibt sich bereits aus Art. 288 Abs. 4 S. 1 AEUV, dass der Beschluss in allen seinen Teilen verbindlich ist. Das schließt neben den Normsätzen die Erwägungsründe mit ein.311 Dies ist gerade der Unterschied zur Richtlinie, welche nur bezüglich des Resultats verbindlich ist.312 Nach der h. L. sind adressatenbezogene Beschlüsse, die an einen Mitgliedstaat ergehen, verbindlich für alle Organe dieses Staates, also sowohl für den Gesetzgeber als auch für die Behörden und die Gerichte.313 Dies ist richtig, soweit im Beschluss der Mitgliedstaat als Adressat bezeichnet ist. Fraglich ist aber, ob dies auch gilt, soweit der Beschluss nur eine bestimmte Behörde bezeichnet oder ob dadurch die übrigen Organe dieses Mitgliedstaates nicht an den Beschluss gebunden wären. Die h. L. geht davon aus, dass ein Beschluss nicht nur an eine Behörde gerichtet werden könne.314 Nach Art. 288 AEUV binden allerdings nur Verordnungen und Richtlinien den gesamten Mitgliedstaat. Für den Beschluss sieht Art. 288 Abs. 4 S. 2 AEUV dagegen ausdrücklich vor, dass er an bestimmte Adressaten gerichtet sein kann. Dies 308 EuGH, Urt. v. 11.11.1981, Rs. 60/81 (IBM) = Slg. 1981, 2639 (2652) Rn. 10; EuGH, Urt. v. 22.06.2000, Rs. C-147/96 (Niederlande/Kommission) = BeckRS 2004, 74431 Rn. 26; EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-463/10 P (DPAG) = EuZW 2012, 148 (150) m. w. N. 309 EuGH, Urt. v. 11.11.1981, Rs. 60/81 (IBM) = Slg. 1981, 2639 (2652) Rn. 12; EuGH, Urt. v. 24.06.1986, Rs. 53/85 (AKZO Chemie) = Slg. 1986, 1985 (1990) Rn. 19, EuGH, Urt. v. 09.10.2001, Rs. C-400/99 (Italien) = BeckRS 2004, 77050 Rn. 63; EuGH, Urt. v. 16.06.1994, Rs. C-39/93 P (SFEI u. a.) = Slg. 1994, I-2681 (I-2710) Rn. 28; EuGH, Urt. v. 17.07.2008, Rs. C-521/06 P (Athinaïki Techniki) = BeckRS 2008, 70800 Rn. 54; EuGH, Urt. v. 13.10.2011, Rs. C-463/10 P (DPAG) = EuZW 2012, 148 (150) Rn. 53 f. 310 A. A. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV, Art. 288 Rn. 182. 311 Vgl. EuGH, Urt. v. 15.05.1997, Rs. C-355/95 P (TWD) = Slg. I-2564 (I-2574) Rn. 21, wonach der verfügende Teil nicht von seiner Begründung getrennt werden kann; vorhergehend EuG, Urt. v. 13.09.1995, Rs. T-244/93 (TWD) = Slg. II-2268 (II-2285) Rn. 46; s. auch EuGH, Urt. v. 12.05.2005, Rs. C-415/03 (Kommission/Griechenland) = EuZW 2005, 635 (637) Rn. 41; in diesem Fall war die Höhe der Kosten, die zurückzuerstatten waren, nicht im Tenor enthalten, aber aus Erwägungsgründen ersichtlich. 312 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, AEUV, Art. 288 Rn. 92; Bast, Handlungsformen der EU, S. 165. 313 EuGH, Urt. v. 21.05.1987, Rs. 249/85 (Albako) = Slg. 1987, 2345 (2360) Rn. 17; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, AEUV, Art. 288 Rn. 92; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV, Art. 288 Rn. 180; Schroeder, in: Streinz, AEUV, Art. 288 Rn. 123. 314 So Ruffert, in: Calliess/Ruffert, AEUV, Art. 288 Rn. 92; Hatje, Wirtschaftsverwaltung, S. 438 f.; Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften, S. 218 f.; v. Danwitz, DVBl 1998, 421 (430 f.).
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würde dafür sprechen, dass bestimmte Adressaten neben Privatpersonen und juristischen Personen auch bestimmte Behörden sein könnten, da die Norm eine Unterscheidung nicht vorsieht.315 Auch einige Rechtsgrundlagen, wie bspw. Art. 32 Abs. 6 a) TK-Kodex, enthalten die ausdrückliche Regelung, dass der konkrete Beschluss an eine bestimmte Behörde zu richten ist. Schließlich sieht Art. 48 Abs. 2 Gas-RL die Möglichkeit vor, dass zwei verschiedene Organe desselben Mitgliedsstaates alternative Adressaten eines Beschlusses der Kommission sein können. Der Beschluss kann danach entweder an den gesamten Mitgliedsstaat oder316 lediglich an die Behörde gerichtet sein. Dies spricht dafür, dass der Unionsgesetzgeber davon ausgeht, dass ein Beschluss nur an eine Behörde gerichtet sein kann, ohne ihn dabei an den gesamten Mitgliedsstaat zu adressieren (teilverbindlicher Beschluss). Für die Erstreckung der Verbindlichkeit ist entsprechend zu unterscheiden, ob der Beschluss an den Mitgliedstaat oder nur an eine bestimmte Behörde gerichtet ist.317 bb) Folge für den Kontrollumfang nationaler Gerichte Ergeht ein Beschluss an einen bestimmten Mitgliedstaat, ist der Inhalt für alle Organe dieses Mitgliedstaates verbindlich. Die Behörden müssen inhaltlich dem Beschluss nachkommen; ihnen verbleibt insoweit kein Spielraum, sondern ein ihr eventuell aus den nationalen Normen zustehendes Ermessen wäre in diesem Fall auf Null reduziert. Das nationale Gericht kann in diesem Fall die Entscheidung der Behörde vollumfänglich überprüfen, weil sie wie eine gebundene Entscheidung zu behandeln ist. Was grundsätzlich nicht in den Prüfungsumfang fällt, ist der Beschluss selbst. Den nationalen Gerichten kommt nicht die Kompetenz zu, über die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der EU-Organe zu entscheiden, sondern dies müsste Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV oder einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV sein.318 Das Gericht kann entsprechend – ohne Vorlage an die europäische Gerichtsbarkeit319 – auch nicht von dem Beschluss
315 In der Praxis erlässt die Kommission auch Beschlüsse explizit nur an bestimmte Behörden, vgl. Art. 2 des Beschlusses der Kommission v. 29.01.2014, C (2014) 539 und Art. 3 des Beschlusses der Kommission v. 03.03.2010, C (2010) 1234 final; in diese Richtung auch EuGH, Urt. v. 26.02.1986, Rs. 175/84 (Krohn/Kommission) = BeckRS 2004, 71990 Rn. 21 f.; so wohl auch Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, S. 388; Lecheler, DVBl 2008, 873 (875); insoweit von Weisung sprechend Wendel, Verwaltungsermessen, S. 288 f. 316 In der deutschen Sprachfassung ist von „beziehungsweise“ im Sinne von „im anderen Fall“ die Rede; deutlicher noch in der englischen Sprachfassung „or“. 317 Auch der nationale Gesetzgeber geht davon aus, dass der Beschluss der Kommission nach Art. 32 Abs. 6 a) TK-Kodex nur für die NRB bindend ist, vgl. BT-Drs. 15/2316, S. 63. 318 Trute, in: FS Selmer, S. 583; Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 157; zum Trennungsprinzip Storr, in: Gramlich/Manger-Nestler, Regulierungsstrukturen, S. 112 m. w. N. 319 Vgl. EuGH, Urt. v. 22.10.1987, Rs. 314/85 (Foto-Frost) = NJW 1988, 1451.
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Teil 2: Letztentscheidungsbefugnisse der Verwaltung im Allgemeinen
abweichen.320 Der Beschluss ist Maßstab, nicht Gegenstand der Kontrolle.321 Originärer Gegenstand der nationalen Gerichtskontrolle ist alleine die tatsächlich von der nationalen Behörde noch eigenständig vorgenommene Entscheidung. Die Verbindlichkeit einer EU-Maßnahme für alle nationalen Organe führt mithin nicht zu einer Reduzierung der Kontrolldichte,322 sondern legidlich zu einer Verschiebung des Kontrollmaßstabs. Anders könnte dies jedoch beurteilt werden, wenn sich der Beschluss explizit nur an die Behörde richtet und für die nationalen Gerichte nicht verbindlich wäre (teilverbindlicher Beschluss). Zwar könnte das nationale Gericht auch in dieser Situation mangels Kompetenz nicht über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses entscheiden.323 Wäre eine EU-Maßnahme für das nationale Gericht unverbindlich, könnte dieses aber von der inhaltlichen Beurteilung abweichen und zu einem anderen, ebenso vertretbaren und rechtmäßigen, Abwägungsergebnis kommen.324 Dies hat der EuGH für die unverbindliche Empfehlung nach Art. 288 Abs. 5 AEUV bestätigt, wonach ein nationales Gericht hiervon ohne Vorlage an den EuGH abweichen könne, wenn es dies unter Berücksichtigung der konkreten Umstände für geboten erachtet.325 In diesem Fall bestünde bei einem einen Spielraum enthaltenen Tatbestand theoretisch die Möglichkeit der Kollision von Kommissionsentscheidung und gerichtlicher Entscheidung, welche beide vertretbar und damit rechtmäßig sein können.326 Eine solche Kollision wäre für die nationale Behörde dann nicht lösbar, weil für diese grundsätzlich sowohl der an sie gerichtete Beschluss der Kommission, als auch das nationale Gerichtsurteil verbindlich wären. Damit wäre es jedenfalls nicht auszuschließen, dass die Verknüpfung unterschiedlicher Bindungen verschiedener nationaler Organe mit der vollumfänglichen gerichtlichen Kontrolle zu einer übermäßigen Erschwerung der Ausübung des Unionsrechts führen könnte. Zur Wahrung des Effektivitätsgrundsatzes könnte dies durch eine Einschränkung der nationalen Verfahrensautonomie verhindert werden.327 Dies könnte in der Weise erfolgen, dass eine Reduzierung der Kontrolldichte bei der Überprüfung der nationalen Behördenentscheidung erfolgt, soweit der Anwendungsbereich des Beschlusses reicht. 320
So etwa im Beihilfenrecht nach Art. 108 AEUV, wonach sich der Beschluss der Kommission an den gesamten Mitgliedsstaat richtet, vgl. Schill/Krenn, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, EUV, Art. 4 Rn. 104. 321 Vgl. Dörr, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 202. 322 So auch Kühling, in: Terhechte, Verwaltungsrecht der EU, § 24 Rn. 69. 323 Trute, in: FS Selmer, S. 583. 324 Im Einzelfall kann es sogar zu einer „Bandbreite“ von Subsumtionsschlüssen kommen, die alle gleichermaßen als vertretbar anzusehen sind, Ludwigs, DÖV 2020, 405 (408). 325 EuGH, Urt. v. 15.09.2016, Rs. C-28/15 (Niederlande) = MMR 2017, 315 Rn. 40 ff. 326 Andeutend Wendel, Verwaltungsermessen, S. 320. 327 Ähnlich Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, S. 388 f.; zur Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle und deren Einschränkungsmöglichkeit bereits unter Teil 2 D. I. 2.
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Es ist grundsätzlich denkbar, dass die oben dargestellte Kollisionsgefahr durch eine entsprechende Vorlage des teilverbindlichen Beschlusses durch das nationale Gericht nach Art. 267 Abs. 1 b) AEUV verhindert werden könnte, indem die europäische Gerichtsbarkeit über die Gültigkeit dieses Beschlusses der Kommission entscheiden würde. Hierbei ist allerdings zu unterscheiden, ob eine Vorlage durch das nationale Gericht erfolgen würde, weil es Zweifel an der Vereinbarkeit des teilverbindlichen Beschlusses mit höherrangigem Europarecht hat, oder weil es aufgrund eines eigenen Abwägungsergebnisses von dem teilverbindlichen Beschluss abweichen möchte, ohne dabei die Rechtmäßigkeit der Kommissionsentscheidung in Frage zu stellen. Eine Vorlage wäre nur möglich im ersten Fall, wenn es dem nationalen Gericht um die Feststellung geht, ob der vorgelegte Beschluss rechtswidrig und daher nichtig ist. Insoweit stellt das Vorabentscheidungsverfahren eine Form der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Unionsorgane dar.328 Im zweiten Fall geht es aber um die Kompetenzfrage, welche von beiden vertretbaren und damit rechtmäßigen Entscheidungen gelten sollen. Das eigene Abwägungsergebnis des nationalen Gerichts würde nicht die Gültigkeit der Entscheidung der Kommission im Sinne der Rechtmäßigkeit in Frage stellen, sodass bereits die Zulässigkeit dieser Vorlage fraglich wäre. Jedenfalls würde aber auch bei einer Vorlage keine Abwägungsentscheidung des nationalen Gerichts getroffen werden, sondern dieses würde sich den Ausführungen des EuGH anschließen. b) Empfehlungen und Stellungnahmen, Art. 288 Abs. 5 AEUV Schwieriger gestaltet sich die Beantwortung der Frage nach der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, wenn die Entscheidung der NRB auf einer Zusammenarbeit aufbaut, die keinen verbindlichen Charakter beinhaltet.329 Prägend für den Regulierungsverbund sind die Empfehlungen und Stellungnahmen der Akteure und der NRB anderer Mitgliedstaaten, die es bei fast allen Entscheidungen weitest möglich zu berücksichtigen gibt oder denen Rechnung zu tragen ist. Einen qualitativen Unterschied zwischen „berücksichtigen“ und „Rechnung tragen“ hatte der Unionsgesetzgeber dabei ausweislich der englischen Sprachfassung nicht vor Augen.330 Empfehlungen und Stellungnahmen sind gem. Art. 288 Abs. 5 AEUV unverbindlich („Soft Law“331), allerdings besteht eine Berücksichtigungspflicht (aa)), die sich auch auf die nationalen Gerichte erstreckt (bb)). 328 Schwarze/Wunderlich, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, AEUV, Art. 267 Rn. 21; Ehricke, in: Streinz, AEUV, Art. 267 Rn. 23; Diller, in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, AEUV, Art. 267 Rn. 5. 329 Trute, in: FS Selmer, S. 583. 330 In der englischen Sprachfassung wird im Wortlaut nicht unterschieden, sondern dort heißt es stets „take utmost account“; vgl. auch Schramm, DÖV 2010, 387 (391) m. w. N. 331 Dazu Knauff, Regelungsverbund, S. 302 ff.
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aa) Berücksichtigungspflicht Aus der Unverbindlichkeit von Empfehlungen und Stellungnahmen ergibt sich, dass eine nationale Behörde sie nicht befolgen muss.332 Vor allem im Telekommunikationssektor, in dem die europäischen Vorgaben die „weitest mögliche Berücksichtigung“ von Empfehlungen und Stellungnahmen vorschreiben, wird aber vertreten, dass dadurch offensichtlich eine relativ dichte Koordination der nationalen Regulierungsstrategien erreicht werden sollte und dementsprechend eine weitest gehende Berücksichtigung lediglich in der Entscheidungsbegründung nicht sinnvoll sei.333 Mit anderen Worten folge aus der weitest möglichen Berücksichtigungspflicht nicht bloß eine formelle Bindung, sondern auch eine gewisse materielle Bindung. Sie würden mithin eine indirekte rechtliche Wirkung entfalten.334 Der EuGH hat aber nun nochmals ausdrücklich entschieden, dass die NRB auch in diesen Fällen, in denen Empfehlungen oder Stellungnahmen „weitest gehend Rechnung [zu] tragen“ ist, nicht an die Empfehlungen gebunden sind.335 Allerdings las er in den Wortlaut den Grundsatz der Befolgung hinein. Nur in besonderen Umständen des Einzelfalls könne die NRB hiervon abweichen.336
332 Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Stellungnahmen und Empfehlungen aber nicht rechtlich bedeutungslos. Den nationalen Behörden und Gerichten komme vielmehr eine gesteigerte Berücksichtigungspflicht zu, wenn die Empfehlungen und Stellungnahmen Aufschluss über die Auslegung zur Durchführung von Unionsrecht erlassener innerstaatlicher Rechtsvorschriften geben oder wenn sie verbindliche gemeinschaftliche Vorschriften ergänzen sollen, vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.1989, Rs. C-322/88 (Grimaldi) = NZA 1991, 283; EuGH, Urt. v. 24.04.2008, C-55/06 (Arcor) = NJOZ 2008, 1775 (1784) Rn. 94 m. w. N.; BVerwG NVwZ 2014, 589 (596) Rn. 47. 333 Ladeur/Möllers, DVBl 2005, 525 (531); von „faktischer Verbindlichkeit“ der Empfehlungen und Leitlinien sprechen Storr, in: Gramlich/Manger-Nestler, Regulierungsstrukturen, S. 116; Ludwigs, in: Säcker/Schmidt-Preuß, Grundsatzfragen, S. 270 ff.; Haller, Verwaltungsverbund, S. 123; Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 553; vgl. auch Brohm, Die „Mitteilungen“ der Kommission, S. 167; Bartosch, EuZW 2002, 389 (392 f.); dazu auch Salevic, CR 2009, 427; kritisch zur Bindungswirkung vor dem Hintergrund mangelnden Rechtsschutzes; Gärditz, in: Scheurle/Mayen, TKG, Einf. II Rn. 152 ff.; Ludwigs, Die Verwaltung 2011, 41 (71); Gärditz, Die Verwaltung 2013, 257 (272 ff.); zurecht weist aber Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 155 darauf hin, dass Rechtsschutz für den Einzelnen gegeben wäre, würden die Gerichte ihrer Vorlageverpflichtung nach Art. 267 AEUV hinreichend nachkommen. 334 BVerwG NVwZ 2014, 589 (596) Rn. 47; eine solche indirekte rechtliche Wirkung setze nach BVerwG NVwZ 2015, 967 (973) Rn. 48 voraus, dass das nationale Recht hierfür Raum lasse. 335 EuGH, Urt. v. 15.09.2016, Rs. C-28/15 (Niederlande) = MMR 2017, 315 (316) Rn. 34 f.; dazu Koenig, N&R 2016, 255. 336 EuGH, Urt. v. 15.09.2016, Rs. C-28/15 (Niederlande) = MMR 2017, 315 (316) Rn. 38; Schramm, DÖV 2010, 387 (391) vergleicht die Berücksichtigungspflicht mit Regelbeispielen.
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bb) Folge für den Kontrollumfang nationaler Gerichte Entscheidend für die Kontrolldichte ist die Übertragung dieses Grundsatzes auch auf die Gerichte. Die nationalen Gerichte müssten bei einer Rechtmäßigkeitsprüfung einer Entscheidung der NRB die Empfehlungen zwar berücksichtigen, könnten aber von ihnen abweichen, wenn dies im konkreten Fall geboten sei.337 Daraus ergibt sich, dass weder eine Bindungswirkung für die Behörden und die Gerichte besteht noch die Gerichte zu einer Rücknahme der Kontrolldichte angehalten sind. Die nationalen Gerichte überprüfen selbstständig, ob die NRB den Empfehlungen folgen durfte oder ob eine Abweichung geboten gewesen wäre. Der Umstand, dass Empfehlungen und Stellungnahmen zu berücksichtigen sind, kann zwar als Indiz herangezogen werden, dass eine Abwägung vorzunehmen ist, bedeutet aber nicht automatisch, dass das Gericht nicht eine eigene Abwägungsentscheidung anstelle der Behörde treffen kann. Empfehlungen und Stellungnahmen können aber nach Ansicht der Rechtsprechung die Ermessensbetätigung der BNetzA vorstrukturieren.338 Dies kann von einer inhaltlichen Berücksichtigungspflicht in der Abwägung bis hin zu einer Vermutungswirkung der Empfehlungen und Stellungnahmen reichen.339 Für eine Reduzierung der Kontrolldichte ergeben sich daraus aber keine verallgemeinerungsfähigen Aussagen, zumal der EuGH selbst klargestellt hat, dass sowohl die Behörden als auch die Gerichte von den Empfehlungen (und Stellungnahmen) abweichen können.340 Allein die Tatsache, dass in den europäischen Regulierungsverbünden (unverbindliche) Empfehlungen und Stellungnahmen der Akteure abgegeben werden und zu berücksichtigen sind, führt nicht zu einer Reduzierung der Kontrolldichte. c) Leitlinien und Mitteilungen Neben den in Art. 288 AEUV genannten Maßnahmen werden in den europäischen Regulierungsverbünden häufig Leitlinien und Mitteilungen erlassen. Auch wenn diese nicht im Rechtsaktekatalog genannt sind, setzt das Primärrecht deren Existenz voraus.341 In der Rechtswissenschaft ist die Rede von „Soft Law“342 oder 337
EuGH, Urt. v. 15.09.2016, Rs. C-28/15 (Niederlande) = MMR 2017, 315 (316) Rn. 40; Bosch, Kontrolldichte, S. 134 f. 338 BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1361) Rn. 24 f.; vgl. auch VG Köln MMR 2017, 428 (433) Rn. 103, das zwischen „sollen“, „müssen“ und „können“ im Wortlaut der Empfehlungen unterscheidet. 339 Zu den unterschiedlichen Harmonisierungswirkungen der jeweiligen Empfehlungen Koenig, N&R 2016, 255 (256). 340 Attendorn, DVBl 2008, 1408 (1410); eine Kollision von Kommissions- und Gerichtsentscheidung ist daher über die Unverbindlichkeit der Kommissionsentscheidung lösbar. 341 Der Katalog des Art. 288 AEUV stellt keinen numerus clausus dar, vgl. Geismann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV, Art. 288 Rn. 22; Leitlinien werden bspw. genannt in Art. 68 EUV, Art. 5 Abs. 2, 26 Abs. 3, 148, 156, 168, 171 ff. AEUV; sie stellen neben den
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Regelungsformen sui generis.343 Sie enthalten allgemeine Regeln, die als Maßstab für künftige Einzelfallentscheidungen gelten sollen und werden daher mit Verwaltungsvorschriften verglichen.344 Für die Kommission entfalten Leitlinien unmittelbare Verbindlichkeit, indem sie eine Selbstbindung der EU-Eigenverwaltung erzeugen.345 Ob und inwieweit solche Leitlinien und Mittelungen Bindungswirkung für die Mitgliedstaaten entfalten, ist allerdings nicht eindeutig zu beantworten (aa)); Entsprechendes gilt für die Auswirkungen auf die Gerichtskontrolle (bb)). aa) Verbindlichkeit Durch Leitlinien und Mitteilungen wird der Vollzug des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten gesteuert, indem sie sekundärrechtliche Rechtsakte auslegen und konkretisieren.346 Aus der Zuordnung zum Soft Law ergibt sich die grundsätzliche Unverbindlichkeit für die Mitgliedstaaten, d. h. sie erzeugen keine verbindlichen Rechtswirkungen, „[…] stellen jedoch […] Verhaltensnorm[en] dar, die einen Hinweis auf die zu befolgende Verwaltungspraxis [enthalten] und von [denen] die Verwaltung im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen abweichen kann.“347
Daraus ergibt sich eine (gesteigerte) Berücksichtigungspflicht für die Mitgliedstaaten.348 Von dem Grundsatz der Unverbindlichkeit nicht umfasst sind Leitlinien dann, wenn eine rechtliche Grundlage explizit zum Erlass von verbindlichen Leitlinien ermächtigt.349 Insbesondere für den Energiesektor regeln Art. 63 Abs. 6 b) Elektr-RL Empfehlungen und Stellungnahmen zentrale Handlungsformen des Verwaltungsverbundes dar, vgl. Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 77 f. 342 Ruffert, in: FS Krause, S. 220; Knauff, Regelungsverbund, S. 310 ff.; Braams, Koordinierung, S. 154; Schramm, Informelles Verwaltungshandeln, S. 38; Schwarze, EuR 2011, 3 (8). 343 Schmidt-Preuß, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 10 Rn. 33 m. w. N. 344 Schramm, DÖV 2010, 387 (390); Möstl, DVBl 2011, 1076 (1082). 345 Szczekalla, in: Terhechte, Verwaltungsrecht der EU, § 5 Rn. 50; Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 75; Glaser, Handlungsformenlehre, S. 381; Möstl, DVBl 2011, 1076 (1082) m. w. N. 346 Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 75; Glaser, Handlungsformenlehre, S. 380. 347 EuGH, Urt. v. 15.01.2002, Rs. C-171/00 P (Libéros) = BeckRS 2004, 74653 Rn. 35; EuGH, Urt. v. 28.06.2005, C-189/02 P (Dansk Rørindustri) = BeckRS 2005, 70478 Rn. 209 f.; EuG, Urt. v. 8.10.2008, Rs. T-73/04 (Carbone-Lorraine) = BeckRS 2010, 91984 Rn. 70; vgl. auch Glaser, Handlungsformenlehre, S. 383; Lecheler, DVBl 2008, 873 (874 f.). 348 Vgl. zur Berücksichtigungspflicht bereits Teil 2 D. IV. 2. b) aa). 349 Der Erlass verbindlicher Leitlinien ohne spezielle Ermächtigung wäre vor dem Hintergrund des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung nach Art. 5 Abs. 2 EUV rechtswidrig, vgl. Glaser, Handlungsformenlehre, S. 382 m. w. N.
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und Art. 43 Abs. 6 b) Gas-RL, dass entsprechende Leitlinien für die NRB verbindlich sind.350 Das ergibt sich aus dem echten Vetorecht, das der Kommission bei Verstoß gegen eine Leitlinie zusteht. Die Verbindlichkeit einer Leitlinie kann sich auch daraus ergeben, dass sie als Beschluss oder (Durchführungs-)Verordnung erlassen wird.351 Wem gegenüber die Verbindlichkeit eintritt ist ebenfalls im Einzelfall zu bestimmen. So binden Leitlinien in Durchführungsverordnungen jeden Mitgliedstaat, vgl. Art. 288 Abs. 2 AEUV, im Übrigen ergibt sich der Adressat aus dem Inhalt der Leitlinien. Auch hier gibt es entsprechend Grauschattierungen zwischen der Verbindlichkeit und der Unverbindlichkeit einer Leitlinie oder einer Mitteilung.352 Die Frage, welchen Grad an Verbindlichkeit bzw. an Berücksichtigungspflicht einer Leitlinie zukommt, hängt vom Einzelfall ab, wobei die Ermächtigungsgrundlage und der Inhalt der Leitlinie maßgeblich sind.353 bb) Folge für den Kontrollumfang nationaler Gerichte Der nationalen Behörde kommt in den Fällen verbindlicher Leitlinien kein echter Spielraum zu, soweit sie an die Vorgaben der Leitlinien gebunden ist. Das nationale Gericht kann in diesem Fall die Entscheidung der Behörde vollumfänglich überprüfen, weil sie wie eine gebundene Entscheidung zu behandeln ist.354 Maßstab der gerichtlichen Überprüfung ist mithin die Leitlinie. Mangels Kompetenz fällt die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Leitlinie oder Mitteilung selbst nicht in den Prüfungsumfang des nationalen Gerichts. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Leitlinie obliegt der europäischen Gerichtsbarkeit. In den Fällen einer verbindlichen Leitlinie ist neben der Möglichkeit der Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV 350
Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 75; Glaser, Handlungsformenlehre, S. 383; Umkehrschluss aus Art. 2 e) ACER-VO; explizit auch Erwägungsgrund 61 der Gas-RL und Erwägungsgrund 88 der Elektr-RL, wonach es sich bei diesen Leitlinien um „bindende Durchführungsmaßnahmen“ handelt. 351 Beispielhaft Verordnung (EU) 2017/2195 der Kommission vom 23.11.2017 zur Festlegung einer Leitlinie über den Systemausgleich im Elektrizitätsversorgungssystem. 352 Storr, in: Gramlich/Manger-Nestler, Regulierungsstrukturen, S. 115; Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 74 f.; von „mittelbarer Bindungswirkung“ sprechend Glaser, Handlungsformenlehre, S. 386. 353 EuGH, Urt. v. 13.12.1989, Rs. C-322/88 (Grimaldi) = NZA 1991, 283 (284); Storr, in: Gramlich/Manger-Nestler, Regulierungsstrukturen, S. 114; Knauff, Regelungsverbund, S. 311; Brohm, Die „Mitteilungen“ der Kommission, S. 171 ff.; Haller, Verwaltungsverbund, S. 168; nach EuGH, Urt. v. 06.04.2000, Rs. C-443/97 (Spanien) = BeckRS 2004, 77288 Rn. 33 f.; EuG, Urt. v. 20.11.2008, Rs. T-185/05 (Italien) = BeckRS 2008, 71207 Rn. 41 können insbesondere „interne Leitlinien“, die allgemeine Regeln enthalten, die das Organ künftig zugrunde zu legen gedenkt, nicht als dazu bestimmt angesehen werden, Rechtswirkungen zu erzeugen; nach Möstl, DVBl 2011, 1076 (1082) m. w. N. müssten Leitlinien, um eine unmittelbare Bindungswirkung entfalten zu können, als Durchführungsrechtsakte nach Art. 291 AEUVerlassen werden. 354 Vgl. bereits Teil 2 D. IV. 2. a) bb).
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auch eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV möglich.355 Ist die Leitlinie unverbindlich, gelten die Ausführungen zu den Stellungnahmen und Empfehlungen entsprechend.356 Eine pauschale Einordnung der Leitlinien und Mitteilungen ist jedenfalls nicht möglich. d) Fazit zu den Handlungsformen im Verwaltungsverbund Je nachdem, welche Handlungsformen in den europäischen Regulierungsverbünden gewählt werden, wirkt sich das unterschiedlich auf deren Verbindlichkeit und damit auf die Entscheidungsfreiheit der BNetzA aus. Während Beschlüsse verbindlich sind, kann dies für die übrigen Handlugnsformen nicht ohne Weiteres festgestellt werden. Für Leitlinien, Empfehlungen und Stellungnahmen gilt jedenfalls eine Berücksichtigungspflicht. Daraus ergibt sich jedoch nicht zwingend eine Reduzierung der Kontrolldichte. 3. Fazit zum europäischen Regulierungsverbund Die Verwaltungszusammenarbeit und Verzahnung von Entscheidungen verschiedener Akteure im europäischen Regulierungsverbund für sich genommen kann nicht als Argument für eine Reduzierung der Kontrolldichte herangezogen werden, da die Vielzahl der Akteure und Handlungsmöglichkeiten sich unterschiedlich auf Entscheidungen der NRB auswirken können. Die Verwaltungszusammenarbeit ist vielmehr sektorspezifisch und entscheidungsspezifisch zu untersuchen.357 Zu unterscheiden sind Maßnahmen mit bindendem Charakter von unverbindlichen Empfehlungen, Stellungnahmen oder Leitlinien. Je höher die Bindungswirkung einer Handlung ist, desto geringer ist der verbleibende Spielraum der Behörde und desto höher ist grundsätzlich die Kontrolldichte der Gerichte. Die Bindungswirkung einer Handlung spricht daher grundsätzlich gegen die Reduzierung der gerichtlichen Kontrolle, soweit sie auch für nationale Gerichte verbindlich ist. Ist sie hingegen nur für die nationale Behörde verbindlich, besteht die Möglichkeit einer Kollision von mehreren vertretbaren Entscheidungen, die gelöst werden muss. Liegt eine unverbindliche Handlungsform vor, kann diese durch die Berücksichtigungspflichten ermessensbeschränkend wirken. Die Kooperation der BNetzA mit anderen Behörden, Agenturen, Gremien oder der Kommission ist auch innerhalb eines Sektors vielfältig. Sie reicht von Informations- und Berichterstattungsverpflichtungen über die Berücksichtigung von Stellungnahmen bis hin zu echten Vetorechten. Eine verallgemeinerungsfähige 355
Wißmann/Lange, in: Leible/Terhechte, Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 31 Rn. 59; Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 155. 356 S. unter Teil 2 D. IV. 2. b) bb). 357 Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 3, § 50 Rn. 295.
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Aussage, dass einer Behörde im Verwaltungsverbund ein größerer Spielraum zukommen muss, kann nicht getroffen werden.358 Vielmehr muss jede einzelne Entscheidung der Behörde betrachtet und danach untersucht werden, inwieweit die Entscheidungsfindung auf eine Kooperation mit anderen Hoheitsträgern zurückgeht und ob dies für einen Letztentscheidungsspielraum herangezogen werden kann.
V. Fazit zum europarechtlichen Einfluss Letztentscheidungsbefugnis der Verwaltung im Unionsrecht bedeutet wie im nationalen Recht, dass die Verwaltung auf der einen Seite keiner Vorwegbindung durch den Gesetzgeber unterliegt und auf der anderen Seite damit korrespondierend keine vollumfängliche gerichtliche Kontrolle der Verwaltungsentscheidung stattfindet.359 Der EuGH kennt zwar grundsätzlich eine Unterscheidung von „Ermessen“ auf Tatbestandsseite und Ermessen auf Rechtsfolgenseite.360 Auf europäischer Ebene wird aber nicht qualitativ zwischen Ermessen und Beurteilungsspielraum, Planungsund Regulierungsermessen unterschieden. Der EU-Eigenverwaltung wird vielmehr bereits ein Spielraum auf Tatbsetandsseite zugestanden, wo auf nationaler Ebene die Voraussetzungen für einen Beurteilungsspielraum noch lange nicht vorliegen würden.361 Auf der anderen Seite findet eine Kontrolle der Entscheidung im direkten Vollzug lediglich auf ihre Plausibilität statt, während auf nationaler Ebene die gerichtliche Überprüfung von jeglichen Entscheidungen weit darüber hinausgeht und nicht nur auf offensichtliche Fehler beschränkt ist. Dies wird auf EU-Ebene durch erhöhte Anforderungen an Verfahrensgarantien kompensiert. Letztentscheidungsbefugnisse im direkten Vollzug sind somit weiter und umfassender als auf nationaler Ebene. Bemerkenswert ist, dass der EuGH nunmehr scheinbar seine Rechtsprechung zur Überprüfung von offenkundigen Fehlern und der großen Bedeutung der Verfahrensgarantien auf den indirekten Vollzug überträgt.362 Die Frage, ob es sich bei den jüngsten Vorgaben bloß um den am effektiven Rechtsschutz ausgerichteten Mindeststandard gerichtlicher Kontrolle handelt, oder ob sich eine Pflicht zur Reduzierung der Kontrolle ergibt, bleibt dabei offen. Pauschale Aussagen zum Einfluss europäischer Vorgaben auf die Letztentscheidungsbefugnisse der BNetzA lassen sich nicht treffen. Allerdings kann die politische Unabhängigkeit der NRB zu einem Verbot normativer Regulierung führen 358
Ludwigs, Die Verwaltung 2011, 41 (71). Börger, Kontrolldichte, S. 162. 360 EuGH, Urt. v. 10.10.1985, Rs. 183/84 (Söhnlein Rheingold), Slg. 1985, 3352 (3361) Rn. 23 ff. 361 Vgl. nur EuGH, Urt. v. 22.01.1976, Rs. 55/75 (Balkan Import Export GmbH), Slg. 1976, 19 (30) Rn. 8, wo die bloße Komplexität eines wirtschaftlichen Sachverhalts ausreicht; Hatje, Wirtschaftsverwaltung, S. 321; Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 380. 362 EuGH, Urt. v. 04.04.2017, C-544/15 (Fahimian) = NVwZ 2017, 1193 (1195) Rn. 46. 359
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und die notwendige Kooperation in den europäischen Regulierungsverbünden kann als Indiz für die Rücknahme der Kontrolldichte herangezogen werden. Das erfordert aber eine Betrachtung jeder einzelnen Entscheidung der Behörde und eine Untersuchung, inwieweit in diesem konkreten Fall das Unionsrecht das Letztentscheidungsrecht der NRB zuspricht.
E. Zusammenfassung zu Teil 2 Grundsätzlich lässt die Verfassung die Einräumung von Letztentscheidungsbefugnissen unabhängig von Art oder Grad des Spielraums zu. Eine Trennung von Beurteilungsspielraum auf Tatbestandsseite, Ermessen auf Rechtsfolgenseite und Planungs- und Regulierungsermessen als aliud ist von Verfassungswegen nicht geboten, da jeder Spielraum der Verwaltung am Gesetzesvorbehalt (Wesentlichkeitstheorie), an der Gewaltenteilung (Kernbereichstheorie) und an den Grundrechten zu messen ist. Allerdings macht die Tatsache, dass je nach Spielraum ein verschieden hoher Grad an Entscheidungsfreiheit besteht, unterschiedliche Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung notwendig. Je größer die Reichweite der Entscheidungsmacht der Verwaltung, desto höhere Anforderungen müssen an die Rechtfertigung, mithin an den Sachgrund, gestellt werden. Hat der Gesetzgeber einen Spielraum eingeräumt, der durch den Sachgrund nicht mehr gerechtfertigt ist, ist der Bürger in seinen materiellen Grundrechten verletzt. Daran anknüpfend bedarf es für die Annahme einer Letztentscheidungsbefugnis immer einer normativen Ermächtigungsgrundlage. Unabhängig davon, um welche Art von Spielraum es sich nach der deutschen Verwaltungsdogmatik handelt, muss sich dieser aus dem anzuwendenden Gesetz durch Auslegung ergeben. Diese Maßstäbe gelten grundsätzlich auch im indirekten Vollzug. Im Europarecht wird auf eine der normativen Ermächtigungslehre entsprechende Auslegung des Unionsrechts zurückgegriffen. Führt diese zu keinem Ergebnis, bleibt es bei der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. Die Befugnisse der EU-Eigenverwaltung folgen teilweise allein aus der Aufgabenzuweisung zur Beurteilung von komplexen (wirtschaftlichen) Sachverhalten. Der Schluss von der Aufgabe auf die Befugnis ist im deutschen Recht gerade nicht möglich. Auch bzgl. der Anforderungen werden hier keine qualitativen Unterschiede gemacht. Gleiches gilt entsprechend bei der gerichtlichen Kontrolle, die sich im Wesentlichen im materiellen Teil auf eine Plausibilitätskontrolle beschränkt. Das Europarecht kann zwar Einfluss auf die Letztentscheidungsbefugnis der BNetzA haben, allerdings lassen weder das unionsrechtliche Unabhängigkeitsparadigma noch der Umstand, dass die BNetzA in europäische Regulierungsverbünde einbezogen ist, per se auf eine Ausweitung der behördlichen Letztentscheidungsbefugnisse schließen. Dies wird vielmehr im Rahmen der Auslegung eine Rolle spielen, da diese regulierungsrechtlichen Besonderheiten lediglich im Einzelfall zum
E. Zusammenfassung zu Teil 2
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Verbot gesetzlicher Vorstrukturierung und zur Rücknahme der Kontrolldichte führen können.
Teil 3
Die Letztentscheidungsbefugnisse der BNetzA im Telekommunikationsrecht Zur Erreichung der in den Regulierungsgesetzen festgesetzten Ziele wird der BNetzA eine Reihe von Instrumenten an die Hand gegeben, insbesondere die Netzzugangs- und Entgeltregulierung.1 Diese sind in den verschiedenen Netzindustrien mit unterschiedlicher Eingriffsqualität ausgestattet, weil den jeweiligen Netzwirtschaften unterschiedliche technisch-ökonomische und institutionelle Besonderheiten zugrunde liegen.2 Auch die nationale Judikatur zu entsprechenden Letztentscheidungsbefugnissen der BNetzA differiert nach Sektoren. Im Folgenden erfolgt eine Bestandsaufnahme der Letztentscheidungsbefugnisse der BNetzA in der Netzzugangs- und Entgeltregulierung, wie sie ihr bisher durch die Rechtsprechung im Telekommunikationssektor zugestanden wurden und in der Literatur diskutiert werden.3 Dabei werden anhand der Erläuterungen aus den ersten beiden Teilen die Befugnisse der BNetzA daraufhin untersucht, ob ein entsprechendes Letztentscheidungsrecht im konkreten Fall europarechtlich vorgegeben ist. Gem. § 9 Abs. 1 TKG ist die Regulierung nur auf solchen Märkten zulässig, „auf denen die Voraussetzungen des § 10 [TKG] vorliegen und für die eine Marktanalyse nach § 11 [TKG] ergeben hat, dass kein wirksamer Wettbewerb vorliegt“ (asymmetrische Regulierung).4 Die BNetzA führt dementsprechend eine Marktdefinition und die Marktanalyse (A.) durch, aufgrund derer sie eine Regulierungsverfügung (B.) erlässt. Marktdefinition, Marktanalyse und Regulierungsverfügung ergehen gem. § 13 Abs. 5 TKG als einheitlicher Verwaltungsakt.5 In der Regulierungsver1 Daneben spielt insbesondere im Eisenbahn- und Energiesektor die Entflechtung als Regulierungsinstrument eine Rolle, vgl. §§ 5 ff., 70 ERegG und §§ 6 – 10e EnWG; weitere Instrumente der Regulierung sind die Auferlegung von Universaldienstverpflichtungen, Grundversorgungs- und Beförderungspflichten oder Ausschreibungsverfahren, Fehling, in: Hill, Die Zukunft des öffentlichen Sektors, S. 102 ff.; Frenzel, JA 2008, 868 (870). 2 Pielow, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 57 Rn. 17. 3 Da sich die Rechtsprechung im Fluss befindet, kann nur eine „Momentaufnahme konkreter […S]pielräume“ erfolgen, Pielow, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 57 Rn. 45. 4 Christiansen, Optimierung des Rechtsschutzes, S. 16; Mengering, Entgeltregulierung, S. 75 f. 5 Eine isolierte Anfechtung der Marktdefinitions- und Marktanalyseentscheidung ist mithin nicht möglich, vgl. BVerwG MMR 2011, 57 Rn. 14.
A. Marktdefinition und -analyse, §§ 10, 11 TKG
113
fügung wird u. a. festgelegt, ob und welche abstrakten Zugangsverpflichtungen nach § 21 TKG dem betroffenen Unternehmen auferlegt werden sollen und ob eine Entgeltgenehmigungspflicht nach § 30 TKG angeordnet wird. In einem weiteren Verfahrensschritt folgt u. U. eine Zugangsanordnung nach § 25 TKG und die Durchführung des Entgeltgenehmigungsverfahrens nach §§ 31 ff. TKG (C.).
A. Marktdefinition und -analyse, §§ 10, 11 TKG Vor der Auferlegung einer Regulierungsmaßnahme nach dem TKG muss die BNetzA zunächst die Marktdefinition nach § 10 TKG und die Marktanalyse nach § 11 TKG durchführen (erste Stufe der Regulierung).6 Für die Marktdefinition wird eine sachliche und räumliche Marktabgrenzung (Ermittlung und Festlegung von Märkten) vorgenommen und dann die potentielle Regulierungsbedürftigkeit dieser Märkte geprüft. Es geht dabei um die Frage, welche Märkte z. B. aufgrund ihrer Marktstruktur grundsätzlich für eine Regulierung in Betracht kommen. Es handelt sich um die Vorauswahl der dann auf wirksamen Wettbewerb hin zu untersuchenden Märkte. § 10 Abs. 2 S. 1 TKG konkretisiert, welche Märkte für eine Regulierung grundsätzlich in Betracht kommen. Das sind Märkte, die durch beträchtliche und anhaltende strukturell oder rechtlich bedingte Marktzutrittsschranken gekennzeichnet sind, längerfristig nicht zu wirksamen Wettbewerb tendieren und auf denen die Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts allein nicht ausreicht, um dem betreffenden Marktversagen entgegenzuwirken (sog. Drei-Kriterien-Test).7 § 10 Abs. 2 S. 2 TKG gibt ausdrücklich vor, dass die BNetzA diese Märkte „im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums bestimmt“. § 10 Abs. 2 S. 3 TKG bestimmt, dass die BNetzA dabei „weitestgehend“ die Empfehlung und Leitlinien der Kommission nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 Rahmen-RL (jetzt: Art. 64 Abs. 1 und Abs. 2 TK-Kodex) „berücksichtigt“.
6
Bei der Regulierung im Telekommunikationssektor handelt es sich um ein gestuftes Verfahren. Auf der ersten Stufe nimmt die BNetzA eine Marktdefinition und Marktanalyse vor (Teil 3 A.), auf der zweiten Stufe erlässt sie eine Regulierungsverfügung (Teil 3 B.) und auf der dritten Stufe setzt sie die Regulierungsverfügung um (Teil 3 C.); für eine Dreistufung auch Proelss, AöR 2011, 402 (418); Schütze, N&R 2015, 28 (29). Teilweise wird auch nur von einem zweistufigen Verfahren gesprochen, weil Marktdefinition und -analyse zusammen mit der Regulierungsverfügung in einem einheitlichen Verwaltungsakt gem. § 13 Abs. 5 TKG ergehen, vgl. BVerwG NVwZ-RR 2018, 932 (934) Rn. 28, teilweise wird das Verfahren in noch mehr als drei Stufen untergliedert, vgl. Neumann, N&R 2016, 146. 7 Gersdorf, in: Spindler/Schuster, TKG, § 10 Rn. 30 ff.; Schütz, in: BeckOK TKG, § 10 Rn. 13 ff.; die neue Fassung des TK-Kodex weicht bei der Formulierung hiervon etwas ab. Art. 67 Abs. 1 UAbs. 2 a) TK-Kodex spricht bspw. von beträchtlichen und anhaltenden strukturellen, rechtlichen oder regulatorischen Marktzutrittsschranken; dies wird im Zuge der Umsetzung des neuen Richtlinienrechts zu berücksichtigen sein.
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
Daran anknüpfend erfolgt die Markanalyse auf den nach § 10 TKG zugrunde gelegten Märkten. Hierbei wird geprüft, ob auf dem jeweiligen Markt ein wirksamer Wettbewerb besteht. Dies ist nicht der Fall, wenn ein oder mehrere Unternehmen auf diesem Markt über beträchtliche Marktmacht verfügen, also eine so wirtschaftlich starke Stellung einnehmen, die es den Unternehmen gestattet, sich in beträchtlichem Umfang unabhängig von Wettbewerbern und Endnutzern zu verhalten, §§ 11 Abs. 1 S. 2, S. 3, 3 Nr. 31 TKG. Erstreckt sich der Markt auf einen anderen Mitgliedsstaat, nimmt die BNetzA die Marktanalyse zusammen mit der Regulierungsbehörde des betroffenen Landes vor, vgl. § 11 Abs. 2 TKG. Sie „berücksichtigt dabei weitestgehend“ die Leitlinien der Kommission nach Art. 15 Abs. 2 Rahmen-RL (jetzt: Art. 64 Abs. 2 TK-Kodex) und „trägt“ den Empfehlungen nach Art. 15 Abs. 1 Rahmen-RL (jetzt: Art. 64 Abs. 1 TK-Kodex) „Rechnung“, vgl. § 11 Abs. 3 TKG. Wenn die Marktdefinition und -analyse Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten haben, muss die BNetzA den Entwurf der Ergebnisse grundsätzlich der Kommission, dem GEREK und den NRB der anderen Mitgliedsstaaten zur Stellungnahme vorlegen, vgl. §§ 10 Abs. 3, 11 Abs. 4, 12 Abs. 2 TKG. Diesen Stellungnahmen hat die BNetzA nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 TKG „weitestgehend Rechnung zu tragen“. § 12 Abs. 2 Nr. 3 TKG sieht zudem ein echtes Vetorecht der Kommission vor, wenn der Entwurf ein Hemmnis für den Binnenmarkt schafft oder ernsthafte Zweifel an der Vereinbarkeit insbesondere mit den Zielen des Art. 8 Rahmen-RL (jetzt: Art. 3 TK-Kodex) bestehen. Die BNetzA hat nach entsprechendem Beschluss der Kommission den Entwurf zu ändern oder zurückzuziehen, vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 3 S. 2 TKG.
I. Einheitlicher Beurteilungsspielraum Der gesetzlich normierte Beurteilungsspielraum bezieht sich in seinem Wortlaut und durch die systematische Stellung auf die unbestimmten Rechtsbegriffe des DreiKriterien-Tests für die Prüfung der potentiellen Regulierungsbedürftigkeit im Rahmen der Marktdefinition. Weder die Rechtsprechung noch die Literatur betreiben freilich für die Begründung des Beurteilungsspielraums einen Aufwand, da er sich immerhin eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut ergibt.8 Das BVerwG wendet den gesetzlich normierten Beurteilungsspielraum aus § 10 Abs. 2 S. 2 TKG „unter Berücksichtigung der Gesetzessystematik und des Normzwecks“ aber auch auf die Marktabgrenzung nach § 10 Abs. 1 TKG und die 8 Vgl. nur VG Köln, Urt. v. 08.03.2007, 1 K 3918/06 = BeckRS 2007, 22187; in allen anderen Entscheidungen wird bereits der „einheitliche Beurteilungsspielraum“ hergeleitet; die Gesetzesbegründung selbst geht von der Notwendigkeit eines Beurteilungsspielraums deshalb aus, weil es sich bei der Marktdefinition um eine Prognoseentscheidung handle, deren fachlicher Inhalt von den Gerichten nicht im Einzelnen nachvollzogen werden könne, vgl. BTDrs. 15/2316, S. 61.
A. Marktdefinition und -analyse, §§ 10, 11 TKG
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Marktanalyse nach § 11 TKG an (sog. einheitlicher Beurteilungsspielraum).9 Der prognostische Charakter liege auch der von der Marktdefinition untrennbaren Marktanalyse zugrunde und die wertende Entscheidung müsse von der BNetzA als einem besonderen Verwaltungsorgan getroffen werden.10 Das BVerwG geht dabei davon aus, dass das Unionsrecht die Einräumung des einheitlichen Beurteilungsspielraums der NRB gebiete, denn das Ergebnis des Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahrens sei als eine „Entscheidung über Märkte mit transnationaler Ausstrahlung“ konzipiert.11 Die Notwendigkeit des Beurteilungsspielraums ergebe sich aus dem gestuften Verfahren der grenzüberschreitenden Abstimmung und den Interventionsmöglichkeiten der Kommission, die gem. Art. 64 Abs. 1 TK-Kodex eine Empfehlung in Bezug auf relevante Produkt- und Dienstmärkte zu erlassen sowie nach Art. 64 Abs. 2 TK-Kodex die Leitlinien zur Marktanalyse und zur Bewertung beträchtlicher Marktmacht zu veröffentlichen hat. Die NRB habe sowohl die Empfehlung als auch die Leitlinien und Stelungnahmen anderer Behörden weitest möglich zu berücksichtigen. Zudem sei ein Vetorecht der Kommission gegen den Maßnahmenentwurf vorgesehen.12 Eine uneingeschränkte gerichtliche Kontrolle der unbestimmten Rechtsbegriffe würde den von der Richtlinie erstrebten Kooperationsund Koordinationseffekt bei der Festlegung und Analyse der Märkte gefährden.13 Der Beurteilungsspielraum ergebe sich letztlich aus den Ziffern 22 und 71 der SMPLeitlinien, wonach die NRB bei der Definition relevanter Märkte und bei der Ermittlung von Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht über einen „weitreichenden Ermessensspielraum“ verfügen.14 Im Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 08.12.201115 bestätigte dieses die Annahme eines einheitlichen Beurteilungsspielraums und lies im Übrigen dahinstehen, ob das Unionsrecht einen Beurteilungsspielraum zwingend vorschreibt, weil sich dieser schon aus dem nationalen Recht ergebe und keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne.16 Eine Vorlage an den EuGH erwog das BVerfG nicht und verpasste damit die Chance, eine Herleitung des einheitlichen Beurteilungsspiel9 Bestätigt durch BVerfG NVwZ 2012, 694 (697) Rn. 37; BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1360) Rn. 16; BVerwG, Urt. v. 02.04.2008, 6 C 16/07 = BeckRS 2008, 35853 Rn. 16; BVerwG NVwZ 2009, 653 (655) Rn. 16; BVerwG MMR 2009, 786 (787) Rn. 14; speziell für die Marktabgrenzung i. S. d. § 10 Abs. 1 TKG BVerwG NVwZ 2011, 563 (564) Rn. 15; kritisch Sachs/Jasper, NVwZ 2012, 649 (652 f.); Gärditz, Die Verwaltung 2013, 257 (268 ff.); Winkler, DVBl 2013, 156 (157). 10 BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1361) Rn. 20. 11 BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1360) Rn. 17; zustimmend Oster, Normative Ermächtigungen, S. 185 ff.; Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 382. 12 BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1360) Rn. 17. 13 BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1360) Rn. 18; zustimmend Wendel, Verwaltungsermessen, S. 236. 14 BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1360) Rn. 18; ablehnend Simantiras, Netzwerke, S. 208. 15 BVerfG NVwZ 2012, 694. 16 BVerfG NVwZ 2012, 694 (695) Rn. 17 und Rn. 32 ff.
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
raums aus dem Unionsrecht durch die europäische Rechtsprechung klären zu lassen.17 In der Literatur erfuhr die Herleitung des einheitlichen Beurteilungsspielraums insbesondere aus den unionsrechtlichen Vorgaben sowohl Zustimmung,18 als auch Ablehnung.19 Kritisiert wird insbesondere, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG mit einem derart weit zugestandenen Beurteilungsspielraum geschwächt würde und dass „[…] der Dialog im Vorfeld einer zu treffenden Entscheidung durch die gerichtliche Kontrolle der getroffenen Entscheidung nicht notwendig in Frage gestellt“20 würde.
Kooperations- und Koordinationspflichten dürften nicht zu Lasten eines effektiven Individualrechtsschutzes gehen.21
II. Stellungnahme Die Marktdefinition (1.) und die Marktanalyse (2.) werden in dieser Arbeit getrennt voneinander betrachtet. Es handelt sich dabei um zwei verschiedene Verfahrensschritte, die sowohl im nationalen TKG als auch im zugrundeliegenden Unionsrecht in unterschiedlichen Normen geregelt sind.22
17
Insofern auch kritisierend Mayen, Methodik, Ordnung, Umwelt 2014, 131 (140). Schütz, in: BeckOK TKG, § 10 Rn. 31 zur Erstreckung auch auf die Marktabgrenzung Christiansen, Optimierung des Rechtsschutzes, S. 199 f.; Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 434; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 234 ff.; Schramm, DÖV 2010, 387 (391 f.); Franke, Die Verwaltung 2016, 25 (30); allgemein Möllers, in: Masing/Marcou, Unabhängige Regulierungsbehörden, S. 255 ff.; Ladeur/Möllers, DVBl 2005, 525 (534); Franzius, DVBl 2009, 409 (410); Eifert, ZHR 2010, 449 (476) m. w. N. 19 Bosch, Kontrolldichte, S. 139 ff., 161 ff. befürwortet den Beurteilungsspielraum allein für den Drei-Kriterien-Test und lehnt eine Herleitung des Beurteilungsspielraums für die Marktabgrenzung und die Marktanalyse aus Unionsrecht ab; kritisch insbesondere Korehnke/ Ufer, in: BeckOK TKG, § 11 Rn. 79 f.; Schütze/Brandenberg, in: Manssen, TKG, § 9 Rn. 84 f.; Durner, DVBl 2012, 299 (302); Sachs/Jasper, NVwZ 2012, 649 (652 f.); Gärditz, Die Verwaltung 2013, 257 (268 ff.); Winkler, DVBl 2013, 156 (157); Ludwigs, NVwZ 2015, 1327 (1330 f.); ablehnend noch vor Einführung des TKG 2004 Liebschwager, Gerichtliche Kontrolle, S. 238. 20 Ludwigs, NVwZ 2015, 1327 (1330). 21 Schütze/Salevic, CR 2010, 80 (86); Ludwigs, in: Säcker/Schmidt-Preuß, Grundsatzfragen, S. 265; kritisch auch Simantiras, Netzwerke, S. 203; ablehnend Gramlich, in: Gramlich/ Manger-Nestler, Regulierungsstrukturen, S. 84; Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 545. 22 So auch Simantiras, Netzwerke, S. 205 m. w. N. 18
A. Marktdefinition und -analyse, §§ 10, 11 TKG
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1. Marktdefinition, § 10 TKG Die Marktdefinition aus § 10 TKG setzt Art. 15 Rahmen-RL um, welcher jetzt in Art. 64 TK-Kodex seinen Niederschlag gefunden hat. Nach hier vertretener Ansicht fordert das Unionsrecht eine Letztentscheidungsbefugnis der BNetzA bei der Marktabgrenzung und bei der Beurteilung der Regulierungsbedürftigkeit anhand des Drei-Kriterien-Tests. Das führt zu einem Verbot legislativer Vorstrukturierung (a)) und zur notwendigen Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte (b)) und gilt grundsätzlich auch für den Sonderfall der Marktdefinition länderübergreifender Märkte (c)). Insgesamt hat der nationale Gesetzgeber die Vorgaben hinreichend umgesetzt (d)). a) Gesetzliche Vorgaben Sowohl in Art. 64 TK-Kodex als auch in der Empfehlung 2014/710/EU werden die Marktabgrenzung und die Prüfung der Regulierungsbedürftigkeit anhand des Drei-Kriterien-Tests zusammengefasst, da sie nicht isoliert betrachtet werden können. Das Unionsrecht gibt die Kriterien selbst vor, die in § 10 Abs. 2 S. 1 TKG aufgegriffen wurden und anhand derer zu bestimmen ist, ob ein Markt potentiell regulierungsbedürftig ist, vgl. Ziffer 2 der Empfehlung 2014/710/EU.23 Zudem konkretisieren die Ziffern 24 bis 51 der SMP-Leitlinien sowie die Erwägungsgründe 11 bis 17 der Empfehlung 2014/710/EU die Kriterien, indem sie der NRB Indikatoren als Orientierungshilfe bei der Subsumtion an die Hand geben. Obwohl sowohl der TK-Kodex als auch die Empfehlung 2014/710/EU an die Mitgliedstaaten gerichtet sind,24 setzen sie in ihrem Inhalt voraus, dass die NRB die Marktdefinition vornimmt. Wegen des Umstandes, dass der europäische Rechtsrahmen die Beurteilung der Regulierungsbedürftigkeit von Märkten auf die NRB überträgt, nimmt auch der EuGH ein Ermessen der NRB an, da ihr durch das Unionsrecht eine Abwägung der Ziele zukomme.25 Auswirkungen hat der vom EuGH festgestellte Ermessenspielraum der NRB unstreitig auf die legislative Vorstrukturierung. Eine solche ist nicht möglich, weshalb auch § 9a TKG a. F. als europarechtswidrig eingestuft wurde.26 Danach wollte der nationale Gesetzgeber neue Märkte grundsätzlich nicht der Regulierung unterwerfen. Der EuGH stellte eindeutig klar, dass die vorzunehmende Abwägung im Rahmen der Marktdefinition, insbesondere bei der Prüfung der Regulierungsbe-
23
Art. 67 Abs. Abs. 1 a) bis c) TK-Kodex regelt dies nochmals für die Marktanalyse. Vgl. Art. 124 Abs. 1 TK-Kodex i. V. m. Art. 288 Abs. 3 AEUV und Nr. 6 der Empfehlung 2014/710/EU. 25 EuGH, Urt. v. 03.12.2009, Rs. C-424/07 (Kommission/Deutschland) = EuZW 2010, 109, 112 Rn. 74 f. 26 BGBl. I 2007, 106. 24
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
dürftigkeit, nicht auf den nationalen Gesetzgeber übertragen wurde.27 Der Inhalt der europäischen Vorgaben, insbesondere Art. 64 und 67 TK-Kodex sei ausdrücklich an die NRB gerichtet und schließe daher eine Beurteilung der Regulierungsbedürftigkeit durch den nationalen Gesetzgeber aus.28 Unter konsequenter Anwendung dieser Beurteilung dürfte der nationale Gesetzgeber keine Vorgaben mehr machen, sobald eine europäische Richtlinie Aufgaben und Befugnisse einer nationalen Behörde überträgt. Zu beachten ist dabei aber stets Art. 288 Abs. 3 AEUV, wonach eine Richtlinie nur hinsichtlich des zu erreichenden Ziels, nicht jedoch hinsichtlich der Wahl der Form und Mittel verbindlich ist. Entsprechend ist umstritten, ob eine Richtlinie die Wahl der Mittel (Behördenentscheidung statt formelles Gesetz) vorgeben kann.29 Zurecht ist aber in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Wahlfreiheit nach Art. 288 Abs. 3 AEUV die Verpflichtung unberührt lässt, diejenigen Formen und Mittel zu wählen, die für die Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit der Richtlinien am besten geeignet sind.30 Mit anderen Worten: Die Richtlinie kann Form und Mittel der Durchführung vorgeben, wenn andernfalls das Ziel der Richtlinie gefährdet werden würde. Ziel des TK-Kodex ist weiterhin die Errichtung eines Binnenmarktes für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, um europaweit einen nachhaltigen Wettbewerb und die Interoperabilität der Netze zu gewährleisten und die Interessen der Endnutzer zu fördern, vgl. Art. 1 Abs. 2 TK-Kodex. Um dieses Ziel effektiv zu erreichen, ist die Zusammenarbeit zwischen Behörden, Einrichtungen der EU und auch Unternehmen notwendig.31 Aus diesem Grund wurden auch Konsultations- und Konsolidierungsverfahren eingeführt, um zu verhindern, dass sich Maßnahmen auf nationaler Ebene nachteilig auf den Binnenmarkt oder andere Ziele des Vertrages auswirken und um eine kohärente Anwendung der Richtlinie(n) zu gewährleisten. Die Verwaltungskooperation ist aber nur möglich, wenn bestimmte Entscheidungen den entsprechenden Behörden zukommen. Die Festlegung der Regulierungsbedürftigkeit von Märkten durch einen nationalen Gesetzgeber würde dieser Zielerreichung im Wege stehen. Entsprechend durfte der Unionsgesetzgeber vorgeben, dass bestimmte Entscheidungen der NRB übertragen werden.
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EuGH, Urt. v. 03.12.2009, Rs. C-424/07 (Kommission/Deutschland) = EuZW 2010, 109, 112 Rn. 74 f. 28 Wendel, Verwaltungsermessen, S. 164 f., S. 227 f. 29 Kritisch insbesondere Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV, Art. 288 Rn. 132, weil dadurch der mitgliedstaatliche Gestaltungspielraum, welcher Sinn und Zweck der Wahlfreiheit ist, ohne hinreichende Begründung eingeschränkt würde; für die Möglichkeit der Einschränkung der Institutionenwahl durch Unionsrecht Wendel, Verwaltungsermessen, S. 228 f. 30 Grundlegend EuGH, Urt. v. 08.04.1976, Rs. 48/75 (Royer) = NJW 1976, 2065 (2067 a. E.). 31 Vgl. nur Erwägungsgründe 15, 27 und 36 der Rahmen-RL oder Erwägungsgründe 9, 35 und 42 des TK-Kodex.
A. Marktdefinition und -analyse, §§ 10, 11 TKG
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Die Entscheidungsfreiheit des Mitgliedstaates reicht in diesem Fall nur so weit wie die Richtlinie selbst den Spielraum der Mitgliedstaaten zulässt. Die Gestaltungsfreiheit kann sogar auf einen rein formalen Spielraum ohne inhaltliche Bedeutung schrumpfen.32 Dies ist im Rahmen der Marktdefinition der Fall. Diese Aufgabe wurde in Art. 64 Abs. 3 TK-Kodex alleine der NRB unter Berücksichtigung der Empfehlung und Leitlinien übertragen. Anderweitige Vorgaben durch den nationalen Gesetzgeber sind an dieser Stelle nicht möglich. Dies gilt für jede Art der Vorstrukturierung der Marktdefinitionsentscheidung auf nationaler Ebene. Auch eine Verordnungsermächtigung, in der die Vorstrukturierung auf die Gubernative übertragen würde, wäre vor dem Hintergrund des Art. 8 Abs. 1 TK-Kodex unzulässig.33 Dem steht § 15 Abs. 1 TKG nicht entgegen, wonach die BNetzA in Form von Verwaltungsvorschriften ihre grundsätzlichen Herangehensweisen und Methoden für die Marktdefinition nach § 10 TKG beschreiben kann. Zwar stellen Verwaltungsvorschriften grundsätzlich eine Bindung des Ermessens dar,34 allerdings handelt es sich dabei weder um eine Vorwegbindung durch die Legislative noch durch die Gubernative. Allein die BNetzA selbst kann nach dieser Norm Verwaltungsvorschriften festlegen; die Norm ist zudem als allgemeine Ermessensvorschrift ausgestaltet, sodass auch keine mittelbare Einflussnahme des Gesetzgebers auf die Marktdefinitionsentscheidung der BNetzA erfolgt. Sinn und Zweck ist es, dadurch Rechtssicherheit zu schaffen,35 ohne das Konsultations- und Konsolidierungsverfahren zu umgehen, vgl. § 15a Abs. 3 TKG. b) Gerichtliche Kontrolle Der vom nationalen Gesetzgeber der Behörde einzuräumende Spielraum muss sich nicht zwangsläufig gegenüber der Judikative fortsetzen. Die Auslegung des Unionsrechts (aa)), ob das Letztentscheidungsrecht der Behörde oder dem Gericht zukommen soll, führt zu keinem eindeutigen Ergebnis. Allerdings ist nach hiesiger Ansicht die Verfahrensautonomie aus Gründen des effet utile zu beschränken (bb)). aa) Auslegung des Unionsrechts Die Auslegung des Sekundärrechts hat nicht nur am Wortlaut, sondern auch anhand der Gesetzessystematik und anhand einer Gesamtanalyse unter Einbeziehung des Zwecks der Behördenentscheidung und der Gerichtskontrolle zu erfolgen.36 Der EuGH setzt auch im indirekten Vollzug des Unionsrechts keinen strengen Maßstab an 32
Schroeder, in: Streinz, AEUV, Art. 288 Rn. 74. Vgl. Teil 2 D. III. 34 Aschke, in: BeckOK VwVfG, § 40 Rn. 64. 35 Schramm, Informelles Verwaltungshandeln, S. 39. 36 Zur Auslegung des Sekundärrechts EuGH, Urt. v. 04.04.2017, Rs. C-544/15 (Fahimian) = NVwZ 2017, 1193 (1194) Rn. 30; vgl. bereits Teil 2 D. I. 1. 33
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
die Herleitung von Letztentscheidungsbefugnissen. Als ausreichend erachtet er vielmehr bereits die Beurteilung eines komplexen, technischen oder wirtschaftlichen Zusammenhangs und eine geringe Regelungsdichte. Dies gilt für die Marktdefinition nicht zweifelsohne, da gerade im Hinblick auf die Voraussetzungen der potentiellen Regulierungsbedürftigkeit das Unionsrecht die Kriterien selbst vorgibt. Nach Art. 31 Abs. 1 TK-Kodex, wonach wirksamer Rechtsschutz gewährleistet werden muss, muss die Stelle, die die Entscheidungen der BNetzA überprüft, über „angemessenen Sachverstand verfügen“. Das spricht jedenfalls dafür, dass das Gericht eigene Sachentscheidungen, Wertungen oder Prognosen treffen können muss und insoweit nicht die Entscheidung letztverbindlich der Behörde überlässt.37 Erhöhte Anforderungen an die Begründung der Behördenentscheidung im Rahmen der Marktdefinition werden nicht gestellt. Ein Rückschluss aus dem direkten Vollzug38 ist ebenso nicht ohne weiteres möglich. Dort kann zwar die ausschließliche Zuweisung einer Aufgabe einen Ermessensspielraum der Kommission gegenüber der Rechtsprechung begründen. Eine nicht hinterfragte, unbedingte Übernahme dieser Grundsätze auf den indirekten Vollzug kann aber nicht erfolgen. Die Marktdefinitionsentscheidung ist im TK-Kodex zwar ausdrücklich und ausschließlich der NRB zugewiesen, woraus sich auch das Ermessen der BNetzA gegenüber der Legislative ergibt; zurecht wird in der Literatur aber angeführt, dass die diesbezügliche Entscheidung des EuGH nicht das Ermessen gegenüber der Judikative betraf.39 bb) Verfahrensautonomie versus effet utile Würde sich der Beurteilungsspielraum in § 10 Abs. 2 S. 2 TKG nicht (ausdrücklich) aus dem nationalen Gesetz ergeben, würde aufgrund der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten die Marktdefinitionsentscheidung der BNetzA einer gerichtlichen Vollkontrolle unterliegen. Eine Rücknahme der Kontrolle wäre daher nur dann vorzunehmen, wenn dies zur Durchsetzung des Unionsrechts notwendig wäre, weil eine Ausübung des Unionsrechts ansonsten praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden würde.40 In der Märkteempfehlung 2014/710/EU sind Dienst- und Produktmärkte aufgeführt, die für eine Regulierung in Betracht kommen, womit die Kommission die Marktdefinition vorgibt. Empfehlungen sind gem. Art. 288 Abs. 5 AEUV unverbindlich, sodass weder der Gesetzgeber noch die Behörde oder das Gericht an die Vorgaben gebunden sind.41 Allerdings ergibt sich aus der Regelungssystematik des
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Gärditz, NVwZ 2009, 1005 (1007); Werkmeister, K&R 2011, 558 (562). Dazu Teil 2 D. II. 39 Simantiras, Netzwerke, S. 212 f.; Ludwigs, Die Verwaltung 2011, 41 (69); Ludwigs, NVwZ 2015, 1327 (1330). 40 Dazu Teil 2 D. I. 2. 41 Vgl. Teil 2 D. IV. 2. b). 38
A. Marktdefinition und -analyse, §§ 10, 11 TKG
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TK-Kodex eine mittelbare Bindungswirkung der Empfehlung 2014/710/EU.42 Art. 64 Abs. 3 S. 3 i. V. m. Art. 32 Abs. 4 a), Abs. 6 a) und Abs. 7 TK-Kodex sehen ein echtes Vetorecht der Kommission vor, wenn die NRB von der Empfehlung abweichen möchte. Dies betrifft sowohl eine Abweichung dahingehend, einen anderen Markt zu definieren, der nicht in der Empfehlung aufgeführt ist (Abweichung nach oben), als auch dahingehend, einen Markt nicht zu definieren, obwohl er in der Empfehlung aufgeführt ist (Abweichung nach unten). Die Kommission soll im Hinblick auf die europaweite Förderung des Wettbewerbs prüfen und entsprechend empfehlen, ob und welche Märkte der Marktanalyse unterfallen und gibt entsprechend die Marktdefinition vor. Geht die Marktdefinition der NRB über die Empfehlung der Kommission hinaus, kann sich dies negativ auf die Ziele der europäischen Vorgaben auswirken, da die Regulierung zurückgefahren werden soll.43 Nichtsdestotrotz ist weiterhin eine Regulierung notwendig, um das Ziel des wirksamen Wettbewerbs zu erreichen, sodass auch eine Zielgefährdung entsteht, wenn eine Marktdefinition der NRB hinter der Empfehlung der Kommission zurückbleibt.44 Daher steht der Kommission generell ein Vetorecht zu, wenn die NRB von der Empfehlung nach Art. 64 Abs. 1 TK-Kodex abweichen möchte.45 Insoweit entscheidet auf Exekutivebene letztverbindlich die Kommission darüber, welche Märkte der Marktdefinition unterfallen (Subsumtion), sodass der Spielraum der NRB nicht nur eingeschränkt wird, sondern faktisch kein Spielraum für die NRB mehr verbleibt.46 Um dem echten Vetorecht der Kommission und der mittelbaren Bindungswirkung der Märkteempfehlung ausreichend zur Geltung zu verhelfen, könnte im Wege des effet utile eine Rücknahme der gerichtlichen Kontrolldichte auf nationaler Ebene erforderlich sein.47 Das nationale Gericht ist nicht an die Empfehlung aus Art. 64 Abs. 1 TK-Kodex gebunden und eine Bindung an einen etwaigen Beschluss der Kommission im Vetoverfahren ist zumindest fraglich, da der Beschluss nach Art. 32
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Holdampf-Wendel/Elkettani, in: Säcker, TKG, Vor § 9 Rn. 2; Haller, Verwaltungsverbund, S. 178. 43 Vgl. Erwägungsgrund 29 des TK-Kodex. 44 Dies ergibt sich auch aus den Ziffern 2 und 3 der Empfehlung 2014/710/EU, wonach die Kommission das Ergebnis stets überprüft. 45 So wohl auch Schütze, in: Spindler/Schuster, TKG, 1. Aufl. 2008, § 12 Rn. 4; Schütz, in: BeckOK TKG, § 10 Rn. 27; davon ausgehend Schramm, DÖV 2010, 387 (389): der Entwurf der Rahmen-RL sah zunächst einen verbindlichen Beschluss der Kommission vor; dieser Vorschlag wurde aber im Wege der Kompromisslösung fallengelassen und stattdessen die Empfehlungslösung mit Vetorecht eingeführt, vgl. Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 38/2001 des Rates v. 17.09.2001, 2001(C 337/03, ABlEG 2001 Nr. C 33734 (C 337/52); Bartosch, EuZW 2002, 389 (392); insoweit kommt der Märkteempfehlung ein sehr hohes Harmonisierungsgewicht zu, vgl. Koenig, N&R 2016, 255. 46 Oster, Normative Ermächtigungen, S. 189 f. 47 A. A. Attendorn, Regulierungsbehörde, S. 344 ff.; Romes, Supranationale Intervention, S. 153.
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
Abs. 6 a) TK-Kodex nur der NRB gegenüber ergeht.48 Beschlüsse sind zwar in allen Teilen verbindlich, allerdings ergibt sich aus Art. 288 Abs. 4 AEUV, dass sich die Verbindlichkeit lediglich auf ihre konkret bezeichneten Adressaten bezieht.49 Verbindlich ist zudem nicht nur der Normsatz gem. Art. 32 Abs. 6 a) TK-Kodex, den Maßnahmenentwurf zurückzuziehen, sondern auch die Gründe und damit die Auffassung der Kommission, ob die Marktabgrenzung und die Prüfung der Regulierungsbedürftigkeit „richtig“, d. h. im Einklang mit den Zielen des Binnenmarktes und dem Unionsrecht, erfolgten.50 Könnte das Gericht von Empfehlung und Beschluss abweichen, könnte es bei der Marktabgrenzung und der Subsumtion unter den Drei-Kriterien-Test zu einem anderen, ebenso vertretbaren, Ergebnis kommen. Diese Kollision wäre für die BNetzA nicht lösbar. Das eigene Abwägungsergebnis des nationalen Gerichts könnte vielmehr das Vetoverfahren nach dem TK-Kodex umgehen. Auch das BVerwG geht zurecht davon aus, dass eine Reduzierung der Kontrolldichte europarechtlich notwendig erscheint, da eine uneingeschränkte gerichtliche Kontrolle der unbestimmten Rechtsbegriffe den erstrebten Kooperationsund Koordinationseffekt bei der Festlegung und Analyse der Märkte gefährden würde.51 Die Marktdefinition dürfte daher nicht in die Prüfungskompetenz des nationalen Gerichts fallen, sodass die Verfahrensautonomie diesbezüglich zu beschränken wäre. Die Kontrollrücknahme auf Tatbestandsseite stellt nach deutscher Dogmatik einen Beurteilungsspielraum der Behörde dar.52 Eine weitergehende Rücknahme der Kontrolldichte von einer Vertretbarkeitskontrolle auf eine bloße Plausibilitätskontrolle wäre hingegen nicht angezeigt.53 Der Berücksichtigungspflicht und dem echten Vetorecht der Kommission stünde nur eine eigene Abwägungsentscheidung des nationalen Gerichts entgegen, die bei der Vertretbarkeitskontrolle gerade nicht erfolgt. Die Überprüfung der Entscheidungsfindung darauf, ob das Ergebnis objektiv von einem bestimmten Standpunkt aus vertretbar ist, steht damit nicht in Widerspruch. Diesem Ergebnis kann auch nicht das Argument entgegengehalten werden, dass die Marktdefinition im deutschen Kartellrecht gerichtlich vollumfänglich überprüfbar sei und dies deshalb zu einem Wertungswiderspruch im Rechtssystem führe.54 Auch wenn die Festlegung der Märkte auf denselben Methoden wie im 48 Bosch, Kontrolldichte, S. 134 f.; a. A. Attendorn, Regulierungsbehörde, S. 348, der von einer Bindungswirkung auch gegenüber den Gerichten ausgeht. 49 S. Teil 2 D. IV. 2. a). 50 Die Kommission fungiert dabei als eine Art Rechtsaufsicht, Neumann/Sickmann/Alkas/ Koch, Reformbedarf, S. 307; allgemein Hatje, Wirtschaftsverwaltung, S. 154 f. 51 BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1360) Rn. 18. 52 Dazu Teil 2 C. III. 53 Vgl. Teil 2 C. I.; zur Anwendung der nationalen Fehlerlehre auch im Mehrebenensystem Wendel, Verwaltungsermessen, S. 427. 54 Proelss, AöR 2011, 402 (416 f.); Franzius, DÖV 2013, 714 (719); so aber Romes, Supranationale Intervention, S. 148 f.; v. Danwitz, DVBl 2003, 1405 (1413 f.); Mayen, Referat O
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Wettbewerbsrecht beruht, können selbst bei ähnlich gelagerten Fällen unter ähnlichen Umständen die definierten Märkte i. S. d. Wettbewerbsrechts von den definierten Märkten im Regulierungsrecht abweichen.55 Dies hängt schon mit den unterschiedlichen Anwendungsbereichen von repressivem Wettbewerbsrecht und präventivem Regulierungsrecht, aber auch mit der unterschiedlichen Reichweite und den unterschiedlichen Zielen des Eingreifens zusammen.56 Davon abgesehen existiert im Kartellrecht kein dem Art. 32 Abs. 6 a) TK-Kodex vergleichbares Vetorecht der Kommission, das im Wege des effet utile Einfluss auf die nationale Kontrolldichte haben könnte.57 Der sachlich und räumlich relevante Marktbegriff hat sich zwar aus der kartellrechtlichen Praxis herausgebildet,58 überdies lässt sich aber kein Rückschluss von der Marktdefinition durch die Kartellbehörde auf die Marktdefinition durch die Regulierungsbehörde ziehen. Eine Norm wie § 71 Abs. 5 S. 1 GWB, die die vemeintliche vollumfängliche gerichtliche Überprüfbarkeit voraussetzt, existiert zudem im TKG nicht.59 Geht man hingegen mit der h. L. davon aus, dass der Beschluss der Kommission auch für das nationale Gericht bindend wäre, bedürfte es keiner Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte.60 In diesem Fall würde sich der Prüfungsumfang des Gerichts durch den verbindlichen Beschluss verschieben, da der Beschluss Maßstab der gerichtlichen Kontrolle der nationalen Behördenentscheidung würde. Die Verschiebung des Kontrollmaßstabs würde dazu führen, dass das nationale Gericht keine eigene Abwägungsentscheidung mehr treffen könnte, sondern lediglich überprüfen würde, ob die BNetzA den Beschluss der Kommission ordnungsgemäß umgesetzt hat. In diesem Fall bestünde die Gefahr einer Kollission von vornherein nicht, sodass auch keine Reduzierung der Kontrolldichte im Wege des effet utile erforderlich werden könnte. Diese Annahme entspricht jedoch nicht dem Wortlaut des Art. 288 Abs. 4 AEUV und einschlägiger Richtlinien. In jedem Fall bleibt es dem nationalen Gericht unbenommen, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Kommissionsentscheidung über das Vorabentscheidungsverfahren zu lösen.
45 (62); Gärditz, NVwZ 2009, 1005 (1006 f.); Werkmeister, K&R 2011, 558 (562); die Kartellgerichte überprüfen die Marktabgrenzung i. S. d. § 18 Abs. 1 GWB vollumfänglich, vgl. nur BGH NVwZ 2014, 817 (818) Rn. 20 ff.; allerdings ist auch im Kartellrecht die Tendenz für Letztentscheidungsspielräume steigend, vgl. dazu Mengering, Entgeltregulierung, S. 486 f. 55 Vgl. Ziffer 9 f. der SMP-Leitlinien. 56 Vgl. Säcker, AöR 2005, 180 (189 ff.); Mohr, EuZW 2019, 229 (232). 57 Die Kommission kann im Kartellrecht eine Entscheidung nach Art. 11 Abs. 6 VO (EG) Nr. 1/2003 an sich ziehen, womit die Zuständigkeit der nationalen Behörde entfällt. Anders als im Regulierungsrecht wird die Entscheidung damit Gegenstand des direkten Vollzugs, vgl. Kling/Thomas, Kartellrecht, 1. Teil Rn. 5; Romes, Supranationale Intervention, S. 252. 58 Schütz, in: BeckOK TKG, § 10 Rn. 5. 59 Dazu näer unter Teil 4 A. II. 3. 60 Vgl. Teil 2 D. IV. 2. a) bb).
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c) Sonderfall der Marktdefinition länderübergreifender Märkte Einen Sonderfall stellt die Marktdefinition länderübergreifender Märkte nach Art. 65 Abs. 1 TK-Kodex dar. Hiernach kann die Kommission unmittelbar verbindliche Beschlüsse nach Art. 288 Abs. 4 AEUV zur Marktdefinition erlassen, sodass in diesem Fall der BNetzA kein Spielraum mehr verbleibt. Auch diesbezüglich sind Vorgaben des nationalen Gesetzgebers europarechtswidrig. Aus Art. 65 Abs. 1 TK-Kodex ergibt sich nicht eindeutig, wer Adressat des Beschlusses ist. Bisher hat die Kommission hiervon noch keinen Gebrauch gemacht. Richtet die Kommission den Beschluss nur an die betroffenen Regulierungsbehörden, kann auch hier über die Rücknahme der gerichtlichen Kontrolldichte aufgrund des Effektivitätsgrundsatzes diskutiert werden, sodass auch hier die Marktdefinition in den Beurteilungsspielraum der BNetzA fallen würde. Richtet die Kommission den Beschluss an die betroffenen Mitgliedstaaten, sind auch die nationalen Gerichte an die Marktdefinition gebunden und können keine abweichende Bewertung vornehmen. Aufgrund des Trennungsprinzips fällt eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses nicht in die Kontrollkompetenz des nationalen Gerichts, sondern dieser ist Maßstab der Überprüfung. Aufgrund der Verschiebung des Kontrollmaßstabs wäre eine Kontrolldichtereduzierung nicht notwendig. d) Umsetzung auf nationaler Ebene und Ausweitung der Letztentscheidungsbefugnis Der nationale Gesetzgeber hat die europarechtlichen Vorgaben (mittlerweile) richtig umgesetzt. Durch die Aufhebung des § 9a TKG a. F.61 und die Beschränkung der legislativen Vorgaben zur Marktdefinition auf die Voraussetzungen des DreiKriterien-Tests in § 10 Abs. 2 S. 1 TKG wird der europarechtlich vorgegebene Spielraum der BNetzA nicht in unzulässiger Weise legislativ vorstrukturiert. Zudem kann die Rücknahme der gerichtlichen Kontrolldichte mit europäischen Vorgaben begründet werden. Der nationale Gesetzgeber hat dies in Bezug auf den Drei-Kriterien-Test in § 10 Abs. 2 S. 2 TKG ausdrücklich in den Gesetzestext aufgenommen. Dieser Beurteilungsspielraum muss aber auch auf die Markabgrenzung in § 10 Abs. 1 TKG analog angewendet werden. Eine analoge Anwendung setzt zum einen eine planwidrige Regelungslücke und zum anderen eine vergleichbare Interessenlage voraus. Der Beurteilungsspielraum bezieht sich nur auf den Drei-Kriterien-Test (planwidrige Regelungslücke), obwohl unionsrechtlich die Marktdefinition insgesamt dem echten Vetorecht der Kommission unterfällt (vergleichbare Interessanlage).62 Das Unionsrecht führt dennoch an dieser Stelle für sich genommen nicht zu einer Ausweitung des Letztentscheidungsrechts der BNetzA. Eine weitergehende Ab61
BGBl. I, 2011, 506. Der Referentenentwurf zum TKMoG sieht in § 8 Abs. 1 TKMoG-E einen solchen Beurteilungsspielraum nun auch ausdrücklich für die Marktabgrenzung vor. 62
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senkung des gerichtlichen Kontrollniveaus ist nicht angebracht. Zudem verlagert sich die Letztentscheidungskompetenz der BNetzA auf nationaler Ebene faktisch auf die europäische Ebene. Durch die mittelbare Bindungswirkung der Empfehlung und das echte Vetorecht der Kommission wird die Entscheidungsmöglichkeit der BNetzA durch europäische Vorgaben erheblich eingeschränkt.63 Das „letzte Wort“ hat mithin die Kommission.64 2. Marktanalyse, § 11 TKG Die Marktanalyse ist geregelt in § 11 TKG und setzt Art. 16 Rahmen-RL (jetzt: Art. 67 TK-Kodex) um. Dabei hat die BNetzA zu prüfen, ob auf den definierten Märkten wirksamer Wettbewerb besteht. Wirksamer Wettbewerb besteht nach § 11 Abs. 1 S. 2 TKG nicht, wenn ein oder mehrere Unternehmen auf diesem Markt über beträchtliche Marktmacht verfügen. Das Unionsrecht fordert nach hier vertretener Ansicht eine Letztentscheidungsbefugnis der BNetzA bei der Beurteilung der beträchtlichen Marktmacht. Dies führt zu einem Verbot legislativer Vorstrukturierung (a)) und zur notwendigen Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte (b)), weshalb § 10 Abs. 2 S. 2 TKG entsprechend analog auf die Beurteilung der beträchtlichen Marktmacht nach § 11 TKG anzuwenden ist (c)). a) Gesetzliche Vorgaben Art. 67 Abs. 4 S. 1, 63 TK-Kodex weist ausdrücklich der NRB die Prüfung, ob ein oder mehrere Unternehmen gemeinsam über beträchtliche Marktmacht verfügen, zu.65 Art. 63 Abs. 2 TK-Kodex definiert, wann ein Unternehmen als ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht gilt. Bei der Beurteilung (Subsumtion) hat die NRB den SMP-Leitlinien weitest möglich Rechnung zu tragen, vgl. Art. 67 Abs. 1, 63 Abs. 2 UAbs. 2 TK-Kodex. Anderweitige Vorgaben durch den nationalen Gesetzgeber sind an dieser Stelle nicht möglich. Dies gilt für jede Art der Vorstrukturierung der Marktanalyse auf nationaler Ebene. Auch eine Verordnungsermächtigung, in der die Vorstrukturierung auf die Gubernative übertragen würde, wäre vor dem Hintergrund des Art. 8 Abs. 1 TK-Kodex unzulässig.66 Dem steht § 15a Abs. 1 TKG nicht entgegen, weil die bloße Möglichkeit der BNetzA, Verwaltungsvorschriften über ihre grundsätzlichen Herangehensweisen und Methoden für die Marktanalyse zu erlassen, keine das Ermessen beschränkende legislative Vorstrukturierung darstellt.
63 Oster, Normative Ermächtigungen, S. 189 ff.; ähnlich Ladeur/Möllers, DVBl 2005, 525 (528); dies wurde entsprechend in § 10 Abs. 2 S. 3 TKG umgesetzt. 64 v. Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 338 ff.; Franzius, DÖV 2013, 714 (710). 65 Vgl. EuGH, Urt. v. 22.11.2007, Rs. C-262/06 (DTAG) = EuZW 2008, 54 (55) Rn. 28. 66 Vgl. Teil 2 D. III.
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b) Gerichtliche Kontrolle Die Kontrolldichte ist in gleicher Weise wie im Rahmen der Marktdefinition zu reduzieren; es bleibt auch hier nicht bei einer Vollkontrolle der Behördenentscheidung. Das echte Vetorecht der Kommission kann als Argument für die Rücknahme der Kontrolldichte im Wege des effet utile angeführt werden. Das Unionsrecht gibt der NRB dabei an verschiedenen Stellen Kriterien an die Hand, die sie bei der Beurteilung von beträchtlicher Marktmacht zu berücksichtigen hat, wobei die Verbindlichkeit dieser Vorgaben fraglich ist.67 Ob und für wen die SMP-Leitlinien eine Bindungswirkung entfalten ist unklar und aus den Leitlinien nicht ohne Weiteres ersichtlich. Die aktuelle Version der SMP-Leitlinien erging in Form einer Mitteilung, was die Einordnung nicht erleichtert.68 Während nach Ziffer 2 der SMP-Leitlinien die Leitlinien an die NRB gerichtet sind, sieht Ziffer 93 der SMPLeitlinien vor, dass die „Mitteilung an die Mitgliedstaaten gerichtet“ ist. Auch aus dem zugrundeliegenden Sekundärrecht lässt sich die Verbindlichkeit der Leitlinien nicht ableiten, da ihnen nur weitest gehend Rechnung zu tragen ist. Der Unterschied zur Empfehlung 2014/710/EU besteht indes darin, dass die Leitlinien keine Ergebnisse vorgeben, sondern allein Vorgaben zu anzuwendenden Kriterien und Methoden machen. Auf eine etwaige Verbindlichkeit der SMP-Leitlinien kommt es aber aufgrund des echten Vetorechts der Kommission abschließend nicht an. Der Kommission steht für die Beurteilung beträchtlicher Marktmacht ein echtes Vetorecht nach Art. 32 Abs. 4 b), Abs. 6 a) TK-Kodex zu. Das Vetorecht gilt dabei ausdrücklich sowohl für den Fall, dass die NRB nicht von beträchtlicher Marktmacht ausgeht (Art. 67 Abs. 3 TK-Kodex), als auch für die Annahme beträchtlicher Marktmacht (Art. 67 Abs. 4 TK-Kodex). Die Kommission kann die BNetzA wie im Rahmen der Marktdefinition durch Beschluss auffordern, den Maßnahmenentwurf zurückzuziehen. Insoweit entscheidet auf Exekutivebene letztverbindlich die Kommission darüber, ob ein Unternehmen allein oder gemeinsam mit anderen über beträchtliche Marktmacht verfügt, sodass auch hier faktisch kein Spielraum für die NRB mehr verbleibt.69 Auch hier ist fraglich, ob das nationale Gericht an den Beschluss der Kommission im Vetoverfahren gebunden wäre, da der Beschluss nach Art. 32 Abs. 6 a) TK-Kodex nur gegenüber der NRB ergeht. Beschlüsse sind zwar in allen Teilen verbindlich, allerdings ergibt sich aus Art. 288 Abs. 4 AEUV, dass sich die Verbindlichkeit lediglich auf ihre konkret bezeichneten Adressaten bezieht.70 Verbindlich ist zudem nicht nur der Normsatz gem. Art. 32 Abs. 6 a) TK-Kodex, den Maßnahmenentwurf 67
Vgl. Art. 67 Abs. 2 TK-Kodex oder Ziffern 52 ff. der SMP-Leitlinien. S. dazu bereits Teil 2 D. IV. 2. c). 69 Storr, in: Gramlich/Manger-Nestler, Regulierungsstrukturen, S. 116; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 185 ff. und S. 189 ff.; Haller, Verwaltungsverbund, S. 123; Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 553; vgl. auch Brohm, Die „Mitteilungen“ der Kommission, S. 167; Bartosch, EuZW 2002, 389 (392 f.). 70 S. Teil 2 D. IV. 2. a). 68
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zurückzuziehen, sondern auch die Gründe und damit die Auffassung der Kommission, ob die Beurteilung der alleinigen oder gemeinsamen beträchtlichen Marktmacht „richtig“, d. h. im Einklang mit den Zielen des Binnenmarktes und dem Unionsrecht, erfolgte. Wäre das nationale Gericht nicht an diese Entscheidung gebunden, könnte es von dem Beschluss abweichen und eine andere, ebenso vertretbare Beurteilung vornehmen. Diese Kollision wäre für die BNetzA nicht lösbar. Das eigene Abwägungsergebnis des nationalen Gerichts könnte damit das Vetoverfahren nach dem TK-Kodex umgehen. Daher könnte im Wege des effet utile die Beurteilung der beträchtlichen Marktmacht der Prüfungskompetenz des nationalen Gerichts entzogen werden und die Verfahrensautonomie diesbezüglich beschränkt werden. Die Notwendigkeit der Rücknahme der Kontrolldichte wird an dieser Stelle auch im Falle länderübergreifender Märkte nach Art. 65 Abs. 2 TK-Kodex ersichtlich. Danach führen die betroffenen NRB gemeinsam eine Marktanalyse durch und „stellen einvernehmlich fest“, ob ein wirksamer Wettbewerb vorliegt. Könnte das nationale Gericht einseitig eine andere Beurteilung vornehmen und die Entscheidung dadurch auf nationaler Ebene aufheben, würden die Vorgaben des Art. 65 Abs. 2 TK-Kodex unterlaufen. Eine effektive Anwendung des Unionsrechts wäre dann auch an dieser Stelle erheblich erschwert. Die Kontrollrücknahme auf Tatbestandsseite stellt nach deutscher Dogmatik einen Beurteilungsspielraum der Behörde dar.71 Eine weitergehende Rücknahme der Kontrolldichte von einer Vertretbarkeitskontrolle auf eine bloße Plausibilitätskontrolle ist nicht notwendig.72 Dem echten Vetorecht der Kommission stünde nur eine eigenes Abwägungsergebnis des Gerichts entgegen, die bei der Vertretbarkeitskontrolle nicht erfolgt. Der Begriff der beträchtlichen Marktmacht ist zwar angelehnt an den Begriff der marktbeherrschenden Stellung im Wettbewerbsbrecht.73 Gem. Ziffer 11 der SMPLeitlinien bedeutet beträchtliche Marktmacht im Sinne des Regulierungsrechts aber nicht zwangsläufig, dass auch eine beherrschende Stellung im Sinne des Art. 102 AEUV oder des § 18 GWB gegeben ist. Ein Rückschluss von der vollumfänglichen gerichtlichen Überprüfbarkeit der Beurteilung der (gemeinsamen) marktbeherrschenden Stellung im Kartellrecht74 ist auch an dieser Stelle nicht möglich und nicht erforderlich. Die unterschiedlichen Wirkungsweisen des repressiven Kartellrechts und des präventiven Regulierungsrechts sowie das fehlende vergleichbare Vetorecht der Kommission im Kartellrecht, sprechen gegen einen derartigen Rückschluss.75 71
Dazu Teil 2 C. III. Vgl. Teil 2 C. I. 73 Korehnke/Ufer, in: BeckOK TKG, § 11 Rn. 8; s. auch Erwägungsgrund 25 der RahmenRL; nach Ziffer 65 der SMP-Leitlinien ist der Begriff „gemeinsame beträchtliche Marktmacht“ von dem Begriff der „gemeinsamen [markt-]beherrschenden Stellung“ abzuleiten. 74 Vgl. nur BGH GRUR 1992, 191 (193); BGH NVwZ 2006, 962 Rn. 11 ff. 75 Proelss, AöR 2011, 402 (416 f.); ausführlich bereits zur Marktdefinition unter Teil 3 A. II. 1. b) bb). 72
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
Nimmt man hingegen mit der h. L. an, dass der Beschluss der Kommission auch für das nationale Gericht bindend wäre, bedürfte es keiner Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte, da das nationale Gericht keine eigene Abwägungsentscheidung mehr treffen könnte, sondern lediglich überprüfen würde, ob die BNetzA den Beschluss der Kommission ordnungsgemäß umgesetzt hat.76 In diesem Fall bestünde die Gefahr einer Kollission von vornherein nicht. Diese Annahme entspricht jedoch nicht dem Wortlaut des Art. 288 Abs. 4 AEUV und einschlägiger Richtlinien. c) Umsetzung auf nationaler Ebene Entsprechend ist § 10 Abs. 2 S. 2 TKG auch analog auf die Beurteilung der beträchtlichen Marktmacht im Rahmen der Marktanalyse nach § 11 TKG anzuwenden. Eine analoge Anwendung setzt zum einen eine planwidrige Regelungslücke und zum anderen eine vergleichbare Interessenlage voraus. Die planwidrige Regelungslücke ergibt sich daraus, dass sich der Beurteilungsspielraum nur auf den Drei-KriterienTest bezieht, obwohl unionsrechtlich ein die Marktdefinition und Marktanalyse umfassender Beurteilungsspielraum erforderlich wäre. Man wird dem Gesetzgeber nicht unterstellen können, sehenden Auges einen Richtlinienverstoß in Kauf genommen zu haben, sodass die Planwidrigkeit zu bejahen ist.77 Auch die vergleichbare Interessenlage kann angenommen werden, da sowohl die Marktdefinition als auch das wesentliche Merkmal der Marktanalyse dem echten Vetorecht der Kommission unterfallen. Durch die analoge Anwendung des § 10 Abs. 2 S. 2 TKG wird der Sinn der nationalen Norm nicht grundlegend verändert oder ins Gegensätzliche verkehrt.78 3. Fazit zum einheitlichen Beurteilungsspielraum Der Rechtsprechung des BVerwG zum einheitlichen Beurteilungsspielraum der BNetzA im Rahmen der Marktdefinition und -analyse nach §§ 10, 11 TKG ist zuzustimmen. Auf nationaler Ebene verbleibt das Letztentscheidungsrecht über die Marktabgrenzung, über die Beurteilung der potentiellen Regulierungsbedürftigkeit und über die Beurteilung der beträchtlichen Marktmacht eines Unternehmens bei der BNetzA. Dies ergibt sich einerseits aus der ausdrücklichen Zuweisung dieser Aufgabe an die NRB in der Richtlinie und andererseits aus dem Umstand, dass eine gerichtliche Vollkontrolle mit dem echten Vetorecht der Kommission kollidieren 76
Vgl. Teil 2 D. IV. 2. a) bb). BGH NJW 2014, 2646 (2648) Rn. 23; BVerwG, Urt. v. 31.01.2017, 6 C 2.16 = BeckRS 2017, 103948 Rn. 29; vielmehr ist vom allgemeinen Willen des Gesetzgebers auszugehen, eine Richtlinie korrekt umzusetzen, vgl. Möllers/Möhring, JZ 2008, 919 (922 f.); so aber wohl Neumann, N&R 2016, 146 (152 f.). 78 Der Referentenentwurf zum TKMoG greift zwar die Entscheidung des BVerwGs vom 02.04.2008, Az. 6 C 14.07, auf, wonach sich der Beurteilungsspielraum auch auf die Marktanalyse erstrecke, enthält diesen aber weiterhin nicht im Gesetzeswortlaut des § 9 TKMoG-E. 77
B. Regulierungsverfügung, § 13 Abs. 1 S. 1 TKG
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könnte. Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten wäre daher vor dem Hintergrund des Effektivitätsgrundsatzes zu beschränken. Zu einer Ausweitung der Letztentscheidungsbefugnis der BNetzA führt dieser Befund für sich genommen jedoch nicht. Auf nationaler Ebene unterliegt die BNetzA zwar im vorgezeigten Rahmen nicht der Bindung durch den Gesetzgeber oder der Rechtsprechung. Allerdings übt die Kommission durch die Empfehlung und SMPLeitlinien sowie durch das ihr zustehende echte Vetorecht derart auf die Entscheidungsfindung der BNetzA ein, dass ihr faktisch kaum ein eigener Spielraum mehr verbleibt. Die BNetzA unterliegt vielmehr der legislativen Vorstrukturierung durch unionsrechtliche Rechtsakte und der Kontrolle durch die Kommission.79
B. Regulierungsverfügung, § 13 Abs. 1 S. 1 TKG Erst nach positivem Abschluss der Marktdefinition und -analyse darf die BNetzA den entsprechenden Markt regulieren.80 Hierzu erlässt sie Regulierungsverfügungen gem. § 13 Abs. 1 S. 1 TKG (zweite Stufe der Regulierung). Inhalt der Regulierungsverfügung sind u. a. die Auferlegung, Änderung, Beibehaltung oder der Widerruf von Zugangsverpflichtungen nach § 21 TKG und Entgeltgenehmigungspflichten nach § 30 TKG.81 Dabei kommt der BNetzA zwar grundsätzlich kein Entschließungsermessen dahingehend zu, ob sie überhaupt eine Regulierungsverfügung erlässt (I.), bzgl. der Auswahl der einzelnen Regulierungsmaßnahmen verfügt sie aber über ein Regulierungsermessen (II.).
I. Kein Entschließungsermessen Ob die BNetzA überhaupt eine Regulierungsverfügung erlässt, liegt nach allgemeiner Meinung nicht in ihrem Entschließungsermessen.82 Dies ergibt sich zunächst aus § 9 Abs. 2 TKG, wonach Unternehmen, die auf Märkten im Sinne des 79 Insoweit kann auch von einer gewissen Stärkung der sachlich-inhaltlichen Legitimation ausgegangen werden, vgl. Wendel, Verwaltungsermessen, S. 295. 80 Die Zugangsverpflichtung durch Zusammenschaltung nach §§ 18 Abs. 1, 9 Abs. 3 TKG ist unabhängig von der beträchtlichen Marktmacht. 81 Die Zugangsverpflichtung und die Entgeltregulierung sind nur zwei von den verschiedenen in § 13 Abs. 1 TKG genannten Inhalten einer Regulierungsverfügung. Weitere Inhalte der Regulierungsverfügung können sein das Diskriminierungsverbot nach § 19 TKG, die Transparenzverpflichtung nach § 20 TKG, die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Standardangebots nach § 23 TKG, die Verpflichtung zu getrennter Rechnungsführung nach § 24 TKG und die Entgeltregulierung von Endnutzerleistungen nach § 39 TKG. 82 BVerwG NVwZ 2008, 575 (577) Rn. 28; Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 13 Rn. 30; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 238; Mayen, NVwZ 2008, 835 (837); Gärditz, NVwZ 2009, 1005 (1006) m. w. N.; Wieland, DÖV 2011, 705 (706).
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
§ 11 TKG über beträchtliche Marktmacht verfügen, Maßnahmen durch die BNetzA „auferlegt werden“. Die sich aus dem Wortlaut ergebende Pflicht, mindestens eine Regulierungsmaßnahme aufzuerlegen, dient der Umsetzung des inhaltsgleichen Art. 16 Abs. 4 Zugangs-RL (jetzt: Art. 67 Abs. 4 TK-Kodex).83 Das Unionsrecht sieht an dieser Stelle keinen Spielraum der Behörde vor. Das würde auch dem Sinn des vorangegangenen aufwendigen und im Verwaltungsverbund durchzuführenden Marktdefinitions- und -analyseverfahren widersprechen, wenn trotz Feststellung, dass auf dem besagten Markt kein wirksamer Wettbewerb besteht, es letztlich der NRB überlassen bliebe, regulatorisch tätig zu werden. Die Vorgaben des Unionsrechts sind an dieser Stelle derart eindeutig, dass sie auch dem nationalen Gesetzgeber keinen Gestaltungsspielraum belassen. Die Verpflichtung der BNetzA, nach § 9 Abs. 2 TKG regulatorisch tätig zu werden, entspricht mithin den europäischen Vorgaben. Eine Reduzierung der Kontrolldichte ist dabei nicht angezeigt.84
II. Regulierungsermessen § 13 Abs. 1 S. 1 TKG sieht vor, dass die BNetzAVerpflichtungen nach den §§ 19, 20, 21, 23, 24, 30, 39 oder 42 Abs. 4 S. 3 TKG auferlegt, ändert, beibehält oder widerruft. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG erstreckt sich das Regulierungsermessen der BNetzA auf alle diese in § 13 TKG vorgesehenen Verpflichtungen.85 Ihr stehe ein umfassender Auswahl- und Ausgestaltungsspielraum sowohl hinsichtlich der möglichen aufgeführten Verpflichtungen,86 als auch hinsichtlich der Handlungsvarianten Auferlegung, Änderung, Beibehaltung und des Widerrufs zu.87 Im Falle des Widerrufs einer Regulierungsverfügung ist allerdings zu beachten, dass es verschiedene Gründe für den Widerruf geben kann. Entweder, weil eine erneute Marktdefinition und -analyse ergeben haben, dass (mittlerweile) wirksamer Wettbewerb besteht oder, weil aufgrund veränderter Tatsachen eine andere Regulierungsverpflichtung auferlegt werden soll (Teilwiderruf). Im ersten Fall kommt der BNetzA weder nach nationalem noch nach europäischem Recht ein Spielraum zu. Art. 67 Abs. 3 TK-Kodex fordert ausdrücklich, dass bei bestehendem, wirksamen Wettbewerb bereits auferlegte Verpflichtungen aufgehoben werden müssen. Soll
83
BVerwG NVwZ 2008, 575 (577) Rn. 28; vgl. auch Ziffer 114 der SMP-Leitlinien; Attendorn, NVwZ 2009, 19. 84 Allgemein zur vollständigen Gerichtskontrolle bei gebundenen Entscheidungen Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Vorb. § 113 Rn. 18. 85 BVerwG, Beschl. v. 23.10.2013, 6 B 16.13 = BeckRS 2013, 58238 Rn. 5; BVerwG NVwZ 2013, 1352 (1356) Rn. 34; zuvor noch „umfassender Auswahl- und Ausgestaltungsspielraum“ nach BVerwG MMR 2008, 463 (466); diese Terminologie wieder aufgreifend BVerwG NVwZ 2019, 549 (554) Rn. 41. 86 Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 13 Rn. 31. 87 BVerwG MMR 2019, 259 Rn. 21 ff. und Rn. 56.
B. Regulierungsverfügung, § 13 Abs. 1 S. 1 TKG
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eine Regulierungsverfügung hingegen geändert werden und schließt das einen Teilwiderruf mit ein, gelten die folgenden Ausführungen. Für die Auswahl der Maßnahmen gelten die Vorgaben des Art. 67 Abs. 4 TKKodex, die insoweit einen Spielraum vorsehen. Dies führt zu einer behördlichen Letztentscheidungsbefugnis der BNetzA im nationalen Recht, die anhand der Zugangsverpflichtung nach § 21 TKG (1.) und der Entgeltregulierung nach § 30 TKG (2.) erläutert wird. 1. Zugangsverpflichtung, § 21 TKG In der Regulierungsverfügung nach § 13 TKG wird geregelt, ob und welche abstrakten Zugangsverpflichtungen dem betroffenen Unternehmen auferlegt werden.88 Die BNetzA kann in der Regulierungsverfügung nach §§ 9 Abs. 2, 13 Abs. 1 S. 1, 21 TKG u. a. Zugangsverpflichtungen nach § 21 Abs. 2 und Abs. 3 TKG auferlegen. § 21 Abs. 2 und Abs. 3 TKG beinhalten einen nicht abschließenden Katalog von möglichen Zugangsverpflichtungen und dienen der Umsetzung des Art. 12 Abs. 1 UAbs. 2 Zugangs-RL. Diese Zugangsverpflichtungen waren bereits in der ZugangsRL detailliert ausgestaltet und wurden im Wesentlichen mit partiellen Anpassungen in den neuen Art. 73 Abs. 1 UAbs. 2 TK-Kodex überführt. Bei „Zugang“ handelt es sich gem. § 3 Nr. 32 TKG um „die Bereitstellung von Einrichtungen oder Diensten für ein anderes Unternehmen unter bestimmten Bedingungen zum Zwecke der Erbringung von Telekommunikationsdiensten“.
Die Norm berechtigt mithin die BNetzA den Zugangsanbieter zu verpflichten, dem Zugangsnachfrager den Zugang zu gewähren.89 Gesetzliche Voraussetzung ist, dass der Betreiber des öffentlichen Telekommunikationsnetzes über beträchtliche Marktmacht verfügt und dies die Entwicklung eines nachhaltig wettbewerbsorientierten nachgelagerten Endnutzermarktes behindert oder diese Entwicklung den Interessen der Endnutzer zuwiderlaufen würde. Letzteres ist dabei nicht abschließend, wie das Wort „insbesondere“ zum Ausdruck bringt. Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des BVerwG kommt der BNetzA bei den Entscheidungen, ob und welche Zugangsverpflichtungen auferlegt werden, aufgrund der Normstruktur des § 21 Abs. 1 TKG, die von zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffen,
88
Vgl. BVerwG NVwZ-RR 2018, 932 (934) Rn. 27 m. w. N.; die betreffenden Zugangsverpflichtungen werden in der Regulierungsverfügung nur abstrakt auferlegt und bedürfen der Konkretisierung durch eine Zugangsvereinbarung nach § 22 TKG bzw. bei deren Nichtzustandekommen eine Zugangsanordnung der BNetzA nach § 25 TKG, vgl. BVerwG MMR 2010, 719 Rn. 18; s. auch Teil 3 C. II. 89 Geppert/Attendorn, in: BeckOK TKG, § 21 Rn. 24.
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
Regulierungszielen und einer Ermessensermächtigung geprägt ist, ein Regulierungsermessen zu.90 Zur Begründung führte das BVerwG u. a. an, dass sich der volle Ermessensspielraum in Bezug auf die Entscheidung, welche Verpflichtungen angemessen sind, aus dem Normzweck des Art. 8 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Zugangs-RL (jetzt: Art. 68 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 TK-Kodex) ergebe.91 Dabei verwies es auf die Stellungnahme der Kommission vom 12.04.2005 im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2004/ 2221. In diesem Vertragsverletzungsverfahren äußerte die Kommission Zweifel an der ordnungsgemäßen Umsetzung der Art. 8, 9 und 13 Zugangs-RL und Art. 16 Rahmen-RL durch das TKG 2004. Zwar ging es inhaltlich nur um die Entgeltregulierung und die Transparenzverpflichtung, doch die Kommission tätigte allgemeingültige Aussagen für alle Verpflichtungsmöglichkeiten der BNetzA.92 Dabei stellte sie klar, dass Art. 8 Abs. 2 Zugangs-RL der NRB die Befugnis verleihe, im erforderlichen Umfang die Verpflichtungen aufzuerlegen und dieser „Ermessensspielraum“ nicht durch gesetzliche Anweisungen eingeschränkt, insbesondere nicht vorweggenommen werden dürfe.93 Nach Ansicht der Kommission hätte die NRB keine Möglichkeit, den Stellungnahmen der Kommission oder anderer Mitgliedstaaten in Bezug auf die Auferlegung der Verpflichtungen oder ihrer Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen, wenn der nationale Gesetzgeber den Ermessensspielraum der NRB beschränken könne. Dem stünde auch das Erfordernis wirksamen Rechtsschutzes nach Art. 4 Rahmen-RL (jetzt: Art. 31 TK-Kodex) nicht entgegen, da wirksamer Rechtsschutz durch das Einspruchsrecht gegen Entscheidungen der NRB auch aus materiellen Gesichtspunkten gewährleistet würde.94 Eine Vorwegbindung durch die Legislative stünde mithin nicht im Einklang mit dem Unionsrecht.95 Das BVerwG zog, ohne es explizit in seiner Entscheidung auszuführen, daraus den Schluss, dass dann auch keine vollumfängliche gerichtliche Kontrolle durchgeführt
90 BVerwG MMR 2008, 463 (465 f.); BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1364) Rn. 47; BVerwG, Urt. v. 02.04.2008, 6 C 16/07 = BeckRS 2008, 35853 Rn. 41 und 56; BVerwG NVwZ 2010, 1359 (1361) Rn. 16; BVerwG NVwZ 2014, 942 (949) Rn. 43 ff.; so bereits Liebschwager, Gerichtliche Kontrolle, S. 241 f.; zur Normstruktur s. bereits Teil 2 C. V. 91 BVerwG MMR 2008, 463 (466 f.). 92 Die grundsätzliche Bedeutung der Stellungnahme betonend Koenig/Neumann/Senger, MMR 2006, 365 (366). 93 Kommission, Stellungnahme v. 12.04.2005, C (2005) 1196, S. 4 im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2004/2221. 94 Kommission, Stellungnahme v. 12.04.2005, C (2005) 1196, S. 9 im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2004/2221. 95 Eine Vorsteuerung durch den nationalen Gesetzgeber ist nach Ansicht des BVerwG daher nur möglich, wenn etwa eine Abwägungsregel im Unionsrecht selbst vorgegeben ist, vgl. BVerwG MMR 2013, 677 (681 f.) Rn. 42 und 48 f. Dies kommt einer „Ermessensreduktion auf Null“ bei der Umsetzung der Richtlinien durch die Mitgliedstaaten gleich.
B. Regulierungsverfügung, § 13 Abs. 1 S. 1 TKG
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werden könne.96 Die Pflicht zur gerichtlichen Kontrolle könne nicht weiter reichen, als die materiell-rechtliche Bindung der Exekutive.97 Insbesondere dieser Schluss wird in der Literatur kritisiert, da das Sekundärrecht zwar keine legislative Vorstrukturierung erlaube, zur Kontrolldichte aber keine Aussagen enthalte und diese deshalb der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten unterfalle.98 Teilweise wird eine Herleitung des Regulierungsermessens aus europäischem Recht daher vollkommen abgelehnt.99 Vor allem der Verweis auf das unionsrechtlich vorgegebene Konsolidierungsverfahren könne nicht als Argument greifen, weil der Kommission (anders als im Rahmen der Marktdefinition und -analyse) gerade kein echtes Vetorecht zustünde.100 Das Unionsrecht fordert eine Letztentscheidungsbefugnis der BNetzA bei der Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ einer Zugangsverpflichtung. Dies führt zu einem Verbot legislativer Vorstrukturierung (a)) und zur notwendigen Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte (b)). Dasselbe gilt für die noch nicht im aktuellen TKG enthalten, aber im Rahmen der Umsetzung des TK-Kodex einzuführenden Befugnisse der BNetzA, Zugangsverpflichtungen nach Art. 72 TK-Kodex (c)) und Art. 61 Abs. 3 TK-Kodex (d)) aufzuerlegen. a) Gesetzliche Vorgaben Den Kritikern der Rechtsprechung ist zunächst zuzugestehen, dass die Stellungnahme der Kommission vom 12.04.2005 nur das Verhältnis der Exekutive zur Legislative betraf. Aus dem Wortlaut der Richtlinien las die Kommission einen Ermessensspielraum der Behörde gegenüber dem nationalen Gesetzgeber heraus. Der nationale Gesetzgeber kann richtigerweise von diesen Vorgaben nicht abweichen, weil aufgrund des Detailgrades der Richtlinien diesem kein Gestaltungsspielraum mehr verbleibt.101 Art. 68 TK-Kodex gibt als allgemeine Vorschrift vor, unter welchen Voraussetzungen die in Art. 69 bis 74 und 76 bis 81 TK-Kodex festgelegten Verpflichtungen auferlegt werden dürfen. Diese Norm richtet sich zwar direkt an die Mitgliedstaaten, indem sie verpflichtet werden, den NRB entsprechende Befugnisse zu verleihen. Die 96
Vgl. Geppert/Attendorn, in: BeckOK TKG, § 21 Rn. 52; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 211; Mayen, NVwZ 2008, 835 (841 f.). 97 BVerfG NJW 2001, 1121 (1123) m. w. N. 98 Offenbächer, Die Regulierung des Vectoring, S. 267 f.; Gärditz, NVwZ 2009, 1005 (1007 f.); Proelss, AöR 2011, 402 (423 f.); Ludwigs, Die Verwaltung 2011, 41 (68 f.); Franzius, DÖV 2013, 714 (715); Gärditz, DVBl 2016, 399 (404). 99 Offenbächer, Die Regulierung des Vectoring, S. 267 ff.; Proelss, AöR 2011, 402 (423 f.). 100 Koenig/Neumann/Senger, MMR 2006, 365 (367); Schütze/Salevic, CR 2010, 80 (85 f.); für die Kontrolldichtereduzierung auch im Falle des unechten Vetorechts Wendel, Verwaltungsermessen, S. 243 ff. 101 Attendorn, Regulierungsbehörde, S. 138 f.
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
Aufgabe über die Entscheidung, ob eine Zugangsverpflichtung auferlegt werden soll, wird in Art. 72 und 73 TK-Kodex aber direkt der NRB zugewiesen.102 Dabei hat die NRB den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren, insbesondere müssen die Verpflichtungen angemessen und gerechtfertigt sein, vgl. Art. 68 Abs. 2 und Abs. 4 TK-Kodex. Eine Vorstrukturierung durch den nationalen Gesetzgeber würde die Befugnis der NRB, zu entscheiden, welche der Verpflichtungen im konkreten Einzelfall verhältnismäßig ist, umgehen.103 Daneben würde das Konsultations- und Konsolidierungsverfahren, das die BNetzA vor jeder Regulierungsverfügung durchzuführen hat, entwertet werden. Die Behörde könnte die Stellungnahmen nach Art. 32 Abs. 3 und Abs. 8 TK-Kodex nicht in dem von der Richtlinie vorgegebenen Umfang berücksichtigen, wenn anderweitige gesetzliche Vorgaben bestünden.104 Eine gesetzliche Vorstrukturierung durch den nationalen Gesetzgeber ist in diesen Fällen nicht sinnvoll und nicht zielführend, sondern würde mit dem europäischen Verbund kollidieren und den Kooperationseffekt minimieren. Dabei ist es auch unerheblich, dass die Stellungnahmen unverbindlich sind, denn die Berücksichtigungspflicht besteht dennoch.105 Anderweitige Vorgaben durch den nationalen Gesetzgeber sind an dieser Stelle nicht möglich. b) Gerichtliche Kontrolle Der einzuräumende Spielraum muss sich nicht zwangsläufig gegenüber der Judikative fortsetzen. Die Auslegung des Unionsrechts (aa)), ob das Letztentscheidungsrecht der Behörde oder dem Gericht zukommen soll, führt zu keinem eindeutigen Ergebnis. Allerdings ist die Verfahrensautonomie aus Gründen des effet utile zu beschränken (bb)) und die nationalen Normen entsprechend richtlinienkonformen auszulegen (cc)). aa) Auslegung des Unionsrechts Die Kommission äußerte sich zu der Frage, welche Bedeutung das Verbot legislativer Vorstrukturierung für die gerichtliche Kontrolle der Behördenentscheidung hat, sehr verhalten. Sie beschränkte sich auf die Aussage, dass die Richtlinie nach Art. 4 Rahmen-RL (jetzt: Art. 31 TK-Kodex) „offensichtlich“ effektiven Rechtsschutz auch aus materiellen Gesichtspunkten gewährleiste und dazu einfach der Katalog der Abhilfemaßnahmen aus der Richtlinie hätte übernommen werden 102
Ebenso Oster, Normative Ermächtigungen, S. 209; Proelss, AöR 2011, 402 (423 f.). Koenig/Busch, CR 2010, 257 (359). 104 So auch Kommission, Stellungnahme v. 12.04.2005, C (2005) 1196, S. 9 im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2004/2221; ähnlich Westermann, in: Kröger/Pilniok, Unabhängiges Verwalten in der EU, S. 75.; a. A. Herdegen, MMR 2006, 580 (583 f.); Koenig/Neumann/ Senger, MMR 2006, 365 (366 ff.); Ludwigs, Die Verwaltung 2011, 41 (62). 105 S. dazu Teil 2 D. IV. 2. b). 103
B. Regulierungsverfügung, § 13 Abs. 1 S. 1 TKG
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können.106 Damit wurden aber keine Aussagen bezüglich der Kontrolldichte getroffen. Die Norm setzt vielmehr voraus, dass die Stelle, die die Entscheidungen der BNetzA überprüft, über „angemessenen Sachverstand verfügen“ muss. Das spricht jedenfalls dafür, dass das Gericht eigene Sachentscheidungen, Wertungen oder Prognosen treffen können muss und insoweit nicht die Entscheidung letztverbindlich der Behörde überlässt. Es werden auch keine erhöhten Anforderungen an die Begründung der Behördenentscheidung im Rahmen der Zugangsverpflichtung gestellt. Ein Letztentscheidungsrecht der Behörde lässt sich den europäischen Vorgaben mithin nicht entnehmen. bb) Verfahrensautonomie versus effet utile Grundsätzlich überprüft daher das nationale Gericht vollumfänglich, ob und welche Zugangsverpflichtung im konkreten Fall das zur Erreichung der Ziele angemessenste Mittel ist. Zwar kann anders als im Rahmen der Marktdefinition und -analyse im Fall einer Vollkontrolle mangels echten Vetorechts der Kommission keine Kollisionsgefahr zwischen nationaler Gerichtsentscheidung und Vorgaben der Kommission bestehen. Allerdings ist eine Reduzierung der Kontrolldichte aus anderen Gründen erforderlich, um die effektive Durchsetzung des Unionrechts zu gewährleisten.107 Wenn die Regulierungsverfügung Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten hat, muss die BNetzA vor Erlass der endgültigen Regulierungsverfügung den Entwurf grundsätzlich der Kommission, dem GEREK und den NRB der anderen Mitgliedsstaaten zur Stellungnahme vorlegen (Phase I).108 Diesen Stellungnahmen hat die BNetzA „weitestgehend Rechnung zu tragen“ (allgemeines Konsolidierungsverfahren).109 Im Rahmen des allgemeinen Konsolidierungsverfahrens hat die Kommission zwar kein echtes Vetorecht,110 allerdings hat sie eine
106
„Die normativen Kriterien, auf die sich Deutschland bezieht, sind auch in der Richtlinie enthalten […]. Nach Erwägungsgrund 15 der Zugangsrichtlinie erfordert die Auferlegung einer spezifischen Verpflichtung für ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eine Begründung dafür, dass die betreffende Verpflichtung im Verhältnis zum festgestellten Problem sinnvoll und angemessen ist. Wie die umfangreiche Rechtsprechung beweist, sind die Gerichte aufgrund dieser Anforderungen durchaus in der Lage, die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung zu überprüfen.“, Kommission, Stellungnahme v. 12.04.2005, C (2005) 1196, S. 9 im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2004/2221. 107 A. A. Kühling, in: BeckOK TKG, § 31 Rn. 48; Attendorn, Regulierungsbehörde, S. 344 ff. 108 Zur Begrifflichkeit Wendel, Verwaltungsermessen, S. 168; vgl. die Umsetzung auf nationaler Ebene in §§ 13 Abs. 1 S. 1 und S. 2, 12 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 TKG. 109 Art. 32 Abs. 3 und Abs. 8 TK-Kodex (zuvor: Art. 7 Abs. 3 und Abs. 7 Rahmen-RL). 110 § 13 Abs. 1 S. 2 TKG verweist nicht auf § 12 Abs. 2 Nr. 3 TKG; das Vetorecht ist unionsrechtlich auch nicht vorgesehen, vgl. Art. 32 Abs. 8 TK-Kodex.
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
Prüfmöglichkeit im Wege des sog. „Serious Doubt Letter“111 nach Art. 33 Abs. 1 TKKodex (zuvor: Art. 7a Rahmen-RL). Dabei teilt sie der BNetzA mit, wenn sie der Auffassung ist, dass der Maßnahmenentwurf ein Hemmnis für den Binnenmarkt darstellt oder erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit mit Europarecht bestehen, z. B., weil sie die Voraussetzungen aus Art. 68, 72 und 73 TK-Kodex als nicht gegeben ansieht (Phase II).112 An den Serious Doubt Letter schließt sich ein Verfahren der Zusammenarbeit (Abstimmungsverfahren) mit dem GEREK von drei Monaten nach Art. 33 Abs. 2 bis Abs. 5 TK-Kodex an, nach dem die Kommission gem. Art. 33 Abs. 5 a) TK-Kodex innerhalb eines weiteren Monats eine Empfehlung abgeben kann, den Maßnahmenentwurf zu ändern oder zurückzuziehen (unechtes Vetorecht). Diese Empfehlung ist weder für die NRB noch für die nationalen Gerichte bindend.113 Durch eine Vollkontrolle durch das Gericht würde das der Kommission zustehende Interventionsrecht untergraben werden, denn gegen die Abwägungsentscheidung des nationalen Gerichts steht der Kommission ein (unmittelbares) Interventionsrecht gerade nicht zu. Auch wenn sich das geplante echte Vetorecht der Kommission gegen Regulierungsverfügungen („Veto on Remedies“) der NRB nicht durchsetzen konnte,114 geht der Unionsgesetzgeber ausweislich des Abstimmungsverfahrens nach Art. 33 TK-Kodex dennoch davon aus, dass die Kommission eingreifen können muss. Dieses Verfahren wäre überflüssig, wenn der Möglichkeit der Kommission, eine Empfehlung zum Widerruf des Maßnahmenentwurfes abzugeben, neben der bereits bestehenden Möglichkeit der Stellungnahme im allgemeinen Konsolidierungsverfahren nach Art. 32 TK-Kodex keine eigenständige Bedeutung zukäme.115 Ausweislich des Erwägungsgrundes 19 der Änderungs-RL Telekommunikation trägt nur das echte Vetorecht der Kommission maßgeblich zur einheitlichen Anwendung des Unionsrechts bei. Das Abstimmungsverfahren nach Art. 33 TK-Kodex stellt damit einen Kompromiss zwischen dem allgemeinen Konsolidierungsverfahren nach Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex und dem echten Vetorecht nach Art. 32 Abs. 6 TK-Kodex dar. Dieser Umstand ist bei der gerichtlichen Kontrolle der Behördenentscheidung zu beachten. Dabei ist die Anfechtungssituation von der Verpflichtungssituation zu unterscheiden. 111 Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 13 Rn. 39 f.; vgl. Kommission, Beschl. v. 21.11.2014, C (2014) 8962 final in der Sache DE/2014/1666 – 1667. 112 Zur Begrifflichkeit Wendel, Verwaltungsermessen, S. 168. 113 Vgl. Art. 33 Abs. 6 und Abs. 7 TK-Kodex, wonach die NRB der Empfehlung nicht nachzukommen braucht; insgesamt zur Bindungswirkung von Empfehlungen s. Teil 2 D. IV. 2. b). 114 Diese Forderung wurde bereits im Gesetzgebungsverfahren der Änderungs-RL Telekommunikation abgelehnt, da kein europäischer Regulierer gewollt war, vgl. Holznagel, K&R 2010, 761 (763); die Kommission wollte ein solches echtes Vetorecht mit aufnehmen, weil die NRB auch bei ähnlichen Marktbedingungen die regulatorischen Verpflichtungen uneinheitlich anwenden würden, wodurch der Binnenmarkt beeinträchtigt werden würde, vgl. dazu Hermeier, Regulierungsverbund, S. 257 f. 115 Daher spricht auch Scherer, K&R 2002, 273 (282) von einem „immer noch weit reichende[m] Vetorecht“; vgl. auch Säcker/Mengering, N&R 2014, 74 (79).
B. Regulierungsverfügung, § 13 Abs. 1 S. 1 TKG
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Wird eine Regulierungsverfügung der NRB auf Grund einer Anfechtungsklage aufgehoben, würde sich erneut ein Verwaltungsverfahren anschließen, in dem die NRB über das „Ob“ und „Wie“ der Zugangsverpflichtung entscheiden müsste.116 In diesem neuen Verfahren hat die NRB dann wieder die Stellungnahmen im Konsolidierungsverfahren zu berücksichtigen und die Kommission kann erneut ein Abstimmungsverfahren nach Art. 33 TK-Kodex einleiten. Dieses Prozedere ist theoretisch beliebig oft wiederholbar, sodass sich eine endgültige Entscheidung darüber, ob und welche Zugangsverpflichtung auferlegt wird, unverhältnismäßig in die Länge ziehen kann. Das Unionsrecht zielt aber auf die Gewährleistung der Rechtssicherheit für Marktakteure ab und fordert daher, dass Beschwerdeverfahren nicht „ungebührlich lange dauern“.117 Auch der Sinn und Zweck des Konsolidierungsverfahrens, nämlich die kohärente Anwendung des Unionsrechts unter weitest möglicher Flexibilität sowie situativer und dynamischer Reaktionsmöglichkeiten der Behörden, würde dadurch gefährdet.118 Im Erwägungsgrund 83 des TK-Kodex wird erneut klargestellt, dass die Uneinheitlichkeit bei der Anwendung von Abhilfemaßnahmen durch die NRB unter ähnlichen Marktbedingungen den Binnenmarkt im Bereich der elektronischen Kommunikation beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung würde gesteigert, wenn ein nationales Gericht eine abgestimmte Entscheidung aufgrund eines anderen, eigenen Abwägungsergebnisses aufheben könnte.119 Auf der anderen Seite ist ein Mehrwert der Vollkontrolle nicht ersichtlich, zumal ein Gericht im Regelfall nur unter Zuhilfenahme von Sachverständigen die ökonomische und prognostische Wertung treffen kann. Dass das „Gericht der bessere Regulierer“ ist, erscheint daher zweifelhaft.120 In der Verpflichtungssituation wird das Erfordernis der Rücknahme gerichtlicher Kontrolle noch deutlicher, denn das Gericht könnte die Behörde zur Anordnung einer bestimmten Zugangsverpflichtung verpflichten.121 Die NRB wäre an die Entscheidung gebunden und könnte in einem sich daran anschließenden Verwaltungsverfahren weder den Stellungnahmen nach Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex noch einer et116
Auch wenn die Gründe des Urteils nicht bindend sind, so wird sich die nationale Behörde dennoch an der Auffassung des Gerichts orientieren. 117 Vgl. Erwägungsgrund 14 der Änderungs-RL Telekommunikation; die Rechtsschutzgarantie umfasst auch den zeitnahen Rechtsschutz, vgl. Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 140; Schütz/Attendorn, MMR Beilage 4/2002, 1 (26); kritisch zu der erheblichen Verzögerung insbesondere Neumann/Sickmann/Alkas/Koch, Reformbedarf, S. 302; Scherer, K&R 2002, 273 (282); Heun, CR 2011, 152 (154). 118 In diese Richtung auch Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 547; zur Abstimmung im Verwaltungsverbund als Begründung eines Entscheidungsspielraums Wendel, Verwaltungsermessen, S. 256. 119 Wendel, Verwaltungsermessen, S. 256. 120 Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 142; Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 547. 121 Eine Verpflichtungsklage ist möglich, da § 21 Abs. 1 S. 1 TKG nach der Schutznormtheorie Dritten subjektive Rechte verleiht, vgl. BVerwG, Urt. v. 28.11.2007, 6 C 43/06 = BeckRS 2008, 32588 Rn. 14.
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
waigen Empfehlung der Kommission nach Art. 33 Abs. 5 a) TK-Kodex in geeigneter Weise Rechnung tragen. Die Wirkung einer solchen gerichtlichen Verpflichtung kommt dann faktisch einer legislativen Vorstrukturierung gleich, die – wie dargestellt – aufgrund der expliziten Zuweisung der Aufgabe an die NRB, unzulässig ist. Das Konsolidierungsverfahren würde an dieser Stelle komplett entwertet werden, da die Entscheidung bereits vom nationalen Gericht bindend für die NRB vorgegeben wäre. Daraus ergibt sich, dass trotz grundsätzlicher Verfahrensautonomie dem nationalen Gericht nicht die Letztentscheidungsbefugnis über das „Ob“ und „Wie“ der Zugangsverpflichtung zukommen kann. Damit die Anwendung des Sekundärrechts effektiv erfolgen kann, bedarf es einer Rücknahme der Kontrolldichte. Bei den Entscheidungen, ob und welche Zugangsverpflichtung auferlegt wird, hat die BNetzA zu prüfen, ob die Verweigerung des Zugangs oder unangemessene Bedingungen den Entwicklungen eines nachhaltig wettbewerbsorientierten Marktes oder den Interessen des Endnutzers zuwiderlaufen würde (Art. 72 Abs. 1, 73 Abs. 1 TKKodex) und ob die Zugangsverpflichtung den geringstmöglichen Eingriff darstellt (Art. 68 Abs. 2 TK-Kodex), angemessen und gerechtfertigt (Art. 68 Abs. 4 b)) und c) TK-Kodex), mithin verhältnismäßig ist. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit stellt die Richtlinie weitere Kriterien nach Art. 73 Abs. 2 TK-Kodex auf, die in eine Abwägung mit einzubeziehen sind. All diese Prüfungspunkte sind Inhalt des Konsultations- und Konsolidierungsverfahrens nach Art. 23, 32 und 33 TK-Kodex, was bedeutet, dass diesbezüglich keine gerichtliche Vollkontrolle stattfinden kann.122 Dass sich daraus das Regulierungsermessen als Verknüpfung von Beurteilungsspielraum und Ermessensentscheidung entwickelt hat, ist der Trennung von Tatbestand und Rechtsfolge im nationalen Recht geschuldet. Die Konsequenz des BVerwG ist jedenfalls richtig, da die von der Richtlinie vorgegebenen Kriterien nicht vollumfänglich gerichtlich überprüft werden dürfen; das Gericht darf mithin keine eigene Abwägungsentscheidung treffen. Eine über die Vertretbarkeitskontrolle hinausgehende Reduzierung der Kontrolldichte ist aber auch an dieser Stelle nicht geboten. Dem Unionsrecht steht es nicht entgegen, wenn das Gericht eine Abwägungskontrolle durchführt, denn dadurch wird der NRB nicht eine bestimmte Entscheidung vorgegeben bzw. vorenthalten und das Konsolidierungsverfahren nicht entwertet. cc) Umsetzung auf nationaler Ebene und Ausweitung der Letztentscheidungsbefugnis Die unionsrechtlichen Vorgaben haben mithin sowohl Auswirkungen auf die Legislative als auch auf die Judikative. Aufgrund des faktisch nicht mehr vorhandenen Gestaltungsspielraums bei der Umsetzung der Richtlinie bleibt dem nationalen Gesetzgeber keine andere Möglichkeit, als die inhaltlichen Vorgaben nahezu 122
So auch Schramm, DÖV 2010, 387 (393 f.).
B. Regulierungsverfügung, § 13 Abs. 1 S. 1 TKG
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identisch in nationales Recht umzusetzen. Dabei darf er den Spielraum der BNetzA nicht einschränken, mithin darf er keine strengeren Vorgaben machen, als in der Richtlinie selbst vorgesehen. Das unionsrechtlich vorgegebene Entschließungsermessen bei der Entscheidung, „ob“ eine Zugangsverpflichtung auferlegt wird, hat der nationale Gesetzgeber in § 21 Abs. 1 S. 1 TKG hinreichend umgesetzt.123 Gleiches gilt für das Auswahlermessen hinsichtlich der verschiedenen Zugangsverpflichtungsmöglichkeiten in § 21 Abs. 2 TKG. Die „Soll“-Vorschrift aus § 21 Abs. 3 TK-Kodex muss hingegen vor dem dargelegten unionsrechtlichen Hintergrund als „Kann“-Vorschrift gelesen werden.124 Nach § 21 Abs. 3 TKG „soll“ die BNetzA die aufgezählten Zugangsverpflichtungen auferlegen, wenn ein Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze über beträchtliche Marktmacht verfügt. Das nationale Verständnis einer „Soll“-Vorschrift schränkt das Ermessen der Behörde dahingehend ein, dass grundsätzlich eine Handlungspflicht besteht und die Behörde nur ausnahmsweise in atypischen Fällen von der vorgegebenen Rechtsfolge abweichen kann.125 Eine gesetzlich vorstrukturierte Ermessensausübung würde aber den von der Richtlinie vorgesehenen umfassenden Spielraum der NRB unzulässig einschränken. Das Unionsrecht sieht keinen Unterschied zwischen Zugangsverpflichtungen im Regelfall und solchen, die im Ermessen der Behörde stehen, vor. Die Trennung der Zugangsverpflichtungen in der nationalen Norm wird den Unionsvorgaben mithin nicht gerecht. Auch bei der Auswahl der Zugangsverpflichtungen nach § 21 Abs. 3 TKG, der einer richtlinienkonformen Auslegung zugänglich ist,126 hat die BNetzA eine umfassende Abwägung im Rahmen ihres Regulierungsermessens vorzunehmen.127 Das Konsolidierungs- und Abstimmungsverfahren wirkt sich daneben auf die Kompetenz der Judikative aus. Eine Vollkontrolle würde das Abstimmungsverfahren entwerten, da es sich entweder unverhältnismäßig in die Länge ziehen würde oder die BNetzA die Stellungnahmen und ggf. Empfehlungen der Kommission nicht mehr hinreichend berücksichtigen könnte. Soweit der Kommission aus der Richtlinie die Befugnis zur Prüfung zukommt, kann das nationale Gericht diesbezüglich keine eigene Abwägungsentscheidung mehr treffen. Dass das BVerwG daraus aufgrund der Normstruktur des § 21 Abs. 1 TKG das Regulierungsermessen entwickelt hat, ist
123
Dies gilt weiterhin für § 24 Abs. 1 TKMoG-E. H. M.; vgl. nur BVerwG NVwZ 2010, 1359 (1362) Rn. 15; Geppert/Attendorn, in: BeckOK TKG, § 21 Rn. 207; Attendorn, Regulierungsbehörde, S. 165 f.; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 210; Offenbächer, Die Regulierung des Vectoring, S. 187 ff. m. w. N.; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 239; a. A. noch Bosch, Kontrolldichte, S. 228 ff. ohne dabei jedoch auf den unionsrechtlichen Bezug einzugehen. 125 Geis, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 40 Rn. 26; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 40 Rn. 26. 126 Dazu überzeugend Offenbächer, Die Regulierung des Vectoring, S. 193 ff. 127 BVerwG MMR 2009, 786 (790) Rn. 42 f.; der Referentenentwurf zum TKMoG enthält eine derartig einschränkende „Soll“-Formulierung nicht mehr. 124
140
Teil 3: Telekommunikationsrecht
konsequent und der Trennung von Tatbestand und Rechtsfolge geschuldet.128 Eine über die Vertretbarkeitskontrolle hinausgehende Reduzierung der Kontrolldichte ist jedoch nicht angezeigt, sodass das Unionsrecht an dieser Stelle für sich genommen nicht zu einer Ausweitung des Letztentscheidungsrechts der BNetzA im Sinne einer Absenkung des Kontrollniveaus führt. Anders als bei der Marktdefinition und Marktanalyse verbleibt die Letztentscheidungskompetenz aber bei der BNetzA und wird nicht auf die europäische Ebene verlagert, denn weder die Kommission noch das GEREK können der BNetzA verbindliche Vorgaben machen.129 Diese Rechtsfolge steht im Einklang mit der Entscheidung, der Kommission kein echtes Vetorecht für Regulierungsverfügungen einzuräumen, da kein europäischer Regulierer gewollt war.130 c) Zugangsverpflichtung nach Art. 72 TK-Kodex Neu eingefügt wurde Art. 72 TK-Kodex, wonach die NRB Unternehmen dazu verpflichten kann, angemessenen Anträgen auf Zugang zu baulichen Anlagen und auf deren Nutzung stattzugeben.131 Der Unterschied zu den Verpflichtungen nach Art. 73 TK-Kodex besteht darin, dass die Kriterien, die in die Angemessenheitsprüfung mit einzubeziehen sind (Art. 73 Abs. 2 TK-Kodex) hier nicht vorgegeben werden. Nichtsdestotrotz hat die BNetzA zu überprüfen, ob die Verweigerung des Zugangs oder unangemessene Bedingungen mit ähnlicher Wirkung die Entwicklung eines nachhaltig wettbewerbsorientierten Marktes behindern oder den Interessen der Endnutzer zuwiderlaufen würden (Art. 72 Abs. 1 TK-Kodex) und ob diese Zugangsverpflichtung verhältnismäßig (Art. 68 Abs. 2 und Abs. 4 TK-Kodex) ist. Die Konsultations-, Konsolidierungs- und ggf. Abstimmungsverfahren werden auch für diese Entscheidungen nach Art. 23, 32 Abs. 3 und 33 TK-Kodex durchzuführen sein, sodass auch hier weder strengere gesetzliche Vorgaben erlaubt sind noch eine Vollkontrolle des Gerichts stattfinden kann (s. Teil 3 B. II. 1. a) und b)). Der nationale Gesetzgeber wird dies bei der Umsetzung des TK-Kodex zu berücksichtigen haben.
128
Vgl. Wendel, Verwaltungsermessen, S. 261. Holznagel, K&R 2010, 761 (764); insoweit ist der Argumentation von Offenbächer, Die Regulierung des Vectroing, S. 269, die Pflicht zur weitest gehenden Berücksichtigung der Stellungnahmen und Empfehlungen sprächen gegen ein Letztentscheidungsrecht, nicht zu folgen. Dort werden die Ebenen der Einräumung einer Letztentscheidungskompetenz und der Einschränkung dieses Spielraums vermengt. 130 Vgl. Holznagel, K&R 2010, 761 (763, 767). 131 Dazu gehören unter anderem auch Gebäude oder Gebäudezugänge, Verkabelungen in Gebäuden, Antennen, Türme und andere Trägerstrukturen, Pfähle, Masten, Leitungsrohre, Leerrohre, Kontrollkammern, Einstiegsschächte und Verteilerkästen, vgl. Art. 72 Abs. 1 TKKodex. 129
B. Regulierungsverfügung, § 13 Abs. 1 S. 1 TKG
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d) Zugangsverpflichtung nach Art. 61 Abs. 3 TK-Kodex Ebenfalls neu eingefügt wurde die Zugangsverpflichtungsbefugnis nach Art. 61 Abs. 3 TK-Kodex. Diese wurde nicht in das Kapitel IV über Zugangsverpflichtungen für Unternehmen mit beträchtlicher Markmacht, sondern in die allgemeine Zuständigkeits- und Befugnisnorm eingefügt. Es wird damit nicht vorausgesetzt, dass das verpflichtete Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügt. Die NRB kann „auf angemessenen Antrag auf Zugang zu Verkabelungen und zugehörigen Einrichtungen in Gebäuden oder bis zum von der betreffenden nationalen Regulierungsbehörde festgelegten ersten Konzentrations- oder Verteilerpunkt, sofern dieser außerhalb des Gebäudes liegt, Verpflichtungen auferlegen“.
Die NRB entscheidet dabei sowohl über die konkreten Bestimmungen bezüglich des Zugangs, als auch über die Festlegung des ersten Konzentrations- oder Verteilerpunkts oder ggf. über den diesen Punkt hinausgehenden nächstgelegenen Punkt, vgl. Art. 61 Abs. 3 UAbs. 2 TK-Kodex. Letzteres ist möglich, wenn Verpflichtungen nach Art. 61 Abs. 3 UAbs. 1 TK-Kodex nicht ausreichen, um die beträchtlichen und anhaltenden wirtschaftlichen oder physischen Hindernisse für eine Replizierung zu beseitigen. Art. 61 Abs. 3 UAbs. 3 TK-Kodex sieht wiederum Konstellationen vor, in denen entsprechende Zugangsverpflichtungen nicht auferlegt werden dürfen, z. B., wenn dadurch die wirtschaftliche oder finanzielle Tragfähigkeit des Aufbaus neuer Netze insbesondere im Rahmen kleiner lokaler Projekte gefährdet würde, vgl. Art. 61 Abs. 3 UAbs. 3 b) TK-Kodex. Ein Letztentscheidungsrecht der BNetzA bei diesen Prüfungspunkten ergibt sich zwar nicht aus den zu berücksichtigenden Leitlinien (aa)), kann aber aus dem echten Vetorecht der Kommission folgen (bb)). aa) Leitlinienkompetenz des GEREK Das GEREK hat gem. Art. 61 Abs. 3 UAbs. 5 TK-Kodex bis zum 21.12.2020132 Leitlinien mit folgenden Kriterien zu erlassen: (1) Festlegung des ersten Konzentrations- oder Verteilerpunktes, (2) Festlegung des darüberhinausgehenden Punktes, (3) Beurteilungskriterien zu der Frage, welcher Aufbau von Netzen als neu und welche Projekte als klein angesehen werden können sowie (4) Beurteilungskriterien zur Frage, welche wirtschaftlichen oder physischen Hindernisse für eine Replizierung beträchtlich und anhaltend sind. Dadurch werden wesentliche Prüfungspunkte durch die Leitlinien vorstrukturiert sein.
132 Ab diesem Zeitpunkt sind die Vorschriften des TK-Kodex anzuwenden, vgl. Art. 124 Abs. 1 UAbs. 2 TK-Kodex.
142
Teil 3: Telekommunikationsrecht
Ob und wem gegenüber Leitlinien verbindlich sind, muss sich aus der Rechtsgrundlage für die Befugnis zum Erlass der Leitlinien ergeben.133 Die Systematik des TK-Kodex zeigt, dass die vom GEREK zu erlassenen Leitlinien keine Bindungswirkung entfalten. Eine solche ergibt sich auch nicht mittelbar aus dem echten Vetorecht der Kommission nach Art. 33 Abs. 5 c) TK-Kodex. Die Vereinbarkeit der nationalen Maßnahme mit den Leitlinien fällt nämlich nicht in den Prüfungsumfang der Kommission. Leitlinien stellen kein Unionsrecht im Sinne des Art. 33 Abs. 1 TKKodex dar, denn damit sind nur Rechtsakte, also verbindliche normative Vorgaben gemeint.134 Dafür spricht auch der Vergleich mit Art. 63 Abs. 6 b) Elektr-RL und Art. 43 Abs. 6 b) Gas-RL, die im Gegensatz zum TK-Kodex von der „Unvereinbarkeit mit den Leitlinien“ und nicht von der „Unvereinbarkeit mit Unionsrecht“ sprechen. Da anderweitige Vorgaben im TK-Kodex nicht ersichtlich sind, die zu einer Verbindlichkeit der Leitlinien führen würden, kann die Kommission die NRB nicht mit der Begründung, der Maßnahmenentwurf stünde nicht im Einklang mit den Leitlinien, zum Widerruf verpflichten. In einem solchen Fall muss sie ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV einleiten. bb) Echtes Vetorecht der Kommission Auf die Verbindlichkeit der Leitlinien kommt es aber vorliegend auch nicht an. Denn der Kommission steht das echte Vetorecht nach Art. 33 Abs. 5 c) TK-Kodex insgesamt für Maßnahmenentwürfe zu, die unter Art. 61 Abs. 3 TK-Kodex fallen. Sobald die Kommission der Ansicht ist, dass die Voraussetzungen des Art. 61 Abs. 3 TK-Kodex im konkreten Fall anders zu beurteilen gewesen wären, kann sie von ihrem Vetorecht gegenüber der NRB Gebrauch machen. Insoweit entscheidet auf Exekutivebene letztverbindlich die Kommission darüber, ob und welche Zugangsverpflichtungen nach Art. 61 Abs. 3 TK-Kodex auferlegt werden, sodass faktisch kein Spielraum für die NRB mehr verbleibt. Der Inhalt der europäischen Vorgaben ist auch an dieser Stelle ausdrücklich an die NRB gerichtet und derart detailliert, dass ein Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers ausgeschlossen ist. Jegliche Art der Vorstrukturierung der Behördenentscheidung, ob im Hinblick auf den Inhalt der Zugangsverpflichtungen oder auf die Voraussetzungen, ist damit unzulässig. Dies gilt auch für eine Verordnungsermächtigung, in der die Vorstrukturierung auf die Gubernative übertragen würde.135 Fraglich wäre wiederum, ob das nationale Gericht an den Beschluss der Kommission im Vetoverfahren gebunden wäre, da dieser nach Art. 33 Abs. 5 c) TKKodex nur der NRB gegenüber ergeht.136 Verbindlich für die Behörde ist dabei nicht 133 134 135 136
Vgl. Teil 2 D. IV. 2. c) aa). Schroeder, in: Streinz, AEUV, Art. 288 Rn. 29 und Rn. 33. Vgl. Teil 2 D. III. S. Teil 2 D. IV. 2. a) bb).
B. Regulierungsverfügung, § 13 Abs. 1 S. 1 TKG
143
nur der Normsatz gem. Art. 33 Abs. 5 c) TK-Kodex, den Maßnahmenentwurf zurückzuziehen, sondern auch die Auffassung der Kommission, ob und welche Zugangsverpflichtungen nach Art. 61 Abs. 3 TK-Kodex aufzuerlegen sind. Wäre der Beschluss jedoch für das nationale Gericht unverbindlich, könnte es von diesem abweichen und eine andere Beurteilung vornehmen. Diese Kollision wäre für die BNetzA nicht lösbar.137 Um diese Kollision zu lösen, könnten die Prüfungspunkte des Art. 61 Abs. 3 TK-Kodex einer Vollkontrolle durch das nationale Gericht entzogen und damit die Verfahrensautonomie diesbezüglich beschränkt werden. Je nachdem wie der nationale Gesetzgeber Art. 61 Abs. 3 TK-Kodex umsetzen wird, würde aus der Kontrollrücknahme ein Beurteilungsspielraum oder ein Regulierungsermessen folgen, wobei gegen letzteres das Fehlen jeglicher Abwägungsvorgaben im Sekundärrecht spricht. Die Vorgaben des Art. 61 Abs. 3 TK-Kodex stellen vielmehr eine Reihe unbestimmter Rechtsbegriffe dar, für deren Beurteilung Prognosen und Wertungen getroffen werden müssen. Eine weitergehende Rücknahme der Kontrolldichte von einer Vertretbarkeitskontrolle auf eine bloße Plausibilitätskontrolle ist hingegen nicht angezeigt.138 Dem Vetorecht der Kommission stünde nur eine eigene Abwägungsentscheidung des Gerichts entgegen, die bei der Vertretbarkeitskontrolle nicht erfolgt. Problematisch erscheint zwar, dass dann für alle Prüfungspunkte die gerichtliche Kontrolle zurückgenommen werden müsste. Das führt aber im Ergebnis nicht zu einer Ausweitung des Letztentscheidungsrechts der BNetzA. Das GEREK und die Kommission wirken durch die Leitlinien und das echte Vetorecht, bei dessen Anwendung konkrete Vorschläge zur Änderung vorzulegen sind,139 derart auf die Entscheidungsfindung der BNetzA ein, dass ihr faktisch kaum ein eigener Spielraum mehr verbleibt. Die BNetzA unterliegt vielmehr der legislativen Vorstrukturierung durch das Sekundärrecht und durch die Leitlinien und der Kontrolle durch die Kommission.140 Geht man hingegen davon aus, dass der Beschluss der Kommission auch für das nationale Gericht bindend wäre, bedürfte es im Wege des effet utile keiner Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte, da die Gefahr einer Kollission dann nicht bestünde.141 Diese Annahme entspricht jedoch nicht dem Wortlaut des Art. 288 Abs. 4 AEUV und einschlägiger Richtlinien.
137
Dazu bereits ausführlich unter Teil 3 A. II. 1. b) bb).; s. auch Teil 2 D. IV. 2. a) bb). Vgl. Teil 2 C. I. 139 Vgl. Art. 33 Abs. 5 c) HS. 1 a. E. TK-Kodex. 140 Insoweit kann auch von einer gewissen Stärkung der sachlich-inhaltlichen Legitimation ausgegangen werden, vgl. Wendel, Verwaltungsermessen, S. 295. 141 Vgl. Teil 2 D. IV. 2. a) bb). 138
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
c) Fazit zur Zugangsverpflichtung nach § 21 TKG Der Rechtsprechung zum Regulierungsermessen der BNetzA im Rahmen des § 21 TKG ist im Ergebnis zuzustimmen. Auf der einen Seite kommt dem nationalen Gesetzgeber kein Gestaltungsspielraum mehr bei der Umsetzung des Richtlinienrechts zu. Dies wird sich auch bei der Umsetzung des TK-Kodex nicht ändern. Jegliche gesetzlichen Vorgaben, ob durch formelles oder materielles Gesetz, die den von der Richtlinie vorgesehenen Entscheidungsspielraum der BNetzA einschränken würden, sind und bleiben unzulässig. Auch die Reduzierung der Kontrolldichte ist konsequent und notwendig, um das Unionsrecht effektiv durchzusetzen. Dass sich daraus die Figur des Regulierungsermessens entwickelt hat, ist der Trennung von Tatbestand und Rechtsfolge auf nationaler Ebene geschuldet. Diese Figur wird sich bei der Umsetzung des neuen Art. 72 TK-Kodex fortsetzen. Da eine derartige Abwägungsentscheidung im Rahmen des neuen Art. 61 Abs. 3 TK-Kodex nicht erforderlich ist, ist der BNetzA diesbezüglich zwar kein Regulierungsermessen, dafür aber eine Vielzahl von Beurteilungsspielräumen zuzusprechen. 2. Entgeltregulierung, § 30 TKG Neben den Zugangsgewährungsverpflichtungen unterliegen insbesondere die Entgelte für Zugangsleistungen der Entgeltregulierung nach §§ 27 ff. TKG. Hiervon zu unterscheiden und nicht Gegenstand der Arbeit ist die Entgeltregulierung für Endnutzerleistungen nach § 39 TKG, die nur dann vorgenommen werden kann, wenn die Verpflichtungen im Zugangsbereich nicht zur Erreichung der Regulierungsziele führen. In der Regulierungsverfügung nach § 13 TKG legt die BNetzA fest, ob die Entgelte des betroffenen Unternehmens nach § 30 TKG reguliert werden. Dabei handelt es sich um die Entscheidungen, ob die Zugangsentgelte überhaupt der Entgeltregulierung unterliegen sollen, sog. Entgeltregulierungspflicht,142 und ob sie einer ex ante- oder ex post-Entgeltregulierung unterliegen sollen, sog. Entgeltgenehmigungspflicht. Dagegen kann die BNetzA im Rahmen der Regulierungsverfügung nach § 13 TKG noch keine verbindlichen Angaben über anzuwendende Maßstäbe und Methoden für das Entgeltgenehmigungsverfahren nach §§ 31 ff. TKG machen. Ob die Entgelte kostenorientiert, anreizorientiert oder auf der Grundlage anderer Vorgehensweisen gebildet werden, kann aufgrund des mehrstufigen Verfahrens erst auf der dritten Stufe verbindlich entschieden werden, sog. Genehmigungsfähigkeit.143 142 Es handelt sich dabei um eine konstitutive Regulierungsentscheidung der BNetzA und nicht um eine Regulierung kraft Gesetzes, vgl. BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1367) Rn. 61; a. A. Bosch, Kontrolldichte, S. 356 zwar noch zur alten Rechtslage, die sich im Wortlaut „unterliegen“ aber nicht geändert hat. 143 BVerwG NVwZ-RR 2018, 932 (933 f.) Rn. 23; s. dazu Teil 3 C. I.
B. Regulierungsverfügung, § 13 Abs. 1 S. 1 TKG
145
Entscheidet sich die BNetzA für eine Entgeltregulierungspflicht, normiert § 30 TKG die Möglichkeiten der Entgeltregulierung. Entweder erfolgt eine ex anteEntgeltregulierung (Entgeltgenehmigungspflicht) oder eine ex post-Entgeltregulierung (Missbrauchskontrolle). Auch wenn der BNetzA grundsätzlich ein Auswahlermessen zwischen der ex ante- und der ex post-Regulierung eingeräumt wird,144 ergibt sich aus dem Wortlaut diesbezüglich eine Einschränkung. Nach § 30 Abs. 1 TKG unterliegen Entgelte von Unternehmen, denen eine Zugangsverpflichtung nach § 21 TKG auferlegt wurde, für entsprechend zu gewährende Zugangsleistungen grundsätzlich der ex ante-Regulierung, außer die ex post-Regulierung reicht aus, § 30 Abs. 1 S. 2 TKG.145 Entgelte für Zugangsleistungen von Unternehmen, denen keine Zugangsverpflichtung nach § 21 TKG auferlegt wurde, unterliegen nach § 30 Abs. 2 TKG grundsätzlich einer ex post-Regulierung, außer die ex ante-Regulierung ist gem. § 30 Abs. 2 S. 2 TKG erforderlich.146 Bei der ex ante-Entgeltregulierung ist eine Entgeltgenehmigung gem. § 31 TKG notwendig. Bei der ex post-Regulierung unterscheidet das Gesetz zwischen der „Vorabmissbrauchskontrolle“ nach § 38 Abs. 1 TKG (ex post-Entgeltregulierung i. w. S.) und der nachträglichen Überprüfung von Entgelten nach § 38 Abs. 2 bis Abs. 4 TKG (ex post-Entgeltregulierung i. e. S.) jeweils i. V. m. § 28 TKG.147 Bei der Vorabmissbrauchskontrolle müssen die Entgelte der BNetzA angezeigt werden; diese nimmt dann eine offenkundige Missbrauchskontrolle anhand der Maßstäbe des § 28 TKG vor. Im Fall der ex post-Entgeltregulierung i. e. S. sind die Entgelte von dem Betreiber nicht anzuzeigen, sondern der BNetzAwerden nachträglich Tatsachen bekannt, die eine Missbrauchskontrolle rechtfertigen. Dabei handelt sich um den geringsten Eingriff im Rahmen der Entgeltregulierung. Der BNetzA soll bei der Entscheidung über die Entgeltregulierungspflicht ein Entschließungsermessen zukommen, sodass auch ein vollständiger Verzicht auf eine Entgeltregulierung möglich sein soll.148 Zudem wird ihr für die Entscheidung, ob eine ex ante-Entgeltregulierung i. S. d. § 30 Abs. 2 S. 2 TKG „erforderlich“ ist oder eine ex post-Entgeltregulierung i. w. S. oder i. e. S. „ausreicht“ (§ 30 Abs. 1 S. 2 TKG) in mittlerweile ständiger Rechtsprechung ein Regulierungsermessen zugesprochen.149 144
Vgl. BT-Drs. 17/5707, S. 60. Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap. 3 Rn. 302; Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 14, Rn. 45; die Möglichkeit, zwischen ex ante- und ex post-Entgeltregulierung zu wählen, ging aus dem Wortlaut des TKG a. F. 2007 noch weniger hervor, vgl. dazu Kühling, in: BeckOK TKG, § 30 Rn. 26 ff. 146 Betreiber, denen eine Zusammenschaltungsverpflichtung nach § 18 TKG auferlegt wurde, bleiben außer Betracht. 147 Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap. 3 Rn. 305 ff. 148 BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1367) Rn. 63; a. A: noch Oster, Normative Ermächtigungen, S. 241 f. 149 Seit BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1367) Rn. 66; BVerwG NVwZ-RR 2012, 192 (193) Rn. 9 f.; das BVerfG hat sich zum Regulierungsermessen noch nicht geäußert; auch die viel 145
146
Teil 3: Telekommunikationsrecht
Das BVerwG begründet diese Auslegung des § 30 Abs. 1 TKG mit dem Unionsrecht.150 Da § 30 TKG den Art. 13 Zugangs-RL (jetzt: Art. 74 TK-Kodex) umsetze, sei im Einklang mit der Stellungnahme der Kommission vom 12.04.2005151 eine gesetzliche Vorstrukturierung des Ermessenspielraums der BNetzA in Bezug auf die Angemessenheit der aufzuerlegenden Entgeltregulierungsverpflichtung unzulässig. Die Entscheidung über die Vornahme einer Entgeltregulierung wurde durch die Richtlinie der NRB übertragen, die dabei nach Art. 8 Abs. 4 Zugangs-RL (jetzt: Art. 68 Abs. 2 und Abs. 4 TK-Kodex) den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten habe. Weil nach Auffassung des Gerichts eine Entgeltgenehmigungspflicht [gemeint ist: Entgeltregulierungspflicht] kraft Gesetzes europarechtswidrig sei, könne die BNetzA in allen Fällen des § 30 Abs. 1 TKG über das „Ob“ und das „Wie“ der Entgeltregulierung entscheiden, was zu einer Reduzierung der Kontrolldichte führe.152 Diese Entscheidung schließe die Entscheidung über die Regulierung ex ante oder ex post mit ein.153 Es liege auch im Regulierungsermessen der BNetzA, ob sie eine Vorabmissbrauchskontrolle durchführt oder die Entgelte der ex post-Regulierung i. e. S. unterwirft. In der Literatur findet insbesondere der Ansatz, dass auch ein Entgeltregulierungsverzicht möglich sein muss, Zustimmung.154 Hergeleitet wird die Möglichkeit des Verzichtes im Schrifttum aber nicht aus der richtlinienkonformen Auslegung des § 30 Abs. 1 TKG, sondern aus einer unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 8 Abs. 1, 13 Abs. 1 Zugangs-RL (jetzt: Art. 68 Abs. 1, 74 TK-Kodex). Kritiker geben zu bedenken, dass zumindest eine ex post-Entgeltregulierung als mildestes Mittel zur Anwendung kommen müsse.155 Das Unionsrecht fordert sowohl für die Entscheidung über die Entgeltregulierungspflicht als auch über die Entgeltgenehmigungspflicht eine Letztentscheidungsbefugnis der BNetzA, was ein Verbot legislativer Vorstrukturierung (a)) und eine Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte (b)) zur Folge hat.
zitierte Entscheidung BVerfG NVwZ 2012, 694 billigte nur den vom BVerwG angenommenen einheitlichen Beurteilungsspielraum bzgl. der Marktdefinition und -analyse, ging aber nicht auf das vom BVerwG in der angegriffenen Entscheidung bejahende Regulierungsermessen ein. 150 Während der Wortlaut des § 21 TKG ausdrücklich das Entschließungsermessen der BNetzA regelt und damit die Richtlinienvorgaben korrekt umsetzt, spricht § 30 TKG davon, dass Entgelte der ex ante- oder ex post-Regulierung unterliegen. Ein Entschließungsermessen bzgl. des „Ob“ der Entgeltregulierung kann hier nicht ohne Weiteres hineingelesen werden. 151 Eindeutig Kommission, Stellungnahme v. 12.04.2005, C (2005) 1196, S. 10 im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2004/2221. 152 BVerwG NVwZ 2008, 1359 (1367) Rn. 63; BVerwG NVwZ 2010, 1359 (1365) Rn. 42. 153 Zustimmend etwa Kühling, in: BeckOK TKG, § 30 Rn. 41; Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 30 Rn. 8 und Rn. 20; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 244 f.; Ludwigs, JZ 2009, 290 (296 f.); Koenig/Busch, CR 2010, 357 (362). 154 Stellvertretend Gramlich, in: Gramlich/Manger-Nestler, Regulierungsstrukturen, S. 83; Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 30 Rn. 21. 155 Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap. 3 Rn. 299 f.
B. Regulierungsverfügung, § 13 Abs. 1 S. 1 TKG
147
a) Gesetzliche Vorgaben Aus Art. 74 Abs. 1 UAbs. 2 und UAbs. 3 TK-Kodex ergibt sich eindeutig, dass von einer Preiskontrollverpflichtung abgesehen werden können muss. Die Entscheidung über das „Ob“ der Angemessenheit einer Preiskontrollverpflichtung kommt nach dem Wortlaut auch explizit der NRB zu. Dementsprechend ist der h. M. zuzustimmen, dass ein Entgeltregulierungsverzicht möglich sein muss.156 Dabei ist der Rechtsprechung zu folgen, dass § 30 Abs. 1 TKG richtlinienkonform auslegungsfähig ist; eine unmittelbare Anwendung des Unionsrechts ist mithin nicht notwendig.157 Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 S. 1 TKG, der im Zusammenspiel mit § 30 TKG gelesen werden muss. Darin heißt es, „soweit die BNetzA Verpflichtungen nach […] § 30 [TKG] auferlegt […]“,158 was vor dem europarechtlichen Hintergrund bedeutet, dass auch die Möglichkeit besteht, keine Verpflichtung nach § 30 TKG aufzuerlegen. Weil der nationale Gesetzgeber daher nicht vorgeben kann, wann eine Entgeltregulierung stattzufinden hat, wäre es wünschenswert das Entschließungsermessen im Zuge der Umsetzung des TK-Kodex ausdrücklich in das Gesetz mit aufzunehmen.159 Während das Sekundärrecht zu den möglichen Zugangsverpflichtungen eine Vielzahl von detaillierten Vorgaben enthält, ist die Befugnis der NRB in Art. 74 TKKodex zur Preiskontrollverpflichtung offener und mit einer geringeren Regelungsdichte ausgestaltet. Das Unionsrecht enthält keine konkreten Vorgaben dazu, ob und wann eine ex ante- oder ex post-Entgeltregulierung erfolgen soll.160 Die in Art. 74 TK-Kodex enthaltenen Regelungen zu Kostenrechnungsmethoden, Tarifsystemen und kostenorientierten Preise beziehen sich zwar auf eine ex ante-Entgeltregulierung; der Oberbegriff Preiskontrolle umfasst aber sowohl die ex ante-, als auch die ex post-Regulierung.161 Zudem ist die Preiskontrolle an den Maßstäben des Art. 68 Abs. 2 und Abs. 4 TK-Kodex auszurichten, sodass sie nur in erforderlichem Umfang auferlegt werden darf.162 Die ex post-Entgeltregulierung kann demnach das 156 „Die nationale Regulierungsbehörde [muss] die Befugnis erhalten, nicht aber durch nationales Recht verpflichtet werden, Betreibern in bestimmten Fällen Verpflichtungen zur Preiskontrolle aufzuerlegen.“, Kommission, Stellungnahme v. 12.04.2005, C (2005) 1196, S. 8 und S. 10 im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2004/2221. 157 Zum Verhältnis vgl. Teil 1 C. I. 158 Hervorhebung durch Verfasserin. 159 Der aktuelle Referentenentwurf zum TKMoG schafft mit § 36 Abs. 1 TKMoG-E hierzu Abhilfe. 160 Kühling, in: BeckOK TKG, § 30 Rn. 5; vgl. auch Fetzer, in: Arndt/Fetzer/Scherer/ Graulich, TKG, § 30 Rn. 4; auch der EuGH geht davon aus, dass die in Art. 74 Abs. 1 TKKodex aufgezählten Verpflichtungen nicht abschließende Beispiele darstellen, vgl. EuGH, Urt. v. 14.01.2016, Rs. C-395/14 (Vodafone) = MMR 2017 318 (319) Rn. 41. 161 So auch Geppert/Berger-Kögler, in: BeckOK TKG, § 38 Rn. 20; Schütz/Neumann, in: BeckOK TKG, § 28 Rn. 4; Gosse, Gesetzliche Vermutungen, S. 279; a. A. Kleinlein/Schubert, K&R 2017, 270 (272). 162 Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 30 Rn. 7.
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mildere Mittel darstellen. Mangels strikter Vorgaben verbleibt der Gestaltungsspielraum bei den Mitgliedstaaten, sowohl eine ex ante- als auch eine ex post-Regulierung vorzusehen,163 was im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aber auch geboten ist. Nicht in den Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten wiederum fällt die Entscheidung, in welchen Fällen welche Regulierungsmethode angewendet wird. Diese Entscheidung, welche Verpflichtungen gem. Art. 68 Abs. 2 und Abs. 4 TK-Kodex verhältnismäßig sind und damit eine Auswahl zwischen der Vorabregulierung und der nachträglichen Regulierung zu treffen, obliegt der BNetzA.164 Dass der Wortlaut des § 30 TKG zwischen der regelmäßigen ex anteRegulierung nach Absatz 1 und der regelmäßigen ex post-Regulierung nach Absatz 2 unterscheidet, ist unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass die gesetzlichen Vorgaben ergebnisoffen sind. Andernfalls läge eine unzulässige gesetzliche Vorstrukturierung vor.165 b) Gerichtliche Kontrolle Das allgemeine Konsolidierungsverfahren nach Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex mit der Interventionsmöglichkeit der Kommission im Abstimmungsverfahren nach Art. 33 TK-Kodex ist bei der Entgeltregulierung in gleicher Weise anwendbar wie bei der Auferlegung von Zugangsverpflichtungen.166 Der Sinn und Zweck des Konsolidierungsverfahrens, nämlich die kohärente Anwendung des Unionsrechts unter weitest möglicher Flexibilität sowie situativer und dynamischer Reaktionsmöglichkeiten der Behörden, würde durch eine gerichtliche Vollkontrolle entwertet werden. Das unechte Vetorecht der Kommission würde leerlaufen. Daraus ergibt sich, dass trotz grundsätzlicher Verfahrensautonomie dem nationalen Gericht nicht die Letztentscheidungsbefugnis über das „Ob“ und „Wie“ der Entgeltregulierung zukommen kann. Bei der Entscheidung, ob eine Entgeltregulierung auferlegt wird und ob eine ex ante-Regulierung im Sinne des TK-Kodex gerechtfertigt ist oder eine ex post-Regulierung ausreichen würde, hat die BNetzA zu prüfen, ob der Betreiber aufgrund des Mangels an wirksamen Wettbewerb seine Preise zum Nachteil der Endnutzer auf einem übermäßig hohen Niveau halten oder Preisdiskrepanzen praktizieren könnte (Art. 74 Abs. 1 UAbs. 1 TK-Kodex) und ob die Entgeltregulierung verhältnismäßig (Art. 68 Abs. 2 und Abs. 4 TK-Kodex) ist. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit 163
Nichtsdestotrotz sieht die Kommission das Mittel der ex post-Regulierung hinsichtlich einer geeigneten und wirksamen Abhilfemaßnahme kritisch, vgl. Geppert/Berger-Kögler, in: BeckOK TKG, § 38 Rn. 19. 164 Kommission, Stellungnahme v. 12.04.2005, C (2005) 1196, S. 14 im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2004/2221. 165 Vgl. Kommission, Stellungnahme v. 12.04.2005, C (2005) 1196, S. 8 f. im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2004/2221 zu den unzulässigen Vorgaben in § 30 TKG a. F. 2004; a. A. Geppert/Berger-Kögler, in: BeckOK TKG, § 38 Rn. 17. 166 S. Teil 3 B. II. 1. b).
B. Regulierungsverfügung, § 13 Abs. 1 S. 1 TKG
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stellt die Richtlinie weitere Kriterien nach Art. 74 Abs. 1 UAbs. 2 TK-Kodex auf, die in eine Abwägung mit einzubeziehen sind. Hier treffen abermals Beurteilungsspielräume und eine Abwägungsentscheidung aufeinander, sodass das BVerwG zurecht von einem Regulierungsermessen ausgeht. Eine über die Vertretbarkeitskontrolle hinausgehende Reduzierung der Kontrolldichte ist aber auch an dieser Stelle nicht geboten. c) Fazit zur Entgeltregulierung nach § 30 TKG Im Ergebnis ist der ständigen Rechtsprechung des BVerwG, dass der BNetzA auch bei der Entscheidung über die Entgeltregulierung im Rahmen der Regulierungsverfügung nach §§ 13, 30 TKG ein Regulierungsermessen zukommt, zuzustimmen. Dies betrifft sowohl die Frage über das „Ob“ als auch über das „Wie“ der Entgeltregulierung. Gesetzliche Vorgaben sind hier zwar grundsätzlich möglich, da nach Art. 74 TK-Kodex den Mitgliedsstaaten vereinzelt ein Gestaltungsspielraum verbleibt. Für die konkreten Entscheidungen, ob und welche Entgeltregulierung durchzuführen ist, darf das unionsrechtlich vorgegebene Ermessen der BNetzA aber nicht gesetzlich eingeschränkt werden. Insoweit ist trotz der Anpassung des § 30 TKG der Wortlaut missverständlich. Die Unterscheidung, ob einem Unternehmen eine Zugangsverpflichtung nach § 21 TKG auferlegt wurde oder nicht, sollte gestrichten werden, da die BNetzA in jedem Fall über das „Ob“ und „Wie“ der Entgeltregulierung entscheidet. Eine sich strikt am derzeitigen Wortlaut orientierende Auslegung, dass bei Zugangsverpflichtungen grundsätzlich die ex ante-Regulierung und ansonsten grundsätzlich die ex post-Regulierung greift, würde eine unzulässige Vorstrukturierung darstellen.167 Es wäre wünschenswert im Zuge der Umsetzung des TK-Kodex den missverständlichen Wortlaut des § 30 TKG zu ändern.168 Da die Merkmale, ob ein Betreiber seine Preise zum Nachteil der Endnutzer auf einem übermäßig hohen Niveau halten oder Preisdiskrepanzen praktizieren könnte sowie welche Maßnahme im konkreten Fall verhältnismäßig ist, im Abstimmungsverfahren nach Art. 32 Abs. 3, 33 TK-Kodex überprüft werden können, würde eine gerichtliche Vollkontrolle das unechte Vetorecht der Kommission untergraben. Entsprechend ist eine Reduzierung der Kontrolldichte vorzunehmen.
167 Obwohl mit der Gesetzesänderung 2012 die Entscheidung, ob eine ex ante- oder eine ex post-Regulierung vorgenommen werden soll, vollständig in das Ermessen der BNetzA gestellt werden sollte, BT-Drs. 17/5707, S. 60, ergibt sich das aus dem gefassten Wortlaut nicht ohne Weiteres, vgl. Kühling, in: BeckOK TKG, § 30 Rn. 20. 168 Der aktuelle Referentenentwurf zum TKMoG schafft insoweit Abhilfe, da nach § 36 Abs. 1 TKMoG-E die Entscheidung der BNetzA, ob und wie die Entgelte reguliert werden sollen, nun ausdrücklich ins „Ermessen“ der BNetzA stellt.
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
3. Fazit zum Regulierungsermessen Der BNetzA ist im Rahmen der Regulierungsverfügung nach § 13 Abs. 1 S. 1 TKG ein Regulierungsermessen sowohl für das „Ob“ als auch für das „Wie“ der Zugangs- und Entgeltregulierung zuzugestehen. Dies ergibt sich aus den detaillierten unionsrechtlichen Vorgaben, die nach deutscher Dogmatik eine Vielzahl von unbestimmten Rechtsbegriffen und Abwägungsentscheidungen enthalten. Durch die Zuweisung an die BNetzA wird auf der einen Seite der Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers derart eingeschränkt, dass kaum legislative Vorstrukturierungen mehr möglich sind. Auf der anderen Seite führt das allgemeine Konsolidierungsverfahren nach Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex in Verbindung mit dem unechten Vetorecht der Kommission im anschließenden Abstimmungsverfahren nach Art. 33 Abs. 5 a) TK-Kodex zur zwingenden Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte. Bei den neu einzufügenden Zugangsverpflichtungen gem. Art. 61 Abs. 3 TK-Kodex kann das echte Vetorecht der Kommission nach Art. 33 Abs. 5 c) TK-Kodex als Begründung für die Kontrolldichtereduzierung herangezogen werden. Während in dem Fall, dass der Kommission ein echtes Vetorecht zusteht, der BNetzA faktisch kein Spielraum verbleibt, kann in den Fällen des unechten Vetorechts von echten Letztentscheidungsbefugnissen der BNetzA gesprochen werden. Diese werden unter dem Begriff des Regulierungsermessens zusammengefasst. Die Rechtsprechung beschränkt sich auf eine Abwägungskontrolle.169 Das Ergebnis ist auch im Hinblick darauf, dass es sich um eine Regulierungsverfügung handelt, die als einheitliche Maßnahme das gesamte Konsultations- und Konsolidierungsverfahren durchläuft, konsequent. Würde an der einen Stelle ein Spielraum zuerkannt werden, an einer anderen Stelle aber nicht, würde ein einheitlicher Lebensvorgang auseinandergerissen und künstlich isoliert voneinander betrachtet werden. Sinn und Zweck des einheitlichen Verfahrens ist es gerade, verschiedene zur Verfügung stehende Maßnahmen auf ihre Verhältnismäßigkeit im konkreten Fall zu untersuchen und abzustimmen.
III. Fazit zur Regulierungsverfügung Auch wenn der BNetzA kein generelles Entschließungsermessen dahingehend zukommt, ob sie überhaupt eine Regulierungsverfügung erlässt, steht ihr dennoch ein umfassender Auswahl- und Ausgestaltungsspielraum bezüglich der einzelnen möglichen Verpflichtungen zu. Dies gilt insbesondere für die Zugangsverpflichtungen und die Entgeltregulierung. Die BNetzA hat in einem unionsweiten Konsolidierungs- und Abstimmungsverfahren die im konkreten Fall verhältnismäßige(n) Maßnahme(n) zu ergreifen und die unionsrechtlich vorgegebenen Voraussetzungen zu überprüfen. Aufgrund der konkreten Vorgaben und der direkten Zuweisung der Befugnis an die BNetzA kommt dem nationalen Gesetzgeber kaum mehr ein Ge169
Vgl. Teil 2 C. V.
C. Dritte Stufe der Regulierung
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staltungsspielraum zu. Er kann insbesondere die Entscheidung nicht vorstrukturieren, da andernfalls die Behörde im unionsweiten Konsolidierungs- und Abstimmungsverfahren bereits gebunden und dieses seinen Sinn und Zweck nicht erfüllen könnte. In gleicher Weise findet auch eine gerichtliche Vollkontrolle nicht statt. Eine Absenkung des Kontrollniveaus ist aber nicht angezeigt, vielmehr hindert die Vertretbarkeitskontrolle nicht die effektive Durchsetzung des Unionsrechts. Der nationale Gesetzgeber hat diese Vorgaben im Großen und Ganzen zutreffend umgesetzt; die Rechtsprechung hat die richtigen Schlüsse daraus gezogen. Dennoch sind insbesondere die Vorgaben des § 30 TKG noch missverständlich, was im Zuge der Umsetzung des TK-Kodex angepasst werden sollte.
C. Dritte Stufe der Regulierung Bei der Regulierung im Telekommunikationsrecht handelt es sich um ein mehrstufiges Verfahren.170 Nach der Durchführung einer Marktdefinition und -analyse auf der ersten Stufe und dem Erlass einer Regulierungsverfügung auf der zweiten Stufe, schließt sich auf der dritten Stufe ggf. das Entgeltgenehmigungsverfahren nach §§ 31 ff. TKG (I.) sowie ggf. eine Zugangsanordnung nach § 25 TKG (II.) an.171 Unterliegen die Entgelte hingegen der ex post-Regulierung kommen der BNetzA die Befugnisse aus § 38 TKG zu (III.).
I. Entgeltgenehmigungsverfahren, §§ 31 ff. TKG Während bei der Frage der Entgeltgenehmigungspflicht im Rahmen der Regulierungsverfügung über das „Ob“ und „Wie“ der Entgeltregulierung befunden wird,172 werden im Entgeltgenehmigungsverfahren die Entgelte anhand von Maßstäben und Methoden, die durch die BNetzA festgelegt werden, auf ihre Genehmigungsfähigkeit überprüft. Dabei hat die BNetzA zwischen den verschiedenen im TKG vorgesehenen Verfahren und Preiskontrollmaßstäben zu wählen (1.). Diese Arbeit beschränkt sich auf die kostenorientierte Entgeltbildung im Rahmen des Einzelgenehmigungsverfahrens nach § 31 Abs. 1 S. 1 TKG (2.) und auf die anreizorientierte Entgeltbildung im Rahmen des Price-Cap-Verfahrens nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TKG (3.). Zudem werden die Methoden zur Überprüfung der Unternehmenskosten untersucht (4.). Im Folgenden wird zunächst dargestellt, welche Entscheidungsbefugnisse der BNetzA dabei zukommen und inwieweit ihr Letztentscheidungsbefugnisse eingeräumt werden. Diese ausgewählten Bereiche werden dann daraufhin überprüft, ob 170 171 172
Vgl. BVerwG NVwZ-RR 2016, 952 Rn. 20. BVerwG NVwZ-RR 2018, 932 (934) Rn. 27. Dazu Teil 3 B. II. 2.
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
auch hier das Unionsrecht, insbesondere die Einbindung der BNetzA in den europäischen Regulierungsverbund, zu einer Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte führt (5.). 1. Auswahl von Verfahren und Preiskontrollmaßstab, § 31 TKG Die ex ante-Kontrolle erfolgt gem. § 31 Abs. 1 TKG durch Genehmigung der Entgelte. Das TKG sieht hierbei verschiedene Verfahren und auch verschiedene materielle Anforderungen an die Entgelte (Preiskontrollmaßstäbe) vor.173 Die BNetzA kann grundsätzlich zwischen dem Einzelgenehmigungsverfahren nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TKG und dem Price-Cap-Verfahren nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TKG wählen. Im Einzelgenehmigungsverfahren sind die Entgelte auf der Grundlage der auf die einzelnen Dienste entfallenden Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung (KeL) zu bilden, die sich aus den langfristigen zusätzlichen Kosten der Leistungsbereitstellung (LRIC), den Gemeinkosten und einer angemessenen Verzinsung ergeben, §§ 30 Abs. 1 S. 1 oder Abs. 2 S. 2, 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 32 TKG (dazu genauer unter 2.). Im Price-Cap-Verfahren nach §§ 30 Abs. 1 S. 1 oder Abs. 2 S. 2, 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 33 TKG werden die Entgelte hingegen anreizorientiert gebildet (dazu genauer unter 3.). Daneben sind die Möglichkeiten einer Abschlagsmethode nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 TKG oder anderer Vorgehensweisen gem. § 31 Abs. 2 Nr. 2 TKG vorgesehen. Eine andere Vorgehensweise i. d. S. würde insbesondere die sog. PURE-LRIC-Methode darstellen, bei der keine Deckung von verkehrsunabhängigen (Gemein-) Kosten erfolgen würde174 und die von der Kommission für Festnetz- und MobilfunkZustellungsentgelte175 empfohlen wird.176 Nach Ansichten in der Literatur soll die Entscheidung, ob die Entgelte nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 TKG gebildet werden, im Auswahlermessen der BNetzA stehen.177 Für einen Beurteilungsspielraum oder ein Regulierungsermessen sei im Rahmen des § 31 Abs. 1 TKG mangels unbestimmter Rechtsbegriffe und Abwä173 Es handelt sich um eine Vermengung von verfahrens- und materiell-rechtlichen Regelungen, s. Lünenbürger/Hölscher/Stamm, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 31 Rn. 1. 174 Vgl. Kühling, in: BeckOK TKG, § 31 Rn. 5 und Rn. 46; Lünenbürger/Hölscher/Stamm, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 31 Rn. 43; Ludwigs, in: Säcker/Schmidt-Preuß, Grundsatzfragen, S. 271; Neumann, N&R 2018, 111 (118); der KeL-Maßstab nach § 32 TKG dagegen beinhaltet gerade die Gemeinkosten, s. auch unter Teil 3 C. I. 2. 175 Im Rahmen der Umsetzung des TK-Kodex wird die Kommission gem. Art. 75 TKKodex durch delegierten Rechtsakt unionsweit einheitliche und verbindliche maximale Festnetz- und Mobilfunkzustellungsentgelte festlegen, womit die Empfehlung 2009/396/EG an Bedeutung verlieren wird, vgl. auch Neumann, N&R 2018, 111 (119). 176 Vgl. Nr. 1, Nr. 2 und 6 der Empfehlung 2009/396/EG der Kommission vom 07.05.2009 über die Regulierung der Festnetz- und Mobilfunk-Zustellungsentgelte. 177 Lünenbürger/Hölscher/Stamm, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 31 Rn. 6; Bosch, Kontrolldichte, S. 322; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 248.
C. Dritte Stufe der Regulierung
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gungsdirektiven kein Raum.178 Die Rechtsprechung geht grundsätzlich davon aus, dass die Vorgehensweisen nach § 31 Abs. 1 TKG vorrangig seien, denn die BNetzA genehmige abweichend hiervon die Entgelte nach anderen Vorgehensweisen gem. § 31 Abs. 2 Nr. 2 TKG nur, wenn sie besser geeignet sind, die Regulierungsziele nach § 2 TKG zu erreichen (sog. „Superioritäts-Test“).179 Das BVerwG hat nun entschieden, dass der BNetzA in Bezug auf die Auslegung des [gemeint ist: Subsumtion unter den]180 Superioritäts-Test[s] ein Beurteilungsspielraum zustünde.181 Begründet wird dies mit dem Erfordernis einer Abwägungsentscheidung, des komplexen Prüfprogramms, der ökonomischen Wertungen und Prognosen sowie des förmlichen Beschlusskammerverfahrens und der besonderen Begründungspflicht nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 TKG.182 Ein allumfassendes Regulierungsermessen bei der Anwendung des § 31 TKG kommt der BNetzA auch nach der neusten Rechtsprechung des BVerwG nicht zu.183 Unionsrechtliche Überlegungen stellte das BVerwG in diesem Kontext nicht an. Anders begründete noch die Vorinstanz die Herleitung des Beurteilungsspielraums aus den Vorgaben der europäischen Richtlinien.184 Nach Ansicht des VG Köln sei Art. 13 Zugangs-RL (jetzt: Art. 74 TKKodex) auf Entgeltgenehmigungen anwendbar, enthalte aber keine abschließende Regelung über die anzuwendenden Maßstäbe. Die Auswahlentscheidung stehe deshalb im „regulatorischen Ermessen“ der BNetzA, der auf nationaler Ebene einen Beurteilungsspielraum darstelle.185 Das Unionsrecht fordert zwar einen Spielraum der BNetzA bei der Auswahlentscheidung in § 31 Abs. 1 und Abs. 2 TKG, sodass der nationale Gesetzgeber insoweit keine einschränkenden Vorgaben machend darf (a)). Allerdings ergibt die Auslegung des Unionsrechts an dieser Stelle nicht zwingend auch eine Kontrolldichtereduzierung (b)).
178
Stamm, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 33 Rn. 7. BVerwG NVwZ-RR 2018, 932 (935) Rn. 31 m. w. N. 180 Zum Unterschied s. Teil 2 C. III. 181 BVerwG NVwZ-RR 2018, 932 (937) Rn. 47 f. im Anschluss an VG Köln MMR 2017, 428 (432) Rn. 90; ablehnend Kühling, in: BeckOK TKG, § 31 Rn. 48. 182 Die Subsidiarität der Abschlagsmethode nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 TKG ergibt sich daraus, dass sie vom Tatbestand her nur Anwendung findet, wenn eine Zugangsverpflichtung nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 TKG auferlegt wurde, vgl. Lünenbürger/Hölscher/Stamm, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 31 Rn. 26; insofern erübrigt sich aufgrund des eingegrenzten Anwendungsbereich auch eine besondere Begründungspflicht. 183 BVerwG NVwZ-RR 2018, 932 (933) Rn. 21 erteilte damit eine Absage an VG Köln MMR 2017, 428 (430) Rn. 79. 184 VG Köln MMR 2017, 428 (432) Rn. 95 ff. 185 VG Köln MMR 2017, 428 (432) Rn. 104. 179
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
a) Gesetzliche Vorgaben Art. 74 TK-Kodex enthält keine Vorgaben zum anzuwendenden Verfahren und zum anzuwendenden Preiskontrollmaßstab.186 Damit besteht ein Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Norm. Dabei muss die Preiskontrolle nicht zwingend anhand des Kostenorientierungsmaßstabs erfolgen, da das Unionsrecht eine diesbezügliche Einschränkung nicht enthält.187 Art. 74 Abs. 1 TKKodex sieht lediglich vor, dass die NRB eine Preiskontrolle, einschließlich kostenorientierter Preise, auferlegen kann. Es handelt sich dabei um ein nicht abschließendes Beispiel. Dies zeigt auch der Erwägungsgrund 20 der Zugangs-RL, wonach die Preiskontrolle „relativ zurückhaltend sein“ kann (z. B. durch die Verpflichtung, „angemessene“ Preise zu generieren), „aber auch sehr viel weitergehen [kann] und etwa die Auflage beinhalten [kann], dass die Preise […] kostenorientiert sein müssen“. Es obliegt damit dem nationalen Gesetzgeber die möglichen Verfahren und Maßstäbe für die Preisbildung im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben festzulegen. Allerdings sieht auch Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex ausdrücklich vor, dass die NRB darüber entscheidet, ob und welche Verpflichtungen betreffend die Kostendeckung und die Preiskontrolle dem Unternehmen auferlegt werden. Diese Entscheidung, welche Verpflichtungen gem. Art. 68 Abs. 2 und Abs. 4 TK-Kodex verhältnismäßig sind obliegt der BNetzA. Ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH zu § 9a TKG a. F. und der Stellungnahme der Kommission im Vertragsverletzugnsverfahren Nr. 2004/2221 muss der nationale Gesetzgeber die Entscheidung darüber, welcher Maßstab im konkreten Fall angewendet wird, der NRB überlassen.188 Das bedeutet, dass eine legislative Vorstrukturierung dahingehend, welche der vorgesehenen Kostenmaßstäbe vorrangig oder regelmäßig anzuwenden sind, unzulässig ist. Insoweit ist der Wortlaut des § 31 TKG misslungen. Es entsteht der Eindruck, dass die Maßstäbe nach § 31 Abs. 1 TKG vorrangig wären.189 Dies würde aber bedeuten, dass der Gesetzgeber das Ermessen der BNetzA in unzulässiger Weise 186
Lünenbürger/Hölscher/Stamm, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 31 Rn. 4; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 248. 187 Kühling, in: BeckOK TKG, § 31 Rn. 4; Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 28 Rn. 2; Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen, S. 194; Neumann/Sickmann/Alkas/ Koch, Reformbedarf, S. 139 f.; Neumann, N&R 2018, 111 (117); a. A. wohl Lünenbürger/ Hölscher/Stamm, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 31 Rn. 4; Berger-Kögler/Cornils, in: BeckOK TKG, § 35 Rn. 3. 188 Allgemein Kommission, Stellungnahme v. 12.04.2005, C (2005) 1196, S. 7 ff. im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2004/2221; auch der EuGH leitet aus Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex erneut einen „weiten Ermessensspielraum“ der NRB in Bezug auf die Wahl der im jeweiligen Fall aufzuerlegenden Preiskontrollmaßnahmen her, s. EuGH, Urt. v. 20.12.2017, C-277/16 (Polkomtel) = NVwZ 2018, 1039 (1040) Rn. 32. 189 So BVerwG NVwZ-RR 2018, 932 (935) Rn. 31; BNetzA, Konsultationsentwurf, BK 3c19 – 001, S. 25 f.; Kühling, in: BeckOK TKG, § 31 Rn. 36.
C. Dritte Stufe der Regulierung
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vorstrukturiert habe. Dies war vom Gesetzgeber sichtlich nicht gewollt, da es ausweislich der Gesetzesbegründung im Ermessen der BNetzA liegt, auch die in § 31 Abs. 2 TKG genannten Maßstäbe heranzuziehen, wenn diese besser geeignet sind, die Regulierungsziele zu erreichen.190 Diese Begründung entspricht den Vorgaben der Richtlinie, da nach Art. 74 Abs. 1, 68 Abs. 2 und Abs. 4 TK-Kodex die BNetzA die Maßnahmen stets auf ihre Verhältnismäßigkeit hin zu überprüfen hat und die (bessere bzw. beste) Eignung im Hinblick auf die Regulierungsziele grundsätzlich Voraussetzung einer Abhilfemaßnahme ist. Nach alldem sind die in § 31 Abs. 1 und Abs. 2 TKG vorgesehenen Maßstäbe als gleichranging zu behandeln und die Entscheidung im konkreten Fall der BNetzA zu überlassen.191 Es ist mithin fehlerhaft, wenn die BNetzA von einer gesetzlichen Vorprägung des KeL-Maßstabes ausgeht und deshalb keine Abwägung zwischen den verschiedenen Varianten vornimmt, weil sie dem „gesetzlichen Regelmodell“ folgt.192 b) Gerichtliche Kontrolle Die Aussagen des EuGH und der Kommission zum Ermessen der NRB betreffen aber nur das Verhältnis zur Legislative.193 Eine Rücknahme der Kontrolldichte ist damit noch nicht notwendigerweise verbunden; vielmehr bleibt es bei der Verfahrensautonomie, wenn die Auslegung des Unionsrechts nichts anderes ergibt. Das nationale Gericht träfe dann abschließend die Entscheidung darüber, welcher der Maßstäbe im konkreten Fall am verhältnismäßigsten ist. Gegen eine Reduzierung der Kontrolldichte spricht eine Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2016 im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens.194 Das vorlegende Gericht wollte wissen, ob es (1) erstens bei der Beurteilung, welche Preiskontrollmaßnahme im konkreten Fall angemessen ist, von der Empfehlung 2009/396/EG der Kommission abweichen darf und (2) zweitens ob es dem nationalen Gericht gestattet ist, die Verhältnismäßigkeit der Verpflichtung der NRB zu beurteilen.
190
BT-Drs. 17/5707, S. 62. So auch Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 30 Rn. 35; vgl. bereits Oster, Normative Ermächtigungen, S. 248, obwohl in § 32 TKG a. F. 2004 die Möglichkeiten der Abschlagsmethode und anderer Vorgehensweisen noch nicht vorgesehen war. 192 Vgl. BNetzA, Konsultationsentwurf, BK 3c-19 – 001, S. 26; so auch Kleinlein/Schubert, N&R 2017, 270 (273); kritisch auch Neumann, N&R 2019, 152 (155) Fn. 63. 193 Kühling, in: BeckOK TKG, § 31 Rn. 46; Proelss, AöR 2011, 402 (423); Gärditz, Die Verwaltung 2013, 257 (272). 194 EuGH, Urt. v. 15.09.2016, C-28/15 (Niederlande) = MMR 2017, 315. 191
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Insbesondere im zweiten Teil der Entscheidung klingt an, dass das nationale Gericht, das gem. Art. 31 Abs. 1 TK-Kodex über angemessenen Sachverstand verfügen muss, eine eigene Verhältnismäßigkeitsprüfung am Maßstab der Art. 68 Abs. 2 und Abs. 4, 74 Abs. 1 TK-Kodex durchführen kann. Das nationale Gericht habe sicherzustellen, dass die NRB den Anforderungen der Art. 68 Abs. 2 und Abs. 4, 74 Abs. 1 TK-Kodex genügt,195 insbesondere dürfe es in dem konkreten Fall einen anderen Kostenmaßstab als den von der NRB gewählten PURE-LRIC für angemessen erachten.196 Diese Entscheidung des EuGH spricht dafür, dass die Kontrolle der Behördenentscheidung der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten unterliegt und dass sich das Ermessen der Behörde gegenüber dem Gesetzgeber nicht auf die Judikative erstreckt. Gegen eine durch Unionsrecht vorgegebene Reduzierung der Kontrolldichte spricht der in dieser Entscheidung angeklungene Art. 31 Abs. 1 TK-Kodex. Nicht, weil effektiver Rechtsschutz nur durch eine gerichtliche Vollkontrolle erreicht werden würde,197 sondern weil vorausgesetzt wird, dass die Stelle, die die Entscheidungen der BNetzA überprüft, über „angemessenen Sachverstand verfügen“ muss. Das spricht jedenfalls dafür, dass das Gericht eigene Abwägungsentscheidungen, Wertungen oder Prognosen treffen können muss und insoweit nicht die Entscheidung letztverbindlich der Behörde überlassen muss. Allerdings führt die Auslegung des Sekundärrechts zu keinem eindeutigen Ergebnis. Der EuGH stellte einzig fest, dass das nationale Gericht in der Lage sein muss, die Entscheidung der BNetzA daraufhin zu überprüfen, ob die Verhältnismäßigkeit gewahrt wurde. Dies ist aber ebenso mit einer Gerichtskontrolle möglich, die keine Vollkontrolle darstellt. Auch bei der Vertretbarkeitskontrolle wird die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme überprüft, insbesondere ob alle Gesichtspunkte ermittelt und sowohl objektiv als auch relativ richtig gewichtet wurden.198 c) Fazit zu § 31 Abs. 1 TKG Die Herleitung des Beurteilungsspielraums durch das VG Köln nur mit der Begründung, es liege nach Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex im regulatorischen Ermessen der NRB den Kostenmaßstab zu bestimmen, ist fehlerhaft, da dieses Ermessen nur das Verhältnis zur Legislative betrifft. Die erwähnte Entscheidung des EuGH hingegen stellt ein wichtiges Indiz für die gerichtliche Vollkontrolle dar. Allerdings äußerte sich der EuGH in dieser Entscheidung nicht zum Konsolidierungs- und Abstimmungsverfahren. Insbesondere Überlegungen dazu, dass eine Kontrolldichteredu-
195
EuGH, Urt. v. 15.09.2016, C-28/15 (Niederlande) = MMR 2017, 315 (317) Rn. 50. EuGH, Urt. v. 15.09.2016, C-28/15 (Niederlande) = MMR 2017, 315 (317) Rn. 51 f. 197 So aber wohl Gärditz, NVwZ 2009, 1005 (1007 f.); ders., Die Verwaltung 2013, 257 (273); ders., DVBl 2016, 399 (404 f.). 198 Vgl. Teil 2 C. I. 196
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zierung im Wege des effet utile erforderlich sein könnte, wurden nicht angestellt. Darauf wird zurückzukommen sein (5.). 2. Kostenorientierte Entgeltbildung nach § 32 TKG Entscheidet sich die BNetzA für das Einzelgenehmigungsverfahren, in dem die Entgelte auf Grundlage der auf die einzelnen Dienste entfallenden KeL gebildet werden, definiert § 32 TKG, wie diese zu ermitteln sind. Die KeL ergeben sich aus den (1) langfristigen zusätzlichen Kosten der Leistungsbereitstellung (LRIC; hierunter fallen insbesondere Kapitalkosten inkl. Abschreibungen und Zinsen sowie Mieten, Betriebs- und Prozesskosten199), (2) einem angemessenen Zuschlag für leistungsmengenneutrale Gemeinkosten und (3) einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals, wobei § 32 Abs. 3 TKG zu berücksichtigen ist. Bei der Bestimmung der KeL wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein allumfassender Beurteilungsspielraum konsequent abgelehnt.200 Ein solcher könne sich allenfalls in Bezug auf abgrenzbare Teilaspekte ergeben. Dazu gehörten insbesondere die Ermittlung der LRIC (a)) und die Ermittlung der angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals (b)). Diese Einschätzung lässt sich jedenfalls aus dem zugrundeliegenden Unionsrecht durch Auslegung nicht zweifelsfrei entnehmen (c)). a) Ermittlung des Anlagevermögens Problematisch bei der Ermittlung der LRIC, insbesondere der Kapitalkosten, ist, dass diese entweder anhand der historischen Kosten oder anhand des aktuellen Brutto- oder Netto-Wiederbeschaffungswertes ermittelt werden können. Historische Kosten sind dabei Kosten, die tatsächlich für die Herstellung oder Anschaffung von Produktionsmittel angefallen sind abzüglich der seither getätigten Abschreibungen (= Anschaffungs- und Herstellungskosten). Der Wiederbeschaffungswert richtet sich nach den hypothetischen Kosten für die Wiederbeschaffung des Anlagevermögens im jeweiligen Bewertungszeitpunkt.201
199 EuGH, Urt. v. 24.04.2008, C-55/06 (Arcor) = NJOZ 2008, 1775 (1782) Rn. 75 ff.; Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap. 3 Rn. 244, 250; Winzer, in: BeckOK TKG, § 32 Rn. 19; Kühling, K&R 2009, 243 (245). 200 BVerwG NVwZ-RR 2009, 918 (919) Rn. 21; BVerwG, Urt. v. 30.06.2010, 6 B 7/10 = BeckRS 2010, 50854 Rn. 4; BVerwG, Urt. v. 25.11.2015, 6 C 42/14 = BeckRS 2016, 41574 Rn. 14; BVerwG NVwZ 2017, 557 (558) Rn. 12 f.; zustimmend statt vieler Mayen, Referat O 45 (67); Säcker/Mengering, N&R 2014, 74 (79). 201 BVerwG NVwZ 2012, 1047 (1048) Rn. 18.
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Denkbar ist auch eine Kombination beider Methoden. Insbesondere die ArcorRechtsprechung des EuGH gab den Anstoß dahingehend, nicht nur ausschließlich eine der beiden Methoden heranzuziehen, sondern beide Methoden zu berücksichtigen und zu prüfen.202 Weil das Unionsrecht keine Vorgabe zu der heranzuziehenden Berechnungsgrundlage der Kosten mache, stünde es „im Ermessen der nationalen Regulierungsbehörden, festzulegen, wie die Berechnungsgrundlage zu bestimmen ist.“203 Diese „weit reichende Befugnis“ der NRB beziehe sich dabei nicht nur auf die Ermittlung der Kosten, sondern auch auf die Bewertung der Zinsen und Abschreibungen.204 Die zu Art. 3 Abs. 3 TAL-VO205 ergangene Rechtsprechung wurde vom BVerwG auch auf das aktuelle TKG übertragen und der BNetzA ein Beurteilungsspielraum für die Bestimmung der Berechnungsgrundlage für die Bewertung des Anlagevermögens eingeräumt, wobei sie alle Methoden in einer Abwägung berücksichtigen müsse.206 Nach Ansicht der Rechtsprechung könnten die Vorgaben des EuGH auf die Auslegung des Begriffs der „kostenorientierten Preise“ übertragen werden. Auch wenn der Wortlaut des Art. 13 Zugangs-RL (jetzt: Art 74 TK-Kodex) nicht unerheblich von dem außer Kraft getretenen Art. 3 Abs. 3 TAL-VO abweiche, bestünden inhaltlich keine erheblichen Unterschiede.207 Hinsichtlich der Frage, welche Kosten zu berücksichtigten seien und welche Berechnungsmethode zur Anwendung kämen, äußere sich Art. 13 Zugangs-RL genauso wenig wie zuvor Art. 3 Abs. 3 TAL-VO. Das BVerwG kam zu dem Schluss, dass die Übertragbarkeit der Arcor-Rechtsprechung derart offenkundig sei, dass es einer Vorlage an den EuGH nicht bedürfe.208 Der vom Unionsrecht vorgegebene Entscheidungsspielraum mache darüber hinaus aber keine Aussagen zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle.209 Da der Beurteilungsspielraum allerdings im Hinblick auf die unionsrechtlich vorgegebene Abwägung widerstreitender Regulierungsziele „eine besondere Nähe zum Regulierungsermessen“ aufweise, müssten sowohl die Grundsätze zur Überprüfung von Beurteilungsspielräumen als auch vom Regulierungsermessen, herangezogen wer202 EuGH, Urt. v. 24.04.2008, C-55/06 (Arcor) = NJOZ 2008, 1775 (1787) Rn. 119; im Anschluss daran BVerwG NVwZ 2012, 1047 (1050) Rn. 36 ff.; s. auch Winzer, in: BeckOK TKG, § 32 Rn. 22; Kühling, K&R 2009, 243 (243 f.). 203 EuGH, Urt. v. 24.04.2008, C-55/06 (Arcor) = NJOZ 2008, 1775 (1787) Rn. 116. 204 EuGH, Urt. v. 24.04.2008, C-55/06 (Arcor) = NJOZ 2008, 1775 (1791) Rn. 156. 205 Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des europäischen Parlaments und des Rates vom 18.12.2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss. 206 BVerwG NVwZ 2014, 589 (590) Rn. 18 ff.; BVerwG NVwZ 2014, 1229 (1232) Rn. 29; BVerwG NVwZ 2014, 1586 (1590) Rn. 31; BVerwG NVwZ 2017, 1466 (1467 f.) Rn. 14; zustimmend Säcker/Mengering, N&R 2014, 74 (81); allgemein zur Übertragung der Rechtsprechung auf die neue Rechtslage Kühling, K&R 2009, 243; a. A. noch Oster, Normative Ermächtigungen, S. 252 f. 207 BVerwG NVwZ 2014, 589 (591) Rn. 21 f. 208 BVerwG NVwZ 2014, 589 (593) Rn. 29. 209 BVerwG NVwZ 2014, 589 (594) Rn. 33.
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den.210 Ob die Abwägung fehlerfrei erfolgte, sei alleine anhand der Behördenbegründung zu entscheiden, weshalb erhöhte Anforderungen an die Begründung zu stellen seien. b) Ermittlung der angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals Zudem bereitet die Ermittlung einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals Schwierigkeiten. Die Berechnung wird gemeinhin aufgrund eines gewogenen Kapitalkostenansatzes vorgenommen (WACC).211 Dabei muss zwischen Eigen- und Fremdkapital unterschieden werden, da die Kapitalverzinsung unterschiedlich hoch ausfällt.212 Die jeweiligen Zinssätze für Eigenkapital und Fremdkapital werden mit dem Eigenkapitalanteil bzw. Fremdkapitalanteil am Gesamtkapital gewichtet und zum Gesamtzinssatz addiert. Zur Bestimmung der Wertansätze für die Eigen- und Fremdkapitalanteile und die Höhe der jeweiligen Zinssätze kann im Wesentlichen entweder auf die Bilanzwertmethode (= kalkulatorischer Ansatz) oder auf die Kapitalmarktmethode (= kapitalmarktorientierter Ansatz/CAPM) zurückgegriffen werden.213 Während bei der Bilanzwertmethode die Werte aus der Unternehmensbilanz ersichtlich sind, muss bei der Kapitalmarktmethode der Wert aus Marktdaten und Erwartungen abgeleitet werden.214 Für die Bestimmung welche der genannten Methoden vorzugsweise anzunehmen ist, wie die jeweils erforderlichen Parameter zu bestimmen sind und ob eine exponentielle Glättung durchzuführen ist, wird der BNetzA ein Beurteilungsspielraum zugesprochen. Als Begründung wird neben der komplexen Prüfung und der Berücksichtigungspflicht aus § 32 Abs. 3 TKG auch das Unionsrecht herangezogen.215 Die unionsrechtskonforme Auslegung gebiete die Annahme eines solchen Spielraums, weil die Methodik für die Berechnung der Verzinsung des eingesetzten Kapitals das Unionsrecht ebenso wenig vorgebe wie das nationale Recht.216 Entsprechend übertrug das BVerwG die Arcor-Rechtsprechung des EuGH zu Art. 3 Abs. 3 TAL-VO nicht nur auf die Berechnung des Anlagevermögens, sondern auch 210
BVerwG NVwZ 2014, 589 (594) Rn. 34 ff. Vgl. Oster, Normative Ermächtigungen, S. 255 m. w. N. 212 Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap. 3 Rn. 257; Winzer, in: BeckOK TKG, § 32 Rn. 29; das TKG unterscheidet im Gegensatz zum EnWG i. V. m. SromNEV/GasNEV nicht zwischen Eigen- und Fremdkapitalzinssatz, sodass diese Aufgabe der BNetzA zukommt. 213 BVerwG NVwZ 2017, 557 (561) Rn. 35; Coppik/Herrmann, K&R 2011, 474 (479); ausführlich dazu Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap. 3 Rn. 257 ff.; Winzer, in: BeckOK TKG, § 32 Rn. 30 ff. 214 Busse von Colbe, in: Säcker, TKG, vor § 27 Rn. 90; ausführlich Berndt, Anreizregulierung, S. 92 ff. 215 BVerwG NVwZ 2017, 557 (561) Rn. 31 ff.; so schon vor der höchstrichterlichen Entscheidung Oster, Normative Ermächtigungen, S. 256 ff.; zustimmend noch Ludwigs, JZ 2009, 290 (297) unter Heranziehung der Gesetzgebungshistorie in Fn. 101. 216 BVerwG NVwZ 2017, 557 (561) Rn. 35. 211
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auf die Bestimmung des Zinssatzes. Auch in dieser Entscheidung legte das Gericht wegen des „offenkundigen“ Ergebnisses die Frage nicht dem EuGH vor.217 c) Meinungsstand und Stellungnahme Die Heranziehung des EuGH-Urteils als Begründung für die Zurücknahme gerichtlicher Kontrolle wird in der Literatur kritisiert.218 Die Rechtsprechung halte auch hier die zu trennenden Fragen – auf der einen Seite das behördliche Ermessen im Verhältnis zur Legislative und auf der anderen Seite zur Judikative – nicht auseinander. Nur weil eine legislative Vorstrukturierung nicht möglich sei, bedeute dies nicht automatisch, dass auch nur eine begrenzte gerichtliche Kontrolle der Entscheidung stattfinden könne.219 Fehlende normative Vorgaben hindern ein Gericht grundsätzlich nicht daran, eine eigene Entscheidung zu treffen. Das Ermessen im Sinne der EuGH-Rechtsprechung könne nicht einfach in einen Beurteilungsspielraum übersetzt werden, denn der EuGH stelle selbst ausdrücklich klar, dass das Unionsrecht keine Vorgaben zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle mache und damit auch eine Vollkontrolle möglich sei.220 Diese sei sogar notwendig, um die demokratische Legitimation zu sichern.221 Es überzeugt zunächst, dass die Rechtsprechung die Grundsätze der europäischen Rechtsprechung zum Grundsatz der Kostenorientierung der Preise in Art. 3 Abs. 3 TAL-VO auf den Begriff kostenorientierte Preise in Art. 13 Zugangs-RL übertragen hat. Diese Beurteilung wird sich auch im neuen Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex fortsetzen, da ein anderes Begriffsverständnisses durch die Änderung des Rechtsrahmens vom Unionsgesetzgeber weder 2009 noch 2018 gewollt war.222 Ausgangspunkt für die Feststellung des EuGH, dass der NRB ein Ermessen bezüglich der Berechnungsgrundlage der Kosten zusteht, war, dass das maßgebliche Unionsrecht hierzu keine Aussagen enthielt.223 Genauso wenig enthalten Art. 13 Zugangs-RL und Art. 74 TK-Kodex Vorgaben zur Vorgehensweise oder der Methodenwahl bei der Ermittlung der Kosten. Die Beurteilung der Frage, welche Kostenrechnungsmethode im Einzelfall am geeignetsten erscheint, ist im aktuellen Richtlinienrecht noch viel
217
BVerwG NVwZ 2017, 557 (562) Rn. 36. Werkmeister, K&R 2012, 226 (227 f.); Kleinlein/Schubert, N&R 2017, 270 (274 f.). 219 Pielow, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 57 Rn. 21 m. w. N.; Ludwigs, in: Säcker/Schmidt-Preuß, Grundsatzfragen, S. 266 f. 220 Kühling, in: BeckOK TKG, § 32 Rn. 49. 221 Gärditz, NVwZ 2009, 1005 (1009). 222 Vgl. zu Art. 13 Zugangs-RL BVerwG NVwZ 2014, 589 (591) Rn. 22; Kühling, in: BeckOK TKG, § 32 Rn. 45; Kleinlein, N&R 2010, 75 (76); a. A. Wieland, DÖV 2011, 705 (714). 223 EuGH, Urt. v. 24.04.2008, Rs. C-55/06 (Arcor) = NJOZ 2008, 1775 (1787) Rn. 116. 218
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eindeutiger der Behörde übertragen, da sich Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex direkt an die NRB richtet.224 Allerdings betraf, wie viele Kritiker in der Rechtswissenschaft zutreffend bemerkten, die Arcor-Entscheidung nur das Verhältnis zur Legislative. Ermessen i. d. S. bedeutet, dass die Legislative keine zwingenden Vorgaben darüber machen darf, welche Methoden im konkreten Fall herangezogen werden. Der EuGH nimmt erst nachdem er das Ermessen der NRB bestätigt hat in einem separaten Abschnitt „Umfang der gerichtlichen Kontrolle“ ausdrücklich Bezug auf die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten und dazu, dass die Kontrolldichte nicht durch das Unionsrecht vorgegeben sei.225 Diese Ausführungen lassen zwei mögliche Interpretationen zu, wobei keine von beiden zwingend ist. Dies kann entweder bedeuten, dass das Unionsrecht nicht vorschreibt, ob das Gericht im Falle einer Ermessensentscheidung der nationalen Behörde eine Vertretbarkeitskontrolle226 oder eine Plausibilitätskontrolle227 durchführt; in beiden Fällen handelt es sich aber um eine Reduzierung der Kontrolldichte.228 Es kann aber auch bedeuten, dass trotz des Spielraums der Behörde eine Vollkontrolle möglich ist und das Gericht nachprüfen kann, ob die konkrete Methode im Einzelfall angemessen i. S. d. Richtlinien war; das Ermessen der Behörde bezieht sich dann nur auf die Legislative. Erschwerend kommt hinzu, dass der EuGH die Vorlagefragen in abweichender Reihenfolge beantwortete, obwohl diese voneinander abhingen. So lautete Vorlagefrage 3 d), ob der NRB ein Beurteilungsspielraum bei der Prüfung der Kostenorientierung zustehe, welcher nur einer eingeschränkten Kontrolle unterliege. Frage 3 e) bezog sich für den Fall, dass die vorstehende Frage mit „Ja“ beantwortet wird, darauf, ob der Beurteilungsspielraum dann auch u. a. die Methodenauswahl umfasse. Der EuGH beantwortete erst letztere Frage mit der „weitreichenden Befugnis“ der BNetzA und ging in der Frage 3 d) nur noch auf den Kontrollumfang ein. Dies erweckt zumindest den Eindruck, dass der BNetzA auch ein Ermessen bezüglich der Judikative zusteht, das Kontrollniveau aber den Mitgliedstaaten überlassen bleibt.
224 So auch schon in der alten TAL-VO, vgl. EuGH, Urt. v. 24.04.2008, Rs. C-55/06 (Arcor) = NJOZ 2008, 1775 (1789) Rn. 132. 225 Vgl. EuGH, Urt. v. 24.04.2008, Rs. C-55/06 (Arcor) = NJOZ 2008, 1775 (1787) Rn. 116; so Ludwigs, in: Säcker/Schmidt-Preuß, Grundsatzfragen, S. 266; Gärditz, NVwZ 2009, 1005 (1008). 226 Zur Vertretbarkeitskontrolle als nationaler Maßstab für die Kontrolldichte bei Letztentscheidungsspielräumen der Behörde s. Teil 2 C. I. 227 Zur Plausibilitätskontrolle als Maßstab für die Kontrolldichte im direkten Unionsvollzug s. Teil 2 D. II. 228 Dem steht nicht die Entscheidung des EuGH zu § 9a TKG a. F. v. 03.12.2009, Rs. C-424/ 07 (Kommission/Deutschland) = EuZW 2010, 109 (112) Rn. 74 f. entgegen. In diesem Verfahren ging es von Anfang an allein um die Möglichkeit des Gesetzgebers, die Entscheidung der Behörde legislativ vor zu strukturieren und nicht um die gerichtliche Kontrolldichte.
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In diesem Sinne hat auch das BVerwG die Ausführungen des EuGH verstanden. Es ging davon aus, dass den nationalen Gerichten bezüglich des Maßstabs der Kontrolle die Verfahrensautonomie zukomme und deshalb die Entscheidung anhand der Maßstäbe des Beurteilungsspielraums und des Regulierungsermessens zu überprüfen, mithin eine Vertretbarkeitskontrolle vorzunehmen sei.229 Ein Indiz für die Vollkontrolle stellen jedenfalls neuere Entscheidungen des EuGH dar, in denen bestätigt wurde, dass das nationale Gericht selbstständig überprüft, ob die von der nationalen Behörde gewählten Maßnahmen verhältnismäßig im Sinne des Art. 68 Abs. 2 und Abs. 4 TK-Kodex sind.230 Versteht man die Arcor-Entscheidung hingegen wie das BVerwG, wäre die konsequente Schlussfolgerung, dass, sobald das Unionsrecht keine spezifischen Vorgaben enthält und die Entscheidung der Behörde zugewiesen ist, auch eine Rücknahme der Kontrolldichte erforderlich wäre. Das wäre womöglich bei sehr detaillierten unionsrechtlichen Vorgaben, wie Art 73 TK-Kodex, weniger problematisch. Allerdings enthält Art. 75 TK-Kodex kaum Vorgaben zur Preiskontrolle. Dieser Bereich läge dann fast ausschließlich im Ermessen der BNetzA, ohne dass der nationale Gesetzgeber Vorgaben machen und ohne dass das Gericht Entscheidungen vollumfänglich überprüfen könnte. Diese Rechtsfolge ist jedenfalls nach nationalem Verständnis schwer vereinbar mit dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes. Daher sprechen grundsätzlich die besseren Gründe dafür, dass auch im Rahmen der Arcor-Entscheidung keine Aussagen zur gerichtlichen Kontrolldichte gemacht wurden, sondern diese der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten unter der Achtung des Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatzes unterfällt.231 Allerdings ist zu beachten, dass die Arcor-Entscheidung des EuGH bereits im Jahr 2008 erging. Damals war der europäische Regulierungsverbund noch nicht derart ausgestaltet wie heute. Insbesondere das Abstimmungsverfahren nach Art. 7a Rahmen-RL bzw. Art. 33 TK-Kodex war im Sekundärrecht noch nicht enthalten. Konsequenterweise äußerte sich der EuGH nicht dazu, ob das Interventionsrecht der Kommission zu einer Reduzierung der nationalen gerichtlichen Kontrolldichte führen könnte. Die Frage, ob und in welchem Umfang der BNetzA aufgrund des Unionsrechts Spielräume bei der Ermittlung der KeL einzuräumen sind, kann nicht abschließend nur anhand der dazu ergangenen Arcor-Rechtsprechung beantwortet werden.232 Vielmehr wird auf eine Kontrolldichtereduzierung im Wege des effet utile zurückzukommen sein (5.).
229
BVerwG NVwZ 2014, 589 (597) Rn. 53. EuGH, Urt. v. 15.09.2016, C-28/15 (Niederlande) = MMR 2017, 315 (317) Rn. 51 f. 231 Der EuGH bekräftigte zudem, dass das Unionsrecht keine Angleichung der nationalen Vorschriften über den Umfang der gerichtlichen Kontrolle im Einzelfall anstrebt, jedenfalls aber die gerichtliche Kontrolle im direkten Vollzug als Mindeststandard gilt, EuGH, Urt. v. 24.04.2008, Rs. C-55/06 (Arcor) = NJOZ 2008, 1775 (1792 f.) Rn. 163 ff. 232 So auch Wendel, Verwaltungsermessen, S. 248. 230
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3. Anreizorientierte Entgeltbildung nach § 33 TKG Beim praktisch weniger relevanten Price-Cap-Verfahren gem. §§ 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 33 TKG genehmigt die BNetzA Entgelte „auf der Grundlage der von ihr vorgegebenen Maßgrößen für die durchschnittlichen Änderungsraten der Entgelte für einen Korb zusammengefasster Dienste“. Es handelt sich dabei um eine Form der Anreizregulierung.233 Während im Einzelgenehmigungsverfahren nach § 32 TKG die Entgelte für jede einzelne Leistung genehmigt werden, hat die Anreizregulierung den Vorteil, dass für mehrere in einem Korb zusammengefasste Leistungen eine Preisobergrenze gebildet wird. Damit bleiben Preisänderungen für die einzelnen Leistungen möglich, solange die Obergrenze für den Korb nicht überschritten wird. Beim Price-Cap-Verfahren werden zunächst die Körbe mit Zugangsleistungen und das Ausgangsniveau der Entgelte bestimmt, § 33 Abs. 1, Abs. 2 TKG. Dabei dürfen nach § 33 Abs. 1 S. 2 TKG Zugangsdienste nur insoweit in einem Korb zusammengefasst werden, als sich die erwartete Stärke des Wettbewerbs bei diesen Diensten nicht wesentlich unterscheidet. Teilweise wird vertreten, dass für diese Prognose der BNetzA ein Beurteilungsspielraum zukomme, ohne dass dies – soweit ersichtlich – in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher entschieden wurde.234 Dies wird deshalb kritisiert, da allein eine anzustellende Prognose einen Beurteilungsspielraum nicht begründen könne und europarechtliche Vorgaben hierzu nicht ersichtlich seien.235 Beim Ausgangsentgeltniveau handelt es sich um den Ausgangspreis, von dem aus die Berechnung der zukünftigen Entgeltentwicklung aufgrund der Maßgrößen bestimmt wird.236 Dieses wird auf Grundlage der Kosten des Unternehmens bestimmt, wobei von bereits genehmigten Entgelten auszugehen ist, sofern diese vorliegen, vgl. § 33 Abs. 2 S. 2 TKG. Andernfalls ist unklar, ob auf die bisher geforderten Entgelte zurückzugreifen ist oder ob das Ausgangsentgeltniveau auf Grundlage der KeL ermittelt werden soll, also ob eine Effizienzkostenprüfung durchzuführen ist.237 Mangels gesetzlicher Vorgaben liegt dies im Ermessen der BNetzA, je nachdem
233
Berndt, Anreizregulierung, S. 76. Stamm, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 33 Rn. 45; Schuster/Ruhle, in: BeckOK TKG, 3. Aufl., 2006, § 34 Rn. 10; Schneider, ZHR 2000, 513 (519). 235 Bosch, Kontrolldichte, S. 322; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 293 m. w. N. 236 Höffler, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich, TKG, § 33 Rn. 17; Stamm, in: Scheurle/ Mayen, TKG, § 33 Rn. 18 und Rn. 45. 237 In der Praxis wird auf die bisher tatsächlich erhobenen Entgelte zurückgegriffen, vgl. für den insoweit gleichlaufenden Postsektor BVerwG NVwZ 2016, 535 (539) Rn. 35; Höffler, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich, TKG, § 33 Rn. 20; Winzer, in: BeckOK TKG, § 33 Rn. 16; Stamm, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 31 Rn. 16 und § 33 Rn. 28; für die Durchführung einer Effizienzkostenprüfung: Busse von Colbe, in: Säcker, TKG, vor § 27 Rn. 157; a. A. Berndt, Anreizregulierung, S. 206. 234
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welche Vorgehensweise angemessener im Sinne des Art. 74 Abs. 1 i. V. m. Art. 68 Abs. 2 und Abs. 4 TK-Kodex ist.238 Auf Grundlage der von der BNetzA vorgegebenen Maßgrößen (die zu erwartende gesamtwirtschaftliche Preissteigerungsrate, die zu erwartende Produktivitätsfortschrittsrate des Unternehmens und sonstige Nebenbedingungen) werden sodann die durchschnittlichen Änderungsraten der Entgelte festgelegt, wobei das Verhältnis des Ausgangsentgeltniveaus zu den KeL nach § 32 Abs. 1 TKG zu berücksichtigen ist (Effizienzprüfung), vgl. § 33 Abs. 3, Abs. 4 TKG. Anhand dieser Maßgrößen werden die beantragten Entgelte von der BNetzA überprüft und genehmigt, § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TKG. Dabei soll die BNetzA für die Bestimmung der zu erwartenden Produktivitätsfortschrittsrate nach § 33 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4, Abs. 5 TKG über einen Beurteilungsspielraum verfügen.239 Es handle sich um eine prognostische, wertende und abwägende Entscheidung, der ein komplexer und dynamischer Sachverhalt zugrunde liege und die von den Gerichten aus tatsächlichen Gründen nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden könne.240 Die von der Behörde vorzunehmende Abwägung ergebe sich aus dem unionsrechtlichen Regulierungsauftrag, für den die BNetzA politische Verantwortung trage.241 Die gesamtwirtschaftliche Preissteigerungsrate dagegen ergebe sich aus Faktoren, die sich auf die Vergangenheit beziehen, sodass diesbezüglich keine Prognose erfolgen müsse und eine vollumfängliche Gerichtskontrolle stattfinden könne.242 Bei der Frage, ob Nebenbedingungen i. S. v. § 33 Abs. 3 Nr. 3 TKG geeignet sind, einen Missbrauch nach § 28 TKG zu verhindern,243 soll es sich hingegen um eine einfache Ermessensentscheidung handeln;244 andere vertreten auch hier einen Abwägungsspielraum.245 Der Überblick zeigt, dass auch im Rahmen der anreizorientierten Entgeltregulierung an verschiedensten Stellen Beurteilungsspielräume, Ermessensentscheidungen oder Abwägungsentscheidungen der BNetzA diskutiert werden. Dabei 238
Nach BVerwG NVwZ 2016, 535 (539) Rn. 35 „kann“ die Regulierungsbehörde auf die tatsächlich erhobenen Entgelte zurückgreifen. 239 Zur alten Rechtslage bereits Liebschwager, Gerichtliche Kontrolle, S. 209; für den insoweit gleichlaufenden Postsektor BVerwG NVwZ 2016, 535 (540) Rn. 42; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 296 f.; ablehnend Bosch, Kontrolldichte, S. 239. 240 Oster, Normative Ermächtigungen, S. 297. 241 Oster, Normative Ermächtigungen, S. 297. 242 Bosch, Kontrolldichte, S. 325; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 295; in der Praxis wird auf den Verbraucherpreisindex des statistischen Bundesamts zurückgegriffen, vgl. Winzer, in: BeckOK TKG, § 33 Rn. 18. 243 Als Beispiel wird oft die Preisuntergrenze genannt, um Quersubventionierungen zu verhindern, vgl. Winzer, in: BeckOK TKG, § 33 Rn. 24. 244 So Stamm, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 33 Rn. 45; Bosch, Kontrolldichte, S. 333; von „sorgfältiger Abwägung“ spricht Winzer, in: BeckOK TKG, § 33 Rn. 25; a. A. Liebschwager, Gerichtliche Kontrolle, S. 210. 245 Oster, Normative Ermächtigungen, S. 297.
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wurde bislang auf die Herleitung aus Unionsrecht nahezu verzichtet. Die nationalen Vorgaben sind an diesen Stellen aber unzureichend, um im Sinne der normativen Ermächtigungslehre diese Spielräume zu begründen. Prognoseentscheidungen können nur als Indiz, nicht aber als Gewissheit für einen Beurteilungsspielraum dienen.246 Allein aus der Vorschrift des Art. 74 TK-Kodex werden sich die o. g. Spielräume nicht herleiten lassen können. Zwar ist, wie bereits festgestellt, eine legislative Vorstrukturierung der Entscheidung der Behörde durch den nationalen Gesetzgeber im konkreten Fall nicht möglich, was bei der Umsetzung in § 33 TKG hinreichend beachtet wurde. Nur die Tatsache, dass das Sekundärrecht im Hinblick auf die Preiskontrolle eine geringe Regelungsdichte aufweist, lässt aber nicht darauf schließen, dass auch eine Kontrolldichtereduzierung erforderlich ist. Ob dabei eine Vollkontrolle möglich ist oder eine Reduzierung der Kontrolldichte erfolgt, ergibt sich nicht unmittelbar aus den unionsrechtlichen Vorgaben. Auch hier ist auf Art. 31 Abs. 1 TK-Kodex zu verweisen, in dem vorausgesetzt wird, dass die überprüfende Stelle über „angemessenen Sachverstand verfügen“ muss, was für eine Vollkontrolle spricht. Eine andere Beurteilung kann sich aber aus dem Konsolidierungs- und Abstimmungsverfahren ergeben (5.). 4. Methoden zur Überprüfung der Kosten, §§ 34, 35 Abs. 1 TKG Genehmigungsbedürftige Entgelte sind der BNetzA von dem jeweiligen Unternehmen mit den entsprechenden Unterlagen, insbesondere den Kostennachweisen, vorzulegen, vgl. §§ 34, 31 Abs. 3 und Abs. 4 TKG. Daneben kann sie bei der kostenorientierten Entgeltbildung nach §§ 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 32 TKG zusätzlich zu den Kosteninformationen eine Vergleichsmarktbetrachtung nach § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TKG vornehmen oder eine unabhängige Kostenrechnung nach § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TKG anstellen.247 Reichen die zur Verfügung gestellten Kosteninformationen nicht aus, kann die BNetzA nach § 35 Abs. 1 S. 2 TKG eine sog. isolierte Vergleichsmarkbetrachtung durchführen oder eine isolierte Kostenrechnung anstellen und ihre Entscheidung über die Entgeltgenehmigung darauf stützen.248 Der BNetzA steht dabei ein Auswahlermessen darüber zu, welche von den gleichrangigen Methoden aus § 35 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 TKG sie heranziehen
246
Mayen, Referat O 45 (69) m. w. N. Zur Anwendbarkeit des § 35 Abs. 1 TKG nur auf genehmigungspflichtige Entgelte im Einzelgenehmigungsverfahren Mayen/Lünenbürger/Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 35 Rn. 3. 248 Vgl. Mayen/Lünenbürger/Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 35 Rn. 37. 247
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möchte.249 Demgegenüber ist die Bewertung anhand der Kosteninformationen nach § 34 TKG zwar vorrangig, aber nicht in einer Weise, dass sie die anderen beiden Methoden verdrängen würde.250 Bei dieser Anordnung handelt es sich nicht um eine unzulässige Vorstrukturierung der Behördenentscheidung, sondern sie ergibt sich aus dem Unionsrecht selbst. Nach Art. 74 Abs. 3 S. 1 TK-Kodex i. V. m. Art. 20 TK-Kodex (zuvor: Art. 5 Rahmen-RL) müssen die Unternehmen der NRB die Informationen zur Verfügung stellen, die sie benötigt. Entscheidet sich die Behörde dafür, eine kostenorientierte Preiskontrolle durchzuführen, ist sie entsprechend gehalten, die Kosten des betroffenen Unternehmens zu prüfen, da andernfalls eine im konkreten Fall angemessene und den Regulierungszielen entsprechende Entgeltkontrolle nicht erfolgen kann. Nach Art. 74 Abs. 3 S. 2 TK-Kodex können die NRB eine von der Kostenberechnung des Unternehmens unabhängige Kostenrechnung anstellen. Nach Art. 74 Abs. 2 S. 2 TK-Kodex können die NRB auch Preise berücksichtigen, die auf vergleichbaren, dem Wettbewerb geöffneten Märkten gelten. Damit ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Sekundärrechts, dass die Entscheidung, ob eine Vergleichsmarktbetrachtung oder eine unabhängige Kostenrechnung erfolgt, der BNetzA übertragen werden muss, in jedem Fall aber eine Kontrolle der Kostenrechnung des Unternehmens zu erfolgen hat. Der nationale Gesetzgeber hat dies hinreichend in §§ 34 und 35 TKG umgesetzt. Letztentscheidungsspielräume der BNetzA werden im Rahmen der Vergleichsmarktbetrachtung (a)) und der unabhängigen Kostenrechnung (b)) diskutiert. a) Vergleichsmarktbetrachtung In jüngeren Entscheidungen hat das BVerwG festgestellt, dass der BNetzA ein Beurteilungsspielraum nach § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 TKG für die Entscheidung, welche Märkte als Vergleichsmärkte herangezogen werden und ob Abschläge oder Zuschläge auf das Vergleichsentgelt anzusetzen sind, zukomme.251 Dieser ergebe sich aus dem Wortlaut „kann“, der sich nicht nur auf die Rechtsfolge beziehe, sondern auch darauf, welche Märkte und Preise sie in die Vergleichsgrundlage einbezieht und ob ein Ausgleich durch Zu- oder Abschläge erfolgt. Zudem handle es sich um ein komplexes, mehrphasiges Verfahren, das von ökonomischen Einschätzungen und Prognosen der Mitglieder der Beschlusskammern geprägt sei, deren Sachkunde durch fortlaufende wissenschaftliche Unterstützung institutionell abge249 BVerwG, Urt. v. 25.03.2015, 6 C 36.13 = BeckRS 2015, 45392 Rn. 21; BVerwG NVwZ 2015, 1136 (1140) Rn. 36; BVerwG N&R 2015, 173 (175) Rn. 33. 250 Berger-Kögler/Cornils, in: BeckOK TKG, § 35 Rn. 19; Mengering, Entgeltregulierung, S. 327 f. 251 BVerwG NVwZ 2015, 967 (969) Rn. 30 und 32; BVerwG NVwZ-RR 2018, 304 (305) Rn. 20 m. w. N.; Mengering, Entgeltregulierung, S. 383 ff.; für eine Ermessensentscheidung Bosch, Kontrolldichte, S. 312 f.
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sichert sei.252 Zwar sei der Spielraum im Unionsrecht nicht in gleicher Weise wie für die Ermittlung des Anlagevermögens angelegt,253 dennoch gelte das Erfordernis einer plausiblen und erschöpfenden Begründung bei der Ausfüllung des der Regulierungsbehörde zustehenden Spielraums auch hier, um eine substanzielle gerichtliche Kontrolle des regulierungsbehördlichen Handelns zu gewährleisten.254 Die gerichtliche Kontrolle habe sich auf diejenigen Erwägungen zu erstrecken und zu beschränken, die die Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung dargelegt hat.255 Art. 74 Abs. 2 S. 2 TK-Kodex gibt vor, dass die NRB auch Preise berücksichtigen können, die auf vergleichbaren, dem Wettbewerb geöffneten Märkten erhoben werden. Die Vorschrift weist zwar die Entscheidung darüber, „ob“ die Vergleichsmarktmethode angewendet wird, der BNetzA zu. Sie enthält aber keine Aussage darüber, wem die Entscheidung darüber, „welche“ vergleichbaren Märkte herangezogen werden, obliegt. Im Zusammenspiel mit Art. 64 und 65 TK-Kodex und der Tatsache, dass der nationale Gesetzgeber im Telekommunikationssektor kaum mehr befugt ist, konkrete Vorgaben zu machen, wird man die Norm aber so lesen müssen, dass auch diese Entscheidung von der BNetzA im Einzelfall zu treffen ist. Der Gesetzgeber kann indes nicht vorgeben, welche Märkte vergleichbar sind oder welche der vergleichbaren Märkte heranzuziehen sind. Die Vergleichsmarktmethode kann auf sachlich und räumlich getrennten oder gleichen Märkten erfolgen.256 Denknotwendig ist daher zuvor eine Marktabgrenzung durchzuführen, die ausweislich des Art. 64 TK-Kodex in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der NRB fällt.257 Eine Vorstrukturierung durch den Gesetzgeber ist daher nicht möglich und wurde richtigerweise nicht vorgenommen. Nichtsdestotrotz können die Ausführungen zur Rücknahme der Kontrolldichte im Bereich des Art. 64 TK-Kodex258 nicht ohne Weiteres auf die Marktabgrenzung in diesem Fall übertragen werden, da nach Art. 74 Abs. 2 S. 2 TK-Kodex alle Märkte in Betracht kommen, die dem Wettbewerb geöffnet sind, während die Marktabgrenzung nach Art. 64 TK-Kodex nur solche Märkte umfasst, die u. a. längerfristig nicht zu wirksamen Wettbewerb tendieren. Zudem kommt der Kommission an dieser Stelle kein echtes Vetorecht zu. Ob bei der Entscheidung, welche Märkte heranzuziehen sind, eine Vollkontrolle möglich ist oder eine Reduzierung der Kontrolldichte erfolgen muss, ergibt sich nicht unmittelbar aus den unionsrechtlichen Vorgaben. Im Zweifel ist also auch hier von der Verfahrensautonomie bzgl. der Kontrolldichte auszugehen; eine andere Beurteilung ist auch nicht aufgrund des effet utile erforderlich (5.). 252 253 254 255 256 257 258
BVerwG NVwZ 2015, 967 (970) Rn. 34 und 36; anders noch Mayen, Referat O 45 (70). Dazu unter Teil 3 C. I. 2. a). BVerwG NVwZ 2015, 967 (971) Rn. 39. BVerwG NVwZ 2015, 967 (970 f.) Rn. 38. Vgl. Berger-Kögler/Cornils, in: BeckOK TKG, § 35 Rn. 25. Vgl. zur Marktdefinition ausführlich unter Teil 3 A. II. 1. a). Dazu unter Teil 3 A. II. 1. b).
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
b) Unabhängige Kostenrechnung Zudem kann die BNetzA eine unabhängige Kostenrechnung durchführen. Die in Art. 74 Abs. 3 S. 2 TK-Kodex aufgeführte Befugnis wurde in § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TKG umgesetzt. Die Kostenrechnung ist anhand von Kostenmodellen durchzuführen. Weder Art. 74 Abs. 3 S. 2 TK-Kodex noch § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TKG enthalten Vorgaben darüber, welche Kostenmodelle heranzuziehen sind. Deshalb wird vertreten, dass der BNetzA hinsichtlich der Auswahl der Berechnungsmethode ein Beurteilungsspielraum zukomme.259 Aber auch hier gilt: Aus dem Unionsrecht ergibt sich lediglich, dass die BNetzA für die unabhängige Kostenrechnung zuständig ist und dass die unionsrechtliche Norm grundsätzlich einen Spielraum vorsieht („kann“). Dazu, ob dieser Spielraum jedoch auch in Bezug auf die Judikative zu verstehen ist, äußerten sich bisher weder die Kommission noch der EuGH eindeutig. Daher ist auch in diesem Fall zunächst nur davon auszugehen, dass der nationale Gesetzgeber keine anderweitigen oder einschränkenden Vorgaben machen darf. Die gerichtliche Kontrolle unterfällt mithin der Verfahrensautonomie. Eine Einschränkung durch den Effektivitätsgrundsatz ist an dieser Stelle nicht erforderlich (5.). 5. Reduzierung der Kontrolldichte aufgrund des unionsweiten Konsolidierungs- und Abstimmungsverfahrens Im Rahmen des Art. 74 TK-Kodex verbleibt dem Gesetzgeber ein relativ großer Umsetzungsspielraum. Er kann entscheiden, welche möglichen Verfahren und Kostenmaßstäbe herangezogen werden können. Allerdings ist die Entscheidung, welche Preiskontrolle im konkreten Fall den Zielen der Regulierung am besten entspricht und insoweit verhältnismäßig ist, der BNetzA zugewiesen. Der Gesetzgeber darf hier nicht etwa durch Regel-Ausnahme-Vorschriften vorstrukturieren, wenn dies nicht selbst im Europarecht angelegt ist. Nicht abschließend geklärt werden kann anhand der Auslegung des TK-Kodex, inwieweit sich diese Befugnis der BNetzA im konkreten Einzelfall auf die Rechtsprechung fortwirkt. Dass eine wirksame gerichtliche Kontrolle stattfinden muss, ergibt sich nicht nur aus Art. 31 TK-Kodex, sondern es handelt sich dabei um einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts. Weil das Sekundärrecht keine weitergehenden Vorgaben zur gerichtlichen Kontrolle enthält, ist grundsätzlich von der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten auszugehen. Diese sieht im nationalen Recht die grundsätzlich vollumfängliche Kontrolle der Behördenentscheidung vor. Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten wird jedoch durch den Effektivitätsgrundsatz und durch den Äquivalenzgrundsatz eingeschränkt.260 Dies führte bereits 259 Berger-Kögler/Cornils, in: BeckOK TKG, § 35 Rn. 45; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 266; Mengering, Entgeltregulierung, S. 445. 260 S. Teil 2 D. I. 2.
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im Rahmen der Regulierungsverfügung dazu, dass eine Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte vorzunehmen ist, da andernfalls die effektive Ausübung des unechten Vetorechts der Kommission im Konsolidierungs- und Abstimmungsverfahren nicht möglich bzw. erheblich erschwert werden würde.261 Auch im Rahmen der Marktdefinition und -analyse kann die Rücknahme der gerichtlichen Kontrolldichte aufgrund des echten Vetorechts der Kommission erforderlich sein.262 Das unionsweite Konsolidierungsverfahren ist nach den Vorschriften des TKG im Rahmen des Entgeltgenehmigungsverfahrens vor Erlass einer Genehmigung nicht mehr durchzuführen. § 12 Abs. 2 TKG erklärt es nur für die Marktdefinition und -analyse für unmittelbar anwendbar, wenn diese Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten haben. Nach § 13 Abs. 1 S. 2 TKG ist es daneben für Maßnahmen in der Regulierungsverfügung durchzuführen, sofern sie Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten haben. Nicht genannt in der Legaldefinition der Regulierungsverfügungen sind Maßnahmen im Entgeltgenehmigungsverfahren nach §§ 31 ff. TKG, sondern nur die Entscheidung über die Entgeltgenehmigungspflicht nach § 30 TKG.263 Mit anderen Worten: Während die erste und die zweite Stufe der Regulierung das unionsweite Konsolidierungsverfahren durchlaufen, ist dies nach nationalem Recht für die dritte Sufe der Regulierung nicht vorgesehen. Nachdem die Kommission frühzeitig ihre Bedenken mitteilte und auch die rechtswissenschaftliche Literatur die Unionsrechtsmäßigkeit in Frage stellte,264 führt die BNetzA in der Praxis seit 2010 dennoch das unionsweite Konsolidierungsverfahren vor jeder „marktprägenden“ Genehmigung durch. Dazu erlässt sie innerhalb der Zehn-Wochen-Frist nach § 31 Abs. 4 S. 3 TKG eine vorläufige Entgeltgenehmigung, die sie nach Ablauf des (teilweise monatelangen) Konsolidierungsverfahrens rückwirkend ersetzt.265 Dass das Unionsrecht aber die zwingende Durchführung des Konsolidierungsverfahrens vor jeder einzelnen Entgeltgenehmigung vorsieht (a)), wenn diese Auswirkungen auf den Handel der Mitgliedstaaten hat, entschied mittlerweile der EuGH.266 Dies hat entsprechende Auswirkungen auf die gerichtliche Kontrolldichte auf nationaler Ebene (b)).
261
Ausführlich unter Teil 3 B. II. 1. b) bb). Ausführlich unter Teil 3 A. II. 1. b) bb) und A. II. 2. b). 263 Zur Entscheidung im Rahmen des § 30 TKG s. Teil 3 B. II. 2. 264 Zum Streitstand seit 2002 Schütze, in: Spindler/Schuster, TKG, 1. Aufl. 2008, § 12 Rn. 7 f.; Schütze/Brandenberg, in: Manssen, TKG, § 9 Rn. 80 ff. 265 Neumann, N&R 2016, 146 (147); zum Hintergrund auch Schütze, N&R 2015, 28 (29); Herrmann, N&R 2015, 145 (147 f.). 266 EuGH, Urt. v. 14.01.2016, Rs. C-395/14 (Vodafone) = MMR 2017, 318. 262
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
a) Erforderlichkeit des Konsolidierungsverfahrens vor jeder Genehmigung267 Der EuGH hatte sich in einem Vorabentscheidungsverfahren mit der Frage auseinander zu setzen, ob das Konsolidierungsverfahren nach Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex vor jeder Entgeltgenehmigung erneut durchzuführen ist. Diese Frage bejahte er wie folgt:268 Nach Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex sei eine unionsweite Konsolidierung durchzuführen, wenn die NRB beabsichtigt, eine Maßnahme zu ergreifen, die unter Art. 68 i. V. m. Art. 67 Abs. 4 TK-Kodex (zuvor: Art. 8, 16 Abs. 4 Rahmen-RL) falle und Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten habe.269 Dies gelte gem. Art. 32 Abs. 3, 67 Abs. 4, 68 Abs. 2 und 74 TK-Kodex für Maßnahmen, mit denen „hinsichtlich bestimmter Arten von Zusammenschaltung oder Zugang Verpflichtungen betreffend die Kostendeckung und die Preiskontrolle […]“ auferlegt würden.270 Entsprechend prüfte der EuGH, ob es sich bei der Entgeltgenehmigung um eine Verpflichtung i. S. d. Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex handelt. Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass es sich dem Wesen nach um eine Maßnahme der Preiskontrolle und damit um eine Verpflichtung im Sinne der Norm handle, weil der Begriff weit zu verstehen sei.271 Diese Auslegung erfasse auch den Sinn und Zweck des Konsolidierungsverfahrens, da die Zusammenarbeit und Transparenz gefährdet wären, wenn das Verfahren nicht vor jeder Genehmigungserteilung zur Anwendung käme.272 aa) Verpflichtung i. S. d. Art. 68 Abs. 1, 74 Abs. 1 TK-Kodex An dieser Rechtsprechung wird insbesondere kritisiert, dass es sich bei einer Genehmigung gerade nicht um eine Verpflichtung handle. Das Unionsrecht selbst unterscheide zwischen „Maßnahmen“ („measure“; beispielhaft Art. 32 Abs. 3 TKKodex) und „Verpflichtungen“ („obligations“; beispielhaft Art. 74 Abs. 1 TKKodex).273 Die Genehmigung sei die eine Beschränkung aufhebende Erlaubnis und damit keine Verpflichtung zulasten des Unternehmens, weshalb sie nicht unter Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex falle. Die Auslegung des EuGH dahingehend, dass Art. 74 267 Die Pflicht zur Durchführung des unionsweiten Konsolidierungsverfahrens besteht unabhängig davon, ob auch ein nationales Konsultationsverfahren durchgeführt werden muss; dies ergibt sich mittlerweile eindeutig aus dem insoweit klarstellenden Wortlaut des Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex, wonach die Konsolidierung „nach Abschluss der öffentlichen Konsultation, falls diese gemäß Artikel 23 erforderlich ist“, durchzuführen ist; der aufgrund des noch anders lautenden Wortlautes der Rahmen-RL geführte Streit, vgl. Neumann/Sickmann/Alkas/Koch, Reformbedarf, S. 287 f., dürfte damit hinfällig sein; anders noch Kurth, MMR 2009, 818 (820). 268 Dazu, dass sich der EuGH in seiner Entscheidung mit einer Vielzahl von problematischen Fragen nicht oder nur unzureichend auseinandergesetzt hat s. Neumann, N&R 2016, 146 (148 ff.). 269 EuGH, Urt. v. 14.01.2016, Rs. C-395/14 (Vodafone) = MMR 2017, 318 Rn. 31 f. 270 EuGH, Urt. v. 14.01.2016, Rs. C-395/14 (Vodafone) = MMR 2017, 318 (319) Rn. 35. 271 EuGH, Urt. v. 14.01.2016, Rs. C-395/14 (Vodafone) = MMR 2017, 318 (319) Rn. 37 f. und Rn. 42. 272 EuGH, Urt. v. 14.01.2016, Rs. C-395/14 (Vodafone) = MMR 2017, 318 (320) Rn. 50. 273 Kurth, MMR 2009, 818 (822); Neumann, N&R 2016, 146 (148).
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Abs. 1 TK-Kodex alle Maßnahmen der Preiskontrolle umfasse, ginge viel zu weit und finde weder im Gesetzestext, noch in der Systematik oder im Gesetzeszweck eine Rechtfertigung. Vielmehr seien bereits alle Verpflichtungen im Rahmen der Regulierungsverfügung auf der zweiten Stufe der Regulierung auferlegt, die auch die Genehmigungspflicht und die Verpflichtung auf einen bestimmten Entgeltmaßstab umfasse.274 Weitergehende Verpflichtungen enthalte die Genehmigung nicht, sondern sie setze nur bereits zuvor auferlegte Verpflichtungen um.275 Dieser Kritik ist nur teilweise zuzustimmen. Richtig ist jedenfalls, dass der Wortlaut durch den EuGH extensiv ausgelegt und keine Abgrenzung zwischen Verpflichtung und Maßnahme vorgenommen wurde. Dieses Verständnis des Art. 74 TK-Kodex kann weitreichende Folgen haben. Allerdings enthält das Entgeltgenehmigungsverfahren auch Verpflichtungen für Unternehmen. Insbesondere die Auswahl der anzuwendenden Maßstäbe und Methoden (z. B. KeL-Maßstab) stellt eine Verpflichtung i. S. d. Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex dar, weil die Unternehmen verpflichtet werden, ihre Entgelte daran auszurichten und andere Entgelte, die diesen Vorgaben nicht entsprechen, nicht erhoben werden dürfen, vgl. § 31 Abs. 3 S. 2 TKG.276 Die Verpflichtung, einen bestimmten Maßstab einzuhalten, wird gerade nicht in der Regulierungsverfügung auf der zweiten Stufe, sondern erst auf der dritten Stufe der Regulierung festgelegt. Nach der neusten Rechtsprechung des BVerwG könnte diese Verpflichtung richtigerweise mangels Verweis des § 13 Abs. 1 S. 1 TKG auf die §§ 31 ff. TKG schon gar nicht verbindlich in der Regulierungsverfügung festgelegt werden.277 Die Entscheidung darüber, ob das Einzelgenehmigungsverfahren oder das Price-CapVerfahren angewendet wird, ob der KeL-Maßstab oder ein anderer Maßstab herangezogen wird oder anhand welcher Berechnungsmethode das Anlagevermögen ermittelt wird, sind Fragen, die aufgrund des mehrstufigen Verfahrens erst nach Erlass der Regulierungsverfügung auf der dritten Stufe der Regulierung entschieden werden. In der Regulierungsverfügung selbst wird nur festgelegt, ob eine ex anteoder ex post-Entgeltregulierung erfolgen soll. Die Art der Genehmigung, das Verfahren zur Bestimmung der Kosten und die Art der Wertermittlung werden anschließend verbindlich im Genehmigungsverfahren festgelegt und im Genehmigungsbeschluss verfügt.278 Daher muss die Festlegung im nachgelagerten Genehmigungsverfahren als Verpflichtung im Sinne des Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex ange274
Neumann, N&R 2016, 146 (148). Neumann, N&R 2016, 146 (150). 276 So auch noch Neumann, N&R 2016, 146 (149); Cornils, N&R 2017, 178 (181). 277 BVerwG NVwZ-RR 2018, 932 (933 ff.) Rn. 22 ff. insb. Rn. 29 und Rn. 32 f.; es fehlt mithin die erforderliche gesetzliche Grundlage, die Maßstäbe und Methoden bereits verbindlich in der Regulierungsverfügung festzusetzen; a. A. noch Kurth, MMR 2009, 818 (822); zu den weitreichenden Praxisfolgen dieser Rechtsprechung Herrmann, N&R 2018, 314 (317 f.), da die BNetzA in der Vergangenheit den Entgeltmaßstab immer bereits in der Regulierungsverfügung festlegte. 278 Vgl. beispielhaft BNetzA, Konsultationsentwurf, BK 3c-19-001, S. 25 ff. 275
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
sehen werden. Andernfalls würde die nationale Ausgestaltung der Regulierung als mehrstufiges Verfahren das Konsolidierungsverfahren nach Art. 32 Abs. 3 TKKodex umgehen.279 Etwas Anderes kann allenfalls dann gelten, wenn ein erneutes Konsolidierungsverfahren keinen eigenständigen Sinn mehr hätte. Dies ist denkbar, wenn in der Entgeltgenehmigung auf der dritten Stufe der Regulierung zwar formal alle Maßstäbe und Methoden verbindlich festgesetzt werden, sich aber die Begründung auf einen Verweis auf vorangegangene Entscheidungen, die das Konsolidierungsverfahren durchlaufen haben, beschränkt. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist es zwar nicht möglich, die Maßstäbe und Methoden des Entgeltgenehmigungsverfahrens vorab in der Regulierungsverfügung verbindlich festzulegen. Es soll der BNetzA aber gestattet sein, in der Genehmigung auf die Begründung der Regulierungsverfügung zu verweisen.280 Denn bereits in der Regulierungsverfügung hat die BNetzA in Ausübung ihres Regulierungsermessens in die Abwägungsentscheidung, ob eine ex ante-Entgeltregulierung notwendig ist oder eine ex post-Entgeltregulierung ausreicht, die in Betracht kommenden Maßstäbe und Methoden einzubeziehen. Diese Überlegungen waren dann bereits Gegenstand des Konsolidierungsverfahrens nach Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex. Diese Ausnahme kommt aber nur in Betracht, wenn (1) insgesamt alle Verpflichtungen (Methoden und Maßstäbe), die im Rahmen der Entgeltgenehmigung auferlegt werden, bereits konsolidiert wurden, (2) keine anderen als die konsolidierten Verpflichtungen auferlegt werden und (3) keine wesentlich anderen oder neuen Erwägungsgründe im Genehmigungsverfahren angestellt werden, insbesondere weil sich eine andere tatsächliche Entwicklung ergeben hat oder neue Argumente vorgetragen wurden.281 Mit anderen Worten: Wird im Entgeltgenehmigungsverfahren eine Festlegung getroffen, die eine Verpflichtung für das Unternehmen darstellt und wurde für diese Verpflichtung noch kein Konsolidierungsverfahren durchgeführt, ist es erneut vor der Genehmigung durchzuführen.282 Diese Lösung entspricht dem Sinn und Zweck des Konsolidierungsverfahrens. Einerseits werden Abstimmung und Transparenz gewahrt; die NRB können keine eigenen oder neuen Entscheidungen, die sich auf den Binnenmarkt auswirken, treffen, ohne dies vorher unionsweit konsolidiert zu haben.283 Das Konsolidierungsverfahren wird nicht umgangen und die Kommission erhält einen Zugriff auf 279 Daher muss das Konsolidierungsverfahren auf allen Stufen gewährleistet sein, vgl. BVerwG NVwZ-RR 2018, 932 (936) Rn. 41 a. E. 280 Vgl. BVerwG NVwZ 2014, 589 (596) Rn. 45; BVerwG NVwZ-RR 2018, 932 (935) Rn. 32. 281 Vgl. BVerwG NVwZ-RR 2018, 932 (935) Rn. 35 a. E. 282 Neumann, N&R 2018, 111 (118). 283 Zum Sinn und Zweck des Konsultations- und Konsolidierungsverfahrens in diesem Sinne auch BVerwG NVwZ 2014, 1586 (1593) Rn. 50.
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die Entscheidungen im Rahmen ihrer Interventionsrechte. Andererseits muss das Verfahren nicht durchgeführt werden, wo es keinen Sinn mehr macht, weil inhaltlich schon alle Punkte im vorangegangenen Verfahren einem Austausch zugänglich gemacht wurden. Es besteht nämlich kein Bedürfnis, das konkrete Entgelt vorzulegen;284 ein derart weitgehendes Interventionsrecht der Kommission ist im TKKodex nicht vorgesehen. Damit kann der ohnehin durch den Verwaltungsverbund steigende Verwaltungsaufwand eingespart und im Sinne der Unternehmen eine zügige Entscheidung getroffen werden. Da jedoch im Rahmen der Entgeltgenehmigung eine ganze Reihe von Festlegungen getroffen werden,285 die nicht notwendigerweise Gegenstand der Regulierungsverfügungsbegründung sind, wird ein Konsolidierungsverfahren i. d. R. vor jeder Entgeltgenehmigung durchzuführen sein, solange diese Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten hat. bb) Analoge Anwendung des § 13 Abs. 1 S. 2 TKG Das BVerwG hat nach entsprechender Vorlage die Entscheidung des EuGH dahingehend umgesetzt, dass es § 13 Abs. 1 S. 1 und S. 2 TKG in richtlinienkonformer Rechtsfortbildung auf § 31 TKG analog anwendete.286 § 31 TKG sei nicht in § 13 Abs. 1 S. 1 TKG genannt und damit sei die Verweisung in Satz 2 auf die Vorlagepflicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4 TKG für die Entgeltgenehmigung nicht anwendbar. Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex sei aber dahingehend auszulegen, dass die BNetzA verpflichtet ist, das unionsweite Konsolidierungsverfahren vor jeder einzelnen Genehmigung erneut durchzuführen, wenn sie Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten hat. Die BNetzA müsse dann entsprechend dem Verfahren nach § 13 Abs. 1 S. 1, S. 2, Abs. 4, 12 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 4 TKG analog jeden Genehmigungsentwurf nach § 31 TKG der Kommission, dem GEREK und den NRB der anderen Mitgliedsstaaten zur Stellungnahme vorlegen und diesen Stellungnahmen weitestgehend Rechnung tragen. In der Literatur wird daran gezweifelt, ob eine analoge Anwendung im Wege der Rechtsfortbildung möglich ist oder ob eine unmittelbare Anwendung des Unionsrechts herangezogen werden muss.287 Eine Analogie setzt zum einen eine planwidrige Regelungslücke und zum anderen eine vergleichbare Interessenlage voraus. 284
Neumann, N&R 2016, 146 (151). S. nur Teil 3 C. I. 1. bis 4. 286 BVerwG, Urt. v. 31.01.2017, 6 C 2.16 = BeckRS 2017, 103948 Rn. 20 ff. im Anschluss an EuGH, Urt. v. 14.01.2016, C-395/14 (Vodafone) = MMR 2017, 318; die BNetzA hatte bereits im Vorfeld mit Beschl. v. 24.02.2011 (10/101) die Praxis daheingehend geändert, da die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren Nr. IP/09/1008 am 25.06.2009 eingeleitet hatte. 287 Neumann, N&R 2016, 146 (152); für eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie Gurlit, in: Säcker, TKG, § 13 Rn. 12; Gurlit, N&R 2013, 53 (54); Cornils, N&R 2017, 178 (183); Berger-Kögler/Cornils, in: BeckOK TKG, § 35 Rn. 68, die aber auch eine erweiternde 285
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Eine planwidrige Regelungslücke ist nicht gegeben, wenn die Lücke eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers war. Für eine planwidrige Regelungslücke spricht die Gesetzesbegründung der Ursprungsfassung des TKG 2004, wonach eine „Maßnahme nach den Artikel […] 8 Zugangs-RL, deren Vorgaben in den genannten Regelungen des Teils 2 umgesetzt sind, dem in § 12 abgebildeten Verfahren des Artikels 6 und 7 Rahmen-RL“ unterliegt.288
Die Entgeltregulierung, insbesondere die Festlegung der Maßstäbe und Methoden, war schon immer im Teil 2 des TKG geregelt und müsste nach dieser Begründung unter das in § 12 TKG geregelte Konsolidierungsverfahren fallen. Gegen eine planwidrige Regelungslücke spricht neben dem eindeutigen Verweis im Wortlaut auch die spätere Ergänzung des § 23 TKG in der Verweisungsnorm § 13 TKG. Laut der Gesetzesbegründung wurde die Aufzählung in § 13 TKG ergänzt, da dieser ebenfalls zu Maßnahmen zählt, die zu konsultieren und zu konsolidieren sind.289 Daraus wird der Schluss gezogen, dass die Verweisung abschließend sei und der Gesetzgeber bewusst die §§ 31 ff. TKG nicht der Konsolidierung unterwerfen wollte.290 Allerdings wird man dem Gesetzgeber nicht unterstellen können, sehenden Auges einen Richtlinienverstoß in Kauf genommen zu haben.291 Vielmehr ist davon auszugehen, dass er alle unter Art. 8 Abs. 2 Zugangs-RL (jetzt: Art. 68 Abs. 2 TKKodex) fallenden Verpflichtungen der Konsolidierung unterwerfen wollte und zu diesem Zeitpunkt nicht erkennbar war, dass die Maßnahmen in den §§ 31 ff. TKG Verpflichtungen im Sinne des Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex darstellen können. Von einer bewussten Hinwegsetzung über die europäischen Vorgaben kann daher nicht gesprochen werden, vielmehr liegt ein Fall der unbewussten fehlerhaften Richtlinienumsetzung vor. Nach Ansicht der Rechtsprechung kann in diesem Fall eine planwidrige Regelungslücke auch dann angenommen werden, wenn das ausdrücklich angestrebte Ziel einer richtlinienkonformen Umsetzung durch die Regelung nicht erreicht worden ist und ausgeschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber die Regelung in gleicher Weise erlassen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass sie nicht richtlinienkonform ist.292 Auslegung des § 13 Abs. 1 S. 2 TKG in Betracht ziehen; zum Verhältnis von richtlinienkonformer Auslegung und unmittelbarer Anwendung s. Teil 1 C. I. 288 BT-Drs. 15/2316, S. 63. 289 BT-Drs. 17/5708, S. 53. 290 Vgl. nur BVerwG NVwZ 2014, 1586 (1594) Rn. 53; BVerwG NVwZ-RR 2018, 932 (936) Rn. 37. 291 BGH NJW 2014, 2646 (2648) Rn. 23; BVerwG, Urt. v. 31.01.2017, 6 C 2.16 = BeckRS 2017, 103948 Rn. 29; vielmehr ist vom allgemeinen Willen des Gesetzgebers auszugehen, eine Richtlinie korrekt umzusetzen, vgl. Möllers/Möhring, JZ 2008, 919 (922 f.); so aber wohl Neumann, N&R 2016, 146 (152 f.). 292 BGH NJW 2014, 2646 (2648) Rn. 23; BGHZ 192, 148 = NJW 2012, 1073 (1077) Rn. 34; BGHZ 179, 27 = NJW 2009, 427 (429) Rn. 25; BVerwG, Urt. v. 31.01.2017, 6 C 2.16 = BeckRS 2017, 103948 Rn. 29.
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Neben der planwidrigen Regelungslücke kann auch die vergleichbare Interessenlage bejaht werden, da es sich bei den Verpflichtungen in den §§ 31 ff. TKG um Verpflichtungen i. S. d. Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex handelt, die das Konsolidierungsverfahren durchlaufen müssen. Der analogen Anwendung im Wege der richtlinienkonformen Auslegung kommt mithin der Vorrang zu;293 eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie ist nicht notwendig.294 Ob eine analoge Anwendung des § 13 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 TKG oder eine analoge Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4, § 13 Abs. 4 TKG vorgenommen wird, kann im Ergebnis dahinstehen. Die Rechtsfolge ist jedenfalls die Pflicht zur Durchführung des Konsolidierungsverfahrens vor jeder Entgeltgenehmigung, die eine neue Verpflichtung enthält und Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten hat.295 Der nationale Gesetzgeber ist gehalten, zur Klarstellung eine entsprechende Gesetzesänderung vorzunehmen. Im Rahmen der Umsetzung des TK-Kodex wäre es ratsam, in den §§ 31 ff. TKG einen Verweis auf § 12 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4, § 13 Abs. 4 TKG mit aufzunehmen.296 b) Auswirkungen auf die Judikative Die Tatsache, dass i. d. R. vor jeder Genehmigung nach § 31 TKG das unionsweite Konsolidierungsverfahren durchgeführt werden muss, hat entsprechende Auswirkungen auf die Judikative.297 Die Genehmigungsfähigkeit der Entgelte ergibt sich aus § 35 Abs. 3 TKG insbesondere dann, wenn die Entgelte mit den gesetzlichen Vor293 Der richtlinienkonformen Auslegung kann nicht entgegengehalten werden, dass dies zu einer unzulässigen umgekehrt vertikalen Wirkung führen würde. Dies gilt nämlich nur, wenn eine Richtlinie überhaupt nicht umgesetzt wurde, vgl. EuGH, Urt. v. 26.09.1996, C-168/95 (Arcaro) = BeckRS 2004, 74624 Rn. 42; so wohl auch Dörr/Lenz, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 474. 294 Schütze, N&R 2015, 28 (32); a. A. Gurlit, in: Säcker, TKG, § 13 Rn. 12; Gurlit, N&R 2013, 53 (54); Berger-Kögler/Cornils, in: BeckOK TKG, § 35 Rn. 68; kritisch zur unmittelbaren Anwendung Coppik/Herrmann, K&R 2011, 474 (475), da diese im vorliegenden Fall zu einer unzulässigen umgekehrt vertikalen Wirkung führen würde, vgl. Schroeder, in: Streinz, AEUV, Art. 288 Rn. 100. 295 Dazu, was unter „neue“ Verpflichtung fällt, s. unter Teil 3 C. I. 5. a) aa). 296 Für eine Gesetzesänderung auch Neumann, N&R 2016, 146 (155), allerdings für eine Aufnahme aller Verpflichtungen in § 13 TKG. Damit soll eine Verlagerung aller Verpflichtungen auf die zweite Stufe des Regulierungsverfahrens erfolgen, indem die Maßnahmen des Entgeltregulierungsverfahren nach §§ 31 ff. TKG schon in der Regulierungsverfügung getroffen werden. Eine derartige Verlagerung ist aber nicht zwingend notwendig, denn das Unionsrecht verbietet die Verfahrensstufung nicht, vgl. BVerwG NVwZ-RR 2018, 932 (936) Rn. 41. Der nationale Gesetzgeber kann durchaus an seinem Willen, die Regulierung in mehrere Stufen zu unterteilen, festhalten, muss dann aber gewährleisten, dass das unionsweite Konsolidierungsverfahren auf jeder Stufe, die in den Anwendungsbereich des Art. 32 Abs. 3 TKKodex fällt, durchgeführt wird. 297 Vgl. zur Auswirkung des unechten Vetorechts auf die gerichtliche Kontrolldichte bereits ausführlich unter Teil 3 B. II. 1. b) bb).
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gaben und den festgesetzten Entgeltmaßstäben im Einklang stehen.298 Eine Vollkontrolle in Bezug auf die im Genehmigungsverfahren durch die Behörde festgesetzten Methoden und Maßstäbe durch das nationale Gericht würde an dieser Stelle das der Kommission zustehende Interventionsrecht untergraben. Daher ist aufgrund des effet utiles eine Rücknahme der Kontrolldichte erforderlich. aa) Kontrolldichte und effet utile Wie gezeigt ist das Konsolidierungsverfahren nach Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex grundsätzlich vor jeder Genehmigung erneut durchzuführen. In diesem Rahmen steht der Kommission auch das unechte Vetorecht nach Art. 33 Abs. 5 a) TK-Kodex zu, denn in der Entscheidung der BNetzAwerden bestimme Maßstäbe und Methoden festgesetzt, die eine Verpflichtung im Sinne des Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex darstellen, vgl. Art. 33 Abs. 1 TK-Kodex. Das Abstimmungsverfahren beansprucht eine höhere Geltung als das allgemeine Konsolidierungsverfahren. Ansonsten wäre es neben dem allgemeinen Konsolidierungsverfahren überflüssig. Dieser Umstand ist wie bereits auf der zweiten Stufe der Regulierung bei der gerichtlichen Kontrolle der Behördenentscheidung zu beachten.299 Das nationale Gericht erlässt zwar auch bei einer Vollkontrolle keine eigene Genehmigung mit den Festsetzungen der §§ 31 ff. TKG, würde aber eine eigene Abwägung und eine eigene Wertung bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit vornehmen. Wird eine Entgeltgenehmigung der NRB mit der Begründung, die festgelegten Maßstäbe und Methoden seien unangemessen, angefochten und aufgehoben, würde sich erneut ein Verwaltungsverfahren anschließen, in dem die NRB wieder die Stellungnahmen im Konsolidierungsverfahren zu berücksichtigen hätte und die Kommission erneut ein Abstimmungsverfahren nach Art. 33 TK-Kodex einleiten könnte.300 Der Sinn und Zweck des Konsolidierungsverfahrens würde dadurch gefährdet, wenn ein nationales Gericht eine abgestimmte Entscheidung aufgrund eines anderen, eigenen Abwägungsergebnisses aufheben könnte. Mit dem Rechtsschutz würde zudem die Gefahr der unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer kollidieren, denn wirksamer Rechtsschutz umfasst auch die Rechtzeitigkeit des Rechtsschutzes.301 Keine andere Folge ergibt sich im Fall der Verpflichtung zum Erlass einer Entgeltgenehmigung mit einem bestimmten Entgelt.302 Das Gericht 298
Zudem müssen die Entgelte mit § 28 TKG vereinbar sein, vgl. dazu Teil 3 C. III. A. A. Kühling, in: BeckOK TKG, § 31 Rn. 48. 300 Der Adressat der Genehmigung kann diese anfechten, da sie Verpflichtungen im Sinne der Adressatentheorie enthält. Ebenso ist eine Anfechtung durch Dritte möglich, da sie durch die Genehmigung in ihren Rechten verletzt sein können, insbesondere das gewährleistete Recht, den Inhalt von vertraglichen Vereinbarungen mit der Gegenseite frei von staatlicher Bindung auszuhandeln, vgl. VG Köln, Urt. v. 27.08.2009, 1 K 3427/01, juris Rn. 18. 301 Rengeling, in: FS Schwarze, S. 745; Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 140. 302 Eine Verpflichtungsklage ist möglich, da das regulierte Unternehmen einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung gem. § 35 Abs. 3 S. 1 TKG hat. Die Klagebefugnis eines 299
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könnte die Behörde zur Erteilung der Genehmigung konkreter Entgelte, die nach den Maßstäben gebildet werden, die das Gericht für angemessen hält, verpflichten und die NRB wäre an die Entscheidung gebunden. In einem sich daran anschließenden Verwaltungsverfahren könnte sie weder den Stellungnahmen nach Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex noch einer eventuellen Empfehlung der Kommission nach Art. 33 Abs. 5 a) TK-Kodex in geeigneter Weise Rechnung tragen. bb) Bedeutung für das Entgeltgenehmigungsverfahren Die Rücknahme der gerichtlichen Kontrolle auf nationaler Ebene richtet sich nach dem unechten Vetorecht der Kommission i. R. d. Art. 33 Abs. 1 TK-Kodex. Für Gegenstände, die in den Prüfungsumfang der Kommission fallen, würde eine gerichtliche Vollkontrolle das Interventionsrecht der Kommission untergraben und den Sinn des Konsolidierungs- und Abstimmungsverfahrens gefährden. Gem. Art. 33 Abs. 1 TK-Kodex prüft die Kommission, ob der Maßnahmenentwurf der NRB (in diesem Fall die Genehmigung) ein Hemmnis für den Binnenmarkt darstellen würde und die Vereinbarkeit des Maßnahmenentwurfes mit dem Unionsrecht. Bei letzterem reichen bereits Zweifel aus. Der Maßnahmenentwurf muss die Auferlegung einer Verpflichtung in Anwendung von Art. 61 i. V. m. Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex beinhalten. Nur die in der Genehmigung enthaltenen Verpflichtungen fallen in den Prüfungsumfang der Kommission, nicht hingegen die Genehmigung der konkreten Entgelte.303 (1) Auswahl von Verfahren und Preiskontrollmaßstab Die Auswahlentscheidung nach § 31 Abs. 1 und Abs. 2 TKG, welches Verfahren und welcher Kostenmaßstab (z. B. KeL) im konkreten Fall herangezogen werden,304 fällt mithin in die Prüfungskompetenz der Kommission. Es handelt sich dabei um eine Verpflichtung i. S. d. Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex, da das Unternehmen gezwungen ist, seine Entgelte nach den festgesetzten Maßstäben zu bilden und diese nach dem festgesetzten Verfahren genehmigen zu lassen. Die Entscheidungen, die die BNetzA in dieser Situation im konkreten Fall trifft, unterliegen der Angemessenheitsprüfung i. S. v. Art. 74 Abs. 1 und 68 Abs. 2 und Abs. 4 TK-Kodex, bei der die Kommission zu dem Ergebnis kommen kann, dass bspw. ein anderer Kostenmaßstab im konkreten
Dritten richtet sich nach der Schutznormtheorie, wobei für jede Norm im Genehmigungsverfahren gesondert festzustellen ist, ob sie Drittschutz vermittelt, vgl. insbesondere zum Drittschutz bei der Wahl der Vorgehensweise bei der Entgeltgenehmigung Kühling, in: BeckOK TKG, § 31 Rn. 64; zum Drittschutz des § 32 TKG s. Kühling/Winzer, in: BeckOK TKG, § 32 Rn. 62. 303 Die Genehmigung stellt keine Verpflichtung in diesem Sinne dar, vgl. Neumann, N&R 2016, 146 (150). 304 Vgl. Teil 3 C. I. 1.
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Fall angemessener wäre.305 Daraus ergibt sich, dass trotz grundsätzlicher Verfahrensautonomie dem nationalen Gericht nicht die Letztentscheidungsbefugnis über die Auswahl des Verfahrens und des Preiskontrollmaßstabes nach § 31 TKG zukommen kann. Die gerichtliche Kontrolle ist im Wege des effet utile zu reduzieren. Auf nationaler Ebene wurde dies in § 31 Abs. 1 und Abs. 2 TKG mit dem Auswahlermessen einerseits und dem Beurteilungsspielraum für die „bessere Eignung“ gem. § 31 Abs. 2 Nr. 2 TKG andererseits umgesetzt. Gerade die bessere Eignung als Merkmal der Verhältnismäßigkeit nach Art. 68 Abs. 2 und Abs. 4 TK-Kodex ist Voraussetzung für eine entsprechende Entscheidung, sodass sie in den Prüfungsumfang der Kommission fällt. Die legislative Vorstrukturierung dahingehend, dass die Vorgehensweisen des § 31 Abs. 1 TKG vorrangig seien, ist unzulässig,306 sodass das Merkmal der „besseren Eignung zur Erreichung der Regulierungsziele“ stets in die Behördenentscheidung miteinzubeziehen ist. Mithin treffen bei der Auswahl eine Ermessensentscheidung und ein Beurteilungsspielraum mit dem Abwägungsmerkmal der Zielerreichung nach § 2 TKG aufeinander, sodass auch von einem Regulierungsermessen gesprochen werden kann.307 Im Ergebnis ist jedenfalls eine Vertretbarkeitskontrolle möglich und auch durchzuführen, da aus unionsrechtlicher Sicht keine darüber hinausgehende Absenkung des Kontrollniveaus erforderlich ist. (2) Wertermittlungen im Rahmen der kostenorientierten Entgeltbildung Gleiches gilt für Entscheidungen der BNetzA bei der Anwendung des § 32 TKG. Die als Beispiele herangezogene Auswahl der Berechnungsgrundlage für die Bewertung des Anlagevermögens und die Methodenwahl für die Zinsermittlung308 stellen Verpflichtung i. S. d. Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex dar, weil das Unternehmen keine anderen Berechnungsgrundlagen oder Methoden für die Entgeltbildung heranziehen kann.309 Die vorzunehmenden Abwägungsentscheidungen (insbesondere zwischen historischen und aktuellen Kosten und zwischen den verschiedenen Methoden für die Berechnung der Verzinsung des eingesetzten Kapitals) sind danach zu treffen, welche Berechnungsgrundlage oder welche Methode i. S. d. Art. 68 Abs. 2 und Abs. 4 TK-Kodex angemessener ist und unterfallen mithin dem Prüfungsumfang der Kommission. Aufgrund der Normstruktur handelt es sich nach nationaler Dogmatik jeweils um Beurteilungsspielräume, wobei die Vertretbarkeitskontrolle durch das nationale Gericht vorgenommen werden kann und muss. 305 Vgl. Kommission, Empfehlung v. 23.03.2015, C (2015) 1924 final in der Sache DE/ 2014/1666 – 1667, dass das PURE BULRIC-Modell für Mobilfunkterminierungsentgelte (nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 TKG) besser geeignet sei als das von der BNetzA festgesetzte BULRICModell (nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TKG). 306 Vgl. Teil 3 C. I. 1. a). 307 Zur Normstruktur des Regulierungsermessens s. Teil 2 C. V. 308 Vgl. Teil 3 C. I. 2. a) und 2. b). 309 Cornils, N&R 2017, 178 (182).
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(3) Bestimmungen im Rahmen des Price-Cap-Verfahrens Auch die Entscheidungen im Rahmen des Price-Cap-Verfahrens enthalten Verpflichtungen nach Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex, die konsolidiert werden müssen und die von der Kommission auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht und dem Binnenmarkt überprüft werden.310 Bei der Bestimmung des Inhalts der Körbe entscheidet die BNetzA, welche Leistungen sie zusammenfasst nach der erwarteten Stärke des Wettbewerbs. Entgelte für Leistungen, die hierunter fallen, dürfen vom Unternehmen nicht anderweitig gebildet und erhoben werden. Ebenso stellt die Festlegung des Ausgangsentgeltniveaus eine Verpflichtung des Unternehmens dar. Diese Entscheidungen wirken sich mittelbar auf die Preisobergrenzen aus, von denen das betroffene Unternehmen nicht abweichen darf. Die Bestimmung einer gesamtwirtschaftlichen Preissteigerungsrate bedeutet, dass eine Auswahl zwischen verschiedenen gesamtwirtschaftlichen Preisindizes getroffen werden kann. Die Auswahlentscheidung, welcher Index herangezogen wird, hat unmittelbare Auswirkungen auf die Vorgaben der Preisobergrenze und fällt damit unter Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex. Der Kommission steht diesbezüglich ein unechtes Vetorecht zu, sodass die Auswahlentscheidung nicht vollumfänglich gerichtlich kontrolliert werden kann.311 Auch hier steht aber einer Vertretbarkeitskontrolle nichts entgegen. (4) Methodenwahl zur Überprüfung der Kosten Anders verhält es sich bei der Methodenwahl zur Ermittlung der Unternehmenskosten.312 Bei der Kostenprüfung anhand der vorzulegenden Kostenunterlagen gem. § 34 TKG handelt es sich um eine gesetzliche Verpflichtung der Unternehmen. Die Verpflichtung wird mithin nicht durch die BNetzA auferlegt und stellt keine Verpflichtung i. S. d. Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex dar. Daneben kann die BNetzA wählen zwischen der Vergleichsmarktbetrachtung nach § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TKG und der isolierten Kostenrechnung nach § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TKG. Dabei handelt es sich zwar um eine originäre Entscheidung der BNetzA.313 Die Auswahlentscheidung enthält aber keine Pflicht des Unternehmens, weitergehende Informationen herauszugeben oder Vorgaben zur Berechnung der Entgelte. Das Unternehmen wird dadurch nicht zu einem Tun, einem Unterlassen oder einer Duldung verpflichtet, sondern es ist eine behördeninterne Entscheidung darüber, wie die Kosten überprüft werden sollen. Die Überprüfung der Einhaltung einer Verpflichtung ist aber nicht selbst eine Verpflichtung, denn dadurch werden keine neuen Verbindlichkeiten begründet.314 310
Vgl. Teil 3 C. I. 3. Nach der nationalen Normstruktur handelt es sich um ein normales Auswahlermessen, da keine Voraussetzungen der „Geeignetheit“ o. Ä. in den Tatbestand mit aufgenommen wurden. 312 Vgl. unter Teil 3 C. I. 4. 313 A. A. Cornils, N&R 2017, 178 (182). 314 So auch Neumann, N&R 2016, 146 (149). 311
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Die Verfahrenswahl und -anwendung, insbesondere die Heranziehung bestimmter Märkte bei der Vergleichsmarktbetrachtung, müssen demnach nicht konsolidiert werden und unterliegen nicht dem Prüfungsumfang der Kommission. Eine Gefahr der Umgehung eines etwaigen unechten Vetorechts besteht nicht, sodass eine Herleitung etwaiger Letztentscheidungsspielräume der BNetzA jedenfalls nicht aus dem Unionsrecht erfolgen kann. c) Fazit zur Reduzierung der Kontrolldichte Das unechte Vetorecht der Kommission nach Art. 33 Abs. 5 a) TK-Kodex, das im Rahmen der Konsolidierung ausgeübt werden kann, führt zu einer Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte. Dies gilt für Entscheidungen im Entgeltgenehmigungsverfahren, die der Konsolidierungspflicht nach Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex unterfallen und in den Prüfungsumfang der Kommission nach Art. 33 Abs. 1 TKKodex fallen. Maßgebliche Voraussetzung hierfür ist, dass es sich bei der zu treffenden Entscheidung um eine „Verpflichtung betreffend die Kostendeckung und die Preiskontrolle“ handelt, die von der BNetzA auferlegt wird.315 Auch auf der dritten Stufe der Regulierung ergeben sich eine Vielzahl von Verpflichtungen, die aufgrund der nationalen Ausgestaltung nicht bereits im Rahmen der Regulierungsverfügung festgesetzt werden können. Das Konsolidierungsverfahren ist daher grundsätzlich vor jeder Genehmigung durchzuführen, wenn im Entgeltgenehmigungsverfahren eine Festlegung getroffen wird, die eine Verpflichtung für das Unternehmen darstellt und für die noch kein Konsolidierungsverfahren durchgeführt wurde. Ob eine Entscheidung eine Verpflichtung in diesem Sinne darstellt ist anhand der konkreten Maßnahme zu prüfen. Dies ist jedenfalls für die dargestellten Entscheidungen im Rahmen von §§ 31 Abs. 1 und Abs. 2, 32 und 33 TKG anzunehmen, nicht hingegen für Entscheidungen über bloße Verfahrensgestaltungen. Für ersteres ist die gerichtliche Kontrolle auf eine Vertretbarkeitskontrolle zu reduzieren. 6. Fazit zu Letztentscheidungsbefugnissen im Entgeltgenehmigungsverfahren Art. 74 TK-Kodex als zentrale Vorschrift für die Preiskontrolle enthält keine Vorgaben zum anzuwendenden Verfahren, zum anzuwendenden Preiskontrollmaßstab oder zu anzuwendenden Methoden. Mangels detaillierter Vorgaben besteht damit ein Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Art. 74 TK-Kodex. Allerdings sieht Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex ausdrücklich vor, dass die NRB darüber entscheidet ob und welche konkreten Verpflichtungen betreffend die Kostendeckung und die Preiskontrolle dem Unternehmen auferlegt werden. Daher muss der nationale Gesetzgeber die Entscheidung darüber, welche Maßstäbe und Methoden im konkreten Fall im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ange315 Als weitere Voraussetzung kommt die Auswirkung auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten hinzu.
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wendet werden, der NRB überlassen.316 Die Annahme, dass die Verfahrensarten des § 31 Abs. 1 TKG vorrangig zu denen des § 31 Abs. 2 TKG sind, ist damit nicht vereinbar. Sie sind vielmehr als gleichranging zu behandeln und die Entscheidung der BNetzA zu überlassen.317 Vereinzelt muss auch für Entscheidungen der BNetzA im Rahmen des Entgeltgenehmigungsverfahrens nach §§ 31 ff. TKG die nationale Gerichtskontrolle zurückgenommen werden. Dies ergibt sich zwar weder unmittelbar aus dem Inhalt des Sekundärrechts noch aus einschlägigen EuGH-Entscheidungen. Vielmehr kann die Rücknahme gerichtlicher Kontrolle auch hier nur mit dem unechten Vetorecht der Kommission aus Art. 33 Abs. 5 a) TK-Kodex begründet werden, das andernfalls leerliefe. Alle Verpflichtungen i. S. d. Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex unterfallen der Kontrolle der Kommission, weil diesbezüglich eine unionsrechtliche Pflicht zur Durchführung des Konsolidierungsverfahrens besteht. Auf nationaler Ebene sind §§ 12 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4, 13 Abs. 4 TKG im Wege der unionsrechtskonformen Auslegung entsprechend analog auf die §§ 31 ff. TKG anzuwenden, soweit sie Verpflichtungen enthalten. Der Gesetzgeber hat entweder einen Verweis auf diese Normen einzufügen oder aber unter Abschaffung des mehrstufigen Verfahrens eine Rechtsgrundlage für die Verpflichtungen bereits in der Regulierungsverfügung zu erlassen.318 In vorstehendem Rahmen kommt der BNetzA die letztverbindliche Entscheidungsmacht zu. Auch wenn die Entscheidung der BNetzA durch die Kommission überprüft wird, sind Empfehlungen im Rahmen ihres unechten Vetorechts nicht verbindlich.319 Das bedeutet, dass die BNetzA dennoch davon abweichen kann, ohne dass das nationale Gericht die Entscheidung in der Sache vollumfänglich überprüfen kann. 316 Allgemein Kommission, Stellungnahme v. 12.04.2005, C (2005) 1196, S. 7 ff. im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2004/2221; auch der EuGH leitet aus Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex erneut einen „weiten Ermessensspielraum“ der NRB in Bezug auf die Wahl der im jeweiligen Fall aufzuerlegenden Preiskontrollmaßnahmen her, s. EuGH, Urt. v. 20.12.2017, C-277/16 (Polkomtel) = NVwZ 2018, 1039 (1040) Rn. 32. 317 So auch Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 30 Rn. 35; vgl. bereits Oster, Normative Ermächtigungen, S. 248, obwohl in § 32 TKG a. F. 2004 die Möglichkeiten der Abschlagsmethode und anderer Vorgehensweisen noch nicht vorgesehen war. 318 Für letzteres Neumann, N&R 2016, 146 (155); für grundlegende Neuerungen Herrmann, N&R 2018, 314 (318); der aktuelle Referentenentwurf zum TKMoG sieht eine Erstreckung des Konsolidierungsverfahrens auf das Entgeltgenehmigungsverfahren nicht vor. 319 Koenig, N&R 2016, 255 (256); die Abweichung von einer Empfehlung unterliegt allerdings höheren Anforderungen, da sich die Empfehlung direkt an die NRB richtet und damit einzelfallorientiert ist. Aufgrund dieser Kohärenz- und Zusammenarbeitsverpflichtung im europäischen Regulierungsverbund lässt sich ein Abweichen der BNetzA nur mit „besonderen ökonomischen, sozialen oder infrastrukturellen Besonderheiten rechtfertigen“, vgl. Säcker/ Mengering, N&R 2014, 74 (79); zu den praktischen Auswirkungen s. Neumann/Sickmann/ Alkas/Koch, Reformbedarf, S. 302 f.
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II. Zugangsanordnung, § 25 TKG Der Adressat der Zugangsverpflichtung hat gem. § 22 TKG gegenüber den Nachfragern ein Angebot auf einen entsprechenden Zugang abzugeben. Durch die Regulierungsverfügung kommt noch kein Vertrag zwischen zwei Parteien zustande, sondern sie hat lediglich die Verpflichtung zur Angebotsabgabe zum Inhalt; es handelt sich daher nicht um einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt.320 Kommt der Adressat dem nicht nach, ordnet die BNetzA den Zugang gem. § 25 TKG auf Antrag oder von Amts wegen an. Dabei ist ihr nach dem Wortlaut kein Entschließungsermessen, jedoch ein Auswahlermessen nach § 25 Abs. 5 TKG bzgl. des Gegenstands der Anordnung eingeräumt.321 Für ein weitergehendes Regulierungsermessen fehle es laut BVerwG an dem umfassenden Auswahl- und Ausgestaltungsspielraum, der untrennbar mit einer durch zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe gesteuerten Abwägung verbunden ist und bei dessen Ausübung die BNetzA sich an einer Vielzahl von Gesetzeszwecken und Zielen auszurichten hat.322 Die Konfliktbewältigung finde bereits auf der vorgelagerten Stufe der zu vollziehenden Regulierungsverfügung statt, sodass ein über das normale Auswahlermessen hinausgehender Spielraum im Rahmen des § 25 Abs. 5 TKG nicht erforderlich sei.323 Bei der Anwendung des § 25 TKG kommt der BNetzA zwar kein Entschließungsermessen (1.). aber ein Regulierungsermessen hinsichtlich der Auswahl der konkreten Bedingungen (2.) zu. 1. Kein Entschließungsermessen Die Entscheidung über das „Ob“ der Zugangsanordnung steht ausweislich des Wortlauts nicht im Entschließungsermessen der BNetzA. Diese gebundene Entscheidung steht im Einklang mit dem zugrundeliegenden Unionsrecht. Art. 61 Abs. 6 TK-Kodex sieht vor, dass die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass die NRB „befugt“ („empowered“) ist, tätig zu werden. Die Norm ist dahingehend auszulegen, dass die Mitgliedstaaten eine entsprechende Rechtsgrundlage (Beufgnisnorm) zu schaffen haben. Die Norm richtet sich damit nicht wie die Art. 64, 67 und 320 Ausführlich Brenner, Der privatrechtsgestaltende Verwaltungsakt im Regulierungsrecht, S. 307 ff. 321 BVerwG NVwZ 2014, 1034 (1045) Rn. 8; BVerwG NVwZ-RR, 952 (954) Rn. 22 und Rn. 33; BVerwG MMR 2017, 132 (136) Rn. 33. 322 BVerwG NVwZ 2014, 1034 (1036) Rn. 10; so auch Bergmann, NVwZ 2014, 1037 (1038); a. A. Oster, Normative Ermächtigungen, S. 215, der einen Gestaltungs- und Abwägungsspielraum annimmt und die gerichtliche Kontrolle entsprechend auf Abwägungsfehler beschränkt; anders noch BVerwG MMR 2004, 564 (566) zur Zusammenschaltungsanordnung gem. § 37 TKG a. F. (BGBl. I, 1996, 1120), wo noch von einer umfassenden und komplexen Abwägung die Rede war. 323 BVerwG NVwZ 2014, 1034 (1036) Rn. 10 mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 11.12.2013, 6 C 23.12 = BeckRS 2014, 47599 Rn. 38 ff.
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69 ff. TK-Kodex an die NRB.324 Ein weites Ermessen (gegenüber dem nationalen Gesetzgeber) kann daher nicht aus Art. 61 Abs. 6 TK-Kodex herausgelesen werden.325 Es würde mithin dem Sinn der vorangegangenen aufwendigen Verfahren widersprechen, wenn es letztlich der BNetzA aufgrund eines Entschließungsermessens überlassen bliebe, die abgestimmten Bedingungen anzuordnen oder nicht. 2. Regulierungsermessen Die in der Regulierungsverfügung abstrakt festgelegten Zugangsverpflichtungen werden durch die Zugangsanordnung nach § 25 TKG konkretisiert.326 § 25 Abs. 5 S. 1 TKG enthält daneben aber auch die Anordnungsbefugnis für Entgelte, wobei Satz 3 eine Rechtsgrundverweisung auf §§ 27 bis 38 TKG darstellt.327 Die im Entgeltgenehmigungsverfahren zu treffenden Entscheidungen der BNetzA, insbesondere die Festlegung des Preiskontrollmaßstabs gelten hier in gleicher Weise; die Entgeltgenehmigung wird durch die Zugangsanordnung ersetzt.328 Dies gilt auch für entsprechende Letztentscheidungsspielräume der BNetzA; auch hier sind sie mit den Vorgaben des Unionsrechts, insbesondere mit dem Konsolidierungs- und Abstimmungsverfahren nach Art. 32 Abs. 3, 33 TK-Kodex, zu begründen. Zwar sieht das TKG an dieser Stelle die Durchführung des unionsweiten Konsolidierungsverfahrens nicht vor, da kein Verweis auf §§ 12 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4, 13 Abs. 4 TKG erfolgt. Allerdings sind gem. Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex alle Maßnahmen, die unter Art. 61 oder 68 TK-Kodex fallen und Auswirkungen auf den 324 Die Richtlinie richtet sich insgesamt an die Mitgliedstaaten, vgl. Art. 127 TK-Kodex, Art. 288 Abs. 3 AEUV. Allerdings sprechen vereinzelte Normen direkt die jeweilige NRB an, sodass diese Normen als „unmittelbare Befugnis“ aus der Richtlinie angesehen werden können. 325 Dem nationalen Gesetzgeber kommt mithin ein weiter Umsetzungsspielraum zu, vgl. Hölscher, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 25 Rn. 6; zum weiten Ermessen aufgrund der Zuweisung einer Aufgabe direkt an die NRB s. EuGH, Urt. v. 03.12.2009, Rs. C-424/07 (Kommission/ Deutschland) = EuZW 2010, 109 (112) Rn. 75. 326 „[E]s darf nicht außer Betracht bleiben, dass die nach § 21 TKG auferlegten abstrakten Zugangspflichten nach der Rechtsprechung des Senats auf eine Konkretisierung durch Zugangsvereinbarungen (§ 22 TKG) und erforderlichenfalls auch durch Zugangsanordnungen der Bundesnetzagentur (§ 25 TKG) […] angelegt sind […]. Diesem gesetzlichen Konzept eines abgestuften Regelungsinstrumentariums der Zugangsregulierung […] würde es zuwiderlaufen, an die Auferlegung von Zugangspflichten nach § 21 TKG, also auf der ersten Stufe, ebenso hohe Bestimmtheitsanforderungen zu stellen wie auf der zweiten Stufe im Rahmen einer konkreten Zugangsanordnung der Bundesnetzagentur nach § 25 TKG. Die Absenkung der Bestimmtheitsanforderungen in der Regulierungsverfügung darf allerdings nicht im Ergebnis zu einer mit dem Gebot der Konfliktbewältigung unvereinbaren Konfliktverlagerung auf nachgelagerte Verfahren führen.“, BVerwG, Urt. v. 11.12.2013, 6 C 23.12 = BeckRS 2014, 47599 Rn. 76. 327 BVerwG MMR 2010, 719 (720) Rn. 20; Hölscher, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 25 Rn. 69; Geppert/Attendorn, in: BeckOK TKG, § 25 Rn. 60 m. w. N. 328 Hölscher, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 25 Rn. 69; zum Entgeltgenehmigungsverfahren s. Teil 3 C. I.
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Handel zwischen den Mitgliedstaaten haben, zu konsolidieren. Es handelt sich bei § 25 TKG zwar (auch) um eine Maßnahme der Streitschlichtung i. S. d. Art. 20 Rahmen-RL (jetzt: Art. 26 TK-Kodex);329 die Norm dient aber vorrangig der Umsetzung des Art. 5 Abs. 4 Rahmen-RL a. F. 2002 (jetzt: Art. 61 Abs. 6 TK-Kodex). Unter Art. 61 TK-Kodex fallende Maßnahmen müssen ausweislich des eindeutigen Wortlautes das Konsolidierungsverfahren durchlaufen.330 Darüber hinaus ist insbesondere auf den Gegenstand der von der NRB beabsichtigten Maßnahme abzustellen, um zu beurteilen, ob die Maßnahme unter die Konsolidierungspflicht fällt.331 Inhaltlich umfasst die Zugangsanordnungen Festlegungen über den Zugang und die Entgelte, mithin Verpflichtungen i. S. d. Art. 68 Abs. 1 i. V. m. Art. 73 und 74 TKKodex.332 Die Ausführungen zu den Letztentscheidungsbefugnissen der BNetzA im Entgeltgenehmigungsverfahren gelten daher in gleicher Weise für die Zugangsanordnung.333 Insbesondere bei der Festlegung bestimmter Preiskontrollmaßstäbe, die nicht in der Regulierungsverfügung verbindlich erfolgen können,334 ist wegen des Interventionsrechts und des unechten Vetorechts der Kommission die gerichtliche Kontrolle zu reduzieren. Prüfungsmaßstab der Kommission ist der Inhalt der zugrundeliegenden sekundärrechtlichen Vorschriften, insbesondere die Verhältnismäßigkeit der konkreten Maßnahme gem. Art. 68 Abs. 2 und Abs. 4 TK-Kodex und die Gewährleistung der politischen Ziele nach Art. 61 Abs. 6 TK-Kodex. Welche Bedingungen die BNetzA in der Zugangsanordnung schließlich festsetzt, muss unter Berücksichtigung von Stellungnahmen und ggf. Empfehlungen im Konsolidierungsund Abstimmungsverfahren entschieden werden. Dabei sind auch die Regulierungsziele in die Entscheidung mit einzufließen.335 Es spricht daher viel dafür, eine Abwägungsentscheidung im Rahmen des § 25 Abs. 5 TKG anzunehmen,336 da jede 329 Geppert/Attendorn, in: BeckOK TKG, § 25 Rn. 7; Geers, in: Arndt/Fetzer/Scherer/ Graulich, TKG, § 13 Rn. 12; Kühling/Neumann, in: Säcker, TKG, § 25 Rn. 13; Neumann, N&R 2016, 146 (154). 330 Im Übrigen müssen nach zutreffender Ansicht der Kommission auch Entscheidungen im Streitschlichtungsverfahren vorgelegt werden, wenn sie inhaltlich Verpflichtungen nach Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex auferlegen, vgl. Schütze, N&R 2015, 28 (29). 331 EuGH, Urt. v. 16.04.2015, Rs. C-3/14 (PUKETD) = MMR 2015, 617 (618) Rn. 34; EuGH Urt. v. 14.01.2016, Rs. C-395/14 (Vodafone) = MMR 2017, 318 (320) Rn. 52. 332 Zu weitgehend EuGH Urt. v. 14.01.2016, Rs. C-395/14 (Vodafone) = MMR 2017, 318 (319) Rn. 37 f. und Rn. 42; kritisch, aber offenlassend Neumann, N&R 2016, 146 (154); die abstrakten Zugangsleistungen haben das Konsolidierungsverfahren bereits mit der Regulierungsverfügung durchlaufen, s. Teil 3 B. II. 1., allerdings werden in der Zugangsanordnung konkrete Zugangsleistungen festgesetzt, die neue Verpflichtungen i. S. d. Art. 32 Abs. 3 TKKodex darstellen können, vgl. Teil 3 C. I. 5. a) aa). 333 Dazu Teil 3 C. I. 5. b). 334 BVerwG NVwZ-RR 2018, 932 (933 f.) Rn. 22 ff. 335 Bergmann, NVwZ 2014, 1037 (1038). 336 Scherer, in: Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich, TKG, § 25 Rn. 20; unter Heranziehung der Festlegungen im Energierecht Mayen, Referat O 45 (64); Oster, Normative Ermächtigungen,
C. Dritte Stufe der Regulierung
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einzelne Bedingung unterschiedliche Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben kann. Im Ergebnis hat das nationale Gericht jedenfalls bezüglich der konkreten auferlegten Bedingungen eine Vertretbarkeitskontrolle durchzuführen.
III. Missbrauchskontrolle nach § 38 TKG Bei der Entgeltregulierung ex post findet eine Prüfung statt, ob die Entgelte gegen das Missbrauchsverbot aus § 28 TKG verstoßen. Die Entgelte durchlaufen mithin kein Entgeltgenehmigungsverfahren wie im Rahmen der ex ante-Entgeltregulierung. Bei der sog. Vorabmissbrauchskontrolle nach §§ 30 Abs. 1 S. 2 oder Abs. 2 S. 2, 38 Abs. 1 TKG müssen die Entgelte der BNetzA angezeigt werden. Kommt die BNetzA zum Ergebnis, dass die Entgeltmaßnahme offenkundig gegen § 28 TKG verstößt, untersagt sie vorläufig die Einführung des Entgelts. Bei der ex post-Regulierung i. e. S. nach §§ 30 Abs. 1 S. 2 oder Abs. 2 S. 1, 38 Abs. 2 bis Abs. 4 TKG sind die Entgelte von dem Betreiber nicht anzuzeigen, sondern der BNetzA werden nachträglich Tatsachen bekannt, die eine Missbrauchskontrolle rechtfertigen. In diesem Fall stehen der BNetzA keine vorläufigen Maßnahmen zu. Stellt die BNetzA nach ihrer Prüfung endgültig fest, dass die Entgelte nicht den Maßstäben des § 28 TKG genügen, untersagt sie das verbotene Verhalten und erklärt die Unwirksamkeit der Entgelte für die Zukunft. Nach dem Wortlaut des § 38 Abs. 4 S. 2 TKG steht die Entscheidung, ob sie zulässige Entgelte anordnet, im Entschließungsermessen der BNetzA. Ihr kommt jedoch nach der Ansicht der Literatur bei der Bewertung von Entgelten als missbräuchlich im Sinne von § 28 Abs. 1 S. 2 TKG kein Regulierungsermessen und kein Beurteilungsspielraum zu, insbesondere würde keine europarechtliche Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle vorliegen.337 Das Missbrauchsverbot nach § 28 TKG sei nach dem Vorbild der §§ 19, 20 GWB entwickelt worden, wo eine Rücknahme der Kontrolldichte fremd sei.338 Auch eine sachliche Rechtfertigung nach § 28 Abs. 1 S. 2 a. E. TKG sei vollumfänglich überprüfbar. Es handle sich dabei zwar um eine Abwägungsentscheidung zwischen den Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der in § 2 Abs. 2 TKG genannten Regulierungsziele,339 allerdings wäre die Behörde nur S. 215; für einen Gestaltungsspielraum Geppert/Attendorn, in: BeckOK TKG, § 25 Rn. 49; Kühling/Neumann in Säcker, TKG, § 25 Rn. 56. 337 Schütz/Neumann, in: BeckOK TKG, § 28 Rn. 144; Bosch, Kontrolldichte, S. 337; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 267. 338 Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 28 Rn. 78; Mayen, Referat O 45 (66); Ludwigs, JZ 2009, 290 (297); ähnlich Gerstner, in: Beck’scher Kommentar, PostG, § 32 Rn. 39. 339 BVerwG, Urt. v. 20.10.2010, 6 C 19/09 = BeckRS 2010, 56684 Rn. 30; BVerwG NVwZ 2011, 623 (626) Rn. 30; Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 28 Rn. 12; für einen strengeren Maßstab Schütz/Neumann, in: BeckOK TKG, § 28 Rn. 69.
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
nachvollziehend tätig und die Rechtsprechung stieße nicht an ihre Funktionsgrenzen.340 Etwas anderes soll für die Festsetzung konkreter Entgelte gem. § 38 Abs. 4 S. 2 TKG gelten; die Beurteilung von Entgelten als missbräuchlich im Rahmen des Erlasses einer Entgeltanordnung erfordere „eine hoch komplexe, nicht unerheblich aufwändige Abwägung“, sodass hier keine eigene Sachentscheidung des Gerichts möglich sei.341 Die Maßnahmen nach § 38 Abs. 4 TKG stellen Maßnahmen i. S. d. Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex dar (1.), was entsprechende Auswirkungen auf den Spielraum der BNetzA hat (2.). 1. Maßnahme nach Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex § 13 Abs. 1 S. 1 TKG verweist für die auferlegten Verpflichtungen im Rahmen der Regulierungsverfügung auf die Durchführung des Konsolidierungsverfahrens nach § 12 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4 TKG und sieht das Abstimmungsverfahren in § 13 Abs. 4 TKG vor. Diese Verfahren gelten für jede Entscheidung der BNetzA darüber, ob eine ex ante- oder eine ex post-Entgeltregulierung durchgeführt werden soll.342 Für Maßnahmen, die nach § 38 Abs. 4 TKG im Anschluss an die Regulierungsverfügung ergehen, wird nicht auf dieses unionsweite Konsolidierungsverfahren verwiesen. Allerdings ist die Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung des Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex343 auf Maßnahmen nach § 38 Abs. 4 TKG übertragbar. Der Wortlaut des Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex erfasst alle Maßnahmen, die unter Art. 68 TK-Kodex fallen und Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten haben können. Maßgeblich ist daher die Frage, ob die Untersagung der Entgelte und die Anordnung neuer Entgelte nach § 38 Abs. 4 TKG Maßnahmen in diesem Sinne darstellen. Dies wäre nach der Rechtsprechung des EuGH der Fall, wenn es sich dem Wesen nach um Maßnahmen der Preiskontrolle nach Art. 74 TKKodex handelt.344 Die Auslegung des EuGH ist aber zu weit und berücksichtigt nicht die Unterscheidung zwischen Maßnahme und Verpflichtung. Nach hiesiger Ansicht kommt es für die Konsolidierungspflicht darauf an, ob mit der Maßnahme einem Unternehmen eine neue Verpflichtung i. S. d. Art. 68 ff. TKKodex auferlegt wird.345 Die Anordnung(en) nach § 34 Abs. 4 TKG sind solche Preiskontrollverpflichtungen, da sie dem betroffenen Unternehmen gegenüber als 340 Liebschwager, Gerichtliche Kontrolle, S. 166 f.; Bosch, Kontrolldichte, S. 352 f.; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 271. 341 Schütz/Neumann, in: BeckOK TKG, § 28 Rn. 145. 342 Dazu bereits unter Teil 3 B. II. 2. 343 EuGH, Urt. v. 14.01.2016, Rs. C-395/14 (Vodafone) = MMR 2017, 318. 344 EuGH, Urt. v. 14.01.2016, Rs. C-395/14 (Vodafone) = MMR 2017, 318 (319) Rn. 42. 345 So auch Neumann, N&R 2016, 146 (148); ausführlich bereits unter Teil 3 C. I. 5. a) aa).
C. Dritte Stufe der Regulierung
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Unterlassungsverpflichtung (§ 38 Abs. 4 S. 1 Var. 1 TKG), als privatrechtsgestaltende Unwirksamkeitserklärung (§ 38 Abs. 4 S. 1 Var. 2 TKG) und als privatrechtsgestaltende Entgeltanordnung (§ 38 Abs. 4 S. 2 TKG) ergehen.346 Die Folge ist, dass der Betroffene die Entgelte nicht mehr fordern und ggf. nur noch die angeordneten Entgelte erheben darf. Bei der Untersagung und Anordnung von Entgelten durch die BNetzA nach § 38 Abs. 4 TKG handelt es sich mithin um Maßnahmen i. S. d. Art. 32 Abs. 3 TKG. Nur die Auferlegung der ex post-Regulierung als Preiskontrollverpflichtung zu erfassen, würde dem Sinn und Zweck des Konsolidierungsverfahrens zuwiderlaufen. Die Zusammenarbeit und Transparenz wären gefährdet, wenn Entgelte untersagt und sogar bestimmte Entgelte von der BNetzA festgelegt werden könnten, ohne dass das Konsolidierungsverfahren durchgeführt würde.347 Die Ausgestaltung als mehrstufiges Verfahren darf das unionsweite Konsolidierungsverfahren nicht unzulässig umgehen.348 Daher ist das Konsolidierungsverfahren nach Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex auch vor jeder Anordnung nach § 38 Abs. 4 TKG durchzuführen, soweit sie Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten hat.349 § 12 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4, 13 Abs. 4 TKG sind analog anzuwenden.350 2. Auswirkungen auf den Spielraum der BNetzA Die Einstufung der Maßnahme als Maßnahme i. S. d. Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex hat sowohl Auswirkungen auf die Vorgaben des nationalen Gesetzgebers (a)), als auch auf die gerichtliche Kontrolle (b)). a) Gesetzliche Vorgaben Die Pflicht des nationalen Gesetzgebers, der Behörde einen Ermessensspielraum einzuräumen, ergibt sich aus Art. 31 Abs. 3 a), 68 Abs. 1, 74 Abs. 1 TK-Kodex. Auch wenn ihm bei der Ausgestaltung der Preiskontrolle ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt, muss er es im konkreten Fall dennoch der BNetzA überlassen, ob und welche Maßnahmen sie erlässt. Die konkrete Entscheidung ist in Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex der NRB zugewiesen. Es bestehen damit erhebliche Zweifel an der Unionsrechtsmäßigkeit des § 38 Abs. 4 S. 1 TKG, soweit der BNetzA kein Ent346
Stamm, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 38 Rn. 38, Rn. 42 und Rn. 44. Ebenso zur Entgeltgenehmigung EuGH, Urt. v. 14.01.2016, Rs. C-395/14 (Vodafone) = MMR 2017, 318 (320) Rn. 50. 348 In diesem Sinne auch BVerwG NVwZ-RR 2018, 932 (936) Rn. 41 a. E. 349 So wohl auch Kirchner/Mayen/Käseberg, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 12 Rn. 20b; prononciert Stamm, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 38 Rn. 29; Neumann, N&R 2016, 146 (155); Cornils, N&R 2017, 178 (181). 350 Zur Möglichkeit der analogen Anwendung s. Teil 3 C. I. 5. a) bb). 347
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
schließungsermessen eingeräumt wurde.351 Die BNetzA muss selbst darüber entscheiden können, ob sie eine entsprechende Verpflichtung auferlegt. Eine derartige Vorwegbindung durch den nationalen Gesetzgeber würde zudem das durchzuführende Konsolidierungsverfahren entwerten, da die BNetzA entsprechende Stellungnahmen nicht mehr hinreichend berücksichtigen könnte.352 Die BNetzA hat im Rahmen des § 38 TKG das Missbrauchsverbot nach § 28 TKG zu prüfen. Die zwingende Festlegung des Gesetzgebers, wann ein Verhalten als missbräuchlich anzusehen ist und wann eine sachliche Rechtfertigung vorliegt, würde ebenfalls den Ermessensspielraum der BNetzA in unzulässiger Weise beeinträchtigen. Daher zählt § 28 Abs. 1 S. 2 TKG nur nicht abschließende („insbesondere“) Fälle auf. Die konkrete Entscheidung wird von der BNetzA getroffen. Auch die Vermutungsregel in § 28 Abs. 2 TKG ist nicht als Ermessensbeschränkung anzusehen. Es handelt sich dabei um eine prozessrechtliche Regel ohne materiell-rechtliche Wirkung.353 Die Vermutungsregel entfaltet anders als gesetzliche Vorstrukturierungen keine materielle Bindungswirkung für die Behörde. b) Gerichtliche Kontrolle Die Konsolidierungspflicht hat auch Auswirkungen auf die Judikative, da vor dem Erlass einer Anordnung nach § 38 Abs. 4 S. 1 und S. 2 TKG der Kommission ein unechtes Vetorecht nach Art. 33 Abs. 1, Abs. 5 a) TK-Kodex zusteht. Was inhaltlich in den Prüfungsumfang der Kommission fällt, kann daher nicht vollumfänglich vom nationalen Gericht überprüft werden.354 Davon umfasst sind die Anordnungen nach § 38 Abs. 4 S. 1 und S. 2 TKG, sodass die gerichtliche Kontrolle auf eine Vertretbarkeitskontrolle zu beschränken ist. Nach deutscher Dogmatik handelt es sich dabei um ein Entschließungsermessen. Für die Anordnung der Entgelte hat der Gesetzgeber dies entsprechend in § 38 Abs. 4 S. 2 TKG umgesetzt. Fraglich ist aber, ob auch die Tatbestandsvoraussetzungen, insbesondere das Missbrauchsverbot nach § 28 TKG in den Prüfungsumfang der Kommission fallen. Dabei handelt es sich zwar um eine Preiskontrollverpflichtung i. S. d. Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex,355 diese wird aber auf der dritten Stufe der Regulierung nicht auferlegt, sondern nur überprüft. Die Auferlegung der ex post-Regulierung am 351
Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 28 Rn. 2. Kommission, Stellungnahme v. 12.04.2005, C (2005) 1196, S. 9 im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2004/2221. 353 Mayen, in: Scheurle/Mayen, § 28 Rn. 36; Gosse, Gesetzliche Vermutungen, S. 53. 354 Ausführlich bereits unter Teil 3 B. II. 1. b) bb). und Teil 3 C. I. 5. b). 355 Dafür Groebel, in: Säcker, TKG, § 28 Rn. 13; Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 27 Rn. 10; Schütz/Neumann, in: BeckOK TKG, § 28 Rn. 4; Neumann/Sickmann/Alkas/Koch, Reformbedarf, S. 223 f.; Kühling, in: BeckOK TKG, § 30 Rn. 5; Neumann, N&R 2018, 111 (117); dagegen Klotz, in: Säcker, TKG, Einl. II Rn. 171, der in der ex post-Kontrolle insgesamt eine nicht in der Richtlinie vorgesehene Kontrolle sieht; Kleinlein/Schubert, N&R 2017, 270 (273). 352
C. Dritte Stufe der Regulierung
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Maßstab des § 28 TKG erfolgt bereits auf der zweiten Stufe im Rahmen der Regulierungsverfügung.356 Zudem ist das Missbrauchsverbot im unionsrechtlichen Regulierungsrecht nicht als Voraussetzung vorgesehen, sodass eine Prüfung der Merkmale des § 28 TKG nicht durch die Kommission erfolgen kann.357 Dies ist vergleichbar mit der Prüfungskompetenz der Kommission bei er ex ante-Entgeltregulierung. Auch dort kann sie zwar überprüfen, ob von der BNetzA der „richtige“ Preiskontrollmaßstab und die richtigen Methoden gewählt wurden, nicht hingegen ob die konkreten Entgelte den Festlegungen entsprechen.
IV. Fazit zur dritten Stufe der Regulierung Mit der Rechtsprechung des BVerwG aus dem Jahr 2018 wurde nun höchstrichterlich festgestellt, dass die verbindliche Festlegung von Maßstäben und Methoden in der ex ante-Entgeltregulierung erst auf der dritten Stufe der Regulierung ergehen kann. Dies hat zur Konsequenz, dass auf jeder der drei Stufen Verpflichtungen gegenüber einem Unternehmen auferlegt werden. Sowohl die Festlegungen im Entgeltgenehmigungsverfahren als auch die Anordnungen im Rahmen des § 25 TKG und im Rahmen des § 38 Abs. 4 TKG stellen i. d. R. Verpflichtungen i. S. d. Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex dar. Daraus folgt, dass das unionsweite Konsolidierungsverfahren nach Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex und ggf. das Abstimmungsverfahren nach Art. 33 TK-Kodex auch auf der dritten Stufe der Regulierung durchgeführt werden muss. An dieser Stelle ist der nationale Gesetzgeber gefragt. Möchte er das mehrstufige Verfahren beibehalten, sollte eine Klarstellung im Gesetzestext dahingehend erfolgen, dass die §§ 12 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4, 13 Abs. 4 TKG auch auf der dritten Stufe anzuwenden sind. Zur Vereinfachung des ohnehin komplexen Telekommunikationsrechts kann der Gesetzgeber bei der Umsetzung des TK-Kodex auch von der Verfahrensstufung absehen und die Regulierung neu regeln, ohne dabei das Ermessen der BNetzA zu beschränken.358
356 Vgl. Teil 3 B. II. 2.; insofern ist Kleinlein/Schubert, N&R 2017, 270 (273) zuzustimmen, dass nachdem sich die BNetzA für eine ex post-Entgeltregulierung entschieden hat, das Missbrauchsverbot kraft Gesetzes gilt und es daher keine Verpflichtung i. S. d. Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex mehr darstellt, die durch Ermessensentscheidung der NRB auferlegt werden kann. 357 Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das unionsrechtliche Missbrauchsverbot aus Art. 102 AEUV daneben stets anwendbar ist, vgl. Schütz/Neumann, in: BeckOK TKG, § 28 Rn. 15; die Kommission überprüft im Rahmen des Art. 33 Abs. 1 TK-Kodex nur die Vereinbarkeit der behördlichen Maßnahme mit Unionsrecht, nicht das Verhalten des Unternehmens. Kartellrechtliche Maßnahmen der Kommission bleiben hiervon unberührt. 358 Das BMWi hat im aktuellen Referentenentwurf zum TKMoG von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch gemacht und sich auch nicht mit dem zugrundeliegenden EuGH-Urteil vom 14.01.2016, Rs. C-395/14, auseinandergesetzt.
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
In jedem Fall hat das durchzuführende Konsolidierungs- und Abstimmungsverfahren Auswirkungen auf die gerichtliche Kontrolle. Prüfungspunkte, die in die Prüfungskompetenz der Kommission fallen und bezüglich derer ihr ein unechtes Vetorecht zukommt, können nicht einer gerichtlichen Vollkontrolle unterliegen. Dies gilt namentlich für (1) die Auswahlentscheidung nach § 31 Abs. 1 und Abs. 2 TKG, welche der gleichrangigen Verfahren und Kostenmaßstäbe im konkreten Fall herangezogen werden, (2) für die Entscheidungen nach § 32 Abs. 1 TKG, welche Berechnungsgrundlage für die Bewertung des Anlagevermögens und welche Methoden für die Zinsermittlung zugrunde gelegt werden, (3) für die Bestimmung des Inhalts der Körbe nach § 33 Abs. 1 S. 1 TKG, die Festlegung des Ausgangsentgeltniveaus nach § 33 Abs. 2 S. 1 TKG und die Bestimmung der Maßgrößen nach § 33 Abs. 3 TKG sowie (4) für den Inhalt einer Anordnung nach § 25 TKG und (5) für die Entscheidung, ob Anordnungen nach § 38 Abs. 4 S. 1 und S. 2 TKG getroffen werden. Eine Absenkung des Kontrollniveaus unter eine Vertretbarkeitskontrolle ist dabei nicht notwendig. Die Kommission kann zwar maßgeblich durch die Berücksichtigungspflicht der Stellungnahmen und Empfehlungen auf die Entscheidung der BNetzA einwirken. Da ihr aber gerade kein echtes Vetorecht zusteht, fallen diese Entscheidungen in das echte Letztentscheidungsrecht der BNetzA.
D. Verfassungsrechtliche Bewertung Die Letztentscheidungsbefugnisse der BNetzA im Telekommunikationssektor können zumindest überwiegend mit europäischen Vorgaben begründet werden. Der Maßstab für die Beurteilung ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit verschiebt sich wegen Art. 23 GG daher auf eine Identitäts- und ultra-vires-Kontrolle.359 Verfassungsrechtlich bedenklich sind sie nicht, da weder der integrationsfeste Teil des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips (I.) noch der der Rechtsschutzgarantie (II.) berührt ist.
I. Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip Das Prinzip der Gewaltenteilung ist durch die unionsrechtlichen Vorgaben nicht verletzt. Zwar werden durch die Letztentscheidungsspielräume in der Zugangs- und 359
Vgl. Teil 1 C. I.
D. Verfassungsrechtliche Bewertung
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Entgeltregulierung die Funktionen der Gesetzgebung und Rechtsprechung tangiert.360 Allerdings wird der Kernbereich der Funktionen nicht berührt. Dem nationalen Gesetzgeber kommt weiterhin die Aufgabe zu, die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. Dort wo kein Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers mehr bleibt, unterliegt die BNetzA dennoch den materiellen Vorgaben des Unionsrechts. Es werden daher keine ganzen Sachgebiete zur Regelung auf die NRB übertragen. Durch die Rücknahme der Kontrolle wird zudem der Kernbereich der Judikative nicht berührt. Eine Rechtskontrolle findet weiterhin mittels Vertretbarkeitskontrolle statt. Zudem kann die sachlich-inhaltliche Legitimation durch Verfahrens- und Organisationsvorschriften gewahrt werden.361 Der Unionsgesetzgeber hat dies mit den zwingend durchzuführenden Konsultations- und Konsolidierungsverfahren in Art. 23 und 32 f. TK-Kodex gewährleistet. Der nationale Gesetzgeber hat diese Vorgaben durch die besondere Ausgestaltung der Organisation der BNetzA ergänzt.362 Auch der Vorbehalt des Gesetzes bleibt trotz der Letztentscheidungsspielräume gewahrt. Dabei kann auch das Unionsrecht selbst durch seine Vorgaben den Vorbehalt des Gesetzes ergänzen.363 Im Telekommunikationssektor werden insbesondere in der Zugangsregulierung und im Rahmen der Marktdefinition und -analyse wesentliche Vorgaben vom Unionsgesetzgeber gemacht. Wo der Unionsgesetzgeber Regelungen offenlässt, insbesondere im Rahmen der Preiskontrolle, hat der nationale Gesetzgeber wesentliche Entscheidungen selbst getroffen. Dabei entsteht trotz der Vielzahl behördlicher Spielräume ein dem Wesentlichkeitsgrundsatz entsprechender Grad an Regelungsdichte sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene.364 Auch der Kerngehalt des Bestimmtheitsgrundsatz ist gewahrt, wenn die Normadressaten im Wesentlichen erkennen können, mit welchen Rechtswirkungen sie zu rechnen haben.365 Dabei sind neben den einfachgesetzlichen Vorgaben die europäischen Vorschriften mit heranzuziehen, die der BNetzA wesentliche Kriterien an die Hand geben.366 Die Voraussehbarkeit kann außerdem durch die rechtzeitige Einbeziehung der Betroffenen in das Verfahren ermöglicht werden.367 Gerade in diesem Zusammenhang erlangt das unionsrechtlich vorgeschriebene nationale Konsultationsverfahren aus Art. 23 TK-Kodex besondere Bedeutung. Dadurch wird „interessierten Kreisen“ die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben; insoweit hat die 360
Allgemein dazu vgl. Teil 2 A. I. Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 358 f. 362 Zur Organisation der BNetzA s. Teil 1 B. II. 363 Ludwigs, Die Verwaltung 2011, 41 (61); für unmittelbar wirkendes Unionsrecht Dörr/ Lenz, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 466. 364 Für eine Weiterentwicklung der Wesentlichkeitslehre Trute, in: FS Selmer, S. 580 f. 365 Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 79 Rn. 154; Ludwigs, Die Verwaltung 2011, 41 (60 f.). 366 Vgl. Ludwigs, Die Verwaltung 2011, 41 (61); Kleinlein/Schubert, N&R 2017, 270 (273 ff.). 367 Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 360. 361
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Teil 3: Telekommunikationsrecht
BNetzA einen Konsultationsentwurf zu veröffentlichen und die Betroffenen werden frühestmöglich in das Verfahren miteinbezogen.
II. Rechtsschutzgarantie der materiellen Grundrechte Im Verwaltungsverbund ist zwischen dem Rechtsschutz auf nationaler Ebene und dem Rechtsschutz auf europäischer Ebene zu unterscheiden.368 Für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Letztentscheidungsspielräume nationaler Behörden ist zunächst der Rechtsschutz gegen diese Behördenentscheidungen auf nationaler Ebene maßgeblich (1.). Darüber hinaus kann mangelnder Rechtsschutz auf europäischer Ebene gegen Entscheidungen der EU-Organe den europäischen Verwaltungsverbund insgesamt und damit auch seine Auswirkungen auf die Kontrolldichte auf nationaler Ebene in Frage stellen (2.). 1. Rechtsschutz auf nationaler Ebene Die Gewährleistung umfassenden und wirksamen Rechtsschutzes ergibt sich aus den Grundrechten.369 Maßgebliche Grundrechte im Rahmen der Regulierung im Telekommunikationsrecht sind die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG und die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG.370 Verfassungsrechtlich bedenklich ist die Rücknahme der gerichtlichen Kontrolle am Maßstab des Art. 23 GG aber nur dann, wenn dadurch in die unantastbare Integrität des Grundgesetzes nach Art. 79 Abs. 3 GG eingegriffen wird. Die Ewigkeitsklausel umfasst nur die in Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze. Umstritten ist daher, ob umfassender Gerichtsschutz überhaupt zum unübertragbaren Kern der Verfassung zählt.371 Gerichtlicher Rechtsschutz wird jedenfalls mittelbar über den Menschenwürdegehalt der Grundrechte und den Kerngehalt des Rechtsstaatsprinzips vom integrationsfesten Teil der Verfassung erfasst.372 Der Wesensgehalt des effektiven Rechtsschutzes ist dann berührt, wenn durch die grundsätzliche Freistellung von gerichtlicher Kontrolle Rechtsschutz überhaupt nicht gewährleistet wird, weil z. B. keine Rechtsbehelfe vorgesehen sind und so der Zugang zu den Gerichten verwehrt ist, oder wenn das Kontrolldichteniveau auf ein Maß reduziert wird, bei dem wirksamer Rechtsschutz nicht mehr zu erzielen ist.373 Wirksamer Rechtsschutz bedeutet auch, dass das materielle Recht so ausgestaltet sein muss, dass eine Gerichtskontrolle nicht aufgrund der Struktur und Kombina368
Zum Trennungsprinzip bereits Teil 2 D. IV. Vgl. dazu Teil 2 A. III. 370 Vgl. BVerfG NVwZ 2012, 694 (698) Rn. 44, 48. 371 Dietlein, in: BeckOK GG, Art. 79 Rn. 49; verneinend Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 79 Rn. 123; Ludwigs, Die Verwaltung 2011, 41 (67 f.). 372 Hatje, Wirtschaftsverwaltung, S. 406. 373 Zurückhaltender Ludwigs, Die Verwaltung 2011, 41 (67 f.). 369
D. Verfassungsrechtliche Bewertung
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tionen von Letztentscheidungsermächtigungen weitgehend ins Leere läuft.374 Dabei ist wiederum der Rechtsschutz des Regulierungsadressaten (a)) vom Rechtsschutz Dritter (b)) zu unterscheiden. a) Rechtsschutz des Regulierungsadressaten Für den Regulierungsadressaten ist der Zugang zu den Gerichten jederzeit gewährleistet, da die Entscheidungen der BNetzA auf der zweiten und dritten Stufe einen anfechtbaren bzw. einklagbaren Verwaltungsakt i. S. d. § 42 VwGO darstellen. Zwar sind die Marktdefinition und -analyse gem. § 13 Abs. 5 TKG nicht isoliert anfechtbar.375 Dennoch ist auch gegen diese Entscheidungen der Zugang zu den Gerichten gewahrt, indem sie inzident bei einer Klage gegen die Regulierungsverfügung kontrolliert werden. Der effektive Rechtsschutz wird nicht durch eine Absenkung des Kontrolldichteniveaus umgangen. Auch wenn die Konstellation der europäischen Verbundverwaltung für bestimmte Entscheidungen die gerichtliche Kontrollrücknahme der Gerichte bedingt, bleibt es stets bei einer Vertretbarkeitskontrolle durch die nationalen Gerichte. Damit bleibt ein hohes Kontrollniveau erhalten. Die Vielzahl der Letztentscheidungsbefugnisse führen auch nicht zu einem Leerlauf der gerichtlichen Kontrolle. Die Grenze ist nach der Rechtsprechung des BVerfG dann erreicht, wenn zu zahlreiche oder weitgreifende Letztentscheidungsrechte für ganze Sachbereiche oder gar Rechtsgebiete erlassen würden.376 Dies ist im Telekommunikationssektor nicht der Fall. Der TK-Kodex gibt genau vor, welche Entscheidungen der NRB im unionsweiten Konsolidierungsverfahren abgestimmt werden müssen. Ein Letztentscheidungsrecht für ganze Sachbereiche ist dadurch nicht zu befürchten. Vielmehr ist die Rücknahme der gerichtlichen Kontrolle an einem hinreichend gewichtigen Sachgrund ausgerichtet. Die kohärente Anwendung des Unionsrechts wäre andernfalls gefährdet. Zudem ist der Entscheidungsspielraum der BNetzA im Telekommunikationsrecht teilweise enorm beschränkt. In den Fällen des echten Vetorechts der Kommission kommt der BNetzA faktisch überhaupt kein Spielraum mehr zu, weil letztverbindlich die Kommission darüber entscheidet, welche Märkte der Marktdefinition unterfallen und ob ein Unternehmen als ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht einzustufen ist. Insoweit unterliegt die Behörde der Kontrolle durch die Kommission. Gerichtliche Rechtsschutzdefizite können durch behördlichen Rechtsschutz kompensiert werden,377
374
Gärditz, Gutachten D 2016, S. 60. BVerwG MMR 2011, 57 Rn. 14. 376 BVerfG NVwZ 2011, 1062 (1065). 377 Zum vorgelagerten behördlichen Rechtsschutz im Telekommunikationssektor durch das Konsultationsverfahren s. Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 266 f. 375
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insbesondere da die Kommission institutionell, sachlich und persönlich unabhängig ist, vgl. Art. 17 Abs. 3 UAbs. 3 EUV.378 In den weit überwiegenden Fällen des unechten Vetorechts kommt hingegen der BNetzA letztverbindlich die Entscheidung zu, da insoweit die Empfehlungen der Kommission nicht verbindlich sind. Allerdings muss die Kommission bei einer Änderungsempfehlung konkrete Vorschläge machen und die BNetzA ist im Falle einer Abweichung verpflichtet, die Entscheidung besonders zu begründen, vgl. Art. 33 Abs. 7 TK-Kodex.379 Bei einer nachfolgenden gerichtlichen Kontrolle können dann ausführliche Begründungen zugrunde gelegt werden und eine Abwägungskontrolle gezielt durchgeführt werden. Eine darüberhinausgehende Abwägungsentscheidung des sachfremderen Gerichts ist dann nicht mehr notwendig, um effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Der BNetzA kommt ein echtes Letztentscheidungsrecht mithin nur auf der zweiten und dritten Stufe der Regulierung und auch nur für die spezifischen Fälle, die in den Prüfungsumfang der Kommission fallen, zu.380 Zu einer Abwertung des Rechtsschutzes oder dem Entstehen einer Rechtsschutzlücke, die in den integrationsfesten Teil der Verfassung eingreifen würden und damit am Maßstab des Art. 23 GG verfassungsrechtlich unzulässig wären, führt dies nicht.381 b) Rechtsschutz Dritter Etwas Anderes gilt für die Klagemöglichkeiten von dritten Zugangsberechtigten. Die Klagebefugnis bei Maßnahmen der BNetzA auf der zweiten und dritten Stufe der Regulierung ist gegeben, wenn dadurch drittschützende Normen berührt werden. Gegen die Marktdefinition und -analyse können sich Zugangsberechtigte jedoch mangels Drittschutz nicht gerichtlich wehren oder sie beanspruchen.382 Es ist zwar fraglich, ob diese Einschränkung mit Art. 31 Abs. 1 TK-Kodex im Einklang steht, denn danach muss jeder Nutzer oder Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze, der von einer Behördenentscheidung betroffen ist, klagebefugt sein.383 Dieses Rechtsschutzdefizit ist aber nicht die Konsequenz der unionsrechtlich vorgegebenen Letztentscheidungsbefugnis der BNetzA, sondern der Rechtsschutzausgestaltung des nationalen Gesetzgebers. Unabhängig davon, ob der BNetzA auf der ersten Stufe 378
Vgl. Wendel, Verwaltungsermessen, S. 295. Die BNetzA hat insbesondere die besonderen ökonomischen, sozialen oder infrastrukturellen Besonderheiten darzulegen, die eine Abweichung rechtfertigen, vgl. Säcker/ Mengering, N&R 2014, 74 (79). 380 Zu weitgehend daher Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, § 13 Rn. 50a. 381 Ludwigs, Die Verwaltung 2011, 41 (68); gegen durchgreifende Bedenken in der Zugangsregulierung Offenbächer, Die Regulierung des Vecotring, S. 270 f. 382 Vgl. für die Marktdefinition BVerwG MMR 2008, 463 (465). 383 Kritisch Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 430; s. dazu unter Teil 3 D. II. 2. 379
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der Regulierung ein Letztentscheidungsrecht zukommt, kann die Entscheidung von Dritten nicht angefochten werden. Gemessen am Maßstab des integrationsfesten Kerns der Rechtsschutzgarantie auf nationaler Ebene, der nur den Rechtsschutz für subjektive Rechte umfasst, begegnet die Letztentscheidungsbefugnis insoweit keinen Bedenken.384 Bezüglich der Kontrolldichte kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. 2. Rechtsschutz auf europäischer Ebene Davon zu unterscheiden ist der Rechtsschutz auf europäischer Ebene gegen die Maßnahmen der EU-Organe im Verwaltungsverbund. Wird Rechtsschutz hier nicht hinreichend gewährleistet, kann der Verwaltungsverbund nicht die dargestellten Wirkungen entfalten.385 Auch hier ist zwischen dem Rechtsschutz des Regulierungsadressaten (a)) und dem Rechtsschutz Dritter (b)) zu differenzieren. a) Rechtsschutz des Regulierungsadressaten Steht der Kommission ein echtes Vetorecht zu, kann der Regulierungsadressat sowohl gegen den bestätigenden Beschluss nach Art. 32 Abs. 6 b) TK-Kodex,386 als auch gegen einen ablehnenden Beschluss nach Art. 32 Abs. 6 a) TK-Kodex387 Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV erheben.388 In diesen Fällen entsteht von vornherein keine Rechtsschutzlücke.389 Kritischer ist der Rechtsschutz zu beurteilen, wenn im Rahmen des Konsolidierungsverfahrens nach Art. 32 Abs. 3 TK-Kodex keine weitergehenden anfechtbaren Entscheidungen getroffen werden. Dies ist der Fall, wenn die Kommission kein Vetoverfahren nach Art. 32 Abs. 4 TK-Kodex oder Art. 33 Abs. 1 TK-Kodex einleitet, z. B., weil sie keine ernstlichen Zweifel an der Entscheidung der NRB hat. In diesem Fall gibt die Kommission nur eine befürwortende Stellungnahme nach Art. 32 Abs. 3 S. 2 TK-Kodex ab. Gleiches gilt für Empfehlungen im Rahmen des
384
S. aber Teil 3 D. II. 2. b). Dies ist bspw. im Energiesektor der Fall, s. dazu Teil 4 A. I. 1. b) bb) (1) (c). 386 Relevanz hat diese Fallvariante nur bei einer Abweichung der BNetzA von der Empfehlung nach oben und bei der Annahme beträchtlicher Marktmacht, vgl. dazu Teil 3 A. II. 1. b) bb) und A. II. 2. b). 387 Relevanz hat diese Fallvariante nur bei einer Abweichung der BNetzA von der Empfehlung nach unten und bei der Ablehnung beträchtlicher Marktmacht, vgl. dazu Teil 3 A. II. 1. b) bb) und A. II. 2. b). 388 Dies gilt freilich für alle echten Vetorechte, insbesondere auch Art. 33 Abs. 5 b) und c) TK-Kodex; zur Anfechtbarkeit des förmlichen Beschlusses s. Teil 2 D. IV. 2. a). 389 Simantiras, Netzwerke, S. 218; Urbantschitsch, ÖJZ 2009, 849 (854). 385
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unechten Vetorechts nach Art. 33 Abs. 5 a) TK-Kodex, die nach der europäischen Rechtsprechung nicht angefochten werden können.390 In der Literatur wird es als äußerst kritisch angesehen, dass in diesen konkreten Fällen eine Nichtigkeitsklage gegen die Stellungnahmen und die Empfehlungen nicht zulässig ist, weil es sich um unverbindliche Maßnahmen handelt.391 Der Ausschluss direkter Klagen vor dem EuG/EuGH führt aber nicht zu einer Verletzung des effektiven Rechtsschutzes, wenn die Möglichkeit innerstaatlichen Rechtsschutzes tatsächlich besteht.392 Nationaler Rechtsschutz darf nicht nur theoretisch möglich, sondern muss auch tatsächlich umsetzbar sein. Diese Voraussetzung ist mit dem Zugang zu den nationalen Gerichten gegen Entscheidungen der NRB gewahrt.393 Zudem ist die Kontrolle der nationalen Behördenentscheidung durch nationale Gerichte trotz der Letztentscheidungskompetenzen nach europäischen Maßstäben effektiv. Es wird eine Vertretbarkeitskontrolle durchgeführt, die über die Mindestanforderungen des EuGH an den effektiven Rechtsschutz hinausgeht.394 aa) Exkurs: Demokratische Legitimation durch Individualrechtsschutz Dass Rechtsschutz gegen unverbindliche Maßnahmen im Regulierungsverbund nicht besteht, ist kein Problem des effektiven Rechtsschutzes, sondern ein Problem der demokratischen Legitimation, deren Stabilisierung u. a. durch Kontrolle erfolgt.395 Allerdings gibt es verschiedene Möglichkeiten, demokratische Legitimation zu erreichen.396 Zunächst wird Legitimation erreicht durch Repräsentation im Europäischen Parlament und Europäischen Rat bzw. den Rat.397 Daneben erfolgt die Legitimation der Hoheitsausübung auf EU-Ebene über die Repräsentanten der Mitgliedstaaten.398 Obwohl mit der vergleichsweisen hohen Regelungsdichte im TK-Kodex eine Rückbindung an das europäische Parlament und den Rat erfolgt, wird durch den 390
EuG, Beschl. v. 22.02.2008, Rs. T-295/06 (BASE) = BeckRS 2008, 469400. Braams, Koordinierung, S. 213; Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 430; Simantiras, Netzwerke, S. 216 ff.; Gärditz, NVwZ 2009, 1005 (1008); Ludwigs, Die Verwaltung 2011, 41 (71). 392 Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV, Art. 19 Rn. 42; Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, S. 445. 393 Vgl. Teil 3 D. II. 1. a). 394 Zu den Mindestanforderungen s. Teil 2 D. I. 2.; Schoch, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 3, § 50 Rn. 40. 395 Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 280 und S. 539. 396 Simantiras, Netzwerke, S. 247. 397 Lee, Demokratische Legitimation, S. 93 ff.; Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 359 ff.; Gärditz, DÖV 2010, 453 (455). 398 Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 165; Wendel, Verwaltungsermessen, S. 96. 391
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Verwaltungsverbund die Legitimation geschwächt, indem es zu einer Auflösung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses von indirektem und direktem Vollzug nach Art. 291 Abs. 1 AEUV kommt.399 Daher müssen andere Legitimationselemente hinzutreten, um die Verantwortung der Hoheitsgewalt sicherzustellen. Dies kann insbesondere erreicht werden durch Beteiligung der Betroffenen, z. B. durch Teilhabe der Bürger an der Entscheidungsfindung auf europäischer Ebene,400 und durch Transparenz, wozu die Vorhersehbarkeit einer Entscheidung aber auch der Vertrauensschutz zählen.401 Die Beteiligung der Betroffenen wird im Telekommunikationssektor frühzeitig mit der Durchführung des unionsweiten Konsolidierungsverfahren und des nationales Konsultationsverfahren sichergestellt.402 Auch durch die Veröffentlichungspflichten (z. B. Art. 23 Abs. 4 TK-Kodex), die sich durch das gesamte Konsultations- und Konsolidierungsverfahren ziehen,403 wird die Transparenz der Entscheidungen auf europäischer Ebene gewährleistet.404 Zudem hat die Kommission im Rahmen des unechten Vetoverfahrens die Stellungnahmen des GEREK weitest möglich zu berücksichtigen und es entsteht eine gesteigerte Begründungspflicht in den Fällen, in denen das GEREK die ernsten Bedenken der Kommission nicht teilt, vgl. Art. 33 Abs. 5 a) TK-Kodex. Da das GEREK aus Mitgliedern der Mitgliedsstaaten zusammengesetzt ist, entsteht hierdurch eine Einflussnahmemöglichkeit der Mitgliedstaaten.405 Die Frage nach ausreichender demokratischer Legitimation des Verwaltungsverbundes im Telekommunikationsrecht kann nicht abschließend positiv oder negativ beantwortet werden. Es handelt sich dabei um ein Phänomen, das seit geraumer Zeit die rechtswissenschaftliche Literatur beschäftigt und in dieser Arbeit nicht vertieft bearbeitetet werden kann. Festzuhalten ist jedenfalls, dass über die angesprochenen Legitimationselemente hinaus demokratische Legitimation auch durch Individualrechtsschutz erreicht werden kann.406 Gerichtliche Kontrollmöglichkeiten bestehen zwar in den genannten Konstellationen, insbesondere können nationale Gerichte ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV einleiten, in dem 399 Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 152; gegen die Annahme eines RegelAusnahme-Verhältnisses Wendel, Verwaltungsermessen, S. 90 f. 400 Groß, Polyzentrale EU-Verwaltung, S. 112 f.; Lee, Demokratische Legitimation, S. 100 f.; Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 371. 401 Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 351 f.; Groß, Polyzentrale EU-Verwaltung, S. 112; Lee, Demokratische Legitimation, S. 102; Simantiras, Netzwerke, S. 247. 402 Oster, Normative Ermächtigungen, S. 191; Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 614. 403 Vgl. Art. 23 Abs. 3, 32 Abs. 3, Abs. 4 und Abs. 5 und 33 Abs. 3 TK-Kodex. 404 Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 581 ff. 405 Vgl. Art. 6 und 7 GEREK-VO; Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 611. 406 Simantiras, Netzwerke, S. 173 ff.
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die zugrundeliegenden Empfehlungen und Stellungnahmen der Kommission überprüft werden können.407 Den Kritikern408 ist an dieser Stelle aber zuzugestehen, dass es sich um ein schwaches Glied in der Legitimationskette handelt, zumal gerade im Verwaltungsverbund auf mehrere Legitimationsmöglichkeiten zurückgegriffen werden muss. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert durch einen verstärkten Individualrechtsschutz auf europäischer Ebene die demokratische Legitimation des Verwaltungsverbundes zu optimieren. Durch eine Ausweitung der Vorlagepflicht nationaler Gerichte nach Art. 267 AEUV könnte bspw. der weit verbreiteten Zurückhaltung bei der Einleitung von Vorabentscheidungsverfahren entgegengewirkt werden.409 Eine Stärkung des Rechtsschutzes kann auch dadurch erreicht werden, dass die Anfechtbarkeit von Empfehlungen und Stellungnahmen der Kommission im Konsolidierungsverfahren gesetzlich geregelt wird.410 Diese Ansätze würden zu einer Aufwertung des Rechtsschutzes führen; notwendig im Hinblick auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes für den Regulierungsadressaten sind sie aber nicht.411 Eine gänzliche Freistellung von gerichtlicher Kontrolle ist durch die Ausgestaltung des Konsolidierungsverfahrens im Telekommunikationssektor nicht zu befürchten, vielmehr ist der effektive Rechtsschutz nach europäischen Maßstäben gewahrt. b) Rechtsschutz Dritter Möchte sich ein dritter Marktteilnehmer gegen einen Beschluss der Kommission wenden, muss er hiervon individuell und unmittelbar betroffen i. S. d. Art. 263 Abs. 4 AEUV sein. Da die positive Marktdefinition und Marktanalyse die zentrale Weichenstellung für die Regulierung im Telekommunikationssektor darstellen, sind sie für die Zugangsberechtigten von enormer Bedeutung. Die Klagebefugnis ist entsprechend weit auszulegen, sodass sich auch dritte Marktteilnehmer gegen einen Beschluss der Kommission wenden können müssen.412
407 Trute, in: FS Selmer, S. 584; Simantiras, Netzwerke, S. 219; Schramm, Informelles Verwaltungshandeln, S. 265 f.; Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund S. 554; Schramm, DÖV 2010, 387 (392); Gundel, EuR 2018, 593 (604). 408 Stellvertretend Röhl, in: Schmidt-Aßmann/Schöndorf-Haubold, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 334. 409 Vgl. nur die Nichtvorlagen von BVerfG NVwZ 2012, 694 (695) Rn. 17 und Rn. 32 ff. und OLG Düsseldorf EnWZ 2018, 267 (269) Rn. 56 ff.; befürwortend Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 367. 410 Dies fordern auch Romes, Supranationale Intervention, S. 157; Simantiras, Netzwerke, S. 222. 411 Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 435; Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 556. 412 Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 555.
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Auch in der Konstellation, in der ein Dritter Rechtsschutz begehrt, ist es grundsätzlich unerheblich, dass gegen die Stellungnahmen und Empfehlungen keine Direktklage zulässig ist, denn die Möglichkeit innerstaatlichen Rechtsschutzes besteht gegen die Maßnahmen der BNetzA. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Hiervon weicht aber die bereits erwähnte Fallkonstellation ab, in der sich dritte Zugangsberechtigte auf nationaler Ebene gegen eine Marktdefinition und -analyse wenden oder diese beanspruchen wollen.413 Eröffnet die Kommission in diesem konkreten Fall das Vetoverfahren nicht, wäre mangels Anfechtbarkeit der befürwortenden Stellungnahme der Zugang zu den Gerichten auf nationaler Ebene zu gewähren. Weil §§ 10 und 11 TKG aber von der Rechtsprechung nicht als drittschützende Normen angesehen werden, wird auf nationaler Ebene der Zugang zu den Gerichten insoweit verwehrt. Das subjektive Rechtsschutzsystem Deutschlands fügt sich an dieser Stelle nicht in das Gesamtrechtsschutzsystem der Union ein. Gem. Art. 31 Abs. 1 TK-Kodex muss jedem Nutzer oder Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze, der von einer Behördenentscheidung betroffen ist, der Rechtsweg eröffnet sein. Wenn in Bezug auf die Marktdefinition und -analyse aber schon die unmittelbare und individuelle Betroffenheit Dritter bejaht werden kann (s. o.), gilt das erst recht für die bloße Betroffenheit. Durch die Ausgestaltung des nationalen Gerichtsverfahrens entsteht eine Rechtsschutzlücke, die nicht den europäischen Anforderungen an einen wirksamen Rechtsschutz genügt. Entsprechend ist eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 42 Abs. 2 VwGO vorzunehmen. Dies ist möglich, da § 42 Abs. 2 VwGO selbst Ausnahmen vom Erfordernis der „Verletzung subjektiver Rechte“ vorsieht, wenn gesetzliche Regelungen dies bestimmen. Ausreichend nach Art. 31 Abs. 1 TK-Kodex ist die bloße „Betroffenheit“ eines Marktteilnehmers von der Entscheidung der BNetzA, was bei der Marktdefinition und -analyse der Fall ist. Insoweit erfolgt eine Ausdehnung des Drittschutzes aufgrund europäischen Rechts. Mit dieser Möglichkeit bleibt der effektive Rechtsschutz gewahrt.
III. Fazit zur verfassungsrechtlichen Bewertung Am Maßstab des Art. 23 GG sind die Letztentscheidungsbefugnisse verfassungsrechtlich zulässig. Weder der Kernbereich der Gewalten noch der Wesentlichkeitsgrundsatz oder der unübertragbare Kern des Bestimmtheitsgebotes sind berührt. Daneben gewährleisten die zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten auf nationaler und europäischer Ebene einen effektiven Rechtsschutz, sodass auch diesbezüglich keine durchgreifenden Bedenken bestehen.
413
Vgl. Teil 3 D. II. 1. b).
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E. Zusammenfassung zu Teil 3 Die Gerichte sprechen der BNetzA in der telekommunikationsrechtlichen Netzzugangs- und Entgeltregulierung eine große Anzahl an Letztentscheidungsbefugnissen zu. Dabei stützt sich die Rechtsprechung zwar nicht ausschließlich, aber ergänzend auf das Europarecht. Die Begründungen sind i. d. R. knapp und beschränken sich überwiegend auf die Bezugnahme auf Stellungnahmen der Kommission oder Entscheidungen des EuGH. Die Analyse der unionsrechtlichen Vorgaben hat gezeigt, dass diese im Telekommunikationssektor einen Spielraum der BNetzA in den weit überwiegenden Fällen sowohl gegenüber der Legislative als auch gegenüber der Judikative fordern. Der EuGH hat das Ermessen der Behörde gegenüber dem nationalen Gesetzgeber damit begründet, dass das Sekundärrecht Aufgabenzuweisungen an die NRB enthält und sich einzelne Normen mit detaillierten Befugnissen direkt an die NRB richten. Die Mitgliedstaaten können bei Umsetzung der Richtlinie von diesen konkreten Vorgaben nicht abweichen, da die Richtlinie ihnen diesbezüglich keinen Gestaltungsspielraum belässt. Jegliche Einschränkungen des weiten Ermessensspielraums der NRB durch den nationalen Gesetzgeber sind dabei unzulässig. Dieser Ermessensspielraum setzt sich auch gegenüber der Judikative fort, soweit es sich um Maßnahmen handelt, die in bestimmten Verfahren im europäischen Verwaltungsverbund abgestimmt werden müssen. Dabei ist das echte Vetorecht vom unechten Vetorecht der Kommission zu unterscheiden. Während die Kommission beim echten Vetorecht die BNetzA durch verbindlichen Beschluss auffordern kann, eine Maßnahme zurückzuziehen oder zu ändern, kann sie beim unechten Vetorecht nur eine entsprechende unverbindliche Empfehlung abgeben, die aber weitest möglich zu berücksichtigen ist. In beiden Fällen könnte eine gerichtliche Vollkontrolle das Vetorecht der Kommission behindern. Legt die Kommission ein echtes Veto ein und geht man davon aus, dass dieses zwar für die nationale Behörde, nicht aber für das nationale Gericht bindend wäre, könnte eine gerichtliche Vollkontrolle die BNetzA vor eine unlösbare Situation stellen. Im Fall des unechten Vetorechts könnte sich eine endgültige Entscheidung im Ergebnis zu Lasten der Unternehmen unverhältnismäßig in die Länge ziehen. Der Sinn und Zweck des Konsolidierungsverfahrens würde zudem dadurch gefährdet, wenn ein nationales Gericht eine abgestimmte Entscheidung aufgrund eines anderen, eigenen Abwägungsergebnisses aufheben könnte oder, wenn die BNetzA an die gerichtliche Entscheidung gebunden wäre und in einem sich daran anschließenden Verwaltungsverfahren weder den Stellungnahmen noch einer eventuellen Empfehlung der Kommission in geeigneter Weise Rechnung tragen könnte. Das Konsolidierungsverfahren könnte dadurch sogar komplett entwertet werden. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, kann die gerichtliche Kontrolle aufgrund des effet utile reduziert werden. Auf der ersten Stufe der Regulierung betrifft dies die Entscheidungen über die Marktabgrenzung, die Beurteilung der potentiellen Re-
E. Zusammenfassung zu Teil 3
201
gulierungsbedürftigkeit des Marktes (Marktdefinition) und die Beurteilung der beträchtlichen Marktmacht eines Unternehmens (Marktanalyse); auf der zweiten und dritten Stufe sind die Auferlegung, Änderung oder Aufhebung von Verpflichtungen i. S. d. Art. 68 ff. TK-Kodex betroffen. Dies hat der nationale Gesetzgeber nur teilweise richtig umgesetzt, weshalb er gehalten ist, im Rahmen der Umsetzung des TKKodex insoweit Abhilfe zu schaffen. Eine Ausweitung des Letztentscheidungsrechts der BNetzA durch Unionsrecht kann im Telekommunikationssektor dennoch nicht einheitlich positiv beantwortet werden. Der BNetzA kommt nämlich nicht bei allen Entscheidungen tatsächlich das echte Letztentscheidungsrecht zu. Im Falle des echten Vetorechts der Kommission hat diese das letzte Wort. In den häufigeren Fällen des unechten Vetorechts kann die BNetzA – wenn auch eingeschränkt durch entsprechende Empfehlungen der Kommission – letztverbindlich die Entscheidung treffen. An dieser Stelle kann von einer Ausweitung der Letztentscheidungsspielräume gesprochen werden. Zur verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit führt dies jedoch nicht. Der Unionsgesetzgeber hält sich mit den Richtlinienvorgaben innerhalb seiner Kompetenzen; nach nationalen verfassungsrechtlichen Maßstäben ist ausreichend Rechtsschutz gewährleistet, da der Zugang zu den nationalen Gerichten grundsätzlich gegen jede Regulierungsentscheidung der BNetzA eröffnet ist und die Maßnahmen einer Vertretbarkeitskontrolle unterzogen werden. Gegen die verbindlichen Beschlüsse der Kommission steht den Betroffenen die Direktklage nach Art. 263 AEUV offen und die unverbindlichen Stellungnahmen und Empfehlungen können jedenfalls im Rahmen einer Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV überprüft werden. Zur Optimierung des Rechtsschutzes könnten eine weitergehende Verpflichtung der Gerichte zur Vorlage nach Art. 267 Abs. 2 und Abs. 3 AEUVoder die Annahme einer Klagebefugnis gegen entsprechende Stellungnahmen und Empfehlungen der Kommission nach Art. 263 Abs. 4 AEUV beitragen. Dass aufgrund des subjektiven Rechtsschutzsystems Deutschlands für Dritte Rechtsschutzlücken entstehen können, genügt hingegen nicht den unionsrechtlichen Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz; insbesondere ist dies nicht mit Art. 31 Abs. 1 TK-Kodex vereinbar. Gelöst werden kann diese Diskrepanz durch Auslegung des § 42 Abs. 2 VwGO dahingehend, dass abweichend von der Verletzung subjektiver Rechte bereits die Betroffenheit für eine Klagebefugnis ausreicht.
Teil 4
Die Letztentscheidungsbefugnisse der Regulierungsbehörde im Energierecht Im Unterschied zum Telekommunikationsrecht statuiert im Energierecht § 20 Abs. 1 EnWG für Betreiber von Energieversorgungsnetzen eine Netzzugangspflicht, also die Pflicht zur Gewährung diskriminierungsfreien Netzzugangs. Betreiber von Energieversorgungsnetzen sind Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen oder von Gasversorgungsnetzen, § 3 Nr. 4 EnWG. Das Elektrizitätsversorgungsnetz kann unterteilt werden in Übertragungs- und Verteilernetze,1 das Gasversorgungsnetz in Verteilernetze und in Fernleitungsnetze.2 Der Anspruch auf Netzzugangsgewährung betrifft damit grundsätzlich das gesamte Energienetz (A.). Deren Herzstück ist die Entgeltregulierung (B.). Eine Ausnahme stellt der Zugang zu vorgelagerten Rohrleitungsnetzen und Speicheranlagen dar. Dieser unterliegt nicht der Regulierung nach §§ 20 bis 24 EnWG, sondern ist im Wege des „verhandelten Zugangs“ nach §§ 26 bis 28 EnWG zu gewähren und mithin nicht Gegenstand dieser Arbeit.
A. Netzzugang, § 20 EnWG Der Netzzugangsgewährungsanspruch ist im Energierecht flächendeckend geregelt, sodass nicht nur Energieversorgungsnetzbetreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem regulierungsbedürftigen Markt der Netzzugangsregulierung unterliegen (symmetrische Regulierung).3 Jedes Energieversorgungsunternehmen hat grundsätzlich einen Anspruch auf Abschluss eines Vertrages zum Zugang zum Netz (I.), wenn nicht im Einzelfall eine Ausnahme (II.) vorliegt. Spielräume hinsichtlich
1 Gem. § 3 Nr. 32, Nr. 37 EnWG umfassen im Wesentlichen die Verteilernetze die Spannungsebenen der Hoch-, Mittel- und Niederspannung und die Übertragungsnetze die Hoch- und Höchstspannungsleitungen, vgl. Theobald, in: Theobald/Kühling, Energierecht, EnWG, § 3 Rn. 14 und 21; vgl. auch die entsprechende europarechtliche Definition von Übertragung und Verteilung gem. Art. 2 Nr. 28 und Nr. 34 Elektr-RL. 2 Gem. § 3 Nr. 20, Nr. 19, Nr. 7, Nr. 37 EnWG wird das Verteilernetz in Mittel- und Niederdruck betrieben und das Fernleitungsnetz umfasst die Hochdruckleitung, vgl. Theobald, in: Theobald/Kühling, Energierecht, EnWG, § 3 Rn. 36. 3 Berndt, Anreizregulierung, S. 123.
A. Netzzugang, § 20 EnWG
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des „Ob“ der Zugangsverpflichtung kommen der Behörde nicht zu.4 Damit wurden die unionsrechtlichen Vorgaben hinreichend umgesetzt, da auch Art. 6 Elektr-RL und Art. 32 Gas-RL von einer allgemeinen Zugangspflicht ausgehen und diese Entscheidung nicht ausdrücklich oder ausschließlich den NRB zugewiesen wird.5
I. Anspruch auf Gewährung des Netzzugangs nach § 20 EnWG § 20 Abs. 1a EnWG i. V. m. StromNZV konkretisiert die vertragliche Ausgestaltung des Zugangs zu den Elektrizitätsversorgungsnetzen. Dafür sind u. a. Netznutzungsverträge zwischen den Berechtigten und den verpflichteten Energieversorgungsunternehmen6 zu schließen.7 Entgegen der wohl h. M., die von einem gesetzlichen Netzzugangsanspruch ausgeht,8 handelt es sich lediglich um einen Kontrahierungszwang.9 Gegen die Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses spricht der Wortlaut der konkretisierenden §§ 24 Abs. 1 S. 1, 25 Abs. 1 StromNZV i. V. m. § 24 EnWG. Die Rede ist ausdrücklich von einem „Anspruch auf Abschluss eines Netznutzungsvertrages“.10 Zwar kann aufgrund der Normenhierarchie der Wortlaut einer Verordnung nicht als ausschlaggebendes Argument herangezogen werden. Allerdings sprechen Sinn und Zweck der Eingriffsbefugnisse der Regulierungsbehörde für den schwächeren Kontrahierungszwang. Würde § 20 Abs. 1 EnWG ein gesetzliches Schuldverhältnis mit dem Anspruchsinhalt auf Netzzugang begründen, bestünde kein Mehrwert in der Zugangsanordnungsermächtigung des § 30 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 EnWG. Der Wortlaut des § 20 EnWG ist mithin dahingehend auszulegen, dass nur ein Anspruch auf Abschluss des Vertrages besteht.11 Der Verordnungsgeber hat dies richtig in §§ 24 f. StromNZV umgesetzt. 4
Christiansen, Optimierung des Rechtsschutzes, S. 201. Franke, Die Verwaltung 2016, 25 (32 f.). 6 Die Betreiber oder Eigentümer des Energieversorgungsnetzes, vgl. § 3 Nr. 18 EnWG. 7 Gem. § 20 Abs. 1a S. 1 und S. 2 EnWG handelt es sich dabei um Lieferantenrahmenverträge, wenn ein Netznutzungsvertrag zwischen einem Lieferanten und dem Energieversorgungsunternehmen geschlossen wird. 8 Kment, in: Schmidt/Wollenschläger, Kompendium Öffentliches Recht, § 13 Rn. 41 f.; Theobald/Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts, S. 247; Pielow, in: Ehlers/ Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, § 22 Rn. 98; Böwig, in: Baur/Salje/ Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 71 Rn. 22 jeweils m. w. N. 9 Auswirkungen hat die Unterscheidung auf die prozessrechtliche Durchsetzung des Anspruchs. Während bei einem Kontrahierungszwang nur ein Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung auf Abschluss eines Netznutzungsvertrages besteht, kann der gesetzliche Anspruch im Wege einer Leistungsklage direkt auf den Zugang zum Netz durchgesetzt werden. 10 Britz, in: Fehling/Ruffert, Regulierungsrecht, § 9 Rn. 38; Kühling/el-Barudi, DVBl 2005, 1470 (1474). 11 So auch Kühling/Rasbach/Busch, Energierecht, Kap. 3 Rn. 64; Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 6 Rn. 573; Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 15 Rn. 19; Kühling/el-Barudi, DVBl 2005, 1470 (1474 f.); zurückhaltend Britz/Herzmann, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 20 Rn. 10. 5
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Teil 4: Energierecht
Gleiches gilt für den Netzzugang zu den Gasversorgungsnetzen. Hier werden Einund Ausspeiseverträge zwischen den Transportkunden und den Netzbetreibern geschlossen, vgl. §§ 20 Abs. 1b, 24 EnWG i. V. m. § 3 Abs. 1 GasNZV.12 Im Gegensatz zum Elektrizitätssektor, in dem nur ein Netznutzungsvertrag geschlossen werden muss, hat man sich im Gassektor für ein netzübergreifendes Entry-Exit-Modell entschieden. Der Transportkunde hat einen Anspruch auf Abschluss eines Ein- und Ausspeisevertrages (sog. Zwei-Vertrags-Modell) mit dem entsprechenden Netzbetreiber.13 1. Ex ante-Regulierung: Festlegungen zum Inhalt der Verträge Diese gesetzlich ausgestaltete Regulierung wird durch Befugnisse der Regulierungsbehörde präzisiert. So kann sie im Wege der ex ante-Regulierung gem. §§ 29 Abs. 1, 24 EnWG i. V. m. § 27 StromNZV bzw. § 50 GasNZV Entscheidungen für den Netzzugang, bspw. zum Inhalt der Verträge,14 treffen. § 29 Abs. 1 EnWG unterscheidet zwischen der Festlegung „gegenüber einem Netzbetreiber, einer Gruppe von oder allen Netzbetreibern oder den sonstigen in der jeweiligen Vorschrift Verpflichteten“ und der Genehmigung „gegenüber dem Antragsteller.“ Während die Genehmigung einen Verwaltungsakt i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG darstellt, ist der Rechtscharakter der Festlegung schwieriger zu beurteilen. Handelt es sich um eine konkret-individuelle Entscheidung, liegt ein Verwaltungsakt vor.15 Handelt es sich hingegen um eine „allgemeine“ Festlegung, d. h. um eine abstrakte Regelung und/oder einen generellen Adressatenkreis, wird überwiegend davon ausgegangen, dass sich die Festlegung als Allgemeinverfügung qualifizieren lässt.16 Während in der Literatur teilweise vertreten wird, dass in jeder Festlegungsbefugnis nach § 29 EnWG i. V. m. § 27 StromNZV und § 50 GasNZV (sowie § 30 StromNEV/GasNEV) ein Gestaltungsauftrag zu sehen sei, der mit einer ge-
12
Der Ausspeisevertrag zwischen Transportkunden und dem örtlichen Gasverteilernetzbetreiber wird wiederum als Lieferantenrahmenvertrag bezeichnet, § 3 Abs. 4 S. 1 GasNZV. 13 Kühling/Rasbach/Busch, Energierecht, Kap. 3 Rn. 90; Schreiber, Regulierungsinstrumente, S. 48. 14 Vgl. § 27 Abs. 1 Nr. 15 StromNZV; § 50 Abs. 1 Nr. 1 GasNZV. 15 Pielow, in: Baur/Slaje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 43 Rn. 35; Burgi, DVBl 2006, 269 (273 f.). 16 Grundlegend BGH NVwZ 2009, 195 (1. LS); seitdem st. Rspr., vgl. BGH NVwZ-RR 2017, 412 (416) Rn. 50; BGH NVwZ-RR 2018, 341 (342) Rn. 13; so auch Pielow, in: Baur/ Slaje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 43 Rn. 39 (a. A. noch 2005, in: Pielow, Grundsatzfragen, S. 33); Salje, EnWG, § 29 Rn. 15; Attendorn, Regulierungsbehörde, S. 478; Meinzenbach, Anreizregulierung, S. 148; Schreiber, Regulierungsinstrumente, S. 50; Burgi, DVBl 2006, 269 (274); Mohr, EuZW 2019, 229 (233); a. A. Britz/Herzmann, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 29 Rn. 16, die eine Handlungsform sui generis annimmt; dazu auch Pielow, DÖV 2005, 1017 (1021 ff.).
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richtlichen Vollkontrolle nicht vereinbar sei,17 wurden in der Rechtsprechung bisher nur vereinzelt Beurteilungsspielräume angenommen.18 Die Rechtsprechung nimmt einen Beurteilungsspielraum an, wenn hinsichtlich des Umfangs, des Detaillierungsgrads oder der Komplexität der zu treffenden Regelungen keine ausdrücklichen gesetzlichen Vorgaben zu finden sind.19 Ein Beurteilungsspielraum stünde der Regulierungsbehörde zu, soweit die Ausfüllung dieser gesetzlichen Vorgaben in einzelnen Beziehungen eine komplexe Prüfung und Bewertung einer Reihe von Fragen erfordert, die nicht exakt im Sinne von „richtig oder falsch“ beantwortet werden könnten. Dies sei insbesondere im Falle der Ermächtigung zur Regelung von Vertragsinhalten, die naturgemäß einen Gestaltungsauftrag beinhalte20 sowie bei der Ausgestaltung des Ausschreibungsverfahrens21 der Fall. Allerdings werden die Spielräume nicht dogmatisch hergeleitet.22 Vielmehr wurde der BNetzA ein Beurteilungsspielraum für Festlegungen zum Bilanzierungssystem zugestanden, weil sie „ihre Aufgabe […] nur mit Hilfe einer weitrechenden Einschätzungsprärogative erfüllen“23 könne. Das Gericht ließ dabei dahinstehen, ob es sich um einen Beurteilungsspielraum oder ein Regulierungsermessen handelt und beschränkte seine Begründung auf einen Verweis auf die Rechtsprechung des BGH zur Entgeltregulierung.24 Die Gerichte stellen weder unionsrechtliche Erwägungen noch hinreichende Überlegungen zur normativen Ermächtigungsgrundlage an, was vor dem Hintergrund des Grundsatzes der vollumfänglichen gerichtlichen Überprüfbarkeit kritisch zu sehen ist.25 Ob eine Letztentscheidungsbefugnis der Behörde gegeben ist, ist jeweils anhand der speziellen gesetzlichen Vorgaben für die entsprechende Entscheidung zu bemessen. Die Annahme, dass sich solche Spielräume allein aus einer allgemeinen
17 Oster, Normative Ermächtigungen, S. 197 f.; Christiansen, Optimierung des Rechtsschutzes, S. 202 und S. 205; Burgi, DVBl 2006, 269 (275); Mayen, Referat O 45 (64); Eifert, ZHR 2010, 449 (475). 18 Zum Beurteilungsspielraum der BNetzA bei der Festlegung des Inhalts der Verträge gem. § 27 Abs. 1 Nr. 15 StromNZV: BGH NVwZ-RR 2019, 319 (320 f.) Rn. 13 ff. 19 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.03.2017, VI-3 Kart 107/15 (V) = BeckRS 2017, 115478 Rn. 30. 20 Zu § 27 Abs. 1 Nr. 15 StromNZV: BGH, Beschl. v. 13.11.2018, ENVR 33/17 = BeckRS 2018, 36584 Rn. 13, 15 ff.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.03.2017, VI-3 Kart 107/15 (V) = BeckRS 2017, 115478 Rn. 31; OLG Düsseldorf N&R 2017, 240 (242); OLG Düsseldorf N&R 2017, 245 (256). 21 Zu § 27 Abs. 1 Nr. 2 StromNZV: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.07.2018, 3 Kart 806/18 (V) = BeckRS 2018, 15376 Rn. 48, wobei das Gericht in Rn. 60 wiederum von einem „Regulierungsermessen“ spricht. 22 Kritisch daher auch Schmidt-Preuß, in: Säcker, EnWG, § 29 Rn. 68; Pielow, in: Baur/ Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 57 Rn. 49. 23 Zu § 50 Abs. 1 Nr. 9 GasNZV: OLG Düsseldorf IR 2018, 256 Rn. 53 f. 24 Dazu näher Teil 4 B. I. 3. und 4. 25 Zur normativen Ermächtigungsgrundlage Teil 2 B.
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Teil 4: Energierecht
Festlegungsbefugnis ergeben, geht daher zu weit.26 Vielmehr kommt es darauf an, ob der Regulierungsbehörde bei der Festlegung der Vertragsinhalte gem. § 27 Nr. 15 StromNZV und § 50 Abs. 1 Nr. 1 GasNZV ein Letztentscheidungsrecht zukommt. Dabei hat der nationale Gesetzgeber der Behörde zwar aus unionsrechtlichen Gründen einen Spielraum einzuräumen (a)), auf die Kontrolldichte kann sich dieser aber mangels wirksamer unionsrechtlicher Vorgaben nicht auswirken (b)). a) Gesetzliche Vorgaben In Art. 59 Abs. 7 a) Elektr-RL und Art. 41 Abs. 6 a) Gas-RL heißt es, dass es den NRB obliegt, Bedingungen für den Zugang zu den nationalen Netzen und zu grenzübergreifenden Infrastrukturen festzulegen. Unter Zugangsbedingungen fallen auch die Vertragsinhalte. Es handelt sich dabei um eine konkrete Aufgabenzuweisung an die NRB. Damit die NRB eben diese Aufgabe erfüllen kann, sind die Mitgliedstaaten gem. Art. 59 Abs. 3 Elektr-RL und Art. 41 Abs. 4 Gas-RL verpflichtet, die Behörden mit entsprechenden Befugnissen auszustatten. Die konkrete Aufgabenzuweisung an die NRB ist vergleichbar mit den Abhilfemaßnahmen des TK-Kodex, die sich ebenfalls direkt an die NRB richten. Der EuGH hat diesen Umstand zum Anlass genommen, um den NRB einen „weiten Ermessensspielraum“ zu bescheinigen.27 Dieser Spielraum betrifft aber nur das Verhältnis zur Legislative und nur so weit, wie der nationale Gesetzgeber selbst keine eigenen Entscheidungen treffen darf. Wie viel Gestaltungsspielraum dem nationalen Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie verbleibt, ergibt sich aus der Richtlinie selbst. Die Elektr-RL und die GasRL sind an dieser Stelle sehr weit gefasst. Sie sehen lediglich vor, dass die Zugangsbedingungen von den NRB festzulegen sind und dass ihnen insbesondere die Befugnis zum Erlass von bindenden Entscheidungen übertragen werden muss. Konkrete Vorgaben zum Inhalt der Zugangsbedingungen enthalten die sekundärrechtlichen Vorgaben kaum. Entsprechend ist der Gesetzgeber relativ frei in der Umsetzung, insbesondere in der Wahl der Form und Mittel.28 So steht es dem Unionsrecht nicht entgegen, dass § 21 Abs. 1 EnWG nur ganz allgemeine Vorgaben wie die Angemessenheit, Transparenz und Diskriminierungsfreiheit enthält und konkretere Vorgaben zur Ausgestaltung und zum Inhalt der Verträge durch den Verordnungsgeber geregelt werden, solange die konkrete Entscheidung im Einzelfall der Regulierungsbehörde überlassen wird. In §§ 24 Abs. 2, 25 Abs. 2, 26 Abs. 2 StromNZV und in §§ 3 f. GasNZV sind die abstrakten Vorgaben zum jeweiligen Mindestinhalt der Verträge enthalten; der Regulierungsbehörde kommt diesbezüglich aber eine konkrete Festlegungsbefugnis im Einzelfall nach § 27 26
Pielow, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 57 Rn. 48; Attendorn, Regulierungsbehörde, S. 488. 27 EuGH, Urt. v. 03.12.2009, Rs. C-424/07 (Kommission/Deutschland) = EuZW 2010, 109 (112) Rn. 74 f. 28 So auch Ludwigs, N&R 2018, 262 (263 f.).
A. Netzzugang, § 20 EnWG
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Nr. 15 StromNZV und § 50 Abs. 1 Nr. 1 GasNZV zu. Dies dürfte den unionsrechtlichen Vorgaben noch genügen und insbesondere nicht in unzulässiger Weise in die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde eingreifen, da die Entscheidung, welche konkreten Zugangsbedingungen im Einzelfall festgelegt werden, bei ihr verbleibt. b) Gerichtliche Kontrolle Der vom nationalen Gesetzgeber der Behörde einzuräumende Ermessensspielraum setzt sich nicht zwangsläufig gegenüber der Judikative fort. Vielmehr ergibt sich weder aus der Auslegung des Unionsrechts (aa)) noch aus dem Effektivitätsgrundsatz (bb)) an dieser Stelle eine Kontrolldichtereduzierung. aa) Auslegung des Unionsrechts Die Auslegung des Sekundärrechts hat nicht nur am Wortlaut, sondern auch anhand der Gesetzessystematik und anhand einer Gesamtanalyse unter Einbeziehung des Sinns und Zwecks der Behördenentscheidung und der Gerichtskontrolle zu erfolgen.29 Gegen eine vollumfängliche gerichtliche Überprüfung und für eine Letztentscheidungsbefugnis der Behörde sprechen die sekundärrechtlichen Vorgaben zum Rechtsschutz gegen Entscheidungen der NRB. Gem. Art. 60 Abs. 3 Elektr-RL und Art. 41 Abs. 12 Gas-RL muss der Rechtsweg für jeden Betroffenen i. S. d. Norm eröffnet sein, wobei sich aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 47 GR-Charta das Erfordernis einer wirksamen (Gerichts-)Kontrolle ergibt. Wirksamer Rechtsschutz bedeutet, dass eine reine Willkürkontrolle ausgeschlossen ist, die gerichtliche Überprüfung aber nicht über eine Plausibilitätskontrolle hinausgehen muss.30 Aus Art. 60 Abs. 7 Elektr-RL und Art. 41 Abs. 16 TK-Kodex ergibt sich nun, dass die von den NRB getroffenen Entscheidungen im Hinblick auf die gerichtliche Überprüfung in vollem Umfang zu begründen sind. Durch erhöhte Anforderungen an die Begründung der Behördenentscheidung findet ein Ausgleich dahingehend statt, dass die gerichtliche Überprüfung materieller Fragen auf die Überprüfung von Verfahrensvorschriften verlagert wird.31 Das Erfordernis der umfassenden Begründung, „um eine gerichtliche Überprüfung zu ermöglichen“, spricht dafür, dass das Gericht nur nachvollziehend i. S. e. Abwägungskontrolle tätig wird
29 Zur Auslegung des Sekundärrechts EuGH, Urt. v. 04.04.2017, Rs. C-544/15 (Fahimian) = NVwZ 2017, 1193 (1194) Rn. 30; vgl. bereits Teil 2 D. I. 1. 30 EuGH, Urt. v. 18.06.2002 (Hospital Ingenieure) = EuZW 2002, 497 (501) Rn. 56 ff.; vgl. dazu Teil 2 D. I. 2. 31 Zur generellen Möglichkeit, materiell-rechtliche Defizite durch Organisations- und Verfahrensrecht zu kompensieren Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 258 f.
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Teil 4: Energierecht
und keine eigene Abwägungsentscheidung trifft. Das Sekundärrecht geht davon aus, dass Prüfungsgegenstand die behördliche Begründung ist.32 Zudem setzen die Richtlinien im Energiesektor nur voraus, dass die Rechtsbehelfsstelle ein Gericht sein kann und unabhängig sein muss.33 Darüber hinaus werden keine weiteren Anforderungen an die überprüfende Einrichtung gestellt. Im Telekommunikationssektor hingegen muss das Gericht über angemessenen Sachverstand verfügen, vgl. Art. 31 Abs. 1 S. 2 TK-Kodex, was für eine Vollkontrolle spricht, wenn das Gericht eine eigene ökonomische Wertung vornehmen oder Prognose anstellen können muss. Daneben kann der Rückschluss aus dem direkten Vollzug, dass die Festlegung über die Zugangsbedingungen ausschließlich der NRB zugewiesen wurde, zumindest als Indiz für eine Letztentscheidungsbefugnis herangezogen werden.34 Die Konsequenz wäre, dass jede Entscheidung der NRB, die unter Art. 59 ElektrRL und Art. 41 Gas-RL fällt, einer gerichtlichen Vollkontrolle entzogen wäre. Für diese weitreichende Folge können die Indizien nicht als ausreichend angesehen werden. Würde der Unionsgesetzgeber in einem derartigen Umfang in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten eingreifen wollen, hätte er dies in der entsprechenden Richtlinie eindeutiger zum Ausdruck gebracht. Gegen ein Letztentscheidungsrecht der NRB spricht vielmehr, dass ein komplexer, technischer oder wirtschaftlicher Zusammenhang im hiesigen Fall nicht gegeben ist, da es sich lediglich um den Vertragsinhalt über Zugangsbedingungen handelt. Sie wird hier zwar gestaltend tätig, muss aber keine komplexen Bewertungen, Prognosen oder eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vornehmen. Daneben vermag die Regelungsdichte der Richtlinie keinen hinreichenden Rückschluss auf die Kontrolldichte zu begründen. Auf Unionsebene besteht zwar eine geringe Regelungsdichte, denn einzige Voraussetzung für die Abhilfemaßnahmen der NRB ist, dass sie angemessen zur Erreichung der in Art. 58 Elektr-RL und Art. 40 Gas-RL genannten Ziele sein müssen. Durch die sehr weit gefasste „Befugnisnorm“ verbleibt aber ein weiter Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers, weitere Voraussetzungen und Vorgaben zu machen. Hiervon machte der nationale Gesetzgeber Gebrauch; insbesondere durch den Mindestumfang des Vertragsinhalts in den nationalen Verordnungen wurde eine hohe Regelungsdichte geschaffen. Ein eindeutiges Auslegungsergebnis lässt sich aus den Vorgaben der Art. 59 Abs. 7 a) Elektr-RL und Art. 41 Abs. 6 a) Gas-RL mithin nicht entnehmen, sodass die Entscheidung über die gerichtliche Kontrolldichte in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten fällt. 32
So geht die Rechtsprechung auch bei der Überprüfung von „Ermessens“-Entscheidungen vor, vgl. Pielow, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 57 Rn. 44 und Rn. 61. 33 Erwägungsgrund 86 der Elektr-RL und Erwägungsgrund 33 der Gas-RL. 34 Dazu Teil 2 D. II.
A. Netzzugang, § 20 EnWG
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bb) Verfahrensautonomie versus effet utile Wie bereits im Teil 3 gezeigt wurde, können sich die europäischen Vorschriften zur Zusammenarbeit der Behörden mit der Kommission derart auswirken, dass eine Kontrolldichtereduzierung mit dem effet utile begründet werden kann. Andernfalls würde die Ausübung des Unionsrechts zumindest übermäßig erschwert werden. Der Energiesektor sieht ebenfalls – wenn auch nicht in einem derartigen Umfang wie der Telekommunikationssektor – die Verwaltungszusammenarbeit der NRB untereinander, mit der Kommission und mit der ACER vor.35 Die Kooperationspflicht aus Art. 61 Abs. 1 Elektr-RL und Art. 42 Abs. 1 Gas-RL für sich genommen führt freilich nicht zur Notwendigkeit der Kontrolldichtereduzierung. Es handelt sich dabei nur um eine Konsultations- und Zusammenarbeitsobliegenheit ohne jegliche rechtlichen Verpflichtungen oder materielle Bindungen. Insoweit wird die Abstimmung und der Daten- und Informationsaustausch im Vorfeld einer Entscheidung durch die gerichtliche Kontrolle nicht in Frage gestellt.36 Etwas Anderes gilt dann, wenn wie in Art. 63 Abs. 6 b) und Abs. 8 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 6 b) und Abs. 8 Gas-RL ein echtes Vetorecht im Raum steht, das durch eine gerichtliche Vollkontrolle untergraben werden könnte. Bei diesen Normen handelt es sich um ein Prüfungsverfahren vor der Kommission, dass entweder durch die ACER, durch NRB anderer Mitgliedstaaten oder von der Kommission selbst von Amts wegen eingeleitet werden kann. In diesem Prüfverfahren wird die Einhaltung von Leitlinien kontrolliert, welche wiederum von der Kommission und der ACER erlassen werden. Das Sekundärrecht enthält an unzähligen Stellen die Ermächtigung zum Erlass solcher Leitlinien.37 Nachdem die Kommission über einen etwaigen Verstoß informiert wurde, hat sie zwei Monate Zeit, um in einer Vorprüfung darüber zu entscheiden, ob sie erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der Behördenentscheidung mit den Leitlinien hat. Bleibt die Kommission nach dieser Vorprüfung untätig, enthalten Art. 63 Abs. 7 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 7 Gas-RL eine Fiktion dahingehend, dass keine Einwände gegen die behördliche Entscheidung bestehen. Die Kommission kann aber 35
Vor dem Hintergrund des immer weiter voranschreitenden „europäischen Regulierungsverbundes“ im Energiesektor kommt auch Pielow, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 57 Rn. 24 zu dem Ergebnis, dass dies die nationale Verfahrensautonomie bezüglich der gerichtlichen Kontrolldichte einschränken könnte; diese Aussage allerdings relativierend in Rn. 65, wonach die Betrachtung des Europarechts im Energierecht fernläge; daneben existieren im Energiesektor weitere Institute, die in die Verwaltungszusammenarbeit eingebunden werden. So sind beispielsweise die ENTSO (Strom und Gas), die aus Mitgliedern der Stromübertragungsnetzbetreiber und der Gasfernleitungsnetzbetreiber bestehen, in die Zusammenarbeit, insbesondere bei der Festlegung von Netzkodizes, mit eingebunden. 36 Ludwigs, NVwZ 2015, 1327 (1330). 37 Vgl. zu ca. 30 Nachweisen Haller, Verwaltungsverbund, S. 164 f.; insbesondere Art. 61 StromhandelZVO und Art. 23 ErdgasZVO; von „inflationärer“ Ausweitung der Kommissionsbefugnisse sprechend Gundel/Germelmann, EuZW 2009, 763 (768); Ludwigs, DVBl 2011, 61 (63).
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Teil 4: Energierecht
auch beschließen, den Fall weiter zu prüfen, vgl. Art. 63 Abs. 5 S. 1 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 5 S. 1 Gas-RL. Kommt die Kommission in dieser weiteren Prüfung zu dem Ergebnis, dass die von der NRB getroffene Entscheidung von Belang für den grenzüberschreitenden Handel nicht im Einklang mit den Leitlinien steht, kann sie im Wege eines verbindlichen Beschlusses i. S. d. Art. 288 Abs. 4 AEUV den Widerruf der Entscheidung verlangen (echtes Vetorecht). Daraus folgt die (mittelbare) Verbindlichkeit der Leitlinien.38 Andernfalls ergeht nach Art. 63 Abs. 6 a) Elektr-RL und Art. 43 Abs. 6 a) Gas-RL entweder ein Beschluss mit dem Inhalt, dass keine Einwände erhoben werden oder die Fiktion aus Absatz 7 greift auch hier. Um das echte Vetorecht der Kommission und die mittelbare Bindungswirkung der Leitlinien nicht zu umgehen, kann grundsätzlich eine Rücknahme der nationalen gerichtlichen Kontrolldichte im Wege des des effet utile Abhilfe schaffen.39 Dies kann erforderlich sein, wenn das nationale Gericht an einen etwaigen Beschluss der Kommission im Prüfungsverfahren nicht gebunden wäre. Der Beschluss nach Art. 63 Abs. 6 b) Elektr-RL und Art. 43 Abs. 6 b) Gas-RL ergeht nämlich nur gegenüber der NRB. Beschlüsse sind zwar in allen Teilen verbindlich, allerdings ergibt sich aus Art. 288 Abs. 4 AEUV, dass sich die Verbindlichkeit lediglich auf ihre konkret bezeichneten Adressaten bezieht.40 Verbindlich ist zudem nicht nur der Normsatz, die konkrete Entscheidung zu widerrufen, sondern auch die Gründe und damit die Auffassung der Kommission, warum die Entscheidung der NRB nicht mit den Leitlinien im Einklang steht. Im Unterschied zum Telekommunikationssektor gibt das Sekundärrecht hier den Prüfungsumfang der Kommission aber nicht vor. Lediglich der Verweis auf die Leitlinien ist nicht zielführend, da sich der Energiesektor durch die Vielzahl an Leitlinienkompetenzen auszeichnet. Regelungen zu Leitlinienkompetenzen ergeben sich alleine für den Netzzugang aus Art. 61 Abs. 2 und Art. 59 Abs. 2 c) StromhandelZVO und Art. 23 Abs. 2 UAbs. 2 S. 1, Abs. 1 a) und c) und Art. 8 Abs. 6 c) ErdgasZVO. Hier wird bereits die Bandbreite der möglichen Regelungsgegenstände ersichtlich. Danach können Leitlinien erlassen werden z. B. über Regeln für Netzsicherheit und -zuverlässigkeit, Netzanschluss, Zugang Dritter, Datenaustausch und Abrechnung, Interoperabilität, Kapazitätszuweisung und Engpassmanagement. Weitere inhaltliche Anforderungen oder Konkretisierungen bestehen nicht. Damit wird die Regelung ganzer Sachgebiete auf den Leitliniengeber, mithin die Kommission, übertragen und deren Einhaltung ebenfalls von der Kommission kontrolliert. Die Kommission fungiert an dieser Stelle als Normgeber und Kontrollorgan zugleich. Unabhängig davon, dass nicht ersichtlich ist, welcher Prüfungsumfang der Kommission zukommt, bestehen gegen die Rechtmäßigkeit der Art. 63 Abs. 4 bis Abs. 7 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 4 bis Abs. 7 Gas-RL dem Grunde nach Bedenken. 38 39 40
S. bereits Teil 2 D. IV. 2. c) aa). Ausführlich bereits unter Teil 3 A. II. 1. b) bb). S. Teil 2 D. IV. 2. a) aa).
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(1) Rechtswidrigkeit des Prüfungsverfahrens Das Prüfungsverfahren nach Art. 63 Abs. 4 bis Abs. 7 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 4 bis Abs. 7 Gas-RL kann nicht als Begründung für eine gerichtliche Kontrolldichtereduzierung im nationalen Recht herangezogen werden, denn die Normen sind ihrerseits rechtswidrig. Aufgrund des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung kann eine gegen Primärrecht verstoßende sekundärrechtliche Norm keine Wirkung im nationalen Recht entfalten.41 In der konkreten Ausgestaltung verstoßen diese Normen sowohl gegen Primärrecht als auch gegen die nationale Verfassungsidentität ((a) – (c)). (a) Verstoß gegen den Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts Zunächst ist der Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts verletzt. Das Prinzip der Funktionenteilung ergibt sich aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 EUV.42 Danach dürfen sich die Funktionen des Staates nicht nur bei einem Organ konzentrieren und jedes Organ hat seine Befugnisse unter der Beachtung der Befugnisse der anderen Organe auszuführen.43 Die Kernkompetenzen der Kommission sind in Art. 17 EUV beschrieben. Danach übt sie grundsätzlich die Funktionen der Exekutive nach Art. 17 Abs. 1 S. 5 EUV aus.44 Gem. Art. 17 Abs. 2 EUV ist sie zwar auch am Gesetzgebungsverfahren beteiligt; mithin darf ein Gesetzgebungsakt der Union nur auf Vorschlag der Kommission erlassen werden. Allerdings steht ihr dabei i. d. R. nur das Initiativrecht zu; die klassische Gesetzgeberrolle übernehmen das Europäische Parlament und der Rat, vgl. Art. 14 Abs. 1 S. 1 EUV.45 Auch wenn sich die Mitwirkung der Kommission nicht auf das Initiativrecht beschränkt, müssen sich weitergehende Rechtssetzungsbefugnisse entweder direkt aus dem Primärrecht ergeben oder es muss sich um übertragene Rechtssetzungsbefugnisse aus dem Sekundärrecht handeln. Für letzteres sehen die Verträge lediglich die Durchführungsrechtsakte nach Art. 291 Abs. 2 AEUV und die delegierten Rechtsakte nach Art. 290 AEUV für nicht wesentliche Vorschriften vor. Die Leitlinienkompetenzen im Energiesektor sind sowohl als Durchführungsrechtsakte als auch delegierte Rechtsakte ausgestaltet, sodass es sich um verbindliche
41
Zur Grenze des Übertragenen s. Teil 1 C. I. Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV, Art. 13 Rn. 1, 9 und 15 m. w. N.; Bieber/Haag, in: Bieber/Epiney/Haag/Kotzur, Die EU, § 4 Rn. 3; teilweise wird der Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts abgestritten, vgl. zum Streitstand Calliess, in: Calliess/Ruffert, AEUV, Art. 13 Rn. 13 f.; dem ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts des Art. 13 Abs. 2 EUV und dem demokratischen Grundgedanken der Verträge in Art. 2 EUV nicht zu folgen. 43 EuGH, Urt. v. 22.05.1990, Rs. C-70/88 (Europäisches Parlament/Rat) = NJW 1990, 1899 (1900) Rn. 21 f. 44 ¨ V 2010, 453 (454). Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Kap. 7 Rn. 4; Ga¨ rditz, DO 45 Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 341 f. 42
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Maßnahmen handelt.46 Eine Befugnis zum Erlass von Leitlinien als Durchführungsrechtsakt findet man beispielsweise in Art. 61 Abs. 2 Var. 2 und Abs. 4, 67 Abs. 2 StromhandelZVO i. V. m. Art. 5 Komitologie-VO.47 Delegierte Rechtsakte hingegen kann die Kommission nach Art. 61 Abs. 2 Var. 1 und Abs. 3, 68 StromhandelZVO oder Art. 23 Abs. 2 UAbs. 2 S. 2 und Abs. 1, 28 Abs. 2 ErdgasZVO jeweils i. V. m. Art. 5a Beschluss 1999/468/EG erlassen.48 In diesen Fällen kommt der Kommission die Rechtsetzungsbefugnis zu; gleichzeitig nimmt sie weiterhin die Koordinierungs- und Exekutivaufgaben nach Maßgabe des Sekundärrechts wahr.49 Teilweise wird davon ausgegangen, dass bereits die Ermächtigungen der Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte nach Art. 290 AEUV in den Basisrechtsakten zu weit gehen.50 So regeln Art. 61 StromhandelZVO und Art. 23 Abs. 2 UAbs. 2 S. 1 ErdgasZVO, dass die Kommission Leitlinien zu einer Vielzahl der dort aufgezählten Sachbereiche erlassen kann. Das umfasst insbesondere Regeln für Netzsicherheit und Netzzuverlässigkeit, Netzanschluss, Zugang Dritter, Datenaustausch und Abrechnung, Interoperabilität, Kapazitätszuweisung und Engpassmanagement. Weitere inhaltliche Anforderungen oder Konkretisierungen bestehen nicht. Diese Materien stellen grundlegende Bereiche der Netzregulierung dar und umfassen damit wesentliche politische Grundsatzentscheidungen der Netzzugangsund Entgeltregulierung. Bei derart weitreichenden Regelungsbefugnissen ist durchaus fraglich, ob es sich noch um Änderungen „nicht wesentlicher Vorschriften“ der Verordnungen handelt,51 zumal das Primärrecht für die Energiepolitik und für den Erlass von Maßnahmen zu ihrer Verwirklichung eine ausdrückliche Kompetenzzuweisung an das Europäische Parlament und den Rat in Art. 194 Abs. 1 und Abs. 2 AEUV enthält. Ist man der Ansicht, dass es sich um wesentliche Änderungen handelt, hätte der Richtlinien- und Verordnungsgeber für die Leitlinienkompetenz keine hinreichende Grundlage herangezogen, sodass dieser Umstand für sich genommen schon einen Verstoß gegen das institutionelle Gleichgewicht darstellt.52 46
Vgl. Erwägungsgründe 85 und 92 der Elektr-RL, 61 und 63 der Gas-RL, 73 der StromhandelZVO und 36 der ErdasZVO; so auch Ludwigs, DVBl 2011, 61 (63) m. w. N. 47 Zur Kontrollfunktion der Komitologie-Ausschüsse bei Durchführungsrechtsakten s. Teil 2 D. IV. 1. 48 Trotz Aufhebung des Beschlusses 1999/468/EG behält Artikel 5a seine Wirkung bei, vgl. Art. 12 Komitologie-VO; vgl. für Leitlinien in Form von Verordnungen die VO (EU) Nr. 838/ 2010. 49 Ludwigs, DVBl 2011, 61 (63 f.). 50 Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 150. 51 Ablehnend insbesondere Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 150; zur Wesentlichkeit i. S. d. Art. 290 AEUV s. grundlegend EuGH, Urt. 17.12.1970, Rs. 25/70 (Köster) = Slg. 1970, 1161 (1172) Rn. 6; EuGH, Urt. v. 06.12.2005, Rs. C-66/04 (Großbritannien/Europäisches Parlament) = LMRR 2005, 36 Rn. 48; EuGH, Urt. v. 27.10.1992, Rs. C240/90 (Deutschland/Kommission) = NJW 1993, 47 (48) Rn. 37; zum Wandel des Begriffs vgl. Haselmann, Delegation und Durchführung, S. 100 ff. 52 Vgl. EuGH, Urt. v. 06.05.2008, Rs. C-133/06 (Parlament/Kommission) = NvwZ 2008, 1223 (1224 f.) Rn. 56 f.; a. A. m. E. überzeugend Ludwigs, DVBl 2011, 61 (67); die Übertra-
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Unabhängig davon, ob es sich um eine Leitlinienkompetenz in Form der Durchführungsbefugnis oder eines delegierten Rechtsaktes handelt, ist es besonders problematisch, dass nach Art. 63 Abs. 6 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 6 Gas-RL auch die Rechtskontrolle der Kommission obliegt.53 Zwar ist die Kommission gem. Art. 17 Abs. 1 S. 2 EUVals Hüterin des Unionsrechts auch zur Überwachung dessen Einhaltung verpflichtet. Ausweislich des Art. 17 Abs. 1 S. 3 EUV kommt ihr diese Funktion aber nur ergänzend zur Kontrollfunktion des EuGH hinzu.54 Es fällt grundsätzlich in die alleinige Zuständigkeit des EuGH beispielsweise im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens oder – unter Mitwirkung der Kommission – im Wege des Vertragsverletzungsverfahrens über die ordnungsgemäße Anwendung von Unionsrecht durch die Mitgliedstaaten zu befinden.55 Isoliert betrachtet verstößt das echte Vetorecht der Kommission vor dem Hintergrund des Art. 17 Abs. 1 S. 2 und S. 3 EUV nicht gegen das institutionelle Gleichgewicht. Als Hüterin des Unionsrechts dürfen der Kommission auch Befugnisse für verbindliche Entscheidungen erteilt werden.56 In Verbindung mit den sehr weit gehenden Rechtssetzungsbefugnissen stehen die Vorgaben des Sekundärrechts aber nicht mehr in Einklang mit dem institutionellen Gleichgewicht.57 Die Kommission nimmt in Art. 63 Abs. 6 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 6 Gas-RL eine Rechtmäßigkeitskontrolle am Maßstab ihrer eigenen Regelungen vor. Durch die Befugnis, die NRB verbindlich dazu aufzufordern, entsprechende Entscheidungen zu widerrufen, wird das Instrument des Vertragsverletzungsverfahrens als zentrales Mittel zur Überwachung der Anwendung des Unionsrechts aus Art. 258 AEUV umgangen.58 Danach wäre es Aufgabe der europäischen Gerichtsbarkeit über die
gungsbefugnis aus Art. 291 AEUV hingegen enthält keine Grenzen bezüglich des Umfangs auf bestimmte Materien oder Sachbereiche, s. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV, Art. 291 Rn. 40, sodass diese für sich genommen keinen primärrechtlichen Bedenken begegnet; allerdings ist auch hier der Übertragung die allgemeine Grenze der rechtsstaatlichen Grundsätze, insbesondere des institutionellen Gleichgewichts, gesetzt, vgl. EuGH, Urt. v. 27.10.1992, Rs C-240/90 (Deutschland/Kommission) = NJW 1993, 47 (48) Rn. 31 ff.; kritisch daher auch diesbezüglich Weiß, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 12 Rn. 39; insgesamt zum Verstoß gegen das institutionelle Gleichgewicht bei Wahl der falschen Ermächtigungsgrundlage Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV, Art. 19 Rn. 35. 53 Kritisch dazu, dass die repressive Kontrolle durch europäische Gerichte u. U. entbehrlich wird auch Haller, Verwaltungsverbund, S. 162. 54 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV, Art. 17 Rn. 7; insbesondere obliegt die letztgültige Entscheidung dem EuGH, wenn es zu einem Rechtsstreit über die korrekte Anwendung des Unionsrechts kommt, vgl. Martenczuk, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV, Art. 17 Rn. 17. 55 Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV, Art. 19 Rn. 11. 56 Martenczuk, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV, Art. 17 Rn. 18. 57 In diese Richtung Ludwigs, in: Ruffert, Europäisches sektorales Wirtschaftsrecht, § 5 Rn. 170. 58 Zur Bedeutung des Vertragsverletzungsverfahrens für die Kontrollfunktion der Kommission s. Martenczuk, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV, Art. 17 Rn. 19; Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 23.
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Teil 4: Energierecht
Vereinbarkeit nationaler Entscheidungen mit dem Unionsrecht zu entscheiden.59 Durch die Regelungen des Sekundärrechts im Energiesektor, insbesondere durch das Prüfungsverfahren, vereint die Kommission die Funktionen der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Rechtskontrolle bei sich. Auch wenn Funktionenüberschneidungen aufgrund der Institutionsgarantie im europäischen Recht zulässig sind, nehmen sie in der konkreten Ausgestaltung ein unzulässiges Ausmaß an. Die Regelung ganzer Sachbereiche durch verbindliche Leitlinien und die Kontrolle der Einhaltung dieser Leitlinien durch die Kommission beschränkt die Kompetenzen des Europäischen Parlaments und des Rates als Gesetzgeber und des EuGH als rechtsprechende Gewalt.60 Im Hinblick auf die Institution des EuGH gilt dies umso mehr, weil nicht alle von der Kommission im Prüfungsverfahren getroffenen Entscheidungen auch wirklich vor dem EuGH angefochten werden können.61 Insbesondere die Nichtigkeitsklage greift grundsätzlich nur bei verbindlichen Entscheidungen, mithin Beschlüssen nach Art. 63 Abs. 6 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 6 Gas-RL. Daneben sehen die Normen aber auch die Möglichkeit vor, dass die Kommission das Prüfungsverfahren bereits nach der Vorprüfung gem. Art. 63 Abs. 5 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 5 Gas-RL beendet. Es bedarf dafür ausweislich des jeweiligen Absatzes 7 keiner förmlichen oder abschließenden Entscheidung. Durch diese Konstruktion wird der Zugriff der rechtsprechenden Gewalt teilweise komplett ausgeschlossen. Dies kann nicht im Einklang mit dem institutionellen Gleichgewicht stehen, zumal Sinn und Zweck dessen die Freiheitswahrung und die Legitimation hoheitlicher Gewalt ist.62 Die Schwächung der demokratischen Legitimation durch den Verwaltungsverbund kann im Energiesektor nicht in gleicher Weise wie im Telekommunikationssektor ausgeglichen werden.63 Zwar erfolgt auch im Energiesektor grundsätzlich eine Rückbindung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und die Mitgliedstaaten durch die Kontrolle nach Art. 290 Abs. 2 AEUV und das Komito59 Die Norm ist weit auszulegen, sodass nicht nur die Vereinbarkeit mit den Verträgen, sondern auch mit ungeschriebenem Unionsrecht und Sekundärrecht überprüft wird, vgl. Cremer, in: Calliess/Ruffert, AEUV, Art. 258 Rn. 33; da die Leitlinien der Kommission als Durchführungsrechtsakte ergehen und damit Sekundärrechtsakte darstellen, ist das Vertragsverletzungsverfahren auch einschlägig. 60 Kritisch zu den weitreichenden (Rechtssetzungs-)Befugnissen der Kommission insbesondere Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, S. 149 ff.; Haller, Verwaltungsverbund, S. 164 und S. 183 m. w. N.; Lecheler, DVBl 2008, 873 (879); Gundel/Germelmann, EuZW 2009, 763 (767 f.); Frenz, WRP 2010, 224 (225). 61 Davon zu unterscheiden ist die Angreifbarkeit der Leitlinien selbst; diese ist aufgrund des Verordnungscharakters gewährleistet. Dem EuGH wird durch die Konstruktion des Prüfungsverfahrens aber teilweise die Möglichkeit entzogen, die Anwendung der Leitlinien durch die Mitgliedstaaten, insb. durch die NRB zu kontrollieren, weil die Kommission aufgrund ihrer eigenen „Verwerfungskompetenz“ nicht mehr auf das Vertragsverletzungsverfahren zurückgreifen muss. 62 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV, Art. 13 Rn. 17. 63 Zur demokratischen Legitimation im Telekommunikationssektor s. Teil 3 D. II. 2. a) aa).
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logie-Verfahren nach Art. 291 Abs. 3 AEUV.64 Durch die soeben dargestellten weitreichenden Leitlinienkompetenzen und die damit korrespondierende geringe Regelungsdichte in den Basisrechtsakten wird diese Rückbindung aber geschwächt. Dies gilt umso mehr, als die Kommission bei ihrer Entscheidungsfindung etwaige Stellungnahmen der ACER nicht berücksichtigen muss und bei einer Abweichung von der Einschätzung der ACER keine erhöhten Begründungspflichten vorgesehen sind. Dadurch hätte die Einflussnahmemöglichkeit der Mitgliedstaaten und gleichzeitig die demokratische Legitimation gestärkt werden können.65 Zudem erfolgt keine Stärkung der demokratischen Legitimation durch die frühzeitige Einbeziehung der Bürger in die Entscheidungsfindung auf europäischer Ebene,66 durch Transparenzregelungen67 oder durch erhöhten Individualrechtsschutz.68 Das Prüfungsverfahren erfolgt ex post, sodass die betroffenen Marktteilnehmer nicht von Anfang an in die Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund einbezogen werden. Der NRB kommt zwar die Pflicht zur Konsultation der Marktteilnehmer nach Art. 59 Abs. 2 UAbs. 2 Elektr-RL und Art. 41 Abs. 2 UAbs. 2 Gas-RL zu, die Ergebnisse müssen aber anders als bspw. nach Art. 23 Abs. 4 TK-Kodex nicht veröffentlicht werden. Mangels Antragsrecht Privater erhalten diese erst nach der Vorprüfung durch die Kommission Kenntnis von einem etwaigen Prüfungsverfahren, wenn sie gem. Art. 63 Abs. 5 S. 2 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 5 S. 2 Gas-RL zur Stellungnahme aufgefordert werden. Die Einbeziehung der Bürger in die Entscheidungsfindung findet mithin erst im fortgeschrittenen Stadium statt. Zudem sieht das Prüfungsverfahren keine Veröffentlichungspflichten von Stellungnahmen oder Anträgen der NRB oder der ACER vor. Gerade aber durch Veröffentlichungspflichten kann die Transparenz der Entscheidungen auf europäischer Ebene gewährleistet werden.69 Dies gilt umso mehr, als aufgrund der Fiktion nach Art. 63 Abs. 7 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 7 Gas-RL überhaupt keine Entscheidung der Kommission erfolgen muss und dementsprechend keinerlei Transparenz gewährleistet werden muss.
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Ludwigs, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 31 Rn. 13. 65 Zur Zusammensetzung der ACER aus Vertretern des Europäischen Parlaments, des Rates und der NRB s. Art. 17, 18, 21 ACER-VO. 66 Groß, Polyzentrale EU-Verwaltung, S. 112 f.; Lee, Demokratische Legitimation, S. 100 f.; Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 371. 67 Görisch, Demokratische Verwaltung durch Unionsagenturen, S. 351 f.; Groß, Polyzentrale EU-Verwaltung, S. 112; Lee, Demokratische Legitimation, S. 102; Simantiras, Netzwerke, S. 247. 68 Simantiras, Netzwerke, S. 173 ff.; speziell hierzu Teil 4 A. I. 1. b) bb) (1) (c). 69 Westermann, Legitimation im europäischen Regulierungsverbund, S. 581 ff.
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Teil 4: Energierecht
(b) Verstoß gegen den Grundsatz der guten Verwaltung Gerade die Fiktion in Art. 63 Abs. 7 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 7 Gas-RL verstößt daneben gegen den Grundsatz der guten Verwaltung. Es handelt sich dabei um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der auch auf Art. 298 Abs. 1 AEUV gestützt wird und mit Art. 41 GR-Charta als subjektives Recht in die Rechtsordnung aufgenommen wurde.70 Wie sich aus Art. 41 Abs. 1 und Abs. 2 c) GR-Charta direkt ergibt, ist die Verwaltung i. d. S. verpflichtet ihre Entscheidungen zu begründen. Durch die Fiktion in Art. 63 Abs. 7 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 7 Gas-RL wird dieses Begründungserfordernis ausgehöhlt, weil die Kommission das Prüfungsverfahren durch reine Untätigkeit abschließen kann. Die Fiktionen in den Prüfungsverfahren nach Art. 63 Abs. 7 Var. 2 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 7 Var. 2 Gas-RL verstoßen zunächst gegen Art. 41 Abs. 1 und Abs. 2 c) GR-Charta. Der Schutzbereich ist eröffnet. Die GR-Charta gilt gem. Art. 51 Abs. 1 GRCharta für alle Organe der Union, mithin verpflichtet Art. 41 Abs. 1 GR-Charta auch den Unionsgesetzgeber, soweit er das Verwaltungsverfahren regelt, obwohl inhaltlich nur die Verwaltung umfasst ist.71 Bei dem Prüfungsverfahren handelt es sich um ein Verwaltungsverfahren, das zur Abstimmung und Kontrolle von Entscheidungen im Verwaltungsverbund erlassen wurde. Persönlich schützt das Grundrecht jede natürliche und juristische Person (Unionsbürger), in deren Angelegenheit die Verwaltung tätig wird. Das bedeutet, dass die abschließende Entscheidung entweder gegen die Person gerichtet wird oder sie in der Sache spezifisch berührt ist.72 Auch wenn es sich bei dem Prüfungsverfahren um ein Verfahren zwischen den Verbundbehörden handelt, in dem auch nur die Behörden antragsberechtigt sind, sind dennoch auch die von der Entscheidung der NRB betroffenen Parteien davon berührt. Dies ergibt sich daraus, dass gerade die Entscheidungen von NRB anhand der Leitlinien überprüft werden, die auf nationaler Ebene v. a. den juristischen Personen gegenüber ergehen. Die Entscheidung der Kommission, die im Prüfungsverfahren getroffen wird, hat damit mittelbare Auswirkung auf den Betroffenen, weil die NRB entweder verpflichtet wird, die Entscheidung diesem gegenüber zu widerrufen, oder weil die Entscheidung aufrecht erhalten bleibt. Auch Dritte, die von der Entscheidung der NRB nur mittelbar betroffen sind, z. B. der Zugangsnachfrager, der durch eine Festlegung zwar nicht verpflichtet, aber berechtigt wird, sind vom Schutzbereich des Art. 41 Abs. 1 und Abs. 2 GR-Charta umfasst.73 Dass die Parteien von dem Prüfungsverfahren in der Sache spezifisch berührt werden ergibt sich nicht zuletzt aus Art. 63 Abs. 5 S. 2 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 5 S. 2 Gas-RL, wonach ebendiese betroffenen Parteien im Falle der weiteren Prüfung zu dem Verfahren hinzuzuziehen sind und Stellungnahmen abgeben können. 70 71 72 73
Reithmann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV, Art. 298 Rn. 4. Jarass, GR-Charta, Art. 41 Rn. 4. Jarass, GR-Charta, Art. 41 Rn. 12 f. Zu den mittelbaren Wirkungen Jarass, GR-Charta, Art. 41 Rn. 13.
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Indem wegen der Fiktion aus dem jeweiligen Absatz 7 eine Begründung durch die Kommission hinfällig wird, liegt eine Verkürzung des Rechts auf eine gute Verwaltung vor. Dieser Eingriff kann zumindest nach der Beiziehung der Betroffenen nicht mehr gerechtfertigt werden. Sobald die weitere Prüfung beschlossen wurde und den Parteien die Möglichkeit zur Stellungnahme zukommt, haben diese einen Anspruch darauf, dass das Verfahren durch eine begründete Entscheidung abgeschlossen wird. Ein sachlicher Grund, warum dies in dem Prüfungsverfahren nicht gelten sollte, ist nicht ersichtlich. Etwas anderes mag noch für die Fiktion im Rahmen der Vorprüfung gelten; in diesem Verfahrensabschnitt sind die Parteien noch nicht in das Verwaltungsverfahren einbezogen worden und haben u. U. auch noch keine Kenntnis hiervon. In diesem Fall kann es aus ökonomischen Gründen Sinn machen, dass keine begründete Entscheidung der Kommission ergeht. In diesem Verfahrensabschnitt soll die Kommission zunächst einen Eindruck davon erhalten, ob die Zweifel der Antragenden hinreichend begründet sind. Die Betroffenen sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht spezifisch berührt. Dagegen verstößt die Regelung aus Art. 63 Abs. 7 i. V. m. Abs. 6 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 7 i. V. m. Abs. 6 Gas-RL aus dargestellten Gründen gegen das Grundrecht auf eine gute Verwaltung gem. Art. 41 Abs. 1 und Abs. 2 c) GR-Charta. Neben den Privaten ist von dem Prüfungsverfahren in erster Linie die NRB selbst, deren Entscheidung auf dem Prüfstand steht, betroffen. Die NRB kann sich zwar nicht auf die Grundrechte der EU berufen, aber der Grundsatz der guten Verwaltung stellt neben dem Grundrecht ein objektives Prinzip dar.74 Insbesondere die Begründungspflicht ergibt sich aus Art. 298 Abs. 1 AEUV.75 Sowohl die betroffene NRB, als auch die antragenden NRB haben ein Interesse daran, dass das Prüfungsverfahren mit einer Entscheidung durch die Kommission abgeschlossen wird und dass diese Entscheidung entsprechend begründet wird. Für die kohärente Anwendung des Unionsrechts, die gerade durch den Verwaltungsverbund erreicht werden soll, ist die Einschätzung der Kommission für alle beteiligten Behörden von besonderer Bedeutung. Hat ein Verwaltungsverfahren bereits einen bestimmten Verfahrensstatus erreicht, insbesondere, wenn schon mehrere Beteiligte hinzugezogen wurden und ihre Stellungnahmen abgegeben haben, muss aufgrund der Rechtsstaatlichkeit nach Art. 2 EUV eine (nicht notwendigerweise verbindliche, aber) abschließende Entscheidung ergehen. Dieser Rechtsgedanke ergibt sich auch aus der Wertung der Untätigkeitsklage nach Art. 265 AEUV, wonach bereits die Untätigkeit eines Organs rechtswidrig sein kann. In dem Prüfungsverfahren können mehrere NRB, die ACER und Private beteiligt sein, die alle ein Interesse an einer abschließenden Entscheidung haben. Indem
74 75
Reithmann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV, Art. 298 Rn. 4. Krajewski/Rösslein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV, Art. 298 Rn. 27.
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Teil 4: Energierecht
Art. 63 Abs. 7 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 7 Gas-RL in bestimmten Fällen auf diese verzichtet, liegt ein Verstoß gegen Art. 298 Abs. 1 AEUV vor. (c) Verstoß gegen das Prinzip wirksamen Rechtsschutzes Das Recht auf einen wirksamen Rechtsschutz ergibt sich auf europäischer Ebene aus Art. 47 GR-Charta und ist immer dann zu gewährleisten, wenn durch die Union ein garantiertes Recht oder Freiheiten verletzt worden sind. Davon ist auch der Zugang zu einem Gericht umfasst.76 Liegt eine Handlung eines Unionsorgans vor, das in die Rechte des Unionsbürgers eingreift, muss diesem die Möglichkeit gegeben werden, diese Handlung von einem Gericht überprüfen zu lassen. Gegen die Beschlüsse der Kommission im Prüfungsverfahren nach Art. 63 Abs. 6 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 6 Gas-RL ist die Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV statthaft, sodass hier das Prinzip des wirksamen Rechtsschutzes gewahrt ist. Dies gilt auch für nicht-förmliche und damit nicht angreifbare Entscheidungen der Kommission, da insoweit der Zugang zu den nationalen Gerichten gewährleistet ist und durch die Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUVauch diese Entscheidungen überprüft werden können.77 Ein Zugang zu den Gerichten ist aber im Fall der Fiktion nach Art. 63 Abs. 7 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 7 Gas-RL, in dem die Kommission insbesondere die weitere Prüfung durch ihre Untätigkeit abschließen kann, nicht gewährleistet. Liegt überhaupt keine (förmliche oder nicht-förmliche) Entscheidung nach außen vor, kann sie auch nicht überprüft werden. Hier ist wirksamer Rechtsschutz nicht mehr gewährleistet, denn durch die bloße Untätigkeit können Rechte von Privaten verletzt sein. Es handelt sich dabei konkludent um eine Bestätigung der Entscheidung der NRB, die sich auf nationaler Ebene direkt gegen ein Unternehmen richtet. Sowohl die betroffene juristische Person als auch Dritte, die von dieser Entscheidung berührt werden, können durch die Kommission (mittelbar) in ihren Rechten verletzt sein, wenn die Kommission fälschlicherweise von der Vereinbarkeit der nationalen Behördenentscheidung mit den Leitlinien ausgegangen ist. Dieser Konsequenz kann in diesem Fall auch nicht der Umstand entgegengehalten werden, dass Rechtsschutz auf nationaler Ebene vor den nationalen Gerichten gewährt wird, welcher grundsätzlich für einen wirksamen Rechtsschutz nach Art. 47 GR-Charta ausreichen würde,78 da eine Vorlage an den EuGH durch das nationale Gericht in der Konstellation der Fiktion nach Art. 63 Abs. 7 Elektr-RL und 76
Rengeling, in: FS Schwarze, S. 741. Vgl. dazu bereits Teil 3 D. II. 2.; dies gilt insbesondere für die nicht-förmliche Entscheidung, nach der Vorprüfung nicht weiter zu prüfen, weil keine Zweifel an der Vereinbarkeit mit den Leitlinien bestehen; unproblematisch ist der Rechtsschutz gegen die nicht-förmliche Entscheidung der Kommission, eine weitergehende Prüfung vorzunehmen, gegeben, denn es handelt sich dabei um eine Zwischenentscheidung, die das Verfahren noch nicht abschließt; Rechtsschutz ist dann gegen den endgültigen Beschluss am Ende des gesamten Prüfungsverfahrens gewährleistet. 78 Vgl. Jarass, GR-Charta, Art. 47 Rn. 32. 77
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Art. 43 Abs. 7 Gas-RL mangels begründeter Entscheidung ausscheidet. Es fehlt in diesem Fall insgesamt an einem tauglichen Überprüfungsgegenstand. Durch die konkrete Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens entstehen damit echte Rechtsschutzlücken. Dies gilt auf europäischer Ebene dahingehend, dass die Überprüfung durch die Kommission nicht selbst lückenlos gerichtlich überprüft werden kann. Die Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens kann zudem auf nationaler Ebene zu einer Rechtsschutzlücke, die den Kernbereich des effektiven Rechtsschutzes berührt, führen.79 Wie dargestellt, spricht der Wortlaut des Art. 288 Abs. 4 AEUV für eine unterschiedliche Bindungswirkung des Beschlusses auf nationaler Ebene, sodass die Rücknahme der gerichtlichen Kontrolldichte eine Umgehung des echten Vetorechts der Kommission verhindern könnte; gleichzeitig wäre eine Vorlage an den EuGH mangels Überprüfungsgegenstand nicht in allen Fällen möglich (s. o.). In der Konstellation der Fiktion erfolgt dann eine Freistellung von gerichtlicher Kontrolle ohne Verantwortlichkeitszurechnung. Die administrative Kontrolle der NRB durch die Kommission kann das gerichtliche Kontrollverfahren in dieser Konstellation nicht ersetzen.80 Das Prüfungsverfahren weist nicht die Qualität einer Fremdkontrolle durch Gerichte auf, weil die Kommission die Behördenentscheidung am Maßstab selbst gesetzten Rechts überprüft. Erschwerend kommt hinzu, dass aus dem Basisrechtsakt nicht ersichtlich ist, welche konkreten Inhalte zur Regelung an die Kommission übertragen wurden. Es ist insoweit nicht vorhersehbar, in welchen Fällen und für welche konkreten Entscheidungen die Kontrolldichte auf nationaler Ebene reduziert werden müsste, da der Prüfungsmaßstab nicht vom Unionsgesetzgeber vorgegeben wird, sondern von der Kommission im Rahmen ihrer Leitlinienkompetenz selbst gesetzt werden kann. Die Befugnis zum Erlass und der Kontrolle der Leitlinien schlägt sich in der Kontrolldichtereduzierung für ganze Sachbereiche nieder, die den Kernbereich der Gewaltenteilung berühren würde.81 Daher verstößt das Prüfungsverfahren in seiner konkreten Ausgestaltung sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene gegen das Prinzip des wirksamen Rechtsschutzes. (d) Fazit zur Rechtswidrigkeit des Prüfungsverfahrens Das Prüfungsverfahren, wie es konkret im Energierecht ausgestaltet ist, ist rechtswidrig. Bereits die weitreichenden Leitlinienkompetenzen der Kommission greifen in unzulässiger Weise in das institutionelle Gleichgewicht ein. Dies gilt umso mehr, als auch die Rechtskontrolle der Kommission obliegt. Die Entscheidungen der 79
Zum integrationsfesten Kernbereich des effektiven Rechtsschutzes s. Teil 3 D. II. 1. Zur grundsätzlichen Möglichkeit der partiellen Ersetzung des Gerichtsverfahrens durch administrative Kontrolle Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 240. 81 Zum Kernbereich der Gewaltenteilung unter Teil 2 A. I. 80
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Teil 4: Energierecht
Kommission können zwar überwiegend im Wege der Nichtigkeitsklage angefochten werden; dennoch entstehen durch die Möglichkeit der Untätigkeit echte Rechtsschutzlücken für die betroffenen Unternehmen. Im Übrigen ist die Fiktion in Art. 63 Abs. 7 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 7 Gas-RL mangels Begründung der Kommissionsentscheidung nicht vereinbar mit dem Grundsatz der guten Verwaltung. Dies gilt gerade im Hinblick darauf, dass am Ende des gesamten Verwaltungsverfahrens eine Entscheidung einer NRB aufrechterhalten bleibt, die gegen eine juristische Person gerichtet ist und diese in ihren Rechten beschränkt. (2) Zwischenergebnis zum effet utile Da das Prüfungsverfahren in seiner konkreten Ausgestaltung, insbesondere durch die Verknüpfung von weitreichenden verbindlichen Leitlinienkompetenzen mit dem echten Vetorecht der Kommission, rechtswidrig ist, kann es keine Geltung auf nationaler Ebene beanspruchen. Damit kann auch nicht auf den Effektivitätsgrundsatz zurückgegriffen werden. Der Unionsgesetzgeber müsste konkretere Vorgaben zum Inhalt der Leitlinien machen, sodass für den Rechtsanwender vorhersehbar ist, welche konkreten Entscheidungen in den Prüfungsumfang der Kommission fallen. Möchte der Unionsgesetzgeber hingegen von den weitreichenden Leitlinienkompetenzen nicht abrücken, darf der Kommission daneben kein echtes Vetorecht zukommen. Sie ist dann als Hüterin des Unionsrechts darauf zu beschränken, im Wege des Vertragsverletzungsverfahrens die Anwendung des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten zu kontrollieren. cc) Fazit zur gerichtlichen Kontrolle Eine Pflicht zur Rücknahme der Kontrolldichte ergibt sich nicht durch Auslegung aus dem Unionsrecht. Mangels wirksamen echten Vetorechts kann auch keine Kontrolldichtereduzierung auf nationaler Ebene im Wege des effet utile erfolgen. Die europäische Pflicht des nationalen Gesetzgebers, der NRB bei der Festlegung von Tarifen und Methoden einen Spielraum einzuräumen, setzt sich nicht gegenüber der Judikative fort. Es handelt sich daher nicht um ein unionsrechtlich gefordertes Letztentscheidungsrecht. 2. Ex post-Regulierung: Besondere und allgemeine Missbrauchsaufsicht Eine ex post-Regulierung findet über die besondere Missbrauchskontrolle statt, worunter auch die Zugangsanordnung nach § 30 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 EnWG fällt. Die administrative Regulierung steht neben dem zivilrechtlichen Anspruch auf Zugangsgewährung aus § 20 EnWG. Voraussetzung für die Zugangsanordnung ist, dass eine Zuwiderhandlung nach § 30 Abs. 1 EnWG vorliegt, z. B., wenn ein Energieversorgungsnetzbetreiber die Bestimmungen über die Zugangsverpflichtung nicht einhält. Dies ist der Fall, wenn der Netzzugang zu Unrecht verweigert wird (vgl. dazu
A. Netzzugang, § 20 EnWG
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sogleich unter II. 1.). Zudem muss die Zugangsanordnung erforderlich sein, um die Zuwiderhandlung wirksam abzustellen, vgl. § 30 Abs. 2 S. 2 EnWG.82 Liegen die Voraussetzungen vor, stellt der Wortlaut der Norm die Zugangsanordnung ins Ermessen der Regulierungsbehörde.83 Subsidiär zu § 30 EnWG regelt § 65 EnWG als Generalermächtigung zur Durchsetzung der Vorschriften des EnWG die allgemeine Missbrauchsaufsicht. Nach Absatz 1 kann die Regulierungsbehörde ein Unternehmen verpflichten, ein Verhalten abzustellen oder nach Absatz 2 ein Unternehmen verpflichten, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen. Dabei soll der Behörde ein „weites“ Entschließungs- und Auswahlermessen zukommen,84 das jedenfalls in § 65 Abs. 1 S. 2 bis S. 3 EnWG eingeschränkt wird. Es wird teilweise davon ausgegangen, dass die ex post-Regulierung in Form der Missbrauchskontrolle auf Art. 60 Abs. 4 Elektr-RL und Art. 41 Abs. 13 Gas-RL beruht.85 Danach müssen die Mitgliedstaaten Mechanismen schaffen, um einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu verhindern und dabei den Vorgaben des Art. 102 AEUV Rechnung tragen. Die Art und Weise dieses Ziels ist in den weiten Spielraum der Mitgliedstaaten gestellt. Insbesondere erfolgt durch die Richtlinien keine konkrete Zuweisung der Missbrauchskontrolle an die NRB. Da die Richtlinien aber vorgeben, dass die Mechanismen geeignet, d. h. verhältnismäßig sein müssen, hat der nationale Gesetzgeber zurecht die konkrete (Auswahl-)Entscheidung ins Ermessen der NRB gestellt. Allerdings steht dem nationalen Gesetzgeber bei der Umsetzung dieser Vorgaben ein weiter Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung zu, sodass auch Ermessensbeschränkungen möglich sind. Sieht man in der ex post-Regulierung hingegen die Umsetzung der Richtlinienvorgaben zur Streitbeilegung bzw. Schlichtung zwischen Unternehmen gem. Art. 60 Abs. 2 Elektr-RL und Art 41 Abs. 11 Gas-RL,86 führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Zwar wird in diesem Fall der NRB die Befugnis zu konkreten Anweisungen zur Streitbeilegung durch die Richtlinie im jeweiligen Absatz 4 e) explizit zugewiesen. Daraus folgt, dass der nationale Gesetzgeber die konkreten Entscheidungen, ob und welche Maßnahmen ergriffen werden, der NRB zu überlassen hat. Allerdings enthalten die Richtlinien bis auf das grundsätzliche Erfordernis der Angemessenheit der Maßnahme keine weiteren Vorgaben bzw. Einschränkungen des nationalen Gesetzgebers. In jedem Fall hat der nationale Gesetzgeber die konkrete Missbrauchsaufsichtsmaßnahme ins „Ermessen“ der NRB zu stellen, kann aufgrund seines weiten 82
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.06.2008, 3 Kart 210/07 = BeckRS 2008, 20279. Ebenso Oster, Normative Ermächtigungen, S. 220; missverständlich Robert, in: Britz/ Hellermann/Hermes, EnWG, § 30 Rn. 50, wo davon die Rede ist, dass die Behörde den Netzzugang „anzuordnen hat“. 84 BGH EnWZ 2014, 470 (471) Rn. 14 ff. 85 Robert, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 30 Rn. 3. 86 Boos, in: Theobald/Kühling, EnWG, § 31 Rn. 2 m. w. N. 83
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Teil 4: Energierecht
Gestaltungsspielraums dieses aber einschränken, insbesondere legislativ vorstrukturieren.
II. Ausnahmen von der Netzzugangsgewährungspflicht Das Gesetz sieht an diversen Stellen Ausnahmen vom Netzzugangsgewährungsanspruch vor. Die Entscheidung darüber, ob eine Ausnahme gewährt wird, obliegt der Regulierungsbehörde. Diese hat zu prüfen und ggf. festzustellen, ob die Netzzugangsgewährung unmöglich oder unzumutbar ist (1.) und über Ausnahmen für neue Infrastrukturen zu entscheiden (2.). Etwaigen Kontrolldichtereduzierungen steht dabei § 83 Abs. 5 EnWG nicht entgegen (3.). 1. Einrede der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Zugangsgewährung Der Energieversorgungsnetzbetreiber kann eine Einrede nach § 20 Abs. 2 EnWG geltend machen, wenn die Gewährung des Netzzugangs aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks aus § 1 EnWG nicht möglich oder nicht zumutbar ist.87 Für die komplexere Frage der Unzumutbarkeit unterscheidet das EnWG zwischen § 20 Abs. 2 EnWG, der für alle Energieversorgungsnetzbetreiber gilt und keine weiteren Vorgaben zur Unzumutbarkeit enthält (a)), und § 25 EnWG, der darüber hinaus Regelbeispiele für die Unzumutbarkeit enthält und nur für Gasversorgungsnetzbetreiber gilt (b)). Ob eine Unzumutbarkeit vorliegt hat die Behörde jeweils im Rahmen der Missbrauchskontrolle nach § 30 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Abs. 2 EnWG zu prüfen; das Nichtvorliegen der Unzumutbarkeit ist Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung im Rahmen der ex post-Regulierung. a) Unzumutbarkeit i. S. d. § 20 Abs. 2 EnWG § 20 Abs. 2 EnWG gilt für alle Energieversorgungsnetzbetreiber und enthält keine weiteren Vorgaben zu der Frage, was unter der Unzumutbarkeit des Netzzugangs zu verstehen ist. Zwar obliegt dem Betreiber des Energieversorgungsunternehmens der Nachweis der Tatsachen, aus denen sich die Unzumutbarkeit ergibt. Die Beurteilung, ob unter Zugrundelegung dieser (nachgewiesenen) Tatsachen, von einer Unzumutbarkeit auszugehen ist (Subsumtion) hat dagegen die Regulierungsbehörde im Rahmen des § 30 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EnWG zu beurteilen.
87 Die Möglichkeit der Einrede ist hier weiter gefasst als im parallelen Fall der Verweigerung des Netzanschlusses nach § 17 Abs. 2 EnWG. Dort sind betriebsbedingte oder sonstige „wirtschaftlichen oder technischen“ Gründe für eine Verweigerung notwendig.
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Dabei handelt es sich nach der Rechtsprechung um eine Abwägungsentscheidung anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls.88 Erforderlich sei eine Abwägung aller im Einzelfall relevanten Belange, wobei unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 EnWG und der Grundsätze der Elektr- und Gas-RL insbesondere die gegenläufigen Interessen des Netzbetreibers und des Zugangsnachfragers einzubeziehen seien. Dazu sollen u. a. auf der einen Seite die Kosten für die Herstellung des Netzzugangs und etwaige Folgekosten für einen Netzausbau, auf der anderen Seite die Frage, in welchem Maße der Zugangsnachfrager auf den konkret gewünschten Zugang angewiesen ist, ob alternative Zugangsmöglichkeiten bestehen oder ob es ihm nur um eine Kostenreduzierung geht, gehören.89 Ein Verweigerungsrecht bestehe nur dann, wenn den Interessen des Netzbetreibers Vorrang vor denen des Zugangsnachfragers zukommt. Diese Abwägungsentscheidung unterliege einer gerichtlichen Vollkontrolle, sodass das Gericht eine eigene Abwägung und eine eigene Beurteilung der Unzumutbarkeit vornimmt.90 Art. 6 Abs. 2 Elektr-RL und Art. 35 Abs. 1 Gas-RL91 sehen die Möglichkeit der Zugangsverweigerung lediglich dann vor, wenn der Energieversorgungsnetzbetreiber nicht über die nötige Kapazität verfügt.92 Nach unionsrechtlichen Vorgaben ist das Verweigerungsrecht daher nur aus Gründen des Kapazitätsengpasses gegeben und damit viel enger gefasst als die Umsetzung auf nationaler Ebene. Fraglich ist daher schon, ob die Richtlinienvorgaben richtig umgesetzt wurden, indem nach § 20 Abs. 2 EnWG auch wirtschaftliche und sonstige Gründe für eine Zugangsverweigerung ausreichen. Die Richtlinien enthalten im Übrigen weder weitere Voraussetzungen noch Angaben dazu, wer über das Vorliegen der Voraussetzungen zu entscheiden hat. Art. 6 Abs. 2 S. 2 Elektr-RL gibt lediglich vor, dass Zugangsnachfrager, denen der Netzzugang verweigert wurde, ein Streitbeilegungsverfahren in Anspruch nehmen können müssen. Zuständig für die Streitbeilegung ist gem. Art. 60 Abs. 2 Elektr-RL zwar die Regulierungsbehörde, die innerhalb dieses Verfahrens auch verbindliche Entscheidungen treffen kann. Bei diesen Entscheidungen handelt es sich aber um Anordnungen im Rahmen der besonderen und allgemeinen Missbrauchsaufsicht, insbesondere die Zugangsanordnung.93 Die Beurteilung der Frage, ob die Voraus88
BGH, Beschl. v. 23.06.2009, EnVR 48/08 = BeckRS 2009, 22855 Rn. 21. BGH, Beschl. v. 11.12.2012, EnVR 8/12 = BeckRS 2013, 3161 Rn. 9. 90 Vgl. BGH, Beschl. v. 11.12.2012, EnVR 8/12 = BeckRS 2013, 3161 Rn. 7 ff. zum insoweit gleichlaufenden Netzanschluss; zur Übertragbarkeit der Unzumutbarkeit des Netzanschlusses auf die Unzumutbarkeit des Netzzugangs vgl. Kühling/Rasbach/Busch, Energierecht, Kap. 3 Rn. 74. 91 Zum Verweigerungsrecht aufgrund ernsthafter wirtschaftlicher oder finanzieller Schwierigkeiten s. Teil 4 A. II. 1. b). 92 Nach Art. 35 Abs. 1 Gas-RL besteht zudem die Möglichkeit der Zugangsverweigerung, wenn der Netzzugang den Erdgasnetzbetreiber daran hindern würde, die ihm auferlegten wirtschaftlichen Verpflichtungen zu erfüllen. 93 Dazu bereits unter Teil 4 A. I. 2. 89
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Teil 4: Energierecht
setzungen eines Verweigerungsrechts gegeben sind, ist davon nicht umfasst, sondern eine im Vorfeld, hiervon getrennt zu beantwortende Frage. Welches Organ auf nationaler Ebene zu beurteilen hat, ob ein Kapazitätsengpass i. S. d. Art. 6 Abs. 2 Elektr-RL und Art. 35 Abs. 1 Gas-RL vorliegt, wird durch die Richtlinien nicht vorgegeben. Diese Entscheidung fällt in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. Gleiches gilt für die gerichtliche Kontrolle dieser Entscheidung. Besondere Konsolidierungs- oder Beteiligungsverfahren im Verwaltungsverbund sind an dieser Stelle nicht durchzuführen. Insbesondere besteht keine Ermächtigung der Kommission oder der ACER zum Erlass von Leitlinien bzgl. der Beurteilung eines Kapazitätsengpasses.94 Entsprechend ist auch eine Kontrolldichtereduzierung weder im Wege der Auslegung des Unionsrechts noch aufgrund des effet utiles vorzunehmen. b) Unzumutbarkeit i. S. d. § 25 EnWG § 25 EnWG enthält eine (nicht abschließende) Regelung dafür, wann die Gewährung des Zugangs speziell zu einem Gasversorgungsnetz nicht zumutbar ist. Dies ist nach der Norm immer dann der Fall, wenn einem Gasversorgungsunternehmen wegen seiner im Rahmen von Gaslieferverträgen eingegangenen unbedingten Zahlungsverpflichtungen ernsthafte wirtschaftliche und finanzielle Schwierigkeiten entstehen würden, vgl. § 25 S. 1 EnWG („ist […] nicht zumutbar, wenn […]“).95 Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, entscheidet nach § 25 S. 2 f. EnWG die Regulierungsbehörde, deren Prüfung sich nach Art. 48 Gas-RL richtet. § 25 S. 4 EnWG i. V. m. § 49 Abs. 2 GasNZV verweisen für die Prüfung auf das unionsrechtlich vorgegebene EU-Beteiligungsverfahren.96 Danach ist die Entscheidung über die Gewährung einer Ausnahme unverzüglich der Kommission zu übermitteln. Diese kann verlangen, dass die Entscheidung über die Gewährung einer Ausnahme geändert oder widerrufen wird. Kommt der Mitgliedsstaat oder die NRB dem Verlangen nicht nach, trifft die Kommission eine endgültige Entscheidung im Beratungsverfahren nach Art. 4, 10, 13 Abs. 1 a) und e) Komitologie-VO. In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird vertreten, dass der Regulierungsbehörde aufgrund der Bezugnahme auf das Prüfprogramm der Gas-RL ein
94 Die Leitlinien zum Engpassmanagement greifen erst, wenn der Kapazitätsengpass bejaht wurde. 95 Hervorhebung durch die Verfasserin. 96 Dabei handelt es sich zwar noch um einen Verweis auf die alte Rechtslage (Art. 47 Abs. 2 und 30 Abs. 2 Gas-RL a. F. 2003/55/EG), allerdings entspricht diese dem Inhalt der Art. 48 Abs. 2 und 51 Abs. 2 Gas-RL, sodass die Verordnung entsprechend unionsrechtskonform ausgelegt werden kann.
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Ermessen zukommt;97 andere sprechen von einem Bewertungs- oder Beurteilungsspielraum98 oder einer umfassenden Gesamtabwägung.99 § 25 EnWG setzt Art. 48 Abs. 1 Gas-RL missverständlich um. Die nationale Norm erweckt den Eindruck, dass der Regulierungsbehörde ein Spielraum bei der Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen (ernsthafte wirtschaftliche und finanzielle Schwierigkeiten) zukommt und sie bei positivem Ergebnis verpflichtet wäre, die Zugangsverweigerung zu billigen. Ausweislich des Art. 48 Abs. 1 UAbs. 2 GasRL ist aber die Rechtsfolgenentscheidung eine Ermessensentscheidung. Die unionsrechtliche Norm sieht bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen eine Abwägung zwischen der Ausnahmegewährung und Alternativlösungen unter Beachtung der in Art. 48 Abs. 3 Gas-RL aufgezählten Kriterien vor. Die gesetzliche Anordnung der Unzumutbarkeit bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 25 S. 1 EnWG ist entsprechend unionrechtskonform in eine Ermessensentscheidung auszulegen.100 Art. 48 Gas-RL überlässt es den Mitgliedstaaten, welches innerstaatliche Organ über die Ausnahme zu entscheiden hat. Das Unionsrecht weist die Entscheidung nicht konkret der NRB zu. Der nationale Gesetzgeber hat sich in § 25 S. 2 EnWG dafür entschieden, dass diese Aufgabe der Regulierungsbehörde zukommen soll; eine Änderung für die Zukunft ist im Einklang mit dem Unionsrecht aber möglich. Solange die Regulierungsbehörde zuständig ist, kommt ihr auch die Ermessensentscheidung aus Art. 48 Abs. 1 UAbs. 2 Gas-RL zu. Dieses Ermessen wirkt jedenfalls auch dann gegenüber der Judikative, wenn man eine Kontrolldichtereduzierung im Wege des effet utile aufgrund des der Kommission nach Art. 48 Abs. 2 UAbs. 2 und Art. 51 Abs. 2 Gas-RL zustehenden echten Vetorechts annimmt.101 In den Prüfungsumfang der Kommission fällt die Prüfung über die Rechtsfolge, also ob unter Abwägung mit Alternativlösungen und den in Art. 48 Abs. 3 Gas-RL genannten Kriterien die Ausnahmegewährung im konkreten Fall die „richtige“ Entscheidung ist. Dies ergibt sich aus Art. 48 Abs. 3 Gas-RL, wonach die Kommission bei der Entscheidung über die Ausnahme nach Absatz 1 ebendiese Kriterien berücksichtigt.102 Geht man hingegen davon aus, dass der Beschluss der Kommission im Rahmen ihres echten Vetorechts auch für das nationale Gericht bindend wäre, bedürfte es keiner Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte, da in diesem Fall die Gefahr einer Kollission von nationaler Gerichts- und 97 Däuper, in: Theobald/Kühling, EnWG, § 25 Rn. 24; Arndt, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG § 25 Rn. 12; Eifert, ZHR 2010, 449 (481) m. w. N. 98 Weiß, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 32 Rn. 38; Kühling/Rasbach/Busch, Energierecht, Kap. 3 Rn. 112. 99 Oster, Normative Ermächtigungen, S. 219. 100 Arndt, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG § 25 Rn. 12. 101 Ausführlich zur Wirkung des echten Vetorechts bereits unter Teil 3 A. II. 1. b) bb). 102 Von einem „umfassenden Prüfungsrecht“ sprechend Arndt, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG § 25 Rn. 17.
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Kommissionsentscheidung nicht bestünde.103 Diese Annahme entspricht jedoch nicht dem Wortlaut des Art. 288 Abs. 4 AEUV und einschlägiger Richtlinien. Nicht in den Prüfungsumfang der Kommission fällt die Beurteilung, ob die wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten vorliegen. Entsprechend ist es europarechtlich auch nicht zwingend, der NRB hierbei einen Beurteilungsspielraum einzuräumen. Auswirkungen auf die gerichtliche Kontrolldichte kann das echte Vetorecht mithin nur für die Rechtsfolgenentscheidung haben; nach nationaler Dogmatik handelt es sich um einen Ermessensspielraum, für den die Abwägungsdirektiven durch Art. 48 Abs. 3 Gas-RL vorgegeben sind.104 Es ist daher ratsam, den Wortlaut des § 25 EnWG dahingehend zu ändern, dass die Regulierungsbehörde eine Ausnahme von der Zugangsgewährungspflicht gewähren „kann“, wenn dem Erdgasunternehmen aufgrund eines oder mehrerer Gaslieferverträge mit unbedingter Zahlungsverpflichtung ernsthafte wirtschaftliche oder finanzielle Schwierigkeiten entstehen oder solche befürchtet werden. Für die Vorstrukturierung des Ermessens kann weiterhin auf Art. 48 Abs. 1 UAbs. 2 und Abs. 3 Gas-RL verwiesen werden. Diesem Ergebnis kann nicht der Umstand entgegengehalten werden, dass das EUBeteiligungsverfahren erst nach dem Erlass der Entscheidung der NRB durchzuführen ist.105 Zunächst ergibt sich diese Reihenfolge nicht eindeutig aus Art. 48 GasRL. Dort heißt es nur, dass die zuständige Behörde unverzüglich ihre Entscheidung über die Gewährung einer Ausnahme an die Kommission übermittelt. Das bedeutet, dass das EU-Beteiligungsverfahren in jedem Fall durchzuführen ist und nicht nur, wie bspw. im Rahmen des Art. 43 Gas-RL, auf Antrag oder von Amts wegen. Wie die Verfahrensausgestaltung vorgenommen wird, bleibt dabei Sache der Mitgliedstaaten. Art. 48 Gas-RL dürfte es nicht entgegenstehen, wenn, wie im Telekommunikationssektor, die NRB zunächst eine vorläufige Entscheidung gem. § 72 EnWG trifft oder einen Maßnahmenentwurf vorlegt und sich im Anschluss an das EUBeteiligungsverfahren in einer endgültigen Entscheidung über die Gewährung einer Ausnahme an der Entscheidung der Kommission orientiert. Auswirkungen hat der Umstand, dass eine nachträgliche Kontrolle stattfindet, nur auf die Art der Folgeentscheidungen; eine bereits erlassene Entscheidung, muss nachträglich nach Maßgabe der §§ 48, 49 VwVfG geändert oder aufgehoben werden. 2. Neue Infrastrukturen Als weitere Ausnahmen von der Zugangsgewährungspflicht kommen neue Infrastrukturen von Gasversorgungsunternehmen nach § 28a EnWG (a)) und von Stromversorgungsunternehmen nach Art. 63 StromhandelZVO (b)) in Betracht. 103
Vgl. Teil 2 D. IV. 2. a) bb) und Teil 3 A. II. 1. b) bb). So auch Arndt, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 25 Rn. 12. 105 So aber Arndt, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 28a Rn. 23 und § 25 Rn. 22; so wohl auch Gärditz, DVBl 2016, 399 (405). 104
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a) Neue Infrastrukturen im Gassektor, § 28a Abs. 1 EnWG § 28a EnWG statuiert eine weitere Ausnahme von der Zugangsgewährungspflicht der Gasversorgungsnetzbetreiber für neue Infrastrukturen, insbesondere für Verbindungsleitungen106 und LNG-Anlagen.107 Wenn die Voraussetzungen des § 28a Abs. 1 EnWG kumulativ vorliegen, können die Betreiber von der Anwendung der §§ 20 bis 28 EnWG befristet ausgenommen werden. Der Wortlaut stellt die Entscheidung mithin ins Ermessen der BNetzA. § 28a Abs. 3 EnWG verweist für die Prüfung und das Verfahren auf Art. 36 Abs. 4 bis Abs. 9 Gas-RL, wonach die Beteiligung des ACER und der Kommission vorgeschrieben ist. Dabei steht der Kommission nach Art. 39 Abs. 9 Gas-RL ein echtes Vetorecht zu, welches in § 28a Abs. 3 S. 4 EnWG umgesetzt wurde. Ob der BNetzA bei der Prüfung der Voraussetzungen nach § 28a Abs. 1 EnWG, insbesondere bei der Frage, ob „durch die Investition der Wettbewerb bei der Gasversorgung und die Versorgungssicherheit verbessert werden“ (§ 28a Abs. 1 Nr. 1 EnWG) oder ob „die Ausnahme sich nicht nachteilig auf den Wettbewerb oder das effektive Funktionieren des Erdgasbinnenmarktes oder das effiziente Funktionieren des regulierten Netzes auswirkt“ (§ 28a Abs. 1 Nr. 5 EnWG)
ein Beurteilungsspielraum oder gar ein Regulierungsermessen zukommt, wurde bisher kaum diskutiert.108 Die Notwendigkeit eines Spielraums der NRB ergibt sich jedenfalls aus den unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere aus der konkreten Zuweisung der Gewährung der Ausnahme an die NRB in Art. 36 Abs. 3 Gas-RL.109 Entsprechend hat der nationale Gesetzgeber die detailliert aufgeführten Voraussetzungen aus der Richtlinie übernommen; weitergehende Einschränkungen der Entscheidung der NRB hat er richtigerweise nicht vorgenommen. 106 Eine (Erdgas-)Verbindungsleitung ist eine Fernleitung, die eine Grenze zwischen Mitgliedstaaten quert oder überspannt und einzig dem Zweck dient, die nationalen Fernleitungsnetze dieser Mitgliedstaaten zu verbinden, vgl. Art. 2 Nr. 17 Gas-RL, § 3 Nr. 34 EnWG. 107 Eine LNG-Anlage ist nach den unionsrechtlichen Vorgaben eine Kopfstation zur Verflüssigung von Erdgas oder zur Einfuhr, Entladung und Wiederverdampfung von verflüssigtem Erdgas; darin eingeschlossen sind Hilfsdienste und die vorübergehende Speicherung, die für die Wiederverdampfung und die anschließende Einspeisung in das Fernleitungsnetz erforderlich sind, jedoch nicht die zu Speicherzwecken genutzten Teile von LNG-Kopfstationen, Art. 2 Ziff. 11 Gas-RL; diese Definition wurde in § 3 Nr. 26 EnWG übernommen. 108 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.12.2016, VI-3 Kart 1203/16 (V) = BeckRS 2016, 115007 Rn. 69 ff., wo die Voraussetzungen des § 28a Abs. 1 Nr. 1 EnWG durch das Gericht selbst geprüft werden; dagegen ist Britz, EuR 2006, 46 (67) der Auffassung, dass beim Energienetzzugang „große exekutive Regulierungsspielräume“ bestehen müssten, die durch den nationalen Verordnungsgeber aber (unionrechtskonform) erheblich eingeengt würden; für ein „behördliches Ermessen“ für einzelne Tatbestandsmerkmale Wegner, Regulierungsfreistellungen, S. 304 f. 109 Vgl. EuGH, Urt. v. 03.12.2009, Rs. C-424/07 (Kommission/Deutschland) = EuZW 2010, 109 (112) Rn. 74 f.
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Der vom nationalen Gesetzgeber der Behörde einzuräumende Ermessensspielraum muss sich nicht zwangsläufig gegenüber der Judikative fortsetzen. Mittels Auslegung des Sekundärrechts gelangt man zu keinem eindeutigen Ergebnis, ob das Letztentscheidungsrecht der Behörde oder dem Gericht zukommen soll. Insbesondere die Begründungspflicht aus Art. 36 Abs. 6 UAbs. 4 Gas-RL alleine reicht nicht aus, um eine Kontrolldichtereduzierung zu begründen. Eine Kontrolldichtereduzierung im Wege des effet utile kann jedenfalls nicht auf die Leitlinienkompetenz der Kommission nach Art. 36 Abs. 10 Gas-RL110 in Verbindung mit dem echten Vetorecht aus Art. 43 Abs. 6 Gas-RL gestützt werden, da das Prüfungsverfahren rechtswidrig ist und entsprechend keine Wirkung entfalten kann.111 Eine Rücknahme der Kontrolldichte kann aber aufgrund des der Kommission nach Art. 36 Abs. 9 Gas-RL zustehenden echten Vetorechts erforderlich sein. Die NRB hat der Kommission gem. Art. 36 Abs. 8 Gas-RL alle Anträge auf Gewährung einer Ausnahme sowie ihre Entscheidung unverzüglich zu übermitteln. Dazu gehört auch eine ausführliche Begründung über die Entscheidung unter Bezugnahme auf die Voraussetzungen in Absatz 1. Die Kommission soll die Entscheidung der NRB mithin vollumfänglich überprüfen können.112 Anschließend kann die Kommission nach Art. 36 Abs. 9 UAbs. 1 Gas-RL die Änderung oder den Widerruf über die Entscheidung verlangen;113 dies betrifft sowohl den Fall, dass die NRB eine Ausnahme gewährt hat, als auch den Fall, dass eine Ausnahme abgelehnt wurde.114 Es handelt sich dabei ausweislich des Art. 36 Abs. 9 UAbs. 3 Gas-RL um eine verbindliche Entscheidung und damit um einen Beschluss i. S. d. Art. 288 Abs. 4 AEUV. Dafür spricht auch der Vergleich mit der Vorgängernorm Art. 22 Abs. 4 UAbs. 3 und UAbs. 4 Gas-RL a. F. 2003/55/EG. Dort kam der Kommission nur die Befugnis für ein unverbindliches Verlangen zu und erst wenn die Behörde diesem nicht nachkam, konnte ein verbindlicher Beschluss nach Art. 288 Abs. 4 AEUV im Beratungsverfahren nach Art. 4 Komitologie-VO ergehen. Dieses Ausschussverfahren ist mit der Änderung 2009 weggefallen und wurde durch die Verbindlichkeit des Verlangens nach Art. 36 Abs. 9 UAbs. 3 Gas-RL ersetzt. Der Beschluss ist gem. Art. 36 Abs. 9 UAbs. 1 Gas-RL an die Regulierungsbehörde zu 110
Danach kann sie Leitlinien für die Anwendung des Absatzes 1 erlassen, vgl. Arbeitspapier (commission staff working paper on new infrastructure exemptions) der Kommission v. 06.05.2009, SEC (2009) 642. 111 Zur Rechtswidrigkeit des Prüfungsverfahrens vgl. bereits Teil 4 A. I. 1. b) bb). 112 Hermeier, Regulierungsverbund, S. 235 f. 113 Teilweise wird davon ausgegangen, dass die Kommission selbst gestaltend aufheben oder ändern kann, vgl. Hermeier, Regulierungsverbund, S. 236. Dies ist allerdings unzutreffend, da die Richtlinie nur die Befugnis gewährt, von der Behörde die Änderung oder den Widerruf zu verlangen. Die NRB muss entsprechend mit Mitteln des nationalen Rechts ihre Entscheidung ggf. aufheben. 114 Vgl. zur Wirkung der „Genehmigung“ der Ausnahme durch die Kommission Art. 36 Abs. 9 UAbs. 5 Gas-RL.
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richten. Dieser Beschluss ist für die Regulierungsbehörde in allen Teilen verbindlich; insbesondere auch die Gründe und damit die Auffassung der Kommission, ob bspw. durch die Investition der Wettbewerb und die Versorgungssicherheit verbessert werden oder ob sich die Ausnahme nachteilig auf den Wettbewerb auswirkt.115 Fraglich bleibt auch hier, ob auch das nationale Gericht an diese Beschlüsse gebunden ist. Die zugrundeliegenden unionsrechtlichen Vorschriften und die Praxis der Kommission jedenfalls sprechen gegen die Erstreckung der Verbindlichkeit auf die nationalen Gerichte,116 sodass diese zu einem anderen (ebenso vertretbaren und rechtmäßigen) Ergebnis kommen könnten. Eine solche Kollision wäre für die Regulierungsbehörde nicht lösbar, weshalb die Konstellation des echten Vetorechts dafür spricht, dass der Prüfungsumfang der Kommission nicht in die Prüfungskompetenz des nationalen Gerichts fallen darf.117 Die Kontrollrücknahme auf Tatbestandsseite stellt nach deutscher Dogmatik einen Beurteilungsspielraum der Behörde dar.118 Eine weitergehende Rücknahme der Kontrolldichte auf eine bloße Plausibilitätskontrolle wäre hingegen nicht erforderlich. Nimmt man hingegen mit der h. L. an, dass der Beschluss der Kommission auch für das nationale Gericht bindend ist, bedürfte es keiner Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte, da das nationale Gericht keine eigene Abwägungsentscheidung mehr treffen könnte, sondern lediglich überprüfen würde, ob die BNetzA den Beschluss der Kommission ordnungsgemäß umgesetzt hat.119 In diesem Fall bestünde die Gefahr einer Kollission von vornherein nicht. Diese Annahme entspricht jedoch nicht dem Wortlaut des Art. 288 Abs. 4 AEUV und einschlägiger Richtlinien. aa) Exkurs: Ausnahmegewährung durch ACER Zudem sieht Art. 36 Abs. 4 UAbs. 3 Gas-RL die Möglichkeit vor, dass die ACER anstelle der NRB über den Ausnahmeantrag entscheidet, wenn sich die betreffende Infrastruktur über mehr als einen Mitgliedstaat erstreckt und zwischen den betroffenen NRB der Mitgliedstaaten keine Einigung erzielt wird oder wenn ein gemeinsames Ersuchen der betroffenen NRB vorliegt. Die nationalen Behörden können dadurch im Einvernehmen ihre Zuständigkeit aus Art. 36 Abs. 3 Gas-RL an die ACER abgeben. Dadurch wird die Ausnahmegewährung ein Gegenstand der EU-
115 Die anderen Voraussetzungen beinhalten weder eine Wertung noch eine Prognose, sondern Tatsachen, die dem Beweis zugänglich sind. Sie scheiden daher von vornherein als Grundlage für einen Beurteilungsspielraum aus; in diesem Sinne auch Wegner, Regulierungsfreistellungen, S. 304 f. 116 Vgl. Teil 2 D. IV. 2. a). 117 Ausführlich bereits in Teil 3 A. II. 1. b) bb). 118 Dazu Teil 2 C. III. 119 Vgl. Teil 2 D. IV. 2. a) bb).
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Teil 4: Energierecht
Eigenverwaltung.120 In diesem Fall ist von vornherein der nationale Rechtsweg nicht eröffnet; vielmehr haben die Betroffenen gegen Entscheidungen der ACER die Rechtsbehelfe gem. Art. 28 und 29 ACER-VO einzulegen. b) Neue Infrastrukturen im Stromsektor, Art. 63 Abs. 1 StromhandelZVO Im Stromsektor sieht Art. 63 Abs. 1 StromhandelZVO eine ähnliche Regelung für neue Gleichstrom-Verbindungsleitungen und in Ausnahmefällen auch für Wechselstrom-Verbindungsleitungen vor, vgl. Art. 63 Abs. 2 StromhandelZVO.121 Die Voraussetzungen sind im Wesentlichen dieselben wie im Gassektor, insbesondere muss durch die Investition der Wettbewerb in der Stromversorgung verbessert werden.122 Die Entscheidung über eine Ausnahme von der Zugangsgewährungspflicht obliegt in gleicher Weise der NRB gem. Art. 63 Abs. 4 UAbs. 1 S. 1 StromhandelZVO, wobei auch hier die ACER eine beratende Stellungnahme abgeben kann, vgl. Art. 63 Abs. 4 UAbs. 2 StromhandelZVO. Der Kommission steht ein echtes Vetorecht und eine Leitlinienkompetenz zu, vgl. Art. 63 Abs. 8 StromhandelZVO. Absatz 5 sieht ebenfalls die Möglichkeit vor, dass die Entscheidung von der ACER getroffen wird. Bis auf marginale Abweichungen der Voraussetzungen für die Ausnahmegewährung ist das Verfahren identisch mit Art. 36 Gas-RL. Daher kann bezüglich des Letztentscheidungsspielraums der Regulierungsbehörde auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. 3. Auswirkungen des § 83 Abs. 5 EnWG auf die gerichtliche Kontrolle In der Literatur wird kritisiert, dass einer gerichtlichen Kontrolldichtereduzierung im Energierecht § 83 Abs. 5 EnWG entgegen stehe.123 Diese Norm regelt die Nachprüfbarkeit von Ermessensentscheidungen der Behörde durch das Gericht. Ausweislich seiner Entstehungsgesichte soll die gerichtliche Kontrolle dabei auch die Zweckmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung umfassen. Der Gesetzgeber habe bei dem Erlass von § 83 Abs. 5 EnWG die Parallelnorm aus § 71 Abs. 5 S. 1 GWB wortlautidentisch übernommen.124 Daraus ergebe sich, dass die vollumfängliche 120 Handlungen von Agenturen stellen eine Form des direkten Vollzugs dar, Sölter, Rechtsgrundlagen, S. 86 ff. 121 Eine (Strom-)Verbindungsleitung im Sinne dieser Verordnung ist eine Übertragungsleitung, die eine Grenze zwischen Mitgliedstaaten überquert oder überspannt und die nationalen Übertragungsnetze der Mitgliedstaaten verbindet, vgl. Art. 2 Nr. 1 StromhandelZVO. 122 Wegner, Regulierungsfreistellungen, S. 184. 123 Hanebeck, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 83 Rn. 19 f.; Ludwigs, in: Säcker/ Schmidt-Preuß, Grundsatzfragen, S. 269; Ludwigs, in: FS Schmidt-Preuß, S. 706 f.; Antweiler/ Nieberding, NJW 2005, 3673 (3675); Ludwigs. Die Verwaltung 2011, 41 (70); uneindeutig Pielow, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 57 Rn. 19; so auch noch BGH N&R 2008, 36 (39 f.) Rn. 42. 124 Zur uneingeschränkten Kontrolle im Rahmen von § 71 Abs. 5 GWB vgl. OLG Düsseldorf NZKart 2016, 380 (385 f.).
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gerichtliche Überprüfbarkeit aus dem Kartellrecht auch auf das Energierecht übertragen werden sollte. § 71 Abs. 5 S. 1 GWB enthalte eine Zweckmäßigkeitskontrolle, die durch § 71 Abs. 5 S. 2 GWB beschränkt werde.125 Dies ergebe sich aus dem Wortlaut „insbesondere“, wonach neben der Überprüfung auf Ermessensfehler auch Zweckmäßigkeitserwägungen überprüft werden sollten. Dem ist nicht zuzustimmen, denn schon das Wortlautargument ist nicht eindeutig auf dieses Auslegungsergebnis beschränkt. Mit „insbesondere“ kann ebenso der Verweis auf weitere, nicht in § 83 Abs. 5 EnWG (oder auch § 71 Abs. 5 S. 1 GWB) aufgezählte Ermessensfehler gemeint sein.126 Dass sich daraus zwingend eine Zweckmäßigkeitskontrolle ableiten ließe, überzeugt nicht. Vielmehr stellt insbesondere Mengering ausführlich dar, dass selbst die Auslegung des § 71 Abs. 5 GWB keinesfalls derart eindeutig und unumstritten ist.127 Entsprechend ist auch das Argument, der Gesetzgeber wollte die uneingeschränkte gerichtliche Kontrolle aus § 71 Abs. 5 S. 1 GWB auf das Energierecht übertragen, nicht zwingend. Der Annahme, dass wegen § 83 Abs. 5 EnWG eine nur eingeschränkte gerichtliche Überprüfung von Behördenentscheidungen nicht möglich sei, ist daher nicht zu folgen.128 Selbst wenn man der Auffassung ist, dass § 83 Abs. 5 EnWG Letztentscheidungsspielräume der Regulierungsbehörde ausschließe, stünde dieses Auslegungsergebnis nicht mit Unionsrecht im Einklang, wenn aufgrund des effet utile eine Kontrolldichtereduzierung anzunehmen ist. In diesen Fällen wäre § 83 Abs. 5 EnWG unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass die Behördenentscheidung nur auf Ermessensfehler überprüft werden kann. Eine derartige Auslegung des § 83 Abs. 5 EnWG ist auch möglich, da sich eine andere zwingende Rechtsfolge gerade nicht aus der Norm ergibt. Insofern ist auch nicht auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts zurückzugreifen.129 § 83 Abs. 5 EnWG steht einer gerichtlich nur eingeschränkten Kontrolle mithin nicht entgegen.
III. Fazit zum Netzzugang Der Netzzugang ist im Energiesektor flächendeckend geregelt, sodass grundsätzlich jedes Energieversorgungsunternehmen einen Anspruch auf Zugang zum Energienetz hat. Eine gestaltende Aufgabe kommt der Regulierungsbehörde in diesem Rahmen nur bei der Frage des „Wie“ des Netzzugangs zu. Sie kann insbesondere Festlegungen zum Inhalt der Verträge treffen. Aus dem Prüfungsverfahrens 125
Dazu Mengering, Entgeltregulierung, S. 370. Mengering, Entgeltregulierung, S. 368. 127 Mengering, Entgeltregulierung, S. 369 ff. 128 Boos, in: Theobald/Kühling, EnWG, § 83 Rn. 18; Johanns/Roesen, in: Säcker, EnWG, § 83 Rn. 27 ff.; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 167 ff.; Christiansen, Optimierung des Rechtsschutzes, S. 209 ff.; Mengering, Entgeltregulierung, S. 377. 129 Zum Verhältnis s. Teil 1 C. I. 126
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Teil 4: Energierecht
aus Art. 63 Abs. 6 ELektr-RL und Art. 43 Abs. 6 Gas-RL und auch sonst ergibt sich keine nur eingeschränkte gerichtliche Kontrolle der Behördenentscheidung. Der Kommission kommt zwar eine Leitlinienkompetenz für Regelungen zum Netzzugang Dritter zu, deren Einhaltung sie im Wege dieses Prüfungsverfahrens kontrolliert. Die Ausgestaltung dieses Prüfungsverfahrens ist aber rechtswidrig, sodass es keine Wirkung für die nationale Kontrolldichte entfalten kann. Eine Herleitung des Letztentscheidungsrechts aus Unionsrecht ist in diesem konkreten Fall daher nicht möglich. Ausnahmen vom flächendeckenden Netzzugangsanspruch kann die Regulierungsbehörde bei Unzumutbarkeit und für neue Infrastrukturen zulassen. Bei der Beurteilung der ernsthaften wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten, kommt der Behörde aus unionsrechtlicher Sicht ebenfalls kein Letztentscheidungsrecht zu, allerdings ein Rechtsfolgeermessen aufgrund des EU-Beteiligungsverfahrens aus Art. 48 Abs. 2 Gas-RL. Dies ergibt sich aus § 25 EnWG nicht, sodass diesbezüglich Anpassungen im Wortlaut vorzunehmen sind. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzung einer Befreiung für neue Infrastrukturen vorliegen, steht der Regulierungsbehörde ein Beurteilungsspielraum zu. Auch dieser kann mit dem echten Vetorecht der Kommission im EU-Beteiligungsverfahren begründet werden. Im Ergebnis kann nicht von einer Ausweitung der Letztentscheidungsspielräume gesprochen werden. Diese kommen der Regulierungsbehörde nur punktuell zu; im Übrigen entscheidet aufgrund der echten Vetorechte letztverbindlich die Kommission.
B. Entgeltregulierung, §§ 21, 21a EnWG Herzstück der Regulierung im Energierecht ist die Entgeltregulierung. Sie soll verhindern, dass wirksamer Wettbewerb durch die Forderung überhöhter Entgelte für den Netzzugang untergraben wird.130 § 21 Abs. 1 EnWG stellt Anforderungen an die Entgelte für den Netzzugang; diese müssen „angemessen, diskriminierungsfrei“ und „transparent“ sein. Das europäische Sekundärrecht enthält relativ wenig Vorgaben zur Ausgestaltung der Entgeltregulierung im Energiesektor, sodass dem nationalen Gesetzgeber diesbezüglich ein weiter Gestaltungsspielraum verbleibt.131 Dieser hat sich für eine normierende Regulierung entschieden, sodass in den nationalen Verordnungen zum EnWG viele Detailfragen geregelt sind. Die verordnungsrechtlichen Vorgaben, auf die im Folgenden überblicksartig eingegangen wird (I.), stehen mit den europäischen Vorgaben zur Entgeltregulierung nicht in Einklang (II.). 130 Kühling/Rasbach/Busch, Energierecht, Kap. 4 Rn. 1; Chatzinerantzis, in: Baur/Salje/ Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 75 Rn. 7. 131 Meinzenbach, Anreizregulierung, S. 69 ff.
B. Entgeltregulierung, §§ 21, 21a EnWG
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I. Ex ante-Entgeltregulierung nach §§ 21, 21a EnWG Alle Entgelte unterliegen seit den Elektr- und Gas-RL a. F. 2003/54/EG und 2003/ 55/EG von Gesetzes wegen der ex ante-Regulierung, sodass die ex post-Entgeltregulierung nach § 30 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 EnWG nur ergänzend hinzukommen kann.132 Insbesondere besteht kein Entschließungsermessen der Regulierungsbehörde, ob sie eine Entgeltregulierung vornehmen möchte und kein Auswahlermessen bzgl. einer ex ante- oder ex post-Entgeltregulierung.133 Dies entspricht den unionsrechtlichen Vorgaben, wonach die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass die Tarife und Methoden genehmigt werden und vor ihrem Inkrafttreten veröffentlicht werden, vgl. Art. 6 Abs. 1 S. 2 Elektr-RL und Art. 32 Abs. 1 S. 2 Gas-RL.134 Die ex ante-Entgeltregulierung ist damit zwingend;135 ein Entschließungs- oder Auswahlermessen kann der Behörde von vornherein nicht zukommen. Jedoch kann sie in bestimmten Einzelfällen Ausnahmen zulassen. Das EnWG sieht zwei verschiedene Methoden für die Bildung von Entgelten vor: Die kostenorientierte Entgeltbildung nach § 21 Abs. 2 bis Abs. 4 EnWG i. V. m. StromNEV/GasNEV und die anreizorientierte Entgeltbildung nach § 21a EnWG i. V. m. ARegV. Beide Vorgehensweisen orientieren sich an den Kosten eines effizienten und vergleichbaren Netzbetreibers.136 Im Gegensatz zum Telekommunikationssektor kann im Energiesektor mithin nicht von der kostenorientierten Preisbildung abgewichen werden.137 Entgelte nach § 21 Abs. 2 EnWG
132 Vgl. Chatzinerantzis, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 75 Rn. 2; Meinzenbach, Anreizregulierung, S. 67; es besteht die Möglichkeit, dass die NRB von Amts wegen nach § 30 Abs. 2 EnWG tätig wird; insoweit gelten die Ausführungen in Teil 4 A. I. 2.; eine Prüfungspflicht besteht, wenn Berechtigte einen Antrag nach § 31 Abs. 1 EnWG stellen, Christiansen, Optimierung des Rechtsschutzes, S. 26; kommt die NRB dabei zu dem Ergebnis, dass das Verhalten des Betreibers nicht ordnungsgemäß ist, stehen ihr die Befugnisse aus § 30 Abs. 2 EnWG zur Verfügung, Robert, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 31 Rn. 25; dabei kommt ihr nach OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.12.2011, 3 Kart 25/ 11 = BeckRS 2012, 9388 ein Ermessen in Bezug auf das „Ob“ und das „Wie“ der Maßnahmenergreifung zu. 133 Bourwieg, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 46 Rn. 3. 134 So auch Groebel, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 21 Rn. 34; a. A. Missling, in: Theobald/Kühling, EnWG, § 21 Rn. 13, wonach eine ex ante-Entgeltregulierung durch Unionsrecht nicht zwingend vorgegeben sei. 135 EuGH, Urt. v. 29.10.2009, Rs. C-274/08 (Kommission/Schweden) = BeckRS 2009, 71214 Rn. 34 und Rn. 40; BVerfG NVwZ 2010, 373 (377) Rn. 35. 136 Vgl. auch Erwägungsgrund 81 der Elektr-RL und Erwägungsgrund 32 der Gas-RL sowie Art. 13 Abs. 1 ErdgasZVO und Art. 18 Abs. 1 StromhandelZVO. 137 Vgl. Missling, in: Theobald/Kühling, EnWG, § 21 Rn. 11; Ludwigs, Unternehmensbezogene Effizienzanforderungen, S. 193; Meinzenbach, Anreizregulierung, S. 59 und S. 110; zum Telekommunikationssektor s. Teil 3 C. I. 1.
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Teil 4: Energierecht
„werden auf der Grundlage der Kosten einer Betriebsführung, die denen eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entsprechen müssen, unter Berücksichtigung von Anreizen für eine effiziente Leistungserbringung und einer angemessenen, wettbewerbsfähigen und risikoangepassten Verzinsung des eingesetzten Kapitals gebildet.“
Diese Kosten ergeben sich aus (1) den tatsächlichen, erforderlichen Netzkosten, (2) einer angemessenen, wettbewerbsfähigen und risikoangepassten Verzinsung des eingesetzten Kapitals (3) abzüglich nicht wettbewerbskonformer Kostenbestandteile, § 21 Abs. 2 S. 2 EnWG. Der energierechtliche Maßstab der Kosten eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entspricht dem telekommunikationsrechtlichen Maßstab der KeL, sodass nur solche Kosten für die Preisbildung zu berücksichtigen sind, die sich dem Umfang nach auch im Wettbewerb einstellen würden.138 § 21 Abs. 2 EnWG wird durch die StromNEV und GasNEV ausgefüllt, da das EnWG selbst keine Vorgaben zur Ermittlung der Kostenpositionen und zur Umrechnung der Kosten in Entgelte enthält.139 Diese kostenorientiert gebildeten Entgelte bedurften bis 2009 einer Genehmigung der BNetzA gem. § 23a EnWG (Einzelgenehmigungsverfahren). Seit dem 01.01.2009 hat die Anreizregulierung nach § 21a EnWG die kostenorientierte Entgeltbildung abgelöst.140 Seither werden Netzzugangsentgelte im Anwendungsbereich des ARegV im Wege der Anreizregulierung bestimmt, § 1 Abs. 1 S. 2 ARegV. Damit wurde § 21 Abs. 2 EnWG aber nicht hinfällig; § 21a Abs. 4 S. 2, S. 4 und S. 5 EnWG verweisen zur Ermittlung der Kostenanteile auf § 21 Abs. 2 (bis Abs. 4) EnWG, sodass die Normen aneinander anknüpfen und sich gegenseitig ausgestalten.141 Die Entgelte im Energierecht orientieren sich an einer Erlösobergrenze (RevenueCap), vgl. § 21a Abs. 2 S. 1 und Abs. 6 EnWG, § 4 Abs. 1 ARegV.142 Dafür wird eine Obergrenze innerhalb einer Regulierungsperiode von 5 Jahren143 vorgegeben, die für die Höhe der Gesamterlöse aus Netzzugangsentgelten (Erlösobergrenze) gebildet 138
Groebel, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 21 Rn. 66; Berndt, Anreizregulierung, S. 147; Meinzenbach, Anreizregulierung, S. 120. 139 Meinzenbach, Anreizregulierung, S. 111. 140 Vgl. dazu nur Hardach, Anreizregulierung, S. 172 ff.; Meinzenbach, Anreizregulierung, S. 65 ff.; Berndt, Anreizregulierung, S. 121 ff.; Lismann, NVwZ 2014, 691; zur Novellierung der ARegV 2016 Gersemann, EnWZ 2016, 531. 141 Groebel, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, § 21a Rn. 14; Meinzenbach, Anreizregulierung, S. 135 f.; Hardach, Anreizregulierung, S. 21, 172. 142 Mengering, Entgeltregulierung, S. 81; die Erlösobergrenzenregulierung wird im Energiesektor durch einige hybride Elemente ergänzt, vgl. Berndt, Anreizregulierung, S. 127. 143 § 21a Abs. 3 S. 1 und Abs. 6 EnWG, § 3 Abs. 2 ARegV.
B. Entgeltregulierung, §§ 21, 21a EnWG
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wird, § 21a Abs. 2 S. 1 EnWG. Für die Bestimmung der Erlösobergrenze muss zunächst ein Ausgangsniveau ermittelt werden (1.). Dies erfolgt durch eine unternehmensindividuelle Kostenprüfung nach den Vorschriften der StromNEV und GasNEV über die Kostenartenrechnung. Seit der dritten Regulierungsperiode144 legt die BNetzA nach §§ 32 Abs. 1 Nr. 2a, 9 ARegV den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor für die gesamte Regulierungsperiode fest (2.). Zugleich hat sie einen bundesweiten Effizienzvergleich nach §§ 12 ff. ARegV bzw. einen internationalen Effizienzvergleich nach § 22 ARegV durchzuführen (3.) und kann Festlegungen treffen über die nähere Ausgestaltung und das Verfahren zur Bestimmung des Qualitätselements gem. §§ 32 Abs. 1 Nr. 6, 19, 20 ARegV (4.). Zudem sieht das EnWG Ausnahmen von der Entgeltregulierungspflicht vor (5.). Da es sich bei der Anreizregulierung um ein komplexes System mit einer Vielzahl von Vorschriften handelt, kann im Folgenden nur auf einen Teil eingegangen werden. 1. Ermittlung des Ausgangsniveaus, § 6 Abs. 1 ARegV Die BNetzA ermittelt das Ausgangsniveau durch eine Kostenprüfung nach den Vorschriften der StromNEV und GasNEV (Kostenartenrechnung). Dabei bestimmt § 6 Abs. 1 S. 2 bis S. 5 ARegV den maßgeblichen Zeitpunkt so genau, dass hier für einen Spielraum kein Raum bleibt. Die Ermittlung der Kosten ist im Energiesektor in den §§ 4 StromNEV und GasNEV vorgegeben. Kosten sind danach nur insoweit zu berücksichtigen, als sie den Kosten eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entsprechen, § 4 Abs. 1 StromNEV/GasNEV. Dadurch wird eine normative Korrektur der individuellen Kosten vorgenommen.145 Nach § 4 Abs. 2 S. 2 StromNEV/GasNEV setzen sich die Netzkosten zusammen aus (1) den aufwandsgleichen Kosten nach § 5 StromNEV/GasNEV, (2) den kalkulatorischen Abschreibungen nach § 6 StromNEV/GasNEV, (3) der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung nach § 7 StromNEV/GasNEV (4) sowie den kalkulatorischen Steuern nach § 8 StromNEV/GasNEV unter Abzug der kostenmindernden Erlöse und Erträge nach § 9 StromNEV/GasNEV. Die aufwandsgleichen Kosten, zu denen auch die Fremdkapitalverzinsung zählt, ergeben sich aus der Gewinn- und Verlustrechnung des Unternehmens. Für die 144 Die dritte Regulierungsperiode für Elektrizitätsversorgungsnetzbetreiber dauert vom 01.01.2019 bis 31.12.2023; die dritte Regulierungsperiode für Gasversorgungsnetzbetreiber dauert vom 01.01.2018 bis 31.12.2022. 145 Missling, in: Theobald/Kühling, EnWG, § 21 Rn. 45; Säcker/Meinzenbach, in: Säcker, EnWG, § 21 Rn. 69; Hardach, Anreizregulierung, S. 40 f.; Mengering, Entgeltregulierung, S. 105; im Energiesektor werden damit nicht die Ist-Kosten des Unternehmens entsprechend einem Vollkostenansatz zugrunde gelegt, sondern die Sollkosten eines effizienten Wettbewerbers, vgl. auch Meinzenbach, Anreizregulierung, S. 110.
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Teil 4: Energierecht
Berechnung des Fremdkapitalzinssatzes ist zu ermitteln, welchen Fremdkapitalzins der Netzbetreiber hätte zahlen müssen, wenn er sich den die zugelassene Eigenkapitalquote übersteigenden Anteil des Eigenkapitals auf dem Kapitalmarkt hätte beschaffen müssen.146 Da nach Ansicht der Rechtsprechung dabei keine prognostische Einschätzungen, politische Wertungen und Ziele oder planerische Erwägungen anzustellen sind, wird ein Beurteilungsspielraum bei der Ermittlung des Fremdkapitalzinses nach § 5 Abs. 2 StromNEV/GasNEV verneint.147 Für die Ermittlung der kalkulatorischen Kosten nach §§ 6, 7 und 8 StromNEV/ GasNEV ist die Ermittlung des Anlagevermögens (a)) und die Ermittlung des Eigenkapitalzinssatzes (b)) erforderlich. a) Ermittlung des Anlagevermögens Als Grundlage für kalkulatorische Abschreibungen und Zinsen sind die Kapitalkosten zu ermitteln, die entweder anhand der historischen Kosten oder anhand des aktuellen Brutto- oder Netto-Wiederbeschaffungswertes (hypothetische Kosten) ermittelt werden können. Historische Kosten sind dabei Kosten, die tatsächlich für die Herstellung oder Anschaffung von Produktionsmittel angefallen sind abzüglich der seither getätigten Abschreibungen (= Anschaffungs- und Herstellungskosten). Der Wiederbeschaffungswert richtet sich nach den hypothetischen Kosten für die Wiederbeschaffung des Anlagevermögens im jeweiligen Bewertungszeitpunkt.148 Anders als im TKG geben die StromNEV und die GasNEV die Methoden zur Ermittlung des Anlagevermögens vor. Dabei wird zwischen Altanlagen (Anlagegüter, die vor dem 01.01.2006 aktiviert wurden) und Neuanlagen (Anlagegüter, die ab dem 01.01.2006 aktiviert wurden) unterschieden, vgl. § 6 Abs. 1 S. 3 StromNEV/GasNEV. Die Ermittlung des Anlagevermögens als Grundlage für die (kalkulatorischen) Abschreibungen und die (kalkulatorische) Eigenkapitalverzinsung richtet sich bei Neuanlagen grundsätzlich gem. §§ 6 Abs. 4, 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StromNEV/GasNEV nach den jeweiligen historischen Kosten. Bei den Altanlagen wird nochmals zwischen einem eigenfinanzierten Anteil und einem fremdfinanzierten Anteil der Altanlagen unterschieden. Den Abschreibungen 146
BGH, Beschl. v. 14.08.2008, KVR 36/07 = BeckRS 2008, 20435 Rn. 64. BGH, Beschl. v. 14.08.2008, KVR 36/07 = BeckRS 2008, 20435 Rn. 59 ff.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.07.2006, 3 Kart 289/06 (V) = BeckRS 2009, 22827; zustimmend Pielow, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in Energiewirtschaft, Kap. 57 Rn. 54; Spiekermann/Schellberg, N&R 2008, 202 (203); Ruge, N&R 2008, 2011 (212 f.).; a. A. Oster, Normative Ermächtigungen, S. 287, der zwar nicht bei der Bestimmung der „kapitalmarktüblichen Zinsen“, allerdings für den Begriff der „vergleichbare[n] Kreditaufnahmen“ einen Beurteilungsspielraum bejaht; in diesem Sinne auch noch OLG Bamberg, Beschl. v. 26.10.2007 VA 1/06 (Kart); OLG Frankfurt, 11.09.2009, 11 W 39/06 (Kart). 148 BVerwG NVwZ 2012, 1047 (1048) Rn. 18. 147
B. Entgeltregulierung, §§ 21, 21a EnWG
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und der Eigenkapitalverzinsung des eigenfinanzierten Anteils der Altanlagen sind dabei gem. §§ 6 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StromNEV/GasNEV die hypothetischen Kosten (Tagesneuwert) zugrunde zu legen; die Berechnung des Tagesneuwertes richtet sich nach §§ 6 Abs. 3, 6a StromNEV/GasNEV,149 wonach genau festgelegt ist, für welche Anlagengruppen welche Indexreihen des Statistischen Bundesamtes heranzuziehen sind. Den Abschreibungen und der Eigenkapitalverzinsung des fremdfinanzierten Anteils der Altanlagen sind nach §§ 6 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StromNEV/GasNEV die historischen Kosten zugrunde zu legen. Der BGH bestätigte im Jahr 2017 die Rechtmäßigkeit der § 6a StromNEV/ GasNEV im Hinblick auf die Vereinbarkeit der nationalen Verordnung mit dem EnWG.150 Ein Spielraum für die Behörde verbleibt bei diesen Vorgaben kaum.151 b) Ermittlung des Eigenkapitalzinssatzes Vor Einführung der Anreizregulierung nach dem ARegV war der Eigenkapitalzinssatz in § 7 Abs. 6 S. 3 StromNEV/GasNEV verbindlich festgelegt, sodass auch hier kein Spielraum verblieb. Die nähere Ausgestaltung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung, insbesondere die Höhe des jeweils anzusetzenden Zinssatzes, obliegt aber mittlerweile den Regulierungsbehörden, vgl. § 7 Abs. 6 S. 1 StromNEV/GasNEV.152 Hierbei hat die Behörde § 7 Abs. 4 und Abs. 5 StromNEV7GasNEVanzuwenden (sog. EK I-Zinssatz), wonach für die Festlegung der Basis für die Eigenkapitalverzinsung das betriebsnotwendige Eigenkapital auf Neu- und Altanlagen aufzuteilen ist (s. o.). Der auf Neuanlagen anzuwendende Eigenkapitalzinssatz bemisst sich nach § 7 Abs. 4 S. 1 StromNEV/GasNEV und darf den auf die letzten zehn abgeschlossenen Kalenderjahre bezogenen Durchschnitt der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Umlaufrenditen festverzinslicher Wertpapiere inländischer Emittenten nicht überschreiten. Da die Bemessung des Zinssatzes nach dieser Norm „jedenfalls mit sachverständiger Hilfe einer vollständigen gerichtlichen Klärung zugänglich“ 149
Vor dieser Festlegung in der StromNEV/GasNEV wurde ein Beurteilungsspielraum für die Ermittlung des Preisindex nach § 6 Abs. 3 StromNEV/GasNEV diskutiert; bejahend noch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 06.06.2012, VI-3 Kart 356/07 (V) = BeckRS 2012, 16586; Oster, Normative Ermächtigungen, S. 286 f.; Schütte, ER 2012, 108 (114 ff.); allerdings abgelehnt durch BGH, Beschl. v. 05.10.2010, EnVR 49/09 = BeckRS 2010, 28095 Rn. 8; diese umstrittene Frage wurde mit der Einführung des § 6a StromNEV/GasNEV hinfällig. 150 Vgl. BGH NJOZ 2017, 1593 (1594) Rn. 16 ff. 151 Der Regulierungsbehörde verbleibt gem. § 30 Abs. 2 Nr. 2 StromNEV/GasNEV nur noch die Festlegungsbefugnis über die Gewichtung der Indexreihen, nicht mehr wie bis 2013 die sachgerechte Ermittlung der Tagesneuwerte. 152 Hardach, Anreizregulierung, S. 187 ff.
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Teil 4: Energierecht
sei, wurde für die unbestimmten Rechtsbegriffe in § 7 Abs. 4 S. 1 StromNEV/ GasNEV ein Beurteilungsspielraum der BNetzA abgelehnt.153 § 7 Abs. 4 S. 1 StromNEV/GasNEV enthält daneben den Zusatz, dass ein angemessener Zuschlag zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse vorzunehmen ist. Die Höhe des Zuschlags zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse wird nach § 7 Abs. 5 StromNEV/GasNEV ermittelt, wonach bestimmte Gegebenheiten auf nationalen und internationalen Kapitalmärkten sowie beobachtete und quantifizierbare Wagnisse zu berücksichtigen sind. Die Rechtsprechung gesteht der Regulierungsbehörde mittlerweile für die Bemessung des Zuschlags zur Abdeckung netzbetriebsspezifischer unternehmerischer Wagnisse nach § 7 Abs. 5 StromNEV/GasNEV einen Beurteilungsspielraum zu, weil die Verordnung an dieser Stelle durch den Wortlaut „insbesondere“ offenlasse, welche Umstände im Einzelnen in die Bewertung einzufließen haben und welches Gewicht ihnen dabei zuzumessen sei. Die Behörde habe hier eine komplexe Prüfung und eine wertende Auswahlentscheidung vorzunehmen, was dazu führe, dass mehr als nur ein bestimmter Zinssatz als vertretbares Ergebnis herangezogen werden könne.154 Die gleiche Vorgehensweise gilt auch bei der Bestimmung des auf Altanlagen anzuwendenden Eigenkapitalzinssatzes, nur, dass dabei der Zinssatz zusätzlich um den Durchschnitt der Preisänderungsrate gemäß dem vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Verbraucherpreisgesamtindex der letzten zehn Jahre ermäßigt wird, vgl. § 7 Abs. 4 S. 2 StromNEV/GasNEV. Übersteigt das betriebsnotwendige Eigenkapital 40 % der Summe des betriebsnotwendigen Vermögens, ist der überschießende Teil abweichend davon nach § 7 Abs. 7 StromNEV/GasNEV zu verzinsen, vgl. § 7 Abs. 1 S. 5 StromNEV/GasNEV (sog. EK II-Zinssatz).155 Die Berechnung des Eigenkapitalzinssatzes für den überschießenden Teil wird vom Verordnungsgeber genau vorgegeben und ergibt sich aus einem Mittelwert des auf die letzten zehn abgeschlossenen Kalenderjahre bezogenen Durchschnitts der aufgezählten Umlaufrenditen. Der BGH bestätigte die Recht-
153
BGH EnWZ 2015, 273 (273) Rn. 15; BGH N&R 2019, 293 Rn. 34. BGH EnWZ 2015, 273 (274) Rn. 18; BGH NVwZ-RR 2015, 452 (453) Rn. 22 ff.; OLG Düsseldorf N&R 2018, 162 (165) Rn. 54; schon lange fordernd Groebel, in: Britz/Hellermann/ Hermes, EnWG, § 21 Rn. 70 und Rn. 129; Hardach, Anreizregulierung, S. 195; kritisch Säcker, in: Bien/Ludwigs, Das europäische Kartell- und Regulierungsrecht, S. 81 ff. mit der Ansicht, dass der Beurteilungsspielraum dem Unternehmen und nicht der Behörde zustehen sollte. 155 Bis 2013 verwies § 7 Abs. 1 S. 5 StromNEV/GasNEV für den überschießenden Teil des Eigenkapitals auf die Verzinsung wie Fremdkapital nach § 5 Abs. 2 StromNEV/GasNEV, weshalb die Rechtsprechung hier aus den gleichen Gründen wie bei der Fremdkapitalverzinsung einen Beurteilungsspielraum der BNetzA ablehnte, vgl. BGH, Beschl. v. 14.08.2008, KVR 36/07 = BeckRS 2008, 20435 Rn. 59 ff.; a. A. noch zu dieser alten Rechtslage Oster, Normative Ermächtigungen, S. 287; Schütte, ER 2012, 108 (113 f.). 154
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mäßigkeit der § 7 Abs. 1 S. 5, Abs. 7 StromNEV/GasNEV im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Verordnung mit dem EnWG.156 2. Ermittlung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors, § 9 ARegV Nach Bestimmung des Ausgangsniveaus anhand der Kostenprüfung muss die Regulierungsbehörde seit der dritten Regulierungsperiode den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor bestimmen, § 9 Abs. 3 ARegV. Dieser wird „nach Maßgabe von Methoden, die dem Stand der Wissenschaft entsprechen ermittelt aus der Abweichung des netzwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts vom gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt und der gesamtwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung von der netzwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung.“157
Die Ermittlung hat unter Einbeziehung der Daten von Netzbetreibern aus dem gesamten Bundesgebiet für einen Zeitraum von mindestens vier Jahren zu erfolgen, vgl. § 9 Abs. 3 S. 2 ARegV. § 32 Abs. 1 Nr. 2a ARegV verleiht der BNetzA insoweit eine Festlegungsbefugnis.158 Die Verordnung gibt nicht vor, anhand welcher Methoden der generelle sektorale Produktivitätsfaktor zu ermitteln ist, sondern nur, dass sie dem Stand der Wissenschaft entsprechen müssen. Angesichts der bisherigen Rechtsprechung im Energiesektor, wonach Beurteilungsspielräume bereits anerkannt wurden, wenn die Verordnung keine detailgenauen Vorgaben macht, weil eine prognostische Entscheidung zu treffen ist, scheint es nicht ausgeschlossen, dass für die Frage, welche von mehreren, abstrakt und konkret in Betracht kommenden Methoden herangezogen werden, der BNetzA von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Spielraum zugesprochen wird.159 Einen Beurteilungsspielraum hat jedenfalls das OLG Düsseldorf bereits angenommen.160 3. Effizienzvergleich, §§ 12 ff. ARegV Zugleich führt die BNetzA einen bundesweiten Effizienzvergleich nach § 21a Abs. 5 und Abs. 6 EnWG i. V. m. § 12 ARegV durch.161 Dabei gibt der Verordnungsgeber sowohl die Methoden für die Durchführung des Effizienzvergleichs als auch den Vergleichsmaßstab vor.
156
Vgl. BGH NJOZ 2017, 1593 (1597 f.) Rn. 66 ff. § 9 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 ARegV. 158 Stelter, EnWZ 2017, 147 (150). 159 So auch Stelter, EnWZ 2017, 147 (151). 160 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.07.2019, 3 Kart 721/18 = BeckRS 2019, 20860 Rn. 55. 161 Kühling/Rasbach/Busch, Energierecht, Kap. 4 Rn. 33; Mengering, Entgeltregulierung, S. 395. 157
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Die BNetzA hat gem. § 12 Abs. 1 i. V. m. Nr. 1 der Anlage 3 zum ARegV die Dateneinhüllungsanalyse (DEA) und die Stochastische Effizienzgrenzenanalyse (SFA) anzuwenden162 und gem. § 12 Abs. 1 i. V. m. Nr. 2 der Anlage 3 zum ARegV als Vergleichsmaßstab den Netzbetreiber mit dem besten Verhältnis zwischen netzwirtschaftlicher Leistungserbringung und Aufwand heranzuziehen (sog. BestPractice-Maßstab)163. Außerdem hat die Regulierungsbehörde gem. § 13 Abs. 1 ARegV beim Effizienzvergleich Aufwandsparameter und Vergleichsparameter zu berücksichtigen. Als Aufwandsparameter sind gem. § 13 Abs. 2 ARegV die nach § 14 ARegVermittelten Kosten (= Gesamtnetzkosten abzüglich der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kostenteile nach § 11 Abs. 2 ARegV) anzusetzen.164 Vergleichsparameter sind Parameter zur Bestimmung der Versorgungsaufgabe und der Gebietseigenschaften, insbesondere die geografischen, geologischen oder topografischen Merkmale und strukturellen Besonderheiten der Versorgungsaufgabe auf Grund demografischen Wandels des versorgten Gebietes, vgl. § 13 Abs. 3 S. 1 ARegV. Diese werden nach § 13 Abs. 3 S. 7 ARegV von der Regulierungsbehörde anhand qualitativer, analytischer und statistischer Methoden, die dem Stand der Wissenschaft entsprechen, ausgewählt.165 Daraus ergeben sich individuelle Effizienzvorgaben für jedes Unternehmen.166 Im Jahr 2014 entschied der BGH, dass der Regulierungsbehörde Spielräume eröffnet seien, die „hinsichtlich einiger Aspekte einem Beurteilungsspielraum, hinsichtlich anderer Aspekte einem Regulierungsermessen“ gleichkämen.167 Auch wenn die ARegV bereits die Methoden für den Effizienzvergleich sowie die zu berücksichtigen Vergleichs- und Aufwandsparameter vorgebe, würden dennoch „erhebliche Spielräume“ verbleiben, insbesondere seien die anwendbaren wissenschaftlichen Methoden (bspw. § 13 Abs. 3 S. 7 ARegV und Nr. 5 der Anlage 3 zur ARegV) nicht abschließend vorgegeben.168 Nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegen seitdem die Auswahl der einzelnen Parameter und Methoden
162 Dabei handelt es sich um zwei von einer Vielzahl zur Verfügung stehenden Benchmarkingmethoden, vgl. Mengering, Entgeltregulierung, S. 396. 163 Mengering, Entgeltregulierung, S. 333. 164 Ausführlich Mengering, Entgeltregulierung, S. 408 f. 165 Ausführlich Mengering, Entgeltregulierung, S. 404 ff. 166 Kühling/Rasbach/Busch, Energierecht, Kap. 4 Rn. 33; Pielow, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, § 22, Rn. 109. 167 BGH EnWZ 2014, 378 (380) Rn. 24; noch von „Ermessen“ sprechend BGH EnWZ 2013, 36 (37); für ein „weites Regulierungsermessen“ bei der Auswahl der Vergleichsparameter bereits OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.07.2010, VI-3 Kart 184/09 (V) = BeckRS 2010, 27913 und Beschl. v. 15.12.2010, VI-3 Kart 204/09 (V) = BeckRS 2012, 15894; dazu bereits Schütte, ER 2012, 108 (116 ff.). 168 BGH EnWZ 2014, 378 (380) Rn. 21 f.; zustimmend ohne weitergehende Begründung Höhne/Wollenschläger, EnWZ 2017, 11 (12).
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nach § 12 ff. ARegV, soweit sie nicht vom Verordnungsgeber vorgegeben sind.169 Weitere Begründungsansätze liefert die Rechtsprechung nicht. Insbesondere die Begründung, dass ein Beurteilungsspielraum nur deshalb anzunehmen sei, weil der Verordnungsgeber die Methodenwahl nicht vorgegeben habe, wird in der Literatur abgelehnt.170 Kritisiert wird zudem, dass sich die Rechtsprechung nicht ansatzweise mit dem Kontrollumfang aus § 83 Abs. 5 EnWG auseinandersetzt.171 Für Übertragungs- und Fernleitungsnetzbetreiber enthält § 22 ARegV eine Sonderschrift für den Effizienzvergleich.172 Danach ist bei Betreibern von Übertragungsnetzen gem. § 22 Abs. 1 ARegV ein internationaler Effizienzvergleich mittels DEA und SFA durchzuführen. Bei Fernleitungsnetzbetreibern ist weiterhin ein bundesweiter Effizienzvergleich durchzuführen und nur dann auf den internationalen Effizienzvergleich zurückzugreifen, wenn die Daten nicht ausreichen, vgl. § 22 Abs. 3 ARegV. Ist jeweils die Belastbarkeit des internationalen Effizienzvergleichs nicht gewährleistet, hat die Regulierungsbehörde nach § 22 Abs. 2 und Abs. 4 ARegV eine relative Referenznetzanalyse, die dem Stand der Wissenschaft entspricht, durchzuführen. Diese kann auch ergänzend zur DEA und SFA hinzukommen, jedoch nicht ersetzend. Kleine Netzbetreiber können für den Effizienzvergleich das vereinfachte Verfahren nach § 24 ARegV wählen. § 24 Abs. 2 S. 1 ARegV gab für die erste Regulierungsperiode den Effizienzwert verbindlich vor; seit der zweiten Regulierungsperiode wird eine konkrete Berechnungsmethode für die Bildung des gemittelten Effizienzwertes vorgegeben, vgl. § 24 Abs. 2 S. 2 ARegV. 4. Qualitätsvorgaben, §§ 18 ff. ARegV Die BNetzA kann auf die Erlösobergrenze Zu- oder Abschläge nach § 19 Abs. 1 ARegV vornehmen, wenn Netzbetreiber hinsichtlich der Netzzuverlässigkeit oder der Netzleistungsfähigkeit von Kennzahlenvorgaben abweichen. Die Netzzuverlässigkeit beschreibt gem. § 19 Abs. 3 S. 1 ARegV die Fähigkeit des Energieversorgungsnetzes, Energie möglichst unterbrechungsfrei und unter Einhaltung der Produktqualität zu transportieren. Die Netzleistungsfähigkeit beschreibt gem. § 19 Abs. 3 S. 2 ARegV die Fähigkeit des Energieversorgungsnetzes, die Nachfrage nach Übertragung von Energie zu befriedigen. Die Kennzahlenvorgaben sind nach § 20 ARegV zu ermitteln. Die zulässigen Kennzahlen für die Bewertung der Netzzuverlässigkeit sind nicht abschließend („insbesondere“) in § 20 Abs. 1 ARegV aufgezählt. Wie die herangezogenen Kennzahlen gewichtetet und monetär bewertet werden ergibt sich aus 169 170 171 172
Anschließend BGH EnWZ 2015, 84 (85) Rn. 26; BGH EnWZ 2018, 317 (319) Rn. 55. Bosch, Gerichtliche Kontrolldichte, S. 294. Ludwigs, in: FS Schmidt-Preuß, S. 706 f. Ausführlich Mengering, Entgeltregulierung, S. 432 ff.
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§ 20 Abs. 3 ARegV. Dafür können „insbesondere“ Kundenbefragungen oder analytische Methoden, die dem Stand der Wissenschaft entsprechen müssen, oder eine Kombination von beiden Methoden herangezogen werden. Gleiches gilt für die Ermittlung von Kennzahlen für die Bewertung der Netzleistungsfähigkeit nach § 20 Abs. 5 ARegV mit der Einschränkung, dass hinreichend belastbare Datenreihen vorliegen müssen. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass „[…] [o]bwohl das [EnWG] und die [AregV] hiernach sowohl hinsichtlich der zu berücksichtigenden Kennzahlen als auch hinsichtlich der Ermittlung der Kennzahlenwerte und der Kennzahlenvorgaben wie auch hinsichtlich der anzuwendenden Methoden maßgebliche Weichenstellungen vorgeben, […] bei der näheren Ausgestaltung und dem Verfahren der Bestimmung des Qualitätselements sowie dem Beginn seiner Anwendung im Einzelnen notwendigerweise erhebliche Spielräume [verbleiben].“173
Die in §§ 19 und 20 ARegV enthaltenen Vorgaben seien ausfüllungsbedürftig, insbesondere sei die Aufzählung der zulässigen Kennzahlen in § 20 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 3 ARegV nicht abschließend. Die BNetzA könne im Rahmen ihres Auswahlermessens weitere Parameter heranziehen. Entsprechendes gelte auch nach § 20 Abs. 3 ARegV im Hinblick auf die Gewichtung der Kennzahlen und Kennzahlenwerte sowie die monetäre Bewertung. Die Auswahl einer konkreten Kennzahl oder Methode, die den abstrakten Vorgaben der Verordnung entspricht, habe der Verordnungsgeber nach § 32 Abs. 1 Nr. 6 ARegV der Regulierungsbehörde überlassen.174 Die Rechtsprechung zieht letztendlich daraus den Schluss, dass die fehlenden rechtlichen Vorgaben der Einzelheiten bei der Bestimmung des Qualitätselements Auswirkungen auf die gerichtliche Kontrolldichte haben. Denn: „Gerichtliche Kontrolle kann nicht weiterreichen als die materiell-rechtliche Bindung der Instanz, deren Entscheidung überprüft werden soll. Sie endet deshalb dort, wo das materielle Recht in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise das Entscheidungsverhalten nicht vollständig determiniert.“175
Dabei lässt der BGH dahinstehen, ob es sich um einen Beurteilungsspielraum oder ein Regulierungsermessen handelt.176 Diese Begründung ist als überaus kritisch zu betrachten.177 Die meisten gesetzlichen Regelungen enthalten keine Vorgaben zu konkreten Einzelheiten, weil dies – wie der BGH in derselben Entscheidung zurecht festgestellt hat – überhaupt nicht möglich ist. In allen Rechtsgebieten wird daher mit nicht abschließenden Katalogen und Regelbeispielen gearbeitet. Allein aus diesem Umstand einen Beurteilungs173
BGH, Beschl. v. 22.07.2014, EnVR 59/12 = BeckRS 2014, 16725 Rn. 19. BGH, Beschl. v. 22.07.2014, EnVR 59/12 = BeckRS 2014, 16725 Rn. 20. 175 BGH, Beschl. v. 22.07.2014, EnVR 59/12 = BeckRS 2014, 16725 Rn. 23. 176 BGH, Beschl. v. 22.07.2014, EnVR 59/12 = BeckRS 2014, 16725 Rn. 24. 177 Ebenso Pielow, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 57 Rn. 31. 174
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spielraum oder ein Regulierungsermessen abzuleiten steht im Widerspruch zum Grundsatz der vollumfänglichen gerichtlichen Überprüfbarkeit exekutiven Handelns. Selbst wenn der Anwendung des § 20 ARegV eine prognostische Entscheidung zugrunde liegt,178 so kann auch dies allein einen Beurteilungsspielraum bzw. ein Regulierungsermessen nicht begründen. Die Begründung des Kartellsenats beschränkt sich über weite Teile auf die Wiedergabe des Gesetzestextes und beschäftigt sich dabei weder mit der normativen noch mit der funktionellen Ermächtigungslehre.179 Eine Auseinandersetzung mit dem zugrundeliegenden Unionsrecht sucht man ebenfalls vergeblich. 5. Ausnahmen von der Entgeltregulierungspflicht Muss wegen Unzumutbarkeit im Sinne des § 20 Abs. 2 EnWG und § 25 EnWG kein Zugang gewährt werden, erübrigt sich auch die Regulierung der Netzzugangsentgelte. § 28a Abs. 1 EnWG sieht ausdrücklich für neue Infrastrukturen die Möglichkeit der befristeten Ausnahme von den §§ 20 bis 28 EnWG und mithin von der Entgeltregulierung vor. Ebenso regelt Art. 63 Abs. 1 StromhandelZVO die Möglichkeit von Ausnahmen von der Entgeltregulierung nach Art. 59 Abs. 7 ElektrRL für neue Verbindungsleitungen. Die Voraussetzungen und das Verfahren sind identisch mit den Ausnahmen vom Netzzugang, sodass an dieser Stelle auf die diesbezüglichen Ausführungen verwiesen werden kann.180 6. Fazit zur Anreizregulierung Die stark normierende Regulierung im Energierecht enthält kaum Spielräume, sondern die ARegV, StromNEV und GasNEV enthalten konkrete Vorgaben insbesondere zur Methodenwahl. So ist die Ermittlung der Kosten für die Bewertung des Ausgangsniveaus in der StromNEV und der GasNEV genau geregelt. Insbesondere die Ermittlung und Bewertung des Anlagevermögens und die Umrechnung von historischen Kosten auf Tagesneuwerte lassen der Regulierungsbehörde keinen Abweichungsspielraum. Konkrete Vorgaben enthält daneben § 7 Abs. 7 StromNEV/ GasNEV für die Berechnung des EK II-Zinssatzes. Auch im Rahmen des Effizienzvergleichs sind zwingend anzuwendende Methoden vorgegeben. Auffallend ist, dass die Rechtsprechung geneigt ist, der Regulierungsbehörde ein Letztentscheidungsrecht schon dann zuzugestehen, wenn die nationalen Verordnungen abstrakte Vorgaben enthalten, die methodenoffen ausgestaltet sind. Insbesondere die Festlegung des generellen Produktivitätsfaktors ab der dritten Regu178
Teilweise wird bestritten, dass die Bestimmung von Qualitätselementen prognostischer Natur sei, vgl. Pielow, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 57 Rn. 62. 179 Zur normativen Ermächtigungsgrundlage Teil 2 B. 180 Vgl. Teil 4 A. II.
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lierungsperiode und die Auswahl der Vergleichsparameter haben nach Methoden zu erfolgen, die dem Stand der Wissenschaft entsprechen. Auch die Ermittlung und Gewichtung der Kennzahlen für die Qualitätsvorgaben sind methodenoffen ausgestaltet und für die Berechnung des EK I-Zinssatzes werden unbestimmte Rechtsbegriffe herangezogen. In diesen Fällen bejaht die Rechtsprechung ein Letztentscheidungsrecht der Regulierungsbehörde, ohne dieses genau zu qualifizieren, und das Gericht beschränkt sich in seiner Begründung auf die fehlenden konkreten normativen Vorgaben. Diese Herleitung ist fernab von der normativen bzw. funktionellen Ermächtigungslehre und dementsprechend abzulehnen.181
II. Europarechtlicher Einfluss Die Anstrengung, Letztentscheidungsspielräume der Regulierungsbehörde aus dem zugrundeliegenden Unionsrecht herzuleiten, wird – soweit ersichtlich – weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur unternommen.182 Dies mag mit den unterschiedlichen Ausgestaltungen des Sekundärrechts im Energiesektor und Telekommunikationssektor zusammenhängen. Richtig ist, dass die energierechtlichen Vorgaben bei weitem keine dem Telekommunikationssektor weitreichende Regelungsdichte aufweisen. Nichtsdestotrotz ergeben sich insbesondere in Bezug auf die Stellung der NRB Parallelen. Die Unabhängigkeit der NRB ist im Energiesektor in gleicher Weise zu gewährleisten wie im Telekommunikationssektor183 und die Richtlinien im Energiesektor enthalten ebenfalls einen fest umschriebenen Aufgabenkanon für die NRB.184 Zudem ist die Verwaltungskooperation im Energiesektor sehr weit fortgeschritten. Zwar bedarf es im Rahmen der Entgeltregulierung keines vorgeschalteten Konsolidierungs- und Abstimmungsverfahrens, in denen rechtliche Verpflichtungen und Bindungen entstehen können. Allerdings ist die Pflicht zur Zusammenarbeit gem. Art. 59 Abs. 1 f) und g) und Art. 61 Elektr-RL und Art. 41 Abs. 1 c) und d) und Art. 42 Gas-RL ubiquitär. Auch mit dem Prüfungsverfahren aus Art. 63 Elektr-RL und Art. 43 Gas-RL wollte der Unionsgesetzgeber den Verwaltungsverbund im Energiesektor auf eine neue Stufe heben. Insoweit ergeben sich große Ähnlichkeiten zum Verwaltungsverbund im Telekommunikationssektor. Wie dort ist aber ein etwaig unionsrechtlich vorgezeichnetes Ermessen der NRB gegenüber der Legislative (1.) von einem Letztentscheidungsrecht auch gegenüber der Judikative (2.) zu unterscheiden. 181
Schmidt-Preuß, in: FS Schmidt, S. 556; Gärditz, DVBl 2016, 399 (403 f.). Zuletzt neigte auch der BGH zur Ablehnung der Begründung von Ermessensspielräumen aus unionsrechtluchen Vorgaben, vgl. BGH, Beschl. v. 08.10.2019, EnVR 58/18 = BeckRS 2019, 32327 Rn. 39 ff.; ablehnend insbesondere auch Franke, Die Verwaltung 2016, 25 (31 f.). 183 Vgl. Teil 2 D. III. 184 Vgl. Art. 59 Elektr-RL und Art. 41 Gas-RL; überblicksartig bereits unter Teil 1 C. II. 2. 182
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1. Verbot normierender Vorstrukturierung Schreibt das Unionsrecht einen Ermessenspielraum der NRB vor, so darf sie diesbezüglich keinen Bindungen durch ermessenseinschränkenden Normen unterliegen. Die Regulierungsbehörde ist aber nicht nur an formelle, sondern auch an materielle Gesetze gebunden, sodass im Energiesektor zwischen der gesetzlichen (a)) und der verordnungsrechtlichen Vorstrukturierung (b)) zu unterscheiden ist. a) Gesetzliche Vorstrukturierung Gem. Art. 59 Abs. 7 a) Elektr-RL und Art. 41 Abs. 6 a) Gas-RL obliegt es den Regulierungsbehörden zumindest „die Bedingungen für […] den Zugang zu den nationalen Netzen, einschließlich der Tarife für die Übertragung und die Verteilung oder ihrer Methoden“ festzulegen oder zu genehmigen. Dabei sind die „Tarife oder Methoden […] so zu gestalten, dass die notwendigen Investitionen in die Netze so vorgenommen werden können, dass die Lebensfähigkeit der Netze gewährleistet ist.“ Nach der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich aus einer direkten Aufgabenzuweisung an eine innerstaatliche Behörde, dass der nationale Gesetzgeber diesbezüglich keine anderen Vorgaben machen darf.185 Das bedeutet, dass er zwar grundsätzlich frei ist in der Umsetzung und Ausgestaltung der Richtlinienvorgaben, soweit ihm ein Gestaltungsspielraum zukommt, er aber keine verbindlichen Vorgaben für die Bereiche treffen darf, die zur Entscheidung durch die Richtlinie der NRB zugewiesen sind. Die Festlegung oder Genehmigung von Tarifen oder Methoden zur Berechnung muss daher der NRB zukommen und darf nicht durch den nationalen Gesetzgeber vorweggenommen werden. Auf einfachgesetzlicher Ebene wurde der nationale Gesetzgeber diesen Anforderungen auch gerecht, indem als Möglichkeit für die ex ante-Regulierung das Einzelgenehmigungsverfahren nach § 23a EnWG und die Anreizregulierung nach § 21a EnWG vorgesehen sind. Materielle Anforderungen an die Entgelte enthält insbesondere § 21 Abs. 1 und Abs. 2 EnWG, wonach diese angemessen, diskriminierungsfrei, transparent und kostenorientiert sein müssen. Diese „Einschränkungen“ sind auch vom Unionsrecht vorgesehen und mussten entsprechend vom nationalen Gesetzgeber übernommen werden.186 Weitere Vorgaben, insbesondere zu konkreten Tarifen oder Methoden zur Berechnung, enthält das EnWG (richtigerweise) nicht.
185 Vgl. EuGH, Urt. v. 03.12.2009, Rs. C-424/07 (Kommission/Deutschland) = EuZW 2010, 109 (112) Rn. 74 f.; Ludwigs, EnWZ 2019, 160 (161). 186 Vgl. BVerfG NVwZ 2010, 373 (377) Rn. 36.
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b) Verordnungsrechtliche Vorstrukturierung Die konkrete Ausgestaltung erfolgt vielmehr in den Begleitverordnungen zum EnWG.187 Diese enthalten derartige Einschränkungen und spezielle Vorgaben, dass nicht mehr von unabhängiger Entscheidungsbefugnis der NRB gesprochen werden kann.188 Ob dies den europäischen Vorgaben entspricht ist fraglich,189 zumal die Kommission im Sommer 2018 gegen Deutschland das Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2014/2285 eingeleitet hat. Darin wird Deutschland vorgeworfen, die Vorgaben des dritten Energiepakets nicht ordnungsgemäß umgesetzt zu haben, weil die NRB durch die vorgegebenen Detailregelungen der Bundesregierung nicht über den vollen „Ermessensspielraum“ bei der Festlegung von Netztarifen und anderen Bedingungen für den Zugang zu Netzen verfüge.190 Während sich kurz zuvor das OLG Düsseldorf noch auf den Standpunkt stellte, dass die nationalen Regelungen offensichtlich nicht in unzulässiger Weise in die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde eingreifen würden (aa)), lies der BGH dies im Rechtsbeschwerdeverfahren nun vor dem Hintergrund des noch laufenden Vertragsverletzungsverfahrens abschließend offen (bb)). aa) Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 26. 04. 2018 Kurz vor Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens Nr. 2014/2285 hatte das OLG Düsseldorf ein Vorabentscheidungsersuchen mit der Begründung abgelehnt, dass die normativen Regelungen offensichtlich nicht in unzulässiger Weise in die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde aus Art. 57, 59 Elektr-RL eingreifen würden.191 Das Gericht begründete seine Auffassung damit, dass die Festlegungskompetenz nicht alleine der Regulierungsbehörde obliege, sondern die Richtlinie an die Mitgliedstaaten gerichtet sei und diese bei der Erreichung des Ziels in der Wahl der Form und Mittel frei seien.192 Der nationale Gesetzgeber, der über einen sehr weiten Gestaltungsspielraum verfüge,193 dürfe sich daher auch für eine normierende Regulierung entscheiden, die, – wie vom BVerfG bestätigt worden sei – eine abstraktgenerelle Methodenbestimmung durch den Verordnungsgeber vorsehen dürfe ohne
187
Vgl. dazu Teil 4 B. I. 1. bis 5. Strauß/Meyer, EWeRK 2018, 185 (199). 189 Britz, EuR 2006, 46 (60); Ludwigs, N&R 2018, 262 (264); Strauß/Meyer, EWeRK 2018, 185 (199); Ludwigs, EnWZ 2019, 160. 190 Vgl. Pressemitteilung v. 19.07.2018, abrufbar unter http://europa.eu/rapid/press-release_ IP-18-4487_EN.htm, Stand 28.11.2020; ähnliche Zweifel äußerte bereits Britz, EuR 2006, 46 (60), die das durch den Verordnungsgeber vorgegebene Regulierungsprogramm im Ergebnis aber als „wohl“ unionsrechtskonform einstufte. 191 OLG Düsseldorf EnWZ 2018, 267 (269) Rn. 56 ff. 192 OLG Düsseldorf EnWZ 2018, 267 (269) Rn. 61 f. 193 OLG Düsseldorf EnWZ 2018, 267 (270) Rn. 66. 188
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gegen Europarecht zu verstoßen.194 Zudem beziehe sich vor dem Hintergrund der demokratischen Legitimation die unionsrechtlich geforderte Unabhängigkeit nur auf den Kernbereich der Entscheidung der Regulierungsbehörde, die durch die Unabhängigkeit der Beschlusskammern gewahrt sei.195 Immerhin kämen der Regulierungsbehörde Festlegungsbefugnisse nach den StromNZV/GasNZV und StromNEV/GasNEV zu.196 Auf die „Befugnis“-Norm aus Art. 59 Abs. 7 Elektr-RL und Art. 41 Abs. 6 Gas-RL ging das Gericht dabei nicht ein. Das OLG Düsseldorf übersieht bei seiner „einseitigen Argumentation“197 zunächst diese eindeutige Aufgabenzuweisung in Art. 59 Abs. 7 Elektr-RL und Art. 41 Abs. 6 Gas-RL. Wenn schon der nationale Gesetzgeber keine einschränkenden oder abweichenden Vorgaben machen darf, dann kann die Zuständigkeit erst recht nicht dem Verordnungsgeber zukommen.198 Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Richtlinie an die Mitgliedstaaten gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV gerichtet ist und somit grundsätzliche Wahlfreiheit bezüglich der Form und Mittel besteht. Es wurde schon an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass diese Wahlfreiheit nur soweit besteht, wie die Richtlinie Spielräume zulässt.199 Die Richtlinie kann Form und Mittel der Durchführung vorgeben, wenn andernfalls ihre Zielerreichung gefährdet wäre. Ziel des dritten Energierichtlinienpaketes ist unter anderem die Stärkung der Unabhängigkeit der NRB, die Harmonisierung des nichtdiskriminierenden Netzzugangs sowie weiterhin die Gewährleistung eines europaweit nachhaltigen Wettbewerbs.200 Um dieses Ziel effektiv zu erreichen, wurden gerade die spezifischen Zuständigkeiten der NRB ausgeweitet.201 Die Stärkung der Unabhängigkeit der NRB und die Harmonisierung der Befugnisse würden nicht in gleicher Weise erreicht werden, wenn bestimmte Entscheidungen nicht den entsprechenden Behörden zukommen würden. Der Unionsgesetzgeber durfte daher die Aufgabe der Festlegung oder Genehmigung von Tarifen oder Methoden ausdrücklich der NRB in Art. 59 Abs. 7 Elektr-RL und Art. 41 Abs. 6 Gas-RL zuweisen. Die Festlegung der Me-
194
(234). 195
OLG Düsseldorf EnWZ 2018, 267 (269) Rn. 65; zustimmend Mohr, EuZW 2019, 229
OLG Düsseldorf EnWZ 2018, 267 (271) Rn. 69; Mohr, EuZW 2019, 229 (234). OLG Düsseldorf EnWZ 2018, 267 (270) Rn. 64. 197 Strauß/Meyer, EWeRK 2018, 185 (198). 198 Eindeutig auch EuGH, Urt. v. 29.10.2009, Rs. C-274/08 (Kommission/Schweden) = BeckRS 2009, 71214 Rn. 29 ff. und EuGH, Urt. v. 29.10.2009, Rs. C-474/08 (Kommission/ Belgien) = BeckRS 2011, 87209 Rn. 24 ff.; ähnlich Attendorn, Regulierungsbehörde, S. 139 m. w. N.; insoweit stringent BGH, Beschl. v. 08.10.2019, EnVR 58/18 = BeckRS 2019, 32327 Rn. 37 und Rn. 41. 199 Vgl. Teil 3 A. II. 1. a). 200 Vgl. Teil 1 C. II. 2. 201 S. nur Erwägungsgrund 33 f. der Elektr-RL 2009. 196
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thoden zur Berechnung der Tarife ist die Kernaufgabe der NRB.202 Die Erfüllung dieser Kernaufgabe durch ein anderes Organ, z. B. die Bundesregierung, würde dieser Zielerreichung im Wege stehen. Auch der Verweis des Gerichts auf die BVerfG-Entscheidung, wonach eine normierende Regulierung mit Unionsrecht vereinbar sei, ist unzureichend.203 Das BVerfG machte in dieser Entscheidung Aussagen vor dem unionsrechtlichen Hintergrund lediglich über die Zulässigkeit der ex ante-Entgeltgenehmigung nach § 23a EnWG.204 Im Übrigen wurde die Problematik um die konkrete Aufgabenzuweisung zur Tarifbestimmung oder Methodenbestimmung an die Regulierungsbehörde, den Verordnungsgeber oder den Gesetzgeber nicht aufgeworfen. Die unionsrechtlichen Vorgaben verbieten eine normierende Regulierung nicht. Insoweit ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 Elektr-RL und Art. 32 Abs. 1 Gas-RL, dass der Gesetzgeber ein System für den Zugang Dritter schaffen muss. Ob dies durch administrative oder normierende Regulierung erfolgt, bleibt dem Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers überlassen.205 Alleine die Festlegung von Tarifen und Methoden zur Berechnung, für die gerade die spezielle Regelung in Art. 59 Abs. 7 Elektr-RL und Art. 41 Abs. 6 Gas-RL geschaffen wurde, wird der Gestaltungsspielraum eingeschränkt. Das OLG Düsseldorf stellt abstrakt zwar die richtigen Maßstäbe auf, indem es von der Zulässigkeit abstrakt-genereller Methodenbestimmung ausgeht, wendet diese Maßstäbe auf die konkret in Frage stehenden Normen der StromNEVaber nicht konsequent an.206 Denn die Vorgaben in der StromNEV und GasNEV sind bei weitem nicht mehr bloß abstrakt-genereller Natur.207 Detaillierte und abschließende normative Vorgaben entwerten die Schlüsselrolle der Regulierungsbehörde. Soweit dem nationalen Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum verbleibt, z. B. für die Auswahl zwischen einer Anreizregulierung und einem Einzelgenehmigungsverfahren, kann er diese Entscheidung auf den Verordnungsgeber delegieren. Dies gilt hingegen nicht, wenn der nationale Gesetzgeber selbst nicht über einen Spielraum verfügt. Insoweit verstoßen entsprechende Vorgaben in der StromNEV und GasNEV schon gegen Art. 59 Abs. 7 Elektr-RL und Art. 41 Abs. 6 Gas-RL. Hinzu kommt, dass sich aus der Unabhängigkeit der NRB gem. Art. 57 Abs. 4 Elektr-RL und Art. 39 Abs. 4 Gas-RL ergibt, dass sie im Rahmen ihrer Zuständigkeit keinen Weisungen oder sonstigen politischem Druck unterliegen darf. 202 So auch im Arbeitspapier (commission staff working paper on the Regulatory Authorities) der Kommission v. 22.01.2010, S. 12 f. („coure duties“). 203 Ludwigs, EnWZ 2019, 160. 204 BVerfG NVwZ 2010, 373 (377) Rn. 35 f. 205 BVerfG NVwZ 2010, 373 (377) Rn. 35. 206 Auch Mohr, EuZW 2019, 229 (234) zieht als Beispiel die Festlegungsbefugnis für Vertragsinhalte heran, äußert sich aber nicht zu den problematischen Vorgaben in der Entgeltregulierung; s. A. I. 1. a). 207 So auch BGH, Beschl. v. 08.10.2019, EnVR 58/18 = BeckRS 2019, 32327 Rn. 39 f.
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Die politische Unabhängigkeit umfasst sowohl Einzelweisungen als auch allgemeine Weisungen im Zusammenhang mit den Regulierungsaufgaben und -befugnissen.208 Damit ist schon der Behauptung des OLG Düsseldorf zu begegnen, die Unabhängigkeit beziehe sich nur auf den Kernbereich der Regulierungsbehörde.209 Zwar handelt es sich bei den Vorgaben der StromNEV und GasNEV nicht um Weisungen i. S. d. nationalen Begriffsverständnisses. Allerdings wurde bereits festgestellt, dass die „Weisung“ i. S. d. Richtlinien jede Handlung umfasst, die zur Einhaltung auffordert. Das Gebot der Weisungsfreiheit und der Freiheit von politischem Druck wird insbesondere durch derart detaillierte verordnungsrechtliche Vorgaben umgangen.210 Die durch die Bunderegierung erlassenen Vorgaben stellen mithin in gleicher Weise unzulässige „Weisungen“ dar. Die Vorgaben des Verordnungsgebers zur Festlegung von Methoden zur Berechnung greifen in die Unabhängigkeit der BNetzA ein, denn ihr kommt dabei nur noch eine vollziehende Funktion zu; die politischen Entscheidungen werden von der Bundesregierung getroffen. bb) Rechtsbeschwerde zum BGH Im Rechtsbeschwerdeverfahren bestätigte der BGH die Entscheidung des OLG Düsseldorf zwar im Ergebnis, lies vor dem Hintergrund des noch laufenden Vertragsverletzungsverfahrens aber abschließend offen, ob die für den Streitfall maßgeblichen Regelungen mit Unionsrecht vereinbar sind.211 Nichtsdestotrotz neigte der Senat zu der Auffassung, dass sie in Einklang mit unionsrechtlichen Vorgaben stünden, begründete dies aber anders als das OLG Düsseldorf mit der „Befugnis“Norm aus Art. 59 Abs. 7 a) Elektr-RL (in der Entscheidung noch Art. 37 Abs. 6 Elektr-RL 2009). Diese sei dahin auszulegen, dass die Regulierungsbehörde zwar unabhängig über die Anwendung und Ausfüllung des normativen Rahmens zu entscheiden habe, die Setzung dieses Rahmens aber durch diejenigen Organe zu erfolgen habe, denen diese Befugnis nach innerstaatlichem Recht zustünde.212 Anders gewendet sei den europäischen Vorgaben nicht zu entnehmen, dass die Mitgliedstaaten sich jeglicher Normsetzung zu Fragen der Bewertung von Anlagevermögen, der kalkulatorischen Verzinsung des Eigenkapitals und der Ermittlung des bei beeinflussbaren Kostenanteilen zu berücksichtigenden Effizienzwerts für die Betreiber von Elektrizitätsnetzen zu enthalten und alle damit in Zusammenhang stehenden Entscheidungen der Regulierungsbehörde zu überlassen hätten;213 ent-
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S. Teil 2 D. III. 1. Ebenso Strauß/Meyer, EWeRK 2018, 185 (199), die in diesem Zusammenhang insbesondere die bloße Unabhängigkeit der Beschlusskammern als nicht ausreichend erachten. 210 Vgl. ausführlich bereits unter Teil 2 D. III. 3. 211 BGH, Beschl. v. 08.10.2019, EnVR 58/18 = BeckRS 2019, 32327 Rn. 59. 212 BGH, Beschl. v. 08.10.2019, EnVR 58/18 = BeckRS 2019, 32327 Rn. 45. 213 BGH, Beschl. v. 08.10.2019, EnVR 58/18 = BeckRS 2019, 32327 Rn. 51. 209
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sprechend könne der nationale Gesetzgeber die ihm zustehende Befugnis auch auf den Verordnungsgeber delegieren.214 Dem BGH ist insoweit zuzustimmen, dass der nationale Gesetzgeber nur solche Entscheidungen delegieren darf, die er auch selbst treffen dürfte. Letztlich wird Art. 59 Abs. 7 a) Elektr-RL den Maßstab dafür setzen, welche konkreten Entscheidungen der NRB zu übertragen sind. Dies hängt im Ergebnis davon ab, wie weit die Befugnis zur Festlegung der Tarife oder Methoden zur Berechnung auszulegen ist. Eine weitere Auslegung, als sie der BGH bevorzugt, wäre vor dem Hintergrund der europäischen Rechtsprechung im Telekommunikationsrecht nur konsequent (c)). c) Bedeutung für die StromNEV, GasNEV und ARegV Abzuwarten bleibt, wie weit der EuGH die Befugnis zur Festlegung der Tarife oder Methoden zur Berechnung auslegen wird, mithin welche Entscheidungen unter diese Begrifflichkeiten fallen. In Anlehnung an die europäische Rechtsprechung im Telekommunikationsrecht ist davon auszugehen, dass auch im Energiesektor ein sehr weiter Maßstab angelegt wird.215 Dies wäre vor dem Hintergrund der konkreten Aufgabenzuweisung an die NRB und dem strikten Unabhängigkeitsparadigma nur konsequent. Es begegnet zwar keinen Bedenken, dass die Anwendung der Anreizregulierung durch den Verordnungsgeber in § 1 Abs. 1 S. 2 ARegV und nicht durch die BNetzA festgelegt wurde; der Gesetzgeber hat einen Gestaltungsspielraum, ob er eine Methoden- oder Einzelentgeltgenehmigung einführt216 und durfte diese Entscheidung entsprechend auf den Verordnungsgeber übertragen. Je nachdem wie weit man den Begriff der „Festlegung von Methoden zur Berechnung“ aber auslegt, könnte schon die Bestimmung des § 4 Abs. 1 ARegV, nach der die Anreizregulierung im Wege der Bildung von Erlösobergrenzen zu erfolgen hat, unzulässig sein. Es gibt verschiedene methodische Ansätze für eine Anreizregulierung, insbesondere kann sie durch Preisobergrenzen (Price-Cap), Erlösobergrenzen (Revenue-Cap) oder durch einen Vergleichswettbewerb (Yardstick-Konzept) erfolgen.217 Es ist daher denkbar, dass diese Entscheidung der NRB zugewiesen werden müsste. Auch die Verordnungsermächtigung aus § 21a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 EnWG wäre dann europarechtswidrig. Unzulässig dürften jedenfalls vereinzelte Vorgaben zur Ermittlung des Anlagevermögens und zur angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals sein. Die Ermittlung des Anlagevermögens als Grundlage für die Abschreibungen und Zinsen 214
BGH, Beschl. v. 08.10.2019, EnVR 58/18 = BeckRS 2019, 32327 Rn. 41. Vgl. zum viel zu weitgehenden Begriffsverständnis der „Verpflichtungen“ i. S. d. Art. 74 Abs. 1 TK-Kodex EuGH, Urt. v. 14.01.2016, Rs. C-395/14 (Vodafone) = MMR 2017, 318 (319) Rn. 37 f. und Rn. 42. 216 Vgl. Meinzenbach, Anreizregulierung, S. 69 ff. 217 Müller-Kirchenbauer, in: Theobald/Kühling, EnWG, § 21a, Rn. 42 ; eingehend Meinzenbach, Anreizregulierung, S. 180 ff. 215
B. Entgeltregulierung, §§ 21, 21a EnWG
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ist in den §§ 6 Abs. 1 und Abs. 2, 7 Abs. 1 StromNEV/GasNEV genau vorgegeben, sodass die Regulierungsbehörde zwischen Alt- und Neuanlagen sowie der Fremdund Eigenkapitalquote zu unterscheiden hat und entsprechend die historischen oder hypothetischen Kosten anzusetzen hat.218 Eine andere Berechnungsmethode steht ihr dabei nicht zur Verfügung. Dabei müsste es der NRB überlassen werden, nicht nur ausschließlich eine der beiden Methoden heranzuziehen, sondern beide Methoden zu berücksichtigen und zu prüfen.219 Gleiches gilt für die konkreten Vorgaben aus §§ 6 Abs. 3 S. 2, 6a StromNEV/GasNEV bzgl. der Umrechnung der historischen Kosten auf Tagesneuwerte. Die Entscheidung, ob überhaupt die Indexreihen des Statistischen Bundesamtes heranzuziehen sind oder ob eine andere Methode in Betracht kommt, sowie welche Indexreihen herangezogen werden, muss der Regulierungsbehörde übertragen und nicht vom Verordnungsgeber verbindlich vorgegeben werden. Für die Fremdkapitalverzinsung sieht § 5 Abs. 2 StromNEV/GasNEV zwingend vor, dass diese in tatsächlicher Höhe, höchstens in der Höhe kapitalmarktüblicher Zinsen, einzustellen sind. Die BNetzA hat daher zum einen nicht die Möglichkeit, sich für den WACC-Ansatz zu entscheiden, sondern sie muss die kalkulatorischen Eigenkapitalkosten getrennt von den aufwandsgleichen Fremdkapitalkosten ermitteln.220 Zum anderen verbleibt der Regulierungsbehörde bei der Ermittlung des Fremdkapitalanteils keine Methodenwahl zwischen der Bewertung nach den Buchwerten oder nach den Marktwerten. Gleiches gilt für die detaillierte Berechnungsvorgabe des EK II-Zinssatzes gem. § 7 Abs. 1 S. 5, Abs. 7 StromNEV/GasNEV.221 Die den konkreten Regelungen in der StromNEV und GasNEV zugrundeliegende Verordnungsermächtigung aus § 24 Abs. 1 S.1 Nr. 1 und S. 2 Nr. 4 EnWG ist in gleicher Weise unzulässig. Dass der Verordnungsgeber in § 9 Abs. 2 ARegV den generellen Produktivitätsfaktor für die ersten beiden Regulierungsperioden verbindlich vorgegeben hat, war ebenfalls unzulässig.222 Seit der mittlerweile angelaufenen dritten Regulierungsperiode übernimmt richtigerweise die BNetzA gem. § 9 Abs. 3 ARegV diese Aufgabe; insbesondere gibt die Verordnung an dieser Stelle keine Methode vor. Es obliegt alleine der BNetzA nach Maßgabe von Methoden, die dem Stand der Wissenschaft entsprechen, den generellen Produktivitätsfaktor zu ermitteln. Die Vorgaben sind methodenoffen223 und insoweit unionsrechtskonform. In der Praxis un-
218
Vgl. Teil 4 B. I. 1. a). Zur gleichen Situation im Telekommunikationssektor bereits EuGH, Urt. v. 24.04.2008, C-55/06 (Arcor) = NJOZ 2008, 1775 (1787) Rn. 119. 220 Vgl. Berndt, Anreizregulierung, S. 93 und S. 131; zum WACC-Ansatz s. Teil 3 C. I. 2. b). 221 Vgl. Teil 4 B. I. 1. b). 222 Vgl. Teil 4 B. I. 2. 223 Mengering, Entgeltregulierung, S. 332 f. m. w. N. 219
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Teil 4: Energierecht
terscheidet die BNetzA zwischen dem Törnquist-Index und dem Malmquist-Index und trifft bei der Auswahl eine sorgfältig begründete Abwägungsentscheidung.224 Auch die Vorgaben zum bundesweiten Effizienzvergleich aus § 12 Abs. 1 ARegV und zum internationalen Effizienzvergleich aus § 22 ARegV schränken den Entscheidungsspielraum der Regulierungsbehörde hinsichtlich der Methodenwahl zu sehr ein.225 Von den zur Verfügung stehenden möglichen Benchmarking-Methoden beschränkt die ARegV die Methodenwahl auf die DEA und die SFA und gibt vor, wann welcher Methode der Vorrang einzuräumen ist.226 Der Regulierungsbehörde verbleibt zudem im Rahmen des bundesweiten Effizienzvergleichs nicht die Möglichkeit von anderen Methoden, z. B. analytischen Kostenmodellen, Gebrauch zu machen.227 Gleiches gilt für den Effizienzvergleich von Fernleitungs- und Übertragungsnetzbetreibern nach § 22 ARegV, wo die Reihenfolge der anzuwendenden Methoden verbindlich festgelegt wird; zwar kann die Regulierungsbehörde ergänzend analytische Kostenmodelle heranziehen, der Spielraum bleibt aber auf den Grundsatz der Anwendung der DEA und SFA beschränkt. Noch stärkere Beschränkungen gibt es im vereinfachten Verfahren nach § 24 Abs. 2 ARegV. Einzig die methodenoffene Ausgestaltung der Auswahl der Vergleichsparameter nach § 13 Abs. 3 S. 7 ARegV dürfte den unionsrechtlichen Vorgaben genügen. Dies gilt auch für die Ermittlung und Gewichtung der Kennzahlen für die Qualitätsvorgaben nach §§ 18 ff. ARegV.228 Je nachdem wie weit die Befugnis zur Festlegung der Methoden i. S. d. Art. 59 Abs. 7 a) Elektr-RL und Art. 41 Abs. 6 a) Gas-RL ausgelegt wird, sind die einschränkenden Vorgaben der ARegV, StromNEV und GasNEV unzulässig. Jedenfalls können konkrete Vorgaben dazu, welche Methode im Einzelfall heranzuziehen ist, nicht durch den Verordnungsgeber ergehen. Im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung des EuGH ist zu erwarten, dass er auch diesbezüglich einen weiten Maßstab anlegt, was zu einer vollumfänglichen Novellierung des Energierechts führen dürfte.229 Mit der Verschiebung der Methodenvorgaben auf die einfach-gesetzliche Ebene wird die Unionsrechtswidrigkeit nicht beseitigt werden.230 Dadurch würde zwar das Problem der fehlenden Unabhängigkeit gelöst werden, weil die politische Unabhängigkeit nur das Verhältnis zur Gubernative, nicht aber das Verhältnis zur Legislative betrifft.231 Das Problem des Verbots legislativer Vorstruktu224 Vgl. BNetzA, Konsultationsentwurf, BK4 – 18 – 056, S. 4 ff. und S. 45 f.; vgl. auch Scholtka/Keller-Herder, NJW 2019, 897 (898 f.). 225 Vgl. Teil 4 B. I. 3. 226 Vgl. Mengering, Entgeltregulierung, S. 396 ff. 227 Zu analytischen Kostenmodellen als mögliche Methode Meinzenbach, Anreizregulierung, S. 124 ff. 228 Dazu Teil 4 B. I. 4. 229 Ludwigs, EnWZ 2019, 160 (162). 230 So der Vorschlag von Burgi, NVwZ-Editorial, Heft 23/2018. 231 Vgl. Teil 2 D. III. 2.
B. Entgeltregulierung, §§ 21, 21a EnWG
253
rierung bleibt aber bestehen; aus der eindeutigen Kompetenzzuweisung ergibt sich, dass die Methodenwahl nicht durch den nationalen Gesetzgeber erfolgen darf, sondern in die Entscheidungskompetenz der Regulierungsbehörde fallen muss.232 d) Fazit zur normierenden Vorstrukturierung Das Verbot normativer Vorstrukturierung für den nationalen Gesetzgeber folgt aus Art. 59 Abs. 7 a) Elektr-RL und Art. 41 Abs. 6 a) Gas-RL. Die Festlegung konkreter Tarife und der Methoden zur Berechnung obliegt nach dem Sekundärrecht der NRB; anderweitige oder einschränkende Vorgaben wären an dieser Stelle unionsrechtswidrig. Da die materiellen Vorgaben zur Entgeltregulierung und Entgeltbildung im EnWG nur oberflächlich ausgestaltet sind, begegnen ihnen grundsätzlich keine unionsrechtlichen Bedenken. Etwas Anderes gilt für die detaillierten Vorgaben in der StromNEV, GasNEV und ARegV. Das Verbot legislativer Vorstrukturierung für den Verordnungsgeber folgt ebenso aus der Kompetenzzuweisung an die NRB gem. Art. 59 Abs. 7 a) Elektr-RL und Art. 41 Abs. 6 a) Gas-RL. Darüber hinaus umgeht die Regierung damit die geforderte politische Unabhängigkeit der BNetzA. Entsprechend ist auch die Verordnungsermächtigung, insbesondere in § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EnWG, europarechtswidrig. Je nachdem wie weit man den Begriff der „Festlegung von Methoden“ auslegt, hat dies weitreichende Konsequenzen für die nationalen Verordnungen. Dies kann sogar dazu führen, dass es einer umfangreichen Novellierung des Energierechts bedarf, wobei zwar im Grundsatz eine normierende Regulierung beibehalten werden kann, die Festlegung der Berechnungsmethoden aber nur durch die Regulierungsbehörde erfolgen darf. Das im Frühjahr 2021 zu erwartende Urteil des EuGH im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2014/2285 wird vermeintlich Klarheit bringen. Eine Hinwendung zur administrativen Regulierung nach dem Vorbild des Telekommunikationssektors scheint bei einer entsprechenden Entscheidung des EuGH nicht ausgeschlossen. 2. Europarechtliche Pflicht zur Reduzierung der Kontrolldichte Die zwingend durch den nationalen Gesetzgeber der BNetzA einzuräumenden Spielräume hinsichtlich der Festlegung der Berechnungsmethoden müssen sich nicht zwangsläufig auf die Judikative erstrecken.233 Eine solche Folge müsste sich mittels Auslegung aus dem Unionsrecht ergeben. Allerdings lassen sich insbesondere den Art. 59 Abs. 7 a) Elektr-RL und Art. 41 Abs. 6 a) Gas-RL keine Vorgaben zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle und der Kontrolldichte entnehmen.234 Die gerichtliche Kontrolldichte fällt damit in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. 232 233 234
So auch Ludwigs, EnWZ 2019, 160 (161). Gärditz, DVBl 2016, 399 (404). Dazu unter Teil 4 A. I. 1. b) aa).
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Teil 4: Energierecht
Etwas Anderes kann sich trotz der Leitlinienkompetenz der Kommission aus Art. 61 Abs. 2, 59 Abs. 2 c) StromhandelZVO und aus Art. 23 Abs. 1 d), e), 8 Abs. 6 e) ErdgasZVO auch nicht aus dem Prüfungsverfahrens nach Art. 63 Abs. 6 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 6 Gas-RL ergeben. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Norm kann sie keine Kontrolldichtereduzierung im Wege des effet utile bewirken.235 Ein Letztentscheidungsrecht kommt der Regulierungsbehörde daher aus dem Unionsrecht nicht zu.
III. Fazit zur Entgeltregulierung Die Entgeltregulierung im Energiesektor ist im Gegensatz zum Telekommunikationssektor flächendeckend geregelt. Der Regulierungsbehörde kommt dabei nicht die Möglichkeit zu, zu entscheiden, ob ein Unternehmen der Regulierung unterworfen wird. Allerdings muss der Regulierungsbehörde nach Art. 59 Abs. 7 a) Elektr-RL und Art. 41 Abs. 6 a) Gas-RL die Festlegung konkreter Tarife und der Methoden zukommen. Der nationale Gesetzgeber ist an dieser Stelle verpflichtet, der Regulierungsbehörde einen entsprechenden Spielraum einzuräumen. Dieser Spielraum darf auch nicht durch eine Delegation an den Verordnungsgeber umgangen werden. Diesen Anforderungen wird das aktuell geltende Energierecht nicht gerecht, die ARegV, StromNEV und GasNEV enthalten kaum Spielräume. Das Verbot legislativer Vorstrukturierung für den Verordnungsgeber folgt sowohl aus der Kompetenzzuweisung an die NRB als auch aus der notwendigen politischen Unabhängigkeit der BNetzA. Es bleibt abzuwarten, wie weit der EuGH im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2014/2285 den Begriff der „Festlegung von Methoden“ auslegen wird. Dies kann zu einer Notwendigkeit der Neuregelung des Energiesektors führen. Die vom Unionsrecht vorgesehenen Spielräume schlagen sich aber (noch) nicht auf die Judikative durch. Aufgrund der Rechtswidrigkeit des Prüfungsverfahrens scheidet eine Diskussion über eine Kontrolldichtereduzierung im Wege des effet utile aufgrund des echten Vetorechts aus. Ein Letztentscheidungsrecht kommt der Regulierungsbehörde daher aus dem Unionsrecht nicht zu. Das bedeutet nicht, dass die Reduzierung der Kontrolldichte im Energierecht überhaupt nicht möglich ist. Vielmehr besteht die Möglichkeit des Unionsgesetzgebers an dem echten Vetorecht der Kommission festzuhalten. Hierfür müsste er aber konkrete Maßstäbe für den Prüfungsumfang festlegen. Der Verweis auf die Leitlinien ist nicht ausreichend. Die Ausgestaltung des Regulierungsverbundes könnte dann auch entsprechende Wirkungen auf die gerichtliche Kontrolldichte haben.
235
Teil 4 A. I. 1. b) bb).
C. Verfassungsrechtliche Bewertung
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C. Verfassungsrechtliche Bewertung Wie aufgezeigt, kann auch im Energiesektor das zugrundeliegende Unionsrecht an einzelnen Stellen die Einräumung von Spielräumen durch den Gesetzgeber und die gerichtliche Kontrolldichtereduzierung begründen. Die verfassungsrechtliche Bewertung dieser Letztentscheidungsspielräume hat sich mithin am Maßstab des Art. 23 GG zu orientieren. Verfassungsrechtlich unzulässig sind die unionsrechtlich vorgegebenen Letztentscheidungsspielräume der Regulierungsbehörde nur, wenn dadurch in den Identitätsbereich der Verfassung eingegriffen wird (Identitätskontrolle) oder die unionsrechtlichen Vorgaben sich außerhalb der rechtlichen Grenzen bewegen (ultra vires). Vorliegend sind aber sowohl das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip (I.) als auch die Rechtsshutzgarantie (II.) hinreichend gewahrt.
I. Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip Das Prinzip der Gewaltenteilung ist durch die unionsrechtlichen Vorgaben nicht verletzt. Bei der geringen Anzahl an Letztentscheidungsspielräumen werden die Funktionen der Gesetzgebung und Rechtsprechung nur marginal tangiert.236 Das gilt insbesondere für die Zuweisung der Festlegung von Tarifen oder Methoden an die Regulierungsbehörde. Durch die Beschränkung des Spielraums auf die Methodenwahl wird der Kernbereich der Funktionen nicht berührt.237 Dem nationalen Gesetzgeber kommt dabei weiterhin die Aufgabe zu, die wesentlichen Entscheidungen durch Legislativakt selbst zu treffen. Durch die punktuelle Rücknahme der Kontrolle wird zudem der Kernbereich der Judikative nicht berührt. Eine Rechtskontrolle findet weiterhin statt; dass sich das Gericht dabei auf eine Vertretbarkeitskontrolle zu beschränken hat, greift nicht in seine Kernaufgaben ein. Auch der Bestimmtheitsgrundsatz ist gewahrt, da die Entscheidungen der Regulierungsbehörde in der Sache für den Einzelnen vorhersehbar sind.238
II. Rechtsschutzgarantie der materiellen Grundrechte Gerade im Verwaltungsverbund ist zwischen dem Rechtsschutz auf nationaler Ebene und dem Rechtsschutz auf europäischer Ebene zu unterscheiden.239 Für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Letztentscheidungsspielräume nationaler Behörden ist zunächst der Rechtsschutz gegen ebendiese Behördenentscheidungen 236
Allgemein dazu vgl. Teil 2 A. I. So auch Ludwigs, N&R 2018, 262 (263), der es als fragwürdig ansieht, dass das OLG Düsseldorf die Möglichkeit der abstrakt-generellen Methodenregulierung dem Schutz der nationalen Identität zuordnen will. 238 Zum unantastbaren Kerngehalt des Bestimmtheitsgebots s. Teil 3 D. I. 239 Zum Trennungsprinzip bereits Teil 2 D. IV. 237
256
Teil 4: Energierecht
auf nationaler Ebene maßgeblich (1.). Darüber hinaus kann mangelnder Rechtsschutz auf europäischer Ebene gegen Entscheidungen der EU-Organe den europäischen Verwaltungsverbund insgesamt und damit auch seine Auswirkungen auf die Kontrolldichte auf nationaler Ebene in Frage stellen (2.). 1. Rechtsschutz auf nationaler Ebene Die Gewährleistung umfassenden und wirksamen Rechtsschutzes ergibt sich aus den Grundrechten.240 Hier maßgebliche Grundrechte sind die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG und die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG.241 Verfassungsrechtlich bedenklich ist die Rücknahme der gerichtlichen Kontrolle am Maßstab des Art. 23 GG aber nur dann, wenn dadurch in die unantastbare Integrität des Grundgesetzes nach Art. 79 Abs. 3 GG eingegriffen wird. Der Wesensgehalt des effektiven Rechtsschutzes ist dann berührt, wenn Rechtsschutz überhaupt nicht gewährleistet wird oder wenn das Kontrolldichteniveau auf ein Maß reduziert wird, bei dem wirksamer Rechtsschutz nicht mehr zu erzielen ist.242 Auf nationaler Ebene sind alle Entscheidungen der Regulierungsbehörde im Wege der Beschwerde nach § 75 Abs. 1 EnWG angreifbar. Da eine Verfahrensstufung wie im Telekommunikationssektor nicht existiert, ergeben sich auch keine Probleme mit inzidenten Prüfungsgegenständen. Eine über das normale Maß an Letztentscheidungsbefugnissen hinausgehende Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle ist im Energiesektor noch lange nicht erreicht. Mangels Rechtswirksamkeit des Prüfungsverfahrens aus Art. 63 Abs. 4 bis Abs. 7 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 4 bis Abs. 7 Gas-RL können nur die Vetorechte der Kommission aus Art. 48 Abs. 2 Gas-RL, Art. 36 Abs. 9 Gas-RL und Art. 63 Abs. 8 StromhandelZVO als Argument für eine Rücknahme der Kontrolldichte auf nationaler Ebene angeführt werden. Dabei handelt es sich um einzelne punktuelle Entscheidungen über Regulierungsfreistellungen.243 Dadurch ist ein Leerlauf der gerichtlichen Kontrolle nicht zu befürchten. Insbesondere führen die unionsrechtlichen Vorgaben nicht zu einer Absenkung des Kontrolldichteniveaus. 2. Rechtsschutz auf europäischer Ebene Eine andere Frage ist die des Rechtsschutzes auf europäischer Ebene gegen die Maßnahmen der EU-Organe im Verwaltungsverbund. Wird Rechtsschutz hier nicht hinreichend am Maßstab des europäischen Rechts gewährleistet, kann der Verwal-
240
Vgl. dazu Teil 2 A. III. Vgl. Pielow, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 57 Rn. 33. 242 Gonsior, Verfassungsmäßigkeit, S. 360 f.; Gärditz, Gutachten D 2016, S. 60; zur Rechtsschutzgarantie als Teil des integrationsfesten Kerns s. Teil 3 D. II. 1. 243 Hermeier, Regulierungsverbund, S. 237. 241
C. Verfassungsrechtliche Bewertung
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tungsverbund nicht die dargestellten Wirkungen entfalten.244 Dies ist nicht der Fall, da die Beschlüsse der Kommission nach Art. 48 Abs. 2 Gas-RL, Art. 36 Abs. 9 GasRL und Art. 63 Abs. 8 StromhandelZVO in jedem Fall sowohl vom Freistellungsadressaten als auch von dritten Marktteilnehmern angegriffen werden können.245 Dritte Marktteilnehmer haben ein enormes Interesse an der Entscheidung der Kommission. Die Frage über die Regulierungsfreistellung ist maßgeblich für eine weitergehende Regulierung der Entgelte, sodass sie mit der telekommunikationsrechtlichen Marktdefinition und -analyse im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung für Dritte verglichen werden kann. Da die Marktstellung des Dritten durch eine Regulierungsfreistellung spürbar beeinträchtigt wird, ist auch an dieser Stelle die Klagebefugnis nach Art. 263 Abs. 4 AEUV weit auszulegen.246 Allein im Fall des Art. 48 Abs. 2 UAbs. 1 Gas-RL ist noch eine Zwischenstufe vorgesehen, in der die Kommission zunächst unverbindlich den Widerruf oder die Änderung der Entscheidung verlangen kann. Erst wenn die NRB diesem Verlangen nicht nachkommt, ergeht ein verbindlicher Beschluss. Kommt die Regulierungsbehörde bereits dem Verlangen nach, bedarf es keines verbindlichen Beschlusses mehr. In diesem Fall ist die Kommissionshandlung nicht anfechtbar.247 Allerdings reicht die Anfechtbarkeit der nationalen Behördenentscheidung vor nationalen Gerichten für die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes aus.248 Im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV kann dann auch das Verlangen der Kommission gerichtlich überprüft werden. Gleiches gilt für die Fallvariante, dass die Kommission erst gar nicht die Änderung oder den Widerruf der Entscheidung verlangt, sondern das EU-Beteiligungsverfahren durch Fristablauf endet.249 Auch hier ist für die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes der Zugang zu den nationalen Gerichten maßgeblich. Die Problematik um den Drittschutz stellt sich nicht in gleicher Weise wie im Telekommunikationssektor.250 Die Möglichkeit eines Dritten die Entscheidung der Regulierungsbehörde anzugreifen geht im Energiesektor weiter als im Telekommunikationssektor und entspricht damit dem unionsrechtlichen Standard. Gem. § 75 Abs. 2 EnWG kann jeder am Verwaltungsverfahren nach § 66 Abs. 2 EnWG Beteiligte eine Beschwerde gegen Regulierungsentscheidungen erheben. Der Kreis der Berechtigten geht weit über den Drittschutz aus § 42 Abs. 2 VwGO hinaus, indem 244
Vgl. A. I. 1. b) bb) (1) (c). Wegner, Regulierungsfreistellungen, S. 299 ff.; Simantiras, Netzwerke, S. 218. 246 Wegner, Regulierungsfreistellungen, S. 301 ff. 247 Arndt, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG § 25 Rn. 19. 248 Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV, Art. 19 Rn. 42; Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, S. 445. 249 Der Unterschied zur Fiktion aus Art. 63 Abs. 7 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 7 Gas-RL (vgl. Teil 4 A. I. 1. b) bb) (1) (c)) besteht insbesondere darin, dass der Zeitablauf nur in der frühen Phase vorgesehen ist, in der die Kommission noch nicht beschlossen hat, den Fall weiter zu prüfen und entsprechend noch keine Rechte Dritter tangiert wurden. 250 Hierzu Teil 3 D. II. 2. b). 245
258
Teil 4: Energierecht
jeder, dessen (rechtliches oder wirtschaftliches) Interesse durch die Entscheidung erheblich berührt wird, umfasst wird.251 Ausreichend hierfür ist eine „[…] durch die mittelbaren Folgen der behördlichen Entscheidung hervorgerufene, nicht nur theoretisch denkbare Berührung von Drittinteressen.“252
Da § 66 Abs. 2 EnWG darüber hinausgehend aber auch die Beiladung zum Verwaltungsverfahren durch die Regulierungsbehörde vorsieht, ist der Kreis der Berechtigten auf materiell Beschwerte auszudehnen.253 Das EnWG gewährleistet mithin ausreichenden Drittschutz i. S. d. Unionsrechts.254 Zudem ist die Kontrolle der nationalen Behördenentscheidung durch nationale Gerichte trotz der Letztentscheidungskompetenzen nach europäischen Maßstäben effektiv. Es wird eine Vertretbarkeitskontrolle durchgeführt, die über die Mindestanforderungen des EuGH an den effektiven Rechtsschutz hinausgeht.255
D. Zusammenfassung zu Teil 4 Da sich der Gesetzgeber im Energierecht für eine normative und keine administrative Regulierung entschieden hat, werden den Regulierungsbehörden entsprechend weniger Spielräume als im Telekommunikationsrecht zugestanden. Doch auch hier ist die Tendenz steigend, Entscheidungsspielräume anzunehmen. Obwohl die Letztentscheidungsbefugnisse noch kein Ausmaß wie im Telekommunikationssektor angenommen haben, werden doch im Hinblick auf den Grundsatz der vollumfänglichen Überprüfbarkeit exekutiven Handelns ungewöhnlich viele Beurteilungsspielräume bzw. Regulierungsspielräume bejaht.256 Die Rechtsprechung unterscheidet dabei dogmatisch nicht mehr zwischen dem Beurteilungsspielraum auf Tatbestandsseite und dem Regulierungsermessen als Abwägungsentscheidung, sondern lässt die Entscheidung stets dahinstehen und überprüft die Behördenentscheidung an beiden Maßstäben.257 Besonders kritisch ist es zu sehen, dass die Rechtsprechung überhaupt keine ordnungsgemäße Begründung für die Herleitung der Spielräume anführt. Sie verweist i. d. R. darauf, dass der Gesetzgeber bzw. der Verordnungsgeber die Methodenwahl oder das Verfahren nicht abschließend vorgegeben haben. Dies für sich genommen reicht aber nicht aus, um nach der nor251
Bejaht etwa für die Festlegung des Eigenkapitalzinssatzes in BGH N&R 2019, 303. Theobald/Werk, in: Theobald/Kühling, EnWG, § 66 Rn. 45. 253 Boos, in: Theobald/Kühling, EnWG, § 75 Rn. 34 ff.; Wegner, Regulierungsfreistellungen, S. 292 ff. 254 Wegner, Regulierungsfreistellungen, S. 296. 255 Zu den Mindestanforderungen s. Teil 2 D. I. 2.; Schoch, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 3, § 50 Rn. 40. 256 Vgl. Pielow, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 57 Rn. 59 f. 257 Zum Prüfungsmaßstab Teil 2 C. III. und Teil 2 C. V. 252
D. Zusammenfassung zu Teil 4
259
mativen bzw. funktionellen Ermächtigungslehre von einer Letztentscheidungsbefugnis der Behörde auszugehen. In den wenigen Fällen, in denen die Methodenwahl noch der Regulierungsbehörde obliegt, erfolgt diese meistens auf Grundlage von Gutachten und Stellungnahmen.258 Warum die Entscheidung nicht auch mit Hilfe sachverständiger Gutachten in einem Gerichtsverfahren vollumfänglich nachgeprüft werden können soll, erklären die Gerichte nicht. Die Herleitung von Letztentscheidungsspielräumen der BNetzA im Energiesektor nach nationalen Maßstäben überzeugt mithin nicht. Eine Herleitung aus europäischen Vorgaben dagegen kann jedenfalls zum Teil erfolgen. Dies betrifft punktuelle Entscheidungen der Regulierungsbehörde über Freistellungen von der Regulierung. Hier steht der Kommission ein echtes Vetorecht zu, das aufgrund des effet utile für eine Reduzierung der nationalen Kontrolldichte spricht. Anders fällt hingegen die Beurteilung auf der Ebene der Ausgestaltung des Netzzugangs und der Entgeltregulierung aus. Die Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens nach Art. 63 Abs. 4 bis Abs. 7 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 4 bis Abs. 7 GasRL ist gemessen an den primärrechtlichen Anforderungen rechtswidrig. Zudem verfügt die Kommission in dieser konkreten Ausgestaltung nicht über die hinreichende demokratische Legitimation. Das echte Vetorecht, das zu einer Reduzierung der Kontrolldichte führen könnte, entfaltet in diesen Konstellationen daher keine Wirkung. Obwohl der Regulierungsbehörde zwingend mehr Spielräume durch den Gesetzgeber einzuräumen sind, müssen sich diese nicht auf die Judikative durchschlagen. Insofern kann eine gerichtliche Vollkontrolle am Maßstab des § 83 Abs. 5 EnWG erfolgen. Nichtsdestotrotz bedarf es einer Reform der Regulierung im Energiesektor. Die stark normierende Regulierung durch die Verordnungen entspricht nicht der Vorstellung des Unionsgesetzgebers. Inwieweit die Regelungen im Detail unzulässig sind, wird sich mit dem voraussichtlich im Frühjahr 2021 abzuwartenden Urteil des EuGH im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2014/2285 herauskristallisieren. Die Tendenz zeigt, dass ein Systemwechsel von der normierenden zur administrativen Regulierung bevorstehen könnte.
258
Zuletzt am Beispiel von § 9 ARegV darstellend Stelter, ENWZ 2017, 147 (150 f.).
Teil 5
Abschließende Beantwortung der Forschungsfragen und Ausblick A. Abschließende Beantwortung der Forschungsfragen Im Folgenden werden die zu Beginn aufgeworfenen Forschungsfragen beantwortet.1 Dies betrifft zum einen die Frage 1, ob das Unionsrecht Letztentscheidungsbefugnisse der Regulierungsbehörde im Rahmen der Netzzugangs- und Entgeltregulierung zwingend vorschreibt (I.) und zum anderen die Frage 2, ob eine etwaige Ausweitung der Letztentscheidungsbefugnisse zu einer verfassungsrechtlich relevanten Diskrepanz zur grundsätzlichen vollumfänglichen Überprüfbarkeit exekutiven Handelns führt (II.).
I. Frage 1 1. Es lassen sich keine allgemeingültigen Aussagen über die unionsrechtlichen Auswirkungen auf die nationale Behördenentscheidung treffen. Beim indirekten Vollzug muss durch Auslegung der Unionsnorm bestimmt werden, ob der nationalen Behörde eine Letztentscheidungsbefugnis eingeräumt ist. Mangels Vorgaben zur gerichtlichen Kontrolle fällt diese grundsätzlich in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. Diese kann an bestimmten Stellen aber durch den Effektivitätsgrundsatz eingeschränkt werden. 2. Sowohl im Telekommunikations- als auch im Energiesektor ist der Regulierungsbehörde dann ein Letztentscheidungsrecht einzuräumen, wenn ihr durch die Richtlinie eine eindeutige Befugnis zugewiesen wird und der Kommission im Verwaltungsverbund ein unechtes Vetorecht für diese Entscheidung zusteht. Dies gilt gleichermaßen für Entscheidungen, die dem echten Vetorecht der Kommission unterfallen, wenn man – wie hier vertreten – davon ausgeht, dass teilverbindliche Beschlüsse im Rahmen des echten Vetorechts lediglich die nationale Behörde und nicht das nationale Gericht binden. 3. Das Letztentscheidungsrecht auf nationaler Ebene bezieht sich dabei auf die Tatbestandsmerkmale, die in den Prüfungsumfang der Kommission fallen. Dazu gehören 1
Vgl. Einl. B. I.
A. Abschließende Beantwortung der Forschungsfragen
261
a) die Marktdefinition und -analyse nach §§ 10, 11 TKG, b) die Auswahl der Zugangsverpflichtungen und die Entscheidung über die Entgeltregulierung in der Regulierungsverfügung nach §§ 13 Abs. 1 S. 1, 21, 30 TKG und in der Zugangsanordnung nach § 25 Abs. 5 TKG, c) die Auswahl des Verfahrens und des Kostenmaßstabs nach § 31 TKG, d) die Entscheidungen nach § 32 TKG, welche Berechnungsgrundlage für die Bewertung des Anlagevermögens und welche Methode für die Zinsermittlung herangezogen werden, e) die Bestimmung des Inhalts der Körbe, die Festlegung des Ausgangsentgeltniveaus und die Bestimmung der Maßgrößen nach § 33 TKG, f) die Entscheidung, Anordnungen nach § 38 Abs. 4 S. 1 und S. 2 TKG zu treffen und g) die Subsumtion unter die unbestimmten Rechtsbegriffe aus § 28a Abs. 1 EnWG und Art. 63 Abs. 1 StromhandelZVO. 4. Keine Letztentscheidungsspielräume lassen sich für die Anwendung der ARegV, StromNEV und GasNEV aus dem Unionsrecht herleiten, da kein wirksames Vetorecht der Kommission besteht. Das Prüfungsverfahren in seiner konkreten Ausgestaltung nach Art. 63 Abs. 4 bis Abs. 7 Elektr-RL und Art. 43 Abs. 4 bis Abs. 7 Gas-RL ist rechtswidrig, weil es sowohl gegen Primärrecht als auch gegen die nationale Verfassungsidentität verstößt.
II. Frage 2 1. Bei einer Gesamtbetrachtung der herausgearbeiteten Letztentscheidungsspielräume führen die unionsrechtlichen Vorgaben jedenfalls im Telekommunikationssektor aufgrund der ungewöhnlich hohen Anzahl zu einer Ausweitung der Letztentscheidungsbefugnisse der BNetzA. 2. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit begegnet am Maßstab des Art. 23 GG keinen durchgreifenden Bedenken. Der Rechtsschutz ist durch den Zugang zu den nationalen Gerichten und der Ausübung einer Vertretbarkeitskontrolle gewährleistet. Gegen die verbindlichen Beschlüsse der Kommission ist die Direktklage nach Art. 263 AEUV vorgesehen und die unverbindlichen Stellungnahmen und Empfehlungen können im Rahmen einer Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV überprüft werden. 3. Darüber hinaus unterliegt die BNetzA erheblichen Einschränkungen bei der Ausübung ihrer Letztentscheidungsrechte. Im Falle des echten Vetorechts wird die Entscheidung in der Sache auf die europäische Ebene verlagert. Im Falle des unechten Vetorechts unterliegt sie der legislativen Vorstrukturierung durch uni-
262
Teil 5: Abschließende Beantwortung der Forschungsfragen und Ausblick
onsrechtliche Rechtsakte und aufgrund der gesteigerten Berücksichtigungspflicht von Empfehlungen der Kontrolle durch die Kommission.
B. Ausblick Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Letztentscheidungsspielräume der BNetzA kein Einzelfall im Telekommunikationssektor sind. Sie ergeben sich auf der einen Seite aus der konkreten Aufgabenzuweisung an die nationalen Behörden und auf der anderen Seite aus der besonderen Verfahrensgestaltung im Verwaltungsverbund. Sie sind damit in jedem Rechtsgebiet denkbar, in dem sich der Unionsgesetzgeber entscheidet, statt des reinen dezentralen oder zentralen Vollzugs von der Mischverwaltung Gebrauch zu machen.2 Die Mischverwaltung fand beispielsweise zuletzt auch Einzug in das Eisenbahnrecht. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass sich die Ergebnisse zum echten und unechten Vetorecht der Kommission auf andere Rechtsgebiete übertragen lassen.3 Durch die Schaffung von Kohärenz mit dem Mittel der Verwaltungskooperation erwachsen aber andererseits weitreichende Probleme. Der Verwaltungsverbund ist ein Kompromiss zwischen dem Vorrang des indirekten Vollzugs und dem Wunsch nach mehr Einflussnahmemöglichkeiten der Kommission. Durch die verschieden ausgestalteten Verflechtungen und Verschränkungen im Verwaltungsverbund wird die Materie undurchsichtig und kompliziert. Die Rücknahme der Kontrolldichte kann sektorübergreifend nur mit dem effet utile begründet werden, was die Rechtsunsicherheit verstärkt. Als Lösungsansatz wird die Auflösung des Trennungs- und Territorialprinzips diskutiert. Danach sollen nationale Gerichte in der Lage sein, Kommissionsentscheidungen und auch Entscheidungen anderer NRB im Verwaltungsverbund zu überprüfen.4 Aufgrund der unterschiedlich ausgestalteten Rechtsschutzsysteme der Mitgliedstaaten könnte dadurch aber gerade das Ziel des Verwaltungsverbundes, das 2
Eine Annäherung der Rechtsprechung zur Kontrolldichte im Eisenbahnrecht an das Telekommunikations- und Energierecht ist vor diesem Hintergrund nicht fernliegend, vgl. Ludwigs, NVwZ 2016, 1665 (1671). 3 Insbesondere in der neuen Recast-RL arbeitet der Unionsgesetzgeber neuerdings mit echten Vetorechten der Kommission, vgl. Art. 61 Recast-RL. Daraus ergibt sich ein Prüfungsrecht der Kommission für Einzelmaßnahmen der Behörden. Im Beratungsverfahren nach Art. 4 Komitologie-VO entscheidet die Kommission, ob die betreffende Maßnahme weiterhin angewendet werden darf, vgl. Art. 61 S. 2, 62 Abs. 2 Recast-RL. Ein Vetorecht der Kommission ist zwar nicht ausdrücklich vorgesehen. Allerdings ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 61 S. 2 Recast-RL, dass die Maßnahme womöglich „weiterhin“ nicht „angewendet werden darf“ („whether the related measure may continue to be applied“). Dies kann auch hier nur als Vetorecht der Kommission für in Art. 61 S. 1 Recast-RL genannten Einzelmaßnahmen verstanden werden. 4 Für die Schaffung einer entsprechenden Rechtsschutzmöglichkeit durch den Unionsgesetzgeber Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 431.
B. Ausblick
263
Unionsrecht einheitlich anzuwenden, verfehlt werden. Einflussnahmemöglichkeiten der Kommission auf nationale Gerichte dürften aufgrund der Unabhängigkeit der Gerichte nicht möglich sein. Bei belastenden Maßnahmen ist daher an der Trennung der Sphären festzuhalten.5 Ein Lösungsansatz könnte vielmehr sein, die Regulierung als Teil der EU-Eigenverwaltung zu regeln (zentrale Regulierung). Das Konsolidierungsverfahren im Telekommunikationssektor ist der Preis „dafür, dass der Richtliniengesetzgeber davon abgesehen hat, selbst konkrete Regulierungsmaßnahmen […] vorzugeben“.6 Der Grund für die Zurückhaltung einer zentralen Regulierung ist der unterschiedliche Entwicklungsstand der Märkte in den Mitgliedsstaaten.7 Man war der Ansicht, dass Wettbewerbsdefizite besser durch nationale Behörde behoben werden können. Durch eine zentrale Regulierung könnten aber Verflechtungen aufgehoben und eindeutige Rechtsschutzmöglichkeiten geschaffen werden. Zu prüfen wäre allerdings, ob ein direkter Vollzug trotz des Vorrangs des indirekten Vollzugs möglich wäre.8 Denkbar wäre auch ein – von der Kommission immer wieder gefordertes – echtes Vetorecht der Kommission in allen Bereichen („veto on remedies“).9 Auch wenn dadurch der dezentrale Vollzug geschwächt würde, könnte die demokratische Legitimation durch die eindeutige Zurechenbarkeit und Anfechtbarkeit der Kommissionsentscheidung gestärkt werden.10 Es bleibt zudem die Möglichkeit der Angleichung des Rechtsschutzsystems an die Rechtsschutzsysteme der anderen Mitgliedsstaaten. Eine Kontrolldichtereduzierung ist nur deshalb vorzunehmen, weil in Deutschland grundsätzlich eine Vollkontrolle vorgenommen wird und damit ein höheres Niveau als in anderen Mitgliedstaaten aufweist.11 Insoweit führt der deutsche Sonderweg zur ineffektiven Anwendung des Unionsrechts. Für einen solchen Weg müssten wesentliche Punkte wie die Klagebefugnis und die Kontrolldichte aufeinander abgestimmt werden.12
5
Sölter, Rechtsgrundlagen, S. 87. Neumann/Sickmann/Alkas/Koch, Reformbedarf, S. 299. 7 Für den Telekommunikationssektor Neumann/Sickmann/Alkas/Koch, Reformbedarf, S. 299. 8 Kritisch Ludwigs, in: Baur/Salje/Schmidt-Preuß, Regulierung in der Energiewirtschaft, Kap. 31 Rn. 43; Simantiras, Netzwerke, S. 246 f.; allerdings lassen Neumann/Sickmann/Alkas/ Koch, Reformbedarf, S. 309 f. anklingen, dass eine zentrale Regulierung durch das GEREK als Agentur möglich wäre. 9 So bereits Trute, in: FS Selmer, S. 584. 10 Kritisch Neumann/Sickmann/Alkas/Koch, Reformbedarf, S. 308 f.; Siegel, Entscheidungsfindung, S. 282. 11 Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 383. 12 Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, S. 380; Steinbeiß-Winkelmann, NJW 2010, 1233 (1237); Ludwigs, DÖV 2020, 405 (414). 6
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Sachwortverzeichnis Abstimmungsverfahren 45, 134 f., 138 f., 147 ff., 161, 167 ff., 183, 185, 243 Abwägung(s) 21 ff., 56, 61 ff., 66 f., 69, 105, 116, 137 f., 147, 153, 157, 222 – -entscheidung 22, 56, 57, 102 f., 121, 126, 137, 142, 147, 151, 163, 170, 175, 183 f., 222, 228, 251 – -fehlerlehre 69, 73 – -gebot 68 – -grundsätze 67 ACER 49 ff., 96, 97, 208, 214, 216, 223, 226, 228 f. Beurteilungsspielraum 22, 57, 60, 63 ff., 72, 77, 80, 113 ff., 151 f., 156 ff., 165 f., 176 f., 204, 225 f., 235, 237 ff. Effektivitätsgrundsatz ! effet utile Effet utile 27, 76 ff., 81, 102, 118 f., 122, 124 f., 127, 133 f., 142, 155, 161, 166, 174, 176, 199, 206 ff., 219, 223 f., 227, 230, 253, 259, 261 Entgeltbildung 252, 153, 233 – anreizorientierte 143, 151, 161, 163, 232 – kostenorientierte 143, 146, 150, 153, 155, 157, 159, 164, 177, 232 f., 244 Entgeltgenehmigung(s) 144, 152, 168, 170 ff., 175, 182, 247, 149 – -pflicht 112, 128, 145, 150 – -verfahren 143, 150, 167, 170 f., 175, 179, 183, 188 Entgeltregulierung 27, 29, 31 f., 43, 48, 51 f., 70, 91, 93, 111, 129, 131, 143 ff., 170, 172, 183, 185, 188 f., 199, 201, 204, 211, 231 f., 234, 242 f., 252 f., 258, 260 Ermächtigungslehre 59 – normative 59, 64, 76, 163 – funktionelle 59 f. GEREK 45, 47, 96 f., 113, 134, 138, 140 ff., 172, 196
Konsolidierungsverfahren 26, 47, 75, 118, 132, 134 ff., 147, 149, 155, 163, 167 ff., 182 f., 185 ff., 192, 196 f., 223, 243, 262 Konsultationsverfahren 47, 75, 95, 117 f., 132, 139, 149, 190, 196 Kontrolldichtereduzierung 62, 123, 149, 155, 161, 163, 206, 208, 219, 221, 223 f., 227, 229 f., 253 f., 262 Letztentscheidung(s) – -befugnis 19 ff., 27 f., 30, 53 ff., 58 ff., 66, 69, 71, 73, 76, 81 f., 94, 109 f., 111, 118, 123, 127, 132, 136 ff., 147, 149 f., 176, 179, 183, 189, 192, 194, 198, 201, 204, 207, 255, 257, 259 – -recht 21, 26, 30 f., 53, 59 f., 62, 75, 118, 123, 127, 134, 138, 140, 142, 189, 192 f., 200, 205, 207, 219, 227, 231, 242 f., 253, 159 f. – -spielraum 24, 61, 73, 79, 81 f., 108, 165, 178, 182, 189 ff., 200, 229, 231, 243, 254, 258, 260 f. Marktanalyse 45 f., 111 ff., 120, 124, 126 f., 138, 197, 200 Marktdefinition 31, 39, 45 f., 50, 72, 111 ff., 134, 138, 150, 167, 182, 192 f., 197 f., 200, 256, 260 Planungsermessen 66 ff., 70 ff. Preisbildung ! Entgeltbildung Prüfungsverfahren 208 ff., 227, 231, 243, 253, 255, 260 Rechtsschutz 22, 26, 30, 48, 51 f., 56 ff., 65, 78 f., 81, 85, 95, 100, 109, 115, 118, 131, 154, 160, 175, 189, 191 ff., 200, 202, 206, 217 f., 254 ff., 260 ff. Regulierung(s) 28, 30, 32 ff., 37 f., 42 f., 48, 52, 91 f., 94, 109, 111 f., 116, 119 f., 143 ff., 150, 167 ff., 175, 179, 184, 187 f.,
Sachwortverzeichnis
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191, 193, 197, 199, 201, 203, 219 f., 231 f., 242, 244 f., 247, 252 f., 256 ff., 262 -adressat 191 f., 194 -behörde 22, 26 f., 30, 32, 37 f., 39, 43, 49 ff., 70, 86, 89, 93, 113, 122, 165, 201, 204 ff., 220 ff., 224 f., 227 ff., 232, 236 f., 239 ff., 250 ff., 254, 256 ff. -ermessen 22 ff., 69 ff., 129 ff., 151 f., 157, 160, 170, 182 ff., 204, 226, 239 f., 241 f. -gesetz ! Regulierungsrecht -recht 21 ff., 26, 31 f., 40, 69, 71, 75, 94, 96, 121, 126 -verbund 75, 94 f., 99, 105, 108 ff., 150, 161, 195, 253 -verfügung 111, 128 ff., 132, 134 f., 139, 143, 148 f., 167, 169 f., 179 ff., 185, 192, 260
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– -ziele 39, 69 f., 92, 130, 151, 153, 157, 164, 176, 184 Verfahrensautonomie 78 ff., 102, 110, 119, 121, 125, 127, 131, 133 f., 136, 141, 147, 154, 160 f., 166 f., 207 f., 223, 252 Vetorecht – echtes 47, 51, 113, 119, 125, 132, 134 f., 139, 141, 149, 166, 189, 193 f., 199, 208 f., 219, 226, 229, 258 f., 262 – unechtes 45, 47, 134 f., 177, 187 f., 193 f., 199, 259 Weisung
40, 86 ff., 94, 248
Zugangsverpflichtung 69, 72, 112, 128, 130, 132, 134 ff., 146 ff., 152, 180, 182, 202, 219, 260